Jahresgabe ... der Winckelmann-Gesellschaft Stendal: 1963 Die Kasseler Lobschriften auf Winckelmann [Reprint 2021 ed.] 9783112527863, 9783112527856


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German Pages 80 [77] Year 1964

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Jahresgabe ... der Winckelmann-Gesellschaft Stendal: 1963 Die Kasseler Lobschriften auf Winckelmann [Reprint 2021 ed.]
 9783112527863, 9783112527856

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WINCKELMANN-GESELLSCHAFT

STENDAL

J A H R E S G A B E 1963

Die Kasseler Lob Schriften auf Winckelmann Einführung und Erläuterungen von ARTHUR

Mit 5

SCHULZ

Abbildungen

AKADEMIE-VERLAG-BERLIN 1963

BERICHTIGUNG Seite 13, Fußnote 1, Zeile 4 von oben muß heißen „Oeuvres" statt „Oeres" Seite 29, Zeile 9 von oben muß heißen „Dactyliotheca" statt „Dactyhotheca"

5516 Schulz, Lobschriftcn

IV/2/14

WINCKELMANN-GESELLSCHAFT

Jabresgabe 1963

STENDAL

WINCKELMANN-GESELLSCHAFT

STENDAL

J A H R E S G A B E 1963

Die Kasseler Lobschriften auf Winckelmann Einführung und Erläuterungen von ARTHUR

Mit 5

SCHULZ

Abbildungen

AKADEMIE-VERLAG•BERLIN 1963

Erschienen im Akademie-Verlag G m b H , Berlin W 8, Leipziger Straße 3/4 Copyright 1963 by Akademie-Verlag GmbH, Berlin Lizenznummer: 202 • 100/235/63 Satz, Druck und Bindung: IV/2/14 • V E B Werkdruck Gräfenhainichen • 2 1 1 8 Bestellnummer:

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INHALT

Vorwort

7

Einführung

9

Die Lobschrift von Christian Gottlob Heyne

17

Erläuterungen des Herausgebers zur Lobschrift von Heyne . . . .

28

Die Lobschrift von Johann Gottfried Herder

31

VORWORT

Während die Lobschrift Herders auf Winckelmann, die einem Preisausschreiben der Kasseler Akademie der Wissenschaften ihre Entstehung verdankt, des öfteren veröffentlicht worden ist als eine der psychologisch tiefsten Würdigungen des großen Altertumsforschers, ist die seines den Sieg davontragenden Mitbewerbers Chr. G. Heyne nur wenigen bekannt. Wenn von Herders Schrift die Rede ist, wird die Heynes vergleichsweise als trocken und schwunglos bezeichnet, und man hat es für unergiebig gehalten, sie später wieder bekanntzumachen. Wir geben beide wieder, um dem Leser zu ermöglichen, sich durch Vergleich ein eigenes Urteil zu bilden. Es wird anders ausfallen als das des Kasseler Preisgerichtes, aber für die Geschichte der Altertumsforschung, für die Beurteilung der Leistungen Winckelmanns durch einen berufenen Fachmann ist sie uns wertvoll und rechtfertigt ihre Bekanntgabe. Für die Ermöglichung des Druckes dieser Jahresgabe haben wir, wie jedes Jahr, der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin zu danken und einem hochherzigen Stifter, der uns zur Erinnerung an seinen Vater, der bei der Akademie einen besonders ehrenvollen Platz einnahm und eines unserer ältesten Mitglieder war, einen ansehnlichen Beitrag zur Förderung unserer Aufgaben zur Verfügung stellte.

Arthur Schul£ Vorsitzender der Winckelmann-Gesellschaft Stendal

Friedrich Wilhelm Doell, Johann Joachim Winckelmann, 1777.

EINFÜHRUNG

A m I i . April 1777 stiftete Landgraf Friedrich II. v o n Hessen (1760—1785) 1 die Société des Antiquités de Cassel (Fürstl. Hessische Gesellschaft der Altertümer) nach dem Muster der Pariser und Berliner Akademie. E r war kurze Zeit vorher aus Italien zurückgekommen, w o er — durch Vermittlung v o n Winckelmanns und Goethes Freund, dem Rat Reiffenstein — eine nicht unbedeutende Sammlung v o n antiken Kunstwerken zusammengebracht hatte, die in dem v o n Friedrichs Baumeister Simon L u d w i g de R y am Friedrichsplatze 1779 vollendeten Museum Friedericianum aufgestellt wurden. 2 V o r den Statuen, Büsten, Gemmen, Münzen und anderen Kleinkunstwerken sollte ein Kreis wissenschaftlich gebildeter Männer, die der Antike besondere Teilnahme entgegenbrachten, Anregungen zu weiteren Studien empfangen und in fruchtbaren Gedankenaustausch bei ihren Sitzungen treten. In den gedruckten „Reglemens" wurde das Studium der Altertumswissenschaft in der weitesten Ausdehnung als Zweck der Gesellschaft aufgestellt. Winckelmanns Gedanken über das Schöne, Wahre und Gute war unter diesen Männern noch lebendig, und sein Hauptwerk, die Geschichte der Kunst des Altertums, hatte für sie noch volle Geltung. Zudem hatten Beziehungen des Landgrafen zu Winckelmann bestanden mit dem Ziele, den Stendaler in seine Dienste zu ziehen. 3 Es kann also nicht wundernehmen, wenn die erste v o n der Gesellschaft gestellte Preisaufgabe der Erinnerung an den berühmten Altertumskenner galt. , , L ' E l o g e de Mr. Winckelmann, dans lequel on fera entrer le point où il a trouvé la Science des Antiquités, et à quel point il l'a laissée." (Lobrede auf W . , worin ausgeführt werden soll, auf welchem Punkt er die Altertumswissenschaft aufgefunden u. auf welchem er sie zurückgelassen hat.) Als Preis war eine goldene Medaille im beträchtlichen Wert von 400 Livres 1 2

3

Wyss, A.: Allgemeine deutsche Biographie VII, 524IÏ; Rommel in Ersch u. Gruber I, 50, S. nzff. Völkel, L.: Die antiken Skulpturen im Museum zu Cassel in F. G. Welckers Zeitschr. f. Geschichte u. Auslegung der alten Kunst I, 151 ff.,- Die Kasseler Antiken, hrsg. v. d. Staatlichen Kunstsammlungen, Kassel 1948. Rehm-Diepolder, Winckelmanns Briefe Nr. 421, 422, 425, 441, 471, 920 aus den Jahren 1761, 1762, 1767 und Justi Carl: Winckelmann u. seine Zeitgenossen, 3. Aufl., III, S. 8ff.

9

ausgesetzt, und das Preisausschreiben bestimmte über die Form der L o b r e d e : Il peut être écrit en Français, en Allemand, en Italien ou en Latin, mais il ne sera imprimé qu'en Français. D a ß die Gründungsurkunde der Gesellschaft und das Preisausschreiben in französischer Sprache abgefaßt sind, ist nicht erstaunlich. A n den kleinen deutschen Fürstenhöfen war Frankreich auf allen Gebieten der Wissenschaften und K ü n s t e tonangebend. Friedrich war v o n einem Franzosen erzogen, durch Studien in G e n f , durch Reisen und durch den U m g a n g mit Franzosen gebildet worden und nahm sie für seine geistigen Bestrebungen zu Ratgebern. Diese gewandten und oft vielseitig gebildeten Glücksritter, die sich an allen europäischen Höfen herumtrieben, wußten durch Schmeicheleien das O h r der Fürsten zu gewinnen. Z u dieser Spezies v o n H ö f l i n g e n gehörte auch Jean Pierre Luchet 1 , der seinen Mangel an jeder wissenschaftlichen Bildung durch einen unermeßlichen D ü n k e l zu ersetzen w u ß t e . Er hatte sich den Titel Marquis de Luchet selbst gegeben und war, durch Voltaire empfohlen, 1775 an den H o f v o n Kassel g e k o m m e n , w o er sich in das Vertrauen Friedrichs einzuschmeicheln verstand, der ihn zum Leiter des französischen Hoftheaters und der Hofkapelle, zum Bibliothekar der H o f b i b l i o t h e k , zum Historiographen v o n Hessen ernannte und sich v o n ihm in allen Fragen des Geschmacks beeinflussen ließ. Luchet hatte als „Secrétaire perpetuel" der Société großen Einfluß. Im A n f a n g ernannte Friedrich selbst eine Anzahl Mitglieder, meist hohe H o f - und Staatsbeamte, denen bald auch Gelehrte und Künstler zugesellt wurden. D e r ordentlichen Mitglieder durften es nicht mehr als vierzig sein, später erfolgte ihre A u f nahme auf V o r s c h l a g des Ständigen Sekretärs. D i e Ehren- und korrespondierenden Mitglieder wurden v o m Landgrafen selbst bestimmt. V o n einem auf drei Jahre zu wählenden A u s s c h u ß v o n sechs Mitgliedern, dem Luchet präsidierte, wurden die Preisaufgaben vorgeschlagen, die einlaufenden Arbeiten geprüft und die Herausgabe der Schriften geleitet. D a ß Friedrich diesen wichtigen Posten seinem Günstling Luchet übertrug, war für die Richtung, die die Bestrebungen der Société v o n vornherein nahmen, verhängnisvoll. In der ersten Zeit war die Teilnahme der Mitglieder noch groß, zumal Friedrich in den Jahren 1777 und 1778 selbst eine Reihe v o n V o r t r ä g e n hielt, überall mit rühmlichem Eifer v o r a n g i n g und sich der R u h m der Gesellschaft dadurch verbreitete, daß geachtete Gelehrte und sonstige Notabilitäten Deutschlands und des Auslands zu Ehrenmitgliedern ernannt wurden, unter denen sich Albrecht v o n Haller, Wieland, Karl v o n Dalberg, Lessing und Sulzer befanden. D i e Gesellschaft bestand bis zum Jahre 1808, also nur 31 Jahre, 1

Strieder in der „Hessischen Gelehrten- u. Schriftstellergeschichte", VIII, S. 117—157;

Bern-

hardi, K . in „Ztschr. d. Vereins f. hessische Geschichte u. Landeskunde". Ältere Folge S. 308—545. IO

V,

2 3 Jahre über den T o d des Stifters hinaus, aber sie w a r schließlich nur n o c h ein P r i v a t v e r e i n literarisch interessierter F r e u n d e . A l s die F r a n z o s e n 1807 H e s s e n besetzten, k o n n t e J o h a n n e s v o n M ü l l e r , der G e n e r a l d i r e k t o r des ö f f e n t l i c h e n Unterrichtes, nichts anderes b e r i c h t e n , als d a ß die S o c i é t é des A n t i q u i t é s . . . n'a plus l ' o b j e t après q u e M r . D e n o n 1

a v i s i t é les antiquités des

anciens

Princes. A u s d e m „ B e s u c h " w a r eine P l ü n d e r u n g des M u s e u m s auf B e f e h l N a p o l e o n s g e w o r d e n . 2 A l s F r i e d r i c h starb, w u r d e n seine V e r d i e n s t e u m die g e i s t i g e H e b u n g seines L a n d e s g e w ü r d i g t , aber w i r d ü r f e n n i c h t v e r g e s s e n , d a ß er, w i e sein V a t e r u n d sein S o h n , jährlich 1200 seiner L a n d e s k i n d e r an E n g land v e r k a u f t e , die f ü r dessen Interessen auf d e n S c h l a c h t f e l d e r n A m e r i k a s v e r b l u t e t e n . E r m a c h t e es nicht anders als die F ü r s t e n v o n

Braunschweig,

H a n a u , A n s b a c h , A n h a l t - Z e r b s t u. a., aber F r i e d r i c h w a r der g e w i s s e n l o s e s t e G e s c h ä f t s m a n n unter diesen M e n s c h e n h ä n d l e r n . Friedrichs N a c h f o l g e r s c h r ä n k t e den A u f w a n d f ü r die k o s t s p i e l i g e n

Unter-

n e h m u n g e n seines V a t e r s ein, deutsche S p r a c h e u n d Sitte g e w a n n e n die O b e r hand über die f r a n z ö s i s c h e , die G e s e l l s c h a f t der A l t e r t ü m e r w u r d e d e u t s c h u n d erhielt eine andere E i n r i c h t u n g . D i e G e s e l l s c h a f t hat in den Jahren ihres Bestehens f ü n f P r e i s a u f g a b e n gestellt, v o n d e n e n w i r nur der ersten unsere b e s o n d e r e B e a c h t u n g s c h e n k e n . Hoffnung, daß viele Arbeiten eingehen würden,

erfüllte sich nicht.

Die Zum

f e s t g e s e t z t e n T e r m i n e w u r d e n u r die A r b e i t des G ö t t i n g e r P r o f e s s o r s f ü r Altertumskunde

Chr. G o t t l o b

H e y n e eingesandt,

eine z w e i t e , e i n i g e

später, aus W e i m a r v o n J. G . Herder. D e r z u r B e a r b e i t u n g

Tage

aufgeforderte

R a t R e i f f e n s t e i n k a u f t e sich, w o h l in der E r k e n n t n i s , d a ß er der A u f g a b e n i c h t g e w a c h s e n sei, d u r c h den v o n V a l a d i e r g e f e r t i g t e n A b g u ß einer W i n c k e l mann-Büste

des g o t h a i s c h e n Bildhauers Fr. W . D o e l l los. Sie b e f i n d e t sich

n o c h h e u t e i m Hessischen L a n d e s m u s e u m u n d ist auf d e m U m s c h l a g dieser J a h r e s g a b e w i e d e r g e g e b e n . 3 Ü b e r die B e u r t e i l u n g der b e i d e n A r b e i t e n l i e g e n nur sehr d ü r f t i g e N a c h r i c h t e n v o r . D a s P r o t o k o l l v o m

3. 7. 1 7 7 8 lautete:

1° E l o g e de V i n c k e l m a n n q u i d o i t r e m p o r t e r le p r i x . z° o n a été au S c r u t i n ( g e h e i m e A b s t i m m u n g ) du p r e m i e r discours qui a R e m p o r t é le p r i x d ' u n e v o i x u n a n i m e . D e r P r e m i e r d i s c o u r s w a r die A b h a n d l u n g C h r . G . H e y n e s , K ö n . Großbritt. Ch. Braunschwei.

Hofrats

und

P r o f . d. R e d e k u n s t

und

D i c h t k u n s t z u G ö t t i n g e n ; f ü r die A r b e i t H e r d e r s , seit 1 7 7 6 G e n e r a l - S u p e r intendent u n d O b e r - H o f p r e d i g e r in W e i m a r , die als „ m é d i o c r e " erklärt u n d nicht e i n m a l g a n z d u r c h g e l e s e n w u r d e , e r h o b sich nur e i n e

wohlwollende

1

Der Beauftragte Napoleons für die Erfassung der Kunstschätze der eroberten Länder.

2

Bernhardi, Karl: Kurzer Abriß einer Geschichte der Altertümer zu Kassel in Ztschr. d. Vereins f. hessische Geschichte u. Landeskunde I, S. 1.

3

Zeller-Steinmann: Zur Entstehung der Winckelmannbüsten von Friedrich Wilhelm Doli in Jahresgabe 1954/5 der W.-Gesellschaft Stendal.

11

Stimme. A l s M o t t o trug Heynes Arbeit den Hexameter E t dubitamus adhuc virtutem extendere factis 1 , sie war deutsch abgesetzt, führte aber den französischen, v o n der Société der A u f g a b e gegebenen Titel. Sie erschien, entgegen den Bedingungen, in deutscher Sprache unter dem Titel „ L o b s c h r i f t auf Winckelmann in Kassel 1 7 7 8 " später in Leipzig; ins Französische übersetzt, in dem ersten und einzigen Bande der Mémoires de la Société 1780, später auch noch in italienischer Sprache. D a ß Heynes Lobschrift den Sieg über die bessere Herders davontrug, ist für den, der mit den Verhältnissen vertraut ist, verständlich. Der angesehene Philologe auf dem Lehrstuhle der berühmten Georgia A u g u s t a war nicht nur seit langer Zeit das wissenschaftliche Faktotum der Kasseler Altertumsforscher, sondern stand auch zu einigen Mitgliedern des Comités in persönlichen Beziehungen, v o n denen zwei ihm für ihr persönliches Weiterkommen noch besonders verpflichtet waren. D a Heyne dem den Ausschlag gebenden eitlen Luchet, w o er konnte, L o b spendete — es liegen z w ö l f Briefe Heynes an ihn aus den Jahren 1777—1779 v o r — so trat der Göttinger mit weitaus besseren W a f f e n als Herder in die Schranken. Herders „ D e n k m a h l Johann Winckelmanns", demselben v o r der Fürstl. A k a d e m i e der Altertümer zu Cassel bei A n l a ß der ersten Preisaufgabe im Jahre 1777 errichtet mit dem horazischen M o t t o aus Carm. III: Sume superbiam quaesitam meritis (nimm ein edles Selbstgefühl an) und einem auf besonderem Blatte beigefügten zweiten M o t t o aus der neunten olympischen O d e Pindars, wurde 1881 v o n dem damaligen ersten Bibliothekar der Ständischen Landesbibliothek zu Kassel Albert Duncker aufgefunden, nachdem schon Bernhard Suphan, der Herausgeber der W e r k e Herders, und Rudolf Haym, der Biograph Herders, auf ihr mögliches Vorhandensein in Kassel hingewiesen hatten. W i r bringen den T e x t der Erstausgabe mit den Fußnoten. 2 Herders B e w e r b u n g hatte v o n vornherein w e n i g Aussicht auf E r f o l g , o b w o h l der Verfasser damals schon eine literarische Berühmtheit und v o n der Berliner A k a d e m i e wiederholt mit Preisen ausgezeichnet war. Das „ D e n k m a h l " — Herder vermeidet die Bezeichnung „ L o b s c h r i f t " — fiel aus dem Rahmen der üblichen Preisschriften in Stil und Inhalt gänzlich heraus, und die gegen die beaux esprits gerichteten Ausfälle, die Polemik gegen den französischen 1

A n s p i e l u n g auf die W o r t e , welche V e r g i l , Aeneis X 468, durch Herkules dem tapferen Pallas v o r seinem T o d e zurufen läßt: O m n i b u s et vitae; sed famam extendere factis hoc virtutis opus. (Fest steht jedem sein T a g , nur k u r z ist und unersetzlich alles das L e b e n bestimmt; doch R u h m ausdehnen durch Taten, das ist der T u g e n d e n W e r k . Übers, v . J. H. V o ß ) .

2

D u n c k e r , A l b e r t : D e n k m a l Johann Winckelmanns. Eine u n g e k r ö n t e Preisschrift Herders a. d. Jahre 1778, Kassel 1882; dazu Ernst N e u m a n n in d. Ztschr. f. Deutsches A l t e r t u m u. deutsche Literatur, 27. Bd. 1883 ; A n z e i g e r f. Deutsches A l t e r t u m etc. 1 X 1 8 8 3 , S. 195—203); Suphan, Eine klassische L o b s c h r i f t auf W . in: Preußische Jahrbücher L V , Berlin, 1882; H a y m , E i n e klassische L o b s c h r i f t auf W . Herder II, S. 96—105. Berlin 1954, A u f b a u V e r l .

12

Bildhauer Falconet 1 , der sich angemaßt hatte, Winckelmann zu meistern, mußten den Landgrafen und sein Orakel Luchet hart treffen und ihnen wie ein Hohn auf ihre wissenschaftlichen Bestrebungen erscheinen. A n f a n g s wird der Weimaraner die D e m ü t i g u n g , unterlegen zu sein, schmerzlich empfunden haben, scheint aber nie mehr v o n ihr gesprochen zu haben. Selbst seiner Frau Karoline hatte er v o n seiner B e w e r b u n g und seinem M i ß erfolg nichts mitgeteilt, und in die nach seinem T o d e veranstaltete Gesamtausgabe ist die A b h a n d l u n g nicht aufgenommen worden. Es bewegt uns die Frage, o b Heyne, der Winckelmann befreundet war 2 , v o n dessen Mitbewerberschaft g e w u ß t habe. W i r können es nicht sagen, und ebensowenig läßt sich die Frage beantworten, ob Herder nach der Entscheidung des Comités seinem Freunde davon Kenntnis gegeben hat. Jedenfalls hatte er die ihm v o n Kassel widerfahrene Z u r ü c k w e i s u n g bald so verschmerzt, daß er in der „ N a c h e r i n n e r u n g " zu dem „ D e n k m a h l " im Teutschen M e r k u r v o m September 1781 Heyne als „einen der ältesten Winckelmannischen Freunde" und als den „ e i n z i g e n M a n n " in Deutschland bezeichnet, der uns die beste, correcteste, ja eine vermehrte, berichtigte A u s g a b e der W i n c k e l mannischen Schriften liefern könnte. Die Zusammenstellung der Lobschriften Heynes und Herders gibt dem Leser die Möglichkeit, über die Entscheidung des Kasseler Preisgerichtes sich selbst ein Urteil zu bilden. In der Literatur, die sich mit dieser Frage beschäftigt hat, w i r d heute der Schrift Herders der V o r z u g gegeben. H a y m sagt in seiner Herder-Biographie, so sachgemäß, so richtig, so unanfechtbar die Schrift Heynes sei, so dürftig nüchtern bis zur Armseligkeit sei sie auch im V e r gleich zu der schönen und warmherzigen L o b r e d e Herders. Tatsächlich liest man sie heute ohne innere Anteilnahme. Der Winckelmann-Freund wird Heynes anerkennende W o r t e über Winckelmann mit G e n u g t u u n g lesen, auch die Lücken anerkennen, die Heyne nicht versäumt bloßzulegen, aber w e n n dieser sich im Bewußtsein der Erhabenheit über solche Schwächen in solches Gefühl der Überlegenheit hineinschreibt, daß er v o n Behauptungen des „ g u t e n " W i n c k e l m a n n spricht, dessen erhitzter Phantasie man manches 1

Falconet, Etienne Maurice

(1716—1791)

Bildhauer u. Kunstschriftsteller. Sein Hauptwerk ist die

Reiterstatue Peters d. Gr. in Leningrad. Er wendet sich vom Überschwang des Rokoko los u. zu einem reineren plastischen Stil hin. — Goethe hat ihm einen Aufsatz gewidmet. In seinen kunsthistorischen „ O e r e s " bekämpft er die kritiklose Vergötterung der Antike u. den Dilettantismus der Kunstschriftsteller von Plinius bis Winckelmann u. Lessing. In W's Geschichte der Kunst weiß er manches zu loben, doch wendet er sich heftig gegen dessen Bemerkungen über den Kopf des Pferdes von der Reiterstatue des Marc Aurel in Rom. 2

Über den Freundschaftsbund der beiden Männer s. H. Düntzer, V o n und an Herder. Ungedruckte Briefe aus Herders Nachlaß. Leipzig 1861; Haym, Herder; H. A . von Heeren, Etwas über das Verhältnis zwischen Herder u. Winckelmann (Friedrich Schlegel, Deutsches Museum III 6. 18. 3); Justi, W . u. seine Zeitgenossen, }. A u f l . 19Z3.

13

zugute halten müsse (Justi), so kann man sich des Gefühls kaum erwehren, daß hier Regungen der Eifersucht auf den in der Weltstadt R o m lebenden und wirkenden Freund mitgewirkt haben, der ihm am 30. 3. 1765 geschrieben hatte: „ V o n Ihnen möchte ich wissen, ob man an einem Orte, wie Göttingen ist, vergnügt leben könne, und wie man es angebe, es zu seyn. Denn ich kann mir nicht vorstellen, wie dieser und jeder Ort, w o Akademien sind, Leipzig ausgenommen, und die Ernsthaftigkeit, die ein Professor annehmen muß, hierzu Gelegenheit gebe. Mich deucht, man müsse in dieser Lebensart alt werden, und vor derZeit, man mag wollen oder nicht. Es würde aber noch schwerer werden für jemand, der einen gütigen Himmel und ein schönes Land, w o die ganze Natur lacht, lange Zeit genossen hat." 1 Justi, der auf Heyne nicht gut zu sprechen ist, ist v o n dessen Eifersucht überzeugt und spricht es in seiner Winckelmann-Biographie aus, daß, wiewohl Heyne der offizielle und gekrönte Lobredner des andern werden sollte, er ihm nichtoffiziell, offen und zwischen den Zeilen, so viel Blätter, als er konnte, aus seinem Lorbeerkranz abzupflücken suchte. Jedenfalls fühlte sich der Göttinger Professor dem großen Bahnbrecher bereits um mehrere Schritte voraus, und Haym meint etwas wohlwollender, daß, wenn Heyne als nächste Aufgabe eine Kritik der Winckelmannschen Kunstgeschichte, ein Repertorium von allen Antiken, eine Anleitung zum Studium des Altertums und eine zweckmäßige Behandlung der Hilfswissenschaften, vor allem ein gutes Buch über die Mythologie der Alten bezeichnet — wer könnte diese Forderungen lesen, ohne sich zu erinnern, daß der gelehrte Mann sich selbst in dieser Richtung wesentlich verdient gemacht habe, und ohne den Eindruck zu bekommen, daß er sich dessen reichlich bewußt gewesen sei. Im Gegensatz zur trockenen Lobschrift Heynes ist die Herders v o n Anfang bis Ende fesselnd und erregend. Die Aufgabe mußte ihn, der bereits im ersten der „Kritischen Wälder" und in der zweiten Sammlung der „ F r a g mente über die neuere deutsche Literatur" seiner fast überschwenglichen Verehrung für den Stendaler Ausdruck verliehen hatte, zu einer „reifsten Gestalt" reizen. Wenn Heyne am Anfange seiner Abhandlung betont, er nehme nicht den Schwung eines Panegyristen — er hätte ihn bei seinem Wesen auch nicht nehmen können —, so ist der T o n des Herderschen Denkmals als ekstatisch zu bezeichnen, wobei wir uns der Briefe Winckelmanns an die Schweizer Freunde P. Usteri und Mechel 2 erinnern, in denen er seiner Freude über das L o b des ihm unbekannten „Pindarischen Verfassers" in den Fragmenten über die neuere deutsche Literatur — er vermutete in dem Schreiber einen Schweizer — Ausdruck gibt und bittet, dem Vertreter vielmals 1

Rehm-Dipolder, Briefausgabe Winckelmanns, 4 Bd., Berlin 1952—1957, N r . 697.

2

Rehm a. a. O., N r . 926 an Usteri vom 2. 1 . 1768 und N r . 929 an Mechel v . 1 3 . 1 . 1768.

14

zu danken. Für eine sich in den herkömmlichen Bahnen bewegende Lobrede war Herder nicht zu haben, dazu hätte er zu viel unterdrücken müssen, was zu sagen ihn aber sein Stolz, seine Würde, die Scham vor sich selbst nötigte. Er hielt mit seinem Abscheu vor der Wortkrämerei, den Fakultäten- und Magisterkünsten und dem Kathedergewäsch nicht zurück, setzte sich bewußt in Gegensatz zur ganzen Art der Aufgabe. Von der Preisaufgabe nahm er nichts weiter als den „Anlaß", das Denkmal errichtete aber nicht mehr die Akademie, sondern er selbst. Er stellt es, wie der Titel besagt, v o r der Akademie zu Kassel auf, ihr zur Lehre und zum Beispiel. Vielleicht machten seine Mahnungen Eindruck, vielleicht öffnete er den maßgebenden Kreisen die Augen. Das Denkmal weist alle Vorzüge und Eigentümlichkeiten des Verfassers auf, es ist übersteigert in der Bewunderung seines Helden, die als Folie eine nicht minder übertriebene Dunkelmalerei des Zeithintergrundes erhält, ein echt Herdersches Produkt „jenes Unmutes, der ihn in der Jugend ergriffen hatte, und den er in der Folgezeit durch Geisteskraft nicht zu mäßigen wußte", jenes Unmutes, der ihm alle anfänglichen Freunde entfremden sollte und ihn auch die Freundschaft Goethes kostete. Wir sind Herder, der das Wort von der säcularen Bedeutung Winckelmanns „Winckelmann und sein Jahrhundert" zuerst gesprochen hat, dankbar für seine Preisschrift, „die mit einem unbegreiflich erleuchteten Seherblick die ursprunghaften Tiefen des Winckelmannschen Gesamtdaseins und -wirkens und ihre viel weitergehende, fast unbegrenzte Bedeutung für das Volk, sein Wesen und sein Schicksal enthüllen." 1 1

Vallentin, Berthold: Winckelmann, Berlin, 1 9 3 1 .

D I E LOBSCHRIFT VON CHRISTIAN GOTTLOB H E Y N E

J o h a n n Heinrich Tischbein d . J . , Christian G o t t l o b H e y n e , 1 7 7 2 . U n i v . B i b l . L e i p z i g ( E i n Altersbild Heynes in J a h r e s g . 1961 der W i n c k e l m a n n - G e s e l l s c h a f t . )

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