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German Pages 449 [450] Year 2017
Agnieszka Pufelska Der bessere Nachbar?
Agnieszka Pufelska
Der bessere Nachbar?
Das polnische Preußenbild zwischen Politik und Kulturtransfer (1765–1795)
Gedruckt mit Unterstützung des Nordost-Instituts (IKGN e.V.) Lüneburg und der DFG
ISBN 978-3-11-051833-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-052090-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-051863-4 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Rodzicom
Vorwort Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Habilitation, die im Juli 2014 am Historischen Institut der Universität Potsdam eingereicht wurde. Die Idee, das Preußenbild im Polen des 18. Jahrhunderts zu analysieren, geht zurück auf Gespräche mit dem 2008 verstorbenen Historiker und Philosophen Heinz-Dieter Kittsteiner, der mit seinem Buch „Das Komma von Sans, Souci.“ gezeigt hat, dass die Geschichte Preußens kritisch hinterfragt und aus vielfältigen Perspektiven betrachtet werden sollte. Für diese Anregung und für die weisenden Einsichten sei ihm posthum ausdrücklich gedankt. Ihre Ausformung fand die Idee zu dieser Untersuchung in Gesprächen mit dem 2015 verstorbenen Kulturhistoriker Günther Lottes, zunächst noch an dem von ihm geleiteten Forschungszentrum Europäische Aufklärung, später an der Universität Potsdam. Viele seiner Betrachtungen und Konzepte sind – sichtbar und unsichtbar – in dieses Buch eingeflossen; sein Verständnis von Aufklärung als grenzübergreifende Kulturgeschichte hat mich maßgeblich beeinflusst. Ihm, meinem Betreuer, verdanke ich nicht nur ideelle Anregungen, sondern vor allem die Möglichkeit, meine Forschungen bis zum Abschluss der Habilitation und darüber hinaus im fruchtbaren Arbeitskontext der Potsdamer Universität durchführen zu können. Dariusz Dolański sei herzlich dafür gedankt, dass er die Arbeit an diesem Buch mit klugem Rat begleitete und als Gutachter auftrat. Seine Expertise als Frühneuzeithistoriker und seine Forschungen zur polnischen Geschichte prägten entscheidend die hier vorgestellten Thesen. Von Anfang an war auch Iwan-Michelangelo D‘Aprile in die Entstehung dieser Arbeit involviert. Von seinem immensen Wissen, fördernden Wohlwollen und freundschaftlichen Rat habe ich enorm profitiert. Besonders gedankt sei außerdem Uli Räther, Ulrich Moritz und Arend Bruchwitz für ihre Korrekturen und die Vereinheitlichung des Manuskripts. Ein ganz besonderer Dank geht an Matthias Barelkowski; er hat sich als Lektor so sehr für dieses Buch engagiert, dass es geradezu eine Untertreibung ist, ihn hier nur als Lektor aufzuführen. Er hat sich in das Buch eingedacht, viele Hinweise gegeben und konkrete Vorschläge gemacht, die weit über das hinausgehen, was man von einem Lektorat erwarten kann. Für diese außergewöhnliche und inspirierende Unterstützung möchte ich herzlichst danken. Viele Jahre habe ich zur Erstellung dieses Buches in Archiven und Bibliotheken zugebracht. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz (Berlin), des Archivs der Alten Akten (Warschau), der Jagiellonen-Bibliothek (Krakau), um nur drei stellvertretend zu
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Vorwort
nennen, gilt mein Dank für die Recherchehilfe und die unendliche Geduld bei meiner Fragerei. Für ihre großzügige finanzielle Unterstützung danke ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Fritz Thyssen Stiftung. Sie ermöglichte es mir, mit der Forschung zu beginnen und sie ohne existenzielle Sorgen über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgen zu können. Das Fellowship am Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg in Greifswald erlaubte mir zudem, frei von den Zwängen des akademischen Alltags zu arbeiten und die Habilitation in einem fördernden Umfeld entscheidend voran zu bringen. Der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung gilt dafür mein herzlicher Dank. Bedanken möchte ich mich schließlich bei der DFG und insbesondere bei dem Nordost-Institut (IKGN e.V.) in Lüneburg, die in unbürokratischer Weise durch Übernahme der Druckkosten das Erscheinen des Buches ermöglichten. Meine Freundinnen und Freunde in Deutschland, Polen und anderswo haben einen großen Anteil an der Fertigstellung dieses Buchprojektes. Ohne ihre heitere Distanz zu meiner Arbeit und ihren stetigen Einsatz für mein Wohlbefinden hätte ich nicht die Kraft gefunden, jahrelang ein eremitisches Schreibtischleben zu führen. Dafür und für vieles mehr bin ich ihnen zutiefst verbunden. Abschließend möchte ich meinen Eltern, Maria und Jerzy Pufelscy, danken, die mich in den Jahren des Studiums bis zur Habilitation nur selten sahen und dies nicht nur ohne Murren ertrugen, sondern mir in vielerlei Hinsicht Rückhalt und Unterstützung waren und immer noch sind. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. A. P.
Berlin, 30. September 2016
Inhalt Einleitung 1 . Forschungsstand, Ziele, methodisches Vorgehen 1 . Aufbau, Begrifflichkeit, räumlich-zeitliche Reichweite
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Asymmetrische Begegnungen 30 . Polen-Litauen als Garant der preußisch-russischen Verbindung 30 . König Stanisław August Poniatowski – ein von Preußen ausgebremster Reformer 57 77 . Die Konföderation von Bar und ihr Verhältnis zu Preußen . Gräfin Skórzewska – ein „Phänomen“ am preußischen Hof 102 . Das verfinsterte Preußenbild nach der Teilung von 1772 116 Gesellschaftlich-kulturelle Symbiosen 140 . Pole, Bischof, preußischer Untertan – Ignacy Krasicki, Diener dreier 140 Herren . Friedrich II. in der aufgeklärten Öffentlichkeit Polen-Litauens 163 . Polnisch-preußische Verflechtungen und Wissenschaftskontakte 192 209 . Das polnisch-jüdische „Berlinertum“ . „Les Polonais sensés“ und ihre propreußische Familienpolitik 233 Die unaufhaltsame Logik der Macht 259 259 . Die polnisch-preußische Allianz als aufgeklärtes Projekt . Die polnische Preußenfreundschaft zwischen Opportunismus und Überzeugung 285 . Die letzten Tage der Hoffnung oder ein überflüssiges Traktat 309 . Preußen als der bessere Feind 331 369 Schlussbetrachtungen und Ausblick . Unter preußischer Besatzung 369 . Vom Bild zum Stereotyp 386 Quellen- und Literaturverzeichnis . Ungedruckte Quellen 394 . Gedruckte Quellen 397 . Forschungsliteratur 404 Personenregister
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Einleitung 1. Forschungsstand, Ziele, methodisches Vorgehen Im Unterschied zur Geschichte der politischen Beziehungen zwischen Preußen und Polen-Litauen sind Verlaufsformen wie Auswirkungen des gegenseitigen Kulturtransfers noch kaum erforscht. Dies liegt zum Großteil daran, dass in der Zeit zwischen den Teilungen Polens und dem Ende des kommunistischen Regimes 1989 eine von negativen politischen Erfahrungen geprägte Wahrnehmung der polnisch-preußischen Kontakte dominierte, deren Folgen bis heute nachwirken. Die in dem vorliegenden Buch untersuchte Epoche (1764– 1794), in die nicht nur die Teilungen Polens und der Verlust der staatlichen Unabhängigkeit fallen, sondern auch der Höhepunkt der polnischen Aufklärung, lieferte häufig die Hauptthemen dieser politisierenden Geschichtsklitterung. „Die drei Teilungen des polnisch-litauischen Unionsstaates (1772, 1793, 1795) sind im 19. und 20. Jahrhundert in der europäischen Öffentlichkeit wie in der Fachwissenschaft nur selten als zentrales Ereignis der europäischen Geschichte wahrgenommen worden“, konstatieren Hans-Jürgen Bömelburg, Andreas Gestrich und Helga Schnabel-Schüle in ihrem Band „Die Teilungen Polen-Litauens“ von 2013.¹ In der deutschen Preußenhistoriographie ist dieses Forschungsdesiderat besonders auffällig. Während polnischen, französischen oder angelsächsischen Historikern die Teilungen als epochale Ereignisse der europäischen Frühmoderne gelten, wurden sie, wie Michael G. Müller vermerkt, von der deutschen Preußenforschung „kaum zu den grands thèmes der europäischen Geschichte gezählt“.² Eine Folge dieses fehlenden Interesses an der polnischen Geschichtsentwicklung des 18. Jahrhunderts war und ist deren Reduktion auf das politische Verhältnis der
Hans-Jürgen Bömelburg, Andreas Gestrich und Helga Schnabel-Schüle, Die Teilungen PolenLitauens als Zäsur einer europäischen Strukturgeschichte. Komparative Überlegungen jenseits der Nationalgeschichtsschreibung, in: Die Teilungen Polen-Litauens. Inklusions- und Exklusionsmechanismen – Traditionsbildung – Vergleichsebenen, hg. von dens., Osnabrück 2013, S. 9. Michael G. Müller, Die Teilungen Polens 1772, 1793, 1795, München 1984, S. 7. Von diesem Forschungsdesiderat gibt es auch rühmliche Ausnahmen: Karl Otmar von Aretin, Tausch, Teilung und Länderschacher als Folgen des Gleichgewichtssystems der europäischen Großmächte. Die polnischen Teilungen als europäisches Schicksal, in: Polen und die polnische Frage in der Geschichte der Hohenzollernmonarchie 1701– 1871, hg. von Klaus Zernack, Berlin 1981, S. 53 – 68; Hans-Jürgen Bömelburg, Die Teilungen Polen-Litauens. Ein neues Modell in der europäischen Außenpolitik (ca. 1760 – 1820), in: Neue Modelle im Alten Europa. Traditionsbruch und Innovation als Herausforderung in der Frühen Neuzeit, hg. von Christoph Kampmann (u. a.),Weimar und Wien 2012, S. 267– 282. DOI 10.1515/9783110520903-001
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Einleitung
Hohenzollernmonarchie zu Polen-Litauen, und hier zuvorderst auf die (meist idealisierte) Darstellung der friderizianischen Außenpolitik.³ Die eminenten kulturellen, gesellschaftlichen und beziehungspolitischen Veränderungen in PolenLitauen zur Zeit der Aufklärung, die häufig unter dem Zepter der preußischen Regierung stattfanden, behandelte die deutsche Preußenforschung lange bestenfalls als Marginalien.⁴ Gewiss ist die Reduktion der polnisch-preußischen Wechselbeziehungen im Laufe des 18. Jahrhunderts lediglich auf ihre politische Dimension keine Spezialität der deutschen Historiographie. Auch in der polnischen Geschichtsschreibung fehlt es nicht an Beiträgen, die die Teilungen Polen-Litauens in erster Linie als nationale Katastrophe und ausschließlich aus staatsgeschichtlichen und stark politisierten Blickwinkeln betrachten. Die preußische Monarchie gilt darin als der spiritus movens der polnischen staatlichen Defizite und somit als Feind der polnischen Nation.⁵ Eine solche Perspektive muss ihrer inneren Logik folgend von den Kontakten, die es unabhängig von den Teilungen und der jeweiligen politischen Lage immer gegeben hat, absehen und hemmt damit die Ausbildung differenzierterer kulturgeschichtlicher Ansätze. In der historischen Standardliteratur zum 18. Jahrhundert wird die polnische Aufklärung quasi als Widerstandsbewegung gegen die antipolnische Politik Preußens gezeichnet.⁶ Die reformorientierten und kulturellen aufklärerischen Errungenschaften gelten darin als nationale Rettungsaktionen vor dem drohenden und von Preußen mitverschuldeten Untergang. Folgerichtig sucht man die Quellen polnischer Aufklärungsideen in Frankreich oder England und nicht bei den preußischen Nachbarn.
Stellvertretend dafür Tilman Bendikowski, Friedrich der Große, Bielefeld 2011; Jens Bisky, Unser König: Friedrich der Große und seine Zeit – ein Lesebuch, Berlin 2011. Kritik daran in: Hans-Jürgen Bömelburg, unter der Mitarbeit von Matthias Barelkowski, Friedrich II. zwischen Deutschland und Polen. Ereignis- und Erinnerungsgeschichte, Stuttgart 2011, S. 313 – 331. Siehe dazu Preußens Weg in die politische Moderne: Verfassung – Verwaltung – politische Kultur zwischen Reform und Reformblockade, hg. von Bärbel Holtz, Berlin 2001 oder den „Klassiker“: Johannes Kunisch, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, München 2004. Vgl. dazu Henryk Koco´j, Plany II rozbioru Polski w polityce Berlina w latach 1791– 1792: Fryderyk Wilhelm II i jego dyplomacja w przeddzien´ II rozbioru Polski, Krako´w 2007; Stanisław Salmonowicz, Prusy. Dzieje państwa i społeczeństwa, Warszawa 2009; Władysław Konopczyński, Fryderyk Wielki a Polska, Poznań 21981; ders., Pierwszy rozbiór Polski, Kraków 2010 (bereits während des Zweiten Weltkrieges verfasst, aber erst 2010 veröffentlicht). Als Beispiel dafür können die Geschichtsbücher gelten, die die polnische Aufklärungsforschung bis heute stark beeinflussen: Tadeusz Łepkowski, Polska – narodziny nowoczesnego narodu (1764– 1870), Warszawa 1967; Emanuel Rostworowski, Historia Powszechna. Wiek XVIII, Warszawa 31984.
1. Forschungsstand, Ziele, methodisches Vorgehen
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Eine solche Ausrichtung des Forschungsinteresses bzw. -desinteresses fand und findet ihre Begründung zweifellos in der oft genug kompliziert und antagonistisch verlaufenden Geschichte der deutsch-polnischen Nachbarschaft. Jörg Hackmann weist darauf hin, dass deutsche und polnische Historiker vor allem im 19. Jahrhundert mehrheitlich einander entgegengesetzte nationalgeschichtliche Bilder von der Beziehungsgeschichte beider Länder entwarfen „und diese divergierenden Betrachtungsweisen in einem wechselseitigen Prozess von den aktuellen deutsch-polnischen Beziehungen geprägt waren“.⁷ Innerhalb der sich seit den 1860er Jahren entwickelnden „borussischen“ Geschichtsschreibung⁸, die sich ganz auf die Seite einer vermeintlich preußischen Staatsraison stellte und die Macht der Hohenzollernherrscher glorifizierte, spielten besonders die erste Teilung Polens und die Epoche des „großen Königs“ eine Schlüsselrolle.⁹ Der territoriale Zuwachs auf Kosten des polnischen Staates galt als diplomatisches Meisterwerk Friedrichs II. Mehr noch: In solchen Darstellungen avancierte der Preußenkönig zum Kulturträger, der die annektierten polnischen Gebiete vor dem „kulturellen Niedergang“ gerettet und zu ihrer „kulturellen Hebung“ beigetragen habe.¹⁰ Zu diesem Bild gehörte natürlich ein negativer Blick auf Polen, das als
Jörg Hackmann, Deutsche und polnische Geschichtsschreibung über das Königliche Preußen im Spannungsfeld der Beziehungsgeschichte, in: Kulturgeschichte Preußens königlich polnischen Anteils in der Frühen Neuzeit, hg. von Sabine Beckmann und Klaus Garber, Tübingen 2005, S. 17. Siehe dazu auch Andreas Lawaty, Das Ende Preußens in polnischer Sicht. Zur Kontinuität negativer Wirkungen der preußischen Geschichte auf die deutsch-polnischen Beziehungen (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, 63), Berlin 1986. Der Begriff wird hier im Sinne von Klaus Zernack verstanden.Vgl. Klaus Zernack, Bemerkungen zur Geschichte und gegenwärtigen Lage der Osteuropahistorie in Deutschland, in: Entwicklungslinien und Schwerpunkte der Osteuropahistorie. Protokoll der Historiker-Fachtagung in Schlangenbad 1979, hg. von Günther Stöckl, Stuttgart 1981, S. 91. Im Folgenden wird keine ausführliche Literaturliste zur polnisch-preußischen Geschichte abgearbeitet. Es geht hier lediglich um Hinweise auf die allgemeinen Tendenzen innerhalb der Geschichtsschreibung. Vertiefend dazu Hans-Jürgen Bömelburg, Zwischen polnischer Ständegesellschaft und preußischem Obrigkeitsstaat: vom Königlichen Preußen zu Westpreußen (1756 – 1806), München 1995, S. 13 – 40; Hanna Labrenz, Das Bild Preußens in der polnischen Geschichtsschreibung, Rheinfelden 1986; Jürgen Mirow, Das alte Preußen im deutschen Geschichtsbild seit der Reichsgründung, Berlin 1981; Jan M. Piskorski, O legendzie dynastycznej Hohenzollernów, in: Roczniki Historyczne, 62 (1996), S. 127– 142; Markus Krzoska, Teilungserfahrungen und Traditionsbildung: Die Historiographie der Teilungen Polen-Litauens (1795 – 2011), in: Die Teilungen Polen-Litauens, S. 37– 104; Dariusz Łukasiewicz, Sarmatyzm i Prusy na przełomie XVIII i XIX wieku, Warszawa 2015, S. 42– 44. Um nur einige wenige Beispiele dafür zu nennen: Otto Hintze, Die Hohenzollern und ihr Werk. Fünfhundert Jahre vaterländischer Geschichte, Berlin 1915; Reinhold Koser, Friedrich der Große, Stuttgart 41921; Heinrich von Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen, in: Preußische Jahrbücher, 10 (1862), S. 95 – 151.
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Einleitung
ohnehin „in Auflösung“ begriffen und als „Hort der Anarchie“ erschien.¹¹ Entsprechende Urteile beriefen sich auf die aufklärerische Kritik an Polen-Litauen, ohne jedoch deren Hintergründe und immanente Prämissen aufzuhellen. Unter diesen Voraussetzungen mussten die Beispiele kulturellen Austauschs sowie die Ideen der polnischen Aufklärung außer Acht bleiben, da schon die bloße Andeutung reformerischer und aufklärerischer Entwicklungen im polnisch-litauischen Staatsverband der Teilungszeit die kulturalistische „Aufklärungsarbeit“ Preußens in Frage gestellt hätte.¹² Der beschriebenen Ausrichtung der deutschen Preußenhistoriographie stand eine polnische Geschichtsschreibung gegenüber, die emotionsgeladen das Unrecht der Teilungen beschwor und in der friderizianischen Politik die Verkörperung allen Übels sah. Friedrich II. wurde darin als herausragender Vertreter des überzeitlich aufgefassten und negativ besetzten deutschen „Drangs nach Osten“ angesehen und einer hemmungslosen Germanisierungspolitik bezichtigt. Solcherart nationale Anschauungen gewannen ihre scheinbare Plausibilität aus der preußischen Politik vor allem der Bismarck-Zeit, die ahistorisch in die Vergangenheit projiziert wurde.¹³ In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts – also im Zeithorizont der Rückgewinnung staatlicher Unabhängigkeit – erreichte die negative Preußendeutung in der polnischen Geschichtswissenschaft ihren Höhepunkt.¹⁴ Die Folge war ein von den Metaphern des „Nationalitätenkampfes“ geprägtes Geschichtsbild, das über weite Strecken den polnischen Widerstand gegen Preußen idealisierte und in dem das Interesse etlicher polnischer Aufklärer an Preußen als Volksverrat disqualifiziert oder ganz verschwiegen wurde.¹⁵ Nun könnte man solche (einem vergangenen geschichtspolitischen Interesse untergeordnete) Arbeiten kurzerhand als ahistorisch und veraltet einstufen und aus der Analyse des Forschungsstandes ausschließen. Zumindest aus zweierlei Gründen erscheint ihre Berücksichtigung dennoch notwendig: Viele dieser Werke sind in der deutsch- und polnischsprachigen Preußen- und Aufklärungsforschung bis
Grundlegend dazu Max Beheim-Schwarzbach, Hohenzollernsche Colonisationen. Ein Beitrag zu der Geschichte des preußischen Staates und der Colonisation des ö stlichen Deutschlands, Leipzig 1874. Bömelburg, Zwischen polnischer Ständegesellschaft, S. 17. Szymon Askenazy, Układ polsko-pruski, Lwów 1897; Władysław Smoleński, Zły sąsiad (przyczynek do historii łupiestw pruskich w Polsce), in: Ders., Studia Historyczne,Warszawa 1904, S. 43 – 52; X. Kazimierz Zimmermann, Fryderyk Wielki i jego kolonizacya rolna na ziemiach polskich, Poznań 1915. Andrzej Wojtkowski, Działalność Pruskiej Komisji Kolonizacyjnej, Bydgoszcz 1930; Józef Feldman, Antagonizm polsko-niemiecki w dziejach, Toruń 1934; Jan Antoni Wilder, Traktat handlowy polsko-pruski z roku 1775, Warszawa 1937. Vgl. Kazimierz Piwarski, Dzieje polityczne Prus Wschodnich, Kraków 1938.
1. Forschungsstand, Ziele, methodisches Vorgehen
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heute kaum hinterfragte Standardliteratur. In erstaunlich vielen Fällen – häufiger offensichtlich als diskret – knüpft die Nachkriegsforschung an die Vorkriegsliteratur an, „ohne sich über den ideologischen Hintergrund und die impliziten oder expliziten Prämissen der einschlägigen Untersuchungen ausreichend Rechenschaft zu geben“.¹⁶ Gleichzeitig aber wäre es unverantwortlich, das Werk aller Preußenforscher früherer Generationen als politisch und dadurch auch als irrelevant zu desavouieren. Auch wenn ihre Historiographie kritisch zu betrachten ist, bleiben ihre Untersuchungen und Erkenntnisse doch eine wichtige und häufig hilfreiche Informationsquelle. Auf die polnische Geschichtschreibung trifft dies besonders zu, weil viele der historischen Quellen, auf die sich die Vorkriegshistoriker stützen konnten, in den Wirren des Krieges endgültig verloren gingen. Schrittweise Veränderungen in der polnischen und deutschen Historiographie lassen sich erst seit den 1970er Jahren erkennen. Mit der Einrichtung der „Abteilung für die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen“ in der „Historischen Kommission zu Berlin“ (unter Vorsitz von Klaus Zernack) sowie durch die Arbeit der „Gemeinsamen deutsch-polnischen Schulbuchkommission“ wurden wesentliche organisatorische und inhaltliche Voraussetzungen dafür geschaffen. Sie stellten erste Versuche einer eher kooperativen, dialogischen und nicht mehr nur nationalen Darstellung des polnisch-preußischen Beziehungsgefüges dar.¹⁷ Es bleibt jedoch zu vermerken, dass dieser neue Weg in Deutschland beinahe ausschließlich von der Osteuropaforschung eingeschlagen und vertreten wurde und wird. Während die deutsche Preußenforschung die Bedeutung Polens für das friderizianische Preußen bis heute weitgehend außer Acht lässt oder kritiklos marginalisiert, konzentrieren sich die Osteuropaforscherinnen und -forscher darauf, die expansive Politik Preußens gegenüber Polen-Litauen hervorzuheben und so eine neue Forschungsperspektive zu etablieren.¹⁸ Ohne die bahnbrechende Bedeutung und die bis heute anhaltende Relevanz dieser Ansätze bestreiten zu wollen, muss kritisch vermerkt werden, dass die Osteuropaforschung der 1980er und teilweise auch der 1990er Jahre eine gewisse
Bömelburg, Zwischen polnischer Ständegesellschaft, S. 30. Vgl. Grundfragen der geschichtlichen Beziehungen zwischen Deutschen, Polaben und Polen. Referate und Diskussionsbeiträge aus zwei wissenschaftlichen Tagungen. Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, hg. von Wolfgang Fritze und Klaus Zernack, Berlin 1976; Polen und Deutschland im Zeitalter der Aufklärung. Reformen im Bereich des politischen Lebens, der Verfassung und der Bildung. XIII. deutsch-polnische Schulbuchkonferenz der Historiker vom 27. Mai bis 1. Juni 1980 in Münster, hg. von Rainer Riemenschneider, Braunschweig 1981; Preußen, Deutschland, Polen im Urteil polnischer Historiker, Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, hg. von Lothar Dralle, Berlin 1983. Das bekannteste Beispiel hierfür Müller, Die Teilungen Polens.
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Einleitung
politisch-moralisierende Botschaft nicht verleugnen kann. Gerade weil sie bemüht war, eine neue Richtung in der Erforschung der polnisch-preußischen Beziehungen einzuschlagen, die der dominierenden borussischen Historiographie entgegengesetzt war, schlug sie immer wieder politisierende Töne an. Verlangt wurde nach einem – ansatzweise auch berechtigten – Geschichtsbild, das die polnisch-preußischen Beziehungen, allen voran die Zeit der Teilungen PolenLitauens, lediglich aus der Perspektive der preußischen Annexionspolitik darstellt. Das dynamische und vielseitige polnisch-preußische Verhältnis wurde dabei, ähnlich wie in der polnisch-nationalen Historiographie, auf eine statische und eindimensionale Opfer-Täter-Relation verkürzt und lediglich ex negativo gedeutet. Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus bemühen sich die polnische Historiographie und die deutsche Osteuropaforschung um eine nuanciertere und facettenreichere Sicht der polnisch-preußischen Vergangenheit. Dieser Ansatz lässt sich besonders auf dem Gebiet der Regionalforschung beobachten. In den letzten 15 Jahren sind bahnbrechende Untersuchungen zur wirtschaftlichen und kulturellen Rolle einzelner Regionen bzw. Städte im Spannungsverhältnis zwischen Preußen und Polen-Litauen entstanden.¹⁹ Auch die große Vielfalt der polnischen Stellungnahmen und Positionierungen zu Preußen (und Russland) im Laufe des 18. Jahrhunderts findet verstärktes Interesse und wird vorwiegend von der polnischen Geschichtsforschung thematisiert.²⁰ Der neue Ansatz in der
Stellvertretend dazu Stanisław Achremczyk, Życie sejmikowe Prus Kro´lewskich w latach 1647– 1772, Olsztyn 1999; Karin Friedrich, The other Prussia: Royal Prussia, Poland and liberty, 1569 – 1772, Cambridge 2000; Jowita Kęcin´ska, Geografia życia literackiego na Pomorzu Nadwis´lan´skim: 1772– 1920. Polski i kaszubski krąg kulturowy, Gdańsk 2003; Stanisław Salmonowicz, Prusy Królewskie w XVII und XVIII wieku. Studia z dziejów kultury, Toruń 2003; Kulturgeschichte Preußens königlich polnischen Anteils in der Frühen Neuzeit, hg. von Sabine Beckmann und Klaus Garber, Tübingen 2005; Z dziejo´w kultury Pomorza XVIII–XX wieku, hg. von Jo´zef Borzyszkowski, Gdańsk 2006; Danzig vom 15. bis 20. Jahrhundert, hg. von Bernhart Jä hnig, Marburg 2006; Krzysztof Paweł Woźniak, Niemieckie osadnictwo wiejskie między Prosną a Pilicą i Wisłą od lat 70. XVIII wieku do 1866 roku. Proces i jego interpretacje, Łódź 2013. Tomasz Kizwalter, Über die Modernität der Nation. Der Fall Polen, Osnabrück 2013 (polnische Urfassung: O nowoczesności narodu. Przypadek Polski, Warszawa 1999); Jarosław Czubaty, Zasada „dwóch sumień“. Normy postępowania i granice kompromisu politycznego Polaków w sytuacjach wyboru, 1795 – 1815, Warszawa 2005; Marzena Profaska, Stosunek polskich elit do rosyjskiej polityki wobec Rzeczypospolitej w latach 1788 – 1792, Katowice 2008; Dariusz Rolnik, Portret szlachty czasów stanisławowskich, epoki kryzysu, odrodzenia i upadku Rzeczypospolitej w pamiętnikach polskich, Katowice 2011, S. 330 – 387; Łukasz Kądziela, Od Konstytucji do Insurekcji. Studia nad dziejami Rzeczypospolitej w latach 1791– 1794, Warszawa 2011; Andrzej Stroynowski, Postawa Jacka Małachowskiego na ostatnim sejmie koronacyjnym, in: Wobec króla i Rzeczypospolitej. Magnateria w XVI–XVIII wieku, hg. von Ewa Dubas-Urwanowicz und Jerzy Urwanowicz,
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deutschen Osteuropaforschung zielt dagegen mehr darauf, die polnisch-preußischen Korrelationen und deren Signifikanz in einen gesamteuropäischen Kontext zu transferieren.²¹ Woran es jedoch immer noch stark mangelt, ist die Erforschung des 18. Jahrhunderts im Sinne einer wirklich beziehungsgeschichtlich aufschlussreichen Aufarbeitung, wie sie von Klaus Zernack bereits in den 80er Jahren gefordert und initiiert wurde.²² Um diesem Anspruch entgegenzukommen, müssen die polnischpreußischen Beziehungen als dynamischer Austausch aufgezeigt und dürfen nicht allein auf die preußische Annexionspolitik reduziert werden. Dies setzt allerdings ein Narrativ voraus, das nicht lediglich die außenpolitischen Konstellationen thematisiert, sondern diese in Verbindung bringt mit den internen Konflikten, Machtkämpfen oder Interessen.²³ Zweifellos trug Preußen (neben Russland und Österreich) die Hauptverantwortung für die Auflösung des polnisch-litauischen Staatsverbandes und heizte bewusst die internen Konflikte an, um Polen-Litauen nicht nur von außen, sondern gewissermaßen auch von innen zu destabilisieren. Ebenso kann keine Rede von einer Geradlinigkeit oder gar Zwangsläufigkeit des mächtepolitischen Niedergangs Polens seit dem Ende des 17. Jahrhunderts sein. Der Weg zu den Teilungen war weder vorgezeichnet noch durch die interne Situation in Polen-Litauen determiniert, wie Jacek Staszewski herausgearbeitet hat.²⁴ Nicht minder ungeradlinig verlief aber auch die Politik Preußens gegenüber Polen-Litauen. Gewiss stellte die Absicht, Gebietserwerbungen auf Kosten Polens zu tätigen, spätestens seit dem Regierungsantritt Friedrichs II. das preußische Politikziel dar. Dennoch Kraków 2012, S. 191– 207; Dariusz Dolański, Trzy Cesarstwa. Wiedza i wyobrażenia o Niemczech, Turcji i Rosji w Polsce XVIII wieku, Zielona Góra 2013; Dorota Dukwicz, Stanisław August wobec pierwszego rozbioru, in: Stanisław August i jego Rzeczpospolita. Dramat państwa, odrodzenie narodu, hg. von Angela Sołtys und Zofia Zielińska, Warszawa 2013, S. 101– 115; Łukasiewicz, Sarmatyzm i Prusy, S. 29 – 41. Richtungsweisend hierfür Polen in der europäischen Geschichte. Ein Handbuch in vier Bänden, hg. von Michael G. Müller in Verbindung mit Christian Lübke, Hans-Jürgen Bömelburg, Włodzimierz Borodziej und Klaus Ziemer, Bd. 2: Frühe Neuzeit, hg. von Hans-Jürgen Bömelburg, Stuttgart 2011 – (erscheint in Lieferungen). Klaus Zernack, Preußen-Deutschland-Polen. Aufsätze zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen, hg. von Wolfram Fischer und Michael G. Müller, Berlin 1991, S. 20 – 28. Ansätze für eine solche Forschungsperspektive sind durchaus vorhanden. Siehe dazu Stanisław Salmonowicz, Die polnische öffentliche Meinung im XVIII. Jahrhundert und die Gestalt Friederichs des Großen, in: „Nachbarn sind der Rede wert“ Bilder der Deutschen von Polen und der Polen von Deutschen in der Neuzeit, hg. von Johannes Hoffmann, Dortmund 1997, S. 12– 31. Jacek Staszewski, August II. Mocny, Wrocław 1998, S. 172– 174; ders., Die polnisch-sächsische Union und die Hohenzollernmonarchie (1697– 1763), in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, 30 (1981), S. 28 – 34.
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Einleitung
konnte sich Preußen keinen Alleingang in den außenpolitischen Entscheidungen erlauben. Eine europäische Bündnispolitik und die Zustimmung von Russland und Österreich waren dafür unabdingbar. Da aber die polnischen Nachbarmächte nach keinem gemeinsamen „antipolnischen Masterplan“ handelten und ihr Zusammenspiel durch tiefe Krisen immer wieder in Frage gestellt wurde²⁵, versuchte Preußen seine Interessen in Polen-Litauen teilweise durch die Unterstützung interner Kräfte abzusichern und so die polnische Innenpolitik zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Allein aus diesem Grund entstand ein ganzes Geflecht von polnischpreußischen Verbindungen, in dem Informationen übertragen, Einfluss und Autorität ausgeübt, Unterstützung mobilisiert oder verweigert, Koalitionen gebildet, Aktivitäten koordiniert, Vertrauen auf- und abgebaut oder durch gemeinsame Interessen Synergien gestiftet wurden. Hinzu kommt, dass die polnisch-preußischen Beziehungen sehr stark durch Russland determiniert wurden. Die hegemoniale Politik Russlands bestimmte häufig das positive polnische Verhältnis zu Preußen. So gesehen muss das polnische Preußenbild teilweise als eine (Gegen‐)Reaktion auf die polnisch-russischen Konflikte gedeutet werden. „Gerade weil die Russen“, konstatiert Dariusz Rolnik, „die Entwicklungen in dem polnisch-litauischen Staatsverband wesentlich beeinflussten, fiel die polnische Einstellung zu Preußen und Österreich deutlich milder aus“.²⁶ Diese Hierarchie der Feinde impliziert eine unbewusste oder zumindest nicht durch den direkten Umgang mit Preußen motivierte Einstellung zum westlichen Nachbarn. Die vorherrschende Abneigung gegenüber Russland beherrschte das polnische Freund-Feind-Denken und schwächte gleichzeitig die kritische Wahrnehmung der ablehnenden und nur auf eigenen Vorteil bedachten Haltung Preußens. Die von Klaus Zernack vorgenommene Charakterisierung der preußischen (und russischen) Regierungspraxis als „negative Polen-Politik“ ändert somit wenig an der Tatsache, dass im Polen des 18. Jahrhunderts immer wieder Initiativen entstanden, die eine Zusammenarbeit mit dem benachbarten Land begrüßten oder zumindest akzeptierten. Die außenpolitische Irrelevanz und die durch die preußische Regierung bewusst geförderte Machtlosigkeit der polnischen Preußenanhänger bleiben unbestritten. Das Argument von ihrer fehlenden Entscheidungsmacht kann aber nicht zum einzigen Interpretationskriterium erhoben werden, denn damit würden sie praktisch als unbedeutend disqualifiziert und aus der historischen Analyse des Hinweis darauf in: Heidi Hein-Kirchner und Michael G. Müller, Polen-Litauen in der europäischen Mächtepolitik. Von der Endphase des Großen Nordischen Kriegs bis zur letzten Königswahl (1717– 1863), in: Polen in der europäischen Geschichte. Ein Handbuch in vier Bänden, Bd. 2: Frühe Neuzeit, hg. von Hans-Jürgen Bömelburg, Stuttgart 2011, S. 445. Rolnik, Portret szlachty czasów stanisławowskich, S. 343.
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Teilungsprozesses ausgeschlossen. Gerade weil die Unterstützer der Annäherung an den preußischen Nachbarn immer wieder versuchten, mit Preußens Hilfe die interne Politik – häufig nur zum eigenen Vorteil – zu dominieren und selbstbestimmte Entwicklungsmöglichkeiten zu formulieren, ist es notwendig, sie in die Beschäftigung mit der Teilungszeit einzubeziehen. Die Reduktion des Teilungsgeschehens lediglich auf die außenpolitischen Relationen zwischen den europäischen Mächten führt letztendlich dazu, dass für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ein verkürztes und stark politisiertes Polenbild vermittelt wird. Unter dem Paradigma der politisch-moralisierenden Interpretation lässt sich eine umfassende Untersuchung der polnisch-preußischen Beziehungen, die trotz der Teilungen vielschichtige Formen und weit über die Politik hinausreichende Dimensionen angenommen haben, kaum erbringen. Die vorliegende Studie will einen Beitrag zum postulierten Desiderat leisten und zielt darauf ab, das komplexe Wechselverhältnis zwischen dem polnisch-litauischen Staatsverband und der Hohenzollernmonarchie aus einer bestimmten Perspektive zu beleuchten. Konkret geht es hier um die polnische Preußenwahrnehmung während der Herrschaft des letzten polnischen Wahlkönigs Stanisław August Poniatowski. Die zentrale Frage lautet: Welches Preußenbild dominierte in der polnischen Öffentlichkeit zu dieser Zeit und wie beeinflusste dieses Bild nicht nur die gegenseitigen Kontakte, sondern allgemeiner die polnische Politik und Kultur? Die vergessenen bzw. vernachlässigten Interferenzen des Kulturellen mit dem Politischen stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Aus diesem Grund werden die politischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten hier nur insoweit behandelt, wie es für die geschilderte Fragestellung erforderlich ist. Ihre politische Beziehungsgeschichte ist kein expliziter Gegenstand dieses Buches, sie stellt den kontextuellen Referenzrahmen für das untersuchte Preußenbild dar und wird ausschließlich in diesem Kontext behandelt. Gleichzeitig aber ist der Zugriff auf die politischen Zusammenhänge im analysierten Zeitraum von grundlegender Bedeutung, weil sie die Voraussetzungen und Beweggründe für die entstehenden und propagierten Preußenbilder aufdecken. Es wäre verfehlt, wollte man die hier präsentierte Vielfalt an politisch-kulturellen Interferenzen nur aus einer Perspektive betrachten und die zeitlich sich über drei Jahrzehnte erstreckenden Wechselbeziehungen zwischen Preußen und Polen-Litauen als das Ergebnis eines einzigen Faktors einstufen, der sich zwar in einigen Ereignissen manifestiert, jedoch längst nicht für den Gesamtkomplex der gemeinsamen Interaktionen seine Gültigkeit behält. Der Versuch, die politischen Entwicklungen von ihren kulturellen und gesellschaftlichen Implikationen zu trennen, ist häufig geschichtspolitisch motiviert, denn er erlaubt, die vertretenen Positionen, die von einer Entschuldigung bis zur Glorifizierung des politischen Geschehens reichen, argumentativ zu untermauern. Die Reduktion der polnisch-
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preußischen Beziehung auf ihre politische Dimension hilft dann, das Nachbarland Polen als kulturell irrelevant einzustufen und – was daraus folgt – die Teilungen als kulturalistischen Einsatz zu rechtfertigen. Oder: Die annexionistische PolenPolitik Preußens in den Vordergrund zu stellen und alle Fragen, die über die bereits erwähnte Täter-Opfer-Wahrnehmung hinausgehen, als irrelevant einzustufen. Nur ein breiter und mehrere Interaktionsfelder umfassender Reflexionshorizont kann die eingefahren Wahrnehmungs- und Erklärungsmuster bei der Interpretation der polnisch-preußischen Vergangenheit durchbrechen und politisch leicht instrumentalisierbare Geschichtsdeutungen schwächen. Auf die Notwendigkeit, die politisch-kulturelle Verflechtung in der deutschpolnischen Nachbarschaftsgeschichte stärker zu berücksichtigen, hat Klaus Zernack bereits im Jahre 1976 hingewiesen.²⁷ Mit seinem Konzept der Beziehungsgeschichte eröffnete er den Blick auf die Fragemöglichkeiten, welche außerhalb des Horizonts konventioneller Geschichte der internationalen politischen Beziehungen liegen. Zernacks Ansatz besagt, dass fast alle Ebenen der kollektiven Erfahrung und des gesellschaftlichen wie politischen oder kulturellen Handelns durch transnational wirksame Faktoren bedingt sind.²⁸ Dabei galt seine besondere Aufmerksamkeit den außenpolitischen Entwicklungen. Anstatt die nationalen Staaten oder vormodernen Staatsbildungen als autonome Subjekte politischen Handelns zu betrachten, schlägt er vor, die internationale Politik als einen Zusammenhang zu begreifen, in dem Beziehungsgeflechte und komplexe Wechselwirkungen zwischen Interessenlagen und Akteuren eigene Handlungslogiken und Systemzwänge erzeugen. Eine Vertiefung von Zernacks Modell stellt sicherlich das von Michael Werner und Michel Espagne 1985 entworfene Konzept des Kulturtransfers dar. Dieser Ansatz nimmt Anregungen der Beziehungsgeschichte auf, vertieft sie aber mehr in die kulturelle Richtung. Generell zielt die Transfergeschichte auf die Darstellung der Kommunikationsprozesse zwischen Kulturen.²⁹ Jegliche Kultur wird dabei als
Klaus Zernack, Das Jahrtausend deutsch-polnischer Beziehungsgeschichte als Problemfeld und Forschungsaufgabe, in: Grundfragen der geschichtlichen Beziehungen zwischen Deutschen, Polaben und Polen, S. 3 – 46. Eine ausführliche Analyse des Konzepts von Zernack liefert Michael G. Müller, Transnationale Geschichte, Beziehungsgeschichte und geteilte Erinnerungsorte. Methodische Traditionen und methodische Herausforderungen, in: Deutsch-Polnische Erinnerungsorte, Bd. 4: Reflexionen, hg. von Hans-Henning Hahn und Robert Traba (u. a.), Paderborn 2013, S. 17– 30. Hier ging die Initiative zur Etablierung des aktuellen Forschungsparadigmas von französischen Germanisten und Kulturhistorikern aus, die ihrerseits mit deutschen Romanisten, Frankreich-Historikern und Komparatisten zusammenarbeiteten. Mit den Publikationen von Michel Espagne und Michael Werner zur Konzeptualisierung von „Kulturtransfer“ hat dieser Ansatz Ende der 1980er Jahre erstmals ein genaueres Profil erhalten. Michel Espagne und Michael Wer-
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„hybrid“ charakterisiert und der grenzübergreifende Transfer von Ideen, Technologien, kulturellen Praktiken in den Mittelpunkt der Analyse gestellt. Entsprechend kommt es darauf an, die personellen und institutionellen Netzwerke der kulturellen Vermittlung sowie die unterschiedlichen Interessen bei Aneignung kultureller Muster zu erschließen. In dieser Fokussierung auf die Zirkulation von Kulturphänomenen liegt auch der große Vorzug des Kulturtransferkonzeptes für die Neubearbeitung der polnisch-preußischen Geschichte, denn es ermöglicht, Netzwerkgesellschaften und Netzwerkkulturen zu analysieren, indem auf Phänomene der Entgrenzung innerhalb einer begrenzt gedachten kulturellen oder politischen Einheit verwiesen wird. Gleichzeitig wird hier versucht, die Frage nach der methodischen Produktivität des um den Zugriff der „histoire croisée“ erweiterten Ansatzes der Kulturtransferforschung für die Beziehungsgeschichte zu stellen.³⁰ Der Rückgriff auf die bisher empirisch wenig erschlossene Methode der „histoire croisée“ erscheint für die Darstellung des politisch-kulturellen Zusammenhangs zwischen Preußen und Polen-Litauen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts besonders gewinnbringend. Der Blick auf die Verflechtungen nicht nur zwischen beiden Ländern, sondern auch zwischen verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Formationen über die Landesgrenzen hinweg verspricht, eine Vielfalt der Positionen zu präsentieren und dadurch auch die Dynamik des polnischen Preußenbildes differenzierter zu erkennen. Gleichwohl wird die vorgenommene Rekonstruktion der Umstände und Ergebnisse der Aneignung und Anverwandlung der „fremden“ Erfahrungen und Kulturpraktiken auf die polnische Perspektive beschränkt bleiben; nicht die gegenseitige Wahrnehmung ist das Ziel dieser Untersuchung, sondern lediglich die Auswirkung der politischen Ereignisse auf die Etablierung
ner, Deutsch-französischer Kulturtransfer als Forschungsgegenstand – eine Problemskizze, in: Transferts. Les relations interculturelles dans l’espace Franco-Allemand (XVIIIe et XIXe sie`cle) hg. von dens., Paris 1988, S. 11– 34; Katharina Middell und Matthias Middell, Forschungen zum Kulturtransfer. Frankreich und Deutschland, in: Grenzgänge, 1 (1994), S. 107– 122; Michel Espagne, Au delà du comparatisme, in: Ders., Les transferts culturels franco-allemands, Paris 1999, S. 35 – 49; Michel Espagne und Werner Greiling, Einleitung, in: Frankreichfreunde. Mittler des französisch-deutschen Kulturtransfers (1750 – 1850), hg. von dens., Leipzig 1996, S. 7– 22; Johannes Paulmann, Neue Historische Literatur, Internationaler Vergleich und interkultureller Transfer. Zwei Forschungsansätze zur europäischen Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, in: Historische Zeitschrift, 267 (1998), S. 649 – 685; Wolfgang Schmale, Erkenntnisinteressen der Kulturtransferforschung, in: Kulturtransfer in der jüdischen Geschichte, hg. von dems. und Martina Steer, Frankfurt am Main (u. a.) 2006, S. 21– 41. Michael Werner und Bénédicte Zimmermann,Vergleich, Transfer,Verflechtung. Der Ansatz der histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft, 28 (2002), S. 607– 636.
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und Verarbeitung bestimmter Preußenbilder im polnischen Aufklärungsdiskurs der Teilungszeit. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die zwar berechtigten und spannenden Fragen danach, wie Polen seinerseits in Preußen wahrgenommen wurde oder welche preußischen Gesellschaftsgruppen und -schichten besonders viel Interesse daran zeigten, ein bestimmtes Polenbild zu verbreiten, hier keine Referenzthemen darstellen. Die methodische Reflexion über die „histoire croisée“ und über die Beziehungsgeschichte soll auch aufzeigen, dass der Ansatz der traditionellen Stereotypen- oder Vorurteilsforschung, der sich häufig darauf konzentriert, die festgelegten (Freund-Feind‐)Bilder über einen größeren Zeitraum zu untersuchen bzw. zu bestätigen, dort auf Grenzen stößt, wo es um hochkomplexe und fluide Interaktions- und Kommunikationsprozesse geht. Folgerichtig geht das vorliegende Buch nicht von etablierten Fremdbildern aus, sondern von den historischen Ereignissen. Er fragt nach ihren Auswirkungen auf die Entstehung und Festigung von bestimmten Vorstellungen vom Anderen, wie in diesem Fall des Preußischen.³¹ Es wird zu analysieren sein, welche politischen, historischen und mentalen Vorgänge bzw. Wertesysteme im Polen-Litauen des 18. Jahrhunderts zur Etablierung und Funktionalisierung einer bestimmten Preußenwahrnehmung führten und welchen Einfluss diese Bilder ihrerseits auf jene Vorgänge und Wertesysteme ausübten. So wenig das Konglomerat der polnisch-preußischen Beziehungen ein unveränderliches oder statisches Phänomen war, so sehr blieben seine Auswirkungen auf die polnischen Preußenbilder dynamisch konnotiert. Die einzelnen Facetten, die Intensität der Zuschreibungen oder deren Entwicklung änderten sich je nach den politischen Bedürfnissen oder der sozioökonomischen Situation ihrer Produzenten oder Rezipienten. Deshalb wäre es verkehrt, der Untersuchung ein konkretes Geschichtsbild vorzugeben, das von vornherein inhaltlich fixiert, wie positiv oder negativ Preußen wahrgenommen wurde. ³²
Die hier verfolgte Kritik richtet sich gegen die methodischen Ansätze der Stereotypenforschung, wie sie von Hubert Orłowski oder Larry Wolff vertreten werden. In ihren durchaus wichtigen und prägenden Abhandlungen zu Stereotypen und Vorurteilen im 18. Jahrhundert gehen sie von den homogen-negativen Wahrnehmungsmustern Polen-Litauens bzw. Osteuropas durch die aufgeklärte Gelehrtenrepublik aus, ohne ihren ideologischen und historischen Kontext eingehend zu berücksichtigen. Durch diese Auslassung gelingt es ihnen, eine Kontinuität des deutschen und französischen Polen- bzw. Osteuropadiskurses über die Wende des 18./19. Jahrhunderts hinweg zu postulieren, der kaum Abweichungen und Brüche zulässt und die Frage nach den Umständen seiner Instrumentalisierung offen lässt. Hubert Orłowski, „Polnische Wirtschaft“. Zum deutschen Polendiskurs der Neuzeit,Wiesbaden 1996; Larry Wolff, Inventing Eastern Europe. The Map of Civilization on the Mind of the Enlightenment, Stanford 1994. Bei substantivischen Ausdrücken, die auf Personen verweisen, wird in den darauf folgenden Teilen des Buches die vorherrschende männliche Schreibweise beibehalten. Das berechtigte
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Der Gegenstand ist nicht das historische Preußenbild, sondern es geht hier vorrangig um die Korrelation zwischen der historischen Entwicklung und ihrer Deutung anhand einer bestimmten Bildproduktion. Eine Auseinandersetzung darüber, ob die polnischen Initiatoren dieser Preußenbilder mehr oder weniger wahrheitsgemäß berichteten oder ob ihre Reflexionen über die preußischen Herrscher und ihren Staat moralisch abwegig waren, steht hier nicht zu Debatte. Ihre Erfahrungen und ihre Urteile sind zweifellos subjektive Realität. Beide sind nicht nur mit der erlebten „Wirklichkeit“, sondern mit ihren Erwartungen und Interessen verbunden, die mit dem geistigen Klima der Zeit aufs engste verflochten waren. Für einen differenzierten Abriss der polnischen Preußenwahrnehmung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist es daher unerlässlich, sie „im Hinblick auf ihre Verwurzelung in dem Wissenserbe durchzumustern, an dem sie sich abarbeitet.“³³ Die Wahrnehmung des „Anderen“ ist gleichzeitig immer eine Geschichte der Selbstwahrnehmung. Das polnische Preußenbild diente als Projektionsfläche für eigene Imaginationen, Pläne,Wünsche oder Enttäuschungen. Dabei kommt es zur Gleichzeitigkeit und Konkurrenz sehr verschiedener Wahrnehmungsmuster. Sehnsucht und Faszination, Ablehnung und Erschrecken im Hinblick auf das Andere sind oft miteinander verwoben, allerdings kontextabhängig und stehen meistens in einem ungleichen Verhältnis.³⁴ Während eine Meinung vorherrscht, ist eine andere bereits in nuce präsent, um später eventuell zu einer dominanten Einstellung gegenüber dem Fremden zu werden. Sehr wohl tendiert diese Einstellung dazu, das Unbekannte in Bekanntes, kulturell bereits Verortetes, einzupassen.³⁵ Im Fall der polnischen Rezipienten und Träger des Preußenbildes gestaltete sich die vorgenommene Einpassung nicht besonders schwierig, weil sich ihre Wahrnehmungsmuster und -interessen zumeist auf der Ebene der kosmopolitisch definierten Hofkultur bewegten und dadurch auch viele Gemeinsamkeiten aufwiesen. Dabei ist die Kultur des „Eigenen“ ebenfalls nicht als etwas ein für allemal Feststehendes zu begreifen. Sie ist weder ahistorisch noch eine Essenz,
Anliegen, Frauen sprachlich gleichberechtigt zu repräsentieren, indem man dem Ausdruck eine weibliche Form gibt, würde dem historischen Kontext dieser Studie nicht gerecht. Günther Lottes, Die Kontexte der Texte. Perspektiven der Kontextanalyse in der neuen Ideengeschichte, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 10 (2010), S. 627. Mehr bei Rudolf Stichweh, Der Fremde. Zur Soziologie der Indifferenz, in: Furcht und Faszination. Facetten der Fremdheit, hg. von Herfried Münkler, Berlin 1997, S. 45 – 64. Vgl. dazu treffend die Ausführungen von Jürgen Osterhammel, Distanzerfahrung. Darstellungsweisen des Fremden im 18. Jahrhundert, in: Der europäische Beobachter außereuropäischer Kulturen. Zur Problematik der Wirklichkeitswahrnehmung, hg. von Hans-Joachim König (u. a.), Berlin 1989, S. 33 – 41.
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sondern „etwas, über das in einer Wissensordnung verhandelt und zumeist mit unterschiedlichen Positionen gestritten wird“.³⁶ Der bereits erwähnte Hinweis auf die historische Signatur von Fremdwahrnehmungen ist entscheidend. Denn die historische Prägekraft droht beim weit verbreiteten und tief verankerten Gebrauch der Kategorien „Konstrukt“ oder „Stereotyp“, die eine Beliebigkeit und Zeitlosigkeit der Zuschreibung suggerieren, aus dem Blick zu geraten. Bilder vom Anderen werden nicht willkürlich entworfen und propagiert, „vielmehr zirkulieren sie in historisch nachvollziehbaren Formen im Diskurs“.³⁷ Die Kontextabhängigkeit der Wahrnehmungsraster ist ausschlaggebend dafür, dass hier durchgehend auf die Kategorie „Bild“ und eben nicht „Stereotyp“ rekurriert wird. Dass Fremdverstehen nicht ohne vorgefertigte Vorstellungen funktioniert, ist mittlerweile eine unhintergehbare Erkenntnis interkultureller Hermeneutik. Diese müssen aber nicht gleich als stereotype Bewusstseinsformen betrachtet werden, die zur „Vereinfachung der Wirklichkeit“ führen und der „Komplexititätsreduktion“ dienen.³⁸ Vielmehr sind die Vorstellungen über eine bestimmte Gruppe als Interpretationsmuster zu verstehen, die konkrete Handlungsstrategien bestimmen. Als Zielvorgabe kann es deswegen nicht darum gehen, Fremdwahrnehmung allein aus der Perspektive der Stereotypenforschung zu deuten, sondern sie als Ausdruck von vielschichtigen und dynamischen Denkbildern zu begreifen. Die differenzierte und praxisbezogene Einstellung zu Preußen im Polen-Litauen des 18. Jahrhunderts muss daher als eine bunte Palette von Wahrnehmungen verstanden werden, die durch sich stetig wandelnde Bildwelten und weniger durch stereotype Vorstellungen bedingt waren. Im Sinne Aby Warburgs bleibt die „Ge-Schichte“ der Bilder nicht ein gradliniges, allein von Besonnenheit und vorgefertigten Meinungen fortgeschriebenes Modell, sondern eher ein solches mit diskontinuierlichen, pendelnden und wiederkehrenden Bewegungen, durchzogen mit Brüchen, Pausen, Sprüngen und Umkehrungen.³⁹ Zugleich aber existieren die hier zu analysierenden Preußenbilder auch ohne
Joachim Eibach, Annäherung – Abgrenzung – Exotisierung.Typen der Fremdwahrnehmung in Europa am Beispiel der Türken, Chinas und der Schweiz (16. bis frühes 19. Jahrhundert), in: Europäische Wahrnehmungen 1650 – 1850. Interkulturelle Kommunikation und Medienereignisse, hg. von dems. und Horst Carl, Hannover 2008, S. 19. Ebenda. Hubert Orłowski, Die Lesbarkeit von Stereotypen. Ein Plädoyer, in: Frühneuzeitliche Stereotype. Zur Produktion und Restriktivität sozialer Vorstellungsmuster, hg. von Mirosława Czacka (u. a.), Bern 2010, S. 17; Hans Henning Hahn, Einleitung. 12 Thesen zur Stereotypenforschung, in: Stereotypen, Vorurteile, Völkerbilder in Ost und West in Wissenschaft und Unterricht. Eine Bibliographie, Teil 2, hg. von Johannes Hoffmann, Wiesbaden 2008, S. XI-XVII. Aby M. Warburg, Schlangenritual. Ein Reisebericht. Mit einem Nachwort von Ulrich Raulff, Berlin 1988, S. 44– 59.
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Rückbezug auf eine vorgegebene Sichtbarkeitswirklichkeit. Sie sind nicht immer am Maßstab eines konkreten Sichtbarkeitskorrelats zu messen. Diese verinnerlichten Bilder sind Anschauungen eigener Art, und der Inhalt, den sie transportieren, speist sich aus Bildern, die sich im Kopf als „symbolische Formen“ festgesetzt haben. Hierunter ist in Anlehnung an Ernst Cassirer eine geschichtlich vorliegende Form der Erkenntnis zu verstehen, bei der sich die Menschen ursprünglich die gesamte sie umgebende Wirklichkeit nach ihrem eignen Bild und nach ihren Bedürfnissen und Wünschen zurechtlegen. Dabei behauptet das Bild der Wirklichkeit gegenüber „einen eigentümlichen Primat und Vorrang“, denn „was im Gegenstand rein ausdrucksmäßig ‚ist’, das ist im Bilde nicht aufgehoben und vernichtet, sondern tritt in ihm vielmehr in gesteigertem, in potenziertem Maße hervor“.⁴⁰ Angewandt auf das polnische Preußenbild heißt das: Es ist eine Wahrnehmung, die an existierende, empirisch nachweisbare Zusammenhänge wie z. B. die politischen oder ökonomischen Beziehungen zwischen Polen-Litauen und Preußen anknüpft, sie wie unter einem Vergrößerungsglas betrachtet und als Orientierungslinie für bestimmte Einstellungen und Entscheidungen nutzt. Um mit Ferdinand Fellmann zu sprechen: „Die Bilder sind nicht Gegenstand, sondern Leitfaden der Interpretation“.⁴¹ Die politische Fokussierung der benachbarten Mächte auf die Schwächung und letztendlich auch die Teilung des polnisch-litauischen Staatsverbandes sowie die internen Versuche Polen-Litauens, diesen expansionistischen Bestrebungen durch aufgeklärte Reformen entgegenzuwirken, bestimmten das polnische Preußenbild, nach welchem dann das gegenseitige Verhältnis interpretiert wurde. So gesehen, versucht die vorliegende Analyse nicht nur einen Beitrag zur polnischpreußischen Beziehungsgeschichte im 18. Jahrhundert zu liefern, sondern auch auf die Bedeutung und Wirkung Preußens auf die polnische Aufklärung hinzuweisen. Eine Auseinandersetzung mit dem Kulturtransfer im polnisch-preußischen Kontext erscheint besonders wichtig, weil die gängige Preußen- und Aufklärungsforschung in Deutschland häufig dazu tendiert, den „Komplex Polen“ wegen angeblich mangelnder Relevanz zu übergehen, obwohl ganz offensichtlich eine Neubewertung der preußischen Aufklärung in einem deutsch-polnischen
Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen. Dritter Teil: Phänomenologie der Erkenntnis, Darmstadt 1994, S. 81. Ferdinand Fellmann, Symbolischer Pragmatismus. Hermeneutik nach Dilthey, Hamburg 1991, S. 212. Dieser Ansatz unterscheidet sich teilweise von jenem, den der „Iconic Turn“ verfolgt, denn hier geht es nicht um „Interpretation von Bildern“, sondern vielmehr um die „Interpretation nach Bildern“. Angelehnt ist diese Vorgehensweise an den theoretischen Beitrag von Heinz-Dieter Kittsteiner, „Iconic Turn“ und „innere Bilder“ in der Kulturgeschichte, in: Was sind Kulturwissenschaften? 13 Antworten, hg. von dems., München 2004, S. 167.
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bzw. deutsch-osteuropäischen Zusammenhang durchaus anstünde.⁴² Die durchgehenden Versuche der polnischen Aufklärer, mit und – noch häufiger – gegen Preußen konkrete Reformen durchzusetzen oder an den europäischen Aufklärungsdiskurs anzuknüpfen, werden in der deutschsprachigen Forschung kaum rezipiert, geschweige denn als gewinnbringende Neueinsätze wahrgenommen.⁴³ Die meisten Aufklärungsforscher blicken, soweit sie die nationale Perspektive denn einmal überschreiten, eher nach Westen als nach Osten – ein Faktum, das keineswegs neu ist.⁴⁴ Angesichts der gewandelten Rahmenbedingungen ist es aber nicht mehr hinzunehmen, dass im sich vereinigenden Europa die osteuropäische Aufklärungsgeschichte immer noch als periphere Erscheinung dem Spezialfach Osteuropa-Geschichte überlassen und hier von erstaunlich hermetischen, regionalen Spezialisierungen bestimmt wird. Mehr noch: Obwohl die geschichtlichen Entwicklungswege der Länder, die zum „Osten“ zählen und ihr Zusammenhang mit dem Westeuropa des 18. Jahrhunderts sich von Land zu Land sehr verschieden gestalteten, werden sie immer wieder nach undifferenzierten und offensichtlich als undifferenzierbar qualifizierten Gesichtspunkten unter eine fiktive Gemeinsamkeit subsumiert, wie der polnischen Literaturhistoriker Tadeusz Namowicz kritisch anmerkt.⁴⁵ Gewiss sind Intensität und Reichweite des preußisch-franzö-
Als Beispiel für diese Auslassung: Sven Externbrink, Der Siebenjährige Krieg (1756 – 1763). Ein europäischer Weltkrieg im Zeitalter der Aufklärung, Berlin 2011; Geist und Macht: Friedrich der Große im Kontext der europäischen Kulturgeschichte, hg. von Brunhilde Wehinger, Berlin 2005. Natürlich gibt es dafür auch Gegenbeispiele: Iwan-Michelangelo D’Aprile, Aufgeklärter Kulturpluralismus. Osteuropa als Erfahrungsraum kultureller Vielfalt in der deutschsprachigen Aufklärung, in: Aufklärung und Kulturtransfer in Mittel- und Osteuropa, hg. von dems. und Agnieszka Pufelska, Hannover-Laatzen 2009, S. 53 – 68. Eine positive Gegentendenz stellte die Aufklärungsforschung in der DDR dar. Vgl. Aufklärung und Nationen im Osten Europas, hg. von László Sziklay, Budapest 1983; Aufklärung in Polen und Deutschland, hg. von Karol Bal und Siegfried Wollgast, Wrocław 1989. Tadeusz Namowicz, Mittel-, Ost- und Südosteuropa versus westeuropäische Länder. Konstanz und Wandel aufklärerischer Konzepte, in: Aufklärung in Europa, hg. von Werner Schneiders, Berlin 2003, S. 27– 41. Allenfalls die Zeitschrift „Das achtzehnte Jahrhundert“ mit dem thematischen Schwerpunkt „Aufklärung(en) im Osten“ von 1995 sowie die Publikationsreihe „Studien zur Geschichte der Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa“ unter Mitwirkung von Heinz Ischreyt, Wolfgang Kessler und Erik Amburger über die Aufklärung in osteuropäischen Ländern bildeten hier eine rühmliche Ausnahme. Vgl. ebenso Wissenschaftspolitik in Mittel- und Osteuropa. Wissenschaftliche Gesellschaften, Akademien und Hochschulen im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert. Studien zur Geschichte der Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa 3, hg. von Erik Amburger, Berlin 1976; Königsberg und Riga (Zentren der Aufklärung), hg. von Heinz Ischreyt, Tübingen 1995; Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa im 18. und 19. Jahrhundert: Festschrift für Heinz Ischreyt zum 65. Geburtstag. Für den Studienkreis für Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa hg. von Wolfgang Kessler, Berlin 1987.
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sischen oder preußisch-englischen Kulturtransfers in der Zeit der Aufklärung mit dem des preußisch-polnischen unvergleichbar, dennoch ist beziehungsgeschichtlichen Aufgabenstellungen nicht geholfen, wenn die Analyse grenzüberschreitender Phänomene auf je einzelne Interaktionskontexte reduziert wird.⁴⁶ Um diesem Mangel zu begegnen, plädiert Günther Lottes dafür, die jeweiligen „Außenbeziehungen“ vor ihrem universalen Horizont zu sehen. So könnten Transferleistungen als „europäische Beziehungen“ in ihren Unterschieden, Abhängigkeiten und wechselseitigen Ergänzungen deutlich werden, was den hegemonialen Blick der westeuropäischen Aufklärungsforschung auf „den Osten“ aufbrechen würde.⁴⁷
2. Aufbau, Begrifflichkeit, räumlich-zeitliche Reichweite Theoretisch und methodologisch versucht die Untersuchung aufzuzeigen, dass die Verbindung von Verflechtungs- und Beziehungsgeschichte nicht als Gegenentwurf zum klassischen historischen Vergleich betrachtet werden kann, sondern vielmehr als dessen Bereicherung. Der Hauptvorwurf der auf Kulturtransfer basierten Forschungsansätze lautet: Der Vergleich sei gezwungen, die Vergleichseinheiten erst einmal zu konstruieren, um überhaupt vergleichen zu können. Er müsse sich dabei ein Stück weit von der komplexen Wirklichkeit entfernen und lasse Berührungspunkte zu anderen Nationen oder Zivilisationen oft unberücksichtigt. Die Transferuntersuchung dagegen sei zu solchen Konstruktionen nicht gezwungen, da sie sehr viel näher an der Realität bleibe, wenn sie den Wandel beim Übergang eines kulturellen Phänomens von einer Kultur in die andere verfolge.⁴⁸ Daraus ergibt sich allerdings die Frage, wie sonst – wenn nicht auch
Die Konstituierung eines Kultur- und Kommunikationsraumes Europa im Wandel der Medienlandschaft des 18. Jahrhunderts, hg. von Siegfried Jüttner, Frankfurt am Main (u. a.) 2008; Das eine Europa und die Vielfalt der Kulturen: Kulturtransfer in Europa 1500 – 1850, hg. von Thomas Fuchs und Sven Trakulhun, Berlin 2003; Europavorstellungen im 18. Jahrhundert, hg.von Dominic Eggel und Brunhilde Wehinger, Hannover 2009. Natürlich gibt es auch einzelne Gegenbeispiele: Die Entdeckung von Volk, Erziehung und Ökonomie im europäischen Netzwerk der Aufklärung, hg. von Hanno Schmitt (u. a.), Bremen 2011. Günther Lottes, Strukturtypen und Strukturregionen des Kulturtransfers. Auf der Suche nach Kulturgesamtheit im Europa der Kulturvielfalt, in: Aufklärung und Kulturtransfer in Mittel- und Osteuropa, S. 13 – 34.Vgl. auch ders., Strukturwandel europäischer Kulturräume, in: Brennpunkte kultureller Begegnungen auf dem Weg zu einem modernen Europa. Identitäten und Alteritäten eines Kontinents, hg. von Cornelia Klettke und Ralf Pröve, Göttingen 2011, S. 9 – 26. Michel Espagne, Au delà du comparatisme, in: Ders., Les transferts culturels franco-allemands, Paris 1999, S. 35 ff.
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hier durch die Konstruktion einer Einheit – Transferuntersuchungen bestimmen könnten, worin der Wandel eines untersuchten Gegenstandes bei der Übertragung von einer Kultur in die andere besteht. Nur durch den Vergleich kann festgestellt werden, worin sich die historischen Bedingungen im zu konstituierenden Rahmen der Ausgangskultur von denen der Aufnahmekultur eines Transfers unterscheiden und worin somit der Wandel, also der Kern des Transfers, tatsächlich besteht.⁴⁹ Dieses methodologische Problem (also die Notwendigkeit der Erweiterung des Kulturtransferansatzes um Fragen des Vergleichs) versucht der erste Teil der Analyse am Beispiel der politischen Beziehungen zwischen Polen-Litauen und Preußen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu verdeutlichen, als der polnisch-litauische Staatsverband zum Garanten der preußisch-russischen Annäherung nach dem Siebenjährigen Krieg avancierte. Gefragt wird nach dem Einfluss von Friedrich II. auf die internen Konflikte Polens, die infolge der durch Russland durchgesetzten Wahl von Stanisław August Poniatowski zum polnischen König stark eskalierten. Neben der repressiven Polen-Politik Preußens und ihrer Wahrnehmung durch den neugewählten Monarchen steht hier die propreußische Haltung der Adelsparteiungen im Vordergrund, die während der sogenannten „Konföderation von Bar“ eine dezidiert antirussische und antikönigliche Position bezogen. Durch die operative Hervorbringung von Kontakträumen, Kontaktthemen und Kontaktpersonen wird die Dynamik des polnisch-preußischen Transfers angesichts der angespannten politischen Konstellation (erste Teilung) eruiert, wohingegen eine strukturorientierte Gesellschafts- oder Alltagsgeschichte ausdrücklich nicht Ziel der Untersuchung ist. Die so beschriebene Konstellation legt gleichzeitig nahe, auf die Frage einzugehen, ob das polnische Preußenbild dieser Zeit (1764– 1776) lediglich politisch konnotiert war. Dieses Problem wird am Beispiel von Marianna Skórzewska und ihrer jahrelangen Verbindung zum preußischen Hof analysiert und erläutert. Wie die erste Teilung das polnische Preußenbild beeinflusste und welche Funktion ihm in dem aufgeklärten Reformprozess zukam, wird im zweiten Teil ausgeführt. Nachzugehen ist der Frage, welche Reaktionen die territoriale Annexion Preußens sowohl in Polen-Litauen als auch unter den katholischen Adelseliten in den eroberten Gebieten (Westpreußen) hervorrief. Auf das Wohlwollen der preußischen Verwaltung angewiesen, zeigten sich einige unter ihnen durchaus kompromissbereit und versuchten, eine erträgliche und ihren bewährten Status in der Provinz garantierende Übereinkunft mit der neuen Macht zu finden, was am Beispiel des ermländischen Bischofs Ignacy Krasicki aufgezeigt werden
Vgl. dazu Hartmut Kaelble, Die Debatte über Vergleich und Transfer und was jetzt?, in: Geschichte transnational (geschichte-transnational.clio-online.net, Zugriff: 12.03. 2014).
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soll. Die Eroberung der polnischen Territorien durch Preußen bedeutete für PolenLitauen einen tiefen Einschnitt, dennoch löste sie keine entscheidende Zäsur des polnischen Preußenbildes aus. Auf der Suche nach praktikablen Handlungsanweisungen für die Reformierung des polnischen Staatswesens (Militär, Recht, Bildung) haben die polnischen Aufklärer nicht selten Preußen und seinen Monarchen zum Vorbild erhoben. Inwiefern lässt sich daraus nun auf eine „Übernahme“ der entsprechenden Gedanken schließen? Im Kern der Transferforschung geht es vor allem um die „Anverwandlung des Rezipierten im neuen Kontext nach dessen Entwicklungsbedürfnissen“.⁵⁰ Aus diesem Grund geht dieser Teil der Untersuchung auf die spezifische Wahrnehmung der preußischen Monarchie (allen voran Friedrichs II.) und auf die Eigenart der polnischen Aufklärungsbewegung ein. Zunächst und zumeist wird das Augenmerk auf diejenigen Aufklärungsformationen gerichtet, deren Mitglieder im direkten Kontakt zum preußischen Hof oder zu Berliner Wissenschaftlern und Wissenschaftseinrichtungen standen oder Preußen teilweise als Vorbild für den polnischen Reformweg betrachteten. Beziehungen wie Freundschaft, Patronage und solche innerhalb sozialer Netzwerke sind als Variationen sozialer Bindungen an Preußen jedoch keine „Spezialität“ ethnischer Polen gewesen. Der polnisch-litauische Staatsverband des 18. Jahrhunderts war ein von mehreren ethnischen und religiösen Minderheiten bewohnter Vielvölkerstaat. Auch wenn die vorliegende Studie der polnischen Aufklärung gewidmet ist, kann eine Betrachtung ohne den Einschluss von Minderheiten unmöglich auch nur annähernd alle wichtigen Facetten des kulturellen Transferprozesses erfassen. Zu denken ist vor allem an die polnischen Juden aus dem Umkreis von Moses Mendelssohn, die sich in der preußischen Hauptstadt an der Berliner Haskalah-Bewegung mehr oder weniger erfolgreich beteiligten. Doch trotz der erzählerisch notwendigen Separierung der Akteure, wie hier der Gruppe der polnischen und polnisch-jüdischen Intellektuellen, muss immer wieder betont werden, dass sich die polnisch-preußischen Kontakte im Laufe des 18. Jahrhunderts gewiss nicht strikt in einzelne Interessenbereiche wie Religion, Kultur oder Politik aufteilen lassen. Vielmehr war es eine Mischung aus mehreren unterschiedlichen Faktoren, die diese gegenseitigen Kontakte begünstigten und das polnische Preußenbild unterschiedlich intensiv prägten.Wie eine Ausweitung
Matthias Middell, Kulturtransfer und Historische Komparatistik – Thesen zu ihrem Verhältnis, in: Comparativ, 10 (2000), S. 7. Ähnlich bei Peter Burke, Kultureller Austausch, Frankfurt am Main 2000 und Christiane Eisenberg, Kulturtransfer als historischer Prozess. Ein Beitrag zur Komparatistik, in: Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, hg. von Hartmut Kaelble und Jürgen Schriewer, Frankfurt am Main (u. a.) 2003, S. 399 – 417.
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der zunächst politisch legitimierten polnisch-preußischen Annäherung in kulturelle Bereiche verlief und wie sehr die (Familien‐)Politik der einzelnen Adelshäuser den gegenseitigen Kulturtransfer beeinflusste, wird im dritten Teil und am Beispiel der Bemühungen um ein polnisch-preußisches Bündnis während des sogenannten „Großen Reichstags“ analysiert. Allerdings ist eine Fixierung auf die polnische Preußenfreundschaft dieser Zeit keinesfalls die zentrale Absicht dieses Abschnitts. Vielmehr geht es hier darum, die Art und Weise näher zu erfassen, nach welcher die polnischen Reformer das von ihnen propagierte positive Preußenbild instrumentalisierten. Dabei wird im Sinne der „histoire croisée“ davon ausgegangen, dass der angedeutete Vorgang der Verflechtung die jeweiligen Gegenstände verändert, so dass mithin die Blickwinkel, in denen sie jeweils erscheinen bzw. durch die sie überhaupt erst ins Blickfeld geraten (damit also auch die Wahrnehmung der Gegenstände selbst), durch den Vorgang der Verflechtung ihrerseits modifiziert werden.⁵¹ Aus diesem modifizierten Blickwinkel wird auch nach dem polnischen Preußenbild im Laufe des Kościuszko-Aufstandes (1794) gefragt und auf die sich vollziehende Zäsur in der polnischen Wahrnehmung Preußens hingewiesen. Während bis dahin Preußen vorwiegend als ein homogenes Gebilde (König + Staat) wahrgenommen wurde, vollzieht sich in der Aufstandspropaganda eine deutliche Trennung zwischen der preußischen Macht und der Gesellschaft. Um alle Kräfte gegen die preußischen und russischen Truppen zu mobilisieren, wurde dem Feindbild eines grausamen Preußenkönigs und dessen Machtapparats eine positive Darstellung des preußischen Volkes entgegengestellt. Die Folge davon war eine weitere Differenzierung und Individualisierung des polnischen Preußenbildes. Die Tatsache, dass nicht alle Polen die Beteiligung der Hohenzollernmonarchie an der Auflösung des polnisch-litauischen Staatsverbandes verurteilt haben oder dass sich die nationale Identität der Polen nicht allein in Abgrenzung gegen Preußen als Ganzes konstituierte, bestätigt den untersuchten Wahrnehmungswandel. Angesichts dieser Entwicklung ist davon auszugehen, dass sich das eindeutig negative Preußenbild in der polnischen Öffentlichkeit erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts infolge der zunächst polenskeptischen Einstellung nach 1848 bis zur offen polenfeindlichen Politik Bismarcks herausbildete.⁵² Um diese Übergangsphase kann es im Rahmen des vorliegenden Buches jedoch nicht mehr gehen. Mit der Darstellung des polnisch-preußischen Transfers unmittelbar vor der dritten Teilung Polen-Litauens bricht die Analyse ab, und das aus gutem Grund: Seit 1795 bezeichnete das Wort „Polen“ lediglich eine
Werner und Zimmermann, Vergleich, Transfer, Verflechtung, S. 623. Salmonowicz, Die polnische öffentliche Meinung, S. 31.
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kulturelle und sprachliche Gemeinschaft; das Land selbst war unter den Nachbarn Preußen, Russland und Österreich aufgeteilt und von der politischen Landkarte Europas verschwunden. Der Verlust der staatlichen Souveränität von Polen-Litauen beendete die politische Geschichte seines Reform- und Aufklärungsprozesses. Selbstverständlich wirkte er mit seinen Werten und Ideen weiter und strahlte noch auf die Ereignisse der Jahrhundertwende und zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus. Doch die polnisch-preußische Transfergeschichte variiert nun je nach Teilungsgebiet. Ihre Darstellung nach 1795 müsste Kontinuitäten in der bezeichneten Divergenz erfassen, was andere als die bis hierher verfolgten Herangehensweisen erfordert. Die Entscheidung, den untersuchten Zeitrahmen (1764– 1794) auf die Herrschaft des letzten polnischen Wahlkönigs Stanisław August Poniatowski zu beschränken, ist entwicklungsgeschichtlich bedingt. Aufgrund der militärischen Verheerungen und wirtschaftlichen Schäden in Sachsen sowie der Beendigung der sächsisch-polnischen Personalunion 1763 schied Sachsen-Polen nach dem Siebenjährigen Krieg als politischer Akteur endgültig aus der europäischen Machtrivalität aus. Der polnisch-litauische Staatsverband beschritt unter russischem Einfluss einen eigenen Weg, verlor aber dauerhaft den Status einer europäischen Großmacht. Das preußisch-russische Bündnis von 1764, das Friedrich II. mit der bedingungslosen Unterstützung Katharinas II. bei ihrer Erhebung Poniatowskis zum polnischen König erkaufte, legte die langfristige Haltung beider Länder gegenüber ihrem gemeinsamen Nachbarn fest. Die „polnische Frage“ wurde zum Garanten der russisch-preußischen Verbindung. Der offizielle bzw. erneute Verzicht Preußens auf eine eigenständige Polen-Politik, zugunsten der Herausbildung einer zukunftsträchtigen Bündniskonstellation mit Russland, machte den preußischen Nachbarn jedoch für alle polnischen Gegner der russischen Hegemonie attraktiv. In der Hoffnung, dass die prorussische Haltung des preußischen Königshauses temporär und lediglich durch die herrschende Dominanz Russlands auf der europäischen Bühne bedingt sei, versuchten sie, Preußen immer wieder und trotz seiner expansionistischen Politik als potenziellen, wenngleich unsicheren Verbündeten zu gewinnen. So gesehen ist das polnische Preußenbild in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht allein im Rahmen der polnischen-preußischen Beziehungen zu betrachten, sondern vielmehr aus der preußisch-polnisch-russischen Konstellation heraus. Angesichts der russischen Vormachtstellung im Lande stellte sich für viele polnische Staatsmänner die Frage, ob Preußen vielleicht doch der bessere Nachbar sein könnte. Und in kaum einer anderen Phase war dieser hoffnungsvolle Blick nach Westen so stark ausgeprägt wie zur Herrschaftszeit von Stanisław August Poniatowski. Die politischen Bestrebungen, Preußen als potenziellen Bündnispartner gegen Russland zu gewinnen, stellten gleichzeitig ein wesentliches Element des
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polnischen Reformdiskurses dar. Aus diesem Grund scheint es durchaus berechtigt, über das Preußenbild in der Zeit der Aufklärung zu sprechen, auch wenn sich seine Befürworter vielleicht nicht als Aufklärungsträger betrachteten und die aufgeklärten Ideen bereits im späten 17. Jahrhundert in Polen Anklang fanden. In der polnischen Forschung herrscht aber mittlerweile Konsens darüber, dass mit der Thronübernahme Stanisław Augusts die Aufklärungsbewegung in Polen-Litauen ihren Höhepunkt erreichte.⁵³ Das hängt mit dem Umbruchcharakter seiner Herrschaftszeit zusammen, die durch einen intensiven Reformprozess des Staates gekennzeichnet ist. Der zeitgenössische Literat Kajetan Koźmian identifizierte für diese Zeit sogar eine eigene Generation und charakterisierte sie als eine aufgeklärte Formation, die „die verletzende Meinung über den Charakter der Polen überwand, die Anerkennung Europas gewann und der Nation viel Lob verschaffte.“⁵⁴ Vor diesem Hintergrund muss erwähnt werden, dass die Frage nach der Periodisierung der polnischen Aufklärung hier nicht weiter verfolgt wird. Die Debatte darüber, ob die polnische Aufklärungsbewegung bereits im 17. Jahrhundert entstand oder ob sie sich als Geistesströmung erst im Laufe des 18. Jahrhunderts herausbildete, ist für die vorliegende Analyse irrelevant. Es besteht allerdings kein Zweifel, dass die pauschale Behauptung einer verzögerten Entwicklung der polnischen Aufklärungsbewegung nicht haltbar ist. Vielmehr verläuft diese ungefähr zeitgleich mit der (west)-europäischen Frühaufklärung, deren Beginn Paul Hazard mit einem Spielraum von Jahrzehnten um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert ansetzt⁵⁵. Es ist allerdings genauso im Falle Polens, wie Preußens oder Frankreichs fraglich, ob das Auftreten einzelner Vorläufer, mögen sie der Aufklärung auch noch so nahe stehen, dazu berechtigt, vom Beginn der Aufklärung im Sinne eines
Aus der umfangreichen Literatur zur Chronologie der polnischen Aufklärung sei hier lediglich hingewiesen auf Janusz Maciejewski, Uniwersalizm i swoistość polskiego Oświecenia, in: Uniwersalizm i swoistość kultury polskiej, hg. von Jerzy Kłoczowski, Lublin 1989, S. 277– 278; Józef Andrzej Gierowski, Kościół katolicki wobec wczesnego Oświecenia w Polsce, in: Roczniki Humanistyczne, 25 (1977), S. 23 – 29; Emanuel Rostworowski, Probleme der Forschung zur Geschichte der Aufklärung in Polen, in: Zeitschrift für Slawistik, 6 (1979), S. 778 – 790; Jacek Staszewski, Kultura polska w kryzysie XVIII w., in: Tryumfy i porażki. Studia z dziejów kultury polskiej XVI– XVIII w., hg. von Maria Bogucka, Warszawa 1989, S. 235 – 259. Kajetan Koźmian, Pamiętniki, obejmujące wspomnienia od roku 1780 do roku 1815, Bd. 1, Poznań 1858, S. 14. Paul Hazard, Die Krise des europäischen Geistes 1680 – 1715, Hamburg 1939.Von einer früheren Entwicklung der Aufklärung kann man tatsächlich nur in Bezug auf die Niederlande und England reden. Vgl. dazu Margaret C. Jacob, The Radical Enlightenment: Pantheists, Freemasons and Republicans, London 1981; Jonathan Irvine Israel, Radical enlightenment: Philosophy and the making of modernity 1650 – 1750, Oxford (u. a.) 2002.
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Epochenterminus zu reden, wenn von einer Breiten- und Tiefenwirkung noch keine Rede sein kann.⁵⁶ Dieser Umstand liefert ein weiteres Argument für die hier verfolgte Fokussierung auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, als – bedingt durch die politischen Ereignisse – ein reformorientierter Wandel des Denkens einsetzte, der den Aufklärungsideen in größeren Kreisen Popularität verschaffte. Trotz der erwiesenen Anbindung der polnischen Aufklärer an die europäischen Entwicklungen des 18. Jahrhunderts lässt sich dennoch nicht bestreiten, dass die polnische Aufklärungsbewegung eine gewisse Eigenart behielt und im Vergleich zu der von Preußen, Frankreich oder England eine andere Variante des aufgeklärten Denkmodells bildete.⁵⁷ Diese resultiert zunächst aus der politischen und sozialen Situation des polnisch-litauischen Staatsverbandes. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war Polen-Litauen kein souverän agierender Staat mehr, sondern der Vormacht Russlands unterstellt. Es verwundert daher also nicht, dass die politische Problematik (der eigene Staatsverband) die polnische Aufklärung am stärksten prägte. Ihre sozialen Hauptkräfte waren der Adel und die Geistlichkeit, während in den Ancien-Régime-Monarchien vorwiegend bürgerliche Intellektuelle die Hauptimpulse für die Konstituierung der Aufklärungsepoche vermittelten. Zwar gab es in Polen-Litauen vereinzelt Menschen aus dem Bürgerstand, die in dem durch die Aufklärung ausgelösten Modernisierungsprozess des Staates eine bedeutsame Rolle spielten, aber sie vertraten nicht die standesbezogenen Interessen des Bürgertums, sondern standen im Dienst der führenden politischen Kräfte des Hofes und des Hochadels. Der polnisch-litaui-
Exemplarisch dazu Janusz Maciejewski, Dylematy wolności. Zmierzch sarmatyzmu i początki oświecenia w Polsce, Warszawa 1994; Między barokiem a oświeceniem. Apogeum sarmatyzmu. Kultura polska drugiej połowy XVII wieku, hg. von Krystyna Stasiewicz und Stanisław Achremczyk, Olsztyn 1997; Marcin Cieński, Literatura polskiego oświecenia wobec tradycji i Europy. Studia, Kraków 2013. Die Versuche der Literaturhistoriographie, die Spezifik der polnischen Aufklärung durch bestimmte Begrifflichkeiten („katholische Aufklärung“ und „sarmatische Aufklärung“) hervorzuheben, hält die Autorin für überholt. Die politisch-sozioökonomische Lage des polnisch-litauischen Staatsverbandes ist mit den Ancien-Régime-Mächten Europas nicht gleichzusetzen.Vor diesem Hintergrund erscheint es auch selbstverständlich, dass die polnische Aufklärungsentwicklung andere Formen angenommen hat, als die in Frankreich oder Preußen. Der Versuch, diesen Unterschied begrifflich zu fassen, wäre nicht nötig, wenn die Forschung die Aufklärung in Westeuropa nicht zum allbestimmenden Kanon erhoben hätte und sich verstärkt für einen wertfreien und ambivalenten Aufklärungsbegriff einsetzen würde. Zur Debatte über den Begriff der „Aufklärung“ in Polen siehe Maciej Parkitny, Oświecenie sarmackie. Próg nowoczesności w Polsce?, in: Polonistyka w przebudowie, 2 (2005), S. 514– 541; Krzysztof M. Dmitruk, Oświeceniearchipelagi wspólnot, in: Wiek Oświecenia, 14 (1998), S. 13 – 30. Allgemein dazu bei Fania OzSalzberger, New approaches towards a history of the Enlightenment. Can disparate perspectives make a general picture?, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte, 29 (2000), S. 171– 182.
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sche Adel wollte wiederum vor allem seinen sozialen Status quo erhalten und seine Machtbefugnisse erweitern.⁵⁸ „Für den aufgeklärten Adel“, konstatiert Namowicz, „gipfelte die Aufklärung in einer Reform des Staates, deren übergeordnetes Ziel darin erblickt wurde, als ebenbürtiger politischer Partner der europäischen Mächte auftreten zu können.“⁵⁹ Die sozialen oder weltanschaulichen Fragen, die im Hinblick auf die Lage der niederen Stände oder auf die Rolle der Religion sporadisch formuliert wurden, sahen die adligen Aufklärer eher als irrelevant an. Auch die kulturellen Aktivitäten behandelte man meistens instrumental: Sie sollten den aktuellen Anliegen des die Staatsreformen anstrebenden Adels dienen. Die politischen Ziele waren das wichtigste Regulativ der polnischen Aufklärung. Gefragt waren praktikable Antworten auf aktuelle Tagesereignisse und weniger theoretische Reflexionen theologischer oder philosophischer Natur. Auch aus diesem Grund wird in der vorliegenden Untersuchung das polnische Preußenbild immer in den politischen Kontext seiner Zeit gestellt. Der polnischpreußische Kulturtransfer war stark in der Kategorie des Politischen verankert und nur durch Einbeziehung dieser politischen Dimension kann er umfassend analysiert werden. Sicherlich ist die polnische Wahrnehmung Preußens ein historisches Phänomen und lässt sich nicht nur auf die turbulente Regierungszeit von Stanisław August reduzieren. Polen-Litauen war 70 Jahre lang (1697– 1763) durch eine Personalunion mit Sachsen verbunden und die Wettiner Kurfürsten trugen auch die polnische Krone. Ihre Herrschaftszeit trug wesentlich zur Verbreitung der deutschen Sprache bei und förderte die Niederlassung von Kulturschaffenden, Unternehmern oder Handwerkern aus dem Reich. Vor diesem Hintergrund darf die umfassende Präsenz der deutschsprachigen Kultur in Polen gewiss nicht übergangen werden, wenn man die historischen Ausmaße und die Tradition der polnischen Kontakte mit Preußen betrachten will. Dieser wichtige Aspekt stellt allerdings keinen expliziten Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie dar; die wechselvolle Geschichte der polnisch-preußischen Beziehungen wird hier auf die Herrschaftszeit von Stanisław August reduziert und lediglich insoweit thematisiert, als zu erklären ist, wie sie die polnische Wahrnehmung Preußens zu dieser Zeit prägte. Um es noch einmal zu betonen: Das polnische Preußenbild in
Dass die Geschichte der Aufklärung nicht mit der Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft gleichzusetzen ist, schildert eindrücklich Michael G. Müller. In diesem Zusammenhang setzt er sich auch entschieden dafür ein, die nicht-bürgerlichen Entwicklungswege des aufgeklärten Denkens zu berücksichtigen, ohne sie gleich als rückständig abzuwerten. Michael G. Müller, Die Historisierung des bürgerlichen Projekts: Europa, Osteuropa und die Kategorie der Rückständigkeit, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte, 29 (2000), S. 163 – 170. Namowicz, Mittel-, Ost- und Südosteuropa versus westeuropäische Länder, S. 32.
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der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts steht im Zentrum der Untersuchung und nicht die Sozialgeschichte des polnisch-deutschen Verhältnisses. Unbestritten bleibt, dass gerade die sozioökonomischen Gesichtspunkte eine einschneidende Rolle bei der Verbreitung und Kodierung von bestimmten Preußenbildern spielten. Ihre verlässliche und differenzierte Analyse setzt allerdings einen sorgfältigen Bezug auf die lokalen, ständischen oder konfessionellen Unterschiede innerhalb des polnisch-litauischen Staatsverbandes voraus. So eine ausführliche und alle Spezifika berücksichtigende Auseinandersetzung kann der hier verfolgte methodische und inhaltliche Ansatz allerdings nicht leisten. Er konzentriert sich auf das Preußenbild des politisch-kulturellen Reformdiskurses und weniger auf die Wahrnehmungsstrategien und -kriterien, die für bestimmte Regionen, Religionen oder Stände charakteristisch waren. Die enge Verbindung des polnischen Preußenbildes mit der jeweils aktuellen Politik und der Aufklärungsbewegung schränkt gleichzeitig den Kreis seiner Träger ein. Im Mittelpunkt der Studie stehen die meist adligen Staatsmänner und Kulturschaffenden, die am Reformprozess und dem politischen Geschehen dieser Zeit partizipierten. In seiner Analyse der polnischen politischen Elite des 18. Jahrhunderts geht der Historiker Jerzy Michalski davon aus, dass ihr Kreis relativ beschränkt war und vorwiegend aus den Adligen, die die höheren Staatsämter bekleideten, bestand oder vereinzelt auch aus Vertretern des Bürgerstandes, die sich publizistisch am politischen Leben beteiligten.⁶⁰ Deutlich differenzierter fiel dagegen die Zusammensetzung der polnischen Intelligenz dieser Zeit aus, die nicht unbedingt Positionen der Elite bekleidete. Nach Maciej Janowski umfasste ihre Gruppe kaum einige Tausend und erstreckte sich von den polnischen und ausländischen Intellektuellen über die Adligen und Nicht-Adligen, Katholiken und Nicht-Katholiken bis hin zur weltlichen und Ordensgeistlichkeit.⁶¹ Aus diesen beiden, kaum voneinander zu trennenden und stark heterogenen, Gruppen rekrutierten sich auch die „Wahrnehmungseliten“ (Günther Lottes), die ein dezidiertes Interesse an Preußen zeigten, Kontakte zum preußischen Hof suchten oder von der Verbreitung bestimmter Preußenbilder profitieren wollten. Dabei muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass zumindest bis zum 19. Jahrhundert von einer homogenen Wahrnehmung Preußens im polnischlitauischen Staatsverband nicht die Rede sein kann. Diese Wahrnehmung hing zumeist von der politischen Orientierung, dem ständisch-adligen Status oder der geografischen bzw. religiösen Herkunft der Rezipienten ab. Ein reicher, welt Jerzy Michalski, Problematyka polskiej elity politycznej XVIII wieku, in: Wiek Oświecenia, 5 (1988), S. 19 – 28. Einen neueren Beitrag dazu liefert Andrzej S. Kamiński, Historia Rzeczypospolitej wielu narodów 1505 – 1795. Obywatele, ich państwa, społeczeństwo, kultura, Lublin 2000. Maciej Janowski, Narodziny Inteligencji 1750 – 1831, Warszawa 2008, S. 110.
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offener und machtorientierter Magnat mit einem Nebensitz in Warschau pflegte meist ein anderes Verhältnis zu Preußen als ein verarmter katholischer Kleinadliger aus der Provinz oder ein jüdischer Gelehrter aus Litauen. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stand oder die Grenzen zwischen den Ständen bestimmten die jeweilige Position in der Gesellschaft und damit auch den Grad des Interesses am politischen Geschehen. Die sprachlich-kulturelle oder ethnische Prägung war dabei von untergeordneter Bedeutung, oder wurde bewusst in den Dienst einzelner Interessenlagen und Kommunikationsabsichten gestellt. Gemeint sind hier vor allem familiär (dynastisch) oder politisch verbündete Gruppierungen, die von unterschiedlich motivierten Interessen geleitet wurden und deren Freund-FeindKonstruktion vorwiegend auf Eigennutz und nicht auf das Wohl einer ethnischkulturell begriffenen „Nation“ ausgerichtet war. Seit der Reformation wurde diese ständisch-politische Differenzierung auch von einem religiösen Gegensatz begleitet, der zunächst fast unüberwindbare konfessionelle Barrieren errichtete und in latenter, gleichwohl schwächer werdender Form über Jahrhunderte fortwirkte. Auch das Engagement Preußens in den innen- und außenpolitischen Belangen Polens bestimmte die Wahrnehmung bei den involvierten Akteuren, da sie sich ihre Meinung über den preußischen Nachbarn je nach individueller oder gruppenorientierter Zufriedenheit bildeten. Prinzipiell standen hinter ihren einzelnen Argumentationsfiguren jeweils konkrete politisch-ökonomische Ziele. Ihre meinungsbildenden und interessensorientierten Vorstellungen setzten allerdings nicht immer direkte Kontakte voraus, auch kursierende Gerüchte, überlieferte Nachrichten oder tradierte Auffassungen wirkten sich auf das rezipierte Bild aus. Fundament dieser Rezeption war aber vorwiegend das (politische) Interesse an Preußen und an dessen instabilem Verhältnis zu den polnischen Angelegenheiten. Ein dominant-abstrakt anmutendes oder grundständig-negatives Preußenbild hatte sich erst im Laufe des 18. Jahrhunderts, vor allem nach der zweiten Teilung Polen-Litauens, durchgesetzt. Bis dahin war es meist bestimmt von ganz konkreten und sehr differenten Erfahrungen seiner Träger. Die das Preußenbild prägenden Erfahrungen differierten allerdings nicht nur innerhalb der Stände oder der intellektuellen Eliten des Landes, auch die regionalen Unterschiede spielten eine wesentliche Rolle bei der Wahrnehmung des preußischen Nachbarn. In diesem Zusammenhang bleibt zu erwähnen, dass die Untersuchung der polnisch-preußischen Beziehungen und ihres Einflusses auf die Entstehung und Verbreitung von einzelnen Ansichten über Preußen in den konkreten Regionen kein Hauptanliegen der Analyse bildet. Vielmehr geht es hier um die allgemeine Charakterisierung des gegenseitigen Verhältnisses sowie der politischen zwischenstaatlichen Faktoren, die dieses Gegen- und Miteinander entscheidend beeinflussten. Dem durchaus berechtigten Einwand von Matthias Weber, dass man „oft von Preußen spricht, wenn man in Wirklichkeit Branden-
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burg und Berlin meint“⁶², kann durch den Hinweis begegnet werden, dass die Untersuchung der osteuropäischen Dimension der preußischen Geschichte einen anderen methodischen und inhaltlichen Ansatz erfordert als den, der hier verfolgt wird. Gemeint sind hier vor allem polnisch-preußische Grenzregionen sowie „Staatsbildungen auf stadtgesellschaftlicher Grundlage“ wie Danzig oder Thorn.⁶³ Die Analyse der politisch- und nationalkulturellen Sonderentwicklung dieser Regionen bzw. Städte würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen und zum Teil eine anders ausgerichtete Fragestellung nach dem polnisch-preußischen Kulturtransfer voraussetzen. Hinzu kommt, dass die lokal bedingten Loyalitäten der Eliten in den Grenzregionen, sei es zu Preußen oder Polen, „weder mit der Warschauer noch mit der Berliner Perspektive in Deckung zu bringen sind“, wie Hans-Jürgen Bömelburg hervorhebt, und „im Verhältnis zum polnischen oder brandenburgisch-preußischen Gesamtstaat ebenfalls periphere Einstellungen bilden.“⁶⁴ Nicht minder peripheren Charakter besitzt der polnisch-preußische Kulturtransfer, der auf den östlichen und südöstlichen Territorien des polnisch-litauischen Commonwealth, im heutigen Litauen, Weißrussland und in der Ukraine, stattfand. Zudem scheint es fraglich, ob man überhaupt über das litauische, galizische oder auch ruthenische Preußenbild der polnischen Aufklärung sprechen kann. Die östliche und südöstliche Region war sprachlich, religiös und ständisch stark differenziert. Der Großteil der litauischen oder kleinpolnischen Adelseliten, die die preußische Monarchie oder das Hohenzollernhaus als Projektionsfläche für eigene Interessen betrachteten, bekleideten hohe Staatsämter und waren aufgrund dessen häufiger in ihren Hauptstadtresidenzen als auf ihren litauischen oder kleinpolnischen Landsitzen präsent.⁶⁵ Allein dadurch nahmen sie Preußen
Matthias Weber, Preußen in Ostmitteleuropa. Geschichte und Geschichtsverständnis, in: Preußen in Ostmitteleuropa. Geschehensgeschichte und Verstehensgeschichte, hg. von dems., München 2003, S. 18 f. Michael G. Müller, Zweite Reformation und städtische Autonomie im Königlichen Preußen. Danzig, Elbing und Thorn in der Epoche der Konfessionalisierung (1557– 1660), Berlin 1997, S. 21. Hans-Jürgen Bömelburg, Grenzgesellschaft und mehrfache Loyalitäten. Die brandenburgpreußisch-polnische Grenze 1656 – 1772, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung, 55 (2006), S. 58. Hans-Jürgen Bömelburg merkt dazu an: „Angesichts solcher dezentralen und wenig formalisierten Kommunikationsstrukturen erfolgte die Meinungsbildung im Reichsverband über genossenschaftlich-ständische Öffentlichkeiten, die von den Beteiligten ein hohes Maß an Mobilität (Besuch ständischer Versammlungen, religiöser und kultureller Zentren sowie Informationsaustausch über adlige Nachbarschaften) erforderte“. Hans-Jürgen Bömelburg, Politische Öffentlichkeit und Verfassung zwischen Königsherrschaft, Oligarchie und Adelsrepublikanismus, in: Polen in der europäischen Geschichte: Ein Handbuch in vier Bänden, S. 373.
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mehr aus der Warschauer denn aus der regionalen Perspektive wahr. Die politischökonomischen Geschehnisse in der „Krone“ (Polen ohne Litauen und Kurland) sowie die diplomatischen Verhandlungen zwischen dem Warschauer und Berliner Kabinett lieferten entscheidende Impulse für das polnische Preußenbild im ganzen Land. Wenn hier also teilweise der Begriff „Polen-Litauen“ benutzt wird, dann geschieht das nicht aufgrund der Wichtigkeit der litauischen Aspekte für die allgemeine Konstituierung der polnischen Preußenbilder, sondern weil sich die Entwicklungen im Zentrum des Landes auf die Wahrnehmungsdynamiken auch in anderen Teilen auswirkten.⁶⁶ Für die Fokussierung der Betrachtung auf die zentralen Regionen und den königlichen Hof in Warschau spricht auch die quellenmäßig kaum erschließbare Kommunikation zwischen Zentrum und Peripherie. Die schwache institutionelle Ausprägung und die Streuung der Quellen stellen ein grundsätzliches Problem der polnisch-litauischen Geschichte dar, eine fundierte und alle Regionen des polnisch-litauischen Staatsverbandes implizierende Auseinandersetzung mit dem polnischen Preußenbild kann diese Untersuchung daher kaum leisten. Stattdessen versucht sie, auf die dominanten und repräsentativen Entwicklungslinien in der polnischen Preußenwahrnehmung hinzuweisen sowie ihre Dynamiken, Brüche und Konsequenzen hervorzuheben. Dieser Zugriff erfasst in erster Linie die zentrale, von den staatlichen Institutionen beeinflusste Öffentlichkeit mit ihren durchgängig adligen oder zumindest sich am adligen Habitus orientierenden Eliten. Partikulare Interessen (einzelner Adelsfamilien), regionale Besonderheiten (Bischof Krasicki in Ermland) und konfessionelle Unterschiede (polnische Juden in Berlin) werden zwar beleuchtet, aber zugleich beispielhaft betrachtet und in den allgemeinen Kontext der polnisch-preußischen Verflechtung gestellt. Dementsprechend ist die regionale Reichweite des analysierten Preußenbildes, genauso wie der Unterschied zwischen der polnischen Einstellung zu Preußen und anderen Nachbarländern, für die hier verfolgte Fragestellung nicht von zentraler Bedeutung. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit und faktographische Genauigkeit sollten die Ziele der Untersuchung hinreichend deutlich gemacht worden sein: Zum einen versteht sie sich als Plädoyer für einen veränderten Blick auf mittlerweile vertraute Fakten und Ereignisse, die durch neue Erkenntnisse, welche eine divergente Fragestellung zutage fördert, nicht verstellt, sondern im Gegenteil Der polnisch-litauische Unionsstaat wird in dieser Arbeit auch als „Polen“ bezeichnet, wie es dem Sprachgebrauch der Zeitgenossen und überwiegend auch dem der modernen Historiographie entspricht. Die Formulierung „Polen-Litauen“ wird dagegen häufiger verwendet, um an den Doppelstaatscharakter zu erinnern. Zum Begriffsgebrauch siehe Urszula Augustyniak, Historia Polski 1572– 1795, Warszawa 2008.
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differenzierter beleuchtet werden. Zum anderen versucht sie, eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der erkenntnishemmenden Politisierung des preußischpolnischen Verhältnisses anzuregen und die immer noch gängigen historiographischen und nationalen Legenden bzw. Mythen durch kritische Auswertung der hier präsentierten Quellen zu hinterfragen. Die Betrachtung der polnischen Aufklärungsbewegung aus der Perspektive der polnisch-preußischen Kulturtransferund Beziehungsgeschichte könnte helfen, eine abweichende Interpretation der gemeinsamen Vergangenheit anzuregen und die vielschichtige Intensität des polnisch-preußischen Verhältnisses, gerade in der Teilungszeit, in Erinnerung zu rufen.
Asymmetrische Begegnungen 1. Polen-Litauen als Garant der preußisch-russischen Verbindung Im 17. Jahrhundert vollzogen sich jene fundamentalen Verschiebungen im europäischen Mächtesystem, in deren Verlauf der polnisch-litauische Staatsverband seine außenpolitische Handlungsfähigkeit stetig einbüßte und Preußen zu einem wichtigen Bündnispartner auf der europäischen Bühne aufstieg. Doch sind es ja nicht diese großen Linien der internationalen Politik allein, die in der öffentlichen Meinung eines Landes – in diesem Falle Polen-Litauen – eine negative Wahrnehmung vom Nachbarn – hier also Preußen – entstehen lassen,¹ sondern es sind meistens ganz konkrete und zeitnah nachzuvollziehende Konflikte. Zu nennen wären hier etwa der Aufstand Christian Kalckstein-Stolińskis aus dem Herzogtum Preußen gegen den Großfürsten Wilhelm I., der mit der Entführung KalcksteinStolińskis aus Warschau und seiner anschließenden Hinrichtung 1672 endete oder die Inbesitznahme Elbings (Elbląg) durch Preußen 1698 als Ausgleich für nicht bezahlte Schulden des polnischen Königs beim Kurfürsten. Solche Ereignisse, bei denen mit der polnischen Macht- und der preußischen Respektlosigkeit bereits zwei wesentliche Aspekte dieser künftigen Konfliktgemeinschaft zu erkennen sind, riefen eine breite Empörung in Polen-Litauen hervor und trugen wesentlich dazu bei, dass Preußen an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert dort als „böser Nachbar“ angesehen wurde.² Auch zu Beginn des 18. Jahrhunderts stand Preußen im Fokus der polnischen Aufmerksamkeit. Die politischen Schlüsselerfahrungen, die das gegenseitige Verhältnis bestimmten, waren der Nordische Krieg um die Vormachtstellung an der Ostsee und der Aufstieg Russlands. Spätestens mit dem Triumph von Poltawa 1709 trat das Zarenreich unter Peter I. an die Stelle der alten Vormächte des 16. und 17 . Jahrhunderts, Polen und Schweden, und etablierte ein für lange Zeit dominierendes System seiner Vorherrschaft in Nordost- und Ostmitteleuropa. Im Zuge der russischen Machtentfaltung geriet der Staatsverband Polen-Litauen in die Salmonowicz, Die polnische öffentliche Meinung, S. 14; Kazimierz Maliszewski, Kształtowanie się stereotypu Niemca i obrazu krajów niemieckich w potocznej świadomości sarmackiej od XVI do połowy XVIII w, in: Polacy i Niemcy. Z badań nad kształtowaniem heterostereotypów etnicznych, hg. von Kazimierz Wajda, Toruń 1991, S. 37– 41. Ebenda, S. 38. Ausführlich dazu Kazimierz Maliszewski, W kręgu staropolskich wyobrażeń o świecie, Lublin 2006, S. 150 – 157. Die Auflistung der gedruckten polnischsprachigen Schriften zur Entführung und Ermordung von Kalckstein-Stoliński findet man im Biogramm von Adam Przyboś, Kalkstein-Stoliński Christian, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 11, Wrocław 1966, S. 485 – 488. DOI 10.1515/9783110520903-002
1. Polen-Litauen als Garant der preußisch-russischen Verbindung
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Interessensphäre Peters, welcher nicht davor zurückscheute, in das polnische Parteienspiel einzugreifen und die internen Kräfte durch Bestechungen und Erpressungen in seinem Sinne zu manipulieren (Reichstag von Grodno 1716/17). Das Übergewicht Russlands in Polen und die Abhängigkeit des Sachsenkönigs August II., seit 1697 in Personalunion auch polnischer König, schienen nunmehr abgesichert. Damit verlor Frankreich seine traditionelle Vormachtstellung im polnisch-litauischen Staatsverband (Barrière de l’est) an das Zarenreich. Dieses neue Machtverhältnis in Europa ließ auch das junge Königreich Preußen nicht unbeeindruckt, zumal in Polen-Litauen sein traditionelles Interessenfeld lag. Jahrzehntelang standen die brandenburgischen Kurfürsten als Erben des Herzogtums Preußen in einem Lehnsverhältnis zur polnischen Krone. Erst 1657, in den Verträgen von Wehlau und Bromberg (Bydgoszcz), gelang es ihnen, sich aus dieser Lehnsabhängigkeit zu lösen und in Preußen Souveränität zu erlangen. Die Krönung von 1701 und die damit verbundene Gründung der preußischen Monarchie stärkten ganz erheblich die Position der Hohenzollern im östlichen Mitteleuropa. Dementsprechend groß war die Empörung in jenen Teilen des polnischen Adels, welche die preußische Rangerhöhung als vassalus regem se facit interpretierten.³ Tiefgreifende außenpolitische Verunsicherung in Bezug auf die künftigen Beziehungen zu Preußen entstand in Polen-Litauen vor allem durch die Entscheidung des Hauses Hohenzollern, ihr Königtum nicht auf das im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gelegene brandenburgische Kurfürstentum zu gründen, sondern auf das weit nach Osten verschobene Herzogtum Preußen. Eine solche politische Ostverschiebung der preußischen Politik musste unweigerlich ein verstärktes preußisches Interesse an guten Beziehungen zu Russland nach sich ziehen. Die befürchtete preußisch-russische Verbindung auf Kosten der polnischen Territorien entwickelte sich schnell zu einer populären These und wurde immer häufiger in das Interpretationsmuster der Polen-Politik der benachbarten Mächte einbezogen.⁴ Die Wahrnehmung Preußens als bedrohlicher Nachbar hatte Zit. nach Jerzy Włodarczyk, Szlachta wobec problemu niemieckiego w świetle akt sejmikowych, in: Studia Historica Slavo-Germanica, 9 (1980), S. 14. Auch in den Geschichtsbüchern aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die preußische Rangerhöhung negativ bewertet. Siehe dazu eines der populärsten Werke dieser Zeit, das gleichzeitig als Geschichtslehrbuch benutzt wurde: Władysław Aleksander Łubieński, Historia polska z opisaniem rządu i urzędów polskich, Wilno 1763, S. 93. Ein zeitgenössischer Hinweis darauf in: Władysław Aleksander Łubieński, Świat we wszystkich swoich częsciach większych y mnieyszych, to iest: w Europie, Azyi, Affryce y Ameryce, w monarchiach, królestwach, xięstwach, prowincyach, wyspach y miastach, geograficznie, chronologicznie y historycznie okryslony […], Wrocław 1740, S. 451.Vgl. auch Maliszewski, Kształtowanie się stereotypu Niemca, S. 39 f.; Salmonowicz, Prusy, S. 185 – 213.
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aber auch ganz reale Gründe: So alarmierte der königliche Postmeister, Ratsherr, Dichter und Thorner Katholikenführer Jakub Kazimierz Rubinkowski, der eine „selbstständige Nachrichtenagentur“ gründete und fast 34 Jahre lang landesweit geschriebene Zeitungen für viele Staatsmänner und wichtige Persönlichkeiten im damaligen Polen redigierte⁵, die höfisch-magnatischen Kreise seit 1717 mehrfach wegen der drohenden Gefahr seitens der preußischen Regierung in den Grenzregionen. Ende 1723 heißt es beispielsweise: „Der Brandenburger, der Nachbar des Polnischen Preußens, erwirbt nicht nur immer mehr Land von den Polen, sondern fängt auch die polnischen Leute, um aus ihnen ganze Regimente zusammenzustellen oder sie teuer zu verkaufen. So rupft er den polnischen Adel von jeder Seite und wenn es ihm nur erlaubt ist, bringt er noch größeres damnum mit sich. Jetzt schadet er durch sein Salz und seine Verlegung der ursprünglichen Ausfuhrwege von Königsberg über Polen nach Schlesien […] allein auf seine Flüsse in Pommern und Schlesien, was die polnischen Zolleinnahmen ruiniert und dem Schatz der Krone keinen Gewinn mehr bringt.“⁶
Explizit und mit scharfer Beobachtungsgabe zählt Rubinkowski hier die ökonomischen Nachteile auf, die aus der Nachbarschaft zu Preußen resultieren und die polnischen Finanzen stark belasten. Dennoch bleibt der Hinweis auf die wirtschaftlichen Konflikte zwischen Preußen und Polen-Litauen eher eine regionale Seltenheit, die meisten preußenfeindlichen Informationen aus den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts thematisieren zunächst die großen Linien der preußischen Politik gegen Polen, allen voran die befürchtete Annexion von Danzig und Thorn.⁷ Ganz deutlich zeigt das z. B. die Mitte 1725 weitverbreitete „Fama“,
Siehe dazu Kazimierz Maliszewski, Bürgerliche Formen und Methoden gesellschaftlicher Kommunikation in den Metropolen des Königlichen Preußen im 17. und 18. Jahrhundert, in: Kulturgeschichte Preußens königlich polnischen Anteils, S. 587 f. Jakub Rubinkowski an Elżbieta Sieniawska, 13.12.1723, in: Archiwum Biblioteki Czartoryskich (im Folgenden ABCz), Rękopisy i stare druki, IV/2741, o.S. (Wenn nicht anders angemerkt, wurden alle polnischen Quellen von der Autorin ins Deutsche übertragen); ähnliche Aussagen in seiner Korrespondenz unter IV/5933 und IV/2739. Weitere Beispiele in: Kazimierz Maliszewski, Obraz świata i Rzeczypospolitej w polskich gazetach rękopiśmiennych z okresu późnego baroku: studium z dziejów kształtowania się i rozpowszechniania sarmackich stereotypów wiedzy i informacji o „theatrum mundi“, Toruń 1990, S. 102– 109. Nicht minder entrüstet und ausführlich berichtete Rubinkowski auch über das berühmt-berüchtigte Thorner Blutgericht von 1724, welches seiner Meinung nach die polnisch-preußischen Spannungen zusätzlich verschärfte. Die von ihm gesammelten Materialien zu dem Thorner Konflikt in: Biblioteka Narodowa w Warszawie (im Folgenden BN), Materiały historyczne, III 6674, Bl. 62– 63 und 81– 85. Allgemein zu Rubinkowski: Krzysztof Obremski, Jakub Kazimierz Rubinkowski. Dziejopisarz i człowiek saskiego półwiecza, Warszawa 2008. Vgl. Maliszewski, Kształtowanie się stereotypu Niemca, S. 41.
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wonach „der Brandenburger“ eine neue Münze prägen ließ, die auf der einen Seite das königliche Porträt und auf der anderen den Spruch tragen solle: „Elbing ist mein, Thorn verlangt nach mir und Danzig steht unter meiner Protektion“.⁸ Dieses Gerücht begleitend wurde auch über die zweimalige Aufführung eines komödiantischen Theaterstücks am Berliner Hof berichtet, welches das „Zerreißen der polnischen Provinz durch einige Monarchen“ dargestellt habe.⁹ Trotz der polnischen Befürchtungen vor einer preußisch-russischen Bedrohung für das Königliche Preußen vertrat der kritisierte Friedrich Wilhelm I., Nachfolger des ersten Königs in Preußen Friedrich I., allerdings die Ansicht, dass seine junge Monarchie für ihren strategischen Aufstieg nicht nur ein gutes Verhältnis zu Russland, sondern auch zu seinem polnischen Nachbarn benötige. In seiner „Instruction“ für den Kurfürsten Friedrich aus dem Jahre 1722 drückte er diesen Aspekt deutlich aus und empfahl ihm, die bestehende polnische Verfassung aufrechtzuerhalten.¹⁰ Die Botschaft an seinen Nachfolger entsprach genau den vertraglichen Vereinbarungen, die Friedrich Wilhelm I. zwei Jahre früher mit Russland im Potsdamer Abkommen festgelegt hatte. Preußen fügte sich darin aus wohlerwogenem Interesse der russischen politischen Strategie, Polen-Litauen ungeteilt zu lassen und durch die Bewahrung der adligen Freiheiten, des Grundsatzes der Einstimmigkeit (liberum veto) und der freien Königswahl, seine Lenkung von außen sicherzustellen. Um im Interesse Russlands und Preußens jedes mögliche Reformprojekt zu kontrollieren oder zu torpedieren, war man auch bestrebt, ein eigenes Lager unter den polnischen Reichstagsabgeordneten aufzubauen. Folgenschwer war die Absprache von Potsdam auch deshalb, weil sich Österreich dieser politischen Linie nicht entziehen wollte und sich ihr anschloss. Die Allianz der „drei Schwarzen Adler“ sicherte die russische Hegemonie in PolenLitauen und erhob die „polnische Frage“ zum Garanten ihrer Verständigung.¹¹ Diese Regelung des gemeinsamen Vorgehens gegen den sächsisch-polnischlitauischen Staatsverband bedeutet jedoch nicht, dass der Weg zu den Teilungen Polens bereits seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts vorgezeichnet oder alternativlos war. Jacek Staszewski sieht die Zeit zwischen der Endphase des Großen Nordischen Krieges und dem Siebenjährigen Krieg eher als eine Übergangsphase, in der die schwedisch-französische Vorherrschaft an Macht einbüßte, während die russisch-österreichische Verbindung noch keine wirkmächtige Allianz dar-
Gazety cudzoziemskie vom 20.07.1725, zit. nach ebenda, S. 41 f. Ebenda, S. 42. Instruktion König Friedrich Wilhelms I. für seinen Nachfolger, zit. nach Die politischen Testamente der Hohenzollern, hg. von Richard Dietrich, Köln und Wien 1986, S. 239 f. Klaus Zernack, Polen und Russland. Zwei Wege in der europäischen Geschichte, Berlin 1994, S. 243 f.
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stellte. Bevor es Russland gelang, durch gezielte Bündnispolitik seine hegemoniale Stellung in Polen-Litauen endgültig zu festigen, gab es hier sehr wohl noch Handlungs- und Gestaltungsspielräume für andere Höfe.¹² Hinzu kommt, dass die Wechselbeziehungen zwischen den späteren Teilungsmächten immer wieder von gegenseitigen Rivalitäten stark beeinträchtigt wurden. Wie differenziert und dynamisch sich das Zusammenspiel zwischen Russland, Preußen und Österreich gestaltete, zeigt die Außenpolitik des jungen Königs Friedrich II. ganz deutlich. Sein tollkühnes Vorgehen gegen Österreich und Sachsen setzte das minutiös in Potsdam eingefädelte Verständigungskonzept außer Kraft und schob mit der Besetzung Schlesiens einen preußischen Riegel zwischen das wettinische Stammland und Polen-Litauen. Im Unterschied zu seinem Vater war der junge Preußenkönig bestrebt, mit seiner Sachsen-PolenPolitik die Abhängigkeit Preußens von Russland zu überwinden und seiner Dynastie einen gleichwertigen Platz zwischen den Kaisermächten zu garantieren. Diese hochmütigen Ambitionen und das kriegerische Vorgehen des Preußenkönigs wurden in Polen-Litauen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und von den hofnahen sächsisch-polnischen Eliten zumeist als verwerflich empfunden, denn mit seiner gewaltsamen Unterwerfung und anschließenden Besetzung des in einer Union mit Polen verbundenen Sachsens brach Friedrich II. nicht nur europäische Rechtsgrundsätze, sondern zerstörte auch endgültig den polnisch-sächsischen Plan, gemeinsam mit Russland zu einer Großmacht im nördlichen Ostmitteleuropa aufzusteigen.¹³ Die polnischen Korrespondenten in Schlesien, Österreich oder Frankreich wiesen daher vorwiegend auf die kritische Beurteilung des preußischen Vorgehens an den europäischen Höfen hin, wobei sie ausländische Staatsmänner zitierten, die Friedrich II. einhellig als „Invasor“ oder „Perturbator tranquillitatis Impery“ charakterisiert hätten.¹⁴ Gleichwohl herrschte während der Schlesischen Kriege nicht an allen polnisch-litauischen Adels- und Magnatenhöfen eine anti-friderizianische Einstellung vor. Bei den antirussisch und antisächsisch gesinnten Adelsfamilien stieß das Vorgehen Friedrichs II. durchaus auf hohe Anerkennung.Von seinem Konflikt mit Russland erhofften sie sich, ihre seit Jahren verfolgten Pläne hinsichtlich der
Jacek Staszewski, Die polnisch-sächsische Union und die Hohenzollernmonarchie (1697– 1763), in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, 30 (1981), S. 28 – 34. Zu den Plänen Sachsen-Polens im europäischen Machtgefüge dieser Zeit siehe René Hanke, Brühl und das Renversement des alliances. Die antipreußische Außenpolitik des Dresdener Hofes 1744– 1756 (= Historia profana et ecclesiastica, Bd. 15), Münster u. a. 2006; Bömelburg, Friedrich II., S. 27– 32. Zit. nach Maliszewski, Kształtowanie się stereotypu Niemca, S. 42. Andere Beispiele dafür in: Salmonowicz, Die polnische öffentliche Meinung, S. 14 und 20; Dolański, Trzy Cesarstwa, S. 129.
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Einschränkung des russischen Einflusses durch die Absetzung des sächsischen Königs und die Erweiterung bzw. Aufrechterhaltung ihrer eigenen Privilegien endlich realisieren zu können. Bereits beim vorletzten Interregnum suchten die Opponenten des russischen Kandidaten aus dem Hause Wettin den Beistand Berlins. Nach dem Tod des polnisch-sächsischen Königs August II. (der Starke) 1733 wurde der von Frankreich und Spanien unterstützte Stanisław Leszczyński, der alte Widersacher Russlands aus der Zeit des Nordischen Krieges und Schwiegervater von Ludwig XV., zum neuen König gewählt. Mit diesem beim polnischen Adel populären Monarchen hoffte Paris, die „Barrière de l’est“ zu reaktivieren, was aber die Pläne von Petersburg und Wien durchkreuzte, die Frankreichs Einfluss auf Polen-Litauen durch die Wahl von August III., dem Sohn Augusts des Starken, schwächen wollten. Letztendlich setzte sich Russland mit militärischen Mitteln durch und Leszczyński musste schon nach drei Wochen fliehen. Auf seiner Flucht nach Frankreich gewährte ihm ausgerechnet Friedrich Wilhelm I. in Marienwerder und Königsberg Asyl, was dessen Verbindung mit Russland und Österreich eigentlich konterkarierte. Diese Insubordination des preußischen Königs, der insgeheim die erneute sächsische Königswürde verhindern wollte, beruhte nicht nur auf dem jahrzehntelangen Kontakt zwischen Leszczyński und Friedrich II., sondern ließ darüber hinaus auch den antirussisch eingestellten Adel hoffen, dass Preußen trotz seiner offiziellen Bündnisse weiter an der Seite Frankreichs stünde und gegen jegliche, die Adelsrechte einschränkende Verfassungsänderung auftreten werde.¹⁵ Friedrichs Schulterschluss mit Paris in den ersten Schlesischen Kriegen bestätigte diese verbreitete Zuversicht und gab Anlass zu glauben, dass auch der junge König den innerpolnischen Kampf gegen das absolutum dominium unterstütze.¹⁶ So bildeten die oppositionellen Adligen unter der Führung des Groß-
Zu diesem Komplex siehe Edmund Cieślak, Stanisław Leszczyński,Wrocław 1994, S. 158 f. Zum langjährigen Kontakt zwischen Friedrich II. und Leszczyński siehe Georg Peiser, Friedrich der Große und König Stanisław Leszczyński, in: Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen, 27 (1812), S. 231– 260; Agnieszka Pufelska, Die verpasste Größe: Friedrich II. und Polen, in: Friederisiko – Friederich der Große. Die Ausstellung, hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, München 2012, S. 114 f. Die Erneuerung des preußisch-russischen Bündnisses von 1740, in dem sich beide Seiten verpflichteten, die bestehende Verfassung in Polen-Litauen zu verteidigen, bestätigte diese Auffassung. Um die polnische Anhängerschaft Preußens zu vergrößern, wurde auch die preußische Propaganda aktiv. Im Jahre 1756 gab die preußische Kanzlei eine polnischsprachige Schrift heraus unter dem Titel: „Uwagi nad zachowaniem się Rzplitej Polskiej w teraźniejszych okolicznościach“ (Bemerkungen über das Verhalten der polnischen Republik unter den gegenwärtigen Umständen), in der behauptet wurde, Preußen sei der wichtigste Verbündete Polens und der entschiedenste Verteidiger der polnischen Souveränitätsinteressen. Andrzej Kamieński vermutet, dass Michał
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hetmans Józef Potocki im Laufe der 40er Jahre des 18. Jahrhunderts eine, wie Klaus Zernack und Stanisław Salmonowicz formulierten, „regelrechte preußische Partei“, die „ihre republikanische Vorliebe für die adligen Freiheiten seltsam harmonisch mit dem Bezug französischer und preußischer Gelder verband“.¹⁷ Diese mächtigen Kreise, zu denen neben der Familie Potocki auch andere Fürstenfamilien wie die Jabłonowskis oder die Radziwiłłs gehörten, wurden „von einem seltsamen Enthusiasmus für Friedrich erfasst; selbst gegen seinen Willen offerierten sie ihm aufdringlich ihre Dienste“, wie Kazimierz Jarochowski aus der Perspektive des 19. Jahrhunderts kommentierte.¹⁸ Tatsächlich ordnete Friedrich II. Zurückhaltung an und änderte kaum seine reservierte Haltung, obwohl sich die Bündnisangebote polnischer Magnatengruppen aus dem oppositionellen Lager Ende der 40er Jahre häuften, bis hin zur Ermunterung zu einer Kandidatur für den polnischen Thron.¹⁹ Gekonnt wusste der junge Preußenkönig den politischen Eifer seiner polnischen Anhänger zum eigenen Vorteil zu nutzen, ohne ihre Ansprüche zu berücksichtigen oder seine Popularität unter ihnen einzubüßen.²⁰
Stefan Oskierka diese Schrift verfasst hat. Ausführlich dazu Andrzej Kamieński, Polityka Polska Fryderyka II w latach 1740 – 1763, in: Między Lwowem a Wrocławiem. Księga jubileuszowa Profesora Krystyna Matwijowskiego, hg. von Bogdan Rok und Jerzy Maroń, Toruń 2006, S. 733. Zernack, Polen und Russland, S. 259; Salmonowicz, Die polnische öffentliche Meinung, S. 18. Zur Stellungnahme Friedrichs II. zu den polnischen Parteiungen vgl. Bömelburg, Friedrich II., S. 33. Kazimierz Jarochowski, Rozprawy historyczno-krytyczne, Poznań 1889, S. 140. Vgl. auch Andrzej Kamieński, Polityka Polska Fryderyka II i pierwszy rozbiór Polski, in: Prusy w okresie Monarchii absolutnej (1701– 1806), hg. von Bogdan Wachowiak, Poznań 2010, S. 290 f. Vertiefend dazu Zernack, Polen und Russland, S. 259. Die Idee, die polnische Krone dem Haus Hohenzollern anzutragen, forcierte vor allem Jan Kajetan Jabłonowski. Vgl. auch Helena Wereszycka, Jan Kajetan Jabłonowski, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 10, Wrocław 1963, S. 223 f.; Kamieński, Polityka Polska Fryderyka II, S. 287 f. Als 1744 August III. und die Hofpartei mit dem Ziel antraten, wesentliche Reformen einzuleiten, gab Friedrich seinem Gesandten den Auftrag, seine polnische Anhängerschaft zu mobilisieren und die Verhandlungen durch ein Veto zum Erliegen zu bringen. Da die Gruppe der überzeugten Reformanhänger sowieso schwach war, mussten die preußischen Bestechungsbemühungen nicht übermäßig groß ausfallen, um den auf Reformen bedachten Reichstag von Grodno im Sinne Friedrichs II. ausgehen zu lassen. Vgl. Die Briefe Friedrichs vom 02.05.1744 und vom 21.06.1744, in: Politische Correspondenz Friedrich‘s des Großen, hg.von Gustav Berthold Volz (u. a.), Bd. 1– 46, Berlin (u. a.) 1879 – 1939, hier Bd. 3, S. 115 – 117 und 182 f. Zu der Frage, wer die Hauptverantwortung für das Scheitern des Reformprogramms trug, siehe Michael G. Müller, Polen zwischen Preußen und Russland, Berlin 1983, S. 83 – 85; Jacek Staszewski, Co się wydarzyło na sejmie w Grodnie w 1744, in: Ders., „Jak Polskę przemienić w kraj kwitnący…“. Szkice i studia z czasów saskich, Olsztyn 1997, S. 163 – 168; Zofia Zielińska, Walka „Familii“ o reformę Rzeczypospolitej 1743 – 1752, Warszawa 1983, S. 163.
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Friedrichs hohes Ansehen bei Teilen des polnisch-litauischen Adels ist nicht zuletzt auch seinen militärischen Erfolgen geschuldet. Diese Hochschätzung muss während des Siebenjährigen Krieges besonders groß und weitverbreitet gewesen sein, denn viele der jungen polnischen Adligen, vor allem aus dem niederen Adel, entschlossen sich zu diesem Zeitpunkt, in die preußische Armee einzutreten. In seiner während des Zweiten Weltkrieges verfassten und dementsprechend politisch geprägten Biografie des Preußenkönigs kommentierte der namhafte Krakauer Frühneuzeithistoriker Władysław Konopczyński im Hinblick auf die zahlreichen Eintritte in die preußischen Militärdienste verbittert, dass es „Hunderte wenn nicht Tausende“ von solchen polnischen Freiwilligen gäbe, wenn „Friedrich die Polen weniger gehasst hätte“.²¹ Welche Anerkennung Friedrich II. als Feldherr unter den polnischen Kadetten oder Offizieren in preußischen Diensten genoss, ist empirisch schwer zu verifizieren, denn gerade zu diesem höchst interessanten und für die vorliegende Untersuchung substantiellen Thema sind kaum Dokumente überliefert.²² Bekannt ist lediglich das Briefbuch des katholischen Leutnants und späteren Kapitäns Theodor Zabel-Sobolowski, das Eintragungen verschiedenen Inhalts vorwiegend aus den Jahren 1778 – 1801 enthält. In diesem heterogenen Sammelsurium von Briefen, Berichten oder kurzen Notizen findet man auch Gedichte von Zabel-Sobolewski, die er zu Beginn der 70er Jahre schrieb, als er in das Berliner Kadettenkorps aufgenommen wurde. Zwei seiner lyrischen Aufzeichnungen sind Friedrich II. gewidmet, wobei die französischen Verse des einen Gedichts mehr an einen militärischen Eid erinnern: „Servir par l’honneur son Roy et sa Patrie, sacrifier sa Santé et sa vie, etre tour Konopczyński, Fryderyk Wielki a Polska, S. 62. Zu Konopczyńskis Preußenforschung siehe Bömelburg, Friedrich II., S. XIV f. Am besten erforscht sind die von Friedrich II. gegründeten Kadettenschulen in Stolp (Słupsk) und Kulm (Chełmno), wo viele polnischsprachige Katholiken (Kleinadel) aus der Region aufgenommen wurden. Siehe dazu Stammliste des Königlichen Kadettenhauses Culm-Cöslin (1. Juni 1776 – 1. November 1907), Berlin 1907, S. 13; Zygmunt Szultka, Szkoła kadetów w Słupsku 1769 – 1811, Gdańsk 1992; (veraltet und hagiographisch) Curt Jany, Geschichte der Königlich Preußischen Armee bis zum Jahre 1807, Bd. 3: 1763 bis 1807, Berlin 1929, S. 20 – 24; Peter von Gebhardt und Alexander von Lyncher, Stolper Kadetten 1769 – 1811, Leipzig 1927; Paul Panske, Stolper Kadetten katholischer Abkunft aus dem Lande Bütow (1669 – 1811), in: Baltische Studien, 35 (1933), S. 227 ff.; Theodor Breysig, Das Königliche Kadettenhaus zu Culm 1776 – 1876, Culm 1876. Allgemein zu den Kadettenanstalten: Jürgen-Konrad Zabel, Das preußische Kadettenkorps. Militärische Jugenderziehung als Herrschaftsmittel im preußischen Militärsystem, Frankfurt am Main 1978; Stanisław Szenic, Za zachodnią miedzą: Polacy w życiu Niemiec XVIII i XIX wieku,Warszawa 1973, S. 60 – 70. Zu den preußischen Offizieren in der polnischen Armee siehe Tomasz Ciesielski, Struktura narodowościowa kadry oficerskiej autoramentu cudzoziemskiego w latach 1717– 1763 (prolegomena), in: Rzeczpospolita państwem wielu narodowości i wyznań XVI–XVIII wiek, hg. von dems. und Anna Filipczak-Kocur, Warszawa und Opole 2008, S. 556 f.
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menté par les tous, chicané pour un rien, voila le vrai sort un officier prussien.“²³ Die Treue des polnischen Offiziersanwärters zu Friedrich II. und Preußen thematisiert auch das Gedicht „Ein preußischer Husar“, das höchstwahrscheinlich von ihm selbst als Gespräch zwischen einem preußischen Husaren und einem französischen Offizier verfasst wurde. Auf die Angebote materieller Unterstützung durch den Franzosen reagiert der Husar ablehnend und erklärt dem erstaunten Gönner, dass „unser Friderich uns allhie gut versorgt, darum wagen wir vor ihm den letzten Tropfen Blut“.²⁴ Zwar sind derartige Bekundungen der Opferbereitschaft für Friedrich II. aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges bislang nicht überliefert, dennoch erlaubt, die zu dieser Zeit stark wachsende Zahl polnischer Adliger in seiner Armee, eine allgemein preußenfreundliche Stimmung und Motivation bei ihnen anzunehmen. Zusätzliche Nahrung erhielt diese positive Wahrnehmung des Preußenkönigs durch seinen sich steigernden Ruhm als aufgeklärter Philosoph. Aufgrund seiner geschickten Publikationspolitik in Französisch, der lingua franca des 18. Jahrhunderts, und der herrschenden Zensur konnte Friedrich die Rezeption seiner militärischen Taten und literarischen Werke auch in Polen-Litauen befördern. Der Erfolg dieser Selbstvermarktung lässt sich daran absehen, dass sich sogar im polnischen und antipreußischen Lager Stimmen vernehmen ließen, die Friedrich für ein intellektuelles „Genie“ hielten. Ein Beispiel dafür liefert ein aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges stammendes anonymes Gedicht unter dem Titel „Eine Unterredung des preußischen Genies mit dem polnischen Satyr über seine Triumphe“.²⁵ In diesem literarisch nicht gerade anspruchsvollen Werk wird der preußische Monarch als der politische Taktgeber auf der europäischen Bühne charakterisiert, der keine Rücksicht auf Russland und Österreich nehme und sich mit Gottes Hilfe große Gewinne in Polen-Litauen verspreche. Zu diesem Gott wohlgefälligen Hochmut veranlasse ihn allerdings weniger seine militärische Bedeutung, als vielmehr das reiche Wissen, welches er sich durch die Lektüre der „großen Menschen“ angeeignet habe. Sein umfangreiches Wissen helfe ihm denn auch, die Ängste vor den pessimistischen Prophezeiungen des polnischen Satyrs in Bezug auf seine politische Zukunft zu überwinden und mit Zuversicht selbst militärische Niederlagen zu akzeptieren.²⁶ Allein die Bezeichnung Friedrichs als
Zit. nach Jerzy Wojtowicz,Theodor Zobel Sobolewski – ein polnischer Adliger und preußischer Offizier im Spiegel seiner eigenen Aufzeichnungen und Notizen, in: Fridericianische Miniaturen I, hg. von Jürgen Ziechmann, Bremen 1988, S. 16. Ebenda. Geniusz Pruski o Swych Tryumphach z Satyrem Polskim rozmawia, in: BN, Materiały historyczne, II 6903, Bl. 226 f. Ebenda.
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intellektuelles „Genie“ durch seinen politischen Gegner zeigt, wie differenziert sich die polnische Einstellung zu ihm im Siebenjährigen Krieg gestaltete. Zum anderen macht sie deutlich, dass die Beschäftigungen mit dem zeitgenössischen Preußenbild in Polen-Litauen über die pauschalisierende (und moralisierende) Aufspaltung in Gut und Böse hinausgehen muss, um der Komplexität dieses Themas gerecht zu werden. Der von seinen polnischen Opponenten beklagte Hochmut Friedrichs II. hat mehrere Kriegsjahre und Tausende Opfer gekostet, bis der Preußenkönig sich endlich eingestehen musste, dass sein Plan, an der Seite Frankreichs ein Bündnissystem gegen Russland und Österreich auszubauen, zum Scheitern verurteilt war. Mit Bedacht versuchte er deshalb erneut, Kontakt zu der von ihm unterschätzten Kaiserin Elisabeth Petrowna aufzunehmen, doch die russische Politik unter der Leitung von Aleksej Bestužev-Rjumin war antipreußisch ausgerichtet und schloss jegliches Entgegenkommen aus. Erst der Tod der Kaiserin und der Regierungsantritt des Friedrich-Anhängers Peter III. im Januar 1762 brachten eine Wende in den gegenseitigen Beziehungen.²⁷ Eine Folge der Schlesischen Kriege war der Verbleib Schlesiens bei Preußen und die Erneuerung der Potsdamer Vereinbarungen von 1720. Friedrich musste erkennen, dass er auf ein Bündnis mit Russland unter allen Umständen angewiesen war und dass er den notwendigen Waffenstillstand mit Österreich nur mit russischem Beistand erreichen konnte; bis zu seinem Tod blieb er dieser Erkenntnis treu und richtete die preußische Außenpolitik danach aus. Gleichsam zum politischen Kitt dieser russisch-preußischen Verbindung wurde die „polnische Frage“: Der preußische König erkaufte die Allianz mit der bedingungslosen Unterstützung der russischen Vorherrschaft in Polen-Litauen. Der erste diplomatische Schritt in diese Richtung bestand in der Einigung der Bündnispartner Preußen und Russland, eine nochmalige wettinische Thronfolge in Polen zu verhindern und einen von Russland eingesetzten König zu unterstützen. Die 1762 zur Kaiserin von Russland gekrönte Sophie von Anhalt-Zerbst, genannt Katharina, hatte gleich nach ihrer Machtübernahme und noch vor dem Ableben des kränklichen Sachsen August III., der von seinem Vater, August dem Starken, die polnisch-litauische Königskrone übernommen hatte, im Geheimen darauf hingearbeitet, einem Mann ihrer Wahl die polnische Krone zu verschaffen. Der von ihr dazu auserkorene, litauische Truchsess Stanisław August Poniatowski war ihr ehemaliger Günstling aus dessen Zeit als Diplomat in Petersburg in den
Vgl. dazu Agnieszka Pufelska,Vom zufälligen Feind zum erworbenen Freund. Friedrich II. und Russland, in: Friederisiko – Ausstellungskatalog, hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Berlin 2012, S. 84– 89.
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Jahren 1754– 1758, womit sie ihn gut genug kannte, um sich seiner Ergebenheit sicher sein zu können. Von der Wahl Poniatowskis versprach sich Katharina, die von Peter I. während des Nordischen Krieges erworbene Vormachtstellung Russlands weiter auszubauen und Polen-Litauen in ein Souveränitätsverhältnis zum russischen Hof zu bringen. Obendrein stammte Poniatowski aus der mächtigen und russlandfreundlichen Fürstenfamilie Czartoryski, wegen ihres geschlossenen Auftretens lapidar als „die Familie“ bezeichnet. Diese stand in Opposition zu August III. und hegte seit langem den Wunsch, sich mit russischer Unterstützung die Thronfolge in Polen-Litauen zu sichern, wenn auch lieber mit Adam Kazimierz Czartoryski als mit seinem Neffen Stanisław August. Die Thronpläne Katharinas und der Czartoryski stießen jedoch auf starken Widerstand in denjenigen polnischen Magnatenkreisen, die in dem Kandidaten der Kaiserin nur eine russische Marionette sahen, welche die Gefahr einer gänzlichen Abhängigkeit vom Petersburger Hof noch verstärken würde. Eine Rolle spielte aber auch, dass sie die polnische Krone für sich selbst beanspruchten. Keine der größeren Adelsfamilien gönnte einer anderen den Thron, insbesondere wenn sie in der peniblen Adelshierarchie einen niedrigeren Status besaß, wie es bei Stanisław August der Fall war. Zu dieser sonst zerstrittenen und allein durch den gemeinsamen Widerwillen gegen die Czartoryski und Russland zusammengehaltenen Parteiung gehörten praktisch sämtliche Adelshäuser, darunter die Familien Potocki, Radziwiłł, Rzewuski, Lubomirski.²⁸ An ihre Spitze war nunmehr der Großfeldherr der Krone, also der erste Würdenträger Polen-Litauens, Jan Klemens Branicki getreten. Im Gegensatz zu der „Familie“, die westlichen Vorbildern (vor allem der englischen Verfassung) zu huldigen pflegte, appellierte dieses heterogene Bündnis an den Landespatriotismus und an die republikanische Gesinnung des Massenadels, was ihm bei seinen Zeitgenossen den Namen „Republikaner“ oder „Patrioten“ einbrachte.²⁹ Wohl wissend, dass die „Re-
Im Folgenden wird bewusst der Begriff „Parteiung“ und nicht „Partei“ verwendet. Bis zum Vierjährigen Sejm bzw. Großen Reichstag (1788 – 1792) existierten lediglich lose Zusammenschlüsse, die sich um den König oder andere Persönlichkeiten scharten und keiner besonderen Disziplin unterworfen waren. Das polnische Wort für „Partei“, „stronnictwo“, wurde als Synonym für „stronność“ und „stronniczość“ verwendet, was so viel heißt wie „Parteilichkeit“ oder „Befangenheit“. Vgl. dazu Jerzy Kowecki, Pierwsze stronnictwo polityczne w Polsce XVIII wieku, in: Dzieje kultury politycznej w Polsce, hg. von Jo´zef Andrzej Gierowski, Warszawa 1977, S. 117– 135; ders., Klubs, erste politische Parteien und Parlamentsfraktionen im Polen des 18. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Slawistik, 6 (1979), S. 876 – 878. Zu der Frage, inwiefern und ob die beiden Lager überhaupt als „Parteien“ zu bezeichnen sind, siehe Jörg K. Hoensch, Sozialverfassung und politische Reform. Polen im vorrevolutionären Zeitalter, Köln und Wien 1973, S. 214– 232. Über die Geschichte des Konfliktes zwischen den beiden
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publikaner“ ohne die Nachbarmächte nichts vermochten und dass die Entscheidung über die Thronfolge viel mehr von den europäischen politischen Verhältnissen als von ihnen selbst abhing, suchten sie nach potenziellen Partnern unter den russischen Gegenspielern auf der internationalen Bühne. Ihre außenpolitischen Anknüpfungspunkte zum Zweck einer militärischen Erhebung gegen die russische Dominanz in Polen waren die alten, Frankreich nahestehenden Mächte, darunter auch Preußen, das zumindest noch zu Beginn der Schlesischen Kriege eine enge Verbindung zu Versailles pflegte. Die Hoffnung der „Republikaner“ auf die preußische Unterstützung ist zusätzlich durch die Tatsache zu erklären, dass sie zum Teil antiösterreichische Haltungen vertraten.³⁰ Gleichzeitig rechneten die antirussisch eingestellten Oppositionellen mit der Attraktivität der polnischen Wahlkrone, ihrer Meinung nach der stärkste Trumpf, den sie anzubieten hatten. Im Sommer 1764, ein paar Monate nach dem Tod von August III., kam der Abgesandte der „Republikaner“, Andrzej Mokronowski, nach Berlin, um Herzog Heinrich die polnische Krone anzutragen.³¹ Es war ein Angebot nicht frei von Bedingungen: Als Gegenleistung erwartete man vom Hause Hohenzollern die Unterstützung der „Republikaner“ bei ihrem Kampf gegen die russischen Pläne, Stanisław August Poniatowski auf den polnischen Thron zu setzen. Mit diesem Schachzug knüpften die „Republikaner“ an die Tradition ihrer politischen Vorläufer an, mit Hilfe Preußens die russischen Einflüsse auf die polnische Krone zurückdrängen zu wollen. Diese Hoffnung auf Preußen schien immer noch von der Idee geleitet gewesen zu sein, die Berliner Regierung stehe inoffiziell auf der Seite Frankreichs, denn wie ließe es sich sonst erklären, dass die offenkundige Hinwendung Friedrichs zu Russland die polnischen Oppositionellen nicht zum Umdenken bewegte? Es musste ihnen bekannt gewesen sein, dass der Preußenkönig in die russischen Thronfolgepläne für Polen um den Preis eines bilateralen Bündnisses längst eingewilligt hatte. Genauso unbeeindruckt zeigten sie sich von zahlreichen Warnsignalen aus den Grenzregionen Großpolens und Pommerellens, wo immer häufiger Aggressionen der preußischen Armee, verbunden mit Gewalttaten und erpresserischem Eintreiben von Kontributionen beklagt wurden.³²
Lagern in: Kazimierz Waliszewski, Potoccy i Czartoryscy. Walka stronnictw i programów politycznych przed upadkiem Rzeczypospolitej 1734– 1763, Bd. I: 1734– 1754, Kraków 1886. Vgl. Wojciech Wincenty Wielądko, Dzieje polskie czyli przypadki znaczniejsze od czasów interregnum po śmierć króla Augusta III oraz za panowania Najjaśniejszego Stanisława Augusta, króla polskiego, Tom I., in: BN, Materiały historyczne, 3284, Bl. 41– 44. Vgl. Chester v. Easum, Prinz Heinrich von Preußen, Bruder Friedrichs des Großen, Göttingen (u. a.) 1958, S. 360 – 362. Vgl. Salmonowicz, Die polnische öffentliche Meinung, S. 21.
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Katharina II. bemühte sich zunächst um eine Allianz mit England, die ihr im Hinblick auf den österreichisch-französischen Druck auf den Balkan und die Auseinandersetzung um die Staaten der französischen „Barrière de l’est“ ein wirksameres Gegengewicht als Preußen zu sein versprach. Dennoch ließ sie in ihren Briefen an Friedrich durchblicken, dass sie sich ein Einvernehmen mit Preußen in Bezug auf die polnische Thronfolge durchaus vorstellen könne.³³ Angesichts der internationalen Spannungen durch den ungelösten SchlesienKonflikt nach dem Siebenjährigen Krieg und der daraus resultierenden außenpolitischen Isolation Preußens bot das russische Angebot der „Zusammenarbeit“ die Möglichkeit zu einer „Restauration der mächtepolitischen Beziehungskonstellation“.³⁴ Preußen konnte auf diesem Wege seine Großmachtstellung gegenüber dem mit Frankreich verbundenen Österreich behaupten und die unüberbrückbaren Differenzen mit England kompensieren, welches Friedrich II. mitten im Krieg im Stich gelassen hatte. Für die Restauration seines europäischen Ranges musste der preußische König seine „Ostpolitik“ allerdings erheblich ändern.Wenn er bis dahin Polen, obgleich indirekt, gegen Russland und Österreich einzunehmen gedachte³⁵, so musste er jetzt – zumindest nach außen – auf eine eigenständige Polen-Politik gänzlich verzichten und das russische Vorgehen in PolenLitauen weitgehend tolerieren. Umgehend erklärte er daher Katharina sein Einverständnis mit der Bestimmung Stanisław August Poniatowskis zum König von Polen-Litauen.³⁶ Um die Wahl eines polnischstämmigen Königs oder „eines Piasten“, wie es in der russischen Argumentation hieß, schleunigst voranzubringen und um gegen die ablehnende Haltung Frankreichs und Österreichs eine starke Koalition aufzubauen, sah sich Katharina dazu veranlasst, Friedrich II. um den Entwurf eines Bündnisvertrages zu bitten.³⁷ Der Preußenkönig entsprach diesem Wunsch und nach mehreren Verhandlungsgesprächen und monatelangen Ver-
Siehe dazu Politische Correspondenz, Bd. 23, S. 35 ff. Michael G. Müller, Polen und Deutschland im europäischen Mächtesystem des 18. Jahrhunderts, in: Polen und Deutschland im Zeitalter der Aufklärung. Reformen im Bereich des politischen Lebens, der Verfassung und der Bildung, hg. von Karl-Ernst Jeismann, Braunschweig 1981, S. 66. Gemeint ist hier die in Friedrichs politischem Testament von 1752 angedeutete Möglichkeit der eigenständigen Erwerbung Westpreußens.Vgl. dazu Die politischen Testamente, S. 373 ff.Wobei zu bemerken ist, dass Friedrich bereits als Kronprinz im Jahre 1731 den Vorschlag einer territorialen Erweiterung auf Kosten Polens unterbreitete. Siehe dazu Bömelburg, Friedrich II., S. 16 f. Vgl. Sbornik Imperatorskago Russkago Istoričeskago Obščestva, Bd. 1– 148, Sankt Petersburg 1867– 1916, hier Bd. 20, S. 159 und 162. Ebenda, S. 167.
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zögerungen unterzeichnete die Kaiserin im April 1764 das preußische Bündnisangebot.³⁸ Der zunächst auf acht Jahre abgeschlossene Vertrag, der sich mit seinen geheimen und gegen Polen gerichteten Zusatzprotokollen in die diesbezügliche preußisch/deutsch-russische Tradition einreihen lässt, bestand aus mehreren Teilen: Einer Defensivallianz, durch welche sich beide Mächte ihren gegenwärtigen Besitzstand garantierten, folgte eine geheime Konvention, deren Kernpunkt das gemeinsame Bestreben bildete, dem Truchsess von Litauen, Poniatowski, den polnischen Thron zu verschaffen. Die Kaiserin verpflichtete sich, einer gegen seine Wahl auftretenden Konföderation im Inneren des Landes mit Waffen zu begegnen. Friedrich wurde auferlegt, einen akkreditierten Minister nach Warschau zur Unterstützung des russischen Gesandten zu entsenden, militärische Grenzdemonstrationen vorzunehmen und die Parteiung der „Republikaner“ durch eine einschüchternde Erklärung von jeglichem Widerstand gegen Poniatowskis Wahl abzubringen. Falls eine der beiden Vertragsmächte von dritter Seite angegriffen würde, war der jeweils andere Bündnispartner zu militärischem Beistand verpflichtet.³⁹ Der Preußenkönig hielt die von Katharina beschworene Anwendung von Gewaltmaßnahmen gegen die polnische Opposition allerdings nicht für „indispensablement nécessaire“, denn „die Polen sind stolz, wenn sie sich außer Gefahr glauben; sie kriechen, sowie sie Gefahr sehen“.⁴⁰ Es galt also, die Polen von der Nutzlosigkeit ihres Widerstands zu überzeugen und die Einmischung fremder Mächte zu verhindern, und dazu schienen ihm Bestechung und Einschüchterung der „Widriggesinnten“ die viel geeigneteren Mittel.⁴¹ Diese Vorgehensweise schlug er Katharina zumindest im Fall des Thronkandidaten der „Republikaner“ Jan Klemens Branicki vor, der von Sachsen und Frankreich protegiert und finanziert wurde, um eine Konföderation gegen die „Familie“ zu bilden.⁴² Doch ungeachtet seiner konkreten Vorschläge zum Vorgehen gegen die „republikanische“ Parteiung und der vertraglichen Bestimmungen, versuchte Friedrich stets eine Verbin-
Vgl. Herbert G. Marzian, Die Rolle Brandenburg-Preußens in der europäischen Ostpolitik 1648 – 1815, in: Das östliche Deutschland. Ein Handbuch, hg. vom Göttinger Arbeitskreis, Würzburg 1959, S. 283. Das russisch-preußische Traktat vom 11.04.1764, in: Richard Roepell, Das Interregnum. Wahl und Krönung von Stanislaw August Poniatowski,Teil 2, in: Zeitschrift der historischen Gesellschaft für die Provinz Posen, 7 (1892), S. 82– 86. Politische Correspondenz, Bd. 23, S. 228. Ebenda, S. 280 f. Siehe dazu den Briefwechsel zwischen Friedrich und Katharina vom Februar 1764, in: Sbornik, Bd. 20, S. 198 ff.
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dung zu den Gegnern Russlands, aber auch des Czartoryski-Kreises aufrechtzuerhalten. Folgerichtig ließ er den preußischen Residenten Gideon Benoît in Warschau Stimmung für die Wahl „eines Piasten“ machen, ohne die „wahren Absichten“ des preußischen Königshauses zu enthüllen.⁴³ Diese berechnende und doppelbödige Haltung, die gewiss als charakteristisch für Friedrichs Polen-Politik angesehen werden kann, hielt dennoch etliche „Republikaner“ nicht davon ab, ausgerechnet vom Berliner Hof Unterstützung gegen Petersburg zu erhoffen. Friedrichs Umgang mit ihnen war folgerichtig nicht frei von Arglist. Er drückte ihnen zwar sein Verständnis aus, betonte aber zugleich sein vollkommenes Einvernehmen mit den russischen Entscheidungen. Als Paradebeispiel hierfür lässt sich seine auf ein Sammelschreiben der „Republikaner“ überbrachte Antwort an Branicki anführen: „Ich habe also Ursache zu glauben, ja ich bin völlig überzeugt, dass die Republick für ihre Freiheit und Gesetze nichts zu befürchten hat, und können alle diejenigen, die dieserwegen einige Unruhe empfinden, sich völlig hierbei beruhigen. […] Ich hätte daher sehr gewünscht, dass solche lieber dem Rathe derjenigen unter ihnen gefolgt wären, die mehr Mäßigung beweisen; so glaube ich Ihnen keine bessere Probe von der Aufrichtigkeit meiner Gesinnungen gegen Sie, und zugleich gegen die Republick, geben zu können, als wenn ich Ihnen eben dieselbe Klugheit und Mäßigung anrathe.“⁴⁴
„Das allgemeine Beste“ wäre demnach „die vollkommene Uebereinstimmung“ der „Republikaner“ mit den „zweyen benachbarten Mächten“ in puncto Thronfolge.⁴⁵ Um ihnen unzweifelhaft zu zeigen, welche Stellung Preußen zur Thronkandidatur Poniatowskis einnimmt, hat sich Friedrich II. – auf Anraten Russlands – entschieden, diesem den Schwarzen Adlerorden zu verleihen.⁴⁶ Als Benoît Poniatowski im April 1764 den Orden und ein schmeichelhaftes Begleitschreiben des Preußenkönigs überreichte, soll der seit seiner Kindheit zu einer gewissen Affektiertheit neigende Thronprätendent, den die Verleihung ganz unerwartet traf, in die Worte ausgebrochen sein: „Mein Gott, wie süß ist es, die Zeichen der
Ebenda, S. 185. Zit. nach Sammlung der Schriften und Nachrichten von dem Interregno und der Staatsverfassung der Durchlauchten Republick Polen nach dem Ableben Augusti III., Dresden und Warschau 1764, S. 165. Kopie des Antwortschreibens findet sich in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 838, Bl. 252. Vgl. dazu auch Gottfried Stolterfoth, Entwurf einer pragmatischen Geschichte von Polen, bis auf izt glorwürdigst regierende Königliche Majestät Stanislaum Augustum, Leipzig 1768, S. 1149. Ebenda, S. 1063. Politische Correspondenz, Bd. 23, S. 314.
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Achtung eines so großen Mannes zu empfangen, in meinem ganzen Leben habe ich nie empfunden, was ich jetzt fühle.“⁴⁷ Es waren jedoch nicht solche Gesten, mit denen es dem preußischen Königshaus gelang, die Hoffnungen der „republikanischen“ Parteiung immer wieder zu wecken. Vielmehr war es die Beharrlichkeit, mit der Preußen die bislang geltende und dem polnischen Adel viel Freiheit („goldene Freiheit“) einräumende Verfassung aufrecht zu erhalten suchte. Mit dieser Haltung positionierte sich Preußen entschieden gegen die mächtige und prorussisch eingestellte Familie Czartoryski und ihre Anhängerschaft. Bereits in den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts waren Pläne zur Erneuerung des polnisch-litauischen Staatsverbandes im Umkreis der Czartoryski-Anhänger entstanden, von deren Umsetzung sie sich auch einen innenpolitischen Aufstieg zur einflussreichsten Machtgruppe in PolenLitauen versprach.⁴⁸ In den 40er Jahren hatte die „Familie“, ihrerseits noch mit dem sächsischen König im Bunde, den Kampf um eine Reform der Verfassung geführt und verloren.⁴⁹ Ihr Hauptanliegen galt dabei neben einigen Veränderungen in Verwaltung und Justiz vor allem der Einschränkung des liberum veto, das seit der Mitte des 17. Jahrhunderts jedem Einzelnen der durchweg adeligen Abgeordneten die Möglichkeit gab, durch sein „nie pozwalam“ (Ich verbiete) nicht nur einen Reichstagsbeschluss zu verhindern, sondern damit alle Beschlüsse der jeweiligen Session ungültig zu machen. Die strukturelle Beschlussunfähigkeit des Reichstags wurde in der Adelsgesellschaft (szlachta) als die „Augäpfel der Freiheit“ (pupillae libertatis) betrachtet, als ein unabänderliches, ja als das wichtigste Recht der Adelsnation. Die „Anarchie“ war demzufolge für sie auch ein durchaus positiv verstandener Inbegriff der „Unherrschaft“, der Freiheit von Herrschaft im Sinne eines fürstlichen dominium absolutum – eine konservative Verfassungs- und Selbstinterpretation, in der die Solidarität des Adels die Oberhand über jegliche Obrigkeit behielt.⁵⁰
Zit. nach Roepell, Das Interregnum, Teil 1, S. 329. Hinweise auf die Machtansprüche der Czartoryski findet man in: Kamiński, Historia Rzeczypospolitej, S. 204. Zu den Reformplänen der Czartoryski siehe Jerzy Michalski, Plan Czartoryskich naprawy Rzeczypospolitej, in: Kwartalnik Historyczny, 63 (1956), S. 29 – 43; Michael G. Müller, Polen zwischen Preußen und Russland. Souveränitätskrise und Reformpolitik 1736 – 1752, Berlin 1983, S. 152– 202; Zofia Zielińska, Studia z dziejów stosunków polsko-rosyjskich w XVIII wieku, Warszawa 2001, S. 60 – 89. Vgl. Klaus Zernack, Stanislaus August Poniatowski. Probleme einer politischen Biographie, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, 15 (1967), S. 380; siehe dazu auch Kurt Georg Hausmann, Die politischen Begriffe und Wertungen in der polnischen Aufklärung. Zum Selbstverständnis der Polen in ihrer Reformpublizistik am Ende der Republik (zweite Hälfte des 18. Jhs), unveröffentl. Diss., o.O. 1957, S. 7.
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Obendrein förderte die Einstimmigkeit die Käuflichkeit der einzelnen Landbotenstimmen, von denen das Wohl und Wehe der Reichstagsarbeit abhing, geradezu heraus. Denn die Entschließungen des Reichstags wurden erst rechtskräftig, wenn sie durch die Landtage der einzelnen Woiwodschaften bestätigt waren, für die auch das Einstimmigkeitsrecht galt. Die Abgeordneten für die Landtage rekrutierten sich vorwiegend aus dem Klein- und Mitteladel, der häufig im Dienste des Großadels stand und in seinem Sinne die Landtage lenkte. Zwar war der Grundsatz „der Adlige auf dem kleinen Hof ist dem Woiwoden gleich“ (szlachcic na zagrodzie równy wojewodzie) theoretisch und rein rechtlich voll in Geltung und es gab keinerlei erbliche Titel in Polen-Litauen, die eine Stufung festlegten. Praktisch aber lagen die Entscheidungen der wichtigen Fragen im Land schon lange nicht mehr in der Hand des Massenadels, sondern bei den großen Familien, den sogenannten Magnaten oder „Herren“, wie sie in Polen genannt wurden. Diese hatten fast alle Einfluss und Macht verleihende Ämter inne, was ihnen, bei fehlendem Gegengewicht eines starken Königtums, jegliche Mittel an die Hand gab, sich innerhalb des niederen Adels (ca. acht Prozent der Gesamtbevölkerung) eine Klientel zu schaffen, welche ökonomisch von ihnen abhängig war.⁵¹ Viele Adlige standen auf den Höfen, in den Haustruppen oder bei der Güterverwaltung in unmittelbarem Dienst dieser „Herren“; andere hingen als Pächter, Schuldner oder Gläubiger von ihnen ab; noch andere suchten und fanden ihre Nähe, um aufzusteigen, oder den Schutz, den ihnen keine andere öffentliche Gewalt gewähren konnte.⁵² Mit einer derart ergebenen Massengefolgschaft konnten sich die „Kleinkönige“, wie die Magnaten von dem Kulturhistoriker Otto Forst-Battaglia treffend bezeichnet wurden, nun alles erlauben und sich
Ausführlich dazu Hans-Jürgen Bömelburg, Die Magnaten: Avantgarde der Ständeverfassung oder oligarchische Clique?, in: Ständefreiheit und Staatsgestaltung in Ostmitteleuropa. Übernationale Gemeinsamkeiten in der politischen Kultur vom 16.–18. Jahrhundert, hg. von Joachim Bahlcke, Leipzig 1996, S. 119 – 133. Zofia Zielińska, Magnateria polska epoki saskiej,Wrocław 1977; Iwona Kulesza-Woroniecka, Obraz dworu magnackiego w pamiętnikach i wspomnieniach osiemnastowiecznych, in: Patron i dwór. Magnateria Rzeczypospolitej w XVI–XVIII wieku, hg.von Ewa Dubas-Urwanowicz und Jerzy Urwanowicz,Warszawa 2006, S. 231– 242; Andrzej Wyczański, Polen als Adelsrepublik, Osnabrück 2001; Zdzisław Kaczmarczyk, Oligarchia magnacka w Polsce jako forma państwa, in: Pamiętnik VIII powszechnego zjazdu historyków polskich w Krakowie, Bd. 1, Warszawa 1958, S. 59 – 74. Vgl. Zofia Zielińska, Magnaten und Adel im politischen Landleben Polen-Litauens des 18. Jahrhunderts, in: Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit, hg. von Antoni Mączak, München 1988, S. 203 – 210; Allgemein zum prozentualen Anteil des Adelstandes an der Gesamtbevölkerung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhuderts: Emanuel Rostworowski, Ilu było w Rzeczypospolitej obywateli szlachty?, in: Kwartalnik Historyczny, 3 (1987), S. 3 – 39.
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dabei, vor allem dank der Anhäufung von Landbotenstimmen, sicherer fühlen als der „große“ König in Warschau.⁵³ Wollte die Magnatenfamilie Czartoryski ihre Stellung als Hoffamilie und Machtelite behaupten, musste sie die Rechte der konkurrierenden Magnatenfraktionen einschränken, was wiederum nur durch eine Verfassungsänderung (d. h. konkret durch die Abschaffung oder zumindest Einschränkung der Einstimmigkeit) möglich war.Von der Notwendigkeit der Reformen überzeugt und von eigenen dynastischen Plänen motiviert, begründete und verfolgte der CzartoryskiKreis folgerichtig ein reformpolitisches Programm, dessen Kern eben die Aufhebung des liberum veto war. Eine von solchen Verfassungsschwächen kurierte res publica hätte mit Hilfe von Reichstagsentscheidungen die Finanzen und das Heer in eine allgemeinnützliche Ordnung bringen können. Polen-Litauen hätte, so das Kalkül der „Familie“, einen Reformkurs eingeschlagen, welcher ihr zu mehr innerpolitischer Macht und außenpolitischer Anerkennung verholfen hätte. Die Czartoryski, die in den Jahren zuvor mehrfach das Scheitern ihrer Reformvorstellungen durch das im preußischen Auftrag und mit preußischem Geld durchgeführte „Zerreißen“ der Reichstage zu beklagen hatten⁵⁴, gaben sich nun der Hoffnung hin, bei Katharina den Rückhalt für ihr Reformprogramm finden zu können. Angesichts der bevorstehenden Wahl Poniatowskis zum König waren sie der Überzeugung, eine Großmacht wie Russland, die sich ihres Einflusses in Polen sicher sein könne, werde ihrerseits an begrenzten Reformen im polnisch-litauischen Staatsverband interessiert sein und diese nicht blockieren wollen. Denn nur mit einem funktionierenden Staatswesen konnte Polen-Litauen zu einem wertvollen Alliierten Russlands werden.⁵⁵ Der Abschluss eines polnisch-russischen Bündnisses und eine Reformierung der polnischen Verfassung lagen aber auch diesmal nicht im Interesse Preußens.
Otto Forst-Battaglia, Stanisław August Poniatowski und der Ausgang des alten Polenstaates, Berlin 1927, S. 27. Wie groß der Reichtum einzelner Magnaten war, beschreibt ausführlich Władysław Łoziński. Hier nur ein kurzes Zitat zur Verdeutlichung der Dimensionen: „Fürst Karl Radziwiłł besaß außer sechzehn Städten fünfhundertdreiundachtzig Dörfer allein im Kronland, außerdem noch ein sehr großes privates Familienvermögen; Szczęsny Potocki besaß drei Millionen Morgen Land, darunter eine Million Morgen urbarer bebauter Fläche; das Jahreseinkommen des Hetmans Branicki wurde auf anderthalb Millionen polnische Gulden geschätzt. Dennoch reichten die Einkünfte nicht aus, man musste sich nach Darlehen umsehen, Schulden machen.“ Władysław Łoziński, Polnisches Leben in vergangenen Zeiten, München 1917, S. 54. Die politischen Testamente, S. 351. Dieses Reformkonzept war während des Siebenjährigen Krieges entstanden und daher an die Vorstellung eines preußisch-russischen Gegensatzes, der im Interesse Polens lag, gebunden. Vgl. Jerzy Michalski, Problematyka aliansu polsko-rosyjskiego w czasach Stanisława Augusta. Lata 1764– 1766, in: Przegląd Historyczny, 75 (1984), S. 695 – 721.
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Denn eine solche Annäherung hätte sowohl Polens als auch Russlands Machtgeltung in Europa erhöht und die bisherige Bereitschaft Petersburgs, in der „polnischen Frage“ gemeinsam mit Preußen vorzugehen, wahrscheinlich deutlich gemindert. Der Wert Preußens als russischer Bündnispartner wäre zweifellos gesunken; es wäre entbehrlicher geworden und hätte nicht mehr uneingeschränkt auf Russland zählen dürfen. Auftauchende Gerüchte, die Kaiserin werde ihren einstigen Liebhaber und Thronprätendenten Poniatowski nach erfolgter Wahl ehelichen, um sich mit dessen Hilfe Polen-Litauen völlig zu unterwerfen, riefen deshalb Friedrichs Misstrauen hervor. Um Russland zu mahnen und Preußen gleichzeitig gegen Österreich zu sichern, trat Friedrich in Verhandlungen mit dem Osmanischen Reich ein. An einem politisch handlungsfähigen Polen unter russischem Einfluss konnte auch Konstantinopel nicht interessiert sein. Die drohende Einmischung der Pforte ermöglichte es Friedrich, in die Rolle eines Mittlers zu schlüpfen. Mit viel Hingabe versuchte er, dem Osmanischen Reich die russische Polen-Politik plausibel zu machen und warnte zugleich Russland, angesichts der ansatzweise tolerierenden Position der Kaiserin, nachdrücklich vor jedweder Modifikation der polnischen Verfassung.⁵⁶ So ist es hauptsächlich auf diese preußische Taktik zurückzuführen, dass neben dem ostensiblen Teil des preußisch-russischen Vertrages von 1764 auch ein vierter geheimer Zusatzartikel vereinbart wurde. Darin einigten sich die vertragschließenden Parteien, jedem auf Einführung von Erblichkeit der polnischen Krone hinzielenden Versuch sowie überhaupt jedem Versuch einer Verfassungsänderung in Polen-Litauen mit Waffengewalt entgegenzutreten. Diese Bestimmung schloss auch die sächsische Bewerbung um den polnischen Thron in Person des Sohnes von August III. aus und ließ sich ebenso gegen etwaige Reformbestrebungen der Czartoryski anwenden.⁵⁷ Gleichwohl ging es Friedrich bei seinem vehementen Vorgehen gegen die Reformbemühungen der Czartoryski und ihrer Anhänger nicht allein um die Aufrechterhaltung der starken Position Preußens als russischem Bündnispartner. Er wusste, dass die preußisch-russische Allianz Petersburgs kolonisatorische Bestrebung, sich ganz Polen-Litauen zu unterwerfen, unterstützte und damit den preußischen Interessen langfristig zuwiderlief.⁵⁸ Nun würde es darauf ankommen, trotz der russischen Entscheidungsdominanz die eigene Position in dem Nachbarland zu stärken, um dieses dann – gemäß den Plänen von 1752 – „Blatt für Blatt,
Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 23, S. 196. Vgl. Otton Rudziański, Stanisław August w pierwszym okresie swego panowania 1764– 1773, Warszawa 1927, S. 37. Vgl. dazu Emanuel Rostworowski, Podbój Śląska a pierwszy rozbiór Polski, in: Przegląd Historyczny, 63 (1972), S. 391; Klaus Zernack, Die Geschichte Preußens und das Problem der deutsch-polnischen Beziehungen, in: Ders., Preußen-Deutschland-Polen, S. 116 – 119.
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wie eine Artischocke“ zu verspeisen.⁵⁹ Bedingung der Vergrößerung Preußens war daher die Beibehaltung der polnischen Verfassung, denn ein völlig handlungsunfähiges und von internen Machtkämpfen beherrschtes Polen-Litauen ließ sich auch aus Petersburg nur sehr schlecht steuern. Dieser entschiedene Widerstand Preußens gegen das Reformprojekt der Czartoryski ließ zumindest einen Teil ihrer Opponenten aus dem Kreis der „Republikaner“ hoffen, Friedrich stünde insgeheim auf ihrer Seite und nur das unvermeidliche Bündnis mit Russland hindere ihn daran, sich entschlossener für sie einzusetzen.⁶⁰ Dem Preußenkönig war es dabei einerlei, wonach die „Republikaner“ trachteten. Er gefiel sich im Kokettieren mit der eigenen Machtlosigkeit und präsentierte sich als der überzeugte Verteidiger der geltenden Verfassung sowie der darin wurzelnden „goldenen Freiheit“.⁶¹ Genau diese Botschaft beinhaltete der mit „celsissimi principis primatis“ betitelte Brief Friedrichs an den polnischen Primas Władysław Łubieński, der für die Durchführung der Königswahl zuständig war. Überreicht wurde er ihm von dem geheimen preußischen Agenten General Stanisław Gadomski nach seiner Rückreise aus Berlin im Februar 1764.⁶² Neben seiner Garantie, „die Staaten der Republik unzertrennlich zu beschützen“ und die polnischen „Gesetze und Freiheiten“ mit aller Entschiedenheit zu verteidigen, empfahl Friedrich darin, sich für einen König zu entscheiden, „welcher selbst aus der polnischen Nation entsprosst und von Vater und Mutter aus dem Blute des Nationaladels herstammt.“ Sollte aber die Königswahl nicht in seinem und Russlands Sinne verlaufen, dann würde er, „von heilsamen Grundsätzen geleitet“, mit seinen Truppen solche aufrührerischen Gelüste niederzuschlagen wissen.⁶³ Mit „glückseliger Genugtuung“ reagierte der polnische Primas und Interrex Łubieński auf die preußische Erklärung und ordnete gleich an, die „gute Botschaft“ aus Berlin in Form eines Manifestes über die „ewig anhaltende Freund-
Die politischen Testamente, S. 375. Punkta, które imci Pan Generał Mokronowski doniósł 6 maja 1764, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 838, Bl. 252. Friedrichs Weigerung, den „Affenstaat“ Preußen nach 1763 als Großmacht zu bezeichnen, ist allerdings nicht allein auf seine Koketterie zurückzuführen. Siehe dazu Das Tagebuch des Marchese Lucchesini (1780 – 1782): Gespräche mit Friedrich dem Großen, hg. von Friedrich von Oppeln-Bronikowski und Gustav Berthold Volz, München 1926, Eintragung vom 29.05.1781, S. 83. Siehe dazu Szymon Askenazy, Die polnische Königswahl, Göttingen 1894, S. 75; Kamieński, Polityka Polska Fryderyka II, S. 299. Zit. nach Sammlung der Schriften und Nachrichten, S. 101.
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schaft“ des preußischen Königshauses zu Polen-Litauen zu veröffentlichen.⁶⁴ Mit dieser dreiseitigen Flugschrift versuchte er, die weit verbreiteten und zum Teil von den „Republikanern“ unterstützen „falschen Gerüchte“ über die preußischen Annexionsabsichten in Polen-Litauen zu dementieren und diejenigen, die zur Verbreitung dieses Gerüchts beitrugen, als „Feinde der öffentlichen Ruhe“ und somit als „Unfrieden stiftende Verräter“ anzuprangern.⁶⁵ Das Manifest war ein intelligenter Schachzug, denn es half zum einen dem von allen Seiten unter Druck gesetzten Primas die „republikanische“ Seite zu beruhigen, indem er Preußen als einen wohlgesinnten, potenziellen Gesprächspartner im eskalierenden Konflikt mit Russland präsentierte. Zum anderen aber versicherte es der „Familie“, dass sich der preußische König nicht in ihre Machtinteressen in Polen einzumischen beabsichtige.⁶⁶ Der Primas selbst, der bis dahin eine gewisse schwankende Unparteilichkeit zu wahren suchte, schien seit Februar 1764 ganz im Interesse der „Familie“ und Russlands zu handeln. Der Grund dafür könnten möglicherweise die großzügigen russischen Geschenke an ihn gewesen sein. Im März jedenfalls berichtete Benoît aus Warschau an Friedrich, Katharina folge seinen Ratschlägen und habe Łubieński einen Pelz im Wert von 2 400 Rubeln schenken lassen mit dem Versprechen, ihm nach vollzogener Königswahl noch 80 000 Rubel in bar zu zahlen.⁶⁷ Mit „einiger Verwunderung“ reagierte daher Friedrich auf den bereits erwähnten Brief der „Republikaner“, der aus dem Palast des Primas datiert war. In seiner Antwort forderte er sie nicht nur zur Mäßigung auf, sondern versicherte ihnen gleichzeitig, dass der Primas und Interrex „weit entfernt ist, an demjenigen Schritte Theil zu nehmen“, zu dem sie sich entschlossen hätten.⁶⁸ Gewiss war der Primas Łubieński nicht der Einzige, der sich für seine „Dienste“ von fremden Höfen bezahlen ließ. Sein Beispiel soll lediglich zeigen, dass die politische Haltung mehrerer Adliger während des Interregnums nicht nur politisch oder dynastisch, sondern auch materiell bedingt war und je nach Geldgeber variierte. Friedrich zeigte sich dabei gegenüber seinen polnischen Anhängern im Vergleich zu der russischen Kaiserin weit weniger spendabel und ließ für propreußische „mérites“ die polnische Krone selbst bezahlen. So ver-
Siehe dazu Władyław Łubieński, Pamiętnik prymasa, in: Dwa Stulecia XVIII i XIX badania i przyczynki, hg. von Szymon Askenazy, Bd. 2, Warszawa 1910, S. 101 f.; Stolterfoth, Entwurf einer pragmatischen Geschichte, S. 1100. Ebenda, S. 102. Manifest dementujący pogłoski o złych zamiarach Prus wobec Rzeczypospolitej, in: Polska Akademia Umiejętności in Kraków (im Folgenden PAU), 36151, Bl. 1– 3. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 23, S. 294. Sammlung der Schriften und Nachrichten, S. 165.
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wendete er sich beim Thronprätendenten Poniatowski seit Januar 1764 dafür, nach seiner Wahl Starosteien an seinen Agenten General Gadomski sowie an den Parteigänger der „Republikaner“, Andrzej Mokronowski, zu vergeben⁶⁹, also denselben Grafen und Mitbegründer der polnischen Freimaurerloge, den Großfeldherr Branicki im Juli 1764 nach Berlin entsandt hatte, um im Namen der „Republikaner“ die polnische Krone dem Prinzen Heinrich anzubieten.⁷⁰ Dieses großzügige Angebot, welches Friedrich entschieden ablehnte und von dem sein betroffener Bruder erst einige Jahre später erfuhr, hatte jedoch lediglich symbolischen Charakter und diente hauptsächlich dazu, sich über die gewalttätige Rücksichtslosigkeit der Czartoryski zu beschweren und Verwendung für die geächteten „Republikaner“ zu erbitten.⁷¹ Denn bereits wenige Tage zuvor war der Konvokationsreichstag in Warschau zu Ende gegangen, auf dem Poniatowski zum Thronkandidaten ernannt wurde. Zahlreiche russische Truppen sowie Regimenter der Czartoryski schlugen mit einigen gezielten Attacken den bewaffneten Widerstand gegen diese Beschlüsse nieder. Alle darauf folgenden Versuche der „Republikaner“, sich mit der an die Macht strebende Familie Czartoryski auszusöhnen, scheiterten. Ihren Anführern Radziwiłł und Potocki wurden sämtliche Gnaden und Würden entzogen. Vom Preußenkönig erhofften sich die CzartoryskiGegner in dieser Situation eine vermittelnde Rolle bei Verhandlungen zu einem Abkommen zwischen beiden Parteiungen. Sie waren fest davon überzeugt, dass ihnen der Preußenkönig freundlich und wohlgesinnt sei, und ließen sich nicht von einer Reise in die preußische Hauptstadt abhalten.⁷² In einem Brief an den Krakauer Bischof Kajetan Sołtyk, einem vehementen Gegner der „Familie“, schrieb Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 23, S. 243, 276 und 298 f. Sowohl Gadomski als auch Mokronowski haben sich längere Zeit in Preußen aufgehalten.Während Gadomski im Siebenjährigen Krieg in der preußischen Armee diente und es dort bis zum Hauptmann brachte, gehörte Mokronowski zeitweise sogar zum preußischen Hof und wurde von Friedrich II. zum Großen Küchenmeister ernannt. Vgl. Emanuel Rostworowski, Mokronowski Andrzej, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 21, Wrocław (u. a.) 1976, S. 586; Władysław Konopczyński, Gadomski Stanisław Kostka, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 7, Kraków 1948 – 1958, S. 201. Siehe dazu auch den Brief von Gadomski an Friedrich II., 25.12.1761, in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (im Folgenden GStA), I HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen, Nr. 9 e 57, Bl. 2 f. Konopczyński, Fryderyk Wielki a Polska, S. 93. Vgl. Gustav Berthold Volz, Prinz Heinrich von Preußen und die preußische Politik vor der ersten Teilung Polens, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, 18 (1905), S. 191– 198; Claude Carloman de Rulhière, Histoire de l’anarchie de Pologne, et du démembrement de cette république, suivie des anecdotes sur la révolution de Russie en 1762, Bd. 1– 4, Paris 1819, hier Bd. 2, S. 231– 234. Siehe dazu den Brief von Mokronowski an Branicki (undatiert), in: Archiwum Główne Akt Dawnych (im folgenden AGAD), Archiwum Hipolita Skimborowicza, XX-7– 100, Bl. 3 f.; Ludwik Nabielak, Jan Klemens Branicki. Ustęp dziejów Polski XVIII wieku, Lwów 1864, S. 113.
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Prinz Franz Xaver aus Sachsen, wo sich Mokronowski unterwegs nach Preußen aufhielt, dass der General entschieden darauf beharre, nach Berlin zu reisen, um den Preußenkönig um Vermittlung zu bitten, und er deshalb nicht imstande sei, ihm den geplanten Besuch auszureden. Wobei er den Satz durchstrich: „absolument, quoique je n’attende point de fruit de cette tentation“.⁷³ Bei so großen Erwartungen waren auch die Bedingungen sehr hoch gegriffen, welche Mokronowski Friedrich II. stellte und schriftlich als „Propositions“ übergab. Er verlangte erstens, dass der Preußenkönig dem Großfeldherren Branicki und den „Republikanern“ ausdrücklich versichere, die Garantie für die Freiheit der „Republik“, ihre Besitzungen, die alten Freiheiten und die Prärogativen der großen Kronämter zu übernehmen; zweitens, dass er sich dafür einsetze, die während des Konvokationsreichstags gefassten Beschlüsse, die auf eine Veränderung der bisherigen Verfassung zielten, beim nächsten Reichstag zur erneuten Beratung zu stellen, und schließlich drittens, dass das preußische Königshaus auch denjenigen Mitgliedern der „republikanischen“ Parteiung seine Protektion garantiere, die nicht bereit wären, sich mit der Familie Czartoryski auf einen Kompromiss zu verständigen.⁷⁴ Den Preußenkönig interessierte zunächst vor allem der zweite Punkt, doch er war vorsichtig genug, Versprechungen zu vermeiden, die den russischen Interessen zuwider laufen und das von Katharina vorläufig gestattete Reformprojekt blockieren könnten. In den handschriftlichen Randbemerkungen, mit denen er Mokronowskis „Propositions“ versah und deren Abschrift er auch an Katharina senden ließ, erklärte er sich daher zur Übernahme einer Garantie der adligen Freiheiten bereit, aber unter Bedingungen, welche auch die „Familie“ würde annehmen können. Überhaupt würde er sich ein Vergnügen daraus machen, jede Gelegenheit zu ergreifen, um alle zerstrittenen Gruppen Polen-Litauens zur Versöhnung und zu gemeinsamem Handeln für das Wohl des Landes aufzurufen. Da es jedoch nicht akzeptabel sei, dass ein Bruchteil Polens der weit größeren Parteiung, welche auf dem Reichstage vertreten sei, Gesetze vorschreibe, so rate er
Xaver von Sachsen an den Bischof von Krakau, 17.07.1764, in: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 3691/1, Bl. 393 f. Siehe dazu auch Eduard Reimann, Neuere Geschichte des preußischen Staates vom Hubertusburger Frieden bis zum Wiener Kongress, Bd.1, Gotha 1882, S. 98. Vgl. Politische Coresspondenz, Bd. 23, S. 447 f. Vgl. auch Andrzej Kamieński, Prusy wobec bezkrólewia po śmierci Augusta III i elekcji Stanisława Augusta Poniatowskiego, in: Nad Bałtykiem, Pregołą i Łyną XVI–XX wiek. Księga pamiątkowa poświęcona jubileuszowi 50-lecia pracy naukowej profesora Janusza Jasińskiego, hg. von Julian Wojtkowski (u. a.), Olsztyn 2006, S. 204– 216.
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„pour le bien de la paix“ nicht mehr auf die Dinge zurückzukommen, die einmal entschieden worden seien.⁷⁵ Die anmaßenden Ansprüche der „Republikaner“ machten es dem Preußenkönig leicht, einen diplomatischen Ton anzuschlagen und ihnen eine zurückweisende Antwort zu erteilen. Eine solche Zurückweisung, darauf angelegt, dem preußisch-russischen Bündnis keinen Schaden zuzufügen, war für die preußischen Polenpläne allerdings auf Dauer kontraproduktiv. Immerhin würde Preußen durch den Verlust der „republikanischen“ Sympathie seinen sichersten und entschiedensten Partner im Widerstand gegen die Reformpläne der Czartoryski und der russischen Dominanz in Polen-Litauen endgültig verlieren. Um diesem Verlust rechtzeitig vorzubeugen, richtete Friedrich ein besonderes Antwortschreiben an den Primas, der ihm von einem Beschluss des Konvokationsreichstags vom Juni 1764 unterrichtet hatte, dem preußischen Monarchen fortan den Titel eines Königs von Preußen zuzubilligen. In diesem mit „bereitwilliger Freund Friedrich“ unterzeichneten Antwortbrief verband der Preußenkönig seinen Dank mit der Versicherung, nicht nur die alten Verträge mit Polen unverbrüchlich zu bewahren, sondern auch „die Nachbarschaft und Freundschaft mit der vortrefflichen Polnischen Nation, die wir jederzeit aufs höchste geschätzt, durch alle Arten der Gefälligkeit an den Tag zu legen, ja überhaupt, wo es möglich sein wird, zu erweitern, und vor allen Dingen alle Bemühung, so viel uns beiwohnet, dahin zu verwenden, damit das gegenwärtige Zwischenreich mit einer glücklichen Wahl des künftigen Königes nach Wunsch erschlossen werden möge, und damit die Freyheiten und Besitzungen der Republick durchgehends ganz und ungekränkt erhalten werden.“⁷⁶
Mit diesem „offenherzigsten und standhaftesten Bekenntnis“ preußischer Gesinnung beruhigte Friedrich II. seine polnischen Helfershelfer und dementierte das von Sachsen popularisierte Gerücht, Preußen und Russland seien über eine Teilung Polen-Litauens übereingekommen.⁷⁷ Dabei waren es gerade die sächsischen Nachfolger von August III., die um der polnischen Krone willen soweit gingen, eine Teilung Polens zu planen. Sie trugen sich mit dem Gedanken, Russland durch Preisgabe Kurlands zu besänftigen, Preußen und Österreich mit polnischen Landesteilen zufriedenzustellen, und sich mit dem übrigen „morceau“
Ebenda, S. 448. Die polnische Version des Briefes befindet sich in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 838, Bl. 294 ff. Deutsche Übersetzung zit. nach Sammlungen der Schriften und Nachrichten, S. 127. Ähnliche Aussagen findet man im Brief Friedrichs II. an die polnischen Stände, 20.08.1764, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 838, Bl. 374. Ebenda.
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und der erblichen Königskrone zu begnügen. Die Idee, die bereits zu Anfang des Jahrhunderts von August II. formuliert worden war, stieß aber auch diesmal auf wenig Interesse bei den benachbarten Mächten. Weder Preußen noch Österreich, geschweige denn Russland oder Frankreich, hielten eine sächsische Thronfolge in Polen-Litauen für wünschenswert. Während Preußen ein Bündnis mit Russland anstrebte, das die Inthronisierung eines polnischen Kandidaten stipulierte, gaben Frankreich und England der russischen Kaiserin in Polen freie Hand. Österreich hielt sich von jeder Einmischung fern, weil es einen neuen Krieg fürchtete, und die Pforte wurde durch die russischen und preußischen Vorspiegelungen in Sicherheit gewiegt.⁷⁸ Aufgrund dieser Konstellation mussten die Wettiner ihre Thronansprüche zumindest vorläufig zurückstellen und ihre politischen sowie finanziellen Aktivitäten auf die Unterstützung der „Republikaner“ konzentrieren, zumal ihr 75-jähriger Thronkandidat Branicki seine eigene Wahl nicht lange zu überleben versprach. Auch in anderen Ländern erfreuten sich die polnischen Gegner der Czartoryski und Russlands einer gewissen Gunst, wenngleich sich die meisten Gastgeber in ihrer monetären Spendierfreudigkeit für die polnische Opposition eher zurückhielten. Den Grund einer solchen gesamteuropäischen Sympathie ist in der ablehnenden Haltung der meisten Königshäuser gegenüber den Staatsreformen in Polen zu sehen. In Wien, Paris und Dresden herrschte darüber dieselbe Ansicht wie in Berlin: Czartoryskis Reformideen bedeuteten einen Machtzuwachs Russlands.⁷⁹ Eine Einverleibung von Polen-Litauen in das noch nicht saturierte Russland erschien akzeptabler als die Verwandlung eines erstarkten polnischlitauischen Staatsverbandes in ein gefährliches russisches Werkzeug. Entsprechend verliefen die folgenden politischen Versuche sowohl der Czartoryski als auch ihrer polnischen Gegner. Was man an den europäischen Höfen fürchtete, darauf glaubten sie hoffen zu dürfen; auf diesem Umwege gedachten beide Lager, Polen und sich selbst zu helfen. Während die „Familie“ die Überwindung der Entscheidungsdominanz des Adels durch die Beseitigung des liberum veto und die Einführung einer Parlamentspolitik nach britischem Vorbild verfolgte, konzentrierte sich das politische Bestreben der „Republikaner“ auf die Entmachtung des Königs und der Czartoryski sowie auf das Aufbrechen des russischen Protektorats, wodurch erst die Bedingungen für eine wirkliche „Reformierung“ Polens geschaffen werden sollten. Genauer formuliert: Der eigentliche politische Charakter der „republikanischen“ Parteiung lag – im Gegensatz zur „Familie“ – nicht in der Begründung und
Vgl. Askenazy, Die polnische Königswahl, S. 29 – 36. Vgl. Ebenda, S. 3.
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Verfolgung einer eigenen politischen Programmatik, sondern gewissermaßen in deren Verweigerung. Wobei sie von vornherein versuchten, die moralisch überzeugendere Ausgangsbasis einzunehmen. Sie pflegten als Gruppierung aufzutreten, die jeweils in Verbindung mit der „szlachta“ die Interessen der bestehenden Verfassung oder des Landes, also des Ganzen, und nicht die Ziele der Regierung und des Hofes, also eines Teils, zu vertreten vorgab. Diesen populistischen Auftritt als Anwalt des Mehrheitsinteresses erleichterte ihnen allerdings die „Familie“ selbst, indem sie aus ihren eigennützigen Machtansprüchen keinen Hehl machte: Mit der Übernahme des Throns durch Stanisław August Poniatowski wollte sie sich nicht nur ein Amt, sondern alle wichtigen Ämter sichern und ihre Gegner von den neu zu vergebenden Würden fernhalten. Trotz des inneren und preußischen Widerstandes ist es den Czartoryski zusammen mit Stanisław Poniatowski und mit Hilfe der russischen Armee gelungen, bereits während des Konvokationsreichstags (Mai–Juni 1764) ihr Reformprogramm durchzusetzen. Der jahrzehntelang gehegte Plan, mit Hilfe Russlands eine Verfassungsänderung zu erzielen, schien aufzugehen.⁸⁰ Mehr noch: Die Kaiserin schaute auch gleichgültig zu, als die Czartoryski gegen ihre internen Opponenten gezielt vorgingen und Maßnahmen zu ihrer Entmachtung ergriffen. Betroffen waren die großen Magnaten wie der Krongroßfeldherr Branicki, der Woiwode von Kiew und Starost von Warschau Franciszek Potocki oder der Woiwode von Wilna, Karol Radziwiłł. In ihrer verzwickten Lage suchten die in ihrer Würde herabgesetzten und in die Verbannung gezwungenen Fürsten an allen europäischen Höfen nach Hilfe, auch bei den Hohenzollern. Vor allem Radziwiłł, eher ungestümer Draufgänger denn abwägender Diplomat, erhoffte sich vom Preußenkönig Schutz und Intervention bei der russischen Kaiserin. In seinem Bittschreiben an Friedrich II. versicherte er ihm seine ergebene Treue zum preußischen Königshaus und stellte sich aufgrund seiner Ländereien im Königlichen Preußen sogar als einen Verwandten des Hauses Brandenburg dar.⁸¹ Diese Verwandtschaftsbekundungen rührten den Preußenherrscher jedoch wenig. Ablehnend reagierte er auf alle Hilfegesuche der „Republikaner“ und beschuldigte sie, für das angerichtete Debakel selbst die Verantwortung zu tragen. Seit Monaten empfahl er ihnen auf das Dringlichste, jeden bewaffneten Widerstand niederzulegen, Russland nicht zu provozieren und Verhandlungen mit der „Familie“ auf-
Ausführlich darüber in: Boris Nosov, Polityka Rosji na początku panowania Stanisława Augusta, 1764–początek 1765 r., in: Stanisław August i jego Rzeczpospolita. Dramat państwa, odrodzenie narodu, hg. von Angela Sołtys und Zofia Zielińska, Warszawa 2013, S. 91 ff. Karol Radziwiłł an Friedrich II., 05.01.1764, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen, Nr. 9 e 32; Sbornik, Bd. 22, S. 260; Roepell, Das Interregnum, Teil 2, S. 22; Correspondenze sur les affaires politiques du royaume de Pologne, in: Büschings Magazin, 13 (1779), S. 37 und 55.
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zunehmen. Nun sollten sie die Konsequenzen für ihr ungezügeltes Treiben selbst tragen, ohne das preußische Königshaus da hineinzuziehen. ⁸² Die „republikanische“ Parteiung betrog sich dennoch weiter selbst in ihrem unerschütterlichen Glauben an den preußischen Beistand, während die russischen Truppen samt der „Familie“ weiterhin jede auftauchende Gegenbewegung niederschlugen. Der Aufwand, der hierzu getrieben werden musste, war nur noch gering, denn das Beispiel der verbannten Fürsten bremste die Kampfbereitschaft der „Republikaner“; sie gaben sich angesichts der russischen Übermacht erst einmal geschlagen. Die längere Auseinandersetzung mit der antiköniglichen Opposition in PolenLitauen und die Darstellung ihrer (außen)-politischen Ausrichtung waren an dieser Stelle notwendig, denn gerade diese heterogene und sich über die Jahre permanent verändernde Gruppe war eine der Hauptpropagatoren des positiven Preußenbildes weit über die 60er Jahre des 18. Jahrhunderts hinaus. Ihre privaten, politischen oder ökonomischen Interessen hinsichtlich des preußischen Nachbarn beeinflussten dessen Wahrnehmung in Polen-Litauen – und das nicht nur im positiven Sinne. Um die Position der Königsgegner zu schwächen, waren ihre Gegner bestrebt, auch deren Beziehungen zu Preußen zu diskreditieren. Die durchgehend verächtliche Einstellung Friedrich II. gegenüber Polen erleichterte es ihnen, die pejorative Charakterisierung Preußens als propagandistisches Argument gegen die innerpolitische Konkurrenz einzusetzen, wie in den folgenden Kapiteln noch deutlicher aufgezeigt werden wird. Die Bezugnahme auf Preußen bei den poltischen Machtkämpfen lässt gleichzeitig erkennen, wie wenig die Verflechtungsgeschichte zwischen Preußen und Polen lediglich bipolar zu betrachten ist. Die direkten polnisch-preußischen Kontakte waren nicht immer ausschlaggebend für die Etablierung und Funktionalisierung von bestimmten Preußenbildern oder -einstellungen. So gesehen war das polnische Preußenbild ein interessengebundenes Konstrukt, bei dem Erwartungs- ja letztendlich Hoffnungshorizonte, im Positiven wie im Negativen, oft eine größere Rolle spielten, als die tatsächlichen Kontakte oder Austauschprozesse. Hier scheint ein grundsätzliches Problem der Kulturtransferforschung auf, das in der Einleitung bereits kurz angesprochen wurde, nämlich die Konstruktion der Transfer- und Rezeptionsräume. Die Dominanz der innerpolitischen Rahmenbedingungen im polnischen Preußendiskurs führte dazu, dass das Wissen um polnisch-preußische Verflechtungen und Differenzen zur Eröffnung an Die polnische Übersetzung des Antwortschreibens Friedrichs II. in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 838, Bl. 314. Deutsche Version bei Stolterfoth, Entwurf einer pragmatischen Geschichte, S. 1238 f. Tatsächlich riet Friedrich den „republikanischen“ Magnaten bereits seit November 1763, auf Gewalttätigkeiten gegen die Czartoryski und die russischen Truppen zu verzichten. Vgl. Politische Correspondenz, Band 23, S. 199, 242 und 271.
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dersartiger, häufig durch Wünsche und weniger durch Erfahrungen geprägter, Handlungsräume beitrug. Wiederholt änderte sich das polnische Preußenbild innerhalb eines Erwartungshorizontes, der sich unabhängig von dem Fortgang der polnisch-preußischen Interaktionen etablieren konnte. Vor diesem Hintergrund greift das Kulturtransfer-Konzept mit seiner Fokussierung auf reale Rezeptionsräume, sei es im geografischen, ständischen oder kulturellen Sinne, zu kurz, denn es übersieht die Möglichkeit eines improvisierten bzw. räumlich-abstrakten Transfers. In Polen-Litauen galt das negative oder positive Verhältnis zu Preußen oft als Indikator für die innenpolitische Positionierung. Um die eigene Selbstverortung zu manifestieren oder eine klare Grenze zwischen internen Freunden und Feinden zu ziehen, griff das antiköniglich und antirussisch orientierte Lager ein affirmatives Preußenbild auf und versuchte eine günstige Beziehung zum preußischen Hof aufzubauen. Diese heimischen Initiativen hatten mit einem Bedürfnis nach Fremdanleihen allerdings wenig zu tun.Von dem eigenen Protestverhalten zutiefst überzeugt, gedachten sie nicht, den mahnenden Handlungsanweisungen des preußischen Königs zu folgen. Im Gegenteil: Vielmehr erwarteten sie, dass der preußische Hof ihren Postulaten entgegenkommt. Das von der antiköniglichen Opposition zwar vertretene, aber eher als passiv zu charakterisierende Rezeptionsinteresse an Preußen diente lediglich eigenen Zwecken, verstärkte und verringerte sich konjunkturell, je nach politischer Lage. Das bewusst eingesetzte Preußen-Wunschbild half ihr, die fehlende Unterstützung des preußischen Königs zu verbergen und die angestrebte Position als international anerkannte Gruppierung einfach zu behaupten. Folglich kann diese Art der Identifikation als eine desinteressierte Idealisierung charakterisiert werden, die aus dem Streben nach Selbsterhaltung und Handlungsfähigkeit resultierte und nicht aus dem vermeintlichen Rezeptionsbedürfnis.
2. König Stanisław August Poniatowski – ein von Preußen ausgebremster Reformer Im September 1764 wurde der Truchsess Stanisław August Poniatowski dank Millionen russischer Dukaten und gehöriger militärischer Präsenz einstimmig zum polnischen König gewählt. Zwei Monate später, am 25. November, wurde er in Warschau gekrönt. „Ich gratuliere zum König, den wir gemacht haben“, soll die Kaiserin an ihren Außenminister Nikita Panin geschrieben haben.⁸³ Solange die
Zit. nach Sergej Ssolowjoff, Geschichte des Falles von Polen, Gotha 1865, S. 22.
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Wahl Poniatowskis nicht geschafft und Katharinas politische Position in Russland sowie ihr Einfluss in Europa nicht ausreichend abgesichert waren, hatte sie ihrer polnischen Parteiung gegenüber eine allein im Pragmatisch-Taktischen begründete Großzügigkeit und Nachgiebigkeit gezeigt.⁸⁴ Von nun an aber brauchte die Kaiserin keine Rücksicht mehr auf ihre polnische Anhängerschaft zu nehmen. Mit deren Hilfe hatte sie das geplante Ziel erreicht und ihre erste politische Bewährungsprobe auf der internationalen Bühne bestens bestanden; ihr Triumph in Polen-Litauen hatte zu keinem Konflikt zwischen den europäischen Mächten geführt. Von Friedrich II. gedrängt und ihrer Dominanz in Polen-Litauen sicher, legte sie bei „ihrem“ polnischen König vier Tage nach dessen Krönung (die an ihrem Namenstag erfolgte) ihr erstes und bereits entscheidendes Veto ein gegen jene umfangreichen Reformen des Konvokationsreichstags, mit denen Poniatowski und die „Familie“ geglaubt hatten, die Regentschaft einläuten zu können.⁸⁵ Alle Hoffnungen, an Russlands Seite Polen-Litauen zu erneuern und es aus der internationalen Isolation herauszuführen, schienen zu zerplatzen. Mit einer Fläche von ca. 800 000 km2 übertraf Polen-Litauen rein flächenmäßig alle europäischen Staaten mit Ausnahme Russlands erheblich; es reichte von der oberen Oder bis an die Düna sowie über den oberen Dnjepr erheblich hinaus, von der Weichselmündung und der Halbinsel Hela bis an den unteren Dnjepr, von der Rigaer Bucht bis an die Berge der zum osmanischen Reich gehörenden Bukowina. Mit einer Bevölkerungszahl von bis zu zwölf Millionen Menschen wurde es zwar von Frankreich, Großbritannien, Russland und den habsburgischen Ländern übertroffen, lag aber vor Preußen und vor jedem anderen der deutschen Einzelstaaten. Mit einer auf das ganze Land bezogenen Bevölkerungsdichte von ca. 15,6 – 19,2 Menschen pro Quadratkilometer gehörte es zum europäischen Durchschnitt.⁸⁶ Politisch und rechtlich gesehen setzte sich Stanisław Augusts Königsreich aus drei Hauptteilen zusammen: dem eigentlichen Polen, der „Krone“, dem Großfürstentum Litauen und dem Lehnherzogtum Kurland, das de facto unter russischem Einfluss stand, aber theoretisch immer noch zu Polen gehörte.⁸⁷
Siehe dazu Zofia Zielińska, Katharina II. und Polen zu Beginn der Regierungszeit von Stanisław August: Politische Ziele und mentale Archetypen, in: Katharina II., Russland und Europa. Beiträge zu Internationalen Forschung, hg. von Claus Scharf, Mainz 2001, S. 75 – 85. Boris Vladimirovich Nosov, Ustanovlenie rossiiskogo gospodstva v Rechi Pospolitoi 1756 – 1768, Moskva 2004, S. 196 – 213. Vgl. Łepkowski, Polska – narodziny nowoczesnego narodu, S. 13. Vgl. Gotthold Rhode, Die polnische Republik um die Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Die erste polnische Teilung 1772, hg. von Friedhelm Berthold Kaiser und Bernhard Stasiewski, Köln 1974, S. 4.
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Das Herrschaftsgebiet des neuen Königs war aber nicht nur weit ausgedehnt, sondern auch ethnisch, kulturell und religiös sehr differenziert. Polen-Litauen war eine Nation und zugleich ein Vielvölkerstaat, wobei der Begriff „Nation“ das corpus politikum der res publica bezeichnete, also die Gemeinschaft der vollberechtigten (adligen) Staatsbürger bzw. die sie repräsentierenden Stände.⁸⁸ Um die Mitte des 18. Jahrhunderts machten die Deutsch, Ukrainisch, Weißrussisch, Litauisch oder Lettisch sprechenden Landesbewohner zusammen mit Juden und Armeniern sowie verschiedenen Migrantengruppen (Schotten, Niederländern, Italienern etc.) beinahe die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus. Mit diesem ethnisch-sprachlichen Reichtum ging eine Vielzahl unterschiedlicher Konfessionen einher. In der Mitte des 18. Jahrhunderts lebten in Polen-Litauen mindestens eine halbe Million Protestanten und orthodoxe Christen. Hinzu kamen noch fast 12 Prozent Juden, die vorwiegend die östlichen Teile des polnisch-litauischen Staatsverbandes bewohnten und sich hier vor allem in Folge der Judenverfolgungen in Westeuropa seit dem 11. Jahrhundert niederließen.⁸⁹ Die breite Vielfalt von unterschiedlichen religiösen und ethnischen Bevölkerungsgruppen, die durch die Nachbarmächte für eigene politische Zwecke zum Teil instrumentalisiert wurden, machte es Stanisław August nicht einfach, ein politisch ausgewogenes Regierungsprogramm zu konzipieren. Auch die soziale Struktur der Bevölkerung mit über 80 Prozent Bauern bot keine geeignete Basis für weitgehende Reformen. Denn dem in jeder Hinsicht dominierenden und eher reformfeindlich gesinnten Landadel stand ein nur schwaches städtisches Bürgertum gegenüber, das sich bei einem sehr geringen Urbanisierungsgrad und wegen der städtefeindlichen Gesetzgebung der Adelsnation nur unzureichend entwickeln konnte. Abgesehen vom städtereichen Königlichen Preußen, wo die Bürgerschaft überwiegend deutschsprachig war, konzentrierte sich die bürgerli-
„Respublica“ oder „Rzeczpospolita“ bedeutet dabei keine Republik im modernen Sinne, sondern knüpft im Sinne der frühneuzeitlichen Staatslehre an die römische „res publica“ an. Siehe dazu Hans-Jürgen Bömelburg, Altes Reich und Rzeczpospolita (Polnisch-litauische Adelsrepublik). Hymne auf Vielfalt und Geschichte eines Niedergangs, in: Deutsch-Polnische Erinnerungsorte, Bd. 3: Parallelen, hg. von Hans-Henning Hahn und Robert Traba, Paderborn 2012, S. 24; Maria Rhode, Die Durchsetzung der ständischen Republik (1573 – 1609), in: Polen in der europäischen Geschichte: Ein Handbuch, S. 206 – 217; Rudolf Jaworski, Christian Lübke und Michael G. Müller, Eine kleine Geschichte Polens, Frankfurt am Main 2000, S. 229. Tadeusz Korzon, Wewnętrzne dzieje Polski za Stanisława Augusta, 1764– 1798, Bd. 1, Kraków und Warszawa 1897, S. 173 f.; Tadeusz Rawski, Rzeczpospolita w epoce Oświecenia, in: Ostatnie lata I Rzeczypospolitej, hg. von dems., Łowicz 1996, S. 23; Wojciech Kriegseisen, Dysydenci i dyzunici w Rzeczypospolitej epoki stanisławowskiej, in: Stanisław August i jego Rzeczpospolita. Dramat państwa, odrodzenie narodu, hg. von Angela Sołtys und Zofia Zielińska, Warszawa 2013, S. 52.
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che Öffentlichkeit vorwiegend in Warschau, Krakau, Posen, Lemberg (Lwów) und Wilna, von denen Warschau mit 30 000 Einwohnern im Jahre 1764 (Ende des 18. Jahrhunderts waren es schon 120 000) weit an der Spitze stand, gefolgt von Posen und Krakau mit nur knapp 10 000 Einwohnern. Während in Westeuropa durchschnittlich ein Viertel aller Einwohner in den Städten lebte, erreichte der Anteil der Stadtbewohner an der Gesamtbevölkerung Polens kaum mehr als 10 bis 15 Prozent.⁹⁰ Doch nicht die starke ländliche Struktur Polen-Litauens oder seine unbestritten stagnierende wirtschaftliche Entwicklung waren die Hauptgründe, die den reformfreudigen König Stanisław August bremsten. Im Wege stand ihm vor allem seine konstitutionell bedingte Machtlosigkeit, denn in der Respublica Poloniae galt der König als einer unter Gleichen, und war damit ebenfalls der Verfassungsordnung unterworfen, d. h. dass er nicht „absolut“ handeln konnte. Er war der Repräsentant des Staatsverbandes bei feierlichen Anlässen, der oberste Richter und der oberste Beamte, er hatte als Stand einen Anteil an der Gesetzgebung des Reichstages, der sich grundsätzlich neben dem König aus dem Senat und der Landbotenkammer zusammensetzte. Damit war jedoch die ihm von der Verfassung eingeräumte Kompetenz bereits erschöpft. Staatsrechtlich war er kein eigenmächtiger Monarch. Das zeigte sich darin, dass er weder Krieg erklären noch Frieden schließen, weder Gesandte empfangen oder beglaubigen, noch Strafen im Gnadenweg abmildern konnte. Vor allem aber war er nicht der Befehlshaber der Armee (auch wenn diese knapp 12 000 Mann zählte). Plakativ ausgedrückt: Der polnische König war ein vom Adel per Kontrakt verpflichteter Herrscher. Die pacta conventa, auf die er beim Regierungsantritt schwören musste, begrenzten seine Befugnisse genau und noch genauer seine Pflichten. Man könnte auch den Preußenkönig paraphrasieren und sagen: Er war der erste Diener des Adels. Dieser war voller Stolz und Überlegenheitsgefühl darüber, dass die „Nation“, wie sich der Adelsstand gewöhnlich bezeichnete, einen König hatte, während draußen die Könige über die Nationen herrschten.⁹¹
Vgl. Rhode, Die polnische Republik, S. 12; Łepkowski, Polska – narodziny nowoczesnego narodu, S. 14. Vgl. Zernack, Stanislaus August Poniatowski, S. 380. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis von Hans-Jürgen Bömelburg auf die integrative Funktion von Geschichte für das nationale Selbstverständnis des Adels. Hans-Jürgen Bömelburg, Frühneuzeitliche Nationen im östlichen Europa. Das polnische Geschichtsdenken und die Reichweite einer humanistischen Nationalgeschichte (1500 – 1700), Wiesbaden 2006. Zum Begriff „Nation“ in der Frühen Neuzeit siehe Annette Helmchen, Die Entstehung der Nationen im Europa der Frühen Neuzeit, Berlin (u. a.) 2004, S. 23 – 93.
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Beinahe die einzige Chance für den polnischen König, seine Position zu stärken und einen größeren Einfluss zu erlangen, bot ihm das konstitutionell garantierte Recht, höhere Staatsämter und Staatspfründen zu verleihen. Er war somit Quelle für Ehren und Ämter, wodurch er letztendlich doch den Reichstag bzw. die Abgeordneten beeinflussen (bestechen) konnte. Auch konnte sich ohne königliche Förderung keine Fraktion als Hofpartei halten – nur die Gunst des Hofes garantierte eine dominante Rolle im polnisch-litauischen Staatsverband. Groß war daher die Enttäuschung der Czartoryski, als sich der von ihnen zwar unterstützte, aber nicht sonderlich geschätzte Neffe Stanisław August gleich nach seinem Amtsantritt anschickte, von der ihm zustehenden Kontrolle über die Stellenvergabe Gebrauch zu machen. Ohne die ehrgeizigen und herrschsüchtigen Oheime August und Michał Czartoryski zu konsultieren, bedachte er nicht nur seine Freunde, Favoriten oder engsten Familienmitglieder, sondern auch seine ehemaligen Gegner mit mehreren Gnaden. In diesem personalpolitischen Kurs des jungen Königs sah die „Familie“ einen Versuch ihres Neffen, sich ihrem Einfluss zu entziehen und entgegen ihren, vor der Wahl gehegten Vorstellungen, anstatt einer Regentschaft des Familienclans eine persönliche Herrschaft als Monarch zu errichten. Dieser Anspruch auf Alleinherrschaft Stanisław Augusts führte zu einem Zerwürfnis mit den ob dieses Souveränitätsverlusts indignierten Onkeln. Russland unterstützte diesen Bruch, um zu den mächtigen Czartoryski ein Gegengewicht zu bilden und die internen Konflikte zum eigenen Vorteil zu nutzen. Auch die „republikanische“, russlandfeindliche Parteiung verschmähte es nicht, in Petersburg Anknüpfungspunkte zu suchen, um alle Hebel zum Sturz der Czartoryski in Bewegung zu setzen und den aufgezwungenen König unter die eigene Kontrolle zu bekommen. Kurz nach der Thronbesteigung Poniatowskis kam es somit zu einer neuen Fraktionsbildung in Polen-Litauen: Die Czartoryski wurden zu Konkurrenten nicht nur der „Republikaner“, sondern auch ihres einst favorisierten Neffen. Die Folge war eine Neusortierung unter den konkurrierenden Adelsgruppierungen. Unabhängig von den neuen personellen Konstellationen konnte man auch nach der Machtübernahme Stanisław Augusts drei sich gegenseitig bekämpfende und je nach politischer Situation mit- oder gegeneinander koalierende Gruppen unterscheiden. Auf der einen Seite standen die alten Gegner des neugewählten Königs, die in der Erhaltung des Status quo der republikanischen Einrichtungen und der Beschränkung der königlichen Macht das Heil für ihr Vaterland suchten, während die politisch und auch kulturell überlegene „Familie“ unter der Oberaufsicht der Czartoryski mit ihrer permanent wechselnden Anhängerschaft die politischen Ansichten der „Republikaner“ verwarfen und in einer umfassenden Umgestaltung des Staatswesens den Reformweg für Polen erblickten. Zwischen diesen beiden Lagern stand der junge und geistig hoch über der Adelsmasse
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stehende König, der sich selbst zwar als Retter des bedrängten Landes begriff, aber innen- und außenpolitisch ständig Kompromisse eingehen musste, um seine Machtposition zu sichern. Ehrgeizig und eitel genug balancierte Stanisław August zwischen den einzelnen Interessengruppen und war ständig bestrebt, in der politisch verzwickten und seine Herrschaftskünste häufig überfordernden Situation, sich einen Namen als Mäzen und Protektor der Künste und Wissenschaften zu machen – einen Titel, der im Zeitalter der Enzyklopädisten und Möchtegern-Philosophen auf dem Thron von besonderer Bedeutung war und es ihm erleichterte, ein eigenes Geschichts-, Kunst- und Repräsentationsprogramm zu realisieren.⁹² Der in der französischen Kultur aufgewachsene letzte König von Polen-Litauen verfügte über eine umfassende Bildung und hatte einen klaren Blick für die öffentlichen Dinge. Genau wissend, wo die Mängel und Probleme der polnischen Gesellschaft und des polnischen Staatswesens lagen, erkannte er die Notwendigkeit der grundlegenden Reformen, entwarf ausführliche Modernisierungspläne und forcierte die Idee einer Wiederherstellung zerstörter Strukturen. Poniatowskis Interesse für Literatur und Kunst fand während seiner Regierungszeit im Mäzenatentum ihren Ausdruck. Auf seine Initiative hin wurde 1765 das erste Nationaltheater in Warschau gegründet. Die unter seiner Patronage und nach dem Vorbild des englischen „Spectator“ herausgegebene Zeitschrift „Monitor“ wurde zum Vehikel progressiver Ideen von Publizisten, Schriftstellern, Poeten und Künstlern, die – von Aufklärungsideen beeinflusst – bemüht waren, die Reformierung des Landes voranzutreiben. Beinahe an jeder wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Initiative war der König beteiligt. Geschickt wusste er seinem kulturellen Wirken Resonanz in der Öffentlichkeit zu verschaffen und die Kunde vom aufgeklärten Denken und Tun bis in die entlegenen Adelshöfe und in die kleinen Städte zu tragen. Als Symbol modernen Denkens und Zentrum einer idealen Welt aus Bäumen, Wiesen, spiegelnden Gewässern und Tempeln baute sich Poniatowski – ähnlich wie andere „Aufklärer auf dem Thron“ – eine Sommerresidenz vor den Toren Warschaus. Er errichtete ein klassizistisches Schloss auf einer künstlichen Insel im Łazienki-See, fügte ein Theater unter freiem Himmel hinzu, zog internationale Gartenarchitekten und Kunstschaffende an. Der Łazienki-Park symbolisierte für Poniatowski die Welt, wie sie sein sollte: voller Kultur, empfindsamer Gedanken, freimaurerischer Pläne. Im Sommer versammelte sich dort jeden Donnerstag eine exklusive Tischgesell Vertiefend hierzu etwa Jerzy Michalski, Stanisław August Poniatowski, Warszawa 2009; Krystyna Zienkowska, Stanisław August Poniatowski, Wrocław 2004; Maria Żywirska, Ostatnie lata życia króla Stanisława Augusta. Warszawa 1978; Jean Fabre, Stanislas-Auguste Poniatowski et l’Europe des lumières: Etude du cosmopolitisme, Paris 1952.
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schaft von Literaten, Künstlern und Philosophen (im Winter zog man in das Stadtschloss) – es war eine intellektuelle Werkstatt, von der Reformgedanken und -handlungen ihren Ausgang nahmen.⁹³ „Eine Neuerschaffung der polnischen Welt“ war der Leitgedanke des letzten polnischen Königs.⁹⁴ Der Nuntius in Polen, Antonio Eugenio Visconti, berichtete 1766, dass der junge Herrscher „für eine sofortige Reformierung seines Heimatlandes brennt. Wenn es nur möglich wäre, würde er das innerhalb eines Tages vollziehen wollen“. Nach Ansicht Viscontis soll Stanisław August auch von der Intention beherrscht gewesen sein, „eine tiefgehende Umwandlung seines ganzen Volkes zu bewirken. Er möchte es auf ein höheres Niveau heben und den mehr zivilisierten Völkern Europas angleichen“.⁹⁵ Um die gewünschten Ziele in die Praxis umzusetzen, brachte Stanisław August gleich nach seiner Thronbesteigung eine Reform des Finanz- und Steuerwesens, der Legislative und des Militärs auf den Weg. Institutioneller Ausdruck dieser Bemühungen war die Gründung der Ritterakademie für Offiziere in Warschau. Von der englischen Verfassung beeinflusst und sich seiner stark eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten bewusst, war er dennoch eifrig bemüht, die königlichen Prärogativen zu erhöhen.⁹⁶ Wohl wissend, dass er für dieses Projekt eine starke Stütze braucht, versuchte er, durch Stellen- und Landvergabe den mittleren Adel, der die Mehrheit der Landboten bildete, für sich zu gewinnen. Die Stärkung der Zentralgewalt lag aber weder im Interesse der Magnaten noch der Nachbarmächte, die nun erkennen mussten, dass Poniatowski nicht ihr willfähriges Werkzeug war. Angesichts eines derart
Ausführlich darüber in: Zdzisław Libera, Stanisław August Poniatowski – opiekun miłośnik literatury, in: Życie kulturalne i religijność w czasach Stanisława Augusta Poniatowskiego, hg. von Marian Drozdowski,Warszawa 1991, S. 85 – 100; Richard Butterwick, The Enlightened Monarchy of Stanisław August Poniatowski (1764– 1795), in: The Polish-Lithuanian Monarchy in European Context, c.1500 – 1795, hg. von dems., Basingstoke 2001, S. 193 – 218; Teresa Kostkiewiczowa, Od obiadów czwartkowych do klubów i gabinetów lektury. O przemianach życia kulturalnego stanisławowskiej Warszawy, in: Stanisław August i jego Rzeczpospolita, S. 151– 165. Vgl. Zofia Zielińska, „Nowe świata polskiego tworzenie“. Stanisław August – reformator 1764– 1767, in: Stanisław August i jego Rzeczpospolita, S. 9 – 32. Zit. nach Augustin Theiner, Vetera monumenta Poloniae et Lithuaniae gentiumque finitimarum historiam illustrantia maximam partem nondum edita ex tabulariis Vaticanis, deprompta collecta ac serie chronologica disposita. Bd. 4, Rom 1864, S. 96. Richard Butterwick hebt in seiner vielbeachteten Monographie hervor: „He [Stanisław August Poniatowski, A.P.] would replace the conflict inter maiestatem ac libertatem with the mutual dependence of king and nation. From his study of English politicks he drew the lessons of the healthy Parliament an extensive royal prerogative, which allowed the king to direct policy personally, if he and his ministers could gain the confidence of the nation. At the same time Stanisław displayed his aversion to blatant Walpolean corruption.“ Richard Butterwick, Poland’s last king and English culture Stanisław August Poniatowski 1732– 1798, Oxford, 1998, S. 155.
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mächtigen und einflussreichen Widerstands nimmt es nicht wunder, dass es dem polnischen König nur ansatzweise gelungen ist, seine Reformpläne zu realisieren. Doch neben der fehlenden innen- und außenpolitischen Unterstützung mangelte es Stanisław August auch an der notwendigen Härte zur Ausführung seiner Reformpläne. Immer wieder ließ er sich durch Hindernisse beeindrucken und schreckte vor den drohenden Konsequenzen zurück. Von den Anfeindungen seitens anders gesinnter Machthaber gelähmt oder erpresst, verzichtete er wiederholt auf seine ambitionierten Vorhaben und fügte sich nachgiebig den Forderungen sowie Erwartungen der Stärkeren. So war es für Stanisław August von Anbeginn seiner Herrschaft schwer oder fast unmöglich, seinen Reformgeist zu beweisen und die geplanten Umstrukturierungen in Gang zu setzten. Denn im Gegensatz zu Friedrich II. und auch zu Katharina II. übernahm er die Herrschaft über ein Doppelreich, das ökonomisch stagnierte und wenig wirtschaftliches Potential aufwies, das ihm hätte helfen können, seine Reformen zu finanzieren.⁹⁷ Um das stagnierende Staatswesen sanieren zu können, brauchte der neugewählte König viel Geld. Doch die Kassen waren leer und die königlichen als auch staatlichen Einkünfte begrenzt.⁹⁸ Sie kamen nur aus wenigen Quellen: den allgemeinen Zöllen, der Kopfsteuer der Juden, der sogenannten „Quarte“ aus den Einkünften der Königsgüter und der Rauchfangsteuer, „hiberna“ genannt, eine von den königlichen und geistlichen Gütern gezahlte Ablösung für die Verpflichtung, die Truppen im Winter unterzubringen und zu verpflegen. Die einzige Möglichkeit, die Einnahmen schnell und effizient zu steigern, bot eine Revision der bestehenden Steuer- und Zollsätze sowie ihrer Eintreibepraxis. Bereits während des Konvokations- und Krönungsreichstags wurden die ersten Schritte für eine finanzielle Sanierung unternommen. Auf Hinwirken der „Familie“ wurde eine Schatzkommission zur Verwaltung der Staatseinnahmen gebildet und trotz lebhaften Widerspruchs ein „Generalzoll“ (cło generalne) eingeführt, der „ungeachtet aller Befreiungen, Servituten und Protektionen oder anderer erfundener Ausnahmen zu Wasser und zu Lande an den Schatz der Republik“ nach den von der Schatzkommission auszuarbeitenden Tarifen gezahlt werden sollte.⁹⁹ Der Generalzoll sollte die Kopf- und Rauchfangsteuer aufheben und damit die bisher auf Woiwodschaftsebene eingetriebenen „pünktlichen Zahlungen“ für den Unterhalt des stehenden Heeres ersetzen sowie gleichzeitig die Mittel für eine Er-
Vgl. Józef Andrzej Gierowski, Historia Polski 1764– 1864, Warszawa 1980, S. 35. Vgl. Rostworowski, Historia Powszechna, S. 154. Vgl. Volumina Legum: Ab anno 1764 ad annum 1768, Bd. 7, Petersburg 1860, S. 22 f. und 78 f.
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höhung der Truppenstärke und eine Modernisierung der Ausrüstung sicherstellen.¹⁰⁰ Die Freude der „Familie“ und des Königs über ihre reformatorische Leistung wurde jedoch schnell getrübt. Denn noch bevor der Konvokationsreichstag beendet war, hatte der preußische Resident in Warschau, Benoît, das Veto seines Königs gegen den geplanten Generalzoll angemeldet. Friedrich II. unterstützte damit die Opposition des Königlichen Preußens gegen die Einbeziehung in den Generalzoll. Seit der Union von Lublin (1569) war das zumeist deutschsprachige Königliche Preußen einschließlich solch großer Städte wie Thorn, Elbing und besonders Danzig mit der Krone Polens integral verbunden und genoss weitgehende Autonomie. Nach seiner Machtübernahme gedachte Stanisław August mit Hilfe der „Familie“, im Rahmen der durch Reformen erfolgten Stärkung der zentralen Institutionen, die provinziellen Sonderrechte aufzuheben und damit die preußisch-königliche Autonomie empfindlich zu beschränken. Der Generalzoll galt als einer der ersten Versuche dieser zentralistischen Angleichung und traf auf großen Widerstand sowohl beim Adel als auch bei den Bürgern in den großen Städten des Königlichen Preußens.¹⁰¹ Da es Stanisław August aber an einer endgültigen Anerkennung seiner Wahl und der Bildung einer königlichen Parteiung in dieser Provinz gelegen war, entschied er sich nach zweijährigen Verhandlungen, auf die geplanten Umstrukturierungen doch zu verzichten.¹⁰² Obwohl Friedrich II. aufgrund seiner territorialen und wirtschaftlichen Ansprüche im Königlichen Preußen als persona non grata galt, heizte er dennoch beim Thema Generalzoll das angespannte Verhältnis zwischen der Provinz und Warschau zusätzlich an und war stets bestrebt, aus dem Konflikt eigene Vorteile zu ziehen.¹⁰³ Zum Hauptstreitpunkt wurden dabei die Remonten (Kavalleriepfer-
Zum Komplex „Generalzoll“ siehe die ausführliche Abhandlung von Jörg K. Hoensch, Der Streit um den polnischen Generalzoll 1764– 1766, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, 18 (1970), S. 355 – 388. Vgl. Jerzy Dygdała, Życie polityczne Prus Królewskich u schyłku ich związku z Rzeczypospolitą w XVIII wieku. Tendencje unifikacyjne a partykularyzm, in: Roczniki Towarzystwa Naukowego w Toruniu, 3 (1984), S. 121– 127; ders., Opozycja Prus Królewskich wobec cła generalnego w latach 1764– 1766, in: Zapiski Historyczne, 42 (1977), S. 27– 38; Friedrich, The Other Prussia, S. 203 – 208. Vgl. Bömelburg, Zwischen Polnischer Ständegesellschaft, S. 145 – 166. Vertiefend dazu in: Friedrich, The Other Prussia, S. 204. Wie sehr die Provinz jede Kooperation mit dem Preußenkönig ablehnte, ist an dem Fakt abzulesen, dass die sogenannte „Preußische Partei“, die das Königliche Preußen auf den Reichstagen vertrat, in ihrem Streit mit Stanisław August Unterstützung in Russland – und eben nicht in Preußen – zu finden versuchte. Mehr darüber in: Ebenda; Dygdała, Życie polityczne Prus Królewskich, S. 122 und 127.
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de), welche Preußen in großer Zahl aus Polen-Litauen bezog und welche von der neuen Maßregel des Generalzolls betroffen waren. Benoît rechtfertigte den preußischen Protest gegen den Generalzoll mit dem Verweis auf die noch mit Kurfürst Friedrich Wilhelm abgeschlossenen Klauseln im Vertrag von Wehlau aus dem Jahre 1657, wonach Polen-Litauen von der Provinz Preußen keinen Zoll verlangen dürfe, ohne sich vorher mit dem preußisch-brandenburgischen Hof geeinigt zu haben.¹⁰⁴ In Bezug auf die Remonten behauptete er außerdem, dass diese zum „Fürstengut“ gehörten, welches die Herrscher nach allgemeiner Auffassung steuerfrei beziehen dürften. Ungeachtet dieser Einwendungen und trotz des Einspruchs der Landboten aus dem Königlichen Preußen nahm der Krönungsreichstag vom Dezember 1764 die neue Zollordnung an. Daraufhin ließ Friedrich II. ein Memorandum gegen den Zoll und gegen die Besteuerung der Militärpferde ausarbeiten und schickte selbiges an seinen Gesandten Benoît mit dem Auftrag, es zu verbreiten, und falls sich nichts ausrichten ließe, mit Gegenmaßnahmen zu drohen. In seiner Antwort verwies Stanisław August darauf, dass die Abschaffung der bisher geltenden Partikularzölle und eine gerechte Erhebung des Generalzolls eine Steigerung des Warenaustausches zwischen beiden Ländern bewirken würde und somit von gegenseitigem Vorteil wäre. Zudem könne der in die Tausende gehende Pferdeexport, durch den nicht nur wie bisher die Husaren, sondern nun auch die leichte Kavallerie ausgestattet wurde, nicht mehr unter den anachronistischen Titel des „Fürstengutes“ fallen. Den König von Preußen überzeugte diese Argumentation keineswegs. Der Streit eskalierte und kam in Petersburg zur Sprache. Der russische Außenminister Panin drückte den Wunsch aus, Warschau solle den Glanz der Krone entfalten, ohne seinen Verbündeten zur Last zu fallen. Letzteres betraf allerdings nur Russland, das durch Subsidienzahlungen Stanisław August den Thron sicherte. Da aber Friedrich II. die Macht des polnischen Königs durchaus nicht vermehren, geschweige denn ihm Geld und Waffen in die Hand geben wollte, beschloss er, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Im März 1765 ließ er eine Zollstation in Marienwerder (Kwidzyń) einrichten, wo ein Zipfel der preußischen Besitzungen an das rechte Weichselufer heranreichte. Der unter dem Schutz von Kanonen und 200 Soldaten eingetriebene Zoll betrug über zehn Prozent von allen Waren (bei Luxusartikeln wie Kaffee und Tee bis zu 33 Prozent), die auf der Weichsel von Polen nach Danzig oder umgekehrt von dort nach Polen gebracht wurden. Im- und
Siehe dazu Hoensch, Der Streit um den polnischen Generalzoll, S. 370 f.; Marian Drozdowski, Zabiegi Prus o ograniczenie suwerenności Rzeczypospolitej w początkach panowania Stanisława Augusta. Zniesienia cła generalnego, in: Ars Historica, 71 (1976), S. 667– 679.
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Exporteure, die dagegen ihre Waren in Marienwerder absetzten oder dort einkauften, genossen Zollfreiheit.¹⁰⁵ Die Erhebung des Repressivzolls löste große Bestürzung in Polen-Litauen aus und die polnischen Königsgegner verbreiteten das Gerücht, der Zoll in Marienwerder sei eine abgekartete Sache und der Preis für die preußische Unterstützung Stanisław Augusts bei der Wahl.¹⁰⁶ Tief betroffen durch solche Verleumdung bat der polnische König Katharina um Hilfe und versuchte sie davon zu überzeugen, dass Friedrich II. diesen Streit vom Zaun gebrochen habe, um das russisch-polnische Verhältnis zu vergiften. Nur die Vermittlung der Kaiserin könne den Konflikt noch lösen, so seine Schlussfolgerung. Es begannen lange und heftige Verhandlungen zwischen den benachbarten Höfen. Katharina versuchte, beide Seiten zu einem Kompromiss zu bewegen, indem sie Stanisław August aufforderte, den Generalzoll aufzuheben und Friedrich II. ersuchte, seine Gegenmaßnahmen einzustellen. Doch beide Seiten zeigten sich wenig kompromissbereit; in zahlreichen Memoranden versuchten sie, ihre Positionen abzustecken sowie den Nachweis zu führen, dass die „neuen“ Zölle weder neu seien noch dem Geist der alten Verträge zuwiderliefen oder gar finanzielle Nachteile für den anderen erbrächten. Kein Ausweg aus dieser verfahrenen Situation zeichnete sich ab, und der Grenzkonflikt war nicht der einzige Streitpunkt, der die gegenseitigen Beziehungen belastete. Seit dem Siebenjährigen Krieg (an dem Polen formal nicht teilnahm) verübte Preußen systematisch kriegerische Gewaltakte im Grenzgebiet, warb widerrechtlich Soldaten an (durch Rekrutenfang) und requirierte zwangsweise polnische landwirtschaftliche Erzeugnisse für das preußische Heer.¹⁰⁷ Auf die zahlreichen polnischen Klagen und Proteste reagierte Friedrich II. gleichgültig oder wälzte die Verantwortung auf angeblich fehlgeleitete Untergebene ab. Der polnische Repräsentant in Berlin im Jahr 1763, Kasper Rogaliński, versuchte vergeblich, vom Preußenkönig wenigstens ein teilweises Entgegenkommen zu er-
Ebenda, S. 372; Stanislas Auguste, Mémoires, hg. von Anna Grześkowiak-Krawicz und Dominique Triaire, Paris 2012, S. 321. Ausführlich dazu auch: Kamieński, Polityka Polska Fryderyka II, S. 306 – 310. Vgl. Reimann, Neuere Geschichte des preußischen Staates, Band 1, S. 161. Zur Überzeugung, dass Stanisław August mithilfe Preußens zum König gewählt wurde, siehe den anonymen Bericht in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 941, Bl. 464. Nach Einschätzung von Andrzej Kamieński entführte Preußen während des Siebenjährigen Krieges fast 3 000 Bauern mit ihren Familien aus Polen. Kamieński, Polityka Polska Fryderyka II, S. 292. Vgl. auch Władysław Konopczyński, Mrok i Świt: Studya Historyczne, Warszawa 1911, S. 233 – 272; Hans-Jürgen Bömelburg, Die Politik Friedrichs II. gegenüber Polen-Litauen, in: Friedrich II. und das östliche Europa. Deutsch-polnisch-russische Reflexionen, hg. von Olga Kurilo, Berlin 2013, S. 21– 25.
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langen und schrieb enttäuscht nach Warschau, dass polnische Klagen und Proteste in Berlin auf taube Ohren stießen.¹⁰⁸ Die schädlichste aller Konspirationen Friedrichs II. zum Nachteil Polen-Litauens war allerdings die durchgeführte Falschmünzerei. Die ersten Versuche dieser Art unternahm der Preußenkönig schon 1750 und bediente sich dabei auch der ansonsten wenig geschätzten Juden.¹⁰⁹ Von 1756 an benutzte er gefälschte oder auch in Sachsen gefundene polnische Münzstempel, um große Mengen minderwertiger polnischer Münzen zu schlagen, die in den polnisch-litauischen Gebieten in Umlauf gebracht wurden. Mittels der Fälschungen wurde das vorhandene „gute Geld“ fast komplett aufgekauft. Auf diese Weise finanzierte Polen nolens volens die preußischen Kosten des Siebenjährigen Krieges. Jörg K. Hoensch schätzt die gesamten materiellen Verluste des neutralen Polen-Litauen im Laufe dieser preußischen Ausplünderung auf die Summe von 25 bis 35 Millionen Taler.¹¹⁰ Die Erhebung des Repressivzolls in Marienwerder, die anhaltenden Plünderungen im polnisch-preußischen Grenzgebiet sowie die nachhaltigen Währungsmanipulationen Friedrichs II. verhinderten jegliche Erhöhung des polnischen Staatseinkommens und somit auch jede Verbesserung der politischen Handlungsmöglichkeiten. Der ambitionierte Plan des jungen Königs, den polnisch-litauischen Staatsverband wirtschaftlich zu reformieren und seine stark angeschlagene Position auf der europäischen Bühne zu verbessern, stieß auf den vehementen Widerstand des preußischen Nachbarn. Beunruhigt über die resoluten Reformentscheidungen Stanisław Augusts empfahl er Katharina, die russischen Truppen in Polen-Litauen weiter stationiert zu lassen, denn „Gehen Ihre Majestät auf diese Änderung ein, so könnten Sie es bereuen und Polen kann ein den Nachbarn gefährlicher Staat werden.“¹¹¹ Trotz des geharnischten preußischen Widerstands konnte sich der neu gewählte Polenkönig anfangs einer gewissen Sympathie des russischen Außenministers Panin für seinen Kampf gegen die wirtschaftliche Schwäche Polens erfreuen, zumal die von den polnischen Diplomaten in Petersburg lancierten
Konopczyński, Fryderyk Wielki a Polska, S. 80. Friedrich von Schrötter, Das preußische Münzwesen im 18. Jahrhundert, Bd. 3, Berlin 1910, S. 43 – 77. Jörg K. Hoensch, Friedrichs II. Währungsmanipulationen im Siebenjährigen Krieg und ihre Auswirkung auf die polnische Münzreform von 1765/66, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, 22 (1977), S. 110 – 175. Siehe dazu auch Bömelburg, Zwischen polnischer Ständegesellschaft, S. 195; Marian Drozdowski, W sprawie reformy monetarnej w początkach panowania Stanisława Augusta (tzw. afera Schweigerta), in: Roczniki do dziejów społecznych i gospodarczych, 35 (1974), S. 90 – 91; Kamieński, Polityka Polska Fryderyka II, S. 293. Sbornik, Bd. 20, S. 212.
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Gerüchte, Friedrich wolle durch seine Zollpolitik den Handel von Danzig ruinieren und die Stadt zum Abfall von Polen-Litauen ermuntern, am russischen Hof eine Atmosphäre des Misstrauens gegenüber den Zielen der preußischen Polen-Politik schufen. Das russische Entgegenkommen währte allerdings nicht lange. Als Friedrich II. auf die Zollerhebung in Marienwerder letztendlich verzichtete und immer mehr Klagen der russischen Kaufleute gegen den polnischen Generalzoll in Petersburg registriert wurden, sah die Kaiserin keinen Anlass mehr, die polnische Zollpolitik weiter zu tolerieren. In einem Brief vom 28. März 1766 empfahl sie Stanisław August, im Interesse gutnachbarlicher Beziehungen mit Preußen die Erhebung des Generalzolls sofort zu unterlassen und auf dem für den Herbst anberaumten Reichstag dessen Abschaffung anzuordnen. Der Wunsch der Kaiserin war für den von den russischen Subsidien abhängigen polnischen König Befehl: Das am 22. Oktober dem Reichstag vorgelegte Projekt über die Abschaffung des Generalzolls rief zwar eine lebhafte Diskussion hervor, wurde jedoch mit Stimmenmehrheit verabschiedet.¹¹² „Die Vernichtung der Marienwerder Zollstätte“, antwortete Stanisław August Katharina, „beweist einerseits die aufrichtige Freundschaft Ihrer Majestät für mich, andererseits die Macht Ihres Einflusses auf den König von Preußen. Es war mir furchtbar, zu denken, dass das Missgeschick, welches Polen unter meinen Vorgängern unbekannt war, es unter meiner Regierung träfe, und dass das Unheil von Seiten des Monarchen käme, welcher zu meiner Erhebung mitgewirkt hat.“¹¹³ Die versöhnlichen Töne dem preußischen König gegenüber waren mehr der Diplomatie und russischen Forderungen verpflichtet als ehrlich gemeint. Zeit seines Lebens pflegte Stanisław August ein negatives Preußenbild und machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen den preußischen Nachbarn. Der Ursprung für diese ablehnende Haltung ist sicherlich in der politischen Orientierung seiner Familie zu suchen, zumal in dem starken Einfluss der jahrzehntelang prorussisch eingestellten Oheime Czartoryski, an deren Höfen der junge Truchsess zum Teil aufgewachsen war und deren Interessen er sowohl am Petersburger Hof als auch in seiner innenpolitischen Tätigkeit als Landbote vertrat. Für den diplomatischen Dienst durch seine Freundschaft mit dem englischen Staatsmann Charles Hanbury Williams bestens vorbereitet und den Regeln des höfischen Zeremoniells folgend, äußerte sich König Stanisław August in öffentlichen Stellungnahmen eher zurückhaltend über Preußen, doch inoffiziell oder in seinen jungen Jahren nahm er kein Blatt vor den Mund und wies immer wieder auf die heimtückischen Absichten der Berliner Regierung hin.
Vgl. Hoensch, Der Streit um den polnischen Generalzoll, S. 379. Zit. nach Ssolowjoff, Geschichte des Falles von Polen, S. 26.
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Dass die pejorative Einstellung des polnischen Königs zu Preußen sehr früh gefestigt wurde, bestätigt er in seinen Memoiren, die er von 1771 an bis zu seinem Tod 1798 niederschrieb.¹¹⁴ Aus dieser rückblickenden und stark subjektiv gefärbten Perspektive notierte er, wie entscheidend sich auf sein Preußenbild das ausbeuterische Vorgehen Friedrichs II. gegen das neutrale Polen-Litauen während des Siebenjährigen Krieges auswirkte. Zu dem Zeitpunkt war er als sächsischer Gesandter am Petersburger Hof tätig und wurde direkt in die russische Politik gegen Preußen einbezogen. Mit dem antipreußischen Kurs der Kaiserin Elisabeth muss er sich gänzlich identifiziert haben, denn ohne größere Zurückhaltung gibt er zu: „Ich war ganz von meinem Pflichtgefühl erfüllt und glaubte überdies, dass wenn ich am Ruin des Königs von Preußen arbeite, ich sowohl meinem Vaterlande diene, wie auch unserem Könige.“¹¹⁵ In seiner gefühlsvollen und feurigen Ansprache für die Kaiserin wurde er noch deutlicher und bezeichnete Friedrich II. als „Hydra, die vernichtet werden muss, sobald sie zu Boden liegt.“¹¹⁶ Nicht minder missbilligend erinnert sich Stanisław August an seinen ersten Aufenthalt in Berlin im Sommer 1750. Besonders anstößig fand er das Benehmen der dortigen Frauen, weil sie ihm, im Gegensatz zu den „zurückhaltenden“ Polinnen, von einer „heuchlerischen Voltairomanie“ beherrscht zu sein schienen, welche ihnen einen „gekünstelten Ausdruck“ verlieh. Schuld an dieser vom polnischen Truchsess so störend empfundenen „scheinheiligen Freiheit“ der Redensart trugen seiner Ansicht nach die „Schriften und Reden des Philosophen von Sanssouci“.¹¹⁷ Mit seiner Geisteskraft hätte er nicht nur die Berliner Frauen verdorben, sondern auch bewirkt, dass der Hof der Königin in einer „knickrigen Armseligkeit“ gehalten und „das Leben seiner Brüder“ einem „strengen Zwang“ unterworfen würde.¹¹⁸ All diese negativen Erkenntnisse über Friedrich II. waren für Poniatowski allerdings keine Überraschung, denn er hatte ohnehin nichts anderes von einem Monarchen erwartet, dessen ganze Gestalt ihm „unsauber“
Die neueste, oben und im Weiteren zitierte, Auflage seiner Erinnerungen wurde 2012 in Paris herausgegeben. Es handelt sich um eine ergänzte und kommentierte Ausgabe von: Stanislaw August Poniatowski, Mémoires du roi Stanislas Auguste Poniatowski, hg. von Sergei Goryainov, 2 Bde. St. Pétersbourg 1914– 1924. Zit. nach der deutschen Übersetzung: Stanislaw August Poniatowski, Die Memoiren des letzten Königs von Polen, Bd. 1, München 1918, S. 267. Die Ansprache Poniatowskis für Elisabeth, in der er stark antipreußisch argumentierte, ist auch im Druck erschienen. Nach seiner eigenen Aussage soll sie auch von Friedrich II. gelesen und wie folgt kommentiert worden sein: „Ich wollte, er hätte die Wahrheit gesprochen und die abgeschlagenen Köpfe würden mir wieder anwachsen.“ Ebenda, S. 264 ff. Original in: Stanislas Auguste, Mémoires, S. 138 f. Poniatowski, Die Memoiren, S. 47, Stanislas Auguste, Mémoires, S. 48. Poniatowski, Die Memoiren, S. 49, Stanislas Auguste, Mémoires, S. 49.
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und „wenig edel“ vorkam und der „den Kopf einer Marmorbüste von Julius Cäsar unter einem Kanapee“ aufbewahrte oder „ein für die Gestalt des Königs passendes gesticktes Wams von kostbarem Stoff“ in die Ecke stellte, ohne es jemals anzuziehen.¹¹⁹ Auch in den Beschreibungen der späteren Jahre seines Lebens sparte er nicht mit Invektiven gegen den Preußenkönig und beschuldigte ihn, durchgehend „contre la Pologne“ zu agieren.¹²⁰ Was Poniatowski aber sehr wohl überraschte, war die weit über Preußen hinausgehende Popularität des „Guerrier Philosophe“.¹²¹ Nicht ohne Verbitterung berichtet er über die Falschmünzerei des Preußenkönigs während des Siebenjährigen Krieges und die Unterstützung, die er dabei von den polnischen Juden erfahren haben soll, indem diese nicht nur die von den preußischen Glaubensgenossen gefälschten Münzen, sondern auch ein positives Bild von Friedrich II. im Inneren des Landes verbreiteten: „Juden Polens bekundeten damals einen solchen Eifer für den König von Preußen, dass sie durch ganz Polen eine eigene Post unterhielten, von der Grenze Schlesiens bis nach Ungarn, der Türkei und der Tatarei, und diese in den Dienst der preußischen Korrespondenzen nach jenen Ländern und vor allem nach Polen stellten; diese Korrespondenzen sollten den Enthusiasmus der Anhänger des Königs von Preußen aufrechterhalten, alle ihm günstigen Gerüchte verbreiten, Informationen über Russland und Österreich verschaffen und tausend andere Dinge leisten.“¹²²
Die polnischen Juden als Verräter und Träger eines affirmativen Preußenbildes – diese einschlägige Erinnerung hielt Stanisław August in dem Moment fest, als er von den abgeschlossenen Teilungsverhandlungen erfuhr und mit der Abtretung der polnischen Territorien an Preußen konfrontiert wurde. Offensichtlich ging der ansonsten judenfreundliche König von der Illoyalität der jüdischen Bevölkerung aus und unterstellte ihr pauschal verräterische Neigungen. Damit förderte er die Verbreitung des judenfeindlichen und im Laufe des 19. Jahrhunderts eskalierenden Vorurteils über „die Juden“ als Spione der Teilungsmächte und präjudizierte die im Aufklärungsdiskurs verstärkt politisch definierte Brandmarkung der Juden.¹²³
Poniatowski, Die Memoiren, S. 47 f., Stanislas Auguste, Mémoires, S. 48. Stanislas Auguste, Mémoires, S. 30 f., 336 und 577. Ebenda, S. 48. Poniatowski, Die Memoiren, S. 273 f., Stanislas Auguste, Mémoires, S. 143. Zum Thema Judenfeindschaft und Aufklärung siehe Agnieszka Pufelska, Aufklärung, in: Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 3: Begriffe, Theorien, Ideologien, hg. von Wolfgang Benz, München 2010, S. 34– 36.Vgl. auch Dariusz Rolnik,
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Bei dieser Pauschalverurteilung und negativen Einstellung gegenüber Friedrich II. überrascht Stanisław Augusts fehlende Kritik an dem Teil des polnischen Adels, der in Preußen um Unterstützung nachsuchte. Das vehemente Vorgehen des Preußenkönigs gegen den königlichen Reformeifer führte in Polen-Litauen keinesfalls zu einer allgemeinen Ablehnung oder Verurteilung der Berliner Regierung. Zwar wurde der preußische Repressivzoll scharf kritisiert, aber die lang anhaltende eigensinnige Haltung Preußens gegenüber dem polnischen König und vor allem gegenüber den russischen Andeutungen, seine Reformvorschläge ansatzweise unterstützen zu wollen, ließen einige reformfeindliche Magnaten aus dem ehemaligen Kreis der „Republikaner“ hoffen, dass Friedrich II. von den Petersburger Richtlinien der Polen-Politik abweichen könnte und als potenzieller Verbündeter in Frage käme. Geleitet von diesem Gedanken intensivierten sie wiederholt ihre Annäherungsversuche an Berlin in der Hoffnung, den preußischen Beistand für ihren Machtkampf gegen Stanisław August und die „Familie“ zu gewinnen. Dies war für das königsfeindliche Lager umso wichtiger, weil es sich während des Reichstags von 1766 (der den Generalzoll aufhob) gegen die Gewährung der von der Kaiserin geforderten religiösen und bürgerlichen Rechte für die Dissidenten ausgesprochen hatte und für seine antirussische Insubordination einen internationalen Rückhalt dringend benötigte. ¹²⁴ Russland nahm sich der Sache der polnischen nicht-katholischen Christen an, die von einem Teil der politischen Rechte ausgeschlossen und diversen Diskriminierungen ausgesetzt waren.¹²⁵ Die Kaiserin tat dies freilich nicht allein in aufklärerischer Absicht zur Beförderung der religiösen Toleranz.¹²⁶ Vielmehr beŻydzi czasów Rzeczypospolitej stanisławowskiej w polskiej literaturze pamiętnikarskiej XVIII–XIX w., in: Staropolski ogląd świata – problem inności, hg. von Filip Wolański, Toruń 2007, S. 351– 369. Einen allgemeinen Überblick über die Situation der Dissidenten sowie Hinweise auf die weitreichende Literatur zu diesem Thema findet man bei Wojciech Kriegseisen, Die Dissidenten in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts und die Epoche der Ersten Teilung Polens, in: Polen und Österreich im 18. Jahrhundert, hg. von Walter Leitsch und Stanisław Trawkowski,Warszawa 2000, S. 79 – 94; Hans-Jürgen Bömelburg, Konfession und Migration zwischen Brandenburg-Preußen und Polen-Litauen 1640 – 1772. Eine Neubewertung, in: Glaubensflüchtlinge: Ursachen, Formen und Auswirkungen frühneuzeitlicher Konfessionsmigration in Europa, hg. von Joachim Bahlcke (u. a.), Berlin 2008, S. 119 – 144. Siehe dazu Barbara Skinner, The Western Front of the Eastern Church. Uniate and Orthodox Conflict in 18th-century Poland, Ukraine, Belarus, and Russia, DeKalb 2009, S. 112– 143. Zur Durchsetzung des Katholizismus als Staatsreligion vgl. Karin Friedrich,Von der religiösen Toleranz zur gegenreformatorischen Konfessionalisierung: Konfessionelle, regionale und ständische Identitäten im Unionsstaat, in: Polen in der europäischen Geschichte: Ein Handbuch in vier Bänden, Band 2, S. 251– 289; Allgemein zur Frage der Toleranz im frühneuzeitlichen Polen-Litauen siehe Michael G. Müller, Toleranz vor der Toleranz. Konfessionelle Kohabitation und Religionsfrieden im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa, in: Kommunikation durch symbolische Akte. Re-
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nutzte Petersburg die Klagen dieser Unzufriedenen, um deren Unmut als Vehikel zur Installierung einer eigenen Parteiung in Polen zu nutzen, mit deren Hilfe man sich stets in die inneren Angelegenheiten des Nachbarn einmischen und dort für eine konfliktgeladene Atmosphäre sorgen konnte. Zwei Jahre lang, auf dem Reichstag von 1764 und auf dem bereits genannten von 1766,versuchte die Kaiserin vergeblich, den Dissidenten die volle Gleichberechtigung zu verschaffen. Durch ihren vehementen Einsatz brachte sie die Adelsmehrheit sowohl gegen sich als auch gegen den polnischen König auf, der in ihrem Namen die Frage der Dissidentenrechte forcierte. Von zwei Seiten bedrängt, zeigte sich Stanisław August alsbald des russischen Drucks überdrüssig. In Erkenntnis der Unmöglichkeit, die Forderungen Russlands durchzusetzen, plante er, durch Anknüpfung enger Beziehungen zu Frankreich und Österreich sowie durch Heirat einer Bourbonin oder einer Erzherzogin die russische Hegemonie zu brechen. Die Versuche Stanisław Augusts, aus dem Abhängigkeitsverhältnis zu Russland herauszutreten und eine eigenständige Außenpolitik zu initiieren, stießen bei Katharina II. auf entschiedenen Widerstand. Zum ersten Mal spielte sie mit dem Gedanken, ihren ungehorsamen Günstling aufzugeben und sich mit seinen Gegnern zu verbünden, die auf diesen Moment seit langem gewartet hatten.¹²⁷ Problemlos sammelte der russische Botschafter die katholischen Feinde des polnischen Königs, die sich schließlich mit den Konföderationen der Dissidenten unter russischer Patronage zum Sturz von Stanisław August und seiner Reformpläne vereinigten. Man fand sich in der Generalkonföderation von Radom zusammen (Juni 1767) und stellte den aus dem Dresdner Exil zurückgekommenen und von Friedrich II. verschmähten Karol Radziwiłł an die Spitze. Die Fronten hatten sich also innerhalb kurzer Zeit gewandelt; viele ursprünglich antirussische „Republikaner“ nahmen nun russische Hilfe in Anspruch.¹²⁸ Als sich schließlich die Schwierigkeiten vermehrten und die kämpfenden katholischen Konföderierten zunehmend gegen russische Truppen vorgingen, suchte Russland von Preußen bewaffneten Beistand in Polen-Litauen zu erlangen. Doch der König von Preußen hielt sich zurück und antwortete der russischen Regierung, er habe sein Heer noch nicht wieder so weit hergestellt, um an einem neuen Waffengang teilnehmen zu können. Außerdem fürchte er, dass die Pforte sich einmischen könne, wenn ein polnischer Bürgerkrieg ausbräche, und dann Russland gegen die Osmanen und er selbst gegen die Franzosen und Österreicher ligiöse Heterogenität und politische Herrschaft in Polen-Litauen, hg. von Yvonne Kleinmann, Stuttgart 2010, S. 77– 93. Siehe dazu Zielińska, „Nowe świata polskiego tworzenie“, S. 30 f. Vgl. Tadeusz Łukowski, The Szlachta and the Confederacy of Radom, 1764– 1767/68: A Study of the Polish Nobility, Rom 1977.
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kämpfen müsse.¹²⁹ Folgerichtig reagierte er mit zunehmender Missbilligung auf die russische Polen-Politik. In einem Brief an seinen Gesandten von Solms in Petersburg stellte er die russisch-preußische Allianz sogar in Frage, wenn Katharina in Polen-Litauen ständig neue Verwicklungen heraufbeschwören sollte. Er selbst habe keinerlei Verpflichtungen übernommen, der Kaiserin über die Wahl von Stanisław August hinaus zu assistieren.¹³⁰ Um das russische Macht- und Einflussmonopol in Polen-Litauen einzuschränken, forderte er daher von Petersburg, die dem polnischen König feindlich gesinnte Parteiung anzuerkennen. Ein derartiges Arrangement könnte seiner Ansicht nach die beiden Fraktionen in ein Gleichgewicht bringen und dazu führen, dass der polnische König von seinen Landsleuten selbst in Schach gehalten werde.¹³¹ Zu Recht konstatiert Frank Althoff in seiner instruktiven Analyse der Außenpolitik Preußens nach dem Siebenjährigen Krieg, dass dieses „polnische Gleichgewicht“ für Friedrich die Garantie für die innere Schwäche und den außenpolitischen Immobilismus Polens bildete.¹³² Gleichzeitig konnte er Katharina gegenüber behaupten, ein „polnisches Gleichgewicht“ läge auch im russischen Interesse. Aus diesem Grund blieb dieses Balance-Konzept nicht allein auf innerpolnische Ereignisse und Konstellationen beschränkt, sondern hatte von vornherein vor allem eine außenpolitische Bedeutung; mit ihm ließ sich jede internationale Intervention gegen die reale oder imaginierte Bedrohung des beschworenen „polnischen Gleichgewichts“ rechtfertigen.¹³³
Politische Correspondenz, Bd. 25, S. 281 f. Ebenda, S. 291 ff.Vgl. dazu auch Ludwik Żychliński, Obraz machinacyi mocarstw ościennych przeciw Polsce od roku 1763 do roku 1773, Poznań 1864, S. 63. Politische Correspondenz, Bd. 25, S. 293 f. Frank Althoff, Untersuchungen zum Gleichgewicht der Mächte in der Außenpolitik Friedrichs des Großen nach dem Siebenjährigen Krieg (1763 – 1786), Berlin 1995, S. 53. Ebenda. Außerdem wollte der Preußenkönig durch seine unkooperative Haltung auch seine Ablehnung der von Petersburg forcierten „Nordischen Allianz“ signalisieren und auf die Notwendigkeit einer Vertragsverlängerung mit Russland hinweisen. Russlands Ansicht nach sollte das Bündnis mit Preußen lediglich den Grundstein für eine größere Allianz legen. Der spätere Beitritt von Dänemark, Schweden, England und Sachsen war von Petersburg angestrebt, um damit ein Gegengewicht gegen den Block der vereinigten südlichen Mächte Frankreich, Spanien und Österreich zu errichten. Friedrich II. sprach sich gegen eine solche Ausweitung des russischpreußischen Bündnisses aus, weil er in einem derartigen Mächtesystem nur einer unter vielen Bundesgenossen gewesen wäre, also weniger Einfluss gehabt hätte als in einer bilateralen Allianz, durch die Russland, vor allem in der polnischen Frage, auf ihn angewiesen bleiben würde. Sein erklärtes Ziel war es daher, die „Nordische Allianz“ zu verhindern und Russland zu neuen Verhandlungen über die Verlängerung des Bündnisvertrages zu bewegen. Nach monatelangen Verhandlungen ist ihm dies auch gelungen: Aufgrund der preußischen Weigerung scheiterte das
2. König Stanisław August Poniatowski – ein von Preußen ausgebremster Reformer
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Viele unter den Königsgegnern in Polen-Litauen haben die preußische Falle nicht erkannt und begrüßten Friedrich II. als ihren Verteidiger und Verbündeten im Kampf gegen Stanisław August, Russland und Verfassungsänderungen.¹³⁴ Auch der „Versöhnungsvertrag“ zwischen Berlin und Petersburg von 1767 konnte sie nicht von ihrem einmal gefassten Plan abbringen, Preußen von Russland zu spalten. Optimistisch gingen sie davon aus, dass dieser erneut gegen Polen-Litauen gerichteten preußisch-russischen Annäherung aufgrund des drohenden Konflikts mit Österreich und den Osmanen keine lange Dauer beschieden sein würde und dass der preußische König sie bald um ihre Unterstützung gegen Russland ersuchen werde.¹³⁵ Ihre preußenfreundlichen Hoffnungen und Erwartungen gründeten sich zunächst auf Friedrichs entschiedenem Einsatz gegen die von Stanisław August und der „Familie“ angestrebte Einschränkung des Einstimmigkeitsgrundsatzes.¹³⁶ Überzeugend wirkte auf sie auch die Entscheidung des Preußenkönigs, das vom polnischen Hof vorgeschlagene und von Russland befürwortete Projekt eines „Ständigen Rates“ (conseil permanent), der die Macht des Reichstags schwächen würde, fallen zu lassen.¹³⁷ Je entschiedener sich also die Kaiserin für die Dissidentenrechte einsetzte und je mehr Druck sie auf Stanisław August ausübte, desto erwartungsvoller blickten die russland- und dissidentenfeindlich gesinnten Gruppierungen nach Berlin. Zu diesem immer größer werdenden Kreis gehörten indessen nicht nur Stanisław Augusts Gegner, sondern mittlerweile auch die königlichen Oheime Czartoryski. Als diese entgegen den russischen Erwartungen den Dissidenten ihren Beistand versagten und dadurch ihre Annäherung an das anti-königliche Lager verstärkt bekundeten, eröffnete der russische Gesandte in Warschau, Fürst Nikolaus Repnin, einen offenen Feldzug gegen sie. Von ihren früheren Protégés verfolgt und unter den Gegnern ihres königlichen Neffen nach wie vor unpopulär, suchten sie jetzt händeringend nach einem starken internationalen Verbündeten, der ihren nicht zu übersehenden Abstieg als mächtige Hoffamilie aufhalten könnte. In ihrer verzweifelten Lage suchten sie an allen Höfen, die einen Einfluss auf Russland zu haben versprachen, nach Hilfe, darunter auch am bis dahin in der „Familie“ als feindlich geltenden preußischen Hof. Um ihr Ansehen und ihre Chancen bei den Hohenzollern zu sondieren, bedienten sie sich eines raffinierten
„Nordische System“ und am 4. Mai 1767 wurde das preußisch-russische Abkommen unterzeichnet. Siehe ebenda, S. 40 – 48. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 25, S. 214. Vgl. Jerzy Michalski, Schyłek Konfederacji Barskiej, Wrocław 1970, S. 8. Ausführlicher Hinweis darauf in: Stanislas Auguste, Mémoires, S. 328. Vor allem auf das Wirken Benoîts ist es zurückzuführen, dass das ursprünglich von Russland unterstützte Projekt des „Ständigen Rates“ scheiterte.Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 26, S. 281.
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Asymmetrische Begegnungen
Schachzuges. Genau wissend, dass die von der „Familie“ initiierte Besteuerung der von Preußen aus Polen-Litauen importierten Remonten den preußisch-polnischen Zollkonflikt ausgelöst hatten und dass sich die „chevaux polonois“ bei Friedrich II. großer Wertschätzung erfreuten¹³⁸, schenkte Fürst Adam Kazimierz Czartoryski der Gattin des Königs mehrere erstklassige Pferde aus eigenem Stall. Das großzügige Geschenk sorgte für Aufsehen am Berliner Hof, dem Czartoryski nach seinem dreiwöchigen Aufenthalt in der preußischen Hauptstadt 1766 persönlich bekannt war. Die „Berlinischen Nachrichten“ vom 7. Februar 1767 berichteten: „Da der Herzog Adam Czartoryski zur Bezeugung seiner Ehrfrucht und Bewunderung gegen die erhabenen Eigenschaften Ihro Königl. Hoheit, der Gemahlin, am 26ten verwichenen Monats einen prächtigen Zug Carossiers von 8 Tiegern, und ein kostbares Reitpferd, zum Geschenk durch Dero Stallmeister aus Warschau anhergesandt, so hatte der Herr Major von Schau, welchem Se. Erlaucht die Abstattung des Compliments bei dieser Gelegenheit aufgetragen, den 29ten die Gnade gedachter Ihro Königl. Hoheit das überschickte Geschenk vorzuführen, welche darüber nicht nur Höchstdero gnädigstes Wohlgefallen zu bezeugen, sondern auch den Stallmeister des Herzog mit einer großen goldenen Tabakiere und Uhr, die übrigen Stallbedienten aber ebenfalls reichlich zu beschenken geruheten.“¹³⁹
Was die auf Geheimnisse und Neuigkeiten erpichte Berliner Hofgesellschaft mit großem Interesse verfolgte, ließ den Preußenkönig hingegen völlig kalt. Mehr noch: Beinahe zur selben Zeit befahl er Benoît in Warschau, das momentane russische Misstrauen gegenüber den Czartoryski zu konsolidieren, damit Petersburg „plus de ménagements envers moi“ nehmen müsse.¹⁴⁰ Konkret ging es ihm um die endgültige Verwerfung ihres geplanten Reformwerks, dessen partielle Umsetzung die Kaiserin durchaus zuließ. Die Abneigung Friedrichs gegen die Czartoryski und ihre dynastische Machtpolitik war diesen wohl vertraut, doch in ihrer gegenwärtig diffizilen Lage blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich dem preußischen Hof anzunähern und Friedrich um Fürsprache zu ersuchen. Bereits einige Monate vor der Ankunft des großzügigen Geschenks von Fürst Adam Czartoryski in Berlin hielt sich seine Schwester und eine der reichsten Fürstinnen Europas, Elżbieta Izabela Lubomirska, geb. Czartoryska, dort in diplomatischer Mission auf. Im Auftrag des antirussischen Flügels der „Familie“ versuchte sie – diesmal mit Hilfe der Königin – Friedrich II. zu Gunsten der Czartoryski umzustimmen. Nach zahlreichen Visiten bei Elisabeth Christine und ihr zu Ehren veranstalteten Festlichkeiten musste sie allerdings erfolglos in ihre Heimat zu-
Siehe dazu das Politische Testament von 1768, in: Die politischen Testamente, S. 524. Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 07.02.1767. Politische Correspondenz, Bd. 26, S. 41.
3. Die Konföderation von Bar und ihr Verhältnis zu Preußen
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rückreisen. Der Preußenkönig hat die polnische „Aspasia“, wie Lubomirska in polnischen Hofkreisen genannt wurde, nicht empfangen¹⁴¹, er ließ ihr lediglich einige unverbindliche Höflichkeitsfloskeln durch den Kabinettsminister von Finckenstein ausrichten.¹⁴² Die erhoffte Annäherung der Czartoryski an die Familie Hohenzollern scheiterte vorerst, weil Friedrich II. nichts unternehmen wollte, was seine aktuellen Unstimmigkeiten mit der Kaiserin zusätzlich verstärken könnte; schon gar nicht für eine polnische Magnatenfamilie, die seiner Dynastie bis dahin keine größere Bedeutung in der europäischen Politik beigemessen hatte. Aus der preußischen Abfuhr hatten aber auch die Czartoryski ihre Lehren gezogen und verstanden, dass sie Preußen verstärkt in ihre innen- und außenpolitischen Machtpläne einbeziehen müssen.
3. Die Konföderation von Bar und ihr Verhältnis zu Preußen Die preußische und die russische Absage an die Czartoryski, Petersburgs Veto gegen die eingeleiteten Reformen sowie die hartnäckig gegen ihn gerichteten Konföderationen verunsicherten den polnischen König derart, dass er auf eine eigenständige Politik zu verzichten bereit war. Als seine Gegner im Herbst 1767 auf dem Reichstag in Radom zusammenkamen, um den unerwünschten König vom Thron zu jagen, stießen sie jedoch auf Russlands energischen Widerspruch.¹⁴³ Zudem setzte eine vom Reichstag bestellte Delegation einen „ewigen Vertrag“ mit Russland auf, in dem die Erhaltung des liberum veto und der freien Königswahl garantiert und die Tolerierung der Nichtkatholiken bei vorherrschender Stellung der katholischen Kirche zugesichert wurden. Enttäuscht und sich betrogen fühlend nahmen die katholischen Konföderierten in ihrer großen Mehrheit den Kampf gegen die einstigen russischen Verbündeten und Stanisław August auf. Unmittelbar nach der Unterzeichnung des „Toleranztraktates“ am 24. Februar 1768, das nur mit Zwang – u. a. durch Deportation opponierender Reichstagsmitglieder – vom erneut versammelten Reichstagsplenum angenommen wurde, trat an der äußersten Südgrenze Polen-Litauens, in der Stadt Bar in Podolien, die „Barer Konföderation“ unter Michał Krasiński und Józef Pułaski zusammen. Mit
Ausführlich darüber in: Edward Rudzki, Damy polskie XVIII wieku, Warszawa 1997, S. 256. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 26, S. 264. Der Widerstand Russlands motivierte den Woiwoden Franciszek Salezy Potocki dazu, sich bei Friedrich II. zu beklagen. Seinen Klagebrief schließt er mit dem Appell, der Preußenkönig solle seine Parteiung vor Russland retten, weil sie ihm schon immer verbunden gewesen sei und für ihn nur den tiefsten Respekt empfinde. Franciszek Salezy Potocki an Friedrich II., 06.09.1767, in: Politische Correspondenz, Bd. 26, S. 254.
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Asymmetrische Begegnungen
Unterstützung Frankreichs, dessen politischer Lenker, der Herzog von Choiseul, damals bemüht war, neben den Osmanen und Schweden auch die Polen gegen Russland auszuspielen, zogen sie in den Kampf für Glaube und Heimat. Ihre wichtigsten Ziele waren die Beseitigung des russischen Protektorats, der Sturz von Stanisław August und die Wiederherstellung der Alleinherrschaft der katholischen Religion.¹⁴⁴ Die anfängliche, nahezu fanatische Kreuzzugsstimmung der Konföderierten, denen sich zahlreiche kleinere Bündnisse anschlossen, verflog zwar schon bald unter dem militärischen Druck der russischen Truppen.¹⁴⁵ Doch trotz erster Niederlagen breitete sich der konföderierte Guerillakampf in ganz Polen-Litauen aus und riss das ganze Land für vier Jahre in eine bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung. Bereits am 27. Oktober 1769 wurde in Biała die polnische Gegenregierung gebildet, die „Generalität“, an der sich die einflussreichsten, wenn auch untereinander zerstrittenen, Konföderiertenführer beteiligten. Im Januar 1770 verlagerte sie ihren Sitz nach Eperjes, von wo sie unter Duldung des Wiener Hofes die Konföderation leitete oder zu leiten versuchte. Denn einem Bericht zufolge war die Generalität mehr an internen Machtkämpfen als am Regieren interessiert und ließ es sich ansonsten mit den Subventionen Frankreichs, zuletzt auf Kredit, gut gehen, während es den niedriger Geborenen vorbehalten blieb, sich in Polen-Litauen mit den Russen zu schlagen.¹⁴⁶ Im blinden Vertrauen darauf, dass sie von fast ganz Europa unterstützt würde, setzte die Konföderationsführung ihre Hoffnungen vor allem auf die Osmanen, auf deren Gebiet sich die häufig zur Flucht genötigten Konföderierten zurückzogen. Gleichwohl wurden sie auch dort von russischen Truppen gestellt. Aufgrund dieser wiederholten Verletzungen der Grenze des Osmanischen Reiches stand eine Kriegserklärung der Pforte an Russland zu erwarten, was ein Bündnis zwischen den Osmanen und den Konföderierten gegen Russland einleiten sollte. Von einem erneuten osmanisch-russischen Krieg erhoffte sich die Generalität zudem eine neue Allianzbildung in Europa, daher galt ihnen neben den Tataren, dem Osmanischen Reich, Österreich
Konfederacja prawowiernych chrześcijan katolickich rzymskich, in: Materiały do Konfederacji Barskiej r. 1767– 1768, hg. von Szczęsny-Morawski, Bd. 1, Lwów 1851, S. 19. Siehe dazu auch Magdalena Ślusarska, „My mocą Boga wsparci, ocalając wiarę“ – motywy religijne i obrzędowe konfederacji barskiej, in: Konfederacja Barska. Jej konteksty i tradycje, hg. von Anna Buchmann und Adam Danilczyk, Warszawa 2009, S. 157– 182. Zur Niederlage der Konföderierten trug wesentlich auch die gleichzeitige Erhebung der orthodoxen ruthenischen Bauern bei. In der Ukraine und Podolien wüteten zahlreiche Banden von Kosaken und Bauern und mordeten katholische Priester, polnische Adlige und Juden. Etwa einhunderttausend Menschen sind diesem Aufstand zum Opfer gefallen. Bericht von Michał Jan Pac in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 948, Bl. 191 ff.
3. Die Konföderation von Bar und ihr Verhältnis zu Preußen
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und Sachsen auch Preußen als ein sicherer Garant ihrer antirussischen Politik.¹⁴⁷ Fest davon überzeugt, dass sich Friedrich II. im Fall eines Krieges gegen Petersburg wenden werde, nahm die Generalität deshalb eine preußenfreundliche Haltung ein und stellte in ihrer Propaganda den Preußenkönig als einen Verbündeten der Konföderation dar. „Sie hassen die Russen mehr als je“, berichtete Benoît an Friedrich über die Konföderierten, „und sie sind niemals den Österreichern zugetan gewesen. […] Dagegen zeigen sie Neigungen für Eure Majestät und hoffen […], dass Sie eines Tages ihr Vaterland befreien werden.“¹⁴⁸
Bereits Anfang März 1768 wurde dem polnischen König über die preußischen Hoffnungen der Konföderation berichtet.¹⁴⁹ Zwei Monate später wandten sich die Vertreter der Generalität, Michał Krasiński, Joachim Potocki und Józef Pułaski, mit einem offiziellen Brief an den Preußenkönig. Sie versicherten ihn darin ihrer „ergebenen Freundschaft“ und warnten zugleich vor den „katastrophalen Folgen“ des russischen Machtzuwachses in Polen.¹⁵⁰ Anlass für diese Freundschaftsbekundung gab ihnen eine zufällige Begegnung mit, in die Ukraine zum Ankauf von Pferden entsandten, preußischen Offizieren. Es ist leider nicht überliefert, ob ihr Schreiben den König von Preußen auf diesem unüblichen „diplomatischen“ Weg erreicht hat, bekannt ist lediglich, dass der Ausbruch der Kämpfe zwischen den Barer Konföderierten und russischen Truppen von der preußischen Politik zunächst als Bagatelle abgetan wurde. In seinem Brief an Benoît vom 3. April 1768 charakterisiert Friedrich II. die Konföderation als „ne sera pas importante et n’aura aucunes suites sérieuses“.¹⁵¹ Nur einen Monat später maß er diesem innerpolnischen Konflikt deutlich größere Bedeutung bei. Zum einen, weil das Fieber der Konföderation in weiten Teilen Polens – so Benoît – ständig zunahm und zum anderen, weil der Konflikt
Vgl. GStA, I. HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen, Nr. 9 e 44, Bl. 21. Bericht von Gédéon Benoît an Friedrich II., 24.02.1768, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 183, Bd. 1, Bl. 22 ff. Vgl. auch Kamieński, Polityka Polska Fryderyka II, S. 317. Vgl. den Brief von Tadeusz Dzieduszycki an Stanisław August, 13.03.1768, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 464, Bl. 660 f. Ebenda, Bl. 62 und 157. Siehe dazu auch den Brief des Generalmarschall der Konföderation Michał Hieronim Krasiński an Friedrich II. in: GStA, I. HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen, Nr. 9 e 44, Bl. 21. Auch mehrere Starosten aus Großpolen wandten sich an den Preußenkönig mit der Bitte um Protektion, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen, Nr. 28.8. b, Bl. 207– 217, 219 f. Politische Correspondenz, Bd. 27, S. 108.
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Asymmetrische Begegnungen
mit den Osmanen eskalierte.¹⁵² Ein Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich würde nicht nur leicht ganz Europa in Mitleidenschaft ziehen, sondern auch Preußen zur Zahlung der im Bündnisvertrag ausbedungenen Subsidien an die Kaiserin verpflichten. Friedrich II. empfahl daher Russland ein moderates Vorgehen gegen die Konföderierten.¹⁵³ Seiner Auffassung nach boten nur die rasche Zerstreuung der Konföderierten und ein darauf erfolgender Abzug der russischen Truppen aus Polen einen Ausweg aus der Krise. Petersburg sah dies anders.Trotz der drohenden Kriegsgefahr entschloss sich die Kaiserin zu einer Politik der Härte, die ihre Macht und Dominanz in Polen-Litauen demonstrieren sollte. Der erwartete rasche Sieg über die Konföderierten blieb jedoch aus. Am 3. Juli 1768 schrieb Friedrich an seinen Bruder Heinrich, dass sich überall in Polen neue Konföderationen bildeten, weil die dortige Unzufriedenheit mit den Russen allgemein verbreitet sei. Diese hätten nicht genügend Truppen, um den Aufruhr zu ersticken. Wenn sie das Feuer auf einer Seite ausgetreten hätten, bräche es an einem anderen Ort wieder aus. Die Konföderierten vermieden die offene Schlacht und beschränkten sich auf die unaufhörliche Beunruhigung ihrer Gegner. Er, Friedrich, halte aber die Schwierigkeiten der Russen in Polen für nützlich, weil sie dadurch den preußischen Interessen geneigter gemacht würden.¹⁵⁴ Auf diesen Utilitarismus ist es wohl zurückzuführen, dass Preußen zwar Russland zum entschlossenen Vorgehen gegen die Konföderierten ermunterte, aber selbst keine weiteren Maßnahmen gegen sie unternahm.¹⁵⁵ Das beste Beispiel hierfür liefert die Erklärung vom 9. Juli 1768, in welcher die preußische Regierung die aufkeimenden Gerüchte über ihre Zusammenarbeit mit den Konföderierten entschieden dementierte, ohne allerdings de facto den Absetzungsbewegungen der Konföderierten vor den russischen Truppen auf preußisches Territorium entgegenzutreten oder die konföderierten Flüchtlinge an die russische Armee auszuliefern.¹⁵⁶ Der Thorner Resident in Warschau, Samuel Luther Geret, berichtete am 24. April 1769, dass alle Konföderierten, die vor den Russen auf die Territorien
Vgl. Bericht von Gédéon Benoît an Friedrich II., 30.04.1768, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 183, Bd. 1, Bl. 61 f. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 27, S. 127. Ebenda, S. 233 f. Zu diesem zweideutigen Verhältnis von Friedrich II. zu den Konföderierten siehe Stanisław Kaczkowski, Wiadomości Konfederacyi Barskiej, Poznań 1843, S. 108 sowie Rulhière, Histoire de l’anarchie de Pologne, Bd. 3, S. 169. Vgl. Konfederacja Barska. Korespondencya między Stanisławem Augustem a Ksawerym Branickim, łowczym koronnym w roku 1768, hg. von Ludwik Gumplowicz, Kraków 1872, S. 35 f.; Gottfried Lengnich, Die Schicksale der polnischen Dissidenten von ihrem ersten Ursprunge an bis auf jetzige Zeit, Bd. 3, Hamburg 1770, S. 151 ff.
3. Die Konföderation von Bar und ihr Verhältnis zu Preußen
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des Königs von Preußen fliehen, „in Protection“ genommen würden und dass ihnen preußischerseits zu „allen ihren Forderungen“ verholfen werde.¹⁵⁷ Tatsächlich galten Schlesien und Brandenburg als ein sicheres Asyl für verfolgte und verwundete Konföderierte, mehrere ihrer Anführer ließen sich dort sogar mit ihren Familien und ihrem beweglichen Besitz nieder. Das kleine Städtchen Pitschen, in dem auch der Bischof von Kamieniec und Mitbegründer der Konföderation Adam Krasiński für mehrere Monate seine Zuflucht gefunden hatte, diente der Generalität wochenlang quasi als „Befehlszentrale“.¹⁵⁸ Nicht weniger populär unter den flüchtigen Konföderierten war der von dem Geheimen Kriegs- und Domänenrat Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhoff verwaltete Ort Driesen, der sich durch den Zufluss der Konföderierten und ihrer finanziellen Unterstützung binnen kurzer Zeit zu einer angesehenen Stadt in der Neumark entwickelte. 1769 wurde Driesen „so voll bemittelter Menschen“, versichert Brenkenhoff in seinem Tätigkeitsbericht, „dass man des Mittags sich unter 4 oder 5 Tafeln eine erwählen konnte, worauf 20 bis 30 Couverte von Silber serviert waren. Gar öfters habe ich des Nachmittags um Driesen herum 16 bis 20 Karossen, mit 6 Pferden bespannt, promenieren fahren sehen.“¹⁵⁹ Doch war diese Versammlung des hohen und reichen polnischen Adels an einem Ort preußischer Hoheit nicht allein für die Stadtentwicklung von großem Nutzen. Durch Brenkenhoffs sorgende Obhut für die Konföderierten gewann er ihr Zutrauen, was es ihm dann leicht machte, ihre Pläne und Geheimnisse zu erfahren.¹⁶⁰ In dem 1770 in Hamburg veröffentlichten Buch über die aktuellen Konföderationsgeschehnisse berichtete Gottfried Lengnich, dass sich in Driesen im April 1769 bis zu 100 Konföderierte aufhielten und dass sie von Brenkenhoff „auf das prächtigste bewirthet“ wurden. Wenn es nun möglich war, fragt sich der Danziger Historiker, „dass Personen, von unterschiedlichster Religionsgesinnung hier so ruhig und vergnügt leben konnten, warum denn nicht in einem ganzen Reiche?“¹⁶¹
Samuel Luther Geret, Mitteilungen des Thorner Residenten am Warschauer Hofe (1769 – 1773), in: Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde, 5 (1868), S. 429. Ähnliche Auffassungen findet man auch in den polnischen Berichten. Siehe dazu ABCz, Rękopisy i stare druki, 1170, Bl. 517– 520. Liste der Konföderierten, die sich in Pitschen aufgehalten haben, in: PAU, Rękopisy, 1145, Bl. 477– 479.Vgl. dazu auch Wacław Szczygielski, Konfederacja Barska w Wielkopolsce 1768 – 1770, Warszawa 1970, S. 169 f. Paul Schwartz, Brenkenhoffs Berichte über seine Tätigkeit in der Neumark, in: Schriften des Vereins für die Geschichte der Neumark, 20 (1907), S. 80 f. Vgl. Ebenda, S. 81. Lengnich, Die Schicksale der Polnischen Dissidenten, S. 547 f.
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Asymmetrische Begegnungen
Genau diese zweideutige Haltung Preußens weckte bei der Generalität immer wieder Hoffnungen, bei Friedrich II. Unterstützung für ihren Kampf zu finden.¹⁶² Obwohl sie laut Meinung von Stanisław August nach der Veröffentlichung der preußischen Erklärung von 1768 „paralysiert“ waren¹⁶³, hörten sie nicht auf, Berlin für sich gewinnen zu wollen.¹⁶⁴ Mit dieser schwierigen Aufgabe betrauten sie nunmehr die in Preußen gut angesehene Gräfin Marianna Skórzewska, geb. Ciecierska. Diese außergewöhnliche Frau und Gattin des großpolnischen Generals der Konföderierten Franciszek Skórzewski, deren Leben und Beziehung zu Friedrich II. das folgende Unterkapitel gewidmet ist, sollte die Stimmungslage hinsichtlich der polnischen Konföderation am preußischen Hof sondieren. Hierfür erarbeiteten der führende Kopf der Barer Konföderation, Bischof Krasiński, sowie der Woiwode von Masowien, Paweł Mostowski,¹⁶⁵ eine spezielle Instruktion und entsandten damit den jungen, aus dem Königlichen Preußen stammenden, Staatsmann und späteren Autor der polnischen Nationalhymne Józef Wybicki als Emissär nach Berlin.¹⁶⁶ In der,von ihm der Gräfin Skórzewska zur Weiterleitung an Friedrich II. überreichten Note,versicherten die Konföderierten dem Preußenkönig ihre Ergebenheit sowie „zuverlässige Freundschaft“ und wiesen ihn auf die drohende Gefahr „der Umwandlung der polnischen Regierungsform“ und „Vernichtung der seit Jahrhunderten gesetzlich festgeschriebenen polnischen Freiheit“ durch Russland hin. Auf diese Weise sollte Friedrich II. für die Unterstützung der Thronkandidatur eines Wettiners, z. B. des Herzogs Albrecht von SachsenTeschen, gewonnen werden und Stanisław August fallen lassen. Obendrein wurde
Siehe dazu den Brief von Bischof Krasiński an Friedrich II., 30.02.1770, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 943, Bl. 273. Konfederacja Barska. Korespondencya między Stanisławem Augustem a Ksawerym Branickim, S. 36. Vgl. Akte der Barer Konföderation, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 948, Bl. 288. Für Andrzej Mokronowski gab es keine Alternative. Entweder unterwerfe sich Polen Russland oder es stürze sich in die Arme Preußens. Vgl. Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: Biblioteka Jagiellońska in Kraków (im Folgenden BJ), 38/61, S. 248. Ähnliches in: Z pamiętnika konfederatki księżnej Teofili z Jablonowskich Sapieżyny (1771– 1773), hg. von Władysław Konopczyński, Kraków 1914, S. 43. Paweł Mostowski gehörte zu denjenigen Konföderierten, die sich gegen den König für die Czartoryski engagierten. Als Stanisław August den Thron bestieg und begann, gegen die Vormachtstellung seiner Oheime vorzugehen, enthob er Mostowski von seiner Funktion als Woiwode in Pommerellen und versetzte ihn nach Masowien. Daraufhin schloss sich Mostowski seinen Gegnern an. Władysław Konopczyński, Mostowski Paweł Michał, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 22, Wrocław (u. a.) 1977, S. 70. Siehe dazu auch Jerzy Dygdała, Życie polityczne Prus Królewskich u schyłku ich związku z Rzecząpospolitą w XVIII wieku: tendencje unifikacyjne a partykularyzm, Warszawa 1984. Vgl. Józef Wybicki, Życie moje, Kraków 1927, S. 86 – 92.
3. Die Konföderation von Bar und ihr Verhältnis zu Preußen
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Gräfin Skórzewska beauftragt, Preußen zur militärischen Unterstützung der Konföderierten zu bewegen. Der Preis, den die Konföderiertenführer dafür zu zahlen beabsichtigten, war die Übergabe der polnischen Oberhoheit in Kurland an Preußen.¹⁶⁷ Geplant war die Rückkehr des von Russland abgesetzten Herzogs Karl von Sachsen auf den kurländischen Thron, aber diesmal nicht mehr unter polnischer, sondern preußischer Lehnsherrschaft.¹⁶⁸ Der Historiker Jerzy Michalski behauptet gar, dass die Konföderierten zu noch viel größeren territorialen Zugeständnissen an Preußen bereit gewesen wären, wenn sich Friedrich II. nur entschieden hätte, mit ihnen ernsthaft zu paktieren.¹⁶⁹ In seiner Charakteristik der Konföderierten stellte der preußische Gesandte in Warschau Benoît jedenfalls fest: „Ces gens sont si acharnés, que loin de pousser des plaintes contre la démerche des Autrichiens à Sandeck, ils leur céderaient volontiers, et à qui voudrait une partie de la Pologne, pourvu qu’on leur donnât l’électeur de Saxe pour roi.“¹⁷⁰
Aber weder die ablehnende Haltung Friedrichs II. gegenüber solchen Thronangeboten noch die gescheiterte Mission der Gräfin Skórzewska und Wybickis am preußischen Hof brachten den Woiwoden Mostowski von seiner Gewissheit ab, der Preußenmonarch unterstütze – wenn auch indirekt – die Konföderierten in ihrem Kampf gegen das herrschsüchtige Russland und den unterwürfigen polnischen König.¹⁷¹ Während seiner Agitationstätigkeit in Masowien bediente er sich genau dieses Arguments und behauptete selbstsicher, er werde Friedrich II. für das
Für diesen Plan erhofften sich die Konföderierten auch die Unterstützung von Schweden, konkret von der Schwester des preußischen Monarchen und schwedischen Königin, Luise Ulrike von Preußen. Ein Hinweis darauf in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6672 II, Bl. 149. Der vollständige Text der Instruktion befindet sich in: Archiwum Wybickiego, Bd. 1, hg. von Adam Mieczysław Skałkowski, Gdańsk 1948, S. 5 f.; Adam Skałkowski, Wybiciana, in: Zapiski Towarzystwa Naukowego w Toruniu, 7 (1928), S. 239 f. Vgl. Michalski, Schyłek Konfederacji Barskiej, S. 9. Bericht von Gédéon Benoît an Friedrich II., 24.04.1772, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 183, Bd. 1, Bl. 302. Eine seltene Ausnahme stellte dabei eine der wichtigsten „Koordinatorinnen“ der Konföderation in Großpolen, Katarzyna Agnieszka Sapieha (Sapieżyna), dar, die bereits zu Beginn des Jahres 1770 behauptete, der preußische König arbeite mit Moskau zusammen. Vgl. Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 38/61, S. 204. Diese Überzeugung hinderte sie aber nicht daran, noch während der Konföderation ein Gut (Lilienhoff-Freyhan) in Schlesien zu erwerben, wo sie sich auch – wegen ihrer inoffiziellen Ehe mit einem Mann aus der unterständischen Schicht – niederließ. Von dort aus sandte sie Berichte über die Konföderation in Großpolen an die Generalität. Vgl. Pamiętniki do panowania Augusta III i pierwszych lat Stanisława Augusta przez nieznajomego autora, hg. von Edward Raczyński, Bd. 3, Poznań 1840, S. 98.
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Anliegen der Konföderierten gewinnen und die militärischen Instrukteure aus Preußen kommen lassen.¹⁷² Das war nicht das erste Mal, dass Mostowski eine preußenfreundliche Stimmung verbreitete. Bereits zu Beginn der Barer Konföderation, während einer Feierlichkeit in Soldau (Działdowo) 1768, deklamierte er vor dem Porträt Friedrichs II. sein Gedicht zu Ehren des preußischen Monarchen, das später in mehreren Abschriften unter der Generalität in Umlauf kam: „Das Licht der Weisheit geht bei den Preußen auf/ Möge es alle beleuchten – das ist der Wille aller Polen/ Eines unbesiegten Königs können sich die Preußen erfreuen/ Möge er möglichst lange leben – das wünschen euch die Polen/An einem klugen Herrscher wird es in Preußen nicht fehlen, wenn die Klugheit schwindet/ Möge er lange leben – das prophezeit der Nachbar.“¹⁷³
Auch der Großhetman von Litauen Szymon Kossakowski, der bei der Verteilung von Starosteien durch Stanisław August übergangen wurde und seitdem einen tiefen Groll gegen den polnischen König hegte, propagierte den Beistand Preußens für die Rückkehr der Sachsen auf den polnischen Thron.¹⁷⁴ Ihre Propaganda hatte Erfolg. Umso erstaunter reagierten die direkten Nachbarn Friedrichs II., die Konföderierten aus Pommerellen, als sie von preußischen Truppen angegriffen wurden.¹⁷⁵ In der festen Überzeugung, dass es sich dabei um eine Eigenmächtigkeit übereifriger Generäle ohne das Wissen des Preußenkönigs handele,wurden sie von Bischof Krasiński ermuntert, den französischen Gesandten in Berlin als ihren Fürsprecher aufzusuchen. Er solle Friedrich über die Insubordination seiner Generäle informieren, sich für die Wiedergutmachung des ihnen „zugefügten Leids“ einsetzen und ausdrücklich für ihre „Angelegenheit werben“.¹⁷⁶ Krasiński sah in Frankreich einen Verbündeten der Konföderierten, weil er in Paris vom leitenden Minister Etienne Choiseul, einem wichtigen Repräsentanten der französischen antirussischen Barrierepolitik, finanzielle Hilfe und diplomatische Unterstützung erlangt hatte.¹⁷⁷ Außerdem versuchte Choiseul, das Verhältnis zwischen Frankreich und Preußen zu verbessern. Als im Herbst 1768 der längst erwartete, und nach Meinung Friedrichs II. von Frankreich beschworene, russisch-osmanische Krieg ausbrach, hofften nun der polnische Bischof und sein
Die 22 Martii 1769 Pro memoria jwp. Marszałków, zit. nach Władysław Konopczyński, Konfederacja Barska, Bd.1, Warszawa 1991, S. 197. Wiersz przez Pana Mostowskiego Wojewodę przy illuminacji w działaniu 1768 napisany, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 945, Bl. 62. Konopczyński, Konfederacja Barska, Bd. 1, S. 209. Vgl. Archiwum Wybickiego, Bd. 1, S. 15 f. Ebenda. Vgl. Szczygielski, Konfederacja Barska w Wielkopolsce, S. 87 ff.
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französischer Verbündeter, dass es gelingen werde, Preußen und Russland zu entzweien.¹⁷⁸ Zu solch einem Schritt war Friedrich allerdings nicht im Geringsten bereit. Im Gegenteil: Er glaubte umso mehr, auf die russische Allianz angewiesen zu sein, denn das bestehende preußisch-russische Bündnis sollte in drei Jahren auslaufen und Preußen müsste die Last des Krieges mittragen, „sans en tirer le moindre profit“.¹⁷⁹ Wichtig war es für ihn daher, Preußen noch stärker an Russland zu binden, um eine Vertragsverlängerung um mindestens zehn Jahre zu erwirken und sich damit die mögliche Angliederung der fränkischen Markgrafschaften an Preußen durch Russland verbürgen zu lassen.¹⁸⁰ Folgerichtig führte der russischosmanische Krieg zu einer Annäherung Preußens an die russische Polen-Politik. Preußische Truppen errichteten einen Patrouillendienst entlang der preußischpolnischen Grenze, Friedrich II. autorisierte seine Truppenkommandeure am 25. November 1768, mit ihren Patrouillen auch auf polnisches Territorium vorzudringen und eine Zusammenarbeit zwischen preußischen und russischen Truppen an der preußisch-polnischen Grenze zu forcieren.¹⁸¹ Die von den Konföderierten beklagten preußischen Übergriffe auf ihre Einheiten in Pommerellen waren ein Bestandteil dieses Plans. Die preußische militärische Präsenz im Königlichen Preußen und Großpolen wurde seit 1768 immer stärker.¹⁸² Preußische Husarenpatrouillen durchstreiften die polnischpreußischen Grenzgebiete, nahmen Zwangsrekrutierungen vor und warben Kolonisten an. Dabei kam es zu wiederholten Zusammenstößen mit den konföderierten Truppen.¹⁸³ Diese polnisch-preußischen Scharmützel, an denen sich nicht
Verstärkt wurde diese Überzeugung durch die osmanisch-preußischen Verhandlungen von 1769. Siehe dazu die Berichte in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6673 III, Bl. 349. Politische Correspondenz, Bd. 27, S. 421. Vgl. Ebenda. Vgl. Ebenda, S. 424 f. sowie Lengnich, Die Schicksale der polnischen Dissidenten, Bd. 3, S. 362 f. Diese militärische Präsenz der preußischen Truppen in Großpolen veranlassten einen anonymen Autor (wahrscheinlich nicht aus dem Kreis der Konföderierten) ein kurzes Drama in Form eines Gesprächs zwischen den Monarchen von Preußen, Russland, Österreich und der Türkei zu verfassen. Friedrich II. wird dabei als ein militanter und nach neuen territorialen Eroberungen strebender Aggressor dargestellt, dem kein anderer Staat Widerstand leisten kann und will. Gleichzeitig wird hier durch den preußischen Monarchen die polnische Armee kritisiert, die „nicht mal das Exerzieren kennt“. Produkcja czyli rozmowa monarchów, in: Polskie Towarzystwo Przyjaciół Nauk w Poznaniu (im Folgenden PTPN), Rękopisy, 816, Bl. 81– 87 und 144– 145. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 29, S. 391; Szczygielski, Konfederacja Barska w Wielkopolsce, S. 145 f.; Konopczyński, Konfederacja Barska, Bd. 1, S. 199; Johann Georg Cranz, Das conföderirte Pohlen, Bd. 3, o.O. 1771, S. 169 f.; siehe dzu auch zahlreiche Berichte in: ABCz,
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allein die Konföderierten, sondern auch im ganzen Land marodierende Räuberbanden beteiligten, veranlassten den Preußenkönig, einen Appell an die Konföderationsmarschälle zu richten.¹⁸⁴ In seinem Namen forderte Benoît sie in deutlichem Ton dazu auf, zur „Vernunft zu kommen“, denn „der König denkt nicht daran, das eigene Werk [die Wahl von Stanisław August, A. P.] zu zerstören“. Sie sollten daher „wenigstens so klug sein, und euer Übel nicht noch dadurch vergrößern, euch den Zorn meines Königs durch dergleichen grobe Beleidigungen auf den Hals zu ziehen, weil er euch leicht durch 50 bis 60 Tausend Mann auf vernünftigere Gedanken bringen könnte“.¹⁸⁵ Der Inhalt dieses, die Konföderierten diffamierenden Briefes verbreitete sich schnell in ganz Polen-Litauen und wurde heftig diskutiert. Besonders überrascht soll man in Warschau reagiert haben, weil „die Konföderationsführer ihrer Anhängerschaft bis dahin ein völlig anderes Bild von dem preußischen König einredeten“.¹⁸⁶ Zur Aufklärung der Vorfälle aufgefordert, veröffentlichen die Konföderationsmarschälle am 8. Oktober 1769 ein Antwortschreiben in Form eines Universals, in dem sie „alle Gewalttaten gegen Personen aus den benachbarten Gebieten“ verurteilten und den Gewalttätern die Ehre eines Konföderierten absprachen.¹⁸⁷ Dies war aber keineswegs die einzige öffentliche Schrift, mit der sich die Konföderierten an den preußischen Monarchen wandten, um ihre positive Einstellung zu Preußen klarzustellen. Im Herbst 1769 erreichte Friedrich II. ein mit dem Pseudonym „Konföderierte Berecki“ versehener offener Brief, in dem, Konopczyński zufolge, „ein unbedeutender Unteroffizier“ auf eigene Faust versuchte, dem Preußenherrscher die Gründe der ablehnenden Haltung der KonföRękopisy i stare druki, 941, Bl. 395; Akten der Barer Konföderation, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 948, Bl. 349; Pamiętniki do panowania Augusta III, S. 23. Anlass für dieses Schreiben war ein Zusammenstoß zwischen den preußischen Truppen aus dem Husarenregiment von Wilhelm Sebastian von Belling und den Einheiten von Onufry Bęklewski, der einige Monate vorher vom Konföderationsgericht als „Verbrecher“ bezeichnet und „zum Tode verurteilt“ worden war. Siehe dazu Szczygielski, Konfederacja Barska w Wielkopolsce, S. 296 f.; Ein anonymer Brief, 02.01.1772, in: Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 39/61, S. 74. Kopia responsu imci pana Benoit rezydenta pruskiego na list pewnego senatora z Warszawy 25.07.1769, in: BN, Materiały historyczne, 964, Bl. 828 f.Vgl. auch Respons króla imci pruskiego do regimentarza Wielkopolski, in: Ebenda, Bl. 948 f. sowie Pierre Joubert, Geschichte der Staatsveränderungen von Polen: vom Tode Königs Augustus III. bis ins Jahr 1775, Leipzig 1777, S. 315 ff. Stanisław Lubomirski, Pamiętniki, Lwów 1925, S. 93 f.; Die Enttäuschung der Konföderierten über die negative Einstellung des Preußenkönigs ist auch der Flugschrift „Pro Memoria od dobrego Obywatela“ zu entnehmen, in: Biblioteka Zakładu Narodowego Ossolińskich in Wrocław (im Folgenden BO), Manuscripta, 1409, Bl. 587– 589. Universał czyli protestacja 15 Marszałków, z Krakowa 18 X 1769, in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6672 II, Bl. 124 ff.
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deration gegenüber dem polnischen König und den Dissidenten zu schildern.¹⁸⁸ Dies wiederum veranlasste den, der Ranghöhe des appellierenden Autors nicht bewussten „Philosophen von Sanssouci“, ein Toleranztraktat im Geiste der christlichen Nächstenliebe für die kämpfenden Polen zu verfassen. Er tadelte darin ihre Intoleranz, rief sie zur Ruhe und Vernunft auf und stellte ihnen England als Beispiel des toleranten Staates dar.¹⁸⁹ Überrascht reagierten die Kreise der polnischen Generalität auf diesen öffentlichen Schriftwechsel, der von Benoît popularisiert wurde, und fassten den gemeinsamen Entschluss, diese preußische Replik nicht unbeantwortet zu lassen. Ihre vierseitige Stellungnahme trug den Titel „Reflexionen über den Brief des preußischen Königs, dem Freund des Freundes im Dezember 1769 übersandt“ und war vor allem bestrebt, die Öffentlichkeit vom Wohlwollen des Preußenkönigs für das Anliegen der Konföderierten zu überzeugen.¹⁹⁰ Alle gegen sie gerichteten Parolen aus Friedrichs Brief wurden von der Generalität als unbedeutende Floskeln abgetan, zu denen der Preußenkönig durch das russisch-preußische Bündnis verpflichtet sei. Sie bekundeten ihr volles Vertrauen in die „Schutzkraft“ eines der „klügsten und vorsorglichsten Monarchen Europas“, und zwar mit folgendem Argument: „In der langen Periode seiner mächtigen und ehrenvollen Herrschaft hat er [Friedrich II., A.P.] niemals die ihm von Gottes Gnade gegebene Macht gegen die Republik angewandt. Die Imperatorin dagegen hat in der kurzen Zeit ihrer bisherigen Regierungsgewalt alle möglichen Vorwände genutzt, um Polen zu vernichten.“¹⁹¹
Sicherlich wäre es einseitig, dieses öffentliche Schreiben als schlicht naiv oder realitätsfremd abzutun. Es wurde vielmehr mit politischem Kalkül verfasst und hatte vor allem eine propagandistische Funktion. In den mit Preußen benachbarten Gebieten, allen voran im Königlichen Preußen, standen die führenden Vertreter des Adels einem Beitritt zur Konföderation eher reserviert gegenüber und machten diese Entscheidung oft von der Stellungnahme Preußens abhängig.¹⁹² Eine Garantie der preußischen Unterstützung bzw. eine lineare Konstruktion der
Władysław Konopczyński, Konfederacja Barska, Bd. 2,Warszawa 1991, S. 868 f.; Der originale Brief von Berecki in: GStA, I. HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen, Nr. 9 e 44, Bl. 28 ff. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 29, S. 195 f. Die polnische Übersetzung der Antwort, die unter den Konföderierten kursierte, befindet sich in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6672 II, Bl. 42– 46. Vgl. Refleksje nad listem Króla Pruskiego od przyjaciela przyjacielowi przesłane, in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6672 II, Bl. 46 – 57. Ebenda, S. 47. Vgl. Jerzy Dygdała, Prusy Królewskie w dobie Konfederacji Barskiej 1768 – 1772, in: Zapiski Historyczne, 50 (1985), H. 1, S. 17– 38; H. 2, S. 27– 55.
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„ewigen“ und verbürgten preußisch-polnischen Freundschaft sollte ihre Bedenken hinsichtlich der an der Grenze stationierten preußischen Truppen ausräumen und sie vom gesamtpolnischen Kampf überzeugen. Mobilisierend musste sich das preußenfreundliche Bild gewiss auch in anderen Landesteilen auswirken. So fanatisch-katholisch viele Mitläufer aus dem adligen Mittelstand auch motiviert sein mochten, wussten sie doch ganz genau, dass der ersehnte Sieg über die Dissidenten und den verhassten König aus eigener Kraft niemals zu schaffen sein würde. Die propagierte Garantie einer starken internationalen Unterstützung im Allgemeinen und eines preußischen Wohlwollens den Konföderierten gegenüber im Besonderen halfen ihnen, mehr Kampfkräfte zu rekrutieren und erleichterten dem einen oder anderen, in der Hoffnung auf eine kommende Entschädigung aus dem Ausland, oft nahezu sein ganzes Vermögen zur Finanzierung der Konföderierten zu verpfänden.¹⁹³ Tatsächlich wartete das ganze konföderierte Polen seit der zweiten Hälfte des Jahres 1769 ungeduldig auf preußische Freundschaftsbekundungen, denn die Nachricht von der ersten Begegnung zwischen Friedrich II. und Joseph II. in der Stadt Neisse im August ließ die Konföderierten auf den Zerfall der bisherigen Bündnisse in Europa und somit auf den Beitritt Preußens zur osmanisch-österreichisch-sächsischen Allianz gegen Russland hoffen. „Bald wird wohl Friedrich Joseph Schlesien zurückgeben“ schrieb der Gesandte der Konföderierten in Dresden, Franciszek Rostworowski, an Bischof Krasiński, „dafür nimmt er sich Kurland und vereinigt sich mit den Sachsen. Der Vorherrschaft Englands auf dem Meer setzen gewiss die Franzosen ein Ende […]. Wir haben also allen Grund, uns einen Vorteil zu versprechen.“¹⁹⁴ Den Optimismus im Hinblick auf Preußen teilten auch die anderen Befehlshaber der Konföderation. Der Marschall der Konföderation für die Woiwodschaft Kulm, Michał Zboiński, erfahrener Politiker und Diplomat, erhoffte sich noch im Dezember 1769 einen erfreulichen Abschluss der Verhandlungen mit Preußen.¹⁹⁵ Anlass zu Optimismus gab ihm die geplante
Das beste Beispiel hierfür ist Józef Pułaski, Vater von Kazimierz Pułaski, der seine gesamten Ländereien verpfändete, um die Konföderation zu finanzieren. Vgl. Leonard Chodźko, Żywot Kazimierza na Pułaziu Pułaskiego starosty zezulenieckiego marszałka konfederacyi łomżyńskiej regimentarza małopolskiego. Jenerała w wojsku Amerykańskiem, Lwów 1869, S. 22– 26. Franciszek Rostworowski an Bischof Krasiński, 27.08.1769, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 837, Bl. 65; Konopczynski, Konfederacja Barska, Bd. 1, S. 264. Ähnliches berichten auch andere Dokumente aus dem Kreis der Konföderierten, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 832, Bl. 464 sowie in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6672 II, Bl. 114. Vgl. Konopczyński, Konfederacja Barska, Bd. 1., S. 305; siehe dazu auch den anonymen Brief, 25.08.1769, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 832, Bl. 176 f. Ein ebenfalls anonymes Flugblatt warnte davor, dass Russland Preußen gegen die Konföderierten ausspielen wolle, um die vorhandene
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Mission von General Skórzewski nach Berlin. Er sollte in der preußischen Hauptstadt das Amt eines inoffiziellen Gesandten der Konföderierten übernehmen und die preußische Regierung so kontinuierlich über deren Vorhaben informieren.¹⁹⁶ Der diplomatische Plan scheiterte jedoch am erneuten Veto des Preußenkönigs. Er wollte sich in die polnischen Verhältnisse nicht einmischen und drohte den Konföderierten sogar damit, aktiv einzugreifen, falls sie ihre Pläne zur Absetzung von Stanisław August nicht aufgäben.¹⁹⁷ Der polnische König war sich von Anfang an der Tragweite der Barer Konföderation bewusst; er fürchtete, dass diese Bewegung über ihn hinwegfegen würde, wenn er in Russland keine Stütze fände, und setzte die ihm zur Verfügung stehenden Truppen gegen die Konföderierten ein. Nach dem Ausbruch des russisch-osmanischen Krieges hoffte Stanisław August allerdings auf eine gewisse russische Nachgiebigkeit in der Dissidentenfrage und verfolgte den Plan, Russland zu einer vollständigen Verzichtleistung auf die Garantie und die Dissidentenrechte zu bewegen, ohne die seiner Meinung nach die Unruhen nicht zu bannen seien. In der Hoffnung befangen, die Eindämmung der russischen Dominanz in Polen-Litauen und der versöhnliche Abschluss des Konföderiertenkonflikts lägen auch im Interesse Preußens, wandte sich der polnische König an den preußischen Monarchen mit der Bitte um Unterstützung seines Vorhabens. Der König von Preußen machte Stanisław August aber zum wiederholten Mal darauf aufmerksam, dass er sich nur durch eine enge Anlehnung an Russland behaupten könne und dass es am besten für ihn wäre, sich die Freundschaft der Kaiserin zu bewahren.¹⁹⁸ Die Annahme des polnischen Königs, die Aufhebung der Dissidentenrechte würde den tobenden und das Land verwüstenden Aufstand stoppen, war nicht minder illusorisch. Nur zu bald stellte sich heraus, dass die um Bischof Krasiński versammelte Generalität bei der Konföderation weniger auf die Wiederherstellung der Vorrechte der katholischen Kirche, als vor allem auf die Entthronung Stanisław Augusts Wert legte. „Gegen den König!“ war ihr Schlachtruf.¹⁹⁹ Der religiöse Ge-
Sympathie des preußischen Königs für ihr Vorhaben zu zerstören. Vgl. Przestroga dla narodu, prawdziwego patrioty, in: BO, Manuscripta, 785, Bl. 355. Vgl. Brief des Bischofs Krasiński an Franciszek Skórzewski, 20.04.1770, in: Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 90/61, S. 248. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 29, S. 316. Vgl. Ebenda, S. 207. Vgl. Zofia Zielińska, Stanisław August wobec konfederacji i konfederatów barskich, in: Konfederacja Barska. Jej konteksty i tradycje, S. 117– 130; Michalski, Schyłek Konfederacji Barskiej, S. 41. Siehe dazu auch Geret, Mitteilungen des Thorner Residenten, S. 425; Rulhière, L’Historie de l’anarchie de Pologne, Bd. 2, S. 504 ff.
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danke und der Kampf um die Alleinherrschaft des Katholizismus in Polen beseelten eher den Mittelstand des Adels um Józef Pułaski und seinen Sohn Kazimierz. Die Magnaten dagegen, die jedwedem religiösen Fanatismus fern standen, hegten weitreichende politische und diplomatische Ziele und handelten nicht zuletzt mit der staatsmännischen Absicht, Polens Unabhängigkeit wieder zu erringen und dann ohne bzw. gegen die Czartoryski und Stanisław August deren Reformpläne zu verwirklichen.²⁰⁰ Wohl wissend, dass die Masse wenig vom politischen Spiel versteht, versuchten sie, die allgemeine Unzufriedenheit in einen Hass auf den „gekrönten Sklaven der Kaiserin“ zu kanalisieren, indem sie den Polenkönig als Wurzel alles Unheils darstellten und eine große Anzahl alternativer Thronkandidaten auf den Plan riefen.²⁰¹ Neben dem bereits erwähnten Schwiegersohn Maria Theresias, Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen, waren dies der junge sächsische Kurfürst, Augusts III. Enkel, sowie dessen Oheim Herzog Karl von Kurland, der Bruder des Herzogs von Teschen. Um den Wettinern die Rückkehr auf den polnischen Thron zu ermöglichen, brauchten die Konföderierten allerdings starke internationale Unterstützung. Aus diesem Grund beschloss der polnische Primas und Nachfolger Łubieńskis, Gabriel Podoski, die Zustimmung des Preußenkönigs zu erlangen. Selbstsicher und vom Wohlwollen Friedrichs II. für das Vorhaben der Konföderierten überzeugt, reiste er nach Potsdam, wo er mehrere Tage verbrachte und vergeblich um eine Audienz bat.²⁰² Der Misserfolg änderte aber nichts an der unter den Konföderierten herrschenden Überzeugung, der polnische Primas sei ein
Vgl. Czasy Stanisława Augusta Poniatowskiego przez jednego z posłów Wielkiego Sejmu napisane, Poznań 1867, S. 75 – 77. Seit dem Beginn der Barer Konföderation kursierten in Polen zahlreiche Schmäh- und Flugschriften gegen den polnischen König. Der Thorner Resident Samuel Luther von Geret berichtete: „Es ist auch unbeschreiblich, wie alles gegen den König aufgebracht ist. Keine Woche vergeht, wo nicht neue Schriften erscheinen, die alles,was schrecklich und abscheulich sein kann, gegen den König und seine Regierung ausspeyen.“ Geret, Mitteilungen des Thorner Residenten, S. 425;Vgl. dazu auch den Universal der Generalität von 1771, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 1170, Bl. 763. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 29, S. 426. Nicht viel anders erging es dem prussophilen Fürsten und Großhetman Michał Kazimierz Ogiński, der sich 1771 an die Spitze der Konföderation in Litauen gegen die Russen stellte und nach anfänglichen Erfolgen eine vernichtende Niederlage erlitt. Er war allerdings weniger darum bemüht, den preußischen Monarchen für die Unterstützung der kämpfenden Konföderierten zu gewinnen, als vielmehr für den Schutz seiner Güter vor der drohenden russischen Sequestrierung. Siehe dazu die Korrespondenz von Ogiński mit der preußischen Regierung in: AGAD, Archiwum Roskie, Abteilung II, Bl. 1– 3; Politische Correspondenz, Bd. 31, S. 475 f. und GStA, I. HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen, Nr. 9 e 44, Bl. 44 ff.
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„Vertrauter des Preußenkönigs“.²⁰³ Als er im Herbst 1770 im Namen der Generalität und auf das Hinwirken Frankreichs die Absetzung von Stanisław August proklamierte, verbreitete sich schnell das Gerücht, dieser Schritt sei von Friedrich II. angeordnet worden.²⁰⁴ Eine ganz andere Taktik im Umgang mit Preußen wählten dagegen der konföderierte Gesandte in Paris, Michał Wielhorski, und sein Vertrauter, Bischof Krasiński. Wissend, dass Friedrich II. einem Sachsen auf dem polnischen Thron niemals seine Zustimmung geben würde, verabredeten sie mit Frankreich den erneuten Versuch, dem Prinzen Heinrich die polnische Krone anzubieten und zugleich Preußen mit diesem Schritt ohne Teilnahme Sachsens in den Bannkreis Frankreichs zu ziehen.²⁰⁵ Wielhorski entwickelte dann diesen Plan gegenüber Daniel Alfons von Sandoz Rollin, dem preußischen Legationssekretär und Geschäftsträger in Paris.²⁰⁶ Es ist nicht ausgeschlossen, dass er sich dabei von keinem Geringeren als Gabriel Bonnot de Mably inspirieren ließ. Bereits 1769 beauftragte der aufgeklärte Graf den französischen Philosophen, ein politisches und die Ziele der Konföderierten berücksichtigendes Reformprojekt für Polen zu entwerfen. Dieser nahm den gut bezahlten Auftrag an und verfasste bis 1771 insgesamt drei „Observations sur la réforme des lois de la Pologne“. In all diesen stark antimonarchistisch orientierten Reformentwürfen schildert er Preußen als eine unbedeutende oder sogar als polenfreundliche Monarchie, die mit der russischen Dominanz in Europa unzufrieden sei und daher mit Sicherheit nicht gegen die Reformpläne der Konföderierten auftreten werde. ²⁰⁷ Mablys positive Bewertung Preußens entsprach genau den Plänen des französischen Außenministers Etienne Choiseul und von Bischof Krasiński.²⁰⁸ Gleichwohl ernteten auch diese von Mably und der französischen Diplomatie beeinflussten Pläne ein entschiedenes Nein des Preußenkönigs. Er erkannte hinter dem polnischen Vorschlag sogleich die französische Interessenpolitik und befahl
Diese Überzeugung basierte zum Teil auf der Tatsache, dass Podoski eine sächsische Geliebte hatte und mit ihr einige Jahre in Danzig lebte. Diese weithin bekannte Liaison wurde zum Thema mehrerer Spottgedichte. Ein Beispiel dafür findet man in: Literatura barska: Antologia, hg. von Janusz Maciejewski, Wrocław 1976, S. 63. Siehe dazu Teofila z Jabłonowskich Sapieżyna, Z pamiętnika konfederatki, S. 110 f; Michalski, Schyłek Konfederacji Barskiej, S. 102. Vgl. Akten von Bischof Adam Krasiński, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 943, Bl. 735; Easum, Prinz Heinrich von Preußen, S. 362. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 30, S. 282. Vgl. dazu auch Konopczyński, Konfederacja Barska, Bd. 2, S. 570. Siehe dazu Jerzy Michalski, Sarmacki republikanizm w oczach Francuza. Mably i konfederaci barscy, Wrocław 1995, S. 136. Vgl. Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 90/61, S. 368.
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deshalb seinem Gesandten in Paris „tous les propos“ von Wielhorski abzulehnen.²⁰⁹ Trotz dieser preußischen Ablehnung wurde der französische Außenminister nicht müde, die Konföderierten zum Krieg gegen Russland und zur Verständigung mit Preußen aufzurufen, um Frankreichs Gegenspielerin Katharina zu Fall zu bringen und somit das „Nordische System“ zu schwächen.²¹⁰ Aus diesem Grund schickte der französische Hof den fähigen General Charles Dumouriez zur Unterstützung der Konföderierten nach Polen und schloss sich den Plänen der konföderierten Generalität und des Woiwoden Mostowski an, den polnischen König Stanisław August abzusetzen und den Thron Polens in ganz Europa anbieten zu lassen. Ihr besonderes Augenmerk galt dabei dem Landgrafen Friedrich von Hessen-Kassel.²¹¹ Er war einer der reichsten katholischen Fürsten des Reiches, Herr über eine vorzügliche Armee sowie ein großer Freund der Aufklärung. Vor allem aber war er als Günstling des gleichnamigen Preußenkönigs bekannt, an dem er seinerseits voll Bewunderung hing. Schon während des letzten Interregnums hatten sich einige Mitglieder des russischen Kabinetts für den Landgrafen als einen der möglichen Kandidaten für den polnischen Thron ausgesprochen. Der preußische Kammerherr Lehndorff notierte am 18. November 1763, dass Friedrich nach dem Kurfürsten von Sachsen und dem Herzog von Württemberg, aber noch vor dem Prätendenten Eduard Stuart als Anwärter auf die polnische Krone genannt werde.²¹² Auch dem preußischen König waren solche Erwägungen nicht ganz fremd. Im Januar 1770 ließ er Stanisław August durch Benoît drohen, die Konföderierten könnten ihn entthronen und den Landgrafen von Hessen-Kassel an seine Stelle setzen, wenn er sich den russischen und seinen Forderungen nicht Michalski, Sarmacki republikanizm, S. 136. Es ist nicht überliefert, ob Wielhorski bereits wusste, dass die französische Diplomatie dem Preußenkönig zum selben Zeitpunkt durch den preußischen Handelsagenten in Paris, Louis-François Mettra, zweimal die territoriale Annexion von Teilen Polens als Lohn für einen Bruch mit Russland und eine Verbindung mit Frankreich angeboten hatte. Vgl. Emanuel Rostworowski, Na drodze do pierwszego rozbioru (Fryderyk II wobec rozkładu przymierza francusko-austriackiego w latach 1769 – 1772), in: Roczniki Historyczne, 18 (1949), S. 186 f. und 196. Ebenda. Nach Konopczyński war es vor allem der Woiwode Mostowski, der diesen Plan forcierte. Er solle aus dem Grund auch mehrmals Friedrich von Hessen-Kassel besucht haben. Konopczyński, Mostowski Paweł Michał, S. 71. Vgl. Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff, Dreißig Jahre am Hofe Friedrichs des Großen: Nachträge, Bd. 1, Gotha 1910, S. 385. Über diese russischen und preußischen Pläne während des Interregnums war Friedrich von Hessen-Kassel bestens informiert. Es wird vermutet, dass die Hoffnung auf den polnischen Thron ihn dazu bewegt hat, zum Katholizismus zu konvertieren.Vgl. Denkwürdigkeiten des Freiherrn Achatz Ferdinand von der Asseburg, bearb.von einem ehemals in diplomatischen Anstellungen verwendeten Staatsmanne. Friedrich Albrecht von der SchulenburgKlosterrode, Berlin 1842, S. 354.
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anpasse.²¹³ Es kann somit als sicher gelten, dass die polnischen Konföderierten von diesen preußischen und russischen Überlegungen gewusst hatten, als sie sich für die Kandidatur des hessischen Landgrafen einsetzten. Als Gegenleistung erwarteten sie von ihm eine militärische und finanzielle Unterstützung der kämpfenden Konföderierten sowie „etwas Geld“ für sich selbst und für alle Fälle ein Asylrecht in Preußen, sollte das Unternehmen wider Erwarten scheitern.²¹⁴ Um all dies garantieren zu können, brauchte der ambitionierte Landgraf aber zuerst die Einwilligung des Preußenkönigs. Am 28. Februar 1771 sandte er daher ein Schreiben nach Potsdam, in welchem er von dem polnischen Anerbieten Mitteilung machte und den König um seinen Rat ersuchte. Von dessen Stellungnahme wollte er die eigene gegenüber den Polen abhängig machen.²¹⁵ Einen besseren Augenblick für seine Anfrage konnte er dabei nicht erwischen, denn dem König von Preußen war die Verbindung seines Bewunderers mit den Konföderierten gerade nicht unwillkommen. Das Schreiben des Landgrafen traf nämlich nur wenige Tage nach der Rückkehr von Prinz Heinrich aus Petersburg ein, wo dieser Katharina vom Plan einer Teilung Polen-Litauens zu überzeugen versucht hatte. Für die vorliegende Untersuchung ist die Klärung der Kausalzusammenhänge rund um das Teilungsgeschehen einschließlich der „Urheberschaft“ irrelevant. An dieser Stelle sei deshalb nur auf die aktuelle polnische Geschichtsforschung und deren These verwiesen, wonach die Entscheidung über die Teilung Polens in Petersburg getroffen worden sei, und zwar noch vor dem Besuch des Prinzen Heinrich bei der Kaiserin.²¹⁶ Auch wenn Russland fest entschlossen gewesen sein sollte, die Insubordination Polens während der Barer Konföderation mit einer territorialen Annexion zu „bestrafen“, lässt sich nicht verkennen, dass dieses Vorhaben den österreichischen und preußischen Plänen sehr entgegenkam. Längst waren Modelle für eine Teilung Polens auch in Wien wie in Potsdam entworfen und diskutiert worden. Wobei mit Hans-Jürgen Bömelburg zu vermerken bleibt, dass die von der polnischen nationalen Geschichtsschreibung bevorzugte These von den Teilungen als unmittelbarer Folge eines preußischdeutschen „Drangs nach Osten“ oder kontinuierlicher Teilungspläne und -absichten seit der Zeit des Großen Kurfürsten erkenntnishemmend wirkt und mehr
Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 29, S. 309. Otto Forst-Battaglia, Eine unbekannte Kandidatur auf dem polnischen Thron. Landgraf Friedrich von Hessen-Kassel und die Konföderation von Bar, Bonn und Leipzig 1922, S. 35. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 31, S. 6. Zu dieser These siehe Dukwicz, Stanisław August wobec pierwszego rozbioru, S. 106; dies., Czy konfederacja barska była przyczyną pierwszego rozbioru Polski? (Rosja wobec Rzeczypospolitej w latach 1769 – 1771), in: Konfederacja Barska. Jej konteksty i tradycje, S. 103 – 116.
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mit politischen Ansprüchen als mit einer historischen Auseinandersetzung zu tun hat.²¹⁷ Gewiss hatte sich Friedrich II., wie bereits ausgeführt, sehr früh im Rahmen seiner Arrondierungspolitik, die auf dem Gedanken beruhte, dass Staaten sich vergrößern müssen, wenn sie sich im Konkurrenzsystem der europäischen Mächte behaupten wollen, mit Teilungsprojekten beschäftigt. Doch die innere Situation in Polen-Litauen, die sich in der ersten Jahreshälfte 1769 zuspitzte, als infolge des osmanisch-russischen Krieges die Konföderierten an Boden gewannen, wurde nicht allein von Preußen, sondern auch von Österreich gespannt beobachtet. Als überraschende militärische Niederlagen der Osmanen die Chance für große russische Gebietsgewinne im europäischen Südosten eröffneten, wurden Österreich und Preußen mit eigenen Ansprüchen aktiv. Sie erhoben zunächst ultimativ Einspruch gegen einen befürchteten einseitigen Machtgewinn Russlands und arbeiteten dann auf eine Lösung allseitiger territorialer Kompensation hin; entsprechende Gebietsabtretungen sollten Preußens Annexionsinteressen gegenüber Polen befriedigen und Österreich einen Ausgleich für den Verlust Schlesiens bieten. In diesem Kontext stand der vom österreichischen Kanzler Kaunitz ins Spiel gebrachte und von einem Teil der Konföderierten unterstütze Plan, Preußen durch den territorialen Zugewinn von Kurland und Ermland zu einem Verzicht auf Schlesien zu bewegen. Dem stand auf preußischer Seite, wo man auch danach trachtete, die Subsidienzahlungen an Russland für den russisch-osmanischen Kriegen rasch beenden zu können, der Gedanke einer Teilung gegenüber, den Friedrich als sog. „Lynarischen Plan“ am Petersburger Hof lancierte. Er enthielt in seinem Kern den Vorschlag, Österreich für eine Beteiligung am Krieg gegen die Osmanen mit polnischem Gebiet, das Lemberg und die Zips einschlösse, zu entschädigen. Für sich verlangte der Preußenkönig das Königliche Preußen, Ermland und die Protektion über Danzig. Russland möge sich als Kriegsentschädigung einen beliebigen Anteil von Polen nehmen.²¹⁸ Nach langwierigen preußischen und österreichischen Sondierungen am Petersburger Hof kehrte Prinz Heinrich also im Februar 1771 von seiner russischen Mission mit einer generellen Einwilligung der russischen Regierung zu einer beiderseitigen Annexion polnischer Territorien zurück. Friedrich II. ahnte jedoch, dass trotz der günstigen Gesinnung der Kaiserin noch große Schwierigkeiten für seinen Teilungsplan zu überwinden waren. Folgerichtig gefiel ihm der Gedanke, durch die Verhandlungen des Grafen von Hessen-Kassel mit den Konföderierten Vgl. Bömelburg, Zwischen Polnischer Ständegesellschaft, S. 209. Einen ausführlichen, wenn auch streckenweise tendenziösen Überblick zum Verlauf der ersten Teilung liefert Konopczyński, Pierwszy rozbiór Polski. Vgl. Müller, Die Teilungen Polens, S. 34 f.
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ein Mittel in der Hand zu behalten, das die Russen unter Umständen gefügig machen könnte. In diesem Sinne wurde auch seine Antwort an den unsicheren und um die polnische Krone bemühten Landgrafen verfasst. Er riet ihm, ohne das Anerbieten für den Augenblick anzunehmen, die Polen bei ihren günstigen Absichten zu erhalten, denn „les vicissitudes humaines peuvent amener des évènements inattendus et le Roi d’â présent peut venir à mourir“, und in solchem Fall würde er keinerlei Hindernisse sehen, warum der Landgraf den polnischen Thron nicht besteigen solle.²¹⁹ Diese Antwort legte Landgraf Friedrich als verklausulierte Zustimmung des Preußenkönigs zu seiner Kandidatur aus und ging eifrig daran, die ihm zugetanen Konföderierten für seinen diplomatischen Feldzug zu gewinnen. Die russischen Erfolge im Krieg gegen die Pforte und der erhoffte hessische Goldregen bestärkten immer mehr Konföderierte in ihrem Entschluss zu einer neuen Königswahl. Auf Anraten des weltgewandten italienischen Abenteurers Andrea Bollo, der die Mittlerfunktion zwischen Polen und Hessen übernahm, ließ die Konföderationsgeneralität ein Memorandum entwerfen, das Friedrich II., als den einzigen Freund Polens im Namen der polnischen Patrioten beschwor, die polnischen Wirren beizulegen und als Vorbedingung hierzu Stanisław August fallen zu lassen, worauf man einen den Preußen genehmen Herrscher wählen werde. Neuer König solle der Landgraf von Hessen-Kassel werden, den Friedrich II. mit seiner Sympathie beehrt habe. Als treuer dankbarer Freund Preußens werde der neue polnische Monarch einen vorteilhaften Handelsvertrag gewähren und mit ihm eine Allianz abschließen, die Rechte der Dissidenten sichern und sich durch Friedrichs II. Vermittlung mit Russland versöhnen. Sofort nach der schriftlichen Einwilligung des Königs von Preußen zu diesem Plan werde sich die ganze polnische Nation zu einer Generalkonföderation vereinigen und die Ruhe wiederherstellen.²²⁰ Ende August 1771 wurde dieses Schriftstück Friedrich II. überreicht, während er sich zu Manövern bei Breslau aufhielt. Als er im März dem hessischen Grafen geraten hatte, die Beziehungen zu den Konföderierten zu pflegen, war er noch ohne Kenntnis der Entwicklung seines Teilungsplans am Zarenhof gewesen, doch bereits wenige Tage später war eine Wendung zugunsten der preußischen Absichten eingetreten. So machte er nun eine abermalige
Politische Coresspondenz, Bd. 31, S. 5. Vgl. Memorandum an Friedrich II., König in Preußen, überreicht im Namen polnischer Konföderierten durch Ignacy Giedroyć, in: Forst-Battaglia, Eine unbekannte Kandidatur, S. 79 ff. Siehe dazu auch Politische Correspondenz, Bd. 31, S. 330; Martin Ernst von Schlieffen, Einige Betreffnisse und Erlebungen, Berlin 1830, S. 180 f.; Memorandum, in: BO, Manuscripta, 1581, Bl. 689 f.
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Kehrtwende, lehnte alle Vorschläge der Konföderierten ab und riet ihnen erneut, sich mit ihrem legitimen Herrscher Stanisław August zu vertragen.²²¹ Die preußische Ablehnung war nicht nur ein harter Schlag für den Landgrafen, der bis dahin keine Ahnung von den preußisch-russisch-österreichischen Polen-Plänen hatte, sondern vor allem für die in seine Königswahl engagierten Konföderierten. Ohne eine nachbarliche Unterstützung hatten sie keine ausreichenden Chancen mehr, die angestrebte Thronvakanz herbeizuführen. In einem verzweifelten Akt, der zur Posse geraten sollte, brachten sie sich um die letzten Sympathien an den Höfen Europas. Am Abend des 3. November 1771 wurde der Wagen Stanisław Augusts von mehreren maskierten Männern überfallen und in die umliegenden Wälder entführt. Hier verliefen sich jedoch die zur Bewachung bestimmten Konföderierten bis auf einen, der den entführten König gegen die Versicherung völliger Begnadigung morgens gegen vier Uhr auf das Schloss nach Warschau zurückbrachte. Hier wurde er unter vielen echten und weniger echten Freudentränen seiner Verwandten, Minister und Höflinge begrüßt. Der große Schlag der Konföderierten und ihres hessischen Verbündeten war kläglich gescheitert. In den „Warschauer Nachrichten“ wurde Kazimierz Pułaski, einer der Anführer der Konföderierten, als Urheber der „schwarzen Tat“ bezeichnet, die man dann den auswärtigen Höfen als einen beabsichtigten Königsmord darstellte, der mehr als alles andere geeignet sei, die wahren Pläne der Barer Konföderation zu enthüllen.²²² Moralisch als gescheiterte Meuchelmörder diskreditiert, durften die Konföderierten noch weniger als bisher auf offene Hilfe rechnen. Mit ihrer misslungenen Tat hatten sie die Krone auf dem Haupt Poniatowskis nur gefestigt. Die europäischen Monarchen und Philosophen, mit Voltaire an der Spitze, gerieten über den Angriff gegen den sonst nicht gerade hochgeschätzten polnischen König in große Aufregung und sahen in ihm ein Opfer, das für sein Eintreten für religiöse Toleranz bestraft werden sollte.²²³ Als einer seiner feurigsten Verteidiger trat dabei der Preußenkönig auf. Die Unmenschlichkeit der Konföderierten, schrieb er an Stanisław August, rechtfertige es, dass alle Mächte Europas sich vereinigen, um für das abscheuliche Verbrechen
Ebenda. Wiadomości Warszawskie (suplement), 16.11.1771. Vgl.Voltaire an Friedrich II., 06.12.1771, in: Correspondance de Voltaire avec le roi de Prusse, Paris 1889, S. 143 f. Mehr dazu bei Iwan-Michaelangelo D’Aprile, Universalismus und Pluralismus. Voltaires und Rousseaus Beiträge zu den Debatten um die Erste Polnische Teilung, in: Aufklärung zwischen Nationalkultur und Universalismus, hg.von Brunhilde Wehinger, Hannover 2007, S. 167– 178; Izabela Surynt, Postęp, kultura i kolonializm. Polska a niemiecki projekt europejskiego Wschodu w dyskursach publicznych XIX wieku, Wrocław 2006.
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eklatant Rache zu nehmen.²²⁴ Mit dieser Haltung wollte Friedrich II. gewiss nicht seine Solidarität mit dem polnischen König manifestieren. Für ihn war er eher ein Galanthomme, der mehr den Frauen als der Politik zugeneigt war.²²⁵ Mit dem feurigen Racheaufruf versuchte er vielmehr, die laufenden Teilungsverhandlungen sowie den von Preußen und Österreich gemeinsam beschrittenen Weg der Kompensationsansprüche in Polen-Litauen zu legitimieren. Nachdem Österreich im Sommer 1770 die von eigenen Truppen im Karpatenvorland besetzten Gebiete ausgeweitet hatte, besetzte auch Preußen als Faustpfand polnisches Territorium. Im September desselben Jahres verkündete Friedrich II. unter dem Vorwand des Schutzes vor der in Südpolen wütenden Pest die Errichtung eines „cordon sanitaire“, der den größten Teil des Königlichen Preußen vom restlichen polnischen Territorium abschnitt.²²⁶ Auf diese Weise wurde fast das gesamte Königliche Preußen mit Ausnahme der Region um Thorn in das preußisch besetzte Gebiet einbezogen.²²⁷ Die Zukunft der Konföderierten war damit so gut wie besiegelt. Der Preußenkönig, der potenziell als einziger in der Lage gewesen wäre, politischen Druck auf Russland auszuüben, um die Absetzung von Stanisław August zu bewirken, sah letztendlich mit Zufriedenheit zu, wie sich die Konföderierten international kompromittierten. Was ihn nun noch störte, waren die ehrgeizigen Thronambitionen des hessischen Vetters. Der politisch gewandte Landgraf hatte die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens jedoch schnell begriffen und versuchte, sich so rasch es nur ging, der störenden Bittsteller aus Polen zu entledigen. Um seinen Oheim in Potsdam zu beruhigen und seine treue Bindung an das Hohenzollernhaus zu beweisen, zog er seine Kandidatur für den polnischen Thron offiziell zurück, nachdem er noch kurz zuvor in Berlin hatte andeuten lassen, er werde die Polen zu einer Annahme der erzwungenen Abtretungen veranlassen können.²²⁸ Obendrein heiratete er im Januar 1773 Prinzessin Philippine von BrandenburgSchwedt, was die Verbindung zwischen dem Landgrafen und dem preußischen Monarchen zusätzlich stärkte. Interessanterweise erblickten die unermüdlich auf Vgl. Kopia odpisu króla imci pruskiego królowi imci polskiemu, 20.11.1771, in: BN, Materiały historyczne, 964, Bl. 1126. Ein paar Monate später,während einer Unterredung mit dem österreichischen Gesandten, hat Friedrich II. seine skeptische Haltung gegenüber Stanisław August noch einmal bekräftigt: „C’est un bon galant homme que le roi de Pologne, mais il a la tête faible et remplie d’idées romanesques.“ Politische Correspondenz, Bd. 32, S. 134. Erklärung des preußischen Königs vom 28.02.1771 über die notwendige Errichtung eines „cordon sanitaire“, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 1170, Bl. 676 f. Einmarschiert sind die preußischen Truppen auch in Großpolen, u. a. in Posen. Vgl. Kopia listu imci pana Zbijewskiego, in: BO, Manuscripta, 792/529, Bl. 549 f. Vgl. Forst-Battaglia, Eine unbekannte Kandidatur, S. 65.
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seine Kandidatur pochenden Konföderierten in dieser Vermählung erneut eine Bestätigung dafür, dass man am preußischen Hof an einer polnischen Thronfolge des Landgrafen festhalte.²²⁹ Noch Anfang Februar 1773, als Preußen, Österreich und Russland den endgültigen Teilungsvertrag längst geschlossen und die ihnen zugestandenen Gebiete in Besitz genommen hatten, erging eine schriftliche, vom konföderierten Marschall Marian Potocki unterzeichnete Aufforderung nach Kassel, in der eine „kategorische Antwort“ auf die Frage erbeten wurde, ob der Landgraf die Bewerbung um die polnische Krone erneuern wolle. In diesem Falle seien die Polen bereit, „Gut und Blut für einen so großen Reichsfürsten zu opfern“.²³⁰ Offensichtlich gehörte Potocki einer Gruppierung von Konföderationsführern an, für die die Teilungen eine kleinere Katastrophe für Polen-Litauen darstellten, als der Verbleib Stanisław Augusts auf dem polnischen Thron.²³¹ Aus diesem Grund waren sie entschlossen, die polnischen Territorien in die Waagschale zu werfen, um nur die polnische Krone vakant zu machen. Dieser hilflose Schritt verfehlte jedoch völlig seine Wirkung. Gerade in seiner Eigenschaft als Gatte einer preußischen Prinzessin und weil er die Absichten des Preußenkönigs besser kannte als die Konföderierten, lehnte der hessische Landgraf jede Erneuerung seiner Thronpläne ab. Parallel zu den direkten Verhandlungen mit dem hessischen Fürsten war eine Gruppe der Gegner Stanisław Augusts aus Großpolen, unter Führung der Fürstenfamilie Sułkowski, bestrebt, günstigere Bedingungen zu erzielen, um den Landgrafen als den künftigen König von Polen zu erhalten. Sie versuchte mit Hilfe Benoîts, aber ohne Mitwissen Friedrichs II., eine neue Konföderation vorzubereiten.²³² Das Echo dieser Bestrebungen hallte allerdings nicht bis nach Kassel, Vgl. Teofila z Jabłonowskich Sapieżyna, Z pamiętnika konfederatki, S. 154 und 172. Zit. nach Forst-Battaglia, Eine unbekannte Kandidatur, S. 68. Auch Mostowski wollte den Plan nicht aufgeben. Noch im Mai 1773 bat er Friedrich II. um eine Audienz, um ihm die ThronAngelegenheit näher zu bringen. Informationen dazu in: GStA, I. HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen, Nr. 9 e 44, Bl. 68. Ähnliche Einstellungen vertrat auch der Woiwode von Krakau, Antoni Lubomirski. In einem Brief an Bischof Krasiński von 1771 beklagte er, dass es das größte Unglück für Polen wäre, wenn der „Tyrann“ Poniatowski den Thron behalten würde und wenn das einzige Ergebnis der Konföderation die Zerstörung und der Tod von einigen Tausend Menschen sein sollte. Zit. nach Źródła odnoszące się do pierwszego okresu panowania Stanisława Augusta po rok 1773, Tom dodatkowy, hg. von Henryk Schmitt, Lwów 1884, S. 158. Fürst August Sułkowski war bestrebt, in Lissa (Leszno) ein Bündnis zu gründen, das sich zum Ziel setzen sollte, sowohl das Königliche Preußen als auch einige westliche Woiwodschaften von Polen zu trennen, um sie dann unter die Herrschaft des Preußenkönigs zu stellen. Vgl. Walerian Kalinka, Ostatnie lata panowania Stanisława Augusta, Poznań 1868, S. 162; Pamiętniki pułkownika d‘Aloy rezydenta sasko-kurlandzkiego, in: Przewodnik Naukowy i Literacki, 24 (1896), S. 1079.
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sondern nur bis Berlin, wo der Preußenmonarch Benoît jede Unterstützung des beabsichtigten Aufruhrs strikt verbot.²³³ Somit waren der jahrelang gehegte Plan und die großen Hoffnungen zahlreicher Konföderierter, einen preußischen Kandidaten auf den polnischen Thron zu setzen oder mit Preußens Beistand ihren Kampf zu gewinnen, endgültig gescheitert. Zu spät ließen sich die ersten warnenden Stimmen unter den Konföderierten vernehmen. Erst im Mai 1772, als die Teilungsverhandlungen zwischen den „drei Schwarzen Adlern“ nahezu abgeschlossen waren, verteilte Wielhorski unter den am französischen Hof akkreditierten Gesandten ein Memorandum, in dem er die verheerende Politik Preußens gegenüber Polen-Litauen tadelte und vor einem „preußischen Komplott“ mit Russland warnte.²³⁴ Mit seinem Appell blieb Wielhorski aber eine Ausnahme.²³⁵ Obwohl Friedrich II. spätestens seit 1771, als er der russischen Zustimmung zur Teilung Polens sicher sein konnte, ganz offen gestand, „an den Polen ist mir eben nicht viel gelegen“,²³⁶ dominierte während der ganzen vierjährigen Konföderationszeit ein beinahe durchgehendes positives Preußenbild.²³⁷ Sicherlich war es keine einheitliche und für den ganzen polnisch-litauischen Staatsverband gültige Wahrnehmung. Allein auf den Gebieten, auf die sich der preußische Kordon erstreckte und wo es immer wieder zu Plünderungen von
Vgl. Rudziański, Stanisław August w pierwszym okresie, S. 110; Politische Correspondenz, Bd. 33, S. 51 und 119. Der Text des Memorandums befindet sich in: Źródła odnoszące się do pierwszego okresu, S. 184 ff. Bekannt ist auch eine Schrift von 1773, in der ein Anhänger der Konföderation über die Teilungsabsichten des Preußenkönigs berichtet: „Relacyja o początku króla pruskiego względem teraźniejszego zamierzenia w Europie“, in: BN, Materiały historyczne, 6662, Bl. 36 f. Eine deutlich negativere Stellungnahme zu Preußen formulierte das königliche Lager. In mehreren Berichten an den polnischen König wird über das gewalttätige Vorgehen Preußens gegen die Konföderierten informiert sowie darüber, dass unter den Konföderierten kein durchgehend positives Preußenbild dominiere. Siehe dazu den Bericht von Husarzewski, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 704, Bl. 336 und 344 sowie den Bericht von Dwiernicki, in: Ebenda, 660, Bl. 263. Eine zumindest preußenskeptische Einstellung vertritt auch das anonyme Flugblatt „Pro memoria od dobrego obywatela“, in: BO, Manuscripta, 1409, Bl. 585 – 589. Der ehemalige Konföderierte und seit 1771 Gesandte des polnischen Königs in Berlin, Franciszek Antoni Kwilecki, warnte bereits im März 1772, dass sich Preußen auf eine Teilung Polens vorbereite. Vgl. dazu seinen Bericht in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 849, Bl. 518. Vertiefend dazu Jerzy Michalski, Dyplomacja Polska w latach 1764– 1795, in: Historia dyplomacji polskiej, hg. von Zbigniew Wójcik, Bd. 2, Warszawa 1982, S. 543 f.; Andrzej Kamieński, Prusy wobec konfederacji barskiej i geneza pierwszego rozbioru Polski, in: Studia Humanistyczno-Społeczne Akademii Świętokrzyskiej, 1 (2005), S. 46 f. Politische Correspondenz, Bd. 31, S. 613. Vgl. Kamieński, Polityka Polska Fryderyka II, S. 325 f.; Źródła odnoszące się do pierwszego okresu, S. 162.
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polnischen Höfen oder Zusammenstößen zwischen den preußischen und den konföderierten Truppen gekommen war, wurde ein viel differenzierteres Preußenbild gezeichnet.²³⁸ Nicht selten galt Friedrich II. hier als Verfolger und Unterdrücker der Konföderierten und als Hauptursache sowohl ihres als auch generell des polnischen Untergangs.²³⁹ Ausdauernder und durch preußische Annexionsansprüche oder Ausbeutungen kaum abzuschreckender Anhänger Preußens blieb indes die Generalität. Aufgrund ihrer bis zuletzt gehegten Hoffnung auf die französisch-preußische Allianz, so die These von Jerzy Michalski, habe sie sich durchgängig bereit gezeigt, eine preußenfreundliche Stimmung zu erzeugen und zu pflegen.²⁴⁰ Einen idealen Nährboden für die Ausbreitung und Aufrechterhaltung ihrer Sympathie für Preußen schaffte sicherlich auch die liberale Haltung der preußischen Verwaltung gegenüber den Ex-Konföderierten. Immer wieder ließen sich aus dem Kreis der konföderierten Marschälle Berichte vernehmen, wie gnädig und freundlich die auf das polnische Terrain vorgerückten preußischen Truppen mit den flüchtigen Konföderiertenkämpfern umgingen.²⁴¹ Sogar Bischof Krasiński entschloss sich kurzerhand, in Schlesien Zuflucht vor den russischen Verfolgern zu suchen. In der festen Überzeugung, dass die Union der Teilungsmächte nicht von langer Dauer sei, Preußen in Verbindung mit Frankreich in absehbarer Zeit die Konföderation unterstützen sowie die Österreicher und Russen aus PolenLitauen verjagen werde, ermunterte er gleich die ganze Generalität dazu, seinem Beispiel zu folgen und auf preußisches Territorium überzusiedeln.²⁴² Viele der Konföderationsmarschälle folgten seinem Ratschlag und ließen sich mit ihren Mehrere Briefe und Klagen über das feindliche und ausbeuterische Verhalten der preußischen Armee auf dem polnischen Territorium findet man in: AGAD, Zbiór Popielów, 345, Bl. 396 – 403. Siehe dazu auch Krótki pamiętnik A. Hulewicza, konfederata barskiego, in: Kazimierz Pułaski, Szkice i poszukiwania historyczne, Kraków 1906, S. 380. Vgl. AGAD, Zbiór Popielów, 345, Bl. 525, 556, 573; Politische Correspondenz, Bd. 30, S. 280, 437, 476, 614, 705 f, 738, 739 sowie Bd. 31, S. 199 und 201. Siehe dazu auch Stanislas Auguste, Mémoires, S. 364. Vgl. Jerzy Michalski, Schyłek Konfederacji Barskiej, Wrocław 1970, S. 103; siehe dazu auch Gaetan Raxis de Flassan, Frankreichs Benehmen bei der ersten Teilung von Polen im Jahre 1772, in: Minerva, 1 (1812), S. 1– 16. An kritischen Stimmen unter den Konföderierten gegenüber Frankreich hat es aber auch nicht gefehlt. Seit 1771 verstärkte sich die Überzeugung, Frankreich habe sie „in ein Labyrinth“ geführt. Hinweise darauf in: Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 39/61, S. 398. Im Sommer 1772 berichteten Jezierski und Morawski an Karol Radziwiłł, dass die Preußen überall, wo sie den Konföderierten begegnen, sie sehr freundlich behandeln. In: AGAD, Archiwum Radziwiłłów, 6076, Bl. 57– 59, 108 – 113 und 9994. Vgl. Brief an Ogiński, 29.07.1772, in: Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 39/61, S. 281; Michalski, Schyłek Konfederacji Barskiej, S. 104.
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Familien in Schlesien zumindest zeitweise nieder.²⁴³ Dort fand auch der angebliche „Königsmörder“ und spätere Kämpfer im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, Kazimierz Pułaski, Asyl²⁴⁴, was Anlass zu dem phantasievollen und populären Gerücht gab, wonach Pułaski in Berlin weile und beim Preußenkönig zur Tafel sitze.²⁴⁵ Von Preußen nicht minder überzeugt zeigte sich gegen Ende des Aufstands auch der legendäre Konföderationskämpfer und letzte Marschall von Großpolen Józef Zaremba. Als dieser von den preußischen Truppen verfolgt wurde, wandte er sich im Frühling 1771 um Hilfe an den Preußenkönig und versicherte dabei, dass er mit diesem Schreiben nur eine gutnachbarliche Beziehung im Sinne habe.²⁴⁶ Friedrich, über die Heldentaten des Konföderiertenführers bestens informiert, antwortete gutmütig und empfahl ihm herzlich, sich mit dem König zu versöhnen und den Russen zu unterwerfen. Dieses Antwortschreiben des Preußenmonarchen soll einen großen Einfluss auf Zarembas weiteres Verhalten gehabt haben, denn er verteilte Abschriften unter den Konföderierten und versuchte sie damit von der Vergeblichkeit des weiteren Kampfes zu überzeugen.²⁴⁷ Anschließend stellte er – den Ratschlägen Friedrichs folgend – seine verbliebenen Truppen dem polnischen König zur Verfügung; bis auf jene Soldaten die er an preußische Regimenter verkaufte.²⁴⁸ Von all diesen Sympathiebekundungen zeigte sich Friedrich II. wenig beeindruckt. Im Gegenteil, ausgerechnet Pułaski und Zaremba ließ er als Protagonisten in seinem satirischen Heldengedicht „La guerre des confédérés“ auftreten, in dem er die Konföderation von Bar dem Spott und der Verachtung preisgab. Am 18. November 1771 schickte er Voltaire als „Probe“ die beiden ersten Gesänge Vgl. Politische Correspondenz Bd. 31, S. 613 f.; ein anonymer Bericht vom 04.07.1772, in: Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 39/61, S. 266. Vgl. Chodźko, Żywot Kazimierza na Pułaziu, S. 125; Antoni Lenkiewicz, Kazimierz Puławski (1745 – 1779), Wrocław 2010, S. 103. Vgl. Anonymer Brief aus Bielsk, 08.08.1772, in: Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 39/61, S. 293. Der Brief von Zaremba an Friedrich II.vom Frühling 1771, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen, Nr. 9 e 44, Bl. 49. Vgl. Pamiętniki do panowania Augusta III i Stanisława Augusta z rękopisu X. Andrzeja Kitowicza, hg. von Antoni Woykowski, Poznań 1840, S. 225. Die Mittlerfunktion zwischen Zaremba und dem preußischen Hof übernahm der gleichnamige preußische Generalmajor Michael Konstantin von Zaremba-Kalinowa, der den polnischen Konföderierten auch über die russischpreußischen Pläne gegenüber Polen informierte. Siehe dazu Pamiętniki do panowania Augusta III, S. 87. Viele der Soldaten haben sich auch freiwillig bei den preußischen Truppen gemeldet, weil ihre konföderierten Führer sie nicht mehr bezahlen konnten.Vgl. dazu den anonymen Bericht vom 10.05.1772, in: Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 39/61, S. 200.
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des den religiösen Fanatismus der Polen verspottenden Epos’, das er dem amtierenden Papst Clemens XIV. widmete. Im Begleitbrief spricht er über die Umstände, unter denen das Werk entstanden ist. Er habe einen sehr heftigen Gichtanfall gehabt; Hände und Füße seien ihm wie geknebelt gewesen. „Kaum aber hatte ich die Bewegungsfreiheit meiner rechten Hand wiedererlangt, als mir der Gedanke kam, Papier zu bekritzeln, nicht um das Publikum und Europa,welches seine Augen sehr offen hält, aufzuklären und zu unterrichten, sondern um mich zu amüsieren. Nicht die Siege Katharinas habe ich besungen, sondern die Torheiten der Konföderierten; der Scherz passt besser für einen Rekonvaleszenten als die Herbheit des majestätischen Stils […]. Die Unterwerfung der Moldau, Walachei und Tartarei müssen in einem anderen Tone besungen werden als die Dummheiten eines Potocki, Krasiński, Oginski und jener ganzen imbezilen Menge, deren Name auf ki endigt.“²⁴⁹
4. Gräfin Skórzewska – ein „Phänomen“ am preußischen Hof Gleichwohl hegte Friedrich II. nicht gegen alle Konföderierten tiefe Verachtung. Eine rühmliche Ausnahme stellte etwa die Gräfin Marianna Skórzewska, geb. Ciecierska dar. Diese „junge, schöne und reiche Polin“ ist schnell zu einem willkommenen Gast an der Spree geworden, den „der König ebenso wie die Königin immer mit äußerster Gunst empfangen haben“, schreibt Preuß in seinem Vorwort zu den „Œuvres de Frédéric le Grand“.²⁵⁰ Die in der Gunst Friedrichs stehende Gräfin, deren Ehemann als General im Dienste der Konföderation stand, wurde, wie oben bereits angedeutet, rasch mit der Aufgabe betraut, zwischen der Generalität und dem preußischen Königshaus zu vermitteln. Sie sollte helfen, den Preußenkönig auf die Seite der Konföderierten zu ziehen. Was konkret von ihr
Œuvres de Frédéric le Grand, hg. von Johann David Erdmann Preuß Bd. 1– 31, Berlin 1846 – 1857, hier Bd. 23, S. 232. Obwohl Friedrich 1773 sein satirisches Epos dem Gesandten in Petersburg mit dem Auftrag übersandte, es der Kaiserin und dem Petersburger Hof vorlesen zu lassen, lehnte er die Aufforderung Voltaires, das Werk doch drucken zu lassen, mit der Begründung ab: „Es ist darin von vielen Personen die Rede, die noch leben, und ich darf und will niemanden verletzen.“ Œuvres de Frédéric le Grand, Bd. 23, S. 361. Deutsche Übersetzung zit. nach Georg Peiser, Über Friedrichs des Großen burleskes Heldengedicht „La guerre des confédérés“, in: Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen, 18 (1903), S. 164. An diesem Entschluss hat er auch in der Folgezeit festgehalten. Das religionskritische und antipolnische Heldengedicht ist erst nach dem Tod Friedrichs als Supplement zu seinen Œuvres posthumes veröffentlicht worden. Auf Deutsch wurde es erst 1922 von Eberhard König unter dem Titel „Zaremba und Pulawski: ein satirisches Heldengedicht auf die edlen Polen m. e. Widmung an Seine Heiligkeit Papst Clemens XIV.“ veröffentlicht. Œuvres de Frédéric le Grand, Bd. 20, S. III.
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erwartet wurde, führte Bischof Krasiński in einem Brief an sie vom November 1768 aus: „Wir, Marschälle der Konföderation, über die guten Beziehungen von Frau Skórzewska geb. Ciecierska zum König von Preußen sowie über ihren großen Kredit bei demselben informiert, empfehlen ihr, dass sie die Interessen der Konföderation bei diesem König vertreten wolle. […] Möge sie ihm alle Gewinne von unserer Seite versprechen […]. Dies wären insbesondere die Abtretung von Kurland und Lettgallen und abschließend die Unterzeichnung eines Offensiv- und Defensivvertrags.“²⁵¹
Die gescheite Gräfin hat sich hingebungsvoll der anvertrauten Mission gewidmet und versuchte „avec charme“ Friedrich für die Konföderation zu gewinnen. In mehreren Briefen an ihn, die leider nicht erhalten geblieben sind²⁵², muss sie anhaltend auf dieses Thema eingegangen sein, denn der Preußenkönig war in beinahe jeder Antwort bemüht, ihr in einem väterlichen Ton zu erklären, dass die Konföderierten auf verlorenem Posten stehen und dass sie sich aus der ganzen Angelegenheit besser zurückziehen solle.²⁵³ Dem königlichen Rat ist sie letztendlich auch gefolgt. In ihrem Antwortschreiben an Krasiński schildert sie eingehend, warum Friedrich II. keine Chancen für den Erfolg der Konföderation sieht, und fügt selbstsicher hinzu, dass der „gnädige Herrscher“ und sie der Meinung seien, es sei bereits zu spät, die Russen schlagen zu wollen.²⁵⁴ Trotz dieser distanzierten und skeptischen Stellungnahme hörte Skórzewska nicht auf, für die Sache der Konföderation von Bar bei der preußischen Regierung zu werben. Vor allem setzte sie sich für die, bei den Zusammenstößen mit preußischen Husarenpatrouillen, gefangengenommenen Konföderierten ein, die größtenteils zwangsweise als Rekruten in die preußische Armee eingereiht wurden. Mit ihren Hilfeersuchen wandte sie sich zunächst und zumeist an Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhoff, mit dem sie eine enge und jahrelang anhaltende Freundschaft verband. Allen voran ist es auch ihr zu verdanken, dass sich das vom Geheimen Kriegs- und Domänernat Brenkenhoff verwaltete Driesen zu einem der populärsten, sichersten und geselligsten Zufluchtsorte für die ver-
Zit. nach Skałkowski, Wybiciana, S. 239 f. Vgl. auch Archiwum Wybickiego, Bd. 1, S. 5 f. Eine Kopie des Briefes von Skórzewska an Friedrich II. vom 04.10.1768, in dem sie die Angelegenheit der Konföderierten anspricht, befindet sich in: PAU, Rękopisy, 1145, Bl. 398. Siehe die Briefe von Friedrich an Skórzewska in: Œuvres de Frèdèric le Grand, Bd. 25, S. 663 – 678, hier S. 668. Marianna Skórzewska an Bischof Krasiński (undatiert), in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 941, Bl. 619 – 626. Siehe dazu auch den Brief von Skórzewskas Mann, Franciszek Skórzewski, an den Bischof Krasiński (undatiert), in: Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 90/61, S. 249.
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folgten oder flüchtigen Konföderierten entwickelte. „Den 27sten war ein großer Ball bei dem Generalleutnant von Skórzewski, welche Lustbarkeit aber durch die unvermuthete Unpässlichkeit der Frau Generalin getrübt wurde, einer ausnehmend artigen, leutseligen und wegen ausgebreiteter Wissenschaften längst berühmten Dame, nur etwas unterbrochen wurde.“²⁵⁵ Brenkenhoffs Worten zufolge spielte die „mit Leib und Leben preußisch gesinnte Gräfin Skórzewska die erste Rolle“ in Driesen und immer, wenn ein Konföderierter von höherem Rang in Haft geriet, machte er ihr „ein Präsent mit ihm“. Sie soll dann ganz froh gewesen sein, die Gefangenen vor dem sicheren Tod gerettet zu haben.²⁵⁶ Die hilfsbereite Gräfin reagierte zudem nicht undankbar auf diese preußischen Gefälligkeiten. Aufgrund ihrer beachtlichen Position am preußischen Hof und ihrer zahlreichen Verbindungen in Warschau machten ihr, wie August Gottlieb Meißner in seiner Brenkenhoff-Biografie von 1782 behauptet, „alle Konföderationsmarschälle die Aufwartung, sie bewarben sich um ihre Freundschaft und entdeckten ihr alle ihre Entwürfe. Ja selbst die Fürstin von Litauen wünschte sich ihren Umgang und besuchte sie in Driesen; und täglich konnte man bei ihr die größten Männer, die an den Steuerrudern von Polen saßen, antreffen.“²⁵⁷ Direkt durch sie oder dank ihrer Vermittlung erfuhr Brenkenhoff „die Geheimnisse von Warschau, auch oft von Petersburg und die Gesinnungen der Konföderationsmarschälle, von allen diesen erstatte er dann an seinen Souverain Bericht, und dieser nutze es zu seinen Plänen aufs ersprießlichste.“²⁵⁸ Die polnische Gräfin als Agentin Friedrich II.? Offenbar gehörte Skórzewska der antirussischen und dem polnischen König feindlich gesinnten Parteiung an, die Polens Zukunft an der Seite Preußens sah. Die intellektuellen Konföderierten aus dem Umkreis des Bischofs Krasiński, so Arkadiusz Michał Stasiak in seiner diskursiven Analyse über den Patriotismus der Barer Konföderierten, lehnten ihr Staatskonzept stark an die Doktrin von John Locke an. Ähnlich dem englischen Empiristen seien sie davon ausgegangen, dass die Staatshoheit nicht beim Staat, sondern beim (Adels‐)Volk liege. Leben, Freiheit und Eigentum seien unveräußerliche Rechte jedes Adligen und Zweck des Staates sei es, diese Rechte zu schützen. Kann oder will der Staat sie nicht schützen, stehe es jedem frei, sich einer anderen Regierungsmacht zu unterstellen.²⁵⁹ Wenn man außerdem bedenkt,
Lengnich, Die Schicksale der Polnischen Dissidenten, Bd. 3, S. 547. Schwartz, Brenkenhoffs Berichte, S. 29 f. August Gottlieb Meißner, Leben Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhoff, Königl. Preuß. geheim. Ober-Finanz-Kriegs- und Domainenrath, Leipzig 1782, S. 67. Ebenda, S. 68. Vgl. Arkadiusz Michał Stasiak, Patriotyzm w myśli konfederatów barskich, Lublin 2005, S. 106 – 111.
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dass die preußischen Patrouillen auf der Suche nach Rekruten, Proviant oder anzuwerbenden Kolonisten auch Skórzewskas an Preußen grenzende Ländereien regelmäßig durchstreiften²⁶⁰, verwundert es vielleicht noch weniger, warum sie sich oftmals in die Dienste des Preußenkönigs stellte. Ein anderer Grund war sicherlich ihr Mann. Als General der Konföderation, über deren Aussichtslosigkeit Skórzewska von Friedrich II. früh in Kenntnis gesetzt worden war, lief er Gefahr, von Russland verfolgt und vom polnischen Hof verbannt zu werden. Ein Schulterschluss mit Preußen konnte der konföderierten Familie Skórzewski gewiss helfen, ihr Ansehen und ihre Position in Polen zu bewahren. Da der Preußenkönig von Anfang an nicht nur der Generalin, sondern auch ihrem Gemahl abgeraten hatte, sich in den Wirren der Barer Konföderation zu engagieren, waren die Skórzewski vorsichtig geworden und fragten zuerst Friedrich nach seiner Meinung, als dem General der Posten eines Konföderationsmarschalls angeboten wurde. Ohne die Marschälle und deren insgeheim missbilligte Führung zu schmähen, dafür aber mit einer gehörigen Portion Ironie, wünschte Friedrich dem eifrigen General so viel Glück in der Politik wie seiner Frau in der Philosophie.²⁶¹ Mit anderen Worten: Er möge sich ein Beispiel an seiner Frau nehmen und die preußische Gefälligkeit seiner Familie gegenüber nicht aufs Spiel setzen. Daraufhin hat Skórzewski die Rangerhöhung nicht angenommen und sich bald darauf ganz aus dem Konföderationsgeschehen zurückgezogen. Die königliche Anspielung auf Skórzewskas philosophische Fortschritte war dabei kein Zufall. Bereits im Februar 1767 schrieb Friedrich an Voltaire: „Es weilt hier eine polnische Gräfin. Sie heißt Skórzewska und ist sehr wohl eine Art von Phänomen. Diese Frau weist nämlich eine enorme Vorliebe für die Wissenschaft auf. Sie kann Latein, Griechisch, Französisch, Italienisch und Englisch. Alle klassischen Autoren hat sie in diesen Sprachen gelesen und scheint diese sehr gut zu kennen. Eine benediktinische Seele bewohnt ihren Leib und dennoch hat sie viel Witz. Ihr einziges Problem ist ihr Französisch, das sie noch nicht so gewandt einsetzten kann wie ihre Intelligenz. Aus meiner Empfehlung kannst du raten, wie gut sie hier empfangen wurde. Diese Polin kann logisch reden und explizieren. Es ist erstaunlich, dass sie sich das alles selbst und ohne jede Beihilfe angeeignet hatte. Seit drei Wintersaisons trifft sie sich mit den Berliner Gelehrten und gibt sich ganz ihrer Bildungsleidenschaft hin. Ich führe sie den hiesigen Frauen als Beispiel vor, zumal sie hier viel leichteren Zugang zur Bildung hätten als es in diesem Polen möglich ist.“²⁶²
Es muss wohl als bedeutungsvoll gelten, wenn der in seiner Einstellung Frauen gegenüber als kritisch geltende Friedrich Voltaire seine Eindrücke von Skórzewska
Politische Correspondenz, Bd. 30, S. 378. Vgl. Wybicki, Życie moje, S. 92. Œuvres de Frèdèric le Grand, Bd. 23, S. 140 f. (Übersetzung der Autorin).
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als „d’une espèce de phénomène“ schildert. Wer war nun eigentlich diese polnische Gelehrte, die zwischen den Konföderierten und dem preußischen Monarchen vermittelte und Zugang zur Berliner Gelehrtenrepublik suchte? Marianna Skórzewska wurde am 6. Dezember 1741 in die alte und wohlhabende Adelsfamilie Ciecierski in Gollanz (Gołańcz) bei Posen hineingeboren. Als sie sechs Jahre alt war, erkrankte sie lebensgefährlich, was ihre verzweifelte Mutter veranlasste, das im Sterben liegende Einzelkind dem „wundertätigen Jesus von Exin (Kcynia)“ anzuvertrauen. Auf „wundersame Weise“ genesen, begann Marianna ihre Ausbildung im örtlichen Karmelitenkloster.²⁶³ Doch ihre Bildungsphase dauerte nicht lange, denn bereits mit 14 Jahren wurde sie „für große Landgüter in die Ehe geschickt“.²⁶⁴ Die Wahl fiel auf den fast 30 Jahre älteren und nicht minder wohlhabenden Grafen und General im polnischen Heer, Franciszek Skórzewski, Besitzer der benachbarten Herrschaft Margonin. Als seine Gemahlin ihm als Mitgift einen Anteil der Labischiner Herrschaft (Łabyszyń), die einen beträchtlichen Umfang hatte, in die Ehe mitbrachte, fand Graf Skórzewski die übrigen zahlreichen anderen Anteilseigner ab, so dass das Ehepaar nunmehr neben den Margoniner noch die Labischiner Güter mit einem Gesamtumfang von etwa 250 Quadratkilometern allein besaß und dadurch bald zu einer der reichsten Adelsfamilien Polens aufstieg. Zu ihrer Residenz wählten die frisch Vermählten das in einem großen Park gelegene Palais in Margonin, das zwar noch heute erhalten ist, aber im 19. Jahrhundert im neugotischen Stil bis zur Unkenntlichkeit umgebaut wurde. Die junge Generalin entwickelte sich schnell zu einer angesehenen Dame, die die polnischen Höfe durch ihre Schönheit und ihren Charme bezauberte. „In ihrer körperlichen Anmut“, erinnert sich Józef Wybicki, „zeichnete sich die Schönheit der alten Griechinnen ab. Sie besaß auch deren Witz, von dem die feurigen Augen und der gewandte Mund Zeugnis ablegten.“²⁶⁵ Gemäß der damaligen Mode hat sie sich auch als Dichterin versucht. Bis heute sind einige ihrer in Rokokomanier verfassten Liebesgedichte erhalten geblieben, in denen sie die Kraft ihrer Liebe zu einem benachbarten Starosten beschwört.²⁶⁶ Ob sie diese poetischen Versuche ihren zahlreichen Gästen im Margoniner Schloss jemals präsentiert hat, ist nicht bekannt. Überliefert ist lediglich, dass Gräfin Skórzewska ihren Residenzort zu einem beliebten intellektuellen Treffpunkt entwickelte, der frequentiert wurde von „Mathematikern, Schriftstellern und Ausländern, die sie Alojzy Szudrowicz, Karmelici w Kcyni (1612– 1835). Rola zakonu w życiu miasta i okolicy, Bydgoszcz 2001, S. 231. Wybicki, Życie moje, S. 34. Ebenda, S. 89. Vgl. Archivmaterialien von Skórzewska in: BO, Manuscripta, 10482, Bl. 166 f.
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an sich band, indem sie sie mit Gold bezahlte“.²⁶⁷ Von kulturellen und wissenschaftlichen Interessen geleitet, legte sie mit großem Aufwand eine fast 330 Werke umfassende Privatbibliothek an, die unter anderem Werke von Bacon, Locke, Leibniz, Newton, d’Alambert und Montesquieu enthielt.²⁶⁸ Aus der einseitigen und kurzen Klosterausbildung resultierte ihr Mangel an systematischem Wissen, der ihr, gerade weil sie hochbegabt war, ständig schmerzlich bewusst gewesen sein muss. Durch die Lektüre von wissenschaftlichen Werken und dank der Besuche von internationalen Gelehrten bildete sie sich im Selbststudium weiter und versuchte, ihre Wissenslücken zu füllen. Schon bald hegte die aufgeklärte Autodidaktin aber höhere Ambitionen, als eine Bibliothek aufzubauen, Diskussionen mit bezahlten Gelehrten zu führen oder sich der Bücherlektüre in der polnischen Provinz zu widmen. Das kulturelle und wissenschaftliche Leben entfaltete sich in den Großstädten und nicht auf dem Land.²⁶⁹ Um die Person des neu gewählten Königs Stanisław August entstand zwar ein intellektuelles, aufgeklärtes Zentrum, doch diese Gruppe blieb vorerst klein und ihr Aktionsradius beschränkte sich auf Warschau bzw. auf Universitätsstädte wie Krakau oder Wilna. In der Adelsgesellschaft in der Provinz dominierte dagegen zumeist das konservative und stark religiös geprägte Denken des Spätbarocks.²⁷⁰ Für die, über das intellektuelle Niveau der Provinz weit erhabene Marianna Skórzewska, die sich für die Errungenschaften der Aufklärung interessierte, bot das Landleben daher kaum Entwicklungsmöglichkeiten. Nach der Geburt von zwei Töchtern entschloss sich die gesundheitlich stark geschwächte Wissbegierige daher, in Berlin nach ärztlicher Hilfe zu suchen und bei dieser Gelegenheit an Ort und Stelle ihren wissenschaftlichen Interessen nachzugehen, wohl wissend, dass der Weg zur Berliner Kultur- und Wissenschaftswelt nur über den preußischen Hof führte. Als bekannte und bekennende Verehrerin Friedrichs II. und bedeutende polnische Gräfin hatte sie freilich kaum Schwierigkeiten, das „entré billet“ zum Königshaus zu bekommen. Seit den Schlesischen Kriegen und nach dem „Mirakel des Hauses Brandenburg“ verbreitete sich der Ruhm Friedrichs II. weit über Preußen und die Grenzen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation hinaus. An vielen
Wirydianna Fiszerowa, Dzieje moje własne, Warszawa 1998, S. 56. Vgl. Ryszard Nowicki, Skórzewscy właściciele dóbr łabiszyńskich. Rola w życiu społecznopolitycznym wielkopolskiego ziemiaństwa, Toruń 2002, S. 34. Siehe dazu Jerzy Wojtowicz, Miasta epoki oświecenia, ich rola w rozwoju kultury, in: Polska w epoce oświecenia: państwo, społeczeństwo, kultura, hg. von Bogusław Leśnodorski, Warszawa 1971, S. 213 – 234. Vgl. Ebenda, S. 224; Władysław Smoleński, Przewrót umysłowy w Polsce wieku XVIII. Studia historyczne, Kraków 1891.
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europäischen Höfen glorifizierte man den König von Preußen als einen einzigartigen Herrscher, der im Geist der Aufklärung zu regieren wisse. Zu diesem Verehrerkreis gehörte sicherlich auch Marianna Skórzewska. „Anstößig“ und „unverständlich“ bezeichnet ihre Nichte den Kult, den Skórzewska um den „roi philosophe“ entwickelt habe. Sie soll sogar angefangen haben, Tabak zu schnupfen und öffentlich bekannt haben, sie tue dies lediglich aus Verehrung für den Preußenkönig.²⁷¹ Von Friedrich fasziniert und sich nach Horizonterweiterung sehnend kam Marianna Skórzewska im Februar 1765 das erste Mal in die preußische Hauptstadt. Die „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen“ berichteten: „Ihro Exzellenz, die Frau Gräfin von Skorzewska, trafen am 1sten dieses Monats, aus Großpolen, um wegen Unpässlichkeit, Sich curieren zu lassen, allhier ein. Es haben Selbige die Gnade gehabt, sowohl bey Ihro Majestät, der Königin, als auch der Prinzessin von Preußen, Prinzessin Heinrich, und Ferdinand Königliche Hoheiten, ihre Cour zu machen.“²⁷²
Über ihren Aufenthalt in Berlin weiß man allerdings wenig Konkretes. Außer etlichen Briefen von Friedrich II. und anderen Mitgliedern der Königsfamilie an die polnische Gräfin und einzelnen Erwähnungen in Tagebüchern und Erinnerungen der Berliner und Potsdamer Hofgäste existiert so gut wie kein aufschlussreiches Dokument über Skórzewskas Aktivität in der preußischen Hauptstadt und über ihr Verhältnis zum Preußenkönig. Bekannt ist nur, dass sie nicht durch „Reize und Charme ihres Geschlechts, sondern durch ihren Witz und Geschmack in der Literatur“ die Sympathie Friedrichs II. gewonnen haben soll.²⁷³ Bald wurde der Name der polnischen Gräfin „in Berlin allgemein bekannt“. Während sie „beim Hof und unter den Gelehrten dank ihrer angenehmen Art und ihrer Talente geschätzt wurde, fiel sie in der Öffentlichkeit vor allem durch ihren prachtvollen Stil auf, mit dem sie in diesem ökonomisch bedachten Land lebte und mit dem sie ihren hiesigen Haushalt führte.“²⁷⁴ In der preußischen Metropole nutzte Skórzewska ihre finanzielle Freiheit, um die Vergnügen der gesellschaftlichen Zerstreuung wie Bälle und Karneval zu erlernen und sich gleichzeitig unbekümmert den mathematischen und physikalischen Studien widmen zu können. Die luxuriöse Residenz der lebenslustigen und wissbegierigen Gräfin, deren Sitz sich wahrscheinlich in der Friedrichstraße befand, zog sowohl verarmte Gelehrte
Fiszerowa, Dzieje moje własne, S. 56. Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 12.02.1765. Wybicki, Życie moje, S. 84; Teodor Żychliński, Złota księga szlaczty polskiej, rocznik IV, Poznań 1882, S. 289. Wybicki, Życie moje S. 88.
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und Künstler als auch führende Adelsfamilien und Intellektuelle Berlins an, wie z. B. Jean Henri Samuel Formey.²⁷⁵ Das Umfeld, in welchem sich die Gräfin bei ihrem langen winterlichen Aufenthalt in Berlin bewegte, bestand neben der Tafelrunde des Königs und der Königin vor allem aus der Königsfamilie und der Hofgesellschaft. Im Januar 1767 soll sie „fast täglich“ bei der Königin gespeist haben²⁷⁶, wo sie offenbar des Öfteren dem Thronfolger Friedrich Wilhelm begegnete. Auch mit ihm musste sie über die Angelegenheiten der Konföderierten gesprochen haben, denn in einem Brief versichert ihr der Kornprinz, sie dürfe immer auf seine Unterstützung am preußischen Hof rechnen.²⁷⁷ Ein besonders inniges Verhältnis pflegte sie mit den jungen Herzögen von Braunschweig-Wolfenbüttel, allen voran mit Wilhelm Adolf. Durch seine Neigung zur Poesie und den schönen Wissenschaften fand der zwanzigjährige Husarenoffizier in preußischen Diensten in Marianna Skórzewska eine dankbare und bevorzugte Gesprächspartnerin. Im Gegensatz zu seinem Oheim Friedrich II., der die poetischen Arbeiten des Prinzen streng überwachte und für sie nur Tadel übrig hatte²⁷⁸, unterstütze die polnische Gräfin seine dichterischen Ambitionen.²⁷⁹ Voller Dankbarkeit für ihre Zugewandtheit beteuerte er ihr in einem Schreiben vom Juli 1767: „Je vous dirai plutôt que je vous respecte encore bien sincèrement et que toute ma vie je garderai pour vous les sentiments de la plus parfaite amitié.“²⁸⁰ Dieses Leben sollte allerdings nicht mehr lange währen. Wilhelm Adolf folgte als Volontär der russischen Armee im Feldzug gegen die Osmanen und starb 1770 in Ochakov an der Pest.²⁸¹
Siehe dazu Staatsbibliothek zu Berlin, Handschriftenabteilung (im Folgenden Stabi), Nachlass Formey, Kasten 36, Bl. 1– 3. Christian Friedrich Hempel, Helden-, Staats- und Lebens-Geschichte des allerdurchlauchtigsten, großmächtigsten Königs und Herrn Friedrichs des Andern, Bd. 9, Frankfurt und Leipzig 1770, S. 446. Der Brief Friedrich Wilhelms an Skórzewska vom Februar 1769 ist abgedruckt in: Adam Skałkowski, Hr. Skórzewska a dwór Fryderyka II., Poznań 1934, S. 25. Vgl. Hermann Grußendorf, Aus dem Leben des Prinzen Wilhelm Adolf von Braunschweig (1745 – 1770), in: Braunschweigisches Magazin, 9 (1918), S. 91 f. Vgl. Skałkowski, Hr. Skórzewska a dwór Fryderyka II., S. 79. Zit. nach ebenda, S. 20. Prinz Wilhelm Adolf von Braunschweig war nicht der einzige preußische Offizier, der sich freiwillig am russisch-osmanischen Krieg beteiligte. Zu den Volontären gehörten u. a. auch Prinz Georg von Anhalt-Dessau und Graf Viktor Amadeus Henckel von Donnersmarck. Sie alle reisten nach Russland über Warschau, wo sie vom polnischen König freundlich aufgenommen wurden. Während ihres Aufenthalts wurde ihnen die königliche Equipage angeboten. Wilhelm Adolf soll sogar „die zärtliche Liebe und Hochachtung“ des polnischen Königs sowie „die Bewunderung des ganzen Warschauer Hofes“ erworben haben. „Aber die für ihn bereiteten Feste des Hofes konnten
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Nicht weniger beeindruckt von Skórzewskas Anmut und Wissbegier war die Berliner Gelehrtenrepublik, worauf nicht nur die zahlreichen privaten Kontakte hindeuten. Am 29. Januar 1767 wurde sie von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften eingeladen, der Feierlichkeit anlässlich Friedrichs Geburtstags beizuwohnen und sich den Vortrag von Paul Jeremias Bitaube über den Einfluss der schönen Wissenschaften auf die Weltweisheit anzuhören.²⁸² Und das war nicht die einzige Einladung der ansonsten eher frauenskeptischen Akademie für die gebildete Polin. Zwei Jahre später, ebenfalls anlässlich der Feier zum Geburtstag Friedrichs, war „sie selbst dabei zugegen“, als in der Akademie ihre Abhandlung „Remarques sur l’origine des Polonais“ vorgetragen wurde.²⁸³ Doch obwohl sich die „schöngeistige und gelehrte Gräfin Skórzewska“ um die Mitgliedschaft in der Akademie bemühte, wurde ihr „ein Sitz nicht eingeräumt“. Allein Kaiserin Katharina II. kam diese Ehre zu. „Der König und die Akademiker waren stolz auf diese Collegin – die einzige, welche sie gehabt haben.“²⁸⁴ Skórzewskas besonderes wissenschaftliches Interesse galt der Physik und Mathematik. Sie soll physikalische und ökonomische Abhandlungen verfasst und sie dem verehrten preußischen Monarchen gewidmet und geschickt haben.²⁸⁵ Friedrich II. konnte mit den wissenschaftlichen Untersuchungen der polnischen Autodidaktin offenbar nicht viel anfangen, denn nur in einem von seinen zahlreichen Briefen an sie geht er auf ihre Forschungsarbeit kurz ein und bemerkt schmeichelhaft, dass Descartes oder Gassendi die Fragen nicht besser beantworten könnten.²⁸⁶ Welche Fragen der Wissenschaft Marianna während ihrer Berliner Aufenthalte im Einzelnen beschäftigten, erfährt man aus einem Schreiben des Hofmeisters von Holland an das führende Akademiemitglied Johann Heinrich Lambert: „Die Gräfin Skorzewska hat mir letzthin das Problem aufgegeben, zu drei gegebenen Zirkeln einen vierten zu finden, der jene drei berührt. Ich habe zwar bereits die Auflösung davon
ihn nicht aufhalten“. Zit. nach Grußendorf, Aus dem Leben des Prinzen, S. 96.Vgl. auch Lengnich, Die Schicksale der polnischen Dissidenten, Bd. 3, S. 477 f. Mehr dazu in: Hempel, Helden-, Staats- und Lebens- Geschichte, S. 446. Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 28.01.1769. Adolf Harnack, Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin 1901, S. 280 f. Vgl. Skałkowski, Hr. Skórzewska a dwór Fryderyka II., S. 16. Vgl. Unveröffentlichte Briefe von Friedrich II. an Marianna Skórzewska in: GStA, Rep. 47 J, Brandenburgisch-Preußisches Hausarchiv, Nr. 542, Bl. 45.
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gemacht. Die Rechnung ist aber entsetzlich mühsam gewesen und hat mich endlich auf eine bis zum Eckel zusammengesetzte biquadratische Gleichung geführt.“²⁸⁷
Mit derselben Aufgabe wurde auch Lambert von Skórzewska betraut. Seine Lösung des Problems, die er durch die trigonometrische Formel erhalten und ihr mitgeteilt hat, wies sie aber mit dem Argument zurück, „eine geometrische würde dem Obrist Ricaut besser anstehen.“²⁸⁸ Die schroffe Antwort an „das erste Genie in Deutschland“, wie Kant 1765 Lambert bezeichnete²⁸⁹, lässt darauf schließen, dass sich Skórzewska selbst an der Bearbeitung dieses mathematischen Problems beteiligte und nach einer Lösung suchte, die ihrer Denkrichtung entsprach oder die Richtigkeit ihrer Berechnung bestätigte. Ferner musste sie die Sachdienlichkeit der von den Berliner Gelehrten bei ihr eingereichten Resultate beurteilen können, da erfolgreiche Lösungsansätze von ihr großzügig honoriert wurden. Die polnische Gräfin wusste also nicht nur wissenschaftliche Debatten im aufgeklärten Berlin anzuregen, sondern galt auch als ein geachtetes und einflussreiches Mitglied dieser von Männern beherrschten Wissenschaftslandschaft. Entsprechend der Einstellung ihrer Zeit sah Skórzewska in der Gelehrsamkeit einen Weg, den Verstand zu schulen und den Willen des Menschen zu stärken; das Studium verstand sie als Mittel, die eigene Glückseligkeit zu erhöhen. Es ist dazu angetan, den Menschen zu vervollkommnen, und das war ja der heißeste Wunsch im Jahrhundert der Aufklärung: Studieren erleuchtete den Verstand, befreit ihn von Irrtümern und Vorurteilen, stärkt den Willen, zügelt die Begierden, führt zur Ruhe des Gemüts, zur Zufriedenheit, Beständigkeit, Stetigkeit und vielen anderen erstrebenswerten Zuständen.²⁹⁰ Problematisch wird es allerdings, wenn es ein weiblicher Verstand ist. All die alten Einwände, dass die Frau kein vollkommener Mensch sei und sie weniger Verstand habe als der Mann, wurden am friderizianischen Hof kaum in Frage gestellt, selten auch nur als Problem er-
Die polnische Gräfin Skorzewska und die beiden Mathematiker Johann Heinrich Lambert und Georg Jonathan von Holland über die Aufgabe von der Beschreibung eines drei andere gegebene Kreise berührenden Kreises, in: Archiv der Mathematik und Physik mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der Lehrer an höheren Unterrichtsanstalten, hg. von Johann August Grunert, Bd. 28, Greifswald 1857, S. 355. Ebenda, S. 356. Immanuel Kant an Johann Heinrich Lambert, 31.12.1765, in: Kant’s gesammelte Schriften, hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 10, Berlin 1900, S. 59. Vgl. Gunter E. Grimm, Vom Schulfuchs zum Menschheitslehrer. Zum Wandel des Gelehrtentums zwischen Barock und Aufklärung, in: Über den Prozess der Aufklärung in Deutschland im 18. Jahrhundert. Personen, Institutionen und Medien, hg. von Hans Erich Bödeker und Ulrich Hermann, Göttingen 1987, S. 14– 38.
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kannt.²⁹¹ Für einen Anonymus vom Hof überschritt Skórzewska offenbar die durch ihr Geschlecht gesetzten Grenzen, denn gutmütig mahnte er sie: „Pourquoi donc, chère Comtesse, occuper Votre esprit soit à quarrer le cercle, ou chercher l’infini? Tandis que Vos beaux jours avec rapidité courent après la saison qui succède à l’été. C’est à Newton, Leibnitz, Maupertuis, d’Alembert qu’appartient le calcul, Votre lot est d’aimer.“²⁹²
Höchstwahrscheinlich stammt dieser „gut gemeinte“ Ratschlag aus der Feder des Privatsekretärs und königlichen „Vorlesers“ Henri de Catt. Bereits 1768 schrieb er Skórzewska einen überschwänglichen Brief, in dem er ihre in vollen Zügen ausgelebte Wissbegier vielfach misstrauisch beäugte. Sie solle ihre geistige Kraft weniger in die mathematischen als in die weltlichen Studien investieren und der wissenschaftlichen Selbstbildung die gesellige Erholung voranstellen, denn „vouloir ce que Dieu veut, est la seule science qui nous met en repos.“ ²⁹³ Noch mehr als Skórzewskas Wissenschaftsinteresse störte den reformierten Schweizer ihre Schwangerschaft. „Ceci est bien, cela est mal; vous n’auriez pas voulu être enceinte“, schreibt er ihr empört.²⁹⁴ Der Hauptgrund seiner ablehnenden Haltung dürfte Skórzewskas bekanntermaßen labiler Gesundheitszustand gewesen sein. Während ihrer Berliner Winteraufenthalte suchte sie stets Ärzte auf, um ihre schwache und seit der Kindheit angeschlagene Gesundheit wieder herstellen zu lassen. Eine Schwangerschaft bei einer chronisch kranken Frau stellte, gerade im 18. Jahrhundert, eine große Gefahr für Mutter und Kind dar. Dieses hohe Sterberisiko nahm Gräfin Skórzewska jedoch bewusst in Kauf und gebar 1768 einen gesunden Sohn. Der Umstand, dass das Kind im September in Berlin zur Welt kam, exakt neun Monate nachdem die Gräfin bei ihrem letzten Winteraufenthalt häufig an der königlichen Tafel saß, ließ in den sensationslüsternen Hofkreisen das Gerücht entstehen, Friedrich II. sei Vater des Kindes.²⁹⁵ Genährt wurde diese – wie man spätestens seit dem Buch „Das Komma von Sans, Souci“ von Heinz-Dieter Kittsteiner weiß²⁹⁶ – völlig unberechtigte Vermutung zusätzlich durch die Tatsachen, dass das Neugeborene den Namen Friedrich bekam und dass der preußische König die Patenschaft übernahm. In einem Vgl. Barbara Becker-Cantarino, Der lange Weg zur Mündigkeit. Frauen und Literatur in Deutschland von 1500 – 1800, München 1989, S. 188 f. Zit. nach Skałkowski, Hr. Skórzewska a dwór Fryderyka II., S. 10. Zit. nach ebenda, S. 21. Ebenda. Vgl. Władysław Konopczyński, Kiedy nami rządziły kobiety, London 1960, S. 43. Vgl. Heinz-Dieter Kittsteiner, Das Komma von Sans, Souci. Ein Forschungsbericht mit Fußnoten, Heidelberg 2001, S. 34– 46.
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huldvoll gehaltenen Schreiben vom 27. September 1768 versicherte er Skórzewska, er würde jede sich bietende Gelegenheit ergreifen, um ihr zu beweisen, wie sehr er sie anerkenne. Um sie davon zu überzeugen, nehme er sehr gerne die Patenstelle an.²⁹⁷ Wie die „Berlinischen Nachrichten“ vom 1. Oktober 1768 mitteilten, wurde die Taufe am 29. September in großem Rahmen gefeiert, wobei außer dem König noch der Prinz von Preußen, also der Thronfolger, und dessen Gemahlin die Patenschaft übernommen hatten, sich aber bei der Feier vertreten ließen. Persönlich nahmen Königin Elisabeth Christine, ferner die Gemahlin des Prinzen Heinrich sowie Prinz Friedrich von Braunschweig teil.²⁹⁸ Bald erwiesen sich jedoch Skórzewskas gute Beziehungen zu dem Thronfolger-Paar für ihre Position am preußischen Hof als verheerend. Als sich Kronprinz Friedrich Wilhelm, unterstützt von König Friedrich II., 1769 scheiden ließ und die junge Prinzessin Elisabeth Christine Ulrike von Braunschweig-WolfenbüttelBevern dazu verurteilt wurde, bis an ihr Lebensende in die Stettiner Verbannung zu gehen, fiel auch deren polnische Vertraute in Ungnade. Die kursierenden Gerüchte über seine mögliche Vaterschaft sowie das enge Verhältnis Skórzewskas zu den beiden Ehepartnern veranlasste den Preußenkönig, die in die Geheimnisse des königlichen Alkovens eingeweihte polnische Gräfin vom Hof zu entfernen.²⁹⁹ Die erzwungene Distanz zum preußischen Königshaus bedeutete aber keinen Bruch mit Berlin oder einen Wandel in Skórzewskas preußenfreundlicher Haltung, zumal sich Friedrich II. in seinem Briefwechsel mit ihr keinesfalls zurückhaltender gab und sie ununterbrochen seiner Freundschaft und seines Wohlwollens, zumal ihrem Land gegenüber,versicherte.³⁰⁰ Wie stark ihre Bindung zu Preußen blieb, überliefert ihre damalige Nachbarin Wirydianna Fischerowa. Über Skórzewskas positive Reaktion auf die Teilung empört, notierte sie, dass die Gräfin nicht aufgehört habe, „aus Verehrung für den preußischen Monarchen“ spanischen Tabak zu schnupfen und dass sie alle Eingänge zu ihrem Zimmer zumauern ließ, um „unbelastet von Friedrichs Opfern seinen Ruhm genießen zu können“.³⁰¹ Ihr Verhalten während der preußischen Grenzziehung infolge des Teilungstraktats illustriert vielleicht am deutlichsten ihre preußenfreundliche Haltung. Am 13. September 1772 begann Brenkenhoff auf Grund der ihm von Friedrich II. erteilten Order mit der Inbesitznahme und Grenzziehung des Netzedistrikts. Bei dem Dorf Erbenswunsch im Kreis Neumark, gegenüber der Mündung
Vgl. Œuvres de Frèdèric le Grand, Bd. 25, S. 667. Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 01.10.1768. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 28, S. 117. Unveröffentlichte Briefe von Friedrich II. an Marianna Skórzewska, in: GStA, Rep. 47 J, Brandenburgisch-Preußisches Hausarchiv, Nr. 542, Bl. 26 – 51. Fiszerowa, Dzieje moje własne, S. 56.
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der Drage (Drawa) in die Netze (Noteć), wurde der erste Grenzpfahl gesetzt. Unter Einbeziehung der Städte Filehne (Wieleń), Czarnikau (Czarnków) und Usch (Ujście) zog Brenkenhoff die Grenze am linken Rand des breiten Netzetals flussaufwärts. Vier Tage später war er – immer am Talrand entlang – in das kleine Städtchen Samotschin (Szamocin) gekommen, wo er sich bis zum nächsten Morgen aufhielt. Hier suchte ihn, so berichtete Brenkenhoffs Biograf, mitten in der Nacht die Gräfin Skórzewska auf, die, um unerkannt zu bleiben, auf einem Bauernwagen hierher gekommen war. Sie bat Brenkenhoff inständigst, die Grenze so zu ziehen, dass ihre Labischiner Güter noch in den preußischen Anteil einbezogen würden, sie müsste sonst wegen ihrer, in Warschau bekannten, preußenfreundlichen Gesinnung eine Konfiskation der Güter befürchten. Brenkenhoff sah keinen Grund, ihren Wunsch abzulehnen und verließ die Netze als Grenze zwei Meilen weiter, womit Preußen beinahe 2 000 Untertanen mehr gewann.³⁰² Mit dieser, von Skórzewska ersehnten, Erweiterung hatte Brenkenhoff den Willen des Königs nicht verfehlt, der in der Cabinetsordre vom 25. September 1772 die Grenzziehung bestätigte. Die neue Grenze wurde mit den preußischen Grenzpfählen markiert, auf denen der König von Preußen den klassischen Satz der Rechtssprechung und gleichzeitig die Ordensdevise des von Friedrich I. gestifteten Schwarzen Adlerordens „suum cuique“ einritzen ließ.³⁰³ Nach der Einbeziehung ihrer, an der Netze liegenden, Labischiner Güter in das preußische Teilungsgebiet unterstützte Skórzewska den von Brenkenhoff forcierten Plan, die Netze mit der Weichsel und der Oder durch einen Kanal zu verbinden und damit eine Verknüpfung der wichtigsten Wasserstraßen der Region zu erreichen. Der Kanal wurde in den Jahren 1773 bis 1774 gebaut. Neben dem Finowkanal und dem Plauer Kanal war dies das dritte große Kanalbauprojekt in der Zeit Friedrichs II. Mit 27 km Länge, einer Scheitelhöhe von 25 m und neun Schleusen erschien er in jener Zeit geradezu als Wunderwerk. Seine Fertigstellung hat die gescheite Gräfin jedoch nicht mehr erlebt. Mit knapp 32 Jahren erlag sie im November 1773 in Berlin der Schwindsucht. Betroffen reagierte der Preußenkönig auf die Nachricht von ihrem Tod. In einem Brief an seinen Bruder äußert er sein Bedauern mit dem Satz: „Ich könnte sie nur loben“.³⁰⁴ Ein tröstliches Schreiben richtete er auch an ihre Kinder und versicherte ihnen, er sei durchaus
Vgl. Meißner, Leben Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhoff, S. 111. Siehe dazu auch Henryk Mościcki, Rządy Fryderyka II na ziemiach polskich (1772– 1786), Poznań 1919, S. 7. Vgl. Dariusz Łukasiewicz, Margonin w Prusach i Księstwie Warszawskim (1772– 1815), in: Dzieje Margonina, hg. von Krzysztof Rzepa, Poznań 2002, S. 52– 59; Anonymer Bericht über die Aufstellung von den Grenzpfählen in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6674 II, Bl. 2. Politische Correspondenz, Bd. 34, S. 287 und 299.
4. Gräfin Skórzewska – ein „Phänomen“ am preußischen Hof
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geneigt, das königliche Wohlwollen, das ihre Mutter genoss, auf sie zu übertragen.³⁰⁵ Da Skórzewska in Berlin verstarb, berichteten die „Berlinischen Nachrichten“ vom 27. November eingehend über ihren Tod, wobei der Berichterstattung ein bezeichnender Fehler unterlief. Fälschlicherweise wurde darin behauptet, in Anbetracht der vielen Kenntnisse von Skórzewska sei sie als Mitglied in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen worden.³⁰⁶ Was der ehrgeizigen Polin zu Lebzeiten verwehrt war, wurde ihr nun – wenn auch irrtümlich – posthum zugeschrieben. Ihr Leichnam wurde in der, nach 26 Jahren Bauzeit immer noch nicht ganz fertiggestellten, St. Hedwigs-Kathedrale aufgebahrt, wo die feierlichen Exequien von dem gerade in Berlin weilenden Fürstbischof von Ermland, Ignacy Krasicki, gehalten wurden. Sie war die erste Frau und erste Polin, die in der Krypta von St. Hedwig beigesetzt wurde.³⁰⁷ In einem schweren Bombenangriff auf Berlin wurde die Kathedrale in der Nacht vom 1. zum 2. März 1943 bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Das Gewölbe drei, wo sich Skórzewskas Grab befand, brannte vollständig aus. Somit verschwand unwiderruflich nicht nur ein Denkmal der Berliner Architektur- und Kunstgeschichte, sondern auch die letzte Spur dieser polnischen Gelehrten in Berlin. Vor dem Hintergrund der hier nur knapp skizzierten Bedeutung Skórzewskas verwundert es, dass die deutschsprachigen Friedrich-Forscher dieser polnischen „Episode“ aus seinem Leben bislang kaum Aufmerksamkeit geschenkt haben.³⁰⁸ Auch in der heutigen Berliner Aufklärungsforschung taucht sie nirgendwo auf.³⁰⁹ Nicht einmal die ambitionierte Studie über Frauen in der Akademie und Wissenschaft (1700 – 2000), welche die Geschichte der Berliner Akademie in einer geschlechterbezogenen Perspektive zu reflektieren verspricht, erwähnt ihren
Vgl. Œuvres de Frèdèric le Grand, Bd. 20, S. 21 f. Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 27.11.1773. Vgl. Josef Mörsdorf, Die St. Hedwigskirche zu Berlin: Baudenkmal, Mutterkirche, Begräbnisstätte, unver. Diss., o.O. 1952, S. 318 – 320. Einzig die berühmt-berüchtigte Gräfin Anna Karolina Orzelska, die als erste Maitresse Friedrichs in die Geschichte eingegangen ist, scheint das Interesse der Friedrich-Forscher zu wecken. Vgl. Ernst Frensdorff, Die Berlinerinnen im 18. Jahrhundert, Berlin 1903, S. 23; Otto R. Gervais, Die Frauen im Leben Friedrich des Grossen, Berlin-Lichterfelde 1928, S. 45 ff; Heinrich Mann, Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen. Ein Fragment. Der König von Preußen. Ein Essay, Hamburg 1962, S. 111; Ingelore M.Winter, Friedrich der Große und die Frauen, Esslingen 1985, S. 39 f. Den ausführlicheren Beitrag zur Beziehung zwischen Skórzewska und Friedrich II. findet man in: Agnieszka Pufelska, Die vergessenen Frauen des unvergessenen Königs – ein Plädoyer für einen neuen Blick auf ein altes Thema, in: Friedrich II. und das östliche Europa, S. 165 – 185.
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Namen.³¹⁰ Eine derart bedenkliche Ignoranz lässt sich den polnischen Fachkollegen dagegen nicht nachsagen. In fast jeder nationalgeschichtlich orientierten Geschichtsabhandlung über die Beziehung Friedrichs zu Polen wird die Gräfin Skórzewska genannt. Obwohl sie sich in den Briefen an Friedrich immer wieder für die polnischen Angelegenheiten einsetzte und sich selbst als „Patriotin“ bezeichnete³¹¹, wird sie dort durchgehend als eine aus vollem Herzen überzeugte Anhängerin Preußens charakterisiert und somit auch als eine Landesverräterin, die sich im Moment des polnischen Unterganges auf die Seite des preußischen Feindes gestellt habe.³¹² Dass sich Marianna Skórzewska um die Gunst des Hohenzollernhauses bemühte und sich begeistert über die preußische Teilungsmacht äußerte, war jedoch an mehrere Voraussetzungen gebunden, die sich auf das simplifizierte Denken in nationalen Kategorien nicht reduzieren lassen. Zumindest bis zur zweiten Teilung Polen-Litauens (1793) trug die Vaterlandsliebe der zahlreichen polnischen Intellektuellen häufig kosmopolitische Züge und hatte wenig mit dem leidenschaftlich-emotionalen Patriotismus des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts gemein. Aus dieser zeitgenössischen polnischen Perspektive wurde Preußen eher als eine aufgeklärte Monarchie gesehen, die ihre politische Position – auch auf Kosten Polens – stärken wollte, denn als eine gezielt national und antipolnisch agierende Macht. Dies hatte zur Folge, dass trotz der unbestritten polenfeindlichen Handlungen Preußens die preußische Staatsräson und vor allem die Persönlichkeit Friedrich II. eine beachtliche Anerkennung in der aufgeklärten Öffentlichkeit Polens genossen.
5. Das verfinsterte Preußenbild nach der Teilung von 1772 Die Nachrichten über das Teilungstraktat zwischen Preußen, Russland und Österreich vom Juli 1772 und die daraus folgende Annexion der polnischen Gebiete blieben nicht ohne Einfluss auf die bis dahin dominierende positive Wahrnehmung Preußens in Polen. Der maßgebliche Anteil Friedrichs II. an diesem, in der Geschichte Europas einmaligen Ereignis, war in der polnischen Öffentlichkeit allgemein bekannt. Zwar schwankten die Meinungen bei der Frage, ob die russische Kaiserin oder der Preußenkönig diese politische Entscheidung angesto-
Frauen in der Akademie und Wissenschaft. Arbeitsorte und Forschungspraktiken (1700 – 2000), hg. von Theresa Wobbe, Berlin 2002. Unveröffentlichte Briefe von Friedrich II. an Marianna Skórzewska, in: GStA, Rep. 47 J, Brandenburgisch-Preußisches Hausarchiv, Nr. 542, Bl. 15. Vgl. dazu Konopczyński, Fryderyk Wielki a Polska, S. 62; Zimmermann, Fryderyk Wielki i jego kolonizacja, S. 227 ff.
5. Das verfinsterte Preußenbild nach der Teilung von 1772
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ßen hatte, doch kaum jemand zweifelte daran, dass Friedrich II. die Teilung mit vollem Einsatz unterstützte.³¹³ Bereits während der Barer Konföderation kursierten zahlreiche anonyme Flugblätter, die in satirischer Form auf die „territorialen Gelüste“ Preußens auf Polen-Litauen hinwiesen. Ein Beispiel dafür ist die Schmähschrift „Produktion oder das Gespräch der Monarchen“, in der ein fiktiver Dialog zwischen Katharina, Friedrich, Maria Theresia und dem „türkischen Kaiser“ über die Zukunft Polens in Szene gesetzt wird. Friedrich spielt darin die Hauptrolle und wird als der Drahtzieher in Europa charakterisiert, vor dem sich sogar die russische Kaiserin in Acht nehmen muss. Mit dieser in Versform gehaltenen Betonung seiner Stärke wurde versucht, vor jedem potenziellen Konflikt mit dem militärisch übermächtigen und durch seine Vertragspolitik bestens aufgestellten Preußen zu warnen. Sollten die Polen diesem Rat aber nicht folgen, dann werde es auch nicht lange dauern, bis der preußische König „mit dem polnischen Blut Ozeane füllt“.³¹⁴ Als nicht minder aggressiv wird Friedrich II. in einer Satire vom September 1772 dargestellt und direkt als spiritus movens der Teilung angeklagt. Seine unersättliche „Teilungslust“ soll er demnach „vom kriegerischen Geist“ empfangen und aus der „polnischen Sorglosigkeit“ gezogen haben. Nun sitze er „zur Rechten aller Monarchen und von dort wird er wiederkommen, die Lebenden und die Toten zu entzweien“.³¹⁵ Es ging aber auch weniger poetisch zu. In der „Relation über die Antriebe des Preußenkönigs bezüglich der gegenwärtigen Unruhen in Europa“, herausgegeben 1773 unter dem Namen „Herr Durand“, wird eindeutig Preußen die Hauptverantwortung für die Teilung zugeschrieben.³¹⁶ Folgerichtig soll der preußische König das Osmanische Reich und Petersburg zum Krieg provoziert sowie den Dissidentenkonflikt in Polen-Litauen entfacht haben, um die daraus resultierenden Unruhen für seinen Teilungsplan zu nutzen und die Kaiserin zu diesem gemeinsamen Schritt leichter bewegen zu können. Der Berichterstatter scheint bestens informiert zu sein,wenn er auf die Reise des Prinzen Heinrich nach Russland eingeht und bemerkt, dieser habe auf Befehl Friedrichs II. Katharina den
Vgl. Stanislas Auguste, Mémoires, S. 393. Produkcja czyli Rozmowa Monarchów, in: PTPN, Rękopisy, 816, Bl. 81– 87. Pacierz austriacki i króla pruskiego, in: BO, Manuscripta, 12770/II, Bl. 254 f. François Durand war tatsächlich französischer Gesandter in Russland. Es ist allerdings schwer festzustellen, ob diese Schrift tatsächlich eine Übersetzung ist, oder ob man den Namen des Gesandten benutzt hat, um ihr eine größere Glaubwürdigkeit zu verleihen. Auf jeden Fall fehlte es nicht an Übersetzungen von ausländischen Flugschriften ins Polnische, in denen eine negative Einstellung zur Teilung im Allgemeinen und zu Preußen im Besonderen zum Ausdruck kam. Beispiele findet man in: Barbara Wolska, Poezja polityczna czasów pierwszego rozbioru i sejmu delegacyjnego 1772– 1775, Warszawa 1982, S. 45.
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Teilungsvorschlag angetragen.³¹⁷ Über den bereits 1769 durch Friedrich II. sondierten Vorschlag, das sogenannte „Lynarsche Projekt“, das seine Agrandissement-Pläne zu verwirklichen versprach und von Prinz Heinrich in Petersburg forciert wurde, berichtet eine Flugschrift unter dem instruktiven Titel „Die Geheimnisse der europäischen Kabinette“. Auch hier wird hervorgehoben, dass die Hohenzollern absichtlich als Helfer Russlands auftraten, um so freie Hand bei der Einverleibung der polnischen Gebiete zu bekommen.³¹⁸ Sicherlich konnte man allerorts Beschwerden über das Vorgehen aller Teilungsmächte gegen Polen-Litauen vernehmen, doch die Klagen richteten sich zunehmend gegen Preußen, weil man in weiten Kreisen in Friedrich II. den Urheber der Teilung erblickte.³¹⁹ Die durch die Teilungsmaßnahmen anwachsenden Probleme, wie etwa die Ausschreitungen der im Land stehenden fremden Truppen, die geforderten Fouragelieferungen oder die Erschwerung des Handels wurden vornehmlich Preußen angelastet. „Nous sommes toujours le plastron de toutes plaintes“, betonte der Gesandte Benoît, als er seinem König am 7. Oktober 1772 über die herrschende Stimmungslage im benachbarten Polen berichtete.³²⁰ Von der Hauptverantwortung Preußens für die Gewalttätigkeiten gegen PolenLitauen war auch der polnische König Stanisław August überzeugt, als er – von den Teilungsgeschehnissen deprimiert – im August 1772 an seine Förderin und Unterstützerin Madame Geoffrin schrieb: „Les Prussiens continuent a maltraiter la partie qu’ils tiennent d’une façon qui n‘a point d’exemple dans la historie.“³²¹ Für die meisten der geschlagenen Konföderierten wiederum und große Teile der proköniglichen Anhängerschaft galten zunächst und zumeist Russland und Österreich als Hauptinitiatoren der Teilung, die zwar von Preußen dazu angeregt worden seien, aber dann aus eigener Überzeugung und mit Hilfe ihrer militärischen Kraft den preußischen Plan durchgesetzt hätten. Die Regierung in Berlin wurde vielmehr des Verrats bezichtigt an den ihr wohlgesinnten Polen.³²²
Vgl. Relacya o Początku króla Pruskiego względem teraźniejszego zamieszania w Europie 1773, in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6674 II, Bl. 32 f. Ähnliche Aussage in: Franciszek Karpiński, Pamiętniki, Poznań 1884, S. 54. Sekreta gabinetów Europy, in: BO, Manuscripta, 1283, Bl. 7– 11. Eine ausführliche Darstellung der polemischen Schriften gegen Preußen, die sowohl in Polen als auch im Ausland (vor allem in England) erschienen sind, findet man bei Stanisław Hubert, Poglądy na prawo narodów w Polsce czasów oświecenia, Wrocław 1960, S. 207– 243. Gédéon Benoît an Friedrich II., 7.10.1772, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 192, Bl. 250 f. Correspondance ine´dite du roi Stanislas-Auguste Poniatowski et de Madame Geoffrin (1764– 1777), Paris 1875, S. 432. Vgl. Salmonowicz, Die polnische öffentliche Meinung, S. 23.
5. Das verfinsterte Preußenbild nach der Teilung von 1772
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Genau diese Enttäuschung über das polenfeindliche Vorgehen Preußens thematisieren die „Anmerkungen über die Erklärungen der Höfe von Wien, Petersburg und Berlin hinsichtlich der Teilung Polens“ von 1773, eine polnische Übersetzung einer anonymen deutschsprachigen Broschüre, die höchstwahrscheinlich aus der Umgebung der Konföderierten stammte.³²³ Im Gegensatz zu den anderen anonymen Schriften wird hier sehr stark an das Völkerrecht appelliert und vor der Zerstörung der moralischen Grundsätze im aufgeklärten Europa gewarnt. Beweise für diesen europaweiten Moralbruch liefern den Autoren die Regierungen in Wien und Berlin, die sich hemmungslos mit dem Vorgehen Russlands in Polen einverstanden erklärt und somit den moralischen Verfall beschleunigt hätten. Zum Schluss nimmt die Schrift allerdings eine interessante Wendung, wenn behauptet wird: „Dass der König von Preußen eine plündernde Politik angenommen hat, darüber hat man nicht nöthig zu erstaunen. Er hatte keine andere Mittel, seine Länder zu vermehren, und eine wichtige Rolle in Europa zu spielen; alleine, dass die Kaiserin=Königin und die Carin, dass zwei große Mächte bei allen Ressourcen, welche reiche glänzend machen, sich endlich auf die ungerechten Projekte des Hauses Brandenburg eingelassen haben, das ist eine Begebenheit, wovon man es nicht gewagt haben würde, sie unter die Möglichkeiten zu setzen.“³²⁴
Die Übersetzung der fast 40-seitigen Schrift macht erneut die preußenfreundliche Haltung der Konföderierten deutlich. Obwohl die ausschlaggebende Rolle Friedrichs II. beim Teilungsprozess nicht verschwiegen wird, rechtfertigen sie sein Engagement – wenn auch nicht direkt – als politische Notwendigkeit und reduzieren das gemeinsame Vorgehen der Teilungsmächte gegen Polen allein auf die moralische Skrupellosigkeit Österreichs und Russlands. Diese Enttäuschung über Österreich, die sich dann positiv auf die Wahrnehmung Preußens auswirkte, registrierte auch der englische Gesandte und stellte dabei fest, dass die „außerordentliche Parteilichkeit“ der Polen für Friedrich II. „niemals so groß war als jetzt“, weil „das Zutrauen, welches die Polen auf den Wiener Hof setzten, die nunmehr erfahrene Behandlung um so bitterer und die Österreicher in Polen doppelt ver-
Die Broschüre ist 1773 in London auch auf Französisch erschienen. Stanisław Hubert vermutet, dass es bereits ihre zweite Edition gewesen sei. Vgl. Hubert, Poglądy na prawo narodów, S. 232. Uwagi nad Deklaracyami Dworu Wiedeńskiego, Petersburskiego y Berlinskiego względem podziału Polski 1773, in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6674 II, Bl. 23. Das Zitat bzw. die deutsche Übersetzung aus Anmerkungen über die Erklärungen der Höfe von Wien, Petersburg und Berlin in Absicht auf die Zergliederung von Polen, Amsterdam 1773, in: Forschungsbibliothek Gotha, Pol 8º 01183/02, S. 32.
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hasst machen.“³²⁵ Angefacht wurden solche Argumente und Übersetzungen sicherlich durch die im ganzen Land kursierenden Gerüchte, wonach Friedrich auf sein Teilungsgebiet verzichtet habe, um den Frieden mit den Osmanen zu erleichtern³²⁶ oder – erneut – dass Preußen ein heimliches Bündnis mit Frankreich abgeschlossen habe und sich dadurch von Russland und Österreich distanziere.³²⁷ Resümierend kann man festhalten, dass es keine eindeutige Beurteilung Preußens bezüglich seiner Beteiligung an der Teilung Polens gab. Neben stark kritischen Stellungnahmen kamen auch rechtfertigende Einstellungen vor oder solche, die alle Teilungsmächte gleich negativ bewerteten. Ganz deutlich formuliert diese Vielfalt an Positionen ein Brief an den ehemaligen Marschall der Konföderierten Michał Krasiński, den Bruder von Bischof Adam Krasiński, vom Januar 1773: „Viele Bürger des russischen Kordons sind froh, dass sie nicht unter die Herrschaft von Stanisław August geraten sind. Aber wie sollten sie sonst reagieren, wenn einer für Preußen, ein zweiter für die Kaiserin und noch ein anderer für Stanisław August ist. Es ist ein wahres Babylon entstanden. Nur der Patriotismus leidet jetzt stark darunter und muss in einer dunklen Ecke auf bessere Zeiten warten.“³²⁸
Diese resignative Einsicht hinsichtlich der patriotischen Hingabe des polnischen Adels trat neben mannigfaltigen Sympathiebekundungen für die Teilungsmächte auf, was auf eine stark differenzierte Interpretation der politischen Ereignisse hinweist und somit auch von einer dynamischen und schwankenden Einstellung zu den drei Nachbarn zeugt. Bei dieser sich neu entwickelnden Wahrnehmung ist eine viel pejorativere Darstellung Preußens besonders auffällig.Wenn bis dahin eine Kritik an der preußischen Polen-Politik eher selten vorkam und sich vorwiegend auf Plünderungen der preußischen Truppen und die restriktive Zollpolitik der preußischen Regierung bezog, so waren jetzt tadelnde Einwände keine Ausnahmen mehr und richteten sich generell gegen den ganzen Staat und seinen Monarchen.³²⁹ Das einst positive Bild Friedrichs geriet immer mehr ins Wanken Bericht vom 11.11.1772, in: Friedrich von Raumer, Beiträge zur neueren Geschichte aus dem britischen und französischen Reichsarchive, Bd. 4, Leipzig 1839, S. 505 f. Vgl. dazu auch Claude Ferrand, Histoire des trois démembremens de la Pologne, pour faire suite à l’Histoire de l’anarchie de Pologne, Bd. 2, Paris 1820, S. 63. Unveröffentlichte Materialien von Władysław Konopczyński, in: BJ, 41/61, S. 284. Vgl. dazu einen anonymen Bericht in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6674, Bl. 119. In: ABCz, Rękopisy i stare druki, 941, Bl. 549 f. Einfluss auf diese negative Haltung hatten auch Geschichtsschriften, die bereits in den 1760er Jahren, während des Siebenjährigen Krieges, verfasst und erst im Zusammenhang mit der Teilung veröffentlicht wurden. Sie unterstützen die These, wonach Preußen die internen Schwächen in
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und bekam nun schmutzige Flecken, was eine Zäsur des polnischen Preußenbildes um das Jahr 1772 bedeutet.³³⁰ Zunächst lag Friedrich II. wenig an der Popularität seiner Person bei den polnischen Nachbarn.³³¹ Als sich deren Klagen gegen Preußen jedoch häuften und ihm Benoît im Oktober 1772 meldete, dass mittlerweile der preußische Hof unter den Polen als Hauptgrund „aller ihrer Klagen“ angesehen werde, wies Friedrich diese Beschuldigungen zurück und schärfte seinem Gesandten ein, die Polen von ihrem „falschen Glauben“ abzubringen.³³² Er behauptete, am polnischen Untergang keinen größeren Anteil zu haben als die beiden anderen Höfe, die ebenso wie er aus dem Land ihren Nutzen zögen.³³³ Doch bald musste er eingestehen, dass er ein besseres Ansehen in Polen-Litauen – vor allem bei Stanisław August – brauchte, um die endgültige Regelung der anhaltenden und konfliktreichen Teilungsangelegenheiten voranzubringen. Gemeint ist hier die Anerkennung der Teilung durch den polnischen Reichstag, um dieser den Schein der Rechtmäßigkeit zu verleihen und die Entscheidung der daran beteiligten Höfe als allgemeinen Konsens in der internationalen Öffentlichkeit erscheinen zu lassen. Nachdem die Vertreter der Teilungsmächte im September 1772 dem polnischen König die Manifeste ihrer Höfe überreicht hatten, die ihr im Januar in Petersburg abgeschlossenes Teilungstraktat rechtfertigten, erwarteten sie nun von der polnischen Seite eine schnelle Zustimmung des Warschauer Reichstages zur Teilung. Mit der Beantwortung der Manifeste und der Einberufung des Reichstages
den Nachbarländern nutze, um seine Territorien zu vergrössern. Vgl. Józef Kajetan Skrzetuski, Historia polityczna dla szlachetnej młodzi, Bd. 1 und 2, Warszawa 1773 – 1775, hier Bd. 2, S. 77– 81 und 202; Dominik Szybiński, Krótka wiadomość o znakomitszych w świecie monarchiach, starodawnych […] czasów, dla pożytku młodzi uczący się zebrana, Warszawa 1773, 426 – 441. Vgl. dazu die Archivdokumente in: AGAD, Zbiór Popielów, 345, Bl. 556 – 573. Als Beispiel hierfür kann ebenfalls eine Eintragung aus den Reisetagebüchern von Teofila Konstancja Morawska dienen. Im Juli 1773 hat sie während ihrer Europareise auch Berlin und Potsdam besucht und ihre Eindrücke über den einwöchigen Aufenthalt in ihrem Tagebuch festgehalten. In Berlin hatte ihr vor allem das Arsenalgebäude (Zeughaus) Unter den Linden gefallen, wobei sie bei der Beschreibung des Gebäudes gleich bemerkte: „O die Unglücklichen! Ihr, die ihr diese hier versammelten Instrumente [Waffen, A.P.] gegen eure Nächsten einsetzt, die Schwachen verletzt oder zur Vernichtung eurer Nachbarn erhebt. Ihr müsst bedenken, dass euch dafür nicht nur die Klagen, Strafen oder Rache, sondern auch das Schicksal der Unterdrückten erreichen können.“ Teofila Konstancja z Radziwiłłów Morawska, Diariusz podróży europejskiej w latach 1773 – 1774, Wrocław 2002, S. 41 f. Siehe dazu auch Dolański, Trzy Cesarstwa, S. 132. Vgl. Jerzy Michalski, Rejtan i dylematy Polaków w dobie pierwszego rozbioru, in: Kwartalnik Historyczny, 93 (1986), S. 977. Politische Correspondenz, Bd. 32, S. 566 f. Ebenda, S. 567.
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nahm man sich jedoch Zeit, um so den Ausgang des osmanisch-russischen Krieges abzuwarten und den um Hilfe angegangenen Mächten Zeit zum Eingreifen zu gewähren. Parolen wie „kein Reichstag“ oder „lass uns die Ereignisse abwarten“ beherrschten die polnischen Gemüter.³³⁴ Auch Stanisław August, der durch die Teilung einen bedeutenden Teil seiner Einkünfte einbüßte, versuchte den angeordneten Reichstag hinauszuschieben. Trotz der drohenden Mahnungen seitens der drei Gesandten ließ er mehrere deklamatorische Erklärungen verlautbaren, in denen er sich über das seinem Reich und seinem Volk angetane Unrecht beklagte. Um kein Mittel unversucht zu lassen, wandte er sich auch persönlich an Friedrich, Katharina und Maria Theresia, um sie von ihren Vorhaben abzubringen.³³⁵ Außerdem rief er die übrigen Mächte wiederholt um Hilfe an und initiierte zahlreiche Protestschriften gegen die territorialen Besitzergreifungen in Polen-Litauen.³³⁶ Höchstwahrscheinlich aus der königlichen Druckerei stammt eine umfangreiche und anonym herausgegebene Broschüre unter dem bezeichnenden Titel „Historische Abhandlung zum Recht des Erlauchtesten Preußischen Königs auf Pomerellen, die drei großpolnischen Kreise und Polnisch Preußen.“³³⁷ Es ist eine ironisch-sarkastische Antwort auf die von preußischer Seite herausgegebene Schrift über seinen angeblich berechtigten, weil historisch begründeten, Anspruch auf die annektierten Gebiete.³³⁸ Besonders Friedrich II. wird hier dem Spott der Leser ausgesetzt, indem der Autor bewusst auf seinen Ruf als aufgeklärter und der Wahrheit verpflichteter Herrscher anspielt und ihm dabei Unwissenheit und Geschichtsfälschung vorwirft:
Vgl. Ferrand, Histoire des trois démembremens de la Pologne, Bd. 2, S. 45. Siehe dazu Politische Correspondenz, Bd. 33, S. 25; Ernst Herrmann, Geschichte des russischen Staates, Bd. 5, Hamburg 1853, S. 527 f. Zur Korrespondenz zwischen Stanisław August und dem englischen König bezüglich der Teilung siehe Żychliński, Obraz machinacyi, S. 110. Kopie eines Protestbriefes, der an mehrere europäische Höfe verschickt wurde, in: AGAD, Zbiór Popielów, 437, Bl. 7. Vgl. auch Stanislas Auguste, Mémoires, S. 476 ff.; Dukwicz, Stanisław August wobec pierwszego rozbioru, S. 108 – 111; Tadeusz Cegielski, Das Alte Reich und die Erste Teilung Polens 1768 – 1774, Stuttgart 1988, S. 80 – 88. Wywód historyczny prawo Nayjaśnieyszego Króla JMCi Pruskiego do Pomerelli, trzech powiatów wielkopolskich i Prus Polskich roztrząsający, Warszawa 1773. Zu Ort und Autor der Schrift siehe Hubert, Poglądy na prawo narodów w Polsce czasów oświecenia, S. 220. Konkret geht es hier um die auch auf Polnisch gedruckte Schrift Hertzbergs „Wykład praw króla jegomości pruskiego do księstwa Pomerelii i innych wielu krajów Królestwa Polskiego z dokumentami“.Vgl. Ewald Friedrich von Hertzberg, Ausführung der Rechte Sr. Königl. Majest. von Preussen auf das Herzogthum Pomerellen und auf verschiedene andere Landschaften des Königreichs Pohlen: Mit Beweis-Urkunden, Berlin 1772.
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„Die beschwerlichen Mühen und Beschäftigungen, ein so großes Volk zu regieren, hat den König so in Beschlag genommen, dass es ihm selbst nicht erlaubt war, in den entlegenen altertümlichen Quellen zu forschen und zur Kenntnis zu gelangen, auf welcher Seite die das Recht begründete Wahrheit nun liegt; also übertrug er die Angelegenheit einigen Personen ohne jede Ahnung von den öffentlichen Dingen, damit sie in der Geschichte die Wahrheit suchen und sie aus den dunkelsten Tiefen ans Licht bringen. Diese aber entsprachen dem königlichen Ansinnen nicht, beriefen sie sich doch auf banale Geschichten schlechter Schreiberlinge. Und so haben sie gemäß der Aussage späterer Historiker verstanden, dass sie die Wahrheit gefunden und dem König, dem die Beschäftigung mit dem Altertum selbst nicht vergönnt war, versichert, dass es sich so, wie in ihrer Schrift, verhalte.“³³⁹
Fälschlicherweise wird diese Polemik dem Hofdiplomaten und Kammerherren Feliks Łojko zugeschrieben. Das liegt zum Teil daran, dass er die bekannteste und offizielle Antwort der polnischen Regierung auf die Gebietsansprüche der Teilungsmächte verfasste. In „Recueil des declarations, notes, et faits principeaux, qui ont précédé & accompagné la diete confederée: dépuis le 18. Septembre 1772 jusqu’ au 14. Mai 1773“, das 1773 auf Polnisch und Französisch veröffentlicht wurde und fast 350 Seiten umfasst, setzte sich Łojko mit den Argumenten und Beweisen auseinander, die Preußen, Russland und Österreich in ihren Teilungsmanifesten anführten.³⁴⁰ Da diese vorwiegend historisch argumentiert hatten, versuchte auch er seine Gegenargumente geschichtlich zu belegen. Am ausführlichsten argumentiert er dabei gegen die Ausführungen des preußischen Kabinetts, das in der Schrift des Staatsmannes Ewald Friedrich von Hertzberg seine Annexionen als einen rechtmäßigen und durch die früheren Verträge mit Polen gerechtfertigten Vorgang darstellt. Genau wie der oben genannte anonyme Autor bezeichnet auch Łojko diese Argumentationslinie als eine ausgeklügelte Geschichtspolitik, die instrumentalisiert und verfälscht wurde, um eigene expansionistische Ansprüche historisch zu legitimieren: „Sa Majésté Prussienne dans l’exposé de ces prétentions, les appuye par les traités et des conventions. Elle admet donc leur autorité et du moment que ce Prince pretend la faire respecter quand elle prononce pour Lui, il se soumet à cette autorité lorsqu’elle decider contre.“³⁴¹
Wywód historyczny prawo Nayjaśnieyszego Króla JMCi Pruskiego, do Pomerelli, trzech powiatów wielkopolskich i Prus Polskich roztrząsający oraz odpowiedź na pismo pod tytułem Wykład praw pruskich, o. O. 1773, S. 9 f. Ausführliche Besprechung in: Konopczyński, Pierwszy rozbiór Polski, S. 207– 224. Feliks Łojko, Recueil des declarations, notes, et faits principeaux, qui ont précédé & accompagné la diete confederée: dépuis le 18. Septembre 1772 jusqu’ au 14. Mai 1773,Warszawa 1773, S. 263.
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Jede geschichtliche Begründung des preußischen Monarchen versucht Łojko mit einem quellenbasierten Gegenbeweis zu widerlegen und weist Friedrich II. in letzter Konsequenz darauf hin, dass er als aufgeklärter König wohl am besten wissen müsse, auf welchem Wege internationale Konflikte nach geltendem Völkerrecht gelöst werden sollen: durch Diplomatie und nicht durch militärische Gewalt.³⁴² Eine solche – mit historischen Quellen belegte – Kritik der herrschenden Häuser war bis dahin der zeitgenössischen polnischen Historiographie eher unbekannt. Diese besaß vielmehr einen chronikalischen Charakter und basierte hauptsächlich auf ausländischer Sekundärliteratur. Łojko war daher einer der ersten Geschichtsschreiber, der auf einheimisches Quellenmaterial zurückgriff und es intensiv als Belege für eigene Thesen einsetzte, weshalb er bereits von seinen Zeitgenossen für „den ersten kritischen Historiker“ Polen-Litauens gehalten wurde und in Wissenschaftskreisen hohe Anerkennung genoss.³⁴³ Und nicht nur dort. Als nach der Teilung Łojkos Starostei Schroop (Szropy) in der Gegend von Marienburg von Preußen annektiert wurde, entschied sich Friedrich II., in Anerkennung von dessen Polemik gegen ihn und wegen seines hohen Ansehens als Historiograph, Łojkos Ländereien nicht, wie es nach preußischer Vorgehensweise üblich war, gänzlich zu übernehmen, sondern gewährte ihm, diese lebenslang zu behalten.³⁴⁴ Diese großzügige Geste war allerdings eine rühmliche Ausnahme, denn die territorialen Ambitionen des Preußenkönigs waren im Wortsinne grenzenlos. Dadurch, dass die diplomatischen Abmachungen der Teilungsmächte über die Landnahme nur ungefähr umrissen wurden, entstand ein völlig unübersichtlicher Plan des Grenzverlaufs, der viel Raum für eigennützige Interpretationen ließ. Nach preußisch-russischer Absprache sollte Preußen das Königliche Preußen ausschließlich des Territoriums der Städte Danzig und Thorn sowie den nördlichen Teil Großpolens diesseits der Netze erhalten. Unpräzise blieb dabei allerdings, was unter dem Begriff des „Territoriums“ dieser Städte verstanden werden sollte. Auch der Grenzverlauf an der Netze wurde ungenau formuliert, obwohl nach der offiziellen Abmachung die Grenze entlang der Netze verlaufen sollte und „lediglich
Vgl. Ebenda. Vgl. Stanisław Huber, Poglądy na prawo narodów w Polsce czasów oświecenia, Wrocław 1960, S. 214. Gleichzeitig bewegte sich die Argumentation von Łojko im Rahmen der polnischen historiographischen Tradition, die die historische Verbindung Pommerns zu Polen betonte. Siehe dazu Jörg Hackmann, Ostpreußen und Westpreußen in deutscher und polnischer Sicht. Landeshistorie als beziehungsgeschichtliches Problem, Wiesbaden 1996, S. 86. Vgl. Julian Bartoszewicz, Znakomici mężowie polscy w XVIII wieku: wizerunki historycznych osób, Petersburg 1855, S. 164.
5. Das verfinsterte Preußenbild nach der Teilung von 1772
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der Flusslauf Preußen zugesprochen worden war“.³⁴⁵ Ähnlich wie die österreichische Kaiserin machte sich Friedrich II. solche Unklarheiten zunutze und besetzte ohne jede Rücksicht auf die bereits angespannten Beziehungen mit PolenLitauen willkürlich immer neue Gebiete, die weit über die in der Petersburger Teilungskonvention getroffenen Vereinbarungen hinausgingen. Er konfiszierte nicht nur alle Nebenläufe und Niederungen entlang der Netze, sondern erhob Anspruch auf den Danziger Hafen, die Gebiete rund um die Stadt Thorn sowie auch auf zahlreiche Distrikte in der Weichselmündung – Territorien also, die für das polnische Wirtschaftsleben von grundlegender Bedeutung waren. Nach der Kontrollübernahme über diese wichtigsten Handelswege ließ er sogleich Zölle erheben, was den polnischen Handel über die Weichsel und die Ostsee fast zum Erliegen brachte. Mit dieser einstweiligen Besitzergreifung, die einer definitiven Regelung der Angelegenheit mit Polen vorgriff, begnügte sich der Preußenkönig jedoch immer noch nicht, sondern forderte außerdem die Huldigung der neuen polnischen Untertanen von Marienburg und setzte hierfür den 27. September fest. Die Eigenwilligkeiten des preußischen Monarchen riefen starke Empörung und Unzufriedenheit in Polen-Litauen hervor und trugen wesentlich dazu bei, dass sich die von den Teilungsmächten erhoffte baldige Sanktionierung ihrer Entscheidung durch den polnischen Reichstag viel schwieriger gestaltete als angenommen. Um die polnische Widerständigkeit und Aufsässigkeit zu brechen, entschlossen sie sich, härtere Maßnahmen zu ergreifen. Während Preußen und Österreich Waffengewalt oder gar eine erneute Teilung Polens ins Auge fassten, plädierte die russische Regierung mit einer gewissen Gemächlichkeit für die Methode der Bestechung als Mittel, welches ihrer Meinung nach in Polen immer zum Ziel führe.³⁴⁶ Nach längeren Verhandlungen und Auseinandersetzungen über gemeinsame Schritte gegen die sich sträubenden Kräfte in Polen beschlossen die Teilungsmächte im Februar 1773, dem polnischen König eine endgültige Erklärung zuzustellen und die Einberufung des Reichstags zu fordern.Verbunden wurde diese mit einem Ultimatum und der unverhohlenen Androhung militärischer Gewalt. Der König, seine Regierung sowie der seit Februar versammelte Senat mussten einsehen, dass mit einer bewaffneten Offensive gegen die alliierten Mächte nichts zu gewinnen wäre und sich die erhoffte Unterstützung aus Frankreich oder England
Bömelburg, Zwischen polnischer Ständegesellschaft, S. 249; vgl. auch Konopczyński, Pierwszy rozbiór Polski, S. 241– 245. Ausführlich über die Verhandlungen zwischen den drei Höfen Adolf Beer, Die Erste Teilung Polens,Wien 1873, S. 208;Viktor Urbanek, Friedrich der Große und Polen nach der Konvention vom 5. August 1772, Breslau 1914, S. 10 – 41.
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als Schimäre erwiesen hatte.³⁴⁷ Durch ihren aufschiebenden Ungehorsam hatten sie das ihnen Mögliche getan, um die Teilung als eine Usurpation hinzustellen und eine günstigere politische Konstellation abzuwarten. Diese Strategie war nun ausgereizt. Am 13. Februar konnte Benoît seinem König melden, dass der Senat die Einberufung des Reichstags einstimmig beschlossen habe und Stanisław August binnen kurzem die nötigen Universalien erlassen werde.³⁴⁸ Alle Adligen, deren Güter innerhalb der Grenzen der von den Teilungsmächten beanspruchten Provinzen lagen, erhielten unter Androhung der Konfiskation ihrer Ländereien den Befehl, sich als Untertanen ihrer neuen Herren künftig jeder politischen Betätigung zugunsten Polen-Litauens zu enthalten, also für den Reichstag weder zu wählen noch sich wählen zu lassen. Auch in den übrigen Provinzen wurden kaum Delegierte zugelassen, so dass nicht mehr als die Hälfte der vorgesehenen Abgeordneten am 19. April 1773 in Warschau zusammenkam. Viele von ihnen standen dabei im Dienste der Teilungsmächte, als deren Gesandte versuchten sie mit gemeinsamer Operationskasse auf die Reichstagsentscheidungen einzuwirken.³⁴⁹ Die Delegierten erwartete eine doppelte Aufgabe: Zum einen sollten sie die Fragen im Zusammenhang mit den abzutretenden Provinzen lösen, zum anderen aber auch etwaige Mängel in der polnischen Ständeverfassung beseitigen, um so zu versuchen, eine bessere Alternative an ihre Stelle zu setzen. Die ersten Verhandlungen zogen sich bis zum November 1773 hin und konzentrierten sich allein auf die Regulierung der Grenzverläufe zu den Teilungsgebieten. Eines der Hauptprobleme stellte dabei die Auseinandersetzung mit Preußen dar, dessen usurpatorische Territorialpolitik auf heftigen Widerstand der Delegierten stieß, was die von Russland und Österreich erhofften schnellen Schlichtungen deutlich erschwerte. Nachdem die Teilungstraktate mit Österreich und Russland unterschrieben waren, legte Benoît am 3. September den preußischen Entwurf des Traktats vor, das 13 Punkte enthielt und hitzige Wortgefechte zwischen ihm und den Delegierten auslöste. Die polnische Seite erklärte rundweg, man werde sie nie dazu bringen, der preußischen Auslegung des Traktats ihre Zustimmung zu geben und beharrte darauf, die preußische territoriale Usurpation im Entwurf anzuerkennen³⁵⁰ und
Vgl. Dukwicz, Stanisław August wobec pierwszego rozbioru, S. 110 – 114. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 33, S. 306. Laut Otton Rudziański erhielt fast die Hälfte der Abgeordneten ein monatliches Salär in Höhe von 200 bis 300 Dukaten von den ausländischen Gesandtschaften. Rudziański, Stanisław August w pierwszym okresie, S. 114. Die bedeutendsten Landnahmen fanden in Großpolen statt, d. h. an der Grenze des sog. Netzebezirks. Bis September 1773 umfassten diese Usurpationen 41 Städte und 1032 Dörfer. Vgl.
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die preußischen Truppen aus den unberechtigt besetzten Gebieten schleunigst abzuziehen.³⁵¹ In diesem Sinne formulierte die polnische Reichstagsführung auch eine entsprechende Note an Benoît, die darüber hinaus weitere Forderungen an Preußen enthielt (Freier Schiffsverkehr auf der Weichsel, freie Handelswege durch Schlesien nach Böhmen und Sachsen, Garantie der Religionsfreiheit für den auf dem annektierten Gebiet lebenden Adel sowie Unverletzlichkeit von dessen Landgütern, Einstellung der restriktiven Zollmaßnahmen im Handel zwischen Danzig und Polen sowie Entschädigungen für Plünderungen der preußischen Truppen). Die Antwort vom Preußenkönig ließ nicht lange auf sich warten und war eindeutig negativ. Mit zugesicherter Unterstützung Russlands und Österreichs lehnte er alle polnischen Forderungen ab und drohte, weitere Gebiete zu besetzen, falls das Traktat in der bekanntgemachten Form nicht akzeptiert werde.³⁵² Ohne Aussichten auf Hilfe von außen unterschrieben die polnischen Delegierten am 18. September das von Preußen erstellte Teilungstraktat, welches zwei Wochen später vom Reichstag ratifiziert wurde.³⁵³ Kleine Hoffnungen auf eine spätere Verbesserung der Situation stellte für Polen lediglich der dreizehnte Artikel des Traktats dar, der besagte, dass Kommissare für die Regulierung von Grenzfragen ernannt werden. Für den Fall, dass keine Einigung erzielt werden könne, ist jede Partei berechtigt, die Vermittlung der anderen kontrahierenden Höfe in Anspruch zu nehmen.³⁵⁴ Das Kalkül der polnischen Seite war es, Russland oder Österreich eines Tages für sich zu gewinnen, um mit deren Beistand die preußischen Annexionsgelüste stoppen zu können.³⁵⁵ Für Friedrich war die Perspektive einer Grenzkommission eine willkommene Strategie, seine Ansprüche geltend zu machen und die langwierigen und schwierigen Verhandlungen noch weiter hinauszuschieben, um sie dann in einem günstigeren Moment für sich zu entscheiden. An ein Dazwischentreten einer fremden Macht oder eines der Teilungspartner zugunsten Polens glaubte er nicht und auch die Proteste in Warschau machten auf ihn keinen Eindruck. Um jeden
Jerzy Topolski, Pruskie uzurpacje graniczne w dobie pierwszego rozbioru Polski (1772– 1777), in: Zeszyty naukowe uniwersytetu im. Adama Mickiewicza: Historia, 8 (1968), S. 61– 63. Vgl. Protokół albo opisanie zaszłych czynności na Delegacji Stanów Rzeczypospolitej na Sejmie Extraordynaryjnym Warszawskim do zawarcia traktatu z dworami Wiedeńskim, Petersburskim i Berlińskim dnia 19 maja wyznaczonej a dnia 19 marca 1775 zakończonej,Warszawa 1775, S. 227 f. Vgl. Diariusz różnych czynności, 19.09.1773, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 864, Bl. 221 f.; Marian Drozdowski, Geneza polsko-pruskiego traktatu rozbiorowego z 1773 r. Negocjacje w delegacji i na sejmie (3 – 28 IX 1773), in: Studia historica Slavo-Germanica, 4 (1975), S. 57– 70. Der Inhalt des Traktats findet sich in: Volumina Legum, Bd. 8, Petersburg 1860, S. 29 – 39. Vgl. Ebenda, S. 37 f. Vgl. Drozdowski, Geneza polsko-pruskiego traktatu rozbiorowego, S. 57– 71.
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Preis wollte er sein Staatsgebiet abrunden und dafür war der eigentlich zur Sparsamkeit neigende König sogar bereit, die Kommissare zu bestechen. Dahingehende Hinweise gab er am 25. September 1773 seinem Kriegs- und Domänenrat Brenkenhoff, der die besetzten Gebiete verwaltete: „Was mit Gelde bei den Polen auszurichten stehet, ist Euch bekannt; wenn also hier es hierunter auf ein paar tausend Ducaten ankommen sollte, so glaube Ich, der Strich Landes, welchen Ihr mit eingegrenzet habt, ist solche schon werth, und bin Ich sie, wie Euch zur Direction dienet, dazu anwenden zu lassen, gar nicht abgeneigt.“³⁵⁶
Brenkenhoff durfte das Bestechungsgeld erst dann auszahlen, wenn die Grenze endgültig festgesetzt war, um die dafür bestimmte Summe nicht unnötig in die Höhe zu treiben.³⁵⁷ Es ist allerdings nicht überliefert, welche Kommissare sich explizit von Preußen bezahlen ließen und dann zu seinem Vorteil agierten. Bekannt ist lediglich, dass in manchen Dörfern die Bauern selbst die Grenzpfähle verschoben, um unter preußische Verwaltung zu kommen.³⁵⁸ Solche Vorfälle stellten aber eine seltene Ausnahme dar. In den polnischen Archiven findet man vor allem Klagebriefe, in denen sich die Einwohner der von Preußen besetzten Territorien über das rücksichtslose Vorgehen der preußischen Truppen beim polnischen König beklagen und Stanisław August um Vermittlung bitten. Die meisten von diesen Beschwerden betrafen die willkürliche Sequestrierung von Grundbesitz, Plünderung der Höfe durch die preußischen Truppen, gewaltsame Umsiedlungen von Klöstern oder die drakonische Steuerpolitik.³⁵⁹ Gegen alle diese rechtswidrigen Übergriffe der preußischen Annexionsmacht konnte der international isolierte polnische Monarch allein wenig ausrichten. Seine verzweifelten Appelle mit der Bitte um Intervention wurden von den europäischen Höfen ignoriert.³⁶⁰ Durch die Annahme des Teilungstraktats seitens des Reichstags war die eigentliche Entscheidung über die strittige Angelegenheit der Grenzlegung nicht gelöst, sondern nur hinausgeschoben worden. Die Kommission, der die Aufgabe zufiel, die Details der Abmarkungen festzustellen, konnte ihre Arbeit nicht aufnehmen, weil sich die drei Höfe nicht einigen wollten, wo die endgültigen Grenzen
Politische Correspondenz, Bd. 34, S. 174.Vgl. dazu Reinhold Koser, Geschichte Friedrichs des Grossen, Bd. 3, Darmstadt 1963, S. 336 f. Vgl. Ebenda. Siehe dazu den Bericht in: AGAD, Archiwum Rodzinne Poniatowskich, 345, Bl. 229 – 230. Vgl. Ebenda, Bl. 416 – 419, 496, 566 – 567, 568 – 571. Vgl. Correspondance ine´dite du roi Stanislas-Auguste Poniatowski et de Madame Geoffrin, S. 449; Odpowiedź na deklarację daną ministrom króla, in: BO, Manuscripta, 486, Bl. 27– 28.
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ihrer neuerworbenen Territorien verlaufen sollten. In Petersburg fanden die österreichischen und preußischen Auffassungen keine definitive Zustimmung. Doch weder der Berliner noch der Wiener Hof waren bereit, ihre Ansprüche zurückzustellen und auf die über das Teilungstraktat hinausgehenden Gebiete zu verzichten. Somit kamen auch die Verhandlungen mit der polnischen Seite nicht von der Stelle. Die Gebietserweiterungen Österreichs und Preußens hatten die Gemüter in heftigster Weise erregt und verbittert, wobei laut dem österreichischen Gesandten in Warschau Karl Reviczky von Revisny, die preußenfeindliche Einstellung viel größer gewesen sei als die Kritik gegenüber der Habsburger Monarchie. Fast täglich tauchten neue Gerüchte auf über eine beträchtliche Anzahl von Dörfern und Ortschaften, welche die preußischen Truppen besetzt hätten. In Warschau soll die Meinung verbreitet gewesen sein, dass Preußen bis zur Warthe vorrücken wolle, was fast einer Verdoppelung des ursprünglich in Anspruch genommenen Gebiets gleichkam.³⁶¹ „Es ist kaum zu glauben“, schreibt Reviczky 1774, „wie weit die Wuth der Delegierten gegen den König von Preußen geht: sie sinnen sogar auf Feindseligkeiten um Gewalt mit Gewalt zu vertreiben: sie sagen, sie wüssten zwar, dass sie mit den Waffen nichts ausrichten werden, jedoch wollen sie lieber das Äußerste wagen als nachgeben“.³⁶²
Zu einer solchen äußersten Tat kam es im Mai desselben Jahres, als ein polnisches Regiment unter der Führung von Jan Aleksander Kraszewski den vorrückenden preußischen Soldaten, die eigenmächtig die polnischen Territorien besetzten, Widerstand leistete. In der Nähe von Gnesen (Gniezno) ist es Kraszewski gelungen, die militärische Konfrontation mit den Truppen des Generalleutnant Daniel Friedrich von Lossow für sich zu entscheiden, wobei Kraszewski einige Verletzungen erlitt. Pikiert und überrascht über den Vorfall bestand der preußische Gesandte darauf, eine Kommission aus Warschau zu diesem polnischen Regiment zu schicken, um die Insubordination zu erkunden und zu bestrafen.³⁶³ Die Warschauer Kommission aber sprach Kraszewski von „jeder Verantwortung frei“ und beurteilte seine Tat als eine notwendige Selbstverteidigungsmaßnahme.³⁶⁴ Es dauerte nicht lange, bis die Information über das kleine Gefecht im ganzen PolenLitauen bekannt und zum einzigen militärischen Widerstand gegen die Teilung
Vgl. Beer, Die Erste Teilung Polens, S. 285. Ebenda, S. 287. Karl von Reviczky an Wenzel Anton von Kaunitz, 04.05.1774, in: Haus-, Hof und Staatsarchiv Wien (im Folgenden HHStA), Staatskanzelei, Polen II 37, Konvolut 3, Bl. 99 f. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 35, S. 400 und 408. Wacław Szczygielski, Kraszewski Jan, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 15, Kraków 1970, S. 119 – 222.
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hochstilisiert wurde. Folgerichtig avancierte Kraszewski zum Volkshelden, dem der versammelte Reichstag eine der höchsten königlichen Auszeichnungen verlieh sowie zwei Dörfer in der Nähe des Gebiets seiner Schlacht übergab. Als diese von Preußen konfisziert wurden, entschädigte ihn der polnische König mit einer Starostei in Podolien. Über die übermäßige Heldenverehrung und leidenschaftliche Preisung Kraszewskis spottete der königliche Sekretär und Dichter Stanisław Trembecki, als er schrieb: „Weder sein Verdienst, noch sein Charakter ist sonderlich groß / Wegen einer kleinen Wunde für das Vaterland machte ihn der König zum reichen Mann.“³⁶⁵ Die Großzügigkeit von Stanisław August hatte aber noch andere Gründe; die Meinung, wonach er der „Urheber oder Vergünstigter verderblicher Maßregeln“ der benachbarten Höfe oder sogar „die vierte teilende Macht“ sei, war weit verbreitet.³⁶⁶ Antipreußische Auftritte, wie der von Kraszewski, halfen dem König, sein Ansehen als wahrer Patriot zu erhöhen und somit seine schwache Position ein wenig zu kaschieren. Die Verbesserung seines Prestiges hatte er auch dringend nötig, denn der zweite Teil der Reichstagsversammlung sollte über die Änderung der Verfassung samt einer Neubestimmung der königlichen Kompetenzen entscheiden. Konkret ging es um die seit langem geplante Errichtung des „Ständigen Rates“, welcher während des Intervalls zwischen zwei Reichstagen die Kontrolle über die Verwaltung des polnisch-litauischen Staatsverbandes ausüben und für die Ausführung der Reichstagsbeschlüsse Sorge tragen sollte. Es liegt auf der Hand, dass die ohnehin schon schwache Stellung des Königs hierdurch noch mehr geschwächt, der Krone ein Teil ihrer Prärogativen genommen würde. Der Plan zu diesem „Ständigen Rat“ war in Petersburg entstanden und wurde dann durch die polnischen Gegner des Königs mit russischer Rückendeckung während des Reichstags weiter verfolgt.³⁶⁷ In dieser für ihn verzwickten Lage versuchte Stanisław August Beistand aus Berlin zu bekommen, denn im Gegensatz zu Russland hatte der Preußenkönig eine eher skeptische Einstellung gegenüber dem „Ständigen Rat“ sowie zu den weiteren Veränderungsvorschlägen der polnischen Verfassung.³⁶⁸ Über den Schweizer Offizier in preußischen Diensten, Robert Scipio von Lentulus, dessen Truppen in Warschau stationiert waren und zusammen mit den russischen den Reichstagsverlauf überwachten, wollte Stanisław August den preußischen Mon-
Zit. nach ebenda, S. 220. Raumer, Beiträge zur neueren Geschichte, S. 549. Ausführlich darüber bei Friedrich Preuss, Die Einführung des ständigen Rathes in Polen durch den Reichstag zu Warschau 1773/74, in: Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins, 7 (1882), S. 1– 45; Władysław Konopczyński, Geneza i ustanowienie rady nieustającej, Kraków 1917. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 35, S. 7 f.
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archen über seinen Entwurf für die künftige Verfassung in Kenntnis setzen. Sein 20 Punkte umfassendes Programm zielte auf eine Kompetenzerweiterung des Königs gegenüber dem „Ständigen Rat“ ab und sollte als Alternative zum russischen Konzept fungieren.³⁶⁹ Um den preußischen Herrscher mit Hilfe der Vermittlung von Lentulus für seine Pläne zu gewinnen, stimmte Stanisław August der von Berlin geforderten Personalpolitik bei der Besetzung bestimmter Posten zu. Dieses Entgegenkommen blieb jedoch ohne Reaktion seitens Friedrichs II. – er ließ seinen Offizier dem polnischen König seine Dankbarkeit ausrichten, verbot ihm aber gleichzeitig, irgendwelche Zugeständnisse in seinem Namen in Warschau zu machen, weil er die Gefälligkeiten Stanisław Augusts für doppelbödig hielt und keine Konflikte mit Russland riskieren wollte.³⁷⁰ Aus der Perspektive Friedrichs II. war diplomatische Vorsicht und Zurückhaltung gegenüber den russischen Plänen für Polen-Litauen umso angebrachter, als es im Laufe des Jahres 1774 zwischen ihm und Katharina zu einigen Unstimmigkeiten bezüglich der preußischen Gebietserweiterungen kam. Die schärfste Polemik entzündete sich dabei an der langwierigen und international rezipierten Auseinandersetzung um den Danziger Hafen.³⁷¹ Obwohl Friedrich II. im Teilungstraktat vom 18. September auf sämtliche Ansprüche auf Danzig offiziell verzichtet hatte, hielt der Streit um den Besitz des Danziger Hafengeländes bei Neufahrwasser ununterbrochen an. Mit dem Argument, der Hafen sei auf dem Gelände des Klosters Oliwa gelegen, das ihm qua Teilungstraktat zugefallen sei, ließ er hier eine preußische Zollbehörde einrichten und Schifffahrtsabgaben erheben. Alle Proteste gegen sein rechtlich sehr zweifelhaftes Vorgehen sowie das Gegenargument, wonach der Hafen nicht zum Gelände des Klosters gehöre, sondern auf dem Boden von Anschwemmungen und künstlichen Aufschüttungen angelegt sei, die die Stadt zum Schutz und auf eigene Kosten ausgeführt hatte, machten in Berlin keinen Eindruck. Im Gegenteil: 1773 ließ Friedrich II. weitere Ortschaften besetzen und Akziseposten einrichten, wodurch er Danzig von seinem Hinterland, dem Weichsellauf, komplett abschnitt. Ein Eingangszoll von zwölf Prozent auf alle Waren, die aus Danzig nach Polen und von Polen nach Danzig gingen, legte den Binnenhandel fast lahm. In dieser prekären Lage hofften der Danziger Stadtrat und der polnische König auf die internationale Unterstützung durch England und Russland, da der Hafen
Vgl. Konopczyński, Geneza i ustanowienie rady nieustającej, S. 254; Dokumente über die Gespräche des Königs mit Lentulus in: PAU, Rękopisy, 1648, Bl. 5 – 15. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 34, S. 145 f. Einen Überblick darüber liefert Ansgar Haller, Die Ausformung von Öffentlichkeit in Danzig im 18. Jahrhundert bis zur zweiten Teilung Polens im Jahre 1793, Hamburg 2015, S. 327– 333.
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auch für ihren Außenhandel eine wichtige Rolle spielte.³⁷² Nach einigen Versuchen seitens der russischen und englischen Regierung, zwischen Danzig und dem Preußenkönig zu vermitteln, stellte sich heraus, dass es weder in London noch in Petersburg eine größere Bereitschaft zu einer entschiedenen Intervention zugunsten der Danziger oder der polnischen Interessen gab. So setzte sich Friedrich in dieser Sache zwar letztlich durch, schürte mit seinem kompromisslosen Verhalten allerdings die Preußenskepsis der europäischen politischen Akteure.³⁷³ Diese Stimmung wollte der polnische Hof nutzen und beauftragte seinen Gesandten in Petersburg, Franciszek Ksawery Branicki, die russische Kaiserin auf das restriktive Vorgehen Preußens in Polen-Litauen stärker hinzuweisen.³⁷⁴ Ebenso wurden auf polnische Initiative hin in London einige preußenfeindliche Schriften publiziert.³⁷⁵ In Danzig selbst war die Einstellung tendenziell antipreußisch, unterlag dabei allerdings tagespolitisch indizierten Schwankungen.³⁷⁶ In dieser wankelmütigen Stimmungslage war der vom polnischen König nach Danzig entsandte Kommissar Aleksy Husarzewski laufend bestrebt, die antipreußische Haltung – vor allem des Stadtrats – zu bestärken.³⁷⁷ Die polnische Diplomatie versprach sich von einem international diskreditierten Preußen mehrere Vorteile: Zum einen hoffte sie, Preußen nun leichter gegen Österreich ausspielen zu können. Die negative Wahrnehmung Preußens in Europa würde eine Distanz des Wiener Hofes zur preußischen Polen-Politik hervorrufen, was die Chancen auf eine Rückgabe der unrechtmäßig besetzten
Vgl. Wolfgang Michael, Englands Stellung zur ersten Teilung Polens, Hamburg und Leipzig 1890; Konopczyński, Pierwszy rozbiór Polski, S. 159 – 165. Siehe dazu den Brief von Katharina an Friedrich II., 26.05.1774, in: Johann Eustach von Görtz, Mémoires et actes authentiques relatifs aux négociations qui ont précédées le partage de la Pologne, Weimar 1810, S. 242– 246; Jerzy Michalski, Fryderyk Wielki i Grzegorz Potemkin w latach kryzysu przymierza prusko-rosyjskiego, in: Między wschodem a Zachodem Rzeczypospolita XVI– XVIII. Studia ofiarowane Zbigniewowi Wójcikowi w siedemdziesiątą rocznicę urodzin, hg. von Teresa Chynczewska-Hennel (u. a.), Warszawa 1993, S. 215 – 230. Vgl. Wilder, Traktat handlowy polsko-pruski z roku 1775, S. 79. Ein Hinweis darauf findet sich in: Politische Correspondenz, Bd. 35, S. 478. Ausführlich darüber Bömelburg, Zwischen polnischer Ständegesellschaft, S. 376 – 394; siehe auch Briefe über die itzigen Streitigkeiten des Königes von Preussen und der Stadt Danzig, [o.O.] 1784; Rudolf Damus, Die Stadt Danzig gegenüber der Politik Friedrichs des Großen und Friedrich Wilhelms II., in: Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins, 20 (1887), S. 1– 213; Johanna Schopenhauer, Im Laufe der Zeit, im Gedränge der Welt, München 1986; Szymon Askenazy, Gdańsk a Polska, Warszawa (u. a.) 1923. Vgl. Marja Dziemianka, Aleksy Husarzewski komisarz generalny Stanisława Augusta w Gdańsku, in: Rocznik Gdański, 2– 3 (1928/29), S. 3 – 80.
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Landstriche wahrscheinlicher machte.³⁷⁸ Zum anderen ging es angesichts der Unnachgiebigkeit des Preußenkönigs um einen länderübergreifenden Beistand bei den schwelenden Grenzstreitigkeiten und der nicht minder konfliktreichen Annahme des polnisch-preußischen Handelsvertrags. Denn noch bevor die Frage der Grenzlegung geregelt war, begannen in März 1774 die offiziellen Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen den Teilungsmächten und PolenLitauen.³⁷⁹ Während Österreich und Russland einen für die polnische Seite akzeptablen Vorschlag machten, bestand der Berliner Hof auf den bereits verhängten und für den polnischen Warenverkehr auf der Weichsel verheerenden Zolltarif. Das zu jener Zeit in Warschau populäre Gerücht, wonach Friedrich II. im Sterben läge, ließ dabei die Hoffnungen auf eine für den polnischen Handel ertragreichere Lösung aufkeimen.³⁸⁰ So schnell sich diese Vorfreude verbreitete, so schnell wurde sie durch Dementi aus Berlin wieder zerstört. Nicht einmal die Versuche von Fürst Michał Hieronim Radziwiłł, direkt am preußischen Hof über eine für den polnischen Handel günstigere Vertragsvariante zu verhandeln, hatten etwas bewirkt und scheiterten kläglich. Zwar soll es ihm dort gelungen sein, sich mit mehreren Ministern zu treffen und Versprechungen hinsichtlich einer besseren Lösung zu bekommen, doch Friedrich II. ignorierte seine Mission und die Bitten, ihn persönlich sprechen zu dürfen.³⁸¹ Sein Interesse galt zu diesem Zeitpunkt vielmehr dem zuvor genannten Gesandten des polnischen Königs in Petersburg Franciszek Ksawery Branicki, dem er unterstellte, er sei bestrebt, Preußens Ansehen bei Katharina zu untergraben, um somit Russland als Mittler bei den Verhandlungen über den polnisch-preußischen Handels- und Grenzvertrag zu gewinnen.³⁸² Tatsächlich waren Friedrichs Mutmaßungen, dass der polnische Kronfeldherr eine preußenfeindliche Propaganda betreibe und damit versuche, Russland und Preußen zu entzweien, nicht ganz unbegründet. Im Reichstag, der im März 1775 zum letzten Mal zusammentrat, erfuhr der preußische Vertragsentwurf starken Gegenwind gerade von Seiten Branickis. In seiner entschiedenen Rede vom 3. April warnte dieser die Delegierten vor der Annahme des Vertrags und verkündete,
Friedrich II. hatte diese polnischen Absichten schnell erkannt und kommentierte sie lapidar in einem Brief: „Je n’ai aucune envie de faire le Don-Quichot des Polonais et de ma brouiller pour l’amour d’eux avec l’Autriche.“ Politische Correspondenz, Bd. 35, S. 420. Siehe dazu Radosław Gaziński, Prusy a handel solą w Rzeczypospolitej, Warszawa 2007, S. 28 – 58. Vgl. Piotr Ugiewski, Media i dyplomacja „Gazette der France“ o sejmie rozbiorowym 1773 – 1775, Warszawa 2006, S. 191. Vgl. Wilder, Traktat handlowy polsko-pruski, S. 81. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 35, S. 383 und Bd. 36, S. 216, 248, 396, 428.
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Preußen wolle mit dem Handelsvertrag ganz Polen in den Abgrund stürzen.³⁸³ Angesichts einer solchen Bedrohung blieben Polen seiner Ansicht nach nur zwei Auswege: Entweder müsse die ganze Nation zur Verteidigung des Vaterlandes die Waffen ergreifen, oder es sei ein feierlicher Protest zu erlassen; wenn ersteres zu gewaltsam erscheine, sei man wenigstens verpflichtet, letzteres zu tun, denn „wir sind an dem Punkt angekommen, an dem das Weiterleben eine Schande bedeutet und der Tod zur Pflicht wird.“³⁸⁴ Der leidenschaftliche und appelative Auftritt Branickis rief landesweite Aufmerksamkeit hervor, denn seine feurige Rede fand als Flugblatt im ganzen polnisch-litauischen Staatsverband große Verbreitung und erschien in Danzig sogar auf Deutsch.³⁸⁵ Unterstützt wurden Branickis antipreußische Aufrufe von anderen Delegierten, die den umstrittenen Vertrag als einen „Akt gegen die Gerechtigkeit“ oder als „ein Mittel zur Vernichtung der Hafenstadt Danzig und zur Unterdrückung der polnischen Bevölkerung“ verdammten.³⁸⁶ Alle ihre Appelle hatten aber genau so wenig bewirkt wie die vergeblichen Bittschreiben an die Botschafter der beiden anderen Höfe; diese weigerten sich aus Rücksicht auf ihre Allianz mit Friedrich II., in die polnisch-preußischen Angelegenheiten einzugreifen. So konnte der preußische Gesandte Benoît letztendlich seine Version des Vertrags durchsetzen und bedauerte am Ende nur – wie er in einem Bericht an den Preußenkönig schrieb – kein Zeichner zu sein, weil ihm die Reichstagsverhandlungen über das Handelsabkommen einen sehr guten Nachtrag zu Hogarths Kupferstich geliefert hätten.³⁸⁷ Die direkte Anspielung auf diesen die sozialen Missstände in England anprangernden Kritiker macht deutlich, dass sich Benoît von Anfang an seines Erfolges sicher gewesen war und die widerständischen Reaktionen der polnischen Seite für karikaturhaft übersteigert und lächerlich hielt. Der Hauptgrund für diese bis zum Zynismus gesteigerte Sicherheit war wahrscheinlich die volle Rückendeckung, die ihm nicht nur die beiden Teilungsmächte, sondern auch einige der im Reichstagssaal versammelten Delegierten garantierten. Überliefert ist jedenfalls, dass sowohl der Reichstagsmar Vgl. Protokół albo opisanie zaszłych czynności na delegacyi od stanów Rzeczypospolitey, Warszawa 1776, S. 55, 67 und 69; Zdanie Jasnie Wielmożnego Jegomości Pana Branickiego hetmana wielkiego koronnego, in: BN, Materiały historyczne, XVIII. 4. 1753, Bl. 1– 4. Ebenda. Vgl. Kopia niedrukowanego diariusza Sejmu 1773 – 75, in: ABCz, Sammlung von Tadeusz Czacki, 825, Bl. 121– 938. Protokół albo opisanie zaszłych czynności, S. 67– 70; Wilder, Traktat handlowy polskopruski, S. 107. Politische Correspondenz, Bd. 36, S. 428. Die Kopie des Vetrags in: Recueil de traités d’alliance, de paix, de trève, de neutralité, de commerce, de limites, d’éxchange etc., hg. von Fréd de Martens, Bd. 2, Göttingen 1817, S. 164– 168.
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schall Adam Poniński als auch der Präsident des bereits ins Leben gerufenen „Ständigen Rates“, August Sułkowski, vom russischen und preußischen Hof regelmäßige Einkommen bezogen und sich beim polnischen König z. B. auch für die für Preußen günstige Regulierung des Salzverkaufs einsetzten.³⁸⁸ Die Zahl der Anhänger Preußens während der Reichstagsverhandlungen ging sicherlich weit über diese beiden Delegierten hinaus. Noch vor der Versammlung des Reichstags entsandte Friedrich II. seinen Vertrauensmann für Finanzangelegenheiten, den Berliner Schutzjuden Ephraim, im Februar 1773 nach Warschau, damit er entsprechende Vorverhandlungen mit den polnischen Regierungskreisen bezüglich des geplanten Handelsvertrags einleite.³⁸⁹ Seine Mission wurde sehr aufmerksam vom österreichischen Gesandten Reviczky beobachtet. In seinen Berichten an den Wiener Hof geht er immer wieder darauf ein, inwiefern es Ephraim gelungen sei, in Warschau Verbündete für sein Anliegen zu finden.³⁹⁰ So überzeugt er auch davon war, dass „der größte Teil der Polen den König von Preußen ebenso sehr hasst als fürchtet“, so wenig zweifelte er daran, dass der König von Preußen „Mittel finden wird durch eine geschickte Einleitung und durch Gewinnung derjenigen, die ihm hierzu beförderlich sein können, mit Beihilfe der ihm ohnehin schon ergebenen Partei sich vielleicht auch ohne die Einstimmung des Königs von Polen die Einrichtung einiger ihm vorträglicher, allen anderen aber schädlicher Traktaten mit der Republik bei dem künftigen Reichstage zu erlangen“.³⁹¹
Vgl. Ebenda, S. 276 und 469. Als infolge der Teilung die polnischen Salzbergwerke von Wieliczka, aus denen man bis dahin das Salz zum großen Teil bezogen hatte, an Österreich übergingen, erbot sich Friedrich II., Stanisław August für einen günstigen Preis aus seinen Salinen zu beliefern. Da der Verkauf des Salzes in Polen und Preußen ein Monopol des Königs war, konnte sich der polnische König durch Annahme dieses Angebots eine Einnahmequelle verschaffen. Anfangs wollte Stanisław August von einem Salzabkommen mit Preußen jedoch nichts wissen. Erst nach längeren Verhandlungen und großzügigen Versprechungen übernahm Preußen 1779 die vollständige Kontrolle über den Salzverkauf in Polen-Litauen. Ausführlich dazu bei Gaziński, Prusy a handel solą w Rzeczypospolitej, S. 171– 304. Siehe dazu den undatierten Bericht in: PAU, Rękopisy, 1648, Bl. 17 ff. Vgl. Nathan Michael Gelber, Berichte des österreichischen Gesandten über Ephraims Wirtschaftsverhandlungen mit Polen im Jahre 1773, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 71 (1927), S. 62– 66. Karl von Reviczky an Wenzel Anton von Kaunitz, 14.02.1773 und 17.02.1773, in: HHStA, Staatskanzlei, Polen II 35, Bl. 125 – 149 und 150 – 153. Auch in den polnischen Quellen fehlt es nicht an Hinweisen, die diese preußenfeindliche Stimmung betonen. Vgl. dazu die anonymen Flugblätter in: BJ, druki ulotne, 589478 – 589508, S. 207.
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Die „Drohungen“ und „einige geschickt angebrachte Geldausteilungen“ haben laut Reviczky bereits knapp drei Monate später „mehrere, besonders die in dem königlich Preußischen Anteil begüterte, oder auch nur in der dortigen Nachbarschaft ansässige Polen zu einer vorläufigen Bereitwilligkeit gebracht, in diese Preußischen Innungen einzuwilligen.“³⁹² Mit einer entsprechenden Zusicherung beendete kurz nach Mitternacht, am 12. April 1775, der versammelte Reichstag seine letzte Sitzung. Ein Te Deum erklang, obwohl die wichtigste Frage, die der Grenzregulierung, immer noch nicht gelöst war.³⁹³ Sie sollte nun durch den „Ständigen Rat“ geregelt werden, doch auch dieses Gremium war im Grunde nichts mehr als ein Spielball der drei Teilungsmächte. Es war dann vor allem der österreichische Hof, der auf die endgültige Beilegung des Grenzstreites drängte und sich aus diesem Grund sowohl an Katharina als auch an Friedrich II. wandte mit der Bitte um Kooperation. Für den Preußenkönig war die österreichische Versöhnungsinitiative aber nichts anderes als ein geschickter Schachzug, um ihn als den Hauptschuldigen des Konflikts darzustellen und Preußen allein zur Rückgabe der unrechtmäßig annektierten Territorien zu zwingen. Folgerichtig unterbreitete er einen anderen Lösungsvorschlag und forderte zuerst den Wiener Hof auf, die Grenzerweiterungen rückgängig zu machen oder wenigstens, ebenso wie der Berliner, sich dazu bereit zu erklären. Nach einigen Unterredungen wurde aus Wien schließlich gemeldet, die Kaiserin wolle den Streit freundschaftlich beenden und Polen gewisse Abtretungen machen.³⁹⁴ Mit den angekündigten territorialen Rückgaben von Österreich zeigte sich der „Ständige Rat“ aber solange nicht zufrieden, bis Wien zu seinem ersten Angebot noch etwas hinzufügte. Der neue Vorschlag wurde angenommen und am 10. Januar 1776 eine polnisch-österreichische Grenzkonvention unterzeichnet, die durch den für Sommer 1776 vorgesehenen Reichstag ratifiziert werden sollte.³⁹⁵ Die Kunde von dieser Unterhandlung erregte in Berlin keine Freude, denn mit einem Einlenken Österreichs hatte Friedrich II. nicht gerechnet. Nun musste er sein Versprechen halten und ebenfalls Kompromissbereitschaft zeigen. Um seine Zugeständnisse in möglichst engem Rahmen halten zu können, versuchte der preußische König zunächst, wieder ein besonders gutes Verhältnis zu Russland herzustellen, das die entscheidende Stimme in den Verhandlungen mit der pol-
Karl von Reviczky an Wenzel Anton von Kaunitz, 08.05.1773, in: HHStA, Staatskanzlei, Polen II 36, Bl. 184– 199. Siehe dazu Theiner, Vetera monumenta Poloniae et Lithuaniae, S. 632. Zu den Verhandlungen vgl. Jerzy Michalski, Sprawa zwrotu ponadtraktatowych nabytków po pierwszym rozbiorze, in: Kwartalnik Historyczny, 112 (2005), S.77– 126. Vertiefend dazu in: Konopczyński, Pierwszy rozbiór Polski, S. 274– 286.
5. Das verfinsterte Preußenbild nach der Teilung von 1772
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nischen Seite hatte. Die erneute Reise des Prinzen Heinrich nach Petersburg und die Heirat des Großfürsten Paul mit der Hohenzollern-Prinzessin Sophie Dorothee von Württemberg schienen der angestrebten Annäherung den nötigen Rückhalt zu geben. Der Plan ging allerdings nicht ganz auf. Zwar garantierte die russische Diplomatie dem Preußenkönig ihre volle Unterstützung, doch war sie gleichzeitig bestrebt, auch die polnischen Einwände und Rückgabevorschläge zu berücksichtigen, um die scheinbar aussichtslose Grenzkonvention noch vor der Reichstagsversammlung abzuschließen und der polnischen Opposition aus dem antiköniglichen und antirussischen Lager keine Möglichkeit zu geben, an Bedeutung im Lande zu gewinnen.³⁹⁶ Ein mühseliges Feilschen um jeden Quadratkilometer setzte ein, und angesichts der Berliner Ansprüche und Unnachgiebigkeiten drohten die Verhandlungen erneut zu scheitern. Erst der starke russische Druck, die eindeutige Absage jeder Beihilfe vom österreichischen Hof und die Versprechungen großer finanzieller Abfindungen hatten den „Ständigen Rat“ dazu bewegt, der preußischen Version der Konvention letztendlich doch zuzustimmen.³⁹⁷ Jerzy Michalski schließt in diesem Zusammenhang nicht aus, dass die von Russland befürchtete Stimmungsmache der antiköniglichen und propreußischen Opposition durchaus einer der Gründe gewesen sein könnte, dass die Entscheidung getroffen wurde, die Konvention möglichst schnell anzunehmen.³⁹⁸ Obwohl Preußen, im Gegensatz zu Österreich oder Russland, zu diesem Zeitpunkt noch keine eigene Parteiung von größerer Bedeutung in Polen-Litauen besaß, konnte es fortwährend auf eine wohlgesinnte Anhängerschaft rechnen. Dazu zählten vor allem diejenigen Magnaten und Adelsfamilien, die, vom Wiener und Petersburger Hof enttäuscht, bereit waren, bei Friedrich II. nach Unterstützung zu suchen, um nur den verhassten König und den „Ständigen Rat“ zu schwächen. Sie wollten ihre Position auf der innenpolitischen Bühne stärken, indem sie die Preußenpolitik des polnischen Königs diskreditierten und sich selbst als viel zuverlässigere Verhandlungspartner für die Berliner Regierung präsentierten.³⁹⁹ Genannt sei an dieser Stelle der Großkämmerer von Litauen,
Der österreichische Gesandte Karl von Reviczky war fest davon überzeugt, dass die polnische Seite die Konvention unterschreiben werde, damit die innerpolnischen Feinde des „Ständigen Rates“ die Unstimmigkeiten zwischen den drei Teilungsmächten nicht dazu nutzen könnten, um in Preußen um Unterstützung nachzusuchen. Karl von Reviczky an Wenzel Anton von Kaunitz, 24.08.1776, in: HHStA, Staatskanzlei, Polen II 40, Bl. 92– 96. Vgl. Politische Correspondenz, Bd. 37, S. 281 ff. und 288. Vgl. Michalski, Sprawa zwrotu ponadtraktatowych nabytków po pierwszym rozbiorze, S. 115. Zumindest auf so eine Anhängerschaft macht Benoît Reviczky in einem gemeinsamen Gespräch aufmerksam. Karl von Reviczky an Wenzel Anton von Kaunitz, 31.07.1776, in: HHStA, Staatskanzlei, Polen II 40, Bl. 47 f.
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Asymmetrische Begegnungen
Hieronim Wincenty Radziwiłł, der sich im Reichstagsjahr 1776 und kurz nach seiner Heirat mit Sophie von Thurn und Taxis mehrmals an den Preußenkönig wandte, um ihn um den Schutz für sein Land im Allgemeinen und für seine Familie im Speziellen zu bitten. Als Gegenleistung versprach er ihm, sich lebenslang „pour la prosperité“ seiner Herrschaft „avec zèle ardent“ einzusetzen.⁴⁰⁰ Positiv auf die Aktivität der antiköniglichen Opposition wirkte sich zudem sicherlich aus, dass zu diesem Zeitpunkt kein eindeutig negatives Preußenbild vorherrschte. Neben den Informationen über unberechtigte Landnahmen oder über den grausamen Rekrutenfang durch die preußische Verwaltung ließen sich in Warschau auch Gerüchte vernehmen, die besagten, dass der preußische König Teile der besetzten Territorien zurückgeben wolle oder er die Landbesitzer der annektierten Gebiete mit viel Geld entschädige.⁴⁰¹ Trotz der Befürchtungen, die oppositionellen Preußenfreunde könnten die Verhandlungen mit Berlin zu einem Machtinstrument entwickeln, zeigten sie sich auf dem im August versammelten Reichstag überraschend moderat.⁴⁰² Für das königliche Lager war es nun wichtig, die zahlreichen Konventionsgegner für sich zu gewinnen, ihnen ihre Unterstützung für den Vertrag abzuringen, um so das Heft des Handelns in der Hand zu behalten und die Initiative nicht den oppositionellen Preußenfreunden überlassen zu müssen. Aus diesem Grund brachte der von den Höfen der Teilungsmächte bezahlte und königsnahe Großkanzler und Bischof von Posen, Andrzej Młodziejowski, das Thema der Konvention als Erster zur Sprache. Auf der Sitzung vom 25. September hielt er eine geschickt formulierte Rede, die den Konventionsgegnern keine Angriffsfläche bot. Ganz in ihrem Sinne stellte er Friedrich II. als einen Feind und „furchtbaren Nachbarn“ Polens dar, der nur darauf abziele, alle bilateralen Verträge scheitern zu lassen, um somit seine territorialen Annexionen nicht revidieren zu müssen. Im polnischen Interesse wäre es daher, die Konvention einstimmig zu verabschieden, denn sie würde den Preußenkönig zur Rückgabe zumindest eines Teils der geraubten Gebiete verpflichten und ihm gleichzeitig die Möglichkeit nehmen, Polen als eine feindliche Macht zu betrachten, in deren Angelegenheiten er nach Belieben eingreifen
Wincenty Radziwiłł an Friedrich II. (undatiert), in: GStA, I. HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen, Nr. 9 e 44, Bl. 44 f. Über dieses differenzierte Preußenbild in Warschau berichtete der Beauftragte der Familie Ossoliński, der regelmäßig Informationen aus der Hauptstadt an seine Auftraggeber schickte. Diese Berichte finden sich in: BO, Gazetki pisane z Warszawy, 780, Bl. 661, 709, 760, 763 und 776. Zur Opposition auf dem Reichstag von 1776 siehe Andrzej Stroynowski, Opozycja sejmowa w dobie rządów Rady Nieustającej, Łódź 2005, S. 114– 128.
5. Das verfinsterte Preußenbild nach der Teilung von 1772
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könne.⁴⁰³ Im zweiten Schritt wandte er sich an Stanisław August und empfahl ihm, die preußenfeindlich eingestellten Delegierten rechtzeitig zur Räson zu bringen, damit sich ihre ablehnende Haltung nicht verbreite und die angestrebte Ratifikation behindern könne.⁴⁰⁴ Alle Vorsichtsmaßnahmen wurden wirksam eingesetzt und mit Erfolg gekrönt, denn während der Sitzung am 27. September haben fast alle Delegierten die Konvention ohne jeglichen Widerstand angenommen. Deutlich erleichtert und zufrieden meldete am nächsten Tag der russische Gesandte in Polen, Otto Magnus von Stackelberg, seinem Außenminister: „Voilà donc, Monsieur le Comte, le partage de la Pologne á la fin consommé.“⁴⁰⁵
Die vollständige Rede von Andrzej Młodziejowski in: Kolekcya mów na seymie walnym warszawskim mianych roku 1776, in: BN, Materiały historyczne, XVIII 2724/29. Andrzej Młodziejowski an Stanisław August, 26.09.1776, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 674, Bl. 225. Zit. nach Michalski, Sprawa zwrotu ponadtraktatowych nabytków, S. 125.
Gesellschaftlich-kulturelle Symbiosen 1. Pole, Bischof, preußischer Untertan – Ignacy Krasicki, Diener dreier Herren Die Annexion der polnischen Territorien durch Preußen bedeutete für die ständisch geprägte Gesellschaft des Königlichen Preußens einen tiefen Einschnitt. Allen voran die bisher an der Spitze stehenden regionalen adligen Eliten wurden von der preußischen Besitzübernahme stark getroffen. Sie mussten zum einem ihre althergebrachten Machtpositionen an die von außen kommende Beamtenund Militärelite abgeben, die den Kern der neuen Administration ausmachte. Zum anderen waren sie nun gezwungen, sich in dem administrativ straff hierarchisierten und strukturierten Staat neu zu orientieren, was allerdings nicht nur bei den republikanisch-ständisch geprägten adligen, sondern auch bei den städtischen Eliten in Danzig oder Thorn auf große Schwierigkeiten stieß. Eine ausführliche und profunde Analyse, der von der preußischen Regierung nach 1772 in der neuen westpreußischen Provinz betriebenen Politik, gegenüber der dortigen Bevölkerung und deren Reaktion darauf liefert Hans-Jürgen Bömelburg in seinem wichtigen, oben bereits zitierten Werk „Zwischen polnischer Ständegesellschaft und preußischem Obrigkeitsstaat. Vom Königlichen Preußen zu Westpreußen (1756 – 1806)“. Daran entlang argumentierend lässt sich sagen, dass der landsässige westpreußische Adel – je nach konfessioneller oder ökonomischer Zugehörigkeit – auf die absolutistische Staatspraxis Preußens durchaus differenziert reagierte. Während die schmale protestantische Adelsschicht im preußischen König traditionell ihren Schutzherrn sah, reagierte der katholische Adelsteil, der vor 1772 über 90 Prozent des Landadels ausmachte, generell kritisch und verhalten auf die preußische Annexion. Diese stark voneinander abweichenden Einstellungen waren durch die gezielte Politik Preußens gegenüber den beiden Adelsgruppen zum größten Teil selbst bedingt und wurden dadurch noch vertieft. Denn Friedrich II. setzte von Anfang an auf eine „Umarmungspolitik“ gegenüber dem protestantischen Adel, was es diesem ermöglichte, die Rolle des landestragenden, bevorzugten Adels, welche bislang der katholische Adel inne hatte, zu übernehmen. In diesem von der preußischen Regierung forcierten Prozess der Neuausrichtung der Provinz verlor der katholische Adel seine jahrhundertelange Machtstellung in der Region, seine republikanischen Freiheiten, die adlige Selbstverwaltung und damit die politischen Mitspracherechte.¹
Vgl. Bömelburg, Zwischen polnischer Ständegesellschaft, S. 339 – 370. DOI 10.1515/9783110520903-003
1. Pole, Bischof, preußischer Untertan – Ignacy Krasicki, Diener dreier Herren
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Gefördert wurde diese beabsichtigte Degradierung durch Maßnahmen wie die unmittelbar mit der Besitzergreifung in Kraft getretene Anordnung, wonach es dem Adel verboten war, in das nichtpreußische Ausland zu reisen, sich außerhalb Preußens aufzuhalten oder in fremde Dienste einzutreten. Für die politisch nach Warschau orientierten Adligen sowie für solche, die neben Grundbesitz in Westpreußen auch Ländereien in den verbliebenen Territorien Polens besaßen, bedeutete dieses Verbot einen tiefen Eingriff in ihre bisherige Autonomie. So konnten sie nicht mehr regelmäßig am politischen Leben in Polen teilnehmen oder uneingeschränkt zwischen ihren verstreuten Wohnsitzen, vielfach in Zentralpolen, Warschau oder Danzig, wechseln. Aus preußischer Sicht war das Reise- und Aufenthaltsverbot ein Mittel, den ständigen Geldabfluss aus der Provinz einzudämmen, der, der merkantilistischen Doktrin zufolge, einen stetigen Verlust für die Landeseinkünfte bedeutete. Die Hauptgeschädigten dieser preußischen Landespolitik waren dabei die wichtigen Adelsfamilien, die oft auch in anderen Regionen Polen-Litauens über Vermögen, Familienbeziehungen und Einfluss verfügten. Von ihren sozialen und ökonomischen Netzwerken abgeschnitten war es ihnen unter der preußischen Verwaltung fast unmöglich, ihre familiären Machtzentren in der Region zu behaupten oder gar auszubauen. Mit dieser Perspektive und trotz drohender Verluste von Ländereien erschien es vielen daher lohnender, sich aus Westpreußen, das für sie weder wirtschaftliche noch politische Entwicklungschancen bereithielt, zurückzuziehen.² Friedrich II. begrüßte den Abzug der polnischen Untertanen ausdrücklich. Seine Intention ging dahin, „von dem schlechten polnischen Zeuge, um solches los zu werden, die Güter kaufen zu lassen und lieber die deutschen Edelleute bei ihren Gütern zu erhalten, denn sie sind ganz gut und ordentlich.³ Um dieses „Loswerden“ zu beschleunigen, wurden immer neue administrative Zwangs- und Druckmaßnahmen eingesetzt. Neben dem, den katholischen Adel benachteiligenden, Steuertarif waren es die Fonds zur Arrondierung der königlichen Domänen oder die Erlaubnis, die Güter von „polnischen Edelleuten“ durch Personen „bürgerlichen Standes“ zu erwerben.⁴ Diese Maßnahme sollte Vorteile bieten für preußische Offiziere und Beamte, die den Weg in die neue Provinz wählten oder wählen mussten, und war darüber hinaus mit dem Bestreben verbunden, den „der
Vgl. dazu auch Willi Wojahn, Der Netzedistrikt und die sozialökonomischen Verhältnisse seiner Bevölkerung um 1773, Münster 1996, S. 28 – 39. Friedrich II. an die Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder, 02.03.1777, in: Max Bär, Westpreußen unter Friedrich dem Großen (Quellen), Bd. 2, Leipzig 1909, S. 335. Wortwörtlich wiederholte Friedrich II. diese Meinung drei Monate später in seinem Brief an Domhardt von 08.06.1777, in: Ebenda, S. 350. Bömelburg, Zwischen polnischer Ständegesellschaft, S. 344.
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Gesellschaftlich-kulturelle Symbiosen
Anarchie“ oder „republikanischer Tendenzen“ verdächtigen Adel von der Landesverwaltung auszuschließen.⁵ Bis zum Tod Friedrichs II. „zeigte sich in dieser negativen Einstellung der Berliner Zentralbehörden gegenüber dem westpreußischen Adel keine Veränderung.“⁶ Proteste und Widerstandsversuche gegen die Diskriminierungen blieben zumeist erfolglos und wurden sowohl von der preußischen Administration als auch vom neuen Herrscher weitgehend ignoriert. In ihrer Not versuchten einige katholische Grundbesitzer, gleichsam in Tradition des alten Klientelwesens der einflussreichen Adels- und Magnatenfamilien, Hilfe beim polnischen König zu suchen⁷, der aber für die nunmehr „ausländisch“ gewordenen Landsleute wenig ausrichten konnte. Unter diesen Umständen glückte nur einzelnen Vertretern des katholischen und polnischsprachigen Adels ein wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Aufstieg; etwa durch eine geschickte Heirats- und Ankaufspolitik oder – für den Kleinadel – durch den Offiziersdienst. Den meisten misslang jedoch die Integration in das von der preußischen Verwaltung in Marienwerder (Kwidzyn) und Bromberg (Bydgoszcz) dominierte öffentliche Leben. Zurückgezogen harrten sie auf ihren Landsitzen aus und standen der neuen Administration zurückhaltend bis ablehnend gegenüber.⁸ Doch nicht alle polnischsprachigen und katholischen Untertanen lehnten die Integration in die preußische Adelsgesellschaft entschlossen ab. Abgeschnitten von den städtischen Zentren Polens und auf das Wohlwollen der preußischen Verwaltung angewiesen, zeigten sich einige unter ihnen durchaus kompromissbereit und versuchten, eine erträgliche und ihren bewährten Status in der Provinz garantierende Übereinkunft mit der neuen Macht zu finden. Das bekannteste Beispiel hierfür ist der ermländische Bischof und polnische Dichterfürst Ignacy Krasicki. Gewiss kann der weltoffene Literat und reisefreudige Würdenträger der Kirche kaum als „typischer“ Vertreter der katholischen Eliten in West-
Ebenda, S. 346. Ebenda, S. 345. Des Weiteren schreibt Bömelburg: „Erst der Thronwechsel von 1786 brachte im Kurs der Berliner Zentralbehörden gegenüber dem westpreußischen Adel eine Wende. In zwei Kabinettsordres vom 27. Februar 1787 erhielt Westpreußen eine ‚ständische Verfassung auf dem churmärkschen Fuß‘, die dem Adel analog zu den anderen ostelbischen Provinzen Mitwirkungsrechte auf Landes- und Kreisebene gab“. Ebenda, S. 347. Siehe dazu die zahlreichen Klagebriefe in: AGAD, Archiwum Rodzinne Poniatowskich, 345, Bl. 496, 519, 566 – 567, 568 – 571. Die Antworten des preußischen Gesandten auf die polnischen Klagen in: Ebenda, Archiwum Koronne Warszawskie, 47/1, Bl. 2– 22 und 47/2, Bl. 23 – 76. Ausführliche Hinweise darauf findet man in den zahlreichen Klagebriefen von polnischen Grundbesitzern aus den annektierten Gebieten an das polnische Departement für die ausländischen Angelegenheiten, in denen sich diese über die preußische Regierung beschweren. Vgl. Ebenda, Zbiór Popielów, 351, Bl. 3 – 339.
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preußen gelten⁹, dennoch lässt sich an seiner Person gut illustrieren, welche besonderen Talente, Fähigkeiten und Beziehungen notwendig waren, um als polnischer Untertan dem vorbestimmten Statusverlust unter der neuen Herrschaft zu entkommen. Im Fall von Krasicki kann man sogar von einer gegenseitigen Anerkennung sprechen. Nicht nur unterhielt er eine lebenslange und intensive Freundschaft mit dem Kammerherrn der preußischen Königin und ostpreußischen Gutsbesitzer Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff, sondern war auch ein häufiger und gern gesehener Gast der Hohenzollernfamilie in Berlin, Rheinsberg und Potsdam. Wiederholt besuchte er Friedrich II. in Sanssouci, wo er als geschätzter Gesprächspartner der königlichen Tafelrunde des Öfteren beiwohnte, ohne dabei seine engen Verbindungen zum Warschauer Hof und dem polnischen Kulturleben zu verlieren.¹⁰ Wer war dieser Bischof, der zwischen beiden Höfen geschickt zu changieren wusste und als preußischer Untertan einen der wichtigsten Beiträge zur Entwicklung der polnischen Aufklärungsbewegung leistete? Geboren wurde Ignacy Krasicki 1735 in Galizien in der Gegend von Lemberg. Da er aus einer armen und kinderreichen Adelsfamilie kam, wurde er nach der Ausbildung an einer Jesuitenschule für den Priesterstand bestimmt. Es waren mit anderen Worten eher soziale als religiöse Gründe, die ihn an die Priesterakademie nach Warschau, später nach Rom, brachten. Gleich nach seiner Rückkehr in die polnische Hauptstadt 1761 eröffnete sich ihm eine glänzende, durch persönliche und familiäre Beziehungen erleichterte Karriere, vor allem aber half ihm seine kommunikative, gewandte Art, durch die er leicht Freunde, Förderer und Geldgeber zu gewinnen wusste. Denn schon zu Beginn seiner Laufbahn hatte der, der französischen Literatur und Philosophie äußerst zugetane und aufgeklärte Abbé nicht nur eine Reihe einträglicher Stellungen, sondern auch hohe Schulden. Als Stanisław August, mit dem Krasicki noch vor dessen Thronbesteigung in nähere Beziehung getreten war, polnischer König wurde, stieg auch der junge Priester schnell auf der gesellschaftlichen Leiter empor. Er wurde königlicher Hofprediger, Eine aufschlussreiche Analyse des Verhaltens dieser Gesellschaftsgruppe nach der zweiten Teilung Polens findet man in: Dariusz Rolnik, Postawy szlachty polskiej z terenów II zaboru pruskiego wobec nowych władz w 1793 r., in: Dyplomacja. Polityka. Prawo. Księga pamiątkowa ofiarowana Profesorowi Henrykowi Kocójowi w siedemdziesiątą rocznicę urodzin, hg. von Idzi Panic, Katowice 2001, S. 278 – 288. Die folgenden Ausführungen über Krasicki basieren zum Teil auf einem bereits veröffentlichten Beitrag der Autorin mit dem Titel „Ignacy Krasicki – ein heiterer Bischof am preußischen Hof“, in: Hofkultur und aufgeklärte Öffentlichkeit. Potsdam im 18. Jahrhundert im europäischen Kontext, hg. von Günther Lottes und Iwan-Michelangelo D’Aprile, Berlin 2006, S. 245 – 261. Eine treffende und aufschlussreiche Auseinandersetzung mit Krasickis Verhältnis zu Preußen bietet auch Bömelburg in seinem Friedrich-Buch. Bömelburg, Friedrich II., S. 100 – 105.
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Präsident des höchsten Tribunals von Kleinpolen in Lublin und Lemberg sowie Mitarbeiter der unter königlicher Patronage und nach dem Vorbild des englischen „Spectator“ herausgegebenen Zeitschrift „Monitor“. Im Jahr 1766 erreichte er eine der höchsten kirchlichen Würden: Mit Unterstützung des Königs wird der 31jährige Krasicki Fürstbischof von Ermland.¹¹ Der mit Fürstentitel, besonderen staatlich-politischen Funktionen und hohem Einkommen verbundene Bischofsposten machte ihn zu einer der angesehensten Persönlichkeiten am Warschauer Hof. Besonders bei den Hofdamen soll sich der „wunderhübsche“, „amüsante“ und von Madame Geoffrin scherzhaft auch „le Minet“ genannte Fürstbischof großer Beliebtheit erfreut haben.¹² Ein zeitgenössisches Epigramm behauptete: „Zur Messe will dieser neumodische Galant nie dienen, aber sehr wohl mit den Damen sursum corda einstimmen.“¹³ Der polnische König versuchte, sich diese Popularität sowie die scharfe Feder des Bischofs Krasicki im „Monitor“ zur Förderung der eigenen Politik zu Nutze zu machen. Doch der königliche Protegé ließ sich für ein aktives Eingreifen in das politische Leben des zerrütteten Staatsverbandes nicht gewinnen. Während der Aufstände der Konföderationen von Radom und Bar stand er abseits und reiste 1769 nach Paris, um – so Graf Lehndorff – „den Wirren in Polen aus dem Wege zu gehen“.¹⁴ Als er zurückkam, war das Land in den regellosen Einzelkämpfen der Konföderierten versunken und das einst so freundschaftliche Verhältnis des polnischen Königs zu ihm stark abgekühlt. Krasicki zog sich nach Ermland in
Wohl nicht allein aus Dankbarkeit für Krasickis publizistische und öffentliche Aktivität hatte sich Stanisław August so stark um die ermländische Bischofswürde für ihn bemüht. Nach Jerzy Dygdała standen dahinter vor allem die politischen Ambitionen des Königs, denn der Bischof von Ermland war gleichzeitig der Vorsitzende der Stände im Königlichen Preußen, bekleidete also auch eine politische Funktion. Aus diesem Grund war der polnische König bestrebt, diesen wichtigen Posten mit einer Person seines Vertrauens zu besetzen, um mit seiner Hilfe eine eigene Parteiung in der nicht gerade königstreuen Provinz aufzubauen. Jerzy Dygdała, Szersze tło zabiegów Stanisława Augusta o biskupstwo warmińskie dla Ignacego Krasickiego, in: Ignacy Krasicki – nowe spojrzenia, hg. von Zbigniew Goliński (u. a.), Warszawa 2001, S. 11– 28. Vgl. Correspondance ine´dite du roi Stanislas-Auguste Poniatowski et de Madame Geoffrin, S. 356; Zbigniew Goliński, Ignacy Krasicki, Warszawa 1979, S. 197; Paul Cazin, Książe Biskup Warmiński Ignacy Krasicki 1735 – 1801, Olsztyn 1983, S. 92 f. Ein Flugblatt berichtete, dass sich besonders die Damenwelt über die Wahl Krasickis zum Bischof freuen würde und ihn deshalb mit Geschenken überhäuft haben soll.Wiadomości krytykujące podczas sejmu i po sejmie 1767, in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 6672 II, S. 123. Zit. nach Goliński, Ignacy Krasicki, S. 207. Ernst Ahasverus Heinrich Lehndorff, Dreißig Jahre am Hofe Friedrich des Großen. Aus den Tagebüchern des Reichsgrafen Ernst Ahasverus Heinrich Lehndorff, Kammerherrn der Königin Elisabeth Christine von Preußen, Bd. 2, Gotha 1913, S. 145.
1. Pole, Bischof, preußischer Untertan – Ignacy Krasicki, Diener dreier Herren
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seine Bischofsresidenz Heilsberg (Lidzbark Warmiński) zurück, wo ihn 1772 auch die Nachricht von der ersten Teilung Polens erreichte.¹⁵ An den königlichen Kommissar in Danzig, Husarzewski schrieb er gleich darauf einen emotionalen Brief, in dem er behauptete, die Teilungsnachricht habe ihn derart in Verzweiflung gestürzt, dass er ernsthaft darüber nachgedacht habe, sich zu erhängen.¹⁶ Was ihn – vielleicht vor allem – in diese hilflosen Selbstmordgedanken trieb, war die plötzliche Sequestrierung all seiner Einnahmen sowie seine ungeklärte bischöfliche Jurisdiktion. Im Zuge der Einverleibung Ermlands in den preußischen Staat wurde der junge, tief verschuldete Kirchenfürst nun Untertan dieses Staates; seine Machtposition und Einkünfte in einem zerbröckelten und durch die preußischen Kontributionen zusätzlich geplagten Bistum hingen somit einzig und allein von Friedrich II. und dessen Verwaltung ab.¹⁷ Obwohl Krasicki dem neuen König nicht den mindesten Grund zur Unzufriedenheit gegeben hatte und den Anordnungen bezüglich der ermländischen Diözese geflissentlich folgte, spitzte sich seine Lage immer mehr zu.¹⁸ Denn die preußische Regierungsmacht betrieb eine Säkularisierung des Bistums, was die Position des Kirchenfürsten auf eine völlig neue Rechtsgrundlage stellte und eine starke Reduzierung der bischöflichen Einkünfte befürchten ließ. Der Königsberger Kammerpräsident Johann Friedrich Domhardt verfasste jedenfalls zur selben Zeit einen Immediatbericht für den preußischen König, in dem er genau diesen Schritt empfahl und Krasickis hohe Verschuldung und seine Geldpolitik auf das Schärfste verurteilte.¹⁹ In dieser prekären Lage entschloss sich der ermländische Bischof, dem neuen Souverän seine Situation und die des Bistums persönlich zu schildern. In einem Brief von Ende Oktober 1772 suchte er ergeben um eine Audienz in Berlin Mit über 2 600 Einwohnern war Heilsberg die drittgrößte Stadt in der zwölf Städte zählenden Diözese Ermland und seit über 300 Jahren Sitz der Bischöfe.Vgl. Stanisław Achremczyk,Warmia w czasach Ignacego Krasickiego, in: Ignacy Krasicki – nowe spojrzenia, S. 69. Vgl. Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 1: 1743 – 1780, hg. von Zbigniew Goliński (u. a.), Wrocław 1958, S. 217.Weitere Belege, die darauf hinweisen würden, dass dieses politische Ereignis eine besonders starke Wirkung auf Krasicki ausgeübt hatte, sind bislang allerdings nicht gefunden. Vgl. dazu Roman Wołoszyński, Postawa ideowa Ignacego Krasickiego po roku 1780, Wrocław 1953, S. 41. Der beste Beweis, wie zerrüttet die finanzielle Situation Krasickis bereits vor der preußischen Inbesitznahme Ermlands war, ist der Umstand, dass er schon 1771 beabsichtigte, die Gesamteinkünfte des bischöflichen Stuhls auf sechs Jahre zu verpfänden, um seine Gläubiger zu befriedigen. Mit Krasickis Verschuldung beschäftigt sich ausführlich Stefan Rygiel, Losy księgozbioru Ignacego Krasickiego, Lwów 1922, S. 12 f. Siehe dazu Anton Eichhorn, Geschichte der Ermländischen Bischofswahlen, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands, 4– 6 (1861– 1863), S. 610 – 631. Vgl. Max Lehmann, Preußen und die katholische Kirche seit 1640. Nach den Acten des Geheimen Staatsarchives, Bd. 4, Leipzig 1883, S. 469.
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nach, worauf er gleich im November eine kurze und nicht sonderlich einladende Antwort von Friedrich II. erhielt: „J’ai vu avec plaisir les nouvelles protestations de Votre soumission et de Votre fidelité. L’accès de mon trone n’est defendu à aucun de mes fidels sujets, et comme Vous tenez un rang distingué entre eux,Vous y serez favorablement reçu.“²⁰ Um überhaupt nach Berlin fahren zu können, brauchte der mittellose Bischof jedoch Geld. Nachdem er schließlich 6 000 Taler vom Königsberger Kammerpräsidenten bekommen hatte, machte er sich auf den Weg in die preußische Hauptstadt.²¹ Optimistisch stimmte ihn hierbei das Gerücht, wonach Friedrich seine neuen hochrangigen Untertanen, die bereit waren, ihm Treue zu schwören, mit Ordensbändern dekorieren würde.²² Voller Hoffnung auf eine solche Auszeichnung, die womöglich auch einen finanziellen Vorteil bringen könnte, sowie auf positive Erledigung seines Anliegens kam Krasicki kurz vor Weihnachten in Berlin an. Dank der guten Beziehungen seines Freundes und Kammerherren der Königin Lehndorff wurde er dem König am 25. Dezember 1772 durch den Hofmarschall Heinrich Reuß vorgestellt. Aus den Tagebüchern Lehndorffs geht hervor, dass Friedrich II. Krasicki bei ihrer ersten Begegnung „viel Verbindliches“ gesagt hatte und ihn „sofort zum Diner an der großen Tafel mit dem ganzen Königshause“ eingeladen haben soll.²³ Doch dabei ist es auch geblieben. Vergeblich wartete Krasicki auf eine verbindliche Zusage des Königs bezüglich seines bischöflichen Status und seiner Einnahmen, von dem erhofften Ordensband ganz zu schweigen. Gewartet hatte er allerdings nicht in Ermland, sondern in Berlin, wo er sich aktiv sowohl am gesellschaftlichen Hofleben als auch am Karneval beteiligte. Der 37-jährige, „ungezwungene“, „reizende“ und „liebenswürdige“ Bischof von Ermland findet „schnell allgemeinen Beifall beim Publikum“, berichtet Lehndorff.²⁴ Bereits am 18. Januar 1773 schreibt Friedrich an seine Schwester, Königin Ulrike von Schweden: „Nous avons l’eveque de Warmie, qui est un galant homme.“²⁵
Zit. nach Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 1, S. 224. Ein Hinweis darauf findet sich in einem Brief von Aleksy Husarzewski an den königlichen Sekretär Jacek Ogrodzki, 01.12.1772, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 704 IV, Bl. 364. Siehe dazu auch Materiały do życiorysu i twórczości, hg. von Ludwig Bernacki, in: Pamiętnik Literacki, 26 (1929), S. 445. Vgl. Goliński, Ignacy Krasicki, S. 232 und 282. Lehndorff, Dreißig Jahre, S. 269. Über die Einladung des preußischen Königs für Krasicki berichtete auch die Berlinische Monatsschrift vom 29.12.1772. Ebenda, S. 269 ff. Politische Correspondenz, Bd. 33, S. 200.
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Diese gesellschaftlichen Erfolge halfen ihm jedoch nicht, seine geschäftlichen Angelegenheiten zu erledigen. Nachdem er einen Monat lang nichts vom König gehört hatte und sein Reisegeld fast aufgebraucht war, schrieb er Ende Januar 1773 einen verzweifelten Brief an Friedrich, in dem er an seine „Humanität“ appellierte und um eine klare Entscheidung über sein „Schicksal“ bat.²⁶ Die Antwort aus Potsdam kam gleich am nächsten Tag und war für Krasicki höchst erfreulich: Er dürfte alle seine Jurisdiktionen beibehalten und die Höhe seiner Einkünfte sollte so bald wie möglich festgelegt werden. In Erwartung des in Aussicht gestellten Geldsegens blieb Krasicki noch einige Wochen in Berlin und feierte dort auch seinen 38. Geburtstag. Nach Heilsberg kam er zurück, „gefüttert mit Versprechungen und ohne einen Groschen in der Tasche“, wie Husarzewski kommentierte.²⁷ Der Bischof blieb jedoch zuversichtlich, denn er hoffte, während der für Frühjahr 1773 geplanten westpreußischen Truppenparaden in Elbing den König zu treffen und ihn bei dieser Gelegenheit für sein persönliches Anliegen zu gewinnen. Entsprechend groß muss die Enttäuschung gewesen sein, als der finanziell angeschlagene Bischof noch vor der Ankunft Friedrichs II. in Westpreußen erfuhr, dass seine Einnahmen von der preußischen Verwaltung empfindlich reduziert worden waren; seine jährlichen Revenuen sanken von 80 000 auf 24 000 Reichstaler.²⁸ Dennoch war das Treffen in Elbing ein bahnbrechendes Ereignis im Verhältnis Friedrichs zu Krasicki. Aus Lehndorffs anschaulicher Schilderung geht hervor, dass „Seine Majestät meinen liebenswürdigen Bischof von Ermland besonders gnädig behandelt hat“, weil er ihn „in gute Stimmung“ bringen konnte.²⁹ Die Heiterkeit und der ironische Humor Krasickis sollen auch der Grund dafür gewesen sein, dass der Preußenkönig „während des ganzen hiesigen Aufenthaltes dieselbe Frische an den Tag legte, den Bischof immer zum Diner zog“, „mehrere Stunden an der Tafel blieb“ und sich „ausschließlich“ mit ihm „aufs angenehmste unterhielt“.³⁰ Von diesem Treffen soll auch die folgende, berüchtigte Anekdote stammen, die in manchen Quellen dem Breslauer Kanoniker Bastiani zuge-
Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 1, S. 225. Materiały do życiorysu i twórczości, S. 446. Vgl. Goliński, Ignacy Krasicki, S. 238; Stanisław Achremczyk, Biskup Krasicki. Poddany dwóch władców, in: Między irredentą a kolaboracją. Postawy społeczeństwa polskiego wobec zaborców, hg. von Sławomir Kalembka und Norbert Kaspark, Olsztyn 1999, S. 37. Lehndorff, Dreißig Jahre, S. 281. Ebenda. Auch Husarzewski berichtete in einem Brief, dass der Preußenkönig über drei Stunden mit Krasicki an der Tafel in einer ausgelassenen Stimmung verbrachte. „Pendant tout ce temps là il fut de tres bonne humeur, et il ne fit presque que parler et rire avec le premier de ces prelats.“ In: Materiały do życiorysu i twórczości, S. 446.
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schrieben wird³¹ und die sich auf die Entscheidung über die Kürzung von Krasickis Einkünften bezieht: „Wenn Sie im Himmel sind“, soll Friedrich Krasicki gefragt haben, „und ich auch da ankomme und Petrus mich als einen Ketzer zurückweist, wollen Sie, mein lieber Abt, mir dann nicht aus Freundschaft unter Ihrem Mantel herein helfen?“ „Es wird schwer sein, meine Majestät“, erwiderte Krasicki, „denn zu stark haben Sie mir diesen Mantel gekürzt, als dass ich noch eine Kontrebande darunter verstecken könnte.“³²
Dank seines feinen und ungezwungenen Witzes gelang es Krasicki nicht nur, die Sympathie Friedrichs II. zu gewinnen, sondern auch dessen Geldbörse zu öffnen. Bei seiner Abreise aus Elbing schenkte ihm der Monarch 12 000 Reichstaler und bemerkte großzügig dazu: „Ich weiß, dass Sie in Verlegenheit sind, dass Sie Schulden haben, aber ich hoffe, dass Sie sie mir überlassen wollen, ich werde sie bezahlen.“³³ Seither meldeten sich immer mehr Gläubiger Krasickis bei der preußischen Verwaltung mit der Bitte, ihnen zu helfen. Zur Regulierung seiner Schulden wurden 50 000 Reichstaler aus der königlichen Kasse angewiesen, doch es reichte kaum für die Schuldner in Preußen, und der Bischof blieb in Polen noch viermal so viel schuldig.³⁴ Als die preußische Regierung im Jahre 1774 mit Hilfe des königlichen Gnadengeschenks mit der Begleichung von Krasickis Schulden begann, konnte sie sicherlich nicht ahnen, was sie damit auf sich nahm, zumal der Fürstbischof immer neue Verpflichtungen einging. Bald sind Friedrich II. die Aufsuche von Krasickis Gläubigern lästig geworden und er gestand seinem Bruder Heinrich, dass sein heiterer Bischof ein „durchlöcherter Korb“ sei. Es dauerte daher nicht lange, bis er den Entschluss fasste, jegliche weitere Zahlungen zu stoppen.³⁵ Wofür der Bischof so viel Geld brauchte, darüber geben Lehndorffs Tagebucheintragungen über seine Besuche bei Krasicki in Heilsberg beredt Auskunft: „Er zeigt mir eine Menge Sachen, Möbel, Statuen, Kupferstiche, alles von außerordentlicher Schönheit […]. Nachmittags zeigt er mir Sehenswürdigkeiten von Heilsberg, Wasserfälle sowie die Fontaine von Bacluse, die der Petrarcas sicher in nichts nachsteht. Von da führt er
Vgl. Johann Georg Zimmermann, Fragmente über Friedrich den Großen. Zur Geschichte seines Lebens, seiner Regierung und seines Charakters, Frankfurt und Leipzig 1790, Bd. 1, S. 68. Zit. nach Mieczysław Klimowicz, Polsko-niemieckie pogranicza literackie w XVIII wieku. Problemy uczestnictwa w dwu kulturach, Wrocław 1998, S. 101. Zit. nach Lehndorff, Dreißig Jahre, S. 281. Vgl. Ebenda, S. 315. Politische Correspondenz, Bd. 38, S. 428 und 462.
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mich durch reizende Alleen in einem wunderschönen Garten voll prächtiger Blumenbeete, Wasserkünste und Wasserfälle.“³⁶
Dazu kommen noch die vom Bischof für seine Gäste veranstalteten Theateraufführungen, Konzerte, Bälle, Tafelrunden, Kostümfeste, Ausstellungen in seiner Galerie sowie Flugexperimente mit kleinen Heißluftballons. Um für all diese Attraktionen eine entsprechende und zeitgenössische Umgebung zu schaffen, ließ Krasicki das alte gotische Bischofsschloss in Heilsberg im Rokokostil umbauen und verzierte es zusätzlich mit einer modernen Parkanlage, wie er sie in Sanssouci und in Wörlitz kennengelernt hatte.³⁷ Darüber hinaus kostete Krasickis ausgeprägte Sammelleidenschaft, die sich beinahe auf alle Kunstbereiche bezog und sich im Laufe der Zeit immer stärker auf Kupferstiche und Malerei konzentrierte.³⁸ In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass von den Wänden seines Schlosses nicht nur zahlreiche Porträts der polnischen Könige herabblickten, sondern auch der ganze Stamm der Hohenzollern. Neben den Bildnissen von Friedrich Wilhelm II. und dem Prinzen Heinrich im Porträtsaal, füllten „den großen so genannten ‚Gelben Saal‘ 18 Porträts der brandenburgischen Königsfamilie, schwarz eingerahmt und mit goldenen Ornamenten“.³⁹ Dem freigiebigen Rokokofürst gelang es in kurzer Zeit, in seinem weltentlegenen „Heilsberger Sanssouci“ einen weithin bekannten und viel besuchten „Salon“ einzurichten, der künstlerisch und literarisch in der französierten polnischen Oberschicht den Ton angab. Krasickis Residenz in Heilsberg war sowohl für die Adelsgesellschaft aus Ost- und Westpreußen als auch für anspruchsvolle Durchreisende, wie z. B. den späteren Zaren, Großfürst Paul von Russland, oder Prinz Heinrich, ein Anziehungspunkt. Auch die Namen von westpreußischen Regierungsleuten und hohen Militärs, wie Schrötter, Dohna auf Lauck, Dönhoff, Gröben, Eulenburg, Schlieben, Stutterheim, Schwerin oder Brühl tauchen immer wieder in Krasickis Korrespondenz als häufige Gäste seines Schlosses auf.⁴⁰ Der
Lehndorff, Dreißig Jahre, S. 284. Vgl. Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 1, S. 275. Zur Geschichte der Sammlungen von Krasicki siehe Magdalena Górska, Krasickiego kolekcje dzieł sztuki, in: Ignacy Krasicki – nowe spojrzenia, S. 103 – 124. Jan Obłąk, Sprawa inwentarza biskupstwa warmińskiego po przejściu Ignacego Krasickiego do Gniezna, in: Studia Warmińskie, 4 (1967), S. 7 f. Eine ausführliche Schilderung von Krasickis Kontakten zu den Vertretern der preußischen Verwaltung findet man in der – trotz einiger falscher Quellenangaben – bislang besten deutschsprachigen Abhandlung über Krasickis Biografie: Alfons Triller, Ignatius Krasicki. Dichter und Fürstbischof als preußischer Untertan (1772– 1802 [sic!, A.P.]). Beiträge zu seiner Biografie, in: Personal und Vorlesungsverzeichnis Wintersemester 1944/45, hg.von der Staatlichen Akademie zu Braunsberg, Braunsberg 1944, S. 57– 63. Siehe dazu auch Józef Ignacy Kraszewski, Krasicki. Życie i
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Kontakt zu dem gastfreundlichen und unterhaltsamen Fürstbischof wurde allerdings nicht allein aufgrund seiner persönlichen Vorzüge oder um seines anregenden Hofes willen gesucht, „sondern man wusste auch, dass er beim Könige gut angeschrieben war, und mochte sich so auch mancherlei persönliche Fürsprache und Vermittlung von ihm erhoffen“.⁴¹ Krasicki wusste diese Hoffnungen – besonders der preußischen Geldaristokratie – zu nutzen und ließ sich gerne des Öfteren seine Fahrten nach Berlin mitfinanzieren.⁴² Dass Krasicki seit dem Treffen in Elbing eine besondere Sympathie des Preußenkönigs genoss, beweist am besten die Tatsache, dass Friedrich II. ihn dazu auserkor, die neuerbaute und von ihm initiierte katholische St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin einzuweihen. Obwohl sich andere Bischöfe und Kardinäle um diese Würde beworben hatten, lud Friedrich II. in einem Schreiben vom September 1773 ausgerechnet den, ihm erst seit kurzem, persönlich bekannten, polnischen Fürstbischof von Ermland ein, die Feierlichkeiten vorzunehmen. Außerdem stellte er ihm dafür die finanziellen Mittel sowie Pferde für die Reise zur Verfügung und schloss seinen Brief mit der verbindlichen Bemerkung: „En attendant le plaisir de vous voir à cette occasion […]“⁴³ Aus den Tagebüchern Lehndorffs, der ebenfalls an der Einweihung teilnahm, geht hervor, dass der König Krasicki nach dessen verspäteter Ankunft in Berlin „sofort nach Potsdam kommen lässt, ihm die Reise bezahlt und ihn sehr gut behandelt“.⁴⁴ Die Konsekration wurde am 1. November vollzogen – interessanterweise an dem Tag, an welchem sich die Apostasie Berlins von der römisch-katholischen Religion zum 233. Mal jährte. Von Priestern aus Schlesien und Westpreußen begleitet, soll der Fürstbischof von Ermland bei den Feierlichkeiten „in seinem prächtigsten Ornat“ aufgetreten sein und „besonders imposante Gestalt“ gemacht haben.⁴⁵ Im Anschluss an diese Einweihung weilte Krasicki die nächsten fünf Monate als Gast des Königs in Berlin und Potsdam, davon zwei Wochen im Schloss Sanssouci. Er wohnte dort im Zimmer Voltaires und begleitete den Preußenkönig jeden Tag zur Tafel, was erneut bestätigt, dass Friedrich II. großen Gefallen an der
dzieła. Kartka z dziejów literatury XVIII wieku, Warszawa 1879, S. 314 sowie Andrzej Kopiczko, Warmińsko-pruskie otoczenie Krasickiego, in: Ignacy Krasicki – nowe spojrzenia, S.78 – 92. Triller, Ignatius Krasicki, S. 60. Darauf macht Husarzewski in einem Brief vom 29.11.1774 aufmerksam, in: Materiały do życiorysu i twórczości, S. 449. Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 1, S. 245. Lehndorff, Dreißig Jahre, S. 286. Ebenda, S. 287. Eine ausführliche Beschreibung der Einweihungszeremonie findet man in: Theodor Kux, Geschichte und Beschreibung der unter Friedrich dem Großen für die Katholiken erbauten St. Hedwigskirche in Berlin, Köln 1833. Vgl. dazu auch Berlinische Zeitung, 02.11.1773.
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Gesellschaft seines polnischen Untertanen gefunden haben musste. Aber auch der Bischof von Ermland genoss seinen Aufenthalt in Berlin und Potsdam und hätte dafür höchstwahrscheinlich auch noch länger seine bischöflichen Pflichten vernachlässigt, wenn ihn nicht der Gastgeber mit einem wohlmeinenden Schreiben auf diese aufmerksam gemacht hätte.⁴⁶ Nach seiner Rückkehr im März 1774 soll Krasicki Friedrich II. in den höchsten Tönen gelobt und ihn als den „König der Könige“ bezeichnet haben.⁴⁷ Trotz dieser Begeisterung für den preußischen Monarchen und seinen Hof bemühte sich Krasicki, Ermland zu verlassen und ein Bistum in Polen (Płock) zu übernehmen, wahrscheinlich um dort höhere Einkünfte als in Preußen zu erzielen. Doch sein früherer Vertrauter, der polnische König Stanisław August, lehnte diese Möglichkeit entschieden ab mit den Worten: „Nichts kann von mir derjenige erwarten, welcher ein Interesse am Preußenkönig gezeigt hat.“⁴⁸ Das wohlwollende Verhältnis Krasickis zu Friedrich II. war auch in breiteren Hofkreisen allgemein bekannt und gab Anlass zu Gerüchten, wonach sich der Bischof bereits vor dem Abschluss des Teilungstraktats in dessen Dienste gestellt haben soll.⁴⁹ Mehr noch, unter den Klosterbrüdern von Oliwa kursierte sogar die Nachricht, er soll bereit gewesen sein, das Ermland für eine gewisse Geldsumme an den König von Preußen zu verkaufen.⁵⁰ Auf solche Verratsvorwürfe antwortete Krasicki mit seinen literarischen Werken, in denen er sich als einen um die Zukunft Polens besorgten Patrioten darstellte und zur Vaterlandsliebe aufrief.⁵¹ Mit seinem dichte-
Am 14. März 1774 schrieb Friedrich II. aus Potsdam an Krasicki: „Les devoirs de votre charge vous rappellant dans votre diocèse, Je ne puis qu’applaudir au désir, que vous faites paroitre, de vous y rendre. C’est donc avec plaisir, que je vous en accorde la permission, et, en vous souhaitant un bien heureux voyage, Je joins ici un passeport pour des chevaux de relais, qui contribuera à diminuer les fraix de votre rétour.“ Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 1, S. 248 f. Vgl. Cazin, Książe Biskup Warmiński, S. 122. Zit. nach ebenda. Dass Krasicki stets unter Geldnot litt und dass ihm die höheren Einkünfte mehr bedeuteten als patriotische Gefühle, bezeugt eine zeitgenössische Satire: „Ob er in diesem oder anderen Teil leben muss, ist ihm allerlei/ Hauptsache es ist ein Leben in Genuss und nicht in Armut.“ Zit. nach Stanisław Hr. Wodzicki, Wspomnienia z przeszłości od roku 1768 do roku 1840, Kraków 1873, S. 134. Vgl. dazu die Briefe von Mikołaj Morawski an Karol Radziwiłł, Juni 1772, in: AGAD, Archiwum Radziwiłłów, 9994, Bl. 22– 24. Derartige Informationen kann man im Brief von einem Abt des Klosters in Oliwa vom 30.05. 1769 finden, in: Materiały do życiorysu i twórczości, S. 430. Das bekannteste unter diesen Werken ist sicherlich seine „Hymne an die Liebe zum Vaterland“ (Święta miłości kochanej ojczyzny) von 1774, die bereits zu seinen Lebzeiten sehr populär war und zur Hymne für die Ritterschule in Warschau bestimmt wurde. Zur Wirkung dieses Gedichts im zeitgenössischen Polen-Litauen siehe Dariusz Rolnik, „Święta miłości kochanej ojczyzny“.
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rischen Engagement versuchte er gleichzeitig, die positive Beziehung zum polnischen König wiederherzustellen und diesen davon zu überzeugen, dass er trotz seiner Verpflichtungen dem preußischen Herrscher gegenüber stets ein treuer Anhänger und Untertan der polnischen Krone geblieben sei.⁵² Solange aber die ersehnte Rückkehr auf einen polnischen Bischofsstuhl nicht in Aussicht stand, konzentrierte sich Krasicki auf seine guten Kontakte zum preußischen Hof und verbrachte ab 1774 fast jedes Jahr mehrere Wintermonate in Berlin, Potsdam und Rheinsberg. Die Gesellschaft, in welcher der Bischof bei seinen langen Aufenthalten in Berlin verkehrte, bestand neben der Tafelrunde des Königs vor allem aus Freunden des Grafen Lehndorff und solchen des Prinzen Heinrich. In Krasickis Briefen aus Berlin und Potsdam tauchen häufig die Namen des Bergwerkministers Heynitz, des Kammerdirektors des Prinzen Heinrich, Hoffmann, der in der Berliner Gesellschaft einflussreichen Geschwister Wreech (auch Wreich) sowie einiger Mitglieder der Akademie der Wissenschaften auf. Besonders intensiven Kontakt pflegte Krasicki zum jahrelangen Sekretär der Akademie, Jean Henri Samuel Formey, den er auf Anraten und Bitten Stanisław Augusts zu überzeugen versuchte, eine vom polnischen König geplante wissenschaftliche Zeitschrift herauszugeben.⁵³ Wo Krasicki während seiner Berliner Aufenthalte wohnte, ist allerdings nicht eindeutig geklärt. Bekannt ist nur, dass er sich eine geräumige zweigeschossige Wohnung in der Nähe des Stadtschlosses und in der Nachbarschaft des Ministers von Zedlitz mietete, die er jedoch aufgrund seiner wachsenden Verschuldung bald aufgeben musste.⁵⁴ Später bezog er eine Wohnung im zweiten Stockwerk des sogenannten „Itzigschen Hauses“ in der Burgstraße, die als seine letzte Berliner Adresse verzeichnet ist.⁵⁵ Współcześni czasów stanisławowskich (1764– 1795) wobec państwa Rzeczypospolitej, in: Acta Universitatis Wratislaviensis, 3049 (2007), S. 457– 476. Zu Krasickis Bemühungen um die Verbesserung seines Ansehens bei Stanisław August siehe Achremczyk, Biskup Krasicki. Poddany dwóch władców, S. 38. Auf dieses polnisch-preußische Zeitungsprojekt wird im folgenden Kapitel noch ausführlich eingegangen. Vgl. dazu die Korrespondenz zwischen Krasicki und Stanisław August in: Materiały do życiorysu i twórczości, S. 664 f. Mehr dazu bei Stanisław Tomkowicz, Stanisław August w pogoni za sławą, in: Z wieku Stanisława Augusta, Bd. 1, Kraków 1882, S. 38 – 44. Vgl. Goliński, Ignacy Krasicki, S. 248. Vgl. Herman Granier, Preussen und die katholische Kirche seit 1640. Nach den Acten des Geheimen Staatsarchives, Achter Theil von 1797 bis 1803, Leipzig 1902, S. 398. Dem Berliner Finanzentrepreneur Friedrichs II., Daniel Itzig, gehörten an der Ecke Burgstraße und der heutigen Anna-Louisa-Karsch-Straße ein Komplex von fünf Häusern, darunter das Palais Montargues. Das Haus in der Burgstraße 6 wurde von der Familie Itzig selbst bewohnt und galt im 18. Jahrhundert als ein Ort der Haskalah, der jüdischen Aufklärung. Krasicki hatte sich für die Aufklärungsbewegung seiner jüdischen Nachbarn offensichtlich kaum interessiert, denn nirgendwo findet man bei ihm Hinweise darauf.
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Gleichwohl wurde der polnische Bischof und Dichter auch hier in Berlin ständig von seinen Gläubigern aufgesucht. Zu ihnen zählten vor allem hiesige Handwerker und Künstler, u. a. die Hofmalerin und Tochter des in Berlin tätigen Porträtmalers Georg Lisiewski, Anna Dorothea Theerbusch, bei der Krasicki viele Bestellungen aufgab, ohne sie zu bezahlen. Auch zwei Berliner Schneider reichten im April 1776 eine Immediatvorstellung beim König ein, wonach der Fürstbischof von Ermland bei ihnen verschiedene Kleider für sich und seinen Hofmarschall sowie Livreen für seine Bediensteten hat anfertigen lassen. Der Bischof habe zwar die Rechnung unterschrieben und eine Anweisung an seinen Berliner Bankier Fickert gegeben, aber auf diese sei kein Geld zu bekommen und nun würden sie selber durch ihre Kreditgeber verklagt. Die Resolution verwies die Supplikanten an die westpreußische Regierung, da sie mit dieser und „nicht mit Behelligung Sr. Königl. Maj. höchsten Person ihre Forderungen ausmachen müssten.“⁵⁶ Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Preußenkönig über derartige Vergehen seines polnischen Untertanen nicht informiert wurde, dennoch schien seine Sympathie für ihn dadurch unbeeinflusst geblieben zu sein. Vor allem in den letzten Lebensjahren Friedrichs II. war der Fürstbischof von Ermland allezeit ein gern gesehener Gast in Potsdam. Die Frage, warum er die Gesellschaft Krasickis eigentlich so hoch schätzte oder welcher Art ihr Gedankenaustausch genau war, ist schwer zu beantworten, weil es gerade hierüber kaum Berichte gibt. In den bruchstückhaften Überlieferungen wird sehr wohl immer wieder das Element des Heiteren, des Anekdotenhaften bis zum Sarkastischen ihrer Unterhaltung betont.⁵⁷ Man könnte also annehmen, dass der durch seinen sarkastischen Humor bekannte König von Preußen den Verkehr mit dem anmutigen, geistreichen und witzigen Polen als Entspannung betrachtete,weil dieser ihn zum Lachen zu bringen wusste. Allerdings muss die Neigung Krasickis zum Jovialen sehr ausgeprägt gewesen sein, worauf ein leicht tadelnder Brief des Prinzen Heinrich an seinen königlichen Bruder hinweist: „L’ evêque de Warmie est venu me rendre visite, il aime beaucoup le badinage, quoique la saison n’est plus guère propre à ce genre d’amusement. Il parcourt et examine tout.“⁵⁸ Wie sehr Friedrich II. seinen Bischof von Ermland gerade für diese starke Vorliebe zum Amüsanten schätzte, offenbart das Tagebuch des königlichen Kammerherren und späteren Gesandten in Warschau, Marchese Girolamo Lucchesini, das als eine der wenigen Quellen für Friedrichs Tischgespräche gilt. Am 22. März 1781 taucht in seinen Notizen zum ersten Mal der Name Krasickis auf: Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Krasickis Schulden und seinen ausgeklügelten Versuchen, diesen zu entkommen, findet man bei Triller, Ignatius Krasicki, S. 72– 78. Vgl. Goliński, Ignacy Krasicki, S. 331. Politische Correspondenz, Bd. 38, S. 428.
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„Abends. Wegen der Ankunft des Bischofs von Ermland wurde Abendtafel angesagt, was dem Fürsten von Hohenlohe missfiel, für den keine Abendtafeln gegeben werden.“⁵⁹ Bereits unter dem Datum des zweiten Tages von Krasickis Aufenthalt in Sanssouci wird über die heitere Stimmung während der Tafel berichtet: „Abends. Die Abendtafel war nicht weniger heiter. In einem scherzhaften Streit über das Vorhandensein des leeren Raumes trete ich dafür ein, der König und der Bischof von Ermland erklären sich dagegen. Physik, Medizin, Anatomie, alles wurde in Bewegung gesetzt.“⁶⁰ Gleichzeitig wusste der ehemalige Schützling des polnischen Königs den Preußenherrscher und seine Hofgäste mit allerhand pikanten Anekdoten und Berichten über polnische Verhältnisse der Vergangenheit und Gegenwart zu unterhalten. So erfuhr Friedrich von Krasicki, dass der vorherige König von Polen viel bitterlicher den Tod seines Lieblingsnarren als den seiner Gemahlin beweinte oder dass der Bruder eines polnischen Königs, der Primas und Kardinal war, im Jahr 1500 die sog. Franzosenkrankheit nach Polen eingeschleppt hat.⁶¹ Anscheinend hat es den Bischof auch nicht weiter gestört, wenn sich der preußische Hof auf Kosten seines polnischen Heimatlandes amüsierte. Ausgelassen berichtete er z. B. darüber, dass man auf dem letzten polnischen Reichstag nicht einmal davon hören wollte, ein „sehr schönes Gesetzbuch“ von einem späteren Reichstag auf seine Brauchbarkeit hin überprüfen zu lassen,⁶² obwohl alle Gesprächsteilnehmer ganz genau wissen mussten, dass die preußische Regierung zusammen mit Russland gegen diesen Gesetzentwurf aufgetreten war und zu diesem Zwecke ausgiebig die polnischen Abgeordneten bestochen hatte.⁶³ Einen besonderen Gefallen soll Friedrich II. aber, laut Krasickis Berichten, an den humoristischen Schilderungen seiner galizischen Kindheitserlebnisse gefunden haben. In einem Brief an seinen Bruder von 1781 schreibt er: „Wir saßen vier Stunden zusammen an der Tafel und das Großväterchen amüsierte sich so und kicherte so hemmungslos, dass wir uns wie die Kinder vergnügten. Wir erzählten uns Geschichten über dieses und jenes, auch Dubieniecko, Nienadowa und Nostrzec [Famili-
Gespräche Friedrich des Großen mit H. de Catt und Marchese Lucchesini, hg. von Fritz Bischoff, Leipzig 1885, S. 199. Ebenda. Ebenda, S. 199 f. Ebenda. Gemeint ist hier der sogenannte „Zamoyski Kodex“ von 1776, den eine Gruppe der aufgeklärten Reformer mit dem ehemaligen königlichen Kanzler Andrzej Zamoyski an der Spitze ausgearbeitet hatte und der eine neue Kodifizierung der polnischen Gesetze vorsah. Bei der Reichstagsversammlung von 1780 wurde dieser Gesetzentwurf von der Mehrheit des Adels aber abgelehnt, weil sie darin die autokratischen Bestrebungen des Königs zu erkennen glaubte.
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engüter der Krasicki, A.P.] kamen vor und diejenigen, die hinter der Tür standen, dachten vielleicht, es ginge um das Äquilibrium von ganz Europa, was Friedrich selbst ansprach, und er machte sich darüber fürchterlich lustig und ich genauso; ach, wenn Ew. Liebden hier bei mir wären, wie wir uns hier vergnügen, wie wir Austern essen […]. Ich fahre zum König wieder zur Abendtafel.“⁶⁴
Trotz Lachen und Austernessen wurden auch ernstere Themen angesprochen, wie z. B. die Situation der Juden in Polen, die Teilung Polens, die finanziell schwierige Lage des Bistums Ermland, die Freimaurerei oder das Alter der Welt.⁶⁵ Auch Gespräche über religiöse Themen haben sich nicht ganz vermeiden lassen. Überliefert ist, dass Friedrich II. bei einem Gespräch mit dem weltmännischen Bischof, der in der polnischen Literaturgeschichte auch als Deist bezeichnet wird,⁶⁶ „mit viel Witz das Pater noster persiflierte“ oder dass sich Krasicki vom König manch deftigen Scherz über seinen Beruf anhören musste.⁶⁷ Selbstverständlich war Ignacy Krasicki nicht der Einzige, der sich um Unterhaltung des in die Jahre gekommen Königs bemühte. Neben ihm gehörten – nach dem Bericht von Friedrichs Leibarzt Johann Georg Zimmermann – der erwähnte Marchese Lucchesini, Abt Bastiani, Staatsminister Freiherr von der Horst, Graf von Chasôt und der Prinz von Hohenzollern zu den Gesellschaftern. Wie Friedrich dabei auf seine Umgebung wirkte, erfährt man ebenfalls aus Krasickis Briefen an seinen Bruder. Im März 1781 berichtet er: „Der Alte ist fröhlich, freundlich, liebenswürdig, hat es gern, unterhalten zu werden und liebt es, wenn die, welche mit ihm sind, zu seiner Heiterkeit beitragen. Stellen Sie sich den Sieger, den Gesetzgeber, den Weisen vor, der die lustigsten Geschichten erzählt, der zu Mittag drei Stunden bei Tische lacht, beim Abendessen zwei, der Bücher schreibt, der nicht nur seine Monarchie dirigiert, sondern auch … [Polen, A.P.]. Das ist die Definition des Menschen, mit dem ich zusammenwohne, und die die Nachkommen wahrscheinlich nicht glauben werden.“⁶⁸
Tatsächlich vermittelt Krasicki seiner Familie immer wieder ein – zumindest im Polen des 19. und 20. Jahrhunderts – sehr ungewöhnliches Porträt des Preußenkönigs. In seinen Schilderungen erscheint dieser nicht als ein rücksichtsloser Monarch, der zum Untergang des polnisch-litauischen Staatsverbandes beige-
Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 2: 1781– 1801, hg. von Zbigniew Goliński (u. a.), Wrocław 1958, S. 12. Die deutsche Übersetzung bei Bömelburg, Friedrich II., S. 103. Vgl. Gespräche Friedrich des Großen, S. 199 f. Mehr dazu bei Wołoszyński, Postawa ideowa Ignacego Krasickiego, S. 46. Vgl. Gespräche Friedrich des Großen, S. 201. Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 2, S. 34.
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tragen hatte, sondern als ein liebenswürdiges, lustiges „Väterchen“, das mehr seine gesellige Tafelrunde als seine Macht genießt.⁶⁹ Wobei diese sicher nicht geheuchelte Verehrung des polnischen Fürstbischofs für seinen preußischen Monarchen immer durch einen gewissen Pragmatismus bestimmt blieb. Am deutlichsten zeigt sich dies in einem Brief Krasickis an seinen Bruder vom Juni 1782. Darin schildert er ihm, wie er die teilnehmendsten Glückwünsche von Friedrich empfing, als er ihm bei einem Treffen während der Manöver in Mockerau von der Heirat einer seiner Nichten erzählte und kommentiert dies gleich ironisch: „Wenn er diesem Kompliment 100 000 Taler hinzugefügt hätte, so wäre dieses noch angenehmer gewesen. Aber in diesem Alter können die Monarchen nur nehmen und nicht geben.“⁷⁰ Über den immer schlechteren Gesundheitszustand und schließlich über die letzten Stunden des Preußenkönigs war der Bischof durch den Leibarzt Friedrichs, Doktor Christian Gottlieb Selle, der zuvor für kurze Zeit auch sein eigener Arzt in Heilsberg gewesen war, bestens unterrichtet. Obwohl die Todesnachricht aus Potsdam seit längerer Zeit erwartet wurde, soll sie auf Krasicki einen tiefen Eindruck ausgeübt und tiefes Bedauern hervorgerufen haben.⁷¹ Er wollte sich daraufhin sofort nach Potsdam begeben, aber als er erfuhr, dass der neue Herrscher Friedrich Wilhelm II. bald nach Königsberg kommen würde, um dort die Krone entgegenzunehmen, gab er sein Reisevorhaben auf. Erst nach erbotener Huldigung begab er sich von Königsberg nach Berlin, wo er erneut mehrere Monate verbrachte und sich ausgiebig am kulturellen Hofleben beteiligte.Während dieses ereignisreichen Winteraufenthalts wurde Krasicki bei einer Sondersitzung der Königlich-Preußischen Akademie der Künste und Mechanischen Wissenschaften am 24. Februar 1787 zu ihrem Ehrenmitglied ernannt. Für diese Auszeichnung hatte er sich ausgiebig bedankt und gleichzeitig verpflichtet, sich noch engagierter und vielfältiger um die Entwicklung der Akademie zu bemühen.⁷² Für den neuen Preußenkönig, Friedrich Wilhelm II., war der Fürstbischof von Ermland kein Unbekannter, mehrmals hatte er ihn in Berlin und Königsberg gesehen und gesprochen. Wie viel Wohlwollen auch der Nachfolger Friedrichs II. dem polnischen Gast am preußischen Hof entgegenbrachte, beweist die Tatsache, dass er ihn 1795 – im Jahr der dritten Teilung Polens – zum Erzbischof von Gnesen
Die Einschätzung, dass Friedrich II. „kein ernster Mensch“ gewesen und eher als Ironiker anzusehen sei, findet man u. a. bei Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit. Die Krisis der europäischen Seele von der schwarzen Pest bis zum Weltkrieg, München 1929, Bd. 2, S. 196. Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 2, S. 132. Vgl. Triller, Ignatius Krasicki, S. 27. Vgl. Juljan Bartoszewicz, Znakomici mężowie polscy w XVIII wieku: wizerunki historycznych osób, Teil 3, Petersburg 1856, S. 67 f.
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ernannte.⁷³ Im Jahr 1796 bewilligte er Krasicki zudem ein sogenanntes Gnadenjahr (annus gratiae), d. h. die Zusicherung, dass die Zahlungen von Krasickis Einkünften ein Jahr über dessen Tod hinaus geleistet werden, was seine zahlreichen Gläubiger zumindest teilweise besänftigte und dem Bischof eine gewisse Kreditwürdigkeit garantierte.⁷⁴ Trotz alledem schienen sich des Erzbischofs Beziehungen zum preußischen Hof etwas abgekühlt zu haben, sei es, weil der zunehmend kränkliche Bischof immer weniger verreiste oder weil sein Witz beim neuen Preußenkönig nicht so viel Beifall fand. Ende der 80er Jahre war Krasicki auch verstärkt bestrebt, die positiven Beziehungen zum polnischen König wiederherzustellen und einen Bischofsposten in Krakau zu bekommen. Um seine angeschlagene Position im Lande zu verbessern und sich dem Vorwurf der Unterwürfigkeit gegenüber Preußen zu entziehen, zeigte er verstärktes Interesse am politischen Geschehen in Polen-Litauen und schreckte dabei auch nicht davor zurück, immer wieder und ganz im Sinne von Stanisław August, negative Stellung zu Preußen zu beziehen.⁷⁵ Im Mai 1798 huldigte Krasicki in Königsberg nun seinem dritten preußischen Monarchen. Zwar verlieh ihm Friedrich Wilhelm III. den Roten-Adler-Orden, aber ähnlich wie zu Zeiten Friedrich Wilhelms II. war der Erzbischof von Gnesen nur noch ein seltener Gast am preußischen Hof. Dennoch hatte Berlin für Krasicki nichts von seiner Anziehungskraft verloren, schließlich lebten hier noch viele
Stefan Hartmann geht davon aus, dass Krasicki den hohen Posten bekam, weil er sich während des Kościuszko-Aufstands Preußen gegenüber loyal verhielt und kein Interesse an der nationalen Erhebung zeigte. Stefan Hartmann, Ignacy Krasicki als Erzbischof von Gnesen im Spiegel der Quellen des Geheimen Staatsarchivs Preussischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, in: Między Zachodem a Wschodem. Studia ku czci profesora Jacka Staszewskiego, hg. von Krzysztof Mikulski und Jarosław Dumanowski, Toruń 2003, S. 226. Triller, Ignatius Krasicki, S. 75 f. Doch nicht immer war das preußische Kabinett Krasicki gegenüber so wohlgesinnt. Nach der dritten Teilung Polens hatte sich das Auswärtige Departement ausdrücklich gegen eine Wiederherstellung des Bistums Posen in seinem alten Umfang, d. h. vereinigt mit der Warschauer Diözese, ausgesprochen, und zwar aus folgendem Grund: „Denn der Herr Erzbischof hat immer noch die Idee von den ehemals mit seinem Erzbistum verbunden Primaten-Würde und schon mehrere Male den verstellten Wunsch blicken lassen, solche wieder in seiner Person aufleben zu sehen. Er würde dadurch [die Wiederherstellung des Posener Bistums, A.P.] ein Recht zu Residenz zu Warschau und in dem daselbst befindlichen Palast des ehemaligen Primas erhalten und bauet gewiss darauf den Plan, seine erzbischöfliche Würde zu ihrem ehemaligen, von der Primat-Würde auf sie übergehenden Glanze zu erheben. Die Wirkung solcher Absichten und Entwürfe sind nun unserer Meinung nach in ihrem ersten Entstehen zu unterdrücken.“ Das Auswärtige Departement an den Etats-Minister Hoym, 25.10.1796, in: Max Lehmann, Preußen und die katholische Kirche seit 1640. Nach den Acten des Geheimen Staatsarchives, Bd. 7, Osnabrück 1965, S. 473 f.; Hartmann, Ignacy Krasicki als Erzbischof, S. 229 – 235. Vgl. Cazin, Książe Biskup Warmiński, S. 320 – 323.
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seiner Freunde und Bekannten aus der früheren Zeit. So verbrachte er, wenn immer es ihm finanziell und gesundheitlich möglich war, nach wie vor die Winter in der preußischen Hauptstadt. Und hier ist er auch am 14. März 1801 mit 66 Jahren unerwartet verstorben. Beigesetzt wurde er in der 27 Jahre zuvor von ihm selbst konsekrierten St. Hedwigs-Kathedrale, von wo seine sterblichen Überreste 1829 nach Gnesen überführt und in der dortigen Kathedrale bestattet wurden. Im Gegensatz zur Gräfin Skórzewska sind im Laufe der Jahre nicht alle Spuren des heiteren Bischofs in Berlin verschwunden. Als Krasicki Erzbischof von Gnesen wurde, stellte ihm die preußische Regierung dafür Kapital zur Verfügung, wofür er seine Kunstsammlungen als Sicherheit anbot. Nach dem Tod des hochverschuldeten Erzbischofs übernahm die preußische Regierung seinen gesamten Kunstbesitz, darunter über zweihundert Gemälde u. a. von Vernet, Largillière, Poussin oder Carrache. Ein bedeutsamer Teil der Sammlung (14 699 in Kupfer gestochene Bildnisse berühmter Männer und 564 Handschriften derselben) wurde 1804 von der Königlichen Bibliothek zu Berlin für symbolische 200 Taler ersteigert. Später ging sie an das Staatliche Kupferstichkabinett über, wo sie sich aufgelöst und nicht gekennzeichnet bis heute befindet.⁷⁶ Abschließend wäre noch zu fragen, welche Konsequenzen die Nähe und Gesellschaft Friedrichs II. für das Wirken und Schreiben des polnischen Dichterfürsten hatte? In der polnischen Literaturgeschichte herrscht mittlerweile Konsens darüber, dass der Einfluss des Preußenkönigs auf Krasicki weit über das Gesellschaftliche oder die Patronage-Klientel-Beziehungen hinausging. Mehr noch: Es wird sogar behauptet, dass Krasicki unter einem „Friedrich-Komplex“ gelitten habe.⁷⁷ Dieser soll sich in seiner Unterwürfigkeit oder sogar dem vollkommenen Gehorsam gegenüber dem preußischen Herrscher geäußert haben. In seiner Beziehung zu Friedrich II. sollen Krasicki die innere Distanz, die Souveränität und die Kritikfähigkeit gefehlt haben – also all jene Eigenschaften und Stärken, die er in Kontakten mit dem polnischen König oder der Kirchenhierarchie sehr wohl und häufig zu demonstrieren wusste.⁷⁸ Abgesehen davon, dass in dieser Interpretation Friedrich II. zusätzlich verteufelt und Krasickis Subordination ihm gegenüber als Einschüchterung und Angst national umgedeutet wird, ignoriert
Vgl. Ebenda, S. 64.; Jan Obłąk, Materiały do działalności kulturalnej Ignacego Krasickiego o stosunku do sztuki i zbiorach artystycznych, in: Studia Pomorskie, 2 (1957), S. 409 – 417; Górska, Krasickiego kolekcje dzieł, S. 103 – 108. Siehe dazu Włodzimierz Maciąg, Życie Ignacego Krasickiego. Zapisy i domysły, Warszawa 1984, S. 218. Ebenda; Jan Korytkowski, Arcybiskupi gnieźnieńscy, prymasowie i metropolici polscy od r. 1 000 aż do roku 1821, Band 5, Poznań 1892, S. 245; Wiktor Hahn, Religijność Ignacego Krasickiego, in: Ateneum Kapłańskie, 22 (1936), S. 317.
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sie gänzlich die tatsächliche Anerkennung des Fürstbischofs für den Preußenkönig. Sicherlich waren seine Sympathie- und Unterwürfigkeitsbekundungen oft durch den Opportunismus eines preußischen Untertanen, oder genauer formuliert, durch den Pragmatismus eines bei der preußischen Regierung stark verschuldeten Bischofs bedingt. Aber es lässt sich nicht übersehen, dass einer der wichtigsten polnischen Dichter der Aufklärung sein königlich-preußisches „Väterchen“ wirklich schätzte, seiner Tafelrunde sehr gerne beiwohnte und die preußische Regierung als „eigene“ Obrigkeit mit aller dazugehörenden Folgsamkeit würdigte. Zurückzuführen ist diese freundschaftlich-amtliche Beziehung zwischen ihnen auf ihre ähnliche Art des ironisch-sarkastischen Humors, die Vorliebe für die französische Kultur sowie ihre kritisch-aufklärerische Einstellung zum religiösen Fanatismus. Ein Beleg dafür liefert Krasickis Parodie des Heldenepos „Monachomachia oder der Moenchen-Krieg“ (Monachomachia albo wojna mnichów) von 1778.⁷⁹ In dieser in Ottaverimen geschriebenen Heldenposse prangert er im Ton einer ironischen Spöttelei die Rückständigkeit und den moralischen Verfall in den damals allzu zahlreichen Klöstern an, indem er ein scholastisches Streitgespräch zwischen zwei Orden vorführt, das in ein Handgemenge übergeht und schließlich dank einer gemeinsamen Zecherei zu einer Übereinkunft gebracht wird. Es wird berichtet, dass Friedrich II. Krasicki zum Schreiben dieser innovativen und bis heute als Seltenheit in der polnischen Literatur zu bezeichnenden Kirchenkritik angeregt hatte. Als der Bischof einst nach Potsdam kam und der Schlossherr ihm das Appartement von Voltaire anwies, bemerkte er provozierend: „Hier müssen Sie etwas Witziges schreiben!“ Daraufhin soll Krasicki „am Tische von Sanssouci“ seinen „Moenchen-Krieg“ verfasst haben, den er dann in eigener französischer Übersetzung dem König vortrug.⁸⁰ Dieses satirische Heldenepos gehörte und gehört neben Krasickis Fabeln und Satiren zu seinen populärsten Werken – und das nicht nur in Polen. 1782 erschien es auf Deutsch und erfreute
Eine deutsche Übersetzung von Krasickis Werk erschien 1782 in Hamburg unter dem Titel: Monachomachia, Oder Der Moenchen-Krieg. Verfaßt von einem um die polnische Literatur sehr verdienten Bischof, Hamburg 1782. Zit. nach Triller, Ignatius Krasicki, S. 23 sowie Goliński, Ignacy Krasicki, S. 275. Es gibt auch Stimmen, die dieser Legende widersprechen. Da sich diese Widerlegung aber auf keine relevanten Quellen bezieht, bleibt nicht auszuschließen, dass sie vor allem politisch motiviert ist. Vgl. dazu Tadeusz Mikulski, Wprowadzenie, in: Ignacy Krasicki, Monachomachia, czyli wojna mnichów, Warszawa 1954, S. 5.
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sich im deutschsprachigen Raum sogleich – insbesondere unter den josephinischen Freimaurern – relativ großer Popularität.⁸¹ In diesem Zusammenhang weist der polnische Aufklärungsforscher Mieczysław Klimowicz noch auf ein anderes Argument hin, welches davon zeugen könnte, dass sich Krasicki in seiner aufgeklärten Kirchenkritik auf Friedrich II. bezogen hatte. Bei diesem Ideentransfer handelt es sich um das Apollonius-Motiv, das durch den englischen Deisten Charles Blount und später Voltaire in Europa popularisiert wurde und ebenfalls in Krasickis Werk zu finden ist. Apollonius von Tyana war ein Zeitgenosse Jesu und zu seiner Zeit ein anerkannter Asket, Prediger und überzeugter Pythagoreer. Seit der Spätantike zogen seine Anhänger Vergleiche zwischen ihm und Christus und stellten damit den alleinigen Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens in Frage. An dieser gegen das Christentum gerichteten Kritik hatte auch – gewiss nicht ohne Voltaires Vorbild – Friedrich II. seinen Gefallen gefunden, so dass er 1774 eine französische Übersetzung der alten Apollonius-Biographie von Philostrat (um 200 n.Chr.) verfasste und sie Papst Clemens XIV. widmete. Eine solche chiffrierte Polemik gegen das Christentum durch Bezug auf Apollonius von Tyana findet man auch in Krasickis „Eine gefundene Geschichte. In zwey Büchern abgefaßt“ (Historia na dwie księgi podzielona) von 1779. Für Klimowicz ist es daher evident, dass ihn zu diesem freidenkerischen Motiv der Preußenkönig inspiriert haben musste, mit dem er mehrmals theologische Diskussionen führte und der den polnischen Bischof mit seinem antiklerikalen Pasquill „Commentaires apostoliques et théologiques sur les saintes prophéties de l’auteur sacré de Barbe-bleue“ beschenkte.⁸² Als Literaten muss Krasicki seinen „roi philosophe“ allerdings nicht sonderlich geschätzt haben. Er zeigte zwar Interesse an dessen literarischen Vorlieben und Schöpfungen und nahm in seine 1798 erschienene „Poetik mit Proben und Dichtungen“ auch ein Gedicht von Friedrich auf, aber an keiner Stelle hat er sich begeistert oder lobend über Friedrichs literarisches Werk geäußert. Im Gegenteil: Als sich das Verhältnis zwischen dem polnischen König und seinem früheren Günstling und mittlerweile sehr populäreren Dichter ab 1779 wieder zu bessern begann, schickte ihm Krasicki die oben erwähnten „Commentaires apostholiques“ Friedrichs II. und vermerkte dazu distanziert: „Ein mir früher vom preu-
Vgl. dazu Klimowicz, Polsko-niemieckie pogranicza, S. 131– 142. Zu Krasickis Rezeption in Preußen siehe auch Peter Drews, Recepcja beletrystyki polskiej na niemieckim obszarze językowym w drugiej połowie osiemnastego wieku, in: Wiek Oświecenia, 13 (1998), S. 196 f. Mieczysław Klimowicz, Probleme des Deismus in der Literatur der polnischen Aufklärung, in: Aufklärung in Polen und Deutschland, hg.von Karol Bal und Siegfried Wollgast, Acta Universitatis Wratislaviensis No. 1107, Bd. 2., Warszawa und Wrocław 1989, S. 109 – 111.
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ßischen König zugesandtes Buch füge ich bei, der Wert des Werkes beruht allerdings mehr auf der Person des Autors als auf seinem satirischen Inhalt.“⁸³ Mit größerer Anerkennung äußerte sich Krasicki dagegen über das Herrschafts- und Politiktalent des preußischen Monarchen. Obwohl er ihm – im Gegensatz zu Voltaire – kein literarisches Denkmal gesetzt hat, so hat er doch etwas Ähnliches unbeabsichtigt in den Briefen aus Berlin an seinen Bruder Anton von 1781 hinterlassen. Darin beschreibt er den langsam vergreisenden Monarchen als eine „heroische Gestalt“, bewundert seine Vitalität, vergleicht ihn mit den polnischen Kampfhelden und charakterisiert ihn schließlich als einen „großen Genius, der die Maschinerie Europas lenkt.“⁸⁴ Auch bei manchen amtlichen Entscheidungen Krasickis ist der Einfluss des Preußenkönigs unverkennbar. So stellte sich der katholische Bischof von Ermland in der Jesuitenfrage nicht auf die Seite von Papst Clemens XIV., der durch sein Breve „Dominus ac Redemptor“ vom 21. Juli 1773 den Jesuitenorden aufgelöst hatte, sondern unterstützte Friedrich II. und dessen Veto gegen die Auflösung. In dieser Frage war er auch der unbeugsamste unter den polnischen Bischöfen, denn erst im Juni 1780 setzte er als der Allerletzte das päpstliche Breve in seiner Diözese um.⁸⁵ Loyal zu den preußischen Souveränen reagierte er auch auf das Breve von Pius VI. aus dem Jahre 1795, in dem der Papst die polnischen Unabhängigkeitskämpfe unter Kościuszko tadelt und die Bischöfe im preußischen Teilungsgebiet auffordert, in ihren Diözesen Hingebung und Gehorsam Friedrich Wilhelm II. gegenüber zu predigen. Der Erzbischof von Gnesen Krasicki fügte sich dieser apostolischen Aufforderung und veröffentlichte kurz darauf einen bischöflichen Hirtenbrief, der das päpstliche Breve erwähnte und Treue zum preußischen Monarchen einforderte.⁸⁶
Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 2, S. 412. Viel kritischer urteilte daraufhin der polnische König in seiner Antwort an Krasicki über die literarischen Begabungen seines preußischen Rivalen: „Abschließend danke ich Ihnen für das Buch, das Sie mir letzten Monat zugeschickt haben.Wenn man weiß, wer es geschrieben hat, ist es immer eine interessante Lektüre und eine achtbare Bereicherung der Bibliothek. Dennoch kann ich mich bei dieser Gelegenheit nicht erwehren, an den Sinnspruch eines Italieners zu erinnern. Als er von einem Sachsen gefragt wurde, wie ihm der sächsische Wein schmeckt, antwortete er: poveretto, vorebbe esser vino [das arme Ding, es möchte gerne ein Wein sein, A.P.]. Ebenda, S. 416. Ebenda, S. 12, 16, 25 und 33 f. Vgl. dazu Wołoszyński, Postawa ideowa, S. 52. Der Hirtenbrief von Krasicki, in: AGAD, Zbiór Popielów, 302, Bl. 302 und 511– 515. Vgl. dazu auch Hahn, Religijność Ignacego Krasickiego, S. 323 f. Das bedeutet jedoch nicht, dass Krasicki die Idee des nationalen Aufstands kritisierte und den polnischen Interessen nach 1793 gleichgültig gegenüberstand. Zur Stellungnahme Krasickis zu den polnischen Angelegenheiten nach 1790
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Gleichwohl wäre es übertrieben zu behaupten, Krasicki sei ein politischer Mensch gewesen, der sich jederzeit bereitwillig den Forderungen der preußischen Regierung fügte. Dass der polnische Bischof und spätere Erzbischof nicht immer geneigt war, die preußischen Anordnungen durchzuführen, zeigt deutlich seine Einstellung zur Schulreform Friedrichs II. in den annektierten polnischen Gebieten. In einem Brief von 1776 bittet der Monarch seinen Bischof, mehrere polnische Lehrer zu beschaffen, die bereit seien, sich in Westpreußen niederzulassen, um an dortigen Schulen polnischsprachige Kinder auf Polnisch zu unterrichten.⁸⁷ Sehr unwillig und zögerlich engagierte sich der polnische Aufklärer für dieses Bildungsprojekt und erst nach mehreren Jahren und Aufforderungen seitens der preußischen Behörden organisierte er 27 Lehrer, von denen nur ein einziger Polnisch sprach.⁸⁸ Diese Begebenheit zeigt mehr als nur Krasickis Trägheit gegenüber den preußischen Anordnungen oder das auffallend merkwürdige Desinteresse eines Vertreters der Aufklärung an Schul- und Bildungsfragen. Es ist vor allem ein Beleg für Krasickis antinationale Haltung. Wahrscheinlich aus Furcht davor, sich am Aufbau der Schulen und der Anstellung der Lehrer finanziell selbst beteiligen zu müssen, verspielte er die Chance, die polnischen Kinder in Westpreußen auf Polnisch zu unterrichten. Die in der polnischen Literaturgeschichte vorherrschende Meinung, solche antinationalen Entscheidungen Krasickis seien allein auf seine unpolitische Einstellung zurückzuführen oder folgten den restriktiven Befehlen „von oben“⁸⁹, ist gerade vor diesem Hintergrund nicht ganz schlüssig. Gewiss ist dieser polnische Dichterfürst ins Pantheon der unpolitischen Literaten einzureihen. Aber auch wenn er zur Schaffung der polnische Nationalliteratur wertvolle Beiträge geleistet hat, lässt sich seine Persönlichkeit nicht einfach mit dem bevorzugten Maßstab „Pole = Katholik“ messen: Krasicki besaß keinen rechten Blick für die nationalen Interessen, folglich auch nicht für die damals so virulente Teilungsproblematik. Seine Vaterlandsliebe sowie sein Schaffen waren kosmopolitisch gefärbt und hatten nichts mit dem vorherrschenden leidenschaftlichen Patriotismus des ausgehenden 18. und 19. Jahrhunderts gemein, als
siehe einen leicht apologetischen Aufsatz von Józef Tomasz Pokrzywiak, Ignacy Krasicki wobec Insurekcji, in: Wiek Oświecenia, 12 (1996), S. 95 – 106. Vgl. Korespondencja Ignacego Krasickiego, Bd. 1, S. 271 f. Ebenda, S. 272. Diese These findet man u. a. bei Marek Nalepa, Milczenie poety i mędrca – Ignacy Krasicki a trzeci rozbiór Polski, in: Od Oświecienia do Romantyzmu. Prace ofiarowane Piotrowi Żbikowskiemu, hg. von Gustaw Ostasz und Stanisław Uliasz, Rzeszów 1997, S. 91.
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„von dem Dichter gefordert wurde, seine Lebenshaltung mit den propagierten Idealen zu vereinbaren.“⁹⁰
2. Friedrich II. in der aufgeklärten Öffentlichkeit Polen-Litauens Auch wenn die erste Teilung Polens keine breite Empörung bei den polnischen Intellektuellen oder eine allgemeine Debatte über die Zukunft des Landes ausgelöst hatte, offenbarte sie mit großer Deutlichkeit, in welch einem instabilen Zustand sich Polen-Litauen befand und dass der bereits eingeschlagene Weg der Reformen nachdrücklicher bestritten werden sollte. In der zweiten Hälfte der 1770er Jahre setzte die sogenannte „Zeit der Reformen“ ein, die ihren Namen allerdings weniger aufgrund von tatsächlich durchgeführten Reformen trägt, als vielmehr wegen eines im Deklaratorischen angesiedelten Reformwillens, ja Reformeifers. Die Verwirklichung tiefgreifender Reformen wurde gehemmt sowohl durch Interessengegensätze im Innern als auch äußere Einflussnahmen der Teilungsmächte. Trotz dieser Behinderungen gewann der Wunsch nach einer Erneuerung der seit Jahrhunderten erstarrten Grundlagen des öffentlichen Lebens immer mehr an Bedeutung und Anerkennung. Die Hauptträger dieser aufgeklärten Reforminitiative waren zunächst einzelne Magnaten, die Künstler und Gelehrte (finanziell) unterstützten und dafür von ihnen forderten, sich im Interesse des Landes, aber durchaus auch im Interesse der geldgebenden Familien zu engagieren. Um die Clans der Zamoyski, Brzostowski, Czartoryski, Poniatowski, Massalski, Jabłonowski, Branicki oder Małachowski entstanden große intellektuelle Kreise, die oft miteinander vernetzt waren und die politische, gelehrte und künstlerische Diskurse anregten. Der wichtigste Initiator und Förderer solcher auf Reformen bedachten Diskussionsgruppen war jedoch der polnische König Stanisław August. Um ihn versammelte sich eine starke Gruppe aufgeklärter Geister, Freunde des Rechts, der Vernunft, der sozialen Gerechtigkeit, einer zeitgemäßen Verfasstheit des Regierungssystems; Freunde gemäßigter Reformen, denen die Kultur Frankreichs und die Verfassung Englands als Vorbild vorschwebten.⁹¹ „Die Fortschrittsidee war im
Bożena Graszczyńska, Epistolografia Ignacego Krasickiego, Słupsk 1987, S. 217. Mehr dazu bei Dariusz Rolnik, Obraz cudzoziemców i cudzoziemszczyzny w polskim społeczeństwie szlacheckim czasów Stanisława Augusta (1764– 1795), in: Staropolski ogląd świata. Materiały z konferencji Wrocław 23 – 24 października 2004r, hg. von Bogdan Rok und Filip Wolański, Wrocław 2004, S. 322 f; Krzysztof M. Dmitruk, Oświecenie-archipelagi wspólnot, in: Wiek Oświecenia, 14 (1998), S. 22 f.; Agnieszka Pufelska, British influences on eighteenth-century Polish
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Reformlager durch das Bewusstsein von der Rückständigkeit Polens inspiriert und wurde als Synonym für die Modernisierung des Landes verwendet“, konstatiert Jerzy Michalski.⁹² Den Aufruf des Königs zur „Schöpfung einer neuen polnischen Welt“ erklärten die aufgeklärten Reformer zur eigenen Handlungsmaxime.⁹³ Als Vorbild galten ihnen dabei die Entwicklungen in den westlichen Teilen Europas. Die polnische Aufklärungsbewegung schloss sich der spätestens seit dem 17. Jahrhundert immer lauteren Kritik am sarmatischen Traditionalismus an und erhoffte sich von dessen erfolgreicher Bekämpfung Polens Anschluss an die westeuropäischen Länder. „Die europäische Theorie und Praxis“, so Michalski weiter, „wurde zu einer Autorität in jedem Bereich und das unabhängig davon, ob es sich um die Landwirtschaft, das Militär, die Bildung oder die Kirche handelte.“⁹⁴ Wenn man berücksichtigt, dass der König vorwiegend von Adelsgruppen umgeben war, die den reformistisch anmutenden Gedanken eher skeptisch gegenüber standen, war das Interesse an den ausländischen Vorbildern für ihn und seine Anhänger eine starke Herausforderung.⁹⁵ An dieser Stelle sei betont, dass die polnische Reformbewegung, die die Ideen der Aufklärung auf polnischem Gebiet zu implementieren versuchte, deutlich eine andere Verlaufsform angenommen hatte als es in den westeuropäischen Ländern zu beobachten war. Im Gegensatz zu Westeuropa, konstatieren Karol Bal und Mirosław Żarowski, betraf die Krise in Polen, aus der die Aufklärung hervorging, nicht die absolutistische Herrschaftsausübung, sondern den adligen Republikanismus, auch wenn seine Kritiker keinesfalls als Anhänger des „Aufgeklärten Absolutismus“ zu betrachten sind. Die Idee von der Teilung der Macht war in Polen anachronistisch. In beinahe ganz Europa erwies sich die Ein-
republicanism, in: Images of/from Enlightenment, hg. von Dariusz Dolański und Anna Janczys, Zielona Góra 2013, S. 185 – 197. Jerzy Michalski, Sarmatyzm a europeizacja Polski w XVIII wieku, in: Swojskość i cudzoziemszczyzna w dziejach kultury polskiej, hg. von Zofia Stefanowska, Warszawa 1973, S. 141. Ausführlich dazu Agnieszka Pufelska, Fortschritt angesichts des Unterganges oder der Optimismus der polnischen Aufklärung, in: Czasy Nowożytne, 23 (2010), S. 107– 120. „In unserem Jahrhundert“, appellierte ein Artikel von 1766, „wenn Frankreich über die eigene Verstärkung und den Anstieg der Bevölkerungszahl nachdenkt, wenn sich England um neue Ansiedlungen und um die Steigerung seiner Seemacht bemüht, wenn Holland versucht, seinen Handel immer mehr auszubreiten, wenn alle Völker einen Aufbruch anstreben, scheint mir das Reden darüber, dass es gut ist, wie es ist, ein Unfug. Ordnung, Stärke, Handel, Bevölkerung, Friedensverträge bilden eine Einheit der glücklichen Regierung […]. Der polnischen Nation fehlt es doch nicht an Möglichkeiten, diejenigen, die wir jetzt beneiden, einzuholen oder sie sogar zu überholen.“ Zit. nach Michalski, Sarmatyzm a europeizacja Polski, S. 143 f. Ebenda, S. 145. Vgl. Forst-Battaglia, Staniław August Poniatowski, S. 29.
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schränkung der zentralen Macht als Haupttendenz des aufgeklärten Denkens – in Polen dagegen war man um deren mäßige Festigung bemüht. Auch eine Kritik der Monarchie im Namen einer Demokratisierung der Macht war in der Rzeczpospolita nicht nötig, da hier bereits seit Jahrhunderten ein parlamentarisches System funktionierte, das auf einer Souveränität des Adels gründete. Der Kampf der Aufklärer gegen die konservativen Kräfte beruhte in Polen daher auch nicht auf dem Ringen um die Einführung von Freiheit, sondern auf deren neuer Auslegung.⁹⁶ Mit anderen Worten: Die polnische Aufklärungsbewegung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wies einige monarchistische Züge auf und war stark daran interessiert, ausländische Vorbilder für das polnische Reformprogramm zu finden.⁹⁷ Nicht wenigen unter den Reformern, die die Umgestaltung der traditionellen, sarmatischen Gesellschaft zu einer konstitutionellen Monarchie mit einigen Elementen eines despotisme éclairé anstrebten, galt der preußische Regierungsstil ansatzweise als Vorbild.⁹⁸ Das von Friedrich II. mit fester Hand gelenkte Heer und die von ihm streng kontrollierte, für das Allgemeinwohl arbeitende Verwaltung wurden als beispielhaft für einen erfolgreichen und effektiven Staat, wie ihn sich einige polnische Aufklärer wünschten, betrachtet. Ein Beispiel dafür liefert der in seinen politischen Ambitionen nicht gerade preußenfreundlich orientierte Fürst Adam Kazimierz Czartoryski. Als sein königlicher Vetter Stanisław August 1765 die oben bereits erwähnte Ritterakademie für Offiziere in Warschau gegründet hatte, wurde er zu ihrem Kommandanten ernannt und war fortan bestrebt, die militärischen Ausbildungsmethoden Friedrichs an der Weichsel zu etablieren. Bereits bei der Gründung der „Adelsakademie des Kadettenkorps“, wie die Ritterakademie offiziell genannt wurde, schwebte ihren Initiatoren als Modell die einige Monate zuvor eröffnete Berliner „Académie des nobles“ (auch „Académie militaire“ genannt) vor.⁹⁹ Von den 1750er bis in die späten 1760er Jahre standen die meisten europäischen Kadettenschulen unter starkem Einfluss der französischen
Vgl. Karol Bal und Mirosław Żarowski, Selbstbestimmung der Epoche. Aufklärungsbegriff in Polen, in: Aufklärung in Polen und Deutschland, S. 26. Mehr über die westeuropäischen (allen voran französischen) Vorbilder in der polnischen Kultur dieser Zeit in: Rolnik, Obraz cudzoziemców, S. 319 – 332. Zur aktuellen Debatte über den politischen Richtungs- und Lagerbegriff „Sarmatismus“ und seine Bedeutung im polnisch-litauischen Reichsverband siehe Hans-Jürgen Bömelburg, Sarmatismus – Zur Begriffsgeschichte und den Chancen und Grenzen als forschungsleitender Begriff, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, 57 (2009), S. 402– 408; Martin Faber, Das Streben des polnischen Adels nach dem Erhalt seiner Privilegien. Zur ursprünglichen Bedeutung des Wortes „Sarmatismus“, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, 57 (2009), S. 374– 401. Vgl. Mieczysława Miterzanka, Działalność pedagogiczna Adama ks. Czartoryskiego generała ziem podolskich, Warszawa 1931, S. 24.
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Ausbildungstradition, doch nach dem Siebenjährigen Krieg und infolge der wachsenden Popularität Friedrichs als unbesiegbarer Feldherr setzte sich zunehmend das preußische Schulungsmodell durch. Diese Veränderung konstatiert Mieczysława Miterzanka auch für die Warschauer Akademie, wobei das preußische Ausbildungssystem den polnischen Bedürfnissen und Möglichkeiten angepasst worden sei, so dass man schwerlich von einem eindeutigen Sieg oder einer Dominanz des preußischen Einflusses sprechen könne.¹⁰⁰ Der Kommandant, Adam Kazimierz Czartoryski, teilte jedenfalls die allgemeine Begeisterung für die Kriegskünste Friedrichs II. und nicht ohne Neid beobachtete er die Tätigkeit der preußischen Konkurrenz während seines dreiwöchigen Aufenthalts in Berlin im Jahr 1766. Angeblich soll er sogar versucht haben, die damaligen Lehrer der Berliner Kadettenschule für seine Warschauer Akademie zu gewinnen, indem er ihnen ein höheres Gehalt versprach.¹⁰¹ Wesentlich erfolgreicher war Czartoryski beim Transfer der theoretischen Kriegsmethoden von Preußen nach Polen-Litauen. Ähnlich wie sein Vater August, der 1749 die auf preußischen Erfahrungen basierte „Neue Exerzierordnung“ für das polnische Heer herausgeben ließ¹⁰², setzte sich Czartoryski ein für die Übersetzung der „Militärischen Instruktionen“ Friedrichs II. ins Polnische und forderte ihre Verwendung als Lehrwerk in der Ritterakademie. Aus den überlieferten Quellen ist leider nicht zu entnehmen, wer die Übersetzung aus dem Deutschen übernommen hat.Verzeichnet ist lediglich, dass es ein Offizier der Ritterakademie gewesen sein muss und dass die polnische Version von „Instruction militaire du roi de Prusse pour ses généraux traduite de l’allemand“ von 1761 elf Jahre später im Warschauer königlichen Verlag von Mitzler de Kolof mit dem wortgetreu übersetzten Titel „Instrukcja w sztuce wojennej od Króla Imci Pruskiego dana gene-
Ebenda, S. 25. Diese, mit keiner verifizierten Quelle zu belegende, Information findet man bei Józef Ignacy Kraszewski. Seine Behauptung, dass Czartoryski den Direktor der Berliner Anstalt namens Barrière überreden wollte, nach Warschau zu kommen, ist allerdings falsch. In der Berliner Militärakademie hatte nie jemand mit diesem Namen gearbeitet, geschweige denn eine leitende Funktion inne gehabt. Das schließt jedoch nicht aus, dass Czartoryski tatsächlich die Atmosphäre im Lehrkörper der Akademie sondieren ließ und über eine „Übernahme“ von einigen Lehrern nachgedacht hat. Hinweise darauf findet man in einem Brief von Adam Kazimierz Czartoryski an Johann Heinrich Samuel Formey, 24.06.1766, in: BJ, Sammlung Varnhagen 50/23 (Berlinka), S. 1 f. Zu dem ganzen Komplex siehe auch Józef Ignacy Kraszewski, Polska w czasie trzech rozbiorów 1772– 1779, Bd. 1, Warszawa 1902, S. 35; Emil Gottlieb Friedländer, Die Königliche Allgemeine Kriegs-Schule und das höhere Militär-Bildungswesen 1765 – 1813, Berlin 1854, S. 326. Vgl. Witold Hupert, Historia wojenna polska w zarysie, Lwów 1921, S. 276.
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rałom swoim z Niemieckiego na Polski przełożona“ erschienen ist.¹⁰³ Interessant sind bei dieser, mit etlichen historischen Erläuterungen zur preußischen Kriegsgeschichte versehenen, Ausgabe die im Vorwort aufgelisteten drei Gründe, welche den anonymen Autor dazu bewogen haben, diese Übersetzung anzufertigen. Ganz in aufgeklärter Manier erwähnt er zuerst die „Vorteile vom Erwerb des Lichts in der von dem Autor behandelten Materie“, dann betont er Friedrichs „hervorragende Vollkommenheit“ in der Kriegskunst und zum Schluss lobt er Czartoryski als Initiator der Übertragung.¹⁰⁴ Friedrich II. wird dabei zu den „großen Männern“ mit einer „langjährigen Erfahrung in der Kriegskunst“ gezählt, denen das „Naturschicksal“ erlaubt habe, in einem Land geboren zu sein, in dem „ordentliche Kriege“ geführt werden.¹⁰⁵ Obwohl die polnische Ausgabe der „Instruktion“ im Jahr der ersten Teilung Polens erschienen ist, wird im Vorwort keine kritische Bemerkung über den Preußenkönig oder seine seit Jahren polenfeindliche Politik verloren. Im Gegenteil: Seine „Instruktion“ wird als die „höchste Errungenschaft seiner Regeln und Maximen“ bezeichnet, wodurch sie auch zum wertvollen Lehrbuch für die polnischen Bedürfnisse werde.¹⁰⁶ Diese positive Bewertung Friedrichs II. bzw. die fehlende Auseinandersetzung mit seiner Polen-Politik macht zum einen erneut deutlich, wie wenig die gerade vollzogene Teilung die zeitgenössischen Intellektuellen Polens bewegte. Zum anderen weist sie auch darauf hin, dass diese den Preußenkönig zunächst als Militärstrategen und eben nicht als Philosophen oder aufgeklärten Herrscher wahrnahmen.¹⁰⁷ Dass bereits
Die Druckerei wurde bereits 1756 gegründet. Ihr Eigentümer war der aus Sachsen eingewanderte Protestant Lorenz Mitzler de Kolof, ein aktiver Arzt, Musikwissenschaftler, Philosoph und Historiker, der mehrere Jahre lang in Warschau eine Verlagsbuchhandlung betrieben hat. 1768 überschrieb er seine Druckerei dem Warschauer Kadettenkorps, behielt sich jedoch auf Lebenszeit die Direktorenstellung vor. Nach seinem Tod im Jahre 1778 diente die Werkstatt als „Druckerei des Kadettenkorps“ bis zu ihrer Auflösung im November 1794. Vgl. Roman Kaleta, Prekursorzy Oświecenia. Monitor z roku 1763 na tle swoich czasów. Mitzler de Kolof – redaktor i wydawca, Wrocław 1953; Michał Cieśla, Drei ausländische Warschauer Buchdrucker und Verleger als Mittler aufklärerischen Ideengutes in Polen, in: Buch- und Verlagswesen im 18. und 19. Jahrhundert. Beiträge zur Geschichte der Kommunikation in Mittel- und Osteuropa, hg. von Herbert G. Göpfert (u. a.), Berlin 1977, S. 139 – 143. Instrukcja w sztuce wojennej od Króla Imci Pruskiego dana generałom swoim z Niemieckiego na Polski przełożona przez officiera korpusu kadetow, z przyłączeniem 13 planów sztychowych y relacyi niektórych spraw wojennych, Warszawa 1772, S. 1. Ebenda, S. 2. Ebenda. Dass Friedrich II. vor allem als Militärführer wahrgenommen wurde, bestätigt eines der populärsten Lehrwerke dieser Jahre, und zwar die „Geographie der gegenwärtigen Zeiten“ des Geographieprofessors am Warschauer Collegium Nobilium, Karol Wirwicz. Es handelt sich um eine Überblicksdarstellung der Geschichte und Geographie von einzelnen Ländern Europas,
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ein Jahr vor dem Erscheinen der Warschauer Übersetzung der „Instruktion“ eine andere Ausgabe in Wilna auf Polnisch veröffentlicht wurde, bestätigt dies nur.¹⁰⁸ Czartoryskis Anerkennung des Preußenkönigs als vorbildlichen Heeresführer beschränkte sich jedoch nicht allein auf die Veranlassung einer Übersetzung von Friedrichs „Instruktionen“. Auch in seinen moralisch-didaktischen Abhandlungen für die von ihm geleitete Ritterschule lassen sich mehrere Anlehnungen an die Schriften des geschätzten Monarchen erkennen. Vor allem Friedrichs „Dialogue de morale à l’usage de la jeune noblesse“ und „Lettre sur l’éducation“ von 1770 hatten die Erziehungstheorie und -methode des polnischen Pädagogen und Fürsten stark beeinflusst. Sowohl in seinem populären „Kadettenkatechismus“, der die Funktion eines ideologischen Lehrbuchs erfüllte, als auch in den zahlreichen Schriften für die Erzieher der Schule werden die Thesen und pädagogischen Empfehlungen Friedrichs als erzieherische Erfordernisse und wertvolle Neuerungen dargestellt, ohne ihn allerdings als Autor kenntlich zu machen.¹⁰⁹ Von den zahlreichen vom preußischen König aufgestellten Ausbildungsregeln hatten bei Czartoryski das Lob der Ehre, das Beharren auf einem hohen Lehrerniveau, das Streben nach einer besseren Ausbildung für Mädchen und der Tadel der Hauserziehung durch unqualifizierte Diener einen besonderen Anklang gefunden.¹¹⁰ Ebenfalls übernahm Czartoryski die im 18. Jahrhundert
darunter Preußen.Vgl. Karol Wirwicz, Geografia czyli opisanie naturalne, historyczne i praktyczne krajów i narodów we czterech częściach się zawierające […], Warszawa 1770 (3. Auflage: 1794), S. 634 f. 1771 erschien in der Druckerei der Piaristen die polnische Version der „Instruktion“, die auf der von Georg Rudolph Fäsch angefertigten französischen Übersetzung aus dem Deutschen beruht. Ins Polnische wurde die französische Ausgabe von dem Piaristen und Philosophen Kazimierz Narbutt auf Bestellung von Michał Kazimierz Ogiński übertragen. Als litauischer Großhetman und reicher Fürst stellte sich Ogiński 1771 an die Spitze der Konföderation in Litauen gegen Russland. Aufgrund der fehlenden Militärerfahrung wurde er durch die russischen Truppen schnell geschlagen, worauf er für fünf Jahre ins Ausland flüchtete. Die „Instruktion“ Friedrichs war für ihn und seine Truppen als Anweisung gedacht, weswegen in dem polnischen Vorwort allein auf die Person Ogińskis und seine Heldentaten eingegangen wird. Vgl. Nauka żołnierska króla pruskiego dla jego generałów dana. Z Niemieckiego wytłumaczona na Francuski język przez P. Faesch oberszleytnanta woysk saskich a teraz na Polski z XIII. tablicami sztychowanemi, Wilno 1771. Es war eine gängige Schreibmethode Czartoryskis, fremde Gedanken und Ideen zu übernehmen, ohne deren Autoren kenntlich zu machen. Ausführlich darüber bei Teresa Kostkiewiczowa, Z zagadnień typologii ról społecznych pisarzy w epoce oświecenia, in: Wiek Oświecenia, 5 (1988), S. 38 f. Siehe dazu die Sammlung der moralisch-pädagogischen Schriften von Czartoryski, die noch zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurden, ohne den Namen des Autors sowie das Veröffentlichungsjahr zu nennen. Adam Kazimierz Czartoryski, Zbiór pism tyczących się moralnej edukacji Młodzi Korpusu Kadetów, Warszawa ca. 1780, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 2810. Zu den
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populäre Darstellungsart in Form von Dialogen und Briefen, für die sich Friedrich II. zur Vermittlung seiner didaktischen Grundsätze entschieden hatte, da sie der Form des mündlichen Gesprächs am nächsten kommen. Mit seinen Fragen und Antworten im „Kadettenkatechismus“ oder mit den für die Zeitschrift „Monitor“ als Artikel konzipierten „Briefen“ setzte sich Czartoryski mit der in PolenLitauen vorwiegend durch die Kirche bestimmten Bildungstradition auseinander und lieferte mit seiner Kritik daran die inhaltlichen Grundlagen für eine aufgeklärte Bildungsreform. Bei dieser Pionierleistung für das polnische Erziehungswesen bleibt der theoretische Einfluss von Friedrich II. unverkennbar, wobei sich dieser Einfluss nicht allein auf die militärischen Ausbildungsmethoden reduzieren lässt, sondern durchaus als signifikanter Impuls für die polnischen Debatten über eine dringend notwendige Schulreform angesehen werden kann. Gerade im Kontext der polnischen Aufklärungsdebatten der 1770er Jahre ist die Präsenz Friedrichs II. auffällig, obwohl er selbst niemals zum Gegenstand eines Diskurses erhoben wurde. Vielmehr wurden seine Person und seine Schriften als Belege für die eigenen programmatischen Ideen und Postulate benutzt und je nach Interessenlage oder Affinität beliebig interpretiert. Ganz deutlich wird dies bei einem der bedeutendsten polnischen Zeitungsverleger dieser Zeit, Stefan Łuskina. Bevor dieser hochgebildete Jesuitenpater das königliche Privileg erhalten hatte, in Warschau eine Zeitung herauszugeben, wurde er für einige Monate als Beichtvater des „Schattenkönigs“ Stanisław Leszczyński nach Lunéville berufen und war später jahrelang als Lehrer für Mathematik und Physik an der Warschauer Hochschule Collegium Nobilium tätig. Noch während seiner Lehrtätigkeit begann er für die von Jesuiten zwei Mal wöchentlich herausgegebenen „Wiadomości Warszawskie“ („Warschauer Nachrichten“) zu arbeiten, die zu den größten Zeitungen in Polen zählte. Mit der Kassation des Jesuitenordens 1773 war die weitere Existenz der Zeitung sowie die berufliche Zukunft ihrer Mitarbeiter stark gefährdet, was Łuskina dazu bewegte, die „Wiadomości Warszawskie“ als Privatmann zu übernehmen, um sie fürderhin als Direktor und Eigentümer herauszugeben. Dem polnischen König war Łuskinas wissenschaftliche Tätigkeit längst bekannt, einige Jahre früher hatte er ihn zum königlichen Astronomen ernannt. So hatte Stanisław August Poniatowski auch keine Bedenken, dessen Ansinnen auf die Zeitungsübernahme zu akzeptieren. Mit dem königlichen Privileg ausgestattet, startete Łuskina seine fast zwanzig Jahre dauernde und von vielen Rückschlägen begleitete Herausgebertätigkeit. Sein Blatt hieß nun „Gazeta Warszawska“ („Warschauer Zeitung“), erschien wie sein Vorläufer zwei
preußischen Einflüssen in den Schriften von Czartoryski vgl. Miterzanka, Dziełalność pedagogiczna, S. 233 – 239.
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Mal wöchentlich in einer Auflage von 500 bis 1 000 Exemplaren und fungierte als Sprachrohr seiner privaten Meinungen und Überzeugungen.¹¹¹ Diese galten vor allem in den Kreisen der Reformanhänger als höchst problematisch, denn der bestens ausgebildete und weltgewandte Jesuit Łuskina war mit seiner Zeitung unermüdlich bestrebt, „die verräterischen Philosophen und starken Geister“, wie er die Vertreter der Aufklärung nannte, zu bekämpfen.¹¹² Ganz im Sinne der jesuitischen Aufklärungskritik prangerte er in vielen Artikeln die säkulare Freimaurerei an, die mit ihrer gottlosen Wortfreiheit und Philosophie zum Untergang der moralischen und sozialen Ordnung beitrüge.¹¹³ Um die drohenden Gefahren durch die aufgeklärten Philosophen zu verdeutlichen, entwarf er für die „Gazeta Warszawska“ Porträts von ausgewählten europäischen Herrschern und führte sie als positive Gegenbilder vor. Zu den wenigen Garanten und Wächtern der göttlichen Ordnung auf Erden zählte Łuskina neben Katharina II. interessanterweise auch Friedrich II. Ausführlich berichtete er über seine politischen Anordnungen und das preußische Hofleben, wobei er sich in seinen Berichten besonders auf das Verhältnis des Königs zu seinen Untertanen konzentrierte. So konnte man aus der „Gazeta Warszawska“ erfahren, wen Friedrich zu seinen Hofjuwelieren ernannte, wer an seiner Tafel sitzen durfte, wie sehr er sich für die Bildung der Bauern einsetzte oder welche Feiertage er in Preußen festlegte.¹¹⁴ Mit großer Anerkennung und Zustimmung verfolgte er auch Friedrichs reservierte Haltung gegenüber der päpstlichen Entscheidung über die Aufhebung des Jesuitenordens. Mehrere Auszüge seiner Schriften bezüglich der Kassation übersetzte Łuskina ins Polnische und druckte sie in seiner Zeitung ab, darunter den Brief Friedrichs II. an seine katholischen Bischöfe, in dem er sie darauf hinweist, dass die Jesuiten in seinem Land ihren Status und ihr Eigentum behalten dürften.¹¹⁵Angetan vom Gerechtigkeitssinn des Preußenkönigs zeigte sich der eifrige Redakteur auch im Müller-Arnold-Fall. Oftmals berichtete er über den Verlauf der Verhandlungen und druckte in diesem Rahmen mehrere Weisungen Friedrichs auf Polnisch ab.¹¹⁶
Vgl. Jerzy Łojek, „Gazeta Warszawska“ księdza Łuskiny 1774– 1793, Warszawa 1759, S. 17– 39. Nach Einschätzung von Teodor Ostrowski wurde die „Gazeta Warszawska“, statistisch gesehen und bei Annahme der Bevölkerungszahl von zwölf Millionen, von jedem sechshundertsten polnischen Durchschnittsadligen gekauft. Vgl. Teodor Ostrowski, Poufne wieści z oświeconej Warszawy. Gazetki pisane z roku 1782, Wrocław 1972, S. 6. Zit. nach Łojek, „Gazeta Warszawska“, S. 49. Gazeta Warszawska, 22.01.1777. Vgl. Ebenda, 05.03.1774; 12.11.1774; 06.07.1776. Ebenda, 31.01.1776. Ebenda, 12.01.1780.
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Wofür sich Łuskina in seinen informativen und umfassenden Berichten über den preußischen Monarchen und den Berliner Hof jedoch kaum interessierte, war Friedrichs Verhältnis zu und seine Politik gegenüber Polen. Keine einzige Spalte der „Gazeta Warszawska“ widmet er dieser Problematik und ähnlich den anderen Zeitungen dieser Zeit verschweigt bzw. ignoriert er vollkommen die bereits laufenden oder zu Polens Nachteil abgeschlossenen Teilungs- und Handelsvereinbarungen mit Preußen.¹¹⁷ Dies könnte zum einen – neben der herrschenden Zensur – daran liegen, dass Łuskina in seiner Zeitung selten polnische Themen aufnahm und sich vorwiegend auf Berichte aus dem Ausland konzentrierte. Auf innerpolnische Debatten oder Konflikte mit seinen Gegnern aus dem reformistischen Lager reagierte er durch die Präsentation fremder Beispiele oder durch den Abdruck von Artikeln aus ausländischen Presseorganen, die sein konservatives Weltbild bestätigten. Folglich könnte man zum anderen in Łuskinas Zurückhaltung beim Thema der polnisch-preußischen Antagonismen den Versuch sehen, Friedrich II. als einen prominenten Referenzpunkt für das Weltbild der „Gazeta Warszawska“ zu funktionalisieren. Dass die Weltanschauung des Preußenkönigs kaum mit der von Łuskina übereinstimmte und dass der eifrige und über die Weltpolitik informierte Jesuit die Herrschaft Friedrichs II. in einem ganz und gar positiven Licht darstellte, zeigt, wie stark er seine Überzeugungen und ideologischen Bestrebungen auf die Person des preußische Monarchen projizierte und wie intensiv er sich dafür einsetzte, dieses gewünschte Bild in Polen glaubwürdig zu vermitteln. Die Instrumentalisierung eines bestimmten Friedrich-Bildes in der polnischen Öffentlichkeit war jedoch kein Alleinstellungsmerkmal Łuskinas, denn auch bei seinen ideologischen Gegnern, den Anhängern der aufgeklärten Reformen aus dem königlichen Lager, fehlte es nicht an Versuchen, den Preußenkönig als Kronzeugen ihrer gesellschaftspolitischen Wunschvorstellungen in Dienst zu nehmen. Im Gegensatz zu dem betriebsamen Jesuiten und Verleger waren sie aber viel mehr daran interessiert, Friedrich II. als Philosophen- und Literatenkönig darzustellen. In ihren Presseorganen wie „Monitor“ oder „Zabawy Przyjemne i Pożyteczne“ („Angenehme und Nützliche Unterhaltungen“) wurden mehrere
Dieses Verschweigen der preußischen Polen-Politik erscheint umso merkwürdiger, wenn man bedenkt, dass zum gleichen Zeitpunkt das Gerücht, wonach Preußen eine neue Teilung Polens plane, weit verbreitet war. Nahrung erhielt das Gerücht durch den zweiten Besuch des Prinzen Heinrich bei Katharina II. im Frühjahr 1775. Vgl. Ostrowski, Poufne wieści, S. 28; Wacław Olszewicz, Z archiwum Wielhorskich, in: Przegląd Humanistyczny (Teil II), 2 (1970), S. 131; Jerzy Michalski, Druga podróż petersburska księcia Henryka pruskiego a sprawy polskie, in: Z dziejów Galicji, Śląska, Polski i Niemiec: prace ofiarowane profesorowi drowi Adamowi Galosowi w siedemdziesiątą rocznicę urodzin, hg. von Marek Czapliński, Wrocław 1994, S. 78 f.
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seiner erzieherisch-moralisierenden Gedichte, Sentenzen und Briefe abgedruckt, die Friedrichs aufklärerische Betrachtungen vermitteln und gleichzeitig sein Profil als sittlichem Philosophen schärfen sollten.¹¹⁸ Besonders in den rein literarisch ausgerichteten „Zabawy“ nahmen die Übersetzungen von Friedrichs Schriften einen bedeutenden Platz ein. Ursprünglich war die Zeitschrift als Wochenblatt geplant, doch bald entschloss sich ihr Warschauer Verleger Michael Gröll, sie in gebundener Form zwei Mal jährlich herauszugeben.¹¹⁹ Die Erstauflagen der insgesamt 16 Bände lagen, je nach Ausgabe und Jahr, zwischen 11 und 21 Exemplaren und wurden in erster Linie durch Subskription finanziert und vertrieben.¹²⁰ Ziel der monarchistisch orientierten und königsnahen „Zabawy“ war es, „der menschlichen Gesellschaft zu dienen und dabei die Vermehrung ihres Nutzens im Sinne zu haben“, damit sich „die Liebe zur Tugend, zu den Wissenschaften, zur Wahrheit immer weiter ausbreite, das heißt, die Zahl ihrer einträchtigen Diener für zukünftige Zeiten zu vergrößern und der freundlichen Gunst sowohl der Gegenwart als auch der Zukunft zu dienen.“¹²¹ Dieses von aufklärerischem Belehrungsdrang gekennzeichnete Programm sollte mit Hilfe von „Mannigfaltigkeit und Auswahl des Stoffes“ verwirklicht werden, was man durch einen hohen Anteil übersetzter Werke zu erreichen suchte, und das, obwohl zu den Hauptredakteuren der Zeitschrift selbst schriftstellerisch tätige Intellektuelle wie Adam Naruszewicz, Jan Chrzciciel Albertrandi und Piotr Chmielowski gehörten. Ihrem literarischen Geschmack und ihren politischen Anschauungen ist es auch zu verdanken, dass
Vgl. Monitor, 43 – 44 (1785), S. 345 – 360. Der Nürnberger Michael Gröll (1722– 1798) war ein Auktionator, Buchhändler, Verleger und Drucker. Nach Warschau kam er 1759 aus Dresden, wo er viele Jahre eine Verlagsbuchhandlung betrieben hatte. Er brachte Bücher in polnischer, deutscher, französischer und lateinischer Sprache heraus. Bevor er 1778 eine eigene Werkstatt gründete, ließ er seine Veröffentlichungen zum Teil in Deutschland und zum Teil in Polen drucken. Die von Gröll gegründete Druckerei war technisch bestens ausgestattet und hatte ein sehr differenziertes Verlagsprogramm. Im Jahre 1779 übergab Gröll die Druckerei seinem Schwiegersohn, der ihr weitere zwanzig Jahre vorstand. Vgl. Heinrich Kunstmann, Der Nürnberger Michael Gröll als polnischer Buchdrucker und Verleger, in: Die Welt der Slaven, 3 (1958), S. 299 – 311; Józef Szczepaniec, Buchdruck und Buchhandel im Polen der Aufklärung, in: Slawistik, 6 (1979), S. 856 f.; Adolf Donath, Zum Verlagsprogramm von Michael Grölls Warschauer Buchhandlung, in: Buch- und Verlagswesen, S. 149 – 155. Elżbieta Aleksandrowska, Zabawy Przyjemne i Pożyteczne (1770 – 1777). Monografia bibliograficzna, Wrocław 1959, S. XVII. Deutsche Übersetzung zit. nach Jerzy Kasprzyk, Zeitschriften der polnischen Aufklärung und die deutsche Literatur, Gießen 1982, S. 34. Das Originalzitat in: „Zabawy Przyjemne i Pożyteczne“ (1770 – 1777). Wybór, hg. von Julian Platt, Bd. 2., Wrocław 1968, S. XII f.
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während der siebenjährigen Existenz der „Zabawy“ (1770 – 1777) mindestens zehn polnische Fassungen von Schriften Friedrichs II. abgedruckt wurden.¹²² Bereits im zweiten Band der Zeitschrift von 1770 erschien ein Gedicht unter dem Titel „Nichts darüber hinaus… Die menschliche Liebe stützt sich auf Hoffnung“, das zwar dem preußischen König zugeschrieben wurde, aber in seiner Bibliographie nicht aufzufinden ist.¹²³ Höchstwahrscheinlich ist es eine von Naruszewicz verfasste, allzu freie Paraphrasierung eines Textes von Friedrich, dessen moralisierende Aussage sehr gut zum Profil der Zeitschrift passte. Bei den anderen, im Laufe der Jahre abgedruckten Schriften besteht dagegen kein Zweifel, dass sie aus der Feder des preußischen Königs stammen. Dazu gehören seine poetische Abhandlung „La réponse au sieur Voltaire“¹²⁴, Episteln wie „À ma sœur de Baireuth. Sur l’usage de la fortune“¹²⁵, „À Hermotime. Sur l’avantage des lettres“¹²⁶ und „À mon frère de Prusse“¹²⁷ sowie die Oden „À Maupertuis, la vie est un songe“¹²⁸, „La Flatterie“¹²⁹, „La Guerre présente“¹³⁰, „À Gresset“¹³¹ und „La Fermet铹³². Der Großteil dieser Werke wurde in einer ungekürzten Fassung veröffentlicht und von Franciszek Zabłocki aus dem Französischen übersetzt. Dass sich ausgerechnet einer der bedeutendsten Dramatiker und Theatermacher im damaligen Polen der mühevollen Übersetzungsaufgabe widmete, ist dabei kein Zufall. Seit Jahren war Zabłocki bestrebt, ausländische Theaterstücke, vorwiegend französische Komödien, für die polnischen Bühnen zu adaptieren. Diese Stücke transportierten ein klares Aufklärungsprogramm und waren geeignet, das polnische Publikum auf die moralischen und gesamtgesellschaftlichen Missstände in seinem Land hinzuweisen.
Manche von diesen Übersetzungen sind anonym oder als polnische Abwandlungen von ausländischen Texten erschienen, daher ist es schwer, ihre ursprüngliche Autorenschaft festzustellen. Zumindest ist es nicht ausgeschlossen, dass einige dieser anonymen Schriften vom preußischen König stammen. Vgl. Aleksandrowska, Zabawy Przyjemne i Pożyteczne, S. XX. Nic nadto Króla Jmci Pruskiego Miłość sie ludzka na nadziei wspiera, in: Zabawy Przyjemne i Pożyteczne, Bd. 2, Teil 1, Warszawa 1770, S. 13 – 16. Wiersz króla Jmci Pruskiego do Woltera, in: Ebenda, Bd. 5, Teil 2, Warszawa 1772, S. 221– 224. List XIII Króla Pruskiego do swojej siostry de Bareith o używaniu Fortuny, in: Ebenda, Bd. 9, Teil 1, Warszawa 1774, S. 103 – 113 und 112– 118. List do Hermotyta o pożytkach nauk Króla Pruskiego, in: Ebenda, Bd. 15, Teil 1, Warszawa 1777, S. 82– 102. List Króla Pruskiego do swego brata, in: Ebenda, S. 103 – 106. Oda Króla Pruskiego do Mopercjusza, in: Ebenda, Bd. 9, Teil 2, Warszawa 1774, S. 303 – 312. Pochlebstwo. Oda Króla Pruskiego, in: Ebenda, Bd. 10, Teil 1, Warszawa 1774, S. 155 – 163. Oda piąta „Wojna“ Króla Jmci Pruskiego, in: Ebenda, Bd. 15, Teil 1,Warszawa 1777, S. 146 – 152. Oda pierwsza Króla Jmci Pruskiego do Gresseta, in: Ebenda, S. 137– 141. Oda druga „Stałość“ Króla Jmci Pruskiego, in: Ebenda, S. 141– 146.
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Die intensive Thematisierung und Kritik gesellschaftlicher und moralischer Probleme in Polen-Litauen waren Charakteristika eines didaktischen Utilitarismus, dem sich die polnischen Reformliteraten dieser Zeit verschrieben hatten und der der Überzeugung entsprang, dass die Gesellschaft mit literarischen Mitteln erzogen werden könne. Es gehörte daher auch zum gängigen Ton, alte Bräuche lächerlich zu machen; das moralische Modell des Helden musste der Herausbildung positiver menschlicher Verhaltensweisen dienen, und die negativen Gestalten mussten vor dem Bösen bewahrt werden.¹³³ Genau nach diesem Prinzip wurden auch Friedrichs Texte für die „Zabawy“ ausgesucht. Friedrichs Kritik des Hochmuts und der Müßigkeit, seine Warnung vor der Vergänglichkeit sowie sein Lob tugendhafter Lebensweise und sein Tadel der Gier nach materiellem Reichtum oder des Krieges als einer zerstörerischen Kraft verstärkten das moralisierendbelehrende Profil der „Zabawy“ und dienten den Reformern als Beleg für die universalistische Bedeutung ihrer programmatischen Bestrebungen.¹³⁴ Außerdem half ihnen der königliche Rang des Autors, sich als literarisches Sprachohr der europäischen Höfe zu positionieren und damit auch die eigene Besonderheit zu betonen. Und noch aus einem anderen Grund war es für die „Zabawy“ wichtig, die Werke des preußischen Königs in ihr Programm aufzunehmen. Als königstreue Zeitschrift, deren Redakteure regelmäßig an den schon erwähnten Intellektuellentreffen beim polnischen König – auch „Donnerstagstafel“ genannt – teilnahmen, versuchte sie, die Position des Monarchen in Polen zu stärken. Die Abneigung eines Großteils des Adels gegenüber Stanisław August und die daraus resultierenden, ständigen Versuche, die Macht des Königs einzuschränken, erzeugten ein grundsätzlich negatives Klima in Bezug auf den polnischen König, ja der monarchischen Regierungsform im Allgemeinen.¹³⁵ Um angesichts einer solch negativen Stimmungslage die Nützlichkeit und Notwendigkeit der königlichen Prärogative zu behaupten, war es wichtig, das Idealmodell eines guten Monarchen zu entwerfen und zu verbreiten. Durch die Popularisierung der moralphilosophischen Schriften Friedrichs II., der bis dahin in der polnischen Öf-
Vgl. Zdzisław Libera, Widerspiegelung der Ideen der Aufklärung und der nationalen Bewegung in der polnischen Literatur des 18. Jahrhunderts, in: Aufklärung und Nationen im Osten Europas, hg. von László Sziklay, Budapest 1983, S. 166. Vgl. Zdzisław Libera, Die deutsche Literatur in der Zeitschrift „Zabawy Przyjemne i Pożyteczne“, in: Zeitschrift für Slawistik, 4 (1986), S. 576 f. Ausführlich darüber bei Anna Grześkowiak-Krawicz, Czy król potrzebny jest Republice? Polscy pisarze polityczni wieku XVIII o miejscu i roli monarchy w Przeczypospolitej. Zarys problematyki, in: Dwór a kraj- między centrum a peryferiami władzy, hg. von Ryszard Skowron, Kraków 2003, S. 467– 484.
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fentlichkeit vorwiegend als unbesiegbarer Militärstratege gegolten hatte, wurde in den „Zabawy“ ein mannigfaltigeres und differenziertes Bild seiner Person vermittelt. Kritiklos übernahm man die von ihm gepflegte und von Voltaire und d’Alembert unterstützte Selbststilisierung zum „roi philosophe“, um mit diesem idealisierten Nimbus eine königfreundliche Stimmung im Lande zu erzeugen. Angesichts dieser propagandistischen Strategie ist freilich schwer zu entscheiden, ob sich der preußische König und sein Werk bei den polnischen Redakteuren tatsächlich einer so hohen Anerkennung erfreuten oder ob sie sich für seine Texte entschieden, weil sie diese leicht für die politischen Zwecke ihrer Zeitschrift funktionalisieren konnten. Vor diesem Hintergrund muss aber auch auf die herrschende Zensur hinwiesen werden, die sowohl von der innerpolnischen (höfischen und kirchlichen) Obrigkeit als auch von der preußischen Diplomatie betrieben wurde. In der Innenpolitik galt im 18. Jahrhundert noch immer das Ideal, Zeitungen hätten sich der Kommentare und Meinungen zu enthalten. Obwohl das so interpretiert werden konnte, als gestehe man dem Publikum sowohl Vermögen als auch Berechtigung zu einer selbstständigen politischen Einschätzung zu, galt eher das Gegenteil. Sowohl das Raisonnement des Publikums als auch das der Zeitungen waren suspekt. Zur Erörterung des Pressenutzens für und wider die öffentliche Sicherheit und Ordnung kam die Majestätsbeleidigung. Sie war symbolisch besonders stark aufgeladen: speziell Vertreter fremder Höfe betrachteten Zensur als legitim, wenn sie dagegen einschritte. Das Spektrum der Maßnahmen gegen die Insubordination reichte vom Verweis über die Verwarnung und die Einstellung der Finanzierung bis zum vorübergehenden Speditionsverbot und zum völligen Entzug des Postbeförderungsrechts, des sogenannten Postdebits.¹³⁶ Die unbestrittenen Versuche, ein positives Bild des preußischen Königs mit Hilfe der Zensur zu sichern, erklären jedoch nicht ausreichend die Tatsache, dass keinem anderen Herrscher in den „Zabawy“ so viel Platz eingeräumt wurde. Weder den literarischen Versuchen Katharinas II. noch denen anderer europäischer Monarchen wurde eine ähnlich große Aufmerksamkeit geschenkt. Nimmt man an, dass diese Begünstigung aus rein programmatischen Erwägungen erfolgte, dann würde dies zweierlei bedeuten: Zum einen ließen sich die, der französischen Kultur sehr zugetanen Herausgeber der „Zabawy“ in ihrer Wahr-
Allgemein dazu Paulina Buchwald-Pelcowa, Cenzura w dawnej Polsce. Między prasą drukarską a stosem, Warszawa 1997; Renarda Ocieczek, O cenzorach staropolskich uwag kilka, in: Autor – tekst – cenzura. Prace na Kongres Slawistów w Krakowie, hg. von Janusz Pelc und Marek Prejs, Warszawa 1998, S. 139 – 151; Jürgen Wilke, Pressezensur im Alten Reich, in: Zensur im Jahrhundert der Aufklärung. Geschichte – Theorie – Praxis, hg. von Wilhelm Haefs und YorkGothart Mix, Göttingen 2007, S. 27– 44.
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nehmung Friedrichs II. durch die französischen Aufklärer beeinflussen. Zum anderen war ihnen die Popularität des Preußenkönigs in Polen wohl bekannt, daher entschlossen sie sich, die Agitation für die eigenen Programmziele mit seiner Person zu verbinden. Immer stärker rückten Friedrichs ästhetisch-philosophische Weltanschauung und sein Regierungsstil in den Mittelpunkt des polnischen Interesses und immer weniger wurde er lediglich unter dem Aspekt seiner militärischen Erfolge gesehen. Im Zuge der nach der ersten Teilung entstehenden starken Reformstimmung im Lande suchten viele Intellektuelle mit Eifer nach Wegen aus der Krise und fanden bei Friedrich in Ansätzen das, was man neudeutsch wohl mit „Good Governance“ umschreiben würde: Machtbewusstsein gepaart mit Gerechtigkeitssinn, effizientes Verwalten als fortdauerndes Reformprojekt, Kunstbeflissenheit und ein persönliches Charisma, mit dem er die Loyalität seiner Untertanen zu gewinnen verstand. Gleichwohl stellte Friedrich II. keine entscheidende Referenzfigur im polnischen Aufklärungsdiskurs dar. Aus den überlieferten Einzelhinweisen auf seine Person oder die Effizienz seines staatlichen Handelns lassen sich keine aussagekräftigen Rückschlüsse ziehen, welche Bedeutung die polnischen Aufklärungsanhänger konkret der Persönlichkeit Friedrichs zugeschrieben haben. Vielmehr schlossen sie sich dem europaweit verbreiteten Friedrich-Bild an, ohne jedoch daraus einen propagandistischen Eifer zu entwickeln oder den preußischen Monarchen zu einem für die polnischen Bedürfnisse bestmöglichen Vorbild zu stilisieren. Letztlich waren die Unterstützer von Stanisław August aus dem Reformlager zu keinem Zeitpunkt geneigt, das preußische Regierungssystem auf polnischem Boden zu etablieren, war doch die absolutistische Staatsführung für sie keine befriedigende Antwort auf die polnischen Probleme, ganz zu schweigen von den Gegnern jeglicher Beschneidung der Adelsvorrechte. In dieser prinzipiell skeptischen Haltung gegenüber dem Ancien Régime lag auch der Hauptgrund dafür, dass die Herrschaftspraxis Friedrichs II. die Reformanhänger nicht vollständig überzeugte und die intensiven Reformdebatten der 1770er Jahre deshalb keine entscheidende Inspiration durch Preußen erfahren haben. Eine verstärkte Wahrnehmung Friedrichs II. lässt sich erst im Laufe der 80er Jahre beobachten, auch wenn ihre Intensität, ihr Umfang und ihre Wirkung stets schwankten. Zu den einflussreichsten Trägern dieser neuen Rezeption gehörte sicherlich der Jesuit Piotr Świtkowski, der betriebsame Herausgeber solcher Periodika wie „Pamiętnik Historyczno-Politiczny“ („Historisch-Politisches Tagebuch“), „Magazyn Warszawski“ („Warschauer Magazin“) oder „Zabawy Obywatelskie“ („Bürgerliche Unterhaltungen“). Seine thematisch sehr heterogen ausgerichteten Zeitschriften spielten, wie Jerzy Kasprzyk konstatiert, „ohne Zweifel eine bedeutende Rolle bei der Umgestaltung des Leserbewusstseins und bei dem
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Bemühen, die Aufklärungsbewegung konkret mit Leben zu füllen“.¹³⁷ Bei seiner Herausgebertätigkeit griff Świtkowski, der damaligen journalistischen Praxis in Polen-Litauen entsprechend, auf die Erfahrungen westeuropäischer Publizistik zurück und benutzte für seine Zeitschriften ausländische, vorwiegend deutsche Quellen. Auf seine Vertrautheit mit der deutschsprachigen Publizistik machte Johann Joseph Kausch in seinen „Nachrichten über Polen“ aufmerksam, wenn er bemerkt, dass Świtkowski ein „geschickter und fleißiger“ Autor sei, der größtenteils aus den deutschen Originalquellen schöpfe, „da er diese Sprache sehr gut versteht“.¹³⁸ Diese Sprachkenntnisse waren wohl auch einer der Gründe dafür, warum Świtkowski seit Beginn seiner editorischen Tätigkeit mit aller Konsequenz gegen die in Polen vorherrschende Gallomanie auftrat und ihr immer wieder die deutschsprachige Kultur entgegenstellte. In einer seiner späteren Zeitschriften brachte er sein langjähriges Engagement auf den Punkt und kündigte schlicht und mit Genugtuung an, dass „die besten Zeiten für die französische Literatur schon vorüber sind. Diese Zeiten aber, voller Ruhm und Ehre, sind für die Deutschen angebrochen.“¹³⁹ Das wichtigste Blatt Świtkowskis, in welchem seine deutschfreundlichen Einstellungen und seine Abhängigkeit von den deutschen Quellen am deutlichsten zum Vorschein kamen, war der „Pamiętnik“ (1782– 1792). Diese populärwissenschaftliche Monatsschrift mit einer Auflage von 500 bis 1 000 Exemplaren gehörte in den 1780er Jahren zu den beliebtesten Zeitschriften unter den polnischen Intellektuellen und wurde von einem zeitgenössischen Bericht aus Österreich kritisch als eine „wörtliche Übersetzung der Hamburger ‚PolitischesJournal‘-Hefte“ charakterisiert.¹⁴⁰ Der Vorwurf ist nur teilweise berechtigt, denn Świtkowskis „Pamiętnik“ übernahm seine Artikel nicht allein aus dem Hamburger Blatt, sondern griff auch häufig auf andere deutschsprachige Presseorgane zurück, darunter auf die „Berlinische Monatsschrift“.¹⁴¹ Unter den insgesamt 16 Beiträgen, die er daraus für seine Zeitschrift ins Polnische übersetzte, findet man den Artikel von Biester über Benjamin Franklin, den Bericht über die He Kasprzyk, Zeitschriften der polnischen Aufklärung, S. 41. Johann Joseph Kausch, Nachrichten über Polen, Salzburg 1793, S. 290. Zabawy Obywatelskie, 1 (1792), S. 4. Alphons Heinrich Traunpaur, Dreyßig Briefe über Galizien oder Beobachtungen eines unpartheyischen Mannes, der sich mehr, als nur ein paar Monate in diesem Königreiche umgesehen hat, Wien 1787, S. 58. Zur Auflagenhöhe und Leserschaft von Świtkowskis Zeitschriften siehe Dorota Sidorowicz, Kto czytał czasopisma Piotra Świtkowskiego? Świadectwa odbioru, in: Czasopismo Zakładu Narodowego Imienia Ossolińskich, 18/19 (2008), S. 25 – 37. Vgl. Dorota Sidorowicz, Artykuły z „Berlinische Monatsschrift“ (1783 – 1796) na łamach czasopism Piotra Świtkowskiego, in: Czasopismo Zakładu Narodowego Imienia Ossolińskich, 13 (2002), S. 39 – 61.
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xenprozesse in Glarus, die aktuelle Polemik gegen Dohm zum Thema Judenkolonien oder mehrere Briefe von Friedrich Gedike über Berlin.¹⁴² Auch wenn die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Fragen in Preußen Świtkowski durchgehend beschäftigten, versuchte er sie immer wieder aus der polnischen Perspektive zu interpretieren und ihre Problematik dem Geschmack und dem Nutzen der polnischen Leserschaft anzupassen. Diese in der polnischen Presse gängige Anpassungspraxis wird besonders aus seiner Textauswahl ersichtlich. Ähnlich wie andere, oben beschriebene Zeitungsmacher gehörte er zum monarchistischen Reformlager und strebte mit seinen Zeitschriften an, die unbeschränkte Adelsfreiheit als Ursache der polnischen Zwangslage darzustellen, die Position des polnischen Königs zu stärken und auf die dringende Notwendigkeit der Bildungsentwicklung hinzuweisen. Um diese programmatischen Zielsetzungen im Rahmen seiner prodeutschen Orientierung zu verdeutlichen, war Świtkowski bemüht, Friedrich II. als einen vorbildhaften Monarchen darzustellen. Im „Pamiętnik“ veröffentlichte er nicht nur die hagiografischen Darstellungen (in Auszügen) und Reden Ewald Friedrich von Hertzbergs über die friderizianische Herrschaftspolitik¹⁴³, sondern machte auch auf manche Edikte und Kabinettsorders des preußischen Königs aufmerksam. So findet man in dieser Zeitschrift beispielsweise den Abdruck der königlichen „Verordnung wegen Einstellung des Läutens bei den Gewittern“¹⁴⁴, des „Edikts wegen Abstellung einiger Missbräuche besonders des Blauen Montags bei den Handwerkern“¹⁴⁵ oder den Hinweis auf die ordinierten Verzeichnisse der „Dienste, Pflichten, Schuldigkeiten und Gerechtsame“ der Bauern.¹⁴⁶ Allein ein kurzer Blick auf das Inhaltsverzeichnis der einzelnen Monatsausgaben des „Pamiętnik“ zeigt, wie stark die preußischen Themen in Świtkowskis Zeitschrift präsent waren und welch große Bedeutung er diesen Beiträgen beimaß. Sie alle vermitteln ein idealisiertes und moralisch geschöntes Bild von Preußen und seinem Herrscher und negieren alles, was diese Wahrnehmung stören könnte. So charakterisiert er Preußen in einem vierseitigen Artikel von 1782 unter dem Titel „Die preußische Macht und einige Bemerkungen über sie“ als
Ebenda, S. 59 f. Pamiętnik Historyczno-Polityczny, Bd. 2, Warszawa 1783, S. 112. Das Preußen-Bild in Świtkowskis Zeitschriften kann schwer von der herrschenden Zensur beeinflusst gewesen sein, denn gerade in den 1780er Jahren ist sie nicht besonders scharf gewesen, was manche Publizisten als negativ empfanden. Konkret dazu Irena Homola, Walka o wolność druku w publicystyce polskiej drugiej połowy XVIII wieku, in: Przegląd Historyczny, 51 (1960), S. 80. Pamiętnik Historyczno-Politiczny, Bd. 1, Warszawa 1784, S. 107. Ebenda, Bd. 2, Warszawa 1783, S. 428 – 431. Ebenda, Bd. 1, Warszawa 1785, S. 255.
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eines der stärksten Länder Europas, das seine militärische und wirtschaftliche Größe nicht der Bevölkerungszahl oder dem territorialen Besitz zu verdanken habe, sondern vor allem der „Klugheit, Tapferkeit und dem unerschöpflichen Bemühen seines Monarchen“.¹⁴⁷ Überschwänglich lobt Świtkowski auch die „mutigen, sparsamen und ruhmvollen“ Einwohner der preußischen Provinzen, unter denen er vor allem „den preußischen Adel“ hervorhebt.¹⁴⁸ Für ihn ist es hauptsächlich der Adelsstand, der „die militärische und soziale Dienstbereitschaft“ in Preußen antreibt und dabei auf „ihre patriotische Ausführung“ achtet. „Dies tut er dann auch mit solcher Intensität, dass in dieser Monarchie viel mehr Patriotismus zu finden ist als in vielen anderen Ländern, die sich für frei halten.“¹⁴⁹ Die scharfe Kritik an den polnischen Zuständen und ironische Anspielungen auf die Freiheitsrechte des polnischen Adels formuliert Świtkowski noch deutlicher am Ende des Artikels: „Der preußische Staat ist viel stärker gefestigt als viele andere. Wenn er diesen Festigungsprozess aber einmal zu Ende bringt, bleibt nicht ausgeschlossen, dass er sich die Gefühlslosigkeit, Untätigkeit und Schwäche des Nachbarvolkes zunutze macht, das weder die fremden Beispiele noch das eigene Unglück zu einer Festigung der eigenen Sicherheit anstachelt.“¹⁵⁰
Die polnische Adelsnation solle sich Preußens Entwicklung zum Vorbild nehmen – dies war die Hauptbotschaft der preußenfreundlichen Artikel Świtkowskis. Für ihn war der friderizianische Merkantilismus mit seinem Fokus auf die Erhöhung des Staatsschatzes und seinem verbrämten, aber nicht zu verkennenden Zusammenhang mit dem Militarismus der nachahmungswürdigste Weg im Hinblick auf eine Staatsreform in Polen. Konfrontiert mit der schwachen Position des polnischen Königs, dessen Reformversuche von der Gunst Russlands und einiger Magnatenfamilien abhing, erblickte Świtkowski in Friedrich II. das mustergültige Gegenbild eines Souveräns, der konsequent und ohne Rücksicht auf jegliche Gegenströmungen die Entwicklung seines Landes fördert. Von dieser Überzeugung zeugt auch sein Artikel von 1783 mit dem signifikanten Titel „Das große Vorbild für die Regierenden, die ihr Land unbeirrt beglücken möchten“.¹⁵¹ In utilitaristisch belehrender Manier weist er im ersten Abschnitt des Artikels gleich darauf hin, dass „das Allgemeinwohl jedes Landes von dem Wohlergehen aller
Potęga pruska i niektóre względem niej uwagi, in: Ebenda, Bd. 2, Warszawa 1782, S. 191. Ebenda, S. 192. Ebenda. Ebenda. Przykład Wielki. Dla zwierzchności Rządowej kraj swoj nieomylnie uszczęśliwić chcący, in: Ebenda, Bd. 1, Warszawa 1783, S. 401– 408.
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seiner Einwohner“ abhängig sei. Um diesen allseitigen Reichtum zu erreichen, müssten allerdings zwei Bedingungen erfüllt sein: die Erhöhung der Arbeitskraft der Bevölkerung und hohe finanzielle Investitionen, die die wirtschaftliche Entwicklung anregen. Wie die Implementierung solcher Maßnahmen konkret funktionieren soll und welche Erfolge sie erzielen können, lässt sich für Świtkowski am besten in Preußen beobachten. Dank des „klugen Monarchen“ und „größten Meisters in der Regierungs- und Kriegskunst“, der „großzügig“ und auf eigene Kosten „Millionen“ in die Wirtschaft investierte, sei es Preußen gelungen, seine wissenschaftliche und ökonomische Machtposition in Europa zu festigen.¹⁵² Nach dieser generalisierenden Würdigung listet Świtkowski detailliert auf, welche Summen und wofür Friedrich in den einzelnen Provinzen sein eigenes Geld ausgegeben haben soll. Wie der zuvor zitierte Artikel, so endet auch diese Lobpreisung der preußischen Zustände mit einer Kritik Świtkowskis an seinen Landsleuten: „Armes Land, in dem man seine Einwohner nur ausbeutet und niemals stützt und in dem der arme Bauer und Handwerker, durch die Steuerlast gedrückt, keinen Beistand findet!“¹⁵³ Als vorbildhaft stellte Świtkowski auch das preußische Rechtswesen dar. Tief beeindruckt berichtet er in einem Artikel von 1785 vom „Philosophenkönig“ und seinem bewundernswerten Eifer, vor seinem nahenden Ableben „die vollkommensten Gesetze“ zu hinterlassen, die sich durch „Ehrlichkeit, Durchsichtigkeit und Gründlichkeit“ auszeichnen und die von „dem unbeschreiblichen Bemühen Friedrichs um das Wohl seiner Untertanen“ zeugen.¹⁵⁴ Bewusst verzichtete Świtkowski in seinem „Pamiętnik“ auf die Glorifizierung Friedrichs II. als unbesiegbaren Feldherrn, sondern stilisierte ihn nach dem Vorbild der französischen Aufklärer zum Idealtypus eines weisen Königs, eines Philosophen auf dem Thron. Von der reformistischen Aufbruchsstimmung geprägt und vom Engagement seines Monarchen überzeugt, versuchte er, dem polnischen König mithilfe eines idealisierten Friedrichbildes Handlungsfelder und -strategien aufzuzeigen oder zumindest vorzuschlagen. Ohnehin waren sich die Reformanhänger aus dem königlichen Lager bewusst, dass sie in einer Zeit weittragender Veränderungen lebten, und maßen vor allem der Bildung, der Wissenschaft und der sozioökonomischen Erneuerung große Bedeutung bei. Das zum Teil von Friedrich II. selbst stilisierte Bild, erster Diener des Staates und Philosoph zu sein, entsprach daher genau Świtkowskis Vorstellung von der Rolle des Königs als einer notwendigen und entscheidenden Kraft im Reformprozess.
Ebenda, S. 401. Ebenda, S. 408. Prusy, in: Ebenda, Bd. 2, Warszawa 1784, S. 613.
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Absichtlich nutzte er die glorifizierenden Königsbilder aus ganz Europa, um in einer eher königsskeptischen Umgebung eine königsfreundliche Stimmung zu erzeugen und bei dieser Gelegenheit für die Regierungspolitik Stanisław Augusts und Reformen im Staate zu werben. Zu betonen bleibt allerdings, dass diese funktionalisierten Sympathiebekundungen für den preußischen König in den Zeitschriften Świtkowskis mit einer tatsächlichen und nicht bloß politisch motivierten Begeisterung für seine Person einhergingen. Hier eine klare Trennlinie zwischen bewusst eingesetzter und ehrlicher Sympathie ziehen zu wollen, wäre sinnfrei und ist zudem quellenmäßig nicht zu belegen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass Świtkowski Friedrich II. aus tiefster Überzeugung schätzte und gerade deshalb dessen positives Bild für die eigenen programmatischen Ziele nutzte. Besonders ersichtlich wird diese Verbindung in seiner Erläuterung,warum er sich entschlossen hat, aus Johann Kaspar Riesbecks Briefen über Deutschland nur diejenigen Passagen für seinen „Pamiętnik“ zu übersetzen, die sich direkt auf Berlin und Friedrich II. beziehen: „Es ist eine Tatsache, dass Friedrich II. so viele und so große Taten hervorgebracht hat, über die Europa staunt. Wir, die seine Nachbarn sind, wissen aber nur wenig darüber aus der Presse, und dann auch nur über seine Kriege und Siege und fast nichts über seine Regierung, in der er sich viel größer erwiesen hatte als in der Zeit, als er beinahe gegen ganz Europa kämpfte. Aus diesen Briefen erhält man dagegen Informationen über die Regierungsart dieses Monarchen, die nicht nur wichtig, interessant und genau sind, sondern vielen unsren Lesern neu erscheinen werden. Zwar könnte man bereits Einiges darüber aus verschiedenen Büchern haben, aber die Leser werden selbst erkennen, dass die meisten Angaben falsch waren.“¹⁵⁵
Was Świtkowski hier unter „falsch“ versteht, verdeutlicht sein Kommentar zu Riesbecks Kritik an Friedrichs Abneigung gegen die deutsche Sprache. Er verleugnet zwar die allgemein bekannte Tatsache nicht, versucht aber den preußischen König zu verteidigen, indem er bemerkt, dass Riesbecks (ansonsten sehr friedrichfreundliche) Briefe unzensiert in Berlin gedruckt und in ganz Preußen vertrieben werden.¹⁵⁶ An diesem kurzen Kommentar wird erneut klar, mit welcher Vehemenz sich Świtkowski bemühte, seinen Landsleuten nur Positives über Friedrich II. zu berichten und allen negativen Nachrichten und Angaben über seine Regierung zu widersprechen. Nicht einmal die ihm gut bekannte friderizianische Handelspolitik in Polen konnte ihn von diesem Vorhaben abbringen.
Listy jednego Francuza podróżnego do brata swego w Paryżu względem krajów, rządu, dochodów, wojska, Literatury, Monarchy i poddanych Pruskich, in: Ebenda, Bd. 1,Warszawa 1785, S. 17. Ebenda.
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Auch wenn er in seinen Berichten die Isolation Danzigs und die dadurch stark geschwächte Wirtschaftssituation des Landes thematisiert, erwähnt er mit keinem einzigen Wort, dass zu diesem Zustand die preußische Zollpolitik und der von Preußen aufgezwungene Handelsvertrag beigetragen haben.Vielmehr rechtfertigt er die ökonomischen Repressionen Preußens als „Störungen aufgrund eines unzureichenden Verständnisses für die Sachverhalte“, bezeichnet den Handelsvertrag von 1775 als „sehr günstig für uns“ und sieht auch keinen fiskalischen Nachteil in der Verlagerung der polnischen Handelswege von Danzig nach Elbing, also unter preußische Kuratel.¹⁵⁷ Der Grund, warum der gegenwärtige binnenländische Flusstransport so überteuert und ineffizient sei, lag für Świtkowski einzig und allein an der Handelspolitik Russlands, das, im Gegensatz zum auf Polens Vorteil bedachten Preußen, den polnischen Handel durch seine Flusswege zwar begünstigt, damit aber „die größten Gewinne für sich erzielt“ habe.¹⁵⁸ Nur am Rande erwähnt er kurz die Teilung Polens und verschweigt komplett, dass bereits wenige Monate zuvor Preußen eine Revision der polnisch-preußischen Grenzziehung infolge der zahlreichen wechselseitigen Grenzkonflikte gefordert hatte, was in Polen Gerüchte über eine geplante erneute Annexion aufkommen ließ.¹⁵⁹ Świtkowskis idealisierte Darstellung Friedrichs II. intensivierte den bereits angesprochenen Wahrnehmungswechsel seiner Person in der polnischen intellektuellen Öffentlichkeit. Die in den 1770er Jahren von den „Zabawy“ initiierte Darstellung Friedrichs als einen weisen Monarchen, der die Wohlfahrt seiner Untertanen beständig vor Augen hat und mit dem Schönen das Nützliche und Belehrende vereint, entwickelt sich in Świtkowskis Presseorganen zum gängigen und vorherrschenden Muster. Die politisch-militärische Perspektive, in der Friedrich II. vorher wahrgenommen wurde, wird seit den 80er Jahren zunehmend durch das Bild eines philosophischen Wohltäters seines Volkes abgelöst. Die
O handlu naszym z Prusami, in: Ebenda, Bd. 2, Warszawa 1782, S. 321 und 335; Konwencja między dworem Pruskim i miastem Gdańskiem, in: Ebenda, Bd. 4, Warszawa 1784, S. 944. O handlu naszym z Prusami, S. 323. Zum Gerücht über die neue Teilung siehe Ostrowski, Poufne wieści, S. 28. Deutlicher noch: In einem im „Tagebuch“ abgedruckten Artikel unter dem Titel „Die kurzen Gedanken eines Bürgers. Gerechtigkeit des preußischen Königs einem Polen gegenüber“, der höchstwahrscheinlich nicht von Świtkowski selbst verfasst wurde, wird darüber berichtet, wie gerecht Friedrich II. mit seinen polnischen Untertanen umgeht. Geschildert wird der Fall eines Polen aus Westpreußen, der in Danzig ein Pferd kaufte, wofür ihm auf dem Rückweg nach Hause von einer preußischen Zollkammer eine Steuer abverlangt wurde. Empört über diese Ungerechtigkeit beklagte er sich darüber beim preußischen König, der daraufhin die angezeigte Kammer das ganze Geld zurückzahlen ließ. Myśli krótkie pewnego Obywatela. Sprawiedliwość Króla Pruskiego względem jednego Polaka, in: Pamiętnik Historyczno-Polityczny, Bd. 1,Warszawa 1785, S. 266 – 268.
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Beziehung zwischen dem preußischen König und seinen Untertanen rückte immer stärker in den Mittelpunkt des polnischen Interesses und wurde von Świtkowski zum richtungweisenden Beispiel erklärt. Die intensive Fokussierung auf das Verhältnis von Souverän und Volk, oder genauer formuliert, auf das Bemühen des Herrschers, das Leben seiner Landsleute glückseliger zu gestalten, stellt in der Tat eine Zäsur im aufgeklärten Denken nach der ersten Teilung dar. Im Mittelpunkt stand nun die Frage, wie die Reformierung des Landes angesichts der Gefahr des Unabhängigkeitsverlustes durchgeführt werden könnte. Die real existierende Bedrohung von außen steigerte dabei den Wert der nationalen Kultur. Seit dem Ende der 1770er Jahre wuchsen daher neben den Reformideen auch die Integrationsbestrebungen hinsichtlich der einheimischen Kultur, soziale Losungen koexistierten mit nationalen Parolen. Aufgrund dieser nun sichtbar werdenden Verbindungen wurde die Schaffung eines aufgeklärten Nationalbewusstseins zur wichtigsten Aufgabe der polnischen Reformer erklärt. An die Stelle ihrer früheren Hinwendung zu ausländischen Vorbildern trat nun „der moderne kosmopolitische Patriotismus“. Ziel war nicht mehr die bloße Nachahmung westeuropäischer Vorbilder, sondern die Heranbildung von weltoffenen und gebildeten Polen, welche die alten Tugenden mit dem modernen Wissen zu vereinen verstanden.¹⁶⁰ Dieser hohe Anspruch bezog sich vor allem auf die Machthaber im Lande. Sie sollten nun ihre im Ausland gesammelten Erfahrungen und ihre Gewandtheit im Umgang mit fremden Kulturen zum Nutzen des eigenen Volkes einsetzen, damit sich dessen Wohlstand vergrößern möge. Mit allen Kräften wurde versucht, das Musterbeispiel eines adligen Souveräns zu propagieren, der sich erst dann die Anerkennung der Mitwelt und den Ruhm der Nachwelt sicherte, wenn er dem Wohl des Volkes diente.¹⁶¹ Seine Interessen sollten, nach Meinung der Reformer, den Bedürfnissen der Gesellschaft untergeordnet sein. Die Gesellschaft müsse patriotisch erzogen werden, damit sie diese Aufopferung erkenne, vor allem aber Kenntnis vom rechten Gebrauch des vermittelten Wissens zum Wohle des Landes erlange.¹⁶² Vgl. Andrzej Feliks Grabski, Myśl historycznego polskiego oświecenia, Warszawa 1976, S. 213 – 237. Mehr zu dieser These bei Bal und Żarowski, Selbstbestimmung der Epoche, S. 32. Als bestes Beispiel hierfür können zwei beliebte Romane von Ignacy Krasicki dienen. Sowohl „Mikołaja Doświadczyńskiego przypadki“ (Die Begebenheiten von Mikołaj Doświadczyński) als auch „Pan Podstoli“ (Herr Untertruchsess) kritisieren das schlechte Bildungsniveau in Polen und bemühen sich, die Leserschaft davon zu überzeugen, dass man dank Bildung zum guten Bürger aufsteigen kann. Vor allem in dem Roman-Traktat „Pan Podstoli“ wurde das Bild eines Landedelmannes gezeichnet, der sich als guter Familienvater und kluger Bürger ausweist und alte Tugenden mit moderner Landwirtschaftsführung zu vereinen versteht. Ignacy Krasicki, Pan Podstoli, Olsztyn 1994.
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Diese vorherrschende Spannung zwischen Kritik an der realen Welt und einem optimistischen Blick in eine bessere, aufgeklärte Zukunft, verbunden mit einem wachsenden Interesse an der nationalen Kultur, beeinflusste die polnische Wahrnehmung Preußens und seines Monarchen allerdings wenig. Lediglich in dem anonym herausgegebenen Traktat „Anmerkungen zum Leben des Jan Zamoyski“ von 1785 findet man eine kritische Auseinandersetzung mit der Nachbarmacht und ihrem Herrscher. Grund für die Anonymität des Autors könnte hierbei der Versuch sein, die Familie des im Titel genannten und im Jahre 1605 verstorbenen Staatsmannes Jan Zamoyski mit der Verantwortung für den Inhalt des Geäußerten nicht zu belasten. Denn diese populäre und gleich nach ihrer Veröffentlichung in mehreren Abschriften in Polen-Litauen kursierende Schrift wurde verfasst vom Lehrer der Kinder Andrzej Zamoyskis, Stanisław Staszic, und zählt zu den radikalsten Reformprogrammen seiner Zeit.¹⁶³ Im historischen Rückblick auf das Leben und Schaffen von Jan Zamoyski versuchte hier der Jesuitenpater Staszic auf über 360 Seiten aufzuzeigen, welche Reformmaßnahmen notwendig seien, „um Polen vor der Teilung zu retten“.¹⁶⁴ Die Einführung der Erbmonarchie betrachtete er als die dringendste Rettungsmaßnahme und schlug dabei vor, die polnische Krone „einem der mächtigsten in Europa herrschenden Häuser“ zu geben.¹⁶⁵ Ohne seinen Vorschlag zu konkretisieren, tendierte er eindeutig zu Österreich, denn nur die Habsburger Monarchie war für ihn imstande, die territorialen Annexionsgelüste Russlands und allen voran Preußens in Schach zu halten.¹⁶⁶ Denn seit Jahrhunderten, so Staszics These, sei das „Haus Brandenburg“ nur darauf ausgerichtet, „Polen zu betrügen“ und von allen bisherigen preußischen Monarchen sei Friedrich II. derjenige, der dem polnischen Nachbarn die meisten Ungerechtigkeiten und Gewalttaten zu-
Stanisław Staszic, Uwagi nad życiem Jana Zamoyskiego, kanclerza i hetmana w.k. do dzisieyszego stanu Rzeczypospolitey Polskiey przystosowane, Warszawa 1787. 1776 übertrug das polnische Parlament dem Magnaten Andrzej Zamoyski die Aufgabe, eine Sammlung der zivilen Gesetze mit dem Ziel ihrer Kodifizierung durchzuführen, doch der sogenannte „Zamoyski-Kodex“, auf den bereits im Zusammenhang mit den Gesprächen zwischen Friedrich II. und Krasicki hingewiesen wurde, wurde vier Jahre später vom Reichstag seiner sozialreformistischen Tendenzen wegen verworfen. Diese Entscheidung hinterließ einen bleibenden Eindruck in den Kreisen der aufgeklärten Intellektuellen und mobilisierte sie zur Belebung der Debatte über den fehlenden Reformwillen in der Adelsgesellschaft. Das Buch von Staszic kann man daher als einen Beitrag zu dieser anhaltenden Diskussion betrachten. Es wurde aus Anerkennung für die politisch engagierte Zamoyski-Familie verfasst und wusste durch seine Radikalität den kritischen Reformeifer im Lande wie kaum ein anderes anzuregen. Ebenda, S. 230. Ebenda, S. 110. Vgl. Ebenda, S. 111.
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gefügt habe.¹⁶⁷ Als Beweis hierfür hebt Staszic neben der Falschmünzerei und der strengen Kontrolle des polnischen Handels das Engagement des Preußenkönigs bei der Teilung hervor. Mehr noch: Er charakterisiert Friedrich als den Hauptinitiator der Annexion, welche ihm nur deshalb so gut habe gelingen können, weil die Polen untereinander zerstritten seien und der preußische Monarch Russland in den Krieg mit dem Osmanischen Reich verstrickt sowie die beiden Kaiserinnen betrogen habe. Bei der Vollstreckung dieses geschickt eingefädelten „Raubes“ habe er seiner Armee erlaubt, die „unmenschlichsten Grausamkeiten“ in den annektierten Gebieten zu begehen. Detailliert und aus eigener Erfahrung schildert der aus Schneidemühl (Piła) stammende Staszic, mit welcher Gewalt das preußische Heer durch Zwangsrekrutierungen Familien zerriss und mit welcher Rücksichtslosigkeit es sich das Getreide der Bauern aneignete. Staszics verbale Feindseligkeiten münden in einen metaphorisch stark aufgeladenen Appell an seine Leserschaft: „Hätte doch die Nachwelt zuvor diese wenigen Zeilen gelesen, ehe sie Friedrich II. beurteilt, der von bezahlten Leuten ‚Philosophenkönig‘ genannt wurde! Polen! Keiner unserer Nachbarn, nur das Haus Brandenburg, hat das Bedürfnis, auf Euren Untergang zu lauern. Es ist ein von Euch entbundenes und von Euch gezüchtetes Ungeheuer mit einem großen Kopf. Sein Körper versucht sich in alle Richtungen auszudehnen und stößt dabei auf starke Hindernisse. Nur Polen allein bietet ihm dafür Raum, was diese Bestie dazu ermutigt, auf die Gelegenheit zu lauern, bis sie sich das ganze Territorium einverleiben kann.“¹⁶⁸
Abgesehen von der negativen Wahrnehmung Preußens und Friedrichs II. bei Staszic, der offenbar selbst Zeuge gewaltsamer Grenzziehung durch die preußische Armee geworden war, sticht in diesem Zitat besonders seine scharfe Verurteilung der eigenen Landsleute hervor. Sie tragen für ihn selbst die größte Verantwortung dafür, dass die „ungeheuerlichen“ Nachbarn die polnischen Gebiete willkürlich unterwerfen und ihre Macht auf Kosten Polens ungehindert ausbauen können. Unter den wenigen kritischen Stellungnahmen zu Preußen und Friedrich II. bildet die grundlegend negative Rezeption der Beziehungen bei Staszic zweifellos eine radikale Position. Denn wie kaum ein anderer polnischer Kritiker Preußens zu diesem Zeitpunkt war er bestrebt, nicht nur auf eine aktuelle Gefahr für Polen hinzuweisen, sondern er stellt Friedrich II. als Erbe einer seit Jahrhunderten anhaltenden Politiktradition dar, in deren Zentrum eine beständige polenfeindliche Gesinnung der Hohenzollern steht. Um diese dämonisierende „Erbfeindvorstellung“ und die von ihr hervorgerufenen Emotionen zu festigen,
Ebenda, S. 108. Ebenda, S. 110.
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greift er auf durchaus moderne sprachliche und stilistische Mittel zurück. Abstrakte Eigenschaften Preußens wie Habsucht, Hinterlist, Grausamkeit, Selbstsucht, Unersättlichkeit usw. konkretisiert er durch animalische Metaphern mit deutlich negativem Akzent und stellt sie dadurch und mithilfe des appellativen Charakters seiner Ausführungen als besiegbar dar. Überspitzt könnte man daher formulieren, dass Staszic einer der ersten polnischen Intellektuellen war, der die These vom ewigen polnisch-preußischen Antagonismus vertrat und dieses preußische Feindbild nicht zuletzt deshalb konstruierte, um mit dessen Hilfe eine nationale Integration und ein breites politisches Engagement zu befördern. Wie bereits erwähnt, blieb Staszic mit seiner fundamental negativen Einstellung zu Preußen und Friedrich II. eine Randerscheinung. In den meisten Veröffentlichungen und Presseorganen, die den Anspruch erhoben, den aufgeklärten Patriotismus zu popularisieren, dominierte nach wie vor eine positive Darstellung Preußens und seines Herrschers. Selbst in der letzten Nummer der kurzlebigen und durch die Druckerei der Warschauer Ritterakademie anonym verlegten Zeitschrift mit dem bezeichnenden Titel „Polak Patriota“ („Polnischer Patriot“) von 1785 wurde eine verherrlichende Darstellung Friedrichs II. präsentiert.¹⁶⁹ Interessant ist dabei allerdings, dass diesmal nicht seine Regierungspolitik oder seine militärischen Erfolge im Mittelpunkt der anonymen Schilderung stehen, sondern die detaillierte Beschreibung seiner Person. Ausführlich wird in dem zwölfseitigen Artikel darüber berichtet, wie der preußische König aussieht, wie er sich kleidet, was er gerne isst oder wie sich sein Alltag gestaltet. Bereichert wird dieses Porträt durch einige populäre und in ganz Europa kolportierte Anekdoten aus dem Leben Friedrichs, in denen er als gerechter Monarch dargestellt wird, der von klugen, preußentreuen und humorvollen Untertanen umgeben ist.¹⁷⁰
Zwar stand auf dem Titelblatt der zweimonatlich erscheinenden Zeitschrift, deren Auflage 500 Exemplare nicht überschritt, dass sie von einer „Gelehrten Gesellschaft“ (Towarzystwo Uczonych) herausgegeben wird, doch bis heute ist unklar, wer sich genau hinter dieser Bezeichnung verbarg. Bekannt ist lediglich, dass viele Intellektuelle aus der Umgebung König Stanisław Augusts dort ihre Artikel drucken ließen und dass der Großhetman und Fürst Michał Kazimierz Ogiński zu den Hauptförderern der Zeitschrift gehörte. Siehe dazu Hanna Tadeusiewicz, „Polak Patriota“ (1785): Charakterystyka czasopisma, in: Acta universittis lodziensis. Foli librorum, 6 (1995), S. 33 – 64. Obraz żyjącego Króla Pruskiego, i niektóre szczególności ściągjące sie do tego Monarchy, in: Polak Patriota. Dzieło periodyczne przez Towarzystwo Uczonych na rok 1785, na dzień 1 Listopada, S. 1121– 1132. Ähnliche Ziele setzte sich die anonyme Übersetzung einiger Texte von Friedrich unter dem Gesamttitel „Morgenstunden des Preußenkönigs oder dem Sohne erteilte Lehren“. Bereits im Vorwort stellt der Übersetzer fest, dass schon der Name des Preußenkönigs Leser anziehen muss und dass durch die Lektüre dieser Schrift vieles auf eine unterhaltsame Weise gelernt werden kann. Poranki Króla Jmci Pruskigo albo nauki synowcowi dane, Chocim 1782, S. 4.
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Der Friedrich-Artikel aus dem „Polak Patriota“ markierte das steigende Interesse an Friedrichs Persönlichkeit und seinen Eigentümlichkeiten und war bezeichnend für die Art der intensiven Wahrnehmung, die unmittelbar nach seinem Tod 1786 den polnischen Diskurs dominierte. Denn das Ableben des preußischen Königs löste eine Welle der Begeisterung für seine Person aus; nie war Friedrich II. so populär bei seinen polnischen Nachbarn wie unmittelbar nach seinem Tode. 1789 stellte ein anonymer Autor in Świtkowskis „Pamiętnik“ sogar fest, dass die Werke Friedrichs II. so zahlreich im Lande vorhanden seien, dass „man ihrer nicht mehr hätte finden können, wären sie in polnischer Sprache gedruckt worden.“¹⁷¹ Die in Preußen des ausgehenden 18. Jahrhunderts nachhaltig betriebene Stilisierung seiner Regentschaft zu einem Mythos von einmaliger Größe wirkte sich auch auf die Art seiner Darstellung in den polnischen Medien aus. Ohne die Reaktion aller polnischen Medien analysieren zu können, sei exemplarisch auf den bereits behandelten Verleger Stefan Łuskina verwiesen. In seiner, auf aktuelle Ereignisse bedachten „Gazeta Warszawska“ ist er mehrmals auf Friedrichs Tod eingegangen. Neben einer bloßen Verlautbarung darüber ließ er mit zweiwöchiger Verzögerung den Nachruf auf den „allerdurchlauchtigsten großmächtigsten und allergnädigsten Fürsten und Herren“ aus der „Berlinischen Zeitung“ ins Polnische übersetzen und abdrucken.¹⁷² Auch über die tagelangen Vorbereitungen für die aufwändige Bestattung sowie ihren ganzen zeremoniellen Ablauf berichtete Łuskina eingehend und bediente sich dabei erneut bei den detaillierten Informationen aus der „Berlinischen Zeitung“. So konnten die polnische Leserschaft erfahren, wie Friedrichs Sarg aussah, wie die Potsdamer Garnisonkirche für die Beisetzungszeremonie dekoriert wurde, wie viele Kerzen man für die Zeremonie verbrauchte oder wer an welcher Stelle im Trauerzug ging.¹⁷³
Pamiętnik Historyczno-Polityczny, Bd. 1, Warszawa 1789, S. 925. Vgl. Gazeta Warszawska (Suplement), 02.09.1786; Berlinische Zeitung, 19.08.1786. Mit einer zweisprachigen Lobeshymne auf Friedrich nach dessen Tod reagierte auch ein reformierter Konvent aus Schlesien: Beweis der Treue und allerhöchster Ehrerbietung dem in Gott verstorbenen Allererlauchtesten Friedrich…vom Stolcenberski-Konvent der Reformatoren bzw. Dowód wierności y najwyższej attencyi w Bogu zmarłemu Nayjaśniejszemu Fryderykowi Królowi Pruskiemu od konwentu Stolcemberskiego XX. Reformatów żałobnym obrządkiem uroczyście r. 1786, in: Biblioteka Uniwersytetu Poznańskiego, BUPSD, Manuskrypty, 609, II; vgl. auch Karol Estereicher, Bibliografia polska, Bd.16, Kraków 1898, S. 352. Gazeta Warszawska, 09.09.1786; 16.09.1786; 20.09.1786; 23.09.1786; 27.09.1786. Die Nachricht über die Beisetzung Friedrichs II. neben den sterblichen Überresten seines Vaters in der Gruft der Garnisonkirche musste dem einen oder anderen in Polen-Litauen überraschend vorkommen, denn seit längerer Zeit zirkulierte dort ein Flugblatt mit der polnischen Übersetzung von Teilen seines Testaments vom 8. Januar 1769, in dem er ganz klar festgelegt hatte,wie und wo er beigesetzt
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Der Tod Friedrichs II. und das damit einhergehende gestiegene Interesse an seiner Person veranlasste Łuskina darüber hinaus, ein Kompendium seiner Werke herauszugeben. Mehrere Auszüge aus seinen fünf Schriften fasste er zusammen und ließ sie unter dem Obertitel „Die Besonderheiten des Charakters und des Privatlebens Friedrichs des Großen“ 1787 veröffentlichen. Da es Łuskina erneut unterlassen hatte, die Originalquellen zu nennen, ist es fast unmöglich nachzuvollziehen, welche Schriften er bemühte oder ob alle Fragmente tatsächlich von Friedrich II. stammen. Im Gegensatz zu den anderen Publikationen Łuskinas über Friedrich konzentriert sich dieses, 168 Seiten umfassende, posthume Buch lediglich auf das Privat- und Alltagsleben des preußischen Königs und vermeidet absichtlich jegliche Bezüge zu seiner Regierungspolitik. Was den Verleger dazu bewogen hat, allein den Charakter und die Persönlichkeit Friedrichs zu thematisieren, erklärt er im Vorwort seiner Veröffentlichung: „Ich hoffe, dass diese Umrisse, die den Privatcharakter eines der größten Könige vermitteln, nicht kalt von all denjenigen aufgenommen werden, die seine Größe fühlen und anerkennen. Seit 46 Jahren war er der eigenartigste Mensch in ganz Europa. Jede von seinen Eigenschaften ist es daher wert, bewahrt zu werden. Dies ist umso wichtiger, da es für alle, die ihn achten, schwer ist, sich ein reales Bild von ihm zu machen. Wer wäre schon imstande, sich den Helden des Siebenjährigen Krieges als einen guten und fürsorglichen Hausherrn vorzustellen? Wer vermöge sich in Anerkennung seiner militärischen Leistung auszumalen, wie er im Privatleben gewesen ist? Alle diese Überlegungen wurden zum Anlass genommen, um die Besonderheiten aus dem privaten Leben Friedrichs II. zu sammeln und herauszugeben.“¹⁷⁴
Die Publikation Łuskinas weist auf die bereits erwähnte Veränderung der Wahrnehmung Friedrichs II. in Polen hin, die spätestens seit der Mitte der 80er Jahre ein wachsendes Interesse an seiner Persönlichkeit sowie an seinem Privatleben mit sich brachte. Genau diese Tendenz bestätigt auch das im Wilnaer Jesuitenverlag anonym und unkommentiert herausgegebene Buch „Anekdoten also Charakterzüge und Eigenschaften Friedrichs II., König von Preußen. Aus dem Deutschen ins Polnische übersetzt. Dritter Teil“ von 1787¹⁷⁵, bei dem es sich um die fragmentarische Übersetzung der damals populären und mehrmals verlegten „Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben Friedrichs II.“ handelt. Diese werden wollte. Testament króla pruskiego z niemieckiego na ojczysty język przetłumaczony, in: BO, Manuscripta, 559, Bl. 198 f. Das vollständige Testament in: Die Werke Friedrichs des Großen, Bd. 7: Antimachiavell und Testamente, hg. von Gustav Berthold Volz, Berlin 1913, S. 287– 291. Fryderyk II, Szczególności do charakteru i życia prywatnego Fryderyka Wielkiego ściągające się, wydane w expedycji Pamiętnika Historyczno Politycznego w Warszawie 1787, S. 3 f. Anegdoty czyli znamiona charakter i przymioty Fryderyka II króla pruskiego wystawujące: przełożone z niemieckiego na polskie…Część trzecia. W Wilnie: w drukarni J.K.M. przy Akademii, 1787.
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Anekdotensammlung scheint in Polen hinlänglich bekannt gewesen zu sein, denn bereits in Friedrichs Todesjahr griff ein anderer anonymer Übersetzter auf die gleiche Originalquelle zurück und gab bei einem nicht genannten Verlag einige Ausschnitte daraus unter dem Titel „Eine kurze aber wahre Sammlung aus dem Leben des erleuchteten Friedrichs II., Königs von Preußen […]“ heraus.¹⁷⁶ Doch im Gegensatz zu der folgenden Ausgabe wurden Friedrichs Lebensgeschichten in der Übersetzung von 1786 nicht kommentarlos publiziert, sondern mit einem mehrseitigen Vorwort versehen. Der polnische Literaturhistoriker und Bibliograph Karol Estereicher vermutet, dass dieser anonyme und zum damaligen Zeitpunkt sehr ungewöhnliche Einführungskommentar aus der Feder des Jesuiten und Publizisten Paweł Kollacz aus Sarnowa (Grenzort zu Schlesien in Großpolen, heute ein Teil von Rawicz) stammt, der vor allem durch seine polnische Übersetzung der deutschen Fassung von Guillaume Raynals „Revolution de l’Amerique“ bekannt wurde.¹⁷⁷ Ungewöhnlich ist sein ausführliches Vorwort insbesondere im Hinblick auf seinen reflektierten Stil und seinen kritischen Ansatz. Entgegen der vorherrschenden Stimmung im Land, oder zumindest in den bis dahin veröffentlichten Publikationen über Friedrich II., geht der Autor ungehemmt auf die antipolnischen Regierungsentscheidungen des preußischen Königs ein und zögert nicht, dessen hinterlistige Polen-Politik konkret zu benennen. Insbesondere wirft er ihm vor, dass er, der selbsternannte Antimachiavell, die Schwäche seiner Nachbarn ausgenutzt habe, um ihre Territorien zu rauben.¹⁷⁸ Enttäuscht hebt er hervor, wie häufig die Polen auf viele für sie vorteilhafte Maßnahmen zugunsten der guten Nachbarschaft mit Preußen verzichtet hätten und wie wenig sie dafür von Friedrich II. entlohnt wurden. Gleichzeitig kritisiert er die posthum betriebene Heroisierung der Lebens- und Regierungszeit Friedrichs II., die letztendlich dazu führe, dass ein falsches Zeugnis über ihn unter die Leute komme und sein wahres Gesicht für die nächsten Generationen verschleiert bleibe.¹⁷⁹ All diese negativen Bewertungen des preußischen Monarchen und zeitgenössische Missdeutungen führten ihn abschließend zu der folgenden Bemerkung: „Es lässt sich nicht leugnen, dass Friedrich II. aufgrund seines universellen und bewundernswerten Verstandes sowie seiner berühmten Taten der Große genannt werden darf. Aber
Zbiór krótki a prawdziwy życia Najjaśniejszego Fryderyka II Króla Pruskiego pierwszego między wielkimi, który umarł 17 sierpnia 1786 lecz w potomnych wiekach żyć będzie ponieważ wielkim jest z Niemieckiego przez X.P.K.A.R.S. za pozwoleniem zwierzchności wydrukowany 1786. Vgl. Karol Estereicher, Bibliografia polska, Bd. 35, Kraków 2007, S. 109. Irrtümlich wird hier das Erscheinungsjahr mit 1791 angegeben, was drei Jahre nach Kollaczs Tod wäre und der Beschreibung des Buches nicht entspricht. Zbiór krótki a prawdziwy życia Najjaśniejszego Fryderyka II, S. 9. Ebenda, S. 10.
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allein sein unmenschlicher Umgang mit den ihm immer treu gebliebenen Nachbarn, die am meisten zu seinem Aufstieg und zur Macht des Königreichs Preußen beigetragen haben, scheint diese Größe stark zu mindern.“¹⁸⁰
Abgesehen von den scharfen Reaktionen auf den Tod Friedrichs II. aus dem deutschsprachigen Danzig¹⁸¹, bleibt diese anonyme Schrift bis heute eine der wenigen gedruckten Überlieferungen, die sich unmittelbar nach Friedrichs Tod kritisch mit seiner Person und Politik auseinandersetzten. Der einmalige Charakter dieses Vorwortes erscheint besonders signifikant, wenn man berücksichtigt, dass nicht mal unter den so stark am Tagesgeschehen und den politischen Ereignissen interessierten Flugschriften eine erkennbare und differenzierte Auseinandersetzung mit dem Ableben des Preußenkönigs zu finden ist. Überliefert sind lediglich literarisch minderwertige Verse unter dem markanten Titel „Gedichte zu Ehren des verstorbenen Friedrichs, preußischer König“, welche, wie sich aus der kaum lesbaren Unterschrift entziffern lässt, von einem anonymen Ordensbruder verfasst wurden.¹⁸² Interessant ist hier allerdings nicht die Qualität des vermeintlichen Ehrengedichts, sondern vielmehr die Funktion Friedrichs II., die ihm darin zugeteilt wird. Er fungiert hier nämlich als der eigentliche Autor der 42 Verszeilen, oder genauer formuliert, als der Weissagende, der Polens Vergangenheit und Gegenwart einer scharfen Kritik unterzieht. Der allseitige Egoismus, die auffallende Kenntnislosigkeit über die Regierungsfehler sowie die zerstörerische Heuchelei der Regierenden seien für den preußischen König dafür verantwortlich, dass Polen den fremden Mächten ausgeliefert bleibe und unweigerlich in den eigenen Untergang steuere. Dementsprechend pessimistisch ist auch seine Prophezeiung für die polnische Zukunft. Zwar sei unter den „starken Geistern“ der Aberglaube verbreitet, wonach dem „Bösen“ immer das „Gute“ folge, doch er sehe diese Abfolge in Polen nicht und bezweifele auch, dass sie beim gegenwärtigen Zustand des Landes überhaupt jemals eintreten werde.¹⁸³ Auch wenn dieses Gedicht nur als Handschrift überliefert ist und zu seiner Zeit wohl kaum rezipiert wurde, ist es interessant zu beobachten, mit welcher mora-
Ebenda. Zitiert sei hierzu eine einschlägige Stelle aus den Erinnerungen Johanna Schopenhauers: „Der alte Fritz ist todt! Endlich! Ging es eines Tages wie ein Lauffeuer durch die Stadt, und die Leute freuten sich, riefen beinahe jubelnd die längst erwartete Nachricht einander entgegen, als wäre durch den Tod des großen Königs alles Leid von ihnen genommen …“ Jugendleben und Wanderbilder. Nachlass von Johanna Schopenhauer herausgegeben von ihrer Tochter, Bd. 2, Braunschweig 1839, S. 298. Na pochwałę zmarłego Fryderyka króla Pruskiego wiersze, in: BO, Manuscripta, 559, Bl. 206. Ebenda.
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lischen Kraft Friedrich II. in das Reich der allwissenden Propheten erhoben und zum schlechten Gewissen Polens erklärt wird. Ohne die dominierende positive Einstellung zum Preußenkönig unmittelbar nach seinem Tod wäre eine derartig affirmative Stilisierung bzw. andächtige Instrumentalisierung seiner Person sicherlich nicht denkbar oder zumindest nicht in diesem warnend-belehrenden Zusammenhang akzeptabel gewesen. Offenbar hatte das Ableben des preußischen Monarchen einen gewaltigen Eindruck bei einigen seiner polnischen Nachbarn hinterlassen, wenn sie ihn unmittelbar danach in der Rolle eines wegweisenden Morallehrers zu sehen beliebten. Gegen Ende der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts lassen sich allerdings deutlich weniger Schriften verzeichnen, die das Leben Friedrichs II. thematisierten oder sich explizit und aus Interesse an seiner Person seinem Werk widmeten. Die gleich nach seinem Tod entfachte, regelrechte Rezeptionswelle ebbte schnell ab, ohne eine anhaltende Beschäftigung mit ihm und seiner Regierungszeit (auch in seinem Verhältnis zu Polen-Litauen) in der polnischen Öffentlichkeit hervorgerufen zu haben. Zwar charakterisiert Stanisław Salmonowicz die Jahre 1789 – 1791 als „eine für das Andenken Friedrichs II. geradezu honigsüße Zeit“¹⁸⁴, doch er taucht jetzt zumeist in einem größeren Kontext der preußischen Geschichte auf und wird kaum als zentrale Referenzfigur wahrgenommen. Beeinflusst wurde diese starke Kontextualisierung seiner Person durch die neu entstandene politische Situation und die damit verbundene polnisch-preußische Annäherung. Um das angestrebte Bündnis nicht in Frage zu stellen, wurde eine positive Memorisierung Preußens und seiner Monarchen betrieben.¹⁸⁵ Auf das neue Klima in den gegenseitigen Beziehungen wird im Folgenden noch ausführlich eingegangen, an dieser Stelle sei lediglich auf einige Übersetzungen von Friedrichs Werken hingewiesen, die genau auf diese Bündnisphase zurückzuführen sind. Neben den zwei historischen Schriften „Mémoires depuis la paix de Hubertsbourg 1763, jusqu’a la fin du partage de la Pologne, 1775“¹⁸⁶ und „De ce qui s’est passé de plus important en europe depuis l’année 1774 jusqu’à l’année 1778“¹⁸⁷ gehörte dazu
Salmonowicz, Die polnische öffentliche Meinung, S. 16. Als Beispiel dafür kann die polnische Übersetzung von Jean-Charles Laveaux‘ „Vie de Frédéric II roi de Prusse“ dienen, die lediglich ein paar Monate nach dem Erscheinen des Originals herausgegeben wurde. Vgl. Życie Fryderyka króla Pruskiego, Kraków 1789. Pamiętnik od Pokoju Hubertsburgskiego r. 1763 aż do podziału zaboru krajów Polski r. 1775. Brzeg (eigentlich Kraków) 1789. Opisanie, co się działo ważnego w Europie od r. 1774. do r. 1778. wyjęte z dzieł Fryderyka II. Króla Pruskiego drukowanych w Berlinie 1788, tlum. Antoni Maksymilian Prokopowicz, Brzeg 1789. Im gleichen Jahr wurden die beiden Teile („Mémoires depuis la paix de Hubertsbourg 1763“ und „De ce qui s’est passé de plus important“) in einem Band unter einem veränderten Titel durch
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auch seine erstmals 1788 gedruckte Komödie „L’ecole du monde“¹⁸⁸. Alle diese Schriften wurden von dem Piaristen und Historiker Antoni Maksymilian Prokopowicz, der seine Übersetzungsarbeit entweder auf Bestellung oder aus Dankbarkeit für seine Gönner tätigte, aus dem Französischen ins Polnische übertragen.¹⁸⁹ Die letzten Rezeptionsspuren der Schriften Friedrichs im 18. Jahrhundert findet man in dem kurzlebigen Krakauer Presseorgan „Monitor Różnych Ciekawości na rok 1795“ („Monitor der unterschiedlichen Neuigkeiten für das Jahr 1795“), das, verteilt auf insgesamt vier Bände, lediglich einige Monate beim Verleger und Buchdrucker Jan Maj erschien und eine Sammlung mannigfaltiger Texte aus Literatur, Wirtschaft und Politik darstellte. Zwei von Friedrichs Werken wurden hier veröffentlicht: „Épître sur la méchanceté des hommes“ und das fünfte Kapitel aus dem „L’Antimachiavel“ über die zivile Freiheit.¹⁹⁰ Dass ausgerechnet diese beiden Schriften ausgewählt wurden, ist wohl kein Zufall. Im Jahr der Veröffentlichung der Zeitschrift kam es zur Auflösung des polnisch-litauischen Staatsverbandes bzw. zur dritten Teilung Polens. In einer politisch so angespannten Atmosphäre hatten literarische Klagen über die Bösartigkeit der menschlichen Natur und Appelle an die Freiheit der Nationen verständlicherweise Konjunktur. Interessant ist dabei nur, dass erneut ausgerechnet Friedrich II. als Instanz bemüht wird, um partikularistische Morallehren für die polnische Nation zu formulieren.
3. Polnisch-preußische Verflechtungen und Wissenschaftskontakte Wirft man einen generellen Blick auf die polnischen Presseorgane der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in denen die Figur Friedrichs II. und die preußische Monarchie immer wieder thematisiert wurden, so ist nicht zu übersehen, dass diese Publikationen vorwiegend von Geistlichen getragen und geprägt wurden. Abgesehen von den deutschsprachigen Verlegern, die sich noch zur Zeit der Sachsenkönige in Polen-Litauen niedergelassen hatten, entwickelte sich fast das gesamte Presse- und Verlagswesen zu einer Domäne der Kirchenmänner. Sie ge-
die Druckerei des Basilianerordens in Supraśl verlegt: Fryderyk II, król pruski, Sekreta gabinetów europejskich od r. 1763 aż do teraźniejszych czasów, Supraśl 1789. Fridericus II rex prussiae, Szkoła Świata. Komedya króla pruskiego napisana w 3 aktach pod imieniem satyryka, Kraków 1791. Die erste Ausgabe der Komödie war bereits 1789 erschienen. Kazimierz Panuś, Kaznodziejstwo w katedrze krakowskiej, Kraków 1995, S. 241– 244. Monitor Różnych Ciekawości na rok 1795, S. 118 – 128 und 258 – 261.
3. Polnisch-preußische Verflechtungen und Wissenschaftskontakte
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hörten nicht nur zu den Herausgebern oder Druckern der meisten Zeitschriften und Bücher, sondern zählten häufig auch zu den produktivsten und meistgelesenen Literaten und Publizisten unter den polnischsprachigen Autoren. Zu erklären ist diese Entwicklung mit der christlichen Bildungstradition und dem jahrhundertelangen Monopol der katholischen Kirche auf das Schulwesen in Polen-Litauen. Bis zum weltweiten Verbot der Jesuiten im Jahr 1773 befanden sich die meisten polnischen Erziehungsinstitutionen in deren Händen. Gegen die jesuitischen Dominanzansprüche stemmten sich aber vor allem die Piaristen, die sich vorwiegend um das gymnasiale Schulwesen kümmerten und als Gegengewicht zu den allzu mächtig gewordenen Jesuiten betrachtet und gefördert wurden. Aus ihren Reihen stammten auch die wichtigsten Schulreformer des Landes (wie z. B. Stanisław Konarski)¹⁹¹, die bestrebt waren, an Stelle der barocken Denktradition der Jesuiten die sogenannte „philosophia recentiorum“ zu etablieren.¹⁹² Es wäre aber einseitig, alle Jesuiten bzw. Absolventen ihrer Konvikte pauschal als vehemente Gegner der Aufklärung zu bezeichnen oder sie allein für die mühsame Verbreitung und Realisierung der reformerischen Programme verant-
Unterstützt von den Familien Czartoryski und Poniatowski gründete Konarski 1740 das Warschauer Collegium Nobilium, das sich zum Ziel setzte, die künftigen Regierungskader auszubilden. 1730 leitete er auf Veranlassung des Bischofs von Kiew, Józef Załuski, die editorische Arbeit am Entwurf einer Verfassung und der Rechte des polnischen Reichstags unter dem Titel: „Volumina legum“. Derselbe Załuski gründete auch zusammen mit seinem Bruder und Bischof von Krakau, Andrzej Stanisław Załuski, 1747 die öffentlich zugängliche Załuski-Bibliothek (Biblioteka Załuskich, Zalusciana) in Warschau, die im 18. Jahrhundert zu den weltweit größten ihrer Art zählte. Dennoch ist anzumerken, dass gerade in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Załuski-Bibliothek keine große Popularität in Warschau genoss und nur von wenigen Lesern frequentiert wurde. Zur Tätigkeit der Załuskis siehe Heinz Lemke, Die Brüder Załuski und ihre Beziehung zu Gelehrten in Deutschland und Danzig: Studien zur polnischen Frühaufklärung, Berlin 1958; Janowski, Narodziny inteligencji, S. 37 f. Die „philosophia recentiorum“ war eine intellektuelle Strömung, die in der Zeit vom Ende der 1740er bis zum Beginn der 1770er Jahre immer mehr an Bedeutung gewann. Diese Philosophie war ein Versuch, die dominierende Scholastik mit den neuen philosophischen Strömungen und der Physik Isaac Newtons zu verbinden. Beeinflusst von Christian Wolff, René Descartes, Francis Bacon, Gottfried Wilhelm Leibniz und John Locke kann sie als Form einer „Modernisierung“ der Scholastik angesehen werden, „deren Anzeichen insbesondere in der Forderung nach Formulierung einer maximalistisch verstandenen Funktion der Philosophie als Fundament der formalen Ausbildung und des realen Grundwissens in Form eines erklärenden (kasuistisch-finalistischen) Systems deutlich wurden“. Stanisław Janeczek, Die polnische philosophische Kultur in der Mitte des 18. Jahrhunderts und die christliche Aufklärung, in: Churches, states, nations in the enlightenment and in the nineteenth century = Eglises, états, nations à l’époque des Lumières et au XIXe siècle, hg. von Mirosław Filipowicz, Lublin 2000, S. 39.
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wortlich zu machen.¹⁹³ So wurde etwa die 1773 durch den polnischen Reichstag und König Stanisław August eingerichtete Kommission für Volkserziehung (Komisja Edukacji Narodowej), die als das erste Bildungsministerium der Welt und eine der größten Errungenschaften der polnischen Aufklärung gilt, in erster Linie von Jesuiten geleitet.¹⁹⁴ Auch der oben ausführlich beschriebene, preußenfreundliche Bischof von Ermland, Ignacy Krasicki, gehörte zu den Verteidigern des Jesuitenordens. Für eine Säkularisierung des Lehramtes und die Durchsetzung der Reformen plädierten auch Ex-Jesuiten wie Stanisław Staszic oder der langjährige Leiter der königlichen Druckerei, Franciszek Bohomolec, denn in der Druckerei wurden nicht nur die Lehrwerke der Erziehungskommission, sondern auch die bereits erwähnten reformorientierten Presseorgane „Wiadomości Warszawskie“ und „Zabawy“ verlegt. In diesem Zusammenhang ist auch die, auf Initiative des polnischen Königs gegründete „Donnerstagstafel“ zu erwähnen – eine exklusive Tischgesellschaft von Gelehrten, Künstlern und Literaten, die von 1770 bis 1777 regelmäßig tagte und deren Ziel es war, die kulturelle Entwicklung Polens voranzutreiben. Unter den 14 Stammgästen dieser engagierten Runde waren neun (Ex‐)Jesuiten.¹⁹⁵ Allein diese wenigen Beispiele von geistlichen Trägern der Reformen, allen voran die Jesuiten, weisen auf das enge Bündnis der Aufklärungsbewegung mit der katholischen Kirche in Polen hin. Nicht nur, dass die polnische „Erleuchtung“ den religiösen Dogmen oder den kirchlichen Institutionen nicht den Prozess machte, um ein Wort von Paul Hazard zu paraphrasieren, sondern sie entfaltete
Ein derartig undifferenziertes Urteil findet sich beispielsweise bei Christoph Schmidt,Von der Schaukel aufs Schafott: Die polnische Aufklärung, in: Orte eigener Vernunft. Europäische Aufklärung jenseits der Zentren, hg. von Alexander Kraus und Andreas Renner, Frankfurt am Main und New York 2008, S. 144 f. Ausgestattet mit dem Vermögen des aufgehobenen Jesuitenordens (und damit dessen Schulen) ging die u. a. von den (Ex‐)Jesuiten Hugo Kołłątaj und Grzegorz Piramowicz geleitete Behörde an die Schaffung eines einheitlich gegliederten Bildungssystems mit modernen Bildungsinhalten, die in sämtlichen vorhandenen Bildungseinrichtungen des Landes, die ihr unterstellt waren, verwirklicht wurden, auch in der ehrwürdigen Universität Krakau und der Jesuitischen Hochschule in Wilna. Vgl. Jan Popłatek, Komisja edukacji narodowej: Udział byłych jezuitów w pracach Komisji edukacji narodowej, Kraków 1973; Stanisław Litak, Das Schulwesen der Jesuiten in Polen. Entwicklung und Verfall, in: Bildung – Politik – Gesellschaft: Studien zur Geschichte des europäischen Bildungswesens vom 16. bis zum 20. Jahrhundert, hg. von Grete Klingenstein (u. a.), München 1978, S. 124– 37; Kazimierz Puchowski, Jezuickie kolegia szlacheckie Rzeczypospolitej Obojga Narodów: studium z dziejów edukacji elit, Gdańsk 2007, S. 518; Piotr Badyna, Wychowanie obywatelskie w koncepcjach edukacyjnych pijarów i jezuitów, in: Religia i polityka. Kwestie wyznaniowe i konflikty polityczne w Europie w XVIII wieku. W 300 rocznicę konwencji w Altranstädt, hg. von Lucyna Harc und Gabriel Wąs, Wrocław 2009, S. 391– 402. Vgl. Janowski, Narodziny inteligencji, S. 55.
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sich geradezu unter dem Schutz und der aktiven Teilnahme des Klerus.¹⁹⁶ „Ein deutlich säkularisiertes Aufklärungsverständnis“, hebt Karin Friedrich hervor, „ist deshalb in Polen-Litauen nicht nachvollziehbar“.¹⁹⁷ Erklären lässt sich diese Symbiose von „Glaube“ und „Vernunft“ durch eine spezifische Wahrnehmung und Interpretation des aufgeklärten Denkens. Im Gegensatz zur Aufklärungsbewegung in Frankreich, die auf Antiklerikalismus und sogar Atheismus zielte, gingen die polnischen Reformanhänger im Allgemeinen davon aus, dass die Aufklärung auf einem festen Fundament von Religion, Sittenlehre, Gesetzgebung und Patriotismus basieren müsse, damit sie nicht für schlechte Ziele missbraucht werden könne. Man hat es hier also mit der Überzeugung zu tun, dass eine moralische Begründung der Wissenschaft und des Fortschritts außerhalb ihrer selbst, nämlich bei Gott zu suchen sei.¹⁹⁸ Maciej Janowski bezeichnet die polnische Aufklärung als eine „sehr ernsthafte Epoche, die sich zu stark ihrer Mission der Weltveränderung widmete, um nebenbei noch Relativismus oder [religiöse, A.P.] Zweifel zu popularisieren.“¹⁹⁹ Dementsprechend wies die Geschichtsauffassung der polnischen Aufklärung so gut wie nie antiprovidenzielle Tendenzen auf, weshalb der Prozess der Reformierung des Landes als eine, von Gottes Hand gelenkte oder zumindest von Gott unterstütze Entwicklung betrachtet wurde.²⁰⁰ Diese religiöse Sanktionierung der Reformbewegung war auch einer der Gründe, warum unter den polnischen Anhängern von Friedrich II. so viele Geistliche zu finden waren. Offenbar gingen sie von dem verbreiteten Bild des preußischen Monarchen als einem religiös toleranten König aus und hatten dieser zum Teil von ihm selbst inszenierten Propaganda mehr Glauben geschenkt als den Gerüchten über seine antiklerikale Haltung. Friedrichs Protest gegen die Aufhebung des Jesuitenordens sowie seine Initiative für den Bau einer katholischen Kirche in Berlin stärkten nur seine positive Rezeption und somit auch die Sympathie für ihn und seine Politik beim polnischen Klerus. Folgerichtig fanden sich nur wenige Geistliche (wie eben Staszic oder Kollacz), die offen seine anhaltend betriebene Säkularisation kirchlicher Institutionen und kirchlichen Eigentums in den annektierten Gebieten kritisierten oder seine Entscheidungen
Vgl. Irena Stasiewicz-Jasinkowa, Der aufgeklärte Katholizismus im Polen der Frühaufklärung, in: Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, hg. von Erich Donnert, Köln 1997, S. 555 – 564. Friedrich, Von der religiösen Toleranz, S. 288. Mehr dazu bei Pufelska, Fortschritt angesichts des Unterganges, S. 115; Bal und Żarowski, Selbstbestimmung der Epoche, S. 322. Janowski, Narodziny inteligencji, S. 100; Stanisław Janeczek, Oświecenie chrześcijańskie. Z dziejów polskiej kultury filozoficznej, Lublin 1994, S. 15 – 29. Vgl. Grabski, Myśl historycznego polskiego oświecenia, S. 91.
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gegen Polen als moralisch verwerflich und im christlichen Sinne unvertretbar interpretierten. Interessanterweise fanden Friedrichs Vorgehen gegen die katholische Kirche sowie seine so stark popularisierte Preisung der religiösen Toleranz kaum Anerkennung bei den polnischen Freimaurern. Aus den überlieferten Dokumenten dieser Geheimgesellschaft lässt sich nicht entnehmen, dass der preußische König oder sein Staat überhaupt eine bedeutende Rolle in ihrem Weltbild oder ihrer freimaurerischen Weltsicht spielten.²⁰¹ Dies änderte sich umgehend nach der dritten Teilung Polen-Litauens und der Besetzung Warschaus durch die preußische Armee²⁰², doch bis dahin lassen sich nur wenige Spuren der Zusammenarbeit zwischen den polnischen und preußischen Logen ausmachen. Zwar hatten die polnischen Brüder immer wieder an den Sitzungen der preußischen Logen teilgenommen, aber meistens waren es keine gezielten Besuche, sondern sie ergaben sich eher beiläufig auf ihren Durchreisen nach Frankreich oder England.²⁰³ Das Fehlen engerer Beziehungen war in erster Linie der Neuorientierung der polnischen Freimaurerei gegen Ende der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts geschuldet. Bis zu jenem Zeitpunkt waren die polnischen Logen nominell von den englischen und französischen Großlogen abhängig. Zudem standen sie seit der Zeit der sächsischen Könige im Fokus deutschsprachiger Einflüsse. Nach der ersten Teilung wuchs jedoch der Wunsch nach einer eigenen souveränen Großloge
Siehe dazu Hipolit Skimbowicz, Rys historyczny wolnomularstwa polskiego, in: AGAD, Archiwum Masońskie Potockich, II-1/I; Stanisław Małachowski-Łempicki, Wykaz polskich lóż wolnomularskich oraz ich członków w latach 1738 – 1821 poprzedzony zarysem historji wolnomularstwa polskiego i ustroju Wielkiego Wschodu Narodowego Polskiego, Kraków 1929; Ludwik Hass, Sekta farmazoni warszawskiej. Pierwsze stulecie wolnomularstwa w Warszawie (1721– 1821), Warszawa 1980; ders., Wolnomularstwo polskie za Stanisława Augusta (1763 – 1795), in: Wiedza i Życie, 12 (1927), S. 15 – 38; Walenty Wilkoszewski, Rys historyczno-chronologiczny Towarzystwa Wolnego Mularstwa w Polsce, Londyn 1968, S. 13 – 62; Jan Czarnomski, Z dziejów wolnomularskich XVIII wieku, in: Kwartalnik Historyczny, 53 (1946), S. 267– 273; Kazimierz Morawski, Wolnomularstwo a Polska w dobie dziejowej przed rewolucja francuską, in: Pamiętnik V Zjazdu Historyków Polskich w Warszawie, Lwów 1930, S. 241– 245; Jan Niczyja-Urbański, Masoneria polska w epoce stanisławowskiej, in: Sprawozdania z posiedzeń Towarzystwa Naukowego Warszawskiego, Wydział II, Bd. XXI, Warszawa 1928, S. 27– 39; Jerzy Wojtowicz, Die polnische Freimaurerei im öffentlichen Leben der Aufklärungsperiode, in: Beförderer der Aufklärung in Mittel- und Osteuropa. Freimaurer, Gesellschaften, Clubs, hg. von Eva Balazs (u. a.), Berlin 1979, S. 174– 184. Jan Kosim, Okupacja pruska i konspiracje rewolucyjne w Warszawie 1796 – 1806, Wrocław 1976; Stanisław Małachowski-Łempicki,Wolnomularstwo polskie za okupacji pruskiej 1795 – 1807, in: Wiedza i Życie, 3 (1928), S. 153 – 170. Vgl. Dominique Triaire, Jean Potocki franc-maçon, in: Ars Regia, 2 (1993), S. 203; ders. und François Rosset, Jan Potocki Biografia, Warszawa 2006, S. 155 f.
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sowie nach gleichberechtigter, brüderlicher Zusammenarbeit mit den anderen Großlogen. Freilich wollte keiner der „Grand Orienten“ seinen Einfluss auf PolenLitauen verlieren. Auch die Große Landesloge in Berlin versuchte, sich Geltung zu verschaffen, stieß dabei aber auf wenig Entgegenkommen.²⁰⁴ Es entstand eine Situation, die von der Berliner Loge „Royal York“ im Sinne der stereotypen Vorstellung vom damaligen Polen als „état d’Anarchie, relativement aux Connaissance Maçonniques“ bezeichnet wurde.²⁰⁵ Der schwierigen und von politischen Interessen geprägten Konsolidierungsaufgabe widmete sich eine Gruppe unter der Führung des Magnaten Ignacy Potocki. Als einer der führenden Mitglieder der oben genannten Erziehungskommission und als Leiter des „Ständigen Rates“ gehörte er zu den wichtigsten Persönlichkeiten des polnischen Hochadels und nahm aktiv am politischen und kulturellen Leben des Landes teil. Zusammen mit weiteren Freimaurern gründete er in Warschau die Loge „Stern des Nordens“ (später „Katharina zum Stern des Nordens“ und ab 1788 „Stanisław August zum Stern des Nordens“)²⁰⁶, die ihr Konstitutionspatent von der Mutterloge „Royal York“ in Berlin erhielt.²⁰⁷ Zu diesem Zweck wurde der königliche Kammerherr und livländische Baron Heinrich Carl von Heyking von der Logenbehörde nach Berlin entsandt.²⁰⁸ „Royal York“
Die polnischen Freimaurer wurden in ihrem Widerstand gegen die preußische Landesloge nicht allein gelassen. Ferdinand von Braunschweig, der im Siebenjährigen Krieg an der Seite seines Schwagers, Friedrich II., kämpfte und dadurch auch als Verbündeter Preußens galt, unterstützte die Autonomiebestrebungen der polnischen Freimaurer. Im Gegensatz zu vielen anderen Fürstenhöfen im Reich akzeptierte er die erste Teilung Polens nicht und bezog eine deutlich kritische Stellung dazu. Als Chef der „Strictae Observantiae“ (Strikte Observanz), einer im Reich einflussreichen Freimaurerobedienz, ließ er die im preußischen und österreichischen Teilungsgebiet gegründeten Logen nicht Berlin oder Wien, sondern der sog. Warschauer Präfektur unterordnen. Vgl. Ludwik Hass, Wolnomularstwo w Europie Środkowo-Wschodniej w XVIII i XIX wieku, Wrocław 1982, S. 128; Cegielski, Das Alte Reich, S. 147. Zit. nach Wilkoszewski, Rys historyczno-chronologiczny, S.40. Die Umbenennung der Loge hängt mit ihrem Versuch zusammen, eine stärkere Anbindung an die russische Freimaurerei zu finden, „und zwar in einer gewissen Rivalität gegenüber dem König“. Wojtowicz, Die polnische Freimaurerei, S. 177. Die Warschauer Loge war nicht die einzige, die ihr Konstitutionspatent von „Royal York“ erhielt. Auch in anderen polnischen Städten wurden Logen in Kooperation mit ihr gegründet; die meisten von ihnen in Posen. Vgl. Zygmunt Zaleski, Masoneria narodowa w Poznaniu, in: Kronika miasta Poznania, 8 (1923), S. 145 – 150; Ernst Mayer, Chronik der Logen in Posen und Stiftungsgeschichte der unter Constitution der Großen National-Mutter-Loge der Preußischen Staaten, genannt Zu den Drei Weltkugeln arbeitenden St.-Johannis-Freimaurer-Loge. Zum Tempel der Eintracht im Orient Posen zur fünzigjährigen Jubelfeier dieser Stiftung im Jahre 1870, Berlin 1870, S. 6 – 8. Vgl. Wojtowicz, Die polnische Freimaurerei, S. 177.
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wurde 1760 von, aus Frankreich nach Berlin gekommenen Brüdern, als Tochter der Großen Loge von England gegründet. Im Gegensatz zu den anderen Berliner Logen, wie z. B. „Zu den Drei Weltkugeln“, stand sie nicht unter dem Protektorat von Friedrich II. und war stets bemüht, ihr unabhängiges Verhältnis zur Freimaurerobedienz im Reich zu bewahren.²⁰⁹ Diese angespannte Beziehung der französischen Brüder zur deutschen Freimaurerei sowie ihre abhängige Beziehung zur Großen Loge von England waren jedoch ausschlaggebend dafür, dass die Warschauer Freimaurer gerade bei ihnen das Konstitutionspatent für die Loge „Stern des Nordens“ erwirken wollten. Potocki hegte keine Zweifel daran, dass der starke Einfluss der deutsch-sächsischen Freimaurerei in Polen-Litauen, die von ihm angestrebte Unifizierung und Autonomie der polnischen Logen verhindere. Nach seiner Wahl zum Großmeister schlug er daher einen antideutschen Kurs ein und führte sorgsam die Verhandlungen mit dem „Grand Orient“ von Frankeich, um für den „Stern des Nordens“ den Status einer Mutterloge zu erreichen. Den diplomatischen Gesprächen folgten mehrere interne Veränderungen: Acht Logen in Warschau, Wilna, Dubno und Posen, die ihr Konstitutionspatent ebenfalls von der Berliner Mutterloge „Royal York“ erhalten hatten, wurden zusammengeschlossen, sechs weitere Logen konstituierte die Provinzialloge „Stern des Nordens“ aus eigener Machtvollkommenheit. Nach weiteren Umstrukturierungen und Verhandlungen wurden 1784 insgesamt 37 Logen vom „Großorient von Polen“ installiert, was ohne die rituelle Basis, welche die Mutterloge „Royal York“ bereit gestellt hatte, sicherlich „unmöglich gewesen wäre.“²¹⁰ Der kurze Hinweis auf die wichtige Bedeutung der französischen Loge „Royal York“ in Berlin für die Gründung des polnischen „Orients“ soll hier nicht nur die engen nachbarlichen Beziehungen unter den Freimaurern unterstreichen, sondern auch zeigen, dass es Kontakte zwischen Polen und Preußen auch jenseits der politisch-nationalen Ebene gab, die sich nicht eindeutig als „polnisch-preußisch“ charakterisieren lassen. Eine derartige Richtung bekam die freimaurerische Bewegung erst nach der Annexion der polnischen Territorien durch Preußen, als die Verbindungen der dortigen Logen zur Mutterloge in Warschau fast komplett abgebrochen sowie zahlreiche Neugründungen u. a. in Bromberg, Konitz (Chojnice) und Elbing durch die preußischen Großlogen initiiert wurden.²¹¹
Zur Geschichte der Loge siehe Rudolf Grosse, Geschichte der Großen Loge von Preußen genannt Royal York zur Freundschaft, Berlin 1909, S. 8 – 37. Ernst G. Geppert, Zu den Beziehungen zwischen den deutschen und polnischen Freimaurerlogen, in: Beförderer der Aufklärung, S. 186. Vgl. Wilkoszewski, Rys historyczno-chronologiczny, S. 27– 40.
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Ein Mangel an Kooperationen und Austausch mit dem Ausland muss hinsichtlich der polnischen Akademie- und Sozietätenbewegung konstatiert werden. Das liegt zum größten Teil daran, dass bis zum Verlust der Unabhängigkeit PolenLitauens keine größere oder international anerkannte polnischsprachige Akademie oder Wissenschaftsgesellschaft entstanden war. Alle Anläufe, eine solche zu gründen, sind entweder am Fehlen finanzieller Mittel oder nötiger organisatorischer Ressourcen gescheitert. Der am weitesten durchdachte Versuch wurde von dem Bischof und unermüdlichen Reformer Józef Andrzej Załuski kurz vor seinem Tod (Januar 1774) unternommen. Zusammen mit anderen Reformanhängern schlug er vor, die Güter des aufgelösten Jesuitenordens zur Finanzierung der Akademiegründung zu verwenden. Stanisław August hatte den Vorschlag mit Interesse aufgenommen und versprach, sich dafür persönlich einzusetzen. Jahrelang wurde an dem Gründungsplan gearbeitet und dabei mehrere internationale Vorbilder in Betracht gezogen. In diesem Zusammenhang erscheint die erst im Laufe des 19. Jahrhunderts in der Bibliothek der Universität von Wilna entdeckte und Załuski zugeschriebene Schrift „Plan pour l’establissement d’une Académie des Sciences“ besonders interessant. Auf mehreren Seiten versucht hier ein anonymer Autor mit Vehemenz davon zu überzeugen, wie wichtig eine Akademie der Wissenschaften für die Zukunft des Landes sei und dass sie zu internationalem Ruhm gelangen könne, wenn sie sich ein Beispiel an der Berliner und der Petersburger Akademie nehme.²¹² Um diese postulierte Internationalität zu garantieren, schlägt er daher den Mathematiker, Physiker und Philosophen Johann Heinrich Lambert als den künftigen Leiter dieser polnischen Einrichtung vor, der zu diesem Zeitpunkt die Position des Oberbaurates an der Berliner Akademie bekleidete und die Publikationsreihe „Berliner Astronomisches Jahrbuch“ mit herausgab. Neben Lambert schwebten dem unbekannten Gründungsplaner auch andere Berliner Wissenschaftler als Direktoren der einzelnen Abteilungen vor; allen voran hebt er die wissenschaftlichen Verdienste und organisatorischen Fähigkeiten des Botanikers Johann Gottlieb Gleditsch hervor.²¹³ Trotz dieser hohen Ansprüche und Ambitionen wurde de facto kein ernsthafter Versuch unternommen, dieses Grün-
Die Schrift ist teilweise abgedruckt in: Adam Jocher, Obraz bibliograficzno-historyczny literatury i nauki w Polsce, od wprowadzenia do niej druku po rok 1830 włącznie, z pism Janockiego, Bentkowskiego, Ludwika Sobolewskiego, Juszynskiego, Jana Winc, Bd. 1, Wilno 1840, S. LXXVI. Möglicherwiese fiel die Wahl auf Gleditsch, weil dessen Mobilitätsbereitschaft einschlägig bekannt war. 1746 wurde dem Botaniker eine Anstellung am Botanischen Garten in St. Petersburg angeboten, und erst nachdem Friedrich II. Gleditschs Gehalt deutlich erhöhte, blieb dieser in Berlin. Siehe dazu Günther Natho, Johann Gottlieb Gleditsch (1714– 1786), in: Gleditschia, 1 (1973), S. 7– 15.
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dungsprogramm, das wahrscheinlich aus der Kanzlei des polnischen Königs stammt – das dafür verwendete Papier mit königlichem Emblem deutet darauf hin – in die Tat umzusetzen. Zu hoch waren die damit verbundenen Kosten und zu wenig Geldmittel standen der Bildungskommission zur Verfügung, um neben der gerade eingeleiteten landesweiten Schulreform noch den Aufbau einer Akademie der Wissenschaften auf den Weg bringen zu können. Die vorerst gescheiterten Bestrebungen, eine königlich privilegierte Akademie zu gründen, spornten einige Gelehrte und Wissenschaftsinteressierte jedoch dazu an, nach einer anderen Organisationsform zu suchen. Die 1777 in Warschau, von dem Franzosen Jean-Baptiste Dubois gegründete, „Physikalische Gesellschaft“ gilt als das bedeutendste Beispiel für diese Neuorientierung. Dubois war ein Universalgelehrter, den Czartoryski auf Empfehlung d’Alemberts als Geschichtslehrer an der Ritterakademie anstellte und der sich neben seinen vielfältigen wissenschaftlichen Aktivitäten unermüdlich für die Gründung einer Akademie einsetzte.²¹⁴ Seine „Physikalische Gesellschaft“ verstand er daher als einen Vorläufer für die künftige Akademiebildung und er war bestrebt, ihr auf nationaler und internationaler Ebene einen festen Platz und ein hohes Ansehen zu verschaffen.²¹⁵ Zu den Mitgliedern der Gesellschaft zählten die führenden Intellektuellen und Staatsmänner jener Zeit,wie die bereits genannten Adam Kazimierz Czartoryski und Ignacy Potocki sowie der Generaldirektor der königlichen Kabinette und Sammlungen August Moszyński, der Mitarbeiter der Bildungskommission Grzegorz Piramowicz oder der Direktor für Bergbauwesen und Aufseher des königlichen Naturalienkabinetts, Jan Filip Carosi. Die Warschauer Wissenschaftsfreunde verstanden sich als Mitglieder der europäischen Gelehrtenrepublik und wahrten daher den übernationalen Zusammenhalt, auch und gerade mit den benachbarten preußischen Gelehrten. Ihr besonderes Augenmerk galt dabei dem erst 24-jährigen Berliner Naturwissenschaftler Franz Carl Achard. Im Rahmen der angebahnten Kontakte schickte der junge Autodidakt und spätere Erfinder einer Technik zur Herstellung von Zucker aus Zuckerrüben der Warschauer Gesellschaft eine seiner Abhandlungen, deren (bis heute unbekannter) Inhalt während einer ihrer Sitzungen ausführlich besprochen wurde.²¹⁶ Informationen über diesen polnisch-preußischen Wissenschaftstransfer findet man in den später berühmt gewordenen Reisebeschreibungen des königlich
Vgl. Kamila Mrozowska, Szkoła rycerska Stanisława Augusta Poniatowskiego (1765 – 1794), Wrocław 1961, S. 165 f. Mehr darüber bei Władysław Smoleński, Towarzystwa naukowe i literackie w Polsce wieku XVIII, in: Ders., Pisma historyczne, Bd. 2, Kraków 1901, S. 56. Ebenda, S. 57.
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preußischen Astronomen und Mitglieds der Berliner Akademie Johann Bernoulli. Auf einer ausgedehnten Forschungsreise von Berlin nach Russland hielt er sich mehrere Tage in Warschau auf, wo er neben zahlreichen Besuchen bei den dort ansässigen Wissenschaftlern und Adelshäusern auch einer Sitzung der „Physikalischen Gesellschaft“ beiwohnte.²¹⁷ Ausführlich schildert er den organisatorischen Ablauf der Versammlung, die angesprochenen Themen und die naturwissenschaftlichen Experimente der beteiligten Mitglieder. Besonders verwundert und überrascht reagiert er allerdings auf die soziale Struktur der Gesellschaft, die „zur Hälfte aus den Vornehmsten des Hofes“ bestehe. Dabei störte den Schweizer Bürger weniger ihre adlige Herkunft, als vielmehr ihre starke Einbindung in das politische Leben des Landes, worin er den Grund dafür erkannt zu haben glaubte, dass die Sitzungen so selten stattfanden oder so schlecht frequentiert waren.²¹⁸ Ausschlaggebender für den tatsächlich bald eingetretenen Niedergang der Gesellschaft waren jedoch Enttäuschung und Unmut Dubois’. Als seine Bemühungen, staatliche Fördermittel für die Sozietät zu erhalten, scheiterten und sein 1778 in Berlin veröffentlichtes und zum Teil polenkritisches Buch über die Geschichte der polnischen Literatur auf heftige Ablehnung stieß, sah er sich genötigt, Warschau zu verlassen. Nach seiner Abreise nach Frankreich löste sich die erst knapp zwei Jahre alte „Physikalische Gesellschaft“ auf, womit letztlich auch die institutionelle Basis für einen möglichen fruchtbaren wissenschaftlichen Austausch zwischen polnischen und preußischen Gelehrten verschwand.²¹⁹ Auf eine viel intensivere und erfolgreichere Wechselbeziehung zu den preußischen Wissenschaftsinstitutionen oder den in Preußen tätigen Gelehrten kann die Danziger „Naturforschende Gesellschaft“ (Societas Physicae Experimentalis) zurückblicken. 1743 gegründet, gehörte sie zu den frühesten Vereinigungen dieser Art im deutschen Sprachraum und leistete fast zwei Jahrhunderte eine weltweit
Johann Bernoulli, Reisen durch Brandenburg, Pommern, Preußen, Curland, Russland und Polen in den Jahren 1777 und 1778, Bd. 6: Rückreise von St. Petersburg über Mietau und Warschau nach Berlin, Leipzig 1780, S. 167– 172. Ebenda, S. 171. Kritisch äußerte sich Dubois vor allem über die fehlende Toleranz in Polen-Litauen und ihre negative Auswirkung auf den geistigen Fortschritt des Landes. Jean-Baptiste Dubois, Essai sur l’histoire littéraire de Pologne, Berlin 1778, S. 7– 23. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass sich die vorliegende Untersuchung nicht der relevanten Frage nach dem Einfluss der Erfahrungen der polnischen Studenten an den preußischen Universitäten in Frankfurt an der Oder oder Halle widmen wird. Der Grund für diese Auslassung liegt in den fehlenden Ego-Dokumenten dieser Studenten. Die überlieferten Listen und Statistiken der polnischsprachigen Studierenden ermöglichen noch keinen Einblick in ihr Bild Preußens oder ihr Verhältnis zu den preußischen Studienorten. Vgl. Marian Pawlak, Studia uniwersyteckie z Prus Królewskich w XVI–XVIII w., Toruń 1988.
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anerkannte naturwissenschaftliche Forschungstätigkeit in der Bürgerstadt.²²⁰ Als der Berliner Arzt Friedrich Martini zusammen mit weiteren Naturforschern 1773 den Entschluss fasste, in der preußischen Hauptstadt die „Gesellschaft Naturforschende Freunde“ zu gründen, stand ihnen daher folgerichtig „das edle Bild einer Naturforschenden Gesellschaft in Danzig vor Augen.“²²¹ Diese Vorstellung, so Martini in seinen Erinnerungen, „wurde noch lebendiger, als ich mit einigen vorzüglichen Mitgliedern derselben […], in einen Briefwechsel und nähere Bekanntschaft zu geraten das Glück hatte.“²²² Obwohl von dieser wechselseitigen Korrespondenz kaum noch Briefe erhalten sind,²²³ macht allein dieses Zitat deutlich, dass für die „Gesellschaft Naturforschender Freunde“ zu Berlin, die sich bald nach ihrer Entstehung zu einer der führenden privaten Sozietäten in Europa entwickelte, die Vereinigung aus Danzig nicht nur als Vorbild, sondern auch als ein wichtiger Kooperationspartner fungiert hatte.²²⁴ Die wissenschaftlich bedeutenden Forschungsergebnisse sowie die spektakulären Experimentierberichte, die die Danziger Gesellschaft in ihren Schriften veröffentlichte, machten sie unter den europäischen Gelehrten bekannt, festigten ihr Ansehen aber auch im polnischen Hinterland.²²⁵ Rasch knüpfte daher die Warschauer „Physikalische Gesellschaft“ Kontakt mit den Danziger Kollegen, die
Zu den Gründungsmitgliedern der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig gehörten Daniel Gralath, Jacob Theodor Klein, David Kade, Heinrich Kühn, Heinrich Wilhelm von Rosenberg, Michael Christoph Hanow, Paul Swietlicki, Adrian Gottlieb Söhner und Friedrich August Freiherr Zorn von Plobsheim. Vgl. dazu Hans-Jürgen Kämpfert, Zur Gründung der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig vor 250 Jahren, in: Unser Danzig, 1– 2 (1993), S. 20. Friedrich Martini, Entstehungsgeschichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde, in: Beschäftigungen der Berlinischen Gesellschaft Naturforschender Freunde, 1 (1775), S. 2. Ebenda. Siehe dazu die drei erhaltenen Briefe der Danziger Gesellschaft an die Berliner Naturforschenden Freunde, in: Historische Arbeitsstelle des Museums für Naturkunde in Berlin, GNF, Institutionen, Korrespondenz mit Gesellschaften, Mappe 4. Vertiefend zu den wechselseitigen Beziehungen bei Agnieszka Pufelska, Between bourgeoisie and Natural Science: The Danzig Research Society as Model for the Berlin Society of Friends of Natural History, in: Notions of the Self. The search for identity in the East Central Europe in the 18th century, hg. von Dariusz Dolański und ders., Zielona Góra 2012, S. 161– 173. Schon 1747 veröffentlichte die Danziger Gesellschaft den ersten Band einer eigenen Schriftreihe, dem in den nächsten Jahren viele weitere folgten. Eine kurze Themenauswahl aus diesen Publikationen illustriert die Tätigkeitsfelder der Danziger Gelehrten vielleicht am anschaulichsten: „Natürliche Historie des Kaffeebaums und dessen Anbau in Danzig aus eigener Erfahrung“, „Von der Dämpfung einer Feuerbrunst durch Schießpulver“, „Von der Erzeugung der Blattläuse“, „Von der eigentlichen Beschaffenheit der Sonnen-Flecken, und wie ihre Entfernung von der Sonnen-Fläche zu finden ist“, „Beobachtung der Witterungen in Danzig von 1730 bis 1749“, „Vom Salzgehalt des Seewassers bei Danzig“.
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mit großem Interesse auf das Kooperationsangebot reagierten und im Gegenzug die meisten Warschauer als Mitglieder in die eigenen Reihen aufnahmen.²²⁶ Für Wissenschaftler und interessierte Laien aus Polen-Litauen galt die Danziger Sozietät besonders in den späten 1770er Jahren als ein wichtiges Medium und ein unverzichtbarer Begegnungsort.²²⁷ Ihre Versammlungen wurden von vielen durchreisenden Gelehrten, Diplomaten und Standespersonen besucht.Viele unter ihnen betrachteten diese Besuche vor allem als gesellschaftliche Ereignisse. Der Danziger Gesellschaft gehörten die wichtigsten Patrizierfamilien der Stadt an, die Teilnahme an einer ihrer Sitzungen bot somit auch die Möglichkeit, soziale und politische Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Die bekannte These von Habermas, wonach die Lesegesellschaften im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts „eine Öffentlichkeit in unpolitischer Gestalt“ bildeten²²⁸, trifft in Bezug auf die Danziger Gesellschaft (genauso wie auf die Warschauer) nicht zu. In einer so angespannten politischen Situation wie der von Danzig und seiner zu dieser Zeit virulenten Zerrissenheit zwischen dem polnischen und dem preußischen Souverän musste ein solch „neutraler“ und international anerkannter Begegnungsort wie die „Naturforschende Gesellschaft“ natürlich auch als Plattform für die Vermittlung und Sondierung politischer Interessen dienen.²²⁹ Umso mehr, als ein Teil der Gesellschaftsmitglieder, aber auch viele ihrer polnischen Gäste politische Ämter bekleideten und dadurch nicht nur als „Privatleute“ an den Zusammenkünften teilnahmen. Die dabei intensiv zelebrierte Geselligkeit und der wissenschaftliche Austausch wurden somit häufig mit politischen Bestrebungen verknüpft oder zumindest davon begleitet. Es ist wohl kein Zufall, dass im Jahr 1785, just nachdem die jahrelangen Verhandlungen im Zollkonflikt mit Preußen zu Ungunsten Dan-
Womit auch die oben bereits erwähnten Jean-Baptiste Dubois, August Moszyński, Adam Kazimierz Czartoryski und Jan Filip Carosi zu Mitgliedern der Danziger Gesellschaft wurden. Vgl. Małgorzata Czerniakowska, Jan Uphagen i Gdańskie Towarzystwo Przyrodnicze, in: Wszechświat, 97 (1996), S. 229. Diese Intensität war zum Teil durch den Einfluss der Freimaurerei auf die Gesellschaft bedingt. Die sich seit den 1770er Jahren intensivierende Beziehung der hanseatischen Naturforscher zur polnischen Freimaurerei und die häufigen gegenseitigen Besuche sind vermutlich Daniel Gralath (Sohn des Hauptgründers der Gesellschaft) zu verdanken, der nicht nur ordentliches Mitglied der Gesellschaft war, sondern auch jahrelang die größte Danziger Loge namens „Eugenia zum gekrönten Löwen“ leitete. Vgl. Pufelska, Between bourgeoisie, S. 168. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Berlin 1971, S. 88 f. Ausführlich dazu Marc Banditt, Terra Incognita Polonia? Die Wahrnehmung Polen-Litauens aus Sicht der Danziger Naturwissenschaftler im 18. Jahrhundert, in: Konstruierte (Fremd-?)Bilder. Das östliche Europa im Diskurs des 18. Jahrhunderts, hg. von Christoph Augustynowicz und Agnieszka Pufelska, Berlin 2017, S. 143 – 162.
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zigs ausgegangen waren, in der „Naturforschenden Gesellschaft“ eine flammende Lobrede auf den polnischen König als den größten Förderer der Wissenschaften gehalten wurde, wofür sich dieser mit einem kostbaren Geschenk in Form eines Ringes mit seinem Porträt bedankte.²³⁰ Der kurze Hinweis auf die zugespitzte Situation Danzigs zwischen Polen und Preußen soll keinesfalls suggerieren, dass sich ihr wechselseitiger Kulturtransfer, der im Rahmen der Gesellschaft praktiziert wurde, unter dem Primat der Politik abspielte oder dass die Danziger Naturforscher mit ihrer Sozietät lediglich politische Ziele verfolgten. Im Gegenteil, im Zentrum ihrer wissenschaftlichen Aktivität stand trotz der angespannten politischen Situation die Forderung nach einem grenzübergreifenden Wissenschaftsaustausch und einer geselligen Verständigung innerhalb der Gelehrtenrepublik.²³¹ Sie folgten damit dem utilitaristischen Ideal: Eine Vereinigung kann nützlich sein, indem sie ihren Zweck immer auch in Hinsicht auf die Erbringung von Freude und Wissen erfüllt. So konnte Eigennutz häufig mit dem Gemeinnutz verbunden werden und dies unabhängig von politischen Grenzen und Konstellationen. Das Verlangen nach Meinungsaustausch und Diskussion bzw. nach gesellschaftlicher Kommunikation und Gruppenbildung war eng damit verbunden.Von daher ist die Danziger Gesellschaft als Träger des polnisch-preußischen (Kultur‐)Austauschs, ja als ganz frühe Mittlerorganisation zu betrachten. Ein prägnantes Beispiel für diese Mittlerfunktion der Danziger Vereinigung findet man in den bereits zitierten Reiseberichten des Schweizer Gelehrten aus Berlin, Johann Bernoulli. Auf seinem Weg nach Russland hielt er sich längere Zeit in Danzig auf, wo er sich mit den Mitgliedern der „Naturforschenden Gesellschaft“ traf, um ihre reiche Naturaliensammlung und die Bibliothek in Augenschein zu nehmen.²³² Bei dieser Gelegenheit lernte er allerdings nicht nur die Herren Naturforscher kennen, sondern auch die Tochter des Hauptgründers der
Vgl. Łukasz Kurdybacha, Stosunki kulturalne polsko-gdańskie w XVIII wieku, Gdańsk 1937, S. 89; Banditt, Terra Incognita Polonia?, S. 154. Eine ausführliche Darstellung der Danziger Vereinigungen im 18. Jahrhundert liefert Haller, Die Ausformung von Öffentlichkeit in Danzig, S. 139 – 202. Begeistert äußert sich Bernoulli über die Büchersammlung der Gesellschaft, die „außer beinahe aller Werke zur Naturgeschichte mit illuminierten Kupfern“ auch alle Fachbücher, „die man wohl zuweilen in großen Bibliotheken vermisst“, enthielt. Nicht weniger angetan war er auch vom Naturalienkabinett der Gesellschaft. Auf mehreren Seiten zählt er seinen Bestand auf und betont gleichzeitig, die Sammlung sei „so stark, dass ich diesen Abend noch nicht alles zu besehen Zeit hatte, einige Fächer musste ich noch auf meiner zweiten Reise nachholen, und doch habe ich vieles nur ganz flüchtig betrachten können“. Johann Bernoulli, Reisen durch Brandenburg, Pommern, Preußen, Curland, Russland und Polen in den Jahren 1777 und 1778, Bd. 1: Reise nach Danzig und Beschreibung der Merkwürdigkeiten dieser Stadt, Leipzig 1779, S. 177 und 218.
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Gesellschaft, Renate Wilhelmine Gralath. Sie war nicht minder als ihre männlichen Kollegen an den Naturwissenschaften interessiert, da aber die Gesellschaft bis Ende des 18. Jahrhunderts keine Frauen als Mitglieder aufnahm, wurde ihr kein Sitz eingeräumt. Von den naturforschenden Freunden als Frau am Zugang gehindert, lebte sie ihre Sammel- und Wissenschaftsleidenschaft aus, indem sie der gelehrten polnischen Fürstin Anna Jabłonowska half, deren naturwissenschaftliche Sammlung am Sitz der Familie in Siemiatycze (östlich von Warschau) zu organisieren.²³³ Sie bestellte für sie interessante Objekte aus dem Ausland, führte sie in Danzig ein und betreute den Danziger Teil der Kollektion, durch den sie gerne Besucher geleitete, um ihnen wissenschaftliche Einzelheiten zu erläutern. „Schmuck und elegant, gewann sie für sich die Gäste durch ihre Herzlichkeit, aber auch durch ihr Wissen.“²³⁴ Auch den Berliner Gast Bernoulli hatte Renate Wilhelmine Gralath auf die sehenswerte und unikale Sammlung der Fürstin Jabłonowska hingewiesen und den Kontakt zwischen beiden hergestellt. Zwar wurde Bernoulli durch die polnische Fürstin brieflich eingeladen, sie zu besuchen und sich bei der Gelegenheit auch ihre dortige Sammlung anzusehen, zu einer persönlichen Begegnung kam es aufgrund widriger Umstände jedoch nicht. Durch Renate Gralath hatte er allerdings eine kurze Beschreibung der Kunst- und Naturaliensammlung der Fürstin erhalten, die er dann seinem Reisebericht beifügte. Auf dieser Darstellung basierend, preist er in seinem Buch das Kabinett von Jabłonowska als eine sehr bedeutende und einmalige Sammlung, die von anderen Reiseschriftstellern bislang unverständlicherweise missachtet wurde.²³⁵ Um ihren wissenschaftlichen Wert und ihre außerordentliche Kostbarkeit weiter hervorzuheben, flocht Bernoulli in den Bericht, neben der kurzen Sammlungsdarstellung von Jabłonowska, auch die an ihn gerichteten Briefe von Gralath ein, in denen sie ihm schreibt, dass sie gerade 200 prachtvolle Vögel aus Afrika für das Kabinett der Fürstin erworben habe.²³⁶
Mehr zu dieser Verbindung in: Janina Bergerówna, Księżna pani na Kocku i Siemiatyczach: Działalność gospodarcza i społeczna Anny z Sapiehów Jabłonowskiej, Lwów 1936; Zbigniew Wójcik, Siemiatycki gabinet historii naturalnej Anny Jabłonowskiej, in: Księżna Anna z Sapiechąw Jabłonowska (1728 – 1800). W 200 rocznicę zgonu, hg. von dems. und Adam Wołek, Siemiatycze 2001, S. 89 – 133. Nach 1790 war sie nicht mit den Verkaufsplänen der Jabłonowskischen Kollektion einverstanden und zog sich deshalb zurück. Im selben Jahr wurde sie die Frau des um 35 Jahre älteren Danziger Bürgermeisters Eduard Friedrich von Conradi.Vgl. Schreiben der Renata Wilhelmina von Conradi, geb. Gralath von 1798, in: Biblioteka Gdańska PAN (Danziger Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften), Manuskrypty, Ms 799, Bl. 1– 5. Bernoulli, Reisen durch Brandenburg, Bd. 6, S. 66 – 70. Ebenda, S. 72.
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Nicht weniger angetan zeigte sich Bernoulli vom stilsicheren Französisch Jabłonowskas und ihrer Handschrift. Mit Hinweis auf Lavaters physiognomische Theorie bedauert er, dass er in seinem Reisebuch „nicht auch eine Probe ihrer schönen Hand geben kann, denn man wird nicht leicht von Vornehmen, weder ihres Geschlechts noch des männlichen, eine zierliche Handschrift zu sehen bekommen.“²³⁷ Solche schmeichelhafte Ehrerbietung sowie seine eifrige Bemühung, die Sammlung von Jabłonowska zumindest im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen, hatten wesentlich dazu beigetragen, dass, wie Mathis Leibetseder richtig anmerkt, „ein dünnes Band zwischen dem Berliner Verleger und der polnischen Fürstin“ geknüpft wurde, das später auch „nicht mehr abreißt“.²³⁸ Denn als Bernoulli ein Jahr nach der Kontaktaufnahme mit der Herausgabe seiner Reiseberichte beginnt²³⁹, lässt sich die Fürstin als eine der ersten auf die Subskriptionsliste setzen.²⁴⁰ Leider ist nicht überliefert, ob sie tatsächlich alle Bände Bernoullis erwarb und ob sie weiter mit ihm korrespondierte. Gleichwohl offenbart ihre „Subskriptionsbereitschaft“ eine andere Form der Kommunikation zwischen Polen und Preußen und stellt mithin einen bisher wenig beachteten Beitrag zu einem Beziehungsgeflecht mit vielen Facetten dar. Nicht die Politik oder familiäre Vorteile standen im Mittelpunkt des Interesses Jabłonowskas an Bernoullis Büchern, vielmehr scheint sie durch eine Mischung aus Dankbarkeit, Ehrerweisung und Verpflichtung motiviert gewesen zu sein. Sie bildet damit ein Beispiel dafür, dass der immaterielle Austausch zwischen Polen-Litauen und Preußen keinesfalls nur in eine (polnische) Richtung funktionierte oder hierarchisch strukturiert war, sondern dass er auch einen Dialog ermöglichte, der einen essentiellen Teil des gegenseitigen Verkehrs ausmachte. Dass dieser Dialog auch von preußischer Seite initiiert wurde, zeigt ein Projekt des Sekretärs der Berliner Wissenschaftsakademie und Kontaktpartner mehrerer polnischer Intellektueller, Jan Henri Samuel Formey. 1775 wandte er sich an den polnischen König Stanisław August Poniatowski, um ihn als Mäzen für sein lang gehegtes Vorhaben zu gewinnen, nämlich die Herausgabe einer Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste. Warum der Berliner Gelehrte ausgerechnet bei dem polnischen Monarchen um Unterstützung für sein Enzyklopädieprojekt nach-
Ebenda, S. 68. Mathis Leibetseder, Subskribieren und Publizieren als gesellschaftlich verpflichtende Gaben? Spuren eines personalen Netzwerkes in einer Reisesammlung des späten 18. Jahrhunderts, in: Das achtzehnte Jahrhundert, 31 (2007), S. 31. Gemeint ist hier Johann Bernoulli’s Sammlung kurzer Reisebeschreibungen und anderer zur Erweiterung der Länder- und Menschenkenntnis dienender Nachrichten, hg. von Johann Bernoulli, 16 Bände, Berlin 1781– 1784. Leibetseder, Subskribieren und Publizieren, S. 32.
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suchte und nicht seinen eigenen, kulturell so interessierten Herrscher Friedrich II., der auch das Oberhaupt der preußischen Akademie war, dafür begeistern wollte, bleibt im Dunkeln.²⁴¹ Bekannt sind lediglich einige überlieferte Briefe zwischen Formey und Stanisław August, in denen sie das Thema ansprechen und nebenbei auch ihrer Einigkeit über die dringende Notwendigkeit der Wissenschaftsförderung in Europa Ausdruck verleihen.²⁴² Der Vorschlag Formeys muss dem an Ruhm und Glanz interessierten polnischen König allerdings von vornherein als wenig überzeugend erschienen sein, denn es dauerte fast drei Jahre, bis er auf den ersten Brief reagierte und das Thema der Enzyklopädie ansprach. Seine Zweifel bestätigte er in dem Antwortschreiben von 1778, ohne Formeys Idee ganz abzuwerten oder gar endgültig zu verwerfen. Mit großer Vorsicht und Höflichkeit fragte er vielmehr nach dem praktischen Nutzen einer solchen Publikation und schlägt ihm stattdessen vor, einen Almanach herauszugeben, der die aktuellen Veröffentlichungen aus dem Bereich Kunst und Wissenschaft zusammenfassen und auswerten könnte. Gleichzeitig hob er hervor, dass die Berliner Akademie dank ihrer führenden Rolle und ihres vortrefflichen Rufes in der gelehrten Welt am besten die hohen Ansprüche von derartigen Unternehmen erfüllen könne.²⁴³ Allein diese zwei Konzepte lassen erkennen, welche unterschiedliche Funktion und Bedeutung Stanisław August und Formey einem wissenschaftlichen Periodikum beimaßen. Während der Akademiegelehrte einen universalistischen Anspruch erhebt, eine allgemeingültige und von den Wissenschaftlern der Berliner Akademie definierte Enzyklopädie des Wissens zu etablieren, die womöglich auch in Konkurrenz zur französischen stehen sollte, schwebt dem König ein utilitaristisches Werk vor, das seinem, sich gerade im Reformprozess befindlichen Land als Ratgeber dienen und gleichzeitig auch seine Funktion als fürsorglicher Betreuer des aufgeklärten Fortschritts untermauern könnte.
In diesem Zusammenhang verdient eine Einschätzung von Klaus Zernack aus dem Jahr 1992 Aufmerksamkeit: „Im wesentlichen unausgeschöpft ist als ein Paradigma der preußisch-polnischen Beziehungen auch der historisch reizvolle Kontrast zwischen dem traditionalistischen Reformer Stanisław August und dem aufgeklärten Despoten Friedrich. In ihrer Gegenüberstellung wird der schon von Rousseau auf den philosophischen Begriff gebrachte Gegensatz der politischen Kultur Polens zu der universalen Despotie in Europa sinnfällig.“ Klaus Zernack, Polen in der Geschichte Preußens, in: Handbuch der preußischen Geschichte, Bd. 2: Das 19. Jahrhundert und große Themen der Geschichte Preußens, hg. von Otto Büsch, Berlin 1992, S. 424. Die Korrespondenz zwischen Formey und Stanisław August in: Staatsbibliothek zu Berlin, Nachlass Oelrichs, Kasten 13, Nr. 107, Teil 2 und 3. Undatierter Brief von Johann Heinrich Samuel Formey an Stanisław August. Ebenda, Teil 3, Bl. 3 f.
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Die Idee eines Almanachs wurde auch durch Bischof Krasicki unterstützt, der während seiner Treffen mit Formey in Berlin den königlichen Vorschlag anpries. Der Gelehrte blieb jedoch skeptisch. In seinem Antwortschreiben an Stanisław August machte er deutlich, warum er am Erfolg dieser lobenswerten Initiative zweifeln müsse und warum seiner Meinung nach ein Wissenschaftsalmanach unter der Kuratel der Berliner Akademie zum Scheitern verurteilt sei. Geschickt nahm er dabei die Argumente des polnischen Königs auf und behauptete, dass gerade der hohe Bekanntheitsgrad der Akademie und ihrer Gelehrten jede Einigkeit bezüglich der Publikationen, die in so einem Almanach zusammengefasst werden sollten, unmöglich mache. Da jeder Wissenschaftler sein Forschungsfeld für das wichtigste und interessanteste halte, werde es viele Streitigkeiten verursachen und vor allem ewig dauern, bis man sich auf eine bestimmte Zahl von erwähnenswerten Forschungsergebnissen einigen würde. Kritisch reflektiert er über die Gelehrtenzunft und charakterisiert die Akademiemitglieder als „gewaltsame Tiere“ mit viel Stolz und Befindlichkeiten, die nur noch nach eigenen Interessen und Bedürfnissen leben und das Gemeinwohl ignorieren würden. Schuld daran sei nach Formey der Prozess der fortschreitenden Verwissenschaftlichung und Spezialisierung. Dadurch, dass die Akademiemitglieder immer mehr zu Experten ihres Faches würden und ihre Forschungsergebnisse in fachspezifischen sperrigen Monographien publizierten, verlören sie die Sensibilität für den Gemeinnutz der Wissenschaft. Das sei für ihn, Formey, auch der ausschlaggebende Beweggrund, warum er sich so stark für das Enzyklopädieprojekt engagiere und so wenig an das Gelingen eines Almanachs glaube. Als Kompromisslösung schlug er daher dem polnischen König vor, das Amt eines überstaatlichen Literaturministers ins Leben zu rufen, der zur Aufgabe hätte, alle Neuigkeiten aus Wissenschaft und Literatur zu sammeln und sie dann publik zu machen. Der Sitz dieses internationalen Ministers sollte laut Formey auf jeden Fall an der Seite von Stanisław August sein, unter „dessen gutmütigem und gelehrtem Zepter die polnische Nation ihre Wiedergeburt feiert“ und die Wissenschaft die größte Blüte erwarte.²⁴⁴ Auch wenn der Ertrag dieses überraschenden Vorschlags über gegenseitige Höflichkeitsfloskeln letztlich nicht hinausgegangen ist, macht er auf mehrere interessante Aspekte aufmerksam. Obwohl Formey eine allgemeine Entwick-
Ebenda, Bl. 8. Formey war keineswegs der einzige Briefpartner des polnischen Königs aus dem Kreis der Berliner Akademie. Hilfsbereit reagierte er auch auf die Anfrage des Naturwissenschaftlers Franz Carl Achard, als dieser ihn bat, ihm eine Probe der in Polen gepflanzten Tabaksorte zuzuschicken. Vgl. dazu Fabre, Stanislas Auguste Poniatowski, S. 493 – 496; Ryszard Wołoszyński, Z problematyki badań nad polsko-niemiecką współpracą naukową i techniczną w XVIII w., in: Kwartalnik Historii Nauki i Techniki, 8 (1963), S. 40.
4. Das polnisch-jüdische „Berlinertum“
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lungstendenz innerhalb der Wissenschaftsakademien thematisiert, griff er bei ihrer negativen Bewertung explizit auf eigene Berliner Erfahrungen zurück. Er liefert damit ein seltenes Beispiel für offene Kritik an einer preußischen Institution, die nicht nur direkt von einem Berliner Beamten (Akademiesekretär) stammt, sondern auch auf internationaler Ebene ausgesprochen wird. Dass er seine Unzufriedenheit mit der Berliner Wissenschaftseinrichtung dem polnischen König anvertraute, von dessen Staat und seinen intellektuellen Leistungen das Oberhaupt (Friedrich II.) der kritisierten Akademie eine ausgesprochen negative Meinung hatte, verleiht Formeys freimütigen Äußerungen zusätzliche Brisanz. Seine Bemühungen, ausgerechnet Stanisław August als Mäzen für seine Enzyklopädieidee zu gewinnen, offenbart gleichzeitig auch, wie wenig der Berliner Gelehrte seinem eigenen Monarchen zutraute, Interesse und Gefallen an einem solchen gemeinnützigen Projekt zu finden. Nun könnte man auch fragen, ob es nur ein Zufall war, dass sich Formey für seinen Enzyklopädievorschlag beim polnischen König genau zu dem Zeitpunkt einsetzte, als in Berlin die Ausschreibung lief für die von Friedrich II. angeordnete Preisfrage: „Est-il utile au Peuple d’être trompé“.²⁴⁵ Ohne das Thema in diesem Rahmen vertiefen zu können, bleibt abschließend anzumerken, dass Formey mit seiner Kritik an den Wissenschaftlern der Berliner Akademie nicht nur ihre Bedeutung in den Augen des polnischen Königs, der ohnehin eine preußenfeindliche Haltung vertrat, herabsetzte, sondern unterschwellig auch ein pejoratives Bild von ihrem Vorsitzenden und königlichen Souverän evozierte. Folgerichtig könnte er als Mittler eines negativen Preußenbildes fungiert haben, der im Namen einer gemeinnützigen universalistischen Wissenschaftsidee Kritik an Preußen in einem internationalen Rahmen äußerte, wenn auch „nur“ beim polnischen König.
4. Das polnisch-jüdische „Berlinertum“ Der gescheiterte Enzyklopädie-Plan scheint dem Kontakt zwischen Formey und dem polnischen König keinen Abbruch getan zu haben. Obwohl ihre Korrespondenz seltener wurde, versäumte es der durchaus aktive Sekretär der Berliner Akademie nicht, bisweilen zur Feder zu greifen, um Stanisław August über die kulturellen Ereignisse in der preußischen Hauptstadt zu informieren oder ihn auf Aktivitäten seiner Institution hinzuweisen. In einem Brief vom 13. April 1782 berichtet er beispielsweise darüber, dass in Berlin gerade die Bibelübersetzung von
Zur Geschichte dieser Preisfrage siehe die Abhandlung: Nützt es dem Volke, betrogen zu werden? Est-il utile au Peuple d’être trompé?, hg. von Hans Adler, 2 Bände, Stuttgart 2007.
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Moses Mendelssohn gefeiert werde und dass er sich davon ein „progrès actuel de la tolérance“ verspreche.²⁴⁶ Dabei vergaß er nicht zu betonen, wie sehr die polnischen Juden, die an Mendelssohns Übersetzung mitgewirkt haben, zu diesem wesentlichen Schritt zur Toleranzentwicklung beigetragen haben.²⁴⁷ Tatsächlich erfreute sich die von Berlin ausgehende jüdische Aufklärung (Haskalah) mit Mendelssohn an der Spitze durchaus einer gewissen Popularität bei den polnischen Juden. Bei einigen von ihnen war die Begeisterung für ihn so groß, dass sie sich nicht gescheut haben, den mühsamen und mit viel Verzicht verbundenen Weg nach Berlin auf sich zu nehmen, um in unmittelbarer Nähe ihres Meisters zu sein. Ihren Aufenthalt in Preußen haben sie vor allem als Chance begriffen, an der Seite von Mendelssohn und anderen Haskalah-Anhängern ihr, gegen die traditionelle rabbinische Gelehrsamkeit gerichtetes Verständnis vom Judentum theoretisch auszubauen. Für die reformorientierte jüdische Intelligenz aus Polen-Litauen boten sich zwei Möglichkeiten: Entweder gab man den Verlockungen der Ferne nach und verließ die Heimat, oder man verharrte in einem Leben voller Kampf und ständigem Widerstand.²⁴⁸ Allerdings gelang es nur wenigen, mit Hilfe der Aufklärung aus dem Ghetto heraus zu gelangen und in den Berliner Haskalah-Kreisen zumindest zeitweise Fuß zu fassen. Bekannt sind zumindest sieben polnische Juden, die nachweisbar in mehr oder weniger enger Beziehung zu Mendelssohn standen: Salomon Maimon, Israel Zamość (Israel Samoscz), Aron Jarosław, Solomon Dubno, Isaak Satanow, Mendel Lefin Satanower und Isachar Falkensohn Behr.²⁴⁹ Das Verlassen der Heimat, um der jüdischen Orthodoxie zu entkommen und die aufgeklärten Reformbewegungen kennenzulernen, war ein neues Phänomen und geht auf tiefgreifende Veränderungen im ausgehenden 18. Jahrhundert zurück, die das geistige und gesellschaftliche Leben der Juden in ihren Grundlagen erschütterten. Die früheren geistigen Entwicklungen und Bewegungen in Europa hatten das jüdische Glaubens- und Gesellschaftssystem nur flüchtig gestreift, was Leo Baeck zufolge dadurch bedingt war, dass das „äußere“ – von der christlichen Außenwelt den Juden auferlegte – Ghetto, allmählich durch ein
Johann Heinrich Samuel Formey an Stanisław August vom 13.04.1782, in: AGAD, Zbiór Popielów, 180, Bl. 213. Ebenda. Für erstere findet man zahlreiche Beispiele in: Maria Kłasińska, Aus dem Schtetl in die Welt 1772– 1938. Ostjüdische Autobiographien in deutscher Sprache, Wien 1994. Siehe dazu auch Péter Varga, Die drei Mendelssohns. Wirkungen der deutsch-jüdischen Aufklärung in Osteuropa, Budapest 2001, S. 11. Vgl. Isak Shiper, Poylishe yudn oyfźn lebensweg fun Moshe Mendelzohn, in: Der Morgen, 13.09.1929 und 20.09.1929; Varga, Die drei Mendelssohns, S. 19.
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„inneres“ Ghetto verstärkt wurde, so dass das Judentum einen „introvertierten Charakter“ annahm.²⁵⁰ Die in Jahrhunderten entstandene Verhärtung des orthodoxen Rabbinismus und die Willkür der Gemeindeoligarchie, begleitet von der stetig wachsenden Judenfeindlichkeit von außen, provozierten Gegenreaktionen in Form von mystischen Bewegungen wie dem Sabbatianismus, dem Frankismus und schließlich dem Chassidismus.²⁵¹ Die Popularität der Mystik förderte auch die Herausbildung einer sozialen Gruppe (Maskilim), die Fragen der Erziehung, der Religion und Philosophie, der Sprache und Sitten auf neue Weise thematisierte, anstatt dies den von alters her dafür zuständigen Rabbinern oder chassidischen Zaddikim zu überlassen. Ein Unterscheidungsmerkmal der Maskilim war denn auch, dass sie in aller Regel nicht selbst als Rabbiner in einer Gemeinde tätig waren. Oftmals grenzten sie sich von der alteingesessenen Führungsschicht, die sie als Bollwerk der Rückständigkeit wahrnahmen und der starren Bindung an das Althergebrachte bezichtigten, bewusst ab und rezipierten die neue europäische Philosophie. Vor allem der allmähliche wirtschaftliche Aufstieg des deutschen Judentums und namentlich die Möglichkeit, ihre Kenntnisse des überlieferten Schrifttums auch materiell zu verwerten, lockte viele Maskilim aus dem Osten in den Westen, wo sie als Rabbiner und Lehrer einen großen Einfluss auf das jüdische Leben gewannen. „Und wenn sie auch vielfach, ja von den eigenen Stammesbrüdern oft genug verachtet wurden“, kommentiert bissig Josef Meisl, „so schienen diesen ‚Polacken‘ doch die Daseinsbedingungen in Deutschland erträglich genug, um immer wieder neue Scharen herbeizulocken.“²⁵² Genau aus diesem Grund überschreibt Simon Dubnow in seiner „Weltgeschichte des jüdischen Volkes“ das Kapitel über die Anfänge der Aufklärung unter dem osteuropäischen Judentum mit den Worten: „Der Schimmer der Aufklärung; das ‚Berlinertum‘“.²⁵³ Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe war sicherlich der polnisch-jüdische Philosoph Salomon Maimon (eigentlich Salomon ben Josua), der aus der Isolation des Ghettos in seinem litauischen Geburtsort Nieśwież ausgebrochen war, um in Preußen sein philosophisches Wissen zu erweitern. Nach mehreren Zwischen-
Leo Baeck, Von Moses Mendelssohn zu Franz Rosenzweig. Typen jüdischen Selbstverständnisses in den letzten beiden Jahrhunderten. Franz Delitzsch-Vorlesungen 1955 von Leo Baeck, Stuttgart 1958, S. 16. Ausführlich dazu bei Artur Eisenbach, Emancypacja Żydów na ziemiach polskich 1785 – 1870 na tle europejskim, Warszawa 1988, S. 48. Josef Meisl, Haskalah: Geschichte der Aufklärungsbewegung unter den Juden in Russland, Berlin 1919, S. 8. Simon Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes: von seinen Uranfängen bis zur Gegenwart, Bd. 8: Das Zeitalter der ersten Emanzipation, Berlin 1928, S. 401.
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stationen ist Maimon 1777 das erste Mal nach Berlin gekommen und gleich bei seiner Ankunft wurde er mit der restriktiven friderizianischen Judenpolitik konfrontiert.²⁵⁴ Ähnlich wie Mendelssohn wurde Maimon, als einem polnischen Juden ohne Schutzbrief, zunächst der Einlass in die Stadt verwehrt. Nur dank des großzügigen Einsatzes einiger wohlhabender Gemeindemitglieder ist es ihm gelungen, zumindest zeitweise in Berlin Fuß zu fassen und ein vorläufiges Bleiberecht zu erwerben. Moses Mendelssohn empfahl Maimon dem Finanzier Ephraim Veitel, dessen Söhne er in der jüdischen Philosophie unterrichtete, um sich so als „Hauslehrer“ finanziell über Wasser halten zu können. Auf der Liste der weiteren Gönner Maimons aus der Oberschicht der Berliner jüdischen Gemeinde tauchen die Namen der angesehensten Berliner Juden auf, darunter Markus Herz, Saul Ascher, David Friedländer, Lazarus Bendavid, Sabattia Wolff, Samuel Salomon Levy oder Isaak Daniel Itzig.²⁵⁵ Obwohl diese Honoratioren ihm den Zugang zu den gebildeten Kreisen Berlins verschafften und ihn finanziell unterstützten, bewahrte sich Maimon doch ein skeptisches, bisweilen stark kritisches Verhältnis zu seinen Wohltätern. Ihr Bemühen, mit dem Gewinn aus ihren florierenden Geschäften dem verarmten Gelehrten aus dem polnischen Ghetto in der preußischen Hauptstadt zu helfen, charakterisierte Maimon selbstbewusst und überheblich als den Versuch, ihren mittelmäßigen Verstand im Licht seiner Weisheit zu wärmen oder gar als geistige Ausbeutung. „Einem meiner Freunde fiel es sehr auf, dass ich mich bei meinem Abschied von ihm der kurzen Formel bediente: ‚Bleiben Sie gesund, teuerster Freund! Ich bedanke mich für alle Wohltaten, die Sie mir erzeigt haben.‘ Es kam diesem sonst vortrefflichen, aber sonst prosaisch-poetischen Manne vor, als wäre diese Formel zu kurz und zu trocken für alle mir erwiesene Freundschaft. Er sagte mir daher mit einem merklichen Unwillen: ‚Ist dieses alles, was Sie in Berlin gelernt haben?‘ Ich antwortete ihm hierauf aber nichts und ging fort.“²⁵⁶
Festgehalten hatte Maimon seine Erinnerung an die Berliner Tage in seiner erstmals 1792 von Karl Philipp Moritz herausgegebenen „Lebensgeschichte“, in der er auch seinen leidvollen Weg aus ärmsten Verhältnissen zu Wissen, Bildung und Aufklärung beschreibt. Dieses, mit vielen literarischen Anekdoten ausge-
Zum Themenkomplex Friedrich II. und die Juden siehe Tobias Schenk, Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des „Aufgeklärten Absolutismus“ in Preußen (1763 – 1812), Berlin 2010. Ausführlich darüber bei Christoph Schulte, Salomon Maimons Lebensgeschichte Autobiographie und moderne jüdische Identität, in: Sprache und Identität im Judentum, hg. von Karl E. Grözinger, Wiesbaden 1998, S. 146. Salomon Maimons Lebensgeschichte. Von ihm selbst erzählt und herausgegeben von Karl Philipp Moritz, Frankfurt am Main 1995, S. 169 – 173.
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schmückte, zweibändige Werk wurde auf Deutsch verfasst und stellte eine Innovation dar, denn erstmals bot hier ein polnischer Jude dem deutschsprachigen Publikum einen umfangreichen Einblick in jüdisches Leben und jüdischen Alltag, in Religion, Milieu und Migration. Vor allem ist sie, wie Christoph Schulte zutreffend ausführt, die „erste moderne jüdische Autobiographie und damit der Ausdruck eines neuartigen jüdischen Selbstverständnisses“. Verfasst in einer Sprache, die Maimon erst lernen musste, stellt sie die Selbstobjektivierung eines Mannes dar, der aus einem anderen Land, nämlich Polen, nach Berlin kam, das „ihm unter dem Federkiel erst zur Fremde gerät, zu einer exotischen Welt, die er seinen neuen Berliner Freunden aus neuer Perspektive schildert.“ ²⁵⁷ Viele Persönlichkeiten verschlangen Maimons Geschichte, unter seinen Lesern waren Goethe und die Humboldts, Jean Paul, Jacobi, Fichte, Schiller und die Autoren der Frühromantik, die in den jüdischen Salons Berlins verkehrten.²⁵⁸ Dieses breite Interesse war keine Selbstverständlichkeit, denn es galt einem Juden, der im Gegensatz zu seinem Protektor und geschätzten Diskussionspartner Moses Mendelssohn ein Außenseiter war. Obwohl Maimon als Philosoph hohe Anerkennung genoss, von vielen als der „jüdische Diogenes an der Spree“ bezeichnet wurde und er Kant – nach dessen eigenem Bekunden – so gut wie kaum ein anderer verstanden hatte, ist er doch unter den gebildeten Juden Berlins ein Sonderling geblieben.²⁵⁹ Äußere Lebensumstände interessierten ihn nicht, einem regulären Beruf wollte er nicht nachgehen, die Verleger brachte er mit seiner Liederlichkeit zur Verzweiflung, eine geordnete Arbeits- und systematische Schreibweise kannte er nicht und in einfachen Wirtshäusern und Spelunken fühlte er sich wohler als in den Berliner Salons. Von den Konventionen und Regeln, die als Voraussetzungen für die angestrebte bürgerliche „Verbesserung der Juden“ galten, ließ er sich nicht vereinnahmen, was zur Folge hatte, dass sich das Berliner Judentum von ihm distanzierte und ihn nicht als Mitglied der Gemeinde anerkennen wollte. Seine Ablehnung der bürgerlichen Arbeitsethik und Verhaltensweise demonstrierte Maimon auch äußerlich und in seinem Benehmen. Den Berichten seines Freundes Sabattia Wolff zufolge, blieb er in vielem seiner Vergangenheit verhaftet: Abwesend summte er die alten Ghettolieder vor sich hin oder begleitete, in Gedanken vertieft, seine Überlegungen mit den typischen Körperbewegungen eines Juden bei Gebet und Studium. Auch in den jüdischen
Schulte, Salomon Maimons Lebensgeschichte, S. 136. Vgl. Christoph Schulte,Vorwort, in: Sabbatia Joseph Wolff, Maimoniana oder Rhapsodien zur Charakteristik Salomon Maimons, hg. von dems. und Martin L. Davies, Berlin 2003, S. 7. Mehr darüber bei Schulte, Salomon Maimons Lebensgeschichte, S. 147; Shmuel Feiner, Salomon Maimon and the Haskalah, in: Aschkenas– Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden, 10 (2000), S. 337– 359.
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Salons war er nicht bemüht, seine alten Gewohnheiten zu kaschieren und sich den dortigen Gepflogenheiten anzupassen. Vielmehr tauchte er stets in schlampiger Bekleidung auf, verfiel im Eifer der Debatte sofort in das jiddische Idiom oder lobte sehr pathetisch die Vorzüge seines mitgebrachten Hundes Belline.²⁶⁰ Vor allem aber waren es wohl Maimons Alkoholismus, seine Lungentuberkulose und die damit einhergehenden Depressionen, die ein kontinuierliches Arbeiten und damit den gesellschaftlichen Aufstieg verhinderten. Auch entfernte er sich zunehmend von der jüdischen Religion und beharrte lediglich noch auf seiner jüdischen Herkunft. Schonungslos und ohne jegliche Selbstzweifel kritisierte der zum Rabbiner Ausgebildete das Joch der halachischen Tradition und ging in seiner Entfernung vom religiösen Judentum weit über das hinaus, was die Berliner jüdischen Gemeinden und auch die meisten jüdischen Aufklärer noch tolerieren konnten. Nach der Veröffentlichung seiner „Lebensgeschichte“ war er dann endgültig zur persona non grata geworden. Die jüdischen Frommen warfen den Freidenker Maimon aus ihren Häusern und entließen ihn aus ihren Diensten, seine, von ihm verhöhnten, bisherigen Wohltäter aus den Kreisen der jüdischen Aufklärung gingen auf Distanz und stoppten ihre finanzielle Unterstützung. Auch der Zugang zu christlichen Kreisen gelang ihm nicht. Lediglich der Aristokrat Adolph von Kalckreuth setzte sich über religiöse und soziale Vorbehalte hinweg und lud den vereinsamten und verarmten Philosophen Maimon als Dauergast auf sein niederschlesisches Gut bei Nieder-Siegerdorf (Podbrzezie Dolne) ein, wo er die letzten fünf Jahre bis zu seinem Tod 1800 verbrachte. Der Bruch Maimons mit den Berliner Haskalah-Kreisen ist keineswegs nur auf sein exzentrisches Benehmen oder sein aus religiöser Perspektive problematisches Denken zurückzuführen. Offenbar waren die aufgeklärten Gelehrten und ihre Anhänger nicht bereit, einen Juden zu akzeptieren, der sich ihren Regeln nicht beugte, ihr rationalistisches Streben nach „Verbesserung“ ablehnte und in seinem Verlangen nach Wahrheit, wie Maimon in seiner Vorrede zur „Lebensgeschichte“ ausdrücklich betont, keine Kompromisse eingehen wollte. In seinem grenzenlosen Nonkonformismus erblickten sie lediglich ein Residuum aus seinem Leben in der „polnischen Judengasse“ und somit auch eine Gefahr für die von ihnen seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten, angestrebte Assimilation. In diesem Sinne hielt Maimon, mit seinem Bart und seinem polnischen Anzug, dem Berliner Judentum und seiner geistigen und sozialen Angepasstheit den Spiegel vor, was Verunsicherung auslösen musste. Anstatt zu erkennen, dass ausgerechnet dieser Jude aus dem polnischen Ghetto „eine individuelle, moderne
Über Maimons Eigenheit und Leben in Berlin berichtet ausführlich sein Freund und erster Biograph Sabattia Wolff. Siehe dazu Wolff, Maimoniana, S. 58 – 60.
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jüdische Existenz lebte, lange bevor selbst in der aufgeklärten Berliner Gesellschaft die sozialen Bedingungen dafür bestanden“,²⁶¹ wandte man sich von diesem Spiegel ab. Ein polnischer Jude als Vorreiter der jüdischen Moderne in Preußen? Auf jeden Fall war Maimon einer der wenigen, wenn nicht der erste, der die These über die Vereinbarkeit von Aufklärung und halachischer Orthopraxie, die Mendelssohn in seiner Emanzipationsschrift „Jerusalem“ aufgestellt hatte, ablehnte. Den in der Berliner Haskalah-Bewegung vorherrschenden Konsens, wonach ein Jude oder eine Jüdin einerseits ganz aufgeklärt und gebildet sein, aber andererseits dennoch ein im Sinne der Halacha orthodoxes Mitglied der jüdischen Gemeinde bleiben kann, akzeptierte Maimon nicht. Im Sinne Spinozas und unter dem Einfluss der Kantischen Erkenntnistheorie hielt er „alle geoffenbarte Religion für an sich falsch“ und deren Nutzen „für bloß zeitlich“.²⁶² Mit anderen Worten: Maimon verwarf alle religiösen Vorschriften, die das tägliche Leben des gläubigen Juden und der Gemeinschaft bis in die kleinste Einzelheit regeln und setzte sich für ein gänzlich unorthodoxes, säkulares Verständnis vom Judentum und seiner Geschichte ein. Die Aussöhnung des Glaubens mit der Vernunft war sein Ziel, die religiöse Enttabuisierung wurde zum dominanten Faktor seines Denkens. Dennoch darf sein Einfluss auf die Berliner Haskalah-Bewegung nicht überschätzt werden. Seine Auseinandersetzungen mit der jüdischen Religion wurden zwar wahrgenommen, ohne jedoch eine bedeutende Wirkung auf die innerjüdischen Diskussionen ausgeübt zu haben. Das Buch, mit dem es dem Autodidakten Maimon gelang, die größte Aufmerksamkeit der gelehrten Welt zu gewinnen und sein philosophisches System zu entwickeln, war der 1790 in Berlin veröffentliche „Versuch über die Transzendentalphilosophie“. Interessanterweise widmete er diese eigenwillige Deutung und Kritik der Kantischen „reinen Vernunft“ dem polnischen König Stanisław August. Mit der für ihn charakteristischen Überheblichkeit gesteht er in seiner „Lebensgeschichte“, dass er sich als „ein eingeborener Pole“ auch in Berlin keinen anderen Widmungsträger für sein in deutscher Sprache erschienenes Erstlingswerk vorstellen konnte.²⁶³ Motiviert wurden diese Bekenntnisse nicht allein durch die Hochachtung Maimons für den polnischen Monarchen. Obwohl keine Quelle überliefert ist, die eindeutige Rückschlüsse auf seine Beweggründe zulässt, ist nicht auszuschließen, dass er mit dieser Geste einen neuen Protegé gewinnen wollte. In Berlin gescheitert und von allen dortigen Förderern verlassen, musste er
Schulte, Salomon Maimons Lebensgeschichte, S. 146. Maimons Lebensgeschichte. Von ihm selbst erzählt, S. 163. Ebenda, S. 204.
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nach neuen Wegen suchen, um seinen aufwändigen Lebensstil als kompromissloser und den leiblichen Gelüsten nicht abgeneigter Gelehrter finanzieren zu können. Es scheint aber eher unwahrscheinlich, dass dieser Plan jemals hätte aufgehen können, denn Maimons nonkonformistische Wahrheitssuche und seine ungezügelte Offenheit machten auch vor politischen Fragen nicht halt. Ohne jegliche opportune Anbiederung und sachdienliche Differenzierung schildert er in der „Lebensgeschichte“ die Zustände oder besser die Missstände in seiner polnisch-litauischen Heimat.Vor allem prangert er die ökonomische Auspressung der Juden durch die adligen Grundherren an und macht deutlich, wie diese die vollkommene politische Unerfahrenheit und individuelle Rechtlosigkeit der Untertanen ausnutzen, um ihre praktisch schrankenlose Macht auszuüben. Zugleich weist er aber auch darauf hin, dass die Juden in Polen-Litauen demografisch, religiös und ökonomisch eine weit bedeutendere Stellung einnehmen als in Preußen. Diese „vorurteilsfreie und unparteiische Darstellung des Judentums“ in Polen, die Maimons Herausgeber Moritz in seinem „Vorbericht“ hervorhebt und die fast den gesamten ersten Band der zweibändigen „Lebensgeschichte“ ausmacht, ist die erste ausführliche, deutschsprachige Schilderung jüdischen Lebens und Alltags aus der Feder eines Juden. Auch wenn viele von seinen Aussagen nicht wörtlich zu nehmen, sondern vielmehr in Bezug zu seiner eigennützigen Selbstdarstellung und -idealisierung zu setzen sind, stellt Maimons Buch doch ein neuartiges Phänomen dar – zum ersten Mal wendet sich ein Jude in Preußen nicht mit einer Bittschrift oder einer wissenschaftlichen Abhandlung, sondern mit einer in Deutsch verfassten Geschichte seines Lebens an ein nichtjüdisches Publikum.²⁶⁴ Kennzeichnend für seine Modernität sind allerdings auch die Perspektive und der Ton, die er für seine Schilderung gewählt hat. Ähnlich wie die französischen Aufklärer oder Friedrich II. zeichnet Maimon ein Bild von Polen-Litauen als einem rückständigen, „wilden“ Land und bekräftigt bewusst die gängigen Vorurteile von der ineffektiven, ärmlichen und chaotischen „polnischen Wirtschaft“. Er stellt sich damit als Augenzeuge des weit verbreiteten, negativen Polenbildes dar. Seiner deutschsprachigen Leserschaft versucht er ferner dadurch entgegenzukommen, dass er die polnischen Verhältnisse stellenweise so schildert, als ob es sich hier um einen Reisebericht in exotische Länder handelte, also um eine zu dieser Zeit sehr populäre Literaturgattung. Innovativ war dabei weniger die Art und Weise seiner negativen Schilderung, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie von einem Einheimischen verfasst und popularisiert wurde. Mit seiner Darstellung
Schulte, Salomon Maimons Lebensgeschichte, S. 142.
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gehört Maimon zu den Pionieren der kritischen Polenwahrnehmung, die subjektiv und dennoch mit viel Distanz das deutschsprachige bzw. preußische Lesepublikum über die sozialen Nöte der Polen zu informieren wussten, wobei sie bewusst die Gefahr in Kauf nahmen, die in Preußen ohnehin vorherrschende, despektierliche Haltung Polen gegenüber noch zu verstärken. Im Gegensatz zu Maimon verspürten die anderen polnisch-jüdischen Gelehrten aus der Umgebung Moses Mendelssohns kaum Interesse und Ehrgeiz, die Berliner über ihr Herkunftsland zu informieren. Ihr Hauptziel war es vielmehr, mithilfe des „Berlinertums“ die Balance zwischen jüdischem Wissen und weltlicher Bildung zu finden und somit einen neuen Weg in der Thoraauslegung zu öffnen. Einer der ersten von ihnen war Israel Zamość. Bis heute gilt der einstige Leiter der Jeschiwa von Zamość und begabte Mathematiker als Vorreiter für die Entwicklung aufklärerischer Ideen innerhalb des Judentums. Um 1740 zog er nach Westen und hielt sich in Frankfurt an der Oder auf, um dort sein Werk über die mathematischen und astronomischen Bezüge des Talmuds herauszugeben. Verarmt und elend kam er 1742 nach Berlin, wo er bei dem Arzt Aaron Salomon Gumpertz als Hauslehrer angestellt wurde und über diesen wahrscheinlich auch Moses Mendelssohn kennenlernte. Bei Zamość, der ausschließlich auf Hebräisch publizierte, vertiefte Mendelssohn seine Philosophiekenntnisse und festigte seine Absicht, die jüdische Überlieferung mit den Studien der weltlichen Wissenschaften vereinbaren zu können. Zamość hatte diese Ansichten bereits 1741 in der Vorrede zu seiner, in Frankfurt an der Oder fertiggestellten und veröffentlichten, Schrift „Nezach Israel“ (Pracht Israels) dargelegt; hier gab er als Maxime an, dass die traditionelle Aufgabe, „Zweifel oder Widersprüche, die uns im Talmud aufstoßen, auszugleichen“, nur mit Hilfe der Wissenschaft zu erfüllen sei.²⁶⁵ Damit postulierte er eine Reform des Talmudstudiums, die auf einer Verbindung von religiösen Prinzipien mit den zeitgenössischen modernen Wissenschaften beruhen sollte. Diese Haltung dürfte bei Mendelssohn auf fruchtbaren Boden gefallen sein, wenn man berücksichtigt, dass seine späteren Werke durchgehend auf die Vereinbarkeit von Philosophie und Religion zielten und „in denen der ‚vernünftige‘ Beweis zum Dreh- und Angelpunkt jeglicher Argumentation avancierte“.²⁶⁶ War Zamość für Mendelssohn also ein Wegbereiter für die von ihm so stark forcierte und von Salomon Maimon dann kritisierte Vereinbarkeit von jüdischem
R. Israel Samose, In der Vorrede zu ‚Nezach Israel‘, in: Moritz Güdemann, Quellenschriften zur Geschichte des Unterrichts und der Erziehung bei den deutschen Juden: Von den ältesten Zeiten bis auf Mendelssohn, Berlin 1891, S. 194 f. Britta L. Behm, Moses Mendelssohn und die Transformation der jüdischen Erziehung in Berlin. Eine bildungsgeschichtliche Analyse zur jüdischen Aufklärung im 18. Jahrhundert, Münster 2002, S. 88.
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Glauben und aufgeklärter Philosophie? Zumindest ist Israel Zamość ein weiteres Beispiel dafür, dass die europäische Aufklärung, insbesondere der Haskalah, zwar generell von West nach Ost verlief,wichtige Impulse für diesen Verlauf jedoch zuvor aus eben jenem Osten gekommen waren. Mithin profitierte das Berliner Judentum also nicht nur durch die Anstellung polnischer Rabbiner und Hauslehrer von der Nähe zu Polen-Litauen. Gerade für Moses Mendelssohn war die Zuwanderung der polnischen Maskilim ein großer Gewinn, denn Aron Jarosław und Solomon Dubno erwiesen sich als bibelfeste Kenner der hebräischen Sprache und verfassten Kommentare für seine berühmte Pentateuch-Übersetzung. Allen voran hat Mendelssohn den Grammatiker und Hebräischlehrer Dubno „zu seinem ersten wichtigen Mitarbeiter“ auserkoren, weil er wie kaum ein anderer die Massora, d. h. jene hebräischen Zeichen hervorragend beherrschte, die eine traditionsgetreue Lektüre und Auslegung der zweisprachigen Edition ermöglichten.²⁶⁷ Deutlicher noch: Mendelssohn hebt selbst hervor, dass ohne Dubno seine Bibelübersetzung und deren Kommentierung vielleicht gar nicht erschienen wären: „Und Gott fügte es, dass der Rabbi, unser Lehrer und Meister R. Salomon aus Dubno, sein Licht möge leuchten, dass er mich ersuchte, sie [die Thoraübersetzung, A.P.] drucken zu lassen, zum Nutzen der Schüler, denen Gott Verständnis für Gleichnis und Ausdruck verliehen hatte. Ich gab ihm meine Zustimmung, doch mit der Bedingung, dass er Auge und Herz darauf richte, auf jede Stelle aufmerksam zu machen, an der ich mich in meiner Übersetzung für die Meinung eines der alten Kommentatoren entschieden hatte.“²⁶⁸
Auch wenn die Beziehung Dubnos zu Mendelssohn kurz vor dem Erscheinen der Übersetzung mit einem Zwist endete, woraufhin Dubno „nach der Wüste Polen floh“ und die Redaktion der Kommentare „einem anderen Polen“, nämlich Aron Jaroslaw, übertragen werden musste²⁶⁹, bleibt unbestritten, dass zur ersten bahnbrechenden Übersetzung der Fünf Bücher Mose ins Hochdeutsche die polnischen Maskilim einen gewichtigen Beitrag geleistet haben. Nicht minder innovativ war die literarische Leistung von Isachar Falkensohn Behr, der mit seinem 1772 anonym erschienenen Band „Gedichte von einem pohlnischen Juden“ überhaupt den Anfang machte für eine deutschsprachige jü-
Vgl. Michael Graetz, Jüdische Aufklärung, in: Deutsch-Jüdische Geschichte in der Neuzeit, Band 2: Emanzipation und Akkulturation 1780 – 1871, hg.von Michael Brenner, Stefi Jersch-Wenzel und Michael A. Meyer, München 1996, S. 289. Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften (Jubiläumsausgabe): Schriften zum Judentum III, Bd. 9, Teil 1, Stuttgart 1993, S. 58. Heinrich Grätz, Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, Bd. 11, Leipzig 1870, S. 48.
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dische Literatur.²⁷⁰ Davor gab es zwar jiddische literarische Werke, aber keine auf Deutsch verfassten und in lateinischer Antiqua gedruckten jüdischen Texte. Von Beruf war der, 1746 wohl im litauischen Salantai (oder Zamość) geborene Falkensohn Behr, promovierter Mediziner, den es über Berlin, Leipzig, Halle und Kurland nach Russland verschlug. Ähnlich wie Salomon Maimon oder sein Verwandter Israel Zamość verließ er die jüdische Welt seiner polnisch-litauischen Heimat und sogar seine Familie, um die westeuropäische Wissenschaft und Kultur für sich zu entdecken. Es war der nahe gelegene preußische Westen, wo er sich zum Arzt ausbilden ließ, aber auch zum Dichter avancierte, obwohl er die deutsche Sprache erst im Alter von 22 Jahren zu lernen begonnen hatte. Nach Berlin kam Falkensohn Behr 1769 zur Fortsetzung seines Medizinstudiums. Schnell bekam er Unterstützung und Förderung durch Moses Mendelssohn und Daniel Itzig, in dessen Haus er als Stiftsgelehrter lebte.²⁷¹ Zu dieser Zeit muss er bereits schriftstellerisch tätig gewesen sein, denn Mendelssohn empfahl ihn als Dichter dem Berliner Lyriker und Philosophieprofessor an der dortigen Kadettenschule, Karl Wilhelm Ramler. Der „deutsche Horaz“ hat die literarischen Ambitionen des „pohlnischen Juden“ wohl tatsächlich unterstützt, denn er vermittelte den Abdruck von vier seiner Gedichte im Leipziger „Almanach der deutschen Musen“ von 1771. Falkensohn Behr wiederum bedankte sich für diese Förderung mit mehreren Gedichten zu Ehren Ramlers, die er dann in sein Buch „Gedichte von einem pohlnischen Juden“ aufnahm.²⁷² Nicht minder dankbar zeigte sich Falkensohn Behr seinem Förderer Mendelssohn gegenüber. Auch über ihn finden sich in seinem Gedichtband mehrere Huldigungsverse und Worte der Anerkennung. Quellenmäßig lässt sich allerdings die direkte Verknüpfung zwischen Mendelssohns Bibelübersetzung und der Entscheidung des jungen Lyrikers, auf Deutsch zu dichten, nicht nachweisen. Aber es ist mehr als offensichtlich, dass die Forderung der Haskalah nach einer gesellschaftlichen Integration des Judentums auch sein literarisches Schaffen bestimmte. In welche Gesellschaft sich Falkensohn Behr integrieren wollte, wird deutlich an seiner Ode „Auf des Prinzen Heinrichs Ankunft zu Königsberg“, die er höchstwahrscheinlich in Berlin verfasste, als Heinrich auf dem Weg zu Katharina II. war, um sie auf Geheiß Friedrichs II. von der Idee einer Teilung Polens zu überzeugen. Dabei fehlte es den Versen nicht an Pathetik:
Isachar Falkensohn Behr, Gedichte von einem polnischen Juden, Göttingen 2002 (Nachdruck der anonym erschienen Erstausgabe: Gedichte von einem pohlnischen Juden, Mietau und Leipzig 1772). Meyer Kayserling, Ein unbekannter Dichter, in: Jahrbuch der Israeliten, 5623 (1862– 1863), S. 1– 6. Vgl. Andreas Wittbrodt, Nachwort, in: Behr, Gedichte von einem polnischen Juden, S. 67.
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„Sey willkommen, o Sohn glorreicher Monarchen! Sey willkommen! Der Du friedselig dein Antlitz den Nordbewohnern enthülltest, Um den Fruchtbaum des Friedens in quellreiche Gründe zu pflanzen! Ewige Liebe entglomm in unseren Seelen […] Friederichs Bruder, Heinrich, Borussiens Herren, ein weiser tapferer Feldherr.“²⁷³
Das Erscheinen des Gedichtbandes im Jahr der ersten Teilung verleiht dem Bekenntnis Falkensohn Behrs zusätzliche Brisanz und weist unzweideutig darauf hin, dass er sich trotz dieses Ereignisses als treuer Untertan Preußens mit polnisch-jüdischem kulturellem Hintergrund verstand. Gefühlsvoll besingt er bezeichnenderweise in der Ode „An die Hoffnung“ das eigene Schicksal als polnischer Jude im preußischen Exil – wie er „jetzt und im Land‘ armuthbeschwert“ umherirrt, „des Volks Sitten unkundig“ nach Berlin gelangt und dort endlich Mendelssohn, den „durch Weisheit Verewigten“, trifft. Danach erscheint ihm Berlin im neuen Licht als die „blühender Künste Pflanzstadt“, in der „Seligkeit ihren Tempel erhöht“ und in der die „um den Tempel“ versammelten „Musengünstlinge“ ihn „vom irrigen Weg zu kehren“ zwangen.²⁷⁴ Prosaisch ausgedrückt: Mendelssohn war für Falkensohn Behr der ausschlaggebende Grund, warum er als polnischer Jude mit Preußen, oder doch zumindest mit der deutschen Sprache, seine Zukunftshoffnungen verband. Andererseits offenbart seine Ode, welch starke Anziehungskraft die Berliner Haskalah besaß, wenn sie die polnischen Juden dazu bewegte, trotz der judenfeindlichen Politik Friedrichs II. preußische Untertanen werden zu wollen. Dass sich die Integration in die preußische Gesellschaft prekär oder aussichtslos gestalten kann, wusste Falkensohn Behr sehr genau und gerade darum wählte er diesen so offensichtlich jüdischen Titel für seine Gedichte. „Denkt und fühlt der pohlnische Jude nicht wie ein Mensch?“, fragt er selbstbewusst im Begleitbrief zu der Gedichtsammlung und macht damit deutlich, dass der Jude, der hier schreibt, ein Mensch sei, so gut wie seine deutschsprachigen Leser es für sich beanspruchen. Seine provokante und in Anlehnung an Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ aufgeworfene Frage sollte ihm zugleich helfen, den gängigen westeuropäischen Vorstellungen von einem polnischen Juden zu widersprechen: „Erregen nicht die Worte: pohlnischer Jude in der Seele das Bild eines Mannes, schwarzvermummt, das Gesicht verwachsen, die Blicke finster und rauh die Stimme?“²⁷⁵ Doch Falkensohn Behr rebelliert im Zeitalter der Emanzi-
Gedichte von einem polnischen Juden, S. 36. Ebenda, S. 41 f. Ebenda, S. 9.
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pation gegen dieses Urteil, er empfiehlt sich seiner Leserschaft als sehnsüchtig blickender, glattrasierter Jüngling im grünen Rock: „Ihr Zärtlichen / Kein falsches Bild! / Ihr müsst mich sehn, / Ich bin nicht wild, / Vielleicht gar schön!“²⁷⁶ Weg vom „schwarzvermummten“ Kaftanträger, hin zum glattrasierten und buntberockten, deutschsprachigen Dichter – so hatte sich Falkensohn Behr seinen sozialen Aufstieg in Preußen vorgestellt und „wie alle Maskilim gerät er damit zwischen die Fronten: Den Juden ist der Akkulturierte nicht Jude und den Dichtern nicht deutscher Dichter genug“.²⁷⁷ Am deutlichsten drückte es Goethe in seiner Rezension der „Gedichte von einem pohlnischen Juden“ aus, indem er urteilte, dass sie „durchgehends“ bloß „verhaßte Mittelmäßigkeit“ zeigen. Auch der vermeintlich kokette Titel des Buches stieß Goethe übel auf: Mit seiner „Judenschaft“ hätte Falkensohn Behr nur dann „ein Aufsehn“ machen dürfen, wenn er mehr geleistet hätte „als ein christlicher etudiant en belles lettres auch“.²⁷⁸ Damit verkannte Goethe, abgesehen von der tatsächlich zweifelhaften literarischen Qualität der Gedichte, dass Falkensohn Behr gerade als Jude ein deutscher Dichter sein wollte. Nach Goethe jedoch (und so hielten es nach ihm viele andere Leser) konnte er entweder Jude sein oder ein deutscher Dichter, nicht aber beides zugleich.²⁷⁹ Folgerichtig ging die große Hoffnung von Falkensohn Behr, sich aus der orthodoxen Sozialisation zu lösen und in Preußen als Dichter zu etablieren, nicht in Erfüllung. Mit seinen literarischen Ambitionen gescheitert, begab er sich nach Russland, wo er seinem erlernten Arztberuf nachgehen durfte. Dort trat er zum russisch-orthodoxen Glauben über, um auch Christen behandeln zu dürfen, und praktizierte zuletzt als Militärarzt unter dem Namen Gabriel Grigorjewitsch.²⁸⁰ Ebenda, S. 10. Alexander Kosenina, Jüngling im grünen Rock. Ein Opfer Goethes: Falkensohn Behr in zwei Neuausgaben, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.02. 2003. Frankfurter Gelehrte Anzeige vom Jahr 1772, in: Deutsche Literaturdenkmäler des 18. Jahrhunderts, Bd. 2, Heilbronn 1883, S. 462. Vgl. die Rezension von Andreas Kilcher, „Ich bin nicht wild“. Isachar Falkensohn Behr schrieb als erster Jude deutsch, in: Neue Züricher Zeitung, 25.04. 2002. Vgl. Wittbrodt, Nachwort, S. 68. Heinrich Bosse hat recht, wenn er in seinem aufschlussreichen Artikel über Falkensohn Behr hervorhebt: „Es ist wohl offensichtlich, dass Behr den größten Teil seines Lebens in Russland verbracht hat, und nur wenige Jahre in Deutschland. Insofern ist das gängige Bild, er habe den typischen Weg eines emanzipierten Juden von Osten nach Westen zurückgelegt, zu sehr von der deutschen Nationalliteratur geprägt, westeuropäisch, also halbeuropäisch. Vielmehr bildet unbestreitbar Kurland den Nullpunkt oder Ursprung eines Koordinatensystems, in dem er sich zunächst nach Westen bewegt, dann aber nach Osten.“ Abgesehen davon, dass das kurländische „Koordinatensystem“ von Falkensohn Behr stark in der deutschsprachigen Kultur verankert war, was Bosse selbst beschreibt, bleibt die Frage bestehen, ob sich Falkensohn Behr freiwillig „nach Osten“ bewegte oder ob er vielmehr durch die ablehnende Haltung der nicht-jüdischen, westeuropäischen/deutschen Gesellschaft dazu gezwungen
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Gleichwohl mussten nicht alle jüdisch-polnischen Maskilim aus dem Kreis um Mendelssohn mit Enttäuschung und Verbitterung auf ihre Berliner Zeit zurückblicken. Isaak Satanow etwa stellte ebenfalls den Typus des jüdischen Intellektuellen aus Polen-Litauen dar, den ein Nebeneinander von strengster Gesetzestreue, großem rabbinischem Wissen und radikalen freigeistigen Gedanken charakterisierte. Dennoch ist es ihm im Gegensatz zu den meisten seiner Landsleute gelungen, in Preußen zu bleiben und reguläre Einkünfte zu erzielen. Geboren,worauf der Name bereits hinweist, 1733 in der damals multikulturellen Stadt Satanów in Podolien (heute Ukraine), gelangte er erst mit 37 Jahren als gescheiterter Händler nach Berlin und ähnlich wie viele andere Zuwanderer kam er zunächst in die Obhut von Daniel Itzig. Dank dessen Unterstützung und Vermittlung stieg Satanow schnell nicht nur zu einem angesehenen Gelehrten im Kreis um Mendelssohn auf, sondern auch zum bedeutendsten Herausgeber jüdischer Schriften, der eine beträchtliche Anzahl eigener hebräischer Werke, ebenso wie Gebetbücher, jüdische Kommentar- und Traditionsliteratur, philosophische Werke, ebenso wie Kabbalistisches im aufgeklärten Berlin in den Druck gab.²⁸¹ Haskalah und Kabbala zugleich zu publizieren, war für ihn offensichtlich kein Problem. Diese „seltsamsten Kontraste“ waren charakteristisch für Satanow, meint Franz Delitzsch in seiner Geschichte der jüdischen Poesie. „Unter dem polnischen Kaftan, über den sein Bart herabwallte, trug er die feinste Kleidung eines deutschen petit maître, oben geistlich, unten weltlich, wie er sagte.“²⁸² Zunächst war Satanow aber als Hauslehrer angestellt und nur nebenbei gelang es ihm, einige Bücher zu verlegen, darunter das Hauptwerk der lurianischen Kabbala „Ez Chajim“, das bis dahin aufgrund seines, als heilig geltenden Inhaltes mit einem Druckverbot belegt war.²⁸³ Diese bahnbrechende editorische Leistung vollbrachte Satanow zudem in der chassidischen Hochburg Koretz (Korzec) während eines längeren Aufenthalts in der polnischen Heimat, von wo aus sich sein Ruf als mutiger und kompromissloser Herausgeber alsbald über ganz Europa verbreitete. Genau nach einer solchen Persönlichkeit suchten Daniel Itzig und David Friedländer, als sie für die von ihnen gegründete „Jüdische Freischule für mittellose Berliner Kinder“ die Erlaubnis zur Gründung einer Druckerei erhiel-
wurde. Heinrich Bosse, Gedichte von einem polnischen Juden (1772). Isaschar Falkensohn Behr und sein Verleger Jakob Friedrich Hinz, in: Baltische Literaturen in der Goethezeit, hg. von dems., Otto-Heinrich Elias und Thomas Taterka, Würzburg 2011, S. 228. Grundlegende Informationen zu Satanows Leben in: Christoph Schulte, Die jüdische Aufklärung: Philosophie, Religion, Geschichte, München 2002, S. 131. Franz Delitzsch, Zur Geschichte der jüdischen Poësie: Vom Abschluss der heiligen Schriften Alten Bundes bis auf die neueste Zeit, Leipzig 1836, S. 115. Schulte, Die jüdische Aufklärung, S. 132.
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ten. 1784 wurde Satanow mit deren Leitung betraut und blieb bis zu seinem Tode mit ihr verbunden. Gleich das erste Werk, das man dort druckte, „Sefer ha-midot“ („Buch der Sitten“), stammte aus Satanows Feder und war für den Gebrauch in der Freischule gedacht.²⁸⁴ Danach aber fügten sich nur wenige, der unter seiner Leitung gedruckten Bücher in den Lehrplan der Schule ein, weil sich die Druckerei (seit 1796 „Orientalische Buchdruckerei“ genannt) bald schon zu einer selbstständigen Institution mit einem breiten Profil entwickelte. Ein Verzeichnis von 1792 listet fast 60 Bücher auf, die bis dahin erschienen waren, wobei es sich zum Teil um Nachdrucke fremder Veröffentlichungen handelte.²⁸⁵ Ab Ende der 1780er Jahre war Satanow allerdings nicht mehr für die Leitung der Druckerei zuständig – er wurde von dem aus Königsberg gekommenen Isaac Euchel abgelöst, der auch das Verlagsprogramm stark veränderte. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger setzte Euchel vorwiegend auf neue Publikationen und versuchte, Satanows Vorliebe für den Druck alter Bücher zurückzudrängen. Unter Euchels Leitung sind neben traditionellen religiösen Büchern vorwiegend Werke aus dem Kreis der HaskalahBewegung erschienen, darunter die programmatische und ursprünglich in Königsberg gegründete Monatsschrift „Hameassef“ („Der Sammler“).²⁸⁶ Die starke Ausrichtung der „Orientalischen Buchdruckerei“ auf die jüdische Aufklärung stieß bei Satanow auf wenig Verständnis. Er arbeitete zwar weiter für sie, versuchte aber zugleich, das den Verlag beherrschende Spannungsverhältnis zwischen Religion und Moderne auf seine Weise auszugleichen, indem er unter Pseudonym und in der Manier des Mittelalters theologisch-moralisierende Bücher verfasste, die er dann selbst mit Kommentaren versah und anschließend drucken ließ. Gerade mit diesen Fälschungen zeigte Satanow aber seine stilistische Gewandtheit und seine überragende Kenntnis der jüdischen Geschichte und Religion, denn selbst die in den frommen Schriften bewanderten Rabbiner erkannten nicht, dass sie es mit zeitgenössischer Mimikry zu tun hatten und benutzten diese Werke als Lehrbücher.²⁸⁷ Erst im Bücherverzeichnis der Druckerei von 1796 gestand Satanow offiziell seine Fälschungen und gab alle Werke an, die er unter
Vgl. Shmuel Feiner, Erziehungsprogramme und gesellschaftliche Ideale im Wandel: Die Freischule in Berlin, 1778 – 1825, in: Jüdische Erziehung und aufklärerische Schulreform. Analysen zum späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, hg. von Britta L. Behm, Uta Lohmann und Ingrid Lohmann, Münster 2002, S. 86. Vgl. Moritz Steinschneider, Hebräische Drucke in Deutschland, in: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland, 5 (1892), S. 168. Zu Euchels Tätigkeit als Verleger siehe Andreas Kennecke, Euchel in Berlin, in: Isaac Euchel. Der Kulturrevolutionär der jüdischen Aufklärung, hg. von dems., Marion Aptroot und Christoph Schulte, Hannover 2010, S. 146 – 152. Vgl. Delitzsch, Zur Geschichte der jüdischen Poësie, S. 116.
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fremden Namen verfasst oder bearbeitet hatte. Für diese – aus der Perspektive des gläubigen Judentums – jahrelang betriebene Blasphemie und Abtrünnigkeit rechtfertigte er sich mit dem pragmatischen Argument, dass die Bücher aus dem Altertum besseren Absatz als die neueren Schriften fänden und auch inhaltlich die moderne Literatur bei Weitem überträfen.²⁸⁸ Der Gelehrte und Händler Satanow musste es schließlich wissen, denn er unternahm immer wieder Reisen in seine polnische Heimat, um dort die Publikationen aus der „Orientalischen Buchdruckerei“ abzusetzen.²⁸⁹ Und auch wenn es Satanow dabei nur um den Verkauf der eigenen Bücher gegangen sein sollte, so bleibt doch sein Beitrag zur Verbreitung der hebräischen Literatur in Polen-Litauen von großer Bedeutung. Schätzungen gehen davon aus, dass Satanow in den 30 Jahren bis zu seinem Tod 1804 mehr als zehn Schriften selbstständig verfasst, ungefähr ebenso viele mit eigenen Kommentaren oder Anmerkungen versehen und dann zum Teil wiederholt herausgegeben hat. Hinzurechnen muss man noch die Schriften, die er „nur“ korrigierte, ohne Bedeutendes hinzufügen.²⁹⁰ Mit diesem schriftstellerischen Œuvre gehört Satanow mit Sicherheit zu den produktivsten Maskilim Berlins. Von seinem, auch thematisch umfangreichen Schaffen profitierten sowohl die rabbinische als auch die aufgeklärte Bewegung. Ähnlich wie Mendelssohn und seine Anhänger trug er durch die Synthese aus religiöser Tradition und weltlicher Wissenschaft ein neues, belebendes Element in das Judentum, und das nicht nur in Preußen. Satanows Engagement für die Drucklegung von verbotenen Schriften sowie seine Bemühungen um den Wissenstransfer von Westen nach Osten sorgten mit dafür, dass es auch in den polnisch-litauischen Ghettos immer mehr Männer gab, „die bei aller Vorsicht und Beschränkung, die ihnen das Religionsgesetz auferlegte, das weltliche Wissen in bestimmten Grenzen und zur Befestigung ihrer religiösen Grundanschauungen“ pflegten.²⁹¹ Satanows Leistung wurde jedoch noch übertroffen, denn kaum einer hat sich mehr für den Einzug der Haskalah-Ideen in die polnisch-litauischen Judengemeinden engagiert als sein Landsmann Menachem Mendel Satanower. Wohl in jeder Hinsicht war er der erste Wegbereiter der jüdischen Aufklärungsbewegung auf polnischem Boden und einer der größten Maskilim östlich von Berlin. Trotzdem wird seine Person bis heute selten in der deutschsprachigen Literatur zur
Ausführlich darüber in: Isaak Markus Jost, Geschichte des Judenthums und seiner Sekten, Bd. 3, Leipzig 1859, S. 399. Hinweis darauf bei Schulte, Die jüdische Aufklärung, S. 132. Vgl. Steinschneider, Hebräische Drucke in Deutschland, S. 182. Meisl, Haskalah: Geschichte der Aufklärungsbewegung, S. 32.
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Haskalah gewürdigt, ja sie wird manchmal sogar, wie Nathan Michael Gelber bereits 1914 feststellte, „totgeschwiegen“.²⁹² Seinen Ruf als „der galizische Mendelssohn“ verdiente er sich dadurch, dass er die in Berlin entstandenen Aufklärungsideen nach Galizien transferiert und zu ihrer Popularisierung eigens eine neue Schule gegründet hatte, in der sich dann zahlreiche Jugendliche für die neue Bewegung begeisterten. Er hatte damit die Grundlage für eine Revision des Denkens innerhalb des polnischen Judentums gelegt. Geboren wurde Satanower, mit richtigem Namen Lewin, um das Jahr 1750 in dem podolischen Städtchen Satanów, nach dem er, genauso wie der Berliner Buchdrucker, benannt wurde. Zwar war sein Geburtsort zu jener Zeit kein kultureller Mittelpunkt der Region, aber wegen seiner günstigen geografischen Lage ein durchaus bedeutendes Handelszentrum. Die örtlichen Kaufleute pflegten enge Handelsbeziehungen zu Städten wie Leipzig und Frankfurt an der Oder, besuchten die dortigen Messen, importieren die verschiedensten Artikel und exportierten Getreide und Holz auf dem Wasserweg nach Danzig. Intellektuell zeigte sich Satanów dagegen weniger offen und dementsprechend war auch die Ausbildung Mendel Satanowers: Erzogen im Geiste des traditionellen Judentums und der orthodoxen Gelehrsamkeit, verbrachte er seine Schuljahre mit dem Studium der Thora und des Talmuds samt ihrer Kommentare. Erst die Lektüre von Joseph Salomo Delmediegos philosophisch-mathematischem Lebenswerk „Sefer Elim“ („Buch von Elim“) führte zu einer geistigen Wende in Satanowers Leben.²⁹³ Von nun an wandte er sich immer mehr den weltlichen Wissenschaften zu, allen voran der Mathematik. Nachdem er schließlich durch Kaufleute von Mendelssohn und der Haskalah-Bewegung erfahren hatte, nutzte er eine Augenkrankheit als Vorwand, um seine im Geheimen erworbenen Kenntnisse in Berlin zu vertiefen.²⁹⁴ Nach seiner Ankunft in Berlin 1780 suchte Satanower sogleich seine bereits hier lebenden Landsleute Isaak Satanow und Salomon Dubno auf, um Anschluss an die Maskilim zu finden. Dank ihrer Hilfe lernte er Mendelssohn kennen, der den ambitionierten, wenn auch lückenhaft gebildeten Satanower in seinen Schülerkreis aufnahm. Dadurch erhielt er nicht nur Zugang zur jüdischen Gesellschaft der Berliner Aufklärung, sondern zugleich auch zu dem Freundeskreis christlicher Intellektueller, der sich um Mendelssohn gebildet hatte. Über Mendelssohn lernte er u. a. Salomon Maimon, den evangelischen Theologen Wilhelm Abraham Teller, den Bibelkritiker und Orientalisten Hermann Samuel Reimarus und die Schrift Nathan Michael Gelber, Mendel Satanower – der Verbreiter der Haskala in Polen und Galizien (Ein Kulturbild aus dem jüdischen Polen an der Wende des XVIII. Jahrhunderts), in: Mitteilungen zur Jüdischen Volkskunde, 17 (1914), S. 41. Vgl. Ebenda, S. 42; Varga, Die drei Mendelssohns, S. 36. Ebenda.
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steller Johann Jacob Engel und Gotthold Ephraim Lessing kennen.²⁹⁵ Zu Satanowers jüdischen Bekannten gehörten vorwiegend die Mitarbeiter der HaskalahZeitschrift „Hameassef“, für die er auch einige Artikel verfasste.²⁹⁶ Alle diese neuen Bekanntschaften in der Umgebung von Mendelssohn regten ihn zu weiteren Studien an und halfen ihm, sein bruchstückhaftes Wissen zu systematisieren und zu ergänzen. Sein Verhältnis zu den aufgeklärten Glaubensgenossen in Berlin blieb allerdings nicht ganz spannungsfrei. Ähnlich wie die anderen Maskilim aus Polen betrachtete er die Haskalah vor allem als eine Möglichkeit, das rabbinische Judentum zu reformieren und weniger als Kritik an der Religion generell oder, schlimmer noch, als einen säkularen Weg zur Assimilation. Zu sehr hat sich der moderate Satanower mit seinem Glauben und seiner Herkunft identifiziert, um die umwälzenden und die Situation der Juden in Polen völlig ignorierenden Postulate einiger seiner Berliner Freunde als richtungsweisend anzuerkennen. In einem Brief formulierte er seine Bedenken gegenüber dem Haskalah-Kreis auf diplomatische Weise: „Die Imaginationskrankheit eines allzuaufgeklärten Freunds hier, nebst der unzeitigen Bemühungen kleinlichen Gelegenheiten Lobreden anzudichten jenes dort: könnten mir vielleicht einige Bitterkeit abgenötiget haben.“²⁹⁷ Bei aller Distanz, die er zur Haskalah wahrte, lässt sich jedoch nicht bestreiten, dass der Aufenthalt in Berlin einen umwälzenden Einfluss auf Satanowers Verständnis von Religion und Wissenschaft hatte und ihm zudem half, den Blick für die sozialen Nöte und Bedürfnisse der polnischen Juden zu schärfen. Das beste Beispiel dafür liefert seine, von Mendelssohn veranlasste und noch in den Berliner Jahren fertiggestellte, hebräische Übersetzung eines damals populären medizinischen Werkes des Schweizer Arztes Simon André Tissot, „Refuot Ha-Am“ („Volkstümliche Heilkunde“). Das erste Kapitel „Moda’ la-Binah“ („Freund des Wissens“) wurde 1789 in Berlin veröffentlicht und Mendelssohn kommentierte Satanowers Leistung mit den Worten: Möge seine Übersetzung „zum Nutzen unserer Brüder, der Kinder Israel, die in den Büchern der Völker nicht zu lesen wissen und ihre Sprache nicht verstehen“, dienen.²⁹⁸ Tatsächlich ist Satanowers 1794, in Żółkiew vollständig erschienene Tissot-Übersetzung zu einem
Ebenda, S. 38. Informationen über die Zusammenarbeit Satanowers mit „Hameassef“ findet man bei Nancy Sinkoff, Out of the Shtetl: Making Jews Modern in the Polish Borderlands, Providence 2004, S. 46. Zit. nach ebenda, S. 47, Fußnote 117: Undatierter und nicht unterschriebener Brief an Israel Bodek. Mendelssohn an Mendel Levin aus Satanow, 12. Adar 5545, in: Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften (Jubiläumsausgabe): Briefwechsel (1761– 1785), Bd. 20, Teil 1, Stuttgart 1994, S. 451.
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wahren Volksbuch unter den osteuropäischen Juden geworden: Die Gemeinden übergaben es an die Ortsrabbiner und die Leiter der jüdischen Hospitäler nutzten es als Leitfaden für die Krankenpflege.²⁹⁹ Satanowers größter Wunsch, den Glaubensgenossen in Polen-Litauen das erworbene Wissen mitzuteilen, sowie seine sich allmählich abschwächende Begeisterung für die „allzuaufgeklärten“ Freunde waren wahrscheinlich ausschlaggebend für den Entschluss, Berlin nach über zwei Jahren zu verlassen. Auf dem Rückweg nach Hause machte er einen längeren Zwischenstopp in der ostgalizischen Handelsstadt Brody,wo bereits eine bedeutende Gruppe der HaskalahAnhänger mit Nachman Krochmal und Josef Perl an der Spitze existierte. Aus der Bekanntschaft mit diesen Männern entstand eine langjährige Zusammenarbeit, die zahlreiche Projekte und Ideen zur Reform des Judentums hervorgebracht hat.³⁰⁰ Sesshaft wurde Satanower im podolischen Mikołajów, das damals dem Fürsten Adam Kazimierz Czartoryski gehörte. Hier lebte er in bescheidenen Verhältnissen und widmete sich gänzlich dem Studium jener Wissenschaften, mit denen er sich in Berlin vertraut gemacht hatte. In seiner Tätigkeit als Gelehrter konzentrierte er sich vorwiegend auf das Übersetzen und Popularisieren wissenschaftlicher Werke. Wie sehr Satanower dabei die Idee der jüdischen „Erneuerung“ beschäftigte, zeigt seine Bearbeitung und hebräische Übersetzung von Benjamin Franklins bekannter Autobiografie, in der der amerikanische Wissenschaftler und Diplomat ein ethisches Programm zur Selbstreformierung entwirft.³⁰¹ Ohne Franklin zu nennen, gab Satanower mit seinem, 1808 in Lemberg erschienenen „Cheschbon ha-nefesch“ („Anleitung zu rechter Lebensführung“) eine Art Beratung zu einer ethisch-rationalen Lebensweise. Sein Plan ging auch in Erfüllung: Franklins „Rules of Conduct“ sind „in Satzungen vieler in Galizien und Podolien gegründeten sozialethischen Körperschaften aufgenommen worden“.³⁰² Für pädagogische Zwecke bearbeitete er auch Joachim Heinrich Campes „Reisebeschreibungen für die Jugend“, die 1818, wie seine Tissot-Übersetzung, in Żółkiew erschienen. Weiterhin trug sich Satanower mit dem Gedanken, Maimonides umstrittenen „Führer der Unschlüssigen“ zu verbreiten und beendete tatsächlich eine Bearbeitung des ersten Teiles nebst
Vgl. Israel Zinberg, The German-Polish cultural center (A History a Jewish Literature 6), Cleveland 1975, S. 278; Gelber, Mendel Satanower – der Verbreiter der Haskala, S. 49. Siehe dazu Meisl, Haskalah: Geschichte der Aufklärungsbewegung, S. 47. Ausführlich dazu Nancy Sinkoff, Benjamin Franklin in Jewish Eastern Europe: Cultural Appropriation in the Age of the Enlightenment, in: Journal of the History of Ideas, 61 (2000), S. 133 – 152. Meisl, Haskalah: Geschichte der Aufklärungsbewegung, S. 47; Vgl. auch Gelber, Mendel Satanower – der Verbreiter der Haskala, S. 49; Kosenina, Jüngling im grünen Rock.
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Vorwort, die allerdings erst viele Jahre nach seinem Tod im Jahre 1826 herausgegeben wurde. Was er aber durchaus noch erleben musste, waren die vielen empörten Reaktionen auf seine wahrscheinlich größte Leistung – die Übersetzung der Bibel ins Jiddische.³⁰³ Mit diesem kühnen Plan verfolgte Satanower das gleiche Ziel, das Mendelssohn mit seiner deutschen Bibel zu erreichen versucht hatte: die Wiederherstellung des eigentlichen, durch keine Verfälschungen getrübten Sinns des Urtextes. Aber im Gegensatz zu dem Berliner Aufklärer, der mit seiner deutschsprachigen Fassung der Heiligen Schrift die Juden vom Gebrauch des „Jargons“ abbringen wollte, machte Satanower gerade dieses Volksidiom zum Werkzeug seiner Mission. Indem er die „Sprache der Judengasse“ nobilitierte, gestand er ihr eine eigenständige Ästhetik zu und negierte das Bildungsideal der rabbinischen Elite, wonach die jiddischen Bücher lediglich für Frauen und Ignoranten verfasst seien.³⁰⁴ Interessanterweise rief Satanowers Vorhaben die größte Empörung gerade bei denjenigen hervor, die selbst gegen das orthodoxe Judentum auftraten und sich als Mendelssohns Schüler betrachteten. Noch bevor er im Jahre 1813 seine Bibelübersetzung mit der Veröffentlichung des Buches der Sprichwörter „Mischle“ begann, löste das bekannt gewordene Vorhaben eine vehemente literarische Gegenkampagne aus.³⁰⁵ Am lautesten opponierte dabei der galizische Schriftsteller und engagierte Aufklärer Tobias Gutmann Feder, indem er unter dem Titel „Kol mekchozezim“ („Stimme der Zerschlagenen“) ein satirisches Pamphlet gegen Satanower verfasste. Der Schauplatz seiner Satire ist der Himmel, die kommende Welt, wo alle namhaften jüdischen Gelehrten vergangener Zeiten beisammen sind. Moses Mendelssohn nimmt in dieser Versammlung den zentralen Platz ein. Seine Begleiter sind Dichter, Philosophen und Schriftsteller wie Naphtali Herz Wessely, Joel Brill oder Jehuda Leib Ben-Ze’ev. Sie alle unterhalten sich vergnügt über ihre ruhmreichen Beiträge für
Satanowers Übersetzung war keinesfalls die erste Übersetzung der Bibel ins Jiddische. Nachgewiesen sind ins Altjiddisch übertragene Thora-Auszüge aus dem 14. Jahrhundert. Die erste ausführlichere Übertragung von Thorafragmenten ins Jiddische unternahm Jakob ben Isaak Aschkenasi aus Janów. Seine Bibelparaphase „Ze’ena u-Re’ena“, auch „Frauenbibel“ genannt, ist 1622 in Lublin erschienen. Vgl. Simon Neuberg, Pragmatische Aspekte der jiddischen Sprachgeschichte am Beispiel der „Zenerene“, Hamburg 1999, S. 2– 10; Erika Timm, Historische jiddische Semantik: Die Bibelübersetzungssprache als Faktor der Auseinanderentwicklung des jiddischen und des deutschen Wortschatzes, Tübingen 2005, S. 41– 48. Vgl. Nathanael Riemer, Zwischen Tradition und Häresie. „Beer Sheva“ – eine Enzyklopädie des jüdischen Wissens der Frühen Neuzeit, Wiesbaden 2010, S. 17. Später übersetzte Satanower noch die Psalmen, das Lied der Lieder und das Buch Kohelet, wovon jedoch nur das Letztgenannte 1873 in Odessa beim Verleger Jehuda Bari erschien. Vgl. Varga, Die drei Mendelssohns, S. 44.
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die jüdische Kultur und Literatur bis ihre Aufmerksamkeit auf den betrübten und in Gedanken versunkenen Isaac Euchel fällt. Gefragt nach dem Grund seiner Traurigkeit zeigt sich der Berliner Aufklärer um die Reinheit der hebräischen Sprache besorgt. Um den verzweifelten Kollegen zu erheitern, erwähnt Wessely Satanower als einen tröstenden Hoffnungsträger. Daraufhin empört sich Euchel jedoch und nennt Satanower einen Abtrünnigen, der die hebräische Sprache nicht retten könne, weil er verrückt geworden sei und sich jetzt nur noch der Bauernsprache bediene. Nun soll Mendelssohn entscheiden, was von Satanower zu halten sei. Dafür führt ihm Ben-Ze’ev ein Buch vor, das wie folgt beschrieben wird: „Auf den ersten Blick scheint es eine deutsche Übersetzung der Sprichwörter zu sein, aber in Wahrheit ist es kein Deutsch, sondern nur eine Art Kauderwelsch, irgendeine Mischung von allen Sprachen der Welt. Es hat sich ein Jüdlein gefunden, das gewagt hat, uns zu verschmähen und solch ein lächerliches Buch zu verfassen.“³⁰⁶
Erzürnt und fassungslos reagieren Mendelssohn und alle Versammelten auf die vorgelesenen Passagen aus Satanowers Buch, weil sie nicht erraten können, was für eine Sprache es sei und weil ihr erhoffter Sprachförderer und vielversprechender Schüler alle in Berlin gelernten Haskalah-Prinzipien mit diesem Werk nun verraten habe.³⁰⁷ Mit großer Mühe ist es den Freunden Satanowers gelungen, den Druck des Pamphlets zu seinen Lebzeiten zu verhindern – es erschien schließlich erst 1853. Feder hatte es dennoch bereits in Abschriften kolportiert und an bekannte Maskilim verschickt.³⁰⁸ Die Folge davon war ein regelrechter Streit zwischen Satanowers Anhängern und Gegnern, bzw. zwischen zwei Lagern, die jeweils Mendelssohns Erbe für sich allein beanspruchten. Beide Parteien hielten sich selbst für die einzig wahren Hüter und Verbreiter der Mendelssohnschen Aufklärungsideen. Die Bibelübersetzung von Satanower entstand ja nach Mendelssohns Vorbild, seine Beweggründe waren die gleichen, wenn auch der Weg ein völlig anderer war. Während Mendelssohn mit seiner deutschen Übersetzung den jiddischen Dialekt als „unaufgeklärt“ abstempelte, weil er nach seiner Auffassung den deutschen Juden den Zugang zur europäischen Bildung versperrte, benutzte Satanower die jiddische Sprache als Instrument zur Volksaufklärung. Das von Mendelssohn postulierte Heraustreten der jüdischen Gemeinde aus ihrer Isolation
Zit. nach ebenda, S. 49. Tobias Gutmann Feder, Kol mekchozezim (o siah be’olam hanefaschot), Lemberg 1875. Informationen darüber, an welche Gelehrten Feder seine Schmähschrift verschickt hat und wie es den Freunden Satanowers gelungen ist, ihren Druck zu verhindern, findet man bei Yehudah Friedlander, Tobias Gutmann Feder: ‚The Archers‘ Voice‘, in: Zehut, Mai (1981), S. 275 – 303.
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unterstütze er zwar, jedoch setzte dies seiner Meinung nach eine innerjüdische Aufklärung und Bildung voraus. Für die „Entzauberung“ des religiösen Wissens innerhalb des polnischen Judentums konnte demnach unmöglich die hochdeutsche Bibelübersetzung von Mendelssohn eingesetzt werden. So erarbeitete Satanower eine einfach gehaltene, jiddische Übertragung, weil er im Gegensatz zu seinen „aufgeklärten“ Opponenten viel realistischer war und genau wusste, dass die Förderung der Haskalah in Podolien oder Galizien nur über die Hinwendung zum Jiddischen möglich war.³⁰⁹ Der Konflikt um Satanowers Übersetzung gab somit auch den Anstoß zu einer Diskussion über die Notwendigkeit und Berechtigung des Jiddischen als Nationalsprache und offenbarte zugleich, welch bedeutende Rolle Moses Mendelssohn dabei spielte. Bei Feder wird er wie Gott behandelt, der wie ein gerechter Vater darüber entscheidet, was als aufgeklärt gelten darf und was nicht. Sein Urteil wird zur Handlungsmaxime erhoben, nach der sich das osteuropäische Judentum im Prozess seiner Emanzipation zu richten habe.³¹⁰ Mendelssohns Frage nach Assimilation und Reform, sein Bekenntnis zum religiösen Fundament der Vernunft sowie sein Engagement für die soziale Gleichstellung der Juden sind Themen, die auch Satanowers literarisches Schaffen entschieden beeinflusst haben. In keiner seiner Schriften tritt diese Einflussnahme deutlicher hervor, als in der auf Französisch verfassten und 1789 (bzw. 1791) erschienenen Schrift „Essai d’un plan de Réforme ayant pour objet d’éclairer la Nation Juive en Pologne et de redresser par là ses moeurs“.³¹¹ Niedergeschrieben hat Satanower diese Broschüre auf Veranlassung des Fürsten Czartoryski, der ihm ein reichliches Auskommen auf seinem Gut Mikołajów verschaffte und dafür sorgte, dass er sich in Ruhe seinem Bücherstudium widmen konnte, während Satanower ihn und seinen Sohn in Mathematik und Philosophie, darunter mit der Kants, unterwies.³¹² Der Grund, warum der bereits mehrmals erwähnte Fürst Adam
Vgl. dazu Satanowers Brieffragment über „Die Kultur der polnisch-jüdischen Sprache als Mittel zu ihrer Aufklärung“, in: Ronald Gruschka, Übersetzungswissenschaftliche Aspekte von Mendel Lefin Satanowers Bibelübersetzung, Hamburg 2007, S. 223 ff. Zur Instrumentalisierung Mendelssohns in den innerjüdischen Debatten des 19. Jahrhunderts in Polen und Ungarn siehe Jacob Katz, Moses Mendelssohns schwankendes Bild bei der jüdischen Nachwelt, in: Moses Mendelssohn und die Kreise seiner Wirksamkeit, hg. von Michael Albrecht, Eva J. Engel und Norbert Hinske, Tübingen 1994, S. 357– 362. Mendel Lefin Satanower, Essai d’un plan de Réforme ayant pour objet d’éclairer la Nation Juive en Pologne et de redresser par là ses moeurs, in: Materiały do dziejo´w Sejmu Czteroletniego, hg. von Artur Eisenbach, Jerzy Michalski, Emanuel Rostworowski und Janusz Wolański, Bd. 6, Wrocław 1969, S. 409 – 420. Es ist überliefert, dass Satanower für Czartoryski ein philosophisches Traktat über Kants System ausgearbeitet hat, von dem leider keine Kopie erhalten ist. Nach Israel Weinlös, der den
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Kazimierz Czartoryski Satanower die Aufgabe anvertraute, ein Reformprojekt für das polnische Judentum zu entwerfen, war die Versammlung des sogenannten „Vierjährigen Reichstags“ bzw. „Großen Reichstags“, der sich in den Jahren 1788 – 1792 zum Ziel setzte, eine neue Verfassung auszuarbeiten. In diesem Rahmen sollte auch die sogenannte „Judenfrage“ behandelt oder sogar „gelöst“ werden.³¹³ Nach langen Konflikten zwischen adligen und städtischen Interessengruppen, die den Juden die Teilnahme am politischen Leben verweigern wollten, wurde schließlich ein im Grunde belangloses Projekt entworfen, das zudem infolge der weiteren politischen Entwicklungen nie verwirklicht wurde. In den mühsamen Debatten um einen neuen Gesetzentwurf und angesichts der eindeutig judenfeindlichen Einstellung vieler Reichstagsabgeordneter wurde Satanowers Broschüre komplett ignoriert. Sie löste also weder eine Diskussion aus, noch wurden ihr Anregungen für etwaige Folgereformen entnommen.³¹⁴ Dieses allgemeine Desinteresse für seine Leistung überrascht umso mehr, als sein Gesetzentwurf zu den gemäßigten unter den jüdischen Reformprojekten zählte und sich in erster Linie gegen bestimmte religiöse Strömungen innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft richtete. Die in zwei Teile gegliederten, 106 Paragraphen seines Reformplanes beginnen mit einem kurzen Entwicklungsgang der jüdischen Glaubenslehre. Der Talmud sei der „Hauptkodex der jüdischen Gesetzeslehre“ und bilde die eigentliche Grundlage des Judentums. Nach dem Talmud wird Maimonides als einer der „principeaux Instructeurs de la Nation Juive“ bezeichnet.Von ihm zieht Satanower eine direkte Verbindungslinie zu Moses Mendelssohn, der „den von Maimonides aufgezeigten Weg gebahnt“ habe. Doch die jüdische Denktradition dieser richtungsweisenden Triade „Talmud-Maimonides-Mendelssohn“ sieht er nun in Po-
Nachlass Satanowers noch vor dem Zweiten Weltkrieg ausgewertet hat, arbeitete Satanower an seiner Kant-Abhandlung in den Jahren 1794– 1806, stellte sie jedoch erst 1823 für die Veröffentlichung fertig. Informationen über die Recherche von Israel Weinlös bei Sinkoff, Out of the Shtetl, S. 116. Vgl. Eisenbach, Emancypacja Żydów na ziemiach polskich, S. 76 – 124; Gershon David Hundert, Jews in Poland-Lithuania in the eighteenth century: a genealogy of modernity, Berkeley 2006, S. 211– 232; Adam Kaźmierczyk, Herrschaft angesichts religiöser Vielfalt. Zur Politik der Magnaten gegenüber ihren jüdischen Untertanen, in: Kommunikation durch symbolische Akte. Religiöse Heterogenität und politische Herrschaft in Polen-Litauen, hg. von Yvonne Kleinmann, Stuttgart 2009, S. 90 – 93. Marcin Wodziński sieht die Hauptursache für das Vergessen des „Essai“ in der stark religiösen Ausrichtung der Schrift Satanowers und darin, dass er sich auf den innerjüdischen Konflikt zwischen Chassidim und Maskilim bezog, der den Nicht-Juden unbekannt war bzw. uninteressant erschien. Marcin Wodziński, Oświecenie żydowskie w Królestwie Polskim wobec chasydyzmu. Dzieje pewnej idei, Warszawa 2003, S. 37.
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len, Podolien und der Ukraine durch den Einfluss des Mystizismus stark bedroht. Die kulturelle Verwilderung der jüdischen Volksmassen in diesen Ländern seien nur Folgen dieses mystischen Einflusses. Auch wenn Mendelssohn in Berlin bahnbrechend wirke, indem er den Entwicklungsgang des Judentums im Sinne des Maimonides auf rein rationaler Grundlage fortführe und die Juden zu „hommes éclairés“ machen wolle, seien den polnischen Juden derartige Bestrebungen völlig fremd. Schlimmer noch: Unter ihnen entwickle sich jetzt eine starke anti-rationale, geradezu ausgeprägt mystische Bewegung in Form des Chassidismus, welche die Juden von der allgemeinen Bildung abhalte, wie sie gerade in Deutschland von Mendelssohn und seinen Anhängern vehement gefordert werde. In dieser Situation sah Satanower nur eine Lösung: Man müsse die geistige Entwicklung der deutschen Juden zum Vorbild der Judenreform in Polen nehmen. Im zweiten Teil der Broschüre folgen dann die konkreten Vorschläge Satanowers, wie eine Erziehung im Sinne der Haskalah in Polen-Litauen aufgebaut werden soll. Die rationalste Lösung wäre seiner Ansicht nach die sofortige Gründung jüdischer Volksschulen mit Polnisch als Unterrichtssprache in Warschau und anderen Städten, denen dann der gleiche Status zugestanden werden müsse wie den christlichen Volksschulen. Nur auf diese Weise könnten die führenden Köpfe einer neuen Kulturbewegung herangebildet werden.³¹⁵ Im Allgemeinen stellt Satanowers Schulprogramm eine Interpretation des Mendelssohnschen Erbes dar. Er hielt sich darin an die buchstäblichen Aussagen des Meisters, die den Offenbarungscharakter der Tradition garantierten und die symbolisch-erzieherische Funktion des Religionsgesetzes herausstellten. Von diesem Grundgedanken ausgehend, argumentierte Satanower gleichzeitig gegen die dominierende Vorstellung vom Juden als einer am Rande der Gesellschaft verbleibenden, in seiner eigenen fremdartigen Kultur wurzelnden Gestalt. Mit dem Polnischen als Unterrichtssprache hoffte er, die Anschlussfähigkeit des Judentums an die nichtjüdische Umwelt zu bewirken, ein Niederreißen der kulturellen und gesellschaftlichen Schranken, die für ihn die jüdische Isolation beförderten und damit auch die Hinwendung zu mystischen Strömungen wie Kabbala und Chassidismus. Bei näherer Betrachtung seines Reformprojekts fällt auf, dass Satanower den Kern der Judenreform ganz anders beschrieb, als dies in anderen vergleichbaren Vorschlägen dieser Zeit geschah. Während jene die Judenreform mit dem Bestreben verknüpften, die Juden zu guten Staatsbürgern zu erziehen, war es Satanowers Ideal, die Juden von innen her zu reformieren. Unter Berufung auf Mendelssohn fasste er die Judenreform zunächst als eine Kulturfrage auf, deren erste Aufgabe es sei, unter den Juden die Erkenntnis der Notwendigkeit zu wecken,
Satanower, Essai d’un plan, S. 414.
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sich dem allgemeinen Bildungsstand zu nähern.³¹⁶ Der Europäisierungsprozess der Juden als Grundlage ihrer internen Entwicklung war eine der zentralen Forderungen der Haskalah-Bewegung, und kaum eine andere Schrift in Polen drückte sie so deutlich aus wie Satanowers Reformprojekt. Gewiss benutzte Satanower die Berufung auf Mendelssohn teilweise wie einen Schlachtruf. Wohl wissend, dass der Name Mendelssohn als Symbol der Aufklärung bei den frommen Chassidim wie ein rotes Tuch wirkte, setzte er ihn absichtlich immer wieder ein, um auf diese Weise seine eindeutige Haltung in der scharfen Auseinandersetzung zwischen den Maskilim und der chassidischen Bewegung zu demonstrieren. Vielleicht ist diese Provokationsabsicht auch der Hauptgrund dafür, dass er die gesamte Entfaltung der Aufklärung dem Wirken eines Mannes, eben Mendelssohns, zuschrieb und niemals einen anderen Haskalah-Vertreter in seinen Abhandlungen würdigte. Erst in seinen letzten Lebensjahren, als er sich erneut der Ausarbeitung eines, an Kant orientierten, Systems der Philosophie in deutscher Sprache widmete, wurde offensichtlich, welch bleibenden Eindruck die philosophischen Diskussionen mit seinen Berliner Wegbegleitern, wie Lazarus Bendavid, Salomon Maimon und Marcus Herz bei ihm hinterlassen hatten. Leider blieb auch die Bearbeitung von Kants Metaphysik, die den symbolisch anmutenden Titel „Nachlass eines Sonderlings zu Abdera“ trägt, unveröffentlicht und ist nur auszugsweise erhalten.³¹⁷
5. „Les Polonais sensés“ und ihre propreußische Familienpolitik Die Ausführungen zu den polnischen Juden aus dem Kreis um Mendelssohn können in gewisser Weise als Beschreibung polnisch-preußischer Kulturkontakte auf der „Grassroot-Ebene“ angesehen werden. Der Blick auf die Bühne der grenzüberschreitenden Heiratspolitik des Hochadels führt uns zurück auf die Metaebene, die freilich nicht nur eine politische ist, sondern in ihren Folgen die ganze Bandbreite der polnisch-preußischen Beziehungen berührt. Im Falle der preußenfreundlichen polnischen Adelshäuser lässt sich beispielsweise eine Verbindung aus Zweck und Zuneigung feststellen, d. h. diese Eheschließungen waren zwar ursprünglich rein politisch motiviert, haben aber im Laufe der Zeit mannigfaltigere Formen angenommen, die weit über das Politische hinausgingen. Wie eine solche Ausweitung der zunächst politisch motivierten, polnisch-preußischen
Vgl. Gelber, Mendel Satanower, S. 48. Vertiefend dazu Sinkoff, Out of the Shtetl, S. 116 und 127 f.
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Annäherung in kulturelle Bereiche verlief und wie sehr die (Familien‐)Politik die gegenseitige Wahrnehmung beeinflusste, lässt sich besonders anschaulich an der Ehegeschichte der Fürstin Maria Czartoryska mit Herzog Ludwig von Württemberg analysieren. In der populärwissenschaftlichen Geschichtsschreibung über Polen gilt die Familie Czartoryski bis heute als ein stark prorussisch ausgerichtetes Adelshaus, was mit der Tätigkeit von Adam Jerzy Czartoryski als russischer Außenminister zu Beginn des 19. Jahrhunderts und dem entschiedenen Einsatz der Czartoryski für die Thronübernahme durch ihren Verwandten Stanisław August Poniatowski mit Hilfe von Katharina II. zusammenhängt. Selten jedoch wird darauf eingegangen, dass sich die Verbindungen der „Familie“ zum russischen Herrscherhaus über Jahrzehnte hinweg sehr differenziert gestalteten und sich häufig als konfliktträchtig erwiesen. Anlass für solche eskalierenden Auseinandersetzungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lieferte immer wieder Stanisław August mit seinem intensiv verfolgten Ziel, mit russischer Rückendeckung und gegen die politischen Ambitionen der „Familie“, die eigene Position im Lande zu stärken. Infolge dieser innerfamiliären Insubordination avancierten Stanisław August und Russland für die ehrgeizigen Czartoryski zu direkten Rivalen im Kampf um ihre innen- und außenpolitische Anerkennung als königliche Familie.³¹⁸ Schnell mussten sie aber erkennen, dass sie ohne eine starke internationale Unterstützung keine Aussicht darauf hatten, ihre familiären Machtansprüche sowie ihre, gegen Russland und den König gerichtete, Innenpolitik durchsetzen zu können. Die erhoffte Chance auf einen Machtzuwachs bot sich der „Familie“ 1784, als Ludwig von Württemberg nach Warschau kam und um die Hand der 16-jährigen Fürstin Maria Czartoryska, Tochter des bereits mehrmals erwähnten mächtigen Staatsmannes Adam Kazimierz und Izabela von Flemmings, anhielt. Obwohl dem Bewerber der Ruf eines labilen Randalierers und von Gläubigern verfolgten Schuldners vorauseilte, entschlossen sich die Czartoryski, der Eheschließung zuzustimmen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren Ludwigs herzog Die bereits zu Beginn der Untersuchung angedeutete Auseinandersetzung zwischen den Czartoryski und Stanisław August eskalierte weiter und erreichte ihren Höhepunkt 1785 infolge der sogenannten „Dogrumowa-Affäre“, in der zwei wichtige Personen aus dem Umkreis von Stanisław August von einer gewissen Frau Maria Teresa Dogrumowa verdächtigt wurden, Adam Kazimierz Czartoryski vergiften zu wollen. Die Folge davon waren ein jahrelanger Gerichtsprozess gegen die vermeintlichen Planer des Mordes und ein großer gesellschaftlicher Skandal. Obwohl sich schnell herausstellte, dass die Beschuldigungen von Dogrumowa schlicht ausgedacht und verbreitet worden waren, fehlte es auch nicht an Stimmen, die dahinter die miesen Machenschaften Russlands vermuteten, um die schwache Bindung zwischen Stanisław August und den Czartoryski endgültig zu zerstören. Zu der ganzen Affäre und ihren politischen Auswirkungen siehe Adam Danilczyk, W kręgu afery Dogrumowej. Sejm 1786 roku, Warszawa 2010.
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liche Herkunft und seine engen Verwandtschaftsbeziehungen zu den herrschenden Geschlechtern Europas: Ludwig von Württemberg war nämlich der zweite Sohn des Herzogs Friedrich II. Eugen von Württemberg und dessen Gemahlin Friederike Dorothea Sophia von Brandenburg-Schwedt, älteste Tochter der Sophie Dorothea Marie von Preußen, einer Schwester des preußischen Königs Friedrich II. Außerdem war eine seiner Schwestern die Ehefrau des künftigen russischen Zaren Paul I. und eine andere mit dem österreichischen Thronanwärter Franz Joseph Karl verheiratet, dem späteren Franz I. und letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. All diese Verbindungen Ludwigs von Württemberg machten ihn – trotz seines schlechten Rufes – zu einer lukrativen Partie und erlaubten der Familie Czartoryski zu hoffen, endlich ihre jahrzehntelang gehegten Thronambitionen realisieren und ein eigenes Familienmitglied als König installieren zu können. Denn die Eheschließung würde die Czartoryski in den Rang der altfürstlich regierten Adelshäuser mit dem Recht auf die Königskrone erheben und ihnen damit bei der Bestimmung der Nachfolge von Stanisław August ein entscheidendes Mitspracherecht einräumen. Des Weiteren versprachen die weitverzweigten angesehenen Familienverbindungen Ludwigs die notwendige internationale Unterstützung für die Machtansprüche der Czartoryski und stellten eine Verbesserung ihres bisher angespannten Verhältnisses zu den Nachbarhöfen in Aussicht. Kurzum: Aus familiären und machtpolitischen Gründen schien die Heirat Marias mit dem Vertreter des Hauses Württemberg in der aktuell schwierigen Lage der Familie nur Vorteile zu bieten. Auch bei Ludwig entsprang der Ehewunsch nicht bloß der spontanen Gefühlswallung eines leidenschaftlichen Jünglings, zumal Maria Czartoryska nicht gerade zu den Schönheiten ihrer Zeit zählte und mehr wegen ihrer Herkunft als wegen ihres Aussehens als begehrte Partie galt.³¹⁹ Der dauernd verschuldete und von der eigenen Familie verstoßene Ludwig wusste ganz genau, dass die Ehe mit einer der reichsten Fürstinnen Europas seine finanzielle Situation und sein gesellschaftliches Ansehen deutlich verbessern würde und dass er dadurch auch zu einem ernstzunehmenden Gesprächspartner in der internationalen Diplomatie aufsteigen würde. Ob der Herzog von Württemberg und Neffe Friedrichs II. selbst auf solche pragmatischen Gedanken gekommen ist oder ihm jemand bei der Wahl
Besonders markant soll Marias ausgeprägte Nase gewesen sein. In Warschau kursierten Gerüchte, es sei die Nase von Stanisław August. Die Liebesaffäre zwischen ihrer Mutter Izabela und dem polnischen König war allgemein bekannt und bis heute wird in den Geschichtsbüchern die These wiederholt, dass Maria die Tochter von Stanisław August war. Indiz für diese Behauptung ist ein einjähriger Auslandsaufenthalt des Fürsten Adam Kazimierz Czartoryski. Ausführlich zu diesen Spekulationen: Gabriela Pauszer-Klonowska, Pani na Puławach. Opowiść o Izabeli z Flemingów Czartoryskiej, Warszawa 1978, S. 25 – 32.
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der Ehefrau geholfen hat, bleibt im Dunkeln. Bekannt ist lediglich, dass er beim fast einjährigen Werben um die Hand von Maria Czartoryska nicht von seiner württembergischen Familie, sondern vor allem vom preußischen Hof unterstützt wurde. 1775, im Alter von 19 Jahren, trat Ludwig als Oberstleutnant in preußische Dienste, sieben Jahre später wurde er zum Generalmajor ernannt und übernahm das Kürrasierregiment Mauschwitz. Allen voran Prinz August Ferdinand, der jüngste Bruder Friedrichs II. und selbst General der Infanterie, hielt seine schützende Hand über den leichtlebigen Neffen bzw. nahm ihn in seine Obhut. Von Ferdinand stammte auch der Brief an Adam Kazimierz Czartoryski, in dem er für Ludwig um die Hand von Maria anhielt und den Heiratskandidaten in den höchsten Tönen anpries. Er vergaß dabei nicht zu erwähnen, dass die „Madam la Grande Duchesse de Russi“ auf die Zurückzahlung von Ludwigs Schulden großzügig verzichtet habe, um den Ehebeginn ihres geliebten Bruders zu erleichtern und dass sie ihn von allen ihren Geschwistern am liebsten habe.³²⁰ Der Hinweis auf das Entgegenkommen der künftigen russischen Zarin sollte dem verbreiteten Gerücht widersprechen, wonach die Entscheidung Ludwigs, eine Czartoryska zu heiraten, „besonders das lebhafte Missfallen seiner Schwester, der Großfürstin von Russland erregte.“³²¹ Im Gegensatz zum russischen Hof, der seine Unzufriedenheit über die geplante Verbindung des württembergischen Herzogs mit der, zu dieser Zeit russlandfeindlich eingestellten, Familie Czartoryski nicht verbarg, stießen Ludwigs Heiratspläne bei seinem königlichen Onkel aus Preußen interessanterweise auf keinen Widerstand. Obwohl Friedrich II. die Eheschließungen, wie Daniel Schönpflug hervorhebt, nicht nur als „Herrschaftskontinuität des dynastischen Staates“ verstand, sondern sie auch für „ein vielfältig einsetzbares Instrument der fürstlichen Außenpolitik“ hielt³²², spielte der polnische Adel bis dahin keine Rolle in seiner ausgedehnten Heiratspolitik. Von Anbeginn seiner Herrschaft an kümmerte er sich wenig um Kontakte zum polnischen Hofadel, die ihm hätten behilflich sein können, sei es zur Informationsbeschaffung oder als hilfreiche Kanäle im diplomatischen Geschäft.³²³ Dieses Desinteresse lag vor allem darin begründet,
Ferdinand von Preußen an Adam Kazimierz Czartoryski vom 20.09.1784, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 6034, Bl. 307. Luise von Preußen, Fürstin Anton Radziwill. Fünfundvierzig Jahre aus meinem Leben (1770 – 1815), Braunschweig 1912, S. 21. Daniel Schönpflug, Friedrich der Große als Ehestifter. Matrimoniale Strategien im Haus Hohenzollern 1740 – 1786, in: http://www.perspectivia.net/content/publikationen/friedrich300colloquien/friedrich-hof/Schoenpflug_Ehestifter , S. 5. (Zugriff: 18.06. 2014). Ebenda.
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dass die Eheschließungen zwischen herrschenden Königs- oder Fürstenhäusern eine Bekräftigungsfunktion hatten und vorwiegend im Kontext von Friedens- oder Allianzverhandlungen geschlossen wurden. Sie dienten als Instrument zur Transformation von Beziehungen zwischen Fürsten und Dynastien, denn nach Konflikten konnte durch „Rekonziliationsheiraten“ ein besserer Beziehungsstand erreicht werden.³²⁴ Da Friedrich II. seine Beziehungen zu Polen-Litauen über Russland regelte und den polnischen Fürsten keine eigene außenpolitische Bedeutung beimaß, erschienen ihm eine polnisch-preußische Heiratspolitik und der dadurch mögliche Aufbau einer eigenen Parteiung in Polen vollkommen überflüssig und nutzlos. Im Laufe seiner letzten Lebensjahre revidierte Friedrich allerdings diese ablehnende Haltung und versuchte, in einen direkten Kontakt mit den einzelnen polnischen Adelshäusern zu treten, was gewiss nicht mit der Änderung seiner negativen Ansichten über Polen zusammenhing, sondern lediglich mit der herrschenden politischen Situation in Europa. Ursprünglich hatte Katharina II. im Bayerischen Erbfolgekrieg zwischen Preußen und Österreich vermittelt und den Schutz der deutschen Reichsverfassung übernommen. Die Situation änderte sich aber, als Joseph II. nach dem Tod seiner Mutter den habsburgischen Thron übernommen hatte und 1780 nach Russland reiste, um der russischen Kaiserin die österreichische Unterstützung bei ihrem erneuten Feldzug gegen das Osmanische Reich anzubieten. Die Folge dieser Annäherung war ein geheimes Bündnis vom Mai 1781. Dies war ein schwerer Schlag für Friedrich II., denn die Verbindung der beiden Kaisermächte entwertete das preußische Bündnis mit Russland. Der preußische Monarch sah somit erneut eine labile Situation wie vor dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges heraufziehen, vor der ihn das Bündnis mit Russland eigentlich hatte bewahren sollen, nur dass er diesmal überhaupt keinen Verbündeten mehr hatte und auch keinen finden konnte, während ihm damals noch das mächtige England zur Seite stand.³²⁵ Um aus dieser gefährlichen Isolierung herauszukommen, brauchte der alternde König dringend neue Verbündete sowie eine neue Handlungsstrategie in der Außenpolitik. Seine Hinwendung zu den von ihm eher verachteten deutschen Mittelstaaten und die danach folgende Gründung des Fürstenbundes waren Ausdruck dieser Neuorientierung. Als ein anderer Schritt in diese Richtung kann auch seine sehr vorsichtige Annäherung an Polen-Litauen betrachtet werden. Obwohl für diese Entscheidung Friedrichs II. keine konkreten Belege vorliegen, Vgl. Martin Peters, Können Ehen Frieden stiften? Europäische Friedens- und Heiratsverträge der Vormoderne, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte, 8 (2007), S. 121– 133; Tobias Weller, Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert, Köln 2004, S. 797– 837. Vgl. dazu den Brief Friedrich II. an Karl Wilhelm von Finckenstein, 19.04.1781 und 21.04.1781, in: Politische Correspondenz, Bd. 45, S. 399 und 402.
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lässt sich nicht übersehen, dass er seit den 80er Jahren den konkreten Kontakt zu russlandfeindlichen Adelshäusern suchte. Offensichtlich rechnete er damit, dass die Erzeugung einer antirussischen Stimmung im polnisch-litauischen Staatsverband unweigerlich innere Unruhen hervorrufen und letztendlich dazu führen würde, dass Russland die Notwendigkeit einer Wiederannäherung an Preußen erkannte. Zweifellos war der Plan, Russlands Aufmerksamkeit zu gewinnen, einer der Gründe, warum das Ehevorhaben seines Neffen mit der polnischen Fürstin Friedrichs volle Unterstützung fand. Viel entscheidender für seine Einwilligung scheint jedoch die Tatsache gewesen zu sein, dass sich die Familie Czartoryski gerade im Konflikt mit Katharina II. befand und somit keine Gefahr für Friedrich II. drohte, das verwandte Haus Württemberg durch die Verbindung mit den Czartoryski noch stärker an Petersburg zu binden. Ludwig war nicht nur Bruder der künftigen Kaiserin von Russland, sondern auch des Prinzen Friedrich von Württemberg, der nach Abschluss des österreichisch-russischen Bündnisses den Militärdienst in der preußischen Armee quittiert hatte, um fortan unter österreichischer Fahne zu dienen.³²⁶ Für Friedrich II. war dieser Wechsel ein eindeutiges Zeichen der österreichischen Bemühungen, Russland noch stärker an den Wiener Hof binden zu wollen. Wichtig war es für ihn jetzt, nicht alle Württemberger Geschwister an Russland und Österreich zu verlieren und sich einen vertrauten Mittler zwischen ihnen und somit auch zwischen ihm und den beiden Kaisermächten zu erhalten. Die Ehe Ludwigs mit Maria Czartoryska galt ihm daher als Garant dafür, dass sein Neffe, im Gegensatz zu seinem Bruder, keine Bündnisse mit Russland oder Österreich eingehen und der preußischen Krone weiter treu bleiben würde. Der Plan scheint aufgegangen zu sein, denn der österreichische Gesandte am russischen Hof berichtete Joseph II.: „L’impératice a été fort mécontente du mariage. On croit le Prince général tout à fait prussien dans ce moment-ci, et on regarde ce marriage comme l’ouvrage du Roi de Prusse.“³²⁷ Folgerichtig gratulierte Friedrich II. in einem Brief vom September 1784 Ludwig von Württemberg zur Wahl der Gattin. Gleichzeitig erinnerte er ihn aber daran, welche dynastische Verpflichtungen gegenüber der Familie Czartoryski jetzt auf ihn zukämen und dass seine Auserwählte stolz darauf sein dürfe, in den
Mehr dazu bei Wolfgang Stribrny, Die Russlandpolitik Friedrichs des Großen 1764– 1786, Würzburg 1966, S. 155. Johann Ludwig von Cobenzl an Joseph II., 21.02.1785, in: Fontes rerum Austriacarum: Österreichische Geschichtsquellen. Zweite Abtheilung, Diplomataria et acta, hg. von Österreichische Akademie der Wissenschaften, Band 54, Wien 1849, S. 27.
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Pantheon der preußischen Prinzessinnen aufgenommen zu werden.³²⁸ Mit dieser Zustimmung ebnete Friedrich II. den Weg für die bescheidenen Hochzeitsfeierlichkeiten, die am 27. Oktober 1784 bei einer Tante von Maria in Siedlce stattgefunden haben. Gleich danach begab sich das junge Ehepaar auf Reisen. Zunächst besuchten sie Ludwigs Eltern in Mömpelgard (Montbéliard), auf die die junge Ehefrau ihres „verlorenen Sohnes“ großen Eindruck gemacht haben soll, was die elterliche Versöhnung mit ihm deutlich erleichterte.³²⁹ Die Vorstellungsreise von Maria und Ludwig führte dann weiter nach Preußen, um dort die Ehe durch den verwandten Hof offiziell anerkennen zu lassen. Die Möglichkeit, die Familie Czartoryski dem preußischen König vorstellen zu können, wollte sich die ambitionierte Mutter Marias, Fürstin Izabela, nicht nehmen lassen, weshalb sie ihre frisch vermählte Tochter bei ihrer Reise nach Berlin begleitete. Offenbar rechnete sie fest damit, dass ihr Schwiegersohn eines Tages als Kandidat für die polnische Krone gehandelt werden würde und wollte den preußischen Hof daher rechtzeitig von der Thronwürdigkeit ihrer Familie überzeugen.³³⁰ Den Verlauf des Aufenthaltes in Potsdam sowie die Begegnung mit Friedrich II. im Januar 1785 hielt Izabela Czartoryska in ihren bis heute nicht veröffentlichen Tagebüchern fest.³³¹ Bevor sie dem König persönlich begegnete, wohnte sie einer Militärparade bei, die unweit von Berlin stattfand und bei der sich der angegraute Monarch, auf einem weißen Pferd sitzend, wie ein „Genie“ präsentierte. Nach eigener Aussage der Fürstin Czartoryska soll Friedrich II. sie sofort bemerkt und durch Vermittlung gebeten haben, in seine Nähe zu kommen, um die Parade an seiner Seite besser beobachten zu können. Im Anschluss befahl der König einem seiner Generäle, eine Kolonne zu bilden, die dann die Karosse von Izabela bis zu ihrem Hotel begleitete. „So bin ich lachend und triumphierend in der Hauptstadt eingetroffen“, kommentierte sie nicht ohne Stolz die königliche Höflichkeitsgeste.³³² Die darauf folgenden Tage verbrachte Czartoryska in Potsdam. Sorgfältig beschrieb sie ihre Eindrücke vom königlichen Wohnzimmer beim ersten Besuch im Potsdamer Schloss (wahrscheinlich Sanssouci). Neben der
Friedrich II. an Ludwig von Württemberg, 17.09.1784, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 6111, Bl. 49. Vgl. Aldona Cholewianka-Kruszyńska, Panny Czartoryskie, Warszawa 1995, S. 23. Ebenda. In Warschau soll das Gerücht, wonach es die Czartoryski mit der Wahl des Schwiegersohns auf die polnische Krone abgesehen hätten, weit verbreitet gewesen sein.Vgl. dazu Kazimierz Morawski, Do charakterystyki okresu Rady nieustającej i genezy przymierza polskopruskiego, in: Kwartalnik Historyczny, 27 (1913), S. 333 f. Izabela Czartoryska, Mémoires et Écrits divers princesse générale, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 6067, S. 59 – 63. Ebenda, S. 59.
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allgegenwärtigen Präsenz von Hunden hatten sie vor allem „die gewaltigen Widersprüche“ in der räumlichen Ausstattung verblüfft. So wunderte sie sich darüber, dass in einem der Räume die Porträts von Joseph II. und Katharina II. zu sehen waren, obwohl sie der König „nicht gerade liebte“. Ebenfalls überrascht war sie von dem Teller voller Sauerkirschen auf einem der Beistelltische, der mit Papier bedeckt wurde, auf dem der König notierte: „Ce sont trente-deux“. Beeindruckt war sie wohl auch von der vom König benutzten Schreibfeder, die sie sich ohne Erlaubnis als „Souvenir“ aneignete.³³³ Am nächsten Tag folgte dann das direkte Treffen mit dem Besitzer all dieser Merkwürdigkeiten. Mit offener Herzlichkeit soll Friedrich II. die Fürstin Izabela empfangen und in warmen Worten die gehegten Zweifel über die Ehe seines schurkischen Neffen mit ihrer Tochter, „dem Engel“, geäußert haben.³³⁴ Angesichts des unrühmlichen Rufes von Ludwig versicherte er der anscheinend wenig besorgten Mutter, Maria immer seine Unterstützung gewähren zu wollen. Durch diese Leutseligkeit ermuntert, führte Izabela mit großer Gewandtheit ein Gespräch mit dem König, „der die Teilung zu verantworten hat“. Auf die Frage Friedrichs, ob der polnische König auch eine Uniform trage, erwähnte sie die Uniform der Warschauer Kadettenschule, was er mit der ironischen Bemerkung quittierte: „C’est juste, car c’est un roi en école“. Auf diese, wie sie selbst formulierte, „Beleidigung“, antwortete sie gekonnt: „Sire, Vous lui aviez donné une leçon cruelle, et peu méritée.“³³⁵ So viel intelligente Schlagfertigkeit hatte der frauenskeptische Monarch offensichtlich nicht erwartet, denn die bissige Antwort der Fürstin Czartoryska soll er mit einem schmeichelhaften Satz kommentiert haben: „Ich habe immer gesagt, dass in Polen die Frauen regieren sollten, und heute bin ich erneut davon überzeugt.“³³⁶Auf diese erste Begegnung folgte die offizielle Tafelrunde des Königs mit dem jungen Ehepaar und mehreren Vertretern des preußischen Hofes. Eingeladen war auch die ganze Familie des Prinzen Ferdinand, darunter seine Tochter Luise von Preußen (später Radziwiłł), die diese zeremonielle Zusammenkunft als 14-Jährige erlebte und in ihren späteren Erinnerungen folgendermaßen beschrieb: „Die überaus distinguierte Fürstin Czartoryska bezauberte durch Geist und Liebenswürdigkeit. Sie wurde, ebenso wie ihre Tochter, dem König vorgestellt, und ich speiste zum zweiten Mal an seiner Tafel. Friedrich II. ließ die Fürstin ihm gegenüber Platz nehmen und unterhielt sich fast ausschließlich mit ihr.“³³⁷
Ebenda. Ebenda, S. 61. Ebenda. Ebenda, S. 62. Luise von Preußen, Fünfundvierzig Jahre, S. 22.
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Auch diese deutlichen Zeichen der Zuneigung Friedrichs hielt Izabela in ihren Tagebüchern fest und vergaß dabei nicht zu betonen, dass der König sie während der ganzen Tafel an der Hand hielt und ihr mehrere Komplimente machte.³³⁸ Doch auch bei dieser geselligen Runde kam es zu einem Wortgefecht zwischen den beiden. Auf Friedrichs leichten Vorwurf über das Verschwinden seiner Schreibfeder antwortete sie selbstsicher: „Eure Majestät, dieser Diebstahl darf Sie nicht beleidigen, denn Sie müssen ein sehr großartiger Mensch sein, wenn ihre Feder von einer Polin so geschätzt wird.“³³⁹ Gegen ein solches Argument sei dem König nichts eingefallen, er lachte nur und vergnügte sich an den ironischen Gesprächen mit der Fürstin.³⁴⁰ Einen heiteren Empfang bereitete auch die preußische Hauptstadt der Fürstin Czartoryska und ihrer Tochter. Luise von Preußen notierte, dass „ganz Berlin“ aus Anlass ihrer Ankunft „in Bewegung“ geraten sei und „man nur von Festen und Vergnügungen redete“.³⁴¹ Izabela Czartoryska genoss die ihr geschenkte Aufmerksamkeit, obwohl sie die preußische Hauptstadt eher als „düster“, „leer“ und „arm“ empfunden hat, was zum Teil an der verbreiteten Trauer. um den im April 1785 tödlich verunglückten und populären Prinzen Leopold von Braunschweig lag.³⁴² Doch diese Wahrnehmung der Stadt zu Beginn ihres Besuchs änderte sich schnell, denn bereits im Sommer berichtete sie darüber, wie farbenfroh und blumenreich Berlin aussehe und wie wohl sie sich hier fühle.³⁴³ Das größte Vergnügen bereiteten der Fürstin die zahlreichen Besuche beim Prinzen Heinrich in Rheinsberg und Berlin, der sich immer wieder aufwändige Amüsements anlässlich ihrer Visiten einfallen ließ. In seinem Schwerinschen Palais wurde im Februar 1785 ein Tempel mit der Inschrift „Der Freundschaft für die Frau Fürstin Czartoryska“ errichtet. An diesem, im Stil der freimaurerischen Symbolik in Szene gesetzten, Spektakel zu ihrem Abschied nahmen auch Kinder teil, die Verse zu Ehren der Fürstin rezitierten. Eine Strophe ist besonders bezeichnend für das vertraute Verhältnis zwischen ihr und dem Prinzen Heinrich: „Wie schöne Fürstin, Ihr wollt uns verlassen? Gab’s denn im schmerzlich ersehnten Land Je Liebe, die treuer als hier bestand? O Fürstin, die wir so mit Liebe umfassen,
Izabela Czartoryska, Mémoires, S. 62. Ebenda. Ebenda. Luise von Preußen, Fünfundvierzig Jahre, S. 22. Undatierte Berliner Briefe von Izabela Czartoryska an ihre Tochter Maria aus dem Jahr 1785, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 3132, Mappe Nr. 2. Ebenda.
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hier ist Euer zweites Vaterland, Euch fesselt hier der Liebe Band.“³⁴⁴
Dieser intensiven Beziehung ging eine ziemlich intensive Korrespondenz zwischen Heinrich und Izabela voraus, die auch nach ihrem Besuch in Berlin einige Jahre anhielt. Abgesehen von den zeremoniellen Höflichkeitsbekundungen und Dankesbriefen tauschten sie sich vorwiegend über die kulturellen Ereignisse an ihren Höfen aus. Seiner Zuneigung sicher,vertraute Czartoryska Heinrich auch ihre privaten Sorgen an,vor allem ihre Unzufriedenheit mit dem Schwiegersohn. Einige Monate nach der Eheschließung erkannte sie nämlich, dass der Herzog von Württemberg viel stärker verschuldet war, als er ursprünglich gestanden hatte und dass er nicht gerade den höflichsten Ton im Umgang mit ihrer Tochter pflegte. Heinrich wusste Czartoryska zu trösten, indem er ihr immer wieder versicherte,wie froh er und sein Bruder über ihre familiäre Annäherung seien und dass sie ihren Zorn auf den Schwiegersohn durchaus nachvollziehen können.³⁴⁵ Die vertrauliche Beziehung zwischen der königlichen Familie und der Fürstin Czartoryska erleichterte ihr auch den Zugang zu den intellektuellen Zirkeln Berlins. Mehrmals nutzte sie die Tafel des Prinzen Heinrich, um mit den Mitgliedern der Akademie ins Gespräch zu kommen und sich mit ihnen über ihre botanischen und literarischen Interessen auszutauschen.³⁴⁶ Ihre Unterhaltungen müssen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, denn noch bevor sie Berlin verließ, wurde sie, zwei Jahre vor Ignacy Krasicki, als Ehrenmitglied in die KöniglichPreußische Akademie der Künste und Mechanischen Wissenschaften aufgenommen. Sicherlich verdankte Izabela diese Auszeichnung nicht allein ihren geistvollen Gesprächen mit den Berliner Intellektuellen. Der Ruf als Gründerin und begabte Architektin von Parklandschaften eilte ihr längst voraus und wurde durch den königlichen Astronomen Johann Bernoulli noch bestätigt. Ganz „entzückt“ zeigte er sich nach einem kurzen Besuch im Dorf Powązki (heute einer der historisch bedeutendsten Friedhöfe Warschaus), wo Izabela eine große und frei zugängliche Parkanlage eingerichtet hatte:
Zit. nach Ernst Ahasverus Heinrich Lehndorff, Des Reichsgrafen Ernst Ahasverus Heinrich Lehndorff Tagebücher nach seiner Kammerherrnzeit, in: Mitteilungen der Literarischen Gesellschaft Masovia, 30 (1925), S. 25. Der intensive Briefwechsel zwischen dem Prinzen Heinrich und Izabela Czartoryska befindet sich im Familienarchiv in Krakau, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 2779, Bl. 255 – 285. Vgl. auch Lehndorff, Des Reichsgrafen Ernst Ahasverus, S. 22. Ebenda.
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„Powanski gleicht einem kleinen Dorfe, das in einem mit Seen und Bächen durchwässerten Wäldchen liegt, man siehet einige nachgeahmte Ruinen ausgenommen, nichts als gemeine, hölzerne mit Stroh bedeckte Bauernhütten; innwendig sind diese Hütten mit einer solchen geschmackvollen Pracht meublirt, dass nichts darüber geht. […] Ich muss gestehen, dass ich ganz entzückt von diesem Orte, der mit gar nichts, was ich je gesehen hatte, in Vergleichung kömmt, zurück kam, und eine zugleich sehr vorteilhafte Idee von dem Geschmack, den Gaben und den Neigungen der hohen Besitzerinn dadurch erlangte.“³⁴⁷
Solch hohe Anerkennung schmeichelte der ehrgeizigen Fürstin, ihre Kontakte mit den Berliner Intellektuellen blieben jedoch sporadisch. Während ihrer Aufenthalte in der preußischen Hauptstadt konzentrierte sie sich vielmehr darauf, dem preußischen König zu gefallen und sich ihm als eine würdige Vertreterin einer königlichen Familie zu präsentieren. Wohl wissend, dass die mit Hilfe Preußens geplante Machtübernahme ihres eher regierungsunfähigen Schwiegersohns nur gelingen konnte, wenn man zumindest die Throntauglichkeit seiner polnischen Familie beweisen kann, versuchte sie mit kostspieligen Unterhaltungen und Geschenken die Anerkennung des leichtlebigen Friedrich Wilhelm II. zu gewinnen, der nach dem Ableben Friedrichs II. die Macht übernommen hatte.³⁴⁸ Zurückhaltend und mit einer gewissen Missbilligung reagierte der preußische Hof auf ihre überschwänglichen Schmeicheleien und Annäherungsversuche, wie Luise von Preußen in ihrem Bericht über Izabelas zweiten Berlinbesuch im Jahr 1788 andeutet: „Die Gegenwart der liebenswürdigen Fürstin Czartoryska trug sehr dazu bei, die Karnevalszeit zu beleben. Sie veranstaltete Feste und Überraschungen für den König, die ihn höchlichst amüsierten. […] Den Beschluss des Karnevals bildete ein prachtvolles Fastnachtfest, das der König im Opernhaus anordnete. Die Fürstin Czartoryska hatte es übernommen, eine Quadrille zu leiten. [Sie, A.P.] übertraf sich selbst, um sich die königliche Huld, mit der sie überschüttet wurde, zu erhalten. Sie wollte gefallen, und das gelang ihr weit über ihr Alter hinaus.“³⁴⁹
Bernoulli, Reisen durch Brandenburg, Bd. 6, S. 228 und 233 f. In seinen Tagebüchern schreibt Lehndorff: „Die Fürstin [Czartoryska, A.P.] nähert sich den beiden Prinzen und der Prinzessin Ferdinand und richtet mit ihrer himmlischen Stimme an jeden ein paar Verse. Zugleich überreicht sie dem Prinzen von Preußen den Säbel Johann Sobieskis, dem Prinzen Heinrich das Taschentuch mit zwei von ihrer Hand gemalten Bildchen, der Prinzessin Ferdinand eine türkische Stickerei und dem Prinzen Ferdinand einen kostbaren türkischen Stoff. Die ganze Gesellschaft ist von der Fürstin und ihrem bezaubernden Wesen sehr entzückt.“ Lehndorff, Des Reichsgrafen Ernst Ahasverus, S. 20. Luise von Preußen, Fünfundvierzig Jahre, S. 22.
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Aus all diesen Bemühungen schien der streitsüchtige und aggressive Schwiegersohn aber keinen Nutzen ziehen zu wollen. Während sich Izabela Czartoryska unbeirrt um die Gunst der preußischen Königsfamilie bemühte, diskreditierte er seine Schwiegermutter in der Berliner Hofgesellschaft, indem er ungehemmt erzählte, wie dominant, geizig und hochmütig sie sei.³⁵⁰ Als nach dem Tod Friedrichs II. Ludwig von Württemberg die Entscheidung getroffen hatte, die preußische Armee zu verlassen und in den polnischen Militärdienst einzutreten, was mit einem Umzug nach Polen verbunden war, spitzte sich die Situation zwischen ihm und der Familie Czartoryski immer mehr zu. Solange seine Frau Maria im Ausland gewohnt hatte, konnte diese die stets wachsende Aggressivität Ludwigs gut verheimlichen, aber als die beiden ein Schloss unweit des Czartoryski-Sitzes in Puławy bezogen, ließ sich seine Brutalität ihr gegenüber nicht mehr verbergen. Immer häufiger musste er sich nun für sein Verhalten bei den Schwiegereltern entschuldigen, die seine Gewaltausbrüche vorerst stillschweigend hinnahmen und unbeirrt hofften, die lohnende Ehe ihrer Tochter noch retten zu können. Diese (auch finanzielle) Nachgiebigkeit ihrem Schwiegersohn gegenüber erreichte allerdings 1792 ein Ende, nachdem Ludwig Maria kurz nach der Entbindung von ihrem gemeinsamen Sohn fast bewusstlos geschlagen hatte. Von da an entschlossen sich die Czartoryski, ihre Tochter aus der familiären Pflicht zu nehmen und das politisch so viel versprechende Ehebündnis aufzulösen.³⁵¹ Beeinflusst wurde diese Entscheidung sicherlich auch durch den Verrat Ludwigs während des polnisch-russischen Krieges von 1792, auf den im folgenden Kapitel noch näher eingegangen wird. Gesellschaftlich kompromittiert und in seiner Laufbahn als polnischer Offizier diskreditiert, entschloss er sich kurzerhand, nach Preußen zu fliehen. Allerdings nicht allein, sondern mit dem gemeinsamen Sohn, was Maria dazu bewog, verzweifelte Briefe an Friedrich Wilhelm II. zu schreiben, den sie um Vermittlung bat. Im Streit um das Erziehungsrecht zeigte sich der preußische König jedoch diplomatisch zurückhaltend. Zwar titulierte er Maria „Madam, ma cousine“, aber mit dem Argument, dass man dem Vater den Kontakt zum Kind nicht verwehren dürfe, lehnte er ihre Bitte um das alleinige Sorgerecht ab. Stattdessen empfahl er ihr, nach einer Einigung mit dem Noch-Ehemann zu suchen, zumal dies auch ein großes Anliegen seiner Familie sei.³⁵² Es war wohl kein Zufall, dass die Ehe zwischen Maria Czartoryska und Ludwig von Württemberg kein Jahr länger als die politische Annäherung zwischen Polen Lehndorff, Des Reichsgrafen Ernst Ahasverus, S. 17 und 22. Friedrich Wilhelm II. an Maria von Württemberg, 24.07.1793, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 6034 b, Bl. 291. Ebenda.
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Litauen und Preußen hielt. Seit der zweiten Hälfte der 1780er Jahre hatte es unter den polnischen Staatsmännern nicht an Stimmen gefehlt, die gerade mit dieser Ehe eine neue Ära in der polnischen Außenpolitik heraufziehen sahen und die Heiratspolitik der Czartoryski als eine gute Voraussetzung für die Stärkung der antirussischen Opposition im Lande betrachteten. Nicht nur für Friedrich II., sondern auch für einige polnische Adelshäuser war das russisch-österreichische Bündnis von 1781 ein Zeichen für die Neuorientierung der europäischen Allianzpolitik. Und je mehr sich die Stellung Preußens am russischen Hof verschlechterte, desto größer war ihre Hoffnung, Berlin für die eigene antirussische Politik gewinnen zu können. Auch Adam Kazimierz Czartoryski, der der Heirat seiner Tochter mit einem württembergischen Prinzen zugestimmt hatte, kamen die Koalitionspläne der antirussischen Opposition nicht ganz ungelegen. Sollte sich tatsächlich jemals die Möglichkeit ergeben, seinen Schwiegersohn auf den polnischen Thron zu setzen, dann hätte er dafür neben einer äußeren auch eine innerstaatliche Unterstützung gebraucht. Obwohl er sich politisch keineswegs eindeutig exponierte und nach wie vor Kontakt zu Russland und Stanisław August pflegte, trat er jener, sich vorwiegend aus Magnaten rekrutierenden, oppositionellen Gruppierung bei, die die Ehe seiner Tochter nutzen wollte, um die Weichen für eine Allianz mit Preußen zu stellen. Die preußenfreundliche Einstellung dieser Gruppierung war allerdings eine spätere Entwicklung und resultierte vorwiegend aus der Enttäuschung über die gleichgültige Haltung Russlands gegenüber ihrer Politik. Allerdings muss auch festgehalten werden, dass diese Gruppe von königsfeindlich eingestellten Magnaten, die sich um Czartoryski sowie Franciszek Ksawery Branicki scharten, keineswegs ein kohärentes Gebilde war, denn abgesehen von dem gemeinsamen Ziel, die Macht Stanisław Augusts zu schwächen, versuchte jeder in erster Linie, eigene politische Aspirationen durchzusetzen. Aktiv wurde diese Opposition Ende der 70er Jahre, nach dem Reichstag von 1776, als der polnische König seine innenpolitische Position mit Hilfe Russlands gefestigt und mit dem ursprünglich gegen ihn etablierten „Ständigen Rat“ einen Kompromiss gefunden hatte. In dieser Übereinkunft sahen die oppositionellen Magnaten einen Versuch des Königs, seine Macht auf ihre Kosten zu stärken. Denn solange der „Ständige Rat“, der praktisch die Funktion einer Regierung übernahm, in Konkurrenz zu Stanisław August agierte, wurde er von ihnen als brauchbare Kontrollinstanz akzeptiert. Nun aber galt er als ein entscheidungsmächtiges Instrument in den Händen des Königs und demzufolge als bedrohlicher Widerpart der ehrgeizigen Magnaten. Ihr politisches Hauptanliegen konzentrierte sich also auf die Abschaffung des „Ständigen Rates“ und die Wiedereinführung
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bzw. Stärkung der alten Staatsposten wie Hetman oder Minister, die gewöhnlich vor allem von ihnen bekleidet wurden.³⁵³ In der festen Überzeugung, dass auch Russland wenig Interesse an der Festigung der königlichen Macht in Polen-Litauen haben konnte, scheuten die oppositionellen Magnaten nicht davor zurück, Unterstützung für ihr Anliegen in Petersburg zu suchen. So baten sie beispielsweise Katharina II., den russischen Botschafter in Warschau, Otto Magnus von Stackelberg, der gleichzeitig Vorsitzender des „Ständigen Rates“ war, zu entlassen, weil er ihrer Meinung nach zu königsfreundliche Entscheidungen treffe und zu wenig die republikanische Gesinnung im Lande berücksichtige.³⁵⁴ Auf solche Vorschläge reagierte Petersburg ablehnend, allerdings ohne klare Gegenpositionen zu beziehen oder den Machtgewinn von Stanisław August eindeutig zu fördern. Die magnatische Opposition interpretierte dies als Wahrung einer gewissen Kontinuität in der Politik Katharinas und hegte deshalb weiterhin die Hoffnung auf baldige Verwirklichung der eigenen politischen Pläne. Groß muss daher ihre Enttäuschung gewesen sein, als Russland während des Reichstags von 1786, der von dem Konflikt zwischen Stanisław August und den Czartoryski infolge der „Dogrumowa-Affäre“ beherrscht wurde, eindeutig Partei für den König ergriff und damit der ganzen magnatischen Opposition eine klare Absage erteilte. Entscheidend für diese Parteiergreifung Petersburgs für Stanisław August war der russisch-österreichische Plan, das Osmanische Reich zu zerschlagen. Um für einen erneuten Krieg gegen die Osmanen gewappnet zu sein, brauchten Russland und Österreich neue Verbündete. Bei ihrer Wahl durfte vor allem Kaiserin Katharina nicht wählerisch sein, weil ihr Vorgehen gegen „die Türken“ auf einen starken internationalen Widerstand stieß und sich eine neue antirussische Bündniskonstellation in Europa anbahnte. Stanisław August erkannte in dem eskalierenden europäischen Konflikt seine Chance und schlug Katharina eine Allianz vor, die die Integrität des Besitzes beider Mächte in Europa sichern sollte. Als Gegenleistung für die polnische Unterstützung erbat er sich größere politische Kompetenzen und für Polen einen Teil von Moldau und Bessarabien mit dem Hafen von Akkerman, womit Polen-Litauen
Zum politischen Kampf der Magnaten siehe Jerzy Michalski, Opozycja magnacka i jej cele w początkach Sejmu Czteroletniego, in: Sejm Czteroletni i jego tradycje, hg. von Jerzy Kowecki, Warszawa 1991, S. 50 f. Vgl. Kazimierz Marian Morawski, Ignacy Potocki, Teil I: 1750 – 1788, Kraków 1911, S. 46; Emanuel Rostworowski, Sprawa aukcji wojska na tle sytuacji politycznej przed Sejmem Czteroletnim, Warszawa 1957, S. 120.
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einen Zugang zum Schwarzen Meer bekommen hätte.³⁵⁵ Von dem Bündnis mit Russland erhoffte sich der polnische König auch, den territorialen Ansprüchen Preußens Einhalt gebieten und Polens politisches Ansehen bei den benachbarten Mächten vergrößern zu können.³⁵⁶ Ratifiziert werden sollte dieses Bündnis auf dem folgenden Reichstag. Stanisław August wollte zudem die Verhandlungen über die erwartete Allianz möglichst schnell abschließen, weil er genau wusste, dass seine innenpolitischen Gegner bereits ähnliche Pläne verfolgten und Russland gegen ihn zu positionieren versuchten. Fast zur gleichen Zeit bekam Katharina II. einen schriftlichen Vorschlag des Hetmans Branicki und des Grafen Szczęsny Potocki, die Hauptverantwortung für die Bildung und Ratifizierung einer gemeinsamen Allianz nicht dem polnischen König, sondern ihnen zu überlassen.³⁵⁷ Um den antiköniglichen Aufstand zu erleichtern, planten sie, eine Konföderation zu bilden, die ermöglichen würde, eine neue Regierung zu proklamieren und diese dann durch den kommenden Reichstag anerkennen zu lassen. Katharina lehnte dieses Projekt jedoch entschieden ab – ironischerweise mit dem Vorwurf der Unüberlegtheit und mangelnder patriotischer Gesinnung – und beschloss zunächst, die politischen Entwicklungen in Europa abzuwarten, ohne dem einen oder dem anderen Lager eine verbindliche Zusage für eine Allianz zu geben.³⁵⁸ Die deutliche Absage der russischen Kaiserin an Branicki und Potocki ließ bei einem Teil der magnatischen Opposition die Erkenntnis reifen, dass man sich auf der internationalen Bühne nach einem anderen Bündnispartner umschauen müsse, um die gegen den polnischen König gerichteten Pläne realisieren zu können. Das Erscheinen von mehreren Bataillonen der russischen Armee in den polnisch-osmanischen Grenzgebieten war für sie ein ultimatives Zeichen der befürchteten Verständigung zwischen Katharina II. und Stanisław August. Es erschien ihnen nun taktisch erforderlich, sich auf die Seite der Osmanen zu stellen und dafür Rückendeckung bei einem der osmanischen Verbündeten zu suchen. Viel Auswahl hatten die oppositionellen Magnaten dabei nicht; von allen pol-
Ausführlich über das Bündnis: Walerian Kalinka, Der vierjährige Polnische Reichstag, 1788 bis 1791, Bd. 1, Berlin 1896, S. 59. Siehe dazu auch Pamiętniki Stanisława Augusta Poniatowskiego Króla Polskiego i jego Korespondencye z cesarzową Katarzyną II, Poznań 1862, S. 94– 98. Vgl. Emanuel Rostworowski, Ostatni król Rzeczypospolitej. Geneza i ustanowienie Konstytucji 3 maja,Warszawa 1966, S. 133. Ebenda, S. 64. Das Projekt von Branicki und Potocki ist abgedruckt in: Ostatnie lata panowania Stanisława Augusta. Dokumenty do drugiego i trzeciego podziału, hg. von Walerian Kalinka, Poznań 1868, S. 100 – 110. Vgl. auch Michał Czacki, Wspomnienia naocznego świadka z lat 1788 – 1792, Poznań 1862, S. 22.
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nischen Nachbarmächten hatte nur Preußen eine klare Stellung gegen die Russland-Politik gegenüber den Osmanen bezogen. Trotzdem wählten die polnischen Magnaten nur zögerlich einen propreußischen Kurs, denn das an der polnischen Grenze aufgestellte preußische Heer gab Anlass zu der Befürchtung, dass Preußen den bevorstehenden Krieg nutzen wollte, um territoriale Annexionen in PolenLitauen vorzunehmen.³⁵⁹ In Warschau wurden sogar Gerüchte kolportiert, dass Preußen eine neue Teilung anstrebe.³⁶⁰ Obwohl die preußische Regierung diesen beunruhigenden Informationen offiziell widersprach, dominierte in der Umgebung des polnischen Königs die Überzeugung, Preußen wolle angesichts des europäischen Konfliktes eine antirussische Stimmung im Lande erzeugen, um Polen im Sinne preußischer Interessen instrumentalisieren zu können. Der „Ständige Rat“ debattierte deshalb auch über die Wahrscheinlichkeit eines preußischen Überfalls auf Großpolen.³⁶¹ Von dieser preußenskeptischen Einstellung der polnischen Regierung ließen sich auch einige führende Aristokraten und Intellektuelle leiten. Der bekannteste unter ihnen ist sicherlich der Forschungsreisende, Historiker, Romancier und Diplomat Jan Potocki, der später mit dem in französischer Sprache geschriebenen Roman „Le manuscrit trouvé à Saragosse“ berühmt wurde. Im Jahr 1788 war er 27 Jahre alt und griff, von jugendlichem Eifer beseelt, die Nachricht über die angebliche preußische Gefahr auf, um den Patriotismus zur notwendigsten und höchsten Tugend zu erheben. Vor allem sein überraschender und feuriger Auftritt vor dem König war ein beliebtes Gesprächsthema weit über die polnischen Grenzen hinaus. Ein paar Tage, nachdem der Kosmopolit Potocki von seiner langjährigen Europareise zurückgekehrt war, trat er im sarmatischen Mantel (kontusz) und mit kahl rasiertem Kopf vor Stanisław August und überreichte ihm ein selbstverfasstes Memorial mit dem Titel „Ne quid detrimenti Res publica capiat“ (Damit die Republik keinen Schaden nimmt). Diese Schrift stellte praktisch „einen Kriegsaufruf“ dar, wie der französische Gesandte in Warschau kommentierte, denn Potocki rief darin in der Tat alle Polen zum allgemeinen Diese Befürchtung bestand vor allem in Bezug auf Danzig und Thorn. Vgl. Jerzy Dutkiewicz, Sprawa Gdańska w dobie Sejmu Czteroletniego w oświetleniu korespondencji dyplomatycznej pruskiej, in: Zapiski Towarzystwa Naukowego w Toruniu, 20 (1955), S. 345; Maciej Kucharski, Działalność dyplomacji polskiej w Berlinie w latach 1788 – 1792, Katowice 2000, S. 19; Bronisław Dembiński, Polska na przełomie, Lwów 1913, S. 81– 83. Vgl. die Briefe von Stanisław August an Antoni Deboli, 09.02.1788 und 13.02.1788, in: AGAD, Zbiór Popielów, 417, Bl. 433 und 435. Ludwig von Buchholtz an Friedrich Wilhelm II., 19.04.1788, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 157D, Bl. 32; Jerzy Dutkiewicz, Prusy a Polska w dobie Sejmu Czteroletniego w świetle korespondencji dyplomatycznej pruskiej, in: Cztery lata nadziei. 200 rocznica Sejmu Wielkiego, hg. von Henryk Kocój, Katowice 1988, S. 27.
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Aufstand gegen Preußen auf.³⁶² Unverblümt und ohne Rücksicht auf diplomatische Zurückhaltung stellte er den preußischen Nachbarn als den größten Feind dar, der keine freundschaftlichen Absichten Polen gegenüber hege und nur über neue Annexionen nachdenke. Um dieser Gefahr zu entkommen, müssten sich die Polen auf den aktiven Widerstand vorbereiten. Helfen könnten dabei Russland und Österreich. Potocki war jedoch weit davon entfernt, auf die Unterstützung der benachbarten Mächten passiv warten zu wollen, sondern schlug einen Partisanenkampf vor, in dem sich der Adel mit einem Teil der Bauern gegen Preußen verbünden sollte.³⁶³ Obwohl das Gerücht über die aggressiven Absichten Preußens weit verbreitet war, reagierten nur wenige Intellektuelle und Staatsmänner so aktivistisch und engagiert wie Jan Potocki.³⁶⁴ Die meisten hatten eher eine zurückhaltende Position eingenommen und warteten die Reaktion Russlands auf das,von Stanisław August vorgeschlagene, polnisch-russische Bündnis ab. Als einer der Ersten hatte der litauische Woiwode Karol Radziwiłł seine Skepsis gegenüber Preußen überwunden. Zwar war er in der Zeit des letzten Interregnum mehrmals damit gescheitert, Friedrich II. gegen die Wahl von Stanisław August zu mobilisieren, dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, nun erneut in Preußen um Unterstützung nachzusuchen. Im Juli 1788 kam ein Gesandter des Woiwoden, Jan Petersen, in Berlin an, um Friedrich Wilhelm II. einen Dankesbrief zu übermitteln. Bedankt hatte sich Radziwiłł im Namen der litauischen Provinz für eine nicht näher definierte Großzügigkeit des preußischen Königs, wobei er die Verpflichtung betonte, sich dieser Gnade nach Kräften würdig zu erweisen und zum Ruhm des Preußenkönigs beizutragen, auch „um den Preis des eignen Blutes“.³⁶⁵ Das ganze Schreiben bestand letztlich aus solchen augenscheinlich inhaltsleeren Treuebekundungen und Höflichkeitsfloskeln, deren Sinn sich jedoch erschließt, wenn man den eigentlichen Anlass von Petersens Mission in Berlin kennt. Seine Aufgabe war es nämlich, für Radziwiłł die Erlaubnis zu erwirken, in Königsberg mehrere tausend Waffen auf Kredit kaufen zu dürfen.³⁶⁶ Der litauische Zit. nach Emanuel Rostworowski, Post scriptum do debiutu politycznego Jana Potockiego, in: Przegląd Historyczny, 2 (1957), S. 285 f. Siehe auch Rosset und Triaire, Jan Potocki, S. 134. Ne quid detrimenti Res publica capiat, in: Materiały do dziejo´w Sejmu Czteroletniego, hg.von Jerzy Michalski, Emanuel Rostworowski und Janusz Wolański, Bd. 6, Wrocław 1955, S. 3 – 10. Diese preußenfeindliche Haltung Potockis ist schnell verflogen. Bereits zwei Jahre später hielt er sich längere Zeit in Berlin auf und war bemüht, die preußische Regierung als Verbündeten Polens gegen Russland zu gewinnen. Vgl. Rosset und Triaire, Jan Potocki, S. 155. Karol Radziwiłł an Friedrich Wilhelm II., 20.07.1788, in: AGAD, Korespondencja Karola Radziwiłła, IV/35, Bl. 226. Instruction donnée à Mr Jean de Petersen chambelan du Roi à Nieśwież, 20.07.1788, in: Ebenda.
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Woiwode wollte sich aufrüsten und seine eigene Armee erheblich vergrößern, um zusammen mit Preußen eine antikönigliche und antirussische Konföderation in Litauen bewerkstelligen zu können. Genau aus diesem Grund schloss er seinen überschwänglichen Brief an Friedrich Wilhelm II. mit der Garantieerklärung, er sei bereit, sich „gänzlich unter alle seine Befehle zu unterwerfen“.³⁶⁷ Radziwiłłs Kampfbereitschaft an der Seite Preußens wurde wahrscheinlich durch die anonymen Flugblätter beeinflusst, die im Februar 1788 in Wilna aufgetaucht waren und besagten, dass bald hunderttausend preußische Soldaten nach Polen einmarschieren werden, um eine Konföderation ins Werk zu setzen und Russland den Krieg zu erklären.³⁶⁸ Radziwiłł wollte wohl deshalb rechtzeitig seine Sympathie bekunden und dem preußischen Monarchen seine Unterstützung garantieren. Doch der Preußenkönig reagierte mir Gleichgültigkeit auf das Angebot aus Litauen, zumal er, ähnlich wie Katharina II., auch mit anderen polnischen Kooperationsvorschlägen konfrontiert wurde und zwischen den selbsternannten Anhängern nach Belieben wählen konnte. Denn neben der Anregung des Woiwoden von Kalisz, Antoni Sułkowski, eine gemeinsame antirussische Konföderation in Großpolen zu fördern, oder dem Angebot zur Zusammenarbeit des litauischen Hetmans Michał Ogiński, wurde Friedrich Wilhelm II. auch mit Allianzplänen seitens der sogenannten „Puławska-Partei“ konfrontiert.³⁶⁹ Der Name dieser mächtigen Gruppierung geht auf den Sitz der Czartoryski in Puławy zurück, wohin sie sich nach der „Dorgumowa-Affäre“ aus Warschau zurückgezogen hatten, um dort ein wirkmächtiges strategisches Zentrum der antiköniglichen Opposition zu schaffen. Der Mentor dieser Bewegung war Fürst Ignacy Potocki, der nach den gescheiterten Verhandlungen mit Russland die Heirat Karol Radziwiłł an Friedrich Wilhelm II., 20.07.1788, in: AGAD, Korespondencja Karola Radziwiłła, IV/35, Bl. 226. Vgl. Profaska, Stosunek polskich elit, S. 28. Vgl. den Brief von Adam Kazimierz Czartoryski an Friedrich Wilhelm II., 30.05.1788, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 157 A, Bl. 25. Das Archiv von Sułkowski, das die Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaft aufbewahrt hatte, wurde während des Zweiten Weltkriegs fast komplett zerstört, so dass man Informationen über ihn nur noch in der Sekundärliteratur finden kann, etwa bei Dembiński die Kopie eines Briefes von Sułkowski an Ewald Friedrich von Hertzberg vom 6. August 1788. Darin bietet er, auf Deutsch, dem preußischen König seine Dienste an: „Sollte die Kaiserliche [prorussische, A.P.] Partei durch Ihr Übergewicht, es durchsetzten wollen, dass eine Confederation errichtet werde, so könnte die Königlich Preußische, wovon ich selbst im Notfall (aber mit anhaltender Unterstützung dero Hofes durch dero Minister in Warschau) mich à la tête zu stellen nicht Anstand nehmen würde, mich mit diesem Moderationsplan zu äußern“, in: Dembiński, Polska na przełomie, S. 513. Der polnische Gesandte in Berlin, Bernard Zabłocki, berichtete dem polnischen König, dass Sułkowski von der preußischen Regierung bezahlt werde. Bernard Zabłocki an Stanisław August, 22.01.1788, in: PAU, Rękopisy,1655, Bl. 12.
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zwischen Maria Czartoryska und Ludwig von Württemberg als Anlass nutzen wollte, um ein Entgegenkommen Friedrich Wilhelms II. zu erreichen.³⁷⁰ Zwar hatte sich der „Großmeister“ Potocki noch kurz vorher vehement gegen einen zu starken Einfluss der Berliner Logen auf die polnische Freimaurerei eingesetzt und gab auch die Idee einer Verbindung mit Petersburg nicht auf, aber ein polnischpreußisches Bündnis gegen den polnischen König erschien ihm momentan viel realistischer und war daher vorzuziehen. Um den Plan auszuführen, entschloss er sich, im Sommer 1788 auf dem Weg zur Kur nach Pyrmont, wo er sich mit Adam Kazimierz Czartoryski treffen wollte, einige Tage in Berlin zu verbringen und an Ort und Stelle das Interesse der preußischen Regierung an einer Koalition mit der polnischen Magnatenopposition zu wecken.³⁷¹ Die Biografie Friedrichs II. aus der Feder von Jean Charles Laveaux sollte ihm dabei helfen, den Charakter des preußischen Hofes und den „Geist von Sanssouci“ zu erforschen.³⁷² Ausgestattet mit Empfehlungsschreiben des preußischen Gesandten in Warschau, Heinrich Ludwig von Buchholtz, kam er am 12. Juni nach Berlin und musste eine herbe Enttäuschung erleben, denn niemand von der preußischen Regierung zeigte sich bereit, auf sein Anliegen einzugehen oder seiner Person auch nur Beachtung zu schenken. Potockis erster Versuch, Berlin zu gewinnen, war damit gescheitert. Zwar traf er in Pyrmont zusammen mit Czartoryski den künftigen preußischen Thronfolger Friedrich Wilhelm III., aber in Berlin erreichte er nichts. Im Gegensatz zu Izabela Czartoryska, die zur gleichen Zeit in den höfischen Salons der preußischen Hauptstadt ihre gesellschaftlichen Triumphe feierte, wurde die Anwesenheit ihres polnischen Parteigängers weitgehend ignoriert.³⁷³ Über Potockis Misserfolg in Preußen war der polnische König durch seinen Berliner Residenten Bernard Zabłocki immer bestens informiert.³⁷⁴ Seit Sommer
Vgl. Zdzisław Janeczek, Polityczna Rola marszałka litewskiego Ignacego Potockiego w okresie Sejmu Wielkiego 1788 – 1792, Katowice 2005, S. 27. Vgl. Morawski, Ignacy Potocki, S. 66. Ignacy Potocki, Notes de mon voyage de Varsovie a Pyrmont, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 273 II., Bl. 172. Kazimierz Morawski, Do charakterystki okresu Rady Nieustającej i genezy przymierza polskopruskiego, in: Kwartalnik Historyczny, 27 (1913), S. 335. Auf dem Rückweg aus Pyrmont soll Poniatowski auch einen Zwischenstopp in Potsdam eingelegt haben, um Friedrich Wilhelm II. vorzuschlagen, den Adel von Großpolen, aus dem sich immer eine große Zahl von Abgeordneten rekrutierte, für sich zu gewinnen, damit die antikönigliche Opposition mit Unterstützung der Czartoryski auf dem kommenden Reichstag leicht eine Mehrheit gewinnen könne. Doch auch dieser Vorschlag stieß bei der preußischen Regierung auf kein Interesse. Vgl. Antoni Chrząszczewski, Pamiętnik oficjalisty Potockich z Tulczyna, Wrocław und Warszawa 1976, S. 59 f. Vgl. Bernard Zabłocki an Stanisław August, 21. 06. 1788, in: PAU, Rękopisy, 1655, Bl. 75. Zu betonen ist, dass Zabłocki die Präsenz der magnatischen Oppositionellen in Berlin unter-
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1788 berichtete Zabłocki fast täglich über die Aktivitäten der innenpolitischen Kontrahenten und ihre unermüdlichen Versuche, Friedrich Wilhelm II. für ihre Koalitionspläne zu gewinnen.³⁷⁵ Stanisław August zweifelte nicht daran, dass die Hauptverantwortung für diese propreußische Orientierung der Opposition bei Ignacy Potocki, dem „polnischen Solon“ und engagierten Mitarbeiter der Erziehungskommission, lag.³⁷⁶ In seinen Briefen an Zabłocki zeigte er sich davon überzeugt, dass sich der litauische Marschall in seiner Politik nach den Berliner Wünschen richte, weil er hoffe, so eine Konföderation mit Unterstützung des preußischen Königs schmieden zu können.³⁷⁷ Die propreußische und königsfeindliche Orientierung von Staatsmännern wie Poniatowski, Czartoryski oder Ogiński bedeutet aber nicht, dass ihre Entscheidungen und ihre politischen Ziele generell rückständig oder reformfeindlich waren, während Stanisław August mit seinen Bündnisplänen immer nur zum Vorteil des Landes handelte. Wie oben bereits mehrfach geschildert, gehörten gerade diese Gegner Stanisław Augusts zu den führenden Intellektuellen des Landes, die einen enormen Einfluss auf die Entfaltung des aufgeklärten Denkens in Polen-Litauen nahmen. Nicht nur förderten sie Kunst und Kultur, auch trugen sie selbst durch ihr literarisches, publizistisches oder musikalisches Schaffen entscheidend zum kulturellen Austausch im In- und Ausland bei. Ihre Abneigung dem König und seinen Reformen gegenüber resultierte nicht nur aus einer privaten oder familiären Feindseligkeit, sondern vielmehr aus ihren Bestrebungen, ein bestimmtes politisches Regierungssystem in Polen-Litauen zu etablieren. Generell traten sie gegen jede Stärkung der königlichen Macht auf Kosten ihrer Freiheitsrechte oder auf Kosten der ohnehin notorisch klammen Staatskasse auf. Ihre Vorstellung von einer polnischen Regierungsordnung mit einem schwachen König ähnelte in vielen Punkten dem englischen Modell und radikalisierte sich infolge der revolutionären Geschehnisse in Amerika und später auch in Frankreich.³⁷⁸ Aus dieser politischen Positionierung folgt, dass die in der Forschung häufig vertretene These, wonach die magnatische Opposition der 1780er Jahre lediglich schätzte und in seinen Berichten an den polnischen König kaum Kritik an ihrer Tätigkeit äußerte. Ebenda, Bl. 45 – 125. Bereits zu seinen Lebzeiten wurde Potocki der Beiname „Solon“ verliehen. Vgl. Zdzisław Janeczek, Ignacy Potocki (1750 – 1806), Katowice 1992, S. 7. Stanisław August an Bernard Zabłocki, 19.05.1788, in: PAU, Rękopisy, 1654, Bl. 85 f. Vgl. Anna Grześkowiak-Krawicz, Anti-monarchism in Polish Republicanism in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in: Republicanism: A Shared European heritage, Vol. 1: Republicanism and constitutionalism in early modern Europe, hg. von Martin van Gelderen und Quentin Skinner, Cambridge 2002, S. 43 f; Emanuel Rostworowski, Republikanizm polski i anglosaski w XVIII wieku, in: Miesięcznik Literacki, 7– 8 (1976), S. 96.
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aus egoistischen Interessen handelte und damit die vom König favorisierte Reformierung des Landes verhinderte, nicht ganz schlüssig ist. Ein schiefes Bild entsteht vor allem durch die simplifizierende Annahme, die Position des Königs mit den Interessen des Gesamtstaates gleichzusetzen und demzufolge die Reformprojekte von Stanisław August als die adäquatesten Vorschläge für die polnische Entwicklung dieser Zeit anzusehen.³⁷⁹ Doch Polen-Litauen war eine Respublica und der König ein eigener Stand, der, ähnlich wie die anderen Stände, seine eigene Position stärken wollte, ohne dabei unbedingt immer das Gemeinwohl im Sinn zu haben. Nicht alle königlichen Reformvorschläge zielten daher direkt auf die Stärkung des Landes oder versprachen per definitionem eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation. Gerade bei dem, von Stanisław August forcierten, polnisch-russischen Bündnis von 1787 versuchte er vor allem auch solche Reformen durchzusetzen, die ihm einen Kompetenzzuwachs und damit auch deutlich höhere finanzielle Einkünfte verschafft hätten. Für einen Teil der magnatischen Opposition war gerade die Perspektive eines ökonomischen Aufstiegs des Königs der ausschlaggebende Grund, warum sie so vehement gegen all seine Bündnis- und Reformpläne auftraten.³⁸⁰ Sie gönnten dem Monarchen keinen Machtgewinn und waren bereit, jede Koalition einzugehen, um diesen zu blockieren. Dass sie durch eine derart destruktive Haltung auch die Durchführung selbst der allernotwendigsten Reformmaßnahmen verhinderten, steht außer Frage und soll in keiner Weise bestritten werden. Gleichwohl bildeten die königsfeindlich eingestellten Magnaten keine homogene Gruppe mit einem gemeinsamen Programm, sondern wurden eher ex negativo durch den gemeinsamen Gegner zusammengehalten. Daher fehlte es unter ihnen auch nicht an Reformern wie eben Ignacy Potocki oder Adam Kazimierz Czartoryski, die ein eigenes, in ihrem Sinne förderlicheres Reformprojekt ausgearbeitet hatten und es gegen die königlichen Vorschläge und vor allem gegen den russischen Widerstand durchzusetzen versuchten.³⁸¹
Diese These vertreten u. a. Gottfried Schramm, Reformen unter Polens letztem König. Die Wandlungsfähigkeit eines Ständestaates im europäischen Vergleich (1764– 1795), in: Berliner Jahrbuch für osteuropäische Geschichte, 1 (1996), S. 206; Jerzy Lukowski, Liberty’s Folly. The Polish-Lithuanian Commonwealth in the Eighteenth Century, 1697– 1795, London und New York 1991, S. 247– 252; Michalski, Opozycja magnacka, S. 58. Siehe dazu Profaska, Stosunek polskich elit, S. 20 – 39. Noch im Sommer 1787 hatte Ignacy Potocki ein Memorial erarbeitet, in dem er auf die große Abhängigkeit Stanisław Augusts hinwies und sich über die Vormachtstellung des reformfeindlichen Russlands in Polen-Litauen beklagte. Zu den Reformprojekten der oppositionellen Magnaten siehe Michalski, Opozycja magnacka, S. 53 und 59; Rostworowski, Sprawa aukcji wojska, S. 103 – 132.
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Unter der stetig wachsenden Anzahl publizistischer Schriften dieser Zeit fanden sich aber auch zahlreiche reformorientierte Stimmen, die sich gegen alle Bündnisverhandlungen aussprachen und sowohl Russland als auch Preußen für raubgierige und nur Schaden bringende Nachbarn hielten. Die oben erwähnte und 1787 anonym erschienene Abhandlung „Anmerkungen zum Leben von Jan Zamoyski“ von Stanisław Staszic, in der er sich für die Durchführung der notwendigen Reformen aus eigener Kraft und ohne jede nachbarliche Unterstützung einsetzte, löste in der polnischen Publizistik eine lebhafte Debatte darüber aus, ob Polen tatsächlich einen äußeren Allianzpartner brauche, um seine ökonomische und soziale Lage zu verbessern. In kaum einer dieser Stellungnahmen findet sich eine Rangordnung der Nachbarmächte und das Gelingen der Reformen wurde nicht von der Zustimmung Russlands, Preußens oder Österreichs abhängig gemacht.³⁸² Auch wenn wenig konkrete Vorschläge vorgelegt wurden, bestand doch ein weitgehender Konsens darüber, dass die Zukunft des Landes zunächst von seinen Einwohnern und ihrer Reformwilligkeit abhängig sei. „Nicht der Dienst für den König, sondern für die territorialstaatlich neu organisierte Republik sollte eine von einem neuen Dienstethos erfüllte Schicht schaffen“, konkludiert Claudia Kraft.³⁸³ Dieses Konzept der reformwilligen und territorialstaatlich orientierten Elite war eng mit dem veränderten Staatsverständnis verbunden. Die Rzeczpospolita wurde nicht mehr als ein, sich durch seine Adligen konstituierender Verband gesehen, sondern als ein dem Adel und dem König übergeordneter Staat, „dem zu dienen weitaus weniger erniedrigend war als einem absolutistischen Herrscher – oder in der polnischen Tradition – einem Magnaten.“³⁸⁴ Repräsentativ für diese Einstellung war die in Świtkowskis „Pamiętnik“ abgedruckte Broschüre unter dem aussagekräftigen Titel „Welche ist die größte
Als Beispiel für eine solche Rangordnung kann die Schrift von Jacek Jezierski dienen, in der er eindeutig die Verantwortung für die ökonomische Rückständigkeit Polen-Litauens auf Preußen und seine Zollpolitik zurückführt und im Zusammenhang damit für die Vergrößerung der Armee und eine Erhöhung der Steuern plädiert. Siehe dazu Krystyna Zienkowska, Jacek Jezierski. Kasztelan Łukowski (1722– 1805). Z dziejów szlachty polskiej XVIII wieku, Warszawa 1963, S. 141. Claudia Kraft, Polnische militärische Eliten in gesellschaftlichen und politischen Umbruchprozessen 1772– 1831, in: Fremde Herrscher – Fremdes Volk. Inklusions- und Exklusionsfiguren bei Herrschaftswechseln in Europa, hg. von Andreas Gestrich und Helga Schnabel-Schüle, Frankfurt am Main (u. a.) 2006, S. 277. Ebenda. Mit dieser Bemerkung macht Kraft gleichzeitig auf eine wichtige Parallele aufmerksam: „Ein Seitenblick auf das benachbarte Preußen zeigt, dass diese Konzeption [Herausbildung der territorialstaatlich orientierten Reformelite, A.P.] auch andernorts für die Schaffung eines modernen Verwaltungsapparates, aber darüber hinausgehend auch für ein attraktives integrationsstaatliches Staatsmodell Anwendung fand. Der spätere polnisch-preußische Antagonismus hat den Blick auf diese vergleichbaren Entwicklungen verstellt.“
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Gefahr für die Republik; welche der fremden Interessen ist am ehesten mit unserer Rettung zu verbinden und wie kann sich unser Eifer fremden Vorhaben als dienlich erweisen“.³⁸⁵ Mit großem Nachdruck appelliert hier ein anonymer Autor an die Abgeordneten des kommenden Reichstags, sich nicht in die Dienste der Nachbarmächte stellen zu lassen, sondern sich darauf zu konzentrieren, das Land zu stärken und „innerlich zu reparieren“. Die wichtigste Herausforderung für Polen sei jetzt die Stärkung der inneren Kräfte, denn nur, wenn „wir aufhören, den Fremden zur Last zu fallen, können wir entschiedene Wächter unserer Einheit werden“ und wenn „wir uns nur mit der eigenen Verteidigung beschäftigen, werden wir nur diese gebrauchen müssen.“³⁸⁶ Stanisław August hielt jedoch an seinem Plan eines Bündnisses mit Katharina II. fest und sah darin die einzige Möglichkeit, Polens politische Zukunft zu sichern. Und dies, obwohl die russische Regierung fast sämtliche seiner Allianzbedingungen, die auf die Stärkung seiner Position oder die Reformierung des Landes hinausgelaufen wären, strikt ablehnte.³⁸⁷ Polen-Litauen als ein starker Bündnispartner war von Russland nicht erwünscht, zumal Petersburg Rücksicht auf Teile der polnischen antiköniglichen Opposition nehmen wollte, um deren Wohlwollen sowie deren mehrmals bekundete Kooperationsbereitschaft nicht zu verlieren. Gleichzeitig brauchte Katharina II. die Unterstützung von Stanisław August dringender denn je, weil im Sommer 1788 neben dem Osmanischen Reich auch Schweden Russland den Krieg erklärte. Die Großmächte England, Niederlande und Preußen reagierten mit Genugtuung auf diesen neuen Konflikt und erhofften sich dadurch eine Schwächung des Russischen Reiches, das im anhaltenden Krieg mit den Osmanen immerhin bereits einige militärische Erfolge erzielt hatte. Angesichts der eskalierenden antirussischen Haltung in Europa konnte es sich Katharina II. nicht leisten, ihren Einflussbereich Polen-Litauen an eine von diesen Mächten zu verlieren, so dass sie im September 1788, nach monatelangen Verhandlungen, aber zu den eigenen kompromisslosen Bedingungen, dem Bündnis mit Stanisław August zustimmte – gerade noch rechtzeitig, um es auf dem für Oktober geplanten Reichstag ratifizieren zu lassen. Die Nachricht über die geplante Allianz zwischen Polen und Russland erreichte schnell die europäischen Höfe und stieß vor allem in Berlin auf Entrüstung und Widerstand. Obwohl sich die russische Regierung stets bemühte, dem
Jaki jest naglejsze Rzeczypospolitej niebezpieczeństwo; czyli z obcych interes najbliższy się łączy z ratunkiem naszym i jak gorliwość nasza cudzym zamiarom posłużyć może, in: Pamiętnik Historyczno-Polityczny, Bd. 3, Warszawa 1788, S. 896 – 907. Ebenda, S. 906 f. Andere Beispiele solcher Schriften findet man bei Profaska, Stosunek polskich elit, S. 53 – 65. Vgl. Ebenda, S. 26 und 31.
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preußischen Verbündeten die Allianz mit Stanisław August als irrelevant für ihre gegenseitigen Beziehungen darzustellen und ihn über alle in Polen-Litauen vorgenommenen Schritte rechtzeitig zu informieren, lehnte Friedrich Wilhelm II. das polnisch-russische Bündnis entschieden ab. Die Hauptursache für seine Protesthaltung lag in der Neuorientierung der preußischen Außenpolitik und ihrer zunehmend westlichen Ausrichtung, die vor allem durch den engen Schulterschluss zwischen Russland und Österreich seit 1781 bedingt war. Das russische Bündnis mit Stanisław August, welches Polen die territoriale Integrität garantierte, wurde in Berlin als ein weiterer Schritt zur Schwächung der preußischen Stellung im Osten interpretiert oder sogar als ein polnisch-russischer Versuch, die preußischen Annexionspläne bezüglich Danzigs und Thorns zu vereiteln und damit Russlands Macht auf Kosten Preußens zu vergrößern.³⁸⁸ Aus diesem Grund befahl Friedrich Wilhelm II. seinem Gesandten in Warschau, Buchholtz, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um die geplante Allianz zu verhindern. Zum einen sollte die öffentliche Meinung gegen jegliche Bündnispläne mit Russland mobilisiert werden, zum anderen wurde die Bildung einer propreußischen Partei erwogen, die die Proklamation einer Konföderation zur Einberufung des Reichstags verhindern sollte. Der Gesandte Buchholtz begrüßte diesen Regierungsplan, wies seinen Monarchen allerdings darauf hin, dass Preußen einigen polnischen Reformplänen zustimmen müsste, um „les Polonais sensés“ für sich gewinnen zu können.³⁸⁹ Friedrich Wilhelm II. sah zunächst keinen Grund, warum er den Wünschen der „vernünftigen Polen“ nicht entgegenkommen sollte. In seinem Antwortschreiben an Buchholtz vom 30. September 1788 ging er sogar einen Schritt weiter und schlug eine Destabilisierung des Landes durch die Bildung einer Gegenkonföderation vor: „Stanisław August soll doch sein Bündnis mit Russland abschließen, es ist sogar besser für uns, denn dann bilden wir eine zweite Konföderation und werden in ihrem Namen agieren. Wir müssen uns nur darum bemühen, dass die antirussische Partei in Polen den Schutz beim preußischen König sucht.“³⁹⁰
Mehrere der „Polonais sensés“ waren als Träger und Stützen dieses Plans vorgesehen: Neben den bekannten und sich offen zu ihrer propreußischen Haltung
Siehe dazu Friedrich Wilhelm II. an Ludwig von Buchholtz, 02.09.1788, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 224, Bl. 13. Ludwig von Buchholtz an Friedrich Wilhelm II., 27.09.1788, in: Ebenda, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 157D, Bl. 118. Friedrich Wilhelm II. an Ludwig von Buchholtz, 30.09.1788, in: Ebenda, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 224, Bl. 74.
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bekennenden Magnaten Ogiński, Sułkowski, Potocki oder Radziwiłł tauchten auf der Liste von Friedrich Wilhelm II. auch Namen auf, die bis dahin weniger offensiv ihre Preußensymphatie bekundet hatten, darunter der Marschall des „Ständigen Rates“ Ignacy Przebendowski, der preußische Untertan und Kujawische Bischof Józef Rybiński oder die Familie Krasicki.³⁹¹ Mit größter Bereitwilligkeit wurde der preußische Vorschlag einer engeren Zusammenarbeit vom litauischen Hetman Michał Ogiński angenommen. Nachdem ihn die Nachricht erreicht hatte, dass der preußische König seine ursprüngliche Zurückhaltung aufgeben wolle und sich bereit gezeigt habe, die antikönigliche Opposition zu unterstützen, schickte er sofort einen couragierten Brief nach Berlin, in dem er Friedrich Wilhelm II. nachdrücklich versicherte, dass er und „der ganze litauische Adel“ nur darauf warteten, unter preußischer Führung eine Konföderation gegen den polnischen König und seine Bündnispläne mit Russland zu bilden.³⁹² So viel Entschlossenheit und Tatkraft müssen das Berliner Kabinett ein wenig beängstigt haben, denn das Antwortschreiben an Ogiński fiel recht kühl aus. Darin erklärte der preußische König: „je prendrai toutes les mesures, que les circonstances rendront nécessaires“, um die Konföderation in Litauen zu unterstützen.³⁹³ Die diplomatische Wendung „die die Umstände erfordern“ erlaubte Preußen, sich auf seine Versprechungen bezüglich einer militärischen Unterstützung nicht ganz festzulegen, gleichzeitig aber das von der polnischen Seite erwünschte Entgegenkommen zu bestätigen. Trotz der fehlenden entscheidenden Stellungnahme des Berliner Kabinetts zu den polnischen Konföderationsplänen verbreitete sich in der magnatischen Opposition schnell die Nachricht über die Sympathiebekundungen des preußischen Königs für ihr Anliegen. Dies motivierte auch diejenigen Magnaten, die sich bis dahin unermüdlich um ein Bündnis mit Russland bemüht hatten, ihre Einstellung zu revidieren und sich zu einer Kooperation mit Preußen bereit zu erklären. Dieses Umdenken war jedoch rein taktischer Natur und beruhte auf dem Hintergedanken, dass die preußische Rückendeckung die Attraktivität der antiköniglichen Opposition für Petersburg erhöht und damit der lange angestrebte Pakt mit Russland gegen den eigenen König doch noch möglich würde.³⁹⁴ So fehlte
Friedrich Wilhelm II. an Ludwig von Buchholtz, 16.09.1788, in: Ebenda, Bl. 55. Copie d’une lettre du Comte Ogiński au Roi, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 147C, Bd. 4, Bl. 43 f.Vgl. auch ebenda, Rep. 9, Geheimer Rat Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 226, Bl. 13 – 15. Friedrich Wilhelm II. an Michał Ogiński, 28.09.1788, in: Ebenda, Bl. 16 f. Genau diesen Gedanken formulierte Stanisław Kostka Potocki in einem Brief an seine Frau: Durch die preußische Unterstützung „werden wir eine Armee bekommen, und indem wir uns von der sklavischen Abhängigkeit von Russland befreien, steigen wir zu seinem Alliierten auf.“ Sta-
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es im antiköniglichen Lager nicht an Stimmen, die sowohl für Russland wie auch für Preußen als potenziellen Verbündeten plädierten, und das, obwohl Katharina II. noch fest zu ihrem Vertrag mit Stanisław August stand und der Reichstag zu seiner Ratifizierung immer näher rückte. Aus diesem Grund kommt Jerzy Michalski zu der Schlussfolgerung, dass „bis zu den ersten Tagen des Großen Reichstags die gesamte Opposition fortwährend an der russischen Orientierung festzuhalten schien.“³⁹⁵ So prorussisch, wie Michalski es darstellt, waren die königlichen Oppositionellen zu diesem Zeitpunkt aber längst nicht mehr. Der aufmerksame und gut informierte Stanisław August, der stets gehofft hatte, gerade die russlandfreundlich eingestellten Gegner für sich zu gewinnen, charakterisierte ihre Stimmung als eher neutral und führte ihre vorsichtige Haltung auf den Einfluss Adam Kazimierz Czartoryskis und Ignacy Potockis zurück.³⁹⁶ Der polnische König lag damit jedoch falsch, denn gerade Potocki hatte seine angeblich neutrale Stellung längst aufgegeben, als er wenige Tage vor der Eröffnung des Reichstags schrieb: „Wenn das Petersburger Kabinett die königliche Autorität in Polen vergrößert, weil es sich mehr der Abhängigkeit des Königs als der Nation sicher ist und wenn sich das Wiener Kabinett daran gewöhnt hat, die russischen Einflüsse [in Polen-Litauen, A.P.] als gleichgültig für das eigene Anliegen zu betrachten, dann sollte diese Situation Polens das Interesse des Berliner Hofs wecken. Dieser Hof allein kann den russischen Einfluss bändigen und Polen seine Unabhängigkeit garantieren.“³⁹⁷
nisław Kostka Potocki an Aleksandra Potocka, 27.09.1788, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 262 I, Bl. 912 f. Michalski, Opozycja magnacka, S. 53. Vgl. Rostworowski, Sprawa aukcji wojska, S. 133. Zit. nach Zofia Zielińska, Ostatnie lata Rzeczypospolitej. Dzieje narodu i państwa polskiego, Warszawa 1986, S. 46.
Die unaufhaltsame Logik der Macht 1. Die polnisch-preußische Allianz als aufgeklärtes Projekt Obwohl die vorsichtige Kaiserin Katharina II. den Eifer der polnischen Oppositionellen – genauso wie den des königlichen Lagers – jederzeit zu bremsen wusste, musste sie kurz vor dem Zusammentreten des neuen Reichstags feststellen, dass ihr Entgegenkommen Stanisław August gegenüber mehr Schaden als Nutzen gebracht hatte und die unerwartete Gefahr in sich barg, den langjährigen Bündnispartner Preußen zu verlieren. Von Anzeichen der Empörung aus Berlin beunruhigt, und von Teilen der oppositionellen Magnaten zu einem separaten Bündnis mit ihnen gedrängt, gab sie den lange abgesprochenen und nur auf seine Ratifizierung wartenden Allianzvertrag mit dem polnischen König schließlich auf. Möglicherweise wurde diese Entscheidung auch von der immer stärkeren antirussischen Stimmung im Lande beeinflusst. Der zeitgenössische Gelehrte und Staatsmann Jan Ursyn Niemcewicz beschrieb in seiner Charakterisierung der politischen Lager am Vortag des Reichstags die Magnaten als eine Gruppierung, die lediglich durch den gemeinsamen Versuch, die Macht des königlichen Hofes zu beschränken, zusammengehalten wurde. Alle anderen dagegen waren „von der Erinnerung an die Niederlagen und Demütigungen beherrscht, die wir von Moskau erlitten hatten, und von dem tiefsten Begehren, uns von diesem Joch endlich zu befreien.“¹ Besonders brisant an dieser Beschreibung ist der indirekte Hinweis darauf, dass Russland mittlerweile als eine besiegbare Macht betrachtet wurde und dass sich die „Angst vor der russischen Herrschaft schrittweise in wirklichen Hass verwandelte“.² Genährt wurde die stetig wachsende Hoffnung auf die Besiegbarkeit Russlands durch den schwedisch-osmanischen Zweifrontenkrieg gegen Katharina II., infolgedessen sich eine nationale Hochstimmung ausgebreitete, die auch viele Reichstagsabgeordnete ergriff. An offenen patriotischen Bekenntnissen zur polnischen Nation hatte es in der Adelsgesellschaft nie gefehlt, doch das Neue an dem nun vorherrschenden Nationalgefühl war seine ständeübergreifende Ausrichtung sowie sein stark homogenisierender Charakter. Das nationale Selbstverständnis, das bis dahin vorwiegend als Eigenheit und Distinktionsmerkmal des Adels galt, wurde immer stärker als ein, die gesamte Gesellschaft integrierendes Element verstanden. Dieses aufkommende, auch generationsübergreifende Na-
Ebenda. Władysław Serczyk, Między wschodem a zachodem, in: Sąsiedzi i inni, hg.von Andrzej Garlicki, Warszawa 1978, S. 14 f. DOI 10.1515/9783110520903-004
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tionalverständnis war gleichzeitig an den Staat gebunden, d. h. es wurde versucht, die mehr oder minder zufällig in diesem Gebilde Polen-Litauen zusammengefasste Bevölkerung zum bewussten Träger des Staatsverbandes zu machen. Jeder Einzelne und nicht nur jeder Adlige sollte nun in viel höherem Maße als zuvor an den Staat gebunden werden und Interesse an ihm entwickeln. Die Zukunft des Staates sollte nun also in den Händen aller Einwohner und nicht in denen einer bestimmten Führungsschicht oder eines dazu auserwählten Menschen liegen.³ Bei der Popularisierung des individuellen Engagements für den Staat verstummte allerdings die frühere Selbstkritik. „Die polnische Republik“, wusste ein Abgeordneter, „hat mittlerweile eine solche Bedeutung erlangt, dass sie den Nachbarmächten kräftemäßig zwar unterlegen ist, sie aber in der Herrlichkeit der Nation und ihrer Vaterlandsliebe bei weitem übertrifft.“⁴ Für die schwierige Situation des Landes wurden dabei allein die Nachbarmächte, allen voran Russland, verantwortlich gemacht. Wie immer beim Reifen eines Nationalbewusstseins spielte auch hier die Abgrenzung gegen fremde Mächte eine wichtige Rolle. Außerhalb der patriotischen Gemeinschaft standen nur Tyrannen und Unterdrücker, gegen die die Freiheit und die Reform des Staates durchgesetzt werden mussten.⁵ Um dies auch nach außen kenntlich zu machen, wurde eine Rückkehr zu altpolnischen Traditionen gefordert und europäische Gepflogenheiten verworfen. Die Abgeordneten des Reichstags sollten sich nach traditioneller Art kleiden (rasierte Köpfe, Schnurrbärte, altpolnische Oberröcke) und keine Auslandsreisen unternehmen. Im Zuge dieses nationalen Homogenisierungsprozesses wurden zudem die ausländischen Offiziere aus der Armee entlassen und die bis dahin häufig kritisierten Konföderierten von Bar zu Nationalhelden und Märtyrern im Kampf gegen Russland erklärt. Die nationalen Traditionen sowie die Geschichte der eigenen Vorfahren und nicht mehr die europäischen aufgeklärten Entwicklungsmuster wurden zu nachahmungswürdigen Vorbildern erhoben.⁶
Siehe dazu Andrzej Walicki, Idea narodu w polskiej myśli oświeceniowej, Warszawa 2000, S. 96 – 100; Monika Wyszomirska, Moribus antiquis…, czyli moralizatorski program naprawy Rzeczypospolitej czasów stanisławowskich na przykładzie „Pana Podstolego“ Ignacego Krasickiego, in: Między Zachodem a Wschodem. Studia ku czci profesora Jacka Staszewskiego, Bd. 2, hg. von Krzysztof Mikulski (u. a.), Kraków 2003, S. 655 – 663. Diariusz sejmu ordynaryjnego pod związkiem Konfederacji Generalnej O.N. w Warszawie rozpoczętego r. p. 1788, Warszawa 1790, Bd. 2, Teil 2, S. 131. Vgl. Bogusław Leśnodorski, Dzieło Sejmu Czteroletniego, Wrocław 1951, S. 359. Jerzy Michalski, Sarmatyzm a europeizacja Polski w XVIII wieku, in: Swojskość i cudzoziemszczyzna w dziejach kultury polskiej, hg. von Zofia Stefanowska, Warszawa 1973, S. 150 – 153.
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Getragen wurde diese nationale Hochstimmung während des Großen Reichstags (1788 – 1792) vorwiegend von der antiköniglichen Opposition, was ihr auch den Namen „die Patrioten“ einbrachte und sie in die Tradition der Opponenten gegen Stanisław August bei dessen Wahl stellte. Obwohl nur noch wenige „Patrioten“ aus den 1760er Jahren aktiv waren, wurde von der neuen „Patrioten“Partei immer wieder versucht, an die alten königsfeindlichen Postulate anzuknüpfen, um sich selbst als legitime Erben der schon zwanzig Jahre währenden, antirussischen Widerstandsbewegung zu präsentieren. Bedingungslos hatten sie die polnische Geschichte in Dienst genommen, wobei sie sich die reformerischen Errungenschaften der letzten zwei Jahrzehnte allein zuschrieben und diese in den Vordergrund ihrer Geschichtsinterpretation rückten. Dadurch, dass viele unter den „Patrioten“ hohe Staatsämter in der Regierungszeit Stanisław Augusts bekleideten, ließ sich ihr tatsächlicher oder postulierter Beitrag zur Verbesserung der Situation im Lande zudem leicht begründen. In der Zeit des nationalen Erwachens war diese Selbstlobpreisung eine geschickte Strategie, denn sie erleichterte es ihnen, Stanisław August zu kritisieren, ohne seine bisherige Herrschaftszeit gänzlich in Frage zu stellen. Auch konnten so die eigenen Vorstellungen als dringlichste und einzig brauchbare Heilmittel zur Rettung des Landes propagiert werden.⁷ Neben der Hervorhebung der nationalen Eigenart mit Hilfe historischer Sinndeutung war es vor allem die Kritik an der königlichen Macht, die die politische Klammer der ansonsten sehr heterogenen „Patrioten“-Partei während des Großen Reichstags bildete. Die gemeinsame republikanische Orientierung der „aufgeklärten Patrioten“ und der „Patrioten“, die sich für die Festigung der sarmatischen Tradition einsetzten, erleichterte es nach Claude Backvis dem freiheitlich-aufgeklärten Lager, im Laufe des Reichstags seine geistige Ausrichtung innerhalb der Partei durchzusetzen. Nur durch ihre intelligente Anbindung der republikanisch-sarmatischen Traditionen an die Reformpostulate ist es diesem Lager gelungen, ein aufgeklärtes Programm zu etablieren.⁸ Als theoretische Unterfütterung diente dabei Jean-Jacques Rousseaus bereits 1772, im Auftrag der Barer Konföderierten verfassten Schrift „Considérations sur le gouvernement de
Vor allem die Ängste vor weiteren Teilungen wurden durch die „Patrioten“ als innenpolitisches Mittel instrumentalisiert. Mehr dazu bei Dariusz Nawrot, Sprawa pruskich propozycji rozbiorowych z marca 1791 na tle przygotowań do uchwalenia Konstytucji 3 maja, in: Oświeceni wobec rozbiorów Polski, hg. von Jerzy Grobis, Łódź 1998, S. 76 – 86. Vgl. Claude Backvis, Les contradictions de l’âge stanislavien, in: Utopie et Institutions au XVIIIe siècle: le pragmatisme des Lumières, hg. von Pierre Francastel, Paris 1963, S. 120.
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Pologne et sur sa réformation projetée“.⁹ Dieser über fünfzehn Jahre in Vergessenheit geratene und kaum diskutierte Verfassungsentwurf des Philosophen aus Genf erlebte während des Großen Reichstags seine Wiedergeburt und eine breite Rezeption.¹⁰ Sein Postulat, die große Veränderung der polnischen Verfassung zu unterlassen und sich stattdessen auf die nationale Erziehung der Bürger zu konzentrieren, fand vor allem beim konservativen Flügel der „Patrioten“ große Zustimmung und erleichterte es zugleich den „Aufklärern“, Rousseaus radikalere Reformvorschläge, wie die Abschaffung des liberum veto oder der Leibeigenschaft, zu forcieren.¹¹ So sehr sich die Reformanhänger unter den „Patrioten“ auch bemühten, den konservativen Teil ihrer Partei, später auch „Hetmanen“-Partei genannt, zu übertönen, so wenig lässt sich doch übersehen, dass ihr Programm auf einem selektiven national-republikanischen Gemeinsinn basierte und sich in einigen Punkten kaum von dem ihrer innerparteilichen Konkurrenten unterschied, die gegen jede Verfassungsänderung waren und das Projekt einer katholisch-patriotischen „Republik“ forcierten. Diese längeren Ausführungen zur politischen Stimmungslage und ideologischen Orientierung der oppositionellen Abgeordneten zu Beginn des Reichstags waren an dieser Stelle geboten, um zu zeigen, welche Interessen und Ansichten in jener Gruppe der „Patrioten“ vorherrschten, aus der sich die meisten Anhänger einer polnischen Annäherung an Preußen rekrutierten. An ihrer Spitze standen „les Polonais sensés“, wie Adam Kazimierz Czartoryski, Ignacy Potocki und Stanisław Małachowski, der auch den Posten des Reichstagsmarschalls übernommen hatte. Um diese prominente und einflussreiche Stellung hatte sich allerdings auch ein Mitglied des „Hetmanen“-Flügels bemüht. Als die „Patrioten“ ihren Kandidaten durchgesetzt hatten und im Laufe des Reichstags nicht bereit waren, weitere Kompromisse mit der konservativen Fraktion ihrer Gruppierung einzugehen, kam es allmählich zum Bruch innerhalb der antiköniglichen Opposition. Als sich im Oktober 1788 die Landboten in Warschau versammelt hatten, um den Reichstag zu eröffnen, waren bereits drei dominante politische Kräfte zu erkennen, die man am besten anhand ihrer Einstellung zu Russland unterscheiden und charakterisieren kann. Während die abgespaltene „Hetmanen“-Partei eine prorussische, konser-
Jean-Jacques Rousseau: Betrachtungen über die Regierung von Polen und ihre beabsichtigte Reformierung, in: Jean-Jacques Rousseau. Kulturkritische und Politische Schriften in zwei Bänden, Bd. 2, hg. von Martin Fontius, Berlin 1989, S. 433 – 530. Vgl. Agnieszka Pufelska, Polen, in: Rousseau – Schlüsselkategorien der Moderne, hg. von Iwan-Michelangelo D’Aprile und Stefanie Stockhorst, Göttingen 2013, S. 241– 249. Ebenda, S. 244. Vgl. auch Richard Röpell, J. J. Rousseaus Betrachtungen über die Polnische Verfassung, in: Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen, 3 (1887/88), S. 129 – 150.
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vative und antikönigliche Haltung vertrat, versuchten die „Patrioten“, ihr ebenfalls königsskeptisches Reformprogramm gegen Russland und mit Hilfe Preußens durchzusetzen. Als dritte Kraft galt der König mit seinen, durch das Scheitern der Idee eines russisch-polnischen Bündnisses, vorerst hinfälligen Reformplänen, die er dennoch mit Unterstützung Katharinas II. später zu realisieren hoffte. Zahlenmäßig war die königliche Partei die stärkste von allen Parteigruppen und machte fast zwei Drittel aller Abgeordneten aus.¹² Mit Yvonne Kleinmann muss aber betont werden, dass diese Gruppierungen „keinesfalls festgefügte Parteien waren, sondern für politische Orientierungen standen, die sich mehrfach wandelten“.¹³ Die politische Kräfteverteilung änderte sich entscheidend, nachdem Ludwig Buchholtz am 13. Oktober 1788, gleich bei der vierten Reichstagssitzung, im Namen Friedrich Wilhelms II. eine Erklärung hatte verlesen lassen. In dieser preußischen Stellungnahme, die wie eine „Sensation“ wirkte, erklärte der preußische Monarch, er werde niemals den polnisch-russischen Vertrag akzeptieren, weil dieser sich nicht nur gegen die polnischen Interessen, sondern auch gegen ihn richte. Für Polen sei diese Allianz nur gefährlich und unnötig, denn sie könne die „Türken“ provozieren und Polen in einen „ziellosen“ und „unbrauchbaren“ Krieg gegen die Pforte stürzen. Ein polnisch-osmanischer Krieg könne dann die Gefährdung der preußischen Territorien mit sich bringen und Preußen in einen kostspieligen und ungewollten Konflikt involvieren. Sollte Russland daher die Idee des Bündnisses nicht aufgeben, sehe er sich gezwungen, „alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel“ zu ergreifen, um dies zu verhindern. Dazu gehöre ein polnisch-preußisches Defensivbündnis genauso wie ein entschlossener Einsatz Preußens, um „die Ganzheit der Republik“ zu sichern und damit „die allheiligste polnische Nation von jeder fremden Unterdrückung“ zu befreien. Vor diesem Hintergrund hätte der preußische Monarch auch nichts dagegen, dass Polen seine Armee vergrößere und sie „auf ein besseres Niveau bringt“.Viel wichtiger sei aber jetzt, dass sich „alle wahren Patrioten und guten Bürger Polens“ mit ihm verbinden würden, denn nur so könne er ihnen jegliche Unterstützung und Hilfe leisten, die Polen brauche, um seine „Unabhängigkeit, Freiheit und Sicherheit“ zu behalten.¹⁴
Vgl. Walerian Kalinka, Sejm Czteroletni, Bd. 1, Kraków 1880, S. 149. Yvonne Kleinmann, Der Vierjährige Sejm. Von der Adelsrepublik zur Staatsbürgergesellschaft?, in: Polen in der europäischen Geschichte. Ein Handbuch, Bd. 2, S. 535. Ähnlich bei Artūras Tereškinas, Reconsidering the Third of May Constitution and the rhetoric of Polish-Lithuanian reforms, 1788 – 1792, in: Journal of Baltic Studies, 27 (1996), S. 291– 295. Deklaracja, in: Diariusz sejmu ordynaryjnego, S. 33 – 35. Es ist wichtig zu erwähnen, dass Buchholtz nicht die Originalfassung der Erklärung von Kabinettsminister Hertzberg vorlesen ließ,
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Einen „enormen Eindruck“ hatte die preußische Erklärung hinterlassen, betont Władysław Smoleński, denn das erste Mal in der gemeinsamen Geschichte hatte die benachbarte Macht, die überdies selbst an der Teilung beteiligt war, ihre Stimme so laut gegen Russland und für Polen-Litauen erhoben.¹⁵ Ein Sekretär Stanisław Augusts soll kritisch notiert haben: „Die Note elektrisierte alle Köpfe, die die preußischen Schmeicheleien für Beweise einer richtigen Verbindung hielten […]. Gegen Russland sind jetzt alle, wie ein Mann.“¹⁶ Viele Abgeordnete forderten daher ihre sofortige Veröffentlichung und Verteilung. Überliefert ist, dass gleich nach dem Abschluss der Sitzung über 50 Abgeordnete dem preußischen Gesandten Buchholtz ihre Anstandsbesuche machten, um sich für die angebotene „Freundschaft“ zu bedanken. Auch der Reichstagsmarschall Małachowski begrüßte die von ihm selbst überarbeitete Erklärung und ließ noch am selben Abend ein großzügiges Abendessen zu Ehren Friedrich Wilhelms II. veranstalten, an dem sich alle führenden Staatsmänner, samt dem russischen Botschafter Stackelberg, beteiligten.¹⁷ Nur zwei Tage später wurden große Auszüge aus der Erklärung in der ansonsten prorussisch eingestellten „Gazeta Warszawska“ abgedruckt.¹⁸ Mehrere Broschüren und Flugblätter griffen das Thema ebenfalls auf und informierten mit großem Enthusiasmus darüber, dass der preußische Monarch „keine Ansprüche auf die Gebiete der Republik zu erheben plant“ und „Polen von der Moskauer Abhängigkeit“ befreien möchte.¹⁹ Für die „Patrioten“-Partei mit Ignacy Potocki an der Spitze bedeutete die Erklärung Preußens und die in diesem Zusammenhang ausgebrochene, propreußische Stimmung einen mächtigen Aufschwung. Ihr bis dahin eher kleiner Kreis hatte von nun an deutlich größeren Zulauf. Vor allem die unentschiedenen Abgeordneten aus dem königlichen Lager deklarierten nun ihre Unterstützung,
sondern ihre abgemilderte Variante. Alle Passagen, die keine eindeutigen polenfreundlichen Aussagen enthielten, ließ er auf Anraten von Ogiński und Małachowski entfernen. Allein aus diesem Grund ist es notwendig, in diesem Zusammenhang immer die polnische und nicht die originale (französische) Fassung der preußischen Erklärung zu zitieren. Vgl. Kalinka, Sejm Czteroletni, Bd. 1, S. 150. Władysław Smoleński, Dzieje narodu polskiego, Warszawa 1918, S. 332. Zit. nach Janeczek, Polityczna Rola marszałka, S. 41. Vgl. Andrzej Zahorski, Stanisław August Polityk, Warszawa 1979, S. 190; Janeczek, Polityczna Rola marszałka, S. 42; Bartłomiej Szyndler, Stanisław Nałęcz Małachowski 1736 – 1809, Warszawa 1979, S. 85. Gazeta Warszawska, 15.10.1788. Auch in Świtkowskis „Historisch-Politischem Tagebuch“ wurde die Erklärung in Auszügen abgedruckt. Vgl. Pamiętnik Historyczno-Polityczny, Bd. 4, Warszawa 1788, S. 913. Eine ausführliche Besprechung dieser Flugblätter findet man bei Profaska, Stosunek polskich elit, S. 73 – 75.
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was letztendlich dazu führte, dass Potockis Gruppe, bald auch „die preußische Partei“ genannt, immer zahlreicher und stärker wurde. Unterstützung kam jedoch nicht nur von den Reichstagsabgeordneten, sondern auch aus der breiten Öffentlichkeit, in der sich allmählich die Ansicht durchsetzte, dass die preußenfreundliche Haltung zum „wahren Patriotismus“ gehöre und nur unter Preußens Ägide Polen-Litauen auf die Wahrung seiner territorialen und politischen Unabhängigkeit hoffen könne.²⁰ Auf diese Weise avancierte Preußen nicht nur zum Garanten der polnischen Unabhängigkeit, sondern auch zum Befürworter der Reformpläne. Der Augenzeuge und Abgeordnete Michał Czacki notierte in seinen Erinnerungen, dass der preußische Gesandte Buchholtz die Abgeordneten dazu aufwiegelte, „entschiedene Schritte zum Sturz der von Moskau aufgezwungenen Regierungsform“ zu unternehmen, jedoch „ohne dabei einzuflechten, dass das Berliner Kabinett selbst zu dieser unrühmlichen Verfügung wesentlich beigetragen hatte“.²¹ Betrachtet man unter diesem Aspekt die immer lauteren Forderungen der Abgeordneten nach Reformen, so wird deutlich, welchen bedeutenden Einfluss die preußenfreundliche Stimmung auf den Reformprozess zu Beginn des Reichstags ausübte. Dass nur wenige Tage nach der Bekanntmachung der preußischen Erklärung das mutige Gesetz über die Reformierung der polnischen Armee und ihre Vergrößerung auf 100 000 Soldaten einstimmig angenommen wurde, war wohl kein Zufall. Durch die preußischen Garantien wuchs unter den Abgeordneten die Überzeugung, dass sie „Herr ihres eigenen souveränen Landes und Vertreter einer Nation sind, die nach einigen Jahrzehnten des russischen Einflusses ihre Unabhängigkeit und Achtung in der internationalen Arena wiedergewonnen hatte.“²² Die preußenfreundliche Einstellung der Reichstagsabgeordneten und ihre Reformeuphorie stießen beim polnischen König und seinem engsten Kreis auf Skepsis; sehr kritisch standen sie auch allen Erklärungen des Berliner Hofes gegenüber. Zwar stimmte Stanisław August dem Armee-Gesetz zu, doch er tat dies eher aus Rücksicht auf die Mehrheitsentscheidung und natürlich auch aus Vorsicht, um mit seiner prorussischen Haltung nicht als Verräter abgestempelt zu werden.²³ Seine Versuche, die Reichstagsversammlung darauf hinzuweisen, dass
Vgl. Janeczek, Polityczna Rola marszałka, S. 42. Michał Czacki, Wspomnienia naocznego świadka z lat 1788 – 1792, Poznań 1862, S. 33. Profaska, Stosunek polskich elit, S. 76. Vgl. auch Jerzy Michalski, Sejm w czasach panowania Stanisława Augusta. Do schyłku szlacheckiej Rzeczypospolitej, in: Historia Sejmu Polskiego, Bd. 1, hg. von dems., Warszawa 1984, S. 387. Stanisław August an Antoni Deboli, 22.10.1788, in: AGAD, Zbiór Popielów, 417, Bl. 608. Die antipreußische Haltung wurde dem polnischen König zum Teil von Russland vorgegeben. Siehe dazu Zielińska, Studia z dziejów, S. 201– 210.
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dem polnisch-litauischen Staatsverband die finanziellen Mittel fehlten, um eine so zahlreiche Armee dauerhaft finanzieren zu können, weshalb zu diesem Zweck höhere Steuern erhoben werden müssten, wurden ignoriert.²⁴ Darüber hinaus wurde Stanisław August mit einem neuen Gesetzesprojekt konfrontiert, das nur darauf abzielte, seine Machtkompetenzen einzuschränken. In der Sorge, dass die vergrößerte Armee zu einem Machtinstrument in den Händen des Königs und des „Ständigen Rates“ werden könnte, strebte die antikönigliche Opposition nämlich an, deren militärische Befehlsgewalt zu schwächen. Konkret ging es ihnen um die Gründung einer Kommission zur Armeeverwaltung, die unabhängig vom König und seinen Machtorganen und nur der Kontrolle der Hetmanen unterstellt, agieren sollte. Die Anhänger dieses Projektes konnten auf breite Unterstützung hoffen, denn sie hatten ihren Plan geschickt in zwei aktuelle Argumente gekleidet: Zum einen stellten sie die bestehende Befehlsgewalt des Königs und des „Ständigen Rates“ als gefährlich dar, weil die Rzeczpospolita dadurch an der Seite Russlands in einen Krieg gegen die Osmanen verstrickt zu werden drohte, zum anderen werteten sie diese königliche Kompetenz um zu einem Schritt gegen die Freiheit der Nation.²⁵ Und wie bereits mit ihrem Plan für eine Armeevergrößerung fanden sie auch mit dieser Forderung den Beistand der preußischen Regierung. „Je vois pourtant“, berichtete Buchholtz nach Berlin, „que le plus grand nombre de Polonois pense encore à affaiblir dans ce commandement l’autorité du Rois, à quoi je ne cesse pas d’exciter les citoyens patriotiques.“²⁶ Offensichtlich hatte seine „Anfeuerung“ Erfolg, denn mit Befriedigung konstatierte Stanisław Kostka Potocki, dass sich der preußische König für die Abgabe der Militärmacht in die Hände der „Nation“ ausspreche.²⁷ Die Diskussion über das geplante Gesetz verlief letztlich in den Bahnen, die die antikönigliche Opposition vorgezeichnet hatte. Den König und Russland unterstützende Stimmen wurden nur vereinzelt laut und als abweichende Minorität bekämpft. Zusätzlich kam der Opposition die preußische Regierung erneut zu Hilfe, indem sie ihre Gesandtschaft in Warschau anwies, den versammelten Abgeordneten den Inhalt ihrer Note an den Petersburger Hof bekannt zu machen. Darin protestierte Friedrich Wilhelm II. gegen die Stationierung russischer Truppen in Polen-Litauen und kündigte an, im Konfliktfall Polen militärischen Bei-
Siehe dazu die Rede von Stanisław August während der Reichstagssitzung vom 17.10.1788, in: Diariusz sejmu ordynaryjnego, S. 56 f. Stanisław August an Antoni Deboli, 18.10.1788, in: AGAD, Zbiór Popielów, 417, Bl. 601– 605. Ludwig von Buchholtz an Friedrich Wilhelm II., 22.10.1788, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 223, Bl. 178 f. Stanisław Kostka Potocki an Aleksandra Potocka, 24.10.1788, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 262 I., Bl. 935.
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stand zu leisten.²⁸ Bestätigt wurde die Hauptaussage dieser Note auf der Reichstagssitzung vom 20. November, als eine erneute Erklärung der preußischen Regierung verlesen wurde. Diesmal konzentrierte sich Friedrich Wilhelm II. vorwiegend auf die internen Angelegenheiten Polens: Mit allem Nachdruck betonte er die Souveränität sowie das Recht der Polen, die „eigene Regierungsform zu verbessern“.²⁹ Diese Äußerung war bahnbrechend, denn das erste Mal seit der Thronübernahme durch Stanisław August verzichtete Preußen hier darauf, sein stets postuliertes Recht auf Beeinflussung der polnischen Verfassungsangelegenheiten zu betonen. Obendrein beinhaltete die neue Erklärung eine offene Kritik an der prorussischen Orientierung Stanisław Augusts, was von vielen oppositionellen Abgeordneten als der überzeugendste Beleg für Preußens Beistand betrachtet wurde. Angesichts der russischen Erklärungen, die die Aufrechterhaltung der bisher vertraglich geregelten Garantien des Zarenreichs in Polen-Litauen forderten, übertraf die preußische Note mit ihrem klar definierten Verzicht auf jegliche Einflussnahme bezüglich der polnischen Innenpolitik alle Erwartungen der Opposition und wurde als ein Triumph gegen Russland betrachtet. Gleichzeitig stellte sie die bisherigen Verhandlungen Stanisław Augusts mit Katharina II. grundlegend in Frage, denn warum sollte man mit Russland verhandeln, wenn die andere benachbarte Macht öffentlich erklärte, dass Polen das Recht besitze, selbst über seine Regierungsform zu entscheiden und für die Bewahrung dieser Freiheit sogar ihren Schutz anbot?³⁰ Mit welcher Preußenbegeisterung einige Abgeordnete auf die Note von Friedrich Wilhelm II. reagierten, illustriert die Rede des Delegierten Jezierski am deutlichsten. Nachdem er dem polnischen König vorgeworfen hatte, dass seine Politik das Land in den Ruin treibe, kommentierte er die Stellungnahme des preußischen Königs wie folgt: „Die preußische Note erwärmt uns wie die südliche Sonne und fördert unser Wachstum. Die Parallele ist offensichtlich: So wie wir vom Frost zur Wärme drängen, so sollen wir von Unterdrückung und Bedrohung zu preußischer Gnade schreiten […]. Ich rechne anders und sehe, dass die preußischen Truppen für zwei Monate zwei unserer Woiwodschaften besetzten, wogegen Russland seit 24 Jahren Polen besetzt und nicht aufzuhören verspricht. Man verbreitet Lügen, wenn man sagt, dass der allerheiligste König von Preußen für seine Protektion einen Teil des Landes wegnimmt. Wer könnte ihm das verbieten, wenn er tatsächlich so weit gehen wollte, zumal unsere Nachbarn und Garanten mit Krieg beschäftigt sind und wir keine Waffen besitzen? Umsonst wäre meine Verteidigung für diesen großen Herrn, wenn
Vgl. Michalski, Opozycja magnacka, S. 55. Deklaracja, in: Diariusz sejmu ordynaryjnego, S. 120 f. Vgl. Walerian Kalinka, Der vierjährige Polnische Reichstag 1788 bis 1791, Bd. 1, Berlin 1896, S. 266.
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die ganze Welt nicht wissen würde, dass ihn die Vorsehung zum Garanten des Friedens in ganz Europa bestimmte. Nicht den irdischen, sondern den himmlischen Ruhm braucht er, weil er alles zu Genüge besitzt. Er will die preußischen Altäre des großen Ruhms nicht mit Blut und Tränen beflecken, sondern mit Wohltätigkeit schmücken.“³¹
Interessant an der Aussage Jezierskis ist vor allem seine Gegenüberstellung zweier Monarchen: Während er den polnischen durchgehend kritisiert, lobt er den preußischen in den höchsten Tönen und erklärte ihn zum Gesandten Gottes auf Erden – eine recht erstaunliche Parallele für einen Gegner der königlichen Regierungsordnung. Offenbar gab es unter den Reichstagsabgeordneten auch Republikaner, die ihre königsfeindlichen Ansichten lediglich auf Stanisław August bezogen, während ihre Sympathie für den preußischen Herrscher proportional zu ihrer Abneigung gegen den polnischen König wuchs. Jezierskis Stimme war keineswegs ein Einzelfall, denn im weiteren Verlauf des Reichstags ließen sich noch häufig ähnlich klingende Stellungnahmen vernehmen. Diese stetig wachsende Preußensympathie führt die Historikerin Zofia Zielińska auf die Berliner November-Erklärung zurück und bestätigt damit, dass deren Bekanntmachung „die Dominanz der Hinwendung zu Preußen im Reichstag definitiv besiegelte.“³² Selbstzufrieden und zuversichtlich beschrieb der Zeitgenosse Stanisław Kostka Potocki diese Konstellation und stellte dabei fest: „Le roi de Prusse parle le même langage que nous et paraît prêt à l’appuyer de toutes ses forces.“³³ Unterstützt und getragen wurde die Preußenpopularität zusätzlich von Świtkowskis engagierter und zielgerichteter Pressekampagne. Wie oben beschrieben, veröffentlichte er in seinem „Pamiętnik“ von 1788 eine Artikelreihe über Friedrich II. mit einem eindeutigen Ziel: die Darstellung Preußens als perfekt verwalteter Staat mit einer vollen Staatskasse, einer mächtigen Armee und einer effizient funktionierenden Administration, mithin also der beste aller möglichen Bündnispartner für PolenLitauen.³⁴ Mit dem weitverbreiteten Vertrauen auf das preußische Wohlwollen und der Zustimmung der Mehrheit des Reichstags konnte die antikönigliche Opposition problemlos das Gesetz über die Entmachtung des Königs als Heerführer durchsetzen. Die Abgabe der Befehlsgewalt in die Hände einer Kommission war auch ein großer Erfolg der preußischen Diplomatie, denn von nun an unterstand die Armee
Die vollständige Rede von Jezierski in: Diariusz sejmu ordynaryjnego, S. 156. Zofia Zielińska, Kołłątaj i orientacja pruska u progu Sejmu Czteroletniego, Warszawa 1991, S. 111. Stanisław Kostka Potocki an Aleksandra Potocka, 26.11.1788, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 262 I., Bl. 971. Vgl. Profaska, Stosunek polskich elit, S. 83.
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nicht mehr dem prorussischen König und seinen von Russland kontrollierten Machtorganen, sondern ihren in der Mehrheit preußenfreundlich eingestellten Gegnern.³⁵ Zwar war die Berliner Regierung vorsätzlich gegen jede Stärkung des polnischen Heeres, aber im Falle einer militärischen Intervention Preußens konnte nun Berlin und nicht Petersburg auf eine Unterstützung durch die polnischen Truppen rechnen. Verantwortlich für diesen diplomatischen Erfolg war allerdings nicht allein der preußische Gesandte Buchholtz, sondern auch der geschickte italienische Diplomat und letzte Vorleser von Friedrich II., Girolamo Lucchesini. Bereits Anfang Oktober 1788 war er nach Warschau gekommen, um die preußenfreundliche Stimmung unter den Abgeordneten zu stärken und zwischen der „Patrioten“-Partei und der Berliner Regierung direkt zu vermitteln. Mit seiner rhetorischen Gewandtheit gelang es ihm, Vertrauen zu gewinnen und die „Patrioten“ davon zu überzeugen, dass der preußische Monarch ihr Reformprogramm rückhaltlos akzeptiere und sie bei ihrem Vorgehen gegen den eigenen König jederzeit unterstützen werde.³⁶ All diese unverbindlichen Versprechungen und Garantien sollten Lucchesini helfen, eine schlagkräftige Gruppe von vertrauten Preußenanhängern aufzubauen, die bei der geplanten Konföderation gegen Stanisław August bereit wäre, in Preußen um Hilfe nachzusuchen und damit den Einmarsch der preußischen Truppen zu legitimieren bzw. zu erleichtern. Nach der Zusicherung der militärischen Verstärkung durch das neu verabschiedete Gesetz über die Militärkommission war dies der zweite Schritt, den die Diplomaten Preußens in Polen-Litauen zu realisieren suchten. Lucchesini ermutigte die antikönigliche Opposition dazu, die von Petersburg aufgezwungenen und verhassten Machtorgane wie den „Ständigen Rat“ abzuschaffen und sich dabei auf den Beistand des preußischen Königs zu verlassen.³⁷ Mit einem mächtigen Verbündeten und der Mehrheit des Reichstags im Rücken entwickelten die Oppositionsführer nun den Plan, die gesamte Außenpolitik unter ihre Kontrolle zu bekommen. Das Hauptziel dieses Vorhabens bestand darin, die außenpolitischen Kompetenzen des Königs zu schwächen, um ungehindert und ohne Einmischung von seiner Seite eine Allianz mit Preußen, England, Holland und Schweden oder sogar mit dem Fürstenbund schließen zu können.³⁸ Als wichtigste Voraussetzung für diesen Plan betrachteten sie die
Die ursprünglich geplante Erweiterung der Macht der Hetmanen wurde mit diesem Gesetz aber nicht erreicht, was zu einem endgültigen Bruch zwischen den „Patrioten“ und der HetmanenPartei führte und den Konflikt zwischen ihnen beträchtlich verstärkte. Vgl. Stanisław August an Bernard Zabłocki, 12.10.1788, in: PAU, Rękopisy, 1654, Bl. 125 f. Czacki, Wspomnienia naocznego świadka, S. 34. Vgl. Michalski, Opozycja magnacka, S. 56. Die Idee einer Verbindung mit dem Fürstenbund formulierte Hugo Kołłątaj bereits in seinem „Zweiten Brief“ vom August 1788, der Teil seines
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Verbindung mit Preußen. Sie sollte das vom König geplante polnisch-russische Bündnis ersetzen und die weit verbreiteten Gerüchte über preußische Annexionsabsichten widerlegen, zumal die an der polnischen Grenze stationierten preußischen Truppen des Generals Usedom die Befürchtung nährten, Preußen wolle im Fall einer Konföderation die Unruhen nutzen, um polnische Territorien zu besetzen.³⁹ Für die „Patrioten“-Partei waren solche Nachrichten gefährlich, denn sie stellten ihre ganze politische Orientierung in Frage und gefährdeten ihre dominante Stellung auf dem Reichstag. Wichtig war für sie jetzt, Polen-Litauen durch eine Allianz mit Preußen territoriale Sicherheitsgarantien zu verschaffen. Formuliert und vorgestellt wurden diese Bündniswünsche in dem, am 2. Dezember verlesenen Antwortschreiben des Reichstags auf die preußische November-Erklärung.⁴⁰ Die allgemeine Euphorie über den preußischen Verbündeten und der immer lauter werdende Ruf der Opposition nach einem solchen Bündnis wurden jedoch erneut von Stanisław Staszic öffentlich angegriffen und kritisiert. Illusionslos und vorausschauend wies er in seiner, im November 1788 erschienenen Schrift „Poprawy i Przypadki“ („Verbesserungen und Zufälle“) darauf hin, dass im Gegensatz zu Preußen die beiden anderen Kaiserhöfe kein größeres Interesse an der Aufteilung der polnischen Territorien hätten. Aus diesem Grund sah er auch in der preußischen Regierung die größte Gefahr und den ersten potenziellen Initiator einer weiteren Teilung.⁴¹ Auch der preußenskeptische Stanisław August gab sich keinen Illusionen über die Absichten des westlichen Nachbarn hin, da seiner Überzeugung nach der preußische König mit seinen Erklärungen und Sympathiebekundungen nur darauf abziele, die Abgeordneten zu blenden, um in einem günstigen Moment ihre Hochstimmung für seine Zwecke auszunutzen. Der polnische König sah in Friedrich Wilhelm einen unverbesserlichen Lügner, der sich zur Maxime gemacht hatte, die Macht des polnischen Königs „und den russischen Einfluss in Polen mit allen möglichen Mitteln zu vernichten“.⁴² Stanisław August konnte sich auch schwer vorstellen, dass diese polenfreundliche Note von der
umfangreichen und sukzessiv erschienen Traktates „Briefe eines Anonymen an Stanislaw Małachowski“ war. Das Traktat zählt zu den wichtigsten politischen Reformschriften in der Zeit des Großen Reichstags. Hugo Kołłątaj, Do Stanisława Małachowskiego referendarza koronnego, o przyszłym seymie anonyma listów kilka, list drugi, Warszawa 1788, S. 23 f. Vgl. Dembiński, Polska na przełomie, S. 159. Sitzung vom 02.12.1788, in: Diariusz sejmu ordynaryjnego, S. 289. Stanisław Staszic, Poprawy i Przypadki, in: Wybór Pism, hg. von Celina Bobińska, Warszawa 1948, S. 22. Vgl. auch Czesław Leśniewski, Stanisław Staszic: jego życie i ideologia w dobie Polski niepodległej (1755 – 1795), Warszawa 1926, S. 287. Stanisław August an Antoni Deboli, 26.11.1788, in: AGAD, Zbiór Popielów, 417, Bl. 644.
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preußischen Regierung verfasst worden war. Er neigte vielmehr zu der Ansicht, sie stamme ursprünglich aus der Feder von Ignacy Potocki und sei vom preußischen König später als eigene Stellungnahme deklariert worden.⁴³ Überliefert ist auch ein mahnendes Gedicht unter dem, für das zeitgenössische Nationalgefühl charakteristischen, Titel „Das Vaterland an seine Söhne“, das höchstwahrscheinlich aus dem ersten Reichstagsjahr 1788 stammt und in dem der anonyme Autor eindeutig auf Preußen als Initiator der neuen Teilung hinweist. Symbolisch wurde hier das Nachbarland als eine „undankbare Lehnherrschaft“ dargestellt und dessen seit Jahrhunderten bestehende Polenfeindschaft postuliert, die in der derzeitigen Schwächung der Machtposition Stanisław Augusts besonders deutlich zum Vorschein komme.⁴⁴ Alle diese vereinzelten preußenkritischen Stimmen beunruhigten Lucchesini und Buchholtz aber kaum. Ganz im Gegenteil: Die immer höheren Erwartungen der polnischen Abgeordneten stießen auch beim Preußenkönig auf Unbehagen und letztendlich auf Ablehnung, denn zu diesem Zeitpunkt zog er eine separate Allianz mit Polen-Litauen nicht in Erwägung, da ein so verbindliches Engagement sein ohnehin angespanntes Verhältnis zu Russland und Österreich noch mehr verschlechtert und – vor allem – seine lang gehegten Hoffnungen auf Danzig und Thorn endgültig zunichte gemacht hätte. Er empfahl daher seinen Gesandten in Warschau, mit den „Patrioten“ so zu verhandeln, dass sie den Allianz-Gedanken aufgäben, ohne das der preußischen Regierung entgegengebrachte Vertrauen gleich wieder zu verlieren.⁴⁵ Zum diplomatischen Schwerpunkt der preußischen Ablenkungsstrategie wurden nun die stark forcierte Idee der antiköniglichen Konföderation und der damit zwar direkt zusammenhängende, aber dennoch nicht laut ausgesprochene Plan eines Wechsels auf dem polnischen Thron. Die Aussicht auf einen innenpolitischen Umsturz ermutigte die preußische Anhängerschaft in Polen-Litauen tatsächlich, die Unterstützung des preußischen Königs auch in diesem Punkt zu suchen, um die eigenen Machtpläne realisieren zu können. Am schnellsten reagierten wieder Michał Kazimierz Ogiński und Karol Radziwiłł. Gleich nach der Verlesung der zweiten preußischen Erklärung schickten sie den Oberst Lachnicki mit Briefen nach Berlin, in denen sie Friedrich Wilhelm II. inbrünstig baten, im Fall einer preußisch-russischen Annäherung ihre territorialen Interessen zu wahren.⁴⁶ Besonders schmeichelhaft und mit Komplimenten
Ebenda, Brief vom 22.10.1788, Bl. 606. Ojczyzna do swych synów, in: BO, Manuscripta, 486, Bl. 40. Friedrich Wilhelm II. an Girolamo Lucchesini, 25.11.1788, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 157E, Bl. 44. Ewald Friedrich von Hertzberg an Friedrich Wilhelm II., 15.12.1788, in: Ebenda, Nr. 157B, Bl. 48.
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versehen fiel das Schreiben des Wilnaer Woiwoden Radziwiłł aus; für den erhofften Schutz durch den Preußenkönig, deklarierte er hingebungsvoll, wolle er sich „gänzlich seinem Willen unterwerfen“, „seine Absichten mit allen Kräften“ erfüllen und, falls nötig, sogar „sein eigenes Blut für seine Ehre“ vergießen. Die am Ende des Schreibens geäußerte Bitte, dem Briefboten „entsprechende Befehle“ zu übermitteln, ließ keine Zweifel an Radziwiłłs Bereitschaft, den militärischen Eingriff Preußens in Polen-Litauen mitzutragen.⁴⁷ Neben dem König sollte Lachnicki auch die preußischen Minister für die Angelegenheiten seiner Auftraggeber gewinnen und sie von der Dringlichkeit einer polnisch-preußischen Allianz überzeugen. Zu diesem Zwecke legte der Gesandte der litauischen Magnaten dem Verantwortlichen für die preußische Außenpolitik, Ewald Friedrich von Hertzberg, ein Memorandum unter dem bezeichnenden Titel „Les idées d’un Patriote“ vor. Mit der Zusicherung, diese Schrift vertrete die Mehrheitsmeinung des Reichstags, appellierte er an das Berliner Kabinett, die Verhandlungen über das Bündnis mit Polen-Litauen in Gang zu setzen und der Vergrößerung des polnischen Heeres zuzustimmen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass Russland die Armee zu seinen Gunsten aufstocken, seinen Einfluss auf die Reichstagsabgeordneten ausbauen und damit auch die endgültige Vorherrschaft in Polen gewinnen würde. Des Weiteren wies Lachnicki hin auf die „allgemeine Verehrung“ für Friedrich Wilhelm II. und den vorherrschenden Glauben an seine interessenlose Freundschaft für Polen, was genutzt werden könnte, um die strategische Position Preußens gegenüber den Kaisermächten im Inneren des Landes zu verbessern.⁴⁸ Die Initiative Lachnickis im Namen seiner Auftraggeber Radziwiłł und Ogiński wurde in Berlin mit viel Skepsis aufgenommen. Ähnlich wie der Allianz-Vorschlag der „Patrioten“ wurde auch das Angebot der litauischen Magnaten mit dem Argument abgelehnt, dass Berlin ohne das Einverständnis Stanisław Augusts gar keinen Verhandlungspartner habe. Auf die Vorschläge von einzelnen Magnaten oder der „Patrioten“ könne die Berliner Regierung nicht eingehen, argumentierte Hertzberg, da sie bislang keine generelle Konföderation und damit auch keine Ersatzregierung gebildet hätten.⁴⁹ Der eigentliche Grund für diese ablehnende Haltung waren aber die laufenden Verhandlungen mit Russland. Friedrich Wil-
Copie d’une lettre du Pce Radziwill adressée au Roi en date du 23 Novembre 1788, in: Ebenda, Nr. 147C, Bd. 5, Bl. 38. Vgl. auch ebenda, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 226, Bl. 17. Les idées d’un Patriote. Mémoire présenté par le Colonel Lachnicky[sic!] le 7 Décembre, in: Ebenda, Nr. 27– 226, Bl. 39 – 41. Ewald Friedrich von Hertzberg an Friedrich Wilhelm II., 07.12.1788, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 147C, Bd. 5, Bl. 99.
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helm machte die weitere Entwicklung der preußischen Politik in Polen-Litauen von den Ergebnissen der in Petersburg eingeleiteten Gespräche über eine neue preußisch-russische Annäherung abhängig.⁵⁰ Vor diesem Hintergrund nahm die preußische Regierung eine abwartende Haltung gegenüber ihren willigen polnischen Unterstützern ein und war stets bemüht, deren Allianz-Vorschläge abzulehnen, ohne sich jedoch endgültig die Sympathien dieser Gruppe zu verscherzen. Wie diese Strategie in die diplomatische Praxis umgesetzt wurde, zeigt der Antwortbrief Friedrich Wilhelms II. an Ogiński. Darin versicherte ihm der preußische Herrscher, dass er ihn „in der schwierigen Situation, in die er aufgrund seines Patriotismus geraten kann“, nicht verlassen werde und dass er es für seine Pflicht halte, „ihm seine Protektion zu erweisen“. Das Thema des Bündnisses wurde nicht angesprochen, stattdessen erging sich der König in wiederholten Versicherungen seiner freundschaftlichen Absichten und seiner guten Nachbarschaft.⁵¹ Um die Gunst des preußischen Königs warben aber nicht nur die litauischen Magnaten oder die „Patrioten“. Neben einem erneuten Vorschlag des Woiwoden von Kalisz, Antoni Sułkowski, eine generelle Konföderation in Polen-Litauen zu bilden, wurde Friedrich Wilhelm mit einem neuen Angebot des Hetmanen Seweryn Rzewuski konfrontiert. Dieser Gegner jeglicher Reformen und königlicher Macht, der seiner republikanisch-konservativen Gesinnung in mehreren Schriften Ausdruck verlieh⁵² und später eine entscheidende Rolle bei der prorussischen Konföderation von Targowica spielen sollte, wandte sich zunächst an die preußische Regierung mit dem Plan, unter seiner Führung und mit Beistand Preußens einen politischen Umsturz in Polen-Litauen herbeizuführen. Sein Hauptziel war die Entmachtung Stanisław Augusts und die Sprengung des laufenden Reichstags. Erreichen wollte er diesen Staatsstreich durch eine Konföderation, die in allen Woiwodschaften spätestens bis April 1789 gleichzeitig ausbrechen und sowohl militärisch als auch finanziell zum größten Teil von Preußen getragen werden sollte.⁵³ Interessant erscheint dabei die Form der Übermittlung seiner
Ebenda. Friedrich Wilhelm II. an Michał Kazimierz Ogiński, 16.12.1788, in: Ebenda, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 226, Bl. 46. Vor allem während des Großen Reichstags war Rzewuski publizistisch sehr aktiv. In allen Schriften dieser Zeit tritt er gegen die Erbmonarchie, die Zentralisierung des Staates und die Erweiterung der königlichen Prärogativen auf. Bei seiner Propagierung republikanischer Ansichten stützte er sich besonders gerne auf Rousseau und dessen Verfassungsentwurf für Polen von 1772. Vgl. „O sukcesji tronu w Polsce“ (1789), „Punkta do reformy rządu“ (1790), „O tronie polskim zawsze obieralnym dowody“ (1790). Copie du mémoire du Petit-Général Comte Rzewuski donné par son épouse le 9 Décembre, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 147C, Bd. 5, Bl. 103 – 105. Siehe auch ABCz, Rękopisy i stare druki, 2890, Bl. 305 – 308.
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ambitionierten Pläne, denn obgleich von großer Brisanz, wollte er dennoch nicht persönlich mit dem Berliner Kabinett verhandeln, sondern ließ seine Frau Konstancja, geborene Lubomirska, die zwei von ihm verfassten Memoranden an Hertzberg überreichen, während er selbst die Antwort und Einladung des preußischen Königs in Breslau abwartete. Offensichtlich wollte Rzewuski durch die Vermittlung seiner Frau die Verbindung mit einer der mächtigsten Magnatenfamilien Polens betonen, die bereits bei der Wahl des Sachsenkönigs August II. eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Sich selbst sah er als künftigen polnischen Herrscher und engsten Verbündeten Preußens, als der er in Berlin empfangen werden wollte. Diese Überheblichkeit Rzewuskis war insofern nicht ganz unbegründet, als seine Vorschläge genau den preußischen Plänen in Polen-Litauen entsprachen, was Hertzberg schnell erkannte und Friedrich Wilhelm dazu bewegte, weiteren Gesprächen mit Rzewuski zuzustimmen, ohne ihn jedoch gleich nach Berlin einzuladen.⁵⁴ Erst als sich der Warschauer Gesandte Lucchesini negativ über Rzewuskis politischen Alleingang äußerte und ihm vorwarf, die innere Situation des Landes falsch einzuschätzen, beschloss die Berliner Regierung, die Verhandlungen mit ihm abzubrechen und seine Vorschläge zu verwerfen.⁵⁵ Besonders auffallend bei all den Gesuchen von polnischen Staatsmännern ist die Abneigung dem polnischen König gegenüber; zur Bedingung ihrer Zusammenarbeit mit Preußen hatten sie deshalb entweder seine vollständige Entmachtung oder zumindest die Schwächung seiner Position gemacht. Diese Entschlossenheit in der „Königsfrage“ hing unmittelbar mit der neuen politischen Situation zusammen, wie man sie nach Ausbruch einer allgemeinen Konföderation vorhersah: Der erhoffte preußisch-russische Konflikt in Polen hätte sicherlich die Stellung des Favoriten Petersburgs, Stanisław August, als Garanten der polnisch-russischen Verbindung geschwächt oder ihn sogar den Thron gekostet. Eine erneute Allianz mit Russland, so die Hoffnungen der antiköniglichen Opposition, würde Friedrich Wilhelm II. zu einem Eingreifen im Sinne der Interessen seiner polnischen Anhängerschaft bewegen, womit zugleich die Frage der Thronfolge neu zu definieren wäre. Fest davon überzeugt, dass die polnische Königswürde bald für vakant erklärt würde, schmiedeten viele Adelshäuser und oppositionelle Interessengruppen ehrgeizige Pläne hinsichtlich ihrer künftigen Rolle unter einem neuen König. Neben vereinzelten Magnaten und Hetmanen wie Rzewuski oder Sułkowski, die insgeheim erwartet hatten, durch ihr Eintreten für Preußen selbst Mehr dazu in: Kucharski, Działalność dyplomacji, S. 35 – 37. Observations sur l’écrit du Comt Rzewuski, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 157C, Bl. 71– 74; Rzewuski, Reflexion sur une Diete toujours existante et Continuelle, ou prorogeé tant que la guerre durera, in: Ebenda, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 226, Bl. 25 – 27 f.
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als Thronkandidaten gehandelt zu werden, zeichneten sich innerhalb der „Patrioten“-Partei zwei dominante Tendenzen in den Spekulationen über die Nachfolge von Stanisław August ab: Während ein kleinerer Teil der Parteiführung seine Hoffnungen auf Czartoryskis Schwiegersohn Ludwig von Württemberg setzte, konzentrierte sich die Mehrheit auf die Forcierung einer sächsischen Kandidatur aus der Dynastie der Wettiner. Die Hauptvoraussetzung war in beiden Fällen allerdings die gleiche: die Unterstützung Preußens. Die Idee, Stanisław August zu entthronen oder rechtzeitig eine Erbfolge zu bestimmen, kursierte bereits zu Beginn des Jahres 1787. Als erster Prätendent wurde der Enkel Katharinas II., Großfürst Konstantin, gehandelt. Das Memorandum von Stanisław Szczęsny Potocki an die russische Kaiserin sah beispielsweise vor, die Familie von Stanisław August mit dem Herzogtum Kurland oder mehreren Starosteien zu befriedigen und die polnische Thronfolge Russland zu überlassen, unter Beibehaltung der staatlichen Unabhängigkeit Polens.⁵⁶ Die Kandidatur des Großfürsten Konstantin war ein Versuch der Gegner Stanisław Augusts, den amtierenden König und seine Dynastie als die Hauptmittler und Vollstrecker der russischen Interessen in Polen-Litauen zu eliminieren und diese Funktion einem anderen Adelshaus anzuvertrauen. Die Ambitionen, mit russischer Protektion zu angesehenen und machtpolitisch starken Hoffamilien aufzusteigen, waren jedenfalls groß. Ein Problem hatte der interessierte Adel dabei aber nicht berücksichtigt: Das letzte preußisch-russische Traktat von 1775 legte eindeutig fest, dass der polnische Thron nur von „einem Piasten“ besetzt werden dürfe, um alle Dynastien, die in familiärer Verbindung mit einem der Vertragspartner standen, rechtzeitig auszuschließen und damit Interessenskonflikte in der Rzeszpospolita zu vermeiden. Solange die preußisch-russische Allianz bestand, konnte keiner der benachbarten Höfe auffällige Schritte gegen die herrschende Vereinbarung über die polnische Thronfolge unternehmen. Die fortschreitende Verschlechterung der Beziehungen motivierte allerdings die preußische Regierung, die „polnische Königsfrage“ nicht ganz aus den Augen zu verlieren, zumal Russland unbeugsam und unnachgiebig auf Stanisław August beharrte, der in Berlin nicht gerade als preußenfreundlich galt.⁵⁷ Zweifellos erkannte die antikönigliche Opposition das geheime Bestreben Berlins, den polnischen Thron künftig mit einem preußenfreundlicheren Kandidaten zu besetzen. Sie wusste auch, dass Friedrich Wilhelm II. keinen Widerstand leisten würde, wenn sie diese diffizile Aufgabe übernähme und sich eigenständig
Siehe dazu Zofia Zielińska, „O sukcesyi tronu w Polszcze“ 1787– 1790, Warszawa 1991, S. 43 – 45. Ebenda, S. 44.
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nach einem geeigneten und beide Seite zufriedenstellenden Königsprätendenten umschaute. Spätestens seit dem Beginn des Großen Reichstags, im Herbst 1788, lief daher ihre Suche auf Hochtouren. Für einen Teil der oppositionellen „Patrioten“-Partei stand die Entscheidung, wie erwähnt, seit langem fest: Ludwig von Württemberg.⁵⁸ Als Neffe des preußischen Königs, Schwiegersohn eines ihrer Führer und schließlich Bruder der zukünftigen russischen Kaiserin galt er für sie als der aussichtsreichste Anwärter, wenngleich seine Person durchaus umstritten war und sich keiner großen Beliebtheit erfreute. Von seiner Wahl versprach man sich nicht nur die Entschärfung interner Konflikte, sondern aufgrund seiner familiären Verbindungen zu beiden Nachbarmächten auch deren zukünftigen Beistand, und dies unabhängig von der weiteren Entwicklung der bilateralen preußisch-russischen Beziehungen. Besonders aktiv wurden die Anhänger einer Kandidatur Ludwigs nach der Bekanntmachung der zweiten Berliner Erklärung. Das Versprechen des preußischen Königs, sich nicht in die internen Angelegenheiten Polen-Litauens einzumischen und sie bei ihren angestrebten Reformen unterstützen zu wollen, deuteten sie als grünes Licht für ihre Thronpläne. Leider sind keine aussagekräftigen Dokumente der Anhängerschaft Ludwigs überliefert, die deren verstärkte Aktivität zu diesem Zeitpunkt bestätigen würden. Lediglich ihre Gegner registrierten die aufziehende Gefahr, allen voran der Hauptbetroffene Stanisław August. Ende November beklagte er sich gegenüber seinem Gesandten in Russland: „Jetzt, da sich die oppositionelle Partei die preußische Protektion gesichert und eine zahlenmäßig starke Partei gegründet hat, hofft sie [Izabela Czartoryska, A.P.], ihre Tochter mit ihrem Ehemann Württemberg zum Thron zu führen, vorausgesetzt sie werden mich los, egal, ob durch meinen Tod oder eine Revolution.“⁵⁹
Die „preußische Protektion“ sicherte sich Izabela Czartoryska dank Lucchesini, der, dem Befehl seines Herrschers folgend, Polen für Preußen zu gewinnen, allen bedeutenden Häusern, die machtpolitische Pläne hegten, die Beihilfe der Berliner Regierung versprach. Außerdem wusste der gewandte Marchese, dass die Czartoryski schon einmal zugunsten ihres Verwandten Stanisław August auf den Thron verzichten mussten und deshalb empfänglich für die preußischen Versprechungen und Kooperationsvorschläge sein würden.⁶⁰ In Wirklichkeit aber maß Friedrich Wilhelm II. der Idee, den polnischen Thron mit seinem Neffen Ludwig von Württemberg zu besetzen, keinerlei Bedeutung bei. Angesichts der politischen
Vgl. Zielińska, Studia z dziejów, S. 226. Stanisław August an Antoni Deboli, 26.11.1788, in: AGAD, Zbiór Popielów, 417, Bl. 645. Vgl. Dembiński, Polska na przełomie, S. 145 f.
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Situation und seines Konfliktes mit Russland hielt er die Thronambitionen der Czartoryski für abwegig und „jamais admissible“. Trotzdem empfahl er Lucchesini, den Fürsten und seine „schöne Schwiegermutter“ nicht ganz zu entmutigen, weil sich das negativ auf die preußenfreundliche Stimmung innerhalb der Partei, der er angehörte, auswirken könnte.⁶¹ Die fehlende Eindeutigkeit in der Positionierung der preußischen Regierung bezüglich der Kandidatur Ludwigs von Württemberg ließ die Familie Czartoryski und einige Mitglieder der „Patrioten“ einige Zeit hoffen, dass Friedrich Wilhelm II. insgeheim seinen Neffen stütze und im Fall einer günstigeren politischen Konstellation in Europa Partei für ihn ergreifen werde.⁶² Wie populär dieses Gerücht während des Reichstags gewesen sein muss, davon zeugt die Rede eines Posener Abgeordneten vom 12. April 1790, in der er sein Veto in der Diskussion über die Ernennung des Fürsten von Württemberg zum General einlegte und argumentierte, dieser sei mit vielen europäischen Höfen verwandt und durch die Generalswürde bestünde die Gefahr, dass er seine starke Militärmacht bei der „Thronelektion und Königsnachfolge“ mit Hilfe der Nachbarhöfe ausspielen könnte. Der nächste polnische König solle aber nicht „durch seine Militärmacht, sondern lediglich durch die Herzensmacht seiner Bürger“ auf den Thron gelangen.⁶³ Mit seiner negativen Meinung über den Schwiegersohn der Czartoryski stand der Abgeordnete aus Posen beileibe nicht allein. Ludwig von Württemberg war sehr unpopulär in Polen und wegen seiner engen Verwandtschaftsbeziehungen mit der russischen Großfürstin und Friedrich Wilhelm II. wurde er häufig verdächtigt, ein hinterlistiger Agent zu sein, der für beide Mächte spioniere und kein wirkliches Verständnis für die polnischen Angelegenheiten zeige.⁶⁴
Friedrich Wilhelm II. an Girolamo Lucchesini, 05.11.1788, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 157E, Bl. 29. Zwar versicherte Czartoryski dem polnischen König im Sommer 1789, dass er nicht daran denke, seinen Schwiegersohn als Thronprätendenten zu lancieren, doch das Gerücht darüber hielt sich durchgehend. In mehreren Berichten und Briefen von Beobachtern und Teilnehmern des Reichstags taucht es immer wieder auf. Vgl. Stanisław August an Antoni Deboli, 22.08.1789, in: AGAD, Zbiór Popielów, 414, Bl. 423; Brief von Benedykt Hulewicz, 16.06.1790, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 3472, Bl. 82 f. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch seine Bemerkung, wonach der Fürst von Württemberg unter der Führung von Friedrich II., der den Ruf eines „unbesiegbaren, gleichwohl bekämpfbaren Lehrers genießt“, seine Kriegskunst erlernt habe. Rede von Ignacy Wyssogott Zakrzewski, 12.04.1790, in: AGAD, Archiwum Sejmu Czteroletniego, 6, Bl. 547– 479. Vgl. Zielińska, „O sukcesyi tronu w Polszcze“, S. 56. Negatives über Württemberg auch in einem Brief von Stanisław Kostka Potocki an Aleksandra Potocka, 01.11.1788, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 262 I., Bl. 940.
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Nicht ausgeschlossen, dass dem Berliner Kabinett die in Polen vorherrschende Abneigung dem königlichen Neffen gegenüber bekannt war und es deshalb seine Thronkandidatur zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Erwähnung zog. Der Hauptgrund dieses Desinteresses waren aber die arrangierten Geheimverhandlungen mit dem sächsischen Haus Wettin über die Nachfolge von Stanisław August. Obwohl Friedrich Wilhelm II. die polnische Thronfolgefrage offiziell vermied, erlaubte er seinem engsten Vertrauten und rosenkreuzerischen Verbündeten, Johann Rudolf von Bischoffwerder, Gespräche mit Dresden aufzunehmen und zu sondieren, ob das Wettiner Haus tatsächlich bereit wäre, erneut die Macht in Polen-Litauen zu übernehmen. Bereits im September 1788 vertraute Bischoffwerder dem sächsischen Gesandten Friedrich August von Zinzendorf an, dass die Polen ernsthaft darüber nachdächten, die Frage der Thronfolge neu zu entscheiden, die Krone erblich zu machen, um sie unter gleichzeitiger Einführung der englischen Verfassung dem sächsischen Hause anzubieten; selbst Stanisław August sei damit einverstanden. Prinz Ludwig von Württemberg, der von einigen als künftiger König gehandelt werde, dürfte schwerlich Aussicht darauf haben. „Sollte der Kurfürst Friedrich August III. die Krone nicht annehmen, so würde die Wahl auf seinen Bruder, den Prinzen Maximilian fallen, jedoch unter der Bedingung, dass er sich mit einer deutschen Prinzessin vermähle.“⁶⁵ So ausgeklügelt und geschickt diese Vorschläge auch formuliert waren, so wenig konnte sich das Berliner Kabinett ihrer Autorenschaft rühmen, denn sie waren in Schweden entworfen und in Form eines Memorandums im Mai 1788 der preußischen Regierung überreicht worden. Ziel der schwedischen Parteinahme für die Einführung der Erbmonarchie mit dem Hause Wettin war der Versuch, Polen-Litauen mit preußischer Unterstützung zu stärken, damit es Russland die Stirn bieten und der inoffiziellen antirussischen Allianz in Europa als leistungsfähiger Partner beitreten konnte.⁶⁶ Die Hoffnungen der Wettiner auf die erneute Übernahme der polnischen Krone waren groß und bereits vor dem preußischen Angebot erwacht, dennoch blieb das Dresdner Kabinett zunächst skeptisch und reagierte zurückhaltend auf
Eine ausführliche Auseinandersetzung zum Thema preußisch-sächsische Verhandlungen findet man bei Theodor Flathe, Die Verhandlungen über die dem Kurfürsten Friedrich August III. von Sachsen angebotene Thronfolge in Polen und der Sächsische Geheime Legationsrath von Essen, in: Jahresbericht über die königliche Landesschule Meißen vom Juli 1869 bis Juli 1870, Meißen 1870, S. 4. August Franz von Essen an das Dresdner Kabinett, 10.04.1788, in: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026, Geheimes Kabinett, Loc 3570/14, Bl. 105 – 107. Die polnische Übersetzung des Memorandum in: Lars Warzyniec Engelström, Pamiętniki, Poznań 1875, S. 71– 73.
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das preußisch-schwedische Angebot.⁶⁷ Vor allem fürchtete es, zu einem Spielball der preußischen Russlandpolitik zu werden und dabei seine Neutralität gegenüber den auswärtigen Mächten zu verlieren. Auch der Plan mit dem Prinzen Maximilian wurde zurückgewiesen, weil dies die Gefahr eines innerfamiliären Konfliktes in sich barg, und schließlich vermisste man in Dresden eine breite Zustimmung der polnischen Seite für die sächsische Thronfolge. Die Berliner Regierung deutete die Zurückhaltung Dresdens jedoch als diplomatische Strategie der Absicherung. Im Januar 1789 ergriff Bischoffwerder daher wieder die Gelegenheit, um Zinzendorf zu versichern, Friedrich Wilhelm II. betrachte den Kurfürsten von jeher als den einzigen, dessen Inthronisierung nicht allein der polnischen Nation, sondern auch allen Nachbarmächten zusagen würde.⁶⁸ Was Bischoffwerder in seinen Sondierungsgesprächen aber komplett verschwieg, war die preußische Unwilligkeit, in Polen-Litauen eine Erbmonarchie einzuführen. Wohl wissend, dass „la succession héréditaire“ die bisherigen Einflüsse der Nachbarhöfe auf die inneren Angelegenheiten Polen-Litauens beschränken und es so zu einem starken Nachbarn machen könnte, versuchte Berlin, seine Gespräche mit den sächsischen Diplomaten auf „la succession future“ zu konzentrieren, welche „nur“ die Nachfolge von Stanisław August regeln sollte.⁶⁹ Das preußische Ausweichmanöver war daher für die sächsische Regierung leicht zu durchschauen, weshalb die gegenseitigen Verhandlungen ins Stocken gerieten und das Vorhaben, die polnische Thronfolge schnell zu klären, immer unrealistischer erschien. Trotz der gepflegten Höflichkeitsfloskeln und unverbindlichen Zusagen beharrten beide Seiten auf ihren Bedingungen und zeigten keinerlei Bereitschaft, davon abzurücken. Die anhaltende Unnachgiebigkeit Sachsens und Preußens beunruhigte die polnische Anhängerschaft der Wettiner, denn sie gefährdete ihren längst eingefädelten Plan, mit Hilfe Preußens die polnische Krone für das sächsische Haus zu sichern. Um dieser Gefahr zu entgehen und die preußische Regierung zum Entgegenkommen zu bewegen, entschloss man sich, Preußen als den einzigen Garanten der sächsischen Kandidatur in Polen-Litauen darzustellen. Die steigende Popularität Preußens während der ersten Monate des Großen Reichstags ist
Vgl. August Franz von Essen an das Dresdner Kabinett, 14.05.1788, in: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026, Geheimes Kabinett, Loc 3570/14, Bl. 148 – 149 f. Ebenda. Bischoffwerder war nicht der Erste, der die Verhandlungen mit Sachsen anstieß. Bereits im April 1788 berichtete der sächsische Gesandte in Warschau, von Essen, dass ihn der preußische Resident Buchholtz auf dieses Thema angesprochen habe. August Franz von Essen an das Dresdner Kabinett, 19.04.1788, in: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026, Geheimes Kabinett, Loc 3570/14, Bl. 113. Vgl. Zielińska, „O sukcesyi tronu w Polszcze“, S. 57.
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somit nicht allein auf die mit Begeisterung aufgenommenen Erklärungen der preußischen Regierung oder die steigende Russlandfeindlichkeit zurückzuführen, sondern auch auf das intensive Lobbying der sächsischen Anhängerschaft, die sich vorwiegend aus den moderaten Mitgliedern der „Patrioten“-Partei zusammensetzte, unter dem Einfluss des sächsischen Gesandten August Franz von Essen stand und bemüht war, auch den polnischen König für ihr Thronprojekt zu gewinnen. In einem Bericht an Friedrich Wilhelm II. vom Dezember 1788 zählte Buchholtz die Familien auf, die seiner Ansicht nach zu dieser „sächsischen Gruppe“ gehörten. Auf seiner Liste findet man so einflussreiche Namen wie Sanguszko, Czartoryski, Bieliński, Małachowski, Czacki, Jabłonowski, Krasiński und Lubomirski, wobei der preußische Gesandte auch betonte, dass diese Herren für die Wahl des Prinzen Maximilian plädieren würden, sofern er eine preußische Königstochter heirate.⁷⁰ Die Bemühungen der „sächsischen Gruppe“, die weit über die von Buchholtz erwähnten Adelshäuser hinausging, gewannen an Brisanz und Virulenz, als sich im Laufe des Jahres 1788 der Gesundheitszustand von Stanisław August verschlechterte und die Frage seiner Nachfolge alle Parteien intensiv beschäftigte. In diesem günstigen Moment konzentrierten sich die Anhänger der sächsischen Kandidatur vor allem darauf, den König und seine Parteigänger für ihren Plan zu gewinnen. Die Aufgabe war umso schwieriger, als Stanisław August eine eindeutig prorussische Haltung vertrat und nicht geneigt war, seine Nachfolge allein mit preußischer Unterstützung zu regeln. Gleichzeitig wusste der Monarch, dass er angesichts der vorherrschenden Preußensympathie im Lande das Angebot der Zusammenarbeit nicht ablehnen konnte, wenn er den Vorwurf des Verrats vermeiden wollte.⁷¹ Das Dilemma Stanisław Augusts nutzte die „sächsische Gruppe“, indem sie geschickt die Leute aus seinem Anhängerkreis für die auf Preußen orientierte „Patrioten“-Partei abwarb und ihn damit noch mehr unter Druck setzte. Mit dieser diffizilen und verantwortungsvollen Überzeugungsmission wurde kein Geringerer als einer der wichtigsten Intellektuellen und Staatsmänner der polnischen Aufklärung, Hugo Kołłątaj, betraut. Zunächst setzte er sich zum Ziel, den Bruder Stanisław Augusts, Michał Poniatowski, der als Primas von Polen-Litauen großen Einfluss hatte, auf die Seite der „Patrioten“ zu ziehen und dessen Zustimmung für die sächsische Thronfolge zu gewinnen. In mehreren Briefen schilderte er dem Primas, wie verheerend sich eine politische Spaltung auf die Zukunft des Landes auswirken könne, und dass die an der Grenze versammelten
Ludwig von Buchholtz an Friedrich Wilhelm II., 06.12.1788, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 157D, Bl. 190 f. Stanisław August an Antoni Deboli, 12.12.1789, in: AGAD, Zbiór Popielów, 414, Bl. 575.
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preußischen Truppen nur darauf warteten, im Fall einer Konföderation einzumarschieren und den inneren Konflikt zugunsten der „Patrioten“ zu entscheiden.⁷² Wolle er sich und seinem königlichen Bruder „Sorgen ersparen“, sollte er schnellstmöglich Gespräche mit den preußischen Gesandten Lucchesini und Buchholtz aufnehmen. Seine und die des Königs Annäherung an die preußischen Diplomaten würde den Weg für die Wiedergewinnung der staatlichen Souveränität ebnen, die Einführung der Erbmonarchie ermöglichen und endlich die geplante Allianz mit Preußen, England und dem Reich beschleunigen.⁷³ Kołłątajs Argumente blieben nicht wirkungslos, denn nach kurzem Zögern und anschließenden Gesprächen mit seinem älteren Bruder, dem König, entschloss sich Poniatowski, Verhandlungen mit den preußischen Gesandten aufzunehmen.⁷⁴ Kołłątaj, selbst katholischer Priester und ehemaliger Rektor der Krakauer Akademie, kannte seinen Dienstherren Poniatowski jedoch zu gut, als dass er sich allein auf dessen Gespräche mit Lucchesini und Buchholtz verlassen hätte. Seine Vorbehalte gegen Preußen waren Kołłątaj vertraut und er wusste genau, dass sich der Primas dem politischen Plan der „Patrioten“-Partei ohne weiteren Druck niemals anschließen würde. Verstärkt widmete er sich daher gezielter publizistischer Arbeit, um das Preußenbild im königlichen Lager aufzuwerten. In Rahmen dieser Mission und im Dienste der „Patrioten“ verfasste er ein Traktat unter dem bezeichnenden Titel „Bemerkungen über den Einfluss zweier Mächte auf die polnischen Interessen und die Frage danach, was uns in dieser Situation zu tun bleibt“, in dem er explizit auf die Geschichte der polnisch-preußischen Beziehungen eingeht sowie den historischen und gegenwärtigen Einfluss Russlands auf Polen analysiert.⁷⁵ Gleich aus dem ersten Abschnitt seines Traktats wird ersichtlich, mit welchen rhetorischen Mitteln der aktive Publizist und Schriftsteller Kołłątaj seine Leserschaft überzeugen wollte. Während er Katharina II. als die erbarmungsloseste Herrscherin Europas darstellt, deren Politik auf die Degra-
Vgl. Hugo Kołłątaj an Michał Poniatowski, 15.02.1789, in: PAU, Rękopisy, 194, S. 181– 183. Ebenda. In einem Brief von Girolamo Lucchesini an Friedrich Wilhelm II., 20.12.1788, berichtet der preußische Gesandte in Warschau, dass ihm vom sächsischen Gesandten von Essen die Information übermittelt wurde, wonach sich der polnische König und der Primas für die sächsische Thronfolge aussprechen würden. In: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 231, Bl. 92. Hugo Kołłątaj, Uwagi nad wpływaniem do interesow Rzeczypospolitej dwóch mocarstw, z zastanowieniem się, con nam w tych okolicznościach czynić zostaje, in: Zielińska, Kołłątaj i orientacja pruska, S. 63 – 107. Wann diese an die königliche Anhängerschaft gerichtete Schrift genau entstand, ist schwer zu ermitteln. Die polnische Historikerin Zofia Zielińska datiert ihre Entstehung auf Ende 1788, auf die Zeit also, in der Kołłątaj gerade seine Korrespondenz mit Primas Poniatowski führte. Vgl. Ebenda, S. 25.
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dierung Polens zur russischen Provinz abziele, charakterisierte er Friedrich Wilhelm II. als ein „seltenes Geschenk des Himmels“ und einen „Freund der Menschheit“, der „die von den fremden Mächten unterdrückten Nationen zu befreien erstrebe“.⁷⁶ Um die Vorzüge des Preußenkönigs noch stärker hervorzuheben, verglich er ihn nicht nur mit Katharina II., sondern auch mit Friedrich II., und betonte, der jetzige Monarch sei mit seinem legendären Vorgänger nicht gleichzusetzen, denn im Gegensatz zu diesem hege Friedrich Wilhelm II. Polen gegenüber keine „besitzergreifenden Absichten“.⁷⁷ Kołłątaj bemühte sich trotz dieser Unterscheidungen, eine linear-positive Geschichte der polnisch-preußischen Wechselbeziehungen zu erzählen. Er rechtfertigte daher Friedrich II., indem er Russland als Hauptinitiator der ersten Teilung bezeichnete. Außerdem sollte man, seiner Meinung nach, „das Gedenken an Friedrich II. schon deshalb nicht verdammen“, weil dieser als „Nachfolger von Herzog Albrecht, also als ein Nachfahre des Hauses der Jagiellonen“ anzusehen sei. Mit dem Argument, das preußische Königshaus sei „Knochen aus unseren Knochen“ und Preußen eine „Nation aus unserer Nation“, konnte Kołłątaj leicht erklären, warum es berechtigt und notwendig sei, „einen Hohenzollern auf den polnischen Thron zu setzen“.⁷⁸ Zugleich betonte er jedoch, dass das sächsische Haus ebenfalls mit den Jagiellonen verwandt sei und damit nicht minder berechtigt, die polnische Krone zu tragen. Die beste Lösung wäre daher, wenn „Maximilian, der jüngste Bruder des Kurfürsten, die Tochter des preußischen Königs heiraten, und wenn die Tochter des Kurfürsten für den künftigen Monarchen Preußens bestimmt würde.“ ⁷⁹ Damit setzte sich Kołłątaj für die Bildung einer starken Allianz zwischen Preußen und Sachsen ein, die zementiert werden sollte durch die gemeinsame Bestimmung der polnischen Thronfolge. Die Einführung der preußisch-sächsischen Erbfolge betrachtete er, neben der Allianz mit Preußen und der Vergrößerung der Armee, als die wichtigste Reform, die der Reichstag zu verabschieden hätte.⁸⁰ Sollte das königliche Lager, durch seine Anbindung an Russland, diese aber verhindern und den „Absichten des preußischen Königs unehrlich entgegentreten“, dann werde auf diese Weise „sein Vaterland am schlimmsten verraten, denn unter dem Schein des Patriotismus wird das Königslager versuchen, bei der Mehrheit der Nation
Ebenda, S. 77. Ebenda. Ebenda, S. 80 – 82. Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490 – 1568) war der erste Herzog von Preußen.Väterlicherseits stammte er von den Hohenzollern und mütterlicherseits tatsächlich von den Jagiellonen ab. Seine Mutter war die Tochter des polnischen Königs Kazimierz IV. Jagiełło. Ebenda, S. 103 f. Ebenda, S. 96.
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Gefallen zu finden und Polen daran zu hindern, sich von der Moskauer Abhängigkeit zu befreien.“⁸¹ In keiner anderen Schrift aus der Zeit des Großen Reichstags wurde mit derartiger Deutlichkeit und Intensität die Verbindung zwischen Patriotismus und Preußenfreundschaft hervorgehoben. Zwar lassen sich ähnliche Formulierungen bereits in einzelnen Reden der Abgeordneten aus der „Patrioten“-Partei finden, doch in keiner programmatischen Stellungnahme (auch nicht vor dem Reichstag) gab es bis dahin Versuche, eine preußenfreundliche Stimmung als historische Notwendigkeit zu präsentieren. Um dies zu erreichen, zögerte Kołłątaj nicht, eine seit Jahrhunderten bestehende Blutsverwandtschaft zwischen Hohenzollern und Jagiellonen zu behaupten und die polenfeindliche Politik Preußens, allen voran Friedrichs II., nachträglich zu rechtfertigen. Folgerichtig bezeichnete er die Annexion der polnischen Gebiete durch Preußen während der ersten Teilung als gerechtfertigte Rückeroberung derjenigen Territorien, die „seit Albrecht zu Preußen gehört hatten“ und die durch Polen unberechtigterweise besetzt wurden.⁸² Das führende Mitglied der „Patrioten“-Partei übernahm somit – womöglich unbedacht – die Argumentationsstrategie der preußischen Regierung aus der Teilungszeit, die mit wortgleichen Argumenten die Eroberungspolitik Friedrichs II. legitimierte. Genau darin liegt aber auch die Problematik dieses, als Propagandaschrift konzipierten, Traktats. Sein zweckmäßiger demagogischer Ton verwundert wenig, seine simplifizierende Geschichtsklitterung verblüfft dagegen umso mehr, als sie aus der Feder eines der wichtigsten Intellektuellen Polens stammt. Kennzeichnend für Kołłątajs zahlreiche Publikationen war immer eine konstruktive und historisch bedachte Kritik an dem fehlenden Reformwillen. Ohne eine Spur von politischem Opportunismus bemühte er sich, die Fehler der Vergangenheit aufzuzeigen und eine parteiübergreifende Reformbewegung anzuregen. Welche Motive ihn nun zu einer solch parteiischen Stellungnahme bewogen, lässt sich wohl am besten mit seinem Verhältnis zu Russland erklären. An einer Stelle seines Traktats betont er, dass es den Polen nicht gleichgültig sein sollte, unter welche Herrschaft sie im Falle einer erneuten Teilung Polens zwischen Russland und Preußen gelangen. Für ihn persönlich jedenfalls wäre es schlimmer, „den Befehlen aus Moskau“ als jenen aus Berlin zu gehorchen.⁸³ „Moskau“ oder Berlin, das war für Kołłątaj die einzige politische Alternative und er engagierte sich als Publizist dafür, die gesellschaftliche Mehrheit von der Wahl Preußens zu überzeugen. Unter der russischen Vorherrschaft würden die Polen aufhören,
Ebenda, S. 101. Ebenda, S. 82. Ebenda, S. 93.
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„polnische Nation“ zu sein und unvermeidlich zu „Knechten Russlands“ werden. Mit ihrer Entscheidung für Preußen hätten sie hingegen die Möglichkeit, die „Ketten der Fremdherrschaft“ zu sprengen und die polnische Nation von der russischen Unterdrückung zu befreien.⁸⁴ Obwohl dieser eindringliche Appell Kołłątajs erst im 20. Jahrhundert veröffentlicht wurde und bis dahin nur in Abschriften kursierte⁸⁵, erklärt er plausibel, worauf die polnische Preußensympathie in den ersten Monaten des Großen Reichstags zurückzuführen ist und warum sie mit solcher Vehemenz gepflegt wurde. Auslösender Faktor für das polnische Preußenbild dieser Zeit war die herrschende Russlandfeindlichkeit; vor allem in dieser Perspektive wurden die Beziehungen zu Preußen in Vergangenheit und Gegenwart interpretiert und der preußische König wahrgenommen. Die auf einer antirussischen Einstellung basierende Preußenfreundlichkeit hob Kołłątaj noch deutlicher hervor in seiner Schrift aus dem Jahre 1789 unter dem weitschweifigen Titel „Reflexionen, der Ankunft eines ausländischen Ministers in Polen vorausgehend, der (wie das Publikum behauptete) nicht zurückkommen wollte“. Hinter dem ominösen Ausländer wurde Lucchesini vermutet, dem Kołłątaj nicht nur die Kritik an der prorussischen Orientierung vieler Abgeordneter in den Mund legte, sondern auch die Verurteilung ihrer Streitsucht und ihres Reformunwillens: „Gerade in dem Moment, in dem die Erhabenheit der benachbarten Macht [Preußen, A.P.], die euch unterstützt, die Ketten eurer Sklaverei sprengte, wurdet ihr von internen Streitigkeiten ergriffen. Die Schmähschriften und Machtkämpfe teilten die Reichstagskammer in sich widersprechende Parteien auf. […] In Wirklichkeit sind dafür die Diener Moskaus verantwortlich. Mit Moskauer Erlaubnis wenden sie die stärksten Mittel an, damit Russland seine Truppen im Lande halten kann, ihr keine Reformen durchführt und eure Anarchie Verachtung beim preußischen König weckt.“⁸⁶
Ebenda, S. 88 – 92. Kopien des Traktats wurden auch dem sächsischen und preußischen Gesandten in Warschau überreicht. Einen Hinweis darauf findet man in der anonymen Beschreibung des Manuskriptes, das sich in der Biblioteka Jagiellońska in Krakau befindet, in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 5613, S. 1. Hugo Kołłątaj, Refleksye, poprzedzające przyjazd do Polski jednego z ministrów zagranicznych, który to (jak publiczność twierdziła) powrócić nie miał, wytłumaczone z francuskiego, in: Michał Janik, Hugo Kołłątaj, Lwów 1913, S. 119 – 120.
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2. Die polnische Preußenfreundschaft zwischen Opportunismus und Überzeugung Die veränderte politische Stimmung in Warschau war auch Katharina II. nicht entgangen. Bereits im Herbst 1788 erkannte sie, dass Russland seine protektionistische Rolle in Polen-Litauen verloren hatte. Nicht ohne Verbitterung bemerkte sie in einem Brief an Potemkin: „Der Hass gegen uns ist jetzt in Polen groß und glühend geworden. Die Liebe zum preußischen König scheint dagegen dauerhaft zu sein.“⁸⁷ Diese dominierende Sympathie für Preußen, verbunden mit der Abneigung gegen Russland, beunruhigte auch ihren bisherigen Schützling Stanisław August, denn die neue politische Orientierung im Reichstag schwächte seine ohnehin angeschlagene Position und lähmte seine Handlungsfähigkeit. Dem Vorwurf des Verrats ausgesetzt, wurde er von seinen Gegnern immer mehr gedrängt, eine eindeutig antirussische Stellung zu beziehen. Doch der polnische Monarch wollte sich dem Druck seiner Opponenten nicht beugen, wusste er doch, dass ihn der Bruch mit Katharina II. unweigerlich in die Arme von Friedrich Wilhelm II. treiben würde. Dessen polenfreundliche Erklärungen hielt er lediglich für eine geschickte Ablenkungsstrategie, um später Danzig annektieren zu können.⁸⁸ Angesichts der herrschenden Stimmung im Lande konnte er sich aber dennoch nicht erlauben, eine offene antipreußische Position zu beziehen und seinen bevorzugten prorussischen Kurs vorbehaltlos zu forcieren. In dieser Zwickmühle aus innen- und außenpolitischen Interessen entschloss er sich, die Idee der preußisch-russischen Versöhnung zu propagieren und sich als Mittler zwischen den entzweiten Höfen anzubieten.⁸⁹ Auf diese Weise hoffte er, seiner russischen Gönnerin entgegenzukommen und gleichzeitig den, von seinen Gegnern erhobenen, Vorwurf des Verrats zu entkräften. Obwohl Stanisław August keinen guten Ruf bei der preußischen Regierung genoss und von ihr für ein Sprachohr Russlands gehalten wurde, kam ihr der selbsternannte Mittler nicht ganz ungelegen.⁹⁰ Im Laufe des Jahres 1788 ließen sich verstärkte Versuche beobachten, eine preußisch-russische Annäherung herbeizuführen und die polnischen Angelegenheiten in beiderseitigem Einvernehmen zu ordnen.⁹¹ Ein versöhnlich gesinnter polnischer König, der seine innere
Zit. nach Profaska, Stosunek polskich elit, S. 202. Stanisław August an Antoni Deboli, 26.11.1788, in: AGAD, Zbiór Popielów, 417, Bl. 644. Stanisław August an Bernard Zabłocki, 17.12.1788, in: PAU, Rękopisy, 1654, Bl. 208. Über die negative Einstellung der preußischen Regierung zum polnischen König wurde Stanisław August regelmäßig von seinem Berliner Gesandten Bernard Zabłocki informiert. Ausführlich dazu Dembiński, Polska na przełomie, S. 196. Vgl. Paul Wittichen, Die polnische Politik Preußens 1788 – 1790, Göttingen 1899, S. 17– 19.
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antirussische Einstellung wenigstens aus innenpolitischen Gründen im Zaume hielt, wurde daher in Berlin mit Wohlwollen betrachtet. Anders dagegen reagierte die polnische Opposition: Alarmiert beargwöhnte sie die Versuche Stanisław Augusts, die polnische Bündnispolitik eigenmächtig bestimmen zu wollen. Um diesen königlichen Alleingang zu stoppen, setzte sie sich verstärkt dafür ein, das lange geplante Gesetz über die Konstituierung einer parlamentarischen Kontrollkommission zur Außenpolitik möglichst schnell zu verabschieden. Bereits im Dezember 1788 wurde auf einer Reichstagssitzung der Vorschlag eingebracht, im Namen des versammelten Reichstags neue Gesandte an die benachbarten Höfe zu schicken und somit „die politische Isolation Polens zu durchbrechen“.⁹² Angesichts dieser Entscheidung wurde Stanisław August die Aufsicht über die Außenpolitik komplett entzogen und in die Hände der Opposition gelegt. Aus ihrem Kreis rekrutierten sich die meisten Mitglieder der neu gegründeten „Deputation für die auswärtigen Angelegenheiten“ sowie die neuen Botschafter an den benachbarten Höfen, darunter der Gesandte in Berlin, Józef Klemens Czartoryski. Dass die Wahl der Opposition auf Czartoryski fiel, zeigt, welch prioritären Charakter ein schnelles Zustandekommen des polnisch-preußischen Bündnisses für die Opposition hatte. Als einer der eifrigsten Vertreter der „Patrioten“-Partei und für seine entschieden antirussische Haltung bekannt, versprach Czartoryski alle Voraussetzungen zu erfüllen, um die Allianzpläne in Berlin erfolgreich in die Wege zu leiten. Mit Tatendurst und Selbstgewissheit übernahm er die ihm anvertraute Mission. Gleich nach seiner Nominierung forderte er den Reichstag auf, ihm entsprechende Instruktionen zu geben, die die Richtlinien seiner Politik in Berlin definieren sollten. Die Zusammenstellung der diplomatischen Regeln für die Berliner Legation übernahm eine, allein zu diesem Zweck berufene „Deputation“, die sich vorwiegend aus „Patrioten“ rekrutierte und eine klare propreußische Haltung vertrat. Ihre Berufung bedeutete für Stanisław August den endgültigen Verlust jeglicher Einflussnahme auf die Richtlinien der polnischen Diplomatie gegenüber Preußen. Außenpolitisch isoliert und dem oppositionellen Lager ausgeliefert, musste er ohnmächtig zusehen, wie seine Gegner die polnische Preußenpolitik in ihrem Sinne zu realisieren trachteten.⁹³ Die Richtlinien der polnischen Politik gegenüber Preußen für den Berliner Gesandten Czartoryski wurden schnell zusammengestellt und bereits Anfang Januar 1789 durch den Reichstag verabschiedet. Abgesehen von einigen zeremoniellen Floskeln definierten die Instruktionen auch wichtige wirtschaftliche Kalinka, Sejm Czteroletni, Bd. 1, S. 232; Vgl. auch Jerzy Michalski, Dyplomacja polska w latach 1764– 1795, in: Historia dyplomacji polskiej, Bd. 2, hg. von Zbigniew Wójcik, Warszawa 1982, S. 655 – 657. Ebenda, S. 658 f.
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Problemfelder im gegenseitigen Verhältnis. Neben der Milderung der preußischen Zollpolitik auf der Weichsel sollte sich Czartoryski für die gütliche Beilegung der Grenzstreitigkeiten einsetzen, die seit der Teilung von 1772 bestanden und die Finanzen vieler Besitzer von Ländereien, auf dem von Preußen annektierten Territorium, stark belasteten. Auch wenn die sensible Frage der Zugehörigkeit von Danzig und Thorn mit keinem Wort erwähnt wurde und die Richtlinien vor allem eine Verhandlungsbasis für das erhoffte Bündnis schaffen sollten, scheuten sich ihre Autoren nicht, auch die strittigen Aspekte der polnisch-preußischen Beziehungen anzusprechen. Diese vorsichtigen, aber durchaus konkreten Ansprüche der antiköniglichen Opposition zeugen somit von einer Haltung gegenüber dem mächtigen Nachbarn, die man keineswegs als kritiklos und konformistisch bezeichnen kann. Denn trotz der angestrebten Allianz und einer außenpolitischen Fokussierung auf Berlin gab es unter den polnischen Preußenfreunden nicht viele, die blind der preußischen Regierung vertrauten und ihr deklariertes Entgegenkommen für bare Münze nahmen. Vielmehr waren die meisten bemüht, bei der Entstehung der polnisch-preußischen Interessengemeinschaft rechtzeitig Probleme zu benennen, um sie im weiteren Verlauf der Verhandlungen zu ihren Gunsten zu lösen. Auf ein konstruktives Gesprächsklima konzentriert, übten sie sich in der Kunst der Diplomatie und mieden geschickt alle Formulierungen, die eine Verstimmung am Berliner Hof hätten auslösen können. Allein aus diesem Grund erscheint der Vorwurf des polnischen Nationalhistorikers Walerian Kalinka, dass die Richtlinien für Czartoryski voll von Kompromissen gewesen und im Büro des preußischen Gesandten in Warschau entstanden seien, deutlich überzogen und unberechtigt.⁹⁴ Wohl wissend, dass Preußen nach einer Annäherung an Russland suchte und nicht abgeneigt war, seine außenpolitischen Interessen vor allem auf England und weniger auf Polen zu konzentrieren, versuchten die „Patrioten“, ihre Ziele so zu formulieren, dass an ihrer Vertrauenswürdigkeit am Berliner Hof möglichst keine Zweifel entstehen konnten. Egal wie umtriebig und vorsichtig die polnische Diplomatie jedoch auch war, das preußische Kabinett interessierte sich dennoch kaum für deren Anliegen. Schon den Instruktionen für Czartoryski hatte Lucchesini kaum Aufmerksamkeit geschenkt. In einem Bericht an den König fasste er ihren Inhalt nur kurz zusammen und bemerkte nicht ohne eine gewisse Überheblichkeit, dass der neue polnische Gesandte in Berlin nach seinen Anweisungen handeln werde.⁹⁵ Schnell
Kalinka, Sejm Czteroletni, Bd. 1, S. 261 f. Girolamo Lucchesini an Friedrich Wilhelm II., 08.12.1788, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 157E, Bl. 54– 57. Mit dieser Überheblichkeit versuchte Lucchesini, so die These von Maciej Kucharski, die Tatsache zu überspielen, dass es ihm nicht gelungen war, die vom
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entpuppte sich die Behauptung von Lucchesini allerdings als Anmaßung, denn das Hauptziel der Mission Czartoryskis war die Vorbereitung eines polnischpreußischen Bündnisses, das jedoch – zumindest zu diesem Zeitpunkt (Anfang 1789) – gar nicht im Interesse Preußens lag. Der „Goodwill“ gegenüber PolenLitauen wurde von Friedrich Wilhelm II. eher konjunkturell eingesetzt und lediglich als ein erfolgversprechendes Druckmittel gegen Katharina II. betrachtet; die offizielle Institutionalisierung eines polnisch-preußischen Bündnisses zog er jedoch nicht in Erwägung. Auch der Stärkung des Landes durch die angestrebten Reformen stand er ablehnend gegenüber; vor allem die Bemühungen um die Einführung der Erbmonarchie und die Vergrößerung der Armee waren ihm ein Dorn im Auge. Mehrmals instruierte er seine Warschauer Diplomaten, diskrete Maßnahmen zu unternehmen, um die polnischen Reformansätze zu stoppen.⁹⁶ Bei offiziellen Kontakten mit polnischen Diplomaten gab er sich dagegen großherzig und war stets darum bemüht, sie von seiner Zuneigung und Unterstützungsbereitschaft zu überzeugen. Mit derartigen Freundschaftsbekundungen umschmeichelte der preußische König auch den polnischen Gesandten Czartoryski bei dessen erster Audienz im Februar 1789. Seine floskelhaften Versprechungen und Zusagen kamen der polnischen Seite sehr entgegen und bestärkten sie in der Ansicht, eine Allianz mit Polen-Litauen läge auch im Interesse Preußens. Am deutlichsten brachte diese Erwartungen der Sekretär der polnischen Gesandtschaft, Aleksander Batowski, zum Ausdruck, als er nach Czartoryskis Audienz bei Friedrich Wilhelm II. die These aufstellte, dass sich „unser Vaterland“ dank Preußen „von allen fremden Einflüssen befreien, seine Unabhängigkeit erreichen und einen ehrwürdigen Platz im Chor der Nationen erringen wird“ und dass es nur mit preußischer Unterstützung „seine Ehre, Sicherheit sowie zivile und politische Freiheit bewahren kann“.⁹⁷ Dass die Hoffnungen auf einen Zusammenschluss mit Preußen erneut bestärkt worden waren, bestätigen auch die zwei, kurz nacheinander verfassten Noten an die Berliner Regierung, in denen der polnische Gesandte Czartoryski – zum Teil selbstständig, zum Teil nach Absprache mit seiner „Patrioten“-Gruppierung – die polnischen Erwartungen an Preußen formulierte. Im Allgemeinen lassen sich diese Noten auf drei grundsätzliche Punkte reduzieren: Forcierung der versprochenen Allianz, Einspruch Preußens gegen die Stationierung russischer Truppen auf polnischem Territorium und Änderung der preußischen Zollpolitik. Die preußische Reaktion dürfte den Enthusiasmus der polnischen Gesandtschaft Reichstag angeordneten Richtlinien der polnischen Außenpolitik zu kontrollieren und sie gänzlich den Interessen seiner Regierung anzupassen. Kucharski, Działalność dyplomacji, S. 51 f. Vgl. Ebenda, S. 53; Wittichen, Die polnische Politik Preußens, S. 2– 4. Zit. nach Dembiński, Polska na przełomie, S. 222.
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jedoch abgekühlt haben, denn das Berliner Kabinett reagierte mit großer Vorsicht und Zurückhaltung. In der aktuellen Situation Preußens, da die Verhandlungen mit Russland auf Hochtouren liefen, empfand Minister Hertzberg die polnischen Bedingungen als störend und unpassend. Dementsprechend zurückhaltend fielen auch die Antwortschreiben der Berliner Regierung aus, abgesehen von den üblichen Freundschaftsbekundungen und Garantien der militärischen Unterstützung enthielten sie keine konkreten Zusagen. Mehr noch: Entgegen den polnischen Erwartungen rieten die preußischen Minister dem Gesandten Czartoryski, die Ergebnisse des russisch-osmanischen Krieges abzuwarten und die direkte Konfrontation mit Katharina II. um jeden Preis zu vermeiden.⁹⁸ Die preußische Zurückhaltung alarmierte nicht nur Czartoryski, sondern auch seine verbündeten „Patrioten“. Zwar wurden die auf dem Reichstag verlesenen, preußischen Antwortschreiben als Zeichen eines aktiven Beistands der Berliner Regierung interpretiert, doch inoffiziell setzte sich in der Führung immer mehr die Meinung durch, dass es besser sei, die außenpolitische Orientierung Polens nicht allein auf Preußen auszurichten, sondern auch andere europäische Länder, allen voran England, als potenzielle Bündnispartner in Erwägung zu ziehen.⁹⁹ Deutlich entspannter reagierte Stanisław August auf die uneindeutigen Erklärungen Preußens. In der Hoffnung, dass Berlin bei seinem Annäherungsversuch an Petersburg einen Mittler brauchen und nach einer ausgewogenen Stimme im Lande suchen würde, ließ er seinem Berliner Gesandten Zabłocki den Versuch unternehmen, über den außenpolitischen Berater des Königs, Bischoffwerder, Kontakt mit der preußischen Regierung aufzunehmen. Doch Hertzberg, dieser geschickte und offizielle Leiter der preußischen Außenpolitik, blockte alle Verhandlungsangebote seitens des polnischen Königs mit dem Argument ab, er repräsentiere nicht die politischen Wünsche seiner Nation.¹⁰⁰ Gleichzeitig war Hertzberg aber auch nicht geneigt, auf die Wünsche und Forderungen der Preußensympathisanten in Polen-Litauen einzugehen, zumal ihre Orientierung eindeutig antirussisch war. Der überzeugte Verfechter einer Verständigung mit Russland konnte diese Forderungen schlicht nicht in seine politische Strategie integrieren. Aus diesem Grund versuchte er, den sich zuspitzenden Konflikt zwischen Petersburg und Warschau zu entschärfen, indem nun Preußen in der Rolle des Mediators aktiv werden sollte.¹⁰¹ Hertzbergs Russland-
Józef Czartoryski an Ignacy Potocki, 08.03.1789, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 277 I, Bl. 1063 – 1065. Vgl. Kucharski, Działalność dyplomacji, S. 61 f. Ebenda, S. 63. Als Russland einen Durchmarsch der eigenen Truppen durch polnisches Territorium beschloss, um die in Moldawien stationierte Armee zu stärken, verbreitete sich in Polen die Nach-
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fokussierung hing mit dem lange gehegten Plan zusammen, Österreich die Einflussnahme auf Polen-Litauen zu entziehen. Um die preußisch-russische Alleinkontrolle der Rzeczpospolita zu erreichen, sollte Österreich das annektierte Galizien an Polen-Litauen zurückgeben und dafür die Gebiete Moldau und die Walachei von dem Osmanischen Reich bekommen. Mit Galizien, das in Österreich ohnehin als eher unvorteilhafte Erwerbung galt, wollte Hertzberg Polen für die Abtretung von Danzig, Thorn und Großpolen an Preußen entschädigen.¹⁰² Der ausgeklügelte und auf einer Verständigung mit den Osmanen basierende Plan Hertzbergs bekam in Berlin allerdings nicht die nötige politische Rückendeckung, denn am preußischen Hof setzte sich immer mehr die Tendenz durch, den Kaiserhöfen keine Entschädigungen zu verschaffen und sie darüber hinaus, an weiteren Eroberungen in der preußischen Interessensphäre zu hindern. Die Kriegsoption fand bei Friedrich Wilhelm II. deutlich mehr Zuspruch als ein territorialer Austausch à la Hertzberg.¹⁰³ Seit dem Sommer 1789 und der Bekanntmachung der erneuten Allianz zwischen Russland und Österreich liefen die Kriegsvorbereitungen in Preußen auf Hochtouren. Die stets gehegte Hoffnung, zusammen mit Katharina II., den gesundheitlich angeschlagenen Josef zu isolieren oder Russlands Neutralität bei einem preußischen Vorgehen gegen Österreich zu bewirken, schwand zusehends. Die fehlenden Aussichten auf eine Verständigung zwischen Berlin und Petersburg beobachteten die polnischen Preußenanhänger mit Genugtuung. Gekonnt nutzten sie die angespannte politische Situation zwischen den jahrzehntelangen Verbündeten, um ihre politischen Vorhaben und Bündnispläne voranzutreiben. Als erstes gelang es ihnen, die Einwilligung Friedrich Wilhelms II. dafür zu gewinnen, in Preußen große Waffenbestände für die polnische Armee kaufen zu
richt, dies sei eine verschleierte Kriegserklärung. Daraufhin wandte sich die „Deputation“ an die Berliner Regierung mit der Bitte um Hilfe und Unterstützung. Hertzberg und Staatsminister Finckenstein reagierten aber gelassen und setzten sich dafür ein, den Durchmarsch der russischen Truppen zu erlauben, ihn allerdings unter polnische Kontrolle zu stellen. Karl Wilhelm von Finckenstein und Ewald Friedrich von Hertzberg an Friedrich Wilhelm II., 30.04.1789, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 26 – 239, Bl. 43 f. Außerdem sah Hertzberg die Möglichkeit, dass sich Russland und Österreich mit ihren Eroberungen im Osmanischen Reich zufriedengeben und damit den Weg für Preußen ebnen könnten, Danzig und Thorn durch die Herabsetzung des Zolls auf der Weichsel und durch unbedeutende Zessionen in Westpreußen und Litauen praktisch zu erkaufen. Eine ausführliche Darstellung der Pläne Hertzbergs in: Friedrich Andreae, Russische und preußische Staatskunst in den ersten Jahren der Regierung Friedrich Wilhelms II., Berlin 1905. Über die Polen-Pläne Hertzbergs in: Grzegorz Kucharczyk, Polityka zagraniczna Prus w dobie Rewolucji Francuskiej i Napoleona, in: Prusy w okresie Monarchii absolutnej (1701– 1806), S. 638 f. Vgl. Wittichen, Die polnische Politik Preußens, S. 23.
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dürfen. Diese Entscheidung der preußischen Regierung war für die Beziehungen zum polnischen Nachbarn von großer Bedeutung, denn von nun an konnte sie nicht mehr leugnen, die Bewaffnung des polnischen Heeres und dadurch auch seine Kampfbereitschaft verbessert zu haben. Dieses Entgegenkommen wurde in Polen-Litauen mit Begeisterung aufgenommen und als erster Schritt zur erhofften Allianz interpretiert. Deren Ratifizierung schien so gut wie beschlossen. Die beiden Reichstagsmarschälle Małachowski und Sapieha verabredeten daher bei einem Treffen mit Ignacy Potocki und dem Bischof von Kujawien, Józef Ignacy Rybiński, in der Sommerpause (Juni und Juli 1789), dass sich der Reichstag nach Wiederaufnahme seiner Arbeit vorwiegend mit der Frage des polnisch-preußischen Bündnisses beschäftigen solle. Unmittelbar mit der Bündnisfrage waren für sie auch die Themen der Regierungsform und der sächsischen Thronfolge verbunden. Diese drei Angelegenheiten betrachteten sie als untrennbar zusammenhängend: Das Bündnisprojekt mit Preußen sollte die geplanten Regierungsreformen absichern und die Möglichkeit schaffen, Allianzen mit Holland und England abzuschließen.¹⁰⁴ Besorgt informierte Lucchesini seine Regierung über die gewagten Beschlüsse der „Patrioten“-Führer, wobei er nicht zu erwähnen vergaß, dass sie sogar bereit wären, Danzig und Thorn an Preußen abzutreten, unter der Bedingung, dass Berlin Polen-Litauen dazu verhelfe, die Kontrolle über die von Österreich verwalteten Salzgruben in Wieliczka zu übernehmen.¹⁰⁵ Den leeren Versprechungen einer freiwilligen Gebietsabtretung schenkte das Berliner Kabinett allerdings wenig Aufmerksamkeit. Viel sorgfältiger und besorgter reagierte es dagegen auf die Information über die erstrebte Einführung der sächsischen Thronfolge und den Plan ihrer Absicherung durch das polnisch-preußische Bündnis. Fest davon überzeugt, dass eine erbliche Monarchie den angeschlagenen polnisch-litauischen Staatsverband international stärken könnte, lehnte die preußische Regierung alle polnischen Reformbemühungen entschieden ab. An Lucchesini ließ Friedrich Wilhelm II. übermitteln, er werde niemals seine Zustimmung zur erblichen Monarchie in Polen geben. Der Wahl eines Sachsen könne er zudem nur zustimmen, wenn er auf das Vererben des Thrones an seine Familie verzichte und zu Preußen halte. Was das Bündnis anbelange, so sage er nicht Nein, müsse aber erst das Ende und die Ergebnisse des russisch-osmanischen Krieges abwarten.¹⁰⁶
Mehr dazu bei Kalinka, Sejm Czteroletni, Bd. 1, S. 530 – 533. Girolamo Lucchesini an Friedrich Wilhelm II., 04.07.1789, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 235, Bl. 355. Ministerialreskript an Lucchesini vom 31.07.1789, in: Kalinka, Der vierjährige Reichstag, Bd. 1, S. 684.
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Durch die preußische Ablehnung des polnischen Reformplanes gerieten die Bündnisgespräche erneut ins Stocken, was sich auch negativ auf die Aktivität und das allgemeine Ansehen der „Patrioten“-Führung auswirkte. Ein halbes Jahr zuvor, als sie die Abschaffung des „Ständigen Rates“ initiiert hatten, weil dieser angeblich unter dem Einfluss fremder Mächte stand, hatten sie den Ruf der wahren Patrioten noch für sich allein beanspruchen können. Nun mussten sie ihren politischen Opportunismus eingestehen und zugeben, dass sie nicht bereit waren, Verhandlungen über Reformen einzuleiten, bevor diese durch eine Allianz mit Preußen abgesichert wären. Sicherlich verbarg sich dahinter auch der Pragmatismus der erfahrenen Staatsmänner, die – im Bewusstsein der inneren Schwäche des Landes – nach auswärtigen Garanten suchten, die ihre Politik schützen konnten. Hinzu kam, dass die meisten führenden Köpfe der „Patrioten“-Partei, trotz aller Zweifel und Bedenken, längst einen propreußischen Kurs eingeschlagen und das Bündnis mit Preußen zum Hauptanliegen ihrer Partei erhoben hatten. Um ihre politische Existenz zu sichern, waren sie daher auch stets bestrebt, den festgefahrenen Allianzverhandlungen neue Impulse zu geben. Die nächste Gelegenheit dazu bot ihnen der Aufenthalt des preußischen Königs in Schlesien, wo er im August 1789 an einer Truppenparade teilnahm. Bestärkt von dem Gerücht, Preußen wolle von hier aus Österreich angreifen, schickten sie ihren Vertrauten, General Paweł Grabowski, nach Breslau mit der Mission, Friedrich Wilhelm II. die polnische Kriegsunterstützung zu garantieren und bei dieser Gelegenheit in der Frage der Allianz zu insistieren.¹⁰⁷ Der preußische König vermied aber weiterhin jede verbindliche Festlegung und überließ die Verhandlungen mit dem polnischen Besucher seinem, nach Schlesien beorderten, Gesandten Lucchesini. Offensichtlich gelang es dem geschickten Diplomaten erneut, den Erwartungen der „Patrioten“ zu entsprechen, denn im festen Glauben an die preußischen Freundschaftsbekundungen verließ Grabowski Schlesien. Dennoch wurde durch die anhaltenden Ablenkungen und leeren Versprechungen der preußischen Regierung die Geduld des wieder versammelten Reichstags auf die Probe gestellt. Zwar rief der Reichstagsmarschall bei der Eröffnung der ersten Sitzung nach der Sommerpause zum schnellstmöglichen Bündnisabschluss mit Preußen auf, doch angesichts der preußischen Passivität zeigte das zuvor scheinbar unerschütterliche Vertrauen in die Berliner Erklärung erste Risse. Bedenklich stimmte die Abgeordneten auch das aggressive Eingreifen Preußens in die polnische Personal- und Handelspolitik. Ohne die erhofften Ge In Schlesien wurde der preußische Monarch von mehreren Polen aufgesucht, die, wie z. B. Karol Radziwiłł, vor allem ihre eigenen Belange vorantreiben wollten. Vgl. Emil Kipa, Wizyta księcia Karola Radziwiłła u króla pruskiego w roku 1789, in: Ders., Studia i szkice historyczne, Wrocław 1959, S. 30 – 35; Dembiński, Polska na przełomie, S. 253.
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genleistungen zu erbringen, versuchte die Berliner Regierung, vakante Stellen, wie z. B. das Bistum von Krakau, mit eigenen Vertrauensleuten zu besetzen oder die polnische Zollpolitik zu ihren eigenen Gunsten zu ändern. Das positive Preußenbild trübte sich und selbst unter den bislang preußenfreundlich eingestellten „Patrioten“ tauchten die ersten Stellungnahmen auf, die sich gegen den preußischen König wandten und seine Strategie von „Zuckerbrot und Peitsche“ als ein gezieltes und gegen Polen-Litauen gerichtetes Ausweichmanöver kritisierten.¹⁰⁸ Das Umsichgreifen zunehmend skeptischerer Einstellungen zu Preußen beobachtete der sonst so selbstsichere Lucchesini mit wachsender Sorge; er appellierte an seine Regierung, den Polen eine konkrete Bündnisperspektive in Aussicht zu stellen, um die wohlgesinnte „Patrioten“-Partei nicht zu entfremden und dem russischen Einfluss nicht das Feld zu überlassen.¹⁰⁹ Gleichwohl wusste der Gesandte genau, dass seine Regierung diesen Wunsch nicht erfüllen konnte, solange die inoffiziellen Verhandlungen mit Petersburg andauerten und weder Frankreich noch England Bereitschaft erkennen ließen, Preußen in seinem antirussischen Kurs zu unterstützen. Der neue Plan sah daher vor, Polen zu einer antirussischen Provokation zu bewegen, die seine Bindung an Preußen stärken und Katharina II. zurück an den Verhandlungstisch bringen würde. Für den Chefkoordinator der preußischen Außenpolitik Hertzberg, der ohnehin für ein schnelles Vorgehen gegen Österreich und eine Verständigung mit Russland plädierte, galt eine polnische Erhebung in Galizien als der beste Weg, die geplante Strategie in Gang zu setzen. Ein antiösterreichischer Aufstand würde Polen auf der europäischen Bühne endgültig isolieren und dadurch gänzlich von Preußen abhängig machen. Die polnische Diplomatie hatte die tückischen Absichten der preußischen Außenpolitiker jedoch durchschaut und machte den Bündnisabschluss zur Voraussetzung eines Angriffs in Galizien. Nun geriet die preußische Regierung erneut in Erklärungsnot, und nicht das erste Mal kam Hilfe vom findigen Gesandten Lucchesini, der kurzerhand in Warschau argumentierte, die Polen seien selbst daran schuld, dass ein Bündnis mit Preußen immer noch nicht abgeschlossen sei.
Seine Zweifel an der preußischen Bündnisbereitschaft zeigte am deutlichsten der polnische Gesandte in Berlin, Czartoryski. Im Oktober informierte er die Reichstagsdeputation ausführlich darüber, dass die preußische Regierung nur daran interessiert sei, die Unstimmigkeiten mit PolenLitauen zu verdecken und es in einen Krieg gegen Russland zu verstricken. Józef Czartoryski an die „Deputation“, 24.10.1789, in: AGAD, Zbiór Popielów, 406, Bl. 15. Vgl. dazu die Korrespondenz Lucchesinis mit Herzberg vom Juli 1789, in: Źródła do dziejów drugiego i trzeciego rozbioru Polski. T. 1, Polityka Rosyi i Prus wobec Polski od początków Sejmu Czteroletniego do ogłoszenia Konstytucyi Trzeciego Maja 1788 – 1791, hg. von Bronisław Dębiński, Lwów 1902, S. 403 – 407.
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Durch die jetzige Form der Regierung, und die daraus resultierenden Unstimmigkeiten zwischen dem König und dem Reichstag, isoliere sich Polen von den europäischen Mächten, was sein Kabinett auch daran hindere, Polen-Litauen als einen ernsthaften und zuverlässigen Allianzpartner wahrzunehmen. Erst wenn die Polen ihre Verfassung ändern und die notwendige Regierungsreform verabschiedet hätten, könne Preußen mit ihnen die gewünschten Bündnisverhandlungen aufnehmen.¹¹⁰ Die gewandte Ausrede Lucchesinis begrüßte Friedrich Wilhelm II. aufs Dankbarste, weil sie der Berliner Regierung keinerlei Verpflichtungen auferlegte und ihr eine hinreichende Entscheidungsfrist gewährte. Und da der preußische König ohnehin am polnischen Reformgeist und vor allem an der dafür notwendigen Einigkeit des Reichstags zweifelte, schien ihm die lästige Frage des Bündnisses vorerst gelöst zu sein. Die Erhebung der zukünftigen Regierungsreform zur Bedingung für ein polnisch-preußisches Bündnis kam den „Patrioten“ dennoch sehr entgegen und beseitigte ihre Zweifel an den Berliner Absichten, denn sie arbeiteten bereits seit mehreren Wochen an einem Reformprogramm, das die Allianz mit Preußen sanktionieren sollte. Die Reaktion Lucchesinis, die eigentlich als Verzögerungstaktik gedacht war, spornte sie nun zusätzlich an. Noch im September 1789 wurde eine „Deputation“ zur Beratung einer neuen Regierungsform ins Leben gerufen. Ihre zehn Mitglieder (vier Minister und sechs Abgeordnete) machten sich sofort an die Arbeit, allen voran der routinierte Staatsmann Ignacy Potocki. Sein Ziel war es, durch Verfassungsänderung die parlamentarische Erbmonarchie als neue Verfassungsform festzulegen und dadurch die Macht des Reichstags zu stärken.¹¹¹ Der Plan, die Erbmonarchie einzuführen und gleichzeitig die Position des Königs zu schwächen, lehnten aber sowohl Anhänger als auch Gegner von Stanisław August entschieden ab.¹¹² Bald geriet die Beschäftigung mit dem Verfassungsentwurf in den Fokus der innenpolitischen Auseinandersetzung, was seine Erarbeitung deutlich erschwerte und die negative Meinung des preußischen Königs über den polnischen Reformwillen zu bestätigen schien. Mit Genugtuung betrachtete Lucchesini die Auseinandersetzungen um die neue Regierungsform und war stets darum bemüht, durch gezielte Interventionen die Streitigkeiten noch mehr zuzuspitzen. In seinen Berichten an das Berlin Kabinett prahlte er damit, die Polen mittlerweile so lenken zu können, dass sie „entweder nur das tun, was
Girolamo Lucchesini an Friedrich Wilhelm II., 12.09.1789, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 235, Bl. 69 f.; Józef Czartoryski an die „Deputation“, 28.11.1789, in: AGAD, Zbiór Popielów, 406, Bl. 16. Vgl. auch Kalinka, Sejm Czteroletni, Bd. 1, S. 550 f.; Dembiński, Polska na przełomie, S. 266. Vgl. Zielińska, „O sukcesyi tronu w Polszcze“, S. 88. Siehe dazu Kamiński, Historia Rzeczypospolitej, S. 222.
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Preußen will, oder gar nichts machen.“¹¹³ Kaum jemand durchschaute dieses preußische Doppelspiel besser als der polnische König Stanisław August. Die Regierungsreform als Voraussetzung für das polnisch-preußische Bündnis hielt er lediglich für eine geschickte Strategie des preußischen Monarchen, die Polen in dem Glauben zu festigen, er sei ein Polenfreund, um mit ihnen dann das zu tun, was ihm gefalle – „sauf de faire finalement ce qui lui conviendra, bien ou mal à notre égard“.¹¹⁴ Entscheidend für das nur langsame Vorankommen des Verfassungsentwurfs waren vor allem die politischen Ereignisse dieser Zeit. Der im Herbst 1789 angetretene Siegeszug der Kaisermächte gegen das Osmanische Reich nahm die Aufmerksamkeit des Reichstages und der „Patrioten“ gänzlich in Anspruch, denn sie befürchteten, dass der bevorstehende Frieden zwischen Katharina II. und der Pforte ihr freie Hand für einen Rachefeldzug gegen Polen-Litauen gäbe. Obwohl diese prekäre Lage die Notwendigkeit des Bündnisses mit Preußen besonders evident erscheinen ließ, reagierte Berlin weiterhin zurückhaltend und gewohnt ausweichend. Angesichts der passiven, und zum Teil regelrecht ablehnenden Haltung Preußens, gewannen die Zweifel an seinen Freundschaftsbekundungen zunehmend an Schärfe und es mehrten sich die Anzeichen von Verbitterung. Die vielfach erprobte Geduld der preußenfreundlichen Reichstagsführung erreichte ihr Ende im November 1789, als sie sich dazu entschloss, dem polnischen Gesandten in Berlin den Auftrag zu erteilen, eine definitive Antwort vom preußischen König zu verlangen. Bei einem Treffen mit Lucchesini beklagte man, dass sein Dienstherr die polnischen Erwartungen enttäuscht habe und dass nur ein formell unterzeichneter Vertrag der Haltung des Reichstags, und mit ihm der ganzen Nation, Russland gegenüber Kraft verleihen könnte.¹¹⁵ Der Hinweis auf die notwendige Stärkung des antirussischen Engagements war nicht ganz grundlos. Das schwindende Vertrauen in die preußischen Allianzabsichten half den prorussisch eingestellten Parteien und Interessengruppen, ihr politisches Ansehen zu verbessern und der Option einer Annäherung an Russland neue Anstöße zu geben. Die November-Erklärung von Katharina II., in der sie verlauten ließ, keine bösen Absichten gegen Polen-Litauen und seine innerstaatlichen Institutionen zu he-
Girolamo Lucchesini an Friedrich Wilhelm II., 12.09.1789, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 235, Bl. 72. Stanisław August an Bernard Zabłocki, 05.12.1789, in: AGAD, Zbiór Popielów 423, Bl. 723. Girolamo Lucchesini an Friedrich Wilhelm II., 18.11.1789, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 235, Bl. 213. Vgl. auch die Korrespondenz von Lucchesini mit Hertzberg im November 1789, in: Źródła do dziejów, S. 415 f.
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gen, bestärkte noch das Misstrauen gegenüber Preußen.¹¹⁶ Auch während der Reichstagssitzungen ergriffen zunehmend jene Abgeordneten das Wort, die sich ganz offen zu ihrer russlandfreundlichen Einstellung bekannten und für die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit Petersburg plädierten.¹¹⁷ Die nicht zu übersehende Erzeugung einer prorussischen Stimmung zwang die „Patrioten“ und ihre Anhängerschaft, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und zu zeigen, dass angesichts der gegenwärtigen politischen Lage eine russlandfreundlichere Haltung die verheerendste Entscheidung für das Land wäre. Da sie jedoch keine glaubhafte Alternative anzubieten hatten, setzten sie zunächst ihre bekannten preußenfreundlichen Propagandaaktionen fort. Dazu gehörte die Veröffentlichung mehrerer Broschüren und Schriften, die eindeutig Position bezogen und zur „Befreiung aus der russischen Unterdrückung“ aufriefen.¹¹⁸ Preußen wurde dabei häufig als der einzige Verteidiger der polnischen Souveränität und Garant der innenpolitischen Reformen dargestellt. Die protektionistische Rolle Preußens hob der Bischof von Kujawien und Reichstagsabgeordnete Rybiński in seiner Schrift „Warnung für die Polen angesichts der veränderten Einstellung Moskaus zu ihnen“ am deutlichsten hervor.¹¹⁹ Mit bewährten stilistischen Argumentationsmitteln zeigt er darin Polen-Litauen als ein mutiges, politisch aber schwaches Land zwischen zwei starken Nachbarn. Grund genug zu entscheiden, welcher Macht man zu folgen gedenke.Wolle man sich auf die Seite der russischen „Tyrannin“ stellen, die seit Jahrzehnten „ihre Triumphe und Ruhe auf Kosten unseres Unglücks erkauft“, oder wähle man das „Muster der wohltätigen Vorsehung“ in Berlin, das „uns mit seinem starken Arm aus dem Abgrund rettet“? Für Rybiński lag die Entscheidung auf der Hand: Er folgte Polens „einzigem Verteidiger und Freund, dem preußischen König“.¹²⁰ So viel Preußenliebe traute man dem polnischen Bischof nicht zu und vermutete Lucchesini als Autor dieser Schrift, zumal sich der preußische Gesandte ihrer internationalen Distribution
Die russische Erklärung wurde zum Thema auf der Reichstagssitzung vom 22.11.1789, in: Diariusz sejmu ordynaryjnego, S. 155 – 158. Eine ausführliche Analyse dieser Stellungnahmen findet man in: Profaska, Stosunek polskich elit, S. 187– 190. Als Beispiel hierfür seien die Schriften von Stanisław Kostka Potocki genannt, in denen er nicht nur Russland, sondern auch die ganze bisherige Herrschaft von Stanisław August kritisierte. Vgl. Stanisław Kostka Potocki, Myśli o ogólnej poprawie rządu krajowego, a.a.O.; ders., Etat politique de la Pologne sous le regne de Stanislas II, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 98, Bl. 2b. Józef Rybiński, Przestroga dla Polaków z okoliczności odmiany postępowania względem nich moskiewskiego, Warszawa, in: Kołłątaj i inni. Z publicystyki doby Sejmu Czteroletniego, hg. von Łukasz Kądziela, Warszawa 1991, S. 76 – 79. Ebenda, S. 77.
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widmete und sie in französischer Fassung und unter dem Titel „Avis aux Polonais“ an die Höfe von Petersburg und London verschickte.¹²¹ Der ausschlaggebende Grund, warum Lucchesini diese internationale Propagandaarbeit für dringend notwendig hielt, waren die in Warschau immer lauter werdenden Forderungen nach einer Neuausrichtung der polnischen Außenpolitik. Zwar behielten die preußenfreundlichen „Patrioten“ ihre Vormachtstellung, doch die stetig wachsende Anhängerschaft der prorussischen Orientierung offenbarte Lucchesini, auf welch dünner Vertrauensgrundlage die polnische Preußensympathie beruhte. Die aktuelle diplomatische Ausrichtung Berlins barg zudem die Gefahr, Polens Unterstützung gegen Österreich zu verlieren. Um ein Schwinden des preußischen Einflusses zu stoppen, appellierte er deshalb an Friedrich Wilhelm II., ihm klare Instruktionen bezüglich des Bündnisses zu übermitteln, denn andernfalls werde er zusehen müssen, wie die russische Partei die Oberhand in Polen-Litauen gewinne.¹²² Der Mahnruf seines Gesandten ließ den preußischen König unbeeindruckt. Er verwies lediglich darauf, dass er die Vertragsverhandlungen mit der Pforte abzuwarten gedenke. Die unsichere Lage enttäuschte nicht nur die Protagonisten des propreußischen Kurses in Polen, sondern auch deren Gesandten in Berlin, Czartoryski, der nach vielen leeren Versprechungen und erfolglosen Verhandlungen mit dem Berliner Kabinett in Warschau die Nachricht verbreiten ließ, dass Preußen nur dann auf den Bündnisvorschlag eingehen werde, wenn der russischosmanische Krieg eine Fortsetzung erfahre.¹²³ Die Veröffentlichung dieser Informationen kostete Czartoryski letztlich seine Stellung, zwang aber Hertzberg, mildere Töne im Verhältnis zu Polen anzuschlagen, zumal der bevorstehende Abschluss der Allianz mit dem Osmanischen Reich dafür die besten Voraussetzungen bot. Nunmehr sah Friedrich Wilhelm II. auch keine gravierenden Hindernisse mehr, in Warschau bekannt zu machen, dass er mit Polen einen Allianzvertrag schließen werde, „sobald die neue Verfassung da sein wird und die Hauptpunkte unseres Vertrages festgesetzt werden können, möge es schon im Januar geschehen“.¹²⁴ Nach monatelangem Hinauszögern und stetig gepflegter Zurückweisung war dies die erste Aussage des Preußenkönigs, die den erhofften Termin einer Realisierung des Bündnisplans in Aussicht stellte. Deutlich erleichtert reagierten die Reichstagsabgeordneten der „Patrioten“-Partei mit Preu-
Dembiński, Polska na przełomie, S. 245. Girolamo Lucchesini an Friedrich Wilhelm II., 18.11.1789, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 235, Bl. 214. Józef Czartoryski an die „Deputation“, 21.11.1789, in: AGAD, Zbiór Popielów, 406, Bl. 16. Friedrich Wilhelm II. an Girolamo Lucchesini, 18.12.1789, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 236, Bl. 260 f.
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ßen verherrlichenden Reden auf die Nachrichten aus Berlin. Ignacy Potocki erklärte das Schutzbündnis mit Preußen zum „Palladium der Freiheit“ und alle, die sich ihm widersetzen sollten, zu Unruhestiftern und Feinden einer sicheren Zukunft des Landes. Friedrich Wilhelm II. ernannte er gleichzeitig zum „Mentor“ der unerfahrenen polnischen Nation.¹²⁵ Zweifelslos war es das Verdienst der feurigen Stellungnahmen aus dem Kreise der „Patrioten“, dass die Reichstagsdebatte über die künftigen Verhandlungen mit Preußen innerhalb von einer Stunde abgeschlossen war und ein Programm, das u. a. die baldige Vorlage eines Verfassungsprojektes vorsah, einstimmig angenommen wurde. Mit großer Dringlichkeit machten sich Potocki und die dafür gewählte „Deputation“ erneut an die unterbrochene Arbeit am Projekt einer neuen Verfassung. In ihrem Entwurf fungierte das Volk als Souverän der Staatlichkeit, in seiner Hand sollte die Bestimmung der Gesetze und die Kontrolle über die Armee liegen, es sollte Reichstagsabgeordnete und Beamte aller Ministerien und Behörden wählen, welche dann in Form von Kommissionen Polen-Litauen zu verwalten hätten. Obwohl der permanente Reichstag zur höchsten Kontroll- und Regierungsinstanz erhoben wurde, fehlte es in dem neuen Projekt nach wie vor an einer Instanz, die die voneinander unabhängigen Hauptverwaltungsorgane koordinieren könnte. Für diese Rolle war in den bisherigen Reformplänen zum großen Teil der erbliche König vorgesehen, aber da die „Deputation“ mit Potocki an der Spitze auf alle Vorschläge verzichtet hatte, die die preußische Unterstützung für die Regierungsreform gefährden könnten, gab sie auch die Idee der erblichen Thronfolge auf und schlug stattdessen vor, bei der jetzigen Wahlmonarchie zu bleiben und die Königswahl der Allmacht des Volkes zu unterwerfen.¹²⁶ Entscheidend für ihren Opportunismus war auch die Stimmung der Reichstagsabgeordneten; wohl wissend, dass sie ihren Entwurf nur mit einer stark republikanisch ausgerichteten Regierungsform durchsetzen konnten, entschlossen sie sich, auf viele Reformen, die sie bis dahin als Voraussetzung der neuen Verfassung angesehen hatten, zu verzichten. So widerstandslos, wie sie sich erhofft hatten, ist die Reichstagsdiskussion über den Entwurf der neuen Verfassung jedoch nicht verlaufen.Wie so häufig, ging es auch diesmal vorwiegend um die Machtkompetenzen des Königs und den Versuch, sie noch weiter zu beschränken. Spätestens während dieser Debatte wurde dem polnischen König Stanisław August bewusst, dass er sich dem propreußischen Kurs des Reichstags nicht mehr widersetzen kann und dass es ihm nur mit Hilfe seiner ursprünglichen Gegner aus der „Patrioten“-Partei gelingen
Sitzung vom 10.12.1789, in: AGAD, Archiwum Sejmu Czteroletniego, 5, Bl. 85 – 86 f. Vgl. Zielińska, „O sukcesyi tronu w Polszcze“, S. 87– 91.
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könnte, seine ohnehin auf ein Minimum reduzierten Machtbefugnisse zu bewahren. Denn im Unterschied zu seinen Opponenten aus dem „Hetmanen“-Kreis, die sich teilweise für eine vollständige Abschaffung der Königswürde eingesetzt hatten, zeigten sich die „Patrioten“ viel gemäßigter und waren zumindest im Allgemeinen der konstitutionellen Monarchie nicht abgeneigt. Der pragmatische Segen des Königs, sowohl für das Abkommen mit Preußen, als auch für die Regierungsreform erleichterte es der „Deputation“, die teilweise heftig und erbittert geführten Auseinandersetzungen zu beenden und einen Tag später, am 30. Dezember 1789, die erste Konferenz mit Lucchesini zu initiieren, in der die vom Reichstag genehmigten „Prinzipien zur Verbesserung der Regierungsform“ vorgelegt¹²⁷ und die Verhandlungen über das Bündnis aufgenommen wurden. Nun stellte sich die Aufgabe, positive Stimmung für die geplante Allianz mit Preußen zu verbreiten und das geplante Reformprogramm außerhalb von Warschau bekanntzumachen. Man ließ etliche Broschüren und Schriften drucken, die in der Provinz verbreitet wurden und die aus dem Junktim zwischen dem beschlossenen Reformweg und der Allianz mit Preußen keinen Hehl machten. Als Überzeugungsargument diente dabei der Hinweis auf den wesentlichen Beitrag Berlins zur Abschaffung des „Ständigen Rates“ als Instrument der fremden Mächte.¹²⁸ Auch der unermüdliche Preußenfreund Piotr Świtkowski engagierte sich für die Popularisierung des Bündnisses und kürte in seinem „Pamiętnik“ Friedrich Wilhelm II. zum „großartigen Nachbarn“, mit dessen Hilfe Polen-Litauen seine Souveränität sichern und sich „von dem lästigen und gefährlichen Schutz“ Russlands befreien könne.¹²⁹ Świtkowskis Vertrauen in den preußischen König und seine Freundschaftsbekundungen waren so unerschütterlich, dass er sogar vorschlug, Danzig an ihn abzutreten, falls das sein Preis für das Bündnis sein sollte.¹³⁰ Unter den überzeugten Sympathisanten des preußischen Monarchen und Propagandisten des Schulterschlusses mit Berlin verdient der Magnat und Vertreter der „Hetmanen“-Partei, Michał Kazimierz Ogiński, besondere Aufmerksamkeit. Obwohl der ihm, durch freimaurerisch-rosenkreuzlerische Verbindungen, nahestehende Preußenkönig alle seine bisherigen Angebote, unter preußischer Ägide eine Konföderation gegen Stanisław August zu bilden, trotz ausgiebig bekundeter Dankbarkeit ausgeschlagen hatte, entwickelte er sich zu
Ausführlich dazu Kleinmann, Der Vierjährige Sejm, S. 540. Hinweise auf diese propagandistische Tätigkeit in der Provinz findet man in: Korespondencja Adama Naruszewicza 1762– 1796, hg. von Julian Platt, Wrocław 1959, S. 251. Piotr Świtkowski, Obraz polityczny różnych Krajów, in: Pamiętnik Historyczno-Polityczny, Bd. 1, Warszawa 1790, S. 159. Ebenda, Bd. 1, S. 16.
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einem der eifrigsten Fürsprecher der preußischen Politik während des Reichstags. Die Pläne dieses begnadeten Komponisten und Hetmanen zielten zunächst auf den Abschluss des Bündnisses mit Preußen, um im nächsten Schritt mit preußischem Beistand die Befehlsgewalt über das polnische Heer für sich selbst zu sichern. Mit viel Ehrerbietung und Ergebenheit wandte sich Ogiński in Briefen an Friedrich Wilhelm II., in denen er ihm immer wieder versicherte, der Preußenkönig sei in Polen-Litauen „sacré et adoré de la plus grande partie de mes compatriotes“.¹³¹ Im Herbst 1789 machte er seine Verehrung für den preußischen Herrscher in ganz Warschau bekannt, als er anlässlich des königlichen Geburtstages eine Opernaufführung und eine große „fête“ veranstalten ließ. Über diese Feierlichkeiten berichtete Lucchesini an Hertzberg und betonte dabei zufrieden, dass „die Polen diesen Tag genauso wie einen eigenen Feiertag begehen“.¹³² Das Thema des polnisch-preußischen Bündnisses bewegte aber nicht nur reiche Magnaten, die ihre musikalischen Vorlieben zum Anlass nahmen, um bestimmte politische Positionen zu demonstrieren. Auch die polnische Literatenwelt zeigte sich am politischen Geschehen durchaus interessiert und war stets bestrebt, die Entwicklungen im Reichstag ,zumeist in Form von Satire und Fabel, zu kommentieren.¹³³ Im Gegensatz, zu den nicht immer eindeutigen Stellungnahmen von bestimmten Interessengruppen oder Reichstagsreden, brachte diese Art des politischen Kommentars vielleicht am deutlichsten die vorherrschende Meinung zum Ausdruck. Durch leichte Zugänglichkeit und schnelle Übermittlung konnte so ein breiteres Publikum angesprochen werden. Den meist anonym publizierenden Literaten war es auf diese Weise zudem möglich, ihre persönliche Haltung der stark politisierten, und in unterschiedliche Lager und Parteien geteilten, Öffentlichkeit darzulegen. Folgt man der Analyse von Marzena Profaska, dann dominierte unter diesen politischen Kommentaren eine eindeutig antirussische Haltung. Die meisten satirischen Veröffentlichungen aus der Reichstagszeit verspotteten die russophil eingestellten Staatsmänner, richteten sich gegen den
Michał Kazimierz Ogiński an Friedrich Wilhelm II., 26.11.1788, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 226, Bl. 35 f. Girolamo Lucchesini an Ewald Friedrich von Hertzberg, 23.09.1789, in: Źródła do dziejów drugiego i trzeciego rozbioru Polski, S. 410. Siehe dazu die Auswahl an satirischen Gedichten in: Juliusz Nowak, Satyra polityczna Sejmu Czteroletniego, Kraków 1933, Wiersze polityczne Sejmu Czteroletniego. Z papierów Edmunda Rabowicza Bd. 1: 1788 – 1789 und Bd. 2: 1790 – 1792, hg. von Krystyna Maksimowicz,Warszawa 1998 und 2000.
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„russlandaffinen“ König und prangerten Russland als den größten Feind Polens an.¹³⁴ Angesichts der vorherrschenden russlandfeindlichen Stimmung waren die literarischen Russlandfreunde in der deutlich schlechteren Ausgangsposition. In ihren satirischen Versen verspotteten sie dennoch unverdrossen Preußen und dessen Anhängerschaft und versuchten, ihre Gegner als politisch naiv und blind für die Realitäten zu desavouieren. Genau diese Botschaft enthielt das anonym erschienene Werk „Der Weltwind und seine Windtreiber auf der Erde“, in dem die verheerenden Handelsbeziehungen zwischen Preußen und Polen aufgegriffen wurden, um auf die wirtschaftlichen Vorteile einer Verbindung mit Russland hinzuweisen.¹³⁵ Als „Windtreiber“ fungieren hier die polnischen Preußenanhänger, die sich dem „preußischen Wind“ beugen, von diesem hin und her geworfen werden und dadurch nur unangenehme Überraschungen für sich und das eigene Land in der nahen Zukunft herbeiführen würden. Eine Gesellschaftskritik beinhaltet dieses literarisch eher minderwertige Werk ebenfalls: Auf die Metapher des biegsamen Rohres zurückgreifend, tadelt es die Wandelbarkeit und Nachgiebigkeit des polnischen Charakters. Zur Vorsicht im Umgang mit dem gewünschten Allianzpartner wurde auch in einer anonym verfassten Satire mit dem Titel „Der Papagei – ein aus dem Französischen übersetzter Roman“ aufgerufen. In wenig raffiniertem Stil beschreibt diese Fabel die Befreiung eines Papageis aus einem Käfig. Der befreite Vogel will seine wiedererrungene Freiheit jedoch gar nicht genießen, sondern begibt sich sogleich bewusst und freiwillig in den Käfig seines gierigen Befreiers, wo er zu dessen Zufriedenheit immer mehr an Gewicht zunimmt.¹³⁶ Die gleiche politische Aussage transportierte ein Gedicht unter dem Titel „Die Bienen“. Ebenfalls in Fabelform schildert hier ein namenlos bleibender Autor die ständige Bedrohung der schwachen Bienen durch die benachbarten Wespen, Hornissen und Fliegen. Erst als sich die Wespen und Hornissen in einem Krieg im fernen Osten engagieren und die Fliegen ihnen deshalb den Frieden anbieten, können die Bienen auf Entspannung hoffen. Aber dieser Zustand erweist sich als trügerisch, weil die „friedensstiftenden“ Fliegen „ebenfalls unseren Honig
Vgl. Profaska, Stosunek polskich elit, S. 214– 228. Hierzu muss angemerkt werden, dass im Polnischen zwei unterschiedliche Begriffe für die Bezeichnung des Gegners existieren: Zum einen im Sinne von „Nicht-Freund“ (nieprzyjaciel) und zum anderen, ähnlich wie im Deutschen, im Sinne vom „Feind“ (wróg). Der Preußenkönig sowie die anderen Teilungsmächte wurden in den polnischen Veröffentlichungen durchgehend als „Nicht-Freunde“ charakterisiert. Zum Fehlen des Begriffes „wróg“ in der politischen Propaganda dieser Zeit siehe Teresa Kostkiewiczowa, Poetyckie adresy do wrogów, in: Ethos, 4 (1989), S. 162. Wiatr na świecie, mający wietrzników na ziemi, in: Nowak, Satyra polityczna Sejmu, S. 65. Papuga – powieść z francuskiego tłumaczona, in: Ebenda, S. 68.
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und unsere duftenden Süßigkeiten mögen/ und ihre Lust, uns Städte herauszureißen, nicht kleiner ist, als die der beiden anderen Nachbarinnen“.¹³⁷ Skepsis in Bezug auf die Allianz mit Preußen drückt ebenfalls das Fabelgedicht „Die Kraniche“ aus. Neben zahlreichen Invektiven wie Gier, Hinterlist und Böswilligkeit wurde hier dem westlichen Nachbarn unterstellt, er ziele auf den Tod der Kraniche ab.¹³⁸ Die Anonymität der preußenkritischen Werke macht es leider unmöglich, die politische Provenienz ihrer Autoren festzustellen, solange sie keine eindeutig russlandfreundliche Stellung bezogen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass gerade solche Stellungnahmen, wie die in den Fabeln „Bienen“, „Kraniche“ oder „Papagei“, aus dem Lager stammten, das keine Allianzen bevorzugte und allen benachbarten Mächten gleich ablehnend gegenüber stand. Was dagegen ganz deutlich aus allen diesen literarischen Stellungnahmen hervorgeht, ist die Heterogenität der negativen Preußenwahrnehmung in der Moralliteratur dieser Zeit. Es existiert weder eine einheitliche Personifikation für Preußen, noch werden diesem Staat wiederkehrende, pejorativ besetzte Eigenschaften zugeschrieben, die man als „typisch preußisch“ bezeichnen könnte. Die Dynamik des Preußenbildes im Laufe des 18. Jahrhunderts lässt sich somit nicht auf eine simplifizierte SchwarzWeiß-Sicht reduzieren, sondern das Bild bleibt, auch in seiner negativen Ausprägung, bunt. Obwohl die antipreußischen Stellungnahmen eher eine Ausnahme bildeten, blieben sie nicht unbemerkt.Vor allem bei den politisch engagierten Dichtern aus dem „Patrioten“-Kreis stießen die Kritiken an Preußen auf Unbehagen und forderten sie dazu heraus, entgegengesetzte Standpunkte zu propagieren. Zu den bekanntesten und populärsten Repliken aus der Zeit des Großen Reichstags gehört sicherlich die Fabel „Eule, Buchfink und Sperber“ vom „Hofdichter der Patrioten“, Julian Ursyn Niemcewicz.¹³⁹ Ähnlich wie seine Opponenten griff er Metaphern aus der Vogelwelt auf und wies Russland die Attribute der Eule, Polen die des Buchfinken und Preußen die des Sperbers zu: zwei Raubvögel gegen einen deutlich kleineren und schwächeren Singvogel. Bedeutend für die Dramatik der Satire, obwohl im Titel nicht erwähnt, ist der vierte Vogel, die Nachtigall. Mit dieser positiven Verbildlichung bedachte Niemcewicz Lucchesini, dessen diplomatische und rhetorische Künste er offensichtlich so sehr schätzte, dass er sie mit dem bestechenden Gesang einer Nachtigall symbolisch gleichsetzte. Mit seinen naturkundlichen Kenntnissen konnte Niemcewicz allerdings wenig überzeugen, Pszczoły, in: PAU, Rękopisy, 137569/8, Bl. 103. Żurawie–bajka z hiszpańskiego tłumaczona, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 2348, Bl. 648. Julian Ursyn Niemcewicz, Sowa, zięba i krogulec. Bajka tłumaczona z perskiego, in: Wiersze polityczne Sejmu, Bd. 2, S. 204 f.
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denn ausgerechnet die Nachtigall fungiert bei ihm als Bote des Sperbers, der sich bekannterweise überwiegend von kleinen Vögeln ernährt. Mehr noch: Der Sperber übernimmt bei ihm die Rolle des einzig wahren Beschützers des Buchfinken. Erst durch den klärenden Gesang der Nachtigall konnte sich der unentschlossene, und unter der „Übermacht“ der Eule leidende, Buchfink aus ihrer Gefangenschaft befreien und sich in die Obhut des „ehrlichen“ und „großartigen“ Sperbers begeben. Seiner Befreiung folgte auch die Erkenntnis: „Wer Mitleid mit mir zeigt/ Wer mich zu unterstützen verspricht/ Wer sich freundlich an mich wendet/ Dem werde ich dankbar zuhören.“¹⁴⁰ Der ornithologische Denkfehler Niemcewiczs erleichterte seinen politischen Gegnern die Kritik. Als Reaktion auf seine Fabel sind mehrere Variationen erschienen, die in ihrer Polemik und in Anlehnung an Niemcewiczs Symbolik, den räuberischen Charakter des Sperbers in den Vordergrund stellten. Die anonym erschienene „Antwort auf die Fabel über Eule, Buchfink und Sperber“ gehörte zu den argumentativ interessantesten Beiträgen unter ihnen.¹⁴¹ Die polemische Stärke dieser Satire liegt dabei weniger in der Lobpreisung Russlands als besserer Bündnispartner, sondern vorwiegend in der bis dahin dichterisch selten thematisierten Geschichte der polnisch-preußischen Beziehungen. Im Gegensatz zur Mehrheit der zeitgenössischen literarischen Kritiken an Preußen, die sich auf die aktuellen politischen Fragen konzentrierten, taucht hier der westliche Nachbar als der ewige Feind Polens auf. Er wurde beschuldigt, „seit Jahrhunderten“ seinen Appetit auf „unsere Kosten“ zu stillen und seine „großen Krallen“ gegen das Land zu richten. Die erste Teilung sei die letzte, von diesem „schönen Vogel“ initiierte, Mahlzeit gewesen, zu der er auch den „gefräßigen Raben aus dem Süden“ sowie die „Eule“ eingeladen habe, um sich selbst zurückziehen und, anders als seine eingeladenen Gäste, aus dem Hinterhalt den „armen Buchfink“ angreifen zu können. Jetzt sei der „Sperber“ damit beschäftigt, den „nordischen Lebensraum“ allein zu kontrollieren.¹⁴² Es ist wohl nicht zu weit hergeholt, in dieser kurzen Satire – ähnlich wie in den Stellungnahmen von Staszic – eine der literarischen Quellen für den, im Laufe des 19. Jahrhunderts eskalierenden, Vorwurf des preußischen „Drangs nach Osten“ zu sehen. Stilistisch zwar wenig überzeugend, griff die Fabel dennoch geschickt das schon länger existierende und publizistisch bereits häufiger verwendete Bild vom gierigen preußischen Raubvogel auf, um auf diese metaphorische Weise der eigentlichen Botschaft eine größere Aussagekraft zu verleihen und die Notwendigkeit einer prorussischen Orientierung hervorzu-
Ebenda, S. 205. Odpowiedź na bajkę o sowie, ziębie i krogulcu, in: Ebenda, S. 207. Ebenda.
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heben. Ihre literarische Leistung lag gleichzeitig darin, Preußen verstärkt mit der Symbolik eines „Räubers“ in Zusammenhang zu bringen und es damit literarisch zu einem der „ewigen Feinde“ Polens zu stilisieren.¹⁴³ Den bedeutendsten und dichterisch anspruchsvollsten Beitrag zu dem satirischen Wettstreit lieferte kein Geringerer als der Dichterfürst Ignacy Krasicki mit dem ihm zugeschriebenen Werk „Die Orgel“ aus dem Jahre 1788.¹⁴⁴ Anders als die sich gegenseitig bekämpfenden Parteien im Reichstag versucht Krasicki hier keine Entweder-Oder-Position zu beziehen, sondern auf die Gefahren hinzuweisen, die von beiden Nachbarn ausgehen. Besonders auffällig ist dabei seine Kritik an Preußen und den preußischen Manipulationen in Polen-Litauen. Ohne Umschweife und Rücksicht auf seine Vorgesetzten bezeichnet der ermländische Bischof hier den Gesandten Lucchesini als den führenden Kopf des Reichstags, der nur darauf bedacht sei, die Kontrolle über Polens Außenpolitik zu übernehmen. Er sei für ihn der meisterhafte „Orgelspieler“, der nach Belieben die „Orgel“ (versammelte Stände) bedienen und ihr immer solche „Töne“ zu entlocken vermöge, die dem musikalischen Geschmack Preußens gerade entsprächen. Von der „Musik“ ließen sich laut Krasicki vor allem die „Patrioten“ betören, weil sie sich jetzt einzig und allein nach dem preußischen Takt bewegten und nicht bemerkten, dass ihr hochgehaltener Alleinanspruch auf Patriotismus und Vaterlandsliebe vom „Orgelspieler“ Lucchesini manipuliert werde.¹⁴⁵ Außerdem machte sich Krasicki auch keine Illusionen darüber, dass sich Preußen früher oder später mit Österreich und Russland versöhnen würde, um gemeinsam mit ihnen die polnischen Territorien zu annektieren. Sein, von Galgenhumor geprägter, Wunsch lautet schließlich: „Wenn wir [der weiße Adler, A.P.] unbedingt gerupft/ und von drei benachbarten Adlern aufgefressen werden müssen,/ dann ist es mir lieber, verehrte Herren,/ dass uns ein Adler mit einem Kopf schröpft.“¹⁴⁶ So viel Preußenskepsis blieb nicht unbeantwortet, zumal der Aufklärer Krasicki nicht nur die „Patrioten“ für ihre außenpolitische Einstellung kritisierte, sondern auch ihr Reformprogramm bekämpfte und eine eindeutig entgegengesetzte Position zu der von Kołłątaj, Potocki und anderen Reformern vertretenen bezog. Die polemische Antwort aus dem „Patrioten“-Kreis ließ daher auch nicht auf sich warten, konnte allerdings nicht an das literarische Niveau Krasickis anknüpfen und hatte eher publizistischen Charakter. Neben seinem Reformunwillen
Die weiteren zeitgenössischen Polemiken gegen Niemcewicz in: Nowak, Satyra polityczna Sejmu, S. 64– 68. Ignacy Krasicki, Organy, czyli odpowiedź na list przyjaciela z Warszawy, in: Wiersze polityczne Sejmu, Bd. 2, S. 215 – 221. Ebenda, S. 219. Ebenda, S. 220.
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wurde in der Schrift mit dem offensiven Titel „Eines Bauern Antwort an den Warschauer Orgelspieler“ auch seine prorussische Orientierung angegriffen.¹⁴⁷ Ein anonymer Autor warf dem preußischen Untertan Krasicki vor, er verkaufe sich für russisches Geld und trage mit seiner literarischen Tätigkeit lediglich zur Huldigung der „Göttin des Nordens“ bei. Interessanterweise fielen dem engagierten „Patrioten“ bei der Beschreibung des preußischen Königs kaum vergleichbar anschauliche Prädikate ein, seine Lobpreisung beschränkte er auf „großzügig“ und „wohlwollend“.¹⁴⁸ Eine überschwänglich preußenfreundliche Propaganda war Ende 1788 offensichtlich nicht dringend nötig, denn – so der Zeitgenosse Niemcewicz – nicht nur die Abgeordneten oder das Reichstagspublikum, sondern auch „das schöne Geschlecht“ machten aus ihrer Abneigung gegen Moskau keinen Hehl und erblickten in Friedrich Wilhelm „den größten Freund der Republik“.¹⁴⁹ Erneut war es Stanisław Staszic, der den wieder entfachten, propreußischen Enthusiasmus im publizistischen Bereich zu bremsen versuchte und unermüdlich darauf hinwies, welche Gefahren ein polnisch-preußisches Bündnis mit sich bringen könnte. In seinen, 1790 veröffentlichten „Warnungen für Polen“ forderte er sogar, keine Allianzen einzugehen, solange das interne System nicht reformiert sei. Unterstützung für die Sicherung des Reformprogramms sollte seiner Meinung nach auch nicht von einem Nachbarn erwartet werden, sondern aus der „Opferbereitschaft der Nation“ erwachsen. Erst wenn Polen eine innen- und außenpolitische Stabilität erreicht und seine militärische Stärke vergrößert habe, könne es als ernst zu nehmender und gleichberechtigter Bündnispartner agieren.¹⁵⁰ Anderenfalls liefere sich Polen-Litauen gänzlich an Preußen aus und mache sich erpressbar, denn als Preis für den Bündnisschutz würden immer mehr Territorien abgetreten werden müssen. Staszic war fest davon überzeugt, dass die Verbindung mit Preußen nur auf Kosten von Danzig erkauft werden könne und kritisierte deshalb scharf alle Anhänger dieses „Austauschprojektes“.¹⁵¹ Das Gerücht, wonach Danzig und Thorn als Vergütung für die preußische Bündnisbereitschaft vorgesehen waren, schien zu diesem Zeitpunkt weit verbreitet gewesen zu sein. Obwohl die „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“ diesem Gerücht entschieden widersprach und den geplanten Vertrag mit Preußen
Wieśniak warszawskiemu organmistrzowi na Organy z Myślenic, in: Ebenda, S. 225 – 240. Ebenda, S. 237 f. Julian Ursyn Niemcewicz, Pamiętniki czasów moich, hg. von Wacław Zawadzki, Warszawa 1957, S. 303. Stanisław Staszic, Przestrogi dla Polski, in: Ders., Pisma filozoficzne i społeczne, Bd.1, Kraków 1954, S. 175; vgl. dazu auch Bömelburg, Friedrich II., S. 146. Ebenda, S. 336.
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als Allheilmittel für sämtliche polnischen Schwierigkeiten darstellte, ließen sich auf der Straße Stimmen vernehmen, die die polnisch-preußische Verbindung weniger optimistisch beurteilten. In einem Brief vom 31. Dezember 1789 teilte Stanisław August folgende Beobachtung mit: „Gestern fand man einige Zettel folgenden Inhalts an den Mauern: ‚Es wird bekannt gemacht, dass am 14. präsentis und folgenden Tagen die Auktion von Thorn, Danzig und anderen Vendibilia in dem patriotischen Palast, unter dem Zeichen des Schwarzen Adlers gegen bares Geld oder sichere Bürgschaften, stattfinden wird‘.“¹⁵²
Für den polnischen König war klar, dass Russland für diese Art der Propaganda verantwortlich war. Zwar traute er den Berliner Freundschaftsdeklarationen nicht, doch das Schutzbündnis mit Preußen hielt er für den aktuell notwendigen Schritt, auch um den Preis der Verschlechterung der Beziehungen zur russischen Regierung. Diese zeigte sich jedoch von den begonnenen polnisch-preußischen Allianzverhandlungen relativ wenig beunruhigt. Mit Hochmut und Selbstsicherheit interpretierte man in Petersburg die einseitige Orientierung der polnischen Außenpolitik als ein Zeichen von Naivität. Die russische Kritik am propreußischen Kurs Warschaus war nicht ganz unberechtigt, denn durch den Abbruch der Kontakte zu Russland begab sich Polen-Litauen quasi unter den alleinigen Schutz Preußens und erhob damit die Berliner Regierung zum einzigen Garanten seiner staatlich-territorialen Sicherheit. Aus dieser dominanten Position heraus konnte Preußen seine Ansprüche an Polen zur Voraussetzung des geplanten Vertrages machen, zumal die bilateralen Gespräche auch die Erneuerung des Handelsvertrages von 1775 zum Thema hatten und dafür einen günstigen Anlass boten. Wie erwartet und ohne größere diplomatische Rücksichten erklärte auch Hertzberg das Bündnis mit dem schwachen Polen-Litauen für eine einschneidende Belastung für Preußen, die nur durch die Abtretung von Danzig und Thorn zu kompensieren wäre. Auch Gebiete in Großpolen wurden in Erwägung gezogen. Als Abfindung dafür gedachte er, die Herabsetzung des Zolls von zwölf auf vier Prozent und andere Erleichterungen zu gewähren.¹⁵³ Die Nachricht über die preußischen Zessionsabsichten war für die polnische „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“ keine Überraschung, denn längst war sie von ihrem Berliner Gesandten Czartoryski und seinem Nachfolger, dem Fürsten Stanisław Paweł Jabłonowski, über Hertzbergs Pläne informiert worden.¹⁵⁴
Stanisław August an Antoni Deboli, 31.10.1789, in: AGAD, Zbiór Popielów, 414, Bl. 517. Ewald Friedrich von Hertzberg an Friedrich Wilhelm II., 02.03.1790, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 147E, Bl. 123. Vgl. Kucharski, Działalność dyplomacji, S. 82 f.
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Es fehlte in ihren Reihen auch nicht an Mitgliedern, die von der Notwendigkeit der Zession fest überzeugt und bereit waren, zugunsten des Bündnisses weitgehende Kompromisse mit Preußen einzugehen. Mit einer gewissen Gutgläubigkeit planten sie aber, Danzig und Thorn erst als Äquivalent für Galizien zu opfern. Jetzt mussten sie aber erfahren, dass die Annexionspläne der Berliner Regierung weit über die beiden Städte hinausgingen und als Bedingung für das geplante Bündnis gestellt wurden.¹⁵⁵ Die aktuellen Gebietsforderungen Preußens brachten die „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“ in eine prekäre Situation, denn sie musste jetzt nicht nur eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen, sondern auch die eskalierende innenpolitische Kritik an ihrer bisherigen Tätigkeit entkräften. Das gerade wieder hergestellte, positive Preußenbild im Reichstag wurde erneut in Frage gestellt und damit auch die politische Existenzberechtigung der „Deputation“. Angesichts der negativ eingestellten Mehrheit der Abgeordneten und der eigenen misslichen Lage entschloss sie sich schließlich, die preußischen Forderungen abzulehnen.¹⁵⁶ Gleichzeitig führten die preußischen Ansprüche dazu, dass die führenden „Patrioten“ und eigentlichen Vordenker des Reichstags wie Małachowski, Potocki sowie die Bischöfe Rybiński und Krasiński, daran zu zweifeln begannen, ob ihr propreußischer Kurs und das Zustandekommen des Bündnisses überhaupt vom Vorteil wären.¹⁵⁷ Das schwindende Vertrauen in die Berliner Politik hielt allerdings nicht lange an.Verantwortlich für den raschen Stimmungswechsel waren der sich zuspitzende Konflikt zwischen Hertzberg und Lucchesini sowie die neue politische Lage in Europa: Nach dem Abschluss der preußisch-osmanischen Allianz Ende Januar 1790 sowie dem Tod des österreichischen Kaisers Joseph II. rückte die Gefahr eines Kriegsausbruchs immer näher. Die auf einen Ausgleich mit Russland zielende Gruppierung um Hertzberg verlor dadurch an Dominanz und musste sich den Anhängern eines militärischen Vorgehens gegen Österreich beugen. Zu diesen zählte auch Lucchesini, den das Angebot des österreichischen Hofes, mit PolenLitauen eine Allianz zu schließen, mit Besorgnis erfüllte und der sich darum vehement für das polnisch-preußische Bündnis einsetzte.¹⁵⁸ Auf sein Mitwirken ist
Ausführlich zu den Gebietsansprüchen Hertzbergs:Walerian Kalinka, Sejm Czteroletni, Bd. 2, Lwów 1881, S. 22– 24. Ewald Friedrich von Hertzberg an Friedrich Wilhelm II., 04.03.1790, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 147E, Bl. 126. Ignacy Potocki an Eliasz Aloe, 27.02.1790, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 277, Bl. 190 – 192. In einem Brief an Friedrich Wilhelm II. appellierte Lucchesini auf einen baldigen Abschluss des Vertrages, bevor Österreich seine Allianzpläne mit Polen realisieren und seinen Einfluss in
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es vor allem zurückzuführen, dass sich Friedrich Wilhelm II. dazu entschloss, die Forderungen nach Danzig und Thorn zurückzuziehen und die weiteren Verhandlungen lediglich auf das Bündnis zu beschränken. Diese wurden jetzt durch die Forderung Stanisław Augusts bestimmt, den Handelsvertrag zur Bedingung des Bündnisses zu machen, um dadurch Polen vom Joch der preußischen Zollpolitik zu befreien.¹⁵⁹ Die Mahnrufe des polnischen Königs stießen bei der Mehrheit der Abgeordneten auf ungestümen Widerstand. Von der „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“ mobilisiert, warfen sie ihm vor, der Urheber der Vertragsverzögerung zu sein und im Interesse Russlands zu handeln. Während der Reichstagssitzung vom 15. März ergriff Ignacy Potocki das Wort und rief Stanisław August dazu auf, seine zögernde Haltung endlich aufzugeben und das so lange angestrebte Bündnis mit dem „Vermittler der Völker“ abzuschließen. Anderenfalls werde Polen ohne „einen Verbündeten bleiben, der das Bestehen der polnischen Nation, ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu verteidigen weiß.“¹⁶⁰ Nach Potockis überzeugender Wortmeldung wurde die „Deputation“ durch den Reichstag beauftragt, mit dem König von Preußen ein Defensivbündnis zu schließen und die Verhandlungen über Handelsfragen erst danach aufzunehmen. In der Sitzung vom 25. März wurde der fertige Vertragsentwurf dem Reichstag vorgelegt und vier Tage später durch die polnischen Bevollmächtigten und Lucchesini unterschrieben. Das von polnischer Seite seit über einem Jahr so stark forcierte Bündnis garantierte gegenseitigen Schutz und Beistand für den Fall, dass eine der beteiligten Mächte von einer dritten angegriffen werden sollte sowie die gegenseitige Anerkennung der territorialen Grenzen.¹⁶¹ Der preußische Gesandte Lucchesini betrachtete das Bündnis als einen großen Erfolg seiner diplomatischen Künste. Selbstzufrieden schrieb er, zwei Tage nach seiner Unterzeichnung, dem König von Preußen: „Jetzt, da diese Leute in unseren Händen sind und Polens Zukunft nur von unseren Machenschaften abhängt, kann dieses Land Ew. Majestät als Kriegsschauplatz dienen und als ein Bollwerk für Schlesien genutzt werden, es kann aber auch von Ew. Majestät als Kompensationsobjekt bei einem Friedensschluss gebraucht werden. Das ganze Kunststück für uns besteht eben darin, unsere Absichten vor diesen Leuten zu verbergen, damit sie nicht
Warschau weiter ausbauen würde. Girolamo Lucchesini an Friedrich Wilhelm II., 27.02.1790, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 157 J, Bl. 91– 95. Vgl. Projekt traktatu polsko-pruskiego, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 97, Bl. 187. Głos Jaśnie Wielmożnego Ignacego Potockiego Marszałka Nadwornego W.X.L. na sessyi sejmowej dnia 15 Marca 1790 Roku, in: BN, Materiały historyczne, XVIII 23256, S. 4. Der vollständige Inhalt des Vertrags in: Volumina Legum. Przedruk zbioru praw staraniem XX. Pijarów w Warszawie, od roku 1732 do roku 1782, Bd. 8, Petersburg 1860, S. 29 – 39.
3. Die letzten Tage der Hoffnung oder ein überflüssiges Traktat
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voraussehen können, zu welchen Konzessionen sie gezwungen werden, sobald sich Ew. Majestät von ihnen für geleistete Dienste bezahlen lässt.“¹⁶²
3. Die letzten Tage der Hoffnung oder ein überflüssiges Traktat So naiv und unreflektiert, wie es Lucchesini seinem obersten Dienstherren gemeldet hatte, reagierte die polnische Außenpolitik auf die Unterzeichnung des Bündnisvertrags jedoch nicht. Von Anfang an hegten Ignacy Potocki und seine Parteigänger keine Zweifel daran, dass die aktuelle Annäherung an Preußen rein taktisch bedingt sei und vor allem im Hinblick auf das beabsichtigte gemeinsame Vorgehen gegen Österreich zustande gekommen war.¹⁶³ Von dieser Kampagne erwarteten sie die Wiedergewinnung Galiziens als Entschädigung für die polnische Unterstützung Preußens. Ein speziell dazu eingesetztes Komitee mit Potocki an der Spitze sollte diesen Plan mit der Berliner Regierung koordinieren und die unterstützenden Kräfte an Ort und Stelle in Galizien mobilisieren. Der für Ende Mai angeordnete Abmarsch der preußischen Armee nach Schlesien, wohin auch bald der König in Begleitung seines Kabinetts reiste, deutete auf den baldigen Kriegsausbruch hin und stimmte die Komiteemitglieder zuversichtlich. Die Verwirklichung ihres galizischen Vorhabens schien immer näher zu rücken. Alsbald mussten sie aber erfahren, dass Friedrich Wilhelm II., entgegen den im Bündnisvertrag vereinbarten Regelungen, beabsichtigte, im Falle des preußischösterreichischen Krieges auf die Beteiligung Polen-Litauens zu verzichten und sich für die polnische Neutralität auszusprechen.¹⁶⁴ Als Hauptgrund für seine Ent-
Girolamo Lucchesini an Friedrich Wilhelm II., 31.03.1790, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 157 J, Bl. 181 f. Zunächst aber bezahlte Friedrich Wilhelm II. die polnischen Verfechter des Vertrags. Aus Anlass der Ratifikation sandte er 8 000 Dukaten und mit Brillanten besetzte Tabakdosen für die Bevollmächtigten, die das Bündnis unterschrieben hatten. Ignacy Potocki sollte den Orden des Schwarzen Adlers bekommen, aber er lehnte dies mit dem Argument ab, man möge ihn nicht höher auszeichnen als seine Kollegen. Auch der polnische König zeigte sich spendabel und bedachte Lucchesini mit einem Brillantstern an einem blauen Band, welches er selbst getragen hatte. Ebenfalls wurde das Berliner Kabinett von polnischer Seite mit mehreren Tausend Talern beschenkt. Vgl. Kalinka, Sejm Czteroletni, Bd. 2, S. 61. Vgl. Ignacy Potocki an Eliasz Aloe, 24.03.1790 und 01.05.1790, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 277, Bl. 207– 209 und 231– 233. Eine ähnlich preußenskeptische Stimmung findet man im Brief von Józef Kossakowski an Ignacy Potocki, 17.09.1790, in: Ebenda, 279, Bl. 310 ff. Stanisław Jabłonowski an die „Deputation“, 25.06.1790 und 06.07.1790, in: AGAD, Zbiór Popielów, 406, Bl. 25 und Bl. 26.
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scheidung galt das negative Urteil von General Kalckreuth über den Zustand der polnischen Armee. Seiner Meinung nach war das polnische Heer für eine gemeinsame Militäraktion völlig untauglich, so dass es für Preußen besser wäre, Polen-Litauen neutral zu lassen.¹⁶⁵ Der Ausschluss Polen-Litauens aus den preußischen Kriegsplänen sollte es Preußen ermöglichen, die territorialen Eroberungen in Galizien zu verwirklichen, ohne dabei polnische Interessen berücksichtigen zu müssen. Der preußische Alleingang bei der erhofften Annektierung Galiziens bot Berlin gleichzeitig die Chance, den längst geplanten Gebietsaustausch endlich zu realisieren. Die polnisch-preußischen Gespräche drehten sich ab jetzt nur noch um die Frage, welche Territorien Polen-Litauen für die Wiedergewinnung von Galizien an Preußen abzutreten beabsichtige.¹⁶⁶ Die Nachrichten aus Schlesien, die preußischen Gebietsansprüche betreffend, beunruhigten die Reichstagsabgeordneten und verstärkten ihre Kritik an der Aktivität der „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“. Im Sommer 1790 dominierte unter ihnen auch die Überzeugung, dass die Fokussierung der „Deputation“ auf den Berliner Hof die außenpolitische Lage des Landes nicht verbessere, sondern Polen-Litauen angesichts des preußischen Vertragsbruchs zur Hilflosigkeit verdamme.¹⁶⁷ Aus der eskalierenden Enttäuschung über Preußen konnte wiederum das prorussische Lager politisches Kapital schlagen. Der polnisch-preußische Defensivvertrag, der die Position dieses Lagers im Lande eigentlich schwächen sollte, erwies sich geradezu als Werbung für die russlandfreundliche Orientierung. Um die Gunst der Stunde zu nutzen, starteten die Russlandbefürworter eine antipreußische Kampagne und versuchten, die Unzufriedenen für sich zu gewinnen. Genau zu diesem Zweck veröffentlichte einer der wichtigsten Vertreter der prorussischen Gruppierung, Stanisław Szczęsny Potocki, seine „Wiener Briefe“. Durch ihre schnelle Verbreitung konnten sie eine relativ große Leserschaft erreichen und diese auf die Großzügigkeit der russischen Politik hinweisen. Mit rhetorischer Raffinesse gelang es Potocki dabei, Preußen
Ignacy Potocki an Eliasz Aloe, 30.06.1790, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 277, Bl. 269 – 271. Vgl. Kucharski, Działalność dyplomacji, S. 90 – 93. Die Sitzungen vom 15.07.1790 und vom 20.07.1790, in: AGAD, Archiwum Sejmu Czteroletniego, 8, Bl. 58 – 74 und 151– 157. Die zunehmende Ablehnung Preußens gegenüber Polen wurde begleitet von einer starken Tendenz, die polenfeindliche Haltung des preußischen Hofes zu historisieren und bereits Friedrich II. als den Urheber der europäischen und damit auch der polnischen Misere zu betrachten. In diesem Ton ist z. B. das populäre dreibändige, geografische Werk des Piaristen Franciszek Siarczyński verfasst, in dem er Friedrich II. als Aggressor gegen Österreich und Initiator der ersten Teilung Polens darstellt. Franciszek Siarczyński, Geografia czyli opisanie naturalne, historyczne i praktyczne krajów i narodów we czterech częściach się zawierające, 3. Bde., Warszawa 1790 – 1794, hier Bd. 2, S. 470 – 480.
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und Russland gegeneinander auszuspielen und die polenfeindlichen Entscheidungen der Berliner Regierung als Hauptursache der polnischen Probleme anzuprangern: „Zwar will ich kein Sprachohr Russlands sein, aber genau dieses Russland, das wir auf tausende von Arten beleidigt haben und dessen hunderttausend Soldaten an unserer Grenze stehen, lässt sich nicht so hoch wie Preußen bezahlen, verlangt nicht nach Opfern und verlässt uns nicht so schnell. Dies umso mehr, als es nach dem Abschluss des Friedens das Schicksal von halb Polen in den Händen halten wird.“¹⁶⁸
Die politische Strategie der Russlandanhänger basierte auf der Verbreitung eines negativen Preußenbildes und der Ablehnung der propreußischen Einstellung der „Patrioten“. Taktisch verhielten sie sich nicht viel anders als ihre politischen Gegner zu Beginn des Reichstags, denn ähnlich wie diese stellten die prorussisch orientierten Reichstagsabgeordneten die Kritik an ihren politischen Kontrahenten in den Vordergrund ihrer Argumentation, um auf diese Weise die eigene Wahl des außenpolitischen Verbündeten zu legitimieren. Mit anderen Worten: Durch die Konstruktion eines preußischen Feindbildes versuchten sie, die Russlandsympathie zu stärken. Ihr besonderes Interesse galt dabei dem preußischen König. „Die Moskauer Partei läuft ständig im Sächsischen Garten [in Warschau, A.P.] herum und hört nicht auf, gegen den preußischen König zu schimpfen“, bemerkte der Zeitgenosse und Anhänger der „Patrioten“, Adam Stanisław Krasiński.¹⁶⁹ In seinen Briefen aus Warschau entrüstete er sich immer wieder über seine politischen Gegner und ihre Hasspropaganda gegen Friedrich Wilhelm II., die nur darauf abziele, „den Polen den preußischen König widerlich zu machen“.¹⁷⁰ Zu dem von Krasiński beschriebenen gegnerischen Lager gehörte wahrscheinlich auch der anonyme Autor eines Artikels, der unter dem Titel „Ratschlag für die Polen“ im Februar 1791 in Świtkowskis „Pamiętnik“ abgedruckt wurde.¹⁷¹ Ähnlich, wie in den anderen russlandfreundlichen Beiträgen dieser Zeit, wurde auch in diesem Russland als der „natürliche Verbündete“ Polens bezeichnet, der zudem im Gegensatz zu Preußen keine Annexionsabsichten hege. Die Hauptverantwortung Preußens für die erste Teilung solle niemals vergessen werden und bei der
Stanisław Szczęsny Potocki, Listy wiedeńskie z 7, 14, 21 i 25 sierpnia 1790, in: Janik, Hugo Kołłątaj, S. 164. Adam Stanisław Krasiński an Urszula Dembińska, 13.07.1790, in: BN, Manuskrypty, 6985, Bl. 60. Ebenda, Brief vom 26.07.1790, Bl. 63. Rada do Polaków, in: Pamiętnik Historyczno-Polityczny, Bd. 2, Warszawa 1791, S. 115 – 137.
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aktuellen „Allianzpolitik der Republik“ als richtungsweisender Denkanstoß dienen.¹⁷² Entrüstet reagierte der Herausgeber des Journals Świtkowski auf eine so eindeutige prorussische Positionierung. Seiner eigenen Auskunft nach hatte er sich nur deshalb dazu entschlossen, diesen Beitrag in seiner Zeitschrift abzudrucken, da er deutlich machen wollte, wie heuchlerisch und gefährlich die Argumentation der Russlandfreunde sei.Vor allem die Behauptung, die Stärkung der russischen Macht läge im polnischen Interesse, stieß auf Świtkowskis vehemente Kritik. Für ihn galt der polnisch-preußische Schulterschluss im erhofften Krieg gegen Russland als die wichtigste Konstante der jetzigen Außenpolitik, auch um den Preis von Danzig und Thorn. Alle Annäherungsversuche an Katharina II. hielt er dagegen für Verrat und politische Blindheit. Um seiner Begründung zusätzliche Wirksamkeit zu verleihen, entschloss er sich 1791, in den Frühjahrsausgaben seiner Monatsschrift weitere russlandfreundliche Artikel zu veröffentlichen, um die Argumente in diesen Beiträgen anschließend Schritt für Schritt zu widerlegen.¹⁷³ Die intensive Pressekampagne von Świtkowski war ein Bestandteil der großangelegten Strategie der „Patrioten“, den gegen sie gerichteten Umschwung in der Leitung der polnischen Außenpolitik zu stoppen. Der drohende Machtverlust zeichnete sich seit Sommer 1790 immer deutlicher ab. Um die starke Konkurrenz rechtzeitig auszuschalten und das schwindende Vertrauen des Reichstags in ihre Politik wiederzugewinnen, brauchten sie dringend ein positives Signal aus Berlin. Aus Erfahrung wussten sie, dass dies nur durch Erfüllung der preußischen Forderungen möglich war. Auf Anraten Englands und zugunsten eines Handelsvertrages zeigten sich die führenden Vertreter der „Deputation“ aus der „Patrioten“-Partei nunmehr bereit, die isolierte Stadt Danzig abzutreten, in der Hoffnung, mit diesem Vorschlag den preußischen Erwartungen entgegenzukommen und die schwierigen wirtschaftlichen Probleme im Inneren des Landes zu lösen.¹⁷⁴ Ebenda, S. 137. In der Aprilausgabe seiner Zeitschrift schloss Świtkowski diese russlandfeindliche Reihe ab. Als letzter Beitrag in dieser Kampagne gilt sein Artikel „Ein Brief an den Autor des Tagebuchs bezüglich der polnisch-preußischen Verbindungen“. Piotr Świtkowski, List do Autora Pamiętnika względem niniejszej między Prusami i Polską związków, in: Pamiętnik Historyczno-Polityczny, Bd. 2, Warszawa 1791, S. 317– 318. An dieser Kampagne beteiligte sich auch der Geschichtsprofessor des Warschauer Collegium Nobilium, Józef Kajetan Skrzetuski. Siehe dazu seine propagandistische Schrift aus dieser Zeit: Józef Kajetan Skrzetuski, Widok polityczny w teraźniejszych okolicznościach Polski, Warszawa 1791, S. 57– 58. Vgl. Józef Dutkiewicz, Sprawa Gdańska w dobie Sejmu Czteroletniego w oświetleniu korespondencji dyplomatycznej pruskiej, in: Zapiskis Towarzystwa Naukowego w Toruniu, 20 (1954),
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Neben dieser Gebietsabtretung rückte auch das Thema der Thronfolge in Polen-Litauen in den Mittelpunkt der Annäherungsversuche an Berlin. Bereits im Frühjahr 1790 informierte der polnische Gesandte in Berlin, Jabłonowski, die preußische Regierung über die Idee der Eheschließung des Prinzen Ludwig, auch Prinz Louis genannt, mit einer sächsischen Prinzessin und der Übernahme der polnischen Krone durch die Hohenzollerndynastie.¹⁷⁵ Der Plan der preußischen Thronfolge in Polen-Litauen war ein Teil des aktuellen Reformprojekts der „Patrioten“-Partei und ihrer Bemühungen um Einführung der Erbmonarchie. Zwar war dieses Vorhaben in den, auf Drängen Preußens verfassten, „Prinzipien zur Verbesserung der Regierungsform“ vom Dezember 1789 bereits verworfen worden, doch der Vertragsabschluss mobilisierte Ignacy Potocki, die aus opportunistischen Gründen aufgegebene Regierungsreform wieder aufzugreifen. Unterstützt wurde er dabei vom großen Verfechter der erblichen Thronfolge, Hugo Kołłątaj. Wahrscheinlich Ende Juni 1790 verfasste dieser führende Intellektuelle des Landes ein falsch datiertes Memorandum unter dem Titel „Information über die vollzogenen Arbeiten in Polen, die den Anlass für die heutige Revolution gegeben haben; dem Herrn Kalckreuth 1791 überreicht“.¹⁷⁶ Darin appellierte er an den preußischen König, der kurz zuvor noch erklärt hatte, sich nicht in die internen Angelegenheiten Polen-Litauens einmischen zu wollen, die Reformpläne der Polen zu befürworten. Zunächst aber kritisierte er die preußische Politik PolenLitauen gegenüber, vor allem die intrigante Diplomatie des Gesandten Lucchesini, die voreiligen Gebietsansprüche auf Danzig und Thorn sowie die anhaltende fiskalische Unterdrückung. Ohne jedes Anzeichen von Unterwürfigkeit dozierte er im Folgenden darüber, wie Preußen mit Polen umgehen solle, wenn es dessen Beistand für den kommenden preußisch-österreichischen Krieg gewinnen wolle. Schließlich kam der geübte Staatsmann und Reformer zum Hauptanliegen seines Schreibens und ermutigte Preußen, sich für die Thronfolge in Polen einzusetzen. Angeknüpft hatte er dabei an seine bereits ausführlich besprochene Schrift „Bemerkungen über den Einfluss zweier Mächte auf die polnischen Interessen“, in der er gleich zu Beginn des Großen Reichstags eine sächsische Thronfolge in PolenLitauen vorgeschlagen hatte. Im Gegensatz zu seiner früheren Stellungnahme bot er die polnische Krone jetzt aber direkt der Hohenzollerndynastie an. Durch die Ehe von Prinz Louis mit einer sächsischen Prinzessin könnte Preußen sich den
S. 354; Felix Salomon, Das politische System des jüngeren Pitt und die zweite Teilung Polens, Berlin 1895, S. 48 – 57. Ewald Friedrich von Hertzberg an Girolamo Lucchesini, 03.03.1790, in: Źródła do dziejów drugiego i trzeciego rozbioru Polski, S. 425. Hugo Kołłątaj, Informacya o poczynających sie robotach w Polszcze, które dały okazyą do rewolucji dzisiejszej, JP Kalckreutherowi dana 1791, in: PAU, Rękopisy, 186, Bl. 181– 220.
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polnischen Thron sichern und „mit Polen eine Union eingehen, wie einst Litauen mit dem Hause der Jagiellonen.“¹⁷⁷ Dem Beispiel der polnisch-litauischen Union folgend, prophezeite Kołłątaj der polnisch-preußischen Verbindung eine ähnlich goldene Zukunft sowie die Chance, sich zu einer der „stärksten Großmächte in Europa“ zu entwickeln.¹⁷⁸ Abschließend forderte er Friedrich Wilhelm zum wiederholten Male auf, sich für Polens Innenpolitik zu engagieren und das geplante Reformwerk zu unterstützen, denn nur dadurch könne er die Dankbarkeit der Polen gewinnen und sich Danzig und Thorn sichern. Sein großzügiges Entgegenkommen könnte ihm gleichzeitig die Garantie verschaffen, dass sich beim östlichen Nachbarn „keine Fackel der Revolution entzünde“.¹⁷⁹ Der spätere Anhänger der Jakobiner Kołłątaj scheint zumindest in der ersten Phase der Französischen Revolution wenig Anerkennung für diese empfunden zu haben, denn wie sonst wäre es zu erklären, dass er die revolutionäre Bewegung als eine drohende Gefahr charakterisierte und die Erbmonarchie als die bessere Regierungsform für Polen-Litauen betrachtete.¹⁸⁰ Außerdem strebte er an, den polnisch-litauischen Staatsverband mit einer der standhaftesten Monarchien in Europa zu verbinden, wohl wissend, dass er dadurch die republikanische Verfassung preis gab und den dynastischen Herrschaftsplänen der Hohenzollern Vorschub leistete. Sein Vergleich der polnisch-litauischen Union mit dem erhofften polnisch-preußischen Zusammenschluss lässt auch keine Zweifel daran, welche untergeordnete Rolle Kołłątaj seiner Heimat in dieser Verbindung zugedacht hatte. Seine gewagte Metapher zeigt aber gleichzeitig, mit welcher Vehemenz Kołłątaj ein positives Preußenbild vertrat und wie wenig er im Laufe des Reichstags seine Argumentationslinie verändert hatte. In seinem Traktat „Bemerkungen über den Einfluss zweier Mächte auf die polnischen Interessen“ von 1788 hatte er ja bereits die Hohenzollern als Nachkommen der Jagiellonen charakterisiert, nun sollten sie die Macht in Polen-Litauen übernehmen und mit seiner Hilfe zu den mächtigsten Herrscherhäusern in Europa aufsteigen.¹⁸¹
Ebenda, Bl. 212– 214. Ebenda, Bl. 214. Ebenda, Bl. 219 f. Die häufige Wandlung der politischen Orientierung von Kołłątaj analysiert Maria Pasztor, Hugo Kołłątaj na Sejmie Wielkim w latach 1791– 1792,Warszawa 1991, S. 145 – 164. Zur Verbindung von Kołłątaj mit den Jakobinern siehe Bogusław Leśnodorski, Polscy Jakobini, Karta z dziejów insurekcji 1794, Warszawa 1960, S. 39 – 43. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Kołłątaj bei seinem Vergleich von General Schlieffen inspirieren ließ, der bereits zu Beginn des Jahres 1790 ähnliche Gedanken formuliert hatte. In einer Schrift an Hertzberg setzte er sich expliziert für die Übernahme der polnischen Thronfolge durch die Hohenzollern ein. Sie sollten das Erbe der Jagiellonen antreten und eine ähnliche Rolle in Europa spielen wie die Dynastie der Bourbonen. Die latenten Ansprüche Preußens auf Danzig und
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Bei der Interpretation von Kołłątajs großzügigem Angebot an Preußen muss man allerdings die politische Situation Polen-Litauens berücksichtigen. Durch den Abschluss des Defensivvertrages mit Preußen stellte sich die polnische Außenpolitik eindeutig auf die Seite des preußischen Koalitionsbündnisses und verwarf ihre, bis dahin dominierende, prorussische Orientierung. Diese Wandlung bestimmte die innen- und außenpolitischen Entwicklungen Polen-Litauens und zwang selbst so überzeugte Russlandanhänger wie Stanisław August zum politischen Umdenken. Der polnische König, der dem Bündnis – trotz aller Einwände – letztendlich zugestimmt hatte, tat dies aufgrund der Einsicht, dass seine stets gefährdete Position im Lande nur mit preußischer Unterstützung gefestigt werden konnte und dass er besser daran tue, sein angeschlagenes Ansehen in Berlin zu verbessern. Auf Anraten seines Vertrauten, Abbé Scipione Piattoli, ließ er im Juli 1790 ein ebenfalls an General Kalckreuth gerichtetes Memorandum verfassen, in dem sich der polnische König bereit erklärte, zusammen mit Ignacy Potocki das propreußische Lager in Polen zu leiten und das „preußische System“ zu festigen, dessen Grundlage die Wiedergewinnung von Galizien und die Abtretung von Danzig bilden sollte.¹⁸² Unabdingbar für die Realisierung dieses Plans erschienen ihm allerdings, neben der Neuregelung der Zollpolitik, die Einführung der Erbmonarchie und die Sicherung der polnischen Thronfolge durch eine Verbindung der Hohenzollern mit seiner Familie. Im Gegensatz zu Kołłątaj hielt Stanisław August die Einbeziehung der Wettiner in die polnischen Sukzessionspläne für nicht notwendig. Er wollte seine dynastischen Aspirationen allein mit Hilfe Preußens sichern.¹⁸³ Um die Erfolgsaussichten dieses Plans zu erhöhen, begab sich Pater Piattoli im August 1790 nach Berlin. Dort sollte er den Ruf des polnischen Monarchen verbessern und dessen Popularität am preußischen Hof steigern. Mehr als die Ernennung von Stanisław August zum Ehrenmitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften erreichte er aber nicht.¹⁸⁴ Den Grund für seinen Misserfolg sah er vor allem in der vorherrschend negativen Beurteilung Polens durch die preußische Oberschicht. In einer Denkschrift, die Piattoli Ignacy Potocki aus Berlin geschickt hatte, berichtete er, dass der Unwille gegenüber Polen
Thorn kritisierte er als kleinkariert und überflüssig. Martin Ernst von Schlieffen, Einige Betreffnisse und Erlebungen, Berlin 1830, S. 469. Der vollständige Text des Memorandums an General Kalckreuth vom 19.07.1790 ist abgedruckt in: Dembiński, Polska na przełomie, S. 487– 500. Vgl. dazu auch Zielińska, „O sukcesyi tronu w Polsce“, S. 125 f. Memorandum vom 19.07.1790, in: Dembiński, Polska na przełomie, S. 496. Der Brief über die Aufnahme des polnischen Königs in die Akademie der Wissenschaften und seine Danksagung dafür in: PAU, Rękopisy, 7, Bl. 148 – 150.
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in Berlin allgemein sei, d. h. die Beurteilung von Stanisław August, der polnischen Armee sowie der ganzen Nation sei die denkbar schlechteste.¹⁸⁵ Auf alle polnischen Thronangebote reagierte das preußische Kabinett ignorant und ohne Stellungnahme, was darauf zurückzuführen ist, dass das polnischpreußische Bündnis nur wenige Wochen nach seinem Abschluss für Friedrich Wilhelm II. an Bedeutung verlor.¹⁸⁶ Denn fast zum gleichen Zeitpunkt, als sich die Anhänger der „Patrioten“-Partei und der polnische König darüber den Kopf zerbrachen, wie sie Preußen vom Nutzen des Bündnisses überzeugen könnten, schloss der preußische König mit Österreich die sogenannte Reichenbacher Konvention ab, die den drohenden Krieg zwischen den beiden Mächten verhinderte und den österreichisch-osmanischen Konflikt beendete. Die polnische Unterstützung brauchte er nunmehr lediglich noch als Spielball gegen Katharina II., mit der die Verhandlungen auf Hochtouren liefen. Solange diese nicht abgeschlossen waren, übte sich die Berliner Regierung in der Verhinderung und im Zunichtemachen polnischer Eigeninitiativen, die Polens Lage in Europa zu verbessern versprachen. So sind am preußischen Veto nicht nur die polnischen Vertragsverhandlungen mit dem Osmanischen Reich und Schweden gescheitert, sondern auch die Bemühungen der „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“, einen polnischen Delegierten zum geplanten Friedenskongress zu entsenden.¹⁸⁷ Die preußische Behinderung der polnischen Außenpolitik stieß auf wenig Verständnis bei den Reichstagsabgeordneten. Ihre seit Wochen anhaltende Kritik an der „Deputation“ eskalierte weiter und erreichte ihren Höhepunkt im Sommer 1790, als sich England offen dafür einsetzte, dass Danzig und Thorn an Preußen abgetreten werden sollten, um so die englischen und holländischen Garantien für alle übrigen Gebiete Polen-Litauens zu erlangen. Das englische Engagement sorgte im Reichstag für Unruhe und bestärkte viele Abgeordnete in der Ansicht, dass die „Deputation“ sich anschickte, in Verhandlungen mit England einzutreten, um einen Teil der polnischen Staatsangehörigen gegen ihren Willen zu Un-
Scipione Piattoli, Memoire sur Berlin, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 273/I, Bl. 830 – 840. Vgl. auch Scipione Piattoli an Ignacy Potocki, 02.09.1790, in: Ebenda, Bl. 810 f. Zwar lehnte Friedrich Wilhelm II. alle Pläne bezüglich der preußischen Thronfolge in Polen entschieden ab, doch er schloss auf Anraten Hertzbergs nicht aus, im Ausnahmefall einer sächsischen männlichen Königskandidatur zuzustimmen. Friedrich Wilhelm II. an Girolamo Lucchesini, 07.09.1790, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 247, Bl. 234 f. Zum genauen Verlauf der Auseinandersetzung zwischen der „Deputation“ und der preußischen Regierung siehe Kucharski, Działalność dyplomacji, S. 95 – 101. Allgemein zu Reichenbach: Kucharczyk, Polityka zagraniczna Prus, S. 640 ff.
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tertanen eines fremden Monarchen zu machen.¹⁸⁸ Die Gerüchte über die geplanten Zessionsverhandlungen mobilisierten die Gegner der „Deputation“; von Preußen und seiner polnischen Anhängerschaft enttäuscht, verfassten sie einen Reichstagsbeschluss über die Unteilbarkeit der polnischen Gebiete. Ihr Vorhaben löste eine intensive Debatte über den preußischen König und dessen Verhältnis zu Polen-Litauen im Reichstag aus. Während einige Abgeordnete ihr Misstrauen gegen Preußen äußerten und dessen Annexionsabsichten anprangerten, äußerten sich die „Patrioten“ mit Ignacy Potocki und Adam Kazimierz Czartoryski an der Spitze positiv über die bisherige Tätigkeit der „Deputation“ und den preußischen König. Sie stellten das Gesetzesvorhaben als eine unverzeihliche Beleidigung Preußens dar und als „selbstauferlegte Fessel“, die Polen in ein regelloses Chaos stürzen werden.¹⁸⁹ Doch diese Appelle der Preußenverteidiger zeigten kaum Wirkung. Am 6. September 1790 entschied sich die Mehrheit der Reichstagsabgeordneten, die bestehende Verfassung um einen Paragraphen über die Unteilbarkeit und Unantastbarkeit der polnischen Gebiete zu ergänzen.¹⁹⁰ Für Ignacy Potocki und seine Partei bedeutete der Reichstagsbeschluss zweifellos eine Niederlage. Nicht nur torpedierte er ihre bisherige politische Ausrichtung und schwächte ihre Position, sondern belegte auch, welchen Schwankungen die von ihnen propagierte Preußensympathie ausgesetzt war. Seit Monaten setzten sie auf ein positives Preußenbild und versuchten, daraus politisches Kapital zu schlagen; jetzt mussten sie nach einer neuen Strategie suchen, um nicht zum politischen Opfer der leicht aktivierbaren Abneigung gegen Preußen zu werden. Eine neue politische Taktik in der polnischen Außenpolitik gegenüber Preußen war dringend geboten, denn der Paragraph über die Unteilbarkeit der polnischen Territorien bewies Friedrich Wilhelm II. nur allzu deutlich, dass er von Polen-Litauen nichts zu erwarten hatte und sich auf den ohnehin unbequemen Allianzpartner nicht verlassen konnte. Die gereizte Stimmung zwischen Berlin und Warschau wurde zusätzlich durch England angeheizt, das sich zunehmend in der Position eines europäischen Mediators sah und sich zum Ziel gesetzt hatte, Danzig und Thorn preußisch werden zu lassen. Von der Abtretung der beiden Städte versprach sich die englische Regierung Erleichterungen für den eigenen Handel und eine Verminderung der
Vgl. Emanuel Rostworowski, Korespondencja Szczęsnego Potockiego z Sewerynem Rzewuskim z lat 1788 – 1796, in: Przegląd Historyczny, 45 (1954), S. 731. Die Sitzung vom 03.09.1790, in: AGAD, Archiwum Sejmu Czteroletniego, 9, Bl. 71– 86. Vgl. Opinion de Son Exce. M. Le Comte Potocki, 01.04.1791, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 275, Bl. 185 – 203. Der genaue Inhalt des Paragraphs in: Volumina Legum, hg. von Akademia Umiejętności, Bd. 9, Kraków 1889, S. 204.
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russischen Dominanz in Europa. Voraussetzung für die angestrebte „Einhegung“ Russlands war die Etablierung des englischen Systems, das vorwiegend auf dem Bündnis mit Preußen (sowie mit Dänemark, Schweden und den österreichischen Niederlanden) basierte und sich zum Ziel gesetzt hatte, eine neue Verbindung der „drei Schwarzen Adler“ zu verhindern.¹⁹¹ Das englische Engagement für eine neue Bündniskonstellation stieß jedoch auf wenig Begeisterung bei der Berliner Regierung, denn es widersprach dem Hertzbergschen Plan des territorialen Austauschs und erlaubte England seinerseits, mit preußischer Unterstützung eine dominante Machtstellung auf der internationalen Bühne zu erringen. Für den Großteil der polnischen Staatsmänner, die die Nuancen der Londoner Außenpolitik nicht in all ihren Details durchschauten, fungierte England lediglich als ein verlängerter Arm Preußens, der in dessen Namen und zu seinen Gunsten bei den wiederaufgenommenen Gesprächen über den polnisch-preußischen Handelsvertrag agiere. So gesehen trugen die englischen Vorschläge zur Verschlechterung des Preußenbildes während der Reichstagsdebatten über den Handelsvertrag wesentlich bei und vertieften die immer breitere Kluft zwischen den Befürwortern und Gegnern der Abtretung von Danzig und Thorn.¹⁹² Wie groß und unüberwindbar diese Spaltung war, offenbarten die Reaktionen auf die, im März 1791 verbreitete, Nachricht über ein preußisch-österreichisches Komplott gegen Polen. Demnach wollte der Kaiser Berlin keine Hindernisse bei der Einnahme von Danzig und Thorn in den Weg legen, sofern der preußische König bereit wäre, Österreich gleichbedeutende Erwerbungen in Polen-Litauen zuzugestehen.¹⁹³ Vergeblich versuchte die „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“ das erschreckende Gerücht zu entkräften.¹⁹⁴ Die Nachricht vom angeblichen preußischen Verrat und einer abermaligen Teilung verbreitete sich blitzschnell und rief allgemeine Entrüstung unter den Abgeordneten hervor. Schnell erkannte das Berliner Kabinett die möglichen Konsequenzen einer heraufziehenden preußenfeindlichen Stimmung und ließ den Grafen August von der
Ausführlich dazu Salomon, Das politische System des jüngeren Pitt, S. 37– 39; Robert Howard Lord, The second partition of Poland: a study in diplomatic history, Harvard 1915, S. 162– 168; Müller, Die Teilungen Polens, S. 46. Auf diese Spaltung machte von der Goltz in seinem Bericht vom Januar 1791 aufmerksam, wobei er betonte, dass auch unter den propreußisch eingestellten Abgeordneten die Zession von Thorn auf Widerstand stieße und kaum möglich sein werde, August Friedrich von der Goltz an Friedrich Wilhelm II., 26.01.1791, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 251, Bd. 1, Bl. 49 – 54. Franciszek Woyna an die „Deputation“, 02.03.1791, in: AGAD, Zbiór Popielów, 406, Bl. 11; August Franz von Essen an das Dresdner Kabinett, 18.05.1791, in: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026, Geheimes Kabinett, Loc. 3571/3, Bl. 170 – 176. Ausführlich dazu Nawrot, Sprawa pruskich propozycji, S. 76 – 86.
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Goltz, der zeitweilig Vertreter von Lucchesini in Warschau war, auf der Reichstagssitzung vom 23. März eine beruhigende Note des preußischen Königs verlesen. Darin erklärte Friedrich Wilhelm II. die kursierenden Gerüchte zu Lügen, die sich seine Gegner ausgedacht hätten, um ihn und den debattierenden Reichstag zu entzweien und der polnischen Nation Misstrauen gegen ihn einzuflößen. Er versicherte auch, dass es keine Verhandlungen über die Teilung Polens mit dem österreichischen Kaiser gegeben habe und dass er der Erste wäre, der gegen solche Absichten opponieren würde.¹⁹⁵ Die eindeutige Stellungnahme des preußischen Herrschers beruhigte zwar den akuten Unmut, half aber wenig, das wachsende Misstrauen gegen Preußen zu zerstreuen. Als einen Monat später, Ende April 1791, die „Deputation“ die Information erreichte, dass Preußen an einer polnischen Beteiligung in einem möglichen Krieg gegen Russland nicht interessiert sei und Polen die Neutralität empfehle, machte sich das Gefühl des Verrats und der Benachteiligung auch unter den bisherigen Preußenfreunden breit.¹⁹⁶ Zu deutlich erinnerten sie sich an die ganz ähnliche Vorgehensweise der preußischen Außenpolitik im Falle des Konflikts mit Österreich, um nicht zu erkennen, dass diese Entscheidung eine Annäherung Preußens an Russland ankündigte und es auf Friedensverhandlungen hinauslaufen würde. Die scheinbar großzügige Entbindung Polen-Litauens von vertraglich vereinbarten Verpflichtungen war daher nichts anderes als ein diplomatischer Hinweis darauf, dass sich die Berliner Regierung selbst ebenfalls nicht mehr an diesen Vertrag gebunden fühlte. Innerhalb von nur einem Jahr verlor die polnisch-preußische Allianz für Preußen ihre Daseinsberechtigung und wurde zunehmend als eine überflüssige und störende Last empfunden. Das politische Handeln Polen-Litauens zu diesem Zeitpunkt gab Preußen allerdings keinen ausreichenden Grund, sich von dieser lästigen Verbindung befreien zu
Den Abdruck, der am 23. März vorgelesenen Note des preußischen Königs findet man in: Walerian Kalinka, Der vierjährige Polnische Reichstag 1788 bis 1791, Bd. 2, Berlin 1898, S. 659. Siehe dazu auch Protokoły Deputacji Interesów Zagranicznych vom 26.03.1791, in: AGAD, Zbiór Popielów, 58, Bl. 358. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es zu diesem Zeitpunkt (Februar 1791) tatsächlich zu einem Treffen zwischen Hans Rudolf von Bischoffwerder und dem Vertreter der österreichischen Regierung, Philip Coblenz, kam. Doch während dieses Gesprächs sind keine Teilungsvorschläge ventiliert worden, sondern es wurde vielmehr die österreichische Bewilligung für die Zession von Danzig und Thorn thematisiert. Die Materialien zu den Verhandlungen von Bischoffwerder und Coblenz findet man in: Quellen zur Geschichte der deutschen Kaiserpolitik Oesterreichs während der französischen Revolutionskriege, 1790 – 1801: Urkunden, Staatschriften, diplomatische und militärische Actenstücke, hg. von Alfred von Vivenot, Bd. 1, Wien 1874, S. 78 – 101; vgl. dazu auch Solowjoff, Die Geschichte des Falles von Polen, S. 220 – 222. Stanisław Jabłonowski an die „Deputation“, 28.04.1791, in: AGAD, Zbiór Popielów, 406, Bl. 38.
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können. Im Gegenteil: die polnischen Allianzversuche mit Schweden und dem Osmanischen Reich waren gescheitert, die kostspielige Verifizierung des Handelsvertrages wurde wiederholt vertagt und unter dem englischen Druck schien die Übernahme von Danzig nur eine Frage der Zeit zu sein. Im April 1791 war Preußen fest davon überzeugt, das im Innern zerstrittene und außenpolitisch isolierte Polen-Litauen komplett unter eigene Kontrolle gebracht zu haben. Doch bereits im Mai wurde die Berliner Regierung mit Nachrichten aus Warschau konfrontiert, die ihre diesbezügliche Selbstsicherheit erschütterten und zeigten, dass Polen-Litauen nicht beabsichtigte, auf eine souveräne Politik zu verzichten. Ohne den preußischen Allianzpartner zu informieren oder gar zu konsultieren,verabschiedete der Reichstag am 3. Mai eine neue Verfassung für Polen-Litauen, auch Mai-Verfassung genannt, und mit ihr auch das Gesetz über die Einführung der Erbmonarchie.¹⁹⁷ Die Überraschung über die neue Verfassung war aus preußischer Sicht umso größer, als die Initiative zu ihrer Verabschiedung vom Kreis der propreußischen „Patrioten“ ausging und unter der Schirmherrschaft des polnischen Königs abgewickelt wurde. Offensichtlich war die nach außen stark propagierte Preußenfreundschaft solcher Staatsmänner wie Ignacy Potocki, der die Hauptverantwortung für den Verfassungsentwurf trug, ähnlich konjunkturell bedingt, wie das preußische Verhältnis zu den „Patrioten“. Immer wieder mit der passiven Haltung Berlins konfrontiert und dem Vorwurf des Verrats im eigenen Lande ausgesetzt, entschlossen sie sich, ein mutiges Reformprogramm zu verabschieden, ohne die preußische Regierung darüber vorher in Kenntnis zu setzen. Andererseits wäre es auch falsch, die Verabschiedung der Mai-Verfassung als einen Akt des polnischen Widerstandes gegen Preußen und die anderen Nachbarmächte zu deuten. Schon während der polnisch-preußischen Bündnisverhandlungen wiesen die Berliner Regierung und Lucchesini auf die Notwendigkeit einer Regierungsreform hin und machten den gemeinsamen Schulterschluss davon abhängig. So opportunistisch und eigennützig diese Forderungen auch waren, so forcierend wirkten sie sich auf die Debatten und Arbeiten der reformorientierten Gruppen aus und motivierten sogar das preußenskeptisch eingestellte, königliche Lager dazu, zusammen mit ihren politischen Gegnern über ein Reformprogramm nachzudenken. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit war zwar kaum verwendbar und den preußischen Erwartungen angepasst, doch die „Grundlagen zur Reform der Regierung“ von Ignacy Potocki wurden nur wenige Monate später als theoretischer Vorläufer für das folgende Verfassungsprojekt
Ausführlich dazu Yvonne Kleinmann, Die Verfassung vom 3. Mai 1791. Inhalt, Kontroversen, nationale und europäische Bedeutung, in: Polen in der europäischen Geschichte. Ein Handbuch, Bd. 2, S. 567– 606.
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herangezogen. Die inhaltliche und politische Umsicht, mit der Potocki und seine Verbündeten den Entwurf zur zweiten Regierungsreform verfassten, entsprang der Kritik und einem distanziertem Nachdenken über ihre Vorläuferin von 1789.¹⁹⁸ Gleichzeitig waren Potocki und die anderen Mitautoren der Mai-Verfassung politisch geübte Staatsmänner mit einem sensiblen Gespür für Außenpolitik, die genau wussten, dass sie ohne Preußens Unterstützung ihr Reformprogramm international nicht würden durchsetzen können. Von allen Nachbarmächten war es eben nur der preußische König, der im Gegensatz zu Russland und Österreich auf jegliche Einmischung in die polnische Innenpolitik (in seiner Erklärung vom 20. November 1788) verzichtet und sich offen für die Verbesserung der polnischen Regierungsform ausgesprochen hatte. Auf die Fragen, inwiefern diese Versprechungen und Erklärungen lediglich durch Eigeninteresse bedingt waren oder wieso die polnischen Preußenanhänger deren Hinterlistigkeit nicht erkennen wollten, kann an dieser Stelle nicht vertieft eingegangen werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass nur Preußen als der außenpolitische Hoffnungsträger für die Mai-Verfassung betrachtet wurde. Potocki sah dies offensichtlich ganz klar, wenn er in einem Brief ausführte: „Polen wird niemals durch sich selbst zu einer festen Regierung gelangen, es muss einen der Nachbarstaaten dafür gewinnen, namentlich aber und ausschließlich den König von Preußen.“¹⁹⁹ Gewinnen wollte man ihn, wie bereits oben dargelegt, durch die Übergabe der polnischen Thronfolge an den preußischen Prinzen Ludwig, doch der Widerstand der Berliner Regierung gegen eine direkte Übernahme der Königswürde durch einen Hohenzollern bewegte die Verfassungsautoren dazu, den ursprünglichen Plan zu verwerfen und doch den sächsischen Kurfürsten als Thronfolger vorzusehen. Mit dieser Veränderung hofften sie, die preußische Akzeptanz für die neue Regierungsreform zu gewinnen und sich dadurch die notwendige Rückendeckung für den vorprogrammierten Konflikt mit Russland zu sichern. Ihr Vertrauen auf den preußischen Beistand oder – genauer formuliert – auf die Wirkung der preußenfreundlichen Ausrichtung des Verfassungsentwurfes muss dabei sehr groß gewesen sein, denn Potocki ignorierte den Rat von Pater Piattoli, diesen mit dem Berliner Kabinett noch vor seiner Verabschiedung abzusprechen, völlig und unterließ im Vorfeld jegliche konfrontativen Verhandlungen mit dem preußischen (und dem sächsischen) Kabinett.²⁰⁰ Andererseits kann man Potockis Passivität als ein absichtliches Vorgehen deuten und in seinem Verzicht auf die Vorlage des Verfassungsentwurfs in Berlin Siehe dazu Janeczek, Polityczna Rola marszałka, S. 118 – 124. Ignacy Potocki an Eliasz Aloe, 28.08.1790, 07.08.1790 und 16.09.1790, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 277, Bl. 291– 293, 302– 304 und 338 – 340. Vgl. Scipione Piattoli, Mémoire, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 101, Bl. 301.
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eine sich wandelnde Preußenwahrnehmung sehen.²⁰¹ Allen Redakteuren der Regierungsreform war bewusst, dass ihr Projekt nur angesichts des preußischrussischen Gegensatzes durchsetzbar war, denn der befürchtete und vermutete Friedensschluss würde alle Hoffnungen auf weitgehende Reformen begraben und Polen erneut zum Spielball eines preußisch-russischen Ausgleichs herabstufen. Um aus dieser prekären Situation einen Nutzen zu ziehen, entschlossen sie sich, die Verfassung ohne preußisches Mitwissen und in aller Eile zu verabschieden. Ihre Vorbehalte gegen Preußen könnten durch ein geheimes Memorandum von Piattoli bestärkt worden sein, in welchem er die Verfassungsautoren ausdrücklich davor warnte, sich allein auf die Allianz mit Preußen zu stützen und zu hoffen, dass der preußische Monarch den politischen Umschwung in Polen-Litauen akzeptieren werde.²⁰² Seiner Meinung nach überschätzte die Berliner Regierung die aktuelle Bedeutung ihres Landes und würde demnächst nach einem Kompromiss mit Russland suchen müssen, um sich auf der europäischen Bühne zu behaupten. In Österreich dagegen sah Piattoli die aufsteigende Supermacht und empfahl die Anlehnung Polens an den neuen Kaiser Leopold, weil nur er imstande sein würde, im Fall eines preußisch-russischen Friedens Polen-Litauen vor dem sicheren Untergang zu retten.²⁰³ Piattolis Warnung vor einem kritiklosen Vertrauen in den preußischen König und dessen Erklärungen wurde zwar aufgenommen, aber nicht konsequent in die Praxis umgesetzt, denn sie widersprach der bisherigen Linie der polnischen Außenpolitik und ein radikaler Schwenk hätte eine weitere zeitliche Verzögerung mit sich gebracht. Abgesehen von vereinzelten Privatinitiativen wurden daher keine großangelegten Versuche unternommen, die Wiener Regierung für den polnischen Reformplan zu gewinnen oder diesen an die österreichischen Interessen anzupassen. Konsequent hielten die Reformer an der sächsischen Thronfolge unter preußischem Schutz fest und erklärten sie zur Grundlage der mehrere Veränderungen beinhaltenden Verfassung. Die Verabschiedung der Verfassung am 3. Mai 1791 kann als erfolgreicher Abschluss der jahrelang geführten Debatten gelten, in denen sich langsam die Einsicht durchgesetzt hatte, dass gerade die Freiheit und Unabhängigkeit Polens nur durch eine Stärkung der Monarchie erreicht werden konnte. Die neue Re-
War Potockis Preußenbild im Sommer 1790 noch durchgehend positiv, so machte er im Winter keinen Hehl mehr daraus, dass er hinsichtlich der Haltung der preußischen Regierung unsicher sei und an deren Versprechungen zweifle. Vgl. Ignacy Potocki an Eliasz Aloe, 13.11.1790 und 12.12.1790, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 277, Bl. 357– 358 und 372– 374. Scipione Piattoli, Mémoire, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 101, Bl. 73 – 75 und 136 f.Vgl. auch Stanisław Smołka, La genèse de la Constitution du 3 mai, in: Bulletin international de l’Académie des sciences de Cracovie, 10 (1891), S. 350 – 354. Ebenda, S. 352.
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gierungsform setzte deshalb nicht nur die Wahlmonarchie außer Kraft, sondern auch das liberum veto und die von Russland garantierten Kardinalrechte der polnischen Adelsfreiheit. Mit Volkssouveränität und Gewaltenteilung, Erblichkeit des Thrones im sächsischen Hause Wettin sowie mit ersten Ansätzen zu einem sozialen Ausgleich wurden entscheidende Schritte unternommen, um die polnisch-litauische Respublica in eine konstitutionelle Monarchie zu verwandeln.²⁰⁴ In allen diesen Punkten verständigte sich Stanisław August mit den aufgeklärten Reformern und seinen politischen Opponenten von der „Patrioten“-Partei. Das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit hat zwar die ständischen Begrenzungen adligen Reformdenkens nicht überwunden, es begriff aber den Adel innerhalb einer durchgebildeten konstitutionellen Ordnung nicht länger als den allein privilegierten Stand und öffnete damit den Weg für die Entwicklung einer überständischen Nation von Staatsbürgern. Zudem wurde die Verfassung zum Kernstück eines tiefgreifenden Reformprogramms, das binnen kurzem nahezu alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu erfassen begann.²⁰⁵ Das enorme Modernisierungspotenzial der Mai-Verfassung ließ in Europa schnell den Gedanken aufkommen, sie sei durch die revolutionäre Bewegung in Frankreich beeinflusst und ein Zeugnis des „wachsenden Jakobinismus“ in Warschau.²⁰⁶ Die propagandistische Gleichsetzung der Französischen Revolution mit der Regierungsreform in Polen barg in sich eine hohe politische Brisanz und steigerte die Besorgnis der Verfassungsautoren vor ablehnenden Reaktionen der benachbarten Mächte. Sichtlich erleichtert nahmen sie daher die erfreulichen Nachrichten aus Berlin zur Kenntnis, dass Friedrich Wilhelm II. herzliche Wünsche sowohl dem König, als auch den Marschällen des Reichstags und „allen, die zu diesem großen Werk beigetragen haben“, bestellen ließ.²⁰⁷ Zufrieden äußerte sich der preußische Monarch auch über die Übergabe des Thrones an das sächsische Haus und behauptete, diese Entscheidung „verstärkt für die Ewigkeit die
Einen aufschlussreichen Überblick über die aktuelle Literatur zur 3. Mai-Verfassung liefert Kleinmann, Die Verfassung vom 3. Mai, S. 567. Vgl. Tereškinas, Reconsidering the Third of May Constitution, S. 291– 294; Jerzy Łojek, Ku naprawie Rzeczypospolitej. Konstytucja 3 Maja, Warszawa 1988, S. 90 – 110. Ausführlich zu den europäischen Reaktionen auf die Mai-Verfassung und ihre Charakterisierung als Fortsetzung der revolutionären Bewegung in: Klaus Zernack, Preußen, Frankreich, Polen: Revolution und Teilung, in: Preußen und die revolutionäre Herausforderung seit 1789, hg. von Otto Büsch und Monika Neugebauer-Wölk, Berlin 1991, S. 21– 43; Kleinmann, Die Verfassung vom 3. Mai, S. 575 – 585; Aleksander Czaja, Lata wielkich nadziei: walka o reformę państwa polskiego w drugiej połowie XVIII w.,Warszawa 1992, S. 259 f.; Henryk Kocój, Dyplomacja Prus, Austrii i Rosji wobec Konstytucji 3 maja 1791 roku: zagadnienia wybrane, Kraków 1998. Friedrich Wilhelm II. an August Friedrich von der Goltz, 09.03.1791, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 251, Bd. 2, Bl. 20.
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engen Beziehungen und Harmonie zwischen Preußen und Polen“.²⁰⁸ Mit der preußischen Zufriedenheit, Unterstützung und Bewunderung für die neue Verfassung haben sich mehrere Historiker auseinandergesetzt und im Allgemeinen die These vertreten, dass diese Reaktion durch die politische Situation der Zeit bedingt war. Im Mai 1791 lag ein Krieg zwischen Preußen, England und Russland noch im Bereich des Möglichen, daher musste Friedrich Wilhelm II. die Beziehungen sowohl zu Polen-Litauen als auch zum sächsischen Kurfürsten pflegen. In der preußischen Politik wurden zu diesem Zeitpunkt auch noch Pläne für ein föderatives System (Nordallianz) ventiliert, die insbesondere vom einflussreichen Berater des Königs, Bischoffwerder, Unterstützung erfuhren.²⁰⁹ Doch nicht alle Mitglieder des Berliner Kabinetts teilten die königliche Begeisterung. Der am Hof nicht gerade populäre Minister Hertzberg war sich der Kraft der polnischen Reformen bewusst und warnte seinen König vor den folgenschweren Nachwirkungen der Verfassung für Preußen. Polen könnte dank der inneren Reformen und seiner geografischen Lage zum mächtigen und gefährlichen Nachbarn aufsteigen. Er wies auch auf die Gefahr der Einsetzung der erblichen Thronfolge hin und darauf, dass Russland niemals auf die Garantien verzichten würde, mit denen es das frühere System in Polen-Litauen abgesichert hatte.²¹⁰ In einem Brief an Lucchesini bestätigte er schließlich die vorherrschende Meinung in Europa und behauptete, die Revolution in Polen-Litauen sei „un plus grands événemens de notre siècle“ und sie werde zu solchen Nachwirkungen führen wie die Französische Revolution, besonders in den Nachbarstaaten.²¹¹
Ebenda, Bl. 20 f. Vgl. Lord, The second partition of Poland, S. 193 – 198; Ksawery Liske, Konstytucja 3 Maja i Mocarstwa Niemieckie, in: Przewodnik Naukowy i literacki, 1 (1873), S. 389 – 402; Hermann Vahle, Die polnische Verfassung vom 3. Mai 1791 im zeitgenössischen deutschen Urteil, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, 19 (1971), S. 350 f.; Henryk Kocój, Berlin wobec Konstytutcji 3 maja, Kraków 2006, S. 13 – 81. Bericht des Kabinetts, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 147F, Bd. 2, Bl. 14 f. Ewald Friedrich von Hertzberg an Girolamo Lucchesini, 28.05.1791, in: Źródła do dziejów drugiego i trzeciego rozbioru Polski, S. 453. Die offizielle Meinung Hertzbergs über die polnische Verfassung fiel deutlich milder aus. Seine angeschlagene Position am Hof und der ungelöste Konflikt mit Russland bewegten ihn dazu, von seinem Kurs ein wenig abzuweichen und der antirussischen Fraktion mehr entgegenzukommen. Diese vorsichtige Haltung kam ganz deutlich in seiner Abhandlung über die Staatsrevolutionen hervor, die er im Oktober 1791, anlässlich des Geburtstages von König Friedrich Wilhelm, vor der Akademie der Wissenschaften verlas. Dort äußerte er einige positive Worte über die polnische Verfassung und sprach ihr zukünftigen Erfolg nicht ab. Ewald Friedrich von Hertzberg, Abhandlung über äußere, innere und religiöse Staatsrevolutionen, a.O., 1791, S. 15 f.
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Die dominierende negative Einstellung des Berliner Kabinetts zur Mai-Verfassung blieb nicht ohne Einfluss auf die Entscheidungen des Königs und ist auch als Grund dafür anzusehen, weshalb Friedrich Wilhelm II. die wiederholten Bitten der polnischen Seite, seine Unterstützung für die Reformen in einer schriftliche Erklärung zu versichern, durchgehend ignorierte. Die Diplomaten aus Warschau, die ihn in dieser Frage aufsuchten, hat er mit allen Ehren empfangen und ihnen zur Verabschiedung der Verfassung herzlich gratuliert, den Höflichkeitsgesten folgten aber keine verbindlichen Garantien. Die polnische „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“ sowie Stanisław August gaben sich zunächst mit diesen mündlichen Anerkennungen des preußischen Königs zufrieden. Bestärkt durch die Berichte des polnischen Gesandten in Berlin über die dortige Begeisterung für den polnischen Reformgeist, gingen sie fest davon aus, dass das polnisch-preußische Bündnis seine große Belastungsprobe durch die Mai-Verfassung mit Bravour bestanden und an seiner protektiven Ausrichtung nichts eingebüßt hätte.²¹² Wie groß das Vertrauen in Preußen war, illustriert am besten der Gesandte von der Goltz mit seiner Depesche an den preußischen König: „Was die auswärtigen Beziehungen in Polen anbelangt, da kann jeder leicht feststellen, dass sich alle Hoffnungen der Polen, ihrem Land die jetzige und künftige Sicherheit zu garantieren, nur auf die freundschaftlichen Beziehungen mit Eurer Majestät und das gemeinsame Bündnis stützen […]. Der Großteil der Nation, der mehr aufgeklärte Teil mit dem polnischen König an der Spitze, ist voll Dankbarkeit für Eure Majestät und setzt sein ganzes Vertrauen in Ihre Protektion und Unterstützung.“²¹³
In seinen differenzierten und sorgfältigen Analysen der polnischen Verhältnisse machte von der Goltz gleichzeitig auf die zunehmende Opposition gegen die MaiVerfassung aufmerksam. In seinen Berichten aus Warschau hob er beunruhigt hervor, dass diese gegnerische Gruppierung zwar nicht groß sei und wegen ihrer prorussischen Einstellung sehr verhasst, sie aber dennoch in einem für sie günstigen Moment den Kopf heben und das Werk des Großen Reichstags erfolgreich zerstören könne.²¹⁴ Seiner Aufmerksamkeit ist auch nicht entgangen, dass die polnisch-sächsischen Verhandlungen ins Stocken gerieten. Die zögernde Taktik des sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. gegenüber Polen-Litauen hing für ihn mit der Abhängigkeit Sachsens vom russischen und österreichischen Hof zusammen und er gestand offen ein, dass sich die Wettiner ohne kaiserliche
Stanisław Jabłonowski an Stanisław August, 21.05.1791, in: AGAD, Zbiór Popielów, 63, Bl. 16. August Friedrich von der Goltz an Friedrich Wilhelm II., 10.09.1791, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 158 A, Bl. 133 f. Vgl. Ebenda, 25.06.1791, Bl. 97 und 30.07.1791, Bl. 117.
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Zustimmung niemals für die Thronübernahme entscheiden würden.²¹⁵ Treffend wies von der Goltz in seinen Berichten auch auf die in Warschau herrschende außenpolitische Naivität hin. Mit vielen Beispielen belegte er, wie optimistisch die Polen die gegenwärtige internationale Konstellation einschätzten und wie sie sich auf ihre eigenen Kräfte verließen, ohne die Großmachtinteressen anderer Staaten zu berücksichtigen.²¹⁶ In der Tat hatte die fortschreitende Isolierung Polen-Litauens in Warschau kaum Beachtung gefunden: Der Bruch des „englischen Systems“ und der darauf folgende britische Kompromiss mit Russland, die Pillnitzer Erklärung Preußens und Österreichs gegen das revolutionäre Frankreich vom 27. Juli, der Friedensschluss zunächst zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich vom 4. August 1791, dem um die Jahreswende der russisch-osmanische Friede folgte, sodann Petersburgs Allianz mit dem eben noch auf Revanche lauernden Schweden – alle diese Momente gaben Russland die vollständige politische Handlungsfähigkeit und damit nicht zuletzt die Entscheidungsgewalt in den polnischen Angelegenheiten zurück.²¹⁷ Die „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“ in Warschau zeigte sich angesichts der neuen politischen Konstellation aber unbeweglich und diplomatisch unfähig, von ihrem stark auf Preußen fokussierten Kurs abzugehen, um auf die Möglichkeit einer verstärkt prorussischen Koalition umzuschwenken. Im Gegenteil: Die Warschauer Diplomatie hatte mit großer Zuversicht auf das Treffen in Pillnitz reagiert, die preußisch-österreichische Allianz deutete sie als einen mutigen Schritt gegen die russische Dominanz, welche darauf abziele, die polnische Souveränität sowie das auf der Mai-Verfassung basierte politische System zu sichern.²¹⁸ Die polenfreundlichen Erklärungen des Wiener Hofes bestätigten nur die vorherrschende Meinung und bewegten die „Deputation“ dazu, neben Preußen verstärkt in Österreich nach Unterstützung zu suchen. Die polnische Außenpolitik stützte sich von nun an auf die beiden Höfe und versuchte, sie für ihre Verhandlungen mit Russland zu gewinnen. Weder Berlin noch Wien zeigten sich jedoch bereit, polnische Interessen am russischen Hof zu verteidigen, geschweige denn Katharina von den Vorteilen der neuen Verfassung zu überzeugen. Der preußische König ließ der polnischen Diplomatie freie Hand
Ebenda, 01.06.1791, Bl. 73. In Wirklichkeit war in Sachsen längst entschieden worden, sich um den polnischen Thron nicht mehr zu bewerben, denn bereits im Mai 1791 schrieb der sächsische Gesandte in Warschau: „La Pologne est perdue.“ August Franz von Essen an das Dresdner Kabinett, 18.05.1791, in: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026, Geheimes Kabinett, Loc. 3571/3, Bl. 210. Ebenda, 25.05.1791, Bl. 75. Vgl. Müller, Die Teilungen Polens, S. 47. Vgl. Kucharski, Działalność dyplomacji, S. 118.
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und deklarierte mit einer Note vom Oktober 1791, sich in die auswärtigen Angelegenheiten Polen-Litauens nicht einmischen zu wollen.²¹⁹ Mit dieser nonchalanten Geste ließ Preußen seinen polnischen Bündnispartner ganz allein auf der internationalen Bühne und zog sich einseitig von jeder vertraglich geregelten Unterstützungspflicht zurück. Denn spätestens im Sommer 1791, beim Abschluss des österreichisch-preußischen Bündnisses und infolge des russisch-osmanischen Waffenstillstandes, fasste die Berliner Regierung die Möglichkeit ins Auge, die bevorstehende Intervention der Mächte gegen das revolutionäre Frankreich „zum Anknüpfungspunkt für Teilungsforderungen“ zu machen.²²⁰ Von der Aussicht auf einen erneuten territorialen Gewinn beseelt, engagierte sich Preußen umso aktiver in den innenpolitischen Fragen Polen-Litauens. Mit aller Kraft war der preußische Bündnispartner bestrebt, die polnische Personalpolitik im eigenen Interesse zu beeinflussen und den Reichstag dazu zu bringen, bestimmte Reformen aufzugeben, die aus preußischer Sicht die benachbarten Höfe irritieren und damit auch die erhoffte Allianz untergraben könnten. Diesen strikten Forderungen Berlins ist der Reichstag auch gefolgt und verzichtete, zugunsten der guten Beziehungen zu Preußen, auf einige längst ausgearbeitete Reformvorhaben.²²¹ Ebenfalls unter preußischem Druck wurden Anstrengungen unternommen, die in der Mai-Verfassung festgelegte Erblichkeit des polnischen Throns,von der Tochter auf die Brüder von Friedrich August III. zu übertragen, weil Preußen die weibliche Thronfolge für zu gefährlich hielt und befürchtete, die Nachbarhöfe würden dadurch die Chance erhalten, ihre eigenen Königskandidaten aufzustellen.²²² Die polnische Nachgiebigkeit ermunterte die Berliner Regierung, fortwährend in den Reformprozess einzugreifen und mit immer neuen Interventionen die Beschlüsse der Mai-Verfassung anzufechten. Der preußische König glaubte ohnehin nicht an die Beständigkeit der polnischen Reformen und im Hinblick auf den polnischen Monarchen bezweifelte er sogar, dass er entschieden hinter der neuen Konstitution stehe. Stanisław August galt ihm immer noch als ein heimlicher Anhänger Russlands, der sich nur aus Opportunismus dem Reformlager ange-
Ebenda, S. 120. Müller, Die Teilungen Polens, S. 47. Bei diesem Verzicht handelte es sich vor allem um die Neuregelung juristischer Fragen in den an Preußen grenzenden Regionen Polens. Vgl. dazu den Brief von Bernard Zabłocki an Joachim Chreptowicz, 29.11.1791, in: AGAD, Zbiór Popielów, 406, Bl. 43. Ebenda, 10.12.1791, Bl. 43. Eine profunde Darstellung des polnischen Thronangebots an das sächsische Haus und der Rolle Preußens bei diesen Verhandlungen liefert Agata Kobuch, Das Angebot der polnischen Königskrone an Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen durch die Verfassung der Rzeczpospolita vom 3. Mai 1791, Berlin 1994.
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schlossen habe, um unter bestimmten Umständen seine Meinung schnell wieder ändern zu können.²²³ Abgesehen von der außenpolitischen Isolation waren es somit auch die inneren und zum Teil von Preußen selbst mitverursachten Unruhen in Polen, die Friedrich Wilhelm II. dazu bewegten, eine distanziert-ablehnende Haltung gegenüber den polnischen Reformbestrebungen einzunehmen und seine Meinung über den Erfolg der neuen Konstitution diametral zu ändern. Folgerichtig empfahl er dem, nach Warschau zurückgekehrten, Lucchesini im Dezember 1791, die Rolle des passiven Beobachters (simple spectateur) anzunehmen und den Polen keinerlei Garantien zu gewähren.²²⁴ Empört reagierte der preußische König daher auf die Nachricht, dass der Schwiegervater seines Neffen, Adam Kazimierz Czartoryski, in Dresden die Nachricht verbreitet hätte, Preußen unterstütze die Mai-Verfassung und der Kurfürst könne ohne Bedenken die polnische Krone annehmen, denn im Fall des russischen Widerstandes werde sich Polen-Litauen auf das gemeinsame Bündnis berufen und Hilfe vom preußischen König erhalten.²²⁵ Das Vertrauen Czartoryskis in Preußen und sein Optimismus in Bezug auf die internationale Lage Polen-Litauens offenbaren, wie wenig die polnische Diplomatie zu dieser Zeit die machtpolitischen Spiele der Großmächte durchschaute. Sie ersetzte die Fakten durch fromme Wünsche und missdeutete die Interessen der benachbarten Höfe, internationale Konstellationen und die Aussagen der eigenen Gesandten.²²⁶ Die von Zabłocki im Januar verschickte Nachricht aus Berlin, wonach Friedrich Wilhelm II. „mit unserer Konstitution nicht mehr einverstanden ist“, hatte in Warschau tatsächlich wenig Eindruck gemacht.²²⁷ Auch seine Hinweise auf ein verändertes Gesprächsklima während der Verhandlungen mit Bischoffwerder, vor allem aber seine Warnungen vor preußischen Versuchen, Parallelen zwischen der Situation in Frankreich und Polen-Litauen zu ziehen, wurden durch die „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“ weitgehend ignoriert. Ignacy Potocki deutete die Gleichsetzung von Französischer Revolution und polnischem Reformprozess als Folge der russischen Propaganda am Berliner Hof,
Friedrich Wilhelm II. an Girolamo Lucchesini, 15.12.1791, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 251, Bd. 2, Bl. 299. Ebenda, 05.12.1791, Bl. 288. Ebenda, 15.12.1791, Bl. 300. Wie zuversichtlich die polnische Diplomatie die aktuelle Lage Polens einschätzte, lässt sich am deutlichsten an der Korrespondenz zwischen Kołłątaj und Potocki ablesen.Vgl. etwa den Brief von Hugo Kołłątaj an Ignacy Potocki, 15.07.1791, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 279, Bl. 171. Zum Optimismus der polnischen Diplomaten siehe Jerzy Michalski, „Wszystko pójdzie wyśmienicie“ (O politycznym optymiźmie po 3 maja), in: Losy Polaków w XIX–XX w. Studia ofiarowane profesorowi Stefanowi Kieniewiczowi w osiemdziesiątą rocznicę jego urodzin, hg. von Barbara Grochulska und Jerzy Skowronek, Warszawa 1987, S. 321 f. Bernard Zabłocki an Joachim Chreptowicz, 10.01.1791, in: AGAD, Zbiór Popielów, 406, Bl. 44.
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die auf Kosten Polens „die herrschende Harmonie“ zwischen Österreich und Preußen zerstören wolle.²²⁸ Vergeblich versuchte auch der französische Gesandte Marie Louis Descorches, das vorherrschend positive Preußenbild der „Patrioten“ zu erschüttern. Seine Hinweise darauf, dass die preußische Regierung gerade die Parole vom „jakobinischen Warschau“ dazu nutzen könnte, den hinderlichen Defensivvertrag mit Polen zu kündigen und die Wiederherstellung des Einvernehmens der alten Teilungspartner herbeizuführen, riefen keine besondere Sorge hervor.²²⁹ Erst im Frühjahr 1792, als sich an der polnischen Grenze russische Truppen sammelten und die Appelle des polnischen Gesandten um preußische Unterstützung abgelehnt wurden, erkannten die polnischen Diplomaten mit aller Deutlichkeit, dass die Berliner Regierung nicht bereit war, sich an die Vereinbarungen des Bündnisses von 1790 zu halten. Trotz der preußischen Distanz und der veränderten Koalitionssituation in Europa war der Reichstag zur Verteidigung seiner konstitutionellen Reform fest entschlossen. Gegen diese rief Katharina II. Ende April 1792 in Petersburg eine Konföderation der Verfassungsgegner ins Leben (Franciszek Ksawery Branicki, Seweryn Rzewuski, Feliks Potocki), die mit dem Manifest von Targowica (einem Städtchen in der heutigen Ukraine) zum Kampf gegen die Mai-Verfassung und den Reichstag an der Seite Russlands aufriefen.²³⁰ Knapp ein Jahr nach Verabschiedung der Konstitution und kurz vor den Feierlichkeiten zu ihrem ersten Jahrestag, der in Warschau mit einer aufwändigen Parade und einer festlichen Prozession begangen werden sollte, schien das mühsam erarbeitete Reformwerk schon gescheitert zu sein. Mitte Mai schickte die Kaiserin den Konföderierten auch eigene Truppen und deklarierte ihren Einmarsch als Hilfeleistung für die „TargowicaGruppe“ und ihren Kampf gegen die revolutionären Institutionen. Der russische Vorstoß veranlasste die polnische Regierung, nach potenziellen Bündnispartnern zu suchen, wobei sich ab April 1792 ihre Hoffnungen vor allem auf Frankreich konzentrierten, das sich gegen den neuen Kaiser Franz II. gestellt hatte. Der Krieg, den Österreich und Preußen nun gemeinsam zu führen hatten, stimmte die „Patrioten“-Partei sehr hoffnungsvoll, denn er versprach, die Aufmerksamkeit der benachbarten Mächte vornehmlich auf das revolutionäre Frankreich zu lenken
Dziennik Bułhakowa, 26.02.1791, in: Ostatnie lata panowania Stanisława Augusta. Dokumenta do historii drugiego i trzeciego podziału, hg. von Walerian Kalinka, Poznań 1868, S. 308. Vgl. Zernack, Preußen, Frankreich, Polen, S. 32. Vgl. Iwona Węgrzyn, Polskie piekło: literackie biografie zdrajców targowickich; Stanisława Szczęsnego Potockiego, Franciszka Ksawerego Branickiego i Seweryna Rzewuskiego, Kraków 2005; Peter Oliver Loew, Targowica und Dolchstoß: Verrat auf Vorrat, in: Deutsch-Polnische Erinnerungsorte. Bd. 3, S. 203 – 216.
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und Russland zu zwingen, seinen Alleingang gegen Polen-Litauen zu stoppen.²³¹ Fest von der politischen Konjunktur der polnischen Belange überzeugt, entschloss sich der Wortführer der „Patrioten“, Ignacy Potocki, nach Berlin zu reisen, um den preußischen König für den Widerstand gegen Russland zu gewinnen. In vollem Vertrauen auf die polenfreundliche Einstellung Friedrich Wilhelms II. und fest davon überzeugt, dass er die Kaiserin innerhalb der nächsten drei Wochen zum Abmarsch zwingen werde²³², kam Potocki Ende Mai in Berlin an – laut einem Gerücht „mit viel Gold und Versprechung der Zession“.²³³ Tatsächlich führte er lediglich einen Brief von Stanisław August für Friedrich Wilhelm II. mit sich, in dem der polnische König den preußischen Bündnispartner um Unterstützung gegen Russland bat und dafür eine, für Preußen günstigere, Neuregelung der erblichen Thronfolge in Polen-Litauen versprach.²³⁴ Überreicht hatte Potocki diesen Vorschlag dem preußischen König persönlich, wobei er gleich bei der ersten ihrer zwei Begegnungen feststellen musste, dass Friedrich Wilhelm II. an gar keinen Verhandlungen mit der polnischen Seite interessiert war und seine Rückbesinnung auf das gemeinsame Bündnis oder Angebote des Entgegenkommens desinteressiert und teilnahmslos zur Kenntnis nahm. Noch deutlicher in ihrer ablehnenden Haltung zeigten sich die Mitglieder des Berliner Kabinetts, an deren politische Moral Potocki appellierte. Ohne jegliche diplomatische Verschleierungen erklärten sie ihm kurzerhand, dass der preußische König die neue Verfassung nicht zu verteidigen beabsichtige, weil sie ohne sein Mitwissen verabschiedet worden sei und damit gegen die vertraglich festgelegten Vereinbarungen verstoßen habe.²³⁵ Mit welcher beispiellosen Ignoranz und Gleichgültigkeit die Mission des polnischen Diplomaten in Berlin aufgenommen wurde, illustriert am besten die Tatsache, dass das Antwortschreiben des preußischen Königs an Stanisław August, in dem Preußen Polen-Litauen jede militärische Hilfe gegen die russischen Truppen verweigerte, Potocki nicht an Ort und Stelle überreicht, sondern direkt an Stanisław August nach Warschau gesandt wurde. „Als moralischer Bedränger der Hohenzollern und politischer Bankrotteur“ kehrte der Initiator der polnisch-preußischen Allianz nach Polen zurück.²³⁶ Seine gescheiterte
Vgl. Dziennik Bułhakowa, 26.04.1792, S. 354. Ebenda, 20.05.1792, S. 379. Ebenda, 24.05.1792, S. 397 f. Abdruck des Briefes in: Szymon Askenazy, Przymierze polsko-pruskie, Kraków 1919, S. 279 f. Die vollständige Dokumentation zu Potockis Gesprächen mit dem Berliner Kabinett findet sich in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 97, Bl. 273 – 301. Ein Großteil dieser Dokumentation wurde abgedruckt in: Askenazy, Przymierze polsko-pruskie, S. 281– 292. Władysław Konopczyński, Dzieje Polski nowożytnej, Bd. 2, Warszawa, Wilno und Kraków 1936, S. 389; Andrzej Zahorski, Stanisław August – polityk, Warszawa 1966, S. 262.
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Mission in Berlin zerschlug den jahrelang von ihm verfolgten Plan des Aufschwungs an der Seite Preußens und ruinierte endgültig seinen Ruf als Steuermann der polnischen Diplomatie. Die ebenfalls negative Antwort aus Wien bekräftigte in den Augen Stanisław Augusts nur den falschen Kurs der „Patrioten“-Politik; an eine positive Wende der prekären Lage glaubte er nicht mehr. Illusionslos betonte er: „Wir haben gerade einen totalen Verrat des preußischen Königs erfahren. Österreich rechtfertigt seine fehlende Unterstützung mit dem Krieg gegen Frankreich. Der sächsische Kurfürst verhält sich ganz passiv.“²³⁷ Während Józef Poniatowski und Tadeusz Kościuszko mit der schwachen Kronarmee im Juni und Juli unter großen Verlusten und letztendlich vergeblich der russischen Übermacht und der sogenannten „Targowica“-Konföderation standzuhalten versuchten, setzte der polnische König auf ein Einlenken Russlands. Nachdem feststand, dass die polnischen Kompromissangebote an die Kaiserin ohne Resonanz bleiben würden, und um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, trat er am 23. Juli 1792 der „Targowica“-Gruppierung bei und zeigte sich zu allen von Russland geforderten Zugeständnissen in der Verfassungsfrage bereit. Sämtliche Reformbeschlüsse des Großen Reichstags wurden daraufhin annulliert und die russische Dominanz in Polen-Litauen wiederhergestellt.²³⁸
4. Preußen als der bessere Feind Für die Abschaffung der Mai-Verfassung trug jedoch keinesfalls Russland allein die Verantwortung. Die in den Krieg mit Frankreich involvierten Regierungen von Österreich und Preußen ließen der Kaiserin freie Hand in Polen-Litauen in der Hoffnung, dass solcherlei Passivität Katharina zu versöhnlichen Teilungsverhandlungen bewege, wofür sie bereits Interesse angedeutet hatte.²³⁹ Die Idee der „Kompensation“ für die kostspieligen Kriegsanstrengungen in Polen-Litauen und in Frankreich erschien allen beteiligten Mächten plausibel und diplomatisch von Vorteil. Bei der Frage der Gewichtung der Anteile gingen die Meinungen allerdings weit auseinander: Während Berlin den Machtzuwachs Österreichs um jeden Preis begrenzen wollte, zeigte sich Wien nicht nur an einem Tausch der
Zit. nach ebenda. Allgemein zum polnisch-russischen Krieg von 1792: Tadeusz Soplica, Wojna polsko-rosyjska 1792 r., Bd. 1, Kraków 1906; Rostworowski, Ostatni król Rzeczypospolitej, S. 284– 287; Dariusz Rolnik, Szlachta koronna wobec konfederacji targowickiej (maj 1792–styczeń 1793), Katowice 2000. Müller, Die Teilungen Polens, S. 50.
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habsburgischen Niederlande gegen Bayern, wie die ursprüngliche Lösung nahelegte, sondern auch an der Besetzung polnischer Territorien interessiert. Die militärischen Erfolge der französischen Revolutionsheere gegen Österreich und ihr Vordringen in die habsburgischen Niederlande verschafften Friedrich Wilhelm II. jedoch die Möglichkeit, den Kaiser unter Druck zu setzen und ihm mit dem Rückzug aus dem Kriegsbündnis zu drohen, falls Preußen nicht unverzüglich und ohne Berücksichtigung der österreichischen Ansprüche mit Erwerbungen in Polen-Litauen abgefunden würde.²⁴⁰ Das preußische Ultimatum hatte Erfolg, denn nach kurzem Zögern und aus Sorge vor dem drohenden Zusammenbruch der antirevolutionären Koalition stimmte Katharina II. den preußischen Forderungen letztlich zu.²⁴¹ Im russisch-preußischen Teilungsvertrag vom Januar 1793 verpflichtete sich Preußen zwar, Österreich militärisch weiter zu unterstützen, doch dafür ließ es sich von der Rzeczpospolita teuer bezahlen: Während sich Russland weitere Gebiete im Nordosten, bis etwa zur Linie Dünaburg-Chocim, sicherte, erhielt Preußen Großpolen, Teile Masowiens sowie – lang ersehnt – die Städte Danzig, Thorn und Graudenz (Grudziądz). Die profunde Auseinandersetzung mit der Frage nach den Ursachen für die zweite Teilung würde über den Rahmen der vorliegenden Untersuchung hinausgehen. Festzuhalten bleibt lediglich, dass im Gegensatz zur ersten Teilung, bei der die inneren Angelegenheiten Polens eine eher untergeordnete Rolle, bezüglich der Kompensationsansprüche der Nachbarmächte, spielten, die Ereignisse des Großen Reichstags einen wesentlichen Referenzpunkt für die russische und preußische Polen-Politik dieser Zeit darstellten. Vor diesem Hintergrund wirft, neben dem Vorgehen der Teilungsmächte, auch die Bündnispolitik der „Patrioten“ mit ihrer fast doktrinären Fokussierung auf Preußen ein Schlaglicht auf die Ursachen für den letztendlich gescheiterten Reformprozess des Landes.²⁴² Das bedeutet jedoch nicht, dass sie die reformerische Erneuerung an der Seite Russlands effektiver hätten vorantreiben können oder dass das ursprünglich geplante Bündnis von Stanisław August mit Katharina II. mehr Handlungsspielräume im
Vgl. Ebenda, S. 51; Alfred Ritter von Vivenot, Zur Genesis der zweiten Theilung Polens: 1792– 1793, Wien 1874, S. 21. Der sächsische Gesandte berichtete mit aller Deutlichkeit, dass Preußen und Russland das Bündnis von 1764 wiederherstellen wollten und dass der neue Vertrag eine ähnlich geheime Klausel, bezüglich der polnischen Angelegenheiten, beinhalte wie der von 1764. August Franz von Essen an das Dresdner Kabinett, 08.08.1792, in: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026, Geheimes Kabinett, Loc. 3571/5, Bl. 317. Zur Auseinandersetzung über das polnisch-preußische Bündnis in der polnischen Historiographie siehe Zofia Zielińska, Controversies in Polish historiography over the Polish-Prussian Alliance of 1790, Poznań 1992.
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Inneren geschaffen hätte. Bei der Bekämpfung der Mai-Verfassung zeigte sich Russland kompromisslos und den Annexionsabsichten Preußens stand kein dezidiertes russisches Interesse an der territorialen Erhaltung Polens gegenüber.²⁴³ Andererseits lässt sich nicht bestreiten, dass gerade der „verhängnisvolle Weg“, (Michael M. Müller) einer auf Preußen gestützten Außenpolitik des Großen Reichstags, Polen-Litauen knapp vier Jahre der Unabhängigkeit verschaffte. Für die Herausbildung eines umfassenden und integrativen Reformbewusstseins waren es entscheidende Jahre und in keinem anderen Zeitabschnitt des 18. Jahrhunderts war das Zusammenspiel von aufgeklärten Ideen so prägend und bedeutsam für die Entwicklung der gesellschaftlichen und politischen Kräfte. Auch wenn die „preußische Verblendung“ einige „Patrioten“ später dazu bewegte, ihr aufgeklärtes Werk, die Mai-Verfassung, teilweise revidieren zu wollen, gäbe es ohne ihre Preußenbegeisterung und deren Folgen, so die dezidierte These von Jerzy Michalski, „diese Konstitution nicht und es wäre kein Konstitutionslager entstanden.“²⁴⁴ Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit den diplomatischen Fehlern der „Patrioten“ und der federführend von ihnen geleiteten „Deputation für auswärtige Angelegenheiten“ fehlten den zeitgenössischen Akteuren und Beobachtern Zeit und Möglichkeiten. Die Verantwortung für das Scheitern der Reformen und schließlich auch für die zweite Teilung wurde vor allem der „Targowica“-Konföderation und dem prorussischen Lager, mit Stanisław August an der Spitze, angelastet.²⁴⁵ Sie galten als die größten Verräter der Nation, die ihr Vaterland im Moment des entscheidenden Umbruchs verlassen hatten, um es an der Seite der Müller, Die Teilungen Polens, S. 44.Vgl. dazu auch Jerzy Łojek, Misja Debolego w Petersburgu w latach 1787– 1792: z dziejów stosunków polsko-rosyjskich w czasach Sejmu Czteroletniego, Wrocław 1962; ders., The International Crisis of 1791: Poland Between the Triple Alliance and Russia, in: East Central Europe, 2 (1975), S. 1– 63. Jerzy Michalski, Polen und Preußen in der Epoche der Teilungen, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, 30 (1981), S. 52. Die interessanteste zeitgenössische Kritik an der „preußischen Verblendung“ der „Patrioten“ stammt nicht aus dem Kreis der polnischen Reformanhänger oder ihrer Gegner, sondern aus der Feder von Joachim Christoph Friedrich Schulz, der in den Jahren 1791– 1793 als kurländischer Vertreter am Großen Reichstag teilgenommen hatte. Aus der Perspektive des Jahres 1795 urteilte er, dass die Anführer der polnischen Reformen „mehr warme Einbildungskraft als nüchterne Überlegung“ hatten und dass „sie sich durch den äußeren vorteilhaften Schein ihrer Lage blenden ließen, ohne die Stützen zu untersuchen, auf denen sie ruhte.“ Nach Auffassung des kurländischen Zeitgenossen fehlte den polnischen Preußenanhängern politische Weitsicht und Klugheit. „In ihrer unbegreiflichen Verblendung vergaßen sie den politischen Gemeinplatz: Dass der Schwächere, der an Uneinigkeiten zwischen Mächtigeren teilnimmt, bei der ersten freundschaftlichen Annäherung dieser, von ihnen zertreten wird.“ Joachim Christoph Friedrich Schulz, Reise nach Warschau 1791– 1793, hg. von Klaus Zernack, Frankfurt am Main 1982, S. 310 f.
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russischen Kaiserin in den Ruin zu treiben. Durch diese eindeutige Rollenzuweisung und vorherrschende Festschreibung der Positionen konnten die bündnispolitischen Unzulänglichkeiten und Fehlentscheidungen des propreußischen Lagers als nachgeordnetes Problem interpretiert und sanktioniert werden. Auch das Ansehen Preußens profitierte von der allgemeinen Mobilisierung gegen Russland, denn seine verräterische Bündnispolitik und Mitverantwortung für die verhängnisvolle Entwicklung im Lande wurden nach dem preußischen Schulterschluss mit Petersburg zwar gesehen und negativ beurteilt, die daraus resultierenden Erkenntnisse jedoch nur relativ selten kommuniziert und verbreitet. Das beste Beispiel für diesen „milden“ Umgang mit Preußen liefert die fehlende Reaktion auf den Verrat Ludwigs von Württemberg, Schwiegersohn von Adam Kazimierz Czartoryski. Als Generalleutnant aller litauischen Truppen war er für die Abwehr der russischen Truppen im Norden des Landes verantwortlich, die zur Unterstützung der „Targowica“-Konföderation im Mai 1792 die polnische Ostgrenze überschritten hatten. Doch seit Beginn der Kriegshandlungen zeigte der Bruder der künftigen russischen Kaiserin und der Verwandte der Hohenzollern wenig Kampfgeist, er simulierte Krankheiten und gesundheitliche Indisponiertheiten, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen. Aus seiner Illoyalität machte er kein Geheimnis, zumindest nicht in den Briefen an die preußische Regierung, die unerwartet in polnische Hände fielen und seine sofortige Suspendierung vom Armeedienst bewirkten.²⁴⁶ Diskreditiert und des Verrats beschuldigt, floh er mit dem ihm anvertrauten Kriegsfonds nach Preußen, 1793 folgte die Scheidung von Maria Czartoryska. Trotz dieses, für den Kriegsverlauf einschneidenden Ereignisses, das auch den Beweis lieferte für die negative Einflussnahme Preußens auf die polnische Verteidigungsstrategie, sind kaum Dokumente überliefert, in denen die Flucht Ludwigs von Württemberg kritisch betrachtet wird oder überhaupt größere Aufmerksamkeit findet. Nicht einmal in dem politisch stark engagierten und informierten Kreis der Literaten, klagt der polnische Literaturhistoriker Juliusz Nowak, fand dieses „ideale Objekt für eine politische Satire“ einen Autoren.²⁴⁷ Ebenso selten tauchten Flugblätter und Stellungnahmen auf, die Preußen und seinen König explizit angreifen oder die preußische Unterstützung für Russland thematisieren würden. In den führenden Presseorganen dieser Zeit, etwa der konservativen „Gazeta Warszawska“ oder ihrer oppositionellen Konkurrentin und Sprachohr des „Patrioten“-Lagers, der „Gazeta Narodowa i Obca“, wurden in den Jahren der „Targowica“-Konföderation (1792/93) Preußens Umorientierung oder Vgl. Piotr Derdej, Zieleńce Mir Dubienka 1792, Warszawa 2000, S. 100 f. Juliusz Nowak, Satyra polityczna konfederacji targowickiej i sejmu grodzieńskiego, Kraków 1935, S. 18. Bekannt ist lediglich die literarisch minderwertige Satire „An die Polen“ (Do Polaków), in welcher Ludwig von Württemberg negativ erwähnt wird. Vgl. Ebenda.
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seiner Bindung an Russland kaum eine Zeile gewidmet. Es scheint, als ob die mit der Verteidigung Polen-Litauens befassten „Patrioten“ absichtlich jede Verurteilung des preußischen Nachbarn vermieden, um ihren Gegnern keine Argumente zu liefern, mit denen diese, die noch vor kurzem beschworene Fokussierung auf Berlin, hätten zum Thema machen können. Nicht minder zurückhaltend in der Missbilligung der preußischen Haltung zeigte sich auch der Kreis um den König. Stanisław August, zunächst selbst in den Abwehrkampf gegen die „Targowica“Konföderation involviert, schloss sich dieser jedoch ein paar Monate später an, was eine intensive und gegen ihn gerichtete Hasskampagne im Lande auslöste. Als Verräter abgestempelt und in seiner angeschlagenen Position auf die Hilfe fremder Höfe angewiesen, war der verhasste König sehr darauf bedacht, jede provozierende öffentliche Bemerkung gegen Preußen und seine annexionistischen Pläne zu unterlassen. Diese stillschweigende Zurückhaltung teilte er mit seinen neuen Verbündeten aus der „Targowica“-Gruppe, deren ursprüngliche Kritik an der polnischen Koalition mit Berlin, nach dem preußisch-russischen Schulterschluss gegen die Mai-Verfassung ebenfalls verstummte. Erst als Friedrich Wilhelm II. seine Erklärung vom 16. Januar 1793 bekannt machte, in der er den Einmarsch eigener Truppen als notwendige Maßnahme zur Wiederherstellung der „alten Ordnung“ und gegen die „Ausbreitung des französischen Demokratismus“ rechtfertigte, verflogen auch die letzten Illusionen hinsichtlich seiner Einstellung zum preußisch-polnischen Bündnis und zur MaiVerfassung.²⁴⁸ Die gewaltsame Inbesitznahme Danzigs im März bestätigte die Eroberungsabsichten Preußens und verstärkte die öffentliche Kritik an seinem gewaltsamen Vorgehen gegen die wehrlose Respublica.²⁴⁹ Besonders unter den Konföderierten von Targowica rief der Vorstoß der preußischen Armee starke Proteste hervor, vor allem empörten sie sich über die Behauptung des preußischen Königs, er habe seinen Einmarsch mit den Höfen in Petersburg und Wien abgesprochen. Fest davon überzeugt, dass die Kaiserin darüber nicht in Kenntnis gesetzt war und die preußischen Erklärungen nur ihren „großmütigen“ Namen in Polen-Litauen zu verunglimpfen beabsichtigten, verfasste die Generalität der
„Erklärung Seiner Majestät, des Königs von Preußen, den Einmarsch Ihrer Truppen in Polen betreffend“, in: Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und anderen Sachen, 1 (1793), S. 76 – 78. Zur zeitgenössischen polnischen Reaktion darauf siehe Michał Kleofas Ogiński, Mémoires de Michel Oginski sur la Pologne et les Polonais, depuis 1788 jusqu’à la fin de 1815, Bd. 2, Paris 1826, S. 223 f.; Dziennik Patriotyczny Politików, 03.02.1793. Zur zeitgenössischen Kritik aus Danzig an Preußen siehe die anonymen Berichte unter dem Titel „Historische Briefe über die neuesten Vorfälle in Danzig“, in: Minerva, 6 (1793), S. 228 – 257. Über die Gewalttaten der preußischen Truppen gegen die polnische Armee in den Grenzregionen berichtete die Lemberger Zeitung, Dziennik Patriotyczny Politików, 17.02.1793 und 21.04.1793.
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Konföderation ein Antwortschreiben auf die preußische Erklärung vom Januar. Darin ließ man in Richtung der Berliner Regierung verlauten, dass deren Armee nicht einzurücken brauche, weil keine „Revolutionsgesellschaften“ im Inneren des Landes existieren, gegen die sie vorgehen müsste, und weil die russischen Truppen mehr als zureichend seien, um die Konföderierten bei der Unterdrückung von aktuellen Unruhen zu unterstützen.²⁵⁰ Die engagierte Antwort auf die preußische Note war allerdings nur der erste Schritt der Generalität gegen den Einmarsch Preußens, der zweite sah vor, einen allgemeinen Aufstand (pospolite ruszenie) gegen die vorrückenden Truppen auszurufen und dadurch den Adelsstand für eine neue Schilderhebung zu mobilisieren. In ihrem offiziellen Protestschreiben deklarierte die „Targowica“Führung klar, dass sich alle Konföderierten dazu verpflichten, „unsere Freiheit, Unabhängigkeit und Ganzheit des Territoriums bis zum letzten Tropfen Blut“ gegen Preußen zu verteidigen.²⁵¹ Der viel beschworene Heldenmut wurde in literarischen Werken durch die gängige Metapher des zügellosen und räuberischen schwarzen Adlers unterstützt. Mit diesem allegorisch-plakativen Bezug auf den Verrat des Preußenkönigs zog man das Preußenbild nun ins extrem Negative, um damit die Kampfeslust der Konföderierten zu stärken.²⁵² Als die Generalität für die geplante Massenerhebung jedoch keine Erlaubnis der russischen Regierung bekam, verflog ihre pathetisch beschworene Kampfbereitschaft rasch. Allen Erwartungen zum Trotz stieß ihr geplantes Vorgehen gegen Preußen auf den vehementen Widerstand Russlands, was als ein eindeutiges Zeichen für das endgültige Scheitern des „Targowica“-Lagers zu deuten war. Seine herrschsüchtigen Aspirationen, an der Seite Russlands die Mai-Verfassung abzuschaffen, die dafür verantwortlichen Reformer mit dem König an der Spitze zu entmachten und die eigene Dominanz im Land zu etablieren, wurden durch das russisch-preußische Interessenbündnis hinweggefegt. Am 23. Januar 1793 unterschrieben die beiden Mächte in Petersburg den Teilungsvertrag und ließen ihre gemeinsame Entscheidung in mehreren Erklärungen an die Generalität der Konföderation ver-
Die Übersetzung des Antwortschreibens in: Politische Annalen, hg. von Christoph Girtanner, Bd. 2, Berlin 1793, S. 189 – 191. Vgl. dazu auch die Kommentare in der polnischen Presse, etwa in: Dziennik Patriotyczny Politików, 07.02.1793 und 21.02.1793. Protestacja skonfederowanej Rzplitej Polskiej przeciwko gwałtownemu wtargnięciu wojsk pruskich w państwa tejże Rzeczypospolitej, 3 II 1793 r, zit. nach Wiersze polityczne czasu konfederacji targowickiej i sejmu grodzieńskiego 1793, hg. von Krystyna Maksimowicz, Gdańsk 2008, S. 262. Vgl. Wiersz z okoliczności niedotrzymanej pomocy i przymierza przez króla pruskiego 1793 roku. Do Polaków, in: Ebenda, S. 261 f.
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lautbaren. Der für Sommer geplante Reichstag in Grodno sollte die Teilung sanktionieren.²⁵³ Die tiefe Bestürzung des „Targowica“-Lagers über den Einmarsch der preußischen Truppen verwunderte die politischen Gegner und stieß bei ihnen auf heftige Kritik, denn für sie war die Konföderation selbst für die angeprangerte Entwicklung verantwortlich. Mit ihrer „Vergöttlichung“ Katharinas II. habe die Konföderation und ihre russlandtreue Anhängerschaft erheblich dazu beigetragen, dass sich Friedrich Wilhelm zum Einmarsch in Polen entschlossen habe, behauptete eine 1793 in Thorn herausgegebene Druckschrift des „preußischen Bürgers“.²⁵⁴ Ein bekennender Anhänger der Opposition beschuldigte darin den „Targowica“-Kreis, ein „Instrument“ in den Händen der Teilungsmächte zu sein und im Gegensatz zu den „wahren Patrioten“ vom Großen Reichstag, die mit der Mai-Verfassung das Land haben retten wollen, hätten sie das Vaterland im schwierigsten Moment im Stich gelassen und zu seinem „Untergang“ wesentlich beigetragen.²⁵⁵ Die russische und preußische Mitwirkung an diesem Verrat wird zwar nicht verschwiegen, aber mit einer eindeutigen Hierarchisierung der Schuldigen verbunden. Während Katharina II. als der verlängerte Arm der Konföderierten mit allen negativen Attributen belegt wird, findet der „patriotische“ Autor für den preußischen König relativ wenig rügende Worte. Seiner Ansicht nach „folgte er nur den Hinweisen“, für die ihm die Konföderierten mit der Kaiserin „ein großzügiges Beispiel“ gegeben hätten.²⁵⁶ Eine eher verhaltene Kritik an Preußen war für die „Patrioten“-Gruppe auch noch unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Teilungsplans und dem Einmarsch der preußischen Truppen charakteristisch. Auch wenn die Beteiligung Preußens an dem Eroberungsprozess nicht verschwiegen wurde, so blieb der expansive Nachbar in ihren Schilderungen – im Vergleich zu Russland – stets ein „besserer Feind“, bzw. ein kleineres Übel. Ganz deutlich kommt diese Hierarchie der Feinde in den Memoiren des Diplomaten Michał Kleofas Ogiński zum Vorschein, der im Frühjahr 1793 nach Warschau gekommen war: Siehe dazu Johann Kaspar Friedrich Manso, Geschichte des preußischen Staates vom Frieden zu Hubertsburg bis zur zweiten Pariser Abkunft, Bd. 1, Leipzig 1839, S. 323 f.; Kurt Heidrich, Preußen im Kampfe gegen die Französische Revolution bis zur zweiten Teilung Polens, Stuttgart und Berlin 1908, S. 441– 479. Uwagi zakordowanego obywatela pruskiego nad protestacją Konfederacji Targowickiej przeciwko wkroczeniu wojsk pruskich do Polski, Toruń 1793. Interessanterweise wird diese Broschüre Stanisław Staszic zugeschrieben, was angesichts seiner früheren Äußerungen über Preußen als eher unwahrscheinlich angesehen werden muss. Die These über Staszics Autorenschaft findet sich in: Wiersze polityczne czasu konfederacji, S. 262. Uwagi zakordowanego obywatela pruskiego, S. 3 – 10. Ebenda, S. 3.
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„Mit Ausnahme der Wenigen, die Russland aus Rücksicht auf Vorteil zugetan waren und einiger Anderer, die sich aus systematischer Überzeugung an diese Macht angeschlossen hatten, beschwerte sich die übrige Einwohnerschaft […] laut über das Benehmen der Höfe von Petersburg und Berlin, klagte schonungslos die Häupter der Konföderation von Targowica an und […] schonte selbst den König von Polen nicht, den man als Haupturheber aller Übel betrachtete.“²⁵⁷
Entscheidend für die zeitgenössische Wahrnehmung Preußens war das Einrücken der preußischen Armee. Die Besetzung der polnisch-preußischen Grenze mit einem Kordon von Soldaten war aus der Zeit der ersten Teilung noch zu bekannt, um nicht zu wissen, welche Folgen diese Aktion nach sich ziehen würde. Abgesehen von vereinzelten Berichten, in denen das disziplinierte Verhalten der preußischen Truppen auf den polnischen Territorien positive Erwähnung fand,²⁵⁸ war die Mehrheit der politisch Interessierten immer stärker gegen die preußische Monarchie und alles Preußische eingestellt. Mit den neuen Nachrichten aus Petersburg verfestigte sich stetig die Überzeugung vom Verrat und den Teilungsabsichten Preußens, und das nicht nur unter den „Targowica“-Anhängern oder im Kreis um Stanisław August, sondern mittlerweile auch unter den früheren Anhängern Preußens. Während die politischen Meinungen über die Rolle Russlands in den aktuellen Entwicklungen auseinander gingen, war die ablehnende Haltung gegenüber Preußen parteiübergreifend und einigte die gegnerischen Lager. Die unterschiedlichen Ansichten über die Schwere des preußischen Verschuldens konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch unter den früheren Sympathisanten der „Patrioten“ die territorialen Eroberungsansprüche Preußens nicht mehr verschwiegen oder ignoriert, sondern mit aller Offenheit eingestanden und angeprangert wurden. Ihre gängige Feindbildkonstruktion, die neben Russland auch den „verräterischen König“ und das „Targowica“-Lager umfasste, wurde nun bindend und endgültig um Preußen erweitert. In keiner anderen zeitgenössischen Satire wurde diese wachsende Feindschaft gegenüber Preußen so offenbar, wie in einem Flugblatt mit dem Titel „Das im Februar 1793 in Warschau verteilte Thea Ogiński, Mémoires de Michel Oginski, S. 233 f. Deutsche Übersetzung zitiert nach der deutschen Fassung der Memoiren. Vgl. Michał Kleofas Ogiński, Denkwürdigkeiten über Polen, das Land und seine Bewohner. Mit einer Einleitung: Polnisch-russische Wahlverwandtschaften vom Einzug der Polen in Moskau (1605) bis zum Einzug der Russen in Warschau (1831), Bd. 1, Belle-Vue bei Konstanz 1845, S. 192 f. Vgl. Ulotki i listy do II. rozbioru, in: BO, Manuscripta, 11920/III, Bl. 276 f. Berichte über die positive Aufnahme der vorrückenden preußischen Truppen findet man auch in den Briefen der Brüder Wilhelm und Carl von Pannwitz, die während des Feldzugs als junge Leutnants gegen die Aufständischen kämpften. Siehe dazu Ernst von Schönfeldt, Aus bewegter Zeit. Tagebuchblätter und Briefe aus der Zeit der polnischen Unruhen 1793 und 1794, in: Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen, 19 (1904), S. 249 – 260.
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terplakat“, das ein Drama unter dem eindeutigen Titel „Die Teilung Polens“²⁵⁹ ankündigte. In der Beschreibung des aufzuführenden Werkes wurde erwähnt, dass Friedrich II. es schon früher verfasst habe, die Hauptdarsteller „Russland, Kaiser und Preußen“ aber seit 1775 keine Gelegenheit gefunden hätten, diese Geschichte auf den polnischen Bühnen aufzuführen. Nun boten ihnen die Konföderierten von Targowica endlich die Chance, den Dreiakter dem polnischen Publikum zu präsentieren: Zunächst tritt das Trio „Freiheit, Gleichheit und Unabhängigkeit“ auf, dann das Duo „Mehr Streit als Versöhnung“ und am Ende kommt ein, von dem Russlandfreund Jan Suchorzewski dargebotenes Ballet, unter dem Titel „Die Schule der Verrückten“ zur Aufführung. Sein feierlicher Solotanz zum Finale findet unter dem „Dröhnen der Kanonen und der Brandschatzung in Dörfern und Städten“ statt.²⁶⁰ Das Motiv des „einheimischen Verräters“ war durchgängig präsent in der zeitgenössischen Satire, wobei die zunehmende preußenfeindliche Stimmung auch dessen Charakterisierung stark beeinflusste. Während sich bis dahin der Verratsvorwurf vorwiegend auf Russland bezog, und als politisches Argument in den inneren Konflikten zwischen den einzelnen Parteien benutzt worden war, begann mit der Bekanntmachung der erneuten Teilung eine „Externalisierung“ der eigenen Verräter. Immer deutlicher wurden ihnen kosmopolitische Züge verliehen und ihre Annäherung an die jeweilige Teilungsmacht als feindliches Handeln gegen die Nation als Ganzes interpretiert. Mit dem steigenden Nationalgefühl und angesichts der neuen Gefahr für die staatliche Souveränität, entwickelte sich der angeklagte Verräter zu einem anationalen Widersacher, der unabhängig von seiner politischen Orientierung oder gegenwärtigen Lebenssituation nur im Interesse der feindlichen Macht agierte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Homogenisierung des nationalen Selbstverständnisses im ausgehenden 18. Jahrhundert parallel zur Neudefinition nationaler Bedrohungen vollzog.²⁶¹ Das literarisch anspruchsvolle „Gedicht an die Posener Redner während der Huldigung der Großpolnischen Provinzen bei ihrem Übertritt unter die preußische Herrschaft im Jahr 1793“ ist exemplarisch für das neue Verständnis von innerem Verrat an der polnischen Nation. Die Anklage richtet sich hier gegen die polnischen Staatsmänner, die nach der Besetzung Posens durch Preußen, während der homagialen Feierlichkeiten am 5. Mai 1793, Friedrich Wilhelm II. mit
Afisz w Warszawie in Februaris 1793 rozrzucony, zit. nach Jerzy Jackl, Teatr i życie teatralne w gazetach i gazetkach pisanych (1763 – 1794), in: Teatr Narodowy 1765 – 1794, hg. von Jan Kott, Warszawa 1967, S. 430. Orginalfassung in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 194, Bl. 401 und in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie do panowania St. Augusta, 5501, Bl. 409. Ebenda. Vgl. dazu auch Kizwalter, Über die Modernität der Nation, S. 121– 126.
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großer Ehrerbietung einen Treueeid leisteten.²⁶² Im Gegensatz zu der in Marienburg vorgenommenen Huldigung der polnischen Stände nach der ersten Teilung werden hier, vermutlich von Marcin Molski, alle beteiligten Polen des Verrats bezichtigt: „An dem traurigen Tag, an dem hässlichen Tag für die Geschichte der Nation, Als der Pole von der Freiheit unter das Joch des Westens geriet, […] Ihr knietet mit frecher Freude nieder, Und wetteifertet um ein Stück Band [der preußische Orden des Schwarzen Adlers, A.P.]“²⁶³
Die pauschale Aufteilung in „Wir/Patrioten“ und „Ihr/Verräter“ ist hier unverkennbar. Die ablehnende Haltung den eigenen Landsleuten gegenüber betont gleichzeitig die missbilligende Einstellung zu der hinter ihnen stehenden Macht; Preußen musste nicht mehr eigens thematisiert oder als eroberungssüchtiger Nachbar hervorgehoben werden, ein Hinweis auf das diskreditierende Verhalten seiner polnischen Handlanger reichte mittlerweile aus, um Preußen als Feind zu charakterisieren. Die zunehmende Verfinsterung des Preußenbildes wurde begleitet von einer sprachlichen Veränderung. Der bis dahin dominierende Begriff „Preußen“, in Bezug auf den preußischen Staat und seine Bewohner, wurde generalisierend personifiziert und verstärkt auf einen pejorativen, umgangssprachlichen Ausdruck in Singularform, „Prusak“ (der Preuße), reduziert. Zwar wurde diese Bezeichnung bereits in früheren Jahrhunderten eingesetzt, vorwiegend in Verbindung mit den preußischen Soldaten in der Grenzregion oder Einwohnern der preußischen Provinzen, aber spätestens seit 1792 überlagert sie den offiziellen Ausdruck „Preußen“. Im „Gedicht über die Konföderation von Targowica“ ist dieser Wandel besonders auffallend: „Der Preuße verschmähte die Marschälle [vom Großen Reichstag, A.P.], die Marschälle die Abgeordneten und Moskau euch, die Esel von Targowica.
Ausführlich darüber in: Łukasiewicz, Sarmatyzm i Prusy, S. 452– 454. Marcin Molski (?), Wiersz do mówców Poznańskich w czasie hołdu prowincjów wielkopolskich pod panowanie pruskie przechodzących roku 1793, in: Wiersze polityczne czasu konfederacji, S. 364 ff. Kritische Bemerkungen zu den Huldigungsfeierlichkeiten in Posen findet man auch bei Jędrzej Kitowicz, Pamiętniki czyli Historia polska, Warszawa 1971, S. 557– 570; Jan Dembowski, Tajna korespondencja z Warszawy 1792– 1794 do Ignacego Potockiego, Warszawa 1961, S. 191.
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[…] Der Preuße – das ist ein unwürdiger Nachbar, der euch bald verraten hat Auf euch spukend, seine Truppen ins Land einmarschieren ließ.“²⁶⁴
Diese Bedeutungsverschiebung ist auch deswegen aufschlussreich, weil sie teilweise eine andere Form angenommen hat als die, welche sich bei der begrifflichen Charakterisierung von Russland entwickelte. Während die russische Macht mit dem eher ungegenständlichen Terminus „Moskau“ (selten „Moskauer“/„Moskal“) besetzt wurde, bekam die preußische Staatlichkeit eine personifizierte Zuschreibung. Ohne die kulturwissenschaftliche Theorie über die Prägnanzbildung zur einzigen relevanten Erklärung erheben zu wollen, kann man mit dieser festhalten, dass solche Personifizierungen historisch entstandene Konstruktionen sind, die auf abstrakte Zusammenhänge projiziert werden, um sie „verfügbar“ zu machen. Anders ausgedrückt: Es geht um die Transformation des Unbeherrschbaren in ein bestimmtes Objekt, mit dem man dann umgehen, das man bekämpfen kann.²⁶⁵ Übertragen auf den polnisch-preußischen Kontext am Ende des 18. Jahrhunderts würde dies bedeuten, dass Preußen – weniger Russland – als eine besiegbare Macht wahrgenommen wurde, der sich jeder Einzelne widersetzen konnte. Auf diese allgemeine Kampfbereitschaft gegen die preußischen Truppen rechnete der General und spätere Gründer der polnischen Legionen in Italien, Jan Henryk Dąbrowski, der bis heute in der polnischen Nationalhymne besungen wird.²⁶⁶ Zwar waren die militärischen Möglichkeiten der polnischen Armee beschränkt, denn die Reichstagsbeschlüsse von 1789 bezüglich der Heeresvergrößerung waren noch nicht einmal ansatzweise umgesetzt worden. Dennoch versuchte Dąbrowski, in Großpolen seine „machtlose und durch das Untätigkeitsgefühl paralysierte Umgebung“ gegen die einmarschierenden Preußen zu
Wiersz na Konfederację Targowicką, in: Rozmaitości historyczno-literackie do panowania St. Augusta, BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 5501, Bl. 410. Auf ein begriffliches Übersetzungsproblem muss bei diesem Zitat allerdings hingewiesen werden. Der Begriff „der Preuße“, mit dem hier die polnische Bezeichnung „Prusak“ übersetzt wurde, gibt nicht exakt die darin beinhaltete Bedeutung wieder. Dieser Ausdruck galt im Polnischen häufig auch für die deutschsprachigen Einwohner der annektierten Territorien. Heutzutage bezeichnet das Wort „Prusak“ die Küchenschabe, auch bekannt als Kakerlake. Kittsteiner, „Iconic Turn“ und „innere Bilder“, S. 173 – 176. Diese Idealisierung und Mythologisierung Dąbrowskis ist eine Entwicklung des späten 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts. Direkt nach der Auflösung der polnisch-litauischen Staatlichkeit, als die Debatte darüber entbrannte, wer die Hauptverantwortung für den Untergang der Rzeczpospolita trägt, wurde Dąbrowski des Verrats bezichtigt. Es wurde ihm vorgeworfen, er wollte noch während des Kościuszko-Aufstands mit den Teilungsmächten paktieren. Als die Niederlage dann besiegelt war, soll er sich auch darum bemüht haben, in preußische Dienste zu treten. Preußen lehnte sein Ersuchen jedoch ab. Vgl. Czubaty, Zasada „dwóch sumień“, S. 43 – 46.
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mobilisieren.²⁶⁷ Sein strategischer Plan vom Frühjahr 1793 sah vor, die Verteidigung der Westgrenzen aufzugeben und die dafür zuständigen Armeekräfte nach Warschau zu verlagern. Aus dem dortigen Arsenal sollten möglichst viele Waffenreserven herausgeholt werden, um auf dem Weg nach Danzig die preußischen Truppen anzugreifen oder, im schlimmsten Fall, in Danzig die französische Verstärkung abzuwarten und dann zusammen mit ihr und den Danzigern den preußischen Vormarsch aufzuhalten. In der festen Überzeugung, die Russen blieben bei diesem polnischen Wagnis passiv, wurden die Pläne von Dąbrowski dem russischen Befehlshaber in Polen-Litauen, General Iosif A. Igelström, mitgeteilt. Dieser lehnte die polnische Angriffsidee entschieden ab und ließ das russische Regiment in Warschau verstärken.²⁶⁸ So abwegig und verzweifelt solche militärischen Pläne erscheinen mögen, zeigen sie dennoch deutlich, dass unter den Verteidigern der polnischen Grenzen Initiativen unternommen wurden, die sich explizit gegen Preußen richteten. Trotz der dominierenden Russlandfeindlichkeit war eine antipreußische Einstellung und die Überzeugung von Preußens Besiegbarkeit offenbar keine Seltenheit, sonst wären so erfahrene Offiziere wie General Dąbrowski keine militärischen Wagnisse eingegangen, die eine massive Unterstützung und Beteiligung voraussetzten.²⁶⁹ Seine Mobilisierungsaktion gegen Preußen, verbunden mit der Verharmlosung der russischen Haltung, weist gleichzeitig darauf hin, dass der Konföderationsanhänger Dąbrowski die Hauptaufgabe der polnischen Armee in der Abwehr Preußens sah. Von dieser preußenfeindlichen Einstellung war auch der Ratifikationsreichstag in Grodno geprägt, der unter russischem Druck im Sommer 1793 von Warschau nach Litauen verlegt wurde, um weitere Unruhen zu vermeiden. Trotz hoher Bestechungsgelder und omnipräsenter russischer Kanonen versuchten sich die zahlreichen Abgeordneten der Anerkennung der erneuten Teilung zu widersetzen, insbesondere den preußischen Ansprüchen. Während bei den russischen Eroberungen die Einwilligung relativ schnell eingeholt wurde, musste der Beschluss über die preußischen erst einmal vertagt werden. „Von allen Seiten erinnerte man daran“, berichtete der Augenzeuge Ogiński, „dass der König von Preußen es gewesen ist, der durch seine verfänglichen Versprechungen und seine
Adam Skałkowski, Jan Henryk Dąbrowski, Kraków 1904, S. 55. Ebenda. Als Bestätigung für diese allgemeine Kampfbereitschaft gegen Preußen kann das Gedicht „An die Polen nach dem Einmarsch der preußischen Truppen in Polen im Jahr 1793“ angesehen werden. In diesem literarischen Aufruf wird intensiv dafür geworben, zu den Waffen zu greifen, um dem preußischen „Angreifer“ im Namen von „Freiheit und Gleichheit“ Widerstand zu leisten. Do Polaków po wnijściu wojsk pruskich do Polski roku 1793, in: Wiersze polityczne czasu konfederacji, S. 259.
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freundschaftlichen Versicherungen, den Bruch mit Russland, die Ablehnung seiner Allianz, die Vermehrung des Heeres, die Veränderung der Regierungsform und die Einführung einer neuen Verfassung veranlasste.“²⁷⁰
Die lobpreisenden Worte an die Adresse des preußischen Königs dienten lediglich als rhetorisches Mittel, um sich in Vorwürfen gegen ihn zu ergehen und den Widerspruch zwischen seinem früheren und dem gegenwärtigen Verhältnis zu Polen deutlicher hervorzuheben. Die preußischen Noten mit der Aufforderung an den Reichstag, den Teilungsvertrag zu ratifizieren, stießen bei den versammelten Ständen daher auf vehementen Widerstand.²⁷¹ Es wurden sogar Beschlüsse erwogen, wonach jeder, der den Vorschlag zu machen wagte, Gebietsabtretungen an den König von Preußen zu bewilligen, als Vaterlandverräter betrachtet und bestraft werden sollte.²⁷² Die preußenfeindliche Stimmung unter den Abgeordneten wurde durch den stark kritisierten Stanisław August unterstützt, der durch seine ablehnende Haltung gegenüber Preußen das Vertrauen der Abgeordneten wieder zu erlangen hoffte. Wie die Mehrheit des Reichstags rechnete auch er darauf, den vor kurzem bekundeten Unmut Katharinas gegen Friedrich Wilhelm II. wieder zu entfachen und neue Feindschaft zwischen beiden Höfen zu stiften.²⁷³ In dem Augenblick, da keine Chance mehr auf die Abweisung des Teilungsvertrages bestand, schienen sich Ohnmacht und verzweifelte Gewaltbereitschaft in einer antipreußischen Haltung zu entladen. Friedrich Wilhelm II. eilte deshalb aus den rheinländischen Hauptquartieren mit einem Teil seiner Truppen nach Grodno, wo inzwischen mit Hilfe der russischen Waffen in der sogenannten „stummen Sitzung“ die Abtretungen an Preußen sanktioniert worden waren (23. September 1793).²⁷⁴
Ogiński, Mémoires de Michel Oginski, S. 284. Deutsche Übersetzung: Ogiński, Denkwürdigkeiten über Polen, S. 233. Die Note von Preußen vom 23.06.1793 und die polnische Antwort darauf sowie die ganze Dokumentation bezüglich der polnisch-preußischen Verhandlungen, in: AGAD, Zbiór Popielów, 409, Bl. 3 – 216. Protokuł czynności Deputacji do traktowania z ministrem pruskim wyznaczony, in: AGAD, Zbiór Popielów, 410, Bl. 1– 4. Siehe dazu die Reden von antipreußisch eingestellten Abgeordneten, in: AGAD, Archiwum Publiczne Potockich, 106, Bl. 421, 433, 587, 595 und 606. Gleichzeitig wurde die Mai-Verfassung aufgehoben und der „Ständige Rat“ wieder eingeführt. Außerdem wurde auf Druck Russlands ein neuer Handelsvertrag mit auf zwei Prozent vom Warenwert reduzierten Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchgangszöllen in Aussicht gestellt. Ebenfalls auf Aufforderung Russlands musste Preußen alle bis dahin von den eigenen Truppen über das Teilungsabkommen hinaus besetzten Gebiets-„Abrundungen“ aufgeben. Was als polnisch-litauischer Staatsverband letztendlich übrigblieb, war ein politisch nicht überlebensfähiges
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Die Reaktionen auf den Reichstag von Grodno waren durchweg negativ und kritisch, auch unter den früheren Anhängern Russlands aus dem „Targowica“Lager. Spätestens nach der dort vollzogenen Ratifizierung der erneuten Teilung wurde ihnen bewusst, dass sie lediglich ein leicht manipulierbares Instrument in der Hand von Katharina waren und dass die russische Regierung zu keinem Zeitpunkt ernsthaft die Möglichkeit erwogen hatte, ihnen die Macht in Polen-Litauen zu überlassen. Die Verbindung Russlands mit Preußen, die die Generalität der Konföderation um jeden Preis hatte vermeiden wollen,vollzog sich zwar hinter ihrem Rücken, aber gleichwohl auch dank ihrer, mehr oder weniger aktiven Unterstützung. Die Entfesselung eines innerpolnischen Krieges als Protest gegen die Beschlüsse des Großen Reichstags stürzte den polnisch-litauischen Staatsverband in eine unüberwindbare Krise und erleichterte es den Teilungsmächten, ihren lang gehegten „Versöhnungsplan“ auf Kosten Polen-Litauens zu realisieren. Als Antwort auf diese Gewalt und zum Teil auch auf das eigene Versagen wuchs im Kreis der ehemaligen Konföderierten die Widerstandsbewegung, nicht nur gegen den Konkurrenten um die russische Bündnisgunst Preußens, sondern auch gegen den einstigen Verbündeten und Hoffnungsträger Russland. Der Gedanke an einen bewaffneten Kampf um die Unabhängigkeit breitete sich aus und einigte alsbald die zerstrittenen Parteien und Koalitionsgruppen. Diese Entwicklung bedeutete allerdings nicht, dass die herrschenden ständischen Divergenzen mit der Verbreitung des Unabhängigkeitsgedankens ausgeräumt wurden. Der Plan des gesellschaftlichen Umbaus auf der Basis der Mai-Verfassung wurde gestoppt, bevor er richtig begonnen hatte, so dass das bestehende adelsrepublikanische System im Kern unangetastet blieb.²⁷⁵ Das Neue an der Einstellung der (Adels‐)Eliten dieser Zeit war vielmehr ihre politisch-kulturelle Einordnung mit Hilfe von Feindmarkierungen. Während bis zum Großen Reichstag die einzelnen Parteiungen ihre Aktivität auf eine der benachbarten Mächte stützten, und dadurch ihre Vormachtstellung im Lande zu etablieren versuchten, deklassierte die zweite Teilung die Nachbarn Polens endgültig zu gleichwertigen Feinden, mit denen keine Kooperation mehr möglich oder erwünscht war. Die von ihnen mitverursachte Staatslähmung und die innenpolitische Machtlosigkeit wurden zwar allgemein missbilligend hingenommen, gleichzeitig aber auch als Argument aufgegriffen, mit dem eine aktive Politik
Rumpfterritorium von ca. 200 000 Quadratkilometern Fläche und 4,4 Millionen Einwohnern. Vgl. Lord, The second partition of Poland, S. 479; Zernack, Polen und Russland, S. 291. Vgl. Michael G. Müller, „Neo-Sarmatismus“ oder neue Elite? Gedanken zur polnischen Adelsgeschichte im 19. Jahrhundert, in: Między Zachodem a Wschodem, S. 436 f.; ders., Adel und Elitenwandel in Ostmitteleuropa. Fragen an die polnische Adelsgeschichte im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung, 50 (2001), S. 497– 513.
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betrieben werden konnte. Mit anderen Worten: Nicht mehr die Einstellung zur inneren Umstrukturierung des Landes bestimmte die jeweiligen Parteirichtungen, sondern ihr Verhältnis zu den Teilungsmächten. Die politischen Auseinandersetzungen drehten sich vermehrt um die Frage, wer von den Staatsmännern die Eroberungspolitik der Nachbarn beschleunigt und unterstützt hatte. Je verwerflicher und brutaler das Bild von Preußen und Russland ausfiel, desto leichter ließen sich dann deren (ehemalige) Anhänger, also die eigenen politischen Gegner, diskreditieren. In dieser Phase der intensiven Feindmarkierung wurde die negative Wahrnehmung Preußens zunehmend historisiert und pauschalisiert. Die Charakterisierung Friedrichs II. als dem Urheber der ersten und Vordenker der zweiten Teilung gewann genauso an Popularität wie die Behauptung von der „ewigen“ preußischen Gegnerschaft.²⁷⁶ Der noch vor zwei Jahren hochgelobte und zum „Geschenk des Himmels“ erklärte Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. galt nun als „Despot“, „hinterhältiger Verräter“ oder „Schurke“.²⁷⁷ Eine linear pejorative Auslegung der polnisch-preußischen Beziehungen beherrschte den politischen Diskurs, die preußische Monarchie erschien dabei als eine tyrannische Macht, die schon immer auf die Schwächung der polnisch-litauischen Respublica ausgerichtet gewesen sei und seit Jahrhunderten lediglich im eigenen Interesse gehandelt habe. Einen besonders schmerzlichen Schlag habe sie Polen-Litauen während des Großen Reichstags versetzt, als das ganze Land gerade bemüht war, seine Ohnmacht zu überwinden und mit der Mai-Verfassung eine neue Blüte anzustreben. Mit leeren Versprechungen und von eigennützigen Absichten geleitet, habe der preußische König die gutgläubigen Reichstagsführer „verführt“,
Vgl. Discour de M. Bukowiecki, in: BO, Manuscripta, 780, Bl. 58; Antoni Chrząszczewski, Pamiętnik oficjalisty Potockich z Tulczyna, Wrocław 1976, S. 61– 62. Ähnlich antipreußische und antifriderizianische Aussagen findet man in vielen literarischen Werken dieser Zeit: Do narodu, in: BO, Manuscripta, 11902, Bl. 363; Jan Ursyn Niemcewicz, Głupiada, in: Wiersze polityczne czasu konfederacji, S. 272; Afisz na Benefis Szczęsnego, in: Ebenda, S. 353, Stanisław Trębecki, List do posłów powracających z Grodna, in: Ebenda, S. 436. Siehe dazu die Erinnerungen der Zeitzeugen: Fiszerowa, Dzieje moje własne, S. 179 f.; Jan Kiliński, Pamiętniki,Warszawa 1958, S. 10; Michał Czacki,Wspomnienia z roku 1788. Po roku 1792, Poznań 1862, S. 130. Vor allem in den zeitgenössischen Satiren häuften sich die Invektiven gegen den preußischen König.Vgl. Do Polaków, in: BO, Manuscripta, 486, Bl. 98 – 100; Do Potockich, in: Wiersze polityczne czasu konfederacji, S. 77; Wiersz z okoliczności niedotrzymanej pomocy i przymierza przez króla pruskiego 1793 roku. Do Polaków, in: Ebenda, S. 261; Julian Ursyn Niemcewicz, Treny, to jest narzekanie Sczęsnowe, in: Ebenda, S. 374.
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um zusammen mit Russland den eingeschlagenen Reformweg zu stoppen und die polnischen Territorien zu rauben.²⁷⁸ Gleichwohl waren die antipreußischen Stimmen keine Massenerscheinung, denn die Stilisierung Preußens zum Feind Polens ist zwar mit aller Entschiedenheit vollzogen worden, wurde aber in der zweiten Hälfte des Jahres 1793 nur selten kommuniziert.²⁷⁹ Die Empörung über die preußischen Annexionen und die laut bekundete Angriffslust gegenüber Preußen scheinen nach der Ratifizierung des Teilungsvertrages schnell verflogen oder in Furcht vor den Konsequenzen im Stillen ausgelebt worden zu sein. Denn bis heute lassen sich kaum Dokumente ermitteln, die dem preußischen König oder dem Berliner Kabinett die Hauptverantwortung für die eingetretenen Gebietsverluste anlasten.²⁸⁰ Ohne Preußen zu glorifizieren, wurde die neue Besatzung meist als eine Tatsache wahrgenommen, mit der man sich zu arrangieren hatte. Dies ist auch der Grund, warum in Erinnerungen an diese Zeit Kommentare zu finden sind, die ein eher positives Licht auf die preußischen Machthaber werfen. Die Zeitzeugin und Einwohnerin von Großpolen, Wirydianna Fiszerowa, behauptete beispielsweise, dass unter den preußischen Beamten, die nach der zweiten Teilung die Verwaltung in ihrer Region übernommen haben, „auch einige ausgebildete und ehrliche Leute anzutreffen waren. Alle hatten bescheidene Anforderungen und widmeten sich mit großer
Als Beleg für dieses Preußenbild können die veröffentlichten Erinnerungen an die Ereignisse der Jahre 1788 – 1794 dienen: Fiszerowa, Dzieje moje własne, S. 56; Paź księcia prymasa. Fragment z nieogłoszonych dotąd pamiętników Wojciecha Dobieckiego pułkownika i generalnego intendenta wojsk polskich, Lwów 1892, S. 21; Urszula z Ustrzyckich Tarnowska, Pamiętnik damy polskiej z XVIII wieku, Lwów 1876, S. 47. Vertiefend zu dieser Problematik Dariusz Rolnik, Obraz sąsiadów-zaborców w czasach stanisławowskich w świetle polskiej literatury pamiętnikarskiej, in: Przegląd Nauk Historycznych, 2 (2005), S. 85 – 88. Das beste Beispiel für dieses nicht-kommunizierte negative Preußenbild liefert Maria Czartoryska-Württemberg, die nach der Scheidung von Ludwig von Württemberg mehr und mehr als Schriftstellerin in Erscheinung getreten ist. In ihren unveröffentlichten Notizen und Artikeln aus dem Jahr 1793 findet man u. a. ihre Kommentare zu „Œuvres posthumes de Fréderic II, Roi de Prusse“. Darin charakterisiert sie Friedrich als „Despoten“, der die erste Teilung Polens angeregt und seit dem Siebenjährigen Krieg aus seiner antipolnischen Einstellung, auch gegenüber Voltaire, kein Geheimnis gemacht habe. Ohne größere Ehrerbietung wirft sie dem Preußenkönig vor, er habe seine politische und militärische Macht auf Kosten von Menschenleben erlangt und mit seiner Brutalität einen Politikstil in Preußen salonfähig gemacht, der schließlich in der Niederschlagung der Mai-Verfassung kulminierte. Auch der Reichstag von Grodno wurde von ihr kritisch betrachtet, allen voran die polnischen Abgeordneten, die sich von Preußen kaufen ließen. Die Sammlung der unveröffentlichten Artikel von Maria Württemberg aus den Jahren 1793 – 1794 findet sich in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 6129, Bl. 11– 31, 61– 70 und 171– 181. Auf dieses Schweigen in Bezug auf Preußen hatte bereits Juliusz Nowak in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hingewiesen.Vgl. Nowak, Satyra polityczna konfederacji targowickiej, S. 188.
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Hingabe ihren Familien und Pflichten.“²⁸¹ Ein nicht minder rationales Verhältnis zu den Preußen in Großpolen schien der spätere Justizminister Feliks Łubieński zu haben, als er nach 1792 feststellte, dass man sich mittlerweile nicht mehr schäme, die preußische Uniform zu tragen oder sich darin zu zeigen.²⁸² Auf hohe Anerkennung bei den polnischen Kritikern des preußischen Staates stießen auch die „herrschende Ordnung“ und allgegenwärtige „Toleranz“, die bereits Friedrich II. „als Regel angewandt hatte, um die Zahl seiner Untertanen zu erhöhen und sie glücklich zu machen“.²⁸³ Im Allgemeinen reagierte die Bevölkerungsmehrheit auf die sich vollziehende Besitznahme der polnischen Gebiete eher nachgiebig und widerstandslos. Der anhaltenden „Verwirrung müde“, wie es in einem preußischen Bericht heißt, und „der Bedrückung, die dem Lande durch fremde und eigene Landsleute zu Teil geworden ist“, überdrüssig, verlief der Anschluss der neuen Provinz Südpreußen ohne größeren „Unmut“.²⁸⁴ Genau dieses Entgegenkommen begegnete Friedrich Wilhelm II. bei seinem ersten Besuch in Südpreußen, als er im Oktober 1793 in Begleitung von Lucchesini eine Rundreise durch seine neue Provinz begann, die ihn bis nach Tschenstochau (Częstochowa) und von dort über Breslau zurück nach Berlin führte.²⁸⁵ Über den Verlauf der königlichen Inspektionsreise berichtete detailliert die „Berlinische Zeitung“, wobei sie immer wieder betonte, wie sehr „das Volk vor Freude ganz trunken war“.²⁸⁶ Man könnte eine derartige Berichterstattung der höfischen Zeitung als pure Propaganda abtun, wenn solche Angaben nicht auch Bestätigung in den polnischen Quellen finden würden. Über die feierlichen Empfänge sowie die Begeisterung der Einwohnerschaft anlässlich des hochrangigen Besuchs informierten auch polnische Zeitzeugen.²⁸⁷ Besonders fröhlich soll der Aufenthalt des preußischen Königs bei Helena und Michał Hieronim Radziwiłł in Nieborów
Fiszerowa, Dzieje moje własne, S. 178. Pamiętnik Feliksa hr. Łubieńskiego, ministra sprawiedliwości, Warszawa 1876, S. 134– 136. Pamiętnik, czyli spisywanie różnych rzeczy […] przez x. Ignacego Filipowicza, in: BO, Manuscripta, 9583, Bl. 70; Józef Wodzicki, Journal de mon voyage; fait en 1794, in: Ebenda, 6636, Bl. 35 f. Zit. nach Das Jahr 1793: Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Organisation Südpreussens, hg. von Rodgero Prümers, Posen 1895, S. 10. Ebenda, S. 74 f.; Wilhelm Bringmann, Preußen unter Friedrich Wilhelm II. (1786 – 1797), Frankfurt am Main 2001, S. 603 f. Berlinische Zeitung, 11.10.1793. Vgl. dazu den ausführlichen Bericht über den Aufenthalt von Friedrich Wilhelm in Posen in: Pamiętnik Feliksa hr. Łubieńskiego, S. 144 f.; Aufzählung der Besuche des preußischen Königs bei polnischen Adligen während seiner Reise findet man in: Nachtquartiere Friedrich Wilhelm II. während seiner Reise in Südpreußen 1794, in: Zeitschrift der Historischen Gesellschaft der Provinz Posen, 10 (1895), S. 145.
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verlaufen sein. Zu seinen Ehren ließ die Hausherrin, die als eine der schönsten Fürstinnen Polens und pfiffige Souffleuse so mancher politischer Intrige galt, ihre großzügige und der aufgeklärten Zeitmode entsprechend angelegte Gartenresidenz „Arkadien“ illuminieren und „die Räucherfässchen mit duftenden Kräutern füllen, alle Bäume des Parks mit chinesischen Lampions schmücken“.²⁸⁸ Bei der „sehr heiteren“ und „großartigen Tafel“ spielte die Gastgeberin das Clavicembalo und sang beliebte Arien vor, während ihre Töchter „auf Bitten des Königs“ polnische Tänze vorführten. Berauscht von der ausgelassenen Atmosphäre sprang der preußische König zum Staunen seines Gefolges auf die Tanzfläche und in Begleitung der Fürstin tanzte er „bis zum Abendessen“.²⁸⁹ „Das Radziwillsche Palais in Nieborow ist heute der fröhlichste Ort in ganz Europa“ soll er zum Abschied gesagt haben.²⁹⁰ Freilich stieß Friedrich Wilhelm II. nicht bei allen Ständen und Bevölkerungsgruppen in Südpreußen auf so ein freundliches Entgegenkommen, wie der Posener Kriegsrat Friedrich Wilhelm Dreyer an sein Kabinett berichtete. Mit aller Offenheit wies er darauf hin, dass ein Teil des katholischen Adels den preußischen König für einen „strengen und finsteren Krieger“ halte und vor seiner Macht nach Polen geflohen sei oder fliehen möchte.²⁹¹ Auch der „wohlhabende Bürger“, dem Szenic, Za zachodnią miedzą, S. 102– 113. Ebenda. Vgl. Tadeusz Nowakowski, Die Radziwills. Die Geschichte einer großen europäischen Familie, München 1966, S. 296. Offensichtlich hatte der Aufenthalt in Nieborów einen bleibenden Eindruck auf ihn hinterlassen, denn der preußische Monarch lud die Familie Radziwiłł nach Berlin ein.Während ihres Aufenthalts am Berliner Hof im Jahre 1795 (nach der Auflösung des polnischen Staates) lernte der Sohn von Helena und Michał Radziwiłł, Antoni, die Tochter des Prinzen Ferdinand und Nichte von Friedrich II., Luise von Preußen kennen. Ihre Heirat fand ein Jahr später statt. Ähnlich wie bei der Familie Czartoryski und der Verbindung von Maria Czartoryska mit dem Fürsten von Württemberg hoffte auch die Familie Radziwiłł, mit dieser polnisch-preußischen Ehe nach der polnischen Krone greifen zu können. Hinweise darauf finden sich bei: Michał Radziwiłł, Ostatnia wojewodzina wileńska: Helena z Przeździeckich ks. Radziwiłłowa, Lwów 1892, S. 79. Mehr zu Antoni Radziwiłł und seiner Beziehung zu Preußen bei Agnieszka Pufelska, Zwischen Ablehnung und Anerkennung. Das polnische Berlin im widerspruchsvollen 19. Jahrhundert, in: Berlins 19. Jahrhundert. Ein Metropolen-Kompendium, hg. von Roland Berbig (u. a.), Berlin 2011, S. 31 ff. Kriegsrat Dreyer an Minister Wöllner, November 1793, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 242 A, Bd. 2. Bl. 35 – 37. Tatsächlich stieß die preußische Übernahme der polnischen Gebiete vor allem beim niederen katholischen Adel auf Ablehnung und Widerstand. Der Grund dafür war der Verlust seiner bisherigen Position in der Verwaltung. Die neue preußische Administration besetzte die meisten Verwaltungsposten mit eigenen Vertretern und stürzte dadurch die zahlreichen niederen und landlosen Adligen in Armut. Ein Großteil der Bauern war ebenfalls antipreußisch eingestellt, was mit der Enttäuschung über die erhofften Reformen unter dem neuen Herrscher zusammenhing. Abgesehen von der Verbesserung der rechtlichen Stellung
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die Mai-Verfassung „sehr in den Kopf sticht“, zeige keinen Gefallen an den neuen Machtverhältnissen. „Unendliche Vorteile“ verschaffte die preußische Besitznahme dagegen „der Geistlichkeit, dem dissidentischen Adel, dem armen Bürger, dem Bauer und dem Juden“.²⁹² Die Auseinandersetzung mit der Reaktion der autochthonen Bevölkerung auf ihren Anschluss an Preußen ist zwar nicht der explizite Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, dennoch soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass dieser langwierige Prozess keinesfalls einseitig verlaufen ist, wie es die ältere polnische und deutsche Nationalgeschichtsschreibung behauptete. Die Gründe für eine zustimmende oder ablehnende Haltung der neuen Macht gegenüber waren sehr differenziert und lassen sich allein mit den nationalen Kategorien nicht fassen. Neben gesellschaftlichen oder dynastisch-familiären Gründen waren es vorwiegend sozioökonomische Hoffnungen oder auch Unsicherheiten, die das polnisch-preußische Verhältnis in Südpreußen bestimmten.²⁹³ Die Vielfalt der Einstellungen zu Preußen in den annektierten Gebieten kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der expansive Nachbar im Allgemeinen negativ wahrgenommen wurde, und das sowohl in Südpreußen als auch im noch verbliebenen, unabhängigen Teil der Rzeczpospolita. Eine affirmative hatte sich die Lage der Bauern kaum verändert. Die Erhöhung des Salzpreises und die angeordneten Zwangsrekrutierungen riefen starke Empörungen unter ihnen hervor. Vgl. Karol Wojda, O rewolucyi polskiej w roku 1794, Poznań 1867, S. 118 f.; Jan Wąsicki, Powstanie kościuszkowskie w Wielkopolsce, Poznań 1957, S. 32– 38. Kriegsrat Dreyer an Minister Wöllner, November 1793, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 242 A, Bd. 2. Bl. 35. Positiv auf die Wahrnehmung Preußens durch die hohe Aristokratie wirkte sich die Tatsache aus, dass Friedrich Wilhelm seine Expansion als Mittel gegen die revolutionäre Bewegung darstellte und damit dem reichen Adel seine Sicherheit garantierte. Ebenfalls wohlwollend wurde das preußische Edikt vom 4. Juli 1793 aufgenommen, das nur Adligen den Ankauf von Gütern in Südpreußen erlaubte. Die geplante Enteignung der Güter wurde – im Gegensatz zur ersten Teilung – nicht ausdrücklich vorgenommen, was dazu führte, dass sich ein Teil der (reichen) Adligen in Südpreußen mit der neuen Herrschaft schnell abfand. Vgl. Adelheid Simsch, Die Wirtschaftspolitik des preußischen Staates in der Provinz Südpreußen, 1793 – 1806/07, Berlin 1983, S. 61– 65. Gleichzeitig aber löste die neue Grenzlegung mehrere Konflikte zwischen den Einwohnern polnischer und preußischer Grenzdörfer aus. Im Warschauer Archiv der Alten Akten (AGAD) findet man mehrere Berichte über die zum Teil blutigen Auseinandersetzungen. Zu den häufigsten Streitthemen gehörten das Ausweiden von Vieh auf den benachbarten Wiesen, der Diebstahl von Holz aus preußischen bzw. polnischen Wäldern oder die Entführung von Bauern auf die jeweilig andere Seite durch die adligen Dorfbesitzer. In diesem Zusammenhang muss jedoch erwähnt werden, dass diese Konflikte keinesfalls entlang nationaler Zugehörigkeit verliefen, denn die Kontrahenten waren alle meist polnischsprachig, unterstanden allerdings verschiedenen Regierungsmächten. Die Berichte über die Konflikte zwischen den polnischen und südpreußischen Grenzdörfern finden sich in: AGAD, Archiwum Królestwa Polskiego, 52, Bl. 805 – 1127.
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und weit verbreitete Anerkennung oder Sympathie für die neuen Machthaber ließ sich Ende 1793 schwerlich nachweisen. Spätestens seit dem Einmarsch der preußischen Truppen war das polnische Verhältnis zu Preußen vorwiegend pejorativ definiert und variierte lediglich im Ausmaß der Ablehnung. Als Maßstab für die Intensität der negativen Preußenwahrnehmung dienten zunächst Russland und die Frage, welche von den beiden Mächten als die bösartigere einzuschätzen ist. Nach vollzogener Teilung und Auflösung der Konföderation von Targowica fiel dieser Vergleich eindeutig zugunsten Preußens aus, wie es die vielbeachtete und bis heute als kenntnisreiche und interessante Analyse geltende Schrift, „Vom Entstehen und Untergang der Polnischen Konstitution vom 3. Mai 1791“, aufzeigte.²⁹⁴ Verfasst wurde sie Ende 1793 von führenden Vertretern der „Patrioten“, Hugo Kołłątaj, Ignacy Potocki und Franciszek Ksawery Dmochowski. Präzise und in aller Ausführlichkeit setzen sie sich darin mit den zeitgenössischen Ereignissen in Polen-Litauen auseinander, insbesondere mit den Fehlern ihrer politischen Gegner aus der „Targowica“-Generalität. Denn für die „Väter“ der Mai-Verfassung stand eindeutig fest, dass die Generalität, der polnische König und Russland die Hauptverantwortung für den „Untergang Polens“ trugen. Preußen dagegen wurde von ihnen als schlauer Nutznießer des polnisch-russischen Verrats charakterisiert, „der preußische Hof durfte in Petersburg […] die Erfüllung der ihm für den Abfall von Polen getanen Versprechungen fordern.“²⁹⁵ Mit solchen Thesen spielten die ehemaligen Initiatoren des polnisch-preußischen Bündnisses die Beteiligung der Berliner Regierung an der Teilung herunter, um diese dann letztendlich als einen unbeabsichtigten Irrtum darzustellen: „Welch eine finstere Politik im preußischen Kabinett herrschen musste, da es einen Teil von Polen zu erhalten, Russland drei solche Teile nehmen, drei andere von sich abhängig machen ließ; und sich selbst in die dringendere Notwendigkeit versetzte, sich nach Russland zu bequemen.“²⁹⁶
Die zum Teil rechtfertigende Position der „Patrioten“-Führer zu Preußen wurde durch aggressiv-hegemoniale Entscheidungen Russlands stark beeinflusst. Nicht
Hugo Kołłątaj, (in Zuammenarbeit mit Ignacy Potocki und Franciszek Xawery Dmochowski), O ustanowieniu i upadku Konstytucji Polskiej 3 maja 1791, Metz (Kraków?) 1793, S. 187. Zit. nach der deutschen Übersetzung: Hugo Kołłątaj, Ignacy Potocki und Franciszek Xawery Dmochowski,Vom Entstehen und Untergange der Polnischen Konstitution vom 3. May 1791, Bd. 2, Leipzig 1793, S. 202. Ebenda, S. 319. Noch deutlicher brachte diese Einstellung Michał Kleofas Ogiński in einem Gespräch auf den Punkt: „Ich gab ihm zu verstehen, dass Preußen bloß eine untergeordnete Rolle spiele und sich lediglich den Absichten Russlands anschmiege, während der Wiener Hof untätig bleibe“. Ogiński, Denkwürdigkeiten über Polen, S. 210.
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nur musste der zerrissene polnisch-litauische Staatsverband einen Unions- und Schutzvertrag mit Katharina eingehen, auch seine Verfassung musste ganz den russischen Ansprüchen angepasst werden, was praktisch einer kompletten Aufgabe der staatlichen Souveränität gleichkam. Die Gefahr, die Kontrolle über die eigene Verwaltung zu verlieren, rief im Lande Unwillen hervor, die Anzeichen eines unmittelbar bevorstehenden, revolutionären Aufbegehrens häuften sich. Im Herbst 1793 kehrte Tadeusz Kościuszko, der ehemalige Teilnehmer des Unabhängigkeitskrieges in Nordamerika und verbannte Kämpfer gegen die „Targowica“-Konföderation, aus der Emigration zurück, um zusammen mit den führenden Köpfen der „Patrioten“ einen Aufstand vorzubereiten. Mehrmals aufgeschoben, wurde dieser schließlich für Mitte März 1794 geplant. Den Ausbruch beschleunigte die Forderung Igelströms, die polnischen Truppen um die Hälfte zu reduzieren und sie dann in Marsch zu setzen für einen neuen russischen Krieg gegen die Osmanen. Der entsprechenden Verordnung des erneut in russischen Diensten tätigen „Ständigen Rates“ widersetzte sich General Antoni Józef Madaliński und rückte an der Spitze einer über 1 000 Mann zählenden Kavallerieabteilung am 12. März von Ostrołęka über Südpreußen, wo er mehrere preußische Posten überwältigte und etliche Gefangene nahm, in Richtung Krakau vor.²⁹⁷ Beunruhigt und überrascht reagierte die preußische Verwaltung auf den Durchzug der polnischen Soldaten. Die antipreußischen Demonstrationen, die ihn begleiteten, und die hohe Prozentzahl von Einwohnern aus Großpolen in Madalińskis Brigade machten deutlich, wie angespannt die Lage in den annektierten Provinzen war und wie leicht sich Teile der dortigen Bevölkerung für preußenfeindliche Aktionen vereinnahmen ließen. Um größeren Unruhen rechtzeitig vorzubeugen, schlug die preußische Verwaltung Friedrich Wilhelm vor, auf die Probleme des polnischen Adels aus Großpolen verstärkt einzugehen und ihn so kooperationswillig zu machen.²⁹⁸ Auf ein Entgegenkommen ließ sich der Preußenkönig aber nicht ein, vielmehr setzte er auf Einschüchterungsmaßnahmen, wie etwa die Verhaftung von mehreren mutmaßlichen Unterstützern Madalińskis. Dies verschärfte die feindselige Einstellung gegenüber Preußen nur weiter, vor allem beim niederen Adel und der Geistlichkeit.²⁹⁹ Die Beschäftigung mit den lokalen Unruhen in Südpreußen wurde so alsbald zu einem schwerwiegenden Problem für die Berliner Regierung, denn in Folge des Marsches Madaliński proklamierte der, zum Oberbefehlshaber ernannte Vgl. Erhard Moritz, Preußen und der Kościuszko-Aufstand 1794, Berlin 1968, S. 50. Ausführlich dazu Kucharczyk, Polityka zagraniczna Prus, S. 656 – 664. Bericht an das Kabinett, 07.04.1794, in: GStA, I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett, Nr. 242 A, Bd. 2. Bl. 61 f. Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 29.04.1794.
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Kościuszko, am 24. März 1794, in Krakau den nationalen Aufstand. Die Aufstandsakte mit dem Kampfruf „Freiheit, Integrität, Unabhängigkeit“ und der Forderung nach Wiederherstellung der alten Grenzen aus der Zeit vor der ersten Teilung richtete sich ganz eindeutig sowohl gegen Russland als auch gegen Preußen.³⁰⁰ Die preußische Regierung deutete den Aufstand als Fortsetzung der französischen Revolution auf polnischem Boden und veranlasste sofort Sicherungsmaßnahmen, um einem Flächenbrand von „revolutionären Unruhen“ in den annektierten Gebieten, aber auch in den preußischen Kernprovinzen rechtzeitig vorzubeugen.³⁰¹ Ihre Sorge war nicht ganz unbegründet: In einzelnen Ortschaften von Südpreußen wurde auf preußische Soldaten geschossen, in Posen und Piotrków bildeten sich Volksvereine, die aktiv für den Aufstand agierten, und Aufrufe zum gemeinsamen Vorgehen gegen die preußischen Machthaber wurden mittlerweile auch in Schlesien und Pommern registriert.³⁰² Das preußische Kabinett reagierte auf die neu entfachten Unruhen mit den üblichen Drohungen und Verhaftungen. Der Ex-Gesandte in Warschau Lucchesini begrüßte die Maßnahmen seiner Regierung und spornte diese in einer Denkschrift vom 7. April an, sich verstärkt gegen den Aufstand zu engagieren.³⁰³ Er hielt ein entschiedenes Eingreifen in Südpreußen für notwendig, weil die älteren Einwohner und die hohe Geistlichkeit mit Preußen sympathisierten, die Jugend und das Bürgertum dagegen der Mai-Verfassung anhingen. Darüber hinaus wies er auf die vielen Polen hin, die seiner Ansicht nach jede Bewegung unterstützen würden, deren Ziel eine Veränderung der Lage im Staate wäre, d. h. die Rückgewinnung der von Preußen annektierten Gebiete.³⁰⁴ Die Gefahr eines Aufstandes in Südpreußen und die beunruhigenden Berichte aus Krakau veranlassten Friedrich Wilhelm II., seinem Generalleutnant Wilhelm
Tadeusz Kościuszko, Pisma, hg. von Henryk Mościcki, Warszawa 1947, S. 274 ff. Der Grund, warum der zum Teil durch die französischen Siege in Belgien motivierte Aufstand die revolutionären Losungen „Gleichheit“ und „Brüderlichkeit“ nicht übernahm und sie durch die Begriffe „Integrität“ und „Unabhängigkeit“ ersetzte, lag in der fehlenden Bereitschaft der Aufstandsführer, soziale Zugeständnisse an alle Stände zu machen. Durch das Umgehen der französischen Losungen sollte jede Andeutung von sozialen Veränderungen vermieden werden, um den Adel nicht abzustoßen. Otto Karl Friedrich von Voss an das Kabinettsministerium, 30.03.1794, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 2b, Bl. 38. Ausführlich dazu Wąsicki, Powstanie kościuszkowskie w Wielkopolsce, S. 45 ff.; Georg Knoll, Der Feldzug gegen den polnischen Aufstand im Jahre 1794, in: Zeitschrift der Historischen Gesellschaft der Provinz Posen, 13 (1898), S. 16. Memoire Lucchesinis vom 07.04.1794, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 1 L, Bl. 3 ff. Ebenda.
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Friedrich von Schwerin zu befehlen, „gleich eine nachdrucksvolle Expedition gegen Krakau“ vorzubereiten.³⁰⁵ Dabei ging es ihm auch darum, bei einer möglichen vollständigen Teilung Polens, die für ihn nur eine Frage der Zeit war, auf dem Kriegsschauplatz präsent zu sein und dem Hause Hohenzollern, durch die Besetzung der Gebiete um Krakau und Sandomierz, das gesamte linke Weichselufer zu sichern.³⁰⁶ Die Bereitschaft Preußens, gegen die Aufständischen vorzugehen, begrüßte Russland, das seit Beginn der Insurrektion auf den militärischen Einsatz der preußischen Truppen (indirekt auch der österreichischen) drängte. Von der gemeinsamen Intervention erhoffte sich die Petersburger Regierung, den polnischen Souveränitätsansprüchen schnell ein Ende zu bereiten und dadurch den seit 1793 zugespitzten Konflikt der verschiedenen Großmachtinteressen zu befrieden. Der Ausschluss Österreichs durch Preußen bei der zweiten Teilung hatte das Arrangement der „drei Schwarzen Adler“ gefährdet, ohne ihr eigentliches Ziel, die Sicherstellung des antirevolutionären Bündnisses, erreicht zu haben. Das kostspielige Engagement Preußens im Krieg gegen Frankreich, die territorialen Kompensationsbedürfnisse Österreichs und die Pläne Russlands, die beiden Mächte unter Kontrolle zu bringen, ohne auf die eigene Expansionspolitik verzichten zu müssen, boten genug Anlässe für einen Bruch innerhalb der labilen Koalition. Eine neue Basis der Verständigung war dringend notwendig. Das gemeinsame Vorgehen gegen den Kościuszko-Aufstand und die damit verbundene Aussicht auf neue territoriale Gewinne versprachen eine ideale Lösung des schwelenden Konflikts. Die Berliner Regierung erkannte schnell das Potenzial des preußischen Militäreinsatzes und erklärte in ihren Depeschen an Russland ganz offen, Preußen werde in Polen-Litauen, das „von ähnlichen Gefahren wie Frankreich bedroht“ sei, intervenieren und dafür Entschädigung verlangen.³⁰⁷ Die klare Darlegung der preußischen Eroberungsambitionen, noch vor Beginn des Einsatzes, zeigte mit aller Deutlichkeit, dass vom Verlauf des Interventionskrieges gegen Kościuszko zwar die genauen Umstände der neuen Teilung
Friedrich Wilhelm II. an Wilhelm Friedrich Karl von Schwerin, 03.04.1794, in: GStA, I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen, Nr. 27– 2b, Bl. 45. Siehe dazu auch Kucharczyk, Polityka zagraniczna Prus, S. 657. Zu der These, dass die dritte Teilung Polens nicht in einem gesonderten Ursachen- und Wirkungszusammenhang zu betrachten sei, sondern längst eine beschlossene Vereinbarung zwischen den Teilungspartnern war und dass der Kościuszko-Aufstand diese Vereinbarung nicht auslöste, sondern lediglich deren Umsetzung beschleunigte, siehe Müller, Die Teilungen Polens, S. 52. Über die territorialen Pläne Preußens in: Kucharczyk, Polityka zagraniczna Prus, S. 660 f. Friedrich Wilhelm II. an Ludwig von Buchholtz, 19.04.1794 und 13.07.1794, in: GStA, I. HA, Rep. 7C, Geheimer Rat, Südpreußen, Nr. 14, ohne Foliierung.
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abhingen, deren Zustandekommen aber bereits als Tatsache angenommen wurde.³⁰⁸ Die militärische Unterstützung Preußens wurde von seinem russischen Alliierten ungeduldig erwartet, weil der Aufstand inzwischen auf weitere Gebiete übergegriffen hatte und Kościuszko einige Siege verzeichnen konnte.Vor allem der Ausbruch des Aufstandes in Warschau am 17. April 1794 verursachte große Verluste unter den russischen Truppen und machte den preußischen Militäreinsatz dringlicher denn je. Der preußische König zeigte sich aber vorsichtig und solange sich Russland in der Frage der genauen Aufteilung des verbliebenen Teils des polnischen Staatsgebietes nicht eindeutig positionierte, und die Finanzierung seiner Truppen gegen die Aufständischen nicht gesichert war, zögerte er mit seinem Vormarsch. In der preußischen Zurückhaltung erblickte die polnische Aufstandsregierung, der sogenannte „Oberste Nationalrat“, mit Außenminister Ignacy Potocki an der Spitze, die Chance, Preußens Neutralität zu erreichen. In Vorbereitung auf die Verhandlungen mit der Berliner Regierung unterließ die polnische Aufstandsregierung folglich jede preußenfeindliche Propaganda, was nicht ohne Einfluss auf die Wahrnehmung Preußens, zumindest unter den Aufständischen in Warschau, blieb. Schon in den ersten Tagen nach ihrem Sieg gingen dort Gerüchte um, nach denen Lucchesini für die Unterstützung der Aufständischen sorgen werde und der preußische Gesandte Buchholtz durch eine besondere Erklärung die Neutralität Preußens verbürgt habe.³⁰⁹ Tatsächlich richtete Kościuszko eine Note an den Warschauer Präsidenten Ignacy Zakrzewski, in der er ihn anwies, „unter dem größten Geheimnis Buchholtz zu insinuieren, dass wir seinen Hof nicht angreifen werden, wenn er unsere Grenze in Ruhe
Müller, Die Teilungen Polens, S. 53. Vgl. Jan Reychman, Prusy a insurekcja kościuszkowska, in: Przegląd Zachodni, 9 (1946), S. 761 f. Die preußenfreundlichen Stellungnahmen in Warschau waren vor allem dem „über alle Vorstellungen gehenden Hass gegen die Russen“ geschuldet, wie der preußische Gesandte vermerkte. Ludwig von Buchholtz aus Warschau, 15.03.1794, in: Ernst Hermann, Geschichte des russischen Staates, Bd. 7 (Ergänzungsband), Gotha 1866, S. 460. Wacław Tokarz weist allerdings darauf hin, dass gerade vor dem Ausbruch des Aufstandes in Warschau auch eine stark ablehnende Haltung zu Preußen anzutreffen war. Negativ auf die Wahrnehmung Preußens wirkte sich vor allem die drastisch steigende Inflation in der Stadt aus. Durch den Umstand, dass die preußischen Truppen die südpreußischen Gebiete rund um Warschau kontrollierten und dadurch die Zufuhr von Lebensmitteln in die Stadt erschwerten, wurde Preußen für die Preissteigerung verantwortlich gemacht. Wacław Tokarz, Warszawa przed wybuchem powstania 17 kwietnia 1794 roku, Kraków 1911, S. 183.
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lässt“.³¹⁰ Ausdrücklich betonte der legendäre Oberbefehlshaber, dass die Aufständischen Preußen „nur wegen der Politik“ den Krieg erklärt haben.³¹¹ Um zu beweisen, dass der „Oberste Nationalrat“ dem preußischen Nachbarn nicht feindlich gesinnt war, sondern eher ein neutrales Verhältnis zu ihm bewahren wollte, wurde tatsächlich der Befehl ausgegeben, die preußischen Truppen nicht anzugreifen. Zudem gab es Bemühungen, aus der preußischen Armee geflohene Deserteure wieder auszuliefern.³¹² Auch die Berichte aus Südpreußen, wonach Teile der dortigen Bevölkerung eigenmächtig gegen die preußischen Truppen vorgingen oder sich viele zwangsrekrutierte Polen in der preußischen Armee den Aufständischen anschließen wollten, wurden durch die Aufstandsführung weitgehend ignoriert.³¹³ Besonders deren konservativer Flügel zeigte sich propreußisch orientiert und strebte eine Verbindung oder zumindest ein Neutralitätsabkommen mit der Berliner Regierung an. Der Grund für die verbreitete Passivität gegenüber Preußen lag nach Ansicht von Jerzy Topolski vor allem in der antirevolutionären Haltung des preußischen Königs und der damit verbundenden Hoffnung, dass die Annäherung an Preußen den „Obersten Nationalrat“ dazu zwingen werde, den Aufstand auf eine kleinere Region zu beschränken, die mit den derzeit verfügbaren Kräften zu beherrschen wäre. Ein Krieg gegen Preußen hätte dagegen eine große Ausdehnung der Aufstandshandlungen bedeutet, was mit einer Einbeziehung des Bauernstandes hätte einhergehen müssen, mithin also dessen politische Aufwertung bedeutet hätte.³¹⁴ Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Verbreitung einer propreußischen Haltung unter den Aufstandsführern spielte auch, der mittlerweile in Wien als preußischer Gesandter tätige, Lucchesini. Den am österreichischen Hof um Hilfe nachsuchenden Aufstandsanhängern soll er versichert haben, dass seine Regierung die Mai-Verfassung nach wie vor unterstütze und sich bemühen werde, diese zu erhalten.³¹⁵ Groß muss daher die Enttäuschung des „Obersten Nationalrates“ gewesen sein, als Ludwig Buchholtz im Gespräch mit Potocki und Kołłątaj Ende Mai 1794 mitteilte, dass der preußische König ihren Neutralitätsvorschlag ablehne, weil er
Raport traktowania z j. panem Buchholtzem, posłem pruskim, z powodu ekspedycji Najw. Naczelnika do j.p. prezydenta Zakrzewskiego tudzież rozkazu danego p. Buchholtzowi do wyjazdu z Warszawy, in: Emil Kipa, Studia i szkice historyczne, Wrocław 1959, S. 63; Wąsicki, Powstanie kościuszkowskie w Wielkopolsce, S. 66; Reychman, Prusy a insurekcja Kościuszkowska, S. 762. Ebenda. Ebenda. Vgl. Adam Skałkowski, Z dziejów insurekcji 1794 r., Warszawa 1926, S. 44. Jerzy Topolski, Powstanie wielkopolskie 1794 r., in: Nowe Drogi, 5 (1954), S. 65. Vgl. Tadeusz Korzon, Tadeusz Kościuszko. Biografia z dokumentów wysnuta, Kraków 1894, S. 363.
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den Aufstand für einen Auswuchs des Jakobinismus halte und nicht bereit sei, die polnische Revolution zu unterstützen.³¹⁶ Tatsächlich aber hatte die preußische Armee bereits zu Beginn des Monats die Grenze zwischen Schlesien und Polen überschritten und rückte Richtung Krakau vor. Der Einmarsch in Polen schien dem preußischen König anfangs verhältnismäßig gefahrlos zu sein, da die Interventionstruppen zahlenmäßig überlegen und gut ausgebildet waren, während Kościuszko seine Armee erst aufstellen und ausbilden musste. Den Oberbefehl über die preußische Offensive übernahm Friedrich Wilhelm II. selbst und der erste große Vorstoß gegen die Aufständischen fand unweit von Krakau, bei Szczekociny, statt, wo Kościuszko mit etwa 15 000 Mann einer gewaltigen Streitmacht von 27000 Mann (18 000 Preußen und 9 000 Russen) gegenüber stand. Trotz ihres enormen Kampfesmutes, der sogar die preußische Militärführung in Staunen versetzte, erlitten die Aufständischen am 6. Juni eine bittere Niederlage, die den preußischen Truppen den Weg nach Krakau öffnete.³¹⁷ Der Vormarsch der preußischen Truppen und die Einnahme Krakaus waren entscheidend für die veränderte Wahrnehmung Preußens in Polen-Litauen. Bereits vor der Schlacht von Szczekociny beklagte Friedrich Wilhelm II. die feindliche Haltung der polnischen Bevölkerung, durch die Erkundungen über die Position des polnischen Heeres außerordentlich erschwert würden. „Wir können gar keine Nachrichten bekommen“, schrieb er an seine Geliebte Gräfin Lichtenau, „weil im ganzen Lande alles gegen uns ist.“³¹⁸ Die Besetzung Krakaus veränderte auch die Haltung der Führer des Aufstandes gegenüber Preußen. Die noch vor ein paar Wochen von Kościuszko deklarierte Neutralität war nun obsolet, an ihre Stelle trat eine entschiedene Ablehnung Preußens, der erhoffte Verbündete wurde zum Feind der Nation erklärt. Kein Vorfall beweist dies besser als die Reaktion des „Obersten Nationalrates“ auf die Übergabe Krakaus an Preußen durch den
Der Bericht von Buchholtz über das Gespräch mit Potocki und Kołłątaj wurde bereits mehrfach abgedruckt, etwa bei: Hermann, Geschichte des russischen Staates, Bd. 7, S. 482 f; Henryk Kocój, Relacje posła pruskiego Ludwiga Buchholtza o insurekcji kościuszkowskiej, Kraków 2004, S. 165 – 170. Mit der Einnahme der Stadt waren die preußischen Eroberungsziele allerdings noch nicht erreicht. Die Woiwodschaften Krakau und Sandomierz sollten ebenfalls besetzt werden, um den zukünftigen Anteil Österreichs möglichst einzuengen. Die Österreicher kamen Preußen jedoch zuvor und besetzten die Woiwodschaften Lublin und Sandomierz. Allgemein dazu Briefwechsel der Königin Luise mit ihrem Gemahl Friedrich Wilhelm III. 1793 – 1810, hg. von Karl Griewank, Leipzig 1929, S. 165. Über die Einnahme Krakaus berichten auch ausführlich die aufständischen Zeitungen. Vgl. Gazeta Wolna Warszawska, 28.06.1794 und 31.06.1794. Vgl. auch Kucharczyk, Polityka zagraniczna Prus, S. 658. Friedrich Wilhelm II. an die Gräfin Lichtenau, 01.06.1794, in: Friedrich Wilhelm II. an Wilhelm Friedrich Karl von Schwerin, 03.04.1794, in: GStA, I. HA, Rep. 48M, Hausarchiv, Brief Nr. 56.
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Stadtkommandanten der Aufständischen Ignacy Wieniawski. Verantwortlich für die Verteidigung der Stadt und von Kościuszko eigens darauf hingewiesen, dass er sie im Fall eines preußischen Angriffs lieber den vorrückenden Österreichern als den Preußen überlassen solle, lieferte er Krakau dennoch und praktisch ohne Widerstand den preußischen Truppen aus. Für diese Insubordination und seine Versöhnungsbereitschaft mit Preußen wurde Wieniawski des Landesverrats bezichtigt und mit dem Tode bestraft. Um seine harte Entscheidung zu rechtfertigen, ließ der „Oberste Nationalrat“ eine Erklärung veröffentlichen, in der er erklärte, die Todesstrafe für Wieniawski sei „der allgemeine Volkswille“ und die „gerechte Rache des Vaterlandes“ an seinen „Rabensöhnen“.³¹⁹ Nach der Einnahme Krakaus zeigte sich allerdings, dass die, auf ein schnelles Kriegsende abzielende, preußische Strategie aufgrund militärischer und politischer Schwierigkeiten nicht leicht zu realisieren sein würde. Der Gegner war stärker als erwartet, so dass sich der Krieg gegen die Aufständischen in die Länge zog und Preußen auch schmerzliche Verluste hinnehmen musste. Ein Marsch auf Warschau sollte nun Preußens Stellung unter den Alliierten stärken und die Gefahr der Ausdehnung des Aufstandes auf Südpreußen rechtzeitig verhindern. Die Besetzung Warschaus erschien umso dringlicher, als die polnische Hauptstadt als Zentrum des „Jakobinismus“ galt und sich im Sommer 1794 tatsächlich in Aufruhr gegen den eigenen König und die adligen Russlandfreunde befand. Die Forderung des polnischen Jakobinerklubs vom 24. Juni, über die inhaftierten Landesverräter endlich Gericht zu halten, fand die Unterstützung der unteren Schichten der Stadtbevölkerung. Ihre Empörung steigerte sich dermaßen, dass sie die gefangengehaltenen Russlandanhänger aus den Gefängnissen holten und sie öffentlich richteten.³²⁰ Über diesen Ausbruch des Volkszorns sowie über den Verlauf der Kampfhandlungen berichteten ausführlich die preußischen Hofzeitungen, allen voran die „Berlinische Zeitung“, wobei sie stets bestrebt waren, Parallelen zur Französischen Revolution zu ziehen, um damit den ganzen Aufstand als die grausame Bewegung einer revolutionären, das ganze Volk terrorisierenden Gruppe darzustellen.³²¹ Diese aufstandsfeindliche Presseberichterstattung in Preußen blieb auch dem „Obersten Nationalrat“ und seiner Anhängerschaft nicht verborgen. Gegen die Verbreitung eines derart negativen Bildes des polnischen Aufstands polemisierten deshalb die Presseorgane der Insurgenten, der „Korespondent Korespondent Narodowy i Zagraniczny (Dodatek), 05.07.1794; siehe dazu auch Gazeta Wolna Warszawska, 24.06.1794. Vgl. Andrzej Zahorski,Warszawa w powstaniu kościuszkowskim,Warszawa 1985, S. 142– 148. Siehe dazu die Berlinische Zeitung, 06.05.1794, 10.05.1794, 22.05.1794, 12.06.1794, 12.07. 1794.
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Narodowy i Zagraniczny“ (Nationaler und Ausländischer Korrespondent) und die „Gazeta Wolna Warszawska“ (Freie Warschauer Zeitung). In mehreren Artikeln widerlegten sie die preußischen Berichte mit eigenen Stellungnahmen und differenzierten Darstellungen der angesprochenen Ereignisse.³²² Generell warfen sie der Berliner Berichterstattung vor, sie stehe im Dienste des Hofes, vermittle falsche Angaben über die stattgefundenen Schlachten und sehe nicht, dass der Aufstand eine Initiative der ganzen polnischen Nation sei, die sich auf diese Weise „der gewaltsamen Machtergreifung durch die Fremden“ zu widersetzen versuche.³²³ Diese intensive Polemik gegen die „Wut der Berliner Feder“ in den polnischen Zeitungen und das Interesse, mit dem sie die preußischen Aufstandsberichte verfolgten, lässt vermuten, dass die intellektuellen Aufstandsanhänger mit Skepsis, wenn nicht Ablehnung, auf die preußische Hauptstadt blickten und sie generell als Sitz ihrer politischen Gegner betrachteten.³²⁴ Die intensive Kritik an der preußischen Darstellung des Aufstands hatte aber auch konkrete Gründe: Es ging um die Verbesserung seines Ansehens in der polnischsprachigen Bevölkerung der preußischen Provinzen. Denn der preußische Marsch von Krakau nach Warschau veranlasste Kościuszko, den Aufstand auf Großpolen auszudehnen, um damit den Vorstoß Preußens in die, von inneren Unruhen beherrschte, Hauptstadt zu schwächen. Im Bewusstsein der feindlichen Einstellung der offiziellen Machtorgane und in der Hoffnung auf eine breite Unterstützung rief der „Oberste Nationalrat“ am 12. Juni 1794 die Bewohner Großpolens auf, sich dem Aufstand anzuschließen und die Anordnungen der preußischen Regierung nicht mehr zu befolgen. Der Aufruf hatte einen dezidiert antipreußischen Charakter und griff zum Teil Argumente aus der journalistischen Polemik gegen die „Berlinische Zeitung“ auf. So wurde Friedrich Wilhelm II. als der unrechtmäßige Usurpator der polnischen Gebiete dargestellt, der die polnische Nation betrogen und an Russland ausgeliefert habe. Daher wären für den „Ausbruch des Krieges und aller unserer Unglücke, die ihn begleiteten, nicht die polnische Nation, sondern die Gier und Falschheit des Berliner Kabinetts“ verantwortlich.³²⁵ Um die geraubten Regionen wiederzugewinnen und „Euch Brüder“ aus der preußischen Gefangenschaft zu befreien, sollten sich alle Bewohner von Großpolen mit den Aufständischen vereinigen und sich dem „Obersten Nationalrat“ unterstellen.Wer sich aber für die illegitime preußische Macht entscheide,
Korespondent Narodowy i Zagraniczny, 06.05.1794, 24.06.1794, 13.09.1794, 04.11.1794; Gazeta Wolna Warszawska, 24.05.1794, 17.06.1794, 24.09.1794. Korespondent Narodowy i Zagraniczny, 27.05.1794. Ebenda, 24.06.1794. Rada Najwyższa Narodowa do obywatelów prowincyy wielkopolskich, in: AGAD, Zbiór Popielów, 374, Bl. 315.
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der müsse damit rechnen, dass er wie ein „Vaterlandsverräter“ behandelt werde.³²⁶ Alle Kräfte wurden gebraucht, um den sich ausweitenden Aufstand tragen zu können und ihm eine Massenbasis zu verleihen. Zu diesem Zweck veröffentlichte Kościuszko, neben zahlreichen Mobilisierungsappellen an die einzelnen Woiwodschaften und Provinzen, am 7. Mai sein berühmtes Universal von Połaniec, in dem er eine Milderung der Leibeigenschaft, durch die Zusicherung des Rechts auf Freizügigkeit sowie die Einschränkung der Frondienste verkündete.³²⁷ Die Entscheidung, den Bauern größere Rechte zu geben, stieß nicht überall auf Zustimmung.Während manche Pfarrer es ablehnten, das Universal von der Kanzel zu verlesen, und darüber hinaus zusammen mit der reichen Adelsschicht generell den Kampf der Aufständischen sabotierten, füllte ein Teil der niederen Geistlichen, der landlosen Adligen und Bauern die Reihen der Insurgenten. Ähnlich stellte sich die Situation auch in Warschau dar. Dort waren es vor allem die niederen Schichten und das Bürgertum, die Kościuszko für die Verteidigung der Stadt gewinnen konnte, während die reichen Magnaten ihre städtischen Residenzen fluchtartig verließen. Die trotzdem fehlende Massenunterstützung und die anhaltenden Streitigkeiten zwischen dem revolutionären und konservativen Flügel innerhalb der Aufstandsleitung behinderten jedoch Kościuszkos Mobilisierungskampagne. Gleichwohl scheiterte der Ende Juli unternommene Angriff der preußischen Truppen auf die Stadt. Es begann die Belagerung Warschaus. 25 000 Mann unter preußischem Kommando, nebst 13 000 Russen belagerten zwei Monate die, von 17 000 Mann starken Infanterietruppen verteidigte, Hauptstadt.³²⁸ Angesichts der anhaltenden Belagerung versuchte Friedrich Wilhelm II. durch Verhandlungen zum Ziel zu kommen. Er suchte den polnischen „Herrn Bruder“ durch briefliche Drohungen und mündliche Versprechungen zur Kapitulation zu bewegen. Sein Aufruf, der allen polnischen Militärpersonen Aufnahme in die preußische Armee mit demselben Rang bzw.Vergütung der Auslagen für den Erwerb des Dienstranges in der polnischen Armee versprach, brachte keine Fortschritte.³²⁹ Erfolglos blieben ebenfalls seine Aufforderung zur Kapitulation an
Ebenda, Bl. 316. Uniwersały i rozporządzenia w sprawie chłopskiej z okresu insurekcji kościuszkowskiej 1794 r., hg. von Franciszek Paprocki, Poznań 1946, S. 9 – 11. Moritz, Preußen und der Kościuszko-Aufstand, S. 105. Vgl. Georg Knoll, Der Feldzug gegen den polnischen Aufstand im Jahre 1794, in: Zeitschrift der historischen Gesellschaft für die Provinz Posen, 13 (1898), S. 104 f.; siehe dazu auch einen anonymen Bericht an die polnische Kommandantur, in: AGAD, Archiwum Królestwa Polskiego, 3670, Bl. 171. Ein kritischer Kommentar zu den Versuchen der Berliner Regierung in: Gazeta Wolna Warszawska, 27.09.1794.
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den polnischen König sowie alle verlockenden Angebote an die polnische Generalität, auch wenn in den ausländischen Berichten hin und wieder vermerkt wurde, dass die preußische Verhandlungsbereitschaft bei einigen Mitgliedern der Aufstandsleitung auf Interesse stieß.³³⁰ Entgegen allen Gerüchten, war die polnische Seite vielmehr darum bemüht, die preußischen und russischen Soldaten für sich zu gewinnen. Um sie zur Fahnenflucht zu bewegen, wurden in beiden Sprachen Flugschriften verbreitet, die jedem Überläufer eine hohe Belohnung in Form von Geld, Waffen, Pferden und sogar von Land versprachen.³³¹ Die Aufrufe zur Desertion an die preußischen Soldaten weisen darauf hin, dass zumindest die Aufstandsleitung zwischen der preußischen Regierungsmacht und dem preußischen Volk differenzierte. Für sie galten die einfachen Soldaten als Befehlsempfänger, die sich in den Händen einer Unterdrückungsmacht befanden und die von ihrem Recht auf Freiheit erst überzeugt werden mussten. Von eigenen, an die Französische Revolution angelehnten Losungen ausgehend, versuchten die intellektuellen Aufstandsträger ihr Modell der „Nation“ und ihre Vorstellung von „Freiheit“ dem anationalen und nur durch den königlichen Herrschaftsanspruch zusammengehaltenen Verband entgegenzustellen.³³² Ihre Bereitschaft, preußischen Überläufern Land zu übereignen, zeigt gleichzeitig, dass ihr Nationalbewusstsein weniger auf einer ethnonationalen Ideologie basierte als auf dem Verständnis einer Respublica als Vielvölkerstaat. Allein aus diesem Grund ist der Kościuszko-Aufstand keinesfalls als die Geburtsstunde des polnisch-preußischen Antagonismus anzusehen, der im Laufe des 19. Jahrhun-
Hinweise darauf findet man bei: Reychman, Prusy a insurekcja kościuszkowska, S. 766. Tatsächlich ist es zu gemeinsamen Gesprächen gekommen. Der Generaladjutant Hermann Johann Ernst von Manstein überbrachte bei einer Unterredung mit dem polnischen General Józef Zajączek ein Friedensangebot, welches aber abgelehnt wurde. Über den Verlauf des Gesprächs erstattete Zajączek einen Bericht. In: ABCz, Rękopisy i stare druki, 967, Bl. 491. Abgedruckt in: Gazeta Wolna Warszawska, 05.08.1794. Siehe dazu auch den Brief von Wilhelm Friedrich Karl von Schwerin an Tadeusz Kościuszko, 24.08.1794, in: AGAD, Archiwum Królestwa Polskiego, 3670, Bl. 257. Die Korrespondenz zwischen Friedrich Wilhelm II. und Stanisław August wurde abgedruckt in: Korespondent Narodowy i Zagraniczny, 09.09.1794. Abschrift in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 967, Bl. 493 ff. Die deutsche Version der Flugschrift beginnt mit der Zeile: „Die höchste Regierung in Polen“, in: AGAD, Zbiór Popielów, 374, Bl. 334. Ganz deutlich thematisiert diese Sichtweise ein Artikel in der „Gazeta Wolna Warszawska“. Zunächst wurde der Aufstand als Beweis für den „reinen Patriotismus“ der Polen, der nur „unter den freien Nationen“ anzutreffen sei, gewürdigt. Die preußische Nation gehört für den Autor offensichtlich nicht zu diesem Kreis, was er mit einem spekulativen Vergleich deutlich macht: „Wenn ein Feind vor den Toren Berlins gestanden hätte, dann hätten wir gesehen, wer sich, mit Ausnahme der Söldnersklaven der Monarchen, gegen ihn erhoben hätte – höchstwahrscheinlich niemand.“ Gazeta Wolna Warszawska, 09.09.1794.
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derts die Beziehungen überschattete. Sein Preußenbild stellte vielmehr einer Rhetorik der feindbildorientierten Selbstbehauptung die Grundelemente zur Verfügung und markierte damit lediglich die Übergangsphase zur ethnisch motivierten Preußenfeindschaft. Denn der aufnahmebereite Toleranznationalismus der Aufständischen bezog sich nur auf diejenigen, die bereit waren, in ihre Dienste zu treten. Wer diese Möglichkeit nicht nutzte, blieb ein Feind.³³³ In kaum einer anderen Situation spielte die Stilisierung der preußischen Regierungsmacht zum nationalen Feind Polens eine so integrative Rolle wie bei der Verteidigung Warschaus. Die zahlreichen Berichte und Erklärungen aus der Zeit der preußischen Belagerung sind von diesem Ton beherrscht: „Wenn der preußische Hof alle Traktate mit der polnischen Republik verletzt, wenn er ihr gewaltsam Ländereien entreißt, wenn er die aufstehende Nation mit Krieg überzieht und wenn seine Armee durch Preistreiberei, Raubüberfälle und allerlei Unterdrückung die Bewohner Polens vernichtet, dann sieht es der Oberste Nationalrat als gerecht an, die Warschauer Speicherlager der preußischen Kompanien mit allen Handelsprodukten und Geldreserven zu übernehmen.“³³⁴
Auffällig bei dieser Feindmarkierung ist der oben angesprochene Ausschluss der preußischen Bevölkerung. Der Begriff „Nation“ taucht in Bezug auf Preußen in der aufständischen Propaganda kaum auf.Vielmehr blieb dieser Begriff für die eigene (ethnisch gemischte) Anhängerschaft reserviert und wurde so zu ihrem Alleinstellungsmerkmal. Damit gelang es der Aufstandsleitung, die eigenen Unabhängigkeitsbestrebungen als universalen Kampf um Menschen- bzw. Nationsrechte darzustellen und die preußische (genauso wie die russische und österreichische) Staatsordnung im doppelten Sinne herabzusetzen: als anationale und diktatorische Herrschaftsform. Diese Ausgrenzung Preußens aus der Gemeinschaft der Nationen ist gleichzeitig ein weiterer Beleg dafür, dass man den polnisch-preußischen Gegensatz während des Kościuszko-Aufstandes nicht einfach als einen national definierten Konflikt betrachten kann.³³⁵ Der aufständische Widerstand Vgl. dazu die Erklärung von Kościuszko, in der er die Polen, die in der preußischen Armee dienen und nicht auf die polnische Seite übergelaufen sind, als „Verräter und Feinde des Vaterlandes“ bezeichnet. Gazeta Wolna Warszawska, 27.09.1794. Gazeta Wolna Warszawska, 24.06.1794. In einer Erklärung des „Obersten Nationalrates“ heißt es: „Wo betreibt und gegen wen richtet der preußische König seine Untaten? Tut er das in den Ländern, die er seiner despotischen Herrschaft unterworfen hat, oder unter Menschen, die vor Niedertracht nicht zurückschrecken und sich seine Untertanen nennen? Aber auch ihnen gegenüber, insbesondere in unserem Zeitalter, sollte er weniger Tyrannei, weniger Grausamkeit und dafür mehr Menschlichkeit und Gerechtigkeit walten lassen. Mit Erstaunen (wenn die Taten der preußischen Habsucht noch in Staunen versetzen können) sieht ganz Europa, dass er alle diese Untaten gegen die Polen richtet.
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gegen Preußen wurde in erster Linie als ein Widerstand gegen den preußischen König und seine Herrschaft begriffen und nicht gegen die, wie auch immer verstandene, „preußische Nation“. Der mediale Jubel über den Rückzug der preußischen Truppen nach fast zweimonatiger, erfolgloser Belagerung der Stadt offenbarte mit aller Eindeutigkeit, wer für die Aufständischen in Warschau als ihr Hauptfeind galt: „Die preußische Armee, die zusammen mit einigen Tausend Moskauern zwei Monate vor der Stadt gestanden hatte und sie unbedingt unterwerfen wollte, musste in der Nacht vom 5. auf den 6. des laufenden Monats [September 1794, A.P.] ihre Schande erkennen und sich zurückziehen […]. Das hat uns in der Überzeugung bestärkt, dass Gott unser gerechtes Anliegen unterstützt und dass die Waffen in den Händen der freien Menschen siegen, als Todesinstrumente in den Händen der Diener des Despotismus jedoch zerbröckeln. Der preußische König war sich so sicher, dass seinen langen Kerlen in Warschau ein Pogrom gegen das, seiner Ansicht nach, angsterfüllte Volk gelingt […]. Jetzt musste er aber die Erfahrung machen, dass man ein freies Volk nicht besiegen kann“.³³⁶
Der Rückzug der preußischen Armee wirkte motivierend auf die aufständischen Soldaten und erlaubte ihnen, mit providentieller Zuversicht zu glauben, Gott selbst stehe auf ihrer Seite.³³⁷ Ihre Leistung war tatsächlich enorm, denn einige Tausend, nicht gerade gut ausgerüstete und ausgebildete, Insurgenten widersetzten sich einer Armee, die seit Friedrich Wilhelm I., und dann verstärkt durch die Siege Friedrichs II., den Ruf der Unbesiegbarkeit genoss. Ihr militärisches Versagen verlieh den polnischen Soldaten viel Selbstvertrauen und regte sie sogar zu Witzen über den preußischen Kampfgeist an. Im Warschauer Stadtteil Wola kursierte ein Flugblatt, das den Abschiedsbrief der preußischen Soldaten an die Warschauer persiflierte. Darin erklärten die besiegten Preußen ihre Liebe zu den polnischen Frauen und versprachen, bald zurückzukehren, aber nicht mehr mit Kanonen, sondern lediglich mit „Rosen und Veilchen“. Die Schönheit der Warschauerinnen habe sie so geblendet, dass sie jetzt schweren Herzens und „von Tränen überströmt“, nach Hause zurückkehren müssten. Gleichzeitig baten sie „die schönen Damen“ um Verzeihung, weil ihr strenges Auge für sie viel furchterregender war als die Kanonen von Kościuszko. Die Kraft dieses „feurigen Blicks“ Wen hält er für verdächtig auf polnischem Boden? Wen hält er für einen Widerständler in einer Nation, die nur ihre Ganzheit und Unabhängigkeit bewahren möchte?“ Gazeta Wolna Warszawska, 11.10.1794. Gazeta Wolna Warszawska, 09.09.1794. Ähnliche Aussagen in: Łukasiewicz, Sarmatyzm i Prusy, S. 444. Die Überzeugung, dass Gott Polen und die Verfassung vom 3. Mai schützen werde, war bereits während des Großen Reichstags stark ausgeprägt. Siehe dazu Richard Butterwick, The Polish Revolution and the Catholic Church 1788 – 1792: A Political History, Oxford 2011, S. 248 – 252.
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hätte auch dazu geführt, dass sie im Fall der Einnahme Warschaus früher oder später kapituliert hätten.³³⁸ Abgesehen von dieser seltenen Form, die Leistung der preußischen Armee satirisch zu desavouieren, indem man ihr emotionale Schwäche und damit auch weibliche Züge zuschrieb, war ihre Wahrnehmung unter den Insurgenten wenig spöttisch oder abschätzig. In den zahlreichen Rapporten der Aufständischen von den Schlachtfeldern dominiert ein pragmatisch ausgewogenes Bild des preußischen Heeres.³³⁹ Zwar wird es durchgehend als Feind bzw. Nicht-Freund (nieprzyjaciel) charakterisiert, aber selten diffamiert und, trotz häufig durchaus brutaler Aktionen gegen die Aufständischen, dennoch nicht als besonders blutrünstig abqualifiziert. Mit pragmatischem Blick gestaltete die militärische Aufstandsführung ihre Berichterstattung und konzentrierte sich darin vorwiegend auf die strategisch bedeutsamen Fragen oder auf die sachliche Erfassung von Gewinnen und Verlusten. Nicht selten erwies sie dem preußischen Gegner sogar ihre Hochachtung, wenn sie darüber berichtete, dass die preußischen Militärführer die verletzten Aufständischen verbinden ließen oder Mitleid mit den Getöteten zeigten.³⁴⁰ Die militärischen Kämpfe und Zusammenstöße nahmen deutlich zu, als noch während der Belagerung Warschaus der allgemeine Aufstand in Großpolen und Teilen von Südpreußen ausbrach. Zwar musste die preußische Armee keine unmittelbare Offensive befürchten, weil die Aufständischen nicht zahlreich genug, zu wenig organisiert und unzureichend bewaffnet waren. Dennoch lähmten die in ganz Südpreußen aufflammenden Scharmützel die Angriffsoperation vor Warschau und bewegten schließlich den preußischen König dazu, bei Russland und Österreich um Hilfe nachzusuchen. Die russische Armee, selbst mit den aufständischen Truppen in Litauen überfordert, ließ sich nicht zu einem Vorstoß nach Warschau bewegen. Österreich lehnte die Teilnahme am Warschauer Unternehmen mit dem Argument ab, nicht genug Kräfte zur Verfügung zu haben. Die abweisende Haltung der Alliierten und die beharrliche Defensivverteidigung der Stadt zwangen die preußische Armee schließlich zum Rückzug.³⁴¹ Um seinen
Zit. nach Stanisław Tomkowicz, Z wieku Stanisława Augusta, Kraków 1882, S. 67. In praktisch jeder Ausgabe der dem Aufstand wohlgesinnten Zeitungen wie der „Gazeta Wolna Warszawska“ oder der „Gazeta Rządowa“ wurden Rapporte der militärischen Aufstandsführung veröffentlicht. Vgl. Gazeta Wolna Warszawska, 24.06.1794, 19.08.1794 und 25.10.1974; Gazeta Rządowa, 30.09.1794, 20.10.1794 und 22.10.1794. Eine große Zahl der schriftlichen, zum Teil unveröffentlichten Rapporte befindet sich in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 967, Bl. 44– 467. Gazeta Wolna Warszawska, 26.07.1794; Korespondent Narodowy i Zagraniczny, 12.07.1794 und 19.07.1794. Vgl. Moritz, Preußen und der Kościuszko-Aufstand, S. 116 f.
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angeschlagenen militärischen Ruf wiederherzustellen und Preußens politische Position zu behaupten, entschloss sich Friedrich Wilhelm II., die Aufständischen in Südpreußen mit aller Kraft zu zerschlagen. Hart und brutal gingen die preußischen Truppen gegen die Insurgenten vor, eine vollständige Beruhigung der aufgewühlten Provinz konnte dennoch nicht erreicht werden. Die aufständische Propaganda hatte das preußische Vorankommen deutlich erschwert, denn sie stellte ihren Kampf als einen Befreiungskrieg gegen Preußen dar, das als ökonomische und soziale Unterdrückungsmacht gebrandmarkt wurde. Ähnlich wie in der Agitation gegen die russische und österreichische Besatzungsmacht in den annektierten Gebieten versprach sie, die „Brüder Preußen“ zu retten, „euch die Freiheit zu verkündigen, die großen Abgaben, die ihr dem Großen König von Preußen zahlt, abzuschaffen und keinen Schaden euch zu tun“.³⁴² Ziel des „Obersten Nationalrates“ war es, einen Massenzulauf für den Aufstand zu erreichen, daher veröffentlichte er mehrere Flugblätter und Aufrufe, sowohl in russischer als auch in deutscher Sprache. Von der Zusicherung, „alle Bürger Polens als Söhne des gemeinsamen Vaterlandes zu betrachten“, erhoffte sich die Aufstandsleitung, die Unterstützung oder zumindest die Passivität der deutschsprachigen Einwohner der preußischen Teilungsgebiete und der angrenzenden preußischen Provinzen erlangen zu können.³⁴³ Da sich diese Appelle aber zumeist an die polnischen Bauern richteten, die in der Tat die Mehrheit der Insurgenten in Großpolen ausmachten, stieß der Aufstand nicht nur bei der deutschsprachigen Bevölkerung, sondern auch beim reichen polnischen Adel auf wenig Verständnis, war dieser doch an mehr Rechten für die Bauern nicht interessiert.³⁴⁴ Auch das reiche Bürgertum in den großpolnischen Städten, wie Posen, Gnesen oder Sieradz, blieb dem Aufstand eher fern.³⁴⁵ Wer genau auf welcher Seite stand und sich für die Aufständischen oder die preußischen Truppen engagierte, darüber berichtete die lokale „Südpreußische Zeitung“ ausführlich. Als Presseorgan der preußischen Verwaltung versuchte sie, ganz auf der Linie der Regierungspropaganda, den Aufstand als eine revolutionäre, und von jakobinistischen Ideen durchdrungene, Gefahr darzustellen.³⁴⁶ In
Ihr Brüder Preußen, in: ABCz, Rękopisy i stare druki, 967, Bl. 492. An die Bürger des Herzogtums Kurland, Semgallen und Distrikts Pilten, in: Ebenda, Bl. 389. Wobei auch hier eine Einschränkung gemacht werden muss. Die reicheren Bauern und Siedler, die sogenannten „Olędrzy“ (Hauländer/Holländer), lehnten den Aufstand entschieden ab und unterstützten die preußischen Truppen bei ihrem Vorgehen gegen die Aufständischen. Vgl. Wąsicki, Powstanie kościuszkowskie w Wielkopolsce, S. 92 f. Ebenda, S. 94. Der Jahrgang 1794 der „Südpreußischen Zeitung“, die seit dem 1. August 1794 in Posen erschien, muss heute als verloren gelten.Weder in polnischen noch in deutschen Archiven konnte er
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diesem Sinne, und das macht sie als Quelle besonders interessant, informierte sie über Vorfälle, die das idealisierte Bild des Aufstandes trübten und in den aufstandsnahen Zeitungen eher verschwiegen oder dementiert wurden. So konnte man aus ihren Spalten erfahren, dass in mehreren Orten die polnischen Adligen Schutz bei der preußischen Verwaltung suchten oder dass die, von der Aufstandsführung angeordnete, Zwangsrekrutierung häufig auf Widerstand und Sabotage unter den einheimischen Bauern stieß.³⁴⁷ Gleichzeitig aber berichtete die „Südpreußische Zeitung“ über den breiten Zuspruch, den der Aufstand in Großpolen erfahren habe und die antipreußische Einstellung von großen Teilen der dortigen Bewohner. Der Einmarsch der Insurgenten wurde dabei häufig genutzt, um der eigenen Wut und angestauten Preußenfeindschaft Luft zu machen, wie z. B. in Gnesen, wo „die preußischen Adler“, welche am Rathaus und an den Stadttoren hingen, kurzerhand geschleift wurden. „Man trat sie mit Füßen und das Volk verging sich soweit, dass es einen Adler am Strick an einen aufgerichteten Pfahl aufhing.“³⁴⁸ Grund für den Ausbruch solcher Preußenfeindschaft war häufig die Willkür der preußischen Bürokratie, die sich über die althergebrachten städtischen Selbstverwaltungsrechte und Interessen der lokalen Bevölkerung hinwegsetzte und den militärischen Erfordernissen der preußischen Armee absoluten Vorrang einräumte. Nichts spornte jedoch die antipreußische Haltung in Großpolen und Südpreußen so intensiv an, wie die restriktiven Maßnahmen der preußischen Armee. Die rigorose Anwendung der, für Desertion oder Beihilfe zur Desertion, vorgesehenen Strafen sowie die finanziellen und persönlichen Lasten, die das preußische Militärsystem der Bevölkerung auferlegte, riefen allgemeine Unzufriedenheit hervor. Unter den großpolnischen Bauern wuchs die Erbitterung wegen der von den preußischen Truppen verlangten Fouragelieferungen und Gespanndiensten. Fast der gesamte Transport von Munition, Lebensmitteln und Lazaretten wurde auf die Bauern abgewälzt, so dass manche Landwirte und ihre Knechte erst nach Monaten – wenn überhaupt – von den Truppen zurückkehrten.³⁴⁹ Andererseits war das Ansehen der aufständischen Truppen auch nicht immer positiv.
ausfindig gemacht werden. Aus diesem Grund bleibt nur der Bezug auf die Sekundärliteratur aus der Vorkriegszeit übrig, die auf den Inhalt der Zeitung eingeht. Zit. nach Rodgero Prümers, Gefangennahme preußischer Beamten im Insurektionskriege des Jahres 1794, in: Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen, 2 (1897), S. 33. Ebenda, S. 38 f. Ebenda, S. 35. Vgl. Wacław Długoborski, Volksbewegungen im preußisch-polnischen Grenzraum während der Französischen Revolution 1789 bis 1794, in: Preußen und die revolutionäre Herausforderung, S. 158 f.
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Keinesfalls sind sie als Gegenbeispiel zur preußischen Armee zu betrachten. Durch ihre Zwangsrekrutierungen, Raubüberfälle oder zum Teil grausame Behandlung der preußischen Verwaltungskräfte trugen sie entschieden dazu bei, dass die Insurgenten nicht überall mit Freude und Entgegenkommen aufgenommen wurden.³⁵⁰ Sorgen bezüglich finanzieller Verluste und Angst vor Tötung bestimmten auch das Verhältnis der einheimischen Bewohner zu den polnischen Truppen. Zumal die Anordnungen des „Obersten Nationalrates“ für Großpolen oder Südpreußen in vielen Punkten den preußischen ähnelten; beide Seiten deklarierten, dass alle, die sich dem jeweiligen Gegner anschlössen, als Verräter zu betrachten seien und mit Tod und Requisition von Gütern zu rechnen hätten.³⁵¹ Doch gerade diese eingeschüchterte und distanzierte Einstellung von Teilen der Einwohner konnten die Aufständischen in Großpolen und Südpreußen zu ihrem Vorteil nutzen und mit Hilfe lokaler Anhänger die Erweiterung ihres Kampfes ins Werk setzen. Unter der Führung von General Dąbrowski, der bereits ein Jahr zuvor einen militärischen Angriff auf die eingerückten preußischen Truppen geplant hatte, wurde Anfang September 1794 eine Offensive in Großpolen gestartet. Die Überraschung glückte und in kürzester Zeit gelang es Dąbrowski, nicht nur bedeutende Teile von Südpreußen zu kontrollieren, sondern sogar bis nach Westpreußen vorzudringen. Im Oktober nahm er Bromberg ein, obwohl die südpreußischen Truppen durch den Großteil, der in Warschau gescheiterten, Regimenter unterstützt wurden und somit über relativ große Kampfkraft verfügten. Bis nach Danzig und Pommern wollte Dąbrowski den Aufstand ausdehnen. Um sich eine breite Basis zu schaffen, ließ er auch unter der deutschsprachigen Bevölkerung West- und Ostpreußens sowie unter den Bewohnern der angrenzenden preußischen Provinzen mehrere Flugschriften verteilen. Ähnlich wie die früheren Appelle forderten sie die „Brüder Preußen“ und „unsere früheren Verbündeten“ auf, sich mit den aufständischen Kämpfern gegen das „Haus Hohenzollern“ zu verbünden, um Friedrich Wilhelm nicht mehr als „Instrument zur Ausdehnung seines Despotismus“ zu dienen. Denn der Aufstand liefere ihnen die einzige Chance, ihre „Freiheit dem Tyrannen“ zu entreißen, ihre „mit uns geteilte Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen“ und sich „das Glück der freien Menschen“ auf immer zu garantieren.³⁵² Die Flugschriften verfehlten ihre Wirkung nicht. Vor allem unter der polnischsprachigen Bevölkerung nahmen die Unruhen zu, selbst in den Grenzge Beispiele für die Klagen der südpreußischen Bevölkerung über das Verhalten der Aufständischen in: Skałkowski, Z dziejów insurekcji 1794 r., S. 109. Gazeta Wolna Warszawska, 27.09.1794; Südpreußische Zeitung Nr. 12, zit. nach Prümers, Gefangennahme preußischer Beamten, S. 34. Abgedruckt in Gazeta Wolna Warszawska (Dodatek), 18.10.1794.
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bieten Pommerns wirkte sich der Aufstand aus.³⁵³ Durch den Vorstoß Dąbrowskis verlor die preußische Heeresleitung weitgehend die Übersicht über die Kampfgeschehnisse und es wurde deutlich, dass Preußen einem Zweifrontenkrieg nicht gewachsen war. In dieser verzwickten Situation entschloss sich die preußische Regierung, weitere Truppen vom Rhein nach Polen zu beordern und auf den Abschluss eines Friedens mit Frankreich zu drängen. Bevor die Friedensverhandlungen mit Paris offiziell aufgenommen wurden, traf in Berlin die Nachricht ein, dass Kościuszko am 10. Oktober bei Maciejowice von russischen Truppen geschlagen und gefangengenommen worden sei. Er war gescheitert beim Versuch, ein über die Weichsel vorgedrungenes Korps zu vernichten, bevor es sich mit der restlichen russischen Armee vereinigen konnte, die nach ihrem Sieg in Wilna Richtung Warschau vorrückte. Kościuszkos Scheitern ließ die Berliner Regierung hoffen, die Kontrolle über die aufgegebenen Gebiete leicht wiedergewinnen zu können, weil sich die aufständischen Kräfte auf die Verteidigung Warschaus konzentrieren müssten und sich deshalb aus den preußischen Provinzen zurückziehen würden. Erneut unterschätzte die preußische Heeresführung die Insurgenten. Zwar ordnete Dąbrowski den Abzug der eigenen Truppen nach Warschau an, aber mehrere Aufständische setzten ihren Kampf in Südpreußen fort, was die völlige Unterwerfung der besetzten Gebiete verhinderte. Aus diesem Grund nahm Preußen an der entscheidenden Schlacht um Warschau nicht teil und musste hinnehmen, dass im November 1794 Russland, nach blutigen und schweren Kämpfen, das letzte Bollwerk des Aufstandes einnahm. Da die russische Armee den Aufständischen den entscheidenden Schlag versetzt hatte, hing die Zukunft des polnisch-litauischen Staatsverbandes nun von Petersburg ab. Preußen hielt nur wenige Trümpfe für die kommenden Verhandlungen in der Hand. Die misslungene Einnahme Warschaus und der erfolglose Versuch einer Zerschlagung des Korps von Dąbrowski verschaffte der Berliner Regierung keine günstige Ausgangsposition. Russland nutzte seine Vormachtstellung und stimmte bereits einige Tage nach dem Sieg in Warschau einer erneuten Teilung zu. Seine einzige Bedingung war die Beteiligung Österreichs und die Anerkennung der Wiener Ansprüche auf Krakau und das bereits zu Beginn des Aufstandes besetzte Sandomierz. Friedrich Wilhelm II. schloss sich nach langwierigen und zähen Verhandlungen diesem Vorschlag an, obwohl er jeden Besitz Österreichs auf dem linken Weichselufer als schädlich für Preußen erachtete. Am 3. Januar 1795 unterzeichneten Russland und Österreich einen Vertrag über die vollständige Teilung Polen-Litauens, dem sich Preußen einige Monate später,
Vgl. Moritz, Preußen und der Kościuszko-Aufstand, S. 139 – 143; Wąsicki, Powstanie kościuszkowskie w Wielkopolsce, S. 134– 148.
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nach dem Abschluss des Separatfriedens mit Frankreich, anschloss. Das Teilungsabkommen garantierte Österreich, als Ersatz für das verlorene Belgien, das ganze Gebiet bis an die Pilica, die Weichsel und den Bug einschließlich Krakau (Westgalizien), Russland die Gebiete östlich des Bug bis Brest, Grodno und entlang der Memel bis zur ostpreußischen Grenze, Preußen ein kleines Gebiet an der oberen Warthe (Neuschlesien), und das ganze restliche Land zwischen seiner Grenze von 1793, dem Bug und der Memel (Neuostpreußen) einschließlich Warschaus.³⁵⁴ Trotz der gescheiterten Einnahme der Stadt während des Aufstandes waren es nun preußische Truppen, die in die polnische Hauptstadt als neuer Machthaber einzogen. Der bisherige Herrscher, König Stanisław August, seit dem Aufstand ganz im Hintergrund stehend, dankte am 25. November 1795, exakt 31 Jahre nach seiner Krönung, ab und lebte zunächst in Grodno, dann, nach dem Tod Katharinas II., in Petersburg, wo er 1798 starb.
Kucharczyk, Polityka zagraniczna Prus, S. 663.
Schlussbetrachtungen und Ausblick 1. Unter preußischer Besatzung Mit der dritten Teilung okkupierte Preußen ein Gebiet von 145 000 km2, das ausschließlich von Polen und Litauern bewohnt wurde, was den Anteil der polnischen Bevölkerung im preußischen Staat auf 40 Prozent erhöhte. „West-, Süd- und Neuostpreußen, Länder, in welchen die polnische Sprache teils die allgemeinste, teils die einzige ist, machen die größere Hälfte des preußischen Staates aus, und auch in einigen Gegenden Ostpreußens wird polnisch gesprochen“, informierte ein Immediatbericht vom Oktober 1798.¹ Trotz aller Ähnlichkeiten und Erfahrungen aus den vorausgegangenen Teilungen stellte die wiederholte Einverleibung von polnischen Territorien sowohl für die preußische Verwaltung als auch für die zahlreichen polnischsprachigen Untertanen eine schwierige Herausforderung dar.² Der Eingliederungsprozess lief nach altpreußischem Muster unter der Leitung von Berufsbeamten und Berufsrichtern ab und krempelte die vorgefundenen polnischen Strukturen mühsam um. Die polnischen Stände mussten sich nun an ein anderes Herrschaftsmodell und Staatsverständnis anpassen, was erhebliche Konfliktpotenziale in sich barg. Eine alternative Lösung oder Ausweichmöglichkeit stand ihnen nicht mehr zur Verfügung, denn mit der Auflösung des polnisch-litauischen Staatsverbandes fehlte jegliche nationale Verwaltungsmacht, die für die Einwohner Polen-Litauens als Referenzpunkt hätte gelten können. Die Standesprivilegien mussten den preußischen Staatsinteressen weichen.Vor allem der polnische Adel und die Geistlichkeit wurden dadurch mit einer als völlig fremd empfundenen Gesellschaftsordnung und dem Verlust ihrer Vorrechte konfrontiert. Obwohl alle in den drei Teilungen annektierten Gebiete durch die preußischen Behörden unterschiedlich behandelt wurden, strebten die neuen Herrscher generell eine möglichst schnelle Anpassung der neuerworbenen Territorien (Südund Neuostpreußen) an die Nachbargebiete an. Erreicht werden sollte dies durch die Einführung des preußischen Verwaltungssystems, die Ersetzung von polnischen durch deutschsprachige Verwaltungsbeamte und die Einschränkung der adligen Privilegien, darunter die Unverletzlichkeit des Privateigentums, das alleinige Recht zur Bewerbung um staatliche Ämter und der Zugang zu den höchsten
Zit. nach Ingeburg Charlotte Bussenius, Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen 1793 – 1806, Heidelberg 1960, S. 142. Vgl. auch Kucharczyk, Polityka zagraniczna Prus, S. 664. Ausführlich dazu Grzegorz Kucharczyk, Przejawy kryzysu wewnętrznego państwa i zaczątki reformy ustroju, in: Prusy w okresie Monarchii absolutnej (1701– 1806), S. 716 – 722. DOI 10.1515/9783110520903-005
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Schlussbetrachtungen und Ausblick
Kirchenwürden. Die Versuche des polnischen Adels, durch die Wahl von einheimischen Adligen zu Landräten (Unterbehörden der Kriegs- und Domänenkammer), eine gewisse Eigenständigkeit der polnischen Provinzen im Rahmen des Hohenzollernstaates zu erhalten, stießen auf Ablehnung. Die preußische Regierung erlaubte nur denjenigen polnischen Adligen, sich zu Landräten wählen zu lassen, die eine Fachausbildung an einer preußischen Universität (vorrangig in Frankfurt an der Oder) und perfekte Deutschkenntnisse vorweisen konnten. Während die preußischen Anforderungen an einen Beamten für den Großteil des (niederen) Adels eine nicht zu überwindende Hürde darstellten und ihn in prekäre Verhältnisse stürzten, versuchten sich einige Adelshäuser, nachdem die erste, durch die fremde Machtordnung ausgelöste, Desorientierung vorbei war, an die neue politische Situation anzupassen. Die Beamtenstellen im Verwaltungssystem waren vor allem für Angehörige des niederen Adels fast die einzige Möglichkeit, ihren bisherigen materiellen Status zu bewahren. Im Gehorsam gegenüber der preußischen Macht erkannten sie ihre Chance, Karriere zu machen oder schlicht zu überleben. Solche Loyalitätsbekundungen Preußen gegenüber wurden im Zuge des Nationalisierungsprozesses allerdings nicht immer positiv aufgenommen. Ein Kombatant des Kościuszko-Aufstands und zeitgenössischer Literat vermerkte nicht ohne Verbitterung: „Während sich die gerechten Landsleute – mit natürlichem Abscheu vor aufgezwungenen Anordnungen – in die häusliche Abgeschiedenheit zurückzogen, und ihre Söhne das Blut auf dem heißen Sand Arabiens vergossen oder durch die Schneeverwehungen der Alpengipfel zu den grünen Tälern der Lombardei vordrangen, weilten die braven Schüler in Frankfurt, wo sie sich zu Dienern einer fremden Regierung, zum Werkzeug der Unterdrückung ihrer Landsleute und zu Predigern einer Sekte, die dem Vaterlande so viel Böses angetan hatte, ausbilden ließen.³
Die häusliche Abgeschiedenheit, die Koźmian hier als Beispiel einer patriotischen Haltung lobt, konnte sich allerdings nur der reiche Landadel leisten. Gezwungenermaßen zog dieser sich mehrheitlich aus dem politischen Leben auf seine Landgüter zurück und versuchte, seine privilegierte Stellung durch ökonomische Stärke aus gewinnbringender Landwirtschaft zu behaupten, zumal die Abschaffung der hohen Zölle auf der Weichsel dem Getreideanbau neuen Auftrieb verschaffte. Die Tatsache, dass die preußische Staatsmacht die gesellschaftliche Rolle des Adels und die bestehenden Ständeunterschiede nicht zu verändern beabsichtigte und dem polnischen Adel das Recht auf Grundbesitz einräumte, beförderte diese Entwicklung zusätzlich. Die reichen Adelsfamilien, die bereits
Kajetan Koźmian, Pisma prozą, Kraków 1888, S. 312 f.
1. Unter preußischer Besatzung
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während des Kościuszko-Aufstandes Warschau verlassen hatten, sahen nach der Auflösung der polnischen Staatlichkeit keinen Grund mehr, in die durch Preußen besetzte Hauptstadt zurückzukehren. Falls sie politische Ambitionen hegten, an der Seite der preußischen (bzw. russischen oder österreichischen) Teilungsmacht ihre Position als Hoffamilien aufrechtzuerhalten und die damit verbundenen Privilegien für ihre Familien zu sichern, konnten sie diese Strategie genauso gut von ihren Landsitzen aus verfolgen.⁴ Als das bekannteste Beispiel für einen polnisch-preußischen Brückenschlag in dieser Hinsicht gilt die 1796 vollzogene Heirat des Fürsten Anton Radziwiłł mit Luise von Preußen, der Nichte Friedrichs II. und Tochter des Prinzen Ferdinand von Preußen. Radziwiłłs Verbindung mit dem preußischen Königshaus blieb eine Ausnahme, auch wenn später die Tochter von Anton, Prinzessin Elise, mit dem Prinzen Wilhelm, des preußischen Königs zweitem Sohn und später Deutschlands erstem Kaiser, fast neun Jahre lang verlobt war.⁵ Für die meisten polnischen Adelshäuser, die sich im preußischen Staat behaupten wollten oder die Nähe zum Königshof suchten, bot einzig und allein der Militär- und Verwaltungsdienst die Chance, entsprechende Pläne zu verwirklichen. Ein Beispiel dafür ist der Lebensweg des Diplomaten und Kunstsammlers Atanasy Raczyński, in Deutschland unter dem Namen Athanasius von Raczyński bekannt.⁶ Für die polnische Historikerin Janina Laskiewiczowa ist offensichtlich, dass nach der Auflösung der polnischen Staatlichkeit die Mehrheit der polnischen Adelsfamilien provinziell lebte, „ihr enger Horizont sich auf die Nachbarschaft und familiäre Kontakte beschränkte“. Und „kaum jemand hielt den freiwilligen Dienst in einer Teilungsarmee für Verrat an der Nation.“⁷ Ähnlich argumentiert auch Jarosław Czubaty in seiner aufschlussreichen und innovativen Studie über das Prinzip der „zwei Gewissen“ zwischen 1795 und 1815.⁸ Die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen oder sich zu positionieren, sei in dieser Zeit so groß gewesen, dass es notwendig zu ambivalenten Haltungen kommen musste. Die im Laufe des 19. Jahrhunderts stark propagierten und für das nationale Selbstver-
Die bedeutendste Rolle unter diesen Landsitzen spielte sicherlich der Palais- und Parkkomplex Puławy der Familie Czartoryski, der sich nach und nach zum kulturellen und politischen Zentrum entwickelte und als inoffizielle Kulturhauptstadt Polens galt. Vgl. Alina Aleksandrowicz, Z problematyki nowego wieku (Wokół Świątyni Sybilli), in: Wiek Oświecenia, 16 (2000), S. 9 – 32. Vgl. Pufelska, Zwischen Ablehnung und Anerkennung, S. 32 f. Ebenda, S. 33 – 37. Janina Laskiewiczowa, Czy Polacy wybić się mogą na niepodległość? (1795 – 1805), in: Zarys historii Polski, hg. von Janusz Tazbir, Warszawa 1979, S. 373 f. Vertiefend dazu Kizwalter, Über die Modernität der Nation, S. 128 – 151. Czubaty, Zasada „dwóch sumień“, S. 660 – 684.
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ständnis entscheidenden Prinzipien wie „Verrat“ oder „Ehre“ standen dabei nicht im Vordergrund. Hinter der Entscheidung, in preußische Dienste zu treten, stand auch selten familiärer oder karriereorientierter Ehrgeiz. Die nach der preußischen Machtübernahme einsetzenden Entwicklungen wie die Steuererhebung, die Preiserhöhungen durch die Einführung von staatlichen Monopolen auf bestimmte Waren sowie die stetig zunehmenden Versteigerungen von verschuldeten Gütern führten vielmehr zu einer wachsenden Verarmung des Landadels.⁹ Immer mehr Adlige, die wenig Land besaßen oder aufgrund nicht zurückbezahlter Kredite ihre Ländereien verloren, rutschten entweder in den Bauernstand ab, waren zum Erlernen eines Beamtenberufes gezwungen oder verpflichteten sich zum Dienst in speziellen Abteilungen der Kavallerie. Der Militärdienst bot den männlichen Kindern der Adelsfamilien häufig die einzige Chance, diesen prekären Verhältnissen zu entkommen. Die Gründung der Kadettenkorps in Kalisz für Offiziersanwärter aus Südpreußen und der Ausbau der Kadettenanstalt in Kulm (Chełmno) für Kadetten aus West- und Neuostpreußen begünstigte diese Entwicklung.¹⁰ Auch der große Anstieg der Zahl polnischer Studierender an den Universitäten in Frankfurt an der Oder, Königsberg und Halle (seit 1810 auch in Berlin) war durch die sozioökonomischen Veränderungen und die damit verbundene Degradierung des polnischen Adels bedingt. Aussicht auf ein Staatsamt sowie relativ niedrige Lebenshaltungskosten lockten die polnische Jugend in die preußischen Universitätsstädte.¹¹ Die Einführung des preußischen Verwaltungssystems veränderte auch die Position der katholischen Kirche. Das massive Vorgehen der preußischen Regierung gegen ihren bisherigen Souveränitätsstatus, u. a. durch den Einzug der Kir-
Vgl. dazu Jerzy Dygdała, Szczepan Wierzchosławski, Nawra Kruszyńskich i Sczanieckich. Studium z dziejów szlachty i ziemiaństwa ziemi Chełmińskiej, Toruń 1990, S. 77– 79; Natalis Sulerzyski, Pamiętniki byłego posła ziemi pruskiej, Warszwa 1985, S. 59 – 77. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass die, durch die preußische Verwaltung vollzogene, Steuererhebung durchaus an die ökonomische Kondition der annektierten Gebiete angepasst wurde. Dariusz Łukasiewicz betont: „Nach der zweiten und dritten Teilung Polens erhob die preußische Regierung keine, wie manchmal behauptet wird, drakonischen Steuern. Im Gegenteil: aufgrund der ökonomischen Schwäche der annektierten Territorien waren sie niedriger als in Preußen.“ Łukasiewicz, Sarmatyzm i Prusy, S. 123. Zur Einbindung des polnischen Adels in die preußische militärischen Bildungseinrichtungen siehe Bernhard Schmitt, Wie „Sand am Meer“ – Der polnische Adel in den militärischen Bildungseinrichtungen der Teilungsmächte, in: Fremde Herrscher – Fremdes Volk, S. 340 – 357. Vgl. Witold Molik, Polnische Studenten an der Universität in Frankfurt (Oder) um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, in: Die Oder-Universität Frankfurt: Beiträge zu ihrer Geschichte, hg. von Günther Haase und Joachim Winkler, Weimar 1983, S. 154– 158.
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chengüter, band sie an Berlin und beschränkte ihre Stellung als politische Entscheidungsträgerin. Der Großteil der katholischen Geistlichen reagierte mit Ablehnung auf dieses zunehmende Abhängigkeitsverhältnis vom preußischen Staat, doch alsbald mussten sie die Aussichtslosigkeit ihrer Proteste erkennen und sich den staatlichen Anordnungen nolens volens fügen. Während der niedere Klerus seine widerständische Haltung nur zögerlich aufgab, zeigte sich „die ganze höhere Geistlichkeit den neuen Machthabern gegenüber loyal“, betont Marek Nalepa.¹² Der Umstand, dass die Kirchenwürden sowie die finanziellen Einkünfte nicht mehr von der innerkirchlichen oder päpstlichen, sondern nunmehr von der staatlichen Macht abhingen, machte es einigen Bischöfen leichter, die neuen Verwaltungsmaßnahmen zu befolgen. Das beste Beispiel für diese loyale Haltung liefert der bereits ausführlich gewürdigte Bischof Ignacy Krasicki, der für seinen politischen Konformismus vom preußischen König für das Amt des Erzbischofs von Gnesen nominiert wurde.¹³ Als dankbare Untertanen der neuen Teilungsmacht erwiesen sich zum Teil auch die Bauern.¹⁴ Die Patrimonialgewalt des Adels dem Bauernstand gegenüber ist zwar in Süd- und Neuostpreußen erhalten geblieben, doch es erfolgten zahlreiche Einschränkungen. Die Bauern waren zwar nach wie vor zu allen Dienstleistungen verpflichtet, aber die preußischen Behörden empfahlen ihren Herren, aus Furcht vor Unruhen, Umsicht und Mäßigung. Denn gleich nach der Besetzung der polnischen Territorien kam es in einzelnen Regionen von Neuostpreußen zu Ausschreitungen seitens der Bauern. Sich auf die preußischen Zugeständnisse aus der Zeit des Kościuszko-Aufstandes berufend, forderten sie die versprochene Abschaffung der Leibeigenschaft. Fest davon überzeugt, dass sie „jetzt Herren wären und tun könnten, was ihnen beliebte“ und dass der preußische König sie von der Leibeigenschaft befreit hätte¹⁵, widersetzten sie sich ihren Gutsherren oder deren Pächtern. Um die angespannte Situation zu beruhigen, entschloss sich die preußische Verwaltung, zumindest die juristische Position der Bauern zu ver-
Marek Nalepa, „Takie życie dziś nasze, gdy Polska ustaje…“ Pisarze stanisławowscy a upadek Rzeczypospolitej, Wrocław 2002, S. 136. Ebenda, S. 130 – 158. Siehe dazu den Brief des Dichters und preußischen Beamten Leopold Friedrich Günther von Göckingk (auch Goeckingk) an Johann Wilhelm Ludwig Gleim, 11.06.1793, in dem er seine Reise nach Südpreußen beschreibt. In: Heinrich Pröhle, Der Dichter Günther von Göckingk über Berlin und Preußen unter Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III., in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde, 14 (1877), S. 17. Zit. nach Jan Wąsicki, Ziemie polskie pod zaborem pruskim: Prusy Nowowschodnie 1795 – 1806, Poznań 1963, S. 59. Vgl. dazu auch Łukasiewicz, Sarmatyzm i Prusy, S. 165 – 172.
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bessern, was ihr auch Sympathie unter der Landbevölkerung einbrachte.¹⁶ Die propreußische Stimmung der Bauern verflog aber schnell, als die Anordnungen zur Rekrutierung in Kraft traten und sie gezwungen wurden, größere Fourageleistungen zu erbringen.¹⁷ Von den neuen Verwaltungsmaßnahmen konnte das schwache polnische Bürgertum ebenfalls wenig profitieren. Einige Ortschaften, die die Rechtmäßigkeit ihrer Privilegien nicht nachweisen konnten oder überhaupt keinen städtischen Charakter besaßen, wurden zu Marktsiedlungen oder sogar zu Dörfern herabgestuft.¹⁸ Die bisherige städtische Selbstverwaltung wurde beträchtlich reduziert oder, wie im Fall der ehemaligen Kirchenstädte, ganz abgeschafft. Die meisten Verwaltungsbereiche, darunter auch die Gerichtsbarkeit, übernahmen die staatlichen Behörden und besetzten sie mit deutschsprachigem Personal. Der Aufbau der neuen Administration konnte nur mit Hilfe von qualifizierten Verwaltungskräften vollzogen werden. Es wird geschätzt, dass über 9 000 preußische Beamte in den Städten von Süd- und Neuostpreußen eingesetzt wurden, von denen die meisten aus Ost- und Westpreußen stammten.¹⁹ Neben den Beamten zog auch das preußische Militär in die neupreußischen Gebiete. Kasernen, Lazarette, Depots und andere militärische Dienstgebäude markierten eine deutliche Veränderung in der Topographie vieler polnischer Städte. Die Stationierung von zahlreichen Soldaten kurbelte die Infrastruktur der Orte zwar an, bedeutete für ihre Einwohnerschaft aber auch eine starke finanzielle Belastung. Mit der Beamtenschaft und dem Militär wanderten auch zahlreiche Handwerker ein, die beim Bau der neuen Verwaltungs- und Militärinfrastruktur eingesetzt wurden.²⁰ Ein deutlicher Zuwachs an polnischen Handwerksbetrieben blieb trotzdem aus, weil die Manufakturen vom Zunftzwang nicht befreit wurden und die staatlichen Behörden eine
Vgl. Marian Drozdowski, Der Zusammenstoß des preußischen Verwaltungssystems mit den polnischen Verwaltungstraditionen (1772– 1806), in: Preußen in der Provinz. Beiträge zum 1. deutsch-polnischen Historikerkolloquium […], hg. von Peter Nitsche, Frankfurt am Main 1991, S. 28 f. Vgl. Jarzy Wojtowicz, Społeczeństwo polskie po trzecim rozbiorze: Opór, przystosowanie, kolaboracja, in: Oświeceni wobec rozbiorów Polski, S. 231. Nach dem Urteil des Ministers Karl Georg Heinrich von Hoym, der mit der Verwaltungsleitung von Südpreußen betraut wurde, gab es dort „nur zwei Städte, die den Namen verdienen,Warschau und Posen“. Der Bericht von Hoym ist enthalten in: Sammlung verschiedener Nachrichten über die Verfassung, Einrichtung und erste Administration der Provinz Südpreußen und Neuschlesien, GStA, I. HA, R. 7C, Geheimer Rat, Südpreußen Nr. 27, Bl. 23 f. Siehe dazu auch Łukasiewicz, Sarmatyzm i Prusy, S. 195 – 206. Siehe dazu Władysław Smoleński, Rządy pruskie na ziemiach polskich (1793 – 1807), Warszawa 1902, S. 56; Drozdowski, Der Zusammenstoß des preußischen Verwaltungssystems, S. 29 f. Vgl. Wąsicki, Ziemie polskie pod zaborem pruskim, S. 159 f.
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Konkurrenz der lokalen Betriebe für die Manufakturen in den zentralen Provinzen befürchteten. Der bereits nach der zweiten Teilung eingeführte, hohe Ausfuhrzoll zwischen Polen und Russland verhinderte auch den wirtschaftlichen Aufstieg der polnisch-christlichen Kaufmannschaft. Zudem stand sie in Konkurrenz zu den jüdischen Kaufleuten. Obwohl die preußische Verwaltung nach wie vor versuchte, die „Betteljuden“ loszuwerden und die jüdische Migration aus anderen Gegenden des ehemaligen polnisch-litauischen Staatsverbandes zu verhindern, begünstigte sie selektiv die reichen Juden auf Kosten des nicht-jüdischen Bürgertums.²¹ Die judenfeindlichen Widerstände der polnisch-christlichen Seite sowie die Regelungen der preußischen Verwaltung führten letztendlich dazu, dass die Schere zwischen reichem und armem Judentum immer weiter auseinander klaffte und sich die Mehrheit der polnischen Juden im Zustand der fortschreitenden Verelendung befand.²² In kaum einer anderen Stadt war diese Diskrepanz innerhalb der jüdischen Einwohnerschaft so sichtbar wie in Warschau. Am Beispiel der polnischen Hauptstadt lassen sich die eingeführten Veränderungen exemplarisch ablesen. Mit der politischen Bedeutung verlor sie nach 1795 zunächst auch ihre Rolle als glänzender Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Die Einwohnerzahl ging nach dem Kościuszko-Aufstand und der preußischen Okkupation von fast 100 000 auf ca. 70 000 zurück und lag 1805 bei 68 000 (davon zwölf Prozent Juden).²³ Hauptursache für diesen Rückgang der Einwohnerzahl waren vor allem die hohen Steuern, mit denen die preußische Verwaltung die Warschauer belegte. Nur wenige konnten die geforderten Summen bezahlen, viele der ärmeren Einwohner waren gezwungen, ihre Häuser zu verkaufen und die Stadt zu verlassen.²⁴ Mit der Auflösung des polnischen Hofes, dem Rückzug der reichen Magnatenfamilien aus
Vgl. Jacob Jacobsohn, Die Stellung der Juden in den 1793 und 1795 von Preußen erworbenen polnischen Provinzen zur Zeit der Besitznahme, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 64 (1920), S. 290 – 291. Zur Stellung der Juden in den annektierten polnischen Gebieten siehe Jürgen Heyde, Zwischen Polen und Preußen: die jüdische Bevölkerung in der Zeit der Teilungen Polens, in: Fremde Herrscher – Fremdes Volk, S. 297– 332. Jacobsohn, Die Stellung der Juden, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 65 (1921), S. 244– 245. Siehe dazu Barbara Grochulska, Warszawa jako środowisko demokratyczne i gospodarcze (1770 – 1830), in: Warszawa XIX wieku 1795 – 1918, hg. von Ryszard Kołodziejczyk (u. a.),Warszawa 1974, S. 16. Auf niedrigere Einwohnerzahlen weisen die Dokumente der preußischen Verwaltung hin. Vgl. Hugo Sommer, Die Verhältnisse im ehemaligen Kammerdepartement Warschau zu südpreußischer Zeit 1795 – 1807, in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen, 15 (1929), S. 132; Łukasiewicz, Sarmatyzm i Prusy, S. 289. Vgl. Jan Kosim, Okupacja pruska i konspiracje rewolucyjne w Warszawie 1796 – 1806,Wrocław 1976, S. 136.
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Schlussbetrachtungen und Ausblick
der Stadt und der steigenden Verelendung wuchsen Kriminalität, Prostitution und Spielsucht. Mit dem Verfall des wirtschaftlichen ging auch eine starke Veränderung des kulturellen Lebens, der bisher von der polnischen Adelskultur geprägten Metropole, durch das preußische Beamtenpersonal einher. Warschau war nun die zweitgrößte Stadt Preußens. Durch Stadt- und Provinzverwaltung, Wirtschaftsadministration, Gerichte etc. konzentrierten sich hier einige hundert preußische Beamte. Dazu kamen die preußischen bzw. Deutschen Hofmeister und Lehrer, Kaufleute und Handwerker, Soldaten und Offiziere. Zusammen bildeten sie eine eher auf sich selbst bezogene Einheit inmitten der polnischen Mehrheitsgesellschaft.²⁵ Dass die beiden Gruppen eher neben- als miteinander gelebt haben, bezeugt am besten die Entstehung der deutsch- und polnischsprachigen Theaterensembles, wobei das deutsche Theater alsbald seine Vorstellungen einstellen musste. Die Initiative von Wojciech Bogusławski, dem „Vater der polnischen Bühnen“, ein deutsch-polnisches Theater zu führen, scheiterte, weil das Warschauer Publikum „bei seiner Vorliebe zur Nationalsprache und seinem Hang zur Gallomanie“ die Idee des Direktors Bogusławski nicht guthieß.²⁶ Der Kaufmannsstand ließ polnische und der Adel französische Theaterstücke aufführen; deutsche Stücke wurden nur dann besucht, wenn sie auf Polnisch gegeben wurden.²⁷ Über die Einstellung der Warschauer zu den preußischen Besatzern äußerte sich auch der Verwalter und Minister für die Provinz Südpreußen, Otto Carl von Voß, und stellte dabei fest, dass ein größerer Teil des höheren Adels „seine national-polnische Gesinnung“ behaupte, während die Bürger „zunehmend mehr auf preußische Seite neigen“.²⁸ Doch gerade der reiche Adel verhielt sich den neuen Machthabern gegenüber nicht immer ablehnend. Es sind Dokumente und Selbstzeugnisse erhalten geblieben, die darauf hinweisen, dass es zu einem regen gesellschaftlichen Austausch zwischen den preußischen Besatzern und dem polnischen Adel ge-
Zur Beziehung zwischen den preußischen und polnischen Einwohnern Warschaus siehe Agnieszka Pufelska, Die erzwungene Nähe: Warschau als zweitgrößte Stadt Preußens (1795 – 1806), in: Hybride Identitäten in den preußisch-polnischen Stadtkulturen der Aufklärung, hg. von Joanna Kodzik und Włodzimierz Zientara, Bremen 2016, S. 285 – 298. Otto Karl Friedrich von Voss an das Kabinettsministerium, 10.04.1800, in: GStA, I. HA, Rep. 96a, Acta des Kabinetts König Friedrich Wilhelms III., Nr. 120a, Bl. 34– 36.Vgl. auch den Brief von Wojciech Bogusławski, 13.08.1799, in; BO, Manuscripta, 1855, Bl. 7– 17 f. Dies führte dazu, dass viele deutsche Theaterstücke ins Polnische übersetzt wurden und sich erst dann großer Popularität erfreuten. Ausführlich dazu Gerhard Kosellek, Reformen, Revolutionen und Reisen: Deutsche Polenliteratur, Wiesbaden 2000, S. 221– 223. Otto Karl Friedrich von Voss an das Kabinettsministerium, 28.07.1798, in: GStA, I. HA, Rep. 96a, Acta des Kabinetts König Friedrich Wilhelms III., Nr. 120a, Bl. 19 f.
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kommen ist. So berichtet die junge polnische Fürstin Maria Krasińska in ihrem Brief vom 25. Oktober 1800 über das gesellige Leben in Warschau: „Am letzten Sonntag fand ein Ball beim Gouverneur Köhler statt. Er war wunderbar, obwohl ziemlich überfüllt. Vor der Abendtafel ging es langweilig zu, aber nach dem Essen ist die ganze Gesellschaft deutlich heiterer geworden und amüsierte sich dann bis drei Uhr morgens. Es war eine momentane Union zwischen Preußen und Polen, denn die preußischen Offiziere nutzten jede Gelegenheit, um mit den Polinnen zu tanzen […]. Der Fürst Konstanty Czartoryski, Herr Aleksander Potocki und Fürst Michał Radziwiłł, die vor kurzen nach Warschau gekommen sind, waren auch da, allerdings nur als Zuschauer.“²⁹
Der Brief von Krasińska macht gleichzeitig deutlich, dass die polnisch-preußischen Beziehungen angesichts der preußischen Besatzung Warschaus nicht abgebrochen wurden, sondern dass sie in eine neue Phase eingetreten waren. Gewiss war ihre Art und Intensität durch die neue politische Situation bedingt, doch lässt sich nicht übersehen, dass Kontakte auch unabhängig von der politischen Konstellation gesucht und gepflegt wurden. Erinnert sei an dieser Stelle auch an die preußische Freimaurerloge „Zum goldenen Leuchter“, der, neben den in Warschau stationierten preußischen Offizieren oder in der Verwaltung tätigen preußischen Beamten, auch die führenden polnischen Intellektuellen des ausgehenden 18. Jahrhunderts angehörten.³⁰ Abgesehen von den Abhandlungen, die sich mit dem Beamtendasein, der nach Süd- und Neuostpreußen versetzten Literaten, wie E. T. A. Hoffmann, Zacharias Werner oder Julius Hitzig, beschäftigen und deren Verhältnis zur polnischen Umgebung schildern, schenkte die historische Forschung der polnischen Wahrnehmung der preußischen Neuankömmlinge bisher kaum Aufmerksamkeit. Waren die preußischen Verwalter rücksichtslose Peiniger, die auf Schritt und Tritt die polnischen Souveränitätsbestrebungen unterdrückten, wie die ältere nationale Geschichtsschreibung behauptet, oder trifft eher das damals aufgekommene Gerücht zu, wonach die Warschauer nach dem Abmarsch der Besatzungstruppen dem ehemaligen preußischen Stadthalter Georg Ludwig von Köhler aus Dankbarkeit ein Denkmal setzten wollten?³¹ Mit Sicherheit gestaltete sich das Verhältnis der Warschauer zu den preußischen Be-
Zit. nach Juliusz Falkowski, Obrazy z życia ostatnich pokoleń w Polsce, Bd. 1, Poznań1877, S. 188. Vgl. Hass, Sekta farmazoni warszawskiej, S. 257– 293. Siehe dazu Falkowski, Obrazy z życia ostatnich pokoleń, S. 89. Die These, dass das Amtieren der preußischen Verwaltung und des in Warschau stationierten Militärs stets auf die Unterdrückung der polnischen Einwohnerschaft ausgerichtet waren, findet man z. B. bei Jan Kosim, „Gouvernement Warschau“: Z dziejów pruskich władz zaborczych w latach 1796 – 1806, in: Warszawa XIX wieku, S. 59 – 115.
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Schlussbetrachtungen und Ausblick
satzern sehr ambivalent und lässt sich nicht auf ein pauschales Entweder-Oder reduzieren. Neben der strengen Durchsetzung der administrativen Anordnungen und entschiedener Niederhaltung jeglichen Souveränitätsgedankens gab es auch einige propolnische Gesten seitens der preußischen Verwaltung, wie z. B. die Bewilligung der Gründung der „Gesellschaft der Wissenschaftsfreunde“. Dieses wohl seltene Entgegenkommen der neuen Verwaltungsbehörde wurde von den Einwohnern Warschaus positiv aufgenommen und sorgte dafür, dass sich zumindest die preußisch-polnische kulturelle Koexistenz in der Stadt relativ konfliktfrei gestaltete.³² Im Allgemeinen jedoch brachte die polnische Bevölkerung der preußischen Administration und ihren Mitarbeitern wenig Anerkennung und Wohlwollen entgegen. Allzu scharf stießen die Gegensätze der preußischen Verwaltungspraxis und der polnischen Verhältnisse und Traditionen aufeinander. Hinzu kommt, dass die preußische Regierungsmacht einen starken Kontrollapparat aufgebaut hatte, um die polnische Unabhängigkeitsbewegung zu unterdrücken. Der stets lebendige Gedanke der nationalen Befreiung wurde vor allem auf den Magnatenhöfen und in Warschau wach gehalten. Der Minister Karl Georg von Hoym berichtete nach Berlin, dass „ganz Warschau voll von Revolutionären“ sei und dass es „die größte Vorsicht“ erfordere, „unter diesen unruhigen Köpfen zu leben und ihren geheimen Absichten zu begegnen“.³³ Die Tausende von Soldaten zählende Garnison und die Geheime Staatspolizei führten die Hauptaufsicht über das politische Leben der Stadt. Mit starken Sanktionen mussten die „sich als jakobinisch zeigenden Leute“ rechnen, wenn ihnen Kontakte zu den emigrierten Kämpfern aus dem KościuszkoAufstand oder zu ihren Gesinnungsgenossen in den anderen Teilungsgebieten nachgewiesen wurden. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass diese strenge Kontrolle über die polnischen Geheimorganisationen nur mit Hilfe von Spionen und Agenten möglich war. Dank ihrer Mitarbeit ist es der preußischen Polizei auch gelungen, den mächtigsten konspirativen Klub, die „Zentral-Gesellschaft“ (Zgromadzenie Centralne), in Warschau zu enttarnen und ihre führenden Mit Der zeitgenössische Literat und Publizist Franciszek Salezy Dmochowski berichtet ebenfalls, der letzte Gouverneur von Warschau, Köhler, sei ehrlich gewesen und von den Warschauern gemocht worden. Positiv äußert er sich auch über die preußischen Beamten: „Der Ehrlichkeit halber muss eingestanden werden, dass von den Preußen ziemlich gute Verwaltungsformen hinterlassen wurden. Diese erleichterten dann die neue Organisation und Weiterentwicklung der Verwaltungsstrukturen [nach 1806, A.P.].“ Franciszek Salezy Dmochowski, Wspomnienia od 1806 do 1830 roku, Warszawa 1959, S. 61. Bericht von Carl George Heinrich Graf von Hoym, 13.05.1796, in: GStA, I. HA, Rep. 7C, Geheimer Rat, Südpreußen, Nr. 3068, Untersuchung gegen die Mitglieder des sogenannten „Comitee Revolutionaire“ oder der „Societé Patriotique Centrale zur Wiederherstellung der Freien Republik Polen“, Bd. 1, Bl. 181 f.
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glieder zu verhaften.³⁴ Das restriktive Vorgehen der preußischen Militär- und Zivilverwaltung gegen die polnische Unabhängigkeitsbewegung und ihre strenge Aufsicht über die polnische Bevölkerung erschwerten natürlich den täglichen Umgang und führten dazu, dass die entschiedene Mehrheit der polnischen Gesellschaft einen eindeutig negativen Standpunkt zu Preußen bezog.³⁵ Diese ablehnende Haltung war allerdings nicht nur durch nationale Überzeugungen oder Unabhängigkeitsbestrebungen bedingt, sondern hatte ganz praktische Ursachen. Das preußische Verwaltungspersonal war keine homogene Gruppe, viele unter den Beamten konnten oder wollten die von ihnen erwartete Leistung nicht erbringen. Korruption und Amtsmissbrauch waren weit verbreitet. Eine 1808 anonym erschienene Schrift hebt in ihrem Beitrag zum Thema „Warum wurden die Preußen von den Pohlen angefeindet“ deutlich hervor: „Fast täglich hörte man wie hier ein Kassierer mit den anvertrauten Geldern davon gelaufen, dort ein Intendant die Hälfte der Entschädigung für Viehsterben unterschlagen, hier ein Regierungsrath den Termin, zu welchem die Partheien 12 Mailen weit hergereistet waren, bis zum Mittag verschlafen, und dort ein Postmeister Geldbeutel aus der Poststube hatte verschwinden lassen.“³⁶
Auch der Minister von Hoym machte keinen Hehl aus seiner Günstlingswirtschaft und erleichterte den ihm ergebenen Leuten den Erwerb von konfiszierten Gütern. Trotz seiner Suspendierung von der Leitung der Provinz Südpreußen beförderte er die Herausbildung von neuen Reichtümern, was auf Argwohn und Misstrauen innerhalb des alteingesessenen Landadels stieß.³⁷ Auch das hierarchisch-adlige Verständnis von der Regierungsmacht und ihren Organen wirkte sich negativ auf die polnische Wahrnehmung des preußischen Verwaltungspersonals aus. Auf den Punkt brachte es der, selbst aus einer alten Adelsfamilie stammende, Ökonom und
Vgl. Ebenda. Diese wollte Fürst Adam Jerzy Czartoryski nutzen, den Kaiser Alexander I. zum Leiter des russischen Außenministeriums machte. Sein Plan sah vor, unter dem Zepter Russlands und auf Kosten Preußens die Wiederherstellung Polens zu bewirken. Zu diesem Zweck unterstützte er die konspirativen Organisationen in Süd- und Neuostpreußen. Auf der Potsdamer Zusammenkunft von 1805 lehnte der Kaiser Czartoryskis Plänen gegen Preußen jedoch ab und schloss sich der antinapoleonischen Allianz an. Siehe dazu Adam Czartoryski, Pamiętniki, Bd. 1, Kraków 1904, S. 231– 252. Warum wurden die Preussen von den Polen angefeindet? Beantwortet und verbürgt von einem Augenzeugen, in: Neue Feuerbrände zum brennen und leuchten. Herausgegeben von dem Verfasser der vertrauten Briefe. Siebzehntes Heft. In einem sauberen allegorischen Umschlage, o.O. 1808, S. 17. Vgl. Das Jahr 1793: Urkunden und Aktenstücke, S. 778 – 780.
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Staatsmann Fryderyk Skarbek, als er in seiner Beschreibung der polnischen Zustände unter der preußischen Herrschaft bis 1806 bemerkte: „Die Polen waren daran gewöhnt, die Vorzüglichkeit eines Adelsgeschlechts und seine prachtvolle Vornehmheit an den von ihm bekleideten Staatsämtern zu messen, daher konnten sie sich nicht an die Vorsteher der Regierung gewöhnen, die sich weder durch ihre Geburt noch durch ihre Lebensart und schon gar nicht durch ihr äußeres Erscheinen von den gewöhnlichen Leuten unterschieden. […] Alle diejenigen, die an Stelle des Adels die Regierungsmacht übernahmen, konnten keine größere Hochachtung von den Polen erfahren.“³⁸
Auch wenn der Graf Skarbek auf die verächtliche Haltung der Polen gegenüber dem preußischen Verwaltungsapparat hinweist und behauptet, dass die Hochachtung vor den großen Adelshäusern nicht an Kraft verlor, lässt sich nicht übersehen, dass infolge der preußischen Annexion die bisherigen Entscheidungsträger, Adel und Geistlichkeit, in ihrer Bedeutung hinter die Verwaltung zurücktraten. So schwer es ihnen auch fiel, die Art und Weise, wie die preußischen Beamten das neue Verwaltungssystem einführten, zu akzeptieren, so waren sie doch gezwungen, sich den neuen administrativen Anforderungen anzupassen. Und da der polnisch-litauische Staatsverband als Alternative nicht mehr zur Wahl stand, entschlossen sich einige von ihnen, nach einem modus vivendi mit Preußen zu suchen, ohne die Verbindung zu ihrer kulturellen Herkunft zu verlieren oder ihre national-religiösen Traditionen aufzugeben. Die Entscheidung, in preußische Dienste zu treten oder die neue Obrigkeit anzuerkennen, war – wie gezeigt – zunächst und zumeist sozioökonomisch bedingt und hatte wenig mit einem national grundierten Bekenntnis zu den neuen Machthabern zu tun. Mit Jarosław Czubaty lässt sich feststellen, dass die Ausdehnung der Grenze des Kompromisses im alltäglichen Umgang mit der preußischen Verwaltungsmacht die Entstehung einer „Grauzone“ beförderte, die äußerst flexibel war und durchaus heterogene Haltungen zuließ.³⁹ Die negative Wahrnehmung Preußens, oder genauer formuliert, seines Militär- und Verwaltungsapparates in den besetzten Provinzen des ehemaligen polnisch-litauischen Staatsverbandes schloss daher Kontakte, Annäherungsversuche, Verhandlungen oder Austauschbeziehungen nicht aus, sondern ein. Allein aus diesem Grund wäre es ahistorisch, alle Loyalitätsbekundungen der Polen zu Preußen lediglich aus der politischen Perspektive zu bewerten und sie, im Sinne der Nationalgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts, als Zeugnisse eines fehlenden Patriotismus anzusehen.
Fryderyk Florian Skarbek (hrabia), Dzieje Xięstwa Warszawskiego, Bd. 1, Poznań 1860, S. 36 f. Czubaty, Zasada „dwóch sumień“, S. 671.
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Tatsächlich verlief die Eingliederung der polnischen Gebiete in den preußischen Staat nach 1795 ohne größere Widerstände. Ähnlich wie bei der zweiten Teilung sind auch aus dieser Zeit kaum Zeugnisse überliefert, die auf eine breite Empörung oder einen manifesten Zorn der polnischen Gesellschaft hinweisen würden. Sicherlich war die Kommunikation und Verbreitung des negativen Preußenbildes durch die herrschende Zensur und durch die strengen Repressionen gegen alle Unabhängigkeitsinitiativen erschwert, aber nicht einmal die private Korrespondenz der führenden Staatsmänner, die nach wie vor erscheinenden anonymen Flugschriften oder die im Ausland bzw. in den anderen Teilungsgebieten veröffentlichten Literatur- und Geschichtswerke lassen auf eine vorherrschende Verurteilung der neuen Machthaber schließen. Die meisten Klagen und Negativurteile, die in den Archiven zugänglich sind, beziehen sich auf die Handlungsweise der preußischen Bürokratie und kaum auf Preußen als eine gezielt antipolnisch agierende und feindliche Okkupationsmacht. Auch im intellektuellen Diskurs des ausgehenden 18. Jahrhunderts sucht man vergeblich nach einer breiten Auseinandersetzung mit dem preußischen Nachbarn als Motor und Vollstrecker des polnischen Unglücks.⁴⁰ Vielleicht ist diese fehlende Kritik auf das allgemeine Schweigen der intellektuellen Elite zurückzuführen, mit dem diese auf die dritte Teilung reagierte. Die Ursache ihrer Sprachlosigkeit könnte man im gänzlichen Zusammenbruch ihres Koordinatensystems sehen.⁴¹ Die Tatsache, dass die staatliche Souveränität gerade zu jenem Zeitpunkt ausgelöscht wurde, als ihre zwei Jahrzehnte dauernden reformerischen Anstrengungen sichtbare Resultate hervorgebracht hatten, stürzte sie in eine tiefe Resignation. Es war nicht zu übersehen, dass der Reformweg als unmittelbarer Grund benutzt wurde, um Polen-Litauen von der Landkarte verschwinden zu lassen. Abgesehen von einigen „Patrioten“, die politischen Repressionen durch die Teilungsmächte ausgesetzt oder nach Frankreich geflüchtet waren, zog sich
Die Beteiligung Preußens an der Auflösung des polnischen Staates ist selbstverständlich nicht stillschweigend hingenommen und unkommentiert gelassen worden. Vor allem in den unveröffentlichten Manuskripten, die direkt nach der dritten Teilung verfasst wurden und in denen die Autoren die politische Situation und die Geschichte Polens der letzten 50 Jahre thematisierten, dominiert eine eindeutig antipreußische Einstellung. Genannt seien an dieser Stelle: Onufry Biernacki, Opis dalszy rozbioru Królestwa Polskiego za panowania Rządu Stanisława Ciołka Poniatowskiego, roku 1795 zaczęty a kończony roku 1800, in: BJ, Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty, 5617, S. 1– 45; N.N., Uwagi nad panowaniem Stanisława Augusta Króla Polskiego w dwóch częściach przez obywatela i żołnierza tegoż kraju sporządzona, o.O. 1796, in: Ebenda, 4356, S. 1– 61. Vgl. Nalepa, „Takie życie dziś nasze, gdy Polska ustaje …“, S. 416.
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die Mehrheit der früheren Reformträger daher entmutigt und desillusioniert in die innere Emigration zurück.⁴² An ihre Stelle trat eine jüngere und im Geiste des aufgeklärten Patriotismus erzogene Generation. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern führten sie gerne Debatten über die Ursachen der staatlichen Auflösung. Dabei ging es ihnen vorrangig nicht um die Frage nach der expliziten Verantwortung Preußens oder einer anderen Teilungsmacht für die politische Entwicklung, denn niemand hat zu dieser Zeit an Preußens Fehlverhalten gezweifelt. Im Zentrum ihres Interesses stand vielmehr zum einen das Problem der Schuldaufteilung und die damit zusammenhängende Frage, in welchem Maße die internen Konflikte der unterschiedlichen Interessenlager die Auflösung Polen-Litauens zu verantworten hatten.⁴³ Zum anderen waren sie damit beschäftigt, die Sanktionierung der Teilungen durch Gott zu erklären. Gerade weil die Geschichtsauffassung der polnischen Aufklärung so gut wie nie antiprovidentielle Tendenzen aufwies, richteten sie ihre Fragen nicht an die Geschichte selbst und somit auch nicht an die Teilungsmächte, sondern direkt an Gott.Warum hat Gott eine solch tragische Geschichte zugelassen, die auf drastische Art die physisch-moralische Ordnung der Welt beschädigte?⁴⁴ Die Frage fand ihre Antwort in einer, seit der Konföderation von Bar gängigen, nationalen Auslegung des Theodizeeproblems. Gott habe in seinem Heilshandeln absichtlich den Untergang des polnisch-litauischen Staatsverbandes herbeigeführt, um die Polen für ihre Sünden (Anarchie, liberum veto,Verfall der nationalen Traditionen, Jakobinertum, Dissidentenrechte) zu bestrafen. Da er aber ein christlicher gnädiger Gott sei, würde er den nationalen Verlust mit ungeheurem Gewinn wieder gutmachen. Vorausgesetzt, die Polen besännen sich auf ihre slawische Herkunft, strebten eine moralische Wiedergeburt an und festigten ihre nationale Einheit. Nach dem Ideenhistoriker Jan Grabski beherrschte diese religiöse Variante des polnischen Historismus das damalige politische Bewusstsein, weil sie geschickt die – besonders in der Provinz – vorherrschende Religiosität mit den historischen
Nach 1795 lässt sich eine enormer Rückgang der Textproduktion seitens der polnischen intellektuellen Elite beobachten, was jedoch nicht heißt, dass dieses Jahr das Ende des aufklärerischen Modells in der polnischen Kultur und Literatur bezeichnet. Die Propagandisten der Aufklärung Hugo Kołłątaj und Stanisław Staszic verfassten ihre wichtigsten Werke genau in dieser Phase. Mehr dazu bei Pufelska, Fortschritt angesichts des Unterganges, S. 116. Ausführliche Darstellung dieser Auseinandersetzung in: Czubaty, Zasada „dwóch sumień“, S. 33 – 61. Vgl. Piotr Żbikowski, Inspiracje religijne w poezji porozbiorowej (1793 – 1805), in: Motywy religijne w twórczości pisarzy polskiego oświecenia, hg. von Teresa Kostkiewiczowa, Lublin 1995, S. 242. Allgemein dazu Tomasz Kizwalter, Kryzys Oświecenia a początki konserwatyzmu polskiego, Warszawa 1987.
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und allen Polen vertrauten Inhalten verband.⁴⁵ So wurde jedes nationale Übel zur Ursache eines noch größeren, künftigen Guten. Diese selbstbezogene „bonum durch malum“-Überzeugung barg bereits die Keime, der für die polnische Romantik charakteristischen Vorstellung von Polen als „Christus der Nationen“, und verhinderte zum Teil eine sachliche und kritische Auseinandersetzung mit Preußen als Teilungsmacht.⁴⁶ Das Fehlen einer großangelegten Kampagne gegen Preußen schloss seine negative Wahrnehmung nicht aus. Auch ohne eine breit kommunizierte Ablehnung der Teilungsmacht wurde die preußenfeindliche Stimmung wachgehalten und konserviert. Dass diese Haltung fatale Konsequenzen für Preußen haben könnte, davor warnte Fürst Anton Radzwiłł die Berliner Regierung und schlug ihr vor, nach Verbündeten unter den polnischen Anhängern Napoleons zu suchen. Als sich der Nachfolger von Friedrich Wilhelm II., Friedrich Wilhelm III., entschloss, den Versöhnungsvorschlägen von Radziwiłł zu folgen, war es jedoch bereits zu spät. Nach der preußischen Niederlage bei Jena 1806 eilte der verbannte Henryk Dąbrowski mit seinen polnischen Legionen, die bereits in der Lombardischen Republik zusammengestellt worden waren und Napoleon mehr oder weniger erfolgreich in seinen Kampagnen in Italien und Haїti unterstützt hatten, nach Berlin. Von hier aus richtete er gemeinsam, mit dem aus Sachsen eingerückten Militärführer aus der Zeit der Barer Konföderation und des KościuszkoAufstands, Józef Wybicki, einen Appell an das polnische Volk, in welchem die Polen zum offenen Widerstand gegen die preußische Verwaltung aufgefordert und zu den Waffen unter Napoleons Fahne gerufen wurden.⁴⁷ Der von Wybicki in Verse
Grabski, Myśl historyczna, S. 433. Eine ausführliche Analyse dieses historisch-religiösen Imaginationskonzepts bietet Hans-Jürgen Bömelburg, Imaginationskonzepte und Nationskonstrukte zwischen Sarmatismus und Romantik: Jan Paweł Woronicz und Julian Ursyn Niemcewicz, in: Romantik und Geschichte. Polnisches Paradigma, europäischer Kontext, deutsch-polnische Perspektive, hg.von Alfred Gall, Thomas Grob, Andreas Lawaty und German Ritz,Wiesbaden 2007, S. 66 – 89. Natürlich wäre es verkürzt, zu behaupten, die polnischen Intellektuellen hätten stillschweigend die preußische Besatzung akzeptiert und gar nicht darauf reagiert. Ab und zu sind durchaus Stimmen laut geworden, die eine verklausulierte, antipreußische Stellung bezogen, wie z. B. die des Jesuiten und Vorsitzenden der Gesellschaft der Wissenschaftsfreunde, Jan Albertrandy. In seiner Rede zur Gründung der Gesellschaft im Jahr 1800 verglich er die Preußen (sowie die anderen Teilungsmächte) mit Hunnen und Avaren, die zwar fremde Völker unterjocht hätten, aber ihre geistige Entwicklung dennoch nicht hätten verhindern können. Vgl. dazu Alexander Kraushar, Towarzystwo warszawskie przyjaciół nauk, 1800 – 1832: Monografia historyczna osnuta na źródłach archiwalnych, Bd. 1, Warszawa und Kraków 1900, S. 42. Vgl. Władysław Zajewski, Józef Wybicki: Konfederata, organizator legionów, mąż stanu w dobie Napoleona, senator Królestwa Polskiego, Toruń 2004, S. 201.
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gefasste und später zur Nationalhymne erhobene Wunsch, „Marsch, marsch Dąbrowski/ Aus dem italienischen Land nach Polen“, wurde Realität. Am 3. November zogen die napoleonischen und polnischen Truppen in Posen ein und am 26. November räumten die preußischen Truppen widerstandslos Warschau, wo am 1. Dezember 1806 die Kriegs- und Domänenkammer in eine polnische Behörde umgewandelt wurde. Der neugebildete Rumpfstaat „Herzogtum Warschau“, welcher vorwiegend die Territorien von Süd- und Neuostpreußen umfasste, stützte sich zum Teil auf den von der preußischen Verwaltung aufgebauten Verwaltungsapparat. So verblieben alle Einrichtungen, die eine dauernde Aufsicht erforderten, alle technisch-administrativen Ämter, die Archive, Registraturen und viele gerichtliche Nebenämter zum größten Teil in den Händen der ehemaligen preußischen Beamten. „Fast jede Art von öffentlicher Kontrolle und das Rechnungswesen, das Vermessungs-, Bau- und Zollwesen, die Akzise, das Forstwesen und die Regierungsökonomie wurden sehr lange von Preußen geleitet.“⁴⁸ Es ist nicht überliefert, dass diese starke Präsenz des preußischen Beamtenpersonals im „Herzogtum Warschau“ auf einen vehementen Widerstand der polnischen Seite stieß und die gegenseitigen Beziehungen entschieden verschlechterte. Auch wenn das zurückgebliebene preußische Verwaltungspersonal auf kein Entgegenkommen oder eine besonders freundliche Behandlung rechnen konnte, wurde es akzeptiert und in seinen Ämtern bestätigt. Auf dieses pragmatische Verhältnis der Polen zu den preußischen Beamten konnten letztere allerdings nicht von Anfang an rechnen. Mehrere von ihnen wurden überfallen, beraubt und zusammengeschlagen, als Anfang November 1806 die polnischen und napoleonischen Truppen die südpreußische Grenze überschritten. Der am 7. November erlassene Befehl Dąbrowskis, die preußischen Beamten in Ruhe zu lassen, hatte wenig Wirkung gezeigt. Die angestaute Feindschaft den Besatzern gegenüber sowie die Hoffnung auf einen materiellen Gewinn entluden sich in mancherlei Gewaltakten.⁴⁹ Gleichwohl konnten die polnischen und französischen Truppen nicht bei allen Einwohnern Südpreußens auf Unterstützung rechnen. Von Requisitionen und Rekrutierungen stark betroffen, weigerten sich einige Bauern und Landadelige, in die polnisch-französische Armee einzutreten. Auch nach der Etablierung des „Herzogtums Warschau“ fehlte es nicht an „Einheimischen, die eine ähnliche
Vgl. Fryderyk Florian Skarbek (hrabia), Dzieje Xięstwa Warszawskiego, Bd. 2, Warszawa 1897, S. 51 f. Vgl. den Bericht über den Posener Polenaufstand und Vorschläge für die künftige Verwaltung Südpreußens, in: Der Polenaufstand 1806/7: Urkunden und Aktenstücke aus der Zeit zwischen Jena und Tilsit, hg. von Kurt Schottmüller, Lissa 1907, S. 35 – 51.
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geistige Haltung wie die Preußen vertraten“ und „den Untergang der preußischen Regierung bedauerten.“⁵⁰ So differenziert und situationsbezogen gestaltete sich die polnische Wahrnehmung Preußens auch nach der Niederlage Napoleons und der Auflösung des „Herzogtums Warschau“, dessen Territorium in der Schlussakte des Wiener Kongresses (9. Juni 1815) zum Teil in das „Königreich Polen“ („Kongresspolen“) umgewandelt und Russland unterstellt wurde. Der Anteil Preußens am alten polnischen Staatsgebiet war kleiner geworden und zerfiel zudem in zwei sehr unterschiedliche Teile: die „Provinz Westpreußen“, in der die polnischsprachige Bevölkerung eine politisch relativ kleine Rolle spielte, und das „Großherzogtum Posen“, wo die Polen deutlich in der Mehrheit waren. Im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gestalteten sich die polnisch-preußischen Beziehungen in dieser Provinz verhältnismäßig friedlich. Um die polnische Bevölkerung, vor allem den Adel, zu gewinnen, entschied sich die Berliner Regierung, ihr in mancherlei Hinsicht entgegenzukommen. Im königlichen „Zuruf“ vom 15. Mai 1815 wurde den Polen versprochen, dass sie ihre Nationalität nicht verleugnen müssten, dass ihre Sprache neben der deutschen als Amtssprache zu gelten habe und dass Polen Zutritt zu allen Ämtern bekommen sollten. Der in Berlin wohlbekannte polnische Fürst Anton Radziwiłł wurde zum Statthalter des „Großherzogtums“ erhoben, und in dem neu gegründeten Landtag stellten die polnischen Adligen die Mehrheit. Trotz dieser Zugeständnisse gelang es nicht, weite Kreise der polnischen Bevölkerung für den preußischen Staat zu gewinnen. Diese Ablehnung lag z.T. an der Enttäuschung darüber, dass das „Großherzogtum“ nicht, wie erhofft, eine Autonomie erhielt. Die Unterstützung der Provinz für den nationalen Aufstand in „Kongresspolen“ von 1830 bestätigte die vorherrschende Gegnerschaft. Gleichwohl richtete sich diese gegen die preußische Regierungsmacht und nicht gegen die ganze Bevölkerung Preußens. Zwischen den liberalen Kräften im „Großherzogtum“ und Berlin kam es zu einer intensiven Zusammenarbeit, auch die viel beschworene „Polenbegeisterung“ dieser Zeit fand in den intellektuellen Kreisen Berlins, trotz des Verbots durch die Regierung, starken Widerhall.⁵¹ Auf die, im Zuge des Nationalisierungsprozesses wachsende, Begeisterung für die Autonomieidee reagierte die preußische Regierung mit der Abberufung des Statthalters Radziwiłł und der Amtsübernahme durch den Oberpräsidenten Eduard Flottwell. Dessen Politik zielte nun darauf, den als gefährlich angesehenen Einfluss von Adel und Geistlichkeit zurückzudrängen und die Übernahme der polnischen Adelsgüter durch deutsche Käufer zu fördern. Die Bevorzugung des
Skarbek, Dzieje Xięstwa Warszawskiego, Bd. 2, S. 53. Vgl. Pufelska, Zwischen Ablehnung und Anerkennung, S. 41.
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deutschen Kapitals und das systematische Vorgehen gegen die Dominanz der polnischen Sprache in der katholischen Kirche wurden immer stärker als Angriff auf die nationale Autonomie betrachtet. Der große Polenprozess, der von August bis Dezember 1847 in Berlin gegen 254 der nationalen Verschwörung verdächtige Polen geführt wurde, offenbarte den starken Widerstandswillen im „Großherzogtum Posen“. Die darauf folgende Niederschlagung des Posener Aufstandes von 1848 und die eindeutige Entscheidung der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche gegen die Wiederherstellung Polens brachten eine starke Abkühlung in den preußisch-polnischen Beziehungen, bei gleichzeitiger Herausbildung scharf voneinander getrennter, nationaler Lager. Die Versuche der Berliner Regierung mit Bismarck an der Spitze, die Polen mittels einer restriktiven Sprachen-, Schul- und Religionspolitik aus ihren nationalkulturellen Nischen zu holen und sie auch wirtschaftlich in die Enge zu treiben, erwiesen sich als ausgesprochen kontraproduktiv. „Da alle sozialen Schichten der Polen von derartigen Maßnahmen in irgendeiner Weise betroffen waren, schweißte diese gemeinsame Erfahrung die Polen nur noch mehr zu einer Solidargemeinschaft zusammen.“⁵²
2. Vom Bild zum Stereotyp Die nationale Solidarität gegen Preußen nahm in allen Teilungsgebieten unterschiedliche Formen an und war nach wie vor keine homogene, die ganze polnische Gesellschaft umfassende Bewegung. Das Neue am polnischen Preußenbild war dagegen seine durchgehend feindliche Ausrichtung, die zum festen Bestandteil des nationalen Selbstverständnisses wurde. Ein polnischer Patriot musste ein Preußenfeind sein. Positive Wahrnehmungen Preußens galten als nationaler Verrat und Zeugnis von politischer Blindheit. Die Verflechtungen in Gegenwart und Vergangenheit wurden nun ausschließlich aus einer negativen Grundhaltung heraus interpretiert. Die Folge dieser pejorativen Stereotypisierung war die zunehmende Überzeugung von einem jahrhundertelangen polnischpreußischen Antagonismus, die in Politik, Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur gleichermaßen aufgenommen und konserviert wurde. In den Köpfen der Menschen etablierte sich – ohne dass es immer als solches formuliert werden musste – ein bestimmtes Vorstellungssystem darüber, wie Preußen angeblich war oder zu sein hatte, welche politischen Entscheidungen, charakterlichen Eigenschaften, Verhaltens-, Rede- und Reaktionsweisen als „typisch preußisch“ galten. Die 1843 eingeführte preußische „Pickelhaube“ beherrschte als Symbol für Un-
Jaworski, Lübke und Müller, Eine kleine Geschichte Polens, S. 269.
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terdrückung die polnische Wahrnehmung der Teilungsmacht. Die konfliktreichen Ereignisse des 19. Jahrhunderts und die restriktive Polen-Politik Bismarcks kamen diesen nationalen Vorurteilen entgegen und beförderten ihre Verankerung als identitätsstiftende Gewissheiten. Die polnische Historiographie, die sich der Produktion eines nationalen Gemeinschaftsbewusstseins verschrieben hatte, griff diese antipreußischen Stereotype besonders eifrig auf. Sie halfen ihr, das problematische polnisch-preußische Verhältnis im 18. Jahrhundert als Vorstufe der preußischen bzw. deutschen Schandtaten gegen Polen im 19. und später auch im 20. Jahrhundert zu betrachten. Damit bekam das nationale Selbstbild von Polen, als dem ewigen Opfer deutsch-preußischer Intrigen, eine pseudokonkrete historische Legitimation. Die Apotheose des „polnischen Opfers“ erleichterte es schließlich auch, die Verantwortung für die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Missstände des 18. Jahrhunderts ganz auf Preußen abzuwälzen oder die Niederlagen sogar in moralische Siege zu verwandeln. Die machtsüchtigen Adelsfamilien, die sich mit Hilfe Preußens die Verbesserung ihrer politischen und materiellen Position versprochen oder sogar die Thronübernahme angestrebt hatten, wurden nun als unterdrückte und durch preußische Herrscher zur Kooperation gezwungene Staatsmänner dargestellt. Die Anhänger des preußischen Königshauses unter den polnischen Reformern bekamen häufig das rechtfertigende Etikett der „Unpolitischen“ zugeteilt. Die Zeit des Großen Reichstags avancierte zu einer nationalen Erhebung, nicht nur aufgrund der Verabschiedung der Mai-Verfassung, sondern wegen des preußischen Verrats. Vorgänge, die auf die Schattenseiten der polnischen Geschichte hindeuteten oder von einem differenzierteren Bild des polnischpreußischen Verhältnisses zeugten, kamen entweder gar nicht vor oder wurden als unbedeutende Randerscheinungen betrachtet. Notwendig zugrunde lag solchen Pauschalisierungen ein mehr oder weniger politisch motivierter Wille zur Komplexitätsreduzierung, der seine Kraft kaum aus den Ereignissen selbst, als vielmehr aus dem tradierten negativen Preußenbild schöpfte. Das zentrale Anliegen des vorliegenden Buches ist daher, dieses, seit dem 19. Jahrhundert weitgehend anhaltende, Pauschalurteil zu relativieren und darzustellen, welche differenzierte und komplexe Dimension die polnische Wahrnehmung Preußens – gerade in der Zeit der Teilungen und Aufklärungsbewegung – aufweist. Im ersten Kapitel erscheint das Preußen- und in einem engeren Sinne das Friedrich-Bild der polnischen Machtelite vorwiegend als politisches Argument. In den Kategorien der modernen Kulturkontaktforschung gesprochen: Das Preußenbild ist das Produkt einer interessengebundenen Konstruktion von Alterität, bei der Erwartungs-, ja letztlich Hoffnungshorizonte, eine größere Rolle spielen als Wahrnehmungen. In diesem Zusammenhang tritt auch ein grundsätzliches Problem der Kulturtransferforschung zutage, nämlich der Konstrukti-
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onscharakter der Transfer- und Rezeptionsräume. Doch vor allem wendet sich dieser Abschnitt den politischen Verhältnissen im Europa des 18. Jahrhunderts zu, um deutlich aufzuzeigen, dass das polnische Preußenbild historisch immer in den Kontext der preußisch-russischen Beziehungen eigebettet war. Die in der europäischen Historiographie häufig vertretene These über das gemeinsame Vorgehen Russlands und Preußens gegen Polen-Litauen offenbart, wie sehr diese russisch-preußische Allianz die polnische Innenpolitik polarisierte. Dabei wurde den Sympathisanten Russlands deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Neben einer starken prorussischen Fraktion bildete sich jedoch auch eine nicht zu vernachlässigende Gruppierung von Staatsmännern heraus, die die Zukunft Polens an Seite Preußens sehen wollte. Die innerpolnischen Auseinandersetzungen blieben – so der Befund dieser Arbeit – nicht ohne Einfluss auf die Wahrnehmung Preußens in Polen, denn das bis dahin eher konstant negative Bild des westlichen Nachbarstaates begann nunmehr immer stärker zwischen Faszination und Ablehnung zu oszillieren. Mit dem 1740 in Preußen erfolgten Thronwechsel wurde diese dynamische Wahrnehmung besonders deutlich. Die Verwunderung über den veränderten Politikstil des neuen preußischen Monarchen war evident. Das auch in Polen zu beobachtende Befremden über das Vorgehen Friedrichs II. gegen Sachsen und über die Begleitumstände des darauf folgenden Kriegsbeginns paarte sich mit Bewunderung und „Vorschusslorbeeren“ für den militärisch erfolgreichen und der Aufklärung so offen gegenüberstehenden König. Dieses eher positiv konnotierte Friedrich-Bild, das unter einem großen Teil der polnisch-litauischen Machteliten vorherrschte, verfestigte sich in den folgenden Jahrzehnten, vor allem vor dem Hintergrund des preußisch-russischen Gegensatzes. Eine gewisse Ernüchterung stellte sich angesichts der preußisch-russischen Annäherung nach dem Siebenjährigen Krieg ein, denn das bilaterale Abkommen zwischen Russland und Preußen von 1764 legte die langfristige Haltung beider Länder gegenüber ihrem gemeinsamen Nachbarn Polen fest. Friedrich erkaufte die Allianz mit der bedingungslosen Unterstützung, des von Katharina bestimmten Königs, Stanisław August Poniatowski, der als Wachsfigur in den Händen der deutschstämmigen Monarchin die russische Vorherrschaft in Polen zementieren sollte. Auf diese Versöhnungsstrategie des preußischen Königs reagierte jener Teil des polnischen Adels besonders enttäuscht, der bis zum letzten Moment gehofft hatte, Friedrich werde sich mit Frankreich einigen, um die Dominanz Russlands in Polen-Litauen zu beschränken. Negativ auf die politische Wahrnehmung Preußens in Polen-Litauen wirkte sich auch die Entscheidung Friedrichs aus, die polnischen Agrarexporte durch einen Generallzoll einseitig zu besteuern. Allerdings waren diese pejorativen Stellungnahmen vereinzelt. Vielmehr wurde der Preußenkönig nun recht plötzlich zu einer positiven Leitfigur, da
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er die von den polnischen Reformanhängern mit Poniatowski an der Spitze angestrebte Verfassungsänderung ablehnte und deshalb von vielen Gegnern des neu gewählten polnischen Königs als Bewahrer der ständischen „goldenen Freiheit“ gesehen wurde. Im Gegensatz zu Stanisław August, der durchgehend ein negatives Friedrich- und Preußen-Bild vertrat und damit deutlich realistischer wirkte, waren seine Gegner stets bestrebt, den Preußenkönig für ihr eigenes Anliegen zu gewinnen, ohne auf dessen tatsächliche Politik zu achten. Dieses unermüdliche „blind-ignorante Bemühen“ um die Gunst Preußens offenbart deshalb auch die gravierenden Fehleinschätzungen bzw. zeugt von mangelnden Kenntnissen der außenpolitischen Zusammenhänge. Wichtige Vertreter der polnischen Machtelite wollten, trotz unzweifelhafter Belege, die Doppelzüngigkeit der preußischen Politik schlicht nicht wahrhaben, so etwa die Anhänger der Konföderation von Bar. Die Konföderierten von Bar waren jedoch keinesfalls die einzigen Verfechter eines positiven Friedrich- bzw. Preußen-Bildes. Neben einer eindeutig politisch motivierten Wahrnehmung fehlte es in Polen-Litauen zu keinem Zeitpunkt an Persönlichkeiten, die aus dynastischen, materiellen oder auch intellektuellen Gründen eine wohlwollende Stellung zu Preußen und seinem König einnahmen. Als Beispiel dafür kann die Gräfin Marianna Skórzewska gelten. Selbst als sich die Teilungsabsichten immer deutlicher abzeichneten, änderte sich zunächst nichts Grundlegendes an dem überwiegend positiven Preußenbild. Erst nach Vollzug der ersten Teilung 1772 war die Enttäuschung groß und die Beurteilungen Preußens und seines Königs differenzierten sich in einem Teil der polnischen Öffentlichkeit weiter aus. Preußens brutale Annexions- und Grenzpolitik gegenüber Polen löste mehrere kritische Reaktionen aus. Die erste Teilung Polen-Litauens kann daher durchaus als eine Zäsur in der polnischen Wahrnehmung Preußens gelten. Allerdings ist auch hier eine Nuancierung notwendig: Als eigentlicher Hauptschuldiger der Teilung galt die russische Politik. Gerade weil Preußen und Österreich von ihrer Mitverantwortung für die Teilung wiederholt entlastet wurden, waren einige polnische Führungsgruppen bemüht, diese beiden Teilungsmächte für das eigene Lager zu gewinnen. Diese kurzsichtige und nur auf Eigennutz bedachte Politik erleichterte es wiederum den Höfen zu Wien, St. Petersburg und Berlin-Potsdam durch eine gezielte Klientelbildung die polnischen Eliten und vor allem den polnischen Reichstag für ihre jeweiligen Interessen zu instrumentalisieren. Während im ersten Kapitel die politischen Rahmenbedingungen dominieren, konzentriert sich das zweite auf die Jahrzehnte nach der ersten Teilung und die sozio-kulturelle Ebene der polnischen Preußenwahrnehmung. Dabei werden die Transferprozesse weniger aus einer diplomatischen oder verwaltungsgeschichtlichen als vielmehr aus einer prosopographischen und kulturgeschichtlichen Perspektive betrachtet. Der in den von Preußen besetzten Gebieten vollzo-
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gene Elitenwechsel führte zwangsläufig zu entsprechenden Reibungen und Friktionen. Deutlich wird – insbesondere am Beispiel des ermländischen Bischofs Ignacy Krasicki – in welch starkem Maße bei der Etablierung von neuen Abhängigkeiten und Loyalitäten die finanzielle Situation ausschlaggebend war. Zudem wird eine Korrektur am dominierenden Bild, dieser in mehrfacher Hinsicht bedeutenden Persönlichkeit, vorgenommen und gezeigt, dass auch im literarischen Werk von Krasicki der Einfluss von Friedrich II. erkennbar ist. Dem preußischen Herrscher gelang es, seinen Nimbus als aufgeklärter und gerechter Herrscher durch eine geschickte Presse- und Informationspolitik europaweit zu beleben und zu stärken. Diese inszenierte Selbstidealisierung stellte auch die polnische Aufklärungsbewegung nicht in Frage. Die beim Preußenkönig zu beobachtende Verknüpfung von herrschaftlicher Selbstbeschränkung und hocheffizienter Regierungspraxis wirkte in den Augen derjenigen polnischen Reformanhänger attraktiv, die eher ein „zu wenig“ als ein „zu viel“ an monarchischer Macht in Polen-Litauen monierten. Geschätzt wurde zudem unter den weitgehend katholisch geprägten, polnischen Aufklärern das Eintreten Friedrichs II. gegen die Aufhebung des Jesuitenordens, im Sinne der von ihm postulierten Religionstoleranz. Trotz dieser recht großen Wertschätzung, die der preußische König in den Kreisen der polnischen Aufklärer genoss, lässt sich nicht übersehen, dass Friedrich II. keine entscheidende Referenzfigur der polnischen Reform- und Aufklärungsbewegung darstellte. Die Rezeption seiner Person sowie Preußens im Allgemeinen waren weitgehend konjunkturell bedingt und wurden je nach Bedarf und Nutzungszweck modelliert. Der staatstheoretische Ansatz der polnischen Aufklärer war ganz anders als der der preußischen Aufklärungsbewegung definiert, was eine breite und folgenreiche Wahrnehmung der preußischen Reformlösungen in Polen-Litauen verhinderte. Mit anderen Worten: Der Hauptgrund für den relativ verhaltenen Transfer der preußischen Aufklärungsideen nach Polen liegt nicht in der polnischen – wie auch immer ausgeprägten – Preußenfeindschaft, sondern vorwiegend darin, dass die preußische Aufklärung keine befriedigenden Antworten auf die polnischen Probleme lieferte. Die unternommenen Versuche, über die Freimaurer- und Wissenschaftskontakte den soziokulturellen Austausch zwischen Preußen und Polen zu intensivieren, brachten ebenfalls keine entscheidende Wende in den Beziehungen. In den polnischen Freimaurerlogen und wissenschaftlichen Sozietäten fanden sich nur wenige Intellektuelle, die sich für den Kultur- und Wissenschaftstransfer mit Preußen einsetzten. Die dominierende Zurückhaltung in den bilateralen Kontakten war allerdings nicht allein durch das ambivalente Preußenbild in Polen bedingt. Der entscheidende Grund dafür dürfte in der allgemeinen Ignoranz der preußischen Intellektuellen gegenüber Polen liegen.
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Anders lagen die Dinge in der Welt des Judentums, denn im Gegensatz zu polnischen Gelehrten, Literaten oder Wissenschaftlern, die ohnehin nicht in Preußen, sondern vor allem in Frankreich und England nach Inspirationen suchten, stellte die Berliner Haskalah für die reformorientierte jüdische Intelligenz aus Polen-Litauen häufig die einzige Chance dar, dem Elend des Ghettos und der jüdischen Orthodoxie zu entkommen. Unter den wenigen polnischen Juden, die sich zu diesem Schritt entschlossen hatten, befanden sich Bibelübersetzer, Poeten, Herausgeber und Philosophen. Sie alle leisteten einen wichtigen Beitrag zum Kultur- und Wissenschaftstransfer zwischen Preußen und Polen-Litauen, indem sie die Berliner Haskalah-Bewegung weithin unterstützten und die Aufklärungsidee Mendelssohns unter den polnischen Juden popularisierten. Die Rezeption der jüdischen Aufklärung in Polen-Litauen zeigt gleichzeitig, dass die kulturellen Verflechtungen zwischen den polnischen und preußischen Aufklärungsanhängern zumeist aus persönlichen Interessen resultierten und dadurch auch eine starke Instabilität aufwiesen. Die positive Wahrnehmung Preußens in Polen und die Bereitschaft, kulturelle Kontakte mit dem Nachbarland zu pflegen, waren größtenteils individuell und situativ bedingt, wie das Beispiel der Familie Czartoryski deutlich macht. Aus dynastischen Motiven und machtpolitischen Gründen pflegte die Fürstin Isabela Czartoryska zeitweise einen intensiven Kontakt zur preußischen Königsfamilie und Berliner Intellektuellenkreisen. Als jedoch die arrangierte Ehe zwischen ihrer Tochter und dem Prinzen Ludwig von Württemberg, die der Czartoryski-Dynastie internen und außenpolitischen Machtzuwachs verschaffen sollte, scheiterte, verlor sie ganz schnell ihr Interesse an Berlin. Dem situationsbedingten Synergismus zwischen den polnischen und preußischen Machtträgern, der das polnische Preußen-Bild nach 1780 wesentlich beeinflusste, widmet sich der letzte Teil des Buches. Erneut wird das Verhältnis zwischen den politischen Rahmenbedingungen und der Preußenwahrnehmung thematisiert, das sich nunmehr stabilisiert und erfahrene Rückschläge zu überwinden trachtet. Die Analyse nähert sich damit der These, die im Buchtitel formuliert wurde. Einerseits fällt es den „Patrioten“ vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen schwer, sich über die preußische Polenfreundschaft Illusionen zu machen, auch wenn Preußen zunächst als der einzige Garant der angestrebten Reformen während des Großen Reichstags erscheint. Andererseits gibt es eine Art Basisoption für Preußen über die „Patrioten“-Partei hinaus, die ihre Wurzel in dem Mangel an anderen Optionen hat und zu einer eingestanden uneingestandenen, selektiven Preußenwahrnehmung führt. Der Firnis der Preußen-Sympathie war allerdings sehr dünn. Trotz der selbst eingeleiteten, preußenfreundlichen Propaganda waren immer wieder Schwankungen im propreußischen Lager zu beobachten. Ihre Intensität stieg mit der
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Dauer der polnisch-preußischen Verhandlungen. Als es sich zudem herausstellte, dass die preußische Regierung den Vereinbarungen des Bündnisses von 1790 nicht nachzukommen beabsichtigte und eine erneute Annäherung an Russland gegen Polen anstrebte, gab es kaum noch ernstzunehmende, preußenfreundliche Stellungnahmen. Dies kann auch als Nachweis dafür verstanden werden, wie oberflächlich die beschriebenen Wahrnehmungen und die daraus abgeleiteten Sympathiebekundungen nicht nur in der polnischen Gesellschaft, sondern selbst bei den Propagatoren eines positiven Preußen-Bildes waren – ein dünner Firnis, der keinen Belastungen standhielt. Nach der zweiten Teilung Polen-Litauens, die durch die Zerstrittenheit und Kurzsichtigkeit der polnischen Machteliten maßgeblich befördert worden ist, waren die Würfel im Prinzip gefallen. Für die aufgeklärte Öffentlichkeit PolenLitauens war nicht nur Polen, sondern auch Preußen verloren. Die vereinzelten Versuche während des Kościuszko-Aufstands, Preußens Neutralität zu erlangen, waren eher Verzweiflungstaten angesichts der drohenden Niederlage. In dieser Phase einer intensiven Feindmarkierung, in der prinzipiell keine Kooperation mehr mit den Teilungsmächten möglich war, etablierte sich nun auch ein intensiveres und grundsätzlicheres Negativimage des in den Augen vieler Polen besseren Feindes. Das Ende der selbstständigen staatlichen Existenz Polen-Litauens bedeutete letztlich das Ende des differenzierten Preußendiskurses in der polnischen Öffentlichkeit. Doch auch wenn sich die Wahrnehmung Preußens als einer feindlichen Macht endgültig etablierte und kaum jemand daran zweifelte, dass der Preußenkönig durch seinen Bündnisbruch den Untergang der polnischen Staatssouveränität besiegelt hatte, galt Preußen im Vergleich zu Russland immer noch als die bessere Teilungsmacht. Keinesfalls ist diese relativierende Haltung auf die Politik Preußens gegenüber Polen-Litauen zurückzuführen, sie resultierte vielmehr überwiegend aus der Ablehnung der russischen Vorherrschaft. Um diese zu stürzen oder wenigstens einzuschränken, wurde immer wieder an europäischen Höfen nach einem potenziellen Bündnispartner gesucht, auch in Berlin. Nach der Auflösung des polnischen Staates und im Verlauf der folgenden deutsch-polnischen Konflikte wurde Preußen als der politische Gegner schlechthin, zu einem homogenen Feindbild stilisiert, gegen den es zu agieren galt. Diese Freund-Feind-Perspektive verselbständigte sich, löste sich aus ihrem historischen Entstehungskontext, begann ein Eigenleben zu führen und wurde Teil des kollektiven Bewusstseins der polnischen Gesellschaft. So gesehen, stellt das polnische Preußenstereotyp einen festen Bestandteil der kulturellen, sozioökonomischen und politischen Entwicklung in Polen dar und muss immer als historisch gewachsenes Phänomen betrachtet werden. Als historisches Produkt, das sich nicht im menschenleeren Raum entwickelte, setzt es sich aus einem Mosaik sozialer und mentaler Erfahrungen zusammen, die für die polnisch-
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deutsche Beziehungsgeschichte charakteristisch sind. Obschon die meisten Preußenbilder eine generelle Botschaft enthalten, wurden und werden sie doch niemals isoliert und kontextfrei benutzt. Es sind einerseits immer konkrete Umstände und Zielsetzungen, unter denen die Erfahrungen der Akteure zu bestimmten Denkbildern von „Preußen“ verdichtet werden. Andererseits gibt es immer Gründe für das Bestreben, diese dann als Erklärungsmuster zu gebrauchen und politisch zu funktionalisieren. Bei der Analyse der tradierten Vorstellungen muss daher gefragt werden, welche historischen und mentalen Vorgänge bzw. Wertesysteme der polnischen Gesellschaft zur Etablierung und Funktionalisierung bestimmter Preußenwahrnehmungen führten und welchen Einfluss diese Feind- und Freundbilder ihrerseits auf diese Vorgänge und Wertesysteme ausübten. Weder das zum Stereotyp geronnene Preußenbild selbst, noch die Bedingungen seiner Etablierung und Reproduktion sind fertige und statische Gegebenheiten. Ganz im Gegenteil: Sie bedingen einander in ihrer Entwicklung und die reziproken Veränderungen sind durchaus nachvollziehbar. Allein aus dem Grund, dass die polnische Wahrnehmung Preußens auf Mechanismen gesellschaftlicher Kommunikation und intensiver Stereotypisierung beruht, ist es angebracht, den polnisch-preußischen Beziehungen eine axiologische Dynamik zu attestieren, die aus der Geschichte, den politischen Wandlungen, den häufigen Konflikten und auch aus dem Kulturtransfer resultiert. Der deutsch-polnischen Preußenforschung ist jedenfalls wenig geholfen, wenn bestimmte Geschichtsphänomene lediglich aus der Perspektive der Stereotypen- und Vorurteilsforschung skaliert und systematisiert werden. Die Beiträge zur polnischpreußischen Geschichte, die explizit auf die Analyse von Stereotypen oder lediglich der politischen Beziehungen abzielen, zeichnen häufig einen linearen, fast teleologisch anmutenden Verlauf eines negativen polnischen Preußendiskurses, der vom 18. bis ins 20. Jahrhundert wenig Spielraum für Abweichungen, Dynamiken und Widersprüchlichkeiten bietet. Um dieser reduktionistischen Sichtweise zu entkommen, muss die Erforschung der polnischen (genauso wie der deutschen) Preußenwahrnehmung immer in den historischen Kontext eingebunden werden. Durch die Einordnung des polnischen Preußenbildes in den kulturhistorischen Rahmen seiner Entwicklung erhält man die Möglichkeit, nach den Konjunkturen und Dynamiken der transferierten Erfahrung zu fragen und kann damit gewiss die Suche nach anderen, vergessenen oder verwischten Spuren auf den verschlungenen Wegen der polnisch-preußischen Geschichte anregen. Das setzt jedoch einmal mehr voraus, nicht nur Forschungsliteratur und gedruckte Quellen auszuwerten, sondern sich den Mühen der Archivrecherche auszusetzen. „Ad fontes“ ist in diesem Sinne nach wie vor eine aktuelle Losung, die beherzigt werden sollte, wenn man die ausgetretenen Pfade der deutsch-polnischen Historiographie verlassen will, um neue Einsichten und Erkenntnisse zu gewinnen.
Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Ungedruckte Quellen Archiwum Biblioteki Czartoryskich w Krakowie (ABCz) Rękopisy i stare druki: 464, 660, 674, 704 IV, 832, 832, 837, 838, 838, 838, 838, 849, 864, 941, 943, 945, 948, 967, 1170, 2348, 2779, 2810, 2890, 3132, 3472, 6034 b, 6067, 6111, 6129, IV/2741 Sammlung von Tadeusz Czacki: 825
Acta Universitatis Wratislaviensis w Warszawie Rękopisy: 3049 (2007)
Archiwum Główne Akt Dawnych w Warszawie (AGAD) Archiwum Hipolita Skimborowicza: XX-7 – 100 Archiwum Koronne Warszawskie: 47/1 Archiwum Królestwa Polskiego: 3670 Archiwum Masońskie Potockich: II-1/I Archiwum Publiczne Potockich: 97, 98, 101, 106, 194, 262 I, 273/I, 273 II, 275, 277 I, 277, 279 Archiwum Radziwiłłów: 6076, 9994 Archiwum Rodzinne Poniatowskich: 345 Archiwum Roskie: Dział II Archiwum Sejmu Czteroletniego: 5, 6, 8, 9 Korespondencja Karola Radziwiłła: IV/35 Zbiór Popielów: 58, 63, 180, 302, 345, 351, 374, 406, 409, 410, 414, 417, 423, 437
Biblioteka Jagiellońska w Krakowie (BJ) Materiały Władysława Konopczyńskiego: 38/61, 39/61, 41/61, 90/61 Rozmaitości historyczno-literackie/manuskrypty: 4356, 5501, 5613, 5617, 6672 II, 6673 III, 6674 II Druki ulotne: 589478 – 589508 Sammlung Varnhagen (Berlinka): 50/23
DOI 10.1515/9783110520903-006
1. Ungedruckte Quellen
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Biblioteka Narodowa w Warszawie (BN) Materiały historyczne: 964, 3284, 6662, III 6674, II 6903, XVIII 41753, XVIII 2724/29, XVIII 23256 Manuskrypty: 6985
Biblioteka Zakładu Narodowego Ossolińskich we Wrocławiu (BO) Manuscripta: 486, 559, 6636, 780, 785, 792/529, 1409, 10482, 11902,11920/III, 12770/II, 1283, 1581, 1855, 9583 Gazetki pisane z Warszawy: 780
Biblioteka Uniwersytetu Poznańskiego w Poznaniu Manuskrypty, 609, II
Forschungsbibliothek Gotha Pol 8º 01183/02
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin (GStA) BPH, Rep. 47 J, Brandenburgisch-Preußisches Hausarchiv: Nr. 542 I. HA, Rep. 9, Beziehungen zu Polen: Nr. 9 e 32, Nr. 9 e 44, Nr. 9 e 57, Nr. 27.2.b, Nr. 28.8.b I. HA, Rep. 9, Geheimer Rat, Beziehungen zu Polen: Nr. 26 – 239, Nr. 27 – 183, Nr. 27 – 192, Nr. 27 – 223 Nr. 27 – 224, Nr. 27 – 226, Nr. 27 – 231, Nr. 27 – 235, Nr. 27 – 251, Nr. 27 – 2b, Nr. 27 – 1 l. I. HA, Rep. 96, Geheimes Zivilkabinett: Nr. 147C, Nr. 147C-Bd. 5, Nr. 147E, Nr. 147F-Bd. 2, Nr. 157 A, Nr. 157B, Nr. 157C, Nr. 157D, Nr. 157E, Nr. 158 A, Nr. 242 A-Bd. 2 I. HA, Rep. 7C, Geheimer Rat, Südpreußen: Nr. 27, Nr. 28, Nr. 3068-Bd. 1 I. HA, Rep. 48 M, Hausarchiv: Nr. 56 I. HA, Rep. 96a, Acta des Kabinetts König Friedrich Wilhelms III.: Nr. 120a
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Haus-, Hof und Staatsarchiv in Wien (HHStA) Staatskanzlei: Polen II 35, 36, 37, 40
Historische Arbeitsstelle des Museums für Naturkunde in Berlin Gesellschaft Naturforschender Freunde (GNF), Institutionen, Korrespondenz mit Gesellschaften: Mappe 4
Biblioteka Gdańska Polskiej Akademii Nauk w Gdańsku (PAN) Rękopisy: Ms 799
Polska Akademia Umiejętności w Krakowie (PAU) Rękopisy: 7, 186, 194, 1145, 1648, 1654, 1655, 36151, 137569/8
Polskie Towarzystwo Przyjaciół Nauk w Poznaniu (PTPN) Rękopisy: 816
Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden 10026 Geheimes Kabinett: Loc. 3570/14, Loc. 3571/5, Loc. 3691/1,
Staatsbibliothek zu Berlin, Handschriftenabteilung (Stabi) Nachlass Formey: Kasten 36 Nachlass Oelrichs: Kasten 13, Nr. 107, Teil 2 und Teil 3
2. Gedruckte Quellen
397
2. Gedruckte Quellen Zeitungen und Zeitschriften Berlinische Monatsschrift: 29. 12. 1772 Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen: 12. 02. 1765, 07. 02. 1767, 01. 10. 1768, 28. 01. 1769, 27. 11. 1773, 29. 04. 1794 Berlinische Zeitung: 02. 11. 1773, 19. 08. 1786, 11. 10. 1793, 06. 05. 1794, 10. 05. 1794, 22. 05. 1794, 12. 06. 1794, 12. 07. 1794 Büschings Magazin: 13 (1779) Dziennik Patriotyczny Politików: 07. 02. 1793, 17. 02. 1793, 21. 02. 1793, 21. 04. 1793 Gazeta Rządowa: 30. 09. 1794, 20. 10. 1794, 22. 10. 1794 Gazeta Warszawska: 05. 03. 1774, 12. 11. 1774, 31. 01. 1776, 06. 07. 1776, 22. 01. 1777, 12. 01. 1780, 02. 09. 1786, 09. 09. 1786, 16. 09. 1786, 20. 09. 1786, 23. 09. 1786, 27. 09. 1786 Gazeta Wolna Warszawska: 24. 05. 1794, 17. 06. 1794, 24. 06. 1794, 28. 06. 1794, 31. 06. 1794, 26. 07. 1794, 05. 08. 1794, 19. 08. 1794, 09. 09. 1794, 24. 09. 1794, 27. 09. 1794, 11. 10. 1794, 18. 10. 1794, 25. 10. 1974 Korespondent Narodowy i Zagraniczny: 06. 05. 1794, 27. 05. 1794, 24. 06. 1794, 05. 07. 1794 12. 07. 1794, 19. 07. 1794, 09. 09. 1794, 13. 09. 1794, 04. 11. 1794 Monitor: 43 – 44 (1785) Monitor Różnych Ciekawości na rok 1795 Pamiętnik Historyczno-Polityczny: Bd. 2, Warszawa 1782; Bd. 1, Warszawa 1783; Bd. 2, Warszawa 1783; Bd. 1, Warszawa 1784; Bd. 2, Warszawa 1784; Bd. 4, Warszawa 1784; Bd. 1, Warszawa 1785; Bd. 3, Warszawa 1788; Bd. 4, Warszawa 1788; Bd. 2, Warszawa 1791 Polak Patriota. Dzieło periodyczne przez Towarzystwo Uczonych na rok 1785, na dzień 1 Listopada Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und anderen Sachen, 1 (1793) Wiadomości Warszawskie (suplement), 16. 11. 1771 Zabawy Obywatelskie, 1 (1792) Zabawy Przyjemne i Pożyteczne: Bd. 2, Teil 1, Warszawa 1770; Bd. 5, Teil 2, Warszawa 1772; Bd. 9, Teil 1, Warszawa 1774; Bd. 10, Teil 1, Warszawa 1774; Bd. 15, Teil 1, Warszawa 1777
Sonstige gedruckte Quellen Anegdoty czyli znamiona charakter i przymioty Fryderyka II. króla pruskiego wystawujace: przełożone z niemieckiego na polskie … Część trzecia. W Wilnie: w drukarni J.K.M. przy Akademii, 1787. Bär, Max: Westpreußen unter Friedrich dem Großen (Quellen), Bd. 2, Leipzig 1909. Behr, Isachar Falkensohn: Gedichte von einem polnischen Juden, Göttingen 2002 (Nachdruck der anonym erschienenen Erstausgabe: Gedichte von einem pohlnischen Juden, Mietau und Leipzig 1772). Bernacki, Ludwig (Hrsg.): Materiały do życiorysu i twórczości Ignacego Krasickiego, in: Pamiętnik Literacki, 26 (1929), S. 398 – 466 und 636 – 679.
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Personenregister Achard, Franz Carl 200, 208 Albertrandi, Jan Chrzciciel 172 Albrecht von Brandenburg-Ansbach 282 Althoff, Frank 74 Anhalt-Dessau, Georg v. 109 Apollonius von Tyana 160 Ascher, Saul 212 August Ferdinand von Preußen 108 August II. (Polen) 7, 31, 35, 54, 274 August III. (Polen) 35 f., 39 – 41, 48, 53, 90 Backvis, Claude 261 Bacon, Francis 107, 193 Baeck, Leo 210 f. Bal, Karol 16, 160, 164 f., 183, 195 Bari, Jehuda 228 Bastiani, Giovanni Battista 147, 155 Batowski, Alexander 288 Bęklewski, Onufry 86 Belling, Wilhelm Sebastian v. 86 Ben-Ze‘ev, Jehuda Leib 228 f. Bendavid, Lazarus 212, 233 Benoît, Gideon 44, 50, 65 f., 75 f., 79 f., 83, 86 f., 92, 98 f., 118, 121, 126 f., 134, 137 Bernoulli, Johann 201, 204 – 206, 242 f. Bestužev-Rjumin, Aleksej 39 Biester, Johann Erich 177 Bischoffwerder, Hans Rudolf v. 278 f., 289, 319, 324, 328 Bismarck, Otto v. 4, 20, 386 f. Bitaube, Paul Jeremias 110 Blount, Charles 160 Bohomolec, Franciszek 194 Bollo, Andrea 95 Bömelburg, Hans-Jürgen 1 – 5, 7 f., 27, 34, 36 f., 42, 46, 59 f., 65, 67 f., 72, 93 f., 125, 132, 140 – 143, 155, 165, 305, 383 Brandenburg-Schwedt, Friederike Dorothea Marie v. 235 Brandenburg-Schwedt, Friederike Dorothea Sophia v. 97, 235 Brandenburg-Schwedt, Philippine v. 97 Branicki, Franciszek Ksawery 80, 132 f., 134, 163, 245, 247, 329
Branicki, Jan Klemens 40, 43 f., 47, 51 f., 54 f. Braunschweig-Wolfenbüttel, Wilhelm Adolf v. 109 Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern, Elisabeth Christine Ulrike v. 113 Brenkenhoff, Franz Balthasar Schönberg v. 81, 103 f., 113 f., 128 Brill, Joel 228 Brühl, Carl Adolph v. 34, 149 Buchholtz, Heinrich Ludwig v. 248, 251, 256 f., 263 – 266, 269, 271, 279 – 281, 353 – 356 Campe, Joachim Heinrich 227 Carosi, Jan Filip 200, 203 Carrache, Annibal 158 Cassirer, Ernst 15 Catt, Henri de 112, 154 Chmielowski, Piotr 172 Choiseul, Étienne-François de 78, 84, 91 Clemens XIV (Papst) 102, 160 f. Coblenz, Philip 319 Conradi, Eduard Friedrich v. 205 Conradi, Renata Wilhelmina v. 205 Czacki, Michał 134, 247, 265, 269, 280, 345 Czartoryska, Izabela (geb. von Flemming) 234 f., 239 – 244, 251, 276, 391 Czartoryska, Maria 234 – 236, 238, 244, 251, 334, 346, 348 Czartoryski, Adam Jerzy 234, 379 Czartoryski, Adam Kazimierz 40, 44 f., 47 – 49, 51 – 56, 61, 69, 75 – 77, 82, 90, 163, 165 – 169, 193, 200, 203, 227, 230 f., 234 – 236, 238 f., 244 – 246, 250 – 252, 258, 262, 275 – 277, 280, 317, 328, 334, 348, 371, 379, 391 Czartoryski, Józef Klemens 286 – 289, 293 f., 297, 306, 328, 348, 371, 379, 391 Czartoryski, Konstanty 377 Czartoryski, Michał Fryderyk 61 Czubaty, Jarosław 6, 341, 371, 380, 382
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Personenregister
Dąbrowski, Jan Henryk 341 f., 366 f., 383 f. D’Alembert, Jean-Baptiste le Rond 112, 175, 200 Delitzsch, Franz 211, 222 f. Delmediego, Joseph Salomo 225 Dembiński, Bronisław 248, 250, 270, 276, 285, 288, 292, 294, 297, 315 Descartes, René 110, 193 Descorches, Marie Louis 329 Dmochowski, Franciszek Ksawery 350, 378 Dogrumowa, Maria Teresia 234, 246 Dohm, Christian Konrad Wilhelm v. 178 Dohna-Lauck, August v. 149 Domhardt, Johann Friedrich 141, 145 Dönhoff, Karl Friedrich Ludwig v. 149 Dreyer, Friedrich Wilhelm 348 f. Dubno, Solomon 198, 210, 218, 225 Dubnow, Simon 211 Dubois, Jean-Baptiste 200 f., 203 Dumouriez, Charles 92 Durand, François 117 Dygdała, Jerzy 65, 82, 87, 144, 372 Elisabeth Christine v. Preußen 76, 113 Elisabeth I. (Russland) 39 Engel, Johann Jacob 226, 230, 240 Ephraim, Veitel Heine 135 Espagne, Michel 10 f., 17 Essen, August Franz v. 278 – 281, 318, 326, 332, 377 Estereicher, Karol 187, 189 Euchel, Isaak 223, 229 Falkensohn Behr, Isachar 210, 218 – 222 Fäsch, Georg Rudolph 168 Feder, Tobias Gutmann 112, 144, 173, 189, 209, 216, 223, 228 – 230, 241, 251, 271, 283, 333, 358 Fichte, Johann Gottlieb 213 Finckenstein, Carl Wilhelm Graf v. 77, 237, 290 Fiszerowa, Wirydianna 107 f., 113, 345 – 347 Formey, Jean Henri Samuel 109, 152, 166, 206 – 210 Forst-Battaglia, Otto 46 f., 93, 95, 97 f., 164 Franklin, Benjamin 177, 227 Franz I. (Kaiser) 235
Franz II. (Kaiser) 329 Friedländer, David 166, 212, 222 Friedrich, Karin 6, 72, 195 Friedrich August III. (Sachsen) 278, 325, 327 Friedrich I. (Preußen) 33, 114 Friedrich II. Eugen von Württemberg 235 Friedrich II. (Preußen) 2 – 4, 7, 18 f., 34 – 39, 42, 44, 51 – 53, 55 f., 58, 64 – 77, 79 f., 82 – 88, 90 f., 94 – 105, 107 – 110, 112 – 119, 121 f., 124 f., 131 – 138, 140 – 143, 145 – 148, 150 – 156, 158 – 163, 165 – 167, 169 – 171, 173 f., 176, 178 – 182, 184 – 192, 195, 197 – 199, 207, 209, 212, 216, 219 f., 235 – 240, 243 – 245, 249, 251, 268 f., 277, 282 f., 305, 310, 339, 345, 347 f., 362, 371, 388, 390 Friedrich von Braunschweig 113 Friedrich Wilhelm I. (Preußen) 33, 35, 362 Friedrich Wilhelm II. (Preußen) 132, 149, 156 f., 161, 243 f., 248 – 252, 256 f., 263 f., 266 f., 271 – 282, 285, 287 f., 290 – 292, 294 f., 297 – 300, 306 – 309, 311, 316 – 319, 323 – 325, 328, 330, 332, 335, 339, 343, 345, 347 f., 352 f., 356, 358 – 360, 364, 367, 373, 383 Friedrich Wilhelm III. (Preußen) 157, 251, 356, 373, 376, 383 Gadomski, Stanisław 49, 51 Gassendi, Pierre 110 Gedike, Friedrich 178 Gelber, Nathan Michael 135, 225, 227, 233 Geoffrin, Marie Thérèse Rodet 118, 128, 144 Geret, Samuel Luther v. 80 f., 89 f. Gestrich, Andreas 1, 254 Gleditsch, Johann Gottlieb 199 Goethe, Johann Wolfgang v. 213, 221 Goltz, August Friedrich v. 318 f., 323, 325 f. Grabowski, Paweł 292 Gralath, Daniel 202 f. Gralath, Renate Wilhelmine 205 Gröll, Michael 172 Gumpertz, Aaron Salomon 217 Habermas, Jürgen 203 Hackmann, Jörg 3, 124
Personenregister
Hanow, Michael Christoph 202 Hartmann, Stefan 157 Hazard, Paul 22, 194 Heinrich von Preußen 41, 51, 91 Henckel von Donnersmarck, Elias Maximilian 109 Hertzberg, Ewald Friedrich v. 122 f., 178, 250, 263, 271 f., 274, 289 f., 293, 295, 297, 300, 306 f., 313 f., 316, 324 Herz, Markus 116, 212, 218, 228, 233 Hessen-Kassel, Friedrich Landgraf v. 92 – 95 Hessen-Kassel, Wilhelmine v. (Prinzessin von Preußen) 92 – 95 Heyking, Heinrich Carl v. 197 Heynitz, Friedrich Anton v. 152 Hitzig, Julius 377 Hoensch, Jörg K. 68 Hoffmann, Carl Christoph v. 7, 14, 152, 377 Hoffmann E.T.A. 377 Hogarth, William 134 Holland, Georg Jonathan v. 110 f., 164, 269, 291 Horst, Julius August von der 14, 155 Hubert, Stanisław 118 f., 122 Humboldt, Alexander v. 213 Humboldt, Wilhelm v. 213 Husarzewski, Aleksy 99, 132, 145 – 147, 150 Igelström, Otto Heinrich Graf v. 342, 351 Itzig, Daniel 152, 212, 219, 222 Jabłonowska, Anna 205 f. Jabłonowski, Jan Kajetan 36 Jabłonowski, Stanisław 163, 280, 306, 309, 313, 319, 325 Jacobi, Friedrich Heinrich 213 Janowski, Maciej 25, 193 – 195 Jarochowski, Kazimierz 36 Jarosław, Aron 157, 210, 218 Jean Paul 213 Jesus von Exin 106 Jezierski, Jacek 100, 254, 267 f. Joseph II. (Kaiser) 88, 237 f., 240, 307 Kade, David 202 Kalckreuth, Adolph v. 214, 310, 313, 315 Kalckstein-Stoliński, Christian 30
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Kalinka, Walerian 98, 247, 263 f., 267, 286 f., 291, 294, 307, 309, 319, 329 Kant, Immanuel 111, 213, 230 f., 233 Karl Eugen (Württemberg) 92 Karl von Kurland 90 Karl von Sachsen 83 Kasprzyk, Jerzy 172, 176 f. Katharina II. (Russland) 21, 42, 58, 64, 73, 110, 170 f., 175, 219, 234, 237 f., 240, 246 f., 250, 255, 258 f., 263, 267, 275, 281 f., 285, 288 – 290, 293, 295, 312, 316, 329, 332, 337, 368 Kaunitz, Wenzel Anton 94, 129, 135 – 137 Kausch, Johann Joseph 177 Kazimierz IV. Jagiełło 282 Kittsteiner, Heinz-Dieter 15, 112, 341 Klein, Jacob Theodor 46, 127, 202 Kleinmann, Yvonne 73, 231, 263, 299, 320, 323 Klimowicz, Mieczysław 148, 160 Kollacz, Paweł 189, 195 Kołłątaj, Hugo 194, 268 – 270, 280 – 284, 296, 304, 311, 313 – 315, 328, 350, 355 f., 382 Konarski, Stanisław 193 Konopczyński, Władysław 2, 37, 51, 67 f., 82 – 89, 91 f., 94, 100 f., 103, 112, 116, 120, 123, 125, 130 – 132, 136, 330 Kościuszko, Tadeusz 20, 157, 161, 331, 341, 351 – 363, 367, 370 f., 373, 375, 378, 383, 392 Kossakowski, Szymon 84, 309 Kostka Potocki, Stanisław 257 f., 266, 268, 277, 296 Koźmian, Kajetan 22, 370 Kraft, Claudia 254 Krasicki, Anton 154 Krasicki, Ignacy 18, 115, 140, 142 – 163, 183 f., 194, 208, 242, 257, 304 f., 373, 390 Krasiński, Adam 81 f., 84, 88 f., 91, 98, 100, 102 – 104, 280, 307, 311 Krasiński, Michał 77, 79, 120 Kraszewski, Jan Aleksander 129 f. Kraszewski, Józef Ignacy 166 Krochmal, Nachman 227
436
Personenregister
Kucharski, Maciej 248, 274, 287 – 289, 306, 310, 316, 326 Kühn, Heinrich 202 Kwilecki, Antoni 99 Lachnicki, Ignacy 271 f. Lambert, Johann Heinrich 110 f., 199 Largillière, Nicolas de 158 Lavater, Johann Casper 206 Laveaux, Jean-Charles 191, 251 Lehndorff, Ernst Ahasverus Heinrich v. 92, 143 f., 146 – 150, 152, 242 – 244 Leibetseder, Mathis 206 Leibniz, Gottfried Wilhelm 107, 193 Lengnich, Gottfried 80 f., 85, 104, 110 Lentulus, Robert Scipio v. 130 f. Leopold von Braunschweig 241 Lessing, Gotthold Ephraim 226 Leszczyński, Stanisław 35, 169 Levy, Samuel Salomon 212 Lichtenau, Wilhelmine v. 356 Lisiewski, Georg 153 Locke, John 104, 107, 193 Łojko, Feliks 123 f. Lossow, Daniel Friedrich v. 129 Lottes, Günther 13, 17, 25, 143 Louis Ferdinand von Preußen 313 Łoziński, Władysław 47 Łubieński, Feliks 347 Łubieński, Władysław 31, 49 f., 90 Lubomirska, Izabela (alias Elżbieta Czartoryska) 76 f., 274 Lubomirska, Konstancja 77, 274 Lubomirski, Antoni 40, 86, 98, 280 Lucchesini, Girolamo 49, 153 – 155, 269, 271, 274, 276 f., 281, 284, 287 f., 291 – 297, 299 f., 302, 304, 307 – 309, 313, 316, 319 f., 324, 328, 347, 352, 354 f. Ludwig von Württemberg 234 f., 238 f., 244, 251, 275 – 278, 334, 346, 391 Ludwig XV. (Frankreich) 35 Luise Ulrike von Preußen 83 Luise von Preußen 236, 240 f., 243, 348, 371 Łuskina, Stefan 169 – 171, 187 f.
Mably, Gabriel Bonnot de 91 Madaliński, Antoni Józef 351 Maimon, Salomon 210 – 217, 219, 225, 233 Maimonides 227, 231 f. Maj, Jan 153, 192 Małachowski, Stanisław 163, 196, 262, 264, 270, 280, 291, 307 Manstein, Hermann Johann Ernst v. 360 Maria Theresia (Kaiserin) 90, 117, 122 Martini, Friedrich 202 Maupertuis, Pierre-Louis Moreau de 112, 173 Maximilian von Sachsen 278 Meisl, Josef 211, 224, 227 Meißner, August Gottlieb 104, 114 Mendelssohn, Moses 19, 210 – 213, 215, 217 – 220, 222, 224 – 226, 228 – 233, 391 Mettra, Louis- François 92 Michalski, Jerzy 25, 45, 47, 62, 75, 83, 89, 91 f., 99 f., 121, 132, 136 f., 139, 164, 171, 230, 246, 249, 253, 258, 260, 265, 267, 269, 286, 328, 333 Miterzanka, Mieczysława 165 f., 169 Mitzler de Kolof, Lorenz 166 f. Młodziejowski, Andrzej 138 f. Mokronowski, Andrzej 41, 49, 51 f., 82 Molski, Marcin 340 Montesquieu, Charles de Secondat Baron de 107 Morawska, Teofila Konstancja 121 Morawski, Leon Andrzej 78, 100, 151, 196, 239, 246, 251 Moritz, Karl Philipp 212, 216 f., 223, 351, 359, 363, 367 Mostowski, Paweł 82 – 84, 92, 98 Moszyński, August 200, 203 Müller, Michael M. 1, 5, 7 f., 10, 24, 27, 36, 42, 45, 59, 72, 94, 170, 318, 326 f., 331, 333, 344, 353 f., 386 Namowicz, Tadeusz 16, 24 Narbut, Kazimierz 168 Naruszewicz, Adam 172 f. Newton, Isaac 107, 112, 193 Niemcewicz, Jan Ursyn 259, 302 – 305, 345, 383 Nowak, Juliusz 300 f., 304, 334, 346
Personenregister
Ogiński, Michał Kazimierz 90, 100, 168, 186, 250, 252, 257, 264, 271 – 273, 299 f. Ogiński, Michał Kleofas 335, 337 f., 342 f., 350 Ogrodzki, Jacek 146 Orłowski, Hubert 12, 14 Orzelska, Anna Karolina 115 Oskierka, Michał Stefan 36 Ostrowski, Teodor 170 f., 182 Panin, Nikita 57, 66, 68 Pannwitz, Carl v. 338 Pannwitz, Wilhelm v. 338 Paul I. (Russland) 235 Perl, Josef 227 Peter I. (Russland) 30, 40 Peter III. (Russland) 39 Petersen, Jan 249 Piattoli, Scipione 315 f., 321 f. Piramowicz, Grzegorz 194, 200 Pius VI. (Papst) 161 Podoski, Gabriel 90 f. Poniatowski, Józef 331 Poniatowski, Michał 280 f. Poniatowski, Stanisław II. August 9, 18, 21, 39 – 45, 47 f., 51, 55, 57 f., 60 – 63, 70 f., 96, 98, 118, 128, 144, 163 f., 169, 193, 206, 208, 234, 251 f., 281, 388 f. Poniński, Adam 135 Potemkin, Grigori Alexandrowitsch 132, 285 Potocki, Aleksander 377 Potocki, Franciszek Salezy 55, 77 Potocki, Ignacy 197 f., 200, 246, 250 – 253, 258, 262, 264, 271, 289, 291, 294, 298, 307 – 310, 313, 315 – 317, 320 – 322, 328, 330, 350, 354 Potocki, Jan 248 f. Potocki, Joachim Karol 79 Potocki, Józef 36 Potocki, Marian 98, 102 Potocki, Stanisław Kostka 257 f., 266, 268, 277 Potocki, Stanisław (Feliks) Szczęsny 47, 247, 275, 310, 317, 329 Poussin, Nicolas 158 Profaska, Marzena 6, 250, 253, 255, 264 f., 268, 285, 296, 300 f.
437
Prokopowicz, Antoni Maksymilian 191 f. Przebendowski, Ignacy 257 Pułaski, Józef 77, 79, 88, 90 Pułaski, Kazimierz 88, 96, 100 f. Raczyński, Atanasy 83, 371 Radziwiłł, Antoni 348 Radziwiłł, Helena 347 f. Radziwiłł, Hieronim Wincenty 138 Radziwiłł, Karol Stanisław 40, 47, 51, 55, 73, 100, 138, 151, 240, 249 f., 257, 271 f., 292, 348, 371, 377, 383, 385 Radziwiłł, Michał Hieronim 133, 347 Ramler, Karl Wilhelm 219 Raynal, Guillaume Thomas François 189 Reimarus, Hermann Samuel 225 Repnin, Nikolaus 75 Reuß, Heinrich 146 Reviczky von Revisny, Karl 129 Riesbeck, Johann Kaspar 181 Rogaliński, Kasper 67 Rolnik, Dariusz 6, 8, 71, 143, 151, 163, 165, 331, 346 Romanow, Konstantin Pawlowitsch 275 Rosenberg, Heinrich Wilhelm v. 202 Rostworowski, Franciszek 2, 22, 46, 48, 51, 64, 88, 92, 230, 246 f., 249, 252 f., 258, 317, 331 Rousseau, Jean-Jacques 96, 207, 261 f., 273 Rubinkowski, Jakub Kazimierz 32 Rudziański, Otton 48, 99, 126 Rybiński, Józef 257, 291, 296, 307 Rzewuski, Seweryn 40, 273 f., 317, 329 Sachsen-Teschen, Albrecht Herzog v. 82, 90 Salmonowicz, Stanisław 2, 6 f., 20, 30 f., 34, 36, 41, 118, 191 Sandoz Rollin, Daniel Alfons v. 91 Sanguszko, Jan 280 Sapieha, Aleksander Michał 291 Sapieha, Katarzyna Agnieszka (Sapieżyna) 83 Satanow, Isaak 210, 222 – 226 Satanower, Lefin/Menachen Mendel 210, 224 – 233 Schau, Major v. 76 Schiller, Friedrich v. 213
438
Personenregister
Schlieben, Friedrich Karl v. 149 Schlieffen, Martin Ernst v. 95, 314 f. Schnabel-Schüle, Helga 1, 254 Schönpflug, Daniel 236 Schopenhauer, Johanna 132, 190 Schrötter, Friedrich Leopold v. 68, 149 Schulte, Christoph 212 f., 215 f., 222 – 224 Schulz, Joachim Christoph Friedrich 333 Schwerin, Wilhelm Friedrich Karl v. 149, 353, 356, 360 Selle, Christian Gottlieb 156 Shakespeare, William 220 Siarczyński, Franciszek 310 Skórzewska, Marianna 18, 82 f., 102 – 116, 158, 389 Skórzewski, Franciszek 82, 89, 103, 106 Skórzewski, Fryderyk 112 Skrzetuski, Józef Kajetan 121, 312 Smoleński, Władysław 4, 107, 200, 264, 374 Sobieski, Jan 243 Söhner, Adrian Gottlieb 202 Sołtyk, Kajetan 51 Sophie Dorothea Marie von Preußen 235 Sophie Dorothee von Württemberg 137 Spinoza, Baruch de 215 Stackelberg, Otto Magnus v. 139, 246, 264 Stasiak, Arkadiusz Michał 104 Staszewski, Jacek 7, 22, 33 f., 36 Staszic, Stanisław 184 – 186, 194 f., 254, 270, 303, 305, 337, 382 Stuart Eduart 92 Suchorzewski, Jan 339 Sułkowski, Antoni 250, 273 Sułkowski, August 98, 135, 257, 274 Swietlicki, Paul 202 Świtkowski, Piotr 176 – 183, 187, 254, 264, 268, 299, 311 f. Teller, Wilhelm Abraham 225, 240 Theerbusch, Anna Dorothea 153 Thurn und Taxis, Sophie v. 138 Tissot, Simon André 226 f. Tokarz, Wacław 354 Topolski, Jerzy 127, 355 Trembecki, Stanisław 130
Veitel, Ephraim 212 Vernet, Claude Joseph 158 Visconti, Antonio Eugenio 63 Voltaire 96, 101 f., 105, 150, 159 – 161, 173, 175, 346 Warburg, Aby 14 Weber, Matthias 26 f. Werner, Michael 10 f. Werner, Zacharias 377 Wessely, Naphtaly Herz 228 f. Wielhorski, Michał 91 f., 99 Wieniawski, Ignacy 357 Wilhelm Adolf von Braunschweig Wolfenbüttel 109 Williams, Charles Hanbury 69 Wirwicz, Karol 167 f. Wodziński, Marcin 231 Wolff, Christian 193 Wolff, Larry 12 Wolff, Sabattia 212 – 214 Wreech, Friedrich Wilhelm v. 152 Wreech, Ludwig v. 152 Wybicki, Józef 82 f., 105 f., 108, 383 Xaver von Sachsen
52
Zabel-Sobolewski, Theodor 37 Zabłocki, Bernard 250 – 252, 269, 285, 295, 327 f. Zabłocki, Franciszek 173 Zajączek, Józef 360 Zakrzewski, Ignacy Wyssogota 277, 354 Załuski, Józef Andrzej 193, 199 Zamość, Israel (Israel Samoscz) 210, 217 – 219 Zamoyski, Andrzej 154, 184 Zamoyski, Jan 184, 254 Zaremba, Józef 101 f. Żarowski, Mirosław 164 f., 183, 195 Zboiński, Michał 88 Zedlitz, Karl Abraham v. 152 Zernack, Klaus 1, 3, 5, 7 f., 10, 33, 36, 45, 48, 60, 207, 323, 329, 333, 344 Zielińska, Zofia 7, 36, 45 f., 55, 58 f., 63, 73, 89, 258, 265, 268, 275 – 277, 279, 281, 294, 298, 315, 332
Personenregister
Zimmermann, Johann Georg 4, 11, 20, 116, 148, 155 Zinzendorf, Friedrich August v. 278 f.
439
Zorn von Plobsheim, Friedrich August Freiherr 202