Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte: Band 4 Jahr 1893 [Reprint 2020 ed.] 9783112358368, 9783112358351


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German Pages 688 [718] Year 1895

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Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte: Band 4 Jahr 1893 [Reprint 2020 ed.]
 9783112358368, 9783112358351

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JAHRESBERICHTE FÜR

NEUERE

DEUTSCHE LITERATURGESCHICHTE UNTER MITWIRKUNG VON

J. BOLTE, W. CREIZENACH, K. DRESCHER, G. ELLINGER, E. ELSTER, P. GOLDSCHEIDER, W. GOLTHER, C. GURLITT, 0. HARNACK, 0. VON HASE, A. HAÜFFEN, K. HEINEMANN, E. JEEP, G. KAWERAU, K. KEHRBACH, A. KOESTER, G. LIEBE, R. M. MEYER, V. MICHELS, J. MINOR, F. MÜNCKER, E. NAUMANN, L. PARISER, 0. PNIOWER, A. REIFFERSCHEID, H. REIMANN, A. SAUER, W. SCHEEL, AD. STERN, V. VALENTIN, F. VOGT, M. VON WALDBERG, 0. F. WALZEL, A. VON WEILEN, R. M. WERNER, G. WINTER, G. WITKOWSKI, H. WÜNDERLICH MIT BESONDERER UNTERSTÜTZUNG VON

ERICH SCHMIDT HERAUSGEGEBEN VON

JULIUS ELIAS UND MAX OSBORN.

VIERTER BAND (JAHR 1893).

LEIPZIG. G. J. G Ö S C H E N ' S C H E

VE R LAG S HAN D L U NG.

1895.

U n s e r e Hoffnung, die Zeit, die zwischen dem Erscheinungsjahr des Materials und des Berichtes liegt, noch mehr als bisher verkürzen zu können, ist leider getäuscht worden. Die Gründe dafür sind zumeist in den persönlichen Verhältnissen unserer Mitarbeiter zu suchen; dann aber auch in der immer beschwerlicheren Sammlung und Beschaffung des Berichtsmaterials und endlich in den stets erhöhten Schwierigkeiten, die der Redaktion bei der Anfertigung der Register erstehen. Alles dieses hängt unmittelbar auch mit dem von Jahr zu Jahr wachsenden Umfange des Buches zusammen, der einerseits durch die Eingliederung neuer notwendiger Kapitel, andererseits durch das Bestreben hervorgerufen wird, die Bibliographie so vollständig wie irgend erreichbar zu gestalten. Ueberdies wollen wir nicht verhehlen, dass einzelne Kapitel für das Gcsamtmass unseres Bandes im Texte zu ausführlich geraten sind, und wir wissen recht wohl, dass es zu unseren wichtigsten Aufgaben gehört, diese Ungleichheiten mit der Zeit zu beseitigen. Eine weitere Verlegenheit bereitet der Redaktion der andauernde Wechsel unter den Mitarbeitern, dem sie durchaus machtlos gegenüber steht. So musste auch diesmal wieder ein Kapitel für den nächsten Band zurückgesetzt werden, weil die völlig unerwartete Absage des gewonnenen Bearbeiters zu spät kam, als dass der Nachfolger das Manuskript noch rechtzeitig hätte fertig stellen können: Georg Winter war es ganz unmöglich, den von Kurt Breysig plötzlich wieder aufgegebenen Abschnitt „Politische Geschichte des 18./19. Jahrhunderts" (IV, lb) im Laufe weniger Wochen zu bewältigen. Etwas anders lag der Fall bei dem Kapitel „Didaktik des 16. Jahrhunderts" (II, 5); Waldemar Kawerau haben es die Berufsgeschäfte zu unserem und zu seinem eigenen Bedauern zur Pflicht gemacht, Terminarbeiten dieser Art zu entsagen. Sehr ungern sehen wir diesen trefflichen Mitarbeiter und Freund der „Jahresberichte" aus unserer Mitte scheiden. Aber auch sein Rücktritt erfolgte erst in letzter Stunde, so dass nun Ernst Jeep im nächsten Bande zwei Berichtsjahre vereinigen muss. Ebenso wird Jakob Minor, der von nun ab an Stelle Andreas Heuslers über die „Geschichte der Metrik" (I, 9) berichtet, die Jahrgänge 1893 und 1894 verbinden, weil das Material für eine besondere Besprechung zu geringfügig erschien. Auch Max von Waldberg, der, durch ältere litterarische Aufgaben gedrängt, die Arbeit diesmal aussetzen musste, wird sein Referat über das „Epos des 18./19. Jahrhunderts" (IV, 3) im fünften Bande nachtragen. Das Kapitel „Volkskunde" geht von Friedrich Vogt auf Adolf Hauffen über, die „Litteratur in der Schule" von Paul Goldscheider auf Ernst Naumann. Hermann Wunderlich, dem wir Jahre hindurch zu lebhaftem Dank verpflichtet waren, sah sich durch andere Arbeitslasten genötigt, sein treu verwaltetes Kapitel zurückzugeben; die Erscheinungen zur „Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache" wird in Zukunft Willy Scheel be-

sprechen. Johannes Bolte und Wilhelm Creizenach haben ihre Arbeitsgebiete (II, 4 und III, 4) nach persönlichem Uebereinkommen getauscht, und da das Jubiläumsjahr des Hans Sachs für den nächsten Band das Material in bestimmter Richtung häuft, so haben wir für den fünften Jahrgang ein vereinzeltes Hans Sachs-Kapitel geschaffen, das in den Händen Karl Dreschers liegt. Mit dem Jubiläumsjahr auch hat der Abschnitt „Grillparzer" aufgehört. Er ist in den allgemeinen Bericht über das „Drama" zurückgekehrt, und sein Bearbeiter August Sauer bethätigt sich nun zu unserer Freude an dem Kapitel „Lyrik des 18./19. Jahrhunderts" (IV, 2). Der Schluss dieses Teiles, der zuletzt gesetzt wurde, musste aus rein technischen Gründen zurückgehalten werden; er wird im sehr bald erscheinenden ersten Hefte des künftigen Bandes nachgeliefert. Hiermit kommen wir zu einer Neuerung, die vielen Wünschen entsprechen wird: der Ausgabe des Bandes in vier einzelnen Heften (statt der früheren beiden Halbbände). Wir haben dadurch die Möglichkeit gewonnen, die einmal fertig gestellton Partien nicht über Gebühr lange liegen zu lassen. Der neue Besitzer der G. J. Göschenschen Verlagsbandlung, Herr W i l h e l m C r a y e n in Leipzig, hat diesem wie anderen Verbesserungsvorschlägen bereitwillig zugestimmt. Mit dem Schlüsse dieses Bandes büssen die Jahresberichte eine Kraft ein, deren Bedeutung und Wichtigkeit einzig die Redaktion richtig zu schätzen und zu würdigen vermag. R i c h a r d R o s e n b a u m , der fast zwei Jahre hindurch treu und selbstlos an unserer Seite gewirkt hat, kehrt in seine Heimat zurück. Er hat uns in dem gelehrten wie dem geschäftlichen Teile unserer Arbeit während dieser Zeit so wesentlich unterstützt, dass wir seine Wirksamkeit allezeit schmerzlich entbehren müssen. Wir werden stets in der Erinnerung bewahren, wie innig wir ihm zu Dank verbunden sind. Wir dürfen an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass wir unsere auswärtigen Angelegenheiten ohne die thatkräftige Hülfe der Firmen H e i n r i c h W e l t e r in Paris (Rue Bon aparte 59) und A. A s h e r & Co. in Berlin schwerlich hätten erledigen können. Wer sonst noch mit liebenswürdigem Entgegenkommen an unserer weit verzweigten Arbeit sich beteiligt hat, dessen Namen haben wir auf einer Danktafel am Schlüsse dieses Bandes verzeichnet.

Berlin W.

Matthäikircbstr. 4.11-

JULIUS ELIAS.

MAX

OSBORN.

Inhaltsverzeichnis. Erster Halbband.

1. Allgemeiner Teil. 1. L i t e r a t u r g e s c h i c h t e 1892, 1893. Von Dr. Otto Harnack in Rom. 2. G e s c h i c h t e der d e u t s c h e n P h i l o l o g i e . Von Dr. W o l f g a n g G o l t h e r , Professor an der Universität Rostock. 3. S c h r i f t - und B u c h w e s e n . Von Dr. Oskar v o n H a s e in Leipzig. 4. K u l t u r g e s c h i c h t e . Von Dr. G e o r g Liebe, Assistenten am Staatsarchiv zu Magdeburg. 5. V o l k s k u n d e . Von Dr. F r i e d r i c h V o g t , Professor an der Universität Breslau. 6. Geschichte des U n t e r r i c h t s - und E r z i e h u n g s w e s e n s . Von Professor Dr. K a r l Kehrbach in Berlin. 7. Die L i t t e r a t u r in der Schule. Von Dr. Paul G o l d s c h e i d e r , Professor am Gymnasium zu Elberfeld. 8. G e s c h i c h t e der n e u h o c h d e u t s c h e n Schriftsprache. Von Dr. Hermann W u n d e r l i c h , Professor an der Universität Heidelberg. 9. G e s c h i c h t e der Metrik. Von Dr. Jakob Minor, Professor an der Universität Wien. Vgl. Bd. 6 der JBL. 10. S t o f f g e s c h i c h t e . Von Dr. J o h a n n e s B o l t e , Oberlehrer am Königstädtischen Gymnasium zu Berlin. 11. K u n s t g e s c h i c h t e 1892, 1893. Von Dr. Cornelius Gurlitt, Professor an der Technischen Hochschule zu Dresden. 12. P o e t i k und ihre Geschichte. Von Dr. R i c h a r d Maria Werner, Professor an der Universität Lemberg. 13. M u s i k g e s c h i c h t e . Von Dr. H e i n r i c h R e i m a n n , Bibliothekar an der Königlichen Bibliothek zu Berlin.

II. Von der Mitte des 15. bis znm Anfang des 17. Jahrhunderts. 1. A l l g e m e i n e s . Von Dr. Max O s b o r n in Berlin. 2. L y r i k . Von Dr. G e o r g E l l i n g e r , Oberlehrer an der 6. Städtischen Realschule zu Berlin. 3. Epos. Von Dr. A d o l f H a u f f e n , Privatdocenten an der Universität Prag. 4. Drama. Von Dr. W i l h e l m Creizenach, Professor an der Universität Krakau. 5. D i d a k t i k . Von Dr. E r n s t J e e p in Berlin, vgl. Bd. s der JBL. 6. L u t h e r und die R e f o r m a t i o n . Von Dr. Gustav K a w e r a u , Professor an der Universität Breslau. 7. Humanisten und Neulateiner. Von Dr. G e o r g E l l i n g e r , Oberlehrer an der 6. Städtischen Realschule zu Berlin.

Inhaltsverzeichnis.

Zweiter Halbband.

III. Yom Anfang des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. 1. A l l g e m e i n e s . Von Dr. A l e x a n d e r R e i f f e r s c h e i d , Professor an der Universität Greifswald. 2. L y r i k . Von Dr. L u d w i g P a r i s e r in München. 3. E p o s . Von Dr. A l e x a n d e r R e i f f e r s c h e i d , Professor an der Universität Greifswald. 4. Drama. Von Dr. Johannes Bolte, Oberlehrer am Königstädtischen Gymnasium zu Berlin. 5. D i d a k t i k . Von Dr. Victor Michels, Professor an der Universität Jena.

IV. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 1. A l l g e m e i n e s . a) L i t e r a t u r g e s c h i c h t e . Von Dr. A d o l f Stern, Professor an der Technischen Hochschule zu Dresden. b) P o l i t i s c h e Geschichte. Von Dr. Georg W i n t e r , Archivar am Staatsarchiv zu Magdeburg, vgl. Bd. 5 der JBL. c) Memoiren, T a g e b ü c h e r und B r i e f w e c h s e l . 1892,1893. VonDr. Franz Munck er, Professor an der Universität München. d) Die deutsche Litteratur und das Ausland. Von Dr. Adolf Stern, Professor an der Technischen Hochschule zu Dresden. 2. Lyrik. 1892, 1893. a) Von der Mitte des 18. J a h r h u n d e r t s b i s zu den F r e i h e i t s k r i e g e n . Von Dr. A u g u s t Sauer, Professor an der Universität Prag. b) Von den F r e i h e i t s k r i e g e n b i s zur G e g e n w a r t . Von Dr. J u l i u s Elias in Berlin. 3. Epos. Von Dr. Max F r e i h e r r n von Waldberg, Professor an der Universität Heidelberg. Vgl. Bd. 5 der JBL. 4. Drama und T h e a t e r g e s c h i c h t e . Von Dr. A l e x a n d e r v o n W e i l e n , Privatdocenten an der Universität Wien. 5. Didaktik. Von Dr. R i c h a r d M. M e y e r , Privatdocenten an der Universität Berlin. 6. L e s s i n g . Von Dr. Erich S c h m i d t , Professor an der Universität Berlin. 7. Herder. Von Dr. E r n s t N a u m a n n , Professor am Friedrich-WilhelmsGymnasium zu Berlin. 8. Goethe. a) A l l g e m e i n e s . Von Professor Dr. Veit Valentin in Frankfurt a. M. b) Leben. Von Dr. Karl Heinemann, Oberlehrer am Kgl. Gymnasium zu Leipzig. c) L y r i k . Von Dr. Otto P n i o w e r in Berlin. d) Epos. Von Dr. Georg W i t k o w s k i , Privatdocenten an der Universität Leipzig. e) Drama. Von Dr. G e o r g W i t k o w s k i , Privatdocenten an der Universität Leipzig. 9. Schiller. Von Dr. Albert Köster, Professor an der Universität Marburg. 10. R o m a n t i k . Von Dr. Oskar F. W a l z e l , Privatdocenten an der Universität Wien. 11. Das j u n g e Deutschland. Von Dr. E r n s t E l s t e r , Professor an der Universität Leipzig. Autorenregister. Sachregister. Siglenregister. B e m e r k u n g e n f ü r den Gebrauch. Druckfehlerverzeichnis. Danktafel. m 1 ;

I. Allgemeiner Teil. 1,1

Literaturgeschichte. 1892, 1893. Otto Harnack. M e t h o d i s c h e s : Allgemeine historische Wissenschaft: Aufgabe der Geschichtsforschung N. 1; Hauptinhalt der Geschichte N. 15; Verhältnis der Kulturgcschichto zur politischen Geschichte N. 24; Geschichtsunterricht N. 28; Objektivität N. 30. — Philologie N. 40. — Aesthetische Betrachtung der Litteraturgeschichte N. 49. — Kritik N. 59. — L i t t e r a t u r g e s c h i o h t e : Gesamtdarstellungen: universale N. 76, deutsche N. 78. — Lokale Litteraturgescliichten: Schweiz N. 110; Mecklenburg N. 111; Böhmen N. 112. — Sammelwerke N. 117. — Verschiedenes N. 140. — P r a k t i s c h e s : für den Schriftsteller N. 144; für das Publikum N. 154; für den Litterarhistoriker N. 162. —

Der Bericht über die Jahre 1892 und 93 hat eine Reihe von Aeusserungen über Aufgabe und Methode der Litteraturgeschichte zu verzeichnen. Gegenüber dem Streit zwischen den Verfechtern der philologischen und denen der ästhetischen Betrachtungsweise wird die Berichterstattung sich am sichersten den objektiven Charakter wahren, wenn sie die Litteraturgeschichtezunächst als Zweig der a l l g e m e i n e n h i s t o r i schen W i s s e n s c h a f t betrachtet, wie dies auch schon früheran dieser Stelle (JBL. 1891 11:27) geschehen ist. A u f g a b e und Methode der G e s c h i c h t s f o r s c h u n g überhaupt behandelt S i m m e l 1 ) ; der Titel seiner Schrift wird durch den Beisatz „eine erkenntnistheoretische Studie" genugsam erklärt. Er setzt zunächst auseinander, dass alles historische Erkennen und Urteilen den Besitz fester psychologischer Massstäbe voraussetze, da jede Schlussfolgerung, welche eine einzelne Handlung als Symptom für die Erkenntnis einer Persönlichkeit, einer Generation, eines Volkes benutzt, dies nur vermittelst stillschweigend angenommener oder auch bewusst ausgesprochener psychologischer Voraussetzungen vermag. Er hätte auch hinzufügen können, dass auch schon die Quellenkritik gar nicht anders arbeiten kann, als indem sie für die Feststellung der Selbständigkeit, der Abstammung, der Glaubwürdigkeit einer Quelle stets psychologische Erwägungen verwertet; die einfache Frage, ob aus einer Uebereinstimmung zweier Quellen auf Abhängigkeit zu schliessen sei, ist eine psychologische. Im zweiten Abschnitt wendet sich S. gegen den angeblichen Gewinn von historischen „Gesetzen" aus der Forschung; er weist nach, dass es sich in jenen sogenannten Gesetzen, besonders wenn sie auf statistischem Wege gewonnen sind, in Wirklichkeit nur um die Konstatierung von Thatsachen, nicht aber um den Beweis einer Notwendigkeit handelt. Wenn er demnach im dritten Abschnitt eine Philosophie, d. h. Metaphysik der Geschichte auf dem Wege historischer Forschung zu finden für unmöglich erklärt, so giebt er zugleich doch den wissenschaftlich-historischen Standpunkt in überraschender Art preis, indem er meint: da die metaphysischen Vorstellungen auf andere Art gewonnen seien, werde man gegen den Versuch, sie an den historischen Entwicklungen zu bewähren, nichts einwenden können. — Viel Beachtung hat in Deutschland eine kleine Schrift des italienischen Unterrichtsministers V i l l a r i 2 ) gefunden; sie besteht aber hauptsächlich nur aus einein gedankenreichen Referat über die Anschauungen der wichtigsten deutschen, französischen, englischen und italienischen Geschichtsphilosophen. V. behandelt zuerst die Frage, ob die Ge1) G- S i m m e l , D. Probleme d. Geschichtsphilosophie. E. erkenntnistheoret. Studie, L., Duncker & Humblot. 1892. X. 108 S. M. 2,00. |[G. W i n t e r : BLU. 9. 86/7.JI (Vgl. JBL. 1892 IV l b : 1; 5 : 284.) — 2) P. V i l l a r i , Ist d. Gesch. e. Wissensohaft? Autoris. Uebers. V. H. L o e w i n s o n . B., B. Gaertner. 1892. 92 S. M. 2,00. |[K. H e i n r i c h : NationB. 9,

1*

I 1 : 8-18

0. H a r n a c k , Literaturgeschichte.

1892, 1893.

schichtsschreibung mehr Wissenschaft oder Kunst sei, und empfiehlt eine vermittelnde Lösung. Im weiteren Fortgang untersucht er, ob die Geschichtsforschung zu festen allgemeinen Ergebnissen gelangen könne, und weist in dem paränetisch gehaltenen Schluss darauf hin, dass dies nur unter der Voraussetzung fester, dem sittlichen Bewusstsein entnommener Massstäbe möglich sei. — Dagegen sieht S t o e c k e r t 3 ) gerade darin den Wert des historischen Studiums, dass es selbst diese Masstäbe schaffe, ja „dass alle tiefen und wesenhaften Ueberzeugungen nur mit Hülfe der Geschichte gewonnen werden können", dass daher das Geschichtsstudium für die Bildung des sittlichen Charakters vorzugsweise wichtig sei. — Die speciell methodischen Fragen haben in mehreren Besprechungen der Bücher von Bernheim 4 ) und von Lorenz 5 " 6 ) ( v g l . JBL. 1891 I 1:27) Behandlung gefunden. — Unsere obige Bemerkung, dass jede quellenkritische Forschung psychologische Erwägung verlange, wird in einer bestimmten Beziehung bekräftigt durch einen eingehenden Aufsatz Z e l l e r s 7 ), welcher darlegt, wie jeder Bericht, selbst der des Augenzeugen durch die Subjektivität des Erzählers unbewusst beeinflusst wird, ja auch sogar bewusstermassen in Fällen, wo doch der Vorwurf absichtlicher Fälschung nicht zu erheben ist. — Für einen speciellen, der Literaturgeschichte sich nähernden Zweig der Geschichte, die Kunstgeschichte, sucht v o n S c h l o s s e r 8 ) Normen der Quellenforschung zu geben, indem er die monumentalen und die litterarischen Quellen unterscheidet und feststellt, dass die letzteren nur „eine sekundäre Stellung" einnehmen können. 9 " 14 *) — Unter den Schriften, welche uns vom erkenntnistheoretischen auf das metaphysische Gebiet führen, indem sie sich mit dem H a u p t i n h a l t d e r G e s c h i c h t e beschäftigen, ragt die Schrift von R o c h o l l , 5 ) hervor. Einem fünfzehn Jahre zuvor erschienenen kritischen Teil hat er jetzt den „positiven Aufbau" folgen lassen. Unumwunden gesteht er zu, einen solchen Aufbau nur auf einem unabhängig von der historischen Forschung gelegten Fundament errichten zu können; er bezeichnet „die in der Zeit tausendjähriger christlicher Kultur gewonnenen Ideale" als seinen „bewährten Massstab". Er steht auf dem Boden des protestantischen Dogmas.' Die Schranken seiner Arbeit sind damit gegeben. Selbst der, welcher bestimmte metaphysische Annahmen für die notwendige Voraussetzung einer Geschichtsphilosophie hält, wird in den allermeisten Fällen doch den ganzen Komplex einer konfessionellen Dogmatik für ein viel zu schweres und bedrückendes Gepäck von Voraussetzungen halten, welches das Mass des Notwendigen bei weitem übersteigt. Aber diesen Standpunkt zugegeben, darf das Buch von R. wegen der ruhigen Objektivität seiner Darstellungsweise, wegen der Vorsicht der einzelnen Schlussfolgerungen eine hohe Schätzung beanspruchen. Die Entwicklung der Litteratur wird von R.s Gedankengang nicht oft berührt; aber was er (S. 426/8) über deutsche Klassik und Romantik sagt, ist verständnisvoll empfunden; „es ward offenbar, wie wir durch Aneignung der Masse und Formen des Altertums, durch die Aufnahme der Anschauung der Alten selbst und ihres Geschmacks, den besten Standpunkt für Wertschätzung der Güter des eigenen Altertums gewannen." — Mit der Geschichtsphilosophie beschäftigt sich auch das Buch von D i p p e1®), dessen Titel etwas irreführend ist. D. entfernt sich noch weiter als Rocholl von dein empirischen Standpunkt, welcher der modernen Wissenschaft unentbehrlich ist; er fasst die Geschichtsphilosophie als Teil der allgemeinen Philosophie und wünscht, dass sie ihre Aufgabe auf spekulativem W e g e löse. Was er selbst zu dieser Lösung beizutragen sucht, ist recht unbedeutend. — Das mehr und mehr wiedererwachende Streben nach philosophischer Gesamtbetrachtung ist auch in Italien durch C o r r a d i 1 7 ) und in Frankreich durch C h a r a u x 1 8 ) zum AusS.583/6; E. Rethwisch: MHL. 20, S. 289; DRs. 75, S. 154/5.]| (Italienisch zuerst erschienen in NAnt. 1891.) — 3) G. S t o e c k e r t , D. Bildungswert d. Gesch. B., R. Gaertner. 1892. 46 S. II. 1,00. |[K. Rethwisch: MHL. 20, S. 289; Gymn. 11, S. 691/2.]| — 4 1 X 1 Bernheim, Lehrbach d. hist. Methode. 2. Anfl. L., Dunoker 6 Humblot. 1889. XI, 624 S. M. 12,00. l[G. y. Below: GGA. 12, S. 280/3; HambCorr. 1892, N. 18/9; P. H i n n e b e r g : HZ. 68, S. 450/3JI - 5) X K. Rethwisch: MHL. 20, S. 201; SaturdayR. 76, S. 616/7; K. B r [ e y s i g ] : LCBl. 1892, S. 680/1; E. Klebe: DLZ. 8.113-20; A. G n i l l a n d : RH.52, S. 191/6; HambCorrB. N. 7. — 6) X 0. L o r e n z , Genealog. Hand- u. Sohulatlas. B., Hertz. 1892. VIH, 43 S. Mit 38 Taf. M. 3,00. [[LCBl. 1892, S. 838/9.]| — 7) E. Z e l l e r , Wie entstehen nngesch. Ueberlieferungen : DRs. 74, a 189-219. (Vgl. YossZg.27. Jan., Bericht über d. v. Z. in d. Sitzung d. Ak. d. Wissensch, geh. Festrortr. gleichen Inhalts.)— 8) J- v. Schlosser, D. Bedeutung d. Quellen för d. neuere Eunst-Gesch. : AZgB. 1892, N. 219. — 9) X X E. W a e h l e r , Z. Kritik d. hist. Methode: VWPh. 17, S. 490/9. — 10) X A. StoesBel. Gesohichtschreiber u. Poeten: Geg. 44, 8. 408-10. — 11/12) X X J- K a u l i c h , Aufgaben d. Gesch. im Leben d. Gegenw. Wert u. Methode d. Gesch.: Paedagogium 15, 8. 610-52, 430/8. — 13) X J. G. Droysen, Outliyes of the principles of hist. (Boston, Ginn; Uebersetznng): Ac. 44, 8. 169. — 14) X A. G i r y , Étndes de critique hist. ( = Extr. de la RH.) Nogent le Rotrou, Daupeley-Gonyerneur. 32 3. — 14a) X L a v o l l é , La morale dans Thist. Etude sur les prinoipaux systèmes de philosophie de l'hist. depuis l'antiquité jusqu'à nos jours. Paris, Pion, Nourrit & Cie. 1891. IV, 416 S. |[G. Grupp: LRs. 19, S. 266-71.]) — 15) B. Rocholl, D. Philos, d. Gesch. 2. Bd. D.posit. Aufbau. GSttingen, Vandenhoeck & Ruprecht XVI, 612 S. M. 12,00. |[A. Baumann: GGA. S. 425-31; O. Z ô c V l e r : ThLZ. 18, S. 527-30; id.: BG1. 14, S. 73/9; Grenzb. 2, S. 478-80; LCBl. 8. 910/1; NEZ. 4, S. 411/8, 510/2; B. H ä r t u n g : ThLZ. 18, S. 527-30; EEZ. 73, 8. 7, 194/5.]| — 16) A. Dippe, D. Geschichtsstudium mit seinen Zielen u. Fragen. E. Beitr. z. Philos, d. Gesch. B., Wiegandt & Grieben. 1891. 132 S. M. 1,80. |[MHL 20, S. 93.]| (Handelt nicht y. Geschiohtsstudium, sondern giebt wohlgemeinte, aber unbedeutende Beitrr. z. Philos, d. Gesch.) — 17) G. Corradi, Filosofia della storia. Torino-Palermo, Clausen. 444 8. L. 4,00. — 18) C. Cbaraux, L'hist. et la pensée. Essai d'une explioation de l'hist. par l'analyse de la pensée. Paris, Pedone-

0. H a r n a c k , Literaturgeschichte.

1892, 1893.

I 1:

19-29

druck gekommen; doch können sich beide mit Rocholl nicht messen, da ihnen die Fülle der empirischen Kenntnisse, welche die erste Voraussetzung für ein solches Unternehmen ist, abgeht. C. ist auch nicht zur Klarheit über seine Prinzipien gekommen. Nachdem er die geschichtsphilosophischen Systeme hat Revue passieren lassen und erklärt hat, dass er ihnen nicht folgen und kein „prästabiliertes ideales Prinzip" aufstellen will, thut er dies dennoch, indem er die Idee der Vervollkommnung als die treibende Kraft des menschlichen Denkens wie der allgemeinen Geschichte hinstellt. Einheitlicher in seinen Konzeptionen ist Ch., aber er ist von wissenschaftlicher Nüchternheit noch weiter entfernt, in religiöser, etwas sentimentaler Schwärmerei befangen. — Auf empirischer Grundlage steht dagegen ein Aufsatz von B r u n e t i e r e 1 9 ) und ein Essay von W h i t t a c k e r 2 0 ) (nach dem Referat der WestmR.).'21'22) — Die Schwierigkeit, welche die Abgeschiedenheit einzelner Völkerkreise und ihre Kultur der universalhistorischen Betrachtung bereitet, sucht ein Anonymus 23 ) in einigen Aufsätzen dadurch zu lösen, dass er die Aufgabe der Universalgeschichte auf die Beanwortung der Frage, wie die europäische Gemeinschaft geworden sei, beschränkt.23»"230) — Das Thema von der Berechtigung der K u l t u r g e s c h i c h t e und ihrem V e r n ä l t n i s z u r p o l i t i s c h e n G e s c h i c h t e ist in mehreren Besprechungen der Schrift Schäfers (vgl. JBL. 1891 11:31; 5:2; 1892 14:1/2) wieder behandelt worden 24 ). — R i t t e r 2 5 ) will in einem selbständigen Aufsatz über das Thema die Kulturgeschichte neben der politischen als Geschichte der Gesellschaftskreise, die sich zu thatsächlicher Bedeutung ausgebildet haben, gelten lassen und meint, dass die Zukunft „nicht einer zu eng gefassten politischen Geschichte und nicht der zu weit gefassten Kulturgeschichte" gehören dürfe, sondern „einer Wissenschaft, die den Lauf der Geschichte in der lebensvollen Wechselwirkung zwischen den Staaten und den Gesellschaftskreisen anschaut." — W a l c k e r 2 6 ) urteilt, „dass in dieser Kontroverse die Zukunft einer vermittelnden Richtung gehören dürfe," da die politischen Vorgänge und die Errungenschaften der Kultur sich gegenseitig beeinflussen und daher nicht zu trennen sind. Er fügt verschiedene Ratschläge über den Betrieb des historischen Unterrichts auf den Universitäten hinzu. — R e t h w i s c h 2 7 ) stellt in einem Ueberblick über die gegenwärtige historische Arbeit fest, dass thatsächlich das Interesse sich neben der rein politischen Entwicklung bereits zahlreichen anderen Forschungsgebieten zugewandt hat. — D e n G e s c h i c h t s u n t e r r i c h t behandelt E u g e n W o l f f 2 8 ) im allgemeinen,mit besonderer Beziehung auf den neuerdings angeregten Gedanken der „rückwärts schreitenden Methode." Er tritt paradoxer Weise für diese Methode ein, und zwar deshalb, weil im Unterricht „die mechanische Abwicklung des systematischen Fadens" keinen Wert habe. Aber die Erzählung der Ereignisse nach ihrer chronologischen Folge hat doch nichts mit Systematik zu thun, sondern ist doch nur die Vorführung des thatsächlichen Sachverhalts! Diese zu Gunsten einer „Methode" aufgeben, bedeutet niohts anderes als sich von der Wahrheit und der Natur abwenden. In einem besonderen Abschnitt berichtet W. über den günstigen Erfolg eines Kollegs, in dem er die Literaturgeschichte des 19. Jh. rückschreitend behandelt habe. Da er die Literaturgeschichte wesentlich biographisch vorgetragen und die einzelnen Biographien jedenfalls nicht rückschreitend behandelt hat, so ist auch hiermit kein praktischer Erweis der Durchführbarkeit der Methode gegeben; er kann auch nicht gegeben werden, weil „rückwärts erzählen" ein Unding ist und bleibt. — „Geschichtliche Analogien" will B a s s 2 9 ) zur Belebung und zum besseren Verständnis des historischen Unterrichts in ausgedehntem Masse heranziehen und giebt zu diesem Zweck eine nach der Geschichte der Hauptnationen geordnete tabellarische Uebersicht solcher leicht fassbaren Uebereinstimmungen oder Aehnlichkeiten. — Von den Forderungen, welche die Geschichtswissenschaft an die Person ihres Pflegers stellt, hat besonders die der „ O b j e k t i v i t ä t " zahlreiche Beleuchtungen erfahren, wohl durch manche Erscheinungen der Gegenwart veranlasst. Koldes Lanriel. 354 S. (S. auch AnnEnaeigSupGrenoble.5, 9.55-67.) — 19) F. B r u n e t i & r o , La lutte des raceB et la philosophic de l'hist.: EDM. 113, S. 429-18. — 20) O Th. Whittacker, A critioal essay on the philosophy of hist. (London, Watts A Cie.): WestmR. 139, S. 579-80. — 21) O X X J e n t s c h , Oeschichtsphilos. Gedanken. L„ Grunow. 1892. 487 S. 11.6,00. |[J. P i s t o r : MHL. 21, S. 194/5; ThLBl. 14, S. IIS; F. J o d l : DLZ. S. 1511/2; LC'Bl. S. 596/7; NZ. 11, N. 49.]| — 22) O X B. A d e h o c h , Gesohiohtsphilos. Stadien: StIIBCO. S. 3-15, 222-35. — 23) G. L., Weltgesch. Fragen: WienerZg. N. 250/2. — 2 3 a ) X A- T i l l e , D. hist. Sinn: UL. 61, S 508-10. — 2 3 b ) X M a x L e h m a n n , Gesch. a. Naturwissenschaft. Vortr.: DB11EU. 20, S. 249-50. (Referat.) — 23 0) X H i n n e b e r g , E. Fester, Bonssean n. d. dtsch. Geschichtsphilos.: HZ. 35, S. 322/3. — 24) X G - r - B e l o w : GGA. 1892, S. 284-96 (leugnet e besondere Wissenschaft d. Kulturgesoh., wünscht diese gleichwertig mit d polit. in d. einheitl. Wissensch, d. Gesch. behandelt); DWB1. 5, S. 267/8. — 25) M. B i t t e r , D. Streit zwischen polit. Gesch. n. KultnrgeBch.: AZg B . N. 219. —' 26) K. W a l c k e r , D. Aufgaben d. Historiker: Geg. 42, S. 57/8. — 27) K. R e t h w i s c h , Heuere StrSmnngen in d. Gesohiclitswissensch.: VossZg. N. 269-70. — 28) E n g . W o l f f , Gesch. räekw&rts? ( = Dtsch. Schriften z. Litt. n. Kunst. 2. Reihe. N. 4.) Kiel n. L., Lipsins & Tischer. 1892. 40 S. M. 1,00. |[ZDU. 6, S. 296/8; BLÜ. 9. 4T.j| - 29) J. B a s s , Gesch. Analogien. Progr. d. Staats-Oberrealsch. im 15. Bezirk. Wien.

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1 : 30-43

0. H a r n a c k , Literaturgeschichte.

1892, 1893.

mass volle und gründliche Darlegung (JBL. 1891 1 1:32) ist noch besprochen worden30); M i r b t 3 1 ) hat die auf Schritt und Tritt dem Forscher drohende Gefahr der Parteilichkeit aufgewiesen, aber die Pflicht des Strebens nach Objektivität zugleich entschieden betont; B a m b e r g er 32 ) zeichnete in einem feinsinnigen Aufsatz den Franzosen Chuquet als „Muster objektiver Geschichtsschreibung". — Die „patriotische" Zustutzung der Geschichte im Schulunterricht, wie auch die politisch-tendenziöse Geschichtsschreibung wurde durch P r u t z 3 3 ) zurückgewiesen, und der Bericht über die „Erste Versammlung deutscher Historiker" zeigte, dass auch deren Mehrzahl von 34 36 dem Unterricht jede politische Tendenz fernhalten wollte. " ) — Die Geschichtsdarstellung der katholischen Kirche wurde von S c h o e l l e r 33 78 ) mit den Waffen protestantischer Theologie massvoll bekämpft, von G ö t t i n g ) in leidenschaftlichem Pamphletenstil angegriffen.39) — Von der Geschichte als der übergeordneten Wissenschaft wenden wir uns zu der P h i l o l o g i e , mit welcher die Wissenschaft der Litteraturgeschichte nach ihrer einen Seite hin zusammenfällt. W e i n h o l d 4 0 ) hat in seiner Berliner Rektoratsrede knapp und scharf seinen Standpunkt als Universitätslehrer der germanischen Philologie gekennzeichnet und gegenüber den Naturwissenschaften, gegenüber der allgemeinen Sprachwissenschaft, gegenüber der philosophischen Aesthetik eine zu kräftigen Auslallen geeignete Verteidigungslinie gezogen. Was die Litteraturgeschichte betrifft, so erkennt er an, dass man sie von zwei Seiten behandeln könne: von der philosophischästhetischen und von der philologischen, und dass auf jeder Seite gewisse Vorzüge liegen, die sich ergänzen. Wenn er trotzdem erklärt, dass auf der Universität die neuere Litteraturgeschichte nur durch einen Philologen vertreten werden dürfe, so vermisst man die ergänzende Forderung, dass dieser Philolog auch eine philosophischästhetische Schulung besitzen müsse. — Umfassend im Sinne Friedrich August Wolfs bestimmt von W i l a m o w i t z - M o e l l e n d o r f 41 ) die Aufgabe der Philologie, welche zur allseitigen Erkenntnis einer nationalen Kultur form mit dem hauptsächlichen Mittel der Sprachkunde, aber unter Verwendung jedes anderen, das sich darbietet, hinführen soll. — Die Herrschaft der Philologie in der Literaturwissenschaft hat andererseits heftige Angriffe erfahren. Ein besonders beliebtes Angriffsobjekt, die Goethephilologie, hat B r a i t m a i e r 4 2 ) blindwütend angerannt. Dass er manche schwachen Stellen dabei getroffen hat, ist nicht zu leugnen; aber zum grössten Teil trafen seine Stösse undurchdringlichen Stahl, an dem seine Waffen zerschellt sind. Was er gegen einen angeblichen „Goethekult" sagt, ist an anderer Stelle schon behandelt worden, sei aber hier auch kurz in Erinnerung gebracht, da ein solches Attentat auf eines der höchsten Güter unseres Volkstums nicht oft genug gebrandmarkt werden kann. Wo B. über „Goethephilologie" redet, verschiebt er den Streitpunkt sofort, indem er sich hauptsächlich gegen Scherers Poetik wendet, als ob dieses vor wenigen Jahren erschienene Werk das Gesetzbuch germanischer Philologie sei, und als ob diese nicht schon seit Lachmanns Zeiten eine gar nicht zu missende und von jedem „ästhetischen" Litterarhistoriker dankbar benutzte Arbeit geleistet hätte. Nur gegen einige Auswüchse philologischer Methode, die durch allzu engen Anschluss an die geistreichen, aber zum Teil einseitigen Lehren jenes unfertigen Buches entstanden sind und sich zu bedenklichen Missbildungen entwickelt haben, wie z. B. manche Fauststudien, die den Text nahezu völlig in Reminiscenzen auflösen, wendet sich B.mit mehr Glück. Aber was er auch an einzelnen Verirrungen namhaft machen kann, keine ist so schlimm wie die seinige: Die philologische Behandlung der vorzüglichsten Werke unserer Sprache diskreditieren zu wollen.4 3 — Berechtigung und Gefahren der philologischen Behandlung hat E r i c h S c h m i d t ) an einem der wichtigsten Punkte, der „Faustphilologie", aufzuzeigen gesucht. Hier gerade hat sich die Forschung aufs ermüdendste abgearbeitet, und hier hat sie am meisten den Vorwurf sich zugezogen, an der genialsten Ideendichtung in kleinlich formalistischer Weise herum38 S. — 30) X p - H.: LCBI. 1892, S. 1277/8; E r An e r : MHL. 20, S. 290. — 31) C. M i r b t , D. Objektivität d. Geich.: GüteraloherJb. S. 88-115. — 32) L. B a m b e r g e r , A. Chuquet. E. Muster objektiver Geschichtsschreibung: DRs. 73, S. 240-63. (Dazu ib. S. 467.) — 33) H. P r u t z , Geschichtsunterr., Geschieh tsetudium u. Geschichtsschreibung in ihrer Bedeutung för d. nationale Bildung: AZg B . N. 50. — 34) X L o s s e n , Bericht Aber d. erste Versamml. dtsch. Historiker in München 5.-7. Apr. E r stattet T. Schriftführer. München, Bieger. 33 S. M. 0,60. — 35) X c - M ü h l i n g , Politik n. Chauvinismus im Geschichts11 unterr.: Nation .10, S. 256/8, 272/4. — 36) X Verhandlungen d. Direktorenversammlungen in d. Provinzen d. Königr. Preussen seit d. J. 1879. Bd. 40 u. 41. B , Weidmann. 1892. VIII, 414 S.; VIII, 280 S. M. 9,00; M. 6,00. — 37) R. S e h o e l l e r , Geschichtsschreibung u. Katholizismus. Zürich, Faesi & Beer. 44 S. M. 1,00. (Aus: ThZSchw. S. 706-48.) — 38) C. F. J. G i t t i n g , D. Geschichtslügner. E. unentbehrl. Batgeber z. richtigen Verständnis d. „ G e s c h i c h t s l ü g e n ( — Freundschaftl. Streitschriften N 51.) Barmen, Wiemann. 120 S. M. 1,50. — 39) X Geschichtslügen. E. Widerlegung landläufiger Entstellungen auf d. Gebiete d. Gesch. mit besond. Berücksichtig, d. Kirchengesch. 10. Aufl. Paderborn, Sohöningh. XII, 580 3. M. 4,50. j[Kath. 2, S. 562/3.]| — 40) K. W e i n h o l d , Bede beim Antritt d. Rektorats geh. in d. Aula d. Kgl. Friedr.-Wilh.-Dniv. zu Berlin am 15. Okt. B., J . L. V. Laverrenz 4°. 16 S. M. 0,75. (Abgedr. in P r j b b . 74, S. 401-11; s. u. 12 :1.) — 41) U. t . W i l a m o w i t z - H o e l l e n d o r f , Philologie u. Schulreform. Festrede im Namen d. Georg-Augusts-Univ. z. akad. Preisverteilung. 2. Abdr. Göttingen, Dieterich. 1892. 37 S. M. 0,50. — 42) F. B r a i t m e i e r , Githekult u. Göthephilologie. Tübingen Fock). 1892. IT, 118 S. M. 2,50. (Vgl. JBL. 1892 IV 8 a : 41.) — 43) E r i c h S c h m i d t , Aufgaben u. Wege

O. Harnack, Literaturgeschichte. 1892, 1893.

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1 : 44-53

zutasten. Sch. weist schlagend nach und erhärtet an dem Beispiel einer wichtigen Scene, welche Dienste bei einem in so langen Zwischenräumen entstandenen Werk die philologische Forschung für die Bestimmung des Alters der einzelnen Teile leisten könne und wie sie durch diese Altersbestimmung indirekt auch die Erkenntnis der fortschreitenden Ideenentwicklung in dem Dichter fördert; aber er warnt zugleich eindringlich vor der immer mehr sich ausbildenden Neigung, schon aus einzelnen Beobachtungen weitgehende Schlüsse ziehen und die Grenzlinien zwischen den Stilarten verschiedener Zeiten mit willkürlicher unhistorischer Schärfe bestimmen zu wollen, er warnt überhaupt vor der gefährlichen Täuschung, vermöge einer Methode „alles wissen zu können." Feste Kriterien für die berechtigte oder unberechtigte Anwendung der Methode giebt der Vortrag jedoch nicht. — Einen scheinbar nebensächlichen, in Wirklichkeit sehr wichtigen Punkt philologischer Technik behandelt B e r n a y s 4 4 ) in einer Folge von Aufsätzen über Citate und Noten. Indem er den trockenen Gegenstand durch eine Fülle interessanter Abschweifungen (z. B. eine gedankenreiche Würdigung von Gervinus als Litterarhistoriker) unterbrach, gab er Beispiele von fälschlich verwandten Citaten, welche, aus ihrem Zusammenhang gelöst, das Gegenteil ihres ursprünglichen Sinnes aussagen; er erörterte das Verhältnis zwischen Noten und Text, trat entschieden gegen die Verbannung der ersteren, aber auch gegen ihre Aufnahme in den Text selbst ein, und stellte endlich die Forderung auf, dass der Text in sich ein abgeschlossenes und selbständiges Ganze bilden, die Noten aber den Leser zu weiterer Verfolgung des Themas, zum Gewinn fernerer Ausblicke anregen sollen. — Ein anonymes Heftchen45) mit Ratschlägen für das Studium der germanischen Philologie bietet nur dürftigen Inhalt.46"48) — Wenden wir uns nun dem andern Hauptzweig unserer Wissenschaft, der ä s t h e t i s c h e n B e t r a c h t u n g der L i t t e r a t u r g e s c4h9 i c h t e zu, so kommt für die allgemeinen Gesichtspunkte ein Aufsatz von Spitta ) in Betracht, der die vielerörterte Frage nach dem Vorhandensein wissenschaftlich zu ergründender und für die Kunstübung verbindlicher Gesetze untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Gelehrte durch seine Forschung in der That zur Erkenntnis solcher Gesetze, welche die Bedingung eines erfolgreichen künstlerischen Schaffens sind, geführt werden könne, dass er aber vom Künstler nicht fordern dürfe, sich durch diese Resultate der Forschung in seinem künstlerischen Schaffen bestimmen zu lassen, dass vielmehr diesem das Bewusstsein völliger Unabhängigkeit in seiner persönlichen Leistung niemals getrübt werden dürfe. Und Sp. reiht den allgemeineren Gedanken an: „Gesetze, welche für die Vergangenheit massgebend waren, sind es darum noch über „gesetzgebende" nicht für die Zukunft"; ein einfacher, aber in dem Streit Aesthetik meist nicht in Betracht gezogener Satz. WTenn die Aesthetik „Gesetze" giebt, müssen sie dann eine absolute ewige Geltung haben? Und umgekehrt, wenn sie keine ewigen Gesetze geben kann, soll sie deshalb überhaupt keine mehr geben? Die praktische Notwendigkeit der Aufstellung von „Gesetzen" beweist jedes der immer neu erscheinenden Handbücher der Poetik, welche einzeln zu betrachten jedoch nicht in den Rahmen dieses Abschnittes fällt. — Die Aufgabe der Litteraturgeschichte als Wissenschaft nach allen Richtungen hin zu bestimmen, hatte bekanntlich ten Brink50) (vgl. JBL. 1891 I 1:20) und im Gegensatz zu ihm Wetz 5, 5'") (vgl. JBL. 1891 1 1:24) unternommen; beide Schriften haben noch Besprechungen gefunden; besonders die letztere; auch Wetz mit methodischen Betrachtungen eingeleitetes Shakespearebuch (vgl. JBL. 1891 1 1 : 5 ) ist noch besprochen worden52). Im ganzen scheinen mir die Kritiken den Theorien von Wetz zu sehr entgegenzukommen; ohne die Anregungen, welche dieser giebt, zu verkennen, muss ich doch daran festhalten, dass die Litteraturgeschichte als strenge Wissenschaft nur dem von ten Brink trefflich gezeichneten Wege, vom Aeusseren zum Inneren vordringend, folgen kann. — Dies müssen wir auch festhalten gegenüber Falkenheim 5 3 ' 5 3 ' 1 ), welcher uns Kuno Fischer und seine literarhistorische Methode als Muster empfiehlt (vgl. JBL. 1891 I 1:26). Die Verdienste des ausgezeichneten Philosophen um die Würdigung unserer Klassiker bedürfen keines Preises, und niemand wird an ihn die Forderung richten, d. Faustphilologie. ( = Verhandlungen d. 41. Versainml. dtsch. Philologen u. Schulro&nner in Manchen [L., B. G. Teabner. 1892. 4». X, 364 S. M. 12,00.], S. 11-22.) — 44) M. B e r n a u s , Z. Lehre y. d. Citaten u. Noten: AZg». 1892, N. 134/5, 141/2, 144/5, 147/8. — 45) Wie studiert man neuere Philol. n. Germanistik? Mit e. tabellar. Uebersicht über d. Bestimmungen z. Erlangung d. philos. Doktorwürde an d. Unir. Deutschlands. V. e. prakt. Neuphilologen. L., Bossberg. 1892. 43 S. M. 0,80. — 46) O X C a r l F r a n k e , P. Machale, Bemerkungen Aber d. Studium d. dtsch. Philol. u. d. Prüfungsordnung für d. höh. Lehramt (L„ Bossberg): ZDU. 7, S.503/1. — 47) C X L e a p . S c h m i d t , D. philol. Duivcrsit&tslehrer, seine Tudler u. seine Ziele. Marburg, Elvert 1892. 30 S. II. 0,60. |[P. C a u e r : DLZ. S. 37.]( — 48) X C a u e r , Wissenschaft u. Praxis in d. Philol.: DWBI. S. 91/4. (Bezieht sich wie N. 47 speciell auf klass. Philol.) — 49) P h . S p i t t a , Kunstwissensch, u. Kunst. ( = Z. MuBik. & 1-14. Vgl. JBL. 1892 I 9 :19; 11:102.) - 50) X K. B u r d a c h : DLZ. 1892, S. 136C/1; Y. Kl.: ÖLB1.1, S. 91. — 51) X K . B u r d a c h : DLZ. 1892, S. 1361/2; A. C h u q u e t : BCr.36, S.333. — 51a) X Ueher K. Bieses Aufsatz „Ueber d. Aufgaben d. Litt.-Gesch." in d. NatZg. N. 587 u. 589: ZDU. 6, S. 296. — 52) X A. S c h r ö e r : EnglSt. 16, 8. 282/9; BCr. 34, S. 316; A. B r a n d l : DLZ. 1892, S. 627/9; ÖLB1. 1, S. 91/3. — 53) H. F a l k e n h e i m , Kuno Fischer u. d. litterarhist. Methode.

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O. H a r n a c k , Litteraturgeschichte.

1892,1893.

dass er sich einer anderen Methode als der aus seiner Wissenschaft geschöpften hätte bedienen sollen; ebensowenig aber braucht der Litterarhistoriker seine durch die Geschichte seiner Wissenschaft ihm vorgezeichnete Methode preiszugeben, um nach dem Ruhm des Philosophen zu trachten. Beide werden auf ihren Wegen fortschreitend sich gegenseitig fördern. F.s Büchlein schliesst freilich mit einem Hymnus auf Kuno Fischer, dem gegenüber eine Aeusserung, wie ich sie eben gewagt, schon als Majestätsbeleidigung erscheinen müsste. Wir lassen diese persönliche Seite seiner Schrift ausser Augen und wenden uns dem sachlichen Inhalt zu, welcher uns zunächst das „philosophische Stoffgebiet innerhalb der Literaturgeschichte" und darauf die „entwicklungsgeschichtliche Methode" nach ihrem „historischen, psychologischen, ästhetischen Element" kennen lehrt. Diese Methode denkt sich F. im Gegensatze zur „historisch-genetischen", d. h. zu der Methode, welche durch Rankes Vorbild in Deutschland auf jedem Gebiete zum Siege geführt worden ist. Wir können ihm auf diesem Wege nicht folgen: Obgleich wir anerkennen, dass seine philosophischpsychologische Methode zur Erkenntnis des einzelnen Dichters wertvolle Mitwirkung bieten kann, so sehen wir doch die specielle Aufgabe der Litteraturgeschichte in der Aufzeigung des weiteren historischen Prozesses, der sich von einem Autor zum anderen fortschreitend vollzieht, und erachten für den Nachweis dieses Prozesses die historische Methode, welche die Wissenschaft bisher mit Mitteln der Philologie und der Aesthetik geübt, für die zweckentsprechende. Die zahlreichen zustimmenden Besprechungen, welche F. gefunden, können uns darin nicht irre machen, und werden ihn selbst kaum befriedigt haben, weil sie meist eine Vorliebe für dilettantischen Betrieb der Litteraturgeschichte verraten. — Einen neuen Versuch, Begriff und Aufgabe der „Literaturwissenschaft" zu bestimmen, machte F r o e h d e 5 4 ) ; er hält den richtigen Ausgangspunkt fest, indem er als die erste Aufgabe die Herstellung des Textes, und als die fernere die Erklärung desselben aus den sämtlichen inneren und äusseren Bedingungen seiner Entstehung bezeichnet; er will dann von dem Einzelwerk zur Betrachtung der litterarischen Entwicklung vorschreiten, und auch diese im ganzen wie in den einzelnen Teilen aus den Bedingungen ihrer Entstehung begreifen. Der ursprünglich der klassischen Literaturwissenschaft gewidmete Vortrag, der auch ihr Verhältnis zur allgemeinen klassischen Altertumskunde behandelt, ist in seinen positiven Bestimmungen so allgemein gehalten, dass er den weitumfassenden Titel rechtfertigt. — Wenig befriedigen kann, was K e r r 5 5 ) über das Ziel der Litteratureschichte zu sagen weiss; „Beiträge zu liefern zur Kennzeichnung des menschlichen eelenlebens" kann nicht den einheitlichen Gedanken einer bestimmten Wissenschaft bilden. — Mit der Litteraturgeschichte verwandt ist die litterarische K r i t i k , welche in neuester Zeit ja verschiedentlich gesucht hat, über sich selbst zur Klarheit zu gelangen, ja sich sogar zum Rang einer wissenschaftlichen Thätigkeit zu erheben, was sie aber doch nur mit Verzicht auf andere ihr eigentümliche Vorteile und Vorzüge vermag. B r u n e t i e r e s & i ) in diesen Berichten ausführlich besprochenes Werk über die Entwicklung der Kritik (vgl. J B L . 1891 1 1 : 8 ) hat die zweite Auflage erlebt. — Eugen Wolfis Broschüre (vgl. J B L . 1890 1 1 : 1 ) ist noch besprochen worden57), ebenso Tissots Schrift (vgl. J B L . 1891 I 1:7). &8 ) — Eine wichtige Neuerscheinung war die Rede von D r o z 5 9 ) über das Verhältnis der litterarischen Kritik zur Wissenschaft. D. wen'det sich in knapper Sprache und reservierter Ironie gegen Taines Prinzipien der Kritik, welche von Brunetiere insoweit adoptiert worden sind, als ein begabter Durchschnittsmensch die konsequenten Gedanken eines scharfen Denkers gebrauchen kann. D. leugnet die Möglichkeit, geistige Erscheinungen in exakt wissenschaftlicher Weise, als aus gegebenen Bedingungen gesetzmässig entwickelt, deducieren zu können und tritt für das Recht der Individualität ein, die eine oft aller deduktiven Wesensbestimmung widersprechende Thatsache sei. Er findet es mit Recht besonders bedenklich, dass man sich nicht mehr scheue, mit Ausdrücken, welche der Physiologie entnommen seien, in der Litteraturbetrachtung so zu operieren, als ob sie nicht bloss eine Analogie, sondern thatsächliche Vorgänge bezeichneten („Brunetiere wirft ohne zu lachen die Frage auf, ob zwischen den verschiedenen Entwicklungsformen einer Litteraturgattung Zeugung im wahren Sinne des Worts stattfindet!") Ich stimme ihm in seinem Hauptsatze bei, dass die litterarische Kritik (im Gegensatz zur Geschichte) nicht „Wissenschaft" werden könne, weil in ihr B„ Speyer & Peters. 1892. 107 S. M. 1,50. |[SalordayR. 74, S. 143; 0. H ( a r n a c k ) : Prjbb. 70, 9. 2*1/2; MLN. 7, S. 216/9; ÔLB1. 1, S. 472/4; Nation 9, S. S95; NatZg. 1892, N. 433; FränkKur. 1892, N. 488.JI — 54) 0. F r o e h d e , Begriff n. Aufgabe d. Litteraturwissenseh.: NJbbPh. 147, S. 433-46. — 55) A. E e r r , Perspektiven d. Litt.-Gesch.: ML. 60, S. 37-40. — 56) F. B r u n e t i è r e , L'évolution des genres dans l'bist. de la litt Leçons professées à l'éoole normale snp. 2. Ed. ( = Introduction : L'évolution de la critique depuis la Renaissance jusqu'à nos jonrs.) Paris, Haohette. 1892. XIV, 280 S. Pr. 3.50. |(R. II. M e y e r : DLZ. 1892, S. 355/9.]| — 57) X K - B u r d a c h : DLZ. 1892, S. 1362/3; Eng. W o l f f [Entgegnung]: AZgB. N 22. — 58) X E - F e l l n e r : Dits. 75, S. 464/6. — 59) Ed. D r o z , La critique litt, et la science, étude lue à la séance de rentrée

0 . H a r n a c k , Literaturgeschichte.

1892, 1893.

I 1 : 60-87

immer der subjektive Geschmack eine wichtige Rolle spielen wird. — Speciell mit dem Verhältnis zwischen bildender Kunst und Kritik beschäftigen sich zwei Aufsätze von L a r r o u m e t 6 0 ) und von Cantalamessa 6 1 ). — Zu zahlreichen Urteilen und Aussprüchen über die wichtigsten Fragen der Methodik haben endlich die Nekrologe Anlass gegeben, welche in den verschiedensten Zeitschriften Hippolyt Taine gewidmet worden sind. Im ganzen kamen diese doch zu dem Ergebnis, dass zwar die grossartige Stoffbeherrschung und die glänzende Darstellungsgabe Taine eine unvergängliche Bedeutung sichere, dass aber das ihm eigentümliche System, die Lehre vom „Milieu" und seiner allbeherrschenden Gewalt, sich nicht behaupten könne, da es zur Erklärung der individuellen Erscheinungen nicht ausreiche, wie es auch bei Taine selber einseitige und schiefe Urteile nicht verhindert hat. Gerade vom Standpunkt moderner Empirie aus erscheint die Meinung, dass uneingeschränkte Kausalität in der historischen Entwicklung herrsche, als unberechtigter Dogmatismus. B a r z e l l o t t i 6 2 ) , dessen Essay unter den mir zu Gesicht gekommenen Taine-Artikeln der gründlichste und gewichtigste ist, weist das Ungenügende der bei Taine die Forschung abschliessenden „höheren Analyse" nach und giebt das Schlussurteil: „Er war nicht ein Denker im höchsten Sinne des Worts, aber ein Künstler der Psychologie, ein unermüdlicher Forscher und ein äusserst wirkungskräftiger Schriftsteller."« 3 " 75 ) — L i t e r a t u r g e s c h i c h t e . Unter den G e s a m t d a r s t e l l u n g e n nennen wir zunächst die u n i v e r s a l e n , in welchen die deutsche Literaturgeschichte als ein Teil behandelt wird. A d o l f Sterns'' 8 ) kurz gefasster „Katechismus" hat die dritte Auflage erlebt, während J u l i u s Hart 1 7 ) ein umfassendes Werk begonnen hat, von dem der erste Teil, die Litteratur des Altertums und des Mittelalters behandelnd, schon abgeschlossen ist, während von dem zweiten erst ein Heft vorliegt, in welchem er auf wenigen Seiten die Litteratur des 14. und 15. Jh. charakterisiert, sich gegen die Beurteilung dieser Periode als einer Verfallzeit wendet, und sich dann speciell mit der italienischen Litteratur beschäftigt. Der Bilderschmuck, die Umschlagdevise „Wissen macht frei", sind charakteristisch für den „Hausschatz des Wissens", in dessen Rahmen H.s Geschichte der Weltliteratur erscheint.77") — Unter den Gesamtdarstellungen der deutschen Literaturgeschichte ist von L e i x n e r s 7 8 ) Werk in zweiter Auflage erschienen und in der Presse viel besprochen worden. — B r u g i e r s 7 9 ) von katholischem Standpunkt aus verfasstes, aber nicht konfessionell engherziges, wenn auch allzusehr moralisierendes Buch liegt in neunter Auflage vor. — K o e n i g s 8 0 ) in orthodox-lutherischem Geist gehaltenes, durch seinen Bilderschmuck so populär gewordenes „Erbbuch" dès deutschen Hauses, wie es der Vf. bescheiden nennt, hat es bis zur dreiundzwanzigsten Auflage gebracht. — Ueber alles Mass hinaus geht die Anzahl der in jedem Jahr erscheinenden „Leitfäden" und „Grundrisse" für den Schulgebrauch. Da sie in einem andern Abschnitt der Jahresberichte (s. u. 1,7) eingehend behandelt werden, begnüge ich mich damit, sie hier nur ganz kurz zu verzeichnen 81-86 ); daneben sei die graphische Litteraturtafel von F l a i s c h l e n 8 7 ) genannt. — Auf einem anderen Niveau steht das Büchlein von des Facultés e t de l'École de medicine e t de pharmacie de Bésançon. Besançon, Dodivers. 1891. S I S . |[RCr. 34, N. 49.] ] — 6 0 ) 6 . L a r r o u m e t , L'art réaliste et la critique : RDM. 114, S. 8 0 2 - 4 2 ; 116, S. 100-36. — 61) 6 . C a n t a l a m e s s a , Artisti e oritici: NAnt. 37, S . 466-82. — 6 2 ) G. B a r z e l l o t t i , Ipp. Ad. T a i n e : NAnt. 46, S. 1-28, 393-41»; 47, 9 . 185-216. — 6 3 ) X P. B a i l l e s , H . T a i n e : HZ. 35, S. 301/7. — 6 4 ) X W . G. C. B y v a n c k , Taine ( 1 8 2 8 - 9 3 ) : Gids 2, S. 140/7. — 6 5 ) X S>pe«t u t o r [K. E i s n e r J , Taine: ML. 61, S. 204)6. — 6 6 ) X J- W y o h g r a m , H. T a i n e : BLU. S . 2 4 l ; 3 . — 6 7 ) X L - K a t s c h e r , T a i n e : AZgB. N. 78. — 6 8 ) X K- *• H e i g e l , Taine: AZg». N. 289-91. — 6 9 ) X T a i n e : Didask. N. 59. — 7 0 ) X T a i n e : AZg B . N. 59. — 71) X M. N a s s e r , Taine u. d. Milieu: ML. 61, S . 238-40. — 7 2 ) X L . J a c o b o w s k i , H. Taine u. seine Stellang in Deutschland: Geg. 4 3 , S. 165/6. — 7 3 ) X H- A- T a i n e : Post N. 69. — 7 4 ) X F. S a r c e y , H. A . T a i n e : Illustration 11. M&rz. — 7 5 ) X H. A. Taine: AELKZ. 26, S. 306. — 7 6 ) A d . S t e r n , Katechismus d. Allg. Litt.-Gesch. 3. verh. Aufl. L., J . J . Weber. 1892. XIV, 418 S . M. 3,00. |[DE. 1, S. 272.]| — 7 7 ) J . H a r t , Gesch. d. Weltlitt. Heft 1-22. ( = Huusschatz d. Wissens). B . u. L., W. Paulis Nachf. 846 S . ; 32 S. M. 6,60. — 7 7 a ) X P- P r a t , Hist. de la litt. Paris, Belin F r è r e s . 1891. 12®. 3 0 8 8 . 7 6 ) 0 . v. L e i x n e r , Gesell. d. dtsch. L i t t . 2. Aufl. L., Ö. Spamer. V I I I , 1124 S. Mit 411 Textahbild. u. 50 tellw. mehrfarbigen Beill. M. 14,00. |(J. H e n g e s b a c h : COIRW. 21, S. 564/5; D B . 3 , S.377/8; DWB1. S . 1 3 2 ; DRs. 73, S . 471; Kw. 6, S. 86/7; Geg. 42, S. 398; L Z g » . 1892, N. 293; SohwâbKron. 1892, 9. Dec.; F . S c h n f t r e r : ÔLB1. 1, S. 5 7 2 ; T g l R s » . 1892, N. 234.]| — 7 9 ) G. B r u g i e r , Gesch. d. dtsch. National-Litt. Nebst kurzgefasster Poetik. F ü r Sohule u. Selbstbelehrung. 9. Aufl. Freiberg i. B., Herder. CII, 689 8 . M. 6,00. ||LRs. 19, S . 313,4; F. S c h n l l r e r : ÔLB1. 2, S . 461/3; COIRW. 21, 8 . 693. (S. u. 1 7 : 1 4 3 . ) — 8 0 ) R o b . K o e n i g , Dtsch. Litt.-Gesch. 23. Aull. 2 Bde. Bielefeld u. L., V e l lingen & ClaBing. V, 4 4 3 S . ; 111, 510 S . Mit 93 B e i l l . u. 339 Abbild, im Text. M. 15,00. |[L. F r e y t a g : COIBW. 21, S . 34/5.]| — 81) X C. A. K r ü g e r , Gesch. d. dtsch. Litt, in Einzelbildern. Danzig, F. Axt. V Ï U , 228 S. Mit 52 Abbild. M. 1,20. — 8 2 ) X W . D i e t l e i n , Leitfaden z dtsch. L i t t - G e s o h . Mit Berücksichtig, d. poek. Gattungen u. Formen. 10. Aufl. Bearb. y. R. J o r d a n . Altenburg, H. A. Pierer. V I I I , 164 S . M. 1,10. 8 3 ) X G- B S t t i o h e r u. K. K i n z e l , Gesch. d. dtsch. Litt, mit e. Abriss d. Gesch. d. dtsch. Sprache n . Metrik. (Anh. z. d. Denkmälern d. älteren dtsch. Dichtg.) Halle a. S., Buchh. H F d. Waisenhauses. X, 174 S. M. 1,80. — 8 4 ) X - - K a m m e r u. K. S t e j s k a l , Einführung in d. Gesch. d. dtsch. L i t t . ( = Hilfsbüchlein für d. dtsch. Unterr. 3 Bdoh.) Wien, Manz. VHI, 270 S. M. 2,40. (S. u. 1 7 : 1 4 2 . ) — 8 5 ) X A. B a l d i , W. Lindemann, Gesch. d. dtsch. Litt. 6. Aufl. Bearb. v. J . Seeber: B B G . 2 9 , S. 222/3. — 8 5 a ) X 0 . K ö n i g , Gesch. d. dtsch. L i t t , in zusammenhängend. Darstellung für höh. Mädchenschulen u. d. weibl. Jugend. (Vgl. J B L . 1S92 1 5 : 97.) L., B . G. Teubner. 1892. V I I I , 146 S . M. 1,60. — 8 5 b ) X K. H e i l m a n n , Gesch. d. dtsch. Nationallitt. (Vgl. J B L . 1892 1 5 : 1 0 4 . ) Breslau, Hirt. 1892. 144 S. M. 1,60. (8. u. I 7 : 1 4 1 . ) — 8 6 ) X L ö h r e r , Wilh. Reuter, Litteraturkunde (Freiburg i. B . 1 8 9 1 ) : KZEU. 41, S. 275/6. — 8 7 ) C. F l a i s c h l e i n , Graphische Litt.-Tafel. D. dtsch. L i t t . u. d. Einfluss fremder Litteraturen auf Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgesohichte.

IV.

2

I

1 : 88-93

O. H a r n a c k , Litteraturgeschichte. 1892, 1893.

Koch 8 8 ) wenngleich es auch dem Schulunterricht dienen soll. Es ist als das Werk eines selbständigen Forschers durchweg originell, und vermeidet die in Leitfäden so häufigen Schlagworte, denen der Schüler keinen Inhalt zu geben weiss, indem es überall möglichst konkrete Angaben und überhaupt soviel sachliches Material zu geben sucht, als der beschränkte Raum zulässt. Die Virtuosität, mit welcher der Vf. die Fülle seiner Angaben zusammen zu pressen weiss, ist erstaunlich, und wenn es dabei bisweilen nicht ohne überladene oder enggeschachtelte Sätze abgeht, so wird man ihm das billigerweise nicht verargen, da ihm eine feste Raumgrenze gezogen war. Dagegen ist die scharfe Betonung seines subjektiven Standpunkts in Hinsicht Richard Wagners ein entschiedener Missgriff, und auch die wie ein Refrain wieder kehrende Berufung auf nationales Empfinden und nationale Pflichten wird öfters eine Quelle einseitiger, in Lob und Tadel übertriebener Urteile. Es ist dringend zu wünschen, dass wenigstens die Litteraturgeschichte sich des Humanitätsideals unserer klassischen Zeit bewusst bleibe und auch in der Schule ihm eine Stätte bewahre. — An das gebildete Lesepublikum wendet sich Borinski 8 9 ) mit seiner Litteraturgeschichte, welche der bekannten Kürschnerschen Sammlung als Begleitwort mitgegeben ist. Der uns vorliegende zweite Teil entspricht seinem Zweck in hohem Masse. Er ist mit lebendiger Wärme und selbständigem Urteil, doch ohne vordringliche Tendenz geschrieben, und wo man ihn liest, wird ihm sicherlich gelingen, sein „Scherflein dafür beizutragen", dass die Schätze unserer Litteratur noch nicht sobald „historisch werden." B. beginnt mit Luther, dessen Bedeutung er durchaus gerecht wird, während er im weiteren Verlaufe sich geneigt zeigt, die schlimmen Folgen der Reformation schärfer zu betonen, als den Wert ihrer Errungenschaften. Bei Hans Sachs nimmt er Gelegenheit, „den heutigen verstiegenen Begriffen von Volkskunst gegenüber" vor Ueberschätzung zu warnen; dagegen behandelt er die Renaissancelitteratur mit mehr Anerkennung als üblich ist, während er zugleich nachweist, warum sie in Deutschland nicht die Bedeutung erlangen konnte wie in benachbarten Ländern. Das 17. und die erste Hälfte des 18. Jh. sind weniger befriedigend behandelt; B. hält noch an dem Schema der zwei schlesischen Schulen fest; Gottscheds Verdienste sind zu wenig hervorgehoben. Die Darstellung der klassischen Periode wirkt sympathisch durch den warmen Ton der Begeisterung und das Bestreben, die litterarischen Bewegungen in Beziehung zu den gleichzeitigen philosophischen zu setzen. Auffallend wirkt in dem sonst nicht nach moralischen Massstäben urteilenden Buch die harte Kritik von Wielands Agathon und Oheron; in der Verteidigung von Goethes politischen Dramen (Grosskophta usw.) beweist der Vf. seine Unabhängigkeit von den herrschenden Meinungen. Die von der Dichtung abliegende Thätigkeit unserer Klassiker wird ungleich behandelt; befriedigend Goethes Naturforschung, besonders die optischen Studien, ungenügend dagegen Schillers historische Arbeiten, wo zwischen Selbständigem und Angeeignetem nicht geschieden wird. Der Gegensatz zwischen Klassikern und Romantikern wird mit scharfem Blick erfasst und durch den philosophischen Gegensatz Kant-Fichte in seinem tiefsten Grund aufgehellt. Das strenge Urteil über die Romantiker greift auch auf Jean Paul über, dessen immerhin reicher, poetischer Begabung B. nicht ganz gerecht wird. Mit einer schönen90 und würdigen Schilderung von Goethes Vollendungsepoche schliesst B. sein Buch. ) — Von wissenschaftlichen Darstellungen, die sich nur an einen engeren Leserkreis wenden, bleibt Martins 9 1 ) treffliche Neubearbeitung der Wackernagelschen dem nächsten Berichtsjahr vorbehalten, wo dann mit dem Schluss des Ganzen die früher erschienenen Teile im Zusammenhang gewürdigt werden sollen. — Die Geschichte der mittelalterlichen Litteratur, die in Pauls Grundriss der Germanischen Philologie gegeben wird, gehört nur zum geringsten Teil in den Rahmen dieser Berichte. Die beiden Teile, in welche sie sich gliedert: Mittelhochdeutsche Litteratur von Vogt 9 2 ) und mittelniederdeutsche von J e l l i n g h a u s 9 3 ) fassen das 14. und 15. Jh. zusammen, indem sie den Stoff nach Litteraturgattungen einteilen und in ihrem Bericht hie und da auch in das 16. Jh. übergreifen. V. führt seine Darstellung bis auf Rosenplüt und Folz, Sebastian Brant und Geiler von Kaisersberg; J. greift etwas weiter und giebt besonders über geistliche Lyrik — katholische wie lutherische — sowie über niederdeutsche Bibelübersetzungen interessante Daten. Er erwähnt sogar ihren Verlanf v. Beginn einer schriftl. Ueberliefernng an 1>is heute, in graph. Darstellung. St., Göschen. Färb. T a l mit erklärendem Text in Karten. II. 2,00. |[(Edw. S c h ( r ö d e r ) : ADA. 19, S.87/9; F. M n n c k e r : BBG. 28, S. 263/9; K. M e n g e : Gymn. 10, S. 125.]) — >8) M. K o c h , Gesch. d. dtech. Litt. ( = Sammlung Göschen N. 31). ib. 278 S. U. 0,80. ||Geg. 44, S. 350; AkBU. 8, S. 248; EZg. N. 985; AZgR. N. 299.]| (8. u. 17:134.) — 89) E. B o r i n s k i , Gesch. d. dtsch. Litt. 2. T. Seit d. Ausgang d. MA.: ( = DKL. N. 163.) St., Union. VIII, 402 S. M. 2,50. |[L. F r a n k e l : BLO. S.564/6.|| — 90) O X X G. K a r p e l e s , Allg. Gesch. d. Litt. v. ihren Anfangen bis auf d. Gegenw. Hit lllustr. n. Portrr. 2 Bde. (13.Lfgn.) B., Grote. 756 S.; 875 S. M. 26,00. |[WIDM. 72, S. 718; L. B e r g : NatZg. 1892, N. 178.]| - 91) Gesch. d. dtsch. Litt. v. W. Wackernagel , fortges. T. E. M a r t i n . 2. Bd., 3.Lfg. Basel, B. Schwabe. 1892. S. 287-538. M. 4,60. |[DB. 4, S. 143.]| — 92) F.Vogt, Uittelhochdtsch. Litt. ( = Grnndr. d. german. Philol. her. t . H P a n l . l[Strassbnrg, Trabner. 1890-92.] Vin. Abechn. 3 b, S. 245-418.) — 93) H. J e l l i n g h a u s , llittelniederdtsch. Litt. ( = ebda. VIII. Abschn. 3c, S. 419-52). |(MLN. 8, S. 99-106

0. H a r n a c k , Litteraturgeschichte.

1892, 1893.

I 1 : 94-107

noch Lauremberg und schliesst seine Arbeit mit allgemeinen Betrachtungen über die Ursachen des Ersterbens der niederdeutschen Litteratur. — Gleichfalls nur mit den letzten Ausläufern berührt unser Gebiet die Geschichte der mittetalterlichen Litteratur von Golther. 9 4 ) — Von umfassenden Werken, welche schon früher erschienen sind, wurden in beiden Berichtsjahren noch besprochen die 6. Auflage von Scherers Litteraturgeschichte (vgl. JBL. 1891 I 1 : 45)9495) und Goedekes Grundriss in der neuen Bearbeitung (vgl. JBL. 1891 IV 1: l) ). — Auch in Geschichtswerken findet die Litteraturgeschichte an bescheidener Stelle Aufnahme. D i t t m a r s 9 7 ) dreibändige deutsche Geschichte behandelt im zweiten Bande Luther im Zusammenhang mit der politischen Geschichte, die sonstige Litteratur der Reformationszeit abgesondert, beides von entschieden protestantischem Standpunkt, — ferner die Litteratur des 17. Jh. mehr mit Beziehung auf Sitten und Kulturgeschichte. Er zeigt Kenntnis des Stoffes; selbständige Studien zu finden wird man nicht erwarten. Im dritten Bande, bei Behandlung der klassisehen Litteratur, begnügt sich D. allzusehr mit Allgemeinheiten, und lässt es an positiven Daten, selbst an Angabe der wichtigsten Werke fehlen. Gerade für eine Darstellung deutscher Geschichte sind die Thatsachen, dass Wallenstein in diesem, Faust in jenem Jahr erschien, wichtiger als reflektierende Mitteilungen über ihre Dichter. In seiner Auffassung ist D. stark durch „nationale" Gesinnungen geleitet, welche freilich zur Würdigung der höchsten Kunstwerke nicht hinreichen. 98-102 ) — In trefflicher Weise setzt dagegen Roethe 1 0 3 ) die Geschichte unseres Kaisertums mit der unserer Litteratur in Verbindung; man bedauert nur, dass seine Rede sich in so knappen Grenzen halten musste und in diesen noch sich vorzugsweise mit dem Mittelalter beschäftigt. Es ist nicht nur ein schöner, sondern auch ein richtiger Gedanke, dass die ideale Weite der Kaiseridee und die humanistische Weitherzigkeit der deutschen Dichtung aus einem gemeinsamen Urgrund entsprungen sind. „Der Schimmer der Weltmonarchie reizt uns nicht mehr: aber auf immer soll uns das deutsche Kaisertum ein Symbol dafür sein, dass dem deutschen Geiste die Welt gehört." — Von ausserdeutschen Ländern ist Frankreich jetzt wohl dasjenige, das sich am meisten mit deutscher Litteratur beschäftigt. Alljährlich erscheinen neue Darstellungen, 1meist allerdings Leitfäden zu praktischem Zweck. Diesmal ist ein solcher von H e i n r i c h 0 4 ) zu verzeichnen, der freilich der Redaktion nicht zugegangen105ist. — Von der Sammlung von Literaturgeschichten aus dem Verlag von Poussielgue ), welche auch auf die deutsche Litteratur sich erstreckt, erschien die vierte und fünfte Auflage. — Nicht zwar eine vollständige Geschichte, aber doch eine über den ganzen Verlauf der Litteraturgeschichte sich ausdehnende Folge von Essays hat Combes gegeben, über dessen „Profile und Typen" M i d d e n d o r f 1 0 6 ) ausführlich berichtet. Combes steht der mittelhochdeutschen Litteratur verständnislos gegenüber, nur Walther findet bei ihm Gnade. In der Neuzeit tritt er für Fleming gegen Opitz ein, redet zu Gunsten Gottscheds, lässt Lessing als Kritiker (auch Corneilles) volle Gerechtigkeit widerfahren, beurteilt ihn aber ungünstig als Dramatiker. Schiller wird geringschätzig behandelt, die Romantik schlimm verspottet; dagegen Goethe mit entschiedenem Verständnis und rückhaltloser Verehrung geschildert. Sowohl in den lyrischen Gedichten, wie im Drama (auch im 2. Teil des Faust) und im Roman (Wahlverwandtschaften) weiss er Goethes eigentümliche Bedeutung zu erkennen und charakterisiert treffend das in Goethe lebendige Verhältnis von Kunstund Naturbetrachtung. 106a ) — In England erschien Hosmers 1 0 1 ) deutsche Litteratur-

160/9, 215-2301 — 94) W. G o l t h e r , Gesch. d. Atsch. Litt. v. d. ersten Anfängen bis z. Ausg. d. MA. ( = DNL. N. 739, 711/2) St., Union. IV, 443 S. M 2,50. I[E. M a r t i n : DLZ. 1392, S. 1460/3; HA. 6, S. 288/9.]| - 95) X L- F r a n k e l : ZDTJ. 6, 8. 851/2. — 96) I'. H i r z e l : DLZ. 1892, S. 660/2. — 97) G. D i t t m a r , Gesch. d. dtsch.' Volkes. 3 Bde. Heidelberg, Winter. 566 S.; 544 S.; 592 S. U. 15,00. | [ M a r k h a u s e r : BBG. 29, S. 262,7.]| - 98) X B. G e b h a r d t , Handbach d. dtsch. GeBch. 2 Bde. (I. V. d. Urzeit bis z. Reformation. II. V. d. Reformation bis z. Frankfurter Frieden. Nebst e. Uebersicht aber d. Ereignisse bis z. J. 1890.) St., Union. 1892. IX, 676 S.; IX, 767 S. 11.16,00. |[G. W i n t e r : BLU. S. 234/5; LBIHSoh. S. 11; KBGY. 41, S. 31; HAnt. 38, S. 565/7; Ath. S. 439; HPBU. 110, S. 229; LCB1. 1892, S. 1278; G. K a u f m a n n : DLZ. 1892, S. 1274/6; MHL. 20, S. 216.]| — 99) X O. L y o n , E. dtsch. Gesch. für Schale n. Haas: ZDU. 6, S. 835-40. . (Ueber 0. Kümmel, Dtsch. Gesch Dresden, C, Höokner. 1889. VI, 1266 S. M. 13,50.) — 100) X K - Lamprecht, Dtsch. Gesch. 2. Bd. B., B. Gaertner. XV, 367 S. M. 6,00. |[J. J a s t r o w : IIA. 6, S. 236-42: G. S t e i n h a u s e n : DLZ. S. 1203/6. (St. hebt besonders hervor, wie d. Vf. versache, d. Volksseele als d. e. Kollektivperson zn zeiohnen n. in d. einzelnen Erscheinungen ihre Lebens&usserungen nachzuweisen.)]! — 101) X N e u m a n n - S t r e l a , Deutschlands Helden in Krieg n. Frieden. 1. Bd. Hannover, C. Ueyer. 1892. VII, 308 S. M. 4,00. |[KonsUschr. S. 470/1; N4S. 65, S. 275.JI (Keioht bis auf Max I.; berührt kurz d. Litt. [Hatten].) — 102 X H. L a n d w e h r , Charaktere aus d neueren dtsch. Gesch. vornehm], in zeitgenöss. Schilderung. 2. Ausg. B., Mittler A Sohn. 1892. X, 230 S. M. 3,00. |[LCB1. 1892, S. 693.] | (D. einzige litt. „Charakter" in d. Sammlung ist Kotzebue [nach Arndt, Wanderangen u. Wandlungen].) — 103) G. R o e t h e , D. dtsch. Kaiser u. d dtsch. Litt. Rede z Feier d. Gebnrtst. S. M. d. Kaisers u. Könige am 27. Jan. im Namen d. Georg-Angnsts-Univ. Güttingen, Dieterich. 4°. 22 S. M. 0,40. — 104) O X X G. A. H e i n r i c h , Hist. de la litt, allemande. Paris, Leroux. 1890-91. ||HJb. 13, S. 388; F. J. H o l l y : Kath. 1, 8. 183/8; Polybibl'-. 65, S. 439-40.|| — 105) X Hist. des litt, anciennes et modernes, avec morceaux choisis extraits des-meilleurs auteurs des divers siècles. Litt, anciennes: hébraique, greoque, latine'; litt, étrangères modernes: italienne, espagnole, anglaise, allemande. Paris, Poussielgue. VII, 636 S.; 347 9. — 106) H. M i d d e n d o r f , E. Combes, Profils et Types de la litt, allemande: MdnchNN. 1892, 30. Nov. — 106a) X A - Q n i l l a n d , Un raanael d'hist. allemand: BPL. 1, S. 763/5. (Ueber R. Stenzler, F. Lindner, H. Landwehr, Lehr- u. Lesebuch d. Gesch.) — 107) O J . 2*

I 1 : 108-110

0. Harnack, Literaturgeschichte. 1892, 1893.

geschichte von neuem und in Amerika gab Greene 1 0 8 ) Carlyles noch immer lebenskräftige Vorlesungen über Litteratur aus dem J. 1838 neu heraus. — Gleichfalls in Amerika erschienen Essays über deutsche Litteratur von Boyesen 1 0 9 ), welchen Grimm warme Anerkennung zollt. — Unter den zeitlich umfassenden l o k a l e n L i t e r a t u r g e s c h i c h t e n nimmt das grosse Werk über die „Geschichte der deutschen Litteratur in der S c h w e i z " von ßaechtold 1 1 ®), dessen Schlusslieferung im Berichtsjahr 1892 erschienen ist, den ersten Platz ein. Dem gesamten Werk ist der lokale Charakter, der einem solchen Stoff angemessen ist, deutlich aufgeprägt; es ist echt schweizerisches Gewächs; doch stumpft die Liebe, mit welcher der Vf. den einzelnen Erscheinungen nachgeht, und der Stolz, mit dem ihn bisweilen ihre weitreichende oder massgebende Bedeutung erfüllt, die Kritik nicht ab. Die Sprache zieht das kräftige derbe Wort dem leisen und zarten vor, verschmäht scherzhafte Wendungen nicht, weiss aber auch ernste und feierliche Töne zu finden. B.s Darstellung des Mittelalters können wir hier nicht beurteilen; zur Neuzeit führt er uns in seiner sehr eingehenden Schilderung der dramatischen Poesie des 16. Jh. hinüber. Ein in den Anmerkungen gegebenes „chronologisches Verzeichnis aller datierten Aufführungen deutscher Dramen in der Schweiz" giebt die feste Grundlage für dieses Kapitel. Dies Verzeichnis, das etwa zweihundert Nummern umfasst, beruht grossenteils auf archivalischen Angaben, und wo dies nicht der Fall, auf authentischen chronikalischen Ueberlieferungen; es ist von grösster literarhistorischer Wichtigkeit. Im Text giebt B. eingehende, meist mit Inhaltsangaben verbundene Nachrichten über alle irgend nennenswerten schweizerischen Dramen jener Zeit, worunter auch zahlreiche ungedruckte. Neben dem Drama wird das geistliche Lied mit besonderem Interesse behandelt. Zwingiis Gestalt wird in sympathischer Beleuchtung gezeigt, und das Vorurteil bekämpft, als hätte die schweizerische Reformation keinen lyrischen Wiederklang gefunden; zugleich aber werden auch die Gründe erörtert, warum man die lyrische Kraft und Fülle der lutherischen Kirche hier nicht erreichen konnte. Von der Prosalitteratur der Zeit wird besonders den Bibelübersetzungen Aufmerksamkeit geschenkt und das Verhalten der Schweiz gegenüber der lutherischen Uebersetzung dargelegt. Das 17. Jh. ist sehr kurz behandelt; so sehr B. gewiss Recht hat mit seiner abschätzigen Beurteilung, so wäre ein etwas näheres Eingehen vom rein historischen Standpunkt aus doch zu wünschen. Im 18. Jh. wird zuerst Drollinger ausführlicher betrachtet, und dann Haller ein schön abgerundeter, feingestimmter Abschnitt gewidmet. Hervorzuheben ist hier B.s Urteil über die „Alpen" ; es ist günstiger als wir es jetzt zufallen gewohnt sind; er sieht das Wesentliche des Gedichts nicht in der unepischen Naturschilderung, sondern in der Darstellung des Volkslebens. „Der Schluss ist stark beschreibend; die grössere Hälfte jedoch voll Leben und Bewegung. Nicht nur die neue Idyllendichtung belebte sich an den „Alpen", sondern die im ganzen auf reellem Grunde ruhenden Schilderungen des Volkslebens sind für ähnliche Versuche in der Folgezeit mehrfach massgebend geworden." Im Mittelpunkt der Schlusslieferung steht die Gestalt Bodmers, welchen B. uns in jeder der so verschiedenen Perioden seiner wirklichen wie seiner eingebildeten Thätigkeit nahe zu bringen weiss. Bei der grossen Bedeutung und den weitreichenden Beziehungen dieses Mannes gewinnt die Landesgeschichte für diese Periode einen allgemein-nationalen Charakter, sie enthält wenigstens die hauptsächlichen Elemente der allgemeinen litterarischen Bewegung. Uebrigens hätte B. doch wohl besser gethan, in der zweiten Hälfte dieses Abschnitts den halb kindisch gewordenen Patriarchen nicht mehr so in den Vordergrund zu rücken, sondern Lavater als Hauptperson vorauszustellen, dessen anziehende und ausstrahlende Persönlichkeit einen grossen Kreis ohne Mühe um sich gruppiert hätte. Auch Breitinger hätte neben Bodmer wohl eine ausführlichere Behandlung verdient, um so mehr als der Vf. selbst betont, dass man nur zu oft geneigt sei, die beiden Kampfgenossen vollständig zu identifizieren. In der Wiedergabe der kritisch-theoretischen Schriften beider Freunde beschränkt sich B. so ziemlich auf blosses Referieren, und lässt die kritisch-historische Würdigung öfters vermissen. Dagegen ist alles Biographische mit lebhafter Frische aufgefasst und dargestellt, mit kräftigen Mitteln wird charakterisiert; auch die poetischen Schöpfungen oder Versuche werden scharf beurteilt. Der Hauptwert des Buches aber dürfte in dem neuen hs. Material liegen, das es verarbeitet hat, auf welches an dieser Stelle jedoch im einzelnen nicht einzugehen ist: beispielsweise sei auf die Mitteilungen über die in Bern gegen die Züricher BeH o s m e r , A short hist, of geraum l i t t New ed. London, S. Low. 1692. Sh. 7|6. — 108) O Th. Carlyle, Lectures on the Hist, of Litt. her. r. Beug Greene. New-York, Scribners Sona. 1892. 283 S. |[H. G r i m m : DLZ. 1892, S. 1491/2.]| — 109) H. H.' B o y e s e n , Essays on German litterature. London, T. Fischer-Unwin. 1892. 395 S. Sh. 6. |[H. G r i m m : DLZ. 1892, S. 395/7; SaturdayR. 74, S. 512/3.]| (Vgl. JBL. 1892 IV3 : 1 ; 8a : 65, 110, 113; 8b : 32; 8o : 4; 9 : 7; 10:1.) — 110) J. B a e c h t o l d , Gesch. d. dtsch. Litt, in d. Schweiz. Frauenfeld, J. Haber. 1892. VII, 687 u. 244 S. Anm. M. 15,20. |[H;F.: ¿ZgB. N. 795; DBs. 73, S. 156; È. H a a g : BLU. S. 631/3; A. B o s s e r t : SCr. S. 10/1; S S h n s : OOIBW. 21, S. 103; F.

0. H a r n a c k , Litteraturgeschichte. 1892, 1893.

I 1 : ni-i"

strebungen sich erhebende Opposition verwiesen. Mancher neue (auch in der zweiten Auflage Goedekes nicht berücksichtigte) Poet wird uns vorgeführt; so der Idyllendichter Werdmüller und der Dramatiker Crauer. In die nachfolgenden Anmerkungen ist eine vollständige, durchweg auf Autopsie beruhende Bibliographie Bodmers und Breitingers hineinverwebt, die jeder künftigen Arbeit über die „Schweizer" wird zur Grundlage dienen müssen; ich hebe daraus nur hervor, dass der zweite Teil von Bodmers Schrift wider „Lessings unäsopische Fabeln" auf Grund des Originalms. Breitinger zugewiesen wird. Im ganzen wird gewiss jeder Litteraturfreund aufrichtig bedauern, dass Baechtold sein von den ältesten Zeiten unseres Schrifttums beginnendes Werk mit Bodmers Tode schliessen lässt und nicht bis auf unsere Tage weiter geführt hat. — Ein beschränkteres Thema, dieLitteratur M e c k l e n b u r g s , h a t sich L o r e n z 1 1 1 ) gewählt. Diesem jungen Autor ist das Studium von Bernays oben besprochenem Aufsatz (s. N. 44) über „Noten" dringend zu empfehlen. Sein Text ist nur ein klapperdürres Gerippe, und jeder einzelne Knochen ist mit mehreren Nummern gekennzeichnet, welche angeben, wo man die zugehörigen Muskeln, Nerven usw. auffinden kann. Zu 23 Seiten Text gehören 135 Anmerkungen auf 31 enggedruckten Seiten; es kommt sogar vor, das ein Satz des Textes in der durch mehr als zwanzig Seiten getrennten Note einfach fortgesetzt wird. Von einer Lektüre der Schrift kann daher nicht geredet werden, sondern nur von einem stückweisen Zerhacken des Textes und Zerpflücken der Anmerkungen. Man ersieht dabei, dass der Vf. sehr fleissig gearbeitet hat und weit mehr aus dem gesammelten Stoff hätte machen können. Er richtet sein Forschen einerseits auf die geborenen Mecklenburger, andererseits auf die Ausländer, welche eine Zeitlang ihren Wohnsitz in Mecklenburg hatten; so kommt auch Ulrich von Hutten unter die Rostocker. Einen besonderen Wert gewinnt die Schrift durch das Verzeichnis „neulateinischer Dichter Mecklenburgs", deren die Noten dreiundsechzig mit biographischen und bibliographischen Daten anführen, während der Text nur Chytraeus und Caselius nennt (vgl. III 1 : 136). — Zwei Aeusserungen aus B ö h m e n bekunden, wie das dort in lebhaftem Kampfe sich behauptende Deutschtum auch aus der Geschichte seines geistigen Lebens und seiner Litteratur Kraft zu schöpfen sucht. B a c h m a n n 1 1 1 ) hebt die wechselnden Phasen des bald unterdrückten, bald kräftig sich erhebenden Deutschtums hervor, und lässt besonders helles Licht auf Karl Heinrich Seibt fallen, der seit 1763 deutsche Litteratur in deutscher Sprache an der Prager Universität vortrug und damit den vollen geistigen Kontakt zwischen Böhmen und dem Reich wiederherstellte. — Speciell mit der deutschen Litteratur in Prag beschäftigt sich der Vortrag von K1 aar. 113 " 114 ) — In der Reihe der S a m m e l w e r k e aus dem Gebiete der Literaturgeschichte steht die von E r i c h S c h m i d t und B u r d a c h 1 1 1 ) veranstaltete Ausgabe von WT. Scherers „Kleinen Schriften" voran. Sch. und B. haben sich die Arbeit so geteilt, dass der erstere den Arbeiten Scherers zur neueren Litteratur, Kunst und Zeitgeschichte, der letztere den Aufsätzen zur altdeutschen Philologie seine Sorgfalt zugewandt hat. Absolute Vollständigkeit der Sammlung war die Absicht der beiden Herausgeber nicht; auch nicht eine Auswahl dessen, was heute noch am ehesten massgebende wissenschaftliche Bedeutung hätte; sondern der Wunsch, ein charakteristisches Bild des persönlichen Wirkens und der persönlichen wissenschaftlichen und auch in weitere Kreise eingreifenden Verdienste Scherers zu geben. Das ist in vorzüglichem Masse gelungen; gerade aus den kleineren Beiträgen, die zum Teil Tagesblättern entstammen, und deren Aufnahme Missgünstige vielleicht bekritteln mögen, tritt die Individualität greifbar leibhaftig heraus. Was am merkwürdigsten in ihr erscheint, ist die Verbindung des durch und durch Modernen mit einer Gesinnung der Pietät für die Grösse deutscher und antiker Klassik, wie sie wärmer und stärker nicht gedacht werden kann. Viele Gegner Scherers, die sich in das Moderne dieses sprühenden Geistes nicht finden konnten und daher seine „Poetik" als eine Art Schreckbild sich und anderen vorzuhalten pflegen, werden vielleicht mit Verwunderung aus diesen Aufsätzen erkennen, wie einseitig sie den Mann beurteilt haben, und um wie viel seine Begeisterung für die klassischen Schätze die ihrer heutigen Verteidiger übertroffen hat. Ich wenigstens kann mich kaum entsinnen, in jüngster Zeit so kräftige Worte zu Gunsten des klassischen Gymnasiums gelesen zu haben, wie sie aus Scherers Feder geflossen sind, und mit so schwungvoller Ueberzeugung die Unvergänglichkeit unserer klassischen Dichterwerke preisen gehört zu haben, wie es Scherer gethan hat. V ( e 11 e r ) : SohwRs. 3,1, S. 218-21; Geg. 43, S. 127; RH. 30. S. 222.) | — 111) K. L o r e n z , D. Anteil Mecklenburgs an 4. dtsch. NationalI'itt. v. d. Anfängen bis z. Ende' d. 17. Jh. Dies. Rostock, Stiller. 61 S. II. 1,60. — 112) H. B a o h m a n n , Dtsch. Geistesleben in Böhmen: YossZgB, 1892, N. 34. — 113) A. Kl a a r , D. dtsch. Ltft" Prags. Vortr.: Bohemia N. SO. (Referat.) — 114) O X - T - W i e s n e r , Kloster Adraont in d. Litt.-Gesch.: HPB11. 110, S. 362 - 115) X M - N i g g , Biographien d. österr. Diohterinnen n. Schriftstellerinnen. Kornnenbnrg, Kuhlhopf. 61 S. II. 2,00. — 116) X Neuere vissenschaftl. u. litt. Leistungen 4. dtsch. Jesuiten: Eath. 1, 3. 172. — 117) W. Scherer, Kleine Schriften. Her y. 13 r i e h S c h m i d t u. K. B u r d a o h . 2 Bd«,

I 1 s 118-121

O. H a r n a c k , Litteraturgeschichte.

1892, 1893.

Es fehlt ganz und gar die zaghafte Resignation, welche jetzt fast die Regel — auch bei Gleichgesinnten — geworden ist. Aber die Frage taucht auf: ist nicht an der Verzerrung, welche Scherers Bild bei seinen Gegnern erfahren hat, auch manche Einseitigkeit der Schüler mitschuldig? Mir wenigstens will es scheinen, wenn ich diese Aufsätze durchgehe, als ob ihr Gedankenreichtum unter den Anhängern Scherers sehr ungleichmässig fortgewirkt habe, dass im ganzen nur mit wenigem von ihnen weitergewirtschaftet wird. Freilich wäre im Zusammenhang damit eine Untersuchung wünschenswert, inwieweit Scherers Gedankenkreis sich im Lauf der Jahre selbst verändert hätte, und einzelne Gedanken nur bestimmten Jahren angehörten. Dies würde eine chronologische Anordnung der Schriften erfordern, während die Herausgeber eine Anordnung nach sachlichen Gruppen vorgezogen haben. Sch. gliedert den Stoff in „Essays zur Litteratur, Kunst, Politik", „Litterarische Rundschau," „Recensionen und Abhandlungen zur neuhochdeutschen Literaturgeschichte." Verwandtes findet sich in B.s Band unter den Rubriken „Poetik", „Literaturgeschichte" (Mittelalter), „Universität und Schule". Auf die einzelnen, zum Teil schon vor mehr als zwanzig Jahren entstandenen Aufsätze einzugehen, liegt naturgemäss ausserhalb des Rahmens dieser Jahresberichte. — Der zweite uns vorliegende Sammelband literarhistorischer Studien ist Michael Bernays gewidmet118). Leider haben die Schüler und Freunde, welche auch den Anlass dieser Huldigung nicht angeben, es ebenso unterlassen, irgendein zusammenfassendes, charakterisierendes Wort vorauszuschicken oder nachzusenden, welches die geistige Gemeinschaft, in der sie sich fühlen, und die Art der wissenschaftlichen Anregung, welche sie von dem geistvollen und vielseitigen Gelehrten empfangen haben, bezeichnet. Die sehr verschiedenartigen, auch in die englische, französische und spanische Litteraturgeschichte hinübergreifenden einzelnen Aufsätze müssen den betreffenden Specialrubriken der Berichte zur Beurteilung überlassen werden. — Zum siebzigsten Geburtstage K von Maurers haben eine Reihe seiner Schüler dem verehrten Lehrer eine Sammlung „Germanistischer Abhandlungen" dargebracht119). —Einen interessanten Band etwas 12 altkluger Essays hat W e i g a n d « ) herausgegeben. Vier Essays freilich beschäftigen sich mit der französischen Litteratur, und der fünfte, welcher „Zur Psychologie des 19. Jh." betitelt ist, giebt mehr eine Psychologie des Vf.; aber es fällt doch einiges für die deutsche Litteraturgeschichte ab. Eine Betrachtung über Wilhelm von Humboldt erklärt aus seinem geistigen Aristokratentum die geringe Wirkung, welche er heute, in einer demokratischen Litteraturperiode, ausübt; auch mehreren neueren Schriftstellern Deutschlands sind einige Seiten gewidmet. Im ganzen entspricht die Bedeutung dessen, was W. zu sagen hat, nicht der Tiefe der weisen Runzeln, in welche er seine Stirne zieht; es fehlt die Klarheit der Grundsätze; zwischen der stofflichen, den Wert des psychologischen Materials vor allem schätzenden Auffassung der Poesie und der an Schönheit der Form sich begeisternden Anschauung hat er bisher weder den Ausgleich noch die Versöhnung gefunden, so abgeklärt und gesammelt er auch schreiben will. — Weigands Essays führen uns zu den zahlreichen Publikationen hinüber, welche die Litteratur nur nach ihrer heutigen Art und Wirkung betrachten, aber auf diesem Wege doch zu allgemeingiltigen Resultaten zu kommen glauben. Die Ueberschätzung des Nächstliegenden, des „Aktuellen", hat in einem sehr bedenklichen Masse zugenommen, und droht einer sicheren historischen Erkenntnis immer mehr den Boden zu entziehen und die Lebensluft zu rauben. Es wäre ein schönes Verdienst dieser Jahresberichte, wenn es ihnen gelänge, auf litterarischem Gebiet gegenüber der erdrückenden Fülle der herandrängenden Phänomene des Tages der Kritik den Halt fester historischer Erkenntnis wahren zu helfen. In dem Buch „Neuland" von E l l a Mensch 1 2 1 ) ist durch die Nähe des Standpunkts das Augenmass für die Grösse der einzelnen Erscheinungen ganz verloren gegangen. Unbedeutende Feuilletonisten werden neben gewichtigen Männern als Autoritäten genannt. Die einzelnen Schriftsteller werden nach ihrer Bedeutung für eine moderne Weltanschauung gemessen, deren Inhalt gar nicht angegeben werden und darum auch keinen Massstab geben kann. Auf diese Urteile können wir hier nicht eingehen; wir begnügen uns damit zu konstatieren, dass ein wissenschaftlich wertvolles Urteil nur zu stände

I. Bd.: Kleine Schriften z. altdteoh. Philol. II. Bd.: Kleine Schriften z neueren Litt, Kunst n. Zeitgesch. B., Weidmann. 1892. XXIV, 782 S.; VII, « 5 S. M. 15,00; M. 8,00. |[H. B e t t e l h e i m : NationB. 10. S. 725/7; A. v. W e i l e n : AZgB. N. 202/3; KCr. 36, S. 801/2; F. V.: LCBI. S. 1549-51; M. N e c k e r : NFPr. 4. Okt.; i d . : BLU. S. 609-ll.]| (S u . I 2 : 2 . ) — 118) Studien z. Litt.-Geach. II. Bernays gewidmet v. Schülern n. Freunden. Hamburg n. L., Voss. VII, 330 S. M. 8,00. [[R. M. M e y e r : ML. S. 495,'6; LCBI. S. 893; F. M n n c k e r : BBS 29, S. 641/3; A. S c h r ö t e r : BLU. S. 581; Grenzb. 3, S. 287; DK. 3, S. 256; LZg». N. 83; 0. P n i o w e r : VossZg". N. 44.]| - 119) Germanist. Abhandlungen z. 70. Geburtst. K. v. Mauers dargebracht v. 0. B r e n n e r , F. D n h n , C. G a r e i s , W. G o l t h e r , V a l t y r , G u 5 r a u n d s s o n , E b b e H e r t z b e r g , F i n n n r J ö n e s o n , K a r l L e h m a n n , E i n s t M a y e r , Bj. M. O l s e n , A x e l F e t e r s e n , V. A. S e c h e r , P h . Z o r n . Göttingen, Dieterich. VII,654 S. M. 16,00.— 120) W. W e i g a n d , Essays (Voltaire. Boussean, Taine n. Sainte-Beuve. Z. Psychologie d. Décadence. Z. Psychologie d. 19. Jh.) NeueAusg. München, H. Snkaschik. 1892.323S. M.4,50. (Vgl.JBL 1892IV l a : 15.) — 121) E l l a M e n s c h , Neuland. Menschen n. Bücher d. modern. Welt. St., Leyy & Müller. 1892 V, 342 S. M. 5,50. (Vgl.

0 . H a r n a c k , Literaturgeschichte.

1892, 1893.

I 1 : 122-140

kommen kann, indem man die Erscheinungen der Gegenwart an der Vergangenheit, nicht indem man sie an einer erträumten Zukunft misst. — Der litterarische Essay hat in Frankreich eine reichere und bedeutsamere Ausbildung gewonnen, und die dort erschienenen Sammlungen aus beiden Berichtsjahren sind nicht nur zahlreicher, sondern zum Teil auch wertvoller als die deutschen. Die Namen Taine 1 2 2 " 1 2 3 ) und Brunetière 1 2 4 ) ( v g l . J B L . 1891 I l : 11) haben wir aus Anlass neuer Auflagen oder Kritiken wenigstens zu nennen. — Durch klare Grundsätze und zuverlässiges Urteil zeichnet sich das Buch von D o u m i c m ) aus, das in einer Reihe von Essays uns v o n Dumas bis auf J. Weiss führt. Der V f . urteilt streng über den modernen Naturalismus, aber nicht als Anhänger veralteter Theorien, sondern weil er erstens seine Naturdarstellung nicht wahr, und zweitens in ihm einen starken Zusatz von Romantizismus findet. Die Richtung im ganzen, urteilt D. am Schluss, sei dennoch anzuerkennen ; denn sie gehe davon aus, dass die Dichtung nicht eine Welt für sich zu gründen habe, dass das Ideale nur der höchste Ausdruck des Realen sein könne, dass die Litteratur uns nicht vom Leben abziehen, sondern nur beständig in das Leben hineinführen müsse; diese Absicht hätten indes, wenn auch mit anderen Mitteln, die grossen Dichter früherer Zeiten ebenso gehabt. So verständige W o r t e bekommt man in dem litterarischen Parteihader Deutschlands selten zu lesen. — W e n i g e r Ausbeute liefern die Essays von d e V o g û é 1 2 8 ) , welche zum grösseren Teil politischen Inhalts sind (etwas chauvinistisch gefärbt), und in ihrem litterarischen Teil sich über verschiedene französische und russische Autoren mit feiner Nachempfindung verbreiten, ohne doch eine bestimmte Gesamtanschauung erkennen zu lassen. 127 " 133 ) — Eine litterarische Enquête über die Zukunft der Litteratur hat in Frankreich H u r e t 1 3 4 ) als persönlicher Interviewer zahlreicher Schriftsteller veranstaltet. Im allgemeinen liefen die Urteile darauf hinaus, dass die Zeit des Naturalismus vorüber sei; selbst seine persönlichen einflussreichsten Vertreter wagten nicht eine baldige K r ä f t i g u n g für ihn vorauszusagen ; allein die Keime der Neugestaltungen zu erkennen, wurde für kaum schon möglich erklärt, weil die modernsten Richtungen der Symbolisten, Décadents usw. noch zu wenig positive Schöpferkraft gezeigt hätten, als dass man von ihnen beherrschende und epochebildende Leistungen erwarten könne. — W i e Huret jenseits der Vogesen, so hat in Deutschland G r o t t e w i t z 1 3 5 ) durch eine Enquête bei bedeutenden und unbedeutenden Schriftstellern die Zukunft der Litteratur feststellen wollen ; die Antworten sind so ungleich ausgefallen, dass man aus ihnen nicht einmal entnehmen kann, wie man sich im J. 1892 in Deutschland die Zukunft der Litteratur gedacht hat; auch die Antworten derjenigen, welche bloss erklärten, dass sie nichts zu sagen hätten, hat G. gewissenhaft abgedruckt. — In Italien klagte C a p u a n a 1 3 8 ) in der Einleitung seiner Essays, welche italienische und französische Schriftsteller behandeln, über den Verfall der schönen Litteratur und des Theaters, welche beide keine einflussreiohe Rolle mehr im italienischen Geistesleben spielten. 131 " 139 ) — Es seien hier noch v e r s c h i e d e n e Schriften angereiht, welche einzelne Seiten oder Stoffgebiete des litterarischen Schaffens durch den Gang der Entwicklung hin verfolgen. G r a f f u n d e r s 1 4 0 ) V o r t r a g ( v g l . I 4 : 1 4 8 ) fällt nur durch einige allgemein einleitende Aeusserungen in den Rahmen dieser Berichte. Er meint, um den deutschen Nationalcharakter zu erkennen, könne man nur die altdeutsche Litteratur zu Rate ziehen, da unsere neuere Litteratur durch die klassische einen kosmopolitischen Charakter trage. Mir scheint darin ein doppelter Fehler zu liegen: erstens hat auch die Dichtung des Mittelalters sehr viel fremde Einflüsse erfahren, zweitens ist unsere klassische Dichtung trotz ihres Humanitätscharakters durchaus nicht kosmopolitisch; ein idealisiertes Deutschtum, veredelt durch das, was man für Griechentum hielt, schwebte unsern grossen Dichtern vor, und wer Hermann und Dorothea dichtete, hatte nicht nötig ins Mittelalter zurückzugehen, um Deutschtum JBL. 1892 I 4 : 8 6 6 ; I V l a : 4 . ) — 122) X H. T a i n e , Nouveaux essais de critique et d'bist. 5. éd. Paris, Hachette. 16". 332 S. Fr. 3,60. — 123) X iCent. 34, S. 596-604. — 164) C. B. L o r c k , E. Glückauf d. „Illustrierten" heim Betreten d. 100. Stufe T. e. alten Jünger Gutenbergs: IUZg. 100, S. 2(3. — 165) X D. Redaktion. Z. Jahrestage d. 50j. Bestehens d. UlZg.: ib. 101, S. 10. — 166) O Facs.Abdr. d. 1. Nummer d. IUZg. y. 1. Juli 1843. Beigegeben d. N. 2584 Tom 7. Jan. 1893. 16 S. — 167) E. Zeitnngsjubil. (50j. Bestehen d. IUZg.): APT. S. 94/5. — 168) O Preisliste d. durch d. kaiserl. Post-Zeitungsamt in Berlin u. d. kaiserl. Postanst. d. Roiohs-Postgebiets im J. 1893 zu beziehenden Zeitungen, Zeitschriften usw. Mit Naohtr. B. u. L„ Exped. d. ZeitschriftenAdreBBbuches. Fol. VII, 347 S. M. 4,70. — 169) Preis-Verzeichnis d. in d. der össterr. Monarchie u. im Auslande erscheinenden Zeitungen u. period. Druckschriften für d. J. 1893. Nebst. Anh. : enth. jene inländ. Druckschriften u. Sammelwerke, welche v. d. Buchhandlungen mit Zeitungsfrankomarken versendet werden können u. im Preis-Verzeichnisse selbst nicht aufgeführt erseheinen. Bearb, y. d. k. k. Postamts-Zeitungs- Exped. I in Wien. Wien, K. v. Waldheim. 4°. VII. 209 S. M. 1,00. (1. Nachtr. 19 S. M. 0,20.) — 170) Adressbuch d. dtsch. Zeitschriften u. d. hervorragendsten polit. Tagesbll. 34. Jahrg. 1892. Bearb. T. H. 0. S p e r l i n g . L„ Exped. d. Zeitsehriften-Adressbuches. IV, 162, 73 u. 124 S. M. 4,00. — 171) X Gracklauers dtsch. Journal-Katal. Zusammenstellung v. über 2960 Titeln dtsch. Zeitschriften, ßystemat. in 38 Rubriken geordnet. L., 0. Graoklauer. 71 S. M. 1,35. — 172) X D. dtsch. Presse. Verzeichnis d. im Dtsch. Reiche erscheinenden Zeitungen u. Zeitschriften. I. Bd.: Amts-, Lokal- u. Anzeige-BU., polit.Zeitungen. 5. Aufl. Forbach, Hupfer. IV, 201 S. M. 1,50. — 173) X G - B u o h w a l d , Was sollen wir thun behufB grösserer Würdigung d. evangel. Interessen in d. Tagespresse? Vortr. auf d. Meissener Kirchen- und Pastoralkonferenz am 20. Juni zu Zwickau geh. u. anf Wunsoh d. Konferenz in Drnck gegeben. L., G. Wigand. 20 S. M. 0,25. • - 174) E. Z o l a , Ueber d. Anonymität in d. Presse: Didask. N. 226. — 175) J. N e n w i r t h , D. Bücherverzeichnisse d. Prager Thomasklosters vor d. Huesiten-Kriege: CBlBill. 10, S. 153-79. |[A. H o r c i ô k a : MVGDB». 31, S. 63/4]|. — 176) G. B a u m e r t , Mitteilungen ans d. Bibl. d. ehemal. Bernhardiner-Klosters in Bromberg: JbBrombergHV. 8. 49-69. — 177) O Ch. S o h m i d t , Livres et biblioth. à Strasbourg au MA.: AnnEst. 7, 8. 538-93. — 17S) C. T h i a u c o u r t , Les biblioth.

0 . v. H a s e , Schrift- und Buchwesen.

I 3 : 179-194

St. Pauls Kathedralbibliothek giebt Simpson 1 1 9 ). — Ein von O n c k e n 1 8 0 ) veröffentlichtes Verzeichnis der Bücher (um 1450) der J unkherren Otto und Friedrich zu Hoya und Bruchhausen und zumal der Herrschaft dieser Grafen verbleibender Bücher „altomale dudesk" ist litterargeschichtlich wertvoll. — Von Wolf Ernst Graf zu Stolberg (1546—1606), der den Grundstock zurreichen öffentlichen Bibliothek von Wernigerode schuf, giebt Jacobs 1 8 1 ) als berufener Berichterstatter über diese in ihrer Art einzige Sammlung Kunde; Warner 1 8 2 ) handelt über die Bibliothek Jacobs VI. von Schottland. — Mit lebhaftem Anteil "betrachtet man das Verzeichnis der Druckwerke und Hss. des Dichters Nikolaus Zrinyi 183 ), die dieser zwischen den Trophäen seiner Türkenkämpfe in rauher Zeit gesammelt und bewahrt hat. — Ueber des heimgegangenen Julius Bode Faustbücherei (vgl. JBL. 1892 1 3 : 1 1 9 ; II 3 : 5 0 ) giebt Tille 1 8 4 ), dem sie für dieses Leben zu eigen geworden ist, um dereinst an die Leipziger Universitäts-Bibliothek zu fallen, vorläufigen Bericht. — Unter den päpstlichen Bibliotheken 185 ) hat die Bibliothek Julius II. besondere kunstwissenschaftliche Behandlung einfahren; W i e k ho ff 1 8 6 ) führt aus, dass Rafael in der von ihm nach der Vorschrift Julius II. gemalten Camera della segnatura neben den Gestalten der Theologia, Poesia, Philosophia und Justitia in der Disputa die Theologie, im Parnass die Poesie und in der Schule von Athen die Philosophie durch einzelne hervorragende Portraitköpfe und benannte Vertreter gekennzeichnet habe, erklärt sich aber gegen die Deutungsversuche der vielen „Namenlosen". Die Gemälde sind ihm die Illustrierung eines Bücherkatalogs etwa nach dem Inventar, das Nicolaus V., einst Tomaso de Sarzana, als Normalkatoilog fiir Cosimo de Medici abgefasst hatte. Jedenfalls weist er mit Recht darauf hin, dass in keinem zweiten Werke der bildenden Künste das Buch eine so grosse Rolle spiele wie in diesen Bibliothek-Gemälden Rafaels. — Ueber die Leoninische 187 ) Bibliothek, die der gegenwärtige gelehrte Papst zum Studium der Hss. und für die in den Archiven Studierenden im alten Arsenal der päpstlichen Armee unter der Sixtinischen Bibliothek errichtet hat, verlautet Weiteres. — Ueber Sommervogels Bibliothek der Gesellschaft Jesu liegen mehrere Besprechungen 188 ~ 188a ) vor. — Der für den Verkauf angefertigte Katalog der Bibliothek Döllingers 189 ) giebt ein Bild der reichen wissenschaftlichen Thätigkeit dieses grossen Gelehrten. — Kataloge von M u s i k a l i e n - B i b l i o t h e k e n beziehen sich zumeist auf vor alters gesammelte Schätze: S t i e h l 1 9 0 ) hat für die Stadtbibliothek in Lübeck, 191 Mayser ) für das Gymnasium zu Heilbronn beachtenswerte Vorräte verzeichnet, S c h e u r l e e r s 1 9 2 ) mit Facsimiles geschmückter Katalog seiner überraschend reichen Musikbibliothek ist von hervorragender Bedeutung, — die öffentlichen Musiksammlungen Deutschlands bis auf Berlin, München und Dresden liegen im argen. — Frischer Wind weht durch die wissenschaftlichen s t a a t l i c h e n und ö f f e n t l i c h e n B i b l i o t h e k e n Deutschlands: D z i a t z k o 1 9 3 ) knüpft an eine auf voller Beherrschung des Gegenstands beruhende geschichtliche Darstellung der Entwicklung dieser wichtigen Anstalten bis auf die G e g e n w a r t Vergleiche mit dem Auslande und weittragende Ausblicke auf die Zukunft. — S c h w e n k e 1 9 4 ) bietet ein Adressbuch der Bibliotheken des Deutschen Reiches, dessen Bearbeitung von Hartwig angeregt, und von den meisten deutschen Staaten, insbesondere vom preussischen Unterrichtsministerium gefördert worden ist, so dass ein vollwichtiger neuzeitlicher Ersatz für Petzoldts Werk geschaffen sein würde, wären nicht Oesterreich und die Schweiz ausgeschieden worden; es wäre zu bedauern, wenn aus Verwaltungsgründen und diplomatischen Erwägungen es mehr und mehr Brauch würde, unser herrliches einheitliches Litteraturgebiet zu zerstückeln, ein Nachtrag der deutschen Bibliotheken ausserhalb des Reichs muss deshalb als ein nationaler Anspruch gestellt werden. — de Strasbourg et de Nancy. (Ans AnnEst. 1892-93). Nancy, Berger-Levranlt et Co. 123 S. — 179) O W. S i m p s o n , St. Panls Cathedral Library, a catal. of bibles, rituals etc. London, Stock. Sh. 20. — 180) H. O n c k e n , D. ältesten Lehnsreglster d. Grafen y. O'.denbnrg n. Oldenbnrg-Bruohhansen. ( = Schriften d. OldenbnrgLVA. VII. [Oldenburg, Stalling. V, 138 S. M. 3,50.], S. 53/6.) — 181) Ed. J a c o b s , WolfE. Graf zuStolberg: ADB. 36, 345 6. — 182) G. P. W a r n e r , The Library of James VI of Scotland: Bookworm S. 201/6. — 183) Bibliotheca Zrlnylana. D. Bibl d. Dichters Nik. Zrinyi. E Beitr. z. ¡Srinyi-Litt. Mit litt.-hist. Einl. H i t d. Portr. d. Dichters nach E. Widemann, e. Facs. u. e Stamintaf. Wien, S. Eende. III, XIX, 83 S. IL 2,00. — 181) A. T i l l e , Jol. Bode a. seine Fanstbtcherei. Frankfnrt a. M„ Mahlan A Waldschmidt. 12 S. (Als Us. gedr) — 185) X J- S o h m i d , Z. Gesch. d. Vatikana: LRs. 1», S. 257-64. - 186) F. W i c k h o f f , D. Bibl. Jnlins II.: JPrK. 14, S. 49-64. (Vgl. anch NAnt. 44, S. 583/4 I — 187) D. Leoninische Bibl.: Post N. 143. — 188) X E. G. Le d o s , C. Soraraeryogels biblioth. de la Compagnie de Jésos: Polybibl''. 67, S. 453/4. — 188a) X E M a r t i n , C. Sommervogels Biblioth. de la Compagnie de Jésns : AnnEst 7, S. 133/4. — 189) Bibliotheca DSlIingeriana. Manchen, Lindaner. VI, 671 S. M. 10,00. — 190) C. S t i e h l , Eatal. d. Mnsiksamml. anf d. Stadtbibl. zu Labeck. Lübeck (Libelee n. Hartmann). 4°. 60 S. M. 1,00. - 191) E. M a y s e r , Alter Mnsiksohatz. geordnet u. beschrieben. ( = Mitteilungen ans d. Bibl. d. Heilbronner Gymn. II.) Heilbronn, C. F. Schmidt. 4°. VIII, 82 S. II. 4,00. — 192) D. F. S c h e n r l e e r , Catalogna der Mnziekbibliotheek. (Gedruckt in 120 Exemplaren.) s'Gravenhage. XI, 567 S. (Nicht im Handel.) - 193) K. D z i n t z k o , Entwicklung n. gegenw. Stmd d. Wissenschaft]. Bibliotheken Deutschlands mit besond. Berücksichtig. Pronssens. ( — Samml. bibliothekwissenschaftl. Arbeiten her. v. K. D z i a t z k o . 5. Heft.) L„ Spirgatis. VI, 55 S. 1 Taf. M. 2,50. - 194) P. S c h w e n k e , Adressbneh d. dtsch. Bibliotheken. ( = Beihefte zum CBlBibl. her. T. O. H a r t w i g . 3. Bd., Heft 10.) L., Harassowitz. XX. 411 S„ 1 Taf. II. 10,00. I[HT». 13, S. 32-34: Ath. S. 472J| 5*

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3 : 195-234

O. v. Hase, Schrift und Buchwesen.

Die italienische Uebersetzung Capras 195 ) von Gräseis Grundzügen der Bibliothekslehre giebt Zeugnis von der Wertschätzung der deutschen Bestrebungen im Auslande. — Wie der preussische Unterrichtsminister durch Erlass 196 ) vom 27. Jan. 1893 den Verkehr der kgl. Bibliothek in Berlin mit den Universitätsbibliotheken regelt, so suchten hervorragende deutsche Bibliothekare197) auf dem Welt-Kongress in Chicago die internationalen Beziehungen zu fördern198). - Ueber die englische Bibliotheksgesetzgebung hat Haeberlin 1 9 9 ) Aufklärung erteilt, in Frankreich erscheint ein Jahrbuch200) der Bibliotheken und Archive.20'-202) - Um den inneren Aus- und Aufbau wissenschaftlicher Bibliotheken hat sich Zangemeister 2 0 3 ) durch Veröffentlichung des Heidelberger Realkatalog-Systems verdient gemacht. Den 17 Hauptabteilungen in ihrer wohldurchdachten Gliederung geht ein alphabetisches Register der wichtigeren Unterabteilungen voraus. — Eine Reihe zumeist öffentlicher Bibliotheken legt Berichte über Verwaltung und Zuwachs, sowie Fortsetzungen von Katalogen vor204"212). — Für S c h u l b i b l i o t h e k e n 2I3 ) macht Schöntag 2 1 4 ) unter Voraussetzung des Klassensystems den Vorschlag, so viel Exemplare eines Buches, als Schüler in der Klasse sind, zu gemeinsamer Besprechung des gleichzeitig Gelesenen anzuschaffen und Einzelausgaben für Schülerbibliotheken zu veranlassen; Beegers 2 1 5 ) Anregung pädagogischer Bibliotheken und Schulmuseen zieht weitere Kreise. — Kataloge und Berichte über Gymnasialbibliotheken erschienen in Ansbach216), Güstrow211), Joachimsthal218), Krotoschin219), Mediasch220), Münstereifel 4. T.221), Schleiz222), Wittstock223), Zerbst224) und von anderen Schulen225"22«). — Die Studentenschaft regte sich in ihrer Weise für akademische Büchereien221-228J. — Für die dringend der Förderung bedürftigen V o l k s b i b l i o t h e k e n tritt Reyer 229 " 230 ) (vgl. JBL. 1892 I 3: 96) weiter thatkräftig in einer zusammenfassenden Schrift ein. Dies hat in Verbindung mit dem Erscheinen der Arbeiten Schwenkes und Dziatzkos und den Bestrebungen für die amtliche Stellung der Bibliotheksbeamten ein lautes Rauschen in den Blättern231"232) veranlasst. — Unnötigen Vorwürfen gegen die gelehrten Bibliotheken treten die Grenzboten233) mit einer sachkundigen Entwicklungsskizze der Leipziger Stadtbibliothek entgegen: aus einer wissenschaftlichen Bibliothek lässt sich nicht auf einmal eine Volksbücherei machen. — C. Wolff 2 3 4 ) teilt eine Eingabe des Frankfurter Stadtarchivars J. C. Beyerbach vom Sept. 1817 an den hochpreislichen Senat mit, der Beyerbach als den — erfolglosen — Erfinder der Magazinbibliothek erweist. — — 195) A. G r & s e l , Manuale di biblioteoonoroia. Traduz. del Dott. A r . C a p r a . Con 47 flg. e 13 tuv. Torino, E. Loeseher. XVI, 403 S. - 19$) Erlass betr. d. Leihverkehr zwischen d. t g l . Bibl. zn Berlin u. d. Univ -Bibl. 27. Jan.: CBlBibl. 10, 8.130-32. — 197) X K. D z i a t z k o , D. internst, gegenseitigen Beziehungen d. Bibl.: ib. S. 457-63. — 19t) C. N S r r e n b e r g , Bibliothekarischer Weltkongress z. Chicago. (Vorlauf. Mitteilung. Enth. 0. H a r t w i g , D. direkte Handschriften Versendung zwisch. d. Bibl.): ib. S. 410-17. — 199) C. H a e b e r l i n , D. engl. Bibliotheksgesetzgebung o. d. XV. Kongress d. Library Assoc. of the Unit. Kingdom: ib. 8.105/7. — 2 0 0 ) O Annuaire des biblioth. et des arch, poor 1893. Paris,Hachette. Fr. 2,50. — 201) X K : T h . H e i g e l , Ueber Benützung y. Bibl. n. Arch, zu wissenschaftl. Zwecken: AZgB. N. 103/4. — 202) X G - W e i s s t e i n , D. Litt.-Arch.-Qes.: NatZg. N. 219. — 203) K. Z a n g e m e i s t e r , System d. Bealkatal. a. Univ -Bibl. zu Heidelberg. Heidelberg, Winter. Fol. 22 Bll. M. 6,60. - 204) X Verzeichnis d. Zeit- u. Vereinsschriften d. kgl. Bibl. zn Berlin. B„ Asher A Co. 1892. IV, 169 S. M. 4,00. — 205) X Verzeichnis d. aus d. neu erschien. Litt. v. d. kgl. Bibl. zu Berlin erworbenen Druckschriften, ebda. 1892. XIII, 652 8. M. 35,00. — 206) Zuwachs d. grossherzogl. Bibl. zn Weimar in d. J. 1889-92. Weimar, Bählau. 88 8. M. 0,50. — 207) Katal. d. grossherzogl. Hof- u. Landesbibl. in Karlsruhe. 20. Bd. ( = 20. Zugangsverzeichnis. 1892. Enth. ausser d. regelmässigen Zuwachs e. Schenkung aus d. Nachlase d. Dr. phil. J. Mainzer.) Karlsruhe, C. Th. Groos. 8. 1987-1240. M. 0,50. — 2 0 8 ) X C. C n r t i u s , Ber. Uber d. Verwalt. d. Stadtbibl. im J. 1892. Progr. Lübeck. 4°. 5 8. — 209) Freiherrlich C. y. RothBohildsche öffentl. Bibl. Zugangsverzeichnis für d. J. 1892-93. Bibliotheksordnung u. Benutzungsordnung Tom 14. 6.1893. Frankfurt a. M., Knauer. 39 S.; 78 8.; 4, 8 8. — 210) X Katal. d. Freiberger AV.-Bibl. 3. Naohtr.: MFreibergAV. 29, 8. 141-70. — 211) X 20. Annual report of the board of directors of Chicago Public Library. Chicago. 1892. 46 8. |[CBlBibl. 10, 8. 38/9.]|. — 212) X 8. W i e n e r , Bibliotheca Fricdlandiana. Catalogns librorum impressorum hebraeorum in museo asiatico imperialis academine scientiarnm Petropolitsnae asservatorum. (Fase. I (X) in hebr. Sprache.) Petropoli-L., (Voss Sort.). 4°. i n , IV, 126 8. M. 2,00. - 213) X Th. S o r g e n f r e y , Unsere Schulbibl.: BllHSch. 10, S. 4/6. — 214) F. S c h S n t a g , Anregung für unsere Schlier- u. Lesebibl.: BBG. 29, S. 112/5. — 215) J. B e e g e r , D. päd. Bibl., Schulmnseen u. standigen Lehrmittelausstellungen d. Welt. (Vgl. JBL. 1692 I 3:100.) |[L. R u d o l p h : COIRW. 21, S. 211/2; L. V i e r e c k : DWB1. 8. 456.]| — 216) B. D o m b a r t , D. Ansbacher Gymn.-Bibl. im 18. Jh. Progr. Ansbach. 46 8. — 217) H. M a r q u a r d t , Alphab. Verzeichnis d. Mecklenburgica d Güstrower Domschulbibl. 2. T. Progr. Güstrow, 4*. 16 8. — 218) G. L o e s c h e , D. Bibl. d. Lateinschule zu Joachimsthal in BAhmen. (Vgl. JBL. 1892 I 3 : 103; II 1:74): MVGDBB. 31, 8. 64/5. — 219) B. G ü n t h e r , Verzeichnis d. Bücher d. Lehrerbibl. 2. T. Progr. Krotoschin. 26 S. — 220) O M- R o s e n a u e r , Katal. d.Lehrerbibl. d. Evang. Gymn. A. B. in Mediasch Progr. Mediusch. 1892. 127 8. - 221) H. V i e l a u , Katal. d. Lehrerbibl. 4. T. (Vgl. JBL. 1892 1 3:106.) Progr. Münstereifel. 56 S. — 222) W. B ö h m e , Katal. d. Schulbibl. d. fürstl. Gymn. zu Schleiz. Progr. Schleiz. IV, 165 8. — 223) G r o s s e T , C. P o l t k i e r u. E. B ü n g e r , Neuer Katal. d. Gymn.-Museums zu Wittstock. Progr. Wittstock. 4°. 34 8. — 224) J. W i c h m a n n , Katal. d. Schülerbibl. Zuerst Zusammengest. v. Dr. H. Zurborg 1880, nunmehr erneut u. verrollst. Progr. Zerbst. 4°. 20 8- — 225) X K. K i p p e n b e r g , Katal. d. Lehrer-Bibl. d. Realschule in d. Altstadt zu Bremen. Progr. Bremen. 60 S. — 226) X J - B e n e ! , Katal. d. Lehrer- u. d. Schülerbibl. Progr. Prossnitz. 49 8. — 227) X M. M a u r e n b r e c h e r , D. Bücherei u. d. Bücherwart in unseren Vereinen: AkBU. 8, S. 191/2,205/6. — 228) X O - B a u m g a r t , Auch e. Wort fiber unsere Büchereien u. etwas über d. inneren Ausbau unserer Vereine: ib. 8. 235/6. — 229) E. R e y e r . Z. Bibliotheksstatistik: CBlBibl. 10, S. 180/9. — 230) i d . , Entwicklung u. Organisation d. Volksbibl. L., Engelmann. III, 116 S. Mit Abbild. M 2,00. |[LCBI. 8. 1199-200; Nation». 10, S. 464 („Pflichtlektion ffir Parlamentarier u. Beamte d. Unterriohtsverwaltung aller Parteien"): Pädagogium 15, 8. 483/4.J| — 231) X H e i n r i c h , Modernes Bibliothekswesen: Nation 8 . 10, 8. 570/3. - 232) X F. N e u h a u s , D. künigl. Bibl.: Zukunft 5, 8. 467/9. — 233) Wissenschaftliche u. Volksbibl.: Grenzb. 3, 8. 90/2. (Gegen e. Aufsatz im Volkswohl v. 22. Juni.) — 234) C. W o l f f , D. Erfinder d. modernenMagazin-Bibl.: FZg. N. 38.

0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.

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3 : 235-250

Die Bewegung für Bibliothekzeichen wird vom Organ des E x - l i b r i s Vereins235) lebhaft gepflegt. Von Hildebrandt 2 3 6 ) liegt eine neue Folge von 25 neu erfundenen Bücherzeichen auf Grund von Wappen in mannigfacher Darstellungsweise vor, eine ähnliche selbständige Sammlung von Kissel 237 ). — Von älteren nachgebildeten Zeichen ist das Joh. Fischarts von Jost Amman hervorzuheben, das A. Schmidt 2 3 8 ) beschreibt. — In England erschien von der grossen Sammlung der Wappenbuchzeichen239), deren erste Serie durch Feuer fast ganz zerstört worden ist, die zweite britische Serie, eine geschichtliche Reihe von 147 trefflichen Nachbildungen aus verschiedenen Sammlungen. — Neue und alte englische Bücherzeichen veröffentlicht O a s t i e 2 4 0 ) mit darstellendem Texte in neuer Ausgabe; der erste Druck stammt vom Dec. 1892, schon die dritte Auflage ist inzwischen gefolgt. — Dem gleichen Zwecke dient Hamiltons 2 4 1 ) englisches Buch von französischen Büchermarken242"243). — Für den B u c h h a n d e l , zumal für seine ä l t e r e G e s c h i c h t e 244 ), sind nur wenige Beiträge zu verzeichnen. Vom Bücherbezug der Humanistenzeit giebt Krause 2 4 5 ) in den Auszügen aus dem früher von ihm herausgegebenen Briefwechsel Mutians ein lebendiges Bild. Die Briefe dieses leidenschaftlichen Büchersammlers in Gotha wimmeln von Bücherbesorgungen; zwar macht er, durch Beziehungen zu den Fuggers angeregt, den Versuch, von Aldus unmittelbar zu beziehen, aber auch die deutschen humanistischen Pressen verfolgt er lebhaft. „Was druckt Wittenberg, was Leipzig, was Froben, was Anshelm?" — Nächst der Vermittlung von Freunden dient ihm der Bezug von Erfurt, besonders durch Pyrrhus, doch spielen für ihn schon 1508 die Leipziger Buchläden und die Leipziger Ostermesse, auch die Naumburger Peter-Pauls-Messe eine Rolle, die Frankfurter Messe hat er selbst besucht, mit Thomas Anshelm persönlich verkehrt. — Für den Betrieb des Buchhandels der Reformationszeit giebt die Veröffentlichung der Briefe an den Zwickauer Stadtschreiber M. Stephan Roth durch Buchwald 2 4 6 ) eine Fülle von Belegen, wie sie bisher nicht beisammen zu finden waren. Neben Roths Thätigkeit als Herausgeber, Korrektor und Berater ist es hauptsächlich der Bücherbezug und die Büchervermittlung, seine Verbindung mit F. Peypus und Joh. Petrins in Nürnberg, M. Goltz, Barthel Vogel und Chr. Schramm.in Nürnberg, Wolf Bräunlein und Gregor Jordan in Leipzig, die einen Einblick in das innere Getriebe des Reformationsbuchhandels gewähren. — Vom Krakauer Büchermarkte hat nach einer Notiz v o n Rözyckis 2 4 7 ) A. Benis Mitteilungen gemacht; die veröffentlichten Bücheraufnahmen aus dem Nachlasse der Buchhändler Matth. Scharffenberg (1547) und Florian Unglers (1551) mit 1351 Posten Büchertiteln umfassen zumeist lateinische Bücher, besonders von Erasmus, Melanchthon und Hutten, sowie griechische und lateinische Klassiker, alle fremder Herkunft; nur gegen 40 Posten libri polonici: Chroniken, Erbauungsund Kochbücher sind daneben vorhanden, da fast jedes in mehreren Hundert Abzügen, wohl Verlag Unglers — Kirchhoff 248 )bieteteinezusammenhängendelehrreiche Darstellung des manniggestaltigen inneren Lebens des Leipziger Buchhandels in der zweiten Hälfte des 16. Jh. mit Ernst Vögelin als Mittelpunkt. Magister Vögelin, obgleich hervorragend begabt und als Verleger von grösserer Auffassung, ist zu einem Teile an der Sorglosigkeit in wirthschaftlichen Dingen gescheitert, die die damaligen unternehmenden Kreise des Leipziger Buchhandels vielfach geschädigt hat. Die tragische Wendung in seinem Geschicke erfolgte wegen seiner Verwicklung in die kryptokalvinistischen Händel und berührt sich mit den wirren Censurverhältnissen dieser Zeit. — Wesentlich durch die Censurverhältnisse 249 bedingt erweist sich die Geschichte des Buchhandels und Buchdrucks in Böhmen ). — Sehr Beachtenswertes zur Geschichte der Censur und des Zeitungswesens bringt Pauls 2 5 0 ) für Aachen und seinen Buchhandel, namentlich unter der Fremdherrschaft. — — 235) Ex-libris. Zeitschrift f a r BAcherzeichen, Bibliothekenkunde u. Gelehrtengesch. 3. Jahrg. 4 Hefte. GSrlitz, Starke. 4°. 97 S. II. 15,00. — 236) A. M H i l d e b r a n d t , Heraldische Bächerzeichen. 25 Ei-libris. B., Stargardt. V S., 25 BU. m! 400. — 237)'0. K i s s e l , 25 Bfioherzeichen. ebda. VUI S.. 25 Taf. M. 4,00. — 238) A. S c h m i d t , D. Bfioherzeichen Joh. Fischarts in d. Grossherzogl. Hofbibl. zu Darmstadt. ( = Sonderaldr. aas d. QBUVHessen. Bd. 14.) (Darmstadt, Klingelhoeffer.) 3 8., 1 Taf. — 239) 147 Examples of armorial book plates. From various collections. (Second Series.) London, Griggs & Sons. 1892. 4". VI S., 147 Taf. Sh. 15. — 240) E. C a s t l e , English book-plates ancient and modern. London, Bell & Sons. XX 352 S , 16 Taf. Sh. 10/8. — 241) W. H a m i l t o n , French book-plates a handbook for ex-libris collectors, ebda. 1892. VIII, 176 S. Sh. 7/6. — 2421 X French and english bookplates. W. M. Thackeray, J. Anderson, A. Tennyson u. A., Victor Hugo, Leon Gambetta, O. Uzanne: BookWorm S. 105. — 243) X •*> B- B r o w n , The book-plate-society: ib. S. 137 — 244) X c - H a e b e r l i n , Ergänzungen z. antiken Bibl.- und Buchwesen (CBlBibl. 6, S. 481ff.; 7, S. Iff., 271 ff) nach H. Usener, ünser Platontext: CBlBibl. 8, S 378/9. — 245) K. K r a u s e , Bibliologisches aus Mutions Briefen: ib. 10, S. 1-19. — 246) G. B u c h w a l d , Stadtschreiber III. Stephan Both in Zwiokan in seiner litt.-buchhändl. Bedeutung f. d. Reformationszeit: AGDBuohhandel. 16, S. 6-246. (Dazu 6 Bll Facs.) |IW. S c h u l t z e : BLU. S. 317.]| — 247) K. y. R ö i y c k i , Ueber 2 Bochh&ndlerinventarien aus d. J. 1547-51: CBlBibl. 10, S. 407/8. - 248) A. K i r c h h o f f , Wirtschaftsleben im älteren Buohhandel: Ernst VSgelin in Leipzig: AGDBuchhandel. 16, S. 247-354. — 249) Z. Gesch. des Buchdrucks u. d. Censur in Böhmen: Bohemia 8 . N. 9. — 250) E. P a u l s , Beitrr. z. Gesch. d. Buchdruckereien, d. Buchhandels, d. Censur u. d. Zeitungspresse in

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3 : 251-277

O. v. H a s e , Schrift- und Buchwesen.

Das Wichtigste,was sonst über einzelne B u c h h ä n d l e r an neuem Material veröffentlicht worden ist, bietet K. Schmidt 2 5 1 ) in seinem Bericht über Joh. Oporins Briefe an den Strassburger Prediger Konr. Hubert, deren vollständige Veröffentlichung sehr erwünscht wäre. Beigegeben ist eine Liste der von Oporin in diesen Briefen erwähnten ausgeführten und geplanten Drucke, und aus S i e b e r s 2 5 2 ) Nachlass ein Sendbrief, wohl von P. Cherler, über Joh. Oporins Leben und Absterben. — G. Müller 2 5 3 ) berichtet über die Buchhändler M. und W. Stöcke! in Dresden, S t e i f f 2 5 4 ) über L. Straub in St. Gallen, V e e s e n m e y e r 265 ) über R. Lebr. Stettin in Ulm, P y 1 25S ) über H. J. Struck in Greifswald und Stralsund. — Von Berliner Buchhändlern wird gelegentlich des 200jährigen Jubiläums der Uranfänge der Vossischen Buchhandlung 25'~258) Chr. Fr. Vossens (seit 1748 in Berlin) gedacht; F r i e d l ä n d e r 259 ) schildert J. R. Ph. Spener, S t e i f f 2 6 0 ) den Vorsteher des Börsenvereins zur Kriegszeit, Julius Springer, T h o m ä l e n 2 6 1 ) den Rud. Gaertner. — F. H. M e y e r 2 6 2 ) hat zukunftsfreudig Rechenschaft abgelegt über das Fortschreiten seiner Arbeit an der Geschichte des deutschen Buchhandels, der er bald darauf entrissen worden ist. — Vom a u s l ä n d i s c h e n B u c h h a n d e l liegt K r u s e m a n n s 2 6 3 ) ausführliche Darstellung des nordniederländischen Buchhandels im 17. und 18 J h . vor, die zusammenstellt, was dem Deutschen im einzelnen unzugänglich sein dürfte. — Die schönen Briefe des Antiquars Thomas Hearne 264 ) (1678—1735) aus der BodleianBibliothek in Oxford, mit seiner Wahl zum Architypographen der Universität beginnend, und Bromes Bericht über seinen Tod sind willkommene Gaben, auch eines Ungenannten 265 ) Plaudereien über die Mittelchen englischer Verleger im 18. Jh. und U z a n n e s ' 6 6 ) originelle Skizzen von Pariser Büchertrödlern. — Als Vertreter des M u s i k a l i e n h a n d e l s ist durch E i t n e r 2 6 6 a ) Nikol. Simrock, der Bonner Begründer des bekannten Verlagshauses, geschildert worden. — Ein stattliches Werk über die Geschichte des herrschenden italienischen Musikhauses G. Ricordi & Co.267) hat die internationale Musik- und Theaterausstellung gezeitigt. — Ueber den g e g e n w ä r t i g e n B e t r i e b des Buchhandels giebt eine Vereinsschrift 268 ) der Leipziger Kommissionäre Bescheid, über den gegenwärtigen Stand des Leipziger Buchhandels v o n Hase M!) ). — Zu den täglichen, wöchentlichen, monatlichen, viertel-, halb- und ganzjährigen Neuigkeitsverzeichnissen des Buchhandels und den darauf aufgebauten Bibliographien von Heinsius,Hinrichs und Kayser ist T h e i e r t s 2 7 0 ) Supplement hinzugetreten, das nicht oder bisher fehlerhaft aufgeführte Schriften enthält; ferner erscheint als willkommene Ergänzung die Fortsetzung von G e o r g s 2 7 1 ) praktisch bewährtem Schlagwort-Katalog; auch Russells Gesamt-VerlagsKatalog 212 273 ) schreitet rüstig dem Abschlüsse zu. — Für Belgien hat man 35 Verlagskataloge des einheimischen Buchhandels rein äusserlich zusammengebunden und als dritte Auflage des vom Cercle beige de la Librairie et de rimprimerie herausgegebenen Sammelkatalogs 274 ) mit einem Werkverzeichnis eingeleitet, das auf die einzelnen Verleger verweist: kein übler Ersatz für einen einheitlichen Gesamtkatalog. — Zur geistlichen C e n s u r liefert A r n d t (S.J.) 275 " 277 ) Beiträge, die darum von Aaohen bis z. J. 1816: ZAachenerGV. 15, S. 97-235. — 251) E. S c h m i d t , D. Briefe Joh. Oporins an d. Strassburg.Prediger Conr. Hubert: BVtGBasel. 13, S. 381-428. — 252) L. S i e b e r , Paul Cherlers Sendbuch aber Oporins Leben n . T o d : ib. S.429-40. 2 5 3 ' G. M ü l l e r , H. StSckel u. W. StBckel: ADB. 36, S. 283/4. — 254) K. S t e i f f , L. Straub: ib. S. 524/5. - 255) à . V e e s e n m e y e r , R. Lebr. Stettin: ib. S. 130/2. — 256) Th. P y l , H. J. Strick: ib. S. 639-40. — 257) "O Gründung d. Vossischen Buchhandl.: Bär 19, S. 707. — 258) E. 200j. Buchhandlungs-Jubil. Gesch. d Vossischen Buchhundl. : VossZg. N. 493. — 259) E. F r i e d l ä n d e r , J . K. Ph. Spener: ADB. 35, S. 102. — 260) K. S t e i f f , Jul. Springer: ib. S. 318,9. — 261) 6 . T h f o m ä l e n ] , E. Gaertner. ( = Adressbnch d. dtsch. Bachhandels u. d. verwandten Geschäftszweige 1893 [L„ Börsenv. d. dtsch. Buchhändler. XXX, 714 u. 452 S , M. 12,00.], S. III-VI). - 262) F. H. M e y e r , Ber. an d. hist. Kommission d. Börsenver. d. dtsch. Buchhändler zu Leipzig: AGDBuchhandel. 16, S. 1/5. - - 263) A. C. K r u s e m a n n , Aimteekeningen betreffende den Boekhandel van Noord-Nederland, in de 17 im Lichte d. neuesten naturwissensch. Forschungen. Korzgefasstes Handbuch d. Tabakkunde. B„ Parey. VII, 278 S. Mit 86 Abbild. II. 6,00. — 277) X Rauchtabaks-Dosen aas d. Zeit Friedrichs d. Gr.: SBPrnssia. 13, S.89-95. — 278) A u g . H i r s c h , Gesch. d. medizin. Wissenschaften in Deutschland. Neuere Zeit. ( = Gesch. d. Wissenschaften in Deutsohl. 22 Bd.) München, Oldenburg. XIV, 739 S. M. 9,50. |[LCB1. S. 1308/9.]| — 279) O H. Y i e r o r d t . Medizinisches aus d. Weltgesch. Buntes Allerlei. Tübingen, Laupp. VI, 80 S. M. 1,60. — 280) L a n g s d o r f , D. Aussatz in Europa: TglKs». N. 38/9. — 281) C. C o h n , Georg Bartisch, e. Starstecher d. MA.: DB. 3, S. 214-26. — 282) O O. K r i m m e l , Beatlingens Aerzte a. Apotheker in d. Zeilen d. Reichsstadt: GBllBentlingen. 4, S. 57-61. — 283) X G. Hirth, 0. gesamte Turnwesen. E. Lesebuoh f. dtsch. Tarner. Aufsätze turnerischen Inhalts v. älteren u. neueren Schriftstellern. 2. Aufl. besorgt v. F. B. G a s c h . 3.-12. Heft. Hof, B. Lion. à 112 S. à M. 1,00. — 284) X F r G a b r i e l l i . Un riformatore della ginnastica in Germania. Un quadro fisiologico degli esercìzi ginnastici. ( = Biblioteca del giornale Virtus in Bologna.) Bologna, Soc. tip. già Compositori. 30 S. — 284a) X K a h n . Z. Gesoh. d. Verainsturnens in Wien: Alt-Wien N. 7/9. — 285) O 0 H e n n e am B h y n , D. Gebrechen u. Sünden d. Sittenpolizei aller Zeiten yorzüglioh d. Gegenw. L , Spohr. III, 178 S. M. 3,00. — 286) Einige Notizen über d. Feuerspritzen in älterer Zeit: MVHarabG. 15, S. 389, 414. — 2871 O F. C. H u h e r , D. gesch. Entwicklung d. modernen Verkehrs. Tübingen, Lanpp. 232 S. M. 4,00. |[LCB1. S. 1675; KBWZ. S. 177/8; KathSchwBll. 9, S. 264/5.]| — 288) X E . B Q u e t s c h , Gesch. d Verkehrswesens am Mittelrhein (vgl. JBL. 1891 I 5:154): MHL. 21, S. 236/8. - 289) A. R o s s n e r , D. Name d. Klosters Pforta. Naumburg a. S„ Schirmer. 56 S. M. 0,75. - 290) X 0. R e d l i c h , Aktenstücke z. Geschichte des niederrheinischen Postwesens: BGNiederrh. 7, S. 261-300. — 291) X J- J u n g . Entwicklung d. dtsch. Post- n. Telegraphenwesens in d. letzten 25 J. L„ Duncker V Hamblot. VIII, 185 S.; 7 graph. Taf. M. 3,80. ||LCB1. S. 1609.JI — 292) O H J o y c e , Hist. ofthe Post Office to 1836. London, Bentley. Sh 16. IfAc. 44, S. 456/7.]| — 293) X U. T. H a s s e i l , D. dtsch. Beichspacketpost nach d. Urteil e. Amerikaners : KonsMschr. S. 205/8. - 294) X A M n u r y , datai, descriptif ili. de tous les timbres-poste et timbres-télégraphe depuis leur invention jnsqn'en 1889. Paris, Manry. 219 S. Fr. 1,75. - 295 > X APT. S. 17/8. 134/5, 222/3, 322,3, 345,6, 374 5, 404,5, 522/3, 634/5, 650/1, 660|1, 676/7, 685, 71H2, 734, 843/4, 873. — 296) H. W e i t h a s e , Gesch. d. Weltpostver. Strassburg i. E , Heitz. III, 88 S. M. 2.50. — 297) Postverkehr vor 100 J . : StrassbPost. N. 137. — 298) G. S c h e l l e n b e r g , D. Telegraphie d. Vergangenheit: ib. N. 188, 195, 216. — 299) X F- B e n d t , Z. 60j. Jubil. d. Telegraphie: Nation®. 10, S. 462/3. — 300) O C. W e h r m a n n , Z Gesch. d. Stecknitzkanals: MVLübG. S. 2(7. — 301) X Einrichtung der regelmässig, direkten Dampfschiffahrt Köln-Düsseldorf etc.: BGNiederrh. 7, S. 305-47. — 302) X R. H u y e r , D. Budweis-Linzer Pferde-Eisenbahn: MVGDB. 31,-S. 75-92, 157-83. — 303) O W. S t i e d a , Tb. y. Liebenau, D. Gasthofs- u. Wirtshauswesen d. Schweiz (Tgl. JBL. 1891 I 5 : 5 3 ) : DLZ. S. 1072/3. — 304) X F. B . D- Namen d. Berliner Gasthäuser: Bär 19, S. 587. — 305) X Gesch. e. Weinstube: ib. S. 755:6. iNach e. nicht im Handel erschienenen Festschrift E. G a b e i s . ) — 306) X E - F R o b i n s o n , The early hist. of Coffee-Houses in England. London, Kegan Paul. Sh. 6. |[Ao. 43, S.320.11 — 307) X Alt-Wiener n. Nea-Wiener Gasthäuser: Alt-Wien N. 2, 5, 7. - 308) Reisepässe aus d. guten alten Zeit: Didask. N. 179. — 309) Z. Gesch. d. Wiener Fragamtes: WienerKommunalkal. 21, S. 419-26. - 310) X A. B ö t t i c h e r , 7*

I 4 : 311-837

G. Liebe, Kulturgeschichte.

neuerdings von der prähistorischen Zeit bis zum regierenden Bürgermeister. Ein Rundgang durch die deutschen Lande möge den Nordosten als Ausgangspunkt nehmen. Aus O s t p r e u s s e n 3 1 0 ) bietet H a l l i n g 3 1 1 ) nur eine populäre Schilderung der freundlichen Beziehungen, die Mitglieder des Königshauses zu Einwohnern unterhalten, seit sie im Lande dort Aufenthalt genommen. — M o s z e i k s 3 1 2 ) Geschichte von Stallupönen beruht bis 1833 hauptsächlich auf der älteren Chronik. — In Tilsit ist ein Tagebuch aus denkwürdiger Zeit durch T h i m m 3 1 3 ) veröffentlicht worden. — In W e s t p r e u s s e n 3 1 4 ) hat die Centenarfeier der Vereinigung Danzigs mit Preussen eine gediegene Festschrift von D a m u s 3 1 8 ) veranlasst.316"311) — 3 1Die Elbinger Geschichtsschreibung hat von ihrem bewährtesten Kenner, Toeppen 8 ), 319 eine besondere Veröffentlichung erfahren. — In S e m r a u s ) auf gründlicher Materialkenntnis beruhenden Beiträgen zur Geschichte Neumarks ist besonders die Darstellung der Rekatholisierung von Wert. — Mit Löbau beschäftigt sich eine blosse Sammelarbeit von L i e k 320). — Für Posen hat Pietsch 3 2 1 ) seine Beiträge zur Geschichte der Stadt Kempen fortgesetzt. — Aus S c h l e s i e n 3 2 2 ) liegt eine Festschrift von J e c h t 3 2 3 ) zum Kaiserbesuch in Görlitz vor, die in einer auf sorgfältiger Forschung beruhenden Zusammenstellung frühere fürstliche Besuche seit dem 14. Jh. behandelt. — G r ü n h a g e n 323a ) schildert den von Wöllner gegen die Aufklärung geführten Kampf in Schlesien, wo er besonders gefährlich war, da sie dort die Stütze des protestantisch - preussischen Geistes bildete. — Derselben Landschaft gehört ein Aufsatz von Friedensburg 3 2 3 b ) an, der eine Zusammenstellung der nicht zahlreichen Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft in Schlesien und die Begründung ihrer Beziehungen enthält. — In der M a r k überwiegt natürlich die Beschäftigung mit der Hauptstadt. Unter mehreren Schilderungen ihres früheren Zustandes324 326) ist die von Trinius 3 2 7 ) für weiteste Kreise und zwar vortrefflich geschrieben; nur war es nicht nötig, bei der Schilderung der Sittenlosigkeit die Farben so stark aufzutragen. — Eine mustergiltige Wiedergabe haben die3 2in der Hauptsache architektonischen Bau- und Kunstdenkmäler durch Borrmann 8 ) gefunden329). — Geigers 3 3 0 ) Werk, bis zum Tode Friedrichs des Grossen fortgeführt, behandelt in der Aufklärung einen hier herrschend gebliebenen Faktor.331) — Vortrefflich ist B or r m a nn s 332 ) Leitfaden333 für das Studium der Ausdehnung Berlins, unterstützt durch einen farbigen Plan. ) — Die Nachtseiten der neuesten aller Grossstädte schilderte ein Ausländer, R a f f a 1 o v i c h 334). — Sehr hübsch und gewandt338hebt L i n d e n b e r g 3 3 5 ) die Züge hervor, die Berlin den Parvenucharakter verleihen ). — Dieser giebt auch den bestimmenden Eindruck für den Ausländer her, dessen Buch unter den Berichten über einen kürzeren Aufenthalt seit lange das Beste darstellt. Mit ausgezeichneter3 3Beobachtungsgabe und guten Verbindungen ausgerüstet, vermochte Luc Gersal 7 ) eine Fülle charakteristischer Einzelheiten dem Berliner Leben zu entnehmen, die gewandt dargestellt und sehr angenehm zu lesen sind. Seine Silhouetten akademischer Lehrer D. Bau- n. Knnstdenkmäler d. Prov. Ostpreussen. III. D. Oberland. Königsberg i. F , Teichert 4°. 122 S. M. 3,00. HLCB1. S. 7; FBPG. 6, S. 272.]I - 311) K. H a l l i n g , Hemels vaterländ. Weihestitten. Piogr. Stemel (Siebertl. 4». 29 S. — 312) C. M o s z e i k , Gesch. d. Stadt StallnpSnen. Stallnpönen, Klutke. 45 S. M. 1,00. |[FBPG. 6, S. 617.]| - 313) R- T h i m m , Hist. Tagebuch d. Stadt Tilee v. 17. Dec. 1812 bis z. 3. Äug. 1814 geführt Tora Stadtseltret Salchow. ( = Beitrr. z. Gesch. v. Tilsit N. 2.) Tilsit, Lohanss. 45 S. M. 0,50. — 314) X F - H i r s c h , D. Wacht an d. Weichsel: VelhagenKlaaingsMh. 2, S. 584-92. — 315) D a r e n s , Festschrift z. lOOj. Gedenkfeier d. Vereinigung Danzigs mit d. Königreich Prenssen im J. 1798. Danzig, Bertling. V, 57 S. U. 2,00. |[FBPG. 6, 8. 63ö/6.jj - 316) X J- P a w l o w s k i , Gesch. d. Prov.-Hauptstadt Danzig t . d. ältesten Zeiten bis z. S&knlarfeier ihrer Wiedervereinigung mit Prenssen. Volkssohrift in Skizzen. Danzig, Hafemann. VIII, 330 S M. 4,00. - 317) X c - J e n t s c h , Ans d. balt. Paradiese. (=111. Bibl. Prcchaska 1. Bd. [Wien u. L., Prochaska. 128 S M. 0,60.], S. 47-66.) — 318) II. T c e p p e n , D. Elbinger Geschichtsschreiber n. Geschichtsforscher in krit. Uebersioht vorgefahrt. ( = ZWestprGV. N. 32.) Danzig, Bertling. VIII, 200 3. M. 3,00. — 319) A. S e m r a u , Beitrr. zu d. Gesch. d. Stadt Neumark (Veröffentlichung d. hist. Ver. in Harienwerder). Neumark, KSpke. VI, 73 S. II. 1,50. |[FBPG. 6, S. 617.]| — 320) G. L i e k , D. Stadt LBbau in WestpreuBsen mit Berücksichtig, d, Landes Ldban: ( = ZHVMarienwerder. N. 28/9). Uarienwerder (F. Böbnke). 1892. VUI, 640 S.; 6 Taf. IL 7,50. |[FBPG. 6, S. 618.JI - 321) P. P i e t s c h , Beitrr. z. Gesch. d. Stadt Kempen in Posen. II. Pregr. Kempen. 4" 18 S. — 322) X K. T„ Im Reiche Rö bezahle: WeserZg. N. 16774. — 323) R. J e c h t , Ffirstl. Besuche in Görlitz. Festsohrift z. Enthaltung d. Reiterstandbilds Kaiser Wilhelms I. Görlitz, Sattig. 137 S. U. 2,00. [[NLausitzMag. 69, S. 285/7)1 — 323a) C. G r t t n h a g e n , D. Kampf gegen d. Aufklärung nnter Friedrieb Wilhelm II. mit Btoksicht auf Schlesien: ZVGSchlesien. 27, S. 1-27. — 323b) F F r i e d e n s b u r g , D. Beziehungen Schlesiens z. Fruchtbringenden Gesellschaft: ib. S. 117-39. - 324) X A. D e n e c k e , Berlin u. d. Berliner vor 100 J.: ZDKG. 3, S. 526-32. ~ 325) X L.Fisoher, Ans Berlins Vergangenheit (vgl. JBL. 1891 I 5:587; 1892 I 4 : 587): Bär 19, S. 552. - 326) X P B e l l a r d i . Besuch in Berlin anno 1828: ib. S. 784/5. — 327) A. T r i n i u s , Auf märkischer Erde (darin: I. Berlin vor 100 Jahren, S. 1-61). Binden, Bruns. IV, 196 S. M. 2,50. — 328) B. B o r r m a n n , D. Bau- n. Knnstdenkmäler d. Stadt Berlin. Mit 28 Taf. n. 3 Plänen. B., Springer. 436 S. II. 30,00. — 329) X R - S c h m i d t - N e n h a n s , Berliner Gedenktafeln: Bär 19, S. 520/3, 531/5. — 330) L. G e i g e r , Berlin 1688-1840. Gescb. d. geistigen Lebens d. preuss. Hauptstadt I. 2. Hälfte. B., Paetel. S. XHI-XVIII; S. 295-709 M. 9,00. |[ZDKG. 2, S. 237 8; ML. 62, S. 70.]| (Vgl. JBL. 1892 I 4 : 586; n i 1:59.) — 331) Ferd. Meyer, D. Berliner Tiergarten (Tgl. JBL. 1892 I 4:589): FBPG. 6, S. 646. — 332) R. B o r r m a n n , Leitfaden d. Entwioklnngsgescb. Berlins v. seiner Grfindung bis in d. Neuzeit. (Mit 1 Plan in Farbendr. und 2 Facs.) B., D. Keimer. 24 S. M. 0,40. - 333) X K. P r e l l , D. Entwicklung Berlins. ( = SGV. N 181). Prag, Härpfer. 17 S. M. 0,40. — 334) A. R a f f a l o v i c h , La police, le crime et le vice ä Berlin: BDM. 119, S. 156-88. - 335) P L i n d e n b e r g , Berlin als Kleinstadt. B., Trowitzscb. 47 S. M. 0,60. — 3 3 6 ) X > d-> Verlin, 3. Die Umgebung. 4. Aufl. Mit Plan. ( = UB. N. 1919). L., Reclam. 88 S. M. 0,20. — 337) L u c G e r s a l [ J u l e s L e g r a s ] , Spree-Athen. Berliner Skizzen v. e. Böotier. Aut. UeberB. L.. Reisner

G. Liebe, Kulturgeschichte.

I 4 : 338-361

sind teilweise Meisterstücke. Das Werk ist der erfreuliche Versuch eines denkenden Franzosen, uns zu verstehen. — Von 340 Arbeiten über die weitere Mark338"339) ist die weitaus bedeutendste v a n N i e s s e n s ) Geschichte der Stadt Woldenberg i. N. — ein Muster dessen, was aus einer lokalgeschichtlichen Aufgabe zu machen ist. Durch weilschauende Verarbeitung des gesamten Materials ergiebt sich aus den Geschicken des neumärkischen Städtchens ein typisches Bild. Der inneren Entwicklung ist breitester Raum gegönnt, zumal die'Darstellung wirtschaftlicher Verhältnisse ist meisterhaft zu nennen. — Eine auf Urkunden beruhende, lebendige, aber nicht tiefgehende Schilderung des bürgerlichen Lebens in der p o m m e r s c h e n Stadt Köslin von Hanncke 3 4 1 ) berührt nur am Schluss unsere Periode; von Interesse sind einige Mitteilungen über das Leben der Geistlichkeit um die Wende des 15. Jh. — In Mecklenburg 3 4 2 )sind zwei Aufsätze aus von B u c h w a l d s 343) Sammlung rühmend zu nennen; der eine behandelt die Fortschritte der Volkswirtschaft unter Herzog Adolf Friedrich II., der andere beleuchtet auf Grund eines Zahlenbildes die Folgen des Tillyschen Zuges 1631 für eine Anzahl Aemter. — Die Forschung über die H a n s e s t ä d t e bietet stets das Bild reger Thätig344 345 keit. Hoffmanns " ) treffliche Geschichte Lübecks hat verdiente Anerkennung gefunden.346341 ) — Wissenschaftlich von noch höherer Bedeutung verspricht v o n B i p p e n s ) Geschichte Bremens zu werden, derer erster Band eine ausserordentlich gediegene Darstellung des Mittelalters bietet. — Für Hamburg348"349) liegt eine Anzahl von Sonderbehandlungen einzelner Verhältnisse vor. Eine ansprechende Sammlung Hamburgiana giebt N a t h a n s e n 3 5 0 ) ; sie bieten teilweise auch allgemein Interessantes, so vom Rauchen und von den Kleidermoden.351"352) — Die Notwendigkeit eines würdigen Heims und weiterer Ausdehnung für die vorhandene Sammlung Hamburger Altertümer hebt M i e l c k 353 ) mit Schärfe hervor und giebt dabei Nachrichten über die früheren Bestände der bereits 1641 durch Ausmusterung nicht mehr brauchbarer Stücke gebildeten Waffensammlung.354) — Grossenteils auf dem Boden der Hansestädte bewegt sich die Novellensammlung von Kniest 3 5 5 ), die trotz ihres schöngeistigen Charakters wegen356der meisterhaften Beherrschung des Milieus der guten alten Zeit hier erwähnt sei. ) — In S c h l e s w i g - H o l s t e i n sind zwei umfangreiche Veröffentlichungen erschienen, die die bedeutendste3 5 7Stadt des Landes, Kiel, in zwei sehr verschiedenen Perioden vorführen. Reuters ) Einleitung zum Kieler Rentebuch giebt in Verwertung des aus der Zeit von 1300—1487 stammenden Textes kurze Mitteilungen über Topographie, Besiedelung und Wirtschaftsleben. — Mau358) schildert in breitester Ausführung die* auf den verschiedenstes Gebieten »bewährte Thätigkeit «der bereit» 1793 gegründeten Gesellschaft der Armenfreunde.359) — Für O l d e n b u r g 3 6 0 ) liegt das mustergültige Werk von Kollmann 3 6 1 ) vor, das in gleich umfassenden wie gründlichen Untersuchungen den Nachweis von dem Aufschwung des Landes während der letzten 40 Jahre erbringt, vornehmlich auf dem Gebiet der Meliorationen und des Verkehrswesens sowie in der Steigerung des Volksvermögens. Das Hülfsmittel graphischer Tafeln für die Klarlegung der verschiedensten Kulturverhältnisse ist übersichtlich zur Anwendung gelangt. Besonders interessant ist die Untersuchung über das friesische Element. — In 0 s t X, 405 S. M, 5,00. |[Nation®. 10, S. 36/8: BLU. S. 83/5: DB. 2, S. 142; Bär 19, S. 704/6.JI (L'Athènes de la Sprée par a n Béotien. Paris, Surine. VII, 396 S.) — 338) X C. B o l l e , Fragment ans Leutingers Topographia Marchiae. Uebertr. ans d. l a i Urtext: B&r 1», S. 320(3, 327-30, 340,3, 352/5, 366,8, 379-81, 394/5, 403/5. - 339) X Ans d. Gesch. Nauens: ib. S. 44/6, 56/8, 69-71. — 340) P. v a n N i e s B e n , Gesch. d. Stadt Woldenberg i. N. Her. T. d. Falbeschen Stiftung beim Gymnasium zn Stargardi.F. Stettin, Burmeister. X, 511 S. M.6,00. |[J. H e i d e m a n n : FBPG. 6, S. 300/2.]| — 341) B. H a n n c k e , Köslin im 15. Jh. Frogr. Köslin. 28 S. — 342) X w - B a a b e , Mecklenburg. Vaterlandskunde. 2. Aufl. Verb. n. rervollst. v. G. Q u a d e . Bd. I. Wismar, üinstorff. VI, 1509 S. M. 13,00. — 343) G. v. B u c l i w a l d , Bilder aus d. volkswirtsch. u. polit. Vergangenheit Mecklenburgs 1631-1708. Neustrelitz, Jacoby. V, 138 S. M. 2,25. — 344-345) M. Hoffmann, Gesch. d. freien u. Hansestadt Lübeck (vgl. JBL. 1892 I 4:621). |[K. K o p p m a n n : HansGBU. 21, S. 141/4; LCB1. 8. 783/4.JI — 346) O C. Schumann, Beitrr. z. Lübeck. Volkskunde: KBIVNiederdSpr. 16, S. 95/6. (Vgl. I 5 : 4 7 0 — 347) W. v. B i p p e n , Gesch. d. Stadt Bremen (Tgl. JBL. 1892 I 4 : 6281. ||WeserZg. N. 16819; MHL. 21, S. 314/7; LCB1. S. 637/8.]I — 348) X W. K o l l h o f f , Grundries d. Gesch. Hamburgs. 3 Aull. Hamburg, Herold. 80 S. M. 0,70. — '349) X K r i e g s m a n n , Charakteristisches y. Hamburger Staatswesen: DWB1. S. 245/9. — 350) W. N a t h a n s e n , Aus Hamburgs alten Tagen. Ernste u. heitere Mitteilungen. Hamburg, Jfirgensen. 136 S. M. 2,00. - 351) X c - G a e d e c h e n s , D. Herrenstall u. d. Beiten-Diener: ZVHambG. 9, S. 517-56. 352) X A. W o h l w i l l , Hamburg während d. Festjahre 1712-14. Aus JbHambWissAnst. Hamburg, Gräfe u. Sillem. 118 S. M. 2,40. — 353) W. M i e l c k , Vergangenheit n. Zukunft d. Sammlung Hamburg. Altertümer. Hamburg, Voss. 69 S. M. 0,80: — 354) X H- H n a s e , Malerische Ecken u. Winkel Hamburgs. 20 Zeichnungen in Lichtdr. 2 Aufl. Hamburg, Boysen. Fol. M. 20,00. — 355) F h . K n i e s t , Kanfleute und Schiffer. Erzählungen u. Bilder aus d. Handels- u. Seéleben. 2 Bde. Oldenburg, Stalling. 1892. III, 211 S.; III, 195 S. M. 5,50. [[ThLBl. 14, S. 252.]| - 356) X C h a r l o t t e N i e s e , Aus dänischer Zeit. L , Grunow. 1892. 239 S. M. 3,00. ||DR. 1, S. 143.]| — 357) C h r . B e u t e r , D. älteste Kieler Rentebuch (1300-1487). Mit 1 Karte. Kiel, Eckardt. CXII. 423 S. M. 9,00. |rLCBl. S 1100/1 || - 358) H. M a u , D. Ges. freiwilliger Armenfreunde in Kiel 1793-1893. 2 Bde. ib. 216 S.; 338 S. M. 7,00. — 359) X L. H e l l w i g , Grundrise d. Lauenburg. Geschichte. 2. Aufl. Batseburg, M. Schaidt. 1892. VIII, 45 S. M. 0,60. |[Heimat 3, S. 116/7.]] — 360) G. S e l l o , Beitrr. z. Gesch. des Landes Warden. Oldenburg, Stalling. 1S91. IX, 94 S. M. 2,40. |[HZ. 34, S. 341/2.]| - 361) F. K o l l m a n n , D. Herzogtum Oldenburg in seiner wirtsohaftl. Entwicklung während d. letzten 40 J. Mit 12 Taf. ebda. VIII, 608 S. M. 10,00. |[WeserZg.

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4 : 862-391

G. L i e b e , Kulturgeschichte.

f r i e s l a n d hat neben einigen allgemeinen Schilderungen 362 " 363 ) Fürbringers Buch über Emden (vgl. JBL. 1892 I 4:632) Besprechungen 364 ) gefunden. — Der schönen Publikation des Grafen zu I n n - u n d K n y p h a u s e n 3 6 4 a ) wurde schon gedacht. — In H a n n o v e r hat Wittingen für K a y h a u s e n 3 6 5 ) den Stoff kleinerer Schilderungen geboten. — In Osnabrück hat F o r s t 3 6 6 ) weitere Aufzeichnungen des Senators Wagner aus den J. 1800—11 veröffentlicht, die lebendig den Eindruck der französischen Besatzung wiedergeben. — Das reiche Material Hildesheims hat mehrfache Bearbeitung gefunden 367 " 368 ). Besonders sei hier der im 5. Bande des Urkundenbuchs durch Döbner 3 6 9 ) ans Licht geförderten Stadtrechnungen gedacht als einer unerschöpflichen kulturhistorischen Quelle. — S c h u l t z e s 3 1 0 ) Bibliographie der Geschichtsquellen der P r o v i n z S a c h s e n giebt, zumal bei grösseren Städten, auch solche kultur-, besonders finanzgeschichtlicher Art. — Die von D i t t m a r 3 7 1 ) gewürdigten beiden ältesten Magdeburgischen Topographen — Torquatus im 16., Alvensleben im 17. Jh. — enthalten einzelne Notizen über Landesprodukte wie den berühmten Sauerkohl. — Für die „Speckseite" in Aschersleben weiss S t r a s s b u r g e r 3 7 1 " ) nur eine sagenhafte Erklärung anzuführen. — Den Namen Salzwedel leitet L u t h e r 3 7 2 ) nach sprachlichem Analogieschluss ab von waten = Salzfurt. — Die von Zahn 3 7 3 ) abgedruckte „Willkür" von Tangermünde von 1639 giebt ein Bild der Verwaltung und des bürgerlichen Lebens. — H e r t z b e r g s 3 7 4 ) schönes Werk über Halle hat mit dem 3. Bande seine Vollendung erreicht. Stehen auch in diesem den vorigen gleichwertigen Teil Universität und Saline im Vordergrunde, so erfahren doch auch die übrigen gewerblichen und socialen Einrichtungen eingehende Würdigung. Hervorzuheben sind das Zeitungswesen und der Kampf der Universität gegen das Schauspiel im vorigen Jh. — Für Audenhain giebt D i e c k m a n n 3 7 5 ) eine nützliche Darstellung der Wirkungen des 30jährigen Krieges, indem er die Zustände vorher und die Wiederherstellungsarbeiten schildert.376"37 7) — Die vorzüglich übersichtliche Geschichte Erfurts von B e y e r 3 7 8 ) enthält nur die Verfassungsentwicklung. 379 ) — Im K ö n i g r e i c h S a c h s e n haben mehrere Städte den Stoff zu Gesamtdarstellungen geboten, so Dresden 380 " 381 ), Pillnitz 382 ) und Seifhennersdorf 383 ). — Die Chronik Grossenhains, von S c h u b e r t h 384) bearbeitet und durch die Munifizenz des Herrn Zschille prachtvoll ausgestattet, ist vom engsten lokalen Interesse, von weiterem nur der Inhalt des Amts-Erbbuches von 1547 (S. 159), das die Leistungen der Unterthanen aufführt, und die Ordnungen der Armbrust- und Büchsenschützen von 1617 und 1673 (S. 260). — Die Abhandlungen der Chemnitzer Jubiläumsschrift von U h l e 3 8 5 ) haben einzeln ihre Würdigung gefunden. 386 389 ) — Für T h ü r i n g e n äussert sich H e r t e l 3 9 0 ) zu der vielumstrittenen Benennung des Rennsteigs, den er als Weg der berittenen Patrouillen erklärt. — H o d e r m a n n 3 9 1 ) unternimmt einen flüchtigen Gang durch die Geschichte des Schlosses Friedenstein, dessen Besitzer seit der Gründung durch Ernst den Frommen Interesse für Kunst N. 16629)1 — 362) X G. S ö d e l , Lind u. Leute in Ostfriesland: G.-enzb. 2, S. 449-58 ; 3, S. 72-80. - 363) X Heu.« « h e i , D. Nordfriesen: EKZ. S. 472/8. — 364) X DLB. S. 1584; BLU. S. 14. — 364a) (S. o. N. 263a.) 365) G. K a y h a n s e n , Ans Wittingene Vergangenheit. Gifhorn, Schulze. 65 S. M. 1,00. — 366) H. F o r s t , Osnabrück in d. J. 1800-11. Aufzeichnungen d. Senators Wagner. Osnabrück, Riesling. 12°. 36 S. M. 0,60. (Vgl. JBL. 1892 I 4:639.) — 367) X Oldekops Chronik (vgl. JBL. 1892 I 4 : 637.): HPB1I. 112, S. 157-63, 203-78. — 367 a) X W. G r u b e , Oldekop n. d. Stift Hildesheim: ib. S. 397-407. — 368) K. Euling, Bilder ans Hildesheims Vergangenheit (vgl. JBL. 1892 I 4:637): DLZ. S. 1071/2. - 369) B. D ö b n e r , Urknndenbuch der Stadt Hildesheim. 5. T. Hildesheim, Gerstenberg. XIII, 715 S. M. 13,00. — 370) W a i t h . S c h n i t z e , Geschichtsquellen der Provinz Sachsen im MA. u. in d. Beformationszeit. Halle a. S., Hendel. VII, 202 S. M. 4,00. — 371) II. D i t t m a r , D. beiden ältesten Magdeburgisch. Topographen: ALVKS. 3, S. 1-39. — 371a) E. S t r a s s b n r g e r , Heimatskunde v. Aschersleben. Progr. Aschersleben, (Wedel). 4A. 16 S. — 372) J. L u t h e r , D. Käme Salzwedel: MagdZgB. N. 27/9. — 373) W. Z a h n , D. Willkür d. Stndt Tangermünde: JBAItniärkVG. 23, S. 106-31. — 374) G. H e r t z b e r g , Gesch. d. Stadt Halle a. S. Ton d. Anfängen bis z. Neuzeit. III. Halle während d, 18. u. 19. Jh. (1717-1829). Halle u. S , Waisenhaus. X, 656 S. M. 7,50. |[BLU. S. 685/6; FBPG. 6, S.321/2.JI — 375) Ch rn. D i e c k m a n n , Audenhain: MTorgauGV. 6, S. 1-30. — 376) O Hugo W a g n e r , Wittenberg in Dichtung u. Sage. Festgabe z. 28. Juni, als d. Tage des 600j. Stadtjubil. Wittenberg, Wunsohmann. 71 S. 11.1,00. [[ThLBl. 14, S. 297/8.JI (Vgl. I 10; 48.) - 377) X E. M y l i u s , D. Kreise Delitzsch n. Bitterfeld in alten Zeiten. Delitzsch, Pabst. 42 S. II. 0,80. — 378) C. B e y e r , Gesch. d. Stadt Erfurt bis z. Unterwerfung unter d. mainzische Landeshoheit 1664: ( = NjbllHKSachsen. N. 17). Halle a. S., Hendel. 52 S. II. 1,00. — 379) X B e r n a r d u s A m e r i c a n u s , Aus EichBfelds Vorzeit in Gesch. n. Sage. Heiligenstadt, Cordier. 12°. XII, 192 S. M. 4,50. — 380) X H. E l m , Dresden. Schilderungen u. Bilder aus Sachsens Haupt- u. Residenzstadt. Mit 42 IUustr. Dresden, Union, n i , 75 S. II. 2,00. — 381) X B . K r a u s e , D. geBCh. Entwicklung d. kgl. Haupt- u. Residenzstadt Dresden vom sorbischen Dorfe bis z. Grossstadt 2 Hefte. Mit 10 Skizze». 140 Illnstr. Dresden, Huhle. XI, 168, 116 S. M 4,00. — 382) X A. v. M i n c k w i t z , Gesch. v. Pillnitz vom J. 1403. Aus Unterlassenen Papieren. Mit 7 Lichtdr.-Taf. Dresden, Baensch. IX, 128 S. M. 4,00. — 383) X 0. K i n d , Gesch. v. Seifhennersdorf. Her. vom Gemeinderat. Mit 3 Lichtdr. Zittau, Oliva. 204 S. M. 1,75. — 384) G. S c h u b e r t h , Chronik d. Siadt Grossenhain vom J. 1088 bis anf d. Gegenw. III. v. Zschille. Grossenhain, Hentze. 4». IV, 426 S. M. 18,00. - 385) Festschrift z. 750j. Jubil. d. Stadt Chemnitz. Her. v. P. U h l e . Als Bd. VIII d. MVGChemnitz. Chemnitz, 0. Mai. XXI, 92 S. M. 3,50. (S. o. N. 129, 226, 231; s. u. N. 505, 532.) — 386) O R. H o f m a n n , Keformationsgesch. d. Stadt Pirna. Nach urkundl. Quellen: BSSchsKG. 8, S. 1-329. — 387) X A - L i p p o l d , Erinnerungen e. alten Leipzigers. Humorist. Chronika aus Leipzigs jüngerer Vergangenheit. Mit Zeichnungen v. R. Wolf. I. L., Lenz. 40 S. M. 0,60. — 388) X Plauen sonst u. jetzt. Chronikalisches, Topographisches, Statistisches. Plauen i. V., Neupert. 16". II, 114 S. M. 0,25. — 388a) X Th. D i s t e l , Tumult in Freiberg d. 15. Jan. 1664: MFreibergAV. 30, S. 106/7. — 389) X A. K i e s s l i n g , D. alten Burgen u Bittersitze um Freiberg: ib. 29, S. 1-34. — 390) L. H e r t e l , D. Name d. Rennsteigs: ZVThnrG. 8, S. 419-45. — 391) B. H o d e r m a n n , Schloss Friedenstein 1643-1893. Gotha, Goetsch. 16°. 32 S.

Gr. L i e b e , Kulturgeschichte.

I 4 : 392-429

und Wissenschaft bethätigten. 392 ' 394 ) — E i n e r t s hübsches Buch über Arnstadt ist nach Verdienst gewürdigt worden. 395 ) — Künzels Werk über H e s s e n , ein schönes Denkmal warmer Heimatliebe, ist von Soldan 3 9 6 ) neu herausgegeben worden. Von Wert sind unter der reichen Fülle der Kulturbilder besonders die gleichzeitigen Quellen entnommenen. — Unter einer Zahl kleinerer Lokalstudien 397 402 ) ist der 2. Teil von D e m m e s 403 ) Werk über Hersfeld zu nennen. In anerkennenswerter Beschränkung auf Regesten enthält es interessante Mitteilungen aus den Stadtrechnungen; so in den Beilagen die Liste der Arbeitslöhne aus dem 17. Jh. und die Taxe des Nachrichters von 1754. — Von den rheinhessischen Städten birgt die reiche und wertvolle Quellensammlung für Worms von Boos 4 0 3 a ) einen Schatz kulturgeschichtlichen Stoffes, unter denen das Tagebuch des Bürgermeisters Noltz, eines energischen, vielgewandten Mannes um die Mitte des 15. Jh. einen schätzenswerten Beitrag zu dieser Litteratur bildet. Es erwähnt z. B. 1494 Bilder aus der Heldensage am Gebäude der Münze. — Aus der wertvollen Sammlung von Aufsätzen zur Geschichte W e s t f a l e n s 4 0 4 ) fällt in unsere Periode nur der von D e t m e r 4 0 5 ) über Hermann von Kerssenbroicks Ortsgeschichte von Münster. — Der zweite Teil von D a r p e s 4 0 6 ) Werk über Bochum bietet eingehende, auf archivalischem Material beruhende Mitteilungen über bürgerliches Leben in dein 17. Jh., das wegen der Kriegsleiden für die Stadt besonders schwer war, und über den Aufschwung unter preussischer Verwaltung. 407 " 409 ) — Auch im R h e i n l a n d sind die Städte Hauptgegenstand des Interesses. Der heftige Angriff von Lulves 410 ) hat, wie zu erwarten, Aufsehen erregt. 411 ) — Die Geschichte Jülichs von K ü h l 4 1 2 ) hat im 2. Teil Fortsetzung bis 1742 erfahren. 413 ) — Das Werk von Jacobs 4 1 4 ) über das ehemalige Stift Werden hat Nachrichten zur Schulgeschichte, das von J o e s t e n 4 1 5 ) zur alten Bergischen Amtsverfassung, der von B o r h e c k 4 1 6 ) besorgte Neudruck zur Geschichte der 1655 gegründeten Duisburger Universität geliefert. 417-4i9 ) — Einen grösseren Landstrich behandelt H e y n s 4 2 0 ) Arbeit über den Westerwald, die zwar unter dem Vielerlei leidet, aber gute Nachrichten über die materielle Kultur bietet, so über die erste Ochsenbespannung 1612. — Mit Frankfurt beschäftigen sich mehrere Werke allgemeinerer Richtung. 421 " 423 ) — Für die R e i c h s l a n d e u n d B a d e n sind zunächst mehrere nicht eigentlich der Wissenschaft zugehörige Arbeiten zu nennen. 424 " 428 ) — Neben der amtlichen Publikation von W e e c h s 4 2 9 ) über Karlsruhe hat Freiburg eine kurze Darstellung M. 1,00. — 392) X G- B e i n h a r d t , Gesoh. d. Marktes Gräfentonna. Mit 4 Ansichten, 3 Plänen u. 2 Geschleohtstaf. Z. Feier d. 200j. Jnbil. d. Kirche S. Petri u. Pauli. Langensalza, Wendt n. Klauwell. VIII, 3S7 S. M. 4,00. 393) X F T r i n k e , Beitrr. z. Gesell d. Herzogt. Sachsen-Melningen-Hildburghausen. ( = Schriften d. Ver für Heining. Gesch. u. Landesk. N. 14.) Meiningen, L. v. Eye. 97 S. M. 3,00. — 394) O B. L i e b e r m a n n , Geschichtliches ans Jadenbach. E. Quellenforschung als Beitr. z. Welt-, Kultur- u. Kirchengesch. Judenbach, Selbstyerl. V, 117 S. M. 1,50. — 395) E. E i n e r t , Aus d. Papieren e. Bathauses (Tgl. JBL. 1891 I 4:345). ([NASäohsG. 14, S. 159; KBGV. 41, S. 33. ]| - 396] H. Kanzel, Grossherzogt. Hessen. Lebensbilder aus Vergangenheit u- Gegenwart. 2. Aufl. Her. T. F. S o l d an. Glessen, Roth. XIII, 786 S. Mit 1 Bild. M. 8,00. — 397) X H i l l e b r a n d , Z. Gesch. d Stadt n. Herrschaft Limburg a. d. Lahn. IV. Progr. Hadamar. 4". 22 S. — 398) x C- E b e l , D. Cistercienser in Oberhessen. Vortr.: MOberhessGV. 4, S. 123|7. — 399) X A - R o e s c h e n , Z. Gesch. y. Laubach: ib. S. 136-40. — 400) X E - L o h m e y e r , Verzeichnis neuer hessischer Litt. (Tgl. JBL. 1892 I 3:60): DLZ. S. 1138/9. — 401) O J. S c h n e i d e r , Hessische Städte u. hess. Land Tor 100 J. 1. Fulda: Hessenland 7, S. 286/3, 299-302, 312/4. — 402) X 0. S c h a a f , E. im 19. Jh. ausgegangenes Dorf: MOberhessGV. 4, S. 127-30 — 403) L. D e r o m e , Nachrichten n. Urkunden zur Chronik Ton Hersfeld. Hersfeld, H. Schmidt. 360 S. M. 4,50. — 4 0 3 a ) Monumenta Wormatiensia. Annalen n. Chroniken her. durch H. Boos. Mit Karte u 6 Lichtdmcktaf. ( = Quellen z. Gesch. d. Stadt Worms III). B., Weidmann. XLVIII, 726 S. M. 25,00. - 404) Ans Westfalens Vergangenheit. Beitrr. z. polit. Kult.u. Knnstgesch. T. G. T. B e l o w , H. D e t m e r , G. T. D e t t e n , W. E f f m a n n , H, F i n k e , I l g e n , F. J o s t e s . Münster, Begensberg. IV, 128 S. Mit 4 Taf. M. 1,50. — 405) H. D e t m e r , Hermann yon Kerssenbroick. Seine Beschreibung d. Mansterschen Doms. ( = N. 404, S. 47-64.1 - 406) F. D a r p e , Gesch d. Stadt Boohuin. II. Bochum in d. Neuzeit 1618-1740. Progr. d. Gymn. Bochum, (Stumpf). 140 S. — 407) X c - H i r s c h b e r g , Gesch. d. Grafschaft Moers. Moers, Spaarmann. III, 123 S. M. 1,00. — 408) X K. F r a n k e , Westfalen. E. Heimatskunde. 2 And. Bielefeld, Helmich. 101 S. M. 0,70. (Für elementare Ansprüche.) — 409) (S. o. N. 101.) - 4101 Lulväs, D gegenwärt. Geschichtsbestrebungen in Aachen (vgl. JBL. 1892 1 4:683). |[W W a t t e n b a c h : DLZ. S. 75/6; H. D e l b r ü c k : PrJbb. 71, S. 537/9; LCB1. 2112, 1781/2.JI - 411) X E. P a u l s , Z. Gesch. d. Erdbeben im 17. u. 18 Jh. i. d. Aachener Gegend: AnnUVNiederrh. 56, S. 91-115. — 412) J. K ü h l , Gesch. d. Stadt Jülich, insbes. d. früheren Gymn. II (1660-1742). Jülich, Fischer. VI, 322 S M. 4,00. ¡[LCB1. S. 1070/l.JI —413) X K - Tücking, Gesch. d. Stadt Neuss (Tgl. JBL 1892 I 4 : 680): HZ. 34, S. 325/9. - 414) P. J a c o b s , Gesch. d. Pfarreien i. Gebiete d. ehemaligen Stifts Werden an d. Ruhr I. Düsseldorf, Schwann. 232 S. M. 4,00. |[LCB1. S. 912/3; LBs. 19, S. 333,4.j| — 415) J. J o e s t e n , Z. Gesch. d. Schlosses Windeek: ZßergGV. 19, S. 133-59. — 416) A. B o r h e c k , Versnch e. Gesch d. Stadt Duisburg am Rhein Duisburg 1800. Duisburg, Schmitz. 64 S. M. 0,60. (Neudruck.) — 417) X R e d l i c h , Denkschrift d. Maire Westermann zu Wesel, d. Kaiser Napoleon aberreicht: BGNiederrh. 7, S. 301/4. — 418) X B l o o s , D. Rentmeister r. Dasseldorf: ib. S. 63/6. - 419) X H- F e r b e r , D. Gemarken im Amte Angermund: ib. S. 67-99. - 420) E. H e y n , D. Westerwald u. seine Bewohner T d. ältesten Zeiten bis heute. Mit bist. Karte. Marienberg, SelbstTerl. VIII, 300 S. M. 4,00. — 421) X F- H e r b e r , E. Gang durch d. Gesch. Frankfurts. Frankfurt a. M„ Knauer. 40 S. M. 0,30. - 422) X 11 B l e i c h e r , D. Bewegung d. Bevölkerung im J. 1891. ( = Beitrr z. Statistik d. Stadt Frankfurt a. M. Heft 2.) Frankfurt a. M., Sauerländer IV, 64 S XLIII S. Tab. mit 1 graph Taf. M. 1,00. |[LCB1. S. 4617.]; — 423) X A - K o c h , AÜB Frankfurts Vergangenheit. Architekturotudien nach d. Natur gezeichnet u. beschrieben. 25 Lichtdmcktaf. Mit 7 S Text. Frankfurt a. M., Keller. Fol. M. 25,00. - 424) X E. Besuch in Strassburg im J 1831: DWB1. S. 475/6. — 425) X A H o l d e r , Michel Buck u. seine kulturgesch. Dialektdichtung: Alemannia 21, S. 1/5. — 426) X W. S o m m e r , Elsäss. Geschichten (Tgl. JBL. 1892 IV 3:12112): Gegenw. 44, S. 366 — 427) X J- I"« * y , Gesoh. d. Klosters, d. Vogtei u. Pfarrei Herbitzheim Strassburg i. E. (Saargemünd, E. Schmitt). XIX, 288 S. M 2,50. |[Polybibl r '. 67, S. 450.JI 428) X M W e r d e r , FrnnzAs. Lob aus dentschem Monde: StrasBbPost. N. 228. — 429) O P- T. W e e c h , Karlsruhe. Gesch.

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: 430-460

G. L i e b e , Kulturgeschichte.

erfahren, die wegen ihrer Vf. nicht ohne Interesse ist. Es sind4 3 0sechs Schüler des Lyceums von Vesoul, die unter Leitung des Professors Maigniez ) drei Wochen in Freiburg zugebracht haben, um sich in der deutschen Sprache zu vervollkommnen. Wenn man bei jungen Leuten von noch nicht 18 Jahren von der Forderung gereiften Urteils absieht und einzelne chauvinistische Anwandlungen in diesem Alter erklärlich findet, kann man an der guten Beobachtung und Frische der Anschauung seine Freude haben.43l"434) — • Die Gesamtdarstellung435} der Geschichte W ü r t t e m b e r g s ist in dritter Auflage erschienen.438) — Kapff 4 3 7 ) giebt eine übersichtliche Darstellung der starken schwäbischen Einwanderung nach Amerika von der Beteiligung an den ersten nach Südamerika gerichteten Goldreisen und den ersten Kolonien im Staate New-York, anziehend durch Stücke aus gleichzeitigen Berichten. — Unter den zahlreichen Veröffentlichungen B a y e r n s ist zunächst eine Anzahl solcher zu nennen, die grösseren Gebieten zugewendet sind438"443). — Im besonderen mit dem Volk beschäftigen sich mehrere bekannte Autoren. Stieler 4 4 4 ) giebt in edler Sprache Bilder aus dem äusseren wie inneren 4Leben der Altbayern, die Gegenwart aus der Vergangenheit erläuternd. — P e e t z 4 5 ) verwendet in einem zweiten Bande seine reiche Volkskenntnis novellistisch; kulturgeschichtlich von Wert ist der in Form einer Erzählung eingekleidete Inhalt einer Urkunde über Hegung des Landschrannengerichts. — Sepp 446 ) bringt wieder eine bunte, an Ueberfülle leidende Sammlung, die neben vielen Spinnstubengeschichten auch eine Menge verstreuter Züge besonders zur Rechts- und Jagdgeschichte enthält. — Unter der grossen Menge der einzelnen Städten gewidmeten Arbeiten, in denen meist nur zerstreut kultur447 456 geschichtliches 4Material zu finden ist " ), sei als rechtes Beispiel die Studie Westermayers 5 1 ) über Tölz genannt. In dem bunten Allerlei der Erzählung taucht die interessante Nachricht auf, dass 1640 zum ersten Mal im Tanzhaus ein Gemeindetheater aufgeschlagen wurde und 200 Jahre bestand. — Trautmanns 4 5 8 4s8a ) lebendige Schilderungen aus dem Tagesleben des alten München reichen doch oft in das Gebiet der Schnurre hinein; seine Erklärung der in München zahlreich vorhandenen Wahrzeichen wäre dankenswerter ohne den gesucht volkstümlichen Ton. — Kamann 4 5 9 ) in seiner gründlichen Untersuchung der Fehde Götz von Berlichingens mit Nürnberg und Bamberg lässt diesen als wenig romantischen Vertreter des zerfallenden Rittertums erscheinen. — Hildenbrahd 4 6 0 ) giebt Nachrichten von der Industrioblüte Frankenthals (Pfalz) im 16. Jh. — a. Stadt u. ihrer Verwaltung. 1. Lfg. Mit 5 Taf. Karlsruhe, Macklot. S. 1-80. M. 1,00. — 4 3 0 ) M. M a i g n i e z , Excursion en Allemagne de six lycéens accompagnés de leur professeur. Vesoul (Cirai). 1892. II, 69 S. (Sonderabdr.) - 431) X F. S c h ä f e r , Wirtschafts- n. Finanzgesoh. d. Reiohsstadt Ueberlingen am Bodensee 1550-1628. ( = Untersuchungen z. dtsch. Staats- n. Rechtsgeseh. her. v. 0 . G i e r k e . N. 44.) Breslau, Koebner. XII, 196 S. M.7,00. |[A. Schulte: ZOORh. 3, S. 720/2.]| — 432) X G- M a y e r , Kleine Beitrr. z. Gesch. d Bisohôfe t . Eonstanz im 16. J h . : KathSohwBll. 9, S. 223-40. — 433) O Mitteilungen z. Gesch. d. Heidelberger Schlosses. Her. t . Heidelberger Schlossror. 3 Bd. 1. Heft. Mit 5 Taf. Heidelberg, Groos. IV, 123 S. M. 3,00. — 434) O Neues Arch. f. d. Gesch. d. Stadt Heidelberg n. d. rhein. Pfalz. Her. v. A. H a y s n. K. C h r i s t . II. Bd. 1. n. 2. Heft. Heidelberg, Koester. S. 1-123. M. 1,20. |[W. W a t t e n b a c h : DLZ. S. 333; LCB1. S. 517|8.]| — 4 3 5 ) O Illnstr. Gesch. T. Württemberg. II. Beitr. T. Dürr, Th. Ebner, Geiger etc. 3. Aufl. Erg. n. verm. T. K. O e s t e r l e n . Heft 1-20. St., Südd. Verl.-Inst. S. 1-304. à M. 0,25. — 4 3 6 ) X C. T. F i s c h b a c h . Erinnerungen aus Alt-Hohenheim : BBSW. S. 97-104. — 437) P. K a p f f , Schwaben in Amerika. ( = NjbllWttrttemberg. Her. T. J . H a r t m a n n , N. 10.) St., Gundert. 48 S. II. 1,00. — 438) O J. E n d r e e , Hist.-Statist. Beschreibung d. Bistums Augsburg: HPBU. 111, S. 641/5. — 439) Schriften d. Ver. f. Gesch. d. Bodensees u. seiner Umgebung. 21. Heft. Lindau. Stettuer. IV, 293 S. 1 Bildn. M. 6,00. — 4 4 0 ) O F. L. B a u m a n n , Gesch. d. Allgäu. Heft 28/9. (3. Bd.) Kempten, Kösel. S. 321-443. à II. 2,40. — 441) X A b e r t , Franken. E. knlturgesch. Skizze. Progr. Mannerstadt. 106 S. — 442) X M - K a i s e r , Gesch. d. H e r r schaft Breitenegg u. d. Pfarrei Breitenbrunn. Amberg, Habbel. V m , 104 S. M. 1,00. — 443) X 0. S t e i n e l , Gesch. d. bayer. Frankenlandes. Bamberg, Buchner. 26 S. M. 0,35. — 444) K. S t i e l e r , Kulturbilder aus Bayern. Mit Vorw. y. K. Th. H e i g e ) . St., Bonz. IX, 272 S. M. 4,80. — 445) H. P e e t z , Chiemgauer Volk. Erinnerungen e. Chiemgauer Amtmanns aus seinem Nachlass. 2. (Schluss-)Bd. L., Liebeskind, i n , 160 S. M. 2,00. (Tgl. JBL. 1892 I 4:721.) - 4 4 6 ) J . N. S e p p , Denkwürdigkeiten ans d. Bayeroberland odeT 176 Gesch. a u s d. Isarwinkel u. d. Nachbarschaft. München, Lindauer. 1892. XVI, 376 S. M. 3,00. (Vgl. I 5:18.) — 447) X H - W e b e r , Z. Gesch. d. Stadt Bamberg: JbGörresges. S. 24/9. — 4 4 8 ) X Gesch. Y. Gaimersheim: SBlHVIngolstadt. 18, S. 1-41. — 4 4 9 ) X K - G r a f y. B a m b a l d i , Gesch. d. Schlosses Eurasburg u. seiner Besitzer: OberbayrA. 48, S. 1-86. — 4 5 0 ) M. P f i s t e r , Sehirnaidel bis auf d. Gegenw., zugleich e. Rückblick auf d. Hochstift Bamberg. Aus jBIIVBambg. Bamberg (Duckstein). 1892. 308 S. M. 3,00. — 451) A. S c h ä f f l e r , Würzburgs Entwicklung bis in d. Zeit d. 30j. Krieges. ( = Beitrr. z. Entwioklungigfesch. d. Stadt Würzburg N. 1.) Würzburg, A. Stuber. 17 S. M. 1,00. — 4 5 1 a ) G. t . Z ü r n , Ueber Würzburgs Entwicklung in d. letzten 30 J. ( = ebda. N. 2.) 10 S. — 452) X C h r n . M e y e r , Quellen z. Gesch. d. Stadt Bayreuth. Mit Plan r. 1621. Bayreuth, Giessel. III, XVI, 243 S. M. 5,00. — 452 a) X B u f f , Augsburg in i . Renaissancezeit. Zeichnungen T. H. T. Berlepsch. Bamberg, Buchner. 140 S. M. 2,50. •— 453) X E- H o p p , Chronik v. Kalchreuth. Erlangen (Nürnberg, Raw). 20 S. M. 0,25. — 454) X Ff- S i x t , Chronik d. Stadt Gerolzhofen in Unterfranken. 2 Pläne u. Abbild. Aus AHVUnterfranken. Würzburg, Woerl. 175 S. M. 3,00. - 4551 O C h r n . M e y e r , Enoch Widmans Chronik d. Stadt Hof. Nach d. Orig.-Hs. her. Hof, Lion. U I , 1 1 2 S . M. 2,00. (Vgl. auch I I 3.) — 456) O J . Priem, Gesch. d. Stadt Nürnberg v. d. ersten urkundl. Nachweis ihres Bestehens bis auf d. neueste Zeit. 2. Aufl. Her. T. E. R e i c k e . 1.-8. Lfg. Nürnberg, Raw. S. 1-256. à M. 0,40. — 457) G. W e s t e r m a y e r , Chronik der Burg u. des Marktes Tölz. 2. Aufl. Mit 12 Abbild. Tölz, Dewitz. VII, 319 S. M. 4,00. — 458) F. T r a u t m a n n , Im Münchener Hofgarten. Oertliche Skizzen u. Wandelgestalten T. einst Neue (Titél-)Aufl. München, Galler. X, 236 S. M. 1,80. — 4 5 8 a ) id., Alt-Münchener Wahr- u. Denkzeichen. Neue (Titel-)Aufl. ebda. VIII, 264 S. M.3,20. — 4 5 9 ) J. K a m a n n , D. Fehde d. Götz v. Berlichingen mit d. Reichsstadt Nürnberg u. d. Hochstift Bamberg 1512-14. E. Beitr. z. Gesch. d. öffentl. Zustände Frankens nach d. ewigen Landfrieden: ( = Quellenschriften u. Akhandl. z. Staats-, Knltur- u. Kunstgesch. d. Reichsstadt Nürnberg I). Nürnberg, Schräg. VIII, 138 S. M. 3,00. f[MVGNürnberg 10, S. 289-95.]| — 4 6 0 ) F. H i l d e n b r a n d , Gesch. d.

G. L i e b e , Kulturgeschichte.

I 4 : 461-497

In der Litteratur über O e s t e r r e i c h 461 " 462 ) tritt Wien in den Vordergrund. Allerdings sind es ausser Recensionen über Guglias463"464) Werke meist Skizzen 465 " 467 ) populärster Art, die die moderne Stadt der Phäaken feiern, und es ist höchst erfreulich, dass der unwürdige Zustand der lokalgeschichtlichen Forschung endlich den Plan eines auf breitester archivaliseher Grundlage ruhenden Quellenwerkes hat reifen lassen468). — B u r g e r s t e i n 4 6 8 " ) nimmt aus der verbesserten Aufstellung, die man pietätvoll dem alten Wiener Wahrzeichen „Stock im Eisen" hat zu teil werden lassen, Anlass zu einer sorgfältigen botanischen und historischen Untersuchung. Ihr Resultat ist, dass der Baumstumpf einer Fichte angehört und wahrscheinlich als Zeichen der an seinem Standort beginnenden ersten Stadterweiterung stehen gelassen wurde. — In Böhmen hat das Egerland zwei dankenswerte Monographien Neubauers 4 6 9 " 4 7 0 ) aufzuweisen. Zählt die erste detailliert die Bestandteile eines Bauernhofes in dialektischer Bezeichnung auf, so giebt die zweite einen Beitrag zum Geistesleben des Volkes, da schon die geringe Zahl der meist nach der Farbe gewählten Benennungen bezeichnend für den Egerländer ist, der in ausgesprochener Richtung auf das Nützliche keine Blumenzucht treibt.471"475) — Mehrere Publikationen sind Tirol476"478) gewidmet, einzelne Ungarn 479 ), Salzburg 480 ), Steiermark481), Kärnten.482) — Das treue Festhalten der Siebenbürger an deutscher Art hat auch eine gediegene Geschichtsforschung gezeitigt. Die Reden von Teutsch 4 8 3 ) auf den Versammlungen dés Vereins für Landeskunde gewähren den klarsten Ueberblick über die Verteidigung des Rechtsstandes auf dem Klausenburger Landtag 1791 und in der Litteratur, so in Schlözers Staatsanzeiger. — Der Haushalt Hermannstadts zur Zeit Karls VI. erfährt durch Herbert 4 8 4 ) nach den Rechnungen verschiedener städtischer Beamten eine eingehende Untersuchung. — In der S c h w e i z hat sich O e c h s l i s 4 8 5 ) Quellenbuch für Haus und Schule die Berücksichtigung der Kulturgeschichte zum Ziele gesetzt.486"488) — Ein kleiner Artikel 489 ) zählt die freundlichen Berührungen der Schweizer mit Preussen und den Hohenzollern aus früheren Jhh. auf. — Mit einzelnen Verhältnissen Basels beschäftigen sich mehrere Studien490"492). — Vom verlorenen Posten der O s t s e e p r o v i n z e n geben einige allgemeine 493 ) wie besondere Publikationen 494 " 497 ) eine Kunde, die immer von neuem den Verlust eines tüchtigen Stückes Deutschtum bedauern lässt. — K l ö s t e r , S t i f t e r , O r d e n . Reiches, wenn auch zerstreutes und selten wissenschaftlich verarbeitetes Material zur Geschichte der innern wie äussern Kultur Stadt Frankenthal in d. Pfalz. Hit 9 Itlastr. Fraukenthal, Christmann. 15 S. II. 1,00. — 461) X s - W h i t m a n , Austria felix. D. Reich ¿. Habsburger. Uebers. v. 0. Th. A l e x a n d e r . B., C. Ulrich & Co. VIII, 268 S. II. 4,00. |[UL. S. 704/6.]| (The realra of the Habsburgs. By S. Whitman [ = Tanchnitz Ed. N. 2910.] L.. Tauchnitz. 278 S. M. 1,60.) - 462) X Burgen u. Schlösser in Oesterreich. 6.-10. (Sohlnss-)Lfg. Test v. J. M e u r e r . Wien, Heck. à 5 BU. mit 5 BU. Text, à M. 8,00. |[VelhagenKiasingsMh. 2, S. 161-90.]| — 463) X E- Guglia, Gesch. d. Stadt Wien (vgl. JBL. 1892 I 4:730): Paedagogium. 15, S. 139-40. - 464) X M-, Grossstfidt. Charakterbilder. I. (vgl. JBL. 1S92 I 4:731;: ÖLB1. 2, S. 526/7. — 465) X F r . S c h l ä g e l , Ges. Schriften. Kleine Knlturbilder aus d. Volksleben d. alten Kaiserstadt a. d. Donau. 3 Bde. Wien, Hartleben. VIII, 356 S.; 359 S.; 376 S. M. 9,00. — 466) X Wienerstadt. Lebensbilder aus d. Gegenw., geschild. v. Wiener Schriftstellern. Lfg. 1-9. Wien u. Prag, Tempsky. (Leipzig, Freytag.} S. 1-256. à M. 0,80. — 467) Alt-Wien. Machr. für Wiener Art n. Sprache. Her. v. L. S t i e b S c k . 1. u. 2. Jahrg. à 12 Hefte. Wien, Dirnböck. 1891-93. à Hft. 12 S. à Jahrg. M. 5,00. —. 468) D. Wiener Geschichtswerk: Presse N. 283. — 4 6 8 a ) A. B u r g e r s t e i n , „D. Stock im Eisen" d. Stadt Wien. Hit 1 Taf. Progr. Wien. 34 S. — 469) J. N e u b a u e r , D. Egerländer Bauernhof u. seine Einrichtung. Progr. Elbogen. 18 S. — 470) id., D. im Egerland benannten Pflanzen: Bayerns Mundarten 2, S. 129-37. — 471) X J - H e i b i g , Beitrr. z. Gesch. d. Stadt u. d. Bez. Friedland. 1.-5. Lfg. Friedland i. B„ Weeber. 12°. S. 1-64. à H. 0,40. - 4 7 2 ) X K. K l e m e n t , Weitere Notizenz. Gesch. d. kg]. Stadt Mähr.-Neustadt im 17. u. 18. Jli. Progr. Mähr.-Neustadt. 22 S. — 472a) X A - C o s t a - B o s s e t t i , D. Brünner Spielberg, insbes. d. Kasematten u. seine merkwürdigsten Gefangenen. Mit 3 Planskizzen u. 2 Ansichten. 4. Aufl. Brunn, Winkler. IV, 64 S. M. 0,80. — 473) O S. R r e d l , D. Colleginm S. Bernardi in Prag. E. kulturhist. Bild: StHBCO. S. 53-60, 212-21. — 474) O G. K e s s e l , D. Erzgebirge in Sage u. Gesch. Teplitz, Selbstverl. |[MNordböhm.ExcursClub. 16, 9. 273.JJ — 475) O MNordbôhmExcursOlub. 16, S. 119-22, 129-30, 152-85, 241/7, 250/7, 357-61. — 476): X M. G r a n d j e a n , En Tyrol: paysages, mœurs, hist., légendes. Arec grav. Lille, Desclée, de Brouwer et Co. 288 S. |[WestmR. 140, S 207.]| — 477) o S. M. P r e m , Kufsteiner Festschrift z. Feier d. vor 500 J. erfolgten Erhebung d. Ortes •/.. Stadt. Kufstein (Wien, Gerold). Fol. 77 S. M. 3,00. ||BLU. S. 646/8J| - 4781 X C h r n . S c h n e l l e r , Beitrr. z. Ortsnamenkunde Tirols. I. Innsbruck, Ver.-Bnchh. u. Buohdr. XI, 92 S. fc'l. 1,00. |[ÖLBI. 2, S. 656/8; F. S t o l z : ZTVolksk. 3, S.464.]| (Vgl. I 5:372.) — 479) D e r u j a o , Ungarn im Werke d. Kronprinzen Budolf: ZBK. 4, S. 83-94. — 480) O J. D o b l h o f f , Beitrr. z. Quellenstudium Salzburg. Landeskunde. I. Salzburg, Mayr. IV, 48 S. M. 1,20. — 481) O J. v. Z a h n , Styriaca. Gedrucktes u. Unpedrucktes z Steiermark. Gesch. u. Knlturgesch. Graz, Moser. VII, 277 9. M. 3,60. — 482) X B. M ü l l e r , Kleine Beitrr. z. altkärntnischen Ortsnamenkunde. 5. Klagenfurt: Curinthia 83, S. 179-84. - 483) G. T e u t s c h , Bede z. Eröffnung d. 44. u. 45. Generalvers. d. Ver.: AVSbnbgnL. 24, S. 5-82, 409-37. — 434) H. H e r b e r t , D. Haushalt Hermannstadts z. Zeit Karls VI.: ib. S. 83-229, 438-518. — 485) O W. O e c h s l i , Quellenbuch z. Schveizergesch. NF. m. bes. Bertckrischtig. d. Kultnrgesch. für Haus u. Schule bearb. Zürich, Schulthess. IV, 566 S. II. 7,00. |[DLZ. S. 398/9; BLChrSchw. S. 72.]| — 486) X J- L - B r a n d s t e t t e r , Repert. über die in Zeit- u. Sammelschriften d. J. 1812-90 enth. Aufsätze u. Mitteilungen schweizergesch. Inhaltes. Basel, Geering. IV, 467 S. II 7,20. — 487) O A. N ü s c h e l e r , D. Gotteshäuser d. Schweiz: GFrSO. 48, S. 1-80. — 488) O Th. v. L i e b e n a u , Kulturhist. Miscellen: AnzSchwG. 24, S. 471. — 489) Deutsche u Schweizer: StrassbPost. N. 122. — 490) X L. F r e i v o g e l , D. Landschaft Basel in d. 2. Hälfte des 18. Jh. I. Diis. • Bern. 198 S — 491) X C* S a r t o r i n s - B n r c k h a r d t , M. Joh. Jac. Huber, weil. Pfarrer u. Dekan in Sissach u. seine Sammlungen z. Gesch. d. Stadt n. Landschaft Basel : BislerJb. S. 75-135. — 492) X R- W a c k e r n a g e l , D. Kirchen- u. Schälgut d. Kantons Basel-St.: BVtGBasel. 13, S. 83-139. — 493) X E - ». A. S e r a p h i m , Aus d. kurländ. Vergangenheit (vgl. JBL. 1892 I 4 : 765; III 1 : 26): BLC. S. 65/6. — 494-495) X Drei Weihnachtsabende d. dtsch. Hansestadt Dorpat in Livland 1222-1524-1802. V. e. dtsch. Beichsangehörigen. Lübeck, Gläser. 109 S. M. 1,80. — 496) X W. N e u m a n n , D. MAlich. Biga. Mit 26 Taf. B.; J. Springer. 1892. Fol. VI, 58 S. M. 20,00. |[G. M a n t e n f f e l : KwH. S. 100/1.]| — 497) X A Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. Ö

I 4 : 498-535

G. L i e b e , Kulturgeschichte.

bieten die Werke, welche einzelne geistliche Anstalten behandeln498). — Unter denen, die eine längere Entwicklung zum Gegenstand haben499"502), ist das geschickt geschriebene Buch von Kniel 5 0 3 ) über die Abtei Laach zn erwähnen, welches zur 800jährigen Jubelfeier und Neubelebung des Klosters einem weiteren Kreise Bilder aus dessen Geschichte geben will und diesem Zweck ohne mehr als gelegentliches Hervortreten des konfessionellen Elements nachkommt. — Dagegen erklärt Daffner 504 ) in seiner Geschichte Benediktbeurns zwar, dass die Kulturentwicklung den Hauptgegenstand der Geschichtswissenschaft bilden müsse, bietet aber nur eine nüchterne pragmatische Darstellung und bekennt sich zum Schluss zu der Ansicht, dass der Socialismus nur ¿ine gerechte Strafe der Fürsten für die Klosteraufhebung sei. — Zahlreich haben einzelne Abschnitte von Klostergeschichten Bearbeitung erfahren505"513). — Die umfangreiche Litteratur über den Jesuitenorden dient grossenteils der Polemik514"522); die so verschieden gearteten Schriften von Duhr 523 ) und Graf Hoensbroech 5 2 4 ) haben besonderes Aufsehen erregt. — Als streng wissenschaftlich seien die Arbeiten von Hansen 5 2 5 ) und Richter 526 " 526 ») hervorgehoben. — B e s o n d e r e V o l k s e l e m e n t e . Eingesprengte fremde Volkselemente haben stets der Kultur zu grosser Förderung gereicht; von keinem gilt dies mehr als von den Hugenotten, die sich mit Recht lebhaften wissenschaftlichen Anteils rühmen können. Die umfangreichste Leistung auf diesem Gebiete ist die Fortsetzung von Tollins 5 2 7 ) Werk (vgl. JBL. 1892 I 4:810). Der vorliegende Band enthält eine Zusammenstellung der Berufszweige, vorzugsweise im militärischen und gewerblichen Fache. Leider wird das fleissige Werk durch Ueberwuchern des Details auf lokales Interesse beschränkt. — Die Fortsetzung der Geschichtsblätter528) des deutschen Hugenottenvereins bringt wieder eine Anzahl kleiner Gemeinden zur Darstellung. Neben der Organisation tritt die feindselige Stimmung der Einwohner, besonders der Handwerker, hervor529). — Die genannten Punkte behandelt für Magdeburg Tollin 5 3 0 ) mit grosser Ausführlichkeit; man sieht, welche Mühe der kurfürstliche Kommissar der Volksabneigung gegenüber mit Unterbringung zumal der gewerblichen Anlagen hatte. Die deshalb nötige, durch Zuschüsse ermöglichte Bauthätigkeit lässt die Eingewanderten in den ersten 50 Jahren im Besitz ziemlich vieler Häuser erscheinen, die aber sehr oft aus Mangel an Unterhalt wieder aufgegeben werden mussten531). — Die freundliche Aufnahme der durchziehenden Salzburger in Chemnitz 1732 schildert Weinhold 5 3 2 ) nach den Ratsakten.533) — Den Spuren des Slaventums in Anhalt geht Seelmann 5 3 4 ) nach, indem er sich der dankenswerten Mühe unterzieht, den Ursprung slavischer von O e r n e t , Ueber d. Gesoh. Weesensteins. Vorir. (Aas d. Revaler Beobachter.) Beral, Klage. 12°. 27 S. 1£. 1.00. — 498) X Bilder ans d. MSnchsleben. ( = Kath. Flugschriften z. Wehr n. Lehr. Heft 62/4.) B„ Germania. 16". 144 S. M. 0,30. (Belanglose Popularisierung.) — 499) o J n l . M a y e r , D. Gesch. d. Benediktinerabtei St. Peter anf d. Schwarzwald. Freiburg i. B., Herder. XI, 266 S. M. 3,00 |[A. S c h u l t e : ZGOBh. 8, S. 717/3; E. G o t h e i n : KB1WZ. 12, S. 261.|| — 500) X G. D e n t s c h , D. Priorissenorden in Böhmen, Mähren u. Schlesien: OUR. S. 20-34. — 501) X J- H e s s , Festschrift z. 600j. Jabelfeier d. Dominikaner- n. Hanptpfarrkirche Tom h. Panlas in Aachen 1293-1893. Aachen, Creutzer. 120 S. M. 2,00. — 502) X K. K o c h , D. Dominikanerkloster zn Frankfurt a. II. 13.-16. Jh. Nach ungedr. Quellen. Freiburg i. B., Herder. XV, 166 S. U. 3,00. Ifj. H a n s e n : KB1WZ. 12, S. 33/4J| — 503) C. K n i e l , D.Benediktiner-Abtei Ilaria-Laach. Gedenkbll. uus Vergangenheit n. Gegenw. Mit 20 Abbild. KGlo, Bachem. 160 S. M. 2,50. — 504) F. D a f f n e r . Gesoh. des Klosters Benediktbearn (704-1803). Münohen, Litt. Anst. IV, 432 S. M. 10,00. - 505) X A - M a t i n g - S a r a m l e r , Im Chemnitzer Benediktinerkloster ( = 8. o. N. 385, S. 3-14). — 506) X C. E b e l , D. Cistercienser in Oberhessen. Vortr.: MOberhessGV. 4, S. 123/7. — 507) X F. B a u m g a r t e n , Aus d. Gengenbacher Klosterleben: ZGOBh. 8, S. 436-93, 658-702. — 508) X 0 . B o s s e r t , D. Besitz d. Klosters Lorsoh: ib. S. 640/5. — 509) A. S c h i l l i n g , Kloster Beathin a. seine Restitution durch Kaiser Ferdinand II.: FreiburgerDiScesA. 23, S. 215-63. — 510) X K - M a t h , D. ehemal. Klosterkirche in Nieder-Altaich. Naoh Gesch. u. Gestult beschrieben. Fassaa, Abt. VIII, 86 S. M. 3,50. — 511) A. H e l l , D. Stift Seckaa n. dessen Wirtschaft]. Verhältnisse im 16. Jh.: StHBCO. S. 82-92, 255-65, 367-76. —512) X J - D a n k d , Münster u. Abtei S. Benedioti an der Gran: UngB 13, S. 1-22. - 513) X H a r d e g g e r , D. Cistercienserinnen zu Maggenan. St. Gallen, Haber & Co. 4°. 56 S. 1 Lichtdr.-Taf. M. 2,00. - 514) O J- v. D o r n e t h , D. Jesuitenorden v. seiner Gründung bis z. heutigen Zeit. Hannover, Ost. 89 S. M. 1,00. - 515) x E - D u l l e r , Gesch. d. Jesuiten. E. Bftohlein für d. dtsch. Volk. Dresden, Jaenicke. IV, 126 S. M. 0,75. — 516) X F. H u b e r , D. Zweck heiligt d. Mittel: VossZgB. N. 11. - 516 a) id., D. Sturz d. Jesuitenordens: ib. N. 48. — 517) x E - M - Arndt, Urteil Aber d. Jesuiten: DPB1. 26, S. 53. —'518) X St.. D. Mendinger Teufel a. d. Jesniten: ib. S. 4/5. — 519) X C. S c h o l l , D. Jesaiten in Bayern v. d. ersten Zeit ihrer Berufung: ÖLB1. 2, S. 131/2. — 520) X J - W e b s k y , D. F Jesuitenorden :FKZ.S. 356/7. — 521) X - W a g n e r , Z. Gesch. d. Jesuiten-Mission in Altona (1603): ZVHambG. 9, S. 633/8.—522)X H. B o o h o l l , D. Zweck heiligt d. Mittel. E. Wort z. Jesnitenfrage: KM. 12, S. 557-68. — 523) X B. D n h r , Jesuitenfabeln. 2. Aufl. (Vgl. JBL. 1892 I 4 : 826.) |[BLU. S. 199-201; KonsMschr. S. 728-39, 805/6; StML. 44, S. 501/4; DublinB. S. 112; HPB11. 112, S. 203/4.]| — 524) P. Graf H o e n B b r o e c h , Mein Aastritt aus d. Jesuitenorden. (Aus PrJbb.) 1.-6. Aufl. B., H. Walther. 45 S. M. 0,80 |[ThLZ. 18, S. 384/7; NedSpect. S. 164/6; DEKZ. 7, S. 207,9, 489-90; DPB1. 26, S. 14'3-50.]| — 525) J. H a n s e n , Z. ältesten Gesoh. d. Jesuitenordens in Deutschlaad: MStadtAKöln. S, S. 283-90. — 526) W. B i c h t e r , Gesch. d. Paderborner JeBUiten (Vgl. JBL. 1S92 I 4:831.) |[LBs. 19, S. 304,5; ÖLB1. 2, S. 129-31.]| — 526a) id., D. Jesuitenkirche zu Paderborn. Festschrift. Mit Abbild. Paderborn, Jnnfermann. 1S92. 99 S. M. 1,80. — 527) H. T o l l i n , Gesch. d. franz. Kolonie y. Magdeburg. III. Bd Abt. 1 B. Vom Nutzen d. Befuge, insbes. in Magdeburg. Jubiläumsschrift. Magdeburg, Faber. X, 896 S. M. 12,75. — 528) GBllDHagenottenV. Zehnt II., Heft 1-8. (Kolonien in Annweiler, St. Larabrecht-Grerenhaasen, Halberstadt, Heidelberg, Gr.- u. Kl.-Ziethen, Stade, Celle.) Magdeburg, Heinrlohshofen. 14 S.; 22 S.; 27 S.; 13 S.; 15 S.; 32 S.; 54 3. M, 3,40. - 529) X B 6 r i n g u i e r , D. franz. Kolonie in Berlin bis z. Edikt v. Potsdam: Bär 19, S. 212/5, 221/4. — 530) H. T o l l i n , Hugenottischer Haasbesitz in Magdeburg: GBUMagdeburg. 28, S. 141-84. — 531) X K, M ü l l e r , Aas d. Aufzeichnungen flüchtiger Hugenotten. Vortr.: DEB11. 18, S. 645-62. — 532) E. W e i n h o l d , D. Durchzüge vertriebener Protestanten durch Chemnitz 1732. ( = N. 335, S. 39-50.) — 533) X y. Gasteiger, D. Zillerthaler Protestanten u. ihre Ausweisung ans Tirol. Aas d. Nuohlass her. v. A. E d l i n g e r . Meran, F. W. Ellmenreioh. 1892. XI, 160 S. Mit Bild. M. 3,50. |[LCBI. S. 318/9.J| — 534) F. S e e l m a n n , D. Slawentum in Anhalt: MAnhaltGV. 6, S. 468-503. — 535) X H> G r a e t z , Gesch. d. Juden. N. Ausg. 1.-24. Lfg. L., Leiner. 4. Bd. XI, 483 S.; 3. Bd. 1. Abt. XII, 857 S. 2. Abt. S. 1-192.

Gr. L i e b e , Kulturgeschichte.

I 4 : 536-565

Ortsnamen nachzuweisen, die gegenüber der deutschen Mannigfaltigkeit meist von Personennamen abgeleitet erscheinen. — Auf dem bedeutsamen Gebiet der Schilderung vom Einfluss des jüdischen Volkselements macht sich nur zu oft die Polemik des Tages in Für und Wider gleich abstossend geltend. Von Werken derartiger Tendenz wird an dieser Stelle nicht zu sprechen sein. Nächst den in neuer Auflage erschienenen Gesamtdarstellungen535"536) ist einiger Quellenwerke zu gedenken 537 " 538 ). — Einzelne Seiten des Judentums sind Gegenstand zusammenfassender Betrachtung geworden. S u l z b a c h s 5 3 9 ) schöne Anthologie jüdischer Poesie endet mit Beginn der uns interessierenden Periode. — Hätte Ger e c k e 540 ) seine Kenntnisse der älteren jüdischen Litteratur wissenschaftlich verwertet, so wäre das sehr dankenswert gewesen, aber die Ausfälle gegen das Christentum überwuchern das positive Material völlig, und die Ausdrücksweise klingt selbst für einen Amerikaner sehr nach dem wilden Westen. — A. v o n E b e r s t e i n 5 4 1 ) verfolgt die Zeichen jüdischen Einflusses von dem Davidsonschen „Telegraphen", der 1806 sich einen traurigen Namen machte, bis zur Statistik der Berliner Rechtsanwälte 1893.542) — Zum ersten Mal für ein bestimmtes Territorium unterwirft die Geschichte einer Judenschaft Liebe 5 4 3 ) einer Untersuchung, deren Zweck, den Einfluss auf Finanzverwaltung und damit auf staatliche Entwicklung zu zeigen, den Schwerpunkt der Arbeit vor unsere Periode verlegt. — P o p p e r 5 4 4 ) entnimmt den Grabschriften des Prager Friedhofs nur eine dürre Zusammenstellung nach Berufen. 545 " 547 ) — F a m i l i e n g e s c h i c h t e . Unter den Beiträgen zur Familiengeschichte adliger Geschlechter548"551) ist nur durch den Namen ihres Vf. von Interesse die Schilderung des Junkers Augustus von Bismarck 552 ) von seinen 1631 — 52 in französischen, schwedischen, brandenburgischen Diensten verbrachten Kriegsjahren, die in ihrer nüchternen Aufzählung kaum einen subjektiven Zug hervortreten lässt. — Einige heraldische Publikationen seien hier angeschlossen 553 " 556 ). — Bürgerliche Geschlechter sind mehrfach in grösseren Gruppen behandelt. Eine neue Quelle dazu hat P r i m b s 557) in einer Sammlung von Testamenten Regensburger Bürger (1400—1750) erschlossen. 558 " 559 ) — Die Geschichten einzelner Familien sind meist ohne Interesse 560-561 ); eine Ausnahme macht die der Siebenbürger Familie Heydendorff, die, im 18. Jh. von einem Mitgliede niedergeschrieben und jetzt von Gross 5 6 2 ) herausgegeben, zugleich die Geschicke des Landes wiederspiegelt. Von Wert für die Lebenshaltung einer bürgerlichen Familie ist eine Erbteilung vom Ende des 17., die Specifikationen von Hochzeitskosten aus der Mitte des 18. Jh. — E i n z e l n e P e r s o n e n . Unter den Arbeiten, welche Einzelpersönlichkeiten zum Vorwurf haben, ist es schwer, eine Auswahl zu treffen. Es sei zunächst hingewiesen auf die Studie 563 ) über Justus Jonas zur Feier seines 400jährigen Geburtstags am 5. Juni. — Riehl als Herold deutschen Volkstums hat aus Anlass seines 70. Geburtstags durch N o r d 5 6 4 ) eine schöne Würdigung gefunden. — Anerkennenswert ist, dass Stöber, der unermüdliche Vorkämpfer des Deutschtums im Elsass, geschildert wird, von B r ä u t i g a m 5 6 5 ) . — Unerschöpflich scheint das Interesse an à M. 0,80. — 536) X id., Hist. des juifs, trad. de l'allemand par II. Bloch, t. 4 Paris, Durlacher. 476 S. Fr. 5,00. — 537) A. N e u b a u e r a. II. S t e r n , Quellen 2. Gesch. d. Juden in Deutschland. II. B., Siraion. XXIX, 224 S. M. 8,00. [[URL. 21, S. 15/7.JI (Vgl. auch JBL. 1892 I 4 : 799.) — 538) X A J e l l i n e k , Kontres Ha-Maskir. Bibliogr. über d. Namen d. Juden, alphubet. geord. nebst e. Anh. fiber d. Glossen z. Talmud T. Rabbi Aschkenusi (Hebr.). -. Aufl. Wien, Lippe. VII, 40 S. II. 1,00. — 539) A. S u l z b a c h , D. relig. n. weltl. Poesie d. Jnden vom 7.-16. Jh. Trier, Mayer. 216 S. II. 3,75. — 540) A. G e r e c k e , D. Verdienste d. Jnden um d. Erhaltung u. Ausbreitung d. Wissensch. Zfirich, Verlagsmag. 47 S. M. 0,80. — 541) A. F r h r . v. E b e r s t e i n , Hervortreten d Judentums seit Anfang dieses Jh. B., Wiegand & Grieben. 15 S. M. 0,30. — 542) X F- Beass, Chr. W. Dohms Schrift aber d. bürgerl. Verbesserang d. Jnden (»gl. JBL. 1892 IV l e : 374): DLZ. S. 121,2. — 543) G. L i e b e , D. reciti u. Wirtschaft 1. Zustände d. Jnden im Erzstift Trier: WZ. S. 311-74. — 544) L. II. P o p p e r , D. Inschriften d. alten Prager Judenfriedhofes znm ersten Male vollständig entziffert. Knlturhist. u. hist. bearb. v. M. P o p p e r . 1. Heft. Braunschweig (Frankfurt a M., J. Kauffmann). 42 S. M. 2,00. — 545) O S. H o c k , D. Familien Prags. Nach d. Epitaphien d. alten jüd. Friedhofs in Prag zusammengeht. Pressburg (Frankfurt a. M„ J. Kaufmann). 1892. 36, 402 S. Mit Bild. M 6,00. |[DLZ. S. 1102/4; LCBI. S. 1130.JI — 546) X E - E m i l , Erinnerungen e. alten Pragers. Ghettogeschichten aus Tergang. Tagen. L„ Malende. 352 S. M 3,00. (Novellistisch.) — 547) o G. T o b l e r , Bern n. d. Juden: BernerTb. 42, S. 117-41. — 54S) X R- O.. D. Familie v. Wuthenau: Bär 19, S. 741/3. — 549) X H. Z e l l e r - W e r d m ü l l e r , D. Freien v. Eschenbach, Schnebelburg u. Schwarzenberg: ZörichTb. 16, S. 75-132. — 550) X Th. v. D i t f n r t h , D. Gesch. d. Geschlechts v. Ditfnrth II. (Vgl. JBL. 1892 I 4:786.) |(GGA. S. 143,4.][ - 551) X C h r n . M e y e r , Hohenzollerische Forschungen. Jb. für d. Gesch. d. Hohenzollern. 2. Jahrg. München, Selbstrerl. 232 S. IL 15,00. — 552) IW. Z a h n ] , D. Memoiren d. Junkers Augustus v. Bismarck: JbAltmärkGV. 23, S. 90-105. - 553j X z - B a r t s c h , Steiermark. Wappenbnch 1567. Graz, Moser. 180 S. M. 3,60. — 554) X E. S c h n i t z e , Magdeburger Geschlechterwappen ans d. 16. u 17. Jh.: GBllMagdebnrg. 28, S 63-99. — 555) X J- Siebmnchers grosses u. allgem. Wappenbnch IV. Nürnberg, Bauer & Raspe. 775 S., 504 Taf. M. 210,00.-556) X E - Frhr. y. S a c k e n , Katechismus d. Heraldik. 5. Aufl. Mit 215 Abbild. L., J. J. Weber. XVI, 155 S. M. 2,00. — 557) K. P r i m b s , Uebersirht v. Testamenten aus d. Arch. d. ehemal. Reichsstadt Uegenshurg: ArchZ. 4, S. 257-93 — 558) O Th. S c h ö n , D. Reutlinger Patrizier- u. Bürgergesclilechter bis z. Reformation: GBllReutlingen. 4, S. 13,6, 30,2, 44-54, 70(2, 83/8, 97-101. - 559) X F. B a r e s , Slechtické a erbovni rodiny v mèste Boleslava Mladého v letech 1471-1620. (Adels- n. Erbgeschlechter d. Stadt Jungbunzlan.) Progr. Jungbunzlan. 49 S. — 560) X G e r l a n d , D. Familie Dn Ry. ( = Gesch. hugenott. Familien. III.) B., Mittler. 23 S. M.0,75. — 561) X W. M e i s t e r , D. Familie Meister. Markgrabowa, C'zygan. 24 S. (Nicht im Handel.) — 562) J. G r o s s , Z. Gesch. d. Heydendorffschen Familie: AVSbnbgL. 24, 1892, S. 233-346. — 563) Z. Jubelfeier d. 400j. Geburtstages v. Dr. Justus Jonas: MagdZgB. N. 23. — 564) H. N o r d , W. H. Riehl: TglRs». N. 114. - 565) L. B r ä u t i g a m , D. treueste Hüter d. dtsch. Sprache im Elsass: ZDU. 7, S. 647-50. 8*

I 4 : 566-593

G. L i e b e , Kulturgeschichte.

Personen, die ein solches nur durch ein Rätsel erwecken. Hoffentlich ist das neue Buch über Kaspar Hauser endlich das letzte. Die Tochter von dessen Gönner Lord Stanhope, die H e r z o g i n v o n C l e v e l a n d 5 6 6 ) , wendet sich darin gegen die wider ihren Vater ausgesprochenen Verdächtigungen, als sei derselbe der Urheber von Hausers Tod, den sie nach genauester Prüfung als unbeabsichtigten Selbstmord aüffäSst.567) —569Das Pseudonyme Buch Artins568) (vgl. JBL. 1892 I 4 : 839) erfährt scharfe Kritik. ) — Z u r K u l t u r d e r G e g e n w a r t . Erscheint es angezeigt, zum Schluss einen Blick auf die unsere Zeit beherrschenden Strömungen zu werfen, so wird dabei noch weniger als bei der Vergangenheit Vollständigkeit erzielt werden. Es werden nur besonders charakteristische Erscheinungen flüchtig berührt werden können. — Eine ebenso allgemeine wie rücksichtslose Kritik ist das Hauptkennzeichen unserer Zeit; ein Beispiel für beides liefert das Werk von Brodbeck 5 1 0 ), das aus 10 Wissenschaften je 10 Ansichten als Irrtümer bezeichnet; neben vielen treffenden Bemerkungen erscheint doch manches zu sehr nur als Behauptung. — Gross ist die Zahl der Aeusserungen über einzelne FrageD, hauptsächlich socialer Natur. Das recht aus Beobachtung der Wirklichkeit hervorgegangene Schriftchen „Aus einer modernen Junggesellenklause" ist in 2. Auflage erschienen511); es lässt erkennen, wieviel esunder Sinn in unserer Zeit immer noch vorhanden .ist, aber unter einem bequemen keptizismus erstickt wird.572"576) — Das Buch von S c h m i d t - W e i s s e n f e i s 5 7 1 ) enthält zwar keine tiefen Forschungen und manche Lücken, schildert aber gewandt und in gefälliger Form die Mittel der modernen Kapitalbildung, Maschine und Spekulation, sowie den Vorgang selbst an einer Reihe von Beispielen aus den verschiedensten Gebieten. Die Bekämpfung durch genossenschaftliche Bildungen der Arbeiter und die Wirkung des Kapitalismus auf Presse, Litteratur, Kunst findet Beleuchtung, den Schluss bildet das versöhnende Gegengewicht der regen Wohlthätigkeit. — Den Mittelpunkt wie des Interesses so der litterarischen Thätigkeit bildet selbstverständlich die Entwicklung des Socialismus. 578Eine Anzahl von Arbeiten beschäftigt sich mit seiner Geschichte und seinen Ideen "585). Trostlos ist es zu sehen, wie seine Verfechter vielfach 5vom Boden doktrinärer Verkennung der menschlichen Natur ausgehen. — In Dodels 8 6 ) Schrift ist von Interesse nur die Schilderung der Zustände in der von den Socialdemokraten Deutschlands für ideal angesehenen Schweiz. — V o g t s 5 8 7 ) Versuch, die Resultate der modernen Socialwissenschaft dem Volke zu vermitteln, müsste, wenn überhaupt von Segen, schon an der Weitschweifigkeit scheitern. Das Werk gipfelt in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, der gegenüber die gewöhnlichen Utopien noch viel zu staatssocialistisch sind. Der Frage, woher da der Sporn zur Arbeit kommen solle, begegnet er mit der Zuversicht, er werde schon „eingetrichtert" werden.588) — Die Ausmalung des zukünftigen Zustandes beschäftigt auf das lebhafteste die Geister, davon zeugen die Neuauflagen und Uebersetzungen bekannter Schriften.589"592) — Frotscher 5 9 3 ) giebt eine volkstümliche Darstellung früherer kommunistischer Ideen von Plato an. — Ein wachsendes Interesse erregt der Zweig der socialen Frage, der sich mit der Stellung der Frauen beschäftigt. Auch hier ist die Beobachtung zu machen, wie statt wirklicher Verhältnisse willkürliche Hypothesen zum Ausgangspunkt genommen werden. Die unsinnige Voraussetzung einer nur gewaltsam zerstörten Gleichheit beider Geschlechter bildet den

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— 566) C l e v e l a n d [ D n c h e s s of], Trne ßtory of Kaspar Häuser from documents. London, Maomillan. 112 S. Sh 4/6. 567) X E l i z a b e t h E v a n s , The story of Kaspar Häuser, from authentic records. London, Swan, Sonnenschein & Co. Sh. 15,00. |[ WestmB. 13», S. 188/9.J| - 568) X ÖLB1.2, S.426/7. — 569) X F- B ü I a u, Geheime Geschichten u. rätselhafte Menschen. III. (=TJB. N.3106) L.,Reclam. 838. M.0,20. (Tgl. JBL. 189214:841.) - 570) A. Brodbeck.D.Weltd.Irrtums. 100 Irrtümer aus d: Gebieten d. Philosophie, Mathematik, Astronomie, Naturgesch., Medizin, Weltgesch-, Aesthetik, Moral, Socialwissenschaft,Religion. L., Friedrich. V, 112 S. M. 1,50. — 571) AUB e. modernen Junggesellenklause. E. Inventur. 2. Aufl. L , Müller. 85 S M 1,00. — 572) X[A. Eitelberg, Unmoderne Ansichten über d.moderne Kult. (vgl. JBL. 1892 1 4-.851): DDichtung. 14, S. 101. - 573)X D - Militarismus u. d.Kult.: AMZg. 68, S. 305/6. — 574) X Militarismus u. d. militär. Geist in Deutschland: ib. S. 385/8, 393/7. — 575) X ö- G r u p p , D. Kampf gegen d. Geist in d. heutigen Gesellschaft: HP IUI. I l l , S. 359-67. — 576) X H- Ray d t , üeber Jugend- u. Volksspiele: DWB1. S. 308/9. — 577) E. S c h m i d t - W e i e e e n f e i s , Gesch. d. modernen Reichtums inbiogr. u. sachlichen Beispielen. B„ Seehagen. VIII, 391 S. M. 6,00. |[BLU. S. 780/1; DRs. 76, S. 479.JJ - 578) X 0. Warschauer, Gesch. des Socialismus u. Kommunismus im 19. Jh. (vgl. JBL. 1892 IV l b : 42) |[DWB1. S. 456; ÖLB1. 2, S. 368/9; RCr. 36, S. 430]| — 579) O T. v. Wyzewa, Die socialist. Bewegung in Europa (vgl. JBL. 1892 1 4 : 411). |[N4S. 64, S. 410,1.]J - 580) X C. D o h a n y , D. Entwicklungsgesch. d. Socialidee: Geg. 43, S. 375/7. — 581) X La démocratie socialiste alllemande devant l'hist. Lille, Delory. 31 S. — 582) O F. Z a n e t t i , 11 socialismo, sue cause e suoi effetli Torino, Tip. Salesiana. 16". 668 S. L. 3,50. — 583) O E. S c h a l l , D. Socialdemokratie in ihren Wahrheiten u. Irrtümern u. d Stellung d, protest. Kirche z. soc. Frage. B„ Staude. XI, 372 S. M. 3,00. |[BLU. S. 503/5.JI — 584) X K - H a g e n e i e r , D. psycholog. Moment in d. Socialdemokratie: Ges. S. 6-10. — 585) X R- D e r f e ) , Landläufige Irrtümer über Socialismus. Aus d. Engl. v. F. H e i g l . Bamberg, Handels-Druck, u. Verl. 12°. 47 S. M.0,60. —586) A. D o d e l , Bauer, Arbeiter u. Wissenschafter. 3 gemeinverständl. Vortrr. ( = Aus Leben u. Wissenschaft. Vortrr. u. Aufsätze. 1. Lfg.) St., Dietz. VI, 127 S. M. 0,75. (S. u. N. 697.) — 587) J. V o g t , E. Welt- u. Lebensanschanung für d. Volk. III.: D. Gesetze d. wirtschaftl. Entwicklung. Lfg. 62-83. L.. Wiest. S. 997-1343. à M. 0,10. — 588) X J. W o l f , Socialismus u. bürgcrl. Wirtschaftsordnung. Vortr.: AZg». N. 73. — 589) X Th. H e r t z k a , Freiland. E. soc. Zukunftsbild. 7. Aufl. Dresden, Pierson. XIX. 341 S. M. 2,00. - 590) X E - R i c h t e r , Où mène le sooialisme. Paris, Chai*. 80 S. Fr. 1,50. — 591) X id., Pictures of the socialistic future. London, Sonnenschein. Sh. 2. — 592) X B r a s c h , Bellamys Vorgänger. E. Studie: l>R. 1, S. 256-62. — 593) P. F r o t s c h e r , Socialdemokraten aus alten Zeiten. ( = Sftchs. Volksschriften-

F. V o g t , Volkskunde.

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Ausgangspunkt für Ausführungen teils demagogischer, teils — hysterischer Natur. Weithin macht sich der Einfluss von Bebels 5 9 4 ' 5 9 5 ) Buch bemerkbar, das Geist und Kenntnisse darauf verwendet, das Gefühl der Knechtschaft nicht nur zwischen den Klassen, sondern auch zwischen den Geschlechtern zu verbreiten. Von seinem Einfluss zeugt nicht nur die Zwanzigzahl der Auflagen, sondern auch die Wirkung auf unklare Köpfe. — Mit Ansichten, wie die des M a c h e t e s 596 ), dass in der Stellung des Weibes als Gattin und Mutter eine Entwürdigung liege, ist allerdings eine Verständigung auf dem Boden sittlicher Anschauung nicht mehr möglich 597 ). — Viel zu selten wird, wie von einem Unbekannten 598 ), die vernünftige Beschränkung auf das der Natur Erreichbare gefordert 599 ). — Dies gilt auch von den Aeusserungen, welche anerkennenswerter Weise sich mit der Stellung der Frau im wirklichen Leben beschäftigen 800 ), insofern sie zu viel Gewicht auf die geistige Bildung legen. Es ist keine Lösung, wenn man wie H e l e n e L a n g e 6 0 1 ) gar noch die Frauen in das ausgefahrene Geleise veralteter klassischer Bildung zerren will 602-605 ). — Tröstlich ist bei so allseitiger Erkenntnis des Schlechten der sich regende Eifer nach Besserung. Das Streben ist erwacht, auch den Aermeren unsere geistigen Schätze zugänglich zu machen. H u m m e l 6 0 6 ) freilich täuscht die Erwartung, mit der man der Beantwortung einer Kardinalfrage wie der nach Arbeiterbildung entgegensieht, durch die abstrakte Form. Mit Mühe findet man aus dem Wust der logischen Kunstausdrücke die wenigen praktischen Gedanken heraus. — S c h w i n d r azheim 6 0 7 ) sucht Heilung für den zwischen den verschiedenen Schichten auch im Gebiet des kunstgewerblichen Verständnisses klaffenden Zwiespalt in einer volkstümlicheren Gestaltung durch Betonen des nationalen Elements, so der heimischen Natur. — Am aussichtsreichsten ist wohl die Einrichtung von Volksunterhaltungsabenden, die Manz 608 ) nach englischem Vorbild in Vorschlag bringt. 609 ) — Mehrfach haben Versuche zur Verbesserung unserer sittlichen Lebenshaltung Würdigung gefunden. Conrad 6 ' 0 ) veröffentlicht zwei Preisarbeiten einer von der Monatsschrift „Die Gesellschaft" ausgeschriebenen Konkurrenz. Wenn sie die Hauptmittel zur Regeneration in hygienischen Massregeln sehen, wird dem zuzustimmen sein, aber ein Hauptpunkt ist vergessen: Das frühe Heiraten der Arbeiter. 611 ) — Der ethischen Bewegung 612 " 613 ) wäre eine grössere Berücksichtigung realer Ziele zu wünschen, auch ist die Abkehr vom nationalen Prinzip zu bedauern. — Sieht J. B. M e y e r 6 1 4 ) das Heil darin, dass der Parteigeist durch Vaterlandsliebe, diese durch weltbürgerliche Auffassung beschränkt werde, so erhofft F r i e d r i c h L a n g e 6 1 5 ) Rettung für die Schäden der Gegenwart von einer starken nationalen Bewegung. —

1,5

Volkskunde. Friedrich Vogt. E i n l e i t u n g a n d A l l g e m e i n e s : Samminngen N. 1; Methode N. 3; Mythologie N. 8; Quellen N. 12. S a m m l u n g e n v o l k s t ü m l i c h e r U e b e r l i e f e r a n g e n e i n z e l n e r G e g e n d e n : Oberdeutsehland: Baden, Elsass N. 13; Schweiz, Baiern N. 15; Tirol N. 19; Siebenbürger Sachsen N. 22. — Ungarn N. 27. — Mitteldeutschland. N. 31. — Mähren Verl. N. 4/3.) L., Wallmann. 12°. 100 S. M. 0,75. — 594) A. B e b e l , D. Frau u. d. Socialismus (D. Frau in d. Vergangenheit, Gegenw. u. Zukunft). 20. Anfl. St., Dietz. 386 S. II. 2,00. — 5 9 5 ) id., Woraan, her position in the past, present and future. London, BeeveB. Sh. 2,00. — 5 9 6 ) M a c h e t e s , D. Unrecht d. Stärkeren in d. Frauenfrage. L„ Naumburg. 72 S. II. 1,50. 5 9 7 A. D o d e l , Vom Weib, seine soc. Stellung u. seine Befähigung. E. Menschwerdungsfrage. ( = Leben u- Wissenschaft. Vortrr. u. Aufsätze. 2. Heft (St., Dietz. S. 129-264. M. 0,75.], S. 171-230.) |S. o. N. 586.) — 5 9 8 ) Znr Frauenfrage im allgemeinen u. bei uns: BaltMschr. 40, S. 649-61. — 5 9 9 ) X K ö t z s c h k e , D. christl. Standpunkt in d. Franenfrage. 1./3. Aull. L., Lina Werther. 91 S. M. 1,00. |[BLU. S. 542.JI — 600) X M o r g e n s t e r n , Gesch. d. dtsoh. Frauenfrage u. Statistik d. Frauenarbeit auf allen ihr zugänglichen Gebieten B., Dtsch. Hausfrauenzg. 248 S. M. 3,00. — 601) X H e l e n e L a n g e , Entwicklung u. Stand des höheren Mädchenschulwesens in Deutschland. B., B. Gaertner. 69 S. M. 1,20. |[LCBI. S. 1318.]| - 6 0 2 ) X K. W a l c k e r , Anteil d. Franen am geistigen Leben. ( = Samml. päd. Vortrr. Her. v . W . M e y e r - M a r k a u Bd. 5, N. 10.) Bielefeld, Helmich. 15 S. M. 0,40.— 6 0 3 ) X A l i c e B o u s s e t , Zwei Vorkämpferinnen für Frauenbildung: Luise Büchner, Marie Calm. ( = SGWV. N. 168) Hamburg, Verlagsanst. 63 8. M. 1,00. — 6 0 4 ) E r a i l y C r a w f o r d , Jonrnalism as a profession for woman: ContempR. 64, S. 362-71. — 6 0 5 ) M. V a c h o n , La femme dans l'art Les protectrices des arts; les femmes-artistes. Avec 400 grav. Paris, Bonam et Cie. VI, 618 S. Fr. 30,00. |[NAnt. 45, S. 179-80.]| - 6 0 6 ) F. H u m m e l , Was lässt sich z. Pflege e. gediegenen echt volkstüml. Bildung in a. Arbeiterkreisen thun ? Gekrönte Preisschrift. Heilbronn, Salzer. VIII, 127 S. M. 1,60. — 6 0 7 ) 0. S c h w i n d r a z h e i m , Hie Volkskunst! ( = Tages- u. Lebensfragen her. y. W. B o d e N. 13/4.) Bremerhaven, Tienken. 34 S. Mit 8 Taf. M. 0,50. — 6 0 8 ) G. M a n z , Volksunterhultungsahende: Geg. 44, S. 185'6. — 609) X E - H e i l b o r n , Hintertreppenlitt. u. deren Bekämpfung: Nation«. 10, S. 215,6. - 610) M, G. C o n r a d , Z. Wiedergeburt d. Kulturmenschheit! 2 preisgekrönte Arbeiten (il. S o l g e r : Was ist z. Verbesserung unserer Race zu thun? M. S e i l i n g : D. Regeneration d. Menschengeschlechts). Bamberg, Handelsdrnck. u. Verl. VI, 44 S. M. 0,75. — 611) X M a r t i n s , D. jetzigen Mässigkeitsbestrebungen in Deutschland, Oesterreich,Bussland,Norwegen: EM. 12, S. 619-43, 691-711. — 612) X W . F ö r s t e r , D.Begründung e. Gesellschaft für ethische Kultur. Bede. B., Dümmler. 1892. 21 S. M. 0,40. |[DB. 2, S. 143/4)1 — 613) X I*ily v. K r e t s c h m a n , D. ethische Bewegung in Deutschland: N&S. 64, S. 186- 204. — 614) J. B. M e y e r , Vaterlandsliebe. Parteigeist u. Weltbürgertum im dlsch. Reiche. ( = DZSF. N. 108.) Hamburg, Verlagsanst. 54 S. M. 1,00. — 615) X F - L a n g e , Beines Deutschten. Gryndzüge e, nation. Weltanschauung. B., Lüstenöder. V, 228 S. M. 2,00. —

F. V o g t , Volkskunde.

I 4 : 594-615

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Ausgangspunkt für Ausführungen teils demagogischer, teils — hysterischer Natur. Weithin macht sich der Einfluss von Bebels 5 9 4 ' 5 9 5 ) Buch bemerkbar, das Geist und Kenntnisse darauf verwendet, das Gefühl der Knechtschaft nicht nur zwischen den Klassen, sondern auch zwischen den Geschlechtern zu verbreiten. Von seinem Einfluss zeugt nicht nur die Zwanzigzahl der Auflagen, sondern auch die Wirkung auf unklare Köpfe. — Mit Ansichten, wie die des M a c h e t e s 596 ), dass in der Stellung des Weibes als Gattin und Mutter eine Entwürdigung liege, ist allerdings eine Verständigung auf dem Boden sittlicher Anschauung nicht mehr möglich 597 ). — Viel zu selten wird, wie von einem Unbekannten 598 ), die vernünftige Beschränkung auf das der Natur Erreichbare gefordert 599 ). — Dies gilt auch von den Aeusserungen, welche anerkennenswerter Weise sich mit der Stellung der Frau im wirklichen Leben beschäftigen 800 ), insofern sie zu viel Gewicht auf die geistige Bildung legen. Es ist keine Lösung, wenn man wie H e l e n e L a n g e 6 0 1 ) gar noch die Frauen in das ausgefahrene Geleise veralteter klassischer Bildung zerren will 602-605 ). — Tröstlich ist bei so allseitiger Erkenntnis des Schlechten der sich regende Eifer nach Besserung. Das Streben ist erwacht, auch den Aermeren unsere geistigen Schätze zugänglich zu machen. H u m m e l 6 0 6 ) freilich täuscht die Erwartung, mit der man der Beantwortung einer Kardinalfrage wie der nach Arbeiterbildung entgegensieht, durch die abstrakte Form. Mit Mühe findet man aus dem Wust der logischen Kunstausdrücke die wenigen praktischen Gedanken heraus. — S c h w i n d r azheim 6 0 7 ) sucht Heilung für den zwischen den verschiedenen Schichten auch im Gebiet des kunstgewerblichen Verständnisses klaffenden Zwiespalt in einer volkstümlicheren Gestaltung durch Betonen des nationalen Elements, so der heimischen Natur. — Am aussichtsreichsten ist wohl die Einrichtung von Volksunterhaltungsabenden, die Manz 608 ) nach englischem Vorbild in Vorschlag bringt. 609 ) — Mehrfach haben Versuche zur Verbesserung unserer sittlichen Lebenshaltung Würdigung gefunden. Conrad 6 ' 0 ) veröffentlicht zwei Preisarbeiten einer von der Monatsschrift „Die Gesellschaft" ausgeschriebenen Konkurrenz. Wenn sie die Hauptmittel zur Regeneration in hygienischen Massregeln sehen, wird dem zuzustimmen sein, aber ein Hauptpunkt ist vergessen: Das frühe Heiraten der Arbeiter. 611 ) — Der ethischen Bewegung 612 " 613 ) wäre eine grössere Berücksichtigung realer Ziele zu wünschen, auch ist die Abkehr vom nationalen Prinzip zu bedauern. — Sieht J. B. M e y e r 6 1 4 ) das Heil darin, dass der Parteigeist durch Vaterlandsliebe, diese durch weltbürgerliche Auffassung beschränkt werde, so erhofft F r i e d r i c h L a n g e 6 1 5 ) Rettung für die Schäden der Gegenwart von einer starken nationalen Bewegung. —

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Volkskunde. Friedrich Vogt. E i n l e i t u n g a n d A l l g e m e i n e s : Samminngen N. 1; Methode N. 3; Mythologie N. 8; Quellen N. 12. S a m m l u n g e n v o l k s t ü m l i c h e r U e b e r l i e f e r a n g e n e i n z e l n e r G e g e n d e n : Oberdeutsehland: Baden, Elsass N. 13; Schweiz, Baiern N. 15; Tirol N. 19; Siebenbürger Sachsen N. 22. — Ungarn N. 27. — Mitteldeutschland. N. 31. — Mähren Verl. N. 4/3.) L., Wallmann. 12°. 100 S. M. 0,75. — 594) A. B e b e l , D. Frau u. d. Socialismus (D. Frau in d. Vergangenheit, Gegenw. u. Zukunft). 20. Anfl. St., Dietz. 386 S. II. 2,00. — 5 9 5 ) id., Woraan, her position in the past, present and future. London, BeeveB. Sh. 2,00. — 5 9 6 ) M a c h e t e s , D. Unrecht d. Stärkeren in d. Frauenfrage. L„ Naumburg. 72 S. II. 1,50. 5 9 7 A. D o d e l , Vom Weib, seine soc. Stellung u. seine Befähigung. E. Menschwerdungsfrage. ( = Leben u- Wissenschaft. Vortrr. u. Aufsätze. 2. Heft (St., Dietz. S. 129-264. M. 0,75.], S. 171-230.) |S. o. N. 586.) — 5 9 8 ) Znr Frauenfrage im allgemeinen u. bei uns: BaltMschr. 40, S. 649-61. — 5 9 9 ) X K ö t z s c h k e , D. christl. Standpunkt in d. Franenfrage. 1./3. Aull. L., Lina Werther. 91 S. M. 1,00. |[BLU. S. 542.JI — 600) X M o r g e n s t e r n , Gesch. d. dtsoh. Frauenfrage u. Statistik d. Frauenarbeit auf allen ihr zugänglichen Gebieten B., Dtsch. Hausfrauenzg. 248 S. M. 3,00. — 601) X H e l e n e L a n g e , Entwicklung u. Stand des höheren Mädchenschulwesens in Deutschland. B., B. Gaertner. 69 S. M. 1,20. |[LCBI. S. 1318.]| - 6 0 2 ) X K. W a l c k e r , Anteil d. Franen am geistigen Leben. ( = Samml. päd. Vortrr. Her. v . W . M e y e r - M a r k a u Bd. 5, N. 10.) Bielefeld, Helmich. 15 S. M. 0,40.— 6 0 3 ) X A l i c e B o u s s e t , Zwei Vorkämpferinnen für Frauenbildung: Luise Büchner, Marie Calm. ( = SGWV. N. 168) Hamburg, Verlagsanst. 63 8. M. 1,00. — 6 0 4 ) E r a i l y C r a w f o r d , Jonrnalism as a profession for woman: ContempR. 64, S. 362-71. — 6 0 5 ) M. V a c h o n , La femme dans l'art Les protectrices des arts; les femmes-artistes. Avec 400 grav. Paris, Bonam et Cie. VI, 618 S. Fr. 30,00. |[NAnt. 45, S. 179-80.]| - 6 0 6 ) F. H u m m e l , Was lässt sich z. Pflege e. gediegenen echt volkstüml. Bildung in a. Arbeiterkreisen thun ? Gekrönte Preisschrift. Heilbronn, Salzer. VIII, 127 S. M. 1,60. — 6 0 7 ) 0. S c h w i n d r a z h e i m , Hie Volkskunst! ( = Tages- u. Lebensfragen her. y. W. B o d e N. 13/4.) Bremerhaven, Tienken. 34 S. Mit 8 Taf. M. 0,50. — 6 0 8 ) G. M a n z , Volksunterhultungsahende: Geg. 44, S. 185'6. — 609) X E - H e i l b o r n , Hintertreppenlitt. u. deren Bekämpfung: Nation«. 10, S. 215,6. - 610) M, G. C o n r a d , Z. Wiedergeburt d. Kulturmenschheit! 2 preisgekrönte Arbeiten (il. S o l g e r : Was ist z. Verbesserung unserer Race zu thun? M. S e i l i n g : D. Regeneration d. Menschengeschlechts). Bamberg, Handelsdrnck. u. Verl. VI, 44 S. M. 0,75. — 611) X M a r t i n s , D. jetzigen Mässigkeitsbestrebungen in Deutschland, Oesterreich,Bussland,Norwegen: EM. 12, S. 619-43, 691-711. — 612) X W . F ö r s t e r , D.Begründung e. Gesellschaft für ethische Kultur. Bede. B., Dümmler. 1892. 21 S. M. 0,40. |[DB. 2, S. 143/4)1 — 613) X I*ily v. K r e t s c h m a n , D. ethische Bewegung in Deutschland: N&S. 64, S. 186- 204. — 614) J. B. M e y e r , Vaterlandsliebe. Parteigeist u. Weltbürgertum im dlsch. Reiche. ( = DZSF. N. 108.) Hamburg, Verlagsanst. 54 S. M. 1,00. — 615) X F - L a n g e , Beines Deutschten. Gryndzüge e, nation. Weltanschauung. B., Lüstenöder. V, 228 S. M. 2,00. —

15:1-6

P. V o g t , Volkskunde.

N. 38. — Niederdeutschland: Pommern, Mecklenburg, Ostfriesland N. 39; Westfalen, Saterland, Lübeck N. 43. — E i n z e l n e V o l k s b r ä u c l i e : Wettlaufen N. 50; Frühling, Ostern, Unifest N. 52; Weihnachtsfest N. 61; Vereinzeltes N. 67. — A b e r g l a u b e n : Geheimmittel N. 81; Volksmedizin N. 90; Pflanzenglauben N. 106. — S e e l e n k u l t u n d D ä m o n e n g l a u b e n : Hexenwahn N. 113; Teufelglauben N. 115; Geisterglauben N. 117. — S a g e n s a m m l u n g e n : allgemeine N. 152; aus einzelnen Gebieten: Oberdeutsehland N. 154, Mitteldeutschland N. 168, Niederdeutschland N. 183. - M ä r c h e n : Sammlungen N. 200-, Geschichte der Stoffe N. 220a. — V o l k s l i e d : Allgemeines N. 245; Sammlungen: umfassende. N. 259, aus einzelnen Landschaften: Oberdeutschland N. 262, Mitteldeutschland N. 230, Niederdeutschland N. 291 — V e r s c h i e d e n e s : Sprache N. 302. — Sprichwörter N. 311 — Volkswitz, Bedensarten N 323. — Namengebung N. 356. —

Wenn von jetzt an — um ein e i n l e i t e n d e s Wort vorauszusenden — die Volkskunde in den JBL. ein besonderes Kapitel einnehmen wird, so entspricht das der wachsenden Ausdehnung, Selbständigkeit und Bedeutung dieser Wissenschaft, die einerseits durch die Erschliessung und Erforschung der mündlichen Ueberlieferungen, andererseits durch ihre vergleichende Methode das Studium der philolo-. gischen Realien ähnlich zu ergänzen und zu fördern berufen ist, wie die Mundartenforschung und die vergleichende Sprachwissenschaft des Studium der Grammatik. Freilich tummelt sich der Dilettantismus wohl auf keinem Gebiete der Philologie mit so grosser Vorliebe wie auf diesem, und das Gepräge des Dilettantischen trägt weitaus der grösste Teil der volkskundlichen Litteratur. Aber das ist kein so grosses Unglück. Für die Beschaffung des Materials ist gerade hier die Beihülfe der Dilettanten dem Gelehrten ganz unentbehrlich, und was aus dem Munde des Volkes an Sagen, Märchen und Liedern, an Sitten, Bräuchen und Meinungen gesammelt wird, ist nicht minder poetischen und nationalen als wissenschaftlichen Interessen zu dienen berufen. Wenn nur daneben auf diesem Felde die philologisch geschulten Arbeiter von strenger Methode und weitem Gesichtskreise nicht fehlen, so wird schon für seine wissenschaftliche Ausnutzung und für die Abwehr dilettantischer Uebergriffe gesorgt sein. — Die Namen zweier bewährter Forscher sind in diesem Berichtsjahre wieder unter den einen a l l g e m e i n e n Charakter tragenden S a m m l u n g e n von Schriften aus verschiedenen Gebieten der Volkskunde vertreten. Wenigstens zum guten Teile ehört der zweite Band der von B e z z e n b e r g e r ' ) herausgegebenen kleineren chriften Th. Benfeys hierher. Aus seiner zweiten Hälfte (der 4. Abteilung der ganzen Sammlung) fallt freilich höchstens die Recension von Diefenbachs „Vorschule der Völkerkunde und der Bildungsgeschichte" und etwa noch die von Elliots „Memoirs on the history, folklore etc. of the north western provincies of India" in unser Bereich, insofern sie die allgemeine Volkskunde wenigstens gelegentlich berühren; um so wichtiger ist die erste Hälfte (3. Abteilung), die ganz der Märchenlitteratur gewidmet ist, und auf die wir daher unter dieser zurückkommen (s. u. N. 220a). — In der Fortsetzung von G u s t a v M e y e r s 2 ) Essays betreffen zwei Aufsätze speciell die deutsche Volkskunde. Der eine behandelt in Anknüpfung an ein Büchlein über den Breslauer Jargon besonders die verschiedenen Elemente des schlesischen Sprachschatzes, der andere bietet, gelegentlich einer Besprechung der fünf bei Liebeskind erschienenen Elzevir-Sammlungen, anregende Ausführungen zur allgemeinen Geschichte des Volksliedes; besonders wird im Anschluss an die Schnadahüpfl auf die Verbreitung des Vierzeilers bei den verschiedensten Völkern hingewiesen. — Dass bei dem besonderen Charakter der volkskundlichen Litteratur Erörterungen über die wissenschaftliche M e t h o d e der Volkskunde keineswegs überflüssig sind, erhellt schon aus den oben gegebenen Bemerkungen, und wenn sie zugleich durch nachahmenswerte oder abschreckende Beispiele aus der gelehrten oder pseudogelehrten Litteratur veranschaulicht werden, so sind sie gewiss um so erwünschter. So könnte man denn die originelle Streitschrift von K r a u s s 3 ) recht willkommen heissen, die witzig genug zeigt, wie „böhmische Korallen," d. i. unechte Mythenwaren, durch komische Irrtümer und durch gewissenlose oder chauvinistische Mache auf den Markt kommen. Nur trägt die Satire, die sich schliesslich in der Hauptsache zu persönlichen Angriffen auf Veckenstedt und Krek zuspitzt, einen derartigen Charakter, dass sie einer an sich guten Sache eher schaden als nützen wird.4) — Einen historischen Beitrag zur Methode der mythologischen Forschung lieferte Symons, dessen Arbeit W ein h old 5 ) bespricht, durch einen Ueberblick über den Entwicklungsgang dieser Wissenschaft, während D e t t e r 6 ) sich mit E. H. Meyers Methode auseinandersetzt und die Gelegenheit wahrnimmt, Noreens skeptische Ausführungen

f

1) Th. Benfe;, Kleinere Schriften. Ausgew. u. her. v. A. B e z z e n b e r g e i . 2. Bd. 3. u. 4. Abt. B., Beuther & Beichard. 1892. 236 S.; 156 S. M. 20,00. (S. u. N. 220a.) - 2) (I 2:49.) |[L. F r & n k e l : Ausland 66, S. 736; E. W a s s e r z i e h e r : ASNS 91, S. 271/3; LCB1. S. I583.]| — 3) F. S. E r a u s s , Böhmisohe Korallen aus d. Götterwelt. Folkloristische Börseberichte vom Götter- u. Mythenmarkte. Wien, Bubinstein. VII, 147 S. M. 3,00. |[K W e i n h o l d : ZVVolksk. 3, S. 348: F. B a r t e l s : ZEthn. 25, S. 170; L. F r & n k e l : Ausland 66, S. 480; A. S c h u l l e r u s : KBlVSbubgLK. 16, S. 106/8; H. v. W l i s l o c k i : EthnMUng. 3, S. 176.]| — 41 X L - S c h e r m a n , E. „Keferat" aber Volkskunde: Urquell 4, S. 234/6. (Verwahrt eich gegen B. M. Meyers Referat in JBL. 1890 1 5.) — 5) K. W e i n h o l d , SymonB, De ontwikkelingsgang der Germaansche Mythologie (Groningen 1892): ZVVolkBk. 3, S. 230/1. — 6) F. D e t t e r , E. H. Meyer, German. Mythologie: ADA. 19,

F. V o g t , Volkskunde.

I 5:

7-13

gegen die natursymbolische Auslegung mythischer Einzelzüge und seine Ableitung von einzelnen Mythen aus grammatischen Missverständnissen beifällig vorzutragen. — Auf eine einzelne Erscheinung in der Mythenbildung weist B r u c h m a n n 7 ) hin, indem er im Anschluss an V. Henry „Quelques mythes naturalistes méconnus" das Rätsel als eine wichtige Durchgangsform in der Entwicklung der Naturanschauung zum Mythos darstellt. — Die Bedeutung eines Lehrbuches der deutschen M y t h o l o g i e für die deutsche Volkskunde hängt im wesentlichen davon ab, was es über Dämonen- und Seelenglauben und über nichtchristliche Volksbräuche mit religiösem Hintergrunde zu sagen weiss. Vorsicht ist in diesen Dingen gewiss so löblich und ratsam wie in der mythologischen Forschung überhaupt; aber wenn man sie wie K a u ff m a n n 8 ) bis zur Ablehnung aller der Hülfsmittel treibt, die der Volksglaube bietet, während man sich in der Verwertung der skandinavischen Götterlehre und der ebenso spärlichen wie vieldeutigen lateinischen Inschriften für die deutsche Mythologie eine entsprechende Zurückhaltung nicht auferlegt, so ist doch das methodisch sicherlich nicht zu rechtfertigen. Dagegen soll nicht geleugnet werden, dass den Kreisen, für welche die Göschensche Sammlung bestimmt ist, am meisten mit einer Behandlung gedient sein mag, die, wie es hier geschieht, die nordische Götterlehre in den Vordergrund rückt. Aber eine „deutsche" Mythologie ist das Büchlein, dem die geschickte Auswahl und die lebensfrische Gestaltung des Stoffes in kurzer Frist eine zweite Auflage verschafft haben, bei alledem nicht, und der Vf. hätte nicht durch diesen Titel veralteten und ohnehin schwer auszurottenden Vorstellungen Vorschub leisten sollen, die ihm selbst ja im Grunde fern genug liegen. 9 ) — Mit einer Erörterung zum Wesen der Sagenbildung setzt S c h w a r t z 1 0 ) die im vorjährigen Berichte (vgl. JBL. 1892 I 4 :204) besprochenen Bemerkungen über charakteristische Formen volkstümlichen Denkens und Empfindens fort, indem er zeigt, wie die historischen Erinnerungen durch das Hineinrücken in diesen beschränkten Horizont umgestaltet werden. Ereignisse und Zustände konzentrieren sich auf Personen, die zu Typen ausgestaltet werden, grosse Zeiträume werden lediglich nach einer charakteristischen Erscheinung beurteilt und benannt, und das eine wie das andere rückt gewissermassen dem Leben des Volkes allmählich nach, indem die früheren Träger der Tradition durch neue abgelöst und die Erscheinungen älterer Pecioden auf jüngere übertragen werden. Dabei ist das Gedächtnis des Volkes recht kurz ; im allgemeinen greift es nicht über das dritte und vierte Geschlecht zurück. Einige hübsche Zeugnisse für diese Eigenheiten volkstümlicher Geschichtsauffassung sind beigefügt. — Eine ganz andere Art der Bildung volkstümlicher Vorstellungen betrifft Höf le r s u ) kleine Studie, die neben allgemeinen physiologischen und psychologischen Bemerkungen die sprachlichen Bezeichnungen und besonders die Sitten und Gebräuche, die mit dem Geruchssinn in Beziehung stehen, erörtert. — Von den Q u e l l e n der Volkskunde sind neben den Ueberlieferungen der Gegenwart die in der älteren Litteratur vorliegenden Nachrichten noch lange nicht genügend untersucht und ausgebeutet. Einiges der Art hat V o g t 1 2 ) beigebracht und dabei den Nachweis geliefert, dass das viel benutzte Kapitel vom fränkischen Festjahr in Seb. Francks Weltbuch in der Hauptsache ein Plagiat aus Joh. Bohemus „Omnium gentium mores" ist, und dass wiederum das von Birlinger zweimal veröffentlichte und bis auf die neueste Zeit als Quelle citierte „Papistenbuch" nichts weiter ist, als die schlechte Abschrift eines Stückes aus Francks Weltbuch. Zugleich ist auf eine merkwürdige, durch Bohemus bezeugte Art von Sühnopfer hingewiesen, bei der am Aschermittwoch die Sünden einer Stadtgemeinde auf einen übelberüchtigten Menschen übertragen wurden, der sie dann abbüsste. — Die S a m m l u n g der v o l k s t ü m l i c h e n U e b e r l i e f e r u n g e n e i n z e l n e r G e g e n d e n wird mehr und mehr systematisch in Angriff genommen. Es ist sehr zu wünschen, dass die Vertreter der deutschen Philologie an den deutschen Landesuniversitäten sich dieser wichtigen Aufgabe annehmen, denn sie sind in der Lage, durch Anregung und Anweisung einheimischer Studenten die geeignetsten, zugleich wissenschaftlich geschulten und mit dem Lande vertrauten Sammler für das betreffende Gebiet zu gewinnen. Einen viel versprechenden Anfang haben in O b e r d e u t s c h l a n d für B a d e n in dieser Richtung K l u g e , E. H. Meyer und P f a f f 1 3 ) gemacht, indem sie durch einen eindringlichen Aufruf und durch einen zweckmässig angelegten Fragebogen das Interesse für die Sache wachrufen und die Aufgaben für die Sammler im einzelnen bezeichnen. Die „Alemannia" ist in den Dienst dieses S. 113/9. —7) K. B r n o h m a n n , Z. Mythendeutong: ZVVolksk. 3. S. 55|S; — 8 ) F. K a u f f r a a n n , Dtsch Mythologie. 2. Aufl. ( = Samml. Göschen N. 15). St., Göschen. 12». 119 S. M. 0,80 |[E. H. M e y e r : ADAJ19, S. 289.]| (Vgl. JBL. 1890 I 5 : 13.) - 9) X F. L o s c h , Mythologisches: GBllUoutlingen. 4, S. 74/6. — 10) W. S e h w a r t 7., Volkstüml. Schlaglichter. IV. D. Weltgesch. im Spiegel d. Volkstums: ZVVolksk. 3, S. 117-30. — 11) M. H ö f l e r , l>. Ger.nch v. Standpunkte d. Volkskunde: ib. S. 438-48. — 12) F. V o g t , Seb. Franck n. Joh. Boherans: ib. S. 369-72. — 13) F. K l u g e , E. H. M e y e r , F. P f a f f ,

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Unternehmens gestellt. — Aus dem Oberelsass, dem Sundgau, bringt Faber 1 4 ) allerlei von Volksüberlieferungen und Sagen vor. — Für die Schweiz bietet das von Staub, Tobler, Schooh und B a c h mann 1 5 ) herausgegebene, allmählich fortschreitende, treffliche Idiotikon, worauf W e i n h o l d wieder hinwies, bekanntlich auch Beiträge zur Volkskunde, ähnlich wie in diesem Berichtsjahr für Bayern die von Brenner und H a r t m a n n , 6 ) redigierten „Mundarten".—Sepp l7 " ,8 )hatsein 1876 erschienenes Buch in einer Titelauflage wiederholt und dazu ein neues Werk veröffentlicht, das sich örtlich engere, sachlich weitere Grenzen gezogen hat. Aber den Hauptinhalt dieser aus sehr verschiedenen Gebieten oberbayerischer Kulturgeschichte zusammengetragenen „Denkwürdigkeiten" bilden doch wieder Volkssage, Volkskultus und Volksglaube. Die Berührung des jüngeren Werkes mit dem älteren ist stellenweise sehr eng, so eng, dass gelegentlich auch eine Sage wörtlich aus ihm übernommen ist, ohne dass ein Verweis für nötig befunden wäre; aber das Meiste ist doch neu, und manch interessantes Material wird geboten, beispielsweise in den Mitteilungen über volkstümliche Heiligenverehrung. Vertrautheit mit Land und Leuten, ausgebreitete Kenntnis mündlicher Ueberlieferungen kommen dem Vf. zu statten. Aber leider beeinträchtigt der völlige Mangel an wissenschaftlicher Methode diese Vorzüge in schlimmer Weise. Unbekümmert um die neueren Richtungen und Ergebnisse der mythologischen Forschung wittert S. hinter allen möglichen Erscheinungen des Volkslebens, hinter allen möglichen Orts- und Personennamen gleich uraltes Heidentum. Seine Etymologien lassen nicht ahnen, dass es eine Wissenschaft der deutschen Philologie giebt. Es macht ihm gar nichts aus, die Ordalien vom Urdarbrunnen, alle Egerflüsse im Ries und in Böhmen sowie die Eider von „dem deutschen Seegott Aegir" abzuleiten. Die heilige „Fürbet oder Vorbet" findet er schon als Amazone Oiorpati bei Herodot vor, und nachdem die Vorbet im Handumdrehen zur Borbet geworden ist, setzt er sie der heiligen Barbara gleich! Das Schlimmste ist, dass die Konfusion sich stellenweise auch auf die Wiedergabe der Ueberlieferungen erstreckt. So ist z. B. aus einem Seiher, der nach dem Sagenschatz (S. 21) aus einer goldhaltigen Quelle die Goldkörner auffing, in den Denkwürdigkeiten (S. 51) ein Seilermeister geworden! Bei alledem darf jedoch das Buch von der volkskundlichen Forschung nicht unberücksichtigt bleiben, und man darf die Mühe nicht scheuen, das. thatsächlich Wertvolle aus der wunderlichen Umgebung herauszusuchen. — In die T i r o l e r Alpen führen uns die kleinen Beiträge von G r e u s s i n g 1 9 ) und die frisch aus dem Leben gegriffene Schilderung M a r i e R e h s e n e r s 2 0 ) aus Gossensass,21) — Eine weit umfassendere, recht verdienstliche Uebersicht über die Gegenstände und die Erscheinungsformen des Volksglaubens bei den S i e b e n b ü r g e r S a c h s e n giebt v o n W l i s l o c k i 2 2 - 2 3 ) unter ausgiebiger Verwertung der bezüglichen Litteratur und auf Grund persönlicher Vertrautheit mit diesem Gebiete. Er erörtert die verschiedenen Gattungen der Dämonen, die in den Vorstellungen seiner Landsleute leben, handelt von den Bräuchen, die an den grossen Jahresabschnitten und an den einzelnen Festtagen begangen werden, führt in einem Abschnitt, für den ihm am meisten neues Material zur Verfügung stand, die Mittel und die Sprüche vor, mit denen Krankheiten geheilt, das Glück gefesselt, dem Unglück gewehrt wird; er zeigt, welche Rolle die Tiere im sächsischen Volksglauben spielen, und behandelt endlich die Anschauungen, Bräuche und Zaubermittel, die sich auf den Tod beziehen. In den Auslegungen ist er ziemlich unselbständig; der Wert des Buches liegt in der bequemen Zusammenstellung eines reichen Materials.24"25) —Während das Korrespondehzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde der Volkskunde neben der Geschichte gewidmet ist, zeigt ein Fragebogen, den Schullerus 2 6 ), der Herausgeber des Korrespondenzblattes, zusammen mit 0. Wittstock aufgestellt hat, dass auch in der alten Sachsenkolonie volkskundlichen Sammlungen eine besondere Fürsorge gewidmet wird. — Fragebogen z. Samml. d. Yolkatüral. Ueberlieferungen in Baden: Alemannia 21, S. 301/4. — 14) K. W. F a b e r , Sagen n, Volksgebr&uche ans d. Sundgau: JbGElsLothr. 9, S. 4-75. — 15) Schweizerisch. Idiotikon. Wörterbuch d. schireizerdtsch. Sprache. Ges. auf Veranstaltg. d. Antiquar, Ges. in Zürich. .Bearb, Y. F, S t a u b , L. T o b l e r , R. S c h o c h u. A. B a c h m a n n . Heft 21-25. Franenfeld, J . Huber. 4°. 2. Bd. S. 1809-40 ; 3. Bd. S. 1-787. ä II. 2,00. |[K. W e i n h o l d : ZVVolksk. 3, S. 107/8.)1 —16) Bayerns Standarten- Beitrr.z. dtsoh. Sprach- u. Volkskunde her. v. 0. B r e n n e r u. A H a r t m a n n . 2. Bd., l . A b t . München, Kaiser. 160 S. M. 4,00. |[K. W e i n h o l d : ZVVolksk. 3, 8, 342; L. H e r t e l : ZDU. 7, S. 777.]| - 17) J . N. S e p p , Altbayerisch. Sagenschatz z. Bereicherung d. indogerm. Mytholog. Mit 7 Illustr. Neue Ansg. München, Galler. XVI, 735 S. M. 8,00. — 18) (I 4:446.) — 19) F. G r e u s s i n g , Sagen u. Gebräuche im Stubaithal in Tirol: ZVVolksk. 3, S. 169-76. 2 0 ) M a r i e B e h s e n e r , Aus Gossensass. Arbeit u. Brauch in Haus, Feld, Wald n. Alm: ib. S. 40-55. — 21> X E F r i e d e ] , Beobachtungen z. Ethnologie u. Volksk. in Pommern u. Tirol: VGAnthr. S. 554/6. (7 kleine Notizen.) — 22) H. T. W l i s l o c k i , Volksglaube u. Volksbrauch d. Siebenbürger Sachsen. ( = Beitrr. z. Volks- u. Völkerkunde. Bd. 1.) Weimar, Felber. 212 S. M. 5,00. |[A. J o h n : ZVVolksk. 3, S. 465; A. S c h l o s s a r : BLU. S. 631/2; F. B a r t e l s : ZEthn. 25, S. 102; K. P r ö l l : NatZg. 46, N. 465.]| - 23) X i d - Neue Beitrr. z. Volksk. d. Siebenbürger Sachsen: EthnMUng. 3, S. 18-46. — 24) X z VolksK: KBIVSbnbgLK. 16, S. 50/2. 65-70, 129-32. — 25) X V. R o t h , Z. Aberglauben Y. Klein-Bistritz: ib. S. 134/5. - 26)

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Ganz der Volkskunde dienen auch die Ethnologischen Mitteilungen aus U n g a r n , die unter A. H e r r m a n n s 2 7 ) Leitung erscheinen; doch treten in dieser Zeitschrift, deren bedrohte Existenz jetzt durch das thätige Eingreifen des Erzherzogs Josef gesichert ist, naturgemäss die deutschen Verhältnisse nicht gerade in den Vordergrund. — Aehnlich wie den siebenbürgischen hat W l i s l o c k i 2 8 ) auch den magyarischen Volksglauben behandelt. Natürlich stimmen die betreifenden Vorstellungen und Bräuche bei Sachsen und Magyaren vielfach überein, da in diesem Falle zu dem internationalen Gemeingut noch nachbarliche Beeinflussungen kommen; übereinstimmend äussert sich hier wie dort aber auch der Standpunkt des Vf., besonders sein enger Anschluss an Lipperts Anschauungen; so fehlt es denn nicht an fast gleichlautenden Partien. Für die deutsche Volkskunde würde es von besonderem Werte gewesen sein, wenn W . die Besonderheiten deutscher Kolonien in magyarischer Umgebung mehr berücksichtigt hätte. W i r würden dann wohl noch öfter so interessante Erscheinungen erfahren wie die, dass im Unterschiede von den sonst in Ungarn herrschenden Johannisbräuchen bei der aus Magyaren und Deutschen gemischten Bevölkerung eines Dorfes das Scheibentreiben vorkommt, bei dem dann die deutschen Burschen nach der bis in das Elsass hinüberreichenden Sitte die Widmung an die Geliebte rufen (S. 63). Magyarische Eigenheiten treten besonders in dem Kultus der „Geburtsgöttin" und in vielen Zauberbräuchen zu Tage, die vor allem aiich der sehr entwickelten Schatzgräberei dienen. Interessant ist es zu vernehmen, dass noch heute in Ungarn förmliche Verschreibungen an den Teufel vorkommen. 29 * 30 ) — Durch kleinere Mitteilungen sind von M i t t e l d e u t s c h l a nd das bayerische Mittelfranken 31 ), Aschersleben 32 ), die Grafschaft Mansfeld 33 ) vertreten. 34 ) — Ferner Nordböhmen 35 ), die Lausitz 36 ), Mittelschlesien31). — Zur deutsch-mährischen Volkskunde bietet uns W i l l i b a l d M ü i 1 e r 3 8 ) eine reichhaltige Sammlung, die er mit Benutzung des in Zeitschriften zerstreuten Materials und schriftlicher Beiträge einer Anzahl von Landsleuten zusammengestellt hat. Auf eine Sammlung von Sagen und Märchen folgt ein Abschnitt, der die Hauptmundarten der deutschen Sprachgebiete in Mähren unter dankenswerter Mitteilung von Dialektproben charakterisiert. Ein wiederum nach einzelnen Landschaften gegliedertes Kapitel schildert die Besonderheiten der Bewohner in ihren Lebensverhältnissen, in Tracht und Sitte, Glauben und Brauch, wobei denn auch Proben der Volksdichtung, unter ihnen auch Christkindelspiele, mitgeteilt werden. A n wissenschaftlicher Methode lässt das Werk allerdings manches vermissen. Die an verschiedenen Stellen gemachten Versuche, nachzuweisen, dass Reste der ersten germanischen Bevölkerung Mährens die slavische Einwanderung überdauert hätten, müssen als missglückt bezeichnet werden. Am meisten aber ist der Mangel jeglichen Quellennachweises bei den einzelnen Stücken zu tadeln. Von einem nicht geringen Teil der Sagen getraue ich mir mit Bestimmtheit zu behaupten, dass sie mindestens nicht in dem blühenden Stile, in dem sie uns hier vorgetragen werden, aus dem Volksmunde stammen. Immerhin können besonders die beiden letzten Abschnitte des Buches ungefähr ein Bild von der Beschaffenheit der Mundarten und der reichen Volksüberlieferungen DeutschMährens geben, und im ganzen ist das Werk recht wohl geeignet, seinem ausgesprochenen Zwecke gemäss zu weiteren Sammlungen anzuregen. — In N i e d e r d e u t s c h l a n d ist für P o m m e r n 3 9 ) d u r c h die von K n o o p und H a a s 4 0 ) gegründete Zeitschrift, für M e c k l e n b u r g durch die von W o s s i d l o 4 1 J mit voller Sachkenntnis, warmer Hingabe und glücklichem Erfolge unternommenen KBlSbnbgLK. her. v. A. S c h a l l e r u s . Bd. 16. Herrmnnstadt, W. Knifft. VIII, 168 S. M. 2,00. (Fragebogen S. 95.) - 27) Ethnolog. Mitteilungen ans Ungarn. Zeitsc.hr. für d. Völkerk. Ungarns, her. v. A n t. H e r r m a n n. 3. Bd Budapest, V. Hornyinsky. 296 S. Fl. 6,00. |[M. H ö f l e r : ZVVoIksk. 3, S. 345; F. B a r t e l s : ZEthn. 25, S. 171/2; S. K r a u s s : Urquell 4, S. 151.JI — 28) H. v. W1 i s 1 o c k i , Aus d. Volksleben d. Magyaren. München, Huttler. 183 S. M. 7,00. |[K. J. S c h r S e i : ZVVoIksk. 3, S. 346 (mit verschiedenen Ausstellungen u Berichtigungen); F. S. K.: Urquell 4, S. 32; J. K o n t : RCr. 38, S. 358/9; L. F r e y t a g : COIRW. 21, S. 505/6; Ansland 66, S. 512 ]| — 29) X M i t y ä s , Aus d. Volksglauben d. Schwaben v. Solymär, Szent-Ivan u. Hidegkdt: EthnMUng. 3, S. 162/5, 244/7. - 30) X A - H e r r m a n n , Aus d. Dobsinaer Volksglauben: ib. S. 106/7. — 31) X F - R o t h b a r t , Aus Mittelfranken: Bayerns Mundarten 2, S. 145/8. (Festbräuche u. e. Sage aus Nürnberg u. Umgegend.) — 32) X S t r a s s b u r g e r , Volkstum! Bräuche u. Aberglauben in Aschersleben: ALVK3. 3, S 148-59. — 33) X H - O r ö s s l e r , 5. Nachlese v. Sagen u. Gebräuchen d. Grafsch. Mansfeld u. deren nächsten Umgebungen: MansfelderBll. 7, E S. 162-77. - 34) X - R i c h t e r , Litt. d. Lindes- u. Volksk. d. Königr. Sachsen. 1. Nachtr. Dresden, Huhle in Komm. 43 s. M. 0,60. (Enthält verstreut auch einige volkskundl. Litt.) — 35) X Volkstümliches: MNordböhmExcursClub. 16, S. 133/8. (V. verschiedenen Vf.) — 36) X W. S c h w a r t z , Volkstum!, aus d. alten Lausitzer Gegend v. Flinsberg: NLausitzMag. 3, H. 1. - 37) X A u g . B a u m g a r t , Aus d. mittelsohles. Dorfleben: ZVVoIksk. 3, S. 144/5. (Sitten u. Gebräuohe bei d. Konfirmation, d. Hochzeit, d. Geburt u. Taufe, d. Tod u. Begräbnis, bei Festgelagen u. Mahlzeiten.) - 38) W i l l i b a l d M ü l l e r , Beitrr. •/. Volksk. d. Deutschen in Mähren. Wien u. Olmütz, Graeser. Vlil, 446 S. M. 4,00. |[F. P. P i g e r : ZVVoIksk. 3, S. 342; A. S c h l o s s a r : BLU. S. 633.]| — 39) X (S. o. N. 21.) — 40) Bll. für Pommersche Volkskunde. Mschr. für Sage u. Märchen, Sitte u. Brauch, Schwank u Streich, Lied, Rätsel u. Sprachliches in Pommern her. v. 0. K n o o p u. A. Haas. I. Jahrg. Stettin, J. Burraeister. 192 S. M. 4.00. |fH. M ( i e l c k e ) : ICBlVNiederdSpr. 16, S. 78/9.JI — 41) R. W o s s j d 1 o , Jahresberichte für neuere deutsche Lil tcraturgeschichte. IV. 9

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F. V o g t , Volkskunde.

Sammlungen gesorgt. Kleinere Mitteilungen sind dem o s t f r i e s i s c h e n 4 2 ) Gebiete gewidmet. — Aus dem W e s t f ä l i s c h e n liefert Hüser 4 3 ) interessante kleine Beiträge, welche Volksbelustigungen und Volksbräuche (auch den Schwerttanz), ferner Flurnamen, Zauber und Gegenzauber betreffen; dazu zwei Märchen und ein Arzneibuch aus dem Paderbornischen. — Eine reichhaltige und vielseitige Monographie wurde der Bevölkerung des Saterlandes von Siebs 4 4 ) gewidmet. Sie behandelt die Geschichte, das Recht und die Verfassung des nach S. zwischen 1200 und 1400 aus Ostfriesland in die niedersächsische Umgebung eingewanderten Völkchens, seinen Hausbau, der den reinen sächsischen Typus zeigt, die Sitten und Gebräuche, den Aberglauben, die Lebensweise und die Erwerbsquellen, endlich auch seine Sprache, die zwar von den plattdeutschen Nachbarn nicht unbeeinflusst geblieben ist, ihre ostfriesische Eigenart aber doch genugsam bewahrt hat, um jenen unverständlich zu sein. Da der Vf. einige Schilderungen und Erzählungen genau so wiedergiebt, wie sie ihm bei seiner eingehenden Durchforschung des Ländchens von den Bewohnern vorgetragen sind, so bietet er uns auch zugleich einige hübsche Dialektproben. — Das Land zwischen Unterweser und Unterelbe betrifft eine von F r e u d e n t h a l 4 5 ) veranstaltete Sammlung von Geschichtsbildern, landschaftlichen Schilderungen, Darstellungen von Volksbräuchen, Sagen, kleinen Erzählungen und Gedichten verschiedener Vf. Wissenschaftliche Ziele verfolgt das Buch nicht. Seinem Zwecke, in einer Zeit Alles verwässernder Gleichmacherei das Bewusstsein und die Pflege niedersächsischer Stammesart zu fördern, kann es recht wohl dienen; echt niederdeutscher Charakter und echt niederdeutscher Humor spricht aus einigen der mundartlichen Stücke, besonders aus dem freilich Kjelland nachgebildeten „Der Torfmoor" und aus dem Märchen „Der Wunschring". — Zur L ü b i s c h e n Volkskunde bieten die Mitteilungen des Lübecker Geschichtsvereins verschiedene Beiträge46"48). — Unter den Schriften über e i n z e l n e V o l k s b r ä u c h e 4 9 ) treten besonders die auf bestimmte Festtage und festliche Veranstaltungen bezüglichen hervor. Dem Zusammenhange des W e t t l a u f e n s mit dem altdeutschen Kultus geht Wein hold 5 0 ) nach, iqdem er die vom Volke zu Ostern, Pfingsten, Johannis, in der Herbstzeit und am Stephanstage in gewissen Gegenden geübten Wettläufe und Wettrennen als Teil der alten, mit Opfern verbundenen Jahrzeitfeiern betrachtet. Auch die Reste des symbolischen Brautraubes und des Brauches, dass die Hochzeitsgäste um die Wette laufen, ferner der Wettlauf bei Staats- und Gemeindefesten und das in mittel- und süddeutschen Städten vom 14. bis 17. Jh. beliebte, besonders auch von Weibern ausgeführte Preislaufen um ein Stück Tuch werden kurz und klar erörtert. Zum Schluss wird auf gemeinsame Züge zwischen den besprochenen deutschen Bräuchen und einem mit Wettlauf verbundenen altindischen Jahrzeitopfer hingewiesen. Bei letzterem spielt ein auf einein Pfahle befestigtes Rad eine Rolle, wozu A. Schullerus (im KBIVSbnbgLK. 16, S. 25) die bei den siebenbürgischen Sachsen übliche und schon bei Cäsarius von Heisterbach nachgewiesene Form des Maibaumes vergleicht. — Ueber den in Urach am Jakobitage begangenen Schäferlauf, ein besonders mit Mädchenwettläufen und dem Hahnentanze gefeiertes Volksfest, handelt H e v e s i 5 1 ) in witziger Feuilleton-Manier. — Als ältestes Zeugnis für ein deutsches F r ü h l i n g s f e u e r f e s t weist V o g t 5 2 ) die Nachricht von dem bei solchem Anlass durch das Emporschleudern einer brennenden Holzscheibe im J. 1090 verursachten Brand des Klosters Lorsch Dach. Er verfolgt die Sitte dieses „Scheibentreibens" bis zur Gegenwart, stellt ihr Verbreitungsgebiet und ihre nach den Gegenden verschiedene Anwendung bei Frühlingsfeuern oder Johannisfeuern fest und kommt zu dem Ergebnis, dass das Scheibentreiben ursprünglich als eine sowohl für den Sonnenlauf als für die Witterung bedeutsame Handlung zu einer im März abgehaltenen deutschen Frühlingsfeier gehörte. Der Flug der feurigen Scheibe gilt aber auch als Glücksorakel und man begleitet ihn mit Wunschsprüchen für geliebte und verehrte Personen. Aus diesem Brauch, nicht wie bisher aus dem Bilde vom Glücksrad, sind verschiedene Stellen bei mittelhochdeutschen D. Samml. mecklenburg. Volksüberlieferungen: KBGV. 41, S. 21/3. — 42) X K - D i r t i e a , Aus Ostfriesland: ZVVolksk. 3, S. 90/3. - 43) B. H ü s e r , Beitrr. z. Volks*. Progr. a. Gymn. Brilon. 4°. 28 S. — 44) Th. S i e b s , D. Saterland. E. Beitr. z. dtsch Volksk.: ZVVolksk. 3, S. 239-78, 373-410. — 45) A. F r e u d e n t h a l , Aus Niedersaohsen. Sohildernngon, Erzählungen, Sagen u Dichtungen. E. Volksbuch für Alt u. Jung. Bremen, Schlnemann. IX, 375 S. M. 3,00. — 46) X W. K r u s e , Aus d. Labeckischen Volksmunde: Auslegung d. Lüntens: MVLübG. S 16. — 47! X C- S c h u m a n n , Beitrr. z. Lübeckischen Volkskunde. 5. Teile d. menschl. u. tierischen Leibes. 6. Nahrungsmittel, Speisen u. Getränke. 7. Backwaren. 8.Kleidung: ib S. 11/5, 27-32, 42/5, 59-64. (Vgl. I 4 : 346.) — 48) X A n n a G r u b e , H. S a r t o r i , A. B e n d a , Aus d Volksmunde: ib. S. 47/8. (Nachtr. zu MVLübG. 5, S. 26.) — 49) W. v. 8 c h u 1 e n b u T g , Kleine Notizen über Volksbr&uohe aus verschiedenen Gegenden Deutschlands: VGAnthr. S. 278-82 — 50) K. W e i n h o l d , D. Wettlauf im dtsch. Volksleben: ZVVolksk. 3, S. 1-23. (Dazu Hermann, Zu Glückslufen u. Wettlauf: ili. S. 459-60.) — 51) L. H e r e i i , V. Kalau bis Säkkingen. E. gemütl. Kreuz u. Quer. St., Bonz. VII, 323 S. M. 4,00. (S. 183-94. D. Schäferlauf in Urach; vgl. 1 4 : 2 9 ) - 52) F. V o g t ,

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Dichtern zu erklären. Doch vermischen und beeinflussen sich schon früh die Vorstellungen vom Glücksrad und von der Feuerscheibe. 5 3 ~ 5 3 a ) — Eine hübsche und lebhafte Schilderung von anderen deutschen Frühlingsfestbräuchen, dem Kampf zwischen Winter und Sommer, dem Todaustragen und einem zwischen diesen beiden Aufzügen stehenden böhmischen Spiel giebt T i l l e 5 4 ) . — Ein Sommer- und Winterspiel aus Hartlieb bei Breslau teilt H o n i g 5 5 ) nach mündlicher Ueberlieferung mit, und aus Heidelberg vernehmen wir von einem nachahmenswerten Versuch, den alten Sommerverkündigungsumzug als Kinderfest zu erhalten. 56 ) — Die nationalen Osterbräuche und ihren mythischen Hintergrund, dann die kirchlichen Ostersitten und weiter die Darstellung der Ostergeschichte in der angelsächsischen und deutschen Dichtung behandelt F r e y b e 5 7 ) mit christlicher und nationaler Tendenz in einer Weise, die vielfach an Vilmar erinnert, aber nicht mit Vilmars wissenschaftlicher Selbständigkeit und ohne Berücksichtigung der neueren Forschung. 5 8 - 5 9 )—Zur Kenntnis der M a i f e s t e steuert R a d e m a c h er 6 0 ) Mitteilungen über das Mailehen, den Maibaum, die Reste des Maigerichtes und das Brunnenfest in den Rheinlanden bei. — Die bemerkenswerteste Erscheinung zur Geschichte der Festbräuche ist in diesem Berichtsjahre das Buch über das W e i h n a c h t s f e s t von T i l l e . 6 1 ) Seine Bedeutung liegt vor allem in der reichlichen Verwertung von älteren litterarischen Zeugnissen über die Form volkstümlicher Weihnachtsfeiern und in der Prüfung ihres Verhältnisses zur kirchlichen Tradition. Dass der Vf. dabei mehr, als es bisher üblich war, auf die Chronologie dieser Zeugnisse achtet und einer vorschnellen Ableitung lebender Volksbräuche aus germanisch heidnischen Gewohnheiten entgegentritt, ist im Prinzip nur zu loben. Und wenn er im Geiste einer modernen Richtung in der Geschichtsschreibung für die Erklärung der alten Festsitten möglichst die wirtschaftlichen Verhältnisse unserer Vorfahren herbeizieht, so ist das gewiss ein fruchtbarer Gesichtspunkt. Nur muss man auch diese Prinzipien nicht übertreiben. Und nur durch ihre Uebertreibung ist meines Erachtens T. zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wintersonnenwende im germanischen Kultus überhaupt gar keine Rolle gespielt habe, und dass ein volkstümliches deutsches Weihnachtsfest eigentlich erst im 14. Jh. ausschliesslich auf Grund kirchlicher Einrichtungen entstanden sei, unter ziemlich gewaltsamer und unnatürlicher Herüberziehung germanischer Spätherbstbräuche und unter ziemlich unbestimmter und unbedeutender Einwirkung der römischen Kaiendenfeier. Der Vf. beachtet nicht genügend, wie sehr das erste Auftreten eines litterarischen Zeugnisses über einen Volksbrauch Sache des Zufalls ist, und wie unvollständig immer noch unsere Kenntnis selbst der erhaltenen Nachrichten ist. Auch von Irrtümern in der Datierung solcher Zeugnisse ist seine Schrift nicht frei, weniger noch von Willkür in der Auslegung derjenigen, die seiner Hypothese widerstreiten. Von Beda und seinem Zeugnis über den angelsächsisch-heidnischen Kultus der modraniht an bis ins 15. Jh. hinein sollen die Geistlichen nur irrtümlich oder mit absichtlicher Entstellung der Wahrheit von alten Volksbräuchen am 24. oder 25. Dec. geredet haben. Die wichtigen und weit zurückgehenden Nachrichten über Weihnachtsfeuer, der Berchtenumzug auf Epiphanias, die Geistererscheinungen und Geistermahlzeiten am Christabend, und was sonst für das Begehen des finstersten Teiles des Jahres im Sinne des Toten-, Geister- und Götterkultes spricht — das wird feils nicht berücksichtigt, teils weginterpretiert, teils in der Darstellung so zersplittert, dass es nicht zur Geltung kommen kann. Ich kann daher dem Vf. nicht zugeben, was er in der Vorrede behauptet, dass unser Weihnachtsfest erst durch sein Buch eine völlig befriedigende Erklärung erhalte. Aber ich möchte es kaum als ein geringeres Verdienst schätzen, dass er unter Bereicherung des wissenschaftlichen Materials und der Gesichtspunkte für dessen Verwertung die Forschung lebhaft angeregt und zur Auseinandersetzung mit seinen Hypothesen genötigt hat. Weniger verdienstlich scheint mir die etwas eilige und übereifrige Popularisierung solcher vielfach noch ganz hypothetischen Dinge, wie sie der Vf. in mancherlei Zeitschriften betreibt. Auch das vorliegende Buch ist teilweise aus solchen Aufsätzen hervorgegangen, und es verrät diesen Ursprung stellenweise durch Wiederholungen und andere Unebenheiten. — Kleine Beiträge liegen

Beitrr. z. dtsch. Volksk. ans älteren Quellen. I. Scheibentreiben u. Frfihlingsfeuev: ZVVolksk. 3, S. 350-69. - 53) X E. L e m k e , D. Oster- n. Johannisfeuer: VGAnthr. S. 154. (Kurze Notiz, d. d. Osterfeuer auch in Podolien nachweist.) — 5 3 a ) X E. K e i t e r , Ost ei brauche in d. österreichischen Alpen: NatZg B N. 14. — 54) A. T i l l e , E. dtsch. Frühlingsspiel: Prjbl). 71, S. 86-99 — 55) B. H o n i g , E. Sommer- u. Winterspiel in Schlesien: ZVVolksk. 3, S. 226/8. — 56) D. Sorotnersonnfug in Heidelberg: ib. S. 228. — 57) A F r e y b e , Ostern in dtsch. Sage, Sitte u. Dichtung. Gütersloh, Bertelsmann. VIII, 137 S. M. 2,00. (Vgl. I 10 : 45.) — 58) X A u r i c o s t e de L a z a r q u e , Le Qrfadonnerstag ou le jeudi vert en Alsace-Lorraine et en Allemugne: RTP 8, S. 534-41. — 59) X C. S t e r n e , D. Osterspiel als german. Urschauspiel betrachtet: VossZg» N. 14. — 60) C. R a d e m a c h e r , Maisitten am Rhein: Urquell 4, S. 227-32, 238-41. — 61) A. T i l l e , D. Gesch. d. dtsch. Weihnacht. L., Keils Nuchf. XI, 335 S. M 4,00. - 62) X J. H e l l e r , D. Feier d. heil. Abends in d. Familie e. dtsch. Banernhofbesilzers in e. grösseren Dorfe d. nördl. Böhmens in d. Zeit vor 1850: MNordhöhmExoor6C1nb. 16,

9*

I 5 : 62a-98

F. V o g t , Volkskunde.

64 62a noch zu weiterer Kenntnis der Weihnachtsfeier ), der Silvesterbräuche63"64) und einiger anderer religiöser Volkssitten vor65"69). — V69 e r e70i n z e l t e Mitteilungen finden sich über Hochzeits-61"68) und Totengebräuche " ) und über die beim Häuserbau üblichen Feierlichkeiten der Bauleute 11- ' 2 ), über Trinkbräuche13-14) und Festgebäck15""157»). — Ueber Volksbräuche, die sich auf den Herd beziehen, handelt R a d e m a c h e r 6 ) , der die göttliche Verehrung von Herd und Ofen daraus erklären will, dass man den Herd ursprünglich auf dem Grabe eines Familiengliedes erbaut1 1 habe. — Auf volksmässige Rechtsbräuche beziehen sich Notizen von W e i n h o l d ) , der zu dem altnordischen Schwur unter dem 7Rasenstreifen eine schlesische Parallele vom J. 1590 beibringt, und von S p r e n g e r 8 ) über das Bahrrecht.79"80) — Diese Bräuche fallen zu nicht geringem Teil schon unter den Begriff des A b e r g l a u b e n s 8 1 82) in der weiten und unbestimmten Fassung, die ihm der gewöhnliche Sprachgebrauch giebt. Die Vertreter der Volkskunde meiden den Ausdruck vielfach ganz und ersetzen ihn durch „Volksglauben".83 84 ) Wir wollen ihn hier auf das Anwenden von Mitteln und Massregeln einschränken, die ausserhalb der Naturgesetze und der kirchlichen Bräuche den Menschen und seine Umgebung zu Heil oder Unheil beeinflussen sollen. Sammlungen von dahin gehörigen Beschwörungen und G e h e i m m i t t e l n sind bekanntlich noch allerorten unter dem Volke verbreitet. Eine vor etwa 70 oder 80 Jahren geschriebene teilt K a i n d l 8 5 ) aus der Bukowina mit, wohin sie vermutlich aus Oberungarn gekommen war; 86sie ist besonders reich an Waffensegen. — Aehnliches wird aus der Lüneburger Heide ) und aus Schleswig-Holstein87) bekannt gemacht. 8 8Deutsche Sprüche gegen Behexung sind auch in dem Aufsatz von T u c h m a n n ) mit berücksichtigt. — Unter der Benennung „Liebeszauber" bietet Mars ick 8 9 ) eine Zusammenstellung von Volksbräuchen, die sich auf Frauenschönheit, Liebe, Ehe, Geburt, Kindererziehung und Tod der Gattin beziehen. Ihre Quellen und das Verbreitungsgebiet der einzelnen Erscheinungen sind nirgend angegeben, Vollständigkeit ist nicht erreicht und nicht beabsichtigt. Der Vf. verfolgt nicht gelehrte, sondern populäre Zwecke, wobei ihm ein warmes Gefühl für die Poesie des Volksglaubens zu statten kommt. — Ganz besonders dienen die Zaubermittel natürlich der V o l k s m e d i z i n , und es ist sehr willkommen, neben der unendlichen Fülle an Material, die sich noch fortwährend mehrt90-92), auch Arbeiten zu begegnen, die mit voller Beherrschung des reichen Stoffes einen einzelnen Gegenstand zusammenfassend behandeln. So verfolgt G a i d o z 9 3 ) durch die Ueberlieferungen der verschiedensten Zeiten und Völker hindurch, ohne sich doch ins Detail zu verlieren, den merkwürdigen Brauch der Heilung vermittelst Durchkriechens oder Durchziehens durch ein Loch oder einen Spalt, ein Mittel, das auch in der deutschen Volksheilkunde noch heute eine wichtige Rolle spielt. Mit Recht behauptet G., dass jener Brauch nicht ausschliesslich als ein symbolischer Akt der Wiedergeburt aufgefasst werden kann, sondern dass er vielfach auch eine Abstreifung und Uebertragung der Krankheit bezweckt. Die Verpflanzung der Krankheit in das Innere eines Baumes wird bei diesem und einem nahe verwandten Akte noch heute in Deutschland deutlich genug geübt. — Ueber das reichhaltige Buch von Strack (vgl. JBL. 1892 I 4 :178; s. o. I 4 : 177) liegen noch mehrere

S. 364/6. — 6 2 a ) X 0. G e r i n - C a s s a l , Un usage alsacien. La Noël des petits oiseaux: AnnEst. 7, S. 119-21. — 63) X F. V o g t , Neujahrsorakel in d. 1. Hälfte des 12. J h . : ZVVolksk. 3, S. 372. (Honorius y. Autan eifert gegen diese Sitte als e. heidnische.) — 64) X A - T * e i c h e 1, D. Rosbock-Jagen. G. Sylvesterbrauch im Oberlande: Urquell 8. 110/2. — 65) X J. M a t t a u c h , Gelöbnistage im Danbuer Bezirk: MNordböhmGxcnrsClub. 16, S. 97-101. — 66) X M e r i n g e r , Studien z. german. Völkerkunde. I I : MAnthrGesWien. 23, S. 136-31. (Betrifft d. nordsteirische Bauernhaus, ist aber wegen e. Anhanges über Votivtiere hier zu erwähnen.) — 67) X ** P- F i g e r , G. oberôsterr. Hochzeit. G. Beitr. z. Volksk. Oesterreichs: ÖUR. l é , S. 323-36. — 68) X F r i s c h a u f , „D. falsche Braut" in Niederösterr.: ZVVolksk. 3, S. 451|2. — 69) X M. B ö B 1 e r , Totengebräuche. (Aus d. Gegend v. Friedland, Neustadtl u. Dittersbach in Böhmen) : Urquell 4, S. 280/1. - 7 0 ) X F. B a u m a n n , Eselsbegräbnis: KBIVSbnbgLK. 16, S. 136/7 — 71) X B e h l a , D. in Luckau fibliche Richtfest: VGAnthr. S. 556/7. (Mit d. Spruch d. Zimmerpoliers.) — 72) X P B o w a 1 d , Brauch, Spruch u. Lied der Bauleute. Hannover, Schmorl & v. Seefeld Nachf. V, 183 S. II. 2,40. |[ÔLB1. 2, S. 184;5.]| — 73) X Co Im. S c h u m a n n , GlSckrohr-Trinkrunde d. l&bischen Fischer: Urquell 4, S. 244/5. — 74) X A - W i e d e m a n n , Trinken aus Heiligensohädeln: ib. S. 112. — 75) X A - T r e i c h e l , Barches oder Bereites in Westpreussen: VGAnthr. S. 568,9. (Festgebäck.) — 7 5 a ) X w R ö s e l e r , Verschollene Fastuachtsbr&uche: NatZgB. N. 7. - 76) C. B a d e m a c h e r , Ueber d. Bedeutung des Herdes: Urquell 4, S. 57-60, 82/4, 112/4. — 77) K. W e i n h o l d , Schwur unter d. Basen: ZVVolksk. 3, S. 224/5. - 78) B. S p r e n g e r , D. Bahrrecht. Umfrage: Urqnell 4, S. 171, 276/6. — 79) x id -> Gantsymbolik: ib. S. 222/3. — 8 0 ) X A - T r e i c h e l , Ueber Reisighäufung an Mordstellen : ib. S. 1516. — 81) x 0. H e n n e a m B h y n , E. Reise durch d. Reich d. Aberglaubens. L., Spobr. IV, 175 S. M. 2,80. - 82) X H. H a r t m a n n , D. Aberglaube in d. Zwölften: VossZg" N. 53. — 83) X t S p r e n g e r , Volksglaube in Schillers Wallen stein: Urquell 4, S. 93/4. (S. n. IV 9.) — 84) X A - S c h r o o t , D. Symbolik im Volksglauben: ib. S. 241/4. - 85) B. F. K a i n d l , G. dtsch. Beschwörungsbuch. Aus d. Hs. her.: ZGthn. 25, S. 22-47. — 86) X w - P o e c k , Aberglaube n. Beschwörungsformeln ans d. Ltneburger Heide: Germania 37, S. 114-20. — 87) X H. V o l k s m a n n , Schleswig-Holsteinisohe Haus- u. Zaubermittel: Urquell 4, S. 277-80. — 88) J. T u o h m a n n , Les Fascinés: Melusine 6, S. 280/7. — 89) M a r s i c k , Liebeszauber. G. Beitr. z. dtsch. Volksglauben. Halle a. S., C. A. Kämmerer & Co. V n , 48 S. M. 0,60. |[A. S c h l o s s a r : BLU. S. 263.]| — 9 0 ) X ^ T e s t s , D. Besprechen der Krankheiten: ZDU. 7, S. 63. (NiederdentBchland Tgl." ib. S. 633.) — 91) X Ï - E - H a a s » , D. Besprechen d. Krankheiten: ib. S. 273/5. (Grafschaft Rnppinvgl. ib. S.683.) — 92) X 0 . S c h e l l . Z. Volksmedizin im Bergischen: Urquell 4, S. 153/6. — 93) H. G a i d o z , Un vienx rite médical. PariB, Kolland. 1892.

F. Vogt, Volkskunde.

I 5 : »4-115

Recensionen vor94). — Mancherlei wird über einzelne Krankheitsarten und Krankheitsmittel95-91), über Talismane98"100), Zaubermittel zur Bereicherung101"103),' Auspicien 104 ) und Tagewählerei ,05 ) mitgeteilt. — Eine grosse Rolle spielen in der Volksmedizin, aber auch in anderen Erscheinungen des Volksglaubens die P f l a n z e n . Ihnen hat R o s e n k r a n z 1 0 6 ) eine umfängliche Kompilation gewidmet, in der er unter den Namen der einzelnen Pflanzen die Angaben über deren Bedeutung im Volksbrauch und die bezüglichen Mythen und Sagen aus verschiedenen Werken zusammengestellt hat. Dabei wird Deutschland überall in erster Linie, doch nicht ausschliesslich berücksichtigt. Das Werk soll eine verständige Pflege deutscher Volksüberlieferungen fördern helfen im Sinne der nach Rogge wiedergegebenen sehr beherzigenswerten Beantwortung der Frage: „Wie müssen wir uns dem Aberglauben gegenüber verhalten?" Es würde wesentlich gewonnen haben, wenn die Bestandteile, aus denen es zusammengesetzt ist, etwas weniger verschiedenartig und etwas besser unter einander vermittelt wären. — Sonst liegen nur einige populäre Erörterungen über den Gegenstand im allgemeinen 107-109^ UT1(j einige kleinere Aufsätze über die bezüglichen Ueberliefer ungen einzelner Gegenden vor 110-112 ). — Ebenso wie die volkstümlichen Vorstellungen von den Pflanzen greift der S e e l e n k u l t u n d der D ä m o n e n g l a u b e n sowohl in das praktische Leben des Volkes wie in sein Phantasieleben, in die Sagenbildung ein. Die Vorstellung von den Wanderungen und Wandlungen der Seele des Lebenden oder des Verstorbenen und der Glaube an dämonische Wesen hängen aufs engste zusammen. Ihre gefährlichste Ausgeburt, der H e x e n w a h n (s. o. 14: 179—81), und was mit ihm zusammenhängt, berührt die verschiedensten Gebiete der Kulturgeschichte; nicht am wenigsten aber hat auch die Volkskunde die darauf bezügliche Litteratur zu berücksichtigen113). Neues Quellenmaterial hat K i e l e 1 1 4 ) beigebracht, indem er die grosse Reihe von Hexenprozessen, die sich in Hagenau i. E. während der J. 1531 — 1645 abgespielt hat, ausführlich nach den Akten des Stadtarchivs darstellt. Es ist immer wieder dieselbe genügsam bekannte grauenvolle Tragödie, die sich vor uns abspielt. Die Erklärung von wesentlichen Erscheinungen des Hexenwahnes aus der Anwendung einer narkotisierenden und Hallucinationen erzeugenden Salbe durch Weiber, die sich selbst für Hexen hielten, gewinnt durch das hier vorliegende Material keine Bestätigung. Die Hexensalbe ist in den Geständnissen typisch, aber keines der Opfer kann etwas von ihr vorweisen oder ihre Zusammensetzung angeben. Nicht einmal andere Versuche, wirklich Zauberei zu treiben, die ja thatsächlich oft genug gemacht sein müssen, treten in irgend erheblichem Umfange hervor. Der Aberglaube trägt an diesen Greueln nicht so viel Schuld wie ein blödsinniges und bestialisches Rechtsverfahren. Ein Jesuit scheint auch in Hagenau den Anlass zur Abstellung der Hexenprozesse gegeben zu haben. — Im übrigen lässt jedoch der Katholizismus keinen Zweifel daran aufkommen, dasser den Glauben an des Teufels handgreifliches Wirken unter den Menschen am zähesten festhält. Die famose Satansaustreibung zu Wemding vom J. 1891 hatte dafür gesorgt, und da die „ungläubige Presse" diesen Fall in ihrer Weise ausbeutete, so hat nunmehr Diefenbach 1 1 5 ) dargethan, dass dem Satan zweifellos nicht nur eine moralische, sondern „bei einzelnen Individuen auch eine physische Einwirkung gestattet ist," wobei die circümsessio, obsessio und possessio oder insessio als verschiedene Grade von Besessenheit zu unterscheiden sind. Ueber die Veranlassung 85 S. |[K. W e i n h o l d : ZVVolksk. S, S. 232,3; F. B a r t e l s : ZEthn. 25, S. 171; F. S. K l a u s a : Urquell 4, S. 19.]] — 94) X H. G a i d o z : Melusine 6, S. 169-71; G. H. D i l m i o : ThLZ. 18, S. 133/4; A. T i l l e : LCB1. S. 1858/9 (erkennt d. reiche, gewissenhaft zusammengetragene Material an, bemängelt aber d. systemat. Gliederung-u. d. krit. Verwertung); ThLBl. 14, S. 237. — 95) X A - P e e z , Thierseuchen u. d. Leonhardi-Kirchen d. Ostalpen: MAnthrGWien. 23, S. 193-203.-96) X F- S- K r a a s a , Katzensporn. Umfrage: Urquell 4, S. 124. — 97) X K n a u t h e , Klapperkes: ib. S. 146. — 98j X B a r t e l s , Beitrr. z. Steinbeil-Aberglauben in Norddeutschlund i YGAnthr. S. 558-64. (Prähist. Steinbeile gelten nach veit verbreit. Glauben als Talismane gegen d. Blitzschlag.) — 99) X A . T r e i o h e l , E. Segeubrett mit Inschrift aas Reddistow, Kr. Laueaburg i. F.: ib. 427/8. — 100) X J. D. E. S c h m e l t z , Hufeiüen, Uebersiedelung, Zahn: Urquell 4, S. 30. (Hamburg.) - 101) X S c u r a t , Zaubergeld: ib. S. 105-10, 135-41. — 102) X K a i n d l , D. Zauberei. Umfrage: ib. S. 124/5. - 103) X A. H e r r m a n n , Kartenspielerglanben aus Ungarn: EthnMUng. 3, S. 154/7. — 104) X B- R e i c h e l , Z. Angang d. Wolfes: ZDU. 7, S. 500. (Vgl. ib. S. 572/3.) — 105) X B- S a u b e r t , D. Freitag. E. alter VSIkerglaube: Urquell 4, S. 267/8. —106) C. B o s e n k r a n z , D. Pflanzen im Volksaberglauben. Kassel, Kessler. 415 S. M. 4,50. — 107) X E. S c h a u b e r g , Z. Entstehnng d. Pflanzennamen u. Mythen: AZg". N. 27. (Willkftrl. Etymologien u. Mythendeutungen, d. nur gelegentlich auf Deutsches Bezug nehmen.) — 108) X W a l l u s , D. Pflanze in d. Volkssage u. im Volksmärchen: VolksZg. N. 63. — 109) X L o s c h , Einiges über d. Beziehungen unserer Vorfahren zu d. Pflanzen: BBSW. S. 149-58. - HO) X H - A r n o l d , M. Höfler, Wald- u. Baumknltus in Beziehung z. Volksmedizin Oberbayerns. München, E. Stahl sen. VIII, 170 S. M. 2,00. |[Ausland 66, S.96.]| — 111) X E - H a n d t m a n n , Märkische Pflanzensymbolik: Bär 19, S. 231/4, 245/7, 255/8, 273/4. — 112) (I 4 : 470.) — 113) X B. E. K 5 n i g , Ausgeburten d. Menschenwahnes im Spiegel d. Hexenprozesse u. d. Autodafes. Lfg. 12-16. Rudolstadt, Book. S. 529-768. (ä M. 0 , 3 0 = ) M. 1,50. (Vgl. JBL. 1892 I 4:186; d. Buch will d. Schrecken d. Hexenwahns u: d. Inquisition u. Thorheiten d. Aberglaubens d. grossen Publikum toi Augen führen, was in angemessenerer Weise geschieht, als es d. einem Kolportage-Roman ähnliche Ausstattung erwarten lässt.) — 114) J. K1 e 16, Hexenwahn u. Hexenprozesse in d. ehemaligen Reichsstadt u. LandTOgtei Hagenau. Hagenau, Ruckstuhl. 177 S. M. 3,25. — 115) J. D i e f e n b a c h ,

I 5 : 116-142

F. V o g t , Volkskunde.

dieser Erscheinung hat nach einem dompropstlichen Gutachten im vorliegenden Falle der exorcisierte Teufel selbst, durch-das Machtwort der Kirche gezwungen, zuverlässige Auskunft gegeben. Wunderlich genug nimmt es sich aus, dass der Vf. des weiteren den ganz in diesen Vorstellungskreis gehörigen Glauben an das Wirken des Teufels unter den Hexen für einen Wahn hält und sich bemüht, die Verantwortung für die Hexenprozesse von seiner Kirche ab und der protestantischen zuzuwälzen, wobei er sich denn in der Auslegung der verhängnisvollen Bulle Innocenz VIII. „Summis desiderantes" ein höchst ergötzliches Stücklein scholastischer Dialektik leistet. — Wem es um eine unterhaltende, alles gelehrten Apparates bare Darstellung der wesentlichsten Erscheinungen und Entwicklungsstadien des Teufelsglaubens überhaupt zu thun ist, der wird sich gern durch Grafs 1 1 6 ) zusammenfassendes Buch leiten lassen. Tiefer dringende Forschung darf man freilich in dem Werke nicht suchen, und über einige wichtige Fragen, wie die nach den thatsächlichen Grundlagen des Hexenglaubens, voltigiert der Vf. mit allzu grosser Leichtigkeit hinweg. — Zum Gegenstande einer sehr gelehrten Abhandlung wurdedagegen die wichtigste Quelle des Geister- und Dämonenglaubens von Bastian 1 1 7 ) gemacht, indem er auf Grund der vergleichenden Völkerkunde die Entwicklung und die verschiedenen Formen der Vorstellungen von der Fortdauer und dem Verbleib der abgeschiedenen Seele sowie mancherlei Erscheinungen des Seelenkultes erörtert, aus dem er auch die Entstehung des Götterglaubens ableitet. Zum Schluss giebt B. einen Ausblick auf die Bedeutung der ethnologischen Elementargedanken für die Wissenschaft der Zukunft, deren Heil er von einer auf Gedankenstatistik gegründeten Psychologie erwartet. Leider werden die zahlreichen Quellen in einer recht unbestimmten Weise citiert; vor allem aber vermisst man eine klare und scharfe Gliederung des Stoffes ebensosehr wie Klarheit und Flüssigkeit des Ausdrucks. — Eine Reihe kleinerer Abhandlungen liegt vor über die Vorstellungen, die an den Tod118) und an das Umgehen der Geister119"127) anknüpfen, und damit berühren sich dann wieder aufs nächste die Traditionen von mancherlei dämonischen Wesen anderer Art. — Vogt 1 2 8 ) macht auf die sonst unbekannten und noch unerklärten Hahnjörs aufmerksam, die nach einem Zeugnis vom J. 11721 in den zwölf Nächten unsichtbar in Küche und Keller ihr Wesen treiben; Knoop 2 9 ) handelt von einer Hausgeistersage, die mit dem Thema von Goethes 130 „Hochzeitlied" verwandt ist; Gl öde ) untersucht eine andere Gruppe von Hausgeistern; Wislicenus 1 3 1 ) bringt über Heinzelmännchen und andere Wesen neben einzelnem Erwägenswerten mancherlei ganz phantastische und haltlose Kombinationen 132 133 vor. Andere Mitteilungen betreffen Zwerge ), Graumännlein ), das mecklenburgische Blaumäntelchen134), während der schlesische Rübezahl135) diesmal nur zum ist. — Den fliegenden Holländer betrifft Gegenstand eines „Sanges" gemacht worden eine eindringende Untersuchung Golthers 1 3 6 ) und die von Knauthe 1 3 7 ) mitgeteilte Erzählung eines Seemanns. — Ueber den wilden Jäger handeln Pickford 1 3 8 ) und Weinhold 1 3 9 ), der nach mündlicher Ueberlieferung aus Schlesien einiges vom „Nachtjäger" erzählt. — Auf ihn bezieht sich auch eine Bemerkung G l ö d e s 1 4 0 ) zur Sage vom Wode, und das Fortleben dieses Namens in entstellten Formen betrifft eine Notiz v o n S c h u l e n b u r g s 1 4 1 ) . — Dass der in einer Walkenrieder Urkunde vom J. 1277 erwähnte Wodansberg nicht auf den Kiffhäuser, sondern auf einen Höhenrücken bei Ahstedt zu beziehen sei, führt G r o s s l e r 1 4 2 ) aus. Die älteste Benennung des Kiffhäusers ist Kuffese, derselbe Name, der als Cuffiso schon im J. 747 für einen Hügel auf der Grenze des Fuldaer Klosterbezirkes gebraucht wird. Besessenheit, Zauberei u. Hexenfabeln. ( = Frankfurter zeitgem. Broschüren. Bd. 14, N. 4). Frankfurt a. M„ Foeseer Nachf. 66 S. M. 0,60. — 116J A. G r a f , Gesch. d. Teufelsglaubeus. Aas d. Italienischen v. E. T e n s c h e r . 2. (Titel-)Aufl. d. Naturgeech. d. Teufels. Jena, Costenoble. IVUI, 448 S. M. 3,00. — 117) A. B a s t i a n , D. Verbleibs-Orte d. abgeschiedenen Seele. E. Vortr. in erweit. Umarbeitung. B., Weidmann. II, 116 S. mit 3 Tat. M. 3,00. |[L. F r a n k e l : Ausland 66, S. 638.J| — 118) X H T- W l i s l o c k i , Ted n. Tetenfetische im Volksglauben d. Siebenbürger Sachsen: Urqnell 4, S. 16-20, 49-53, 68-70, »8-100. — 119) X westpreuss. Spukgeschichte: ZVVolksk. 3, S. 97/8. — 120) X H. A. C a r s t e n s e n , Spukgeister: Urqnell 4, S. 122/8. — 121) X K- E- H a a a e u. A. T r e i c h e l , Spnkgeister: ib. S. 254/6. — 122) X H F- F e i l b e r g , Warum gehen Spukgeister kopflos um? Umfrage (mit Antworten r. Verschiedenen): ib. S. 6/8, 39-41, 73, 97/8, 122, 145/6, 168(9, 216, 253/4. — 123) X I S c h r ä d e r , Welches ist die Geisterstunde: ZDS. 7, S. 330/1. (Veitritt auf Grund v. Stellen aus dtsch. Sagen u. Dichtungen die Ansicht, dass d. eigentl. Geisterstunde d. Stunde vor Mitternacht, also zwischen 11 n. E 12 Uhr, sei.) — 124) X A - W i e d e m a n n , Geister in Katzengestalt: Urqnell 4, S. 81/2. — 125) X - H m « , Geister T in Eatzengestalt: ib. S. 114/5. — 126) X - W l i s l o c k i , D. Quälgeister d. llagyaren: Ausland 66, S. 81(4, 101. (Vgl. aber Tetenfetische b. d. Magyaren: ib. S.254.) —127) X L. B a r ö t i , Beitrr. z. Gesch. d. Vampyrismns in Südungarn: EthMUng. 3, S. 219-21. — 128) F. Y o g t , Hahnjörs: ZVVolksk.3, S.372. - 129) O. K n o o p , Familiengeister: Urquell4, S. 125/6. — 130) 0. G i ; ö d e , Petermännchen, Chimmeken, Wolterken n. Hödeke als gute Hausgeister: ZDU. 7, S. 194/9. (S. auch N. 260.) —131) P- W i s l i c e n u s , Ueber Hagen n. d. Heinzelmännchen, Laura u. d. Lorelei: MADSprV(Berlin). 4, S. 54/8. —132) X B- A n d r e e , D. Zwerge am Wohlenberge: Urquell 4, S. 226,7. —133) X A. S c h w a n f e l d e r , D. grane Mandl: EthnMUng. 3, S. 109. —134) X O . E G l ö d e , Blaumäntelchen, e. Geist in Mecklenburg: Urqnell 4, S. 213/4. (Grösstenteils wörtlich gleichlautend ist G.s Notiz: ZDU. 7, S. 427.) — 135) X E - B- K a u t h e , Berggeist Rübezahl. E. Sang ans Schlesiens Bergen. Hirschheig, Kuh. VII, 252 S. M. 4,50. — 136) W. G o l t h e r , D. fliegende Holländer: BayreuthBU. 16, S. 307-19. |[L. S.: Urquell4, S. 282.]| — 137) K. K n a u t h e , Seemannsglaube: Urqnell 4, S. 134/5. — 138) J. P i c k f o r d , D. wilde Jäger: NQ. 3, S. 16. — 139) K. W e i n h o l d , Schlesische Sagen Tom Nachtjäger: ZVVolksk. 3, S.96,'7. — 140) 0. G l ö d e , Z. Sage T. Wode: KBIVNiederdSpr. 16, S. 38/9. — 141) W. r. S c h n l e n b n r g , Götternamen in Norddentschland: MAnthrGWien. 23, S. 62. — 142) H. G r ö s s l e r , Kiffhänser n. Wodansberg:

F. V o g t , Volkskunde.

I 5 : 143-172

Der Vf. bringt ihn mit ahd. chubisi, Zelt, zusammen, was an und für sich nicht unmöglich ist, wenn auch die lautlichen Vorgänge, die dabei in Betracht kommen, ganz anderer Art sind, als G. sie sich vorstellt. Sonst liegt über die Kiffhäusersage nichts von wissenschaftlichem Werte vor 143-144 ). — Die in den bayerischen Sagen häufig auftretenden drei geisterhaften oder heiligen Jungfrauen, die man oft auf die Nornen gedeutet hat, führt Müller 1 4 5 ) auf Personifikationen von Frühling, Sommer und Winter zurück; in den vorgeschichtlichen Wallburgen, in denen sie lokalisiert werden, sieht er Stätten für den Jahreszeitenkultus. — Eine in Tirol noch lebendige Riesensage, die von Haimon und seinem Bruder Thürsus, verfolgt P a s s l e r 1 4 6 ) durch die ältere [Jeberlieferung zurück. — Eine Sammlung der auf mythische Wesen bezüglichen Ueberlieferungen der Lausitzer Sorben hat Ö e n r ^ 1 4 7 ) in deren slavischer Mundart veröffentlicht. — Aus dem Kreise der Bausagen 148 ), der Traditionen über vergrabene Schätze 149 ), über den Ursprung der Kinder 150 ), über den Mann im Monde151) sind nur verstreute Notizen zu bemerken. — In grosser Anzahl liegen wieder S a g e n s a m m l u n g e n — neben wenigen a l l g e m e i n e r Art 152 153) — a u s e i n z e l n e n G e b i e t e n vor, die jedoch mit verhältnismässig wenigen Ausnahmen populäre Zwecke und zu nicht geringem Teil die löbliche Aufgabe verfolgen, die Jugend mit den Ueberlieferungen ihrer Heimat vertraut zu machen. — Von O b e r d e u t s c h l a n d ist die Alpen weit durch die Sammlung von Maria S a v i - L o p e z 1 5 4 ) vertreten, speciell das Simmenthai durch G e m p e l e r s 1 5 5 ) Buch 156 ). — Ueber die von Mündel veranstaltete, im vorigen Jahre bereits angezeigte neue Bearbeitung von Stöbers elsässischen Sagen (vgl. JBL. 1892 I 4 : 290) sind weitere Recensionen zu nennen157). — E c k a r t 1 5 8 ) erzählt an der Hand einer Reisebeschreibung Ortssagen aus dem Neekarthal in Poesie und populärer Prosa, ohne Gewähr für treue und quellenmässige Wiedergabe der örtlichen TJeberlieferung159). — Die kleine „weissblaue" Sammlung von F r i e t i n g e r und Heindl 1 6 0 ) will durch eine Vereinigung von poetischen und prosaischen Stücken verschiedener Vf. die Kunde des bayerischen Landes und Volkes und die Liebe zur Heimat unter der Jugend befördern, und an die weitesten Kreise wenden sich zwei andere Zusammenstellungen von bayerischen Sagen 161-162 ). — Eine Gruppe von Geistersagen, die sich an die Burg Stockenfels bei Regensburg geheftet hat, behandelt das Buch von R e l t i s 1 6 3 ) . — Auf Tirol, Oesterreich und Kärnten beziehen sich ein paar kleine Stücke 164 - 181 ). — Von m i t t e l d e u t s c h e n Gegenden sind die Rheinlande durch drei Bücher vertreten, unter denen das von P a u l y 1 6 8 ) als eine für die Jugend berechnete ansprechende Vereinigung von Sagen nnd Legenden in Poesie und Prosa genannt werden mag; die Quellen, aus denen die einzelnen Stücke teils wörtlich entnommen, teils in freier Nacherzählung wiedergegeben sind, werden hier gewissenhaft angegeben 169-171 ). — Aehnlicbe Ziele verfolgt eine Nürnberger Sammlung 172 ). — Aus ALVKS.3, S. 143/8. - 143) X D. Kyffbäusersage: AkBll. 8, S. 221/2. — 144) X H. P r ö h l e , D. Kiffhäuser-Kaisersnge n. Rückerta Barbarossa-Gedicht: AZg B . N. 88. — 145) G. A. M ü l l e r , Z. Sage y. d. drei Jungfrauen: ZVVolksk. 3, S. 93/8. — 146) F. P a s s i e r , Z. Gesch. d. Heimesage. Progr. Horn. 48 S. — 147) A. C e r n y , Die mythischen Wesen bei d. Lansitzer Wenden. (In wend. Sprache.) 1. Bd. Bautzen, E. Röhl. 239 S. M. 4,00. IfZVVolksk. 3, S. 345 (d. umsichtigen u. fleissigen Sammler u. Erklärer ist d. slavische Wissenschaft zn grossem Danke verpflichtet).]! — 148) X ® * S p r e n g e r , E. volkstüml. Schwank in Sohillers Wallenstein: ürqnell 4, S. 206/8. (Vgl IV 9.) — 149) X K - H a a s o , Vergrabene Schätze. (Umfrage mit Beitrr. Verschiedener.): ib. S. 101/3, 161/4. — 150) X c. S c h e l l . Woher kommen d. Kinder. Umfrage: ib. S. 224/6. — 151) X A - V o l k s m a n n , D. Mann im Monde. Umfrage (mit Beitrr. v. Verschiedenen): ib. S. 21, 54/5, 121/2, 172, 216/8. — 152) X O A. E i o h t e r , Dtsoh. Sagen. (Kaiser Otto mit d. Barte; D. gute Gerhard; Herzog Ernst; König Rother; D. Graf im Pfluge; Herzog Adelger; Roland; Wartburgkrieg; Tannhäuser; Lohcngrin) mit e. Titelbilde. 4. Aufl. L„ Brandstetter. IV, 283 S. M. 3,00. —153) X A- S o h u l l e r u s , U. Jahn, Volksmärchen aus Pommern (JBL. 1891 I 5 : 242); Leek, Sagen Niederösterr. (JBL. 1892 I 4 : 289); A. Stöber, Sagen d. Elsasses (JBL. 1892 I 4 : 2 9 0 ; s . u . N . 1 5 7 ) ; J. V. Zingerle, Sagen aus Tirol ( J B L 18911 5 : 236): KBIVSbnbgLK. 16, S. 59-62. — 154) O M a r i a S a v i - L o p e z , Alpensagen, ill. v. C. Chessa. Deutsoh v. A. R u h e m a n n . St., Bonz. VII, 384 S. M. 4,50. |[DRs. 76, S. 159; ÖUR. 14, S. 337-42 ; 8trassbPost. N. 140.]| — 155) O D. G e m p e l e r , Sagen u. Sagengesch, aus d. Simmenthal. 3. Bdch. Mermettah, Lauliegg. Thun, Stäropfli. 1892. VI, 255 S. M. 2,00. (1-3: M. 5,50.) — 156) O X O- G a t t i k e r , Z. Heimatkunde v. Zürich. Gesch. u. Sagen. Für d. Schule ges. u. z. T. bearb. Mit 7 Holzschn. Zürich, Schulthess. IV, 30 S. M. 0,30. — 157) x w . H e r t z : ADA. 19, S. 93/4; E. M a r t i n : DLZ. S. 172/3. (S. o. N. 153.) - 158) Th. E c k a r t , Bilder u. Sagen aus d. Neckarthal. Heidelberg, Hörnig. 89 S. M. 1,00. — 159) X E - M ü l l e r , Glookensagen in Württemberg. • . : BBSW. S. 145/9. — 160) A. F r i e t i n g e r u. H. H e i n d l , Weiss u. Blau. Erzählungen, Sagen, Geschichtsbilder u. Schilderungen. Für d. bayer. Jugend bearb. München, Oldenbourg. VI, 87 S. M. 0,75. — 161) X A. S t e i n b e r g e r , Ans Bayerns Vergangenheit Erzählungen ans d. Gesch. u. Sage. Für Schule u. Haus. 2. Bd. Aus d. mittleren Gesch. Regensburg, Verlags-Anst. IV, 218 S. M. 2,00. — 162) X A. R f e i o h l i n y. M e l d e g g ] , Regensburger Volkssagen für Jung u. Alt mit Abbildungen u.4 Taf. Regensbnrg, Wunderling. 110 S. M. 2,50. — 163) N. R e l t i s , StockenfelB bei ßegensburg. D. Verbannungsort d. Bierpantscher u. anderer Schelme nach d. Tode. 2. Aufl. Regensburg, Wunderling. III, 64 S. M. 1,00. — 164) X K e i t e r , D. Sagenwelt v. Tirol: NatZg. N. 388. (Anz. y. Zingerles Sagensammlung; ygl. JBL. 1891 I 5 : 2 3 6 ; s. o. N. 153.) — 165) X L - P r ö l l , W. L. Leeb, Sagen Niederösterr. (ygl. JBL. 1892 I 4:289): ÖLB1. 2, S. 204/5. (S. o. N. 153.) - 166) X R. W a i z e r , Reiskofl-Sagen: Carinthia 83, S. 90/3. —167) X T r e n k w a l d , Marienlegenden v. österr. Gnadenorten. Wien, St. Norbertus-Verl. 8 Taf. mit 4 Bll. Text. M. 11.00. |[ÖLB1. 2, S.560/l]| - 168) M. P a n l y , Perlen aus d. Sagenschatze d. Rheinlandes. Nach d. ältesten Qnellen erz. Mit 6 Bild. Köln, J. P. Bachen). 143 S. M. 3,00. — 169-170) X 0. L e h m a n n , D. schönsten Sagen d. Rheins. 3. Aufl. Mülheim a. R., Bagel. 177 S. M. 1,50. - 171) X H. P a l m , H. Pröhle, Rheinlands schönste Sagen n. Gesoh.: NatZg. N. 677. — 172) X Th. A u f s b e r g , Nürnberger Sagen. D.Jugend Nürnbergs neu erz. Nürnberg, F.Korn. 52 S. M. 0,45. (Im

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5 : 173-223

F. V o g t , Volkskunde.

dem alten Egergau, der sich jetzt auf Oberfranken, Oberpfalz, Böhmen und Sachsen verteilt, sind G r a d l s n 3 ) Sagen zusammengebracht. In den Anmerkungen werden mancherlei Parallelen nachgewiesen. — Weiteres bezieht sich auf das Erzgebirge 1 7 4 - 1 7 7 ), auf Deutsch-Böhmen 118 184 J, auf Schlesien 185 ), Mähren 186 ) und Galizien 187 ). — Aus N i e d e r d e u t s c h l a n d ist Oldenburg durch eine Geschlechtssage 188 ), Nordfriesland durch ein paar Kleinigkeiten 189 ), der Harz durch verschiedene Sammlungen 190 1 9 3 ) vertreten; ausserdem Brandenburg 1 0 4 " 1 9 5 ), Mecklenburg 196 197 ) und Ostpreussen 198-199 ). — Von den altbewährten M ä r c h e n - S a m m l u n g e n liegt die Grimmsche in einer illustrierten Prachtausgabe 200 ), in einer stattlichen Reihe von englischen Bearbeitungen 2 0 1 - 2 0 7 ) und in zwei französischen Auszügen 2 0 8 " 2 0 9 ) vor; auch die Bechsteinsche ist wieder erneuert 210 2 U ) , und neue Zusammenstellungen alten, seltener auch neuen Materials treten hinzu 2 1 2 - 2 2 0 ). — Zur G e s c h i c h t e d e r M ä r c h e n s t o f f e , mit denen ich hier die internationalen und die litterarisch entwickelten Sagen zusammenfasse, ist vor allem der schon erwähnte Band von Benfeys kleineren Schriften 220 ") zu nennen, in dem wir des Vf. bekannte Theorie von der Wanderung indischer Märchen- und Novellenstoffe ins Abendland chronologisch durch die wichtigsten Einzelabhandlungen hindurch bis an die Schwelle seines Pantschatantra verfolgen können. Auch für die deutsche Märchenkunde kommen besonders die aus den Jahrgängen 1858 und 1859 des „Ausland" wiederholten Untersuchungen über das Märchen von den Menschen mit den wunderbaren Eigenschaften und über das von der klugen Dirne in Betracht. — Von alten Sagenstoffen, die doch in dieser oder jener Weise auch für die Gegenwart ihre Bedeutung haben, werden die Tiersage 221 ), die Ueberlieferungen vom heiligen Rock 2 2 2 ) und von Alexander dem Grossen 223 ) in der Litteratur des Berichtsjahres behandelt wesentlichen e. ffir Kinder eingerichteter Auszug ans J . Priens „Nürnberger Geschichten u. Sagen.") — 173) O H. G r a d 1, Sagenbuch d. Egergunes. Eger, Kobrtsch & Gschihag. 1892. (Titelaufl. 1893.) VI, 95 S. M. 1,75. |[A. S c h l o s s a r : BLU. S. 633; T. R.: MVÖDB 8 . 31, S. 76/7.]| — 174) X E m i l i e W i m m e r , Erzgebirgs-Sagen: MNorJböhmEitoursClab. 16. S. 1117. — 175) X H . A l b e r t , D. schönsten Sagen ¿.sächsischen Schweiz u. d. Dresdener Elbthaies. Dresden, Albanus. 64 S. U. 0,50. JlZVVolksk. 3, S. 342/4.]I — 176) X R- P f u t z , Beitrr. z. Lokalgesch. d. oberen sächsischen Schweiz: D. Lobedänze: ÜBST. S.341/2. — 177) X 3< P i l k , E. Gefangener auf Hohenstein: ib. S. 337/8. — 178) X A - P a u d l e r , Sagenschatz aus DeutschbSlimen. Für d. Jugend ges. u. bearb. Leipa, Künstner. 106 S. Fl.0,45. |[MVGDB B 31, S. 76/7; A. P a u d l e r : MNordböhmExonrsCIub. 16, S. 77/9.]| — 179) X P- B e r n a u , Nordböhm. Lokal-Sagen. X V I : MNordböhmExcursClub. 16, S. 336-43. - 180) X E. N e d e r , Sagen u. Gelöbnistage: ib. S. 351/2. — 181) X F B l u m e n t r i t t , Natur u. Sago: ib. S. 373/4. — 182) X Wiechowsky, Sagen aus d. Umgegend v. Lüh: ib. S. 361/3. — 183) X E. R i c h t e r , Sagen aus Hortau n. Umgebung: ib. S. 354/6. — 184) X J . S c h a d e , Einige Sagen aus d. Braunauer Ländchen (Forts.): fiiesengebirge In Wort u. Bild. N. 1/2, S. 13/7. - 185) X K n : i u t h e, Schles. Volkssagen: Urquell 4, S. 223. — 18$) X W i l i b . M i l l e r , Sagen u. Geschichten d. Stadt Olmütz. III. T. J . Hilber. A Olmütz, Hölzel. 1892. 114 S. M. 1,80. - 187) X A. N a g e l b e r g , Sagen galiz. Juden: Urquell 4, S. 257. - 188) X - G r ö n i n g , D. Trinkhorn d. Grafen v. Oldenburg: ib. S. 208/9. — 189) X A - C a r s t e n s e n , Nordfries. Sagen: ib. S. 167/8, 259. — 190) X F G ü n t h e r , Aue d. Sagenschatz d. Harzlande. Hannover-Linden u. L., Manz & Lange. XII, 260 S. M. 5,00. (Naoh d. Anzeige T. K. W e i n h o l d in ZVVolksV. 3, S. 109 e. hauptsächlich für d. Schule bestimmte Ausw.) —191) X M. E i c h l e r , Harzsagen. D. schönsten Sagen u. Märchen aus d. Harze. D. Harzblumen 4. Aufl. Harzburg, Woldag. VII, 296 S. M. 1,75. - 192) X id., Harzsagen. Oberharz. D. Harzblumen 3. Aufl. ib. VIII, 155 S. M. 1,00. — 193) X O id., Harzsagen. Unterharz. D. Harzblumen 3. Aufl. ib. VIII, 141 S. II. 1,00. - 194) X C a r o l a v. E y n a t t e n , Brandenburger Sagen. L., Franke. 186 S. M. 1,50. |rA. S c h l o s s a r : BLU. S. 633.]j (Ansprechende Erzählungen unter Benutzung hist. u. sagenhafter Ueberlieferungen ans d. Mark, Unterhaltungsbnch.) — 193) X K H a a s e , Sagen aus d. Kreise TempUn: Urquell 4, S. 205/6. — 196) X F a b r i c i u s , Volkserzählungen aus Mecklenburg: KBIVNiederdSpr. 15, S. 51/2. — 197) X K- E- H a a s e , Sagen aus Mecklenburg: Urquell 4, S. 23/4. - 1 9 8 ) X A . T r e i c h e l , Steinsagen: ZHVMarienwerder. Heft 31, S. 1 - 1 5 . - 199) X >•• Sagen: ib. S. 29-73. — 2 0 0 ) X Brüder Grimm, Kinder- u. Hansmärchen. III. v. P. Grotjoliann u. R. Leinweber. St., Dtsch. Verlags-Anst. 4°. XV, 466 S. M 20,00. |[NiS. 64, S. 404/7; BLU. S. 95, 772/4; Geg. 43, S. 110; ThLBl. 14, S. 235J| — 201) X M . Household Stories. New ed. London, Boutledge. Sh. 1. — 2 0 2 ) X Ü . Household Stories transl. by H. B. P a u l i and L. A. W h e a t l e y , ill. London, Warne. 12°. Sh. 1/6. - 2 0 3 ) X id Wonder Tales, transl. by H. B. P a u l i and L. A. W h e a t l e y ill. ib. 12«. Sh. 1/6. - 2 0 4 ) id., Household Fairy Tales trans. By Ella Bodley ill. London, Griffeth. 4°. Sh. 3/6. — 2 0 5 ) X Fairy Tales. New edit. London, Boutledge. Sh. 1. — 2 0 6 ) X i d > Fairy Tales, transl. by H. B. P a u l i and L. A. W h e a t l e y . London, Warne. 12». Sh. 1/6. — 2 0 7 ) X id., Goblins, Fairy Tales, transl. by H. B. P a u l i and L. A. W h e a t l e y . III. ib. 12°. Sh. 1/6. — 2 0 8 ) X id- Cboix des Contes de la Familie, avec grar. Limoges, Ardant et Co. 12» 72 S. — 2 0 9 ) X M , Contes et Legendes. ( = Nouyelle Bibliothlque populaire N. 358.) Paris, Gautier. 36 S. Fr. 0,10. — 210) X B e e i l s t e i n . Ausgew. Märchen. ( = III. Jugendbibl. Her. von P h . W e y l e r N. 7.) Hamburg u. B., Bruer 4 Co. 52 S. M. 0,25. - 211) X i d - , Märchenbnoh für Kinder. Mit 64 Textabbild. u. 3 Buntbild. 2. Aufl. St., Loewe. IV, 153 S. M. 1,80 (ohne Bild. 1,20). - 212) X F- M a x , Dtsch. Märchenbuch. E. Samml. d. beliebtest. Kinder- u. Volksmärchen. Mit Bildern. Esslingen, Schreiber. III, 76 S. M. 1,00. — 213) X W e d d i g e n , D. dtsch. Jugend Schatzkästlein. Neue Märchen, Fabeln, Sprüche u. Bätsei nebst fünfzig neuen Kinderliedern u Gebeten. Mit III. B „ Büger. 142 S. M. 3,00. (Nicht Sammlung, sondern selbständige Erfindung. Sehr hübsch ausgestattet.) — 214) X 0- F ö r s t e r , D. schönsten deutschen Märchen als Lesestoff f. d. 2. oder 3. Schuljahr nach Grimm, Bechstein u. A. Godin bearb. L., Leiner. 32 S. M. 0,25. (E. guter Gedanke, einige d. schönsten Volksmärchen in dieser Weise pädagogisch zu verwerten u. sie in hübscher Ausstattung auch d. Aermsten zugänglich zu machen!) — 215) X V i l l a m a r i a , Elfenreigen. Dtsch. n. nordische Märchen aus d. Reiche d. Biesen u. Zwerge, d. Elfen, Nixen u. Kobolde. Für d. Jugendwelt. III. Prachtausg. 6. Aufl. L., Spamer. VII, 433 S. M. 5,00. — 216) X J n l - H o f f m a n n , Märchenwundergarten. E. Samml. echter Kindermärchen. Mit Bildern. S t , Loewe. Fol. III, 32 S. M. 4 , 0 0 . . - 217) X id., Märchenwelt. E. Auswahl d schönsten Märchen, für d. Jugend bearb., mit Bild. 3. Aufl. St., K. Thienemann. 208 S. M. 2,00. — 218) X A r n d t , Es war einmal. E. Samml. d. schönsten Märchen, Sagen u Schwänke. Für d. Jugend her. Mit 18 Bild. u. 116 Textill. 3. Aufl. St., Loewe. V, 281 S. M. 3,50. — 219) X T. H o f f m a n n , Ins Märchenland. E. Samml. echter Kindermärchen mit Bildern. St., Loewe. Fol. III, 32 S. M. 4,00. — 2 2 0 ) X >'-• Märchenzauber. E. Sammlung echter Kindermärchen mit Bild. ebda. Fol. III, 64 S. M. 6,00. — 2 2 0 a ) (S. o. N. I.) — 221) X J- N o v e r , D. Tiersage. ( = SGWV. N. 164.) Hamburg, Verlagsanst. 48 S M. 1,00. |[R. M. M e y e r : ML. S. 532.]| (Vgl. J B L . 1892 I 4 : 333; s. u. I I 3 : 1 3 . ) - 2 2 2 ) X A - S c h u l l e r u s , D. graue Rook Christi: KBIVSbnbgLK. 16, S. 71/2. (Grau ist hier nicht Farbenbezeichnung, sondern es bedeutet e. bestimmte grobe, naturgefärbte Tuchart.) — 2 2 3 ) X L. F r | ä n k e l ] , D. Cutraroli, La legenda di

F. V o g t , Volkskunde.

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5 : 224-233

oder wenigstens berührt. — Die Faustsage ist von K i e s e w e t t e r 224 ) mit besonderer Berücksichtigung des mittelalterlichen Zauberwesens, von K ü c h l e r 2 2 5 ) lediglich im Hinblick auf Goethes Dichtung behandelt worden. — Zur Sage vom ewigen Juden hat N e u b a u r 2 ' 2 6 ) in einer zweiten Auflage seiner Schrift einen Nachtrag geliefert. — Von den sieben Schwaben handelt ein kleiner Aufsatz Holders 2 2 7 ). — Golthers 2 2 8 ) Beitrag zur Festschrift für M. Bernays betrifft ein aus der mittelalterlichen Litteratur bekanntes Sagenmotiv, die Veranlassung der Liebeswerbung um die fernweilende schönhaarige Jungfrau durch den Anblick eines Haares, das eine Schwalbe ihr entführt hat, und in Verbindung damit das Motiv, dass ein Betrüger den Versuch macht, die Früchte der Thaten des Helden für sich zu ernten. Beides zusammen findet sich sowohl in der Gaaungu-Hrolfssaga als auch in der Tristansage, was G. nicht auf direkte Beeinflussung der Saga durch die Trisfandichtung, sondern auf einen alten gemeinsamen Sagenkern zurückführt. — Eine neue Frucht seiner oft bewährten, vielseitigen Belesenheit bietet uns H e r t z 2 2 9 ) dar, indem er durch die gelehrte und poetische Litteratur des Morgen- und Abendlandes • einen Stoff verfolgt, der für die Volkskunde in mehr als einer Hinsicht von Interesse ist. In den pseudoaristotelischen „Secreta Secretorum" wird erzählt, wie ein Versuch, Alexander den Grossen durch die Umarmungen eines von Jugend auf mit Schlangengift genährten Mädchens zu töten, von Aristoteles vereitelt wird. Diese Geschichte erlangte mit verschiedenen Variationen weite Verbreitung. Es zeigt sich, dass ihr Ueberlieferungen und Vorstellungen zu Grunde liegen, die durch die arabische Litteratur auf Indien zurückleiten. Der Glaube an die Tötlichkeit des Blickes, des Hauches, der Worte, des Bisses und der Umarmungen solcher Giftmädchen wird nun vom Vf. im Zusammenhange mit weiten Kreisen verwandter Vorstellungen des Volksglaubens erörtert, unter denen er namentlich die von der Gefährlichkeit der Defloration für den Mann hervorhebt und als eigentlichen Grund für die in den verschiedensten Zeiten und Gegenden verbreitete Sitte der Defloration der Braut durch einen Dritten zu erweisen sucht. Auch die Tradition von Giftmännern wird berührt, und ihr Zusammenhang mit der Sitte des Opiumgenusses gezeigt. — Für die aus Pseudo-Lucian und Apulejus bekannte Geschichte von der Verwandlung eines Menschen in einen Esel bringt W e i n h o l d 2 3 0 ) Parallelen aus den deutschen Volksmärchen, sowie eine analoge indische Ueberlieferung bei und stellt mit musterhafter Knappheit und Klarheit das Verwandtschaftsverhältnis der verschiedenen Versionen dar, wobei ich jedoch nicht von der Notwendigkeit überzeugt worden bin, für die deutsche Tradition noch eine andere Grundlage als die Erzählung des Apulejus und die doch wohl auch in Betracht kommende Uebersetzung des Lucian durch Niklas von Wyle anzunehmen. Der Vf. schliesst mit einem weiten Ausblick auf den uralten Glauben an die Möglichkeit des Ueberganges von Menschen in Tiere, die „wilde anthropologische Idee" von der Verschiebbarkeit der Grenzen unter den belebten Wesen. — In diesen Kreis gehört auch ein Märchen, das durch D a m k ö h l e r 2 3 1 ) aus der Gegend von Blankenburg im Harz mitgeteilt, von W e i n h o l d mit verwandten Erzählungen verglichen wird. „Das Grundthema ist, dass ein Vater genötigt wird, seine liebste Tochter an ein tierisches Wesen zu geben, das aber ein verzauberter Mensch ist; seine Erlösung wird durch das Mädchen vollzogen." — Ein methodologisch wichtiges Beispiel dafür, wie man ein Märchen zweckmässig zergliedern kann," um übereinstimmende und abweichende Züge durch die Weltliteratur zu verfolgen, giebt M a r i a n R o a l f e C o x 2 3 2 ) durch ihre Behandlung von „Aschenbrödel", „Allerleirauh" und „Die Gäiisehirtin am Brunnen". — S p i l l e r 2 3 3 ) geht den Spuren des Dornröschens durch die verschiedenen Litteraturen nach und kommt zu dem Ergebnis, dass eine indische Version, die Miss Frère im J . 1865 aufgezeichnet hat, auf den Ursprung des Märchens in Indien hinweise. Von dort, wo es sich als ein Sonnenmythüs darstellt, ist es nach Sp.s Meinung durch die Weltliteratur gewandert. Nach Deutschland ist Dornröschen aus Frankreich gekommen. Sp.s eindringende Forschung sucht zugleich allgemein gültige Prinzipien für die Untersuchung derartiger Gegen-

Alessandro Magno: LCB1. S. 258/9. — 224) C. K i e s e w e t t e r , Faust in d. Gesch. u. Tradition. Mit bes. Berücksichtig, d. ottalten Phaenomenalism. u d. mittelalterl. Zauberwesens. L„ Spohr. XXIII, 567S. M. 10,00. ( V g l . 1 1 0 : 2 5 ; U 3 : 2 8 ; 1113:2.) — 225) C. K ü c h l e r , Faustsagnet og Göthes Faust. Kjöbenhavn, Höst 8s Son. 77 S. (S. u. IV 3e.) — 226) L. N e u b a u r , Nene Mitteilungen über d. Sage t . ewigen Jaden. L., Hinrichs. 111,213. M. 0,60. |[ß. D a l m a n : ThLBl. 14, S. 515/6; ZYVolksk. 3, S. 344; BLÜ. S. 447; L. F r a n k e l : LCB1. S. 988/9.]j (Anch als Anh. zu Neubaur, D. Sage vom ewigen Jnden. 2. verm. Ausg. ebd.; Tgl. I 10:14.) — 227) A. H o l d e r , D. Sage v. d. 7 Schwaben nach ihrer kulturgesch. Bedeutung u. ihren kirohl. Beziehungen : DPB1. 26, S. 290,3. — 228) W. G o l t h e r , D. Jungfrau mit d. goldenen Haaren. ( = 1 1 : 1 1 8 , S. 167-76.) — 229) W. H e r t z , D. Sage rom Giftm&dchen. (Aus AbhAkMfinchen.) München, G. Franz. 4°. 78 S. M. 2,40. (Vgl. I 10:7.) — 2 3 0 ) K. W e i n h o l d , Ueber d. Märohen v. Eselmenschen: SBAkBerlin. S. 475-88. |[R. B a s s e t : RTP. 8, S. 507/8.11 (Vgl. 1 1 0 : 5 . ) — 231) B. D a m k ö h l e r , D. Wolf mit d. Wockenbriefe. Märchen in Kattenstedter Mundart, erl. r. K. W e i n h o l d : ZVVolksk. 3, S. 189-205. — 232) M a r i a n K o a l f e C o x , Cinderella. Three hundred and forty-fire variants of Cinderella, Catskin and Caps o'rushes, abstracted and tabulated, with a discussion of mediaeval analogues and notes. With an introd. by A. L a n g . London, Nutt (Folk•Lore Society). LXXX, 535 S< j[H. F. F e i l b e r g : Urquell 4, S. 103/4; K. W e i n h o l d : ZVVolksk. 3, S. 233/4.J| — 233) R. S p i l l e r , Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 10

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5 : 234-264

F. V o g t , Volkskunde.

stände zu gewinnen, und die Art, wie er das Verhältnis der einzelnen Versionen genau und übersichtlich darstellt, verdient alle Beachtung. Aber ich glaube, es lässt sich zeigen, dass er die Bedeutung der indischen Erzählung überschätzt hat, und diese Erkenntnis wird zu einer abweichenden Auffassung von dem Wesen und der Entwicklung dieses Märchens führen. — Sonst sind nur kleine Beiträge zur Märchenlitteratur zu verzeichnen234"242), von denen solche zur Anekdoten- und Schwanklitteratur 243-244 ) kaum zu trennen sind. — Unter den kleinen Aufsätzen, die sich mit der Geschichte und dem Wesen des V o l k s l i e d e s im a l l g e m e i n e n beschäftigen245"247), mögen zwei Artikel hervorgehoben werden, welche dieGefahrdung des Volksliedes durch den modernen Gassenhauer betreffen. Während der eine jene alte echte Poesie gegen den von Operette und Tingeltangel gezeugten grossstädtischen Emporkömmling zu schützen mahnt248), spendet der andere auf eine verwandte Klage der Grenzboten den zweifelhaften Trost, dass es auch in früheren Zeiten Gassenhauer gegeben habe, und dass auch bessere Kunstlieder das Volkslied verdrängen helfen 249 ). — Eine Abhandlung von F l a i s c h l e n 2 5 0 ) führt die kleinen Veränderungen, die Uhlands Lied vom treuen Kameraden im Volksgesang erfahren hat, auf allgemeinere Gesichtspunkte zurück, und so behandeln auch andere kleinere Mitteilungen einzelne Volkslieder oder inhaltlich zusammengehörige Gruppen.251 258 ) — An der Spitze der Volkslieder S a m m l u n g e n können wir erfreulicher Weise eine neue Ausgabe des grundlegenden u m f a s s e n d e n Werkes von Uhland, durch F i s c h e r 2 5 9 ) veranstaltet, verzeichnen, die durch ihren billigen Preis den weitesten Kreisen zugänglich ist. Nicht nur die Lieder selbst, sondern auch die für die Volkskunde in weiterem Umfange so fruchtbare Abhandlung mit den zu ihr gehörigen Anmerkungen sind unverkürzt wiedergegeben, während die Anmerkungen zu den Liedern, die durch neuere Publikationen am ehesten entbehrlich geworden sind, fortblieben. F.s Einleitung bestimmt in besonnener Weise das Wesen des Volksliedes, skizziert in aller Knappheit seine Geschichte in Deutschland und giebt von Uhlands bezüglichen Studien ein liebevoll und treffend gezeichnetes, sehr ansprechendes Bild. 260-261 ) — Da diejenigen Sammlungen, welche die Volkslieder zugleich in Wort und Weise wiedergeben, in dem Kapitel Musik besprochen werden (s. u. I 13), so möge in. Bezug auf B ö h m e s 2 6 1 » ) Neubearbeitung und Fortsetzung von Ercks deutschem Liederhort hier die Bemerkung genügen, dass sie auch für die Texte von Bedeutung ist. — Weitaus die meisten Sammlungen beschränken sich auf e i n z e l n e L a n d s c h a f t e n ; sie werden hier mit Sondermitteilungen über die betreffenden Gebiete zusammengefasst. Unter den o b e r d e u t s c h e n 2 6 2 ) tritt vor allem Tirol hervor. Ein zweites Bändchen lebensfrischer Tiroler Volkslieder in der allerliebst ausgestatteten Liebeskindschen Sammlung haben wir wieder Gr ein z und dem inzwischen verstorbenen K a p f e r e r 2 6 3 " 2 6 4 ) zu danken. Neben den poetisch ansprechenden Stücken von mancherlei Art, die es enthält, können die Weihnachts - Hirtenlieder und ein Dreikönigslied auch ein litterarhistorisches Interesse beanspruchen. — Eine .Z. Gesell, d. M&rchens vom Domröschen. Progr. d. Thorganischen Kantonschule. Frauenfeld, Huber & Co. 4°. 36 S. — 234) X J. B o l t e , Zu d. Märchen y. d. sieben Grafen: ZVVolksk. 3. S. 61/7. (Dazu ib. S. 462/3; vgl. I 10:12.) — 235) X H. U l l r i c h , D. Schneiderleins Glück: ib. S. 452/6. — 236) X IJ- F r ä n k e l , Z. Märchenmotiv v. d. drei findigen Brüdern (oder Genossen): ib. S. 96. — 237) X K. D i r k s e n , Asar u. Gemir. Ostfriesisches Mirchen: ib S. 386/7. — 238) X C a r s t e n s , D. Härchen y. d. Königstochter, d. nicht laohen konnte: ib. S. 436/9. — 239) X St. P r a t o , Le dodici parole della yerita: ASTP. 12, S. 38-53. (Nimmt auch auf dtsch. Ueberlieferungen Bezug. Dazu F. V a l l a ib. S. 378-85 n. St. P r a t o S. 422-34, 571-80.) — 240) X K Ed. H a a s e , Z. Entenbaum: ZDU. 7, S. 62. (Erklärung d. Zeitungsente ans d. bei Seb. Münster nachgewiesenen fabelhaften Entenbaum.) — 241) X A. J- C h a m b e r l a i n , Sagen y. Ursprung d. Fliegen u. Moskiten. E. Beitr. z. vergleich. Volksk.: Urquell 4, S. 129-31. — 242) X A. H a a s , Sagen y. Ursprung d. Fliegen: ib. S. 201/2. — 243) X J B o l t e , D. Schwank Y. d. drei lispelnden Schwestern: ZVVolksk. 3, S. 58. (Vgl. dazu A. T r e i c h e l s Umfrage: Urqnell 4, S. 101-69; vgl. I 10: 32.) — 243 a ) X J- S p i e s s e r, M&nsterth&ler Anekdoten: JbGElsLothr. 9, S. 87-92. — 244) X K n o o p , Schnurren n Schnaken aus Bilgen: Urqnell 4, S. 72/3, 100/1. — 245) X V- C i a n , La poesia popolare nella storia letteraria: ASTP. 12, S. 277,'9. — 246) X S ö h n s , P. Erfurth, d. dtsch. Volksdichtung: COIRW. 21, S. 562. — 247) X E. B„ Voranzeige v. lt. A. Kendels „titude de quelques chants populaires allemands": AnnEat. 7, S. 141. — 248) Volkslieder n. Gassenhauer: Didaak, S. 548. — 249) Volkslied u. Gassenhauer: Kw. 6, S. 372/3. — 250) C. F l a i s o h l e n , Z. Volksdichtung: ZVVolksk. 3, S. 79-85. (Dazn e. kleiner Zusatz y. Ch. H. S t e i n t h a l . ) — 2511X & dtsch. Volkslied alB französ. Cit&t: Didask. S. 696. („Les morts vont vite, corome dit le poäte allemand" [Edro. About].) — 252) X L F r a n k e l , Zu „ID. Volkslied im Studentenmund": Urquell 4, S. 174. — 253) X E r i « b S c h m i d t , Ueber d. Tannenbaumlied. Vortr-, geh. in G1>L. Referat: VossZg. N. 51. (Sch. wies darin u. a. auch e. neue- Fassung d. Liedes aus Göckingks Emigrationsgeschichte [1734] nach.) — 254) X K- & H a a s e , Z. Zauberspruch in Anerbaohs Keller: ZDU. 7, S. 141/2, 501/2, 692/4. (Kettenreimpredigt.) — 255) X A E n g l e r t , Varianten zu d. Kinderliedchen „Christkindchen komm in nnser Haus": ib. S. 266/7. — 256) X A. H e i n t z e , Zwei Volkslieder (entnommen e. geschriebenen Soldaten-Liederbnche): ib. S. 762. — 257) X 0. S c h e l l . Bastlösereime. Umfrage: Urquell 4, S. 26/7, 172/3. - 258) X > d - E. Kinderreigen y. Dornröschen: ib. S. 259-60. — 259) L. Uhland, Alte hoch- u. niederdtsch. Volkslieder mit Abhandl. u. Anm. her. 3. Aufl. Mit Einleit. v. Herrn. F i s c h e r. Bd. 1/4. ( = Bibl. d. Weltlitt. N. 206-10.) St., Cotta. 346, 320, 308, 260 S. M. 4,00. — 260) X R. S p r e n g e r , Zu Uhlands Volkliedern n. Simrocks dtBCh. Mythologie: Urquell 4, S. 33/4. (Betrifft d. Götchen genannten Hausgeister.) — 261) X O E. kleine Sammlung beliebter Volkslieder u. Schnadahüpfeln. Regensburg, Habbel. 16°. 24 S. M. 0,10. — 261a) (Vgi. auch I I 2 : 1 . ) — 262) X O . H e i l i g , Gassenlieder aus Pülfringen im badischen Hinterland: Alemannia 21, S 202/3. — 263) R o d . H. Gr e i n z u. J. A. K a p f e r e r , Tiroler Volkslieder. 2. Folge. L., Liebeskind. 16°. 185 S. M. 1,50. |[LZgB. N. 65; BLU. S. 280; Geg. 44, S. 15; COIRW. 21, S. 439.]| — 264) X A - S c h l o s s a r , Tiroler Sohnadahnpfeln: BLU. S. 680. (Recens:

F. V o g t , Volkskunde.

I 5 : 265-299

hübsche Auswahl aus gedruckten Sammlungen von Schnadahüpfeln hat G'u n d l a c h 265 ) zusammengestellt und im Anschluss an ältere Darstellungen mit einer Einleitung versehen, die in ihrem metrischen Teile freilich schon beim Erscheinen veraltet ist. Mit Daktylen, Anapästen und Amphibrachen kommt man dem Schnadahüpfel so wenig bei wie mit der Behauptung, dass jeder seiner Verse zwei betonte Silben habe, während die Zahl der unbetonten Silben ganz beliebig sei. Das Wesentliche ist bei diesen von der Musik unzertrennlichen Versen der Rhythmus, und bei ihm kommen neben den Hauptaccenten und den Senkungen vor allem auch die Nebenaccente in Betracht. Dem Benutzer des Büchleins, der sich Klarheit über diese Dinge verschaffen will, werden die 8 beigegebenen Singweisen mehr helfen als jene metrischen Auseinandersetzungen. 266 ) — Aus den übrigen süddeutsch-österreichischen und aus den deutsch-ungarischen Gebieten sind nur kleine Beiträge aufzuführen 261 219j. — Aus M i t t e l d e u t s c h l a n d liegen die Sammlungen von B e c k e r 2 8 0 28°!i), W o l f r a m 2 8 1 ) und die Fortsetzung der mit reichhaltigen Nach Weisungen versehenen LeWalterschen 2 8 2 ) vor. — Zu dieser und zugleich zu Hruschkas und Toischers böhmischen Volksliedern (vgl. JBL. 1892 IV 2:362) giebt V o r e t z s c h 283 ) wichtige Ergänzungen und Parallelen, die mehrfach erst den richtigen Zusammenhang oder die Art der Zusammensetzung einzelner Lieder erkennen lassen, wobei er zugleich vier neue Lieder aus Nordböhmen hinzufügt. 284 ) — F r e y t a g s 2 8 5 ) historische Sammlung ist als Volksbuch gedacht und demgemäss ohne wissenschaftliche Beigaben. Doch sind die Quellen überall angegeben. Mit deni 16. Jh. anhebend, reichen die Lieder in 114 Nummern bis auf die Gegenwart. Nicht alle sind eigentliche Volkslieder. — Neben Sachsen ist auch Deutsch-Böhmen 286 ) und Schlesien vertreten 287 " 288 ). — Der Titel eines kleinen Aufsatzes von M e n k e s 289), der die oberschlesischen Volkslieder zu behandeln verspricht, führt irre, da er nur von polnischen Volksliedern und nicht nur von denen der Oberschlesier handelt. Oberschlesien gehört aber nicht zu Polen, und zu den Volksliedern der Oberschlesier gehören auch die deutschen. 290 ) — Aus N i e d e r d e u t s c h l a n d 2 9 1 _ 2 9 8 ) ist eine umfänglichere Sammlungnur für Preussen beigesteuert. Längst durch Frischbier zusammengestellt, ist sie erst jetzt nach dessen Tode durch S e m b r z y c k i 2 9 9 ) veröffentlicht. Ein sehr beträchtlicher Teil der Lieder ist aus den preussischen Provinzialblättern entnommen; andere Stämmen aus schriftlicher und mündlicher Mitteilung. Es sind Balladen, Liebeslieder, Standesund Berufslieder, denen dann noch ein „Vermischtes" umfassender Anhang beigegeben ist. Kinderlieder sind ausgeschlossen. Dass die Ballade „Herr Olof (Rolof) reitet so spät und so weit" aus Herders Volksliedern stamme, hätte in der Anmerkung nicht bezweifelt werden sollen. Interessant ist es immerhin zu hören, dass sie im Volksmunde einige Aenderungen erfahren hat. Die Anmerkungen geben Aufschluss über die Quellen und freilich nicht erschöpfende litterarische Nachweise über Parallelen der einzelnen Lieder. Zu bedauern ist es, dass die Melodien nicht, soweit sie noch erreichbar waren, mitgeteilt sind. Bei alledem bleibt die Sammlung recht beachtensd. Samml. y. K. H. Greinz n. J. A. Eapferer, vgl. JBL. 1890 IV 2 :173.) — 265) F. G u n d l a c h , 1000 Sohnadahüpfeln. ( = ÜB. N 3101/2.) L., Reclam. 212 S. M. 0,40. - 266) X J- P o m m e r , 252 Jodler u. Juchezer ges. Wien, Rebay u. Eobituchek. XII, 212 S. M. 2,50. — 267) X & M. S t e i n i n g e r , D. Wieoer Volkslied: Geg. 44, S. 404/8. — 2681 X Trnta u. Scherz. Volkslieder ans Steiermark: Heimgarten 16, S. 52/3. — 269) X F r- F r a n z i s z i , Hirtenlieder aus d. Möllthal: Carinthia 83, S. 63,4, 93/4. - 270) B. S c h a t t e l k o p f , Kinderreiroe u. Kinderspiele in Kärnten. (1. Nachtr): ib. S. 23/5. (Vgl. JBL. 1890 I 5 : 3 3 ; 1891 1 5:274.) — 271) X R- D ö r n w i r t h , Berg u. gruben Beim, Welcher am GrasB Frugantner Berg bei Einsperung GespTach(en) wird: ib. S. 120/6. (Kärnt. Bergwerkslied.) - 272; X A - F. D ö r f l e r , Dtsch. Volkslied ans Sädungarn: Urquell 4, S. 274. — 273) x A H e r r m a n n , Dtsch. Volksreime ans Kremnitz: ib. S. 220/1. — 274) X Dobschaner Gassenhauer: ib. S. 91/3. — 275) X G- V e r s e n y i , Dtsch. Volkslieder ans d. Körmöczb&nyaer Gegend: EthnMUng. 3, S. 255/6. — 276) X id., Dtsch. Einderreime ans d. Gegend v. Körmöczbänya: ib. S. 101. — 2 7 7 ) X Parallelen u. Bemerkungen zu Stellen in d. EthnMUng.: ib. S. 291/4. (Kinderreime.) - 278) X K . F u c h s . E. alte Beschwörungsformel: ib. S. 240,3. (Aus Zipsen; Kinderreim.) — 279) X Sieben bürg.-Sächsischer Kinderreigen: KBIVSbnbgLK. 16, S. 57. — 280) K. B e c k e r , Rheinischer Volksliederborn. Auswahl d. edelsten u. schönsten Volkslieder mit ihren Melodien d. verschiedenen Gegenden d. Rheinlande. Aus d. Munde d. Volkes u. aus geschriebenen Liederbflchern gesamm. Neuwied, Heuser. IX, 127 S. M. 2,50. — 280A( X H. M e r k e n s , Altes Kölner Studentenlied. Volkslied: Urquell 4, S. 173. — 281) E. H. W o l f r a m , Nassauische Volkslieder nach Wort n. Weise aus d. Munde d. Volkes gesamm. B., Sigismund. 462 S. M. 4,00. — 282) J. L e w a l t e r , Dtsch. Volkslieder. In Niederhessen aus d. Munde d. Volkes gesamm., mit einfacher Klavierbegleitung, geschieht], u. vergleichenden Anmerkungen. Heft 1/4. Hamburg, Fritzsche. X, 68 S.; VIII, 72 S.; IV, 74 S.; VIII, 72 S. ä M. 1,00. — 283) K. V o r e t z s c h , Zu d. dtsch. Volksliedern aus Böhmen u. aus Niederhessen: ZV Volksk. 3, S. 176-89. (Nachtr. dazu v. V. selbst u. A". E n g I e r t ib. S. 337/8 ) - 284) X W i 1 h. M ü l l e r , Volkslieder UUB d. Spessart: Urquell 4, S. 144/5. — 285) E. R. F r e y t a g , Ilist. Volkslieder d. sächs. Heeres. Dresden, Glöss. VII, 175 S. M. 3,00. |[A. S c h l o s s a r : BLU. S. 262.JI - 286) X F. K n o t l i e , Volksdichtung u. Kinderspiele im nordöstl. DeutschBöhmen. (Fortsetzung): Biesengebirge in Wort u. Bild. N. 1,2, S. 8-13, N. 3/4, S. 13/7. (Vgl. JBL. 1892 1 4 : 1 1 6 . ) - 287) X K . K n a u t h e , Kinderreime aus Schlesien: Urquell 4, S. 232/3. - 288) X J. B o l t e , E. Breslaner hist. Volkslied y. J. 1490: ZDA. 37, S. 231/5. — 289) H. M e n k e s , D. Volkslieder d. Oberschlesier: Zeitgeist N. 38. — 290) X A N a g e l b e r g , Judendtsch. Kinderlieder: E Urquell 4, S. 119-20. (Galizien.) - 291) X O. G l ö d e , Niederdtsch. Wiegenlieder: ZDU. 7, S. 269. — 292) X - Hanse, Z. Rummelpott: ZDU. 7, S. 275. (Vgl. JBL. 1892 1 4 : 236/8; IV 2:279-80.) - 293) X O. S c h e l l , Bergisohes Volkslied: Urquell 4, S. 20. — 294) X 0. B r e m e r , Plattdentsch in Halle: KBIVNiederdSpr. 16, S. 70/1. (Dazu S. 88.) — 295) X Fastnachtlieder: Urqnell 4, S. 31. (Mark.) — 296) X Colin. S c h u m a n n , Ficcberlieder ans Gothmund bei Labeck.: ib. S. 164/7. — 297) X 0. G l ö d e , Volkslieder ans Mecklenburg: ib. S. 71/2. — 298; X >d-i E - hochdtsch. Volkslied ans Mecklenburg: ZDU. 7, S. 428. — 299) H. Frischbier, Hundert ostpreuss. Volkslieder in hochdtsch. Sprache. Her. v. J. S e m b r z y c k i , L., Reisner. VIII, 152 8.

10*

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5 : 300-327

F. Vogt, Volkskunde.

wert300). — Schon über das deutsche Sprachgebiet hinaus führt Nasts 3 0 1 ) Studie über die Dainos, die besonders wegen ihres den Melodien gewidmeten Teiles Beachtung verdient. — In einem Schlussabschnitt sei V e r s c h i e d e n e s zusammengestellt. Von der S p r u c h poesie des Volkes ist das wichtige Kapitel der Inschriften diesmal nur durch einige wenige kleine Beiträge vertreten302"307); eine Gattung altdeutscher Sprüche hat Limbach308) ohne Glück zu modernisieren gesucht, während Keils 3 0 9 ) an anderer Stelle eingehender zu besprechendes Werk über die Stammbücher einen wertvollen Beitrag nicht nur zur Geschichte des Sinnspruches, sondern auch zur deutschen Kulturgeschichte liefert. Freilich betrifft das Buch nicht das eigentlich Volkstümliche, wie auch die Sammlung von Eichholz 3 1 0 ) lediglich Sprüche und Wendungen im Munde der Gebildeten betrifft. Geläufige lateinische Redensarten werden hier in alphabetischer Anordnung aufgeführt und übersetzt, gelegentlich auch erklärt. Vielfach wird der Autor, von dem sie ausgehen, angegeben, aber ohne genaueres Citat; sehr oft fehlt jede weitere Angabe über den Ursprung. Das Buch soll dem des Lateinischen nicht genügend Kundigen dienen. — Eine ältere S p r i ch wö r t312 e r quelle verwertet L auch er t 311 ); eine inhalt313 lich verwandte Sprichwörtergruppe ) stellt Freund ) zusammen, indem er eine rosse Anzahl deutscher Sprüche, zu denen er auch solche aus der Edda zählt, ohne ¡uellenangabe und ohne Rücksicht auf ihren einheimischen oder fremden Ursprung unter den recht weit gefassten Begriff der Treue und Untreue bringt. — Sonst liegen nur Sprichwörtersammlungeap 314 für316bestimmte Gegenden vor und zwar verschiedene kleine für süddeutsche Bezirke ) und für ober- und mitteldeutsche Kolonisationsgebiete 317-321 ), eine weit umfassendere für Niederdeutschland. Diese umfängliche, vom Verleger sehr gut ausgestattete Sammlung Eckarts 3 2 2 ) könnte in weiten Kreisen auf Dank und Beifall rechnen, wenn in ihr nicht die einfachsten Anforderungen, die man an die Gewissenhaftigkeit eines Herausgebers stellen muss, gröblich vernachlässigt wären. Das Aergste ist, dass, wie S e e l m a n n nachgewiesen hat, die Sammlung, die E. auf den Gebieten von Oldenburg bis Schlesien (!), von Ostpreussen bis zur Rheinprovinz „aus dem Volksmunde" und ihm „reichlich zu Gebote stehenden Specialforschungen gesammelt" haben will, nichts weiter ist als ein nachlässiger und verkehrt angelegter Auszug aus Wanders Sprichwörterlexikon mit ganz unbedeutenden Zusätzen aus anderen Quellen, die nicht einmal von der Ausnutzung der in dem mangelhaften Literaturverzeichnis erwähnten Sammlungen zeugen. — Weit verdienstlicher als eine Kompilation von solcher Art ist eine auf das kleinste Gebiet beschränkte Sammlung, wenn sie selbständig angelegt und gewissenhaft ausgeführt ist, wie Dirksens 3 2 3 ) Meidericher Sprichwörterbüchlein, das, zuerst 1890 erschienen, jetzt in einer um einige Anmerkungen vermehrten Ausgabe vorliegt, die auch über das Gebiet der Mundart hinaus Verbreitung finden soll. Für diesen Zweck hätte allerdings noch etwas mehr für die Worterklärung geschehen können, wenn auch andere Erläuterungen dafür hätten verkürzt werden müssen. — Auch auf anderen niederdeutschen Gebieten hat man einiges dieser Gattung zusammengestellt324'321). —

g

M. 3,00. |[Urqnell 4, S. 128; LCB1. S. 1619; A. S c h l o s s a r : BLU. S. 262/3.]| — 3 0 0 ) X i d -. Preuss. Voüereirae u. Volksspiele (Tgl. JBL. 1892 I 4 : 361). |[L. B.: Wisla. 1892, S. 691; 1893, S. 190; J. S o m b r z y o k i : KwH. 7, S. 302.JI — 301) L. N a e t , D. Volkslieder d. Litauer inhaltl. n. muBikal. Progr. d. Gymn. Tilsit. 4°. 62 S. — 302) X S c h l o s s a r , L. v. Hörmann, Grabschriften u. Marterln (JBL. 1892 I 4 : 7 4 ) ; id., Volkstüml. Sprichwörter (ib. I 4 : 347); id., Haussprüche (ib. I 4 : 352): BLU. S. 278-80. (Ledigl. Auszüge aus Höriuanns Samml. finden sieh unter „Grab6chriften u in d. III. Bibl. Prochäska 1, S. 123/5.) — 303) x F- I l w o f , Allerlei Inschriften aus d. Alpenliuidern: ZVVolksk. 3, S. 278. (Heist Hausinschriften.) — 304) X E. K e i t e r , Grabschriften u. Marterln in d. Alpen: ÖUB. 14, S. 411-24. — 305) X H. G u t s c h e r , Volkspoesie auf Gräbern: DZg. N. 7847. — 306) X M - F r h r . zu A i c h e l b u r g , Inschriften an Haus n. Ger&t: Carinthia 83, S. 127/8. — 307) X H. H a r t m a n n , Inschriften aus d. Bauernhäusern im Kreise Wittlage: MYGOsnabrück. 17, S.410/5. — 308) P h . S t r a u c h , H. Limbach, Priameln. E. ausgew. Samml. altdtsch. Sinngediohte. Dresden, Albanus. 1892. XV, 106 S. M. 2,00: DLZ. S. 366;7. — 309) (I 4:141.) — 310) K. E i o h h o l z , Latein. Citate mit dtsch. Uebersetz. Latein. Sprüche, Wörter u. Sprüchwörter. Hamburg, Berendsobn. IV, 176 S. M. 2,00. — 311) I1. L a u d i e r t , Sprichwörter u. sprichwörtl. Redensarten bei Abraham a Santa Clara. (Aus Alemannia.) Bonn, P. Hanstein. 42 S. M. 1,00. (Vgl. JBL. 1890 III 5:17.) — 312) X F r f i n k e l , D. Tadel d. Zuvielredens in Sprichwort u. Volksanschauung. Umfrage: Urquell 1, S. 14, 123, 131,3, 157,'8. — 313) L. F r e u n d , D. Treue im Spiegel d. Spruchweisheit I. Dtsch. Sprüche u. Sprichwö^er. 2. Durch Nachtrr. yermehTte Ausgabe. L., Kössling. 1892. 50 S. M. 1,20. |[A. S c h r o e t e r : BLU. S. 681/8.] | — 314) X J - R a t h g e b e r , Elsäas. Sprichwörter u. sprichwörtl. Redensarten: JbGElsLothr. 9,S.98-101. - 3 1 5 ) X S p i e s e r , Sprichwörter in Waldhabacher Mnndart: ib. S.93/7.— 316)X H B a z i n g , Sprichwörter u. Redensarten aus d. Gegend T. Waldsee mitget,: MVKunstAUlm. 4, S. 30/2. (GeB. T. P e t e r . ) — 317) J. R. B A n k e r , Heanzische Sprichwörter: EthnMUng. 3, S. 287-91. — 318) X M W e i s s b e r g , Spriohwörter galizischer Juden: Urquell 4, S. 256,7. — 319) X J- A C h a r a p , Sprichwörter galizischer Juden: ib. S. 212/3. — 320) X L > M a n d l , Sprichwörter dtsch. Juden: ib.S 75;6. — 321) X M ü s c h n e r , Wendische Sprichwörter: Bär 19, S. 785/6. (36 Sprichwörter aus d. Wendischen übersetzt.) - 322) R. E c k a r t , Niederdtsch. Sprichwörter u. volkstüml. Redensarten. Braunschwelg, Appelhaus & Pfennigstorff. 586 S. M. 8,00. |[W. S e e l m a n n : ADA. 21, S. 142/4.]| — 323) K. D i r k s e n , Meidericher Sprichwörter, sprichwörtl. Redensarten u. Reirasprüche mit Anm. 2. Aufl. Königsberg, Härtung. 56 S. M. 1,00. (Tgl. JBL. 1892 I 4:349.) — 324) X K. E. H. K r a u s e , K. Dirksen, Ostfriesische Sprichwörter (JBL. 1891 1 5 : 263): KBIVNiederdSpr. 15, S. 13. — 3251 X S t & c k e r , Sprichwörter u. Redearten aus Drage in Stapelholm: Urquell 4, S. 257/8. - 326) X S p r e n g e r , 0. Knoop, Z. Verbreitung d. plattdtsch. Sprichwörter u. Redensarten, aus Hinterporom. gesamm. Progr. 1891: KBIVNiederdSpr. 15, S. 2/3. — 327) X J- S e m b r z y c k i ,

F. V o g t ,

Volkskunde.

I

5 : 828-367

A l s verschiedenartige Aeusserungen des V o l k s w i t z e s hat man Spott- und Scherz-Verse und -Reden 3 2 8 " 3 3 3 ) und manches Humoristische anderer A r t mitgeteilt334). — So führt S c h u r i g 3 3 5 ) die sehr verschiedenen Erscheinungsformen sächsischen Soldatenhumors in Poesie und Prosa vor, wobei an Wörtern, Spitznamen und Redensarten einiges nicht Uninteressante erscheint, und L a v e r r e n z 3 3 6 ) trägt parodistische Auslegungen und allerlei schnoddrige Bemerkungen anderer Art, zu denen dem Berliner die Bauten und Denkmäler seiner Heimatstadt Anlass geben, als eine charakteristische Gattung berlinischen Volkswitzes zusammen. — 122 deutsche R e d e n s a r t e n , die, so geläufig sie uns auch grösstenteils noch sind, ihre E r k l ä r u n g doch erst in der älteren Kultur, Litteratur und Sprache finden, erläutert R i c h t e r 3 3 7 ) . Der Vf. zeigt ausgebreitete Kenntnisse auf diesen Gebieten, besonders auf dem der Kulturgeschichte, und weiss neben den von Anderen gefundenen Deutungen auch so manche neuen Aufschlüsse zu geben. M a g man auch nicht in jeder Einzelheit zustimmen, so ist das Buch dennoch zu empfehlen und verdient die im Verlaufe von drei Jahren nötig gewordene zweite A u f l a g e . — Bestimmte Gattungen von Redewendungen und Redensarten bilden den Inhalt verschiedener kleinerer Publikationen 3 3 8 - 3 4 5 ). — Eine kleine A u s w a h l von R ä t s e l n für Schule uud Haus hat F r i c k 3 4 6 ) mit gutem Humor getroffen 3 4 7 - 3 4 8 ), im übrigen hat man auoh diese A r t von Volkswitz und Volkspoesie nach ihren örtlichen Erscheinungen untersucht und zusammengestellt 349 " 355 ). — Mit Volkswitz und Redensarten zeigt die N a m e n g e b u . n g manche Berührungen, besonders in den Spitz- und Schimpfnamen 3 5 6 ) und in der Beilegung von Personennamen an Tiere 3 5 1 - 3 6 0 ). — Die V o r - und Familiennamen nehmen seit langen Zeiten das Interesse weiterer Kreise in Anspruch. F ü r die Reclamsche ÜB. hat jetzt T e t z n e r 3 6 1 ) ein kleines Namenbüchlein zusammengestellt, dem auch für seine populären Zwecke einige Litteraturangaben zur Namenkunde zu wünschen gewesen wären. — W i e seit dem 13. Jh. der alte Reichtum an deutschen Vornamen allmählich geschwächt wurde, zeigt eine kleine Studie S t e i n h a u s e n s 3 6 2 ) , die zugleich die Verbreitung des Namens Johannes behandelt. 363 ) — O r t j o h a n n 3 6 4 ) hat das Verhältnis deutscher und nichtdeutscher Vornamen bei der Schuljugend eines Schweizerkantons statistisch festgestellt. — A u f welche Weise die deutschen Vornamen gebildet wurden und wiesie zum Teil in Familiennamen noch fortleben, hat B e h a g h e l 3 6 5 ) in einem V o r t r a g e mit besonderer Beziehung auf Giessen erörtert. — Keipers Zusammenstellungen über französische Familiennamen in der Pfalz (vgl. J B L . 1892 I 4 : 8 1 2 ) wurden noch besprochen 366 ). — Verschiedene Klassen und Schichten von Personen- und Ortsnamen Graubündens behandelt M u o t h 3 6 7 ) unter Erörterung der für die W a n d l u n g ihrer Formen massgebenden Sprachgesetze, vor allem aber unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung für das Verhältnis der verschiedenen Stämme in Sprichwörter u. Reime uns d. Kirchspiel Berschkallen (Kreis Insterbnrg): MLLG. 8, S. 446/7. — 3 2 8 ) X K - W e i n h o l d , Volksreime auf Bettlerhochzeiten: ZVVolksk. 3, S. 228-80. — 3 2 9 ) X A - E n g 1 e r t , Zu d. Spottvera „Ilonapart ist nimmer stolz«: ZDU. 7, S. 271/2. — 3 3 0 ) X H e i l i g , Ortsneckereien in d. Brnchsaler Gegend: Alemannia 21, S. 201. — 3 3 1 ) X id., Ortsneckereien in Tanbergrnnd: il). S. 201/2. — 3 3 2 ) X A. E n g l e r t , Scherzdialog: ZDU. 7, S. 272/3. — 3 3 3 ) X 0. G l ò d e , SchnellBprech-Vers aus Mecklenburg: KBlVNiederd'Spr. 16, S. 23. - 3 3 4 1 X K - W e i n h o l d , H. Merkens, Was sich das Volk erzählt. Dtsch. Volkshnmor, ges. n. nacherzählt. Jena, Costenohle. XIII, 280 S. M. 5,00: ZVVolksk. 3, S. 344. — 3 3 5 ) E. S c h u r i g , D. Humor in d. sächs. Armee. Dresden, Albanus. XV, 140 S. M. 1,00. — 3 3 6 ) V. L a v e r r e n z , D. Denkmäler Berlins u. d. Volkswitz. Mit 54 Illustrationen v. G. Brandt. 2. Aull. B., Laverrenz. 117 S. M. 1,00. - - 3 3 7 ) A l b . R i c h t e r , Dtsch. Redensarten. Sprachl. u. knltnrgesch. erlauf. 2. yerm. Aufl. L „ Richter. 190 S. M. 2.00. |[Geg. 44, S. 366.JI (Vgl. JBL. 1890 I 5 : 2 5 . ) - 3 3 8 ) X T h . Z a h n . Bibelwort im Volksmund. Vortr. Nürnberg, Löher. gr. 16°. 48 S. M. 0,60. |[E. L . : ThLBI. 14, S. 201.]| — 3 3 9 X E - H a n d t m a n n , Vornamen-Verbrämungen im märkischen Sprachgebrauch : Bär 19, S. 405/7. lScherzreime u. Redensarten, d. man mit bestimmten Vornamen verbindet.) — 3 4 0 ) X J. G i l l h o f f , D. Pflanzen im Volksmunde: NatZgB. N. 30. |[D. S a n d e r s : ZDS. 7, S. 218/9.]l — 3 4 1 ) X W o s s i d l o , Gott u. Teufel im Munde d. Meklenbnrgischen Volkes: KBIVNiederdSpr. 15, S. 18-32, 44/8. — 3 4 2 ) X A - T r e i c h e l , Entfernte Verwandtschaft: Urquell 4, S. 156/7. (Redensarten zu deren Bezeichnung.) — 3 4 3 1 X ' ä-. Bei plötzlicher Stille in d. Gesellschaft: ib. S. 275. — 344) X Fürs Pferd u. beim Rülpsen: ib. S. 202/4. — 3 4 5 ) X Einzelheiten über Redensarten u. Wortbildungen d. Volks- u. Umgangssprache: ZDU. 7, S. 186-40, 142/3, 263, 267/9, 424, 426, 429-81, 491/2, 495/8, 564/5, 567/8, 572/3, 626, 638, 686-92, 759-61, 765/7, 834-42. 3 4 6 ) Jos. F r i c k , 300 Rätsel samt 100 Scherzfragen. Ravensburg, Maier. 97 S. M. 0,70. — 3 4 7 ) x H. V o l k s m a n n , Volkswitz in Rätseln: Urquell 4, S. 221,'2. — 3 4 8 ) X A. T r e i c h e l , Biblische Rätsel: ib. S. 84/7, 124.— 3 4 9 ) X R - S p r e n g e r , Z. Scberzrätsel aus Tirol: ZDU. 7, S. 61. — 3 5 0 ) X K. J. S c h r ö e r , Rätselfragen, Wett- u. Wunschlieder: ZVVolksk. 3, S. 67-71. (Handelt 61er Rätsel-Streitlieder d. dtsch. Sternspielbruderschaften in d. Gegend v. Pressbuig u. teilt ein solches Lied mit.) - 3 5 1 ) X 0. G1 8 d e , Niederdtsch. Rätsel, besonders d. Storch-, Flohu. Entenrätsel: ZDU. 7, S. 688-91. - 3 5 2 ) X 0. S c h e l l , Volksrätsel aus d. Bergischen. Aus d. Volksmunde gesamm.: ZVVolksk. 3, S. 293. — 3 5 3 ) X K. E. H a a s e , Volksrätsel aus d. Grafschaft Ruppin u. Umgegend: ib. S. 71/9. — 3 5 4 ) X 0. G I S d e , Niederdtsch. Rätsel aus Mecklenburg: Urqnell 4, S. 250/3. - 3 5 5 ) X A - B r u n k , VoIkBrätsel in Pommern: ib. S. 147,9. - 3 5 6 ) X A - N a g e l b e r g , Spitz- u. Schimpfnamen bei galizischen Jnden: ib. S. 214/5. — 3 5 7 ) X 0. G l ö d e . Noch einmal der Hasenname Lampe-Lambert, Landbrecht: ZDU. 7, S. 498. — 3 5 8 ) X W e i n h o l d , F. Branky, Enlennamen. (Sonderabdr. aus MOrnithVWien. „D. Schwalbe" 1892.) 85 S.: ZVVolksk. 3, S. 112. — 3 5 9 ) X 0- ß l ö d e , Ueber Tiernamen im Volksmund u. in d. Dichtung: ZDU. 7, S. 115-26. — 3 6 0 ) X Tiere u. leblose Gegenstände als persönl. Wesen: StrassbPost. N. 174. (Belegung v. Tieren u. Gegenständen mit personifizierenden Namen.) — 3 6 1 ) F. T e t z n e r , Namenbuch: ( = UB. N. 3107,8). L., Reclam. 167 S. M. 0,40. 3 6 2 ) G. S t e i n h a u s e n , Vornamenstudien: ZDU. 7, S. 616-26. - 3 6 3 ) X M. H e r t z , Moderne weibl. Vornamen: VossZgB. N. 48. — 3 6 4 ) F. O r t j o h a n n , D. Vornamen d. Schuljugend d. Kantons Rappoltsweiler, Progr. d. Realscli. Rappoltsweiler. 4°. 8 S. — 3 6 5 ) 0. B e h a g h e l , Ueber altdtsch. Familiennamen: MOberhessGV. 4, S. 180. (Ganz knraes Referat.) - 3 6 6 ) X Fr. S p e y e r : ASNS. 90, S. 456/8. — 3 6 7 ) J. C. M u o t h . , Ueber

15:368-379 16:1 K. Kehr bacb, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. den verschiedenen Perioden der Besiedelung und der Verfassung des Landes. Er bietet auch manches für die allgemeine Namenkunde Interessante. — Der Benennung unseres Volkes hat D o v e 3 6 8 ) eine historische Untersuchung zugewendet, in der er die Zusammenfassung der Sprache der ostrheinischen Stämme unter der Benennung „theodiscus, diutisc" (d. i. „national", nicht „vulgär"), die seit dem J. 788 geschichtlich bezeugt ist, auf Bonifacius zurückführen möchte. — E g l i 3 6 9 ) hat eine Reihe vergleichender Studien über charakteristische Erscheinungen in der geographischen Namengebung unter Berücksichtigung alter und neuerer deutscher Benennungen veröffentlicht. — Einzelne Erscheinungen in der deutschen Ortsbezeichnung370"311 a ) und die Ortsnamen einzelner Gegenden sind in verschiedenen Aufsätzen und Zusammenstellungen behandelt, unter denen S c h n e l l e r s 3 7 2 ) Abhandlung über die Tirolischen Ortsnamen besonders genannt zu werden verdient. 373-319 ) —

1,6

Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. Karl Kehrbach. Einleitung N. 1. — Gesamtdarstellungen N. 4. — Methodik einzelner Fächer: Anschauungsunterricht N. 8 ; lateinischer Unterricht N. 9; Leseunterricht N. 10; Rechenunterricht N. 12; Religionsunterricht N. 13; Turnunterricht N. 11. — Einzelne Persönlichkeiten und Freunde des Schulwesens: Reformationszeit N. 16; Ratiohins N. 20; Aisted, Andreae, Comenins N. 23; Speccins, Stoever N. 34; Staubsand, Staude, Stölzlin N. 36; Steinmetz, Strass N. 89; Strueneee, Streithorst, Stritter N. 41; Bnsedow und der Philanthropinismns N. 44; Herder N. 47; Pestalozzi und Zeitgenossen N. 48; Herbart N. 54; katholische Pädagogen N. 55; verschiedene Schnlmänner der Praxis aus neuerer Zeit: Baden N. 60, Bayern N. 61, Hessen N. 62, Oesterreich N. 63, Oldenburg N. 66, Preussen und.Berlin N. 67, Sachsen N. 75, Schweiz N. 77, Thüringen N. 83. — Universitäten: Zusammenfassende Darstellungen N. 85; Allgäu N. 87; Basel N. 89; Berlin N. 90; Erlangen N. 91; Freiburg i. B. N 99; Freiburg i. Schw. N. 104; Giessen, Kassel, I l a r b n r g N 105; Göttingen N. 108; Halle, Wittenberg N. 110; Heldelberg N. 115; Leipzig N. 119; Wien N. 122 - Studententum: Allgemeines N. 123; Bnrschensohnften N. 129. — Akademien und akademische Gymnasien (Liegnitz, Wien, Stettin, Gera, Benthen a. O., Sahaffhausen) N. 151. — Gymnasial- und Realanstalten: Allgemeines N. 162; Baden N. 163; Bayern N. 164; Brandenburg N. 166; Hannover N. 172; Hessen N. 173; Pommern N. 178; Rheinlande N. 179; Provinz Sachsen N. 183; Königreioh Sachsen N. 199; Sachsen-Weimar-Eisenach N. 203; Schlesien N. 205; Schleswig-Holstein N. 209; WftrttembergN. 210; SchweizN. 211. - Höhere Bargerschule N. 213. — Privatinstitute N. 215. — Höhere Mädchenschule N. 218. — Lehrerseminar N. 220. — Volksschulo (AnhaltDessau, Baden, Oesterreich, Sachsen, Wfirttemberg, Zweibröcken) N. 222. — Handelsschule N. 233. — Militärbildnngswesen N. 234. — Standeserziehung: Fürsten N. 235; Adel N. 237. — Pädagogik der Jesuiten N. 239. — Schnlreden und Programme N 240. - Schälkomödie N. 243. — VerBOhiedeneB N. 247. —

E i n l e i t u n g . Dem Bericht über die historisch-pädagogische Litteratur des J. 1893 sei die Betrachtung eines Werkes vorangeschickt, das im vorigen JB. (JBL. 1892 I 10:6) nur beiläufig, bibliographisch, verzeichnet werden konnte. K. A. S c h m i d ' ) , der Herausgeber der bekannten grossen, allgemein nach ihm benannten Encyklopädie, fasste noch im hohen Alter den Plan, das auf 4 Bände berechnete Sammelwerk zur Ausführung zu bringen, „in der zuversichtlichen Hoffnung, vielen berechtigten Wünschen damit entgegen zu kommen". Bestimmt ist die Arbeit nicht für die Gelehrten: sie soll nicht die Wissenschaft im strengen Sinne durch selbständige Untersuchungen fördern; bestimmt ist sie für jenen „Mittelstand zwischen den Ungebildeten und Gelehrten", und sie soll nur das Ziel haben, „die Ergebnisse der Wissenschaft zum Gemeingut zu machen". Daher die „Notwendigkeit einer möglichsten Gedrängtheit in der Darstellung des Ermittelten, welche mit der Lebendigkeit der Farben wohl vereinbar ist, und dann die Notwendigkeit der Verzichtleistung auf fortlaufende litterarische Nachweise, wo diese nicht aus besonderen Gininden zu wünschen sind." Der Stoff selbst ist von Sch. zur Bearbeitung unter verschiedene bündnerische Gesohlechtsnamen u. ihre Verwertung ffir d. B&ndnergesch. T. I. II. Progr. d. Eantonssch. Chnr. 4°. J e 47 S. |[A K S b l e r : ASNS. 91, S. 357/8.]! — 368) A. D o v e , Bemerkungen z. Gesch. d. dtsch. Volksnamens: 'Aus SBAkMünohen.) München, (Franz). 37 S. (Sonderabdr.) — 3 6 9 ) J. J. E g l i , D. Völkergeist in d. geograph. Namen: Ausland 66, S. 465, 485, 504, 522, 534, 551,569,585,600. — 3 7 0 ) X M i t z s c h k e , Verschmelzung v. Präposition-f-Artikel mit folgender Ortsbezeichnuog: Germania 37, S. 188-90. — 371) F r . P r i e n , Ueber d. Flurnamen-Segen: KBIVNiederdSpr. 15, S. 81-93; 16, S.41/2.— 1 371a) X I ' H o l t h o f , Anklänge an Dichtung u. Sage in Strassen- u H&usernamen d. alten F r a n k f u r t : FZg. N. 34. — 372) (I 4:478.) — 373) X Tb- L o h m e y e r , Was bedeutet d. Name Zollern? Progr. Altena (Druck v. Kord-Ruwisch). 1892. 4*. 6 8. — 374) X R. M ü l l e r , V. Felbinger, d. dtsch. Bergnameu in d. Ostalpen: ÖLB1. 2, S. 146/7. — 375) X id -> Kleine Beitrr. z. altkärntnischen Ortsnamenkunde. 3 - 4 : Carinthla 83, S. 82-90, 148-54. — 376) H. G r a d i , D. Ortsnamen im Fichtelgebirge u. in dessen Vorlanden. 2. Abt. Slavische Namen. Eger, Kobrtsch u. Gsobihag in Komm. 1892. 99 S. M. 1,40. |[J. P e t e r s : MVSDBB. 31, 8. 69-75JI — 377) X A - P a u d l e r , Z. Ortsnamenkunde: MNordböhmExkursClub. 16, S. 241/7. — 378) X A- R o s s n e r , D. Name d. Klosters Pforta (Claustrnm apud portam). M. e. Karte. Naumburg a. S., Schirmer. 56 S. M. 0,75. [[Ausland 66, S. 558.]| (Leitet d. Namen nicht v. Porta, sondern v. vorte [Furt] ab.) — 379) R. S p r e n g e r , Gardinenwiese: ZDPh. 25, S. 286. (Deutung dieses bei Quedlinburg vorkommenden Flurnamens.) — 1) K. A. S c h m i d , Gesch. d. Erz. v. Anfang an bis auf unsere Zeit bearb. in Gemeinsch. mit e. Anzahl von Gelehrten u. Schulmännern. Fortgef. v. G e o r g S c h m i d t . 2. Bd., 1. Abt.; 3. Bd., 1. Abt.; 3. Bd., 2. Abt. St., Cotta. 1892.

15:368-379 16:1 K. Kehr bacb, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. den verschiedenen Perioden der Besiedelung und der Verfassung des Landes. Er bietet auch manches für die allgemeine Namenkunde Interessante. — Der Benennung unseres Volkes hat D o v e 3 6 8 ) eine historische Untersuchung zugewendet, in der er die Zusammenfassung der Sprache der ostrheinischen Stämme unter der Benennung „theodiscus, diutisc" (d. i. „national", nicht „vulgär"), die seit dem J. 788 geschichtlich bezeugt ist, auf Bonifacius zurückführen möchte. — E g l i 3 6 9 ) hat eine Reihe vergleichender Studien über charakteristische Erscheinungen in der geographischen Namengebung unter Berücksichtigung alter und neuerer deutscher Benennungen veröffentlicht. — Einzelne Erscheinungen in der deutschen Ortsbezeichnung370"311 a ) und die Ortsnamen einzelner Gegenden sind in verschiedenen Aufsätzen und Zusammenstellungen behandelt, unter denen S c h n e l l e r s 3 7 2 ) Abhandlung über die Tirolischen Ortsnamen besonders genannt zu werden verdient. 373-319 ) —

1,6

Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. Karl Kehrbach. Einleitung N. 1. — Gesamtdarstellungen N. 4. — Methodik einzelner Fächer: Anschauungsunterricht N. 8 ; lateinischer Unterricht N. 9; Leseunterricht N. 10; Rechenunterricht N. 12; Religionsunterricht N. 13; Turnunterricht N. 11. — Einzelne Persönlichkeiten und Freunde des Schulwesens: Reformationszeit N. 16; Ratiohins N. 20; Aisted, Andreae, Comenins N. 23; Speccins, Stoever N. 34; Staubsand, Staude, Stölzlin N. 36; Steinmetz, Strass N. 89; Strueneee, Streithorst, Stritter N. 41; Bnsedow und der Philanthropinismns N. 44; Herder N. 47; Pestalozzi und Zeitgenossen N. 48; Herbart N. 54; katholische Pädagogen N. 55; verschiedene Schnlmänner der Praxis aus neuerer Zeit: Baden N. 60, Bayern N. 61, Hessen N. 62, Oesterreich N. 63, Oldenburg N. 66, Preussen und.Berlin N. 67, Sachsen N. 75, Schweiz N. 77, Thüringen N. 83. — Universitäten: Zusammenfassende Darstellungen N. 85; Allgäu N. 87; Basel N. 89; Berlin N. 90; Erlangen N. 91; Freiburg i. B. N 99; Freiburg i. Schw. N. 104; Giessen, Kassel, I l a r b n r g N 105; Göttingen N. 108; Halle, Wittenberg N. 110; Heldelberg N. 115; Leipzig N. 119; Wien N. 122 - Studententum: Allgemeines N. 123; Bnrschensohnften N. 129. — Akademien und akademische Gymnasien (Liegnitz, Wien, Stettin, Gera, Benthen a. O., Sahaffhausen) N. 151. — Gymnasial- und Realanstalten: Allgemeines N. 162; Baden N. 163; Bayern N. 164; Brandenburg N. 166; Hannover N. 172; Hessen N. 173; Pommern N. 178; Rheinlande N. 179; Provinz Sachsen N. 183; Königreioh Sachsen N. 199; Sachsen-Weimar-Eisenach N. 203; Schlesien N. 205; Schleswig-Holstein N. 209; WftrttembergN. 210; SchweizN. 211. - Höhere Bargerschule N. 213. — Privatinstitute N. 215. — Höhere Mädchenschule N. 218. — Lehrerseminar N. 220. — Volksschulo (AnhaltDessau, Baden, Oesterreich, Sachsen, Wfirttemberg, Zweibröcken) N. 222. — Handelsschule N. 233. — Militärbildnngswesen N. 234. — Standeserziehung: Fürsten N. 235; Adel N. 237. — Pädagogik der Jesuiten N. 239. — Schnlreden und Programme N 240. - Schälkomödie N. 243. — VerBOhiedeneB N. 247. —

E i n l e i t u n g . Dem Bericht über die historisch-pädagogische Litteratur des J. 1893 sei die Betrachtung eines Werkes vorangeschickt, das im vorigen JB. (JBL. 1892 I 10:6) nur beiläufig, bibliographisch, verzeichnet werden konnte. K. A. S c h m i d ' ) , der Herausgeber der bekannten grossen, allgemein nach ihm benannten Encyklopädie, fasste noch im hohen Alter den Plan, das auf 4 Bände berechnete Sammelwerk zur Ausführung zu bringen, „in der zuversichtlichen Hoffnung, vielen berechtigten Wünschen damit entgegen zu kommen". Bestimmt ist die Arbeit nicht für die Gelehrten: sie soll nicht die Wissenschaft im strengen Sinne durch selbständige Untersuchungen fördern; bestimmt ist sie für jenen „Mittelstand zwischen den Ungebildeten und Gelehrten", und sie soll nur das Ziel haben, „die Ergebnisse der Wissenschaft zum Gemeingut zu machen". Daher die „Notwendigkeit einer möglichsten Gedrängtheit in der Darstellung des Ermittelten, welche mit der Lebendigkeit der Farben wohl vereinbar ist, und dann die Notwendigkeit der Verzichtleistung auf fortlaufende litterarische Nachweise, wo diese nicht aus besonderen Gininden zu wünschen sind." Der Stoff selbst ist von Sch. zur Bearbeitung unter verschiedene bündnerische Gesohlechtsnamen u. ihre Verwertung ffir d. B&ndnergesch. T. I. II. Progr. d. Eantonssch. Chnr. 4°. J e 47 S. |[A K S b l e r : ASNS. 91, S. 357/8.]! — 368) A. D o v e , Bemerkungen z. Gesch. d. dtsch. Volksnamens: 'Aus SBAkMünohen.) München, (Franz). 37 S. (Sonderabdr.) — 3 6 9 ) J. J. E g l i , D. Völkergeist in d. geograph. Namen: Ausland 66, S. 465, 485, 504, 522, 534, 551,569,585,600. — 3 7 0 ) X M i t z s c h k e , Verschmelzung v. Präposition-f-Artikel mit folgender Ortsbezeichnuog: Germania 37, S. 188-90. — 371) F r . P r i e n , Ueber d. Flurnamen-Segen: KBIVNiederdSpr. 15, S. 81-93; 16, S.41/2.— 1 371a) X I ' H o l t h o f , Anklänge an Dichtung u. Sage in Strassen- u H&usernamen d. alten F r a n k f u r t : FZg. N. 34. — 372) (I 4:478.) — 373) X Tb- L o h m e y e r , Was bedeutet d. Name Zollern? Progr. Altena (Druck v. Kord-Ruwisch). 1892. 4*. 6 8. — 374) X R. M ü l l e r , V. Felbinger, d. dtsch. Bergnameu in d. Ostalpen: ÖLB1. 2, S. 146/7. — 375) X id -> Kleine Beitrr. z. altkärntnischen Ortsnamenkunde. 3 - 4 : Carinthla 83, S. 82-90, 148-54. — 376) H. G r a d i , D. Ortsnamen im Fichtelgebirge u. in dessen Vorlanden. 2. Abt. Slavische Namen. Eger, Kobrtsch u. Gsobihag in Komm. 1892. 99 S. M. 1,40. |[J. P e t e r s : MVSDBB. 31, 8. 69-75JI — 377) X A - P a u d l e r , Z. Ortsnamenkunde: MNordböhmExkursClub. 16, S. 241/7. — 378) X A- R o s s n e r , D. Name d. Klosters Pforta (Claustrnm apud portam). M. e. Karte. Naumburg a. S., Schirmer. 56 S. M. 0,75. [[Ausland 66, S. 558.]| (Leitet d. Namen nicht v. Porta, sondern v. vorte [Furt] ab.) — 379) R. S p r e n g e r , Gardinenwiese: ZDPh. 25, S. 286. (Deutung dieses bei Quedlinburg vorkommenden Flurnamens.) — 1) K. A. S c h m i d , Gesch. d. Erz. v. Anfang an bis auf unsere Zeit bearb. in Gemeinsch. mit e. Anzahl von Gelehrten u. Schulmännern. Fortgef. v. G e o r g S c h m i d t . 2. Bd., 1. Abt.; 3. Bd., 1. Abt.; 3. Bd., 2. Abt. St., Cotta. 1892.

K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.

I 6 :2-4

Gelehrte verteilt worden. Die beiden ersten, früher (1884 und 1889) erschienenen Teile enthalten Arbeiten von K. A. Schmid, G. Baur, K. Hartfelder, E. Gundert und Georg Schmid. Von den jetzt erschienenen Veröffentlichungen fallen in den Bereich der J B L . nur G. Müller (N. 239), Israel (s. u. N. 22), Brägel und G. Schmid (N. 23).— Von den übrigen Arbeiten sei auf die von K a e m m e l 2 ) und M a s i u s 3 ) hingewiesen, die ihren Stoff herunterführen bis zu der Grenze, wo die J B L . einsetzen. In den bisher erschienenen Partien des Werkes, die sich auf deutsche Erziehungsgeschichte beziehen, wird der Entwicklungsgang des deutschen Erziehungs- und Schulwesens durch Darlegung der Systeme hervorragender Pädagogen und der Bestrebungen bedeutender Schulmänner veranschaulicht. Wer aber aus diesem Umstände schliessen wollte, dass das Programm des Herausgebers einseitig die biographische Richtung, wie sie bereits von Raumer genommen worden ist, einschlagen werde, der würde durch die geistvollen Auseinandersetzungen Baurs in der Einleitung zum ersten Bande, in der er über den Begriff der Erziehung, über Umfang und Ziel ihrer Geschichte und über. Gang und Methode ihrer Behandlung spricht, belehrt werden. Erziehung fasst er im Sinne Schleiermachers als die sittliche Wirkung der älteren Generation auf die jüngere, mag nun diese Einwirkung von den in den verschiedenen Lebensgeschäften und Lebensgebieten der menschlichen Gesellschaft wirkenden Mächten oder von einzelnen zur Erziehung berufenen Persönlichkeiten ausgehen, und mögen diese bei ihrem Verfahren nur von hergebrachter Gewohnheit oder von bestimmten Grundsätzen oder von einem ausgebildeten Systeme sich leiten lassen. Er will also sein Werk keineswegs als blosse Geschichte dér Pädagogik im engeren Sinne, also der Erziehungswissenschaft, der pädagogischen Systeme, angesehen wissen. Manche von diesen Systemen haben „von ihrer abstrakten Höhe aus" auf die pädagogische Wirklichkeit nur geringen oder gar keinen Einfluss gehabt. „Lange Zeiträume und weite Gebiete" hat es gegeben, in denen pädagogische Systeme keine Wirkung hervorgebracht haben. Da es aber in diesen Perioden gleichwohl an Grundsätzen, nach welchen die Erziehung geregelt worden ist, nicht gefehlt hat, so müssen auch diese in den Bereich der Darstellung gezogen werden. J a noch mehr: Baur macht mit Recht darauf aufmerksam, dass auch da, „wo von solchen mit Bewusstsein befolgten Grundsätzen nichts wahrzunehmen ist", die Erziehung trotzdem „nach Sitte und Gewohnheit" ihren Einfluss auf das heranwachsende Geschlecht ausgeübt habe. E s muss also überhaupt die ganze „faktische Erziehung" in den Kreis der Beobachtung aufgenommen werden. Von den Aufgaben, die hier der pädagogischen Geschichtsschreibung gestellt sind, ist die erste, die Darstellung des Lebens hervorragender Pädagogen und ihrer Systeme, die leichteste, weil das Material in immerhin befriedigender Vollständigkeit gedruckt oder geschrieben vorliegt. Schwieriger gestaltet sich die Lösung der Aufgabe, wenn es gilt, die Grundsätze, von denen sich so viele Erzieher und Schulmänner bei Ausübung ihres Berufes leiten liessen, darzulegen, denn die Zahl der bisher veröffentlichen Stoffe, die hierüber Aufklärung geben könnten, Schulreden, pädagogische Abhandlungen, Briefe, Gutachten, Schulbücher einzelner Schulmänner usw., ist eine noch zu geringe. Noch grösser aber werden die Schwierigkeiten, wenn der Historiker versuchen will, zu zeigen, wie Unterricht und Erziehung innerhalb einzelner Zeiträume, Oertlichkeiten oder Länder thatsächlich gestaltet waren, wenn also das Rankesche Ideal der Geschichtsschreibung, bloss zu zeigen, „wie es eigentlich gewesen ist" (vgl. J B L . 1891 I 6 Einl.), angestrebt werden soll. Hier fliessen die Quellen, aus denen geschöpft werden muss, erst in neuerer Zeit etwas reichlicher, besonders seitdem die Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte sich die Aufgabe gestellt hat, das erforderliche Material zugänglich zu machen (vgl. J B L . 1891 I 6 Einl. und 1892 I 10 Einl.). Und hier werden für die Historiker nur zu oft die Dokumente von ausschlaggebender Beweiskraft sein können, die wohl so mancher bisher als Quisquillen angesehen hat: Einzelschulordnungen, Visitationsprotokolle, Stundenpläne, Bestallungsurkunden usw. Wenn gesagt worden ist, dass der Betrieb in den Schulen des evangelischen Deutschlands durch Vormbaums Ausgabe evangelischer Schulordnungen hinlänglich veranschaulicht worden sei, so zeugt dies von Unkenntnis thatsächlicher Verhältnisse. So geben z. B. die bekannten grossen Landesschulordnungen für Württemberg, Sachsen usw. keineswegs ein Bild von dem wirklichen Zustande von Unterricht und Erziehung in den Schulen dieser Länder. Wie viele Bestimmungen haben nur auf dem Papiere gestanden und sind nie zur Ausführung gelangt! Was davon in Wirklichkeit umgesetzt worden ist, kann oft gerade nur aus jenen Quisquillen erkannt werden. J e mehr Einzelfälle uns dadurch bekannt werden, um so eher werden wir befähigt, sicherere Urteile über den faktischen Bestand von Erziehung und Unter-

VI, 611 S. M. 20,00; VI, 439 S. M. 15,00; VI, '211 S. M. 10,00. — 2) 0. H i m m e l , D. Univ.im MA. ( - N. 1; II', S. 334-548.) — 3) H. M a s i u s , D. Erz. im IIA. ( = N. 1; II', S. 94-333.) — 4) J. B ö h m , Gesch. d. Päd. 2. Aufl. 2 Bde. Mit Abbild.

16:5-9

K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- lind Erziehungswesens.

rieht zu fällen. In diesen Bestrebungen sieht die Gesellschaft sich gefördert von einzelnen deutschen Regierungen, die die Verwaltungsorgane ihrer Bibliotheken und Archive sowie die Provinzialregierungen angewiesen haben, die Arbeiten der Gesellschaft zu unterstützen. Konnten wir im vorigen Jahre hier nur die bezügliche E r schliessung des preussischen Kultusministeriums (vgl. JBL. 1892 I 10:5) erwähnen, so kann jetzt darauf hingewiesen werden, dass das bayerische Kultusministerium dem preussischen gefolgt ist, und dass auch die Regierung von Elsass-Lothringen versprochen hat, die Bestrebungen der Gesellschaft fördern zu wollen, während das sächsische Ministerium das betreffende Gesuch des Vorstandes der Gesellschaft damit beantwortet hat, dass es „gern bereit sei, dem bezüglichen litterarischen Unternehmen bei sich bietender Gelegenheit seine Förderung angedeihen zu lassen" (vgl. MGESchG. 3, S. XXXV—XL). Als ob sich die Gelegenheit erst noch bieten müsste! — G e s a m t d a r s t e l l u n g e n . Ausser Schmids Werk (s. o. N. 1), das eine Sonderstellung einnimmt, ist hier zunächst zu erwähnen die jetzt in 2. Auflage erschienene Geschichte der Pädagogik von B ö h m 4 ) , , die im wesentlichen eine fleissig zusammengestellte Kompilation ist.. B. will das Buch als Kommentar zu seiner kurzgefassten Geschichte der Pädagogik betrachtet wissen und bestimmt es zur Privatlektüre für Seminaristen und Volksschullehrer. Dem Texte sind 103 Abbildungen beigegeben, meist Porträts, deren Ausführung freilich manches zu wünschen übrig lässt. — Einen gleichen praktischen Zweck verfolgt L e u t z 5 ), dessen Buch ebenfalls eine Ergänzung der im badischen Seminar Unterricht benutzten Leitfäden sein und den Schulkandidaten die Vorbereitung zur zweiten Prüfung erleichtern soll. Dieser Zweck würde rascher erreicht werden, wenn L. seinem Buche ein'Register beigegeben hätte, das jedoch über den Inhalt des Werkes ausführlicher unterrichten müsste, als es bei Böhms Register der Fall ist. — Angefügt sei hier die Erwähnung der Tabellen zur Geschichte der Pädagogik von Mass 6 " 7 ). — M e t h o d i k e i n z e l n e r F ä c h e r . Bei seiner Arbeit über die Entwicklung des A n s c h a u u n g s p r i n z i p e s von Luther bis Pestalozzi lässt sich S c h w a l b e 8 ) von der Erwägung leiten, dass die thatsächlichen Errungenschaften in der Pädagogik nicht in erster Linie auf historisch-pädagogischen Persönlichkeiten, sondern vor allen Dingen auf den pädagogischen Grundsätzen beruhen; und er tadelt, was als richtig zugestanden werden muss, dass in den Geschichtsdarstellungen der Pädagogik meistens von den Persönlichkeiten ausgegangen wird und das Biographische überwiegt. Vielmehr müsse die Geschichtsschreibung die Darstellung der Entwicklung pädagogischer Prinzipien mehr in den Vordergrund rücken. In Sch.s Darstellung sind vor allem die Verdienste Bacos um das Anschauungsprinzip, sodann die des Comenius, später der Philanthropinisten und des klassischen Vertreters des Anschauungsprinzipes, Pestalozzis, geschildert, freilich nur auf Grund einer dürftigen Benutzung der vorhandenen reichen Litteratur. — Der wichtigste Beitrag zu einer Geschichte der Methodik des l a t e i n i s c h e n U n t e r r i c h t e s , der bisher in Deutschland geliefert worden, ist die Ausgabe des Doctrinale des Alexander de Villa-Dei von R e i c h l i n g . 9 ) Während des Mittelalters ist diese in leoninischen Hexametern verfasste Grammatik in ganz Europa das am meisten gebrauchte Lehrmittel für den lateinischen Unterricht gewesen. Aber auch noch weit über das Mittelalter hinaus bis in den Anfang des 17. Jh. lässt sich seine Benutzung verfolgen. Die Bedeutung des Werkes in der Geschichte der lateinischen Grammatik war früher schon von Friedr. Haase in seinem Progamm „De medii aevi studiis" und von Thurot nachgewiesen. Es war ganz vergessen Worden, dass die Form, in der Grammatiker wie Cellarius, Lange, Zumpt die lateinische Syntax darstellten, dass die philosophische Grammatik oder Metagrammatik keine Erfindung des 18., sondern des 13. Jh. sei und unter den damaligen Grammatikern vor allen • dem Alexander de Villa-Dei verdankt werde. Diese Vergessenheit ist eine Folge des von den Humanisten gegen das Doctrinale geführten Kampfes. In den Geschichtswerken der Pädagogik, des Unterrichts und der Erziehung ist das Werk kaum dem Namen nach angeführt; noch in der neuesten Geschichte des mittelalterlichen Unterrichtswesens von Masius wird das Doctrinale mit Luthers Charakteristik des Werkes „berüchtigt", „elendes Machwerk", „Eselsmist" abgethan. R.s Ausgabe, die „staunenswerte Probe langmütigsten Fleisses", giebt ausser dem Texte mit der varia lectio, den testimonia und explanationes, noch eine umfangreiche Einleitung über den grammatischen Unterricht im Mittelalter, über das Leben und die Schriften des Alexander, Nürnberg, F.Korn. XVI, 336 S.; XVI, 434 S. M. 9,00. — 5) F. L e n t z , Lehrbuch d. Erz. u. d. Unten, für Lehrer u. Lehrerinnen. HI. T.: D. Gesch. d, Päd. 3. Aufl. Karlsruhe, J. Lang. VIII, 257 S. II. 3,00. — 6) Th. M a s s , Zeittaf. z. Gesoh. d. Päd. 5. Aufl. Kappeln i" ist, Vogel 48),hateine systematische Darstellung dieser Pädagogik geschrieben, die jetzt in' 2. Auflage erschienen ist. Grosse Schwierigkeiten sind dem Verständnis der Absichten Pestalozzis dadurch erwachsen, dass dieser niemals eine übersichtliche Darstellung seiner Pädagogik gegeben hat. V. hat nun unter einer Anzahl von Stichworten, an die er die bezüglichen Stellen aus Pestalozzis sämtlichen Schriften angliedert, die ganze Pädagogik Pestalozzis gruppiert. Noch mehr würde das Buch Steinmetz: ib. S. 1/5. — 4 0 ) id., J. G. F. Strass: ib. S. 498-501. — 41) A. R i c h t e r , Chr. G. Strnensee: ib. S. 644/5. — 42) H. H o l l a n d , J . W. Streithorst: ib. S. 572/S. — 4 3 ) F. O t t « , J . M. S t r i t t e r : ib. S. 596/7. — 44) H. L o r e n z , J. B. Basedow, Vorstellung an Menschenfreunde. Mit Einl. n. Anm. ( = Nendrr. päd. Schriften her. v. A. R i c h t e r . N. 14.) "L., B. Richter. 120 S. M. 0,80. — 45) W. L e i n n n g , Päd. Leben n. Streben in Magdeburg z. Z. d. Philanthropen. Vortr. geh. z. Festalozzifeier 12. J a n . : MagdZgB. N. 27/8. — 46) F. K o l d e w e y , F. A. Stroth: ADB. 36, S. 624/7. — 47) 0 . F r a n c k e , Herder n. d. Weimar. Gymn. ( = SGWV. N. 183.) Hamburg, Verlagsanst. 36 S. M. 0,50. (Vgl IY 7 : 7.) - 4») A u g . Y o g e l ,

K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I o: «-66 gewinnen, wenn in Zukunft der Stoff durch ein ausführliches Namen- und4 9 Sachregister noch weiter differenziert würde. — In der Vergleichung, die V o g e l ) zwischen Pestalozzi und Herbart anstellt, tritt er mit den Schlussworten: „Pestalozzi für immer" auf die Seite des erste ren. Wie wenig objektiv er seine Aufgabe erfasst hat, belegen schon seine spöttischen Bemerkungen über die „fast märchenhaften Fundamentalansichten sowie die robinsonadenhaften, abenteuerlichen Konzentrationsideen der Jungherbartianer"; und wenn er von dem „mechanischen kalten Schematismus" spricht, dem die Herbartsche Pädagogik nach ihren Grundsätzen verfallen müsse, während Pestalozzis pädagogische Grundsätze aus dem „lebenswarmen, ewigen Quell des Glaubens und der Liebe fliessen und in dem Menschen ein freies Geschöpf und Ebenbild Gottes sehen", so werden Kenner der Herbartschen Pädagogik über die fehlerhafte Schlussfolgerung V.s nicht im Zweifel sein. Wenn er sodann von den „Absonderlichkeiten" der Anhänger Herbarts spricht, so hätte er doch auch die viel greller hervortretenden Lächerlichkeiten verschiedener Pestalozzianer erwähnen sollen. Die weitere Behauptung V.s, dass Pestalozzi ebenso wie Herbart zu seinen Lebzeiten nur wenig Anklang gefunden habe, ist, was Pestalozzi anbelangt, ganz unhistorisch. Es giebt keinen Pädagogen in der ganzen Geschichte deutscher Erziehung, dessen Ideen noch zu seinen Lebzeiten so grosse Begeisterung erweckten. — Einige Mitteilungen über die Beziehungen des berühmten Geographen Karl Ritter zu Pestalozzi und seinen Jüngern macht Deutsch 5 0 ). Ritter, der einige Male während seiner Hauslehrerzeit nach der Schweiz gekommen war, hatte in Yverdun enge Beziehungen mit Pestalozzi und dessen Kreise angeknüpft und versprochen, als er das erste Mal aus Yverdun schied, die Geographie im Geiste von Pestalozzis Methode zu bearbeiten. Von den Pestalozzianern, mit denen er in geistiger Wechselwirkung stand, sind Henning, der in seinem Leitfaden für den methodischen Unterricht in der Geographie Ritters Ideen verwertete, und Tobler genannt. Tobler erklärte 1830, dass Ritter seine Gedanken über Geographie hauptsächlich ihm verdanke. — Von Manns 5 1 ) Ausgabe ausgewählter Werke Pestalozzis, deren 1. Auflage bereits im J. 1869 erschien, und die mit Seyffarths zu gleicher Zeit begonnener Gesamtausgabe wesentlich zur Belebung des Pestalozzistudiums beitrug, ist jetzt der 3. Band in 4. Auflage, vorzüglich ausgestattet, erschienen. Den Pestalozzischen Texten: Abendstunde eines Einsiedlers, Aus dem Schweizerblatte, Wie Gertrud ihre Kinder lehrt, lieber die Idee der Elementarbildung usw. hat M. wertvolle Einleitungen vorausgeschickt und kleinere Anmerkungen beigegeben. 52 ) — H u n z i k e r 5 S ) hat dem Joh.Rud. Steinmüller (1773—1835), der Pestalozzis Z e i t g e n o s s e und Landsmann war, ohne in engeren Beziehungen zu ihm zu stehen, ein Denkmal gesetzt. Steinmüllers litterarische und praktische Thätigkeit begann schon frühzeitig und erstreckte sich auf Hebung des Volksschulwesens. An allen den Orten, in denen er 53Pfarrer war, hat er lebendige Spuren seiner pädagogischen Bestrebungen hinterlassen. ») — Von den Gesamtausgaben der Werke J. F. H e r b a r t s hat K e h r b a c h 5 4 ) jetzt den 7. Band, den ersten Teil der allgemeinen Metaphysik, veröffentlicht. — In der Reihe der trefflichen k a t h o l i s c h e n P ä d a g o g e n des vorigen, des eigentlich pädagogischen Jh., nimmt 0Verberg, der getreue Mitarbeiter Franz v. Fürstenbergs, der Mitbegründer der Münsterschen Normalschule, eine 5hervorragende Stelle ein. Seine bedeutende Persönlichkeit wird uns durch G a n s e n s 5 ) Neudruck der „Anweisung" (1793), des berühmtesten Werkes Overbergs, wieder näher gebracht. Die Bedeutung des Werkes erhellt schon daraus, dass eine letzte Ausgabe noch im J. 1861 erschienen ist, und dass das Werk auch für protestantische Schulen vielfach, so durch Niemeyer, Natorp und die Jenaer Litteraturzeitung, empfohlen wurde, wie denn die protestantischen und katholischen Pädagogen jener Zeit in einem segensreichen wechselseitigen Verhältnis standen. — Ganz im Sinne dieser Zeit handelt der Protestant Richter 5 6 ), wenn er in seinen Neudrucken einen wichtigen Teil jenes berühmten Werkes ediert. — Was Overberg für die Münsterschen Lande, das ist Franz Michael Vierthaler (1758—1827) für das Salzburgische Gebiet gewesen, und er ist deshalb frühzeitig der Salzburgische Overberg genannt worden. Auch in Salzburg Systemat. Daret. d. Päd. J. H. Pestalozzis mit durchgängiger Angabe der quellcnmässigen Belegstellen aus seinen sämtl. Werken. 2. Aufl. Mit e. Portr. n. Facs. Hannover, Carl Meyer (Gust. Prior). VIII, 276 S. M. 3,80. |fR. S c h n e i d e r : COIBW. 21, S. 613/4-21 (1- Aufl. 18860 — 49) id., Herbart od. Pestalozzi? E. i r i t . Darstellung ihrer Systeme. 2. Aufl. ( = Päd. Bibl. 12. Bd.) ib. IV, 161 S. II. 2,40. |[B. S c h n e i d e r : C0IBW. 21, S. 614/5.JI - 50) E. D e u t s c h , D. Verhältnis Carl Bitters zn Pestalozzi n. seinen Jüngern. Diss. L , Mehner! 33 S. — 51) J- H. Pestalozzi, Aasgewählte Werke. 3. Bd. 4. Aufl. ( = Bibl. päd. Klass. her. Y. F. Ma n n. 3. Bd.) Langensalza, Beyer & Söhne. VI, 545 S. M. 3,00. — 52) X A - B e y e r h a a s , Pestalozzi als Charakter. Vortr. Breslau (Dülfer). 1892. 14 S. M. 0,20. — 53) 0. H u n z i k e r , J. B. Steinmliller: ADB. 86, S. 19-21. — 5 3 a ) X E - P a p p e n h e i m , Fr. Fröbel. Aufsätze ans d. Jahren 1061-93. B., Oehraigke (B. Appelius). 105 S. M. 1,20. (D. nationalen Erziehungsverein in Chicago gewidmet.) — 54) K. K e h r b a o h , J. Fr. Herbarts sämtl. Werke in chronolog. Reihenfolge. Bd. 7. Langensalza, Beyer £ Söhne. X, 354 S. M. 5,00. — 55) J> G ä n s e n , Bernh. Overbergs Anweisung z. zweckmftss, Schulunterr. Für d. Schnl- u. Selbstgebranch bearb. u. mit e. Einl. vers. 2. Aufl. Paderborn, Schöningh. xxvm, 329 S. IL 1,80. — 56) A. B i c h t e r , Bernh. Orerberg. Von d. Schulzucht. ( = Neudrr. päd. Schriften her. v. A.

1 6:57-49 K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. war die Reform der Schulen immer dringlicher geworden, und der dortige Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo fasste seine Aufgabe für Salzburg ebenso auf, wie Franz von Fürstenberg für die Münsterschen Lande: Sollen die Schulen gehoben werden, so muss ein gebildeter Lehrerstand herangezogen werden. In Vierthaler fand er den richtigen Mann, diesen Plan zu verwirklichen. In seiner praktischen Thätigkeit als Direktor des neuen Schullehrerseminars, als Lehrer der Pädagogik bei den Theologen im Priesterhause und als Professor der Pädagogik an der Universität, als Direktor aller deutschen Schulen im Herzogtum Salzburg und später in seiner Eigenschaft als Direktor des grossen Waisenhauses in Wien hat sich Vierthaler wesentliche Verdienste um die Heranbildung tüchtiger Lehrkräfte und um die Hebung des Schulwesens erworben. Gleich gross ist seine Förderung der Wissenschaft der Pädagogik durch seine litterarischen Arbeiten. Aber sowohl Vierthalers praktische Wirksamkeit als auch die Erzeugnisse seiner schriftstellerischen Thätigkeit waren Dank dem oft beklagten Mangel an Kontinuität in der geschichtlichen Entwicklung der Pädagogik lange Zeit vergessen. Es ist darum dem Herausgeber der Bibliothek der katholischen Pädagogik zu danken, dass er die von Glöckl 5 7 ) besorgte Neuausgabe ausgewählter pädagogischer Schriften Vierthalers in seine Sammlung aufgenommen und den hervorragenden Pädagogen einer unverdienten Vergessenheit entrissen hat. G. hat, nachdem er einen kurzen Ueberblick über die Lebensschicksale Vierthalers unter Anlehnung an Anthalers Biographie gegeben hat, die „Elemente der Methodik und Pädagogik" und den „Entwurf der Schulerziehungskunde" veröffentlicht, Werke, die eine Fundgrube praktischer Beobachtungen, treffender Darstellung, umfangreicher Belesenheit in den zeitgenössischen pädagogischen Schriftstellern ohne Unterschied der Konfession sind. — Einen anderen katholischen Schulmann, Anton Ignaz Demeter (1778—1842), der seiner Zeit „in der pädagogischen Welt Aufsehen erregte", und den man „zu den ersten Begründern und Beförderern eines besseren Schulwesens im Beginn des gegenwärtigen Jh." rechnen muss, bringt K a i s s e r 5 8 ) wieder ans Licht. Im J. 1773 in Augsburg als Sohn schlichter Bürgersleute geboren, in Dillingen z. Z. des Bischofs Sailer, über dessen Leben und Wirksamkeit uns G l a b b a c h 5 9 ) unterrichtet, ausgebildet, wurde er nach einander Hilfsprediger, Pfarrer, Professor der Pädagogik, Domkapitular und starb 1842 als Erzbischof von Freiburg. K. schildert ihn besonders in seiner höchst originellen pädagogischen Thätigkeit in der Pfarrei Lautlingen, worüber Demeter selbst eine Abhandlung schrieb, die sein Amtsbruder Wittich im „Neuen Landschullehrer", einer pädagogischen Zeitschrift Württembergs, 1805 abdrucken liess. Er teilt da mit, dass er drei Schulen gegründet habe, die Winterschule, dieSommerschule und die Wiederholungsschule. Zwar war die Winterschule schon vorhanden, aber sie war, wie er schreibt, schlechter als die des Gregorius Schlaghart (vgl. JBL. 1892 I 6:93) zu Langenhausen. Aus den Beispielen, die er von seiner Lehrart giebt, erkennt man die Verwandtschaft mit philanthropinistischen Tendenzen. „Nicht aufs Glänzen, nur aufs Nützen, soll sich meine Lehrart stützen." Und in der Verwendbarkeit des Gelernten zur Industrie sieht er, vielleicht beeinflusst von Kindermann (vgl. JBL. 1892 I 10:46), das Ziel dieser Dorfschulbildung. Die Schulgebete kleidete er, um das bloss Mechanische und Gedankenlose bei den Kindern zu vermeiden, in eine Litanei. Wie mächtig die Einwirkungen Demeters gewesen sein müssen, zeigt die „Wiederholungsschule", die, als Sonntagsschule eingeführt, den Zweck hatte, bereits absolvierte Schüler weiter zu bilden. In der Zahl derer, die an dem unmittelbar nach dem Gottesdienste in der Kirche abgehaltenen Unterrichte teilnahmen, befanden sich Männer von 25—35 Jahren. Ausser durch die Schule suchte er auf seinem Dorfe auch durch die Einrichtung eines Theaters und einer Musikgesellschaft veredelnd einzuwirken. „Dass das Theater eine besonders gute Art von Volksbildung werden kann, wenn es recht geleitet wird, ist in der Theorie ausgemacht, und meine Praxis bietet Belege d a f ü r . . . . . Aber beinahe noch ein besseres Vehikel ist das Theater für die Ausbildung der grösseren Jugend männlichen und weiblichen Geschlechts, insofern der Schauplatz eine natürliche und lebhafte Schule der Sitten und des menschlichen Lebens wird." Um nun aber sicher zu sein, dass in den Stücken nichts Unsittliches zur Darstellung gelangte, schrieb er sie lieber gleich selbst und benutzte sie als Mittel gegen allerlei althergebrachte Angewöhnungen, Vorurteile usw. seiner Bauern, und er wirkte da plastischer als durch Predigt und Unterricht. In gleicher Weise wirkte auch die im Anschluss an das Theater gebildete Musikgesellschaft, die vor allem dazu berufen war, den Gottesdienst mit ihren Aufführungen zu verschönen. Neben allen diesen gründete und leitete Demeter eine Privatbildungsanstalt für Lehrer, legte eine kleine Gesindebibliothek an, aus welcher R i c h t e r . N. 13.) L., H. Richter. 91 S. M. 0,80. — 57) F. M. Vierthaler, Ansgew p&d. Schriften, her. n. m. «. Einl. n. Anm. versehen v. L. G1 8 c k 1. ( = Bibl. d. kath. PSd. her. v. F. X. K n n i N. 6.) Freiburg i. B., Herder. VIII. 258 S. M. 4,40. — SS) B. K a i s s e r , A. J. Demeter, e. Freund u. Förderer d. Volksschnlwegens: AngaburgerPoetZg». N. 13/4. — 59) O W. G l a b b a o h , J. Ii. Sailer. (=:D. Klasa. d. P&d. her. f . G. F r ö h l i c h . Bd. XVI.) Langensalza, Sehnlbnohh. X U , 360 S.

K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 16:60-63 den Knechten und Mägden an den langen Winterabenden in der Gesindestube des Pfarrhauses unter Aufsicht des Pfarrers unterhaltende Stücke vorgelesen und erklärt wurden; auch richtete er eine kleine Volksbibliothek ein, in der er hauptsächlich Bücher aufstellte, die über Feld-, Wiesen-, Gartenbau, Behandlung des Viehes, über Kinderzucht usw. unterrichteten, und die nach seinem Geständnis von den Bauern viel benutzt wurden. Im Hinblick auf die unendlich beschränkten Mittel und das Material, das ihm zur Ausbildung sich darbot, ist seine pädagogische Wirksamkeit als Pfarrer, von der man wünschen möchte, dass alle Pastoren sie als Vorbild zur Nacheiferung nehmen möchten, höher zu schätzen, als seine spätere Thätigkeit bei der Neuorganisation des badischen Schulwesens. — Es seien hier verschiedene Schulmänner der P r a x i s aus neuerer Zeit zusammengestellt nach den Ländern und Landschaften, denen ihre Thätigkeit im wesentlichen galt. In der alphabetischen Ordnung erscheint zunächst Baden mit dem Karlsruher Seminardirektor Wilhelm Stern. Er hat noch als ein unmittelbarer Schüler Pestalozzis 1815—17 in Yverdun gelernt und gelehrt. Sein Leben hat jetzt Ledderhose 6 0 ) geschrieben, hauptsächlich auf Grund interessanter Mitteilungen, die Stern im höheren Lebensalter einem seiner Söhne diktiert hatte. — Ein b a y e r i s c h e r Schulmann, Heinr. Stephani, dessen Name wegen seiner Verdienste um die Methodik des Leseunterrichtes weit über die Grenzen des Bayerlandes hinausgedrungen ist, wird von Sander 61 ) charakterisiert; wenn er auch nicht der „Urheber" der Lautiermethode ist, so hat er ihr doch durch seine Schriften den Weg in die deutsche Volksschule gebahnt. Obwohl streng kirchlich erzogen, war er frühzeitig ganz ins rationalistische Lager hinübergetreten. Sein religiöser Standpunkt brachte ihm viele Reibereien mit seinen Behörden; wurde er doch selbst später aller seiner Aemter entsetzt! Mit den Koryphäen unserer deutschen Litteratur, mit Schiller, Reinhold, Hufeland, Fichte, Matthisson, La vater, trat er in den neunziger Jahren als Hofmeister in Jena und nachher auf einer Reise in die Schweiz in persönlichen Verkehr; in pädagogischer Hinsicht hat Resewitz, an dessen Anstalt Stephani mit seinen Zöglingen vier Jahre zugebracht hat, auf ihn eingewirkt. — Dem bekannten H e s s i s c h e n Schulmanne Joh. Ferd. Schlez widmet G. Ohr. Dieffenbach 6 2 ), einer seiner Nachkommen, eine Abhandlung, die trotz ihres geringen Umfanges uns ein deutliches Bild von der Wirksamkeit dieses weit über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus berühmt gewordenen Mannes zeichnet. In seiner Stellung als Geistlicher und Schulinspektor in Schliz, die er seinem „Gregorius Schlaghart'' (vgl. JBL. 1892 I 6:93) zu verdanken hatte, hat er eine grosse Wirksamkeit entfaltet, nicht nur als praktischer Pädagoge und pädagogischer Schriftsteller, wobei besonders an seinen weitverbreiteten und lange Zeit gebrauchten „Denkfreund" und sein „Handbuch für Volksschullehrer" gedacht werden muss, sondern auch als Volksschriftsteller, als Herausgeber von Kalendern und Zeitschriften, mit denen er bereits vor 100 Jahren dem Eindringen verderblicher Litteratur in das Volksleben einen Damm entgegensetzen wollte. Auch um die schöne Litteratur hat er sich verdient gemacht durch Ausgaben von Gedichten, Fabeln, Parabeln, durch. eine metrische Uebersefzung der Lieder Salomos, durch Herausgabe eines Gesangbuches und einer Sammlung von Kinderdeklamationen. — Mit der grossen Reform des österreichischen Unterrichtswesens, deren Geburtsstunde in die Zeit der grössten politischen Wirren Oesterreichs, in das J. 1848, fällt, sind drei Namen eng verbunden: Graf Leo Thun, Franz Exner und Hermann Bonitz. Der von ihnen ausgearbeitete „Organisationsentwurf' bildet den Grundstein „für das ganze stattliche Gebäude des höheren Unterrichtswesens". „In Thun, Exner, und Bonitz trafen sich Thatkraft, Einsicht und Erfahrung und schufen ein Werk, das seine sieghafte Macht bewährt hat und hoffentlich noch lange bewähren wird. Insbesondere dürften aber die Bildner der Jugend in ihnen die besten Vorbilder finden für das, was als edelstes Ergebnis jeder Erziehung und jedes Unterrichts gelten muss: den sittlichen Charakter. Denn so verschieden die drei Männer nach Heimat, Herkunft und Kenntnissen waren, eines einte sie, und darin liegt wohl das Geheimnis ihres erfolgreichen Wirkens: der tiefsittliche Ernst und die daraus entspringende Auffassung der Pflicht, beseelt von den höchsten Idealen für alles Erhabene, Gute und Schöne." Das Andenken dieser Männer zu ehren, wurde in den Arkaden der Wiener Universität ihnen ein kunstvolles Denkmal errichtet, das am Eröffnungstage der letzten deutschen Philologen-Versammlung in Wien unter grossen Feierlichkeiten enthüllt wurde. Veranlasst durch diese Feier hat Frankfurter 6 3 ) das Leben und Wirken dieser Drei zur Darstellung gebracht, hat aber damit keineswegs ein abII. 4,70. — 60) K. F. L e d d e r h o s e , Wilh. Stern: ADB. 36, S. 110/6. - 61} F. S a n d e r , H. Stephani: ib. S. «0/3. — 62) G. Chr. D i e f f e n b a c h , Joh. Ferd. Schlez. Hess. Schulmann u. Volfcsachriftsteller. (Sonderabdr. ans d. „Hees. Lehrerinl.") Glessen, E. Roth. 14 S. U. 0,30. — 63) s. F r a n k f u r t e r , Graf Lei) Thun-Hohenstein, Fr. Exner n. H. Bonitz. Beitrr. z. Gesch. d. Österreich. Unterriohtsreform. Mit 3 Taf. in Lichtdr. Wien, Haider. VIII, 168 S. U 3,60. |[F. P a n l i e n :

I 6«4-69 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. schliessendes Werk über die grosse Unterrichtsreform in Oesterreich liefern wollen. „Die tiefere Würdigung der einzelnen organisatorischen Arbeiten" will er erfreulicher Weise in einer ausführlicheren Schrift, der Geschichte und Entwicklung des österreichischen Mittelschulwesens, schildern. In seinem vorliegenden Werke, das als ein Teil oder in gewissem Sinne als eine Vorarbeit zu der beabsichtigten Geschichte anzusehen ist, soll nur eine „Chax-akteristik der Männer geboten werden, denen der Aufschwung der geistigen Bildung in Oesterreich in der neuesten Zeit so viel zu verdanken hat". Daher das Hervortreten des biographischen Momentes und das Zurücktreten des sachlichen, für das summarische Berichte genügen mussten. Da dem Vf. viel bisher unbekanntes hs. Material zur Verfügung gestanden hat, das bei anderen Darstellungen des Lebens und der amtlichen Thätigkeit dieser Männer nicht benutzt werden konnte, so erhellt daraus der grosse Wert des in so warmer, wohlthuender Sprache geschriebenen und mit zahlreichen interessanten Anmerkungen versehenen Buches, dessen Entstehen Bonitzens verdienstvollem Schüler W. von Härtel verdankt wird. — Härtel 6 4 ) war es, der als Präsident der 42. Versammlung deutscher Philologen die Festrede zur Enthüllung des Thun-Exner-Bonitz-Denkmals hielt. In dieser Rede sind meisterhaft aus der Fülle der Materialien die Gestalten der drei Männer herausgearbeitet und das, was sie geleistet, durch eine Charakteristik des österreichischen Universitäts- und Mittelschulwesens vor dem Beginn ihrer Arbeit plastisch hingestellt worden.65) — Einem Oldenburgischen Schulmanne,Strackerjan,gelten Mutzenbechers 6 6 ) Mitteilungen. Er hat sich um die Entwicklung des Realschulwesens in seinem Vaterlande sehr verdient gemacht. Von seinen litterarischen Arbeiten verdient an diesem Orte hervorgehoben zu werden seine für die altdeutsche Forschung wichtige Abhandlung über „die jeverländischen Personennamen (1864)." — Das Andenken an Wilh. Hämisch, der als praktischer Schulmann und als pädagogischer Schriftsteller lange Zeit in Preussen eine tonangebende Stellung eingenommen hat, wird durch eine Neuausgabe seines bedeutendsten Werkes, des Handbuches für das deutsche Volksschulwesen (1. Aufl. 1812; 2. Aufl. 1839), das auch jetzt noch den deutschen Schulmännern, besonders den Aufsichtsorganen, viele Anregungen geben kann, wieder aufgefrischt. Bartels 6 7 ) versieht den Text init einzelnen erläuternden Anmerkungen; was aber die Ausgabe noch wertvoller macht, ist die vorangestellte Biographie. Das von B. dargebotene Verzeichnis von Harnischs Schriften sollte in erweiterter Form herausgegeben werden; die ungemein reiche litterarische Thätigkeit würde durch eine genaue Bibliographie aller von Harnisch herrührenden selbständigen Schriften und seiner in verschiedenen Journalen niedergelegten Aufsätze am besten illustriert und damit zugleich eine wichtige Handhabe zur Beurteilung pädagogischer Bestrebungen innerhalb des Lehrerstandes und der Regierungskreise in der ersten Hälfte unseres Jh.gegeben werden. — Das LebenAnt. W.Ferd. Stiehls, des Vf. der so verschiedenartig beurteilten preussischen, oder sog. Stiehlschen Regulative, die unter dem Ministerium Raumer 1854 eingeführt wurden, schildert ein Anonymus68), hinter dem sich wohl der Nachfolger Stiehls in seinem Ministerialamte, Schneider, verbirgt. Sch., dessen allgemeine Bestimmungen an die Stélle der Regulative gesetzt wurden und eine neue Periode im preussischen Volksschulwesen einleiteten, giebt in wohlthuender Objektivität einen Ueberblick über den Entwicklungsgang, den Charakter und die Wirksamkeit Stiehls. — Hier sei nun auch mit einigen Worten auf K e l l n e r s 6 9 ) im vorigen Jahrgange (JBL. 1892 I 10:81) nur dem Titel nach angeführte Selbstbiographie hingewiesen, die sehr bald eine zweite, vom Sohne des Vf., dem Bonner Theologieprofessor, bevorwortete Auflage erlebt hat. In dem Leben Kellners, der als Lehrer, pädagogischer Schriftsteller, als höherer Verwaltungsbeamter und als Mensch ein grosses Ansehen in weiten Kreisen, auch dort, wo seine Stellung in religiösen und politischen Fragen nicht gebilligt wurde, genoss, spiegeln sich die verschiedenen Phasen der Entwicklung des Volksschulwesens in Preussen ab. Das erhöht noch den Wert dieser Selbstbiographie. Er freilich will in seiner Bescheidenheit mit dieser Biographie nichts weiter, als durch die „offene Darlegung seines Ringens und Strebens" ein wenig für die Ueberzeugung wirken, dass innere Zufriedenheit und äussere Anerkennung zunächst und wesentlich von uns selbst abhängen, und dass jeder Beruf, insbesondere aber der eines Lehrers, das wieder entgegenbringt, was man selbst hineinträgt und lehrt. Ein grosses Verdienst hat sich dieser Mann, der von der Pike auf diente und mit Recht als Motto die BPh WS. 13, S. 1465/6; J. L o t s : WSKPh. 10, S. 1066/8; WienerZg. 31. Hai, 6. Juni, 13. Jnni.]| — 64) W. r . H ä r t e l , Festrede z. Enthüllung d. Thun-Emer-Bonitz-Denimals: AZg B . N. 118. — 65) O Vom Grafen Leo Thon: HPBU. 112, S. 2-22, 92-101. — 66) A. M u t z e n b e o h e r , K. D. A. Strackeijan: ADB. 36, S. 487/9. — 67) W. Harnisch, Handbuoh für d. ätsch. Volksschulwesen. Mit Anm. n. Harnischs Biogr. her. T. Fr. B a r t e l s . ( = Bibl. päd. Klaas, her. v. F r . H a n n . Bd. 32.) Langensalza, Beyer A SShne. LXII n. XII, 380 S. II. 3,50. — 68) [K. S c h n e i d e r ] : A. W. F. Stiehl: ADB. 36, S. 180/4. — 69) L. K e l l n e r , Lebensbl&tter. Erinnerungen ans d. Schnlwelt. 2. erg. Anfl. Hit Bild. Freibnrg i. B., Herder. 1892.

K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 16:70-80 Worte Pestalozzis: „Man hatte mir oft gesagt, es sei eine heilige Sache, von unten auf dienen" seinem Buche vorgesetzt hat, um die Ausbildung der Methodik des deutschen Sprachunterrichts erworben. — Auch ein Verehrer Kellners, ein protestantischer Schulmann, der Bürgerschullehrer Piltz™), hat Lebenserinnerungen geschrieben, die sich allerdings in einem engeren Kreise als die von Kellner bewegen. — Ein B e r l i n e r Schulmann, G. L. Spalding, der Sohn des berühmten Propstes zu St. Nicolai ist es, dessen Leben und Wirken uns Hoche 7 1 ) vorführt. Der Schwerpunkt von Spaldings litterarischer Thätigkeit lag auf dem Gebiete der klassischen Philologie. — Die Verdienste Spillekes, des berühmten Direktors des FriedrichWilhelm-Gymnasiums in Berlin, werden von Wiese 7 2 ), der in Spilleke wohl eine kongeniale Natur erblicken durfte, in ansprechender Form dargestellt. In der Geschichte des Realschulwesens und auch in der Geschichte des höheren Töchterschulwesens wird Spillekes weitgehender, über Preussen hinausragender Einfluss immer bemerkt werden müssen. — Eine gründliche Darstellung des Lebens und Wirkens, K. F. Splittegarbs hat der um die Methodik des Unterrichts und seine Geschichte verdiente F e c h n e r 1 3 ) verfasst. Des tüchtigen Berliner Schulmannes praktische Thätigkeit bestand in der Leitung einer vorzüglichen Privatschule, die sich einer langandauernden Beliebtheit bei vielen Berliner Familien, die in mehreren aufeinander folgenden Generationen ihre Kinder der Schule anvertoauten, erfreute. Seine umfassende litterarische Thätigkeit kam vor allem dem deutschen Unterrichte zu gute; seine „deutsche Sprachlehre für Anfänger, mit Aufgaben" (1. Aufl. 1800; 12. Aufl. 1840) bezeichnet einen Fortschritt in der Methodik. — Ueber den ehemaligen Direktor des Königsberger altstädtischen Gymnasiums, das unter seiner Leitung zu grosser Blüte sich entfaltete, den Philologen Karl Ludw. Struve (1785—1838), der auch als Dichter genannt zu werden verdient, bringt Stieda* 4 ) Nachrichten. — Das Leben des S a c h s e n Spitzner, dessen Thätigkeit hauptsächlich dem Wittenberger Lyceum, das unter ihm zu einem Gymnasium erweitert wurde, gewidmet war, hat Hoche'' 5 ) geschrieben. Obwohl Spitzners Arbeiten, besondere durch seinen Lehrer Lobeck angeregt, in der Hauptsache auf dem Gebiete der klassischen Philologie, besonders Homers, liegen, hat er doch auch mit seinen beiden Geschichtsdarstellungen über das Wittenberger Lyceum (1808) und über die Entwicklung des Gymnasiums und der übrigen Schulanstalten zu Wittenberg (1830) der Geschichte des deutschen Unterrichts- und Erziehungswesens nicht unwichtige Beiträge geliefert. — Stallbaums Biographie wird von Hoche 7 6 ) gegeben. Schüler der berühmten Leipziger Thomasschule, ist er, nachdem er Theologie und unter Gottfr. Hermann Philologie studiert hatte, eine Zeitlang Lehrer an den Franckeschen Stiftungen gewesen, die er, obwohl der Kanzler Niemeyer ihm günstige Aussichten für die Zukunft gemacht hatte, verliess, um auf Wunsch seines alten Rektors Rost ein Lehramt an der Thomasschule (1820) zu übernehmen. Glückliche erzieherische Gaben machten ihn zu einem tüchtigen Lehrer; seine gründliche philologische Vorbildung befähigte ihn zu vorzüglichen litterarischen Studien, die besonders Plato galten. — An die Spitze des Abschnittes über die S c h w e i z verdient gestellt zu werden die von Keller 7 7 ) mitgeteilte Probe aus einer Sammlung von Nekrologen schweizerischer Schulmänner. Von den mitgeteilten Biographien seien hervorgehoben die von Breitinger und Bodmer, Usteri, Stapfer, dem Förderer Pestalozzis^ Zeller und Georg Gessner. Im Anhange giebt K. zu dem genannten Programm eine Lebensskizze des vor kurzem verstorbenen langjährigen Lehrers am Seminar Wettingen, Rud. Landolt. — Hunziker 7 8 " 7 9 ) hat sich die schwierige Aufgabe gestellt, Ernst Ludw. Rochholz uns vorzuführen. Frühzeitig, schon auf der Schule in Neuburg a. d. Donau, bethätigte Rochholz sein Interesse für deutsche Sprache und Litteratur, und auch die harte Strafe, die er damals erleiden musste, weil er sich Werke von Goethe und Schiller verschafft hatte, konnte seine Liebe nicht unterdrücken. Aus dem von H. mit vieler Mühe zusammengestellten Verzeichnisse der gedruckten litterarischen Produktion Rochholzens gewinnt man ein Bild von der Vielseitigkeit seines litterarischen Schaffens. Die Geschichte der germanischen Philologie, die Dialektforschung, die Mythologie, die Rechts- und Staatsaltei'tümer, der Sagen- und Märchenschatz werden von ihm ebenso wie die Geschichte der Pädagogik, der alten und neueren deutschen Litteratur, bereichert; und manche wertvolle Ergänzung ist wohl noch aus dem von H. ebenfalls verzeichneten hs. Nachlasse zu erwarten. Sein Andenken wird aber auch ohne dies in der Schweiz so bald nicht erlöschen; denn wahr ist, was YII, 618 S. M. 1,00. — 70) O. P i l t z , D. Tagebuch e. dfcach. Sohulmanoes. Oasen u. Stationen aus d. letzten Jahrzehnten meines Lehrerlebene. L., F. Sichter. VU, 152 S. II. 2,00 — 71) R. Ho O h e , Gr. L. Spalding: ADB. 35, S. 29-30. - 72) L. W i e s e , G. A. Spilleke: il>. S. 187/9. - 73) H. F e e b n e r , K. F. Splittegarb: ib. S. 235/7. — 74) L. S t i e d a , K. L. Struve: ib. 36, S. 687-90. - 75) K. H o c h » , F. E. H. Spitzner: ib. 35, S. 224/5. — 76) id., J. G. Stallbanm: ib. S. 422/3. — 77) J- K e l l e r , Probe e. grösseren Samml. y. Nekrologen Schweiz. Schulmänner. Progr. d. Lehrarsemin. Wettingen. (Baden, J. Zehnder.) 44 S. — 78-79) J. H u n z i k e r , E. L. Bochbolz. Progr. Aarau, (Saaerlinder & Cie.). 4°. 54 S. - 80) F. J&hreeberiohte für neuere deutsche Litteraturgesohiehte. IV. 12

16:81-8« K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. an seinem Grabe einer seiner älteren Schüler aussprach, dass er der Schweizer Jugend einen mächtigen Anstoss gegeben, dass er sie gelehrt, das Gold zu suchen, nicht im tauben Gesteine, nicht im öden Treiben der Welt, nicht in der Parteien Zwist und Hader, sondern in der Tiefe der Volksseele, des Kindergemütes und des Frauenherzens. „Du hast das aargauische Volk gelehrt, sich selbst hoch zu achten, es wird dir dankbar bleiben in alle Zukunft." — B r ü m m e r 8 0 ) führt uns den Lebensgang und die litterarische Thätigkeit Joh.Staubs vor. Durch seine Kinderbüchlein, die „Staubebüchli", hat er, der als Begründer der poetischen Jugendliteratur in der Schweiz angesehen werden darf, sich die Herzen der Schweizer Kinder und Mütter erobert. — Zwei Pädagogen des Namens Spiess, Vater und Sohn, von denen aber nur der Sohn, Adolf S., wegen seiner Verdienste um das Turnwesen in den weitesten Kreisen bekannt geworden ist, (während der Vater, Johann Balthasar S., eine wenn auch segensreiche Thätigkeit im engeren Kreise, besonders in der Hebung des städtischen Schulwesens in Ottenbach, entfaltet hat,) hat uns Sander 8 1 " 8 2 ) geschildert. Adolf war schon durch Guts Muts, als er zehnjährig mit dem Vater Schnepfenthal besuchte, für das Turnen gewonnen; als Student hat er den alten Jahn in Cölleda aufgesucht und sich in Berlin an den Bestrebungen Eiselens und Phil. Wackernagels beteiligt. Später in Burgdorf in der Schweiz bildete er das Schulturnen nach verschiedenen Richtungen hin, auch für Mädchenschulen, aus und stand dort in engem Verkehr mit Friedr. Fröbel und Max Schneckenburger, dem Dichter der Wacht am Rhein, die hier zum ersten Male gesungen wurde. Später als Turnlehrer in Basel, als Assessor des Studienrates in Darmstadt war er immer für sein Lieblingsfach, das er übrigens nicht losgelöst von dem Unterrichte, sondern in das Ganze der Volkserziehung eingeordnet wissen wollte, in Thätigkeit. — Von H o c h e 8 3 ) rührt eine kurze Lebensskizze eines t h ü r i n g i s c h e n Praktikers von vielseitiger wissenschaftlicher Bildung, des Reformators des Nordhäuser Gymnasiums und des gesamten städtischen Schulwesens, Joh. Gottfr. Aug. Sparr her, dessen Plan für das Gymnasium in Nordhausen für eine grosse Zahl der damaligen mitteldeutschen Gymnasien vorbildlich gewesen ist. — Das Leben eines originellen Mannes, des ehemaligen Saalfelder Lycealrektors, späteren Gymnasialprofessors in Hildburghausen, Theod. Friedr. Reinhardts, schildert H u m a n 8 4 ) . Der Arbeit zu Grunde liegen Bruchstücke einer Selbstbiographie, die uns ihren Vf. widerspiegelt als eine „bestimmt ausgeprägte Persönlichkeit mit vielen Ecken und Kanten, mit mancherlei bizarrem und schroff einseitigem Wesen", das sich „wenig in Menschen und Verhältnisse zu schicken wusste". In Jena, das, wie er schreibt, zur Zeit, da er dort studierte (1814), einem gerupften Huhne glich, weil alle bedeutenderen Lehrer in den Jahren nach dem Fichteschen Konflikte es verlassen hatten, schloss er sich an den damals bedeutendsten Philologen Eichstätt an, der die Seele der Universität und darauf bedacht war, in der Berufung tüchtiger Lehrkräfte einen Ersatz für die Verluste der Universität zu gewinnen. Von Goethe, den er zur Zeit, als der Hund des Aubry am Weimarer Theater seine Kunststücke machte, in einer Equipage mit „höfisch galonnierten Lakaien" in Jena herumfahren sah, hat er keinen hervorragenden Eindruck gewonnen: ,,Eine prosaisch aristokratische Figur". Die Saalfelder Stadt- und Landschule, die im J. 1527 als lateinische Schule begründet, später von Aquila und Melanchthon reorganisiert und 1551 Lyceum benannt wurde, umfasste, als Reinhardt ihr Rektor wurde, ausser dem Lyceum, das seine Schüler unmittelbar zur Universität entliess, ein Landes-Schullehrerseminar und eine Knabenschule. Die Mitteilungen über seine Thätigkeit an dieser Schule enthalten auch für die Litteratur- und Kulturgeschichte Thüringens interessante Momente. Obwohl er das Studium griechischer und lateinischer Litteratur seinen Schülern nicht oft genug rühmen konnte, wurde doch in seinem Unterrichte die deutsche Sprache und Litteratur nicht vernachlässigt. Bei den stilistischen Arbeiten der Schüler vermied er es, ihre individuelle Auffassung durch eine eigensinnige Kritik zu korrigieren. Er strebte vielmehr danach, der Aeusserung jeder Neigung gerecht zu werden, und vermied dadurch, was viele Lehrer in ihrem Unterrichte bewirken, „uniformen Geschmack" und „uniforme Logik". — U n i v e r s i t ä t e n . Der Abschnitt über Universitäten würde ain besten eingeleitet durch eine Besprechung der z u s a m m e n f a s s e n d e n D a r s t e l l u n g über die deutschen Universitäten, die L e x i s 8 5 ) unter Mitwirkung vieler deutscher Universitätsprofessoren im Auftrage der Regierung für die Universitätsausstellung in Chicago verfasst hat. Leider ist mir das Werk nicht zugänglich gewesen. — K u k u l a 8 6 ) B r a m m e r , J. Staub: ADB. 35, S. 506/7. — 81) F. S a n d e r , J. B. Spiess: ib. S. 182/3. — 82) id., Ad. Spiess: ib. S. 173/7. — 83) B. H o c h e , J. 0. A. Sparr: ib. S.63/4. — 84) A. H u m a n , Th. F. G. Bernhardt, weil. Sektor d. Lyceuma zu Saalfeld, Sohulrat o. erster Prof. am Gymn. zu Hildburghausen eto. E. Lebens- u. Charakterbild. ( = Schriften d. Ver. f. Meining. Gesch. u. Landeskunde. 15. Heft.) Heiningen, L. v. Eye. 140 S. II. 2,50. — 85) O X X W. L e x i s , D. dtsch. UniT. Für d. UniT.-Ausstellung in Chicago 1893 unter Mitwirk, zahlreicher UniT.-Lehrer. 2 Bde. B., Asher. III, 620 S.; VI, 406 S. 11. 24,00. — 86) Bich. K u k u l a , Bibliogr. Jb. d. dtsoh. Hochschulen. 1. Erg&nzungsheft. Innsbruck, Wagner. IV, 295 9.

K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungs Wesens.

I6:86a-9S

macht in dem Ergänzungshefte zu seinem bibliographischen Jahrbuche Angaben über die litterarische Thätigkeit vieler an deutschen Hochschulen wirkender Gelehrten und giebt dadurch Material für die Fortsetzung der allgemeinen deutschen Biographie.86') — Ueber eine Universität, die einige Jahre im A l l g ä u , in Ottobeuren und Elchingen, bestanden hat, wird uns von H u b er 8 1 ) Nachricht gegeben. Freilich bestehen diese Mitteilungen nur in einem Auszuge aus den Darstellungen, die Giefel (im Deutschen Volksblatt 1888 N. 72—81) gegeben hat und auf Notizen in Feyerabends Ottenbeurenschen Jahrbüchern. Die Universität war von Angehörigen des Benediktinerordens im J. 1542 zur Vorbildung ihrer Ordensleute und zur Abwehr gegen das Vordringen der Reformation gegründet worden. Ihr Sitz wurde Ottobeuren, nachdem der zunächst in Aussicht genommene Flecken Legan sich als ungeeignet erwiesen hatte. Bereits nach zweiundeinhalbjährigem Bestände löste sie sich wegen der Ungunst der Verhältnisse auf; der Versuch von Lehrern und Schülern, in Elchingen eine ruhige Stätte zu finden, misslang; der Gedanke der Stiftung einer Gelehrtenschule aber wurde unmittelbar nach dem Schmalkadischen Kriege von Otto Truchsess von Waldberg, dem Bischöfe von Augsburg, wieder aufgenommen, und 1549 in der Gründung des Kollegiums, der späteren Universität Dillingen, verwirklicht. — Die Hubersche Darstellung wird übrigens von einem Anonymus88) dahin berichtigt, dass nach einer Chronik über die Gründung des Stiftes Kempten der Gedanke zur Errichtung einer oberschwäbischen Studienanstalt bereits 1533 von dem Abte Sebastian von Breitenstein und dem Prälaten von Ottobeuren und Zwiefalten gefasst und dadurch die Gründung der Hochschule von Ottobeuren, später Elchingen ins Leben gerufen worden ist. — Aus der bisher noch nicht herausgegebenen Matrikel der Universität Basel bietet L o e r s c h 8 9 ) einen kleinen Teil, indem er ein von G. Knod für ihn angefertigtes Verzeichnis der Aachener, die von 1462—91 in Basel studiert haben, mit einigen eigenen Erläuterungen und Anmerkungen giebt. — Einige Nachrichten über die Gründung der B e r l i n e r Universität und über ihre innere Entwicklung enthält die von V i r c h o w 9 0 ) am 3. Aug. in der Aula der Universität gehaltene Rede. Die innere Entwicklung hat sich nach V so vollzogen, dass in der ersten Periode unter Friedrich Wilhelm III. die Universität unter dem „Zeichen der Philosophie" gestanden hat, dass diese philosophische Zeit, die mit Hegel ihren Höhepunkt, aber auch ihr Ende erreichte, abgelöst wurde durch die naturwissenschaftliche Periode, für die Alex, von Humboldt den Boden geebnet, und der er seinen Stempel aufgedrückt hat. Kann man V. in seiner Charakteristik der ersten Periode beistimmen, so ist das nicht der Fall hinsichtlich des naturwissenschaftlichen Zeitalters. — Aus Veranlassung der Feier des 150 jährigen Bestehens der Universität Erlangen, die, erst eine markgräfliche, dann eine königlich preussische war, ganz kurze Zeit der französischen Regierung unterstand und endlich unter bayerischer Regierung einen grossen Aufschwung genommen hat, sind verschiedene Veröffentlichungen erschienen. In seiner Festrede schildert der derzeitige Rektor der Universität, Strümpell 9 1 ), die Gründung und die ersten Jahre ihres Bestehens. Der prachtliebende Markgraf Friedrich von Bayreuth gründete auf Anregung seines Leibarztes Superville, des späteren Kanzlers der Universität, und wahrscheinlich in seinem Vorhaben von seiner Gattin, Friederike Sophie Wilhelmine, der Schwester Friedrichs des Gr., bestärkt, die Universität, um den Ruhm seines Landes und besonders seiner Hauptstadt Bayreuth zu heben. Die Haupt- und Residenzstadt, in der 1742 die feierliche Einweihung der Universität stattfand, erwies sich aber als so ungünstig, dass schon nach einem Jahre an ihre Verlegung gedacht werden musste. Von den in Aussicht genommenen Städten Kulmbach, Hof und Erlangen wurde letztere gewählt, weil hier die Gebäude und Fonds der in Verfall geratenen Ritterakademie zur Verfügung standen. Anfang November 1743 fand die Einweihung92) der Erlanger Universität statt, deren Seele während der ersten Jahre ihres Bestehens Superville war; unmittelbar nach seinem Abgange tritt auch der Verfall ein. — Supervilles Lebensgang und seine Verdienste um die Universität werden in der von S e h l i n g 9 3 ) im Auftrage des akademischen Senates geschriebenen Festschrift dargestellt. Den Hauptteil seiner Arbeit bildet aber eine juristische Abhandlung über das Kanzleramt an der Universität Erlangen, dessen Entstehung, geschichtliche Entwicklung und jetzige Bedeutung S. deutlich darlegt. Danach ist das Kanzleramt ein unveräusserliches Recht der juristiM. 3,20. — 1 6 a ) O X X ( I 3:138.) 87) F. A. H u b e r , E. Allg&ner Uni».: Allg&uerGFr. 6, S. 75/7, 93,6. — 88) TJ., E. AUginer Univ.: ill. S. 156. — 89) H. LOOTS o h , D. in Basel v. 1462-91 studierenden Aachener: ZAachenGV. 15, S.. 327/9. — 9 0 ) R. V i r oh o w , D. Gründung d. Berliner Univ. n. d. Uebergang ans d. philos, in d. natnrwiss. Zeitalter. Rede. B., Hirschwald. 4". 29 S. M. 0,80. — 91) A. S t r ü m p e l l , D. Anf&nge der Univ. Erlangen. Rede. Erlangen, Jnnge. 16 S. M. 0,30. — 92) X D- Einweihung d. Erlanger Univ. am 4.-6. KOT. 1743. ( = Festzg. z. Jubelfeier d. Univ. Erlangen 1743-1893. S. 2.) — 9 3 ) E. S e h l i n g , D. T. Superville. D. Kanzleramt an d. Univ. Erlangen. Festschritt. L., Veit £ Co. VIII, Mit Bildn. 188 S.

12*

I6:9t-io6 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. sehen Fakultät. Als Einleitung giebt S. eine Geschichte des Universitäts-Kanzellariats überhaupt und am Schlüsse einen interessanten Ueberblick über die gegenwärtige Rechtslage des Kanzleramtes auf denjenigen deutschen Hochschulen, an denen es noch besteht. — Angeschlossen sei hier ein Aufsatz94), der in Kürze die Geschichte der Universität bis auf die Gegenwart herabführt; dabei sei erwähnt, dass unter den Lehrern Fichte, der freilich nur einige Monate dort lehrte, die Juristen Puchta, Stahl, der später in Preussen eine hervorragende Rolle spielen sollte, die Philologen Döderlein und Nägelsbach, der Germanist Raumer, der Dichter Rückert zu nennen sind. — Auch über die Vorgeschichte der Universität fehlt es nicht an Nachrichten95), aus denen hervorgeht, dass die erste Anregung, in Franken eine oder zwei Hochschulen zu gründen, von Luther 1529 ausgegangen, im 17. Jh. von dem Kulmbacher Superintendenten Altdorfer unter der Regierung des Markgrafen Christian und später von dem Sohne des letzteren, dem Markgrafen Christian Ernst, wieder — freilich ohne Erfolg — aufgenommen worden ist. 96 ) — Beiträge91"98) zur Geschichte der Universität Freiburg i. B. sind auch in diesem Jahre geliefert worden (vgl. JBL. 1892 I 10 : 252/4). König 9 9 1 0 0 ) hat zunächst die bisher unbekannt gebliebenen articuli officii rectoris academiae von 1580, deren Vf. Jodocus Lorichius ist, veröffentlicht. Lorichius, der acht Mal die Rektoratswürde bekleidet hat, giebt in diesen articuli nicht etwa ein offizielles Statut, sondern nur eine private Zusammenstellung' der wichtigeren „amtlichen Befugnisse, Auszeichnungen, Thätigkeiten, welche dem Haupte des corpus academicum zustehen und zukommen, führt Einzelheiten aus der älteren akademischen Verfassung und Administration" vor, in aphoristischer, für den nächsten Gebrauch bestimmter Form, und verweist dabei oft auf das ausführliche Statut der Universität, über dessen Verbleib bisher noch nichts hat ermittelt werden können. Der Herausgeber hat dem Texte wertvolle Ergänzungen beigegeben, so Mitteilungen über den ersten Rektor, Matthaeus Hummel, über einzelne besondere Vorkommnisse in der Geschichte des Rektorats, über die unter der Kaiserin Maria Theresia angeordneten Reformen, und fügt am Schlüsse die series rectorum et prorectorum von 1460—1892 bei. 1476 ist Joh. Geiler von Kaisersberg Rektor gewesen, dem 1477 ein Fridericus comes de Hohenzollern in dieser Würde folgte. K.s zweiter Beitrag besteht in einem aus dem letzten Drittel des vorigen Jh. stammenden Schriftstücke eines Anonymus, das die Wichtigkeit der Theresianisch-Josefinischen Reformen hervorhebt, aber auch zugleich betont, dass durch die 1773 erfolgte Aufhebung des Jesuitenordens viele gute Anstalten aufgehoben worden seien. Es handelt sich hierbei wahrscheinlich um ein für eine höher gestellte Persönlichkeit verfasstes Gutachten. — M a y e r s 1 0 1 1 0 3 ) Darstellung, die eine Fortsetzung seines im vorigen Jahre erschienenen Werkes ist, betrifft die Entwicklung der Freiburger Universität in neuerer Zeit (1818—52). Er macht eingehende Mitteilungen über alle Universitätsinstitute, über den Lehrkörper, über Fonds, über Festlichkeiten und Studentenschaft, und dabei wird besonders der burschenschaftlichen Bestrebungen gedacht, die auch hier wie auf anderen Universitäten vielen Verfolgungen ausgesetzt waren. — In der Einleitung zu einem Aufsatze104) über die neugegründete Universität F r e i b u r g in der S c h w e i z werden einige Mitteilungen über die seit Jhh. gehegte Absicht, in der Schweiz eine katholische Universität zu gründen, gemacht. Bereits im J. 1539 mit der Ausbreitung der Reformation dachte man zum Schutze der katholischen Kirche an die Gründung der Universität. Die Eifersucht der einzelnen Kantone aber verhinderte die Ausführung- des Planes, der 1763 durch die Gründung der Rechtsschule, die als juristische Fakultät in der neu gegründeten Universität aufgegangen ist, wenigstens zu einer partiellen Ausführung gelangte. — Während Klewitz und Ebel 1 0 5 ) ihre Ausgabe der G i e s s e n e r Matrikel von 1685—1701 (leider auch diesmal ohne jegliche Erläuterung) weiterführen, giebt Falckenheiner 1 0 6 ) Nachrichten über eine Hochschule, deren Existenz wohl nur wenigen bekannt sein dürfte, nämlich über die durch den Landgrafen Wilhelm V. M. 6,00. — 94) Z. 150j. Jubil. d. Univ. Erlangen: AZgB. N. 174. — 95) Z. Vorgeech. d. Univ. Erlangen: StrassbPost. N. 208. — 96) X A. F ö r t s c h , Erlangen: BurschenschBll. 7, S. 261/3, 289-91. (S. o. I 4:80.) — 97) X J- S c h n e i d e r ] , D. alte Univ. Frankfurt a. 0.: ib. S. 38/9, 67-70, 91/5, 122/6, 147-50. (Mit 6 Bildern.) — 98) O M. P o h l a n d t , Z. Verlegnng d. Univ. in Frankfurt a. 0.: Bär 19, S. 550/1. — 99) J o s . K ö n i g , Beitrr. z. Gesch. d. Univ. Freiburg. Bektorat n. Prorektorat: FreiburgerDiicesA. 23, S. 61-120. — 100) id.. Beitrr. z. Gesch. d. Albertinischen hohen Schule: ib. S. 349-54. — 101) Herrn. M a y e r , D. Univ. zu Freibnrg i. Br. in d. J. 1818-52. 1. Hauptteil. D. Rogierg. d. Grossherz. Ludwig 1818-30. I. Patronatsreohte n. auswärt. Besitzungen. II. Veränderungen in d. Organisation. III. Allg. Finanzlage. IV. Lehrangelegenheiten. V. Das Lehrerkollegium: Alemannia 21, S. 17-70. — 102) id., D. Univ. zu Freiburg i. Br. in d. J. 1818-52. 1. Hauptt. D. Regierung d. Grossherz. Ludwig 1818-30. Schluss. VI. Institute. VU. D. Studenten u. ihre Vereinigungen. VIIL Festlichkeiten: ib. S. 148-85. — 103) id., D. Univ. zu Freibnrg i. Br. in d. J. 1818-52. 2. Hauptt. D. Regierung d. Grossherz. Leopold 1830-52. I. Ausw&rt. Einkünfte u. Finanzen im allg. II. Zeitweilige Schliessung u. Reorganisation d. Univ. III. Weitere Veränderungen in d. inneren Einrichtung. IV. Lehrangelegenheiten. V. Abermalige Gefährdung d. Bestandes d. Univ.: ib. S. 209-76. — 104) D. kath. Univ. Freiburg in d. Schweiz: HPB11. III, S. 569-88. — 105) E. K l e w i t z u. K. E b e l , D. Giessener Matrikel (Forts.): MOberhessGV. 4, S. 1-48. (Vgl. JBL. 1890 I 6:60.) — 106) W. F a l c k e n h e i n e r , D. Ann. n. d. Matrikel d. Univ. Kassel:

K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 16:107-117 1633 gegründete ehemalige Universität K a s s e l , die freilich nur bis zum J. 1652 bestanden hat, als Pflanzstätte der reformierten Kirche und als Bollwerk gegen die frühere Landesuniversität Marburg, die, nachdem sie in den Besitz Ludwigs V. von Darm Stadt übergegangen, der Sitz strengsten Luthertums geworden war. Die Matrikel ist noch vollständig vorhanden und freilich ohne Erläuterungen, „um zunächst das Quellenmaterial der Forschung allgemein-zugänglich zu machen", zusammen mit den Annalen, die leider nur über die Gründung- und die Ereignisse der ersten Jahre unterrichten, von F. abgedruckt, indem er dem Ganzen eine historische Einleitung vorausschickt. — Hier sei auch sogleich Haupts 1 0 7 ) Arbeit über das Marburg-Giessener Stipendienwesen erwähnt. Bereits in der Homberger Kirchenordnung von 1526 hatte Philipp der Grossmütige vor der definitiven Gründung der Marburger Universität für die Unterstützung dürftiger Studenten der zukünftigen Hochschule die Gründung einer Institution in Aussicht gestellt. Dieser Plan wurde auch durch den Freiheitsbrief vom 31. Aug. 1529 verwirklicht und zwar dadurch, dass die kirchlichen Stiftungen aller Art in den Ortschaften der Landgrafschaft dazu herangezogen werden sollten. Im J. 1533 wurden im Minoritenkloster zu Marburg fünf Stuben für die Stipendiaten, die nach einer Verordnung vom J. 1537 nur Theologen sein durften, eingerichtet. 1539 war die Zahl der letzteren bereits auf 137 gestiegen, eine Zahl, die nicht überschritten werden sollte. Da aber die Ortschaften die festgesetzten Beiträge teils unregelmässig, teils gar nicht einlieferten, so nahm die Institution nicht die Entwicklung, die dem Landgrafen vorgeschwebt haben mag. An der im J. 1546 herausgegebenen Studienordnung für die Stipendiaten hat Melanchthon mitgearbeitet H. teilt im Anhange eine Anzahl von älteren Urkunden, die sich auf das Stipendienwesen beziehen und im Besitze der Universität Giessen sind, in Regestenform mit. Ip einem Nachtrage (S. 156) erwähnt H. noch eine Schrift über das „Stipendienwesen in HessenDarmstadt" f 1875), die wertvolle Mitteilungen aus ungedruckten Quellen, darunter auch eine allerdings ergänzungsbedürftige Liste der beitragspflichtigen Orte yon 1529 und 1657 giebt. — Verhältnisse der Universität Göttingen um 1760: Lehrbetrieb, Charakteristik einzelner Professoren, Beziehungen der Studenten zu ihren Lehrern und Hauswirten und unter einander, Unterhaltungskosten schildert ein von Holstein 1 0 8 ) mit einigen einleitenden Worten veröffentlichter Brief des Göttinger Professors Michaelis an den Marseiller Advokaten Lavabre, der die Absicht hat, seinen Sohn, der noch in Paris auf der Schule ist, zum Studium nach Göttingen zu schicken. — Ueber FreitischVerhältnisse an dieser Universität orientiert ein (vgl. 14:102) Aufsatz Knokes 109-109 "). — Veranlasst durch das 1894 stattfindende Jubiläum des 250jährigen Bestehens der Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg hat Schräder 1 1 0 ), der Kurator dieser Hochschule, ihre ausführliche Geschichte, die mir leider nicht zur Verfügung gestellt wurde, geschrieben. Ihr Inhalt ist in Kürze in einigen Zeitungsartikeln111-112) mitgeteilt. — Eine bedeutsame Ausbeute von Materialien zur älteren Wittenberger Universitätsgeschichte gewährt Buchwalds 1 1 3 ) Ausgabe einer Anzahl von Briefen, die an Stephan Roth (vgl. JBL. 1891 I 6:65) aus seinem Wittenberger Bekanntenkreise gerichtet worden sind. Im ganzen haben sich in der an litterarischen Schätzen besonders aus der Reformationszeit so reichen Bibliothek der Stadt Zwickau 3018 von 571 verschiedenen Schreibern herrührende Briefe an Roth gefunden, durch deren wenn auch fragmentarische Veröffentlichung sich B., der zu einer glücklichen Lösung dieser Aufgabe sichere Garantien bietet, ein grosses Verdienst um Reformation, Gelehrten- und Kulturgeschichte erwerben würde. — Auch die von P e t r i 1 1 4 ) veröffentlichten Stammbuchblätter haben Bezüge zur Wittenberger Universitäts- und Gelehrtengeschichte der Reformationszeit. — Von Toepkes 1 1 5 ) vielgerühmter Ausgabe der H e i d e l b e r g e r Matrikel von 1386—1662 ist der Registerband erschienen. — Als Material zur Geschichte der Universität kann Holsteins 1 1 6 ) Aufsatz angesehen werden, in dem er die erste Periode der Heidelberger Universität uns vorführt und dabei diejenigen Persönlichkeiten hervorhebt, die an der Hochschule vorübergehend oder dauernd gewirkt haben: Peter Luder, Matthias von Kemnat, Stephan Hoest und dessen Schüler Wimpheling, der Vater des oberrheinischen Humanismus, ferner Pallas Spangel, bei dem Melanchthon als Student gewohnthat. —Dem letzteren hat Hartfei der 117 ) eine besondere Besprechung ZVHessG. 18, S. 190-326. |[A. S c h r ö t e r : BLU. S. 582.J| — 107) H. H a u p t , Aus d. Arch. d. Univ. Glessen. I. Z. Gesch. d. alten Marbnrg-Giessener Univ.-Stipendien: MOberhessGV. 4, S. 118-22. —108) (I 4:103.) — 109) K. K n o k e , Ans d. Qötttinger Freitisch-Akten: AZgB. 1892, N. 209. — 109 a) O X X (14:95.) — 110) O W . S c h r ä d e r , Geich. d. Friedriohs-UniT. in Halle. 2 Tie. B., Pöramler. VIII, 640 S.; Y, 583 S. M. 81,00. - Ul) X W. K [ a w e r a u ] ,Z. Gesch. d. Univ. Halle: MagdZg. N. 548. —112) X H D. Fried richsnniv. zu Halle a. S.: NatZg. N. 683. — 113) G. B u c h w a l d , Z. Wittenberger Stadt- n. Univ.-Gesch. in d. Befcrmationszeit. L., Wiegand. X, 192 S. M. 6,00. — 114) H. F e t r i , Wittenlierger Stammtrachbll. ans d. 16. Jh. ( = Festschrift z. 350. Stiftungsfeste d. Kgl. Landesschule Pforta [B., Weidmann. 4°. 93 S. M. 3,00.], S. 63-80.) — 115) O G. T o e p k e , D. Matrikel d. Unir. Heidelberg v. 1386-1662. 3. T„ Reg., 1. Hälfte. Heidelberg, Winter. XII, 545 S. M. 12,00.-116) H. H o l s t e i n , Z. Gelehrtengesch. Heidelbergs beim Ansg. d. MA. ( = Progr. d. Gymn. zu Wilhelmshaven, S. 1-26.) — 117) K. H a r t f e l d e r ,

I 6 :118-134 K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. gewidmet. — Mit Rud. Agricola, der zum älteren Heidelberger Humanistenkreise gehörte, beschäftigt sich Ihm 1 1 8 ). — S t ü b e l 1 1 9 ) , der Herausgeber des Urkundenbuches der Universität L e i p z i g für die J. 1409—1555, giebt eine ansprechende Schilderung Leipziger Universitätsverhältnisse. Nachdem er uns mit dem Inhalte der päpstlichen Bestätigungsbulle und der landesherrlichen Stiftungsurkunde bekannt gemacht hat, gewährt er uns einen Einblick in den Zustand der Universität während ihrer bedeutsamsten und interessantesten Periode, der Zeit des 16. Jh. Aus dem reichen hs. Material unterrichtet er uns über Universitätsfonds, über den Lehrkörper, Rektorwahlen, die Disciplin, über allerlei Konflikte des Lehrkörpers, der Studierenden und der Bürger (vgl. I 4 : 98). — Nach dem Werke von Heinr. Gottl. Kraus (Beschreibung der Feierlichkeit usw. 1810) wird 120 ) eine Schilderung der in Leipzig 1809 zur Feier des 400jährigen Bestehens der Universität stattgehabten Festlichkeiten gegeben. 121 ) — Ein Verzeichnis der Rektoren der W i e n e r Universität von 1365—1893 hat S c h r a u f 1 2 2 ) mit vieler Mühe zusammengestellt, zunächst für die im neuen Wiener Universitätsgebäude angebrachten und im Mai 1893 bei Gelegenheit der PhilologenVersammlung enthüllten Gedächtnistafeln der Wiener Universitätsrektoren. (Vgl. noch I 4 : 96/7, 99.) — S t u d e n t e n t u m . Einige a l l g e m e i n e Nachrichten über das Studentenleben zur Zeit der Reformation veröffentlicht Katt 1 2 3 ). — Specielldem Rostocker Studentenleben dieses Zeitraumes gilt ein Vortrag von H o f f m e i s t e r m ) . — Anzuschliessen sind hier die Arbeiten von H e r a e u s 1 2 5 ) über Hamburger Studenten auf deutschen und ausländischen Hochschulen und von J o s e n h a n s 1 2 ® ) über Tübinger Studenten. — Ein Anonymus l 2 7 ) giebt aus dem im J. 1737 von dem Hallenser Professor Martin Schmeigel veröffentlichten Ratgeber für Studenten: „Eines rechtschaffenen Studenten Klugheit zu leben und zu Couversieren, zu Hause, auf Universitäten, auf Reisen usw." einen Auszug. — Der vollständige Text eines anderen derartigen Anstandsbuches für Studenten ist als Festschrift zur Erlanger Jubelfeier abgedruckt worden 128 ). — Besonders reichhaltig sind die Mitteilungen über die Geschichte der d e u t s c h e n B u r s c h e n s c h a f t (vgl. 1 4 : 7 8 , 132). Angeregt von Schneider, dem Herausgeber der Burschenschaftlichen Blätter, hat sich innerhalb der Burschenschaft eine „Vereinigung für Geschichtsschreibung" gebildet. Ueber das Leben in der alten Jenäischen Burschenschaft werden wir unterrichtet durch die jetzt veröffentlichten Aufzeichnungen von Mitgliedern aus der ersten Zeit ihres Bestehens durch L i p p o l d 1 2 9 ) und durch einen ungenannten 130 ) Jenaischen Burschen. Durch letzteren erfahren wir, dass die Burschenschaft nicht aus Sorge um das Einschreiten der Behörden sich freiwillig aufgelöst hat, sondern dass durch Anschlag am schwarzen Brett die Auflösung angeordnet worden war; und man erfährt auch, dass wegen dieser Auflösungsverordnung, was bisher ebenfalls unbekannt war, die Burschenschaft sich beschwerend an den Grossherzog von Weimar wandte. — Diese Aufzeichnungen werden ergänzt durch einen Hinweis auf eine unter dem Titel „Teutsche Jugend in weiland Burschenschaften und Turngemeinden" (1828) anonym erschienene Schrift 131 ). Ihr Vf. war der Burschenschafter Rob. Wesselhöft, der mit Massmann auf dem Wartburgfest 1817 die Verbrennungsscene eingeleitet hatte. Die Schrift, in der Friedr. Ludw. Jahns Einwirkung auf die burschenschaftliche Strömung hervorgehoben wird, war eine Verteidigung der Burschenschaft gegen Verleumder, besonders gegen den abtrünnigen Joh. Wit, den früheren Freund des burschenschaftlichen Liederdichters H. Folien. — Ist hier bereits Jahns Anteil hervorgehoben, so geschieht das noch mehr in einem anderen anonym 132 ) erschienenen, wahrscheinlich von Schneider herrührenden Aufsatze, dessen intellektueller Urheber Jahns Biograph K. Euler ist, der 1892 in einem Aufsatze der VossZg. sich beschwerte, dass Jahns Anteil an der Begründung der Burschenschaft bisher zu wenig beachtet worden sei. — Als noch frühere Vorläufer der Burschenschaft haben vielfach die „Chokoladisten" in Jena, die alle Streitigkeiten bei einer Tasse Chokolade schlichten wollten und gerade wie die alten Burschenschaften das Studentenduell verwarfen, gegolten. W e s t e r f e l d 1 3 3 ) macht hierüber einige MitPallas Spangel: ADB. 35, S. S2/S. — US) O fl- I b m , D. Humanist R. Agricola, sein lieben u. seine Schriften. ( = Samml. d. bedeutendsten päd. Schriften her. v. J. G ä n s e n , A. K e l l e r u. B e r u h . S c h u l z . N. 78/9.) Paderborn, SohSningh. VII, 88 S. M. 0,80. — 119) B. S t ü b e l , Ans d. Tergangenheit d. Unit. Leipzig: NASächsG. 14, S. 1-20. — 120) I>. 400j. Jubil. d. Univ. Leipzig am 4. Dec. 1809: BursohenschBU. 7, S. 321/5. (Mit 2 Bildern.) — 121) O (I 4:100.) - 122) K. S o h r a n f , D. Ged&chtuistafeln d. Wiener Univ.-Reltteren 1365-1893. Wien, SelbBtTerl. d. K. K. Univ. 35 S. — 123) F. K a t t , StudentenIeben bei Beginn d. Reformation: BnrsohenschBU. 7, S. 30/4. — 124) O A. H o f f m e i s t e r , Kostooker Stndentenleben im 16. Jh. Vortr.: AZgB. 45. — 125) o M. H e r a e n s , Hamburger Studenten auf dtseh.u. ausländ. Hochschulen t . 1290-1650: ZVHambO. 9, S. 557-632. - 126) O J. J o s e n h a n s , Tübinger Studenten a. d. Steinlaoh Tor d. Reformation:GBllKeutlingen. 4, S. 94/7. — 127) Studentenleben vor 150 J.: BnrsohenschBU. 7, S. 14/5. — 128) Seyero- Jocosum. Z. 150 j. Jubil. d. Univ. Erlangen. D. Wahre Klugheit derer Herren Studenten bey angestellter Conversation auf Universitäten ihren Lebenswandel honett nnd richtig zu führen. Unyer&nd. Abdr. 1755 in Leipzig erschien. Orig. Erlangen, Th. Bluesing. 8S. 11.0,50. —129)F. L i p p o l d , Aufzeichnungen A.fKonsiBtorialrats —: BurschensohBll. 7, S. 113/6,141/4. - 1 3 0 ) Tagebuch e. Jeuaieohen Burschen 1819-20: ib. 8. 281/3. —131) L. A., Teutsche Jugend in weil. Bnrsohensch. u. Tarngemeinden: ib. S. 49-54. — 132) D. Vorläufer d. alten Burschensch.: ib. S. 145/9,169-74,193/8. — 133) F, W e s t e r f e l d , D. Antiduellbewegnng d. „Chokoladisten" in Jena 1791-92: ib. S. 253/8. — 134) G. G e r l a c h , D .

K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 6 :135-151 teilungen, in denen er nachweist, dass sie als Vorläufer der Burschenschaft nicht angesehen werden können. Wenn er aber glaubt, nachweisen zu können, dass sie als Vorläufer der späteren Reformverbindungen gelten dürfen, so ist er im Irrtum. Die Reformverbindungen entstanden unmittelbar nach dem Kriege von 1870—71 aus ähnlichen Ursachen wie die grosse Burschenschaft nach den Befreiungskriegen. —Die Vorgänge bei der Trennung der alten Jenaischen Burschenschaft in Arminen und Germanen (1830—32) schildert Gerlach 1 3 4 ). Er charakterisiert dabei auch den Germanen Fritz Reuter, der 1832 in Jena war: „Grosser Trinker, liebenswürdiger Mensch, ausgezeichneter Gesellschafter, ohne Lust zu seinem Beruf." — Der schon mehrfach erhobene Streit, ob die Jenaer Arminia allein sich als Fortsetzung der alten Burschenschaft, oder ob auch die Germania ihre Entstehung auf den 12. Juni 1815 zurückführen könne, wird v o n P f i t z e r 1 3 5 ) zu Gunsten der Arminia entschieden. — Dagegen weist H e n n i n g 1 3 6 ) nach, dass die alte Burschenschaft in den Teilen fortbesteht, und dass Arminen und Germanen mit gleichem Rechte ihre Enstehung auf das J. 1815 zurückführen könnten. — S c h n e i d e r 1 3 1 ) giebt den Wortlaut der Verfassungsurkunde des Fürstenkellers (Germania), die nach der Trennung aufgesetzt worden war. 138 " 142 ) — Zur Charakteristik des unglücklichen Karl Sand tragen einige von Sand herrührende, bisher noch unbekannte Schriftstücke bei143). — Auf einen anderen alten Burschenschafter, den Kirchenhistoriker Karl von Hase, der auf dem Hohenasperg, wenn auch in milder Form — wie es in Süddeutschland meist der Fall war — für seine burschenschaftlichen Ideale büsste, weist H a u p t l 4 4 ) in der Empfehlung der 1820—22 von Hase in der Burschenschaft gehaltenen, jetzt veröffentlichten Reden hin. Einem Burschenschafter späterer Zeit, dem bekannten Parlamentarier und Oberbürgermeister von Köln, Becker, bekannt unter dem Namen „der rote Becker," sind von J o h n 1 4 5 ) einige Seiten gewidmet. — Wie roh einzelne Behörden, nur allzu gefällige Werkzeuge Metternichs, gegen Angehörige der deutschen Burschenschaft, die eine Stärkung des nationalen Gefühls, eine sittliche Hebung des Studententums erstrebte (nicht nur in Preussen, das hierin Unglaubliches geleistet hat), vorgingen, beweist der Aufsatz eines Anonymus 146 ). Ein Gymnasiallehrer, Dr. Eduard H. in D(essau?) wurde am 22. April 1835 auf Anordnung der herzoglichen (Anhaltischen?) Regierung plötzlich verhaftet, nach dem Schlosse in Z(erbst?) geschleppt, ohne Abschied von Vater, Gattin und Kindern nehmen zu dürfen, und das alles, weil er in Halle der Burechenschaft angehört hatte. Achtzehn Monate dauerte die auf Grund eines Briefes über ihn verhängte Haft, weil die Fragen zum Verhör von der Bundeskommission in Frankfurt a. M. gestellt, und die Antworten eben dahin berichtet werden mussten. Im Gefängnis erkrankt, darf H. nicht einmal die Seinigen sprechen und stirbt im Okt. 1836. Warum in dieser Mitteilung die Namen nicht genannt sind, ist unerfindlich. Hatte der Vf. nicht den Mut dazu, so wäre es besser gewesen, die ganze Mitteilung zu unterlassen. — Nicht übergangen sei hier auch ein Verbot 1 4 7 ) gegen das Tragen der burschenschaftlichen Tracht, die Kaiser Franz I. eine „heroische" nannte, die auf das Theater gehöre, in seinem Lande aber von niemand getragen werden dürfe. Friedrich Wilhelm III. von Preussen verbot die Tracht in einer an den Staatskanzler Fürsten Hardenberg gerichteten Kabinetsordre, als wenn es sich um eine Haupt- und Staats-Aktion handelte. — In den Konflikten zwischen akademischen Behörden und Studenten war oft die ultima ratio der Letzteren der Auszug aus der Universitätsstadt. Diese Auszüge führten gewöhnlich zu einer Versöhnung zu Gunsten der Studenten, die nicht nur gebeten wurden zurückzukehren, sondern oft noch feierlich eingeholt wurden. So verlief ein Auszug, den Erlanger Studenten nachAltdorf unternahmen148). —Dass dieSache aber auch eine andere Wendung nehmen konnte, beweist der von S c h n e i d e r 1 4 9 ) nach den Akten des geh. Staatsarchivs beschriebene Auszug der Studenten aus Halle im Febr. 1822. Die Behörde gestattete in diesem Falle nicht einmal eine gemeinsame Rückkehr. — Wiederkehrende Züge in der Geschichte des deutschen Studententums sind die Solidarität der Interessen, sobald es sich um Beleidigungen eines Gliedes des corpus academicum handelt, und die Selbsthilfe, die in solchen Fällen angewendet wurde. Ein Beispiel hiefür bietet G e r l a c h s 1 5 0 ) Mitteilung: Zwei Jenaer Corpsburschen sind in dem Weimarischen Trennung d. alten Jenaischen Burschenschaft in Arminen u. Germanen: ib. S. 116. — 135) O H. v. P f i t z e r , D. älteste dtsch. Burschenschaft: ib. S. 197-204. — 136) C a r l H e n n i n g . Z. d. Aufsatz: D. älteste dtsch, Burschensoll.: ib. S. 226. — 137) G. z - Gesch. d. alten Benner H. S c h n e i d e r , D. Verfassungsnrkonde d. Farstenkellers: ib. S. 309-11. — 13g) X A Bursohenscb.: ib. S. 29-30. — 139) X W. K a l b , D. alte Barschensch, n. ihre Entwicklung in Erlangen mit bes. Berücksichtig, d. alten Germania. Erlangen, M. Mencke. VI, 160 S. Mit Abbild. M. 3,90. — 140) X E - D i e t z , Z. Gesch. d. Freibarger Barschensch, v. 1818 bis z. Frankfurter Attentat: Burschensch. Bll. 7, S. 25-30. - 141) X M e i n e c k e , Z. Grftndnngsgeseh. d. Giessener Barschensch. Briefe E. Welckers an seinen Bruder Karl Theod.: ib. S. 57-62. — 142) X A. D a t e , D. alte Harbarger Alemannia a. Ed. Scbönfeld: ib. S. 217/8. (Ed. Sch ist e. ihrer Grftnder.) — 143) E. Brief u. Albamblatt v. K. Sand: ib. S. 149-50. (E. Pcrtr. v. S. befindet sich S. 147.) — 144) H. H a u p t , E. Ehrenbach d. alten Burschenschafters K. t . Hase: ib. S. 265/6. - 145) W. John, D. rote Becker: ib. S. 85/7. (Mit zwei Portrr. v. Becker S. 74/5.) - 1461 H., Leiden e. alt. Burschenschafters: ib. S. 241/2. — 147) G. H. S [ c h n e i d e r ] , Verbote gegen d. barsohensohaftl. altdtsoh. Tracht: ib. S.85/6.— 148) D. Auszug nach Altdorf: ib. S. 63. (2 Bilder dazn auf 8. 56/7.) — 149) G. H. S [ o h n e i d e r ] , Hallische Unruhen ror 72 J.: ib. S. 73/5. — 150) B. G e r l a c h , D. Blankenhainer Rachezug: ib. S. 1/3. — 151) G. W e n d t , Gesch. d. Kgl. Bitter-

I 6:152-158 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. Städtchen Blankenhain von einem Bürger thätlich beleidigt worden, ohne" vom Bürgermeister die erbetene Genugthuung zu erhalten. Sofort zieht die gesamte Jenenser Studentenschaft, aller Parteistreitigkeiten vergessend, nach Blankenhain und zwingt sowohl den Bürger als das Stadtoberhaupt, auf öffentlichem Markte Abbitte zu leisten. — Akademien und akademische Gymnasien. Mit seiner Geschichte der Ritterakademie in Liegnitz hat sich Wendt 1 5 1 ) das Verdienst erworben, wieder einmal nachdrücklich darauf hingewiesen zu haben, das der schlesische Adel, dem die Anstalt zuerst zu gute kommt, keineswegs, wie das so oft hervorgehoben wird, der Begründer dieser Akademie ist. Vielmehr ist die Gründung auf einen früheren Landesherrn, einen der gebildetsten der Piasten, den Herzog Georg Rudolf, zurückzuführen, der im J. 1646 das Johannesstift, eine mit der evangelischen Hofkirche verbundene höhere Schule, errichtete, „die zur Universität sich entwickeln könne". An eine Stiftung für den Adel war dabei nicht gedacht. Die Anstalt sollte für arm und reich ohne Schulgeld geöffnet sein. Nachdem Leopold von Oesterreich sich des Fürstentums Liegnitz bemächtigt hatte, wurden die Fonds eingezogen und die Johanniskirche später den Jesuiten zugewiesen, die dann 1708 zur Errichtung einer paritätischen Ritterakademie schritten. Obwohl sie den Zuschnitt einer Universität hatte, hat sie so lange sie diesen Charakter trug, wissenschaftlich wenig geleistet. Körperliche und gesellige Bildung stand im Vordergrunde, äusserer Prunk und innere Hohlheit waren die hervorragendsten Merkmale dieser Pseudouniversität, besonders während der österreichischen Zeit. Reformatorisch griff erst der Minister Zedlitz ein, der zum Erstaunen der Professoren und zum Entsetzen der Schüler und Eltern Censuren, Klassenbücher, ja sogar öffentliche Prüfungen — so etwas habe noch niemand von dem Adel verlangt, riefen die Professoren — einführte und bestrebt war, das Institut zu einer Vorbildungsanstalt für das Universitätsstudium umzugestalten. Wenn auch unter dem Minister Wöllner diese Reformen ins Stocken gerieten, so wurden sie doch später unter W. von Humboldt, nachdem die Anstalt nach der Katastrophe von Jena bis auf sieben Zöglinge, denen 11 Lehrer, ein Stiftsschreiber und 15 Unterbediente gegenüberstanden, zurückgegangen war, wieder aufgenommen, der Plan von Zedlitz später auch verwirklicht und die Ritterakademie zu einem Gymnasium umgebildet. Die beigegebeine Matrikel, die bis zum J. 1810 reicht, dürfte der Familiengeschichte des Adels, besonders des schlesischen, manche Nachforschung erleichtern. Eine kurze Geschichte der Entwicklung der von Maria Theresia gegründeten, von dem Jesuitenorden eingerichteten und zunächst geleiteten Theresianischen Akademie in Wien (vgl. JBL. 1892110 : 47) hat Rak 1 5 2 ) dargeboten. Der erste Lehrplan der Grammatikal-, Humanitäts- und Philosophie-Klasse entsprach genau der ratio et institutio studiorum Aquavivas, nur dass die deutsche Sprache und ausserdem Geschichte und Arithmetik etwas mehr gepflegt werden mussten. R.s Darstellung lässt den Wunsch übrig, dass doch bald einmal eine eingehende Geschichte des Theresianums verfasst werden möchte. — Vom 16. Jh. bis zum 18. Jh. hatten sich an verschiedenen Orten höhere Unterrichtsanstalten gebildet, die als eine Zwischenstufe zwischen Universität und Lateinschule betrachtet werden müssen. Unter ihnen sei zuerst genannt das Pädagogium zu S t e t t i n , zu dessen Geschichte W e h r mann 1 5 3 - 1 5 7 ) auch in diesem Jahre (vgl. JBL. 1891 I 6 : 171/2) mehrere Beiträge geliefert (vgl. I 4 : 105/6). Aus dem ältesten Visitationsbericht von 1562, der bisher noch nicht bekannt war, auch von Hasselbach in seiner Geschichte des Pädagogiums nicht verwendet worden ist, macht er einige Mitteilungen. Aus dem Staatsarchive in Stettin veröffentlicht er das Gesuch eines Flandrischen Musikus um Anstellung als Musiklehrer am Pädagogium, aus dem J. 1547. Merkwürdig ist, dass dieses Gesuch eines Nieder länders an einen pommerschen Herzog in oberdeutscher Sprache abgefasst ist. Die Bestallung des Matthaeus Wolff aus Stargard aus dem J. 1557 unterrichtet über die Verpflichtungen und die Besoldung eines Rektors am Stettiner Pädagogium; es folgen interessante Mitteilungen über die Feierlichkeiten bei der Einführung des Rektors Leuschner 1623. — Die Mitteilungen Wehrmanns werden ergänzt durch Lemckes 1 5 8 ) Nachrichten über die Stettiner Ratsschule, die in den J. 1805—69 mit dem ehemaligen Pädagogium als „Königliches und städtisches Gymnasium" verbunden gewesen ist. Die mitgeteilten Dokumente, Verträge, Bullen, Schulordnungen, Lektionspläne, erstrecken sich auf den Zeitraum von 1277—1650. Einen ähnlichen Charakter wie das Pädagogium in Stettin trug das gymnasium illustre in Gera, das, achtklassig, ausser acht Lehrern und zwei Baccalaureen Professoren der Theologie, der Akad. zu Liegnitz. 1. T.: 1708-1840. Progr. Liegnitz (Ose. Heinze). 4°. 80 S. — 152) H. B ä k , GrandzSge d. Organisation d. k. k. Theresianisclieiv Akad. Progr. Wien. 61 9. — 153) II. W e h r m a n n , Z. Gesch. d. Pädagog. in Stettin: MBliGPommG. 7, 9. 22/4. — 154) id., Bitte e. Musikus aus Flandern, am Stettiner Pädagog. Musik lehren zu dürfen (1547): ib. 9. 76/7. — 155) id., Bestallung d. Matthaeus Wolff z. Rektor d. Pädagog. in Stettin 1557: ib. 9. 101/4. — 156) id., EinflShnmg e. neuen Rektors am P&dagog. in 9tettin: MGESchG. 3, S. 62/4. — 157) X id -< Mecklenburger anf d. Pidagog. in Stettin: JbbVHecklG. 58, S. 59-72. — 15g) H. L e m e k e , Beitrr. z. Gesch. d. Stettiner Batssch. in 5 Jhh. 1. T.: TJrkvnden. 1. Abt.

K. K e h r b a o h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungs Wesens. I 6:159-193 Jurisprudenz und Medizin aufwies. Die bisher noch unbekannten, von A u e r b a c h 1 5 9 ) jetzt veröffentlichten leges novae scholae etc. füllen nicht nur eine Lücke in Grummes Veröffentlichungen (Die ältesten Schulgesetze usw. Progr. Gera, 1886) aus, sondern liefern auch schätzbares Material zu einer noch ausstehenden Geschichte des gymnasium academicum. — Auch das von Georg von Schönaich gegründete Gymnasium zu B e u t h e n a. 0 . gehört hierher. Die von K o l b e 1 6 0 ) edierte Stiftungsurkunde aus dem J . 1616 — ein Schriftstück von hoher Bedeutung für die Geschichte der Pädagogik, einzelner Fachwissenschaften und für die Gelehrtengeschichte — giebt dafür den deutlichen Beleg. Die auf den Besuch dieser Anstalt vorbereitende Schule wird übrigens in Beuthen „Pädagogium" genannt. — Hier reiht sich passend L ä n g s 1 8 1 ) Arbeit über dasCollegium humanitatis i n S c h a f f h a u s e n an. 1648(nicht 1685, wie bisher angenommen wurde) gegründet, hat es sich in den ersten Jahren rasch gehoben, dank der Thätigkeit der Rektoren Hofer und Hurter. Die grössten Verdienste aber um die Anstalt, bei der ziemlich plötzlich Niedergang und Aufschwung wechselten, haben sich Glieder der Familie Peyer erworben. Im Text und im Anhange sind urkundliche Materialien abgedruckt, die über Fonds, Lektionen, Prüfungen, gehaltene Reden usw. handeln. Beim Schluss der versprochenen Fortsetzung möge der Vf. nicht unterlassen, ein Inhaltsverzeichnis und womöglich ein ausführliches Namen- und Sachregister beizugeben. — G y m n a s i a l - und R e a l a n s t a l t e n . Bei der von R e t h w i s c h 1 6 2 ) im Auftrage des preussischen Unterrichtsministeriums für die Ausstellung in Chicago verfassten a l l g e m e i n e n Schrift über Deutschlands höheres Schulwesen im 19. Jh. liegt der Schwerpunkt in den Darstellungen des Lehr V e r f a h r e n s in den einzelnen Fächern und in den amtlichen statistischen Nachweisen. Was den übrigen historischen Teil anbelangt, so überragen die auf die geschichtliche Entwicklung des höheren Schulwesens in Preussen bezüglichen Partien die anderen Teile des Werkes. Nicht recht gelungen ist — wahrscheinlich wegen der Kürze der für die Ausarbeitung des Buches zur Verfügung gestellten Zeit — R. der erste Teil: „Das Erbe der Vergangenheit". Hier fehlt die rechte Oekonomie, und es wären auch im einzelnen mancherlei Ausstellungen zu machen. So hat man unter Pädagogium keineswegs nur das verstanden, was A. H. Francke mit seinem Pädagogium beabsichtigte (s. o. N. 160). Auch für die Behauptung, dass die Gymnasien zu Weimar und Schulpforta auf den weiteren Entwicklungsgang der deutschen Gymnasien im 19. Jh. einen bestimmenden Einfluss ausgeübt haben, dürfte R. nach meiner Meinung schwerlich genügende Belege herbeibringen können. — Die Beilage des diesjährigen Programms eines b a d i s c h e n Gymnasiums, der altberühmten Schule zu Heidelberg, bringt ausser zwei Schulreden (von denen d i e B r a n d t s [S. 13/6] zur Erinnerung an seinen Freund, den verstorbenen K. Hartfelder, das grössere Interesse beanspruchen darf) ein von P f ä f f 1 6 3 ) hergestelltes Verzeichnis der Abiturienten des Heidelberger Gymnasiums aus den letzten fünfzig Jahren. — Ein Beitrag zur Geschichte des reichsstädtischen Schulwesens wird durch die Veröffentlichung164) eines Ratsprotokolls der ehemaligen Reichsstadt Kempten in B a y e r n aus dem J . 1637, das Vorschriften für die Praeceptores und den Organisten enthält, dargeboten. Unter den Unterrichtsfächern überwiegt, wie das so vielfach dar mals der Fall war, der Gesangsunterricht. Eigentümlich ist die Vorschrift, dass der Organist im Choralgesange während des Gottesdienstes mit der Orgel nur dann eingreifen soll, wenn er eine Dissonanz merkt, die Psalmen aber „soll er fein deutlich, verständlich, ohne Fugen und Coloraturen, so allein bei conviviis und collationibiis und nicht in der Kirche erlaubt und gebräuchlich sind, schlagen". Zugleich hat der Organist übrigens die Verpflichtung, die Schüler im Deutsch-Schreiben und in „Rechnungen" fleissig zu unterrichten, ein Beleg dafür, dass städtische Schreib- und Rechenmeister damals in Kempten nicht waren. — K e i p e r 1 6 5 ) liefert den zweiten Teil seiner Beiträge zur Geschichte des gelehrten Schulwesens im Herzogtum Zweibrücken, indem er den Schluss der von Johannes Marbach und Genossen im Auftrage des Pfalzgrafen Wolfgang 1558 verfassten „Bedenken von den Schulen usw." (vgl. J B L . 1 8 9 2 1 1 0 : 2 6 8 ) mit erläuternden Anmeldungen abdruckt. — Eine befriedigende Geschichte des deutschen Realschulwesens existiert noch nicht; sie kann auch nicht existieren, weil Charakteristiken und Darstellungen der Entwicklung der verschiedenartigen Typen jener Anstalten, die unter dem Namen Realbis 1. J . 165a Progr. Stettin (Hemke & Lehelm*). 4°. 24 S. — 159) A. A u e r b a o h , Sohulgesetze Tom J. 1619 für d. Gymn. in Gera-Benss: MGESchG. 3, S. 44-54. — 160) K. K o l b e , Stiftnngsurk. d. Schale u. d. Gymn. zu Beuthen a. 0 . ans d. J . 1616: ib. S. 209-68. — 161) B o b . L a n g , D. Colleginm humanitatis in Schaffhausen. E. Beitr. z. Schulgesoh. 1. T . : 1648-1727. Frogr. Sehaffhausen (H. Meierl. XVIII, 78 S. — 162) C. R e t h w i s c h , Deutschlands höheres Schulwesen im 19. Jh. Gesch. Ueberblick im Auftr. d. Kgl. Freuss Ministeriums d. geistl., Unterr- a. Iledizinal-Angelegenheiten. Mit amtl. Naohweisungen über d. Besuch d. höh. Lehranst. d. dtsch. Beiches. B„ B. Gaertner. T i l l , 206, 53 S. M. 4,00. |[C1. N o h l : BPh WS. 13, S. 1553; LCB1. S. 1621; JBHSW 13, 8.376.]| — 163) K. P f ä f f , Zur Gesch. des Heidelberger Gymn. Verzeichnis d. Abiturienten aus den J . 1844-93 mit biogr. u. bibliogr. Bemerkungen. Progr. Heidelberg (Emmerling & Sohn). 4°. 42 S. — 164) A. Hr., Beiohssttdtisohes Sohulwesen: AllgftuerGPr.6, S. 119-20 — 165) Ph. K e i p e r , Neue urknnd!. Beitrr. i . Gesch. Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. IV. 13

I 6 :166-170 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. schulen bestanden haben, noch nicht in hinreichender Zahl vorhanden sind. Es sind daher Beiträge, die, wie einzelne der folgenden, diese Lücke ausfüllen können, erwünscht. S i m o n s 1 8 6 ) Arbeit, die uns nach der Mark Brandenburg führt, giebt mehr als sie nach dem Titel vermuten lässt. Neben dem Verzeichnis der Schüler, die in der Zeit von 1814—92 das Berechtigungszeugnis zum Einjährig-Freiwilligen-Dienst erhalten haben, giebt sie Nachrichten über die geschichtliche Entwicklung der Königlichen Realschule in Berlin nach dem J. 1814. Dieses Jahr bedeutet in der Geschichte der Anstalt einen wichtigen Abschnitt; denn in dem neuen Lehrplan, der in der Geschichte des Unterrichts als erster angesehen werden muss, worin das Gesamtziel einer höheren Bürgerschule festgestellt wird, wurde durch genaue Vorschriften die Verwirrung und Planlosigkeit der vorhergehenden Jahre beseitigt. In der deutschen Sprache und Litteratur wird von den Schülern die Lektüre und Erklärung des Kinderfreundes von Wilmsen, der „Deutschen prosaischen Musterschriften" (Berlin 1810) und des „Bardenhains" von Heinsius verlangt. Schriftliche Ausarbeitungen, besonders Briefe, sowie grammatische Unterweisungen nach Hartungs deutscher Sprachlehre gehen nebenher. — Als ein Beitrag zur Geschichte des Berliner Gymnasialwesens kann G e i g e r s , 6 7 ) kleiner Aufsatz aufgefasst werden. Das kurmärkische Oberkonsistorium hatte sich bei Friedrich Wilhelm III. über mangelhafte Pflege der Religiosität in den Berliner Gymnasien beschwert. Die infolgedessen von dem Minister von Massow erlassene Verfügung, die die Klage des Konsistoriums als zu recht bestehend annimmt und den Gymnasien allerlei Vorschriften macht, und die in sehr würdevollem Tone wahrscheinlich von Spalding verfasste Antwort des Lehrerkollegiums vom grauen Kloster wird wörtlich abgedruckt. — Tschirch 1 * 8 ) liefert weitere Beiträge zur Geschichte des Saldernschen Lyceums, jetzigen Realgymnasiums zu Brandenburg a. H. Er ediert, leider wegen Platzmangels ohne Anmerkungen, das Eröffnungsprogramm und die Schulgesetze von 1591, sodann die deutsche Schulordnung von 1594, die leges scholasticae und leges praeceptorum von 1706. — Durch S c h w a r t z 1 6 9 ) werden uns Verhältnisse ganz eigenartigen Charaktere im Schulleben von Königsberg i. N. vorgeführt. Erwähnt wird die Schule zuerst 1333. Bis zur Reformation hin sind aber, wie bei vielen anderen Schulen, die Nachrichten ganz dürftige. Unter den Rektoren hebt Sch. besonders Eisner hervor, der, 1696 auf Befehl des Kurfürsten gegen den Willen des Rates eingesetzt, in immerwährendem Streite mit diesem und seinen Kollegen lag und nur mit seinen Schülern auf gutem Fusse stand. Ganz im Gegensatz zu seinen zeitgenössischen Kollegen, die in tiefster Demut vor ihren „grossgünstigen Patronen, den Ratsherren, erstarren", erklärte Eisner dem Rate von Königsberg, dass sie „in einem irrigen Wahne ersoffen wären, wenn siemeineten, sie wären domini und nicht bloss administratores", und er stimmte, wie man sieht, hierin ganz mit den Tendenzen der preussischen Krone überein. Die Verwirrung war schliesslich so gross, dass sich alles verklagte, „der Rat den Rektor, der Rektor den Rat, die Lehrer den Rektor, der Rektor die Lehrer, die Lehrer die Schüler, die Schüler den Rat". Gegenüber den Uebergriffen, die sich der Rat zu Schulden kommen liess, war eine Persönlichkeit wie die Eisners ganz am Platze. Was den Unterricht anbelangt, so tritt nach Sch.s Darstellung das Deutsche erst in den 70er Jahren des vorigen Jh. unter Bertuchs Rektorate auf, mit wöchentlich l'/i Stunden für den deutschen Aufsatz im oberen Auditorium (Prima und Sekunda). In dem mitgeteilten Plane von 1798 ist aber bereits eine Vermehrung eingetreten: Prima und Sekunda (das obere Auditorium), Tertia und Quarta (das zweite Auditorium) haben je zwei Stunden deutsch, Quinta und Sexta (das dritte Auditorium) je eine Stunde. Welcher Art dieser Unterricht war, ist leider nicht mitgeteilt. In der grossen Zeit der Freiheitskriege trat eine Anzahl von Schülern im Alter von 16—19 Jahren direkt von der Schule ins Heer ein. Die Namen dieser Tapferen hat Sch. in dankenswerter Weise aufgeführt und damit gesühnt, was nach Beendigung der Freiheitskriege von der Bürgerschaft Königsbergs gesündigt worden war. Als nämlich der damalige Rektor Thiel diesen Schülern eine Gedächtnistafel errichten wollte und sich deshalb „an die dankbaren Verehrer der grossen Dinge, welche sie gesehen haben," mit der Bitte um Beiträge wandte, wurde ihm von nur einem einzigen dankbaren Verehrer ein Thaler übersandt — und die Errichtung der Tafel unterblieb. — T s c h i e r sch 1 1 0 ), der bereits früher einen guten Beitrag zur Geschichte des Unterrichtswesens (Geschichte des Luckauer Schulwesens bis zum Neubau des Schulhauses 1726. Programm des Gymn. Luckau 1880) veröffentlichte, hat, veranlasst durch das 25jährige Bestehen des d. gelehrton Schulwesens im früheren Herzogt. Zweibracken, insbes. d. Zweibrücker Gymn. T. II. Progr. Zweibr&oken (Aug. Lehmann). 24 S. 11.0,40. — 166) 0. S i m o n , D. Kgl. Realsch. (zu Berlin) u. d. Militärzengnisse. Progr. B. (A. W. Hayns Erben). 4°. 24 S. — 167) L- G e i g e r , Eeligionsnntersnohnngen in Berliner Schalen C1803I: YossZgB. N. 35. — 16S) 0. T s o h i r c h , Urkk. z. alt. Gesoh. d. Saldernschen Sehnte (Realgymn. z. Brandenburg a. H.). Progr. Brandenburg a. H. (J. Wiesike). 4". 27 S. — 169) P a n l S c h w a r t z , D. Schnlwesen d. Stadt Königsberg i. N., T. d. ältesten Zeit bis z. Stiftnng d. Gymn. 1817. Progr. Königsberg i. N. (J. G. Striese). 48 S. — 170) 0. T s c h i e r s o h , Z. Gesch. d. Küstriner Gymn. Progr. Küstrin (F. König).

K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 6:171-175 Gymnasiums zu Küstrin, einen Rückblick auf die Entwicklung dieser Anstalt geworfen. Ausser der Vorgeschichte — der Vorläufer des Gymnasiums war die Ratsund Friedrichsschule, eine Realanstalt — giebt er noch Verzeichnisse der Lehrer und der Abiturienten. — Eine Arbeit, die von ungemeinem Pleisse zeugt und weitgehenden Anforderungen der pädagogischen Historie genügt, haben der Direktor und einzelne Lehrer171) des Gymnasiums zu Prenzlau in der Geschichte dieser Anstalt, die als „Festschrift der Feier ihres 350jährigen Bestehens" erschienen ist, niedergelegt. Obwohl die Anstalt, im Gegensatz zu vielen Schwesteranstalten in der Entwicklung eine gewisse Stetigkeit zeigt, da sie immer evangelisch gewesen ist, vorwiegend humanistische Tendenzen verfolgte, stets unter städtischem Patronat gestanden hat, so hat sie doch „den Wechsel der Kulturströmungen an sich empfunden, den Wandel der Erziehungs- und Unterrichtsmaximen mit durchlebt und treu abgespiegelt". - Unter ihren Schülern heben wir Rollenhagen, den Dichter des Froschmeuseler, und den durch Goethe weiteren Kreisen bekannt gewordenen Maler Philipp Hackert hervor. Der Stoff ist so verteilt, das der Direkter R. A m o l dt den ältesten Zeitraum von 1543 bis 1704, L. H ö r i c h die Zeit von 1704—57, B. R a e tt i g die Periode von 1757—95 bearbeitet haben. Mit dem J. 1795 setzt F. W o l f g r a m m s Darstellung ein, die er bis 1822 führt; W. S c h a e f f e r behandelt sodann die neueste Zeit. Die deutsche Sprache tritt als besonderer Unterrichtsgegenstand unter dem Rektor Venzky, einem Anhänger der Realschulbewegung, 1751 zum ersten Male auf. In der obersten Klasse wird Unterricht erteilt in der Geschichte der deutschen Sprache, Etymologie und Synonymik; die Schüler müssen sich im Dichten üben. Unter den Hülfsmitteln werden Freyers Orthographie, Bödikers deutsche Grammatik und Arnolds Anweisung zur deutschen Dichtkunst angeführt. Auch unter dem Direktor Grasshof nimmt das Deutsche eine geachtete Stellung ein. In dem Programme von 1812, also der Zeit des politischen Verfalls der deutschen Nation, spricht Grasshof Worte über die deutsche Sprache und den deutschen Unterricht, die auf den Gymnasien damaliger Zeit nur ganz selten vernommen worden sind. „Die deutsche Sprache — dieser teure IJeberrest deutscher Selbständigkeit, dieses köstliche Eigentum der Nation, welches keine äussere Gewalt ihr rauben, welches nur eigene innere Schlaffheit herabwürdigen und verdunkeln kann ! Sie ist das Band der Nation, die Grundfeste der Nationalität. Ihr sei das höchste Streben der Schule gewidmet! . . . Es nimmt darum die Kenntnis der deutschen Sprache, die Vertrautheit mit ihren klassischen Schriftstellern bei uns den höchsten Platz ein." In den oberen Klassen wurden deutsche Schriftsteller im Original gelesen und Deklainationsübungen angestellt; als Hülfsmittel treten die Grammatik von Heynatz und das Lesebuch von Wilmsen auf, später an die Stelle von Heynatz Grammatik die von Heinsius, in Prima wird Reinbecks philosophische Sprachlehre, und in Sekunda und Prima Eschenburgs Theorie der schönen Künste traktiert. Den Wert ihrer vielseitigen Forschungen würden die Vf. wesentlich erhöht haben, wenn sie dem Ganzen ein ausführliches Namen- und Sachregister beigegeben hätten, das die Fülle des Gebotenen in durchsichtigerer, gleichsam krystallisierter Form dargereicht haben würde; auch die Kolumnentitel durften nicht wegbleiben. — Veranlasst durch die Jubelfeier des 25 jährigen Bestehens des Königl. Realgymnasiums zu Osnabrück in Hannover, hat 0. Fischer 1 7 2 ) eine kurze Geschichte der Schule veröffentlicht. Unter dem damaligen Bürgermeister, jetzigen Finanzminister Miquel, hatten die städtischen Kollegien im J. 1865 den Plan gefasst, „das gesamte Schulwesen der Stadt einer gründlichen Umänderung zu unterziehen" Durch den Krieg von 1866 wurden die Reformpläne nicht aufgehoben, sondern bis 1867 aufgeschoben. An Stelle der ursprünglich geplanten „höheren Bürgerschule" nach dem Muster der Tellkampfschen in Hannover wurde die städtische Realschule nach preussischem Muster gegründet. Aus dieser wurde bereits 1869 eine Realschule erster Ordnung und 1882 ein Realgymnasium. — In einer Uebersicht hat Knabe 173 175) mit grossen Strichen die Realschulentwicklung in dem Territorium, das seit 1866 die Provinz Hessen-Nassau bildet, gezeichnet. Eingehender behandelt er die Geschichte und Vorgeschichte der jetzigen Oberrealschule in Kassel. Die Anfänge dieser Schule fallen in das J. 1812, in die Zeit des Königsreichs Westfalen; sie ist also älter, als die Realschule in Hanau, die bisher für die älteste in Hessen ausgegeben wurde. Ihr Vorbild ist die 1808 auf Anregung von Joh. von Müller, dem Generaldirektor der Studien unter Jérôme, er40. 19 S. — 171) Gesch. d. Gyron. zo Prenzlan v. 1543-1893. FeBtschrift z. Feier d. 350j. Bestehens d. Anst. Prenzlan, A. Vincent. XIV, 308 S. Mit 1 Abbild. II. 4,50. — 172) 0. F i s c h e r , Z. Gesch. d. Kgl. Realgymn. während d. 25 J. seines Bestehens. Progr. Osnabrück (A. Liesecke). 4". 13 S. — 173) K. A. F. K n a b e , Uebersicht über d. Entwicklung d. Bealsehnlwesens in d. Prov. Hessen-Nissan. Kassel, G. Klannig. 16 S. M. 0,50. (Sonderabdr. ans ZLIHSch. Sept.) — 174) i d . , Vcrgesch. u. Entwicklung d. Oberrealsch. z. Kassel (1812-93). Festschr. z. Gedenkfeier d. 50j. Bestehens d. Anst. Kassel (L. DSU). VIII, 175 S. (D. ersten 3 Abschnitte sind erschienen nnter d. Titel: „D. älteste selbständige Kealech. in d. Prov. Hessen-Nassau" in ZVHessG. 18, S. 1-112.) — 175) id., Entwicklung d. Oberrealsch. (in d. Hedwigstr.) zn Kassel (1848-93).'

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I 6:176-178 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. richtete Realschule in Halle, nur dass sie in Kassel nicht Realschule, sondern Bürgerschule genannt wurde, um die Verwechslung von royal und real zu vermeiden. Sie sollte parallel dem für die akademischen Studien vorbereitenden Lyceum gehen und für die sogenannten praktischen, ausserhalb der Universitätsstudien liegenden Berufe vorbereiten. Der Organismus der neuen Anstalt bestand zunächst in einer aus zwei Stufenklassen bestehenden Elementarschule, sodann aus zwei eigentlichen Realklassen. Ebenso bestand das Lyceum aus einer zweiklassigen Elementarschule und aus drei Stufenklassen des eigentlichen Gymnasialkursus. Beiden Anstalten lag ein gemeinsamer Unterbau zu Grunde: die Vorbereitungsklasse. Ausser den Fächern der Volksschule wurden an der Bürgerschule in den zwei unteren Klassen Französisch, Geometrie, Arithmetik, Geschichte und Geographie, Naturgeschichte, Zeichnen gelehrt, wozu in den Oberklassen, den eigentlichen Realklassen, noch angewandte Mathematik und Gewerbekunde und eine Stunde zur Erklärung der Fremdwörter trat. In dieser Stunde sollte auch zugleich auf die Entbehrlichkeit vieler Fremdwörter hingewiesen werden. Die mannigfachen Abänderungen des Planes lässt K. deutlich hervortreten durch die Mitteilung von Stundenplänen aus den verschiedenen Epochen. Die Schule war bestimmt für alle Berufe ausserhalb des Universitätsstudiums: für Chirurgen, Forstleute, für Post- und Polizeibeamte, für Baumeister usw. In den Abendstunden waren noch besondere Fachkürse eingerichtet: Chemie für Fabrikanten, Forstwissenschaft für Forstleute usw. Diese alte Schule erlosch im Febr. 1843. An ihre Stelle trat ein neuer Organismus unter dem Namen „Real- und Bürgerschule", die bis 1869 bestand. Von da ab bis 1879 wurde sie „die höhere Bürgerschule", von 1879—92 Realschule zweiter Ordnung und endlich 1892 Oberrealschule. Die K.sche Arbeit giebt ein vorzügliches Bild der Entwicklung dieses eigenartigen Schulorganismus. Von dem Lehrbetrieb abgesehen, unterrichtet der Vf. den Leser auch über die ökonomischen Verhältnisse und giebt namentlich über Lehrer der älteren Schule, besonders über den ungemein vielseitigen Karl Chph. Schmieder, dessen litterarische Produktion sich auf Chemie, technische Physik, Pädagogik, Mineralogie erstreckte, und der ausserdem eine deutsche Sprachlehre verfasste und über Frau Holle geschrieben hat, ausführliche biographische Nachrichten. — Eine wertvolle Ergänzung zu Knabes Arbeit liefert Ackermann 1 7 6 ), der durch seine Bibliotheca paedagogica Hassiaca (1886) der Forschung auf dem Gebiete des hessischen Unterrichtswesens grosse Dienste geleistet hat. In alphabetischer Reihenfolge giebt er Lebensskizzen sämtlicher Lehrer, die seit der Neugründung der Kasseler Realschule (1842) dort gelehrt haben: ausserdem bietet er Verzeichnisse der seit jener Zeit veröffentlichten Programm-Abhandlungen und der bei den Schulfeiern gehaltenen Reden. Es folgen statistische Uebersichten über die Frequenz, Schulgeld, Verzeichnisse der Abiturienten und der Schüler, die die Berechtigung zum Einjährig-Freiwilligen-Dienst erworben haben. Unter den Lehrern befinden sich: Heppe, der bekannte Vf. der Geschichte des deutschen Volksschulwesens, des gelehrten Schulwesens ini Mittelalter und des Werkes über Phil. Melanchthon Graefe (1802—68), früher Schuldirektor und Professor der Pädagogik in Jena, der nachdem er von Hassenpflug gemassregelt worden war, in der Schweiz, sodann in' Bremen eine umfangreiche praktische und litterarische Thätigkeit entfaltet hat. Hier kann nur sein deutsches Lesebuch erwähnt und auf seine Erzählungen für die Jugend hingedeutet werden. Unter den Programmen sei auf Graefes Geschichte. der Realschule während der zwei ersten Jahre ihres Bestehens (1845), auf Höltings zwei Arbeiten über Joh. Balth. Schupp, auf Häusers Arbeit: „Warum ist Schiller populärer als Goethe?" hingewiesen. Von den Schulreden beschäftigen sich mit Thematen, die in den Bereich der JBL. fallen, besonders folgende: Janson: Schiller der Liebling der Nation und namentlich der deutschen Jugend (Schillerfeier 1859); Röse: Ueber Melanchthon (1860); H. Stem: Leben und Wirken der Brüder Grimm (1873); Walter: Ueber Em. Geibel (1886); Zimmermann: Ueber Theod.Körner (1887 und 91); Bächt: Ueber E. M. Arndt (1891). — Pontani 1 7 7 ) vervollständigt sein aus Veranlassung der Jubelfeier des 50 jährigen Bestehens der Friedrich-Wilbelm-Schule in Eschwege verfasstes Schülerverzeichnis, indem er jetzt das Material statistisch verarbeitet. — Für Pommern giebt B e y e r 1 7 8 ) (vgl. JBL. 1890 I 6 : 8 5 ) als eine Frucht mühevoller Nachforschungen Nachrichten über die ältesten Schüler und Gönner des Neustettiner Gymnasiums, einer Anstalt, die, 1640 gegründet, in dem Gebiete zwischen Stettin und Stargard einerseits und Thorn und Danzig andererseits lange Zeit hindurch die einzige höhere Bildungsanstalt war. Da das vorhandene Schüleralbum erst mit dem J. 1714 einsetzt, so hat B., der zunächst seine Arbeit von 1640 bis zu diesem Jahre führt, vor allem die Hallenser, Frankfurter und Wittenberger Universitäts-Matrikeln und die Schülerverzeichnisse von Thom, Stettin und Danzig durchKasse), 0 . Klannig. III, 63 S. II. 0,60. — 176) K a r l A c k e r m a n n , Statist. Rückschau auf 100 Semester d. Bealsoh. in d. Heiwigstr. zu Kassel. Progr. Kassel (L. Doli). 4°.'58 S. — 177) B. P o n t a n i , Vergleichende Zusammenstellungen Iber d. Schüler d. ersten BO Jahre. Progr, d. Friedrich-Wilhelmsch. Eschwege. 4®. 18 S. — 178) Th. B e y e r , P. Mtesten Schüler

K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 16: m-is4 forscht, um die grosse Lücke auszufüllen. Dieser Arbeit, die fortgesetzt werden soll, hat B. ein Verzeichnis der in der Frankfurter Matrikel und in dem Thorner und Stettiner Schüleralbum aufgeführten Neustettiner vorausgehen lassen. — Von den Darstellungen zur Geschichte des höheren Schulwesens der R h e i n lande sind die folgenden anzuführen. Buschmann 1 7 9 ) kommt in der Fortsetzung seiner Geschichte des Bonner Gymnasiums (vgl. JBL. 1891 I 6 : 184) zu einem in schulgeschichtlicher Hinsicht ganz wunderlichen Abschnitt, zur Periode der Fremdherrschaft, einem Zeiträume, während dessen eine vollständige Umwälzung in der Unterrichtsorganisation vor sich ging. Alle Elementarschulen, Gymnasien, die Universitäten Köln, Bonn, Trier und Mainz wurden von der französischen Regierung aufgehoben und dafür Primär-, Central- und Specialschulen errichtet nach dem Plane der französischen Republik von 1795. Wie aber auch diese Einrichtung von keinem Bestände war, wie später Sekundärschulen, Lyceen und Specialschulen an die Stelle der früheren Organisationen traten, wie die Sekundärschule 1806 einging, an ihre Stelle das pensionat provisoire und das Lyceum trat, das alles schildert B. eingehend und mit urkundlichem Materiale belegt. In allen diesen Veränderungen ist nur eins bleibend: die Missachtung deutscher Sprache und deutscher Litteratur. — Eine eingehende Geschichte des Progymnasiums in Linz1 8a.0 Rh., deren Wert durch eine Anzahl von Beilagen noch erhöht wird, hat Ballas ) verfasst; er hat sich aber nicht genügen lassen, nur die Entwicklung des Progymnasiums von 1815—71 darzustellen, sondern er erweitert seine Arbeit nach rückwärts, indem er den Vorläufer der Anstalt, das Studium (Gymnasium) Martinianum von 1706—1815, ebenfalls unter Zugabe von Beilagen, schildert. Hier sei besonders auf die zweite Beilage des ersten Teiles, die „Herbstschauspiele, Actiones" hingewiesen, die für die Geschichte der Schulkomödie und der Musik nicht unwichtig ist. Charakteristisch ist, dass die Zwischenspiele ausser Musik und Gesang häufig auch von den Schülern aufgeführte Ballets brachten. — Roth 1 8 1 ) hat über die Lateinschulen von vier Städten des Rheingaues aus städtischen Archiven eine Anzahl von Notizen gesammelt, die sich in der Hauptsache,82auf die verschiedenen Formen des Lehrer-Einkommens im 16. und 17. Jh. erstrecken. ) — 1 8 3 Heubaum ) spricht über die Semlersche Realschule, den Urtypus der Realanstalten, und bietet damit auch einen Beitrag zur Schulgeschichte der P r o v i n z Sachsen. Merkwürdiger Weise ist hier Raumers Darstellung bis in unsere Zeit die massgebende geblieben. Auf Grund von gedruckten Quellen (hs. wurden von ihm nicht aufgefunden) giebt nun H. eine kurze übersichtliche Darstellung von Semlers ursprünglichen Absichten und ihrer Erweiterung und untersucht die Frage nach der Abhängigkeit Semlers von Francke, die in neuerer Zeit, nachdem Raumer geneigt war, Francke als den intellektuellen Urheber der Realschule hinzustellen, von Richter einfach bejaht worden war. Semlers ursprünglicher Plan, den er 1708 verwirklichte, ging darauf hin, Knaben, die Handwerker werden wollten, für ihr Handwerk besser vorzubereiten, als es bisher in den Schulen durch Lesen, Schreiben und Rechnen gesehen konnte. Er nannte die Schule Handwerks- und Realschule. Dieselbe hatte nur zwei, Jahre Bestand, aber 1738 trat Semler mit einem erweiterten Plane von neuem hervor. — Die Abhängigkeit von Francke hat nicht existiert. Wenn Richter den Beleg für seine Behauptung in Franckes „Entwurf der gesamten Anstalten" zu finden glaubt, so hebt H. mit hinlänglichen Gründen hervor, dass Franckes in Wirklichkeit nicht einmal ausgeführter Plan mit Semlers Absichten sich nicht deckt. Ganz treffend sagt H., dass, wenn eine Abhängigkeit von Francke hätte angenommen werden können, Hecker, der Begründer der Berliner Realschule, sich sicher lieber auf Francke als die grössere Autorität, als auf Semler berufen haben würde. — Zur Feier des 350 jährigen Bestehens der berühmten Landesschule Pforta, die einen Klopstock, einen Fichte, einen Leopold von Ranke zu ihren Alumnen zählte, ist eine Anzahl von Schriften und Aufsätzen erschienen. Alle diese Arbeiten werden überragt durch Max Hoffmanns 1 8 4 ) mit grossem Fleisse zusammengestellte Ausgabe der Ptörtner Matrikel vom J. 1543—1893. Dem Herausgeber war von amtlicher Seite der Auftrag geworden, zur Jubelfeier eine Ergänzung und Fortsetzung des von Bittcher bei der dritten Säkularfeier (1843) herausgegebenen „Ptörtner-Albums", eines Verzeichnisses sämtlicher Lehrer und Schüler, zu liefern. Schon bei Beginn der Arbeit war dem Vf. klar geworden, dass eine blosse Ergänzung des Bittcherschen Werkes wegen seiner vielen Ungenauigkeiten sich als ganz unzweckmässig erweisen würde. Er hat darum „das Ganze von u. Gönner d. Neustettiner Gjmn. T. L Progr. Neustettin (F. A. Eckstein). 4°. 30 S. |[MBllGPominG.N. 9.]| — 179) J. B u s c h m a n n , Z. Gesch. d. Bonner ßymn. II. T. Progr. Bonn. 4°. 40 S. — 180) G. B a l l a s , Gesch. d. Studium (Gymnasium) Martinianum n. d. Egl. Progymn. zu Linz a. Eh. Trier, Paulinus-Dr. IV, 80 3. M. 1,20. — 181) F. W. E. R o t h , Ordnungen u. Notizen z. Schulgesch. d. Rheingaues (1520-1697), I. Eltville. II. Erbach. DI. Hattenheim. IV, Geisenheim: MGESchG. 3, S. 96-101. — 182) x X J - K ü h l , Gesch. d. Stadt Jülich, insbes. d. früheren Gjmn. z. Jülich. II. T.: 1660 (1664J-1724. Mit 1 Tat Jülich, J. Fischer. VI, 322 S. M. 4,00. (Vgl. JBL. 1891 I 6 : 195; d. hier verzeichnete Werk bildet d. I. T.) — 183) A. H e u b a u m , Chrph. Semlers Realschule u. seine Beziehung zu A. H. Francke: NJbbPh. 39, S. 65-77. — 184) U a z

I 6:180-203 K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungs wesens. Grund aus aufgebaut", und im Hinblick auf die ungemein kurze Zeit, die ihm hierfür zur Verfügung gestellt war, hat er Vorzügliches geleistet. Für die Schule, die Gelehrten- und Familien-Geschichte würde freilich ein erheblich besseres Resultat herausgekommen sein, wenn die Zeit dem Vf. eingehendere Nachforschungen und Umfragen gestattet hätte. Für den langen Zeitraum von 1634—1784, für den die alte Matrikel nicht mehr vorhanden war, hat H. die Aufzeichnungen des Mathematikus Hübsch, sodann teilweise das Bittchersche Album und die seit dem J. 1682 vorhandenen Exerzitienbücher, Sammlungen von Aufsätzen, die die Schüler vor ihrer Aufnahme abfassten, und die für die schulgeschichtliche Forschung ein noch nicht gehobener Schatz sind, zur Feststellung der Namen der damaligen Schüler, ihrer Herkunft und der Zeit ihres Eintrittes benutzt. — In einem kurzen Aufsatze giebt E u l e r , 8 5 ) , ein ehemaliger Alumnus, Mitteilungen über Körperpflege, Leibesübungen, den Turnunterricht usw. aus der Geschichte Pfortas. Nicht ohne Widerstand sind Jahns turnerische Bestrebungen in Pforta aufgenommen worden. Der damalige Rektor, der berühmte Philologe Ilgen, scheint wenig erbaut gewesen zu sein, als ihm, nachdem Pforta preussisch geworden war, aus Berlin ein Springpferd für die Schule geschenkt wurde und scheint dem mit ihm befreundeten Leipziger Philologen Gottfr. Hermann sein Leid darüber geklagt zu haben; denn dieser antwortete ihm im Mai 1817: „Mir an Ihrer Stelle hätte man mit der Turnmähre und dergleichen Dingen nicht kommen dürfen; ich hätte mich in Person nach Berlin gemacht und demonstriert, dass der Rektor einer litterarischen Schule nicht auch Stallmeister eines hölzernen Pferdes sein könnte. Eigentlich jedoch freue ich mich über alle Turnanstalten, als über Anstalten, worin die Regierung das Volk lernen lässt, wie es 186-196 sie einmal methodisch wichsen soll. Doch genug von diesen unerfreulichen Dingen." ) — In die Schulgeschichte Pfortas gehört auch Koches 1 9 7 ) Biographie Steinharts (1801—72), eines bedeutenden Lehrers der Anstalt, der unter dem Namen „Kanonikus L. von Selbiger" eine Reihe Romane herausgab, ferner eine von Klenz 1 9 8 ) entworfene Skizze des Lebens Stürenburgs (1811—56), eines Schülers der Anstalt. — Nach dem K ö n i g r e i c h S a c h s e n führt uns G e h m l i c h ' " ) , der schon mehrfach Forschungen zur Schulgeschichte Sachsens veröffentlicht hat. Seine Charakterisierung der städtischen Lateinschulen im sächsischen Erzgebirge im 16. Jh. ist eine Ausbeute aus dem reichen Aktenmaterial des Dresdener Staatsarchivs, einer, wie es scheint, kaum zu erschöpfenden Fundgrube für Schulgeschichte. — Dasselbe Thema behandelt Gehmlich 2 0 0 ) auszugsweise in seinen „Beiträgen" unter dem allgemeineren, aber nicht zutreffenden Titel: „Beiträge zur Geschichte des Unterrichts . . . in den städtischen Lateinschulen des 16. Jh.", obwohl von aussersächsischen Städten in dem Buche gar nicht die Rede ist. — H e y d e n r e i c h 2 0 1 ) liefert wiederum (vgl. JBL. 1891 I 6:209—10) einen Beitrag zur Geschichte des sächsischen Gymnasialwesens, indem er nach einem alten Sammelbande der Schneeberger Gymnasialbibliothek, der eine Anzahl von Freiberger Programmen enthält, Mitteilungen zur Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg i. S. bietet. Interessant sind die Nachrichten über einen Valediktionsaktus, in welchem die Schüler über einzelne Eigenschaften, die ein Regent haben soll, reden mussten, unter Anknüpfung an Inschriften auf allerlei, hauptsächlich sächsischen Münzen. — EineGeschichteder NicolaischuleinLeipzig, die vielleicht zu einer Geschichte des gesamten Leipziger höheren Schulwesens führen sollte, hatte der verstorbene Professor Dohmke beabsichtigt, der dem Leiter der MGP. kurz nach der Veröffentlichung des „Plan es" dieses mitteilte. Leider hat 2der Tod ihn verhindert, seine bereits begonnene Arbeit fortzusetzen. Jetzt stellt Voigt 0 2 ), ein Schüler Dohmkes, auf Grund von Akten des Leipziger Ratsarchives und des Schularchives Nachrichten über allerlei Verhältnisse der Schule im 18. Jh. zusammen. — Als einen Beitrag zur Festschrift eines Jenaer Privatinstituts veröffentlicht P l a n e r 2 0 3 ) eine Geschichte des höheren Schulwesens im Grossherzogtum S a c h s e n H o f f m a n n , Pförtner Stammbuch 1543-1893 z. 350j. Stiftungsfeier d. Egl. Landessch. Pforta. B., Weidmann. XV, 564 S. M. 10,00. | [ S c h e u f f l e r : ThLBl. 14, S. 503/4; (B. Rogge): Post N. 136.]| — 185) K. E u l e r , Schulpforta: VossZgB. N. 21. — 186) X Gründung d. Klosters u. d. Landessch. Pforte: Didask. N. 123. — 187) X (S- »• N. 114.) — 188) X H. W i t t e , Pförtner Jubel tage. Aufzeichnungen z. Erinnerung an d. 350j. Jut.il. d. Landessch. Pforta am 24., 25. u. 26. Mai 1893. Rostock, W. Werther. 72 8. M. 1,00. — 189) X W. M a a s s , Schulpforta: FZg. N. 115. - 190) X W., Schnl-Pforta: Post N. 40. — 191) X C. H e s s m e r t , Bilder aus d. Alumnenleben in d. kgl. Landesschule Pforta. Progr. Naumburg. 4°. 42 S. — 192) X A - T r ü m p e l m a n n , Kloster u. Schule. Gesch. Festspiel. . Magdeburg, Creutz. 12°. 151 S. II. 1,50. — 193) X B. R o g g e , Pförtnerleben. Nach eigenen Erinnerungen geschild. Mit 24 Abbild. L., Hirt & Sohn. 128 S. M 2,00. — 194) X W. N J l d e c h e n , D. 350j. Jubelfeier d. Landessch. Pforta: SchorersFamilienbl. N. 25. — 195) X (I 5:378.) — 196) X B o e h m e , Urkundenbuch d. Klosters Pforte. 1. Halbbd. (1132-1300.) ( = GQProvSachsen. N. 33.) Halle a. S., Hendel. XXII, 340 S. M. 7,00. — 197) R. H o c h « , K. H. A. Steinhart: ADB. 35, S. 711/2. - 198) H. K l e n z , R. D. Stürenburg: ib. 36, S. 762/3. — 199) E. G e h m l i c h , D. Btädt. Lateinschulen d. sächs. Erzgebirges im 16. Jh. Diss. L.-Reudnitz (Osw. Schmidt). 78 S. — 200) id., Beitrr. z. Gesch. d. Unterr. u. d. Zucht in d. et&dt. Lateinschulen d. 16. Jh. ( = P&d. llag. her. y. F. Mann. Heft 20.) Langensalza, Beyer * Söhne. 42 S. M. 0,50. (Auch in DBUEU. 20, S. 1/3, 13/4, 21/3, 29-31, 37-40, 45/7.) — 201) E. H e r d e n r e i c h , Z. Gesch. d. Freiberger Gymn. im 18. Jh.: NASächsG. 14, S. 141/2. - 202; Ph. H . V o i g t , Z. Gesch. d. Nicolaischule im 18. Jh. Progr. L., (Dürr). 4°. 34 S. — 203) H. P l a n e r , Gesch. d. höh. Schulwesens im

K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 6:204-210 W e i m a r - E i s e n a c h . Seiner Absicht, dasselbe Thema ausführlicher zu behandeln, sei eine baldige Erfüllung gewünscht. — Planers Mitteilungen über das Eisenacher Realgymnasium werden wesentlich vervollständigt durch S t e c h e l e s 2 0 4 ) Darstellung, der unter Beigabe von Lehrplänen, Etatsaufstellungen, Verzeichnissen der Direktoren, Lehrer und der Programmarbeiten die Schicksale der Anstalt, die 1843 zweiklassig, mit dem Eintritt Karl Magers vierklassig, in neuester Zeit vollständiges Realgymnasium wurde, schildert. Bemerkenswert ist, dass sie im ersten Programme Bürgergymnasium — Magers Lieblingsausdruck — genannt wurde. Unter den Programmarbeiten verdienen hier genannt zu werden Fr. Koch „Der Unterricht in der deutschen Sprache" (1847) und K. Schmidt „Die Unterrichtsordnung der lateinischen Schule in Eisenach von 155ö". — Durch die 250jährige Jubelfeier des Maria-Magdalenen-Gymnasiums 2 0 5 ) in Breslau angeregt, hat M e i s t e r 2 0 6 ) Beiträge zur Geschichte dieser s c h l e s i s c h e n Anstalt herausgegeben. Die Gründung der Schule erfolgte bereits am 12. Febr. 1267; als ältere Anstalt bestand neben ihr die Domschule. Einen hervorragenden Markstein in der Geschichte der Schule bildet die Einführung der Reformation 1528. Hier sind die Namen Joh. Metzlers, des Vf. der viel gebrauchten griechischen Grammatik, und des Theologen Moiban zu nennen. Unter den Rektoren des 17. Jh., deren einzelne von M. charakerisiert werden, sei J. von Höckelshofen, zu dessen Schülern auch Martin Opitz gehörte, hervorgehoben. Im J. 1643 wurde die Anstalt Gymnasium. Wie anderwärts, so wurden auch hier von den Lehrern und Schülern dramatische Aufführungen veranstaltet. M. bemerkt aber, dass, während sonst fast überall Stücke von Plautus und Terenz gegeben wurden, die hier aufgeführten Dramen in deutscher Sprache verfasst und die Stoffe der Weltgeschichte entnommen waren. Dass auch die deutsche Geschichte berücksichtigt wurde, beweist das 1677 aufgeführte Schauspiel „Die zerstörte Armensul (Irmensul) usw.", das der Fruchtbringenden Gesellschaft von ihrem Mitgliede Georg Wende gewidmet war. Diese Stoffe blieben auch noch im 18. Jh. Im J. 1739 wurde in Erinnerung an den 100. Todestag Opitzens ein Gedächtnisfest „der durch Martin Opitz verbesserten deutschen Poesie" veranstaltet. 1766 wurde mit der Anstalt eine Realschule verbunden, die anfangs den Beifall des Publikums fand, aber wegen der Fülle der Unterrichtsgegenstände unmöglich das halten konnte, was sie versprochen hatte. — Ausser der „reinen teutschen Sprache" sollte gelehrt werden: französisch, polnisch, englisch, italienisch, Feldmessen, Kriegsund zuweilen Baukunst, Wappenkunde und Genealogie, Landwirtschaft, Buchhalten, Tanzen, Fechten, Glasschleifen, Anatomie, welchem Unterrichte im Anfange auch Hebammen und Chirurgen beiwohnten. Eine tiefer gehende Reform der nach und nach entstehenden unhaltbaren Zustände wurde durch den 1790 berufenen Rektor Manso herbeigeführt, der auch bewirkte, dass der seit 1767 eingeführte Name Realgymnasium dem Namen Gymnasium wieder Platz machen musste. — Zweier Rektoren des Magdalenengymnasiums, Steinbergs und Stieffs, gedenkt in besonderen Skizzen M a r k g r a f 2 0 7 " 2 0 8 ) . Steinberg (1543—1610), ein in Wittenberg gebildeter Schulmann, 1574—78 Rektor des Magdalenaeums, hatte den Grundsatz: eine Schule mit guter Zucht und geringer Wissenschaft sei einer solchen vorzuziehen, an der das Verhältnis umgekehrt sei. Stieff (1675—1751), der während seines ganzen Lebens im Schuldienste der Stadt Breslau gestanden hat, war von 1717—34 Rektor des Magdalenaeums, an dem er unter dem Rektorate von Andr. Gryphius, dem Sohne des Dichters, ausgebildet worden ist. A l s Professor der Beredsamkeit und Geschichte hat er zahlreiche Dramen verfasst. — S e i t z 2 0 9 ) (vgl. JBL. 1890 I 6 : 82) giebt die fünfte Abteilung seiner Ausgabe von Aktenstücken, die sich auf die ehemalige Lateinschule zu Itzehoe in der Provinz S c h l e s w i g - H o l s t e i n erstrecken. E s handelt sich um Bestallungsurkunden, Schulordnungen, Stundenpläne und Gehaltsverhältnisse. — Zur Schulgeschichte W ü r t t e m b e r g s gehört S c h a n z e n b a c h s 2 1 0 ) kleine Mitteilung. Sch. giebt darin eine Ergänzung zu der im Jubiläumsprogramm des EberhardLudwig-Gymnasiums zu Stuttgart 1886 erschienenen Matrikel, indem er eine kleine Liste hervorragender früherer Schüler, die in den letzten sieben Jahren gestorben sind, zusammenstellt und sie vervollständigt durch die Namen der in dem gleichen Zeiträume dahin geschiedenen Lehrer. — Grossherz. Sachsen. ( = Festschrift her. am 20. Mai 1893 bei der Feier a. 60j. Jnbil. d. y. Prof. Dr. Karl Herzog errichteten, gegenwärtig vom Direktor Pfeiffer geleiteten Lehr- n. Erziehungsanstalt [Pfeiffersches Inst.] zu Jena [Jena, Neuenahrs Buchdr. IOCS.],S. 1-53.) — 204)U. S t e o h e l e , Urossherz.Realgymn.z.Eisenach. KleineBeitrr.z.Gesch.d.Schale. Progr. Eisemioh (H.Kahle). 32 S. — 2 0 5 ) X Festschrift z. 250j. Jubelfeier d. Gymn. zu St. Ilaria Magdalena zn Breslau am 30. April. Her. T. Lehrerkollegium d. Anst. Mit 2 Taf. u. 1 Bl. Erklärungen. Breslau (E. Morgenstern). III, 110, 198 S. M. 3,00. — 2 0 6 ) F. M e i s t e r , Beitrr. z. Gesch. d. Gymn. zu St. Maria Magdalena. ( = Sonderabdr. aus N. 205.) Breslau (E. Morgenstern). 110 S. Mit I Taf. M. 1,50. — 207) H. M a r k g r a f , Nik. Steinberg iSteinberger): ADB. 35, S.690. — 208) id., Chrn. Stieff: ib. 36, S. 174/6. — 209) K. S e i t z , Aktenstücke z. Gesch. d. früh, latein. Schule z. Itzehoe. V. Progr. Itzehoe, G. J . Pfingsten. 44 S. — 210) 0. S o h a n z e n b a o h , Nachtrr. z. Gesoh. des Eberhard-Ludwigs-Gymn. 2. F. Progr. St., K. Hofbuohdr. Carl

I 6 :211-219 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. Der verdienstvolle Historiker schweizerischer Pädagogik, Hunziker 211 ), hat dem reichen statistischen Material über das gesamte schweizerische Unterrichtswesen und die schweizerischen Schulausstellungen Nachrichten über die historische Entwicklung vom frühesten Mittelalter bis in die neueste Zeit vorangestellt. — Bucher 2 1 2 ) veröffentlicht in etwas erweiterter Form seine Rede zur Geschichte des höheren Schulwesens im Kanton Luzern, die er bei Schliessung des alten Kantonalschulgebäudes gehalten hat. Während des ganzen Mittelalters ist das Schulwesen des Kantons ohne jegliche Bedeutung gewesen. Sowohl die Hochschule in Luzern, die sich schon 1238 nachweisen lässt und unter der Herrschaft des Klosters stand, als auch die Stiftsschule in Münster haben keine irgendwie bemerkenswerten Leistungen aufzuweisen. Neues Leben kommt erst zur Zeit der Reformation und besonders durch die Jesuiten, die 1578 eine Anstalt eröffneten, in das Schulwesen. Nach Auflösung des Ordens nahm sich der Staat der Schule an. — Höhere Bürgerschule. Durch Lückerath 2 1 3 ) erfahren wir, dass die jetzt fünfklassige höhere Stadtschule in Heinsberg (Rheinprovinz) sich aus einer der Elementarschule aufgesetzten Klasse nach und nach entwickelt hat. Im Anhange giebt L. ein Verzeichnis der Schüler. Von den Rektoren hebt er Lindemann und dessen Verdienste um die deutsche Litteratur und Sprache hervor, die ihm den Beinamen des „katholischen Vilmar" einbrachten. Lindemann war Herausgeber von Gedichten des deutschen Mittelalters, von Dialektdichtungen der Neuzeit und verfasste auch Monographien über Angelus Silesius und Joh. Geiler von Kaisersberg. — Das Schicksal der 1868 gegründeten höheren Bürgerschule in Schwetzingen und die ihrer Vorläufer, der älteren höheren Bürgerschule und der erweiterten Volksschule, hat Maier 214 ) beschrieben und ein Verzeichnis sämtlicher Abiturienten mit Angabe ihres gegenwärtigen Standes beigegeben. — Privatinstitute. In der Geschichte der Pädagogik, der Unterrichts- und Erziehungsanstalten Deutschlands und zwar jener Zeit, da eigenartige, individuelle Veranstaltungen, grossangelegte Versuche sich entwickeln konnten, da das Berechtigungsund Prüfungswesen diese Bestrebungen noch nicht in das Prokrustesbett staatlicher Schablone einzwängte, ragt eine Anzahl von Privatinstituten hervor. Unter diesen sei auf das Jenaer Institut hingewiesen. Von dem Schweizer Karl Herzog, einem ehemaligen Lehrer der Fröbelschen Anstalt in Keilhau, 1829 gegründet, 1834 von Adolf Facius und Friedrich Stier übernommen, fortgesetzt von Dr. Heimburg, zu hohem Ruhme gebracht von K. V. Stoy, nach dessen Abgange von Schneider, Keferstein, Schröter und jetzt von Pfeiffer geleitet, hat die Schule, besonders in früherer Zeit befruchtend auf die pädagogische Wissenschaft eingewirkt. Stoy (1815-85), ein persönlicher Schüler Herbarts, war es, der an seiner Anstalt Jahre hindurch die Herbartschen Ideen in Praxis umsetzte und als Professor der Pädagogik und Leiter des pädagogischen Seminars und der Uebungsschule grosse Anregungen gegeben hat. Aus Veranlassung des 60jährigen Jubiläums der Anstalt hat Piltz 2 1 5 ) ihre Geschichte geschrieben. Im Anhange dazu giebt er ein Verzeichnis der von den einzelnen Direktoren der Anstalt veröffentlichten Jahresberichte, der Lehrer, die an der Schule thätig 2I6 waren oder noch sind, und schliesst mit einem Verzeichnis von Schülern seit 1881. ) — Von Stoys Entwicklungsgang und seiner segensreichen Wirksamkeit hat Sallwürk 2 1 1 ) ein deutliches Bild entworfen. Wenn wir dabei erfahren, dass die Universitäten Jena und Heidelberg weder die Wichtigkeit pädagogischer Seminare mit Uebungsschulen, noch die Notwendigkeit eines pädagogischen Lehrstuhles begriffen, so wird das sicher Vielen ein Lächeln abgewinnen. — Mädchenschule. Krusche 218 ), der durch seine umfassende Bibliographie der Litteratur zur weiblichen Erziehung und Bildung vom J. 1700—1886 (Langensalza, 1887) der Forschung auf dem Gebiete des weiblichen Bildungswesens eine grosse Erleichterung verschafft hat, giebt in diesem J. bereits den 6. Nachtrag zu seinem Werke, und zwar befinden sich in seinem Nachtrage nicht nur Schriften aus der Zeit nach 1886, sondern auch, viele 2 aus dem vorigen und diesem Jh., vor dem J. 1886 erschienene. — Helene Lange 1 9 ) legt in ihrer für die Chicagoer Weltausstellung bestimmten Schrift, in der die Darstellung des gegenwärtigen Standes des höheren Mädchenschulwesens wohl die Hauptsache sein sollte, auch Skizzen über seine historische Entwicklung vor (vgl. I 4 : 601). — Liebioh. 4°. — 211) 0. H u n z i k e r , D. Schweiz. Schalwesen her. im Auftrag d. Schweiz. Departements d. Iiinern anlässl. d. Weltausstellung in Chicago. Zürich, Meyer & Zeller. IV, 111 S. Mit 1 färb. Karte. M. 2,00. — 212) J. B a c h e r , Z. Gesch. d. höh. Schulwesens im Kanton Luzern. ( = Festschrift z. Eröffnung d. neuen Kantonalschulgebäudes in Luzern. [Lnzern, Gebr. K&ber. 319 S. M. 6,00.] S. 155-7«.) — 213» W. L ü c k e r a t h , D. höhere Stadtschule zu Heinsberg 1843-93. Festsohrift. Heinsberg, F. W. Joppen. II, 64 8. M. 1,00. — 214) Aug. F e r d . M a i e r , Gesch. d. höh. Bürgerschule Schwetzingen, mit e. Abbild, d. Sohulgeb&udes. Festprogr. Schwetzingen (Max Richter). IV, 90 S. — 215) E. P i l t z , Gesch. d. Pfeifferschen Instituts zu Jena ( = N. 203, S. 55-106.) — 216) X Festber. Aber d. am 19., 20. n. 21. Mai 1893 abgehalt. 60j. Jubelfeier d. „Erziehungsanstalt am Graben" (Pfeiffersches Inst.) zu Jena. Jena, Neuenhahn, Univ.-Bochdr. VI, 34 S. — 217) E. v. S a l l w ü r k , K. V. Stoy: ADB. 36, S. 474/9. - 218) G. K r u s c h e , Uebersicht d. Litt, aber weibl. Erz. u. Bildung in Deutschland. 6. Nachtr. ( = 2 0 . JB. üb. d. höh. Schule für M&dchen zu Leipzig, S.25-29; Tgl. JBL. 1392 1 4:51.) — 219) H e l e n e L a n g e ,

K. K e h r b a c h , Grschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 6:220-228 L e h r e r s e m i n a r . Trotz des Diesterwegschen Ausspruches, dass das Herz des ganzen Schulleibes das Volksschullehrerseminar sei, ist die Bedeutung der Seminare nicht so anerkannt, wie es sein müsste. „Niemand spricht von ihnen; die alles betastende, stoffgierige Presse würdigt sie kaum der Beachtung, und wenn man sich in den Versammlungen der Landesvertretungen mit ihnen zu beschäftigen hat, so zeigt sich in der Regel die Einmütigkeit der Parteien in der überraschenden Unkenntnis des Gegenstandes." Diese Unkenntnis zu heben, hat A n d r e a e 2 2 0 ) die von ihm der Seminarfrage gewidmeten Beilagen zu den Programmen des Königlichen Seminars in Kaiserslautern in einer selbständigen Schrift veröffentlicht. Im Gegensatz zu anderen ähnlichen, die Seminarreform betreffenden Arbeiten, stellt A. die Lehrerbildungsfrage auf historische Grundlage. Seine Reformvorschläge bauen sich auf dem Gedanken auf, dass die materielle Bildung gegenüber der amtlichen Ausrüstung des Volksschullehrers immer zu kurz gekommen, und dass es notwendig sei, den Volksschullehrer wissenschaftlicher, gerade so wie den Lehrer an höheren Schulen pädagogischer werden zu lassen. — In seiner Arbeit über das Internat an Lehrerseminarien, das er verwirft, hat L o r e n t z 2 2 1 ) auch die Geschichte dieser Frage gestreift, indem er die Aussprüche angesehener Pädagogen über das Für und Wider dieser Einrichtung citiert und dabei eine erschöpfende geschichtliche Beurteilung in Aussicht stellt. — V o l k s s c h u l e . Einleitend sei hier auf K ö s t e r u s 2 2 2 ) übersichtliche Abhandlung über die deutsche Elementarbildung gegen Ausgang des Mittelalters hingewiesen. ~ Eine auf gründlichen archivalischen Forschungen beruhende Schilderung des Zustandes der A n h a l t - Z e r b s t e r Landschulen um die Mitte des 17. Jh. hat B e c k e r 2 2 3 ) gegeben. — Durch die Mitteilung der Instruktion für den Präceptor und Organisten in Adelsheim (1706) hat W e i s s 2 2 4 ) einen kleinen Beitrag zur Geschichte des Volksschulwesens des Grossherzogtums B a d e n geliefert. — Trotz ihres geringen Umfanges erhält man durch die Schrift von Z e n z 225 ) doch ein deutliches Bild von Bestrebungen und Strömungen, die innerhalb des deutschen Volksschulwesens in 0 e s t e r r e i c h im 18. und 19. Jh. vorhanden waren. Der Beginn des 18. Jh. und darin die Regierungszeit Karls VI. ist ein wichtiger Markstein in der Entwicklung des österreichischen Schulwesens. Eine neue Zeit fängt an sich zu regen; die Idee von der Allgewalt des Staates begimit zu keimen, und was vorher als unbestrittenes Besitztum der Kirche galt, nimmt jetzt der Staat für sich in Anspruch. Das nationale Empfinden steigert sich. Die Schätzung' der deutschen Sprache, von dem Staatsoberhaupte ausgehend, verbreitet sich in weitere Kreise, von Wochenschriften und deutschen Sprachgesellschaften unterstützt. 1747 erscheint die erste deutsche Sprachlehre, „die kaiserlich deutsche Grammatik von Joh. Balthasar von Antesperg" und zwar im Anschluss an die „obersächsisch-lutherische Form des Neuhochdeutschen". Mit wenigen deutlichen Strichen werden die Absichten Maria Theresias, Josefs II., die Verdienste Felbigers, Parhamers, Kindermanns, von Kinskys, die Einwirkungen des Philanthropinimus, die Bestrebungen für Schulgesundheitspflege gezeichnet. Eine Zeit des Stillstands, ja Rückschritts wird unter der Regierung Franz I. bemerkt, aber neues Leben erblüht nach dem J. 1848 unter dem Unterrichtsminister Graf Leo Thun und seinem Gehilfen Alex, von Helfert. Neue Volksschulen werden gegründet, neue Schulhäuser erbaut, Lehrerbildungsanstalten, Schulwerkstätten usw. errichtet, neue Methoden eingeführt und das Amt der staatlichen Schulinspektoren geschaffen. Von diesen sei nur einer erwähnt, dessen Dichtername weit über Oesterreichs Grenzen einen guten Klang hat: Adalbert Stifter. — Die Entwicklung des Volksschulwesens im Erzstift Salzburg, die für die alte Zeit in Vierthaler (vgl. N. 57) einen hervorragenden Darsteller gefunden hat, wh'd uns von den ältesten Zeiten bis zu seiner Einfügung in den Rahmen des österreichischen Schulwesens durch W a g n e r 2 2 6 ) übersichtlich vorgeführt. Die beigegebenen urkundlichen Schriftstücke, Instruktion von 1675, Schulordnungen von 1683 und 1755, dürfen ausser dem pädagogischen ein hervorragendes Interesse für den Dialektforscher beanspruchen. — Gehmlich 2 2 7 " 2 2 8 ) (s. 0. N. 199—200) hat auch die Geschichte des s ä c h s i s c h e n Volksschulwesens in den Bereich seiner Thätigkeit gezogen. — Der fleissige Forscher auf dem Gebiete des w ü r t t e m Entwioklung n. Stand d. höh. Mädcheneciiulwflsena in Deutschland. Im Anftr. d. Kgl. Preuas. Ministeriums d. geistl., Unterr.u. Medizinal-Angelegenheiten. B„ R. Oaertner. 69 S. M. 1,20. — 220) C. A n d r e a e , Z. inneren Eutmoklungsgesoh. d. dtsch. Lehrerbildungs-Anst. Kaiserslautern, J. J. Tascher (A. Oerie). VIII, 162 'S. M. 3,00. — 221) K. L o r e n t z , D. Internat. E. Beitr. z. Lehrerbildungsfrage. L., C. Jaoobsen. 32 S. M, 0,60. — 222) X K ö s t e r u s , D. dtBch. Elementarbildung gegen Ausgang d. IIA.: KathSchK.2. S. 49-50, 185,6, 232/4, 239-60, 274/5. — 223) H. B e c k e r , D. Zerbster Landschulen nm d. Mitte d. 17. Jh.: MQESchG. 3, S. 146-75. - 224) J. G. W e i s s , Instruktion für d. Präceptor n. Organisten Seyerinus Herz in Adelsheim (Grossherz. Baden) aus d. J. 1706: ib. S. 55/8. — 225) W. Z e n z , D. dtsch. Volksschulwesen in Oesterr. im 18. u. 19. Jh. ( = 3 . JB. d. k. k. Lehrer- u. Lehrerinnen-Bildnngsanst. in Linz. S. 3-28.) — 226) H. F. W a g n e r , Gesch. d. Volksschnlwesens im Erzstift Salzburg: MGESchG. 3, S. 65-95. — 227) E. G e h n Ii oh , Zeugnisse für Lehrer d. Leipz. Ephorie aus d. J . 1738, 1756, 1757 u. 1807: ib. S. 105/7. — 228) id., Z. Gesch. d. Schule d. Städtchens Taucha bei Leipzig: Jahresberichte für nenere deutsche Literaturgeschichte. IV. 14

I 6:229-237 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. b e r g i s c h e n Volkschulwesens, Kaisser229-230^ giebt den Wortlaut einer Schulmeister-Instruktion aus dem J. 1664 und bietet weiteres urkundliches Material zur Geschichte des Volksschulwesens einzelner Orte der ehemaligen, 1806 mediatisierten Grafschaft Waldburg-Zeil-Trauchburg vom Ausgange des 16. Jh. bis zum J. 1802. — Die Geschichte des Volksschulwesens im früheren Herzogtum Z w e i b r ü c k e n behandelt K r a m e r ! 3 1 J . Er berichtet bloss über die Periode von der Reformation bis einschliesslich der schwedischen Herrschaft (1697—1718). — E i d 2 3 2 ) hat den Zeitraum von 1648—1706 geschildert und dabei nachgewiesen, dass die Einführung der allgemeinen Volksschule nicht erst 1706 durch das schwedische Gouvernement versucht wurde, sondern bereits um 1670 durch den Herzog Friedrich Ludwig, dessen segensreicher Wirksamkeit der Hauptteil seiner Arbeit gewidmet ist. — H a n d e l s s c h u l e . Der Direktor der Münchener Handelsschule, R 0 h m e d e r 233), — dessen Absicht es ist, eine zusammenhängende pragmatische Darstellung dèr historischen Entwicklung des gesamten Schulwesens der Stadt München von der Mitte des vorigen Jh. bis zur Gegenwart zu geben — hat zur Feier des 25jährigen Bestehens der Münchener Handelsschule Stoff zu ihrer Geschichte und Hinweise auf die vorhandenen Quellen dargeboten. — M i l i t ä r b i l d u n g s w e s e n . Zu seiner innerhalb der MGP. erscheinenden Geschichte des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens in den Landen deutscher Zunge liefert Poten 2 3 4 ) jetzt den 3. Band, der sich mit Oesterreich beschäftigt. Seine Darstellung beginnt mit der von Wallenstein begründeten Friedländischen Akademie zu Gitschin, charakterisiert sodann die unter Maria Theresia getroffenen Einrichtungen und Reformen, schildert die Verdienste Karls VI., Josefs II., besonders die des Erzherzogs Karl, ferner die Einwirkung der J. 1848—49, 1866 und wird sodann bis in die neueste Zeit herabgeführt. — Standeserziehung. Hier ist zuerst hinzuweisen auf Beiträge zur Fürstenerziehung. Kehrbach 2 3 5 ) schickt dem Abdrucke der für den 13jährigen Herzog Johann von Sachsen-Weimar bestimmten Studierordnung aus dem J. 1583 eine kleine Vorrede voraus und versieht den Text mit Anmerkungen. Die Ordnung, sicher unter der Mitwirkung der Mutter des Prinzen, der Herzogin-Witwe Dorothea Susanna, einer Frau von hoher Bildung und vorzüglichem Herzen, verfasst, zeugt von dem Bewusstsein der Bedeutung des Unterrichts und der Erziehung und von pädagogischem Takte. — Erich Meyer 2 3 6 ) veröffentlicht die Instruktion, die dem General von Kayserlingk für die Erziehung der Söhne des Landgrafen Friedrich, die Prinzen Wilhelm (den späteren Kurfürsten) und seine Brüder Karl und Friedrich vorgeschrieben war. Da der Vater der Prinzen, der den protestantischen Glauben verlassen hatte und Katholik geworden war, durch Unterzeichnung der sogenannten Assekurationsakte unter anderem sich auch jeglichen Einflusses auf die Erziehung seiner Kinder begeben hatte, so war der Grossvater zur Sicherung des Religionsstandes Hessens darauf bedacht, die Erziehung so zu leiten, dass jeglicher katholischer Einfluss ausgeschlossen wurde. M. giebt neben der französischen Instruktion eine deutsche Uebersetzung und versieht das Ganze mit einer in grossen Zügen orientierenden Einleitung und erläuternden Anmerkungen zu den einzelnen Teilen. Ausführlicher wird M. das in 8 Foliobänden niedergelegte Aktenmaterial zur Erziehung dieser hessischen Prinzen verwerten in einer Schrift über die Landgräfin Marie von Hessen, geborenen Prinzessin von England. — Es sei hier auch hingewiesen auf die von Pahner 237 ) veröffentlichten Schriftstücke zur Gründung eines adligen Fräuleinstiftes um 1670 durch Herzog Ernst den Frommen von Gotha, der unter den deutschen Fürsten in seiner Fürsorge für Unterricht und Erziehung seiner Unterthanen in erster Reihe steht, „ein Pädagoge unter den Fürsten und ein Fürst unter den Pädagogen". Unter den mitgeteilten Schriftstücken ragt Seckendorfs „Entwurf hervor und ergänzt P.s Abhandlung über Veit von Seckendorf (vgl. JBL. 1892 I 10:43). — Einen integrierenden Bestandteil der Standeserziehung des Rokokozeitalters bildete der Hofmeister. Ursprünglich bestand der Hofmeisterposten nur an fürstlichen Höfen. Bei dem Bestreben des Adels und später des reicheren Bürgertums, die Sitten der höchsten Kreise nachzuahmen, wurde auch der Hofmeister übernommen. Diesem Stande hat eine grosse Anzahl von ib. S. 113-21. — 229) B. K a i s s e r , Instruktion für d. Schnlmeister in Scheer vom J. 1664. E. Beitr. z. Sohnlgesoh. Württembergs: ib. S. 124/6. — 230) id., D. Volksschnlwesen in d. ehemal. Grafaoh. Waldburg-Zeil-Trauohbnrg: Oberschw&bHansfr. N. 37-40. — 231) K. K r a m e r , Gesoh. d. Volkssohulwesens im früh. Herzogt. Zweibr&cken. (I. T. nebst Anh.) Kaiserslautern (H. Kayser). 1892. 56 S. — 232) L. E i d , D. pfalzzireibrückische Eleraentarsch. nnmittelb. nach d. 30j. Kriege (1648-1706). Mit d. Portr. d. Herz. Friedr. Ludw. y. Pfalz-Landsberg. Speier, Jäger. VIII, 44 S. M. 1,00. — 233) W. B o h m e d e r , Z. Gesoh. d. Sohnle. ( = Beil. z. 25. JB. d. Handelssch.) Festprogr. z. Feier d. 25j. Bestehens. München. 94 S. Mit 1 Tnf. — 234) B. P o t e n , Gesch. d. Militär-Erziehtrags- u. Bildangswesens in d. Landen deatsoher Znnge. 3. Bd. Oesterreich. (— MGP. XV.) B., A. Hofmann St Co. 486 S. M. 15,00. — 235) K. K e h r b a o h , Stndierordnnng d. Herzogin Dorothea Sosanna y. Weimar für ihren Sohn, d. Herz. Joh. y. Sachsen-Weimar, ans d. J. 1583: MGESehG. 3, S. 29-43. — 236) E r i c h M e y e r , Z. Jngendgesoh. Wilhelms I., Kurf. y. Hessen: ZVHessG. 18, S. 518-56. — 237) R. P a h n e r , D. Versuch d.

K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 1 6 : 238-241 Männern angehört, die später als hervorragende Gelehrte und Dichter eine Rolle gespielt haben: Aus dem 17. Jh. Betulius, der Romandichter Joach. Meier, Moscherosch, Schottelius, aus dem 18. Jh. Boie, Geliert, Gleim, Jung Stilling, Klopstock, Leuchsenring, Voss, Chr. Fei. Weise, auch die Philosophen Fichte und Kant u. a. Freilich die Mehrzahl dieser Hofmeister aus späterer Zeit, die Rabener in seiner Satire, wenn auch karikiert, schildert, und die überhaupt dankbare Sujets für die Litteraturerzeugnisse jener Zeit bilden, gehören in die Klasse seltsamer Originale, sind nach S t e i n h a u s e n 2 3 8 ) die „sonderbarsten Käuze". Zu diesen gehört auch Behrisch, der Genosse von Goethes fröhlicher „Clique" in Leipzig. Die Schilderung aber, die Goethe in Dichtung und Wahrheit von ihm entworfen hat, findet St. etwas übertrieben. — P ä d a g o g i k der J e s u i t e n . In grossen Zügen, und dabei doch unter Berücksichtigung von urkundlichen Materialien, die sich auch auf kleinere Einzelheiten beziehen, hat G e o r g Müller 2 3 0 ) eine durchsichtige Darstellung über Unterricht und Erziehung bei den Jesuiten während des 16. Jh. verfasst. Er schildert zuerst Entstehung und Gesetzgebung des Ordens und kommt dann in zwei weiteren Abschnitten auf Unterricht und' Erziehung. Vorsichtig äussert er sich über die Quellen der Jesuitenpädagogik, er weist nach, dass Vives nicht von grossem Einfluss habe sein können; und statt einen Einfluss von Joh. Sturm auf den Jesuitenorden anzunehmen, ist er geneigt, den Einfluss des niederländischen Schulwesens, von dem auch Sturm seine Anregung empfing, an dessen Stelle zu setzen. Um hierüber Klarheit zu schaffen, habe man noch eine Anzahl von Veröffentlichungen nötig, wie sie der Jesuitenpater Pachtler innerhalb der MGP. über die deutschen Provinzen des Ordens dargeboten habe. Manche Lücke in den Darstellungen jesuitischer Pädagogik würde ausgefüllt werden, wenn, was M. auch betont, die Entstehung und Entwicklung des Unterrichtsbetriebes im Collegium Romanum eingehend dargestellt würde. Ich bemerke hier, dass eine Geschichte des Collegium Romanum unter Beigabe reichhaltigen urkundlichen Materials ursprünglich in den Plan der MGP. aufgenommen worden war, dass aber aus äusseren Rücksichten diese Absicht unausgeführt bleiben musste. Zum Schluss seien M.s Worte über Jesuiten- und Protestanten-Pädagogik angeführt, mit denen er seine Arbeit beendigt, der eine baldige Fortsetzung zu wünschen wäre: „Unter Benutzung der mittelalterlichen Ueberlieferung, der humanistischen Bewegung und der zeitgenössischen pädagogischen Strömungen hatten die Jesuiten ein System geschaffen, das in seiner Einheitlichkeit und Geschlossenheit sich eines kaum geahnten Erfolges erfreute. Es waren im- Grunde dieselben Quellen, aus denen der Protestantismus schöpfte. Aber wie auf hohem Bergesrücken in trauter Nachbarschaft, aus gleicher Tiefe gespeist, zwei Quellen entspringen, um dann nach verschiedenen Seiten sich zu wenden und auf immer auseinander zu gehen, so war es auch mit den pädagogischen Bestrebungen der Gesellschaft Jesu und des Protestantismus." — S c h u l r e d e n u n d P r o g r a m m e . Zu den Schriftstücken, die uns die Kenntnis der Strömungen auf dem Gebiete des Unterrichts und der Erziehung vergangener Zeiten erleichtern, gehören auch Schulreden und Programme. Daher hat die Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte die Sammlung, Sichtung und Herausgabe dieser Dokumente mit in ihr Programm aufgenommen, nachdem bereits im Plane der MGP. (1883) die Schulreden unter den zu edierenden Stoffen mit angeführt worden waren; und es konnte schon im ersten Bande der Mitteilungen der Gesellschaft eine Schulrede veröffentlicht werden (vgl. JBL. 189116 :197). Einen Beitrag zu dieser Abteilung hat F r e y er 24°) geliefert, der einige Schulreden seines Grossvaters J. E. Scheibel, vormaligen Lehrers und Rektors am Elisabethgymnasium in Breslau (1759—1809), veröffentlicht. Von den zahlreichen Scheibeischen Programmen, die sich auf die verschiedenartigsten Fachwissenschaften erstrecken, hat F. keines vollständig abgedruckt, sondern nur Bruchstücke aus den Arbeiten vorgelegt, in denen sich Scheibel mit Fragen der Didaktik, modernen Theologie und Philosophie beschäftigt. Diese Bruchstücke sind übrigens wertvoller als die Reden, deren Ausbeute für unsere Zwecke eine äusserst geringe ist. Mehr Lob verdienen F.s Beigaben, die historische Einleitung und der Nachtrag, welcher bisher unedierte Briefe des verdienstvollen Ministers von Zedlitz darbietet. Vielleicht verdienten auch die Briefe von Felbiger, Bode, Lieberkühn, Joh. Bernoulli, Wald, die sich im Nachlasse Scheibeis befinden, in die Oeffentlichkeit gebracht zu werden. — Materialien nicht etwa nur zur Geschichte des Gymnasiums in Altenburg, sondern zur Geschichte der Pädagogik überhaupt, wie auch zur Literaturgeschichte werden von P e i n e 2 4 1 ) in seiner Arbeit über Herz. Ernst d. Frommen y. Gotha z. GrBndung e. ndl. Fr&uleinatiftea um 1670: MGESchG. 8, S. 176-93. — 238) G. S t e i n h a n s e n , D. Hofmeister. (— Kultorstudien [vgl. JBL. 1892 I 4 : 28], S. 84-108.) — 239) G e o r g M a l l e r , Unterr. n. Erz. in d. Gesellsch. Jesu während d. 16. Jh. ( = N. 1; III 1 , S. 1-109.) - 240) P. F r e y e r , Programme a. Schnlreden d. Mag. J. E. Scheibel, weil. 1759-1809 Lehrer u. Keillor am Elisabethgyran. in Breslau. Hit e. hist. Einl. Progr. d. Kgl. KloBtersch. Ilfeld. Nordhaosen, C. Kirchners Bnchdr. 4°. 46 S. — 241) H. P e i n e , D. Altenbnrg. Gynmasialprogrr. d. 17. Jh. I. T.

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I 6:2*2-252 K. K e h r b a c h , Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. die Altenburger Gymnasialprogamme geliefert, deren Verzeichnis mit dem J. 1658 anhebt.242) — Schulkomödie.- Aus dem Nachlasse Friedr. A l b . Langes 2 4 3 ) wird ein geschichtlicher Beitrag zur Schulkomödie veröffentlicht, der, obwohl gerade in der Zwischenzeit eingehendere Untersuchungen zur Geschichte der Schulkomödie geschrieben worden sind, doch noch mit grossem Interesse gelesen werden kann. — Interessant sind auch Georg Müllers 2 4 4 ) Mitteilungen zur Geschichte der Jesuitenkomödie in Sachsen, in denen er Ergänzungen giebt zu dem von Wustmann (Schriften des Vereins für Geschichte Leipzigs. 1878. 2. Sammlung) dargestellten Konflikte zwischen dem Konsistorium und dem Rate der Stadt Leipzig wegen der Aufführung einer deutschen Schulkomödie in der Thomasschule, ein Konflikt, der schliesslich vom Kurfürsten geschlichtet werden musste. M. ergänzt übrigens auch durch die Mitteilung der Titel zweier solcher Komödien Carlos Sommervogels Dictionnaire des ouvrages anonymes et pseudonymes publiés par les réligieux de la compagnie de Jésus (Paris 1884). — Die ausführlichen Titel von 24 Schulkomödien, die am Jesuitengymnasium in Neisse von 1706—9 aufgeführt worden sind, hat May 245 ) zusammengestellt. Der Stoff der Stücke entstammt fast ausschliesslich der Heiligengeschichte; im Titel ist immer die „Moral" eingeflochten, z. B. „Virtus praemiata seu Cratonicus etc. Victima Amoris Sive Jephtias etc." — Hier sei auch auf Herrmanns 2 4 6 ) verdienstvolle Arbeit über Terenz hingewiesen. — Verschiedenes. Auf ein Schulliederbuch aus dem J. 1531, das Lieder in lateinischer, griechischer, deutscher und französischer Sprache mit beigefügten Noten enthält, macht Stötzner 24 ') aufmerksam. — Vom Mittelalter bis in den Anfang des 17. Jh., so lange die Namen der Kalenderheiligen zur Datierung benutzt wurden, haben die metrisch abgefassten lateinischen und deutschen Heiligenkalender, die Cisiojani, einen Bestandteil des Unterrichts in Knaben- und Mädchenschulen gebildet. Einen von Melanchthon abgefassten, im CR. übersehenen Cisiojanus, den Hartfelder (vgl. JBL. 1892 I 10: 19) nach einer späteren Ausgabe des Chytraeus von 1593 ediert hatte, veröffentlicht jetzt Kehrbach 2 4 8 ) nach dem von Luther in seinem Enchiridion piarum precationum (1543) gegebenen Wortlaute. — Frühere Mitteilungen über Schulmünzen-Rechenpfennige (vgl. JBL. 1891 I 6:231; 1892 I 10:336) werden von Kehrbach 249 ) durch eine kurze Nachricht über die auf der Altdorfer Lateinschule von 1577—1626 als Prämien verteilten Münzen ergänzt.. — In der Geschichte des deutschen Erziehungs- und Untemehtswesens bilden die deutschen moralischen Wochenschriften des vorigen Jh. ein wichtiges Glied. Der Historiker kann, wenn er grosse Lücken in seiner Darstellung vermeiden will, an ihnen nicht vorübergehen. War bei der Gründung dieser Zeitschriften gewöhnlich die Tendenz, moralische Bildung in weiterenBevölkerungsschichten zu verbreiten, also ein pädagogischer Zweck, mit beabsichtigt, so wurden in ihnen auch geradezu pädagogische Themata erörtert und zwar früher als sie in pädagogischen Systemen oder Verordnungen für Unterricht und Erziehung auftraten. Aus Osk. Lehmanns 2 5 0 ) kleiner Broschüre geht das deutlich hervor. Leibesübungen werden empfohlen schon Jahrzehnte vor dem Philanthropinismus. Es wird auf die Notwendigkeit der Pflege des Spieles, weiblicher Handarbeiten, des Handfertigkeits- und Zeichenunterrichtes, auf Lektüre für die Jugend, auf die Pflege nationalen Sinnes und die Wichtigkeit des Unterrichtes in deutscher Sprache aufmerksam gemacht, ehe die Schule sich dieser Stoffe annimmt. Eine sicher dankbare und die Geschichte der Pädagogik fördernde Aufgabe würde es sein, das vonL. behandelte Thema umfassender darzustellen, wobei versucht werden müsste, die Einwirkung der in den pädagogischen Aufsätzen niedergelegten Ansichten auf die pädagogischen Systematiker und die..Schulordnungen — das Wort im weiten Sinne der MGP. genommen — nachzuweisen. — Einen integrierenden Bestandteil jeder höheren oder niederen Schule bildete in früheren Zeiten der Schülerchor, der besonders in katholischen Ländern eine grosse Thätigkeit bei kirchlichen Dienstleistungen entwickeln musste. Ueber die Einrichtung des Chors, 2die Verpflichtung seiner Mitglieder, unterrichten uns die von dem jüngeren Koldewey 5 1 ) veröffentlichten, für den protestantischen Schülerchor in Königslutter 1770 erlassenen Gesetze. — Isenbart 2 5 2 ) veröffentlicht einen Brief Justus Mosers, worin dieser seine Ansicht über Vorschläge darlegt, die der badische Geheime Rat von Edelsheim zur Vorbildung „künftiger Geschäftsmänner" gemacht hatte. Progr. Altenburg (0. Bonde). 4°. 30 S. — 242) X 3:142.) — 243) F r i e d r . A l b . L a n g e , Gesch. u. Bedeutung d. Sohulkomödie yor u. nach Comenius: MhComeniusG. 2, S. 259-72.— 244) G e o r g M ü l l e r , Z. Gesch. d. Jesuiten-Komödie in Sachsen: NASüchsG. 14, S. 140,160/1. —245) R. M a y , Schulkomödien d. Jesuiten in Neisse [1700-9): MGESchG. 3, S. 194/7. — 246) M. H e r r i n a n n , Terenz in Deutschland bis z. Ausgange d. 16. Jh. E. Ueberblick: ib. S. 1-28. — 247) P. S t ö t z n e r , E. Scliulliederbuch v. 1531: ib. S. 59-64. — 248) K. K e h r b a c h , Z. Cisiojanus-Litt.: ib. S. 205. — 249) id., Schulmünzen-Rechenpfennige:ib. S. 204.— 2 5 0 ) O s k . L e h m a n n , I). dtsch. moral. Wochenschriften d. 18. Jh.als päd. Reformschriften. L., Sich. Richter. 86 S. M. 1,35. — 251) F. K o 1 d e w e y d. J., Schulordnungen d. Stadt Königslutter (Braunschweig), Ergänzung z. Bd. VIII d. MGP.: MGESchG. 3, S. 198-203. — 252) H. I s e n b a r t , J. Mösers Brief an W. v. Edelsheim über d. Erz. fürs prakt. Leben (178A>

P. G o l d s c h e i d e r , Die Litteratur in der Schule.

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Mosers Ansichten würde man genauer kennen lernen, wenn die Vorschläge, die Edelsheim gemacht hatte, veröffentlicht werden könnten. — Zum Schluss sei auf Bocks 2 5 3 ) Zusammenstellung von Citaten hervorragender pädagogischer Schriftsteller dieses Jh. über Erziehung und Unterricht und über den Lehrerberuf hingewiesen, eine freilich recht einseitige Sammlung! Gegenüber den Proben aus Werken von Bogumil Goltz, Kellner, Fulda, Bormann, Grünewald, Scheibert und anderen, zum Teil recht unbekannten Pädagogen muss es auffallen, dass B. Männer wie Herder, Herbart, Harnisch, Dinter u. a., deren Werke gerade für Sentenzensammlungen ergiebig sind, gar nicht berücksichtigt hat. —

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Die Litteratur in der Schule. Paul Goldscheider. A l l g e m e i n e s u n d M e t h o d o l o g i s c h e s : Stellung des Faches N. 1. — Auswahl der Werke N. 4. — Zusammenhang des Aufsatzes mit der Lektüre N. 11. — Lektüre an Mädchenschulen N. 31. — Beziehung zur klassischen Litteratur, Betonung der poetischen Technik, Erklärung der rhythmischen Gesetze N. 33. — Schüleraufführungen, Bilder, „05*0110 Fragen" N. 38. — Methodische Erläuternngsschriften: zu Dramen N. 41; zu Lyrik und Epik N. 44; zu den Lesebüohern N. 40; zu Robinson 53. — H i l f s m i t t e l f ü r d e n U n t e r r i c h t : Schulausgaben {Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Eberhard, ühland, Schlegels Shakespeare) N. 56. — Lesebücher und Anthologien N. 92. — Leitfäden der Literaturgeschichte und Poetik N. 134. —

A l l g e m e i n e s u n d M e t h o d o l o g i s c h e s . Bemerkenswerte amtliche Kundgebungen liegen aus dem Berichtsjahre nicht vor. Ueber d i e S t e l l u n g d e s F a c h e s in der Schule handelt E r b e 1 ) , der das Deutsche in den Mittelpunkt des gesamten höheren Unterrichts rücken will. Er entwickelt knapp, aber klar, wie deutsche Sprache und deutsche Darstellung von der deutschen Gelehrtenschule abgestossen und zurückgedrängt worden sind. Er findet, dass wir in Gefahr sind, für die Sprache Luthers, Lessings, Goethes, Schillers eine Sprache zu erhalten, die wegen ihrer Ueberladung mit dem falschen Schmuck unnötiger Fremdwörter, ihrer Regel- und Formlosigkeit, ihrer Schwülstigkeit und Gespreiztheit das Gespötte anderer Völker werden müsste. Wunderlich und Kärger gäben den herben Trost, dies sei der natürliche Gang der Sprachentwicklung, bedeutungslos gewordene Ausdrucksmittel müssten sich immer mehr häufen. Dabei will sich E. nicht beruhigen; seine Vorschläge für Belebung und Erziehung des Sprachgefühls auf der höheren Schule sind beachtenswert.2"3) — Einen Lehrplan für den deutschen Unterrichtindenunterenund mittleren Klassen eines sächsichen Realgymnasiums mit einer Angabe über die. A u s w a h l d e r W e r k e , die in Frage kommen, bietet H e n t s c h e l 4 ) . Für unsere Zwecke können wir aus dem reichhaltigen Erfahrungsschatze, der hier geöffnet wird, nur Einzelheiten hervorheben: S. 31: Zusammenstellung aller in Betracht kommenden Gedichte über den Befreiungskrieg. S. 32: Angliederung von entsprechenden Prosaabschnitten. S. 38: Im Anschluss an die Besprechung des Dramas in Untersekunda bestimmte Fragen zur Beantwortung als häusliche Aufgabe. S. 64: Die sogen, freien Vorträge sollen sich auf die Privatlektüre beziehen; es werden geeignete Massregeln angegeben, die den damit verbundenen Gefahren vorbeugen 5 sollen. S. 76: Die Beschreibung in Form eines Rätsels (für Quarta). — F a b r i c i u s ) behandelt in seinen Vorschlägen und Entwürfen für das Realgymnasium von S. 10 an die Lektüre und die Litteratur. Als Werke, diefür Untersekunda geeignet sind, werden genannt: Herzog Ernst von Schwaben, Minna von Barnhelm, vielleicht Philotas, Jungfrau von Orleans, Wilhelm Teil. In Betracht kommen ausserdem etwa: Zriny, Prinz von Homburg, Hermannschlacht, Wildenbruchs Quitzows. Zur Privatlektüre werden empfohlen: Hauffs Lichtenstein; Kleists Michael Kohlhaas; Scheffels Ekkehard. Bei der Uebersicht über die litterarische Entwicklung wird auch überall auf den Stand der Sprache hingewiesen; die Art und Weise erhellt etwa aus dem Gesetze von der Wandlung der Vokale (S. 17). — Ueber poetische Uebersetzungen und deren Verwertung für den Unterricht handelt F r e y tag 6 ). E. Ergänz, zu d. Patriot. Phantasien: ib. S. 108-12. — 253) E. B o c k , Stimmen hervorrag. Schulmänner dieses Jh. z. Beachtung für Lehrer u. Laien bei d. Erz. u. d. Vnterr. d. Jugend. L.. Akad. Buchh. (W. Faber). VIII, 160 S. M. 3,00. — 1) E. E r b e , D. Deutsche als Mittelpunkt d. hSh. Unterr. St., Bonz. 32 S. II. 0,30. — 2) X S t . W a e t z o l d , B. Lehmann, D. dtsch. Unten. (Tgl. JBL. 1890 I 7 : 4 ) : ZGymn. 26, S. 87-93. — 2 a ) X B - Stein, D. dtsch. Unterr. am Lehrerseminar: EZEU. S. 269-97, 346-53. — 3) X X J . G r i e s s b a c h , D. gesch. Entwicklung d. altklass. u. dtsch. Unterr. an d. Gymn. im Königreich Bayern. Progr Hof, 1892. 72 S. — 4) C. H e n t s c h e l , Lehrplan für d. dtsch. Unterr. in d. unteren u. mittl. Klassen e. s&chs. Realgymn. ( = Ergänzungsheft zu ZDU. N. 6.) L., Teubner. 1892 VI, 87 S. M. 1,60. — 5) H. F a b r i o i u s , D. Aufgaben d. dtsch. Unterr. an unserm Realgymn. Vorschläge u. Entwürfe. Progr. Bützow. 4°. 32 S. — 6) L. F r e y t u ^ ^

P. G o l d s c h e i d e r , Die Litteratur in der Schule.

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Mosers Ansichten würde man genauer kennen lernen, wenn die Vorschläge, die Edelsheim gemacht hatte, veröffentlicht werden könnten. — Zum Schluss sei auf Bocks 2 5 3 ) Zusammenstellung von Citaten hervorragender pädagogischer Schriftsteller dieses Jh. über Erziehung und Unterricht und über den Lehrerberuf hingewiesen, eine freilich recht einseitige Sammlung! Gegenüber den Proben aus Werken von Bogumil Goltz, Kellner, Fulda, Bormann, Grünewald, Scheibert und anderen, zum Teil recht unbekannten Pädagogen muss es auffallen, dass B. Männer wie Herder, Herbart, Harnisch, Dinter u. a., deren Werke gerade für Sentenzensammlungen ergiebig sind, gar nicht berücksichtigt hat. —

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Die Litteratur in der Schule. Paul Goldscheider. A l l g e m e i n e s u n d M e t h o d o l o g i s c h e s : Stellung des Faches N. 1. — Auswahl der Werke N. 4. — Zusammenhang des Aufsatzes mit der Lektüre N. 11. — Lektüre an Mädchenschulen N. 31. — Beziehung zur klassischen Litteratur, Betonung der poetischen Technik, Erklärung der rhythmischen Gesetze N. 33. — Schüleraufführungen, Bilder, „05*0110 Fragen" N. 38. — Methodische Erläuternngsschriften: zu Dramen N. 41; zu Lyrik und Epik N. 44; zu den Lesebüohern N. 40; zu Robinson 53. — H i l f s m i t t e l f ü r d e n U n t e r r i c h t : Schulausgaben {Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Eberhard, ühland, Schlegels Shakespeare) N. 56. — Lesebücher und Anthologien N. 92. — Leitfäden der Literaturgeschichte und Poetik N. 134. —

A l l g e m e i n e s u n d M e t h o d o l o g i s c h e s . Bemerkenswerte amtliche Kundgebungen liegen aus dem Berichtsjahre nicht vor. Ueber d i e S t e l l u n g d e s F a c h e s in der Schule handelt E r b e 1 ) , der das Deutsche in den Mittelpunkt des gesamten höheren Unterrichts rücken will. Er entwickelt knapp, aber klar, wie deutsche Sprache und deutsche Darstellung von der deutschen Gelehrtenschule abgestossen und zurückgedrängt worden sind. Er findet, dass wir in Gefahr sind, für die Sprache Luthers, Lessings, Goethes, Schillers eine Sprache zu erhalten, die wegen ihrer Ueberladung mit dem falschen Schmuck unnötiger Fremdwörter, ihrer Regel- und Formlosigkeit, ihrer Schwülstigkeit und Gespreiztheit das Gespötte anderer Völker werden müsste. Wunderlich und Kärger gäben den herben Trost, dies sei der natürliche Gang der Sprachentwicklung, bedeutungslos gewordene Ausdrucksmittel müssten sich immer mehr häufen. Dabei will sich E. nicht beruhigen; seine Vorschläge für Belebung und Erziehung des Sprachgefühls auf der höheren Schule sind beachtenswert.2"3) — Einen Lehrplan für den deutschen Unterrichtindenunterenund mittleren Klassen eines sächsichen Realgymnasiums mit einer Angabe über die. A u s w a h l d e r W e r k e , die in Frage kommen, bietet H e n t s c h e l 4 ) . Für unsere Zwecke können wir aus dem reichhaltigen Erfahrungsschatze, der hier geöffnet wird, nur Einzelheiten hervorheben: S. 31: Zusammenstellung aller in Betracht kommenden Gedichte über den Befreiungskrieg. S. 32: Angliederung von entsprechenden Prosaabschnitten. S. 38: Im Anschluss an die Besprechung des Dramas in Untersekunda bestimmte Fragen zur Beantwortung als häusliche Aufgabe. S. 64: Die sogen, freien Vorträge sollen sich auf die Privatlektüre beziehen; es werden geeignete Massregeln angegeben, die den damit verbundenen Gefahren vorbeugen 5 sollen. S. 76: Die Beschreibung in Form eines Rätsels (für Quarta). — F a b r i c i u s ) behandelt in seinen Vorschlägen und Entwürfen für das Realgymnasium von S. 10 an die Lektüre und die Litteratur. Als Werke, diefür Untersekunda geeignet sind, werden genannt: Herzog Ernst von Schwaben, Minna von Barnhelm, vielleicht Philotas, Jungfrau von Orleans, Wilhelm Teil. In Betracht kommen ausserdem etwa: Zriny, Prinz von Homburg, Hermannschlacht, Wildenbruchs Quitzows. Zur Privatlektüre werden empfohlen: Hauffs Lichtenstein; Kleists Michael Kohlhaas; Scheffels Ekkehard. Bei der Uebersicht über die litterarische Entwicklung wird auch überall auf den Stand der Sprache hingewiesen; die Art und Weise erhellt etwa aus dem Gesetze von der Wandlung der Vokale (S. 17). — Ueber poetische Uebersetzungen und deren Verwertung für den Unterricht handelt F r e y tag 6 ). E. Ergänz, zu d. Patriot. Phantasien: ib. S. 108-12. — 253) E. B o c k , Stimmen hervorrag. Schulmänner dieses Jh. z. Beachtung für Lehrer u. Laien bei d. Erz. u. d. Vnterr. d. Jugend. L.. Akad. Buchh. (W. Faber). VIII, 160 S. M. 3,00. — 1) E. E r b e , D. Deutsche als Mittelpunkt d. hSh. Unterr. St., Bonz. 32 S. II. 0,30. — 2) X S t . W a e t z o l d , B. Lehmann, D. dtsch. Unten. (Tgl. JBL. 1890 I 7 : 4 ) : ZGymn. 26, S. 87-93. — 2 a ) X B - Stein, D. dtsch. Unterr. am Lehrerseminar: EZEU. S. 269-97, 346-53. — 3) X X J . G r i e s s b a c h , D. gesch. Entwicklung d. altklass. u. dtsch. Unterr. an d. Gymn. im Königreich Bayern. Progr Hof, 1892. 72 S. — 4) C. H e n t s c h e l , Lehrplan für d. dtsch. Unterr. in d. unteren u. mittl. Klassen e. s&chs. Realgymn. ( = Ergänzungsheft zu ZDU. N. 6.) L., Teubner. 1892 VI, 87 S. M. 1,60. — 5) H. F a b r i o i u s , D. Aufgaben d. dtsch. Unterr. an unserm Realgymn. Vorschläge u. Entwürfe. Progr. Bützow. 4°. 32 S. — 6) L. F r e y t u ^ ^

I 7:

7-13

P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule.

Es war vorgeschlagen, die Nibelungen lediglich in prosaischer Form wiederzugeben. Dagegen wendet sich F. mit Entschiedenheit. Eine gute Nachdichtung hält er auch trotz des „Naschens am Urtext" für erforderlich. Er formuliert sie so: „Sie ist die Umdichtung des fremdes Textes im eigenen Idiom unter thunlichster Wahrung der sprachlichen, bildlichen und metrischen Form." —In einer Abhandlung S c h l ü t e r s 7 ) findet man recht gute Bemerkungen über die Herstellung einer geeigneten Schülerbibliothek. Eine Reihe brauchbarer Schriften wird empfohlen. Die Bearbeitung von allerlei Romanen für die Jugend missbilligt Sch.; ebenso die aufregende Dielitzsche Abenteuerliteratur. Ueberall wird fein abgewogen, was möglich und erreichbar sei; wenn man der Wahlfreiheit nicht einige Zugeständnisse mache, könne man den ganzen Nutzen der Schülerbibliothek in Frage stellen. — K r i e r 8 ) giebt Anweisungen für die Privatlektüre von Zöglingen eines bischöflichen Konvikts. Das Werk enthält eine aus den besonderen Verhältnissen Luxemburgs erklärliche Mischung deutschen und französischen Geistes und wird schon dadurch für jeden Aussenstehenden fesselnd sein; dazu tritt dann die merkwürdige Vereinigung scholastischer Gelehrsamkeit und moderner Bestandteile. Für unsere Aufgabe kommen insbesondere in Betracht Teil II fvon S. 190 an) und aus I der Abschnitt „Die schriftlichen Aufsätze" (S. 157). Die hier gegebenen Vorschriften sind nicht neu, aber gut ausgewählt. Den einzelnen Behauptungen tritt überall eine Fülle von Citaten zur Seite, die der Vf. mit dem naiven Behagen des altrhetorischen Stils ausstreut. Er rühmt sich seines Sammelbuches ('S. 324). Das Vorsündflutliche seiner geschichtlichen und literarhistorischen Erkenntnis lehren u. a. folgende Sätze, aus denen „die Nützlichkeit und Notwendigkeit der Lektüre" bewiesen werden soll: „Aristoteles gab 72000 Sestertien (!) für einige Bücher des Speusippus." „Aus der Aeneide ist ersichtlich, dass Virgil den Homer fleissig studierte." Werke der deutschen klassischen Litteratur dürfen dem Zöglinge nur mit grosser Behutsamkeit dargeboten werden und zwar um des Standpunktes willen, den „die sogen, klassischen Dichter" der Religion gegenüber eingenommen haben (S. 290). Die Klassiker erscheinen dem jungen Studenten „in einem glänzenden Nimbus geistiger Ueberlegenheit, und von der Schule her ist er daran gewohnt, zu ihnen als zu Halbgöttern hinaufzuschauen. Bald werden diese ihm ein billigendes Gefühl für ihre Ansichten abgezwungen und ihn in ihren religiösen und sittlichen Verirrungen zum Mitschuldigen gemacht haben. Die Lektüre derselben ist und bleibt verderblich". Nibelungen, Gudrun, Parzival und Heliand werden in den Ausgaben von Chr. Stecher S. J. dargeboten (S. 287), und von litteraturgeschichtlichen Werken werden die Schriften Alex. Baumgartners S. J. empfohlen.9"10") — Der Z u s a m m e n h a n g des S c h u l a u f s a t z e s m i t der L e k t ü r e soll nach H e n t s c h e l 1 1 ) möglichst gewahrt bleiben. Denn der Vf. ist der Ansicht, dass eben dieser Zusammenhang die rechten Aufgaben für schriftliche Arbeiten vermittelt und vor Missgriffen behütet. Die Anordnung verläuft stufenmässig und nach Stilarten. Wir meinen, um dem Lehrer die rechte Anleitung zu geben, bedarf es doch nicht geradezu dieser 300 Stücke; treffende Auswahl von Beispielen ist lehrreicher als diese Verwässerung, freilich auch schwerer. — U m l a u f t 1 2 ) hat 6900 Themata aus den Jahresberichten der deutschen Gymnasien und Realschulen Oesterreichs gesammelt. Er hofft, sich mit seiner Zusammenstellung den Dank der Mittelschulen seines Vaterlandes verdient zu haben. Aber der Gedanke ist didaktisch nur dann förderlich, wenn, wie in dem Apeltschen Buche, eine sorgfältige Kritik die Bezeichnung der Themata begleitet. — Berg 1 3 ) stellt aus den fünf letzten Jahren diejenigen Aufgaben zu deutschen Aufsätzen und Vorträgen zusammen, die in der Provinz Sachsen, im Anschluss an Religion, Geschichte, Geographie und an die Lektüre klassischer Schriftwerke alter und neuer Zeit bearbeitet worden sind. Bei der systematischen Anordnung ist der Vf. im wesentlichen chronologisch zu Werke gegangen. Sollte es nicht praktisch wertvoller sein, die wirklich neuen, treffenden, interessanten Themata herauszusuchen? Was hilft dieser Reichtum zum Teil geistloser Nomenklatur? Vgl. etwa die Aufgaben über „Maria Stuart": Maria, Elisabeth, Mortimer, Leicester, Paulet, Burleigh, Talbot, Melvil! — Ueber das Lesebuch von Hense (vgl. JBL. 1892 I 5:83) hat sich zwischen D. Wichtigkeit d. poet. Uebersetznngen für d. Schulunterr.: ZDU. 7, S. 475-90. — 7) H. S o h l fiter, Ueber Jugendlektfire. Progr. d. Bealprogymn. Buxtehude. 4°. 33 ¡3. — 8) J. B. K r i e r , D. Stadium u. d. PrivatlektOre. 17 Konferenzen d. ZSglingen d. Bischöfl. Kouviktes zu Luxemburg geh. 3. rerb. n. verm. And. Freiburg i. B., Herder. 1892. 12°. Till, 327 S. H. 2,00. — 9) X X R o t t e r , Lehrproben ffir d. eachl.-aprachl. Behandlung dtech. Lesestficke. ( = Ber. Aber d. Vortrr. u. Verhandlangen d. mähr. Landeslehrerkonf. Znaim, Fonrnier & Haberler. 29 S. II. 0,40. — 10) X E- W a c k e r n e U , H. Unbescheid, Beitr. z. Behandl. d. dramat. Lektüre. Mit e. Tafel zu Schillers Dramen. 2. Aufl. (vgl. JBL. 1891 I 7:14): ÖLB1. 2, S. 573/5. — 1 0 a ) X F - S t e i g e r , Führer durch.d. sprachl. Teil d. bernischen Oberklassen-Lehrbuchs. 3 u. letztes Bdch. D. lyr. Poesie in d. Sohule. Mit e. Wandtaf.-Zeichnung zu Schillers r Glocke". Bern, Schmid, Francke & Co. Till, 233 S. M. 2,50. [Paedagogium 15, S 087.] — 10b) X " . P f e i f e r , Z. Behandlung lyr. Gedichte in d. Volksschule: PädBll. 22, S. 51-64. —10o) X D. Fabel nach ihrem Wesen, ihrer Gesch. u. Verwendung im Unterr.: KZEU S.537-43. — 11) A. H e n t s c h e l , D. Schuluufsatz in seiner Verbindung mit d. Lesestoffe. Für Stadt- u. Landschulen. Ffir Unter- n. Mittelklassen. L., Peter. 1892. 174 S. II. 1,50. — 12) Fr. U m l a u f t , 6900 Themen zu dtsch. Aufsätzen u, Redeflbungen an Obergymn. u. Oberrealsch. Wien, Graeser. XV, 244 S. M. 3,60. — 13) W. B e r g , Aufgaben zn dtsch. Aufsätzen u. Vortrr. in d. oberen Klassen b5h. Lehranst. (Aus d. JB.

P. G o l d s c h e i d e r , Die Litteratur in der Schule.

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Bötticher 1 4 ), der eine ausführliche Kritik verfasste, und dem Vf. H e n s e 1 5 ) selbst eine litterarische Fehde erhoben, aus welcher das Mögliche und das Notwendige bei der Herstellung derartiger Litteraturwerke deutlich hervortreten. B. behauptet, dafs die vorhandenen Schulausgaben „das Brockensystem" der Lesebücher nur noch lächerlich erscheinen lassen. — Jedenfalls wäre es jetzt an der Zeit, klar festzustellen, welche Werke der Schüler vollständig kennen lernen soll, und was demgemäss vorn Lebebuch zur Ergänzung hinzugefügt werden müsse. Aus Tschaches. 1 6 ) „Material" können für den vorliegenden Zweck nur die 42 Aufsätze in Betracht kommen, die sich an die deutsche Lektüre anschliessen: Wir können ihnen keinen grossen Wert beimessen; sie enthalten wenig Eigenes, sehr viel (für Lehrer!) Ueberflüssiges; auch fehlt es an Schärfe der Auffassung, vgl. z. B. Disposition 19, die sich an die Bürgschaft anschliesst, namentlich was unter II, b, c sowie e, f geboten wird: Die Hauptforderung an eine Disposition, nämlich dass die Teile einander ausschliessen müssen, wird hier gröblich verletzt. — Aus den neuen Materialien zu deutschen Stilübungen von N o r m a n n 1 1 ) können hier nur Teil II (Aufsätze) und Teil III (Entwürfe) in Betracht kommen. Ueber den ersteren bemerken wir, dass wir es für unstatthaft halten, Verse Schillers als Verstösse gegen die Sprachrichtigkeit auszubeuten, wie N. 361 und N. 362 geschieht. Hinweisen darf man wohl auf dieses „obgleich entstellt von Wunden" und „entstellt von seines Ruhmes Glanz", aber nicht in einer Reihe mit den gröbsten Schnitzern, sondern im Zusammenhange mit wissenschaftlicher Erläuterung solcher — ohne Zweifel — beabsichtigten Licenzen. Die Gegenstände im II. und III. Teile beziehen sich auf alle die Gebiete modernen Lebens, die bis jetzt nur vorübergehend zur Behandlung gekommen seien; der Blick des Schülers müsse für das Leben geschärft werden, für das er doch erzogen werden solle. Mancherlei darin erscheint moralisch nicht unbedenklich. — O b e r l ä n d e r s 1 8 ) „Lehrgang" für die unteren Klassen kann hier nur so weit in Betracht kommen, als bei Anfertigung der Aufsätze eine Rücksichtnahme auf das Lesebuch stattfinden soll; bei der Methode schweben besonders die Grundsätze Nöttels, Jankers, Lampeis vor. Die Sammlung enthält für ungeübte Anfänger vieles Brauchbare, aber doch wohl nur für solche! — Aus Hehls 1 9 ) Abhandlung über die Methodik des deutschen Unterrichts sind hervorzuheben Kap. 1: „Die Bedeutung des Lesebuches für den deutschen Unterricht" und Kap. 3: „Behandlung der Lesestücke". H. wendet sich gegen Lesebücher von enzyklopädischem Charakter, die nur Oberflächlichkeit erzeugten und das eigentliche Erziehungswerk mehr hintertrieben als förderten. Für die Auswahl stellt er in den Mittelpunkt die Bearbeitung ethischer Motive. Das klassische Altertum soll bei Fabel und Sage nicht ausgeschlossen sein; für besonders wertvoll hält er die Beschäftigung mit dem deutschen Volksmärchen. Bei poetischen Lesestücken ist die Uebung des Nacherzählens nicht anzustellen. — W o h l r a b e 2 0 ) verwirft offenbar eine ausschliessliche Anlehnung der schriftlichen Arbeiten an das Lesebuch: Die Aufsatzübungen sollen sich möglichst gleichmässig an die Gedankenkreise! des sonstigen Unterrichts anschliessen; die Themata werden also durch den Fortschritt des Gesamtunterrichts bedingt. Ein Stufengang nach formellen Gesichtspunkten wird abgelehnt, Paragraphen eines besonderen stilistischen ITebungsbuches dürfen nicht zu Grunde gelegt werden.21"30) — Die Gestaltung der L e k t ü r e an höheren M ä d c h e n s c h u l e n behandelt LeonIi ardi 3 1 ). Er spricht sich dagegen aus, dass nur abgerissene Stücke aus einem Drama gelesen würden. Wie er sich die Behandlung denkt, zeigt er in einem Beispiele an der „Jungfrau von Orleans." Sehr richtig ist, was er am Schluss bemerkt, dass gerade Mädchen für die Erfassung eines Ganzen und für folgerichtige Entwickd. höh. Lehranst. d. Prov. Sachsen.) B„ Gaertner. 202 S. M. 2,80. — 14) Cr. B ö t t i c h e r : ZDTT. 7, S. 204-10. — 15) J. H e n s e , Erwiderung auf d. Herrn G. Bötticher an d. dtsch. Lesebuche v. J. Hense geübte Kritik: ib. S. 443/7. (Dazn: Erwiderung d. Becensenten: ib. S. 447/8.) — 16) G. T s c h a c h e , Material zu dtsch. Aufsätzen in Stilproben, Dispositionen oder kürzeren Andeutungen für d. raittl. Klassen höh. Lehranst. 2. Bd. 4. Aufl. Breslau, Kern. VIII, 176 S. M. 2,40. — 17) H. N o r m a n n , Neue Materialien zu dtsch. Stilübungen für d. mittl. Klassen höh. Lehranst. Kattowitz, G. Sirvinna. 1892. 166 S. M. 2,50. — 18) 8. O b e r l ä n d e r , 4 Jahre Unterricht im dtsch. Aufsatze. Versuch e. Leitfadens für'd. dtsch. Aufsatzunterr. in d. Unterrealsch. Progr. Neutitschein. 1890-91. 91 S. — 19) K. H e h l , Z. Methodik d. dtsch. TJnterr. in d. ersten Gymnasialklasse. Progr. Mariahilf. 20 S. — 20) W. W o h l r a b e , D. Stellung d. Aufsatzes im Gesamtunterr. Halle a. S., Schroedel. 1892. III, 39 S. M. 1,00. — 21) X F - X. B e c k . Dispositionen u. Materialien zu dtsch. Aufsitzen. Kottenburg, Bader. VU, 176 S. M. 1,20. — 22) X J H ö r t n a g l , Prakt. Lehrgang im Disponieren dtsch. Aufsätze. Progr. d. Gyron. Wien.-Neustadt. 36 S. — 23) X ^ K a h n r o e y e r & H. S c h u l z e , Vorstufe für d. dtsch. Aufs. 2. Aufl. Bielefeld, Velhagen & Kinsing. 8 S. M. 0,10. — 24) X K- S c h u b e r t , Ausgeführte Stilarbeiten (nebst Entwarfen u. Themen) auf Grundlage dtsch. Musterstüoke. 1. Bd. 2. Aufl. Wien, Pichlers 4 Sohn. VI, 156 S. M. 1,60. — 25) X H a s e l m a y e r , Neues Aufsatzbuoh z. Gebrauche an höh. Sohulen u. z. Selbstunterr. 2. Aufl. Würzburg, Staudinger. 456 S. M. 4,00. — 26) X H. F a o k , Materialien zu e. Lehre Tom L Stil. Jena, Mauke. 46 S. M. 0,60. — 27) X - K a h n m e y e r u. H. S c h u l z e , Stoffe für d. dtsch. Anfs. in ausführt. Darstellung. 1. T. 1.-4. Stufe. 4. Aufl. Bielefeld. Velhagen & Kinsing. VIII, 232 S. M. 2,50. — 28) X M. V e b e l a o k e r , Dtsoh. Aufsatzsohule für d. Schfll- u. Selbstunterr., auoh geeignet als Lesebuch für Fortbildungssoli. 5. Aufl. Enth. 1. Belehrung u. Anl. z. selbst&nd. Anfertigung v. Aufsätzen. 2. Zahlreiche ausgeführte Musteraufsätze. 3. D. mündl. Rede, d. mündl. Vortr. 4. Entwürfe u. Aufgaben. B., Aug. Schnitze. XII, 407 S. M. 3,00. - 29) X i d > Kleine dtsch. Aufsatzschnle für d. Schulu. Selbstunterr. Enth.: 1. Belehrung u. Anleitg. z. selbst&nd. Anfertigung y. Aufsätzen. 2. Ausgeführte Muiteraufsätze u. Dispositionen. B., Aug. Schnitze. IV, 96 S. M. 1,00. — 30) X F X. B e o k , Anleitung z. dtsoh. Aufsatz. Bottenburg, Bader. IV, 48 S. M. 0,40. — 31) P- L e o n h a r d i , Neue method. Hilfsmittel z. unterriohtl. Behandlung d. dramat, Lektüre u. ihr«

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P. G o l d s c h e i d e r , Die Litteratur in der Schule.

lung herangezogen werden müssen, damit sie nicht unklares Schwärmen für Verständnis ausgeben. — Auch in der Abhandlung B o e c k s 3 2 ) über den deutschen Aufsatz in der höheren Mädchenschule wird die Lektüre gelegentlich gestreift, insbesondere die Frage, welche Werke für diese Gattung von Schulen in Betracht kommen; „Tasso" wird abgelehnt. — Darauf, dass bei Behandlung a l t k l a s s i s c h e r S c h r i f t w e r k e eine intimere B e z i e h u n g , eine Fühlung mit deutscher Litteratur angestrebt werden müsse und könne, weist A h l h e i m 3 3 ) hin. So setzt er die Pietas des Aeneas mit der Treue des Nibelungenliedes, der Gudrun usw. in Verbindung. Vgl. weiterhin die lehrreichen Beispiele S. 17 und 19. — Vor einer Interpretation, welche die B e t o n u n g der p o e t i s c h e n T e c h n i k , die Veranschaulichung von Kunstgesetzen durch Dichtwerke bei der Erklärung in den Vordergrund stellt, warnt Zill er 34 ) in einer sehr beachtenswerten Abhandlung. Hier wird vielmehr, insbesondere auch für den Aufsatz, auf die Herausarbeitung der Begriffe und Vorstellungen hingewiesen, welche das vorliegende Werk gewissermassen konkret veranschaulicht. Man soll zunächst auf psychologisch scharfe, zwingende Motivierung achten; sodann auf den moralischen Standpunkt, den der Künstler in seiner Schöpfung vertritt. Was nach diesen Beziehungen hin nicht stichhaltig ist, kann für die Lektüre nicht verwertet werden; deshalb verwirft Z die Behandlung von Lessings „Emilia Galotti". — Eine treffende Verurteilung der Erklärung des Dramas, welche die Technik, die poetische Mache in den Vordergrund stellt, finden wir bei Münch 3 5 ), und zwar in engstem Zusammenhang mit den Hauptfragen der Pädagogik und Didaktik (S. 104/5). Den Inhalt des Gedichtes selbst anschauen, das innere Leben der handelnden Personen erkennen: das ist ihm Hauptzweck der Vertiefung in das Drama.36) — Sehr beachtenswert für die E r k l ä r u n g sind die r h y t h m i s c h e n Gesetze, wie sie H i l d e b r a n d 3 7 ) entwickelt, z. B. wenn er den hüpfenden und schreitenden Takt des Hexameters darlegt und auf die Sicherheit des rhythmischen Gefühls hinweist, welches Goethe und Schiller bekundet haben. — Für dramatische S c h ü l e r a u f f ü h r u n g e n tritt Gloel 3 8 ) ein. Die dagegen gerichteten Einwände sind: Sie störten den eigentlichen Unterrichtsbetrieb, sie begünstigten die jugendliche Eitelkeit, die Schule trete mit ihnen aus dem Rahmen ihrer Aufgaben heraus. Was G. im Gegensatze hierzu geltend macht, kann die Einwände nicht entkräften. Dankenswert ist die Durchmusterung der Stücke, die für solche Aufführungen geeignet sind. — Die Versinnlichung durch das Bild wird für Unterrichtszwecke immer mehr herangezogen. Eine Uebersicht über die hierher gehörige Litteratur giebt Sahr 3 9 ). — Eine Uebersicht über diejenigen F r a g e n , die für die Erklärung von Schriftwerken noch als „ o f f e n e " bezeichnet werden dürfen, sucht die Abhandlung G o l d s c h e i d e r s 4 0 ) zu geben; seine eigenen Antworten auf diese Fragen stellt der Vf. S. 28 in Thesenform zusammen; wir weisen namentlich auf die 1., 2., 5. und 7. hin. — Unter den m e t h o d i s c h e n E r l ä u t e r u n g s s c h r i f t e n zu einzelnen D r a m e n steht der wertvolle Beitrag zur Erklärung der „Minna von Barnhelm" voran, den die vorzügliche Abhandlung K e t t n e r s 4 1 ) liefert. Auch Minna wird in ihrer Einseitigkeit und Schwäche gezeichnet und daraus folgt, dass man Tellheims Verhalten nicht als krankhaften Eigensinn hinstellen sollte. — Ein Werk S c h r a m m e n s 4 2 ) überschüttet uns mit 105 Dispositionen über „Emilia Galotti". Sie erheben sich nicht über das, was gewöhnlich auf diesem Gebiete dargeboten wird. In N, 92 wird behauptet, Shakespeares Macbeth sei ein „historisches Schauspiel", Emilia ein „bürgerliches" ; diese eine Intriguen-, jene eine Charaktertragödie. Und daraus wird für den Macbeth abgeleitet: „Die Handlung spielt sich an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten ab." Man erkennt daraus recht das Unhaltbare dieser ganzen Einteilung. Denn die bezeichnete Eigentümlichkeit stammt doch wohl daher, dass es eben ein Drama Shakespeares, und nicht daher, dass es „historisch" ist. Vielfach finden sich4 3Verstösse gegen den guten Ausdruck, auch ungenaue Citate(vgl.N.7,92). — W i l l m a n n ) weist die Erklärung des „Götz von Berlichingen" darauf hin, das Verhältnis des Dichters zu der Selbstbiographie Götzens richtig zu bestimmen; auch beYerwertung auf d. Oberstufe d. höh. Mädchensch. Progr.. Brandenburg a. H. 20 S. — 32) M. B o e cV, D. dtsoh. Aufs, in d. höh. Mädchensch. Progr. d. Johanneum. Hamborg. 4°. 14 S. — 33) A. A h l h e i m , D. Sohriftstellerlekttre d. Oberaekunda nach d. Grundsätzen d. Konzentration. 1. T. Progr. Bensheim. 4°. 23 S. — 34) Fr. Z i l l e r , Ueber planmässige Anleitung z. Anfsatzbildnng; mit Berücksichtigung d. neuen Lehrpläne. Progr. Osnabrück. 35 S. — 35) W. M f i n c h , Nene päd. Beitrr. B., Gaertner. 160 S. II. 3,00. — 36) X X M - H o f f m a n n , Leitfaden d. Aesthetik für d. Sohnl- n. Selbstnnterr. 2. Ausg. Wien, Bermiuin t Altmann. 1891. VII, 90 S. M. 1,80. — 37) Xud. H i l d e b r a n d , Rhythra. Bewegung in d. Prosa: ZDU. 7, S. 641/7. — 38) H. G l o e l , Heber dramat. Schüleranfführnngen: ib. S. 386-98. — 39) 0. S a h r , D. Bild im dtsch. Untorr.: ib. S. 661-69. — 40) P. G o l d s c h e i d e r , Offene Fragen: Nachtr. z. „Erklärung dtsoh. Schriftwerke in d. oberen Klassen". (Vgl. JBL. 1890 I 7:5.) Progr. d. Gymn. Elberfeld. 4°. 38 S. — 41) H. K e t t n e r , D. Charakter d. Minna v. Barnhelm n. seine Stellung im Drama: ZDU. 7, S 217-30. — 42) J- S c h r a m m e n , Emilia Galotti, erläut. in 105 Dispositionen, verwendbar za Vortrr. u. Aufsätzen. ( = Erläuterungen zn dtsoh. Klassikern. N. 4.) Köln « L , Ahn. 112 S. M. 0,60. - 43) O. W i l l m a n n , Ueber Goethes „Götz V, Berlichingen". ( = Lehrproben u. Lehrgänge, her. v. W. F r i e s n. H. M a y e r . Heft 34 [Halle a. S.,

P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule.

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zeichnet er43 recht treffend, inwieweit der Geist des eigenen Zeitalters die Dichtung beherrscht. ») — Die Fortsetzung' seiner Erklärung der L y r i k Klopstocks und Goethes lieferte Lorenz 4 4 ) (vgl. JBL. 1892 I 5:33); der vorliegende 2. Teil behandelt folgende Gedichte Goethes: Prometheus, Ganymed, An den Mond, Gesang der Geister, Ilmenau, Zueignung. Die Form des Vortrags ist fesselnd und lebendig, geeigneter einen einheitlichen Eindruck zu erzeugen als das blosse Schema oder Anmerkungen. Am wenigsten gelungen ist die Erläuterung von „Ilmenau"; der Stil schwankt hier zwischen direkter und indirekter Rede, worunter die Klarheit der Auffassung leiden muss; überhaupt verfällt L. in dem Bestreben, alles auf die einfachste Form zurückzuführen, hin und wieder in Plattheit. — In seiner Erklärung lyrischer und epischer Gedichte wendet sich Florin 4 5 ) gegen die sogen. „Vorschwebungen", d. h. Erörterungen, woher der Dichter das eine oder andere habe, und gegen die Aufstöberung der kleinsten Verhältnisse des Privatlebens zum Zwecke der Erklärung. F. seinerseits betont die Erregung der Teilnahme für den Inhalt und die Verknüpfung des Gleichartigen; literarhistorische Schätzung liege der naiven Hingabe noch fern. Mit Lyon (vgl. JBL. 1890 1 7:7) legt er Gewicht auf Erweckung der Stimmung, aber er findet dessen Verfahren zu breit und weitschweifig, es beschäftige den Schüler zu wenig. Sehr beachtenswert sind F.s Winke über die Beziehungen zwischen poetischer Lektüre und Gesang. Was den formalen Verlauf der Erklärung betrifft, so wird eine Vermittlung der beiden äussersten Richtungen vorgeschlagen, von denen die eine mit der lautlichen Verkörperung des Gedichtes beginnt, während die andere erst mit ihr schliesst. Das Sachliche soll vor der Form erläutert werden; beid.e Gebiete sind möglichst getrennt zu halten. Dem theoretischen Teil folgt die Behandlung von 23 Gedichten; auch Aufgaben zu schriftlicher Bearbeitung schliessen sich an und werden zum Teil in Musterbeispielen aufgeführt. Für die Erläuterung des „Alpenjägers" will F. ini Gegensatze zu den bisherigen Besprechungen alle Beziehungen auf das Moralische ausgeschlossen wissen. Auf schweizerische Verhältnisse wird durchweg besondere Rücksicht genommen.46"48) — Erläuterungen zu den Gedichten unserer Schullesebücher giebt Weber 49 ). In dem Vorwort wird die Bedeutung der Poesie für die Erziehung gepriesen; sie zu fördern sei eine Hauptpflicht, namentlich in unserer „entnervten Zeit". Wir sollen dadurch zur Erkenntnis der „Wahrheit" anleiten. Diesen grossen, freilich etwas unklaren Worten der Einleitung gegenüber erscheint die folgende Erklärung der Gedichte ziemlich dürftig. Sie macht den Eindruck, als ob dem Unternehmen nicht eine erforderliche tiefer gehende Sachkenntnis zur Seite stünde. Vgl. z. B. S. 3: Inhalt der Minnelieder! S. 17. Stoff des „Zauberlehrlings". Seltsam ist S. 53 die Herbeiziehung von Thess. 4,12 für die „Klage der Ceres". S. 167: Immer noch „Satyre"! S. 173: „that schnaufen" sei sprachlich unrichtig, weil „thun" kein Hilfszeitwort ist, usw. — Erläuterungen zu Lesebüchern tauchen auch sonst mehrfach auf. Perktold 5 0 ) liefert Bemerkungen zum 4. Bande des Lesebuches von Kummer-Stejskal. Er handelt über dessen Verwendung für die Lektüre und daran anknüpfende Aufgaben. Für die Aufeinanderfolge der Stücke sucht er einen ideellen Zusammenhang herzustellen. Dies Bestreben, das Lesebuch als einheitliches Ganzes aufzufassen und durchzuarbeiten, verdient Anerkennung und Nacheiferung. — Wer necke und Wiessner 5 1 ) haben im Anschlüsse an das von ihnen herausgegebene Volksschullesebuch (vgl. JBL. 1892 I 5:84) Uebungsstoffe für den deutschen Sprachunterricht bearbeitet. Die Vorschläge sind sehr mannigfaltig und vielfach vorbildlich. Aber die Ausnutzung von Gedichten zu allerlei äusserlichen Uebungen können wir doch nicht billigen. Gleich bei dem ersten, „Frühlingszeit" von Hey, wird gefragt: Wie viel Silben hat jedes Wort dieses Gedichtes? Wieviele Laute hat jedes einsilbige Wort dieses Gedichts? Dergleichen nimmt bei aller Behutsamkeit dem Gedichte seinen Schmelz. — Dörenwells 5 2 ) „Präparationen" zur methodischen Behandlung deutscher Musterstücke schliessen sich in erster Linie an die Lesebücher von Hopf und Paulsiek (vgl. JBL. 1892 I 5:82), Waisenhaus. IV, 112 S. M. 2,00.], S. 98-107.) — 43 a) X X Wegweiser durch d. klass. Schnldramen. Bearb. v. 0 . F r i c k u. H. G a u d i g . 3. Abt. Schillers Dramen. II. (bearb. v. H. G a u d i g . ) 4 . - 9 . Lfg. (S. 161-148.) ( = Ans dtsch. Lesebüchern. Ep., lyr. n. dramat. Dichtlingen, erl&ut. für Oberklass. d. höh. Schulen. N. 69-64 [5. Bd.].) Gera, Th. Hofmann, (ä Lfg. 30 Pf.) M. 3 , 0 0 . - 4 4 ) K. L o r e n z , Klopstocks u. Goethes Lyrik. E. Beitr. z. Behandl. d. Klassenlektüre. 2. T. Goethe. Progr. Kreuzburg. 4°. 23 S. — 45) A. F l o r i n , Präparationen z. Behandl. lyrischer u. epischer Gedichte nebst Einführung in d. Methodik ders. Daves, H. Richter. III, 183 S. M. 2,40. - 46) X X H. B e n d e r . Horaz, Homer u. Schiller im Gymn. 3 Gymn.-Beden. Tübingen, Lanpp. V, 94 S. II. 1,80. - 47) X X J - M a y , Lessings Hamb. Dramaturgie im Uuterr. d. Prima. Progr. Ottenburg. 1892. 17 S. (S.u.IV 6.) — 48) X K l e e , W. Böhme, Erläuterungen zu d. Meisterwerken d. dtsch. Dichtkunst. (Vgl. JBL. 189117:63): ZGyran. 26, 8. 235. - 49) L. W e b e r , Erl&uternngen zu d. Gedichten unserer Schullesebücher. Troppau, Buchholz & Diebel. VII, 185 S. M. 2,50. 50) F. P e r k t o l d , Bemerkungen z.4. Bde. d. Lesebuches v. Kummer-Stejskal, insbes. d.Dispositionen d: Prosastüoke. Progr. Oberhollabrunn. 40 S. — 5t) B. W e r n e c k e u. E. W i e s s n e r , Uebungsstoffe für den dtsch. Spraohunterr. Im Anschlüsse an d. „Deutsche Volksschullesebuch''. 1. Heft. Mittelstufe. 2. Heft. Oberstufe. Gera, Hofmann. 1890. I, 72 S.; II, 112 S. M. 0,60; M. 0,75. — 52) K. D o r e n w e l l , Präparationen z. method. Behandl. dtsch. Musterstücke. E. Handbuch für Lehrer z. Gebrauch in d. unteren u. mittleren Klassen höh. Lehranst., sowie in d. Mittel- u. Oberklassen y. Volks- u. Bürgersch. 1. T. Hannover, C. Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschiohte. IY. 15

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von Flügge und an das „Hannoversche Lesebuch" an. Soweit die Erklärung in katechetischer Form verläuft, soll nur das Lehrverfahren verdeutlicht, nicht das Schablonentum begünstigt werden. Recht wohl gefallen hat uns die Hinzufügung von Parallelstücken, so dass hier immer das einzelne Werk in seinem Verhältnis zu einem grossen Ganzen beleuchtet wird; aber eben alles in Beispielen, wie sie den Kindern zugänglich sind; das ist recht geschickt gemacht, und wir unterlassen nicht, auch die höheren Lehranstalten darauf hinzuweisen. — Eine Bearbeitung des R o b i n s o n bietet F u c h s 5 3 ) . Die Robinsonerzählung ist der nach dem Zillerschen Lehrplan (s. o. N. 34) für das zweite Schuljahr bestimmte Gesinnungsstoff. Dem Vf. liegt daher besonders ob, aus dem konkreten Material die ethisch-religiösen Momente hervorzuheben. Ueber den Wert des Robinson verbreitet sich die Einleitung; sie findet ihn vorzüglich in dem Sinnbildlichen, das er abspiegelt: er ist nach Hettner „eine Art von Philosophie der Geschichte". Und das Buch kann wie kaum ein anderes erziehlich wirken, weil es zur Energie des Handelns treibt. Eine Zusammenstellung des erarbeiteten ethisch-religiösen Materials am Schluss giebt eine Uebersicht über das Geleistete. Als „Konzentrationsstoffe" treten hervor: Gesellschaftskundliches, Erdkundliches; auch Gesang, Zeichnen und Handfertigkeitsunterricht. Wie für die letzteren Gebiete durch die Beschäftigung mit dem „Robinson" reichliche Gelegenheit und Anregung geboten wird, mag die Lehrer der deutschen Litteratur, welche der Zillerschen Richtung bisher ferner gestanden haben, ganz besonders anziehen; der 54 Vergleich mit der „Darbietung" des Robinson bei dem alten Campe ist unabweisbar! " 55 ) (Vgl. III 3: 15—30.) — H ü l f s m i t t e l f ü r den U n t e r r i c h t . In der S c h u l a u s g a b e 5 8 - 6 0 ) von L e s s i n g s ( v g l . IV 6) Dramaturgie, die L i c h t e n h e l d 6 1 ) veranstaltet, sind Einleitung und Anmerkungen im allgemeinen zweckentsprechend; vortrefflich ist die Hinzufügung eines Namenverzeichnisses mit den erforderlichen litterarischen Angaben und des Anhanges „Aus der Poetik des Aristoteles"; der griechische Text und die Uebersetzung nach F. Susemihl stehen neben einander. Dass die einzelnen Stücke bestimmte Ueberschriften erhalten haben, ist didaktisch wertvoll; zugleich, dass die Einteilung bei Lessing durch fortlaufende Ziffern kenntlich gemacht wird. In der Auswahl würden wir gern noch grössere Beschränkung sehen; zu missen ist z. B. 21 „Ueber die Titel der Komödien", der Streit mit den Büchhändlern am Schluss, auch mancher kleinere Abschnitt wie S. 84 „Man wird glauben" usw. Die für Schulausgaben besonders wünschenswerte Sorgfalt ist im einzelnen leider nicht vorhanden. Sie fehlt in Namen (Pernotty, Traso), in Jahreszahlen (vgl. S. 142), in griechischen und lateinischen Wörtern {fiua^iove,) sapientae, senis), im sprachlichen Ausdruck („Ich bin Shakespeare", „Lessing setzt sich für Wieland ein", „den restlichen Teil"), in der Interpunktion (vgl. S. 83). — N e t o l i c z k a s 6 2 ) Nathanausgabe ist eine vortreffliche Leistung'. N. sucht in der Einleitung die Urteile für und gegen Lessings Tendenz mit Billigkeit abzuwägen. Gut ist die vielfache Beziehung auf den Sprachgebrauch sowie die durchgehende Vergleichung einmal mit der jetzigen Ausdruckweise, sodann auch 6 mit der mhd. 62a ) — In der Ausgabe von 3 H e r d e r s (vgl. IV 7:17) Cid hat B u c h n e r ) für Herstellung einer Auswahl die Untersuchungen Voegelins über die französische und die spanische Quelle verwertet. Die Zuthaten des unbekannten Franzosen und Herders werden in kleinerem Druck gegegeben; dadurch wird wünschenswerte Kürzung und schärfere Hervorhebung des Wesentlichen erreicht. Auch innerhalb der echt-spanischen Romanzen werden die nach Ansicht des Herausgebers minder bedeutenden als solche gekennzeichnet und zur Uebergehung bestimmt. Man würde demnach bei Lektüre des Cid auf Grund dieser Auswahl mit dem Drittel der sonst dafür verwandten Zeit auskommen. Freilich: Meyer. IV. 232 S. M. 2,50. - 53) A. F u c h s , Robinson als Stoff e. erziehenden Unterr. in Pr¶tionen u. Konzentrationsplänen. Nach Herbart-Zillerschen Grandsätzen bearb. M. e. Vorw. v. A. P i c k e l . Jena, Hauke. XXIX, 120 S. M. 2,40. — 54) X X J - S o h ö n e m a n n , Inwiefern lassen sich V. Hehns Schriften z. Belebung u. Vertiefung d. Gymn.-Unterr. verwerten ? Progr. Schlawe. 4°. 27 S. — 55) Erläuterungen dtsch. Dichtungen. Nebst Themen zu schriftl. Aufsätzen, in Umrissen u. Ausführungen. 2. u. 3. Reihe. L.,F. Brandstetter. VIII, 388 S.; VI, 389 S. M. 3,00. — 56) X X K - K i n z e l , Hans Sachs ausgew. u. erläut. 2. verb. n. verm. Aufl. ( = Denkmäler d. älteren dt geh. Litt. her. y. G. B S t t i c h e r u. K. K i n z e l . 3. Abt., N. 1.) Halle u. S. Waisenhaus. VII, 120 S. M. 0,90. — 5 6 a) X S c h n e i d e r , K.Neubauer, Luthers Sohriften (vgl. JBL. 1891 1 7 : 42): COIBW. 21, S. 310/1. — 57) X X G- B ö t t i c h e r . D. Litt. d. 18. Jh. vor Kiopstook. Ausgew. u. erl. (s. o. N. 56; 4. Abt., N. 2.) VIII, 122 S. M. 0,90. — 57 a) X 0. Lyon, Auswahl dtsch. Gedichte. ( = Velhagen n. Kinsing [s. u. N. 59 a], N. 51; X, 504 S. M. 2,20): Paedagogium 14, S. 469. — 58) X E - N a n m a n n , E. Kienen u. M. Everß, D. dtsch. Klassiker erläut. u. gewtrd. für höh. Lehranst., sowie z. Selbstutud. Bd. 3-8 (vgl. JBL. 1890 I 7 : 7 8 ; 1891 I 7 : 6 5 ; 1892 I 5 : 7 0 ) : ZOymn. 26, S. 482/3. — 59) X Lessing, Philotas her. y. 0. GSnther (JBL. 1390 I 7 : 4 1 ) ; Minna y. Barnhelm her. v. Tomasohek (JBL. 1890 I 7 : 3 3 ; 1891 I 7 : 4 0 ) ; Nathan her. v. Dcnzel n. Kraz (JBL. 1890 I 7:35): Paedagoginm 14, S. 462. — 5 9 a ) X X A. T h o r b e c k e , Lessing, Minna v. Barnhelm. (Velhagen u. Kinsings Samml. dtdoh. Schulaasgaben N. 12.) Bielefeld, Velhagen & Kinsing. 12°. V m , 126 S. M. 0,50. — 60) X A. F u n k e , Lessing, Minna v. Barnhelm. 5. Aufl. (=: Sohöninghs Ausg. dtsch. Klassiker mit Komm. N. 5.) Paderborn, Schöningh. 166 S. M. 1,20. (Vgl. JBL. 1890 I 7:70.) — 61) A. L i o h t e n h e l d , Lessing, D. hamb. Dramaturgie in Ausw. ( = Graesers Schulausg. klass. Werke her. v. J . N e n b a u e r N. 46/7.) Wien, Graeser. XIII, 183 S. M. 1,00. — 62) 0. N e t o l i c z k a , Lessing, Nathan d. Weise. Für d. Schulgebr. her. ( = Freytags Schulausg. klass. Werke für d. dtsch. Unterr.) L., G. Freytag. 12°. 163 S. M. 0,80. — 6 2 a ) X •>• B. K I S r e n , Für d. Praxis: Unterricht! Behaudl. d. Lessingschen Fabel „D. Esel u. d. Wolf": KZEU. S. 445/8. - $3) W. B u c h n e r , D. Cid. Gesch. d. Don Ruy Diez, Grafen r.

P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule.

I 7 : 64-80

eine solche Ausgabe mit der Bezeichnung des Wertes oder der Wertlosigkeit einzelner Stellen, der Missverständnisse und Uebersetzungsfehler ist ein Werk für Philologen; dies Verfahren kann dem Schüler die ohnehin wenig erwärmende Dichtung nicht näher bringen. — Eine Auswahl von Goethes 6 4 ) (vgl. IV 8) Gedichten giebt 65 T o i s c h e r ) in Hölders Verlag heraus. Gerade bei Goethe wirkt die Menge und Verschiedenartigkeit der Gedichte auf Schüler verwirrend; es ist daher gut, dass ihnen das Beste in übersichtlicher Fassung geboten wird. Die Einleitung giebt eine kurze Entwicklung von Goethes Lyrik; T. folgt darin Ernst Martin. Die Anmerkungen sind möglichst knapp gehalten; häufig citiert ist nur „Dichtung und Wahrheit". Die stete Beziehung auf dieses Werk ist didaktisch sehr wertvoll. Unter den „Zahmen Xenien" werden diejenigen zusammengestellt, die keiner gelehrten Erklärung bedürfen, sondern sich leicht eigenem Nachdenken erschliessen. Auch dass die Reihenfolge nach 66Loepers Zählung daneben bemerkt wird, ist für den praktischen Gebrauch dienlich. 68) — 69 Burghausers ) Ausgabe von Goethes „Egmont" ist keine dem wohllautenden Programm der Freytagschen Ausgaben entsprechende Ausführung. Die litterarhistorische Einleitung ist nicht knapp genug. Die Anmerkungen sind mehrfach überflüssig, während sie bei wirklichen Schwierigkeiten im Stich lassen oder irre leiten. (Vgl. I, 439; II, 514; III, 35; IV, 392, 431 f.; V, 112, 114, 606 ff.)™) - C h e v a l i e r 7 1 ) vertritt in seiner Tasso-Ausgabe durchweg die jetzt übliche Auffassung, dass Goethe eine Heilung Tassos habe veranschaulichen wollen; Ch. sagt sogar: Er kehrt zur Arbeit an seinem Werk zurück. Auch Ch.s Darstellung der Gräfin Sanvitale scheint uns unrichtig zu sein. "-72a) _ H o f m e i s t e r s 1 3 ) Auswahl aus „Dichtung und Wahrheit" für die Bornhaksche Sammlung beruht offenbar auf sorgfältiger Ueberlegung. Aber das Schönste, Unersetzliche in Goethes Meisterwerk geht bei dieser Zerstückelung verloren: die epische Entfaltung, die allmähliche Entwicklung, die Feinheit des Zusammenhanges. Man sollte sich doch lieber mit der Lektüre weniger Bücher begnügen, als dass man das Ganze so grausam zerstört. Warum sind z. B. gerade so sinnlich fessbare Lebenszüge übergangen wie der Besuch bei Gottsched, bei dem philosophischen Schuster, 75die19 Reise mit Lavater und Basedow?14) 80— Der Wert der Ausgabe von Schillers " ) (vgl. IV 9) „MariaStuart", dieHeskamp ) veröffentlichte, liegt in dem IV. AnhangS. 203 — 15; erbehandelt Maria Stuart „im Lichte der Geschichte" und legt dabei die neuesten Forschungen zu Grunde. Zwar ist an und für sich die genaue Kenntnis und Erkenntnis der geschichtlichen Grundlage kein notwendiges Erfordernis für die Erklärung desDramas innerhalb der Schule; aber gerade bei einer so viel umstrittenen Persönlichkeit, wie die der schottischen Königin es ist, wird man gespannt sein, die beste wissenschaftliche Auffassung neben die des Dichters zu halten. Die Fussnoten in Werken der Muttersprache wirken störend: S. 78 äussert Leicester „Der Duc von Anjou hat dich nie gesehen"; dazu heisst es unten: Schiller irrt (!); der Duc von Anjou war persönlich am Hofe zu London gewesen. S. 84 phantasiert Maria: „Dort, wo die grauen Nebelberge ragen, Fängt meines Reiches Grenze an." Der Kommentator dagegen stellt fest, dass die Entfernung etwa 40 deutsche Meilen betrage, „so dass sie ihres Reiches Grenze unmöglich sehen konnte". Im Texte wird der Kardinal von Lothringen erwähnt: Dazu wird — zur Erklärung der Stelle? — unten bemerkt, dass unter Theodosius jeder Hofbeamte Cardinalis hiess. Dieser aufdringlichen Gelehrsamkeit gegenüber berührt Bivar. Nach span. Romanzen r. J. 0. Herder. Essen, Badekur. 1892. XVIII, 130 S. M 1,00. (Vgl. JBL. 1392 I 5:71.) 64) X X 1 - H e i n e m a n n , Goethes Leben und Werke (Neuer Abdr.; vgl. JBL. 1890 I 7:43/) ( = Velhagen u. Kissings Samml. [s. N. 59a], N. 33.) 130 S. M. 0.60. |[BBG. 28, S. 471/2. (Hier auch W. Nöldecke. Goethes Diohtnng n. Wahrheit [ebda.] besprochen.)]! — 65) W. T o i s c h e r , Goethes Gedichte. Aasgew. u. erläut. ( = HMderB Klassiker-Ausg. für den Sohulgebr. N. 28,9.) Wien, HSlder. 141 S. M. 0.80. - - 66) J. H e u w e s , Ausgew. Balladen Goethe« u. Schillers. Mit äusfGhrl. Erläuternngenusw. ( = SchSninghs Ausg.[s.o.N.60],N. 19.) 129S. M. 1,00 |[L. F r e y t a g : COIRW.S.753.]) — 6 6 a ) X ! « • Blnme. Goethes Gedichte (Tgl. JBL. 1892 IV 8 c : 12): Paedagogium 15, S. 753/4. — 67) X H. F. M ö l l e r , W. Heinzelmann, Goethes Iphigenie (Tgl. JBL. 1891IV 9 e : 46): ZGymn. 26, S. 161/2. - 67 a) X p 0. Höcker, Götz T. Berlichingen. Kulturgesch. Erzählung. D. dtsch. Jagend gewidmet. (B., Krüger. 1892.180 S. M. 4,80): ZÖG. 44, S. 87. — 68) X X St. W a e t z o l d t , Iphigenie auf Tanris. V. Goethe. ( = Velhagen n. Kinsings Samml. [s. N. 59a], N. 2.) VIII, 123 S. M. 0,50. (Neuer Abdr.) — 69) G. B u r g h a u s e r , Goethe, Egmont. Für d. Sohulgebr. her. ( = Freytags Ansg. [s. o. N. 62].) 123 S. M. 0,60. — 70) X X L - Z ü r n , Goethe, Egmont. 2. Aufl. ( = Schöning)» Aasg. (s. N. 60], N. 10.) 144 S. M. 1,20. — 71) L. C h e v a l i e r , Goethe, Torquato Tasso. E. Schmusp. F i r d. Schalgebr. her. (r= Freytags Ausg. [s. o. N. 62].) 134 S. M. 0,60. — 72) X X A. H a u f f e n , Goethe, Hermann n. Dorothea (ebda.) 96 8. M. 0,50. - 7 2 a ) X A - F n n k e , Goethes Hermann u. Dorothea (Tgl. JBL. 1891 I 7: 55): Paedagogium 14, S. 333. — 73) G. H o f m e i s t e r , Aus meinem Leben. Dichtung u. Wahrheit T. Goethe. {— Teubners Samml. dtsch. Dichter u. Schriftwerke für höh. Töchtersch., her. Ton G. B o r n h a k N. 27.) L., Tenbner. 12°. 201 S. M. 0,80. — 74) X X Homers Odyssee im Auszuge. In d. üebersetzung T. J. H. Voss. ( = Velhagen u. Kissings Samml. [s. o. N. 59a], N. 66.) XII, 166 S. II. 0,90. — 75) X X V . U e l l n e r , Sohillers Gedichte. Für d. Bedürfnisse d. Sohule u. d. Hauses nach ihrer Entstehung geordnet nsw. ( = Meisterwerke d. dtsch. Litt, für höh. Lehranst.) B., Reuther St Reichard. 224 S. M. 0,60. — 76) X X E - E T e r s , Schillers „Glocke". Nene Teztausg. mit Teranschaulichenden Erklärungen, eingehenden Erläuterungen u. umfassender Würdigung. ( = M. K f i e n e n u. E. E T e r s, D. dtsch. Klass. erläut. n. gewürd. für höh. Lehranst., eowie z. SelbBtstud.N.f>.( L., H. Bredt, 194 S. M. 1,60. — 77) X X V i o l e t , Schiller, Gesch. d. Abfalls d. verein. Niederlande. Im Auszuge. ( = Velhagen u. Klasings Samml. Ts. o. Ii. 59a], N. 61.) XVI, 198 8. M. 1,20. — 7t) X X M i l l e r , Schiller, Wallenstein. Mit Tielen Fragen u. Aufgaben behufs Anleitung z. Selbstdenken u Selbstfinden, sowie z. Anregung tieferen Eindringens in d. Verständnis d. Inh. ( = Schulausg. dtsch. Klass. N. 10.) Trier, H. Stephanns. 292 S. M. 1,20: — 79) X X c - M i c h a e l i s , Sehiller, Wallenstein. 1. Bdch. Wallensteins Lager. D. Piccolomini. ( = Velhagen u. Klasings Samml. [s. o. N. 59 a], N. 23.) XX, 151 S. M. 0,60. — 80) H. H e s k a m p , Maria Stuart. Mit ausführt. Erläuterungen für d. Sohulgebrauoh u. d. Priratstud. 3. Aufl.

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P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule.

es eigentümlich, dass S. 94 als erster Gemahl der Maria Heinrich II. genannt wird. — Im Schöninghschen Verlage giebt Funke 8 1 ) die „Jungfrau von Orléans" heraus. Die Fussnoten wären auch hier besser fortgeblieben. Für unpassend halten wir das geflissentliche Hervorheben von Widersprüchen (vgl. S. 10. A. 8). Ebensowenig darf man fortwährend das geschichtliche Urbild neben die Gestalt des Dichters halten, da es sonst unmöglich ist, das von diesem gezeichnete Bild fest zu halten. So wird etwa im Text Johanna als Hirtin dargestellt, während die Gelehrsamkeit unten hinzufügt, dass die 82Jungfrau hauptsächlich und zuletzt fast ausschliesslich die Haushaltung besorgte. "84) — An Heskàmps 8 5 ) Ausgabe der „Braut von Messina" ist zu loben, dass die Religionsmischung nicht, wie üblich, angegriffen, sondern mit richtigem Verständnis verteidigt wird: Sie bildet den echt historischen Hintergrund gerade dieses Dramas. Im übrigen treten in der Erklärung dieselben Schwächen hervor wie in H.s „Maria Stuart" (s. o. N. 80). Die Fussnoten schweifen in das Gebiet der Exkurse über: Uni des Namens Don Cesar willen erhalten wir Untersuchungen darüber, wann der Name „Caesar" in itom zuerst auftritt, und verfolgen die Geschichte dieses Namens bis zu dem russischen Zar (S. 32); und bei dem Satze: „Die Jagd ist ein Gleichnis der Schlachten" wird eine Erwägung angestellt, warum „auffälliger Weise die Römer die Jagd weniger pflegten" (S. 51). Ungenaues und Unrichtiges ist stark vertreten, vgl. die Verwechslung von Eteokles und Polyneikes (S. 34), das Citat Plectuntur Argivi S. 83, das Citat, dass „hart im Räume sich die Sachen treffen" S. 166. u. a. m. — Lichtenheld 8 ®) hat für Graesers Verlag Schillers Demetrius bearbeitet und fügt zur Ergänzung die Fortsetzung des Freiherrn von Maltiz hinzu. Die mannigfaltigen Versuche, den Torso zu vollenden, lassen sich in zwei Gruppen zerlegen. Maltiz, Kühne, Laube usw. schliessen sich unmittelbar an Schiller an: Sie verzichten auf Selbständigkeit; H. Grimm, Bodenstedt, Hebbel usw. halten sich im allgemeinen an Schillers Plan, aber sie möchten doch von Grund aus einen neuen Bau errichten. L. hat demnach Recht, wenn er sich für Schulzwecke an die Fortsetzer der ersten Richtung wendet; unter diesen wählt er das Drama, welches, aus dem J. 1817 herrührend, als das älteste dieser Art eine gewisse klassische Geltung erlangt hat. Als vorzüglich soll es keineswegs hingestellt werden,' und eine scharfe Kritik deckt, übrigens in angemessener Weise, durchgängig die grossen Schwächen der jugendlichen Arbeit auf. Aber eben deshalb halten wir es überhaupt für didaktisch unrichtig, im Unterricht diese Fortsetzung vorzulegen; ebenso wenig empfehlen wir eine andere; denn von allen gilt, was Hebbel mit Recht bemerkte, dass es unmöglich ist, weiter zu dichten, wo Schiller aufgehört hat. Vielleicht liegt aber für die Schüler gerade in der Anleitung dazu, sich auch einmal in die urwüchsige Kraft eines Fragments, eines solchen Fragments, zu versenken, ein didaktisch ganz besonders wertvolles Moment. — E b e r h a r d s „Hanchen und die Küchlein" war bisher als Schulausgabe nicht erschienen'; Jahn 8 7 ), der Herausgeber, meint, dass sich dieses Gedicht in vorzüglicher Weise zur Verwertung auf Schulen eigne; er hat dabei Mädchenschulen im Auge. Wir bezweifeln das: Zur Privatlektüre mag man es empfehlen, eingehende Behandlung verdient es schwerlich. Die psychologische Entwicklung verläuft keineswegs richtig. Das Opfer, welches Hanchen darbringt, ist nur ein scheinbares, da man es nicht ohne reichliche Wiedervergeltung annehmen wird; der verzweiflungsvolle Schmerz darüber, einen Brautkranz nicht überreichen zu dürfen, verleitet zu falscher Sentimentalität; die in I gerühmte Gesinnung streift recht sehr an geistlichen Hochmut. Dabei sind die Hexameter hart, oft kaum lesbar. Die Ausgabe an sich soll, wofern man eben einen elementaren Standpunkt im Auge hat, nicht gescholten werden. — Von Uhlands 8 8 ) (vgl. IV 10) „HerzogErnst" liefert Stötzner 8 9 ) eine Ausgabe. Wie von vielen Pädagogen, so wird auch von dem Herausgeber „Herzog Ernst" für das geeignetste Werk gehalten, mit dem man in die dramatische Lektüre einführen könne. Die bisher vorhandene Schulausgabe von Weisman schien den jetzigen Anforderungen nicht mehr zu genügen; im Gegensatz zu ihr beschränkt sich St. in seiner Erklärung durchweg auf das Mass, welches die heutige Didaktik vorschreibt. Unter den Fragen S. 86 missbilligen wir solche wie: Warum muss das

( = Schöninghs Ausg. [s. o. N. 60J, N. 6.) 1892. 215 S. M. 1,35. (.Vgl. JBL. 1892 I 5:65.) - 81) A. F u n k e , D. Jungfrau v. Orleans. Mit ausf&hrl. Erläuterungen für d. Schulgebr. u. d. Priyatstud. 3. Aufl. (ebda. N. 9.) 191 S. M. 1,20. (Vgl. JBL. 1892 I 5:66.) — 82) X X U l i s p e r g e f , Schiller, D. Jungfrau y. Orleans. ( = Freytags Schulansg. [s. o. N. 62].) 165 S. M. 0,60. — 83) X X P S t r z e m c h a , Schiller, Wilh. Teil, (ebda.) 141 S. M. 0,60. — 8 3 a ) X & S c h n e i d e r , V. Böhme, Erläuterungen. IV. Wilhelm Teil (Tgl. JBL. 1891 I 7 : 6 3 ) : COIRW. 21, S. 369. — 83b) X ä'< Religion u. Fortschritt. E. popul.-philoe. Zwiegespräch, ebda. 3 4 S . 11.0,60. — 149) P. S [ c h l e n t h e r ] , Schöngeisterei: VossZgB. N. 40. — 1 5 0 ) O (I 1 : 1 4 4 . ) — 151) O Ed. C. Stedman, The nature and elements of poetry. Boston and New-York. Houghton, Mifän St Co. 1892. XX, 338 S. IrCh. C. S t a r b u c k : AndoverR. 19, S. 643/6.]| — 152) o K. S o n n e n , Vom Dichter z. Philosophen. I. D. Dinges Wesen ist Seele. L., A. Schnitze. XI, 136 S. M. 2,00. 153) o X K. S t a a t s m a n n , Künstler, Handwerker u. Publikum: Zinnendekoration. S. 44/5. — 154) O (I I : 59.) — 155) o H. H a r t , Litt. u. Schulreform: TglRsB. N. 147, 149. — 156) O J . S a h r , Wie kann unsere alte dtsch. Dichtung aufs neue wieder lebendig werden?: ib. N. 274/6. — 157) O M. O r i y e a u , Les incompatibilités de la Science et la Poésie: APC. 27, S. 5-26. — 158) O i d . . Science et Poésie. Conciliation par l'ésthetiquc: ib. S. 113-26. — 159) o B. K e l t e n h o r n , Dekorative Poesie: SchwRs. 2, S. 328-36. - 160) H. H a r t , Mit u. ohne Dühring: FrB. 4, S. 210/5. — 161) (IV l a : 1.) — 162) L.

R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

I 12 : i62-i«8

ist weder Gehalt noch Form, sondern die Verschmelzung1 beider zu einer lebensvoll wirkenden Einheit, durch die erreicht werde, dass das Phantasiebild, das im Dichter lebt, ebenso lebendig in den Geniessenden übergehe. Aber allerdings wird ein bedeutender Stoff den Künstler tiefer erregen und zu inbrünstigerein Schaffen anspornen, als ein unbedeutender. Der übrige Aufsatz gehört nicht hierher, er beschäftigt sich mit der ganzen Schrift Dührings und ironisiert in einer Einleitung scharf Max Nordau. — H u b e r t i 1 6 2 ) charakterisiert K o h l e r 1 6 3 ) und würdigt sein Buch mit Berücksichtigung von innerer und äusserer Form eines Werkes. H. stimmt den Ausführungen K.s rückhaltslos zu, besonders seiner Unterscheidung von künstlerischer und unkünstlerischer Sprache, seiner Ansicht, dass die Kunst über die ursprünglichen Zwecke der Sprache, die Zwecke des Lebenstriebes hinauszugehen habe, weil sie dadurch ihren eigentlichen Zweck abwirft und relativ zwecklos wird. 164 ) — Wichtig ist die Frage, die bereits wiederholt Heinzel behandelt hat, wie weit sich in K u n s t d i c h t u n g e n W i d e r s p r ü c h e finden, die beim Volksepos zur Annahme liedmässiger Entstehung führen würden. Zwei Schüler Heinzeis, J e l l i n e k und K r a u s 1 6 5 ) , teilen nun reiche Beobachtungen mit. Aus den Novellen Cervantes, aus Zola, Dahn, Vischel*, aus Schillers Don Carlos, Wallenstein, aus Goethes Wahlverwandtschaften, aus Maler Müllers „Golo und Genoveva", aus Kleists „Familie Schroffenstein" und seinen Novellen werden „Widersprüche zwischen zwei thatsächlichen Angaben", „Behandlung unbekannter Dinge als bekannter", „Nichtbeachtung der Rede einer Person seitens der anderen" angeführt. Damit werden dann Beispiele aus der mittelalterlichen Litteratur verglichen und nach den soeben angegebenen Kategorien, die für eine höhere Kritik wichtig wären, gruppiert. Freilich lassen vielleicht einzelne Stellen eine verschiedene Deutung zu (besonders Veldekes Eneide V. 6786 ff. ist nur verständlich, wenn man die früheren, scheinbar widersprechenden Verse 6726 ff. im Gedächtnis hat), worauf die Vf. selbst mitunter hinweisen. Sie ziehen dann Schlüsse aus ihrem Material, die nicht bloss für die höhere Kritik, sondern auch für das künstlerische Schaffen von Bedeutung sind. Sie meinen, der Begriff eines guten Dichters setze sich aus einer sehr grossen Anzahl verschiedener Qualitäten zusammen, die nicht alle gleich entwickelt seien, die einen besonders ausgebildet, während andere zurücktreten; das bestimme die eigentümliche Stellung des einzelnen Dichters unter seinen Genossen. Eine dieser Qualitäten sei die Gabe, sich von jeder Situation ein plastisches Bild zu schaffen und unverändert festzuhalten. Viele Widersprüche folgten aus einem, oft nur momentanen Mangel dieser Fähigkeit. Man dürfe diese Fähigkeit weder über- noch unterschätzen. Als Ursachen der Fehler ergeben sich: Kontamination zweier Quellen, Vergessen früherer Angaben, Unklarheit über die Konsequenzen einer Abgabe oder Mangel an logischer Konsequenz, unglückliche Wahl eines bestimmten Ausdrucks, wobei man zweifeln kann, ob der Dichter wirklich eine widersprechende Vorstellung gehabt habe. Zu Ende des Aufsatzes suchen sie den wesentlich gleichen Vorgang bei Volks- und Kunstdichtungen nachzuweisen, haben jedoch nur die mittelhochdeutsche Dichtung vor allem im Auge. Hoffentlich regt der Aufsatz auch andere Leser an, auf solche Widersprüche zu achten und ihre Sammlungen gelegentlich vorzubringen; ich selbst habe seit Jahren mancherlei Material vereinigt (vgl. IV 4 : 59; 9 : 164). — Das Wesen des Humors 1 6 6 " 1 6 7 ) hat W e r n e r 1 6 8 ) mit Rücksicht auf verschiedene Zweifel, die aufgetaucht sind, zu ergründen versucht. Er geht von jenem Excerpt über die komischen Charaktere aus, das allgemeiner Ansicht nach aus der Aristotelischen Poetik stammt. Mit den drei hier angeführten Typen, dem Possenreisser, Prahler und Ironiker vergleicht er einen Charakter wie Don Quixote, um zu zeigen, dass er keinem dieser Typen angehört, sondern ein für die Wirklichkeit Verblendeter ist. Auch Egmont aber ist ein Verblendeter, trotzdem lachen wir über den Helden des Cervantes, während wir für den Helden Goethes fürchten und zittern. Der Unterschied unseres Verhaltens ist nicht etwa durch den Einsatz bedingt ; denn Don Quixote riskiert sein Leben wie Egmont, wenn er es auch behält. Ebensowenig giebt uns der Ausgang eine Erklärung an die Hand; denn ein anderer Verblendeter, der Prinz von Homburg, endet nicht mit dem Tode, trotzdem stehen wir ihm anders gegenüber als dem Windmühlenritter. Daraus wird gefolgert, dass die Art der Verblendung unsere Stellung erzwingt. Uns scheint, dass sich Egmont nicht aufklären lassen kann, Don Quixote nicht will. Die Konsequenz Don Quixotes hat etwas vom Eigensinn, den wir verwerfen, während die Konsequenz Egmonts uns berechtigt, wenn auch verderblich erscheint. „Einem Egmont gegenüber haben wir die Ueberzeugung, dass wir nicht so handeln würden, obwohl wir wünschen, so handeln zu können, H u b e r t i , Jurisprudenz u. Aesthetifc: BLU. S. 33/7. — 163) X (I 3 : 282.) — 164) O A. J e a n n i a r d d a D o t , Le langage positif. Sa nature, ton angine, ce qu'il a de natnrel: APC. 27, 9. 412-32, 559-74. — 165) II. H. J e l l i n e k s. C a r l K r a u s , Widersprach« in KanstdichtungOD: ZÖG. 44, S. $73-716. — 166) X & W e i s s e n b o r n , Poesie n. Humor: Jungdeutschland 1, S. 1/2,13,16.. — 167) O H.Nord, Humor u. Humoristen: Qrenzb.3,3.SO/6. —168) R.U. W e r n e r , Giebt es Humor?: DDiehtong. 14,

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darum imponiert er uns — und das tritt bei allen tragischen Charakteren ein. Dem Don Quixote gegenüber müssen wir uns gestehen, dass auch wir in gewisser Hinsicht so handeln könnten, obwohl wir auf diese Erkenntnis nicht gerade stolz sind, aber darum bemitleiden wir ihn auch." Also liegt der Grund der verschiedenen Wirkung in uns und unserer Stellung zu den Charakteren. Egmont steht über uns, Don Quixote unter uns, deshalb sehen wir auf ihn mitleidig und erlustigt herab. Allen komischen Charakteren, die sich in das Schema des Aristoteles nicht einfügen lassen, ist ihrer ganzen Erscheinung oder doch einer hervorragenden Seite ihres Wesens nach ein Zug ins Kleine eigen. Massgebend ist, dass sie uns nicht bloss komisch, sondern aus Gründen, die dargelegt werden, auch mitleiderregend erscheinen. Vom Ironiker unterscheidet den Don Quixote, dass dieser unbewusst komisch wird, während der Ironiker bewusst komisch werden will, dadurch aber seine Trefflichkeit enthüllt. Durch den Vergleich mit dem Benehmen des Sokrates bei der Aufführung der Aristophanischen Wolken wird der Unterschied klar gemacht. Mit Rücksicht auf die germanischen Figuren bei Jean Paul, Raabe, Vischel', Reuter, Dickens wird „der Stich ins Sentimentale" besprochen, darin aber nur eine Zeitrichtung, nicht das Wesen des Humors gesehen. Der gute Kern, der durch die bizarre Schale hindurchschimmert, macht den Charakter zu einem humoristischen, nicht die besondere Färbung der Schale. Dieselbe Behandlung erfährt nun der humoristische Konflikt, der wieder am tragischen gemessen wird, endlich der Dichter als Schöpfer des humoristischen Kunstwerkes. Dabei wird das Verkehrte der Meinung hervorgehoben, als müsste alles, was der Dichter Eines humoristischen Werkes schreibt, für den Begriff des Humoristischen in Betracht kommen. Die Frage des Titels beantwortet der Vf. mit den Worten: „Ja es giebt Humor, er besteht in der unbewussten Gabe, das Erhabene im Nichtigen zu erkennen, darzustellen, und wenn man das Bild brauchen will vom Lächeln unter Thränen, so wird es zutreffen, soweit ein Bild zutrifft." — Den Gegensatz zur humoristischen bildet die p e s s i m i s t i s c h e Weltanschauung, die immer nur 189 den Schmerz unter der Hülle alles Erdenwesens sieht. Diese Poesie des Schmerzes ) hat, selbst ganz pessimistisch, A n n i t a Lenzi 1 " 0 ) durch die Weltlitteratur begleitet, indem sie einige der hervorstechendsten Figuren vom Hiob bis zum Werther und Ortis verfolgt. — Ueber den modernen Pessimismus in Frankreich hat P e l i s s i e r 1 7 1 " 1 7 3 ) unter besonderer Zustimmung seines Recensenten H e m o n viel Kluges gesagt. Er nennt ihn „unpersönlich und kalt" wie die Wissenschaft; er stosse keinen Schrei aus, sondern stelle ohne Erregung das unglückliche Schicksal fest, um sich ihm klaglos zu unterwerfen. Der Künstler aber zeichnet sich gerade durch die Lebhaftigkeit seiner Wahrnehmungen und seiner Gefühle aus; je lebhaftere Eindrücke die Dinge in ihm hervorrufen," desto weniger ist er zu jener Neutralität befähigt, die ihm ein eingebildeter Objektivismus aufzwingen will. Von diesem Standpunkte beurteilt P. nun die neueste französische Litteratur und findet im Realismus oder Naturalismus die Form, die der Pessimismus bei der Betrachtung des Lebens und des Menschen annimmt. Aber der Realismus hat mit dem Pessimismus nichts zu thun, das beweist Eliot, die ihr moralischer Sinn vor dem Pessimismus bewahrt; das beweisen die Russen, bei denen sich der Pessimismus mit evangelischem Geiste mischt, wodurch sie zur Caritas geführt werden; das beweist Alphonse Daudet, der trotz seinem Realismus der geborene Optimist geblieben ist. Also nicht als Realisten, sondern als Pessimisten verschliessen die meisten modernen Romanciers ihre Seele dem Zarten, malen sie die Erbärmlichkeiten des Lebens, wollen sie uns den Menschen verhasst machen, indem sie seine rohe Begehrlichkeit, seine ungezügelten Instinkte zeigen. 174 - 175 ) — In der G e s a m t s t i m m u n g unterscheidet H e r z l 1 1 6 ) zwei Elemente: Rezeptions- und Reflexionsstimmung. Empfängt der Dichter einen Eindruck in Erregbarkeit, wird er durch eine Stimmung bewegt, so ist das Rezeptionsstimmung. Ueberträgt er seine Stimmung auf den Gegenstand, wodurch dieser eine eigentümlich fremde Färbung erhält, so nennt H. das Reflexionsstimmung. Die Unterscheidung ermangelt der vollen Klarheit. — Zu den Schriften über B i l d u n d Gleichnis 1 1 7 " 1 8 2 ) darf das zierliche S. 29-32. — 169) O G. H o n t e , La poesia del dolore. Modena, E. Sarasino. 16" 359 S. L. 5,00. - 170) A n n i t a L e n z i , 11 $roblema del dolore in alcune figure della lett. Koma, Bertero. 43 S. L. 1,00. — 171) (I 1 :132; s. u. N. 306.) |[F. H e m o n : BCr. 36. 9 S41/6.JI - 172) G. P e l i s s i e r , Le pessimisme dans la litt, contemp. ( = Eisiiis [vgl. JBL. 1893 I 3 :165J, S. 1-68). — 173) X I l s e L u d w i g , Litt. Pessimismus im heutigen Prankreich: Didask. N. 187. (Im Anschlass an Pelissier.) —• 174) O Z. Naturgesch. d. Pessimismus: Grenzb. 2, S. 346-56. — 175) O Th. B ö n a r d , Le Pessimisme contemp. Orleans (Imp. Jacob). 72 S. - 176) Th. H e r z l , Stimmung. Bemerkungen: FrB. 4, S. 1262/3. — 177) O Th. L i n d e m a n n , Z. Gleichnislitt: ThLBi. 14, S. 89-91. — 178) X K. B i l t z , Neue Beitrr. (vgl. JBL. 1891 I 3 : 130). |[E. H a r i c h : ZDU. 6, s . 448; H. L ö b n e r : BLU. 1891, S. 377/9; G. C a r e l : ASNS. 87, S. 449-50; P h . S t r a u c h : ADA. 19, S. 270/1 ]| — 179) X H. S c h r ä d e r , Etliche Gleichnis-Redensarten, d. erst in d. neuesten Zeit entstanden sind u. entstehen konnten: ZDS. 7, S. 291/4. (Ans d. Gebiete d. Eisenbahn, d. Sports, d. Aichkunst u. d. neueren Heilmethode.) — 180) H. Blüraner, Streifzüge auf d. Gebiete d. Metapher. Metaphern ans d. Geschichte n. d. Kultur d. Altertums (vgl. JBL. 1892 I 11:29-30): Grenzb. 2, S. 558-64. — 1(1) O H. S o h r a d e r , D. Haar in sprachlichen Bildern u. Gleichnissen: ZDS. 7, S 21/7, 41/7 — 1(2) o E. Z a s t r o w ,

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Heftchen von S. und D. S c h l a t t e r l 8 3 ) trotz dem Titel nicht gerechnet werden; es enthält nur Verse und liebliche Zeichnungen, aus denen verwandte Stimmungen der Natur und des Menschengemütes sprechen.'84-181) — D i e e i n z e l n e n D i c h t u n g s g a t t u n g e n finden ungleichmässige Behandlung. Im Anschluss an Werners Werk über die L y r i k hat B i e g e l e i s e n , 8 8 ) in polnischer Sprache die Belege aus der polnischen Lyrik beigebracht, die Werners Ansichten bestätigen. — Ein Ungenannter 189 ) beschäftigt sich kurz aber verständig mit der G e d a n k e n d i c h t u n g . „Gedanken wirklich durchzuführen1', so sagt er, „ist nicht Sache der Poesie. Angewiesen darauf, zu wirken durch Erregung von Anschauungen und Gefühlen, die Kraft der Phantasie also und des Empfindens, kann die Kunst gerade Gedankenreihen in losgelöster Weise, d. h. wissenschaftlich und beweiskräftig überhaupt nicht vorführen." Man könne geradezu behaupten, je poetischer, desto weniger wissenschaftlich gelungen. Aber allerdings sind die Stimmungswerte der Gedanken, und diese allein, dichterisch verwertbar; die Associationen, das Drum und Dran des Denkens, nicht das Denken selber schätzen wir poetisch hoch. Es kommt also nicht auf die Gedanken, sondern auf die Persönlichkeit des Dichters an, nicht auf das Was, sondern auf das Wie. — Gegen Harnacks Unterscheidung der Lyrik in die „metaphorische" und die „rhetorische" (vgl. JBL. 1892 I 11: 116) nimmt Biese 1 9 0 ) Stellung, weil ja das „Metaphorische" sein grosses Kunstprinzip ist; er verwirft, wie ich es gethan habe, die Unterscheidung, indem er vor allem die Bezeichnung „rhetorisch" als unrichtig und irreführend ablehnt, dann aber auch die Gegensetzung des „Metaphorischen", das seit Aristoteles zu den rhetorischen Figuren gerechnet wurde. Für B. ist im Gegenteil alle Poesie im weitesten Sinne metaphorisch, „ein Wortwerden der Empfindung und des Gedankens, eine Ineinsbildung des Inneren und Aeusseren". Nun bespricht er den Rhythmus, oder eigentlich „die harmonische Ineinsbildung von Rhythmus und Empfindung", wobei er zuerst fast ausschliesslich die Wiederholung erwähnt, um plötzlich beim Reim zu sein. „Ganz Rhythmus, ganz Anschauung, ganz Empfindung: das sind die drei Faktoren, auf denen sich das echte lyrische Lied (!) aufbaut (!)". Ob sich hier der Vf. nicht doch allzu metaphernreich ausdrückt? „Sein" Poet, Storm, ist sparsamer, wie B. selbst ausführt; wenn er aber dann wieder mit seiner unverständigen Einwendung vorrückt, ich hätte Hebbels „frostiges, rein gedankenmässiges Gedicht": „ W i r Menschen sind gefrörne Gottgedanken" als „klassisches Beispiel der L y r i k " bezeichnet, so beweist er nur seine Unkenntnis; denn ich habe natürlich nach dem ganzen Zusammenhang und nach dem Zusätze: „Ein klassisches Beispiel . w e l c h e s wie eigens zu unserem Zwecke präpariert scheint", nur die juristische Bedeutung des „klassisch" (ein locus classicus, ein klassischer Zeuge) im Sinne gehabt. B. kommt zu dem Resultate, die Einbildungsund die Gestaltungskraft des Lyrikers werde dann am höchsten sein, „wenn er ein anschauliches, empfindungdurchwehtes Bild des äusseren und inneren Lebens in seelisch (musikalisch) bewegter, rhythmischer Form, sei es mit oder ohne bildlichen (symbolischen, metaphorischen) Ausdruck zu geben vermag". Zu diesem Satze „sucht" dann der Vf. „einige Proben in der Wöltlitteratur"! Dieser Ausdruck ist wohl nur unglücklich gewählt, B. ist gewiss induktiv verfahren, hat also zuerst die Beispiele gesammelt und dann erst seine Ansicht aus der Sammlung gewonnen. Er stellt einige Gedichte zusammen, in denen eine Verlassene spricht, behandelt hierauf in Kürze die Geschichte des politischen Liedes, vergisst nicht die Naturlyrik und richtet ein wahres Blutbad unter den Lyrikern an, weil er zwar sagt, die Gedankendichtung sei nicht aus der Poesie zu verweisen, ihr aber nicht innerhalb der Lyrik, sondern neben ihr den Platz bestimmt. Er verwirft streng genommen das, was er die rhetorische L y r i k nennt, völlig; aber er ist in seinem Urteil viel zu einseitig, wenn er meint, der Rhetoriker schaffe Worte anstatt der Bilder, rede, um zu reden, anstatt dass allein die Empfindung die Zunge löst, und vermöge mit dem Glanz und Prunk der Diktion doch nicht die Hohlheit und das Gesuchte des Inhalts zu verbergen. Was hier B. vor Augen hat, ist nicht die Gedankenlyrik, das ist die schlechte Lyrik, die „konventionelle" Lyrik, deren Fehler nur stärker sichtbar werden, wenn es sich um Gedankenlyrik handelt als um reine Lyrik. Wer so weit geht, zu sagen „Schillers., ganze L y r i k ist rhetorisch und pathetisch" und dann: „ W i r sehen: der Gegensatz des Rhetorischen ist die echte, einfache Empfindung, ausgeprägt in schlichten ( ! ) Worten. Der echte Lyriker dichtet schon in der Anschauung,

Beschreibung in Dichtkunst u. Päd.: PoinmerscheBUSeh. 17, S. 171/3. — 183) S. n. D. S c h l a t t e r , Bild u. Gleichnis. Mit z. T. färb. Illustr. St. Gallen, Huber & Co. 23 S. M. 3,20. - 184) X J - S a h r , D. Bild im dtsch. Unterr.: ZDÜ.7, S.651-69. (Handelt y. bildl. Darstellung., durch d. man d. Unterr. beleben kann, z. B. Könneokes Bilderatlas.) — 185) X Kubin, D. Hyperbel n. d. Schule: ib. S. 257-62. (Bespricht einige auffallende Hyperbeln d. gewöhnlichen Sprache.) — 186) O G - e , Familien-Litt.: WTB1. N. 273. — 187) O Heimat- u. Vaterlandsliebe in Dichtermnnd u. Völkerleben. Vortr.: NBI1EU. 22, S. 73-97. — 188) R. M. Werner, Lyrik n. Lyriker (vgl. JBL. 1890 I 3 : 36). |[H. B i e g e l e i s e n : MazeumCzasopismo(Lemberg) 9, S. 137-13; Ew. 6, S. 117; A. C h u q u e t : BCr. 35, S. 214/5 („c' e s t . . nne bonne et utile contribution & l'hist. de la Psychologie poMique"); A. R e i f f e r s c h e i d : DWB1. S. 192.]| — 189) Gedankendiehtung: Kw. 6, S. 33/4. — 1 9 0 ) A . B i e s e , Metaphoriseh Jahresberichte für neuere deutsohe Litteratnrgesohiohte. I V . 26

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er schafft Bilder vor die Seele des Lesers, nicht bloss Worte mit noch so schönem Prunk", der macht eine Aesthetik der Lyrik unmöglich, weil er sie auf das Gebiet des einfachen Liedes einschränkt. „Nicht deklamieren wie der Rhetoriker darf der Lyriker, sondern er muss singen, nicht mit dem Kopf dichten, sondern mit dem Herzen", so lesen wir; aber ist mit diesen Metaphern irgendwie dasselbe gesagt wie mit dem ersten Satze? kann nicht auch das Herz deklamieren, in breiter Rhetorik ausströmen? Wer Lenau und Leopardi, Heine wie Klopstock, Horaz, Rückert und Platen, ja auch Schiller aus der Zahl der Lyriker streichen muss, wenn er seine Ansicht von der Lyrik aufrecht erhalten will, der sollte sich doch vielleicht fragen, ob er nicht einen Irrweg betreten habe. Mir wird es auch diesmal nicht schwer, dem Vf. „gerecht zu werden" (S. 70), wie es mir nie wurde; denn es kommt auf die Sache, nicht auf die Person an. Meiner Ansicht nach hat B., wie es ihm schon früher passierte, ein an und für sich richtiges Prinzip so sehr übertrieben, als wenn er es ad absurdum führen wollte. — Ueber V o l k s l i e d und Gassenhauer spricht ein Anonymus 191 ) ganz gescheit. Ihm erscheint die Gefahr nicht so gross, dass durch den Gassenhauer das Volkslied geschädigt werden könne; schlechte Volkslieder habe es immer gegeben, sie seien aber vergessen worden. Ins Volk dringen dafür viele gute Kunstlieder und werden zu Volksliedern; darum brauche man sich vor den Gassenhauern nicht zu fürchten. 192 ,93 ) — Zum K i r c h e n l i e d rechnet T. Meyer 1 9 4 ), der mit seiner wichtigen Untersuchung eines Specialgebietes der induktiven Aesthetik der Lyrik vorbauen will, „alles, was irgend einer kirchlichen Gemeinschaft als Ausdruck ihrer religiösen Gesinnung gedient hat". Seine Quelle sind die üblichen Gesangbücher. Er verhehlt sich die Schwierigkeit der ästhetischen Betrachtung deshalb nicht, weil er weiss, dass das Kirchenlied in erster Linie dem religiösen Bedürfnis dient und darum „bei rein ästhetischer Betrachtung ein voller, durchweg befriedigender poetischer Eindruck mit dem Kirchenliede nicht verbunden ist". Sehr richtig fragt er nun, ob denn dieser Mangel an Schönheit die Bedingung für die religiöse Brauchbarkeit des Kirchenliedes sei, und muss diese Frage allerdings bejahen. Dem Kirchenliede kommt es auf Erbauung an, d. h. auf die Förderung des ethischreligiösen Lebens, und es genügt daher nicht, die Stimmung des Gottesvertrauens zu erzeugen, „sofern es eine solche überhaupt giebt", vielmehr muss der Wille dazu gebracht werden, sie als wertvollen Schatz festzuhalten und ihr Einfluss auf die Wege zu gestatten, die er selbst einschlägt. Nicht das flüchtige Gefühl der „Freude über die erfahrene Versöhnung", der „Dankbarkeit für die Gnadenerweisungen Gottes", sondern feste Zuversicht zur Liebe Gottes soll vom Kirchenlied erweckt werden, damit sie dauernd in der Seele wohne und sich „zu lebendigen Erweisen ihres Vorhandenseins" entfalte. Vor dem Schönen, das entwickelt der Vf. klar und einsichtsvoll, muss der Wille verstummen, da ihm die Möglichkeit seiner Bethätigung entzogen ist; „es löst sich die Kette, mit der im Leben Gefühle und Willensbestrebungen zusammengeschmiedet sind." Wenn die lyrische Poesie dem Hörer die Gefühle selbst zu empfinden giebt, die sie nachbildet, so besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen dem realen und dem ästhetischen Erlebnis." Je lebendiger das Gefühl beim wirklichen Erleben ist, desto mehr steht „die ganze reale Persönlichkeit mitsamt dem Willen unter seinem mächtigen Bann". Auch bei den religiösen Gefühlen ist es so; wenn sie aber den Inhalt des echten Kunstwerkes bilden, wandeln sie sich in die Leichtigkeit und das freie Spiel der Scheingefühle. Die Gefühle, wie sie die Erbauung verlangt, „sollen dauernd sein und den Stössen des Lebens trotzen", die ästhetischen sind „beweglich und wandelbar, und jeder Hauch des Lebens verweht sie". Ist es überhaupt möglich, „religiöse Gefühle in echter Lyrik auszusprechen, so können sie in dieser Form nicht erbauen, und wo erbauliche Wirkung (im kirchlichen Sinne des Wortes) verspürt wird, kann keine volle Kunst vorhanden sein". Es fragt sich also zunächst, „in welcher Weise" der Stoff des Kirchenliedes „beschaffen und geformt sein muss, um das Ueberwiegen der realen Wirkung gegenüber den unleugbar vorhandenen ästhetischen Elementen zu sichern". Um das sicher festzustellen, macht der Vf. einen grossen Umweg, der ihn aber zu wichtigen Punkten auf dem Gebiete der Lyrik führt. Er betrachtet die „Gedankenlyrik" überhaupt, die „Gesinnungslyrik" im besonderen. Unter „Gesinnung" versteht er die „dauernde Entschlossenheit des Willens, sich in einer bestimmten Weise zu bethätigen", also „ein dauerndes, willenskräftiges Ergriffensein des Gemüts von einem Ideal". Wo wir „in einem Gedicht ein Gut als erstrebenswert und ein Verhalten als vernünftig gepriesen finden", da haben wir „Gesinnungslyrik" zu erkennen. u. rhetorisch. E. polem. Stadie z. Aesthetik d. lyrisches Liedes: ZVLE. 6, S. 68-105. — 191) (I 5 : 249.) (Mit R&oksicht auf e. Aufsatz d. „Grenzh.") — 192) X E. II. S c h r a n k a . D. Wiener Volkslied: Geg. 44, S. 404/8. ' — 193) X G- B a b u d e r , Considerazioni sulla poesia popolare in generale con ispeciale riguardo a quella della Grecia moderna. (Parte II) „Poesia popolare patriottica militare". Progr. Capodistria, Obergyran. 87 S. (D. mir unzugängl. 1. T. erschien als Progr. dess. Gymo. 1890-91.) —194) T. M e y e r , D. Kirchenlied, e. &sth. Untersuchung. Progr. d. evang.-theoL Semina» SchSnthal. 1892.

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Zur Gesinnungslyrik gehört das Kirchenlied, ist aber nicht der einzige Vertreter der geistlichen Gesinnungslyrik, wir haben neben ihm die „religiöse Lyrik". Neben der geistlichen giebt es die reich entwickelte weltliche Gesinnungslyrik. Ihr Wesen besteht darin, dass sie „aus der Erfahrung oder der sittlichen Erkenntnis den Beweis erbringen muss, dass das Ziel, das sie dein Willen vorhält, um seiner Vernünftigkeit willen erstrebenswert ist". Es könnte scheinen, dass eine „rein theoretische", nur der Verkündigung einer Erkenntnis dienende, und eine „mehr praktische" Gesinnungslyrik, die einen Einfluss auf den Willen anstrebt, anzunehmen sei, aber eine scharfe Grenzlinie lässt sich nicht ziehen, jene ist immer bereit in diese überzugehen, oder vielmehr ist es „nur ein Zufall, wenn die Erkenntnis nicht auch ausdrücklich für den Willen fruchtbar gemacht wird". Nun muss aber zugegeben werden, dass die Aufstellung eines Ideals für den Willen nicht Aufgabe unseres ästhetischen Vermögens ist, dass daher eine Gattung der Lyrik, „die sich diese Aufgabe setzt", nicht „reine, unvermischte Poesie" sein könne. Allerdings liesse sich denken, dass der Dichter die begeisterte Stimmung nachzubilden suche, die „im Augenblicke der Betrachtung des Ideals in ihm geweckt wird"; aber „die Begeisterung ist von anderer Art als die übrigen Gefühle", indem sie nicht einen Zustand des Subjekts zum Inhalte hat, sondern „eine vom Leben des Subjekts unabhängige, durch Erkenntnis gewonnene Ueberzeugung". Die Ursache der Gefühlserregung ist ein Erlebnis, die Ursache der Begeisterung — eine Erkenntnis. M. hält Begeisterung an uncl für sich ohne Bewusstsein des Objekts, auf das sie sich richtet, für eine Unmöglichkeit, „sie ist ganz an ihre Erkenntnis geschmiedet, von ihr untrennbar und muss sich bedingungslos ihrer Herrschaft unterwerfen". Die Erkenntnis ist „individualitätslos und allgemein", daher auch die Begeisterung; die Erkenntnis ist zeitlos, ebenso die Begeisterung. Der Anlass und der Affekt werden nicht als organisch zusammengehörig empfunden, weil er den Charakter des Gefühls nicht mit beeinflusst, der vielmehr durch den Inhalt der gleichbleibenden zeitlosen Erkenntnis bestimmt wird. Da nun aber die Begeisterung in der Gesinnungslyrik sich als berechtigt und vernünftig wissen muss, also „jenseits der Grenzen des Individuellen" liegt, da sie der zeitlichen Bedingtheit und Bewegtheit entbehrt, da hingegen die Poesie als Kunst volles, d .h. individuelles Leben, Bewegung und zeitliche Begrenzung verlangt, so ist „über die Gesinnung als Stoff für echte Poesie der Stab gebrochen". Die Komposition des Gesinnungsliedes ist ganz prosaisch und verstandesmässig, die Kirchenlieder sind „in Poesie umgesetzte Predigten, wie die Kneiplieder an Kneipreden, die poetischen Nekrologe an Gedächtnisreden und die politischen Lieder an politische Reden erinnern, sofern sie darauf ausgehen, nicht den Verstand zu belehren, sondern Gesinnung zu wecken". Also lässt „die Leblosigkeit des Stoffes und der Form im Gesinnungsliede" keine rein ästhetische Wirkung zu. In der Gesinnungslyrik ist das nicht nur Folge des Stoffes, sondern auch unseres Auffassungsvermögens, weil das ästhetische Urteil dem Urteil unserer praktischen Vernunft den Platz räumen muss; wir können der Gesinnungslyrik nicht „nacherleben und nachempfinden", sondern nur „nacherkennen". Sie ist bloss für bestimmte Kreise „berechnet", unsere „sachliche Zustimmung" ist ein ausserästhetischer Genuss, daher ihre Wirkung gleichfalls eine ausserästhetische. „Die Gefühlserregung muss im Erkalten sein, wenn der Dichter so Herr über sie sein soll, dass er sie in die Form giessen und zum Gegenstand freien ästhetischen Spiels machen kann; das Erlebnis wird von ihm losgelöst, aus seinem Inneren hinausgeschafft. Die Gesinnung als dauernder Besitz der Seele kann jedoch nicht hinausgeschafft, sondern durch ¡jeden Wiedereintritt ins Bewusstsein nur erfrischt und gekräftigt werden." Der Kirchenliederdichter dichtet, „um sich zu erbauen" (I). Die Gesinnungslyrik ist „durchaus paraenetisch und zugleich erbaulich", sie will allerdings nicht wie die didaktische Poesie belehren, muss aber doch den Willen bestimmen, was sie von der reinen Lyrik scheidet; darum nennt sie der Vf. „eine Gattung der lyrischen Poesie für sieh", eine Mischgattung. Ihre Wirkung rührt her von der Persönlichkeit des Dichters, wobei freilich vorausgesetzt wird, dass wir bei einem Liede wie „Ein feste Burg" an Luther denken. Die Gesinnung einer Persönlichkeit besteht aber in der Erhebung zum allgemeinen aus der Besonderheit ihres individuellen Lebens, nur durchdringen sich Allgemeines und Individuelles in der Gesinnungslyrik nicht, sondern stehen nebeneinander. Unsere Phantasie vergegenwärtigt uns dabei nicht Angeschautes, und nur diesem Umstände ist es zu danken, „dass mit dem Ausdruck ethisch-lebendiger Gesinnung im Gesinnungslied eine ästhetische Wirkung, wenn auch nur subsidiär, verbunden sein kann". Nur das Versmass und der Reim zwingen uns, am Gesinnungslied auch die ästhetische „Betrachtungsweise zu üben". „Zu gleicher Zeit, da die ethische Lebendigkeit der Gesinnung als Kraft uns ergreift, zwingt uns das Versmass, sie zugleich als Lebensfülle ästhetisch zu spüren (!), wenn wir sie auch nicht als solche anschauen können". Dadurch entsteht nun eine 26*

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ganz eigentümliche Wirkung: die ethische Forderung möchte unsere Seele mit realen Gefühlen erfüllen, zu ihnen gesellen sich aber als Bundesgenossen die ästhetischen Scheingefühle und leihen ihnen etwas von ihrer eigenen Leichtigkeit, Mühelosigkeit und Beflügelung. Die Gattung besteht aber nicht rein, es finden sich Uebergänge, ja es kann geschehen, dass der Gesinnungscharakter „nahezu ganz" schwindet, wenn „aus den Lustgefühlen, die der naive Genuss eines Guten erregt, die Erkenntnis von seinem Wert und mit ihr die Begeisterung für es geboren zu werden scheint", oder wenn „das urplötzlich machtvolle Hervorbrechen der Gesinnung thatsächlich eine Veränderung des Seelenzustandes schafft". Noch weiter, „ganz auf dem Boden reiner und freier Dichtung" stehen jene Lieder, in denen „nicht mehr die ethische Erkenntnis, wie sie entsteht oder plötzlich hervorbricht, den Inhalt des Gedichtes bildet, sondern entweder der Akt, in welchem die Gesinnung ausgeübt wird, mit den ihm voraufgehenden oder nachfolgenden Gemütsbewegungen oder aber die Sehnsucht nach einem religiösen oder sittlichen Gut oder der Schmerz um seinen Verlust". Gedichte wie Mörikes „Neue Liebe", „Wo find ich Trost" oder Goethes „Der du von dem Himmel bist" führt der Vf. für diese Möglichkeit an. Er betrachtet sie, wie gesagt, als Uebergangsformen von den vollgültigen Liedern der Gesinnungslyrik zur reinen Lyrik; andererseits kann die Gesinnungslyrik entweder nicht viel mehr als gereimte Prosa oder, kurz ausgedrückt, rhetorisch sein. Der Vf. meint, dass es „in die freie Hand des Dichters gestellt" sei, „wie er seinen Gesinnungsstoff behandeln will (!)", ob er „vor allem die praktische Wirkung fest im Auge behalten, oder ob er auf ihre Kosten die poetischen Elemente in der einen oder der anderen Weise schärfer hervortreten lassen will". Darnach hätte wohl Goethe so dichten können, wie Schiller, wenn er nur gewollt hätte, und umgekehrt! Einzig und allein „dem Kirchenlied ist der Zweck im voraus bestimmt, und wer für die Kirche dichten will, muss sich durch ihn gebunden fühlen". Er darf nicht „Formen den Eintritt in sein Gedicht gestatten", die seine Wirkung aufs reale Gefühl und damit auf den Willen schwächen könnten, ihm ist alles verschlossen, was einer Annäherung an die echte Lyrik ähnlich sieht; er muss sich im wesentlichen für seine poetischen Bedürfnisse damit begnügen, was das Kirchenlied an ethischer Lebendigkeit notwendig hat. Nur der kirchliche Zweck zieht diese Schranken, die fallen, sobald es sich um die religiöse Lyrik handelt. Ihr weist M. alles zu, was „infolge einer individuelleren Fassung oder einer grösseren Fülle poetischen Schmucks nicht mehr unter das Kirchenlied gerechnet werden kann und doch durch seine grössere oder geringere Erbaulichkeit von der echten Lyrik geschieden ist". Meiner Ansicht nach geht der Vf. in seinen Auseinandersetzungen von einem ganz falschen Prinzip aus, indem er die Gesinnung als Einteilungsgrund wählt; sie wird in den Gedichten allerdings fühlbar werden, aber wie die Tonart in der Musik, wie sich die „Stimmung", dies Wort im Sinne der Psychologie gefasst, fühlbar machen wird. Der Dichter wird nicht dichten, „um sich zu erbauen", sondern getrieben durch Erlebnisse, die eine erbauliche Wirkung in ihm hervorrufen; auch der echte Kirchenliederdichter wird nicht dichten, um zum Gottesdienste Lieder zu machen, sondern hingerissen durch das Erlebnis, das ihm im Gottesdienst entgegentritt. Wenn M. das Busslied von Mörike „Wo find ich Trost?" zur reinen Lyrik rechnet, weil es einem individuellen Anlass entstammt, individuellen Gefühlen Ausdruck leiht, dagegen Luthers ergreifendes Gedicht „Aus tiefer Not schrei ich zu dir" aus der reinen Lyrik hinaus in die Mischgattung der Gesinnungslyrik weist, weil es nicht aus individuellem Anlass entstammt, weil es einer „Gesinnung" Ausdruck giebt, so muss er einen ganz anderen Eindruck von den Gedichten empfangen haben als ich; mich bewegt und ergreift nicht die Gesinnung, sondern das tiefe Gefühl der Zuversicht zur Gnade Gottes, die echt lyrische Hoffnung mit ihrer kindlich reinen Demut; nicht Gedanken, sondern Gefühle rufen die Wirkung des Liedes hervor, so dass ich nicht anstehen würde, das Gedicht zur Gefühlslyrik zu rechnen. Ganz im Gegenteil treten mir im Gedichte Mörikes die Zweifel, die Gedankenqualen entgegen, die Ueberlegungen: warum bin ich traurig, weil ich wieder böse Lust empfangen. Von einem Gedankenerlebnis geht Mörike, von einem Gefühlserlebnis Luther aus, nicht einen Augenblick erscheint mir die Zuweisung der beiden von M. verglichenen Gedichte zweifelhaft. Seine ganze Betrachtung wird schief, weil er auf einem falschen Standpunkte steht und die unbewusste Thätigkeit des Dichters gar nicht ins Auge fasst. Grundsätzlich möchte ich die sogenannte Gesinnungslyrik verwerfen, weil uns ihre Annahme nicht zu klarerer Einsicht in das Wesen der Lyrik verhilft, sondern in Widersprüche verwickelt. Dabei soll nicht geleugnet werden, dass gerade M.s Heft zur richtigen Erkenntnis dieser Widersprüche beiträgt. — Sorgsam, aber nicht ohne Lücken und Missverständnisse hat H e l l m u t h 1 9 5 ) die Veränderungen nach 4°. 28 S. (Vgl. JBL. 1892 I 11: 117.) — 195j E. H e l l m u t h , Beitrr. z. lyrischen Technik Platens, gewonnen auä d. Um-

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ihrem mutmasslichen Anlasse zusammengestellt, die Platen an seinen Gedichten durchführte; sie suchen den Wohlklang zu erhöhen, indem sie Konsonantenwie Vokalhäufungen tilgten und den Reim (Vollreim, Allitteration, Assonanz) reiner machten, sie wollen den Versbau genauer zum Ausdruck bringen, Versehen gegen die Sprachrichtigkeit, gegen die Klarheit beheben, Wiederholungen vermeiden oder grössere Angemessenheit erzielen; an einigen Gedichten wird dargethan, wie Platen vollständige Umbildung vornahm. Die Auffassung des Hiatus verrät des Vf. Unbekanntschaft mit Scherers Abhandlung, lässt auch Vollständigkeit vermissen (vgl. Redlichs Ausgabe 1, S. 727), dafür entschädigen nicht unbedeutende Berichtigungen und Ergänzungen des textkritischen Apparates in der Hempelschen Ausgabe, die sich aus der sorgsamen Ausnutzung der Quellen ergaben, besonders sei hervorgehoben, dass die „Neuen Ghaselen" nicht 1824, sondern 1823 erschienen. Auffallend ist das harte Urteil H.s über „das einzige Platensche Gedicht, dessen Scherer in seiner Litteraturgeschichte lobende Erwähnung thut" (Die Liebe hat gelogen); der Vf. sagt, es sei „mehr der Form als dem Inhalte nach gelungen, da es nur eine gereimte Schilderung eines Gemütszustandes" biete, während ihm „gehaltvolle Gedanken fehlen", so dass es nicht „für sich selbst", sondern nur „als Einlage in einen dramatischen Text" wirken könne. Wie soll eine Einigung über ästhetische Dinge möglich werden, wenn der eine Aesthetiker von einem Lyriker verlangt, was der andere ihm strenge verbietet, und wenn die Geschmacksurteile sich direkt widersprechen! t 9 6 ) — E p i g r a m m und E l e g i e als Gelagepoesie hat uns R e i t z e n s t e i n 1 9 7 ) erkennen gelehrt. Er verfolgt die allmähliche Umbildung der Dichtungen, bis die Elegie „eine allgemein angenommene und geübte Form der Gelage-Unterhaltung, Volkslied" wird; er zeigt, wie die Verschmelzung des Gelage-Liedes mit der „Aufschrift" zu einem ytvos sich vollzieht, und entwirft eine Geschichte des Epigramms; auch die Bukolik mit ihren Streitliedern sieht er als eine Wiederspiegelung der Gelageunterhaltungen an, hier in Uebereinstimmung mit der allgemeinen Ansicht. Das umfangreiche Werk verfolgt ausschliesslich philologische Zwecke, dringt energisch in die verschiedenen Fragen ein, aber auch die Poetik kann aus Einigem, besonders der Schilderung des Epigramms, Nutzen ziehen. — A v e n a r i u s 1 9 8 ) sucht in seiner Dichtung „Lebe!" das Beispiel „einer grossen lyrischen Form", „etwas von neuer Art" zu geben, „bei der wie bei Drama und Epos zu der Wirkung der Teile eine Wirkung der Beziehungen zwischen den Teilen" tritt. Da die lyrische Dichtung „zum Gegenstande im eigentlichen Sinne nur den Menschen haben kann, der in ihr spricht", so musste auf die Darstellung des Helden alle Kraft verwendet werden, ohne Neben gestalten selbständig hervortreten zu lassen. — E u g e n W o l f f 1 9 9 ) hält dieser freiwilligen Beschränkung entgegen, dass eine solche Auflösung jeder festen epischen Form zur rein-seelischen, abstrakten und gestaltenlosen Darstellung führe. Zwar versteht er aus der Tendenz der litterarischen Entwicklung, das Vorgehen des Dichters, kann es aber nicht gutheissen. Dagegen findet er eine andere bedeutsame Seite an der von ihm sehr gerühmten Dichtung, den Versuch, eine modern germanische Versform, entsprechend dem Geiste der germanischen Poesie, zu schaffen, durch reichen Wechsel des Rhythmus das Charakteristische, Bezeichnende statt des bloss Gefälligen, Harmonischen zu geben. Indem aber Avenarius das Innere seines Helden sich lyrisch entfalten lassen wollte, musste er darauf Bedacht nehmen, die verschiedenen Stimmungen in entsprechender Form, in lyrischer Bewegtheit, nicht in dem gleichmässig ruhigen Gange des Epos zum Ausdruck zu bringen. Was Avenarius bei seiner Dichtung vorschwebte, das lässt sich am besten mit den Worten Schillers aussprechen: „Mir deucht, dass diese Gattung dem Poeten schon dadurch günstig sein muss, dass sie ihn aller belästigenden Beiwerke, dergleichen die Einleitungen, Uebergänge, Beschreibungen etc. sind, überhebt und ihm erlaubt, immer nur das Geistreiche und Bedeutende an seinem Gegenstand mit leichter Hand oben wegzuschöpfen." Ob das nun freilich „eine neue poetische Form" oder ein lyrischer „Cyklus" ist, kann dahin gestellt bleiben, jedenfalls wird sich solche Lyrik stark dem Epischen nähern. 200 " 201 ) — Was die E p i k betrifft, so hat W e d d i g e n 2 0 2 ) über die Fabel ungewöhnlich seicht, ohne die neueren litterarhistorischen Arbeiten zu kennen, die Ansicht Lessings und Jakob Grimms zusammengestellt, dann auf 2'/ 4 Seiten ganz äusserlich verglichen, tun Lessings und Gellerts Fabeln als berechtigt darzuthun und nach einem sehr arbeitnngen seiner Gedichte. Progr. d. Realgymn. Crefeld. 4°. 40 S. — 196) X I' H ö l s c h e r , L. Chevalier, Ballade (vgl. JBL. 1892 I 11:120): A9NS. 91, S. 466. - 197) R. R e i t z e n s t e i n , Epigramm n. Skolion. E. Beitr. 7,. Gesch. d. alexandrin. Dichtnng. Giessen, J. Kicker. VIII, 288 S. M. 6,00. — 198) F. A y e n a r i n s , Lebe! E. Dichtung. L., 0. K. Beisland. 100 S. M. 2,00. — 199) E n g . W o l f f , E. neue poet. Form?: Geg. 44, S. 312/3. — 200) O F. L e c h l e i t n e r , D. dtsch. Minnesang. E. Darstell, seiner Gesch., seines Wesens u. seiner Formen. 2 Bde. Wolfenbftttel, J. Zwissler. XV, 402 S.; HI, 424 S. II. 10,00. — 201) O i d . , Bnoh d. Minnelicder (vgl. JBL. 1898 I 3:186). ebda. 120, 147 S. M.3.00. — 202) 0. W e d d i g e n , D. Wesen

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chaotischen Verzeichnis der Fabeldichter dieser Gattung neues Leben zu wünschen. Es ist wunderlich, dass „ein Kämpfer von 1870—71 und ein Poet" (S. 6), ein Doktor und Oberlehrer (S. 1) mit solchen Flachheiten öffentlich aufzutreten wagt. — Unzufrieden mit der Lessingschen Definition versucht Hafner 2 0 3 ), der recht ansprechend Fabel, Märchen und Sage vergleicht, eine neue, freilich „ohne irgend welchen Anspruch auf richtige Lösung": „Die Fabel ist eine erdichtete Erzählung, in welcher eine allgemeine Lebenswahrheit (Regel der Lebensklugheit) in einem besonderen Falle unter einmaligem Fortschritt der Handlung veranschaulicht wird." Diese Definition ist im ganzen gewiss nicht unrichtig, nur noch nicht scharf genug; der Vf. erläutert sie nach allen Seiten hin, bespricht die Einteilung, die Geschichte der Fabeldichtung, endlich die pädagogische Bedeutung der Fabel schlicht und bescheiden, aber verständig. An Missverständnissen fehlt es freilich auch bei ihm nicht; da wird noch von der Tiersage nach der Ansicht Grimms gehandelt, da fehlt z. B. Babrios in der Geschichte der Fabel vollständig. — Viel ernster hat Noelle 2 0 4 ) das Thema gefasst, indem er nur eine Monographie über die Lafontaineschen Fabeln giebt; er weiss genau, dass die Fabel auch zur Lyrik gerechnet werden kann, er macht gute Bemerkungen über das Didaktische und die sogenannte didaktische Poesie, er kennt die neuere Litteratur und kann als ein verlässlicher Führer bezeichnet werden. Trefflich ist das, was er anführt, um zu zeigen, dass Lessing als Dichter von Fabeln sich keineswegs an seine Theorie gehalten habe; einleuchtend sind die Beispiele von Fabeln, in denen keineswegs der feststehende Tiercharakter die Wahl etwa des Frosches bedingt hat. Seine Vergleichung der Lafontaineschen Dichtungen mit ihren Quellen ist lehrreich, der Anhang mit Proben eigener, wohlgelungener und Catelscher Uebersetzungen, wie mit einer Auswahl Fröhlichscher Fabeln willkommen. Die Arbeit überragt das Durchschnittsmass der Programme um ein Bedeutendes.205) — Ueber die Idylle vermag S c h n e i d e r 2 0 6 ) nichts Neues vorzubringen. Er leitet ihr Wesen aus dem Vergleiche Theokrits, Gessners, Bronners, Vossens und Goethes ab, rechnet sie teils der epischen, teils der dramatischen, teils einer „eigentümlichen Verschmelzung" von epischer und dramatischer Dichtung zu, weil er ganz einseitig auf die Darstellungsform achtet, und bestimmt ihre Stoffe. „Der Grundcharakter der Idylle ist die Abgezogenheit von dem öffentlichen und bewegten Leben." Handlungen sind von ihr nicht ausgeschlossen, wohl aber grosse und bedeutende. Detailmalerei, Schilderung von Empfindungen, die Ausführung von Betrachtungen, Natur- und Landschaftsbeschreibungen sind Folgen der zurücktretenden Handlung. Die Personen gehören meist ländlichen Verhältnissen an; Vorliebe für gutartige Charaktere, für glückliche Lebensverhältnisse, heiterer Ton, humoristische Behandlung sind der Idylle eigen. Die angehängte Geschichte der Idylle nimmt es denn doch mit der Chronologie etwas zu wenig genau; hervorgehoben sei besonders die Würdigung Bronners. Dem Vf. fehlt die nötige Klarheit, er versucht nicht einmal die Idylle vom idyllischen Epos zu scheiden, sondern nimmt Hermann und Dorothea ruhig als Idylle hin, während er Hebbels „Mutter und Kind" gar nicht nennt. In seiner „Geschichte" sucht man vergebens nach dem Namen Mörike, um nur einen der bedeutendsten zu nennen. Mit solchen Arbeiten ist niemandem gedient. 20 '" 210 ) Unter allen Dichtungsgattungen nimmt das D r a m a die Forschung am meisten in Anspruch. Walzel 2 * 1 ) stellt in Lipps Schrift besonders die negativen Seiten hoch und erhofft eine reinigende Wirkung von ihr; er billigt die Verwerfung der „poetischen Gerechtigkeit", nur wünschte er, dass von der Wissenschaft gezeigt werde, „wo man aus ästhetisch-kritischer Kurzsichtigkeit die poetische Gerechtigkeit mit Unrecht supponiert hat, und wo die Dichter mit Bewusstsein poetische Gerechtigkeit in ihren Schöpfungen haben walten lassen", weil sie unter dem Einflüsse der falschen Theorie standen. Darin steckt eigentlich der Tadel, dass Lipps Tragödien verschiedener Art zusammengeworfen habe. — Diesen Vorwurf hat Lipps von anderer Seite schon erfahren: V a l e n t i n 2 1 2 ) hat ihn aus Anlass seines Schlusswortes im Streite mit Lipps neuerlich erhoben. An sich wäre der Streit nicht zu bedauern gewesen, hätte sogar im Gegenteil zur Klärung unserer Ansichten beitragen können, n. d. Theorie d. Fabel n. ihre Hauptvertreter in Deutschland. L., Beuger. 34 S. M. 0,75. |[BLU. S. 510/1; B. M. H e y e r : DLZ, S. 1078.]| — 2 0 3 ) G. H a f n e r , D. Fabel, ihr Wesen, ihre geach. Entwicklang u. p&d. Verwertung: NB11EU. 22. S. 1-31. — 2 0 4 ) A. N o e l l e , Beitrr. z. Studium d. Fabel. Hit bes. Berücksichtig. Jean de la Fontaines. Nebst vergleich. Texten u. metrischen Verdeutschungen. Progr. Kuxhaven (Selbstverl.). 4". 57 S. M. 2,50. (S.u. I V 6.) — 2 0 5 ) X Alb. Fischer, Lessmgs Fabelcbhandlungen. Krit. Darstellung (vgl. J B L . 1891 IV 7 : 4 1 ) : 0 . F. W a l z e 1: ZÖG. 44, S. 136/8. (S. u. I T 6.) — 2 0 6 ) G u s t . S c h n e i d e r , Ueber d. Wesen und d. Entwicklungsgang d. Idylle. Progr. d. Wilhelms-Gymn. Hamburg. 4°. 36 S. — 2 0 7 ) O J o s . K a s s e w i t z , Darlegung d. dichterischen Technik u. litterarhist. Stellung v. Goethes Elegie „Alexis u. Dora". L , Fock. 27 S. M. 1,00. (Vgl. IV 8c.) — 2 0 8 ) O A u g u s t e G r o n e r , D. Moral in unseren Märchen: WienTBl. N. 260. — 2 0 9 ) O D. Kolportage-Romane mit ihTen verheerenden Wirkungen: StML.45,S. 533/7. — 210) X P r o s o h , H. Prodnigg, Geetbes Wilh. Heister (vgl. J B L . 1892 IV 1 0 : 3 0 ) : ZÖG. 44, S. 934/5. (Nur referierend.) - 211) Th. Lipps, Tragödie (vgl. J B L . 1891 I 3 : 1 4 2 ) . |[0. F. W a l z e l : ZOG. 44, S. 132/6; A. C h u q u e t : BCr. 35, S. 216.JI - 212) V. V a l e n t i n , Tragödie,

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leider hat er aber eine Wendung genommen, die mit der Sache nichts mehr zu thun hat, sondern zu rein persönlichen Angriffen und Gegenangriffen führte. Darum können wir von dem Schlusswort absehen, es handelt sich darin doch nur um die Frage, ob Lipps Valentin und Valentin Lipps richtig oder falsch verstanden, wiedergegeben und citiert habe. Man kann aber vielleicht behaupten, dass die beiden Aesthetiker darum so sehr die Ruhe verlieren, weil sie sich im Grunde sehr nahe stehen, viel näher als sie gegenwärtig fühlen.213) — Einen wichtigen Beitrag über das Tragische214"219) hat H. F. M ü l l e r 2 2 0 ) gegeben, indem er dabei auch nur die Tragödie vor Augen hat. Wie Richter (vgl. JBL. 1891 I 3 : 149; 1892 I I I : 136) ist er durch Günthers „Grundzüge der tragischen Kunst" zum Widerspruch gereizt worden, und er hat schon in einem Aufsatze „Was ist tragisch? Zugleich ein Wort für den Sophokles" (Blankenburger Schulprogr. 1887) gegen die Ansicht Günthers Stellung genommen, dass sich Sophokles nicht mehr auf der Höhe der tragischen Kunst zu halten vermochte, die Aeschylus erreicht hatte; dieser Aufsatz eröffnet „ohne wesentliche Aenderungen" die neue Arbeit M.s (S. 7—107). Mit aller Schärfe, mit überzeugenden Gründen und eingehender Erörterung aller wichtigen einschlägigen Fragen bekämpft er Günthers „Kriminalrichterstandpunkt", die unglückliche Theorie der tragischen „Schuld" und entsprechenden „poetischen Gerechtigkeit". Diese ganze Theorie ist ihm „eine Absurdität", nach Goethes Ausdruck. „Unsere Schicksale sind die Folgen unserer Handlungen, die Handlungen Folgen der Leidenschaften, die Leidenschaften Folgen des Charakters. Und der Charakter? . . . Den Charakter kann doch der (dramatische) Dichter nicht weiter motivieren, er entfaltet ihn nur nach allen Seiten, und gelegentlich thun wir auch wohl Einblicke in das Werden desselben; aber aus dem Charakter motiviert der Dichter die Leidenschaften und Handlungen mit ihren Folgen." M. betont mit Nachdruck, dass die Poesie „keine angewandte Moral oder praktische Theologie" sei, trotzdem der Dichter auf der lebendigen Erkenntnis des Guten und Heiligen fusst, wie wir selbst ein Allgemeinbewusstsein von den religiösen und sittlichen Grundlagen des Lebens haben. Die „sittliche Weltordnung", von der wir reden, können wir aber mit unserem Denken nicht begreifen, sie bleibt etwas Wunderbares, Rätselhaftes; Goethe nennt es das „Dämonische", Schiller das „Schicksal". Auch in der Tragödie sehen wir wohl, wie alles sich nach strengen Gesetzen fügt, wir sehen eine hohe Gerechtigkeit walten, aber die letzten Gründe der Erscheinungen aufzudecken, vermag auch der Dichter nicht. Er will Menschen und Menschenschicksal darstellen, „leidenschaftliche, im Wollen und Handeln energische Menschen, die in gefährlichen Lagen und harten Kämpfen stehen und in solchen Gefahren schwer, ja tödlich leiden, eben weil sie trotz aller Grösse doch Menschen, nur Menschen sind und als solche schuldig werden". „Der kämpfende, leidende Held ist grösser und besser als wir, wir sympathisieren mit ihm, wir bewundern und lieben ihn trotz seiner Schwächen und Gebrechen; darum fürchten wir für ihn, wenn die Gefahr hereinbricht und das Unglück sich über seinem Haupte zu entladen droht, für ihn und für uns, die wir uns ihm geistesverwandt fühlen und in gleicher Lage Gleiches thun und Gleiches leiden würden." In dem interesselosen Anschauen, in der „kausalitäts- und willensfreien Kontemplation" liegt „etwas Erhebendes und Befreiendes". Weil die Güntherschen Gesetze der tragischen Kunst „thatsächlich kaum auf ein Zehntel unserer Tragödien und auch auf diese nur wie die Faust aufs Auge" passen, verwirft er sie. Er bespricht, worin der Unterschied zwischen dem Tragischen und dem Traurigen besteht; das Drama beginnt, wo wir uns wehren und aktiv auftreten, die Tragödie, wo wir kämpfen und in diesem Kampfe scheinbar oder wirklich unterliegen. Die Tragödie zeigt uns also „den Menschen im Zustand des Leidens, aber zugleich thätig in der Bekämpfung des Leidens, im Kampfe mit den inneren und äusseren Feinden, also mit den Leidenschaften, dem physischen Zwang und dem Schicksal, d. h. hier moralischer Notwendigkeit". Die Tragödie bezweckt die Erregung eines ganz bestimmten Affekts im Hörer, das Tragische unterscheidet sich aber auch durch den Eindruck, den es in unserem Gemüt zurücklässt, vom Traurigen. M. geht auf Furcht und Mitleid, im Anschluss an J. Bernays auf die Katharsis ein, deckt die Uebereinstimmung Goethes und Geibels mit dieser Deutung der Katharsis auf und formuliert das Wesen des Tragischen gegenüber dem Traurigen durch folgende drei Merkmale: Das tragische Leiden muss aus Lebenslage, Natur und Charakter des Leidenden folgen, auch die wissenschaftl. Kritik u. Unfehlbarkeit. E. Sohlusswort: ZVLR. 6, S. 160-87. (Vgl. JBL. 1892 I 11 :123/5.) — 213) O P. C a u e r , Physiologie n. Ethik im Streit um d. TragSdie: PrJbb. S. 23-34. — 214) X M - Brasoh. D. Wesen u. d Formen d. dramat. Dichtung (vgl. JBL. 1892 I 11:129). [BLU. S. 159; R. II. M e y e r : DLZ. S. 727/8-]] — 215) X R - Franz, Aufbau d. Handlung (Tgl. JBL. 1892 I 5 :15; 11:130): Paedagoginm 15, S. 273/4. - 216) X R - M W e r n e r , H. Gartelmann, Dramatik (»gl. JBL. 1892 I 11:128): DLZ. S. 122/3. - 2171 O H. I r v i n g , The drama. Adresses. London, W. Heinemann. 12". Sb. 3/6. |[A. W.: AZgB. N. 20.]| — 218) O R. D o u m i c , Le théâtre d'idées: SPL. 1, S. 236/8. — 219) O W. L C o u r t n e y , Dramatic criticism: ContempR. 64, S. 691-703 — 220) H. P. M ü l l e r , Beitrr. z. Verständnis d. trag. Kunst. (=r Aufsätze

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Verhältnisse müssen natürlich und einleuchtend sein; der tragische „Held" muss kämpfen gegen das drohende Unheil; das Tragische hat die speciflsche Wirkung, die Aristoteles Ueos «aï yößos genannt hat, Mitleid und Furcht, nicht „Rührung und Erschütterung". Das „eigenste Gebiet des Tragischen" beginnt da, „wo die Zwiespältigkeit des Menschen- und Weltwesens ins Bewusstsein tritt". M. unterscheidet die Tragödie des sittlichen Konflikts, die Charaktertragödie und die Schicksalstragödie, weil der Held mit dreierlei Feinden im Kampfe liegen kann, mit den Leidenschaften, mit der physischen Notwendigkeit und mit dem Schicksal d. h. der moralischen Notwendigkeit. Unter Schicksal versteht er also nicht etwas an eine blinde Naturkraft Erinnerndes, sondern den technischen Begriff für das tiefere Weltgesetz, „welches die Tragödie enthüllen soll und je nach der religiös-sittlichen Persönlichkeit des Dichters, seiner Weltanschauung gemäss, enthüllt"; ein Teil des Schicksals ist also in das Innere des Menschen verlegt. Er nennt demnach Schicksalstragödie eine Tragödie, „bei welcher der sinnliche Schwerpunkt nicht sowohl in der Leidenschaft und dem Charakter der handelnden Personen als in dem Gange der Handlung d. h. hier des Schicksals oder der sittlichen Notwendigkeit liegt". Ohne Schuld und Fehler geht niemand durchs Leben, die tragischen Personen haben ihr Leiden „verschuldet, aber nicht verdient". Das wird an einigen Tragödien, besonders anziehend an der „Jungfrau von Orleans" erwiesen. Noch näher geht M. auf das Verhältnis von Schuld und Sühne im zweiten Aufsatze „Die Orestie des Aeschylus und Goethes Iphigenie" (S. 109—62) ein, nachdem er schon im ersten die Zusammengehörigkeit dieser Werke beiläufig dargethan hatte. Die Entsühnung eines frevelnden Geschlechtes in beiden Werken bietet den Vergleichspunkt; in einer Analyse der Trilogie zeigt M., dass bei Aeschylus Orestes nur das Objekt im Streite der älteren und jüngeren Götter ist, dass die Rechtfertigung nur objektiv, nicht auch subjektiv stattfindet, und dass uns darum ethisch und psychologisch der Ausgang der Oreetie nicht befriedigt; es wird wohl das Sühnopfer gebracht, die Göttin Athene spricht Orestes frei, aber die Versöhnung des eigenen Herzens für Orestes sehen wir nicht. Es fehlt also der Läuterungsprozess von unseliger Zerrissenheit zu dauerndem Frieden im Gemüte des gotterwählten Rächers und Retters. „Die Sehnsucht nach Erlösung, nach Sühne der Schuld und Versöhnung war in den tiefsten Geistern des Altertums lebendig; wie der sündige Mensch Vergebung empfängt und damit den Frieden seiner Seele erlangt, das weiss selbst ein Aeschylus nicht zu sagen. Aber Goethe weiss es." Die Liebe der Schwester vollbringt das grosse Werk, die Liebe, die sich in Mitleid und herzlichem Erbarmen äussert; mit Kuno Fischer spricht M. „von einem stellvertretenden Leider". Orestes aber kann entsühnt werden, weil erst in ihm das Schuldbewusstsein, die Reue, die Gewissensangst erwachen, die bisher im Hause der Tantaliden schliefen. Die reine Menschlichkeit bewirkt durch die Macht der Persönlichkeit endlich die Entsühnung des Bruders und damit des ganzen Geschlechtes. Das ist allerdings ein christlicher Zug, und so fasst M. sein Urteil in die Schlussworte zusammen : „So hoch das Christentum über dem Heidentum steht, so hoch erhebt sich Goethes Iphigenie über die Orestie des Aeschylus." — Anders hat Kalischer 2 2 1 ) gleichzeitig diese griechische Trilogie betrachtet, um darzuthun, dass ihre Komposition „das wirkliche, echte Wesen des Tragischen zur Erscheinung bringt". Nach ihm kann sich das Tragische nur in zwei Hauptrichtungen offenbar machen. „Der leidenschaftlich willensvolle Mensch kann sein eigenes äusseres Ich auf Kosten der Mitmenschen ungebührlich betonen, so dass diese in unverdienter Weise mit Unrecht leiden müssen. Der von einer derartigen Leidenschaft ergriffene Willensmensch kann jedoch nicht davon loskommen, er muss — einem Dämon folgend — sein lediglich egoistisches Ziel zu erreichen trachten." Darin hätten wir den subjektiv tragischen Menschen, der wohl auch der „unedel Tragische" genannt werden könnte: Macbeth, Richard III., Medea, Nero, Agrippina wären Vertreter dieser Art dés Tragischen. Anders die „objektive tragische Persönlichkeit". „Hier tritt uns ein Menschengeist entgegen, der bei ausserordentlicher Thatkraft mit Leidenschaft nur dem Edlen, Guten, Selbstlosen in der Welt ergeben ist" und dafür leidet; ëin Sokrates, Christus repräsentieren uns ein solch edel Tragisches „in höchstem Masse". Man könnte Tragödien mit Helden, die sich aus Liebe zur Menschheit aufopfern, „christartige oder christgeistige" nennen. In der vorchristlichen Zeit sind der Prometheus des Aeschylus und die Antigone solche „messianische tragische Charaktere". Den Nachweis, dass in der Orestie nun wirklich die Sühne des Geschlechtes auch innerlich erfolgt, muss K.' allerdings schuldig bleiben. — Der dritte Aufsatz Müllers 2 2 1 ") „König Oedipus von Sophokles und Schillers Braut von Messina" dreht sich um das Verhältnis von Schicksal und Schuld, eigentlich Ii. Vortrr. via verschied. Wissensgebieten. VIII. Bd.) Wolfenbattel, Zwissler. 273 S. M. 3,00. — 221) A. Chr. K a l i s c h e r , P. Oresteia i . Aeschylos n. d. Tragische: NftS. 85, S. 57-84. — 221a) (S. o. N.220, S. 163-214.) - 222) M. S o h n e i d e w i n ,

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um das schuldlose Leiden als Folge des Schicksals, des Verhängnisses. Die Ausführungen verfolgen den Zweck, das Unsinnige der Behauptung zu erhärten, einem Dichter sei der Name des Tragikers abzusprechen, wenn in seinem Werke das „adäquate Verhältnis von Schuld und Strafe" nicht zu erkennen sei. Besonders kann die Analyse der „Braut" gerühmt werden. Weniger ergebnisreich ist der letzte Aufsatz „Euripides Hippolytos und Phädra von Racine", eine ruhige Vergleichung beider Dramen, hauptsächlich um darzuthun, dass selbst dort, wo ein Dichter die „poetische Gerechtigkeit" durchführen wollte, wie hier Racine, dies unmöglich ist. M. hat sich ganz enthalten, auf das neuere Drama einzugehen ; trotzdem lässt er sein Urteil durchfühlen. Die philosophischen Fragen, Freiheit, Verantwortlichkeit dagegen hat er, so weit wie nötig gestreift. — Auch S c h n e i d e w i n 2 2 2 ) findet in der „poetischen Gerechtigkeit" nicht das Wesentliche der Tragödie, freilich aus anderen Gründen als Müller; ihm erscheint die Verletzung unseres Gerechtigkeitsgefühls in manchen Tragödien, d. h. also das Missverhältnis zwischen Schuld und Strafe, gerade als die tragische Empfindung. Dadurch wird gleichsam der Schleier von den Ungerechtigkeiten des Lebens hinweggezogen, und die Aufgaben des Kampfes gegen das grosse Weltübel, gegen das Ungerechte im Weltlauf insbesondere, werden hell erleuchtet in ihrer Notwendigkeit. Dass Sch. dies noch ästhetisch-scheinhafte Empfindungen nennt, will mir nicht einleuchten, wie überhaupt der ganze schwerfällige Aufsatz recht wenig befriedigt. — Von einem ganz richtigen Standpunkte beurteilt die Frage der Schuld und Gerechtigkeit S t a r a 2 2 3 ) in einem Buche, dessen zwiespältiger Charakter eine ruhige Schätzung ganz unmöglich macht. Der „em. Professor und Pfarrer i. P." stellt uns einen merkwürdigen Dualismus dar; es ist, als falle der Dorfpfarrer mit seinen groben Poltereien dem Professor fortwährend ins Wort. Sucht der Professor die Dinge ruhig als Aesthetiker zu betrachten, so hält ihm der Pfarrer sofort die gefärbten Gläser unduldsamer einseitiger Parteisucht vor. In jenem Tone, den Sebastian Brunner zum Schaden der Sache in gewissen Kreisen modern gemacht hat, ergeht sich auch St. Man könnte ein ganzes Schimpfwörterlexikon aus dem Hefte zusammenstellen, das ohne Unterschied gegen alle Dichter aller Zeiten ausgenutzt wird; da heisst ein Stück von Anzengruber „zu dumm", da hören wir von Schillers „Ignoranz" und „Unehrlichkeit", von Goethes „Albernheiten" usw. usw. Da wimmelt es von leidenschaftlichen Ausfällen einer blinden Parteiwut, während doch manches Gute, Gescheite und Beachtenswerte all den krausen, geschmacklosen, barokken Phrasen zu Grunde liegt. Als katholischer Geistlicher beschäftigt sich der Vf. mit dem Drama, legt überall den Massstab der katholischen Moral an und verschliesst sich dadurch vollständig das Verständnis ganzer Erscheinungsreihen. Bezeichnend schon, dass er die Betrachtung des Dramas im „ästhetisch-moralistischen Teil" seiner Arbeit giebt. Manches Zutreffende hat er besonders über das „Schauspiel" gesagt, ferner über die Stoffe des Dramas, freilich kommen dann wieder Behauptungen, die man für ganz unmöglich hält. Die Bezeichnung des Buches als eines „drolligen" durch K a r l W e r n e r 2 2 4 ) wird jeder Leser billigen, besonders wenn er nun noch den zweiten „ästhetisch-sociologischen Teil" (S. 179—202) beachtet, der mit den schwärzesten Farben die gegenwärtigen Zustände des deutschen Theaters abmalt, wie sie sich einem katholisch-konservativen Manne und einem „unaufgeführten Dramatiker" darstellen, wobei freilich manches richtig, wenn auch nicht neu ist. Ganz neu sind dagegen die Vorschläge, die St. zur gründlichen Behebung aller Missstände bereit hat; sie betreffen die Selbsthülfe und die Staatshülfe. Vor allem also muss das Publikum striken d. h. Stücke nicht besuchen, die seinen Grundsätzen widersprechen, und dadurch in den kleineren Städten die Theaterdirektoren zwingen, nur „gute" Stücke aufzuführen; in grossen Städten müssten sich reiche Konservative finden, die eine Bühne pachten oder kaufen, um eine Art „Musterbühne" nach dem Geschmacke des Vf. zu versuchen. Bei den „subventionierten" Bühnen raüsste der Theaterausschuss „an der Hand dieses meines Buches" dem Theaterpächter das Repertoire vorschreiben. In jeder Stadt müssten die Volksblätter „sofort eine fein geschriebene Rubrik für das Theaterwesen eröffnen und dem lesenden Volke die (häufigen) Giftblüten am Baume der dramatischen Börse ( I ) aufweisen". „Nach Durchstudieren dieses meines Buches wird sich keine bezügliche Redaktion mehr wegen einer ignorantia invincibilis entschuldigen können." Die Katholikentage hätten sich „en gros und en détail" mit der Frage zu befassen, und im Landtage oder Reichstage müsste der „ehrliche Volksvertreter" die Subventionen verweigern, „so lange er nicht Garantien dafür hat, dass den in diesem meinen Buche aufgestellten Forderungen entsprochen wird". Jeder Schauspieler müsste sich zudem, selbst auf die Gefahr der Entlassung hin, weigern, in schlechten Stücken

lieber d. „poetische Gerechtigkeit1: WeserZg. N. 16695/6. — 223) A. S t i r n , D. Dramaturgie dargest. nach kath. Grundsätzen. Aesthet-sooiolog. Untersuchungen. Wien u. L., Austria (F. Doli), III, 202 S. M. 3,00. — 224) K a r l W e r n e r , E. drolliges Jahresberichte ftr neuere deutsche Litte raturgeschiohte. IV. 27

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R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

— schlecht nach St. — aufzutreten. Damit erscheint dem Vf. die Selbsthülfe erschöpft; nun hätte die Staatshülfe einzugreifen, um eine genaue Prüfung der abgefassten Dramen zu veranlassen. Dazu hätte z. B. in Oesterreich jede Statthalterei einen fachmännisch gebildeten Referenten anzustellen, der jedes vom Dichter oder Theaterdirektor eingereichte Stück binnen vierzehn Tagen sorgfältig zu prüfen und nach Verhandlung mit dem Dichter über etwa nötige Aenderungen dem Ministerium vorzulegen hätte, wobei er sein Urteil „admittitur", „non admittitur" oder „non admittitur, donec corrigatur" sorgfältig mit Gründen zu belegen hätte. Im Ministerium miisste sich der Prozess wiederholen, wieder Prüfung (binnen vier Wochen), wieder Verhandlung mit dem Dichter, endlich Urteil. Durch das „admittitur" wäre die Aufführung in ganz Oesterreich gestattet; durch das „non admittitur, donec corrigatur" neuerliche Einreichung nach Verbesserung erlaubt, gegen das „non admittitur" hätte der Dichter, dem ja stets die Gründe des Urteils in Abschrift bekannt gegeben werden müssten, in einer eigens zu diesem Zweck gegründeten dramaturgischen Zeitschrift das Recht zu protestieren. Jedes Jahr müsstevom Staat ein Verzeichnis aller eingereichten Stücke nach den Abstufungen des Urteils publiziert werden. Die Kosten dieses Verfahrens wären dadurch zu decken, dass von jeder Vorstellung an einer öffentlichen Bühne eine Taxe (von 10 fl. herab bis zu 5 fl.) entrichtet werden müsste. Davon könnte dann an jeder Universität auch noch ein Professor der Dramaturgie angestellt werden, der aber natürlich die Aesthetik des Vf. zu vertreten hätte. In den anderen Staaten wären die entsprechenden Staatsstellen mit derselben Aufgabe zu betrauen. Ueberdies müsste noch die ganze Bühnenlitteratur nach den neuen Grundsätzen überprüft werden, was an der Hand des vorliegenden Buches mit seinen zahlreichen Urteilen über die wichtigsten Stücke nicht mehr so viel Mühe machen könnte. Man zweifelt bei den Ausführungen des Vf., ob er normal denkt, oder ob er eines jener bezeichnenden Wörter verdient, die er für andere Dichter so gern anwendet. — Gewiss wird niemand leugnen, dass die Theaterverhältnisse manches zu wünschen übrig lassen, nur haben, bisher alle Vorschläge nichts erzielt. M a r t e r s t e i g 2 2 5 ) sieht die Ursache der Schäden darin, dass die Gesetzgebung das Theater unter die Gewerbe rechnet, und erhebt nach Auseinandersetzungen über das gegenwärtige Theater, über die idealen Ziele der Bühne und allerlei politischen Betrachtungen die Forderung der allgemeinen deutschen Bühnengenossenschaft: „Heraus aus der Gewerbeordnung mit dem Theater." — N e u m a n n H o f e r 228 ) verwirft die Theatercensur, ohne Neues vorbringen zu wollen. — Das V e r h ä l t n i s d e s D r a m a s z u r B ü h n e 2 2 1 ) ist für S i t t e n b e r g e r 2 2 8 ) die Handhabe, um einzelne Forderungen an das Drama sinngemäss zu entwickeln. Der Bühne fehlt die vierte Wand, das bedingt eine Reihe von Anordnungen der Wirklichkeit, die uns den Schein der Natürlichkeit erwecken sollen; nicht volle Wirklichkeit, sondern nur eine für einen bestimmten Zweck ausgewählte kann gegeben werden. Die Illusion ist durch Konventionelles zu erreichen, für das sich drei Gesetze aufstellen lassen, das Gesetz der Perspektive, das Gesetz der Uebersichtlichkeit, das Gesetz der grösseren Intensität. Das Fehlen der vierten Wand, die Anwesenheit des Publikums, das schauen will, die künstliche Beleuchtung, die Grösse des Theaters und die Entfernung zwischen Zuschauerraum und Bühne fordern diese Gesetze; sie gelten auch für das Spiel des Schauspielers und für die dramatische Komposition. Klar und überzeugend entwickelt dies S. Die Aufführung bedingt eine Maximalgrenze für die Zeitdauer, damit Auswahl und Gliederung. Das Publikum soll den Bühnenvorgängen folgen können, daher Anfang, Mitte (Höhe) und Ende; es soll nicht ermüden, daher Abwechslung, Kontrast. Der dramatische Vorgang beachtet die drei Gesetze auch in der Charakterzeichnung und in der Sprache; besonders eine gewisse Vergröberung ist unerlässlich. Ueber den Monolog, das a-parte, die Akteinteilung und den Vorhang spricht der Vf. fördernd und polemisiert ruhig und sachlich gegen die Theoreme der Naturalisten, — Ein „Süddeutscher" 229 ) sieht den Krebsschaden des deutschen Theaters in der Uebersetzungswut, die jeden nationalen Charakter raubt, in der übertriebenen Herrschaft der Frau über das Theater wie über Belletristik, in dem Uebergewicht des Berliner Premierenpublikums, dem schon das süddeutsche Volksstück zum Opfer gefallen ist (?), überhaupt in der Centralisation des Theaters und der Vorherrschaft Berlins, dessen Kritik gleichfalls nach Paris schielt; das Theater soll deutsch und modern sein, dann wird es erziehend wirken. Vom süddeutschen Volksstück verspricht sich der Vf. nach den Bnoh: MontagsK. N. 40. — 225) M. M a r t e r s t e i g , Theater-Mancheatertum: Zukunft 5, S. 462/fi. (Vgl. IV 4 : 368.) — 2 2 6 ) 0 . N [ e n m a n n ] - H [ o f e r ] , D. Frage d. Theaterzensar: HL. 62, 8.517/8. — 227) O X F - M a n t h n e r , Z. Streit am d. Bühne. E. Berliner Tagebuch. ( = Dtsch. Schriften für Litt. u. Kunst. Her. y. E u g W o 1 f f. 2. Reihe, 5. Heft.) Kiel, Lipsins £ Tisoher. 52 S. M. 1,00. (Vgl. IV 4:115.) - 228) H S i t t e n b e r g e r , D Wahrheit anf d. Bühne E. Studie. Wien, Bauer. 34 S. M. 0,75. |[B. O p i t z : BLÜ. S. 355/6; E. K i l i a n : DLZ. S. 626/7; Grenzt. 2, S. 144; A. E. S c h ö n b a c h : Vom Fels z. Meer 2, S. 161.]| (Vgl. IV 4 : 321.) — 229) D. dtach. Theater als Erzieher. V. e. SBddentsohen. L., Keissner. 48 S. U. 0,75. (Vgl.

R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

I 12 : 230-242

Erfolgen der Schlierseer eine Zukunft des deutschen Theaters. — Den Krebsschaden des deutschen Theaters sieht N e l t e n 2 3 0 ) mehr in der Theaterkritik als in der Tlieatercensur und dem Geschmacke des Theaterpublikums. Freilich hat ein so seichter Kritiker moderner Stücke, wie der Vf. nach dein ersten Teil seines Buches ist, wenig Recht über die Theaterkritik abzuurteilen; wenn sie fehlt und irrt, so kann sie entschuldigend den Zwang rascher Berichterstattung erwähnen, während der Vf. in einem Buche, also mit Ruhe und Ueberlegung, nichtssagende, schlechtgeschriebene, wahllos durcheinander geworfene Dramenbesprechungen zusammenfasst, noch dazu unter einem irreführenden pompösen Titel. Solche Bücher verdienen den allerschärfsten Tadel. — Dagegen beanspruchen, wie W e r n e r 2 3 1 ) hervorhebt Wehls Aufsätze, die Kilian aus dem Nachlasse herausgab, auch die Beachtung der Poetik, insofern sie verschiedene dramaturgische Fragen über die Aufführung einzelner Stücke oder die Auffassung einzelner Rollen behandeln und für den Stil auf der Bühne eintreten. 232 " 234 ) — Ueber die K o m ö d i e ist nicht viel erschienen. W e i l e n 2 3 5 ) stimmt in den Tadel des Heftes von Bettingen ein. — B i l t z 2 3 8 ) hat seinen unbedeutenden Aufsatz über den Mangel einer deutschen Komödie als Prolog eigener schwächlicher Produkte neu drucken lassen. — K u m m e r 2 3 7 ) billigt den Satz: „Der Humor ist der Idealismus einer realistischen Zeit", stimmt überhaupt den theoretischen Ausführungen von Biltz bei, verurteilt aber die eigenen dramatischen Leistungen dieses Dichters. 238 ) — Einen Ueberblick über die Geschichte der O p e r giebt T r i t o n i u s 2 3 9 ), hauptsächlich um, an Wagner anknüpfend, das Verhältnis von Oper und Drama zu ergründen; er findet einen Widerspruch zwischen dem Musikalischen und dem Dramatischen, die sich in der Oper doch vereinen. Das Musikalische will Seelenzustände schildern, das Dramatische will fortschreiten. Das Gesammtkunstwerk Wagners ist undurchführbar, weil bei ihm die Musik überwiegt. Die Zukunft der Oper werde wohl ein Komproniiss zwischen der alten „Opern"- und der neuen „Musikdramen"- Form sein. — S t i e h l e r 2 4 0 ) wirft gleichfalls die Frage auf, ob die Verbindung von Musik und Drama überhaupt möglich oder richtig sei. „Dramatisch sind die starken Seelenbewegungen, die sich bis zum Willen und Thun verhärten; also die inneren Vorgänge, welche der Mensch vom Aufleuchten der Empfindung bis zum leidenschaftlichen Begehren und Handeln durchmacht; dramatisch ist das Ausströmen der Willenskraft aus dem Gemüte, nicht die Darstellung des Gemütes selbst, auch nicht die Darstellung der Leidenschaften an sich. Dramatisch ist: zu sehen, wie aus Gedanke und Gefühl die Handlung wird, und welche Reflexe aus den geschehenen Handlungen zurückfallen auf das Denken und Fühlen." Das Wesen der Musik dagegen „ist das Verinnerlichen, das Fühlen, das Sinnen, das Romantische, das Lyrische, das Ausklingen der Stimmung in schöner Form"; alles das steht also dem Dramatischen direkt entgegen. In der modernen Oper ist die Musik zur Magd der Dramatik geworden. Was der Vf. dann noch über den „moralischen" Wert des Dramas sagt, der von der Oper nicht erreicht werden könne, weil sie nur das dem Menschengeiste „Vergnügliche" vorführt, ist wohl etwas stark für unsere Zeit und darum leicht zu widerlegen. — H a u s e g g e r 2 4 1 ) kann sich eine dramatische Musik, also eine Oper ganz gut denken, denn ihm liegt der Keim des Dramas im Liede, das Drama ist ihm seinem innersten Wesen nach „gesteigerte L y r i k " ; die Handlung, insofern sie nicht das Gefühlsleben auslöst oder sich auf Gefühle bezieht, ist „ein bloss episches Element". Mit der Frage nach der Zukunft der Oper hat die Frage nach dem Werte des Wagnerschen Kunstwerkes nichts zu schaffen, die Fragestellung selbst erscheint dem Vf. falsch. — N e u e F o r m e n d e s D r a m a s zu schaffen, ist ein modernes Bestreben, das schon in dem Versuche begegnet, das Drama novellistisch zu färben. R u s t 2 4 2 ) erhofft von einer Verbindung des Dramas mit Tanz und Musik, wenn auch nicht ein neues Genre des Dramas, doch die von Schiller erhoffte Weiterbildung der Oper. In seinem Stücke wird die weibliche Hauptrolle getanzt, hat nur in einer einzigen Scene zu sprechen, wo eine vermummte Schauspielerin für die Tänzerin eintreten kann. Der Vf. will die Tanzkunst zu symbolischen Behelfen im Drama herbeiIV 4 : 3 3 2 . ) — 2 3 0 ) L. K e l t e n , Dramaturgie d. Neuzeit. Essays u. Stil dien fiber d. mod. Theater. Halle a. S., H. Peter. VII, 152 S. M. 2,40. IIB. O p i t z : BLU S. 3ä5,6.]| — 231) K. M. W e r n e r , F. Wehl, Dramaturg. Batisteine (Tgl. J B L . 1891 I 3 : 170): DLZ. 14, S. 1044. — 2321 O E. I s o l a n i , Am Seh reibtisch. Ausplaudereien. I I I . D. Personentanfe: DBfihneng. S. 73/6. (Vgl. IV 4 : 3 6 0 . ) — 2 3 3 ) X A r m i n T i l l e , D. Anachronismus: Geg 43, S. 213/5. (Fahrt einige starke Anachronismen aus alter n. nener Zeit an, manches dabei verkennend.) — 2 3 4 ) X A. t . W e i l e n , M. Nenda, D. Gerichtsverfahren (vgl. J B L . 1892 I 11 : 146): DLZ. S. 1491/2. (Vgl. IV 4 : 357.1 — 2 3 5 ) id., F. Bettingen, Kom. Drama (»gl. J B L . 1891 I 3 : 151): ib. 14, S. 1330/1. — 2 3 6 ) K. B i l t z , Dramat. Humoresken. Nebst e. Prologe: „Warum d. Deutschen keine Komödie haben.'' B„ Imberg & I.efson, 234 S. M. 4,00. |[LCB1. S. 1716; Geg. 45, S. 31».][ (Vgl. J B L . 1892 I 1 1 : 1 7 0 ; s. u. IV 4 : 356.) — 237) F. K u m m e r , Dramat. Werke: BLU. S. 555/8. — 2 3 8 ) O P. S t a p f e r , La coraedie dn hnsard: RPL. 2, S. 131/6. 2 3 9 ) T r i t o n i u s , Einiges Aber d. Oper: Kn. 6, S. 65,7. — 2 4 0 ) A. S t i e h l e n , Krit. Würdigung d. Oper als Kunstform: ib. S. 282/5. — 241) F. y. H a u s e g g e r , Nochmals: D. Oper als Kunstform: ib. S. 299-301. — 242) F. R u s t , Mutante. Dramat.

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R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

ziehen und die schönen Geberden, die verschieden sind von den charakteristischen des Schauspielers243), für das Drama nutzen. Sein Versuch ist interessant, aber freilich nur ein vielleicht durch den Jean Mayeux (Buckelhans) mitveranlasstes244) Experiment, das kaum viel Nachfolger finden wird. — Weitere Schichten hat dagegen jene neue Form erobert, die sich Psychodrama nennt; eine eigene Gesellschaft mit verschiedenen Zweigvereinen hat sich in Bremen gebildet, giebt auch eine besondere Zeitschrift „Psychodramenwelt"245) heraus. H ä h n e l , 2 4 6 ) der mit einer psychodramatischen Dichtung „Eike" grossen Erfolg hatte, unterrichtet uns im Vorworte zu einer Sammlung von Psychodramen241) des Näheren über die angeblich neue Form. Er tritt vor allem der Ansicht entgegen, dass das Psychodrama keine neue Kunstschöpfung, sondern nur eine Modernisierung bereits vorhandener Kunstformen sei. Der monologische Charakter mancher Psychodramen habe dazu geführt, dass man Monolog, Monodrama, selbst Soloscene mit dem Psychodrama verwechselt habe. F e l i x Z i m m e r m a n n s 2 4 8 ) Schilderung wird acceptiert, wonach das Psychodrama eine neue, einheitliche Dichtungsform, eigentlich eine Mischung aus dramatischen, epischen und lyrischen Grundelementen, ein Drama in denkbar einfachster, idealster (?) Ausführung sei. Es fehlt der äussere Apparat, dafür wird die Psyche zur innigsten Mitarbeit erregt. Im Mittelpunkt einer dramatisch regelrecht gegliederten Handlung steht der Psychodramenheld, in dessen Worten allein sich Wort und That aller anderen mithandelnden Personen mit greifbarer Plastik abspiegeln müssen. Zugleich lässt aber der Psychodramatiker die innere Motivierung der That zum Ausdruck kommen. Drei Gesetze gelten: 1. an der Handlung nehmen mehrere Personen teil; 2. die Entwicklung ist dramatisch, d. h. gegenwärtig, spielt sich unter thätiger Teilnahme, nicht bloss Schilderung und Erzählung des Sprechenden ab; 3. der scenische Apparat fehlt, Geist wirkt unmittelbar auf Geist (richtiger hätte es heissen müssen, es werde direkt auf die Mitarbeit der Phantasie beim Zuhörer gerechnet, also für die Phantasie gesprochen). Vom Drama, so sagt H., das Charaktere nachahmend darstellt, unterscheidet es sich, indem es das Medium eines Vorlesers braucht; nicht für die Anschauung, sondern für die Phantasie wirkt es. Damit gehört es aber nach Schillers und Goethes Ansicht vom Rhapsoden zur Epik, von der es sich jedoch dadurch unterscheidet, dass der Vortragende zugleich den Psychodramenhelden spielt, also das zu erleben scheint, was vorgeht. Mit dem Drama, so behauptet H. weiter, will es nicht wetteifern, oder dieses gar verdrängen. Es bietet nur eine einzige Form des Dialogs, für die ich in meinem Werke „Lyrik und Lyriker" die Bezeichnung „Dialog mit verschwiegener Antwort" brauchte. Begründer der „Gattung" ist Richard von Meerheimb, geboren am 14. Jan. 1825 zu Grossenhain in Sachsen; er lebt gegenwärtig der Dichtung als Oberst ausser Dienst. Am 1. Okt. 1892 hat sich eine „Litterarische Gesellschaft Psychodrama" gebildet, die in allen Kreisen litterarisches Interesse wecken und das Psychodrama pflegen will. Das Bändchen enthält von den im Titel genannten acht Dichtern und Dichterinnen 15 Psychodramen recht verschiedenen Wertes, dazu zwei Uebersetzungen ins Französische. Die ganze Gattung ist ihrem Wesen nach nicht ganz klar; so weit sich aus den vorliegenden Proben entnehmen lässt, könnte man von einer Vertiefung der Soloscene sprechen, bei der es ja auch auf verschiedene psychologische Momente ankommt, wenn nicht die Soloscene die Aufführung verlangte und das Psychodrama nur vorgelesen würde. Die strenger geschlossene Handlung, das tiefere Erfassen eines psychologischen Problems zeigen sich freilich. Das Dramatische liegt aber hauptsächlich in der Form der Darstellung, nicht im Wesen, es ist daher das Psychodrama kein Drama, sondern Epik mit dramatischer Form und starken psychologischen Momenten, wie sie der Novelle besonders eigen sind. Am nächsten käme daher das Psychodrama der IchNovelle, jedoch in dramatischer Form. Jedenfalls bieten die Dichtungen der Poetik ein interessantes Problem. — B a h r 2 4 9 ) bespricht die Versuche, die besonders in Italien und Oesterreich gemacht wurden, „eine scenische Fassung der neuen Psychologie" zu bewirken; er bezweifelt zwar weder die Berechtigung der hauptsächlich durch Ribot aufgestellten „Vielpersönlichkeit", noch das „Vermögen der Kunst", diese Aufgabe zu bewältigen, wohl aber bezweifelt er das „Vermögen der Bühne" hierzu. Dieses Vermögen hat Grenzen, darum setzt der Vf. wenig Vertrauen in die neuen Versuche^ glaubt jedoch, sie würden vielleicht, „während sie sich vergeblich Diohtnng mit Tanz in 3 Anfz. mit e. Vorbemerk. Breslau, F . Schweitzer. XVIII, 55 S. II. 0,50. — 243) X Skraup, Katechismus d. Mimik u. Gebärdensprache. Mit 60 Abbild. L„ J . J . Weber. 1892. XIV, 247 S. M. 3,50. |[E. K i l i a n : DLZ. S. 851/2; B. O p i t z : BLU. S. 355/6 ; 0 . K.: LCB1. S. 1515/6.)| (Vgl. IV 4 : 3 4 1 . ) — 244) X p - S c h i e n t h e r , Mimisches: ML. 62, S. 606/9. (Vgl. Geg. 44, S. 190/1; s. n. IV 4 : 354.) — 245) Psychodramenwelt. Mitteilongsorgan d. „Litt. GCB. Psychodrama". Beil. d. NLB11. Her. 7. F. H ä h n e l . 1. Jahrg. 4 Nrr. Bremen, Kfthtmann (G. Winter), 4 8 S. M. 1,60. — 246) F. H ä h n e l , Eike. E. psyohodrnmat. Hallig-Gemälde in freien Rhythmen. 3. Aufl. d. Sonderabdr. ebda. 1891. 8 S. M. 0,40. — 247) i d . , Fsychodramat. Dichtungen. Unter• Mitwirk. T. R. T. Meerheimb, Panline Hoffmann V. Wangenheim, E. Roeder, F. Zimmermann, W. Beoker, Alice Freiin v. Gandy o. W. Schobert (P. Merwin) her. ebda. 16". XVI, 114 S. M. 2,00. — 248) X F e l i x Z i m m e r m a n n , Psychodramen: NLB11. N. 1. — 249) H. B a h r , Psychologie u. Bühne:

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um eine neue Bühne quälen, einem Späteren die Mittel der neuen Novelle bereiten". — Für den N a t u r a l i s m u s eine Bibliographie zu schaffen, scheint entweder nicht gelungen zu sein, denn es ist ganz still von dem Plane geworden, oder aber es gelingt eben nicht die Grenzen des Gebietes abzustecken, weil der B e g r i f f des Naturalismus immer mehr schwindet und anderen Bezeichnungen der modernen Litteraturbestrebungen Platz macht. Ein Anhänger nach dem anderen fällt ab, so dass man eigentlich nicht mehr vom Naturalismus sprechen sollte, wenn man nur einen besseren Namen dafür fände. 250-252 ) A l b e r t i 2 5 3 ) erkennt dem Naturalismus und der modernen Versuchslitteratur gar nicht mehr Berechtigung zu, verlangt vielmehr Werke, die „Vorgänge des Alltags, aber vom Schimmer der Poesie, des wahren Menschentums umflimmert" behandeln. Man sieht nur nicht recht ein, warum bloss Vorgänge des Alltags poetisch umflimmert werden sollen. — A v e n a r i u s 254) geht viel mehr in die Tiefe; er sucht in seinem Ueberblick über das deutsche Kunstleben zu ergründen, wieso es kam, dass die Litteraturbewegung von Frankreich, Russland und Skandinavien auf Deutschland so sehr wirkte. Er findet, das „stoffliche Interesse" sei in den Werken eines Keller, Raabe, Storm usw. nicht ausreichend befriedigt worden, besonders die modernen Fragen hätten sich nur der Behandlung durch minderwertige Schriftsteller erfreut, wodurch diese bedeutend erschienen seien. Da jedoch das „Wie" der Darstellung bei ihnen höheren Ansprüchen nicht genügen konnte, so nahm man die deutsche Dichtung nicht mehr ernst. Dort war man mit dem Stoff, hier mit der Form nicht zufrieden, kein WTunder, dass in der Litteratur „ein geistiger Halbschlaf" zu herrschen schien. Nun kamen aber die Daudet, Zola, Ibsen, Dostojewski und zwangen ihr Publikum zu ernstlicher Beschäftigung und ernsthafter Auseinandersetzung, sie lehrten, dass auch die moderne Dichtung eine Macht sein könne. Das sei vielleicht ihr Segen. Die Jüngstdeutschen hätten nun den Fremden nachzueifern gesucht. Es bildete sich das Gefühl aus, dass „Modernes modern" behandelt werden müsse, später die Ueberzeugung, dass jeder Gegenstand modern, d. h. nach unserem Empfinden zu behandeln sei. Modern in diesem Sinne könnte auch heissen: charakteristisch, aufrichtig, ursprünglich, wahr. Damit stieg die Wertschätzung des Persönlichen in der Poesie. Darum werde aber auch die Zukunft der deutschen Dichtung von der Stärke der Talente abhängen; die künftige Litteratur werde „gesund und deutsch" sein. Auch in den anderen Künsten verlangt der gegenwärtige Zustand vom Aesthetiker, dass er sich nicht einseitig einer Partei anschliesse.255"259) — In einem wichtigen, durchaus zu billigenden, klar und angenehm geschriebenen Aufsatze sucht auch D r e s d n e r 2 6 0 ) das Wesen der modernen Litteratur aus den Ursachen zu begreifen, die sie bedingen. Er erkennt ganz richtig auch in den Verirrungen den gesunden Kern und erblickt eine sich vollziehende Klärung auf allen Gebieten. Die Aufgabe der modernen Dichtung ist, „der reinen und vollen künstlerischen Gestaltung weiter zu ihrem Rechte zu verhelfen"; die Erreichung dieses Zieles hängt zunächst von den schaffenden Persönlichkeiten ab. Die Methode ist eine andere geworden. Seit der klassischen Epoche war immer mehr die Idee, die Tendenz in den Mittelpunkt des Dramas gerückt, und gerade Sudermann hat sich an diese Methode gehalten, darum mutet uns z. B. seine „Heimat" so theatralisch an. Wir glauben nicht an den Zufall, der gerade solche Charaktere in Konflikt setzt, „mehr mit beklemmter Spannung als mit mitlebender Teilnahme" wohnen wir ihm bei; wir sehen eine seltsame, stark bewegte Historie, aber kein Drama vor uns. „Denn das Wesen des Dramas liegt doch im inneren Kampfe, in der sittlichen, charaktermässigen Entwicklung." Eine solche ist bei „orthodoxen" Vertretern einer Idee, einer Lebensauffassung nicht möglich. Wir wollen Menschen sehen, d. h. zusammengesetzte, vieldeutige, den verschiedensten Regungen zugängliche Wesen. Wir kehren wieder zu Shakespeare zurück, aber mit dem Unterschiede, dass seine Charaktere „Uebermenschen sind und übermenschlich handein", während die Gestalten des modernen Dramas „Menschen sind und menschlich handeln". Für alle Seiten des „modernen" Dramas sind Hauptmanns „Weber" das Muster. Es zeigt sich auch die gewaltige Entwicklung seit der Mitte des vorigen Jh.: „der Kunst, die einst im Leben unseres

Kw. 6, S. 23. — 250) X L. Berg, D. Naturalismus (vgl. JBL. 1892 I 11 : 194): LCB1. S. 159-60 (ablehnend). — 251) X R< M. M e y e r , F. Faber, System d. Künste (Tgl. JBL. 1892 I 11:521. — W. Bormann, Kunst n. Nachahmung (vgl. JBL. 1892 I 11:50). — P. Philipp. D. Naturalismus (vgl. JBL. 1892 1 11:186/7): DLZ. S. 401/2. — 252) X E - A d i c k e a , A. Lasson, Realismus u. Naturalismus (vgl. JBL. 1892 I 11:181): ib. S. 420/2. — 253) C o n r . A l b e r t i , Usbungen n. Werke: Zukunft 5. S. 568-72. (Vgl. IV 4:320.) — 254) [F. A y e n a r i u s ? ] , Unsere Künste. Z. Ueberblick: Kw. 6, S. 1/4, 17-20. — 255) O F. P. S t e a r n s , ' R e a l and Ideal in litt. Reply to W. D. Ho v e i l s . Boston. F. G. Cnpples Co. 1892. 12«. 229 S. Sh.7/6. — 256) O A . S a u t o u r , Idéal et Natnrulisme, à propos de roman „l'Amour de Jacques" de Ch.Fuster. Paris, Fisohbacher. [1891.] 18°. 36 S. — 257) X B i c h . F r i e d r i e h , Naturalismus heute u. sonst: BLU. S. 710/3. (Bespr. einige neuere Oedichteatnml. v. B. v. Reder, K. Henckell, G. Falke u. R. Dehmel.) — 258) O H. K u h m e r k e r , Z. Realismus in d. Litt.: Diohterheim N. 2. — 259) O II. S c h r e y e r , Realismus u. Idealismus in d. Kunst. (-- Dtsch. Nat.-Bühne 2, S. 29-42.) (Vgl. IV 4:333.) — 260) A. D r e s d n e r , D. „Moderne" im Drnm«. Z. Verständigung: Kw. 6, S. 337-42. — 261) O. J. B i e r b a u m , Nene Knnst:

I 12 : 262-267

R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

Volkes ihre angemessene Rolle als ursprünglicher Faktor gespielt hatte, . . . die ihr gebührende Stellung wiederzuschaffen." Es gilt also nicht mehr den Kampf um Idealismus und Realismus, sondern „das Bestehende anzuerkennen und sich über gemeinsame Arbeit zu seiner Läuterung und Förderung zu verständigen". Dabei muss auch die Kritik ihren Platz im Geistesleben des deutschen Volkes durch ernste Bethätigung wahren. Was besonders das Drama betrifft, so sieht D. in Hauptmann und Sudermann die zwei berufenen Führer und hervorragenden Vertreter, gesteht aber selbstverständlich Hauptmann den ersten Platz zu. „Sudermann ist weniger kühn und weniger eigenartig als Hauptmann, er schliesst sich den überlieferten Formen und Formeln unseres Dramas näher an; und daraus erwächst ihm seine eigentümliche und bedeutsame Aufgabe, dem Publikum Tdas neue Drama schmackhaft zu machen und es durch seine minder ungewohnten W erke allmählich mit dem neuen Geiste zu versöhnen." — B i e r b a u m 261~262) vertritt das Recht des Individualismus in der Kunst, er verwirft den „berühmten hedonistischen Zweck der Kunst nach alter Auslegung", denn „die herzlichste Freude" ist ihm „neben der Freude an der frischen, treuen Natur die Freude an dem Gedanken der Liebe von Mensch zu Mensch, nicht im sinnlichen, sondern im christlichen Sinne der Barmherzigkeit und des Mitleids". Er verwirft die Schlagwörter Naturalismus, Ueberwindung des Naturalismus, ihm kommt es auf „die ehrliche Kunst"263der „Selbständigkeit, der freien Individualität" an, also auf die Willkür. — S e e m a n n ) weist die Forderung Bierbaums zurück, der Künstler solle eine „Persönlichkeit" sein, weil mit diesem Worte nichts gesagt sei. Ihm erscheint der Prozess in jeder Kunst so: „Jeder Künstler, ja jede Zeit sucht sich nicht die Schönheit schlechtweg (denn absolute Schönheit giebt es nicht), sondern eine ganz bestimmte Schönheit oder Wahrheit — die ja stets zusammengehen. Auf dieser Suche nach dem Ausdruck des inneren Empfindens bilden sich die Stile, . . . die gleichsam aus der Volksseele herauswachsen. So aber sucht mit langer Mühe und emsigster Arbeit jeder rechtschaffene Künstler seinen eigenen Stil, der seiner Anlage und den verschiedenen Einflüssen, die er erleidet, entspricht. Trifft dieser Ausdruck, der unter schweren Zweifeln und Kämpfen der Seele sich entringt, auf eine verwandte Umgebung, entspricht er dem Zeitgeiste, so breitet er sich allen Widersachern zum Trotz aus und herrscht in den Seelen einer kleinen, doch stetig wachsenden Gemeinde. Bis — ja bis eine veränderte Zeitströmung einen anderen Ausdruck fordert. Dann kann zwar der mächtig gewordene Formenzwang noch eine Zeit lang herrschen, aber .ein dumpfes, allmählich stärker werdendes Gefühl treibt die veränderte Jugend unablässig an, neue Pfade zu suchen." — In Anschluss an B i e r b a u m s 2 6 4 ) Musenalmanach bemüht sich F r i e d r i c h 2 6 5 ) den Zusammenhang des Naturalismüs mit voraufgegangenen Perioden der deutschen Litteratur, also mit der dorperlichen Dichtung, mit der Richtung Christian Weises, der Sturm- und Drangperiode, der Romantik und dem jungen Deutschland aufzudecken. Neues sagt er nicht, dafür übertreibt er. — Uebertreibung ist es auch, wenn Z a b e l 266) in den modernen Künsten nur das Hässliche herrschen sieht, wobei er übrigens ganz richtig hervorhebt, dass das Hässliche, Krankhafte schon an sich auf unsere Nerven wirkt, daher es leichter zur Nervenerregung verwertet werden kann; freilich sei dieses durch den Stoff hervorgerufene Mitleid vom künstlerischen Geniessen weit entfernt. Eine kurze Geschichte der Aesthetik des Hässlichen und eine feine Würdigung von Karl Rosenkranz ist in den Aufsatz verwoben. — Historisch den Naturalismus einzureihen ist der eine Zweck eines anonymen Heftchens (von Karl Pröll?) 267 ). Hat Zabel eigentlich die Aesthethik des Hässlichen seit Lessing für die Mutter des Naturalismus erklärt, so sieht der Anonymus im Fremden den Vater, in der romanischen Brutalität Zolas, im jüdisch-undeutschen Witzeln und Spötteln Heines. Auch die von Bleibtreu begonnene Litteraturrevolution blieb international und jüdisch, wurde noch überdies „durch ein störendes Verbitterungselement" unangenehm. Dann kamen die internationalen Naturalisten, „diese abstrakten Schematiker", kokettierten mit der vaterlandslosen Socialdemokratie und Anarchie und dem Parisertum, natürlich waren auch hier wieder „die geborenen Heimatlosen, die Juden" die „allerärgsten unter diesen modernen, fortschrittlichen, internationalen Schreiern". Ihnen folgten die nervösen Naturalisten mit ihren französischen Neigungen und ihrer „jüdischen" Abstammung, bar jeder Gesundheit, jeder deutschen Kraft, Knaben, „die mit Spielereien und was das Schlimmste ist: mit unreinen Spielereien ihre Zeit vergeuden!" Wie ganz anders unsere echten alten Deutschen, Luther, die Dichter des Nibelungenliedes, der Gudrun, des Heliand, des Hildebrandsliedes, die Minnesänger, „diese germanische Lust an Wald und Gras und grünem Klee!" Die jetzige deutsche Litteratur hat „keine Seele"; sie muss national und volkstümlich, deutsch und gesund werden, nicht bloss sehen und hören, sondern auch leben, sie muss frei werden, innerlich frei, und klar, eine ML. 62, S. 476/9. - 262) O (I 11:50.) — 263) (I 11:42.) - 264) O (IV l a : 1 8 . ) — 265) B i c h . F r i e d r i c h , E. Manifest d. Modernen: BLV. S. 145,7, 161/3. - 266) E. Z a b e l , D. Herrschaft d. Hässlichen: NatZg. N. 257, 281. — 267) (IV l a : 1 2 . )

R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.

I

1 2 : 268-283

harmonisch ausgereifte Kinder- und Volksschriftstellerei im grossen. Ich glaube, diese Proben genügen völlig.— V. v o n P l a z e r 2 6 8 ) erwartet, dass der Geist des Naturalismus die wesentlichen Vorzüge der klassischen und romantischen Periode in sich aufnehmen und als höchstes Ideal der Kunst die ganze gebildete Welt in seinen Bannkreis ziehen werde. Seiner Ansicht nach ging der Naturalismus aus dem Lustspiel hervor, dessen Wesen ja „porträtmässige Wahrheit" ist; das besondere Merkmal aber bildet in jedem (dramatischen) Werke aus der Schule des Naturalismus eine „Idee". Ueber Idee und Motiv verbreitet sich der Vf. in seiner seichten, eitlen Weise noch besonders. - Ein überzeugter Anhänger des Naturalismus wie Plazer ist Fürst 2 6 "), der gleichfalls vom künftigen Siege des Prinzips durchdrungen ist. Sein Dreigestirn aber heist: „Naturforschung — Social Wissenschaft — die neue Litteratur." Er versteht die neue Richtung, in der Litteratur aus den socialen Voraussetzungen der Zeit; der Bürgerstand, in seinem innersten Wesen verändert, hörte allmählich auf, der Litteratur Anregung zu bieten, dafür regten aber die neuen Verhältnisse, die nach naturwissenschaftlich-analytischer Methode geführte Untersuchung unserer Gesellschaftszustände, zu dichterischem Schaffen an; der früheren individualistischen folgte die gesellschaftliche Litteratur und musste natürlich zu neuen Ausdrucksformen greifen. Nicht eine litterarische Revolution, sondern Evolution haben wir vor uns, nichts Hässliches und Krankhaftes, sondern Gesundes und Schaffenskräftiges. Die neue Richtung wird mithelfen an der Hervorbringung jener idealen Weltanschauung, die von der specialisierenden Naturwissenschaft bisher nicht gebildet werden konnte. F. lässt nicht gelten, dass das Neue das Gegenteil des Alten sei, er nennt es „nur die Vervollständigung und Ergänzung desselben", indem es für seine Zeit dasselbe thut, was das Alte für die seine that. Es hat „neue" Ideale, aber es hat Ideale, wie seine Vorgänger; seine neuen Ideale sucht es „aus der Herrschaft der Materie im All abzuleiten". Eigentlich sind aber die neuen Ideale nur die Verwirklichung der alten: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, es sind nämlich: „die Arbeit als die alleinige Grundlage des menschheitlichen Wohls, das Recht in seiner unbeschränkten Anwendung, das freie unabhängige, glückliche Kulturleben der Menschheit als das höchste der anzustrebenden Ziele". Den Zusammenhang der Litteratur mit den Gesellschaftseinrichtungen, die notwendige Gestaltung der neuen Litteratur darzustellen, ist der Vf. im weiteren Verlauf seines anregenden Buches bemüht. Er deutet, an, dass ein socialistischer Ausbau unserer Gesellschaft der Poesie wie der Kunst überhaupt breiteren Raum schaffen würde, er geht auf viele moderne Einrichtungen, Verirrungen und Hoffnungen ein, bespricht mit anerkennenswerter Unparteilichkeit manche Erscheinungen, vor allem Nietzsche, nur in zwei Punkten trübt sich meiner Ansicht nach sein sonst klarer Blick: er erwartet nämlich von der „Social'wissenschaft", dass sie „neue Grundlagen für das wirtschaftliche und damit für das gesamte moralische und geistige Leben der Menschheit" schaffen werde, wobei er der Wissenschaft einen jeder Erfahrung widersprechenden Einfluss zuschreibt; dann aber bezeichnet er ebenso einseitig die Aesthetiker und Litterarhistoriker als die geschworenen Feinde der neuen Richtung, was gleichfalls den Thatsachen nicht entspricht. Vielleicht könnte man auch an der Richtigkeit der Behauptung zweifeln, dass die neue Litteratur untrennbar mit der socialistischen Bewegung zusammenhänge; der Vf. steht mit sich selbst im Widerspruche, da er natürlich den mächtigen Einiluss Nietzsches auf die neuere Litteratur nicht zu leugnen vermag, obwohl die Uebermenschentheorie, die er so heftig bekämpft, im direkten Gegensatze zu der Gesellschaftstheorie des Socialismus steht. Es geht eben nicht an, geistige Strömungen aus einer einzigen Quelle ableiten zu wollen, weil ihr von allen Seiten Einflüsse zukommen. Trotzdem ragt die Schrift F.s aus der Menge solcher Tageslitteratur hervor. 270 " 211 ) — Dagegen beweist K i r c h n e r 2 1 2 ) geringes Verständnis für die neue Litteratur, er will sie litterar historisch erfassen, thut es aber nicht und hat deshalb, wie wegen seiner vielen schiefen Urteile (so stellt er z. B. „Die neue Zeit" von Voss über die „Einsamen Menschen" Hauptmanns), von allen seinen, mir bekannt gewordenen Recensenten 273 " 214 ) mit seltener Stimmeneinhelligkeit ein Verdammungsurteil erhalten.215"28®) — — 268) V. K i t t e r T. P l a z e r , Zeitgenosse Betrachtangen. L„ Ü. Wigand. 41 S. M. 0,50. — 269) H. F ü r s t , D. neuen Ideale. Evolut. Plaudereien. Dresden u. L., E. Pierson. IX, 133 S. M. 2,00. [[Pressen. N. 164.][ — 270) O M. N. ß . M o l t z e r , Anarchisme in de Kunst: NedSpect. S. 85/6. — 271) O é . P é 1 i s s i e r , Le Mouvement littéraire an XIX. siècle. 3. éd. ( = Bibl. variée.) PariB, Lecène, Oudin et Cie. 16». 387 S. Fr. 3,50. - 272) (IV l a : 7 . ) ][BLU. S.690/1 (ablehnend^; Kw.6. S.372.11 — 273) X C. F l a i s e h l e n , „Anch Einer": ML.62, S.507/9. — 274) J o s t S e y f r i e d , „Grün-" n Grau-Dentschland. E.kom.Litt.-Gesoh.: FrB. 4, S. 1009-17. - 275) X (I 1 = 60.) — 2761 X Etwas über Naturalismus: Volksbühne 2 (Deo. 18921, S. 7-11. — 277) X D. heutige Naturalismus: ib. 3 (Jan. 1893), S. 9-12. - 276) O H. B u l t h a u p t , Shakespeare u. d. Naturalismus. Vortr. : JbDShakespeareGes(Sapplement). 28, S. 4-25 |[J. R.: LZg". N. 84 (scharf tadelnd); BLÜ. S. 333/4; H. S ö h r e y e r : DNB. 2, S. 242/4.]| (Vgl. IV 4:322.) — 279) O id., Shakespeare u. d. Naturalismus. (Sonderabdr. v. N. 278.) Weimar. A. Huschke. 25 s. M. 1,00. — 260) X K T r o s t , Shakespeareolatrie u. mod. Empfinden: NorddAZg. N. 312. (Gegen Bulthaupts Aufsatz N. 278.) — 281) E. Ko U b a c h , D. Naturwahrheit in d. mod. realist. Litt.: KZED. S. 154-60. — 282) X M. K e i b e l , D. Religion u. ihr Recht gegenüber d. mod. Moralisions. L„ C. E. II. Pfeffer. 1892. VIL 85 S. U. 1,50. |[A. F i s e h e r - C o l b r i e : ÖI.B1. 2, S. 163/4JI — 283) X K l e i n , Nouvelles tendances en religion et en littérature. Paris, Leeoffre. XL1II, 303 S.

I 12 :284-291

R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

Das Verhältniss von Moral und N a t u r a l i s m u s stellt Wille 284 ) dar mit Rücksicht auf eine Schrift von Adolf Gerecke „Die Aussichtslosigkeit -des Moralismus" (Zürich, Schabelitz 1892); er entwickelt, dass die Unterdrückung der Begierden, dass Moralgesetze nur Satanismus, moralische Stickluft zur Folge hätten. Gerade ein so grosser Socialkritiker wie Ibsen gestalte dichterisch die Korruption, „welche Individuen und Gesellschaft von Seiten der Moralsatzungen erleiden". Solche kühne Männer und Kritiker seien Sturmvögeln gleich. Es gelte eben frei zu werden von der moralischen Herrschaft, dadurch würden nicht etwa verbrecherische Leidenschaften entfesselt, sondern vielmehr die Leidenschaften beruhigt und ungefährlich gemacht. In einer Fussnote stellt die Redaktion die scharfe Fassung dieser Gedanken zur Diskussion. — Aber Hartenau 285), der allein das Wort ergriff, steuert nur einige Reflexionen über sich selbst bei, ohne auf das Verhältniss der Poesie zur Sittlichkeit einzugehen. — Eine gescheite und mutige Frau, Clara Schreiber 2 8 6 ), hat es gewagt, gewissen Schlagwörtern der Modernen über die F r a u e n f r a g e scharf entgegenzutreten und besonders die „freie Liebe" als einen Unsinn und eine Ungeheuerlichkeit zu bezeichnen. Die Frauenfrage wird als Brotfrage behandelt, das Ziel des Weibes in der Ehe gefunden, aber nicht in einer gewöhnlichen, sondern in der von einem reifen, geistig und körperlich entwickelten Weibe geschlossenen. Die Vf. tritt für die erweiterte Frauenbildung ein, verwirft aber die Deklamationen von Prostitution der Ehe, die Frau als Geliebte des Mannes usw., weil sie selbst ein normales Weib ist. Gegen die französischen Romancière nimmt sie die französische Moral in Schutz und stellt die französische Frau, wie sie ist, dar. Man folgt den spannend geschriebenen Aufsätzen mit Genuss und Gewinn. — Der grosse „Weiberhasser" S t r i n d b e r g 287) sucht aus Physiologie und Psychologie die Minderwertigkeit des Weibes zu erweisen, wobei es ohne die stärkste Einseitigkeit natürlich nicht abgeht. So behauptet St. (was schon die Redaktion zu einer Einwendung veranlasste), es scheine Regel zu sein, dass Söhne niemals intellektuelle Anlagen von der Mutter erben, „vielleicht weil nichts zu erben ist". Die litterarischen Verdienste einer Staël, einer George Sand werden auf Männer, Aug. Wilhelm Schlegel, Alfred de Musset, Chopin, Dumas fils, die Erfolge der Königinnen auf ihre Ratgeber zurückgeführt. Ueberdies macht sich der Vf. lustig über eine Logik, die sagt: „Rosa Bonheur malte schöne Tierbilder, ergo steht das Weib dem Manne nicht nach"; er verstösst aber bei seinen Deduktionen ganz ähnlich gegen die Logik, freilich umgekehrt. Die B e d e u t u n g der S u g g e s t i o n und H y p n o s e für die Litteratur betrachtet Walzel 2 8 8 ) im Anschluss an die Franzossche Enquête 289 ) ähnlich wie Servaes (vgl. JBL. 1892 I 11:255); er sagt ganz richtig, von den Märchen und Zaubergeschichten, denen ein Gutachten Suggestion, besonders posthypnotische zuweisen will, bis zu streng wissenschaftlichen Darstellungen des extremsten Naturalismus führe ein weiter Weg an einer Fülle von Möglichkeiten anderer Art vorüber, die Keime grosser Kunstwerke bergen. „Sie zu nützen, kann keiner dem Dichter wehren." Er weist die litterarische Kritik zurück, die von Nichtkritikern ausgeübt wird, sieht auch in der genannten Enquête, dass die Aufgaben der Dichtung verkannt wurden. Fühle sich ein schaffender Dichter vom Problem der Suggestion gefesselt, so werde er auch trotz dem Verdikte der Physiologen und Psychiater sich ihm nicht entziehen können, und ist er ein gottbegnadeter Künstler, so werde ihm gelingen, auch auf diesem Felde menschlich anziehende Menschen zu zeichnen. 290Maupassants „Horla" ist ihm ein Beweis dafür, ebenso Theophil Gautiers „Jettatura". ) W. unterscheidet sehr wohl zwischen dem echten Künstler und dem seichten Kopisten. — Dagegen wirft ein Ungenannter291) alles durcheinander und lehnt die Suggestionslitteratur ab, weil sie auf schwache Nerven eine verderbliche Wirkung auszuüben vermag. Er selbst muss aber gestehen, dass Dostojewskis „Raskolnikow" keinen Mord zur Folge hatte, wohl aber Tolstois „Kreuzersonate"; damit stellt er sich auf den Standpunkt jener Kritiker, die Goethes Werther verwarfen, weil durch ihn angeblich einige Selbstmorde hervorgerufen wurden. Gerade sie aber konnten beweisen, dass Goethe mit seinem Werther wirklich eine Zeitkrankheitserscheinung gezeichnet hatte, die Kritik ist also völlig im Unrecht. Kann er sich auf den Werther berufen, wenn er sagt: „Dem Leser und Zuhörer schöne Gefühle und edle Gedanken, den

|[C. S e e f e l d : ÔLB1. 2, 8.463/4.]! ~ 284) B. W i l l e , Moral. Stickluft: FrB. 4, S. 816-21. — 285) W. H a r t e n a u . Moral heutzutage : ib. S. 940-4. — 286) C l a r a S c h r e i l i e r , Eva. Naturalist. Studien e. Iiealistin. Dresden, E. Pierson. VII, 155 S. M. 3,00. — 287) A. S t r i n d b e r g , D. Ueberlegenheit d. Mannes Iber d. Frau, u. d. hieraus sich ergebende Berechtigung ihrer untergeordneten Stellung. (Nach d. Resultaten d. Wissenschaft.) Dtseh. Y. G. L i c h t e n s t e i n : ML. 62, 9. 58/9, 71/5. — 288) 0. F. W a l z e l , E litt. Enquête: ZDU. 8, 8. 518-25. — 289) X B. M l « , Hypnotismus u. Suggestion: BLV. S. 364/5. — 290) O P. S o u r i a u , La suggestion dans l'art. ( = Bibl. de philos, scientif.) Paris, Alcan. 1892. 352 S. Fr. 5,00. |[G. L e c h a l a s : APC. 27, s. 364-74; L. A r r é a t : KPhilos. 35, S. 639-44.]| - 291) Suggestions-Litt.: Didask. N. 52/3. (Aus HambNachr.) —

R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

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12 : 292-314

Antrieb zu guten Handlungen zu suggerieren, das ist die Aufgabe jener SuggestionsLitteratur, der sich bisher noch alle grossen Dichter gewidmet" [haben] ?2!ri~-"4) — Es giebt auch andere Fragen der m o d e r n e n Psychologie 2 " 5 " 3 0 0 ), deren Verwertung in der Litteratur zweifelhaft sein könnte, weil sie wissenschaftlich noch nicht vollständig klar gelegt sind. Dazu gehört das „Doppel-Ich", wie die von Dessoir geschaffene Bezeichnung für eine lange bekannte, aber verschieden gedeutete Erscheinung lautet. R o i s s e t 3 0 1 ) hat einen kurzen Rückblick auf die Geschichte dieses Begriffs gegeben und dann einige Werke besprochen, in denen Dichter das DoppelIch als Problem behandelten. Eduard Rod, Paul Bourget, Charles Epheyre, Zola, Maupassant und Tolstoi werden kurz gewürdigt. Der Vf. erkennt zwei Arten der Behandlung: entweder wird mit dem unbewussten Ich das Böse, Öekämpfens- ja Unterdrückenswerte, oder das Bessere, Reichere, Gewaltigere bezeichnet; so scheiden sich die Dichter, je nachdem sie, wie Zola, Tolstoi, Bourget, das zweite Ich als das Tier in uns schmähen, oder wie Epheyre als das höhere, vom Wachbewusstsein leider meist verdeckte Wesen in uns bewundern. Der Aufsatz fördert uns auf engem Raum. — Dehmel 3 0 2 j möchte das Doppel-Ich „lieber als palingenetische Funktionen unfertiger Präexistenzen auffassen", da in jeder Individualität „verschiedene Individualitäten einer vergangenen Zeit zum Zwecke ihrer gegenseitigen Vollendung sich einheitlich verbinden". Bei Goethe, Nietzsche, Julius und Heinrich Hart, bei Liliençron und Ola Hansson, vor allem aber bei Paul Verlaine findet der Vf. dichterische Verarbeitung seiner Idee. Er ist jedenfalls in der Litteratur wenig bewandert, sonst hätte er auf Wilbrandt und Niemann hinweisen können, doch hätten alle weiteren Nachweise doch keinen Wert für uns, da D. nicht daran denkt, sein Material zu verarbeiten.303) — Die v e r s c h i e d e n e n K r e i s e des Naturalismus sind einzeln zum Teil historisch behandelt worden, wobei sich natürlich die Dichtungsgattungen nahezu lokal geschieden haben. In F r a n k r e i c h ist es hauptsächlich der naturalistische Roman304-305), mit dem Erfolge errungen wurden, während der Naturalismus auf der Bühne nicht Fuss zu fassen vermochte. Das hat P é l issi er 306 ) in seinen Essays betont; er beklagt die Auflösung des französischen Alexandriners, steht dém shakespearisierenden Drama etwas fremd gegenüber und sucht die modernen Erscheinungen, einen Zola, einen Paul Bourget, Marcel Prévost, Paul Margueritte sowie die gegenwärtige Entwicklung der Litteratur zu verstehen, wenn ihn auch seine Neigungen zum Klassischen hinziehen. Nicht mit trostreichen Gedanken blickt er in die Zukunft, denn er glaubt nicht an die Aussichten des Symbolismus, zu dem M a h r e n h o l t z 3 0 1 ) mehr Zutrauen hat als P. und Juvalot 3 0 8 ) in seiner heiteren Plauderei aus dem J. 3893. — Merkwürdig unhistorisch ist M o r i l l o t 3 0 9 ) in der Auffassung des modernen Romans; er giebt eine Chronik des französischen Romans von 1610—1893 mit eingestreuten Proben. Jeder Romancier wird einzeln vorgenommen, die Ordnung ist nur äusserlich getroffen, häufig rein chronologisch. Besonders verwirrend wirkt es, dass der „ roman réaliste" (Balzac, Bernard, Flaubert, die Goncourts) durch „Mérimée et la Nouvelle" und den „roman populaire" (Dumas, Sue, Kock, Erckmann-Chatrian) von dem zeitgenössischen getrennt ist; auch hier mangelt historische Ordnung und wirkliche Charakteristik. Als Nachschlagebuch kann das Werk willkommen sein.310-312) — Die Entwicklung der französischen Lyrik des 19. Jh. hat B r u n e t i è r e 3 1 3 ) in Vorlesungen dargestellt, wobei auch die realistische Richtung charakterisiert wurde. — In der gegenwärtigen italienischen Litteratur sieht Rod 3 1 4 ) deutschen Einfluss, was die Historie und die Poesie betrifft, dagegen französischen 292) X H- S c h i n i d k u n z , Psychologie d. Suggestion. Mit ärztl. psycholog. Ergänzungen y. F. C. G e r s t e r . St., F. Euke. XII, 425 S. M. 10,00. |[W. B ö l e c h e : DRs. 74, S. 312/3.JI - 293) X H. S t r 8 b e l , Litt. Psyohiatrie: FrB. 1, S. 421/8. — 294) X w B ö l s c h e . D. Angst vor d. Aufklärung: ib. S. 206/9. — 295) X id -> D. Metaphysik in d. mod. Physiologie: ib. S.273-89. — 296) O A d . F a g g i , La psioologica moderna. Firenze, G. Cirelli. 33 S. L. 1,00. — 297) X E - S o k a l , Th. ribot u. d. neuere Psychologie: Geg. 43, S. 215/8. — 298) X A - L a l a n d e , Sur un effet particulier de l'attention appliquée aux images: KPhilos. 35, S. 284/7. — 299) X F r - P a u l h a n , L'attention et les images: ib. S. 302/7. — 3 0 0 ) Th. A c h e l i s , Ueber d. verschiedenen Methoden d. Psychologie: Geg. 43, S. 248-50. (Im Anschluss an W. W u n d t , Vorlesungen Aber d. Menseben- u. Tierseele. 2. umgearb. Aufl. Hamburg u. L „ L. Voss. 1892. XII, 495 S. M. 10,00.) — 301) E. R o i s s e t , D. „Doppel-Ich" in d. neuesten franz. Litt. : N4S. 64, S. 328-39. (D. Uebereinstimmung mit BrandeB [vgl. u. N. 316J ist höchst auffallend.) — 302) B. D e h m e l , Z. Wiederverkörperung in d. neuesten Litt.: Sphinx 17, S. 276/9. — 303) X Büchner, Vererbung: A Z g B . N. 98. (Im Anschluss an S. S. B u c k m a n n , Vererbungsgesetze und ihre Anwendung anf d. Menschen. Uebersetzt in d. „Darwinistischen Schriften". L., Günther; rein naturwiBsenschaftl.) — 304) O E. Z o l a , D. naturalisé Boman in Frankreich. Autoris. dtsch. Uebers. v. L e o B e r g . St., Dtsche. Verl.-Anst. X, 484 S. M. 4,00. — 305) J. W y c h g r a m , Zolas Rückschau: BLD. S. 428-30. (Tadelt d. schlechte Uebersetzung d. interessanten Werkes.) — 3 0 6 ) (S. o. N. 171.) 307) B. M [ a h r e n h o l t z ? J , Tagesströmungen d. jetzigen franz. Litt.: AZgB. N. 51.,— 308) L. J u v a l o t , L'avenir du symbolisme. Aix, l'Auteur. 8 S. Fr. 0,20. — 309) P. M o r i l l o t , Le Boman en France depuis 1610 jusqu'à nos jours. Paris, Masson. 12°. 611 S. |[F. H é r a o n : RCr. 36, S. 508-10.]| (Keine Gesch., aber e. guter Ueberblick über d. Roman u. seine Entwicklung in d. letzten drei Jhh.) — 310) O J u l e s S i m o n , Le rôle du roman dans la litt, contemp.: JSav. S. 624-34. — 311) 0. B e r d r o w , Wie heute Bomane gemacht werden: NZSt. u , s. 478-84. (E. hübsche Schilderung v. Zolas u. Djudets Arbeitsweise nach ihren gelegentl. Mitteilungen.) — 312) O X X T o l d o , Figaro et ses origines. Milano, Dumolard frères. 16. 394 S. L. 4,00. — 313) D. Evolution d. franz. Lyrik im 19. Jh. nach d. Vorlesungen d. Akad. F. B r ü n e t t e r e : Post N. 241. (Darnach abgedr. in Didask. N. 209; vgl. I 1:56.) —314) E. R o d , L'évol. aotuelle de la litt. Italienne: M. A. FogazJahresberichte für neuere deutsche Litteraturgesohichte. IV. 20

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1 2 : 315-316

R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

Einfluss im Roman, der zum französischen eine bis ins Einzelne gehende Parallele liefert, freilich ohne die französische Originalität. Das wird durch einige Beispiele erörtert; all das ist aber nur Einleitung für eine Studie über Fogazzaro, den Idealisten.315) — Zu einer Gesamtbetrachtung der modernen Litteratur hat G e o r g Brandes 316 ) durch eine neue Sammlung von Essays beigetragen, die fast ausschliesslich von neuen Erscheinungen der Weltlitteratur handeln, die wenigen Ausnahmen sind in der Anmerkung verzeichnet. Man kennt das ganz Persönliche von B.s Darstellungsweise, sein Geschick, die geistige Physiognomie von Dichtern und Schriftstellern nachzuzeichnen und ihr Wesen synthetisch auf eine kurze Formel zu bringen; darüber sind die Akten längst geschlossen, ebenso über seine nicht immer philologische Zuverlässigkeit. Portraits sind auch die neuen Essays, und es ist kein Zufall, dass uns von einem Gruppenbild die Köpfe der besprochenen Schriftsteller, um Goethe geordnet, entgegenblicken. Scharf umrissen in ihrer persönlichen und schriftstellerischen Eigenart sehen wir auch die besprochenen „Menschen" vor uns; wir hören, wie sie sich bildeten und entwickelten, wie sie mit ihrer Zeit und den in ihr waltenden Ideen zusammenhängen. Internationales und Nationales in seinen Verhältnissen zu einander beschäftigt den Vf. immer wieder, und so gipfelt der einzige rein vergleichende Aufsatz „Das Tier im Menschen", wenn man genauer zusieht, in der Darlegung, wie die Schriftsteller das Problem des Doppel-Ich, ihrer Nationalität folgend, verschieden behandeln mussten. Für den Vf. sind eigentlich die Sachen, die Ansichten, die Werke gleichgültig, er sucht Menschen und freut sich, wenn er einen Menschen gefunden hat, „das Seltenste, was es giebt". Dann sucht er ihn zu ergründen, indem er ihm abfragt: was ist an dir? worin besteht der Kern deines Ich? So machte er es mit Nietzsche, dessen Werke keineswegs seine Billigung haben, aber er hat „seinen Spass" an dem Künstler, der grübelt, und dem Denker, der träumt; für Nietzsches Wesenheit schafft er den Ausdruck „aristokratischer Radikalismus". So macht er es in dem glänzendsten Essay des Bandes mit Zola, den er schon 1887 „halb scherzhaft und doch ganz ernstlich" einen Symboliker, keinen Naturalisten nennt, denn nicht die Natur, die dargestellt wird, sondern die Persönlichkeit, die darstellt, erkennt er in allen Romanen, vom ersten an. Ein „Dichter der Kehrseite" heisst ihm Zola, der wohl gegen die historische, nicht aber gegen die phantastische Kunst Front macht, der auf die Natur die Analogien der griechischen Welt, des Biblischen überträgt, der direkt das Gebiet der Mythenbildung betritt und nicht vor allem als Psycholog, sondern als psychologischer Simplifizierer wirkt und dadurch zum Repräsentativen, Typischen geführt wird. So macht er es mit dem „unwiderstehlichen" Guy de Maupassant, dem „Dramatiker als Erzähler", den er im heutigen Frankreich den einzigen eigentlichen Gallier, die männlichste Erscheinung, das natürlichste Talent, eine „Wildgansnatur" (nach dem Gedichte „Die Wildgänse") nennt, zugleich den echt klassischen Stilisten, den klaren, sicheren Kunstverstand; geschickt kontrastiert er ihn gegen Edmond de Goncourt, Zola, Daudet, Richepin, Bourget und freut sich seiner Liebenswürdigkeit. Aus dem Essay über Dostojewski fühlt man die Abneigung, ja das Grauen des Vf. vor der „perversen Nervosität" heraus, mit der Dostojewskis Begabung zusammenhing; ihm ist dieser Russe „unheimlich genial", nachdem er ihm zuerst „unansehnlich und gemein" vorgekommen war, trotzdem fühlt er sich durch die aussergewöhnliche Verbrechernatur angezogen. In dem Essay über diesen „Dichter des Proletariats" fällt die Härte des Vortrags unwillkürlich auf, die zeigt, dass B. diesmal nicht mit seinem ganzen Ich beteiligt ist. Auch Tolstoi steht er nicht mit Sympathie gegenüber, obwohl er seine „historische Phantasie", seine „Wirklichkeitstreue" bewundert und seine „Entferntheit von aller Ehrfurcht vor menschlicher Intelligenz und politischer oder wissenschaftlicher Grösse" halb mitleidig, halb entsetzt anstaunt. Aber sein eigentliches Urteil über Tolstoi hat B. nicht in seinem, dem Vf. von „Krieg und Frieden" gewidmeten Essay ausgesprochen, sondern in jener schon genannten Parallele der Schriftsteller, welche „Das Tier im Menschen" darstellen; hier erscheint Tolstoi als ein moderner Johannes der Täufer, aber als einer, der Pose steht, und sich, „als er das härene Hemd angethan, darin photographieren" lässt, man kann geradezu sagen, als ein moderner Barbar, der sich in Scene setzt. Das stimmt nun freilich nicht ganz mit dem Urteil überein, das B. zuerst ausgesprochen hat, aber dergleichen Widersprüche sind bei ihm Selbstkorrekturen, die er nach weiterer Durchdringung des Menschenproblems häufig genug vornimmt; die Aufsätze sind eben zu verschiedenen Zeiten entstanden und nur zu einem Buche zusammengelegt, nicht zusammengearbeitet. Was B. gegen einen Dostojewski, einen Tolstoi einnimmt, das fühlt man am besten, wenn man das kurze Gedertkblatt für Kristian Elster und die Studie über Alexander L. Kielland ansieht: zaro: RDM. 118, S. 341-63. — 315) X c - L o m b r o s o , D. litt. Bewegung in Italien: ML. 62, S. 189-92. — 316) G e o r g B r a n d e s , Menschen «.Werke. Essays. Mit e. Gruppenbild in Lichtdr. Frankfurt a.M., Litt. Anst. (Rütten & Loeniog). V, 533 S. M. 10,50. (Erwähnt seien daraus noch Goethe o. Dänemark, Holberg, Öhlenschläger, Aladdin, endlich Puschkin n. Lermontow.) —

R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

I 12 : 317-323

Den Weltton schätzt B. ganz besonders, den internationalen Freisinn; die nationale Beschränktheit ist ihm dagegen unsympathisch; einen Kielland lässt er gelten trotz seiner Volktümlichkeit „aus Ueberzeugung und Prinzip", weil Kielland in Haltung und Weltton aristokratisch ist. Er verhehlt sich nicht, dass Kielland mehr Physiognomiker als Psycholog, dass er vor allem kein Maler ist, aber der Mut einer kühnen Opposition imponiert ihm, darum möchte er den Dichter von den letzten Schranken befreien, die ihn hindern, bedeutend zu werden. Jacobsen, den „grössten Koloristen", den „seelenvollsten, poetischsten Sonderling" dänischer Prosa, bezeichneter direkt als einen Aristokraten, er ist ihm ein Meister der Stimmungssprache, ein Meister des Unbewussten und Halbbewussten, das er bei Kielland vermisst, an seinem Genius entdeckt er Morbidezza, d. h. „jene durch einen leisen Leidenszug doppelt rührende Anmut". An Strindberg fesselt B. dessen „frische, unverwüstliche Widerspruchslust", sein Kampf gegen die Entmannung der Männer, seine Wahrheitsliebe, die er ihm mit allen Poradoxien um seiner grossen Fähigkeiten willen verzeiht; der „Verkünder, Polemiker, Kämpfer, Agitator" erscheint ihm für den skandinavischen Norden von Bedeutung. Am kürzesten sind Sudermann und Hauptmann behandelt, die B. mehr lobt als zergliedert; er wagt es offenbar noch nicht, ein zusammenfassendes Wort über sie auszusprechen und das mit einem „Vielleicht" für Hauptmann gebrauchte „eine schöne Seele" trifft entschieden daneben. Eine Eigentümlichkeit haben die meisten Essays; wenn sie das fremde Wesen wirklich ergründen, dann zeigen sie jenen Schriftsteller auf, der für die besprochenePersönlichkeit Epoche macht (vgl.S. 148); für Nietzsche wird natürlich Schopenhauer, für Zola : Taine und Balzac, für Maupassant: Flaubert, für Dostojewski: Bjelinski, für Elster: Ibsen, für Kielland: Heine und Kierkegaard, für Jacobsen: Bergsöe und Darwin genannt; wo dieser Nachweis fohlt, da hat man den Eindruck, als habe B. nicht so tief nach den Wurzeln gegraben. Bei Zola bespricht der Vf. auch den Naturalismus, wie er mitunter allgemeinere Digressionen macht. Dass ein grosser Zug durch B.s Essays geht, weiss man, kennt auch seinen unwillkürlich vom Gegenstand beeinflussten Stil, der gerade in seiner Mannigfaltigkeit trotz kleiner Unebenheiten einen so ganz persönlichen Eindruck hervorruft. — Im Mittelpunkte der Betrachtungen über Zola 3 1 7 - 3 1 8 ) steht der Abschluss des grossen Romaneyklus Rougon-Macquart durch den 20. Band „Doktor Pascal". Schon vor dem Erscheinen dieses W7erkes konnte v a n S a n t e n Ko lff 3 1 9 ) nach Briefen des Dichters einzelne Mitteilungen geben, die hauptsächlich Zolas Arbeitsweise betreffen. Zola gesteht, dass ihm Germinal, l'Argent und la Débâcle am meisten Mühe und Sorge bereitet hätten, bei dem neuen Romane sei ihm nur eines Qual und Marter gewesen, das Durchlesen des ganzen Cyklus, das sei „eine Tortur" für ihn. Freilich bereitet ihm auch „das Gebären eines Buches eine abscheuliche Marter", und er ist nie ganz befriedigt, weil das beschränkte Terrain die Verwirklichung seines Bedürfnisses nach Universalität und Totalität verbietet. Bei der Hauptfigur seines Docteur Pascal habe ihm Claude Bernard vorgeschwebt. Das Ende sei nicht idealistisch, sondern realistisch. — Zum Teil wiederholt, zum Teil ergänzt werden diese Mitteilungen durch einen späteren Aufsatz v a n S a n t e n Kolffs 3 -°_), der berichten kann, dass Zola zur Niederschrift des Werkes, mit dem er 25jährige Arbeit beendete, genau fünf Monate (7. Dec. 1892 bis 7. Mai 1893) brauchte, dass die Souleiade nächst Aix thatsächlich liege, von ihm aber nach diesem Gute „entworfen, im Geiste aufgebaut und dann später im Detail ausgearbeitet worden sei". In Aix ist Zola bekanntlich aufgewachsen, und er hat hier ausser seinen Gedichten bereits im J. 1854 auf der Bank der fünften Klasse nach Michauds Histoire dés Croisades seinen ersten Roman „Une Episode sous les Croisades" geschrieben. Zola bezeichnet seinen Zustand vom Sommer 1868 bis Mai 1893 als „la prison où j'étais enfermé, le cachot où il me manquait d'air, où j'étouffais", seinen Zustand während des Niederschreibens als ein Fieber. Etwas mit Schauder denkt er an die Ausarbeitung des Stammbaums und die Durcharbeitung der Litteratur über Vererbung zurück. 321322 ) — Die Aufnahme des Romans war in Deutschland recht geteilt, selbst S e r v a e s ), der Zolas Kraft bewundert, fühlt sich doch durch die Schwäche der Anlage und das Harte der Ausführung etwas abgestossen. Wenn S. die Selbstentzündung des Alkoholikers Antoine Macquart als „eine pikante neue Nummer zu den hundert Romantodesarten" ansieht und Zola den Ruhm dieser Erfindung zuerkennt, so vergass er, dass schon in Franz Hoffmanns Jugenderzählungen von der ganz gleichen Todesart nach englischem Muster Gebrauch gemacht war. — L e d e b u r 3 2 3 ) hebt die psychologischen und realistischen Unwahrscheinlichkeiten hervor, tadelt den Vergleich Pascals und Clotildes mit David und 317) X E- Z o l a , D. Anonymität in d. Presse. E. Vortr.: NFPr. N. 10447. (Vgl. I 3:174.) - 318) X id.. D Anonymität in d. Presse: Zukunft 4, S. 593-601. (Mit einleit. Worten v. M. H [ a r d e n ] , d. dieBen Vortr. übers.) — 319) J. v a n S a n t e n K o l f f , D. Entstehen u. Werden d. Kongon-Macquart-Komans: Didask. N. 70. (Aas d. Berl. Börs.-Coor. abgedr.) — 3 2 0 ; id., Zola aber sein Werk. Briefl. u. mlndl. Mitteilungen: Geg. 44, S. 199-201. — 321) X w - H. G l e a d e l l , Zola und Iiis work: WestmR. 140, S. 614-26. — 322) F. S e r v a e s, D. Seblnssliand T. Zolas Rongon-Macqnart: Geg. 44, S. 424. — 323) G. 26*

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1 2 : 324-350

R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.

Sulamith (sie statt Abisag !), der Servaes interessant und bedeutsam, jedem unbefangenen Leser aber gewiss bei den ungezählten Wiederholungen ärgerlich erscheint; L. behandelt das Motiv von Abälard und Heloise, das Zola anders gestaltet habe, verweist darauf, dass Pascal 1874 vieles sage, was nur Zola selbst 1893 sagen konnte, verspottet das viel Poesie und wenig Wissenschaft enthaltende Vererbungsmärchen, dessentwegen auch Trost 3 2 4 ) dem Ruhme Zolas ein baldiges Ende prophezeit, zieht eine Parallele mit Baumeister Solness, was die Verwertung des Symbolismus und Neomystizismus betrifft, wobei aber die „allegorische Papier-maché-Attrape" Ibsens gegen die „reine Saftbirne" Zolas im Nachteil sei. Zola wird als manieriert, altersschwach bezeichnet, angelangt auf dem „Philisterstandpunkt", dass „trotz Schmutz und Unrecht eigentlich alles zum Besten bestellt ist in dieser besten aller Welten". Servaes hat dèn versöhnlichen Schluss mit vollem Recht gerühmt und Zola selbst als einen Vorzug angesehen.325) — Während Erich Schmidt 3 2 6 ) an Zolas la32Débâcle die objektive Schilderung der Deutschen rühmt, bezeichnet ein Ungenannter ") diesen Roman als Rachedichtung und zieht zum Vergleich328 einige Rachelieder von Bergerat, Feydeau, Victor de Laprade und Victor Hugo heran. ) — Gegen Zolas bekannte Rede an die Jugend 329 ) und gegen Dumas wendet sich T o l s t o i , um den Glauben an die Wissenschaft und an die Arbeit durch seine Deklamation über „Nichtthun" zu erschüttern330-4'). Ihm ist die Wissenschaft ein Aberglaube, und die Arbeit „wenn auch nicht gerade ein offenbares Laster", so doch keinesfalls eine Tugend. Seine Ueberzeugung lautet: suchet das Reich Gottes in euch, dann wird euch alles zufallen. Und diesem seinem Urchristentum ist die erste Abhandlung, zugleich eine Verteidigung seines früheren Buches (1884) „Worin besteht mein Glaube?" gewidmet. Tendenziös ist auch die naturalistische Skizze „Rekrutenaushebung", die sich gegen das Kriegshandwerk und gegen den Eid wendet. — Vom s k a n d i n a v i s c h e n K r e i s e war schon bei Brandes die Rede. Mogk 3 4 2 ) weist darauf hin, dass in Norwegen die besseren Stände zu hart über Ibsens Dichtung urteilten, obwohl „kein Dichter so viel gekauft wird wie Ibsen". Der Vf. sucht nun die Atmosphäre zu analysieren, aus der Ibsen in Norwegen hervorging, zeichnet aber nur die Litteratur vor dem Auftreten Wergelands und Welhavens etwas eingehender und 343-345 bricht seinen Aufsatz dort ab, wo die moderne Bewegung in Norwegen beginnt. ) — Doumic 3 4 6 ) sucht mehr plaudernd als untersuchend, aber gut plaudernd, darzustellen, wie sich341-348 von Scribe bis Ibsen die „forme vide" allmählich mit Inhalt (substance) gefüllt habe. ) — I b s e n s Einfluss auf England charakterisiert Kellner 3 4 9 ) in einem Rückblick auf das Theaterjahr; es zeigt sich, dass auf der Bühne das Interesse für den Norweger nachgelassen hat und die hauptsächlich durch William Archer, hervorgerufene Begeisterung nicht anhielt. Nach der ersten Aufführung der Nora (Juli 1889) war eine tiefgehende Bewegung die Folge, ja Walter Besant schrieb eine Fortsetzung zum „Puppenheim". Die Aufführung der „Gespenster" (13. März 1891) rief einen Sturm der Entrüstung hervor und erreichte einen Höhepunkt der Unflätigkeit in der englischen Theaterkritik. Dafür bemächtigte sich die socialistische Partei des Dichters für ihre Zwecke, wofür das Buch von Bernard Shaw (The Quintessence of lbsenism. London 1891) zeugt, und die Frauenemanzipation folgerte aus der Nora, dass die sich befreiende Frau nicht den Mann, sondern die Pflicht befehden müsse, die sie zur Sklavin mache. Das letzte Theaterjahr brachte zwar nur den „Volksfeind" auf die Bühne, aber Pinero, der mit seinem Stücke „The second Mrs. Tanqueray" den grössten Erfolg der Saison hatte, steht ganz unter dem Einflüsse Ibsens. — A r c h e r 350) giebt eine Zusammenstellung von abfälligen Urteilen der L e d e b u r . Zolas Doktor Pascal: FrB. 4, S. 1067-61. — 324) K. T r o s t , Vererbung: NorddAZg. N. 322. — 325) X Zola u. d. „Idealismus" in Frankreich: FrB. 4, S. 1178-80. (Hit Rücksicht auf e. Aufs, im „Mercure de Paris" über Zolas Altwerden.) — 326) E r i c h S c h m i d t , E. Zola, La Débâcle: DLZ. S. 665/6. — 327) D. französ. Bachedichtung: NorddAZg. N. 272, 274. — 32S) X A. B a r t e l s , Bücher u. Mensohen. 8. Zolas ästhet. Theorien: Didask. N. 89-90. — 329) X E. Bede T. Emile Zola: ML. 62, S. 351/3. — 330) O G. G l o g a n , Graf Leo Tolstoi, e. russ. Reformator. E. Beitr. z. Beligionsphilos. Kiel, Lipsius & Tischer. 61 S. M. 1,00. |[M.:LCB1. S. 1377.JJ — 331) Q G. D u m a s , Tolstoi et la Philosophie de l'Amoor. Paris, Hachette. 1893. m Fr. 3,00. |[A L a l a n d e : BPhilos.. 36, S. 648-52.)| — 332) X W. N e h r i n g , B. Löwenfeld, Tolstoi (Tgl. JBL. 1892 I 11:251): DLZ.S.469-60. — 333) X H. T. K o e b e r , Neues T. n. über Tolstoi : Sphinx 17, 8. 49-53. — 334) O V i c o m t e de M o n t j o y a r d , Mystique Militante: NGids. 82-, S. 300/3. — 335) O Le néo-christianisme et le tolstoisme: BÜBS. 59, S. 614/6. — 336) X A. de P a n t h i è r e , Offener Brief an d. Grafen Tolstoi: FrB. 4, S. 600/1. (Aus d. „Bevue des Bevues", bezieht sich auf Tolstois relig. u. eth. Ansiehten.) — 337) O F. S c h r ö d e r , Le Tolstoisme. Paris, Fischbacher. 150S. Fr. 2,50. ||H. W.: BUBS. 60, S. 443/5.] | — 338) o W. B„ Tolstoi u. Turgenjew: TglBsB. N. 220. — 339) L. T o l s t o i , D. Beich Gottes in uns. I E. russ. Bekrutenaushebung. D. Nichtthun. Aus d. Buss. tbers. v. W. H en ekel. Nebst e. Bede y. E. Z o l a u. e. Brief v. Alex. D u m a s . Mflnohen, Dr. E. Albert ft Co. I, 96 S. M. 1,00. — 340) X L ö w e n f e l d , L. Tolstois neuestes Werk: ML. 62, S.836/8.— 341) X W. J e r o g o w , Nenes T. U. über Leo Tolstoi: Geg. 44, S. 325/8. — 342) E. Mogk, D. Anfänge der neunorweg. Dichtung: BLTJ. S. 257/9. — 343) O S C o n s o l i , Lett. noryegiana. Milano, Hoepli. XV, 270 S. L. 1,50. — 344) O E. T i s s o t , Le drame Norvégien (Ibsen, Björnson). Paris, Perrin & Cie. 16°. IV, 299 S. ||SchwRs. 2, S. 230/1; NA. 47, S. 546/8.]| (Vgl. IV 4:124.> — 345) O Ibsen et BjSrnson: KPL. 2, S. 264/6. — 346) B. D o u m i c , De Scribe à Ibsen. Paris, Delaplane. 12e1. 352 S. |[F. B i n o n : BCr. 36, S. 341/6.]) (Vgl. IV 4:123.) — 347) O J. du T i l l e t , De Scribe à Ibsen: BPL. 1, S. 641/3. 348) o A. E r h a r d , H. Ibsen et le théâtre contemp. raris, Lecène et Oudin. 1892. 472 S. l [ G r i s b e r g : PolybiblL. 67, S. 166/7JI — 349) L. K e l l n e r , Ibsen in London: NFPr. N. 10404. (Vgl. IV 4:138.) - 350) Ibsen in England: Kritiken u.

R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

I 12 : 351-358

englischen Presse über Ibsen und im Gegensätze dazu eine Liste der Buchhändlerzahlen. Der „Ibsenismus", die „Ibsenität" sei in England fortwährend tot gesagt, mit Schimpfwörtern aller Art reichlich bedacht worden, von einem einzigen Verleger aber konnten binnen drei Jahren 14 367 Exemplare eines Bändchens mit den „Stützen", „Gespenstern", dem „Volksfeind", von Scott im J. 1890—91 nicht weniger als 30000 Bände der Ibsenschen Werke und von allen Verlegern zusammen während der letzten vier Jahre beiläufig 100000 Stück verkauft werden. 351 " 352 ) — S a i t s c h i k 3 5 3 ) vergleicht den Determinismus Ibsens mit der Lebensanschauung Tolstois, hebt die jeden Quietismus ausschliessende Energie Ibsens, sein Streben nach individueller Freiheit, seinen Individualismus, seine Verwerfung der Staatsidee hervor und erkennt ihn als Geistesaristokraten. Eine Fussnote der Redaktion weist auf den Zusammenhang von Ibsens und Stirners Individualismus hin und will von einer Aehnlichkeit mit dem Socialismus nichts wissen, da Ibsens Individualismus „in diametralem Widerspruch zu den Grundsätzen der Socialdemokratie steht". — H e r t z b e r g 3 5 4 ) behauptet, Ibsen habe bei der Gestaltung seiner Gesellschaftsdramen Motive wie Personen behandelt, die durchaus nicht norwegisch seien, höchstens die „äussere Gestaltung" habe er seinem Vaterlande entnommen. Der Vf. entwirft ein wahrhaft ideales Bild der norwegischen Verhältnisse, besonders die Stellung der Frau sei in keinem Lande so frei wie in Norwegen. Die Lebensverhältnisse seien geradezu primitiv, Norwegen das demokratische Land „par excellence". Café- und Kneipenleben gebe es, ausgenommen in der Hauptstadt, fast nirgendwo, das norwegische Volk sei gegenwärtig eines der nüchternsten in ganz Europa, es schliesse mehr Ehen als ein anderes und mache von der gesetzlich normierten Scheidung nur wenig Gebrauch C/3 Prozent der Verheirateten beträgt die Zahl der Geschiedenen), auch sei Heuchelei wie geschäftlicher Schwindel kein Nationalfehler. Frauentypen wie Rebekka West, Hedda Gabler, Hilde Wangel gebe es in Norwegen nicht. Ibsens langes freiwilliges Exil habe ihm die richtige Beurteilung seiner Heimat verschlossen. Der Vf. protestiert gegen einen Rückschluss von den Verhältnissen in Ibsens Dramen auf die thatsächlichen Verhältnisse Norwegens; nur im „Bund der Jugend" züchtigte Ibsen in Steensgaard, Lundestad und Monsen charakteristisch norwegische Nationalfehler. — Die Psychologie einiger Ibsenschen Frauengestalten entwirft L o u A n d r e a s - S a l o m é 3 5 5 ) mit fein nachfühlendem Verständnis, aber mit etwas zu grosser Breite. Sie zeigt Sinn für das Problem, weniger für die ästhetische Beurteilung der Stücke; in allen sechs Dramen erkennt sie verschiedene Variationen desselben Grundthemas, was sie in einem einleitenden Märchen, dem kürzesten und ansprechendsten Kapitel des ganzen Buches, im Anschluss 3 an die Bodenkammer der „Wildente" geschickt bildlich ausführt. — S c h i e n t h e r 5 6 ) sieht in „Kaiser und Galiläer" das Fundament dessen, was Ibsen nachher geschaffen hat und zeigt dies im einzelnen auf, um dann das Stück selbst verständnisvoll zu erläutern. „Nicht oft in der WTeltlitteratur ist von einem Dichter ein so kühnes Wagnis unternommen worden." — Während bekanntlich Forel in seinem Gutachten aus Anlass der Franzosschen Enquête und mit ihm übereinstimmend D e l b r ü c k 357 ) in seinem Nachweis, Hamlet sei ein „déséquilibré", die Schilderung der Paralyse in den „Gespenstern" so falsch genannt hat, „dass jeder Wärter einer Irrenanstalt und jede Frau eines Irrenhausbeamten, von den Irrenärzten selbst nicht zu sprechen, sofort sagt: Was, das soll ein Paralytiker sein? findet L o m b r o s o 3 5 8 ) , dass die Symptome der Vererbung in diesem Drama „ebenso vollkommen wahr wie erhaben schrecklich in ihrer dramatischen Wirkung seien", nur wäre in wenige Tage, ja in wenige Minuten zusammengedrängt, „was an Ereignissen und Gefühlen lange Jahre eines jungen Lebens erfüllt, und was thatsächlich selten so intensiv sich vollzieht wie bei unserem Helden" (Oswald). Von diesem Fehler, der auch bei Zola wiederkehre, abgesehen, sei die Charakterentwicklung vollkommen exakt. Dieser Fehler sei überdies keiner, sondern das Richtige, denn ähnlich gehe unser Sehapparat vor, der auch nicht die einzelnen Sensationen registriert, sondern eine Auswahl trifft und durch einen Prozess der Synthese eine Verschmelzung der Einzelsensationen herbeiführt. „Wenn nun die Kunst sich ein wenig von der Wahrheit entfernt", um eben dadurch zu ihr zurückzukehren, dann folgt sie den Gesetzen unserer Sensationen; und so kommt es, dass sie uns durch ihre synthetische Thätigkeit die grossen Linien der Wirklichkeit tiefer einprägt, als die Wirklichkeit selbst es vermag." Buchhändler-Ziffern: FrB. 4, S. 1061/8. (Nach W. A r c h e r in d. FortnB.; Tgl. IV 4:140.) — 351) O L. S i m o n s , Ibsen as an artist: WestmR. 140, 8. 506-13. - 352) O W. A r c h e r , The Mausoleum of Ibsen: FortoB. 54, S. 77-91. (Vgl. IV 4:139.) — 353) B. S a i t s c h i k , D. Weltanschauung H. Ibsens: NZät, 11, S. 334-40. — 354) N. H e r t z b e r g , Sind Ibsens Motive n. Personen norwegisch?: ML. 62, S. 609-12. IVgl. IV 4:126.) — 355) Lou A n d r e a s - S a l o m é ( H e n r i k Lou), H. Ibsens Tranen-Gestalten nach seinen 6 Familien-Dramen : E. Puppenheim — Gespenster — D. Wildente — Bosmersholm — D. Frau v. Meere — Hedda Gabler. Volks(TiteI-)Ansg. B„ H. Lazarus. III, 2S8 S. M. 1,50. (Zuerst B„ H. Bloch 1892; vgl. JBL. 1892 IV 4:87.) — 356) P. S c h i e n t h e r , Bemerkungen zu Ibsens „Kaiser u. Galiläer": FrB. 4, S. 1096-1103. (Vgl. IV 4:130.) - 357) A. D e l b r ü c k , Heber Hamlets Wahnsinn. ( = SGWV. N. 172.) Hamburg, Richter. 32 S M. 0,60. — 358) C. Lom-

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1 2 : 359-369

R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

Nach L. hätte daher Ibsen nur ein eng zusammengedrängtes Krankheitsbild geschaffen, nach Forel ein unmögliches; wem sollen wir Laien nun glauben? — Das neuerschienene Drama Ibsens 359 ), der symbolistische „Baumeister Solness", wurde von K u m m e r 3 6 0 ) als ein „Selbstbekenntnis, wie es kein zweites in der modernen Litterafur giebt", als ein „Selbstgericht" bezeichnet, durch das Ibsen als Charakter auch beim hartnäckigsten Gegner hohe Anerkennung erwerben müsse. Dagegen hegt K. schwere Bedenken gegen das Drama als Kunstwerk, vor allem wegen der „Stillosigkeit"; Symbol und Realität seien „unerträglich" gemischt, worin sich eine Grenze des Ibsenschen Könnens zeige; es gelinge ihm nur selten auf Augenblicke, die Welt der Mystik, den Zauber des Romantizismus aufzuwecken, nicht aber ein ganzes Werk in Mystik zu tauchen. K. bedenkt eben nicht, dass Ibsen auch einen „Brand", einen „Peer Gynt" gedichtet hat, und dass uns in den modernen Dramen Ibsens nur deshalb das Symbolische so fremdartig anmutet, weil es im Gewände des Alltäglichen, Gewöhnlichen sich zeigt und darum des Grossen zu entbehren scheint. K. meint, ohne Pedanterie werde man im Baumeister Solness die Grenzen des Dramas überschritten finden. Als Kern des Stückes bezeichnet er: Tragödie des Unvermögens! — Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass Kummer bei seiner (in der Nr. vom 16. Febr. erschienenen) Besprechung unter dem Einflüsse von Hardens 3 6 0 ") glänzendem Aufsatz stand, der am 28. Jan. publiziert wurde. Darin deckt H. mit genialer Kritik auf, was in Ibsens Dichtung Erlebnis, Parallele zu seinem eigenen Leben sein dürfte. H. sagt: „Das Gedicht ist eine Beichte, und als eine Beichte ist es einzig in der poetischen Welt, einzig in seiner schlichten Grösse, in seiner Grausamkeit auch"; er bezeichnet es aber wohlweislich als eine „poetische Beichte" und hütet sich darum, Ibsen und Solness zu identifizieren, wenngleich er ihre Aehnlichkeiten aufweist. Noch schärfer als Kummer, doch auch hier deutlich sein Vorbild, nennt H. das Drama Ibsens „die Tragödie des Künstlers", der nicht halten kann, was er versprochen hat, „die Tragödie der Impotenz", die offen bekennt, sie habe „ein Richtmass" aufgestellt, dem sie selbst, nicht gewachsen war, habe „Ideale verkündigt", zu deren „schwindelnder Höhe" sie selbst „kein sicherer Steg trug". H.s Ausführungen verdienen die vollste Beachtung. — Ibsen selbst soll dem ihn interviewenden Mitarbeiter des Pariser Figaro, Maurice Bigeon 361 ), gegenüber von den Symbolen seines Dramas gesagt haben, sie seien die Anfänge, die Voraussetzungen, der Wesensgrund der Dinge selbst, sie seien Realität, während Zolas Symbole erst durch die Wirklichkeit erklärt würden, dann wären sie eben Allegorien. Ibsen bezeichnete sich als Anarchisten und Individualisten zum Unterschied von dem Socialisten und Kollektivisten Zola. — Dagegen sieht M e h r i n g 3 6 2 ) in Ibsen den letzten, grossen Dramatiker der untergehenden bürgerlichen Welt, über deren Bannkreis er nicht hinaus kann, er entwirft aber im Baumeister Solness „das ekle Zerrbild kapitalistischer Uebermenschheit", er raunt und stammelt darin „mit dunkeln Lauten vom Untergange einer Welt, die er nur noch hassen, aber doch nicht lassen kann". — Aehnlich fasst H o l m 3 6 3 ) das Drama auf, als ein Trauerspiel der Bourgeoisie, vielleicht eine an sie gerichtete Warnung. Er erblickt in den beiden Turmbesteigungen „einen Hinweis auf die zwei gewaltigen Emanzipationsbewegungen des Menschengeistes, die unsere Aera kennzeichnen: die Ablösung der christlichen Weltanschauung durch, die materialistische, die andere, heute im Zuge befindliche, von dem religiösen auf das ethische Gebiet verpflanzte; die Ablösung des sittlich altruistischen Prinzipes durch das anarchisch-egoistische", „die Umwandlung des Gottes- in einen Menschheitskultus, des letzteren in einen Monotheismus des Ich". Was wohl der Dichter Ibsen zu solchen Aufsätzen sagen mag? — Auch R i e s s 3 6 4 ) sieht in der Auflehnung gegen Gott und der Auflehnung gegen die Moral „den roten Faden" des Stückes. 365 ) — Die Ausdeuter mehr noch als den Dichter trifft S t i n d e 3 6 6 ) mit seiner köstlichen Ibsenparodie 367-368 ) „Das Torfmoor". Mit Geschick hat er einige Typen der modernen Kritik herausgeholt, die über sein Drama vom Standpunkte des „Nackturalismus" tiefe Weisheit zum besten geben. Man mag die Parodie als Kunstgattung befehden; es thut doch wohl, einmal durch sie über den Gegenstand gehoben und zum Lachen befreit zu werden. — Die Parodie des Naturalismus durch W a g n e r 3 6 9 ) wendet sich b r o s o , Ibsens Gespenster u. d. Psychiatrie: Zukunft 4, S. 554/6. (Vgl. IV 4 : 1310 — 359) H. I b s e n , Bannleister Solness. Schauspiel in 3 Aufl., dtsch. v. S i g u r d I b s e n . B„ S. Fischer. III, 124 S. II. 1,50. |[Kw. 6,S.84/5.]i (Vgl.IT 4:132.) - 360) F. K u m m e r , „Banmeister Solness" v. Ibsen: BLU. S. 108-10. (Vgl. IV 4:133.) - 3 6 0 a ) M. H a r d e n , Ibsens Beichte: Zuk u n f t 2, S. 173-82. (Vgl. IV 4:136.) — 361) E- merkwürdige Aeusserung Ibsens: ML. 62, S. 66. (Vgl. IV 4:128.) — 362) F. M e h r i n g , Ibsens „Baumeister Solness": NZ s t. 1 1 , S. 603/7. — 363) £ H o l m , Ibsens Trauerspiel d Bourgeoisie: Geg. 44, S. 51/3..(Vgl. IV 4:137.) - 3 6 4 ) M. R i e B B , Ibsens Baumeister Solness: ib. 43, S. 39-42. (Vgl IV 4:135.) — 3 6 5 1 X S c h i e n t h e r , Baumeister Solness im Leasing-Theater: ML. 62, S 64. — 366) J- S t i n d e . D. Torfmoor. Naturalist. Familiendrama in e. Anfz. (Aufführung verboten). Mit litt. Beitrr. r . Einar Drillquisl: Vf. Verhör, e. Interview. — Ola BaggeOlsen: D. ethische Bedeutung d. Torfmoors. — Rasmussine Tosse. stud. rer. nat.: D. Frauengestalten d. Torfmoors. — Mads Dosmer: Fr. Nietzsches Philosophie u. d. Torfmoor. — Gurame Griis: D. Bühne d. Torfmoors u. B., Freund Ss Jeckel. '58 S. M. 1,00. — 367) O Un drame naturaliste de l'anteur de „La Familie Buchholz": RPL. 1, S. 21. - 368) F. M a u t h n e r , E. Ibsenparodie: Nation®. 10, S. 385. — 3 6 9 ) O s e . W a g n e r , D. Dussel (Nulpus). Parodist.-naturalist.-realist. Vorgang in d.

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1 2 : 370-380

nicht so sehr gegen die auf dem Titel Genannten, Ibsen und Tolstoi, als gegen die deutschen Naturalisten und wirkt nur durch die Häufung der Motive parodistisch; man ist eben etwas abgestumpft. — Die Wirkung Ibsens in der norwegischen Litteratur zeigt für das letzte Jahr H a n s e n 3 1 0 ) an Hjalmar Ohristensens „Ein Siegerherr" und Wilhelm Krags „Gegen Westen im Blauberge" auf, Hanns Knicks Roman „Huldren" vergleicht er mit Sudermanns „Frau Sorge" und entwirft überhaupt eine anschauliche Skizze des augenblicklichen Litteraturzustandes. — Die Bedeutung Ibsens, Björnsons und Lies für den Umschwung der schwedischen Litteratur entnehmen wir einem geschichtlichen Rückblick S t r i n d b e r g s 3 7 1 ) , der erzählt, wie zuerst der „Brand", dann die Vorlesungen und Werke von Brandes, endlich Björnsons „Fallissement" und Ibsens „Stützen" die jüngere Generation Schwedens zum Realismus führten. 372 ' 373 ) — Von Strindberg selbst giebt L a u r a M a r h o l m 3 7 4 ) in ihrer köstlichen, schon (vgl. JBL. 1891 I 3: 281) charakterisierten Art, die zwischen persönlicher Erinnerung und litterarisch-ästhetischer Analyse liegt, ein Porträt. Sie nennt ihn „einen imponierenden und imponierenwollenden Gehirnmenschen mit der Durchtriebenheit eines Knaben" und findet als Grundton seines Wesens „ein Misstrauen ohne Boden und ohne Grenze"; sie sieht einen „Mischtypus" in ihm, was sie aus seiner Biographie erläutert. Sie erkennt eine gewisse Verwandtschaft mit dem russischen Wesen, sucht aber vergebens nach der Einheit in dieser Persönlichkeit, so typisch sie ihr für die gegenwärtige Zeit erscheint. Man erhält einige sehr sinnige Besprechungen von Strindbergs Werken, muss aber freilich mancherlei moderne und modernste Schlagwörter mit in Kauf nehmen. Die Arbeit ist interessant und auch für die Litteraturbehandlung insofern von Wichtigkeit, als die Vf. die Rassen unterschiede in den Litteraturunterschieden zu erkennen sucht, was unmöglich schon jetzt gelingen kann, aber eine bedeutsame Perspektive eröffnet. — F r i e d r i c h 3 7 5 ) betrachtet Strindberg als Philosophen und Forscher, erst in zweiter Linie als Dichter; er wirft ihm vor, dass er unbewusst, in gutem Glauben, sein Induktionsmaterial gruppiere und so zu falschen Schlüssen komme, dass er als Dichter vom Verstand, nicht von dem Vorstellungsvermögen, der Anschauung ausgehe, dass er durchaus lehrhaft sei und keinen Ausweg, keine Möglichkeit der Befreiung aufdecke, sondern mit der „schlechthin leeren Aussichtslosigkeit" schliesse. Das Weib und der Mann seien in Strindbergs Werken einander würdig. — Strindbergs Weiberhass erkennt S e r v a e s 376) als Kehrseite seiner Liebe zum Weibe, hervorgerufen durch persönliche Erlebnisse, dabei bekämpft er aber Strindbergs theoretische Folgerungen. 377 ) — Unter den Geistern, die auf den Entwicklungsgang der d e u t s c h e n W e l t a n s c h a u u n g e n den entscheidensten Einfluss ausüben, steht in erster Reihe F r i e d r i c h N i e t z s c h e , dessen Ideen F ü r s t (s. o. N. 269) auf Goethe, B r a n d e s (N. 316) auf Renan, E. von Hartmann, E. Dühring zurückführt, während J o r d a n 3 7 8 ) behauptet, Nietzsche habe alles von ihm; trotzdem warnt er vor diesem Truggeist. — Ernster hat Stein 3 7 9 " 3 8 0 ) die Warnung vor dem ,vNeo-Cynismus Nietzsches" begründet, denn als Neo-Cynismus weist er schlagend diese modernste Philosophie nach. Nietzsche hat durch seine Jugendschrift „Beiträge zur Quellenkunde und Kritik des Laertiers Diogenes" (Basel 1870) selbst zur Erkenntnis der antiken Cyniker beigetragen. Aber freilich Nietzsche ist „der radikalste Cyniker, den die Weltlitteratur hervorgebracht hat". Das Gefährliche seiner Erscheinung liegt in der bestechenden aphoristischen Vortragsweise, die keinen Gedanken konsequent durchbildet, sondern nur wie eine Silhouette flüchtig hinwirft. Den Aphorismus in der Philosophie nennt St. „eine Ausdrucksform philosophischer Schwächlichkeit und Bequemlichkeit", dazu bestimmt, zu überreden, nicht zu überzeugen, eine Gefahr deshalb, weil er „zur Oberflächlichkeit und zur Selbstüberhebung-" verleitet, besonders wenn „ein Genie des Aphorismus" wie Nietzsche mit hinreissender stilistischer Begabung „einen an sich ernsten, wenn auch nicht gerade neuen philosophischen Text in einen prickelnden Cynismus hüllt, der den brutalen Instinkten" des veredelten Kulturmenschen „schmeichelt". Gegen diese Gefahr wendet sich der Vf., denn Nietzsches „Hedonismus" ist ihm als Bundesgenosse gegen den Schopenhauerschen Pessimismus willkommen. St. entkleidet Nietzsches Gedanken ihres buntschillernden Flitters, rückt sie in den Dachkammer. Frei nach Ibsen n. Tolstoi. ( = ÜB. N. 3069.) L„ Reclam. 39 S. M. 0,20. — 3 7 0 ) H. H a n s e n , D. norweg. Litteratnrjahr: ML. 62, S. 771/3. — 371) A. S t r i n d b e r g , D. Reaktion in d. Litt. Sohwedens: ib. S. 624/8. — 372) X > Ueber mod. Drama n. mod. Theater: ib. S. 7-11. (Hauptsächlich d. Umschwung im Théâtre libre wird dargest.; Tgl. I V 4:319.) — 3731 x id.. Meine Jabelfeier: ib. S. 219-21. (Erzählt v. d. Stadien zu e. Jubiiäumsstftck fiber d. französ. Revolution, d. St. dahin führten, d. ganze Stück zu unterlassen.) - 374) L a u r a M a r h o l m , A. Strindberg: N&S. 66, S. 23-50. (Vgl. IV 4:168.) — 375) E i c h . F r i e d r i c h , A. Strindberg: BLU. S. 331/3. (Berücksichtigt Strindbergs Dramen. I. Gläubiger. II. D. Band. Herbstzeichen. III. D. Spiel mit d. Fener. Vor d. Tode. B., Bibl. Bureau 1893. — An offener See. Roman. Antoris. Uebers. v. M. T. Borch. Dresden, Pierson 1893. — Vgl. IV 4:166.) — 376) F. S e r v a e s , Strindberg n. d. Weib: Geg. 43, 8. 166/9. (Vgl. IV 4:167.) 377) X A. K e r r , „D. Spiel mit d. Feuer" y. A. Strindberg: ML. 62, S. 787/8. — 378) W. J o r d a n , E. Traggeist. Tenzone: AZgB. N. 248. — 379) L u d w . S t e i n , F. Nietzsches Weltanschauung u. ihre Gefahren: DRs. 74, S. 392-419 ; 75, S. 230-54. — 3 ( 0 ) id., F. Nietzsches Weltanschauung n. ihre Gefahren. E. krit. Essay. B„ G.

I 12 : 381-388

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entsprechenden geschichtlichen Zusammenhang- und hofft sie so um ihre Ueberzeugungskraft zu bringen und als durchaus nicht neu nachzuweisen. Er zeigt, wie unsicher und dilettantisch Nietzsche zwischen den philosophischen Ansichten überall dort hinund herschwankt, wo er die einzigen ihm wirklich vertrauten Gebiete, jenes der Geschichtsphilosophie und jenes der Sociologie verlässt, wie er oft dicht neben einander die widersprechendsten Meinungen behauptet, wie er zwar die Systembildung als einen Mangel an Rechtschaffenheit verwirft, dann aber durch seinen „Willen zur Macht" nur einen anderen Namen für jenes treibende Agens in der Natur wählt, das andere Philosophen Substanz, Idee, Gott, Kraft, Monade, Ich, Weltseele, Selbstentwicklung des absoluten Geistes, Evolution schlechthin, Willen zum Leben, Unbewusstes genannt haben. Wohin man bei Nietzsche greife,' „überall Widerspruch, Unsicherheit, ruheloses Umhertasten'1. In der Geschichte der „Philosophie" verdiene er auch nicht das bescheidenste Plätzchen, dagegen werde seine Bedeutung als Geschichtsphilosoph und Sociologe nie wieder ignoriert werden, trotzdem er wegen seiner Kulturfeindlichkeit als unheilvolle Macht zu bekämpfen sei. St. weist nach, dass Nietzsche in seinem negativ-kritischen Teil von unbewiesenen und unbeweisbaren Behauptungen ausgehe, ja direkt mit den Thatsachen in Widerspruch stehe, wenn er als Folge der Kultur die physiologische Degeneration der jetzigen Menschheit annehme, während alle Beobachtungen das Gegenteil zu erhärten scheinen. Seine etymologischen Einfälle sind unhaltbar und ebensowenig ausschlaggebend, wie seine Ansicht überzeugend, dass durch das Priestervolk der Juden die Sklavenmoral zum Siege gebracht worden sei. Die ganze Darstellung Nietzsches sei ein sociologischer Roman, die Entstehung des Christentums „eine pikant zurechtgestutzte Episode" darin. Aber auch die positiven Lehren Nietzsches sind nur Utopien und von Nietzsche selbst widerlegt, wenn er einerseits den Uebermenschen, den „Europäer von Uebermorgen" konstruiert, ihn „züchten" will, andererseits aber zugesteht, dass die Kultur „Schritt für Schritt weiter in der Décadence vorwärts muss, dass man diese Entwicklung hemmen und durch Hemmung die Entartung selber stauen, aufsammeln, vehementer und plötzlicher machen kann", mehr nicht. Nietzsches Ausführungen sind unhaltbar, seine Visionen, wie er selbst erkannte, undurchführbar, alles also nur erha,bene, entzückende Dichtung, nicht Philosophie. Die Gefahr diëser Ansichten kann nur durch die mangelnde philosophische Bildung unserer Zeit heraufbeschworen werden. St. bespricht die unbegreifliche Thatsache, dass die von Nietzsche so scharf verspotteten Socialisten trotz ihrem demokratischen, selbst kommunistischen Stich diesen aristokratisch-anarchischen Individualismus Nietzsches als Idéal verkünden. St. verweist weiter auf die naturalistische Schule der schöngeistigen Litteratur, die Nietzsche zwar nicht verstehe, aber — vergöttere. Darum gilt es, vor dieser „Modephilosophie" auf der Hut zu sein, die in Tolstoi einen Bundesgenossen des Hasses gegen die Kultur fand. St. warnt, aber er selbst hat glänzend dargelegt, dass ein gewisser Kulturüberdruss die ständig auftretende Begleiterscheinung blühender Hochkulturen sei, dass auf das Zeitalter des Perikles der erste Cyniker Antisthenes folgte, auf Julius Caesar und das Caesarentum Epiktet, auf Renaissance und Humanismus Agrippa von Nettesheim, auf Voltaires Zeitalter Rousseau, ebenso auf die Epoche Darwins: Nietzsche und Tolstoi; die historischen Parallelen scheinen also zu sagen, dass alle Warnung vor Nietzsche nichts nützen könne, der Einfluss kommen und verarbeitet werden müsse. Ein „Truggeist" ist Nietzsche, er blendet und wird wohl noch blenden, bis auch er verschwindet, um einem anderen Platz zu machen. St. steht dem unglücklichen Nietzsche mit vollster menschlicher Sympathie gegenüber, vermag manche interessante Mitteilungen über dessen Leben und Persönlichkeit beizubringen, sucht nach dem Verständnisse des Menschen Nietzsche, in dessen Schriften er keine Spur der geistigen Erkrankung findet, wohl38,aber starke Zeichen 38s seiner slavischen Abstammung, was spannend 3 dargelegt wird. " ) — Nietzsches bekannte Freundin M a l w i d a v o n M e y s e n b u r g 8 S ) l ä s s t einige herzlich unbedeutende 38 Notizen aus Gesprächen mit Nietzsche drucken. — K o e g e l ' ) kann den Entwurf einer Vorrede zur „Götzendämmerung" (die Schrift sollte zuerst „Müssiggang eines Psychologen" genannt werden) nach Blättern mitteilen, die sich in Sils-Maria fanden ; Nietzsche spottet über die Aufnahme, die sein Büchlein, „Jenseits von Gut und Böse" bei der Kritik fand. — Köstlich, oft packend, oft freilich in bösen Kalauern parodierte ein Ungenannter 388 ) den Stil, die Darstellungsform und die Philosophie Reimer. VIII, 103 S. II. 1,80. — 381) O W. W e i g a n d , F. Nietzsche. E. psycholog. Versuch. Manchen, Franz. 116 S. II. 2,00. |[LCB1. s . 1531JI — 382) X P r e o b r a j e n s k y , F. Nietesche. Une critique de la morale de l'altruisme: Problèmes de philosophie et de psychologie (Mosoan) 3, S. 115-60. (Vgl. KPhilos. 35, S. 659-60.) - 383) X E - E i s n e r , TTeber u. noter Nietesohe: ML. 62, S. 555-60. (Bespreoh. verschied. Schriften d. Nietzschelitt.) — 384) X H. K a a t z , D. Weltanschauung F. Nietzsches. I. Kultnr n. Moral. II. Kunst u. Lehen. Dresden a. L., Pierson. XI, 127 S.; III, 105 S. à U. 2,00. (Vgl. JBL. 1892 IV 5:91.) — 385) O E- H o d e r m a n n , Christentum im Streit mit d. Nietzscheanismus auf d. Bühne: DPB1. 26, S. 117/8. — 386) M a l v i d a v. M e y s e n h u r g , Ans meinem Tagebache über Nietzsche: NFPr. N. 10469. — 387) F. K o e g e l , F. Nietzsche. E. nngedr. Vorw. z. Götzendämmerung. Erlâut. : ML. 62, S. 702/4. — 388) Also sprach Confusius. V. e. ü n -

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339-300

Nietzsches, übertrieb das Uebertriebene, steigerte das Paradoxe, stellte das Verkehrte auf den Kopf und führte so alles ad absurdum. Die Parodie beweist eine überraschende Begabung. Unter den Aphorismen steht: „Die Entwicklung ist lediglich Entartung". Damit scheint der Vf. über Nietzsche hinweg einen anderen Modeschriftsteller zu treffen, 3 8der freilich nur in weitem Abstand nach Nietzsche genannt werden darf: N o r dau 9 - 3 9 1 ). Dieser glaubt mit dem Schlagwort Entartung3 9 die moderne Richtung zu bannen, wird darum von den einen, z. B. 3 9R3 ü t t e n a u e r 2 ) , scharf abgelehnt und bitter ironisiert, von den anderen, z.B. Zabel ), freudig willkommen geheissen. 394 " 396 ) Dabei kommt aber wenig heraus. (Vgl. IV 5.) — Die e i n z e l n e n d e u t s c h e n N a t u r a l i s t e n werden natürlich noch in den verschiedenen Abteilungen zu würdigen sein; zunächst kommt es mehr auf das Prinzipielle an. Hauptsächlich das Drama steht im Centrum des Streites. Wenn Bo u r g e t 3 9 7 ) den Vers und die Beschränkung auf eine bestimmte Spielzeit als Momente gegen den Realismus anführt, so wird ihm mit Recht entgegengehalten, dass dies abgebrauchte Schlagwörter seien, während gerade der Kern der Sache, dass der Ehrgeizige nicht in jedem Moment ehrgeizig sei und nicht alle die verschiedenen Formen des Ehrgeizes gleichzeitig vertrete, auf den Realismus nicht zutreffe, weil sich dieser anderer Mittel bediene und angeblich gerade das Typisieren der älteren Kunst vermeide.398 — Interessant ist in dieser Hinsicht eine Vergleichung, die Lou A n d r e a s - S a l o m é ) zwischen Ibsen, Strindberg und Sudermanns neuesten Werken anstellt. Sie bewundert an der „Heimat" eine Neuheit und Eigenart, die Sudermanns bisheriger Ibsenscher Problemdichtung fehlte: die lebensvolle und überzeugende Wirklichkeit. Bisher habe sich Sudermann begnügt, „seine Menschen lediglich als Produkte ihrer jeweiligen socialen Lage, Umgebung und Erziehung aufzufassen" und in ihnen Anschauungsweisen entgegenzustellen, die sich aus verschiedenen socialen Verhältnissen ergeben; jetzt seien seine Gestalten vielseitiger bewegt. Das wird an den Charakteren des Vaters und Magdas aufgezeigt und dargethan, dass sich Sudermann darin von Ibsen unterscheide. Ibsen würde Zwiespalt und Krankheit im Seelenleben des Einzelnen, die sich aus dem Beieinander von individuellen Wünschen und moralischen Bedenken, von egoistischer Kraft und unegoistischer Liebe ergeben, zum Gegenstande genommen haben, Sudermann dagegen zeige, wie natürlich und gesund in all seinen Kämpfen und Widersprüchen das Beieinander mit der Gesamtentwicklung der Einzelnen zusammenhängt; er lasse sowohl durch die Kruste abgelebter, anerzogener Begriffe als durch die Verirrungen noch ungezügelter Triebe hindurch das volle Menschentum brechen; er gebe also das einfach Natürliche, Ursprüngliche des Rein-Menschlichen in seinem Sieg über alles, was Stand, Erziehung und Verhältnisse ihm einverleiben. Freilich findet die Vf., dass Sudermann manches zu grob und besonders die Nebenpersonen zu typisch, zu wenig individuell gehalten habe. Darin erblickt sie den Gegensatz zu Ibsens „Baumeister Solness", der ein ähnliches Problem behandle. Sudermann markiert, wo Ibsen zerfasert, wo jener zu grob bildet, zerreibt dieser seinen Stoff; bei jenem rotbäckige, aber zu wenig durchgeistigte Seelengesundheit, bei diesem blass und blutleer gewordene Seelenzersetzung. Die Vf. tadelt am „Baumeister Solness" das allzu starke Hervortreten des Symbolischen (besser: Allegorischen), das, zumal bei Ibsens rückläufiger Technik, in diesem Drama das Verständnis erschwert, weil die Identifizierung der Allegorie und der Idee nur sehr schwer gelingt, ja bis zum Schlüsse zweifelhaft bleibt. Dafür sieht die Vf. dieses Werk für Ibsens positivstes, für ein Glaubenswerk und positives Glaubensbekenntnis an, durch das Ibsen seine bisherigen Dramen desavouiert. Früher habe er gesagt: „Von der Macht der Tradition, vom bloss Ererbten, Anerzogenen vermag nur der Mensch sich wahrhaft zu befreien, der sich freiwillig aufs neue verantwortlich zu machen weiss", jetzt dagegen sage er: „Der Mensch kann und soll sich überhaupt nicht befreien, sondern beugen, denn die Ordnung der Dinge, in der er aufwächst, ist eine gottgewollte, und daher vermag er sich ihr nicht zu entziehen." Indem Solness Gott trotzt, erkennt er Gott an; nicht mit den Gedanken, nur mit der That befreit er sich von Gott, darum muss in seinen Gedanken seine That als eine Unthat, ja als etwas geradezu Widersinniges und Naturwidriges erscheinen, darum muss ihm vor der Wiedervergeltung bangen, die er aber nicht in etwas spukartig Abergläubischem, sondern in einem Natürlichen, Gesetzmenschen. Ohne Bildnis 11. Autogramm d. Vf. Wien, U. Merlin. V, 66 S. M. 1,00. - 389) X M - N o r d a a , Entartung. 2 Bde. 2. Anfl. B . C. Dunoker VIII, 427 S.; 563 S. M. 13,50. |[NsS. 67, S. 413/4; Presse N 199; A. E u l e n b u r g : Zukunft 4, S. 602-12; L. A r r é a t , RPhilos. 35, S. 434,9; 36, S. 660/5; G. S c h o e n a i c h : WienTBl. N. 151; H. P f u n g s t : FZg. N. 3.]| — 3 9 0 ) X id., Degeneraziono. Versione autorizzata sulla 1. ediz. tedesca per G. O b e r o s l e r . Vol 1. Fin de siècle. Misticismo. Milano, Fratelli Duroolard. 16° XV, 454 S. L. 4,00. - 391} O F M. J a e g e r , M. Nordau, Outaarding: Gids 2, S. 366-78. - 392) B R ü t t e n a u e r , V d. Entartung d. Kunst: BLU. S. 577-81. - 393) E. Z a b e l , Im Zeitalter d Entartung: KatZg. N. 369, 377, 379 - 394) O Uno forme nouv de la critique litt : RPL. 1, S. 283. (Ueber Nordaus „ E n t a r t u n g " ) - 3 9 5 ) O J . T h o r e l . Une nouv méthode de critique (M. Nordau): ib 2, S. 203-14. — 3 9 6 ) X 1 . H [ * r t J , Nordau als D r a m a t i k e r ! ! ! : FrB. 4, S. 1072. (Ironisier i n j d. Stückes „O. Recht zu lieben ' ) — 3 9 7 ' P B o u r g e t , Ueber d. Realismus: ib. S. 735/6. — 398) L o u A n d r e a s - S a l o m é , Ibsen, Strindberg, Sudermann : ib. S. 149-72. (Vgl. IV 4:147.) - 3 9 9 ) F. S p i e l h a g e n , H. Jahresberichte f ü r nettere deutsche Literaturgeschichte.

IV.

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massigen, der Natur der Dinge Entsprechenden erwarten kann: in der Jugend. Lou A.-S. sucht die Charaktere zu erfassen, erblickt in Aline einen im Innersten zerbrochenen Menschen und nennt die bekannte Stelle über die verbrannten Puppen einen so genialen Zug, wie kein zweiter im Drama vorkommt; Litzmann nennt gerade diese Stelle den Gipfel des Unsinns. Die Vf. fasst ihr Urteil in die Worte zusammen: „dass auch die Menschen untereinander nicht frei, sondern voneinander abhängig, und zwar wechselseitig abhängig, handeln und träumen, und dass gerade die Augenblicke ihrer höchsten Kraft- und Willenssteigerung diejenigen sind, in denen einer zum anderen als zu dem Höheren, als zu seinem Gott emporblickt, sich beugt, und sich Gehorsam befehlen lässt". Bei Ibsen existiert Gott; nur an einem Gott gemessen, zeigt sich der Mensch in seiner Schwäche und Zerrissenheit, während bei Strindberg in seinen neuen Dramen schon das gemeine Weib genügt, um den Mann all seiner Gottähnlichkeit zu entkleiden. Bei Strindberg werde „das Typische, Allgemeine" beabsichtigt, aber das „Pathologische, Allerbesonderste" gegeben. Die Kritik setzt gut ein, sinkt aber im Verlaufe mehr und mehr; nur ist das Bestreben zu bemerken, nach den grossen Momenten zu spüren und die Werke genau zu verstehen. — S p i e l h a g e n 3 9 9 ) , der in Sudermanns „Heimat" einen bedeutenden Fortschritt des Dichters sieht, trotzdem er auf einige Mängel hinweist, behandelt das Stück als „regelrechte Tragödie", weil „zwei Weltanschauungen, deren jeder ein gewisses Recht innewohnt, auf einander stossen und sich in diesem Zusammenstoss in ihrer einseitigen [Jeberspannung offenbaren, in gloriam der gesunden Sittlichkeit, der über den Parteien schwebenden Gerechtigkeit, des unumstösslichen Lebensprinzips, oder wie man das, was sich die Hellenen als Ate über Götter und Menschen herrschend dachten, sonst bezeichnen mag". Würde der überspannte Ehrbegriff Schwartzes in der Welt herrschen, so meint Sp., dann „müssten wenigstens alle Blütenträume zu Grunde gehen, ohne deren Reifen uns Kulturmenschen das Leben nicht mehr lebenswert erscheint"; wollten alle Menschen wie Magda nur um ihrer selbst willen alles in die Schanze schlagen, um sich auszuleben, so müsste jede Spur eines Gemeinwesens verschwinden. Beide Standpunkte zeigen sich in der Tragödie als unrichtig, darum liegt die „Heimat" auf dem Wege zur echten nationalen Bühne. — An Ernst Rosmers (Frau Elsa Bernstein) „Dämmerung" wird von S c h i e n t h e r 4 0 0 ) der helle Kunstverstand bewundert, der „die Leute das rechte Wort am rechten Ört und in der rechten Art sprechen" lässt. — Ebenso hebt Bö I s c h e 4 0 1 ) die Schwierigkeiten des Dialogs hervor und spricht die Ansicht aus, dass mit einem so trefflichen, natürlichen Dialog schon sehr viel geleistet, ja der Beweis echter Begabung erbracht sei. Freilich könne dann ein Poet immer noch im Anfang stecken bleiben, weil ihm nur der Zufall die Weltanschauung zu verleihen vermöge, doch lasse sich ein solcher Dialog nicht anlernen. „Wer beobachten kann ("im dichterischen Sinn), kann auch gestalten; wer aber beobachtet, wird im modernen Leben geradezu selbstverständlich auf eine gewisse freie, hochstehende Weltanschauung getrieben". Den Gegensatz zu Rosmer bilde etwa Wildenbruch, der trotz lauterem Streben eine jämmerlich beschränkte Weltanschauung habe, trotz ehrlicher und intensiver Arbeit zu einem wirklich guten, natürlichen Dialog unfähig sei. Habe jedoch einmal die Weltanschauung eine gewisse Höhe erreicht, dann beginne im Bunde mit der feinen realistischen Technik die Wahrscheinlichkeit für ein ganz grosses Kunstwerk. Darin sieht B. den Vorzug der „Dämmerung". — Auch an Hartlebens „Hanna Jagert" wird von L o u A n d r e a s S a l o m é 4 0 2 ) der natürliche Dialog, dann aber das Problem gerühmt. — Tiefer g;eht S p i e l h a g é n 4 0 3 ) in seiner Besprechung, indem er das Werk als Drama verwirft, weil die „einheitliche" Handlung fehlt; Hartleben habe sich in der Form vergriffen und einen ausgezeichneten Romanstoff im Drama nicht voll zur Geltung gebracht. Er dringt auf eine reinliche Sonderung der Gattungen, wie sie Lessing verlangt hatte, sonst entstehen zwitterhafte Werke. 404 ) — Bei der Lektüre vermisste S p i e l h a g e n 4 0 5 ) in Hauptmanns „Webern" den Helden und verwarf das Stück als Tragödie, bei der Aufführung leuchtete es ihm ein, dass „die Not, genauer gesprochen : die Not der schlesischen Weber", noch genauer: „die Not der schlesischen Weber in den vierziger Jahren" die Heldin sei, und nun ist das Stück für ihn gerettet; er denkt an die „Geschichte Gottfriedens von Berlichingen" und beruhigt sein ästhetisches Gewissen, fürchtet nur die Nachahmer. — Treffend erwidert S c h l e n t h e r 4 0 6 ) , die W7ebernot sei nicht die Heldin, sondern der einheitliche^Kompositionsgedanke; nie sei ein Drama logischer komponiert worden, als die „Weber".

Snderiuanns „Heimat": ML. 62, S. 21/6. (Vgl. IV 4:150.) — 4001 P. S c h l e n t h e r , Was kann dich in d. „Dämmerung" so ergreifen?: ib. S. 222/3. — 401) W. B ö l s c h e , „Dämmerung«: FrB. 4, S. 462/6. — 402) Lou A n d r e a s - S a l o m e , Hanna Jagert: ib S. 467-71. (Vgl. E.Nachwort in „Hanna Jagert": ib. S. 607/8.1 — 403) F. S p i e l h a g e n , 0. E. Hartlebens Hanna Jagert«: ML. 62, S 226-30. (Vgl. IV 4:165.) — 404) X Krit. Randschau aber Leben n. Kampf d. Zeit: FrB. 4, S. 107/9. (Abdr. d Urteils, durch d. „Hanna Jagert" flr d. Aufführung freigegeben wurde, mit ästhet., durchaas Objekt Bemerkungen.) — 405) F. S p i c l h a g e n , Gerhart Hauptmanns „Weber" : ML. 62, S. 144/6. (Vgl. IV 4:157.) — 406) P. S c h l e n t h e r , D.Weber: FrB. 4,

R. M. W e r n e r , Poetik und ihre Geschichte.

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Ein Ameisenhaufen als Ganzes dargestellt, das seien die „Weber"; der Charakter, der um sein Leben ringt, liegt in der Seele vieler, die alle das gleiche Los, das gleiche Geschäft, das gleiche Sehnen haben. Sch. kommt nun zu dem bedenklichen Schluss: eine Fülle kleiner Menschen seien dasselbe Naturobjekt für die Kunst wie ein einzelner grosser Mensch; unter Kunst versteht er aber das Drama. Auf die Wirkung komme es an, und sie habe bei der Aufführung nicht gefehlt, ja die Schauspieler hätten neue Aufgaben erhalten, an denen sie wuchsen. Diesem Leben, dieser Welt auf der Bühne gegenüber müssten für jedes naive Empfinden zwei Dinge vergessen werden: die sociale Tendenz und die ästhetische Regel; das sei aber nicht geschehen. — Als ein Muster, wie im Drama das Milieu zu behandeln sei, betrachtet S p i e l h a g e n 4 0 7 ) Max Halbes „Jugend"; hier findet er alles, was er im „Eisgang" vermisste, die geschlossene Handlung, den zutreffenden Titel, wahrhaftiges dramatisches Blut. An die „Menschen" dieses Stücks glaubt Sp. und sieht die Idee in der Jugend der beiden Hauptpersonen. — L o u A n d r e a s - S a l o i n é 4 0 8 ) preist das durchaus Natürliche des Stückes und findet besonders bemerkenswert, dass es von jeder Tendenz frei sei. — In seiner Besprechung von Hauptmanns Diebskomödie streift W i l l e 4 0 9 ) die Frage nach Form und Stoff in der Poesie, behandelt aber hauptsächlich das Verhältnis von Lektüre und Aufführung, d. h. zwischen dem künstlerischen Vorgang in der Phantasie des Lesers oder Zuhörers und dem sinnfälligen Vorgang auf der Bühne. Wenn das Stück nicht ganz wirkte, so scheint dies W., so sehr er die Charakteristik bewundert, daraufzuschieben, dass Hauptmann die Einzelheiten der Charakteristik nicht ganz richtig auf die Akte verteilte, was gegen den Schluss ein gewisses Nachlassen der Wirkung zur Folge hatte. — S p i e l h a g e n 4 1 0 ) , gleichfalls ein Bewunderer des Stückes, erkennt einen tieferen Grund, der sich ganz genau mit der naturalistischen Theorie deckt. Das W e r k ist kein Kunstwerk, sondern eine Studie; die moderne Ansicht, hält aber gerade die Studie für das Kunstwerk, das Kunstwerk im Sinne der Früheren für Künstelei. So glänzend die Charakteristik in dem Stücke, so echt das Komödienhafte, es ist nur ein Stück herausgeschnitten, sein Zusammenhang mit dem Ganzen des Menschengetriebes aber nicht angedeutet. Darin sieht Sp. den „tieferen Grund" des Missfallens und Unbefriedigtseins beim Publikum trotz einer vollendeten Aufführung. — E l i a s 4 1 0 » ) erkennt in dem Stücke „eine echte und rechte Posse", eine Posse, „die von der Wirklichkeit gespielt wird"; während der „Kollege Crampton" eine ..Charakterkomödie" war, erhalten wir hier ein Bild des Lebens, der „Wirrungen" von Gut und Böse, deren Notwendigkeit von einer „Fackel der Laune und der Satire" blitzend erleuchtet, von „hellem" Lachen begleitet wird. Darum nimmt E . an dem Schluss ohne Abschiuss keinen Anstoss, sondern rechtfertigt ihn, weil für Hauptmann die „juristische" wie die „künstlerische Erfahrung" sprächen. — An Hartlebens „Erziehung zur E h e " wird von L o u A n d r e a s - S a l o m é 4 1 1 ) wie von S c h i e n t h e r 4 1 2 ) der mittlere Akt getadelt, von jener, weil die F i g u r der Meta tragisch angelegt sei und deshalb aus der Satire falle, von diesem, weil die Thesendeklamationen nicht künstlerisch, sondern moralisch wirken und ein künstlerisch nicht verarbeitetes Element darstellen. — S p i e l h a g e n 4 1 3 ) deutet die Wendung an, die sich in Hauptmann mit „Hannele" vollzogen hat, nicht ins Phantastische, wohl aber ins Phantasievolle, doch sieht er nur erst einen Anfang zu dem grossen Drama darin. — Ueber die geringere Bühnenwirkung des Stückes klagt L o u A n d r e a s S a l o m é 4 1 4 ) , wie mir scheint, sehr mit Unrecht. Nach solchen Klagen müsste man dem ungenannten Vf. der Broschüre „Konsequenter Realismus" (vgl. J B L . 1892 I 11: 209) Recht geben, obwohl L i e r 4 1 5 ) treffend einwendet, die Zahlen bewiesen gar nichts, denn zu Goethes und Schillers Zeiten — „Wer beherrschte damals die B ü h n e ? Die beiden Weimaraner gewiss nicht!" Die realistische Richtung ist noch sehr jungen Datums, ein abschliessendes Urteil daher kaum möglich. Hauptmann brauche noch „keinen Gipfel des Könnens der Jungen auf dramatischem Gebiete" darzustellen, Ibsen sei zu specifisch nordisch, darum werde an ihrer Bühnenwirkung kein Massstab für das realistische Drama überhaupt gewonnen. — So viel kann man bemerken, allmählich klären sich die Ansichten, und es wird daran nichts ändern, dass J ü n g s t 4 1 6 ) die Sünden der Modernen unter Sudermann begreift und verurteilt, um ihm inLiliencron das Richtige entgegenzustellen; ganz zutreffend erwidert O p i t z 4 1 7 ) ,

S. 269-72. (Vgl. IV 4 : 1 5 8 . ) — 4 0 7 ) F. S p i e l h a g e n , Max Halbes „Jugend": ML. 62, S. 266/8. (Vgl. IV 4 : 1 6 4 . ) — 4 0 8 ) L o u A n d r e a s - S a l o m é , E. Vrfihlingsdraro.i: FrB. 4. S. 572/7. - 4 0 9 B. W i l l e , D. Biberpelz: ib. S. 1160/4. - 410) F. S p i e l h a g e n , G. Hauptmanns „Biberpelz.11: ML. 62, S 63S-40. (V-l. IV 4 : 1 6 3 . ) — 4 1 0 a ) J . E l i a s , „D. Biberpelz": FrcisZg. 23. Sept. - 411) L o u A n d r e a s - S a l o m é , 0. F. H.irtVlens .Erziehung •/.. E h e " : FrB. 4, S. 1165-7. — 412) P. S c h l e n t h e r , O. E. Hartlebins Erziehung z E h e " : ML. 62, S. 596. - 413) F. S p i e l h a g e n , 6 . Hauptmanns ITannele: ib. 8. 748,9. (Vgl. IV 4 : 1 0 1 . ) — 414) L o u A n dvea s- S a l o m e . „H.-.nnele": FrB. 4. S. 1343/9. — 415) L. L i e r , Neue dramaturg. Schriften: BLU. S. 276,8. — 416) H C. J ü n g s t , Sudemiann rder Liliencron? E. Wort an Verständige. L„ E. ClauFsen. 18 S. M. 0,20. |[B. O p i t z : BLU. S. 557.J! (Vgl. IV 4 : 1 4 1 . ) - 417) B. O p i t z , D. Wahrheit auf d. Bühne: BLU. S. 355,6. — 418) O M.

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H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

ein solches Generalisieren sei nicht zu billigen, man müsse das Tüchtige an Sudermann schätzen können, trotzdem man Liliencrons echt deutsche, 418 volkstümliche, kernige, freilich mitunter noch gesucht kraftgenialische Art schätze. "420) — Als 421 Balirs heimliches Leiden bezeichnet Holländer ) „sein brünstiges Suchen nach dem Neuen in Stil und Form und das Ermatten seiner Kräfte, wenn er das, was er greifbar sieht, gestalten möchte". Bahr schreibe in allem Selbstbiographie. Mit freundlichen Strichen entwirft H. das Portrait Bahrs, folgt dem etwas krausen Lebenslauf von Station zu Station, schildert den epochemachenden Pariser Aufenthalt, die glänzenden Feuilletons von dort, verdeckt aber die Gefahr keineswegs, der Bahr als Künstler entgegenging: sich selbst an die französischen Muster zu verlieren. „Je tiefer er in seiner kritischen Erkenntnis drang, desto heftiger trieb es ihn in nervöser Hast von Experiment zu Experiment, desto weniger gelangte er zu ruhiger und reifer Entwicklung seiner Persönlichkeit". Erst in Wien habe er sich gefunden. „Sein Wollen ist begrenzter, enger geworden, zu bewusstem Kompromiss geneigt — sein Können dagegen hat an Rundung und künstlerischer Geschlossenheit in einem Grade zugenommen, der für einen naiven Beurteiler erstaunlich sein muss." Besonders bewundert H. den „sexuellen Humor" in Bahrs neueren Werken „und hält Bahr nun für einen Künstler". In dem Bilde scheint mir nur Ein Strich zu fehlen, dass man nämlich Bahrs Auftreten nie ernst nehmen dürfe, weil er selbst überhaupt nichts ernst nimmt, sondern immer nur so thut. H. meint, Bahr dürfte nun auf der gefundenen Linie weiter schreiten, ich glaube, er irrt sich. Bahr ist noch viel zu unruhig, um nicht noch manche „Häutung" durchzumachen, aber wie kaum ein zweiter ist er typisch für einen gewissen Teil der jüngeren Generation, gerade weil alles bei ihm nur auf der Oberfläche bleibt.422"423j — Wie die Z u k u n f t der L i t t e r a t u r aussehen wird, können wir wohl ahnen, wenn wir auf die Malerei blicken, aber wir können uns täuschen424"427). Jedenfalls hat Spielhagen recht, auf dem Gebiete der Poesie ist die „Evolution" langsamer als in der Schwesterkunst. Geistreich und witzig haben sich verschiedene Schriftsteller in leichter dramatischer Einkleidung über Gegenwart und Zukunft unseres Lebens und unserer Kunst ausgesprochen und zu einem von Lenz 4 2 8 ) herausgegebenen Bande vereinigt. Mauthner hält darin gründliches Reinmachen der Bibliothek und stellt nur jene Bücher auf, in denen die Leidenschaften gross und die Kunst echt ist. 429 - 430 ) —

1,13

Musikgeschichte. Heinrich Reimann. A l l g e m e i n e s : Bibliographisches N. 1. — Mnsikphilosophio und-kritikN.4. — M u s i k g e s c h i c h t e : Zusammenfassende Darstellungen N. 14. — Lokalgeschichte N. 19. - Musikinstrumente N. 27. — Sammelwerke N. 31, — E i n z e l n e m u s i k a l i s c h e F o r m e n : Lied: Volkslied N. 43; Geistliohes Lied N. 53. — Oper N. 58. — E i n z e l n e M u s i k e r und K o m p o n i s t e n : A. de la Haie, J. Hothby N.61.— Orlando di Lasso N.63. — L. Zucconi, H.L. Hassler N. 61 —H. Baryphonus, Cavalli, J. Praetorius, Ph. F. BSddecker N. 66. — Georg und Gottlieb Muffat, J. V. Eckelt N. 70. — J. S. Bach und die Passionsmnsik überhaupt N. 72. — Haydn N. 80. — Mozart N. 83. — Beethoven N. 87. — Schubert N. 95. — Moscheies N, 97. — Schumann IT. 98. — Zelter N. 100. — Mendelssohn N. 101. — B. Klein N. 105. — Wagner: Briefo N. 107; Lebensgeschichte N. 113; Allgemeines über seine Werke N. 120; Geschichte und Analyse einzelner Werke N. 127. — Liszt N. 141.— P.Cornelius, F. MShring, Ch. Gounod N. 144. — P. Tschaikowski, R. Franz, A. Rubinstein N. 150. — C. Kistler, E. Chabrier, Schweizerische Tonkfinstler (Th. Kirchner), A. Sulliyan, E. Hanslick N. 153. —

A l l g e m e i n e s . Den diesjährigen Bericht eröffnet ein b i b l i o g r a p h i s c h e s Werk von hervorragender Bedeutung, das zwar schon 1892 erschienen ist, aber dem Referenten erst jetzt zugänglich wurde. Seiner grossen Bedeutung wegen sei es B r o o i n e r , D. Socialismus auf d. Bühne: WTB1. N. 111. — 419) O S. S c h l e s i n g e r , Laube über socialist. Stocke: ib. N. 113.— 4 2 0 ) X P. L o r e n z , D. Prostitution in d.Kunst. Zwei Worte z. Theaterfrage: HZ»'. 11, S. 375-82. (D. Theaterkulis sind reoht- u. schutzloser als d. Arbeiter; d. Schauspielerin werde fast notwendig z. Prostitution getrieben.) — 421) F. H o l l ä n d e r , V. H. Bahr u. seiner B&oherei: FrB.4, S.82/9. — 422) X J - P r o e l s s , Poesie u. Naturkenntnis: AZgB. N. 94/6. (W. Jordans „Letzte Lieder" u. G. Hauptmanns erste Geschichten.) — 423) X Wahrheit u. Schönheit. E. Xenienkranz: ib. S. 236/7. (Nach vom Fels z. Meer.) — 424) OA.y. H a n s t e i n , Wohin steuern wir : DBBhneng. S. 113/4. (Tgl. IV 4:325.) — 425) X p S t a p f e r , L'ayenir de la litt.: BPL. 2, S, 554/9 — 426) X D. Zukunft d. Liti: FrB. 4, S. 1390/2. (Auszug aus d. Aufsatze v. P. Stapfer.) — 427) X p - F i c o . La poesia dell' uvenire. Acireale, V. Micale. 1892. 26 S. [[B. P e r e z : RPhilos. 35, S. 95/6.]| (Scheint nach d. Ree. recht unbedeutend.) — 428) L. Lenz, D. Kunst d. Unterhaltung. Mit Beitrr. y. J. B a y e r , K. H a e h n e l , M. K a l b e c k , A. K l a a r , A. v. K l i n c k o w s t r o e m , H. Lorm, F. M a u t h n e r , K. R e i s s m a n n , E. W i e h e r t . B„ G. E. Nagel. III, 347 S. M. 5,00. — 429) O G. G. Gizzi, Fattori dell'arte e cause della sua decadenza odierna: RItalFilos. 8, Heft 1. (Vgl. RPhilos.36, S. 558.) — 430) X M. B u r c k h a r d , D. Kunst n. d. nattrl. EntwickInngsgescb.:N&S.66,S. 160-83.—

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H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

ein solches Generalisieren sei nicht zu billigen, man müsse das Tüchtige an Sudermann schätzen können, trotzdem man Liliencrons echt deutsche, 418 volkstümliche, kernige, freilich mitunter noch gesucht kraftgenialische Art schätze. "420) — Als 421 Balirs heimliches Leiden bezeichnet Holländer ) „sein brünstiges Suchen nach dem Neuen in Stil und Form und das Ermatten seiner Kräfte, wenn er das, was er greifbar sieht, gestalten möchte". Bahr schreibe in allem Selbstbiographie. Mit freundlichen Strichen entwirft H. das Portrait Bahrs, folgt dem etwas krausen Lebenslauf von Station zu Station, schildert den epochemachenden Pariser Aufenthalt, die glänzenden Feuilletons von dort, verdeckt aber die Gefahr keineswegs, der Bahr als Künstler entgegenging: sich selbst an die französischen Muster zu verlieren. „Je tiefer er in seiner kritischen Erkenntnis drang, desto heftiger trieb es ihn in nervöser Hast von Experiment zu Experiment, desto weniger gelangte er zu ruhiger und reifer Entwicklung seiner Persönlichkeit". Erst in Wien habe er sich gefunden. „Sein Wollen ist begrenzter, enger geworden, zu bewusstem Kompromiss geneigt — sein Können dagegen hat an Rundung und künstlerischer Geschlossenheit in einem Grade zugenommen, der für einen naiven Beurteiler erstaunlich sein muss." Besonders bewundert H. den „sexuellen Humor" in Bahrs neueren Werken „und hält Bahr nun für einen Künstler". In dem Bilde scheint mir nur Ein Strich zu fehlen, dass man nämlich Bahrs Auftreten nie ernst nehmen dürfe, weil er selbst überhaupt nichts ernst nimmt, sondern immer nur so thut. H. meint, Bahr dürfte nun auf der gefundenen Linie weiter schreiten, ich glaube, er irrt sich. Bahr ist noch viel zu unruhig, um nicht noch manche „Häutung" durchzumachen, aber wie kaum ein zweiter ist er typisch für einen gewissen Teil der jüngeren Generation, gerade weil alles bei ihm nur auf der Oberfläche bleibt.422"423j — Wie die Z u k u n f t der L i t t e r a t u r aussehen wird, können wir wohl ahnen, wenn wir auf die Malerei blicken, aber wir können uns täuschen424"427). Jedenfalls hat Spielhagen recht, auf dem Gebiete der Poesie ist die „Evolution" langsamer als in der Schwesterkunst. Geistreich und witzig haben sich verschiedene Schriftsteller in leichter dramatischer Einkleidung über Gegenwart und Zukunft unseres Lebens und unserer Kunst ausgesprochen und zu einem von Lenz 4 2 8 ) herausgegebenen Bande vereinigt. Mauthner hält darin gründliches Reinmachen der Bibliothek und stellt nur jene Bücher auf, in denen die Leidenschaften gross und die Kunst echt ist. 429 - 430 ) —

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Musikgeschichte. Heinrich Reimann. A l l g e m e i n e s : Bibliographisches N. 1. — Mnsikphilosophio und-kritikN.4. — M u s i k g e s c h i c h t e : Zusammenfassende Darstellungen N. 14. — Lokalgeschichte N. 19. - Musikinstrumente N. 27. — Sammelwerke N. 31, — E i n z e l n e m u s i k a l i s c h e F o r m e n : Lied: Volkslied N. 43; Geistliohes Lied N. 53. — Oper N. 58. — E i n z e l n e M u s i k e r und K o m p o n i s t e n : A. de la Haie, J. Hothby N.61.— Orlando di Lasso N.63. — L. Zucconi, H.L. Hassler N. 61 —H. Baryphonus, Cavalli, J. Praetorius, Ph. F. BSddecker N. 66. — Georg und Gottlieb Muffat, J. V. Eckelt N. 70. — J. S. Bach und die Passionsmnsik überhaupt N. 72. — Haydn N. 80. — Mozart N. 83. — Beethoven N. 87. — Schubert N. 95. — Moscheies N, 97. — Schumann IT. 98. — Zelter N. 100. — Mendelssohn N. 101. — B. Klein N. 105. — Wagner: Briefo N. 107; Lebensgeschichte N. 113; Allgemeines über seine Werke N. 120; Geschichte und Analyse einzelner Werke N. 127. — Liszt N. 141.— P.Cornelius, F. MShring, Ch. Gounod N. 144. — P. Tschaikowski, R. Franz, A. Rubinstein N. 150. — C. Kistler, E. Chabrier, Schweizerische Tonkfinstler (Th. Kirchner), A. Sulliyan, E. Hanslick N. 153. —

A l l g e m e i n e s . Den diesjährigen Bericht eröffnet ein b i b l i o g r a p h i s c h e s Werk von hervorragender Bedeutung, das zwar schon 1892 erschienen ist, aber dem Referenten erst jetzt zugänglich wurde. Seiner grossen Bedeutung wegen sei es B r o o i n e r , D. Socialismus auf d. Bühne: WTB1. N. 111. — 419) O S. S c h l e s i n g e r , Laube über socialist. Stocke: ib. N. 113.— 4 2 0 ) X P. L o r e n z , D. Prostitution in d.Kunst. Zwei Worte z. Theaterfrage: HZ»'. 11, S. 375-82. (D. Theaterkulis sind reoht- u. schutzloser als d. Arbeiter; d. Schauspielerin werde fast notwendig z. Prostitution getrieben.) — 421) F. H o l l ä n d e r , V. H. Bahr u. seiner B&oherei: FrB.4, S.82/9. — 422) X J - P r o e l s s , Poesie u. Naturkenntnis: AZgB. N. 94/6. (W. Jordans „Letzte Lieder" u. G. Hauptmanns erste Geschichten.) — 423) X Wahrheit u. Schönheit. E. Xenienkranz: ib. S. 236/7. (Nach vom Fels z. Meer.) — 424) OA.y. H a n s t e i n , Wohin steuern wir : DBBhneng. S. 113/4. (Tgl. IV 4:325.) — 425) X p S t a p f e r , L'ayenir de la litt.: BPL. 2, S, 554/9 — 426) X D. Zukunft d. Liti: FrB. 4, S. 1390/2. (Auszug aus d. Aufsatze v. P. Stapfer.) — 427) X p - F i c o . La poesia dell' uvenire. Acireale, V. Micale. 1892. 26 S. [[B. P e r e z : RPhilos. 35, S. 95/6.]| (Scheint nach d. Ree. recht unbedeutend.) — 428) L. Lenz, D. Kunst d. Unterhaltung. Mit Beitrr. y. J. B a y e r , K. H a e h n e l , M. K a l b e c k , A. K l a a r , A. v. K l i n c k o w s t r o e m , H. Lorm, F. M a u t h n e r , K. R e i s s m a n n , E. W i e h e r t . B„ G. E. Nagel. III, 347 S. M. 5,00. — 429) O G. G. Gizzi, Fattori dell'arte e cause della sua decadenza odierna: RItalFilos. 8, Heft 1. (Vgl. RPhilos.36, S. 558.) — 430) X M. B u r c k h a r d , D. Kunst n. d. nattrl. EntwickInngsgescb.:N&S.66,S. 160-83.—

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hier nachträglich besprochen. Es ist V o g e l s 1 ) Bibliothek der gedruckten weltlichen Vokalmusik Italiens von 1500—1700. Der Vf. hat aus beinahe anderthalbhundert europäischen Musikbibliotheken ein ungefähr 4000 Werke umfassendes bibliographisches Material zusammengetragen und in alphabetischer Ordnung sachgemäss zusammengestellt. Ein fachkundiger Bibliothekar hätte es nicht besser, sorgfaltiger und für den Gebrauch praktischer machen können. Den alphabetisch verzeichneten Einzelwerken folgt ein chronologisch geordnetes Verzeichnis der Sammelbände (der Streit über die Bezeichnung „Sammelwerke" oder „Sammlungen" ist demnach unnütz!), sodann drei mit grösster Sorgfalt gefertigte Register, die der „Bibliothek" erst den wirklich praktischen Werk verleihen. Und dieser Wert — das möchte ich hier betonen — erstreckt sich nicht bloss auf die Musikwissenschaft. Litteraturgeschichte und Geschichte haben ihren Anteil daran. — Während Vogel nur die Titel bibliographisch registriert und weitere Zuthaten auf Angabe des Inhalts der einzelnen Werke, der Fundorte und dgl. beschränkt, hat K a d e 2 ) in seiner Schweriner Musikaliensammlung noch die Anfangstakte von einzelnen Musiknummern in Notendruck und ausserdem noch bei einzelnen der Autorennamen biographische Notizen hinzugefügt. Dadurch ist der Katalog nicht bloss unnötig angeschwollen und unhandlich geworden, sondern, da jene Notizen und Musikanfänge nicht bei allen Namen und Nummern gegeben sind, so herrscht darin eine Art subjektiver Willkür, die bekanntlich der Todfeind jeder Bibliographie ist und durchaus vermieden werden muss. Sogar Facsimiles, manchmal ganz unbedeutender Art, sind beigegeben — ein durchaus lästiges Beiwerk. Man sieht aus alledem, dass der Katalog von keinem Fachmarin gemacht und die verursachten, durch fürstliche Munificenz gedeckten Kosten zum Teil unnütz aufgewendet sind. Dazu kommt, dass die biographischen Notizen öfter unzuverlässig sind und deshalb äusserste Vorsicht bei deren Gebrauch dringend zu raten ist. — Einen im allgemeinen sorgsam und genau abgefassten Katalog der Lübecker städtischen Musikbibliothek bietet S t i e h l 3 ) . Leider hat die Lübecker Bibliothek durch den Verkauf der an Schätzen des 16. und 17. Jh. reichen Bibliothek der Marienkirche an den österreichischen Erzherzog Rudolf (Bibl. d. Ges. d. Musikfreunde) sehr viel Wertvolles eingebüsst. Immerhin bietet die Hss.- ("namentlich Buxtehude und Königslöw) wie die Druckschriften-Sammlung manches Wertvolle. — M u s i k p h i l o s o p h i e und -kritik. Die wenigen Seiten der Schrift G o t t h e l f s 4 ) über das Wesen der Musik zeigen, dass auch aus Zeitungsfeuilletons etwas Gutes werden kann. Die Art und Weise, wie der Vf. das Verhältnis der Architektur, der Tanzkunst und schliesslich der Poesie zur Musik als der „treuesten Kunst des Ausdruckes" behandelt, ist ungemein fesselnd; die formale Seite unserer Kunst wird zu der idealen, poetischen, richtiger noch: zu der wirklich seelischen Musik in das rechte Verhältnis gesetzt und auf Grund dessen der Beweis geliefert, wie Richard Wagners Kunst den alten Dreibund der Künste: Tanz, Musik und Poesie auf das schönste erneuert und verjüngt hat. — Wesentlich propädeutischer Art ist B r o d b e c k s 6 ) Schrift über die physischen Grundfragen der Musikwissenschaft. — Hau s e g g e r s 6 ) Buch „Das Jenseits des Künstlers" ist, soweit es hier und nicht bei allgemeiner Philosophie in Betracht kommt — es handelt mehr von Malerei und Poesie als von Musik —, eine Fortführung seines früheren Werkes „Die Musik als Ausdruck". Die Ursachen des Eindruckes, den ein Kunstwerk macht, beruhen nicht in Tonfolgen, Tonverbindungen, Klangfarben usw., sondern in den psychologischen und physiologischen Ursachen derselben, in dem „Schaffenszustande" des Künstlers. Dies bedeutet das „Jenseits" der Kunst, das. zuerst Schopenhauer durch das Licht seines Geistes erleuchtete. Wagner-Tristans „Nacht" ist der Schoss, aus dem die Produktionskraft des Künstlers geboren wird. Diese „Nacht" aber ist identisch mit Schopenhauers Abtötung des Willens: „Sage dich los von den Absichten und Zielen deines Individuums, und der Bann ist gebrochen, die ewig schöpferische Macht wird auch in dir lebendig." Ein optimistischer Pessimismus, dem weiter nichts als eine etwa smehr universelle Realität zu wünschen wäre! — Dass des Heidelberger Professors T h i b a u t 7 ) Buch „Ueber Reinheit der Tonkunst" in 7. Auflage erschienen ist, halte ich für ein erfreuliches Zeichen der Zeit. So überlebt und veraltet auch vieles darin einem modernen Musiker erscheinen mag, die Schrift enthält eine Fülle wertvollen

1) E. V o g e l , Bibl. d. gedr. ireltl. Vokalmusik Italiens ans d. J. 1500-1700. Enthaltend d. Litt. d. Frottole, Madrigale. Conzonette, Alien, Opern usw. Her. durch d. Stiltang y. Schnyder v. Wartensee. 2 Bde. B„ Haack. 1892., XXIV, £30 S.; 599 S. II. 24,00. |[B. E i t n e r : MhMueikgesch. 25, S. 14,6; M. S e i f f e r t : AMusZg. S. 61/2; A. S a n d h e r g e r : MusWBI. S. 301/2.]| — 2) O. K a d e , D. Musikalien-Samml. d. Grossherzogl. Mecklenburg-Schweriner Fürstenhauses aas d. letzten 2 Jhh. 2 Bde. Wismar, Heinstorff. 484 S.; 424 S. M. 8,00. — 3) C. S t i e h l , Katal. d. Uosiksamml. auf d. StadtBibl. za Lübeck. Progr. d. Eatliarinenms. Lübeck. 4°. 56 S. |[MhMusikgesch. 25, S. 118/9.]| _ 4) F. G o t t h e l f , D. Wesen d. Musik. Bonn, F. Cohen. 54 S. 11.1,00. |[B»yrenthBll. 16,N.7 (Umschl.); 0. B i e : AMusZg. S.485.]| — 5) O A . B r o d b e c k , D. phjB. Grundfragten d. Musikwissensch., raethod. zusnmmengest. St., G. A, Znmsteeg. 13 Bll. M. 1,00. — 6) (I 12:91.) [10. B i e : AMusZg. S. 405/6, 423/4.JI — 7) A. F. J. T h i b a u t , Ueber Reinheit d. Tonkunst. 7. Ausg. Mit d. Vorw. y. K. Ch. W. F. B a h r z. 3. Ausg. Freiburg i. B. u. L., Mohr. XV, 100 S. M. 1,00. |[K. S ö h l e : Kw. 6, S. 311/2; S . B e i m a n n : BLU.

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H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

Materials für alle, die sich gründlich mit der Entwicklung der Musik, inbesondere mit dem Studium der Alten, beschäftigen wollen. Das Buch ist ein Palliativ gegen die Oberflächlichkeit der Musikauffassung und Musikübung in unserer Zeit, welche die Finger anstaunt und sich freut, „das Nichtige auf wundervolle Art vollbringen zu sehen", während es doch Hauptaufgabe sein muss, durch das Gegebene uns zu entzücken und unser Gemüt zu bewegen. — Einen auf viel zu beschränkter Einsicht in die neuere Musik beruhenden und darum missglückten Versuch, die Begriffe „Klassizität" und „Romantik" historisch zu definieren, unternahm M e i n a r d u s 8 ) . Des alten Philosophen Spruch „ZZafT« àci" ist bei solcher Untersuchung der oberste und leitende Grundsatz, und Rieh. Wagner ist heutzutage nahezu bereits „Klassiker". — Bahnsens Problem von dem ewigen unlösbaren "Widerspruch dieser Welt im Wissen und Wesen hat L o u i s 9 ) auf die Musik angewendet. Dem Elemente des Schönen, d h. des Spiegelbildes der Gesetze der bildenden Kunst, widerstrebt das ursprüngliche Wesen der Musik als einer das Innerliche, Unendliche darstellen wollenden Kunst. Gegen die Erreichung dieser erhabenen Wirkung aber kämpft die Unbegreiflichkeit und darum Unausdrückbarkeit des unendlichen Inhalts. Die „Resignation" allein bleibt übrig: sie eröffnet das Gebiet des „Humoristischen" — im Sinne Bahnsens —, das die alte, endliche Form zwar beibehält, aber sie mit neuem, unendlichem Inhalte erfüllt. Berlioz, Wagners, Liszts und Bruckners Schaffen ist in diesem Sinne „humoristisch". Darin liegt der „Widerspruch in der Musik". — Das ist eine Theorie, vor der sich Hanslick, wie vor dem leibhaftigen Gottseibeiuns bekreuzigen würde. Darum folge hier die französische Uebersetzung seines Buches vom „Schönen in der Musik", die B a n n e l i e r I 0 ) lieferte. Im eigenen Hause (auch Louis ist Wiener !) ist Hanslick der grimmigste und gefährlichste Feind erstanden. — Aber nicht bloss hier, auch im Auslande kämpft man rüstig gegen den künstlichen, auf lauter Abstraktionen gegründeten Bau der Hanslickschen Theorie vom Schönen : B e l l a i g u e s u ) klar und überzeugend geschriebenes Buch weist die Irrtümlichkeit der Hanslickschen Grundtheorie von der Ausdrucksunfähigkeit der Musik — auch der Instrumentalmusik — vortrefflich nach (la réligion, la nature, l'amour, l'héroïsme dans la musique), und hält dem Wiener Kritiker sehr treffend die Verse entgegen: „Si vous n'exprimez rien, qu'avez-vous donc en vous, Qui fait bondir le cœur et fléchir les genoux !" — Einem „alten Musikfreund" ,2 ) verdanken wir eine prächtige Kapuzinerpredigt über das Thema: „Die Musik, ihrem innersten Wesen nach eine Gnade, ein Labsal, ein welterlösendes Himmelsgeschenk, — in euren Händen, tonwutkranke Dilettanten und Modenarren, ist sie zur Geissei geworden. Ihr habt die Göttin dämonisiert und die herzliebe wonnige Aphrodite . . . in die Teufelinne verwandelt, vor der sich Christ und Jude ganz mit der nämlichen Herzbeklemmung bekreuzigen." — Gegen den arroganten Dilettantismus in der Kunstübung und in der Kunstkritik, speciell Berlins, wendet sich R e i m a n n s 1 3 ) dem vorgenannten Werke wahlverwandte Satire: „Ein Zeitungsblatt aus Hinter-Indien". — Musikgeschichte. Eine z u s a m m e n f a s s e n d e D a r s t e l l u n g ist im Berichtsjahr ausser U n t e r s t e i n e r s 1 4 ) Storia della musica, einem kompilatorischen und Selbständigkeit in keiner Weise beanspruchenden Werke, nicht erschienen. — Beachtenswerte Nachträge zu Ambros-Reimanns zweitem Bande der Musikgeschichte (vgl. JBL. J892 I 9:12) bietet E i t n e r 1 5 ) . — Dafür ist das laufende Jahr bedeutsam geworden durch den Beginn zweier Quellen-Publikationen, deren erste nach bekanntem Muster den stolzen Namen trägt „Denkmäler deutscher Tonkunst". In einem Aufsatze kündigte S p i t t a 1 6 ) , der die Seele dieses Unternehmens war, Zweck und Ziele dieses gross angelegten Werkes an. Sollten aber die schönen und trefflichen Worte, welche an jener Stelle veröffentlicht wurden, nicht leere Worte bleiben, sondern zur That werden, d. h. sollten die „Denkmäler deutscher Tonkunst" auch nur annähernd dasselbe für die deutsche Musik werden, was die Pertzschen Monumenta für die Geschichte sind, so musste mit der Herausgabe des ersten Bandes sowohl wie mit der Auswahl der Bearbeiter vorsichtiger umgegangen werden. Der erste Band „S. Scheidts Tabulatura nova" vom J. 1624, von S e i f f e r t 1 7 ) herausgegeben, erschien verfrüht und nicht sorgfältig genug bearbeitet. Zudem ist das Werk, das im Originaldruck keineswegs selten ist, teils aus diesem Grunde, teils auch wegen des S. 457.11 — 8) L. M e i n a r d u s , Klassizität n. Romantik in d. dt&ch. Tonkunst. Vortr., geh. am 3. Nov. in öffentl. Sitzung d. kgl. Ak. d. gemeinnütz. Wissenscli. in Erfurt. Erfurt, Villarct. 31 S. M. 0,60. (Sonderabdr. aus JbbAkErfurt. N. 19.) — 9 ) K. L o u i s , D, Widerspruch in d. Musik. Bausteine zu e Aesthetik d. Tonkunst. L „ Breitkopf & Härtel. 115 S. M. 2,60. |[0. B i e : AMusZg. S. 144; LCB1. S. 1515; K S a l i l e : Kw. 0, S. 215,7; H. K e i m a n n : BLÜ. S. 421; Signale N. 28.11 — 10) E. Hanslick, Du beau dans la musique. (Trad, par Ch. B a n n e l i e r . ) Paris, Maquet et Cie 124 S. — 11) C. B e l l a i g u e , Psychologie musicale. Paris, Delagravc. 282 S. — 12) Dudler u. Dulder. Studien über d. Anmassung d. Tonkunst. V. e. alten Musikfreund. L , Eeissner. 03 S M 1,00. — 13) H. R [ e i m . m n ] , E. Zeitungsbl. aus Hinter-Indien : AMusZg. S. 669-71. — 14) A. U n t e r s t e i n e r , Storia della musica. Milano, Hoepli. 298 S. L. 3.00. |[Signale N. 49.]| — , 1 5 ) K. E i t n e r : MhMusikgesch. 25, S. 42,5. - 16) P h . S p i t t a , Denkmäler ätsch. Tonkunst: Grenab. 2, S. 16/7. — 17) L. Scheidt, Tabulatura nova. 1624. Her. v. M. Se i f f e r t. ( = Denkmäler dtsch. Tonkunst Bd. 1.) L., Breitkopf & Härtel. 1892. XVI1I,224S. M 15,00. I[M.

H. K e i m a n n , Musikgeschichte.

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geringen allgemeinen Interesses, das es bietet, als erste Publikation nicht recht glücklich gewählt. So lange nicht wissenschaftlich durchgebildete, philologisch und archivalisch geschulte und dabei praktisch wohlerfahrene Musiker für die Herausgabe gewonnen werden, bleibt das gross angelegte Quellenwerk ein kostspieliges Vergnügen eines eng begrenzten Kreises. Das deutsche Volk und die musikalische Praxis haben nichts davon. — Den Frieden der selig entschlafenen Wiener Musikund Theater-Ausstellung (vgl. JBL. 1892 II 4:2; IV 4:256-69) störte F l e i s c h e r 1 8 ) mit einer posthumen Oratio pro domo. Leider erreicht die wenig geschickt geschriebene Abhandlung, um die sich übrigens ein für den Vf. nicht ganz erquicklicher Verlegerstreit erhob, nicht die Wirkung, dem Leser eine Thräne des Mitleids um die Entschlafene zu entlocken. — Bedeutend sind die Kräfte, die sich zur Herausgabe des l o k a l e n Sammelwerkes „Denkmäler der Tonkunst in Oesterreich" vereint haben. Der nächste JB. wird hierüber Näheres bringen. Hier seien sie nur erwähnt, weil die Gesellwerden hier schaft zu ihrer Herausgabe sich im Okt. 1893 gebildet hat. — Zunächst zwei Leipziger Schriften angereiht, von denen die K n e s c h k e s 1!)) die Gewandhauskonzerte in der Zeit von 1743—1893 zum Gegenstande hat. Als Quelle diente A. Dörffels bekannte Festschrift und für die letzten J. des Vf. eigene Erinnerungen. Die in einem ungemein schwerfälligen Stil geschriebene, dazu zum weitaus grössten Teil rein kompilatorische Arbeit kann eingehendere Beachtung nicht beanspruchen. — Desto interessanter ist das Schülerregister, welches das Direktorium des Leipziger Konservatoriums 20 ) gelegentlich seiner 50jährigen Jubelfeier hat erscheinen lassen. — P a z a u r e k s 2 1 ) Beiträge zur Geschichte der Musik in Böhmen zeigen, wie gerade das deutsche Element in Böhmen stets musikalisch bedeutsam hervorgetreten ist.22) — Wertvolle Beiträge über das wenig bekannte, aber recht rege musikalische Leben und Treiben am2 3Hofe Christians IV. von Dänemark bietet eine Schrift Hammerichs, von der E l l i n g ) einen dankenswerten Auszug giebt. Des berühmten englischen Lautenisten John Dowlands Thätigkeit bildet nächst dem Wirken des Altmeisters Heinr. Schütz den musikalischen Höhepunkt jener Zeit und jenes Ortes. — Die Arbeit von K r e b s 2 4 ) über die Privatkapellen des Herzogs von Alba erschöpft sich fast ganz in Emoluinenten-Tabellen. Als Schluss ist ihr ein „Heroicum Panegiricum" auf Herzog Ferdinand angehängt., dem ein ostinater Cantus firmus auf den Text „Dux Albane vive!" zu Grunde liegt. — K i r c h n e r s 2 5 ) Schrift behandelt den im J. 1727 zwischen den Kantorats-Kandidaten Hofmann und Neubert ausgebrochenen Streit, der unterden Pfahlbürgern von Chemnitz grosse Aufregung hervorrief; ein Sturm im Glase Wasser, der die Weiterentwicklung der Musikgeschichte nicht aufgehalten hat. — Einen wirklich herzerfreuenden Eindruck macht der Bericht, den B o h n 2 6 ) über seine innerhalb 12 Jahren veranstalteten 50 historischen Konzerte giebt. Was ein von edelster Kunstbegeisterung durchglühter Künstler und hochbedeutender Musikgelehrter durch Energie und Ausdauer bei bescheidenen künstlerischen und materiellen Mitteln leisten kann, liest man hier mit wachsendem Erstaunen. Von der „Beigabe" soll weiter unten die Rede sein (s. u. N. 47). — Für die Berliner Sammlung alter M u s i k i n s t r u m e n t e begeisterten sich S e i f f e r t 2 7 ) und Bie 2 8 ). Eine solche Sammlung will weniger gelobt als besucht und studiert und dann kritisch beurteilt sein. — Wegen der nahen Beziehung des Vf. zu dieser Sammlung und der 2Gleichheit des behandelten Stoffes sei an dieser Stelle die Abhandlung F l e i s c h e r s 9 ) über Musikinstrumente aus deutscher Urzeit erwähnt. F. geht sehr unkritisch vor, nicht bloss, wenn er gelegentlich der keltischgälischen Crwth (Crowth) von „Nachkommen der alten Barden" redet, sondern vor allem, wenn er aus den spärlichen Andeutungen über Instrumente im „ vorgeschichtlichen Griechenland", desgleichen im „nördlicheren und nachmals keltischen und deutschen Europa" (!) mit positiver Sicherheit nur 2 Arten von Lyren statuieren will. Er selbst versichert natürlich: dieses sein Forschungsergebnis sei „ein neuer brauchbarer Baustein".30) — S e i f f e r t : AMusZg. S 406/8.]| — 18) 0 . F l e i s c h e r , D. Bedeutung (1. internat. Musik- u. Theater-Ausstellung in Wien fttr Kunst u. Wisselisch. d. Musik. Mit Illustr. nach Orig. v. W. Oertel u. E. Sohlemo. ( = 1JB. f ü r Musiklitt. N. 6/7.) 5. Taus. L. u. New-York, A. Laurcncic. 71 S. M. 0,80- — 19) E. K n e s c h k e , D. 150j. Gesch. d. Leipziger Gewandhaus-Konzerte 1743-1893. ( = ebda. N. 1/3.) 160 S. Mit Illustr. M: 1,20. |[3ignale N. 47; MhMnsikgesch. 25, S. 221/2.JI - 20) D. kgl. Konservatorium d. Musik zn Leipzig 1843-93. Z. 50j. Jubelfeier. L. (Breitkopf & Hirtel). 4°. VII, 114 S. M. 2,00. 211 o G. L P a z a u r e k , Beitrr z. Gesch. d Musik in Böhmen: MVGDB. 31, S 280-93. |[A. H e i n t z : AMusZg. S. 64ä.]| — 22) X H e i n r . W e b e r , D. Kirchengesang im Fflrstbistnm Bamberg. E. Beitr. z. Gesch. d. Kirchengesanges in Ostfranken. ( = Vereinsschriften d. Görres-Ges. N. 2.) Köln, J . P. Bachem. VIII, 64 S. M. 1,20. — 23.) C. E l l i n g , D. Musik am Hofe Christians IV. v. Dänemark: VjsMnsikwissensch. 9, S. 63-98. (Nach A. Hammerich, Musiken ved Christian d. Fj. Hof.) — 24) C. K r e b s , D. Privatkapellen d. Herzogs v. Alba: ib. S.393-407. — 25) C. K i r c h n e r , E. Streit um d Kantorat in Chemnitz. ( = 1 4 : 385, S. 15-33.) — 26) E. B o h n , 50 hist. Konzerte in Breslau (1831-92). Nebst bibliogr. Beigabe: Bibl. d. gedr. mehr8timm. weltl. dtsch. Lieder vom Anf. d. 16. Jh. bis ca. 1640. Breslau, Kommissionsverl. v. J . Hainauer. VII, 188 S. M. 4,00. |[H. S e i f f e r t : AMusZg. S. 644.]I - 27) M. S e i f f e r t , D. kgl. Samml. alter Musikinstrumente zu Berlin: AMusZg. S. 200/1. — 28) 0 . B i e , D. kgl Instrumentensammlung in Borlin: ib. S. 249-51. — 29) 0 . F l e i s c h e r , Musilcinstrnniente ans dtsch. Urzeit: ib. S. 399-401. — 3 0 ) X W a g n e r , Ans d. neueren Forschungen aber d. ältere Notenschrift: MusWBl. S. 437/8,

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H. R ei mann, Musikgeschichte.

Zu den S a m m e l w e r k e n führen uns die Musiklexica, von denen das bekannte R i e m a n n s c h e 3 1 ) im Berichtsjahre seine 4. Auflage erlebt hat. Die Brauchbarkeit dieses Nachschlagewerkes steht über allem Zweifel; auch die Zuverlässigkeit darf in allen denjenigen Fällen als sicher betrachtet werden, wo der Vf. nicht seine eigenen, zumeist recht unzuverlässigen Theorien (z. B. Phrasierung, Dynamik, Agogik) in die Darstellung verwoben hat. Zum guten Glück sind diese Fälle verhältnismässig selten und übrigens leicht erkennbar. Das Werk kann demnach unter diesem Vorbehalt sehr wohl empfohlen werden.32) — Ein wohlbewährtes vorzügliches Buch ist v o n W a s i e l e w s k i s 3 3 ) Werk „Die Violine und ihre Meister", das in dritter sorgfältig revidierter und sehr erweiterter Auflage vorliegt. Von Corelli bis auf Joachim und seine Schule bietet das Buch eine' treffliche Geschichte der violinistischen Technik. 34 ) — Wird uns hier ein Geschichtsbild edelster Virtuosenbestrebungen geboten, so zeigen uns E h r l i c h s 3 5 ) Memoiren den Revers. Virtuosen- und Autoreneitelkeit streiten hier in einem von Selbstbewunderung überströmenden Geiste um die Palme. Der edle Wettkampf erreicht eine nie geahnte Höhe, als der Vf. kalten Blutes der musikalischen Welt die „Thatsache" enthüllt, dass nicht Liszt, der geniale ungarische Rhapsode, sondern er, d. h. Heinrich Ehrlich, der Komponist der bekannten und allbeliebten 2. ungarischen Rhapsodie sei. Und das trug sich zu vier Jahre nach des Meisters Tode, nachdem jenes angeblich E.sche Stück mindestens 50 Jahre alt geworden war und ebensolange ohne den Einspruch seines vermeintlich legitimen Vaters für Lisztisch gegolten hatte. Liszt schrieb mehr als ein Dutzend Rhapsodien, alle in einem Gusse und nahezu in derselben Faktur, alle unter einander sich ähnlich, wie nur echte, rechte Geschwister sein können! Sein hoher, idealer und doch bescheidener Geist, dem nichts ferner lag, als Anderer Verdienste zu schmälern, sollte es geduldet haben, dass eines anderen Künstlers Werk unter seiner Flagge segelte? Die Beleidigung, die hier dem unberührbaren Andenken eines der edelsten und liebenswürdigsten Tonmeister angethan ist, sucht vergebens ihres Gleichen.36) — Kurze und im Stil schlichter, populärer, manchmal etwas zu novellistischer Darstellung gehaltene Bilder aus dem Leben Joh. Seb. Bachs, Haydns, Mozarts und Beethovens bietet N i e t s c h m a n n 3 7 ) , während Otto S c h m i d 3 8 ) als Kritiker einer Dresdener Tageszeitung selbstredend „höher hinaus" will! Er versucht sich in einer Untersuchung über die Geschichte des Walzers bis auf Schubert als Musikhistoriker insofern nicht ohne Glück, als er Litteraturkenntnis zeigt. Freilich musste ihn schon Böhmes Geschichte des Tanzes belehren, dass er 6ein Thema längst nicht erschöpft habe. Eine zweite Abhandlung über die Entwicklung der Ballade — ein sehr beliebtes Thema — gipfelt in einem übertriebenen Lobeshymnus auf Karl Loewe. Auch das ist man gewöhnt. In der dritten: „Die Romanze in Dichtung und Musik" hat Götzingers verschwommene Definition dieser Dichtungsgattung eine bedauerliche Verwirrung bei dem Vf. hervorgerufen; es folgen „Gedanken eines Nicht-Katholiken über katholische Kirchenmusik". Die heilige Kongregation der Riten dürfte keine Veranlassung nehmen, des Vf. Protest gegen die Beseitigung der Instrumentalmusik aus der Kirche zu berücksichtigen. Dazu müsste die Motivierung besser und einsichtiger sein! Schliesslich folgt der letzte, aber zugleich auch der mindest gute Aufsatz : Mascagni, für dessen unleidliche „Oavalleria" der Vf. eine Lanze bricht. Der Rest, Dresdener Tageskritiken über lokale Opernaufführungen, hätte Schweigen sein müssen! Liest man von ,jeunesse d'oree" (sie) (S. 88), von der Oper „Jakob und seine Brüder" (S. 92), vom „Götterfunken des Genies" u. a., so erkennt man, dass der Vf. sich nicht einmal der Mühe unterzogen hat, seine kritischen Tagesergüsse für eine dauernde Publikation zu säubern.39) — Unter dem Titel „Reisende Musikerinnen" verbergen sich Tagebuchaufzeichnungen der „Direktrice" einer den europäischen Orient bereisenden Damenkapelle, die Delia 4 0 ) nach gehöriger Säuberung des Druckes für wert erachtete. Die musikalische Ausbeute ist selbstverständlich gering, dagegen muss das Buch als wertvoller Beitrag für die sociale Lage unserer männlichen und weiblichen Musiker angesehen werden. — Eine sehr interessante und lohnende Aufgabe

453/5, 469-70. - 31) H. S i e m a n n , Musiklex. 4.- Tollst, umgearb. Aufl. L., 11. Hesse. XI, 1210 S. M. 10,00. - 32) X E P a n e r , Birthday Book of Mnsicians and Composera. London, Forsyth Brothers. 363 S. — 33) W. J. v. W a s i e l e w s k i , I). Violine n. ihre Meister. 3., mit Abbild., sowie zahlreichen Nachtrr. n. Berichtigungen vers. Ausg. L., Breitkopf & Härtel. XII, 581 S. M. 9,00. |[0. B i e : AMusZg. S. 674.]| — 34) X C o u t a g n e . G. Duiffoproucart et les luthiers lyonnais. Paris, Fischbacher. 85 S. Et porlr. |[C. K r e b s : VossZg. N. 383; W. J. v. W a s i e l e w s k i : MhMusikgesoh. 25, S. 179.]| — 35) H. E h r l i c h , 30 Jahre Künstlerleben. B.,Steinitz. VIII, 416S. M. 6,00. |[Didask.N. 99.]| (S. auch u. N. 141 u. IV 1 c : 156.) — 36) X A. E h r l i c h , Berühmte Klavierspieler d. Vergangenheit u. Gegenw. E. Samml. v. 116 Biogrr. u. 114 Portrr. L.,Payne. •VIII. 367 S. M. 7,00. UM. Ed.: MusWBl. S. 708/9; Signale N 70.)| — 37) Arm. S t e i n ( = n . N i e t s c h m a n n ) , Aus d. Reioh d. Töne. Bilder aus d. Leben unserer grossen Meister. Halle a. S., Waisenhaus. VII, 204 S. M. 2,40. |[H. R e i m a n n : BLU. S. 455.]l — 38) O t t o S c h m i d , Bunte BU. Studien u. Skizzen aus d. Reiche d. Töne. (Berichte n. Kritiken ans i. Dresdener Opernleben.) Dresden, N. Damm. 144 S. M. 2,00. |[M. S e i f f e r t : AMusZg. S. 616; Signale N. 43.]| — 39) X A - L e s i m p l e , Aus d. Reiche d. Frau Musika. V. Mozart zu Mozart. L., C. Ksissner. 68 S. M. 1,00. — 40) M. D e l i a , Reisende Musikerinnen. Tagebnchbll. Wien, Hartlcben. VIII, 143 S. M. 2,00. ||H R e i m a n n : BLU. S. 455.]| —

H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

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stellte sich B o c k 4 1 ) : die Beziehungen deutscher Dichter zur Musik darzulegen. Der Vf. bezeichnet seine Schrift als einen „Versuch" und erhebt nicht den Anspruch, sein Thema erschöpft zu haben. Aber was er giebt: Klopstock, Wieland, Lessing, Schiller, Goethe, Herder, Jean Paul, die Romantiker, E. T. A. Hoffmann, Lenau, Heine, Grillparzer, ist eine sachgemässe und sehr einsichtsvolle Darstellung der mehr oder weniger intensiven Beziehungen dieser Männer zur Musik. Die betreffenden Aussprüche, Abschnitte aus den Werken u. dgl. sind sorgsam zusammengetragen, und ihre Behandlung ist vom musikalischen Standpunkte aus tadellos. — Eine auch für den Musiker dankenswerte Studie giebt F r i e d l a e n d e r 4 2 ) in einer Beilage zum 1. Band von L. Frankels Uhland-Ausgabe. Am interessantesten ist das negative Ergebnis, dass Beethoven, Weber und Rob. Franz keine Gedichte von Uhland komponiert haben. Die am häufigsten komponierten Gedichte sind: „Frühlingsglaube" und „Ständchen". — Einzelne musikalische Formen. Die L i e d e r litter atur hat in dem laufenden Jahr einen überaus reichen Zuwachs erfahren. Vor allem durch die grossei Ausgabe des Erkschen „Liederhorts", der umfassenden Sammlung deutscher V o l k s l i e d e r , die der um die Geschichte des deutschen Liedes verdiente B ö h m e 4 3 ) , der Herausgeber des altdeutschen Liederbuches, besorgt hat. Das Werk wird im nächsten Jahrgange zur Besprechung gelangen. — Von der Thatsache ausgehend, dass Volksliedersammlungen wie das Böhmesche Altdeutsche Liederbuch nur wenigen zugänglich sind, dass ferner die Form, in der hier die Volkslieder geboten werden, sie mehr für wissenschaftlichen als für praktischen Gebrauch bestimmt erscheinen lässt, glaubte R e i m a n n 4 4 ) einen Schritt weiter thun zu müssen, um die altdeutschen Liederschätze dem singenden deutschen Volke zugänglich zu machen. In Deutschland ist die praktische Musikübung allgemein verbreitet. Der Konzertsaal, die Opern- und Operettenbühne, ja leider auch das Café chantant und das Specialitäten-Theater sind heutzutage die Quellen, aus denen das Volk — in grossen wie in kleinen Städten — seinen Bedarf an „Volksmelodien" bezieht. Die alten herrlichen Liederschätze des deutschen Volkes geraten in Vergessenheit. Im Konzertsaal spielt der Erfolg die Hauptrolle: man singt zumeist nur, was sich als Zug- oder Da-capo-Nummer bewährt hat. Daher das einförmige und klägliche Konzertprogramm sehr vieler Sängerinnen, dem ein noch jammervolleres Programm der Haus- und Familienmusik auf dem Fusse folgt. Hier eine Remedur zu schaffen, hier Abwechslung zu bieten und auf die unergründlichen Schätze unseres deutschen Liedes hinzuweisen, diese selbst aber in einer Form darzubieten, die den Gesetzen der musikalischen Kunst in weitestem Umfange gerecht wird, ist das Ziel, welches die von R. unter dem Titel „Das deutsche Lied" herausgegebene Sammlung zu erreichen strebt. Die freundliche Aufnahme der Liedersammlung seitens des Publikums, insbesondere das Eintreten der Frau Amalie Joachim für die Ideen des Herausgebers scheinen, abgesehen von der Zustimmung der Kritik, Beweis genug, dass R. keinen Fehlgriff gethan hat. — Als Gegenstück zu den vier Bänden deutscher Lieder veröffentlichte dann R e i m a n n 4 5 ) drei Bände ausländischer Volkslieder. Die deutschen Uebersetzungen hat zum grossen Teil der Herausgeber selbst besorgt; in allem übrigen ist dieses Werk genau nach den Grundsätzen des „Deutschen Liedes" angelegt und durchgeführt. — Das alte deutsche mehrstimmige Lied und seine Meister behandelt E i t n e r 4 6 ) in einer zwar etwas nüchtern gehaltenen, aber mit reicher Sachkenntnis geschriebenen und durch viele Musikbeispiele erläuterten Abhandlung, die eingehende Beachtung auch in rein litterarischen, d. h. nicht fachmännisch-musikalischen Kreisen verdient. — Eine wertvolle bibliographische Arbeit ist die Beilage zu B o h n s 4 7 ) Bericht über seine 50 historischen Konzerte in Breslau. Die hier beschriebenen Partituren sind zum Teil Seltenheiten ersten Ranges. — Ein Aufsatz des bekannten Liederforschers D r u f f e l 4 8 ) giebt eine höchst dankenswerte Berichtigung zu den Notizen über ein Lied mit Instrumentalbegleitung aus dem 14. Jh. („Zart liebste Frau in lieber acht"), die sich in Ambros-Reimanns Musikgeschichte (3. Aufl. 2, S. 518ff; s. o. N. 15) befinden. 49 ) — Niederdeutsche und niederländische Volksweisen, zum Teil noch ganz unbekannt, teilt B o l t e 5 0 ) in allbekannter und geschätzter sorgfältiger Behandlung mit.51) — Zum

41) A. B o c k , Dtsch. Dichter in ihren Beziehungen z. Musik. — 4 2 ) M a x F r i e d l a e n d e r , Uhlands Gedichte in d. Musik.

L., Reissner. £64 S. M. 4,00. [II. R e i m a n n : B L U . S. 455.]| ( = I V 10 : 1 0 6 ; Bd. 1, Beil. 5 S.) I[A. H e i n t z : A M u s Z g . S. 644.]|

— 4 3 ) ( I I 2 : 1 . ) — 4 4 ) H. R e i m a n n , D . dtsch. Lied. E . A u s w . ans d. Progr. d. hist. Lieder-Abende d. Frau Amalie Joachim. 4 Bde. B., Simrock. 4». 360S. M. 12,00. — 4 5 ) i d . , Internat. Volksliederbuch. E. Samml. ansländ.Volkslieder.3 Bde.ib. 140 S.M.9,00. — 4 6 ) R. E i t n e r , D . alte dtsch. mehrstimm. Lied u. seine Meister: MhMusikgesch. 25, S. 140-55,161-79, 183-204, 207-20. — 4 7 ) E . H o h n , Bibl. d. gedruckten mehrstimm, weltl. dtsch. Liedes v. Anf. d. 16. Jh. bis ca. 1640. ( = N. 26, Beil.) |[M. S e i f f e r t : AMusZg. S. 64ä.|| — 4 8 ) P. D r u f f e l , D. „Nachthorn". E. Lied mit Instrumental-Begleit. aus d. 14. Jh.: M o s W B l . S. 617/8, 633/4, 649-50, 661.2. — 4 9 ) X K. E r b e , Loreley. E. Samml. T. z w e i - u. dreistimm. Liedern u. Gesängen verschied. Inhalts. Z. unterriclitl. Gebrauche für d. ob. Klassen höh. Mädchensch. ausgew., bearb. u. her. Ilildburghausen, Gadovr & Sohn. 212 S. M. 0,80. — 5 0 ) J- B o l t e , Niederdeutsche u. niederländ. Volksweisen. (Mit Musikbeil.): JbVNiederdSpr. 18, S. 15/8. — 51) X K. A. H e r m a n n , Völkerlieder für vierstimm, gemischte Chöre. E. Samml. v. 150 geistl. u. weltl. volkstüml. Kompositionen Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgcschiclito.

IV.

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1 1 3 : 52-01

H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

ersten Male hat sich ein philologisch geschulter Gelehrter, Nast 5 2 ), mit den Melodien litauischer Volkslieder befasst. Die litauischen Dainos sind zumeist von bestrickendem musikalischem Reiz. Schon Chopins „Litauisches Lied" deutet darauf hin; die Proben, die ifeh in meinem „Internationalen Volksliederbuche" (s. o. N. 45) gegeben, bestätigen diese Thatsache. Die Untersuchung beschäftigt sich mit dem Inhalt, sodann mit den Melodien der Dainos. Missglückt sind einzig und allein die Harmonisierungen des Volksliedes auf S. 23 und 47 ff. Im übrigen ist die Arbeit durchaus wertvoll und fördernd. (Vgl. auch IV 2.) — Auf dem Gebiet des g e i s t l i c h e n L i e d e s ist zunächst der grundlegenden Arbeit des verdienstvollen Zahn 5 3 ) zu gedenken, die mit dem vorliegenden 6. Bande ihren Abschluss gefunden hat. Das monumentale Werk ist hinsichtlich seiner litterarisch-musikalischen Bedeutung etwa dem Erk-Böhmeschen Liederhort vergleichbar. Die rastlose Arbeit eines ganzen Menschenlebens liegt vor uns, ein erhebendes Beispiel deutschen Gelehrtenfleisses und unermüdlicher Ausdauer. Ueber den Hauptvorzug eines solchen Nachschlagewerkes, die Zuverlässigkeit und Richtigkeit der Angaben und Melodieversionen, kann nur der ein Urteil abgeben, der das Werk dauernd benutzt und vergleicht. Ich bin längere Zeit in dieser Lage gewesen und nur an verhältnismässig wenigen Stellen bin ich auf Irrtümer gestossen, wozu ich selbstredend nicht rechne, dass die Angaben und Verzeichnisse der Quellen nicht überall erschöpfend und vollständig sind. Die Königliche Bibliothek in Berlin käme z. B. sonst in den Verdacht, an liturgischen und hymnologischen Schätzen viel weniger zu besitzen, als es wirklich der Fall ist. Der Schlussband giebt ja auch laut Titel nur das Verzeichnis der vom Vf. „benutzten" Gesangbücher.54 56 ) — An diese wesentlich liturgischen Zwecken dienende Liedersammlung darf ich hier v o n L i l i e n c r o n s 5 7 ) liturgisch-musikalische Geschichte der evangelischen Gottesdienste anschliessen, ein für die Liturgie wie für die Musikgeschichte gleich bedeutsames, mit eingehendster Sachkenntnis abgefasstes Werk. Der Hinweis darauf, dass Luther keine Form des liturgischen Gesanges in seiner Formula missae vom J. 1523 als allgemein verpflichtend aufstellte, sondern den „Kirchenregimentern nach Massgabe der lokalen Gewohnheiten" freieren Spielraum gewährte, dass dementsprechend von Anfang an zwei Formen, die eine lateinisch „für Stifter und Dome", die andere deutsch für kleinere Stadt- und Dorfkirchen in Gebrauch war, erklärt die Wandlungen, die die Form des evangelischen Gottesdienstes im Laufe des 16. und 17. Jh. durchmachte, und ihre Darstellung bildet den Hauptinhalt dieses sehr verdienstlichen Werkes. — Gleichzeitig mit der Entwicklung der Oper in Italien zu einer selbständigen Kunstform entstand in London als „Erfindung routinierter Komödianten" die Operette, bezugsweise das Singspiel, als ein Unterhaltungsmittel für das schaulustige Publikum. An bereits bekannte und beliebte, strophisch gegliederte Liedweisen sich anschliessend, übte dieses dem Inhalt nach gar oft burlesk-frivole Singspiel bereits gegen Ende des 17. Jh. eine grosse Zugkraft in Deutschland aus und fand eifrige Nachahmung. Mit gewohnter Gründlichkeit hat B o l t e 5 8 ) die Entwicklung dieser Singspiele dargestellt und durch einen Anhang von 30 Melodien die musikalische Qualität der Stücke treffend erläutert. — Einen interessanten Beitrag zur Geschichte der ältesten deutschen Oper giebt Z e l l e 5 9 ) durch eine kurze, mit Musikbeispielen reich versehene Abhandlung über Joh. Phil. Förtsch (1652—1732), seines Zeichens Arzt, aber auch Staatsmann, Sänger, Dichter und Komponist., zumeist in Hamburg, sodann in Gottorp und Eutin. — Als ein sehr unmusikalisches Buch eines Vf. mit dem sehr musika lischen Namen J o a c h i m 6 0 ) (Pseudonym?) muss ich die Schrift „Von Rossini bis Mascagni" bezeichnen. Nur derjenige, dessen musikhistorische Kenntnisse auf so schwachen Füssen stehen (vgl. das Urteil über J. Peris Daphne), kann derart in kritiklosem Enthusiasmus für Mascagni und Genossen untergehen. — E i n z e l n e M u s i k e r u n d K o m p o n i s t e n . Mit einem der ältesten und zugleich auch anmutigsten Liederspiele, mit Adam de la H a i e s „Robin et Marion", beschäftigt sich eine Leipziger Dissertation von M e i e n r e i s 8 1 ) . Leider lehnt sich die Schrift allzu stark an Coussemakers Ausgabe an, so dass von selbständiger Arbeit u. Volksliedern d. Italiener, Franzosen, Spanier; Russen, Tschechen, Serben; Letten; Niederländer, Engländer, Walliser, Schotten, Iren, Amerikaner, Schweden, Dänen, Norweger; Armenier usw. L„ Klinkhardt. IV, 328 9. M. 5,00.— 521(15 : 301.) HWSKPh. 10, S. 844/601 — 53) J. Z a h n . D.Melodiend. dtsch. evangel. Kirchenlieder nach den Quellen bearb. 6. (Schlnss-)Bd. Gütersloh, Bertelsmann. 578 S. M. 15,00. (Bd. 1-6: II. 92,00.) — 54) X Choralbach d. evangel. Brüdergemeinde. Gnadau, Ünitäts-Buchh. VII, 170 S. II. 1,60. - 55) X K - W a g n e r , Weihnachten. D. beliebtesten Weihnachtslieder (z. T. mit Klavierbegl.) u. e. Festspiel. Für Schule u. Haus her. Bielefeld, Helmich. 24 S. II. 0,35. — 56) X E - B a r t h , Oeistl. Volkslieder für Sopr.in, Alt, Tenor u. Bass ges. Gütersloh, Bertelsmann. 16 S. II. 0,40. — 57) (II 2 : 4 6 . ) |[B. E i t n e r : MhMusikgesoh. 25, 9. 156 ]l — 58) (III 4 : 7 . ) [Signale N. 53.]| — 59) F. Z e l l e , J. Ph. Förtsch, 3. Beitr. z. Gesch. d. ältesten dtsch. Oper. Frogr. d. 4. Städt. Realschule. Berlin (R. Gärtner). 4". 24 S. — 60) G. J o a c h i m , V. Rossini bis Mascagni. E. Bild d. italien. Oper im 19. Jh. (— An d. Tagesordnung, Beitrr. z Klärung d. öffentl. Meinung, lieft 4.) B, Lesser. 32 S. M. 0,50. — 61) Th. M e i e n r e i s , Adam de la Haies Spiel „Robin et Marion- u. d. letzteren

H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

I

1 3 : 62-79

nicht viel mehr als die Uebertragung ins Deutsche übrig bleibt. — Eine um so gründlichere und ausführlichere Studie über J o h a n n H o t h b y (gest. 1487), den Vf. der „Calliopea leghale", verdanken wir dem unermüdlichem Forscher auf dem Gebiet mittelalterlicher Musikgeschichte K o r n m ü l l e r 6 2 ) . Das dunkle Gebiet der mittelalterlichen Mensuralmusik hat durch diese Arbeit wiederum eine neue Klärung erfahren. — Nicht minder verdienstvoll sind die Beiträge zur Lebensgeschichte O r l a n d o di L a s s o s und seiner Nachkommen von H a b e r l 6 3 ) . Leider finden wir über das zweifelhafte Geburtsjahr dieses Meisters auch hier keine definitive Aufklärung. — Aus der Schrift „Prattica dimusica" (1592—1622) des L o d o v i c o Z a c c o n i teilt Ch r y s a n d er 6 4 ) einzelne Kapitel in wohlgelungener deutscher Uebersetzung mit erläuternden Bemerkungen mit. Der umfassende, klare und vorwärts strebende Geist dieses Augustinermönches tritt darin auf das lebhafteste vor unser Auge. Mir ist nur unklar geblieben, weshalb Ch. bei dieser ganz allgemein die gesamte Musiktheorie und musikalische Auffassung jener Zeit behandelnden Darstellung Zacconi als „Lehrer des Kunstgesanges" bezeichnet. Mich dünkt, seine Bedeutung sei eine viel universellere. — Eine sehr verdienstliche, sowohl die Eigentümlichkeiten der Madrigalisten als die H a n s L e o H a s s l e r s in äusserst fesselnder und gründlicher Weise darstellende Abhandlung verdanken wir S c h w a r t z 6 5 ) . — Aus der Hamburger Ratsbibliothek wird ein kontrapunktisch recht interessantes „Melos genethliacum" (Weihnachtsgesang) des H e i n r i c h B a r y p h o n u s von S p i t t a 6 6 ) mitgeteilt. — Unter dem Titel „ C a v a l l i als dramatischer Komponist" giebt G o l d s c h m i d t 6 7 ) einige Stücke aus seinen Opern, lediglich als Ergänzung zu Kretzschmars Abhandlung über die Venezianische Oper (vgl. JBL. 1892 I 9:27). Der Musikdruck ist stellenweise inkorrekt, und die Arbeit selbst ohne weitere Bedeutung. — Auf eine Choralsammlung des J a k . P r a e t o r i u s in einer Kopenhagener Pergaraenths. macht B o l t e 6 s ) , auf einen der Berliner Königlichen Bibliothek gehörigen seltenen Druck eines Werkes („Sacra Partitura") von Ph. Pr. B ö d d e c k e r (1651) E i t n e r 6 9 ) aufmerksam. — Recht dürftig und lediglich auf Stollbrocks Forschungen fussend, ist die biographisch-bibliographische Studie über G e o r g und G o t t l i e b M u f f a t , die v o n W e r r a 1 0 ) veröffentlichte.—Eingehend und gründlich wird dagegen über einen recht unbekannten Meister, den Orgelspieler und „Musikgelehrten" Joh. Val. E c k e l t (1673—1732), von J a c o b s 7 1 ) gehandelt.— Die allumfassende Bedeutung, die Joh. Seb. B a c h als Passionskomponist hat, mag es rechtfertigen, dass ich unter seinem Namen hier vereinige, was über P a s s i o n s m u s i k e n ü b e r h a u p t — allerdings zumeist mit Bach als Augen- und Zielpunkt — geschrieben worden ist. Zunächst K ad es 7 2 ) Buch. Der Vf. giebt eine bibliographische Darstellung einer grossen Anzahl Vor-Bachscher Passionsmusiken von Jak. Obrecht bis auf Schütz und als Beilagen noch die Partituren der Matthaeus-Passion von J. Obrecht, von J. Walther und A. Scandellus. Die Arbeit ist verdienstlich, sicher aber nicht erschöpfend. — Ein Vortrag S p i t t a s 7 3 ) über die Passionsmusiken von Seb. Bach und Heinr. Schütz will nachweisen, dass die Bachsche Passion lediglich vom Standpunkt der evangelischen Liturgie, in die sie unmittelbar hineingehöre, verstanden und recht beurteilt werden könne. — Gegen diese Auffassung machte R e i m a n n 1 4 ) begründete Bedenken geltend, — Weit schärfer, ja wie ich glaube, schärfer als in diesem Falle nötig ist, zog Z i e h n 7 5 ) in einem Aufsatze über die Lukas-Passion gegen Spitta zu Felde. An die Echtheit dieser Passion glaubt wohl heutzutage ausser A. Dörffel niemand mehr. — Die Frage, ob der grosse Thoraaskantor ein- oder zweimal in Kassel gewesen sei, erörtert S c h e r e r 7 6 ) , ohne in dieser Staatsangelegenheit zu einer definitiven Entscheidung zu gelangen. 77 ) — Ueber den Schüler und späteren Nachfolger J. S. Bachs im Thomaskantorat, Joh. F. Doles, teilt E i t n e r 7 8 ) eine den Eckschen Leipziger gelehrten. Tagebüchern Stellung Ii. d. Entwiclcl. d. dramat. n musikal. Kunst Diss. Leipzig. 106 S. — 62) U. K o r n n i G l l c r , J, Hothby! KirchenmusJb. 8, S. 1-23. — 6 3 j F. H a b e r l , Archival. Excerpto Ober Orlando di Lasfco u. stine Nachkommen: ib. S. 61-73. — 64) F. C h r y s a n d e r , L. Zacconi als Lehrer d. Kunstgesanges. 2. T.: VjsMnsikwissensch. 9. S. 249-310. (Forts, zu ib. 7, S. 337-96.) — 65) B u d . S c h w a r t z , H. L. Hassler unter d. Einfluss d. italien. Madrigalisten: ib. S. 1-61. — 6 6 ) P h . S p i t t a , E. Weihnachtsgesang d. H. Baryphonus: ib. S. 331-92. — 67) H u g o G o l d s c h m i d t , Cavalli als dramat. Komponist: MhMusikgesch. 25, S. 45. — 68) J. B o l t e , E. Choralsamml. d. J. Prätorius: ib S 37/8. — 69) E. E i t n e r , Ph. F. Böddecker: ib. S. 116/8 — 70) E. v. W e r r a , Georg u. Gottl. Mnffat. Bio-bibliogr. Studie: Kirchenmusjb.8, S.42-52. - 7 1 ) E d . J a c o b s , D. Orgelspieler u. Musikgelehrte Joh. Val. Eckelt 1673-1732: VjsMusikwissensch. 9, S. 311-32. — 72) 0. K a d e , D. ältere Passionskoniposition bis z. J. 1631. Gütersloh, Bertelsmann. IV, 346 S. II. 9,00. |[LHw. S 662/3)1 — 73) P h . S p i t t a , D. Passion sm ii si ken v . J . S. Bacli u. H.Schütz. ( = SGWV. N. 176.) Hamborg, Verlagsanst 40 S. M. 0,80.—74) H. B e i m a n n , Passion u. Liturgie: BLU. S. 8 0 1 / 4 . - 7 5 ) B . Z i e h n , 2. Beitr. z. Lukaspassions-Forschung: AMusZg. S. 197/8,213/4,237/8,251/2. — 76) C. S c h e r e r , J . S . B a c h s Aufenthalt in Cassel: MhMusikgesch. 25, 8 129 33 — 7 7 ) X H. B i e m ; m n , Analysis of J. S. Bachs „Wohltemperiertes Klavier". Transl. by J. S. S h e d l o c k . 2 P a r t s . London. Angener. XIX, 168S.; 210S. ä S h . 2. |[WestmK. 140, S.700/l.]| — 78) R. E i t n e r , J. F. Doles: MhMusikgesch. 25. S. 125/9. — 79) M. S e i f f e r t , F. W. Kust: AMusZg. S. 371/4, 383/6. —

30*

I

1 3 t 80-90

H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

von 1797 (S. 5 ff.) entnommene biographische Skizze mit. — Auf Grund der Schrift von W. Hosäus über den Dessauer Tonkünstler Fr. W. Rust (1739—96) schrieb S e i f f e r t 1 9 ) einen gutgemeinten Aufsatz. — Für sogenannte „Reminiscenzen-Jäger" und zur Kenntnis H a y d n s ist R e i m a n n s 8 0 ) Abhandlung „Zum Kapitel von den Entlehnungen" bestimmt. Anknüpfend an eine abfällige Kritik des verdienstvollen Sammlers kroatischer Volkslieder F. S. Kuhac in einer österreichischen Zeitschrift, zeigt er an der Hand des in den 4 Bänden „Juzno slovjenske narodne pöpievke" von dem letzteren aufgespeicherten Materials, dass Haydn in mehreren seiner Symphonien (Es-dur, D-dur u. a.) notorisch kroatische Volksmelodien benutzt hat. Kuhac glaubt-, dass auch Beethoven die Hauptmotive seiner Pastoralsymphonie kroatischen Volksliedern entlehnt habe. Diesen Beweis sieht indessen der Vf. als noch nicht vollständig gelungen an. 8 1 ) — Das allbekannte und allgemein Haydn zugeschriebene Ständchen „Liebes Mädchen hör' mir zu" weist R e i m a n n 8 2 ) als eine Fälschung nach. Das Stück ist ursprünglich ein „Terzett"; als Autor ist in einem Drucke Anfang der 90er Jahre des vorigen Jh., wie in mehreren anderen späteren Drucken Mozart genannt. — Damit gelangen wir von selbst in den Kreis der Mozart-Litteratur, die in diesem Jahre — es ist kein „Jubeljahr" — auffällig schwach vertreten ist. Aber sie bringt eine wertvolle Publikation: E n g l s 8 3 ) „Studien" und in diesen wiederum unter N. 3 (S. 11) eine gründliche Zurückweisung der bereits früher an dieser Stelle (vgl. J B L . 1892 I 9 : 6 8 ) von mir bestrittenen Hypothese M. Friedlaenders. das bekannte Mozartsche „Wiegenliedchen" sei unecht. Wenn aber der Vf. am Schlüsse Friedlaenders Entdeckung darauf beschränkt, „dass das Gedicht nicht von Claudius, sondern von F. W. Gotter ist", so ist auch damit noch zu viel gesagt. Bereits in der Mozart-Ausgabe ist Gotter, allerdings mit Fragezeichen, als Dichter angegeben, und mir selbst war Gotters „Esther" als Fundort des Textes lange vor der Friedlaenderschen Publikation bekannt. — Interessante Mitteilungen über die Prager Don Juan-Partitur vom J . 1787 (nicht das Autograph, sondern eine für den Theatergebrauch bestimmte Kopie) macht B i s c h o f f 8 4 ) . Das Exemplar ist im Besitz der Frau Anna Willhain in Graz. Es handelt sich danach um eine unter den Augen Mozarts angefertigte Originalkopie, in welche die nachkomponierten Stücke eingefügt sind. Das Original besitzt bekanntlich Frau Viardot in Paris, nach deren Tode es in den Besitz der Nationalbibliothek übergehen soll. — Ein Aufsatz von S e n f f t s 8 5 ) über Mozarts Bild nach 100 J . ist im Geiste der „Grenzboten" gehalten, die bekanntlich das „Ende der Wagnerei" im gleichen Jahre mutig prophezeit haben. Mozarts Musik zeige Leidenschaft, meint derVf., aber der Meister habe sie niemals so jjahe auf sich eindringen lassen, dass sie „seinen Blick vollständig ausfüllte". Die der Musik erreichbaren Grundlinien habe er gewahrt. Wer so spricht, leugnet jede künstlerische Entwicklung. Mozart war auf dem Gebiete der Oper genau ein ebenso grosser „Rebell" wie Wagner. Sein „Figaro" spottet in den beiden Finalen, wie in einzelnen Solo- und Ensemblesätzen jeder Regel der bis dahin zünftigen Musik. Leider giebt der Vf. diese Thatsache selber zu und ahnt nicht, dass er sich selbst damit das Urteil gesprochen hat. Mozarts Musik sei ein „Lächeln unter Thränen" — das klingt so sentimental wie eine Spohrsche A-dur-Kantilene, mit verminderten Septimenakkorden garniert; aber das ist kein Mozart, dessen G-moll-Symphonie die Brust zerwühlt, dessen Don-JuanFinale die Welt erbeben macht, dessen C-dur-Symphonie der Triumphgesang des Helden ist! — Zu einer Karlsruher Aufführung des Mozartschen Requiems dichtete B e r n a y s 8 6 ) einen Prolog, so tief empfunden und von echtester Mozart-Begeisterung getragen, dass er mich auf das tiefste ergriffen hat. „Aus ewger Wahrheit" erblüht einzig auch „ewge Schönheit" — in diesen wenigen Schlussworten des Prologes liegt mehr Weisheit, als in dicken Kompendien über Mozart und weitschweifigen Philosophemen über das „Schöne in der Musik"! — Der Prolog zur B e e t h o v e n - F e i e r unter dem Titel „Beethovens Haus", den E. v o n W i l d e n b r u c h 8 7 ) dichtete, atmet bei weitem nicht die klare und reine poetisch-musikalische Anschauung wie der ebengenannte Mozart-Prolog. 88_89 ) — Unter dem geschmacklosen Titel „Beethovens Beichtvater" behandelt K a l i s c h e r 9 0 ) in bekannter Weise Beziehungen des Meisters zur Gräfin Erdödy, ohne über 8 0 ) H. R e i m a n n , Z. Kapitel v. d. „Entlehnnngen": ib. S. 506/7, 524/5, 538-40. — 81) X K - N e u m a n n - S t r e l a , J . Haydn. ( = HI 1 : 3, S. 329-30) — 8 2 ) H. R e i m a n n , E. „klassische" Liedfälsehnng: AMnsZg. S. 467/9. — 8 3 ) J . E. E n g l , Stildien Aber W. A. Mozart. Salzburg (H. Kerber). 23 S. M. 0,50. |[AMusZg. S. 673.]| (Sonderabdr. ans d. 12. J B . d. Mozarteums.) — 8 4 ) F. B i s c h o f f , D. Prager „Don Jnan"-Partitur v. 1787: NZMusilt. S. 49. — 85) A. v. S e n f f t , Mozarts Bild nach 100 J . : Grenzb. 1, S. 289-97, 330/9. — 8 6 ) M. B e r n a y s , Prol. zu Mozarts Beqniero. L„ Breitkopf & Hirtel. 1892. 16°. 10 S. M. 0,10. — 87) E. Y. W i l d e n b r n c h , Beethovens Hans. Prol. z. Beethoven-Feier in Bonn: AZgB. N. 108. — 88) X L.Nohl, Life of Beethoven. Transl. by J . I. ä n l o r . 2. ed. London, Reewes. Sh. 3/6. — 8 9 ) X H. R i e m a n n , Boethoven als Klavierpäd.: MusWBl S.541/2,553/4,509-70,581/2. — 9 0 ) A. C. K a l i s c h e r , Beethovens Beichtvater: NZMusik. S. 365/7,373/4,381/2.389-90,397/8,

H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

I

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die Hauptsache, den Grund ihrer Verbannung, zu einem Resultate zu gelangen. Was er vorbringt, beruht im wesentlichen auf Notizen Schindlers, also auf unzuverlässigen Quellen.— Ein anderer, etwas besserer Aufsatz K a l i s c h e r s a i ) — nicht ganz so pikant — betrifft die Besuche zweier berühmter Sängerinnen, Gertrud Schmehling 92 ) (La Mara) und Henriette Sontag, bei Beethoven. Die der Kgl. Bibliothek gehörenden Konversationshefte Beethovens gaben hierzu das Material. — Mit grosser Umständlichkeit und unter ausgedehntester Verwertung des Inhaltes der Beethovenschen Skizzenbücher unternimmt L e v i n s o h n 0 3 ) gegen Nottebohm und Thayer den Beweis, dass die erste, sogenannte kleine Leonoren-Ouverture (in C-dur) nicht erst nach der grossen dritten komponiert sei, sondern die Reihenfolge der Numerierung dieser drei Ouverturen auch der chronologischen Kompositionsfolge entspreche. Nottebohms Ansicht fusste auf der in den Skizzenbücliern vorgefundenen Reihenfolge, wogegen L. geltend macht, dass die Unordnung in den Skizzenbüchern zu sicheren, chronologischen Schlüssen keinen Anhalt geben- könne. — Als Kuriosum sei eine — ernst gemeinte — Mitteilung eines Herrn L. Austerlitz erwähnt, die K o p f e r m a n n 9 4 ) bekannt giebt: Cherubinis Wasserträger sei von Beethoven komponiert! — Ueber Fälschungen in S c h u b e r t s Liedern spricht M. F r i e d l a e n d e r 9 5 ) , ohne jedoch zu bedenken, dass man doch wohl vorher die prinzipielle Frage erledigen müsse, ob nicht gewisse von dem Schubertsänger Vogl herrührende Aenderungen dem Sinne des sehr schnell und flüchtig arbeitenden Meisters entsprachen und mit seiner Einwilligung in spätere Drucke aufgenommen wurden. Jedenfalls halte ich es mit der S. 170 mitgeteilten Meinung dreier „der angesehensten und bekanntesten deutschen Musiker", welche die alten Voglschen Lesarten den wiederhergestellten (F.schen) vorzogen. — Eine berichtigende Notiz Friedlaenders in diesem Aufsatz (S. 182), die als Komponisten des gemeiniglich Schubert zugeschriebenen Liedes „Nach Osten geht, nach Osten der Erde stiller Flug" A. H. von Weyrauch nennt, benutzt ein Anonymus 96 ) zu einem Aufsatz, ohne seine Quelle zu nennen. ImUebrigen hat Nottebohms Schubertkatalog das Lied nicht, und ChalliersLiederkatalog rechnet es richtig Weyrauch zu. Daher stammt vermutlich aucb Friedlaenders Notiz. — M o s c h e l e s Verkehr mit Beethoven betrifft ein Aufsatz von K a l i s c h e r 9 1 ) , der auch hier wieder die Konversationshefte Beethovens als Quelle benutzt. — Briefe von R o b. S c h u m a n n veröffentlichten C. F. M ü l l e r 9 8 ) und S c h 1 e 11 e r e r 9 9 ); die letzteren, an L. Spohr gerichtet, sind die weitaus bedeutenderen. — Recht bemerkenswerte Aufsätze von K . F . Z e l t e r veröffentlichte M . F r i e d l a e n d e r 1 0 0 ) . Sie enthalten Berichte an Friedrich Wilhelm III., beziehungsweise an den Kurator der Akademie der Künste, Freiherrn von Hardenberg, Vorschläge zur Hebung der Musik, betreffen persönliche Verhältnisse Zelters, handeln über Fasch und die Singakademie und bringen schliesslich Entwürfe zur Reform der Singakademie und zur Hebung des Kirchengesanges. — M e n d e l s s o h n s Antigone-Musik in ihrem Verhältnis zur griechischen Tragödie behandelt eine umfangreiche Leipziger Dissertation von Little 1 0 1 ). Da eine absolute Wiederherstellung des alten griechischen Dramas unmöglich, auch Wagners. Musikdrama zu sehr verschieden von jenem ist, so ist Mendelssohns Methode, etwas dem antiken Drama Nahekommendes zu bieten, der beste Ausweg. Der alte Effekt ist von Mendelssohn mit modernen Mitteln erreicht: das Wort herrscht vor, die musikalischen Rhythmen sind dem antiken Vorbild entsprechend gewählt, und so erneuert sich hier der antike Geist, soweit das möglich ist,. Ja, wer solchen Berge versetzenden Glauben an Mendelssohn hat, dem mag das alles so scheinen! Ich fürchte nur, dass gar viele von dem antiken Drama zu hoch und ideal denken, um sich für das Mendelssohnsche blassgefärbte Surrogat so recht warm interessieren zu können. 102 " 104 ) — Einen kurzen, gutgeschriebenen Lebensabriss von B e r n h a r d K l e i n mit Mitteilungen aus dem Kleinschen Nachlass, den die Kgl. Bibliothek besitzt, giebt K r e b s 1 0 5 ) . Seltsam berührt nur, dass die bekannteste und beliebteste Komposition Kleins dem Vf. unbekannt zu sein scheint, der Psalm „Der Herr ist mein Hirt".106) — 405/6. - 91) i d . , Aus Beethovens Frauenkreise: WIDM. 74, S. 822-44. — 9 2 ) X C. S c h e r e r , Gertrud Elisabeth Schmeling u. ihre Beziehungen zu R. E. Haspe n. C. Matthaei: VjsMnsikwissensch. 9, S. 99-127. — 93) A. L e v i n s o h n , D. Entstehungszeit d. Ouverture zu Leonore N. 1 (Op. 188): ib. S. 128-65. — 94) A. K o p f e r r a a n n , Beethovens „Wasserträger": AMusZg. S. 110/1. — 9 5 ) M a s F r i e d l a e n d e r , Fälschungen in Schuberts Liedern: VjsMusikwissensch. 9, S. 166-85.— 9 6 ) D.Dichterkomponist e. gemeinhin Schubert zugeschriebenen Liedes: MontagsR N. 51. — 9 7 I A . Ch. K a l i s c h e r , I. Moscheies Verkehr mit Beetheven: VossZgB. N. 15/6. — 98) C. F r. M Uli e r , Schumann-Briefe: MnsWBl. S. 205/6,221/2,233/4,249-50,261,2. — 9 9 ) G . M . S c h l e t t e r e r , Schumannbriefe an Spohr:NZMusik. S.74/5,85/6. — 100) M a x F r i e d l a e n d e r , E i n i g e Aufsätze v. K. F. Zelter: VossZg B . N. 26/8. — 101) A. M. L i t t l e , Mendelssohns music to the Antigone of Sophocles. Washington, Gidson Brothers. 91 S. — 102) X Bertha Schroeder, O. Nicolais Tagebücher (vgl. JBL. 1892 I 9 : 9 0 ) . |[AMnsZg. S. 850; H. R e i m a n n : BLU. S. 135.]| — 103) X F v. Flotow u. O. Nicolai (Tagebuch n. Leben): Grenzt. 2, S. 363-71. (Vgl. JBL. 1892 I 9 : 94 u. s. o. N. 102.) — 104) X c K r e b s , 0. Nicolai in Italien: VossZgB. N. 35/6. — 105) i d . , Bernh. Klein: ib. N. 10/1. — 106) X 0. L f i n i n g , H. Berlioz. E. Pionier d, Tonkunst. ( = 81. Njbl. d. allg. Musikges. in Zürich.) Zürich, Faesi Ss Beer. 26 S. Mit Bild. M. 3,20,

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1 3 : 107-123

H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

Wie alljährlich, ist auch diesmal die Wagner-Litteratnr am reichsten vertreten. Die Mitteilung von dreizehn B r i e f e n Wagners, die an A. Apt, den Direktor des Prager Cäcilien-Vereins und 1 0begeisterten Vorkämpfer für die neue Kunst, gerichtet sind, verdanken wir Batka 7 ). Die Briefe stammen aus den 1J.1 21H53—61.108"1 " ) — Das grösste Aufsehen hat in Wagnerkreisen C h a m b e r l a i n s ) vernichtende Kritik des Praegerschen Buches „Wagner wie ich ihn kannte" ("vgl. JBL. 189219 : 95/6) gemacht. Und in der That, die Beweise, die Ch. anführt, dass die in dem Werke mitgeteilten Wagnerschen Briefe keine Originalbriefe seien, sind zwingend. Nur möchte ich betonen, dass wie das Beispiel des (Deutsche Ausgabe S. 273) mitgeteilten Briefes an Fischer (vgl. Wagners Briefe an Uhlig usw. S. 330/1) ergiebt. Praeger offenbar die ihm zur Verfügung stehenden Briefe ins Englische hat übersetzen lassen. Die deutschen Originale scheinen aus seinen Händen gekommen zu sein, und er beging die Thorheit, sie zurück zu übersetzen. Der Inhalt kann demnach sehr wohl echt sein, der Text ist es sicher nicht. Aber auch für diese Manipulation ist die Bezeichnung „Fälschung" nicht zu stark. Ebenso unhaltbar ist Praegers Darstellung der Beteiligung Wagners am Dresdener Maiaufstand. Die komische Verwechslung des Dresdener Kapellmeisters mit einem Konditor Woldemar Wagner gab Anlass zu der auch von Praeger verbreiteten Mär, Wagner sei zum Tode verurteilt worden. Ch. benutzt hier gegen Praeger das von Dinger aktenmässig festgestellte Material. Das Treiben Praegers wird kein Mensch billigen; immerhin hat ihn Wagner „eine gute Seele" genannt, und ich vermag dieser Bezeichnung nicht den hässlich-ironischen Beigeschmack zu geben, wie der Vf. Dass er redlich und nach Kräften für Wagners Sache gekämpft hat, steht über allem Zweifel, nicht minder, dass er durch die eingehende Darstellung des Londoner Aufenthalts einen Baustein zur Wagnerbiographie beigetragen hat. Im übrigen ist er offenbar durch den Druck unbekannter Verhältnisse auf unrechte Wege gelangt und hat Briefe und damit Geschichte gefälscht. — Beiträge zur L e b e n s g e s c h i c h t e der Mutter und des Stiefvaters Wagners giebt Heintz 1 1 3 ) in seiner gewohnten pietätvollen Art, während L e s s m a n n 1 U ) das ideale Verhältnis Ludwigs II. von Bayern115zu119 dem Meister auf Grund neuerdings bekannt gewordener Briefe darstellen will. " ) — Von den a l l g e m e i n gehaltenen theoretischen Schriften über seine W e r k e sei in erster Reihe das französische Werk von E r n s t 1 2 0 ) genannt, dessen erster Teil Wagners dichterische Thätigkeit behandelt. Klarheit des Urteils und durchdringendes Verständnis bilden die Hauptvorzüge dieses bedeutsamen Buches. Der zu erwartende zweite Band soll „L'œuvre musical" behandeln. — Hier sei übrigens noch nachgetragen S a i n t - A u b a n s 1 2 1 ) „Pèlerinage à Bayreuth" mit dem bezeichnenden Anfange: „Si j'aime Wagner aujourd'hui, ce n'est vraiment pas ma faute; j'ai fait tout mon possible pour ne pas l'aimer". Und der Gesamteindruck von Bayreuth? „Vous entrerez en souriant, vous ferez comme mon sceptique: en sortant, vous serez sérieux. Car il est bien possible que cela ne vous plaise pas ; mais cela vous semblera grand". Mit diesem Urteil eines französischen Feuilletonisten wird jeder zufrieden sein können. — In einer Abhandlung über Wagner und die Politik sucht C h a m b e r lain 1 2 2 ) den Satz zu beweisen: „Die eigentliche Zeitpolitik blieb von Wagner gänzlich unberührt" (?); nur an jenem einen Abend, wo er im Dresdener Vaterlands verein den König „den ersten und allerechtesten Republikaner" nannte, „griff er in den Gang der Politik ein". Sein Problem „von der Wiedergeburt der menschlichen Gesellschaft" habe Wagner nicht als eine politische,1 2sondern social-religiöse (?) Frage angesehen. — Wenig bedeutet H a r z e n - M ü l l e r s 3 ) Auseinandersetzung über Wagners Beziehungen zu den bildenden Künsten. Ganz äusserlich werden Urteile Wagners über Malerei usw. aneinandergereiht und schliesslich wird über Wagner und seine Kunstgestalten in den Darstellungen verschiedener Maler und Bildhauer gehandelt. — Eine recht gute Ergänzungen enthaltende Kritik des im Berichtsjahre noch wieder107) R. B a t k a . K. Wagners Briefe an A. A p t : AMusZg. N. 28-33. 1081 X R - Wagner, Briefe, a) An d. Mitglieder d. Münchener Hofkapelle nach d. 1. T r i s t a n - A u f f ü h r u n g : b) an li. Levi vor . N 42. — 110) x id., Art-works of t h e f u t u r e . Transi, by W. A. E l l i s . London, Kegan Paul. Sh 12/6 - 111) X id., Beethoven. with a Supplement from Schopenhauer 2. ed London. Reeves. Sh. 6. — 112) X St. C h a m b e r l a i n : BayreuthBll. 16, S. 201-4(1; O. B i e : AMusZg. P. 420/2: H. K r c t z s c l i m a r : VjsMusikwisseusch. 9, S 447. — 113) A. H e i n t z , B. Wagners Mutter u. sein Stiefvater Ludw. G e y e r : AMusZg. S. 7 l ! à — 114) 0. L e s s m a n n , König Ludwig II. v. Bayern u. K. Wagner: ib S. 140/2 — 115) X E d m . T a / . y . Louis II. et lt. Wagner Paris. P e r r i n et Cie. 16°. 222 S. |[WestmK. 140, S. 222]! - 116) X w - A s l i t o n E l l i s . K. Wagnero pros. Schriften. E. Vorw. Ix. 2. Bde d. engl. Uebersetzung d. W e r k e Wagners): I n y r e u t h B l l . 16, S. 159-67. — U 7 i X H. T. F i n c k , Wagner and his works Critical comment. 2 vol. London, lïrevel, Sh. 21. — 118) X E- K r e h b i e l , Studies in the Wagnerian drama. Now ed London, Osgood. Sh. 2/6. — H 9 ' X G- N o u f f l a r d , R Wagner d'après lui même. P. I I : L'élaboration du gnirrf (Birre d'art. Paris, Fischbacher. 16°. 324 S. Fr. 3.5". |[0. B i e : AMusZg. S 376.]| - 120) A. R r n s t , I / a r t de E. Wagner. P. I : L'œuvre poétique. Paris, Pion, Nourrit et Cie. IV, 550 S. Fr. 3 50. | 0 . B i e : AMusZg. S. 38«; H v. W o l / . o g e n : BayreuthBll. 16, N. 7 (Umschlag).]| — 121) E. d e S a i n t - A u b a n , Un pèlerinage à Bayreuth. 2. éd. Paris. Savi ne. 1S9-'. 338 S. — 122) H. S t . C h a m b e r l a i n , K. Wagner u. d. P o l i t i k : BayreuthBll. 16, S. 137-38.— 123) V. A. N. H a r z e n - M ü l l e r , K. Wagners Beziehungen zu d.bildenden

H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

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1 3 : 124-141

holt besprochenen Chamberlainschen Aufsatzes über das Drama Wagners (vgl. JBL. 1892 I 9:99) giebt Louis. 1 2 4 ) — Wagner als den durch die Entwicklung der Romantik bedingten Künstler feierte K o h l er 1 2 5 ) bei Gelegenheit der zehnten Wiederkehr des Todestages. Der gebildete Musiker wird Sätze wie S. 9: „Chopin siecht bald ermattet dahin", S. 10: „Melodiemusik ist niederen Ranges; Motivenmusik ist allein fähig" oder S. 5 „Romantik steht höher als Klassizität" als recht unmusikalische Aeusserungen eines sehr geistreichen Mannes mit Protest zurückweisen. — Wie anders wirkt der Vortrag des Franzosen E h r h a r d 1 2 6 ) über die Bühnenfestspiele von 1892! Die Franzosen geben sich vorurteilslos dem Wagnerschen Kunstwerk hin; sie suchen nicht, darum finden sie! Die Deutschen suchen und verlangen jeder sein eigenes Ich mit allen Fehlern und Vorzügen in Wagner zu finden. Und je nachdem ihnen ihre Absicht glückt oder missglückt, loben oder tadeln sie. — Mit der G e s c h i c h t e u n d A n a l y s e e i n z e l n e r W e r k e Wagners beschäftigt sich eine Reihe von Schriften. Zunächst N e i t z e l s 1 2 1 ) Führer durch sämtliche Wagnersche Bühnenwerke von Rienzi ab. Wir würden unbedenklich diesem Werke den Preis unter allen Büchern ähnlicher Tendenz zuerteilen, wenn der Vf. nicht von dem seltsamen Wahn befangen wäre, Wagner habe die Kunst des Instrumentierens nicht recht verstanden und der Bühnenwirksamkeit seiner Dramen müsse durch herzhafte Striche aufgeholfen werden. Eine solche Verquickung gesunder und verkehrter, um nicht zu sagen krankhafter Anschauung ist mir kaum je vorgekommen. — In musikalischer Hinsicht mangelhaft, aber litterarisch recht brauchbar und vortrefflich geschrieben ist C h o p s 1 2 8 ) „Vademecum". — Zum 50jährigen Bühnenjubiläum des „Fliegenden Holländers" wies H e i n t z 1 2 9 ) auf die ersten Anregungen hin, die Wagner zu diesem Werk erhielt: auf Heines „Memoiren des Herrn von Schnabelewobsky" und die Berichte über Wagners Seefahrt in den nordischen Scheren. Die Holländersage war „das erste Volksgedicht", das ihm „ins Herz drang". — Von N a u b e r t 1 3 0 ) erfahren wir auf Grund einer Stammbucheintragung Wagners, die sich im Besitze der Frau Lydia Stechl in Plagwitz befindet, dass Wagner die Absicht gehabt haben soll, den in Herzog Gottfried, den Bruder Elsas, zurückverwandelten Lohengrin-Schwan ein ähnliches „Schwanenlied" wie seinen Helden singen zulassen: „Leb' wohl, du wilde Wasserflut, die mich soweit getragen hat, — Leb1 wohl du Welle blank und rein, durch die mein weiss Gefieder glitt!" — Ein ganz vorzüglich gearbeitetes französisches Textbuch zum „Lohengrin" hat Siinond 1 3 1 ) verfasst. — Anknüpfend an die Darstellung der Ortrud durch die Sängerin Charlotte Huhn versucht S c h u b r i n g 1 3 2 ) glaubhaft zu machen, Ortrud sei ein „politisches Weib"! Wenn die frühere Kölner Sängerin die Ortrud so und nicht vielmehr in erster Linie als dämonische Zauberin aufgefasst hat, dann hat sie — und mit ihr auch Sch. — Unrecht. — Mit ermüdender Breite und Weitschweifigkeit behandelt Sei dl 1 3 3 ) den Stoff der Meistersinger in seiner Parallelbeziehung zu dem Kunstschaffen Wagners. Worte, Worte! aber kaum ein neuer brauchbarer Gedanke! — Der arme König Marke im Tristan kann ebensowenig wie Hans Sachs, der Meistersinger, zu Ruhe kommen. Als Wirthscher Greis, als Goltherscher Asket ist er bereits vor unseren Blick getreten. S c h l ö s s e r 1 3 4 ) macht ihn zum braven Biedermann. Ob wohl einer der Streitenden Recht hat? Warum verfällt denn keiner auf das Natürliche, Nächstliegende? 135 ) — Einen treuen und zuverlässigen Wegweiser durch den Ring des Nibelungen verfasste in seiner bekannten, schlichten aber Vertrauen erweckenden WeiseHeintz 136). — Die„Walküre" erläutert nach Sagenstoff und motivischem Gehalt vortrefflich Kufferath 1 3 7 " 1 3 8 ). — Der Beitrag v o n P o s c h i n g e r s 1 3 9 ) zur Geschichte des Bayreuther Theaters bietet in den Verhandlungen des Bürgermeisters von Baden-Baden mit Wagner das Interessanteste. Wagner lehnte Baden-Baden ab, weil er sein Festspielhaus nicht ausserhalb Bayerns erbauen wollte 140 ). — Ein anonymer Aufsatz 141 ) richtet sich gegen das Attentat H. Ehrlichs auf L i s z t s zweite ungarische Rhapsodie (s. o. N. 35) und zugleich gegen A. Moszkowskis apologetischen Artikel Künsten: MusWBi. N. 22-30. - 124) X R - L o u i s : BayreuthBU. 16, S. 349-56; H. B e i m a n n : BLU. S. 236; F. B u s s e : NZMoaik. S. S6-97. — 125) J. K o h l e r , Z. Charakteristik K. W»p;ners Mannheim, Bensheiraer. 16 S. M. 0,30. — 12S) A. E h r h a r d , R. Wagner d'après des œuvres joués à Bayreuth en 1892. Clermont-Ferrand, (T. Mont-Louis. 55 S. — 127) O. N e i t z e l , Führer durch d. Oper d. Theaters d. Gegenw., Text, Musik u. Scene erläuternd. Bd. 1. Dtsoh. Opern. Abt. 3. L., Liebeskind. III, 332 S. U. 4,00. [[Signale N. 42.J| — 128) M a i C h o p [M. C h a r l e s ] , Führer duroh R. Wagners Tondramen (mit über 400 Notenbeisp.). L., Rosaberg. 494 S. M. 8,00. |[K. S o h l e : Kw. 6, S. 32G ]| — 129) A. H e i n t z , Z. 50. J a h r e s t a g e d. 1. A u f f ü h r u n g des „Fliegenden Holländers" r. R. Wagner: AMusZg. S. 2/3,17/9. — 130) A. N a u b e r t , E. bisher ungedrucktes Stückchen „Lohengrin": ib. S. 72/3. — 131) Ch. S i i n o n d , Wagner, Lohengrin. Paris, Gautier. 180 S. Fr. 0,10. (Textbuch.) - 1 3 2 ) P . S c h u b r i n g , Ortrud. E. psychol. Versuch: MusWBI. S. 109-10.125/6,141/2,173/4 — 1 3 3 ) A . S e i d l . D . K u n s t l e h r e d.Meistersinger. E. Vortr.: BayreutliBlI. 16, S. 362-92. - 134) B. S c h l ö s s e r , K5nig Marke: ib. S. 23/9. — 135) X G - K o b b e , How to understand Wagners „King of the Nibelung". London, Reewes. 16°. Sh .'Î6 — 13$) A. H e i n t z , Wegweiser durch d. Motivenwelt d. Musik zu R. Wagners „Nibelungenring" : AMusZg. N. 11-35. —137) X M - K u f f e r a t h , La Walkyrie. Paris, Fisohbacher. 150 S. Fr.2,50. |[0. B i e : AMusZg. S 376.JI — 138) X E M o r s i e r , Parsifal de R. Wagner ou l'idée de la rédemption, ib. 16". 91 S. |[NedSpeot. S. 246.]| - 139) H. y. P o s c h i n g e r , Z. Gesch. d. R. Wagner-Theaters: N F P r . N. 10221. — 1 4 0 X R. F r h r . T. L i c h t e n b e r g , Olympia u, Bayreuth; BayreuthBU. 16, S. 353/9. — 141) War Liszt e. P l a g i a t o r ? : NZMusit.

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1 3 : 142-167

H. R e i m a n n , Musikgeschichte.

im BerlTBl. (18. Febr.). Der Vf. nennt den letzteren sehr zutreffend eine „Klügelei, die es mit niemandem verderben will". Ueber Ehrlich urteilt er so: „Dass Herr Ehrlich bei Liszts Lebzeiten schwieg und erst nach dessen Tode mit der disqualifizierenden Anklage auftritt,... ist ein eklatanter Beweis dafür, dass seine Anklage entweder vollkommen aus der Luft gegriffen i s t , . . . oder aber eine Vorgeschichte hat, welche H. Ehrlich, während Liszts Lebzeiten zu berühren nicht für geraten fand". Diese Vermutung scheint mir den Nagel auf den Kopf zu treffen. 142 - 143 ) — Einige Arbeiten über P e t e r C o r n e l i u s , den genialen Komponisten des „Barbier von Bagdad", seien hier nur angeführt 144-146 ). — Einem durchaus edlen und verdienten, aber nur in einem kleinen Kreise bekannten und viel zu früh vergessenen Tonmeister, F e r d . M ö h r i n g , hat Möbis 1 4 7 ) ein wohlverdientes Denkmal gesetzt. — Dem 1893 verstorbenen G o u n o d widmet L e s s m a n n 1 4 8 ) einen würdigen Nachruf, während Dietz 1 4 9 ) vergeblich sich abmüht, die Verballhornung des Goetheschen Faust zur Gounodschen Margarethe zu rechtfertigen. — Auch der in deutscher Schule gebildete P e t e r T s c h a i k o w s k i , dem L e s s m a n n 1 5 0 ) einen Nekrolog widmete, gehört mit Rob. F r a n z , dem Liedersänger, zu den Toten dieses Jahres. Von den zahlreichen Nekrologen auf den Letzteren heben wir den von S e i d l 1 5 1 ) hervor, weil er persönliche Erlebnisse berichtet und briefliche Mitteilungen enthält. — Etwas skeptisch muss man sich den „Erinnerungen" A. R u b i n s t e i n s gegenüber verhalten. Der Redakteur der „Ruskaja Starina" hat sie ihm abgefragt, Rubinstein hat die Veröffentlichung in dieser Revue gestattet, und K r e t s c h m a n n 1 5 2 ) hat sie nun ins Deutsche übersetzt. Sie geben nach Art biographischer Anekdotenarbeit Einzelzüge aus dem Leben des genialen Mannes in mitunter sehr drastischer, echt russischer Darstellung. — Eine sachgemässe Antikritik gegen die Lobpreisungen über C y r i l l K i s t l e r s Musikdrama „Kunihild" liefert B a u e r 153-154 ). — E. C h a b r i e r s „Gwendoline" analysiert nach ihrem motivischen Gehalt S a n d b e r g e r '55-159). — Aus einer Sammlung Biographien s c h w e i z e r i s c h e r T o n k ü n s t l e r 160 ' 164 ) hebe ich die Arbeit v o n N i g g l i 1 6 5 ) über Th. K i r c h n e r , den Nachfolger und treuen Gesinnungsgenossen Schumanns als den bedeutendsten und allgemeineres Interesse beanspruchenden Beitrag zur Musikgeschichte, hervor. — Eine sehr wohlabgemessene kritische Würdigung A. S u l l i v a n s schrieb B o h n 1 6 6 ) . — Ueber H a n s l i c k s 1 6 1 ) Selbstbiographie, die in der DRs. 1893 begonnen, aber erst 1894 beendet wurde, soll der nächste JB. eine eingehendere Kritik bringen. — S. 442/4. — 142) X 0. P n y e r , Liazt u. F. Sraetana: AMusZg. S. 470/1.— 143) X O . L e s s m u n n , E. Jugend-Porträt F. Liszts: ib. S. 2S9-90 — 144) X P- S i m o n , P. Cornelius in Manchen (Briefe): NZMusik. S. 235/8. - 145) X R - P o h l , D. 1. Aufführung d. „Barbier y. Bagdad" v. P. Cornelias: ib. S. 228-32. —146) X A. S a n d b e r g e r , P. Cornelius Cid. Mit 32 Notenbeisp. München, Lukaschik. 41 S. M. 0,60. (Sonderabdr. ans d. AMusZg.) — 147) E. M ö b i s , F. Möhring. E. Lebensbild. Stolp i. Poramern, Hildebrandt. 53 S. M. 1.00. — 148) 0. L e s s m a n n , Ch. Gounod: AMusZg. S. 556/7. — 149) M. D i o t z , Ch. Gonnod: AZg«. N. 253. - 150) 0, L e s s m a n n , P. Tschaikowski: AMasZg. S. 535/6. - 151) A. S e i d l , Erinnerungen an Rob. Franz. Persönliches n. Briefliches: MnsWBl. S. 1/7. — 152) A. Rubinstein, Erinnerungen ans 50 J. 1839-89. Aus d. Russischen y. Ed. K r e t s c h m a n n . L„ Senff. Y, 124 S. Mit Abbild. M. 3,00. |[H. R e i m a n n : BLU. S.454; Signale N. X8.JI — 153) F. B a u e r , Kistlers „Kunihild" epochemachend? Nein!!! Krit. Studie. Wfirzburg, Dornauer. 29 S. M. 0,50. — 154) X Dichter u. Dichtung d. Musikdrama Kunihild. Stadien v. G. B e c k , II. R i t t e r , B. V o r n h e c k e u. E. W. S c h i m m e l b a s c h . ( - Im Geiste R. Wagners. Studien. N. 2.) Würzlmrg, Ballhorn & Cramer. 63 S. M. 1,00. (D. 1. T. erscheint spüter.) — 155) A. S a n d b e r g e r , E. Chabriers Gwendoline. Mit 25 Notenbeisp. München, Lukaschik. 29 S. M. 0,60. (Sonderabdr. aus AMusZg.) — 156) X 0- M o k r a u e r - M a i n e , Herzog Ernst II. r. Sachsen-Koburg u. Gotha u. d. Tonkunst. E. Studie. Hannover, L. Oertel. 29 S. M. 0,75. — 157) X 0. S c h m i d , Mary Krebs-Breuning. Biogr. Skizze. Dresden, Albanus. 1892. 36 S. Mit 2 Bildn. M. 0,50. — 158) X William George Cusins. (1833-93): AMusZg. S. 484/5 - 159) X F. H . H a b e r l , J. Hanisch. Domorganist in Regensburg: KirchenmusJb.8,S.97-108. — 1 6 0 ) X A. G l ü c k , C. Attenhofen ( = Biogr. Schweiz. Künstler.) L., Gebr. Ilng. 16 S. M. 0,50. — 161) X 1 d., F. Hegar. ebda. 16 S. M.0,50. - 162) X A. N i g g l i , K Mnnzinger. E biogr.-krit Skizze, ebda. 25 S. M.0,50. - 1 6 3 ) X A . S c h n e i d e r , Gust. Weber, ebda. 52 S. M. 0,50. — 164) X A. N i g g l i , D. Künstlerpaar Aug. u. Anna Walter-Stranss. E. biogr.-krit. Essay, ebda. 56 S. Mit Bildn.-Taf. M.0,50.— 165) i d . , Th. Kirchner. E. biogr.-krit. Essay, ebda. 38 S. M. 0,50. — 166) G. Bo h n , A. Sullivaa: N&S. 64, S. 322/7. 167) Ed. H a n s l i c k , Aus meinem Leben: DRs. 74. S. 337-69; 75, S. 60-92, 217-29; 77, S. 200-35, 372-403. (Vgl. IV 1 c : 157.) —

IL Von der Mitte des 15. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts. n,i

Allgemeines. Max O s b o r n . Geschichte: Allgemeine Darstellenden N. 1; Reform- nnd Revolutionsbestrebungen N. 17; Specialgeschichtliches N. 29; einzelne Persönlichkeiten N. 54. — Geistiges Leben; Aligenieines N. 72; Litteraturgesohiohte N. 85; Wissenschaft N. 93. — Kulturgeschichtliches N. 115. — Quellen: Nuntiatur- und Gesandtschaftsberichte N. 140; Briefe N. 150; Reiseberichte und Tagebücher N. 160; Stammbücher N. 172; Bibliographisches N. 174. —

Mehr als andere Kapitel der JBL. sind die den einzelnen Teilen vorangeschickten Abschnitte über das „Allgemeine" der betreffenden Epochen der Gefahr ausgesetzt, zu unmässiger Grösse anzuwachsen. Das Bestreben, hier immer mehr Elemente von allen Seiten zu sammeln, um den Studien über die Zeitlitteratur eine feste Grundlage zu bieten, kann leicht zu allzu grosser Ausführlichkeit verleiten. Bei der Reformationsperiode vollends, wo Dichtung, Wissenschaft, Politik, religiöses und öffentliches Leben überhaupt inniger unter einander verknüpft sind als jemals sonst in der Entwicklung unseres Volkes, ist doppelt Beschränkung geboten. Die g e s c h i c h t l i c h e n Arbeiten können darum nur da herangezogen werden, wo sich eine unmittelbare Beziehung zur Litteratur ergiebt, und wenn für die rein historische Einzelforschung kurz auf die Zusammenstellungen der JBG. und die ausgezeichnete Bibliographie der DZG. verwiesen werden muss, kann auch die Betrachtung der a l l g e m e i n e n D a r s t e l l u n g e n nur vom Standpunkte des Litterarhistorikers aus erfolgen. Die bedeutsamste Arbeit des Berichtsjahres ist diesmal der Zeit der Gegenreformation zugefallen. 2D r o y s e n s 1 ) Schilderung stellt sich nahezu ebenbürtig neben das Werk Bezolds ) (vgl. JBL. 1890 II 1:1). Auch D. ist ein Anhänger derjenigen Geschichtsschreibung, die neben den politischen Ereignissen die socialen und kulturellen Zustände, die Erscheinungen der Litteratur und der Kunst in den Kreis ihrer Betrachtung zieht und so ein gewaltiges, umfassendes Weltbild vor uns entrollt. Wenn aus seinem Buche für unsere speciellen Zwecke weniger zu finden ist als in Bezolds Geschichte der deutschen Reformation, so liegt das an dem Zeitabschnitt, den er behandelt. In den Jahren des Sturmes und seiner unmittelbaren Folgen war es das ganze Volk, das den Gang der Ereignisse bestimmte; die Gesamtheit der Nation, die sich endlich nach langen Jahrzehnten des Gärens und Grollens erhob, war das aktive Element in der geschichtlichen Entwicklung, und eine Volkskunst von köstlicher frischer Kraft gab das glänzende Spiegelbild dieses unerhörten Schauspiels. Nun aber nimmt die demokratische Periode ein Ende, und die Führung geht von der Masse wieder auf einzelne Kreise über, so dass die Volkskunst sich mürrisch mehr und mehr von den Fragen des Tages abwendet und die Dichtung der Gelehrten, die immer grössere Macht gewinnt, sich noch weiter als früher vor dem Lärm der lebendigen Welt verbirgt. In einem ersten Abschnitte schildert D. den Sieg des Protestantismus, den Abschluss der deutschen Reformbewegung durch den AugSburger 1) (III 1 : 6 . ) — 2) x

E g e l h a a f : HZ. 70, S. 125/9 (berichtigt Einzelnes). — 3) X

Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgesohtchtg. IV.

(3. u. N. 124/6.) — (2) 1

II 1 :4-7

M. O s b o r n , Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.

Reichstag 1555 und die Ausbreitung des neuen Bekenntnisses in Frankreich, England, Schottland, Polen, den Niederlanden und den nordischen Reichen. Dann zeigt er, wie die Lehre von der Rechtfertigung und vom Abendmahl in Verbindung mit älteren und neueren Streitfragen den Zwiespalt in die protestantische Kirche reisst. Dem philippistischen Wittenberg wird als Hort der lutherischen Orthodoxie die neu gegründete Universität Jena gegenübergestellt. Und die Differenzen in der Lehrmeinung bringen schliesslich die völlige Zersetzung der protestantischen Partei in Deutschland zu stände. In einer polemischen Litteratur von wilder Leidenschaftlichkeit suchen diese Kämpfe Ausdruck; sie findet ihren Höhepunkt in dem Streit lim die Konkordienformel. Heftiger als in dieser Frage hat sich die öffentliche Meinung in der zweiten Hälfte des Jh. nicht vernehmen lassen, und eine wahre Flut von Pamphleten ergoss sich über den deutschen Büchermarkt. Jakob Andreae steht inmitten des Feuers (S. 114/6, 132/4). D. zeigt weiter, wie nun die Papstkirche, die Verworrenheit und Zerfahrenheit der Protestanten ausnutzend, wieder vorzudringen beginnt, wie dort Erstarrung und Verknöcherung, Händelsucht und dogmatische Haarspalterei die Kräfte lähmen, während hier der verjüngte Ultramontanismus als ein mächtiges, geschlossenes Ganzes mit Güte und Gewalt moralische und unmoralische Eroberungen macht. Es wird darauf hingewiesen, wie der restaurierte Katholizismus von der festen Basis seiner Propaganda aus Schritt um Schritt deutschen Boden zurückgewinnt, wie er die ganze europäische Welt überschwemmt und der Dichtung, der Musik, der Malerei von neuem einen kirchlicheren, römischeren Charakter verleiht (S. 168—72). Die Jesuiten erscheinen. Sie beleben aufs neue den erschlafften papistischen Geist. Sie kommen nach Norden; von drei Punkten aus, von Bayern, von Wien und vom Erzbistum Köln, dringen sie, zumal unter Rudolf II. vorwärts 3 ). Der bei ihrem Einzug ganz und gar protestantischen deutschen Bildung setzen sie in Universitäten und Gelehrtenschulen eine katholische entgegen (S. 159—61, 238—41); sie eröffnen, besonders nach des schwankenden Maximilian II. Tode, einen heftigen litterarischen Kampf gegen die Ketzer, bei dem Jodocus Lorichius, Chrph. Rosenbusch, Georg Scherer, Georg Eder in erster Reihe stehen (S. 353/6). Mit dem Gebote der Einführung des neuen Kalenders versucht Papst Gregor XlII. eine Machtprobe, der in wütenden Druckschriften und Flugblättern gegen das „Teufelswerk" die erbitterte protestantische Opposition entgegentritt (S. 350/2)4"6"). — Die Fortführung der neuen verbesserten Auflage von Janssens Geschichtswerk hat als natürlicher Erbe P a s t o r 1 ) übernommen. Zwei Bände, der fünfte und der sechste, erschienen im Berichtsjahr. Der Herausgeber konnte für manche Punkte Aufzeichnungen benutzen, die sich Janssen selbst für eine Neubearbeitung gemacht hatte; er konnte aber auch mündliche Aeusserungen des verstorbenen Lehrers und Meisters verwerten. Daneben fügte er selbst vieles aus der neueren Forschung hinzu, selbstverständlich nach den gegebenen Gesichtspunkten, und es bedarf wohl kaum der Betonung, dass das Gesamtbild trotz der zahlreichen Aenderungen im einzelnen doch um nichts verschoben ist. Für den fünften Band, der die Vorbereitungen zum dreissigjährigen Kriege behandelt, die „politisch-kirchliche Revolution" und ihre Bekämpfung seit der Verkündigung der Konkordienformel vom J. 1580 bis zur Rebellion in Böhmen 1618, wo die „Lärm- und Sturmglocke" ertönte, boten hauptsächlich Duhrs Jesuiten-Apologie (vgl. JBL. 1892 I 4:826), Ritters (s. o. N. 4) und Hubers (vgl.JBL. 1892 III 1:5) letzte historische Arbeiten, die Ausgabe der Nuntiaturberichte (s. u. N. 141, 145/6), die jüngste Zeitschriftenlitteratur, freilich mit einseitig katholischer Auswahl, und zahlreiche, besonders Frankfurter Archivalien neue Quellen. Zur Schilderung der katholischen Restauration und der konfessionellen Polemik bis zum Beginn des Krieges (S. 327—584), also der Kampfschriften wider die Jesuiten, der Thätigkeit Fischarts, dessen „Bienenkorb" ein eigenes Kapitel erhält (S. 353/9), des wilden Antipapisten Georg Nigrinus, der Konvertiten Friedr. Staphylus, Joh. Nas u. a., sowie auch der lutherisch-kalvinistischen Streitlitteratur und der Auflehnung gegen den neuen Kalender (S. 361—75) kamen so vielfach interessante Parallelstellen hinzu. Der sechste Band des Janssenschen Geschichtswerkes ist für uns der wichtigste. Er giebt die grosse Uebersicht über Kunst und Volkslitteratur vom Ende des Mittelalters bis zum Beginn des 17. Jh., die auf gewaltigen Studien beruhende, raffiniert tendenziöse Darstellung der Entwicklung, die bildende Kunst, Tonkunst und Kirchenlied, Volkslied und Meistergesang, Drama und Satire, Schwankbücher und Schauerlitteratur

4 > X M - B i t t e r , Dtsoh. Gesch. im Zeitalter d. Gegenreformation u. d. 30j. Krieges. 11. u. 12. Lfg. ( = Bibl. Atsch. Gesch. N. 70. 81.) St., Cotta. Bd. 2, S. 161-320. à M. 1,00. (Tgl. JBL. 1890 III 1 : 1.) — 5) X KHase, Kirohengesch. auf Grand ak. Vorlesungen. 3 , 1 . Reformation n. Gegenreformation. L„ Breitkopf & Härtel. 1892. VII. 438 S. M. 5,00. |[LCB1.S. 1; Th. K o l d e : ZKG. 14, 8. 456.] | — 6l O X X G. P a r i s e t , La réforme en Allemagne: AnnEst. 7, S. 21-46. — 6 a) X Ph. S c h a f f , Hist. of the Reformation. Vol. 2. The Swiss Reformation. ( = Hist of the Christian Chnrch. Vol. 7. Modern Christianity.) New-York, Scrihners Sons. 1892. XVII, 890 S. |[ThLB1. 14, S. 343/4.]| (Vgl. II 6:3.) - 7) J. Janssen, Gesch. d. dtsch. Volke? seit d, Ausgang d. MA. 5. u. 0. Bd. 13. u. 14. vcrb. Aufl. hes. v. L. P a s t o r . Freiburg i. B„ Herder. XLVI, 754 S.;

M. O s b o r n , Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.

II l : s-io

sowie die Bestrebungen der „sogenannten Renaissance" in jener Epoche nahmen. Auch hier sind die Veröffentlichungen der literarhistorischen Zeitschriften, die Neuausgaben älterer Denkmäler, unter denen Oldecops Chronik (vgl. JBL. 1891 II 3:43; 6 : 4 3 ; 1892 II 3:62) und die Publikationen der LLD. (vgl. JBL. 1892 II 8:5—10; s. u. II 7) nicht fehlen, ferner Baechtolds Schweizer Literaturgeschichte (vgl. I 1: 110; s. auch u. N. 85) und vor allem die kunstgeschichtlichen Forschungen der letzten Jahre fleissig benutzt worden. Alles freilich geschieht nach Janssenschem Muster zu Janssenschen Zwecken, und von dem durch P. im Vorjahre selbst mitgeteilten Gedanken einer objektiveren Fassung (vgl. JBL. 1892 II 1 : 15) ist nichts zu spüren.8"16) — In seinem für die Jugend berechneten Werke über deutsche Geschichte lässt N e u m a n n - S t r e l a ' 6 ) in dem Abschnitte über unsere Zeit neben dem politischen das kulturhistorische Element nicht zurücktreten. Die von K. Höhlbaum herausgegebenen Aufzeichnungen Hermanns von Weinsberg aus Köln werden für die knapp zusammenfassende Schilderung des bürgerlichen Lebens, des Volksglaubens, der Sitten, des Studententums benutzt. — Die ganze Zeit vom Ende des 15. bis tief in das 16. Jh. hinein sind die Köpfe der Deutschen erfüllt von R e f o r m - und R e v o l u t i o n s b e s t r e b u n g e n . Wenn M e i n c k e 1 7 ) in ehrlichen Artikeln die „friedfertige deutsche" Reformation und die „blutige welsche" Revolution des vorigen Jh. als die bedeutsamsten Erhebungen des Menschengeistes mit masslosem Chauvinismus und lächerlicher moralischer Entrüstung einander gegenüberstellt, so wäre solchen Aeusserungen gar keine Bedeutung beizumessen, wenn sie nicht doch den Ausdruck der Gesinnung mancher Kreise bildeten. — Wichtig für die Kenntnis der politisch-religiösen Oppositionsbewegung am Vorabend der deutschen Reformation 18 ) ist der höchst interessante Entwurf eines unbekannten Elsässers, den Haupt 1 9 ) in einer Kolmarer Hs. entdeckt und teilweise zum Druck gebracht hat. Der Vf., der seine zum Teil durchaus gesunden Umsturzideen im J. 1495 auf dem Reichstage zu Worms, selbstverständlich erfolglos, persönlich vertreten zu haben scheint, teilt die Ausführungen seiner ziemlich unklaren und verworrenen Schrift in zwei Teile, eine historisch-polemische Einleitung („Das Buch von den 100 Kapiteln") und eine systematische Darstellung seines Reformprogramms („Die 40 gebott der Trierer"; s. S. 216/9). Bei einer hohen Vorstellung von der Würde des wahren priesterlichen Amtes (S. 178—80) ist er ein leidenschaftlicher Feind des Klerus seiner Zeit (S. 116/9), ein energischer Gegner des Cölibats, das ihm als eine Verletzung des göttlichen Gebotes erscheint (S. 180/3). Eifrig tritt er ein für die Sache des „gemeinen Mannes" und ist erfüllt von kommunistischsocialistischen Plänen; die Beseitigung des Territorialfürstentums und des Grossgrundbesitzes (S. 128—35, 167—81) gehört mit zu seinen Forderungen; die Gütergemeinschaft schwebt ihm als Ideal vor. Die deutsche Nation erscheint als die erste, zur Weltherrschaft bestimmt. Der Kaiser sei auch auf kirchlichem Gebiete oberster Fürst, gleichsam ein „irtischer gott"; aber seine Macht sei dennoch keine absolute, vielmehr soll eine Entthronung des Monarchen, falls er sich untüchtig zeigt, möglich sein (S. 159—62). Er möchte das gleich praktisch verwerten, als er immer mehr einsieht, wie wenig Maximilian geeignet ist, die Aufgaben seiner Zeit zu erfüllen, und nach dem Abschlüsse der Ligue von Cambray ruft er zornig: „Man wird dem Kaiser ein Bauernhütlein aufsetzen und ihn in das Elend schicken" (S. 104). Ja, unser Vf. denkt an eine Revolution „im Heugabelsinne der Gewalt", wie man heute sagen würde, und will, wenn es nötig ist, die „ganze Welt mit Heereskraft regulieren" (S. 109). Zu diesem Zwecke möchte er eine „Brüderschaft vom gelben Kreuze" begründen, unter deren Zeichen er ausziehen will, die Sünder zu strafen. Hinein spielen zahlreiche excentrische, mystisch-visionäre Züge; der Vf. hofft mit Zuversicht auf den in allernächster Zeit kommenden Messias, den rückkehrenden Kaiser Friedrich, oder wie er ihn am liebsten und häufigsten nennt, den „König vom Schwarzwald" (S. 106, 198—212), der alle Ideale erfüllen, der auch die heruntergekommene Rechtspflege wieder neu regeln und das jus naturale, die prinzipielle Anerkennung der Gleichheit Aller, aufstellen wird. So blickt er, apokalyptischer Erwartungen voll, in die Zukunft. —

XXXYI, 546 S. M. 7,00; M. 5,00. ¡[DublinR. 113, S. 682,8; LRs. 19, S. 274/5.]l — 8) O X X M. S o h w i m n , J. Janssen ll. d. Gesch. d. Atsch. Reformation. E. krit. Studie. München, Mehrlich. 254 S. M. 3,00. (Vgl. IV 5.) - 8 a) X V. Janssens grossem Gesohichtswerk: LHw.32, S. 306. - 9) X Zwei neue Kritiker Janssens: DEKZ. 7, S. 57/8 — 10) X (!' 6 : 36.1 |[E. M i c h a e l : ZKTh. 17, S. 529-32; A. B e l l e s h e i m : DnblinR. 113, S. 728/9.]| — 111 X E - P»"». Je»" Janssen, L'Allemagne et la réforme (Tgl. JBL. 1892 II 1 : 8 ) : DnblinR. 113, S. 947/8. — 12) X G. Egelhaaf, Dtsch. Gesch. 2. Bd. (vgl. JBL. 1892 II 1 : 2; g, u. II 6 : 4 ) . |[K. H a r t f e l d e r : ZKG. 14, S. 321; A. B a l d a m u s : BLU. S. 198/9; LÜB1. S. 1463.JI - 1 3 ) X K a r l M i l l e r , K. W. Nitach, Gesch. d. dtsch. Volkes (Tgl. JBL. 1892 II 1 : 3 1 : TliLZ. 18, S. 328/9. — 14) X G- E. H a a s , J. B. T. Weiss, Weltgesch. 8. Bd. (Tgl. JBL. 1892 II 1 : 4 1 : HPBU. I I I , S. 668-81. — 15) X G- E. L e d o s , J. Zeller, La Réforme (vgl. JBL. 1892 II 1 : 5 ) : PolybiblL. 67, S. 448/9. — 16) (III 1 : 3 ; bes. S. 50-90.) - 17) R- M e i n c k e , Reformation n. Revolution: DPB1. 26, S. 361/2, 369-70. — 18) O F. R o c q u a i n , La Cour de Rome et l'esprit de réforme avant Lother. 1. La Théocratie; Apogée du pouvoir pontifical. Paris, Thorin 4 Fils. VIII, 428 S. — 19) H. H a u p t , E. oberrhein. Revolutionär ans d. Zeitalter Kaiser Maximilians I. Mitteilungen aus e. kirohl.-polit. Reformschrift d. 1. Decenn. d. 16. Jh. ( = WZ. Er-

(2)1*

I I 1 : 20-32

M. O s b o r n , Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.

Die politisch-sociale und die religöse Erregung des Volkes, die nur zum Teil durch die Reformation beruhigt und befriedigt wurden, fanden in den Bauernkriegen und in den Täufergemeinden ihren radikalen Ausdruck. Ueber das Projekt eines Bauernparlaments zu Heilbronn sowie die Verfassungsentwürfe von Friedr. Weygandt und dem „Bauernkanzler" Wendel Hipler aus dem J. 1525 brachte K l u c k h o h n 2 0 ) neue Nachrichten. 2,_2S ) — Der bereits 1850 entstandene Aufsatz K. von Hases über das Reich der Wiedertäufer, der mit den Abhandlungen über die Jungfrau von Orleans und Savonarola den Band von den „Neuen Propheten" bildet, ist nun im Rahmen der gesammelten Werke des grossen Kirchenhistorikers zum dritten Male, von K r ü g e r 2 4 ) besorgt, erschienen. K. fügt den wichtigen „litterarischen Nachträgen" Hases bei, was seit der zweiten Auflage (1861) an Material hinzugekommen ist. und zeigt, wie die neuere Forschung die Behauptungen des Vf. als im wesentlichen richtig erwiesen habe (S. X X I — X X I V ) . In glänzender Schilderung führt uns Hase hier, hauptsächlich nach Dorpius, Heinr. Gresbeck und Herrn, von Kerssenbroick, der ein Viertel Jh. Rektor der Domschule im restaurierten Münster war, durch die beiden Perioden des täuferischen Reiches, die ernste „theokratische Demokratie" und die zügellose „theokratische Monarchie", die dem Zusammenbruch vorausging. 25 " 26 ) — Auf Grund der Erzählung des lutherisch gesinnten österreichischen Lehnsmannes Klaus von Graveneck, dessen Berichte der Täufer Wilhelm Reiblin dann legendarisch aufputzte, gab B o s s e r t 2 7 ) für weitere Kreise ein Bild von dem tragischen Schicksal des würdigen Michael Sattler, der mit seinen Genossen 1527 in Rottenburg am Neckar bei Tübingen zum Feuertode verurteilt wurde. (Vgl. auch I I 6 : 177—83.) — Einen Reformplan aus dem Ende des Jh., der sich mit der Reichsjustiz beschäftigt, legte W e e c h 2 8 ) vor. Der Entwurf stammt aus der Feder des originellen, stets mit hundert Projekten aus allen Gebieten des öffentlichen Lebens beschäftigten Pfalzgrafen Georg Hans von Veldenz-Lützelstein, der dem 1586 in Worms versammelten ReichsDeputations-Konvent mit einer Darlegung seiner verwickelten Erbschaftsangelegenheiten und deren bisheriger Behandlung ein ausführliches „Votum justitiae" einreichte. Das interessante Aktenstück, in dem der Pfalzgraf mit seiner derben, aber ungemein plastischen Sprache einem der bösartigsten Schäden der damaligen Zustände rücksichtslos zu Leibe ging, und das vor hundert Jahren dem Biographen des Fürsten (1790) nicht vorlag, bringt W . nun ganz zum Abdruck (S. 26—70); eine knappe, gut orientierende Einleitung geht voraus. — Zu den s p e c i a l g e s c h i c h t l i c h e n Arbeiten, die für uns aus dem Berichtsjahr in Betracht kommen, gehören die archivalischen Nachrichten, die B a c h m a n n 2 9 ) aus der Zeit Friedrichs III. giebt. Bei den politischen Erörterungen über die böhmischen Verhältnisse fallt manches ab, was für die Charakteristik des Kaisers und seiner Beziehungen zu den Fürsten interessant ist. — W e n k 3 0 ) macht auf eine Studie von Simonsfeld aufmerksam, welche sich mit der kurz vor 1440 gegründeten deutschen Kolonie in Treviso befasst. Die dortige „Schola Theotonicorum" hatte ihre Hauptblüte in der Mitte des 15. Jh., erhielt sich aber bis gegen Ende des 17. — Um die Mitte des 15. Jh. war es auch, dass das alte deutsche Ordensland Westpreussen in langem blutigen Kriege seine Selbständigkeit an die Krone Polen verlor. R i c h t e r 3 1 ) erzählt in volkstümlichem Plauderton, wie der Fall Marienburgs das Schicksal entschied, aber erst nach Jahren zähen Widerstandes der Friede von Thorn es besiegelte: — Ein interessantes Kulturbild aus dem Ende des 15. Jh. bot W i t t e 3 2 ) in der Lebensbeschreibung Richard Pullers von Hohenburg, des letzten seines Geschlechts, den das unglückselige Laster der Päderastie in seltsame Verwicklungen brachte, bis er schliesslich durch Hans Waldmanns Energie gefangen genommen wurde und sein den Anschauungen der Zeit nach todeswürdiges Verbrechen mit dem Leben büsste. — Als erstes Heftchen einer neuen, vortrefflich ausgestatteten Sammlung von Quellenschriften und Abhandlungen zur Geschichte Nürng&nzungsheft N. 8 |Trier, Lintz. IX, 228 S. M. 5,00], S. 77-228.) |[A. S c h u l t e : ZGORh. 8, S. 710/7.]| — 2 0 ) A. K l u c k h o h n , Ueber d. Projekt e. Bauernparlaroents zu Heilbronn n. d. Verfassungsentwürfe y . F. W e y g a n d t u. W . B i p l e r ans d, J. 1525: NGWGöttingen. S. 276-300. — 21) X H. S a n d e r , D . Bauernaufstand in Vorarlberg im J.1525: MIÖG. 14, S. 297-372. — 22) x B ö h m , Kitzingen u. d. Bauernkrieg: AHVUnterfranken. 36, S. 1-185. — 2 3 ) X K - H a l t f e l d e r , W . Vogt, D . Bodenseebauern (vgl. J B L . 1892 I I 1 : 27): ZGOBh. 8, S. 146. — 2 4 ) K. v. Hase, D . Reich d. Wiedertäufer. ( = Werke. 10. Hulbbd. Heilige u. Propheten. 2. Abt. Neue Propheten. Her. v. G. K r a g e r . Breitkopf & Hirtel. XXIV, 304 S. M. 5,00], S. 195-304.) — 2 5 ) X ( H 6 : 181.) |[H. D e t m e r : MhComeninsG. 2, S. 287-90.JI — 2 5 a ) X Maisoh, Religion u. Revolution (vgl. JBL. 1892 I I 1 : 3 0 ) . |[S. E c k : T h L Z . 18, S. 624/5; A . M a r t i n : 20. Jh. 1, 8.114/5; LCB1. S. B33/4.]l — 2 6 ) X J- Loserth, D . Anabaptismus in Tirol (Tgl. J B L . 1892 I I 1 : 2 9 ) : MhComeninsG. 2, S. 82/4. — 2 7 ) ( I 4 : 1 1 8 . ) — 2 8 ) F. v. W e e c h , E. Projekt z. Beform d. Reichsjustiz aus d. 16. Jb.: NHJbb. 3, S. 17-70. — 2 9 ) A. B a c h m a n n , Urknndl. Nachrichten z. 6s1err.-dtsch. Gesch. im Zeitalter Kaiser Friedrichs III. ( = Fontes rernm Austriacarnm. 2. Abt. Diplomataria et acta. 46. Bd.) Wien, Tempsky. 1892. X X V I I I . 503 S. M. 11,80. |[LCB1. S. 1102; F. v. K r a n e s : D L Z . S. 274/5; NASöohsG. 14, S. 346/7.JI — 3 0 ) K. W e n k , H . Simonsfeld, E. dtsoh. Kolonie zu Treviso im spät. M A . (München, Franz. 1890. Aus AbhAkMQnohen. 3. Kl. 19. Bd. 3. A b t . ) : HZ. 34, S. 538,9. - 31) J. V. 0. R i c h t e r , W i e Westpreussen an Polen fiel. E. Gesch. ans d. Zeit d. Verfalls d preuss. Ordensstaates. ( = Gesohichten ans d. Zeit d. prenss. Ordensstaates. 6. Bd.) Hannover u. L., Ost. 170 S. M. 1,60. — 3 2 ) H . W i t t e , D. letzte P u l l e r v. Hohenburg. E. Beitr. z. polit. n. Sittengesoh. d. Elsasses u. d. Schweiz im 15. Jh., sowie z. Genealogie d. Geschlechts d. Puller. ( = Beitrr. z. Landes- u. Volksk. v, Elsass-

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II 1 : 33-44

bergs gab K a m a n n 3 3 ) eine eingehende, zum Teil auf bisher unbekanntem, zumal Bambergschem archivalischen Material beruhende Darstellung der Fehde, die Götz von Berlichingen in den J. 1512—14 mit der Reichsstadt führte. Die Einleitung und die Ausblicke entrollen ein lebendiges Bild von dem Treiben der Strauchritter und „Staudenhechte", die den Verzweiflungskampf des heruntergekommenen Adels gegen die ihre Ungebundenheit einengenden Verhältnisse der neuen Zeit kämpften. Auch Götz fühlte sich, wenn er Trossbuben und Fuhrknechte als Kundschafter in die Stadt sandte, um Abgang und Ankunft von Warenzügen zu erforschen, wenn er, im Verein mit Hans von Selbitz oder anderen Kumpanen, harmlosen, von der Messe heimkehrenden Kaufieuten auflauerte, sie ausplünderte und mit sich auf die Burgen schleppte, stets als Rächer der unterdrückten ritterlichen Freiheit. Die Roheit und Raffiniertheit, die er nicht selten zur Schau trägt, passt schlecht zu der Grossmut und biederen Ehrlichkeit des Goetheschen Bildes, wenn auch die volkstümliche Beliebtheit des unerschrockenen Raufbolds der Darstellung des Dichters gewiss eine innere historische Berechtigung giebt. Im Gegensatz zu Goethe erscheint der Bamberger Bischof, Georg III. Schenk von Limpurg, als ein sittenreiner, trefflicher Fürst, der der Ordnungspartei im Reiche angehörte und darum Götzens erbitterten Hass auf sich lud. — Aus den Berichten des Konrad Boss von Flachslanden, des Hauptmanns auf der Plassenburg bei Kulmbach, an die sich die Sage von der weissen Frau des Zollerschen Hauses knüpft, erfahren wir34) von der haarsträubenden Gefangenschaft, in der Markgraf Friedrich der Aeltere von Brandenburg, der Sohn Albrechts Achilles und der Vater des letzten deutschen Hochmeisters Albrecht35), von dreien seiner Söhne, besonders vom ältesten, Kasimir, dem Vater des Albrecht Alcibiades, zwölf Jahre hindurch gehalten wurde (seit 1515). — Für die Zeit der Wahl Karls V. zum römischen Kaiser brachte der erste Band der Reichstagsakten, jüngere Reihe, die nach Sybels Antrag seit 1886 neben der von Ranke veranlassten Sammlung der Reichstagsakten des späteren Mittelalters entstanden, riesenhaftes neues Material. K l u c k h o h n 3 6 ) , dem es nicht vergönnt sein sollte, das Erscheinen des unter seiner Leitung in langen mühevollen Jahren zu stände gebrachten Werkes zu erleben, gab hier nach einer umfangreichen Einleitung, welche die Verhandlungen bis zum Tode Maximilians I. schildert (S. 1 —140), die Masse der Wahlakten vom Jan. bis zum Juli 1519 (S. 141—876!).31) — Kardinal Reginald Pole, dessen Leben und Schriften Z i m m e r m a n n 3 9 ) behandelt, der Wiederhersteller der katholischen Kirche in England, hatte auch mannigfache Beziehungen zu Deutschland (S. 259—68) und erlaubte sich sogar in einem Briefe an Karl V. eine äusserst freimütige Kritik der kaiserlichen Regierung (S. 296/7). — Von Strassburger Lokalstudien ausgehend ka«n W i n c k e l m a n n 3 9 ) zu einer ausführlichen Untersuchung über die wichtige Zeit zwischen dem Augsburger Reichstage und dem Nürnberger Religionsfrieden, 1530—32, wo sich die Parteien durch die Gründung des schmalkaldischen Bundes endlich scharf von einander schieden. — Nach Papieren des Düsseldorfer Staatsarchivs brachte v o n B e l o w 4 0 ) neue Schriftstücke zur Vermählung des Herzogs Wilhelm von Jülich-Kleve mit einer Tochter König Ferdinands — er hoffte auf Anna, erhielt jedoch Maria. Der jülische Gesandte Dr. Karl Horst und der Aachener Probst Joh. von Vlatten spielen als Werber hier eine Rolle. 41 ) — Gegenüber der Mythenbildung, die auf Grund der Memoiren des französischen Marschalls Vieillerille von einem Versuch der Franzosen 42 ) berichtet, nach der Einnahme von Metz verkleidet sich in Strassburg einzuschleichen, stellt H o l l a e n d e r 4 3 ) nach archivalischen Funden und den Annales d'Aquitaine des Jean Bouchet den wahren Sachverhalt fest. — S c h l e c h t 4 4 ) teilte aus dem päpstlichen Geheimarchiv drei BriefeFerdinands I. an Pius IV. mit — der letzte ist vom Kaiser selbst in einem barbarischen Latein mit spanischem Accent geschrieben, — in denen der Papst ersucht wird, Maximilian II. vom vorschriftsmässigen Empfang der heiligen Kommunion nach kathoLothringen N. 16.) Slrassburg i. E „ Heitz. IV, 143 S. II. 2.50. — 33) (I 4 : 459.) — 3 4 ) D. Gefangenhaltung des Markgrafen Friedrich d. Aelt. v. Brandenburg auf d. Plassenburg: HohenzollerscheF. 2, S. 435-46. — 3 5 ) X E- Joachim, D. Politik d. letzten Hoohmeisters (Tgl. JBL. 1892 I I 1 : 26). |[P. S i m e o n : MHL. 21, S. 148-52; LCB1. S. 359-60; H. A h r e n b e r g : FBPG. 0, S. 303; i d . : AltprMschr. 30, S. 207/9.J| - 3 6 ) Dteeh. Reichstagsakten. J ü n g e r e Reihe. Auf Veranlass. S. M. i. Königs y. Bayern her. dorch d. hist. Komm, bei d. Egl. Ak. d. Wissensch. 1. Bd. Dtsch. Reichstagsakten u n t e r Kaiser Karl V. 1. Bd. Bearb. y. A. K l u c k h o h n . Gotha, P e r t h e s . I V , 9 3 S S . 11.48,00. — 3 7 ) X H. U l m a n n , Stndien z. Gesch. d. P a p s t e s Leo X.: DZG. 10, S. 1-13. (TJ. h ä l t d. Breve d. Korie an Cajetan vom Ang. 1513, L n t h e r m i t Gewalt z. Erscheinen Tor d. Gericht in Rom za zwingen, obwohl ihm d. A u f f o r d e r u n g d. direkten Anklage noch e. längere F r i s t Hess, im Gegensatz zn L u t h e r selbst, zu Ranke u. Maurenbrecher f ü r echt.) — 3 8 ) A t h . Z i m m e r m a n n , Kardinal Pole, sein Leben n. seine Schriften. E. Beitr. z. Kirchengesch. d. 16. J h . Regensbnrg, F. P a s t e t . 390 S. 11. 3,60. 39) 0. W i n c k e l m a n n , D. schmalkald. Bund 1530-32 u. d. Nürnberger Religionsfriede. Strassbnrg i. E„ Heilz. 1892. XIV, 313 S. I I . 6,00. |[LCB1. S. 398; StrassbPost. N. 1; ZGORh. 8, S. 148/9.JI — 4 0 ) G. v. B e l o w , Verhandinngen aber d. Vermählung d. Herz. Wilhelm v. JfilichKleve mit e. Tochter König Ferdinands. ( = I 4 : 404, 9. 1-16.) — 41) S. I s s l e i b , D. Gefangenschuft P h i l i p p s y. H e s s e n : NASächsG. 14, S. 211-66. — 42) X J- T r e i f t z , Knrsachsen n. Frankreich. L., Fock. 1891. V, 164 S. M.2,40. |[A. W a d d i n g t o n : RH. 51, S. 154/6.]| (Ueber Heinrichs II. Verhältnis zu Moritz u. Angost v. Sachsen 1552-53; Nenes ans Dresdener Archivalien.) — 4 3 ) A l e . H o l l a e n d e r , E. Strassburger Legende. E. Beitr. zn d. Beziehungen Rtrassborgs zu Frankreich im 16. J h . (== Beitrr. z. Landes- u. Volksk. Elsass-Lothringens N . 17.) Strassbnrg i. E., Heitz. 23 S. M. 1,00. — 4 4 ) J . S o h l e c h t ,

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lischem Ritus bei der Krönungsfeier zu entbinden. Ein Antwortschreiben des Papstes zeigt, wie er dem Herzenswunsch Ferdinands entgegenkam. Max nahm am Morg'en der Krönung das Abendmahl im geheimen sub utraque. — Aus dem Briefwechsel Maximilians II. mit Papst Pius V., von dem bisher nur 40 Stücke bekannt waren, teilt nun S c h w a r z 4 5 ) im ganzen 158 mit, 91 vom Kaiser und 67 vom Papst. In einem zweiten, sehr beachtenswerten Bande druckt Sch. zehn für Gregor XIII. bestimmte Gutachten über die Lage der katholischen Kirche in Deutschland von 1573—76 ab, unter denen besonders die ersten drei, von Otto Truchsess, Bischof von Augsburg, vom Kardinal Zach. Delphinus und von Canisius, wichtig und interessant sind. Weiter bringt Sch. hier Protokolle der von Gregor neugegründeten und eifrig geförderten Congregatio Germanica,, die, wie V i r c k betont, eine gute Ergänzung zu den Nuntiaturberichten bieten, zumal da, wo die Antwortschreiben der Kurie wie die Gegenschriften zu den Depeschen des Nuntius Portia aus den J. 1577—78, verloren sind (s. u. N. 140/6).46) — Einzelne Städteforschungen seien hier noch angefügt. Zunächst eine allgemeinere Abhandlung von F ü r s t e n w e r t h 4 7 ) , einem Schüler Kluckhohns, über die Verfassungsänderungen in den oberdeutschen Reichsstädten zur Zeit Karls V., wo gegen die Mitte des Jh. nach dem Vorgang von Augsburg und Ulm die Geschlechter gegen die bis dahin mächtigen Zünftler wieder an Einfluss gewinnen. — Ueber Nürnbergs Politik im Zeitalter Luthers, über seine Aufnahme der Reformation und die vermittelnde Stellung des Rates, der trotz strenger Wahrung des protestantischen Bekenntnisses der mit Zwinglischen Elementen durchsetzten Vereinigung oberdeutscher Städte sich anschloss, aber sich durch Beitritt zum schmalkaldischen Bund nicht in offenen Gegensatz zum Kaiser stellen wollte, berichtet L u d e w i g 4 8 ) . Die ersten Kapitel sind den Zuständen Nürnbergs vor der Reformation und der Einführung der neuen Lehre gewidmet; Scheurl, Spengler, Pirkbeimer finden ihre Stelle in der frischen Schilderung (S. 1—47). — Von Augsburg 49 ), Köln 5 0 ), Gerresheim 51 ), im heutigen Regierungsbezirk Düsseldorf gelegen, hören wir, und über Cöslin im 15. Jh. bringt das Programm von H a n n c k e 5 2 ) eine kulturhistorisch wertvolle Studie. H. beschreibt Häuser und Kirchen, das Leben der Bürger und der Geistlichen und teilt zum Schluss einen Auszug aus der „matricula" der Gewandschneider mit, d. h. aus dem Verzeichnis der ausgeliehenen Gelder der Gildelade, in dem der Adel sehr stark angekreidet ist (S. 23/5).53) — Unter den Arbeiten über e i n z e l n e P e r s ö n l i c h k e i t e n ist für Maximilian I. neben Recensionen der früher besprochenen Werke von Ulmann 54 ) (vgl. JBL. 1892 I I 1:36) und Ammann 55 ) (ib. N. 37) nur die volkstümliche, recht munter geschriebene erzählungsmässige Schilderung von W e b e r 5 6 ) zu nennen, die im Vorwort freilich ihre „strenge Geschichtlichkeit" betont und auch Ulmann „benutzt" haben will. — Dem Nachfolger Maximilians ging es nicht besser. Ausser Besprechungen von B a u m g a r t e n s 5 " " 5 8 ) Buch (vgl. JBL. 1892 I I 1:6) ist nur ein kurz zusammenfassender Vortrag desselben Vf. über Karl V. und seine Stellung zur Reformation zu verzeichnen. — Im Anschluss an Lenz (ADB. 6, S. 600ff.) erzählte Z w e n g e r 5 9 ) von dem hessischen Staatsmann Joh. Feige, der, abgesehen von seiner politischen Thätigkeit unter dem Landgrafen Philipp, durch die Organisierung der Universität Marburg, deren erster Kanzler er war (1527), und durch die Berufung des Euricius Cordus und Eoban Hessus an die Lahn sich verdient gemacht hat. Cordus dichtete auf ihn ein Epigramm, und Hessus widmete ihm seine Bucólica sowie das Lobgedicht auf den württeinbergischen Sieg Philippi Magnanimi. — Im Gegensatz zu Johann von Schwarzenberg war sein Sohn Christoph, der „Landhofmeister" des Herzogs Wilhelm IV. von Bayern, ein strenger Katholik; von seinem Wirken giebt P a u l u s 6 0 ) Kunde. Auf der Universität zu Tübingen stand er in Verbindung mit Heinrich Bebel und dessen Schüler Jak. Heinrichmann sowie anderen Humanisten; später verD. geheime Dispensbreve Pias IV. fGr d. rSm. Königskrönnng Maximilians II.: HJb. 14, S. 1-38. — 45) W. E. S c h w a r z , Briefe u. Akten /,. Gesch. Maximilians II. 1. T. D. Briefwechsel d. Kaisers mit Papst Pius V. 2. T. Zehn Gutachten über d. Lage d. liath. Kirche .in Deutschland 1573-76 nebst d. Protokolle d. dtsch. Kongregation 1573-78. Paderborn, BonifnciuB-I)i\ 1891-92. XVI, 208 S.; L1I, 135 S. M 5,00; M. 4,00. ||H. V i r c k : ThLZ. 18, S. 213,¡4; F. X. F u n k : ThQ. 75, 8. 329-31.]| — 46) M. L o s s e n , D. Magdeb. Sessionsstreit auf d. Angab Reichstag v. 1582: AbhAkMünehen. 20, S. 621-60. (Vgl. dazu Th. M a l l e r , G Wolf, D. Anfänge d. Magdeb. Sezess.-Streites: ZGORh. 8, S. 587/8.) — 47) L. F f l r s t e n w e r t h , D. Verfassungsänderungen in d. oberdtsch. Reichsstädten z. Zeit Karls V. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. XIV, 105 S. M. 2,00. — 48) G. L u d e w i g , D. Politik Nürnbergs im Zeitalter d. Reformation (v. 1520-34). ebda. IU, 156 S. M.3,50. |[H. V i r o k : ThLZ. 18, S. 619-20.]] — 49) X (I 4 : 452a.) - 50) X Chrn. Meyer, Stadt u. Stift Köln (vgl. JBL. 1892II 1:23). |[G. W i n t e r : BLU. S. 437; MHL. 21, S. 265.11 — Sl) G. y. B e l o w , Z. Gesch. v. Gerresheim im 16. Jh : BGNiederrh. 7, S. 201/6. — 52) (I 4 : 341.) — 53) X F - Y ( e t t e r ) , J. Dierauer, Gesch. d Schweiz. Eidgenossensch, (vgl, JBL. 1892 I I 1 : 16): SchwBs. 1, S. 218-21. — 54) x G. B l o n d e l : RH. 52, S. 382/5; Mkgf : HZ. 34, S. 122,3. — 55) X A. S t a r z e r : ÖLB1. 2, S. 712/3. — 56) P. W e b e r . Kaiser Maximilian, d. letzte Ritter. E. knlturgesch. Erzählung fßr Jugend u. Volk. Regensburg, Verlagsanst. ivurni. G. J. Münz). IV, 295 8. M. 3,00. - 57) X LCB1. S. 638/9; G E g e l h a a f : HZ. 35, S. 95/8; J. S t i c h : ÖLB1. 2, S. 424 6. — 58) H. B a u m g a r t e n , Karl V u. d. dtsch. Reformation. Vortr. Coburg, Sendelbaoh. II, 42 S. M. 0,60.— 59) F. Z w e n g e r , Joh. Feige, e. hess. Staatsmann d. Reformationszeit: Hessenland 7, S. 102/3. — 60) N. P a u l u s , Chrph.

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knüpften ihn seine katholischen Interessen mit Oochlaeus, Nausea und dem Franziskaner Schatzger. Als Freund der Wissenschaft schützte er 1519 in seiner Stellung als Statthalter des Herzogtums Württemberg' in Stuttgart den bedrängten Rouchlin; aber er selbst schrieb so heftige antilutherische Traktate, dass sein eigener Vater Johann sich offen gegen ihn wandte. — Der interessanten Persönlichkeit des Lazarus von Schwendi ist eine Studie M a r t i n s 6 1 ) gewidmet. Er giebt eine lebendige Schilderung von den wechselvollen Schicksalen des rührigen Schlaukopfs, der unter Karl V., Ferdinand I. und Maximilian II. politisch und militärisch sich auszeichnete, ohne gerade sich einen makellosen persönlichen Ruf zu erwerben. Seit 1568 aber finden wir Schwendi nur noch als jederzeit gern gehörten Berater (vgl. auch JBL. 1892 II 1:82). Und in die folgenden fünfzehn Jahre nun fällt sein inhaltreicher Briefwechsel mit Kaisern und Fürsten, sowie wesentlich auch seine schriftstellerische Thätigkeit. M. giebt eine Uebersicht über die zahlreichen offiziösen Denkschriften, die Schwendi gern im Anschluss an Macchiavellis „Diskurse" nennt, und unter denen das die Summe seiner staatsmännischen Anschauungen ziehende „Bedenken an Kaiser Maximilian den Andern von Regierung des heiligen Römischen Reichs und Freistellung der Religion . . ." aus dem J. 1574 hervorx'agt (S. 409 —13). Bemerkenswert ist, dass Schwendi schon sich gegen die Söldnerheere und für die Volksbewaffnung erklärt, die freilich nur bei volkstümlichen Kriegen durchzuführen sei. M. meint, Schwendis Hauptgegner, der Kardinal Granvella, habe den Kern seines Wesens richtig erfasst, „indem er ihn einen starken Politikus nannte, dessen Ideale aus den alten Republiken, aus Griechenland und Rom, stammten" (S. 415). Als durch den Tod Maximilians II. die Fruchtlosigkeit aller Bemühungen Schwendis besiegelt wurde, sprach sich sein Unmut in mehreren kleinen Dichtungen aus, in denen er gegen schlechte Sitten, 62 deutschen Partikularismus und gegen die Intriguen der Hofleute eiferte (S. 414). ) — Dem merkwürdigen Hans Kleberg, einem Schwiegersöhne Pirkheimers, der hauptsächlich in Lyon weilte, wo ihm seine Wohlthätigkeit die Bezeichnung „le bon Allemand" eintrug, suchte E h r e n b e r g 6 3 ) gerecht zu werden. Kleberg, der zu Franz I. nahe Beziehungen hatte, war ein für die damalige Zeit in Deutschland höchst seltenes Finanzgenie ersten Ranges; freilich hat ihm auch der als anrüchig geltende Lebensberuf des „Finanzens" das Leben mehr als schwer gemacht. — Eine Reihe von Persönlichkeiten, die für uns in Betracht kommen, weisen die im Berichtsjahre erschienenen Bande der ADB. auf. Hans Landschad von Neckarsteinach, der in seinem Sitze den evangelischen Gottesdienst einführte, vielleicht noch selbst Melchior Ambach als Prediger dorthin berief, fand seinen Biographen in Schneider 6 4 ). — Die Söhne des Grafen Botho zu Stolberg behandelte wie den Vater selbst J acobs 65- ® 7 ). Graf Ludwig, der erst Melanchthon nahe stand, später im anderen Lager sich aufhielt, zeigte ein lebhaftes Interesse für das Schulwesen und beteiligte sich an der Einrichtung der Klosterschulen zu Ilfeld, Walkenried, Ilsenburg und Hirzenhain; er machte sich verdient durch die Förderung der Druckerei zu Ursel und war der erste Graf zu Stolberg, der sich Büchersammlungen, zu Königstein und WTertheim, anlegte. Mit Lazarus von Schwendi verband ihn ein angeregter Briefwechsel. Graf Heinrich, sein jüngerer Bruder, war unter Hermann von Wied Domdechant beim Kölner Hochstift und trat 1543 zur neuen Lehre über. — Der Schwabe Georg von Stein, dessen Leben M a r k g r a f 6 8 ) beschreibt, hatte in den Diensten mancher Herren zur Zeit Friedrichs III. 'ein unruhiges Schicksal. Aber stets bewahrte er sich Lust und Freude an der Wissenschaft; Trithemius, Celtis, Bebel rühmen ihn, und sein Neffe Eitelwolf von Stein widmete ihm die Schrift: „De laudibus. heroum et virorum illustrium". — Ein politischer Landsknecht ist der intrigante Spedt, dessen gesinnungslose Thätigkeit K r a u s e 6 9 ) verfolgt. Spedt war je nach Bedarf Protestant oder Katholik und taucht bei allen politischen Ränken zwischen 1540—80 auf. — Einen echten, ehrlichen, frischen, kühnen Schweizer Söldnerfühi'er schilderte dagegen B l ö s c h 7 0 ) in Albrecht vom Stein. Ihn hat Niklas Manuel, der unter seinem Kommando kämpfte, in einem Totentanzbilde angebracht. — Auch der Artikel B r e c h e r s 7 1 ) über Lazarus Spengler fällt ins Berichtsjahr. B. schildert in gedrängter Kürze das Leben und die Thätigkeit des vielseitigen Nürnberger Ratsschreibers, seine Stellung in der Stadt, seine Beziehungen zu Pirkheimer und Dürer, ferner die Bestrebungen des Kreises um Joh. Staupitz in Nürnberg 1512—16, als dessen Nachfolger der Augustiner Wenzeslaus Link erscheint, bis Luthers 1. Schwarzenberg, e. kathol. Schriftsteller a. Staatsmann d. 16. Jh.: IIPB11. I l l , S. 10-33; 112, S. 141-54. — 61) E. M a r t i n , Lazarus ». Schwendi n. seine Schriften: ZGORh. S, S 339-418 — 62) X E - M a r e k s , G. v. Uoligny. Sein Leben u.a. Frankreich seiner Zeit. 1. Bd. 1. Hälfte. St., Cotta. VII, 421 S tt. 8.00. |[F. S a n d e r : AZj' 1 . N. 175.Jj 631(14:151.)(4) J e h . S c h n e i d e r , Hans Landschad r. Steinach: ADB. 35, S. 670/5. - 6 5 ) X Bd. J a c o b s , Botho Graf zu Stolberg: ib. 36, S. 327/9. — 66) i d . , Lndw. Graf za Stolberg: ib. S. 339-45. — 67) i d . , Heinr. Graf zu Stolberg: ib. S. 335/9. — 68) H. H a r k g r a f , Georg r. Stein: ib. 35, S 608-13. — 69) C. K r a u s e , Fr. Spedt: ib. S. S8-92. — 70) B I S s e h , Albr. vom Stein: ib. S. 596/9. — 71) A. B r e c h e r , Laz. Spengler: ib. S. 118-22. — 72) K. L a m p r e c h t , Dtsch. Geistesleben im

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That allen diesen Wünschen einen festen Mittelpunkt giebt. Spenglers Förderung der Reformation, seine Begeisterung für Luther sowie seinen Anteil bei der Gründung der Gelehrtenschule, für die er sich persönlich in Wittenberg bei den Reformatoren Rats erholte, werden dargestellt. — Zur Geschichte des g e i s t i g e n L e b e n s sei zunächst die a l l g e m e i n e Skizze genannt, die L a m p r e c h t " ) aus der Zeit des endenden Mittelalters entwirft. Sie führt bis an die Grenze, bei der die JBL. einsetzen, aber sie mag dem Studium der neueren Zeit wohl als treffliche Grundlage dienen. — Wichtig für die Vorgeschichte unseres Abschnittes sind auch die von B u r d a c h 7 3 ) nun zu einem Buche gesammelten älteren Abhandlungen, dessen Einleitung ich mir für den nächsten Band zur Besprechung vorbehalte. Dies erste Heft einer Sammlung von Einzelforschungen zur Geschichte der deutschen Bildung enthält hauptsächlich B.s Besprechung des KellerSieversschen Hss.-Verzeichnisses (vgl. JBL. 1890 II 1 : 12) sowie einen glänzenden Aufsatz über die böhmische Kanzlei unter Karl IV. und ihre Bedeutung für die deutsche Kulturentwicklung. Der Vf. hat den Zweck im Auge, das Nachleben der mittelhochdeutschen Poesie darzustellen, soweit es sich in der Anfertigung neuer Hss der alten Werke beweist, und dann „die Mächte zu ergründen und anschaulich zu machen, welche sich diesem Fortleben der mittelhochdeutschen weltlichen Lehrdichtung und der von ihr vertretenen Sittlichkeit teils auflösend, zerstörend, teils umgestaltend entgegen stellen". Die Einflüsse des Auslandes auf die Kanzlei, diesen Mittelpunkt neuer Bestrebungen, die unermüdliche Thätigkeit des Kanzlers Johann von Neumarkt werden gewürdigt, die bildende Kunst wird ebenfalls herangezogen und so ein meisterhaftes Bild aus dieser Zeit des ersten Anfangs der deutschen Renaissance-Bewegung geboten. — Auch von den Werken über die Renaissance in Italien, deren Studium zum völligen Erfassen der deutschen Litteratur des 15. und 16. Jh. ja unerlässlich ist, seien einige kurz erwähnt, wenn sie auch nur ein loserer Zusammenhang mit unserem eigentlichen Stoffkreise verknüpft. Da ist vor allem auf ein umfangreiches italienisches Werk 7 4 ) hinzuweisen, das in drei Abteilungen („Storia", „Letteratura" und „Arte") zwölf Aufsätze von hervorragenden Gelehrten bietet, welche die ganze Welt des Rinascimento umfassen. — Daneben stellen sich die Studien des Engländers P a t e r 7 5 ) über Kunst und Litteratur der Renaissance, von denen für uns die geistvollen Ausführungen der Einleitung und des Schlusses sowie ein feinsinniger Aufsatz über Winckelmann und den steigenden Einfluss der Antike zu Ende des vorigen Jh. (S. 187—246) besondere Wichtigkeit haben. 76 ) — Während O w e n 7 7 ) die bedeutendsten Männer aus dem Italien jener Jhh. schildert, plaudert J a c o b s o n 7 8 ) von italienischen Frauen des Cinquecento. — Leben und Wirken Lorenzo Vallas dem weiteren gebildeten deutschen Publikum bekannt zu machen, hat v o n W o l f f 7 9 ) mit vielem Fleiss und mit Geschick versucht, aber ohne die Gestalt des Gelehrten, wie es geschehen musste, aus seiner ganzen Zeit herauswachsen zu lassen. Von den Werken Vallas, dessen Bedeutung nicht zum geringsten darin lag, dass er bei aller Achtung und Bewunderung vor dein Altertum doch die objektive Kritik zur Geltung brachte, giebt W. ausführliche Analysen. Ganze Strecken hat er übersetzt, so besonders aus dem Traktate „De voluptate ac de vero bono" (S. 13—36) und aus der Abhandlung über die Konstantinische Schenkung (S. 79 —93).80) — Voll Geist weiss P a u l R o d e n 8 1 ) , hinter welchem Pseudonym sich ein weiblicher Autor verbirgt, seine These zü verteidigen, dass in Shakespeares „Sturm" die gewaltige geistige Umwälzung allegorisch geschildert sei, welche vom Ende des 15. bis zum Ende des 16. Jh. die Köpfe und Gemüter Europas erregte. — Ein kurzer, aber inhaltreicher und beachtenswerter Vortrag Hampes 8 2 ) wägt die Werte der deutschen Kunst und der deutschen Litteratur um die Wende des 15. Jh. gegen einander ab. H. weist auf die seltsame Thatsache hin, dass in Deutschland Dichtung und bildende endenden MA.: ZKoltG. 1, S. 5-49. — 73) K. B u r d a c h , Vom MA. z. Reformation. Forschungen z. Gesch. d. dtsch Bildung. 1. Hft. (Erweit. Abdr. ans CBIBibl. Bd. 3.) Halle a. S., Niemeyer. XX. 134 S. H. 4.00. — 74) La vita italiana nel rinascimento. Conferenze tenute a Firenze nel 1S92. Milano, Fratelli Treves. 519 S. L.8,00. (Enthalt: I. Storia: 1. E . M a s i , Lorenzo il Magnifico; 2. G. G i a o o s a , La Vita privata ne' Castelli; 3. G. B i a g i , La Vita privata dei Fiorentini; 4. J . D e l L u n g o , La donna fiorentina nel rinascimento e negli ultimi tempi della libertà. II. Letteratura: 1. G. M a z z o n i , Il Poliziano e l'Umanesimo; 2. E. N e n c i o n i , La lirica del rinascimento; 3 P. K a j n a , L'Orlando Innamorato del Bojarde; 4. F. T o c c o , Il Savonarola e la Profezia. I l l Arte: 1. D. M a r t e l l i , La pittura del 400 a Firenze; 2. V. L e e , La soultura del Rinascimonto; 3. E. P o n z a c o h i , Leonardo d i Vinci [d. P. S. 464/5 durch e. Hinweis auf d. Figur d. Faust sehr fein zu charakterisieren sucht]; 4. P. M o l m e n t i , L'arte veneziana del rinascimento.) — 75) W. P a t e r , The renaissance. Studies in urt and poetry. New ed. London and New-York, Macmillan 4 Co. XVI, 253 S. Sh. 10/6. (Enth. ausser d. im Texte genannten Abschnitten u- a. noch: Two early french stories S. 1-30; The poetry of Michelangelo S. 76-102; Leonardo da Vinei 5. 103-35.) — 76) X K l a c z k o , Rome et la Rénaissance. Essais et esquisses: RDM. 115, S.529-57; 116,8.37-62,624-51. (S. bes. N. 4 „An seuil de la sixtina" u. N. 6 „Une r u e sur le rinascimento".) — 77) J . O w e n , The Sceptics of the Italian Renaissance. London, Swan, Sonnensehein A Co. 273 S. |[BLU. 8. 053/4; M. H e w l e t t : Ac. 43, 8. 453/4.JI — 78) E. P. J a c o b s e n , Italian women of the 16. cent.: WestmR. 140, S. 17-23. — 79) M a x t . W o l f f , Lorenzo Valla. Sein Leben u. seine Werke. E. Studio z. Litt.-Gesch. Italiens im 15. Jh. L., Seemann. VI. 134 8. M. 2,50. - 8 0 ) X T h » Decameron of Boccaccio: EdinbR. 178, S. 500-29. (Ree. e. Reihe v. Werken über Boccaccio u. seine Zeit) — 81) P. R o d e n , Shakespeares „Sturm". E. Kulturbild. L., W. Friedrich 02 8. M. 1 , 0 0 . - 82) (I 11 :184; 1 2 : 3 . ) - 8 3 ) X X A . J o h n , Z. Kulturgesch. d. westl.

M. O s b o r n , Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.

II 1 .: s4-ss

Kunst fast niemals mit einander Schritt gehalten, vielmehr stets in einem auffallenden Missverhältnis gestanden haben. Auf den mittelalterlichen Zustand, die hohe Blüte der Poesie und den niedrigen Stand von Plastik und Malerei, folgt nun gegen das J. 1500 eine Zeit des LitteraturVerfalls und des Aufschwungs der bildenden Künste. Für die gesamte Dichtung der Reformationsperiode hat H. nicht viel Liebe übrig. Während die Schriftsteller sich ganz und gar von Tendenz und Dogma in Ketten schlagen liessen, habe die bildende Kunst nur ausnahmsweise sich zur Magd politischer und religiöser Parteien herabgewürdigt, ohne jemals im ganzen das eigentlich künstlerische Element völlig zu verlieren. Mit dem Handwerksmässigen in der Litteratur kann der Vf. freilich aus seinen eigenen Forschungen in den Nürnberger Ratsprotokollen auch Erscheinungen in der ehrsamen Zunft der Maler und in den Kreisen der Kunsthandwerker in Parallele bringen. Auch ist H. nicht ganz gerecht, wenn er die Ausbildung eines gesunden naturalistischen Zuges für die bildende Kunst allein in Anspruch nimmt und der Dichtung so gut wie völlig abstreitet. Im ganzen aber wird man schwerlich seinen Ausführungen widersprechen, die beweisen wollen, wie namentlich durch die humanistischen Gelehrten und durch den übermässigen Einfluss der Renaissance überhaupt die Poesie der Gebildeten dem Volke mehr und mehr sich entfremdete, während die Malerei niemals in jener Zeit den festen Zusammenhalt mit der ganzen Nation einbüsste. In der deutschen Kunst, so behauptet der Vf. mit Fug, ist zuerst die Abklärung der mystisch dunklen und verschwommenen Ahnungen und Gefühle zu reformatorisch fruchtbaren Ideen erfolgt (S. 19), und mit Recht weist er dem grössten bildenden Künstler jener Epoche, Albrecht Dürer, den Platz des grössten Künstlers schlechthin im damaligen Deutschland an. 83 ) — Von den englischen protestantisch-reformatorisch Gesinnten, die in der ersten Hälfte des 16. Jh. nach der Schweiz kamen und in Zürich in den Häusern der obersten Geistlichen, besonders bei Bullinger, Zuflucht fanden, berichtet Vetter 9 4 ). Er verweilt besonders lange bei dem englischen Antipapisten John Bale (S. 15—20), der den Pammachius des Naogeorg übersetzte und selbst in dem bedeutendsten seiner fünf erhaltenen Schauspiele, dem „King Johan", den Einfluss jenes romfeindlichen dramatischen Pamphlets deutlich verrät; dem Engländer widmete auch Konrad Gesner sein sprachvergleichendes Werk „Mithridates". In der zweiten Hälfte des Jh. entspann sich dann ein äusserst reger Verkehr zwischen Zürich und England, der schliesslich einen riesenhaften Umfang annahm. Die Abhandlung V.s bringt an der Spitze die Abbildung eines Ehrenpokals, den die Königin Elisabeth Bullinger für die freundliche Aufnahme der protestantischen Flüchtlinge unter dem Regimente der katholischen Maria verehrte. — Unter den zusammenfassenden Arbeiten zur L i t e r a t u r g e s c h i c h t e des 16. Jh. sei auch hier wieder auf B a e c h t o l d s 8 5 ) gewaltiges Werk über die deutsche Dichtung in der Schweiz hingewiesen, das an einer anderen Stelle dieses Bandes eingehende Würdigung erfahren hat. Für die zweite Hälfte des 15. Jh. kommt das vierte Kapitel (S. 190—244) mit seiner Darstellung des Volksliedes, der geistlichen Dramen und des Fastnachtsspiels, der Predigt und der Schriften der Mystiker, der historischen Prosa und des beginnenden Humanismus in Betracht, für das 16. Jh. dann das grosse fünfte Kapitel (S. 245—446) und für beide Abschnitte von den Anmerkungen ein bedeutender Teil mit einer Riesenmenge Materials (S. 47—140). — L o r e n z 8 6 ) Dissertation über den Anteil Mecklenburgs an der deutschen Nationallitteratur behandelt auf S. 7—21 unsere Zeit. Das für den Herzog Balthasar von Mecklenburg hergestellte Heldenbuch Kaspars von der Roen steht hier an der Spitze. Epen-Uebersetzungen schliessen sich an und, als Hauptpunkt des älteren Dramas, das Redentiner Osterspiel. In den Anfangszeiten des Humanismus in Rostock richtet sich die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf Hutten, der im Winter 1510 als ein Jüngling von 22 Jahren von Greifswald her dorthin kam und ein Semester hindurch Vorlesungen hielt, der ferner in Rostock sein erstes Werk, die Sammlung seiner Elegien, fertig stellte. Von neulateinischen Dichtern seiner Heimat nennt L. in den bibliographischen Anmerkungen (S. 36—47) 63, unter ihnen Joh. und Dav. Caselius, Nath. Chytraeus, Joh. Freder. Daneben stellen sich die lateinischen Schuldramen, mit dem „Nymphocomos" des Chrph. Brockhagius und dem „Cornelius Relegatus" Wichgrevs in erster Reihe. Franziscus Omichius und Joachim Schlu vertreten das deutsche Schauspiel, 30 Namen jedoch das geistliche Lied (Anm. S. 50/3), Omichius wiederum mit seiner Beschreibung einer Reise von Wien nach Konstantinopel und Chytraeus mit seinen Fabeln die Didaktik. — Die deutsche Dichtung in der Provinz Posen hat sich, wie S k l a d n y 8 1 ) in einem Vortrage zeigte, stets auf die schlesische Böhmens. I. Humanismus u. Reformation: ZDKG. 3, S. 177-208. — 84) Th. V e t t e r , Englische Flüchtlinge in Zürich während d. ersten Hälfte d. 16. Jh. ( = Njbl. her. y. d. Stadtbibl in Zürich.) Zürich, Orell Fnssli. 4°. 28 S. mit 1 Lichtdr. M. 2,20. |[F. V ( e t t e r ) : SehwKs. 1, S 347.|| — 85) (I 1 :110.) - 86) (I 1:111.) - 87) (III 1 : 137; IV 1 « : 40.) — 88) (II 3 : 50.) Jahresberichte für nenere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (2)2

II 1 : 89-99

M. Os b o r n , Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.

Grenze beschränkt. Die ältesten deutschen Verse finden sich auf zwei Glocken zu Klecko und in anderen Inschriften. Die gedruckten Werke aus unserer Periode verteilen sich auf Matth. Rüdinger, dessen Poesie hauptsächlich in verschnörkelten Reimereien aufging, ferner Valerius Herberger, einen Fraustädter von Geburt wie Rüdinger, und Joh. Heermann aus Schlesien, die sich als geistliche Dichter bekannt machten. — Für die Sammlung Göschen stellte P a r i s e r 8 8 ) ein Bändchen aus Bruchstücken der wichtigsten Litteraturwerke des 16. Jh. zusammen. Den halb populären Zwecken entsprechen Auswahl und Anmerkungen sowie die orientierenden Vorbemerkungen vollkommen. Von Brant haben die Kap. 1,17,99 des Narr.enschiffs Aufnahme gefunden ; Murner ist mit einem Abschnitt der Narrenbeschwörung („Ein Esel latin lernen") und mit einem des Grossen Lutherischen Narren („Das Banner der Freiheit") vertreten. Von Luther ist neben der Vorrede auf den Psalter, einem Stück aus dem Sendbrief vom Dolmetschen, einigen Briefstellen und Aesopischen Fabeln auch nach der Ausgabe letzter Hand (1545) Ev. Matth. 26,6 — 15 abgedruckt und dazu das gleiche Stück in der Uebertragung des Codex Teplensis, der Schrift „des newen gezeuges", — ein prägnantes Beispiel für Luthers wundervolle Sprachgewalt. Auch Hutten (Vorrede aus dem Gesprächbüchlein und „Ich habs gewagt"), Fischart („Ernstliche Ermahnung"; Stück aus dem „Glückhafft Schiff"), Joh. Pauli, der immer noch der getaufte Jude ist (Ernst N. 333; Schimpf N. 422), Waldis und Alberus mit ein paar Fabeln sind berücksichtigt. Beim Kirchenlied kommen neben Luther selbst Joh. Matthesius, Nik. Decius, Paulus Speratus, Nik. Hermann, Fischart und Hans Sachs zu Worte. Hans Sachs ist auch noch mit der „Klagred der Theologia", mit einem epischen und einem dramatischen Werkchen vertreten. Proben aus dem Reinke de vos und Rollenhagens Froschmäuseier (II, Teil 4, Kap. 2) machen den Schluss. — Zu Wolkans Studien über die deutsche Litteratur in Böhmen (vgl. JBL 1890 II 1: 13; 1891 II 1: 1; 1892 II 1:42) brachte L a m b e l 8 9 ) in einer ausführlichen Besprechung zahlreiche kleine Nachträge und Berichtigungen. — G a u t h i e z 9 0 ) nimmt in seinen Aufsätzen über Rabelais, Montaigne und Kalvin, „ces pères de l'esprit français", vielfach Rücksicht auf die deutsche Litteratur. — Wie die reformatorische Anschauung von der Ehe auf die verschiedenen Zweige der zeitgenössischen Litteratur auf Lyrik, Epos, Drama und vor allem didaktische Poesie wirkte, zeigte W. Kawerau 9 1 ) in einer vortrefflichen kleinen Schrift. — O s b o r n 9 2 ) suchte in seiner Studie über die satirisch-didaktischen Teufelbücher protestantischer Theologen nach Luthers Tode die Lasterpersonifikation in der Litteratur der Zeit überhaupt zu verfolgen. — In einer Kritik der Abhandlung Rocholls über die w i s s e n s c h a f t l i c h e Beschäftigung der Renaissancezeit mit der Philosophie des Plato (vgl. JBL. 1892 II I : 48) betont Stein 9 3 ), dass es in jener Periode doch nicht allein der mit neuplatonischen, alexandrinischen und kabbalistischen Elementen durchsetzte theosophische Piatonismus, wie ihn Ficino beispielsweise verdolmetschte, gewesen ist, der die Köpfe der Gelehrten erfüllte. Es beginnt schon die Erforschung der reinen, unverfälschten platonischen Philosophie, und seitdem Aurispa von Konstantinopel den ganzen Plato nach Venedig gebracht hatte, arbeiteten Männer wie Manuel Chrysolarus, Angelus Politianus, Vettorino de Feltre an der Herstellung der reinen Lehre des Griechen. — Die früher besprochenen Arbeiten von Albert 94 ) über den Minoriten Matthias Döring (JBL. 1892 II 1:56) und von Paulus 95 ) über den Augustiner Hoffmeister (JBL.96 1891 II 7:50; s. u. II 6:6) fanden im Berichtsjahr noch mannigfache Beachtung. ) Auf Grund von Frankfurter Archivalien schildert H e i n z e 9 7 ) den Streit des gelehrten Magisters Konrad Schade mit der Stadt Heidelberg. Diese Händel, durch die Absetzung des Magisters im J. 1457 hervorgerufen, nahmen eine merkwürdige Wendung dadurch, dass Schade, als er bei Kurffirst Friedrich I. von der Pfalz sein Recht nicht erhielt, die Hülfe der Feme in der Person des Freigrafen Johann Hackenberg anrief, und dass nach langem Hin und Her schliesslich Papst Pius II. zu Gunsten des Spruches der Feme intervenierte, die Heidelberg verurteilte. H. weist darauf hin (S. 210), dass Aeneas Sylvius selbst sich in seiner Historia de Europa über die Femgerichte ausgesprochen hat. — Sebastian Münsters grammatische Lehrbücher sucht P u l v e r m a c h e r s 9 8 ) Dissertation gegen mancherlei Vorwürfe zu verteidigen.99) — Paracelsus von Hohenheims 400. Geburtsjahr hat zahlreiche Gedenkartikel in Tagesblättern |[M. P. C. S c h m i d t : ASNS. 91, S. 277/8 (kleine Verbesserungen n. Nachtrr); ThLBl. 14, S. 178.JI — 89) II. L a m b e l : LBIGRPh. S. 385-95. — 90) P. G a u t h i e z , Études litt, sur le 16. siècle. Paris, Leeène & Oudin. XVIII, 337 S. Fr. 3,50. llPolybiblf'. 68, S. 547; SohwRs. 1, S. 630/l.JI - 91) (II 6 : 1 9 1 ; »gl. auch JBL. 1894 U 5 ) — 92) (III 5 : 5 ) - 93) L . S t e i n : AGPhilos. 6, S. 428-30. — 94) X ß- K a w e r a u : GGA. S. 497-504; C. E u b e l : Kath. 2, S. 16-20; A. C a r t e l l i e r i : MHL. 21, S. 143/6; LCB1. S. 942; DLZ. 9. 974/5; B. G e b h a r d t : HZ. 35, S 504/5; StML. 44, S. 377; MA. 6, S. 23; G. B o s s e r t l ThLBl. 14, S. 268,9; K a r l M i l l e r : ThLZ. 18, S. 362/4. - 9 S ) X S c h m i d : LRs. 19, S. 140,2; A l e . H o l l a e n d e r : IIZ. 71, S. 114/5; BPh WS 1892, S 1370/1; E. A H a l 1 e r : KathSchwBll. 9, S. 260/2 - 96) X Manfr. Mayer, Wig. Hundt (Tgl. JBL. 1892 II 1:62). HHPBIl. 112, S. 202/3; 0. B r a u n s b e r g e r : StML. 44, S. 61ö/S.]| - 97) R. H e i n z e , Mag. Konr. Schades Streithändel mit d. Stadt Heidelberg. (Mitte d. 15. Jh.): NHJbb. 3, S. 199-223. - 91) D. P u l v e r m a o h e r . Sab. Munster als Grammatiker. Diss. Erlangen (Berlin, H. S. Hermann). 1892. 32 S. (Tgl. auch II 0 :172.) - 99) X k- R . J- J- Scaliger:

M. O s b o r n , Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.

II 1 : 100-124

hervorgerufen 100 " 105 ). — G r o t t e w i t z 1 0 6 ) konnte den 350jährigen Todestag des Kopernicus nicht ohne Jubiläumsaufsatz vorübergehen lassen. 101 ) — R u d i o 1 0 8 ) hat seinen bereits 1891 in Zürich gehaltenen Vortrag üb er die Bedeutung der mathematischen Wissenschaften für die Kultur und die künstlerische Entwicklung der Renaissancezeit (vgl. JBL. 1891 II 1 : 2 0 ; 1892 II 1:50) nun im Wortlaut erscheinen lassen. — L o e w e n b e r g l 0 ! ) ) verfolgte den Anteil der Deutschen an der Forschungsarbeit der Entdeckungszeit, wies auf die Ephemeridenberechnungen des Joh. Müller, auf Martin Behaim, den Schöpfer des Erdglobus, auf Waldseemüller, den Uebersetzer der Berichte Vespuccis, und Peter Bienemann (Apianus) hin, der die erste Landkarte mit dem Namen Amerika verfertigte, um dann bei Sebastian Franck und seinem „Weltbuch", der Zusammenfassung des gesamten geographischen Wissens der Zeit, zu verweilen. Einer nicht erschöpfenden Charakteristik Francks und seiner Anschauungen lässt der Vf. eine Analyse des Weltbuchs folgen; die zumal für das Mainland und im besonderen für Würzburg wichtigen Sittenschilderungen werden nacherzählt. — In zwei Abteilungen gab H i l d e n b r a n d l t 0 ) Untersuchungen über Matthias Quads 50 Landtafeln enthaltenden Atlas „Europae universalis et particularis descriptio" heraus, eine der ersten Kartensammlungen in Buchform überhaupt. Der erste Teil handelt über Quads Leben und Thätigkeit, speciell über die Descriptio; der zweite bringt (S. 16/9) u. a. eine interessante Zusammenstellung der Terra cognita um das J. 1590. — Neben einigen Schriften, die noch dem Jubiläum der Entdeckung Amerikas ihr Dasein verd a n k e n 1 1 1 1 1 2 ) und R u g e s 1 1 3 ) „Columbus" in Bettelheims Sammlung sei noch auf eine lateinische „Oratiuncula" aufmerksam gemacht, die der Prof. Erasmus Schmidt im J. 1602 über Amerika an der Universität Wittenberg gehalten, dann 1616 seiner Pindarausgabe beigegeben, und die nun W i e s e h a h n 1 1 4 ) insDeutsche übertragen hat. Nach des Prof. Erasm. Schmidt Meinung war Amerika den Alten schon wohlbekannt. — Das k u l t u r h i s t o r i s c h e Werk von Alwin Schultz (vgl. JBL. 1891 I 5 : 16; 1892 1 4 : 2 1 ; II 1 : 6 3 ) wurde noch wiederholt besprochen 1 1 5 ); auch D i e l i t z 1 1 6 ) Aufsatz über das deutsche Bürgerhaus ist durch Schultz veranlasst. — Nicht erschöpfend ist die Darstellung, die F a l k 1 1 7 ) von dem klerikalen Proletariat um die Wende des 15. Jh. 118 " 119 ) giebt.— Nach den reichen Mitteilungen der Zimmerischen Chronik plauderte ein Anonymus 12°) über Kaiser, Reichstage, Fürsten und Herren im 16. Jh. 1 2 1 ) — Die Ausführungen K a t t s 1 2 2 ) über das Studententum der Reformationszeit im Gegensatz zu den Zuständen des Mittelalters, die den ganz falschen Schluss aufkommen lassen, als habe sich überhaupt erst im 16. Jh. das eigentliche Burschenleben entwickelt, beruhen auf Sachs Kulturbildern (vgl. JBL. 1891 1 5 : 10). — Neben Wichgrevs, des Rostocker Studenten und Privatdocenten, „Cornelius Relegatus" boten H o f f m e i s t e r 1 2 3 ) zu einer Schilderung des Studentenlebens auf der mecklenburgischen Hochschule im 16. Jh. die seit 1560 vollständig erhaltenen Akten ein reiches kulturhistorisches Material. Der Vf. weist auf Huttens und seiner humanistischen Genossen Thätigkeit, auf das Wirken des Arnold Burenius und die Reorganisation der Universitätsverfassung mit neuen strengeren Satzungen (1548) hin. Der Karzer wird 1563 zum ersten Male erwähnt; bei einem der aufnotierten Duelle, die meist nur aus zufälligen Rencontres entstanden, verlor der berühmte Tycho de Brahe seine Nase. — Ueber die Entstehung des Jesuitenordens seit dem ersten Bunde des Inigo Lopez de Recalde aus dem Hause Loyala mit Pierre Lefevre aus Savoyen, Didask. N. 19-20. (Nach J. Bernays.) — 100) X A - P f u n g s t , Th. Paracelsas: FZg N. 3 4 1 . - 101) X A - B ® r . Paracelsus: WienerZg. 12.-14. Dec. — 102) X E - L a n g s d o r f , Philippus Theophrastus Bombastus Paracelsus v. Hohenheim. (Z. 400. Geburtst.): Didask. N. 296,7. — 103) X A. K o h u t , Paracelsas y. Hohenheim: lUZg. 101, S. 691/4. - 104) X K - S u d h o f f , Zu Hohenheims Geburtstag: AZg". N. 261. (Beitrr. z. Gesch. d. ersten Lebensjahre Paracelsas; über seine Bedeutung als Reformator d. Heilkunde vgl. dazu K. S u d h o f f : DMedWschr. 1801.) - 105) X ( s - «• 176.) — 106) 0 G r o t t e w i t z , N. Kopernikus (gest. 24. Mai 1543): FZg. N. 141. — 107) X F e l i x M ü l l e r , Zeittafeln z. Gesch. d. Mathematik, Physik u Astronomie bis z. ,T. 1500, mit Hinweis auf d. Quellenlitt. L , Teubner. 1892. IV, 104 S. M. 2,40. |[LCB1. S. 42.]] — 108) F. K u d i o , Ueber d. Anteil d. mathemat. Wissenschaften an d. Kultur d. Renaissance. ( = SGWV. N. 142.) Hamburg, Verlugsanst. 33 S. II. 0,60. — 109) J. L o e w e n b e r g , D. Weltbuch Seb. Francks. D. erste allg. Geographie in dtscli. Sprache, ebda. N. 177. 37 S. U. 0,60. — 110) F. J. H i l d e n b r a n d , Matth. Quad u. dessen Europae universalis et particularis descriptio. E. Beitr. z. Gesch. d. dtsch. Kartographie. 2 Tie. in 1 Bd. L„ G. Fock. 48, 58 S. M. 2,00. |(W. W o l k e n h a u e r : DGeogrBll. 17, N. 4.]l" — 111) X & C r o n a u , Amerika. D. Gesoh. seiner Entdeckung y. d. ältesten bis auf d. neueste Zeit. 23.-31. Lfg. ( = Bd. 2, VI u. 'S. 225-532 mit Textill., Karten usw.) L., Abel & Müller. 4°. 4M. 0,50; (kpl. 2 Bde.: M. 24,00.) |[A. K i r c h h o f f : BLU. S. 189.]| — 112) X Hamburg. Festschrift z. Erinnerung an d. Entdeckung Amerikas. Her. y. wissenscl). Ausschuss d. Komitees für d. Amerika-Feier. 2 Bde. Mit 2 Taf., 1 Karte u. 25 Abbild. Hambnrg, L. Friedrichsen b Co. 1892. L i n , 132, 90, 256, 22 S.; TO, 328, 9 S. M. 20,00. |[A. B e n e k e : DKs. 75, S. 489-71.]| — 113) X s - B o g e , Chrph. Colambas. ( = Fahrende Geister. Her. y. A. B e t t e l h e i m . Bd. 4.) Dresden, Ehlermann. 1892. 164S. M. 1,80. |[A. K r o e s s : ÖLB1. 2, S. 432/4.]| — 114) W i e s e h a h n . E. Vortr. über Amerika aus d. J. 1602: NJbbPh. 148, S. 152-60. - US) X O. B e h a g h e l : LBIGRPh. S. 423/4; R. W.: Bohemia" N. 18. - 116) Th. D i e l i t z , D. dtsch. Bargerhaus im 14. u. 15. Jh.: VossZgB. N. 35. — 117) F. F a l k , An d. Wende d 15. Jh. (Klerikales Proletariat): HPB11. 112, S. 545-59. - 118) X X IiU l m a n n , D. Leben d. dtsch. Volkes bei Beginn d. Neuzeit. (— Schriften d. Ver. für Reformationsgesch. N. 41.) Halle a. S., Niemeyer. III, 92 S. M. 1,20. — 119) X L i e s e g a n g , G. y. Buohwald, Dtsch. Gesellschaftsleben im endenden MA. I I . Z . dtsch. Wirtschaftsgesch. (Kiel, Homann. 1887): HZ. 34, S. 120/2. — 120) Kaiser, Reichstage u. Fürsten. (Ausd.Zimmerischen Chronik): MagdZgH. N. 3/4. — 121)X M. y. E h r e n t h a l , D. Marschallstab d. Kurf. August n. dessen Kleidung auf d. Reichstag zu Augsburg 1566: NASächüG. 14, S. 138/9. - 122) (I 6:123.) — 123) (I 6 : 124.) — 124) F P. H u b e r , Grandung u. Zweck

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II 1 :125-139

M. O s b o r n , Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.

Franz Xaver aus Pampelona in Navarra, den Spaniern Jakob Lainez, Alfons Salmeron, Nikolas Bobadilla und dem Portugiesen Simon Rodriguez im J. 1534 sowie über die Ziele der neuen Societät schrieb H u b er 1 2 4 ) einen lehrreichen Aufsatz für weitere Kreise. — Als „erster deutscher Jesuit" wird sowohl Petrus Faber in einem anonymen Büchlein 125 ) als auch Canisius v o n D r e w s 1 2 6 ) bezeichnet; indessen kann der letztere dem Pater Faber, dessen Schüler er war, den Titel kaum streitig machen. — M a n l i k s 1 2 ' ) Darstellung des Lebens und Treibens der oberdeutschen Bauern im 13.—15. Jh. auf Grund der gleichzeitigen Litteratur berührt sich nur wenig mit unserer Periode. Das Material ist mit grossem Fleiss zusammengetragen, aber kein warmer Hauch der Schilderung belebt es. — Vortrefflich ist die Dissertation von R o t h 1 2 8 ) über Erziehung und Unterricht der Mädchen im Reformationszeitalter, ein Bruchstück aus einer 1892 preisgekrönten Geschichte des weiblichen Unterrichts vom 15. bis 18. Jh. Während noch im 15. Jh. eine Augsburger Bürgersfrau sich schämt, dass sie allein in ihrer Vaterstadt lesen und schreiben kann, und ihrer Freundin gesteht: „. . vnd fürcht, man möcht über vns lachen, dass wir einander schreiben", bringt die wachsende pädagogische Macht des Humanismus allmählich eine Aenderung. Der Spanier Joh. Ludw. Vives, femer Thomas Morus und Erasmus, der hauptsächlich in dem Dialog „Erudita puella" seine Ansichten ausspricht, werden als treibende Kräfte genannt. Dann folgt Luthers Eintreten für die Mädchenschulen, in denen freilich den jungen Maidlein nur eine Stunde täglich gegeben werden sollte. Wichtig wird für Norddeutschland besonders Bugenhagens Braunschweiger Kirchenordnung; in Sachsen entwickeln sich dann die Jungfrauenschulen besonders rasch (S. 15 — 20). Für die ziemlich übereinstimmenden Schulverfassungen giebt der Plan einer Mädchenschule für Pirna vom J. 1578 (S. 32/3) ein typisches Beispiel. Religion und Lesen sind Hauptfächer, Schreiben und Gesang wird meist auch gelehrt, sehr selten aber Rechnen. Ueber Lehrmaterial, Schulzwang, über einzelne hervorragende Frauen der Zeit und über Fürstinnenerziehung spricht R. auf Grund sorgfältig gesammelten Materials. Das erste im Druck erschienene Schulbuch für Mädchen ist die „JungfrawSchulordnung zu Torgaw" von Joh. Jahn. 129130 ) — Ueber Heiligen- und Reliquien131 verehrung sind einige Schriften zu notieren " ); im J. 1552 wurden in Nürnberg aus drei Kirchen, St. Lorenz, Unserer lieben Frauen und St. Sebald so viele Kleinodien eingeschmolzen, dass der Ertrag beim Verkauf über 15844 Gulden er133 gab.132) — Kulturhistorische Studien und Notizen aus einzelnen Gegenden ) schliessen sich an. Knott 1 3 4 ) schildert auf Grund der Stadtbücher das Teplitzer Leben im 16. Jh., wo die Stadt nach längerer Zeit wieder einmal ein deutsches Gepräge zeigte, das heftig gegen die Czechen verteidigt wird. K. beschreibt den Ort, die Gemeindeverwaltung, die Bemühungen für die Heilquellen, das bürgerliche Leben, die Kirchen und die Schule, für135die man sich meist einen Baccalaureus von der nahen Prager Universität borgte. " 137 ) — In dem Aufsatze über „Erzgebirgisches" Volks- und Wirtschaftsleben im 16. Jh. hat J a c o b i 1 3 8 ) hauptsächlich seine Aufmerksamkeit dem Nordabhang des Erzgebirges, dem obersächsischen Lande, gewidmet. Er spricht über die Zustände in Zwickau, Freiberg, Annaberg und auf dem Lande, über öffentliche Einrichtungen, wie die Wasserleitung in Annaberg (1515), Judenkrawalle, Sitten, Gebräuche, Kleidung und Luxus. Das Rechenbuch des Adam Ries aus Annaberg, sowie die Schriften und Predigten des Matthesius sind eine wahre Fundgrube für den Vf. gewesen. J. schildert auch die industriellen Verhältnisse. Es bilden sich damals schon im Zusammenhang mit dem Bergbau Anfänge zum gewerblichen Grossbetrieb, ja sogar Ansätze zu einer Art von Arbeiterschutzgesetzgebung (in der kurfürstlichen Bergordnung 1589, S. 17). Auch von einem Strike wird berichtet: 1543 legen die Bäcker in Zwickau die Arbeit nieder.139) — Zu den wichtigsten Q u e l l e n für die Erforschung der allgemeinen Verhältnisse im Deutschland des 16. Jh. gehören die N u n t i a t u r - u n d G e s a n d t s c h a f t s d. Jesuitenordens: VossZg". N. 13/4. (Vgl. auoh I 4 : 516-516 a.) — 125) D. erste Jesuit in Deutschland, P. Petrus Faber. E. Gesch.-Bild ¡ms d. 16. Jh. ( = Rath. Flugschriften z. Wehr u. Lehr N. 6S/9.) B., Germanin. 128 S. M. 0,20. - 126) (II 6:26.) —127) M. M a n l i k , D. Leben u.Treiben d. oberdtsch. Bauern im 13., 14. u. 15. Jh. Frogr. d. k. k. Staatsobergymn. Landskron (Böhmen). 1S92. 24 S. — 12g) (I 4 : 38.) — 129) X (I 4 : 35.) - 130) X S t . B e i s s e l , D. Verehrung d. Heiligen u. ihrer Reliquien in Dtschld. während d. 2. Hälfte d. IIA. Freiburg i. B., Herder. 1892. VIII, 143 S. M. 1,90. |[ZKG. 14, S. 279.80.Jl (Forts. z. Ergänznngsheft zn StML. N. 47.) — 131) X H - T a r i e r , Meister Joh. Bali n. d. Reliquienverehrung d. Stadt Bern in d. J. 1463-64. (Njbl. d. litt. Ges. Bern.) Bern, Wyss. 1892. 4°. 34 S. M. 1,20. (Bali stiehlt im J. 1462 mit Zustimmung d. hohen bern. Rates aus d. St. Laurentiuskirche in Köln d. Haupt d. heil. Vincenz.) — 132) Z. Kirchenraub im Reformationszeitalter: Kath. 2, S. 572. — 133) X J- Wood w a r d , D. InnBbrncker Hofkirche: NQ. 4, 8. 18. (Dazu ib. 3, S. 471/2.) — 134) R. K n o t t , Teplitzer Leben im 16. Jh. Frogr. d. Gymn. Töplitz. 28 S. — 135) X . 14, S. 517-48. - 19) id., M. Bachinger.

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

II 6 : 20-22

gespräch - Politik entgegen: nur ein Konzil habe hier zu entscheiden. Gegen dieses „aufrührerische Mordbüchlein" schreibt Butzer unter den Pseudonymen Konrad Treu von Friedesleben und Waremund Luithold (die genauen Titel dieser Gegenschriften s. in Mentz, Bibliogr. Zusammenstellung der Schriften Butzers, Strassburg 1891, N. 44/6). Braun antwortet in drei „Gesprächen" 1540: Wollen die Ketzer auf Güte nicht hören, so brauche man doch Gewalt gegen siel Sie sind ja nicht nur Ketzer, sondern auch Aufrührer und Kirchenräuber! Trotz seiner prinzipiellen Abneigung nimmt er am Wormser Kolloquium teil; 1542 sendet ihn Kardinal Albrecht nach Trient zu dem einberufenen, aber bald wieder verschobenen Konzil. Dann finden wir ihn in bayerischen Diensten als Kanzler in Straubing, hernach in Landshut; auch wird er Freisinger Domherr. Inzwischen hat er mit Cochleus Freundschaft geschlossen, unter dessen Beihülfe nun seine lateinischen Schriften meist polemischen Inhalts erscheinen. So De haereticis 1549, De seditionibus 1550. E r lehrt, wenigstens anfangs, in voller Schärfe die direkte Gewalt der Kirche über das Zeitliche. Aus bayerischen Diensten tritt er kurze Zeit in die Dienste Ferdinands; dann beruft ihn Otto Truchsess als Kanzler nach Dillingen. 1559 legt er sein Amt nieder, lebt fortan (gestorben 1563) als Domherr in Augsburg. Noch einmal beteiligt er sich im Alter an der Polemik, indem er eine Kritik des 1. Bandes der Magdeburger Centurien schreibt (erst 1565 veröffentlicht), gegen die dann Flacius alsbald replizierte. Unser Braun ist es auch, der 1549 des Cochleus Commentaria de actis et scriptis Lutheri mit der lehrreichen Programmschrift Epistola ad universos pios et catholicos sacrarum historiarum studiosos einleitet, in der er den Fürsten besonders das Studium der Geschichte empfiehlt; lehrt sie doch u. a. auch die ad extirpandas haereses wirksamen Mittel. Sie lehrt, dass man Ketzern weder Kirchen einräumen, noch Gottesdienst gestatten darf, auch dass Religionsgespräche schädlich sind; andererseits lehrt sie die Fürsten, die Beschlüsse der Kirche gegen die Ketzer auch unter Anwendung des Schwertes treulich und gewissenhaft auszuführen. Hier regt sich klar und unverhüllt der Geist, der die Gegenreformation beseelte und Deutschland die Religionskriege brachte. — In M i c h a e l B u c h i n g e r endlich wird uns durch Paulus 1 ®] ein Verwandter Wimphelings bekannt gemacht, der, in Kolmar geboren, anfangs in Heidelberg und Freiburg (unter Glarean) vorwiegend humanistische Studien betrieb, dann im Elsass in Molsheim, Strassburg und Kolmar als katholischer Prediger und als ein Schriftsteller (seit 1543) gewirkt hat, der als Verteidiger der Bilder, der Fastengesetze, des Messopfers hervortritt, aber auch Kirchengeschichtliches (Ecclesia oder Historia ecclesiastica nova 1556 und 60) sowie Predigtbücher veröffentlicht. E r ist ein entschiedener Verteidiger des Scheiterhaufens für die Hexen und Gegner einer sich bereits schüchtern regenden milderen Ansicht, aber auch ein -bemerkenswerter Gegner der Astrologie. E r stirbt vor 1574. — Wir haben absichtlich über die hierher gehörigen Arbeiten von Paulus im Zusammenhang berichtet, um eine Vorstellung von dem zu geben, was dieser Eine während der Berichtsjahre geleistet hat. Es erübrigt jetzt der Mitarbeit anderer Gelehrte auf dem gleichen Gebiete zu gedenken. In der Dissertation über S i l v e s t e r P r i e r i a s bietet uns M i c h a l s k i 2 0 ) einstweilen nur eine Abschlagszahlung auf eine von ihm geplante grössere Arbeit über diesen scholastischen Gegner Luthers. E r stellt sein Geburtsjahr fest (1456), untersucht die verschiedenen Formen, in denen der Name des Dominikaners überliefert ist (am häufigsten Silvester de Prierio oder Prierias), und sammelt die dürftigen Notizen, die über seine äussere Lebensgeschichte erhalten geblieben sind. Ueber die Theologie des Prierias, über seine einst teilweise weit verbreiteten Schriften, sowie über sein Auftreten gegen Luther, dem er allein verdankt, dass sein Name weiteren Kreisen bekannt ist, soll die vollständige, deutsche Schrift des Vf. näher orientieren. Diese ist unseres Wissens bisher nicht erschienen. — Mit musterhafter Akribie ist die Studie über K o n r a d W i m p i n a gearbeitet, die N i k o l a u s M ü l l e r 2 1 ) , der Berliner Kirchenhistoriker und Archäolog, veröffentlicht hat. Sie beschränkt sich zwar auch nur auf Feststellung der Externa: Namen, Geburtsort und die äusseren Data der Lebensgeschichte, thut dies aber mit einer Sorgfalt und hat darauf eine Mühe verwendet, wie keiner vor ihm. M. stellt fest, dass Konrad Koch in Buchen 1465 oder kurz vorher geboren wurde, seinen Namen Wimpina aber erhielt, weil es die nächste bekanntere Stadt, vielleicht auch weil hier die ursprüngliche Heimat der Familie war. Die seit 1725 oft wiederholte Angabe, dass der Vater Lohgerber war, wird als ein Irrtum erwiesen, und es wird gezeigt, wie er entstand. W.s Leipziger Studiengang verfolgt Müller genau: E. Schriftsteller u. Prediger ans d. Reformationszelt: Kath. 72*, S. 203-21. — 2 0 ) F. M i c h a l s k i , De Silvestri Frieriatis Ord. Praed. magistri sacri palati! (1456-1523) vita et scriptis. Partie. I. Diss. Münster (Coppenrath). 1892. 34 S. |[G. K a w e r a u : ThLZ. 18, s. 134/5.JI — 21) N. M ü l l e r , lieber E. Wimpina. E. Quellenstudie: TbStK. 66, S. 83-124. — 22) L. S o h m i t t ,

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II 6 : 28-24

G. Kawerau, Luther und die Reformation.

Immatrikuliert im Wintersemester 1478—79, Baccalaureus Sommersemester 1481, Magister Wintersemester 1485—86, 1491 Fakultätsmitglied, seit 1492 auch Mitglied des Fürstenkollegs, Rektor 1494. Soweit die Laufbahn in der Artistenfakultät; daneben 1491 theologischer Baccalaureus ad cursum, 1494 Baccalaureus ad sententias legendas, 1502 Licentiat. Dazwischen empfängt er 1495 in Würzburg die Subdiakonatsweihe; die Jahre für die Priesterweihe und für eine Romreise bleiben unsicher. 1503 wird er Dr. theol., 1505 in die theologische Fakulät rezipiert. Nun folgt 1506 die Abberufung an die neue Frankfurter Universität, deren erster Rektor er jetzt und wieder im Wintersemester 1518—19 wird. Zugleich scheint er decanus perpetuus der theologischen Fakultät gewesen zu sein. Später wird er auch Kollegiat beider Kollegien sowie Domherr von Brandenburg und Havelberg. Die Frage, ob er vom Reichstag in Augsburg 1530 noch einmal nach Frankfurt zurückkehrte oder nach Köln zur Köoigswahl Ferdinands oder in die Heimat zog, bleibt unentschieden. Sein Leben beschloss er am 17. Mai 1531 bei den Benediktinern in Amorbach; ob er aber hier oder in Buchen begraben wurde, bleibt ungewiss. Das Dokument einer donatio inter vivos vom 15. Juni 1529 bildet den Beschluss. — Auch die fleissige Arbeit des Jesuiten Schmitt 4 2 ) über den Vorkämpfer der katholischen Kirche in Dänemark, Paulus Heliae, verdient hier genannt zu werden, da dieser Karmeliter — freilich irrtümlich — oft als Vf. der flotten deutschen Reformations-Flugschrift „Vom alten und neuen Gott" (1521) genannt worden ist. Schmitts Arbeit zeigt alle Vorzüge und Mängel der neuesten Geschichtsschreibung ä la Janssen. Er räumt mit vielen Irrtümern älterer Biographen auf, nicht allein mit der wunderlichen Tradition, die ihn jene evangelische Schrift verfassen liess, sondern überhaupt mit der Annahme, dass er in jähem Umschlag aus unlauteren Motiven der anfangs begeistert ergriffenen Sache Luthers untreu geworden wäre. Andererseits fällt es aber auch dem Vf. schwer, jenem reformfreundlichen, Luther zunächst als Gesinnungsgenossen des Erasmus begrüssenden, humanistischen Katholizismus, dessen Züge Heliae auch später im Kampfe gegen Luther nicht verleugnet, gerecht zu werden und ihn geschichtlich zutreffend zu zeichnen. — In seinem Aufsatz über Otmar Nachtgall (Luscinius) bietet A. Schröder 2 3 ) eine wertvolle Nachlese zu Ch. Schmidt (Hist. litt, de l'Alsace 2 [1878], S. 174 ff., 412 ff.), besonders über seine Stellung in Augsburg, wo ihm Jakob Fugger 1525 zu einem Kanonikat mit Prädikatur und Pfarramt bei S. Moriz verhalf, und über die Stellung, die der Humanist zur kirchlichen Frage einnahm: trotz des Einflusses, den Luther in der Fassung des Glaubensbegriffes auf ihn ausgeübt habe, sei er doch seit 1522 entschieden den Gegnern der Reformation beizuzählen. Als Schüler Wimphelings und Verehrer des Erasmus verbleibe er freilich beständig auch in Feindschaft gegen die „Sophisten", die Vertreter der scholastischen Theologie. Dabei tritt Sch. auch entschieden für die sittliche Reinheit Nachtgalls ein; die Zoten in seinen Schwanksammlungen seien nur „Anschluss an die Gepflogenheit der Zeit"(?). — Auf Grund von Dresdener Archivalien beleuchtet Vetter 2 4 ) die interessante Episode im Leben Georg Witzeis, als nach dem Tode Herzog Georgs der Umschlag im Herzogtum Sachsen erfolgte, und nun der Mann, der durch seinen Abfall vom Luthertum und seine litterarische Polemik gegen dasselbe den Zorn der Wittenberger, besonders des Justus Jonas, und des Kurfürsten Johann Friedrich auf sich gezogen hatte, plötzlich seine Existenz in Leipzig aufs gefährlichste bedroht sah. Eben hatte er bei Wolrab, dem Leipziger Verleger der katholischen Streitschriften, seine Postille in Druck gegeben, mit der er Luthers und Corvins Postillen vom Meissner Lande hatte fern halten wollen, als am 5. Mai 1539 Herzog Heinrich, vom sächsischen Kurfürsten aufgestachelt, den Befehl an den Leipziger Rat sandte, die Fortsetzung des Drucks zu inhibieren, Witzel aber bis auf seine Ankunft zu „behaften". Der Rat nahm ihm das Ehrenwort ab, die Stadt nicht zu verlassen; er selbst und hohe Gönner sandten Bittgesuche an den Herzog; aber vergeblich. Da entfloh der Geängstete am Tage der Ankunft des Herzogs (22. Mai) auf Einladung des Bischofs nach Meissen, dann nach Schloss Stolpe. Wolrab aber, der vergeblich den Druck der Lutherbibel versprochen hatte, wenn man ihm die Vollendung und den Vertrieb der Postille im Auslande gestatte, hatte heimlich den Druck fortgesetzt, einen Teil der starken Auflage sogar schon über die Grenze geschafft. So entlud sich schwerer Zorn — Herzog Heinrich wurde dabei durch Johann Friedrich vorwärts geschoben. Der Rest der Postille und manche anderen reformationsfeindlichen Schriften wurden konfisziert und vernichtet; Witzel, in Stolpe nicht mehr sicher, entwich in die böhmischen Beige. Bald darauf berief ihn Joachim II. zu sich nach Berlin und D. Karmeliter P. Heliae, Vorkämpfer d. kath. Kirche gegen d. sogen. Beformation in D&nemark. ( = StML. Erg&nzungshefte, N. 60.) Freibnrg i. B„ Herder. XI, 172 S. M. 2,30. |[N. F a n I n s : Kath. 73* S. 663/6; G. K a w e i a n : ThLZ. 1», S. 320/3. ]| — 23) A. S o h r ö d e r , Beitrr. z, Lebensbilde Otmar Naehtgalls: HJb. 14, S. 83-10«. - 24) P. V e t t e r , Wittels Flocht ans

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

I I 6 : 25-30

schützte ihn dort auch, als Herzog Heinrich seine Auslieferung forderte. Nicht lange danach vertrieb ihn freilich auch von dort die siegreich vorrückende Reformation. V. teilt als Anhang 4 Briefe Witzeis mit: an Karlowitz (18. Jan.), an Herzog Heinrich (10. Mai), an den Leipziger Bürgermeister (21. Mai?), und an Joachim II. (30. Aug. 1539.) — G r u b e 2 5 ) referiert sachlich über die Aufschlüsse, die des Hildesheimer Oldekop durch Euling veröffentlichte Chronik für die Geschichte des Stiftes Hildesheim gewährt. — Ein anschauliches Bild von der Entwicklung und der Wirksamkeit des so tief und verhängnisvoll in die deutsche Geschiche zielbewusst eingreifenden ersten deutschen (genauer: niederländischen) Jesuiten P e t r u s C a n i s i u s entwirft D r e w s 2 6 ) (jetzt Professor in Jena). In ruhiger geschichtlicher Objektivität zeichnet er die ausserordentliche Begabung und den Ernst dieser Leuchte seines Ordens. Rasche Auffassungskraft, hinreissende Beredsamkeit, Gewandtheit im Verkehr, unbeugsame Festigkeit, unermüdliche Arbeitskraft, dabei umsichtige Klugheit sind die Charakterzüge, die seine gewaltigen Leistungen erklären. Trotz gelehrten Wissens eine durch und durch praktische Natur, ein vollkommener Jesuit in der Kunst zu weichen, um bei nächster Gelegenheit doch seinen Vorteil wahrzunehmen. Dabei verbinden sich in ihm beide Seiten der jesuitischen Frömmigkeit: die gefühlsmässige, in der sich ein mystischer Zug mit einer abergläubischen Phantasie vereint, und die starre Kirchlichkeit, die Gesetzlichkeit, der Mechanismus. E r leistet auch die schwersten Proben jesuitischer Demut — und doch schaut selbstbewusster Hochmut unter dem Demutsmantel hervor. Gleichwohl fehlt ihm der volle Typus eines Jesuiten. Denn sein höchstes Ziel ist doch die Heilung der Kirche von ihren klar erkannten und tief gefühlten Schäden. Im letzten Grunde arbeitet er nicht für die Macht seines Ordens oder für die Papstgewalt als solche, sondern für die Reform des Katholizismus. Welche Gewalt hierfür hülfreiche Hand bietet, der stellt er sich zur Verfügung. Und er empfindet noch als Deutscher und versteht die deutschen Verhältnisse; darum gelingt es gerade ihm, dem fremden Orden in Deutschland Bahn zu machen, das Misstrauen gegen ihn in weiten Kreisen zu besiegen. Der Protestantismus ist ihm Ausgeburt der Hölle; seine vielgerühmte Milde gegen Evangelische ist die Toleranz der Klugheit, nicht die der Ueberzeugung. Besonders interessant ist der Nachweis, in welchem Masse in den letzten Jahrzehnten seines Lebens er im Orden beiseite geschoben und an weiterem Wirken gehemmt, ja geflissentlich gedemütigt wurde. Einleuchtend weiss D. die Gründe und die mehr oder weniger bewussten Motive hiefür darzulegen. Bei der ausserordentlichen Aufgabe, die er zu lösen gehabt, war ihm eine für einen Jesuiten aussergewöhnliche Selbständigkeit zu teil geworden. Nun der Orden gewachsen war, hiess man ihn von seiner Höhe herniedersteigen, und „sein Provinzial sorgte, dass es ihm nie an Prüfungen des Gehorsams fehlte". — B r a u n s b e r g e r 2 1 ) bringt in seiner fleissigen bibliographischen Arbeit Klärung in die verwirrten Angaben über Zahl, Aufeinanderfolge und Entstehungszeit der verschiedenen Katechismen (vgl. J B L . 1892 II 5a : 1) des Canisius. Er lehrt uns deren drei zu unterscheiden: den grossen (Summa doctrinae christianae), Ostern 1555 erschiehen, darauf den kleinsten (Summa doctrinae Christ. . . . ad captum rudiorum accommodata) 1556 als Anhang zu einer lateinischen Schulgrammatik herausgegebenen und endlich Ende 1558 oder Anfang 1559 den kleinen (Parvus Catechismus Catholicorum). Die entsprechenden deutschen Ausgaben erschienen 1556, 1558 und 1563. Neben diesen verdienstlichen Feststellungen fehlt es auch nicht an tendenziöser Glorifizierung des „Seligen", wobei besonders lehrreich die Methode ist, wie er Canisius vor der Anklage schützt, die päpstliche Unfehlbarkeit nicht stark genug bezeugt zu haben. Bald „wollte" er sie unter den dunklen Zeitverhältnissen nicht vortragen, bald sprach er sie nur soweit aus, als es „jene Zeiten erlaubten und forderten". (Vgl. auch ThLZ. 19, S. 85/6.) Die „Rettung", die Gredy mit K a r d i n a l A l b r e c h t in Bezug auf seine kirchliche Haltung 1891 vorgenommen hat, geht S t i l l b a u e r 2 8 ) denn doch zu weit. Wohl sei dessen Arbeit als eine schätzenswerte Schutzschrift für den schwer verdächtigten Kurfürsten zu begrüssen, aber für die erste Zeit der Reformation sei denn doch sein schwankendes, unsicheres, „hyperfriedfertiges" Verhalten nicht zu rechtfertigen. — G e s s 2 9 ) giebt aus Dresdener Archivalien einen interessanten Beitrag zum Bilde d. albertiniaehen Saohsen: ZKG. 13, S. 282-310. - 25) K. G r u b e , D. Chromat Oldekop u. Stift Hildesheim: HPB11. 112, S. 397- 407. (Tgl. U 3:89.) — 2 6 ) P . D r e w s , Petrus Canisius, d. erste deutsche Jesuit. (Sohriften d. Ver. für Reformationsgesoh. N. 33.) Halle a. S., Niemeyer. 16S S. M. 1,20. — 27) O. B r a u n s b e r g e r , Entstehung u. erste Entwicklung d. Katechismen d. sei. Petras Canisius ans d. Oes. Jesn. Gesch. dargelegt. Freiburg i. B., Herder. XII, 187 S. M. 2,50. |[A. B e l l e s h e i m : Kath. 73«, S. 265/8; C. S o m m e r v o g e l : EBPHLB. N.2; LRs. N.7; K. K n o k e : ThLBI. 14, S. 294/6i N. P ( a o l u s ) : HJb.H, S. 3; G. E a w e r a u : ThLZ. 19, S. 84/8; A. E b n e r : HPB11. 112, S. 939-41.]| - 2g) S t i l l b a u e r : H. Gredy, Kardinal-Erzbisohof Albrecht U. T. Brandenburg in seinem Verhältnisse in den Glaubensneueningen. Mainz. 1891. (Vgl. JBL. 1892 II 1 : 3 8 ) : Kath. 72®, S. 190/1. — 29) F. G e s s , Herz. Georg, Kurfürst Joachim I. u. Kardinal Albrecht: ZKG. 13, S. 119-25. - 3 0 ) J . P.

I I 6 : 31-85

G. Kawerau, Luther und die Reformation.

Herzog Georgs in seinem Verkehr mit den katholischen Hohenzollern Joachim I. und Albrecht. Wie er nach der Flucht der Kurfürstin Elisabeth (1528) dieser Fürstin in ernstem Schreiben zuredet, Aussöhnung mit Joachim zu suchen, so hat er vorher schon nicht unterlassen, diesem seinen ärgerlichen Ehebruchshandel mit der Frau des Bürgers Hornung vorzuhalten, und ihm zu bedenken gegeben, dass er auf diese Weise den Lutherischen bösen Anlass zur Anklage gewähre. Aber auch dem Mainzer Kardinal rückt er 1526 vor, dass er ja im Stifte Mainz „mit geistlichen und ehelichen Personen ein unzüchtiges Leben führe" — was dieser freilich mit hohen Worten als „Ehrabschneidung" böser Leute zurückweist. — Der Wert der Arbeit D a t t e r e r s 3 0 ) über Kardinal Matth. Lang liegt in den Beilagen, die besonders aus dem Konsistorial-Archiv zu Salzburg interessante Dokumente über die Reformationsbestrebungen im Salzburgischen und in Niederösterreich, über die Visitation, über den gegen Stephan Kastenpaur (AgricolaJ angestrengten Ketzerprozess und über das Regensburger Bündnis enthalten. Ich verweise z. B. auf den (S. LVff. veröffentlichten) Modus procedendi et puniendi Lutheranos, ein Gutachten für das Glaubensverhör solcher, die als Lutheraner verdächtig sind, mit seinem Register von 82 Punkten, unter denen z. B. „der elfte" lautet: Novi testamenti tralationem veram et iustam esse contendens potestati seculari tradatur. Der Vf. dieser Inquisitionsartikel schwelgt in Verfügungen wie morte plectatur, vita privetur, tollatur e medio.31) — Vom Leben eines anderen Prälaten, des Trienter Fürstbischofs Kardinal Christoph Madruzz giebt Fessler 3 2 ) sorgfältigen Bericht. Geboren 1512, wurde Madruzz bereits 27 jährig auf Empfehlung seines Gönners Karls V. zum Fürstbischof erhoben, erhielt dann auch das Bistum Brixen, 31 jährig den Kardinalshut. Er war der Freund und Berater des Kaisers in der Zeit des Konzils. 1567 resignierte er in Trient zu Gunsten seines Neffen, behielt aber Brixen bis zu seinem Ende 1578. Seine kaiserfreundliche Haltung im Konzil entschuldigt der Vf. mit den Zeitverhältnissen. — Uebel erging es Weber 33 ) mit seiner Ausgabe der Briefe des Kardinals Otto Truchsess an Hosius aus den J. 1560—61; „primum edidit" stand auf dem Titel zu lesen. Aber alsbald erinnerte Paulus daran, dass nicht nur ein Teil derselben schon in E. S. Cyprianus, Tabularium Ecclesiae Romanae 1743 stände, sondern dass sie sämtlich in Lagomarsinis Ausgabe der Epistolae Julii Pogiani Vol. II 1756 zu lesen wären, ja dass die gelehrten Anmerkungen W.s fast ausnahmslos aus Lagomarsini stammten. W.s Antwort darauf34) war doch nur schwach: er habe ja aus einer Augsburger Hs. einige Verbesserungen des Textes gegeben, und ausserdem seien die Anmerkungen Lagomarsinis nicht immer in ganz klassischem Latein geschrieben gewesen! — Angeschlossen sei hier auch ein Hinweis auf das Riesenwerk, das wir dem historischen Institut in Rom verdanken, die Nuntiaturberichte, von denen uns Friedensburg 3 5 ) in rascher Aufeinanderfolge bereits 4 Bände (1533—39) vorgelegt hat: eine Quelle ersten Ranges für die Reformationszeit ist erschlossen. Vortreffliche Einleitungen orientieren über die Einrichtung der päpstlichen Nuntiaturen, über die dafür verwendeten Persönlichkeiten, für deren Biographie reiches und sicheres Material geboten wird. Die Depeschen selbst werden durch Aktenstücke mancherlei Art ergänzt, in den Anmerkungen werden Hss. und Gedrucktes zur Erläuterung herangezogen. Sorgfältige Register erleichtern die Ausbeutung des Schatzes. Für die Literaturgeschichte von besonderem Interesse sind u. a. die Klagen über die mangelhafte materielle Unterstützung, die Ii poveri dotti catholici bei ihrer literarischen Verteidigung der katholischen Sache fänden (1, S. 84, 88/9, 95, 103, 141, 174, 184); dann folgt aber auch die Klage über die Unersättlichkeit von Männern wie Faber und Nausea (2, S. 123, 178/9, 196/7). Es wird für lange Zeit nach den verschiedensten Richtungen hin zu arbeiten sein, um diese Fundgrube allseitig auszubeuten. Ich nenne nur Namen wie Eck, Witzel, P. Anspach, Nik. Wolrab und verweise auf die wertvollen Nachrichten über die Verbreitung evangelischer Schriften in Italien. — Wir können diese Abteilung unseres Berichtes nicht schliessen, ohne des am 24. Dec. 1891 erfolgten Todes von Johannes J a n s s e n , dem charakteristischen Repräsentanten der neuesten katholischen Reformationshistorik, zu gedenken. Seine D a t t e r e r , D. Kardinals n. Erzbischofs M. Lang Verhalten z. Reformation (v. Beginn seiner Regierung 1519 bis zu d. Bauernkriegen 1525). Diss. Erlangen (Freising, Datterer). 1892. 73, LXXIV S. |[Th. K o l d e : ThLBl. 14, S. 185/6.JI — 31) X H. E. J a c o b s , Archbishop Hermann of Cotogne and bis „consultation": LChK. S. 301-44. — 32) F e s s l e r , Chrph. Madruzz : Wetzer WelteKirchenlex. 8, S. 426/9. — 33) Ant. W e b e r : Litterae a Trnchsesso ud Hosium annis 1560 et 1561 datae ex cod. augustano primum ed. atqne annotationibns illust. et prooeraio indiceque exorn. A. W. Regensburg, Münz. 1892. 123 S. M. 1,60. |[N. P a n i n e : Kstb. 72', S. 571/2.]| - 34) id., Kardinal Otto Traohsess v. Waldburg, Bischof t. Augsburg: HPB1I. 110, S. 781-96. — 35) W. F r i e d e n s b u r g : Nuntiaturberichte ans Deutschland, nebst ergänzenden Aktenstücken. I. Abt. 1533-59. Her. durch d. Kgl. preuss. bist. Inst, in Born, u. d. Kgl. preuss. Archivvorw. Bd. 1 u. 2. 1. Nuntiaturen d. Vergerlo 1533-36. 2. Nuntiatur d. Morone 1536-38. Bd. 3 n. 4. Legation Aleanders 1538-39. Gotha, Perthes. 1892. LVH, 615 S.; V1D, 470 S.; VIII, 537 8.; 638 S. M. 20,00; M. 14,00; M. 21,00; M. 24,00. |[H. V i r c k : ThLZ. 17, S. 469-73.]| (Vgl.

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

II 6 : 3«-to

jüngeren Freunde sind eifrig daran gewesen, ihm alsbald litterarische Ehrendenkmäler zu setzen. Wir erfahren vieles über seinen äusseren Lebensweg, wie er, der schon bei einem Kupferschläger in die Lehre getreten war, zur Schule zurückkehrte, auf der Universität von der Theologie zur Geschichte sich wendete, nach eben begonnener Privatdocenten-Thätigkeit in Münster als katholischer Geschichtsprofessor ans Frankfurter Gymnasium berufen wurde, hier in der Freundschaft mit Friedr. Böhmer heranreifte zu einem der wirksamsten litterarischen Vorkämpfer einer Revision der Geschichte nach katholischen Gesichtspunkten. Wir hören von seiner Arbeitsweise und von seinem Verkehr im Freundekreise. Wo die Fehler in seiner Quellenmosaikarbeit stecken, darüber darf man natürlich bei seinen Freunden und Schülern keine Belehrung erwarten. Neu war mir die Enthüllung, dass Janssen selbst der „Siegmund Altenrath" war, dessen populäre Schrift über Luther 1890 in zweiter Auflage erschienen ist. P a s t o r 3 8 ) hat für sein Lebensbild ausser den Eindrücken in langjährigem freundschaftlichen Verkehr mehr als 800 Briefe benutzt; die beiden anderen Arbeiten tragen ganz den Charakter persönlicher Erinnerung 37-38 ) an den älteren verehrten Freund. Auch alsDichter lernen wir Janssen kennen in einem Poem „An Barbarossa" vom J. 1859, zum Beweise seiner „echt deutschen Gesinnung". — Von evangelischer Seite verdient der Aufsatz Beachtung, den ihm W a l t h e r 3 9 ) gewidmet hat. Er sucht uns das Problem zu lösen, wie ein Mann, der offenbar viel treffliche Eigenschaften gehabt hat, an dessen subjektiver Aufrichtigkeit zu zweifeln kein Amass vorliegt, doch objektiv der Wahrheit so schwer hat Gewalt anthun können, dass ihn ja nicht selten der Vorwurf der Fälschung getroffen hat. W. erörtert zu diesem Zwecke den katholischen Begriff der Wahrheit, d. h. des Probabeln in seiner Verquickung mit dogmatischen Voraussetzungen. Probabel ist das Urteil der Zeitgenossen — falls sie treu kirchlich gewesen sind, die Ansicht des katholischen Forschers der Neuzeit, probabel aber auch jede Behauptung eines Protestanten, falls sie zu Ungunsten der Reformation lautet. Die Quellencitate dienen nicht der Ermittlung objektiver Wahrheit, sondern dem Erweis, dass der Vf. für seine Behauptungen irgend welche probable Unterlage hat. Dies Vertauschen der Wahrheit mit dem Probabeln geht so weit, dass es zu einem Sich-verstecken hinter Gewährsmänner führt, aus denen Janssen Falsches — ihm selbst mindestens Unwahrscheinliches — abschreibt: wo der protestantische Forscher sich der Fälschung schuldig fühlen musste, behält Janssen ein „reines katholisches Gewissen". Hier klafft eben das sittliche Bewusstsein des konsequenten Romanismus und des Protestantismus auseinander. Wir machen auf diese Studie zur Psychologie eines katholischen Gewissens besonders aufmerksam. Auch das ist ja bezeichnend, dass Janssen 1860 Priester wird, nicht etwa um priesterliche Funktionen auszuüben, sondern um für den Dienst, den er als Historiker der Kirche leisten wollte, einer besonderen „Gnade" teilhaftig zu werden. — Der Uebergang von den Arbeiten über die katholischen Kreise der Reformationszeit zu den evangelischen möge uns einen Blick auf die h u m a n 4i 0s t i s c h e n gewähren, die ja teils der einen, teils der anderen Partei zufielen. Knod ) bringt in seinen „Findlingen" einen bisher unbekannten Brief Reuchlins an Rudolf Agricola hervor (zwischen 1482 und 85), der erwünschten Einblick in die hebräischen Sprachstudien jenes gewährt und beweist, dass auch bei ihm dieses Studium zunächst aus theologischem, nicht aus philologischem Interesse hervorging. Die dann folgende Urkunde vom 16. März 1487 belehrt uns, dass Wimpheling eine Zeit lang Pfarrer in Sulz im Elsass gewesen, und dass auch er nicht verschmähte, in Rom um Anwartschaft auf Pfründen zu werben, so scharf er später gegen die „Kurtisanen" geeifert hat. Betreffs des Briefes Wimphelings von 1491, der Joh. Beckenhaubs Super libros sententiarum cum Bonaventura beigedruckt ist, macht K. darauf aufmerksam, dass weder die Ueberschrift, die ihn als Dr. theol. bezeichnet, noch das Datum („Nurnberga 1491") von seiner Hand stammen werden, dass somit die Erzählung von seinem Aufenthalt in Nürnberg in diesem Jahre unzureichend beglaubigt sei. Für Hutten bringt uns K. ein Schreiben des Schlettstädter Rates an ihn vom 27. März 1521, in dem dieser sich bei dem mit dem Schwerte rasselnden Ritter entschuldigt wegen einer Beschimpfung, die Luther und ihm jüngst durch fanatische Gegner in ihrer Stadt widerfahren war. Denselben Tagen gehört somit auch der Brief eines jungen Schlettstädters an, den Horawitz und Hartfelder (Briefwechsel des Beatus Rhenanus S. 562) nur unbestimmt in die J. zwischen 1517—25 setzten. Wie aber der Schlettstädter Rat lavierte und in Rom wiederum seine gutkatholische Gesinnung beteuerte, zeigt ein anderes Schreiben desselben vom 14. Juni 1522. Für Hutten selbst wird JBL. 1892II 1 : 7 6 ; s. o. II 1 :140/1,145/6.) — 36) L . P a a t o r , J. Janssen. 1829-91. E. Lebensbild,vornehmlichnaohd. angedr.Briefen a. Tagebüchern desselben entworfen. Mit Janasens Bild u. Sohriftprobe. Freiburg i. B., Herder. 152 S. M. 1,50. ( Tgl. JBL. 1892 I I 1 : 1 5 ; IV l b : 141a.) — 37) X H - W e d e w e r , Z. Erinnerung an Job. Janssen, d. Oeacbicbtschreiber d. dtseh. Volkes: Kath. 72', S. 385-420. (Vgl JBL. 1892 II 1 : 9.) - 38) X J° h - Janssen im Frankfurter Freundeskreise: HPB1I. 109, S. 750-68. (Vgl. JBL. 1892 I I 1:11.) - 39) [W. W a l t h e r ] , J . Janssen: AELKZ. 25, S. 76/9, 101/6, 128-31, 152/4. — 40) 6 . K n o d ,

II

6 : 41-50

G. Kawerau, Luther und die Reformation.

aber noch sein zornmütiges Rundschreiben an die deutschen Städte „Wider den ehrlosen Haufen der Kurtisanen" Ebernburg, 15. März 1522, einst als Polioblatt gedruckt und zu öffentlichem Anschlag bestimmt, uns als willkommene Gabe aus dem Strassburger Stadtarchiv bekannt gemacht. Einen Brief des Erasmus aus seinen letzten Lebenstagen (23. Okt. 1535) teilt K. aus einer Hamburger Hs. mit; wahrscheinlich ist er an den Strassburger Nik. Kniebs (vgl. Kolde, Analecta S. 39) gerichtet, dem er einen jüngeren Freund für eine Strassburger Pfründe empfiehlt. — Das Lebensbild des 1531 zu Blaubeuren verstorbenen Mathematikers und Astronomen Joh. Stöffler von Hart f e i der 4 1 ) ist hier zu erwähnen, insofern er als Tübinger Lehrer Melanchthons es wohl gewesen ist, dem dieser seinen astrologischen Wahnglauben zu danken hatte. — Krauses 4 2 ) Neudruck der Epigramme des Euricius Cordus verdient auoh um der sorgfaltigen Einleitung willen Beachtung, in der K. nachträgt und berichtigt, was sich seit dem Erscheinen seiner Biographie des Cordus 1863 an neuen Aufschlüssen für die Lebensgeschichte des Poeten hat ermitteln lassen. Auch konstatiert die Einleitung, welche Anleihen Lessing bei den Epigrammen des Cordus gemacht hat. Für das sachliche Verständnis der Gedichte selbst hätte noch mehr Handreichung dem Leser geboten werden können. — Ein kurzes Lebensbild des der evangelischen Sache zugethanen Poeten Johann Stigel liefert die kundige Hand Hart felders 4 3 ). — T h e n n 4 4 ) teilt aus der Münchener Hof- und Staatsbibliothek den Brief mit, in dem Stigel am 24. Febr. 1546 dem Theologen Johann Lange in Erfurt den erschütternden Eindruck bekennt, den Luthers Tod auf ihn hervorgebracht hat; denn sicher bricht jetzt die schon längst drohende magna rerum mutatio herein. Er übersendet ihm die lateinischen Distichen samt eigener deutscher Uebersetzung, in denen er den Klagegesang auf Luthers Tod anstimmt, damit Lange den Druck besorge. Treffend weist Th. darauf hin, wie viel mehr individuelles Gepräge die ehrlichen deutschen Knittelverse als die glatten, mit virtuoser Technik geformten lateinischen Verse haben. — Auch auf diesem Specialgebiet ist des Tcdes eines Forschers zu gedenken, der mit rastlosem Fleiss und mit reichem Wissen eine Führerrolle sich erworben hatte: Im Juni 1893 starb in Heidelberg Karl Hartfelder im rüstigen Alter von 45 Jahren, der nach theologischen, philologischen und archäologischen Studien als Gymnasiallehrer in Freiburg, dann als Archivrat in Karlsruhe, seit 1882 aber als Gymnasialprofessor in Heidelberg anfangs für die Geschichte des Bauernkrieges, dann aber für die des Humanismus (speciell des oberdeutschen) höchst verdienstliche Forschungen ausgeführt hatte. Nachdem er mehrere Jahre auf Melanchthonstudien verwendet hatte, waren es zuletzt grosse litterarische Pläne in Bezug auf Erasmus, die ihn beschäftigten und für die schon tüchtige Vorarbeiten von ihm fertiggestellt waren. Es ist bewundernswert, was dieser Mann den Mussestunden, die ihm von schwerem Schulamte übrig blieben, für eine erfolgreiche Produktion abzugewinnen vermochte. Bassermann 4 ®) hat dem Freunde einen Nachruf gewidmet. (Vgl. 16 : 163.) — Wenn wir an die Arbeiten über die deutsche Reformation, die evang e l i s c h e K i r c h e , herantreten, so begegnen wir zuvörderst einer trefflichen b i b l i o graphischen Arbeit des durch seine mustergültige Beschreibung der Lutherdrucke der Hamburger Stadtbibliothek bekannt gewordenen A. v o n Dommer 4 6 ). Es gilt der Zusammenstellung und genauen Beschreibung der Marburger Drucke von 1527—66, damit den Anfängen des Bücherdruckes in Marburg und dem Einfluss der Reformation und dann der Universitätsgründung auf den Bücherdruck. Dabei ist bei einer D.schen Arbeit selbstverständlich, dass sie durch Akribie den höchstgespannten bibliographischen Ansprüchen genügt; aber auch der Reformationshistoriker freut sich über die Vertrautheit des Vf. mit der in Betracht kommenden Litteratur und der immer verlässlichen Auskunft, die hier erteilt wird. — Einen Hauptbuchdrucker der lutherischen Reformation behandelt S t e i f f 4 7 ) , den Hagenauer Johannes Setzer (Secerius). St. nimmt Lauchheim als Geburtsort an; nach seinem Studium in Tübingen ist er schon 1516 als Setzer und Korrektor in der Anshelmschen Druckerei thätig. St. vermutet auch, dass Setzer jener Schwager Anshelms war, der 1522 wegen einer Messeraffaire zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, und kombiniert damit seine Uebersiedlung nach Wittenberg, wo er im Sommer 1522 als Mediziner sich inskribieren liess. Von hier datiert seine persönliche Beziehung zu den Häuptern der Reformation. Schon Ende des Jahres übernimmt er Anshelms Druckerei und stellt nun — in einer katholischen Stadt — eine der bedeutendsten Pressen in den Dienst der Reformation. St. weiss 135 Drucke der Setzerschen Offizin nachzuweisen; von diesen gehören nur 15 anderen Gebieten als denen des Humanismus und der Findling«. Renelilln. Wimpheling. Hatten. Erasmo«. Berna: ZKG. 14, S. 118-32. (Vgl. II 7:21.) — 41) K. H a r t f e l d e r , J. Stöffler: ADB. 36, S. 317/8.— 42) Enricina Cordus, Epigrammata. Her. y. K. K r a u s e . ( = L L D . N. 5.) B., Speyer * Peters. 1892. LH, 111 S. II. 2,30. ira. K a w e r a u : ThLZ. 18, S. 81/2-11 (Vgl. JBL. 1892 II 8 : 8 . ) 43) ( I 6:16; I I 7:61a.) — 44) A. T h e n n , Joh Stigel an Joh. Lange im J 1546: ZKG. 13, S. 166/8. — 4 5 ) H. B a e s e r m a n n , K. Hartfelder: PKZ. 40, 8. 595/6. - 4 6 ) a 3 : 97.) |[0. H a r t w i g: CBlBibl. 10, S. 145/6.]| — 4 7 ) (13:79.) - 4 g ) (16:113; I I I : 155.) - 49) (13:244.) - 5 0 ) (II 1:158.)

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

II

6 : 51

Reformation an; letzterer aber fällt dabei der Löwenanteil zu. Luther, Melanchthon, Jonas, Bugenhagen, Agricola, Urbanus Rhegius — dann besonders Brenz sind seine Autoren. Dabei druckt er fast nur lateinische Schriften von ihnen, und seine Drucke sind fast immer Originaldrucke. Der Index von 1559 verbietet kurzer Hand seine sämtlichen Drucke. Dass er dazu kam, auch Servets De trinitatis erroribus 1531 zu drucken, sucht St. daraus zu erklären, dass Servet als Gegner der Schweizer und Strassburger zu ihm kam, der ihnen gleichfalls als Lutheraner abgeneigt war. Aber wenn er gar nichts Bedenkliches an dieser Schrift fand, bona fide druckte, warum liess er dann sein Impressum weg, so dass er nur durch sachkundige Typen- und Zierleistenvergleichung als Drucker zu ermitteln ist? Sein Tod erfolgte 1532, doch führte die Presse noch bis 1535 die Firma officina Seceriana, dann übernahm sie (der Schwiegersohn?) Peter Brubach, der sie 1536 nach Schwäbisch-Hall, 1540 nach Frankfurt verlegte, wo sie bis 1567 bestand. Nicht genügend weiss St. dabei sich mit Luthers Brief an Linck vom J. 1542 (de Wette 5, S. 487) abzufinden, wo Luther dem Freunde betreffs des Verlages seines Genesiskommentars schreibt: bene fecisses, si Secerio tradidisses. Das scheint mir doch am einfachsten so zu erklären zu sein, dass unter den Bekannten noch immer der angesehene Verlag nach Setzer benannt wurde, der ihn in 10 Jahren zu einem Hauptverlage reformatorischer Schriften erhoben hatte. Aehnlich reden wir ja auch heute noch. — In diesen Zusammenhang reihen wir auch die Briefsammlung B u c h walds 4 8 ) ein. Er teilt aus der Zwickauer Ratsschulbibliothek 217 Nummern vollständig oder excerptweise mit aus der Korrespondenz von Wittenbergern mit Stephan Roth in Zwickau, aus den J. 1521—46, nachdem er kurz zuvor Excerpte aus 821 Briefen an Roth unter Berücksichtigung aller buchhändlerischen oder litterarischen Notizen, die sie bieten, als Beitrag zur Geschichte des Buchhandels in der Reformationszeit49), und aus demselben Briefschatz 112 Nummern unter dem Gesichtspunkte Altenburgischer Stadt- und Reformationsgeschichte excerpiert hatte.50) So hat er in dankenswerter Arbeit den grossen Briefschatz Roths durchgearbeitet, der doch zu viel Unbedeutendes enthält, um ihn in extenso zu publizieren, aber gerade in den Beziehungen, die B. in seinen drei Publikationen herausgegriffen hat, viele schätzbare und der Veröffentlichung werte Notizen bietet. Sehr erwünscht ist auch das (vgl. N. 48, S. V — I X ) Verzeichnis aller der Schriften, in denen bereits früher aus diesem Briefvorrat Stücke abgedruckt worden sind, und das Register der letzteren. Für zahlreiche Schriften Luthers gewähren die Wittenberger Briefe höchst wichtige Angaben über die Zeit ihres Erscheinens, über neue Auflagen usw. Das Wertvollste von allem sind die neuen Aufschlüsse, die sich aus dem von Buchwald ans Licht gezogenen Material für die Entstehungsgeschichte des kleinen Katechismus ergeben haben. Da Buchwald inzwischen diese wichtigen Entdeckungen in einer neuen Schrift näher dargelegt hat, genügt es hier auf den nächsten Jahresbericht zu verweisen. Neben den Ergebnissen, die für den Buchhandel und die Büchergeschichte aus dem Rothschen Briefwechsel zu gewinnen sind, finden sich zahlreiche Mitteilungen zur Geschichte der führenden Persönlichkeiten in Wittenberg und aus dem diesen befreundeten Kreise; eine Anzahl von Männern zweiten und dritten Ranges aus den Wittenberger Stadt- und Universitätskreisen wird uns bekannter, der Einblick in das Leben und Treiben in der Stadt wird durch manchen charakteristischen Zug geschärft. — L u t h e r . Der Bericht über 1893 beginnt füglich mit dem neuen Bande der Weimarer G e s a m t a u s g a b e 5 1 ) , der freilich noch 1892 auf dem Titel zeigt, thatsächlich aber erst im Berichtsjahre zur Ausgabe gelangte. Er enthält nur ein einziges Stück, den grossen Kommentar über die ersten 22 Psalmen, den Luther unter dem Titel Operationes in Psalmos von 1519—21 stückweise erscheinen liess. Ursprünglich hatte C. Bertheau in Hamburg die Herausgabe übernommen, dann aber die Arbeit an Pastor E. T h i e l e in Magdeburg abgegeben, der seines Amtes mit Sorgfalt gewaltet hat. Mitgearbeitet hat aber auch der ganz als Sekretär in den Dienst der Lutherausgabe getretene Germanist P. P i e t s c h , der unter dem lateinischen Texte charakteristische Proben aus den deutschen Uebersetzungen mitteilt. Gegen das stärkere Geltendmachen germanistischer Interessen, das durch seinen Eintritt in die Redaktion eingeleitet worden ist, in Verbindung mit einer spürbaren Zurücksetzung der für den theologischen Leser der Ausgabe wertvolleren sachlichen Erläuterungen, sowie gegen gewisse durch die neue Leitung des grossen Werkes veranlasste Abänderungen des Planes und der Editionsweise sind von theologischen Kritikern Bedenken erhoben worden; die Wünsche zweier verschiedener Interessentenkreise der Lutherausgabe gegenüber machen sich geltend, ohne dass bisher ein völlig befriedigender Ausgleich gefunden wäre. — Der neue Band der amerikanischen Luthef— 51) M. Luther, Werke. Krit. Gesomtausg. V. Bd. Weimar, B«hlau. 1892. 4°. VIII, 676 S. IL 17,00. |[G. K a w e r a f e : Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeachichte. IV. (2)7

I I 6 : 52-56

G. Kawerau, Luther und die Reformation.

ausgabe52) ist dem Referenten nicht zu Gesichte gekommen; aus dem Titel ist zu ersehen, dass er im ganzen dem 8. Bande der Walchschen Ausgabe, aber mit einigen Umstellungen entspricht; die bedeutendste ist, dass der kleinere (ältere) Kommentar zum Galaterbriefe voraufgestellt, der spätere grosse Kommentar für den nächsten Band zurückgelegt ist. — Die Braunschweiger Ausgabe ist durch einen Registerband53) abgeschlossen, der zwar für die dogmatischen und ethischen Begriffe recht vollständig gearbeitet ist, dagegen das kirchengeschichtliöhe Material, namentlich die Namen und Sachen der mittelalterlichen54 Kirche und 5Frömmigkeit, gegen die Luther kämpft, nur ungenügend berücksichtigt. ) — Enders 5 ) hat von seiner Ausgabe des Briefwechsels, der bekanntlich einen Teil der Erlanger Lutherausgabe bildet, den 5. Band erscheinen lassen (Sept. 1524 bis Dec. 1526), der zugleich 6 Briefe zu den früheren Bänden nachträgt. Hochbedeutsam ist hier vor allem der Fund von 5 Stücken aus der Korrespondenz zwischen Luther und Joh. Eck aus der Zeit vor der Leipziger Disputation; es sind 4 Briefe Luthers (19. Mai 1518 aus Anlass der Eckschen „Obelisci", 7. Jan., 18. Febr. und 5. April 1519) und ein Brief Ecks (vom 20. Sept. 1518). Freilich sind sie nur in teilweise schwer lesbaren Abschriften der Nürnberger Stadtbibliothek aufgefunden; Einzelnes bleibt unleserlich, Anderes unsicher. Aber gleichwohl ist es ein Fund besonders erfreulicher Art, und man muss E. danken, dass er ihn schon hier in Band V, nicht erst am Ende des ganzen Werkes den Fachgenossen mitgeteilt hat. Dazu kommt als Nachtrag ein in München aufgefundener Brief Luthers an den Bamberger Pfarrer Schwanhausen, 8. März 1523. Auch sonst ist der Band wieder reich an Briefen, die aus seltenen Drucken ans Licht gezogen oder aus Hss. zum ersten Male veröffentlicht werden. So ist Schwenkfelds Epistolar nicht unbeachtet geblieben, und auch Theophr. Paracelsus erscheint unter den Briefstellern. Wenn übrigens die in Gotha erhalten gebliebene Abschrift seines Briefes die Randbemerkung Descriptum Tschopae principio Decembris Anno 1581 trägt, so weist dieser auf den Zschopauer Pfarrer Valentin Weigel als auf den Mann, dem wir die Abschrift zu danken haben; auch der Druck von 1618 erfolgte ja durch den bekannten Herausgeber der Weigelschen Schriften, Joh. Franck in Magdeburg. Ich hebe noch hervor, dass E. auch die Briefe Melchior Hofmanns und Bugenhagens an die Gemeinde zu Dorpat und die Prediger in Livland aufgenommen und damit diese seltenen Stücke leicht zugänglich gemacht hat. In den zahlreichen Anmerkungen ist wieder ein reicher Schatz gelehrter Arbeit niedergelegt, der dadurch seinen Wert nicht einbüsst, dass gelegentlich ein Versehen unterläuft und z. B. (S. 402) eine Briefnotiz auf die Ehefrau des Zwickauers Stephan Roth statt auf die des Dr. Stephan Wild bezogen wird. Ueberraschend ist, dass er (S. 96) auf den von Luther ausgestellten Eheschein für Joh. Gülden unmittelbar ein Bittschreiben Luthers für denselben folgen lässt, das neben seiner und seiner Frau Not auch bereits prolis duplicis necessitatem geltend macht. Da bedürfte es doch einer Begründung dafür, dass das undatierte Schreiben schon in das Jahr der Eheschliessung gehöre. — Der glückliche Entdecker, der zugleich mit unermüdlichem Fleisse und schneller Hand seine F u n d e hebt und zum Druck fördert, B u c h w a l d 5 6 ) , berichtet über den Schatz, den er in der Jenaer Universitätsbibliothek wieder aufgefunden hat. Es handelt sich um Georg Rörers hs. Lutherana, die einst, freilich nur unvollständig, für die Wittenberger und Jenaer Lutherausgabe, dann später für die Altenburger Ausgabe benutzt wurden, seitdem aber verschollen waren, denen er aber, geleitet durch das Studium der im Weimarer Archiv bewahrten Akten der Jenaer Lutherausgabe, wieder auf die Spur gekommen ist. Was die Zwickauer Bibliothek als Poachsche Sammlung besitzt, erweist sich nunmehr als Abschrift einiger Bände der Jenaer Rörerschen Sammlung. Schon 1537 wollten der Kurfürst Johann Friedrich und auch Nik. Amsdorf diese Schätze, jeder für sich, abschreiben lassen. Bis zu Luthers Tode mehrt Rörer unermüdlich seine Sammlungen; um ihrer willen rief man ihn aus Dänemark nach Jena, als die Jenaer Ausgabe geplant wurde. Schliesslich erwarben die Ernestinischen Herzöge den Schatz und übergaben ihn (20 Quart- und 13 Oktavbände!) der Jenaer Universitätsbibliothek. Hier schlummerte er und blieb vergessen, bis B. über ihn kam. Er enthält, ausser 12 Originalhss. Luthers (teilweise ungedruckten), Nachschriften und Reinschriften Rörers von zahlreichen alt- und neuThLZ. 18, S. 283/5; Th. Kolde: GGA. S. 857-62; A. S t a c k e r : DEKZ. 7, S. 370/1,]| — 52) O id., S&ratl. Sohriften. Her. y. J. G. Wal oh. Aufs Neue her. im Auftr. d. Minist, d. dtseh. eyang.-lnth. Synode y. Missouri, Ohio u. anderen Staaten. Nene rey. Ster.-Ansg. 8. Bd. Auslegung d. Neuen Testaments. Auslegungen über d. Evangelisten St. Johannes Kap. 7-20, über d. 15. u. 16. Kap. d. Apost.-Gesoh. u. d. 7. u. 15. Kap. d. 1. Briefes an d. Korinther. Lathers kürzere Auslegung d. Epistel an d. Oalater. St. Lonis, Mo. (Dresden, Naumann). 4°. XI S., 1925 Sp. IL 15,00. — 53) id., Werke fttr d. Christi. Hans. Her. y. G. B u c h w a l d , O. K a w e r a u , J u l . K f t s t l i n , P. II. B a d e , E. W. S o h n e i d e r u. a. Vollständ. Namenu. Saohreg. Bearb. y. B. Seil. Braunsohweig, Sohwetsohke. III, 92 S. Kl. Ausg. M. 0,90; gr. Ausg. M. 1,20.• |[G. Boss o r t : ThLZ. 18, S. 623/4.JJ — 54) X M Luthers Werke für das Christi. Haus. Bd. 8 (ygl. .TBL. 1692 H 8:2). |[G. B o s s e r t : ThLZ. 18, S. 83/5; A. P a u l : COIBW. 21, S. 429-31.]| — 55) id., Briefweohsel. Bearb. u. m.Erl&uterung yers.y.E. L. Enders. .5, Bd. Briefe yom Sept. 1524 bis Des. 1526, nebst Naohtrr. Calw, Vereinsbuohh. v m , 418 S. M. 4,50. — 5$)

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

II 6 : 57-64

testamentlichen Vorlesungen Luthers, für die J. 1523—26,1528—38 vollständige Predigtreihen, für die übrigen Jahre zahlreiche einzelne Predigten; daneben Kopien zahlreicher Briefe, die zwar nur wenig Ungedrucktes enthalten, aber für die Textkritik, Datierung, Feststellung der Adressaten usw. wichtiges Material bieten. Dazu kommen Tischreden (teilweise mit Quellenangabe), eine Disputation von 1540, der Entwurf zu einer Schrift contra Papistas (1545?). Zwei Bände endlich enthalten Vorarbeiten für die Bibelübersetzung (zum Psalter 1525) und zur Bibelrevision von 1539. Man steht hier vor ungeahnt reichen Schätzen, durch die der Plan der Weimarer Lutherausgabe manche Erweiterung erfährt, die aber glücklicher Weise noch gerade rechtzeitig für diese Ausgabe ans Licht gezogen sind. Einzelnes hat B. inzwischen schon auf eigene Hand publiziert fs. u. N. 58), das Andere wird in den Bänden der Weimarer Ausgabe allmählich zur Herausgabe und kritischen Verwertung gelangen. B. hat sich, wie schon durch seine grossen Zwickauer Funde, so durch diese noch grösseren für alle Zeiten den Dank der Lutherforschung gesichert, sich selbst aber damit seine Lebensaufgabe gewiesen 57 ). — Aus dem Jenaer Hss.-Schatz veröffentlicht Buchwald 5 8 ) die dort vorgefundenen Fragmente einer letzten, durch den Tod abgebrochenen, daher nie veröffentlichten Streitschrift Luthers gegen die Theologen der Universitäten Löwen und Paris. Zwar muss Luther erheblich mehr an dieser Schrift fertiggestellt haben als B. aufgefunden hat, und das Aufgefundene trägt auch in der zweiten Niederschrift nur den Charakter eines noch unfertigen Entwurfs (vgl. die Anzeige von Kolde); aber auch der fragmentarische Entwurf ist in mehrfacher Hinsicht merkwürdig. Nicht nur weil der überlegene Spott und die urwüchsige Grobheit den alten Feinden gegenüber sich noch einmal kräftig bethätigen, sondern auch weil der prinzipielle religiöse Gegensatz gegen das römische System mit aller Klarheit zum Ausdruck gelangt. Die Zuthaten des Herausgebers sind etwas flüchtig gearbeitet. — K o l d e 5 9 ) veröffentlicht zwei bisher unbekannte Briefe, den einen (5. Juni 1534) an den Kurfürsten, seine Fürbitte für die um ihres Glaubens willen vertriebenen Hallenser enthaltend, aus Privatbesitz; den anderen (12. Sept. 1535) an Kanzler Brück, betreffend die Audienz des englischen Botschafters Ant. Barnes und Melanchthons Reise nach England,, aus dem Public Record-office in London. Besonders interessant ist die Entschiedenheit, mit der hier Luther für Gestattung der Reise Melanchthons eintritt, und die Wärme, mit der er seinen dem Kurfürsten verdächtigten Genossen in Schutz nimmt, auch dass er diesmal die Verhandlungen mit Heinrich VIII. als erfolgverheissend betrachtet. — Ins J. 1531 gehört der von Hans 6 0 ) aüs der Augsburger Stadtbibliothek mitgeteilte Brief Luthers an den Rat von Memmingen; er enthält die Fürbitte für Joh. Schmeltz, einen Memminger, der in Wittenberg studierte, um Geldunterstützung für die bevorstehende Magister-Promotion. — Aus Cod. 244 der Rigaer Stadtbibliothek legt H a u s s l e i t e r 6 1 ) Proben von Tischreden Luthers vor, die den Sprach Charakter der primären Aufzeichnungen bewahrt haben und verglichen mit der in Loesches Analecta (vgl. JBL. 1892 II 6: 10) vorliegenden Recension einen besseren Text bieten. Auch ein Vergleich einzelner Stücke mit Förstemann-Bindseils Ausgabe und mit Cordatus fällt zu Gunsten der Rigaer Hs. aus. Natürlich genügen einzelne62Proben nicht, um den Wert der ganzen Sammlung, die dort vorliegt, zu beurteilen. "63) — Der Aufsatz des württemberger Theologen K l a i b e r 6 4 ) ; der die in den letzten Jahren in der ZDPh. erschienenen Einzeluntersuchungen zu s p r a c h l i c h e n und lexikalischen Erscheinungen in Luthers Schriften an zahlreichen Punkten fortsetzt, zeigt recht deutlich, wie vieles in Luthers deutschen Schriften — trotz der Beachtung, die ihm die deutsche Lexikographie schon längst geschenkt hat — noch der Erläuterung harrt. Nicht weniger als 47 Stellen, Ausdrücke oder Redensarten, aus Luthers Schriften werden hier besprochen (z. B. mit Lungen auswerfen; spielen tragen; in der Hand raufen; das Wasser geht über die Körbe; halb Jacob werden; vom Habersack singen; das Beil zu weit werfen usw.) und teils befriedigend erklärt, teils zu weiterer Diskussion gestellt. Freilich ist für Arbeiten dieser Art eine kritische Textamsgabe Vorbedingung; für anderes zeigt sich, dass nicht überall die Sprachwissenschaft den Schlüssel des Verständnisses zu bieten vermag. Man vergleiche z. B. die vergeblichen Bemühungen, den seltsamen Decknamen „Pilatus" (für Abtritt) in der Redensart „dem Pilatus opfern" zu erklären; hier hat gewiss Köstlin mit seinem Hinweis aüf Joh. 19,13 Recht. — E i n z e l n e S c h r i f t e n Luthers sind willkommene Gegenstände für populärwissenschaftliche Vorträge; man analysiert ihre Gedanken und macht allerlei NutzG. B u o h w a l d , Lutherfunde in d. Jpnaer Univ.-Bibl.: ZKG. 14, S. 600/3. — 57) X Neue Lutherfunde: Pfarrhans S. 161/5. — 58) id., lt. Luthers letzte Streitschrift. Im Original aufgefunden u. z. «raten Male her. L., Wiegand. 12 S. M. 1,20. |[Cnltora 2, S. 194/5; Th. K o l d e : ThLBl. 14,S.683/5.]| — 59) Th. K o l d e , Zwei Lutherbriefe: ZKG. 14, S. 603/7. — 6 0 ) J . H a n s , Brief Luthers: ib. S. 448/9. — 61) J. H a n s s l e i t e r , Tischreden Luthers in e. Eigner Ha.: ThLBl. 14, S. 359-63. — 62) G. Loesche, Analecta Lntherana et Melanthoniana (Tgl. JBL. 1892 I 10:17; II 6:10). |[Th. K o l d e : HZ. 70,8.514/5; D.W. S i m o n : CBThPhL. 3, S. 309-12; W . W a i t h e r : ThLBl. 14, 8. 317/8.H — 63) E Lutheruutograph im British Museum : MAutegraphensammler. B. 88/9. — 64) K. H. K l a i b e r , Lntherana: ZDPh. 26, 8. 30-58. (Dara Nachtrr. von J. K t s t l i n n. K. H. K l a i b e r :

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I I 6 : 66-70

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

anwendungen auf die Gegenwart. So behandelt diesmal K ö n i g 6 5 ) die Schrift „An den christlichen A d e l " , deren reichen Stoff er unter den Rubriken Religiöses, Kirchliches, Sociales, Politisches darstellt; Applikationen und polemische Streiflichter auf die Gegenwart im Gedankenkreise der PKZ. geben der Analyse das Gewürz. — Enger begrenzt und tiefer eindringend ist die Betrachtung der gleichen Schrift i n B e c k h s 6 6 ) Aufsatz. — E h l e r s 6 7 ) verfolgt bei ähnlicher Behandlung der Schrift „Von der F r e i h e i t eines C h r i s t e n m e n s c h e n " (Gedankengang und praktische Anwendung) die Intentionen des evangelischen Bundes, der evangelischen Christenheit auch positiv den Wert ihrer religiösen Güter ins Bewusstsein zu rufen. — Der stark erweiterte Vortrag über Luthers T a u f l i t u r g i e von A l t h a u s 6 8 ) beruht auf recht umfänglichen Studien zur Geschichte der Liturgie; doch ist das Interesse des Vortragenden hier das der kirchlichen Praxis: was und wie viel aus Luthers Taufbüchlein lässt sich etwa heute noch unverändert beibehalten? an welchen Punkten müssen Korrekturen eintreten? Dabei geht es ihm denn so, dass seine geschichtlich-antiquarischen Studien es ihm erschweren, sich vor die schlichte Frage zu stellen, was doch die Gemeindeglieder, die nicht studierte Liturgiker sind, den einzelnen Stücken der Taufliturgie für ein Verständnis abgewinnen können, und er verfällt der Neigung, die aus der katholischen Tradition von Luther einst übernommenen Stücke lieber mit umdeutenden Interpretationen in Schutz zu nehmen, als ihre Korrekturbedürftigkeit anzuerkennen. Was Luther seiner Zeit aus Schonung der Schwachen einstweilen möglichst ungeändert liess, das ist nun durch 300 jährigen Brauch zu einer geheiligten lutherischen Tradition geworden. Und gerade für den gelehrten Liturgiker liegt die Versuchung nahe, gottesdienstliche Formulare so zu betrachten, als wenn sie in erster Linie nicht für eine Gemeinde zu unmittelbarem Gebrauch und daher auch zu direktem Verständnis, sondern für den Archäologen und Liturgiker bestimmt wären, damit sie ihm interessante liturgische Reminiscenzen aus vergangenen Zeiten vorführten. — Aus Luthers „ B e k e n n t n i s vom A b e n d m a h l " 1528 giebt ein Anonymus 89 ) einen Abdruck des am Schluss dieser Schrift befindlichen Glaubensbekenntnisses (vgl. Erlanger Ausg. 30, S. 363—73) mit einer Verkürzung; offenbar ist die Absicht dabei, Luthers Credo mit seinen metaphysischen Aussagen modernen theologischen Richtungen, die doch auch auf Luther sich berufen, kräftig entgegenzuhalten und ihnen zu sagen, dass sie einen anderen Geist als Luther hätten. Wertvoller ist W a l t h e r s 1 0 ) kleiner Artikel über Luthers Ansicht über den J a k o b u s b r i e f , indem er an eine in den Debatten der letzten Jahre über Luthers kritische Stellung zu einzelnen Büchern der heil. Schrift stets übersehene Aeusserung erinnert, die zwar bei Walch (Bd. 9) längst gedruckt war, aber, weil in der Erlanger Ausgabe fehlend, auch von solchen übersehen werden konnte, die sonst ihren Luther aus eigenem Studium kennen. Luther hatte einst ein Exemplar seines Neuen Testaments (Wittenberg 1530) als Handexemplar benutzt und an den Rand zahlreiche Bemerkungen geschrieben. 1578 wurden diese Marginalien kopiert — das Buch selbst ist verschollen — 1731 gedruckt, dann in Walch (9, S. 2774 ff.) wiederholt. Hier ist zu ersehen, dass er bei seinem Verwerfungsurteil über den Jakobusbrief in aller Schärfe beharrt: die Unvereinbarkeit von Jakobus Kap. 2 mit der Paulinischen Rechtfertigungslehre ist dabei für ihn der ausschlaggebende Grund. Unhaltbar ist also der Trost, an den sich die Lutheraner des 17. Jh. hielten, Luther habe nur „in den ersten Jahren" — man meinte, bis 1526 — solch kritisches Verwerfungsurteil gefällt, später dagegen seine Meinung geändert und stillschweigend zurückgezogen. Ich hatte bereits früher (vgl. ZKWL. 10, S. 368) eine den späteren Jahren angehörige Tischrede Luthers aus einer Gothaer Hs. angezogen, die geradezu erklärt: Epistolam Jacobi ejiciemus ex hac schola. (Dieselbe ist jetzt auch in Loesches Analecta S. 296 zu finden.) Ich hatte ferner auf eine Stelle in Luthers letzter Genesis-Vorlesung (Opp. exeg. ed. Erl. 5, S. 227) mit einem sehr herben Urteil über diesen Brief verwiesen. Dazu kommen nun noch als weitere Zeugen diese Marginalien, die jedenfalls der Zeit nach 1530 angehören. W. erkennt daher auch rückhaltlos an, dass Luthers Urteil unverändert geblieben ist. Doch findet er es bedeutsam, dass Luther in dieser späteren Zeit solche Urteile „in seinem Herzen" bewahrt habe, also Aergernis durch öffentliches Aussprechen habe vermeiden, seine Ansicht als eine doch nur subjektive, ib. S. 281, 430/1.) — 65) K. K ö n i g , Luthers Schrift an d. Adel dtsch. Nation v. d. christl. Standes Besserung u. unsere Zeit in ihrem Lichte: PKZ. 40, S. 409-14, 443/8, 471/6, 487-94, 512/8, 540/2. — 66) H. B e eich,' Luthers Auffassung d. Verhältnisses d. weltliohen Obrigkeit z. Kirche u. d nat. Gestaltung d. Kirohe, naoh seiner Sohrift an d. christl. Adel: DEBU. 17, S. 749-68, 793-812. — 67) R. E h l e r s , V d. Freiheit e. Christenmenschen: FEZ. 40, S. 337-52. — 68) P. A l t h i r n e , D. hist. u. dogmat. Grundlagen d. luther. Tanfliturgie. Vortr., geh. auf d. 50. luther. Pfingstkonf zu Hannover um 16 Juni 1892. Hannover. Feesohe. HI, 102 S. M. 1,50. |[G. K a w e r a u : ThLZ. 18, S. 238-42.]| - 69) Aus Luthers „Bekenntnis vom Abendmahl Christi" aus d. J. 1538: AELKZ. 26, S. 983/6. - 70) W. W a l t h e r , Zn Luthers Ansicht über d. Jakobusbrief: ThStK. 66, S. 595/8. -

Gr. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

II

6 : 71-82

vielleicht irrige Meinung habe zurückhalten wollen. Es ist mir zweifelhaft, ob diese Deutung Luther richtig beurteilt. Im Kolleg hat er jedenfalls seine Meinung durchaus nicht für sich behalten, sondern sie in scharfem Worte — er redet von einem delirare bei Jakobus — ausgesprochen, auch im Freundeskreis sie nicht „im Herzen" bewahrt. Es sollte mich gar nicht wundern, wenn sich auch einmal in einer Predigt aus späteren Jahren ähnlich freimütige Aeusserungen über einzelne biblische Schriften fänden, wie solche aus Predigten früherer Jahre bekannt sind. Es sei hier nur daran erinnert, dass noch 1572 Luthers Schüler Victorin Strigel in gedrucktem Kommentar frei öffentlich die Verwerfung des Jakobusbriefes gelehrt hat. — Der revidierten Lutherbibel hat B ä h n i s c h ' 1 ) , derselbe, den der vorige Bericht als eifrigen Verfechter der „Schulbibel" erwähnte (vgl. JBL. 1892 II 6:23), eine sorgfältige Prüfung zugewendet. Er erkennt im ganzen die Kommissionsarbeit als verdienstlich an, z. B. auch die Sorgfalt, die in der Revision der Zuthaten (Kapitelüberschriften, Kapitelabteilungen, Parallelstellen) bemerkbar ist. Er tadelt u. a., dass die Kommission als Text des Neuen Testaments im wesentlichen den von Luther benutzten des Erasmus auch heute noch festgehalten hat, und urteilt, dass trotz der Superrevision, die an dem zunächst von dem Germanisten Frommann hergestellten, altertümelnden Sprachcharakter vorgenommen werden musste, doch noch vieles stehen geblieben, das sprachlich veraltet sei. — Wertvoller noch dürfte J e h l e s 7 2 ) Studie sein, die unter Beschränkung auf die 5 Bücher Mosis dieses Stück einer sehr genauen und gründlichen Nachprüfung unterwirft und besonders allerlei Inkonsequenzen in sprachlicher Beziehung aufdeckt. 13-14 ) — Alljährlich überschüttet uns der Büchermarkt mit zahlreichen neuen Versuchen, Luthers kleinen K a t e c h i s m u s zu erklären, und ältere Schriften dieser Art erleben bald mehr, bald weniger umgearbeitete Ausgaben. Uns interessiert dieser Litteraturzweig, der ja der Praxis des Unterrichts in Schule und Konfirmandenunterricht dient, hier nur so weit, als er sich durch tieferes Eindringen in Luthers Gedanken und Intentionen legitimiert. Und solcher Schriften sind unter der Menge der zur Verbreitung gelangenden doch nur recht wenige. Eine vieljährige Tradition herrscht, die, wenig bekümmert um das, was Luther gewollt und nicht gewollt hat, den Text seines Büchleins als Anlass benutzt, allen Stoff, den man meint überliefern zu sollen, irgendwo und irgendwie hineinzupacken, die Schemata und traditionellen Definitionen eines dogmatischen Systems der Jugend als „Katechismus-Erklärung" vorträgt und „unentwegt" — hier passt das böse Wort — auch vieles, „was nicht direkt darin ausgesprochen ist, entwickelt" (vgl. Dächsei [s. u. N. 78], S. 4). Doch fehlt es jetzt auch nicht an einzelnen hervorragenden Versuchen, durch energischen Rückgang auf Luther diesen Unterrichtszweig zu verjüngen und ihm neue Lebensfähigkeit zu geben. B o c k s 1 5 ) aus der Seminarpraxis erwachsenes, für die Hand des Lehrers bestimmtes Buch erscheint inö.Auflage. Stoffreich mit vielemGuten im einzelnen, Winken für den Lehrer, Verweisungen auf den parallelen Stoff des Lesebuches, steht es doch den methodischen Fragen, die in den letzten Jahren verhandelt sind, völlig fern. — F r i c k e s 1 6 ) weitschichtiges Katechismuswerk hat seinen Wert in der Masse von Beispielen, Gleichnissen, Sentenzen usw., die als Erläuterungsmaterial aufgehäuft sind, ein Arsenal für alle, die die Anschaulichkeit und Lebendigkeit des Unterrichts mit diesen Mitteln meinen erreichen zu müssen. — Während sich L. W. F r i c k e s 1 1 ) Arbeit an die Gemeinde wendet, ist die von D ä c h s e i 1 8 ) als Lehrbuch in den Händen der Schüler beim Konfirmandenunterricht (unter besonderer Anpassung an schlesische Verhältnisse) geplant, zur „Vorbereitung, Wiederholung, teilweise zur Selbstbelehrung" — übrigens auch nur Ueberarbeitung eines älteren Versuches des Vf. (2. Aufl. 1870). In 680 Fragen und Antworten, denen sorgsame Ausfeilung des Ausdrucks nachzurühmen ist, kommt doch mehr eine popularisierte Dogmatik, als Luthers Text zur Darstellung. Andere Novitäten auf diesem Gebiete sind dem Referenten nicht zu Gesichte gekommen. 19 8 ') — F r a n t z 8 2 ) erhebt seine Stimme, um „aus der Erfahrung" zu bezeugen, dass Luthers Katechismus ein spottschlechtes und unbrauch71) A. B ä h n i s c h , D. revid. Bibelübersetz.: NJbbPh. 143, S. 129-44. — 72) F r . J e h l e , Einige Bemerkungen zu d. äurchgea. Lutherbibel: NKZ. 4, S. 579-612. (..Berichtigungen" [Druckversehen] dazu S. 696.* — 73) X Bihelreyis. u. Bibelübersetz.: Grenzb. 1, S. 277-88, 807-19. — 74) X E - B e i t r Würdigung d. revid. Lutherbibel: DEKZ. 7, 8. 519-20. — 75) E. B o c k , Unterricht im kleinen Katechismus Luthers für Volks- n. höh. Schulen, sowie ffir Seminare u. kirchl. Unterweis. 5. umgearb. Aufl. Breslau, Hirt. II, 275 S. M 3,00. — 76) A. F r i c k e , Handbuch d. Katechismus-Unterr. nach D.M.Luthers Katechismus; zugl. Buch d. Beispiele. Ffir Lehrer u. Frediger bearb. 2. Bd. D. 2. Hauptstück. 2. verb. Aufl. ( = Päd. Bibl. 14. Bd.) Hannover, C. Meyer. IX, 346 S. II. 4,09. — 77) I>. W. F r i c k e , Katechismuslehre. E. Auslegung d. kl. luthersoheu Kathechisrons für d. liebe dtsch. Christenvolk. 2. Aufl. Hannover, Feesche. 571 S. M. 4,00. — 78) K. A. D ä c h s e i , Enchiridion. D. kl. Katechismus Dr. Martin Luthers. Hit e. streng an d. Text sich anschliessenden u. dessen Inhalt sorgfältig entwickelnden Erklärung in Frage u. Antwort. Wittenberg, Herrosl. VIII, 232 S. M. 1,00. — 79) O X T1 > S c h u b e r t , Grundlinien d. Konfirmandennnterr. nach II. Lnthers kl. Katechismus. Halle a. S., Mühlmann. IV, 36 S M. 0,60. — 80) O X c - F e n g l e r , D. Konfirmanden-Unterricht, im Anschluss an d. kl. Katechismus Dr. M. Luthers dargest. L., Fr. Kichter. III, 101 9. M. 1,40. - gl) o X S t r a c k e , Luthers Katechismus in ausgeführten Katechesen für Lehrende u. Laien. Oldenburg, Stalling. VI, 335 S. M. 3,75. — 82) A. F r a n t z , Lnthers Katechismus e. Schulbuch für unsere Kinder? Aus d. Erfahrung beantwortet ( = FZSF.

II

6 : 88 91

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

bares Schulbuch sei. Zwar sei es seinerzeit ein recht verdienstliches-Buch gewesen — aber heutigen Tages? Diese weder mustergültige noch brauchbare Sprache mit ihren „Ungeheuern von Sätzen", den groben Sprachfehlem, diesen Erklärungen, die immer erst selber wieder der Erklärung bedürfen! Vf. hat bei den Schülern durch Nachfragen (!) festgestellt, dass ihnen die Katechismusstunden zu den unangenehmsten, unerfreulichsten Unterrichtsstunden gehören. Und nun geht er Satz für Satz des Katechismus durch und zeigt, wie dunkel, sprachwidrig, unzeitgemäss Luther sich fast regelmässig ausgedrückt habe. Neben zahllosen sprachlichen Anstössen, die er hier findet, verübelt er es z. B. auch Luther, dass er im 3. Gebot den „Sabbath" in „Feiertag" umgesetzt hat, rügt es, dass er im 4. Gebot auch von den „Herrn" redet; denn „wer war Israels Obrigkeit, zu der Zeit, als es die Gebote empfing? Wer waren die Vorgesetzten der einzelnen Israeliten?" Mit diesem Aufwand von Geist, Geschmack und Verständnis, von dem sich Proben in Menge citieren Hessen, wird dem Schulbuben Luther sein Büchlein von einem „Kgl. Oberlehrer" durchkorrigiert und als ein miserabel geratener Aufsatz mit schlechter Censur versehen. Auch die Wahrheitsmomente in dieser Kritik könnte man vergessen vor der unbeschreiblich geschmacklosen, dem Herzschlag und der genialen religiösen Konzeption in Luthers Enchiridion völlig verständnislos gegenüberstehenden Pedanterie. Aber man begreift, zu welcher Qual den Kindern mit diesem Genius erteilte Katechismusstunden werden müssen. 83 ' 85 ) — Gern flüchtet man von dem Schulmann Frantz zu dem Schulmann Bornemann 8 6 " 8 1 ), um sich bei diesem Erfrischung und neuen Mut zu holen. Der weiss auch etwas von den Schwierigkeiten, die Luthers Erklärungen dem Lehrer bereiten, und von der Ermüdung, die durch die traditionelle Katechismusbehandlung entstanden ist. Aber er ist von der genialen Kraft, die in dem Büchlein steckt, lebhaft durchdrungen und sieht den hauptsächlichsten Schaden darin, dass man zu wenig nach dem ernsthaft gefragt hat, was Luther gewollt hat, und zu wenig von seinen Absichten sich hat leiten lassen. „Zurück zu Luther" — so lautet hier die Parole und in tief eindringender Auseinandersetzung und mit der Kraft freudigster Ueberzeugung zeigt er an den beiden ersten Artikeln des 2. Hauptstückes, wie die Tiefe und Kraft der Lutherschen Erklärung mit Verzicht auf den Ruhm eines lückenlosen dogmatischen Systems katechetisch wirksam sich entfalten lasse. Er geht dabei von der Forderung aus, dass man mit der „Zweiseelentheorie" breche, d. h. von der beliebten Art, erst den Text des Katechismus nach dogmatischer Tradition zu behandeln und dann hinterher auch noch Luthers Erklärung nachhinken zu lassen, sich losmache; vielmehr möge man entschlossen den ganzen Unterrichtsgang von Luthers Erklärungen aus konstruieren. Der Aufriss, den er in jeder seiner beiden Schriften für je einen der beiden Artikel darbietet, wird auch solchen, die B.s Theologie nicht überall folgen können, eine kräftige und gesunde Anregung bieten. Hier zeigt sich, was gerade in den beiden „Satzungeheuern", über die Frantz nur zu klagen wusste, für eine Fülle katechetischen lebensvollen Materials steckt. In der ersten beider Schriften erhält der Leser auch einen interessanten Ueberbliok über eine Fülle älterer und neuerer katechetischer Litteratur. Von letzterer Schrift ist der Separatabdruck zu empfehlen, da er um manche Zusätze der ersten Recension gegenüber bereichert ist. 88 " 90 ) — Für die L u t h e r b i o g r a p h i e ist der Abschluss des K o l d e s c h e n 9 1 ) Werkes zu verzeichnen. Zum Lutherjubiläum 1883 hat er eigentlich seinen „M. Luther" ausgehen lassen wollen, aber doch die Arbeit zu diesem Zeitpunkt nicht bewältigen können. Nur der 1. Band (bis 1521) erschien damals post festum, die Vorrede ist vom 10. Okt. 1883. 1889 folgte die 1. Hälfte des 2. Bandes, 1893 die 2. Hälfte, die auch für den ganzen 2. Band die Anmerkungen und Beweise sowie das NamenRegister über das Ganze bringt — leider kein Verzeichnis der besprochenen Schriften Luthers. Zwischen dem Erscheinen des 1. Bandes und der Gegenwart liegen so viel neue Funde und neue Forschungen, dass naturgemäss jener nicht mehr den heutigen Stand der Lutherforschung abspiegeln kann; für die 1. Hälfte des 2. Bandes hat K. in den Anmerkungen noch vieles nachgetragen, für den 1. Band dagegen auf solche Nachträge verzichtet. Die Vorzüge seiner Biographie sind bekannt. Der Verzicht auf Vollständigkeit in dem Sinne, wie Köstlin sie anstrebte, ermöglichte ein schärferes N. 30.) Gotha, Bohrend. 32 S. M. 0,60. — 8 3 ) X C h r . R i c h t e r , D. Bau d. kl. Katechismus Luthers oder d. innere Zusammenhang d. fünf Hauptstücke. L „ Fr. Richter. 1891. IV, 278 S. U. 3,00. |[E. Chr. A c h e l i s : ThLZ. 18, S. 334/5.]| — 84) X G. T. K o h d e n , Z. Gliederung des Lntherschen Katechismus. Mit Bezugnahme auf Ch. Richter: „D. Bau d. kl. Katechismus Luthers": ZERD. 4, S. 108-26. - 85) X T h . H a r d e l a n d , Z. Auffassung d. Dekalogs in Luthers kl. Katechismus: PB11HKS. 35, S. 593/5. — 86) W. B o r n e m a n n , Z. katechet. Behandlung d. ersten Artikels im Lutherischen Katechismus. Progr. d. Päd. z. Kloster U. L. Fr. Magdeburg. 4°. 57 S. — 87) id., D. zweite Artikel im Lutherischen kl. Katechismus. Fragen u. Vorschläge: ZPTh. 15, S. 1-32. ( = Hefte z. ChrW. N. 10. L., Grunow. 14 S. M. 0,40.) - 88) X O. Z u c k , D. Christi. Haustafel Dr. H. Luthers. E. Anleitung zu ihrer Behandlung auf d. Okerstufe im Ansohluss an bibl. Lebensbilder in Gesprächslehrform. Dresden, K&htmann. 68 S. M. 0,80. — 89) X H. M a l o , Abspannen, abdringen, abvendig machen: ZGRC. 4, S. 228/9. — 9 0 ) X K- A h r e n s , Was heisst „abspannen" in Luthers Erklärung z. 10. Gebot?: ib. S. 149-50. — 91) Th. K o l d e , Martin Luther. E. Biographie. 2. Bd. 2. Hälfte. Gotha, Perthes. II u. S. 237-624. M. 6,00. |LDEKZ». S. 60/1;

G. K a w e r a u , Luther un$ die Reformation.

II 6 : 92-94

Hervorheben des Bedeutsamen, für die Entwickung der Person wie der sie umgebenden Verhältnisse Wichtigen. Daneben ist die Zeitgeschichte, stärker herangezogen; die Charakteristik der Zeit, der Mitarbeiter und Gegner Luthers ist aus gründlichen Studien der ganzen Zeitgeschichte erwachsen. Die gesamte Darstellung ist die koncise und dabei durch kräftige Charakteristiken ausgezeichnete Verarbeitung mühsamer Detailforschung. In vielen Einzelheiten ist die Forschung gefördert, und wo K., wie meist, mit Köstlin zusammentrifft, ist es selbständige Bestätigung der Forschungsergebnisse dieses. In den Anmerkungen steckt eine Fülle gelehrter Nachweisungen, die den Ernst und die Ausdehnung seiner Vorarbeiten bekunden. Auch der Fachgenosse findet hier immer wieder neue Belehrung. Gut gewählt sind die Einschnitte für die 6 Bücher, in denen die Darstellung verläuft: 1517, 1521, 1525, 1530, 1537, 1546. Nur selten einmal wird der Erzähler zugleich zum Beurteiler der Handlungsweise Luthers; wo er es thut, wie bei dem Verhalten Luthers zu Landgraf Philipps Doppelehe (S. 488), wird man anerkennen müssen, dass er auch dem geschichtlichen Standpunkt für die Beurteilung vollauf gerecht wird. Trefflich gelungen ist die Art, wie charakteristische Worte Luthers in die Darstellung eingeflochten werden. Die Auswahl dieser nur durch umfassendste Bekanntschaft mit den weitschichtigen Werken des Reformators einzusammelnden Dicta verrät in besonderem Masse den Kenner. — Einen sehr glücklichen Griff hat H a u s r a t h 9 2 ) mit seinem Büchlein über die Romfahrt Luthers gemacht. Ist es immer schon eine anziehende Aufgabe, die verstreuten zahlreichen Reminiscenzen an jene Reise aus seinen Schriften zusammenzutragen, so hat H. hier zugleich den guten Gedanken verwertet, ein altes Pilgerbuch, das für den Besuch der heiligen Stätten Roms als Fremdenführer diente, seiner Rekonstruktion dieser Pilgerreise zu Grunde zu legen. Und H. versteht es, geschmackvoll zu erzählen. Liesse sich auch aus Luthers Schriften noch manche, hier unentdeckt gebliebene Aeusserung heranziehen, und bleibt auch sonst manches disputabel, so ist doch ein höchst anmutig und anschaulich geschriebenes Büchlein entstanden, das eine wirkliche Bereicherung der Luther-Litteratur bedeutet. Dabei ist die Bedeutung jener Reise für Luthers damalige innere Entwicklung nicht, wie in populärer Darstellung gewöhnlich geschieht, überschätzt, wohl aber ist die Bedeutung, die sie später für ihn erlangte, gewürdigt. — Die kleine Schrift R o c h o l l s 9 3 ) ist im wesentlichen ein Bericht über einen Besuch des Vf. im Trappistenkloster Oelenberg im Ober-Elsass. Nur am Schlüsse dieses Berichts wird als Gegenbild in kurzen Zügen Luthers Entwicklung zur Glaubensfreiheit während seines Aufenthalts im Kloster gegenübergestellt, um der Betrachtung des katholischen Mönchsideals die evangelische Beleuchtung zu geben. Ueber Luthers Mönchsleben selbst ist hier nichts Neues geboten. — C. v o n H ö f l e r 9 4 ) — wir sehen uns jetztinden u l t r a m o n t a n e n L u t h e r s t u d i e n um — fühlt sich glücklich, von der Apologie des Wittenberger Poeten Simon Lemnius gegen Luther, die wir schon längst durch einen Abdruck von 1767 kannten, bei dem aber der Herausgeber Hausen thörichter Weise einige Stellen unterdrückt hatte, die schon von Hausen benutzte Kopie wieder entdeckt und der Welt nun den ganz vollständigen Text vorgelegt zu haben. Ob er dabei nicht doch etwas enttäuscht gewesen sein mag? Man spürt seinem gegen Luther mit bekannter blinder Gehässigkeit eifernden Vorbericht an, mit welcher Begier er sich auf die unterdrückten Stellen stürzte. Was mussten da für gravierende Anklagen gegen Luther zu entdecken sein I Und was ist nun Neues an den Tag gekommen? Nur dies, dass man nicht recht versteht, warum Hausen jene Stellen nur punktierte. Mit der älteren Lemnius-Litteratur istH. nur massig vertraut; für eine billige Beurteilung des harten Zorneseifers, der sich über Lemnius ergoss, fehlt ihm jeglicher gute Wille. Er denke doch nur einmal, dass während der Jahre des Kulturkampfes plötzlich der Schüler einer katholischen Hochschule und Vertraute der massgebenden Persönlichkeiten einer gut katholischen Buchhändlerfirma ein Bändchen Gedichte, die von Schmeicheleien gegen Minister Falk strotzten, als Kuckucksei ins Nest gelegt hätte, und dass sich dann allerlei sarkastische Verse dieser Sammlung auf bekannte Persönlichkeiten der Stadt und der Partei beziehen liessen; würde es H. dann so unbegreiflich und entsetzlich finden, wenn die Parteihäupter und Machthaber des Orts gegen den jungen Apostaten, der ihnen einen solchen Schelmenstreich gespielt, recht grimmig aufbrausten und ihn ihren Zorn ordentlich fühlen liesen? So stand es aber doch mutatis mutandis mit Lemnius und seinen unvermuteten Lobhudeleien auf Kardinal Albrecht. Ein alter Historiker wie H. sollte doch eine solche Situation mit etwas geschichtlichem Verständnis und nicht nur mit wohlfeilen Tiraden sittlicher Entrüstung erfassen können. Doch soll ihm dafür geO. Z ( S c k l e r ) : EKZ. S. 590/1.] — 92) A. H a u s r a t h , M. Luthers Bomfahrt. Nach e. gleichzeitigen Pilgerbuche erl&nt. B., Grote. XIV, 99 S. M. 2,00. — 93) H. R o c h o l l , Lutherzelle u. Trappistenkloster. E. Betrachtung aber Heiligung im evang. u. kath. Sinne. ( = ZFChrV. Bd. 18, Heft 6.) St., Belser. 27 S. .11. 0,60. - 94) C. v. H S f l e r , D. Sohutzschrift d. Dichters S. Lemnius (Lemohen) gegen d. gewaltsame Verfahren d. Wittenberger Akad. wider ihn 1538: SBWGPragPt». S. 79-147.

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G. Kawerau, Luther und die Reformation.

dankt werden, dass er uns nun (S. 113—46) diesen neuen Abdruck der vollständigen Apologia geliefert hat. Nur dürfte derselbe etwas sorgfältiger sein: S. 130/1 ist sechs Mal von dem Kanzler Brück (Pontanus) die Rede; H. druckt aber dreimal Pomeranus statt Pontanus!95) — Auch M a j u n k e 9 6 ) hat wieder einen stark gewürzten Beitrag zur Lutherbiographie geliefert. Er hat sich über die von Euling 1891 herausgegebene Chronik des Hildesheimers Oldekop hergemacht und sie auf Gehässigkeiten gegen Luther durchforscht. Wie freut es ihn, dass auch Oldekop den Namen „Luder" „bezeugt" ! Und wie wertvoll ist in seinen Augen die Nachricht, Luther sei nach Rom gereist, um für 10 Jahre Dispens von seiner Ordenskleidung zu erhalten und in Italien weiter zu studieren! M. setzt für „studieren" im Handumdrehen ein „ein ungebundenes Leben zu führen" und dafür alsbald wieder „Glaubens- und Zuchtlosigkeit", und nun hat er den Schlüssel für Luthers Entwicklungsgeschichte gefunden: erst versuchte er innerhalb der Kirche die Glaubens- und Zuchtlosigkeit einzuführen; dann geht er, da dies bekanntlich „niemals" gelingt, zum offenen Angriff gegen die Kirche vor. Wie sehr man dem Forscher M. immer auf die Finger sehen muss, dafür nur ein charakteristisches Beispiel: versichert er doch (S. 268), Petrus Sylvius stütze sich „auf das Zeugnis der eigenen Mutter Luthers" für seine Nachricht, dass diese als Bademagd in Eisleben ihren Sohn in Unzucht mit dem Teufel erzeugt habe. Bekanntlich beruft sich aber Sylvius, als er 1534 diese Teufelsgeschichte mit biederem Emst vorträgt, auf eine „redliche gottesfürchtige (d. h. also in seinem Munde : katholische) Weibsperson", die es ihm gemeldet. Diese Zeugin hat behauptet, es von Luthers Mutter gehört zu haben. Aber diese Zeugin des Sylvius, deren Namen und Person er verständiger Weise in Dunkel gehüllt hat, ist offenbar eine würdige Kollegin des famosen Dieners N. N., auf dessen Zeugnis M. seinen Selbstmordroman aufgebaut hat. — Der kleine Artikel vonKawerau 9 7 ) greift zwei Stellen aus früheren Majunkeschen Lutherstudien heraus, um an ihnen die Unkenntnis des Vf. und die Leichtfertigkeit seiner Behauptungen zu beleuchten.98) — Die Ueberleitung zu den Arbeiten über Luthers T h e o l o g i e und Welta n s c h a u u n g mögen die Schriften bilden, die sich mit seiner Stellung zur Ehe und den das sexuelle Leben betreffenden Materien beschäftigen. Nicht aus dem ultramontanen, sondern aus dem Lager unserer modernen Naturalisten kam unerwartet ein kräftiger Vorstoss. Panizza 9 9 ) wendete sein Dogma, dass ein Mensch, der erst mit 42 Jahren heiratet, notwendigerweise vorher aussereheliche Befriedigung seiner Triebe gesucht haben müsse, auf Luther an und pries ihn darum, dass er angeblich so oft und so ungeniert gethan und auch allen entgegenstehenden Kirchenlehren zum Trotz eingestanden habe, gethan zu haben, „was jeder andere gesunde Mann in diesem Fall ebenfalls thut", als einen „sittlich starken Helden". Es kann nicht unsere Aufgabe sein, mit P. über sein Dogma von dem, „was jeder gesunde Mann thut", hier zur verhandeln. Gespannt waren wir dagegen auf sein Beweismaterial. Es ist doppelter Art. Einmal hat auch er die alten Ladenhüter vorgerückt, die ultramontane Polemik gewöhnlich bereit liegen hat, wenn sie den „unkeuschen" Luther abmalen will: von der „jungen" Frau Cotta an, der er den ersten Unterricht in Frauenliebe verdanken soll, bis zu den apokryphen Versen aus Voss Musenalmanach „Wer nicht liebt Wein usw." Hier würde sich P. sicher bei näherer Prüfung leicht davon überzeugen, dass auch nicht eins dieser „Zeugnisse" stichhaltig ist. Um so mehr wird er auf seine zweite Zeugenreihe Gewicht legen, eine Sammlung von Citaten aus Luthers Schriften, in denen dieser von der Naturgewalt des Geschlechtstriebes und von seinen Folgen redet, wenn ihm durch Satzungen, wie den Cölibat, seine ordnungsmässige Befriedigung versagt wird. Aber er findet hier doch nur die Behauptung, dass „das mehrer Teil" dieser Cölibatäre ihr Gelübde verletzen, weil sie das „Brennen" nicht ertragen, und dass nur „fast wenig" in dieser Lage ihr Gelübde halten. Von sich selbst sagt er offen heraus, dass er auch dies Brennen gespürt habe und dass er „von sich nicht so viel habe, dass er sich enthalten könne". Auf diese Stelle legt P. besonders Gewicht. Aber weiss er nicht, dass in Luthers Weltanschauung dieses Bekenntnis von dem, was man aus eigener Kraft nicht vermöge, ein Korrelat hat? Es steht an der betreffenden Stelle (Erl. Ausgabe 2 16, S. 52 — P. citiert: Vermischte Predigten, her. v. Enders 1817 [1. 1877], S. 156 ff.!) 6 Zeilen vorher, von P. aber ausgelassen und nur durch Punkte bezeichnet: „darum soll einer seinen Herren Christum bitten und sprechen: Sieh, Herr, da bin ich, du weisst, dass ich vergift bin in meinem Fleich und bedarf deiner Hülf". Luther kennt doch noch einen anderen Rat als den ausserehelicher Selbsthülfe. — Gegen Panizza nur nebenher (S. 43 ff.), in erster Linie dagegen gegen die ultramontane Behandlung dieses Kapitels (Vgl. JBL. 1892 II 8:102.) — 95) O S. Leraniaa, Lea Noces de Luther, oa la Monachopornomachie. Tràd. do latin, pour la première foie avee le texte en regard. Paris, Liseux. XX, 130 S. Fr. 25,00. — 96) F. M a j u n k e , Oldekops Chronik. (Luther n. d. Reformation): HPBU. 112, S. 157-68, 263-78.) (S. o. N. 25) — 97) G. K a w e r a u , Bemerkungen zu P. Majunkes Lutherforschungen: DEBlt. S. 204/5. — 98) X H. W e d e w e r , Z. Frage nach Luthers Lebensende: LBs. 1892, S. 321/6, 353/8. — 99) 0. P a n i z z a , Luther u. d. Ehe. E. Verteidigung gegen Verleumdung: Oes. 9, S. 355-63.

Gr.

K a w e r a u , Luther und die Reformation.

II

6 •. 100-109

hat L u t h e r o p h i l u s 1 0 0 ) — die Gegner werden sofort gespürt haben, wer unter diesem Pseudonym mit ihnen Abrechnung hält — sein vortreffliches Buch „Das 6. Gebot und Luthers Leben" geschrieben. In einem ersten Abschnitt erörtert er die Anschuldigungen gegen Luthers „unanständige" Redeweise, indem er untersucht, was jene Zeit für erlaubt hielt, öffentlich auszusprechen, und an den Beispielen von H. Bebel, Poggius, Joh. Pauli zeigt, was man in der Unterhaltungslitteratur vertrug, an pädagogischen Schriften und an Predigten, was man auch der Jugend und der zur Andacht versammelten Gemeinde unverhüllt meinte mitteilen zu können. (Eine wichtige Ergänzung und Vorstudie dazu bietet der höchst instruktive Aufsatz W a l t h e r s 1 0 1 ) über die beliebten Predigten des Dominikaners Joh. Herolt, der zugleich zur Kritik von Quellencitaten in Janssen (Bd. I) einen sehr lehrreichen Beiträg liefert.) Der Vf. zeigt dann weiter, wie viel decenter Luther redet als manche Erzeugnisse der zeitgenössischen Litteratur, wie aber ein Teil seiner Derbheiten als bewusster Cynismus eines durch Heuchelei und Unnatur gereizten, starken sittlichen Bewusstseins zu erklären ist. Im folgenden Abschnitt behandelt er in wahrhaft vernichtender Kritik die ganze, so oft siegesgewiss uns vorgeführte Zeugenschaft, auf die man die Anklagen wegen Luthers Unsittlichkeit in That und Wort hatte begründen wollen, vom Schülerliebesroman in Eisenach und der Erfurter Studentenliebschaft an bis zu seinen unehelichen Kindern und seinen zweideutigen Dichtungen hin. Man sieht hier einmal dicht bei einander so viel Vei'leumdungen, Entstellungen, gefälschte Zeugnisse u. dergl., mit denen ultramontane Gehässigkeit fort und fort gegen ihn operiert hat, dass man hier zugleich erbauliche Studien über die WTaffen und die Kampfesweise der Gegenreformation des 16. und auch noch des 19. Jh. anstellen kann. Hoffentlich unterlässt der Vf. die Fortsetzung nicht, die Beleuchtung der angeblich so schrecklichen Lehren, die Luther über Dinge des ehelichen Lebens vorgetragen haben soll. — Wie Luther seinen in der „Deutschen Messe" 1526 ausgesprochenen Wunsch nach einer Ausscheidung des rohen Haufens von denen, die mit Emst Christen sein wollen, seinen Gedanken einer zu sammelnden ecclesiola in ecclesia, meinte verwirklichen zu können, zeigt Kolde 1 0 2 ) aus Andeutungen, die in Schwenkfelds Schriften sich darüber finden: er selbst wollte die „rechten" Christen zu besonderen Gottesdiensten in der Klosterkirche sammeln, während der Kaplan den anderen in der Pfarrkirche predigen sollte Es war doch gut, dass Luther diese bedenklichen Pläne bald wieder fallen liess. — Unter den mancherlei Recensionen103), die Lipsius Buch über Luthers Busslehre (vgl. JBL. 1892116:74) besprechen, verdient die von W. H e r r m a n n , gegen den in erster Linie sich Lipsius gewendet hatte, ganz besondere Beachtung. Neben williger Anerkennung mancher Vorzüge der Lipsiusschen Schrift macht er doch gegen die dort vertretene Auffassung geltend, dass sie teilweise Luthers Gedanken umdeute, teilweise, wo sie mit Luther übereinstimmt, gleich diesem die eigentliche, sachliche Schwierigkeit ungelöst lasse. Aus Luthers Lehrweise, nach welcher aus der Verkündigung, dass im Evangelium uns die Gnade Trost anbiete, die Sinnesänderung hervorgehen solle, sei ja das sinnlose Vertrauen auf die Heilsmacht blosser Lehre erwachsen, eine Verkümmerung des evangelischen Christentums, an der noch die Gegenwart schwer zu tragen habe. Dem gegenüber sei zu betonen, dass Erlösung nur erfolge durch Erweisungen persönlichen Lebens. „Nur durch das persönliche Leben Christi und der Menschen, denen Christus die Schlüssel des Himmelreichs gegeben hat, seiner Erlösten, kann der Sünder über den Gesichtskreis der Sünde erhoben werden." Es ist sehr zu bedauern, dass durch den Tod von Lipsius die weitere Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Marburger Theologen abgeschnitten worden ist. 104 " 108 ) — Den offiziösen Abschluss der grossen Litteratur, welche die Renovierung und E i nw e i h u n g der W i t t e n b e r g e r S c h l o s s k i r c h e hervorgerufen hatte (vgl. JBL. 1892 II 6 : 60—70) bildet W i t t e s 1 0 9 ) Schrift. Ausser dem Facsimile der Weiheurkunde mit den Unterschriften der deutschen Fürsten bietet sie einen historischen Bericht über die Schlosskirche in ihrer ursprünglichen Gestalt, über die Zerstörung der Kirche in den Kriegen, ihre Wiederherstellung unter Friedrich Wilhelm III., über die Thesenthüren, die Friedrich Wilhelm IV. der Kirche stiftete, die Vorbereitungen zur Erneuerung in ihren verschiedenen Phasen bis zum Ausbau in der vom Kronprinzen Friedrich veranlassten prächtigeren Ausführung. Ein ausführliches Referat über (Anch schon Ges. 8, S. 1177. Dazu C. Fey in KirchlKorr. 1892, N. 35; 1893, N. 4.) — 100) L n t h e r o p h i l n s , D. 6. Gebot n. Luthers Leben. Halle ». S., Niemeyer. H I B . II. 2,00 —101) W. W a l t h e r , D. sechste Gebot n. Joh. Herdts Predigten; NKZ. 3, S. 485-99. — 102) Th. Kolde, Luthers Gedanke von d. ecclesiola in ecolesia: ZKG. 13, 3. 487-512. — 103) X w H e r r m a n n : ThLZ. S.17-20; E c k e : ThLB. 14, S. 9; LCB1. S.274; H. S c h m i d t : ThLBl. 14, S. 173/5. —104) X A - E o m a n n , Lnthers Bedeutung für d. Kirche Jesu Christi: KU. 12, S. 157-71. — 105) X B. G. de Vries van H e y s t , Lnther zieh, zelf ontronw ten opzichte zijner leer van den aanyang der Met ¿vom ?: ThT. S. 137-67. — 106) F. P i e p e r , Lnthers doc. trine of inspiration: PresbK. 8. 249-66. — 107) X T. H a h n , Ob Lnther wirklioh ein Gegner d. „Homousios" gewesen?: MNEKR. 3. 21/8. — 108) X Lnther d. Deutsche: 20. Jh. 1, 3. 216-20. — 109) L. W i t t e , D. Erneuerung der Wittenberger Schlosskirche e. That evang. Bekenntnisses. Anf Grnnd d. amtl. Qaellen dargest. Wittenberg, Herrosfi. 4". XII. 93 8. Jahresberichte für nenere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (2)8

II 6 : uo-118

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

den Verlauf des Weihetages macht den Beschluss der würdig ausgestatteten Schrift. — Die Urkunde der Einweihung selbst ist in doppelter photographischer Reproduktion, 110 in der Originalgrösse und verkleinert, in den Buchhandel gekommen ). In der ver110a kleinerten Form bildet sie auch die Beilage zu Wittes Festschrift. ) — Zu den beliebten Lutherfestspielen hat sich ein „Lutheroratorium" gesellt, das von Neander 111 ) darauf berechnet ist, mit einfachsten Mitteln Luthers Bild einem Hörerkreise vorzuführen. Es ist eine geschichtliche Darstellung Luthers im Spiegel deutscher Poesie, von einem oder mehreren abwechselnd zu deklamieren. Je nach den vorhandenen Kräften können Chor- und Sologesänge eingelegt werden. Gewiss ist damit eine Form der Festfeier geschaffen, die auch mit den bescheidensten Mitteln, ohne Kostenaufwand und ohne das bedenkliche Drum und Dran einer dramatischen Dilettantenaufführung herzustellen ist. Für eine gehobene Volksfestfeier hat aber doch meines Erachtens Herrig den geeigneten Weg gewiesen, auf dem die Mittel der dramatischen Darstellung in möglichster Vereinfachung erfolgreich Verwendung finden können. — Reformationsgruppen und Sekten. Mit dem engeren und weiteren K r e i s e der W i t t e n b e r g e r R e f o r m a t i o n beschäftigen sich zahlreiche Arbeiten. Unter den auf Melanchthon bezüglichen Arbeiten möge der schöne Vortrag voranstehen, den der Jenenser Theologe L i p s i u s 1,2 j (gest. 19. Aug. 1892) als letzten öffentlichen Vortrag gehalten hat, und der aus seinem Nachlass publiziert wurde, ohne dass er letzte Hand noch hätte anlegen können. „Er ist es gewesen, der die Fluten der humanistischen Bewegung in das geregelte Strombett der Reformation hineingeleitet und dadurch die reichen Kräfte der humanistischen Bildung der evangelischen Theologie und der neubegründeten evangelischen Kirche dienstbar gemacht hat." Demgemäss behandelt er Melanchthon nach drei Beziehungen: als Humanisten, als Theologen und als Kirchenreformator. An Universalität des Wissens vergleicht er ihn mit Leibniz, nur dass das unmittelbare Verhältnis aller seiner wissenschaftlichen Arbeiten zum praktischen Lehrberuf und zu der Erziehung der Jugend ihn hoch über letzteren stelle. Als Theolog erreicht er die Höhe im ersten kühnen Aufschwung in den Loci theologici von 1521. Doch hat er sich hernach auf dieser Höhe nicht behaupten können: er selbst lenkt in den nachfolgenden Bearbeitungen der Loci in die traditionellen Bahnen der Schuldogmatik zurück. Freilich weist L. die durch Ritsehl angebahnte Betrachtung Melanchthons als des Mannes, zurück, der für die verhängnisvolle Verwechslung des orthodoxen Dogmas mit dem göttlichen Wort verantwortlich und somit der erste konfessionelle Doktrinär gewesen sei, der uns die Kirche in eine Theologenschule verwandelt habe. Aber wenn ich ihn recht verstehe, bestreitet er doch nicht die Thatsache selbst, sondern nur den Vorwurf, den man darum gegen Melanchthon erheben könnte. Denn er erwidert darauf nur: man übersehe dabei, dass die reformatorische Bewegung sich ihr Existenzrecht erst mühsam habe erkämpfen müssen, und dass es daher „ohne Kompromisse mit dem Ueberlieferten" nicht abging. Ich glaube nicht, dass die, gegen welche L. hier streitet, diese geschichtliche Erklärbarkeit des Thatbestandes „übersehen" haben. In Frage würde nur kommen, ob es denn für den späteren Melanchthon „Kompromisse" waren, die er in Erkenntnis der schwierigen Existenzbedingungen des Protestantismus einging, oder eine ihm selbst verborgen bleibende Verdunklung und Umbiegung seiner eigenen evangelischen Grundbegriffe. Mit gutem Rechte hätte aber L. daran erinnern dürfen, dass man Melanchthon darin Unrecht thut, dass man diese Umbiegungen bei ihm so stark urgiert, bei Luther selbst dagegen weniger beachtet, und ihn so im Gegensatz zu Luther zum Urheber einer Deformation macht. Zur Erklärung der kirchenpolitischen Haltung Melanchthons betont L., dass neben jener leicht zur Schwäche werdenden Nachgiebigkeit hier auch seine konservative, immer an das Ueberlieferte anknüpfende Natur und sein ökumenischer Zug in Betracht zu ziehen seien. Schliesslich preist er ihn als den Vater der evangelischen Union, wobei jedoch meines Erachtens übersehen wird, dass bei ihm dieser Unionszug der späteren Jahre zunächst nur der sehr begreifliche Trieb ist, bei seiner im eigenen Lager durch seine Abendmahlslehre bedrohten Stellung Bundesgenossen zu finden. Er möchte die Bruderhand den Reformierten reichen, aber seine Union wäre sicher intolerant gegen die Lehre der Gnesiolutheraner. Man überschätze die Weitherzigkeit Melanchthons nicht! Wo seine Leute vorübergehend die Herrschaft erlangt haben, haben sie ebenso engherzig die Sache ihrer Partei betrieben wie die Gnesiolutheraner. — Der Lebensabriss von Funks 1 1 3 ) ist ein durch seine ruhige, rein wissenschaftliche Haltung ausIII. 3,00. — 110) Urk. Iber d. Einweihimg d. erneuerten Schloßskirche zu Wittenberg Tom 31. Okt. 1892. Mit allerhöchster Genehmigung her. ebda Fol. 4 Bll. M. 12,00. (Kl. Ansg. 4°. M. 1,00.). — 110a) M. F i s c h e r , Friedrich a. Weise n. d. Schlosskirche zu Wittenberg: PKZ. 40, S. 330/1. (Anszog aus Köstlins Schrift [Tgl. JBL. 1892 II 0:60].) — 111) W. N e a n d e r , M. Luther, d. dtsch. Reformator. D. Leben Luthers im Spiegel d. dtsch. Poesie. Hannover, (W. Otto). 32 9. M. 0,75. |[AELKZ. 26, S. 875.]| — 112) B. A. L i p s i u s , Ph. Melanchthon: Dfis. 73, S. 365-78. (Vgl. JBL. 1892 II 8:82.) — 113) F. X.

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II 6 •. 114-119

gezeichneter Artikel. Sachlich gut orientiert, zeigt der katholische Kirchenhistoriker das Bestreben, auch der Bedeutung Melanchthons voll gerecht zu werden. E r erkennt an, dass ihm als Humanisten nächst Erasmus- die erste Stelle in Deutschland zukam. Aber auch seine Bedeutung für die Reformation wird in würdiger Weise behandelt. Das Gesamturteil über seine kirchliche Haltung lautet dahin, dass er der Neuerung im ganzen mit Ueberzeugung zugethan war und zugleich bei starker Beeinflussung durch Luther selbständiges Urteil sich bewahrte. Seine Nachgiebigkeit in Religionsverhandlungen, „die bis zur Verleugnung der reformatorischen Prinzipien geht", erklärt F. als eine sittliche Schwäche; ebenso deutet er sein Verhalten in Bezug auf Augustin, den Melanchthon öffentlich als Zeugen für seine Rechtfertigungslehre aufrief, während ihm doch die Verschiedenheit der beiderseitigen Anschauungen wohl bewusst war. E r hebt auch richtig hervor, dass gerade Melanchthon gegen alles, was ihm Ketzerei ist, sofort nach der severitas magistratuum ruft, um falsche Lehre zu strafen, nicht nur gegen Antitrinitarier wie Servet, wo er die Exekution in Genf als pium ac memorabile ad omnem posteritatem exemplum preist, nicht nur gegen Sektierer wie Schwenkfeld, sondern auch beim Lehrstreit im eigenen Lager (z. B. CR. 9, S. 798); aber er ist unbefangen genug, hierin nicht „protestantische Unduldsamkeit" als eine böse Frucht der Reformation, sondern einfach ein Stehenbleiben auf dem Standpunkt des Mittelalters zii erblicken. — Eine schöne, wertvolle Ergänzung zu seinem „Melanchthon als Praeceptor Germaniae" (Berlin 1889), zu dem wir noch einige Besprechungen nachtragen 114 ), liefert H a r t f e l d e r 1 1 5 ) in seinen Melanchthoniana Paedagogica. E r bringt hier: I. 3 Schulordnungen Melanchthons zum Abdruck (Eisleben 1525, Nürnberg 1526, Herzberg 1538); 2. 28 Briefe von, an und über Melanchthon; 3. Aktenstücke zur Geschichte der Universität Wittenberg; 4. Wittenberger Studentenbriefe aus den J . 1520—25; 5. den Entwurf der theologischen Promotionsordnung für Frankfurt a. 0 . von 1546; 6. einen Cisiojanus Melanchthons; 7. 12 Gedichte zum Teil aus früher Zeit (1513, 1516, 1518); 8. interessante Aussprüche und Erzählungen Melanchthons, wie sie namentlich aus seinen Vorlesungen gesammelt wurden; 9. Biographisches, teils aus seinen eigenen Erzählungen, teils aus einer hs. Vita, die sich in Hannover befindet; 10. zahlreiche Ergänzungen zur Bibliographie im CR.; II. Aufklärungen über die in antiquarischen Katalogen öfters angebotenen Drucke „aus Melanchthons Bibliothek", „mit Randbemerkungen von Melanchthons Hand"; diese weisen alle auf den englischen Auktionskatalog der Klossschen Bibliothek (aus Frankfurt a. M.) London 1835 zurück, gegen dessen betrügerische Angaben aber schon Kloss selbst im Serapeum (2 [1841], S. 169 ff.) Protest erhoben hat; 12. Lobgedichte und Epitaphien auf Melanchthon (19 Nummern). Sorgfältige Register beschliessen den reichhaltigen und wertvollen Band, der eine schöne Nachlese zum CR. gewährt, teils Ungedrucktes, teils aus seltenen Drucken ans Licht Gezogenes. Dabei ist neben dem biographischen und bibliographischen Interesse die Beziehung auf den Praeceptor Germaniae bei der Auswahl massgebend gewesen: seine Thätigkeit an der Universität und für das Universitätswesen, seine Verdienste um die Begründung und Organisation der Lateinschulen, seine Stellung zu den Wissenschaften. Für das Einzelne muss ich auf die Recensionen verweisen; besonders auf K a w e r a u s 1 1 6 ) eingehende Besprechung. — Das städtische Museum in Nordhausen besitzt in Nachschrift Melanchthons Diktat der Epitome Ethices, datiert Pridie Nonas Dec. 1532. H e i n e c k 1 1 1 ) bringt sie zum Abdruck. 1538 hat Melanchthon selbst sein Diktat zum ersten Male in Druck gegeben, dann häufig wieder in mannigfacher Ueberarbeitung. Das CR. (16, S. 21 ff.) bringt den Abdruck der Ausgabe von 1546. Da nun Melanchthon sicher 1532 über die Ethik des Aristoteles las — die Absicht hatte er schon 1527—28 (vgl. CR. 1, S. 888) —, so ist wahrscheinlich, dass in der Nordhäuser Hs. uns seine Epitome in ihrer ältesten Gestalt erhalten geblieben ist. H. hätte freilich gut gethan, uns seinen Abdruck des Textes von 1532 in beständiger Vergleichung mit der Editio princepi von 1538 zu geben. Man ist jetzt nur auf den Vergleich des Textes mit dem mehrfach überarbeiteten von 1546 angewiesen. Viele Sätze des Diktates kehren noch .1546 wörtlich wieder; aber es finden sich auch erhebliche Erweiterungen und Umarbeitungen. Es sei hier hervorgehoben, dass Melanchthon schon 1532 in dem Abschnitt „Licetne privatis tyrannos interficere?" in^ einer Reihe von Fällen den Tyrannenmord billigt; auch hier schon ist speciell Teils" Selbsthülfe als defensio in privato periculo — si atrox injuria et notoria est — (S. 162) in Schutz genommen. — V o g t 1 1 8 ) teilt aus Hs.-Band I der Landeshuter Kircheny. F u n k , Ph. Melanchthon: WetzerWelteKiichenlex.8, S. 1198-1213. — 114)X G. O r t e r e r : HJb. 13, S. 812-22; 0 . K a w e r a u : HZ. 68, S. 325/8 (vgl. JBL. 1892 II 8:80). — 115) E. H a r t f e l d o r , Melanchthoniana Paedagogica (Tgl. JBL. 1892 I 10:19). |[HJb. 14, S. 216/6; H. H o l s t e i n : NJbhPh. 63, S. 568-71.11 — 116) (1. K a w e r a u , Z. Melanchthon-Litt.: ThLBl. 14, S. 1/3, 17/9. — 117) H. Hei n e c k , D. älteste Fassung v. Melanchthons Ethik. Z. ersten Mal her.: PhilosMh. 29, S. 129-77. IfThLBl. 13, S. 39.]| (Als Sonderahdr.: B , E. Salinger. 65 S. M. 1,00.) (Vgl. U 7 : 47.) — 118) 0. V o g t , üngedr. Schriften y. Pommern an Melanchthon: BaltSt. 42, S. 1-30. — 119) N. M a l i e r , Melanchthoniana

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II 6 : 120-126

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

bibliothek einige Schreiben des Theologen Jakob Runge an Melanchthon und Peucer aus den J. 1553—58, einen Brief des jugendlichen Herzog Emst Ludwig von 1559 und ein Schreiben Lorenz Mollers, Rektors der Andreasschule in Hildesheim, mit. Er benutzt zugleich diese Publikation, um Hartfelders „Melanchthon als Praeceptor" in einem Punkte zu vervollständigen: es sind dort nämlich die Beziehungen Melanchthons zur Greifswalder Universität übersehen oder übergangen. S. 9—12 1giebt V. zur Ausfüllung dieser Lücke reichhaltige Nachweisungen. — N. Müller 1 9 ) hat in der Katharinenkirche in Brandenburg a. H. Bücher und Hss. aus dem Nachlasse des 1574 verstorbenen Superintendenten Joh. Garcaeus bezw. seines in dem gleichen Amte 1633 verstorbenen Sohnes Joach. Garcaeus entdeckt; ebenso den hs. Nachlass des Schwiegervaters des letzteren, des bekannten Andr. Musculus. Er teilt daraus einen Aufsatz vom J. 1550 De electione ministrorum Evangelii et de publico ritu ordinationis eorum mit, den Melanchthon verfasst, Joh. Forster und G. Major "mitunterzeichnet haben; ferner eine Responsio Melanchthons „ad calumnias Islebii" (Joh. Agrícolas) vom 26. Jan. 1560, an den Berliner Propst Buchholzer gerichtet, von nicht misszuverstehender Grobheit gegen die „närrische Gans", den Eisleben, der totus ex mera asinina justitia et superstitiosa arrogantia ventreque epicúreo conflatus est. Es betrifft die Zänkereien, die Agrícola gegen Melanchthon wegen des Satzes von der Notwendigkeit der guten Werke fortsetzte. Als 3. Stück bringt er uns aus einem in Venedig aufbewahrten Stammbuch des Mag. Heinrich Piperites den dort eingetragenen Brief Melanchthons vom 9. Nov. 1542, dessen Adressat leider dort nicht genannt ist. Er enthält eine Unterweisung über die Erfordernisse für den orator in ecclesia, mit charakteristischer Schilderung der Predigtweise Luthers. — Die1 2 0Zahl der schon bekannten Gutachten Melanchthons in Ehesachen vermehrt D i s t e l ) durch ein solches von 1556. — L a t e n d o r f m ) berichtet über die Aufzeichnungen, die Härtung Tischer aus Kulmbach, 1557 in Wittenberg immatrikuliert, in ein Exemplar von Ebers Kalendarium (jetzt in Halle, Univ.-Bibl.) eingeschrieben hatte, als er Melanchthons Vorlesung über Carions Chronik im Winter-Semester 1557—58 anhörte, und vergleicht diese Nachschriften mit dem Drucke im CR. (12, S. 712 ff.). — Zu Gedichten Melanchthons, in denen K. Albrecht Inédita entdeckt zu haben meinte, liefert E n d e r s 1 2 2 ) den Nachweis, dass sie schon im CR. (10, S. 652, N. 341; 7, S. 965 N. 5075) zu lesen waren. — S c h a f f 1 2 3 ) behandelt die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Melanchthon und Kalvin als a testimony that a deep spiritual union and harmony may co-exist with theological differences. Ihre persönliche Begegnung fand zuerst 1539 in Frankfurt a. M. statt, wurde dann in Worms und Regensburg 1540 und 41 wiederholt. Die gegenseitigen Freundschaftsbezeugungen werden zusammengetragen — nicht in gleicher Genauigkeit die Zeugnisse der seit dem Abendmahlsstreit mit Westphal erfolgten Abkühlung. Ich verweise nur auf den hier ganz übergangenen Brief Kalvins vom 5. März 1555 (Bindseil, Supplement» S. 373/4). Wie teuer aber der lutherischen Kirche damals diese Freundschaftsepisode zu stehen gekommen ist, wie verhängnisvoll es wurde, dass Kalvin sich auf Melanchthons Einverständnis öffentlich berief, Melanchthon sich aber in immer scheueres Schweigen hüllte, darauf wird nicht weiter reflektiert. — Für B u g e n h a g e n hat B u c h w a l d 1 2 4 ) auf der Suche nach hs. Predigten Luthers in Nürnberg (Mss. Solger) 13 Nachschriften von Predigten gefunden, von denen drei (aus den J. 1529 und 32) sicher Bugenhagen angehören; bei verschiedenen anderen derselben Sammlung ist seine Autorschaft wahrscheinlich. Sodann weist B. aus der Zwickauer Ratsschulbibliothek eine zwar bereits gedruckte, aber sehr seltene Predigt Bugenhagens von 1529 über die Taufe nach, an deren Schluss der Prediger die Mahnung ausspricht, nur Einen Paten zu nehmen; die grosse Zahl der Paten sei vom Uebel. — Die mir nicht vorliegende Arbeit125) über Bugenhagens Gottesdienstordnung von 1524 beschäftigt sich offenbar mit der von einem spekulativen Buchdrucker herausgegebenen, angéblich von Bugenhagen gebrauchten Liturgie, die dieser selbst hernach entschieden desavouierte. Ob der Vf. dies Pseudepigraphon erkannt hat (es hat schon manchen irre geführt), vermag ich nicht zu sagen. — Das 400jährige Jubiläum des J u s t u s J o n a s hat allerlei Festschriften veranlasst. Die Studie von K. M e y e r 1 2 8 ) ist im Hauptteile nach Presseis Biographie und Kaweraus Briefwechsel des Jonas gearbeitet, bringt aber am Schlüsse von der Hand des kundigen Lokalforschers einige dankenswerte Nachrichten über die Familie ans Brandenburg a. H. 11. Venedig: ZKG. 14. 8.133-42. (Vgl. II 7 : 46.)— 1 2 0 ) T h . D i s t e l : V. Melanchthons Hand geschriebenes Bedenken in d. Ehesache d. Grafen Ladislaus zu Haag (1556): DZKB. 1, S. 406/7. — 121) F. l a t e n d o r f , Uelanchthomana. Aufzeichnungen e. Wittenberger Studenten ans d. J. 1553-60: CBlBibl. 10, S. 483/6. —122) L. E n d e r s , Zu d. Gedichten Melanchthons in dieser Zeitschrift (65. S. 178ff.) Berichtigung: ThStK. 66. 8.599-600. (Vgl. 117:48.) —123) P h . S c h a f f , The friendship of KaWin and Melanchthon: PASChH. 4, S. 141-63. — 124) G. B n c h w a l d . Unbekannte Bugenhagenpredigten. gefunden in d. Nürnberger Stadtbibl. u. in d. Zwickauer Rateschulbibl.: ThStK. 65, S. 339-42. — 125' Bugenhagens Order of service of 1524: LuthChR 1891, S. 288-93. — 126) K. M e y e r , Festschrift z. Jubelfeier d. 400j. Geburtstages d. Dr. J. Jonas a m 5. j n n i .

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

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des Jonas (Koch), sein Geburtshaus, seinen Jugendfreund Melchior von Aachen (Ocha), den Grabstein der Eltern und über das in Wolfenbüttel befindliche LutherJonas-Glas. — Ist diese Schrift speciell für die Feier in Nordhausen als der 1Geburtsstadt des Jonas bestimmt gewesen, so der hübsche Aufsatz von G e r m a n n 2 7 ) für die Erinnerung an Jonas letzte Aemter in Koburg und Eisfeld und seine Superintendentur über das Meininger Gebiet. Die hierher gehörigen Erinnerungen aus seinem Leben sind daher besonders hervorgehoben. — B a h l o w m ) hat einen 129 längeren Festartikel geschrieben; K a w e r a u ) einen solchen für die Leser der ChrW. (seine Autorschaft sei hier besonders festgestellt, da die ThLZ. [L8, S. 559] die Namenschiffre irrig als „Gustav Krüger" gedeutet hat). Hier sind besonders die Fortentwicklung Jonas aus einem Erasmianer zum Lutheraner, sein eigenartiger Anteil an der Reformationslitteratur als eines Hauptübersetzers der Schriften Luthers und Melanchthons aus dem Deutschen ins Lateinische und umgekehrt, sodann seine schwierige Position in der Zeit nach Luthers Tode und die unvermeidliche Erkaltung der freundschaftlichen Beziehungen zu Melanchthon hervorgehoben. — Der erste Band einer wissenschaftlichen Biographie über W e n z e s l a u s L i n c k , Luthers gleichaltrigen Ordensbruder und Freund, erschien aus Reindells 1 3 0 ) Feder. R. behandelt auf Grund tüchtiger Vorstudien zunächst die Zeit bis 1522, also bis zum Ende von Lincks Generalvikariat über die deutsche Augustinerkongregation und bis zu seinem Amtsantritt im Predigtamt zu Altenburg, dem dann 1523 die Eheschliessung und damit das definitive Ende seines Mönchslebens folgte. In einem Anhange (S. 223—89) werden bisher ungedruckte oder schwerer zugängliche Documenta Linckiana abgedruckt, andere in Regestenform mitgeteilt, sie geben von den umfänglichen Forschungen R.s Zeugnis. Einzelne Berichtigungen bringt die Anzeige von K a w e r a u , die den begabten und fleissigen Vf. aber auch wegen der hoffärtigen Kritik seiner Vorgänger Caselmann und Bendixen und wegen der unwürdigen Behandlung, die L. Enders zu teil wurde, zur Rede stellt. In letzterer Beziehung hat der Vf. hinterher (ThLZ. 18, S. 292) sich zu entschuldigen bemüht. — Am 26. Dec. 1891 feierte Gotha das 400 jährige Jubiläum des Reformators F r i e d r i c h M y c o n i u s , des ehemaligen Annaberger Franziskaners, — freilich wohl ein Jahr zu spät, da nach bekannter Weise, mit Weihnachten die neue Jahreszahl zu schreiben, der 26. Dec. 1491 nach unserer Art zu rechnen1 3 1das J. 1490 meint. Das Jubiläum veranlasste die populäre Schrift von O. M ü l l e r ) in Gotha und den gut geschriebenen Artikel von K r e y e n b o r g 1 3 2 ) . Die wissenschaftliche Erforschung der Lebensgeschichte dieser besonders liebenswürdigen und sympathischen Persönlichkeit unter den Reformatoren ist nicht weiter getördert worden. — Dankenswert ist die Biographie, die der Mathematiker C a n t o r m ) dem ehemaligen Augustiner, dann evangelischem Prediger, dem Apokalyptiker und verdienten Mathematiker M. S t i f e l gewidmet hat. Zwar folgt er für die Darstellung der Lebensgeschichte lediglich den Arbeiten von Strobel und Kawerau, bietet dafür aber wertvolle Belehrungen über die wunderliche Methode der apokalyptischen Rechnungen Stifels und über seine wirklichen Verdienste um die Mathematik. (Zu Stifels Flucht aus Esslingen 1523 s. Bosserts Notiz in BWKG. 8, S. 80.) — N. P a u l u s 1 3 4 ) hebt aus des U r b a n R h e g i u s „Enchiridion oder Handbüchlein eines christlichen Fürsten" 1537 den Abschnitt „Ob man die Leute zum Glauben zwingen kann" heraus, ebenso Abschnittte aus seinem Handbüchlein für die Söhne des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg 1540 und aus seinem Bedenken über die Wiedertäufer 1538. Aus ihnen erhellt unzweifelhaft, dass er lehrt: Zwar könne man niemand zum Glauben zwingen, aber doch zum Anhören der Predigt. Falscher Gottesdienst lasse sich abschaffen, falsche Lehre verbieten. Und die Pflicht hierzu liege dem Fürsten als eine Pflicht gegen die erste Tafel des Dekalogs ob. Er geht auch weiter und lehrt: Oeffentliche Ketzer sind mit dem Schwert zu strafen; denn Ketzerei ist ärger und schädlicher als Diebstahl, Ehebruch und Totschlag. F. X. von Funk würde zu solchen Expektorationen evangelischer Theologen sagen (s. o. N. 113): Sie stehen noch ganz auf dem Standpunkt des Mittelalters. Janssens Schüler sagt dagegen: „So wurde schon im Katechismus den jungen protestantischen Fürsten die Unduldsamkeit ans Herz gelegt" und jammert über den drückenden Despotismus, den die Reformation erzeugt habe. Die Sache ist doch nur die, dass im Mittelalter die katholische Kirche allein über die Fürstengewalt verfügt hatte, jetzt aber unter den mannigfaltigen kirchlichen Spaltungen die Mit3 Abbild. Nordhausen, Fr. Eberhardt. II, 64 S. II. 1,00. —127) W. O e r m a n n , Di. J. Jonas: HildburghausenerDorftg 0 . N. 23. — 128) F. B a h l o w , J, Jonas: KZ. 40, S. 534-40. — 129) G. K a w e r a u , J. Jonas. Z. 5. Juni 1893: ChrW. S. 648-52. 130 W. B e i n d e l l , Dr. W. Linck ans Colditz. 1483-1547. Nach gedr. n. nngedr. Quellen dargest. 1. T : Bis z. reformator. Thätigkeit in Altenburg. Mit Bild. n. e. Anh, enth. d. zugehörigen Documenta Linckiana 1486-1622. Marburg i. H., Ehrhardt. 1892. XIV, 2S9 S. M. 4,50. I[G. K a w e r a u : ThLZ. 18, S. 193/6 (dazu S. 292); B. B e n d i x e n : ThLBl. 14, S. 468; H. L 6 s o h h o r n : MHL. 21, S. 261/2.JI - 131) O. M a l l e r F. Myconius. ( = FFFGAY. N. 150.) Barmen, Klein. 1892. 12°. 62 S. M. 0,20. IfPKZ. 39, S. 437.JI - 132) G. K r e y e n b o r g , F. Myconius: Grenzb. 1892: 1, S. 114-27. (Vgl. JBL. 1892 I 10:23/5.) — 133) G. F. L. P h . C a n t o r , M. Stifel: ADB.36, S. 208-16.- 134) N. P a u l u s , Urban Rhegius Aber Glaubenszwang u. Ketzerstrafen:

I 6 :185-142

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

verschiedensten Parteien die Obrigkeit im Interesse dessen, was ihnen dort „katholische Wahrheit", hier „reine Lehre" war, in Aktion setzten. Jetzt bekamen auch die Katholiken unter Umständen die Zweischneidigkeit jener mittelalterlichen Theorie zu spüren. Instruierten denn etwa die von P. behandelten Pelargus oder K. Braun (s. o. N. 14, 18) die Fürsten anders als es hier Rhegius that? Recht gut hat über Rhegius in dieser Beziehung schon Uhlhorn in seiner Biographie (1861, S. 214 ff.) gehandelt. Auch ist es ein Trugschluss, wenn P. ausführt: „Im Namen der Gewissensfreiheit" sei doch Rhegius seiner Zeit gegen die Autorität der katholischen Kirche aufgetreten, hätte er nun nicht auch anderen dieselbe Freiheit zulassen müssen? Denn unsere moderne, durch viele Kämpfe errungene Anschauung von Gewissensfreiheit kennt bekanntlich kein katholischer und auch kein evangelischer Theologe der Reformationszeit. Das könnte und sollte P. wissen, — dazu hat er jetzt lange genug Reformationsgeschichte studiert. — Ka w erau l 3 5 ) veröffentlicht den Brief, den Andreas Osiander Ende April 1524 an die Strassburger schrieb (aus dem Thesaurus Baumianus), in dem er über die gottesdienstlichen Reformen in Nürnberg Bericht giebt. — Ueber Hermann Bonnus, einen Hauptrepräsentanten des Luthertums im niedersächsischen Sprachgebiet (Lübeck, Osnabrück) hatte S p i e g e l 1 3 6 ) schon 1864 ein Buch geschrieben. Jetzt hat er es in neuer Bearbeitung wieder ausgehen lassen. Unverkennbar ist es an vielen Punkten gegen die frühere, recht nachlässig und ungenügend vorbereitete Gestalt verbessert worden; wertvolle Bereicherungen sind hinzugekommen, aber man hätte doch nach 27 Jahren Zeit zur Nachreife etwas Abschliessendes und Vollständiges erwarten können. — Wie wenig das wirklich erreicht ist, haben dem Vf. die Recensionen gezeigt, die ihm Fehler und Uebersehenes mancherlei Art nachwiesen und auch den Umstand rügten, dass er den Recensenten seiner 1. Auflage, der ihm so vieles schätzbare Material nachgewiesen (Grote in der ZHistTh. 1866, S. 435 ff.), nicht einmal erwähnt hatte. Er hat darauf freilich geantwortet, dass er dies Material zumeist auf anderem Wege kennen gelernt habe; um so mehr hätte er dann den bösen Schein meiden sollen. Dankenswerte Zugaben hat die 2, Auflage erfahren: Des Bonnus Schreiben an den unordentlichen Rat 1534, den plattdeutschen Katechismus von 1539, eine plattdeutsche Predigt, das Testament des Bonnus und mehrere Korrespondenzen. Für anderes ist auf die Recensionen zu verweisen. — Noch gerade rechtzeitig, um von Spiegel noch benutzt werden zu können, erschien der in der Paulinischen Bibliothek zu Münster befindliche Bericht, den des Bonnus Bruder Gerlach über seinen Tod und sein Begräbnis aufgesetzt hatte, im Druck137). — Das „geistliche Lied", das einen Neudruck 138 zu erbaulichem Zweck erfuhr ), ist des Bonnus bekanntes Lied „0 wir armen Sünder."139) — Dem Reformator Rostocks, J o a c h i m Slüter, widmet Unruh 1 4 0 ) eine kleine populäre Arbeit, die an der Tradition festhält, dass er 1532 durch den Genuss vergifteten Weines gestorben sei, eine Annahme, der von anderer Seite entschieden widersprochen wird. Von der Wirksamkeit Slüters wird hier nur ein sehr ungenügendes Bild gegeben. — Buddes 1 4 1 ) sorgfältige kleine hymnologische Studie macht gegen Tschackerts Angaben über die Liederdichtung des P a u l Speratus einige Einwendungen. Lässt dieser (vgl. JBL. 1891 II 6 : 70; S. 13) das Lied „Es ist das Heil uns kommen her" schon im Gefängnis zu Olmütz gedichtet sein, so macht B. wahrscheinlich, dass es erst nach seinearAnkunft in Wittenberg (Herbst 1523) direkt auf Anregen Luthers verfasst wurde. Für andere Lieder aber (1527), die Tschackert gleich älteren Hymnologen Speratus beilegt, bezeugt B. aus dem bei Wackernagel vorliegenden Beweismaterial, dass vielmehr der Franke Kasp. Löner der Dichter gewesen ist. — Ein fast verschollenes schönes und, weil von Laienhand stammend, doppelt wertvolles evangelisches Bekenntnis hat Tschackert 1 4 2 ) durch einen Neudruck zu verdienter Beachtung gebracht: Die Aufforderung, die der Ordensritter F r i e d r i c h von H e i d e c k 1526 an den Deutsch-Ordensmeister W. von Plettenberg in Livland richtete, die Reformation einzuführen (vgl. Tschackerts Urkundenbuch zur Reformationsgeschichte Preussens 2, S. 148, N. 434 Und besonders 1, S. 186/9, wo bereits eine ausführliche Inhaltsangabe gedruckt ist). Nur ein einziges vollständiges Exemplar ist noch HPBll. 109, s. 817-80. (Vgl. JBL. 1892 II 1:59.) - 1 3 5 ) 0 . H ä v e r a u , Oslander an ¿.Strassburger ca. Ende April 1524:ZKG. 13, S. 390/2. — 136) B. S p i e g e l , H. Bönens, erster Superintendent y. Lübeck u. Reformator v. Osnabrück, nach seinem Leben und seinen Schriften dargest. Nebst .14 Anlagen u. 1 Bild. 2. umgearb. u. vervollat. Aufl. Göttingen, Vandenhoeck £ Buprecht 1892. VIII, 211 S. II. 4,00. |[G. B e s s e r t : ThLZ. 17, S. 261/2; 18, S. 171/2; G. K a w e r a u : DLZ. 1892, S. 522/3; DPB1. 26, S. 100/101 — 137) H. Bonnus Tod u. Begrfibnis: MVGOsnabrOck. 16, S. 256-64. — 13t) H. Bonnus, E. geistlich Lied v. Leiden Christi: AELKZ. 26, S. 287/8. — 139) Hans Sachs, Z. Beformationsfest: ib. S. 1079. (Neudruok.) — 1 4 0 I T h . U n r u h , Slüter aus Bostook. E. Reformationsbild aus Bostock. ( = FFFGAV. N. 162.) Barmen, Klein. 12°. 16 S. M. 0,10. - 141) K. B n d d e, P. Speratus als Liederdichter. 2 Bandbemerkungen zu Tschackert, P. Speratus y. Bötlen: ZPTh. 14, S. 1-16. —142) P. T s c h a c k e r t , F. Herr zu Eeideck, Christi. Ermahnung an. Hrn. Walther y. Plettenberg, d. deutschen Ordens-Heister in Livland. Königsberg 1526. Mit e. Einl. her. v. d. Altertumsges. Prussia. (Aus SBPrussia.) Königsberg i. Pr. (Beyer). 1892. 44 8. M. 1,00. (Vgl. JBL. 1892 II 5 b : 19.)

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

I I 6 : 143-160

bekannt, daher ist der Neudruck besonders dankenswert. Er interessiert aber auch um des Vf. willen, der hier noch völlig in den Gedanken der Reformation Luthers heimisch ist — bis hin zur Abhängigkeit von Luthers De servo arbitrio —: bald hernach sehen wir ihn Schwenkfeldianer werden und seinen bedeutenden Einfluss ganz in diesem Sinne aufbieten. — Auf die Persönlichkeit C h r i s t o p h H e g e n d o r f s , dem wir nach einander als Humanisten und Juristen in Leipzig, in Posen, dann an der Frankfurter Universität begegnen, darauf als Syndikus in Lüneburg, zeitweise auch in Rostock, wo er bereits eine theologische exegetische Vorlesung hält, schliesslich wieder in Lüneburg, aber jetzt als Stadtsuperintendenten (gest. 1540), hatte neuerdings Kawerau in seiner Schrift „Zwei älteste 1 Katechismen" (vgl. JBL. 1891 II 6 : 2 5 ; 7 : 3 2 ) aufmerksam gemacht. H e n s c h e l 4 3 ) ist den Spuren des interessanten vielseitigen Mannes und Schriftstellers144im Interesse der Reformationsgeschichte der Provinz Posen weiter nachgegangen; ) — Der biographische Artikel über G e o r g Maj or, den F r i t z 1 4 5 ) geschrieben hat, verrät keinerlei tiefer gehende und aus den Quellen geschöpfte Studien. — Ganz anders die Schrift, die über den bekannten Theologen, Liederdichter und streitbaren Polemiker E r a s m u s A l b e r u s jetzt S c h n o r r von C a r o l s f e l d 1 4 6 ) veröffentlicht hat. Jahrelange mühsame Forschungen nach archivalischem Material, die Herbeischaffung der verstreuten spärlichen Reste seines Briefwechsels, vorzügliche Akribie in der Feststellung des bibliographischen Apparates bilden die Unterlage. Den verschlungenen, mehrmals in Dunkel gehüllten Wanderungen des so oft Stellung und Wohnort wechselnden Mannes ist sorgsamst nachgespürt. Mit der äussersten Vorsicht ist Sicheres und nur Vermutetes geschieden. Dabei ist der Vf. dem kecken, kampfesfrohen Luthertum des Alberus, auch seinen Schärfen, mit geschichtlichem Sinn und mit Sympathie für den Mann gerecht geworden. Die Beilagen (von S. 159 an) bieten den Ertrag jener mühevollen Forschungen auf Archiven und Bibliotheken in einem musterhaft korrekten Abdruck dar. Wenn gleichwohl dem Leser diese Arbeit so grosser Mühe und so langen Studiums eine gewisse Enttäuschung bereitet, so ist daran der notizenhafte, chronikalische Charakter der Zusammenfügung schuld. Dieser erinnert etwas an den der Seidemannschen historischen Arbeiten: lauter wertvolle, gesicherte Einzelangaben, aber die Umsetzung des Geschichtsforschers in den aus den Einzelheiten ein künstlerisches Bild schaffenden Darsteller möchte man gern noch mehr spüren. — Letzterer Aufgabe wird in weit höherem Masse der Aufsatz von W. K a w e r a u 1 4 1 ) über Alberus Aufenthalt und litterarische Wirksamkeit in Magdeburg gerecht, der gleichzeitig, unabhängig von Schnorrs Buch, erschien. Zwar wird dieser frisch und anschaulich geschriebene Aufsatz in Einzelheiten durch Schnorrs tiefer dringende bibliographische Forschung berichtigt, aber er behält trotzdem seinen selbständigen Wert neben der grösseren Biographie. — Aus dem Archiv in Arolsen teilt N e b e l s i e c k 1 4 8 ) einen Brief mit, den V e i t D i e t r i c h in Nürnberg am 10. Jan. 1546 an den in Regensburg weilenden Joh. Brenz gei'ichtet hat. Es handelt sich um Melanchthons Erscheinen in Regensburg, auf das man noch rechnet, und um die Gesamtbeurteilung der politischen Lage. Der Brief scheint mir in dem Satze Est quidem apud nos etc. falsch gelesen zu sein, oder es fehlen einige Worte. — Wie sich Schnorr durch einzelne Aufsätze über. Alberus schon seit Jahren als mit einer Alberusbiographie beschäftigt ankündigte, so sendet L o e s c h e 1 4 9 ) seit 1886 einzelne Proben der von ihm vorbereiteten (inzwischen 1895 erschienenen) Mathesius-Biographie voraus. Diesmal betrifft es das Kapitel Mathesius als Dichter. Er ordnet und sichtet die deutschen wie die lateinischen Dichtungen des Joachimsthalers, weist die verschiedenen Drucke nach und giebt sein Urteil über den geringen Wert des auf diesem Gebiete von Mathesius Geleisteten unverhohlen ab. Dazu kommt noch eine Anzahl von Mathesius gefertigter Epitaphia. Eine Uebersicht über die Verse von zweifelhafter Echtheit oder von unzweifelhafter Unechtheit — Antilegomena und Notha schreibt der Wiener Kirchenhistoriker in Reminiscenz an Eusebianische Terminologie — bildet den Beschluss. Der Mühe und Sorgfalt, die hier aufgeboten sind, muss alle Anerkennung gezollt werden. — Im weiteren Sinne gehören auch hierher zwei andere Joachimsthal betreffende Veröffentlichungen Loesches 1 5 0 ). Zunächst Mitteilungen aus einer Pergamenths. in Joachimsthal: Cantica sacra Euangelia Dominicalia in prosarum formam redacta complectentia in usum — 143) A. H e n s o h e l , Chrph. Hegendorf: ZHGPosen. 7, S. 337-43. - 144) X Chrph. Hegendorfer: EKZ. 1892, S. Ml/5, 860/6. — 145) F r i t z , 0 . Major: WetzerWeltesKirchenlex. 8, 9. 532/7. — 146) F. S c h n o r r v. C a r o l s f e l d , E. Alberus. E. biograph. Beitr. z. Gesch. d. Reformationszeit. Dresden, Ehlerraann VIU, 232 S. M. 6,00. |[G. K a w e r a u : HZ 37, S. 492/5.]| — 147) W. K a w e r a u , £ Alberus in Magdeburg: GBllMagdeburg. 28, S. 1-62. - 148) H. N e b e l s i e c k , Veit Dietrioh an Joh. Brenz, 10. Jan. 1516: ZKG. 13, S. 392/3. - 149) fl. L o e s c h e , J. Mathesius als Diohter. E. Beitr. zu seiner Biogr. u. z. Hymnologie: ThStK. 66, S. 543-67. — 1 5 0 ) id., Z. Agende Y. Joaehimsthal in Böhmen. E. Beitr. z. Gesch. d. Liturgie: Siona 17,

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G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

Ecclesiae Vallensis conscripta A. D. 1558. Schreiber dieser liturgischen Sammlung ist Nik. Hermann, der Joachimsthaler Kantor und Liederdichter. Dieses für die Gestaltung des lutherischen Gottesdienstes im Anschluss an katholische Kultustraditionen höchst lehrreiche Dokument gewährt einen Einblick in die Thätigkeit, die dem Schulchore beim Gottesdienst zufiel, sowie in die hierbei noch verbleibende Vorherrschaft der lateinischen Sprache und lehrt uns zugleich Hermann als lateinischen Prosendichter kennen. — Eine andere Studie L o e s c h e s 1 5 1 ) stellt zusammen, was noch an Beständen der alten, von Mathesius begründeten Schulbibliothek Joachimsthals erhalten geblieben ist. Er ermittelt noch circa 200 Werke, die er übersichtlich geordnet zusammenstellt. — Der Vortrag über A n t o n i u s C o r v i n u s , den Reformator von KalenbergGöttingen, dem Ulhorn 1 5 2 ) wertvolle Anmerkungen (S. 31/8) beigefügt hat, behandelt im wesentlichen die Episode der Gefangennahme und Haft Corvins vom 2. Nov. 1549 bis Herbst 1552 und den Gegensatz des 1548 wieder katholisch gewordenen Herzogs Erich zu seiner im evangelischen Bekenntnis treuen Mutter Elisabeth — Die Biographie, die von Petersdorff 1 5 3 ) dem brandenburgischen Staatsmann Christoph von der S t r a s s e n (gest. 1560) gewidmet hat, zeigt uns einen charakteristischen Vertreter der Staats- und Kirchenpolitik Joachims II. Die Hausmachtpolitik fordert vor allem die Bewahrung der kaiserlichen Gunst; daher auch bei evangelischem Bekenntnis eine geflissentliche Katholikenfreundschaft. Als Geheimrat nimmt Strassen teil am Augsburger Interimsreichstag, ist 1551 in Trient, dann in Linz, Passau, Augsburg. Aus der Zeit seiner juristischen Professur in Frankfurt wird sein Konflikt mit dem Schotten Alex. Alesius (1542) ganz übergangen; Strobels Aufsatz darüber (Neue Beiträge II [1790] 2. Stück, S. 351 ff.) scheint P. unbekannt geblieben zu sein. Strassen war ja der „homo impius, qui non veritus est ex cathedra dictare studiosis: accessum ad publicas meretrices esse licitum" (S. 354). — Georg Müller' 5 4 ) behandelt die wechselnden Lebensschicksale und Gesinnungen des Theologen Johann S t ö s s e l . Geboren 1524 in Kitzingen, in Witttenberg 1549 Magister, wird er in Jena für das reine Luthertum in Flacianischer Prägung gewonnen. Er wird Superintendent in Heldburg, ist dann in Baden-Durlach bei der Reformation thätig; 1556 auf der Eisenacher Synode, 1557 beim Kolloquium in Worms als Abgesandter Johann Friedrichs des Mittleren, dann Professor in Jena: aber diese seine Professur, die er erhält, als die Flacianerpartei in Ungnade fällt, zeigt uns ein erstes bedeutsames Schwenken bei Stössel. Sein Entweichen aus Jena 1568 in die Superintendentur nach Mühlhausen bezeichnet einen neuen Sieg der Gnesiolutheraner bei Hofe. Derselbe Stössel steht aber bald darauf in Pirna als einflussreicher Führer der Kryptokalvinisten da, bis er 1574 eben um dieser Gesinnung willen in Ungnade fällt und als Gefangener auf der Festung Senftenberg 1576 sein Leben beschliesst. Eine genügende Erklärung für das Abschwenken Stössels in den Kalvinismus hinein hat M. nicht geben können. — Zu H. Rembes Briefwechsel des Cyriacus S p a n g e n b e r g (Dresden 1888) hat H e i n e c k 1 5 5 ) eine kleine Nachlese veröffentlicht. — Ueber den Sohn Andreas Oslanders, den am 15. Dec. 1534 geborenen, 17. Sept. 1604 verstorbenen L u k a s Osiander giebt Hochstetter 1 5 8 ) einen auf umfänglicher Lektüre beruhenden, gut unterrichteten, aber nicht besonders durchgearbeiteten und mehr notizenhaften Bericht. Dadurch, dass Herzog Albrecht von Preussen Osiander nach seines Vaters Tode (1552) in Tübingen studieren liess, kam er in den Dienst der württembergischen Kirche, der sein Geschlecht dann bis in die Gegenwart hinein viele Glieder geliefert hat. H. hebt besonders Oslanders Bedeutung als Prediger und sein Verdienst um den Kirchengesang hervor; sodann seine Mitarbeit am Konkordienwerk und am Gespräch zu Mömpelgard (1586), seinen Anteil am Streit mit S. Huber über die Gnadenwahl und an der Kontroverse mit dem streitbaren Katholizismus der immer bedrohlicher ihr Haupt erhebenden Gegenreformation. — Hertel 1 5 7 ), der rührige Specialforscher in der magdeburgischen Geschichte, veröffentlicht ein Lebensbild des ersten evanglischen Predigers am Magdeburger Dom S i e g f r i e d Sack. Geboren 1524 in Nordhausen, studiert Sack in Wittenberg unter Melanchthon, verwaltet ein Schulamt in Nebra, studiert dann weiter in Jena unter E. Schnepf, wird in Wittenberg Magister (15. Febr. 1554 Sigebertus Saccus Northusanus, vgl. Köstlin, Die Baccalaurei und Magistri 4. Heft, S. 14), worauf er unter Gottschalk (Abdias) Praetorius Konrektor der Mageburger Schule und NachmittagsS. 163-72, 183/7. — 151) id., D. Bibl. d. Lateinschule in Jonchimathul: MGESchG. 2, S. 208-46. (Vgl. JBL. 1892 I 3 : 1 0 3 ; 10:333; b. o. I 3:218.) — 152) G. U h l h o r n , A. Corvinus, e. Märtyrer d. e»ang.-luth. Bekenntnisses. ( = Sohriften d. Ter. für Beformationsgesch. Bd. 37.) Halle a. 9., M. Niemeyer. 1892. 38 S. M. 1,20. - 153) H. r. P e t e r s d o r f f , Chr. ?. der Strassen: ADB. 36, S. 506-10. — 154) G e o r g H ü l l e r , Job. Stössel: ib. S. 471/3. - 155) C. Spangenberg, 3 Briefe an DI. Andreas Fabrioius, Fastor zu St. Nicolai in Eisleben. Her. y. H. H e i n e c k , mit e. Vorw. v. H. G r 6 b s i e r . [Ans: Hansfelder Uli. S. 150/5.] Nordhansen, Heinecks Selbstverl. 6 S. M. 0,50. — 156) E. H o c h s t e t t e r , Lukas Osiander d. Aeltere: BWKG. 8, S. 37-40, 45/8, 53/5, 61/4, 68-72, 76/7. — 157) G. H e r t e l , D. Siegfried Sack, d. erste evang. Domprediger: MagdZgB.

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

II

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prediger wird; 1559 wird er Nachfolger des Praetorius als Schulrektor. Er tritt als Verteidiger des Rates der Stadt litterarisch auf, als Til. Hesshusen mit diesem wegen des Rechtes, den Bann auszusprechen, in schweren Streit gekommen war, worauf ihm Hesshusen mit bekannter Grobheit („Lügensack" !) diente. 1567 wird er der erste evangelische Domprediger und öffnet damit den seit 1547 geschlossenen Dom der evangelischen Predigt ; in dieser Stellung bleibt er bis zu seinem 1596 erfolgten Tode. Seine Schriften sind fast sämtlich Predigten, so sein grösstes Werk, die vierteilige grosse Evangelien-Postille (1595-98), und die dreiteilige Epistelpostille (1600 erschienen). Daneben viele Kasualreden, Hochzeitsansprachen und besonders die wegen der darin enthaltenen geschichtlichen Nachrichten für Magdeburgische Geschichte wertvollen Leichenpredigten. Aus seinen Predigten teilt H. sittengeschichtlich Interessantes in längeren Auszügen mit.158"159) — ' Mit einem wenig bekannten Theologen, Kirchenliederdichter und Schriftsteller aus den Kreisen des orthodoxen Luthertums, V e i t W o l f r u m (geb. 1564, gest. 1626, von 1593—1626 Superintendent von Zwickau), macht uns K l o t z 1 6 0 ) bekannt. Kulturgeschichtlich interessant sind die Schulwanderjahre Wolfrums, das Bild eines lutherischen Pfarrhauses, das sich hier zeigt; auch schaut man die hässlichen Nachwirkungen der Kämpfe wider den kursächsischen Kryptokalvinismus im Detail der Pastorengeschichte einer einzelnen Stadt. — Am Schlüsse dieser Revue über Arbeiten, die sich mit dem Gebiete der lutherischen Reformation beschäftigen, sei die fleissige Studie über das Superintendentenamt von Nobbe 1 6 1 ) genannt. Sie behandelt auf Grund der Kirchenordnungen des 16. Jh. die rechtliehe Stelllung der Superintendenten zur Gemeinde, zu den Geistlichen, zu den kirchlichen und weltlichen Behörden. — Wir treten in das Gebiet des o b e r d e u t s c h e n , s c h w e i z e r i s c h e n P r o testantismus des 16. Jh. und des K a l v i n i s m u s ein. Die Festschriften, welche die 400jährige Geburtstagsfeier M a r t i n Butzers hervorrief, gehören noch dem J. 1891 an; aber ihre Besprechung fiel ins nächste Jahr; um letzterer willen sei daher auf sie auch an dieser Stelle verwiesen162-164). — Ein schätzenswerter Beitrag zur Geschichte der Reformation in Oberdeutschland und der Schweiz liegt in einer Dissertation über Jakob Otter von Sussann 1 6 5 ) vor. Dieser, geboren um 1490 zu Lauterburg im Elsass, ist Schüler Wimphelings, begeisterter Hörer, später auch Herausgeber der Predigten Geilers von Kaisersberg. Er studiert in Heidelberg seit 1505, habilitiert sich in Freiburg, wo er auch die theologischen Promotionen absolviert; er steht in freundschaftlichem Verkehr mit U. Zasius wie mit dem ganzen oberrheinischen Humanistenkreise. Früh (sicher seit 1520) erscheint er aber auch unter den begierigen Lesern der Schriften Luthers ; er ist nicht mehr an der Universität, sondern seit 1518 Landpfarrer in Wolfenweiler im Gebiet des Markgrafen Ernst von Baden. Hier predigt er bereits unter steigendem Beifall des Volkes. 1522, als er nach Kenzingen berufen ist, geht er vom Predigen zum Reformieren über, aber der Konstanzer Bischof zieht ihn zur Verantwortung; der Rat nimmt sich warm seines Predigers an und weist die Citation zurück. Aber Erzherzog Ferdinands Erscheinen im Breisgau verschärft die Situation und nötigt ihn zu weichen (1524), um die Stadt vor völligem Verderben zu bewahren. Mit 150 evangelischen Bürgern flüchtet er nach Strassburg. Er findet 1525 neue Thätigkeit in Neckar-Steinach bei dem Ritter Hans Landschad — aber auch von hier vertreibt ihn Ferdinand 1527; Strassburg herbergt ihn abermals, zwei Jahre später begegnen wir ihm in der Schweiz: in Solothurn, dann in Bern und in Aarau. Die Reaktion, die der Unglücksschlacht von Kappel folgte, verjagt ihn aufs neue. Nun öffnet sich ihm die Reichsstadt Esslingen, in der erst 1531 die Reformation zum Siege gelangte. Hier wirkt er fortan als oberster Geistlicher und als einer der Führer der oberdeutschen Richtung, als einer der Abgesandten zur Wittenberger Konkordie, als 1892, S. 17, 25/7, 33/5, 41/4, 63/5. — 1581 O W. H o r t u n g , Dr. Joh. Pappus v. Lindau. 1549-1810 Mansterp rediger, Univ.Prof. n. Präsid. d. Kirchenkonrenta zu Strassburg, aas anbenutzten Urkk. n. Mss. Strassburg i. E., Heitz. 1891. VII, 323 S. Mit Bild. U . 6,00. ][ThLB. 13, S. 164/5.JI — 159) O id.. Mag. Elias Sohad&us, Pfarrer an d. Alt-St.-Peterkirche, Prof. d. Theol. n. H&nsterprediger zu Strassburg. Beitr. z. Gesch. d. Inth. Jadenmission in Strassburg aas anbenutzten Urkk. ( = Sohriften d. Institutam Judaicum N. 31.) L „ Akad. Buohh. 25 S. II. 0,40. — 160) H. K l o t z , D. V. Wolfram, Superintendent zu Zwickau 1593-1626. E. Studie z. Büchs. Kirchengesch. Zwickau, Zickler. 1892. IV, 84 S. M. 1,00. |[G. K a w e r a u : ThLZ. 19, S. 115/6.]| — 161) H. N o b b e , D. Superintendentenamt, seine Stellung u. Aufgabe nach d. evaog. Kirchenordnungen d. 16. Jh.: ZKG. 14, 9. 414-29, 556-72. — 162) X Z. 400 j. Geburtsfeier Butzers. M. Bntzers an e. christlich Bat ynd Gemeyne d. Bat Weissenburg Summary seiner Predig daselbst gethon. Bibliograph. Zusammenstellung d. gedr. Schriften Bntzers y. F. M e n t z . Ueber d. hs. Nachlass u. die gedr. Briefe Bntzers. Verzeichnis d. Litt. Aber Butzer T. A. E r i c h s o n . Strassburg i. E., Heitz. 1891. VI, 181 S. Mit Bild. M. 6,00. |(ThLBl. 13, S, 309-10; G. B o s s e r t : ThLZ. 17, S. 258-60; G. K a w e r a u : ZKG. 13, S. 568.]| (Vgl. JBL. 1891 II 7:70.) — 163) A. E r i c h s o n , M. Butzer, d. els&ssiscke Beformator zu dessen 400j. GebnrtBfeier d. els&ss. Protestanten gewidmet. 1.-3. Aufl. ebda. 1891. 76 S. M. 0,40. |[ThLBl. 13, S. 809; GB o s s e r t : ThLZ. 17, S 259-60.] (Vgl. JBL. 1891 I I 7 : 75.) — 164) E. S t e r n , M. Butzer. E. Lebensbild aus d. Gesch. d. Strassb. Reformation. GedäehtnisJ>ll. z. 400j. Jabelfeier seines Geburtstages. Strassburg i. E„ Strassb. Druckerei. 1891. 87 S. Mit Bild. M. 0,50. |[ThLBl 13, S. 309.]| (Vgl. JBL. 1892 II 7 : 76.) — 165) H. S u s s a u n , Jak. Otter. E. Beitr. z. Gesch. d. Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. IV. (2)9

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G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

Volks- und Erbauungsschriftsteller (Katechismus und Betbüchlein), bis ihn des Kaisers Interim noch einmal in die Verbannung trieb. Kaum wieder heimgekehrt, verstarb er 1552. S.s Darstellung baut sich vor allein auf Archivalien und den teilweise noch ungedruckten Briefwechsel Otters auf. Aus der gedruckten Litteratur ist ihm Einzelnes entgangen, z. B. Strassburgs politische Korrespondenz II, S. 221; der Brief Luthers, den er (S. 63) für ungedruckt hält, steht schon in Ditzinger, Esslingisches Denk- und Dank-Mahl (1718; S. 142). Ungenügend ist wohl seine Beweisführung dafür, dass Otter auch Karthäuser gewesen sei. Denn dass er den Karthäuserprior G. Eeisch in einem Briefe tituliert suo majori ac domino, beweist gar nichts. So schreibt ja auch Eck an Luther (Enders 1, S. 428), Luther an Karlstadt (ib. S. 402) und an Egranus (ib. S. 407); das ist reine Höflichkeitstitulatur. Eher spricht dafür, dass er die Kollegien hören muss ratione statuti domus Carthusiani; aber zwingend ist auch dieser Beweis meines Wissens nicht. — Für Z w i n g l i verdient E g l i s 1 6 6 ) Schrift Beachtung, die, anknüpfend an seine ältere Studie über die Schlacht von Kappel (Zürich 1873), vor allem der verbreiteten Anschauung entgegentritt, als wenn Zwingiis Einfluss in Zürich bereits im Sommer 1531 zusammengebrochen wäre, und sie der Uebertreibung der wirklichen Sachlage beschuldigt: wohl zeigten sich Schwierigkeiten, aber seiner Energie gelang es auch, sie zu überwinden. Nicht als gefallene Grösse, sondern als der seinem Volke ins Gewissen redende zürnende Prophet stehe er damals da; er erreicht — allerdings mit äusserster Kraftanstrengung — seinen Zweck und bleibt politisch thätig bis ans Ende. 167In1 einer „Nachlese" bespricht E. die seit 1873 über Kappel neu publizierten Quellen. ' ®8) — Der Aufsatz von B u r c k h a r d t - B i e d e r m a n n , 8 9 " 1 1 0 ) über Oekolampad macht u. a. darauf aufmerksam, dass die traditionelle Beurteilung des Baseler Reformators als eines „melanchthonisch"- milden Charakters erheblicher Berichtigung bedarf. Sein grösseres Werk über B o n i f a c i u s A m e r b a c h führt in den Baseler Humanistenkreis und dessen Verbindung mit der schweizerischen Reformationsbewegung hinein: besonders interessant ist es zu sehen, wie wenig Amerbach sich von dem Wege befriedigt fühlt, den man dort in der Abendmahlsfrage einschlägt. Es ist bisher kaum beachtet worden, dass der nüchtern-rationale Zug derselben in ihrer nächsten Umgebung auch auf entschiedene Abneigung gestossen ist, ja als ein Hindernis für die Ausbreitung der Reformation betrachtet werden konnte. — Von dem 1877 durch B. Riggenbach veröffentlichten Chronikon des P e l l i k a n , das nicht allein für die persönliche Geschichte des Vf., sondern auch für die Kenntnis der Baseler und Züricher Humanisten- und Theologenkreise, besonders auch für die Geschichte des Franziskanerordens in den Jahren der reformatorischen Volksbewegung reiche Ausbeute gewährt, hat Vulpinus 1 7 1 ) (Renaud) eine deutsche Uebersetzung mit Erläuterungen veranstaltet. Erstere ist gut, letztere zeigen doch nur eine dilettantenhafte Beschäftigung mit der Reformationslitteratur. — Die drei Briefe S e b a s t i a n M ü n s t e r s , die P u l v e r m a c h e r l72 ) herausgegeben hat, zeigen u. a. den engen Gesichtskreis des Hebraisten, der nicht will, dass eine lateinische Uebersetzung des Koran herausgegeben werde. — Dass von seiner Monographie (1875) über Ochino von Siena, den Kapuzinergeneral und späteren Prediger und Schriftsteller der italienischen evangelischen Flüchtlingsgemeinden, Benrath 1 7 3 ) jetzt eine zweite, überall sorgfältig nachbessernde und vervollständigende Ausgabe hat ausgehen lassen, darf bei der Beziehung seiner schriftstellerischen Arbeit zu der deutschen Reformationslitteratur (z. B. in der Frage wegen der Polygamie) nicht übergangen werden. — Noch mehr gehört hierher die schöne Erstlingsarbeit von Hubert 1 1 4 ) über die publizistische, die Waffen gegen Rom kehrende Thätigkeit des ehemaligen Bischofs von Capo d'Istria, V e r g e r i o , da diese sich wesentlich auf deutschem Boden vollzogen hat. Die Unterlage für die zu den früheren Arbeiten über Vergerio gar manche Berichtigung hierzu bringende, durchweg sorgfältige und lehrreiche Studie bietet eine gegen frühere Forschungen vielfach bereicherte, exakte Biographie. Besondere Beachtung verdient der einleitende Abschnitt über Reformation. Dias. Karlsruhe, J. Lang. VI, 70 S. U. 0,75. |[MHL. 22, S. 51/3.]| — 166) E. E g l i , Zwinglis Tod nach seiner Bedeutung für Kirche u. Vaterland. Vöries. Nebit e. Anh.: Nachlese •/.. d. Schrift: „D. Schlacht r. Kappel" (Zürich 1873). Zürich, Leemann. 56 S. M. 1,50. — 167) X S t r i c k l e r , Zwinglis Gutachten über e. Bündnis mit Konstanz, Landau u. Strassburg. Sommer 1527.: AnzSchwG. S. 507-10. — 168) X A v - S a l i s , E. geistlich Spiel auf Zwinglis Todestag. [Festspiel.] (11. Okt.): SchwBa. 3', S. 100. — 169) Th. B u r c k h a r d t - B i e d e r m a n n , Ueber Oekolampads Person u. Wirksamkeit: ThZSchw. S. 27-40, 81-92. - 170) O id., Bonif. Amerbach u. d. Reformation. Basel, Reioh. VIII, 407 S. Mit Bild. M. 6,40. |[G. B o s s e r t : ThLBl. 14, S. 573/4.]| — 171) K. Pellikan r. Rnfaoh, Hauschronik. E. Lebensbild aus d. Reformationszeit. Dtsch. y. Th. V u l p i n u s . Strassburg i. E., Heitz. VIII, 168 S. M. 3,50. [[Aug. W e r n e r : PKZ. 40, S. 373/4 ; 0. K a w e r a u : ThLZ. 19, S. 83/4.] | (Vgl. II 1:170; 3: 71.) - 172) D. P u l v e r m a o h e r , 3 Briefe Seb. Münsters: ThStK. S. 797-804. — 173) K.Benr a t h , B. Ochino T. Siena. E. Beitr. z. Gesch. d. Reformation. Mit Orig.-Dok., Portr. u. Schriftprobe. 2. vorb. Aufl. Braunschweig, Sohwetschke. 1892. XII, 323 S. M. 7,00. |[G. B o s s e r t , ThLZ. 18, S. 211/3; G. K a w e r a u : HZ. 34, 9. 540; G. L o e s o h e : DLZ. S.548/9; C. F. A r n o 1 d: ThLB. 14, S. 124/6.]| - 174) F. H u b e r t , Vergericspublizist.Th&tigkeit,nebst e.biograph. Uebersicht.

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

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ks-iso

die Beweggründe für Vergerios Uebertritt zur evangelischen Kirche. H. betont, dass die Berührung mit Spiera ausschlaggebend gewesen ist. Weil er nicht widerrufen wollte, musste er übertreten. Mit Erfolg wendet sich H. hier gegen Th. Schott, der verletzten Ehrgeiz als stark mitwirkendes Motiv gelten liess, indem er entgegenhält: dem Ehrgeizigen wäre es leichter geworden, dem Papst Widerruf zu leisten und damit Ehren und Würden sich zu erhalten als auf alle Ehren des bischöflichen Amtes zu verzichten, nur um der Demütigung eines Widerrufs zu entrinnen. — Die neue gelehrte Arbeit über den H e i d e l b e r g e r K a t e c h i s m u s von G o o s s e n 1 1 5 ) knüpft an sein Werk von 1890 an; es behandelt die litterarische Polemik, die sich in den seiner Entstehung nächstfolgenden Jahren wider und für den neuen Katechismus erhob und ebenso uin das (von Th. Erast verfasste) „Büchlein vom Brodbrechen", das Doedes jüngst durch einen Neudruck wieder zugänglich gemacht hat. G. beobachtet den Einfluss holländischer, nach der Pfalz geflüchteter Gemeinden bei der Entstehung des Katechismus und sucht eine Gruppe nachzuweisen, die im Sinne einer mittleren Position zwischen Kalvin und Luther wirksam war, deren Spuren von der Schweiz bis Holland reichen. — Der u n g a r i s c h e Kirchenhistoriker S z l ä v i k 1 1 6 ) berichtet in Kürze über die Schola hungarica an der Wittenberger Universität: 442 Ungarn erscheinen von 1522—60 als Studenten in Wittenberg, fast alle Reformatoren des ungarischen Landes haben hier studiert, seit 1546 organisieren sie sich an der Universität als eine nationale Körperschaft, deren Statuten 1555 bestätigt werden, mit Unterstützungskasse und eigener Bibliothek. Ein daran anschliessender zweiter Artikel behandelt Leonhard Stockei aus Bartfeld in Ober-Ungam, der 1530—31 in Wittenberg studierte und sich fest an Melanchthon anschloss, auf dessen Empfehlung er Beschäftigung als Hofmeister in Wittenberg selbst fand. (Die Nachricht, dass er auch einige Zeit in Eisleben thätig gewesen sei, halte ich nicht für so unglaubwürdig, wie Sz. thut; er braucht ja nicht gerade Rektor des Gymnasiums gewesen zu sein. Vgl. Kordes, Agricolas Schriften S. 188.) 1539 kehrte er in die Heimat zurück, organisierte die Bartfelder Schule nach dem Vorbild der Melanchthonschen Schulordnungen, entwarf auch 1546 die noch heute in Ungarn gültige Confessio pentapolitana. 1556 aus seinem Amt durch persönliche Gegner verdrängt, wurde er bald ehrenvoll zurückgerufen; er starb 1560. Er repräsentiert noch den Wittenberger Zweig der ungarischen Reformation, aber in Anlehnung mehr an Melanchthon als an Luther. — Wenden wir uns zu den Personen und Kreisen der Reformationszeit, die als S c h w ä r m e r , S e p a r a t i s t e n und W i e d e r t ä u f e r von den Hauptströmen der kirchlichen Bewegung sich1 7 1lösten und Sonderwege einschlugen. Zur Biographie Carlstadts liefert Schäfer ) einen Beitrag, indem er gegen Kolde (ZKG. 8, S. 283ff.) nachweist, dass dieser die Nachrichten über Carlstadts kurzen Aufenthalt in Dänemark 1521 hyperkritisch für unzuverlässig erklärt, dass vielmehr aus dem Verhör, das Spalatin am 24. Juni 1521 mit ihm anstellen musste, seine Anwesenheit dort wie sein dabei dem König gegebenes Versprechen, auf ein volles Jahr abermals zu ihm zu kommen, hervorgeht, der dänische Chronist Svaning also gerechtfertigt bleibt mit seinem Bericht über Carlstadts Erscheinen in Kopenhagen. — Tschackert 1 7 8 ) hat einen biographischen Artikel über den Zwickauer Propheten Nik. Storch geschrieben. Es macht grosse Mühen, über einen Mann dieser Art die Materialien aus der Reforformationslitteratur zusammenzutragen. Auf manches Uebersehene hätte wohl mein Artikel (in ThLZ. 5, S. 558—61; vgl. auch ThLBl. 1881, S. 36) aufmerksam machen können. Namentlich ist es ein Mangel, dass der Vf. die älteste biographische Schrift über Storch von dem Flacianer Markus Wagner nur in dem unvollständigen Auszuge kennt, den Tentzel 1694 daraus gegeben hatte. — Ueber die Schlacht von Frankenhausen und das Ende des Thomas Münzer handelt Lenz 1 1 9 ) in vortrefflicher Kritik der Quellen, auf Grund deren sich doch ein viel bestimmteres Bild von den Vorgängen gewinnen lässt, als das skeptische Urteil G. Droysens (in ZPrGL. 1873) angenommen hatte. Interessant ist auch, dass L. die Tradition kritisch beleuchtet, die Melanchthon als den Vf. der „Histori Thoma Müntzers" bezeichnet, die 1525 in Hagenau erschien, dann in Luthers Werken (zuletzt Walch XVI) — dagegen nicht im CR. — abgedruckt wurde. Wird sie vielleicht nur darum Melanchthon beigelegt, weil die Jenenser Ausgabe II (1569), 402 ihr die Randbemerkung beigefügt hat: diese Historie hätte eigentlich gleich hinter Melanchthons Schrift wider die Artikel der1 8 0Bauernschaft ihren Platz finden sollen? — Ueber Jakob Strauss bringt uns Bossert ) in einem sorgsam gearbeiteten GSttingen, Vandenhoeck$ Ruprecht. XV, 323 S. M.6,00. (Vgl.II 7:2a.) —175) M. A . G o o s a e n , De Heidelbergeche Catechismus en het bockje van de Broking des Broods in het jaar 1563-64 bestreden en verdedigd. Leiden, E. J. Brill. X, 424 S. Fl. 3,90. |[0. K o h l s c h m i d t : ThStK. S. 3; i d . : PKZ. 40, S. 371/3; J. J . P r i n s : ThT. N. 3 ; J. J. n a T o o r e n e n b e r g e n : ThSt. 11, R.259/74; LCB1. S. 1457/8.]' — 176) S z l i v i k , Z. ung. Refonnationsgesch I. D. Schola Rnngarica zu Wittenberg. II. Leonh. StSokel: ZKG. 14, S. 2' 2-13. — 177) D. S c h ä f e r , Carlstadt in Dinemark: ih. 13, S. 311/8. — 178) P. T e o h a c k e r t , Nik. Storch: ADB. 36, S. 442/5. — 179) M. L e n z , Z. Schlacht bei Frankenhaasen: HZ. 69, S. 193-208. — 180) G. B o s s e r t , Jak.

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II 6:181-185

G . K a w e r a u , Luther und die Reformation.

Aufsatz eine Ueberarbeitung seines (für die theologische Realencyklopädie [1884] gelieferten) Lebensbildes. Geboren in Basel zwischen 1480—85, als Schulmeister seit 1506 in Strassburg (auch in Wertheim?) und Horb thätig, dann als Theologe an der Freiburger Universität, wo er den Doktorgrad erwirbt, dann (vor 1521) Stiftsprediger in Berchtesgaden, darauf in Schwaz, bald darauf stürmischer Reformprediger in Hall am Inn. Aber hier muss er vor drohender Gefahr weichen; er begiebt sich nach Wittenberg, wo er mit dem benachbarten Kemberger Propst Bernhardi und mit Carlstadt Freundschaft schliesst. Ende 1522 erhält er Anstellung in Eisenach und gewinnt sich das Vertrauen des Herzogs Johann. Hier beginnt Strauss mit seiner eigenartigen socialen Predigt: Wiederherstellung des mosaischen Rechtes, Verbot des Zinsnehmens. Bei den Bauern bisher in hohem Ansehen, verdirbt er es doch im Bauernkriege mit beiden Parteien, den Bauern und den Fürsten. Vom Amte getrieben, sucht er vergeblich Anschluss an Brenz. Als Stiftsprediger in Baden-Baden mischt er sich in unklarem Eifer in den Abendmahlsstreit, wobei er von Zwingli grob abgewiesen wird. Sein weiterer Lebensgang hüllt sich in Dunkel; doch hält B. für nicht unmöglich, dass der Mann lebhafter Impulse aber mangelnder Klarheit schliesslich als Katholik gestorben wäre. — Höchst schätzenswert ist es, dass Loserth 1 8 1 ), der verdiente Hus-Wiclif-Forscher, jetzt unter Benutzung des Nachlasses des Ritters von Beck der Geschichte der mährischen Täufergemeinden seine Forschung zugewendet hat. Der Aufsatz „Die Stadt Waldshut und die vorderöstereichische Regierung 1523—26" (im AÖG. 77, S. 1 ff.) war vorangegangen, sowie eine Studie über den Anabaptismus in Tirol von seinen Anfängen bis zum Tode Jakob Huters (1526^36; ib. 78, S. 427 ff.). Darauf folgte die Schrift über Balth. Hubmaier, einen der bedeutendsten und anziehendsten unter den Führern der Täufergemeinden. Gebürtig aus Friedberg, Schüler und Schützling Ecks in Freiburg, Pfarrer und Professor in Ingolstadt, Dompfarrer in Regensburg, war er als guter Katholik noch 1521 in Waldshut Pfarrer geworden. Im Sommer 1522 beginnt er Luthers Schriften zu lesen, geht nach Basel zu Besuch, nimmt dann mit Eifer das Studium der Paulinischen Briefe auf, folgt Advent 1522 einem zweiten Rufe nach Regensburg als Prediger an der Kapelle der schönen Maria, wo er jetzt im evangelischen Sinne predigt. Aber schon 1523 kehrt er freiwillig in die Waldshuter Pfarre zurück und tritt nun in lebhaften Verkehr mit den Schweizer Reformatoren, nimmt auch am zweiten Züricher Religionsgespräch teil (Okt. 1523). Aber auf den Einfluss Zwingiis folgt der des Th. Münzer und die Verbindung mit den Züricher Stürmern; er nahm das Bundeszeichen der Wiedertaufe an und trug damit die Spaltung in die Waldshuter Gemeinde; er musste fliehen, die katholische Reaktion siegte. Aber auch in Zürich stellt man sich gegen den Wiedertäufer feindlich. Ein erster Widerruf, den man dem Gefangenen ^abnötigt, genügt nicht; erst nach erneuertem Widerruf (S. 120/1) erlangt er seine Freiheit wieder (Ostern 1526). Er zieht nun in die Ferne, über Augsburg nach Nikolsburg in Mähren; persönlich und litterarisch betreibt er, immer überzeugungsvoll und doch ruhig und ohne Extravaganz, die Propaganda der Täufergemeinde. Ihm danken wir die Beschreibung ihrer Tauf- und Abendmahlsliturgie (S. 155/6). Von Ferdinand gefangen gesetzt, muss er in mehrtägiger Disputation seinem ehemaligen Mitschüler 182 Joh. Fabri gegenüberstehen; standhaft erleidet er darauf denKetzertod in Wien 1528. ) — N i c o l a d o n i s 1 8 3 ) umfängliche quellenmässige Arbeit über J. Bünderlin ist dem Berichterstatter leider nicht zugänglich. — Ueber Seb. Franck liegen zwei neue Arbeiten vor. Die Dissertation von T a u s c h 1 8 4 ) behandelt die Einflüsse, die der geistig bewegliche und aufgeschlossene Geist Francks von den verschiedenartigsten seiner Zeitgenossen in sich aufgenommen hat: humanistische, mystische, reformatorische. — Einen bedeutsamen Beitrag zum Verständnis der Gedankenwelt Francks bietet H e g l e r s 1 8 5 ) Schrift. Es ist geistvoll, dass hier bei den Begriffen Geist und Schrift eingesetzt wird, um die Gedanken Francks zu analysieren; es gelingt dem Vf. von diesem Ausgangspunkt aus, nicht nur Francks Gedanken bis in ihre entlegensten Verzweigungen hin zu verfolgen, sondern auch ihre Kraft und ihr (wenigstens relatives) Recht, wie auch ihre Schranken und Mängel zur Darstellung zu bringen. „Die Nähe Luthers wirkt drückend, wenn man Francks Bild betrachtet. Aber dass man unwillkürlich ihn mit Luther selbst vergleichen muss, nicht mit den kleineren Geistern, auch das ist

Strauss: ADB. 38, S. 635/8. — 181) J. L o s e r t h , Dr. Balth. Hubmaier u. d. Anfänge d. Wiedertaufe in Mähren. Ans gleichsten Quellen u. mit Benutzung d. wissen seh. Nachlasses d. Hofrat Dr. J. Bitter T. Beck. Her. y. d. hist.-statist. Sektion 1. k. k. Oes. z. Beorderung d. Landwirtschaft, d. Natur- u. Landeskunde. Brünn, Winiker. VIII, 217 S. Mit 1 Liohtdr. U. 2,40. — 182) X Ph. K i e f e r n d o r f , D. Prophetenübers. v. Ludir. Hätzer u. Hans Denek in neuer Beurteilung: MennonitBll. 60/1. — 183) A. N i c o l a d o n i , Joh. Bünderlin v. Linz u. d. oberSsterreich. Tiufergemeinden in d. J. 1325-31. B., Gaertner. VIII, 311 S. U. 8,00. — 184) E. T a u s o h , Seb. Franck v. Donauwörth u. seine Lehrer. Diss. B., Mayer u. Maller. 55 S. M. 1,00.-185) A. H e g l e r , Geist u. Schrift hei Seb. Franok. E. Studie z. Gesch. d. Spiritualismus in d. Reformationszeit. Freibnrg i. B„ Mohr. 1892. XU, 291 S. M. 5,00. |[G. L o e s o h e : DLZ. S. 3/4; J. t r e r a o h : CRThPhL. 3, S.48-54; E.

G. K a w e r a u , Luther und die Reformation.

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ein Ruhm." Besonders sei auch auf die Abschnitte hingewiesen, die Francks Entwicklungsgang aus dem lutherischen Pfarramt zum einsamen Spiritualisten trefflich behandeln. — Die kleine Festschrift zu Menno Simons 400jähriger Geburtstagsfeier (6. Nov. 1892) von M a n n h a r d t 1 8 6 ) enthält eine Darstellung der ältesten Gemeinden der Täufer vor Menno Simons Wirksamkeit ('S. 1—25); darauf ein kurzes Lebensund Charakterbild dieses Reorganisators der Taufgesinnten (S. 26—47) und endlich eine Betrachtung über den Geist, in welchem die heutigen „Mennoniten" diesen Mann feiern: nicht als Stifter, aber als den Mann, der in schwerer Zeit viele Gemeinden vom Untergange gerettet hatte; ferner als den Verteidiger ihrer Grundsätze mit Wort und Schrift und als den Mann vorbildlichen Wandels in den Grundsätzen, die er lehrte. (Bei dieser Gelegenheit ist auch eine ältere Schrift Mannhardts wieder in Erinnerung gekommen, seine „Stimmen aus der Reformationszeit" Danzig 1861, in denen er reichhaltige Auszüge aus Simons Schriften [S. 1—68] wiedergegeben hat.) Kieferndorf 1 8 6 -») druckt die Schrift neu ab: „Prozess, wie es soll gehalten werden mit den Wiedertäufern, durch etliche Gelehrte, so zu Worms versammelt gewesen, gestellet. Worms 1557", unterzeichnet von Melanchthon, Brenz, Marbach usw. — Schliesslich werfen wir noch einen Blick auf v e r s c h i e d e n e Schriften, die einzelne G e b i e t e der l i t t e r a r i s c h e n , k ü n s t l e r i s c h e n und k u l t u r e l l e n Wirksamkeit im Reformationszeitalter behandeln. Die Erbauungsliteratur der evangelischen Kirche Deutschlands im 16. Jh. hatte Beck 1 8 7 ) bereits 188B ausführlich behandelt. Sein neues Werk bietet in grösserem Zusammenhange das dort Geleistete in gedrängterer Darstellung. — Hans 188 ) bespricht folgende Augsburger Katechismen: 1. Catechismus, das ist ein anfengklicher Bericht der Christi. Religion von den Dienern des Evangeliums zu Augsburg... verfasset (o. J., Anfang der 30er Jahre des 16. Jh.). 2. Catechismus christianae religionis institutionem paucis complectens. Per Wolfg. Musculum 1545. 3. Der Catechismus. Mit viel schönen Sprüchen . . . Casp. Huberinus (1543). 4. Catechismus. Eine kurtzechristliche leer. Durch Joh. Meckhart (1554,1557—1603). Diese Katechismen werden nach Form und Inhalt charakterisiert. Ein Nachtrag behandelt noch: 5. Precepta ac doctrinae Domini nostri Jesu Christi 1530. 6. Catechismus von etlichen Hauptartickeln des Christlichen glaubens. Casp. Schwenckfeld. Augsb. 1531. (Die Frage, ob dieser von Schwenckfeld selbst verfasst oder nur von einem seiner Anhänger zusammengestellt wurde, bringt H. nicht zum Austrage, neigt aber [gegen Zezschwitz] ersterer Annahme zu.) 7. Der kleine Catechismus. Casp. Huberinus 1544 (Auszug ausN. 3). — Alb. Fischer 1 8 9 ), der verdiente Hymnologe, hat mit seinemUeberblick über die kirchliche Dichtung doch der Kritik Anlass zu mancherlei Einrede geboten: es fehlt an scharfer Unterscheidung zwischen der Species kirchliche Dichtung und dem Genus religiöse Dichtung; aber auch seine Quellen- und Litteraturangaben bieten gerade für das 16. Jh. manches Ungenaue oder geradezu Fehlerhafte (vgl. die Recension von A c h e l i s ) . — Wolfrums 1 9 0 ) Arbeit wird als ein nützliches Nachschlagebuch gelobt; doch wird die Ausstellung gemacht, dass es zu viel Geschichtliches, aber zu wenig Verarbeitung des geschichtlichen Stoffes enthalte. — W. K a w e r a u 1 9 1 ) sucht zu zeigen, in welchem Umfange die sittlichen Ideale der Reformation sich in der Ehelitteratur des 16. Jh. wiederspiegeln: der mittelalterlichen Geringschätzung der Ehe tritt eine neue Würdigung derselben gegenüber, aber der Umschwung in der sittlichen Aufassung vollzieht sich nur langsam, denn die „grobianische" Unterströmung bildet ein Hemmnis. Dass dieser Grobianismus nicht erst ein Produkt der Reformation ist, sondern bereits vor ihr in voller Blüte steht, wird gegen Janssens Behandlung zur Geltung gebracht. Es wird zunächst der litterarische Kampf gegen den Cölibat, dann die grobianische Litteratur dargestellt, schliesslich kommen die evangelischen „Ehespiegel" zur Behandlung, in denen die sittliche Erneuerung, die Luthers Werk gebracht hatte, auch positiv in die Erscheinung tritt. — Ein recht kleiner Geist ist der Anonymus192), der sichzu einer B e u r t e i l u n g der R e f o r m a t i o n s z e i t angeschickt hat und ihre sittliche Verkommenheit aufzuweisen gedenkt. Er will zu diesem Zwecke „Männer kleineren Stiles" aus Luthers Gefolgschaft beleuchten. So wird denn von dem Torgauer Bürger Koppe, dem BeBrandes:LCB1.S.595/6; F . H a m m e l : KAW.N.24; C. F. A r n o l d : ThLB. 14, S. 102,3.]| (Vgl. JBL. 1892 II 6 b : 3; s.o. II3:62.) — 186) H. G. M a n n h a r d t , Festschrift zu Uenno Simons 400j. Geburtstagsfeier d.6.NOT. 1892 her.im Auftr.d.westpreuss.MennonitenGemeindcn. Danzig,Saunier. 60 S. M. 0,60. — 186a) Th. K i e f e r n d o r f , E. Streitschrift eyang.Theologen gegen d. „Wiedertäufer" aus d. 16. Jh.: IlennonilBll. S. 108/9, 114/5, 121/2. - 187) H. B e c k , D. relig. Volkslitt. d. evang. Kirohe Deutschlands. ( = Zimmers Handbibl. d. pfakt. Theol. Bd. X, o.) Gotha, Perthes. 1892. X, 291 S. II. 5,00. j[K. K n o k e : ThLBl. 14, S. 283.]| — 188) H. H a n s , Augsb. Katechismen uns d. 16. Jh.: ZPTh. 14, S. 101-20. (Dazu Nachtr: ebda. S. 339-45.) — 189) (II 2 : 1 a . ) ||E. Chr. A c h e l i s : TliLZ. 18, S 336/8; W. T ü m p e l : Siona 17, S. 194/6; E. K r a u s e : ThLBl. 14, S. 141/2.]j - 190) P h . W o l f r u m , D. Entstehung u. erste Entwicklung d. dtsch. evang. Kirchenliedes in mnsik. Beziehung. L„ Breitkopf & Härtel. 1890. XIV, 250 S M. 5,00. |[F. Z i m m e r : ThLBl. 1892, S. 31/3.]| — 191) W. K a w e r a u , D. Reformation u. d. Ehe. E. Beitr. z. Kulturgesch d. 16. Jh. ( = Schriften d. Ver. für Reformatiensgesch. Bd. 39.) Halle a. S., Niemeyer. 1892. VI, 104 S. M. 1,20. — 192) Aus d. Reformationszeit: Kath. 722, S. 421/9. — 193) W. W a l t h e r , D. Bedeutung d. dtsch. Reformation für

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G. E l l i n g e r , Humanisten und Neulateiner.

freier Katharinas von Bora, registriert, dass er 1523 beim Sturm auf das Franziskanerkloster in Torgau beteiligt gewesen war. Kaum ist nun Luther tot, so trat die ganze Armseligkeit des mühsam aufgebauten Werkes in dem „lüderlicben Leben" der Pastoren zu Tage. Beweis? Erstens: 1575 wurde in Kurhessen ein Pastor wegen salopper Behandlung des Abendmahls abgesetzt. Zweitens behorchte ein Merseburger Superintendent verkleidet die Predigten seiner Pastoren, wurde dann abgesetzt. (Da beide Belastungszeugen unseres Anonymus abgesetzt wui'den, muss doch noch ganz gute Zucht gewesen sein!) Aber noch viel schlimmer! Die Protestanten suchten verruchter Weise sogar ihre Gegner „moralisch zu töten" — Beweis: sie erzählten von dem frommen Franziskaner Konr. Kling, er sei evangelisch geworden! (Man wundert sich billig darüber, dass eine so angesehene 1Zeitschrift wie der Kath. einen so abgeschmackten Artikel abdruckt.) — W a l t h e r 9 3 ) macht zur Beurteilung der Bedeutung, die Luthers Werk für die Gesundheit des deutschen Volkslebens gehabt hat, vor allem geltend, dass die Reformation als die geistige Macht betrachtet werden müsse, die in dem Zeitpunkt, als die Renaissance eine Fülle neuer Kräfte: Freiheitsdurst, Weltsinn usw. entfesselt hatte, den zerstörenden Strom, mit dem diese Kräfte für sich allein das Volksleben aufgewühlt und mit sich fortgerissen haben würden, aufgehalten und in ein ruhiges Bette geleitet habe.194) — Warum H o c h s t e t t e r s 1 9 5 ) schon in den 60 er Jahren niedergeschriebene Apologie der Reformation jetzt noch posthum gedruckt worden ist, ist schwer zu begreifen. Er redet von dem verderblichen Einfluss der römischen Kirche auf Menschen, Bürgertum, Korporationen, Völker, Staaten — aber das alles in Form sehr allgemein gehaltener Urteile mit geschichtlichem Material, das viel zu wenig ins Detail geht und nichts Neues bietet. Der mit der Fülle gelehrter Einzelheiten ihre Wirkungen erzielenden Janssenschen Darstellung kann doch nur mit einer Gegenrede geantwortet werden, die gleichfalls diese Einzelheiten quellenmässig beherrscht. — Ob Schwanns 1 9 6 ) kritische Studie nach dieser Seite etwas geleistet hat, vermag ich nicht zusagen. — Auf V i r cks 1 9 7 ) lichtvolle Zeichnung der Gründe und Verhältnisse, die in der zweiten Hälfte des 16. Jh. den Niedergang des Protestantismus und die grossen Fortschritte der katholischen Reaktion herbeigeführt haben, sei nachdrücklich hingewiesen.198) — Ein neues R e f o r m a t i o n s f e s t s p i e l hat W ä c h t e r 1 9 9 ) gedichtet, das die Gewinnung des anfangs widerstrebenden Grafen Ernst von Schönburg zum evangelischen Glauben behandelt. Es umfasst den Zeitraum von 1525—34. Das Gebrechen derartiger Festspiele: Mangel an dramatischer Handlung und daher eine überwiegend deklamatorische Darlegung der verschiedenen Standpunkte, wenngleich in lesbaren Jamben, tritt auch hier zu Tage, und das stoffliche Interesse ist ausserdem zu gering, um über2 0 0die nächsten, in Lokalpatriotismus beteiligten Kreise hinauszugreifen. — S t u b b e ) , Pastor in Kiel, hat von den Vorbereitungen für eine Aufführung des Devrientschen Gustav Adolf Anlass genommen, für das Recht solcher Aufführungen im allgemeinen und für die Vorzüge der Devrientschen Dichtungen im besonderen mit warmen Worten einzutreten. Ich verzichte darauf, hier meine teilweise abweichende Meinung über die Richtung, in der sich das auf Dilettantenaufführungen berechnete Volksfestspiel entwickeln müsste, darzulegen. —

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Humanisten und Neulateiner. Georg Ellinger. Allgemeines: Zusammenfassende Darstellungen N. 1; „Lateinische Literaturdenkmäler" N. 3. — Erste Anfänge des Humanismus in Deutsehland N. 0. - Frfibzeit: Albrecht von Gyb N. 10; studierende Deutsche in Italien N. 12; Herrn. Schedel N. 13; Cassandra Fedele N. 14; A. von Bonstetten N. 15; Steinhöwel N. 17a; Humanismus in Tirol N, 18. — Blütezeit: Bnd. Agricola, Pallas Spangel N. 19; Wimpheling, Jak. Spiegel N. 21; Beuchlin N. 23; Spalatin N. 24; Celtis, J.Stabiiis N. 26; Murmellius N. 29; II. von Bredenbach N. 31; Erasmus N. 32; Konstanzer Humanistenkreis N. 36; Hutten N. 37; O. d. Gesundheit unseres Volkslehens: AELKZ. 26, S. 1079-81, 1102/ä, 1127-30, 1151/3, 1175/8, 1199-1201. — 194) Chr. H e y e r , D. Reformation n. d. dtsoh. Bargerstand: VVPK. 30, S. 51-60. — 195) K. H o c h s t e t t e n Einfluss d. Protestantismus u. Katholizismus auf Staaten u.VSlker. Gütersloh, Bertelsmann. 1892. 160 S. M.2,00. |[K. Köhler:ThLZ. 18,S. 24/5.]| (Vgl. JBL. 1892 II 1:45.) — 196; O ö l 1:8.) — 197) H. V i r c k , D. Niedergang d. Protestantismus am Ende d. 16. Jh.: DEBll. S. 141-61. — 198) X Pv. R h e i n , Jesuiten u. evung. Bund. Zeitgemässe Betrachtungen über I. Jesuitenmoral n. Lnthermoral; II. D. Zweck heiligt d. Mittel; III. D. Lehre v. Tyrannenmord; IV. Protest-Verteidiger d. Tyrannen- u. Königsmordes. Speyer, Jäger. VI, 88"S. M. 0,60. — 199) G. W ä c h t e r , E. v. Schönburg. Reformationsfestspiel. Glauchau, Peschke. VIII, 91 S. II. 1,00. — 200) S t u b b e , D. Recht d. Devrientschen Gustav- Adolf-Spiels: DPB1. 26, S. 250/3, 261/2. (Dazu id., Gustav-Adolf-Spiele: ib. S. 274/7.) —

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freier Katharinas von Bora, registriert, dass er 1523 beim Sturm auf das Franziskanerkloster in Torgau beteiligt gewesen war. Kaum ist nun Luther tot, so trat die ganze Armseligkeit des mühsam aufgebauten Werkes in dem „lüderlicben Leben" der Pastoren zu Tage. Beweis? Erstens: 1575 wurde in Kurhessen ein Pastor wegen salopper Behandlung des Abendmahls abgesetzt. Zweitens behorchte ein Merseburger Superintendent verkleidet die Predigten seiner Pastoren, wurde dann abgesetzt. (Da beide Belastungszeugen unseres Anonymus abgesetzt wui'den, muss doch noch ganz gute Zucht gewesen sein!) Aber noch viel schlimmer! Die Protestanten suchten verruchter Weise sogar ihre Gegner „moralisch zu töten" — Beweis: sie erzählten von dem frommen Franziskaner Konr. Kling, er sei evangelisch geworden! (Man wundert sich billig darüber, dass eine so angesehene 1Zeitschrift wie der Kath. einen so abgeschmackten Artikel abdruckt.) — W a l t h e r 9 3 ) macht zur Beurteilung der Bedeutung, die Luthers Werk für die Gesundheit des deutschen Volkslebens gehabt hat, vor allem geltend, dass die Reformation als die geistige Macht betrachtet werden müsse, die in dem Zeitpunkt, als die Renaissance eine Fülle neuer Kräfte: Freiheitsdurst, Weltsinn usw. entfesselt hatte, den zerstörenden Strom, mit dem diese Kräfte für sich allein das Volksleben aufgewühlt und mit sich fortgerissen haben würden, aufgehalten und in ein ruhiges Bette geleitet habe.194) — Warum H o c h s t e t t e r s 1 9 5 ) schon in den 60 er Jahren niedergeschriebene Apologie der Reformation jetzt noch posthum gedruckt worden ist, ist schwer zu begreifen. Er redet von dem verderblichen Einfluss der römischen Kirche auf Menschen, Bürgertum, Korporationen, Völker, Staaten — aber das alles in Form sehr allgemein gehaltener Urteile mit geschichtlichem Material, das viel zu wenig ins Detail geht und nichts Neues bietet. Der mit der Fülle gelehrter Einzelheiten ihre Wirkungen erzielenden Janssenschen Darstellung kann doch nur mit einer Gegenrede geantwortet werden, die gleichfalls diese Einzelheiten quellenmässig beherrscht. — Ob Schwanns 1 9 6 ) kritische Studie nach dieser Seite etwas geleistet hat, vermag ich nicht zusagen. — Auf V i r cks 1 9 7 ) lichtvolle Zeichnung der Gründe und Verhältnisse, die in der zweiten Hälfte des 16. Jh. den Niedergang des Protestantismus und die grossen Fortschritte der katholischen Reaktion herbeigeführt haben, sei nachdrücklich hingewiesen.198) — Ein neues R e f o r m a t i o n s f e s t s p i e l hat W ä c h t e r 1 9 9 ) gedichtet, das die Gewinnung des anfangs widerstrebenden Grafen Ernst von Schönburg zum evangelischen Glauben behandelt. Es umfasst den Zeitraum von 1525—34. Das Gebrechen derartiger Festspiele: Mangel an dramatischer Handlung und daher eine überwiegend deklamatorische Darlegung der verschiedenen Standpunkte, wenngleich in lesbaren Jamben, tritt auch hier zu Tage, und das stoffliche Interesse ist ausserdem zu gering, um über2 0 0die nächsten, in Lokalpatriotismus beteiligten Kreise hinauszugreifen. — S t u b b e ) , Pastor in Kiel, hat von den Vorbereitungen für eine Aufführung des Devrientschen Gustav Adolf Anlass genommen, für das Recht solcher Aufführungen im allgemeinen und für die Vorzüge der Devrientschen Dichtungen im besonderen mit warmen Worten einzutreten. Ich verzichte darauf, hier meine teilweise abweichende Meinung über die Richtung, in der sich das auf Dilettantenaufführungen berechnete Volksfestspiel entwickeln müsste, darzulegen. —

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Humanisten und Neulateiner. Georg Ellinger. Allgemeines: Zusammenfassende Darstellungen N. 1; „Lateinische Literaturdenkmäler" N. 3. — Erste Anfänge des Humanismus in Deutsehland N. 0. - Frfibzeit: Albrecht von Gyb N. 10; studierende Deutsche in Italien N. 12; Herrn. Schedel N. 13; Cassandra Fedele N. 14; A. von Bonstetten N. 15; Steinhöwel N. 17a; Humanismus in Tirol N, 18. — Blütezeit: Bnd. Agricola, Pallas Spangel N. 19; Wimpheling, Jak. Spiegel N. 21; Beuchlin N. 23; Spalatin N. 24; Celtis, J.Stabiiis N. 26; Murmellius N. 29; II. von Bredenbach N. 31; Erasmus N. 32; Konstanzer Humanistenkreis N. 36; Hutten N. 37; O. d. Gesundheit unseres Volkslehens: AELKZ. 26, S. 1079-81, 1102/ä, 1127-30, 1151/3, 1175/8, 1199-1201. — 194) Chr. H e y e r , D. Reformation n. d. dtsoh. Bargerstand: VVPK. 30, S. 51-60. — 195) K. H o c h s t e t t e n Einfluss d. Protestantismus u. Katholizismus auf Staaten u.VSlker. Gütersloh, Bertelsmann. 1892. 160 S. M.2,00. |[K. Köhler:ThLZ. 18,S. 24/5.]| (Vgl. JBL. 1892 II 1:45.) — 196; O ö l 1:8.) — 197) H. V i r c k , D. Niedergang d. Protestantismus am Ende d. 16. Jh.: DEBll. S. 141-61. — 198) X Pv. R h e i n , Jesuiten u. evung. Bund. Zeitgemässe Betrachtungen über I. Jesuitenmoral n. Lnthermoral; II. D. Zweck heiligt d. Mittel; III. D. Lehre v. Tyrannenmord; IV. Protest-Verteidiger d. Tyrannen- u. Königsmordes. Speyer, Jäger. VI, 88"S. M. 0,60. — 199) G. W ä c h t e r , E. v. Schönburg. Reformationsfestspiel. Glauchau, Peschke. VIII, 91 S. II. 1,00. — 200) S t u b b e , D. Recht d. Devrientschen Gustav- Adolf-Spiels: DPB1. 26, S. 250/3, 261/2. (Dazu id., Gustav-Adolf-Spiele: ib. S. 274/7.) —

G. E l l i n g e r , Humanisten und Neulateiner.

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Brunfnls N. 39; Eitelwolf vom Stein N. 40; Veit Bild N. 42; Augsbnrger Aer/.te N. 48; Lasciniua (Nachtgall) N. 44; J. Eck N. 45; Melanchthon N. 46; E. Stella, J. W. Stuckl, 9. Sten N. 52. - Neulateinische Dichtung: Drama (Allgemeines, M. Steyndorffer, N. Friachlin) N. 56. — Lyrik: J . Stigel N.61; G. und A. Fabricins N.62; Chrph. von Schallenberg, S. Rettenbacher N. 65 a. — Lateinische Drucke (J. Schöffer) N. 67. — Humanistenschule N . 68 — Humanismus in Polen und Böhmen N. 69. —

A l l g e m e i n e s . Georg Voigts grundlegende z u s a m m e n f a s s e n d e Dars t e l l u n g der „Wiederbelebung des klassischen Altertums" ist im Berichtsjahre zum dritten Male aufgelegt worden. Die Neubearbeitung hatte für den schwer erkrankten und bald darauf verstorbenen hochverdienten Vf. L e h n e r d t ' ) übernommen. Die grossen Vorzüge und die eminente Bedeutung des Werkes für das ganze hier in Betracht kommende Studiengebiet brauchen an dieser Stelle wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden. Ungewöhnlich innige Vertrautheit mit dem Gegenstande, gründlichste Durchdringung des Materials und beständige Betrachtung der zu behandelnden Perioden und Persönlichkeiten unter grossen und eigenartigen Gesichtspunkten haben hier ein Buch geschaffen, das zwar im einzelnen der Modifizierung bedürfen, in seinen wesentlichen Grundzügen aber wohl unangetastet bleiben wird. Die Ausstellungen, die Gaspary (Gesch. der italienischen Litt. 2, S. 650) macht, und die ähnlichen Bedenken, die neuerdings auch von anderer Seite geltend gemacht worden sind, kann man nur insoweit anerkennen, als in der That durch Voigts Neigung zu möglichst scharfer Herausarbeitung der Charakteristik die Beurteilung der Persönlichkeiten sich zuweilen etwas zu sehr zuspitzt. Keineswegs aber ist zuzugeben, dass durch diese Neigung Voigts die Gesamtindividualität einzelner Humanisten verzeichnet worden wäre; gerade die Charakteristik Petrarcas wird die Mehrzahl der Beurteiler für eine der gelungensten Partien der Darstellung halten, wenn man auch mit der Art, in der Voigt manche Züge zu sehr in den Vordergrund gerückt hat, nicht übereinstimmt. L. hat, so weit ich nachprüfen konnte, die Litteratur immer sorgfaltig berücksichtigt und das Werk dem inzwischen im einzelnen erweiterten Standpunkte der Wissenschaft angepasst. Dass der für die Geschichte des deutschen Humanismus wichtigste Abschnitt des Buches im zweiten Bande jetzt in seinen wichtigsten Teilen als überholt bezeichnet werden muss, ist nicht die Schuld des Herausgebers, da die meisten der betreffenden Publikationen, z. B. Joachimsohns Heimburg (vgl. JBL. 1892 II 8 : 18) erst während seiner Arbeit, andere, wie Herrmanns Albi'echt von Eyb (s. u. N. 10) und der Briefwechsel H. Schedels (s. u. N. 13), erst nach deren Vollendung erschienen sind. Andererseits hat gerade dieses Kapitel besonders viel dazu beigetragen, die Forschungen über die Anfänge des Humanismus anzuregen. 2-21 ) — Die Sammlung der „ L a t e i n i s c h e n L i t t e r a t u r d e n k m ä l e r " 3 ) , deren Leitung jetzt, nach S. Szamatölskis frühem Tode, allein in M. Herrmanns Händen liegt, ist auch in dem Berichtsjahre rüstig fortgeschritten. Das 7. Heft enthält eine von E l l i n g e r 4 ) besorgte Auswahl aus der neulateinischen Lyrik. Es kam dem Herausgeber darauf an, wie er in der Einleitung (S. IV7) sagt, ein Bild von dem Gesamtbestande dieser Litteratur zu entwerfen, d. h. den inhaltlichen und formellen Grundcharakter der neulateinischen Dichtung an einer grösseren Reihe zu diesem Zwecke ausgewählter Stücke darzuthun. Da die Delitiae poetarum Germanorum, wie E. (S. III) nachweist, trotz der Bedeutung, die ihnen als Stoffsammlung zukommt, ein derartiges klares Bild nicht gewähren, sondern durch die wahllose Zusammenhäufung des Materials zunächst nur einen verwirrenden Eindruck ausüben, scheint das Bedürfnis einer für den Germanisten zur Orientierung auf diesem Gebiete bestimmten kleinen Auswahl wohl dargethan. Bei dem geringen Räume, der dem Herausgeber zugemessen war, konnte selbstverständlich nicht daran gedacht werden, jedem der in der Auswahl vertretenen neulateinischen Dichter so viel Platz zuzuweisen, dass ein einigermassen ausreichendes Bild seiner dichterischen Persönlichkeit sich hätte ergeben können. Vielmehr schien es bei einer zur notwendigsten Orientierung bestimmten Arbeit zweckmässig, möglichst alle bedeutenderen Vertreter der neulateinischen Lyrik zu Worte kommen zu lassen, um so dem Leser eine Vorstellung von dem Reichtum der Persönlichkeiten zu geben. Dass dabei mancher an sich nicht unbedeutende Dichter nur durch ein oder zwei Gedichte vertreten sein 1) Georg Voigt, D. Wiederbelebung d. klas». Altertums oder d. 1. Jh. d. Humanismus. 2 Bde. 3. Aufl., lies. v. II. L e h n e r d t . B., Keimer. XVI, 591 S.; VIII, 543 S. M 20,00. - 2) X W. Cloetta, Beitrr. z. Litt.-Gesch. d. MA. u. d. Renaissanee (vgl. JBL. 1892 II 8 : 4 4 ) : LCB1. S. 17/8. - 2 a ) X (H 6:174.) — 2b) X A - B ö r n e r , Neuere Litt. Aber d. Humanismus: HhComeniusG. 2, S. 297-302. (B. stellt d. wichtigsten Publikatienen über d. Humanismus in d. J . 1890-92 zus.) — 3) X L a t - Litt.-Deokmäler d. 15. u. 16. Jh. Her. v. II. Herrmauu u. S. Szamatölski. N. 1-6 (1. J. Bolte, Gnapheus, Acolastus; 2. S. Szamatölski, Eckius dedolatus; 3. J. Bolte u. Erich Schmidt, Pammachius; 4. K. Hartfelder, Melanchthons Declamationes; 5. K. Krause, Uordus Epigramme; 6. H. Holstein, Wimphelings Stylpho. Vgl. JBL. 1892 I I 8 : 5 / 8 , 10/1.) |[ZKG. 14, S. 315; ThLBi 14, S. 271/2; D. J a c o b y : DLZ. 8. 1386/8 (aber N. 3); V. M i c h e l s : ADA. 19, 8. 69-72 (Iber N. 4; II. bestreitet d. Zweckmässigkeit d. T. d. Heransgebern durchgeführten Ortbogr.); BPhWS. 13,S.217(Iber N.5); B . S p r e n g e r : ASNS. 90, 8. 207 (über N. 6/6); G. K a w e r a u : ThLZ. 3 81/3 (aber N. 5/6); HHL. 8.259-61 (aber N.5/6)]| - 4) G. E l l i n g e r , Dtsch. Lyriker d. 16. Jh. Ausgeir. u. her. ( = LLD, N. 7.) B., Speyer & Peters. XL, 122 S. II. 2,80. |[H. H ( a g e n ) : LCB1.

II 7

: 5-7

G. E l l i n g e r , Humanisten und Neulateiner.

konnte, ist gewiss ein Uebelstand, der aber durch die Anlage des Ganzen bedingt war und unzweifelhaft einer Beschränkung auf wenige Dichter gegenüber als das kleinere Uebel zu bezeichnen ist. Soweit ein einigermassen unparteiisches Urteil über die eigene Arbeit sich gewinnen lässt, glaubt Referent wohl sagen zu dürfen, dass die von ihm zusammengestellten Proben in der That ein ausreichendes Bild von dem Gesamtbestande der neulateinischen Lyrik Deutschlands gewähi'en. In der Einleitung hat E. auf Grund vierjähriger Arbeit versucht, auch eine darstellende Charakteristik der in der Auswahl vertretenen Dichtungsgattungen zu entwerfen; hier hat er danach gestrebt, auch die bedeutenderen dichterischen Persönlichkeiten herauszuheben und zu ihrem Rechte kommen zu lassen. Unter den in dieses Berichtsjahr fallenden Recensionen der Auswahl nimmt die von Z u p i t z a die erste Stelle ein. Er weist einige stehen gebliebene Druckfehler nach, bringt recht bemerkenswerte Vorschläge zur Besserung des Textes und der Interpunktion und macht auf ein Versehen des Herausgebers aufmerksam, welches dieser allerdings unmittelbar nach der Vollendung des Druckes selbst bemerkt und dem jetzigen Herausgeber der Sammlung mitgeteilt hatte. In dem Gedichte des Valens Acidalius: Ad Venerillam (S. 29) ist die erste Zeile durch die Interpunktion völlig entstellt, so dass das zweite mane als eine mit dem Metrum wie mit dem Sinne unvereinbare Wiederholung des ersten erscheint; Z. weist darauf hin, dass die Zeile selbstverständlich lauten muss: „Lux mea, quotam mane? Mane! nondum orta usw." — In dem 8. Hefte der LLD. hat B o l t e 5 ) einen sauberen Neudruck der Susanna von Sixt Birck nach der Editio princeps (Augsburg 1532) gegeben. Die in der Baseler Sammlung von 1547 vorliegende zweite Bearbeitung des Dichters ist zur Berichtigung der Druckfehler mit herangezogen, die in ihr enthaltenen Scenenanweisungen sowie die Abänderungen sind in der vortrefflichen Einleitung mitgeteilt worden. Diese enthält ausser einer kurzen Biographie (neu darin das Datum der Immatrikulation Bircks in Basel: 31. Dec. 1523) und einer wertvollen Analyse und Vergleichung des deutschen und lateinischen Dramas den wichtigen, bisher übersehenen Nachweis zweier Perioden in Bircks dramatischem Schaffen, einer Baseler und einer Augsburger, jene vor, diese nach 1536. Aus einer von den früheren Forschern nicht beachteten Stelle in der Biographie Bircks von Nysäus ergiebt es sich, dass nicht bloss Susanna und die Tragödie wider die Abgötterey (später Beel), sondern auch die vier anderen deutschen Stücke in die Zeit von Bircks Baseler Aufenthalt fallen, während die lateinischen Dramen in der Augsburger Zeit entstanden sind. — Die e r s t e n A n f ä n g e d e s H u m a n i s m u s i n D e u t s c h l a n d hat B u r d a c h 6 ) in seinen aufschlussreichen Untersuchungen behandelt und damit einen sehr wertvollen Beitrag zur Erkenntnis der frühesten Einwirkungen der Renaissance in unserem Vaterlande gegeben. Die Bedeutung der böhmischen Kanzlei für die Einigung der neuhochdeutschen Schriftsprache stand seit Müllenhoffs Ausführungen in der Vorrede zu den Denkmälern in ihren Grundzügen fest; jetzt lernen wir durch B., der die von Voigt (s. o. N. 1; 2, S. 263 ff.) gegebenen Anregungen durch eindringende Benutzung des •gesamten in Betracht kommenden Materials erweitert und vertieft, die Kanzlei auch als die erste Vermittlerin des humanistischen Geistes kennen. Summarisch hat B. die Ergebnisse seiner Untersuchungen selbst zusammengefasst: „Hier zuerst in Deutschland (d. h. in der Reichskanzlei) tritt das Gefühl für den Stil der Prosa, für die Eleganz des Ausdrucks, für die Eloquenz im Sinne der Renaissance hervor als eine wirksame Macht; hier beobachten wir die ersten Versuche einer Theorie der Epistolographie und Rhetorik; hier werden die neuen litterarischen Gattungen: der Brief, die Rede, der Dialog, die Novelle, alle in ungebundener Rede, und die Ode, die Elegie in poetischer Form zuerst bewundert, verbreitet, teilweise nachgeahmt; hier entwickelt sich zuerst der Sinn für das künstlerisch geschmückte Leben, wie er sich besonders in den prachtvollen Miniaturen äussert, die für diese Kreise und in ihnen entstehen; hier spielt zuerst, nach dem Vorbilde von Frankreich und Italien, die Landesprache eine neue litterarische Rolle, indem auch sie fortan unter das Gesetz des neuen Stilbegriffs, der neuen Kunstanschauungen gestellt wird." Der Träger und Vermittler dieses neuen Geistes war hauptsächlich Johann von Neumarkt, Karls IV. Kanzler; neben ihm kommen vor allen Dingen noch Johann von Gelnhausen und Nicolaus von Kremsier in Betracht. Namentlich die Thätigkeit Johanns von Neumarkt hat B. nach den oben angegebenen Gesichtspunkten einer sorgfältigen Betrachtung unterzogen und so unzweifelhaft ein richtigeres Bild von seiner Bedeutung entworfen, als es Voigt in seiner kurzen Charakteristik S. 1116/8; WSKPh. 10, S. 745,6; K. W o t k e : BPh WS. 13, S. 1005; J. Z ( n p i t z a ) : ASNS 90, S. 443-50.JI - 5) J . B o l t e , Xystas Betalins, Susann». Mit e. Bilde u. e. Notenbeigabe. ( = ebda. N. 8.) XVIII, 92 S. M. 2,20. (D. Bild ist Wiedergabe e Holzschnittes d. Augsbarger Malers n. Formenschneiders Jörg Brew d. J , d. d. Anregung dazu vielleicht durch e Aufführung y. Bircks Drama erhalten hat; d. Notenbeigabe enthftlt d. vierstimmige Melodie zu d. abgeänderten Eingangsohore nach d. Eölnor Ausg. v. 1538.) — 6) (II 1 : 73.) - i ) X ' . B ü h l , P. de Nolhac, Petrarque et l'hnmanisme. Paris, Bouillon. 1891. X,439S.: BPhWS. 13,

G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner.

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: 8-13

gethan hat. In höchst lehrreicher Weise werden für seine ganze Thätigkeit die analogen Vorgänge im italienischen Humanismus nachgewiesen. Auch da, wo ihn die äusseren Zeugnisse im Stiche lassen, ist B. in seinen Vermutungen meist glücklich; so erscheint der von ihm angenommene Zusammenhang Johanns von Neumarkt mit den Augustinern von S. Spirito nicht unwahrscheinlich. Auch Karl 7IV. wird in seinem Verhältnis zu der neuen geistigen Richtung vortrefflich charakterisiert. "9) (Vgl. auch II 1 : 74—81.) — Die bemerkenswerteste Leistung auf dem Gebiete der F r ü h z e i t des deutschen Humanismus ist H e r r m a n n s 1 0 ) Biographie A l b r e c h t s von Eyb. 1 1 ) Bei dieser monographischen Darstellung kann sich der Berichterstatter um so eher Beschränkung auferlegen, als es unmöglich ist, die ganze Fülle des durch H. neu auf» geschlossenen Materials im einzelnen aufzuzählen. Nicht allein dass die Persönlichkeit Eybs inihrenLebensschicksalenwienach ihren geistigen Bestrebungen in erschöpfender Weise, wenigstens soweit Eybs Stellung innerhalb des Humanismus in Betracht kommt, behandelt ist, auch der geistige Nährboden, auf dem die durch Eyb vertretene Richtung erwuchs, ist auf Grund minutiösester Arbeit hier zum ersten Male klar erkannt und wiedergegeben worden. Einerseits sind die Einflüsse der italienischen Renaissance klargelegt und die Persönlichkeiten, die dabei die Vermittler abgeben, z. B. Rasinus, vortrefflich dargestellt, andererseits wird die Eigenart dieses frühen Humanismus, dem es vor allem darauf ankam, stofflich des gleichsam neu entdeckten geistigen Gutes Herr zu werden, hier in einer typischen Persönlichkeit verkörpert. Im einzelnen wird unsere Kenntnis auf Schritt und Tritt gefördert: wir greifen z. B. nur die Neudatierung der Margarita poetica (1459), den Nachweis, dass die „Artis rhetoricae praecepta" nicht von Enea Silvio, sondern von Eyb verfasst sind, heraus. Besonders anzuerkennen ist, dass H sich nicht durch falsche Rücksicht auf scheinbare schriftstellerische Oekonomie hat verleiten lassen, manches zusammenzudrängen oder zu kürzen: gerade einzelne Partien, die um der Einförmigkeit des Stoffes willen vielleicht manchem Leser entbehrlich scheinen, wie die ausführliche Behandlung Johannes Roths, die sehr lehrreiche Rekonstruktion der Bibliothek Eybs, gewähren für die Geschichte des Humanismus die wichtigsten Aufschlüsse. Das ganze Buch zeigt, was durch planmässige Ausnutzung des gedruckten und ungedruckten Materials auf diesem Gebiete zu leisten ist, und welche Aufschlüsse noch für die Geschichte des Frühhumanismus aller Wahrscheinlichkeit nach erschlossen werden können. — Für die Geschichte der auf den i t a l i e n i s c h e n Universitäten s t u d i e r e n d e n D e u t s c h e n hat Herrmann im wesentlichen auf Grund der Bologneser Matrikel lehrreiche Untersuchungen angestellt; bereits im vorigen Jahre ist auch auf die dahingehenden Veröffentlichungen L u s c h i n s v o n Ebengreuth 1 2 ) hingewiesen. L. hat das archivalische Material in Padua, Bologna, Siena, Pavia, Pisa und Perugia verwertet; aus den Statistiken, die er in der ersten Abhandlung aufstellt, lässt sich für unser Gebiet mancher Nutzen ziehen; mehr noch sind die allgemeinen Aufstellungen des zweiten Aufsatzes über die Nationen, den Wechsel des Studienortes, den Stand der Studenten, die Einzelheiten der Prüfung von Wert und können mancher irrigen Auffassung der Quellenstellen vorbeugen. (Auch der Aufenthalt deutscher Studenten auf französischen Universitäten [Orleans] wird kurz berührt.) — Eine höchst wertvolle Quelle für die weitere Erkenntnis des Frühhumanismus ist durch die Herausgabe von Hermann S c h e d e l s Briefwechsel von J o a c h i m s o h n 1 3 ) erschlossen worden. Aus der Münchener Hs. Cod. lat. 224 teilt er mit Zuhülfenahme von fünf anderen Münchener Hss. die Korrespondenz Schedels (namentlich dessen Briefe an seinen Neffen Hartmann) sowie die einzelner seiner Freunde mit. Der Ueberlieferungszustand der Briefe ist ein sehr schlechter; es sind Konzepte; sie bieten daher gewiss kein vollkommenes Bild der abgesandten Briefe, auch sind sie vielfach durch Fehler entstellt, dennoch muss ihnen ein grosser Wert zugeschrieben werden. Den Datierungen des Herausgebers wird man in den meisten Fällen zustimmen müssen. Der Briefwechsel umfasst die J. 1452—78; angehängt sind einige vorläufig undatierbare Stücke. Die Briefschreiber stehen sämtlich in näherer oder fernerer Beziehung zu dem Augsburger Humanistenkreise. Ausser den beiden Schedel sind u. a. als Briefschreiber oder Adressaten vertreten Lorenz Blumenau, Wilhelm von Reichenau, die beiden Sigismund und Ulrich Gossembrot, Hieronymus Rotenpeck, Bischof Johann von Eichstädt, Valentin S. 52. — 8) X P- ä e N o l h a c , Les Mas. de l'hist. Auguste chez Pétrarque. Borne, Cuggiani. 1892. 19 S. — 9) X i d i De patrum et meâii aevi scriptorum codicibas in bibliotheca Petr&roae olim collectif. Paris. Bouillon. 43 S. [C. A p p e l : DLZ. S. 585/7 (bespr. auoh N. 8).]| — 10) M. H e r m a n n , Albr. r . Eyb a. d. Frflhzeît d. dtsch. Humanismus, ß., Weidmann. Vm,437S. M. 10,00. |[J. S c h l e c h t : LHw. 32, S. 649-54.]| (Vgl. 113:4.) — U ) X id., Dtsch. Sohriften A.v.Eyb (vgl. JBL. 189i) II 8 : 5 6 ; 1892 II 8:22). |[John M e i e r : LBIGRPh. S. 123/6 (weist einige Verseben in d. Textgestaltang nach); M. B l a u : MLN. 8, S. 312/3.]' — 12) A. L u s c h i n v. E b e n g r e u t h , Quellen z. Gesch. dtsoh ReohtshSrer in Italien: SBAkWienP». 124, N. 11, S. 1-30; 127, N. 2, S. 1-144. (Vgl. JBL. 1892 II 8:16.) — 13) F. J o a c h i m s o h n , Herrn. Schedels Briefwechsel Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgesehichte. IV. (2)10

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G. E l l i n g e r , Humanisten und Neulateiner.

Eber, Thomas Oedenhofer, Andreas Kaufringer, Jakob Sam, Heinrich Lur, Leonhard Gessel. Was sich an thatsächlichen Angaben für die Adressaten und Briefschreiber sowie für die in den Briefen nur erwähnten Persönlichkeiten, z. B. Sig. Meisterlin und Johannes Kautzsch (in N. 62 participiert er nur als Adressat) Neues ergiebt, ist nicht so wichtig wie der Ueberblick, den man aus den Briefen über die Bestrebungen des älteren Augsburger Humanistenkreises erhält. Wir sehen die Männer erfüllt von Begeisterung für den neuen Studienbetrieb und beseelt von dem Wunsche, es den vielbewunderten italienischen Vorbildern gleichzuthun. So sind denn auch die meisten dieser Briefe Prunkstücke ganz nach der Art der italienischen Humanistenbriefe, und nicht allein dass in der Anlage und in dem Stil sich deutlich die Muster erkennen lassen, manche Stücke sind auch wörtlich aus Petrarca, Poggio und Enea Silvio entlehnt; der Herausgeber hebt richtig hervor, dass mit den von ihm nachgewiesenen Quellen die Entlehnungen wohl noch kaum erschöpft seien; seine Vermutung, dass auch Guarino stark benutzt sei, hat viel Wahrscheinliches. Man sieht, wie es dem Frühhumanismus darauf ankam, zunächst stofflich sich so viel wie möglich von den Erzeugnissen der neuen Geistesrichtung anzueignen. Natürlich wird man bei der Uebernahme der aus den Briefen sich ergebenden thatsächlichen Nachrichten nun doppelt vorsichtig sein müssen. — An Hartmann Schedels Namen knüpft auch die Veröffentlichung über C a s s a n d r a F e d e l e von S i m o n s f e i d 1 4 ) an. Seine Ausführungen über die Chronologie der Drucke des Werkes der Cassandra Fedele, welches ihre Rede für ihren Verwandten Bertucoio Lamberto und einige Briefe enthält, wollen in einem Venetianer Druck von 1488 die editio princeps nachweisen, während sie einen angeblich aus dem J . 1487 stammenden Druck aus Modena dem J . 1494 zuweisen. Wichtiger ist für uns der Hinweis auf einen Nürnberger Druck, von dem die Münchener Bibliothek drei Exemplare besitzt; zwei davon stammen aus der Bibliothek Hartmanns Schedels. Der Veranstalter des Nürnberger Druckes, der sich unter dem Namen „Petrus Abietiscola Nerimontanus artium magister" verbirgt, war der Nürnberger Humanist und Freund des Celtis Peter Danhauser. E r hat seiner Ausgabe ein gedrucktes Schreiben an Cassandra Fedele beigefügt (datiert: 22. Nov., wohl 1488), das um seiner ausserordentlichen Seltenheit willen von S. abgedruckt wird. In diesem Schreiben beglückwünscht Danhauser Cassandra wegen ihrer oben erwähnten Rede; diese sei ihm durch Hartmann Schedel überbracht worden, der zugleich ihre Beredsamkeit, Klugheit und Keuschheit gepriesen habe. Ob nun Hartmann Schedel 1487 in Padua die Rede Cassandras mit angehört hat, wie S. aus dieser Stelle folgert, muss man dahingestellt sein lassen; mit Sicherheit lässt sich nur das eine schliessen, dass er Cassandra persönlich kannte und Danhauser einen Druck der Rede übergeben hat, nach dem dieser seine Ausgabe herstellte. Am Schluss des Schreibens bittet Danhauser die Cassandra um eigenhändige Briefe, die er zu ihrem Ruhme in Deutschland verbreiten wolle, und schickt ihr eine Ode seines Freundes Celtis, welche Cassandra zuweilen zur Lyra singen möchte. Jedenfalls legt das Schreiben ein recht bemerkenswertes Zeugnis für die lebendigen Wechselbeziehungen zwischen deutschen und italienischen Humanisten ab. — Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Geschichte des früheren Humanismus ist die Publikation von ausgewählten Briefen und Werken A l b r e c h t s v o n B o n s t e t t e n , welche B ü c h i , 5 ) jetzt seiner Biographie folgen lässt. Aus dem Cod. 719 der Stiftsbibliothek in St. Gallen druckt B. den Briefwechsel Bonstettens mit Einschluss der bereits bekannten Stücke ab. Für die Geschichte des Humanismus in der Schweiz bieten zahlreiche der mitgeteilten Briefe schönes Material, so vor allen Dingen die Schreiben, die sich an Bonstettens Aufenthalt in Pavia anschliessen (namentlich N. 9— 34), aber auch die Briefe von Michael Cristan, Johannes Langfeld, mehr noch die von Konrad Schoch und Johannes Hux und vor allem die Briefe von Niklas von Wyle, deren Abdruck ganz besonders wünschenswert war. In einem Anhange hat B. die Widmungsschreiben, die Bonstetten einzelnen Werken voranschickte, sowie einige Aktenstücke zusammengestellt. Es schliesst sich der für die Geschichte des Humanismus sehr wichtige, bisher ungedruckte Traktat von der Verbannung der Gerechtigkeit an; weniger wichtig ist für uns das dann folgende Stück: Von der Stiftung des Klosters Einsiedeln; dagegen wieder für diese Zwecke wertvoll die Beschreibung der Schweiz, die offenbar humanistische Einwirkung aufweist und zwar vielleicht von Enea Silvio beeinflusst ist; sie wird in den beiden Fassungen, der lateinischen und der deutschen, abgedruckt; für die Herstellung des Textes der lateinischen Fassung verwertet B. gleichmässig die drei Hss. zu München (ehemals im Besitze Peutingers), Rom und Paris; der deutschen liegt die einzig bekannte hs. Ueberlieferung in dem (1452-78) her. ( = Bibl. d. litt. Ver. Bd. 196.) Tubingen, Litt. Ver. X, 216 S. - 14) H. S i m o n a f e l d , Z. Oesch. d. Cassandra Fedele. ( = 1 1 :118,8.99-109.) - 15)(II3:70.) |[LCB1.S. 1421/2¡Ch.Pfieter: RCr.36, S. 225/6; A. Sctmlto:ZOOEh.8,S. 715/6.]|

G. E l l i n g e r , Humanisten und Neulateiner.

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eben genannten Münchener Codex zu Grunde. B. hat der Ausgabe grosse Sorgfalt zugewendet und manche neue Notiz auch zur Geschichte des Humanismus beigesteuert. Wertvoll ist vor allem sein Hinweis auf das Vorbild des Traktats von der Verbannung der Gerechtigkeit. In seiner Biographie Bonstettens (S. 54) hatte er für die Einkleidung des merkwürdigen Werkes noch auf mittelalterliche Allegorien verwiesen; jetzt macht er mit Recht darauf aufmerksam, dass offenbar der bekannte, von Niklas von Wyle übersetzte Brief des Enea Silvio vom Traum der Fortuna das Muster für die gewählte Form abgegeben hat, zumal Bonstetten am Anfang seines Werkes in der Widmung an Niklas von Wyle selbst auf dieses Werk hindeutet.16) — S c h u l t e 1 1 ) macht wahrscheinlich, dass die Chronik des Gallus Oehem (nach 1496) durch Bonstettens soeben erwähnte Schrift: „Von der loblichen Stiftung des hochwürdigen gotzhus Ainsideln unser lieben Frowen" (1494) angeregt ist. Den Vermittler hat wohl Abt Martin von Weissenburg (1492—1508) abgegeben, der ein intimer Freund und Bewunderer Bonstettens war. Wertvoll ist die von Sch. mitgeteilte, eine andere Beziehung zu Bonstetten eröffnende Notiz, dass 1464 Niklas von W y l e in seiner Eigenschaft als Comes palatinus den Gallus Oehem von dem Makel 'unehelicher Geburt befreit. — Die Studien über H e i n r i c h S t e i n h ö w e l von S t r auch 11a " 17b ) und desselben Vf. vortreffliche biographische Charakteristik Steinhöwels sollen im nächsten Berichtsjahre in anderem Zusammenhange betrachtet werden. — Den Anfängen des H u m a n i s m u s in T i r o l hat Z i n g e r l e 1 8 ) eine aufschlussreiche und lesenswerte Studie gewidmet. Auch in Tirol erscheint Enea Silvio als der mächtige Anreger und Verkünder der Altertumsstudien. Er versucht den Erzherzog Siegmund von Tirol für die von ihm vertretene Richtung zu gewinnen, und er ist der Gönner und Lehrer des Bischofs Johann Hinderbach von Trient, der zusammen mit dem Abt Kaspar Augsburger von Georgenberg und Johann Fuchsmagen in Tirol den Humanismus unter Siegmund mächtig gefördert hat. Diesem Thatbestande entsprechend, besteht auch die Arbeit von Z. im wesentlichen aus drei Charakteristiken der eben genannten Männer, deren Wirken auf Grund der bekannten Thatsachen und neu aufgefundenen Materials gut beleuchtet wird. Namentlich gut dargestellt sind die Beziehungen der drei Gelehrten zu italienischen und deutschen Humanisten, bei deren eingehender und belehrender Auseinandersetzung Z. durchweg die in seinen Beiträgen zur Geschichte der Philologie (Innsbruck 1880) gewonnenen wertvollen Resultate zu gute kamen. Am meisten Neues hat Z. aus bisher unbekannten Quellen für die Biographie des Kaspar Augsburger gewonnen; der Abschnitt über ihn bereichert in höchst dankenswerter Art unsere Kenntnis des früheren Humanismus. Doch sind auch für Hinderbach einige neue Thatsachen mitgeteilt, so sein Geburtsjahr 1418 und der Umstand, dass seine Mutter mit Heinrich von Langenstein verwandt war. Von ganz besonderem Interesse sind noch die kurzen Abschnitte, die uns über die Bücheranschaffungen Hinderbachs und Augsburgers unterrichten (S. 30/1, 34/5). Auch für Johann Fuchsmagen wird die Arbeit von Ruf vielfach, namentlich durch die von Z. in seinen Beiträgen benutzte Innsbrucker Hs., ergänzt. — B l ü t e z e i t des Humanismus. Dem R u d . A g r í c o l a hat I h m 1 9 ) eine kurze, klar und sachlich geschriebene Biographie gewidmet, die die Verdienste des grossen Anregers angemessen auseinandersetzt. Im wesentlichen folgt er seinen Vorgängern; in der Auffassung war nach den ausgezeichneten Charakteristiken Geigers und Bezolds nicht viel Neues mehr zu bringen, dagegen verwertet I. zum ersten Male die von Hartfelder veröffentlichten Briefe Agrícolas. Der Biographie schliessen sich einzelne ausgewählte Stücke aus Agrícolas Werken in Uebersetzungen an; nach den angestellten Stichproben ist die Uebertragung geschickt und sinngemäss. — Von Agrícola hat nach Melanchthons Zeugnis P a l l a s S p a n g e l sein gutes Latein gelernt. H a r t f e l d e r 2 0 ) hat diesem eine hübsche Charakteristik zu teil werden lassen; dass die beiden Geistesrichtungen, die sich sonst feindlich gegenübertraten, die scholastische und die humanistische, in dieser Persönlichkeit friedlich neben einander bestanden, hätte vielleicht etwas schärfer hervorgehoben werden können; richtig dagegen ist, dass die so oft missbrauchte Bezeichnung „Reformator vor der Reformation" auf Pallas Spangel durchaus nicht passt. — Für W i m p h e l i n g steuert K n o d 2 1 ) eine sehr bemerkenswerte, bisher unbekannte Urkunde bei, in der Wimpheling in der gebräuchlichen Form um die - 1 6 ) X L . S t e i n , Büchi, A. v Bonstetten: AGPhilos.6,S.587/8. — 17) A. S c h u l t e , A . v.Bonstetten n. Gallus OehemtZGORh. 8, S. 709-10. - 1 7 a ) X X P•>• 8 * 1 » « « h ' z - Lebensgeach. Steinhöwels: V L G . 6 , 8. 277-90. — 17b) X X ( H 3 : 41.) — 1 8 ) 0. Z i n g e r l e , D. Humanismus in Tirol unter Erzherzog Siegmund d. Mflnzreichen. ( — Festgruss aus Innsbruck an d. 42. Vers, dtsch. Fhilol. u. Schulmänner in W i e n . [Innsbruck, Wagner. III, 203 S. M. 4,801, S. 21-42.) — 19) I h m , D . Humanist Rud. Agricola, sein Leben u seine Schriften. ( = Samml. d. bedeutendsten päd. Schriften aus alter u. neuer Zeit, her. t . J. G ä n s e n , A. K e l l e r u. B. S c h u l z . L f g . 78,9.) Paderborn, SchSningh. V I I , 88 S. I I . 0,80. — 2 0 ) K. H a r t f e l d e r , Pallas S p a n g e l : A D D . 35, S. 32/3. — 21) ( I I 6 : 4 0 . ) — 2 2 ) G. K n o d , Jak. Spiegel: A D B . 35, S. 156/8. — 2 3 ) (S. o. N . 2 1 . ) — 2 4 ) X K. H a r t -

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II 7 : 25-28

G. E l l i n g e r , Humanisten und Neulateiner.

Anwartschaft auf eine Pfründe anhält. Die vom 16. März 1487 datierte Urkunde gewährt auch insofern ein besonderes Interesse, als wir aus ihr erfahren, dass Wimpheling eine Zeit lang das Pfarramt zu Sulz im Elsass (Kreis Molsheim) verwaltet hat. K. weist mit Recht auf den inneren Widerspruch hin, dass Wimpheling, der so sehr gegen die Pfründenjäger geeifert, selbst den üblichen Weg nicht verschmäht hat, sich um eine solche Einnahmequelle zu bemühen. In einem zweiten Beitrag zu Wimpheling führt K. zu den bisher bekannten vier Ausgaben des von Johannes Beckenhaub besorgten Werkes: Tabula super libros sententiarum, cum Bonaventura, in dessen viertem Bande sich ein Brief von Wimpheling findet, noch eine fünfte an. In dieser trägt Wimphelings Brief die Ueberschrift: Jacobus Wymffling Sletstatensis theologie doctor usw. Da nun Wimpheling sich niemals als Doktor der Theologie bezeichnet hat, so folgert K., dass die Ueberschrift nicht von ihm selbst herrührt. Stammt diese aber von anderer Hand, so meint K. auch das Recht zu haben, ebenso die Zuverlässigkeit des Datums „Ex Nurnberga 1491" zu bestreiten und es für einen Zusatz des Druckers zu erklären, während er die Authenticität des Textes selbst allerdings nicht antasten will. Demgemäss meint er nun die auf das Datum unseres Briefes gegründete Nachricht von einem zeitweiligen Aufenthalte Wimphelings in Nürnberg im J. 1491 überhaupt in das Reich der Fabel verweisen zu können. Mir scheint die Beweisführung K.s etwas zu scharf zu sein; dass die Ueberschrift nicht vollständig zutrifft, giebt uns noch nicht das Recht, ohne weiteres auch das Datum zu bestreiten, zumal der Text nicht wohl anzuzweifeln ist. Immerhin scheint es daher noch nicht zulässig, den Aufenthalt Wimphelings in Nürnberg ganz zu leugnen, wenn auch zuzugeben ist, dass er nach K.s Ausführungen nicht mehr als unumstösslich sicheres Faktum zu betrachten ist. — Wimphelings Neffe J a k o b S p i e g e l ist ebenfalls von K n o d 2 2 ) , der im wesentlichen die Resultate seiner grösseren Arbeit zusammenfasst, biographisch behandelt worden. — Einen bisher unbekannten Brief R e u c h l i n s an Agricola teilt wiederum K n o d 2 3 ) mit. Es ist das einzige bisher bekannt gewordene Schreiben Capnions an Agricola und insofern recht interessant, als Reuchlin in ihm den Freund um Rat über die Auffassung des Textes einer Psalmstelle fragt. Der Brief muss zwischen 1482 und 85 geschrieben worden sein. Wenn K. bemerkt, aus dem Briefe gehe hervor, dass auch Reuchlin zunächst aus theologischem und nicht philologischem Interesse sich dem Studium der heiligen Sprache zugewandt habe, so scheint mir der vorliegende Brief dafür keinen ausreichenden Beweis zu bieten. Dass freilich das philologische Interesse zu Reuchlins hebräischen Studien nicht in erster Linie den Anstoss gegeben hat, ist unzweifelhaft; stärker aber als das rein theologische Interesse hat zweifellos der Wunsch gewirkt, in der Kabbala die Geheimnisse verborgener Weisheit zu finden. — Von dem Mutianischen Orden24), dem Kreise der jüngeren Freunde Mutians, ist ausser Hutten diesmal nur S p a l a t i n zu erwähnen. G. M ü l l e r 2 5 ) hat ihm eine biographische Darstellung zu teil werden lassen, die aber trotz ihrer Ausführlichkeit wenig Neues bietet. Doch ist wenigstens Spalatins Verhältnis zu Mutian und den in seinem Kreise herrschenden Anschauungen auf Grund des Briefwechsels charakterisiert worden. — Ein von K o n r a d C e l t i s 2 6 ) verfasstes, allerdings wohl nicht in des Dichters eigenem Ms. vorliegendes Schriftstück teilt R u e p p r e c h t 2 " ) aus einer Münchener Hs. mit. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es aber kein Brief, sondern ein Anschlag, durch den die Studenten zu Celtis Vorlesungen eingeladen werden sollten. Celtis war bekanntlich anfangs 1492 an die Universität Ingolstadt berufen worden. Noch vor dem feierlichen Antritt seiner Professur (Aug. 1492) hatte er für seine Zuhörer die Schrift herausgegeben: E^itoma in utramque Ciceronis rhetoricam cum arte memorativa nova et modo epistolandi utilissimo (s. 1. e. a; Ingolstadt [Joh. Kachelofen], 1492). Zu Vorlesungen über dieses Buch ladet der vorliegende Anschlag, der im April oder Anfang Mai 1492 geschrieben sein wird, offenbar ein, wie aus den nachfolgenden Worten klar hervorgeht: praecepta dicendi et omnem ut ita dicam Ciceronianae eloquentiae succum in prospicuum et darum quendam ordinem redegimus: eaque imprimenda curavimus: proximoque die lunae ad horam primam illa interpretari et legere ita instituimus, ut totus iam Cicero non rhomana sed germana lingua loqui intellegatur. Die Betrachtungen, die das Schreiben eröffnen, gehen übrigens von dem gleichen Gedanken aus, den Celtis nachher in seiner feierlichen Antrittsrede (im Aug.) zum Ausdruck brachte. Er beklagt nämlich auch in dem Einladungsschreiben an die Studenten den traurigen Zustand der sprachlichen Studien f e 1d er, K. Gittert, Briefwechsel d. Mutian (rgl. JBL. 1892 II 8:53): HZ 34, S. 123/5. - 2 5 ) U M » 1 1 e r, Spalatin: ADB. 35, S. 1-29. — 26) X *>< L i s t , Litteraria nodalitae Danabiana. (Ans ÖUR) Wien iL., Litt. Anst, A. Schulze). 21 S. M. 0,40. (Fepnl. Abhandlung Ober Celtis u. d.Donaogee., auf Grand d. ullg. bekannteren Qoellen gearbeitet a. nicht frei v. thats&chlichen Irrtümern.) — 27) C. E u e p p r e c h t , E. Brief v. K. Celtis an d. Univ. Ingolstadt: ZVLR. 6. S. 121/2. — 28) F. v. K r o n e e ,

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in Deutschland und weist auf die Alten als die alleinigen Lehrmeister hin. Gerade Ciceros Rhetorik scheint ihm zur Verbesserung des sprachlichen Ausdrucks am geeignetsten zu sein, und so findet er den Uebergang zu der Ankündigung seiner Vorlesung. — Celtis Freund J o h . S t a b i u s hat eine kurze biographische Darstellung durch K r ö n es 2 8 ) gefunden. — Seinen im vorigen Berichtsjahre besprochenen Ausgaben zweier Werke des M u r m e l l i u s 2 9 ) hat Börner 3 0 ) jetzt einen Neudruck der Elegien des münsterischen Humanisten folgen lassen. Man kann nicht sagen, dass Murmellius innerhalb der humanistischen Poeten einen bedeutenden Rang einnimmt; seine Erfindungen sind meist recht dürftig und prosaisch, der Ausdruck ist häufig hart und ungeschickt. Der Herausgeber erkennt in seiner Einleitung die Schwächen des Dichters an, meint aber trotzdem ihn noch recht hoch stellen zu können. Dennoch würde es besser sein von Redewendungen wie: „Murmellius beweist in der poetischen Auffassung seiner Stoffe glänzendes Talent" oder „Murmellius ist ein Dichter von Gottes Gnaden" Abstand zu nehmen; bringt man schon im allgemeinen derartigen Urteilen ein starkes Misstrauen entgegen, so hat man gerade bei der neulateinischen Dichtung die doppelte Aufgabe, vorsichtig zu sein, da der poetische Gehalt im Durchschnitt sehr gering zu sein pflegt und es auch, wie ein unparteiischer Betrachter zugestehen muss, im vorliegenden Falle ist. Trotzdem wird man für die Erneuerung des ziemlich seltenen Buches dankbar sein. Murmellius Elegien nehmen nämlich durch ihre Form schon eine eigenartige Stellung innerhalb der neulateinischen Poesie ein; der Dichter bestrebt sich, durch die vier Bücher eine bestimmte Disposition festzuhalten und das Ganze so mehr dem Charakter des Lehrgedichtes anzunähern. Das erste Buch will das Elend des menschlichen Körpers schildern, die Unbeständigkeit der irdischen Güter darthun; das zweite rühmt die hohe Würde und Vortrefflichkeit der menschlichen Natur; der Uebergang vom zweiten zum dritten Buche ergiebt sich aus einzelnen Elegien, z. B. III, 9 und 10: Der Mensch soll sich bei den hohen Anlagen seines Geistes nicht den Leidenschaften unterwerfen, sondern sein Glück nur in der Tugend suchen. Um sich in diesem Kampf gegen die Versuchungen zu stählen, empfiehlt der Dichter im Anschluss an die Aufstellungen Picos von Mirandola zwölf geistige Waffen; ihrer Behandlung sollte das dritte Buch gewidmet sein, während das vierte endlich von den zu erstrebenden Tugenden und dem höchsten Gute handelt. DerGedankengang, der dem Dichter vorschwebte, ist klar, aber die Disposition ist nicht immer eingehalten; am besten ist sie noch im ersten Buche durchgeführt worden. Im einzelnen wäre manches Interessante hervorzuheben; da hier eine Beschränkung auf das Wesentliche nötig ist, so sei nur auf Folgendes hingewiesen: I, 1 die echt humanistische Einkleidung. II, 14 Lobgedicht auf Albertus Magnus. III, 1 bei der Variierung des bekannten humanistischen Gedankens von der UnVergänglichkeit des dichterischen Ruhmes führt Murmellius eine ganze Reihe dichtender Zeitgenossen an, ausser den älteren Humanisten Rud. Agricola, Faustus Andrelinus, Poliziano erscheinen Murmellius Gönner Rudolf von Langen, Hermann von dem Busche, der Rektor der Münsterer Domschule, Timann Kemner, mit dem Murmellius später (um 1508) in Zwist geriet, so dass er von der Domschule zur Ludgerischule überging; ferner eine Reihe wenig bekannter Freunde und Genossen des Murmellius, der Kanonikus Bernhard Tegeder, Johannes Modersohn, Peter Gymnich, der Bibliophile Heinrich Morlage in Münster, der sonst unbekannte Joh. Iserlohn, der Speirer Jak. Montanus, Joh. Rötger und Murmellius Kollegen an der Domschule, Ludolf Bavink und Joh. Pering; als berühmter Rechtskundiger wird noch Joh. von Elen erwähnt. Das Gedicht giebt uns einen guten Ueberblick über den humanistischen Freundeskreis des Murmellius in Münster, und somit gewinnt es auch für die Geschichte des Humanismus im allgemeinen einen gewissen Wert. III, 14 Loblied auf Thomas von Aquino. IV, 11 Loblied auf den Karthäuserorden und seinen Stifter Bruno. S. XIX schliesst B. sich der Ansicht Reichlings an, dass die Ausgabe der Elegien von 1508, nach welcher der vorliegende Abdruck veranstaltet ist, nicht die erste gewesen, sondern dass ihr schon eine andere 1507 vorausgegangen sei. Die Stellen indessen, die Reichling und mit ihm B. für diese Ansicht anführt, scheinen mir keineswegs beweiskräftig zu sein. — M a t h i a s von B r e d e n b a c h mag hier angereiht werden, weil er seine Bildung an der Domschule in Münster sich erwarb, wo er ein Schüler von Murmellius Gegner Timan Kemner war, vielleicht auch bei Murmellius selbst Unterricht genossen hat. Aus H e i n r i c h s 3 1 ) Schrift über ihn (Frankfurter zeitgemässe Broschüren Bd. 11, Joh. Stabius: ADB. 35, S. 337. — 29) X A - Börner, D. Murmellius „De magistri et discipulorum o f f l c i i s . . u „Opusculum de discipulorum offlciis...« (vgl. JBL. 1892 II 8:48/9) |[H. H ( a g e n ) : IiCBl. 8. 649-50; K. W o t k e : BPhWS. 13, S. 534; A. M a y e r : ÖLB1. 2, S. 742.]| — 30) A. Börner, D. Münsterischen Humanisten Job. Murmellius Elegiarum moralium libri quattuor in e. Neudr. her. ( = Ausgew. Werke d. Mfinsterisohen Humanisten J. Marmelliue. N. 3.) Münster, Hegensberg. XXII, 140 S. M. 3,00. - 31) R. H e i n r i c h s , D. Humanist Mathias Bredenbach als Bieget: Kath. 73s, 8. 345-71, 445-69,

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Heft 12) kennen wir ihn als fanatischen Gegner der Reformation; derselbe Autor führt ihn uns jetzt als Exegeten vor. Er behandelt zunächst den Kommentar Bredenbachs zu den ersten 69 Psalmen. Nach den von H. im Auszuge mitgeteilten Stellen fordert Bredenbach eine allegorische Auslegung der Psalmen, sucht aber auch mit den Mitteln der philologischen Kritik die Bedeutung des Wortsinns festzustellen. Zu diesem Zwecke geht er regelmässig auf den hebräischen Text zurück, zieht aber noch andere Hülfsmittel herbei und fordert mit Nachdruck für die Erklärung der Schrift die Betreibung sprachlicher Studien. Doch soll das alles nur insoweit Geltung haben, als es der von der Kirche vorgetragenen Lehre nicht widerstreitet. Bredenbachs Hauptgrundsatz ist: Bei der Auslegung der Psalmen „muss man sich an die Erklärung der lehrenden Kirche halten". Damit ist der Standpunkt des Mannes bezeichnet, wie denn auch über die Benutzung der jüdischen Grammatiker (S. 354) sich Bemerkungen finden, die stark an eine bekannte Stelle aus den Dunkelmännerbriefen erinnern. Für seine Erklärung hat Bredenbach hauptsächlich die Kirchenväter benutzt, ganz vereinzelt findet sich hier und da ein Citat aus den klassischen Schriftstellern. Es stimmt dazu, dass Bredenbach auch sonst gelegentlich in dem Kommentar recht geringschätzig von der Weisheit der Heiden redet, die sich beim Ausgange des Evangeliums „als reine Thorheit herausgestellt habe". H. giebt einige Proben aus den Bemerkungen Bredenbachs zu den ersten Psalmen und wendet sich dann zu seinem Kommentar zum Evangelium Matthäi, der ebenso wie der Kommentar zu den Psalmen erst 1560 nach des Vf. Tode erschienen ist. In der Erklärung des Evangeliums Matthäi tritt die textkritische Behandlung durchaus zurück; Bredenbach hält sich an den Vulgatatext, der kapitelweise mit gelegentlicher Erklärung schwieriger Stellen erläutert wird. Sowohl in dem Kommentar zu dem Psalmen als auch in dem soeben besprochenen nimmt der Erklärer fortwährend auf die religiösen Zustände seiner Zeit Bezug, und die beiden Werke sind erfüllt von den heftigsten Ausfallen gegen die Reformation und die Reformatoren. Diese Aeusserungen unterscheiden sich in nichts von den heftigen Angriffen, die Bredenbach in seiner Schrift „De dissidiis" gegen den Protestantismus und seine Begründer richtete. H. hat in seiner oben erwähnten früheren Schrift aus diesem polemischen Buche reichliche Auszüge gegeben; ob es daher notwendig war, die entsprechenden Bemerkungen aus den beiden Kommentaren in der gleichen Ausführlichkeit zu liefern, laslsen wir dahingestellt. Jedenfalls erfahren wir aus ihnen nichts Neues, es sind die bekannten Vorwürfe, Versuche der Zurückweisung protestantischer Lehren und zum Teil grobe Schmähungen. Am Schlüsse seiner Abhandlung weist H. auf einen bei Wolter, Konrad von Heresbach, abgedruckten Brief Melanchthons hin (31. Jan. 1559), worin dieser erklärt, er habe im Jahre zuvor durch Konrad von Heresbach den Herzog Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg bitten lassen, dem Bredenbach „sein schändtlich vnd vnchristlich schreiben" zu verbieten und komme jetzt nochmals auf die Bitte zurück. Das Missfallen, das der Herzog, wie H. auf Grund einer Notiz Hamelmanns nachweist, dem Gelehrten bezeigte, als dieser ihm seine Schrift „De dissidiis" widmete, kann vielleicht auf diesen Brief zurückgeführt werden, wenn auch chronologisch einige Schwierigkeiten bleiben, da Bredenbachs Pamphlet schon 1557 erschienen ist. Wenn nun aber H. gesperrt drucken lässt: „Wir nageln die hochinteressante Thatsache fest: Hinterrücks hat Philipp Melanchthon zweimal den Versuch gemacht, durch fürstlichen Machtspruch den unbequemen Gegner Mathias Bredenbach litterarisch tot zu machen", so scheint das recht unnötig. Als ob wir nicht zur Genüge wüssten, dass von derartigen Mitteln zur Unterdrückung der Gegner im Zeitalter der Reformation von beiden Seiten der ausgiebigste Gebrauch gemacht worden ist. — Mit einem bisher unbekannten Gedichte des E r a s m u s , das nicht bloss um seines Autors, sondern auch um des behandelten Gegenstandes willen Beachtung verdient, macht uns Hartfelder 3 2 )vertraut. Ein von Hieronymus Gebweiler besorgtes und von diesem mit einem Widmungsbrief an den Pfalzgrafen Johann versehenes Schriftchen (Hagenau 1536; Exemplar in Freiburg) enthält ausser einigen nachher noch zu erwähnenden Stücken ein Gedicht des Erasmus auf den Tod des Thomas Morus. Das in Hexametern geschriebene, mit Reminiscenzen aus den klassischen Dichtern reichlich versehene Gedicht beginnt mit der Ankündigung des Gegenstandes, ruft dann die Musen um Beistand an und wendet sich nach einer kurzen Erwähnung John Fischers, eines Leidensgenossen Morus, zu einer Darstellung der Verhältnisse, die Morus Tod veranlasst haben. Mit starken Farben werden Heinrichs VIII. Abfall von der katholischen Religion und die Veranlassung zu diesem Schritte geschildert; dem Könige wird prophezeit, dass ihn die Reue über die Unthat noch schwer peinigen werde; der Dichter hält ihm Alexanders fruchtlose Verzweiflung nach der Ermordung des Klitus als warnendes Beispiel vor. Mit einer erneuten Klage 519-37. — 32) K. H a r t f e l d e r ,

E. nnbetunnt gebliebenes Gedicht d. Des. Erasmus v. Rotterdam: ZVLR. 6, S. 457-64. —

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um Morus und mit dem Preise seines Märtyrertodes schliesst dann das Gedicht ab, das an poetischem Wert die Durchschnittsleistungen der neulateinischen Dichtung nirgends überragt. Ausser diesem Poem enthält der Druck noch eine Grabschrift auf Morus in Distichen, wahrscheinlich von Johannes Sapidus, einige Erklärungen Gebweilers zu Stellen in dem Gedichte des Erasmus, eine kurze Biographie des oben erwähnten John Fischer, die Erasmus zugeschrieben wird, und eine Passio Episcopi Roffensis (Fischers) et Thome Mori, über die H. keine näheren Nachrichten giebt. Einen kurzen Abriss von Gebweilers Leben und Wirken entwirft H. im wesentlichen auf Grund von Schmidts Darstellung; hinzu kamen nur noch einige kleinere, aber wenig belangreiche Notizen aus dem Briefwechsel des Rhenanus. Die Entstehungszeit des Gedichtes lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen; zwischen Juli 1535 (Morus Tod) und Juli 1536 (Erasmus Tod) muss es entstanden sein. Das Wahrscheinliche ist, dass es in den ersten Monaten nach dem Tode des Morus gediohtet worden ist. Schliesslich zieht H. als vielleicht Erasmianische Prosaparallele zu dem Gedichte die aus Erasmus Werken bekannte, kleine lateinische Prosaschrift an, die bald nach dem Tode des Morus unter dem Pseudonym Gulielmus Covrinus Nucerinus veröffentlicht wurde. Freilich steht die Autorschaft des Erasmus in diesem Falle keineswegs fest, und es wäre recht wünschenswert, wenn einmal in einer eingehenden. Untersuchung die inneren und äusseren Gründe geprüft würden, die sich für oder gegen Erasmus Autorschaft ins Feld führen lassen. — Als ein« der letzten brieflichen Aeusserungen des Erasmus von Interesse ist ein von Knod 3 3 ) mitgeteilter Brief, datiert Basel, 23. Okt. 1535. Er ist an ein Mitglied der Strassburger Schulherrenkommission gerichtet, vielleicht an Jakob Sturm oder an Nikolaus Kniebs, und empfiehlt einen Franciscus Berus (wahrscheinlich identisch mit dem 1527 in der Basler, 1530 in der Freiburger Matrikel Genannten gleichen Namens) für eine erledigte Pfründe. K. teilt noch einen im Strassburger Thomasarchiv erhaltenen Brief mit, in welchem sich Bers Oheim, Ludwig Berus, in der gleichen Angelegenheit an den Strassburger Rat wendet; ein weiteres Empfehlungsschreiben von Bers Vater findet sich ebenfalls im Thomasarchiv.34"35) — Erasmus war der geistige Mittelpunkt des H u m a n i s t e n k r e i s e s , der sich im Anfang des 16. Jh. in K o n s t a n z zusammenfand. Für die Geschichte dieses Kreises haben sich aus dem Briefwechsel des Beatus Rhenanus, aus den „Analekten zur Geschichte der Reformation und des Humanismus in Schwaben" von Horawitz (1878), sowie aus dessen Erasmiana und auch gelegentlich aus anderen an den Tag gekommenen Stücken manche neue und wertvolle Thatsachen und Gesichtspunkte ergeben. Mit Recht hat daher H a r t f e l d e r 3 6 ) den Versuch gemacht, die Ergebnisse des früher unbekannten Materials wieder zu einem Gesamtbilde zusammenzufassen. In den einleitenden Bemerkungen streift er kurz die Männer, die man noch nicht im eigentlichen Sinne für den Humanismus in Anspruch nehmen kann, wenn sie ihm auch durch die Art ihres wissenschaftlichen Strebens nahe stehen: Georg Nauclerus, den Neffen des Johannes Nauclerus, der die Veröffentlichung der Chronik seines Oheims ermöglichte, den Präpositus Matthäus Schad, als Bewunderer des Erasmus bereits bekannt, den Pfarrer Johannes Wanner, der indessen mehr für die Entwicklung des kirchlichen als für die des geistigen Lebens in Konstanz in Betracht kommt. Auch Ambrosius Yphofer von Yphofersthal wird in seinem lebhaften wissenschaftlichen Streben, seinen Beziehungen zu Luscinius und Rhenanus kurz geschildert, obgleich sein Aufenthalt in Konstanz erst in etwas spätere Zeit fällt. Nach einem Ausblick auf die Fäden, die zwischen Konstanz und Tübingen sich anspannen (H. Bebel und Johannes Stöffler), und nach einer Erwähnung von Ambrosius und Thomas Blaurer, deren Bedeutung ebenfalls mehr auf dem Gebiete der Geschichte der Reformation zu suchen ist, wenn es auch an Beziehungen zum Humanismus keineswegs fehlt, folgt eine sorgfältige und mit Wärme ausgeführte Charakteristik des Johann von Botzlieim. Walchners liebevolle Biographie Botzheims wird von H* in einigen Punkten ergänzt; das Datum von Botzheims Immatrikulation in Heidelberg ergiebt die Matrikel: 23. Okt. 1496; wenn H. demnach Botzheims Geburt um 1480 ansetzt, so stimmt das auch zu der Thatsache, dass sich der Vater des Humanisten 1488 zum dritten Male verheiratete, Botzheim aber aus der zweiten Ehe stammte. Ebenso können wir seine Ankunft in Bologna auf das J. 1500 fixieren. Auch über seine Persönlichkeit und seinen unermüdlichen Wissenstrieb wird aus Horawitz Analekten noch mancher bemerkenswerte Zug gewonnen. Wie hier für Botzheim, so bringt H. auch in den unmittelbar sich anschliessenden Charakterbildern von Menlishofer, Hummelberg und Faber einige Ergänzungen zu den Skizzen von Horawitz. Namentlich die Kenntnis von Hummelbergs Leben ist durch die neu er33) (S. 0. N. 21.) - 34) X Bibliotheca Erasmiana: NedSpeot. S. 195. — 35) X K - H a r t f e l d e r , A. Richter, Erasmnsstndien (vgl. JBL. 1892 II 8 : 5 6 ) : HZ. 35, S. 505/6. — 36) U . , D. humanistische Freundeskreis d. Desid. Erasmus in

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schlossenen Quellen recht gefördert worden: wir wissen jetzt, dass der Aufenthalt in Paris 1503, nicht 1508 begann, dass Humrnelberg vorher (seit 1501) die Universität Heidelberg besuchte und dort 9. Jan. 1503 sein Baccalaureatsexamen bestand. Ebenso bieten die Analekten von Horawitz und der Briefwechsel des Rhenanus manche fördernde kleinere Aufschlüsse über Fabers Freundesverkehr. Die Beziehungen zwischen Hummelberg und Urbanüs Rhegius, dessen Frühzeit der fünfte Abschnitt H.s gewidmet ist, werden zum ersten Male nach den in den Analekten abgedruckten Stücken dargestellt; ebenso wird zum ersten Male das Urteil Zwingiis über Rhegius Schrift „De dignitate sacerdotum", wonach geradezu Faber die Autorschaft des Buches zugeschrieben wurde, verwertet. Den Schluss bildet eine Schilderung von Erasmus Aufenthalt in Konstanz (Sept. 1522), die zum Teil auf dem bekannten und schon von Walchner verwerteten Materiale aufgebaut ist; doch bietet auch hier der Briefwechsel des Beatus Rhenanus reizvolle neue Züge, namentlich über die Unterhaltungen, die in Konstanz zwischen Erasmus und seinen Freunden gepflogen wurden. Im Anhange teilt H. aus einer Hs. der Breslauer Stadtbibliothek zwei Briefe mit, deren Inhalt bereits aus Horawitz, Erasmiana (3, S. 11, 14) bekannt war. Der eine von Johann von Botzheim an Erasmus legt von der glühenden Verehrung Botzheims für Erasmus Zeugnis ab, der andere ist von Menlishofer an Erasmus gerichtet und verdient als das einzige bisher bekannte Schriftstück Menlishofers entschieden Beachtung. Menlishofer verbreitet sich hauptsächlich über seine und des Erasmus Stellung zur Reformation; er selbst neigt der neuen Lehre zu und möchte anscheinend auch Erasmus veranlassen, sich günstiger zu ihr zu stellen; Faber wird von ihm getadelt, weil er zu heftig der reformatorischen Bewegung gegenübertritt. — Für H u t t e n 3 7 ) bietet K n o d 3 8 ) einige recht wertvolle Beiträge. Er teilt zunächst ein bisher unbekanntes Schreiben des Schlettstadter Rates vom 27. März 1521 an Hutten mit, worin der Rat diesem Mitteilung macht, dass in Schlettstadt sein und Luthers Bild von unbekannter Hand beschimpft worden sei, und dass der Rat sich Mühe geben werde, den Thäter auszumitteln und zu bestrafen. Auf Grund dieses Aktenstückes und der Freiburger Matrikel wird das Datum eines Briefes, in dem der junge Johannes Sandizeller aus Schlettstadt seinem Landsmanne Beatus Rhenanus Kunde von der Luther ünd Hutten angethanen Beschimpfung giebt, (Horawitz-Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanüs N. 421) datiert: er muss nach dem 17. Febr. 1521 geschrieben sein. Ueber die weitere Haltung des Schlettstadter Rates teilt K. noch ein Zeugnis mit: in einem Schreiben an seinen Prokurator Johannes Man in Rom (14. Juni 1522) sucht der Rat dem Papst gegenüber sein Verhalten so darzustellen, als ob er die protestantische Sache niemals begünstigt hätte, was allerdings mit der Wahrheit nicht übereinstimmte. Weit wertvoller indessen als dieses Schreiben ist der Fund, den K. an dritter Stelle mitteilt: ein bisher unbekannter gedruckter Fehdebrief Huttens an die Kurtisanen. Die von K. wiedergegebene Vorlage befindet sich im Strassburger Stadtarchiv und weist Korrekturen von Huttens eigener Hand auf. Sie ist datiert Freitag vor Judika 1522 und offenbar aus einer Ebernburger Presse hervorgegangen. In heftigen Worten kündigt der Ritter den Kurtisanen Fehde an, er will sie mit „Feür vna Eysin besuchen" und alle, die sich ihrer annehmen, in der gleichen Weise behandeln. — Die Schutzschrift für Hutten, mit der Otto B r u n f e l s der Spongia des Erasmus gegenübertrat, behandelt H a r t f e l der 3 9 ). In der Lebensskizze des Brunfels, die H. der Betrachtung der Schrift vorausschickt, sind zum ersten Male die sieben Briefe verwertet, die jener 1520 an Beatus Rhenanus geschrieben, und die im Briefwechsel des letzteren abgedruckt sind. Sie geben uns Aufschluss über die Beziehungen, die Brunfels zu dem elsässischen Humanistenkreise (Wimpheling, Sapidus, Phrygio, Butzer, Capito, Volz u. a.) angeknüpft hatte, und über seine Versuche, mit Erasmus in Berührung zu kommen; auch seine humanistische Geistesrichtung und sein Widerwille gegen das Klosterleben kommen zum Ausdruck. E s kann nicht zweifelhaft sein, dass diese Stücke für die Erkenntnis von Brunfels Entwicklungsgang von hohem Werte sind. Konnte sich H. hier auf noch nicht ausgebeutetes Material stützen, so behandelt er die Beziehungen des Brunfels zu Hutten, die Schrift selbst, die brieflichen Aeusserungen des Erasmus und dessen Beschwerde beim Strassburger Rat im wesentlichen auf Grund der bei Böcking zusammengestellten Aktenstücke des Streites. In der Besprechung der Schrift, der wir nur insoweit nachgehen können, als es sich nicht um eine direkte Inhaltsangabe handelt, bringt H. eine Reihe guter Beobachtungen. Er weist mit Recht darauf hin, dass Brunfels Behauptung, er habe in Neuenburg die Spongia noch bei Huttens Lebzeiten erhalten, nicht zutreffend sei, da Hutten sicher schon tot war, als die Spongia herauskam. Konstanz: ZöORh. 8, S. 1-S3. — 3 7 ) X B. P a p p r i t z , Ulr. v. Hatten. E. Lebensbild. Marburg, Elvert. 49 S.' M. 0,80. (Wertlese Kompilation.) — $8) (S. o. N. 21.) — 3 9 ) K. H a r t f e l d e r , O. Brnnfels als Verteidiger Huttens: ZGORh. 8,

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Richtig ist auch die Bemerkung, dass Brunfels gar keinen Versuch macht, das Wahre und Unwahre in Erasmus Anklagen zu scheiden; er schadet seiner Sache damit, dass er keinen Flecken auf seinem Helden sitzen lassen will, während thatsächlich doch manche Schwächen in Huttens Wesen nicht zu leugnen waren. Hübsch hebt H. auch hervor, dass fast alle Citate in Brunfels Schrift aus der Bibel stammen, während Anführungen aus dem klassischen Altertum fast vollständig zurücktreten, wie denn auch die heftige antipapistische Sprache sich durchaus an Luther gebildet hat. So ist auch diese gegen Erasmus gerichtete Schrift ein sprechender Beweis für die Thatsache, dass seit Luthers Auftreten das Interesse sich immer mehr verschiebt und die humanistische Bildung von dem grossen kirchlichen Kampfe völlig aufgesogen wird. — Schliesslich behandelt H. noch den Brief des Erasmus an Brunfels. Die Kombinationen, durch die H. die Vorgeschichte dieses merkwürdigen Aktenstückes herstellt, sind durchaus zutreffend: Brunfels hatte wegen seiner reformatorischen Gesinnung Neuenburg verlassen müssen und sich nach Strassburg begeben, wo er am 26. März 1524 als Bürger aufgenommen wurde. Hier hatte er eine lateinische Schule eröffnet, als deren Leiter er der Gerichtsbarkeit des Rates unterstand. Nun hatte Erasmus sich bei dem Rate über den Drucker von Brunfels Schrift, Johannes Schott, beschwert und damit wirklich insofern Erfolg gehabt, als der Rat dem Drucker einen Verweis erteilte. Offenbar ist es nun auch der Rat gewesen, der Brunfels veranlasst hat, sich mit Erasmus auseinanderzusetzen. Jedenfalls hat Brunfels an diesen einen verloren gegangenen oder wenigstens vorläufig nicht bekannten Brief geschrieben, dessen Ton sicher recht unfreundlich war. Dem entspricht denn auch die Haltung in Erasmus Antwort, die sehr kühl und gemessen ist. Die litterarische Geschicklichkeit von Brunfels schlägt H. wie Strauss äusserst gering an und zeigt an einer Reihe von Stellen auf, wie gerechtfertigt Straussens kurzes und bündiges Urteil über den Wert der Verteidigungschrift ist. — Huttens Gönner E i t e l w o l f vom S t e i n hat in F a l k 4 0 ) einen Biographen gefunden. Aus der Arbeit, die den Versuch macht, alle über Eitelwolfs Leben bekannten Thatsachen zusammenzutragen, ist zunächst die Untersuchung über sein Geschlecht hervorzuheben; F . weist nach, dass Eitel wolf einer Adelsfamilie angehörte, die ihren Sitz in dem heutigen württembergischen Oberamte Ehingen hatte und in einer „zum Rechtenstein" genannten Linie heute noch blüht. Zutreffend ist ferner der Hinweis, dass in Schlettstadt nicht Kraft Udenheim, sondern Dringenberg selbst Eitelwolfs Lehrer gewesen ist. Die Eintragung in der Matrikel von Bologna, in der Eitelwolf zum J . 1489 als canonicus et custos Wratislaviensis erscheint,- könnte eben wegen dieses Zusatzes Zweifel an der Identität des hier Genannten mit unserem Humanisten erwecken. F. weist aber zur Erklärung mit Recht darauf hin, dass Eitelwolf wohl auf Grund der damals üblichen Gewohnheit diese Prälatur als römische Pfründe erhalten hat, ohne die höheren Weihen zu besitzen. Annehmbar ist auch die Vermutung, dass er diese Pfründe durch seinen Oheim, den einflussreichen Georg vom Stein erhalten und nach dessen Tode 1490 wieder verloren habe. Die Zeitbestimmung der Uebernahme des Hofmarschallamtes (vor Nov. 1514) ist weniger wichtig, zumal wir allen Grund haben anzunehmen, dass Eitelwolf seine Aemter bei Albrecht sofort nach dessen Amtsantritt in Mainz übernommen hat. Hervorzuheben ist dann schliesslich noch die Grabschrift Eitelwolfs im Dome zu Mainz nach einer 1727 von dem Domvikar Bourdon genommenen Abschrift. Die Thätigkeit im Dienste Joachims I. wird von F . ausführlich dargestellt; neue Quellen dafür sind freilich nicht erschlossen, sondern im wesentlichen ist das bekannte Material verwertet worden, allein es ist ganz nützlich, dass uns so einmal eine übersichtliche Schilderung der Thätigkeit Eitelwolfs auch nach dieser Seite hin gegeben worden ist. — Auch in der ADB. ist Eitelwolf eine kurze biographische Darstellung durch H a r t f e l d e r 4 1 ) zu teil geworden, die seine Persönlichkeit, seine Stellung zu der geistigen Bewegung sowie zu den einzelnen Humanisten kurz, aber richtig zeichnet. Die thatsächlichen Angaben würden hier und da (Aufenthalt in Schlettstadt und Bologna) nach der vorstehenden Abhandlung zu berichtigen bezw. zu ergänzen sein. — Eine sehr wertvolle Bereicherung unserer Kenntnis des Humanismus in Augsburg gewährt die Arbeit über V e i t B i l d von A. S c h r ö d e r 4 2 ) . Der Vf. giebt zunächst eine kurze biographische Darstellung im wesentlichen auf Grund des gleich noch zu besprechenden Briefwechsels Bilds und beutet sodann das gleiche Material gründlich aus, um eine Uebersicht über die vielseitige wissenschaftliche Thätigkeit des Humanisten zu entwerfen, deren zuverlässige Resultate man kurz so zusammenfassen kann: Bilds sprachliche Kenntnisse waren gering. Im Lateinischen brachte S. 563-78. - 4 0 ) F. F a l k , D. Mainzer Hofmarschall Eitelwolf vom Stein: HPB11. 111, S. 877-94. - 41) E . H a r t f e l d e r , Eitelwolf vom S t e i n : ADB. 85, S. 606/7. — 4 2 ) A. S c h r f t d e r , D. Hnmanist Veit Bild: ZHYSchwaben. 20, S. 173-227. — Jahresberichte für neuere deutsche Litteratargesohiohte. I T . (2)11

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er es nicht zu einer erheblichen Fertigkeit, wenn auch im Laufe der Jahre die Sicherheit in der Beherrschung der Sprache wuchs, wobei ihm zu gute gekommen sein mag, dass er eine Zeit lang den lateinischen Unterricht an der Klosterschule gab, für den er 1519 eine nie gedruckte, aber wiederholt in den Klöstern abgeschriebene lateinische Grammatik verfasste. Im Griechischen genoss er höchstwahrscheinlich den Unterricht Otmar Nachtgalls und wurde in seinen Bestrebungen von Joh. Kaiser, Pinician und Oekolompad unterstützt. Dennoch hat er es zu nennenswerten Kenntnissen kaum gebracht. Ganz ähnlich ist es wohl mit dem Hebräischen bestellt gewesen. Charakteristisch ist, dass der mächtigste Anstoss zur Erlernung dieser Sprache bei Bild von den Wittenberger Reformatoren herstammt, wenn auch die Anfänge des Studiums in frühere Zeiten zurückgehen. In dem Augustinerprior Konrad Amman in Lauingen, der wie Bild der Reformation zugewandt war und Luther als „unsren Apostel" bezeichnet, findet er einen guten Lehrer, doch hat er augenscheinlich nicht viel erreicht, da er sich nicht zutraute, die von Amman verfassten Grundzüge einer hebräischen Grammatik richtig abzuschreiben. Ausführlich verweilt Sch. bei den mathematisch-astronomischen Studien Bilds und bringt zu dem bereits bekannten Material noch eine Reihe von neuen Daten bei; Bilds musiktheoretische Thätigkeit wird nur gestreift, dagegen erhält unsere Kenntnis seiner hagiögraphisch-liturgischen und lokalhistorischen Arbeiten durch einige, in neuerer Zeit noch nicht wieder verwertete Notizen Förderung. Ebenso erhalten wir hier zum ersten Mal aus dem Briefwechsel von einer theologischen Arbeit Bilds Kenntnis, einem Auszug aus den Sentenzen des Petrus Lombardus, den Bild im J. 1507 Bernhard Adelmann zur Prüfung vorlegte. Wichtiger indessen als diese und andere kleinere theologische Arbeiten ist Bilds allgemein-religiöser Standpunkt, wie er sich namentlich in seinem Verhalten der Reformation gegenüber kund thut. Auch er nimmt Luther gegenüber jene Stellung ein, die wir bei den Humanisten so häufig beobachten können: anfangs begrüsst er das Auftreten Luthers, dessen Schriften ihm Bernhard Adelmann zuerst nahe gebracht hatte, freudig, er feiert ihn als den neuen Elias und erklärt sich in allen Punkten mit ihm einverstanden. Auch drückt er in zwei Briefen an Luther, auf die dieser aller Wahrscheinlichkeit nach aber gjar nicht antwortete, die gleiche Gesinnung aus. Wenn er dann später von der Reformation sich gänzlich zurückzog, so ist dieser Vorgang bei ihm wohl ähnlich wie bei so vielen anderen Humanisten, z. B. bei Pirkheimer und Crotus Rubeanus zu erklären. Die Förderung der humanistischen Interessen, die die Humanisten von der Reformation erhofft hatten, erfolgte keineswegs, vielmehr trat das Gegenteil ein; dazu kamen noch die grossen Volksbewegungen, die Teilnähme der Massen, die diesen weitabgewandten Gelehrten nötwendig unsympathisch sein und ihnen Bedenken gegen die neue Lehre einflössen mussten. Derartige Eindrücke und Erwägungen werden auch Bilds spätere Stellung zur Reformation bestimmt haben, jedenfalls brach er völlig mit Oekolompad und schloss sich in dem Abendmahlsstreit durchaus an Pirkheimer und Peutinger an. — Seiner darstellenden Arbeit, deren wesentliche Grundzüge in den vorstehenden Zeilen wiedergegeben sind, lässt Sch. dann den wichtigsten Teil seiner Arbeit, den Briefwechsel Bilds in Regesten folgen. Die Hs. des Briefwechsels befindet sich in dem Archiv des bischöflichen Ordinariates Augsburg; sie ist von Bild selbst angelegt, der seit 1506 alle abgesandten Briefe in eigenhändigen Abschriften aufzubewahren pflegte und ebenso (regelmässig erst seit 1517) die an ihn ankommenden Briefe für seine Sammlung durch eine andere Hand kopieren liess. Es ist unmöglich, hier im einzelnen die Bereicherungen aufzuzählen, die unsere Kenntnis des humanistischen Freundeskreises Bilds erhält. Die Briefe von Spalatin, Oekolompad und Ellenbog an Bild, die wir bisher aus Veiths Veröffentlichungen und gelegentlichen Mitteilungen in Pez Thesaurus nur unvollständig und zum Teil bruchstückweise kannten, werden hier insgesamt nach ihrem Inhalte wiedergegeben; dazu aber erhalten wir fast überall die bis jetzt unbekannten Antworten Bilds. Ebenso werden wir mit den Briefen Bilds an Locher bekannt gemacht, während bisher nur dessen Antworten zugänglich waren (vgl. N. 51, 65, auch 72). Von den sonstigen Teilen des Briefwechsels waren die zwischen Bild einerseits, Peutinger und Pirkheimer andererseits gewechselten Briefe schon durch Veith und Braun (Notitia de codd. ms.) veröffentlicht, doch fehlt es in Sch.s Verzeichnis der betreffenden Briefe keineswegs an wertvollen Ergänzungen, namentlich für die Peutingers. Von dem bisher nicht bekannten Material ist am wichtigsten und aufschlussreichsten der Briefwechsel mit Bernhard Adelmann, während die Briefe von Konrad Adelmann zum Teil schon bekannt waren, auch weit weniger wertvoll sind; doch vgl. den sehr wichtigen Nachtrag Sch.s N. 247, den bisher unbekannten Trostbrief, den Bild nach Bernhards Tode an Konrad Adelmann richtet. Ferner die Briefe von und an Otmar Nachtgall (Luscinius), die für den elsässischen Humanisten manches Neue bieten (s. u. N. 44), der Brief an Heinrich Bebel (N. 112), durch den Bild mit

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dem berühmten Humanisten, dem er einige matte Beiträge zu seinen Facetien zukommen lässt, anzuknüpfen sucht, ferner der Brief an Th. Murner, der Brief an B. von Waldkirch, der Briefwechsel mit Kaspar Amman (auch die Briefe Kaspar Ammans selbst, die teilweise schon durch Veith veröffentlicht waren, werden durch Sch. ergänzt und vervollständigt), mit dem späteren Täufer Joh. Denck, Joh. Mader, Joh. Pinician, Nikol. Poll und Joh. Stabius; doch auch die übrigen Briefe gewähren manches schätzbare Material. Unter den 18 ungedruckten Stücken der Sammlung, die im Anhang von P. Beda Gründl vollständig herausgegeben sind (1 Brief von Luscinius, 6 von Spalatin, 4 von Oekolompad, 1 von Joh. Frosch, 4 von Bild und 2 von Bild entworfene Schriftstücke, ein amtliches und ein Bittschreiben), verdienen die beiden Briefe Bilds an Luther als neue Zeugnisse für die anfängliche enthusiastische Stellung der meisten humanistisch Gesinnten zu dem reformätorischen Gedanken und der Brief von Oekolompad (N. 266; womit zu vergleichen die Inhaltsangabe von Bilds Brief N. 263, auf den Oekolompads Schreiben die Antwort bildet als Anzeichen für die beginnende Abwendung Bilds von der Reformation) besondere Hervorhebung. — Einen anziehenden Gegenstand hat sich Radlkofer 4 3 ) zur Behandlung ausersehen, indem er zehn A u g s b u r g e r Aerzte (die drei Occos, Grünpeck, S. Grimm, Wirsung, Gasser, Moiban, Rauwolf und Henisch) in ihrer Stellung zum Humanismus schildert. Der Vf. hat offenbar seine Darstellung für einen grösseren Leserkreis bestimmt; so ist es wohl zu erklären, dass manches Bekannte recht breit vorgetragen ist. Doch finden sich unter den von R. gegebenen Mitteilungen auch einige bisher unbekannte Notizen, die meist den Protokollen des Collegium medicum in Augsburg entstammen. Neu ist z. B. die Nachricht von einem Gedicht Sebastian Brants auf Adolf Occo I, S. 27; ebenso einzelne Angaben, die sich auf Anstellungsverhältnisse in Augsburg beziehen, vgl. z. B. bei Sigm. Grimm: Er wurde 1511 (nicht 1512 [ADB. 9, S. 690]) als Stadtarzt iil Augsburg mit 50 Fl. in Augsburg angestellt, erhielt durch seine Heirat mit Magdalena Welserin das Bürgerrecht, 1515 wurde sein Jahrgeld auf 60 Fl. erhöht. Aehnliche kleinere Notizen finden sich auch sonst in dem Aufsatz; eine gewisse Förderung lässt sich daher, was kleinere Einzelangaben betrifft, für die Kenntnis des Augsburger Humanismus immerhin aus ihm gewinnen; freilich im allgemeinen hätte sich der so dankbare Vorwurf weit eindringender und fruchtbarer gestalten lassen. Ob es notwendig war, Leonhard Rauwolf so ausführlich zu behandeln, lassen wir dahin gestellt; von speciell humanistischen Bestrebungen ist doch bei ihm so gut wie gar nicht die Rede. — Ueber L u s c i n i u s hat Schröder 4 4 ) gehandelt. Er setzt mit Hartfelder auf Grund der Heidelberger Matrikel, aus der auch Nachtgalls Aufenthalt in Heidelberg zum ersten Male festgestellt worden ist, dessen Geburtszeit zwischen 1478 und 80 an und berichtigt die Auffassung des von Hartfelder mitgeteilten Zeugnisses des Karthäusermortuariums dahin, dass es sich nicht um eine Aufnahme Nachtgalls als Ordensmitglied, sondern um geistliche Fraternität mit dem Orden handelte. Der Briefwechsel Bilds (s. 0. N. 42) ergiebt die wichtige Notiz, dass seine Pariser Studienzeit nicht in das J. 1508, wie K. Schmidt meinte, sondern zwischen die J. 1511—14 fällt. Auf Grund der Augsburger Archive hat Sch. nun für den Augsburger Aufenthalt eine Reihe wertvoller Notizen zusammengestellt. Das Datum seiner Anstellung als Prediger bei St. Moritz in Augsburg (auf Präsentation der Fugger) ist der 30. Juni 1525. Wir sehen jetzt auf Grund der archivalischen Notizen, die Sch. mitteilt, wie Luscinius von vornherein in Augsburg mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Das Kapitel brachte ihm feindselige Gesinnungen entgegen und erschwerte ihm offenbar seine Thätigkeit. Auch über die späteren Lebensverhältnisse, nachdem ihm in Augsburg vom Rat das Predigen untersagt war (15. Sept. 1528 — das Datum war bisher unbekannt, ebenso die Thatsache, dass er schon am 7. Okt. desselben J. nicht mehr in Augsburg, wohl Ende Sept. schon geschieden war —) und nachdem er die Stadt verlassen hatte, erhalten wir von Sch. heue Aufschlüsse, namentlich über die Pension, die ihm die Fugger später zahlten. An diese neuen Notizen schliesst sich eine Betrachtung Sch.s über die Stellung Nachtgalls zu den religiösen Fragen. Auf Grund einer eingehenden Darstellung gelangt er zu dem Ergebnis, dass Luscinius, einige Schwankungen abgerechnet, sich nicht von der Lehre der katholischen Kirche entfernt habe. Indessen lässt sich doch in der Rechtfertigungslehre eine Hinneigung zur protestantischen Lehre bemerken, die er aber schnell wieder überwunden zu haben scheint. Dass aus seiner begeisterten Hingabe an den Humanismus, aus seiner Abneigung gegen Mönche und Scholastik noch nicht eine feindliche Stellung zur katholischen Kirche überhaupt gefolgert werden darf, ist Sch. gewiss zuzugeben. Auch ohne ausdrückliche Zeugnisse wird man annehmen 43) (I 4 :121.) —44) (II 6 : 23.) —45) O F. Dittrieh, Miacellanea Batisboneneia a. 1541. Ei ehartia Püngiania blbliotheoae (2)11*

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dürfen, dass Luscinius Stellung zu Luther wohl ähnlich gewesen ist wie die der meisten anderen Humanisten: er wird Luther sympathisch begrüsst haben, so lange er eine Förderung des Humanismus von der Bewegung erwartete, und sich abgewandt haben, als die ganz anderen Ziele der neuen Richtung offen zu Tage traten. Ueber Nachtgalls Auftreten als Prediger in Augsburg giebt der Vf. eine Darstellung, die ebenfalls meist auf archivalischem Material beruht und im wesentlichen den Zweck hat, Nachtgall von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf des fanatischen Eiferns gegen die religiöse Neuerung zu reinigen. Man wird Sch. jedenfalls darin unbedenklich zustimmen dürfen, dass Nachtgall in der Polemik auf der Kanzel sicher nicht weiter gegangen ist als die protestantischen Prediger. Einzelne Urteile von Zeitgenossen, die der Vf. am Schlüsse mitteilt, sollen Nachtgalls sittliches Verhalten in das beste Licht stellen; wir lassen die Frage, ob die wiederholt erhobene Behauptung, dass sein Wandel nicht tadelfrei gewesen sei, zutrifft, vorläufig unentschieden, aber unzweifelhaft hat Sch. recht, wenn er bei der allgemeinen Auffassung der Geschlechtsverhältnisse im 16. Jh. Schlüsse aus Nachtgalls Schwanksammlung auf seinen Lebenswandel ablehnt. — Johann Eck darf zwar selbstverständlich nicht zu den Humanisten gerechnet werden, allein bei der Stellung, die er durch sein Auftreten gegen Pirkheimer, Bernhard Adelmann und andere Humanisten gewinnt, sowie als Held des Eckius dedolatus darf er doch bei einer Betrachtung des deutschen Humanismus nicht fehlen. Neue Züge zu seinem Charakterbild ergaben sich aus einer Veröffentlichung von D i t t r i c h 4 5 ) , die mir leider nicht zugänglich gewesen ist, so dass ich ihren Inhalt, soweit er Eck betrifft, nur nach einer in dieses Berichtsjahr fallenden Besprechung von J. S c h m i d wiedergeben kann. D. giebt auf Grund neuer Funde Aufschluss über Ecks Verhalten bei dem Regensburger Religionsgespräch 1541. Das Bild, das wir von Eck erhalten, ist auch hier entschieden kein sympathisches. Auch aus den Unterhandlungen mit seinen Gesinnungsgenossen lassen sich Ecks unerfreuliche Charaktereigenschaften, seine Eitelkeit, Leidenschaftlichkeit, aber auch seine geringe Zuverlässigkeit und seine Hinterhältigkeit klar und deutlich erkennen. — Die Vermittlung zwischen dem eigentlichen Humanismus und den theologischphilologischen Interessen des deutschen Gelehrtentums im 16. Jh. bildet M e l a n c h t h o n . Aus den Hss. der Bibliothek der St. Katharinenkirche in Brandenburg a. H. teilt N. Müller 4 6 ) eine Abhandlung und einen Brief Melanchthons mit, die für unsere Zwecke wenig ergeben, wenngleich der gegen Agricola gerichtete, nicht lange vor Melanchthons Tode geschriebene Brief durch seine derb-volkstümliche Ausdrucksweise anzieht. Mehr in unser Gebiet gehört der an der gleichen Stelle von M. nach einer Hs. in Venedig publizierte Brief „Ad amicum quendam"; freilich sind die Ausführungen über die Art der geistlichen Redekunst mehr theologischer Natur, auch ist die Betonung, dass die Kenntnis der klassischen Litteratur für einen Prediger ungemein fördernd sei, bei Melanchthon nichts Neues. — Recht wertvoll ist die Mitteilung der ältesten Gestalt von Melanchthons Philosophiae moralis epitome, die 1538 zum ersten Male gedruckt worden ist. Aus einer jetzt in Nordhausen befindlichen Hs., über deren Herkunft Genaueres nicht bekannt ist, druckt Heineck 4 1 ) die vorliegende Fassung ab. Sie unterscheidet sich von den gedruckten Ausgaben beträchtlich, und sichtlich bemüht sich Melanchthon, den Ausdruck möglichst präcis zu gestalten, sowie die Thatsachen summarisch zusammenzufassen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die vorliegende Fassung 1532 entstanden; sie sollte offenbar den Studenten zur Unterstützung von Melanchthons Vortrag in die Hand gegeben werden und ist wohl zu diesem Zwecke, wie es scheint, abschriftlich verbreitet worden. — Die im vorigen Berichte (vgl. JBL. 1892 II 8 : 82) erwähnten beiden kleinen Gedichte Melanchthons werden von E n d e r s 4 8 ) als mehrfach gedruckt nachgewiesen; ein Eingehen auf die Fragen nach der Ueberlieferung der Texte, wie sie sich aus dem Vergleich der hs. Fassung ergeben,49und auf die Varianten kann wohl unterbleiben, da der Wert der Stücke gering ist. ~5lu) — Von Gelehrten des 16. Jh.52) ist der seit Lessing durch seine Fälschungen allgemein bekannte E r a s m u s S t e l l a durch W e g e l e 5 3 ) biographisch behandelt worden. — Eine recht gute biographische Darstellung wurde dem schweizerischen 54 Philologen und Theologen Jos. Wilh. S t u c k i von K o l d e w e y ) gewidmet. — Hoche 5 5 ) giebt eine kurze, nicht sonderlich orientierende Notiz über den Polyhistor S i m o n Sten. — seholae episcopalis. Progr. Braonsberg. 1892. 4°. 29 S. |[J. S c h m i d : LRs. 19, S. 41/2.JI — 46) (II 6:119.) — 47) (II6:117.) — 48) (II 6 :122.) - 49) X (II « : «2) - 50) X (II 6:115.) |[K. W o t k e : ZÖG. 44, S. 321/2.]| - 51) X (II « = 121) 51a) X B. C a s p a r i , F. Mykonius. L , Faber. 16 S. M. 0,10. (Behandelt einige Thatsachen ans Mykonius Leben mit eibaolioh-pid. Absichten. Vgl. aueh II 6 :131/2.) — 52) X X ® N e i d h a r d t , De Jnsti Lipsi Tita Jenensi orationibnsqne ah eo habitis. Progr. d. Qymn. Passan. 41 S. - 53) F. X. W e g e l e , Erasm. Stella: ADB. 36, S. 30/1. — 54) F. K o l d e w e y , Jos. W. Stncki: ib. S. 717-20. — 55) (I 6:17.) — 56) P- B a h l m a n n , D. lat. Dränen v. Wimphelings Stylpho Ms & Mitte

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Eine sehr brauchbare bibliographische Darstellung für das neulateinische D r a m a im a l l g e m e i n e n hat B a h l m a n n 5 6 ) geliefert. Er giebt ein Verzeichnis der lateinischen Schauspiele in Italien, Deutschland, Frankreich, England und den Niederlanden — an Zahl überwiegen weit die deutschen — und nennt bei jedem einzelnen die Ausgaben mit den Fundorten, die Uebersetzung in andere Sprachen, wenn solche vorhanden, und eine kurze Inhaltsangabe. — Neben dem Einflüsse des Plautus auf die dramatische Produktion Deutschlands sowie auf die Uebersetzungslitteratur ist Terenz verhältnismässig zurückgetreten; jetzt sind auch diesem Gegenworden, auf die im nächsten Berichte zurückstande Untersuchungen 51gewidmet gekommen werden soll. " 58 ) — Bis zu einem gewissen Grade kann man bei M a t e r n u s S t e y n d o r f f e r von einer Anlehnung an die Art von Eybs Plautuserneuerungen sprechen; B o l t e 5 9 ) hat jetzt seine eigenen Forschungen sowie die von Roethe und Stiefel (vgl. JBL. 1892 II 8:23/5) in einer kurzen biographischen Darstellung zusammengefasst. — Scherers 6 0 schöner Aufsatz über N i k o d e m u s F r i s c h l i n ist in dem von E r i c h S c h m i d t ) herausgegebenen zweiten Bande der „Kleinen Schriften" neu gedruckt worden; er beschäftigt sich hauptsächlich mit den dramatischen Arbeiten; Frischlins lateinische Lyrik ist dem poetischen Wert im Verhältnis zu seiner Dramatik entsprechend weniger berücksichtigt worden.60'1) — Den L y r i k e r 6 1 ) J o h a n n S t i g e l behandelt H a r t f e l d e r 6 1 » ) ; doch ruht der Hauptnachdruck bei ihm auf der Schilderung der ausreichend bekannten Lebensverhältnisse; ein Versuch, seine Dichtung zu charakterisieren, wird nicht gemacht. — Die Briefe des G e o r g F a b r i c i u s an seinen Bruder A n d r e a s (1528—71) hat P e t e r 6 2 ) nach der von Andreas Enkel, Georg Andreas (1586—1645) zusammengestellten Nordhäuser Hs. herausgegeben, F i c k e l s c h e r e r 6 3 ) in ihrem Inhalte kurz charakterisiert. Sie bieten für die Persönlichkeit des Georg Fabricius wertvolles biographisches Material und gewähren einen anziehenden Einblick in das Gelehrtenleben des 16. Jh. Das Bild, das wir aus ihnen von Georg empfangen, ist ein ungemein sympathisches; wir lernen ihn als einen frommen, aufopferungsfähigen Mann kennen, der mit rührender Zärtlichkeit an seiner Familie hing und namentlich seinen Geschwistern stets hilfsbereit zur Seite stand. Ueber die Einzelheiten seines Familienlebens, Eheschliessung, häusliche Sorgen und ähnliches sendet Georg dem Bruder regelmässige Berichte, ebenso über die Verhältnisse der Meissner Fürsten schule, deren Rektor er war. Wichtiger als alle diese Fragen sind für uns die geistigen Beziehungen, die sich ergeben. Selbstverständlich werden die poetischen und wissenschaftlichen Werke des Georg Fabricius häufig erwähnt; der Briefschreiber teilt seinem Bruder mit, welche Arbeiten ihn beschäftigen, er benachrichtigt ihn von dem Abschluss und der Drucklegung der Werke. Neues zur Datierung der Werke ergiebt sich im wesentlichen aus der Publikation nicht, aber immerhin verdienen die Mitteilungen Beachtung. Auffallend gross ist der Kreis der Interessen des Dichters: ausser der Altertumswissenschaft, der Geschichte ziehen ihn auch die Naturwissenschaften an, und er sucht sich möglichst eingehend auch auf diesem Gebiete zu orientieren. Bezeichnend für seine Bescheidenheit ist der grosse Wert, den er auf die Urteile anderer über seine Arbeiten legt. (1, S. 8.) Den entscheidenden Einfluss auf seine Geistesrichtung und Weltanschauung hat Luther ausgeübt (N. 56), als einen Jünger Luthers fühlt er sich und nimmt dem zufolge auch heftig Stellung gegen den Papst. Er beglückwünscht den Bruder, dass dessen Dichtung „Christus lacrimans" auf den Index gesetzt ist, und fordert ihn auf, noch einen Christus triumphans zu schreiben. Dem Kardinal Otto von Augsburg, der dem Papst das Verzeichnis der auf den Index zu setzenden Bücher übergeben haben sollte, schickt er eine Satire Naogeorgs, „vehementis poetae", zu, wahrscheinlich die Schrift „In catalogum Haereticorum". In dem Streite zwischen Melanchthon und Flacius nimmt Fabricius keine bestimmte Stellung ein; er beklagt die Uneinigkeit und spricht den Wunsch aus, dass die Gegner Frieden halten möchten. Doch blieb er mit Flacius noch in Verbindung und liess später durch seinen Bruder den Centuriatoren einen Beitrag zugehen. Mit einer grossen Reihe von neulateinischen Dichtern, z. B. mit G. Aemilius, Luthers Schwager, David Chyträus, G. Major, Adam Siber u. a. stand Georg Fabricius in Beziehungen, von denen die vorliegenden Briefe ein Zeugnis ablegen; auch sein Verhältnis zu dem Drucker Oporinus spielt eine grosse Rolle. Ueberhaupt gewinnt man aus den Briefen, aus der Art, in der neuere und ältere dichterische Produkte ausgetauscht und mitgeteilt werden, eine lebendige Anschauung davon, eine wie starke litterarische Macht die neulateinische Dichtung damals in Deutschland gewesen ist. Uebrigens d. 16. Jh. (1480-1550.) E. Deitr. z. Litt-Gesch. MUnster, Hegensberg. 114 S. M. 3,50. — 57) X X (H * 1®-) — 58) X X (I « : 246; Sonderabdr. B., Maller. 28 S.) - 59) J. B o l t e , M. Steyndorfer: ADB. 36, S. 160/1. — 60) (I 1 :117; 2, S. 51/6.) 6 0 » ) X (S. 0. N. 5.) — 61) x (S. o. N. 4.) - 61a) (I 6 : 1 6 ; II 6 : 43.) - 62) H. P e t e r , Georgii Fatoricii ad Andream fatrem epistolae ex autographis primam editae. Progr. y. St. Afra. Meissen, Klinkioht. 1891-92. 4°. 31 S. — 63) M. F i o k e l s u h e r e r , D. Briefwechsel zwischen O. n. A. Fabrieiwi. ( = 1 4 : 385. S. 81/3.) — 64) X (H 6 = 94.)

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bringt Fabricius auch der deutschen Dichtung ein gewisses Interesse entgegen, namentlich wenn diese, wie Cyriacus Spangenbergs Schrift „Die bösen Sieben ins Teufels Karnöffelspiel 1562" religiös-polemischen Zwecken diente (N. 83, vom 6. Juni 1552). Gewiss wird man, wenn auch Fabricius innerhalb der geistlichen neulateinischen Poesie eine hervorragende Stellung einnimmt (vgl. LLD. 7 [s. o. N. 4], S. VII), den rein poetischen Wert seiner Arbeiten gering anschlagen; allein es beweist doch immerhin eine gewisse Beweglichkeit und eine Art Reichtum der poetischen Schöpferkraft, wenn Fabricius beim Vorschlagen eines Themas zur dichterischen Behandlung sofort selbst beginnt, dies im einzelnen auszumalen. So schreibt er an seinen Bruder in der oben erwähnten Indexangelegenheit: „Quod si revalescis, Christum quoque Triumphantem scribe, de successu sui verbi, de ampliatione imperii, de conversione multorum, de constantia suorum, qui in Italia, Belgico, Anglia vitam posuerunt et eum exora, u t i n illorum numero nos quoque simus et maneamus; eundem item triumphantem de morte, diabolo, inferno etc." Ausser den Briefen an Andreas Fabricius enthält die vorliegende Ausgabe noch einen Brief Georgs an seinen Bruder Blasius; abgeschlossen wird das Ganze zweckmässig durch den Brief des Jakob Fabricius an seinen Bruder Andreas, der einen schönen Bericht von Georgs Tod und Begräbnis enthält. Für eine künftige Geschichte der neulateinischen Poesie Deutschlands bietet der Briefwechsel sehr schätzbare Beiträge. Durch sorgfältige sachliche Erläuterungen hat der Herausgeber den Wert der Publikation noch erhöht, und er hat manches herbeigezogen, was keineswegs auf der Oberfläche lag. Der in N. 33 erwähnte Johannes Mylius, über den P. die näheren Angaben fehlen, ist der neulateinische Dichter Joh. Mylius aus Liebenrode (gest. 1575), der neben Stigel und Georg Fabricius als der bedeutendste Vertreter der religiösen neulateinischen Dichtung in Deutschland zu bezeichnen ist (vgl. LLD. 7 [s. o. N. 4], S. VII f., XII f., wo seine poetische Eigenart charakterisiert ist; ferner ebda. S. 78); es ist hübsch, dass sich nun auch persönliche Beziehungen zwischen den beiden Dichtern ergeben. 64-65 ) — Die 6hs. erhaltenen lateinischen Gedichte Christophs von Schallenberg, über die H u r c h 5 " ) in seiner Arbeit über den Dichter berichtet, scheinen nach den Mitteilungen des Vf. einen guten Einblick in das geistige Leben Oberösterreichs in den letzten Jahrzehnten des 16. Jh. zu gewähren. Der Vf. glaubt, dass Schallenbergs Gedichte durch die gleichartigen Produkte seines Lehrers Calamimis (vgl. LLD. 7, S. XXIII) beeinflusst seien, od mit Recht, lässt sich aus den vorliegenden Notizen nicht ersehen. Hervorgehoben werden zwei individueller angelegte Gedichte aus des Dichters Studienzeit sowie ein Trauergedicht auf den Tod seines kleinen Sohnes. — Einen lateinischen Dichter des 17. Jh., den Klostergeistlichen P. S i m o n R e t t e n b a c h e r (geb. 19. Okt. 1634, gest. 9. Mai 1706) hat L e h n e r 6 6 ) in seinen Dichtungen wieder aufleben lassen. Die vortrefflich ausgestattete Ausgabe giebt aus dem hs. Nachlasse des Dichters vier Bücher Oden, ein Buch Epoden, zwölf Bücher Silvae und dann noch carmina singularia, sämtlich in lyrischen Massen. Der Dichter zeigt eine unleugbare Gewandtheit in der Handhabung der dichterischen Form und für einen neulateinischen Dichter einen verhältnismässig grossen Reichtum an Stoffen. Man merkt es diesen Gedichten an, dass ihr Autor nicht bloss hinter den stillen Klostermauern gelebt, sondern die Welt kennen gelernt und mannigfache Anregungen erfahren hat. Mit Recht hebt auch der Herausgeber die patriotische Lyrik Rettenbachers besonders hervor; sie zeigt uns den Dichter in Gesinnung und poetischer Gestaltungskraft von einer besonders erfreulichen Seite. Die Ausgabe ist mit grosser Sorgfalt hergestellt; L. hat dem Text einen lesenswerten Lebensabriss vorangestellt, in welchem namentlich die Beziehungen Rettenbachers zu italienischen Gelehrten seiner Zeit von Interesse sind, und in dem auch die übrigen Werke des Dichters (namentlich seine anonym erschienenen Satiren, über die man gern noch nähere Aufschlüsse erhalten möchte, und seine lateinischen Singspiele, zu denen der Dichter selbst die Musik schrieb) kurz behandelt werden. Ausserdem erhalten wir noch eine grössere allgemeine Betrachtung L.s über Rettenbachers Dichtungen sowie Bemerkungen über Sprache undVersmass. Bei der sorgfältigen und liebevollen Arbeit, die der Herausgeber seinem Helden gewidmet hat, wird man es ihm leicht verzeihen, dass er bei der Charakteristik der poetischen Arbeiten ein für unser Gefühl zuweilen etwas zu hohes Lob spendet. — Eine Bibliographie der von J o h a n n S c h ö f f e r in Mainz veranstalteten D r u c k e l a t e i n i s c6 7h e r Klassiker und Schulbücher, die sich wohl noch vermehren liesse, sucht R o t h ) zu entwerfen. Unter allen Umständen sind derartige VerIIMVGDB8. 81, S. 51; S o b e i d e m a n t e l : AKKR. 70, S. 336.]| — 65) X L - F r & n k e l , Nenlat. Abderitenechw&nke: TJrqnell 4, 3.180/2. — 6 5 a ) (112:38.) — 66) T. L e h n e r , P.Simon Bettenbachers lyr Gedichte. (In lat. Sprache.) Mit Untersatz, d. Leo-Gen. her. Wien, „St. Norbertns". LYI, 483 S. u. 1 Face. M. 7,20. |[ÖLB1. 2, S. 330/2.]I — 67) F. W. E. B o t h , D. Bnekdrücker n. Verleger Joh. Sohoeffer in Mainz als Verleger lntein. Klassiker n. Schulbücher: RomanF. 6, S. 462-74. (Vgl. JBL. 1891

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zeichnisse willkommen zu heissen, da sie wertvolle Aufschlüsse für die Entwicklung der humanistischen Richtung und der Teilnahme an ihr gewähren, und es wäre nur zu wünschen, dass auch fiir andere Drucker derartige Zusammenstellungen veranstaltet würden. Joh. Schöffer begann 1517 den Verlag lateinischer Autoren und führte ihn bis zu seinem Tode (1531) fort. Von lateinischen Klassikern erscheint Livius (in der durch ihre Vortrefflichkeit bekannten, von Hutten und Erasmus geförderten Ausgabe Nicolaus Carbachs), Cicero, Plautus, Terenz und Valerius Maximus, Plutarch und Appian in lateinischen Uebersetzungen. Dazu kommt die von Huttichius herausgegebene, vielleicht zum Teil von Gresemund d. J. verfasste Mainzer Inschriftensammlung, Peutingers Inschriften, einzelne juristische Werke, darunter die Institutionen und der Gajus, eine Schrift des Galen und der Donat. Von italienischen Humanisten sind zwei mit ihren Werken vertreten: Valla und Pomponio Leto, von Franzosen einer: Budäus; an Zahl der vertretenen Werke aber überragt alle Erasmus, der mit 8 Schriften erscheint, darunter eine (die Colloquia) in 2 Auflagen. — Die 1511 gestiftete H u m a n i s t e n s c h u l e Colets zu St. Paul in London, von deren Einrichtung und Verfassung Hartfelder 9 8 ) ein gutes Bild entworfen hat, berührt die Geschichte des deutschen Humanismus insofern, als es im wesentlichen Erasmische Gedanken sind, die hier ins Werk gesetzt wurden. Nicht allein dass Erasmus zahlreiche Lehrbücher wie die Institutio hominis christiani, ferner De duplici copia verborum ac rerum, die Concio de puero Jesu, die Carmina scholaria für Colets Schule geschrieben hat, das ganze Unternehmen stellte sich in den Dienst der Idee, durch die Erasmus eine durchgreifende Reform des Christentums auf friedlichem Wege herbeizuführen hoffte: der Verbindung der Pflege religiösen Sinnes mit klassischer Bildung. Wenn die Schule eine sehr segensreiche Wirkung ausgeübt und sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat, so ist der Grund indessen wohl nicht allein in den Erasmischen Gedanken, auf denen sich der Lehrplan aufbaute, sondern auch in der sehr zweckmässigen äusseren Einrichtung zu suchen, die ihr ihr Stifter, John Colet (1466 — 1519), der Freund des Erasmus, gegeben hat. — In die neueren Arbeiten über die Geschichte des H u m a n i s m u s in Polen 69 " 70 ) und B ö h m e n führen besonders die Referate Wotkes 7 1 " 7 2 ) gut ein. — I 4 : 2 6 ; 1892 II 8 : 139.) — 68) K. H a r t f e l d e r , D. Ideal e. Humanistensohale (d. Schale Colets zu St. Paul in London). ( = Sonderabdr. ans d. Verhandl. d. 41. Vers, dtsch. Philologen n. Schulmänner.) [L., Teubner.J 1892. 4°. 16 S. |[0. Kümmel: DLZ. S. 965/6.JI (Vgl. JBL. 1892 II 8 : 138.) - 69) X & Bauch, Bad. Agrioola Junior (vgl. JBL. 1892 II 8 : 91a): M a j o h r o w i e z : Muzeum (Lemberg) 8. 72. — 70) X Kallenbach, Lea humanistes polonais (vgl. JBL. 1892 II 8:142): K. W o t k e : ZÖG. 44, S. 320/1. — 7t) X K - W-otke, D. Litt, aber d. Hainanismas in BShraen n. H&hren: AZg». N. 92. (Bespricht nument). Trnhlärs Arbeiten, so d. 1892 erschienenen „Anfänge d. Humanismus in Böhmen") — 72) X >d-, lieber einige neuere Beitrr. z. Gesoh. d. Hamanismas in Oesterr.: ZÖG. 44, S. 773/7. (Bespr. d. Arbeiten v. Morawski, d. in seinem Buehe „Audrzej Patryoy Nideoki" [Krakau 1892J d. Leben d. berühmtesten Philol. Polens za e. Schilderang aller Faktoren ausgestaltet, d. auf d. poln. Humanismus fördernd u. hemmend eingewirkt haben, in seiner Schrift „Jakob Gdrski" [Krakau 1892J dagegen e. populäreres Bild r. d. poln. Hamanismas in d. 2. Hälfte d. 16. Jh. und d. Verhältnissen d. Krakauer Unir. entwirft. Ferner d. Ausg. d. Briefweohsels v. Bohuslaus Lobkowitz durch Truhläf [Prag, 1892J; d. für d. Gesch. d. bShm. Humanismus sehr wichtige Ausg. entlehnt zwar 189 Mummern aus d. v. Mitis veranst. Ausg. T. Bohuslaus Lobkowitz Werken (1562-63), d. aber r . Trnhlär richtig ohronologisoh angeordnet werden. An vierter u. fünfter Stelle werden T. W. d. Veröffentlichungen T. Zingerle [s. o. N. 18] n. v . Lehner [s. o. N. 66J bespr.) —

III. Vom Anfang des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. m,i Allgemeines. Alexander Reifferscheid. Politische und wirtschaftliche Verhältnisse N. 1. — N. 101. — Hofleben N. 126. — Literaturgeschichte N. 131. —

Kirchliche und religiöse Zustände N. 84. —

Geistesleben

Die p o l i t i s c h e n u n d d i e w i r t s c h a f t l i c h e n Verhältnisse dieses Zeitraumes erfuhren auch in diesem Berichtsjahre vielfache Behandlung-, zunächst in zusammenfassenden Werken. Von den populären Weltgeschichten für die weitesten Kreise der Gebildeten, die eine kurze, und bündige Darstellung verlangen, kommen in Betracht die Fortsetzungen eines neuen Unternehmens von K a e m m e l 1 ) und eines älteren, das jetzt in „verbesserter" Auflage ausgegeben wird, von J. B. v o n W e i s s 2 ) . In der Ueberzeugung, dass der Geschichtsschreiber nicht bloss Staatsveränderungen und Schlachten zu schildern habe, entwarf W. auch ein Bild des geistigen Lebens, in dem er in grossen Zügen die Entwicklung von Kunst und Wissenschaft darstellte. Die neue Auflage scheint übrigens nicht gleichmässig überarbeitet zu sein, das verraten u. a. die Anführungen, die sich fast nur auf ältere Litteratur beschränken. Einmal (11, S. 505) wird sogar auf die „vor kurzem" erschienene Selbstbiographie Edelmanns hingewiesen, die doch schon vor 45 J., also beinahe einem heutigen Menschenalter, veröffentlicht worden! — Eine deutsche Geschichte für die Jugend schrieb im Sinne der Mahnung Kaiser Wilhelms II., das Deutsche als Grundlage für das Gymnasium zu nehmen, N e u m a n n - S t r e l a 3 ) auf Grund der besten und neuesten Quellenwerke. Er lässt darin die deutschen Kriegs- und Friedenshelden sich vom kulturgeschichtlichen Hintergrunde abheben. Die neuere Geschichte wird mit gutem Fug ausführlicher behandelt.4) — Ueber die Geltung des jus reformandi, eines Annexes der weltlichen Gewalt, für beide Religionsparteien, machte K l o p p 5 ) eine gelegentliche Bemerkung, anknüpfend an eine Aeusserung des Paderborner Fürstbischofs aus dem J. 1607, in der dieser nach den Bestimmungen des Religionsfriedens das jus reformandi für sich in Anspruch nahm. Er folgerte daraus, dass der erst in unserem Jh. geprägte Ausdruck „Gegenreformation" überflüssig, ja irreführend sei. — D r o y s e n 6 ) brachte von seinem gross angelegten Werke endlich die erste Hälfte als Geschichte der Gegenreformation zum Abschluss. Sie zerfällt in fünf Bücher: 1. der Sieg des Protestantismus, 2. die Zersetzung der protestantischen Partei in Deutschland, 3. der 1) X 0. K a e m m e l , Vom Beginn d. grossen Entdeckungen Ms z. 30j. Kriege. ( = S p a m e r s illnstr. Weltgesch. 5. Bd.) Ij., Spamer. XII, 752 S. M. 8,50. — 2) J. B. v. W e i s s , Weltgesch. 2. n. 3. verb. Aull. IX. D. 30j. Krieg. Knnst u.. Wissenschaft. X. D. englische Berolution. Ludwig XIV. Leopold I. XI. Staatengesch. Europas v. 1700-44. Kunst u. Wissenschaft. Graz n. L.. Styria. VIII, 708 S.; M. 6,80; VII, 830 S.; M. 7,50; VIII, 804 S.; M. 7,50. |[G. E. H a a s : HPB11.111, S. 668-81; id.: LBs. 19, S. 338-41.]| — 3) K. N e u m a n n - S t r e l a , Deutschlands Helden in Krieg u. Frieden. Dtsoh. Gesch. II. Mit vielen Brustbildern n. Textabbild. Hannover, Prior. 352 S. M. 5,00. — 4) X H- L e w i n , Unsere Kaiser n. ihr Haus nebst d. Wichtigsten aus d. Leben unserer Vorfahren. Geschichtsbilder für d. Schüler d. Mittel- u. Oberstufe. 3. Aufl. Dresden, Jacobi. 170 S. M. 0,70. (D. Epoche d. 30j. Krieges S. 105-10.) — 5) O. K l o p p , W. Richter, Gesch. d. Paderborner Jesuiten. (Vgl. JBL. 1892 I 4:831.): ÖLBi. 2, S. 129-30. — 6) G. D r o y s e n , Gesch. d. Gegenreformation. Mit Portrr., Illustr. u. Karten.

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III 1:7-15

Al. R e i f f e r s c h e i d , Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts.

Ultramontanismus, 4. Vordringen des Ultramontanismus in Deutschland, 5. der Kampf um den Religionsfrieden. Die letzten Ausgänge des fünften Buches sind den ersten 8 Jahren des 17. Jh. gewidmet. — Die zweite Hälfte, die Geschichte des 30jährigen Krieges, bearbeitet von Winter''), liegt bereits vollständig vor. Er wird in drei Büchern des grossen Materials Herr. Sie tragen die Ueberschriften: 1. Gänzlicher Zerfall der Reichsverfassung. Organisation entgegengesetzer Parteien. Union und Liga. 2. Der 30jährige Krieg, in fünf Abschnitten. 3. Der westfälische Friede und die Folgen des Krieges. Besonderer Aufmerksamkeit wert ist der Abschnitt des dritten Buches über die Einwirkung der Kriegsnot auf die deutsche Kultur. Die furchtbare Art der Kriegführung entsprach dem Charakter der damaligen Heere, dem zu Gunsten der militärischen Anführer, zum Schaden der Staaten raffiniert ausgebildeten Söldnerund Werbesystem. Aus der historiographischen Note am Schlüsse des W.schen Werkes, die über die Quellen orientiert, ist anzuführen die Bemerkung, dass unermessliche, historische Schätze über die ganze Epoche in den Archiven noch unberührt liegen, dass unabsehbai-es Material von Kriegs- und Verwaltungsakten des Forschers harrt, der über der Unmasse des verwirrenden Details das Ganze zu erkennen und darzustellen weiss. — Dagegen vertrat K1 o p p 8 ) in der völligen Umarbeitung seiner verdienstlichen Monographie über Tilly, die das biographische Moment in den Hintergrund drängte und zu einer eingehenden Geschichte des 30jährigen Krieges, seiner Vorgeschichte und seines Verlaufes bis zum Tode Gustav Adolfs wurde, die Ansicht, dass es bei der Beleuchtung dieses Zeitalters noch lange nicht allein darauf ankomme, durch archivalische Enthüllungen den Stoff zu vermehren, als vielmehr die Fülle der gedruckten Akten allseitig zu benutzen und aufzuarbeiten. — Die Geschichtswerke von R i t t e r 9 ) und von H. v o n Z w i e d e n e c k - S ü d e n h o r s t 1 0 ) schritten rüstig weiter, doch ohne im Berichtsjahr bis zum Schlüsse eines Bandes zu gelangen.—Ueberden 1. Band von E r d m a n n s d ö r f f e r 1 1 " 1 2 ) ( v g l . JBL. 1892 III 1 : 3 ) erschienen anerkennende Besprechungen. Durch den 2. Band kam das Werk zum völligen Abschluss. Er beginnt mit den Kriegsjahren 1688 und 89, schildert den Anteil Deutschlands an den gewaltigen Erschütterungen, welche die europäischen Machtverhältnisse umgestalteten, und führt die Erzählung bis zum Tode König Friedrich Wilhelms I., dem Endpunkte. Die verwirrten politischen Verhältnisse sind übersichtlich und klar, mit feinstem Verständnis für die treibenden Kräfte und unter steter Beachtung der wirtschaftlichen und geistigen Momente dargestellt. Oft weicht E. von der bisherigen Beurteilung ab und begründet seine Ansicht in den Anmerkungen, so übe? das Testament des Grossen Kurfürsten (S. 107); oder er weist darin auf die Notwendigkeit näherer Untersuchung hin, z. B. (S. 116) über die Versuche, die man in Berlin nach englischem Vorbilde machte, eine Reform der Sitten auf anderem Wege als auf dem der Kirchenzucht herbeizuführen. Hier interessieren am meisten sein Ueberblick über die geistige Entwicklung vom westfälischen Frieden bis zum Beginn des 18. Jh. (S. 148), seine Auseinandersetzungen über die litterarischen und künstlerischen Bestrebungen am brandenburgischen Hofe (S. 110), mit kurzer, aber treffender Würdigung der Bedeutung von E. von Danckelmann, Pufendorf, Spener, Francke, Thomasius, über kirchliche Wirren und Kulturabeit (S. 374), mit knappen Bemerkungen über die Leibniz-Wolffsche Philosophie, die moralischen Wochenschriften, Gottsched u. a., endlich die Erörterungen über die Reformversuche zur Vermehrung und Hebung des Bauernstandes unter Friedrich I. ('S. 316), über die Reform des Städtewesens unter Friedrich Wilhelm I. (S. 499).13) — Von den zahlreichen Einzelabhandlungen seien zuerst die genannt, die grössere Zeiträume umfassen. Wertvolle Beiträge zur deutschen Wirtschaftsgeschichte gab v o n B e l o w 1 4 ) aus Verfügungen der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg aus den J. 1625—1728, die sich scharf gegen verschiedene Missbräuche bei der Veranlagung und Erhebung der Steuerkontingente richten. Sie sind voll Wohlwollen gegen den gemeinen armen Mann, der „bei den allgemein durchgehenden Landbeschwernissen" über seine Kräfte belastet werden muss, weil Reiche sich zu eximieren verstehen; sie verlieren dabei aber nie das Interesse des Staatssäckels aus den Augen, der durch stramme Heranziehung zur Steuer, durch strengere Kontrollierung der Steuererheber besser gefüllt wird. — Aehnliche Fürsorge bewies der Herzog Augustus von Lauenburg 1641—5415). ( = Allg. Gesch. in Einzeldarst. her. T. W. O n c k e n . ) B., Grote. 472 S. M. 7,00. |[HJb. 35, S. 216/7.]| — 7) O- W i n t e r , Gesch. d. SOj. Krieges. Mit Portrr., Illnstr. u. Karten, ebda. 671 S. M. 16,00. — 8) O X X 0. K l o p p , D. 30j. Krieg bis z. Tode Gast. Adolfs 1632. 2. Ausg. d. Werkes: Tilly im 30j. Kriege. II. Vom Beginn 1621 an bis z. Uebertragnng d. Herzogtumes Mecklenburg an Wallenstein 1628. Paderborn, SchSningb. XXVIII, 868 S. M. 13,00. |[DB. 4, S. 394/5; K. J e n t s c h : BLU. S. 692/4; H. L a n d w e h r : FBPG. 6, S. 620; J. M o s e r : Kath. 2, S. 315-28; O. Pfi 1 f: StML. 45, S. 509-13.j| - 9) (JBL. 1891 m 1:1.) — 10) (JBL. 1891 III 1 : 2 . ) — 11) A. Z i m m e r m a n n : HPBU. 111, S. 951/6; Grenzb. 3, S. 397-402. — 12) B. E r d m a n n s d S r f f e r , Dtsch. Gesch. vom westf&l. Frieden bis z. Regierungsantritt Friedrichs d. Gr. Mit Portrr., Illnstr. n- Karten. II. ( = A l l g . Gesch. in Einzeldarst. her. v. W. O n c k e n . ) ß„ Grote. 527 S. M. 12,00. |[Ed. H e y c k : FBPG. 7, S. 605/3.]| — 13) x F< s t i e r e , L.Frhr. v. Stralendorf: ADB. 36, S. 493/5. — 14) G. v. B e l o w , Beitrr. zurVerfassnngs- etc.Gesch. d. Niederrheins vom 16.-18. Jh.-.BGNiederrh. 7, S. 9-35. —15) Allerlei ffirstliche Reskripte d. Herzoge Augustus v. Lanenbnrg: AVGLanenburg.

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III 1 • ie-2«

Er suchte zu verhindern, dass sein Land „totaliter ruinirt und zu künftiger Herbeibringung der kontributionsquoten untüchtig gemacht" werde. Er liess seine Lehngüter nicht deteriorieren durch Verwüstung des Holzes, vermahnte aber auch einen Amtsdiener ernstlich, weil dieser sich „auf die Völlerei geleget, des morgens die Brantweinflasche und den ganzen Tag die Tabackspfeife weidlich gebrauchte". — G. v o n B u c h w a l d 1 6 ) entwarf an der Hand alter Wirtschaftsakten und Rechnungen wirtschaftsgeschichtliche Zahlenbilder aus dem 30jährigen Krieg, die mit erschreckender Deutlichkeit von dem Elend zeugen, das Kaiserliche und Schweden gleichmässig den mecklenburgischen Aemtern bereiteten. Er gab Beiträge zur politischen Geschichte Mecklenburgs in den J. 1691—1708, behandelte u. a. die Fortschritte der Volkswirtschaft unter Adolf Friedrich II. (s. o. I 4 : 343). — Beiträge zur Städtegeschichte lieferten D a r p e n ) (vgl. JBL. 1891 1 5 : 3 3 1 ; s. o. I 4 : 4 0 b ) und D e m m e 1 8 ) (vgl. JBL. 1892 1 4 : 672), beide mit mannigfachen, lehrreichen Details aus der Landesgeschichte und dem Wirtschaftsleben, Darpe dabei auch mit manchen Zügen aus den Streitigkeiten der Konfessionen. — Zu einer umfassenden, objektiven Geschichte des 30jährigen Krieges gewährten reiche Aufschlüsse E i n e rt s 19 ) Mitteilungen aus der Kirchenchronik eines Zeitgenossen, des Pfarrers Thom. Schmidt aus Dornheim in Thüringen, die leider überarbeitet und, wie es scheint, verkürzt vorgelegt worden sind. Die Not der Zeit liess keine weicheren Gefühle in ihm aufkommen, gleich in der ersten Aufzeichnung nennt er eine Exekution, die er an drei Wegelagerern, einem Rittmeister, einem Cornet und einem Arkebusier, vollziehen sehen, eine herrliche Augenlust. Er ist ein vortrefflicher Humorist und schreibt überall unumwunden, was er denkt. Die Glaubensgenossen, die Herzoglichen und die Schweden, kommen dabei schlimmer w e g als die Feinde, die Kaiserlichen. Von den Freunden des Evangeliums hatte er und seine Bauern kaum weniger zu leiden, als wenn der Feind ins Land gebrochen. Er nennt sie (S. 40) „lutherische Türken". Banner verwüstete (S. 37) „in Freundesland die Edelhöfe, die Pfarre und verschonte keines Menschen, denn um Gottes Ehre allein war ihm zu thun!" „Warum sollen die Schweden nicht unsere Helfer heissen?" schreibt er (S. 17) und fügt die Antwort hinzu: „Haben sie uns ja helfen um das unsere bringen. Gott helfe uns vor solchen Beschützern!" Aus verschiedenen Aeusserungen Schmidts sehen wir, dass die Städte, so lange es ging, alle Lasten auf die Landbewohner abwälzten, die ohne dies mehr zu leiden hatten. — W e t z e l 2 0 ) teilte aus der Ausgabe der Briefe Banners an A. Oxenstierna die Stellen mit, an denen die schwedischen Pläne hinsichtlich Berlins erwähnt werden. — B a u e r 2 1 ) veröffentlichte von seinen Untersuchungen der umfangreichen Akten des Memminger Stadtarchivs und vieler auswärtiger Archive für die Geschichte Memmingens im 30jährigen Kriege den Teil, der die bedeutenderen Begebenheiten vom Anfang des Krieges bis zur Besetzung der Stadt durch die Schweden schildert — vier selbständige Abhandlungen, die geschickt auch innerlich zu einem Ganzen vereinigt sind: 1. Wirtschaftliche Not und Krankheiten. 2. Die Streitigkeiten wegen Einführung der Jesuiten. 3. Die Kriegslasten von Memmingen bis zur Gründung des Leipziger Bundes; Wallensteins Aufenthalt daselbst zur Zeit seiner Absetzung 1630. 4. Die Beziehungen der Stadt zum Leipziger Bund und zu Gustav Adolf. — Ebenfalls auf Grund umfassender archivalischer Studien bearbeitete D o n a u b a u e r 2 2 ) die Geschichte Nürnbergs von der Schlacht bei Breitenfeld an bis zur Ankunft Gustav Adolfs im Juni 1632. Seine Arbeit hat allgemeineren Wert, weil wir durch sie Aufschluss erhalten über die Politik einer evangelischen Stadt, deren Bürgerschaft ganz schwedisch gesinnt war, deren Rat sich aber nur zögernd mit Gustav Adolf einliess, um es mit dem Kaiser nicht ganz zu verderben. — Einen Beitrag zur Geschichte Mecklenburgs gab S c h u l e n b u r g 2 3 ) in seiner Dissertation, in der er nach bisher unbenutztem hs. Material die Geschichte bis zur Vertreibung der Herzöge, die Zeit der Wallensteinschen Herrschaft und die Wiedereinsetzung der Herzöge geschickt behandelte. 24 ) — Ueber Wallenstein liegt nichts Neues vor, abgesehen von L a n d w e h r s 2 5 ) Schilderung der Zügellosigkeit des jungen Wallenstein auf der Universität Altdorf, von dem skizzenhaften Aufsatze N e d o m a s 2 6 ) , der nur wegen Benutzung des auf Quellenstudium beruhenden Buches 4, S. 98-104. — 16) G. 7. B u c h w a l d , Bilder aus d. Volkswirtschaft!, u. polit. Vergangenheit Mecklenburgs (1631-1708). Neustrelitz, R. Jacoby. V, 13S S. M. 2,25. - 17) F. D a r p e , Gesch. d. Stadt liochnro. II. Bochum in d. Neuzeit. B. 1618-1740. Progr. Gyron. Bochum (Stumpf). 8. 299-368. (Beigefügt ist e. Ansieht d. Stadt ans d. Zeit um 1700.) — 18) L. D e m m e , Nachrichten n. Urkunden z. Chronik v. Hersfeld. II. V. Beginn d. 30 j . bis z. Beginn des 7 j . Krieges. Mit 82 Beil. Hersfeld, H. Schmidt 360 S. M. 4,30. — 19) E. E i n e r t , E. Thüringer Landpfarrer im 30j. Kriege. Uitteilnngen aus e. KirchenChronik. Arnstadt, Frotscher. IV, 95 S. M. 1,60. — 20) A. W e t z e l , Notizen über Berlin im 30j. Kriege: MVGBerlin. 10, 5. 83/6. - 21) B. B a u e r , Beitrr. z. Gesch. d. Reichsstadt Memmingen vom Beginne d. 30j. Krieges bis z. Besetzung d. Stadt durch d. Schweden. Diss. München. (Augsburg, J. B. Himmer.) 1892. YI, 122 S. — 22) S t . D o n a u b a u e r , Nürnberg um d. Mitte d. SO j . Krieges. (V Okt. 1631 bis Mitte Juni 1632.) Diss. Erlangen. (Nürnberg, C.B.J. Bieling-Dietz.) 178 S. (Steht ohne Inhaltsverzeichnis n. ohne Uebersicht d. benutzten Quellen im MVGNürnberg. 10, S. 69-240.) — 23) 0. S c h u l e n b u r g , D. Vertreibung d. mecklenb. Herzöge Adolf Friedrich u. Johann Albrecht durch Wallenstein n. ihre Restitution. E. Beitr. z. Gesch. Mecklenburgs im 30j. Kriege. Diss. Rostock (Adlers Erben). 1892. 133 S. |[HZ. 35. S. 570.JI —24) O X H. E h l e r s , Aus d. 30j. Kriege: Heimat 3, S. 11-20. — 25) H. L a n d v e h r , Aus WallensteinB Jugend; NatZg B . N. 44. — 26) J . N e d o m a ,

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von Fr. Dvorsk^ beachtungswert ist.21) — R ö c k l s 2 8 ) Quellenbeiträge zur Geschichte der kriegerischen Thätigkeit Pappenheiins, für die er die erhaltenen Briefe und Berichte des Feldherrn geschickt verwertete, sind mit dem 3. Teile zum Abschluss gelangt. Sie lassen lebhaft wünschen, dass dem Vf. bald die Möglichkeit geboten werde, die im Pappenheimschen Familienarchive liegenden Briefe zu veröffentlichen. 29 ) — H o p f 3 0 " 3 1 ) behandelte in der Fortsetzung seiner Untersuchungen (vgl. JBL. 1892 III 1:20) über die politische und diplomatische Thätigkeit des Fürstbischofs Anton Wolfradt, des vertrauten Ratgebers Ferdinands II., auf Grund bisher noch nicht gedruckter Briefe, Wolfradts Verhandlungen mit Wallenstein, der zu ihm, wie der Kaiser wusste, besonderes Vertrauen hatte, und dessen Wege Wolfradt im Interesse des Kaisers mit hingebendem Eifer gegen die Absichten der eifersüchtigen Reichsstände zu ebnen suchte. Wolfradts Einfluss am kaiserlichen Hofe wurde nicht erschüttert, auch nicht unter Kaiser Ferdinand III. — Einen unschätzbaren Beitrag zur Geschichte des 30jährigen Krieges gab W i t t i c h 3 2 ) in seiner hochbedeutenden Studie über Dietrich von Falkenberg, einen der hervorragendsten Werkmänner Gustav Adolfs, worin er mit besonderem Erfolge dessen Thätigkeit in Magdeburg schilderte. Nach W.s sorgfältiger Beweisführung kann es nicht mehr zweifelhaft sein, dass der Brand Magdeburgs von Falkenberg und den Magdeburgern ausgegangen ist. — Die Bemühungen von V o l k h o l z 3 3 ) , die alten Magdeburger Traditionen, die den Kaiserlichen die Schuld zuschreiben, zu verteidigen, sind daher durchaus verfehlt. Mit Recht wies K l o p p dem gegenüber in seiner Anzeige auf die Beweiskraft der fünf Tonnen Pulver hin, die auf dem neuen Markte vergraben waren und deren Auffindung durch die Kaiserlichen den schönsten Stadtteil Magdeburgs rettete. — Den Feldzug des J. 1622 schilderte v o n R e i t z e n s t e i n 3 4 ) auf Grund sorgfältiger archivalischer Studien vom rein militärischen Standpunkte, er entwarf ein klares und zuverlässiges Bild der Schlacht bei Wimpfen. — In einer Besprechung der Arbeit von Opitz über die Schlacht bei Breitenfeld (vgl JBL. 1892 III 1 :23) erklärte K r e b s 3 5 ) , die bisher erschlossenen Quellen gestatteten noch nicht eine genaue und einwandfreie Darstellung des eigentlichen Verlaufes der Schlacht. — W i t t i c h 3 6 ) besprach einzelne Untersuchungen über andere Schlachten, die quellenkritische H. Diemars über die Schlacht bei Lützen und die kriegsgeschichtliche Täglichsbecks über die Gefechte und das Treffen bei Steinau. — Zu einer von seinen Vorgängern wesentlich abweichenden Darstellung der Schlacht bei Nördlingen gelangte S t r u c k 3 7 ) durch strengere Kritik der Quellen, die eine andere Verwertung derselben bedingte. — Sehr dankenswert war es, dass das ausführliche Fürstlich Sächsisch Eisenachisch Kriegsrecht in einem genauen Neudruck 38 ) erschien.39"41) — Die deutschen Kreditverhältnisse während des 30jährigen Krieges und unmittelbar darnach untersuchte abschliessend G o t h e i n 4 2 ) in der ausführlichen Einleitung seiner Ausgabe der höchst charakteristischen Flugschrift Pflaumers, die für die Gläubiger eintrat und die sich kurz als Programmschrift zu Gunsten des Bürgertums kennzeichnen lässt. Unter steter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Zustände und der Rechtsanschauungen zeigte G., wie man damals in Theorie und Praxis die beispiellose Zerrüttung der Volkskraft, die der Krieg verschuldet, durch bewusste Begünstigung des Schuldners zu überwinden suchte. Mit Befriedigung stellt G. fest, dass das deutsche Volk nach dem ärgsten Verhängnis, das es je betroffen hat, durch den Ernst und die Umsicht seiner Staatsmänner und Gelehrten, auch materiell die Grundlage zu neuem, fruchtbarem Schaffen nicht in einem schimpflichen Bankerott, sondern in einer ehrenAlbr. v. Waldstein vor d. 3 0 j . Kriege: ÖUE. 14, S. 299-303. |[HZ. 35, S. 570.]| — 27) X H. w i A. Gindely, Waldateins Vertrag mit d. Kaiser bei der Uebernahnie d. 2. Generalates. Prag 1889: HZ. 34, S. 135/7. — 28) S. R ö e k l , Quellenbeitrr. z. Geschichte d. kriegerischen Thätigkeit Pappenheims. V. 1627 bis z. Schlacht bei Breitenfeld. III. Progr. Gymn. Manchen, F. Straub). 72 9. — 29) O G. W o l f r a m , 4 Briefe Octavio Piccolominis über Vorbereitung u. Verlauf d. Sohlacht bei Diedenhofen (7. J u n i 1639): JbGesLothrG. 5, S. 220,2. - 3 0 ) R. F. K a i n d l , A. Hopf, Anton Wolfradt I. II. 1. (Vgl. JBL. 1892 III 1 : 2 0 ) : MHL. 21, S.267/8. — 31) A. H o p f , Ant. Wolfradt, Fürstbischof T. Wien u. Abt d. Benediktinerstiftes Kreiusroünster, Geh. Rat u. Minister Kaiser Ferdinands II. II, 2. Wien, Hölder. 46 S. M. 0,72. — 32) K. W i t t i c h , Dietrich T. Falkenberg, Oberst u. Hofmarsohall Gnst. Adolfs. E. Beitr. z. Gesch. d. 30 j. Krieges. Magdeburg, Liebscher. 1892. XII, 360 S. M. 6,00. I[G. R & t h n i n g : MHL.21, S.35/8; P S o n d e n : HT8. 13, S. 23-68.JI — 33) R. V o l k h o l z , D. Zerstörung Magdeburgs (1631) im Lichte d. neuesten Forschung. Magdeburg, Faber. 1892. VI, 91 S. M. 3,00. |[KBGV. 41, S. 87; O. K l o p p , ÖLB1. 2, S. 327/9; R. S e t z e p f a n d t : MHL. 21, S. 156/7; AMZg. 68, S. 5; H J b 14, S. 440.]| — 34) K. F r h r . T. R e i t z e n s t e i n , D. Feldzng d. J . 1622 am Oberrhein u. in Westfalen bis z. Schlacht bei Wimpfen. II. München, Zipperer. II, 225 S. M. 2,80. |[LCB1. 8. 1500/1; K. O b s e r : ZGORh. 8, S. 529-31; AMZg. N. 41.JI (D. 1. T. erschien 1891.) - 35) J . K r e b s : NAS&chsG. 14, S. 153/5. (Vgl. JBL. 1892 I I I 1:23.) - 36) K. W i t t i c h , H. Diemar, Schlacht bei Lützen (16. NOT. 1632). Marburg 1890. — F. Täglichsbeck, D. Gefechte bei Steinau a. 0. vom 29. Aug. bis 4. Sept. 1632. D. Treffen bei Steinau a. 0 . am 11. Okt. 1633. B., Mittler. 1889: HZ. 34, S. 500/7. - 37) W. S t r u c k , D. Schlacht bei Nördlingen im J. 1634. E. Beitr. z. Gesch. d. 3 0 j . Krieges. Mit e. Uebersichtskärtchen u. e. Karte v. Nördlingen u. Umgegend. Stralsund, Regierungs-Buchdr. 106 S. M. 3,00. l[HJb. 14, S. 723; T h . L o r e n t z e n : DLZ. S. 1522/3.|| (Als Berliner Diss. 46 S. erschienen.) — 38) (I 4:192.) — 39) X S. F r e y , D. Anfinge d. dtsch. Heerwesens: FeuilletZg. N. 447. - 40) O X X D- Wehrmacht d. h. Röm. Reichs dtsoh. Nation: AMZg. 68, 9. 162/3, 170/1. — 41) X P h i l i p p i , Ueber die Wehrverfassung v. Stift u. Stadt Osnabrück in früherer Zeit: MVGOsnabrück. 17, S. 23 - 4 4 . — 42) E. G o t h e i n , D. dtsch. Kreditverhältnisse u. d. 30j. Krieg. E. Neu: Nutzlich- n. Lustigs Colloquinm. V. etlichen Reichstags-Puncten. Insonderheit d. Reformation d. Zöllen Zinsszahlung u. Verbesserung d . Matricul betr. Colloquenten seyn: DoctOT. Edelmann. Bürger. Bauer. ( = Samml. älterer u. neuerer staatswissensch. Schriften

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III 1 : 43-63

vollen Liquidation gefunden hat. — Zur Hälfte gehört noch in die Zeit des 30jährigen Krieges das lesenswerte Buch aus der Kurländischen Vergangenheit, in dem die B r ü d e r S e r a p h i m 4 3 ) nach archivalischen, bisher unbenutzten Quellen weitere Bilder und Gestalten des 17. Jh. zeichneten, E r n s t S. den Kurländer W. Farensbach, einen Parteigänger und Verräter, A u g . S. die herzoglose Zeit und ihre Vorboten 1655—60, die Schwedennot in Kurland 44 ). — Die Schwedennot in Dithmarschen illustrierte durch Mitteilungen aus den 1891 als Ms. gedruckten Kriegsberichten des dänischen Generalfeldmarschalls E. Albrecht von Eberstein N i e m e y e r 4 5 ) . — Einen Beitrag zur Geschichte des westfälischen Friedens gab R o h d e w a l d 4 6 ) in seiner Arbeit über die Abtretung des Elsass an Frankreich, die aber durch die exakten Untersuchungendes Ende März 1893 verstorbenen Kolmarer Archivars M o s s m a n n 4 7 ) weit überholt wurde. — Eine innere Folge des 30jährigen Krieges waren die Aufstände der Bauern, die schütz- und rechtlos jeglicher Willkür preisgegeben waren. Die Bauernrevolutionen in Böhmen besprach kurz Hutter 4 8 " 4 9 ); v o n L i e b e n a u 5 0 ) dagegen begann eine umfassende, bis in die kleinsten Details sich erstreckende Untersuchung des luzernischen Bauernkrieges von 1653. Es war kein Kampf des Volkes gegen die Aristokratie. Die Empörung richtete sich anfangs gegen unkluge Massnahmen der Regierung und gegen wirkliche Uebelstände, nahm aber bald eine socialistische und destruktive Gestalt an, so dass sie den Bestand der Eidgenossenschaft bedrohte. Grundlage der Untersuchung sind die gleichzeitigen Akten des Staatsarchivs, vor allem die Briefe der handelnden Personen, die Instruktionen der Gesandten, die Protokolle des unparteiischen Gerichts. Man erkennt, dass es keine plötzliche Empörung, sondern eine sorgfältig vorbereitete Revolution war.51) — F e s t e r 5 2 ) schilderte zuerst auf Grund umfangreicher archivalischer Studien, unter glücklicher Verwertung der bisher noch wenig beachteten Kreisakten, die geringe Bedeutung der Augsburger Allianz von 1686, welche die französische Geschichtsschreibung in Einklang mit dem französischen Kriegsmanifest von 1688 als Gefahr für Frankreich darzustellen liebt. 53-54 ) — F. v o n der Wengen 5 5 )erzählte nach bisher unbenutzten Quellen die Uebergabe der Stadt Freiburg an die Franzosen. Feldmarscha.ll Freiherr von Harsch hatte die Festung, dem Befehle Prinz Eugens entsprechend, aufs äusserste verteidigt, bei den Behörden Freiburgs aber nicht einmal moralische Unterstützung gefunden. — Einen namhaften kaiserlichen Feldherrn aus der 2. Hälfte des 17. Jh. charakterisierte S t i e v e 5 6 ) , Joh. Grafen von Sporck, der sich durch kühne Reiterthaten ausgezeichnet und ruhmvoll gegen Schweden, Franzosen und Türken gekämpft hatte. — S c h ü t t e r 5 7 " 5 8 ) schilderte die Grafen Ernst Rüdiger und Guido von Starhemberg, die sich beide gegen die Türken hervorget.han59). Üeber die Grausamkeit, mit der die Kuruzzen des Grafen Emerich Tököly, der sich den Türken angeschlossen, die israelitische Gemeinde zu Ungarisch-Brod in Mähren verheerten, berichtete nach jüdischen Aufzeichnungen K a u f m a n n 6 0 ) . — Ueber den Frieden von Karlowitz und seine Vorgeschichte, die Ereignisse des J. 1697, darunter die Schlacht bei Zenta, welche mit der materiellen und moralischen Niederlage der Türken endete, schrieb P o p o v i é 8 1 ) eine Dissertation, ohne im wesentlichen Neues zu geben. —Wie verlockend am Ende des 17. Jh. die Aussicht auf eine Königskrone für deutsche Fürsten war, zeigt der Plan des Kurfürsten Joh. Wilhelm von der Pfalz, die armenische Krone zu gewinnen; H e i g e l 6 2 ) behandelte ihn nach den erhaltenen Akten erschöpfend. Ein armenischer Handelsmann hatte, allem Anschein nach nur in eigennütziger Absicht, den Kurfürsten auf diesen Gedanken gebracht.63"64) — Eine gute her. T. L. B r e n t a n o u. E. L e s e r N. 3.) L„ Duncker St Humblot. XCVII, 107 S. M. 3,20. — 43) (I 4 : 493; Tgl. JBL. 1892 III 1 : 2 6 ) — 44) x E - »• A S e r a p h i m , Ans Kurlands herzog], Zeit (ygl. JBL. 1892 m 1:25). I[F. B i e n e n i a n n : BLU. S. 147/9; T. d. B r ü g g e n : DLZ. S. 399; J . G i r g e n s o h n : GGA. S. 94/6; B. S e e b e r g : ThLBl. 14, S. 283.JI — 45) J . N i e m e y e r , Urkundl. Beitrr. z. Gesch. Dithmarschens ans d. J . 1658-60. Progr. Gymn. Heldorf (F. Bundies Kachf.). 4°. 21 S. — 46) W. R o h d e w a l d , D. Abtretung d. Elsnss an Frankreich. E. Beitr. z. Gesch. d. westfäl. Friedens. ( = H a l l e s c h e Abhandl. z. neueren Gesch. XXXI.) Halle a. S.. Niemeyer. 76 S. M. 2,00. ][A. M e i s t e r : HJb. 15, S. 193/4.]l (Als Hallenser Diss. 32 S.) — 47) X. M o s s m a n n , La France en Alsace après la paix de Westphalie: RH. 51, S. 26-43, 225-49 ; 53, S. 29-51, 280-300. — 48) T h . H u t t e r , D. Bauernrevolntionen in Böhmen: ZDKG. 3, S. 375-86. — 4 9 ) O A. R e z e k , Dva prispeyky k dgjinâm selsky'ch bouri a selského podanstyi t . XVH. stoleti. (Zwei Beitrr. z Gesch. d. Bauernaufstände im 17. Jh.) : SBGWPragfh. N. 2. — 50) T h . y. L i e b e n a u , D. luzernische Bauernkrieg T. J . 1653. I : JbSchwG. 18, S. 229-331. — 51) X P r i b r a m , O. Klopp, Correspondenza epistolare f r a Leopoldo I. imperatore ed il P. Marco d'Ayiano capnccino. Graz 1888: HZ. 34, S. 137-43. (Betont d. Wichtigkeit d. Veröffentlichung.) - 52) B. F e s t e r , D. Augsburger Allianz y. 1686. München, Bieger. VIII, 187 S. M. 5,00. | | T h . L o r e n t z e n : DLZ. S. 1299-1302; J . W ( e i s s ) : HJb. 15, S. 447.11 — 53) X E. Strafgericht d. Markgrafen Ludwig Wilhelm y. Baden (Türken-Louis): StiassbPost. N. 80. (Nach Schuhes W e r k ; ygl. JBL. 1892 III 1 : 2 8 . D. Strafgericht erging über Feldmarschalllieutenant y. Heddersdorf wegen d. schändlichen Uebergabe Heidelbergs an d. Franzosen 1693.) — 54) O X Aus Württembergs Vergangenheit. D. Franzoseneinfall 1693: BBSW. S.-223-35. — 55) F. y. d. W e n g e n , D. Uebergabe d. Stadt Freiburg i. Br. am 3. Noybr. 1713: ZGORh. 8, S. 312-72. - 56) F. S t i e y e , J. Grf. y. Sporck: ADB. 35, S. 264/7. - 57) H. S c b [ l i t t e r ] , E. Rüdiger Grf. y. Starhemberg : ib. S. 468-70. - 58) id.. Guido Grf. Starhemberg : ib. S. 473-82. - 59) X Feldzüge d. Prinzen Eugen y. Sayoyen. [Gesch. d. Kampfe Oesterreichs! her. v. d. kriegsgesch. Abt. d. k. u. k. Kriegs-Archiys. R e g - B d . Wien, Gerold. V, 1021 S. M. 30,00. (1.-20. Bd. n.Reg. M.610,00.) — 6 0 ) D. K a u f m a n n , D. Verheerung y. Ungarisch-Brod durch d. Knruzzenüberfall vom 14. Juli 1683: MLWJ. 37, S. 270-82, 319-30. - 61) M. P o p o y i c , D. Friede y. Karlowitz (1699). Diss. L., (0. Schmidt). 73 S. |[HJb. 15, S. 904.]l - 62) K. T h . H e i g e l , Ueber d. Plan d. Kurfürsten Joh. Wilhelm y. d. Pfalz, d. armen. Königskrone zu gewinnen (1698-1705) : SBAkMünchenPb. 2, S. 273-319. — 63) X T h . K ü k e 1 h a u s, D. Ursprung d. Planes

I I I 1 :64-86

A I . R e i f f e r s c h e i d , Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts.

Vorstellung von der masslosen Frechheit und der gewaltthäligen Selbsthülfe der Handwerker im Anfang des 18. Jh. gab B u f f 6 5 ) in seinen gehaltvollen Aufsätzen über den Ausstand der Augsburger Schuhknechte 1726. — Aus der brandenburgischpreussischen Geschichte ist zunächst zu nennen das treffliche Lebensbild des Grossen Kurfürsten in populärer Darstellung von W i l h . M ü l l e r 6 6 ) , der auch den Begründer der russischen Macht, Peter den Gr., in grossen Zügen gezeichnet hat67). — Im ausgesprochenen Gegensatz zu der verfehlten Charakteristik des Kurfürsten in E. von Wildenbruchs „Neuem Herrn" gab P r u t z 6 8 ) eine historisch-psychologische Studie über die Anfänge des Begründers der preussischen Machtstellung, in der er zeigte, dass gerade die harte Schule, durch die Friedrich Wilhelm als Knabe und Jüngling' gegangen, und die furchtbare Krisis, die er gleich im Anfang seiner Regierung durchzumachen hatte, ihm die Härte und die Biegsamkeit des Stahls verliehen, die er beide zur Lösung seiner grossartigen Aufgaben nötig hatte. Hirschs 6M ) Ausgabe der Aktenstücke (JBL. 1892 I I I 1:30) wurde anerkennend besprochen, ebenso die Arbeiten von Schrötters70) (JBL. 1892 I I I 1:33) und Streckers 71 ) (JBL. 1892 I I I 1:36), sowie die Lebensbilder von Natzmers 72 ) (JBL». 1892 I I I 1:43). — P o t e n 1 3 ) charakterisierte den Feldmarschall des Grossen Kurfürsten, O. Frhrn. von Sparr, H i r s c h 7 4 ) den Oberpräsidenten 0. von Schwerin, den vertrautesten Freund und Ratgeber Friedrich Wilhelms. — Daneben begann H i r s c h 7 5 ) eine grössere Abhandlung über die Lebensverhältnissse und das staatsmännische Wirken 0. von Schwerins. 7 8 - 7 7 ") — Neue, ziemlich zuverlässige Nachrichten eines Zeitgenossen über den Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I., über die Zeit vom Tode bis zur feierlichen Beisetzung Friedrichs I. (1. März bis 2. Mai 1713) veröffentlichte K r a u s k e 7 8 ) , fälschlich als Bruchstück einer geschriebenen Zeitung. In Wirklichkeit sind es die vertraulichen Berichte eines Agenten, der seinem Auftraggeber, einem Höhergestellten in der Provinz, auf das schleunigste die ersten Massnahmen des neuen Herrschers meldet. Daher heist es (S. 118): „Seit meinen letztein gehorsambsten fällt diesmal zu berichten." Er macht seine Meldungen, trotz des „sehr harten" Verbotes, etwas aus Berlin zu schreiben, und bittet deshalb „alles wol zu menagiren". Seine Nachrichten stammten aus gut unterrichteten Kreisen, wurden von ihm aber in solcher Hast weitergegeben, dass er oft unhaltbare Gerüchte als Tliatsachen gemeldet hat, wie aus K.s Anmerkungen zu entnehmen ist. — Eine Verteidigung König Friedrich Wilhelms I. unternahm K r a u s k e 7 9 ) . — Sodann erhalten wir einen erwünschten Einblick in das Seelenleben dieses Königs durch seine Briefe an den Domprediger Herrn. Reinh. Pauli in Halle aus den J. 1727—4G80). — Die Mitteilungen R e m e r s 8 1 ) über J. P. Gundling, den gelehrten Hofnarren am Hofe Friedrich Wilhelms I., lehren, wie sehr dem praktisch gesinnten Könige alle Gelehrsamkeit verhasst war. — Mannigfache Belehrung gewähren die hs. erhaltenen Nachrichten über die Huldigung in der Landgrafschaft Thurgau seit dem J. 171282). — E. d e M u r a l t 8 3 ) veröffentlichte zeitgenössische Berichte über den Kampf der fünf katholischen Kantone gegen Zürich und Bern, der sich zu einem regelrechten Religionskrieg entwickelte. — Ueber d i e k i r c h l i c h e n und r e l i g i ö s e n Z u s t ä n d e in diesem Zeitraum liegen neben kleineren Arbeiten einige grössere Abhandlungen vor. W i n t e r a 8 4 ) behandelte die für die Vorsgeschichte des 30jährigen Krieges so wichtige Streitfrage des Baues und der Schliessung der protestantischen Kirche in Braunau nach Akten des Braunauer Stadtarchivs85). — Die Notizen B e c k e r s 8 6 ) über das Amtsleben zweier Zerbster Landpastoren schildern nach zeitgenössischen Berichten die Bemühungen des Fürsten Johann von Anhalt, der 1642 zur Regierung gelangt war, in seinem Gebiete den Kalvinismus durch ein strenges Luthertum zu ersetzen. — Aus dem T o m e w i g e n F r i e d e n in d. Memoiren d. H e r z o g s v. S o l l y . B „ S p e y e r & P e t e r s . V I I I , 181 S. M . 3,50. [ [ H J b . 14, S. 190; JSav. S. 771-11 (D.

Hälfte

d. .Arbeit

erschien

1392

[als

Berliner

Diss.

58

S.].)

-

64)

Heide,

X

U e b e r d. angebliche

Bewerbung

L u d w i g e X I V . u m d. dtsch. K r o n e : HPB11.112. S. 865-78. — 6 5 ) A . B u f f , D . A u f s t u n d d. A u g s b u r g e r Schuhknechte im J. 1726: 6 6 ) W i l h . M S U e r , D . Grosse Kurfürst. P e t e r d. Gr.

A Z g B . N . 198-200. -

M . 4,00J, S . 1-60.) — 6 7 ) O X V I I I , 447 s .

L

S t u d i e : A Z g B . u . 38/9. 71) E d . H e y o k :

F B P G . 6, S. 620/1;

8. 523/4.

krone:



T h L B l . 14, S. 148.

0 . v. S c h w e r i n : ib. S. 754-66. YossZgB.

36/7. — 6 8 ) H . P r u t z ,

D . J u g e n d u. d. A n f ä n g e d. Grossen Kurfürsten. E. hist.-psyoholog.

6 9 ) LCB1. S. 277/8; R H . 53, S. 389. -

H Z . 34,

N . 3,4. —

( = B i l d e r ans d. neueren Gesch. [St., Bon?.. I I I , 350 S.

- F r e y t a g , G. H i l t l , d. grosse K u r f ü r s t u. seine Zeit. 3. A u f l . 1892. Bielefeld, V e l h a g e n & Kinsing.

M . 8,00: C O I R W . 21, S



77) X

72) W. —

Arndt:

73) B

BLU.

Poten,

7 0 ) KonsMschr. S . 3 6 1 ; K . B r [ e y ]s [ i ] g : LCB1. S. 1006/7. S. 820/3;

Ö L B I . 2,

S. 618;

0 . Chrph. F r h r . v. S p a r r :

7 5 ) i d , Otto v. Schwerin. I . : H Z . 35, S. 193-259

A D B . 35, S . 64/7. —

76) X

E. Geschichtserzählung f ü r d. dtsch. V o l k .

62 S.

-

1892 m —

||0. K l o p p :

ÖLB1. 9, S. 650/1.]|

1 : 3 8 ) : P o l y b i b l k 67, S. 270/1. —

VosBZgB. N . 36/7. —

an

77a) X

id., D .

7 4 ) F.

Hirsch,

- F i t t e , D . preuss. K ö n i g s -

B., Kommanditges. M a r k . Volkszg.

e. H a l l i s c h e n Geistlichen

aus

d. J. 1727-40:

80)

V o s s Z g . N . 544.

14 u n g e d r . B r i e f e K 8 n i g Friedrich —

81)

P.

Rem er,

J. P .

Wil-

Gundling:

8 2 ) D . H u l d i g u n g in d. L n n d g r a f s c h a f t T h u r g a u seit d. J. 1712: T h u r g a n i s c h e B V t G . 33, S. 19-33. —

S. 13-42,

103-28,

-

Koser:

A n t e i l d. Jesuiten an d. preuss. Königskrone ( v g l . J B L .

E . d e M u r a l t , P a p i e r s d e 1712: A n z S e h w G . 24, S. 511/9. — 8 4 ) L . W i n t e r a , U V G D B . 31,



B.

7 8 ) 0 . K r a u s k e , A u s e. geschriebenen B e r l i n e r Z e i t u n g : S V G B e r l i n . 30, S. 97-129.

7 9 ) i d . . Vom V a t e r Friedrichs d. G r . : D i d a s k . N . 125. (Ref. über e. V o r t r . ) —

helms I. y. P r e u s s e n

s

S . 1032;

N - T h o e m e s . A u s d. Jesuitenbriefen d. preuss. K r ö n u n g s a k t e n , oder w i e d. Jesuiten d. H a u s e

Hohenzollern z. K ö n i g s w ü r d e mit verholfen haben. M . 0,30.

KonsMschr.

237-62.



85) O X

X

K.

Reissenberger,

Gesch. d. Protestant. B e w e g u n g in Z.

Geschichte

d.

relig.

Bewegung

Österreich: J G G P Ö . 14, S . 4 5 - 5 6 . — 8 6 ) H e i n r . B e c k e r , U e b e r d. Amtsleben zweier Zerbster L a n d p a s t o r e n d . 17. Jh.:

83)

Braunan: in

Ober-

MVAnlialtG.

AI. R e i f f e r s c h e i d , Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts.

III 1:87-101

Kreis seiner sorgsamen und eingehenden Forschungen über die Kirchenpolitik des Grossen Kurfürsten veröffentlichte L a n d w e h r 8 7 ) eine weitere Vorstudie, eine Abhandlung über den Hofprediger B. Stosch, der seit dem Beginn der 60er Jahre den grössten Einfluss auf die Entschliessungen Friedrich Wilhelms hatte. Er war Hauptvorkämpfer der Reformierten gegen die Lutheraner und wurde bei seinen Bestrebungen unterstützt durch O. von Schwerin und die Kurfürstin Luise Henriette, die als Kalvinistin ihn allein von den Hofpredigern zu sich heranzog. Durch seine Bestallung von 22. Febr. 1644 war er in der freiesten Weise verpflichtet, „in Lehren und Gottesdienst allein an das Wort Gottes, welches in den Schriften der Propheten und Aposteln verfasst", also an keine Bekenntnisschrift, nicht einmal an das Apostolikum gebunden. Erst nach der zweiten Vermählung des Kurfürsten trat sein Einfluss in den Hintergrund88"59). — G r ü n b e r g 9 0 ) legte den Anfang seiner wissenschaftlichen Untersuchungen über das Leben und Wirken Ph. J. Speners vor. In der richtigen Erkenntnis, dass man Speners Streben, welches sich als eine Reaktion gegen die bestehenden kirchlichen Zustände darstellt, nur auf Grund einer genauen Bekanntschaft mit den allgemeinen Zuständen und der herrschenden Richtung der lutherischen Kirche um die Mitte des 17. Jh. würdigen könne, schilderte er zunächst die Zeit Speners. — Eine aktenmässige Darstellung der Beziehungen Zinzendorfs zu Erweckten, Separierten und zu der lutherischen Geistlichkeit in Frankfurt a. M. veröffentlichte Dechent ! "). Von denen, die sich dort um Zinzendorf geschart hatten, blieben ihm auf die Dauer nur wenige treu. Seine Methode, die betrübten Seelen unmittelbar zu Christus zu weisen, galt mit Recht vielen als ungenügend. — Als praktische Pietisten ohne jeden Anflug von schwärmerischem oder sektiererischem Wesen feierte J a c o b s 9 2 " 9 3 ) die Gräfin Sophie Eleonore zu Stolberg-Stolberg und Christian Ernst, den regierenden Grafen zu Stolberg-Wernigerode. — Von den Schriften über die Aufnahme vertriebener Protestanten9 4in Norddeutschland ist mit Anerkennung zu nennen die gründliche Arbeit P i p e r s ) über die Aufnahme der Reformierten und Mennoniten in Altona. Man erkennt daraus die hohe Bedeutung der niederländischen Einwanderer für Gesittung und Erwerbsleben. P. verarbeitet den reichen Stoff in 5 Kapiteln: 1. die Aufnahme der Reformierten, 2. die andere Ausstattimg und die Weiterentwicklung der Kirche, 3. die Geistlichen, die Kirchenordnung und die Lehre, 4. die Geldverhältnisse der Gemeinde, 5. die Gemeinde, 6. die Mennoniten.95-96) — Ueber die Ausbreitung und die Thätigkeit des Jesuitenordens handelten (s. 0. N. 21) v 0 n K r 0 n e s 9 7 ) und E h r e n b e r g 9 8 ) . — Für die Geschichte des Kapuzinerordens enthalten mancherlei die Mitteilungen E s c h b a c h s 9 9 ) aus der lateinischen Chronik des Kapuzinerklosters zu Kaiserswerth. — Hierher gehört auch die Veröffentlichung der Testamente von 2 Wiener Bürgermeistern aus dem 17. Jh. 100 ). Beiden liegt sehr viel daran, dass sie in gutem Andenken bleiben, sie Iragen Sorge für ihre Hinterbliebenen, vergessen auch die Armen und das Gemeininteresse nicht. Beide lassen unzählige Messen für ihre Seelenruhe lesen und zeigen so ihre fromme und kirchliche Gesinnung. Um so wichtiger ist die ausdrückliche Anordnung des einen, dass das Geld für die Messen nicht Ordensleuten, sondern den armen Weltgeistlichen gegeben werden solle. — Für die G e s c h i c h t e des g e i s t i g e n Lebens dieser Zeit ist mancher schöne Beitrag geliefert worden. Wertvoll war V a r r e n t r a p p s , 0 1 ) Veröffentlichung von 27 Briefen des berühmten Publizisten S. Pufendorf aus den J. 1668—93. Pufendorf bekennt offen, dass man dessen Lied singt, dessen Brot man isset, deshalb soll einem Publizisten nicht beigemessen werden, wenn er seines Herrn „sentimente mit der Feder exprimiret" (S. 27). Er ist sich bewusst, dass er sich durch seine Schwedische Geschichte viele Feinde gemacht, allein ein Geschichtsschreiber könne „sowenig von allen leuten gloriose schreiben, als aller menschen actiones mit den regeln der klugheit und tugend" übereinstimmten (S. 28). Er spottet über die lächerliche Behutsamkeit mancher Höfe, „solche dinge zu secretiren, die in den äugen der ganzen VI. 3. |[HZ. 35, S. 572.;| — (7) H. L a n d w e h r , Bartholom. Stosch, kurbrandenb. Hofprediger (1604-8«): FBPG. 6, S. 91-140. |[A. U ( e i s t e r ) : HJb. 14, S. 910/1; BZ. 35, S. 571.]| (Erschien auch a b Sonderobdr. L , Duncker * Hamblot. 60 S. M. 1,40.) — U ) X w - B e j s o h l a g . D . Gr. Kurfürst all erang. Charakter. Halle a. S., Strien. 82 S. M. 0,80. |[C. S p a n n a g e l : FBPG. 6, S. «22/3; HZ. 35, S. 379-80; ThLBI. 14, S. 186.]| (Kaiser-Gsburtstagsreda; aush DEB11. 18, S. 141-72.) - «9) X L i p p , Preuseenu. d. Protestantismus: DPBI. 26. S. 10/3, 18-21, 26/8, 34/7. — 90) P. G r ü n b e r g , Ph. J. Spaner. Sein Leben u. Wirken. 1. Bd.: D. Zeit Speners; d. Leben Speners; d. Theol. Speners. Göttinren, Vandenhoeek Jt Bupreoht. VIU, 531 S. M. 10,00. (Vgl. m 5:22; als Strassb. Dies. 1892. VII, 124 S.) — 91) H. D e e h e n t , D. B e z i e h u n g e n d. Grafen t. Zinzendorf an d. Evangelischen in Frankfurt a. M.: ZKG. 14, S. 19-68. (Vgl. III 5:38.) — 92) Ed. J a c o b s , Sophie Eleonore Grifln an Stolberg-Stolberg: ADB. 36, S. 372/3. - 93) id., Ch. Ernst Graf zu Stolberg-Wernigerode: ib. S. 381/6. — 94) P. P i p e r , D. Reformierten n. d. Mennoniten Altonas. ( = Altona unter Schauenburgischer Herrschaft VI.) Altona, Härder. 97 S. M. 2.00. — 95J O X H . D a l t o n , König Friedrich L als Fürsprecher d. Hugenotten am Zarenhofe: Bär 19, S.4789. — 9 6 ) X D . Salzburger Ansvanderung T. 1731 n.32: PommersohsBIlSch. 17, S. 98-100. (D. KathLehrerZg. entnommen.) — 97) F. v. K r o n e n , Z. Gesch. d. Jesuitenordens in Ungarn seit d. Linzsr Frieden bis z. Ergebnisse d. ung. MagaatenTersehwSrnng 1645-71: AÖG. 79, S. 277-354. — 9 t ) B. E h r e n b e r g , D. Jesuiten-Mission in Altona. ( = Altona unter Schauenburg!scher Herrschaft TO.) Altena, Härder. 61 S. M. 2,00. — 99) P- E s c h b a o h , Ans e. Chronik d. Kapuzinerklosters zu Kaiserswerth: BGNiederrh. 7, S. 137-200. — 100) W. E., Testamente T. Wiener Bürgermeistern aus d. 17. Jh.: WienerKommKal. 21, 9. 407-18. — 101) K. V a r r e n t r a p p , Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgesohichto. IV. (3)2

III

1:102-115

A I . R e i f f e r s c h e i d , Allgemeines des 17./18. .Jahrhunderts.

weit passiret", da doch „die höchste belohnung derjenigen, die solche verrichtet", sei, „dass sie nicht in die Vergessenheit verscharret" würden (S. 47). Er ist für den vernünftigen Gottesdienst der Christen, gegen die Atheisterei ebenso wie gegen das unnütze Gezänke der Protestierenden, hat ebenso viel Sorge pro vera pietate gehabt wie die Schwarzmäntel (S. 33). Er erklärt sich entschieden gegen die Theologen, „homines servituti parati, die den fiirsten zu grosse rechte einräumen" (S. 196). Es fehlt nicht an sarkastischen Bemerkungen über die Jesuiten (S. 195, 200), über Bossuet (S. 195). Er will nicht entscheiden, ob Thomasius auch ein Synkretist sei, „weil ich noch definitionem syncretistae nicht weiss. Denn auch bei etlichen diejenigen darunter gerechnet werden, die käse und butter zusammen essen" (S. 204). Er begreift die Zänkereien und Intriguen der Gelehrten nicht, denn „der weg durch erudition zu inclaresciren ist so breit, dass viel hundert neben einander nach dem zweck laufen können, ohne dass sie nötig haben einander ein bein zu stellen, oder einem gegen den leib zu rennen" (S. 40). Er zeigt sich als Kind seiner Zeit, wenn er die kritische Thätigkeit des Thomasius missbilligt und wie ein echter Philister schreibt (S. 204): „Zwar ist dergleichen censur publico utilissiina und denjenigen sehr anmuthig zu lesen, die selbst nicht perstringirt werden. Allein es gebährt einen unaussprechlichen hass, den ich nicht weis, ob ein weiser mann für lange zeit auf sich zu lenken ursach hat. Man kriegt wol feinde genug, wenn man sich gleich befleisst, keinem menschen etwas zu leide zu thun und in seiner unschuld einherwandelt." — Aus dem ungeheueren Briefschatze, den Chrn. Daum nachgelassen, teilte B e c k t 0 2 ) Interessantes über die Verhältnisse der Lehrer und der Studierenden an der Leipziger Universität mit. — Eine reichhaltige Quelle sind die Stammbücher der bürgerlichen Studierenden und der vornehmen Herren, doch müssen sie sorgfältig gesichtet und kritisch behandelt werden. Musterhaft ist die Ausgabe v o n L ü t g e n d o r f f s l03 ), dankenswert der Artikel von Bobe 104 ), aber völlig kritiklos die Sammlung der Brüder Keil 1 0 5 ). Beachtenswert ist die Beobachtung, dass die Eintragungen der Universitätslehrer, die übrigens selten eigenartig waren, im 18. Jh. merklich abnahmen. — Der Pfälzer J. J. Callenfels, über dessen Album J a n s s e n 1 0 8 ) berichtete, scheint sein Buch fast ausschliesslich reformierten Glaubensgenossen vorgelegt zu haben.101) — Geigers Werk (vgl. JBL. 1892 I 4:586; I I I 1:59) über das geistige Leben Berlins wurde von Verschiedenen lnh ) mit grosser Anerkennung besprochen. — Ein Bild aus dem geistigen Leben Strassburgs entwarf mit geschickter Hand B ü n g e r , 0 9 ) in seiner musterhaften Biographie des vielseitigen Professors Bernegger, für die Reifferscheids „Quellen" ( I ) beinahe alles Material boten. — Seine geistreichen Untersuchungen über das natürliche System der Geisteswissenschaften im 17. Jh. setzte D i l t h e y 1 1 0 ) (vgl. JBL. 1892 III 1:60) fort. Er behandelte die Entwicklung des historisch-kritischen Denkens und die Auflösung des Kirchenglaubens vom Mittelpunkt der Bibel und des Dogmas aus, darauf den Einfluss der römischen Stoa auf die Ausbildung des natürlichen Systems und wandte sich zuletzt zu Melanchthon, dem man in Deutschland die erste Ausbildung dieses Systems verdankt. 111 ) — Einen der bedeutendsten Geister seiner Zeit, der als Gelehrter und Staatsmann eine vielseitige, aber stille, friedliche Wirksamkeit entfaltete, Ezechiel Spanheim, schilderte v o n P e t e r s d o r f f 1 1 2 ) . — Den Erzeugnissen der Publizistik wendet man immer lebhaftere Teilnahme zu. F r ick 1 1 3 ) lieferte einen Beitrag zur Geschichte der historisch-politischen Litteratur in der ersten Hälfte des 17. Jh. Er beschäftigte sich mit den sogenannten Elzevirschen Republiken, der bekannten Sammlung von Staatenbeschreibungen, die in lateinischer Sprache abgefasst dem Studium der Politik dienen sollten, und alles enthielten, was man in damaliger Zeit wissen musste, um am politischen Leben thätigen Anteil nehmen zu können. — Die Autorschaft an einer bedeutenden Flugschrift, die grosses Aufsehen erregte, an den Vindiciae contra tyrannos, schrieb W a d d i n g t o n 1 U ) dem Du Plessis Mornay zu, auf Grund einer Stelle in den Memoiren Conrarts und des Zeugnisses der eigenen Gattin. — Der tüchtige Beitrag Gebauers (vgl. JBL. 1892 I I I 1:62) zu einer kritischen Geschichte der deutschen Publizistik wurde lobend angezeigt 115 ). — Auf die G o t h e i n -

B r i e f e y. P n f e n d o i f : HZ. 34, S. 1-51, 193-232. — 102) R. B e c k , M. Chrn. Daums Beziehlingen z. Leipziger gelehrten W e l t während d. 60er Jahre d. 17. Jh. Frogr. Gymn. Zwickau (R. ZücMer). 1°. 16 S. — 103) L . F r h r . v. L Q t g e n d o r f f , D. Stammbuch Davids r . Mandelsloh. E. Beitr. z. Adelsgesch. d. 17. Jh. Hamburg, Verlagsanstalt. X X X I I I , 164 S. M i t Faca. n. 4 T a f . I I . 12,00. |[F. W . : DHerold. S. 100/2.]| — 104) L. B o b e , D. Terolersche Samml. adel. n. bfirgerl. Stammbacher ans d. 17. n. 18. Jh. i n d . K g l . B i b l . zu Kopenhagen: DHerold. 9. 5,6 (s. u. I V l a : 24). — 105) ( I 4 : 1 4 1 ; 5 : 3 0 9 . ) — 1 0 6 ) H. Q. J a n s s e n , D. beiden Stammbücher d. J. J. Callenfels: V H S G . 21, S. 303-28. - 107) X F v. W e e c h . Aus e. Stammbuch d. 17. Jh.: ZGORh. 8, S. 711/4. - 1 0 8 ) W . A r n d t : BMJ. S. 663/6; A. C h u q u e t : RCr. 35, S. 226/8; M. F r . : L Z g " . N. 15; C. S p a n n a g e l : F B P G . 6, S. 319-21; S p e o t a t o r : ML. S. 69-71; DRs. 75, S. 157: Geg. 43, S. 1J3; LCB1. S. 942,5. — 1 0 9 ) C. B ü n g e r , Matth. B e r negger, e. Bild aus d. geistigen Leben Strassburgs z. Zeit d. 30j. Krieges. M i t e. Bildn. Strassburg i. E., Trabner. I X , 401 S. M. 12,00. |[RCr. 36, S. 159-60; W . W . : ZGORh. 8, S. 724: LCB1. S. 1007/8; StrassbPost. N. 234.JI — 110) W . D i l t h e y , D . natürliche System d. Geisteswissenschaften im 17. Jh.: AGPhilos. 6, S. 60-127. 225-56 , 347-79, 509-45. - 111) X ¿< S o c i n , R. Hodermann, Universit&tsYorlesungen ( v g l . JBL. 1892 I I I 1 : 6 1 ) : LBIGRPh. S. 8. — 112) H. v. P e t e r s d o r f f , Gz. Spanheim: A D B . 35, S. 50/9. — 113) G. F r i c k , D. Elzevirschen Republiken. Diss. H a l l e a. S., (E. Karras). 32 S. |[HZ. 35, S. 570.]] — 114) A . W a d d i n g t o n , L'auteur des Vindiciae contra tyrannos: RH. 51, S. 65/9. — 115) A . F. P r i b r a m : D L Z . S. 814/5;

AI. R e i f f e r s c h e i d , Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts.

III 1 :116-129

sehe 116 ) Ausgabe der Flugschrift Pflaumers „Colloquium von etlichen Reichstagspunkten" sei hier nochmals hingewiesen, desgleichen auf die getreuen Facsimiles interessanter Flugblätter in den Werken 111 ) Droysens, Winters und Erdmannsdörffers. — Von Droysen angeregt untersuchte G o e r l e r 1 1 8 ) die publizistischen Schriften über die Kaiserwahl des J. 1658. Er unterscheidet zwei Gruppen: private Flugschriften, die auf die leitenden Kreise wirken wollen, und Denkschriften der offiziellen Kreise, die meistens erst später gedruckt wurden. Richtiger hätte er offiziöse und offizielle Schriften unterschieden, die beide einander in die Hand arbeiteten. So nimmt die offizielle Denkschrift des französischen Gesandten von Grammont ganze Gedankenreihen aus den Flugschriften Frischmanns, des französischen Residenten zu Strassburg, auf. Dasselbe thut das offizielle Schreiben des Mainzer Kurfürsten. Es bezeichnet die Unklarheit der Situation, dass der offiziöse schwedische Publizist, D. Mevius, mit Frischmann in litterarische Fehde geriet. Der in österreichischem Sinne schreibende von Streithagen hatte, wie es zur Zeit scheint, keine Fühlung mit den offiziellen Kreisen. —1 1 Die Geschichte des Zeitungswesens erfuhr keinerlei Bereicherung durch K r a u s k e s 9 ) angebliches Bruchstück aus einer geschriebenen Berliner Zeitung. 12— Einen wirklichen Beitrag zur Geschichte des Berliner Zeitungswesens gab G e i g e r °) durch seine Studie über den Berlinischen Relations-Postillon 1711. Obgleich die Zeitung länger als 100 J. dreimal wöchentlich, an den drei Posttagen Dienstag, Donnerstag und Sonnabend, erschien, hat sich vom Jahrgang 1709 nur eine, vom Jahrgang 1711 80 Nummern erhalten. Jede Nummer enthielt 8 Seiten in klein Oktavformat. Die Zeitung referierte kurz ohne persönliche Anteilnahme, wohl nach fremden Blättern, über die Zeitereignisse, und tischte ihren Lesern recht viel „Vermischtes" auf, ohne auf Berliner Verhältnisse, abgesehen von offiziösen Mitteilungen, Rücksicht zu nehmen.121) Ueber den Anteil deutscher Fürsten an den Kunstbestrebungen ihrer Zeit handeln zwei Arbeiten. F. v o n Reber 1 2 2 ) zeigte in einer Festrede, wie Kurfürst Maximilian I. von Bayern die von einem seiner Vorgänger auf der Basis eines naiven, rein gegenständlichen Interesses gegründete Gemäldesammlung zu einer von künstlerischen Gesichtspunkten ausgehenden Galerie erhob. Das um 1628 entstandene fachgemässe Inventar der Galerie liess R. im Anhange abdrucken. — In einer Reihe wertvoller Aufsätze, die sich vornehmlich mit dem Zusammenhang der Kunst in Holland und Brandenburg beschäftigen, schilderte G a l l a n d m ) die Beziehungen des Grossen Kurfürsten zu den Künsten, seine Bemühungen, sie in seinem Lande durch holländische Meister einzubürgern und deckte dabei auf Grund sorgfältiger archivalischer Forschung die ausserordentlichen Verdienste des Fürsten Johann Moritz von Nassau, des124Statthalters von Kleve, um die Hebung der brandenburg-preussischen Kultur auf ) (vgl. I 11:256).— Friedrich Wilhelms I. Verhalten zu Christian Wolff suchte von W i n t e r f e l d 1 2 5 ) in ein besseres Licht zu rücken. — Ueber d a s H o f l e b e n dieser Zeit liegen nur wenige Schriften vor. Reichhaltige Belehrung über die Grundsätze der Prinzenerziehung im 17. Jh. gewähren die von F. v o n W e e c h 1 2 6 ) veröffentlichten Bestallungen und ausführlichen pädagogischen Instruktionen, des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz für die Erzieher des 6 jährigen Kurprinzen und für die Hofmeisterin und den Hofmeister der 11jährigen Elisabeth Charlotte, der späteren Herzogin von Orleans. Das beste Zeugnis für die hohe Denkart des Kurfürsten ist es, dass er die Haupterziehung des Thronerben dem besten Manne, den er kannte, dem Staatsmanne und Gelehrten Ezechiel Spanheim anvertraute. — Eine ansprechende Charakteristik der Kurfürstin Sophie von Hannover, einer Tochter des böhmischen Winterkönigs, gab F e s t e r 1 2 1 ) , er bemüht sich nur zu sehr, sie als über jeden Tadel erhaben darzustellen. — Die einzige Tochter der Liselotte, die letzte Herzogin von Lothringen, die Stammmutter 1 der heute noch in Oesterreich-Ungarn regierenden Herrscherfamilie, schilderte Fitte 2 8 ). — Die prunkvolle Hofhaltung Herzog Friedrich Casimirs von Kurland wurde, kurz bevor die Schweden das Land besetzten, mit sichtlichem Behagen von seinem Kammerdiener J. C. Brandt beschrieben, dessen Bericht über „Solenitäten so bei der Vermälung seines gnädigsten Fürsten und Herrn Herzogs Friedr. Casimir und anderen Gelegenheiten beobachtet worden" nach zwei späteren Abschriften D i e d e r i c h s 129) herausLCBl. S. 639-40. — 116) (S. o. N. 42.) - 117) (S. o. N. 6/7, U/2.) — US) C. G o e r l e r , üeber d. Publizistik z. Kaiserwahl d. J. 1658. Diss. Halle a. S., (Beyer & Bonnger). 31 S. — 1191 (S. o. N. 78.) - 120) L. G e i g e r , Berl. Studien. I. Berlinisoher Relations-Postillon 1711: VossZgB. N. 49. - 121) X A - Kibelliau, Bosenet (Tgl. JBL. 1892 III 1:68.) |[A. B a u e r : GGA. S. 482-92; K. B e n r a t h : DLZ. S. 962/4.]| —122) F. v B e b e r , Kurfürst Maximilian I. v. Bayern als Gemäldesammier. Festrede. M&nchen, Franz. 1892. 4°. 45 S. M. 1,30. — 123) G. G a l l a n d D. Grosse Kurffirst n. Moritz v. Nassau d. Brasilianer. Studien z. Brandenburg, u. Holland. Kunstgesoh. Frankfurt a. M., H. Keller. II. 236 S. M. 4,00. j[K. T o c h e - M i t t l e r : i'BPG. 6, S. 317/8; MVGBerlin. 10, S. 12; HJb. 14, S. 463; ZChrK. 6, S. 381/2.]| - 124) X A - K r i e g e r , Wallerant Vaillant u. Matthaeus Merian d. jfingere am baden-badischen Hofe: ZGOßh. 8, S. 381/2. — 125) F. A. v. W i n t e r f e l d , Chr. Wolff in seinem Verhältnis zu Friedrich Wilhelm I. n. Friedrich d. Gr.: N&S. 64, S. 224-36. — 126) F y. W e e c h , Z. Gesch. d. Erziehung d. Kurffirsten Karl v d. Pfalz u. seiner Schwester Elisabeth Charlotte: ZGOBh. 8, S. 101-19. — 127) B. F e s t e r , Kurffirstiu Sophie r . Hannover. ( = SGWV. N. 179.) Hamburg, Verlagsanst. 34 S. M. 0,60. — 12S) S. F i t t e , D. letzte Herzogin t . Lothringen, e. Tochter d. Liselotte: VossZgB. N. 51. — 129) H. D i e d e r i c h s , Joh. Casimir Brandts Aufzeioh-

(3)2*

III 1:130-140 1112:1-3 L. P a r i s e r , Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. gab. — Die enormen Kosten der Gesandtschaft, welche die Stadt Lübeck zur Krönung' Friedrichs III., Königs von Dänemark, schickte, teilte nach dem Kämmereibuch Brehmer 1 3 0 " 1 3 1 ) mit, ebenso die nicht minder bedeutenden Kosten, die der Stadt Gevatterschaften bei Fürstenkindern machten. — Die servile Erniedrigung vor den Höherstehenden, besonders vor dem Hofe, suchte S t e i n h a u s e n 1 3 2 " 1 3 3 ) als Folge der ganzen Lebensauffassung des 17. Jh. zu erweisen. — Auch aus dem Gebiet der L i t t e r a t u r g e s c h i c h t e sind diesmal einige Werke und kleinere Abhandlungen zu verzeichnen, vor allem die vortreffliche Neuausgabe der vorzüglichen Litteraturgeschichte des 18. Jh von Hettner, besorgt von Harnack 1 3 4 ). Mit der liebevollsten Sorgfalt ist der neue Herausgeber zu Werke gegangen. Mit Geschick hat er die Ergebnisse neuerer Forschung eingefügt, manches von dem, was jetzt überflüssig erscheinen durfte, mit schonender Hand gestrichen, die Anführungen mit den Texten sorgsam verglichen und dabei manches Versehen Hettners berichtigt. Die Vergleichung hätte mit Erfolg u. a. auch auf die aus Edelmanns Selbstbiographie mitgeteilten Stellen ausgedehnt werden können. Manche bedenkliche Druckfehler haben sich leider neu eingeschlichen, besonders in der ersten Hälfte des Bandes. — Aeltere Beiträge zur Litteraturgeschichte, auf selbständigen Studien beruhend, die früher einzeln veröffentlicht worden, gab, in einer Sammlung vereint, neu heraus Ad. Stern 1 3 5 ), alle zeichnen sich gleichmässig durch tiefes und lebensvolles Erfassen der Vergangenheit aus. — Einen Anlauf zu einer Litteraturgeschichte Mecklenburgs machte L o r e n z ,36 ) in seiner Dissertation, welche die wenig erquicklichen Dichtungen mecklenburgischer Prediger des 17. Jh. verzeichnet. — Nur im Auszug liegt ein Vortrag S k l a d n y s 1 3 " ) vor über die deutsche Dichtung in der Provinz Posen, aus dem sich ergiebt, dass fast ausnahmslos in den Schlesien benachbarten Teilen der Provinz deutsch gedichtet worden, und zwar ganz in der Art der schlesischen Dichter. 138-139 ) — Als Beleg für frühes Bekanntwerden Molieres in Deutschland veröffentlichte F r ä n k e l 1 4 0 ) eine Variante des Doctorandus Molieri, der Promotionskarikatur am Schluss von Molieres Malade imaginaire, die starke Abweichungen von der gewöhnlichen Lesart zeigt. —

111,2

Lyrik. Ludwig Pariser. Anonymes: Politische Verse N. 1; Volkslied und Gesellschaftelied N. 2. — Geistliche Lyrik: Allgemeines N. 7; das katholische Kirchenlied: Spee N. 10, Angelas Silesius N. 13; evangelische Poesie: J. V. Andreae N. 14, J. H. Heermann N. 20, F. Gerhardt N. 21, G. Neumarok N. 24, Chrn. von Stökken nnd E . A. Stockfleth N. 25, l'salmenparaphrasen. |M. Stechow, J. J. Spreng, Stresow, StAbner) N. 27. — Weltliche Kunstlyrik: Uebersetzungen (Anakreon, Horas) N. 32; Weckherlin N. 34; Fleming N. 37; Hofmannswaldan N. 38; M6hlpfort N. 39; Günther N. 40; G. Stolle, Chrn. Stieff, D. Stoppe, F.t>. Stender N. 42. —

Bibliographische Arbeiten sind auch in diesem Jahre nicht zu verzeichnen. Neben historischen Ausführungen über die Entstehung der Gymnalsialbibliothek zu Zweibrücken und die fast gänzlich verloren gegangenen Schätze der alten herzoglichen Bibliothek ebendort, wurde aus den Hss. der erstgenannten Sammlung einiges auf die deutsche Dichtung Bezügliche, unter dem einige a n o n y m e p o l i t i s c h e V e r s e das Hauptinteresse beanspruchen, von E n g l e r t 1 ) mitgeteilt. Es sind „Historische Reime von dem Vngereimbten Reichstage" (Katal. N. 36), eine Satire auf den resultatlos verlaufenen Reichstag, den Kaiser Matthias 1613 nach Regensburg berief. Der ziemlich unbeholfene Dichter, der aber offenbar satirisches Talent besitzt, bekämpft in gleichem Masse die Hartnäckigkeit seiner katholischen Glaubensgenossen nungen über Ereignisse n. Hoffestlichkeiten ans d. Zeit Herzog Friedr. Casimirs v. Kurland n. d. nächstfolgenden J. 1689-1701. Her. y. d. kurl&nd. Ges. f. Litt. n. Knnst. Mitau (F. Besthorn). 1892. 4°. X, 47 S. M. 2,40. — 130) W. B r e h m e r , Gesandtschuft d. Stadt Lübeck z. Krönung d. dun. Königs Friedrich 1)1.: MVLfibG. 6, S. 8/9. — 131) id., Drei Gevatterschaften d. Rates: ib. S. 9-11. — 132) G. S t e i n h a u s e n , D. Lebensauffassung d. 17. Jh.: VossZg». N. 47. — 133) X Th. D i s t e l , E. Schreiben d. Hofnarren Fröhlich an seinen Herrn (1727): NASächsG. 14, S. 339-41. — 134) H. Hettner, Litt.-Gesch. d. 18. Jh. III. D. dtsch. Litt, im 18. Jh. 1. Buch. Vom westfâl. Frieden bis z. Thronbesteigung Friedrichs d. Gr. 1648-1740. 4.verb. Aufl. Her.y. 0. H a r n a c k . Brannschweig, Vieweg. X,400S. M 7,00.— 135) A. S t e r n , Beitrr.z. Litt.-Gesch. d. 17. u. 18. Jh. L., R. Siebter. 328 S. M. 7,50. (In Betracht kommen hier: D. Untergang d. altengl. Theaters S. 1-34. D. Husenhof d. Königin Christine y. Schweden zn Rom S. 35-59; vgl. III 3:17.) — 136) (I 1:111.) — 137) A. S k l a d n y , D. dtsch. Dichtung in d. Provinz Posen vom 16.-18. Jh. Vortr.: ZHGPosen. S, S. 386-90. (S. n.IV l a : 4 6 . ) — 138) X C. H e i n e , D. Ausdruck „Zweite schles. Schule": ZVLR. 6, S. 448-66. - 139) O X X E. F a g n e t , La poésie française de 1600-20: BPL. 2, S. 738-46. — 140) A. F r a n k e l , Zu Molière in Deutschland nebst e. Textvariante seiner Promotions-Karikatur: ASNS. 91, S. 263-70. — 11(1 3 : 37; I I 2 : 4 3 . ) — 2 ) R . M. W e m e r , Z. Volkslitt.: VLG. 6, S. 290-300,433-48. - 3 ) H . M a r k g r a f , Soldatenlob:

III 1:130-140 1112:1-3 L. P a r i s e r , Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. gab. — Die enormen Kosten der Gesandtschaft, welche die Stadt Lübeck zur Krönung' Friedrichs III., Königs von Dänemark, schickte, teilte nach dem Kämmereibuch Brehmer 1 3 0 " 1 3 1 ) mit, ebenso die nicht minder bedeutenden Kosten, die der Stadt Gevatterschaften bei Fürstenkindern machten. — Die servile Erniedrigung vor den Höherstehenden, besonders vor dem Hofe, suchte S t e i n h a u s e n 1 3 2 " 1 3 3 ) als Folge der ganzen Lebensauffassung des 17. Jh. zu erweisen. — Auch aus dem Gebiet der L i t t e r a t u r g e s c h i c h t e sind diesmal einige Werke und kleinere Abhandlungen zu verzeichnen, vor allem die vortreffliche Neuausgabe der vorzüglichen Litteraturgeschichte des 18. Jh von Hettner, besorgt von Harnack 1 3 4 ). Mit der liebevollsten Sorgfalt ist der neue Herausgeber zu Werke gegangen. Mit Geschick hat er die Ergebnisse neuerer Forschung eingefügt, manches von dem, was jetzt überflüssig erscheinen durfte, mit schonender Hand gestrichen, die Anführungen mit den Texten sorgsam verglichen und dabei manches Versehen Hettners berichtigt. Die Vergleichung hätte mit Erfolg u. a. auch auf die aus Edelmanns Selbstbiographie mitgeteilten Stellen ausgedehnt werden können. Manche bedenkliche Druckfehler haben sich leider neu eingeschlichen, besonders in der ersten Hälfte des Bandes. — Aeltere Beiträge zur Litteraturgeschichte, auf selbständigen Studien beruhend, die früher einzeln veröffentlicht worden, gab, in einer Sammlung vereint, neu heraus Ad. Stern 1 3 5 ), alle zeichnen sich gleichmässig durch tiefes und lebensvolles Erfassen der Vergangenheit aus. — Einen Anlauf zu einer Litteraturgeschichte Mecklenburgs machte L o r e n z ,36 ) in seiner Dissertation, welche die wenig erquicklichen Dichtungen mecklenburgischer Prediger des 17. Jh. verzeichnet. — Nur im Auszug liegt ein Vortrag S k l a d n y s 1 3 " ) vor über die deutsche Dichtung in der Provinz Posen, aus dem sich ergiebt, dass fast ausnahmslos in den Schlesien benachbarten Teilen der Provinz deutsch gedichtet worden, und zwar ganz in der Art der schlesischen Dichter. 138-139 ) — Als Beleg für frühes Bekanntwerden Molieres in Deutschland veröffentlichte F r ä n k e l 1 4 0 ) eine Variante des Doctorandus Molieri, der Promotionskarikatur am Schluss von Molieres Malade imaginaire, die starke Abweichungen von der gewöhnlichen Lesart zeigt. —

111,2

Lyrik. Ludwig Pariser. Anonymes: Politische Verse N. 1; Volkslied und Gesellschaftelied N. 2. — Geistliche Lyrik: Allgemeines N. 7; das katholische Kirchenlied: Spee N. 10, Angelas Silesius N. 13; evangelische Poesie: J. V. Andreae N. 14, J. H. Heermann N. 20, F. Gerhardt N. 21, G. Neumarok N. 24, Chrn. von Stökken nnd E . A. Stockfleth N. 25, l'salmenparaphrasen. |M. Stechow, J. J. Spreng, Stresow, StAbner) N. 27. — Weltliche Kunstlyrik: Uebersetzungen (Anakreon, Horas) N. 32; Weckherlin N. 34; Fleming N. 37; Hofmannswaldan N. 38; M6hlpfort N. 39; Günther N. 40; G. Stolle, Chrn. Stieff, D. Stoppe, F.t>. Stender N. 42. —

Bibliographische Arbeiten sind auch in diesem Jahre nicht zu verzeichnen. Neben historischen Ausführungen über die Entstehung der Gymnalsialbibliothek zu Zweibrücken und die fast gänzlich verloren gegangenen Schätze der alten herzoglichen Bibliothek ebendort, wurde aus den Hss. der erstgenannten Sammlung einiges auf die deutsche Dichtung Bezügliche, unter dem einige a n o n y m e p o l i t i s c h e V e r s e das Hauptinteresse beanspruchen, von E n g l e r t 1 ) mitgeteilt. Es sind „Historische Reime von dem Vngereimbten Reichstage" (Katal. N. 36), eine Satire auf den resultatlos verlaufenen Reichstag, den Kaiser Matthias 1613 nach Regensburg berief. Der ziemlich unbeholfene Dichter, der aber offenbar satirisches Talent besitzt, bekämpft in gleichem Masse die Hartnäckigkeit seiner katholischen Glaubensgenossen nungen über Ereignisse n. Hoffestlichkeiten ans d. Zeit Herzog Friedr. Casimirs v. Kurland n. d. nächstfolgenden J. 1689-1701. Her. y. d. kurl&nd. Ges. f. Litt. n. Knnst. Mitau (F. Besthorn). 1892. 4°. X, 47 S. M. 2,40. — 130) W. B r e h m e r , Gesandtschuft d. Stadt Lübeck z. Krönung d. dun. Königs Friedrich 1)1.: MVLfibG. 6, S. 8/9. — 131) id., Drei Gevatterschaften d. Rates: ib. S. 9-11. — 132) G. S t e i n h a u s e n , D. Lebensauffassung d. 17. Jh.: VossZg». N. 47. — 133) X Th. D i s t e l , E. Schreiben d. Hofnarren Fröhlich an seinen Herrn (1727): NASächsG. 14, S. 339-41. — 134) H. Hettner, Litt.-Gesch. d. 18. Jh. III. D. dtsch. Litt, im 18. Jh. 1. Buch. Vom westfâl. Frieden bis z. Thronbesteigung Friedrichs d. Gr. 1648-1740. 4.verb. Aufl. Her.y. 0. H a r n a c k . Brannschweig, Vieweg. X,400S. M 7,00.— 135) A. S t e r n , Beitrr.z. Litt.-Gesch. d. 17. u. 18. Jh. L., R. Siebter. 328 S. M. 7,50. (In Betracht kommen hier: D. Untergang d. altengl. Theaters S. 1-34. D. Husenhof d. Königin Christine y. Schweden zn Rom S. 35-59; vgl. III 3:17.) — 136) (I 1:111.) — 137) A. S k l a d n y , D. dtsch. Dichtung in d. Provinz Posen vom 16.-18. Jh. Vortr.: ZHGPosen. S, S. 386-90. (S. n.IV l a : 4 6 . ) — 138) X C. H e i n e , D. Ausdruck „Zweite schles. Schule": ZVLR. 6, S. 448-66. - 139) O X X E. F a g n e t , La poésie française de 1600-20: BPL. 2, S. 738-46. — 140) A. F r a n k e l , Zu Molière in Deutschland nebst e. Textvariante seiner Promotions-Karikatur: ASNS. 91, S. 263-70. — 11(1 3 : 37; I I 2 : 4 3 . ) — 2 ) R . M. W e m e r , Z. Volkslitt.: VLG. 6, S. 290-300,433-48. - 3 ) H . M a r k g r a f , Soldatenlob:

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und die Unversöhnlichkeit der evangelischen Partei. Von kulturhistorischem Standpunkt bemerkenswert in dem von E. abgedruckten Bruchstück ist die Vertrautheit des unbekannten Vf. mit den niederländischen Malern seiner Zeit. Der Epilog des umfangreichen Gedichts ermahnt die hadernden Parteien zur Eintracht und endet in einem kraftvollen Gebet um Erhaltung des bedrohten Friedens. — Auf ein bisher noch nicht gewürdigtes Volk sl i e d aus der Zeit des 30 jährigen Krieges, „Soldatenlob", macht W e r n e r 2 ) aufmerksam. Es befindet sich hs. in einem Sammelbande der Bibliothek des Reichsfreiherrn von Teuffenbach zu Salzburg und in einem Quartdruck aus Heyses Besitz in der kgl. Bibliothek zu Berlin. Druck und Hs., von denen letztere offenbar den besseren Text bietet, werden von W. mit einander verglichen. Das aus 36 Strophen bestehende, zuerst 1644 gedruckte Lied, schildert in greller Beleuchtung allerhand Krankheiten und schädliche Naturerscheinungen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass alle Plagen nicht so schlimm seien als das Soldatenübel. — M a r k g r a f 3 ) hat auf der Breslauer Stadtbibliothek einen Druck des Soldatenlobs entdeckt, der zwar den gleichen Text, wie das Berliner Exemplar enthält, sich aber dadurch von ihm unterscheidet, dass Sprache, Metrik und Orthographie nach Opitzschen Grundsätzen modernisiert sind. — Zehn Volkslieder aus Kärnten, von denen 8 geistlich und 2 weltlich sind, veröffentlicht Jak sch 4 J aus einer Papierhs., die sich im Archiv des Geschichtsvereins für Kärnten befindet. Die Lieder stammen etwa aus dem 1. Jahrzehnt des 18. Jh. und sind — wie landwirtschaftliche Einträge derselben Hand beweisen — von Bauern oder Handwerkern aus dem Krapfeld niedergeschrieben. Die geistlichen Lieder sind überwiegend Weihnachts- bez. Adventlieder. (Die Hirten bei der Geburt Christi; die Verkündigung; ein Zwiegespräch zwischen Joseph und Maria im Stalle usw.) Die Marienlieder beginnen — wie so häufig in den Weihnachtsspielen — mit dem Lobe des Hirtenlebens. Die beiden weltlichen handeln von „fallschen Weibszbildern" und der Nichtigkeit der weltlichen Freuden, also von Motiven, die den Charakter der Lieder nahezu zu einem geistlichen stempeln. J. weist auf die Uebereinstimmung dieser Lieder mit denjenigen hin, welche Weinhold (Graz 1855) und Lexer (1862 als Anhang seines kärntnischen Wörterbuches) herausgegeben haben. — Aus den Mss. der Wolfenbütteler Bibliothek veröffentlicht Bolte 5 ) die Anfänge der im Liederbuche des Prinzen Joachim Karl von Braunschweig (1573 — 1615. Bruder des dramatischen Dichters Heinrich Julius) enthaltenen Gedichte. Denjenigen Liedern, welche sich auch in anderen Sammlungen finden, hat der Herausgeber eine reichhaltige Litteraturübersicht beigefügt. Interessant sind namentlich die Analoga, welche er zu dem Liebesgruss (Bl. 26 a des Liederbuches) „so mannig laüb aüf bhömen stehet" vergleichsweise heranzieht. Welche Lieder in der vornehmen G e s e l l s c h a f t des 17. Jh. beliebt waren, sehen wir aus dem Tabulatur-Büchlein der Prinzessin Louise Charlotte von Brandenburg, der älteren Schwester des Grossen Kurfürsten. Der auf der Bibliothek der Petersburger Akademie der Wissenschaften befindliche Band ist im J. 1632, dem 16. Lebensjahr der Prinzessin, angelegt und dann später fortgeführt. Während ihres Aufenthaltes in Königsberg ergaben sich Beziehungen zu Simon Dach und Heinrich Albert, welche in Liedern und Arien der Dichter zum Ausdruck kamen. Im ganzen enthält das Buch 40 Lieder mit ihren Weisen in Mensural-Noten und einer einstimmigen Begleitung (Viola di Gamba). Das von B. mitgeteilte Inhaltsverzeichnis führt ausser Liedern von Dach noch solche von Opitz, Voigtländer u. a. auf. Eigentliche Volkslieder fehlen ganz, dafür sind drei französische und zwei englische Lieder aufgenommen. Das Vorkommen der letzteren erklärt B. aus der Nationalität des Komponisten Waither Rowe, von welchem verschiedene Lieder der Sammlung herstammen. Sonstige Melodien rühren von H. Albert, J. H. Schein, Kaspar Kittel, Andreas Hammerschmid u. a. her. — Das „Venusgärtlein", welches von Waldberg herausgegeben hat (vgl. JBL. 1890 III 2:2), giebt im Gegensatz zu diesem fürstlichen Liederbuch einen guten Begriff davon, welche Lieder in den Bürgerkreisen und in den niederen Volksschichten um die Mitte des 17. Jh. Verbreitung gefunden hatten. Die Quellen für die Erzeugnisse der Kunstlyrik, welche in dieser Sammlung enthalten sind, hat der Herausgeber in seinem Vorbericht bereits nachgewiesen. E l l i n g e r 6 ) bietet nun einen Nachtrag, in welchem er einige ältere Volkslieder und Gesellschaftslieder einer kritischen Prüfung unterwirft. Er kommt zu dem Resultat, dass nur wenige Volkslieder des 16. Jh. sich um die Mitte des folgenden noch allgemeiner Beliebtheit erfreuten. Die Gesellschaftslieder des „Venusgärtlein" verweist er zum Teil in das endende 16. und beginnende 17. Jh., während eine andere Gruppe nicht weiter als in die vierziger Jahre des 17. Jh. zurückreichen soll. E. charakterisiert das jüngere Gesellschaftslied dadurch, dass er ihm „die ib. S. 627/8. — 4) A. J a k e e h , Alte Lieder aus Kärnten: Carinthia 1892, 1, S. 15-22 n. 146/9. — 5) J. B o l t e , Liederhss. d. 16. u. 17. Jh.: ZDPh. 25, S. 29-86(e. o. II 2:26). — 6) G. E l l i n g e r : ib. S. 273-86. - 7 ) X ß- M a i s c h : KB10BW. 40, S. 163/4; R,

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Zierlichkeit und Anmut, die Gewandtheit in Sprache und Komposition und die treuherzige altfränkische Naivetät" abspricht, Eigenschaften, durch welche sich das ältere Gesellschaftslied ausgezeichnet habe. Der Ton dieser Gattung wird im Laufe des 17. Jh. prosaischer, nüchterner und roher. In diesem Zustand befand sich das Gesellschaftslied zur Entstehungszeit des „Venusgärtlein". Als den Hauptvertreter dieser Richtung bezeichnet E. Gabriel Voigtländer. Er betont ferner den günstigen Einfluss, welchen die lyrische Kunstdichtung des 17. Jh. auf die Entstehung des neueren Volksliedes ausgeübt hat, und erklärt ihn aus der ungemeinen Verbreitung von Sammlungen wie das Venusgärtlein, durch welche auch Produkte der Kunstlyrik dem Volke übermittelt wurden. — Aus der Litteratur über die g e i s t l i c h e L y r i k ist von Darstellungen a l l g e m e i n e r e n Charakters neben Recensionen 7 ) von Ellingers vorjähriger Auswahl (vgl. JBL. 1892 I I 2:18 ; I I I 2 : 6 ) nur eine populär gehaltene Arbeit von E u g . W o l f f 8 ) zu nennen.9) Er bietet eine Auslese aus dem Kirchenlied des 16. und 17. Jh. auf Grund der von Wackernagel gesammelten ersten Drucke unter Berücksichtigung der dort mitgeteilten Varianten. Der grösste Raum ist der Wiedergabe der Lieder Paul Gerhardts und der Trutz-Nachtigal von Spee gegönnt. Eine gedrängte Lebensschilderung der in der Sammlung vertretenen Dichter ist vorangeschickt. Dem gewaltigen Stoffe gegenüber ist es kaum möglich, durch verhältnismässig wenig Proben ein Bild von der geistlichen Dichtung des behandelten Zeitraums zu geben. So wird man z. B. in dieser Sammlung Liederproben von Matthesius oder einzelnen fürstlichen Dichterinnen der Periode vermissen. Ein Hinweis auf die in anderen Bänden der Kürschnerschen Nationallitteratur mitgeteilten geistlichen Lieder (z. B. auf die von Hans Sachs in Bd. 20) wäre zu wünschen. Im übrigen erfüllt die Auswahl ihren Zweck, durch kurze Anmerkungen und biographische Nachrichten den behandelten Stoff einem weiteren Leserkreise nahe zu bringen ( v g l . I I 2:3). — An litterarischen Erscheinungen über das deutsche k a t h o l i s c h e K i r c h e n l i e d ist im Berichtsjahr wenig zu verzeichnen. Eine seiner Bedeutung entsprechende Monographie hat F. v o n S p e e noch immer nicht gefunden. D r e w e s 1 0 ) hat ihm in der A D B . einen äusserst kurz bemessenen Lebensabriss gewidmet, welcher fast ausschliesslich auf die segensreichen Wirkungen der cautio criminalis eingeht. Eine Würdigung der dichterischen Thätigkeit Spees hat der Vf. unterlassen. — Ausführlicher ist eine Besprechung der Trutz-Nachtigal in einem Programm des Collegium Josephinum von G e b h a r d11). Anlass zu der Abhandlung bot der Umstand, dass der Dichter kurze Zeit Mitglied dieses Jesuitenkollegs gewesen ist und im J. 1629 nach seiner schweren Verwundung dort Heilung und Pflege gefunden hat. Dem Vf. ist es geglückt, namentlich den biographischen Teil seiner Skizze ansprechend zu gestalten; die Wirksamkeit Spes — diese Schreibung erklärt G. nach den Jahresberichten des ehemaligen Jesuitenkollegs als die richtige — für die Gegenreformation in Paderborn und Peine, der Mordanfall auf ihn, seine Bekämpfung der Hexenprozesse usw. sind, unter gewissenhafter Benutzung der Quellenschriften, lebendig geschildert.12) — Die Mystik des A n g e l u s S i l e s i u s hat M a h n 1 3 ) auf ihren Zusammenhang mit den Schriften der älteren deutschen Mystiker geprüft. Er weist auf den Unterschied hin, der zwischen dem versöhnlichen Geist und der undogmatischen Haltung des „Cherubinischen Wandersmanns" und der „Heiligen Seelenlust" im Gegensatz zu dem streng konfessionellen Charakter der „Ecclesiologie" obwaltet. Der Dichter habe beide Anschauungen nicht für widersprechend gehalten: die Ecclesiologie sei eine Dogmatik und für den empirischen Verstand bestimmt, der Cherubinische Wandersmann hingegen, das mystische Glaubensbekenntnis Schefflers, sei auf eine davon ganz verschiedene Erkenntnisweise gegründet, die von der Welt der Erscheinungen abgewendet sich im „Schauen" des Wesens der Dinge verliere. Für seine tiefsinnigen Sprüche setzte er - mit Recht — kein Verständnis bei seiner Generation, die er „prava et adultéra" schilt, voraus. Nach dem Vorgange Carrières werden Einwirkungen des Meister Eckhart auf Schefflers Weltanschauung zugestanden, ohne die ihm zeitlich näher stehenden Mystiker auszuschliessen. Die Frage, ob die „Monodisticha Sapientum" Czepkos, welche formell und inhaltlich dem Cherubinischen Wandersmann nahe stehen, diesen beeinflusst haben, wird dahin beantwortet, dass Scheffler durch die Monodisticha nur die Anregung erhielt, seine mystischen AnschauS e h n e l d e r : C O I R W . 21, S. 216/7 (anerkennend). — 8) E n g . W o l f f , D. dtsch. Kirchenlied d. 16. n. 17. Jh. ( = D N L . 81.) S l , Union. X X n , 496 S. M. '2,50. — 9 ) O X D- D i b e l i u s , Bemerkungen z. Verzeichnis d. Liederdichter im sächa. Landesgesangbuch: BSilchsKG. 8, S. 345/8. — 10 » 6. M. D r e w e s , Fr. v. Spee: A D B . 35, S. 92,4. — U ) I g n . G e b h a r d , Fr. Spe T. Langenfeld. Sein Leben u. Wirlten, insbes. seine dichter. Thätigkeit. Progr. d. Gymn. Josephinnin. Hildesheim ( A L , u ) . 4°. 24 S. |[L. H ö l s c h e r : A S N S . 91, S.468.]| — 12) X " " H o f f s , Fr. Spe » . L a n g e n f e l d . Vortr. Trier, F. Lintz. 19 S. M . 0,50. — 13) P . M a h n , D . Mystik d. Angelus Silesius. Diss. Kostock. 1892. 62 S. — 14) L. K e l l e r , J. V. Andreae n.

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ungen in der Form von Epigrammen niederzulegen. Das von M. rekonstruierte System der Weltanschauung des Dichters weist manche Berührungspunkte mit der Schopen hau ersehen Philosphie auf; dem Vf., welcher auch das rein literarhistorische Material vollkommen beherrscht, muss man für die reichhaltigen und sorgfältigen Litteraturangaben dankbar sein. — Die Litteratur über die e v a n g e l i s c h e g e i s t l i c h e P o e s i e ist etwas reichhaltiger ausgefallen, doch besteht sie hauptsächlich in einer Vermehrung des biographischen Details und in kleineren Einzeluntersuchungen. — Die in den letzten Jahren eifrig betriebenen Comenius-Studien haben auch wertvolles Material für die Kenntnis der litterarischen Zeitgenossen des grossen Pädagogen zu Tage gefördert. So wird in dem Hauptorgan dieser Bestrebungen, den Monatsheften der ComeniusGesellschaft, das Verhältnis J o h . V a l . A n d r e a e s zu Comenius ausführlich dargestellt, und dem ersteren der ihm gebührende Platz in der Geschichte der Pädagogik angewiesen. Schon von Criegern wies in der Darstellung der theologischen Anschaungen des Comenius darauf hin, dass seine didaktischen und pansophischen Grundgedanken sich bereits bei Andreae finden, und dass Comenius namentlich in seinem „Labyrinth der Welt" den Andreae wörtlich wiedergegeben habe. Ein Aufsatz K e l l e r s 1 4 ) erörtert die Wandlungen, welchen die Beurteilung Andreaes als Geistlichen und Dichters unterworfen war, und stellt die einzelnen Daten seines Verkehrs mit Comenius zusammen. Noch Adelung hat in seiner „Geschichte der menschlichen Narrheit" Andreae zu den Astrologen, Sektierern und Fanatikern gezählt. Herder und Schleiermacher schätzten ihn zwar hoch, doch erst vor einem Jahrzehnt begann man bei der Darstellung der Lehrmeinungen des Comenius auf den bedeutenden Einfluss aufmerksam zu werden, den der Dichter auf die Pädagogik seiner Zeit ausgeübt hat. K. behandelt die von Andreae gegründete „Societas Christiana", welche neben religiösen und humanen auch — nicht näher gekennzeichnete — litterarische Ziele verfolgte. — K e m p e r 1 5 ) erklärt den Namen „Capharsalama" in der Respublica Christiana des Andreae (1619) als Friedensdorf. Diese Auslegung entspricht der Tendenz der Schrift, welche nach Art der Utopie des Thomas Morus das Ideal eines christlichen Musterstaates behandelt. — Aus dem Hss.-Bande Extravag. 54 der Wolfenbütteler Bibliothek teilt R a d l a c h 1 6 - 1 7 ) einen Brief des Comenius d. d. Lüneburg, 22. Aug. 1647 an Andreae mit. Wenn auch in erster Linie für die Biographie des Briefschreibers von Bedeutung und ein wertvolles Dokument für sein Streben nach Versöhnung der Gegensätze auf kirchlichem Gebiete, ersieht man doch aus ihm, welche Ehrfurcht Comenius vor dem Charakter und der geistigen Bedeutung Andreaes hegte. In einem zweiten Aufsatz weist R. darauf hin, dass die Uebereinstimmung beider Männer nicht auf dogmatischem, sondern auf ethischem Gebiete zu suchen ist, da Andreae in „eminentem Sinn lutherisch-orthodox" war, während Comenius zum Mystizismus hinneigte. R. schildert ferner die Beziehungen Andreaes zu Nürnberg und das dortige kirchliche Leben. Als Hauptquelle diente dem Vf. hierbei Andreaes „Vita Sauberti". — Eine sehr erwünschte Bereicherung des bibliographischen Materials über Andreae (der Artikel bei Goedeke 3, S. 29 bedarf noch sehr der Ergänzung) bietet eine Zusammenstellung der Schriften über Andreae von B r ü g e l 1 8 ) , welche bis zum J . 1893 fortgeführt ist. — Zum Teil unbenutzt sind noch die durch v o n H e i n e m a n n 1 9 ) verzeichneten Briefe von und an Andreae und ihm gewidmete Glückwunschgedichte, die sich auf der Wolfenbütteler Bibliothek befinden. — Ohne neue Quellen zu erschliessen, giebt ein anonymer Aufsatz 20 ) — offenbar von einem geistlichen Vf. — ein sorgsam ausgeführtes Bild von dem Leben und den Drangsalen J . H. H e e r m a n n s . Seine litterarische Stellung, der schon von Palm genau festgestellte Charakter seiner Kirchenlieder wird nur mit wenigen Worten angedeutet. Auf die Verwendung eines Heermannschen Liedes in dem bekannten Gedicht von Clem. Brentano, die „Gottesmauer" (zuerst 1819 in den „Schneeglöckchen" veröffentlicht), wird — wir wissen nicht, ob zum ersten Male — hingewiesen. Die entlehnte Stelle findet sich in dem Heermannschen „Treuer Wächter Isreals" (nach Psalm 121). — Die volkstümliche Biographie P a u l u s G e r h a r d t s von Roth hat L o m ni a t s c h 2 1 ) mit einigen Zusätzen neu herausgegeben. Ein veralteter Anhang über die Dichtungen Gerhardts und ihrer Ausgaben bis 1829 ist beseitigt worden. In der Einleitung behandelt der Herausgeber Gerhardts Konflikt mit dem Grossen Kurfürsten und wendet sich gegen den noch immer verbreiteten Irrtum, das Lied „BeComenius: MhComeniuaG. 2, S. 230-41. (Vgl. J B L . 1892 1 10:135.) — 15) 0. K e m p e r , D. Inselname Capharsalama in J . V. Andreaes Schrift „Reipnblicae christiannpolitanae descriptio" (1619): MhCoroeniusG. 2, S. 186-90. — 16) (I 6 : 2 6 . ) — 17) 0 . B a d l a o h , D. Protest d. Comenius gegen d. Vorwurf, er sei e. Sektierer, belencht. aas d. Bezieh. Andreaes zu Nürnberg: ib. S. 127-35. — 18) J . B r ü g e l , Litt. Uber J . V. Andreae an» d. letzten 100 J . : ib. S. 250/3, 310. — 19) 0 . Y. H e i n e m a n n , Z. Gesch. V. Andreaes. lAns „D. Ess. d. herzogl. Bibl. zu Wolfenbüttel" 1884ff.): ib. S. 233/8.— 2 0 ) Joh. Heermann: LZgB. N. 20. — 21) E. G. Roth, Panl Gerhardt. Nach seinem Leben n. Wirken, ans z. T. nngedr. Nachrichten dargest.

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fiehl du deine Wege" sei aus Anlass dieses Streites entstanden. — Vier Lieder, welche man bisher der Kurfürstin Luise zuschrieb, werden ihr von B i l t z 2 2 ) abgesprochen und für Gerhardt in Anspruch genommen. Es sind 1. „Ein Andrer stelle sein Vertrauen — Auf die Gewalt und Herrlichkeit"; 2. „Gott, der Reichtum deiner Güte, dem ich alles schuldig halt"; 3. „Jesus, meine Zuversicht"; 4. „Ich will von meiner Missethat — Zum Herren mich bekehren." B.s Zweifel an der Autorschaft der Fürstin gründet sich einmal darauf, dass sie als Holländerin nur mangelhafte Kenntnis der deutschen Sprache besass, sowie auf den Umstand, dass vom J. 1653 ab, in welchem jene Lieder zuerst im Gesangbuch des Berliner Buchdruckers Runge erschienen, über ein Jh. verging, ehe man daran dachte, die Kurfürstin als ihre Dichterin zu betrachten. Den Ausdruck „eigene Lieder" in der Rungeschen Dedikation, welcher das Missverständnis herbeigeführt habe, fasst B. so auf, als habe die Kurfürstin diese Lieder, in welchen sie ihre religiöse Empfindung besonders prägnant wiedergegeben sah, zu ihren „Leib- und Lieblingsliedern" erhoben. N. 2, 3 , 4 seien von Gerhardt auf ihren Wunsch gedichtet, um ihren wohl nur stammelnd aufgezeichneten gläubigen Gedanken das dichterische Gewand zu geben. Schon vor 170 Jahren hat Pastor Herrmann aus Plauen aus sprachlichen Gründen Gerhardt als Autor bezeichnet. B. macht auf einzelne bei Gerhardt beliebte Zusammensetzungen in den Gedichten aufmerksam („hochbetrübt", „Erdenkluft" usw.). Dass Gerhardt sich nicht als Vf. bekannt hat, wird aus der keuschen Zurückhaltung der geistlichen Dichter des 16. und 17. Jh. erklärt, sowie aus der Sitte, dass bei Liedern, welche auf Wunsch hoher Personen verfertigt waren, der eigentliche Autor mit seinem Namen hinter dem des Bestellers zurücktrat. Die Kurfürstin als Reformierte und Gerhardt als eifriger Lutheraner hätten überdies, bei der damaligen Spannung zwischen beiden Bekenntnissen, einen schwerwiegenden Grund gehabt, die Entstehung der Lieder verborgen zu halten. — B l a n c k m e i s t e r 2 3 ) hat auf der Hamburger Stadtbibliothek zwei Briefe des Zerbster Pastors Chrn. Reuter gefunden, welche über das bisher unbekannte Schicksal von Paul Friedrich Gerhardt, dem Sohne des Dichters, einigen Aufschluss geben. Er fand, nachdem er in Wittenberg und Greifswald Philosophie und Theologie studiert hatte, in der Stadt Bauske bei Mitau in Kurland Anstellung als Konrektor. Seine dürftigen Vermögensverhältnisse liessen ihn häufig sein Domizil wechseln; doch bewahrte er — trotz seines unstäten und unsicheren Lebens — treulich den hs. Nachlass und die Bibliothek seines Vaters. Auf diese Hss., welche er dem D. Feustking in Zerbst vorlegte, hat letzterer seine Ausgabe der Gerhardtschen Lieder (1707) mit gegründet. — G. N e u m a r c k s Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten" erklärt B e c k e r 2 4 ) als so farblos in christologischer Hinsicht, dass es auch in katholische und israelitische Gesangbücher habe aufgenommen werden können. Gerade dieser Charakter habe aber seine grosse Verbreitung und mehrfache Verwendung in kirchlichen Kompositionen zur Folge gehabt. Auf die Persönlichkeit Neumarcks, dem als Dichter nur formelle Gewandtheit zugestanden wird, wirft B.s Schilderung kein günstiges Licht. Er sei eine subalterne Natur gewesen, und dieser Qualifikation entspechend wird ihm ein kleinliches Streben nach Anerkennung vorgeworfen. Zu streng beurteilt B. die späteren Poesien Neumarcks. Gerade das mitgeteilte Lied, in welchem der augenleidende Dichter darüber klagt, in seinen schönen Büchern nicht mehr lesen zu können, verdient nicht — im Vergleich mit anderen gleichzeitigen Gedichten — den Vorwurf „äusserster Plattheit". Hier ist doch natürliche Empfindung zu spüren, wenn sie auch in verschnörkelten Formen zum Ausdruck gebracht ist. Auf Grund von Specialstudien des in Kiel lebenden Vf. werden die kirchlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse dieser Stadt zur Zeit von Neumarcks dortigem Aufenthalt auseinander gesetzt. — Zu denjenigen, welche die alten Kirchenlieder „nach jetziger poetischer Zierde" durchgehends verbesserten und verständlich einrichteten, gehörte der Rendsburger Propst C h r n . v o n S t ö k k e n (1633—82). Von Opitzschen Grundsätzen ausgehend und ein Mitglied der Zesenschen Lilienzunft, erregte er namentlich durch sein 1680 herausgegebenes „Kleines holsteinsches Gesangbuch" unliebsames Aufsehen. Seine angeblichen Verbesserungen thun der poetischen Form zuliebe den Gedanken schmählich Gewalt an und entstellen aus dogmatischen Befürchtungen häufig den Sinn. B e r t h e a u 2 5 ) hat sein poetisches Verfahren anschaulich analysiert. — Ebensowenig dichterisch beanlagt war H. A. S t o c k f l e t h . Sein Biograph v o n Aufs neue her. mit e. Einl. y. 8.. L o m m a t s c h . B„ F. Schulze. XV, 64 S. II. 1,00 — 22) K. B i l t z , W. ist d. eigentl. Vf. d. d. Knrffirstin Luise zugeschriebenen Lieder?: ZDÜ. 7, S. 521-34. — 23) F. B l a n c k m e i s t e r , F. Gerhardts einziger Sohn. Ungedr. Beitrr. z. Familiengesch. d. Dichters: Pfarrhans S. 179-81. (Vgl. auch d. Rothsche Biogr. Oerhardts [s. o. N. 21], S. 63/4.) — 24) W. B e c k e r , G. Neamark u. sein Lied „Wer nnr d. lieben Gott lässt walten". E. Bild aas d. Geßch. d. evang. Kirchenliedes z. Zeit d. 30 j . Krieges: NKZ. 3. S. 169-90. — 25) C. B e r t h e a l l , Chrn. T. Stökken: ADR. 86, S. 284/6. —

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III

2 : 26-32

W a l d b e r g 2 6 ) weist zutreffend auf die Unsitte jener Zeit hin, in welcher jeder geistig rege protestantische Prediger sich verpflichtet fühlte, geistliche Lieder und einige weltliche Lyrika zu veröffentlichen. Ebenso wie Stökken hat auch der Pegnitzschäfer Stockfleth (Dorus) ein verbessertes Gesangbuch (1690) herausgegeben, in dem er versucht, den Liederschatz der evangelischen Kirche nach dem Geschmack des Nürnberger Blumenordens metrisch und sprachlich umzugestalten. Auch seine Gattin Dorilis hat sich eifrig in den verschiedensten Dichtungsarten versucht. — Einer gereimten P a r a p h r a s e der „ P s a l m e n Davids" verdankt das Mitglied des Elbschwanenordens, der Pfarrer M i c h . S t e c h o w , seinen bescheidenen litterarischen Ruhm. E r passt, nach dem Vorgange Corn. Beckers, seine Psalmen den Weisen bekannter Kirchenlieder an. Die fehlende poetische Vollendung entschuldigt er mit der Schwierigkeit der Aufgabe, deren Lösung ihm in anderen Gedichten besser geglückt sei. R o e t h e 2 7 ) , welcher auf Grund archivalischer Nachrichten von dem unstäten Leben Stechows berichtet, macht es aber wahrscheinlich, dass diese Poesien keinen Anspruch auf das Lob der Freunde des Dichters erheben konnten: „Tullius es Maroque simul, quin clarior illis!" — Nach ungedruckten Akten der Bibliotheken zu Basel und Zürich wird das Leben J o h . J a c . S p r e n g s , des Herausgebers der Werke Drollingers, von S o c i n 2 8 ) beschrieben. In seiner „Neuen Uebersetzung der Psalmen Davids" (1741), welche einen Ersatz für die veraltete und metrisch ungenaue Lobwassersche Bearbeitung bieten sollten, zeigt sich eine pedantische, unpoetische Natur. Seine 1748 veröffentlichten geistlichen und weltlichen Gedichte stehen nicht höher. — Unter dem Titel „Biblisches Vergnügen in Gott'(1752) hat auch der Holsteiner Theologe S t r e s o w , von dem C a r s t e n s 2 9 ) berichtet, eine Umdichtung sämtlicher Psalmen unternommen, welcher ebenso wenig poetischer Schwung nachzurühmen ist wie den Psalmen des Bayreuther Hofpredigers S iiibner30'31). — An die Umdichtung der Psalmen sei — und damit kommen wir zur w e l t lichen K u n s t l y r i k — die spärliche Litteratur angereiht, welche über die deutschen U e b e r s e t z u n g e n unseres Zeitraumes zu verzeichnen ist. Eine Ergänzung zu Witkowskis „Vorläufern der a n a k r e o n t i s c h e n Dichtung" (vgl. J B L . 1890 IV 2 : 1/2) hat G. K o c h 3 2 ) in einem sehr inhaltreichen Aufsatz geliefert. E r zeigt, wie die Uebersetzungen der 'Avax^eovreia am Schlüsse der Anthologia Palätina in der Zeit von Weckherlin bis Gleim allmählich zu grösserer Vollkommenheit gediehen sind. Der Anmut seines Vorbildes gegenüber bewahrt Weckherlin „eintönigste Lehrhaftigkeit" und vermag trotz der ihm sonst eigenen Frische er bei der Anlehnung an ein seinem Empfinden fremdes Werk nicht über die konventionellen Formen des Renaissancegeschmacks hinauszukommen. Opitz ist sich zwar bei der Uebersetzung des 17 yrj uilatva nhei bewusst, dass der Reiz des Originals in dem scherzhaften, epigrammatischen Zug, der wirksam die Pointe vorbereitet, zu suchen ist — man erkennt dies aus dem bei ihm seltenen Verzicht auf jedes Epitheton ornans, — allein der schleppende Alexandriner vernichtet die angestrebte WirkuDg. Burkhard Menke hat 1710 in den „Galanten Gedichten" und 1713 in den „Schertzhaften Gedichten" im ganzen 7 anakreontische Lieder verdeutscht. Seine Uebersetzung, die durch malende Zusätze der Einfachheit des Originals Abbruch thut, bedeutet einen Rückschritt gegen Opitz und beweist kein Verständnis für die Sprachmelodie der griechischen Verse. Triller wendet bei seiner Uebertragung in den „Poetischen Betrachtungen" (1725) keinen Alexandriner an, sondern teils jambische, teils trochäische Tetrameter, mit abwechselnd klingenden und stumpfen Reimen. Da er nur kurze Verse wählt, kommt er dem Vorbild schon näher als seine Vorgänger. Gegen den Vorwurf einer geschmacklosen Uebersetzung verteidigt ihn K. — wie mir scheint mit Recht — gegen Witkowski. Nach einer kurzen Besprechung der schwülstigen Uebertragung Hudemanns (1732) wird Gottscheds „Versuch einer Uebertragung Anakreons in reimlose Verse" (1733) einer genauen Untersuchung unterzogen. Gottsched hat zuerst unter Verzicht auf den Reim eine dem Griechischen möglichst getreu nachgebildete metrische Form gefunden und ist vorbildlich für die meisten späteren Anakreon-Uebersetzer, Uz, Götz usw. geworden. Freilich begegnen auch bei ihm ungriechische Wendungen, z. B. wenn er von dem „lieben Vater Bacchus" spricht. Andererseits findet sich in seiner Anakreon-Uebersetzung eine Grazie (z. B. in dem so oft übersetzten QHm tiytw 'AroeiS,ti), welche bei der sonstigen dichterischen Persönlichkeit Gottscheds überrascht. Mit\einer eingehenden Charakteristik der Gleimschen Uebertragung schliesst die an feinen ästhetischen und metrischen Bemerkungen reiche 2 6 ) M. T. W a l d b e r g , H. A.StoeMeth: ib. S . 286;7. — 2 7 ) G. R o e t h e , Mich.Stechow: ib.35, S.539. — 2 8 ) (I 2 : 5 ; 8 : 5 4 . ) — 2 9 ) C. E. C a r s t e n s , K. F. Stresow: ADB. 36, S. 575. — 3 0 ) G. A. Stabner: ib. S. 713. — 31) X A - S o h u m a n n , W. F. Stalzel: ib. 9. 430/2. — 3 2 ) G A n t h . K o c h , Beitrr. z. Wfiräignng d. ältesten dtsch. Uebersetzungen anakreont. Gedichte: VLG. 6, Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (3)3

III 2 : 33-87

L. P a r i s e r , Lyrik des 17./18. Jahrhunderts.

Betrachtung. — Als Uebersetzer h o r a z i s c h e r Oden ist der Bautzener Advokat M. S t u b r i t z zu nennen, den S c h n o r r v o n C a r o 1 s f e l d 3 3 ) behandelt. — Aus der weltlichen Lyrik unseres Zeitraums hat besonders W e c k h e r l in die Forschung auf sich gelenkt. In der Abkehr von französischen Mustern und in seinem Anschluss an die Poesie der Engländer sieht B ö h m 3 4 ) Weckherlins Hauptverdienst. Im Beginn seiner poetischen Thätigkeit folgt er den Dichtern der Plejade. Seine „Oden und Gesänge" lehnen sich noch durchaus an den französischen Renaissancestil an. Nach Du Beilays Forderung in der „Défense et illustration de la langue française" zieht er den ganzen Olymp zur Ausschmückung seiner Dichtung heran. Dass Ronsard nicht nur in der Behandlung des Stoffs, sondern auch in metrischer Hinsicht das Vorbild des jungen Dichters gewesen ist, zeigt B. durch eine Zusammenstellung der Strophenformen in den „Oden und Gesängen", in denen Weckherlin sogar .bemüht ist, in der Behandlung der Caesur Ronsards Technik nachzuahmen (S. 12/3, 15/8). Die dauernde Uebersiedlung nach England bedingt den Umschwung in der Dichtung Weckherlins. An Stelle des früheren mythologischen Rüstzeugs und der am französischen Hof üblichen Lobhudelei tritt eine einfachere, freimütige Sprache. Soweit die englischen Vorlagen davon durchdrungen sind, macht sich in seinen Gedichten nach dem J. 1620 natürliche Empfindung bemerkbar. Ungemein bezeichnend für seine rezeptive Natur ist es, dass er sich durch die neue Umgangssprache sogar verleiten liess, englische Satzkonstruktionen und Sprachwendungen in seine Gedichte aufzunehmen (S. 42/4). Die englischen Belege hierfür hat B. mit feinem Sprachgefühl aus der elisabethanischen Litteratur herausgefunden. In der Psalmen-Paraphrase Weckherlins begegnet die in der damaligen Dichtersprache Englands beliebte Häufung von Synonymen, sowie die euphuistische Spielerei, jedem dieser gleichbedeutenden Substantiva Verben und Attribute in gleicher Anordnung. folgen zu lassen. Ein Einfluss Petrarcas auf Weckherlins Sonettendichtung wird abgelehnt, und unter seinen englischen Vorbildern ist hier namentlich Spenser hervorgehoben. In den Epigrammen hat er sich, wie die meisten seiner deutschen Zeitgenossen, Martial, den im 17. Jh. unglaublich überschätzten Owen und die bekannteren Neulateiner zum Muster genommen. Doch belehrt uns B., dass neben diesen Dichtern ihm auch Ben Jonson, Harington, Sherburne und andere englische Epigrammatiker während seines englischen Aufenthalts vertraut und vorbildlich geworden sind. — Aus den unerschöpflichen Schätzen der Collectio Camerariana in München teilt S c h n o r r v o n Carolsfeld 3 5 ) 4 Briefe Weckherlins an Ludwig Camerarius (1573—1651) mit, welche in den J. 1624—31 geschrieben sind. Der Adressat war zu dieser Zeit schwedischer Rat und bevollmächtigter Gesandter bei den Generalstaaten, nachdem er früher für seinen König Friedrich V. von der Pfalz publizistisch thätig gewesen war. Die Briefe behandeln demgemäss grösstenteils politische Fragen, mit Ausnahme des vierten, welcher einen intimeren, mehr persönlichen Charakter besitzt. Weckherlin erwähnt hier seine Psalmenparaphrase und kommt auf seine litterarische Thätigkeit zu sprechen. — Ein Lobgedicht von ihm in englischer Sprache auf den Gesandten Lord Hays, das als Stuttgarter Einzeldruck vom J. 1619 in englischen Katalogen verzeichnet ist, wird von F i s c h e r 3 6 ) für seine Weckherlin-Ausgabe gesucht. — In seiner Kritik der deutschen Gedichte F l e m i n g s versucht der französische Litterarhistoriker W y s o c k i 3 7 ) dem Dichter eine andere litterarische Stellung anzuweisen, als ihm in der deutschen Forschung bisher eingeräumt wurde. W. behauptet — wie in seinem Buche über Gryphius — auch hier seinen Stoff „longe aliter ac qui hactenus de eo scripserant" behandelt zu haben (S. 137). Dieser Unterschied beschränkt sich jedoch im wesentlichen auf eine noch höhere ästhetische Würdigung des Dichters und die Behauptung, Fleming sei ein Vorläufer unserer anakreontischen Dichtung. Das einleitende Kapitel bringt einen kurzen Abriss der deutschen Litteraturentwicklung von 1524—1624, in welchem besonders der Einfluss der Reformation auf die deutsche Dichtung berücksichtigt wird. W. beklagt, dass Luthers Beispiel folgend die führenden Geister sich vorwiegend der kirchlichen Dichtung zugewendet und die weltliche Lyrik vernachlässigt hätten. Unter ausgiebiger Benutzung der Geschichte des deutschen Pentameters und Hexameters von Wackernagel, Höpftiers „Reformbestrebungen" und Borinskis Poetik der Renaissance wird ein Ueberblick über die Geschichte der deutschen Verskunst bis Opitz geboten. Die Abhängigkeit der ersten Gedichte Flemings von Opitz, auch in der äusseren Einteilung und Benennung, wird hervorgehoben. Von ihm.hätte der jugendliche Dichter die Vorliebe für mythologische Schilderungen, auch bei religiösen Stoffen überS. 481-506. - 33) F. S c h n o r r v. C a r o l s f e l d , Hart. Stnbritz: ADB. 36, S. '14 — 34) W. B ö h m , Englande Einflnss auf G. B. Weckherlin. Dies. Göttingen, Dieterich. 80 S. M. 1,25. — 35) H. S c h n o r r y. C a r o l s f e l d , Briefe G. E. Weckherlins. ( = I 1:118, F. 167-66.) — 36) H e r r n . F i s c h e r , Weckherlins English Poem: Ac. 46, S 86. — 37) Ii. W y s o o k i , De Pauli

L. P a r i s e r , Lyrik des 17./18. Jahrhunderts.

III

2 : 38-39

nominen. Im einzelnen wird gesucht, Uebereinstimmungen in den Oden, Sonetten usw. beider Dichter nachzuweisen (S. 36—47); doch wird man sicher nicht bei allen Parallelstellen mit W. auf eine direkte Abhängigkeit Flemings von Opitz schliessen dürfen, da die beiden gemeinsamen Gleichnisse und Metaphern auch bei anderen Dichtern des Zeitraums, zum Teil auch solchen vor Opitz begegnen. Namentlich das von beiden beliebte Kunstmittel, die körperlichen Vorzüge der Geliebten mit edlen Gesteinen usw. zu vergleichen, ist der gesamten Renaissancelyrik eigen und könnte von Fleming selbst unmittelbar aus den antiken Klassikern herübergenommen sein. Dass Fleming sjch bei seiner Psalmenparaphrase Opitz zum Muster genommen hat, ist freilich unbestreitbar, da er es in der Vorrede selbst .bestätigt. Auf metrische Fehler und falsche Reime in den Jugendgedichten wird hingewiesen und die spätere strenge Selbstkritik Flemings gerühmt. Das 4. Kapitel bringt — nach deutschen Biographen — eine Lebensbeschreibung des Dichters und die Geschichte seiner Reisen und Verlobungen. Feinfühlig im einzelnen wird sein dichterischer Schwung (Schillers „Rekrutenlied" und Flemings „Lob eines Soldaten zu Ross" werden mit einander verglichen), die Naturwahrheit seiner Schilderungen und seine Fähigkeit zur formellen Gestaltung analysiert. Die grössere metrische Sorgfalt seiner späteren Gedichte und das Fehlen trivialer Sentenzen in den Schöpfungen seiner letzten Jahre wird gelobt. Das 5. Kapitel stellt die Aeusserungen der Litterarhistoriker über Fleming von Morhof bis auf die Gegenwart zusammen. W. findet in seinen Gedichten bereits die Eigentümlichkeiten ünserer Anakreontiker, zumal die Anmut und liebenswürdig-heitere Lebensauffassung eines Hagedorn. Er preist ihn als Geistesverwandten Goethes, der auf dem von Fleming eingeschlagenen Wege die deutsche Lyrik zur höchsten Blüte gebracht hätte. — Eine in der Fürstlich PJessschen Bibliothek zu Fürstenstein befindliche Hs. der Hofmannswaldauschen Epigramme wird von F r i e b e 3 8 ) mit den „100 Grabschriften" des Dichters verglichen, welche ein im J . 1663 ohne Ortsangabe erschienener Druck enthält. Letzterer galt bisher als erste authentische Ausgabe der Epigramme; die früher veröffentlichte „Qenturia Epitaphiorum" war von unberufener Seite herausgegeben worden. Die Fürstensteiner Hs. bietet einen verständlicheren und — trotz vieler Verschreibungen — besseren Text als die von einem gewissen J . Pol besorgte Ausgabe von 1663; sie hatte also offenbar eine bessere Vorlage. Da die Polsche Ausgabe nicht den vollen Namen des Dichters auf dem Titel führt, ferner Lohenstein in seiner Lobrede auf Hofmannswaldau bezeugt, dieser habe „seine Werke bis zu seinem Tode (1679) aus Bescheidenheit der Welt vorenthalten-', und schliesslich Pol den Dichter wegen der von ihm unternommenen Ausgabe um Verzeihung bittet, muss man mit F. auch den Druck von 1663 für einen unrechtmässigen erklären. Im einzelnen weist F . nach, dass die Centuria und Pols Ausgabe sich sehr nahe stehen, während die Hs. sowohl in der Reihenfolge der Epigramme, wie im Text einen selbständigen Charakter trägt. Der Hs. ist eine vom Dichter herrührende Vorrede vom 22. Juli 1643 vorangeschickt. Durch diese Datierung wird die Annahme Ettlingers (vgl. J B L . 1891 III 2 : 25; 1892 III 2 : 26), die Epigramme Hofmannswaldaus seien ungefähr um das J . 1660 entstanden, hinfällig. Der Text der Hs. und derjenige der rechtmässigen Ausgabe von 1680 weichen zum Teil stark von einander ab. So sind selbst manche Epigramme, die Anstoss erregen oder Angehörige der Verspotteten hätten kränken können, ganz ausgemerzt worden. Sonst ist, wie F. an mehreren Beispielen zeigt, in einzelnen Grabschriften der vulgäre Ausdruck zu Gunsten eines edleren abgeändert worden. F. glaubt an eine grössere Selbständigkeit Hofmannswaldaus seinen italienischen Vorbildern (Cimiterio des Loredano und Michiele) gegenüber als Ettlinger und macht eine Uebereinstimmung der Gedanken in Marinos Galeria und den Epigrammen des Schlesiers glaubhaft. Die heftige Polemik gegen Ettlingers verdienstvolle Biographie, welche in der ganzen Abhandlung hervortritt, wäre — nicht zum Schaden der ungemein sorgfaltigen Untersuchung — besser eine rein sachliche geblieben. — Dem Leben und der Dichtung von H e i n r . M ü h l p f o r t ist eine sorgfältige und eingehende Arbeit von Hof mann 3 9 ) gewidmet. Gegenüber der harten Beurteilung Goedekes, welcher in Mühlpforts Gedichten hauptsächlich „blühenden Unsinn" finden wollte, und der zu günstigen Kritik Kahlerts, giebt der Vf. eine auf genaues Studium zum Teil bisher unbenutzter Quellen gegründete Darstellung. Das Gesamtbild, welches man hier von Mühlpforts dichterischem Schaffen gewinnt, nähert sich dem, welches Erich Schmidt in seiner biographischen Skizze (in der ADB.) entworfen hat. Im einzelnen schildert H. ausführlich den Bildungsgang des Dichters auf dem Breslauer Elisabethanum und die Anregungen, die er durch seine Lehrer Fleming! Germanica Scriptis et Ingenio. Diss. Paris, Bouillon. 1892. II, 140 S. IL 2,7S. — 38) K. F r i e b e , Chin. Hefman T. Hofroanswaldaus Grabsohriften. Progr. d. Gymn. Greifswald (F. W. Knnike). 4°. 35 S. — 3 9 ) K a r l H o f m a n n , H.Mfihl-

(3)3*

III 2:40-42

L. P a r i s e r , Lyrik des 17./18. Jahrhunderts.

Elias Major, Crph. Colerus und J . F. Schreck empfangen hat; ihnen verdankte er auch seine religiöse Vertiefung. Sein freundschaftliches Verhältnis zu dem Privatgelehrten Caspar von Barth, einem ehemaligen Studiengenossen von Opitz, erweist sich Mühlpfort während seiner Leipziger Universitätsjahre förderlich. Zuerst widmet er sich der Medizin; von Mai 1659 ab wird er als Cand. jur. utr. bezeichnet. Als solcher wagt er, kaum 20 Jahre alt und ohne sicheren Unterhalt, ein Ehebündniss einzugehen. Trotz angestrengter Thätigkeit wird seine Lage durch Geldnot und Zwistigkeiten mit den neuen Verwandten immer peinlicher. Hofmannswaldaus Einfluss genügt nicht, ihm die durch M. Machners Tod vakant gewordene Registratorstelle in Breslau zu verschaffen. Auch als er auf Grund einer Dissertation „De jure sepulturae" von der Wittenberger Universität 1662 zum Doctor juris ernannt wird, bleibt ihm nichts anderes übrig, als eine Hauslehrerstelle anzunehmen und seiner Herrschaft auf ihre verschiedenen Güter zu folgen. Selbst im Besitze des Breslauer Amtes wird er von Nahrungssorgen gepeinigt. Aus dieser Notlage heraus wird man den Ursprung mancher Gelegenheitsgedichte herleiten und entschuldigen müssen. Mühlpfort empfindet tief den Zwiespalt zwischen seiner trockenen Thätigkeit und der immer wachen Lust zum poetischen Schaffen, doch verwaltet er rühmlich sein unerquickliches Amt bis zu seinem Tode. Die auch bei Goedeke wiederholten Behauptungen, er sei ein Zecher und seine Gattin Maria Sophia Berlich eine Xantippe gewesen, werden von H. durch fast zu genaue Vergleichung der Qellen als Missverständnis einer Stelle bei Neumeister seitens der Biographen John und Leuschner nachgewiesen. Opitz als Theoretiker und als Dichter steht natürlich hoch in Mühlpforts Wertschätzung, daneben die römischen Klassiker und Petrarca, dessen Triumphus temporis er übersetzt. Die schlichten, vom schlesischen Schwulst freien Liebesgedichte, welche mitunter an das Volkslied anklingen, werden auf Erlebnisse des Dichters zurückgeführt, die Epigramme und Sonette auf ihre Vorbilder hin geprüft und namentlich letztere genau formell untersucht. H. zählt sämtliche Einzeldrucke von Mühlpforts deutschen und lateinischen Gedichten auf, sowie die ihm bekannt gewordenen Gesamtausgaben. Im Anhang teilt er ein bisher ungedrucktes Kuriosum mit, das „Coemeterium Henrici Mühlpfortii". Es besteht aus lateinischen und deutschen Epicedien, welche der kranke Dichter unter dem Namen und dem Charakter seiner Kollegen gemäss, auf den eigenen Tod gedichtet hat. Ein zweiter Abschnitt ist dem Einfluss gewidmet, welchen das Hohe Lied auf die sogen, zweite schlesische Schule ausgeübt hat. Aus den „Leichengedichten" Mühlpforts stellt der Vf. gleichsam ein Hohes Lied en miniature zusammen. Er zeigt ferner, wie Lohenstein, Neukirch und mehrere schlesische Gelegenheitsdichter in ihren Begräbnisgedichten sich oft wörtlich an das Hohe Lied angelehnt haben, und wie dessen überschwengliche orientalische Ausdruckweise dazu beigetragen bat, der Herrschaft des schlesischen Schwulstes neue Nahrung zuzuführen. — Den Schauplatz von G ü n t h e r s Liebesglück, das schlesische Lohethal, wo Philindrene und die rätselhafte Leonore den jungen Dichter fesselten, hat K o p p 4 0 ) beschrieben. Die dort liegenden Güter Ruschkowitz und Borckut haben auch durch den Aufenthalt und darauf bezügliche Dichtungen der Schlesier Logau, Lohenstein und Chrn. Gryphius eine lokale Berühmtheit erhalten. — F r i e d l a e n d e r 4 1 ) will Günthers Lied „Wie gedacht" (1715), das bald volkstümlich wurde und schon 1759 im „Arienbuch von Joh. Andr. Freytag" in veränderter Fassung begegnet, wegen seines metrischen und melodischen Charakters auf ein altes geistliches Lied zurückführen. In den J . 1810 und 17 ist es als fliegendes Blatt wieder gedruckt worden. Auf seinen Zusammenhäng mit Hauffs „Reiters Morgenlied, eine alte Soldatenweise" (1824) hat Tillmann zuerst 1874 aufmerksam gemacht. B o l t e bezweifelt, dass Günther ein älteres Volkslied für seine Gedicht benutzt habe. — Der Jenenser Polyhistor G. S t o l l e verdient mehr Beachtung wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen, in welchen von W a l d b e r g 4 2 ) Berührungspunkte mit Thomasius nachweist, als wegen seiner Gedichte. Seine Poesie findet sich zum Teil im 6. Bande der Sammlung „Des Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesene Gedichte", teils ist sie in anderen Anthologien unter dem Pseudonym „Leander aus Schlesien" abgedruckt. Die Gedichte erheben sich nicht über die gewöhnlichen Produkte der galanten Lyrik jener Zeit. Am geniessbarsten sind die „im schlesischen Helicon", deren Stil W. als eine glückliche Mitte zwischen dem Marinismus der Schlesier und der volkstümlichen Art Chrn. Weises charakterisiert. — Einen Schüler des Chrn. Gryphius, Chrn. S t i e f f , hat M a r k pfort a. d. EinfluBB d. Hohen Liedes auf d. zweite schles. Schale. Nebst e. Anh.: Coemeterium Henrici M&hlpfortii. Diss. Heidelberg, Ph. Wiese. VII, 107 S. U. 2,50. — 40) A. Kopp, E. schles. Hnsensitz: VossZgB. N. 18/9. — 41) M m F r i e d l a e n d e r , lieber Günthers „Wie gedacht". Vortr. in ODL.: VossZg. N. 153. (Vgl dazu d Bemerkung J. B o l t e s ib) —42)

AI. R e i f f e r s c h e i d , Epos des 17./18. Jahrhunderts. III 2:43-45 III 3 :1-10 g r a f 4 3 ) geschildert. Nach dem Beispiel seines Lehrers bildete auch er sich zum Polyhistor aus und übte eine höchst umfangreiche poetische Thätigkeit. Er war Jahrzehnte hindurch einer der beliebtesten Gelegenheitsdichter Breslaus, inbesondere für Begräbnisse. Es existiert eine Sammlung von 400 einzeln gedruckten Gedichten von ihm und das Fragment einer Selbstbiographie. — Ein weiterer Vertreter der in Schlesien üppig gedeihenden Gelegenheitsdichtung war der Hirschberger Konrektor S t o p p e . Die kurze Charakteristik, die M a r k g r a f 4 4 ) von ihm entwirft, beschränkt sich auf eine Wiedergabe des von Hoffmann von Fallersleben in den Schlesischen Provinzialblättern (1831) und von Jakob Baebler im Archiv für Litteraturgeschichte bereits Gesagten. — Das kümmerliche Leben und die anagrammatischen Bemühungen Fr. D. S t e n d e r s hat R o e t h e 4 5 ) behandelt. Im „Teutschen Letterwechsel" (Hamburg 1667) und der nach seinem Tode in Braunschweig veröffentlichen „Anagrammatum Latinorum et Germanorum Coronis" wird den Namen klassischer und zeitgenössischer Berühmtheiten durch Umstellung der Buchstaben irgend ein Sinn abgewonnen. Neben einer „Wolke unbekannter Theologen und Schulmänner" und zahlreichen Gönnern, von deren Liberalität er lebte, besingt Stender auch Opitz, Fleming, Rist und Dach. Wie schon Gervinus findet auch R. in Stenders poetischen Verirrungen ein lehrreiches Beispiel dafür, wohin die Ueberschätzung der formellen Künsteleien im 17. Jh. führen musste. —

111,3

Epos. Alexander Reifferscheid. Volksbücher: Tiacks Erneuerungen N. 1; Faust N. 2. — Schwanklitteratur N. 10. — Grimmelshausen N. 12. — Rudolf Gasser N. 13. — Schelmenroman N. 14. — Robinson und die Bobinsonaden N. 15. —

Für die Erforschung der Entwicklungsgeschichte des Epos ist auch in diesem Berichtsjahre wenig geschehen. Abgesehen von einigen Abhandlungen sind nur Notizen zu verzeichnen. Hinsichtlich der V o l k s b ü c h e r untersuchte T i e c k s E r n e u e r u n g e n alter deutscher Volksromane S t e i n e r 1 ) sehr sorgsam in ihrem Verhältnis zu den Vorlagen; er beschränkte sich dabei auf die Schildbürgerchronik, das Buch von den Haimonskindern, die wundersame Liebesgeschichte von der schönen Magelone und die Geschichte von der schönen Melusine. In einem besonderen Kapitel werdenEntlehnungenundNachbildungeninSprache und Stil erörtert. — Zur F a u s t s a g e 2 ) liegen einige Kleinigkeiten vor. F r ä n k e l 3 ) teilte die Geschichte von Fausts Weintraubenzauber aus einer 1713 gedruckten lateinischen Schwanksammlung mit, machte einige Bemerkungen über Fausts Fortleben in England. Als isländische Volkslegende über Joh. Faust notierte er eine Geschichte von unzweifelhaft gelehrter Herkunft. — W e r n e r 4 ) veröffentlichte nach einer Wiener Hs. aus der wende des 17. und 18. Jh. eine Uebersetzung aus dem J. 1680 des Teufelspaktes, den ein Herzog von Luxemburg 1676 in der Bastille zu Paris geschlossen und der einige Aehnlichkeit mit der Faustsage hat. — Gleichfalls W e r n e r 5 ) wies an zwei Stellen des alten Faustbuches Entlehnungen aus M. Lindeners Katzipori vom J. 1558 nach. — Des leider so früh verstorbenen Szamatölski 6 ) treffliche Ausgabe von dem Faustbuch des Christlich Meynenden wurde weiter mit verdientem Lobe besprochen (vgl. JBL. 1891 III 3 : 5 ; 1892 ib.) — W a l z e l 7 ) zeigte, dass der Herausgeber des W a g n e r V o l k s b u c h e s von 1712 wirklich P. J. Marperger, seine Vorrede aber eine gelehrte Dissertation war zu Gunsten der Hexenprozesse, einer der letzten Schläge der Hexen- und Zaubergläubigen gegen den siegreich vordringenden Anhang des Thomasius. — Recht dankenswert war das Verzeichnis der Faustausstellung im Goethehause zu Frankfurt a. M., mit wohlgelungenen interessanten Lichtdrucktafeln, von H e u e r ausgearbeitet8"9). — M. T. W a l d b e r g , 0 . Stolle: ADB. 36. 408/9. - 43) H. M a r k g r a f , Chrn. Stieff: ib. S. 174/5. — 44) id., D. Stoppe: ib. S. 435/6. - 45) G. R o e t h e , F. D. Stender: ib. S. 44/6. — 1) B. S t e i n e r , L. Tieck u. d. Volksbücher. E. Beitr. z. Gesch. der älteren romant. Schule. B„ C.Vogt. 111,88 8. M. 1,60. (Als Berliner Diss. 63 S.; Tgl. U 3 u . IV 10.) - 2) O X ( I 5 : 2 2 4 ; 10:25; II 3.) — 3) L. F r & n k e l , Beitrr..z Litl-Gesch. d. Faustfubel. 2. E. lat. Faustschwank. 6 Zn Dr. Fanst in England. 7. Joh. Faust in Island: GJb. 14, S. 290/2, 294/6. — 4) B. II. W e r n e r , Z. Faustsage. 2. D. Teufelspakt: ib. S. 264/8. — 5) id., Z. Faustsage. 3 Entlehnungen im ältesten Faustbuch: ib. S. 269-70. — 6) X e a [ = E r i c h S c h m i d t ] : DBs. 74, S. 318; Polybiblioni-. 67, S. 242; A. B i e l s c h o w s k y : ADA. 19, S.74/7. — 7) 0. F. W a l z e l , D. Herausgeber des Wagnervolksbuches Y. 1712: VLG. 6, S. 115/9. — g) [0.] [ H e u e r ] , Ausstellung T. Hss., Druokwerken, Bildern u. Tonwerken z. Faustsage u. Faustdichtung veranet. rom Freien Deutschen Hochstift. 28. Aug. bis 10. NOY. Frankfurt a. M. (Gebr. Knauer). VIII, 127 S. (In zwei Ausg. erschienen, d. e. mit 20 Liohtdruektaf., d. andere ohne Illustr.) — 9) O X F r & n k e l , Z. Faustsage: Urquell 4, S. 171/2. (Gelegentl. d. Ausstell., s. N. 8.) — 10) F. G e r -

AI. R e i f f e r s c h e i d , Epos des 17./18. Jahrhunderts. III 2:43-45 III 3 :1-10 g r a f 4 3 ) geschildert. Nach dem Beispiel seines Lehrers bildete auch er sich zum Polyhistor aus und übte eine höchst umfangreiche poetische Thätigkeit. Er war Jahrzehnte hindurch einer der beliebtesten Gelegenheitsdichter Breslaus, inbesondere für Begräbnisse. Es existiert eine Sammlung von 400 einzeln gedruckten Gedichten von ihm und das Fragment einer Selbstbiographie. — Ein weiterer Vertreter der in Schlesien üppig gedeihenden Gelegenheitsdichtung war der Hirschberger Konrektor S t o p p e . Die kurze Charakteristik, die M a r k g r a f 4 4 ) von ihm entwirft, beschränkt sich auf eine Wiedergabe des von Hoffmann von Fallersleben in den Schlesischen Provinzialblättern (1831) und von Jakob Baebler im Archiv für Litteraturgeschichte bereits Gesagten. — Das kümmerliche Leben und die anagrammatischen Bemühungen Fr. D. S t e n d e r s hat R o e t h e 4 5 ) behandelt. Im „Teutschen Letterwechsel" (Hamburg 1667) und der nach seinem Tode in Braunschweig veröffentlichen „Anagrammatum Latinorum et Germanorum Coronis" wird den Namen klassischer und zeitgenössischer Berühmtheiten durch Umstellung der Buchstaben irgend ein Sinn abgewonnen. Neben einer „Wolke unbekannter Theologen und Schulmänner" und zahlreichen Gönnern, von deren Liberalität er lebte, besingt Stender auch Opitz, Fleming, Rist und Dach. Wie schon Gervinus findet auch R. in Stenders poetischen Verirrungen ein lehrreiches Beispiel dafür, wohin die Ueberschätzung der formellen Künsteleien im 17. Jh. führen musste. —

111,3

Epos. Alexander Reifferscheid. Volksbücher: Tiacks Erneuerungen N. 1; Faust N. 2. — Schwanklitteratur N. 10. — Grimmelshausen N. 12. — Rudolf Gasser N. 13. — Schelmenroman N. 14. — Robinson und die Bobinsonaden N. 15. —

Für die Erforschung der Entwicklungsgeschichte des Epos ist auch in diesem Berichtsjahre wenig geschehen. Abgesehen von einigen Abhandlungen sind nur Notizen zu verzeichnen. Hinsichtlich der V o l k s b ü c h e r untersuchte T i e c k s E r n e u e r u n g e n alter deutscher Volksromane S t e i n e r 1 ) sehr sorgsam in ihrem Verhältnis zu den Vorlagen; er beschränkte sich dabei auf die Schildbürgerchronik, das Buch von den Haimonskindern, die wundersame Liebesgeschichte von der schönen Magelone und die Geschichte von der schönen Melusine. In einem besonderen Kapitel werdenEntlehnungenundNachbildungeninSprache und Stil erörtert. — Zur F a u s t s a g e 2 ) liegen einige Kleinigkeiten vor. F r ä n k e l 3 ) teilte die Geschichte von Fausts Weintraubenzauber aus einer 1713 gedruckten lateinischen Schwanksammlung mit, machte einige Bemerkungen über Fausts Fortleben in England. Als isländische Volkslegende über Joh. Faust notierte er eine Geschichte von unzweifelhaft gelehrter Herkunft. — W e r n e r 4 ) veröffentlichte nach einer Wiener Hs. aus der wende des 17. und 18. Jh. eine Uebersetzung aus dem J. 1680 des Teufelspaktes, den ein Herzog von Luxemburg 1676 in der Bastille zu Paris geschlossen und der einige Aehnlichkeit mit der Faustsage hat. — Gleichfalls W e r n e r 5 ) wies an zwei Stellen des alten Faustbuches Entlehnungen aus M. Lindeners Katzipori vom J. 1558 nach. — Des leider so früh verstorbenen Szamatölski 6 ) treffliche Ausgabe von dem Faustbuch des Christlich Meynenden wurde weiter mit verdientem Lobe besprochen (vgl. JBL. 1891 III 3 : 5 ; 1892 ib.) — W a l z e l 7 ) zeigte, dass der Herausgeber des W a g n e r V o l k s b u c h e s von 1712 wirklich P. J. Marperger, seine Vorrede aber eine gelehrte Dissertation war zu Gunsten der Hexenprozesse, einer der letzten Schläge der Hexen- und Zaubergläubigen gegen den siegreich vordringenden Anhang des Thomasius. — Recht dankenswert war das Verzeichnis der Faustausstellung im Goethehause zu Frankfurt a. M., mit wohlgelungenen interessanten Lichtdrucktafeln, von H e u e r ausgearbeitet8"9). — M. T. W a l d b e r g , 0 . Stolle: ADB. 36. 408/9. - 43) H. M a r k g r a f , Chrn. Stieff: ib. S. 174/5. — 44) id., D. Stoppe: ib. S. 435/6. - 45) G. R o e t h e , F. D. Stender: ib. S. 44/6. — 1) B. S t e i n e r , L. Tieck u. d. Volksbücher. E. Beitr. z. Gesch. der älteren romant. Schule. B„ C.Vogt. 111,88 8. M. 1,60. (Als Berliner Diss. 63 S.; Tgl. U 3 u . IV 10.) - 2) O X ( I 5 : 2 2 4 ; 10:25; II 3.) — 3) L. F r & n k e l , Beitrr..z Litl-Gesch. d. Faustfubel. 2. E. lat. Faustschwank. 6 Zn Dr. Fanst in England. 7. Joh. Faust in Island: GJb. 14, S. 290/2, 294/6. — 4) B. II. W e r n e r , Z. Faustsage. 2. D. Teufelspakt: ib. S. 264/8. — 5) id., Z. Faustsage. 3 Entlehnungen im ältesten Faustbuch: ib. S. 269-70. — 6) X e a [ = E r i c h S c h m i d t ] : DBs. 74, S. 318; Polybiblioni-. 67, S. 242; A. B i e l s c h o w s k y : ADA. 19, S.74/7. — 7) 0. F. W a l z e l , D. Herausgeber des Wagnervolksbuches Y. 1712: VLG. 6, S. 115/9. — g) [0.] [ H e u e r ] , Ausstellung T. Hss., Druokwerken, Bildern u. Tonwerken z. Faustsage u. Faustdichtung veranet. rom Freien Deutschen Hochstift. 28. Aug. bis 10. NOY. Frankfurt a. M. (Gebr. Knauer). VIII, 127 S. (In zwei Ausg. erschienen, d. e. mit 20 Liohtdruektaf., d. andere ohne Illustr.) — 9) O X F r & n k e l , Z. Faustsage: Urquell 4, S. 171/2. (Gelegentl. d. Ausstell., s. N. 8.) — 10) F. G e r -

III 3:11-18

AI. R e i f f e r s c h e i d , Epos des 17./18. Jahrhunderts.

Ueber die S c h w a n k 1 i 11 e r a t u r des 17. Jh. gab G e r h a r d 1 0 ) eine gut orientierende Skizze, in der er eine Gliederung der verschiedenen Arten versuchte, als Einleitung zu seiner Untersuchung über Joh. Peter de Memels „Lustige Gesellschaft". Die Arbeit selbst behandelt: 1. die Elemente; 2. Schwanke und Anekdoten; 3. Gedichte, Epigramme; 4. Ausgaben; 5. Geschichte der Ausgaben ; 6. Verfasserfrage. Zum Schlüsse wird der Einfluss der „ Lustigen Gesellschaft" auf die Schwanklitteratur und deren Entartung behandelt. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt in dem sorgfältig ausgearbeiteten 3. Kapitel. Neu ist vor allem der Nachweis der starken Verwendung der Epigramme Logaus in der „Lustigen Gesellschaft \ 1 1 ) — Ueber G r i m m e l s h a u s e n s Dietwald und Amelinde, einen der ersten deutschen historischen Originalromane, der 1670 erschien, handelt die tüchtige Arbeit S t i l g e b a u e r s 1 2 ) , in der Absicht durch den Nachweis der benutzen Quellen die Arbeitsweise des Dichters zu beleuchten. In einer Inhaltsangabe des Romans deutet er recht geschickt durch verschiedenen Druck an, was Grimmelshausen aus historischen Quellen und was er aus novellistischen Vorbildern entnommen hat. Der historische Teil hat starke Anleihen bei dem 1640 erschienenen Armin von Joh. Heinr. Hagelganss gemacht, während der eigentliche Romankern dem Meisterliede „von dem Grafen von Safoi" entstammt. Sehr viele Einzelzüge nahm Grimmelshausen aus Volksbüchern auf. Das Ganze hüllte er in ein historisches Gewand, das er sich aus seinen historischen Quellen zusammenflickte. — Auf einen interessanten, litterar- und kulturhistorisch wichtigen Roman, der bisher völlig übersehen worden, lenkte H i r z e l 1 3 ) die Aufmerksamkeit. Es ist der Roman „von Philologo, einem portugiesischen Cavalieren vnd Carabella, einer Kaiserin in China" des Kapuzinerpaters R u d o l f G a s s e r (1646 -1709) aus Schwytz, der darin den Liebesromanen entgegenarbeiten wollte, „solchen Lasterbüchern die Stirne bietend, insonderheit und voraus den sogenannten Romanzen oder Romanen, d. i. den Dichtern unerbarer Geschichten und Buhlschaften". Gasser wollte unter einer kurzweiligen Romanzenart den armen, von wahren Romanen, „d. i. leichtfertigen Gedichten-Schreiberen verführten, Seelen eine hilfreiche Hand bieten". Die Poeterey war ihm „gar nit die Substanz, sonder nur ein Accidenz, nicht der Kern, sonder allein die Heuischen". Nach H. ist diesem Roman, dem der ganze Apparat der damaligen Romanschriftstellern: Jagden, Entführungen, Verkleidungen, Turniere, Kämpfe, Revolutionen, Naturschilderungen, Träume, Schlaftrunk, Seuchen, Mahlzeiten, Liebschaften, heimliche Geburt, Aussetzung von Kindern durchaus nicht fehlt, eine gewisse Frische und unmittelbare Lebendigkeit nicht abzusprechen, ja er wirkt sogar in den zahlreichen moralisierenden Kapiteln durch seinen geistigen Gehalt. — Einen Ueberblick über die spanischen S c h e l m e n r o m a n e , ohne ihre Beziehungen zu den volkstümlichen Erzählungen auch nur zu streifen, gab S c h u l t 14 h e i s s ). Ueber die deutschen Bearbeitungen handeln nur wenige Zeilen, in denen von den selbständigen Zuthaten des Aegidius Albertinus, der hier irrtümlich Aug. Albertinus heisst, gar nicht die Rede ist. — In seiner Besprechung der gründlichen Untersuchung Kippenbergs über R o b i n s o n in Deutschland und die R o b i n s o n a d e n bis zur Insel Felsenburg (vgl. JBL. 1892 III 3 : 8 ) , teilte B o l t e 1 5 ) einige genaue Notizen über den Magister Ludw. Fr. Vischer, den Verdeutscher des englischen Robinson mit; Ulrich 1 5 "), der seit Jahren an einer Bibliographie sämtlicher Robinsonaden arbeitet, ergänzte und berichtigte in der seinigen einige Angaben Kippenbergs. — Eingehender besprach B i l t z 1 4 ) den Nachdruck, den der Leipziger Buchhändler Joh. Chr. Martini gleich im J. 1720 von Vischers Verdeutschung veranstaltet; über das Leben Vischers, sowie über sein Werk „Das Gross-Britannische Amerika" wusste auch er Neues beizubringen. — S t e r n s 1 7 ) ergebnisreiche Untersuchung über J. G. Schnabel, die zuerst wieder die Aufmerksamkeit auf die „Insel Felsenburg" gelenkt, den Vf. des Werkes glücklich aufgespürt und unter Berücksichtigung, besonders seiner journalistischen Thätigkeit in Stolberg, trefflich charakterisiert hatte, erschien neu bearbeitet. — Näher ging K l e e m a n n 1 8 ) auf Schnabels journalistische Thätigkeit ein. Unter Hinweis auf die katholisierende Tendenz des Schnabelschen Romans „Der aus h a r d , Joh. Peter de Hemels Lustige Gesellschaft nebst e. Uebers. Aber d. Schwanfc.-Litt d. 17. Jh. Halle a. Niemeyer. 127 S. H. 2,80. — 11) X H. M e r t e n s , Dtsoh. Humor. Schwanke u. Erzählungen aus älterer Zeit. Ausgew. u. erneuert. L , Bibliogr. Inst 140 S. M. 0,20. — 12) E. S t i l g e b a u e r , Grimmelshausens Dietwald u. Amelinde. E. Beitr. z. Litt.-Gesch. d. 17. Jh. Oera, Leutzsch. 54 8. M. 1,20. — 13) L. H i r z e l , E. Schweiz. Roman aus d. 17. Jh. u. sein Vf. (Sonderabdr. aus BundB.) Bern, Jent & Co. 42 S. M. 0,75. - 14) A. S c h u l t h e i s s , D. Sohelmenroman d. Spanier u. seine Nachbildungen. ( = 8 G W V . N. 166.) Hamburg. Verlagsanst. 62 S. II. 1,00. |[LCB1. S. 1587; ÖLB1. S. 715; A. S c h r o e t e r : BLÜ. S. 582.]| —15) J. B o 11e: ASNS. 90,S. 464/6. - 15a) H. U1 r i c h : ZVLR. 6, S. 259-66. —16) K. B i l t z , Zu Kippenbergs „Insel Felsenburg": ASNS. 90, S. 13-26. — 17) Ad. S t e r n , O. Dichter d. „Insel Felsenburg". ( = Beitrr. z. Litt.-Gesch. des 17. u. 18. Jh. [L., B. Riohter. VII, 328 S. lt. 7,50], S. 61-93.) — 18) S. K l e e m a n n , D. Vf. d. Insel Felsenburg als Zeitungsschreiber: VLÖ 6,

J. B o l t e , Drama des 17./18. Jahrhunderts.

I I I 3 •. 19-30 I I I 4 :1-3

dem Mond gefallene . . . Print.z", der nach seiner Ansicht zu Heiligenstadt, nicht zu Helmstedt oder Halberstadt erschienen, spricht er auch den 1748 gedruckten Roman „Der Sieg des Glücks und der Liebe über die Melancholie" wegen ähnlicher Tendenz demselben Dichter zu, indem er Genaueres für später in Aussicht stellt. Schnabels Zeitung, die „Stolbergische Sammlung Neuer und Merkwürdiger WeltGeschichte" hat eine hervorragende Bedeutung für die Sittengeschichte der damaligen Zeit. Sie enthielt manches in Skizze, was die „Insel Felsenburg" ausführte. Während Strauch alle Epigramme der Sammlung Schnabel zuschrieb, wies K. nach, dass sehr viele von dem Pastor Christian Andreas Teuber verfasst sind. — Von dem englischen Robinsonbuch sind neuerdings wieder Ausgaben für den Schulgebrauch 19 " 20 ), andere zur Unterhaltung 21 " 22 ) erschienen. Auch die Uebersetzungen 23-24 »), Bearbeitungen 25 ) und Nachahmungen 26 " 30 ) finden immer wieder ihr Publikum. (Vgl. 17:53.) —

111,4

Drama. Johannes B o l t e . Uebergangszeit: Fortleben des Hans Sachs N. 1; Stephan Egl N. 2. — Einfluss der englischen Bühne N. 4. — Singspiele d. englischen Komödianten N. 7. — Chph. Stöltzer N. 11. — E. Stapel N. 12. — Andr. Gryphins N. 14. — A. A. von Hangwitz N. 17. — Weise N. 18. — Molière-Uebersetzer N. 19. — Schulkomftdie N. 20. — Jesuitendrameu N. 21. — Theatergesohichte einzelner Städte nnd Wandertruppen: Allgemeines N. 27; Bamberg, München, Gotha, Danzig N. 29; Spencer N. 33; Velten N. 34; deutsche Banden in Dänemark N. 35. — Geistliche Volksschauspiele N. 36. — Weltliche Volksschau spiele: Faust N. 39; Pnppenkouiödien N. 44. —

So wenig wie im vorigen Jahre haben wir hier eine Arbeit allgemeiner oder zusammenfassender Natur zu verzeichnen. Zur Charakteristik der U e b e r g a n g s z e i t dient eine Untersuchung über das F o r t l e b e n d e s H a n s S a c h s im 17. Jh. von R i c h t e r 1 ) . Fleissig, wenn auch nicht vollständig, stellt er die Abdrücke seiner Bildnisse, die Ausgaben seiner Werke, die Aufführungen einiger Schauspiele in Nördlingen und Kaufbeuren, die Plagiate von Zihler zusammen und mustert die Urteile, die Vogel, Spangenberg, Gryphius, Grimmelshausen, Prätorius, Morhof u. a. über den Nürnberger Meister fällen. 1 ») — Ganz unter dem Einflüsse des 16. Jh. stehen auch zwei 1618 zu Regensburg aufgeführte Fastnachtspiele, von denen schon Mettenleiter 1866 kurz berichtet hatte, die aber erst jüngst wieder aufgefunden wurden. H a r t m a n n 2 ) hat sie mitreiohen Worterklärungen zum Abdruck gebracht und ihren Zusammenhang mit anderen Handwerkerspielen klar gelegt. Das erste vom Schreinermeister S t e p h a n E g l auf Grund älterer Ueberlieferungen verfasste Stück behandelt den Streit zwischen Meistern und Gesellen über die gegen Ende März aufhörende Arbeit bei Licht; der zur Entscheidung aufgerufene Richter verurteilt infolge der von den Gesellen vorgebrachten Klagen das Licht zum Tode; in einem Intermezzo wird ein ungeschlachter Bauer vom Beilmeister behobelt. — Spätere Aufzeichnungen dieses Spiels vom J. 1656 und 1696 sind aus Nürnberg und Hamburg erhalten und von B o l t e 3 ) in einem Vortrage besprochen. In dem anderen Regensburger Spiele zieht ein Bauernknecht, Hänsl Frischenknecht geheissen, in den Krieg und hält nach seiner Heimkehr Hochzeit. ( V g l . I I 4 : 15.) S. 337-71. (Vgl. JBL. 1892 III 3:8.) — 19) X & G r o b e , Life and snrprising adyentnres of Robinson Crnsoe of York, mariner, by Dan. De Foe. (Im Auszuge.) ( = Engl. Authors. 30. Lfg.) Bielefeld u. L., Velhagen tt Klasing. 1892. 12°. 184 S. M. 1,00. — 2 0 ) X K- F o t h , Robinson Crusoe v. Dan. Defoe. Für d. Schnlgebr. bearb. ( = Franz. n. engl. Sohnlbibl. her. v. 0. E. A. D i c k m a n n . Bd. 75.) L., Jtenger. X, 86 S. M. 1,00. — 21) X D. D e f o e , Robinson Crusoe, vith 100 designs by Gordon Browne. New. ed. London, Hutchinson. Sh. 3/6. — 22) D. Defoe, Robinson Crnsoe. ( = Caxton Series.) London, Bontledge. Sh. 0/6. — 23) X Aventures de Bobinson Crusoi. Trad. de Daniel de Foe. Ed. revue £ corrigée avec soin, contenant 88 grav. sur bois. Tours, Marne 6 fils. 1892. 4°. 400 S. — 24) X Aventures de Bobinson Crnsoé. Paris, Vermot. 16°. 159 S. — 24 a ) D. Det'oë, Les aventures de Bobinson Crusoé. Trad. nouy. Arec nombr. grav. par K. Halswelle et V. A. Poirson. Paris, Dreyfous et Dalsaoe. 300 S. — 25) X J- H- Campe, Bobinson d. Jüngere. Erzählung far d. Jugend. L., Gressner £ Schramm. 12°. 93 S. M. 0,75. — 2 6 ) X Th. W e y 1er, D. Schweiz. Bobinson nach J. D. W y s s frei bearb. Mit Farbendruckb. nach Aquarellen von 0. Fdrsterling n. e. Karte v. F. Knopf. L., 0. Drewitz Nachfolger. 156 S. M. 3,00. — 27) x J- D- W y s s. Le Robinson suisse, journal d'un pire de famille naufragé avec ses enfants. Nonv. éd. avec 53 grav. Limoges, Ardant & Co. 328 S. — 2 7 a ) id.. Le Bobinson suisse. Avec grav. Paris, Vermot. 188 S. — 2 8 ) W. H. G. K i n g s t o n , Swiss Family Robinson. London, Routledge. Sh. 2/6. — 2 9 ) X M a r i e G n e r r i e r de H a u p t , Le Bobinson{des Antilles. Aventures d'Owen Evans, abandonné en 1739 dans une ile deserte des Antilles Extrait dn ms. orig. par W. H. Anderdon. Traduit de l'anglais. 5. éd. avec. grav. Tours, Marne & fils. 1S92. 240 S. Fr 1,50. — 3 0 X Les nouveaux Bobinsons. III. d. B. Bacard. Paris, Delarue. 202 S. — 1) A l b . B i c h t e r , Haus Sachsens Fortleben im 17. Jh.: ZDKG. 3, S. 355-74. — l a ) X ' - Schlus Comedia von Isaac. Her. v. A. Freybe. (Vgl. JBL. 1892 I I I 4 : 1 ) : KBIVNiederdSpr. 16, S. 93. — 2) A u g . H a r t m a n n , Begeusbnrger Fastnachtspiele. Z. ersten Haie her.: Bayerns Mundarten 2, S. 1-64, 139-42. |fK. W e i n h o l d : ZVVolksk. 3, S. 342.]| — 3 ) J.

J. B o l t e , Drama des 17./18. Jahrhunderts.

I I I 3 •. 19-30 I I I 4 :1-3

dem Mond gefallene . . . Print.z", der nach seiner Ansicht zu Heiligenstadt, nicht zu Helmstedt oder Halberstadt erschienen, spricht er auch den 1748 gedruckten Roman „Der Sieg des Glücks und der Liebe über die Melancholie" wegen ähnlicher Tendenz demselben Dichter zu, indem er Genaueres für später in Aussicht stellt. Schnabels Zeitung, die „Stolbergische Sammlung Neuer und Merkwürdiger WeltGeschichte" hat eine hervorragende Bedeutung für die Sittengeschichte der damaligen Zeit. Sie enthielt manches in Skizze, was die „Insel Felsenburg" ausführte. Während Strauch alle Epigramme der Sammlung Schnabel zuschrieb, wies K. nach, dass sehr viele von dem Pastor Christian Andreas Teuber verfasst sind. — Von dem englischen Robinsonbuch sind neuerdings wieder Ausgaben für den Schulgebrauch 19 " 20 ), andere zur Unterhaltung 21 " 22 ) erschienen. Auch die Uebersetzungen 23-24 »), Bearbeitungen 25 ) und Nachahmungen 26 " 30 ) finden immer wieder ihr Publikum. (Vgl. 17:53.) —

111,4

Drama. Johannes B o l t e . Uebergangszeit: Fortleben des Hans Sachs N. 1; Stephan Egl N. 2. — Einfluss der englischen Bühne N. 4. — Singspiele d. englischen Komödianten N. 7. — Chph. Stöltzer N. 11. — E. Stapel N. 12. — Andr. Gryphins N. 14. — A. A. von Hangwitz N. 17. — Weise N. 18. — Molière-Uebersetzer N. 19. — Schulkomftdie N. 20. — Jesuitendrameu N. 21. — Theatergesohichte einzelner Städte nnd Wandertruppen: Allgemeines N. 27; Bamberg, München, Gotha, Danzig N. 29; Spencer N. 33; Velten N. 34; deutsche Banden in Dänemark N. 35. — Geistliche Volksschauspiele N. 36. — Weltliche Volksschau spiele: Faust N. 39; Pnppenkouiödien N. 44. —

So wenig wie im vorigen Jahre haben wir hier eine Arbeit allgemeiner oder zusammenfassender Natur zu verzeichnen. Zur Charakteristik der U e b e r g a n g s z e i t dient eine Untersuchung über das F o r t l e b e n d e s H a n s S a c h s im 17. Jh. von R i c h t e r 1 ) . Fleissig, wenn auch nicht vollständig, stellt er die Abdrücke seiner Bildnisse, die Ausgaben seiner Werke, die Aufführungen einiger Schauspiele in Nördlingen und Kaufbeuren, die Plagiate von Zihler zusammen und mustert die Urteile, die Vogel, Spangenberg, Gryphius, Grimmelshausen, Prätorius, Morhof u. a. über den Nürnberger Meister fällen. 1 ») — Ganz unter dem Einflüsse des 16. Jh. stehen auch zwei 1618 zu Regensburg aufgeführte Fastnachtspiele, von denen schon Mettenleiter 1866 kurz berichtet hatte, die aber erst jüngst wieder aufgefunden wurden. H a r t m a n n 2 ) hat sie mitreiohen Worterklärungen zum Abdruck gebracht und ihren Zusammenhang mit anderen Handwerkerspielen klar gelegt. Das erste vom Schreinermeister S t e p h a n E g l auf Grund älterer Ueberlieferungen verfasste Stück behandelt den Streit zwischen Meistern und Gesellen über die gegen Ende März aufhörende Arbeit bei Licht; der zur Entscheidung aufgerufene Richter verurteilt infolge der von den Gesellen vorgebrachten Klagen das Licht zum Tode; in einem Intermezzo wird ein ungeschlachter Bauer vom Beilmeister behobelt. — Spätere Aufzeichnungen dieses Spiels vom J. 1656 und 1696 sind aus Nürnberg und Hamburg erhalten und von B o l t e 3 ) in einem Vortrage besprochen. In dem anderen Regensburger Spiele zieht ein Bauernknecht, Hänsl Frischenknecht geheissen, in den Krieg und hält nach seiner Heimkehr Hochzeit. ( V g l . I I 4 : 15.) S. 337-71. (Vgl. JBL. 1892 III 3:8.) — 19) X & G r o b e , Life and snrprising adyentnres of Robinson Crnsoe of York, mariner, by Dan. De Foe. (Im Auszuge.) ( = Engl. Authors. 30. Lfg.) Bielefeld u. L., Velhagen tt Klasing. 1892. 12°. 184 S. M. 1,00. — 2 0 ) X K- F o t h , Robinson Crusoe v. Dan. Defoe. Für d. Schnlgebr. bearb. ( = Franz. n. engl. Sohnlbibl. her. v. 0. E. A. D i c k m a n n . Bd. 75.) L., Jtenger. X, 86 S. M. 1,00. — 21) X D. D e f o e , Robinson Crusoe, vith 100 designs by Gordon Browne. New. ed. London, Hutchinson. Sh. 3/6. — 22) D. Defoe, Robinson Crnsoe. ( = Caxton Series.) London, Bontledge. Sh. 0/6. — 23) X Aventures de Bobinson Crusoi. Trad. de Daniel de Foe. Ed. revue £ corrigée avec soin, contenant 88 grav. sur bois. Tours, Marne 6 fils. 1892. 4°. 400 S. — 24) X Aventures de Bobinson Crnsoé. Paris, Vermot. 16°. 159 S. — 24 a ) D. Det'oë, Les aventures de Bobinson Crusoé. Trad. nouy. Arec nombr. grav. par K. Halswelle et V. A. Poirson. Paris, Dreyfous et Dalsaoe. 300 S. — 25) X J- H- Campe, Bobinson d. Jüngere. Erzählung far d. Jugend. L., Gressner £ Schramm. 12°. 93 S. M. 0,75. — 2 6 ) X Th. W e y 1er, D. Schweiz. Bobinson nach J. D. W y s s frei bearb. Mit Farbendruckb. nach Aquarellen von 0. Fdrsterling n. e. Karte v. F. Knopf. L., 0. Drewitz Nachfolger. 156 S. M. 3,00. — 27) x J- D- W y s s. Le Robinson suisse, journal d'un pire de famille naufragé avec ses enfants. Nonv. éd. avec 53 grav. Limoges, Ardant & Co. 328 S. — 2 7 a ) id.. Le Bobinson suisse. Avec grav. Paris, Vermot. 188 S. — 2 8 ) W. H. G. K i n g s t o n , Swiss Family Robinson. London, Routledge. Sh. 2/6. — 2 9 ) X M a r i e G n e r r i e r de H a u p t , Le Bobinson{des Antilles. Aventures d'Owen Evans, abandonné en 1739 dans une ile deserte des Antilles Extrait dn ms. orig. par W. H. Anderdon. Traduit de l'anglais. 5. éd. avec. grav. Tours, Marne & fils. 1S92. 240 S. Fr 1,50. — 3 0 X Les nouveaux Bobinsons. III. d. B. Bacard. Paris, Delarue. 202 S. — 1) A l b . B i c h t e r , Haus Sachsens Fortleben im 17. Jh.: ZDKG. 3, S. 355-74. — l a ) X ' - Schlus Comedia von Isaac. Her. v. A. Freybe. (Vgl. JBL. 1892 I I I 4 : 1 ) : KBIVNiederdSpr. 16, S. 93. — 2) A u g . H a r t m a n n , Begeusbnrger Fastnachtspiele. Z. ersten Haie her.: Bayerns Mundarten 2, S. 1-64, 139-42. |fK. W e i n h o l d : ZVVolksk. 3, S. 342.]| — 3 ) J.

III 4 :

4-16

J. Boite, Drama des 17./18. Jahrhunderts.

Der bestimmende E i n f l u s s , der zu Anfang des Jh. von d e r e n g l i s c h e n B ü h n e auf die deutsche ausging, nötigt uns auch auf die wichtigeren Arbeiten Rücksicht zu nehmen, die dieser gewidmet werden. Dass Fleays Chronik des englischen Schauspiels weder auf der Höhe der Forschung steht noch von groben Versehen frei ist, zeigt B o y l e 4 ) in ausführlicher Besprechung (s. II 4 :38); er hätte hinzufügen können, dass Halliwells von Fleay hart getadeltes „Dictionary of old english plays" 1892 in W. C. Hazlitts Manual einen guten Nachfolger gefunden hat. - - Den Einfluss der Tragödien Senecas auf die Entwicklung des englischen Dramas untersuchen gleichzeitig der Engländer ü u n l i f f e 5 ) und der Deutsche Rud. F i s c h e r « ) , der eine mehr äusserlich auf die Nachahmung einiger Stellen achtend, der andere mehr auf die inneren Gemeinsamkeiten eingehend. — Ueber die Einbürgerung Shakespeares in Deutschland, die alten Uebersetzungen der fahrenden Komödianten und die selbständigeren Nachahmungen der fremden Stücke bei Ayrer, Herzog Heinrich Julius, Gryphius und Weise orientiert kurz eine ansprechende, sachkundige Schrift Hauffens*1). — Eine Materialsammlung zur Geschichte der 1596 durch die e n g l i s c h e n Schauspieler in Deutschland eingeführten S i n g s p i e l e giebt Bolte 1 ). Im Gegensatze zu der gleichzeitig entstehenden italienischen Oper behandeln diese niedrigkomische Schwankmotive, schliessen sich an bekannte Liedmelodien an und sind daher durchweg strophisch gegliedert. Die englischen Originale sind bis auf zwei Stücke, „Singing Simpkin" und„The black man", verloren; doch lassen sich bis 1760 über 30 deutsche, 5 holländische, 2 schwedische und 2 dänische Gesangspossen nachweisen, die teils direkt, teils indirekt auf jene Anregung zurückgehen. B. druckt zwölf vollständige Texte und sämtliche ihm erreichbaren Melodien ab und spürt den Quellen und Nachahmungen nach. Für Christian Reuters Singspiel von Harlekins Hochzeit hat er eine 1693 gedruckte Vorlage aufgefunden, die jener mit geringen Abweichungen kopierte. — Zu dem Singspiele von der doppelt betrogenen Eifersucht hat Nyrop in seiner früher erwähnten Schrift 8 ) Parallelen nachgewiesen, über die schwedischen Possen hat auch S c h ü c k 9 ) geschrieben und für den „Courtisan in der Kiste" eine Aufführung durchUpsalaer Studenten am 17.Mai 1685 erwiesen.10) (S. JBL. 1892 III 4:10.) — Der Thüringer Schulmann Christoph S t ö l t z e r , der 1618 von Rinkart als Mitvf. seines „Indulgentiarius confusus" genannt wird, verdient nach Boltes 1 1 ) Ansicht keinen Platz unter den dramatischen Dichtern, da Rinkart ihm nur seinen Dank für die von ihm ins Werk gesetzte Aufführung ausdrücken wollte. — Auf gleichen Rang will H o l s t e i n ' 2 ) Rists Studienfreund und Schwager E r n s t S t a p e l aus Lemgo herabdrücken, indem er ihm keinen Anteil an dem 1630 veröffentlichen Schauspiele Irenaromachia zugesteht; doch ist dies Rists eigenem Zeugnis gegenüber eine etwas gewagte Behauptung. Auf Stapels Germania, die jüngst noch Göckeler in Zusammenhang mit J. Mylius gebracht hat, geht H. gar nicht ein. 13 ) — Dem grossen dramatischen Talente des A n d r e a s G r y p h i u s ist eine sorgfältige Arbeit von W y s o . c k i 1 4 ) gewidmet. W. charakterisiert die Stücke als Situationstragödien und hebt auch die persönlichen Beziehungen und Erfahrungen, die sich in diesen verraten, richtig hervor. Dagegen stellt er, wie C r e i z e n a c h betont, des Dichters Verhältnis zu den älteren und zeitgenössischen Schriftstellern mangelhaft dar; er vernachlässigt seine Beziehungen zum Drama der Wanderkomödianten, der Jesuiten und der Holländer und äussert über die Benutzung Shakespearescher Bühnenwerke wunderliche Ansichten. — Der Frage nach der Quelle von Gryphius „Cardenio und Celinde" geht H e r r m a n n 1 5 ) mit Glück zu Leibe. Gryphius benutzte eine 1624 erschienene Novelle des Spaniers Montalvan „La fuerza del desengaño" in der italienischen Uebersetzung von B. Cialdini (Prodigi d'amore 1637). Die Erzählung Harsdörffers, auf die Boxberger aufmerksam machte, giebt offenbar eine ältere spanische Novelle wieder, die Montalvan nebst Zügen aus Bandello und Tirso de Molina verwertet hat16). — B o i t e , Ueber Handwerkerkomödien ans d. 17. o. 18. Jh. (Referat): KBIVNiederdSpr. 16, S. 81. — 4) K. B o y l e , F. G. Fleay, A biogr. chronicle of the engl, drama 1559-1642. London. Reeves. 1891. Till, 389 S.; VI, 406 S. Sh.30: EnglSt. 18, S. 111-25. - 5) J. W. C n n l i f f e , The influence of Seneca on Elizabethan Tragedy. London, Hacmillan. IV, 155 S. Sh.4. - 6) R u d . F i s c h e r . Z. Knnstentwioklnng d. engl. Tragödie v. ihren ersten Anfängen bis 2a Shakespeare. Strassburg i. E., Trttbner. XIII, 192 S U. 5,00. — 6 « ) A. H a n f f e n , Shakespeare in Deutschland. (=SGV. N. 175.) Frag, Haerpfer. 26 S. M. 0,20. — 7) J. B o l t e , D.Singspiele d. engl. Komödianten u. ihrer Nachfolger in Deutschland, Holland u. Skandinavien. ( = TheatergeschF. N. 7.) Hamburg, L Voss. VII, 194 S. M 5,00. |[(W. C r e i z e n a c h : ) LCB1. S. 1794; J. A. W o r p : Mus». 1, S. 361/3; UhMusikgesoh. S. 221; AMnsZg. 20, S. 673/4; Grenzb. 4, S. *7.]| — 8) W. G o l t h e r , K. Nyrop, Nej. Et Motivs Historie. 1891: ZVLR. 6, S. 140/4. 9) H. S c h u c k , Bidrag tili kännedomen om 1600-talets dramatik: Samlaren 13, S. 5-90. (Bes. S. 17/9.) — 10) X Harms, Die deutschen Fortunatusdramen (vgl. JBL. 1892 111 4:3). |[[W. C r e i z e n a c h : ] LCB1. S. 797/8; L. F r â n k e l : BLU. S. 344/5; AZgB. N. 9; A. B i n g : WRDK. N. l.]| — 11) J. B o l t e , Chr. Stöltzer: ADB. 86, S. 420. — 12) H. H o l s t e i n , E. Stapel: ib. 35, S. 448. — 13) X J- Bolte, Drei Königsberger Zwischenspiele (vgl. JBL. 1890 III 4 : 9 k KBIVNiederdSpr. 15, S. 11. — 14) L. G. W y s o c k i , A. Gryphius et la tragédie allemande au XVII. siècle. Paris, Bouillon. II, 456 S. I[(W. C r e i z e n a c h : ) LCB1. S. 1396.JI — 15) U. H e r r m a n n , Cardenio u. Celinde. Vortr. in GDL.: DLZ. S. 184/5. — 16) X G-

J. B o i t e , Drama dès 17./18. Jahrhunderts.

III 4 :

17-28

A u g . A d . v o n H a u g w i t z unterzieht H ü b n e r n ) , der schon 1885 in einem Trarbacher Progamm über ihn gehandelt, zum zweiten Male einer litterarhistorischen Würdigung. Er berichtigt auf Grund eines 1836 im Lausitzer Mag. erschienenen Artikels von Köhler einige biographische Einzelheiten und analysiert die 1684 im Prodromus poeticus veröffentlichen steifen Alexandrinerstücke von Haugwitz : die Maria Stuarda, Soliman und Flora. Als Quellen dienten ihm Erasmus Franziscis Trauersaal, der Ibrahim der Scudéry in Zesens Uebersetzung und ein französisches Ballet (von Benserade?). Die Vergleichung mit den Vorlagen und älteren dramatischen Behandlungen durch Vondel, Kormart und Lohenstein könnte schärfer durchgeführt sein; interessant ist der Nachweis, dass 1686 ein Heidelberger Anonymus eine gekürzte Ueberarbeitung des Soliman drucken liess. — Eine Rostocker Dissertation18) über C h r i s t i a n W e i s e s historische Dramen ist mir nicht zu Gesicht gekommen. — E l o e s s e r s 1 9 ) Untersuchung der Molière-Verdeutschung von 1670, von der 1893 nur ein Teil veröffentlicht ist, bleibt besser für eine Besprechung in den nächsten JBL. aufgespart. — Zur Geschichte der protestantischen und katholischen S c h u l k o m ö d i e sind einige Beiträge geliefert worden. Ueber die in Arnstadt während des 17. Jh. aufgeführten Weihnachtsspiele berichtet summarisch ohne Angabe genauerer Daten Einert20). — In das weite Gebiet der J e s u i t e n d r a m e n 2 1 ) hat Z e i d l e r 2 2 ) erneute Streifzüge unternommen. Er berichtet über zwei mit der Faustsage in losem Zusammenhange stehende Stücke des 18. Jh. nach den in einem ihm gehörenden Sammelbande befindlichen Inhaltsangaben : einen 1736 zu Schussenried gespielten lateinischen „Cyprianus poenitens", in welchem der böse Geist Megistophiles jenen Ahnherrn des Doktor Faust verführt, und über eine 1754 aus Holbergs „Hexerei" hervorgegangene deutsche Fastnachtskomödie „Der blinde Lermen", in der die geistlichen Herren zu Wengen bei Ulm den Komödianten Leopold als angeblichen Zauberer mit einer parodistischen Beschwörung des Teufels Mephistopheles vorführten. — Ein anderer Aufsatz Z e i d 1 er s 2 3 ) über die dramaturgische Thätigkeit des Paters Ferdinand Rosner ist mir leider nicht zugänglich. — In Leipzig wurden 1660. wie G e o r g M ü l l e r 2 4 ) mitteilt, mehrere Jesuitenkomödien gespielt, die protestantischen Geistlichen nicht unbedenklich erschienen, und zwar „Androphilus und Sylvia" und „Tobiä Freudenspiel". Offenbar handelte es sich dabei um Birkens 1656 gedruckte Bearbeitung des Androphilus von Masenius, die auch 1658 in Zittau und 1686 in Lüneburg von Schülern 'dargestellt wurde. — Auch in Lothringen pflegten die Jesuitenkollegien zu Pont-à-Mousson, Verdun, Nancy eifrig die Schulkomödie, wie G e r m a i n 2 5 ) in seiner Kritik von Jacquots lothringischer Theatergeschichte im einzelnen nachweist (vgl. I I 4:40). — Das Vordringen der Jesuiten in Ungarn nach dem 30jährigen Kriege schildert v o n K r o n e s 2 6 ) auf Grund archivalischer Studien und teilt dabei Näheres mit über eine 1653 zu Ehren des Grafen Illéshàzy in Trentschin veranstaltete Aufführung von Joseph und seinen Brüdern, die nicht weniger als sechs Stunden dauerte. Die Jesuiten wollten, nachdem die Lutheraner kurz zuvor zur Fastnacht ein Josephdrama gespielt hatten, bei dem es nicht sehr sittsam hergegangen war, durch ihre Aufführung zeigen, wie ein geistliches Drama beschaffen sein müsse. — Zur T h e a t e r g e s c h i c h t e e i n z e l n e r S t ä d t e und zur Kenntnis der W a n d e r t r u p p e n folgen zunächst einige a l l g e m e i n e Beiträge. In einer Besprechung von Heines Buch über die Wanderbühne des 17. Jh. weist E l l i n g e r 2 1 ) auf eine bisher wenig ausgenutzte Quelle hin, nämlich auf die grossenteils aus den Stücken der fahrenden Komödianten älterer Zeit hervorgegangenen jüngeren Puppenspiele. Den Hauptwert von Heines Leistung sieht er in den Analysen der Wiener Dramenhss. und in den Nachweisen der ausländischen Vorbilder, während er die schematische Zusammenstellung der dort verwendeten Motive wenig fördernd findet. — B o l t e 2 8 ) bemerkt in einer Anzeige von Reulings Werk über die lustige Person Sohoch, Komödie vom Studentenleben her. y. W . Fabrioina (vgl. JBL. 1892 III 4 : 6 ) : LCBI. S. 1155/6. — 17) B. H ü h n e r , D. kleineren Dichtungen u. Dramen d. Prodromus Poeticuß v. A. A. T. Haugwitz. E. Beitr. z. Gesch. d. Kunstdramas im 17. Jh. Progr. Neuwied, Heuser. 4». 35 S. |[L. H ö l s c h e r : A9NS. 91, S. 468/9.]| - 18) O A. H e s s , Chr. Weises hist. Dramen u. ihre Quellen. Dise. Rostock. 82 S. — 19) (I 8:95.) — 2 0 ) E. E i n e r t , Aus d. Papieren e. Kathauses. Beitrr. z. dtsch. Sittengesch. Arnstadt, Frotscher. III, 196 S. II. 3,00. (S. 162/7 : Weihnaohtsspiel.) — 21) X J- Zeidler, Studien u. Beitrr. z. Gesch. d. Jesuitenkomödie. (Vgl. JBL. 1891 III 4 : 15a.) |[K. W o t k e : ZÔG. 44, S. 220/1; U . L a n d a u : ZVLB. 6, S. 136/8; Ol. E l l i n g e r : NatZg. N. 21J| — 22) J. Z e i d l e r , Beitrr. z. Gesch. d. Klosterdramas. I. Mephistopheles: ZVLR. 6, S. 464-78. — 23) O id., Jesuiten u. Ordensleute als Theaterdichter u. über P. Ferd. Eosner insbes.: BVLNiederöstr. 27, S. 128-41. — 2 4 ) G e o r g M ü l l e r , Z. Gesch. d. JesuitenkomSdie in Sachsen: NASächsG. 14, 9. 140. — 2 5 ) L . G e r m a i n , A. Jacquot, Notes pour servir à l'hist. dn théâtre en Lorraine. CR. de la Réunion des beaux arts des départements 1891, S. 561-685.): AnnEst. 7, S. 621-33. — 26) F. v. K r o n e s , Z. Gesch. d. Jesuitenordens in Ungarn 1645-71: AÔG. 79, S. 277-354. (Bes. S. 313.) — 27) E U i n g e r , C. Heine, D. Schauspiel d. dtsch. Wanderbühne Tor Gottsched. Halle a. S., Niemeyer. 1889. VII, 92 S.: ZDPh. 25, S. 419-21. (Vgl. JBL. 1890 I I I 4:15.) - 28) J. B o î t e , C. Reuling, D. komische Figur (vgl. JBL. 1890 III 4 : 3 2 ) : Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschiehte. IV. (3)4

III 4 :

29-41

J. Boite, Drama des 17./18. Jahrhunderts.

den Zusammenhang zwischen der Bühne und einer Reihe von Schwanksammlungen, die unter dem Namen einzelner bekannter Clowndarsteller wie Jan Tamboer, Scaramuzza, Kilian Brustfleck veröffentlicht wurden. — L e i s t s 2 9 ) Arbeit über die B a m b e r g e r Bühne ist uns nicht zu Gesicht gekommen. — Ueber die Geschichte des Münchener Theaters in der ersten Hälfte des 18. Jh., zu der Trautmann schon 1889 in seinem Aufsatze „Deutsche Schauspieler am bayerischen Hofe" wertvolles Material veröffentlicht hatte, giebt der ungenannte Vf. 30 ) der Jubiläumsschrift des Eberlbräus einige Notizen. Um 1745 verwandelte der Besitzer des Faberbräuhauses seine Malztenne in einen Komödienstadel, auf dem die Truppen eines Wallerotty und Kurz auftraten. — Die für die Besucher der Gothaer Musteropervorstellungen bestimmte Broschüre H o d e r m a n ns 3 1 ) liefert nur einen flüchtigen Rückblick auf die 1669 in Gotha agierte Aktion von der argen Grundsuppe derWelt, während Rub 3 2 ) in seinem Buche über die dramatische Kunst in D a n z i g die Periode von 1650—1730 auf drei Seiten wörtlich nach Hagens Geschichte des Theaters in Preussen bespricht. — Mit eingehender Sachkenntnis dagegen schildert C r e i z e n a c h 3 3 ) die Persönlichkeit des englischen Komödianten John Spencer, der auf seinen Wanderzügen durch Deutschland in den J. 1605—29 überall durch reiches Personal, glänzende Ausstattung und gewandtes Benehmen gegenüber dem Rat und der Geistlichkeit Beifall und Ansehen gewann und auch einen neuen Clowntypus „Hans Stocklisch" schuf. — Einen Nachtrag zu Heines Untersuchung über den Schauspieler Johannes V e l t e n liefert N e h r i n g 3 4 ) , indem er nach russischen Quellen über die Verhandlungen, berichtet, die 1672 ein Abgesandter des Zaren Alexej Michailowitsch, der Oberst van Staden, in Riga mit Velten und Czarlus, d. h. Veltens Schwiegervater Karl Paulsen, wegen eines Gastspieles in Moskau pflog, freilich ohne seinen Zweck zu erreichen. — Dankenswert sind die Zusammenstellungen P a l u d a n s 3 5 ) über die von 1600—1750 i n D ä n e m a r k nachweisbaren d e u t s c h e n Wandertruppen eines Treu, Paulsen, Uhlich, der Witwe Velten, Denner, Spiegelberg, Eckenberg, Quoten, zumal da er die dänischen Quellen durch Vergleichung der deutschen Theatergeschichten ergänzt hat. Willkommen heissen wir besonders den Abdruck mehrerer ausführlicher Kopenhagener Theaterzettel: 1. Die in ein marmorsteinernes Bild verliebte Prinzessin Adamira (1707 nach Cioognini); 2. Der verirrte Liebesstand, oder der durchlauchtige Bauer (Orismanna von Böhmen und Sigislaus); 3. Des Glückes Probierstein, oder der . . . verirrte Liebes-Soldat (Ormachus und Aribane 1719); 4. Der grossmütigeRechtsgelehrte Aemilius Paulus Papinianus (1719 nach Gryphius). — . Die g e i s t l i c h e n V o l k s s c h a u s p i e l e Süddeutschlands erhalten durch eine tüchtige Arbeit von Ammann 3 6 ) eine treffliche Beleuchtung hinsichtlich ihrer Quellen. Nicht nur das Höritzer Passionsspiel, von dem in unserem vorjährigen Berichte (JBL. 1892 III 4:35) die Rede war, ist durch das weitverbreitete Leben Jesu des Kapuziners Martin von Kochern beeinflusst, sondern auch viele andere Passions-, WTeihnachts- und Paradeisspiele aus Böhmen, Schlesien, Oberbayern, Steiermark und Kärnten, die von Weinhold, Peter, Hartmann und Schlossar herausgegeben sind, zeigen Entlehnungen aus diesem von Scherer trefflich charakterisierten, zuerst 1676 gedruckten Volksbuche. — Zu der Litteratur über das Oberammergauer Passionsspiel liefert die breite Reisebeschreibung von N i e d e n z u 3 1 ) einen wissenschaftlich wertlosen Beitrag. — Aus einem im Glanthale in Kärnten heimischen Spiele von Joseph und seinen Brüdern, dessen Aufführung vier Stunden beanspruch t, druckt F r a n z i s z i 38 ) die eingelegten acht Lieder der Schäfer, Josephs, des eingekerkerten Mundschenken und der begnadigten Brüder Josephs ab. — Unter den w e l t l i c h e n V o l k s d r a m e n steht diesmal das Volksschauspiel vom Doktor F a u s t obenan. Ueber K u n o F i s c h e r s 3 9 ) Einleitung zu Goethes Drama wird an anderer Stelle dieser Berichte gehandelt werden. — Die Frage, ob das deutsche Faustdrama auf Marlowe zurückgehe oder auf deutschem Boden erwachsen sei, wirft W e r n e r 4 1 1 ) von neuem auf. Er betrachtet die Erweiterungen, die Marlowes Stück in England durch ernste und komische Züge erfahren hat, und ib. S. 563-5. — 2 9 ) O F. L e i s t , Geich, a. Theaters in Bamberg bis z. J. 1862: BHVBamhg. N. 55; 278 S. — 3 0 ) (I 4:275.) — 31) R. H o d e r m a n n , Theatergesch. Erinnerungen. Gotha, (J. Goltsch). 12°. 15 S. M. 0,50. — 3 2 ) 0. B u b , D. dramat. Ennst ill Danzig v. 1615 bis 1893. Danzig, Bertling. 150 S. M. 2,50. — 33) W. C r e i z e n a c h , John Spencer: ADB. 35, S. 99-101. — 3 4 ) W . N e h r i n g , E. anbekannte Episode ans d. Leben J. Veltens: ZVLR. 6, S. 1!4. (Vgl. C. H e i n e : ib. 6, S. 150.) — 35) J. P a l u d a n , Dfsch. Wandertrappen in Dänemark: ZDPh. 25, S. 313-43. — 36) J. J. A m m a n n , D. Leben Jesu T. P. Hartinns v. Kochern als Quelle geistl. Volksschanspiele: ZVVolkslt. 3, S. 208-23, 300-29. — 3 7 ) A. N i e d e n z u , E. Heise z. d. Oberammergauer Passionsspielen im Sommer 1890 Wollstein, E. J. Scholz. 104 S. II. 1,60. — 3 8 ) F. F r a n z i s z i , Lieder ans d. Josefi-G'spiel: C&rinthia 83, S. 19-22. — 39) O X K u n o F i s c h e r , Goethes Faust. 3. Aufl. 2 Bde. 1. Kunstdichtnng TOT Goethe. 2. Entstehung, Idee n. Komposition d. Goethesohen Faust. St., Cotta. VIII, 220 S.; VI, 260 S. II. 8,00. (Vgl. II 3:25 and IV 8e.) - 4 0 ) K.M. W e r n e r , Fauststadien: ZOG. 44, S. 194-205. - 41) E l i s a b e t h M e n t z e l ,

V. Michels, Didaktik des 17./.18. Jahrhunderts.

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hebt hervor, dass einzelnes im Monologe des Helden, das Auftreten der beiden Lehrmeister in der Zauberei und der Selbstmordversuch nicht zu dem Spiessschen Faustbuche, sondern zu dem erst nach Marlowes Tode erschienenen Widmannschen Werke stimme, mithin schwerlich von Marlowe geschrieben sei. Ferner sucht er für die aus Schröders Bericht bekannte Danziger Faustaufführung von 1669 deutsche Parallelen nachzuweisen, während Creizenach bekanntlich die einleitende TeufelssceneausDekkers Stück „If this play be not good, the devil is in it" herleiten wollte. — Elisabeth Mentzel 4 1 ), die verdienstvolle Geschichtsschreiberin des Frankfurter Theaters, hat zwei bisher unbekannte Theaterzettel veröffentlicht, von denen der eine mutmasslich um 1730 von der Witwe des Marionettenspielers Neufzer ausgegeben ist; er nennt seinen Helden D. Joannes Faustus, ehemaligen Professor in Wittenberg. Die andere Ankündigung ist ausführlicher und stammt von der Neuberin, die am 7. Juni 1737 auf vieles Begehren und Nachfrage das ruchlose Leben und erschreckliche Ende des weltbekannten Erzzauberers D. Johann Faust gab. — In einer sonst anerkennenden Besprechung der Arbeit von Kraus über das böhmische Faust-Puppenspiel bekämpft E l l i n g e r 4 2 ) die Hypothese, das epische Faustlied sei mit dem „Prager ComoediLied" zu identifizieren und gebe den Inhalt einer Prager Aufführung des 17. Jh. wieder. — Eine von mir nicht gesehene englische Uebersetzung43) des Puppenspiels von Dr. Faust scheint auf Simrocks Text zu beruhen. — In einem neuen Hefte seiner deutschen P u p p e n k o m ö d i e n hat Engel 44 " 45 ) zwei ziemlich junge Stücke von dem 1858 entstandenen Münchener Marionettentheater „Don Juans zweites Leben, oder Kasperles Gefahren" und „Die Wasser- und Feuerprobe, oder Kasperle als Wunderdoktor" herausgegeben und ihnen den „Verlorenen Sohn" aus den Englischen Komödien von 1620 hinzugefügt, obwohl dies Stück durch Tittmanns Neudruck längst bequem zugänglich war. Der als Einleitung vorangestellte Beitrag zur Geschichte des Puppenspiels vereinigt einige brauchbare Notizen, verrät aber in literarhistorischen Fragen häufig den Dilettanten. — Aus einer kürzlich in den Besitz der 4 Kgl. Bibliothek zu Berlin gelangten Sammlung von Puppenspielhss. bespricht B o l t e 6 ) eine 1855 von dem sächsischen Marionettenspieler E. Möbius verfasste vieraktige Komödie „Hamlet, Prinz von Dänemark," die sich von dem Shakespeareschen Trauerspiele durch einen heiteren Abschluss und die eingefügte Rolle des lustigen Kasper unterscheidet. Möbius hat die Hamlet-Bearbeitung Schröders und zwar die dritte vermehrte Ausgabe von 1795 benutzt und sie in rücksichtsloser grober Weise, aber nicht ganz ohne theatralisches Geschick umgestaltet. —

111,5

Didaktik. Victor Michels. N a t i o n a l e s L e b e n : Spraohgesellschaften: Allgemeines N. 1; Casp. Stieler N. 2; -Pegnesisoher Blumenorden N. 3. — Satire: Teufellitteratnr N. S; Soldatenlab N. 6; Cresc. Steiger, H. Joeema N. 7; Mosoheroseh N. 9; Veridor von Stackdorn N. 11; Lauremberg N. 12; C.Abel N 15: Fluchpsalm N. 15a; Abraham aSancta Clara N. 16; J. P. de Meroel N. Ifta. — R e l i g i ö s e s L e b e n : F. äpanheim Vater und Sohn, B. Stosch, V. E. Löscher N. 17. — Die Mystik des Angelus Silesiua N.20a. — Pietismus: Allgemeines N. 21; SpenerN. 22; J. Gerhardt N. 26; Chrn. Scriver N. 27; Zinzendorf N.31; „Die schöne Seele", A. ß.Spangenberg N. 34; Mich. Hahn N. 36. — W i s s e n s c h a f t l i c h e s L e b e n : Gelehrtenbiographien: Fortunat Sprecher von Bernegg, Frhr. Ton nnd zn Stadl, J. K. Spener, B. G. Struye, J. J. Stübel, A. Stübel, Strunz N. 37; Th. G. Spitzel, J. J. Speidel, F. G. Strafe, J. L. Hocker N. 43. — Pädagogik nnd Unterrichtswesen: Morhof, moralische Wochenschriften N. 48. — LeibnizWolffisohe Philosophie N. 61. — Gottsched nnd die Seinen: Gottsched selbst N. 59; die deutsche Gesellschaft in Königsberg N. 61; die deutsche Gesellschaft in Basel N. 63. —

In dreifacher Weise bereitet sich in dem Deutschland des 17. Jh. ein grosser Umschwung vor, der für das geistige Leben des 18. die Vorbedingungen schafft. Langsam, freilich sehr langsam erwacht das Selbstgefühl der Nation, inmitten der Ausländerei des 30jährigen Krieges: die deutschen Sprachgesellschaften fördern die Liebe für die „Haupt- und Heldensprache", die Satiriker appellieren lebhaft an das Schamgefühl der Deutschen durch wenig schmeichelhafte Vergleiche mit dem Ausland und der Vorzeit. Allmählich vertieft sich das Gefühlsleben: die pietistische 2 Frankfurter Fanstanfflhrnngen in den 30er J. d. 18. Jh.: BFDH. 9, S. 229-47. — 42) G. E l l i n g e r , E. Kraus, D. böhmische Puppenspiel vom Dr. Faust (Tgl. JBL. 1892 III 4:43): ZDPh. 25, S. 421. — 43) The Life and Death of Dr. Johannes Faustus, Haster of the Black Art, as played by the Kasperle Company, and now first done out of German into English. London, Nntt. 63 S. Sh. 1. ¡[AZgB. N. 123]| — 44) X J- B o l t e , K. Engel, Dtsch. Puppenkomödien 11. (Vgl. JBL. 1892 III 4:42.): DLZ. S. 679-80. — 43) K. E n g e l , Dtsch. Puppenkomödien 12. Oldenburg, Schulze. XXVIII, 86 S. U. 1,20. |[G. E U i n g e r NatZg. N. 353 JI — 46) J. B o l t e , Hamlet als dtsch. Puppenspiel: JbDShakespeareGes. 28, S. 157-76. -

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hebt hervor, dass einzelnes im Monologe des Helden, das Auftreten der beiden Lehrmeister in der Zauberei und der Selbstmordversuch nicht zu dem Spiessschen Faustbuche, sondern zu dem erst nach Marlowes Tode erschienenen Widmannschen Werke stimme, mithin schwerlich von Marlowe geschrieben sei. Ferner sucht er für die aus Schröders Bericht bekannte Danziger Faustaufführung von 1669 deutsche Parallelen nachzuweisen, während Creizenach bekanntlich die einleitende TeufelssceneausDekkers Stück „If this play be not good, the devil is in it" herleiten wollte. — Elisabeth Mentzel 4 1 ), die verdienstvolle Geschichtsschreiberin des Frankfurter Theaters, hat zwei bisher unbekannte Theaterzettel veröffentlicht, von denen der eine mutmasslich um 1730 von der Witwe des Marionettenspielers Neufzer ausgegeben ist; er nennt seinen Helden D. Joannes Faustus, ehemaligen Professor in Wittenberg. Die andere Ankündigung ist ausführlicher und stammt von der Neuberin, die am 7. Juni 1737 auf vieles Begehren und Nachfrage das ruchlose Leben und erschreckliche Ende des weltbekannten Erzzauberers D. Johann Faust gab. — In einer sonst anerkennenden Besprechung der Arbeit von Kraus über das böhmische Faust-Puppenspiel bekämpft E l l i n g e r 4 2 ) die Hypothese, das epische Faustlied sei mit dem „Prager ComoediLied" zu identifizieren und gebe den Inhalt einer Prager Aufführung des 17. Jh. wieder. — Eine von mir nicht gesehene englische Uebersetzung43) des Puppenspiels von Dr. Faust scheint auf Simrocks Text zu beruhen. — In einem neuen Hefte seiner deutschen P u p p e n k o m ö d i e n hat Engel 44 " 45 ) zwei ziemlich junge Stücke von dem 1858 entstandenen Münchener Marionettentheater „Don Juans zweites Leben, oder Kasperles Gefahren" und „Die Wasser- und Feuerprobe, oder Kasperle als Wunderdoktor" herausgegeben und ihnen den „Verlorenen Sohn" aus den Englischen Komödien von 1620 hinzugefügt, obwohl dies Stück durch Tittmanns Neudruck längst bequem zugänglich war. Der als Einleitung vorangestellte Beitrag zur Geschichte des Puppenspiels vereinigt einige brauchbare Notizen, verrät aber in literarhistorischen Fragen häufig den Dilettanten. — Aus einer kürzlich in den Besitz der 4 Kgl. Bibliothek zu Berlin gelangten Sammlung von Puppenspielhss. bespricht B o l t e 6 ) eine 1855 von dem sächsischen Marionettenspieler E. Möbius verfasste vieraktige Komödie „Hamlet, Prinz von Dänemark," die sich von dem Shakespeareschen Trauerspiele durch einen heiteren Abschluss und die eingefügte Rolle des lustigen Kasper unterscheidet. Möbius hat die Hamlet-Bearbeitung Schröders und zwar die dritte vermehrte Ausgabe von 1795 benutzt und sie in rücksichtsloser grober Weise, aber nicht ganz ohne theatralisches Geschick umgestaltet. —

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Didaktik. Victor Michels. N a t i o n a l e s L e b e n : Spraohgesellschaften: Allgemeines N. 1; Casp. Stieler N. 2; -Pegnesisoher Blumenorden N. 3. — Satire: Teufellitteratnr N. S; Soldatenlab N. 6; Cresc. Steiger, H. Joeema N. 7; Mosoheroseh N. 9; Veridor von Stackdorn N. 11; Lauremberg N. 12; C.Abel N 15: Fluchpsalm N. 15a; Abraham aSancta Clara N. 16; J. P. de Meroel N. Ifta. — R e l i g i ö s e s L e b e n : F. äpanheim Vater und Sohn, B. Stosch, V. E. Löscher N. 17. — Die Mystik des Angelus Silesiua N.20a. — Pietismus: Allgemeines N. 21; SpenerN. 22; J. Gerhardt N. 26; Chrn. Scriver N. 27; Zinzendorf N.31; „Die schöne Seele", A. ß.Spangenberg N. 34; Mich. Hahn N. 36. — W i s s e n s c h a f t l i c h e s L e b e n : Gelehrtenbiographien: Fortunat Sprecher von Bernegg, Frhr. Ton nnd zn Stadl, J. K. Spener, B. G. Struye, J. J. Stübel, A. Stübel, Strunz N. 37; Th. G. Spitzel, J. J. Speidel, F. G. Strafe, J. L. Hocker N. 43. — Pädagogik nnd Unterrichtswesen: Morhof, moralische Wochenschriften N. 48. — LeibnizWolffisohe Philosophie N. 61. — Gottsched nnd die Seinen: Gottsched selbst N. 59; die deutsche Gesellschaft in Königsberg N. 61; die deutsche Gesellschaft in Basel N. 63. —

In dreifacher Weise bereitet sich in dem Deutschland des 17. Jh. ein grosser Umschwung vor, der für das geistige Leben des 18. die Vorbedingungen schafft. Langsam, freilich sehr langsam erwacht das Selbstgefühl der Nation, inmitten der Ausländerei des 30jährigen Krieges: die deutschen Sprachgesellschaften fördern die Liebe für die „Haupt- und Heldensprache", die Satiriker appellieren lebhaft an das Schamgefühl der Deutschen durch wenig schmeichelhafte Vergleiche mit dem Ausland und der Vorzeit. Allmählich vertieft sich das Gefühlsleben: die pietistische 2 Frankfurter Fanstanfflhrnngen in den 30er J. d. 18. Jh.: BFDH. 9, S. 229-47. — 42) G. E l l i n g e r , E. Kraus, D. böhmische Puppenspiel vom Dr. Faust (Tgl. JBL. 1892 III 4:43): ZDPh. 25, S. 421. — 43) The Life and Death of Dr. Johannes Faustus, Haster of the Black Art, as played by the Kasperle Company, and now first done out of German into English. London, Nntt. 63 S. Sh. 1. ¡[AZgB. N. 123]| — 44) X J- B o l t e , K. Engel, Dtsch. Puppenkomödien 11. (Vgl. JBL. 1892 III 4:42.): DLZ. S. 679-80. — 43) K. E n g e l , Dtsch. Puppenkomödien 12. Oldenburg, Schulze. XXVIII, 86 S. U. 1,20. |[G. E U i n g e r NatZg. N. 353 JI — 46) J. B o l t e , Hamlet als dtsch. Puppenspiel: JbDShakespeareGes. 28, S. 157-76. -

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Bewegung — das Wort im weitesten Sinne genommen — setzt ein, und die Religion wird mehr als im 16. Jh. Herzensangelegenheit. Ganz allmählich erstarkt aber auch in allen Wirren und in der Roheit des Lebens der wissenschaftliche Sinn: die massenhafte und stumpfsinnige Anhäufung von Wissensmaterial weiss ein universeller Geist wie Leibniz zu nutzen, und in der Philosophie entsteht die Centralsonne, die nach allen Seiten Licht und Leben spendet. Wer auf irgend einem Gebiete die gelehrte Arbeit eines Jahres zur Erforschung des 17. Jh. mustert, darf sich fragen, wie weit dieser dreifachen Umbildung Rechnung getragen ist. Wenn wir zunächst die das n a t i o n a l e L e b e n fördernden Werke mustern, so werden wir in die Kreise der S p r a c h g e s e l l s c h a f t e n , über deren Entstehung uns ein a l l g e m e i n gehaltener, populärer Aufsatz von K. S c h e r e r 1 ) belehrt, durch den Namen C a s p a r S t i e l e r s hineingeführt. Dem als „Spaten" mit dem Spruch „Uebertrifft den Frühzeitigen" in die fruchtbare Gesellschaft aufgenommenen, als Dichter und Sprachbildner thätigen Polygraphus widmet E d w . Schröder 2 ) einen kurzen Artikel. Die Identifizierung mit „Filidor dem Dorferer", die schon Rudolphis Erfurter Programm vom J. 1872 als unwahrscheinlich erwiesen hatte, lehnt Sch. entschieden ab. Die beiden echten Dramen Stielers vom J. 1680 tragen wesentlich anderen Charakter als die Rudolstädter Festspiele. Die „Ballemperie" wird auf Grund einer Mitteilung Boltes indirekt auf Kyds „Spanish Tragedy" zurückgeführt ; das Lustspiel „Willmut" in Zusammenhang gebracht mit den allegorischen Lehrstücken, deren erster Repräsentant der Göttinger H. Tolle ist. — Nur indirekt berührt es die Forschung über das 17. Jh., dass der P e g n e Neues aus dem Blumens i s c h e B l u m e n o r d e n in seinem zweiten Album „Altes und orden" der Welt wiederum ein Lebenszeichen gegeben hat3). „Mit Nutzen erfreulich zu sein" erscheint auch den Nachfahren der Harsdörffer und Bircken als der Zweck des Ordens. Die Freude an der alten Tradition berührt wohlthuend in dem Nürnberg, dessen Stadtverwaltung sich neuerdings gegen die alten Mauern mit moderner Barbarei versündigt; und dass sich dabei ein harmloser Dilettantismus in Poesie und Prosa ergeht, wird niemand verdenken. Der Präsident W. Beck, welcher in seinen Gedichten ein freundliches Formtalent zeigt, leitet die Vorträge ein mit einem historischen Ueberblick von 1644—1886 „Zweck und Ziel des Pegnesischen Blumenordens". Georg Freiherr von Kress handelt mit tüchtiger Kenntnis über gelehrte Bildung im alten Nürnberg und das Studium der Nürnberger an italienischen Hochschulen. Vorträge über Uhland von Mummenhoff, über Grillparzer von Volbehr, über Martin Greifs „Konradin" von August Schmidt, Schillers „Braut von Messina" von J. P. Rèe, Shakespeares „Kaufmann von Venedig" von Adolf Freiherrn v. Scheurl, Lessings (d. h. Weidmanns) „Faust" auf der Nürnberger Bühne von H. Pfeilschmidt bekunden das Interesse der Mitglieder für Literaturgeschichte.4) — Für die Kenntnis der volkstümlichen S a t i r e liegen mannigfache neue Beiträge vor. Nur Nachwirkungen der T e u f e l l i t t e r a t u r des Reformations-Zeitalters sind es, die Osborn 5 ) im letzten Teil seines Buches verfolgt, an der Hand vonGoedeke, aber doch selbständig prüfend und nachsammelnd. Zahlreich, führt er aus, sind im 17. Jh. die Auflagen und Nachahmungen von Musculus „Hosenteufel". Moscherosch nennt im „Alamode Kehraus" im Sinne von Musculus, Osiander, Strauss den Teufel als Urheber der Modethorheiten, und der Redaktor der „Hosenteufel"-Ausgabe von 1623 prägt den Namen „Alamode-Teufel". Der starre Weiberfeind Ellinger schreibt 1629 einen „Allmodischen Kleyder-Teuffel" in drei Teilen; ein halbes Jh. später (1679) folgen ein patriotischer Anonymus mit seinem „Teutsch-Frantzösischen Alamode-Teufel" und Joh. Ludw. Hartmann ebenfalls mit einem „Alamodeteufel". Auf den Anonymus, dessen Werk bei Goedeke fehlt, stützt sich 1682 Michael Freud der Aeltere — bei Goedeke fälschlich Freund genannt —, der vergeblich mit Spener Fühlung zu gewinnen sucht. Der Titel klingt noch am zeitgemässesten: „Alamode Teuffei oder Gewissensfragen von der heutigen Tracht und Kleider Pracht"; im übrigen segeln wir nach O.s Angaben ganz im Fahrwasser des „Theatrum Diabolorum". Ebenso findet im 17. Jh. der „Gesindeteufel" von Glaser Nachahmung. 0. hat einen „Siebenfältigen Ehehalten-Teuffel" von Tobias Wagner, Ulm 1651, jetzt in der Kgl. Bibliothek zu Berlin aufgefunden. Auf ihn folgt Balthasar Schupp 1658 und auf diesen 1693 Philemon Menagius mit einem dickleibigen Opus. Ein Buch, das sich an Cyriacus Spangenbergs Werk „Wider die böse Sieben ins Teuffels Carnöffelspiel" anschliesst, hat 0. in dem Werk eines Mannes entdeckt, der sich Christian Warner nennt, weil er ein christlich Warnender sein möchte. Ein „Soldatenteufel" entstand 1633 durch Arnold Mengering; ein „Fastnachtteufel" 1672 durch Lubertus : 0. hat die von Goedeke 1 ) K . S o h e r e r , Dtsch. Sprachgesellschaften im 17. Jh.: DN.Ib. 3, S. 122-32. - 2) E d w . S c h r ö d e r , Easpar (T.) Stieler: ADB. 36, S. 201/3. — 3) Altes nnd Neuen aas dem Pegnesischen Blnraenorden. 11. Nfirnberg, Schräg. VI, 293 S. M. 3,00. — 4) X H. S c h n i t z , H. Graf, D. „Spraehverderber" (vgl. JBL. 1892 m 5 : 6 ) : ADA. 19, S. 90/1. — SI II. O s b o r n , D. Tenfellitt. d. 16. Jh. ( = Acta Germanica her. v. R. H e n n i n g n. J. H o f f o r y . Bd. 3,

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citierten Werke eingesehen. Der „Saufteufel" muss schon um die Wende des 16.—17. Jh. durch H. Ammersbach aufgelebt sein. Es wird ein als zweite Auflage bezeichneter Druck von 1605 angeführt. Als eine interessante Erscheinung tritt trotz der etwas knappen Angaben O.s der „Gewissensteufel" von Heinrich Decimator aus der Masse hervor. Es ist der Teufel, der den Menschen nach den Sünden nagende und verzehrende Vorwürfe ins Herz legt und sie dadurch von dem frommen Gottvertrauen abzieht. Das 16. Jh. kannte den melancholischen Teufel; aber wir spüren in dieser Schöpfung aus dem J. 1604 doch schon das allererste WTehen einer neuen Zeit, die sich von dem starren Luthertum loslöst: Anlehnung an die Mystik ist zu konstatieren. Flüchtig berührt O. weiterhin Aegidius Albertinus, Moscherosch, Balthasar Kindermann-Curandor, Veridor von Stackdorn, Zeidler. Für Kindermann hat er die Biographie von Kawerau (siehe JBL. 1892 III 5:5), für Stackdorn die von Roethe (s. u. N. 11) noch nicht benutzen können. Etwas ausführlicher geht 0. auf die Schriften von Joh. Ludw. Hartmann ein. In einem knappen Schlusswort führt er dann aus, wie allmählich die Teufellitteratur abstirbt. Der zunehmenden Aufklärung und ihrer Wirkung auf den Dämonenglauben wird nicht' gedacht, treffend aber betont, wie die pietistische Bewegung so grober Mittel, um auf die Seelen zu wirken, nicht mehr bedurfte. Die Briefe Speners an Michael Freud, die 0. nur eben streift, sind höchst bezeichnend. Kühl erklärt gegen Ende des Jh. Zeidler: „Man muss sich an die Redensarten nicht kehren, dass die lieben Alten so einfältig gewesen und alles, wie es ihnen ins Maul kommen, Teuffei geheissen, nach dem Sprüchwort: homo homini diabolus. Was mich anlanget, fürchte ich mich weder vor dem Teuffei, noch vorm grossen Mogul." An eine Einwirkung der Teufellitteratur auf den jungen Schiller glaubt O. im Gegensatz zu Minor nicht. — Ein ungedrucktes S o l d a t e n l o b vomJ. 1644 teilt W e rn er •) neben gleichgültigeren, aus Hs. geschöpften Mitteilungen (zwei satirischen Grabschriften, einer Wetterregel, einem Reimbüchlein) unter dem Titel „Zur Volkslitteratur" mit. Das Lied warnt die ehrliebenden Soldaten in nervösem Eifer vor den Lastern derer, die den Kriegerstand durch ihr Treiben schänden. Merkwürdig, wie nahe manche Strophen mit ihrer aufgeregten Rhetorik dem bekannten Weberliede vom J. 1844 rücken. Aus den Kreisen des von der Soldateska des 30jährigen Krieges gepeinigten Mittelstandes ist das Lied wohl hervorgegangen; schwerlich aus Soldatenkreisen. W. kennt auch einen Druck in der Kgl. Bibliothek zu Berlin; M a r k g r a f 8 « ) fügt einen in der Breslauer Stadtbibliothek hinzu. — Den Vf. des „Wachtelgesanges" von 1621 gegen die „Kipper und Wipper", Cresc. S t e i g e r , hat R o e t h e 7 ) hübsch und lebendig charakterisiert. Er vermutet, dass Steiger ein Obersachse gewesen sei, und dass sich die zahlreichen Anspielungen auf lokale Verhältnisse des obersächsischen Kreises beziehen. Der Name ValdeJoachimicus werde nur seine dringende Wertschätzung der alten vollwichtigen Joachimsthaler ausdrücken. — Den bibliographischen Apparat für Herrn. J o s e m a s (des Jesuitenpaters Hammer) „Prädikantenlatein" und die Gegenschriften (vgl. Goedeke, Grundriss 2. Aufl. 2, S. 287) vervollständigt Bahlmann 8 ). — Seiner Münchener Dissertation über M o s c h e r o s c h vomJ.1891 hat Pariser 9 ) einen Neudruck der „Insomnis Cura Parentum" folgen lassen und sich damit ein Verdienst um den herrlichen Mann erworben, der in schweren Zeiten seine Kinder mit dem Bibelwort trösten konnte: „Es ist ein köstlich Ding einem Manne, dass er das Joch in seiner Jugend trage", dessen sittliche Grösse und Tiefe, dessen ernste und männliche Frömmigkeit, dessen schriftstellerische Würde und Wucht in diesem wenig gelesenen Schriftchen wahrhaftig nicht weniger imponierend zu Tage tritt, als in den vielgelesenen „Gesichten Philanders von Sittewald". Nur hätte P. dem Abdruck immerhin noch etwas grössere Sorgfalt schenken können. Es begegnen zu viel Druckfehler. So ist einmal (S. 69) eine ganze Zeile zweimal gesetzt. P. hätte wohl auch aus der zweiten Strassburger Ausgabe von 1647 (A,), die er mit nicht ganz durchschlagenden Gründen für einen Nachdruck erklärt, das englische „Traktätlein", das Moscherosch zu seiner Schrift veranlasste, durch Neudruck zugänglicher machen können. Dass er das nicht gethan hat, ist um so mehr zu bedauern, als inzwischen das einzige Exemplar der Ausgabe von 1647, das die Göttinger Universitätsbibliothek besass, verloren gegangen ist. Auch die „5 Creutz Gebettlein", die Moscherosch der ersten Ausgabe „zu Gewinnung der vbrigen, sonst verlohrnen blätterlein" angehängt hat, vermisse ich ungern. — H. S c h l o s s e r 1 0 ) hat eins davon biographisch verwertet. Fleissige Lokalforschungen haben diesen zu interessanten Ergebnissen geführt. Er Heft 3). B., Mayer & Malier. VI, 236 S. M. 7,00. (S. 1-56 auch als Berliner Dias, anter d. Titel: Theatrnm Diabolorum. 1. T.) — 6) R. M. W e r n e r , Z. Volkslitt.: VLG. 6, S. 290-300, 433-48. (S. o. III 2 : 2.) — 6 a ) (HI 2:3.) — 7) 8. R o e t h e , Cresc. Steiger: ADB. 35, S. 580. — 8) P- B a h l m a n n , Herrn. Joseinas (i. e Joh. Hammers) Pridiksnten-Latein: CBlBibl. S. 271/5. — 9) L. P a r i s e r , Insomnis Cnra Parentum v, Hans Hichel Mosoherosch. Abdr. d. 1. Ausg. (1643). ( = NDL. N. 108/9.) Halle a. S„ Niemeyer. VIII, 139 S. M. 1,20. — 10) H. S c h l o s s e r , Joh. Mich Moscherosch n. d. Burg Geroläseck im Wasgan:

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weist nach, dass die Burg, die Moscherosch Geroldseck iin Wasgau nennt und mit ihrer Umgebung zum Schauplatz der letzten der sieben „Gesichte Philanders von Sittewald" gemacht hat, nicht die gemeinhin Geroldseck am Wasichen oder im Wasichen genannte Burg Geroldseck bei Zabern sein soll, sondern Geroldseck an der Saar, unterhalb von Finstingen. Moscherosch scheidet („Soldatenleben" S. 792) ausdrücklich „das gross Elsasische Vorgeburg" „auf Latein Vogesus, auf Frantzösisch Voge, auf Teutsch Wassigin" (wofür er auch „Wass-Gebürge" sagt) und „das Land so hinder selbigem Gebürg ligt, biss auff Weissenburg", „geheyssen das Wassgaw", d. h. genauer die niederen oder nördlichen Vogesen, von Zabern bis nach Weissenburg, sowie das westlich daran stossende und bis zur Saar sich erstreckende Hochland. Er stellt ausdrücklich dem „Geroltz-Eck am Wassigin" die „alte Burg Geroltz-Eck" im Wasgau gegenüber, „von deren ich diese Gesichte geschrieben". Sch. thut dar, dass auf Geroldseck an der Saar alles zutrifft, was Moscherosch gelegentlich über die Lokalitäten fallen lässt. Ein gut Stückchen Selbstbiographie ist in die „Gesichte Philanders" eingewebt, wie immer deutlicher wird. Herzog Ernst Bogislaw von Croy und Arschot, bei dem Moscherosch als Amtmann in Diensten stand, war Mitbesitzer von Geroldseck. Der Ausgangspunkt jener Wanderung, die Philander (d. i. Moscherosch) bei Beginn des zweiten Teils der Gesichte unternimmt, um auf den Berg Parnassus zu gelangen, und die er dann auf Schloss Geroldseck beschliesst, kann nur Moscheroschs damaliger Aufenthaltsort Finstingen sein. Wenn Philander sich stellt, als wolle er ^nur in die Gärten spatzieren", so ist an die fürstlich Croyschen Gärten vor der Stadt gedacht. Das Wasser, an dem er hinunterschleicht, ist die Saar. Der „Bronnen unden am Brudergarten genant" ist die gegenwärtig Muttergottesbrunnen genannte Quelle bei der Notre Dame de Bon Secours gewidmeten Wallfahrtskapelle Brüdergarten. Durch genaue Beschreibung und ein beigegebenes Kärtchen wird der Weg, den Philander nimmt, klar. Er will ins Köllerthal bei Saarbrücken und betritt zunächst den oberen Teil des Brüderwaldes, die Wasserscheide zwischen Isch und Saar überschreitend. Von seiner östlichen Grenze, der heutigen Bezirksgrenze an, verfolgt er einen „Altweg", nach Sch. einen Weg, der sich längs der Bezirksgrenze von der heutigen Strasse Finstingen-Posdorf bis auf den Hirschberg, oberhalb Kirberg erstreckt. Er geht weiter auf der heutigen Strasse nach Posdorf: denn der „Hohlweg", an dem er plötzlich etliche Reiter erblickt, ist der sogenannte „Hohlackerweg", der einst Posdorf mit dem 1523 eingegangenen Ort Ohlingen verband. Wenn die Reiter Philander zwingen, mit ihm „überzwerchs zuruck durch den Wald" auf die Matten zu gehen, so muss er von hier, der jetzigen Wiese GrossEschermatt-Burggraben, Schloss Geroldseck an der Saar erblicken. Was Philander von dem Innern der Burg berichtet, ist grossenteils Phantasie, doch nicht ohne alle reale Grundlage. Mit dem mehrfach erwähnten „Burgthurn" muss der Wartturm von Geroldseck an der Saar gemeint sein: Geroldseck bei Zabern hatte mehrere Türme. Die Saar fliesst unmittelbar an der Burg vorbei. „Die Sar hienegst bey", „die Saar alhie" heisst es („Alamode Kehraus" S. 65, 129). Philander steht vom Tisch auf „hinaus an das Ufer der Saar zu spatzieren"; ein Schiff ist „unden vor der Burg angelandet" („Hanss hienüber, Ganss herüber" S. 222). Das Echo, das jenseits des Wassers „nechst bey einem Birnbaum an dem Hübel, rieht gegen dem Schloss über, unden am Steinsal" aufgesucht wird, ist noch heute vorhanden, allerdings längst nicht so wundervoll, wie Moscherosch angiebt. „Steinsal, wo Fried Wolfis Vater wohnete" ist das nahgelegene Dorf Niederstinzel; und hier war in der That Christoph Wolfram, der Vater des „frommen, andächtigen, würdigen Friedrich Wolffram von Steinsall", dem das Gesicht „Hanss hienüber, Ganss herüber" in der Auflage von 1666 gewidmet ist, bis zum J. 1630 Pfarrer. Die Rittersmatt, auf der im „Weiberlob" ein Turnier stattfindet, ist die heutige Rickerts- oder Rickersmatt. Sch. versucht auch den Standort der im Gesicht „Thurnier" erwähnten hohen Eiche im Ischwald zu bestimmen, indem er sie mit der „Drudden-Eiche" identifiziert, die in der Widmung des ersten Teils der „Gesichte" an Pfalzgraf Karl Gustav genannt wird. Die von Philander auf seiner Flucht aus Geroldseck besuchte Kirche mit der fingierten Inschrift „Domus Vasalli" ist deutlich die Kirche des Dorfes Domfessel. Moscherosch hat Anspielungen auch auf Personen seiner Zeit und Umgebung eingestreut. Erstens ist, wie erwähnt, Friedwolff eine wirkliche Persönlichkeit, Moscheroschs Schwager, der Pfarrer Friedrich Wolffram, und Sch. weist nach, dass das Erlebnis, auf das Philander-Moscherosch anspielt, wenn er erzählt von der ihm und Estacker (d. i. Esther Ackermann, Moscheroschs erster Frau) „von etlichen Jahren hero in der eussersten Not erwiesener Freundestreue", wahrscheinlich 1632 kurz vor dem Tode der Esther stattfand. Ferner hat der Satiriker bei dem altgermanischen Helden Kalofelss nach Sch.s Ermittlungen an den Rittmeister Johann Heinrich von Steinkallenfels gedacht, der, unter Bernhard von Sachsen-Weimar stehend, den Winter 1636—37 in Finstingen zubrachte und vermutlich die Besatzung des Orts kommandierte. Dass

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mit den drei Feinden, vor denen Philander aus Geroldseck flieht, auf Moscheroschs eigene Feinde gestichelt sei, ist längst bemerkt, auch dass unter Don Unfallo Daniel Vogel verstanden ist. Mit Mutius Jungfisch dürfte, wenn Sch. das Richtige trifft, Moscheroschs Kollege, der Amtmann des Herzogs von Havré François Thomas, gemeint sein; Don Thraso Barbaviso könnte Jean de Tepp geheissen haben (wegen Epigr. III, 41 „in Schandetepp"). Moscherosch hat endlich auch bei Schilderung der Raubzüge der „löblichen Gesellschaft Moselsar", an denen Philander teilnimmt, eigene Erlebnisse verwertet. Das „Alt-Stättlein", das der Bande zum Schlupfwinkel dient, ist Saarbrücken, Venustingen natürlich Finstingen. Der schwarze Amtmann aber, den die Marodeurs bei der „Ringmatt", das ist dem heutigen „Ring", überfallen und niederhauen wollen, weil er durch lose Leute namentlich durch Don Unfallo „mit allerhand auffgedichteten Sachen angegeben gewesen", ist Moscherosch selbst. Auf Grund des „Gebets in verlust zeitlicher Güter" vom 6. Sept. 1641, das sich im Anhang der „Insomnis Cura" befindet, verlegt Sch. den Ueberfall auf den 5. Sept. 1641. Zur Zeit der Abfassung der Gesichte lag Geroldseck, wie Sch. gegen X. Kraus ausführt, schon in Trümmern. Schwerlich hat Moscherosch in der Burg sein Werk niedergeschrieben, sondern zu Finstingen im Salmischen Hause, das dem Schlosse gegenüberstand. Was er von den alten Helden in Geroldseck erzählt, beruht nicht auf Volkssage, sondern ist seine Erfindung. — Einen Nachahmer der „Gesichte Philanders von Sittewald", der sich V e r i d o r v o n S t a c k d o r n nennt, hat R o e t h e 1 1 ) in gewissem Sinne erst entdeckt: denn er war trotz der Erwähnung bei Goedeke und Menzel vorher gänzlich unbeachtet geblieben. R. weist auf das reiche kulturhistorische Material hin, das namentlich im dritten Teil der „gross angelegten, ekelhaften" Beschreibung des teuflischen Reiches (Leipzig 1664) stecke. Stackdorns Einkleidung lasse sich aus der reichen Teufelslitteratur im Bunde mit Moscheroschs „Schergenteufel" und „Höllenkindern" ableiten. — Einen Beitrag zur Biographie L a u r e m b e r g s verdanken wir H o f m e i s t e r 1 2 ) , nämlich die Mitteilung des Universitätszeugnisses, das Hans Wilmsen Lauremberg 1616 beim Abschied von Rostock durch den Rektor Quistorp erhielt. Dessen enthusiastische Lobsprüche sind schwerlich zu überbieten. — Den Ausdruck „Karren Amme ere flaschen" in Laurembergs Scherzgedichten (II, 106) erläutert P u l s 1 3 ) in einem für den vorjährigen Bericht übersehenen Aufsatz durch den Hinweis auf Fischarts Geschichtklitterung (vgl. NDL. N. 65/7, S. 168): „Vier Milchflaschen das ist zwo Säugammen", woraus erhellt, dass Flasche ein scherzhafter Ausdruck für Brust ist. — Für den Ausdruck „den schnöden fulen Gast" (II, 369), den er (in JbVNiederdSpr. 5, S. 186) mit „Stank" erläutert hatte, bringt S p r e n g e r 1 4 ) , was auch schon im vorigen Jahre hätte erwähnt werden sollen, einen Verweis auf Vilmars Kurhessisches Idiotikon (S. 116): „Garst bedeutet ursprünglich den Aasgestank, garstig, stinkend wie Aas", ferner auf Alberus (Dictionarium Bl. n 4 a): „Stancar die feule des Fleisches, garstigkeiten". — Ein Nachahmer Laurembergs und Rachels, Caspar A b e l , hat einen anonymen Verehrer 15 ) gefunden, der die drei plattdeutschen Satiren „Ein Gespräch vom Frauenvolk und dem Ehestande", „Ein Gespräch vom Mannvolke und dem Ehestande" und „Die verkehrte Welt" im J. 1891 in einem geschmackvoll ausgestatteten Neudruck publiziert hat. Leider ist diese hübsche Ausgabe, wie es scheint, so gut wie gar nicht beachtet und auch an dieser Stelle seinerzeit übersehen worden. Der Herausgeber hat sich aber ein entschiedenes Verdienst erworben, dass er diese in Abels Boileau-Uebersetzung (1729) ziemlich versteckten Dichtungen bequem zugänglich gemacht hat. Sie haben keine grosse Tiefe, aber eine leichte Anmut: der Alexandriner fliesst sanft dahin. Schon den Uebersetzer Boileaus wird man geneigt sein den deutschen Horazianern Canitz und Neukirch anzureihen; das Muster der horazischen Sermonen ist auch auf seine eigene Dichtungen nicht ohne Einfluss geblieben. Die zweite Satire beginnt mit einem „Ibam" („Neulich ging ich an das Dohr in Gedanken und spatzeren") und geht alsbald in ein munteres Geplauder über. Der Dichter belauscht das Gespräch von Barbe und Suse, zwei betagten Jungfern, über die Männerwelt. Am flottesten ist die erste Satire mit ihren priamelhaften Partien, ihren gehäuften Anaphern. Weil ein längst Verstorbener in populärer Weise ohne jedes gelehrte Beiwerk Thorheiten geissele, die nicht zum wenigsten heute gegeisselt zu werden verdienen, sagt die knappe Vorrede, ist diese Edition, die keine wissenschaftlichen Ansprüche macht, für ein gebildetes Publikum veranstaltet worden. BSCMHAlsace. 16, S. 10-83. — II) G. E o e t h e , Veridor t . Stackdorn: ADB. 35, S. 777. — 12) A. H o f m e i s t e r , Hans Wilmsen Laurembergs Abgangszeugnis r. d. Univ.: JbbliecklGR. 2, S. 17/8. — 13) A. P u l s , Zu Laurembergs Scherzgedichten: KB] VNiederdSpr. 15, S. 53. — 14) E. S p r e n g e r , Zu Lanrembergs Scherzgedichten: ib. 16. S. 39. — 15) Casp. Abel, E. Gespräch v. Fraoenvolck n. d. Ehestande (1696); E. Gespräch vom Mannvoloke n. d. Ehestande (1717); D. verkehrte Welt, Drei plattdtsch

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V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts.

S e e l m a n n s Recension, der ich den Hinweis auf die Ausgabe verdanke, lobt sie in Bezug- auf Ausstattung und Korrektheit des Drucks, tadelt aber die Auslassungen, die den Wert der Ausgabe für litterarhistorische Zwecke beeinträchtigten. — In Anlehnung an diese Niederdeutschen sei erwähnt, dass ein F l u c h p s a l m in niederdeutscher Sprache durch Glöde 1 & a ) in einem Codex entdeckt wurde, der ein Exemplar der Erstlinge von Schröders Wismarscher Chronik von 1732, 1734 und 1743, sowie eine Schrift zur 500jährigen Jubelfeier der Domkirche St. Cäcilien zu Güstrow von 1726 enthält. Den Kirchen- und Schuldienern wird ihr Unterhalt von seiten des Fürsten versprochen und angedroht, dass sich der Segen Gottes bei ihnen in Fluch wandeln werde, falls sie ihr Amt ungetreu verwalten. Man schreibe ihn, heisst es, „dem Herrn Johanni Theologo" zu, „dass er ihn verfertiget, und er soll zuZeiten in den Kirchen gesungen sein.'^ — T e c h e n 1 5 b ) verweist dazu auf Bachmanns „Geschichte des evangelischen Kirchengesanges" (S. 317), Schröders „Evangelisches Mecklenburg" (1, S. 508/9), und G. verspricht eine weitere Untersuchung. — Eine ganz äusserliche und schwerlich erschöpfende Zusammenstellung der Sprichwörter, sprichwörtlichen Redensarten und bildlichen Wendungen bei Abraham a S a n c t a C l a r a hat L a u c h e r t 1 6 ) gegeben. — Walthers (vgl. JBL. 1890 III 5 : 31) Vermutung, G. Schültze aus der Altmark sei der Vf. von J. P. de Memels „Lustiger Gesellschaft", weist Gerhard 1 6 ") zurück. — Am eingehendsten ist diesmal die r e l i g i ö s e Bewegung behandelt worden. Ein paar biographische Arbeiten seien vorweg erwähnt. Den beiden ehrenfesten Calvinisten, F. S p a n h e i m dem V a t e r (1600—49) und F. S p a n h e i m dem S o h n (1632—1701) haben Tschackert 1 7 ) und Cuno 1 8 ) kurze biographische Artikel gewidmet. — Eingehender handelt über B a r t h . S t o s c h auf Grund umfangreicher Forschungen L a n d w e h r 1 9 ) . Stosch übte als kurbrandenburgischer Hofprediger in den J. 1644—69 einen Einfluss auf die Kirchenpolitik Friedrich Wilhelms des Grossen Kurfürsten aus; er stammte aus einer ursprünglich lutherischen Familie; sein Vater war zur reformierten Kirche übergetreten. Stosch selbst, seit 1646 in engster Beziehung zur Kurfürstin Luise Henriette, seit 1659 Konsistorialrat, wirkte auch nach L.s Darstellung im Sinne jener Versöhnungspolitik zwischen Lutheranern und Reformierten, bei welcher die letzteren an Boden gewannen. So ging er dem Oberpräsidenten Otto von Schwerin an die Hand. L. schildert die Streitigkeiten mit der lutherischen Geistlichkeit und hat die Bibliotheken Preussens uud Deutschlands nach Schriften von Stosch und seinen Gegnern eifrig durchforscht. Nach dem Tode der Kurfürstin 1667 und dem Abgang von Schwerin 1669 trat Stosch mehr in den Hintergrund. — Von späteren Lutheranern hat der um Kirch- und Schulwesen in Sachsen verdiente, als Prediger hervorragende Dresdener Theolog V a l . E r n s t L ö s c h e r in dem Pastor B1 an ck m e i s t er 2 0 ) einen etwas superlativisch arbeitenden Biographen gefunden. — D i e M y s t i k d e s A n g e l u s S i l e s i u s suchte Mahn 20 ») in ein System zu bringen. Dem verdienstlichen Werk von Kern gegenüber (1866) rettet er die Einheitlichkeit in Schefflers Denken, die freilich keine widerspruchslose Folgerichtigkeit im Sinne eines philosophischen Systems ist. Im Gegensatz zu der wohl allgemein angenommenen Meinung, dass Scheffler eine starke innere Wandlung durchgemacht habe, vertritt M. die Ansicht, dass die scheinbar verschiedene Denkart im „Cherubinischen Wandersmann" einerseits, in der „Heiligen Seelenlust", der „Sinnlichen Beschreibung der vier letzten Dinge" und der „Ecclesiologie" andererseits nur auf verschiedener — man kann etwa sagen: esoterischer und exoterischer — Ausdrucksweise beruhe. Diese Auffassung ist gewiss beachtenswert, wenn auch zu scharf zugespitzt. Mit Recht erkennt M. in der Betonung des Einsseins mit Gott die schwerwiegendste Heterodoxie Schefflers, während sich die Vorstellung vom Einswerden mit Gott lediglich mit der katholischen Lehre in Einklang bringen lässt. Verstand und Gemüt, darauf glaubt M. das Schwanken bei Scheffler zurückführen zu können, ringen um die Herrschaft. „Während dieses mit aller Kraft an den grossen Wahrheiten des Christentums festhält, die von der Kirche und ohne Dogmen getrennt zu denken es weder vermag noch wagt, strebt jener, unabhängig von kirchlicher Autorität, schüchtern nur und gleichsam in unbewachten Augenblicken, eigene Pfade freier Spekulation zu schreiten." Die Engherzigkeit des Protestantismus habe Scheffler zur Konversion bewogen. Zu wenig geht M. auf die nächsten historischen Voraussetzungen Satiren. München, Bachholz & Werner. 1891. II, 24 S. M. 1,00. |[W. S e e l m a n n , KBlVNiederdSpr. 15, S.62/3.]| — 15a)0. G l ö d e , Niederdtsch. Fluchpealm: KBlTOiederdSpr. 16, S. 19-20, 54/5. — 15b) F. T e c h e n , Niederdtsch. Flnchpsalm: ib. S. 38. — 16) (I 5:311.) — 16a) (III 3:10.) — 17) P. T s c h a c k e r t , Fr. Spanheim d. Aeltere: ADB. 35, S. 69-«0. — 18) F. W. P n n o , Fr. Spanheim d. Jangere: ib. S. 60/1. — 19) H. L a n d w e h r , Barth. Stosch, knrbrandenbnrg. Hofprediger 1604-86: FBPG. 6, 8. 91-140. — 20) F. B l a n c k m e i s t e r , AnB d. Leben D. Val. E. Laachers: BS&chsKG. 8, S. 330-44. — 2 0 a ) (III 2:13.^ TP. ß r p n b e r g : pLZ. 16, S. 839-40.JI — 21) O. F u n c k e , Wer ist e. Pietist?: GBtersloherJb. 3,

V. M i c h e l s , Didaktik des 17./18. Jahrhunderts.

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von Schefflers Mystik ein und beschränkt sich auf allgemeine Bemerkungen. Scheffler wurzele nicht in Jakob Böhmes Gedankenwelt, sondern sei einer der ersten Ausläufer der Schule Meister Eckharts; von zeitlich Näherstehenden sei am bestimmendsten für ihnWeigel gewesen. Frankenbergs Einfluss wird so gut wie gar nicht erwogen. So kommt er nicht viel über seine Vorgänger hinaus, wenn er auch in seiner systematischen Darstellung der SchefElerschen Weltanschauung manches klarer und schärfer fasst. Er bedient sich dabei der Kantschen Terminologie: das darf nicht irre führen. Von festen philosophischen Einsichten kann nicht die Rede sein, und die These, Scheffler habe sehr deutlich die Unterscheidung der Erscheinung vom Ding an sich, birgt zweifellos etwas Richtiges, ist aber zu scharf pointiert. Die Welt ist meine Vorstellung, lehrt Scheffler nach M.s Ausdrucksweise; Zeit und Ort sind lediglich Anschauungsformen; unser Erkennen ist nur ein relatives. Die Ewigkeit weiss nichts von Jahren, Tagen, Stunden. Sie ist da, wo Gott ist, wo freier Raum und Zeit. In Gott ist alles eins. Gut legt M. klar, wie Scheffler die „verneinende Beschauung" anwendet, dasselbe nämlich, was bei Dionysius Areopagita »sokoyia Gott ist frei von allen . S. 159. — l t ) K. S c h ä d d e k o p f , Gedichte v. J. N. Götz ans d. J. 1745-63 in orsprüngl. Gestalt. ( = DLD. N. 42.) St., Göschen. XXXVI,89S. [M. K ( o c h ) : LCB1. S. 1896.]| - 19) (IV l c : 65.) |[B. F r i e d r i c h : BLU. S. 644; M. K ( o c l i ) : LUB1. S. 1551/2.]| — 20) E. P e t z e t , Stadien zu J. P.Uz. D. Einfluss d. Anakreontik n. Horazensanf J. P. Uz. Diss. München. B., E. Feiher. 63 S. M. 1,50.

IV 2a: 20 A. S a u e r , Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. Versuche vorbildlich. Aber schon in seiner ersten, vorwiegend anakreontischen Gedichtsammlung (1749) predigt er zugleich ernste Lebensfreude; mehrere Gedichte deuten schon damals auf eine spätere Stufe von Uzens Entwicklung vor, wo philosophische Lyrik und die Einflüsse von Horaz das spielende Getändel der Jugend und der anakreontischen Freunde verdrängten; auch in manchen der anakreontischen Tändeleien kann man eine grössere Tiefe und Innerlichkeit bemerken, als sie bei den anderen Anakreontikern zu finden ist, die einen wirklich persönlichen Anteil des Dichters erkennen lassen. Stilistisch zeigen diese Jugendversuche ebenfalls den Einfluss von Anakreon und Horaz, den der französischen und der schäferlichen Poesie; von Hagedorn lernte er die Leichtigkeit in der Behandlung des Versmasses. Die „Briefe" verraten das Studium der Episteln von Horaz, Boileau und Pope. Für seine Odenpoesie war Horaz das Hauptmuster; aber er ging über die seichte anakreontische Auffassung Horazens bei vielen seiner Zeitgenossen hinaus, begriff ihn tiefer und gelangte endlich zu einer selbständigen philosophischen Lyrik. Er geht von horazischen Stoffen und Ideen aus, wird allmählich selbständiger und individueller, behandelt schliesslich die seine eigene Zeit bewegenden philosophischen und vaterländischen Fragen. Seiner Technik jedoch bleiben immer Spuren des horazischen Vorbildes anhaften, wenn er sich auch durch sein Festhalten am Reim grössere Beweglichkeit sichert als die meisten seiner Vorgänger und Zeitgenossen. Wörtliche Entlehnungen aus Horaz bei Uz, Haller, Hagedorn, Geliert, Pyra, Lange, Kleist, Ramler werden angeführt; im „Silenus" wird Anlehnung an Vergil nachgewiesen. Auch die Personifikationen und Bilder sind bei Uz meist horazisch. In stofflicher Beziehung kommt wie bei Hagedorn in Betracht, dass die modernen Dichter dem antiken eben in den Gesinnungen verwandt sind; Uz suchte die horazischen Weisheitslehren auch im Leben zu verwirklichen. In einzelnen pathetischen Oden wird er allerdings manchmal mehr rhetorisch als lyrisch. Im allgemeinen ist aber ein bedeutender Fortschritt auf dem Wege zur Verinnerlichung der Gedankendichtung bei Uz festzustellen. Schon der Bruch mit dem fast allein herrschenden Alexandriner einerseits, den steifen reimlosen Versen Pyras andererseits brachte eine grössere Beweglichkeit mit sich; dem Verlassen der trockenen Versformen entsprach auch immer mehr gesteigertes Abweichen von dem rein moralisch didaktischen oder orthodox frommen Gehalte der Gedichte, Durch die Entfesselung der Versform wie der Phantasie kam allmählich auch mehr Gefühl in die Gedankendichtung, Schillers Gedankenlyrik vorbereitend. Auch die Gelegenheitspoesie wird durch Horaz gehoben; in den Klagegedichten werden individuellere Töne als früher angeschlagen; selbst die patriotische Dichtung ist von Horaz nicht unabhängig. Zwar verfällt Uz nicht in Ramlers Unfreiheit der Nachbildung, sondern mit dem Inhalt wird auch die Form eingedeutscht; trotzdem sind nahe Anlehnungen vorhanden. Uz selbst ist von edelster, patriotischer Begeisterung erfüllt, die sich nicht bloss auf seinen kleinen Heimatsstaat, sondern auf ganz Deutschland bezieht. Mit Haller, Klopstock und Kleist berührt er sich in seinem Groll über den Verfall deutscher Sitte und Sittlichkeit, in dem Abscheu gegen Eroberungskriege, in den Forderungen an die Fürsten für das Glück der Völker, nicht bloss für ihren Ruhm und ihre Macht zu sorgen; er steht im Gegensatze zu Lange, Gleim, Ramler und anderen, die, von der Grösse der Persönlichkeit Friedrichs II. hingerissen, kaum etwas anderes kannten als Bewunderung und Preis des siegreichen Königs. In der Anmerkung S. 44 wird hervorgehoben, dass die erste Strophe von Ramlers Ode „An die Feinde des Königs 1760" unter dem Einfluss von Uzens Gedicht „Das bedrängte Deutschland" entstanden sei. Die philosophischen Oden von Uz stehen unter dem Einfluss von Leibniz, Shaftesbury, Haller und Pope. In einer eingehenden Betrachtung der „Theodicee" wird der enge Anschluss an Leibniz klar gemacht, zugleich aber auch betont, dass Uz mit Haller und Shaftesbury in der Annahme der Freiheit des menschlichen Willens und in der Auffassung der ethischen Aufgabe des Menschen von Leibniz abweicht. Das Gedicht wird gegen den Vorwurf der Unklarheit in Schutz genommen: Durch den Schwung und das Feuer seiner Ausführung sei Uz weitaus der erste unter den Gedankendichtern seiner Zeit. Die Gedanken der Theodicee werden hierauf bei Brockes, Haller, Kleist, Cronegk, Creuz, Withof, J. J. Sucro, Zemitz und Wieland nachgewiesen. „So ergeben sich bei Wieland und Uz in der Zeit ihrer erbitterten Fehde in ihrer philosophischen Dichtung Berührungspunkte, die den stürmischen Angreifer hätten belehren können, wie ungerecht seine einseitige Polemik war. Aber auch bei Wieland erschien in lehrhaftem Gewände, was Uz mit lyrischem Schwung vortrug". In formeller Beziehung ist Uz in seinen Gedankendichtungen auch vielfach von Haller abhängig; aber es. eignet ihm eine grössere Beweglichkeit. Die Tendenz zu kürzeren leichteren Versen als dem Alexandriner lag ihm nahe. Er bricht dessen Alleinherrschaft, setzt seiner Monotonie einen wohlabgemessenen Strophenbau gegenüber. Durch den meist sehr feinsinnig und geschmackvoll gewählten Wechsel seiner jambischen und trochäischen Verse erreicht er einen

A. S a u e r , Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.

IV 2a:2o-23

hohen Grad von Leichtigkeit und Beweglichkeit. Undauch den Reim handhabte er, wenngleich nicht sehr rein, so doch geschickt in der Verschlingung des männlichen und weiblichen Versausgangs. Im Versbau erscheint er noch oft als Suchender, der die verschiedensten Zusammensetzungen probiert und daher auch manchmal fehl greift. Oft ist der Strophenbau durch die Verschiedenheit der einzelnen Verse zu unruhig und lässt allzu sehr jede Gleichmässigkeit vermissen. Es ergiebt sich eine grosse Mannigfaltigkeit von Strophenbildungen, wenn er auch in einzelnen Fällen nicht glücklich ist. Doch auch in den komplizierteren Versmassen bewegt er sich meist ohne Schwerfälligkeit. Denn er besitzt ein sehr feines Gefühl für Rhythmus und eine grosse Leichtigkeit der Sprache. Sein Satzbau ist stets einfach und klar; die Ausdrücke vermeiden meist glücklich den Schwulst wie die nackte Prosa und sind würdig und angemessen. So hat Uz einen bedeutenden Schritt gethan, die poetische Sprache auch beim Ausdruck philosophischer Gedanken freier, leichter, natürlicher, deutscher zu machen; fast stets bewährt er guten Geschmack und sicheren Takt. Die mit Junckheim und Hirsch gemeinsam verfasste prosaische Horazübersetzung ist ein schwächeres Werk, bei dem von vornherein darauf verzichtet wurde, die poetische Schönheit Horazens wirklich wiedergeben zu können; aber bei aller Einfachheit ist doch ein Streben nach rhythmischem Wohllaut nicht zu verkennen, und der Ausdruck ist meist minder prosaisch, als in den meisten poetischen Uebertragungen, wenn natürlich auch eine gewisse ängstliche Abhängigkeit vom Wortlaut des Originals sich bisweilen recht störend geltend macht. Anhangsweise wird der Einfluss von Uz auf Schiller charakterisiert, wobei seine epochemachende Stellung in der Entwicklung der Gedankenlyrik noch einmal betont wird. — Von Anna L u i s e K a r s c h i n teilt Kohte 2 1 ) eine „Ode an die christliche Gemeinde zu Tirschtiegel" mit, die in der dortigen Kirche aufbewahrt wird, um deren Erbauung (1780—81) sie sich verdient gemacht hat. — Die Beziehungen R. E. Raspes zu ihr verfolgt Sc her er 2 2 ) in einem Aufsatze, worin die Darstellung der Lebensschicksale Raspes bis zu seiner Flucht aus Kassel (1775) mit ungedruckten Briefen und Gedichten der Karschin recht unglücklich vermischt ist. Für die Karschin ergiebt sich wenig neues, es wäre denn die barocke Idee Nicolais, der sie zu dramatischen Versuchen veranlassen wollte (S. 398). Raspe steht mit ihr seit 1767 in Verkehr. Sie sucht durch seine Vermittlung hauptsächlich mit fürstlichen Persönlichkeiten in Beziehung zu treten, mit dem Prinzen Karl von Mecklenburg-Strelitz in Hannover und später mit dem Landgrafen Friedrich II. von Hessen. Wichtiger ist die Publikation für Raspe, insbesondere für dessen Beziehungen zu Berlin, wohin ihn als Mitglied der Akademie zu bringen die Absicht seiner Freunde war, und seinen Aufenthalt daselbst im J. 1770. Einzelheiten: S. 387 (Anmerkung): J. G. Jacobi muss bereits Ende 1768 nach Halberstadt übergesiedelt sein; 30. März 1769 ausführlich über Ramler, dessen Tod Jesu im Vergleich mit dem Messias; die gegen Raspe gerichtete Vorrede zu den „Neuen Kriegsliedern mit Melodien. Leipzig, Cassel und Zwäzen 1769" soll von Klotz herrühren, das Werk selbst nach einem Brief Matthäis von einem gewissen Gerstenberg aus Erfurt, einem Anhänger Riedels; 30. Sept. 1770 über Boies Kritik von den Liedern der Karschin; S. 402 die Karschin über Klotz, über Jacobi, dessen Kantate auf den Geburtstag des Königs und dessen Gedicht „An das Publikum"; S. 106 Raspes Plan einer Beschreibung von Berlin und Potsdam unter Teilnahme von Nicolai und Catt, die nicht zum Druck gelangt zu sein scheint; S. 379 dürfte statt „Mnomine" zu lesen sein: „Monimia". — Ueber J o h a n n G e o r g J a c o b i s Jugendwerke liefert Ransohoff 2 3 ) eine grundlegende vorzügliche Arbeit. Mit Ausnahme der „Vindiciae Torquati Tassi" 1763, des „Tempels der Glückseligkeit" 1764 und der „Romanzen aus dem Spanischen des Gongora" werden alle seine wichtigen Arbeiten bis zum J. 1774 analysiert und charakterisiert. Der Einfluss von Uz, Horaz, Petrarca (besonders „Das Körbchen" S. 49), Dante (Aus dem 33. Gesang des Inferno ist die Erzählung des Grafen Ugolino ausgehoben. Der herben Einfachheit Dantes genügt Jacobis Stil nicht; seine Uebersetzung nimmt sich oft wie eine Anmerkung zu dem Original aus: S. 11), Metastasio, Gresset, Chaulieu, Rousseau, Voltaire, der Gegensatz zu Young, die persönlichen Beziehungen zu Klotz und Gleim, werden nachgewiesen, seine Lyrik mit der Gleims und Gerstenbergs verglichen, ihr spieleriger, tändelnder, anakreontischer Charakter beschrieben, der späte und vorübergehende Einfluss Klopstocks wird aufgedeckt. Die „Winterreise" steht unter dem Einflüsse von Chapelle und Sterne; in dem anakreontischen Roman „Charmidas und Theone" lassen sich die Anregungen (Vgl. ZVLR. 6, S. 329-92.) — 21) J. K o h t e , Ode d. Anno Luise Karschin an d. evangel. Gemeinde in Tirschtiegel: ZDGPosen 8, 8. 362/4. — 22) C. S c h e r e r , End. Er. Raspe u. seine Beziehungen zu Anna Luise Karschin. Nach zumeist ungedr. Briefen: VLG. 8, S. 371-409. — 23) G. B a n s o h o f f , Ueber Job. G. Jacobis Jngendverke. Dies. B„ Buchdr. G. Schade (O. Branche). 1892. 59 S. (Thesen: 1. Bereits in d. ersten, nicht erhaltenen Fassung d. „Tasso" war e. Gegenfigur wie Antonio; 2. Zu d. Hurianne d. „Geschwister" hat Lotte Buff Zftge beigesteuert; 8. Grimmelshausens „BatstAbel Piatonis" [sic!J ist vor

IV 2a:33-28 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. Winckelmanns und Petrarcas erkennen. Gesamtcharakteristik: „Der Grundzug in Jacobis Wesen war eine schwächliche Empfindsamkeit. Ihr fehlte Gedankenfülle, die sie zum Sentimental-Pathetischen erheben, Innigkeit und Ernst, durch den sie erreifen konnte; Leidenschaft und Seelentöne, durch welche sie hingerissen hätte, hne stärkere Impulse, immer nur zärtlich und rührselig, verflachte sie und verlor sich zum Empfindungslosen" (S. 36/7). . . „Man braucht Jacobi nicht gerade mit Goethe zu vergleichen, um ihm den Vollgehalt einer lyrischen Natur abzusprechen. Ihm fehlt... die tiefe Innerlichkeit, die Leidenschaft des Empfindens, der subjektive Ausdruck des Gefühls. Er bietet nur allgemeine Stimmungen, ohne das Besondere des Momentes und der Person hervorzuheben; und das Eigenartigste seiner Kunst ist eigentlich die schöne, fliessend weiche Form. Aber innerhalb seiner bescheidenen Sphäre wiesen ihn die vornehmsten Eigenschaften seines dichterischen Charakters, Phantasie, Empfindsamkeit und Weichheit des Gemütes, unzweifelhaft zur Lyrik. Auf diesem Gebiete fand er seine schönsten Erfolge" (S. 44/5). — Klo pstocks 2 4 - 2 6 ) Kenntnis des germanischen Altertums beleuchtet Scheel 2 7 ), indem er als Klopstocks altdeutsche Quellen vor 1766 Resenius (daraus der Name Bragor in der Ode „Sponda" 1764), Mallet und Lohensteins Roman Arminius nachweist, aus welch letzterem alles über das Bardenwesen stammt, und indem er für die Zeit nach 1766, nach den einzelnen Göttern geordnet, die Stellen bei Resenius und Mallet anführt, aus denen Klopstock seine Ansichten schöpfte. Klopstocks Kenntnisse der nordischen Mythologie sind weit reicher als die der bardischen Dichter, die sich nur mit den Brocken nährten, die von seinem und Kretschmanns Tische gefallen sind. — Der b a r d i s c h e n L y r i k widmet Ehrmann 2 8 ) eine umfangreiche Untersuchung, indem er sie als ein abgeschlossenes Gebiet von der historischen Entwicklung losgelöst nach Inhalt und Form eingehend betrachtet. Er deliniert die Bardenlyrik etwas umständlich folgendennassen: „Entscheidend, allerdings ganz äusserlich, kann nur dies sein, dass in dem Gedicht gesagt oder in seinem ganzen Charakter stillschweigend aber klar vorausgesetzt wird: Der Dichter will als Barde singen, das Gedicht soll ein Bardenlied sein, oder dass dadurch, dass ein Gedicht einer altdeutschen Person, z. B. Thusnelda, oder einer Gesamtheit wie den Cheruskern in den Mund gelegt ist, eine deutliche Nachahmung altdeutschen Gesanges beabsichtigt wird". Er findet die. erregenden Momente in Herder, in den Schleswiger Litteraturbriefen, in den Grenadierliedern, in Klopstock und Ossian, weist auch kurz auf Gerstenbergs Lehrer und Gönner Gottfried Schütze hin, ohne aber die entscheidende Stellung dieses Mannes genauer zu präzisieren, stellt dann in übersichtlicher Weise die die Dichter beherrschenden Vorstellungen (1. Der Barde und sein Ruhm, 2. Die Harfe, 3. Das Lied, 4. Klang und Echo, 5. Geisterwelt, 6. Natur), sowie die behandelten Gegenstände und Stimmungen (1. Vaterland, 2. Kriegslust, 3. Gelegenheitsdichtung, 4. Moralische Zwecke, 5. Deutsche Mythologie) zusammen und verfolgt die Mischung mit anderen Zeitideen (Sturm und Drang, Anakreontik). Er sondert hier überall das Formelhafte und Konventionelle von dem Neuen, Persönlichen, Erlebten. Er macht schöne Ansätze dazu, die einzelnen Motive auf ihre Quellen zurückzuführen, aber er scheidet die Anregungen, die vom deutschen, resp. nordischen Altertum ausgehen, nicht scharf genug von den Einflüssen des Volksliedes und denjenigen Ossians. In Bezug auf die Quellen und die Verwendung der mythologischen Kenntnisse ist er durch Scheels Aufsatz bereits überholt. In formeller Beziehung weist er nach, dass die Form des Gerstenbergischen „Skalden", der sonst in Ehrmanns Untersuchung viel zu kurz kommt, nicht nur im Versmasse, sondern auch in ihrem charakteristischen Aufbau geschichtlich aus der musikalischen Poesie und zwar aus der Kantate herzuleiten sei. Ramlers „Ino" bildet die Vermittlung zu Dryden und Pope. Er betrachtet dann die freien Rhythmen, die antikisierenden Versmasse, den formellen Einfluss der Kriegslieder (S. 5/6 eine Zusammenstellung von deutschen Kriegsliedern in den letzten drei Decennien des 18. Jh.) und die von ihm nicht, sehr glücklich „ossianische Scene" benannte Form des Bardenliedes, wonach das eigentliche Lied durch die Erzählung der Umstände, die es veranlassten, eingerahmt wird. Den Schluss bildet ein Quellenverzeichnis, eine revidierte und chronologisch geordnete Uebersicht über die bei Goedeke § 218 unter den Barden aufgeführten Gedichte. In einer ausführlichen Recension dieses Buches macht K ö s t e r E. eine gewisse Unklarheit und die Verquickung zweier Prinzipien der Betrachtung zum Vorwurfe. Er habe sich bei seinen Untersuchungen gar zu leicht mit dem Aeusserlichen begnügt und aus dem, was er

§

„Proximus u. Lympida" entstanden.) — 24) E. N a u m a n n , J. Imelraann, Klopstocks Oden (vgl. JBL. 1891 I 7:43): ZGymn. 26, S. 481/2. — 25) X L - F r a n k e l , D. freie Rhythmik in d. nhd. Lyrik vor, bei n. nach Klopstock: ZDU.6.S. 817-29. (Knappe Skizze e. älteren, v. d. Forschung teilweise überholten Vortr. ohne nene Gesichtspunkte; Tgl. JBL. 1892 I 7 :11.) — 26) X (I 7 :44: IV 8c : 8.) - 27) W. S c h e e l , Klopstocks Kenntnis d. german. Altert.: VLG. 6, S. 186-212. — 28) E. E h r m a n n , D. bardische Lyrik im 18. Jh. H-.ille a. S„ Niemeyer. 1892. VIII, 108 S. M. 2,40. |[M. K ( o c h ) : LCB1. 8. 796/7

A. S a u e r , Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.

IV 2a : 29-33

uns schuldig geblieben, liesse sich ein zweites Büchlein von dem Umfange des seinigen schreiben. Wir hätten gern von ihm erfahren, welchen Umfang die bardische Bewegung annahm, was alles von ihr in stärkere oder schwächere Mitleidenschaft gezogen wurde. Es hätte die Technik der Barden genauer erörtert werden müssen, die wichtige Frage: Woher haben Klopstock und die Barden die nordische Mythologie? war zu erledigen, die andere: Was war die bardische Lyrik für ihre Zeit? war aufzuwerfen. Er bringt zur Beantwortung dieser letzteren Frage eine Aeusserung der Karoline Flachsland bei, welche beweist, wie ernst diese Bewegung aufzufassen ist. — Mit einem Nachzügler der Bardenpoesie macht uns M a s i u s 2 9 ) bekannt durch die Veröffentlichung eines Gedichtes, das der spätere Oberpfarrer B o b b e in Mehringen bei Aschersleben als Sekundaner im J. 1784 auf einem Aktus des früheren reformierten Gymnasiums zu Halle unter grossem Beifall der Zuhörer vorgetragen hatte: Ein Hymnus auf die Befreiung Amerikas vom Sklavenjoche im verstiegensten Bardentone. Während er die „Hellenen unsrer Tage" preist, mahnt ihn die klirrende eiserne Kette, . . . dass er ein Deutscher sei. „Nichts halfen deine Schergen . . . gesandt zum Mord auf hundert ehrnen Kielen und zahlenlos geheur'te deutsche Sklaven . . .". — In der ADB. wird J a k o b F r i e d r i c h S c h m i d t (1730—96) von S c h u m a n n 3 0 ) als Nachahmer Klopstocks, Bodmers und Gessners, als HorazÜbersetzer und als Herausgeber der ersten Auflage der moralischen Wochenschrift „Der Hypochondrist", die sein Mitarbeiter Gerstenberg später umarbeitete, kurz charakterisiert. — Eine ausführliche Würdigung wird dem G r a f e n R e i n h a r d als deutschem Dichter durch L a n g 3 1 ) zu Teil. Er beginnt 1778 mit 2 Elegien: „Lotte bei Werthers Grab" und „Sigwart"; durch Klopstock wurde er zur elegischen Versart hingezogen; früh schon übersetzt er aus Tibull und Properz; durch den Ephorus Schnurrer (so ist statt „Schumann" zu lesen in Reinhards Brief an Goethe 1. Febr. 1820) wurde er zu metrischen Uebersetzungen aus dem Arabischen angeregt, die sich in seiner Probeschrift zur Erlangung der Magisterwürde 1780 finden. Aus dem März 1781 stammt sein Gedicht an Schiller. Die Göttinger sind seine Muster. Im Staeudlinschen Musenalmanach auf 1782 ahmt er Bürger und die Anakreontiker nach, singt leichte Lieder und patriotische Weisen. In diesem Almanach schreibt ihm L. die mit —t gezeichneten Strophen „An F. L. Graf zu Stolberg" und „Der Tanz" zu, im Musenalmanach auf 1783 die mit — h — gezeichnete empfindsame Ode „An Luisen", „An ihrem Geburtstag". Im Musenalmanach auf 1784 giebt er die Ugolinoscene aus Dantes Hölle als erster in Terzinen wieder. Er überwindet die Klopstock-Ossianischen Stimmungen unter Swifts und Lukians Einfluss. Der Uebersetzung des Tibull (Zürich 1783) sind eigene, im einzelnen vielfach dunkle Elegien beigegeben. Er macht den Uebergang zur horazischen Epistel nach Goeckihgks Muster und legt 1785 eine Sammlung „Episteln" vor, in denen neben den allgemeinen Eigenschaften der Gattung als individuelle Züge zum Vorschein kommen: Das grausame Zerpflücken der eigenen Empfindungen, ein beständiges Schwanken zwischen wühlendem Weltschmerz und ironischer Kälte und häufige Ausbrüche seiner Misslaune. In der schwäbischen Blumenlese für 1786 gehört ihm die mit — r — gezeichnete Elegie „An Minna", deren Anmut und beredter Wohllaut anzeigt, dass kein weiter Weg mehr zurückzulegen bis zu der Vollendung der Goetheschen Elegien. Von da ab zeigt sich in Reinhards Lyrik keine weitere Entwicklung mehr. Aus dem Schwäbischen Museum 1785—86 sind hervorzuheben: Ein Märchen „Zobeide" (nachGozzi?) und Uebersetzungen aus lateinischen Dichtern des 14. und 15. Jh., unter den späteren Gedichten, die Lang zusammenstellt, das politische Gedicht „Bassevilles Schatten"; auch französische Gedichte hat er verfasst. Endlich wird die bisher ungedruckte Elegie „Auf Goethes Genesung" 1823 mitgeteilt. — Aus den Gedichten des G ö t t i n g e r D i c h t e r b u n d e s 3 2 ) wurden im zweiten Bande der A u s w a h l von S a u e r 3 3 ) Gedichte von Hölty und J. M.Miller vereinigt. Während S. sich bei der Wiedergabe des Höltyschen Textes an Halms Ausgabe anschliesst, geht er bei Miller auf die ersten Drucke, vereinzelt auch auf Hss. zurück. Die Einleitungen bieten kurze Biographien und knappe Charakteristiken. Als Beilage ist Millers Aufsatz: „Einiges von und über Höltys Charakter" abgedruckt. Das reproduzierte Bildnis Höltys ist unbedeutend; dagegen ist Millers Wachsbild von Buckle aus dem J. 1776 nach dem Original sehr gut wiedergegeben. — In einer sehr sorgfältigen Untersuchung wird H ö l t y s Verhältnis zu der A. S c h l o s s a r : BLU. S. 789; A. K ö s t e r : ADA. 19, S. 77/9.J| — 29) H. M a a i u s , Auch e. Stack Schnlgesch.: NJbbPh. 146, s. 54U-51. (Vgl. JBL. 1892 I 10 : 338.) - 30) A. S c h ü m a n n , J. F. Schmidt: ADB. 36, S. T77-S1. — 31) W. L a n g , Graf Reinhard als dtsch. Dichter: VLG. 6, S. 251-77. — 32) X Th. U h l e , D. Göttingcr Dichter. Z. Erinn. an d. 12. Sept. 1772; LZg". N. 108. — 33) A. S a u e r , D. Göttinger Dichterlrand. 2. T. L. H. Chr. H31ty u. J. M. Miller. ( = DNL. Bd.50, 1. Aht.) Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV. (4)9 a

IV 2a :

34-39

A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.

englischen Litteratur von R h o a d e s 3 4 ) festgestellt. An der Hand der Ausleihbücher der Göttinger Bibliothek kontroliert er Höltys ausgebreitete Lektüre auf dem Gebiete der englischen Dichtung; er vergleicht sodann die Nachahmungen und Umdichtungen ganzer Gedichte mit den Originalen: Die „Elegie auf einen Dorfkirchhof' ist von Gray so abhängig, dass wir darin keinem einzigen Motiv von Höltys eigener Erfindung begegnen; „Töffel und Käthe" ist nicht direkt nach Ovid, sondern nach der Swiftschen Umarbeitung gestaltet; auf die Idee der Geistererscheinungen kam er, unabhängig von Bürger, durch das Studium der Sammlung Percys. Weiterhin verfolgt R. die Entlehnung einzelner Motive oder die Anregung durch ein englisches Original. Die „Elegie auf den Tod des Freiherrn Gerlach Adolph von Münchhausen" ist durch Thomsons „Poem to the Memory of the Right Honorable, the Lord Talbot, Late Chancellor of Great Britain" beeinflusst, „Adelstan und Röschen" durch Mallets Gedicht „Margarets Ghost", das auch in Percys Sammlung enthalten war; für die Balladenreihe „Leander und Ismene" ist ein englisches Original nicht vorhanden, aber die Beschreibung des bezauberten Schlosses ist Thomsons „Castle oflndolence" nachgebildet. In den Mailiedern, besonders demjenigen, das „Schön im Feierschmucke" beginnt, ist der Einfluss von Thomsons „Spring", deutlich; für die „Elegie bei dem Grabe meines Vaters", in dem uns auch biblische Reminiscenzen auffallen, ist Tickells Elegie „To the Earl of Warwick on the Death of Mr. Addison" das Vorbild gewesen; die Anregung zu der „Ballade": „Ich träumt', ich war' ein Vögelein" erhielt Hölty wahrscheinlich aus einem Gedicht in der Sammlung von Moses Mendez (London 1777) „The lady and the Linnet, a Tale". Ein Schlussabschnitt charakterisiert Höltys Verhältnis zur englischen Dichtung im allgemeinen und sucht bei der Betrachtung der verschiedenen Gruppen, Gedankenreihen und Stimmungen, die sich in seiner Dichtung vereinigen, festzustellen, wo der englische Einfluss auf ihre Entstehung oder ihre Entwicklung eingewirkt hat. Das Verhältnis scheint ein durchaus sympathisches gewesen zu sein. Durch den Einfluss der ländlichen Poesie und die melancholische Betrachtung der Natur sowohl, wie durch die in ihr herrschende sentimentale Stimmung wurde seine angeborene Anlage in dieser Richtung noch weiter entwickelt; in der Liebeslyrik ist er durch den englischen Einfluss auf eine höhere und ruhigere Fassung der Liebe geführt, und in seiner trüben Lebensanschauung stimmt er mit den englischen Dichtern seiner Zeit überein. — Die Abhandlung über M i l l e r s Gedichte von K r a e g e r 3 5 ) ist ein Abschnitt aus einer abgeschlossenen Monographie über J. M. Miller und die Empfindsamkeit des 18. Jh. (vgl. JBL. 1894 I V 2 a und IV 3). K. schliesst sich an die Charakteristik und Einteilung an, die sein Lehrer Erich Schmidt von Millers Gedichten in der ADB. gegeben hat, und bespricht eingehend die Bauern- und Gesellschaftslieder, die revolutionäre Lyrik der Hains, den Minnesang und die Nonnenlieder. — C h r i s t i a n und F r i e d r i c h L e o p o l d S t o l b e r g werden von E r i c h Schmidt 3 6 - 3 1 ) in der ADB. glänzend charakterisiert. —Den Einfluss dieser Aufsätze verspürt man in K e i p e r s 3 8 ) auch an eigenen feinen Beobachtungen reichem Buche über F. L. Stolbergs Jugendpoesie, das für ähnliche Untersuchungen als ausgezeichnetes Muster gelten kann. Der erste Abschnitt charakterisiert den „Schüler Klopstocks", stellt den Einfluss des Bundes auf Stolberg fest und analysiert die Vaterländischen Gedichte. S. 15 wird in einer Anmerkung das Bild des Adlers durch die Dichtung des 18. Jh. verfolgt. S. 20 wird in dem „Lied eines schwäbischen Ritters" Einfluss Ossians angenommen. Der zweite Abschnitt „Der Stürmer und Dränger" behandelt die Gedichte der Schweizer Reise, analysiert eingehend den „Freiheitsgesang", sucht Goethes Einwirkung auf Stoibergs Lyrik festzustellen und giebt einen knappen Abriss von Stolbergs Poetik und poetischem Charakter. Der dritte Abschnitt „In Dänemark" ist der Naturlyrik nach der Rückkehr in die Heimat, den Einflüssen der Anakreontik und den Balladen Stolbergs gewidmet, die eine zusammenstellende Darstellung, selbst über die Zeit der Jugend hinaus, erfahren. Auch die Quellenforschung und Stoffgeschichte werden für die Balladen gefördert. S. 64 eine kurze Analyse von Bodmers Gedicht: „Hedwig, Gräfin von Gleichen" (Karlsruhe 1771). Das folgende Kapitel behandelt: „Text, Metrik und Sprache der Gedichte"; S. 69 Verbesserungen zu Hellinghaus Ausgabe von Stolbergs Briefen an Voss (vgl. JBL. 1891 IV 1:233), die in dem Berichtsjahre noch eine nachträgliche Besprechung erfuhr 39 ); St., Union. XXII, 332 S. M. 2,50. |[L. F r a n k e l : BLÜ. S. 41.]| — 34) (IV l d : 6 9 . ) — 35) H. K r ü g e r , J. M. Miller. E. Beltr. z. Gesch. d. Empfindsamkeit. Bremen, II. Heinsius Nachf. X, 185 S. M. 2,80. (Davon 1. T.: J. II. Killers Gedichte. Berliner Dies. 1892. ib. VI, 54, V S. 11.1,60; Thesen: 3. Es ist anzunehmen. daBs Grimmelshausen d. SimplicisBimus ursprüngl. mit Buch V, c. 9 zu schliessen beabsicht. hat; 4. Goethes Gedicht „Dies wird die letzte Thrill' nicht sein" [in Ewalds Urania 1793] ist gegen Düntzer für e. Jngendgedioht zu erachten; 5. D. method. Standpunkt, d. Goedelce beim Egmont vertritt [Grundr.* 41, 3. 464] ist für e. endgültige Würdigung d. Goetheschen Schauspiels n. überhaupt zn einseitig.) — 36) E r i c h S c h m i d t , Chrn. Graf zu Stolberg-Stolberg: ADB. 36, S. 348-50. — 37) id., Friedr Leop. Graf zu Stolberg-Stolberg: ib. s. 350-67. — 38) W. K e i p e r , Friedr. Leop. Stolbergs Jugendpoeeie. B., Mayer & Müller. VI, 103 S. M. 1,60. |[DRs. 77, 8. 319; M. K ( o e h ) : LCB1. S. 1272; &. S a l e c k : BLU. S. 809.J| (D. 1. T. [62 S.] auch als Berliner Diss. 1892.) — 39) X

A. S a u e r , Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.

IV 2 a : 39-6I

S. 70 ein Verzeichnis der im Bundesbuche enthaltenen Gedichte mit ihren Varianten und der Entstehungszeit nach dem Protokollbuch des Bundes. Die Bundesbücher sind auch sonst in K.s Studie benutzt. Ein Ueberblick über Stolbergs Verhältnis zu seinen Zeitgenossen, über die Kritiken, die seine Gedichte erfuhren, über seine Nachahmer und Nachfolger und ein Ausblick auf seine spätere Lyrik schliesst das verdienstliche Buch ab. — Puls 4 0 ) erklärt das Wort „Geschoss" in41 dem „Lied eines schwäbischen Ritters an seinen Sohn" kollektiv = Trefl'waffen ). — J a c o b s 4 2 ) Charakteristik der Gräfin Katharina Stolberg, Schönborns Altersfreundin, der merkwürdigsten Charakterfigur des Stolbergschen Geschwisterkreises, ist ein Auszug aus einer grösseren, meist nach hs. Quellen gearbeiteten Biographie. Auch Verse aus ihrer letzten Zeit lagen J. vor. — Claudius wird in S t o c k m a y e r s 4 3 ) Vortrag hauptsächlich als „Bote des Glaubens" behandelt. — Unsere Kenntnis von Bürgers 4 4 " 4 5 ) Leben wird durch S c h r ö t e r s 4 6 ) Beiträge zur Familiengeschichte des Dichters nicht gefördert. Er verbreitet sich über die Schreibung und Erklärung des Ortsnamens Molmerschwende, giebt eine Schilderung des Ortes, stellt dem Gedichte „Mein Dörfchen" zum Beweise, dass Bürger dabei nicht seinen Heimatsort im Auge gehabt habe, das französische Original gegenüber, findet aber mit Pröhle in der Ballade „Des Pfarrers Tochter von Taubenhain" die heimischen Lokalitäten wieder. Er berichtigt einige Angaben über die Familie des Dichters in unwesentlichen Punkten. Der Vater, Johann Gottfried Bürger, ist nach der Eintragung in das Pansfelder Taufregister am 15. (nicht am 8.) Dec. 1706 geJBL. 1892 IV 2:25) boren41). — Bergers Ausgabe der Bürgerschen Gedichte (vgl. ist in den Berichtsjahren noch mehrmals angezeigt worden48). — Desgleichen be49 sprach Waag ) Bonet-Maurys Abhandlung „G. A. Bürger et les origines anglaises de la Ballade littéraire en Allemagne" (vgl. JBL. 1890 IV 2: 35; 1892 IV 2: 36)50"51). — Kohl5 35 2 ) bringt sachliche und sprachliche Erklärungen zum „wilden Jäger" vor, Binder ) neue Beiträge zur Stoffgeschichte des Gedichtes „Kaiser und Abt": Mehrere, an die Person des König Mathias anknüpfende ungarische Fassungen der Anekdote nach der Jókaischen Anekdotensammlung „Ungarischer Volkswitz" S. 3, 14. — Die Ausgabe der Gedichte von L e n z , die Weinhold veranstaltete (vgl. JBL. 1892 IV 2:66), wurde noch mehrmals besprochen54). — Von S c h u b a r t wurden durch K r au s s und S e uf f e r t 55 ) zwei Briefe publiziert; der erste ein überschwenglicher Dankbrief in Vers und Prosa, Asperg 27. Nov. 1783, an einen nicht näher zu bestimmenden Schwarz (vielleicht war er Hofpauker), der ihm durch Hauptmann von Ehrenfeld ein Geschenk hatte zukommen lassen; die Selbstbiographie wird erwähnt; der zweite Brief, Hohenasperg im Mai 1786, ist an eine Dame, vielleicht an die Schriftstellerin Frau Fanny von Heppenstein in München, gerichtet. Er erwartet von ihr neue Gedichte, die er in das Strassburger Frauenzimmer-Magazin, an dem er mitarbeiten wolle, einrücken werde. Er ermahnt sie aufs dringendste, sie möge sich von aller fremden Manier fern halten und sich gleichsam in ihre Eigentümlichkeit verweben: „So bald der Mensch sich selbst gefunden hat; so fängt er erst an zu existieren. Jeder Mensch hat sein Eigenes — an Denkart, Geistesfarbe, Herzgefühl; ja sogar Wort und Ausdruck ist eigentümlicher Nachhall seiner innern Stellung. Wir alle sprechen und schreiben Deutsch; aber änderst Luther, änderst Klopstock, änderst Wieland und änderst die göttliche Karschinn"56"57). — S o l g e r 5 8 ) fasst seine älteren Artikel über Schubart (vgl. JBL. 1891 IV 2:47/8) in einer verständig geschriebenen Broschüre zusammen.59"61) — I>. F.: ThLBl. 13, S. 125/7. — 40) A. P u l s , „Geschoss" In Stolbergs Lied e. schwäbischen Ritteis an seinen Sohn: ZDU. 7, S. 497/8. — 41) X W., L. F. Graf zu Stolbergs Geleitbrief an seinen Sohn bei dessen Eintritt in d. Armee: SammlerA. 1892, N. 83. (Abdr. d. v. Janssen vertffentl. Briefes y. 30. Juli 1803.) — 42) Ed. J a c o b s , Katharina Gräfin zu Stolberg-Stolberg: ADB. 36, S. 367-70. — 43) K. S t o o k m a y e r , Matth. Clandias, d. Wandsbeoker Bote. E. popul. Vortr. Basel, Jaeger & Kober. 18 S. M. 0,20. (Separatabdr. ans d. „Kirohenbl. für d. reformierte Schweiz".) - 44) X H. P r ö h l e , Aufforderung u. Bitte: LCB1. S. 1030. — 45) X Denkmal für G. A. Bürger: Berll'Bl. N. 178. — 46) 0. S c h r ö t e r , Beitrr. z. Familiengesch. 8 . A. Birgers: MansfelderBU. 7, S. 156-61. — 47) O A. Bürgers ausgew. Werke in 2 Bdn. Mit e. biograph. Einleitg. v. E. II. W e r n e r . St, Cotta. 283 n. 220 S. M. 2,00. — 48) X I"CB1. 1892, S. 329-30; A. S a n e r : DLZ. 1892,8.1646 ; 0. B e h a g h e l : LBlGRPh. S. 158/9. — 49) X A. W a a g : LBIGRPh. S. 424/5. — 50) O Sohiller et Barger. Le Chant de la cloche et L6nore. Trad, en vers ¿quimütriques et equirhythmiques par E d . P e s c h . Pref.de L. de F o n r c a n d . Paris,Hinriohsen. 1891. XV,56S. Fr. 1,60. — 51) X Percy, Beliqnes of ancient english poetry. By H. A. W i l l mo t t . New ed. London, Eoutledge. Sh. 2. (Vgl. auch IV 1 d : 57.) — 52) 0. K o h l , Bürgers wilder Jäger u. Goethes getreuer Eckart: ZDU. 6, S. 6-85. (Vgl. JBL. 1892 I 5:34; IV 8« : 33.) — 53) E. B i n d e r , Weiteres zu Bürgers „Kaiser u. Abt": ZVLK. 5, S. 466/9. (Vgl. I 10:33.) - 54) X A. C h u q u e t : BCr. ;15, S. 213/4; A. S a u e r : DLZ. S. 42/3. — 55) H. K r a u s e n. B. S e u f f e r t , Zwei Briefe Chr. Fr. D. Schubarts: VLG. 6, S. 585/8. — 56) O E. Brief y. Schubart. Mitget. v. K. W a l c k e r : BBSW. S. 69-73. - 57) X E r i c h S o h r a i d t , Brief Sobubarts an Prof. Nast. Mitget. in GDL. (Ilärz). Referat: DLZ. S. 1370/1. — 58) H. S o l g e r , Schubart, D. Gefangene auf Hohenasperg. E. Bild seines Lebens n. Wirkens. Mit e. Portr. Schubarts. Bamberg, Handels-Dr. 56 S. — 59) O L. Sim m e t , D. Dichter, Publizist u. Musiker Ch. F. D. Sohubart in Augsburg 1774 u. 75. Progr. AugBburg. 32 S. — 60) X F. A. y. W i n t e r f e l d , Schubarts Beziehungen zu Prenssen: Bär 19, S. 355/6. — 61) X L u i s e P i c h l e r , D. Expeditionsrat. Erzählung aus d. Zeit d. Diehters Sehubart. 3. Aufl. ( = Eist. Erzählungen für d. Jugend N. 4.) L., A. Oehmigke. 12°. 96 S.

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IV 2a :

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A. S a u e r , Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.

In der Charakteristik des bayerischen Hofpoeten und Journalisten Matth. E t e n h u e b e r (1720—82) liefert von R e i n h a r d s t ö t t n e r 6 2 ) einen interessanten Beitrag zur lokalen und provinziellen Litteratur- und Kulturgeschichte. Etenhueber gab von 1759—77 das „Münchnerische Wochenblatt in Versen" (der Jahrgang 1767 betitelt sich „Der poetische Zeitungsfabrikant"), eine Art Reimchronik über die zeitgenössischen Ereignisse, meist in Alexandrinern, heraus. Alle europäischen und aussereuropäischen Vorfälle werden berührt, vor allem spukt der „klug und tapfre" Prinz Heraklius in einer Reihe von Wochenblättern; die Auflösung des Jesuitenordens wird betrauert. In späteren Jahren mehr Themen religiösen und ethischen Gehalts. Sehr interessante kulturhistorische Schilderungen, z. B. über die Bierverhältnisse im alten München, Schilderung Münchener Festlichkeiten; Satiren auf alle Stände, über die Kinderzucht; Gedichte auf den Kaffee, auf das Bier; ein „Lob der kleinen und magern Leute" gemahnt vielfach an Castellis „Trostgedicht für die Kleinen"; Fabeln; auch Uebersetzungen finden sich, die Etenhueber fast um die Gunst seiner Leser gebracht hätten: aus Ovids Heroiden, das erste Buch der Tristia ex Ponto (der „Traurigen"), Horaz. Einen eigentümlichen Anstrich erhält die Zeitschrift durch die versifizierten Urteile der in erschrecklicher Zahl in München Hingerichteten, „widerliche Galgenpoesie"; hervorzuheben sind ferner die offiziellen Glückwünsche an den Kurfürsten und andere Gelegenheitsgedichte von ihm; ferner seine Bettelgedichte, unter denen die regelmässig wiederkehrenden Holzmemoriale an den Kurfürsten des Humors nicht ganz entbehren; endlich seine Bildergedichte. Bemerkenswert sind auch seine Streitigkeiten mit dem kurbayerischen Intelligenzblatt. 1763 war er zum Hofpoeten ernannt worden; seine politische Poesie brachte ihn im J. 1778 trotzdem für einige Zeit ins Gefängnis. — An Etenhueber reihen sich zwanglos die übrigen G e l e g e n h e i t s g e d i c h t e an, die während der Berichtsjahre gedruckt wurden. — Eine gereimte Eingabe der Neuberin an Brühl, Leipzig 17. Mai 1734, mit der Bitte um Spielerlaubnis und um Wiedererteilung des Prädikates „Hofkomödianten" an ihre Truppe, voll von Seitenhieben auf die Müllersche Truppe, veröffentlicht Distel 6 3 ). — Gädcke 6 4 ) lässt ein anonymes Spottgedicht aus dem J. 1738 auf den Kriegs-, Domänen- und Steuerrat Titius abdrucken, welcher sich durch seine „hitzigen" Verordnungen bei der Bürgerschaft von Salzwedel missliebig gemacht hatte, bei Friedrich Wilhelm I. in Ungnade fiel und sich erschoss. — Ferner wurde veröffentlicht eine bewegliche versifizierte Bitte des Pfarrers Chrn. Gottfr. L u d w i g 6 5 ) zu Oetlingen (1752—75) in der Markgrafschaft Baden an die markgräiliche Verwaltung zu Rötteln um Ausbesserung seines jämmerlichen Pfarrhauses. Ihr poetischer Wert ist durch den Schlussreim „Glück: Ludwig" genügend charakterisiert. Der Markgraf ging auf den Ton ein und versah das Gesuch mit dem Vermerk: „Hierauf wird resolvieret: Die Fenster reparieret!" — Junghaus 6 6 ) teilt eine Reihe von Akten mit, aus denen hervorgeht, dass das Hanausche Konsistorium zum Regierungsantritt des Erbprinzen Wilhelm zu HessenHanau im J. 1764 bei dem Sekretär Scheel zu Frankfurt ein Gedicht bestellte, dieses drucken liess und in kostbaren Einbänden überreichte. Die Kosten 210 Fl. 4 Heller waren einzelnen Geistlichen zu hoch, und sie hielten mit ihren Klagen nicht zurück. Das Konsistorium verteidigte sich: „Das dem Hrn. Secretario Scheel gegebene praemium (40 fl.) scheint zwar, wie es in der That auch ist, viel, wir müssen aber ohnverhalten, dass solches von sämtlichen Herrn Directoribus und resp. Deputatis tn Betracht, dass derselbe sein Meisterstück bewiesen, viele ausserordentliche Aenderungen vornehmen und alle übrige bei dieser Gelegenheit verfertigte Gedichte noch weit höher bezahlt bekommen, einmüthiglich beschlossen worden". Das so umstrittene Carmen hat sich bis jetzt nicht wieder auffinden lassen. — Als Probe von C.A. Musaeus Gelegenheitsdichterei und als Beweis von dem kläglichen Aussehen der Dichtkunst in Weimar vor Wielands Eintritt veröffentlicht S e u f f e r t 6 7 ) dessen konventionell schwülstiges Trauergedicht auf die Frau des als Goethes Amtsgenossen bekannten Weimarer Geheimden Assistenz-Rates D. Achatius Ludwig Karl Schmid, Karoline Friederike Marie Schmid geb. Heimburg, welche am 3. März 1767 in Jena gestorben war. Unter den sonstigen Trauergedichten auf diese Dame befindet sich auch eines von Kotzebues Mutter. — Endlich kam auch überflüssiger Weise das Gedicht eines Ungenannten68) zu Tage: „Freyberg, den Siebenten August 1781. Als der Blitz mit M. 0,75. — 62) K. v. R e i n h a r d s t ö t t n e r , D. kurfüml. bayerische Hofpoet Matth. Etenhueber: FKLB. 1, S. 7-68. (Dazu Notiz S. 232.) — 63) Th. D i s t e l , Noch e. Gedicht d. Neuberin an Brllhl: YLG. 5, S. 604/7. — 64) (1 4:168.) — 65) W. K., E. poet. Bittschr.: Didask. 1892, N. 252. — 66) G. J u n g h a u s , Nachlicht T. e. Glackwlnschungs-Carmen, welches d. Durchlauchtigsten Hohen Landesherrschaft, nämlich Sr. Hochfärstlichen Durchlaucht d. gnädigst regierenden Fftrsten u. Herrn, Herrn Erbprinzen Wilhelm zu Hessen-Hanau u. Höchst-Deroselben Frauen Gemahlin, d. Frau Erbprinzessin Wilhelmine Karoline zu Dänemark u. Norwegen Kgl. Hoheit, gelegentl. dero höchst beglückter Vermählung u. demnächst erfolgten Einzugs u. Regierungsantritts nomine d. Hanauischen reformierten Ministerii ist fiberreicht worden. Hanau im Okt. 1764: Hessenland S. 114/8. — 67) B. S e u f f e r t , E. Trauergedicht v. 0. A. Musaeus: VLG. 6, S. 137-41. — 68) Blitzschlag in d.

A. Sauer, L y r i k : Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.

I V 2a : 69-74

einem entsetzlichen Krachen in den am Erbischen Thore befindlichen Thurm oben herein und gantz durchschlug". — Zu W i e l a n d s Gespräch: „Goethe und die jüngste Niobetochter" (GJb. 9, S. 7ff.) versucht W e i z s ä c k e r 6 9 ) einen Kommentar zu geben, indem er nachweist, dass in der jüngsten Niobetochter nicht eine überlebensgrosse Statue, sondern nur ein Abguss des Kopfes zu erkennen sei. — Für F r . A u g . Cl. W e r t h e s Biographie liefert H e i n r i c h 7 0 ) wertvolle Ergänzungen zu Wurzbach 55, S. 132/4 aus Akten der Budapester Universität und des kgl. ungarischen Landesarchivs. Die Studien-Hof-Kommission in Wien schlägt Werthes am 29. Sept. 1784 zur Ernennung für den durch den Tod Szerdahelyis erledigten Lehrstuhl der schönen Wissenschaften an der Universität zu Pest vor. In diesem Schriftstück wird er als „ein Schüler des berühmten Wieland" bezeichnet; er habe in Deutschland, in der Schweiz und in Italien wiederholte Reisen gemacht, sei 1782 an die neue Stuttgarter Universität auf den Lehrstuhl der Aesthetik berufen worden, habe diesen Lehrstuhl ein und ein halbes Jahr innegehabt, worauf er dies Amt niedergelegt habe und nach Wien gekommen sei, wo er sich derzeit litterarischen Arbeiten widme. Am 12. Okt. 1784 ernannt, eröffnete W . seine Vorlesungen mit einer in demselben J. gedruckten Rede. Er trug deutsch vor, während die Vortragssprache lateinisch war und nur einzelne Lehrer ungarisch dotierten. Schon am 8. Jan. 1791 bittet Werthes mit Berufung auf seine geschwächte Gesundheit, um seine Entlassung, die er nebst einer Abfertigung von 1000 Fl. auch erhielt. Den eigentlichen Grund seines Wegganges sieht H. in politischen Verhältnissen. Während seines ungarischen Aufenthaltes veröffentlichte Werthes „Kirchengesänge auf das am 1. Mai 1791 von den Protestanten in Ungarn zu feiernde Religionsfest für das evangelische Bethaus zu Pest verfertiget" (o. O. 1791) und das. Drama „Niclas Zrini" (Wien 1790), das noch in demselben Jahre, bearbeitet von Stefan Csepän von Györg.yfalva, in ungarischer Uebersetzung erschien (Komorn 1790); die Beziehungen zu Körners „Zriny" werden kurz erörtert; ein fünfaktiges „nationales ungarisches, teilweise trauriges Lustspiel": „Matthias Korvinus" scheint nicht vollendet worden zu sein. H. erwähnt ferner neben der sechsbändigen Gozziübersetzung noch zwei selbständig erschienene Uebersetzungen Gozzischer Stücke von Werthes: „Die zwei schlaflosen Nächte oder der glückliche Betrug" (Wien 1775) und „Die zwei feindlichen Brüder" (Wien 1782). — K. Th. C o n z wird von einem Ungenannten 1 !) als Lorcher Dichter gefeiert; die lokale Färbung seiner poetischen Stillleben und der historische Hintergrund seiner stimmungsvollsten, vaterländischen Gemälde werden hervorgehoben. — Ueber M a t t h i s s o n s Verkehr mit Goethe stellt B o c k 1 2 ) eine Reihe von Notizen bequem zusammen. Eine Einwirkung Schillers oder Goethes auf Matthissons künstlerisches Schaffen lasse sich nirgends nachweisen, seine dichterische Erscheinung gehöre vielmehr zu den Epigonen der Klopstockepoche. B. hebt ferner hervor, dass Matthisson im J. 1826 von dem Erbgrossherzog von Sachsen-Weimar eine Abschrift des Tiefurter Journals erhalten habe, die nach seinem Tode versiegelt an den Herzog wieder zurückgegeben wurde, und wünscht eine Veröffentlichung der Weimarer Zeitschrift „Chaos", an der Matthisson mitgearbeitet hat. — Mit Matthissons „Adelaide" beschäftigt sich E n g l e r t 7 3 ). Im Gegensatze zu Sprenger (vgl. JBL. 1892 I V 2 : 2 3 b ) meint er, es läge näher anzunehmen, dass Matthisson den Namen Adelaide einfach aus formellen Gründen gewählt habe, da derselbe gerade einen adonischen Vers abgab und sich so als wohllautender Refrain verwenden liess, weist aber dann, ohne Scherers Aufsatz (ZDA. 24, S. 2 7 9 = 1 1:117; 2, S. 356/7) zu berücksichtigen, auf ein Gedicht von Marmontel „ A Mademoiselle de Saint-S**" mit dem Refrain „Adelaide" hin, das jedoch keine innere Aehnlichkeit mit Matthissons Gedicht besitze. — Der Dichter J. G a u d e n z v o n S a l i s - S e e w i s ist in dem Buche v o n S a l i s S o g l i o s 7 4 ) über die Konvertiten der Familie von Salis nur anmerkungsweise erwähnt; dessen Sohn Johann Ulrich Gaudenz Dietegen 1794—1844 und seine Familie werden behandelt. Im übrigen sind besonders folgende Mitglieder der Familie SalisSoglio hervorzuheben: Graf Johann von Salis-Soglio-Bondo 1776 — 1855 (Auszüge aus Briefen an ihn von dem Herzog Franz V. von Modena S. 45; über die Revolution des J. 1848 S. 48; von Erzherzog Maximilian S. 45, 51, 55; von Erzherzog Ferdinand S. 46, über Haynau: „Das ist der Mann für das 19. Jh., wo kein Band mehr hält"; von Huster S. 48, von Baron Moy de Sons S. 50; von und an Graf Senfft S. 47, 53, 115). Freiherr Anton von Salis-Soglio 1762—1831 (S. 64 Briefe aus Wien 1808; S. .65 f. über den Wiener Kongress 1815; S. 69 über Aenderungen in der österErbische Thor: MFreibergAV. 30. Heft. S. 117/8. — 69) F. W e i z s ä c k e r , Wielands Niobetochter: VLG. 6, S. 141/5. 70) O a s t . H e i n r i c h , Fr. Aug. Cl. Werthes in Ungarn: UngK. 13, 3. 508-13. — 71) W. Z„ Erinnerung an d.Lorcher Dichter K.Phil. Conz: SchwäbKron». 1892, N. 182. — 72) (IV 8h : 4 8 . ) - 73) A. En g i e r t . Zu ZDU. 5, S. 637/8: ZDU. 6, S. 439-40. — 74) P. N. T. S a l i s - S o g l i o , I). Konvertiten d. Familie v. Salis. Mit e. Bilde d. Stammsitzes Soglio. Luzern, Gebr. Häher.

IV 2a : 76-79 A. S a u e r , Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. reichischen Volkshymne 1822). Fida Adelheid Zaire von Salis-Soglio, geb. 1788, die ihren Namen der damals noch sehr lebhaften Vorliebe ihres Vaters für die Werke Voltaires verdankt S. 96. Eine Selbstbiographie des Vf. S. 123. — Das anziehende und gewinnende Bild, das Frey von dem Dichter J. Gaudenz von Salis-Seewis entworfen hat, zeichnet A d o l f S t e r n 7 5 ) in einer liebevoll ausgeführten Skizze nach. Frey hätte die Zusammengehörigkeit Salis und Matthissons zu stark betont, er hätte auch den Vorzug grösserer Frische, einfacherer Männlichkeit und unmittelbarer Natnrempfindung, den der Graubündner in seinen Gedichten vor dem Sohne der norddeutschen Ebene voraus hatte, entschiedener betonen dürfen. Wenn der Leser von heute die Gedichte von Salis und Matthisson gegen einander halte, so falle der Eindruck grösserer Wahrheit, schärferen Blicks für die verborgenen Reize der Natur, runderer Plastik und sinnlicheren Sprachgefühls durchaus auf Salis Seite. Er sei viel mehr aus einem Guss als Matthisson. — In dem Buche der Henriette Bissing über A m a l i e v o n H e l v i g vermisst A d o l f S t e r n 7 6 ) in einem fesselnd geschriebenen Essay nähere Aufschlüsse über ihres Vaters erste Ehe. Die Annahme, dass Imhoff seine erste Frau an Warren Hastings überlassen, gleichsam verkauft, dass er in der ganzen Angelegenheit eine unwürdige Rolle gespielt habe, gehe durch ganze Reihen englischer Werke über den berühmten Nachfolger Imhoffs in Indien hindurch; sie habe durch Macaulays glänzenden Essay, der in hunderttausenden von Exemplaren verbreitet, in alle europäischen Sprachen übersetzt sei, eine gewaltige Geltung gewonnen. Die Verfasserin hätte diesen Anschuldigungen entgegentreten, Gegenbeweise vorbringen müssen, nicht an dem Kern der Frage vorbeihuschen dürfen; oder sie hätte die geschichtliche Wahrheit wenigstens durch Schweigen ehren müssen; dies würde um so eher möglich gewesen sein, als in Wahrheit Amalie von Imhoff sehr wenig von den früheren Lebensverhältnissen ihres Vaters berührt worden sei. St. ergänzt das Buch ferner durch eine Würdigung von Amaliens dichterischer Produktion, insbesondere ihres Epos „Die Schwestern von Lesbos". Mannigfache Geister hätten in wundei'lichem Reigen dieses Werk umschwebt. Eindrücke aus Goethes „Iphigenie", einzelne Bilder aus „Alexis und Dora" und dem „Neuen Pausias", fein nachempfundene Klänge aus Schillers antikisierenden Gedichten, Erinnerungen an Vossens „Homer", ein und der andere Nachhall aus Goethes „Hermann und Dorothea", ja aus Vossens „Luise", Sentenzen, die Herders sittlicher Grazie entsprungen schienen, Züge und Farben jener „Griechheit", die die bildende Kunst der Zeit in den Blättern von Rafael Mengs, Angelika Kaufmann, Füssli und Füger bevorzugte, und in die sich auch Fräulein von Imhoff hineingesehen hatte, hätten sich darin verbunden mit einer feinen Empfindung, einem beobachtenden Natursinn, der in der Seele des jungen Mädchens gelebt, mit einer stillen Hoheit des Sinnes, die sie in lebendigen uud wirklichen Menschengestalten ihrer Umgebung vor Augen gehabt. Ein wohlthuender Hauch klaren und reinen Lebensgefühls, milder Menschlichkeit und stiller Freude am Schönen gehe durch das Gedicht hindurch. In den späteren poetischen Versuchen der Dichterin, nach ihrer Rückkehr aus Schweden, sei ein Fortschritt über das hinaus, was sie schon zu Anfang des Jh. vermocht hätte, nicht zu erkennen; ersichtlich gesellen sich Einflüsse der herrschenden Romantik zu den poetischen Elementen, die bei der Schülerin Goethes und Schillers früher vorgewaltet hätten. — Die Herausgeber des B e r l i n e r M u s e n a l m a n a c h s von 1791—97, K. H. Jördens, Bindemann, F. W. A. Schmidt werden von G e i g e r 7 7 ) kurz charakterisiert. Er zählt ihre Mitarbeiter auf, unterscheidet in den Beiträgen eine den Neuerungen freundliche und eine antirevolutionäre, royalistische Strömung, hebt die Beziehungen zum Herrscherhause hervor und stellt das Berlinische aus den Almanachen zusammen. — Das Dunkel, das über den mutmasslichen Vf. der „Gedichte von Filidor" (Leipzig 1788), den Leipziger Advokaten Heinr. Chr. Lebr. Senf 7 8 ), schwebt, ist durch den anonymen Artikel der ADB. nicht gelichtet worden. — Auch mit einigen D i c h t e r n g e i s t l i c h e r L i e d e r hatte sich die ADB. der Reihenfolge des Alphabeths nach diesmal zu beschäftigen: J a c o b s 7 9 ) Artikel über den Halberstädter Domherrn H e n r i c h E r n s t Graf zu S t o l b e r g - W e r n i g e r o d e (1716—78) beruht vorwiegend auf den Briefen und Journalen der Fürstin Luise Ferdinande zu Anhalt-Cöthen, von denen 7 Teile 1764—84 als Hs. gedruckt sind. Stolberg war der Mittelpunkt für einen Kreis Wernigerodischer geistlicher Sänger. 688 von ihm verfasste Gedichte sind hs. erhalten, 338 wurden durch Prof. Siegm. Jak. Baumgarten in Halle von 1748—52 in vier Bänden zum Druck befördert. Verschiedene haben sich lange in Gesangbüchern und geistlichen Liedersammlungen ge1892. 4 Bl., 134 S. M. 2,40. — 75) (III 1 :135; S. 305-14.) — 76) ( = N. 75, S. 282-95.) — 77) L. G e i g e r , D. Berliner Jiusenalm. v. 1791 u. seine Nachf.: VoseZg". 1892, N. 26. — 78) — d, H. Chr. L. Senf: ADB. 34, S. 23. — 79) Ed. J a c o b s ,

A. S a u e r , Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.

IV 2a :

90-99

halten, zwei sind ins Englische übersetzt. — Von Chr. Heinr. Aug. S i l b e r (gest. 1797), der in dem „Liturgischen Vermächtnis für seine Zeitgenossen" (Freiberg 1800) als Vf. und Ueberarbeiter geistlicher Lieder bekannt wurde, weiss die ADB. 80 ) zu berichten, dass er hinsichtlich der Sprache und des Reimes grosse Ansprüche an sich gestellt habe, und dass in dieser Hinsicht seine Lieder teilweise nicht so übel geraten seien; inhaltlich gehören sie der moralisierenden Richtung jener Zeit an, die wenig poetische Kraft bewährte. — Von demselben ungenannten Autor81) ist der Artikel über die Dichterin M a r i e K l a r a von S i l b e r r a d (gest. 1815), die 1793 „Biblische Denksprüche mit Liedern" anonym in Nürnberg herausgab. Ob sie identisch ist mit Marie Klara von Lemp auf Ebenmut, der Gattin des Nürnberger Advokaten Joh. Gust. Silberrad, der erst nach seiner Hochzeit geadelt worden wäre, bedarf noch weiterer Untersuchung. — In der ADB. behandelt weiterhin I l w o f 8 2 ) den Benediktiner des Stiftes Admont Ulr. S p e c k m o s e r (1781—1845), geboren zu Stegmühl in Obersteiermark, einen an den Gymnasien zu Graz und Marburg thätigen Schulmann, der der Vf. einer Reihe gediegener lyrischer Dichtungen in der Beilage zur Grazer Zeitung „Der Aufmerksame" ist; S t r i e d a 8 3 ) den Philologen K. L. S t r u v e (1785—1838), der in Dorpat und Königsberg wirkte und auch einen Band nicht weiter charakterisierter „Gelegenheitsgedichte" (Königsberg 1817) herausgab. — Das Verzeichnis der Schulprogramme des Freiber ger Konrektors M o r . D ö r i n g , des Dichters des Bergmannsgrusses, welches B. Richter in seinem Lebensbild Dörings (Osterprogr. des Gymnasium Albertinum 1884) gegeben hat, ergänzt H e y d e n r e i c h 8 4 ) durch eine neuaufgefundene Schulschrift zum 11. Apr. 1823. Konjekturen zu Homer enthaltend. — Ganz in der alten Manier des 18. Jh., im Geiste Gellerts und Hagedorns, Gleims und Goeekingks dichtete Fr. Wilh. E h r h a r d t , dessen Andenken H e i n e c k 8 5 ) in lokalgeschichtlichem Interesse aufgefrischt hat. Ehrhardt war geboren in Rüxleben 24. Dec. 1752, studierte in Göttingen, Halle und Jena, war 1775 —78 Feldprediger in Witzenhausen, 1782—86 Erzieher in der Familie Bethmann, seit 1786 in Nordhausen ansässig, wo er 1820 starb. Dort erschienen seine Gedichte 1805 bei J . A. Nietzsche unter dem Titel „Gedichte eines Nordhäuser Bürgers". Auch seine Tochter Elise war dichterisch thätig. Ihre Gedichte wurden unter dem Titel „Wiesenblumen" 1818 gesammelt86). — Von E. M. A r n dts ausgewählten Werken87) begannen Ausgaben von Rösch 88 ) und von G e e r d s 8 9 " 9 0 ) zu erscheinen.91"93) — Th. K ö r n e r s Werke 94 " 98 ) gab Zimmer99) in der Klassikersammlung des Bibliographischen Instituts neu heraus. Hier kommt nur der erste Band in Betracht, der neben den kleinen Lustspielen die Gedichte enthält. Die Texte sind mit den ersten Drucken verglichen; nur Castellis Taschenbuch „Selam" für 1813, in welchem das Gedicht „Der Rynast" zuerst erschien, war dein Herausgeber unzugänglich. Im allgemeinen ist die Textrevision nicht sehr ergiebig. Zu zwei zuerst von Latendorf veröffentlichten Gedichten „An Toni" und „Zum 13. Juni" werden Verbesserungen nach neuerlicher Vergleichung der Hs. mitgeteilt. Ein Anhang bringt vier bisher ungedruckte Gedichte: Ein Sonett „Zum 6. März", dem Geburtstag der Dora Stock; „Mit einer Rute"; „Im Kreis der Musen"; „Kunzens Jule", ein poetisch wertloses, aber biographisch nicht uninteressantes Gedicht auf die Heirat Julie Kunzes mit Alexander von Einsiedel 3. Dec. 1808. Er flucht Leipzig, das ihm seine Schwester geraubt habe. Die Hs. des letzten Gedichts ist schwer leserlich. I, S. 19 ist ein Gedicht an Körner: „Wohl dir, dass du als Jüngling dich verblutet!" mitgeteilt, das bisher ungedruckt sein soll und nach dem Urteil W. Künzels von C. A. Tiedge herHeinr. Ernst Graf zn Stolberg-Wernigerode: il>. 36, S. 393/6. — 8 0 ) 1. o-, Chr. H. A. Silber: ib. 34, S. 304. — 81) i d . , Marie Clara v. Silberrad: ib. S. 314. — 82) F. I l w o f , U. Speckmoser: ib. 35, S. 84/5. — 83) L. S t r i e d a , K. L. Struve: ib. 36, S. 687-90. — 84) E. H e y d e n r e i c h , E. verschollene Schrift d. Konrektors Mor. Döring, d. Dichters d. Bergmannsgrusses: MFreibergAV. 30, S. 115/6. - 85) H. H e i n e c k , Gedichte e. Nordh&uaer Bargers. Als Ms. gedr. Nordhansen, Fr. Eberhurdts Bnchdr. 11 S. — 8 6 ) X E. dtsch. Dichterin o. Edelfrau ans d. 18. J h . : DAdelsBl. 10, S. 439-41. — 87) X & G e e r d s , E. M. Arndts süratl. Werke: AZg®. 8. Sept. — 88) E 11. Arndt, Ausgew. Werke. 1. Gesamt-Ansg. Her. y. H. B ä s c h . 1.Bd. L., K. F . Ffan. 1892. IV, 344 S. M. 3,00. |[BnrBChensohaftlBll. 7 |S.-S.), S. 306; VossZgB. N. 17.]! — 89) R. G e e r d s , Gedichte y. E. M. Arndt. In nener Ausw. mit biogr. Einl. her. ( = CB. N. 3081/2.) L., Ph. Keclam jnn. 12°. 188 S. H. 0,40. — 9 0 ) X >.. E. II. Arndt, Erinnerungen ans d. äusseren Leben, ebda. 1892. 12°. 391 S. Uit Bild. M. 0,60. — 91) X i d . . Von E. M. Arndt. Einige -wunderbare Erlebnisse aus seinem Leben, '¿usaiumengest.: Sphinx 14, S. 248-52. (Fälle y. Hellsehen, Telepathie etc.) — 92) X F. II. Arndts Urteil über d. Jesuiten: DPB1. 26, S. 53. — 9 3 ) X H - K e f e r s t e i n , E. M. Arndt als Pädagoge: DBI1EU. 20, S. 213/6, 221/5. — 94) X Tb- Körners sämtl. Werke in 4 B d n . Mit Einl. v. Herrn. F i s o h e r . St., Cotta Nachf. 258, 243, 327, 247 S. Mit Bild. M.4,00. — 9 5 I X Körners Werke. 2 Bde. L , Th. Knaur. VI, 411 S.; III, 389 S. M. 2,00. — 9 6 ) X >d-> Werke. III. Pracht-Ausg. Her. v. H e i n r . L a u b e . 2. (Titel-)Aufl. 2 Bde. Wien,S.Bentinger. 1892. VII, 440 S . ; 427 S. & M. 11,00. — 97) X H e l l i n g h a u s , Leier u. Schwert u. andere Gedichte y. Th. Körner (vgl. J B L . 1892 I 6 : 63). — 98) X Th. Körner, Leier u. Schwert. Kriegs- u. Freibeitslieder. L., Walther Fiedler. 16°. 65 S. M. 1,00. (Kurze Einl. y. H. M e n d h e i ' m . ) — 99) H. Z i m m e r , Körners Werke Krit. durchges. u. erlänt. Ausg. 2 Bde. L. u. Wien, Bibliogr. Inst. 28, 398, 461 S. (Nicht zu abersehen, dass 2, S. 363 d. d. Erzählung J . Heiderich zu Grunde liegende Begebenheit aus Akten d. k. u. k. österr. Kriegsarchiys nachgewiesen wird. E. Gefreiter namens J . Heidrioh diente

IV 2a : loo-xu

A. S a u e r , Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.

rührt. — Den wertvollsten Beitrag zur Körnerforschung lieferte in den Berielitsjahren P e s c h e l 1 0 0 ) durch die Veröffentlichung des Taschenbuches, das Körner im Feldzuge bei sich trug und in das er bis kurz vor seinem Tode Einzeichungen machte. Körner hatte es von Frau von Pereira-Arnstein zum Geschenk bekommen, von der auch offenbar die Eintragung S. 30: „Gedenken Sie meiner letzten Bitte" herrührt. Es enthält S. 25/9 Körners Tagebuch vom 15. März—29. Mai 1813; S. 30/7 ein Diarium unter der Ueberschrift „Mein Feldzug" vom 15. März—22. Aug.; S. 38—103 die Kriegslieder teils in ersten Entwürfen, teils in Reinschriften, mit vielfachen Abweichungen von den bekannten Texten, darunter am interessantesten die erste Fassung von „Lützows verwegene Jagd". Auch den Entwurf des Aufrufs „An das Volk der Sachsen". Sechs Gedichte waren bisher ungedruckt: „An L. als Dank für das Feldzeichen", unbedeutend; „Gebet", schwermütig und träumerisch; „Als ich schwer verwundet lag, im Augenblicke des höchsten Schmerzes" mit dem schönen Schluss: „Der Leib, der Schmerz ist sterblich, Unsterblich ist der Geist"; „Auf Wieknitzens Tod" und das wutschnaubende „Lied von der Rache". Leider ist der Abdruck der vielfach korrigierten Hss. sehr unklar und unübersichtlich, auch der Text durch die Lesarten der gedruckten Fassungen interpoliert, Zusammengehöriges auseinandergerissen und die Anmerkungen vom Text oft durch mehrere Seiten getrennt. Ein Anhang enthält Mitteilungen über Körners Tod und Beerdigung; S. 22 ist ein Gedicht „An Theodor Körner" von Friedrich Grafen von Kalkreuth. Endlich ist dem Buche u. a. beigegeben Körners Bildnis nach der Kreidezeichnung seiner Schwester Emma; Autotypien von Körners Brief an Parthey vom 23. Aug. 1813 und von 6 Gedichten.100'1) — L a t e n d o r f ! 0 1 ) trägt zu seiner Schrift „Friedrich Försters Urkundenfälschungen" (vgl. JBL. 1891 IV 4 : 1 0 1 ; dazu JBL. 1892IV 4: 37, 39) ein neues und augenfälliges Beispiel für Sinn und Wesen des Fälschers nach: In dem erdichteten Brief aus Jauer den 30. März 1813 lässt Förster unachtsamer Weise von der Einsegnung in der „hiesigen Kirche" schreiben, während die kirchliche Einsegnung der Lützower' für die das Weihelied gedichtet war, in dem etwa 5 Meilen entfernten Rogau stattfand. — S a n d e r s 1 0 2 ) bestreitet im Anschluss an eine Bemerkung von K. E. Franzos in der Deutschen Dichtung die Berechtigung, gegen Körners Gedichte Bedenken und Einschränkungen geltend zu machen und versieht die drei Gedichte „Schwertlied", „Lützows wilde verwegene Jagd" und „Gebet während der Schlacht" mit einigen sprachlichen und metrischen Bemerkungen. — In einem bunten Sammelschriftchen stellt Müsiol 1 0 3 ) die Beziehungen der Familie Körner zur Musik zusammen. Erzählt die Musiker auf, die in Körners Vaterhause verkehrten und berichtet über die Musikliebe und die Kompositionen des alten Körner; dann über Theodors Musikunterricht, über die von ihm gebrauchten Instrumente und deren Verbleib. S. 21: Verzeichnis der im Körnermuseum im Ms. erhaltenen Kompositionen Theodors, darunter die Schillersclien Gedichte „Der Alpenjäger", „Teilung der Erde", „Resignation" und „Hoffnung" für Gesang und Guitarre komponiert. Es folgen Briel'stellen über Musikaufführungen in Wien, Nachrichten über seine Musikliebe und Musikkenntnis, Stellen aus seinen Werken über Musik; ein Verzeichnis von Komponisten, die Körnersche Gedichte gesetzt haben; Kompositionen zu seinen Dramen; seine Operntexte und deren Kompositionen ; Lieder, die auf ihn Bezug haben, und musikalische Dramen, in denen er auftritt.104"107) — Das früher erschienene Werk Pescheis (vgl. JBL. 1891 IV 4:100) wurde von F r ä n k e l 1 0 8 ) , die Arbeiten von Brockhaus (vgl. JBL. 1891 IV 4:103), Hauffen (ib. N. 50) und Bischoff (ib N. 106) von Sauer 1 0 «) incensieri.110"11') — wirklich im Regimente Stuart. D. Oberlieutenant hiess Hromada.) — 100) W. E. l ' e s c h e l , Th. Körners Tagebuoh u. Kriegslieder ans d. J. 1813. Hit d. Bilde Th. Körners, Abbild, seiner Grabstätte, sowie 6 nutot.yp. Gedichten u. 1 Briefe Th. Körners. Nach d. Orig.-Hs. veröffentl. Freiburg i. B., F. E. Fehsenfeid. VIII, 107 S. M. 200. [AMZg. 68, N. 61; K. S i e g e n : Didask. N. 160 (aus LeipzTBl.); E. B : LZg. N. 158; R.G.: NatZg. N.433; R. II. M e y e r : ML. S. 727; E. B r o c k a u s : BLU. S. 449-51; Grenzb. 3, S. 236,8. || — 1 0 0 a ) X H. Z i m m e r , 6 neue Gedichte za Th. Körners „Leier n. Schwert": BarschenschaftlBlI. 7 (3.-S.), S. 240/1. - - 101) F. L a t e n d o r f , E. frivole Körnerf&lschung an e. einzigen Worte nachgewiesen : KonsMschr. 4, S. 463,4. — 102) I). S a n d e r s , Th. Körner (geb. 23. Sept 1791, gest. 26. Aug. 1813): ZDS. 5, S. 329-33,369-76. — 103) B. M ü s i o l , Th. Körner u. seine Beziehungen z. Musik. Mnsikhist. Studie. Ratibor, E. Simmich. 96 S. M. 1,50. |[P. A.: LZg B . N. S9.J| — 104) X A - K o h u t , Th. Körner, Sein Lehen n. seine Dichtungen. Für d. Jugend u. d. Volk. 2. (Titel-)Aufl. Mit d. Portr., e. Namens- u. Gedichts-Facs. B., C. Georgi. 1891. X, 319 S. M. 4.00. — 105) X Th. S o h e m m i i n g , Andenken an Wöbbelin! Leben, Dichten, Sterben, Abbild, u. Inschriften d. Grabstätte d. Heldendichters Th. Körner. Güstrow (Opitz, k Co). 30 S. M. 0,40. — 106) X (IV l a : 32; S. 82-96.) — 107) X Th. Körner. Erinnerungsbll. ges. aus Anlass d. Wiederkehr seines 100. Geburtst. v. d. Lese- u. Redehalle d. dtsch. Studenten in Prag. Prag, J. G. Calve. 1892. 56 S. M. 0,80. (Enthält Gedicht« v. F. A d l e r , J. B e n d e l , R. B u n g e , R. B y r , B. C a r n e r i , J. J. D a v i d , L. A. F r a n k l , M. G r e i f , F. H e r o l d , P. H e y s e , F. K e i m , A. K l a a r , S t . M i l o w , A. A. N a a f f , H. R o l l e t , P. K. R o s e g g e r , E m i l P r i n z z u S c h ö n a i c h - C a r o l a t h , A. S i l b e r s t e i n , H. S w o b o d a , M. U r b a n ; Sprücheu.Briefe v. H. B e i b e r g , E. H e r b s t , P h . K n o l l , 0. v. L e i x n e r , K . F . M e y e r , R P l e n e r , A. E. S c h ö n b a c h , A . G . v . S u t t n e r , R. V o s s , W e i t l o f ; Aufsätze: Th. Körner als Student v. A. H a u f f e n ; Th. Körner u. d. akad. Jugend v. B. K e i l ; D. Vermächtnis Körners an d. dtsch. Jugend in Oesterr. v. K. P r ö l l ; Körners Sonett: Hofers Tod im Autogramm.) — 108) L. F r a n k e l : ZDU. 6, S. 852,3. — 109) A. S a u e r : DLZ. 8. 1561/2. (BrockhauB S. 47: Krusst verlesen fSr Knifft — Freiherr Nikolaus v. Knifft.) — 110) X R. E d g c u m b e , Th. Körner: NQ. 3, S. 309. (Kurze Anz. englischer Werke fiber Körner.) — Ili) X T h - Körner, Z. Nachtr. Transl.: Journal of Education. 1892, Nov. — 112) K. Th. G a e d e r t z , Hamburger Friedens-

J . E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur G egenWart. IV 2 a: 112-114 IV 2 b: 1-5 Gaedertz 112 ) teilt das zu einer privaten Festfeier Hamburgischer Freunde in Jena verfasste Gedicht von J o h a n n Diedrich Gries: „Hamburgs Befreiung 1814" in erster Fassung mit: „Sei uns gegrüsst vom fernen Saaiestrande", ebenso ein zweites zu derselben Feier verfasstes Gedicht von Ed. Wesselhöft: „Der Herr gebot 1 Buropas Fesseln fielen". — Ferner publiziert Gaedertz , l 3 ) ein bisher ungedrucktes humorvolles Theelied von Gries, das dieser als Dank für eine Sendung Thee 1829 an Alexis Bohn nach Stuttgart richtete.114) —

b) Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. J u l i u s Elias. Allgemeines N. 1. — Schwäbische Dichter N. 6. — Hedwig von Olfers N. 20. — Heinrich und Charlotte Stieglitz N. 29. — Platen N. 33. — RGokert N. 39. — Bodenstedt N. 48. — Annette Ton Droste-Hftlshoff N. 81. — Freiligrath N. 87. — F. von Sallet, G. Herwegh, J. Chrn. von Zedlitz N. 89. — Hoffmann von Fallersleben N. 97. — Geibel N. 104. — 8. von Leinbarg, Alex. Kaufmann, 0. L. Henbner N. 108. — L. Sehefer, Spiller von Hauenschild, J. Hammer N. 112. — E. J. Ph. Spitta und K. Gerok N. IIS. —

An der Spitze dieses Berichtes verdient ein a l l g e m e i n charakterisierender Aufsatz Brunetières 1 ), der der Entwicklungsgeschichte der französischen Lyrik in diesem Jh. sehr sorgfältig nachgegangen ist, wenigstens kurz verzeichnet zu werden. Allerdings wird der Einfluss Goethes auf den französischen Lyrismus zumal an der Stelle nicht verschwiegen (S. 137, 196, 199, 300), wo es sich um die ästhetische Frage nach der Befreiung des Individuums handelt, aber B.s Betrachtungsweise ist doch nur zögernd und wenig tief. Er konsultiert über Deutschlands Kultur- und Litteraturverhältnisse sehr stark Mme. de Staël, ferner Heine (S. 200, 203, 298). Die Geistesverwandschaft Baudelairés und Richard Wagners ist in späteren Abschnitten über den Symbolismus lebhaft betont; von unseren Philosophen huschen Kant, Fichte, Schopenhauer, Nietzsche durch die Darstellung. — Wie sehr sich pädagogische Kurzsichtigkeit und Zimperlichkeit gegenüber dem Liedergut des deutschen Volkes versündigt, das schildert mit Leidenschaft und Spott ein Anonymus2), zumal an gemütvoll-kräftigen Liebesliedern, die sich unter der Hand von Schulmeistern in banale und gleichgültige Reimereien verwandelten; zu den Pädagogensünden gesellen sich allerlei „Komponistensünden"3), die an altdeutschen Gesängen versucht und im einzelnen von Mendelssohn an Spee und von Schumann an Mahlmann begangen wurden. — Thekla von Schober 4 ) sammelte hs. Gedichte von vielen Poeten dieses Jh. Stücke von Scheffel, Arndt, Holtei, Klaus Groth, Gerok, Julius Sturm, das fromme Gedicht des Knaben E. von Willich, das Kaiser Friedrich so sehr liebte, sind längst gedruckt. Dann finden sich in dem hübschen Buche ein Gelegenheitsgedicht des Dr. Baer in Hirschberg auf Kaiser Friedrich zur Einweihung eines Denkmals und mehrere liebenswürdig-fromme Verse aus dem wohl auch schon veröffentlichten Gedichte der Fürstin Eleonore von Reuss: „Flügel und Hände". Etwas bedeutender sind Stammbuchverse Arndts vom 12. April 1794 an den Vater der Sammlerin, die in warmer Begeisterung, einigermassen bilderreich, das Lob der Freundschaft singen, und lustige Zeilen Holteis nach aufgegebenen Reimen. Das Beste sind nach Form und Gehalt die vorgelegten Proben aus Franz von Schöbers Nachlass, darunter schwungreich aus dem nationalen Bewusstsein der Ungarn herausempfunden: „Ungarns Gruss an F. Liszt" und „Hungaria" (von Liszt komponiert). Noch ist der „Fahnenschwur" hervorzuheben, der Sammlerin 1845 überreicht: das Gelübde des Poeten, nur für Edles und Gutes, Recht und Freiheit seine Gaben zu gebrauchen.5) — feier in Jena 1814: HambCorr. 1892, N. 185. — 113) i d . , E. ungedr. Gedicht v. J. 1>. Gries: ib. N. 678. — 114) X Diohterklänge ans Deutschlands grosser Zeit. Patriot. Diohtungen z. Feier d. nat. Gedenktage in Schulen u. Vereinen. 3. Aufl. Langensalza, Beyer & SShne. 12°. i n , 212 S. M. 1,20. (Vorrede unterzeichnet F. U.) — 1) F B r u n e t i è r e , L'évolution de la poésie lyrique au XIX. siècle. Cours libre de la Sorbonne: RPL. 1, S. 05-72, 99-107, 135-42, 164-72, 195-203, 257-64, 293-302, 331/9, 363-72, 495-504, 517-24, 594-603, 613-22, 650/9. 686-94, 743-51, 773-80. (D. Stoff verteilt sich im einzelnen so: Les origines; Bernardin de Saint-Pierre; Chateaubriand et André Chénier; La poésie de Lamartine; L'émancipation du Moi par le romantisme; La première manière de Y. Hugo; L'œuvre poétique de Sainte-Beuve; A. de Küsset; La transformation du lyrisme par le roman; A. de Vigny; L'œuvre de Th. Gautier; La seconde manière de V. Hugo; Leoonte de Lisle; De Heredia, Sully Prudbomme et F. Coppée; Le symbolisme; im zusamnfenfassenden Sohlusskap. werden n. a. metrische Fragen erörtert.) — 2) D. Verunstaltung dtsch. Lieder: Grenzb. 1892 : 4, S. 316-23. - 3) KomponiBtens&nden: ib. S. 841/2. — 4) (IV l e : 75.) — 5) X Weihnachten in d. <. u. neueren Dichtung. ( = Einderglooken N. 1.) B., L. Bunneieter. 1892. 16". 32 S. II. 0,10. (Aus d. 8onntagssohul-Litt.;u. a. Volkslieder, Jahresberichte A r neuere deutsche Litteratnrgeschiohte. IV. (4)10

J . E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur G egenWart. IV 2 a: 112-114 IV 2 b: 1-5 Gaedertz 112 ) teilt das zu einer privaten Festfeier Hamburgischer Freunde in Jena verfasste Gedicht von J o h a n n Diedrich Gries: „Hamburgs Befreiung 1814" in erster Fassung mit: „Sei uns gegrüsst vom fernen Saaiestrande", ebenso ein zweites zu derselben Feier verfasstes Gedicht von Ed. Wesselhöft: „Der Herr gebot 1 Buropas Fesseln fielen". — Ferner publiziert Gaedertz , l 3 ) ein bisher ungedrucktes humorvolles Theelied von Gries, das dieser als Dank für eine Sendung Thee 1829 an Alexis Bohn nach Stuttgart richtete.114) —

b) Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. J u l i u s Elias. Allgemeines N. 1. — Schwäbische Dichter N. 6. — Hedwig von Olfers N. 20. — Heinrich und Charlotte Stieglitz N. 29. — Platen N. 33. — RGokert N. 39. — Bodenstedt N. 48. — Annette Ton Droste-Hftlshoff N. 81. — Freiligrath N. 87. — F. von Sallet, G. Herwegh, J. Chrn. von Zedlitz N. 89. — Hoffmann von Fallersleben N. 97. — Geibel N. 104. — 8. von Leinbarg, Alex. Kaufmann, 0. L. Henbner N. 108. — L. Sehefer, Spiller von Hauenschild, J. Hammer N. 112. — E. J. Ph. Spitta und K. Gerok N. IIS. —

An der Spitze dieses Berichtes verdient ein a l l g e m e i n charakterisierender Aufsatz Brunetières 1 ), der der Entwicklungsgeschichte der französischen Lyrik in diesem Jh. sehr sorgfältig nachgegangen ist, wenigstens kurz verzeichnet zu werden. Allerdings wird der Einfluss Goethes auf den französischen Lyrismus zumal an der Stelle nicht verschwiegen (S. 137, 196, 199, 300), wo es sich um die ästhetische Frage nach der Befreiung des Individuums handelt, aber B.s Betrachtungsweise ist doch nur zögernd und wenig tief. Er konsultiert über Deutschlands Kultur- und Litteraturverhältnisse sehr stark Mme. de Staël, ferner Heine (S. 200, 203, 298). Die Geistesverwandschaft Baudelairés und Richard Wagners ist in späteren Abschnitten über den Symbolismus lebhaft betont; von unseren Philosophen huschen Kant, Fichte, Schopenhauer, Nietzsche durch die Darstellung. — Wie sehr sich pädagogische Kurzsichtigkeit und Zimperlichkeit gegenüber dem Liedergut des deutschen Volkes versündigt, das schildert mit Leidenschaft und Spott ein Anonymus2), zumal an gemütvoll-kräftigen Liebesliedern, die sich unter der Hand von Schulmeistern in banale und gleichgültige Reimereien verwandelten; zu den Pädagogensünden gesellen sich allerlei „Komponistensünden"3), die an altdeutschen Gesängen versucht und im einzelnen von Mendelssohn an Spee und von Schumann an Mahlmann begangen wurden. — Thekla von Schober 4 ) sammelte hs. Gedichte von vielen Poeten dieses Jh. Stücke von Scheffel, Arndt, Holtei, Klaus Groth, Gerok, Julius Sturm, das fromme Gedicht des Knaben E. von Willich, das Kaiser Friedrich so sehr liebte, sind längst gedruckt. Dann finden sich in dem hübschen Buche ein Gelegenheitsgedicht des Dr. Baer in Hirschberg auf Kaiser Friedrich zur Einweihung eines Denkmals und mehrere liebenswürdig-fromme Verse aus dem wohl auch schon veröffentlichten Gedichte der Fürstin Eleonore von Reuss: „Flügel und Hände". Etwas bedeutender sind Stammbuchverse Arndts vom 12. April 1794 an den Vater der Sammlerin, die in warmer Begeisterung, einigermassen bilderreich, das Lob der Freundschaft singen, und lustige Zeilen Holteis nach aufgegebenen Reimen. Das Beste sind nach Form und Gehalt die vorgelegten Proben aus Franz von Schöbers Nachlass, darunter schwungreich aus dem nationalen Bewusstsein der Ungarn herausempfunden: „Ungarns Gruss an F. Liszt" und „Hungaria" (von Liszt komponiert). Noch ist der „Fahnenschwur" hervorzuheben, der Sammlerin 1845 überreicht: das Gelübde des Poeten, nur für Edles und Gutes, Recht und Freiheit seine Gaben zu gebrauchen.5) — feier in Jena 1814: HambCorr. 1892, N. 185. — 113) i d . , E. ungedr. Gedicht v. J. 1>. Gries: ib. N. 678. — 114) X Diohterklänge ans Deutschlands grosser Zeit. Patriot. Diohtungen z. Feier d. nat. Gedenktage in Schulen u. Vereinen. 3. Aufl. Langensalza, Beyer & SShne. 12°. i n , 212 S. M. 1,20. (Vorrede unterzeichnet F. U.) — 1) F B r u n e t i è r e , L'évolution de la poésie lyrique au XIX. siècle. Cours libre de la Sorbonne: RPL. 1, S. 05-72, 99-107, 135-42, 164-72, 195-203, 257-64, 293-302, 331/9, 363-72, 495-504, 517-24, 594-603, 613-22, 650/9. 686-94, 743-51, 773-80. (D. Stoff verteilt sich im einzelnen so: Les origines; Bernardin de Saint-Pierre; Chateaubriand et André Chénier; La poésie de Lamartine; L'émancipation du Moi par le romantisme; La première manière de Y. Hugo; L'œuvre poétique de Sainte-Beuve; A. de Küsset; La transformation du lyrisme par le roman; A. de Vigny; L'œuvre de Th. Gautier; La seconde manière de V. Hugo; Leoonte de Lisle; De Heredia, Sully Prudbomme et F. Coppée; Le symbolisme; im zusamnfenfassenden Sohlusskap. werden n. a. metrische Fragen erörtert.) — 2) D. Verunstaltung dtsch. Lieder: Grenzb. 1892 : 4, S. 316-23. - 3) KomponiBtens&nden: ib. S. 841/2. — 4) (IV l e : 75.) — 5) X Weihnachten in d. <. u. neueren Dichtung. ( = Einderglooken N. 1.) B., L. Bunneieter. 1892. 16". 32 S. II. 0,10. (Aus d. 8onntagssohul-Litt.;u. a. Volkslieder, Jahresberichte A r neuere deutsche Litteratnrgeschiohte. IV. (4)10

IV 2b : «16 J. E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. Aus der Restgruppe der s c h w ä b i s c h e n Dichter, die das Kapitel Romantik übrig lässt (vgl. IV 10:105—63), sei zunächst Leo von Seckendorf? genannt, in dessen Musenalmanach für das J. 1807 (Jhlands wie Kerners erste Gedichte erschienen sind. Seckendorff war dem Uhlandschen Kreise, der sich um das „Sonntagsblatt" scharte, ein treuer Berater. Frankel 6 ) spricht für eine Sammlung und Veröffentlichung des Seckendorffschen Briefwechsels, aus dem sich auch für Goethe manches ergeben müsste. — Einen Jüngling aus Uhlands Kreise, eine hoffnungsreiche, am politischen Elend der Zeit verendete Dichternatur schildert wehmütig, warm, R ü m e l i n 7 ) : August Mayer, Karls Bruder, den eine tiefe und auch litterarisch nicht unfruchtbare Freundschaft mit Kerner und Schwab verband. Er war, ein sehr begabter Mensch, dazu geschaffen, sich künstlerisch auszuleben; auch die Musik war ihm tief ans Herz gewachsen — er hat Lieder Uhlands, z. B. „Ich hatt' einen Kameraden" komponiert, — doch die sklavische Napoleonvergötterung seines Landesherren riss den Widerwilligen in den russischen Feldzug. Eine nervöse Todessehnsucht ergriff ihn; hier setzt eine sehr hübsche Charakteristik der Mayerschen Feldzugsbriefe ein. Das letzte Gedicht stand in Kerners Almanach für 1813, und Schwab hat das traurige Opfer der Despotie rührend besungen. R. bringt den jungen Schwaben in einen wirksamen Gegensatz (übrigens angeregt durch Goedeke1 3, S. 345) zu einem anderen Dichterfreunde Uhlands, Fr. von Harpprecht, der, ein Kriegsmann aus Neigung, begeistert zu den Fahnen Napoleons sich schlägt. — Von Mörike sind wiederum launige Kleinigkeiten ans Licht gekommen: Durch C. v o n A r n s waldt 8 ) veröffentlicht, ein Sprüchlein gegen die, die sagen, dass „Gutenbergs Erfindung so nahe lag"; so nahe, meint Mörike, wie dem Herrgott die ganze Weltschöpfung: sie musste ersonnen sein9). — Unter den jüngsten Recensenten10) des Mörike-Stormschen Briefwechsels (vgl. JBL. 1892 IV 2:119) wünscht E r i c h S c h m i d t mit Recht, dass der neunzehnbändigen Ausgabe der Werke Storms ein zwanzigster Band hinzugefügt werde, der das bekannte Bruchstück der Jugendgeschichte und eine sorgfältige Auswahl der Briefe böte 11- ' 2 ). — Das nicht eben fruchtbare Verhältnis zwischen Mörike und Tieck unterzieht K r a u s s 1 3 ) einer neuen Betrachtung. Tieck hat wohl im Sommer 1828 zum ersten Male, in Schwaben, von Mörike gehört. 1832 erscheint der „Maler Nolten"; Tieck ist voll Bewunderung für das Buch, und Mörike wendet sich nun, durch das rückhaltlose Lob ermutigt, in einem herzlich verehrenden Briefe (bei Holtei 2, 3657) an Tieck, dessen Novellen ihm Muster gewesen. Tiecks wiederholter Besuch in Schwaben (Sommer 1841) erregte in Mörikes Freunden grosse Erwartungen: Der Dichter kränkelte, mühte sich in unzuträglichen Verhältnissen ab, und so dachte man, der einflussreiche Tieck werde hier etwas thun. In diesem Sinne schreibt Hermann Kurz unter dem 26. April 1841 an Mörike. Der indessen stellte sich beim Rendezvous in Weinsberg nicht ein. K. bekämpft, überzeugend, die Ansicht, Mörike habe aus Hochmut den Besuch Tiecks erst abwarten wollen. Unbefriedigender Gesundheitszustand war der Grund. Auf eine Anregung Kerners schreibt Tieck am 3. Juli einen liebenswürdigen (von K. abgedruckten) Brief an Mörike, der die Antwort schuldig bleibt. Tieck that dann auch nichts mehr. Mörikes stille Verehrung aber für den greisen Dichter dauerte fort. — Am 30. Nov. 1893 erinnerte B e t t e l h e i m u ) an den achtzigsten Geburtstag des Hermann Kurz durch eine litterarische Würdigung, die den Dichter und Schilderer der Natur der Vergessenheit entreissen möchte, den Erforscher schwäbischen Lebens, den Gelehrten und Uebersetzungskünstler wieder vor Augen bringt und den treuherzigen Süddeutschen, den Lebensfreund der grossen Schwaben charakterisiert. B.s heisser Wunsch einer ausführlichen Biographie wird, fürchte ich, nicht allzu Vielen am Herzen liegen. — S p r e n g e r 1 5 ) citiert nach Longfellow (Prose works, author. ed. London, Routledge, S. 469), dass der englische Dichter Dec. 1827, aus Verehrung für Wilhelm Müllers Romanze „Est est", von Montefiascone aus das Grab des Bischofs Johann Defoucris aufgesucht habe, „who died a martyr to his love of this wine of Montefiascone". — Ueberaus anmutig ist die Schilderung, die ein Anonymus16) (Johannes Trojan?) von einer sommerlichen Wanderfahrt nach der Stätte entwirft, wo einst Chamissos Stammburg stand. Aus Bauernmunde hat er Manches erfahren von den Schicksalen des Schlosses Boncourt, von dem Nachruhm des Geschlechtes. Die Einwohner von Vieildampierre an der Aube hatten während des Krieges 1870—71 nichts zu leiden, weil der feindliche Regimentschef, von Chamisso,

Arndt, Heimelt, Krnmmaeher, Prutz, Kletke.) — 6) L. F r f i n k e l , Leo v. Seckendorff u. d. schwäb. Dichter: BBSW. 1892,S. 207/8. — 7) Ad. R l m e l i n , Z. Gedäohtnis e. Verschollenen: BBSW. S. 3-17. — 8) E. Mörike, Gntenlwrgs Erfindung. (Her. v. C. T. A r n s w a l d t ) : DDichtung. 14, S. 161. — 9) X «U Versus domesticas: ib. 12, S. 19. — 10) DB. 1892 : 4, S. 251; HsitionB. 9, S. 232; E r i c h S c h m i d t : DLZ. 1892, S. 100/1; DBs. 77, S. 474; WIDM. 73, S. 141. — U) X L - T- D o n o p , J. B&ohtold, Brietwechsel zwischen M. v. Schwind u. E. Mörike (vgl. JBL 1890 IV 2 : 8 1 ) : DLZ. 1892, S. 232. — 12) X E. Mörike, Ges. Werke. 4 Bde. 3. An«. St., Göschen. 1839-90. |[DKs. 77, S. 474; VossZg». 1892, N.4.J| — 13) (IV 10:40.) — 14) A. B e t t e l h e i m , H. Kurz: AZg». N. 278. — IS) R. S p r e n g e r , Zu W. Maliers Bomanze „Est est.": ZDPh. 25, S. 142/3. — 16) J. T., Sohloes Boncoart: DRs. 74, S. 281/6. — 17) F. Notter, Gedichte. In Ausw. her. v. E. K r a a s a . S t , Cotta.

J . E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.

IV 2b : 17-21

der Enkel ihres eigenen Schlossherrn war. Bei einer Bäuerin fand der Vf. ein Bildnis der Dichtermutter, im Watteaugeiste der Zeit gehalten. — Eine kleine, doch angenehme Persönlichkeit, Friedrich Notter (geb. zu Ludwigsburg 23. April 1801, gest. 15. Febr. 1884) führt K r a u s s 1 " ) in die Geschichte der deutschen Lyrik ein, indem er aus seinem dichterischen Nachlass eine geziemende und vorteilhaft geordnete Auswahl veranstaltet und eine massvoll anerkennende Einleitung dazu schreibt. Notter ist bekannt aus seinem freundschaftlichen Verhältnisse zu Uhland, aus seinem intimen Verkehr mit Mörike und F. Th. Vischer. Auch Schwab, Lenau, Kerner, Graf Alexander Alb. Knapp, H. Kurz, M. Hartmann, Freiligrath interessierten sich für ihn, und sein litterarischer Pylades war Paul Pfizer. Er war Publizist (als Redakteur verschiedener Gottascher Unternehmungen), Politiker, Dramatiker, Literarhistoriker, Uebersetzer und seiner Anlage nach Lyriker. Er hatte ein grossdeutsches Herz und schwärmte früh für ein neues Kaiserreich unter Preussens Führung. Als Mensch war er rein, sanft, treu; eine gewisse Melancholie war seinem Wesen nicht fremd, die aus dem Unterschiede seiner begrenzten natürlichen Gaben und seiner viel weiter gesteckten Absichten entsprang. K. gesteht selbst zu, dass Notters Dante-Uebersetzung, die ihm übrigens die lebhaften Sympathien König Johanns (Philalethes) eintrug, länger leben werde, als alles andere, was er hervorgebracht, auch als seine Lyrika, die in schlichtem, doch wenig persönlichem Tone die Natur, Lebensstimmungen, Herzensgeheimnisse singen, in leichtem Distichengang die .Freundschaft feiern, unter Mörikes Einfluss antike Formen zu beleben suchen und, in Uhlands Art, Balladenstoffe nicht verschmähen; Gelegenheitsgedichte bezeugen, dass Notter seine Zeit verstand. In der Hauptsache ist es bewährtes schwäbisches Schema. — Aus der schwäbischen Meistersingerstube her wird auch der jüngere Stern, E d u a r d P a u l u s , 8 ) , gefeiert, dessen umfangreiche Sammlung mir nicht vorlag. U. a. charakterisiert ihn E b n e r als Kunst- und Alterstumsforscher und als Künstler: als den Poeten des Seelenfriedens, den Freund des Helldunkels und Dämmerlichtes. — W e i t b r e c h t 1 9 ) vergleicht den „merkwürdigen überzwerchen Schwabenkopf" in dem Punkte mit Vischer, dass er mit Bewusstsein Schwabe war und Schwabe sein wollte, dabei „aber ebenso bewusst über das schwäbische Wesen sich hinausstreckte und für die grossen Angelegenheiten der Nation ein offenes Auge hatte". Dabei aber teilt er ihm so tiefe und weite lyrische Eigenschaften, eine solche Kraft der gestaltenden Phantasie, ein so starkes Gefühl der Persönlichkeit, einen so bedeutenden Humor, eine so gewaltige Ausdrucksfähigkeit zu, dass man sagen kann, W. habe, ohne Distanz zu seinem Gegenstande, den Typus des grössten Lyrikers der Welt zeichnen wollen. — Zu Wilhelm Müller gehört H e d w i g v o n O l f e r s , das Ideal seiner Jugend, der Stolz seiner frühen Gesänge. Ueber die Entstehungsgeschichte der MüllerSeder ist (vgl. J B L . 1892 I 9 : 7 9 ; IV 2:124/6) schon Einiges mitgeteilt worden. F r i e d 1 a e n d e r 2 0 " 2 1 ) hat seine interessanten Nachweise zu einem Vortrag verarbeitet und ihn auch drucken lassen. Nach Rellstabs Werk: Ludwig Berger. Ein, Denkmal (184fi) schildert er, wie jene Lieder aus dem feinen Unterhaltungsbedürfnis einer romantisch erregten Gesellschaft hervorgingen, die das Thema von der Rose der schönen Müllerin nach „ L a bella molinara" von Paisiello anschlug (Winter 1816 auf 17). Der Tonsetzer Ludwig Berger — er arbeitete langsam, zaudernd, vielfach verwerfend — hat Müller getrieben, seine Lieder zu einem Cyklus zusammenzustellen. Bergers Kompositionen, ein schmächtiges Heft, „Gesänge aus einem gesellschaftlichen Liederspiele Die schöne Müllerin" findet sich auf der Königl. Bibliothek in Berlin; es enthält fünf Lieder des Müllers, eins des J ä g e r s und je zwei des Gärtnerknaben und der Müllerin; auch der Junker muss aufgetreten sein. F. giebt nun wichtige textgeschichtliche Bemerkungen und lässt einzelne der im Cyklus nicht vorhandenen Gedichte abdrucken. Der Gärtnerknabe ist Luise Hensel; ein Lied der Müllerin über ihre Lieblingsfarbe Grün giebt den Anstoss zu W. Müllers Lied „Die liebe Farbe". Ueber den Schluss berichtet F., dass sich die Müllerin dem Müller ins Wasser nachstürzt, und der J ä g e r auf dem Grabe der Beiden ein wehmütiges Trauerlied anstimmt. Verschiedene Fassungen der ersteren und der späteren Publikationen von Müllers Gedichten stellt F. zusammen, und er hebt auch ein „ungereimtes Lied" aus, das Müller 1817 veröffentlichte, ohne es dann in den Cyklus aufzunehmen. F. handelt endlich über Bergers Melodien und über Schubert. Auch den Einfluss des Wunderhorn auf einzelne Lieder des Cyklus hat er nachgewiesen. — Das entzückende Bildnis der fünfzehnjährigen „schönen Müllerin" schmückt, höchst charakteristisch, das litterarische

16«. 152 S. M. 2,00. ¡[R. W e i t b r e c h t : BLU. S. 679-80.] — 18) O E d . P a u l u s , Ges. Dichtungen. St., Frommann. 1892. VIII, 454 S . M. 4,00. |[Th. E b n e r : Geg. 42, S. 83-90; B. W e i t b r e c h t : BLU. 1892, S . 481/3; AZg». 1892, 7. ' J u n i ; Vom Fei« z. Meer 1892, Heft 11, 8. 337/8; SchwibKron». 1892. 12. NOT.; J . H a r t : T g l R s « . 1892, N. 142.]| — 19) K. W e i t b r e c h t , V. BOhwäb. Dichtern (Ed. P a u l a s ) : NZürichZg. 1892, N. 194. — 2 0 ) M. F r i e d U e n d e r , D. Entstehung d. Mfillerlieier. E. Erinnerung an Frau v. Olfers: D R s . 7 3 , S. 301,7. — 2 1 ) X i d . , D. Entstehung d. Mlllerlieder. Vprtr. geh. in G D L . :

(4)10*

I V 2b : 22-32

J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.

Denkmal22), das H e r m a n Grimm 2 3 ), Erich S c h m i d t 2 4 ) und E r n s t v o n W i l d e n bruch der am 11. Dec. 1891 heimgegangenen Hedwig von Olfers, geb. von Stägemann, mit einer diskreten, das persönliche Wesen dieser ausserordentlichen Frau erschöpfenden Auswahl ihrer Dichtungen, gesetzt haben, eine pietätvolle Trias mitfühlender Freunde. Der1 Zauber dieses (von Wolff in Paris gemalten) Porträts ist innerlich mit dem Buche verwachsen und verwandt: Ueber dem Leben und dem Dichten Hedwig von Olfers, dieser „Unwandelbaren, Unverwundbaren", liegt ewige Jugend gebreitet. Aus persönlichen Erinnerungen schöpfen die Nekrologisten alle drei: G. lässt die merkwürdige Gestalt psychologisch aus ihrer Zeit herauswachsen; er ist geistreich. Erich Sch. stellt die neu gewonnene dichterische Persönlichkeit litterarisch dar; er übt, bedeutend, das Amt des Historikers; W., der sich schon als werdender Poet ihrer warmen Nähe erfreuen durfte, schildert das entzückende Menschenkind; er ist ganz dichterisches Temperament und erregtes Gemüt. Was Hedwig von Olfers selbst uns spendet, ist der naive Schatz einer poetisch gestimmten Lebenskunst. Sie hat nicht produziert, um litterarisch wirksam zu sein. Fein sagt Grimm: „Frau von Olfers war eine Dichterin, aber sie war ein Veilchen im Walde. Es entzückte sie, an ihrer Stelle zu empfinden, dass sie im Blühen stehe" (S. VI). Nicht minder treffend Erich Schmidt, der auch in ihren Brielwechsel Einsicht nahm: „Ihre Gedichte sind Blüten der Gelegenheit, nicht gedankenschwer, nicht leidenschaftlich, — zierende Gewinde, auch Kränze verblichener Freuden, bildlich, melodisch, phrasenlos, mit zarter, aber durchaus gesunder Weltansicht durchwirkt, gern Freunden in Lust und Leid dargebracht, immer wohlthätig" (S. XVI). Zugleich aber werden diese documents humains unschätzbare Zeugnisse einer grossen Epoche im deutschen Gefühlsleben. Im Gedächtnisse dei" Frau von Olfers wurzelten ihre jugendlichen Beziehungen zu Heinrich von Kleist, den sie noch kurz vor seinem Todesgange sehen durfte, und ihr reiferer Verkehr mit Klemens Brentano undTieck besonders tief. R o b e r t - t o r n o w und Bee r haben sehr angenehm und verständig über das Büchlein geschriebein, das in jedem Sinne ein Büchlein der ¡Erinnerung ist.25-28) — Ueber die Lebensschicksale des krankhaft-weichlichen H e i n r i c h S t i e g l i t z und seiner heroischen C h a r l o t t e hat Kummer 2 9 ) die wesentlichen Momente nach bekannten Quellen wiederum zusammengestellt, ohne in seiner Charakteristik mehr als die landläufige Urteilsmünze zu geben. Er bestimmt nach dem Arolsener Kirchenbuche das Taufjahr 1814; auch Heinrichs Eltern Hessen sich 1819 noch taufen. —- Wie sehr übrigens Stieglitz, über den die litterarhistorische Kritik nicht ohne Grund den Stab bricht, als Mensch und Persönlichkeit unter den Zeitgenossen geschätzt war, davon zeugt ein, durch Elias 3 0 ) auszugsweise veröffentlichter, enthusiastischer Brief des Breslauer Litterators und Uebersetzers Joh. Gottlob Regis an Karl Gustav Carus in Dresden (14. Okt. 1835). Die beiden Männer waren durch Wachler bekannt geworden, als Stieglitz auf der Heimkehr von einer Kärpathenreise in Breslau Station machte. Sie waren sich vom ersten Augenblick sympathisch und öffneten einander bald ihr Herz, was bei Stieglitz etwas Leichtes, bei Regis aber etwas sehr Schweres und Seltenes war. Regis nennt seinen neuen Freund einen wirklichen Menschen, ein liebenswürdiges Kind und einen durchaus reinen, an den Griechen gebildeten und durch seinen grossen Lebensschmerz befestigten Geist Ihre Gespräche kreisen fast ausschliesslich um Charlotte: „Stieglitz lebt ganz im Jenseits", die Grabstätte der Frau ist „sein Mekka". Regis wird wohl das Rechte treffen mit seinem Urteil: „Es werden mitunter Menschen geboren, die es in ihrer Schale nicht leidet, und diese würde sich früher oder später entleibt haben, auch wenn sie den Stieglitz niemals hätte kennen lernen". Von einem Werke spricht Stieglitz, das er herausgeben wolle: „Denktafeln", worin u. a. auch das Bild des Regis festgehalten werden sollte.31) — Als Dramatiker ist M i c h a e l B e e r s bescheidene Epigonengestalt Vergessen, um wieviel mehr als Lyriker. Mauz 3 2 ) (vgl. JBL. 1892 IV 4:58) er* neuert auch in dieser Richtung das Andenken des Mannes, wobei er nachgelassene Poesien und Briefe benutzen durfte (u. a. Briefe Eduard von Schenks, nach denen ich für meine Schenk-Biographie [s. ADB. 31, S. 37—44] lange und vergeblich forschte). Der Vf. schlägt Beers lyrische Begabung nicht allzu hoch an und betrachtet 1)LZ. 1892, S. 848/8. — 22) Hedwig y. Olfers, Gedichte. Nebst Nachrufen v. H. G r i m m , E r i c h S c h m i d t u.E. v. W i l d e n brnch. B., Besser. 1992. XXXV, 88 8. Mit Bild in Heliogr. 11.2,00. |[W. R o b e r t - t o r n o w : DLZ. 1892, S. 1694/6; L. B e e r : Nation6. 10, S. 258/9; BLU. S. 225/7; Grenzb. 2, S. 517/9.] | — 23) H . G r i m m , Frau v. Olfers. Versuohe. Schilderung: DRs. 70, S. 249-62. (Vgl. JBL. 1892 IV 3:87; s. o. N. 22.) — 24) X E r i c h S c h m i d t , Ueber Frau y. Olfers. Vortr. in GDL.: DLZ. 1892. (Vgl. JBL. 1892 IV 3 : « 8 ; s. o. N. 22.) — 25) X K- B„ Dichtend» Frauen: Grenzb. 2, S. 507-19, (Beicht d. Palme d. Frau v. Olfers.) — 26) X F - D e m b u r g , Hedwig v. Olfers (1800-91): BerlTBl. 1892, N. 637. — 27) X Hedwig T. Olfers: AZgB. N. 109. - - 28) Wilhelmine Honsel: NatZg. 1892, N. 533. (D. 90j. Diohterin giebt Lebenserinnerungen; u. a: plaudert sie recht nett über d. jungen lebensfrohen Lieutenant Helmuth y. Holtke.) — 29) F. K u m m e r « H. W. A. Stieglitz u. Charlotte Btirglitz geb. WillhSlIt: ADB. 36, S. 177-81). — 3 0 ) J. E l i a s , J. G. Begis Aber H. Stieglitz: YossZgB. 1892, N. 61. (Vgl. JBL. 1892 IT l a : 30; s. n.N. 100.) — 31) X F. B r a n d e s , W. v. Studnitz: ADB. 36, S. 785/6. (Soldat u. Dichter. Auszug, aus Goedeke1 3, S. 360/1.) — 32) G. M a n » , M. Beers Lyiik. Mit ungedr. Gediohten ans seinem Nachl.:

J. E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : ss-39 vornehmlich die Tendenzseite der Beerscheii Poesie. Hier wie überall Glätte und Sauberkeit der Form, und in der Verteidigung der religiösen und politischen Ideale ein warmer Schwung'. Am Ende der 20er ist Beer von besonders starkem Zeitgefühl erfasst; er empfindet „Abstumpfung gegen die illusorischen Emotionen der Tragödie, seit das Leben selbst so ungeheure gab". Aus dem Rausch der Julirevolution entstand die von M. abgedruckte, höchst pathetische „Ode an die Hauptstadt". Die beiden Eingangszeilen hätten M. an die Anfangsverse der „Germania" von Strachwitz erinnern können. Beer schleudert ferner, ein Patriot, glühende Anschuldigungsverse gegen Deutschland: Weil es seine grossen Männer so schlecht lohne und durch die ganz kleine Stadt Chäteauthierry sich beschämen lasse, die ihrem Lafontaine ein Denkmal errichte. — Die Forschung über Platen 3 3 " 3 4 ) hält sich in bescheidenen Grenzen. Zur 35 Frühzeit giebt F r i e d r i c h ) , nach einer ziemlich breiten und an Wiederholungen leidenden Charakteristik von Döllingers Studiengang und Glaubenskämpfen, Auszüge aus dem Tagebuche des Dichters, die durchaus auf Döllinger zugeschnitten sind und im wesentlichen die Zeit gemeinsamer Studien vom Sommer 1818 bis Herbst 1819 umfassen. Sie bilden eine Ergänzung zu Karl Pfeuffers fragmentarischer Veröffentlichung (Stuttgart 1860); das Ms. bewahrt die Münchener Hof- und Staatsbibliothek. Für Platens dichterische Entwicklung kam aus diesem Verkehr fast nichts heraus, wohl aber für seine Ausbildung, zumal durch eine Lektüre fremder Litteraturen, die geregelt betrieben wurde. Es ist von den ersten lateinischen Versen die Rede, die Platen machte (16. Juli 1818), Widmungsdistichen, bestimmt für Ovid- und TassoAusgaben — sodann von Döllingers medisanter Kritik am „Sieg der Gläubigen" (31. Dec. 1818), dessen Umarbeitung erfolgt (15. Aug. 1820); bei der Sammlung seiner Lyrika schickt Platen an Döllinger zur Durchsicht hundert Epigramme (13. Nov. 1820); er unterlässt ferner nicht, ihm ein Exemplar der „Ghaselen" zu überbringen (5. Okt. 1823). Die Dichter, mit denen Beide sich besonders tief beschäftigt haben, sind: Anakreon, Euripides, Catull, Tibull, Properz, Calderon, Camoens, Cervantes, Tasso, Shakespeare, Racine, Voltaire; Goethe zieht fortdauernd durch ihr Gespräoh. Der jugendliche Rückert erscheint in der Schilderung eines Freundes, des Assessors Merk; Ernst Schulzes „Bezauberte Rose" macht auf Platen ungewöhnlichen Eindruck (12. Okt. 1818). Eine warme, jugendfrohe Freundschaft hat sich zwischen Platen und Döllinger nicht herausgebildet; litterarische Interessen führten sie zusammen, die Herzen blieben kühl. Döllinger führte, unbegreiflich schroff, einen Bruch herbei (1. Aug. 1819), der im Mai 1820 oberflächlich geheilt wurde. Nur vereinzelt noch taucht in Platens Papieren der Name Döllingers auf, zum letzten Male in einem Briefe Max von Grubers an PJaten (Memmingen, 7. Dec. 1825). — In Rom lernte, 1826, der Bildhauer Ernst von Bändel (vgl. I i i : 296), durch den Schweden Schröder, Platen kennen und hat über den Verkehr mit ihm einige Briefe3 6in die Heimat gerichtet, an seine Braut Karoline von Kohlhagen. H e r m a n n Schmidt ) legt Auszüge daraus vor (15. Nov., 10. Dec. 1826 und 3. Febr., 26. März 1827): Von Platens Dichtung ist wenig die Rede; nur einmal wird die Aufnahme der „Verhängnisvollen Gabel" gestreift, um Platens masslose Eitelkeit zu charakterisieren. „Seine Wut, gegen alles, was von Deutschen gemacht wird", rügt Bändel, dann seinen Jähzorn, seine groteske Leidenschaftlichkeit, die die Entwicklung des inneren Menschen hindert, seine überreizten Verkehrsformen; auch von einem nervösen Krankheitsanfall berichtet der Korrespondent, in der Erregung des Moments. Im ganzen sind die Mitteilungen wenig behaglich. — D ü s e l 3 7 ) gewährt aus dem in der Münchener Hof- und Staatsbibliothek verwahrten hs. Nachlass Platens (nach eigenen Abschriften) frühere Les O. N e u m a n n H o f e r , F. Bodenstedt: HL. 61. S. 281/3. — 6 4 ) 0. S r e n d s o n , F. y. Bodenstedt: Nation«. 9. S. 458/9. — 6 5 ) A l e x a n d e r M e y e r , F. v. Bodenstedt. Nekrol.: JbDShakespeareGes. 28, S.337-41. — 66) R. M i s c h . Bodenstedt-Erinnerungen: BerlTBL. 1892, N. 201. — 6 7 ) A l f r . F r i e d m a n n , Erinnerungen an F. v. Bodenstedt: Zeitgeist 1892, N. 18. (Vgl. J B L . 189Ï I T 2 : 141.1 — 6 8 ) O X T - k'. Erinnerungen an Bodenstedt: HatubNachrB. 1892, N. 26. — 6 9 ) E. G a n t t e r , Erinnerungen an F. r. Bodenstedt: Didask. 1892, N. 94. — 7 0 ) (IV l c : 8 8 . ) |[Fremdenbl. N. 336.]. — 71) 4 unveriffentl. Briefe F. v. Bodenstedts an e.

IV 2b : 71-75 J. E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. gegebenen Bodenstedt-Briefen steckt, hat schon Muncker in allgemeiner zutreffender Charakteristik angedeutet. „Dieses Dichterleben" giebt nicht intimere Aufschlüsse über Bodenstedts Dichtergeschäft; es lässt sich im wesentlichen nur die äussere Entstehungsgeschichte seiner Werke daraus zusammen lesen. Man kann bequem verfolgen, wie Mirza Schaffy in der stets wachsenden Zahl der Auflagen, die zu Beginn der 60 er Jahre nachlassen und wieder nach dem Kriege ungeahnt sich mehren (S. 180/5, 209), sich verbreitet und inhaltlich zunimmt, wie Bodenstedt mitarbeitet am Vertriebe und das Büchlein durch seine litterarischen Verbindungen poussiert. Er gesteht dem Herrn von Decker zu, dass er, der Verleger, die erste Idee zu einer Sammlung der Lieder gehabt habe (S. 161), und spricht nicht ohne Eitelkeit von den vielen Nachbildungen und CJebersetzungen fS. 162), vornehmlich vom Interesse des italienischen Dichters Zendrini. Ueber die neue Einteilung der Lieder, die mit der 50. Auflage erscheint, verhandelt Bodenstedt ausführlich (S. 181/2). Parallel damit läuft die Anordnung einer zweiten Gruppe von Mirza Schaffy-Liedern, die unter dem Titel des „Nachlasses" und, aus materiellen Gründen, einem anderen Verlage, A. Hofmann & Co. (später Brockhaus), gegeben worden sind CS. 188/5). Die Sammlung seiner übrigen Gedichte machte Bodenstedt zu allen Zeiten viel zu schaffen; ihre Gruppierung, Verbesserung, Vermehrung, vorteilhafte Verwendung betrieb er mit grosser Sorgfalt. Ihre geringe Verbreitung begründet er selbstbewusst mit billigen Seitenhieben auf „die durch Geibel und Andere vertretene süssliche Modepoesie" (S. 128), während er doch sonst behauptet (S. 71), sich in litterarischen Dingen mit Geibel, ferner mit Heyse und Schack stets eins zu wissen. Ueber die musikalische Verwertung seiner Lieder, zumal des Mirza Schaffy, teilt Bodenstedt manches mit und weist mit besonderem Stolze auf Spohr, Marschner, Rubinstein hin; ein Konflikt über die Einschiachtung des Mirza Schaffy zu einer Operette wirkt ergötzlich (S. 214/9). Auch die Uebersetzung der Shakespeare-Sonette ist auf eine Anregung von Deckers zurückzuführen; in einem Briefe vom 25. April 1861 ist zum ersten Male die Rede davon (S. 117). Mit einer starken Begeisterung beginnt und vollführt Bodenstedt die Arbeit, nicht ohne seine Vorgänger, so oft er kann, zu diskreditieren: mit Unrecht den trefflichen Regis (z. B. S. 124); Menzels künstlerische Beilage wird kritisiert (S. 183) und mit Genugthuung von Lewinskys Vorlesung aus dem Sonettenbuche erzählt, die 1863 in Wien zu Gunsten des kranken Otto Ludwig veranstaltet worden war (S. 139). Am 18. Okt. 1851 berichtet Bodenstedt über seine Beschäftigung mit den „schönsten Gedichten" seines Freundes Lermontow, dessen gesamter litterarischer Nachlass auf ihn übergegangen war (S. 17). Er stellt das Ms. im Laufe weniger Monate fertig (S. 19); es leitet ihn das Streben, nur solche Uebersetzungen zu liefern, die sich wie „formvollendete Originalwerke lesen" (S. 24); er bedenkt den Kenner Varnhagen von Ense, ferner den Kaiser von Russland mit einem Dedikationsexemplar (S. 22/3). Dass Bodenstedt mit Hammer-Purgstalls Studien zur persischen Poesie sich eingehender beschäftigt hat, wird in Erinnerung gebracht (S. 108). Der Herausgeber teilt manches über Mirza Schaffy-Parodien (S. 201/2) mit, druckt ünediertes ab (S. 108, 206), lässt den Prolog der ersten Mirza Schaffy-Ausgabe, der später gekürzt wurde, in extenso wieder folgen (S. 235/9) und citiert zum Ueberflusse, was Bodenstedt selbst über die Person seines persischen Anregers bekannt gemacht (S. 195/9). Endlich schreibt er, dass ihm ein grösseres episches Gedicht Bodenstedts, „Der Hermanshof" im Ms. gezeigt worden sei (S. 240). Ueber die grosse Zahl bedeutender Namen, die im Briefwechsel auftauchen, unterrichtet ein Register. — In einer Tageszeitung werden Briefe veröffentlicht, die Bodenstedt im J. 1891 und 92 an eine Berliner Dame gerichtet hat. 71 ) Es wiederholen sich die Klagen über den bösen Zustand seines Körpers und über seine häuslichen Verhältnisse; von dem Epos „Theodora" rühmt er, es solle dem deutschen Volke sagen, wie es vor Bismarck war; die „Schul- und Bekenntnisfrage" der Zedlitzschen Aera macht ihm schwere Sorge und diktiert ihm ein Gedicht in die Feder, das den Frieden „zwischen Herz und Himmel" predigt. — Olga M o r g e n s t e r n s 1 2 ) Plauderei bringt den in Wiesbaden lebenden Botaniker Staatsrat M. J. Schleiden, der 1858 unter dem Pseudonym „Ernst" Gedichte herausgab, in einen ganz äusserlichen Zusammenhang mit Bodenstedt.73) — K r e i t e n 7 4 ) fährt, einigermassen verspätet, schweres Geschütz auf, um von katholisch-ethischer Höhe herab den leichten Mirza Schaffy zusammenzuschiessen. So sehr diese prosaische Auflösung dichterischer Motive kritisch abzulehnen ist, so sehr kann man mit dem eifernden Kleriker in dem Punkte übereinstimmen, dass Bodenstedts Mirza Schaffy überschätzt worden, und diese5 Ueberschätzung auf die liebe deutsche Philisterei zurückzuführen ist. — P r ö l l s s ' ) dagegen, ein

Freundin in Berlin: NorddAZg. N. 410. — 72) O l g a M o r g e n s t e r n , F. v. Bodenstedt n. M. J. Schleiden: Zeitgeist 1892, N. 20. — 73) X A - w - E r n s t , F. Bodenstedt u. sein letztes Werk: Geg. 12, S. 25/6. (Resümiert: B. wird nur als Spruchdichter fortleben.) - 74) M. K r e i t e n , D. Lieder d. Hirz» Schaff/: 3tML. 45, S. 490-507. — 73) J. P r ö l s u , D. Urbild d.

J. E l i a s , Lyrik: "Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.

IV 2b : 76-si

unbeirrter Bodenstedtenthusiast, trägt aus Bodenstedts Werken und nach den Aufschlüssen, die er gelegentlich selbst von dem Poeten empfangen, alles das zusammen, was sich über die Person Mirza Schaffys, des Weisen von Gjändsäh, ermitteln lässt. Ein Mirza Schaffy war thatsächlich Lehrer der Tartarensprache an der Tifliser Garnisonschule; er war Bodenstedts Freund und Förderer, ein schöpferischer Dichter aber nicht. Die Lieder sind des Deutschen rechtmässiges Eigentum, und doch wäre ohne den wirklichen Mirza Schaffy das Buch nicht entstanden. P. beschreibt die Entwicklung des Liederbüchleins aus Bodenstedts ethnographischem Werke „Tausend und ein Tag im Orient". — M e h r i n g 1 6 ) verfolgt durch die neuere deutsche Poesie die Geschichte der Ghaselenform und bringt im Gegensatz zu Rückerts und Platens ausgeprägler und starrer Behandlung die freiere, leichtere, vollere, ganz auf verstärkte Klangwirkungen angelegte Art Bodenstedts, den er für den grössten Reimkünstler der Welt erklärt. Erst der Mirza Schaffy-Dichter habe das Ghasel germanisiert. 77 80) — Das wundervolle Buch, das die Ueberreste eines Briefwechsels zwischen A n n e t t e von D r o s t e - H ü l s h o f f und Levin Schücking birgt 81 ), ist, seinem menschlichen wie literarhistorischen Gehalte nach, schon an anderer Stelle der JBL. gewürdigt worden; auch auf das, was es im Besonderen für die lyrische Dichtung der ausserordentlichen Frau ergiebt, ist hingewiesen worden. Als eine ihrer wichtigsten Aeusserungen wird mit Recht, im Briefe vom 8. Jan. 1844, die Stelle bezeichnet, wo sie Schücking zum Versprechen zwingt, dass er ohne ihr Vorwissen nichts ändern werde (S. 235/6). Reinigungskünste hatte der kritisch gestimmte Freund an den früheren Dichtungen, zumal an denen, die Annette ihm für das „Malerische und romantische Westfalen" lieferte, zur Genüge geübt, indem er ihr herbes, persönliches Sprachgefühl zu meistern suchte, — ein Bestreben, das ihm später leid that gegenüber dem „charakteristischen Wesen dieser unvergleichlichen Poesie." Schücking giebt nun zwar bedingungslos das geforderte Ehrenwort, unbewusster Humor aber ist es, wenn er in der Antwort spricht von Annettens „ganz kurioser Befürchtung": „bei Ihrer die meinige so anerkannt, zweifellos und entschieden überragenden poetischen Begabung" (S. 238/9, 241). Im Hin und Her der brieflichen Verhandlungen kamen so mannigfache Aenderungen in Ausdruck und Sinngestaltung zur Sprache, dass sich aus der Korrespondenz eine gute Variantensammlung für eine wünschenswerte kritische Ausgabe gewinnen lässt (S. 252—61, 264, 285/8, 296/7); sogar ein Druckfehlerverzeichnis für die Ausgabe von 1844 stellt Annette zusammen (S. 297/8). Sie zeigt sich „rechtlichen Bedenken" willfährig. Und Schücking gegenüber ist sie diesmal in besonders guter Stimmung, die sie — halb witzig, halb resignierend — ihn auffordert gründlich auszunützen. Man kann in diesen Briefen die Entstehungsgeschichte der Ausgabe genau verfolgen: Am 10. Okt. 1842 ist zum ersten Male die Rede davon; man erfährt von Annettens hoher Freude an der Arbeit des Vermehrens, Sichtens, Feilens, Ordnens und nicht zum Wenigsten von der Mühe des Abschreibens; von Schückings anspornender Teilnahme; von Lassbergs Bedenklichkeiten; von einer Verlegerkonkurrenz; von Verhandlungen mit Cotta, die der Komik nicht entbehren; von dem unklugen Verfahren Annettens gegenüber ihrem früheren Verleger Hüffer. Ein wehmütiger Ton des Verlangens nicht nach wohlfeiler Berühmtheit, doch nach einer tiefen und intimen Wirkung auf weitere Kreise klingt durch die Zeilen. Keine Spur von dem Selbstbewusstsein, das nicht gleichbedeutend wäre riiit dem naiven Vertrauen auf die eigene künstlerische Sache. Man fühlt: wie würde öich diese volle, überstarke Dichternatur erst entwickelt haben unter freieren, erquicklicheren Lebensverhältnissen. Oft wird ein Brief ihr zum Lied; das kleine Leben, in dem sie steht, gewinnt dichterische Grösse, da sie es, mit seinen sonderbaren Menschen in stiller Kammer charakteristisch schildern will, und aus ihren Naturbeschreibungen leuchtet nicht selten ihr starkes malerisches Talent. Man liest von Stimmungen, „wo Gedanken und Bilder ihr ordentlich gegen den Hirnschädel pochen und ans Licht wollen" (S. 54); wo ihr eine Fülle von Gedichten im Sinne liegt, „die sie nur herausschreiben muss, um sie los zu werden" (S. 278); sie arbeitet meistens sehr schnell, und Schücking mahnt zur Ruhe (S. 26/8). Diese abwartende Stellung Schückings, seine westfälische Natur, „die um so fester wurzelt in Allem, was ihr einmal heimisch und eigen geworden ist", die schwerfallige Beharrlichkeit seines poetischen Empfindens, die sie mit dem Philister in ihm aussöhnt, wenn dieser „sie so oft miserabel en bagatelle behandelt" (S. 279) haben ihr litterarisches Verhältnis zu diesem kindlichen Manne befestigt. Sie drückt es einmal impulsiv so aus: „Schreib Hirz» Schaffy: Vom Fels z. Meer 1892, Heft 11, S. 265-71. — 76) S. M e h r i n g , D. Reimknnst a.Mirza-Schaffy: DidasV. 1892, N. 114. — 77) x D. Lieder d. Mirza Sohaffy: ZDS. 5, S. 2G9-76. — 78) X D - S a n d e r s , Zn Bodenstedts Neuem Liederbuch: Aas d Nachl. Mirza Schaffys: ib. 7, S. 146/8. (Spracht. Stoppelarbeit wie N. 46, 77.) — 79) o F. Bodenstedt, E. Bild d. Welt: Vorn Fels l . Meer 1892, Heft 10, S. 243. - 80) O id.. Liebe u. Leben. E. Samml. dtsch Lyrik. III. v. H. Hettig, L., Adb Fischer. 1892. 4". VII, 160 S. MitText-Ulnstr. M. 15,00. — 81) (IV l c : 7 4 , ) |[Grenzb.4,S.518-27;LZg B .N.185.]| —, Jahresberichte für neuere dentsche Literaturgeschichte. IV. (4)10$

IV 2b : si-86 J. E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. mir nur oft, mein Talent steigt und stirbt mit Deiner Liebe; was ich werde, werde ich durch Dich und um Deinetwillen; sonst wäre es mir viel lieber und bequemer, mir innerlich allein etwas vorzudichten." Von vielen hervorragenden Männern ist im Buche die Rede: Von den Schwabenkreisen und dem Stuttgarter Litieraturtreiben (S. 36/7, 200/2), insbesondere von Lenau, der Annette wie Schücking ans Herz gewachsen war (S. 64, 66, 202, 301; er nennt Geibel einmal sehr bitter „Die letzte Eule anf den Trümmern von Thron und Altar"), vom bescheidenen Uhland (S. 277), vom treuherzigen Zedlitz, der sich für die westfälische Dichterin so aufrichtig begeistert hat CS"- 317,327), von Geibel und Dingelstedt und ihrer lieben Eitelkeit (S. 201,216,801), von Frau von Binzer (S. 217); ferner von Guido Görres (S. 313) und, in sehr belustigender Schilderung — vom aufgeblasenen Kleriker Wassenberg (S. 55/6); die Freundschaft mit Freiligrath (S. 19—20, 23, 92, 110, 143, 148; seine innere rHinneigung zu Victor Hugo wird treffend betont) findet in Annettens wie Schückings Briefen einen8 2 sehr warmen Ausdruck. — Eine billige, durch A l e x a n d e r von Schmidt ) besorgte Sammlung der Gedichte, die die Ausgabe von 1844 ^anz enthält und aus Annettens posthumen Büchern eine geschickte Auswahl trifft, auch 83 84 einen brauchbaren Text liefert, ist als Volksbuch nicht unwillkommen. " ) — L ö w e n b e r g 8 5 ) sucht in einem Vortrage, der sich als die litterarische Rettung einer grossen „Unbekannten" giebt, Annettens entfernte Verwandtschaft mit der modernen Produktion zu erweisen. — Buddes 8 6 ) Betrachtungen über das „Geistliche Jahr" gehören zu den aufschlussreichsten und anziehendsten Studien über das Gemütsleben und Dichten der Droste. Der streitbare Geist, der durch den Beitrag geht, giebt dem Urteil etwas erfrischend Persönliches. An diese rätselhaften „Schmerzenslieder" hat die Dichterin ihr Bestes gesetzt; durch ihr ganzes Dasein hat das schwere Werk sie begleitet. 1819 findet sich die erste Spur, 1820 werden 25 fertige Gedichte der Mutter übergeben, 1837 erfolgt die Fortsetzung, die eigentliche Arbeit aber beginnt erst Aug. 1839; April 1840 sind die 72 Lieder vollendet. Den Druckauftrag erhält erst Ende des Jahrzehnts B. Schlüter, jener ergebene Mann, von dessen rührender Persönlichkeit im Briefwechsel mit Schücking so oft die Rede ist. Bei der Veröffentlichung hat die orthodoxe Familie ihre Hände im Spiel. Sie Hess die Gedichte mit allgemeinen religiösen Empfindungen bestehen und merzte die Stücke aus, in denen Annette „in den Schacht des eigenen Herzens" hinabstieg, weil man dogmatischen Anstoss umgehen wollte. Noch heute bestreitet Kreiten, als Helfershelfer, dass das „Geistliche Jahr" ein poetisches Selbsbekenntnis sei. Es liegt hier eine Fälschung von Annettens persönlichem Geständnis vor. Die Lieder enthalten unumwundene Zeugnisse „wechselnder Gemütsstimmungen", einer gedrückten und „vielfach geteilten" Seele, eines „Selbstgerichtes vor Gott". In den Liedern von 1820 klingen die Anklagen eigener Sünden, eigenen Unglaubens, wird versucht, die eigene Persönlichkeit zu läutern. Sie nimmt, poetisch, aus jedem Evangelium die Note auf, die am stärksten in ihr nachklingt und modelt diese Note nach den Bedürfnissen ihres Herzens. In den späteren Gedichten redet der reife, in schmerzlicher Erfahrung geläuterte Mensch, der sich um das Seelenheil der Mitmenschen mühen will: der Ton der Predigt herrscht vor. Sie hat ihres Gleichen nur in F. von Spee. Nachdem B. so Annettens eigenes Verhältnis zu ihren Dichtungen auseinandergesetzt, kommt er zur religiösen Seite der Erklärungsaufgabe, indem er fragt: Inwiefern war Annette Katliolikin, inwiefern nicht. Sie übt Duldung, doch sie hält an gewisäen Glaubensformen fest, die sie ererbt hat; sie steht im Kirchenstreite zum Katholizismus, doch der Verwandlung der Kirche in eine politische Partei ist sie durchaus abhold. „In ihr innerstes Heiligtum" darf „kirchlicher Autoritätsanspruch" nicht dringen; hier hat ihr Katholizismus seine Grenze. Das „Geistliche Jahr" offenbart durchaus, dass sie den Glauben, der in ihr wankte, nicht durch theologischen Zuspruch, sondern nur durch die Kämpfe der eigenen Seele wiedergewonnen habe. Die „erleichternden Mittel", die die Kirche gegen den Unglauben bereit hat, verschmäht Annette. Sie will keinen Mittler zwischen sich und Gott. In ihrem verzweifelten Kampfe um eine Weltanschauung mit oder ohne Gott, will sie nicht durch die Macht der Kirche „zum Himmel steigen"; sie will „fliegen oder gezogen werden". Zu so freier und selbständiger Art des inneren Ringens, befeuert sie die heilige Schrift selbst. Das Buch ist aus dem intimsten Leben mit der Bibel entsprossen. Alle Werkheiligkeit, auch die Anwendung der Beichte weist sie zurück. B.kommt zudem Schlüsse, dass durch diesen unmittelbaren Verkehr mit Gott die Lieder sich stark evangelischer Auffassung nähern, dass man in Annette eine grossartige Zeugin für wahrhaft evangelisches 82) Annette Freiin v. Droste-HGltslioff, Gedichte. (Her. v. A l e x . Ton S o h m i d t . ) ( = Bikl. d. Gemimt-Litt. d. In- u. Auslandes N. 710/3.) Halle u. S., Hendel. VIII, 28S S. M. 1.75. l[LZgB. N. 122.]| - 83) O i d , Gedichte. L.. Reclaro. 1392. 16". 455 S. M. 1,75. — 84) X E - G e n n i g e s , H. Häffer, Annette v. Droste-Hfilahoff (vgl. JBL. 1890 IT 2:184): Qjmn. 1892, S. 01/3. (Mutster e. vornehmen Biogr.) — 85) J. L ö w e n h e r g , Annette v. Druste-HOlöhoff. Vortr. geh. in d. Litt. Ges. ku Hamburg. Referat: ML. 62, S. 162. — 86) K. B n d d e , D. geietl. Jahr d. Annette v. Droste-Hülshoff: PrJbb. 69, S. 340-85. —

J . E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.

IV 2b : 37-99

Christentum zu erblicken habe. Obwohl B.s Betrachtung des „Geistlichen Jahres" im wesentlichen auf diese beiden Punkte, die Individualitäts- und Religionsseite, sich stützt, so berührt der Vf. doch auch Fragen der Aesthetik, der Komposition, der Form mit nicht gewöhnlichem Verständnis und Gefühl für Poesie. Vor allem der Prozess der Umschmelzung biblischer Motive und die künstlerische Bedeutung des eigenartigen und mannigfaltigen Strophenbaues lag klar vor dem Geiste des Vf. — Aus F r e i l i g r a t h s Gedichten bringt H e r t e l 8 1 ) ein kärgliches Sammelsurium über Occident und Orient und behauptet dadurch des Dichters Bedeutung für die Geographie erwiesen zu haben. Die Schrift ist für einen abendlichen Zeitvertreib der Alpen V e r e i n s s e k t i o n Landsberg a. L. zusammengestoppelt worden. H. betrachtet es als eine besonders geistreiche Entdeckung, dass Freiligraths erstes Gedicht dem isländischen Moosthee gegolten habe, sein letztes mit einem Hinweis auf den Chinawein endige. Aus einem Ms. des vierzehnjährigen Dichters teilt er einen romantischphantastischen Aufsatz über die Abenteuer eines Seefahrers mit und möchte einzelne Motive in späteren Dichtungen wiedererkennen; der Auszug aus einem ungedruckten Briefe Freiligraths vom 29. Dec. 1836 enthält Nichtigkeiten.®®) — F r i e d r i c h von S a l l e t s fünfzigjähriger Todestag hat die Erinnerung an den Offizier und Laienevangelisten aufgefrischt. Erwähnt seien hier die Aufsätze von M ü l l e r - R a s t a t t 8 9 ) , von W e s t e n b e r g e r 9 0 ) , einem ganz jung verstorbenen rheinländischen Schriftsteller, der unseren J B L . ein warmer Freund gewesen, und eine kurze Charakteristik 91 ) des Salletschen Haupt- und Lebenswerkes. — C l a s s e n 9 2 ) , in einem Hymnus, meint, Sallet habe in seinem Gesamtschaffen Tendenzpoesie im edelsten und bedeutendsten Wortsinne bekundet: Er predigte mit grosser sittlicher Würde eine Religion der Thatkraft und des idealen Strebens; in wahrhaft christlichem Sinne wollte er die Menschenwürde zur Anerkennung bringen und durch eine veredelte Moral auf die Umgestaltung der Staatsverhältnisse hinwirken. Sallet hatte nichts zu thun mit der gewöhnlichen Revolutionsformel der Zeit. — G e o r g H e r w e g h ist für E b n e r 9 3 ) zwar der ideale Dichter der Freiheit, aber doch auch der schwäbische Starrkopf, dessen demokratischen Eigensinn der Geist einer neuen Zeit nie eines Besseren belehren konnte. Er sah nicht die Annäherung zwischen Fürst und Volk oder verstand sie falsch. Seine Freiheit hat im Grunde mit Politik nichts zu schaffen; es ist die schwäbische Lust am Protestieren. Sein Ideal versteinert in persönlicher Verstimmung: über die Audienz beim Könige und die Niederlage von Dossenbach. E. lehnt den Vergleich Uhlands als politischen Dichters mit Herwegh ab: So klar wie Uhland hat kaum sonst einer politische Tagesfragen in dichterisches Gewand gekleidet; man wusste, was dieser Poet im württembergischen Verfassungskampfe um das gute alte Recht wollte. Herweghs politische Ideale waren Utopien und Träumereien und endlich der kleinlichste Partikülarismus. So ein jüngerer Landsmann Herweghs. — M ü n z 9 4 ) veröffentlicht ein Spottgedicht J o s e p h C h r i s t i a n s von Zedlitz 9& ) auf Herweghs Wort an den preussischen König: „Wer mit seinem Gott gegrollt, darf auch mit seinem König grollen." Kindischer Atheismus habe diese Worte eingegeben, und Gott werde sich aus Herweghs Groll nicht viel machen. Die Verse sind wohl um dieselbe Zeit wie Geibels Gedicht „An Georg Herwegh", Anfang 1842, entstanden. 96 ) — Die „Gesammelten Werke" H o f f m a n n s v o n F a l l e r s l e b e n , in der trefflichen Ausgabe G e r s t e n b e r g s 9 7 ) , sind (vgl. J B L . 1892 IV 2 : 146) wieder um zwei Bände vermehrt worden, wovon der eine die Gelegenheitsgedichte und Trinksprüche (1820—74), der andere das erste bis vierte Buch der Autobiographie enthält. Im nächsten Berichtsjahre wird die Ausgabe eine Gesamtbesprechung erfahren, da sie 1894 vollendet wurde. Auch hier besorgte G. das Geschäft des Herausgebers so umsichtig und lobenswert wie früher. — Zu Reklamezwecken sind aus dem ungedruckten Nachlasse Hoffmanns, den Gerstenberg benutzt hat, 35 Stücke: Kinderlieder, Lieder im Volkston, Liebeslieder wieder abgedruckt worden98). — G a e d e r t z 99 ) gewährt, nach hs. Quellen, einen tieferen Einblick in Hoffmanns Freundschaftsverhältnis zum Freiherrn von Meusebach und in ihren aus Gelehrsamkeit und poetischem Humor gemischten Briefwechsel. Die Korrespondenz von Seiten Hoffmanns ist schon durch Wendelers 8 7 ) E. H e r t e l , F . Freiligrath in seiner Bedeutung fttr d. Geographie Progr. Landeberg. 1892. 20 S. — 8 8 ) X Edw. S o h r ö d e r , K. J . Sirarock: ADB. 34, S. 332/5. (D. Lyriker S. e. sehr sympath. „Erscheinung aus d Gefolge Uhlands u, ChamiBSOS". Seine „Warnong vor d. Rhein" u. d. „Ständchen" besonders herausgehoben.) — 8 9 ) K. M a l i e r - R a s t a t t , Vom Lantnant z. Laieneyangelisten. (Zu F. v. Sallets 30. Todestage): FZg. N. 52. — 9 0 ) G. W e s t e n b e r g e r , F. v . S a l l e t : LZgB. N. 22. — 91) Gedenkbl. an F. v. Sallet anl&ssl. seines 5 0 j . Todestages: VossZg. N.87. — 92) J S r g e n C l a s s e n , F . v . S a l l e t : MontagsR. N. 8. — 9 3 ) T h . E b n e r , G. Herwegh. E. Dichter d. Freiheit. E. litt Skizze: N&S. 64, S. 374-82. 9 4 ) G. H. M a n » , Zedlitz u. Herwegh: DDichtung. 13, S. 227. — 9 5 ) X Ch. Frhr. v. Zedlitz, Gedichte. Mit e Einl. v. A. K o h u t . ( = IIB. N. 3141/2.) L., Reclaro. 232 S. I I 0,80. (Karze Biogr.; ausführlichere Inhaltsang, der „Totenkr&nze".) — 9 6 ) X L. F r a n k e l , M. Graf v. Strachwitz: ADB. 36, S. 480/3. (Als Lyriker e. Haudegen n. Ritter romantischen Schlages.) 9 7 ) Hoffmann T. Fallersleben, Ges. Werke. Her. v. H. G e r s t e n b e r g . Bd. 6 u. 7. B „ Fontane. 1892. XII, 375 8 . ; X, 424 S. M. 6,00. 9 8 ) id., Ungedr. Nachlass: DDichtung. 13, S. 260/2; 14, S. 28, 55, 124/6, 138-40, 215, 269-72. — 9 9 ) K. Th.

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J. E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.

bekannt geworden; die höchst originellen, inhaltreiehen und so menschlich schönen Briefe Meusebachs verdankt G. dem Sohne des Dichters, Franz. Eine Liebesepisode (1829), die tief in Hoffmanns Leben griff und ihn in lange Seelenkämpfe stürzte, wird durch litterarische Zeugnisse belegt. Hoffmann bewirbt sich in fingierten Tagebuchkapiteln (Leiden und Liebe; Liebe und Leiden) um Meusebachs Tochter Karoline, der er, unverstanden, seit Jahr und Tag innig zugethan ist. Meusebachs Antwort, die alle Aussichten zerstören muss, lässt die innere Bewegung deutlich spüren; erschütternd sind die Zeilen, die Hoffmann im ersten Schmerze aufs Papier wirft. Die Beziehungen zum väterlichen Freunde hat dieser schwere Herzenskonflikt keinen Augenblick getrübt. G. führt uns in die zwischen Freude und Trübsinn, zwischen Hoffen und Verzweifeln, zwischen Lebenslust und-überdruss schwankenden Stimmungen, die dem Entschlüsse vorausgehen, sich zu erklären. Wir erfahren, wie väterlich zu allen Zeiten Meusebach um die Zukunft Hoffmanns besorgt war, wie sehr ihm u. a. daran lag, den Breslauer Kustoden als Hauptbibliothekar nach Wolfenbüttel zu bringen, als F. A. Ebert nach Dresden ging (Brief vom 22. Dec. 1824). Er findet zahlreiche zärtliche Wendungen und Formen, um sich über des jungen Freundes Thun und Fühlen zu unterrichten, ihn zu korrigieren und ihm den Spiegel vorzuhalten, wenn es nötig ist. In einer „Parabel" schildert er Hoffmanns naive Streberei; indessen, er ist durchdrungen von der einstigen Berühmtheit des jungen Menschen und schildert in einem erdichteten Schriftenwechsel von Philologen und Litteratoren, der in die J. 1881 auf 82 verlegt wird, wie kommende Geschlechter Hoffmanns litterarischen Spuren nachgehen. In der Korrespondenz war Meusebach der eifrigere; seine Wünsche und Meinungen zielen zumeist auf gelehrte Dinge, doch er vergisst auch nicht den Poeten in Hoffmann: „Meine Frau spielt und singt ihre Lieder, und ich singe das meine, dass ich nämlich nie aufhören werde, Sie zu lieben. Sie Gefeierter machen eine Ausnahme, nämlich die schönsten Gedichte neben den trefflichsten litterarischen Sachen. Aber Sie sind freilich auch ein Einziger und ein Tausendsassa." — Das schrieb Meusebach nach Breslau. Dort hatte Hoffmann, wie er in seinem „Leben" (2, S. 230; neue Ausg. 7, S. 193) erzählt, „in der Poesie einen Beichtvater" gefunden: Johann Gottlob Regis 10°). Im Aug. 1833 übergab Hoffmann, der eine zweite Auflage seiner Gedichte vorbereitete (erschienen bei Brokhaus 1834), ein Exemplar der ersten Auflage seinem Berater, damit er die Sammlung im ganzen und im einzelnen begutachte. Regis berichtet darüber an Carus (s. o. N. 30); er nennt den Dichter einen guten Gesellen und „edlen, liebenswürdigen Kerl bis auf etwas Vetter-Michelei". Er hat zahlreiche Aenderungen vorgeschlagen; er meint — als einer, der immer von weltliterarischer Höhe herab urteilt — Hoffmanns Sphäre sei beschränkt; das mancherlei „Nette, Brave, Reingeformte" drehe sich nur um Wein, Liebe und Frühling; Hoffmanns volksmässiger Ton geht ihm freilich zu Herzen. 10t ) — Ueber die Entstehung und die Schicksale des Liedes „Deutschland, Deutschland über Alles" schreibt ein Anonymus 102); nach der Ausgabe Gerstenbergs wird das Facsimile der Iis. wieder abgedruckt. Es war zunächst ein liberales Lied, das die Reaktionäre hassten und verfolgten. Seine zweite Blütezeit fällt in die sechziger Jahre. 1870 versuchte man es als Nationalhymne emporzubringen. Theodor Ebeling in Hamburg lässt es als Flugblatt drucken und verteilen. Hoffmann hatte die Absicht, eine „Oratio pro domo" voraufzusenden, die indessen nie gedruckt wurde (Brief an Ebeling vom 18. Aug. 1870). Der Grundgedanke war: Sobald wif zu fragen aufgehört „Was ist des Deutschen Vaterland?" hatte dieses „Deutschland, Deutschland über Alles" seine Zukunft. Die Komponisten des Liedes waren: F. Abt, A. Dresel, M. Ernemann, W. Graef, H. Grosse, L. Hahn, C. Halbmair, Iper, L. Kindscher, F. G. Klauer, C. Kreutzer, F. Lachner, Fr. Müller, V. Nessler, Ernst Richter, L. Scherff, C. G. Schöne, L. Stark, E. Thiele. Aber Hoffmann selbst hat sich immer für die Melodie Haydns zu „Gott erhalte Franz den Kaiser" ausgesprochen. Der Vf. des Aufsatzes teilt eine Variante des Schlusses mit: „Stosset an und ruft einstimmig: Hoch das deutsche Vaterland!" — Auf Helgoland, wo am 26. Aug. 1841 dieses Lied der Deutschen gedichtet ist, wurde ein Denkmal Hoffmanns enthüllt 103 ). — Reizvoll ist, was über Em an uel G e i b e l s schöne Jugend- und Studentenzeit G a e d e r t z 1 0 4 ) zu berichten weiss nach Briefen des angehenden Dichters an seinen Freund Wilhelm Wattenbach, der 1835—36 noch zu Lübeck auf dem Gymnasium saas, und zweier Universitätsfreunde aus Berlin, Moritz und Julius Sotzmann, Söhne eines Oberfinanzrates, sowie nach mündlichen Ueberlieferungen des alten Gaedertz, der mit Niebuhrs Sohne Markus damals das feuchtfröhliche Convivium teilte. Geibel hat die G a e d e r t z , Hoffmann T. Fallersleben a. sein Berliner Gönner: NAS. 62, S. 210-27. - 100) J- E l i a s , J. G. Regis Ober Hoffmann y. Fallersleben: VosaZg«. 1892, N. 51. (S o. N. SO.) — 101) X — H o f f m a n n T. Fallersleben: BnracheoaobBll. 6, S. 271/3. — 102) E. dtBCh. Nationallied : DDiehtung. 14, S. 54/6. (Vgl. JBL. 1892 IV 2 : 146.) - 103) D. Enthaltung d. Denkmals für Hoffmann T. Fallersleben: NorddAZg. Is92, 4. Sept. (D. orste Anregung gab K Th. Gaedertz: Tgl. JBL. 1890 IV 2:211/2; s. ancb N4S. 6-2, S. 226) — 104) K. Tb. G a e d e r t z , Aus E. Geibels Studienzeit: N&S. 60, S. 136-211. — 105) O X X

J. E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.

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beiden Bonner Semester in naivem, von romantischer Schwärmerei vergoldetem Lebensgenüsse dahin gebracht und auch seine Philologie nur genossen. Dass aber bei gelehrter Fein schmeckerei oft mehr herauskommt als beim Silbenzählen, das bezeugt die ausgezeichnete, von moderner Künstlerempfindung eingegebene Charakteristik des Lukrez, dieses „götterleugnenden Lord Byron des Altertums" (S. 197/8), aus dessen Schicksal die jugendlich berauschte Phantasie sich gleich die Grundzüge eines tragischen Dramas schafft. Der Grundton dieser Jugendbriefe ist zunächst Heimweh, das sich bis zur Krankheit steigert, und Liebe, die entsagen lernt; dann eine humoristische Auffassung der Welt, die der um Herzens- und Gefühlsweh unbekümmerte Geist des Rheinlandes in Geibel erzeugt, und die der Ernst der Berliner Zeit fürs erste nicht verdrängen kann. Dichterische Gaben: die hexametrische Schilderung einer drollig-abenteuerlichen Landpartie ins Bonner Land, das Weihelied des karnevalistischen Hampelmänner-Vereins, eine breite komische Ermahnungsrede an den zur Universität abgehenden Wattenbach kommen aus dieser Stimmung. Den romantischen Sinn des Jünglings erfasst, im Gedanken an die verfallene Staufenburg, mit Macht die Kaiseridee (S. 198/9); doch Preussens steigende Bedeutung verringere die Aussicht. Später sollte Geibel anders denken. Von Goethe ist oft die Rede, auch von Kerner und Jean Paul, vor allem aber von Bettina (S. 189), für die er nicht genug enthusiastische Worte finden kann. Litterarisch bemerkenswert ist der Nachweis, dass der Stoff zu Geibels Lustspiel „Meister Andrea" aus einer Humoreske Sotzmanns, des Vaters, stammt: „Der dicke Tischler", die im Almanach „Urania" (1824) veröffentlicht worden ist (vgl. AZg B . 1884, N. 246)105). — Ueber Geibels Beziehungen zu Cäcilie Wattenbach wird erst dann völlige Klarheit geschafft werden, wenn einmal Cäciliens im Aug. 1836 angelegtes Tagebuch veröffentlicht ist, das Gaedertz 1 0 ®) in der Hand gehabt hat. Der greise Geibel selbst hat, als nach einem Menschenalter die Jugendgeliebte es ihm zur Lektüre lieh, unter Thränen bekannt, dass alles, was dieses Buch enthalte, die reine Wahrheit sei. G. hat ausserdem ein Poesie-Album Cäciliens (angefangen am 6. Nov. 1839) durchgesehen, das gleichfalls als ein menschliches Dokument gelten muss. Die Citate aus einheimischen wie ausländischen Dichtern und Prosaisten sind so gewählt, dass sie fortlaufend den jeweiligen Seelenzustand des liebenden und entsagenden Weibes schildern. Auch Poesien des geliebten Mannes finden sich in erster Niederschrift darunter. — Neuerdings sind wieder verschiedene ung'edruckte Kleinigkeiten aus Geibels rührigem Poetendasein veröffentlicht worden.107) — Freunde und Schüler Geibels waren der in Oesterreich-Ungarn geborene, doch in Deutschland heimische G o t t f r i e d v o n L e i n b u r g und A l e x a n d e r K a u f m a n n , der dem vormärzlichen Bonner Dichterkreise angehörte und vor allem auch ein vertrauter Kamerad Kinkels, Simrocks und Freiligraths war. Beide sind im J. 1893 gestorben, jener am 8. und dieser am 25. April. F r ä n k e l 1 0 8 ) schildert, mehr berichtend als charakterisierend, das ganz in der Zurückgezogenheit abgelaufene Dichterleben Kaufmanns, der gemütvoll sang von,Natur, Wein und Minne, humorreiche Epen schrieb und im Balladenstile Uhlands arbeitete. Als Forscher beschäftigte er sich im wesentlichen mit Sagengeschichte. Seine Gattin Mathilde, eine geborene Binder, war ihm auch eine litterarische Gefährtin; sie hat als „Amara George" 1850 unter dem Titel „Blüten der Nacht" ein Bändchen Gedichte herausgegeben.— Lebhafter spricht für Gottfried von Leinburg ein Anonymus109), als für einen traurig verkannten deutschen Schriftsteller. Als Lyriker war von Leinburg, der ein wechselvolles, doch durch wichtige litterarische Beziehungen interessantes Leben führte, überzeugter Platenide. Seine Gedichte sind indessen bis heute nicht gesammelt worden. Wichtiger ist er wohl für die Geschichte der Uebersetzungskunst als geschickter Vermittler zwischen Skandinavien und Deutschland. Er versuchte sich mit Erfolg u. a. an Tegner, Oehlenschläger und- Björnson. — In Otto L e o n h a r d H e u b n e r (geb. am 17. Jan. 1812 zu Plauen i. V., gest. am 4. April 1893 zu Dresden) gräbt I s o l a n i u o ) einen begeisterten Sänger der deutschen Turnerei aus, der, ein Freiheitskämpfer, in Dresden auf den Barrikaden stand, später aus dem Gefängnisse Lieder schrieb, mit Mosen befreundet war, litterarisch zu Geibel und Freiligrath sich hingezogen fühlte und auch als Uebersetzer thätig gewesen („Englische Dichter" in Auswahl, Leipzig 1856). nt ) — In L e o p o l d S c h e f e r , dessen dreissigstem Todestage er ein Gedenkblatt widmet, sieht P r ö l l 1 1 2 ) einen „romantischen Naturalisten", romantisch in den Motiven, L i n d e n b e r g [ H a u p t p a s t o r ] , Geibels V»ter. Vortr. Lttbeok (Lübcke & Hartmann). 12". 44 3. M. 0,50. — 106) K. Th. G a e d e r t z , Cäcilie Wittenbach u. E. Geibel: NChristoterpe. 1892, S. 113-24. — 107) 9., Zehn neu aufgefundene Gedichte E. Geibels: Hessenland 6, S. 300/1. — 108) L. F r a n k e l , Alex. Kaufmann: Geg. 44, S. 168-71. - 1 0 9 ) L. E., Gottfr. v. Lewbarg: AZgB. N. 110. — UO) E. I s o l a n i , 0. L. Heubner. Lebensbild e. dtsch. Mannes. K i t e. Einfahr. •. F. G o e t z . Dresden, Hinsah St Tiesler. 40 9. II. 0,60. — 111) X A. E n g t e r t , Zu Eepischs „B&rensohlacht": ZDU. 7, S. 491/2. (E. interpretiert d. Stelle „Zeigt, dass ihr nicht Tom Nossbaom seid" unter neuen Belegen so wie Sprenger ZDU. 4, S. 160.) — 112) K. P r i l l ,

IV 2b : H2-H9 J. E l i a s , Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. naturalistisch in der Schilderung und Zergliederung von Seelenzuständen. Das „Laienevangelium"113), dessen erste Lieder Schefer schon auf dem Gymnasium gedichtet hat, stellt P. in Vergleich mit Rückerts „Weisheit des Brahmanen" — es ist Betrachtungspoesie mit stark lyrischem Schwünge. — Ein entschiedener Anhänger Schefers ist R. G. S p i l l e r v o n H a u e n s c h i l d , genannt Max Waldau, gewesen, den jetzt F r a n k e l 1 1 4 ) weit sachlicher betrachtet als sein schwächlicher „Retter" Rudolf von Gottschall (vgl. JBL. 1892 IV 2 : 299). — An Rückert und Schefer auch schliesst sich J u l i u s Hammer, dessen zarte Gedankenlyrik („Schau um dich und schau in dich" 1851) Brümmer 1 1 5 ) neu herausgiebt. — Die neue Ausgabe des Spitta-Buches von Münkel, die Mejer 1 1 6 ) für seinen verstorbenen Freund besorgt hat, stellt sich im wesentlichen als ein treuer und sorgfältiger Abdruck der ersten Edition (1861) dar.117"118) — Ein neuerer, vielgelesener Vertreter der geistlichen Dichtung sei hier gleich angeschlossen, der Schwabe K a r l G e r o k , der bewundernde Freun d Uhlands, Schwabs und Mörikes. G u s t a v G e r o k 1 1 9 ) , der Sohn, hat nach Tagebüchern, Kalendern und Briefen ein Buch zusammengestellt, das die gewöhnlichen Mängel der Familienpublikationen besitzt: die Breite der Darstellung und die Aufhäufung von vielem unwesentlichem Materiale aber schliesslich die liebenswürdige Persönlichkeit des dichterischen Theologen und theologischen Dichters charakteristisch hervortreten lässt, wenn man sich durch die 670 Seiten erst einmal hindurch gelesen hat. Der Band bildet eine Fortsetzung der „Jugenderinnerungen", die Gerok noch selbst zum Druck befördert hat. Eine Fülle ungedruckter Gedichte, zumeist Gelegenheitssachen von bedingtem Werte, ist unter die Prosadokumente gemischt, versteckte und verstreute Aufsätze theologischen wie schöngeistigen Inhaltes werden neu abgedruckt. Geroks Hauptkorrespondenten waren: der Rektor Fritz Köstlin, zugleich sein treuer Ratgeber in poetischen Dingen, Ottilie Wildermuth, der Schwager Lang und, seit den sechsziger Jahren, A. W. Grube, einweit schärferer Richter, als der gute Köstlin. Heute schreibt Gerok an die Prinzessin Wera von Württemberg, morgen an einen armen Zuchthausgefangenen. Eine weite edle Seele thut sich auf, ein Priester spricht, der die Menschenliebe nicht bloss auf der Zunge, auch im Herzen hat, ein Mensch, der den Weltlauf begreift, der das Glück des Lebens ernst geniesst und Schicksalsfügungen demütig hinnimmt. Ein positiv gläubiger Christ, hat Gerok in litterarischen Angelegenheiten doch ganz ästhetisch empfunden: uod unababhängig geurteilt. In der Verehrung für Goethe ging er geradezu auf, und er lehnte es ab, diesem grossen und harmonischen Leben den Sittenrichter zu spielen. Wohl nie hat ein Theologe Goethes „nicht specifisch christliche, ja meinetwegen heidnische, aber jedenfalls tiefe und ungeheuchelte Frömmigkeit gegenüber dem Schöpfer und der Schöpfung" bewundert. Er schwärmte für Schölling, liebte Hegel, schätzt Heine und hatte selbst noch für D. F. Strauss Individualität Worte der Anerkennung. Wie sehr Gerok sich auf echte Poesie verstand, das zeigen die brieflichen Nekrologe über Mörike und CJhland, seine Worte über Gottfried Keller. Mörike gegenüber fühlt er sich als Lyriker unsagbar klein: Ihm selbst fehle „das punctum saliens der Lyrik: der Duft, der Schmelz, das Unsagbare, das Irrationale, was Goethe meint, wenn er sagt, ein gutes lyrisches Gedicht müsse im ganzen sehr vernünftig, im einzelnen immer ein wenig unvernünftig sein", und des Gediohtes „Hauch"; nur ein einziges seiner Stücke, „Das Herbstgefühl" wagt er ein wirkliches Lied zu nennen (S. 48.1). Sonst aber lehnt er Grubes ehrliche Charakteristik seines Schafifens als eines „behäbigen" und „hausbackenen" gar nicht ab; er findet selbst, dass das „Lehrhafte" der Hauptzug seiner Poesie, dass sie darin aber „gesund, natürlich und nahrhaft" sei (S. 495). Er freut sich dessen, dass es ihm, dem Theologen, durch Anlage vergönnt war, sich auch auf dem Gebiete der weltlichen, „wenn auch mehr oder weniger christlich beleuchteten" Poesie zu bewähren, dass er „vor den ordinärsten geistlichen Liedermachern, die in der Schule der weltlichen Poeten gebildete Form voraus hatte." Wie Geibel, den er sich oft als Muster vorsetzte, war Gerok ein Epigone der Romantik. Die „liebliche Beschäftigung" des Dichtens, für das ihm sein schweres Predigeramt die Zeit nur knapp bemass, folgt ihm auf seine Spaziergänge und sommerlichen Wanderungen. Manche lebhafte Naturschilderung von Rügen, von Helgoland und aus der Schweiz liest sich wie die erste naive Fassung eines Liedes. — (Der Schluss folgt im nächsten Hefte, dem ersten des fünften Bandes.) L. Sohefer. E. Gedenkbl.: Didask. 1892, N. 36. — 113) X L - Schefer, Laienbrerier. Hit e. Einl. r. A. S ö h n t . ( = ÜB. N. 3031/3.) L., Keclam. 16«. 355 S. Mit Bildn. II. 1,00. — 114) L. F r & n k e l , K. 6. Spiller v. Hauenschild: ADB. 35, S. 190/6. — U5) J. Hammer, Schau um dich n. schall in dich. Dichtungen. Her. y. F. B r ü m m e r . ( = ÜB. N. 3024.) L., Beclam. 16°. 100 S. Mit Bildn. U. 0,60. — 116) K. K. Mdnkel, K. J. Ph. Spitts (Tgl. JBL. 1892:158). |[ThLBl. 13, S. 12; ThlB. 14, S. 221.]| —117) X 1K. J. Ph. Spitta: ADB. 35. S. 204/8. —118) X K. J. Ph. Spitta, Psalter n. Harfe. E. Samml. christl. Lieder z. h&usl. Erbauung. L., W. Fiedler. 12°. 190 S. M. 1,50. — 119) Guat. G e r o k , K. Gerok. E. Lebensbild, aus seinen Briefen u. Aufzeichnungen zusammengest. St., Krabbe. 1892. V, 670 S. Hit Bildn. M. 6,00. |[Oeg. 42, S. 335 warm anerkennend); LCB1. 1S92, S. 1754; BBSW. 1892, 9.269-78; SchwäbKron. 1892, 16. Not.]| (S. u. IV 5:129.) —

A. v o n W e i l e n ,

Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts.

I V 4 : i'-s

IY.3 Epos. Max F r e i h e r r v o n

Waldberg.

[Der Bericht über die Erscheinungen des Jahres 1893 wird im fünften Bande nachgeliefert.]

IV,4 Drama und Theatergesehichte. A l e x a n d e r von W e i l e n . G e s c h i c h t e d e s D r a m a s : Allgemeines N . 1. — Dramatiker zur Zeit Gottscheds X. 4 Sturm nnd Drang N . 7. — Shakespeare in Deutschland N. 23. — Kotzebue N . £9. — Körnor N. 44. — H. von Kleist N. 53 — Charlotte BirchPfeiffer, Holtei N. 79. — Otto L u d w i g N. 83. — W . K. Stolte, F. A. Steinmann N . 87. - Neueres deutsches D r a m a : II. Greif, F. Wehl, K. Werder, 1 . Fulda. E. von Wildenbruch, G. Ton Moser, A . Wilbrandt N . 90. — Die Moderne: Allgemeines N. 113; Ibsen N. 119; Sndermann N. 141: Hauptmann N . 152; Halbe, Hartleben, Strindberg, E. von Wolzogen N . 164. — Oesterreiohische Dramatiker: P . Weidmann, die Familie Stegmayer, A. E. Frhr. von Steigentesch, J. L . von Deinhardstein N . 175; Baimund N. 134; Nestroy N. 191; Grillparzer N. 193: Bauernfeld N. 225; Friedrich Halm N . 231; Hebbel N . 234; M.Schleifer, F. Nissel N. 251; F. von Saar N . 262; Anzengrnber N . 267. — Drama der Schweiz N . 273. — Geistliches volkstümliches Schahspiel N. 279. — Festspiele N. 286. — Volkstheater nnd Dialektdichtung N. 290. — Puppenspiele N . 305. — D r a m a t u r g i s c h e s : Allgemeines N. 309. — Modernes Theater N . 317. — Keformvorschläge N . 324. — Schauspielkunst N. 340. — Technisches N. 351. — Einzelheiten: Lustspiel N. 355; Gerichtsverfahren N. 357; Blinde N. 362. — Censur N. 364. — Bühnenbearbeitungeh N. 369. — Sammelwerke N. 372. — T h e a t e r g e s c h i c h t e : Allgemeines N . 373. -•• Einzelne Städte: Bamberg N. 383; Berlin N . 386; Danzig N. 393; Frankfurt a. M. N. 394; Hamburg N . 398; Karlsruhe N . 402: München N . 404; W i e n N 409; W a r z b u r g N. 418. — Schauspielerbiographien: Spencer, Velten, Reibehand, Ackermann, die beiden Stephanie, Döbbelin N . 429; Schröder N. 445; K. D. Stegmann, P . A . W o l f f , Iffland, Frl. Maass N . 450; Antonie Adamberger, S. H . Spiker, Familie Spitzader, F. l l l e n berger, K. Chr. L . Starklof N. 454; Seydelinann, L . Devrient N. 459; A . W . T. Stuhr, A. Hessler N. 467; L u d w i g und Zerline Gabillon N . 469; Eleonora Duse N. 473. —

D r a m a : A l l g e m e i n e s . An die Spitze dieses Berichtes muss die verdienstvolle Neubearbeitung treten, welche die das Theater zu Schillers und Goethes Zeiten behandelnden Paragraphen in der Neuausgabe des Goedekeschen Grundrisses1) erfahren haben. Eine reiche Vermehrung im einzelnen ist jedem Abschnitte zu gute gekommen, während die einleitenden Bemerkungen Goedekes meist ungeändert blieben. Die Bibliographie der Theatergeschichten ist (S. 245) sehr vervollständigt. § 257 bringt die Uebersetzer, voran ein höchst dankenswertes genaues Verzeichnis des Dykschen Theaters der Franzosen. N. 6, 15 ("Vgl. § 259, N. 71, 3) ist falsch. Bei der dänischen Schaubühne (S. 254) fehlt von Weilens Anzeige ( Z V L R . 2, S. 128—34). Unter den italienischen Uebersetzern vermisst man Joseph Laudes, der schon früher (4, S. 249) zu kurz gekommen war, und J. G. Heubel. Bei den Shakespeare-Uebersetzungen fehlt Leonhardis „Hannibal von Donnersberg oder der geizige Soldat", Lustspiel in 5 Akten (Wien 1784) nach Shakespeares Lustigen Weibern. § 258: Bühnendichter. Iffland ist H o l l a n d s Mitwirkung sehr zu gute gekommen, die Kotzebue-Bibliographie lässt noch manches zu wünschen übrig. Bei Hagemann (N. 10) fehlt zu 7 die Ausgabe: Graz 1796, bei Hagemeister (N. 12) zu 8 die Ausgabe Graz 1797; am schwächsten ist wohl F. W . Ziegler geraten (N. 14); J. N. Komarek (N. 15) ist nach dem Theater-Kalender (1782, S. 164) zu Prag 1757 geboren und debütierte als Schauspieler daselbst 1776. Dort werden auch drei Dramen genannt: Die Promotion, Karl von Braunwald, Der geplagte Mann, die im Verzeichnisse fehlen. Die alte, von der ersten Auflage beibehaltene Einteilung wirkt gerade in diesem Paragraphen recht störend, in dem Dramatiker vorangestellt werden, die besser und gründlicher später in den einzelnen Ländern abgehandelt worden wären. Ziegler und Steigentesch z. B. hätten gleich im nächsten Abschnitte (§ 258) Platz finden können, der die Bühnendichter Oesterreichs umfasst. Dieser ist durch A. v o n W e i l e n vollständig neu bearbeitet worden. Die Einleitung hebt besonders den Zusammenhang des Wiener Stückes mit den in Deutschland beliebten Dramen, speciell mit den Erzeugnissen des Sturms und Drangs, hervor und skizziert den Gang der Wiener Volksbühne. Im einzelnen bleibt hier noch viel Arbeit übrig, aber es ist doch ein erster VersuGh, die Massenproduktion eines Kurz, aus dessen Arien zum ersten Male die sämtlichen Titel mitgeteilt werden, Hensler, Schikaneder, Perinet zu überblicken. Die Angabe 1)

(IV l a : 2 . )



21 E . S c h l ö s s e r ,

Z. Gotter-Bibliographie:

Jahresberichte für neuere deutsch» Literaturgeschichte.

IV.

V L G . 6, S. 301/5.

(Dazu ib. S. 585.) (4)11



3 ) K.

A. v o n W e i l e n ,

Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts.

I V 4 : i'-s

IY.3 Epos. Max F r e i h e r r v o n

Waldberg.

[Der Bericht über die Erscheinungen des Jahres 1893 wird im fünften Bande nachgeliefert.]

IV,4 Drama und Theatergesehichte. A l e x a n d e r von W e i l e n . G e s c h i c h t e d e s D r a m a s : Allgemeines N . 1. — Dramatiker zur Zeit Gottscheds X. 4 Sturm nnd Drang N . 7. — Shakespeare in Deutschland N. 23. — Kotzebue N . £9. — Körnor N. 44. — H. von Kleist N. 53 — Charlotte BirchPfeiffer, Holtei N. 79. — Otto L u d w i g N. 83. — W . K. Stolte, F. A. Steinmann N . 87. - Neueres deutsches D r a m a : II. Greif, F. Wehl, K. Werder, 1 . Fulda. E. von Wildenbruch, G. Ton Moser, A . Wilbrandt N . 90. — Die Moderne: Allgemeines N. 113; Ibsen N. 119; Sndermann N. 141: Hauptmann N . 152; Halbe, Hartleben, Strindberg, E. von Wolzogen N . 164. — Oesterreiohische Dramatiker: P . Weidmann, die Familie Stegmayer, A. E. Frhr. von Steigentesch, J. L . von Deinhardstein N . 175; Baimund N. 134; Nestroy N. 191; Grillparzer N. 193: Bauernfeld N. 225; Friedrich Halm N . 231; Hebbel N . 234; M.Schleifer, F. Nissel N. 251; F. von Saar N . 262; Anzengrnber N . 267. — Drama der Schweiz N . 273. — Geistliches volkstümliches Schahspiel N. 279. — Festspiele N. 286. — Volkstheater nnd Dialektdichtung N. 290. — Puppenspiele N . 305. — D r a m a t u r g i s c h e s : Allgemeines N. 309. — Modernes Theater N . 317. — Keformvorschläge N . 324. — Schauspielkunst N. 340. — Technisches N. 351. — Einzelheiten: Lustspiel N. 355; Gerichtsverfahren N. 357; Blinde N. 362. — Censur N. 364. — Bühnenbearbeitungeh N. 369. — Sammelwerke N. 372. — T h e a t e r g e s c h i c h t e : Allgemeines N . 373. -•• Einzelne Städte: Bamberg N. 383; Berlin N . 386; Danzig N. 393; Frankfurt a. M. N. 394; Hamburg N . 398; Karlsruhe N . 402: München N . 404; W i e n N 409; W a r z b u r g N. 418. — Schauspielerbiographien: Spencer, Velten, Reibehand, Ackermann, die beiden Stephanie, Döbbelin N . 429; Schröder N. 445; K. D. Stegmann, P . A . W o l f f , Iffland, Frl. Maass N . 450; Antonie Adamberger, S. H . Spiker, Familie Spitzader, F. l l l e n berger, K. Chr. L . Starklof N. 454; Seydelinann, L . Devrient N. 459; A . W . T. Stuhr, A. Hessler N. 467; L u d w i g und Zerline Gabillon N . 469; Eleonora Duse N. 473. —

D r a m a : A l l g e m e i n e s . An die Spitze dieses Berichtes muss die verdienstvolle Neubearbeitung treten, welche die das Theater zu Schillers und Goethes Zeiten behandelnden Paragraphen in der Neuausgabe des Goedekeschen Grundrisses1) erfahren haben. Eine reiche Vermehrung im einzelnen ist jedem Abschnitte zu gute gekommen, während die einleitenden Bemerkungen Goedekes meist ungeändert blieben. Die Bibliographie der Theatergeschichten ist (S. 245) sehr vervollständigt. § 257 bringt die Uebersetzer, voran ein höchst dankenswertes genaues Verzeichnis des Dykschen Theaters der Franzosen. N. 6, 15 ("Vgl. § 259, N. 71, 3) ist falsch. Bei der dänischen Schaubühne (S. 254) fehlt von Weilens Anzeige ( Z V L R . 2, S. 128—34). Unter den italienischen Uebersetzern vermisst man Joseph Laudes, der schon früher (4, S. 249) zu kurz gekommen war, und J. G. Heubel. Bei den Shakespeare-Uebersetzungen fehlt Leonhardis „Hannibal von Donnersberg oder der geizige Soldat", Lustspiel in 5 Akten (Wien 1784) nach Shakespeares Lustigen Weibern. § 258: Bühnendichter. Iffland ist H o l l a n d s Mitwirkung sehr zu gute gekommen, die Kotzebue-Bibliographie lässt noch manches zu wünschen übrig. Bei Hagemann (N. 10) fehlt zu 7 die Ausgabe: Graz 1796, bei Hagemeister (N. 12) zu 8 die Ausgabe Graz 1797; am schwächsten ist wohl F. W . Ziegler geraten (N. 14); J. N. Komarek (N. 15) ist nach dem Theater-Kalender (1782, S. 164) zu Prag 1757 geboren und debütierte als Schauspieler daselbst 1776. Dort werden auch drei Dramen genannt: Die Promotion, Karl von Braunwald, Der geplagte Mann, die im Verzeichnisse fehlen. Die alte, von der ersten Auflage beibehaltene Einteilung wirkt gerade in diesem Paragraphen recht störend, in dem Dramatiker vorangestellt werden, die besser und gründlicher später in den einzelnen Ländern abgehandelt worden wären. Ziegler und Steigentesch z. B. hätten gleich im nächsten Abschnitte (§ 258) Platz finden können, der die Bühnendichter Oesterreichs umfasst. Dieser ist durch A. v o n W e i l e n vollständig neu bearbeitet worden. Die Einleitung hebt besonders den Zusammenhang des Wiener Stückes mit den in Deutschland beliebten Dramen, speciell mit den Erzeugnissen des Sturms und Drangs, hervor und skizziert den Gang der Wiener Volksbühne. Im einzelnen bleibt hier noch viel Arbeit übrig, aber es ist doch ein erster VersuGh, die Massenproduktion eines Kurz, aus dessen Arien zum ersten Male die sämtlichen Titel mitgeteilt werden, Hensler, Schikaneder, Perinet zu überblicken. Die Angabe 1)

(IV l a : 2 . )



21 E . S c h l ö s s e r ,

Z. Gotter-Bibliographie:

Jahresberichte für neuere deutsch» Literaturgeschichte.

IV.

V L G . 6, S. 301/5.

(Dazu ib. S. 585.) (4)11



3 ) K.

IV 4-.4-10 A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. (S. 314 N. 40), dass Weidmanns Bettelstudent auf Boccaccio zurückgeht, ist falsch. Man streiche bei Otterwolf (N. 35, 4) die Osmonde; das Stück ist von Gebier. J. Friedel (N. 70) ist 1750 geboren. N. 77 die Warnung des Schicksals ist von Ayrenhoff. Arnsteins Maske (N. 80,5) ist gedruckt als einaktiges Lustspiel: Wien 1788, 8°, 56 S. Eberls Unglücksvogel (N. 112, 22) erschien als Oper mit Musik von Roser am 28. Febr. 1819 am Theater in Wien. Zu Hütt (N. 153) vgl. Oest. Pantheon Bd. 2, § 260: Das Drama in der Schweiz hat wenig Bereicherung erfahren; da fand H i r z e i s Anzeige vieles Bibliographische nachzutragen; einiges steuert sie auch für die Iffland-Bibliographie bei. Viel besser sind die übrigen das Drama betreffenden Paragraphen (§ 260/9) behandelt. Dazu muss hier noch erwähnt werden § 277 mit Engel, L. F. Huber, Karoline Pichler, deren zahlreiche Zeitschriftenaufsätze leider ganz unberücksichtigt geblieben sind u. a. Vieles Dramatische bietet auch der von M ü l l e r - F r a u r e u t h meisterhaft ausgearbeitete § 279, der die Ritter- und Räuberromane behandelt. — Als Nachträge zu früheren Abschnittendes Grundrisses sind S c h l ö s s e r s 2 ) 3 „Zur Gotter-Bibliographie" und S c h ü d d e k o p f s ) „Bibliographisches über Goué" beachtenswert. — In seiner Anzeige des Heitmüllerschen Buches 4 ) (vgl. J ß L . 1890 IV 4:6) über die Hamburgischen D r a m a t i k e r z u r Zeit G o t t s c h e d s liefert L e i t z m a n n kleinere Nachträge; R e d l i c h bringt reiche Korrekturen und Verbesserungen für Dreyer, Schönemann, Stüven und aus Kirchenbüchern Mitteilungen über Borkensteins Familiengeschichte. Für Behrmann ist die Sammlung theatralischer Gedichte (Leipzig 1776) von Wichtigkeit, in der nachgewiesen ist, dass Behrmann seine Horatier 1751 in seinem Hause siebenmal gespielt hat und Aufklärungen über den 5Bericht Schützes gegeben werden. Ein Urteil Pyras über Behrmann wird mitgeteilt. ) — Aus Briefen Pfeffels schöpft F u n c k 4 ) Kenntnis von den ersten dramatischen Versuchen Pfeffels, die zum Teil ganz verschollen sind. Er projektierte 1760 einen Henoch, verwundert, dass Bodmer, Wieland oder Gessner noch nicht nach diesem Stoffe gegriffen haben; im selben Jahre arbeitet er seinen Einsiedler, ein Trauerspiel, das er schon vor zwei Jahren entworfen, zunächst in Prosa, dann in „zehnsilbigen Zeilen, wie Schlegels Sophonisbe", endlich in Alexandrinern. Fertig hat er unterdessen ein kleines komisches Impromptu, bestimmt für die Ackermannsche Gesellschaft, „Die Pockennarben", das seinen Stoff einem alten Romänchen aus dem Mercure de France entnahm. Es wurde auch nicht zu seiner Zufriedenheit (im Dec.) gespielt. Ebenso ist auch ein (Febr. 1761 vollendetes) Schäferspiel, Der Schatz, als stimmungsvolles Nachspiel nach grossen Tragödien gedacht, was Lessing als gute Absicht bezeichnet. Wegen des Druckes des Einsiedlers und des Schatzes ergaben sich Streitigkeiten mit dem Verleger in Karlsruhe. 1761 arbeitet er an einem kleinen Schauspiel Philemon und Baucis, das 1763 gedruckt wurde, sein bestes Jugenddrama, wie die Analysen zeigen, die F. von diesem Drama, dem Schatze und dem Einsiedler giebt. — Wir kommen zur S t u r m - u n d D r a n g z e i t . Klingers Lustspiel „Der Derwisch" (Prag 1780, nur aufgenommen im dritten Teil seines Theaters 1786) hat seine Quelle nach K. O. M a y e r " ) in H. Pajons Histoire des trois Als d'Hali Baba (zuerst 1745), die Wieland auch in Dschinnistan übersetzte. Klingers Derwisch trägt auch Züge von AI Hafi und Cagliostro; märchenhafte Motive spielen öfter hier hinein. — Dass die Stelle im Briefe Goethes an Kestner 15. Dec. 1772: „Klinckern habe ich nicht gesehen, aber viel mehr Guths davon gehört, als der Frankfurter Recensent davon sagt" sich nicht auf Klinger bezieht, sondern auf Smolletts Roman Humphrey Clinker, hat L e i t z m a n n 8 ) gezeigt. — Ein Lenz-Autograph aus dem Besitze Loepers vom Mai 1776 veröffentlicht F r a n z o s 9 ) . Auf einer Schneiderrechnung aus Weimar stehen abgerissene Notizen über Soldatentum und Soldatenheirat, ein Verzeichnis von einigen aus der Weimarer Bibliothek entliehenen Büchern, worunter u. a. Plutarch und Polybius, Citate aus französischen Schriftstellern und eine Anweisung für sich selbst: „Im Styl beständige Abwechslung! Aber kürzer! Zusammengezogenheit ohne Undeutlichkeit! Mehr Witz!" — Gegen Froitzheims Darstellung der Beziehungen zwischen Goethe und Lenz (vgl. JBL. 1891IV 4:15) wendet sich D ü n t z e r 1 0 ) , der die Unwahrheit der Berichte Falks und Böttigers und den Klatsch Wielands und Bertuchs klar darlegt. Als Lenz am I.April 1776 in Weimar ankam, jedenfalls ohne sich früher brieflich bei Goethe angemeldet zu haben, war dieser in Leipzig; ein bal paré, von dem Falk erzählt, war gar nicht. Die Stelle im Briefe an die Frau, von Stein wird von D. in demselben Sinne interpretiert, den ich ihr in dem oben erwähnten Passus dieser JBL. gegeben. Lenz war auch nie herzoglicher Vorleser, sein Wort S c h & d d e k o p f , Bibliographisches über Goue: ib, S. 115-52. — 4) A. L e i t z m a n n : LBIGRPh. S. 155/6; K, Ch. R e a l i c h : ADA. 19, S. 165/9. — 5) X F- B r a n d e s , J . H. Steffens: ADB. 35, S. 55S/9. — 6) H. F n n c k , G. K. Pfeffels erste dramat. Versuche: VLG. 6, S. 37-67. — 7) K. O. M a y e r , D. Quellen y. Klingers Lastspiel D. Derwisch: ZDPh. 25, S. 356-62. — 8) A. L e i t z m a n n . Zu Goethes Briefen 2,46: VLG. 6, S. 320. — 9) K. E. F r a n z o s , E. Lenz-Koriosam: DDichtnng. 13, S. 176/7, 203/4. — 10) H. D f i n t z e r , D. Dichters J. Lenz Flucht T. StraBsbnrg an d. Weimarer Hof: WIDM. 74, S. 266-72.—

A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV4:ii-3s über eine derartige Stellung- war eine augenblickliche Einbildung, zu der ihn das Glück, bei Hofe zu sein, hinriss. — Die Arbeiten Jacobowskis und Rauchs (vgl. JBL. 1892 IV 4:5/6) sind besprochen worden11)- — Einen vortrefflichen Artikel hat E r i c h S c h m i d t 1 2 ) mit W a h l e s Unterstützung Sprickmann gewidmet. Er fühlt sich in seinem Amte unglücklich, obwohl er es gut verwaltet, und lebt sich in innerliche und äusserliche Wirren hinein. Seine Dichtung, der er 1780 entsagt, arbeitet' im Krassen und Monströsen mit groben Sprachverhunzungen. Von seinen grösseren Dramen ist vieles verloren gegangen. Seine Singspiele sind unbedeutend. „Die natürliche Tochter" ist ein weinerliches Familiendraina, der „Schmuck" steht auf dem Wege zu Schröder und Iffland, in Knalleffekten zeigt sich der Einfluss Lenzens, sein Stil erinnert aber mehr an Klinger. „Eulalia" behandelt, einen alten, schon aus Geliert bekannten Stoff, mit Motiven der Emilia Galotti, in Bombast und Hyperbeln schwelgend. — Weniger Bedeutung für das Drama haben die Stolbergs, die, wie E r i c h Schmidt 1 3 " 1 4 ) zeigt, diese Form gar nicht bewältigten.15"16) — Ein so fruchtbarer und gelesener Schriftsteller, wie C. H. Spiess hätte eine weit ausführlichere Würdigung verdient, als ihm L i e r 1 7 ) hat zu teil werden lassen. — Wie Gotter auf Umänderung« vorschlage Schröders 18 " 19 ) einging, zeigt S c h l ö s s e r 2 0 ) an Theaterhss. seiner Dramen aus Ekhofs Bibliothek. So erhielt das Stück „Der weibliche Hauptmann", nach Monfleury gearbeitet, starke Umänderungen für den unter dem Titel „Der Faschingsstreich" 1778 erfolgten Druck. Die „Dorfgala", 1774 gedruckt, erscheint in einem durchkorrigierten Exemplare nach Schröders Intentionen in seinen grobeil Motiven sehr gemildert. Aehnlich steht es mit Romeo und Julie, das hs. in einer dem Drucke (1779) vorangehenden Fassung vorliegt. Sch. fügt noch einige Bemerkungen zu Litzmanns Ausgabe der Briefe bei und teilt im Anschlüsse an den letzten Brief Schröders ein Schreiben Karoline Böhmers an Meyer mit (7. Juni 1794), der Schröder „aufgehlasen und hartherzig" in seiner höhnischen Abweisung der Gotterschen Dramen nannte. — Franz von Kleist wird von S c h u l z e 2 1 ) gegen die Ungerechtigkeit der Litterarhistoriker verteidigt. Als Dichter geht er aus der Schule Wielands in die Bürgers und Schillers, dessen Räuber und Don Carlos namentlich sein uneinheitliches, sentenzenreiches Drama „Graf Peter der Däne" beeinflusst haben. Die „Sappho", welche Grillparzer nicht benutzt hat, erscheint als ein Werk voll massvoller Schönheit und bedeutet einen grossen Fortschritt Kleists. — S c h m i d t N e u h a u s 2 2 ) teilt einen unbedeutenden Brief Kleists an Albertine Jung (1. Dec. 1791) mit und weist im Anschluss an Ackermann (vgl. JBL. 1892 IV 4:25) einen weiteren Stich nach, der ebenfalls Verwechslung Kleists mit Schiller zeigt. — S h a k e s p e a r e i n D e u t s c h l a n d 2 3 - 2 4 ) stellt Hauffen 2 5 ) in einem knappen Vortrage recht übersichtlich dar, wobei er die Hauptmomente, auch aus den Dramen der englischen Komödianten gut hervorhebt. Nachdrücklich betont er den Gegensatz zwischen Schiller 26 ), der Shakespeare immer näher kam, und Goethe, der sich bewusst von ihm trennte. — Proben der Shakespeare-Uebersetzung J. G. Regis lernt man durch E l i a s 2 1 ) kennen, der auch des Mannes ganze reiche Thätigkeit als Uebersetzer und Shakespeare-Forscher aus seinen in Breslau aufbewahrten Papieren überblicken lässt. — Eine deutsche, stark germanisierende Bearbeitung der „Beiden Veroneser" von Kleediz (1802) charakterisiert G. v o n Vincke 2 8 ) als nüchtern und dürftig. — Unter den Dramatikern des 19. Jh. 29 " 37 ) ist K o t z e b u e ausführlich behandelt worden. Aus Frankreich kommt uns eine umfangreiche Biographie über ihn, allzu umfangreich, wenn man bedenkt, dass der Vf. R a b a n y 3 8 ) nur das Leben und die dramatischen Werke in Betracht zieht und sehr zu seinem Schaden die ganzen prosaischen Schriften ausser Acht lässt. Darf man auch der hübschen Würdigung, die der Schriftsteller erfährt, beistimmen, ohne sich durch die allzu blendenden Lichter, die R. auch dem Charakter Kotzebues aufsetzt, beirren zu lassen, so muss man doch bedauern, dass ihm die notwendigen Kenntnisse fehlten, um eine U) X M. K o c h : EnglSt. 18, S. 235/6. — 12) E r i c h S c h r a i ä t , A. M. Sprickmann: ADB. 35, S. 303-13. — 13) i d . , Graf Chrn. Stoiber?-Stolberg: ib. 36, S. 348-50. — 14) id., F. L. Stolberg-Stolberg: ib. S. 350-67. — 15) X J- A. Leise witz, Julius v. Taren! E. Trauerspiel. Mit Einl. und Anm. v. A. L i c h t e n h e l d . ( = Graesus Schulansg. klass. Werke N. 42.) Wien, Graeser. XVI, 48 S. M. 0,50. — 16) O K. S c h m i d t , E. Brief von Maler MDller an Wieland: MGNM. S. 13/9. - 17) H. A. L i e r , C. H. Spiess: ADB. 35, S. 177/8. — 18) X Frlir. v - Vincke, F. L. Schröder, d. dtsch. Shakespeare-Begründer ( = s. u. N. 372, S. 21-56) - 19> X T h . M e h r i n g , F. L. Schräder als Mensch: DBfihneng. S. 81,2 (Nach F. L. W. Meyer; ygl ib. S. 106/8). — 20) R S Chi ös s e r , Schröder n. Gotter: VLG. 6, S. 574-85. — 21) B. S c h u l z e . E. vergessener Dichter (F. T. Kleist): NAS. 65, S.322-41. — 22)P. S c h m i d t - N e u h a u s , F. y. Kleist:B&r 19, S. 48. —23) X G. Frhr. v. Vincke, Z.Gesch.d.dtsch. ShakespeareBearbeitnng ( = s. u. N. 372, S. 81-106). - 24) X ia-> Z. Gesch. d. dtsch. Shakespeare-Uebersetzung ( = s. n. N. 372, s. 64-86). — 25) (III 4 : 6a; IV l d : 59.) |rL. P r o e s c h o l d t : LBIGRPh. S. 428.11 — 26) X Frhr. v. Vincke, Schiller als Shakespeare-Bearbeiter ( = s. u. N. 372, S. 115-22). - 27) (IV l d : 6 4 . ) - 28) G. Frhr. v. Vincke, I>. beiden Veroneser in L alter Bearbeitnng (— s. o. N. 372, S. 106-14). — 29) X - F r a n k e l , B. G. Spiller y. Hauensehild: ADB. 35, S. 190/6. — 30) X i d -> A - E - K - Spindler: ib. S. 200/2. - 31) X F. B r ü m r a e r , F. Steffens (C. H. Dammar): ib. S. 5545 — 32) X f l e i g e l , L. Steub: ib. 36, S. 135-40. - 33) E. M a r i i n , B. E. Stoeber: ib. S. 271/2. — 34) 0. H ö r t h , F. S. Stoltee: ib. S. 415/9. — 35) X L F r a n k e l , F. A. btrabberg: ib. S. 630/5. - 36) X i d - , A. F. K. Streckfnss: ib. S. 560/2. — 37) X A. S [ c h l o s s a r ) , J. L. Stoll: ib. S. 404. — 38) (IV l d : 1 5 . ) |[L. G e i g e r : FZg. N. 293; A. C h u q u e t : RCr.36, S.513/5.]|

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IV 4:39-58 A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./19. .Jahrhunderts. derartige Arbeit unternehmen zu können. Er kennt nicht einmal die landläufigsten Quellen der Weimarer Zeit, er teilt mit, dass Schröder ans Hofburgtheater als Direktor berufen wurde, Antonie Adamberger mit Th. Körner sich vermählte, die Anti-Kotzebue-Bewegung der Romantik bleibt unbeachtet, Schlegels Ehrenpforte fährt ebenso schlecht wie Tiecks Gestiefelter Kater, der nach seiner Meinung keinen Vergleich mit Kotzebues Parodien aushalten kann. Sehr lobenswert ist der Versuch, die Stücke in grössere Gruppen zu gliedern, und im ganzen auch gelungen; aber es fehlt z. B. die ganze Reihe der Schauspielerstücke, die lediglich für den Virtuosen geschrieben sind, und Dramen wie „Die Indianer in England" und „Bruder Moriz" nehmen sich mit der Ueberschrift „Comédies philosophiques" recht sonderbar aus. F ü r die Fehler seines Dichters ist der Vf. oft blind, das Lob der historischen Dramen muss sehr eingeschränkt werden, der Vergleich der Oktavia mit Shakespeare fällt nicht eben zu Ungunsten Kotzebues aus, von dessen „génie tragique" R. durchdrungen ist. Vollständig fehlt die Quellen Untersuchung : Von Holberg, Iffland, Schröder weiss R. so gut wie gar nichts, selbst Molière wird nicht genügend herbeigezogen. Auch die Berücksichtigung und Würdigung der einzelnen Dramen ist oft sehr ungerecht. Die beiden Klingsberg kommen viel zu kurz gegen die Organe des Gehirns. Die Roheit in dem Pachter Feldkümmel wird ebenso beschönigt wie die Frivolität des Rehbock. Sind einzelne von Kotzebues Typen hübsch entwickelt, so vermisst man dafür eine zusammenfassende Studie über die dramatische Technik. Die mit grosser Papierverschwendung gedruckte Bibliographie ist unvollständig und überhaupt überflüssig. Dem französischen Leser werden viele der Auszüge wertvoll sein ; die Kotzebue-Biographie bleibt aber nach wie vor zu schreiben. 39-42 ) — Ueber die grosse Beliebtheit, deren sich Kotzebue in England erfreute, berichtet S ü p f l e 4 3 ) : Menschenhass und Reue war 1797 als „The Stranger" übersetzt worden von Sheridan, der bald darauf die Spanier in Peru folgen liess. — K ö r n e r s 4 4 " 4 7 ) engen Zusammenhang mit Wien, in das er gewiss zurückgekehrt wäre, um ein Wiener Dichter zu werden, schildert M ü l l e r - G u t t e n b r u n n 4 8 - 4 9 ) . — I s o l a n i 5 0 ) bespricht ein Alexandrinerlustspiel aus Körners Freiburger Zeit, „Cleant und Cephise", im Kömer-Museum aufbewahrt, mit Mitteilungen aus der letzten Scene. — Dass im Zriny 51 ) Eva den Turm in die Luft sprengt, stammt nach B i s c h o f f 5 2 ) aus dem Drama von Clem. Werthes. B. steuert auch einige Angaben zur Geschichte der Zriny-Bearbeitungen in Ungarn bei. Schon in der Wahl des Stoffes war Körner beeinflusst durch den ungarischen Maler und Dichter Karl Kisfaludy, der seinerseits wieder die Einwirkung der Körnerschen Lustspiele in seiner Dichtung verspüren lässt. — Auch H e i n r i c h v o n K l e i s t 5 3 " 5 5 ) hat einen ausserdeutschen Biographen in F r i e d m a n n 5 9 ) gefunden, der mit ihm seine noch weiter hier zu erwähnenden italienischen Studien aus dem deutschen Drama des 19. Jh. eröffnet. Er erfasst Kleist richtig als Vorläufer des modernen Dramas. Ungemein geschickt sind die Analysen der Dramen, nur ist es hier wie in den anderen Biographien bedauerlich, dass die Anmerkungen notwendige Ergänzungen zum Texte bieten. Der Einfluss Schillers wird zu gering angeschlagen. Die Liebesscene der Schroffensteiner hält F. für bühnenmöglich, wie sie ist. Sehr gelungen ist die Charakteristik der Hermannsschlacht und des Prinzen von Homburg, obwohl das Buch Jungfers übersehen ist. Des Prinzen Todesfurcht ist „debolezza fisica" und wird mit Egmonts Monolog zusammengestellt. Bedauerlicher Weise hat F. den Robert Guiscard nur nebenbei erwähnt und den Amphitryon ganz übersehen. So findet er im Zerbrochenen Krug den einzigen Ausdruck für Kleists komische Begabung. — M a n d l 5 7 ) macht auf den im Goethe- und Schiller-Archiv befindlichen Brief Kleists an Goethe aufmerksam (24. Jan. 1808), in dem er ihn zur Mitarbeiterschaft am Phoebus einladet. Hebbel erzählte v - Kotzebue, D. neue Jahrhundert. Neubearti. von C. F. W i t t m a n n . 1 = TJB. N. 3099.) L., Sedani. 42 S. II. 0,20. — — 39) X 40) X id., La petite ville allemande et extraits de „Misanthropie' et Repentir". Texte allemand par M. lì a i l 1 y. i— Classiques allemands.) Palis, Hachette. 16". XXIV. 187 S. Fr. 1,50. — 41) X Natura e gratitudine: dramma in tre atti, ridotto per soli uomini, da G. M a r i a n i . — L'assistente del medico: farsa tradotta del tedesco da G. L e v a . Milano, S. Majocchi. Ì6°. 109 S. L. 0,50. — 42) X ìd*> L'angelo del perdono: commedia ridotta per soli uomini da V. Z a g n i . Modena, tip. pont, ed arcio dell' Immacolata Concezione. 16°. 35 S. L. 0,50. — 43) T h . S ü p f l e , Beitrr. z. Gesch. d. dtsch. Litt, in England im letzten Drittel d. 18. Jh : ZVLR. 6, S. 305-28. — 44) O Th. Körner, Werke her. Y. H. Z i m m e r . 2 Bde. ( = Meyers Klass.-Bib.) L„ Bibl. Inst. 28, 398 S.; 461 S. M. 4,00. |[KZg. N. 868; DB. 77, S. 474; LZg». N. 135; Geg. 44, S. 367; A. S a l e c k (A. S o h r ö t e r ) : BLU. S. 825.]I — 45) X Körners Werke in 2 Bdn. L„ Knaur. VI, 411 S.; IH,389 S. M. 2,00. — 46) O Körners s&mtl. Werke in 4 Bdn. Mit Einl. v. H. F i s c h e r . St., Cotta. 258, 243, 327, 247 S. M. 4,00. — 471 X Th. Körner, D. Gouvernante. Poste. ( = Meyers Volksbücher N. 999.) L., Bibliogr. Inst. 32 S. M. 0,10. — 48) A. M t t l l e r - G u t t e n b r u u n , Th. Körner in Wien ( = s u. N. 206,S. 92/6). — 49) X H - K. F r h r . v. J a d e n , Th. Körners Andenken in Wien: Alt-Wien 2, S. 9-12, 26-31, 43/5. — 50) E. I s o l a n i , E. neues Stück T. Th. Körner: DZg. N. 7763. — 5Ì) X H. L a n d w e h r , Zriny ( = I V l a : 6 , S. 180/8). — 52) H. B i s c h o f f , Zu Körners „Zriny" : ASN8. 92, S. 135-40. — 5 3 ) X H v. Kleist, Werke. Neue Ausg. 2 Bde. Gütersloh, Bertelsmann. 468, 435 S. M. 3,50. — 54) X Sfuntl. Werke. Neue Ausg. Mit Einl. y. F. M u n c k e r . 4 Bde. St., Cotta. 8°. 312, 347, 218, 332 S. M.4,00. (Dass. in 12". 195, 232, 228, 228 S. M. 2,00.) — 55) X Z-, H. v. Kleist: DAdelsbl. S. 914/6. — 56) L. F r i e d m a n n , Il dramma tedesco del nostro secolo. I. Enrico di Kleist. Milano, Chiesa. VII, 92 S. L. 1,50. ||A. S a u e r : DLZ. S. 777/8; W. C T e i z e n a c h : ASNS. 91,8.435/6; M. K o o h : LCB1. S. 1156; CnltnTa 1, S. 346JI — 57) M. M a n d l , Titan u. Olympier (H. y. Kleist u. Goethe): DZg. N. 7557/S. — 58) F.

A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./Ii). Jahrhunderts. IV 4:59-07 K. Beck, Goethe solle die Penthesilea an die Wand geschleudert haben. Goethes Missgunst hatte auch den Abbruch der Beziehungen zu Cotta zur Folge. Die Darstellung des Verhältnisses zwischen Kleist und Goethe ist sehr wirr und unklar. — Ein ähnlicher Geist spricht aus der Studie B e c k s 5 8 ) . Die Katastrophe von Kleists Leben war „eines der zahlreichen Menschenopfer, welche die öffentliche Auffassung vom Dichterberufe als nimmersatter Moloch verschlingt". In seiner Liebe zu Wilhelmine von Zenge, die keine Individualität war, verkündet er die wahre auf physische und psychische Uebereinstimmung gegründete Ehe als Vorläufer Ibsens und des jüngeren Geschlechts; dass das Mädchen seiner nicht würdig war, zeigt seine fast vierzigjährige glückliche Ehe. Goethe erscheint als der Unterdrücker5 9 von Kleists Talent. — In der Familie Schroffenstein finden J e l l i n e k und K r a u s ) einen Widerspruch im 5. Akte, in dem Kleist vergass, dass das Schwert schon aus Agnes Brust 6gezogen war. — Eine ausführliche Untersuchung der „Penthesilea" liegt von N i e j a h r 0 ) vor. Die antike Ueberlieferung hat Kleist dem Sinne nach ins Gegenteil verkehrt, dort steht der Sieger vor der entseelten Penthesilea. Nur bei Ptolemaeus Chennus findet sich die Kleistsche Wendung, aber auch bei ihm lebt der gefallene Achill wieder auf und tötet sie. Kleist bringt Einzelheiten der Penthesilea- und Amazonensage nach den verschiedensten Quellen, die Erzählung von der Gründung des Frauenstaates ist freie Erfindung. Verstösse gegen die alte Sage, besonders in Namen, und Anachronismen sind zahlreich; auch um die geographische Lage des Schauplatzes hat sich der Dichter nicht gekümmert. Er bildet zur romantischen Handlung den romantischen Hintergrund. Anklänge an Homer finden sich nicht, dagegen an die Aeneis; Iphigenie hat Einfluss geübt, besonders im 14. Auftritte; der Vergleich mit der Jungfrau von Orleans, den Brahm gezogen hat, hat nur für das Käthchen von Heilbronn, nicht für dieses Drama Berechtigung. Aeusserlich in Handlung und Aufbau antikisiert das Drama; der Bericht Meroes vom Tode des Achill (23. Auftritt) ist dem Berichte über den Tod des Pentheus in den Bacchen des Euripides nachgeahmt. Kleist konnte, wenn er den Artikel Penthesilea in Hederichs Lexikon las, leicht auf dieses Motiv geführt werden, da unmittelbar darauf der Artikel Pentheüs folgte. Von diesem durchaus sicheren Boden der Ergebnisse schwingt sich N. mit seinen Vermutungen über die erste Gestalt der Penthesilea in das Luftgebiet, kühner Hypothesen. Aus dem Fragment des Phoebus und dem Berliner Ms. ergiebt sich für N., dass der Tod Achills durch Penthesilea nicht ursprünglich gedacht war, sondern dass Penthesilea durch Achill fiel. Diesem Entwurf gehörten die ersten dreizehn Scenen an. Da lernt Kleist die vereinzelte Version der Sage und das Motiv ^ aus Euripides kennen und arbeitet die elf letzten Auftritte nach einem ganz neuen Plane, die durch die Täuschungsscene im 14. Auftritte mit dem vorhergehenden Teile verbunden wurden, was natürlich nicht ohne Widersprüche abging. — In derselben Weise hat N i e j a h r 6 1 ) auch den Prinzen von Homburg 62 ) und die Hermanns63 64 schlacht " ) untersucht. Er weist im einzelnen den Einfluss des Wallenstein und des Don Carlos auf den Prinzen von Homburg nach; für die Traumscene war die Egmont-Vision Vorbild. Fast alle Scenen, in denen Hohenzollern auftritt, zeigen Widersprüche. Die ersten Auftritte des zweiten Aktes harmonieren nicht mit denen des ersten. Wir haben, wie oft bei Kleist, doppelte Entwürfe anzunehmen; die Motive des ersten Aktes gehören einer späteren Entwicklung an, wie auch Hohenzollerns Eintritt iin letzten Akte. Freilich, wie ursprünglich die Zerstreutheit des Prinzen motiviert war, lässt sich nicht mehr erraten. Auch die Friedens Unterhandlung hat der Dichter, uin den Zorn des Kurfürsten glaublicher zu machen, später hinzugefügt, aber gleich wieder fallen lassen. N. kommt zu der schwer annehmbaren Vermutung, dass ursprünglich nur das Kriegerische der Handlung da war, und Hohenzollern, Natalie und die Kurfürstin dem ersten Entwürfe fehlten; für die Hermannsschlacht schöpft Kleist seine historischen Kenntnisse, die grösser waren, als man gewönlich annimmt, wohl nirgends aus den Quellen selbst. Klopstock ist Kleist wohl bekannt, die Charakteristik des Varus stammt wohl indirekt aus Vellejus. Deutlich erkennbar ist die Einwirkung Fiescos; der Vf. hätte für seine Nachweise auch das gewagte Spiel mit der Frau hinzufügen können. Auch in diesem Drama soll sich ein starker Widerspruch finden: II, 7 raubt Ventidius Thusnelda die Locke; III, 3 erklärt sie, sie werde sich gegen einen Angriff auf ihre Locken zu schützen wissen. N. schliesst: „Man wird zugeben, dass das unmöglich, wenn Ventidius durch seinen Lockenraub Bedenken erregt hätte." Sonach gehöre III, 3 einer früheren Bearbeitung an(?). 65 " 67 ) — Unter den Schulausgaben Kleistscher Dramen ist die des B e c k , n . y. Kleist u. d. Diohterberof: WienerZg. N. 16/8. — 59) (I 12:165.) — 6 0 ) J. N i e j a h r , H. v. Kleists Penthesilea: VLG. 6, S. 506-53. —61) i d . , H. v. Kleists Prinz y. Homburg u. Hermannsschlacht: ib. S. 408-29. — 62) X H. L a n d w e h r . , Prinz Friedrich v. Hornburg. ( = IV l a : t, S. 169-79.) — 63) X Welche Ziele verfolgte H. v. Kleist mit seiner Hermannsschlacht: KZg. N. 8 9 8 . - 64) X C. A l b e r t i , D. Hermannsschlacht: Zukunft 6, S. 571/4. — 65) X H. v. Kleist, Prinz Friedrich y. Homburg. E. Schansp. Mit Einl. u. Anmerknngen y. B. Kad e. ( = Graesers Schnlaneg. klass. Werlte N.'37.) Wien, Graeser. XI, 67 S. M. 0,50. — 66) X id- D Hermannsschlacht. Her. y. F. K h u l l . ( = Frey tags Sohulansg. klasa. Wert«.') Wien n. Prag, Tempsky. 130 S. 11. 0,60. |[H. H e r z o g : ZÖG. 44, S. 1100/4.JI - 67) X ¡4-. D. Käthchen y. Heilbronn oder

I V 4:68-86 A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. Prinzen von Homburg durch B e n e d i c t 6 8 ) wegen ihrer sprachlichen und metrischen Beobachtungen zu erwähnen. — Für den scheinbaren Widerspruch zwischen dem lauten Gespräche in der ersten Scene und den Worten: „Weck' ihn mit deinem Zirpen nur nicht auf" (V. 80) hat v o n W e i l e n 6 9 ) in seiner Anzeige der Heuwesschen Ausgabe (vgl. JBL. 1892 I 5 : 68) die Erklärung aus Gmeilins Beobachtungen über Somnambule gegeben, die lautes Gespräch nicht störe, wohl aber das Ticken einer Uhr. — Für dasselbe Drama verweist S p r e n g e r 7 0 ) zu I, 1, 46, der Nennung der Weide als Zeichen des unglücklich Liebenden, auf Ophelias Lied und eine Ballade bei Percy. 7 1 )— Einige Stellen, die Einfluss Shakespeares zeigen, notiert H e u w e s " 2 ). — Der Vortrag G i lo w s' 3 ), der im Vorjahre nur nach dem kurzen Zeitungsberichte wiedergegeben werden konnte (vgl.' JBL. 1892 I V 4:50), liegt nunmehr im Drucke vor. Die Begnadigung des Prinzen ist der Angelpunkt des Dramas. Der Erfolg der Schlacht ist nicht das eigenste Verdienst des Prinzen und nur ein partieller. Eigentlich hat der vermeintliche Tod des Kürfürsten die Reiter angespornt. Der Prinz vollbringt keine That für Vaterland und Krone, wie Kottwitz auszuführen sucht, sondern er übereilt sich und verliert alle Selbstbeherrschung. Nicht das Recht des freien Heldenmuts und das Unrecht der toten Regel, sondern das Unrecht des unfreien Eigenwillens und das Recht des lebendigen Staatsbewusstseins stehen sich gegenüber. Wohl möglich, dass das Kleistsche Drama die Verurteilung der abenteuerlichen Unternehmung Schills ist. Der Kurfürst thut einen kühnen Schachzug, die Verurteilung zur Selbstentscheidung ist der Weg, der dem Prinzen zur inneren Befreiung führt. Dass der Kurfürst mit der äusseren Enthaftung zögert, ist die Folge der Fürsprache des Militärs, die eine Parteinahme für die That des Prinzen involviert. So werden auch die Offiziere belehrt. — Es ist interessant, in A u er bachs '•*) Aufzeichnungen über diese „spartanische Dichtung" zu lesen: „Es ist dem Kurfürsten bitterer Ernst. Es muss ihm bitterer Ernst sein, sonst ist alles nur Theaterspielerei." — Zu dem Satze „Hat sie das Licht dabei gehalten" im „Zerbrochenen K r u g " citiert S p r e n g e r 7 5 ) den Kaufmann von Venedig. — Den Ausdruck „mausen" (vgl. JBL. 1892 I V 4:52) weist S pa n d l 7 6 ) als bayerisch-österreichischen Ausdruck für „stehlen" nach.—Eine sonderbare Charakteristik entwirft S e m l e r 7 1 ) vom Dorfrichter Adam: Er schwebte mit freiem Humor über seiner gefährlichen Situation, sein Behagen steigerte sich, je weiter die Verwickelung geht. — Im „Käthchen von Heilbronn" erklärt R e i c h e l 7 8 ) den Ausdruck „ordinieren" als zum Ritter schlagen ( I V , 1). „Was? bist du ein Jud?" lässt ihn an die Redensart, die man den Juden (?) in den Mund legt, das Wasser habe keine Balken, denken. — Eine liebenswürdige Schilderung der B i r c h - P f e i f f e r 7 9 ) entwirft aus persönlichem Verkehr H e l e n e v o n Hülsen 8 0 ). Zum Drama, wurde sie eigentlich 1828 durch Direktor Karl angeregt. Sie hat einen vierien Akt zu Meyerbeers Afrikanerin geschrieben, der nie gegeben wurde. In ihren auszugsweise mitgeteilten Briefen spricht sie sich enthusiastisch über Fanny Lewald aus. Ihr Drama „Der Goldbauer" soll auf einer wirklichen Begebenheit beruhen.81) — In der Vorrede zum Trauerspiel in Berlin vindiciert sich H o l t e i 8 2 ) den Ruhm, den Eckensteher Nante geschaffen zu haben. — Sauers Vortrag über Otto L u d w i g 8 3 ) (vgl. JBL. 1892 I V 4 : 66) giebt B e t t e l h e i m 8 4 ) Anlass, ein Wort der Anerkennung für Auerbach einzulegen. Aus einem Briefe Anzengrubers vom 12. Mai 1871 citiert er einen Passus, der von Ludwig als genialem Kleinmaler spricht, und konstatiert den Einfluss, den Ludwig auf Anzengruber geübt. — B e r g e r 8 5 ) zieht eine Parallele zwischen Schiller und Ludwig. Beide erlagen in der Periode der Ernte, Schiller schaffend, Ludwig grübelnd. Schiller schuf sein Selbst um, aber er genas, Kleist und Ludwig gingen dabei zu Grunde. Wie Ludwig selbst wenden sich auch alle seine Figuren zerstörend gegen ihr Inneres. Schillers Helden sind schöpferische Grössen, sie geben ein Werk ausserhalb ihres Ich. So arbeitet Schiller seinen Wallenstein, so konstruiert Ludwig den seinen. — Von einer persönlichen Begegnung mit Ludwig in Dresden 1851 berichtet L o r m 8 6 ) . Er d. Feuerprobe. Mit Einl. u. Anro. v. A. L i c h t e n h e l d . ( = Graesers Schulausg. klass. Werke N.40.) Wien, Graeser. X I I , 82 S. M. 0,30. — 6 8 ) id., l'rinz Friedrich von Hornburg. Her. v A. B e n e d i c t . ( = Freyttiga Schulausg. klage. Werke.) Wien u. Frag, Tempaky. 109 S. M. 0,60. ITH. H e r z o g : ZÖG. 14, S. 1100/4.|| — 6 9 ) A. v. W e i l e n : ZÖG. 44, S. 1149. — 7 0 ) R. S p r e n g e r , Zu Kleists Prinz v. Homburg: ZDU. 7, S. 60/1 — 71) X R. R e i c h e l , Zu Kleists Prinz v. Honiburg: ib.S.494/5. — 72) J. H e u w e s , Zu Kleists Prinz Friedrich v. Homburg: ib. S. 422/4. — 73) II. G i l o w , D. Grundgedanken in H. v. Kleists Prinz Friedrich v. Homburg. Progr. Königstädt. Gynin B. (Gaertner). 4°. 25 S. I I . 1,00. |[R. F r i e d r i e h : BLU. S. 644.JI — 74) (S. n. N. 314, S. 191/5.) — 75) R. S p r e n g e r , Zu Kleists Zerbrochenem Krug: ZDU. 7, S. 6S3. — 76) J. S p a n d l , Zu Kleists Zerbrochenem Krug: ib. S. 5G1. — 77) C. S e i n l e r , D. Dorfrichter Adam im Zerbrochenen Krug v. H. v Kleist: ib. S. 374-84. - 78) R. R e i c h e l , Zu H. v. Kleists Käthchen v. Heilbronn: ib. S. 495. — 7 9 ) X F - K o p p e l , Charlotte BirchP f e i f f e r : FeuilletZg. N. 477. (Auch Sammlor A . N. 101 usw.l — 8 0 ) H e l e n e v. H ü l s e n , Drei Lebensepisoden. B., R. Eckstein Nachf. 1892. 139 S. M. 3,00. ||K«3. 64, S. 134.JI 81) X H. L e e , E dtsoh. Lustspieldichter. Z. Erinnerung an K. Töpfer: FeuilletZg. N. 444. (Auch Sammler'» N. 2 usw.) - 82) Zn Holtei: Dßühneng. 22, S. 177/8. — 83) X O. Ludwig, Werke (Tgl. JBL. 1891 I V 4 :12S».| |[A. S a u e r : DLZ. S. 11; H. N o r d : Grenzb. 4, S. 174-86.l| - 84) X A. B e t t e l h e i i n : •AZgB. K 230; Bohemia N. 83. — -85) A. F r h r . v B e r g e r , 0. Ludwig u. F. Schiller: WienerLZg. N. 1. — 86) H. L o r m .

A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV4:87-ii3 bemühte sich die Tragödie „Die Rache des Herzens" für Eduard Devrient herbeizuschaffen, von der Ludwig nicht mehr wusste, in welcher Theaterkanzlei sie liegen mochte. L. tritt für eine Aufführung dieses Stückes ein und stimmt Laube bei, der einen versöhnlichen Ausgang des Erbförsters wünschte. — Einen verschollenen Genossen Gutzkows87) führt B r u m m e r 8 8 ) in W. K. S t o l t e vor (1809—74). Auf dessen Anraten schrieb er seinen „Faust", der Stellen von grosser Tiefe enthalten soll. — F. A. S t e i n m a n n (1801—75), ein erbärmlicher Gegner Heines, wird von F r ä n k e l 8 9 ) wegen seines kultur-historisch wichtigen Volksdramas „Zum Tode verurteilt" (1843) hervorgehoben. (Vgl. IV 11 : 56.) — N e u e r e s d e u t s c h e s Drama. 0 0 " 9 5 ) Die Biographie G r e i f s von Prem (vgl. JBL 1892 IV 4: 81) wird von N e c k er 9 6 ) in ihrem kritiklosen Enthusiasmus, der gänzlich verkennt, wie wenig sich Greifs Drama den berechtigten Forderungen der Zeit anzupassen vermochte, entsprechend charakterisiert. Das von Prem citierte Urteil Hehns über Greif fasst Necker als Ironie. — Dagegen tritt L y o n 9 7 ) für den Ernst des Hehnschen Urteils ein und leitet Neckers Auffassung von einem Druckfehler in Hehns Briefe ab, der aber für den Sinn des Ausspruches durchaus nicht massgebend ist. — W e h l s Umdichtung des Cid von Corneille, „Liebe und Ehre", wird von Bo rmann 9 8 ) in einer Studie über den Cid im Drama, die auch ein wirres deutsches Drama von Bruno Rödel (1867) neben Castros und Corneilles Werken anführt, an Naturwahrheit und Lebendigkeit über das französische Original gestellt. — W T erder erscheint in S c h i e n t h e r s 9 9 ) stimmungsvollem Nekrologe als Meister in der Beschränkung, voll edler Strebsamkeit. In seinen Vorlesungen über dramatische Kunst spricht nicht der grosse Gelehrte und Forscher, wohl aber der Dichter. — Seine Columbus-Tragödie figuriert auch in der stoffgeschichtlichen Arbeit L o e v i n s o n s 1 0 0 ) , die, nach F r ä n k e l s Referate, ausser ihm Klingemann, Rückert, Kösting. H. von Schmid, Herrig und Dedekind nennt. F. trägt die Bearbeitung E. Wolfis (1892) und E. Karpffs nach; auch Halm scheint einen Columbus geplant zu haben. — Gegen F u l d a s 1 0 1 ) Molière-Uebersetzung (vgl. JBL. 1892 IV 4 : 9 5 ) haben sowohl S c h i e n t h e r als E r i c h S c h m i d t 1 0 2 ) bei aller Anerkennung kleine Bedenken, die sich ayf die allzugrosse Glätte und Flottheit des Verses beziehen, wodurch die Tiefe des Misanthrope etwas beinträchtigt wird. Schi, weist für Fulda auch darauf hin, wie er als Dichter selbst von Molière ausging, aber sein Ziel stand stets über seinen Leistungen. — S p i e l h a g e n 1 0 3 ) vergleicht den „Talisman" mit W i l d e n b r u c h s 1 0 4 ) Heiligem Lachen, das dio Märchenregion vollständig verlassen. Aber auch Fulda hätte noch mehr Märchenhaftes geben können. — F ü r die Schule analysiert G l o e l , 0 5 ) Die Quitzows, die ihm als höchst bedeutendes Werk erscheinen, wenn auch die Geschlossenheit fehlt.—G. v o n M o s e r wii'd von Z ab e 1106) als echter liebenswürdiger Theaterpraktiker geschildert, der durch seine Verwertung des Militärs für die deutsche Bühne bedeutsam geworden. Das Stiftungsfest von Benedix 107 " 109 ) arbeitete er in einer Weise aus, dass dieser nichts mehr davon wissen wollte.110"111) — In W i l b r a n d t s „Meister von Palmyra" sieht D e i n h a r d t 1 1 2 ) die Wiederverkörperungslehre, wie sie Hellenbach u. a. gepredigt. Aber vom Standpunkt der Metaphysik fehlte dem Werke das Moment der aufsteigenden Seelenwandlung, es ist mehr zusammenhangslose Seelenwanderung, das Ahasver-Problem. — Lawinenartig wächst die Flut der Aufsätze an, welche sich mit den Dramen der M o d e r n e n sowie mit später zu besprechenden dramaturgischen Fragen, die sich an sie anknüpfen, beschäftigen 113 ). Wer kann die Legion Zeitungsartikel übersehen, die sich an bedeutsame Neuaufführungen, wie sie das Berichtsjahr bot, anschliessen? Man gestatte mir hier gleich im a l l g e m e i n e n als einen kundigen Erinnerung an 0. Lad wig: NFPr. N. 10218. - 87) O W. V o l V m a n n , Uriel Acosta. E. Skizze. [Aas: Festschrift z. Jabelfeier d. Gyron. za St. Mari« Magdalena (vgl. I 6 : 205.)I Breslau, Morgenstern. 33 S. M. 0,50. — 88) F. B r a m m e r , W. K. Stolte: ADB. 36, S. 411,-3. - 89) L. F r ä n k e l , F. A* Steinmann: ib. 36, S. 744/6. - 90) X Heys». Kolberg by B. H. A l l p r e s s . London, Bi vington. Sh. 2. — 91) X G Frey tag, D. Journalisten: Lustsp. in 4 A. Texte allemand avec notes par A. Girot. Bibl. Allemande contemp. N. 1.) Paris, Delagrave. 183 S. — 92) X L. S a l o m o n , Za B. v. Gottschalls 70.Geburtstage: IllZg. 101, S. 374/6. — 93) X J- K t . G r o t t h u s s , B. Voss: VelhagenKlasingsMh. 2, S. 664-71. — 94) X L. S a l o m o n , 0. Justinns: IllZg. 101, S. 274. — 9 5 ) X E- Pohl, La cavallerizza. Commedia in on atto. Milano, Eantorowiez. 16°. 32 S. L. 1,20. — 96) X M. N e c k e r : - A Z B . N. 2; K. E i s s c h i l t : ÔLB1. à. 78; 0. L y o n : ZDU. 7, S. 75/7; B. H. G r e i n z : Geg. 43, S. 19. - 97) 0. L y o n , V. Hehn u. M. Greif: ABg B . N. 13. — 98) W. B o r m a n n , D. Cid im Drama: ZVLK. 6, S. 5-33. — 99) P. S c h i e n t h e r , Am Grabe d. alten Werder: ML. 62, S. 249-52. - 100) (I 10: 24 ) - 101) X L. Falda, Il paradiso perduto. Commedia in 3 atti, riduzione per le scene Italiane di 0. E i s e n s o h i t z . Milano, Eantorowiez. 16". 90S. L. 1,50. — 102) E. S c h m i d t : DLZ. S. 1421/2; 0. H ä r t u n g : DDichtung. 14, S. 78; P. S o h l e n t h e r : ML. 62, S. 236,(8. — 109) F. S p i e l h a g e n , L. Fuldas Talisman: ML. 62, S. 85/7. — 104) X E i . Wildenbruch, Harold. Transi, by A. V a g e I i n . ( = Modern German advanced.) London, Bivington. Sh. 1-20, — 105) H. G l o é l , D. Quitzows E. v. Wildenbrachs: ZDU. 7, S. 734-50. — 106) E. Z a b e l , G. v. Moser: NatZg. N. 527. - 107) X Benedix, Aschenbrödel. Schausp. in 4 A. 2. Aufl. ( = B.Benedix Volkstheater Bd. 17.) L., Weber. 125 S. M. 1,00. — 108) X id., Scènes choisies da théâtre de famille. Texte allemand avec des notes par M. F e u i 11 i 6. ( = Classiqnes Allemands.) Paris, Hachette. XIV, 217 S. Fr. 1,50. - 109) X procès. Comédie en I acte, publiée avec une notice sar le théâtre allemand et des notes par A. L a n g , Noav. éd. ebda. 16°. 55 S. M. 0,61). — 110) X A - K o h u t , G. v. Moser: Bthne a. Leben S. 20/1. — HI) X G- G o e t e o h e l , G. v. Moser: NFPr. N. 10320. — 112) L. D e i n h a r d t , D. WiederverkSrpernngalehre im Drama: Sphinx 15, S.297-304. - 113) X B- F r i e d r i c h ,

I V 4: iu-128 A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. Führer durch die neueste dramatische Litteratur das ML. zu nennen, dem diesmal in F . S p i e l h a g e n 1 H ) ein ruhiger Beobachter zugewachsen ist. Dieser zieht auch in einem grösseren Artikel das Facit des Theaterjahres : Es war gute Mittelernte. Das ist wenig, wenn man sieht, wie sich die Jugend zum Drama drängt, wo der Dichter leichter das Publikum erobert als mit der epischen Darstellung. Die meisten der, fast durchweg naturalistischen, Dramen zeigen wieder die bekannte Verwechslung zwischen dramatischer und epischer Kunst. In der Alleinherrschaft des Milieu leiden Handlung und Held Schaden. Sp. hebt einzelne Werke kurz charakterisierend hervor. Bei den „Webern" darf man fragen, ob das Elend nicht auch andere Gründe als die vorgeführten habe. Der jungen Schule fehlt es, trotz mancher Vorzüge, an Disciplin und Strenge gegen sich selbst. — Die Forderung nach modernen Menschen stellt Mauthner 1 1 5 ) an Dichtung und Darstellung, wenn er die Berliner Novitäten des J. 1892 mustert.116) — Praktischen Zwecken dienen die kurzen Analysen der Monatsschrift „Freie Volksbühne"1 n J, Anzengrubers Viertes Gebot und Meineidbauer, Kleists Zerbrochener Krug, Sudermanns Heimat und Ehre und Sodoms Ende, Gutzkows Uriel Akosta umfassend. — Ein sonderbarer Versuch W u n d e r l i c h s 1 1 8 ) beschäftigt sich wissenschaftlich mit der Sprache des modernen Dramas, die Spielhagen unnatürlich genannt hatte. Es zeigt sich ein Fortschritt zur Sprache ohne Worte, sogar bis zu verwickelten Vorstellungen. So bietet sich manche Aehnlichkeit mit der Sprache des Sturms und Drangs, aber der junge Schiller spricht alles direkt aus, was ein Hauptmann schamhaft verschweigt. Alle sprachliche Kraft konzentriert sich ins Nomen, im Anschluss ans tägliche Leben und die Entwicklung der neueren Sprache. Ueberall wird von der natürlichen Rede ausgegangen, so entstehen die Ellipsen, fallen die Pronomina, öfter sogar die Prämissen eines Satzes, die Frageform dringt stark ein. Besondere Zunahme erfahren die Sätze, die aus mangelhafter Gedankenbildung an einander gereiht werden, ähnliche Gründe sind massgebend für die vielen Wiederholungen, das Ringen nach dem Ausdrucke u. a. Ueberall aber muss die Mimik auf das sorgsamste berücksichtigt werden, sie diktiert eigentlich den sprachlichen Ausdruck. So bringt das neuere Drama ein wertvolles Material für die Sprachbeohachtung. — Ueber Ibsen 1 1 9 - 1 2 1 ) plaudert D o u m i c 122 - 123 ) recht oberflächlich. Und doch wollte er seine Feuilletons an einen Faden reihen, der von Scribe bis hinauf in die neueste Zeit zu verfolgen sein soll. In Reaktion zu Scribe entwickelte sich das Drama aus dem théâtre d'analyses zu e i n e m théâtre d'idées. D. prüft nun an den älteren wieder hervorgeholten französischen Dramen, was in ihnen für unsere Zeit lebendig, und kommt, besonders für das romantische Drama, zu negativen Ergebnissen. Aber dieser ganz hübsche Grundgedanke geht unter den vielen, bedeutungslosen Eintagskritiken verloren, und gerade für die von Ibsen beeinflussten Motive der Dramen von F. de Curel, Aicard u. a. hat D. wenig Verständnis. Von Ibsens Dramen analysiert er sehr ungeschickt die „Wildente", ohne rechtes Erfassen des Hjalmar, besonders rühmt er die „Hedda Gabler" als „un beau drame, d'une allure simple, vigoureuse et hardie", während er mit der „Frau vom Meere" nichts anzufangen weiss. — Ein zweites französisches Werk, von T i s s o t 1 2 4 ) , über Ibsen und Björnson blieb mir leider unzugänglich. — Dass die deutsche Ibsenschule ihr Vorbild oft missverstanden, sucht H a n s s o n 1 2 5 ) zu zeigen. Ibsen wirkte als technisches Vorbild und wurde als Dichter des Realismus in Deutschland proklamiert, zu einer Zeit, da er schon längst diese Richtung verlassen hatte. Man wollte eine neue Kunst und suchte nicht zum neuen Inhalt die neue Technik, sondern erstrebte die neue Technik als etwas Primäres. Von Ibsens socialen Dramen blieb nur der einzelne Familienkonflikt im kleinbürgerlichen Kreise übrig, dagegen wurde die Detailmalerei ausgebildet. Das Verhängnis war, dass man nur seine Gesellschaftsdramen kannte. Die deutschen Dramatiker gehen von der Socialdemokratie aus und sehen deren poetischen Vertreter in Ibsen, für den Norden ist er der Mystiker. Was Ibsen bietet, ist ein Zergrübeln seiner eigenen Gedanken, jede Dichtung ist die Auflösung einer seiner früheren, „Baumeister Solness" die Auflösung seiner sämtlichen Dramen; den Inhalt fasst H. in die Formel zusammen: „Wenn der Mann auf ein Weib hört, bricht er den Hals." In seinen Frauengestalten, die auf konstruktivem W e g e entstanden sind, geht Ibsen von der Verfechtung der Emancipation aus, bis er das Unheil darin entdeckte. Ibsens Phasen und die Phasen der nordischen Kulturentwicklung sind Eins. „Brand". Moderne Dramen: BLTJ. S. 42/5. — 114) F. S p i e l h a g e n , Rückblicke auf d. Theatersaison 1892-93: PrJbb. 72. S. 395-405. — 115) (I 12 : 227.) — 116) X 0. N e u m a n n - H o f e r , D. dtscli. Schauspiel l. N. 323.] — 186) X F - Raimund, D. gefesselte Phantasie. Orig.-Zauberspiel in 2 A. (Einrichtung d. Raimund-Theaters) ( = ÜB. N. 3138.i I.., Reclam. 64 S. 11. 0,20. — 187) X S c h ü t z , F. Raimund, D. gefesselte Phantasie: NFPr. N. 10517. - 188) A. M ü l l e r - G u t t e n b r u n n , F. Baimund. ( = I V l a : 3 2 [s. u. N. 206], S. 94-116.) — 189) J W i m m e r , F. Raimunds erstes Theaterstück: Fremdenbl. N. 341. — 190) E. D o r e r , D. Verschwender auf d. Bühne. ( = N. 170, S. 99-114.1 - 191) A. S a u e r : LCB1. S. 21/2; P. E r n s t : ML. 62. S. 603/4. — 192) C. F. W i t t m a n n , Zu Nestroy: WienerLZg. N. 5. — 193) X i d , J. Nestroy, Zu ebener Erde u. erster Stock oder d. Launen d. Glücks. Posse in 3 A Durchges. u. her. ( = UB. N. 3109.) L.. Reclam. 92 S. M. 0,20. — 194) X * . id-< böse Geist Lumpaciyagabandus oder D. liederliche Kleeblatt. Zauberposse in 3 A. Durchges. u. mit d. Extempores her. ( = ebda. N. 3025.) 75 S. M. 0,20. — 195) X id., E. Jux will er sich machon. Posse in 4 A. Durchges. u. mit d. Extempores her. ( = e b d a . N. 3041.) 93S. M.0.20. — 196) X i d • id., Eulenspiegel oder Schabernack über Schabernack. Posse in 4A. Durchges. u.her. ( = ebda. N. 3042.) 72 S. II. 0,20. — 197) id., Werke. Her. r. L. G o t t s l o b e n . In 18 Bdchn. B., A. H. Fried & Co. 43, 56, 62, 64, 96, 74, 64, 60, 74, SO, 60, 64, 72, 62, 104, 103, 52 S. i M. 0,20 (kompl. M. 3,00). (VIII S. Vorrede.) — 198) O R. B a t k a , Z. Andenken an F. Grillpar/er: BayreuthBll. 16, S. 82-90. — 199) O Th. V o l b e l i r , Rede auf Grillparzer. ( = III 5 : 3, S 153-75.) - 2 0 0 ) F. Grillparzer, Werke. 5. Ausg. Her. y. A. S a u e r . 20 Bde. St., Cotta. 264, 240, 251, 232, 236, 256, 276, 266, 220, 268, 266, 219, 266, 191, 178, 196, 260, 203, 262, 250 S. M. 20,00. |[J. S e e m ü l l e r : AZ». N. 296; J. V o l k e l t : DLZ. S. 34: A. S c h l o s s a r :

(4)12»

IV 4:201-203 A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18/19. Jahrhunderts. gesprochenen Ansichten hat der „Treue Diener seines Herrn" eine viel gründlichere Darstellung erhalten. Das in der früheren Ausgabe ausgesprochene Bedenken gegen Bancbans Verstummen vor der Leiche nimmt S. hier zurück. Auch die politischen Verhältnisse erhalten eine eingehendere Würdigung. Die vollendeten Dramen umfassen jetzt die Bände 4 bis 9. Dem Abdrucke sind die Nachworte Laubes aus der ersten Gesamtausgabe wieder beigegeben worden, eine sehr erfreuliche Veränderung. Band 10 bringt die Jugendarbeiten, Band 11 und 12 die dramatischen Fragmente, mit manchen Textbesserungen und neuen Datierungen. Hinzugekommen sind die früher (VLG. Bd. 1) von S. selbst mitgeteilten Fragmente und kleinere Stoffnotizen. Im 13. Bande erscheinen jetzt zusammengefasst die dramatischen Uebersetzungen und Fragmente, mit zwei neu hinzugefügten Nummern: Otways „Gerettetes Venedig" und Lopes „Der letzte Gote in Spanien". Dann folgen, um einige Stücke vermehrt, zwei Abteilungen Satiren. Für die Bände 14—18 wurde mit Recht die sachliche Einteilung beibehalten, im einzelnen erscheinen die verschiedenen Rubriken bedeutend bereichert. Auch für die Schlussbände ergab sich manches Neue. Möge jetzt aber auch der Text der Grillparzer-Ausgabe für lange Zeit sichergestellt sein! In den Bemerkungen zur Kunstlehre (12, S. 1) sucht V o l k e l t Beziehungen auf Schopenhauers „Welt als Wille und Vorstellung" (1, S. 218). Nachdem der Band erst Ende 1818 erschien, dürfte wohl der Text irrtümlich 1819 datiert sein. — Ein Aufsatz Grillparzers, der für die Gesellschaft der Musikfreunde, anknüpfend an die Aufführung der „Jahreszeiten", Unterstützung aus den Kreisen der Kunstliebhaber fordert, wird von Sauer 2 0 1 ) nach dem Abdrucke in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Litteratur und Mode vom 10. Jan. 1839 mitgeteilt. Das Grillparzer-Jahrbuch 202 ) bringt diesmal als bedeutsamste Gabe Grillparzers Tagebücher, herausgegeben und mit Anmerkungen begleitet von Glossy 2 0 3 ). Nur zum Teil lag die Hs. des Dichters vor, eine Abschrift, die Rizy hatte anfertigen lassen, musste ergänzen. Der Beginn der Tagebücher fällt in die zweite Hälfte des J. 1808. Die letzte Aufzeichnung stammt aus dem J. 1859. Das Grübeln des Dichters über sich und seinen Beruf, sein Selbstquälen lässt sich in diesen oft weit auseinander liegenden einzelnen Aufzeichnungen genau verfolgen und liefert zu einer Charakteristik des Dichters nicht gerade neue, aber sich jetzt verstärkende Züge. Gleich im ersten und zweiten Briefe erscheinen die Jugendarbeiten „Bianca von Castilien" und „Die Schreibfeder", die ihm Zweifel an seiner dramatischen Begabung überhaupt erregen. Erst die Anfänge des „Robert von der Normandie" (N. 7) geben ihm Vertrauen. Der Tod der Schauspielerin Roose zerstört seine Hoffnungen auf Aufführung der Tragödie (N. 17). N. 53 bringt ein Konzept seiner Antwort auf Müllners Brief über die „Ahnfrau" an Schreyvogel vom 6. Mai 1817, der in der Anmerkung (S. 245) abgedruckt ist. Grillparzer bemerkt, dass „die Ahnfrau in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht meine Ahnfrau, die Vorrede nicht meine Vorrede ist". Er skizziert seinen dichterischen Entwicklungsgang. — Bemerkungen zur „Medea" bringen die Nr. 62, 69, 70. Ueber die Auffuhrung des „Treuen Dieners" ist N. 95 nachzulesen. Im Anschluss daran sagt der Dichter von sich selbst: „Ich fühle mich gerade jenes Mittelding zwischen Goethe und Kotzebue, wie ihn das Theater braucht." — Die Arbeit an der „Hero" lässt sich vom 104. Briefe ab verfolgen, schon im Febr. 1829 (N. 111) stellt sich Ueberdruss ein. Ueber die Aufführung berichtet N. 127, besonders über den unwirksamen vierten Akt. „Wenn ich durch ein paar noch folgende, gelungene Leistungen mich in der Zahl der bleibenden Dichter erhalten kann, möchte leicht eine Zeit kommen, wo man den Wert des wenn auch nur Halber reichten in diesem 4. Akte einsehen möchte." 1832 arbeitet er an einer Revision (N. 145/6). Beim Zusammentreffen mit Erzherzog Johann in Gastein denkt er an ihn als Erzherzog Matthias, wenn er seinen Rudolf II. ausführen sollte (N. 128). Er arbeitet Dec. 1831 mit Unlust an „Libussa" (N. 131). Im Anschluss an die Aufführung von „Traum ein Leben" erzählt er die Entstehungsgeschichte (N. 154). Für den Monolog des Bischofs in „Weh dem der lügt" macht Grillparzer auf eine auffallende Parallele bei Montaigne aufmerksam (N. 166). Was persönliche Beziehungen Grillparzers betrifft, so sind die Tagebücher besonders über den Verkehr mit Fröhlichs und Daffinger sehr aufschlussreich. In den ersten Briefen erscheinen Jugendfreunde wie Wohlgemuth und Altmütter. Am 28. Febr. 1829 empfing Grillparzer den Besuch des Schauspielers und Direktors F. L. Schmidt. Die Fussreise nach Ischl wird ihm (26. Aug. 1831) durch seine Genossen verleidet. Besonders scharf ist das Urteil über Bauernfeld: „Bauernfeld fängt an, durch das Komödienwesen und den Umgang mit Schauspielern verdorben zu werden . . , Bauernfelds Vorzüge gehen alle aus der Empfindung hervor; wenn er ihr untreu wird, ist auch BLÜ. S. 346/7.]| — 201) A. S a u e r , E. verschollener Aufsatz Grillparzers : NFPr. N. 10489. — 202) Jahrbuch d. Grillparzer-Gesellschaft. Bd. 3. Wien, Konegen. V, 398 S. II. 10,00. |[AZgB. N. 273; LOB). S. 823/9; 11. N e c k e r : BLU. S. 163/6; F. B e c k : WienerZg. 22. Apr.; M. N e c l t e r : FZg. N. 40; PresBe N. 33; O. T e u b e r : Fiemdenbl. N. 33; R. M. M e y e r : ML. 62, S. 341.]] — 203) c. G l o s s y , Aus d. Grillp.'uzer-Archiv. Tagebuchbll. (— N. 202, S. 95-263.) (Auch als Sonderabdr. erschienen.

A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts.

IV 4:203

sein ganzer Wert verloren." Sein Leichtsinn wird ihm (16. Sept. 1832) widerlich, „seine dramatische Anlage ist ohnehin schwach." Das Lustspiel „ D a s letzte Abenteuer" (10. Okt. 1832) „zum Teil bezaubernder Dialog, aber Anlage und Erfindung doch einmal gar zu ärmlich. Ob es der Mann je im Lustspiel zu etwas bringen wird? Ich verzweifle beinahe." Grosse Anerkennung spendet er (20. Dec. 1831) den poetischen Leistungen seines ehemaligen Schulkollegen Hornbostel, den er über Ticck stellen möchte. Die Anmerkungen bieten (S. 258) einige Nachrichten über diesen vergessenen Schriftsteller und seinen ungedruckten Nachlass. In Berlin lernt Grillparzer 1847 A. von Humboldt kennen (N. 172), bei dem ihm die geistige Athmosphäre fehlt: „Man fühlt nicht die Gegenwart eines bedeutenden Mannes." Dadurch, dass Grillparzer sich, um sein oft gescholtenes Gedächtnis zu unterstützen, Aufzeichnungen über und aus seiner Lektüre macht, kommt es zu interessanten litterarischen Urteilen. 1809 betrübt ihn Lichtenbergs Urteil über Sternes Charakter, dessen „Empfindsame Reise" immer seine Lieblingslektüre war (N. 23, 28). 18lö vollzieht sich die Wendung von Schiller zu Goethe (N. 33/4), die durch die Lektüre des Tasso entschieden worden, doch stellen sich (N. 35) wieder Zweifel ein, ob er nicht Schiller Unrecht thue, besonders bei der Lektüre der „Jungfrau von Orleans" (N. 35). Noch 1859 hat er Gelegenheit, anlässlich der Schillerfeier seine Stellung zu präcisieren (N. 186). 1811 spricht er ein scharfes Urteil über das „behagliche Wohlgefallen an sich s e l b s t . . nebst einer gewissen gelehrten Affektation", die in J . von Müllers Briefen herrschen (N. 78, vgl. auch N. 64). Aus den Confessions Rousseaus, die ihn erschrecken, sich selbst darin zu sehen (N. 63), zeichnet er sich gelegentlich Stellen auf (N. 69, 70, 71, 74). Nach G.s Mitteilung (S. 247) findet sich eine Uebersetzung des Contrat social aus dem J . 1808 im Nachlass. 19. Dec. 1831 heisst Diderot, dessen Memoiren er liest, der Lessing der Franzosen. „Diderot ist feiner und. beweglicher, begabt mit dem glücklichen Takt der Franzosen. Lessing aber ist mehr Mann. Als Kunstrichter und Kenner steht Lessing weit über jenem." Er bespricht 1850 (N. 177) die Stelle aus der Dramaturgie, wo Lessing sich anheischig macht, jedes Stück Corneilles besser zu machen. „Wenn er damit meinte „verbessern", so mochte er allerdings recht haben. Hätte er aber damit gemeint, von vornherein besser oder auch nur eben so gut zu machen als Corneille, so wäre er in einem grossen Irrtum befangen gewesen, schon darum, weil Corneille ein eigentlicher Dichter war, Lessing aber in seiner Vielseitigkeit die Poesie nur nebenbei zum Ausruhen von anderer Beschäftigung trieb." Grillparzer bedauert, dass Lessing sich der bürgerlichen Tragödie zuwendete. Julius Caesar erscheint ihm nach Holteis Vorlesung (1841, N. 162) als kein gutes Stück, es verläuft in rein historisches Interesse und endet als „Begebenheit, statt dass es zur Handlung geworden wäre." Während französische, englische und spanische Litteratur oft mit einigen Worten erwähnt erscheint, die klassische Litteratur durch Tacitus, Thukydides usw. vertreten ist, spielt die zeitgenössische deutsche Litteratur eine ziemlich geringe Rolle in Grillparzers Lektüre. Im Theater sieht er Raupachs „Fürsten von Chawansk.y": „Miserables Stück. Gefällt dem Publikum sehr. Recht en niveau mit ihm" (21. Dec. 1831, N. 134). Am 11. Okt. 1832 verzeichnet er den kompletten Durchfall von Mailaths „Zauberschwestern": „Ich habe es ihm vorausgesagt. Eine abgeschmackte unwahre Natur, dieser Autor" (N. 144). S. Engländers Auftreten im „Humoristen" giebt Grillparzer Anlass zu abfälligen Bemerkungen (N. 175). Viele verstreute Notizen begegnen über Musik und musikalische Werke; Weber erscheint ihm als der musikalische Müllner (N. 90, 108). Die Anmerkungen G.s orientieren vorzüglich über die erwähnten Persönlichkeiten und Werke, vielfach aus hs. Mitteilungen schöpfend. Einige Druckirrtümer seien im Folgenden berichtigt. Lies: N. 4 (S." 102) Altmütter für Altmüller, N. 8 (S. 106) Mose für Wieser. N. 128 (S. 191) heisst der Name Heidegger; in der Anm. S. 256 steht: „Richtig: Heidegger." Folglich muss der Name in der Hs. anders lauten. N. 134 (S. 199) die Fürsten Chavansky für Fürstin. N. 147 (S. 209) Rosetti für Roselli. N. 157 (S. 217) spricht er über den geringen Erfolg von „Leben ein Traum;" gemeint ist „Traum ein Leben". Hat Grillparzer den Irrtum selbst begangen? N. 175 (S. 224) muss es heissen: in ein hiesiges Blatt. In der Anm. zu N. 2 (S. 234) muss es nach freundlicher Mitteilung D. Daubrawas heissen „11. Jan. 1808 in crudis vollendet"; die zweite F a s s u n g wurde am 20. (nicht 10.) Jan. 1809 vollendet. Zu N. 16 (S. 238) muss es heissen: Hekabes Klage (f. Kloya). Enks Brief an Heinzel ist (S. 250) ungenau citiert. Zu N. 108 (S. 254) die erste Aufführung des Oberon war am 15. Febr. (nicht 25.) 1829. Zu N. 133 (S. 258) Hornbostels „Maria" hat 3 (nicht 5) Akte. Zu N. 137 (S. 260) Vigny ist 1863 gestorben. Zu N. 142 (S. 260) K a r r ist zu München geboren. Zu N. 162 (S. 264) das Citat aus den „Vierzig J a h r e n " steht VI 348. Im allgemeinen möchte ich noch mit Bedauern hervorheben, dass diesem Bande des „Jahrbuches" jedes Register fehlt. Auch mangelt bisher eine kritische Bibliographie der neuen Erscheinungen der Grillparzerlitteratur, wie sie jedes derartige Jahrbuch

IV4-.204-2U A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. bietet und bieten muss. — Als dritten Band seines deutschen Dramas des 19. Jh. hat F r i e d m a n n 204 ) eine Grillparzer-Biographie gegeben; er fasst ihn beinahe zu sehr als Epigonen Schillers und Goethes, als „antike Statue"; Kleist hätte vor allem mehr beachtet werden können. Wieder sind die Analysen sehr wohl geraten, das Urteil ruhig und verständig. In der „Ahnfrau" sieht F. weniger eine Schicksalstragödie, als die Darstellung' des Vererbungsgesetzes; der eigentlichen Jugenddramen geschieht nur gelegentlich Erwähnung. Zur „Sappho" zieht er die italienischen Dichtungen L. Marencos und L. Scevolas (1815) herbei. Sehr verdienstlich ist es, dass F. gerade die späteren Dramen Grillparzers, die dem Ausländer schwerer verständlich sein dürften, mit besonderer Sorgfalt behandelt. In „Weh dem der lügt" fasst er Galomir zu sehr als „idiota bestiale", der Vergleich des Stückes mit Beaumarchais Figaro, den der Vf. selbst eigentlich wieder zurückzieht, ist etwas gesucht. Dadurch, dass er die Figur des Bischofs aus seiner Analyse fast wegeskamotiert hat, wird das Grundproblem nicht klar. Mit der „Libussa" weiss er nicht viel anzufangen. Dass er Bergers Vorlesungen nicht kennt, fällt bei der „Jüdin von Toledo", die er hübsch mit der Carmen Merimees vergleicht, viel einschneidender aber bei der „Esther" auf, die er so nicht richtig auffasst. Die Fragmente werden nur gestreift, der „arme Spielmann" mit Annunzios „Giovanni Episcopo" verglichen. — Ein gänzlich verunglückter Versuch F r e y b e s 2 0 5 ) sucht Grillparzers Weltanschauung als auf der Offenbarung beruhend darzustellen, mit fortwährenden Hieben auf unsere arge Zeit. — Eine Sammlungbiographischer Artikel hat M ü l l e r - G u t t e n b r u n n 2 0 6 ) unter den Titel „Im Jh. Grillparzers" zusammengefasst. Er betont einleitend, dass mit Grillparzer, Hämerling und Anzengruber das Acht-Millionen-Volk der Deutschen in Oestereich in diesem Jh. seine Schuldigkeit gethan habe. Der erste Aufsatz bietet eine hübsche Charakteristik des MenschenGrillparzer ("vgl. JBL. 1892IV12:78). — Zur Familiengeschichte des Dichters liefert S a u e r 2 0 1 ) wertvolle Beiträge; der Name Grillparzer, der mit dem slavischen po rece (am Flusse) zusammenhängt und so viel bedeutet, wie der an einem Grillenparz ansässige, begegnet uns schon im 15. Jh. bei österreichischen Weinbauern. Der Grossvater Josef erscheint in den siebziger Jahren als Gastwirt in Wien; er hinterliess eine Tochter, verehelichte Koll, deren sieben Kinder eine schwere Sorge für den Bruder Wenzel, den Vater des Dichters, wurden. Dieser, um 1760 geboren, studierte Jus und wurde Advokat. Seine Dissertation „Von der Appellation an den römischen Stuhl" atmet Josefinischen Geist und ist voll dramatischerWärme. Soviel der Sohn an Gesinnung und Temperament vom Vater überkommen, der dem Vater des „armen Spielmanns" und Rudolf II. Züge geliehen, ist seine Haltung doch streng antipoetisch. Hier steuerte die Mutter bei, eine geborene Sonnleithner, deren Eltern und Voreltern im litterarischen und künstlerischen Wien eine bedeutende Rolle spielten, besonders auf musikalischem Gebiete. Auch die drei Brüder des Dichters gerieten mehr nach der Mutter. Am meisten der verhätschelte Camillo, ein echtes musikalisches Talent, der 1865 in Linz als Hypochonder endete. Er schwebt im „armen Spielmann" sichtlich vor. Der jüngste Bruder Adolf, musikalisch und poetisch veranlagt, tötete sich selbst. Karl hat das interessanteste Leben gehabt, das ihn abenteuernd zu Andreas Hofer, nach Corfu, in den französischen Feldzug führte. Auch ihn umnachtet öfter der Wahnsinn, der Dichter muss für ihn sorgen. Auch ein Grossneffe Grillparzers, ein natürlicher Sohn einer Tochter Karls, endete durch Selbstmord. So liegt ein Fluch auf der Familie, den der Dichter schwer empfindet. — In den Gesuchen des Beamten Grillparzer208) findet S c h l e i c h 2 0 9 ) eine Mischung von Bescheidenheit und Selbstbewusstsein, der Schriftsteller zeigt sich in der Art, wie einzelne Gedanken zu selbständigen Exkursen ausgesponnen werden. — Von Testamenten 210 ) Grillparzers sind drei vorhanden: Das eine vom 7. Okt. 1848 setzt seinen Bruder als Erben ein, nur der schriftstellerische Nachlass gehört Kathi Fröhlich. Die „dem Schein nach vollendeten" Trauerspiele „Rudolf II." und „Libussa" sollen vernichtet werden. Er will nicht, dass sein Name „durch derlei leblose und ungenügende Skizzen geschändet werde". Er bittet Kathi seinen Tod mit Fassung zu ertragen, „da er mein Wunsch ist". Das zweite Testament vom 29. April 1863 ernennt die Kinder seines Bruders und den Sohn seiner Nichte zu Erben, er bestimmt seine litterarischen Arbeiten und den Ertrag der Gesamtausgabe den Schwestern Fröhlich. Diese erscheinen im letzten Testamente 1866 als alleinige Erbinnen und die Beteilung der Familie wird ganz ihrem Ermessen überlassen. — Von persönlichen und litterarischen Beziehungen Grillparzers sind die zu Feuchtersieben von N e c k er 2 1 1 ) beleuchtet worden. Seine Stellung im Kreise des Wien, Eonegen. 172 S. M. 4,00.) — 204) S. F r i e d m a n n , 11 dramma tedeaco del nostro seoolo. III.' F. Grillparzer. Milano, Chiesa. 203 S. L. 3,00. - - 205) A. F r e y b e , D. ethische Gestalt in Grillparzers Werken. GBtersloh, Bertelsmann. 39 S. M. 0,80. [[M. N e c h e r : AZg». N. 165; KonsMsohr. S. 592: ThLBl. 14, S. 188.]| (Zuerst in BG1. 14, S. 24-35, 57-78, 93-127; s. o. I 12:93.) — 206) (IV l a : 3 2 . ) |[F. P o p p e n b e r g : ML. 62, S. 146.J — 207) A. S a u e r , Studien z. FamiliengeBOh. Grillparzers. ( = I I 3 : 4 9 ; S. 195-214.) - 208) X Grillparzer als Beamter: DBahneng. 22, S. 444. — 2 0 9 ) R. S c h e i c h , Grillparzers Beamtenlaofbahn: ZDV. 7, S. 540/5. — 2IO) Grillparzers Testamente: WienerZg. N. 3. (Auch: BerlTBl. N. 8 ; Didask. N. 46; MöncbNN. N. 1; ML. 62, S. 34.) — 211) M. N e c k e v , E. Frhr. T. Feuchtersieben, d. Freund Grillparzers.

A. von W e i l e n , Drama und Theater geschieh te des 18-/19. Jahrhunderts.

IV4:aiä-sis

Dichters beruht nicht auf der Intimität des Verkehrs, sondern auf der Bedeutung seiner Persönlichkeit, die aus einigen neu mitgeteilten Briefen klar hervortritt. In der Charakteristik, die Grillparzer von Feuchtersieben gegeben, zeigt sich die Verwandtschaft beider Naturen. Feuchtersieben ist aber kein Dichter von weiter Phantasie; er wurde zum Muster eines Bildungsmenschen. Aehnlich sind sich beide Individualitäten in ihrer hypochondrischen Stimmung, aus der heraus sie schaffen, gegen die Feuchtersieben eigentlich seine „Diätetik der Seele" richtet, um sie zu bekämpfen. Der Gegensatz von Thun und Betrachten, der Feuchterslebens Persönlichkeit durchzieht, macht ihn Grillparzer so sympathisch. Aus einer Reihe von Stellen in Feuchterslebens Schriften spricht seine Verehrung für Grillparzer. — Sehr viel Persönliches über Grillparzer steht in den von G l o s s y 2 1 2 ) vorgelegten Briefen Karoline Pichlers an Therese Huber, von denen wohl kurze Auszüge genügt hätten. Die litterarischen Urteile über ihn, Deinhardstein (S. 280), Kurländer (S. 293), Raupach (S. 309, 324), Zedlitz (S. 346), Immermann u. a. sind ziemlich belanglos; ausführlicher Jwird über die Aufführung der Schlacht von Fehrbellin (S. 318) gehandelt, mit spöttischem Seitenhieb auf Dresden, das sich von Tieck am Gängelband führen liesse. Hauptgegenstand der Unterhaltung bilden die schriftstellerischen Erzeugnisse der Damen selbst. — Ein Anonymus 213 ) zieht die Kritik Börnes in der „Wage" vom Aug. 1819 über die Aufführung der „Ahnfrau" in Frankfurt hervor, scharf gegen die Schicksalstragödie, aber voll Anerkennung des herrlichen und geistreichen Dichters. Ebenda feiert er die „Sappho" und die Scenen aus „Traum ein Leben". Eine briefliche Aeusserung vom J . 1825 wendet sich gegen das „Goldene Vliess". Der Besuch Grillparzers bei Börne (1836) wird nach der Selbstbiographie dargestellt. — Seine Beziehungen zu O. Prechtler (vgl. J B L . 1892 IV 12: 126/7) geben M ü l l e r G u t t e n b r u n n 2 1 4 ) Anlass, ein Wort zur Rettung des vergessenen Dichters einzulegen. E r wurde ein Abklatsch Grillparzers, aber, da.ss er Bühnentalent hatte, zeigt sich in seiner Begabung, Stoffe zu finden. So stammen der zu Laubes „Cato von Eisen" und der zu Mosenthals „Deborah" von ihm. — Aus Tagebuchblättern Bauernfelds teilt C l a r a S c h r e i b e r 2 1 5 ) einige Aeusserungen über Grillparzer mit. Ueber sein zur Preisbewerbung eingereichtes Lustspiel „Der kategorische Imperativ" äusserte sich Grillparzer, wie Laube Bauernfeld mitteilte (1851), günstig, forderte aber, dass die politischen Ausfälle weg blieben. Bei der Grillparzer-Feier „oder Laube-Feier sprach Laube, der sich „patzig" machte, die zu lang und litterarisch sich ausspinnende Festrede sehr wirksam, viel Selbstverherrlichung." E r charakterisiert: „Grillparzer hat wohl Gemüt, aber ein passives". E r war auch ein dramatischer Einsiedler. „Bin ich es nicht auch, aber in anderer Weise." Beleidigungen vergass er selten oder nie. „Dem Beethoven trug er es sein Leben lang nach, dass er die „Melusine" nicht komponieren wollte." Deshalb pries er Mozart: „Auch gegen Goethe hatte er eine Ranküne. Es scheint, dass der grosse Pan in Weimar den jungen österreichischen Dramatiker zu seinen Theorien bekehren wollte. Das war genug, um Schiller zu lobpreisen." Ebenso ging es mit Shakespeare. E r blieb eigensinnig bei seinem Lope, bei dem er abends immer einschlief. „Die Natur hat ihn gross angelegt, aber er blieb ein Torso." „Ottokar" erscheint Bauernfeld als das beste Stück, „Das goldene Vliess" sollte nur einen Abend haben. Das Traumleben in der „Hero" ist vortrefflich, „aber die Hauptsache hausbacken", Melitta ist zu modern. Die ersten Akte der „Jüdin" sind vortrefflich, die letzten abscheulich. Dieses Urteil bestätigt Bauernfeld die Aufführung. Persönlich zieht er sich von Grillparzer zurück, weil er sich ihm nicht aufdrängen wollte. — E s sind hübsche Beobachtungen von T o m a n e t z 2 1 6 " 2 1 7 ) zu verzeichnen, diesich leideraufGrillparzersProsa beschränken. E r holt einige auffällige Wortbildungen und dialektische Wendungen hervor. Ersichtlich ist der starke Einfluss,den die Umgangssprache auf Grillparzers Stil genommen. — Den Einfluss, den Goethe auf ihn geübt, erörtert W a n i e k 2 1 8 ) . Die Wendung, welche Grillparzer von Schiller zu Goethe durchmachte, geht auf Schreyvogel zurück, dessen Schätzung Lessings auch in den der „Minna von Barnhelm" entlehnten Motiven der „Schreibfeder" ersichtlich ist. Spartacus wie der Faustplan, aus dem manches in „Traum ein Leben" übergegangen, zeigen Goetheschen Geist. „Wer ist schuldig?" klingt schon im Titel an die Mitschuldigen an. Später tritt Goethe gegen Shakespeare und die Spanier zurück. Doch ist in der „Ahnfrau" noch manches Goethesche Element, so in dem Liede Berthas: „Ich kann's nicht fassen." Am merkbarsten ist der Einfluss Goethes in der Sappho, nicht so sehr der Tassos, sondern der Iphigeniens. Mit dem Tasso hat Sappho mehr den Begriff, mit Iphigenie mehr die Anschauung gemein. Besonders lernt Grillparzer bei Goethe das Periodisieren; die Klagen um das verlorene Glück kehren im ( = N. 202, 8. «1-93.) - 212) C. G l o s s y , Briefe v. Karoline Pichler an Therese Haber. f = N. 202, S. 269-315.) — 213) Grillparzer u. Börne: MontagsR. N. 5 — 214) A. M B l l e r - G u t t e n b r u n n , 0. Preehtler u. F. Grillparzer. ( = N.206, S.29-81.) — 21S) C l a r u S c h r e i b e r . Bauernfeld aber Grillparzer: NFPr. N. 10343. (Auch Didask. N. 141.; — 216-217) (1 8 : 115.) (Dazu E. V. P a y e r : ZOG. 44, 1069) — 218) G. W a n i e k , Grillparzer unter Goethes Einfluss. (Ans Xenia Austriaca. Abt. 2,

IV4:219-223 A. von W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. Monolog1 der Melitta wieder, der ähnlich wie die erste Rede der Iphigenie disponiert ist. W. findet auch Aehnlichkeiten in der Charakteristik Iphigeniens und Sapphos. Mit mehr Recht werden Melitta und Gretchen zusammengestellt und der Faustplan herbeigezogen, in dem sich Melitta und ein Phaon vorgebildet finden. Für die Expositionsscene wird auf „Elpenor" verwiesen. Auch in späteren Werken Grillparzers zeigt sich Nachwirkung Goethes, besonders in der Faustischen Verherrlichung der Selbstbegrenzung. Auch die Hero weist Parallelen im Aufbau zu Iphigenien auf. Die Figur der Rahel erinnert W. an „die natürliche Tochter". Auch die Freude an weiblichen Gestalten ist beiden Dichtern gemeinsam. — Von der „Ahnfrau" liegt eine gute Schulausgabe durch L i c h t e n h e l d 2 1 9 ) vor. — Das Buch Schwerings (vgl. 220JBL. 1892 IV 12:14, 164, 171, 181, 193, 213, 228) hat zwei grössere Recensionen ) erfahren. S a u e r s Besprechung strotzt von stoffgeschichtlichen Nachweisen für die antikisierenden Dramen, besonders für Sappho. Er macht auf Thorwaldsens Jason aufmerksam, den Grillparzer kannte. Das Calderonsche Drama El mayor monstruo los zelos wirkt nicht nur auf die „Ahnfrau", sondern auch auf „Medea" ein. Der Bericht Costenobles über die „Sappho" wird ganz mitgeteilt. S. weist den Einfluss F. von Kleists entschieden ab und teilt einen Brief seiner Witwe mit, worin sie Grillparzer um ein Exemplar der „Sappho" bittet (13. Juli 1818). S. zeigt an Sappho und Hero, wie Grillparzer das Meer für seine Bilder verwertet. In der Stil- und Versverschiedenheit des Goldenen Vliesses wie in der Anwendung der Allitteration ahmt Grillparzer Fouque nach. In den Einwendungen gegen die Disposition und den Aufbau des Buches stimmt S. mit A. v o n W e i l e n überein, der den Einfluss H. von Kleists stärker betont sehen möchte. Er weist nachdrücklich auf die echt wienerischen Elemente hin, die „Sappho" und „Des Meeres und der Liebe Wellen" durchziehen. Das letztgenannte Stück zeigt Spuren der Berührung mit Marlowe-Chapmans Epos, möglicher Weise hat Grillparzer auch Byrons Bride of Abydos gekannt. — Ungerechtfertigte Bedenken Kilians 2 2 1 ) gegen scenische Angaben im 1. Akte der Argonauten hat schon 2die Redaktion des Jahrbuchs zurückgewiesen. — Eine ausführliche Studie hat Sauer 2 2 ) dem „Treuen Diener seines Herrn" gewidmet. Katona hat eine Tendenztragödie geschaffen, Grillparzer, teilweise anderen Quellen folgend, giebt die Tragödie der Treue, wie er sie schon längst mit einem anderen Stoffe (in „Zwei, gute Hornbläser" oder „Jaromir in Böhmen") geplant hatte. Der Stoff kam ihm von aussen, durch einen offiziellen unausgeführten Auftrag, kein innerliches Bedürfnis leitete ihn dazu. Gerade dadurch wurde aber das Stück von so grosser Wirkung, dass es ihm ferner stand und sich von seinem Innenleben loslösen konnte. Bancban wird auf eine dreifache Probe gestellt. Die Hauptsituation war im zweiten Akte, in der Stellung Ernys zwischen Prinz und Gemahl. Diese Scenen hat Grillparzer immer wieder umgearbeitet, nach Verstärkungsmitteln suchend, um schliesslich ganz auf solche zu verzichten. S. giebt Bancbans Charakteristik, deren Schlüssel im letzten Akte liegt. Da drängt sich das Menschliche vor; Pflichten, die von den Unterthanen begehrt werden, sind auch Pflichten für den Herrscher und die Seinen. Da trifft der Dichter mit Hans Sachs zusammen, und sein Werk wird ein Fürstenspiegel, wie besonders aus den in älterer Fassung mitgeteilten Schlussworten hervorgeht. In der Spitze, die das Drama gegen die Unsittlichkeit erhält, hängt es mit den Plänen einer Lucretia zusammen, bei der Tarquinius Züge Ottos aufweist, und tritt in nahe Verwandtschaft zum „Marino Falieri". Der geplante „Saul" mit der biblischen Scene, in der Saul mit dem Speer wirft, ist deutlich im „Treuen Diener" noch erkennbar. Hier zeigt sich in Grillparzers Dichtung zum ersten Mal der Einfluss der Spanier, der Grundgedanke weist auf Lopes „Demetrius" hin, wie die ganze realistische Charakteristik im allgemeinen. Bancban hat in seinem etwas pedantischen Rechtsgefühle auch Züge von Grillparzers Vater, König und Königin, die in einem älteren Ms. noch sicherer erscheint, von Graf und Gräfin Stadion. Dort war auch Erny noch kühler angelegt. Grillparzers Kunst zeigt sich im Herzog Otto am grossartigsten. Das Verbot des Stückes wird durch die mitgeteilten Akten und Briefe neu beleuchtet, besonders in den gewundenen Berichten Sedlnitzkys. Auf dessen Rat urgierte Grillparzer eine Entscheidung mit der Motivierung, dass fremde Bühnen das Stück forderten, und das Werk wurde frei gegeben. Grillparzer war durch diesen unerhörten Handel auf das tiefste getroffen. Zum Schluss teilt S. einen schönen Brief Feuchterslebens über das Drama mit. — Ein würdiges Seitejistück zu diesem Aufsatze bildet M i n o r s 2 2 3 ) Studie über „Weh dem der lügt". Die Jugendlustspiele zeigen die Art Kotzebues, aber trotz aller Kindlichkeit hat die „Schreibfeder" im Problem eine gewisse Verwandtschaft mit „Weh dem der lügt". Grillparzer war ein Kenner des europäischen Lustspiels und stand S. 65-99.) Bülitz, Fröhlich. 33 S. M. 0,80. — 219) F. Grillparzer, D. Ahnfrau. Mit Einl. n. Anm. v. A. L i c h t e n h e l d , ( = Schulaus?, dtsch. Klass.) S t , Cotta. 182 S. M. 1,20. |[F. P r o s c h : ZOG. S. 333/6 ]| —220) A. S a u e r : ADA. 19, S. 308-38; A, T. W e i l e n : ZOG. 44, S. 919-26; ÖLB1. S. 205. — 221) E. K i l i a n , Misoellen z. 2. Teil d. Vliess-Trilogie. ( = N. 202, S. 366,7.) — 222) A. S a u e r , B. trener Diener seines Herrn. ( = N. 202, S. 1-40.) — 223) J. m i n o r , Grillparzer als Lust-

A. von W e i l e n , Drania und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV4:224-237 Bauernfeld mit Rat und That zur Seite. So wird „Weh dem der lügt" eine notwendige Frucht. Aus der Quelle, einer Erzählung Gregors von Tours, hat Grillparzer den Gang der Handlung beibehalten, aber reiche Zuthaten und feinere Motivierung gegeben, besonders durch die frei erfundene Figur der Edrita. Der Gegensatz von Barbarei und Kultur, der in dem „Goldenen Vliess" tragisch ausgeführt wurde, erscheint hier von der humoristischen Seite, Edrita folgt dem Fremdling wie Medea. Das Interesse bei Grillparzer beruht nicht darauf, ob die Flucht gelingt, sondern wie sie gelingt. Leicht und ungezwungen wird das Thema in der Exposition gegeben. In Leons „Man wird ja sehen" liegt das Lustspiel im Gegensatz zum Imperativ des Trauerspiels. Grillparzer vertieft das Thema in der Durchführung: Leon geht von der äusserlichen Beobachtung des Grundsatzes zur inneren Wahrhaftigkeit vor, vom Buchstaben zum Geiste des Gebotes. Zum Schluss siegt mit Humor wahr handeln über wahr reden. Leon, ein Verwandter des Grazioso, malt, was Grillparzer ganz fehlte: die Weitläufigkeit; wienerische Elemente machen sich glücklich geltend. Atalus ist der Typus des herabgekommenen Adligen, wie er im vormärzlichen Oesterreich gedieh. Galomir war vom Dichter nicht als abstossende Figur gedacht, sondern dem heimatlichen Typus des Hanswurst genähert. Auch von Seite der Technik gehört es zu den echt Grillparzerschen Thesenstücken, bei denen Anfang und Schluss den Rahmen der Dichtung bilden. — Bei Besprechung einer Dresdener „Esther"-Aufführung 1875 gesteht A u e r b a c h 2 2 4 ) , dass er Grillparzers frühere Dramen wie nachgemachte Antiken in Stearin angesehen. Erst Ottokar und Esther hätten ihm die ITeberzeugung gegeben, dass in Grillparzer ein wirkliches Talent stecke. Er vermutet, dass sich in der weiteren Handlung der Ueberschätzung Esthers eine Unterschätzung der Jüdin entgegengestellt haben dürfte, und leugnet die Möglichkeit eines tragischen Schlusses. Am „Traum ein Leben" tadelt er, seine frühere Aeusserung gegen die antiken Dramen wiederholend, dass, ähnlich wie bei Raimund, die Stimmung zwischen Realistik und Märchenton gaukle, und der Grundgedanke eigentlich platt sei. „Es bleibt aber doch ein Dichter, nur ein gedrückter, fast gebrochener." Aus B a u e r n f e l d s Nachlasse sind vereinzelte Blätter ans Licht gedrungen, 225-227 die selten Eigentümliches und Wertvolles bieten ). In den Notizen, die C l a r a S c h r e i b e r 2 2 8 ) bringt, betrauert er tief und erschüttert den Tod M. Schwinds, nennt Strauss alten und neuen Glauben unerquicklich, bewundert Wilbrandts KleistBiographie. Ueber Shakespeare heisst es: „Mit Shakespeai'e kann ich nicht behaglich genug umgehen, ich fühle nur zu sehr, dass ich nicht seines Gleichen bin." Gelegentliche kleine Ausfälle richten Laube und die Schauspieler, die er tadelt, weil sie bei einem neuen Stücke nur an ihre Rollen denken. — Viel Anlass zur öffentlichen Besprechung hat die Herausgabe seines dramatischen Nachlasses durch F. von S a a r 2 2 9 ) gegeben, der ein kurzes Vorwort über die Entstehungszeit der vom Dichter selbst noch zum Druck bestimmten Stücke vorausschickt. — Nach Bauernfelds mündlichem Berichte stellt F r a n z o s 2 3 0 ) seinen Gang- in die Hofburg mit Auersperg am 15. März 1848 und d$s Gespräch mit Erzherzog Franz Carl dar. — Im Anschluss an die Wiederaufführung von F r i e d r i c h Halms 2 3 1 " 2 3 2 ) „Verbot und Befehl" entwirft Speidel 2 3 3 ) eine kurze Charakteristik des Dichters, von dem eigentlich nur mehr der „Sohn der Wildnis" lebt, der aus dem echtesten Wiener Geiste die Civilisation des Menschen durch echte Weiblichkeit darstellt. In dem obengenannten doktrinären Lustspiele macht sich Halms persönlicher Hass gegen das Beamtentum Luft. — F r i e d r i c h Heb bei 234 " 236 ) erscheint als Höhepunkt des psychologischen Dramas in der italienischen Studie F r i e d m a n n s 2 3 7 ) , welche ihre grossen Vorzüge mitden beiden anderen bereits genannten Biographien teilt. Nur flüchtig wird Grabbe als Vorläufer Hebbels ins Auge gefasst, eine Rolle, die Büchner abgesprochen, wird, am Schlüsse des Buches werden R. Griepenkerl und Elise Schmidt als Schüler genannt, als Geistesgenosse erscheint 0. Ludwig allzu flüchtig behandelt, dem der Vf. weiter weniger Sympathien als Hebbel entgegenbringt. Hebbel selbst sind ausgezeichnete Analysen gewidmet, welche die psychologische Seite seines Dramas stark herausspieldichter u. Weh dem der lagt. ( = N. 202, S. 41-60.) — 224) (S. u. N. 314, S. 182/8.) - 225) X A - M u l l e r - G u t t e n b r n n n , E. v. Beuernfeld. ( = N. 206, S. 117-36.) — 226) X E - T- Beuernfeld, Leben u. Sterben. (Ungedr. Nachlug): DDichtung. 13, S. 71/2. — 227) X H i r s c h f e l d , Ungedrucktes v. Bauernfeld: DZg. N. 7 7 6 4 . - 2 2 8 ) C l a r a S c h r e i b e r , Ans Bauernfeld» Tagebuch: NFPr. N. 10399. (S. o. N. 215.) — 229) E. y. Bauernfeld, Dramat. Nachlase. Her. y. F. y. S a a r . St., Cotta. XVI,280S. M.5,00. |[L. H e y e s i : Fremdenbl. N.283; H.y. H o f f m a n n s t h a l ( L o r i s ) : FZg. N. 333; BerlTBl. N.405; F. A r m i n : WienerTBl. N. 310; E. H e i l b o r n : Geg 45, S. 311/2.11 (S.s Vorw. abgedruckt AZg». N. 182.) — 230) K. E. F r a n z o s , Bauernfeld im März 1848: DDichtung. 15, S. 294/5 — 231) X F Halm, D. Sohn d. Wildnis. Dramat. Gedicht. 4. Aufl. ( = Oesterr. Nat.-Bibl. Her. y. L. W e i c h e l t . N. 20/1.) Wien, Dr. H. Weiohelt. 76 S. à M. 0,20. — 232) X id.. Griseldis. Dramat. Gedicht 3. Aufl. ebda. N. 29-30. 70 S. à Jl. 0,20. — 233) L S p e i d e l , Verbot u. Befehl v. F. Halm: NFPr. N. 10235. — 234) X •>• H. Krumm, Hebbels Werke (ygl. JBL. 1892 IV 4:111). |[K. W e r n e r : AZg». N. 116; i d . : HontagsR. N. 1 ; R. Kr a u s s : BBSW. 8.115-22.]| — 235) X A . B a r t e l s , F. Hebbel : Dìdaak. N. 292/3 — 236) X A. J. W [ e l t n e r ] , P . 30. Todestag F. Hebbels: Fremdenbl. N. 345. — 237) L. F r i e d m a n n . Il dramma tedesco del nostro secolo II. I psicologei Jahresberichte für neuere deutsohe Litteraturgeeohichte. IV. 4(13)

1V4:238-244 A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. arbeiten, dagegen fehlt der Zusammenhang mit Kleist und O. Ludwig, dessen dramaturgische Studien z. B. kaum erwähnt werden. Die Hingabe Klaras in „Maria Magdalena" ist rein aus dem Pflichtgefühl abgeleitet, Bergers Vorlesungen hätten dem Vf. hier wieder den richtigen W e g gezeigt. Sehr wirksam sind die Hinweise auf Ibsen. Von den erwähnten Fehlern abgesehen, bleiben die drei Bücher F.s nicht nur für fremdsprachliche Leser durch das sorgsame Verständnis der verschiedenen Dramen wertvoll. Abschliessend bemerkt der Vf., dass die psychologische Reaktion in Deutschland zu früh gekommen war, um auf Erfolg rechnen zu dürfen. K o c h s Besprechung hebt hervor, dass Laube nicht, wie F. meint, beim Burgtheater war, als Hebbel nach Wien kam. Zum Herodes nennt er Calderons „Eifersucht das grösste Scheusal" und englische Dramen; auch Grillparzer wollte Herodes und Gyges behandeln. — Eine Ikonographie Hebbels giebt Seis 2 3 8 ), in der er das Porträt Rahls als besonders gelungen hervorhebt. — Im Anschluss an den Briefwechsel, dessen zweitem Bande (vgl. JBL. 1892 I V 4 : 1 4 ) noch viele Besprechungen und Einzeldarstellungen folgten 239 " 241 ), sind neue Mitteilungen aus ungedruckten Briefen zu Tage getreten: L e m m e r m a y e r 2 4 2 ) veröffentlicht Briefe Hebbels an den Verleger Campe. Am 20. Aug. 1841 äussert er sich günstig über Dingelstedts Nachtwächterlieder. 1861 erwähnt er den Plan einer Gesamtausgabe, in der er viel bessern will: „Einiges z. B. den Diamant muss ich ganz umschmelzen; die Grundidee ist eine der besten, die ich je gehabt habe, aber die Ausführung schwankt auf eine mir jetzt unerträgliche Weise zwischen Satire und naiver Komik, auch ist der märchenhafte Hintergrund bei weitem nicht tief genug. Welch einen Gedanken hatte ich zum Moloch und wie manches davon ist auch wirklich fertig; aber wo bleibt der Rest und wie ungern erklärte ich ihn für einen ewigen Torso." Der „Zauberer in Rom" ist ihm tödtlich langweilig. 1862 druckt er an den „Nibelungen", nie habe er so viel Arbeit an ein Werk gewendet. „Bei aller Bescheidenheit wollen wir auf Geibels Marzipan und R. Wagners Krüppelholz mit Lächeln herabschauen... Diese Leute haben nicht einmal eine Ahnung vom Gegenstande und behandeln das Götterschwein Särinner, das in Walhalla die Asen fett macht, ohne zu sterben, wie eine gewöhnliche Sau." Er berichtet auch über die Proben, die er mitmacht, und die Aufführung: „Ich habe das Theater stets vor Augen gehabt und keine Scene geschrieben, die nicht gespielt werden könnte." — L e m m e r m a y e r 2 4 3 ) veröffentlicht auch Briefe an die Familie, zumeist an die Schwester seines Freundes E. Rousseau. Er sendet nach dessen Tode (1838) seine Bücher und Effekten, behält aber Schiller und Kleist zurück, über welche beide Schriftsteller er zu arbeiten gedenke. Er bespricht die Gedichte des Freundes, denen er Mangel an Form vorwirft: „Form ist in meinen Augen Ausdruck der Notwendigkeit." Am 24. Jan. 1840 klagt er, dass sein Roman (Schnock) von Brockhaus abgelehnt wurde; er verzweifelt aber nicht am Durchdringen: „Seit ich meine Judith in den Händen habe, rechne ich mit Zuversicht auf den Sieg. Sie ist jetzt ganz f e r t i g . . . Ich hatte mir vorgenommen, nie wieder ein Drama zu schreiben, wenn die Judith mich täuschen sollte, denn ich wusste wohl, dass es sich nicht mehr, wie wohl früher, um einen blossen Versuch handelte, sondern dass ich mein Höchstes aufbot." Eine neue Tragödie ist in ihm schon vollständig ausgebildet, am meisten reizt ihn ein Lustspiel. Er bezweifelt aber, dass sich die Judith für das Theater eigne. „Das Herbe, Entschiedene, das sich keine Modifikationen gefallen lassen will, ist nicht die Speise des jetzigen Publikums... Gutzkow ist der rechte Mann für die Leute. Der kann ihnen geben, was sie brauchen. Das Genie ist in seiner höchsten Freiheit gebunden, das forcierte Talent kann, was es soll." Am 17. Febr. 1840 sagt er wieder über die Judith, deren Aufführung er am liebsten in Berlin sähe: „Es ist mir aus dem Innersten des Gemüts geflossen; und ich habe, um es zu gestalten, die höchsten Kräfte angespannt;, wäre es Nichts, so wäre ich selbst Nichts." Er glaubt Laube wie Gutzkow verachten zu dürfen. Am 27. Juli 1841 schreibt er über den Schluss der seit drei Monaten fertigen Genoveva: „Allerdings ist er fürchterlich, aber nach meiner festen Ueberzeugung ist es die nächste Konsequenz des Goloschen Charakters und lässt nicht die geringste Aenderung zu." Der Moloch soll an Furchtbarkeit noch weiter gehen. Ein Brief aus Paris (14. Juni 1844) spricht die Hoffnung aus, dass seine künftigen Dramen seine „individuellen Schmerzen" nicht wieder erkennen lassen werden. So sei schon die Maria Magdalena objektiv geworden. In Rom werde er am Moloch arbeiten. — Ueber den Eindruck, den Judith und Genoveva ihm in späten Jahren machten, spricht er sich in einem Brief an den Naturforscher J. Grailich aus 244 ): „Genoveva und Judith wurden mir durch das Theater wieder aufge(Fed. Hebbel). Hilano, Chieaa. III, 192 S. L. 2,50. |[M. K ( o c h ) : LCB1. S. 1156/7.]| - 23g) G. Seis, D.Hebbel-Bildnisse: Presse N. 36. — 239) X M. K ( o c h ) : LCBL. S. 293/4: F. L e m m e r m a y e r : ML 62, S. 199-201; id.: NatZg. N. 469; K. Werner: WienerZg. N. 4; Geg. 43, S. 87-90 ; 44, S. 15; E. Graniohstädten: Presse N. 175/6; Ad. Stern: Grenzb. 2, S. 211-23, 258-71. - 2401 X E - G-, Hebbel u. Dingelstedt: Presse N. 175/6. — 241) X A. B a r t e l s , F. Hebbel n. F. Dingelstedt: Didask. N. 31/2. — 242) F. Lemmermayer, Ans nngedr. Briefen F. Hebbels: NFPr. N. 10418. — 243) id., F. Hebbel n. d. Familie BonsBean. (üngedr. Briefe): ML. 62, S. 430/1, 626/8, 670/2, 688-90. — 244) Ungedr. Briefe F. Hebbels an Grailich:

A. v o n W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18./'19. Jahrhunderts. IV4:245-257 drungen und bei der Gelegenheit kam es mir dann allerdings vor, als ob eine gewisse Fülle des Totaleindrucks, das Ungenügende, oft Bizarre und wohl gar Lächerliche . der Einzelheiten überwöge. Der Stumme in der Judith wird wohl immer seinen Rang in der deutschen Litteratur behaupten und etwas Erschütternderes, als das Verhältnis zwischen Golo und Siegfried, wie es sich zuletzt entwickelt, dürfte es nicht geben." — In Erwiderung eines Aufsatzes in der Frankfurter Zeitung von E. Sack, der den Bericht, den Jordan in seinen Vorträgen und Episteln über seinen und Hebbels Besuch bei Schopenhauer gegeben unter dem Hinweis auf die andere Darstellung, in einem Briefe Hebbels in Zweifel zieht, erklärt Jordan 2 4 5 ), dass Hebbel der herbe Tadel, den Schopenhauer über seine Vorrede zu Maria Magdalena aussprach, aus der Fassung brachte, besonders da J. Zeuge der Niederlage gewesen, und deshalb, wie Kuh J. erzählte, auch über diese Begegnung mit Schopenhauer immer Schweigen beobachtete. — Die dramatischen NibelungenBearbeitungen mustert W e i t b r e c h t 2 4 6 ) . Unbedingt theatralisch ist der zweite Teil des Liedes, in dem Kriemhild Hauptfigur ist. Spröder ist der erste Teil, Siegfrieds Tod, da er als Held ohne jede Schuld erscheint. Aber doch existiert ein Verschulden Siegfrieds: seine Plauderei und Gedankenlosigkeit. Er missbraucht seine Ueberlegenheit einem Weibe gegenüber, das ihn liebt. Dieses Motiv macht Waldmüller zum Mittelpunkt seiner Brunhild-Tragödie. Hebbel trifft haarscharf den springenden Punkt: Siegfried ist einem Trugspiel nichtgewachsen. So rückt Hagen an die bedeutungsvolle Stelle, während er bei Geibel und Wilbrandt stark zurücktritt. Für das moderne Empfinden liegt die Schwierigkeit der Behandlung im Verhältnis Brunhilds zu Siegfried. Wir haben Brunhild- und Kriemhild-Tragödien, je nachdem die eine oder die andere zur Heldin geworden. Auch Gunther ist eine dramatisch unmögliche Figur. In Wagners Dichtung ist der Gedanke zum Mythus zurückzugehen und die Konzeption grossartig; doch erheben sich starke Bedenken gegen die Ausführung. So ist auch für diesen Stoff das letzte Wort noch nicht gesprochen. — Mit Bezugnahme anf diese Studie erörtert G n a d 247) Hebbels Verhältnis zu dem Stoffe. Ihn lockten die ins Ungeheure vergrösserten Charaktere, denen er noch einige Züge des Grosssprecherischen beigab, und das im Mittelpunkte stehende Weib. Sein Lieblingsproblem ist der Kampf zwischen den beiden Geschlechtern, der sich auch in seiner Selbstüberhebung gegen Emilie Lensing äussert. Er erscheint in diesem Werke am bedeutendsten, wo er am wenigsten aus Eigenem gegeben. G. meint, die Zusammenstellung Hebbels und Ibsens sei etwas schief, weil seine Probleme immer klar und keine Fragezeichen seien. Auch sei seine Sprache ganz 2anders. — Den Vergleich aus den Rolandsäulen, den Siegfried anstellt, citiert Koch 4 8 ) zu Eickes Rolandstudie (vgl. JBL. 1892 IV 4:57) unter Hinweis auf Briefe 2, S. 475, wobei er auch Fouquesche Dramen 2und zahlreiche lyrische Gedichte nachträgt. —Die Lustspiele Hebbels untersuchtK.W erner 4 9 ). Der Stoff des „Diamant", aus Jean Pauls „Leben Fibels" geschöpft, musste vielfach abgeändert werden, um Hebbels Gedanken von der Bedeutung des Steines hervortreten zu lassen. So viel auch Hebbel, besonders durch das reiche Personal, an Humor hinzuthat, zerfiel gerade dadurch das Stück in zwei Gruppen, eine ernste und eine komische, und die Hoffiguren kamen schablonenhaft heraus. Auch die Komposition ist fehlerhaft. Ebenso suchte er im „Rubin" den Kontrast zwischen Ernstem und Heiterem, aber die tolle Welt, die er vorzuführen strebte, wurde in Wien nicht verstanden. Das Stück ist auch zu knapp verständlich schwer und in seiner Motivierung, das Märchenhafte verschwimmt; aber doch bedeutet es einen technischen Fortschritt gegen das erstere Lustspiel und dürfte heute bessere Aufnahme finden. — Scharf urteilt Auerbach über Hebbel; in „Maria Magdalena" sieht er nur eine Kumulation von Unglücksfällen: „Nie ist ein frevelhafterer Missbrauch mit der Dichtkunst getrieben worden als in diesem Machwerk." Schon der Titel ist eine Frechheit. Alles ist Unnatur, ein Aufrühren verschiedener Gestänke. Er vergleicht ihn mit R. Wagner : beide haben keine Lieder. 250 ) — In einem voii N e c k e r 2 5 1 ) abgedruckten Briefe an M. S c h l e i f e r erwähnt Hamerling dessen Dramen, darunter die ungedruckte „Jacobäa von Bayern". — Die Ausgabe der dramatischen Werke F. N i s s e i s 2 5 2 ) wie der Tod253-255 des Dichters haben viele Besprechungen, beziehungsweise Nekrologe hervorgerufen. ) G o t t s c h a l l vergleicht in seiner Anzeige die „Agnes von Meran" mit dem Drama von B. TschischAZB. N. 107. — 245) W. J o r d a n , Hebbel bei Schopenhauer: AZ B . N. 168. — 246) C. W e i t b r e c h t , D. Nibelungen im modernen Drama. E Antrittsvorlesung. Zürich, Schulthess. 37 S. M. 1,00. — 247) E. G n a d , F. Hebbel u. d. NibelungenTragödie: AZg« N. 172/3. — 248) M. K o c h : ZVLR. 6, S. 256/9; L. F i & n k e l : LBIGRPh. S. 286/7. — 249) K. W e r n e r , Diamant u. Rubin. E. Hebbel-Studie: AZgB. N. 279, 280/1. — 250) (S. n. N. 314, S 198-211.) — 251) R. Hamerling, Briefe. Mitget. y. M. N e c l t e r : AZg«. N. 71. — 2521 F. N i s B e l , Ausgew. dramat. Werte. St., Cotta. XII, 375 S. M. 6,00. |[R. y. G o t t s c h a l l : AZg». N. 1: J. M i n o r : DLZ. S. 1460/2; DRs. 76, S. 476; A. F r i e d m a n n : BLU. S. 74/6: M. N e c k e r : SchwRs. 2, S. 390/5; Grenzb. 1, S. 5/8; K. P r o l i : NatZg. N. 184; BUR8. 59, S. 628-30; H, K l e i n : Presse N. 63; ML. 62, S. 17/8; Fremdenbl. N. 62.]| — 253) X A D o r d a , F. Nissel: WienerLZg. N. 8 . - 2 5 4 ) X k . S a l o m o n , F. Nissel: IllZg. 101, S. 191/2. — 255) X A. B e t t e l h e i m , F. Nissel: AZg». N. 168. — 256) J. B a y e r , F. Nissel: NFPr. N. 10389. — 257) (8. u.

(4)13*

IV4:25S-295 A. von W e i l e n , Drama und Theatergeschichte des 18/19. Jahrhunderts. witz; von den Panegyriken, die meist kritiklos erhoben wurden, sticht die gerechte Beurteilung in M i n o r s Recension vorteilhaft ab. Sie zeigt, wie Nissel sich an grossen Charakteren ohne Glück und mit mangelhafter Technik versucht; rühmenswert erscheint die vornehme, edle Sprche. — Auch Bayer 2 5 6 ) hebt hervor, wie trotz echter dichterischer Begabung seinem Talente die wirkliche Kraft gebrach und die Richtung des Wollens in seinen Gestalten immer unklar bleibt. — Auerbach 2 5 1 ) nennt seinen „Heinrich den Löwen" ein „Sekundanerstück". — Im Gegensatz zu diesen Beurteilern sieht N e c k e r 2 5 8 ) in ihm einen geborenen Theatermenschen mit vollendeter Technik und vergleicht seine Weltflucht der Grillparzers. So stellt er das Nachtlager Corvins, dessen Bau auch S pei del 2 5 9 ) unter Bedenken gegen die unsprechbare Diktion rühmt, zusammen mit dem „Treuen Diener" und hofft auf ein litterarisches Nachleben Nisseis. — Aus persönlichen Erinnerungen teilt S c h l e s i n g e r 260"261), einen früheren Bericht ergänzend (vgl. JBL. 1891 I V 4: 162), einiges über gemeinsame Jugendstücke und einzelne dramatische Versuche Nisseis mit. Laube erwies sich wenig fördernd für Nissel. Sch. bringt einen Brief Laubes vom J. 1859, der Nisseis „Jakobiten" ablehnt mit Rücksicht auf die Missstimmung, welche der „Düwecke" Mosenthals bei Lanckeronski hervorgerufen, — Die innere Verwandtschaft, die zwischen F. von Saar 262 " 263 ) und Anzengruber im Kampfe gegen die Hierarchie besteht, aus dem Heinrich IV. wie der Pfarrer von Kirchfeld hervorgegangen, charakterisiert Bettelheim 2 6 4 ). Als bühnenwürdigstes Stück Saars erscheint ihm Tempesta, an dem der Einfluss der Emilia Galotti deutlich wahrnehmbar sei. — Müller-Guttenbrunn 2 6 5 ) charakterisiert J. W e i l e n und E. Mauthner, den persönlichen Eigenschaften des ersteren volle Anerkennung zuwendend, aber ohne historischen Sinn für seine Stellung in der dramatishen Litteratur Oesterreichs. Auch kann von einer Förderung, die er durch Laubes Nachfolger erfahren, keine Rede sein. — Im Nachlass F. S c h l ö g l s fand sich, nach T a n n - B e r g l e r s 2 6 6 ) Bericht, der Entwurf zu einem Volkstück „Die Kinder vom Grunde", für die Gallmeyer gedacht, ganz im Anzengruberschen Ton. — Von Anzengruber 2 6 1 " 2 6 8 ) teilt R o s e g g e r 2 6 9 ) eine Reihe von Briefen mit, die manches über seine Dramen und Entwürfe enthalten. Hamerling ist ihm „ein genialer Dichter, aber ebenso wenig populär wie Hebbel". Das (S. 39) erwähnte Trauerspiel „Das Kronenhaus" ist von V. Stern. Was R.s Büchlein sonst über Auerbach, Schlögl, Kürnberger, Morre und Josefine Gallmeyer etc. erzählt, ist litterarisch belanglos. — Ein ungedrucktes Gedicht des Vaters Anzengruber an Grillparzer legt Müller-Guttenbrunn 2 1 0 ) in seiner enthusiastischen Charakteristik vor. — Dass seine Dramen, anders als die O. Ludwigs, vollständig im Dialekt empfunden, dieses Moment trennt sie, nach B e r g e r s 2 1 1 ) Meinung, vom Burgtheater. — Die Charakteristik, die Scherer 2 1 2 ) von Anzengruber, Nisseis „Agnes" und Wilbrandts „Krimhild" bei Gelegenheit der Verteilung des Schillerpreises 1878 gegeben, ist in die kleinen Schriften wieder aufgenommen. — Das Drama der Schweiz 213 " 215 ») mustert flüchtig Mähly 2 1 6 ). Er warnt vor der Ueberschätzung des Kellerschen (vgl. JBL. 1892 IV 4:94) Fragments „Therese"211). Nur kurz erwähnt er J. V. Widmanns 2 1 8 ) „Jenseits von Gut und Böse", für dessen Doppelhandlung ein Recensent Grillparzer und Calderon herbeizieht. — Von g e i s t l i c h e n volkstümlichen 2 1 9 " 2 8 1 ) Schauspielen steht das Höritzer im Vordergrund des Interesses 282~28*). Dass Kochems Werk nicht nur für dieses Spiel (vgl. JBL. 1892 IV 4 : 176), sondern für eine Reihe anderer, wie das Vordernberger Paradeisspiel, Obergrunder Weihnachtsspiel etc. als Quelle gedient, weist Am mann 285 ) nach. — N. 314, S. 113.) — 258) II. N e c k e r . K. Nissel: ML. 62, S. 505,7. — 259) F. S p e i d e l , F. Nissel, E. Nachtlager Corvins: NFPr. N. 10484. — 2 6 0 ) S. S c h l e s i n g e r , Aas meinem Zusammenleben mit F. Nissel: WienerTBl. N. 200. — 261) id., Zu T - Saar: NWienerTBl. N. 270. — 263) B. B i l t t e n a u e r , F. v. Saar: ML. 62, F. Nisseis Gedächtnis: ib. N. 287. — 262) X S. 619-21. — 264) A. B e t t e l h e i m , Z. 60. Geburtstag v. F. r. Saar: AZB. N. 226. — 265) A. M f t l l e r - G u t t e n b r u n n , J. Weilen u. E. Mauthner. ( = N. 206, S. 190/8.) — 266) O. T a n n - B e r g l e r , F. Schlögl als Dramatiker: NWienTBl. N.96. — 267) X L. Anzengruber, D. Pfarrer v. Kirchfeld. VolksstQck mit Gesang. NebBt e. dramaturg. Ber. v. H. Laube. 5. Aufl. St., Cotta. 104 S. M. 2,00. — 268) K. G r ü n d o r f , Aber Anton! Z. Gesch. meines Kompagniestficks mit Anzengruber: Fremdenbl. N. 35. — 269) P. K. R o s e g g e r , Gute Kameraden. Persönliche Erinnerungen an berthmte Zeitgenossen. Wien, Hartleben. VII, 223 S. M. 3,00. IfAZgB. N. 92; A. S a u e r : DLZ. S. 630/2; II. N e c k e r : BLU. S. 24719; Geg. 44, S. 175.]| 270) A. M t t l l e r - G n t t e n b r u n n , Ludwig Anzengruber. (=z N. 206, 9. 150-89) — 271) A. v. B e r g e r , Anzengruber im Burgtheater: MontagsE. N. 44. 272) W. S c h e r e r , D. Schillerpreise. ( = 1 1 : 117; 2, S. 170/6.) — 273) O J. S u t e r , Wahrheit u. Dichtung in A. Freys bist Tranerspiel „Erni Winkelried": SohwRs. 2, S. 467-76, 596-607. — 274) X Answ. dramat. Dichtungen ffir d. Schweiz. Dilettantenbfihne. Bearb. im Auftr. d. Schweiz, geroeinnütz. Ges. Aarau, Sauerländer. 32 S. M. 0,40. — 275) X F. W i c h m a n n , Thalia in d. Schweiz: TglRsB. N. 161. IfKunstwart 6, S. 325.JI — 275a) O F. A. S t o c k e r , D. Volkstheater in d. Schweiz. 3. yerm. n. Terb. Aufl. Aarau, Sauerlinder. IV, 180 S. M. 2,80. |[G. B i n z : LBIGBPh. S. 358JI — 276) J. M & h l y , Schweiz. Litt.: AZgB. N. 48. - 277)X LCB1. S. 761/3; E. S c h m i d t : DRs. 77,S.472/3; M. N e c k e r : BLU. S. 2/4; FZg. N. 4: BTJRS. 57, S. 631/3; DDichtung. 13, S. 149-51. — 278) J. V. W i d m a n n , Jenseits v. Gut u. Böse. Schansp. in 3 A. St., Cotta. 152 S. II. 2,00. |[AZgB. N. 137.J| — 279) O L. K e l b e r , Prakt. Christentum n. geistl. Schauspiele: NKZ. 4, S. 372-410. — 280) X MissionsfestBpiel u. Pastor Baumann: DEKZ. 7, S. 165/6. — 281) X ( I I I 4:37.) — 282) X I C a n e r : DLZ. S. 231.J| — 381) Fed. Neumann, La Filologia Romanza. Traduz. del Dottore St. L a l l i e i . Citta di Castello, S. Lapi. IV, 221 S. L. 3,00. — 382) X Ed. Schwan: Ac. 44, S. 236. - 383) X (I 2:11.) — 384) lt. M e n d h e i m , J. J. Eschenburg: LZg B . N. 146. — 385) A. B e t t e l h e i m , Za Ehren v H. Kurz: AZgB. N. 278. — 386) L. F r a n k e l , M. F. K. Streckfuss: ADB. 36, S. 560/2. - 387) id., A. Strodtmann: ih. S. 605-11. — 388) Edw. S c h r o e d e r , J. Chr. Strodtmann: ih. S. 611/2. - 389) C. E. C a r s t e n s , J. S. Strodtmann: ib. S. 612/3. — 390) (I 6:178.) — 391) K. Th. H e i g e l , L. Stent: ADB. 36, S. 135-40. - 3 9 1 a ) A. S c h l o s s a r , A. Bitter v. Spann: ib. 35, S. 68/9. - 392) X R - Hein: NatZg. N. 390. — 393) L. F r a n k e l , E. Hein: Urqnell4, S. 152. — 394) X (I " : > - 395) x v. Hehn, Do moribus Ruthenorura (ygl. JBL. 1892 IV 5 : 289). |[NationB. 10, S. 193/6; M. r . O e t t i n g e n : DWB1. S. 32/4; F. B i e n e m a n n : BLU. S. 118-20.] - 396) X G. S., Bugs. Intimitäten: WienTBl. N. 5. (Nach V. Hehn.) — 397) X V. Hehn n. d. Jnden: KonsMschr. 4, S. 1153-73 ; 5, S. 1279-1301. — 398) X O. Schräder, V.Hehn (vgl JBL. 1891 IV 6 :145/6; 1892 I 2 : 21; IV 5 : 288): KonsMsshr. S. 420/2. — 399) V. Hehn, Reisetageb&cher. Mitget. v. Jahresberichte für nenere deutsche Litteraturgeschiohte. IV. 4(18)

IV 5:400-408

R. M. M e y e r , Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.

selbst bemerkt) stilistisch, sondern auch inhaltlich weitaus die bedeutendere. Wir hören den Mann, der später den kühnen Gedanken einer umfassenden Kulturgeschichte Europas im Haupte trug, über den Begriff der Weltgeschichte (N. 183) und über die Auffassung der Historie (N. 186) tiefsinnige Worte äussern; wir vernehmen von dem zukünftigen Autor der „Gedanken über Goethe" die Aeusserung: „Goethe, der der Geschichte fremd und der Natur vertraut war", und sehen Niebuhr als Vertreter echt historischer Auffassung ihm entgegensetzt (N. 190). Heber Overbecks absichtsvolle Naivetät (N. 224), über Strauss und Kotzebue (N. 128) werden Urteile gefällt, aber auch politische Fragen berührt: entschieden spricht Hehn hier (N. 234) noch als Liberaler. Scharfe Worte erinnern an die radikalsten Neuesten, denen er späterhin so feindlich gesinnt war: „Die erste Regung der Kunst ist die erste Regung der Irreligiosität" (N. 126); „Nichts hat die alte Welt so geschwächt wie das Christentum" (N. 183). Aber all das ist Intermezzo; fast ganz gehört seine Seele dem Schwelgen in italienischer Natur. Herrlich schildert er den Charakter der italienischen Landschaft mit ihrer hehren Einfalt und stillen Grösse: „Keine Leidenschaft jauchzt rasch oder schluchzt in der italienischen Landschaft" (N. 225). Einen reizenden Ausdruck findet er für die „süditalienische Poesie der Sorglosen und Verwahrlosten" (N. 230); den italienischen Gartenstil (N. 187) wie den Kunstcharakter des Menschenlebens in Italien (N. 190), die Architektur der Städte (N. 229) wie den Klang italienischer Vollworte (N. 234) weiss er treffend zu charakterisieren. Und welche Bilder malt er von Neapel (N. 128), vom Tanz in Genzano (N. 186), von Albano (N. 190), dem Soracte (N. 224), Pisa (N. 225)! Wenn der künftige Vf. der „Kulturpflanzen und Haustiere" sich auch erst geringe botanische Kenntnisse nachsagt (N. 221), so achtet er doch schon sorgfältig auf den Oelbaum (N. 194) und den Pflanzenwuchs an der Riviera (N. 230); und ebenso studiert er schon auffallende Wagenformen in Nemi (N. 186). Die Einseitigkeit aber, die das Buch „Italien" durchzieht, liegt ihm hier noch fern: der italienische Kunstgeschmack ist nicht der seine (N. 187; über italienische Musik N. 186). Hier wahrt er sich inmitten der Begeisterung das individuelle Urteil: „Die Kunst", sagt er bedeutungsvoll, „gehört dem Individuum, die Wissenschaft der Gattung an" (N. 182). — Zwanzig Jahre später reist er nach Frankreich; da ist der jugendlich feurige Ton erloschen und oft genug klingt schon die spätere Grämlichkeit hinein. Aber er zeichnet noch immer meisterlich Genrebilder aus Genua (N. 260), spricht über Massilia (N. 298) und Paris (N. 302) von hohen Gesichtspunkten aus. Doch drängt die politische Betrachtung sich in den Vordergrund (N. 245, 255, 298) und noch mehr die persönliche Empfindung. Der Jüngling berichtete von seinem Heimweh (N. 183); der Mann ergeht sich in Klagen über die erste Nacht im Wagen (N. 255). Eine etwas gefährliche Parallele lässt ihn Franzosen undJonier, Germanen und Dorier (N. 262) zusammenstellen — ein Vergleich, der jene bedeutsamen Erörterungen über die menschliche Perfektibilität (N. 183) so wenig aufwiegt wie die Schilderung des Kolosseums (N. 260) jene Städtebilder. Nur die geistreichen Ausführungen über die Wirkung des nackten Felsens (N. 254) stehen hier noch auf der alten Höhe; im ganzen ist auch das Nebeneinander dieser beiden Tagebücher ein Beweis dafür, wie wenig Hehns glänzende Begabung und seine imposanten Pläne zu voller Entfaltung gelangt sind.400"401) — Einen Literarhistoriker, der an Feinheit des psychologischen Verständnisses Hehn mindestens erreicht, den bedeutendsten 402 lebenden Meister biographischer Kunst, H a y m, beglückwünscht K i r c h n e r ) zum Doktorjubiläum. — Den Philologen gesellen wir wieder die CJebersetzer bei, indem wir anSteinbrüchel, Streckfuss,Strodtmann (s.o.N.359,386/7) nochmals erinnern403). SanMarte 4 0 4 ) 405 und Gelbcke ) haben beide ihre Uebersetzungen durch Abhandlungen und Erklärungen noch wertvoller gemacht. — Aus dem Ungarischen übersetzte G. S t e i n a c k e r , dessen vielbeschäftigtes Leben unsSchlossar 4 0 5 a ) schildert. — G e f f c k e n 4 0 6 ) fügt seine Uebersetzungen von griechischen Grabinschriften in eine fortlaufende Abhandlung ein. Insofern er die griechischen Verse durch deutsche Reime wiedergiebt, trägt er praktisch zur Beantwortung der durch Wilamowitz neu angeregten Frage nach der inneren Form der Uebersetzungen bei. — Zwei S p r a c h v e r g l e i c h e r , H. G. C. von der G a b e l e n t z 4 0 7 ) und Max 408 Müller ), machen den Schluss der Philologen. — Unter den K u n s t l e h r e und Kritik vertretenden Autoren begegnen uns Th. S c h i o m a n o : AZg B . N. 125/6, 128, 183, 186/7, 190/1, 194, 221, 224/5, 230, 234, 245/6, 254/5,262, 290,292/3,300/2. — 4 0 0 ) X Briefe ans d. Nachlasse V. Hehns: BaltMschr. 40, S. 160-71, 321-35, 596-609. — 401) X A u s 4- Nachlasse Y. Hehns: Didask. N. 122. - 402) F. K i r c h n e r , Zu R. Hayms 50j. Doktorjubil.: IllZg. 101, S. 267. — 403) X J - M i h l y , Verdeutschen u. Uebersetzen: Geg. 43. S. 102/5. — 404) X Alb. Schulz. ( = San Marte): IllZg. 100, S. 678. — 405) X F. Ad. Gelheke: JhDShakespeareG. 28, S. 353. — 4 0 5 a ) A. S c h l o s s a r , 6 . Steinacker: ADB. 35, S. 675/6. — 4 0 6 ) J. G e f f c k e n , Stimmen 4. Griechen am Grabe. Hamburg, L. Voss. 50 S. M. 1,00. — 407) X H - G. C. v. d. Gabelentz: Ac. 44, S. 552. — 408) X

R. M. M e y e r , Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.

IV

5 : 409-448

diesmal wieder besonders originelle Gestalten: K. Ph. M o r i t z (von S a c k 4 0 9 ) und I s o l a n i 4 1 4 ) geschildert), F. Th. V i s c h e r 4 l 0 a ) , K a r l W e r d e r , dessen Tod eine ganze Reihe von Nekrologen N a t h a n s 4 1 1 ) , S c h i e n t h e r s 4 1 2 ) , Z a b e l s 4 1 3 ) und andere Aufsätze zu seiner Charakteristik (von W i c h mann 4 1 4 ), ja sogar zur Beurteilung der so ungewöhnlich rasch errichteten Gedenktafel 415-416 ) Anlass gab. Zumeist wurde der „latente Schauspieler" in unserem Kunstkritiker hervorgehoben; das merkwürdige Problem, wie ein so langes, in behaglicher Ruhe stets denselben Kunstaufgaben zugewandtes Leben nur vier Bücher als Gruss an die Nachwelt zuriickliess, ward meist nur gestreift. — Eins von ihnen, das am meisten angefochtene, über Macbeth, unterwarf der italienische, im litterarischen Leben aller Kulturvölker heimische Litterarhistoriker Z u m b i n i 4 1 7 ) einer gehaltvollen Kritik. — T h e o d . W o l f f 4 1 8 " 4 1 9 ) stellte Werder und Fontane zusammen und gab, wie auch S c h i e n t h e r 4 2 0 " 4 2 1 ) , persönliche Erinnerungen. 422 ) — Stammt Werder ganz aus der philosophischen Periode des Hegelianischen Berlins, so ist dagegen in der Physiognomie S t a h r s wie in der Rud. v o n G o t t s c h a l l s der politische Zug vorherrschend geblieben. Stahr der Philolog, Historiker, Literarhistoriker, Kunstschriftsteller, Kritiker wird von F r a n k e l 4 2 3 ) massvoll gefeiert, und eine „Rettung" verdient der in „Rettungen" so gern bemühte Mann gewiss gegenüber dem Fluch der Lächerlichkeit, der aus G. Kellers und anderen doch recht subjektiven Erinnerungen sich an das Ehepaar Lewald-Stahr, das „vierfüssige Tintentier", geheftet hat. — Gottschall kann sich gegen A l b e r t i s 424 ) schiefes Lob noch selbst verteidigen und die Lobeserhebungen von B a r t e l s 4 2 5 ) , B r a s c h 426 ), F r i e d r i c h 427 ), Z a b e l 4 2 8 ) noch selbst gemessen. — Hähneis Litterarische Reliquien 429 ) sind an diesem Orte nur zu erwähnen und W i l h . J o r d a n s 4 3 0 ) Kritik über „die Moderne" nur aus schuldiger Ehrfurcht vor früheren Verdiensten des Autors zu verzeichnen. 431 ) — Wenden wir uns zu a n d e r e n W i s s e n s c h a f t e n , deren Verbindung mit der Litteraturgeschichte loser ist, so treffen wir unter den G e o g r a p h e n neben Reinhold Forsters Schwiegersohn Sprengel, über den R a t z e l 4 3 2 ) schrieb, einen Weltreisenden Kohl432"), dessen Schriften längst der deutschen Litteratur angehören, sowie einen anspruchslosen Lokalgeographen Moosmann, dem S a n d e r 4 3 3 ) eine Dankrede hielt. Der um die Geographie von Vorarlberg verdiente Mann hat auch kameralistische Aufsätze abgefasst. — Von den beiden grossen J u r i s t e n , die 1893 gestorben sind, stand Windscheid 434 ) dem allgemeinen Interesse ferner als Ihering 435 " 437 »), der wiederholt mit populären Schriften das öffentliche Rechtsbewusstsein zu erziehen suchte 438-439 )^— L a n d s b e r g 4 4 0 ) schrieb eine ausgezeichnete Biographie Stintzings. — Allgemeiner handelt über die moderne Jurisprudenz 441 ) ein Aufsatz von de J o n g e 4 4 2 ) . — Das Schriftchen von G e n s e i 4 4 3 ) über die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches ist beachtenswert als Symptom dafür, dass endlich wieder in unseren Rechtsgelehrten ein litterarischer Ehrgeiz erwacht, ihrer eigenen Berufssprache geweiht. Für den Entwurf selbst findet G. mehr Worte des Lobes als des Tadels und weist manche Rüge, als sei er durchaus unvolkstümlich und schwerverständlich gehalten, zurück; dagegen hat er an den begleitenden „Motiven" sehr viel auszusetzen. Der Kritiker selbst gehört dem Sprachverein an, ohne sich von dessen Fremd Wörterfeindschaft auszuschliessen; er steht auch dem Kreis Wustmanns nahe, aber mit Mässigung, und kennt sogar Fälle, wo man „derselbe" sagen muss (S. 59). Sein Sprachgefühl ist ihm ein sicherer Führer, dem er auch wirklich mit gutem Erfolg sich anvertraut; und so wird seine Schrift durch das, was er selbst sagt, wie durch das, was er bespricht, für die Sprach- und Litteraturgeschichte der Gegenwart ein Baustein, den wir bei dem ungeheueren Einfluss gerade der Juristen auf das „öffentliche Deutsch" unserer Tage nicht unterschätzen dürfen. — (I 2:51.) - 409) Bd. S a c k , E. Fh. Moritz. E. Gedenkbl. z. 100. Todest. (26. Juni): FZg. N. 175. — 410) E. I s o l a n i , E. Journalist u. Aesthetiker d. 18. Jh. (Z. 100j. Todest. T. K. Ph. Moritz): VossZg. N. 203. - 410 a) X (112: 23.) |[LZg®. N. 152.j| — 411) P. N a t h a n , K. Werder: Nation®. 10, S. 437-61. - 412) P. S c h i e n t h e r , Nachruf auf K. Werder: VossZg. N.168. — 413) E. Z a b e l , Z. Erinnerung an K. Werder: NatZg. N. 242. — 414) H. W i c h m a n n , E. Beitr. z. psycholog. Charakteristik K. Werders: DK. 4, S. 182/8. — 415! X K - Werder: NatZg. N. 230. - 416) X Werder: ib. N. 278. — 417) B. Z u m b i n i , F. Th. Visoh er. ( = IV l d : 7 7 , S. 77-95.) — 418) Th. W o l f f , Th. Fontane — Karl Werder: BerlTBl. N. 638. - 419) id., Erinnerungen an E. Werder: ib. N. 183, 187. — 420) P. S c h i e n t h e r , Am Grabe d alten Werder: ML. 62, S. 249-53. — 421) X i d . , E. Werder: VossZg. N. 169. - 422) X K - Werder: Ath. 44, S. 508. - 423) L. F r & n k e l , A. W. Th. Stahr: ADB. 35, S. 403/6. — 424) C. A l b e r t i , R, v. Gottscball: FeuilletZg. N. 482. — 425) A. B a r t e l s , B. y. Gottschall: Didask. S. 230. — 426) (I 2 : 47.) ||ÖLB1. 2, S. 524.]] - 427) K. F r i e d r i c h , R. y. Gottschall: BLU. S. 209-11. — 428) E. Z a b e l , R. y. Gottschall: NatZg. N. 557. — 429) (I 11:21.) — 430) W. Jordan, Dtsch. Hiebe (Frankfurt a. M„ Selbstyerl. 1891. 16°. 31 S. M. 0,60): DDichtung. 13, S. 22. - 431) X (1 1 : 53.) |[B. M. M e y e r : DLZ. S. 971/3.)| — 432) F . R a t z e l , M. Chrn. Sprengel: ADB. 35, S. 299-300. — 4 3 2 a ) Gedenkbl. für J. G. Kohl: WeserZg. 30. Apr. — 433) H. S a n d e r , Bede z. Moosmann-Feier in Schnepfenthal. Dornbirn, F. Kusch. 16 S. M.0,10. _ 434) X E. L a n d s b e r g , B. Windscheid: Nation B .10, S. 84/6 — 435) X K - E. F r a n z o s , R. y. Ihering: DDichtung. 13, S. 50/2, 78-80. — 436) X L e o n h a r d , B. y. Ihering: Zukunft 3, S. 600/8. — 437) X R Ihering: Nation®. 10, S. 3,4. — 437a) X Ad. M e r k e l , B. v. Ibering. Jena, J.Fischer. 37 S. mit Bild. M. 1,20. |[DRs. 77, S. 312/4.J| fAbdr. aus Iherings Jb.) — 438) X •>• K o h l e r , Windscheid u. Ihering: Zukunft 2, S. 54-63, 113,8. — 439) X L e o n h a r d , Ihering u. Windscheid: ib. 4, S. 74-80. — 440) E. L a n d s b e r g , J . A . B , y. Stintzing: ADB. 36, S. 249-54. - 441) X E - Imra. Bekker, Ernst u. Seherz Uber unsere Wissenschaft (JBL. 1892 IV 5 : 278): DR. 3, S. 252/3. — 442) C h r . M. de J o n g e , B. y. Ihering u. d. Jurisprudenz: EonsMschr. S. 63-70. — 443) (I 8:146.) —

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IV 5:444-445

R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.

Als wir im vorigen Jahrgang in der Besprechung s t a a t s w i s s e n s c h a f t l i c h e r Werke bei Gelegenheit von Roschers 4 4 4 ) „Politik" (vgl. JBL. 1892 IV 5:231) den Wunsch nach einem empirischen, Thatsachen statt der Abstraktionen bringenden Lehrbuch der Politik aussprachen, da ahnten wir nicht, dass wir diesmal schon ein solches Werk anzuzeigen haben würden. Als das Ergebnis langjähriger Arbeit, sorgfältigen Sammeins und ernstesten Durchdenkens liegt jetzt Ratzen hofers 4 4 5 ) „Wesen und Zweck der Politik" vor. Das bedeutende Werk hat für uns zunächst als „document humain" Wichtigkeit. Es liegt ein nicht geringer Triumph der auf exakte Beobachtung von Thatsachen gerichteten Strömung unserer Zeit darin, dass ein Forscher wirklich wieder wagt, von Konferenzen und Verträgen, von Kriegsführung und Handelspolitik zu reden, „als ob es sich um geometrische Figuren handle". Und zwar thut er dies mit solcher Zuversicht, dass er seinen Untersuchungen (3, S. 305) „jene unveränderliche Wahrheit" zuschreibt, „die wissenschaftlichen Erwägungen im engsten Anschluss an die lebendige Natur eigen ist"; so zuversichtlich, dass er dem genialsten Praktiker unserer Zeit einmal (2, S. 100) ziemlich von oben herab die Anerkennung zuerteilt, er scheine in einer bestimmten Frage „richtig zu sehen". Diese Zuversicht ruht eben vor allem auf dem ehrlichen Bewusstsein, den Thatsachenvorrat vorurteilslos geprüft zu haben; und wieder diese Vorurteilslosigkeit, die energisch der Politik einen Standpunkt jenseits von Gut und Böse anweist (z. B. 3, S. 411) gehört zu den Zeichen der Zeit. In den Gedankenkreis der Renan und Nietzsche führt auch dieses Zurückgreifen auf die Renaissance: mit Bewusstsein führt R. die Politik in Macchiavellis Spur zurück (1, S. 60) und stellt sich in seiner (übrigens nicht uneingeschränkten) Bewunderung Bismarcks rein auf den praktischen Standpunkt, wie der Florentiner seinen „duca Valentino" um seiner Virtuosität willen bewundert. Als andere symptomatisch bedeutsame Punkte hebe ich die Ueberzeugung von einem ständigen Fortschritt der Menschheit (3, S. 91), die Unterscheidung civilisatorisch fähiger und unfähiger Völker (3, S. 44), den Glauben an die definitive Sesshaftigkeit der Nationen (3, S. 58) und die kühne Konzeption einer Weltpolitik (2, S. 242/3) heraus. All diese Auffassungen führen in die Mitte brennender Zeitprobleme: Die erste antwortet auf die pessimistische Verzweiflung unserer Jüngsten, denen die gepriesene „Entwicklung" nicht rasch, nicht deutlich und greifbar genug marschiert; die zweite schliesst sich der von Renan, Nietzsche, Dühring gelehrten Wertunterscheidung der Nationen an, mit der einer der letzten Punkte aus dem Katechismus der „Aufklärung" gestrichen wird; die dritte hängt mit der Theorie des „Milieu" eng zusammen und ist daher z. B. von dem dänischen Mythologen Vodskov noch allgemeiner als Theorie der örtlichen Gebundenheit aller Kultur ausgesprochen worden ; die vierte endlich schliesst sich den oft phantastischen Ideen des geistreichen „Rembrandtdeutschen" an. Wenn in all diesen Punkten R. wichtige Fingerzeige für die herrschende Gedankenlagerung und Gedankengestaltung liefert, die doch schliesslich für die Litteraturgeschichte immer das letzte und höchste Problem bleibt, so ist auch im einzelnen für uns manche Ausbeute aus dem gedankenreichen Werk zu gewinnen. So werden Gentz (1, S. 126), Sybel und Treitschke (1, S. 141), Gneist und Ihering (3, S. 443), Feuerbach (3, S. 468) gestreift; es wird über den Stil der Staatsschriften (2, S. 15) gesprochen, und zur Charakteristik der Thätigkeit Bismarcks finden sich zahlreiche, zur Beurteilung der verschiedenen „Zeitgeiste" (1, S. 96) beachtenswerte Hindeutungen. Vor allem ist aber die Erörterung über Politik und Geschichtskenntnis (3, S. 445) wichtig, die den berufenen Streit zwischen Staaten- und Kulturgeschichte schlichtet, indem sie beide nur als einzelne Seiten der richtig, d. h. universell, aufgefassten „Politik" darstellt. Zu bedauern ist, dass das treffliche Buch in einem grauen, trocknen Stil geschrieben ist, der oft sogar inhaltlich wertvolle Sätze verdirbt (z. B. 1, S. 325; dagegen 1, S. 273; 3, S. 58 gut geprägte Sätze: „Der Verkehr führt ungeheure Gütermassen spazieren, um sich zu erhalten und dem Kapitel Gewinn zu schaffen".) Hierin hat der Vf. sich leider weniger Macchiavelli zum Vorbild genommen als die modernen Gelehrten, von denen er gelernt hat: Gumplowicz und Spencer (welch letzteren er allerdings auch mehrfach bekämpft, weil dieser Individualist die „sociale Notwendigkeit" nicht versteht: 3, S. 233, 270). Wie R. in seinen Anschauungen den deutschliberalen Oesterreicher nirgends verleugnet, so auch in seiner sorglosen Schreibart, wobei denn allerdings eine fein gegliederte Disposition und eine allzu häufige Anwendung der bestimmten Zahl zur Gruppierung unzählbarer Dinge (z.B. 1, S. 223) dem Mangel einer hell durchleuchteten Schreibart abhelfen müssen. Einen Grenzstein in der Geschichte der theoretischen Politik wird deshalb doch dies Buch bedeuten, dessen Autor so scharf und klar Grosses und Kleines sieht und bei der Vorführung der politischen Faktoren 444) X L - H n m b e i t i : BLU. S. 133/4; AZgB. N. 130; J. K a h m : SchwBs. 1, S. 607-20; O. G i l d e m e i s t e r : Nation8. 10, S. 346/8. — 445) G. R a t z e n k o f e r , Wesen u. Zweck d. Politik. Als Teil d. Sociologie n. Grandlage d. Staatsirisaeasohaften.

R. M. M e y e r , Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.

I V

: 446-472

5

das internationale Gaunertum (2, S. 284) so wenig vergisst wie den Adel oder die Kirche. Und da die Literaturgeschichte dieser politisch sturmbewegten Zeit eine Einsicht in das Getriebe der gouvernementalen, parlamentarischen, journalistischen Maschinerie nicht entbehren kann, wird R.s Werk schliesslich auch ganz direkt dem Literarhistoriker zum wertvollen Hiilfsmittel. Und der praktische Pädagog, der Schulmann wird R.s Worte über das Schulwesen (3, S. 273/4) vielleicht auch dann beachtenswert finden, wenn er (wie ich) die Nachahmung der Napoleonischen „université", die Verwandlung aller Schulen in eine uniformierte Pyramide, nicht wünschenswert findet. — Einige Einzelstudien zur Nationalökonomie, über den Schweizer Muret (von L a u t e r b u r g 4 4 6 ) und über F. A. Lange (von R e i c h e s b e r g 4 4 7 " 4 4 8 ) , schliessen sich an. — Der Versuch, durch die „Sociologie" 449 ) die Nationalökonomie auf den Boden der N a t u r w i s s e n s c h a f t e n überzuführen, bringt uns zu diesen. Interessant muss nach den mitgeteilten Auszügen der Briefwechsel zwischen den Ch e m i k e r n Berzelius und Liebig sein, den J. C a r r i è r e 4 5 0 ) herausgab. Leider schliesst diese Korrespondenz, so herzlich sie beginnt (Liebig schreibt an den schwedischen Kollegen: „Ich bin Dein Sohn im Herzen, ich will es im Geiste sein"), mit einem Bruch. Charakteristisch lautet Liebigs abschliessendes Urteil: „Es würde ein Verzug gewesen sein, wenn Berzelius etwas empfänglicher gewesen wäre für das Schaffen durch den Gedanken, was ich die Poesie des Naturforschers nenne." — Neben den Chemikern stehen die P h y s i k e r : Abt. Steiglehner, der Physiker und Meteorolog und letzte Fürst von St. Emmeran, von K n o t t 4 5 1 ) gewürdigt, scheint durch eine Welt getrennt von den Neueren, von W i l h . Weber 4 5 2 ), von Rob. Mayer 453 ), von Helmholtz 454) und W. v. Siemens 455 " 45 '), den vor allem K u n d t 4 5 8 ) aus seinem eigenen Geist heraus schildert. — Kommen wir zu den B otan i k e r n , so scheint der Abstand kaum geringer zwischen einem Polyhistor des vorigen Jh. wie Sprengel, über den S t r a s b u r g e r 4 5 9 ) sowie W u n s c h mann und P a g e l 4 6 0 ) schrieben, und einem neueren Systematiker wie Reichenbach, dem G r o t t e w i t z 4 6 1 ) eine Gedächtnistafel errichtet. — Mit der Botanik wieder steht die M e d i z i n in alter Verschwisterung. Unter dem Titel „Medizinisches aus der Weltgeschichte" hat der Tübinger Arzt V i e r o r d t 4 6 * ) „Buntes Allerlei" zusammengestellt: Nachrichten über die Schädel Schillers (S. 7) und Kants (S. 9), über Goethes Geburt (S. 2), Hallers Jugendkrankheit (S. 7), die Esslust Friedrich Wilhelms I. und den Geschmack Friedrichs des Grossen an stark gewürzten Speisen (S. 20), über den Tod dieser beiden Könige (S. 24), Schillers (S. 27) und Luthers (S. 43) und das Ende Ludwigs II. von Bayern (S. 63). Ueber die Gicht (S. 41) und eine schlimmere Krankheit (S. 52) hätte die Litteraturgeschichte mancherlei Material beisteuern können, während andererseits V. besser daran gethan hätte, ^in der Aufnahme litterarischer Namen in die Liste der „griechisch Liebenden" (S. 67) vorsichtiger zu sein : Platen muss hier noch auf Heines Zeugnis hin am Pranger stehen ! — Einzelne hervorragende Aérzte wie Stifft und Schönlein erhielten durch P a g e l 4 6 3 ) und L e i t s c h u h 4 6 4 ) Biographien, Moleschott durch M a r s c h a l l 465) und A l b u 4 « 6 ) Nachrufe: uns interessiert dieser näher durch sein Buch über Hettner als Stricker46 ') durch kleinere Schriften, auch über Goethe. 468 " 469 ) - Aus der Medizin ging auch Fechner hervor, der Gründer der P s y c h o p h y s i k 4 1 0 ) , über dessen „Humor und Glauben" L a s s w i t z 4 7 4 ) klar und hübsch wie immer schrieb. — Erfinder anderer Art sind die S t e n o g r a p h e n Gabelsberger, den K r ü g e r 4 7 2 ) 3 Bde.

L., Brockhaus.

X, 400 S . ; V I I , 863 S.;

I X , 481 S.

M. 20,00.

-

44$)

A.

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J, L . Muret,

e

Schweiz.

Nationalökonom n. Statistiker d. 18. Jh. ( = Berner Beitrr. z. Gesch. d. Nationalökonomie. Her. v. A. O n c k e n . N . 5.) Bern, H. J. W y s s . 71 S. M. 1,40. — 4 4 7 - 4 4 8 ) N . R e i c h e s b e r g , F. A . Lange ale Nationalökonom. Diss. Bern. 1892. 35 S. (Vgl. JBL. 1892 I V 5 : 270a.) — 4 4 9 ) X B a r t h , D . Sociologie e. neue Wissensch.: B L U . S. 529-32, 545/7.— 4 5 0 ) Berzelius o. Liebig. Ihre Briefe Y. 1831-45 mit erlüut. Einschaltungen ans gleichzeit. Briefen v. Liehig u. Wähler, sowie Wissenschaft). Nachweisen her. mit Unterstützung d. kgl. bayer. Ak. d. Wissensch, r. J. C a r r i è r e . München, J. P. Lehmann. V I I I , 279 S. M . 6,00. |[E. L e h m a n n : B L U . S. 461/3; Didask. N. 28 1| ( V g l . I V l c : 117.) — 451) B. K n o t t , CSI. Steiglehner: A D B . 35, S. 593/5. — 4 5 2 ) X H - Weber, W . W e b e r ( T g l . J B L . 1892 I V 5 : 2 0 5 ) . !(E. E e h n i s c h : G G A . S. 163-75; E. L e h m a n n : B L U . S. 625/8; KonsMschr. S. 1258.]| — 4 5 3 ) X Rot- Mayer, Kleinere Schriften u. Briefe. Nebst Mitteilungen ans seinem Leben. Her. T . J . J . W e y r a n c h . St., Cotta. X V I , 503 S. M i t 2 Abbild. M . 10,00. |[L. G r a e t z : AZgB. N . 222J| — 4 5 4 ) X H. v. Helmholtz, Popular lectures on scientific subjects, trans, series 1, new ed. London, Longman. Sh. 3/6. — 4 5 5 ) X W . v. Siemens, Personal recollections. Transl. by W . C . C o u p i a n d . London, Asher and Co. Sh. 15. l[SaturdayR, 76, S. 574/5.]| — 4 5 6 ) X W.V.Siemens: N a t i o n » . 10,S. 158. — 4 5 7 ) X G- » » M u y d e n , W . de Siemens: B U R S 57. S.345-61. (S. dazu ih. S. 1 7 6 ) - - 4 5 8 ) A . K u n d t , Gedächtnisrede auf W . v. Siemens. B. (G. Reime). 4°. 21 S. M. 1,50. (Aus AbhAkBerlin.) — 4 5 9 ) E d . S t r a s b u r g e r , Z. lOOj. Gedächtn. an „D. entdeckte Geheimnis d. N a t u r " : DRs. 77, S. 113-30. — 4601 J. W u n s c h m a n n u. J. L . P a g e l , Kurt Sprengel: A D B . 35, S. 296/9. — 4 6 1 ) K. G r o t t e w i t z , Z. Gedächtnis L . Reichenbachs: NatZg. N. 13. — 4 6 2 ) H . V i e r o r d t , Medizinisches ans d. Weltgesch., Bnntes Allerlei. Z. Feier d. 50j. Doctorjubil. E v. Roths. Tübingen, Laopp. V I , 80 S. M. 1,60. — 4 6 3 ) J. L . P a g e l , A . J. Frhr. v. Stifft: A D B . 36, S. 216/7. — 4 6 4 ) F. L e i t s c h u h , J. L . Schönlein. Z u seinem lOOj. Geburtst. ( A u s : ,.D. Bayerland.") München (Bamberg), (.'. Hübscher. 19 S. Mit Bild. M.0,50. — 4 6 5 ) W . M a r s o h a l l , J. Moleschott: n i Z g . 100, S. 604. 4 6 6 ) A . A l b u , J. Moleschott: Geg. 43, S. 354/6. 4 6 7 ) X c - C o h n , Z. Erinnerung an W . Stricker: A F r a n k f G . 4. S. 385/9. 4 6 8 ) X z - 70. Geburtst. F. v. Esmarchs: I U Z g . 100, S. 38. — 4 6 9 ) X W . K r e b s , M. T. Pettenkofer: ib. S. 562. — 4 7 0 ) X F - K u h , Ausblicke auf e. j u n g e Wissensch.: WeserZg. N . 16798. — 471) K. L a s s w i t z , Humor u. Glauben bei G. Th. Fechner (Dr. M i s e s ) : VossZgB. N. 6, 8. — 4 7 2 ) B e r n h . K r ü g e r , F. X. Gabelsberger. Allegor. Festspie). (=r Reuters Bibl. für Gabe)sberger Stenographen. Bd. 26.) Dresden, W i ) h . Reuter. 23 S. M. 0,50, - ,

IV 5 :473-504

R. M. M e y e r , Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.

feiert, und Stolze, über den Alberti 4 7 3 ) handelt.474) — Die reine erfinderische Phantasie aber, von allen technischen Behinderungen frei, zeigt sich in grossen M a t h e m a t i k e r n wie J. Steiner, dessen Leben Cantor 475 ) schrieb.415®) — Steiner Verdankte die ersten Anregungen zu seinen geometrischen Leistungen der Pestalozzischen Anstalt in Iferten. So verbindet er uns mit der P ä d a g o g i k . Hamann, den Lettau 476 ) mit ostpreussischem Lokalpatriotismus als Geistesverwandten des Comenius rühmt und für dessen Bedeutung er Citate sammelt, und O v e r b e r g , von dem A. Richter 4 7 7 ) Nachricht giebt, vertreten noch den alten Geist christlicher Schulzucht. — Aber schon ein Mann wie J . H . S t e f f e n s kommt nach B r a n d e s 4 7 8 ) Schilderung der Pädagogik der Aufklärungszeit nahe, ohne sie doch zu erreichen: „Seine Schrift 'Von der Moralität der Schauspiele' (Celle 1746) regt zu einem interessanten Vergleich mit Schillers ähnlichem Aufsatze an und bringt den himmelweiten Abstand der ästhetischen Auffassung zweier aufeinanderfolgenden Zeitalter drastisch zur Anschauung." — Die ästhetische Auffassimg ist nun freilich auch nicht die481starke Seite B a s e d o ws 479 ) und seiner Nachfolger, wie S a l z m a n n 480) und T r a p p ). — Diese Richtungen aber sind in der Gegenwart wohl fast ganz auf 482 bestimmte Anstalten beschränkt; von P e s t a l o z z i ) bleibt die neuere Pädagogik beherrscht trotz Schleiermacher 4 8 3 ) und trotz H e r b a r t 4 8 4 ) . — Nur als neue Reiser an dem von ihm gepflanzten Baum blühten die Turnkunst und die Kindergärtnerei auf, beide auf systematische Erziehung der menschlichen Herrschaft über den eigenen Körper gerichtet.487 Ueber J a h n 485~486) erscheinen jedes Jahr eine Reihe unbedeutender Aufsätze ), die zu seinem Bilde keine neuen Züge bringen. — Das erste deutsche 4 Turnbuch, die „Gymnastik für die Jugend" von G u t s M u t s , hat durch L u k a s 8 8 ) Sorge eine Jubiläumsausgabe erlebt. Das liebenswürdige Büchlein ist hier auch mit seinen charakteristischen Kupfern geziert; eine knappe Einleitung orientiert ausreichend und anspruchslos.489) — Ueber F r ö b e l schrieb P ap p e n h e i m490"491), der auch seiner getreuen Schülerin B e r t h a von Marenholtz ein Denkmal setzte. — Ein pädagogischer Specialist, Stamford, hervorragend als Militärlehrer, wird von P r o hie 4 9 2 ) geschildert: Mauvillons Nachfolger, der Erzieher des Prinzen Louis Ferdinand (und Friedrich Wilhelms III.), selbst Lyriker im Kreis der Bürger und Goeckingk, lässt er uns so recht den Abstand zwischen der Zeit der Ewald Kleist und unserer Gegenwart erkennen. fast alle in die Sagen des — Von den Gymnasialpädagogen S t o 11, der uns wohl klassischen 493a Altertums eingeführt hat — K o l494 d e w e y 4 9 3 ) schrieb über ihn — und K. S t r u v e4 9 5 ) kommen wir mit M a s i u s ) auf die U n i v e r s i t ä t e n und zu Virchows ) viel besprochener Rektoratsrede. Sie charakterisiert kurz die Blütezeiten der Philosophie in Halle (S. 14), Königsberg (S. 15) und Berlin: Fichte (S. 16), Hegel (S. 16/7), Schölling (S. 18) und Friedrich Wilhelms III. Stellung zur Philosophie (S. 19). A. von Humboldt (S. 22) bedeutet ihm den definitiven Uebergang in die naturwissenschaftliche Zeit, die aber doch (S. 29) vor dem Mystizismus nicht sicher ist. Vielleicht kann sie 498 doch auch die Hülfe von Geschichtsforschung und Philologie noch fürder gebrauchen. ) — Fichte 4 9 7 " 4 9 8 ) selbst gehört mehr zu den „ V o l k s erziehern" als zu den eigentlichen Pädagogen; dagegen ist an Männer wie Steinbrüchel und Rochholz nochmals zu erinnern (s. o. N. 359, 390). — Pädagogen und oft Volkserzieher wollen auch die besseren J o500-501 urnalisten sein. Eine ganze Reihe von U e b e r s i c h t e n von F r a n c k 499), Mähly ) u. a. 502 handelt über die Presse im 503 allgemeinen oder einzelne Seiten derselben. ) — Specieller behandelt Osk. Lehmann ) die deutschen moralischen Wochenschriften des 18. Jh. als pädagogische Reform Schriften.504) — Auch dies Jahr hat ein Paar Zeitungs473) E. A l b e r t i , W. Stolze: ADB. 36, S. 425/8. - 474) X E - Erfindergenie (T. Drais): StrassbPost. N. 275. - 475) II. C a n t o r , J. Steiner: ADB. 35, S. 700/3. — 475a) X L. S t i e d a , Willi. Struve: ib. 36, S. 693/8. — 476) L e t t a o , J . G. Hamann als Geisterverwandter d. Comenins: MhComeniusG. 2, S. 201-13. — 477) (I 6 : 56.) — 478) F. B r a n d e s , J . H.Steffens: ADB. 35, S. 558/9. - 479) X (I 6 : 4 4 . ) — 4801 X A n a s t a s i a , Salzmann als Erzieher. Diss. Leipzig. 1892. 53 S. — 481) X A. G d n d e l , Leben u. Wirken E. Chr. Trapps. Diüs. Leipzig. 1892. 53 S. (Vgl. JBL. 1892 I 10 :49.) - 482) X Goethefeier auf d. Brenner: ib. S. 25, 32, 39. — 42) X B & r k n e r , Karl Alexander u. Sophie. E. ffirstl. Jubelpaar. Festschr. z. 8. Okt. 1892. Weimar, Böhlau. 1892. 32 S. M. 0,20. (Kit 2 Bildn.) — 43) X Festschrift z. 8 Okt. 1892 (Tgl. JBL. 1892 IV 8 a : 32). |[V. V a l e n t i n : BFDH. », S. 75; H. C. K e l l n e r : MGoetheVZwickau. N. l.]| — 44) (II 3 : 37; n i 3 : 8; IV 4 : 308: 8e : 55.) |[HambNachr. N. 221 .]l - 45) X M - Koch, Wertherausstellung (vgl. JBL. 1892 IV 8 a : 40; 8d : 14): BFDH. 9, S. 57/8, 189. (S. u. IV 8d : 29.) - 46) Goethe-Ausstell, in Heidelberg: AZg«. N. 59. — 47) [B.] B [ e c h s t e i ] n , Goethes Theaterleitung in Weimar: RostockZg". N. 317, 329. — 48) X A C h u q u e t : BCr. 35, S. 132.— 49) F. M e n c i k , Ueber Kilian Brustieck: MTGDB. 31, S. 183/9. — 50) G. K r e y e n b o r g , Amalia y. Sachsen-Weimar u. ihre erziehliche Th&tigkeit. P&d. Skizze aus Alt-Weimars tagen: RhBUEU. 67, S. 146-68. — 51) H. C. K e l l n e r , Karoline Jagemann u. ihre Mannheimer Lehijahre: MGoetheVZwickau. N. 1/2. — 52) (IV 4:412; 8 e : l l . ) — 53) F. v. d. H e l l e n , Ueber d. verschiedenen Zweige d. hiesigen Thätigkeit. E. Vortr. y. Goethe: GJb. 14, S. 3-26. (S. bes. S. 7/8, 20.) — 54) H . S i t t e n b e r g e r , D. Dramat. u. Theatralische in Goethes Dramen. Ausz. aus e. Vortr. im Wiener Goethe-Ver.: ChWGV. S. 13/9. (S. u. IV 8e :1.) — 55) (9. 0. N. 53; S. 3/7.) — 56) M. Koch: BFDH. 9, S. 358-60. (Bespr. v. N. 53.) — 57) (8. o. N. 40.) —

V. Valentin, Goethe: Allgemeines.

IV

8 a : 68-70

Thätigkeit in Weimar auf dem Gebiete der Bildkunst überhaupt. Er knüpft gerade hieran an, weil es das Gebiet ist, worüber das Publikum („man") „am ersten etwas Allgemeines sieh zu sagen erlaubt". — Koch 6 6 ) versteht unter „man" Goethe selbst, und stellt daher Goethes Meinung von seiner Berechtigung hierüber zu reden das Urteil von Malern entgegen, die sie ihm absprechen, besonders die von StaufferBern. — In zusammenfassender Weise behandelt „Goethes Ansichten über Bildkunst" R o b e r t Vischer 5 7 ). Der Hauptzweck ist, mit möglichstem Anschluss an Goethes eigene Worte das realistische Element in seinen Ansichten über bildliche Darstellungen und seine Neigung zu Dürer und den Niederländern darzuthun. Goethes Entwicklungsgang zeigt ihn zuerst als Romantiker und Realisten, hierauf als Idealisten und Puristen, aber dann wieder ab und zu auf den Lieblingspfaden seiner Jugend. Einen Hauptbeleg für V.s Darlegungen bildet der Aufsatz Goethes „Nach Falconet und über Falconet". — Dieses „wichtigste Zeugnis der Kunstanschauungen Goethes in den Jahren der Gärung" hat W i t k o w s k i 5 8 ) einer sorgfältigen Untersuchung unterzogen und das Rätsel des Titels im Verhältnis zum Inhalte des Aufsatzes glücklich gelöst. Er schildert eingehend Falconets künstlerische Bedeutung, seine Stellung zu Diderot und besonders zu Lessing und der deutschen Litteratur überhaupt. Eingehend untersucht er Falconets Schrift „Observations sur la statue de Marc-Aurèle", aus der Goethe eine Stelle zu Anfang seines Falconetaufsatzes wörtlich übersetzt hat. Er weist die Verwandtschaft zwischen Falconets und Goethes Auffassungen nach, die sich bis auf den Stil erstreckt. So ergiebt sich, dass Falconets Werke ausser durch die Beziehung auf Goethe überhaupt „als Zeugnisse eines eigenartigen Geistes und eine unbeachtete Quelle für die Erkenntnis der Kunstanschauungen seiner Zeit" Bedeutung haben. — Den Einfluss, den Mengs auf Goethe ausgeübt hat, legt Harnack 5 9 ) eingehend dar;, er zeigt die übereinstimmenden Punkte, weist die Abweichungen Goethes von Mengs auf, erläutert das Eingreifen Lessings und Goethes Umarbeiten und Weiterführen, so dass seine Darlegung einen trefflichen Einblick in Goethes eigene Entwicklung bietet. Das Studium der Natur und ihre Umgestaltung zu Schönem, die Beurteilung der antiken Malerei, die Darstellung des prägnanten Augenblickes der Handlung, ob nicht transitorisch oder transitorisch, die Methode der Betrachtung und Beschreibung von Kunstwerken nach festem Schema, die historische Kunstbetrachtung Goethes sind die Hauptpunkte, die zur Behandlung kommen. — Einen Einfluss auf Goethes kunstwissenschaftliche Auffassung weist Harnack 59 ") für den Schluss von Goethes Laokoonaufsatz durch Heranziehung einer Stelle aus Oh. Heynes Sammlung antiquarischer Aufsätze nach. — Lambels Ausgabe „Von Deutscher Art und Kunst" (vgl. JBL. 1892 IV 7 : 13; 8a : 50) wird weiter besprochen60). — Von eigenen Arbeiten Goethes schildert Ruland 6 1 ) aus dem reichen Schatze des Goethe-Nationalmuseums einige Blätter aus den ersten weimarischen Jahren, aus der Zeit des frohen und freien Umherschweifens in den Thüringer Waldthälern ; sie erhalten ihre besondere Bedeutung durch ihre Niederschriften und Verse und deren Beziehung zu Charlotte von Stein. — Zwei Radierungen Goethes veröffentlicht Wustmann 62 " 63 ). — Eine Handzeichnung Goethes, eine an die Hexenküche im Faust erinnernde, sie jedoch nicht darstellende Beschwörungsscene giebt in photographischer Nachbildung der Faustkatalog64). — Ueber persönliche Beziehungen zu dem schwäbischen Künstler Heinrich Rapp und zu Stuttgart berichtet Strömfeld 6 5 ). — Goethes Beziehungen zur M u s i k behandelt Bock 66 " 67 ), aber in wenig genügender Art: weder die Briefe Goethes noch die neueren Mitteilungen von Ruland sind hinreichend verwertet. — G e i g e r 6 8 ) schildert den Missbrauch von „Werthers Leiden" für einen französischen Operntext zur Musik von Massenet. — Max Chop 6 9 ) charakterisiert Bungerts Sinfonische Dichtung „Tasso. Nach W. v. Goethe." Er findet in der .Komposition „den ganzen Gedankengang des Goetheschen Dramas." Alle Personen erstehen vor unserem geistigen Auge, alles ist specialisiert : „An der Hand der in scharfen Umrissen die Charaktere zeichnenden Motive drängt sich uns die Handlung mit unabweisbarer Ueberzeugungstreue auf, kein Missverständnis ist möglich" — ein Urteil, das auf völlige Unkenntnis des Wesens der absoluten Musik hinweist, die weder Personen noch Handlungen specialisieren kann, so dass sie jeder Hörer gleichmässig auffassen müsste. — Ritters Studien und Skizzen (vgl. JBL. 1892 IV 8a:56) sind weiter besprochen worden70). — 58) G. W i t k o w s k i , Goethe u. Falconet. ( = 1 1 : 118; S. 75-96.) |[M. K o c h : BFDH. 9, S. 379.JI — 59) (I 12 :15h.) — 5 9 a ) 0. H a r n a c k , Zn Goethes Laokoonaufsatz : VLG. 6, S. 156/8. — 60) X BI"U. 8.143 ; M. Ko e h : BFDH 9, S. 192. (Vgl. IV 7:16.) — 61) C. R u l a n d , Verse n. Niederschriften Goethes zu Zeichnungen. (Mitteil, ans d. Goethe-Nationalmus.): GJb. 14, S. 142-50. |[M. K o c h : BFDH. 9, S. 358.]| (S. bes. S. 142/7.) — 62) G. W ö s t m a n n , Zwei Radierungen Goethes: ZBK. 4, N. 5, S. 97/9. 63) X Niwa 24, N. 16 (17. [19.] Apr.). (Abdr. e. Radierung d. jungen Goethe mit d. Unterschr.: „Dedie & Monsieur Goethe, conseiller actnel de S, M. Imperiale, par son fils très obéissant"; vgl. Th. H e y s e : GJb. 15, S. 359.) — 64) (S. o. N. 42; Beil.) — 65) G. S t r f t h r o f e l d , G. H. Rapp, e. schw&b. Kaufmann n. Künstler: FZg. N. 159. (S. u IV 8b : 49; 9 : 20.) — 6 6 ) ( 1 1 3 : 4 1 ; S. 86-11& Goethe.) |[M. K o c h : BFDH. 9, S. 399-400.]| — 67) X A - B o c k , Goethe n. Spontini: Zeitgeist N. 38. — 68) L. G e i g e r : FZg. N. 124. — 69) U. C h o p II. C h a r l e s ) , Sinfonie u. sinf. Dichtung: D. neue Kurs 2, S. 662/8. — 7 0 ) X Jahresberichte ffir neuere deutsche Literaturgeschichte. IV. (4)22

IV 8a : 71-78

Y. Valentin, Goethe: Allgemeines.

Goethes Stellung zur R e l i g i o n wird vom Standpunkte strengster dogmatischer Gläubigkeit aus durch Dekan Kap ff" 1 ) behandelt.-; Er betrachtet in Goethes religiöser Entwicklung drei Stufen: bis 1786, bis 1805, bis 1832. Schon in der ersten Periode findet sich neben Goethes Sympathie für'das Christentum eine zunehmende Erkaltung ihm gegenüber. Dann wird Goethe „in der Schule des Pantheismus der vollendete Heide." In der dritten Periode hat er mehr als ihm bewusst war, von dem Wege der Versöhnung mit Gott durch Christum in sich aufgenommen : er wusste wenigstens ganz gut, was Wiedergeburt ist. Daneben werden Goethe seine vielen Liebschaften sowie seine Idealisierung des Selbstmordes in Werthers Leiden vorgehalten, durch den er „zu der ungeheuren Zunahme des Selbstmordes in der neuesten Zeit viel beigetragen hat." Ebensowenig wird der Vorwurf des Mangels patriotischer Gesinnung vergessen. — Gleichfalls vom streng christlichen, aber nicht engherzig dogmatischen Standpunkt aus beurteilt H e i n z e l m a n n 7 2 ) Goethes religiöse Entwicklung. Er erklärt es für verfehlt, „den Genius mit der Elle eines ob auch noch so schulgerechten dogmatischen oder kritischen Alltagsverstandes messen zu wollen", und will seine Aufgabe vom Gesichtspunkt „rein geschichtlicher Betrachtung" lösen. Aus der schwankenden Jugendzeit mit ihren mancherlei Anregungen zum Deismus, Rationalismus und zur Gefühlsschwärmerei gelangt Goethe zu seinerfHinneigung zum Pantheismus. In der zweiten Periode 1786—1805 werden seine Naturforschung sowie seine sittlichen und ästhetischen Anschauungen vom Pantheismus beherrscht, aber „als Mensch ist er durchaus Theist." Er offenbart das besonders in der Harzreise im Winter: „Das ist der wahre Goethe, der mit dem tief mitfühlenden, frommen, deutschen und von Natur doch christlichen Herzen — das ist unser Goethe." Im Ganymed zeigt er sich als „der fromme Theist." In der „Periode der Vollendung" trägt seine theistische Weltanschauung „so unverkennbar die Einwirkungen des christlichen Geistes an sich, dass wir ihr das Prädikat einer echt christlichen Denkweise nun und nimmer mehr versagen können", so wenig auch seine „religiössittliche Weltanschauung in den engen Rahmen irgend eines besonderen kirchlichen Bekenntnisses passen möchte." H. bleibt bei den grossen Gesichtspunkten und hält sich von kleinlicher7 3Nörgelei durchaus frei. — Goethes Verhältnis zum Christentum behandelt Umfried ), indem er den Kampf gegen74 den Gekreuzigten als den eigentlichen Inhalt der Fausttragödie zu erkennen glaubt "71). — Zardo 78 ) dagegen untersucht Goethes Verhältnis zum Katholizismus. Er geht davon aus, dass Goethe als artista e poeta als Polytheist, dagegen als naturalista als Pantheist zu betrachten ist; in späteren Zeiten glaubt er auch an die Unsterblichkeit, wenn nicht aller, so doch der grossen Entelechien. Indessen verhindert Goethe seine philosophische Anschauung nicht, das Christentum als etwas Grosses anzuerkennen, was wiederum seine Antipathie speciell gegen den Katholizismus hervorzubrechen nicht abhält : so in den venezianischen Epigrammen, in der Braut von Korinth — wo es sich freilich um das Christentum, nicht um den Katholizismus handelt! — und in der italienischen Reise. Z. findet es dem gegenüber geradezu erstaunlich, dass trotzdem Goethe die Inni sacri von Manzoni, obgleich sie ein Ausdruck strenggläubigsten Katholizismus sind, doch warm begrüsst und im Gegensatz zu Manzonis Landsleuten für gross und bedeutend erklärt. Das Rätsel löst sich ihm in der Erkenntnis, dass „il Goethe aveva animo così grande che tutto abbracciava e tutto comprendeva quanto gli paresse veramente degno, senza cercare donde venisse, a quale scuola appartenesse e a quali principii fosse inspirato." Statt sich mit dieser trefflichen Erkenntnis zu begnügen, unternimmt Z. es nun aber zu zeigen, wie allmählich bei Goethe die ästhetische Wertschätzung des Katholizismus einer sachlichen Platz gemacht habe, und beruft sich dafür auf Goethes Charakterisierung der sieben Sakramente und ähnliche Urteile, auf den tiefen Eindruck, den katholische Kirchenmusik auf Goethe gemacht hat, auf sein Verständnis des heiligen Philipp Neri. So kam Goethe, als er „maturo d'anni e già provetto nell arte" seine katholische Legende des Faust machte, dazu, aus ihr die Inspiration der schönsten Scenen zu gewinnen. Dass Z. die Scene Gretchens vor der mater dolorosa und die Domscene zu den Schöpfungen des Goethe „maturo d'anni" zählt, ist freilich kühn. Nicht minder kühn ist die unbedenkliche Annahme der Identität eines dramatischen Motivs mit der persönlichen Ueberzeugung des Dichters, und gänzlich übersehen ist, dass Goethe seinen Faust durchaus unkatholisch statt

DLZ. S. 149-50. — 71) (IV l a : 1 3 ; 11:3.) |[M. Koch: BFDH. 9, S. S81/2; BLU. S. 686/7J! — 72) W. H e i n z e l m a n n , Goethes religiöse Entwicklung. ( = Vortrr. n. Aufs, aas d. Comenius-Ges. 1, N. 2 ) L., ß. Voigtländer. 24 S. M. 0,75. (Vorher schon erschienen: MhComeniusGes. 2, S. 105-26.) — 73) O. L. U m f r i e d , Goethe d. dtsch. Prophet in d. Faust- u. Meisterdiohtnng mit e. Anh. d. benützten, teilw. erst nea aufgefundenen Quellen in Goethes Werken, Korrespondenzen nsw. St., Bonz. XVI, 178 9. M. 3,00. |[M. Koch: BFDH. 9, S. 382; KB1GRW. 40, S. 251/3; L. F r & n k e l : BLU. S. 401; BerlTBl. N. 346.]| (S. n. IV 8e : 68.) — 74) X Stimmen ans d. Vergangenheit: „Goethe n. d. Religion": BayreuthBll. 16, S. 29-31, 307-19. — 75) X Goethe aber d. Bibel: DAdelsbl. S. 956/7. - 76) X Goethe über Beligiosit&t, Christentum u. Judentum: DSBU. N. 240. — 77) X H. B a u m g a r t e n . Goethes relig. Weltanschauung. Vortr. Koburg, Sendelbach. III, 24 S. H. 0,40. — 78) A.

V. V a l e n t i n , Goethe: Allgemeines.

IV

8 a : 79-91

durch Dogmengläubigkeit und Bekehrung- vielmehr infolge seines strebenden bemühens der H i m m e l s h e r r l i c h k e i t teilhaftig werden lässt. —

Sich-

In Goethes Verhältnis zur P h i l o s o p h i e wird dagegen seine pantheistische Weltanschauung hervorgehoben. B i e s e 1 9 ) legt dar: was Goethe dem System Spinozas entlehnte, das war die Ueberzeugung, „dass nur die klare Erkenntnis der Affekte die Befreiung von ihnen in sich schliesse, dass alles einen endlosen Kausalnexus wirkender Ursachen bilde, der weder für Zufall noch Willkür einen Raum lässt, dass nichts anderes sei und geschehen könne als es ist und geschieht, und vor allem der metaphysische Hauptsatz von der Immanenz Gottes, von der Einheit von Gott und Welt." „Von dieser Harmonie ist seine Dichtung, vor allem seine Naturpoesie durchdrungen; sie ist die Seele seines dichterischen Pantheismus, sie führt zur innigen Sympathie mit allen Lebewesen, die ja dem gleichen Urgrund wie der Mensch entflossen sind." B. führt dies besonders am Werther und an Goethes Lyrik durch. — Optimismus in Goethes Weltanschauung findet A l f o r d 8 0 ) ; er legt diese „very important side of Goethe's character" in einer Auswahl von Aussprüchen in Briefen, lyrischen und reflektierenden Gedichten dar. — W e n l e y 8 1 ) dagegen sucht das pessimistische Element in Goethe. Er findet es überall, wo das Recht des Individuums gegen die Uebergewalt des Allgemeinen ankämpft und so zu einem tragischen Konflikte führt. Hier liegt eine Verwechslung ästhetischer und ethischer Probleme vor: die Lösung des Dichters fällt nicht zusammen mit der Lösung des philosophischen Denkers. W. erklärt die Erweiterung und Vertiefung des pessimistischen Elements in Goethe als „the first effect of devotion to Spinoza" und will nachweisen, dass die späteren Werke eine richtigere Lösung versuchen als die früheren. Als bleibende Schwäche erkennt er jedoch den Umstand, dass Goethe „who was a stranger to deep sense of sin, could not apprehend the mediatory power of a God able to save." Das Ziel der Untersuchung ist philosophisch, der Gesichtspunkt der Beurteilung rein theologisch. — Die von Louvier zur Erklärung von Goethes Braust versuchte Anwendung der K a b b a l a (vgl. J B L . 1892 IV 8a: 69/70; 8e:60/l; s. u. IV 8e:7l/2) hat einen Apostel gefunden: M ü l l e r - H o l m 8 2 ) giebt „eine Stelle, die kein Mensch erklären kann," in der Erklärung Louviers, um ein deutliches Beispiel von der Richtigkeit seiner Methode aufzuweisen. Die unerklärliche Stelle ist: „Habt Ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeist?" Freilich muss sich M.-H. sofort belehren lassen, dass der Vers längst richtig verstanden wird; das stört ihn aber nicht, da ja stets ein Doppelsinn da ist. So bleibt „Herr Hans": Don Juan und „Ihr": der steinerne Gast. Ein Neubekehrter wird nicht wieder rückfallig, und Louviers Methode ist gerettet. — Goethes S t e l l u n g in d e r s o c i a l e n E n t w i c k l u n g der Menschheit wird in Besprechungen von Mühlhausen (vgl. J B L . 1892IV 8 a : 82) weiter behandelt.8*) — T e m m i n g 8 4 ) giebt an der Hand von Wilhelm Meisters Lehr-und Wanderjahren eine Schilderung von Goethes Bildungsideal und kommt zu dem Ergebnis, diesem „Bildungsideal, das hinsichtlich der Frage nach Irrtum und Schuld immerhin einer gewissen Sophistik nicht ganz entbehrt, aus streng ethischen Gründen nicht in allen Stücken" zustimmen zu können: „Die Schule der Romantiker nahm dieses Ideal der sittlichfreien Persönlichkeit in sich auf: sie hat sich heute überlebt." — K e r n s 8 5 ) Behandlung von Goethes Wort: „Es bleibt Idee und Liebe" ist eine adhortatorische Rede an Abiturienten. 86-87 ) — Auf Goethes S t e l l u n g in der K u l t u r g e s t a l t u n g wirft T i l l e 8 8 ) einen interessanten Blick, wenn er nachweist, dass Goethe es war, der den Christbaum in die deutscheLitteratur eingeführt hat.— In den vom Grafen v o n S c h a c k 8 9 ) herausgegebenen Schriften E. Dorers wird Goethe unter den Dichtern hervorgehoben, die ihrem Volk ins Gewissen reden, wie unwürdig es civilisierter Menschen ist, die Tierwelt roh zu behandeln. — Goethes p o l i t i s c h e S t e l l u n g behandelt E l l a H a g e m a n n 9 0 ) auf Grund bekannten Materials von dem Gesichtspunkte aus: „It is unfair and undesirable to let the man as he was in his old age entirely overshadow the man in his youth and in his prime." — Auf Grund wirklich historischer Forschung behandelt Goethes politische Lehrjahre L o r e n z 9 1 ) . Zuerst sprach er hierüber auf der GeneralZ a r d o , Goethe e il catholicisroo: NAnt. 127, S. 673-89. — 79) A. B i e s e , Qoethes dichterischer Pantheismus. Festvortr. zu Goethes Geburtstag im FDH. zu Frankfurt a. M.: BFDH.9, S. 3-25. — 8 0 ) 6 . A l f o r d , Goethes Optimism. ( = N . 37; 3.25-31.) — gl) M. W e n l e y , The pessimistic element in Goethe. ( = ib. S. 246-71.) — 82) E. M a l i e r - H o l m , Goethe als Kabbaiist in d. Faust-Tragödie: HambCorr. N. 16, IS. — 83) X L H u b e r t i : BLV. S. 502/5; NZ9'. n , S. 863/4. — 84) E. T e m m i n g , Goethes Bildungsideal. ( = Samml. päd. Vortrr. her. Y. W. M e y e r - M a r k a u . ) Bielefeld, Helmich. 14 S. M. 0,40. — 8 5 ) F. K e r n , lieber Goethes Wort: „Es bleibt Idee n. Liebe." ( = Progr. d. Kölin. Gymn. zn Berlin, S.3/6.) — 8 6 ) X G o e t h e o. d. Soeialismns: DSB11. N. 245. — 87) X Goethe u. d. Mittelstand: ib. N. 272. — 88) A. T i l l e , D. Weihnachtsbaum: AZg. N. 355/6. — 89) (IV l d : 8 8 ) |[M. K o c h : BFDH. 9, S. 400/1; E. B ä c k e r : FZg. N. 223.]| (Im 3. Bd. über Goethes Verhältnis z. Tierveit.) — 9 0 ) U l l a H a g e m a n n , Goethe as minister of State. ( = N. 37; S. 52-65.)— 9 1 ) O . L o r e n z , Goethes

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IV 8a : 91-96

V. V a l e n t i n , Goethe: Allgemeines.

Versammlung der Goethe-Gesellschaft, und nach dem ihm von L. überlassenen Konzept hat N e u m a n n - H o f e r 9 2 ) die Rede wiedergegeben. L. selbst hat dann die ganze Untersuchung mit dem reichen Materiale der Anmerkungen etwas später veröffentlicht. Nach einleitenden Bemerkungen zu den zeitgenössischen Urteilen über Goethe, über die einschneidende Bedeutung der französischen Revolution für Goethes Ansichten und seine weisheitsvolle Betrachtung der Ereignisse bis in sein höchstes Alter schildert L. im ersten Abschnitt Goethes politische Weltanschauung auf Grund der möglichen Quellen. Den Schlüssel hierfür sowie für die Lösung der ganzen Frage findet er in dem Ausspruche Goethes, jeder solle „sein Metier treiben, das er gelernt habe"; das Regieren des Pürsten sei aber auch ein Metier, das gelernt sein wolle, und das sich niemand anmassen solle, der es nicht verstehe. Demgemäss war Goethe für seine Person der politischen Thätigkeit eher abgeneigt und gehörte auch keiner Partei, keinem System an; er war der Mann der Thatsachen, der historischen Erfassung des Gegenstandes und der auf den Regierungszweck gerichteten Geschäftstüchtigkeit. Im zweiten Abschnitt schildert L. Goethes Lehrjahre und Lehrmeister: Goethe ist in politischen Dingen nicht der Lehrer, sondern der Schüler Karl Augusts. Dagegen ist Goethe auch in staatsmännische Aktion (3. Abschnitt) selbstthätig eingetreten: Von ihm rührt der Grundgedanke des Fürstenbundes her. Der gewonnene feste Standpunkt bewährt sich auch im Kriege (4. Abschnitt: Politik im Kriege) und in der Bewahrung der monarchischen Idee (5. Abschnitt: Im Vollgefühl der monarchischen Idee). Das Ergebnis ist, dass Goethe sich in politischen Dingen nicht nur willig Karl August unterordnete, sondern mit einer Art von Begeisterungundmiteinemwahrhaft fatalistischen Glauben, dass sein teurer Herr unter den Berufenen zu den Auserwählten gehöre, deren staatsmännische Weisheit keinen Zweifel lasse. Was Goethe in den Lehrjahren vor der französischen Revolution für seine politische Denkungsart an den Eindrücken gewonnen habe, spiegle sifch in all seinen Urteilen und in seiner ganzen Stellung bis ans Ende seines Lebens wieder. Um diesen Kern fügt sich eine Fülle von Fragen, deren Behandlung zeigt, wie nützlich es ist, wenn eine einzelne Seite Goethes von der ihr entsprechenden fachmännischen Stelle aus behandelt wird, zumal wenn es in so vorurteilsloser und auch dem eigenen Fache gegenüber freimütig urteilender Weise geschieht wie hier. Gerade nach dieser Seite hin sind die ausführlichen „Anmerkungen" sehr bedeutend. Es seien hier nur einige Punkte hervorgehoben: Die specifische Gabe der Weissagung bei Goethe; die Epimenidesfrage: L. verwirft mit aller Entschiedenheit die Auffassung, als ob Epimenides Goethe selbst darstellen solle; ferner die Uebereinstimmung Goethes mit Taine; seine Stellung zu Napoleon, hier besonders mit Bezug auf Talleyrands Memoiren und deren Beurteilung in Deutschland, sodann Goethes Stellung zu den Freiheitskriegen und zur Vaterlandsliebe; der Okensche Handel; über das Verhältnis Goethes zu Karl August, besonders mit Bezug auf das Gedicht Ilmenau: L. leugnet die erziehlichen Momente in dem Verhältnis Goethes zu Karl August gänzlich; ferner das Verhältnis Goethes zu Friedrich dem Grossen, zur Geschichte des Fürstenbündes; endlich die Gampagne in Frankreich und die Belagerung von Mainz. — Einen wertvollen Beitrag zur Erkenntnis von Goethes Anteilnahme an der obersten Leitung der Geschäfte und seiner Thätigkeit im Rate des Fürsten, zu dem er seit Juni 1776 gehörte, giebt S u p h a n 9 3 ) aus der älteren Zeit, für die die Quellen spärlich fliessen: die Fülle des von den neunziger Jahren an vorhandenen Materials ist erstaunlich. Seit 1889 werden alle Urkunden von Goethes amtlichem Wirken dem Goethe-Schiller-Archiv in den Originalen überwiesen. Hier handelt es sich um ein von Goethe gegebenes Gutachten in der Frage über die Abschaffung der Kirchenbusse. S. teilt es mit und giebt ausführlich Nachricht über die zu Grunde liegenden Verhältnisse sowie den Verlauf der Angelegenheit. Er verweist zugleich auf die „poetischen Akten" und zeigt, wie tief Goethes menschliche Teilnahme auch bei dieser Sache thätig ist. — Die aus Goethes Stellungnahme zu den politischen Zeitereignissen der neunziger Jahre hervorgegangenen oder mit ihnen in Beziehung stehenden Dichtungen behandelt W e i c k e r 9 4 ) in seiner Festrede zu Goethes Geburtstag, und M o r s c h 9 5 - 9 6 ) erklärt „Des Epimenides Erwachen" als eine Goethesche Konfession im grossartigsten Stil, durch die sich der Dichter zu seinem Volk über die gewaltige Zeit der Befreiungskriege ausspricht. E r erklärt es für eine dreifache Palinodie hinsichtlich der von Goethe seit 1792 unterschätzten sittlichen Kraft des preussischen Staates, hinsichtlich des überschätzten

polit. Lehrjahre. E. in d. 8. Generalvers. d. Goethe-Ges. geh. u. erweit. Vortr. mit Aura., Zus&tzen u. e. Anh.: Goethe als Historiker. B., Hertz. V, 180 S. M. 3,00. |[K. H e i n e m a n n : BLU. S. 662/3; M. O s b o r n : FZg. N. 330; i d . : MagdZg. N. 561; M. K o c h : DWB1. S. 673/5.]| (Sonderabdr. aas DBs.; s. o. N. 38; Tgl. aoch IV 8 b : 17.) — 9 2 ) 0. N e u m a n n - H o f e r , Goethes polit. Lehrjahre. Nach 0 . Lorenz (s. o. N. 91): AZg B . N. 129-30 — 9 3 ) B. S u p h a n , Goethe im Conseil. Urkundliches ans seiner amtl. Th&tigkeit 1778-83: VLG. 6, S. 579-608. — 94) G. W e i c k e r , Goethes Stellung z. französ. Revolution. Festrede im Goethe-Ver. zu Zwickau am 28. Ang.: MGoetheVZwickan. N. 3. — 95) H. M o r s c h , Goethes Festspiel „D. Epimenides Erwachen." Vortr. geh. in GDL.: DLZ. S. 59-60. (S. n. IV 8 e : 5 2 . ) — 9 6 ) i d . , Goethes Festspiel: „D. Epimenides Erwachen":

V. V a l e n t i n , Goethe: Allgemeines.

I V

8 a : 97-104

Napoleon und in Bezug auf seine eigene, in allzugrosser Bescheidenheit als „Ruhe und Schlaf bezeichnete, zurückgezogene, nur auf Kunst und Kultur gehende Thätigkeit. M. untersucht dabei die Epimenidessage, ihre Behandlung in der französischen Litteratur und Goethes Beziehungen zu ihr, sowie den Gegensatz seines ernsten Dramas zu den lustspielartigen, oft possenhaften Scenen bei seinen Vorgängern. Eine ausführliche Darstellung seiner Untersuchungen und seiner Auffassung giebt M. in seiner Abhandlung über das gleiche Thema. — Auf dem Gebiete der Beziehungen Goethes zur N a t u r w i s s e n s c h a f t sind noch Besprechungen zu dem Vortrage von Helmholtz über Goethes Vorahnung kommender naturwissenschaftlicher Ideen (vgl. JBL. 1892 I V 8 a : 73) erschienen97). — R u l a n d 9 8 ) veröffentlicht einen bisher ungedruckten Nachtrag zu den Paralipomena der morphologischen Schriften. Bei zwei Aquarellen, die die Entwicklungsstadien der Wolfsmilchraupe vom Ausschlüpfen aus dem Ei bis zur Puppe in 14 Phasen darstellen, fand sich unter den Kollektaneen zur Naturwissenschaft eine französische Niederschrift Goethes, die die Gesichtspunkte aufstellt, nach welchen die Wunder der tierischen Metamorphose in einem kleinen Bande zusammengefasst werden könnten. — Von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften sind in der zweiten Abteilung der Weimarer Ausgabe drei Bände erschienen 99 ): Band 3 bringt die Farbenlehre, Historischer Teil, von K a l i s c h e r bearbeitet; er entspricht dem 53.Bande der Ausgabe letzter Hand oder dem 13. Bande der nachgelassenen Schriften. Von der grossen Zahl von Excerpten, Uebersetzungen, Notizen, Dispositionen und Entwürfen, die noch vorhanden sind, wurden nur diejenigen benutzt, die sich einigermassen dem Texte anschliessen. Sodann der 8. Band: Zur Morphologie, 3. Teil, bearbeitet durch v o n B a r d e l e b e n . Die Anordnung der, einzelnen Aufsätze und Fragmente entspricht nicht der zufälligen Folge ihrer Entstehung, sondern sie soll ein Bild von dem anatomisch-zoologischen Systeme Goethes liefern. Die einleitenden Bemerkungen zu den „Lesarten" führen dies im einzelnen begründend durch. Die Lesarten selbst bringen zwölf Paralipomena, Vorarbeiten, Schemata und Ergänzungen zu den Aufsätzen des Bandes. Endlich noch der 11. Band.- Zur Naturwissenschaft; Allgemeine Naturlehre, 1. Teil, bearbeitet von S t e i n e r . Er soll ein Bild von Goethes naturphilosophischen Ideen und Methoden geben. Somit war der inhaltliche Zusammenhang der Ideen und die methodische Behandlung anschaulich zu machen. Beide Gesichtspunkte in ihrer Durchführung in der Folge der Aufsätze werden in den Bemerkungen zu Anfang der „Lesarten" eingehend begründet. Den Schluss bilden die Paralipomena, von denen I die fragmentarischen Aufzeichnungen zu den einzelnen Teilen des Bandes giebt, während I I den Inhalt eines Heftes bringt, das die Aufschrift führt: „Eigene philosophische Vorarbeiten und Kantische Philosophie, circa 1790". Das Heft, von Goethe selbst geschrieben, giebt jedoch nur Auszüge aus Kantschen Werken. — Im Anschluss an die in der Weimarer Ausgabe erschienenen Tag- und Jahreshefte ( I . Abt., Bd. 35/6; s. u. N. 112/3) giebt v o n B i e d e r mann 1 0 0 ) höchst verdienstliche Erläuterungen. Fast ein Drittel des Bandes wird durch Register (Sach-, Geographisches, Personen-) angefüllt, sowie durch ein Verzeichnis der Goetheschen Dichtungen und andere Zusammenstellungen, die diese Erläuterungen für sämtliche Ausgaben der Goetheschen Werke benutzbar machen. — Goethes S p r a c h e soll in neuestes Gewand gekleidet werden: So wie Goethe seine Sprache schrieb, war zu seiner Zeit die Rechtschreibung modern; schreiben wir seine Werke heute, wie er es gethan hat, so erscheint sie veraltet, und die Werke selbst machen durch ihre Erscheinungsform nicht den unmittelbar nahen Eindruck wie sie ihn auf seine Zeitgenossen gemacht. Demgemäss befürwortet Mäh Iis s 1 0 1 ) Modernisierung der Rechtschreibung, und zwar nach der Reformmethode. Zur Begründung seiner Forderung führt er eine Anzahl Stellen in der Goetheschen Rechtschreibung selbst an. — Als ein Verschreiben in der Hs. des Gedichtes „Ilmenau" V. 113 wird „Freiheit" bezeichnet: es soll heissen: „Und Redlichkeit und Froheit sonder Zwang" 102 ). — Für die Sprache selbst giebt S c h n e i d e w i n 1 0 3 ) eine Untersuchung über die Anwendung von „welcher" und „der" als relativischen Wörtern und erklärt sich auf Grund der Thatsachen gegen Wöstmanns Bekämpfung von „welcher" (vgl. JBL. 1891 I 8 : 59). — Den Einfluss der Frankfurter Mundart auf Goethe behandelt H a m m e r a n 1 0 4 ) . — Dehnickes Untersuchung über Goethes Verwendung von Fremdwörtern (vgl. JBL. 1892 I V 8a: 92) ist weiter besprochen GJb. 14, S. 212-44. |[M. K o c h : BFDH. 9, S. S57.]| — 9 7 ) X M. K o c h : BFDH. 9, S. 225; S. G ü n t h e r : BBG. 29, S. 661/3; E. G e r l a n d : DLZ. S. 1019. — 98) C. R u l a n d , Verse n. Niederschriften Goethes zu Zeichnongen: GJb. 14, S. 147-50. — 9 9 ) (S. u. N. 112/3.) |[M. K o c h : BFDH. 9, R. 225.]! — 100) W. v. B i e d e r m a n n , Erl&nternngen zu d. Tag- n. Jahresheften T. Goethe. ( = Anh. au Goethes Werke. Abt. für Erläuterungen. Bd. 35 u. 36. Zu d. Tag- u. Jahresheften.) L , F. W . v. Biedermann. XII, 365. S. M. 5,00. — 101) J. F. M ä h l i e s . Di reßtSreibnng GStes unt Sillers: Beform 17, S. 50/3. — 102) E. Schreibfehler Goethes ?: AZg». N. 8. (S. n. IV 8c: 15a.) - 1 0 3 ) M. S c h n e i d e w i n: BerlConrB. N. 7 0 , - 1 0 4 ) (18:46; s. auch FZg.

IV 8a : 105-119

V. V a l e n t i n , Goethe: Allgemeines.

worden105), desgleichen Ölbrichs Untersuchung über Goethes Sprache und die Antike (vgl. JBL. 1891 IV 9a: 114)106). — G e o r g Schmidt 1 0 1 ) untersucht speciell die Sprache Goethes im Clavigo. Dies Drama nimmt nach ihm eine Ausnahmestellung unter den Werken der ersten Schaffensperiode ein und zwar in malam partem, sowohl in Bezug auf den dramatischen Gehalt als auf die sprachliche Form. Darnach gliedert sich die Untersuchung in zwei Teile, von denen hier nur der erste über die Sprache in Betracht kommt. Es sollen die Einflüsse der französischen Quelle, der Empfindsamkeit und des Sturmes und Dranges nachgewiesen werden, was teils durch Nebeneinanderstellen der Quelle und der Dichtung geschieht, teils durch Parallelisierung von Stellen aus Werken derselben Periode: hier werden besonders auch die Briefe herangezogen. Hieran schliesst sich eine sehr eingehende Untersuchung über die „rhetorischen Kunstmittel", die gerade im Clavigo „unverhältnismässig reichlich verwendet" sind. Um ein Urteil darüber zu gewinnen, hat S. den ganzen „jungen Goethe" auf diese Gesichtspunkte hin geprüft und giebt darüber das gefundene statistische Material. Es handelt sich um Polysyndeton, Asyndeton, Anaphora und Geminatio: Ueberall findet S., dass diese Kunstmittel im Clavigo an falscher Stelle, überladen, gekünstelt angewendet worden sind. Nirgends aber taucht bei S. der Gedanke auf, dass Goethe absichtlich seinen Stil der Quelle und der in ihr herrschenden Tonfarbe angepasst hat, dass der Dichter sich dessen gerühmt hat, das Fremde und das Eigene so zusammengefügt zu haben, dass niemand die Nähte erkennen könne. Von dieser Absicht aus war die Untersuchung zu führen und aufzuweisen, in wie weit dem Dichter die Absicht gelungen ist, deren Erfüllung ihn naturgemäss sehr weit von der Behandlungsweise seiner übrigen Werke führen musste. — Eine Zusammenfassung des, deutschen Sprachschatzes, zunächst der Klassiker und besonders Goethes, schlägt Grimm 108 ) vor.109) — Für diemetrischeGestaltungder Sprache durch Goethe weist B o r i n s k i 1 1 0 ) in einer historischen Darlegung der Entwicklung der Ueberführung des Sinnes über den Versschluss auf einen Kunstgriff hin, durch den Goethe diese Ueberführung sich dienstbar gemacht hat. Er bezeichnet die „Vorausnahme des syntaktischen Integrals eines Verses durch die Endsilben des voraufgehenden Verses" als Versvorschlag, während ein entsprechendes Austönen des syntaktischen Gefüges in der ersten Silbe des folgenden Verses als Versnachschlag bezeichnet wird. Goethe hat nun den Versvorschlag, der auch schon den antiken Tragikern geläufig war, gern verwendet, während der Versnachschlag seltener ersoheint. — Ueber andere die Versgestaltung Goethes berührende Werke berichtet Koch 1 1 1 ). — In der Weimarer A u s g a b e erscheinen Goethes W e r k e weiter. Das Berichtsjahr brachte acht neue Bände, die an anderen Stellen im einzelnen besprochen 112113 werden ). — Seit dem Vorjahre erscheinen Goethes sämtliche Werke mit Einleitungen von Goedeke in einer neuen 36 bändigen Ausgabe und sind bis zum 15. Bande gediehen114). — D ü n t z e r 1 1 5 ) giebt die sämtlichen Werke Goethes, von deutschen Künstlern illustriert, heraus; von 90 Lieferungen sind 6 Lieferungen erDNL. werden Goethes Werke fortgesetzt: es sind Band schienen. — In Kürschners 116 25—28 ausgegeben worden "118). — Eine Notiz über die Wiener Goetheausgabe 1816 kündet eine ausführliche Untersuchung im nächsten GJb. über das Verhältnis dieser Ausgabe zu der gleichzeitigen Stuttgarter Cottaschen an119). — Wohl durchdachte N. 284.) — 105) x M. K o o h : BFDH. 9. S. 212/3; DBöhneng. S. 92(3, 320/1. - 106) X ZDW- 25. S. 144. — 107) (I 8 : 44: IV 8e:23.) — 108) (I 8 : 1 0 0 ; s. auch AZgB. N. 260 n. B. M. W e r n e r : ib. N. 22.) - 109) X (I 8 : 4 5 ; IV 9:163.) HO) K. B o r i n s k i , D. Ueberführung d. Sinnes aber d. Verschluss. ( = I 1:118; S. 43-60.) (Vgl. JBL. 1894.) — Ul) H . K o c h : BFDH. 9, S. 213 (Uber H. Kruses Exknrs zn B. Westphal, Allgem. Metrik [Tgl. JBL. 1892 1 7:1]), S. 216 (Aber E. Kuno, Beobachtungen über d. Verhältnis d. Keimes z. Inhalt bei Goethe [Stargard 1888] n. über A. ttoldbeck-Loewe, Z. Gesch. d. freien Verses [vgl. JBL. 1891 I 9:18.)) — 112) Goethes Werke. Her. im Auftr. d. Grossherzogin Sophie y. Sachsen. Weimar, H. BShlan. I. Abt., 35. Bd. (1892.) Tag- u. Jahreshefte als Ergänzung meiner sonstigen Bekenntnisse, v. 1749-1806. Her. Y. W. v. B i e d e r mann. III, 325 S. II. 2,50; 36. Bd. Dass. v. 1807-22; Biograph. Einzelheiten; Beden. Her. Y. d e m s . III, 454 S. M. 3,50. dr. ans „Im nenen Reich", 1871.) — 11) Briefwechsel zwischen Schiller n. Goethe. Hit Einl. y. F. M u n c k e r . 4 Bde. ( = Bibl. d. Weltlitt.) St., Cotta. 224, 230, 278, 270 S. M. 4,00. — I I a ) X A. T. W i n t e r f e l d , F. Hölderlins Verhältnis zu Goethe n. Schiller: BLÜ. S. 337/9. (Vgl. IV 10:59.) — 12) 21 Briefe T. Marianne v. Eybenberg, 8 v. Sara Y. Grotthus, 20 Y. Varnhagen Y. Ense an Goethe, 2 Briefe Y. Goethe an Marianne v. Eyben-

K. H e i n e m a n n , Goethes Leben.

IV 8b : 12-12»

Kampagne in Frankreich bekannt ist, verheiratet gewesen und hatte nach dessen Tode den Namen einer Frau von Eybenberg angenommen. Sara wurde mit fünfzehn Jahren die Frau eines ungeliebten Mannes, des Kaufmanns Lipmann Wolff in Berlin. Auch in einer zweiten Ehe mit dem von ihr schon lange vorher geliebten Baron von Grotthus wurde die eitle und krankhaft aufgeregte Frau nicht glücklich. Beide wurden mit Goethe während seines Aufenthalts in Karlsbad 1795 bekannt. Nicht nur die innere Grösse Goethes, nicht nur der Wert seiner Werke, sondern vor allem seine Berühmtheit und seine äussere Stellung fesselte diese Frauen an ihn. Wie gar manche der emanzipierten Berliner Jüdinnen jener Zeit suchten sie mit der Gabe des Witzes und des Reichtums die Schranke, die sie von der höheren Gesellschaft trennte, zu durchbrechen, auch auf die Gefahr hin, aufdringlich und anmassend zu erscheinen. WTie Rahel und ihr Mann, so wirkten auch Marianne und Sara in Berlin für das Verständnis Goethes mit Feuereifer, und der Lohn blieb nicht aus. Die ursprüngliche Kühle des Dichters machte einer wärmeren Empfindung Platz; es kommt zu einem vertraulichen Verhältnis, besonders mit der schönen und geistreichen Marianne. Durch ihre Anhänglichkeit und durch Sendungen von auserlesenen Tafelgenüssen schufen sie sich das Recht, Goethes Werke beim Erscheinen von ihm selbst zu erhalten. Die Briefe des Dichters an die beiden Schwestern sind schon früher bekannt geworden; sie wurden 1837 von Varnhagen veröffentlicht; neben anderen später bekannt gewordenen sind erhalten: 22 an Marianne, 25 an Sara; die Briefe der Schwestern an Goethe, 21 von Marianne, 8 von Sara, erscheinen nun hier abgedruckt, zusammen mit 20 Briefen Varnhagens. Von der neu gewonnenen Bekanntschaft (im Juli 1795) unterrichtet Goethe sofort Freund Schiller, er nennt sie ein allerliebstes Weibchen und erzählt von einer lustigen Verwechselung Mariannens, die ihn für den Vf. Klingerscher Schriften gehalten hätte. Varnhagen geht wohl etwas zu weit, wenn er von der „lebhaftesten Neigung" Goethes spricht, „die nach überstandenem Schwindel der Verliebtheit als aufmerksame Beachtung fortdauerte". Im Juni und Juli 1808 waren Goethe und Marianne wiederum in Karlsbad zusammen; er hielt die Gespräche mit ihr für wichtig genug, um sie in seinem Tagebuch anzuführen. Daneben weihte er sie in seine Dichtung ein, er las ihr „Die pilgernde Thörin", „Die neue Melusine" und anderes vor. An diese Zusammenkunft knüpfte sich ein lebhafter brieflicher Verkehr, bei dem sogar manchmal die Rollen wechseln und Goethe der sehnsuchtsvoll Wartende ist. Das letzte Zusammentreffen fand im Juli 1810 in Töplitz statt. Vom 8. Juli bis 3. Aug. berichtet das Tagebuch getreulich von dem innigen und vertraulichen Verkehr, von gemeinsamen Spaziergängen und Fahrten, auch von Gegenständen der Unterhaltung, die meist an Goethesche gedruckte oder im Entstehen begriffene Werke anknüpfte, wie z. B. an die „Wahlverwandtschaften", „deren letztes Kapitel er für sie zusammengeschrieben hatte, um ihr keinen fragmentarischen Eindruck zu hinterlassen". Am 16. Sept. nahm Goethe von Teplitz Abschied, er hat die Freundin, die zwei Jahre darauf starb, nicht mehr gesehen. Mariannens eitler und gefallsüchtiger Schwester gegenüber hatte Goethe bisher sich kühl und zurückhaltend gehalten. Etwas lebhafter wird der Verkehr erst seit dem Tode Mariannens. Von ihren Briefen ist besonders interessant der vom 30. Juni 1814, in dem sie um Erfüllung der Bitte des Theaterdirektors Liebich in Prag, der Goethe um ein Friedensfestspiel gebeten hatte, unter rührender Berufung auf Goethes Patriotismus bittet, und eine Schilderung aus ihrer Jugend, in der Lessings Nathan und Werthers Leiden eine Rolle spielen. Sie hatte im dreizehnten Jahre hinter dem Rücken des Vaters einen empfindsamen Roman mit einem Hamburger Kaufmannssohn, der ihr zum Trost für unglücklich Liebende den Werther sandte. Der Vater erfährt das, und ihr Mentor Mendelssohn wirft den Werther aus dem Fenster. Zu diesen Briefen hat G. sehr ausführliche und sachkundige Erläuterungen gegeben,, die genau auf alles, was irgend der Erklärung bedarf, eingehen. In dem Briefe N. 19, den G. in das J . 1804(?) setzt, ist von Lerse, dem bekannten, im Götz verewigten Jugendfreund Goethes, die Rede. Nun hat aber Düntzer längst auf eine Stelle in Wielands „Merkur" vom 17. Juni 1800 aufmerksam gemacht, nach der Lerse bereits 1800 gestorben war. In dieser Todesnachricht aus Wien, in der Lerse als Kunstkenner und Numismatiker gepriesen wird, wird auch mitgeteilt, „dass herzliche Grüsse von Goethe die letzte Empfindung war, mit der er aus der Welt ging". Aus dem Briefe Mariannnens vom 6. Jan. 1804 und 23. Juli (N. 17/8) ergiebt sich, dass das Goethesche Gedicht an den Fürsten von L i g n e , 2 a ) („In ¡Früher Zeit noch froh und frei"), das auch in der Weimarer Ausgabe (I. Abt. 4, S. 240) mit dem Datum 1810 bezeichnet ist, schon 1804 gedichtet worden ist. Von den beiden hier zuerst veröffentlichten Briefen Goethes an Marianne ist der eine am 27. April 1801 geschrieben, nach Goethes Krankheit, „ein lakonischer Gruss als Lebenszeichen eines beinahe Ver-

berg. Her. T. L. G e i g e r : GJb. 14, S. 27-143.

(S. auch N. 14b; IV 8d : 6, 22; 8 e : 2 8 , 47, 54.) — 12a) X

E

- Onglia,

IV

8

b :

13-16

K. H e i n e m a n n , Goethes Leben.

lorenen Freundes"; der zweite, von G. mit dem 18. Sept. 1803 als Datum bezeichnet, ist ein Begleitschreiben zu der Uebersendung einer von Mariannen gewünschten Goetheschen Zeichnung. G. weist nach, dass ausser den erhaltenen 24 Briefen Goethes an Mariannen von ihm noch 17 andere an sie geschrieben worden sind, die bisher unbekannt waren und auch in den Konzepten des Goethe-Schiller-Archivs nicht erhalten sind. — Briefe Goethes an Lotte und ihren Sohn Theodor Kestner aus dem J. 1801 und 1803 hat im GJb. 13 ) G ü n t h e r aus dem Kestnerschen Nachlass, den jetzt die Universitätsbibliothek in Leipzig besitzt, mitgeteilt. Diese Billets sind inhaltlich weniger wichtig als der Abdruck einer früher unterdrückten Stelle des Briefes Goethes an J. G. Kestner vom 19. Apr. 1773, die wir ebenfalls G. verdanken. Hinter den Worten: „Und nun seht, wie fern ich neidisch bin und es sein muss" folgen im Original die Worte: „ . . . und das sag ich euch, wenn ihr euch einfallen (lasst), eifersüchtig zu werden, so halt ich mir's aus, euch mit den treffendsten Zügen auf die Bühne zu bringen und Juden und Christen sollen über euch lachen". Hält man dazu die Aeusserung Goethes aus dem Juli 1773: „Heut vorm Jahre war's doch anders, ich wollt schwören, in dieser Stunde vorm Jahr sass ich bei Lotten. Ich bearbeite meine Situation zum Schauspiel zum Tröste Gottes und der Menschheit. Ich weiss, was Lotte sagen wird, wenn sie's zu sehen kriegt und ich weiss, was ich sagen werde", — so ergiebt sich wohl daraus, dass Goethe im Juli und Aug. 1773 die Absicht hatte, ein Drama „Werther" zu schreiben. P i c k teilt zwei kurze wenig bedeutende Billets Goethes 1817—18 an Frau von Hopfgarten, Oberhofmeisterin der Prinzessinnen Maria und Auguste von Weimar mit, H ü f f e r den ersten bis jetzt bekannt gewordenen Brief Goethes an Johanna Schopenhauer. — Ihm folgt ein hübscher Aufsatz H ü f f e r s 1 4 ) „Goethe und Adele Schopenhauer". — H ü f f e r 1 4 » ) veröffentlicht auch in dem Aufsatz: „Zu Goethes Briefwechsel mit der Fürstin Galizin" ein bisher unbekanntes Distichon, das für das Album der Tochter der Fürstin, Prinzessin Marianne Dorothea, im J. 1793 gedichtet worden ist. — Unter den B r i e f e n an G o e t h e sind vor allem die schon besprochenen Briefe der Schwestern Marianne von Eybenberg und Sara von Grotthus und Varnhagen von Ense zu erwähnen14 b ). Die letzteren erfahren hier durch G e i g e r eine ausführliche und fast erschöpfende Erläuterung. Ihr Inhalt bezieht sich in der Hauptsache auf litterarische Fragen und Dinge, verbietet also an dieser Stelle ein näheres Eingehen. — In K a r l S c h m i d t s 1 4 « ) Buch über Schillers Sohn Ernst (S. 260) ist eine Stelle aus einem Briefe Karolinens v o n Wolzogen an Goethe vom 21. März 1824 abgedruckt. Karoline ist für den Fall, dass Goethe seinen Plan, den Goethe-Schillerschen Briefwechsel herauszugeben, ausführen wolle, bereit, bei Cotta anzufragen, und wünscht für die Schillerschen Kinder die Hälfte des Gewinnes. Ebenda (S. 277) findet sich die Mahnung Ernst von Schillers in einem Brief an Goethe vom 21. März 1826 an sein Versprechen, bis Michaelis 1825 den Schillerschen Anteil dieser Korrespondenz mit 2000 Thalern abzutragen. — Unter den im J. 1893 veröffentlichten B r i e f e n , die Nachrichten oder wichtigere Andeutungen von Zeitgenossen ü b e r G o e t h e bringen, ist abermals zuerst die von K a r l S c h m i d t 1 4 4 ) herausgegebene Briefsammlung „Schillers Sohn Ernst" zu nennen. In den Briefen an ihre Kinder berichtet Charlotte von Schiller über Musikabende bei Goethe und über seine Vorlesung (S. 62) der Geschichte des Bergmanns von Falun, über Goethes Rücktritt vom Theater (S. 125), über seine Stellung zu Ottilien (S. 128, 257, 375) sowie zu August, insbesondere bei dem 1822 auftauchenden Gerüchte der Verheiratung Goethes mit Ulrike von Levetzow, und zu den Enkeln (S. 123/8, 182), über seine Krankheit im J. 1818, 1819, 1822 (S. 129, 188, 192, 194, 226), über die Verhandlungen wegen der Veröffentlichung des Goethe-Schillerschen Briefwechsels (S. 260—355); endlich berichtet Karoline von Wolzogen (S. 375) über Augusts Tod. — E r i c h S c h m i d t 1 6 ) teilt in seinem Karl Weinhold zum 26. Okt. gewidmeten Festdruck einen Brief von Blumenbach an Heyne vom 4. März 1783 mit, der sich begeistert über Goethes Erscheinung, Auftreten und Verhalten ausspricht: „Nichts den Geh. Rat ankündigendes, zurückhaltendes, sondern ein gesetzter, aber ganz unaffektierter, äusserst umgänglicher Mann; unglaublich offen, hell und doch tief penetrierend in seinem Urteil". Auf S. 6 findet sich ein weniger günstiges Urteil in einem Briefe von Sophie Brentano an Henriette von Arnstein vom 8. Aug. 1799: „Goethes Umgang allein thut einem nicht wohl; er ist kalt und trocken für Menschen, die ihm gleichgültig sind, und um ihm mehr als das zu sein, dazu gehört viel". — L e i t z m a n n 1 6 ) druckt einen Brief Georg Forsters an Heyne vom 19. Sept. 1785 ab, wo er von einem „griechischen Abendmahl" erzählt, das Goethe ihm und Goethe n. d. Prinz v. Ligne: WienerZg. nebst e. Notiz zu Goethes Briefen T. 0. n. Adele Schopenhauer: ib. S. 154-60. (S. 0. N. 12.) - 1 4 0 ) (S. o. N . 9.) — 1 4 d ) (S.

1. Juni. — 13) g Briefe Goethes. Mitget. r . O. G ü n t h e r , H. H ü f f e r , A . P i o k G t t n t h e i : GJb. 14, S. 151-67. (S. n. N. 37; IV 8 d : 2 0 . ) — 14) H. H S f f e > , Goethe — 1 4 a ) i d . . Zu Goethes Briefwechsel mit d. Fürstin Galizin: ib. S. 161/4. — 1 4 b ) o. N.9.) — 15) ( I V 8 a : 125, S. 3/6; vgl. I V 10:66.) — 1 6 ) ( I V 1 e : 115; 5 : 3 3 . ) - 1 6 a ) E n d .

K. H e i n e m a n n , Goethes Leben.

IV 8b : 19»-23

seiner Frau gegeben, und zu dem Herder und1 6Frau nebst Wieland und Amalie Seidler eingeladen waren. — R u d o l f Schmidt ») veröffentlicht einen Brief des Maler Müller an Wieland vom 29. Juni 1778, worin jener sich für die durch Wieland Goethe und Dalberg ihm zuliebe veranstaltete Subkription bedankt. — Von den G e s p r ä c h e n Goethes ist die Unterhaltung mit Napoleon im J. 1808 (vgl. JBL. 1891 IV 9b: 72-85) auch diesmal Gegenstand der Erörterung gewesen. Dieses Gespräch ist bekanntlich dürch die Veröffentlichung der Memoiren Talleyrands wieder in den Vordergrund des Interesses gerückt worden. An dieser Stelle (vgl. JBL. 1891 IV 9b: 72) hat Geiger eingehend über den Wert dieser Memoiren geurteilt und mit seinem Urteil, dass Talleyrands Bericht nicht 16b als authentische Quelle anzusehen sei, Recht behalten. Zwar hat sich v o n Biedermann ) Talleyrands angenommen und daraufhingewiesen, dass sich kein vernünftiger Grund für ihn erdenken liesse, in der Schilderung der Unterredung Napoleons mit Goethe eine Fälschung zu begehen. — Doch diese1 mehr subjektive Behauptung ist schlagend zurückgewiesen worden durch Lorenz ") in seinem Buche „Goethes politische Lehrjahre". In Goethes Bericht finden sich, wie bekannt, nach der Beendigung des ersten Teils des Gesprächs die Worte: „Talleyrand hatte sich entfernt1'. Daraus folgt, dass Talleyrand bei dem zweiten Teil des Gespräches nicht zugegen gewesen ist, also die von ihm angeführten Aeusserungen über Dalberg und Alexander von Russland nicht gehört haben kann. Viel wichtiger aber ist noch folgender Widerspruch, den L. aufdeckt. Talleyrand will Goethe nach Beendigung des Gesprächs zum Diner zu sich eingeladen haben und dort sich die Richtigkeit der unmittelbar nach dem Gespräch gemachten Aufzeichnungen von Goethe haben bestätigen lassen. Nun wissen wir aber aus dem 1889 verötfentlichten Tagebuch (Weimarer Ausg. III. Abt.; 3, S. 391), dass Goethe am 2. Okt. 1808 beim Herzog Karl August, und bei Talleyrand überhaupt nie gespeist hat. Diesen Widerspruch wird wohl niemand beseitigen können. Ein eigentümliches Schlaglicht auf die Entstehung der Memoiren Talleyrands wirft die Veröffentlichung des für ihn von Fr. von Müller aufgesetzten Berichts,11 mit dem wir uns aber erst im nächsten JB. zu beschäftigen haben werden. ") — Von neuen Ausgaben der a u t o b i o g r a p h i s c h e n S c h r i f t e n Goethes ist neben den Arbeiten zu „Dichtung und Wahrheit" — einer Schulausgabe18), einer 19 französischen Uebersetzung von Porchat ) und der Neuauilage des Bilderwerkes von R e i f f e n s t e i n 2 0 ) , auf das schon oben näher eingegangen worden ist, — vor allem zu nennen 2der 35. und 36. Band der Weimarer Ausgabe, die durch v o n B i e d e r m a n n 1 ) unter Mitwirkung K. Redlichs herausgegeben wurden. Wir finden hier die Tag- und Jahreshefte und die autobiographischen Einzelheiten, die um den Aufsatz „Herzogliches Hoftheater zu Weimar" vermehrt worden sind. Dieser Aufsatz stand im Tagebuch für die Schaubühne 1793. Ohne urkundlich als Goethes Eigentum beglaubigt zu sein, wird er aus inneren Gründen dem Dichter zugewiesen. Ferner enthält der 36. Band: Die Reden auf Anna Amalia 1807; Zu brüderlichem Andenken Wielands 1813; Kleine Biographien zur Trauerloge 1821; Rede bei Eröffnung des neuen Bergbaues zu Ilmenau den 24. Febr. 1784 und Reden bei der Feierlichkeit der Stiftung des weissen Falkenordens am 30. Jan. 1816. Der Text der Annalen enthält eine Reihe Verbesserungen der Ausgabe letzter Hand, worüber das GJb. (15, S. 314) später berichtet hat. Die Lesarten bringen einige später unterdrückte oder versehentlich nicht abgedruckte Stellen, u. a. den ziemlich umfangreichen Schluss vom J. 1807 (S. 387 f.). Dieser Schluss berichtet von Fernows Einfluss und seiner Bibliothek, von Hebels Gedichten, Schlegels Sonetten, Kleists Amphitryon, „dem bedeutenden aber unerfreulichen Meteor", über Adam Müllers Vorlesungen über das spanische Drama, den Tod von Rat Kraus und seinen Ersatz durch H. Meyer u. a., besonders ausführlich über Zacharias Werners Aufenthalt in Weimar. — Wenn die Weimarsche Ausgabe auf ausführliche Erläuterungen verzichten muss, so ist gerade der Hauptwert der Ausgabe der DNL. darin zu suchen, dass sie den Text mit eingehenden, von D ü n t z e r 2 2 ) mit bekannter Akribie bearbeiteten Erläuterungen begleitet. Im Berichtsjahre ist der 25. Band der Goetheausgabe der DNL. erschienen; er enthält die Tag- und Jahreshefte von 1809—22, dann die „Ergänzungen der Tagund Jahreshefte". Unter der Rubrik „Biographische Ausführungen mit einer Skizze" folgen die Artikel: Aus meinem Leben; Bedeutung des Individuellen; Das Luisenfest; Kotzebue; Unterredung mit Napoleon, — die die Ausgabe letzter Hand ebenso wie alle anderen Ausgaben unter den „Biographischen Einzelheiten" aufgeführt haben,— und die Schweizerreise vom J. 1779. Bei den wertvollen und zuverlässigen AnS c h m i d t , Ilaler Müller an Wieland, 29. Juni 1778: AGNM. April. — 16b) W. v. B i e d e r m a n n , Goethe bei Napoleon naoh Talleyrands Denkwürdigkeiten: GJb. 14, S. 282/1. — 17) (IV 8 a : 3 8 , 9 1 . ) — 17 a) X F. v. V o s s , Goethe in Erfurt: NorddAZgB. N. 44/5. — 18) X (! 7 : ?3.) — 19) J. P o r c h a t , Oeuvres de Goethe, „Meraoires". Trad. noav. Paris, Hachette. 672 S. Fr. 6,00. - 20) (IT 8 a : 25.) — 21) (IV 8 a : 112/3.) — 22) (IV S a : 116.) — 23) J . B i e s e , Goethes ital. Reise. Progr. Rudolstadt.

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K. Heinemann, Goethes Leben.

merkungen wurden die Tagebücher bis 1813 — soweit lagen sie vor — benutzt, die Weimarer Ausgabe der Tag- und Jahreshefte konnte wenigstens noch in einem Nachtrag verwertet werden. — Von erläuternden Studien zu Goethes autobiographischen Schriften ist die Abhandlung von Riese 2 3 ) über die italienische Reise231) anzuführen. Die Abhandlung ist völlig wertlos. Nicht nur, dass sie nichts bringt: es ist auch der Versuch, die Bedeutung der Reise für den Menschen und Künstler zu schildern, verunglückt. — Zu Goethes „Campagne in Frankreich" und „Belagerung von Mainz" sind anlässlich der Thatsache, dass gerade vor 100 J. die Wiedereroberung von Mainz durch die Deutschen stattgefunden hat, mehr erläuternde als berichtende Artikel und Schriften erschienen. Heidenheimer 2 4 ) hat einen hübschen Aufsatz 25 mit Benutzung der neuesten Quellen geschrieben. — Bockenheimer ) hat die 251 Wiedereroberung von Mainz in einer besonderen Schrift behandelt ). — Der erste, der seit Düntzers verdienstlicher D a r s t e l l u n g den Mut gehabt zu einer G o e t h e b i o g r a p h i e hat, das fast ins Unabsehbare angewachsene Material zusammen zu fassen und zu verarbeiten, ist Prem 26 ). Seine Absicht war, ein allgemein brauchbares, dem jetzigen Stande der Forschung entsprechendes Buch herzustellen; er nennt sein Werk eine kritische Biographie für weitere Leserkreise. Zu rühmen ist an dem Buch die klare und selbständige Einteilung, die treffliche Inhaltsangabe der Werke Goethes, das meist besonnene, auf Kenntnis und Verständnis beruhende Urteil. Demgegenüber muss jedoch ein Tadel ausgesprochen werden, der freilich das Lob wohl aufwiegen dürfte. Das Werk will eine populäre Biographie sein und ist weder eine Biographie noch populär. Eine wirkliche Biographie ist es nicht, weil die Darstellung der Entwicklung des Dichters und Menschen Goethe fehlt. Wer z. B. über die Wandlung Goethes zum Aristokraten und Hofmann, oder die künstlerische Entwicklung Goethes oder über den Einfluss der Frau von Stein Aufklärung zu erhalten hofft, wird sehr enttäuscht das Buch wieder aus der Hand legen. Gewiss war dem Vf. grosse Kürze und Knappheit aufgezwungen oder von ihm geplant. Aber es giebt eine Reihe von Dingen, die in jeder Goethebiographie ausführlich behandelt werden müssen; es sind die Einflüsse, die für den Dichter oder Menschen Goethe bestimmend gewesen sind. Wer von Goethe und Herder in Strassburg spricht, muss auch von Shakespeare, Ossian, der Bibel, den Griechen, der Muttersprache, dem Volkslied, der bildenden Kunst, von Rousseau ausführlich sprechen und muss zeigen, wie die in Strassburg gewonnenen Ideen in Götz, Werther und Urfaust sich verkörpert haben. Was P. hierüber sagt, ist auch für die kleinste Biographie, abgesehen von den Bemerkungen über das Volkslied, unzulänglich. Dasselbe gilt von der italienischen Reise, wo die beste Gelegenheit war, Goethes künstlerische Entwicklung bis und während dieser Reise klarzulegen. Es war das um so nötiger, als durch die Einteilung P.s die Anschauung erweckt wurde, als habe Goethe erst seit Italien unter dem „Zeichen der Antike" gestanden. Aehnlich enttäuscht uns, was der Vf. über den Clavigo sagt. Selbst wenn P. über dieses Drama die Ansicht Mercks teilt, so ist ihm doch gewiss die grosse Bedeutung dieses Dramas in der Entwicklung des Dichters nicht so unbekannt geblieben, dass er glauben konnte, ihm mit einer Inhaltsangabe gerecht zu werden. Hier musste schlechterdings gezeigt werden, dass der Clavigo die Umkehr Goethes bezeichnet, dass er das Ergebnis einer neuen, im Gegensatze zur Lehre Herders gewonnene Einsicht darstellt, jener Einsicht, dass der Dichter sich am meisten schade, der die Rücksicht auf die Bühne ausser Acht lässt. Auch die Figur des Carlos wird mit wenigen Worten abgethan, und doch offenbart sich in dieser Gestalt und ihrem Verhältnis zu Herder zum ersten Male Goethes innerste Anschauung und Auffassung des Tragischen. Und auch einem zweiten Tadel müssen wir Ausdruck geben. Er betrifft die Form und den Stil. Trotz der gebotenen Kürze, trotz der Absicht, eine populäre Biographie zu schreiben, hat der Vf. es doch nicht über sich gewonnen, sich des gelehrten Ballasts ganz zu entschlagen. Dass P. uns gar den ganzen Friederikenklatsch in dieser „für weitere Kreise" bestimmten Biographie von neuem auftischt, das ist ihm .schon oft genug vorgeworfen worden. — Den Versuch, einen Teil des Goetheschen Lebens zusammen zu fassen und zu behandeln, hat Siegmar Schultze 2 1 ) in seinem Buch „Der junge Goethe" unternommen. Das Werk ist in sieben Lieferungen erschienen, von denen die ersten vier, die in das Berichtsjahr fallen, bis zu Goethes Abreise nach Wetzlar reichen. Der Vf. will etwas unternehmen, was seiner Meinung nach noch niemand versucht hat; er will ein Bild der 4°. 23 S. — 23a) X C 17 14 : 35.) - 24) H. H e i d e n h e i m e r , Goethe vor u. in Mainz 1793: MainzAnz. N. 170/1. — 25) K. G. B o c k e n h e i m e r , D. Wiedereroberung v. Mainz durch d. Deutschen im Sommer 1793. Mainz, V. v. Zabern. 111,124 3. mit 2 Planen. M. 2,00. (Aus ZVRhGMainz.; vgl. JBL. 1894 IV lh.) — 2 5 a ) X F - H. J n n g h a n s , D. Belagerung v. Mainz nach d. Tagebuch d. Grenadiers J. Beuter v. Miederrellman: Hessenland 7, S. 209-10. 222/3. — 26) S. M. P r e m , Goethe. L„ G. Fook. 473 S. Mit Abbild. M. 5,00. — 27) S i e g m a r S c h u l t z e , D. junge Goethe. E. Bild seiner inneren Entwicklung (1749-75). Heft 1-4. Halle a. S., C. A. Kaemmerer & Co. VII, 79 S.; SO S.: 102 S.; V, 74 S. M. 1,20; M. 1,20; M. 1,20; M, 1,50. |[K. H e i n e m a n n : BLU. S. 468-71; ML. S. 341; E r i c h S c h m i d t : DLZ. S. 556/7; LCB1. S. 569-70; O.

K. H e i n e m a n n , Goethes Leben.

I V 8b : 27a-28a

inneren Entwicklung Goethes geben, „die Zeitverhältnisse, die Umgebung, den Verkehr, den inneren Seelenzustand des Dichters schildern!" Als wenn das nicht die Pflicht eines jeden Biographen wäre! Gleich die erste Lieferung- beweist, dass dem Vf. die Kunst der Charakteristik völlig abgeht. Was er da über Goethes Eltern und über ihren Einfluss auf den Dichter sagt, ist geradezu kläglich. Wer die Entwicklung des Menschen darstellen will, muss doch von den ererbten Eigenschaften und dem Einfluss der Vorfahren und Eltern ausgehen. Davon findet sich fast gar nichts bei P. Ebenso unzulänglich ist trotz der vorhandenen Vorarbeiten der Einfluss des französischen Theaters auf den jugendlichen Geist und die Einwirkung der Frankfurt-Darmstädter Künstler auf Goethes künstlerische Ausbildung' geschildert. Dabei wimmeln die ersten Lieferungen von Irrtümern, Versehen und Druckfehlern. Um nur einiges anzuführen: Die Eröffnung des Leipziger Theaters wird auf den 6. Okt. 1766 verlegt; Engelbach in Strassburg wird beharrlich Engelmann genannt: der Eintritt Goethes in die Arkadische Gesellschaft wird als Thatsache angenommen und in den Juni 1764 verlegt; Apels grosser Garten wird als Kuchengarten bezeichnet, Behrisch ein geborener Leipziger genannt; die Laune des Verliebten hält Sch. für eine neue Bearbeitung des Frankfurter „Schäferspiels Amine"; Klopstocks direkter Einfluss auf Goethe wird geleugnet trotz der offen vorliegenden, von Goethe selbst zugegebenen Thatsache; die Weimarer Ausgabe von Dichtung und Wahrheit mit ihren Lesarten und wichtigen Mitteilungen scheint Sch. überhaupt nicht benutzt zu haben. — Eine Seite des Goetheschen Geistes behandelt zusammenfassend die prächtige Schrift von L o r e n z 2 1 ' 1 ) : ihr eigentlicher Wert besteht in dem Nachweis, dass Karl August in politischen Dingen Goethe überlegen gewesen ist, dass aber auch Goethe auf diesem Gebiete Bedeutendes geleistet hat. Goethes grosses Interesse für Mosers patriotische Phantasien war bekanntlich eine der Ursachen, aus denen sich die Freundschaft beider Männer begründete. Goethes Standpunkt war der eines konservativen reichsstädtischen Bürgers. Erst in Weimar bekam er Einsicht in das grosse politische Getriebe. Am Hofe des Fürsten von Dessau, auf der Reise in Berlin, im Verkehr mit Minister Edelsheim in Karlsruhe und vor allem mit dem Koadjutor von Dalberg wurde er in die Diplomatie und Politik eingeweiht. Seine Sorge wegen der unglücklichen Stellung der zwischen Oesterreich und Preussen eingeklemmten kleinen Staaten liess ihn den Gedanken fassen, einen Bund der mittleren Staaten als ein Gegengewicht gegen Oesterreich und Preussen zu schaffen. Dieser Fürstenbund trat auch zu Tage, nur dass Friedrich der Grosse es verstand, bevor die Fürsten sich einigten, die Fäden in seine Hand zu bekommen und den Bund unter Preussens Leitung zu stellen. Karl August erkannte auch bald, dass an eine Einheit und wirksame Machtentfaltung nur unter Preussens Führung zu denken sei; er hat an Preussen festgehalten sein Leben lang. Goethe folgte ihm hierin nicht. Seine ihm fast angeborene Abneigung gegen Preussen und das mangelnde Verständnis für die Bedeutung der politischen Einheit Deutschlands hinderte ihn daran. Er hatte die nur heute etwas naiv klingende, an die Anschauung seiner Mutter erinnernde Ansicht, dass die Kriege von den grossen Staaten allein ausgefochten werden sollten. Auch war ihm eine andere Einheit viel wichtiger. L. hätte darauf hinweisen sollen, dass Goethe gerade in der Zeit der tiefsten Erniedrigung eine Verbindung aller geistig bedeutenden Männer Deutschlands herstellen wollte. Der Hass gegen andere Nationen, auch gegen die Franzosen lag ihm fern. Sein Wunsch war der friedliche Wettstreit der Kulturvölker. Napoleons gewaltige Thaten trübten eine Zeit lang seinen Blick, so dass er die Macht des deutschen Volkes verkannte. Sehr interessant sind L.s Nachweise, dass Goethes Anschauung über die französische Revolution sich fast genau mit denen des neuesten Historikers der Revolution, Hippolyte Taine, decke. Darin sind beide einig, dass die Revolution die ruhige Entwicklung der bestehenden Verhältnisse zum Unglück unterbrochen, und dass die segensreichen Neuerungen der späteren Zeit sich auch ohne die blutige Selbsthilfe aus den vor der Revolution bestehenden Verhältnissen entwickelt hätten. — In dem Kapitel Goethes B e z i e h u n g e n zu a n d e r e n P e r s o n e n wird füglich G o e t h e s M u t t e r die erste Stelle gelassen. Ich bescheide mich darauf hinzuweisen, dass von H e i n e m a n n s 2 8 ) Buche über die Frau Rat (vgl. JBL. 1891IV 9 b : 63; 1892 I V 8 b : 38) im Berichtsjahr die vierte Auflage, die von der dritten, ein Jahr vorher erschienenen, in nichts abweicht, ausgegeben wurde. — Ueber die Freundin der Frau Rat, S u s a n n a v o n K l e t t e n b e r g , die schöne Seele, hat E r i c h S c h m i d t 2 8 1 ) Stellen aus Tagebüchern und Briefen von Personen, die ihr nahestanden, veröffentlicht. Wichtig sind darin ein Bericht über Lavaters Anwesenheit in Frankfurt und eine Predigt in Bockenheim und über den Tod der „schönen Seele", bei der Dr. Metz, H a m a c k : PrJbb. 72, S. 539-40.]l (S. u. I V So : 7.) — 2 7 a ) (S. o. N. 17.) — 2 » ) K. H e i n e m a n n , Goethes Mutter. E. Lebensbild nach d. Qaellen. 4. verb. Aull. Mit vielen Abbild, in u. ausser d. Text u. mit 4 Heliograv. L.t-Seemann. 1,388 S. M 6,60. |[L. F r & n k e l : ZDU. 7, S. 436/7; E. D o m a n i g : ÖLBl. 2, S. 140/2; Kunstohr. 4, S. 126/7.]| — 2 t a ) (III 5-. 34; Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 4(24)

I V 8 b : 29-35

K. H e i n e m a n n , Goethes Leben.

Frau Rat Goethe, Frau Rat Moritz, Frau Pfarrer Claus und Frau Pfarrer Koppel, alles aus Goethes Jugendzeit wohl bekannte Personen, zugegen waren. — Unter den GoetheschenFrauengestalten war gegen F r i e d e r i k e von Sesenheim im Vorjahr von Froitzheim (vgl. J B L . 1892 IV 8 b : 44) eine abscheuliche Anklage erhoben worden. Sie hat im vorjährigen Berichte die verdiente Zurückweisung erfahren. Leider spukte dieser Friederikenklatsch auch in diesem J . in den Tagesblättern lustig weiter29). Besonders ergötzlich ist der Schluss der Besprechung in der KonsMschr.: „Die auf streng sittlichem Boden stehende und darum dem Geniewesen mannhaft entgegen tretende Monographie Froitzheims... sei allen Lesern der Monatsschrift angelegentlichst empfohlen." — Auf eine sehr verständige und objektive Darstellung des Sachverhaltes von Sack 2 9 ») erliess F r o i t z h e i m 3 0 ) eine Entgegnung, die durchaus nichts Neues brachte, sondern die alte Behauptung wiederholt, der damalige Pfarrer Brion von Goxweiler habe zu Dr. Leyser in Gegenwart von Prof. Baum im J . 1868 gesagt, dass er als kleiner Junge den Sohn Friederikens noch gekannt hätte. Dass eben dieser Pfarrer im J . 1877 seine Aussage zurück genommen hat, geniert F . nicht; ebenso wenig giebt er etwas auf die Erklärung des Sohnes des genannten Pastors, des Herrn A. Brion in Strassburg, vom 1. Dec. 1892, „dass sein Vater Jakob Brion, früher Pfarrer in Goxweiler, niemals etwas dem Entsprechendes ihm gegenüber geäussert habe"; F. bringt als neuen Zeugen einen 70jährigen Pfarrer, Namens Ungerer. Dieser Zeuge will vom Pfarrer Brion dasselbe gehört haben und führt für die Richtigkeit der Behauptung an, dass er selbst Pfarrhäuser gekannt hätte, wo ähnliche Geschichten vorgekommen seien. Man kann sich eines Gefühls des Ekels nicht erwehren, wenn man immer wieder haltlose und vage Gerüchte unbeglaubigter Zeugen herbeigeschleppt sieht, um die Ehre eines Mädchens zu vernichten. Alles kommt, sagt F., auf den Nachweis an, dass Friederike später gefallen ist. Ist dies glaubwürdig gemacht, dann lassen sich Rückschlüsse ziehen in der Frage, weshalb Goethe mit ihr 1771 gebrochen hat I Ein schöner Gedanke, um den wir F. nicht beneiden. — Da er sich u. a. auch auf den gegenwärtigen evangelischen Pfarrer R ü b e l 3 1 ) zu Sesenheim berief, dem A. Brion in Strassburg privatim erklärt habe, dass er von der Richtigkeit der Behauptung des verstorbenen Pfarrers Brion im J . 1868 überzeugt sei, so verwahrt sich dieser dagegen, indem er feststellt, dass „aus den Briefen des Herrn A. Brion in Strassburg an ihn gerade das Gegenteil von dem hervorgehe, was Froitzheim insinuiert". — Wenn nun der Ankläger Froitzheim seine Angriffe nur gegen die Friederike der nachgoetheschen Zeit richtet, weil er gegen Goethes Verhalten auch nicht den Schatten einer Anklage erheben kann, so sucht von B i e d e r m a n n 3 2 ) , ein sonst so besonnener Forscher, Froitzheim noch zu übertrumpfen; er nimmt die Existenz eines Kindes Goethes und Friederikens an und zwar aus dem Grunde, weil Gretchen im Faust und Friederike identisch wären: „Aehnlich wie Gretchen im Faust, so mag Friederike Goethes lüsternen Anwandlungen entgegen gekommen sein!" „Goethe mochte dann mit furchtbarem Ernst empfinden, dass Friederike, nachdem sie ihm zu Willen gewesen, ihm nur noch sagen konnte: 'Ich habe schon so viel für dich gethan usw.' Und wenn auch trotz des frühen Todes von Goethes und Friederikens angeblichem Sohn dennoch (!) von Kindesmord nicht die Rede ist, so mochte doch in Goethe die schreckliche Möglichkeit aufsteigen, dass eine nicht absichtslose Vernachlässigung des Neugeborenen als Todesursache nicht ausgeschlossen sei." E s verlohnt wohl nicht, auf diese ungeheuerliche Behauptung, die sich von selbst richtet, einzugehen. — Alle Verdächtigungen gegen Friederike und deshalb auch diese darauf bestehende Hypothese sind widerlegt worden durch das Buch des alten Goetheforschers D ü n t z e r 3 3 " 3 4 ) , der schon im J . 1840 in den BLU. einen ähnlichen Angriff gegen Friederikens Frauenehre glänzend widerlegt hatte. Sein Buch erfüllt in vier Abschnitten: Der Detektiv, womit Froitzheim gemeint ist, Friederike und Goethe, Friederike und Lenz, Friederikens letzte vierzig Jahre und die Skandalsage, seinen Zweck. Wenn auch das Buch die bekannte Eigenheit der D.schen Schreibart aufweist, und wenn auch D. in der Datierung der Briefe Goethes an Salzmann wohl nicht das Richtige trifft, so findet er doch in allem, was uns hier angeht, d. h. in der Abwehr des Angriffs Froitzheims, unsere Billigung. Das Buch bringt zwar wenig Neues, aber die erschöpfende und zusammenfassende Darstellung verleiht der Verteidigung D.s unwiderlegliche Beweiskraft. Auf die einzelnen Anklagepunkte, die der Vf. entkräftet, ist im

IV 8 d : 3 0 . ) — 2 9 ) X LCB1. S. 20/1; KonsMschr. S. 122; A. C h u i j u e t : RCr. 35, S. 132/3; DB. 1, S. 272; R. M. W e r n e r : ZÖG. 44, S. 229-33; M. van H a l l : Gide 3, S. 478-500; COIRW. 21, S. 568/9; ÖLB1. 2, S. 652/3; M. E r d m a n n : N&S. 65, S. 270/2; ChrWGV. S. 29-32. — 2 9 a ) E. S a c k , Friederike Y. Sesenheim: FZg. N. 206/7. — 3 0 ) J . F r o i t z h e i m , Friederike v. Sesenheim. E. Entgegnung: ib. N. 217. — 31) B ü b e l , Ueber Friederike Brion: ib. 13. Aug. — 32) W. y. B i e d e r m a n n , Friederike Brion u. Gretchen: LZgB. N. 23. (S. n. IV 8e : 100.) — 33) H. D ü n t z e r , Friederike y. Sesenheim im Lichte d. Wahrheit. St., Cotta. III, 152 S. M. 3,00. |[DR. 3, S. 256; Geg. 43, S. 351; Ath. S. 440; K. H e i n e m a n n : BLU. S. 227-30; HL. 62, S. 263; M. y a n H a l l : Gids 3, S. 478-500; ÖLBl. 2, S. 652/3; E. E ( I s t e r ) : LCBI. S. 922/3; ChrWGV. S. 32.]| (S. n. IV 8o : 10.) — 34) i d . , Goethes Sesenheimer Briefe an Salzmann: AZgB. N. 23. — 35) H. K r u s e , Goethe n. Friederike:

K. Heinemann, Goethes Leben.

IV 8b : 3«

vorjährigen J B . ausführlich eingegangen worden. Nur auf eine Vermutung Froitzheims und ihre Widerlegung durch D. müssen wir hier noch eingehen. Es betrifft den Goetheschen Aufsatz von 1822: „Wiederholte Spiegelungen." Jeder Unbefangene wird den Eindruck von diesem Aufsatz haben, dass hier, wenn auch in etwas wunderlicher Form, Friederiken von Goethe die höchste Achtung gezollt wird. Froitzheim aber kommt zu anderem Ergebnis. Dieser Aufsatz war die Antwort Goethes auf des Philologen Näke „Wallfahrt nach Sesenheim" (1822J, in der auch das Gerücht von einem Kinde Friederikens erwähnt war. Aus der Thatsache, dass Goethe dieses Gerücht in den „Spiegelungen" nicht zurückweist, schliesst Froitzheim auf seine Bestätigung. D. widerlegt diesen Irrtum eingehend. Goethe wollte in den „Spiegelungen" nur von sich, von seiner Friederike und der durch Näkes „Wallfahrt" neuerwachten Erinnerung an sie sprechen, und diese Erinnerung mit den entoptischen Erscheinungen vergleichen, mit denen er sich gerade damals beschäftigte. Es war gar keine Veranlassung, ja fast keine Möglichkeit, von der Friederike der späteren Zeit in diesem Aufsatze zu reden, wie ja auch Goethe den Irrtum Näkes, dass Friederike einen Herrn von Dürkheim geheiratet hätte, unberichtigt liess. — Die masslosen Angriffe veranlassten schliesslich K r u s e 3 5 ) , der im J . 1835 auch eine Wallfahrt nach Sesenheim unternommen, Sophie Brion noch lebend angetroffen und viele Leute gesprochen hatte, die sich Friederikens noch erinnerten, seine gewichtige Stimme erschallen zu lassen. E r berichtet, dass Schweppenhauser, der Pfarrei', von dem das Gerücht ausgegangen war, ihm auf seine Frage, was er Böses über Friederiken zu erzählen habe, keine Auskunft gegeben, sondern ihn mit der Antwort, „alle alten Leute wüssten davon", abgefunden hätte. Die alten Leute hätten aber auf Befragen nichts davon gewusst. — Ein freundlicheres Geschick im irdischen Leben sowie in der Erinnerung der Nachwelt hat über einer anderen Geliebten Goethes, C h a r l o t t e K e s t n e r , gewaltet. An die glückliche Gattin und Mutter hat die Verleumdung sich nicht gewagt. Auch haben pietätvolle Nachkommen schon frühe wichtige und unantastbare Dokumente aufbewahrt, die jede Verunglimpfung unmöglich machten. Düntzer und Herbst haben diese Dokumente schon längst bei ihren Veröffentlichungen über Goethe in der Wetzlarer Zeit verwertet, aber dennoch nicht so ausgenutzt, dass nicht für einen anderen Forscher, der die Familienpapiere zur Durchsicht erhielt, manches Wichtige und Interessante zu finden gewesen wäre. E u g e n W o l f f 3 6 ) hat das Ergebnis seiner eingehenden Lektüre mitgeteilt. Wie natürlich, haben sich die früheren Forscher das auf Goethe sich beziehende Material nicht entgehen lassen; W. bietet uns daher hauptsächlich Nachrichten über Kestner und die Buffsche Familie. Aus Kestners Selbstschilderung und seinen Briefen erfahren wir, dass er nicht der Philister und kalte Verstandesmensch war, für den er als Urbild Alberts gilt. E r erscheint nicht ohne Sentimentalität, für die Dichtung sehr interessiert, ja selbst als Dichter thätig. Von seiner Werbung um die 15 jährige Lotte unterrichtet uns ein Brief Kestners an die Mutter und an Lotte selbst; die Sorge, dass seine Eltern ihre Einwilligung versagen würden, und die Jugend Lottens waren der Grund, dass das Verlöbnis mehrere Jahre geheim gehalten wurde. Ein Brief Kestners berichtet von Goethes Ankunft: „Er hasset die Juristerei und bedarf ihrer auch nicht, da sein Vater reich, er aber sein einziger Sohn ist"; gleich darauf wird in einer Tagebuchnotiz Kestners der Ball in Volpertshausen geschildert. Da auch Jerusalem dabei war, finden wir hier bei diesem berühmtesten aller Tanzvergnügungen alle Personen des Werther vereinigt. Ein prächtiger Brief vom März 1773 von Hans Buff, Goethes Liebling, einem 15 jährigen Primaner, giebt eine geradezu köstliche Schilderung des Lebens in der Familie Buff. Die ganze Kinderschar, jedes einzeln nach seinen Eigentümlichkeiten charakterisiert, passiert vor uns Revue. Der wichtigste Brief ist der von Herbst und W. mit Recht in die Zeit nach dem 13. Aug. 1772, an dem der verhängnisvolle Kuss sich ereignete, gesetzte, den W. zum ersten Mal vollständig abdruckt. Dieser Brief giebt uns überraschenden Aufschluss über Kestners Empfindungen und lässt uns erkennen, dass Goethe für den eifersüchtigen Albert sich auch von Kestner Farben leihen konnte. Kestner schreibt u. a. an Lotte: „Jedoch aber muss ich Ihnen als Freund sagen, dass nicht alles Gold ist, was da glänzt; dass man sich auf die Worte, welche vielleicht aus einem Buche nachgesagt, oder nur darum gesagt werden, weil sie glänzend sind, nicht verlassen kann, und daran das Herz oft keinen Teil haben kann; dass es von einer Mannsperson schwer wird, sie ganz kennen zu lernen, wenn man sie nicht in einer ziemlichen Zeit und in mancherlei Situation und Begebenheiten handeln gesehen hat; denn auf das Handeln kommt es an, nicht auf die schönen Worte; dass eine Mannsperson, welche man nur selten gesehen hat, vielleicht in denen von dieser selbst gewählten, ihr vorteilhaften DR. 4, S. 119-31. — 36) Eng. W o l f f , Bll. aas d. Werther-Kieia. ( = Urkk. z. Gesch. d. neueren dtsch. Litt. N.2.) Breslau, Schieß. Verlagsanst. 80 S. M. 1,80. |[A. L e i t z m a n n : ZDPh. 27, S. 277-80; A. K ö s t e r : APA. 19, S. 281/5.JI (Sonderabdr.

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IV

8 b : 37-42

K. H e i n e m a n n , Goethes Leben.

Stunden, darum noch nicht vorzüglicher sein kann; dass bei einer Mannsperson schwer zu entscheiden ist, wann sie keiner Veränderung, keinem Wankelmut mehr unterworfen ist, zumal wenn sie noch an keine gewisse Lebensart oder Beschäftigung gebunden ist; dass es keine Kunst ist, munter und unterhaltend zu sein, wenn man völlig sein eigener Herr ist, wenn man thun und lassen kann, was man will, dass jenes sich aber in ein mürrisches Wesen verändern kann, wenn dieses wegfällt und eine vielleicht unangenehme Beschäftigung gewählt werden muss." — Von den späteren Beziehungen zu Lotte und Goethe haben wir durch G ü n t h e r s 3 7 ) Veröffentlichungen Neues erfahren. — Ebenfalls G ü n t h e r 3 1 a ) verdanken wir einen kleinen interessanten Aufsatz üher den Besuch Lottens und ihrer Tochter Klara in Weimar im J. 1816. Nach beider Bericht war das Wiedersehen nicht besonders erfreulich. Lotte und Goethe waren einander fremd geworden und Goethes „steife A r t " war nicht dazu angethan, die Kluft zu überbrücken. Goethe liess es bei einigen Beweisen höflicher Freundlichkeit bewenden. — Ueber F r a u v o n S t e i n , das unerschöpfliche Thema, brachte das Berichtsjahr einen aus dem Dänischen übersetzten Aufsatz von B r a n d e s 3 8 ) . Der Artikel handelt in der Hauptsache von dem Bruch Goethes mit Frau von Stein; das Verhältnis selbst wird nur oberflächlich dargestellt. B. ist von der Sinnlichkeit des Verhältnisses durchaus überzeugt, und* wird sogar gegen Herman Grimm grob, weil dieser anderer Ansicht ist. Sehr ausführlich wird die Rache der Frau von Stein an Goethe geschildert. Das Trauerspiel Dido, meint B., ist geradezu erschreckend für den, der sich ein Fünkchen Glauben an die Menschen bewahrt hat und noch staunen kann über eine Dummheit oder Niedrigkeit von seiten eines Weibes, das auf Rache sinnt, weil es nicht mehr geliebt wird. Die Behauptung hätte wohl etwas weniger kräftig ausgesprochen werden können. B. führt auch Schillers allerdings etwas sonderbares, sehr lobendes Urteil über das Trauerspiel Dido und seine Aufforderung, es drucken zu lassen, an, und weist besonders darauf hin, dass Schiller dieses Urteil 1797 zur Zeit der Blüte des Freundschaftsbundes geschrieben habe. Eine solche Bemerkung kann irre führen. Es müsste doch erst bewiesen werden, dass Schiller von Beziehungen des Dramas auf Goethe unterrichtet war.38a~38b) — Von den anderen Goetheschen Frauengestalten ist die letzte, U l r i k e v o n L e v e t z o w , bekanntlich noch am Leben. Sie feierte am 4. Febr. 1893 ihren 90. Geburtstag in voller Gesundheit auf ihrem Schloss Triblitz bei Lobositz in Böhmen. Es war natürlich, dass viele Tagesblätter und Zeitschriften von diesem Tage Notiz nahmen. Wir heben aus diesen Festartikeln den des bekannten bayerischen Gelehrten H e r z f e l d e r 3 9 ) hervor und bemerken, dass H e i n e m a n n 4 0 ) den Tag benutzte, um in der Gartenlaube in einem das Wesentliche hervorhebenden Artikel drei Bilder von Ulrike, ihrer Mutter und ihrer Schwester sowie von dem Schloss Triblitz zu veröffentlichen.40») — Zwei Fürstinnen des Weimarer Hofes, zu denen Goethe in näheren Beziehungen gestanden hat, haben in dem Buch von Lil.y v o n G i z y c k i 4 1 ) „Deutsche Fürstinnen" ein biographisches Denkmal erhalten: Erstlich die am 18. Juli 1786 geborene Tochter Karl Augusts, K a r o l i n e L u i s e , die voll Begeisterung an Herder und Goethe, Schiller und Wieland hing und auch von Goethe Beweise freundlicher Gesinnung und aufrichtiger Zuneigung erhielt. Von ihrer Verehrung für Goethe, der ihrer schönen Begabung und besonders ihrem Zeichentalente oft und gern Beachtung und Förderung zu teil werden liess, erzählt die Vf. den hübschen Zug, dass sie in ihrer Kindheit mit ihren Freundinnen einen Bund „Zum Schutz und Trutz der besten Meister" geschlossen habe. Zur Ehrung der schon im J. 1816 als Erbprinzessin von Mecklenburg verstorbenen Weimarschen Fürstentochter dichtete Goethe bekanntlich das Gedicht Trauerloge: „ A n dem öden Strand des Lebens". . . . In die nachgoethesche Zeit führt uns das Thema des dritten Aufsatzes desselben Buches: Die litterarischen Abende der Grossherzogin M a r i a P a u l o w n a . Aber in der Einleitung werden die regen Beziehungen dieser von Goethe und Schiller oft gepriesenen und auch besungenen, geistreichen und wohlthätigen Fürstin zu dem Dichter ausführlich dargelegt; wenn wir auch nichts erfahren, was nicht schon aus dem Buche von Preller, den Briefen Goethes und seinen ihr gewidmeten Gedichten bekannt wäre. — Von einer anderen Weimarer Fürstin, der Mutter Karl Augusts, A n n a A m a l i a , hatte das Vorjahr zwei Biographien gebracht. Ueber Bornhaks Werk (vgl. JBL. 1892 I V 8 b : 48) ist eine Reihe von Recensionen erschienen42), auch aus N&S. 66, 8. 184-201, 295-315; vgl. auch IV 8 d : 19.) — 37) (S. o. N. 13.) - 37a) 0. G a n t h e r , Goethe u. Lotte. 1816: GJb. 14, S. 284/9. (S. u. IV 8d:20a.) — 3g) 6. Brandes, Goethe n. Charlotte r. Stein. Autoris. Uebers. v. E. H o l m : FZg. N. 237, 239. — 38a) X F. M u n c k e r , Charlotte v. Stein: ADB. 35, S. 602/5. — 3 8 b ) X E . Frhr. v. G r o t t h u s , Charlotte y. Stein: VelhagenKlasingsHh. 1, S. 302-13. -- 39) J. H e r z f e l d e r , Ulrike v. Levetzow u. Goethe: Sammler*. N. 15. — 40) T. Heinemann, Goethes letzte Liebe: Gartenlaube N. 8. — 40a) X Ulrike v. Levetzow: Fremdenbl. 5. Febr. — 41) L i l y K. G i z y c k i , Deutsche Fürstinnen. B., Paetel. i n , 285 S. M. 4,00. — 42) X K. H e i n e m a n n : BLU. S. 20/2; 0. H ä r t u n g : D Dichtung. 14, S. 149-50; LCB1. S. 184/5; F. S c h w a r z : FBFG.6,S.327; KonsMschr. S. 117/8; Grenzb. 1, S. 303; L. G e i g e r :

K. H e i n e m a n n , Goethes Leben.

IV

8b

: 43-50

über die Schrift von Weizsäcker (vgl. JBL. 1892 IV 8b:47) 4 3 ). — Ebenso gedenken wir hier des Buches von Heitmüller (vgl. JBL. 1892 IV 8 b : 20), das mehrfach besprochen wurde43"). — Als Einleitung zu einer Darstellung „Aus den Papieren eines Hofmanns" über den Hof in Weimar zu Goethes Zeit ist eine Schilderung des Weimarer Hofes zur Regierungszeit Anna Amaliens kurz vor dem Eintreffen Goethes erschienen 44 ). Es werden hier hauptsächlich die Belustigungen des Hofes beschrieben, von den Promenaden der Fürstin zu Pferde, den Redouten, Hofschlittenfahrten und Hofbällen bis zum Theater. Oberstallmeister von Stein wird als „einer der galantesten Reiter seiner Zeit" bezeichnet, Hauptmann von Knebel als geistreicher, lebendiger, liebenswürdiger Gouverneur, Graf Görz als vornehmer, feiner Hofmann, der immer scharfe Bemerkungen über das Benehmen der jungen Kavaliere im Munde führt. — Auch die Beziehungen Goethes zur österreichischen K a i s e r i n Maria L u d o v i k a sind im Berichtsjahre Gegenstand ausführlicher Darstellung geworden und zwar in einem Vortrag von G u g l i a 4 5 ) . Er konnte das Goethesche Tagebuch (1810 ff.) und den Briefwechsel der Kaiserin mit ihrer Mutter Maria Beatrice von Este benutzen, so dass sein Vortrag auch trotz Düntzers Schrift über dasselbe Thema Neues brachte. Die erste Notiz im Tagebuche 1808 merkt an, dass Frau von E.ybenberg viel von der neuen Kaiserin erzählt habe. In Karlsbad 1810 meldet das Tagebuch, dass die Kaiserin, nachdem Goethe ihr vorgestellt, ihn häufig gesehen und gesprochen hätte. Die Kaiserin erwähnt Goethe in ihren Briefen nur einmal flüchtig. Unter dem 18. Febr. 1811 vermerkt Goethe den Empfang einer goldenen Dose von der Kaiserin. Von der zweiten wichtigeren Begegnung (im Sommer 1812) berichtet das Tagebuch ausführlich. In den 26 Tagen, da die Kaiserin in Teplitz weilte, wurde Goethe elf Mal zur Tafel gezogen, beinahe täglich sah er sie und las ihr sieben Mal vor. Alexis und Dora wurde besonders gut aufgenommen. Dann las er den Neuen Pausias, Teile der Pandora, Scenen der Iphigenie und die Ballade „Wirkung in die Feme", auch Schillersche Balladen, Calderons Leben ein Traum. Daran knüpften sich ästhetische Gespräche („über die Fundamente des ästhetischen Urteils" sagt das Tagebuch). Am 28. Juli bemerkt Goethe im Tagebuch: „Aufgabe zweier durch eine Wette getrennter Liebenden". Daraus entstand das Lustspiel „Die Wette". Es sollte in Teplitz aufgeführt werden, und Goethe und die Kaiserin sollten darin mitwirken. Ob das geschehen, ist nicht erwiesen, ebenso auch nicht, ob die Kaiserin in der Aufführung des ersten Aktes des Tasso (mit Goethe in der Titelrolle) mitgespielt hat. — Von Schriften über das Verhältnis Goethes zu bedeutenden Männern der Wissenschaft oder Kunst war im Vorjahr besonders das Buch von Steig, Goethe und die B r ü d e r Grimm (vgl. JBL. 1892 I 2 : 3 ; IV 8 b : 4 3 ; 10:22; s. auch o. I 2:10) besprochen worden 48 ). Es hat auch in diesem Jahre noch eine Reihe Recensionen erfahren. L a v a t e r im Lichte Goethes nennt sich ein Artikel von Mendon 4 7 ), der, anstatt sich bei der Thatsache, dass Goethe seit den 80 er Jahren von Lavaters Unwahrheit und Heuchelei überzeugt war, zu beruhigen, die total veränderte Stellung Goethes zu Lavater als eine unbegründete, von persönlicher Empfindlichkeit und durch fremde Einflüsterungen erzeugte Umwandlung bezeichnet. — Ueber Goethe und M a t t h i s s o n berichtet ein ausführlicher Artikel von B o c k 4 8 ) . Goethes Aeusserung über Matthissons Poesie klingt sehr skeptisch; dagegen fanden beide Männer in dem gemeinsamen Interesse für die Naturwissenschaft nähere Berührungspunkte. Von 1815 an, nach vielen Reisen, kam Matthisson öfter nach Weimar, wo er stets von Goethe gerne gesehen und auch von Ottilien wohl aufgenommen und zur Teilnahme am „Chaos" aufgefordert wurde. Im Herbst 1829 war er zum letzten Male dort. Diesmal wurde er von Schmeller für Goethes Porträtsammlung gemalt. — Ueber Gottl. H e i n r . Rapp, den Stuttgarter Kaufmann und Künstler, mit dem Goethe während seines zweiten Stuttgarter Aufenthalts verkehrt hat, brachte S t r ö h m feld 4 9 ) schon im Vorjahr eine Studie. Er hat dieser einen Artikel über dasselbe Thema folgen lassen. Rapp war durch Dannecker mit Schiller befreundet geworden. Diese Freundschaft führte zum Besuch Goethes, den Schiller am 21. Juli 1797 in einem Briefe Cotta anzeigt. Goethe überbrachte Rapp einen Brief Schillers und machte mit ihm Ausflüge in die Umgebung. Den Höhepunkt des Verkehrs bildete Goethes Vorlesung von Hermänn und Dorothea vor Dannecker, Rapp und ihren Frauen im Rappschen Hause. — G a e d e r t z 5 0 ) berichtet über den Legationsrat F r i e d r i c h K a r l M e y e r , der identisch ist mit jenem bisher rätselhaften, enthusiastischen Studenten Nation». 10, S. 386/8; NafZg. N. 5, 9. — 43) X NÄS. 95, S. 275; K. J. S ( e h r ö e r ) : LCB1. S. 1083; BLU. S. 462. — 4 3 a ) A. B y : ML. 62, S. 263; O. H a r n a c k : ADA. 19, S. 172/6; LCBL S. 570; YossZgB. N. 14; L. G e i g e r : Nation». 10, S. 389,576/8. — 44) D. Hof in Weimar zu Goethes Zeit. Knltnrbild ans d. Papieren e. Hofmanns. (Niedergeschr. 1840): KonaMschr. 50, S. 1089-95. — 45) E. G n g l i a , Goethe u. d. Kaiserin Maria Lndovika v. Oesterreich: ChrWGV. S. 42/5. (S. n. IV 8 c : 25.) — 46) X J - M i n o r : GGA. S. 419-21; O. H a r n u o k : P r j b b . 71, S. 136/7; L. G [ e i g e r ] : Nation». 10, S. 94; S. M. P r e m : ÖLB1. 2, S. 302/3; P h . S t r a u c h : DWB1. S. 105/7: NatZg.N.154. - 47) P- M e n d o n , Lavater im Lichte Goethes: KonsMechr. 50, S. 184-95. — 48) A. B o c k , Goethe n. Matthisson: FZg. N. 32. — 49) (IT 8a :65; 9 : 2 0 . ) — 50) K. Th. G a e d e r t z , Goethe,

IV 8b:5i-62a IV 8c : i-6

O. Pniower, Goethes Lyrik.

Meyer, der im J. 1824 die Bekanntschaft Goethes machte und sich dessen Sympathie in hohem Grad erwarb. Durch Empfehlung an das Frommansche Haus in Jena mit Knebel bekannt geworden, wusste er trotz mehrfachen Abweisungen durch mehrere an den Dichter gesandte, von Begeisterung durchwehte Gedichte Goethes Erlaubnis zum Besuch und dessen rege Teilnahme zu erwerben (vgl. Gespräche mit Eckermann 15. Febr. 1824). — Ueber den Gründer von Marienbad, den Abt Karl Reitenberger hatte Prem im April 1890 in der NFPr. ausführlich gehandelt in dem Feuilleton „Goethe und Abt Reitenberger" (vgl. JBL. 1890 IV IIb: 115). Die sehr ausführliche biographische Skizze von Schneider 5 1 ) liefert zwar über die Beziehungen zu Goethe nichts Neues, aber doch einige wichtige5 2 authentische Mitteilungen zu Reitenbergers Leben. — Der Aufsatz von K a r p e l e s ) „Goethe in Franzensbad" bringt ebenfalls nichts Neues.52») —

e) Lyrik. Otto Pniower. Gin pseudogoethesches Gedicht N. 1. — Sammlungen nnd Ausgaben N. 3. — Zusammenfassende Betrachtungen N. 6. — Einzelne .Schöpfungen: Leipziger Liederbuch N. 9. - Strassburger Zeit N. 10. — Weimarer Zeit: E i n f l u s s des Joh. Secundns N. 11; Der Fischer N. 12; Grenzen der Menschheit N. 14; Ilmenau N. 15; Morgenklagen N. 17; Römische Elegien N. 18; Wer kauft Liebesgötter? N. 19; Xenien N. 20: Elegie Hermann und Dorothea N. 22; Deutscher Pnrnass N. 24; Karlsbader Gedichte N. 25; llemento N. 26; Trauerloge N. 27; Zum 28. August 1823 N. 28; „Die beiden lieben sich gar fein" N. 29. —

Wenn wir sonst unseren Bericht mit der Besprechung neuer Funde begannen, so sind wir dieses Mal in der Lage, ihn mit der Mitteilung zu eröffnen, dass e i n p s e u d o g o e t h e s c h e s Gedicht (vgl. Weim. Ausg. 6, S. 353) dem Dichter nun endgültig abgesprochen wird. Wustmann 1 ) führt den Nachweis, dass nicht Goethe, sondern Prof. Heinroth der Vf. der Verse ist: „Lange hab' ich mich gesträubt. Endlich gab ich nach; Wenn der alte Mensch zerstäubt, Wird der neue wach", und Hildebrand 2 ), der sie noch vor kurzem für Goethesch hielt (Gesammelte Vortrr. und Aufsätze [vgl. JBL. 1890 1 7:3], S. 249ff.), erklärt sich durch W.s Ausführungen für bekehrt. — Von S a m m l u n g e n der Gedichte, von denen der Büchermarkt, wie es scheint, immer noch neue verträgt3-4), ist besonders diejenige bemerkenswert, die uns im fünften Bande der Weimarer A u s g a b e vorliegt5). Sie enthält Gedichte „Aus dem Nachlass", d. h. solche, die Goethe selbst nicht in seine Werke, bezw. nicht in die die Gedichte enthaltenden Bände aufgenommen hat. Sie sind unter Rubriken, deren sich Goethe teilweise schon bedient hat, wie „Vermischte Gedichte", „An Personen", „Zahme Xenien", „Invektiven" und „Xenien" geordnet. Die letzte Gruppe enthält zuerst das ungeteilte Werk der Goethe-Schillerschen Xenien, wie es der Musenalmanach auf das J. 1797 an den Tag brachte. Es folgen dann sämtliche von Schiller bei der letzten Redaktion ausgeschlossene Xenien ohne Rücksicht auf die Frage, ob er oder Goethe ihr Vf. sei. Dagegen werden aus den Tabulae votivae nur die sicher Goetheschen oder wenigstens diejenigen, die Schiller nicht für sich in Anspruch nahm, gegeben. Der Band enthält mancherlei bisher Ungedrucktes, nicht bloss unter den Xenien, wovon noch weiter unten die Rede ist (s. u. N. 20). Auch die „Zahmen Xenien" bieten eine stattliche Reihe bisher unbekannter Sprüche, vielfach von einer leidenschaftlichen, derben Sprache, aber alle voll der köstlichsten Weisheit und Weltkenntnis. Eine nähere Besprechung des Bandes muss bis zum Erscheinen des noch ausstehenden kritischen Apparates verschoben bleiben. — Kommentierende Arbeiten, die Goethes gesamte lyrische Thätigkeit ins Auge fassen, hat das Berichtsjahr nicht hervorgebracht und an z u s a m m e n f a s s e n d e n Betrachtungen, die über einen grösseren Zeitraum verbreitete Schöpfungen behandeln, war auch nicht gerade Ueberfluss. Eine textkritische Studie Schräders 4 ) zeigt den Vf. nicht im Besitze des erforderlichen Rüstzeuges. Ohne Kenntnis der Textgeschichte, auf alten schlechten Ausgaben fassend, sucht er eine Reihe üblicher Lesarten als Entstellungen zu erweisen, für die er Besserungsvorschläge bei der Hand hat. Sie erscheinen um so weniger annehmbar, als ihnen das gefährliche Kriterium des subjektiven, von Verstand und Logik geleiteten Geschmackes zu Grunde liegt. — Gries u. Fricdr. Karl Meyer: N&S. 65, S. 173-89. — 51) H. S c h n e i d e r , D. Abt K. Reitenberger: Bohemia N. 228/9, 230, 232. — 52) G. K a r p e l e s , Goethe in Franzensbad: FeuilletZg. N. 469. — 52a) X Goethe n. Kaiser Nikolaus I.: FZg. N. 157. (Mitteil, ans d. Aufzeichn. d. russ. Schriftstellerin A. O. Smirnow.) — 1) G. W n s t m a n n , E. angeblich GoetheBcher Tere: Grenzb. 1, S. 596/7. — 2) Rud. E i l d e b r a n d , D. wirk], Urheber e. angeblichen Verses v. Goethe: ZDTJ. 7, S. 291/3. — 3) X 0 7 : 65-) — 4) X E - Goedeke, Goethes Gediohte mit Einl. 2 Bde. St., Cotta. 304, 31öS. M. 2,00. — 5) (IV 8 a : 112/3.) - 6) Herrn. S c h r ä d e r , Entstellungen Goethesoher

IV 8b:5i-62a IV 8c : i-6

O. Pniower, Goethes Lyrik.

Meyer, der im J. 1824 die Bekanntschaft Goethes machte und sich dessen Sympathie in hohem Grad erwarb. Durch Empfehlung an das Frommansche Haus in Jena mit Knebel bekannt geworden, wusste er trotz mehrfachen Abweisungen durch mehrere an den Dichter gesandte, von Begeisterung durchwehte Gedichte Goethes Erlaubnis zum Besuch und dessen rege Teilnahme zu erwerben (vgl. Gespräche mit Eckermann 15. Febr. 1824). — Ueber den Gründer von Marienbad, den Abt Karl Reitenberger hatte Prem im April 1890 in der NFPr. ausführlich gehandelt in dem Feuilleton „Goethe und Abt Reitenberger" (vgl. JBL. 1890 IV IIb: 115). Die sehr ausführliche biographische Skizze von Schneider 5 1 ) liefert zwar über die Beziehungen zu Goethe nichts Neues, aber doch einige wichtige5 2 authentische Mitteilungen zu Reitenbergers Leben. — Der Aufsatz von K a r p e l e s ) „Goethe in Franzensbad" bringt ebenfalls nichts Neues.52») —

e) Lyrik. Otto Pniower. Gin pseudogoethesches Gedicht N. 1. — Sammlungen nnd Ausgaben N. 3. — Zusammenfassende Betrachtungen N. 6. — Einzelne .Schöpfungen: Leipziger Liederbuch N. 9. - Strassburger Zeit N. 10. — Weimarer Zeit: E i n f l u s s des Joh. Secundns N. 11; Der Fischer N. 12; Grenzen der Menschheit N. 14; Ilmenau N. 15; Morgenklagen N. 17; Römische Elegien N. 18; Wer kauft Liebesgötter? N. 19; Xenien N. 20: Elegie Hermann und Dorothea N. 22; Deutscher Pnrnass N. 24; Karlsbader Gedichte N. 25; llemento N. 26; Trauerloge N. 27; Zum 28. August 1823 N. 28; „Die beiden lieben sich gar fein" N. 29. —

Wenn wir sonst unseren Bericht mit der Besprechung neuer Funde begannen, so sind wir dieses Mal in der Lage, ihn mit der Mitteilung zu eröffnen, dass e i n p s e u d o g o e t h e s c h e s Gedicht (vgl. Weim. Ausg. 6, S. 353) dem Dichter nun endgültig abgesprochen wird. Wustmann 1 ) führt den Nachweis, dass nicht Goethe, sondern Prof. Heinroth der Vf. der Verse ist: „Lange hab' ich mich gesträubt. Endlich gab ich nach; Wenn der alte Mensch zerstäubt, Wird der neue wach", und Hildebrand 2 ), der sie noch vor kurzem für Goethesch hielt (Gesammelte Vortrr. und Aufsätze [vgl. JBL. 1890 1 7:3], S. 249ff.), erklärt sich durch W.s Ausführungen für bekehrt. — Von S a m m l u n g e n der Gedichte, von denen der Büchermarkt, wie es scheint, immer noch neue verträgt3-4), ist besonders diejenige bemerkenswert, die uns im fünften Bande der Weimarer A u s g a b e vorliegt5). Sie enthält Gedichte „Aus dem Nachlass", d. h. solche, die Goethe selbst nicht in seine Werke, bezw. nicht in die die Gedichte enthaltenden Bände aufgenommen hat. Sie sind unter Rubriken, deren sich Goethe teilweise schon bedient hat, wie „Vermischte Gedichte", „An Personen", „Zahme Xenien", „Invektiven" und „Xenien" geordnet. Die letzte Gruppe enthält zuerst das ungeteilte Werk der Goethe-Schillerschen Xenien, wie es der Musenalmanach auf das J. 1797 an den Tag brachte. Es folgen dann sämtliche von Schiller bei der letzten Redaktion ausgeschlossene Xenien ohne Rücksicht auf die Frage, ob er oder Goethe ihr Vf. sei. Dagegen werden aus den Tabulae votivae nur die sicher Goetheschen oder wenigstens diejenigen, die Schiller nicht für sich in Anspruch nahm, gegeben. Der Band enthält mancherlei bisher Ungedrucktes, nicht bloss unter den Xenien, wovon noch weiter unten die Rede ist (s. u. N. 20). Auch die „Zahmen Xenien" bieten eine stattliche Reihe bisher unbekannter Sprüche, vielfach von einer leidenschaftlichen, derben Sprache, aber alle voll der köstlichsten Weisheit und Weltkenntnis. Eine nähere Besprechung des Bandes muss bis zum Erscheinen des noch ausstehenden kritischen Apparates verschoben bleiben. — Kommentierende Arbeiten, die Goethes gesamte lyrische Thätigkeit ins Auge fassen, hat das Berichtsjahr nicht hervorgebracht und an z u s a m m e n f a s s e n d e n Betrachtungen, die über einen grösseren Zeitraum verbreitete Schöpfungen behandeln, war auch nicht gerade Ueberfluss. Eine textkritische Studie Schräders 4 ) zeigt den Vf. nicht im Besitze des erforderlichen Rüstzeuges. Ohne Kenntnis der Textgeschichte, auf alten schlechten Ausgaben fassend, sucht er eine Reihe üblicher Lesarten als Entstellungen zu erweisen, für die er Besserungsvorschläge bei der Hand hat. Sie erscheinen um so weniger annehmbar, als ihnen das gefährliche Kriterium des subjektiven, von Verstand und Logik geleiteten Geschmackes zu Grunde liegt. — Gries u. Fricdr. Karl Meyer: N&S. 65, S. 173-89. — 51) H. S c h n e i d e r , D. Abt K. Reitenberger: Bohemia N. 228/9, 230, 232. — 52) G. K a r p e l e s , Goethe in Franzensbad: FeuilletZg. N. 469. — 52a) X Goethe n. Kaiser Nikolaus I.: FZg. N. 157. (Mitteil, ans d. Aufzeichn. d. russ. Schriftstellerin A. O. Smirnow.) — 1) G. W n s t m a n n , E. angeblich GoetheBcher Tere: Grenzb. 1, S. 596/7. — 2) Rud. E i l d e b r a n d , D. wirk], Urheber e. angeblichen Verses v. Goethe: ZDTJ. 7, S. 291/3. — 3) X 0 7 : 65-) — 4) X E - Goedeke, Goethes Gediohte mit Einl. 2 Bde. St., Cotta. 304, 31öS. M. 2,00. — 5) (IV 8 a : 112/3.) - 6) Herrn. S c h r ä d e r , Entstellungen Goethesoher

0 . P n i o w e r , Goethes Lyrik.

IV

8 c : 7-11

Auch S i e g m a r S c h u l t z e s 7 ) Buch ist vom Standpunkte des wissenschaftlichen Fortschrittes aus betrachtet eine Nullität. Bekanntlich kann aber auch das Unzulängliche Ereignis werden und das Mangelhafte nutzbringend sein. Auch fehlt es natürlich in dem Werk nicht an richtigen, gelegentlich auch wohl neuen Beobachtungen. Aus diesen Gründen, und weil es überdies unserem Programm entspricht, von jeder Erscheinung Notiz zu nehmen, wollen wir registrieren, wie weit die Darstellung, die Sch. von der Entwicklung des jungen Goethe giebt, den Lyriker betrifft. Das erste Heft bietet eine Zusammenstellung derjenigen deutschen und auswärtigen Litteratur, die von Goethe teils sicher gelesen wurde, teils ihm wenigstens zur Verfügung stand. Sch. giebt nicht mehr als eine katalogartige Aufzählung. Ich kann mir aber vorstellen, dass ein schöpferischer, über Geist und Kritik verfügender Forscher aus diesem Stein Funken schlägt. 1, S. 37 handelt von der Naturbetrachtung des 16jährigen Goethe, wobei es freilich an unbegründeten Behauptungen nicht fehlt. Heft 2, S. 9 berichtet über die Fortschritte, die Goethes Lyrik in Leipzig macht, und bespricht das kleine Stimmungsbild; S. 19 seinen Uebergang zur Anakreontik; S. 26, 33, 40 zeigt die Einwirkung der von Eifersucht geplagten Liebe zu Käthe Schönkopf auf die Lyrik des Dichters und ihre Widerspiegelung darin. Heft 3. S. 11 wendet sich der Lyrik der Frankfurter Periode (Herbst 1768 bis Ostern 1770) zu und berührt (S. 18) Wielands Einfluss, behandelt aber weiterhin die Strassburger Zeit. S. 45 ist von Herders Einfluss die Rede. S. 56 gelangen die Friederikenlieder zur Besprechung. Sch. vermehrt die Zahl derer, die für sie eine eigene Chronologie bereit haben, ohne dass er nach meiner Meinung überall das Richtige trifft. Absurd ist die Ansicht, die er über die Entstehung von „Willkomm und Abschied" vorträgt. Danach ist das Lied nicht in einem Zuge gedichtet, sondern die ersten beiden Strophen sind am 30. März 1771, die beiden letzten im Juni desselben Jahres verfasst! Im vierten Hefte, in der die vor der Wetzlarer Episode liegende Frankfurter Zeit (1771—72) charakterisiert wird, kommen neben den Liedern im Götz, Goethes Beschäftigung mit Ossian (S. 9) zur Sprache: S. 51 die Pindarisch-Klopstocksche Lyrik; S. 55 „Der Wanderer" und „Wanderers Sturmlied"; S. 61 die Freundschaftsoden (Elysium, Pilgers Morgenlied, Felsweihegesang an Psyche). Sie werden mit ähnlichen Gedichten Mercks verglichen, und es wird eine Einwirkung dieser auf sie konstatiert. — Sechs Gedichte der Frankfurter und ersten Weimarer Zeit (Prometheus, Ganymed, Lied an den Mond, Gesang der Geister über den Wassern, Ilmenau,Zueignung) unterwirft K. L o r e n z 8 ) einer für das Niveau der Schule berechneten Betrachtung, bei der es ihm in erster Linie auf Analysen ankommt. Beim „Prometheus" trägt er einen im engeren Sinne religiösen konfessionellen Charakter in die Schöpfung, der vom Dichter nicht beabsichtigt ist. Im „Ganymed" ist das Momentane der Situation nicht scharf genug festgehalten und der Sinn in einer missverständlichen Weise verallgemeinert. Die Analyse von „Ilmenau" verdient nicht mehr diesen Namen. L. giebt eine roh skizzierende Inhaltsangabe, die den poetischen Gehalt des Gedichtes nicht ahnen lässt. Dergleichen ist der Tod der im guten Sinne ästhetischen Betrachtungsweise und erscheint mir für Schüler nichts weniger als musterhaft. In der Behandlung der „Zueignung" macht L. Aufbau und Gliederung des Gedichtes klar, um sich dann der Betrachtung der Form zuzuwenden. E r verweist zur Erklärung der Scenerie auf die zahlreichen, in Nebel gehüllten Göttererscheinungen bei Homer, zeigt aber, wie Goethe im Vergleich zu ihm darauf bedacht ist, die Vision auf einen Naturvorgang zu gründen, den er mit höchster Treue beschreibt. Das Bekenntnis, dass er die poetische Erfindung in dem einen Punkte nicht für glücklich halten könne, dass der Dichter gerade den Schleier von der Wahrheit empfange, hätte ich L. gern erlassen. Das Symbol steht durchaus nicht folgenlos da, wie er meint. Zuletzt giebt L. den Zweck des Gedichtes an. — Das Hauptkontingent zu unserer Heerschau stellen auch dieses Mal diejenigen Schriften, die e i n z e l n e S c h ö p f u n g e n betrachten, sei es, dass sie diese im ganzen behandeln, sei es, dass sie einen einzelnen Beitrag zu ihnen liefern. Doch liegen auch solche vor, die ganze, vom Dichter veranstaltete Sammlungen zum Gegenstand ihrer Erörterung genommen haben. Um den chronologischen Faden; der uns wieder leiten soll, nicht zu zerreissen, scheiden wir diese Gruppen und etwaige Untergruppen nicht weiter. Gleich die erste lyrische Sammlung, die Goethe hat erscheinen lassen, das L e i p z i g e r L i e d e r b u c h , hat in S t r a c k 9 ) einen trefflichen Bearbeiter gefunden. St. behandelt jedes der 20 in dem Buch vereinigten Lieder einzeln. Seine Schrift ist also ein Kommentar. Bei jedem giebt er äussere und innere Entstehung, sowie Ueberlieferung an, um sich dann der Interpretation zuzuwenden. Den Schwerpunkt seiner Betrachtung bildet die Frage nach der Tradition. Stets ist er bestrebt, sie für die Gattung, der das Gedicht angehört, zu bestimmen. Aber nicht bloss für die Gattung Gedichte u. Besserongsvorschläge: ZDS. 7, S. 243-53. - 7) (IV 8 b : 2 7 . ) - 8) (I 7 : 4 4 ) | [L. H 818 c h e r : ASNS. 91, S. 46fl-70.]| — 9) A. S t r a c k , Goethes Leipziger Liederbnoh. Glessen, J. Ritter. 175 S. M. 3,80. — 10) (IY 8 b : 33.) - 11) L. B l u m e , ,

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verfolgt er ihre Spuren, sondern auch für einzelne Motive und Züge. Ja sogar für einzelne Worte thut er es, wenn sie, wie etwa „tändeln", irgend charakteristisch sind. Sein Blick ist dabei keineswegs auf denjenigen Kreis der poetischen Litteratur beschränkt, dem die Lieder hauptsächlich angehören: die Anakreontik, wenngleich er natürlich sie vor allem berücksichtigt, sondern er ist auch auf die ältere Produktion, die sie vorbereitete, die Poesie des 17. und 16. Jh. gerichtet. Sogar die Urquelle dieser Renaissancelitteratur, die Antike (Griechische Anthologie und Römische Elegiker) berücksichtigt St. vielfach. Für die Anakreontik zieht er die gesamte Liiteratur heran, neben der französischen auch die entlegenere deutsche. Man begegnet Autornamen, die selbst die Literaturgeschichte nicht mehr zu verzeichnen pflegt. Neben der Frage nach dem Zusammenhange der Motive beschäftigt St. am meisten die sprachliche, im engeren Sinne lexikalische Seite seiner Aufgabe. Um Wortgebrauch und -bedeutung festzustellen, sammelt er reichliche Belege. Er hat dabei den glücklichen Gedanken gehabt, ausser der Praxis, d. h. den Dichtern, auch die Theorie zu Rate zu ziehen, indem er für die Erklärung gleichzeitige Grammatiker und Lexikographen citiert. Auch hier schrickt er vor der Obskurität eines Namens nicht zurück. Manchen interessanten Bedeutungswechsel lernt man durch ihn kennen. Damit sind aber die Vorzüge des Buches, soweit sie sich aus seiner Anlage, aus der Tendenz des Vf. ergeben, noch nicht erschöpft. Auch das ist noch zu loben, dass auf die Gesamtlyrik Goethes Streiflichter fallen, insofern für bezeichnende Motive oder Epitheta, für solche, die für seine spätere Poesie charakteristisch wurden, die Stellen aus der späteren Produktion nach Kräften gesammelt sind. So die für die Mondpoesie, für Beiwörter wie „heiter", „rein", „still". In Bezug auf den Geist, mit dem die Intentionen St.s durchgeführt sind, sei noch gesagt, dass er alle Mittel der Philologie beherrscht, sich in den Charakter der Gedichte tief eingedrungen zeigt und manche neue Beobachtung zu Tage gefördert hat. Bemerkenswert ist der Eifer, mit dem er, wie hohen Wert er auch auf den Nachweis der Tradition legt, darauf achtet, wann und wie der junge Dichter die Fesseln der Ueberlieferung bricht und selbständigen, individuellen Geist kundgiebt. — Die Lieder der S t r a s s b u r g e r Zeit, von jeher ein beliebtes Thema, fanden dieses Mal keinen Bearbeiter. Doch geht D ü n t z e r , 0 ) in seiner Rettung Friederikens von neuem auf sie ein. Mit der Darstellung der Beziehungen Goethes zu ihr%verbindet er eine hauptsächlich der Chronologie der Gedichte geltende Betrachtung. Seine Auffassung zeigt sich von seiner bisherigen (vgl. JBL. 1892 IV 9c: 173 nicht verschieden. — Auch für diejenige Epoche, die den Höhepunkt der Goetheschen Liebeslyrik umfasst, die Frankfurter Zeit (1771—75) liegt kein Beitrag vor. Erst die W e i m a r e r Zeit (vgl. IV 8a : 168) fand ihre Homere. Georg Ellinger hat zuerst zusammenfassend auf den E i n f l u s s hingewiesen, den J o h a n n e s S e c u n d u s in dieser Periode für eine längere Zeit auf Goethe ausgeübt hat (vgl. JBL. 1892 IV 9c : 14). Zur Stütze dieses Nachweises macht B l u m e 1 1 ) auf eine in der zweiten Abteilung des Taschenbuches für Dichter und Dichterfreunde für das J. 1780 unter der Chiffre v. K .erschienene Umdichtung einer Elegie des Neulateiners aufmerksam. War dieser der Bearbeiter, dann zeigt sich, meint B., wie bekannt Joh. Secundus in Weimar war. Indem er dann das Verhältnis der Umdichtung zum Original betrachtet, kommt er zu dem Schluss, dass das Gedicht in mehrfacher Beziehung als eine Art Vorläufer von Goethes Römischen Elegien anzusehen ist. — Ueber eine Stelle im „ F i s c h e r " , die Worte : „Was lockst du meine B r u t . . . Hinauf in Todesglut" lassen sich zwei Stimmen vernehmen. Nach der Ansicht K o h l s c h m i d t s " ) erklärt sich der Ausdruck „Todesglut" daraus, dass auf die im kühlen Bereich des Wassers lebenden Fische, wenn sie an das Ufer gebracht werden, die warme atmosphärische Luft gewissermassen versengend wirkt. Ihr Verschmachten auf dem trockenen Lande könne danach dichterisch sehr wohl als ein Verbrennen aufgefasst werden. — Für diese Meinung liest ihm L y o n 1 3 ) ein wenig den Text. Er ist der Ansicht, dass die Aeusserung, die Goethe zu Frau von Staël über die Stelle that, für die Erklärung allein massgebend sei. Danach ist mit „Todesglut auf die Tod bringende Glut des Küchenofens, auf dem die Fische zubereitet werden, angespielt". Mir ist es unbegreiflich, wie man eine derartige Aeussèrung des Dichters für Ernst nehmen kann, aber auch Kohlschmidts Auffassung scheint mir nicht unanzweifelbar. Könnte Goethe nicht „Todesglut" gesagt haben, ohne an Atmosphäre oder Temperatur zu denken? Giebt man als möglich zu, dass er das Sterben unter der dichterischen Vorstellung des Verglühens ansah, so kann man seiner sprachlichen Kühnheit zutrauen, den Tod als Todesglut zu bezeichnen.13») — Joh. Secundne in Weimar: ChWGV. S. 30. — 12) W. K o h l s o h m i d t , Zu Goethes Fischer: ZDU. 7, S. 503. — 13) 0. L y o n , Zu Goethes Fischer; ib. S. 571/2. — 13a) X H ö l s o h e r , E. Grosse, Z. Erklärung y. Goethes Gedicht „D. Göttliche" (Tgl.

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I V 8 c : 14-16a

Zwischen den „ G r e n z e n der M e n s c h h e i t " und Ovids Metamorphosen schlägt der kühne Konstruktenr S p r e n g e r 1 4 ) eine Brücke. Erblickte kürzlich ein anderer Forscher (vgl. J B L . 1891 IV 9 c : 2 8 ) in den Worten der zweiten Strophe „Hebt er sich aufwärts und berührt mit dem Scheitel die Sterne usw." einen Reflex der ersten Versuche auf dem Gebiete der Luftschifffahrt, so vernimmt Sp. darin Anklänge an den Ikarusmythus und denkt an Einwirkung von Ovids Darstellung (lib. VIII, V. 189 ff.) auf sie. Auf das Bild von den „unsicheren Sohlen" aber soll Goethe, wenn ich ihn recht verstanden habe, durch die geflügelten Sandalen geführt worden sein, mit denen Hermes bei Homer die Luft durchschreitet! — Besonderer Aufmerksamkeit von seiten der Forschung erfreut sich seit längerer Zeit das Gedicht „ I l m e n a u " (vgl.JBL. 1892 IV 8 c : 22). AusserK. L o r e n z 15 ) in der schon angeführten Arbeit beschäftigten sich noch zwei andere mit ihm. — Der eine, ein Anonymus 15 *), nimmt in V. 114/5: „Und wenn ich unklug Mut und Freiheit sang Und Redlichkeit und Freiheit sonder Zwang" an dem zweiten „Freiheit" Anstoss. Schon andere vor ihm wollten es nicht gelten lassen und schlugen dafür Worte wie „Treue" und „Freimut" vor. Düntzer hielt es lediglich für ein Versehen des Abschreibers. Die Originalhs. Goethes von dem Gedicht, die wir seit einiger Zeit kennen (GJb. 7, S. 267 ff.), lehrt aber, dass der Dichter selbst so schrieb. So muss es, wie der Anonymus meint, ein Schreibfehler sein. Schon die Tautologie in der Wendung „Freiheit ohne Zwang" nötige zu dieser Annahme. In Wahrheit habe er „Frohheit ohne Zwang" sagen wollen. Mir will der Vorschlag nicht glücklich erscheinen. Abgesehen von anderen Einwänden, die sich machen liessen, will ich nur bemerken, dass sachlich der damit ausgedrückte Gedanke wenig in den Zusammenhang passt. Es handelt sich an dieser Stelle um eine kurze Charakteristik der für den Dichter jetzt überwundenen Poesie der Sturm- und Drangzeit. Für sie kann aber „ungezwungene Fröhlichkeit" als ein irgend treffendes Kennzeichen gewiss nicht gelten. Ich glaube, die als Angriffspunkt benutzte Tautologie ist eine durchaus bewusste und dient zur Verschärfung des Gegensatzes zu der vorhergehenden in „Mut und Freiheit" enthaltenen Charakteristik. Mit dieser ist auf den Götz, mit der „Freiheit ohne Zwang" auf die Stella angespielt. — Der andere, F i e l i t z 1 6 ) , erörtert in einem frisch geschriebenen Programm die Frage, welche Persönlichkeiten der Dichter bei den V. 59 ff. im Auge gehabt habe. Dass V. 59—68 Knebel gemeint sei, wie Goethe gegen Eokermann 45 J . nach der Abfassung des Gedichtes äusserte, hält er für unmöglich, weil die in den Versen gegebene Charaktei'istik bis auf den äusserlichen Zug des starken Rauchens ganz und gar nicht auf diesen Mann passe. Goethes Irrtum, den anzunehmen F. sich nicht leicht entschliesst, macht er psychologisch verständlich durch den Hinweis auf die Veränderung, die sich in der Zwischenzeit in Knebels Wesen vollzog. Indem der „behaglich gewordene Mann das Bild des früheren nervösen Hypochonders unmerklich verdrängt, konnte er wohl für das altgewordene Original jenes gutmütigen Spassmachers, wie ihn das Gedicht schildert, gelten, eine Verschiebung der Bilder, zu der die Tabakspfeife, die auch der greise Knebel nicht leicht ausgehen liess, der unwillkürliche Anlass gewesen sein mag". Wie sich aber Goethes Aeusserung, dass in diesen Versen Knebel dargestellt sei, als unrichtig erweist, so auch die, dass in den folgenden V. 69—76 Seckendorf geschildert ist. Denn auch hier stimmen, wie F. zeigt, die der Persönlichkeit beigelegten Eigenschaften zu denen dieses Mannes, so weit wir ihn kennen, nicht. Dagegen passen sie vortrefflich auf — Knebel. Dass dieser an zweiter Stelle porträtiert ist, hatte schon Blume behauptet (vgl. J B L . 1890 IV 1 1 c : 21), was F . erst während der Arbeit am Programm bekannt wurde. Doch begründet F . die Ansicht besser als jener. E r weist nach, dass das vom Dichter entworfene Porträt Zug für Zug der Physiognomie dieses Mannes entspreche. Auch die Stelle, wonach der Geschilderte es liebte „vom Tanz der himmlischen Sphären ein monotones Lied mit grosser Inbrunst zu singen", bringt F. zu_ Knebel in weit überzeugenderer Weise in Beziehung, als es Blume gelungen war. Dessen Ansicht, dass Knebel schon 1783 monotone, den Kosmos feiernde Hexameter gedichtet habe, bestreitet er. — Dem gegenüber verteidigt B l u m e 1 6 1 ) seine Ansicht. Die Frage, wer, wenn Knebel nicht in den Versen 59—68, sondern 69—76 porträtiert ist, an jener Stelle gemeint sei, ist nach F. nicht einfach unter der Annahme einer bei Goethe oder Eckermann vorliegenden Verwechslung dahin zu beantworten, dass dort Seckendorf dargestellt ist. Jene Charakteristik passe auf ihn so wenig wie die in V. 69—76 gegebene. F . ist nicht abgeneigt anzunehmen, dass Goethe bei den Versen Wedel im Auge gehabt habe. E r führt für diese Ansicht eine ganze Reihe wieder aus gründlichster Sachkenntnis ge-

JBL. 1892 IV 8c : 23): ASNS. 90, S. 344/5. — 14) B. S p r e n g e l , Zu Goethes Grenzen d. Menschheit: ZDTT. 7, S. 833/4. — 15) (S. 0. N. 8.) — 15a) E. Schreibfehler Goethes?: AZgB. N. 8. — 16) W. F i e l i t z , E. Untersuchung zu Goethes Gedioht Ilmenau. Progr. d. erang. Fürstenschale. Pless. 4°. 13 S. |[L. H ö l s c h e r : ASNS. 91, S. 470.]l — 16a) (S. 0. N. 11.) — Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgesohichte. IV. 4(25)

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schöpfter Gründe vor, doch sie bis zur Evidenz zu beweisen, erklärt er sich bis jetzt ausser stände. — Für die M o r g e n k l a g e n weist B r o n n e r 1 1 ) in seinem sogleich näher zu besprechenden Aufsatz (S. 309) auf die Verwandtschaft hin, die das Gedicht in einzelnen Zügen mit Ovids Amor. 1,6, besonders V. 49 ff., zeigt. Die Uebereinstimmung ist derart, dass die Annahme einer unmittelbaren Einwirkung der antiken Verse auf die Goetheschen wohl erforderlich scheint. — Im ganzen ist diese umfangreiche Untersuchung über die R ö m i s c h e n E l e g i e n 1 8 ) von B r o n n e r 1 8 » ) so beschaffen, dass sie hier weder erschöpfend charakterisiert noch ihr wissenschaftlicher Ertrag genau angegeben werden kann. B. wandelt mit seinem Versuch, die Quellen aufzugraben, in den Spuren Hellers, so oft er ihn auch bekämpft. Dieser ging bekanntlich darauf aus, die Goethesche Sammlung als eine Art Falsifikat zu erweisen, ihr gleichsam die Echtheit abzusprechen. Nach ihm sollte Goethe von ihm in Rom zur Kunstübung bearbeitete und übersetzte Stellen des Properz, Tibull und Ovid nachher zu den Elegien zusammengesetzt haben. So weit geht B. allerdings nicht, der bei aller Abhängigkeit, die er den Elegien von antiken Mustern zuschreibt, sie durchaus für originale Schöpfungen hält. Und doch hat man bei der Lektüre seines Aufsatzes fortwährend den Eindruck, dass er sich die Entstehung der Gedichte ziemlich in der Hellerschen Weise denkt. Es ist das zum Teil stilistisches Ungeschick, die Folge einer saloppen, nicht genügend sorgfältigen und bedachtsa men Ausdrucksweise. So unterscheidet er in seiner Darstellung nicht einmal zwischen Anspielung und Entlehnung. Liegt bei Goethe ein bewusstes Citat vor, so schaltet er damit nicht anders als wenn es dieselbe Art Entlehnung wäre, mit der er es hauptsächlich zu thun hat: die unbewusste Reminiscenz. Dieses Moment des Unbewussten im dichterischen Prozess aber — und das scheint mir der Kardinalfehler seiner Darstellung — lässt er nicht scharf genug hervortreten. So gut wie gar nicht berücksichtigt er bei der Zerlegung der Gedichte in ihre einzelnen Motive, für die er die antiken Vorbilder anführt, ob und wie viel als unbewusste Kombination von Reminiscenzen anzusehen ist, als eine Kombination, die schon vor der Abfassung des jeweiligen Gedichtes in der Phantasie des Dichters vollzogen war. Indem er das unterlässt, führt seine Behandlung zu einer grenzenlosen Atomisierung der Gedichte und erweckt den Schein, als habe Goethe die Motive mühsam zusammengesucht und seine herrlichen Schöpfungen ängstlich aus Einzelheiten zusammengestoppelt. Und wenn er gelegentlich, wie S. 527, in Bezug auf die fünfte Elegie, ebenso auf die vierte geradezu annimmt, es sei ein Einfall erst später zur Abrundung vorn angefügt worden, so muss dieser Eindruck noch verstärkt werden, auch wenn wir zu B. das Vertrauen haben, dass er sich die Gedichte im ganzen keineswegs in dieser handwerksmässigen Weise entstanden denkt. Und noch ein Moment kam diesem Eindruck zu Hülfe. Es ist bekannt, dass zwischen der Sammlung der Römischen Elegien und der der Venetianischen Epigramme ein engeres Verhältnis besteht. Der Zusammenhang ist wohl ein mehrfacher. Sicher besteht der zwischen ihnen, dass bei der Schlussredaktion unter die Epigramme Gedichte gerieten, die ursprünglich für die Elegien bestimmt waren. B. aber fasst, veranlasst durch eine gezwungene Interpretation der Aeusserung Goethes über die Elegien in den Annalen zum J. 1790 die Beziehungen der beiden Sammlungen noch in einem besonderen Sinn eng auf. Indem er den Ausdruck „ausarbeiten", den Goethe von seiner Beschäftigung mit den Römischen Elegien gebraucht, geradezu presst, schliesst er daraus, dass manche der Elegien vom Dichter nachträglich aus kurzen Epigrammen zu ihrer jetzigen Gestalt aufgeschwellt seien. So soll beispielsweise die letzte Elegie, die zwanzigste, aus einem Epigramm erwachsen sein (S. 370/1, 442/3), ähnlich die vierte (ib.). In die achtzehnte soll ein altes Eroticon „hineingearbeitet" sein (S. 540). Ob er das aber wirklich bewiesen hat? Im vorletzten Fall wirft er nicht einmal die Frage auf, ob denn das Epigramm, von dem die Elegie die Erweiterung sein soll, unbedingt älter ist, überlegt nicht, ob das Motiv, in dem die beiden übereinstimmen, nicht von der Art ist, dass seine Wiederholung innerhalb der erotischen Poesie gar nicht auffallen kann und deshalb aus ihr solche Schlüsse gar nicht gezogen werden dürfen. Auch sonst vermisse ich bei B. eigentliches Urteil. Er ist viel zu rasch geneigt, bei einer Uebereinstimmung im Ausdrucke zwischen Goethe und einem antiken Dichter auf unmittelbare Beziehungen zu schliessen. Wie viel Aehnlichkeit und Gleichheit der Motive sich aus dem gleichen Charakter der Poesie, dem gleichen Kostüm, dem gleichen oder verwandten Thema (Liebesglück, Furcht vor Verrat der geheimen Liebe, ungeduldiges Erwarten der Geliebten) ergeben, erwägt er nicht. Auch wie viel Goethe, als er sich der Antike ausschliesslich hinzugeben begann, an

17)(IV8a: 16«.) —18) L.di S. G i n s t o , Wolfsago Goethe. Elegie Romane. Traduz. Turin-Rom, L. Ronx e C. 61 S. L. 1,00. — 18») (S. o. N. 17.) - 19) Ph. B i r t , Wer kauft Liebesgötter?: DRs. 74, S. 370-91. — 20) (IV 6:41; 8 a : 3 4 a : 9:56.) —

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Vorbildung in der Kenntnis des antiken Wesens, der Litteratur, Mythologie usw. mitbrachte, was ihm in ungefähr vierzig Jahren durch Erziehung, Lektüre, Studium zugeflossen war oder sein konnte, bringt er nicht genügend in Anschlag. Um so zuversichtlicher ist der nicht selten hochmütige Ton, mit dem er einen unmittelbaren Zusammenhang feststellt. Bei all diesen Mängeln aber bin ich weit entfernt, der sehr fleissigen, auf umfassende Lektüre und Belesenheit gegründeten Untersuchung ihren Wert abzusprechen. Vermag ich auch dem Vf. in der Grundauffassung, die er von der Entstehung der Römischen Elegien hegt, nicht beizustimmen, kann ich vielfach seinen Schlüssen nicht folgen, so habe ich doch aus seiner Untersuchung gelernt, wie durch und durch antik die Gedichte sind, mit welcher Intensität Goethe in das antike Wesen eingedrungen ist und es in diesen Versen verkörpert hat. Kein Wunder, dass das persönliche Element in ihnen nicht nur geringer ist als es sonst bei Goethe zu sein pflegt, sondern auch viel geringer als gemeinhin angenommen wird. Im einzelnen weist B. dann z. B. zuerst auf den starken Einfluss hin, den die Herderschen Uebersetzungen der griechischen Anthologie auf die Elegien gehabt haben. Auch Wielands Uebersetzung der Horazischen Satiren schreibt er eine Einwirkung zu. Sehr bestimmt leugnet er dagegen den immer wieder behaupteten Einfluss der Gedichte Tibulls auf sie oder auf Goethe im allgemeinen. Auf welche Quellen überhaupt nach B.s Ansicht die Enstehung der Römischen Elegien zurückzuführen ist, ist auf S. 265 zusammengestellt. Das Verzeichnis weist 17 Nummern auf. Neben antiken Dichtern nennt es das Hohe Lied, Heinses Ardinghello (dem schon 0. F. Gruppe Einwirkung auf die Elegien zuschrieb), J. Chr. Günther usw. Von S. 305 an führt B. aus, was diese Quellen den Gedichten boten erstens in Bezug auf Situationen, dann in Bezug auf Motive; zuletzt zeigt er, wie die Motive von Goethe durch Verquickung mit anderen aufgeschwellt oder vereinfacht, endlich verändert, mit Eigenem durchsetzt, modernisiert wurden. Auch hier in der Disposition des Stoffes finde ich B. nicht glücklich. Die Anlage seiner Untersuchung hat viele Wiederholungen zur Folge und bewirkt, dass die Lektüre des Ganzen nicht gerade erfreulich ist. — Wie in den Römischen Elegien lebt auch in dem Liede „Wer k a u f t L i e b e s götter" der Geist der Antike. Wenigstens ruht es im Kern auf einer im 17. und 18. Jh. und im allgemeinen wohl bis heute für antik gehaltenen Vorstellung. Jetzt erfahren wir in einem lehrreichen und interessanten Essay von Birt 1 9 ), der den Ursprung und die eigentliche Bedeutung der Putten und Amoretten auf den antiken Bildwerken behandelt, dass die Auffassung Goethes und anderer eine missverständliche und keine ursprünglich antike ist. Die ein verwandtes Motiv wie unser Lied darstellenden pompejanischen Wandgemälde, deren Zusammenhang mit dem Goetheschen Gedicht Düntzer zuerst bemerkt hat, zeigen nicht mehr als idealisierte Scenen aus dem antiken Kinderhandel. Wenn dagegen in Goethes tändelndem Liede Geliebte feil geboten werden, von denen man allerlei Freuden erwartet, so ist diese Auffassung zwar aus der antiken Kunst abstrahiert, aber erst mit Hilfe einer in die Kunstwerke hineingetragenen Symbolisierung, die ihren Schöpfern fern lag. — Die Römischen Elegien und das eben besprochene Gedicht bezeichnen noch nicht den Höhepunkt der antikisierenden Lyrik Goethes. Ihn erreicht sie erst in der Mitte der neunziger Jahre, in der Zeit seiner Mitarbeiterschaft an den „Hören" Schillers. Goethes Anteil an dem Unternehmen seines Freundes und das Gefühl der Gemeinsamkeit der Interessen, das er sehr bald empfand, nachdem er Schiller näher getreten war, führten dann zu dem gemeinsamen Werke beider, zu den X e n i e n , bei denen wiederum ein antiker Dichter, Martial, Pate stand. Zu der Erkenntnis dieses Manifestes, seiner Entstehung wie seiner Beschaffenheit, wird uns in einer neuen von Erich Schmidt und Suphan 2 0 ) veranstalteten Ausgabe der Xenien ein unerwarteter, reicher Beitrag gespendet. Man wusste schon aus dem Goethe-Schillerschen Briefwechsel, dass die Xenien, die der Musenalmanach für das J. 1797 brachte, nicht in der Gestalt erschienen, die ursprünglich für sie beabsichtigt war. Was in einer über mehrere Monate sich erstreckenden, gemeinsamen Arbeit auf Grund eines allmählich sich ergebenden Planes entstanden war, erschien Schiller, als er im Juli 1796 an die Redaktion der Distichen ging, in dieser Form nicht mitteilbar und zu Goethes nicht geringem Schmerz verwarf er den geplanten Aufbau. Seinem uubarmherzigen Streichen und Umstellen drohte die erstrebte Harmonie völlig zum Opfer zu fallen; was als ein schönes Ganzes gedacht war, schien zerstückelt und vereinzelt werden zu sollen. Glücklicher Weise kam es nicht zu dem radikalen Vernichtungswerk, zu dem Schiller anfangs entschlossen war. Noch im letzten Augenblicke fand er den Ausweg, was als ein ungeteiltes Ganzes gedacht war, dem Publikum wenigstens gruppenweise, in mehr oder minder grossen Massen vorzulegen. Die aggressiven Xenien, um deren willen das Werk unternommen wurde, bildeten die für sich bestehende Hauptmasse. Das vorhandene Material schonte Schiller jetzt mehr als er anfangs gewillt war, doch liess er immerhin einen recht beträchtlichen Teil fallen; auf der anderen Seite be(4)25*

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reicherte er freilich die vorhandene Menge und nicht um die schlechtesten Nummern. Auch die Tendenz, die dem gemeinsamen Unternehmen zu Grunde lag, brachte die neue Redaktion genügend zur Geltung. Eher liess sie sie stärker hervortreten, als es bei der unveränderten Publikation des alten Werkes geschehen wäre. Aus diesem alten Werke ward eine nicht geringe Anzahl derjenigen Distichen, die Schiller bei seiner Redaktionsthätigkeit unterdrückt hatte, schon im J . 1856 durch Boas-Maltzahn (Schillers und Goethes Xenien-Ms.) veröffentlicht. Sie waren auf einigen Blättern überliefert, die sich von der zwischen Weimar und Jena wandernden Hs. erhalten hatten, in die beide Dichter abwechselnd die jeweiligen Erträge an Distichen eigenhändig eintrugen. Von diesem Originalms. liess Goethe um den Anfang Juli 1796 von seinem Schreiber Geist eine Abschrift anfertigen, und diese ist es, die jetzt ans Tageslicht getreten ist. In den Besitz des Goethe und Schiller-Archivs gelangt, gab sie den Anlass zur vorliegenden Publikation und sie bildet ihren Kern. Nach den Begriffen derjenigen, denen die wissenschaftliche Erforschung unserer klassischen Litteratur am Herzen liegt, ist damit ein herrlicher Fund gemacht. Seine Bedeutung liegt nicht bloss darin, dass wir das gemeinsame Werk der Dioskuren in einem älteren Stadium kennen lernen, dass wir dessen Plan sich bilden sehen, das allmähliche Werden des Unternehmens überschauen, auch nicht allein darin, dass uns nicht weniger als 178 bisher unbekannte Xenien Goethes und Schillers dargeboten werden, sondern auch die Lösung des Problems, das die Xenien der Forschung stellen, wird durch ihn erheblich gefördert. Für die Frage nach der Verfasserschaft ist die durch die Hs. überlieferte, nach der Entstehung geordnete Gruppierung nicht selten von Wichtigkeit, mindestens giebt sie einen Wink. Auch die durchaus noch nicht völlig erreichte sachliche Erklärung der Distichen ist sie zu unterstützen geeignet. Denn die besondere Natur dieses Werkes bringt es mit sich, dass viele von ihnen, reich an dunklen, oft absichtlich versteckten Anspielungen, ihr Licht von der Nachbarschaft empfangen. Wie leicht mochte das eine Xenion ein verwandtes hervorgelockt haben, das dieselbe Erscheinung zur Zielscheibe nahm! In dieser Weise reicht uns das neu aufgetauchte Ms. Stützen dar, deren uns Schiller durch die Zerstörung der ursprünglichen Ordnung vielfach beraubt hatte. Dazu kommt, dass in dem früheren Stadium die Ueberschriften der Xenien meistens weniger verhüllt wurden als später, so dass wir in einigen zweifelhaften Fällen jetzt aus ihnen erfahren, wer den Gegenstand ihres Spottes bildete. Endlich übersehen wir, indem das Ms. das Korpus der bis Ende Juni 1796 vorhandenen Distichen überliefert, jetzt erst in Wahrheit Schillers redaktionelle Thätigkeit, die sich von ihrer glänzendsten Seite zeigt. Auch auf die Frage nach seinem Anteil als Autor erhalten wir dadurch reichere Antwort als die Forschung bisher zu geben vermochte. Wir sehen, wie seinem satirischen Genie noch vor Thoresschluss die schlagendsten und witzigsten der Xenien wie die Episode mit den Homerischen Rhapsoden, der sich anschliessende Dialog mit den Philosophen u. a. zuströmen. Für diese Frage nach der Verfasserschaft bietet der Band übrigens noch mehr Neues. Ausser der erwähnten Abschrift Geists fand sich ein Konvolut Goethescher Konzepte und Geistscher Munda (in dem Bande mit H" signiert), die Goethes festes Eigentum vermehren. Diesen schönen Gewinn an poetischem und wissenschaftlichem Material legen uns die Herausgeber in der Weise vor, dass zuvörderst das wichtigste: das Geistsche Mundum vom J u l i 1796 abgedruckt wird. Um aber die ganze Summe der von den Dichtern in dieser Zeit verfassten Distichen zu geben, lassen sie dann zunächst unter dem Titel „Skizzenblätter und Vereinzeltes" die in H» überlieferten, also von Goethe verfassten, folgen. Daran schliessen sich in einem „Anhang" die von Boas-Maltzahn zuerst veröffentlichten, soweit sie nicht im Geistschen Mundum vom Juli enthalten sind, denen diejenigen „Xenien" und „Distichen aus dem Almanach" folgen, die weder im grossen Korpus stehen noch von Boas-Maltzahn publiziert sind. Es sind also diejenigen, die Schiller während der Redaktionsthätigkeit (oder kurz vorher) verfasste. Das ist eine Gruppierung, die von der hergebrachten, durch Schiller bestimmten Anordnung natürlich total abweicht. Im ersten Augenblick findet man sich auch nicht zurecht. Doch da der Lesartenapparat und ein Register sorgfältig angeben, an welcher Stelle im Almanach oder bei Boas die bisher bekannten Distichen stehen, so ist es, wenn man sich mit dem Bande vertraut gemacht hat, ein leichtes, den überreichen Stoff zu übersehen. Der Ausgabe geht eine Einleitung voraus, die eine gedrängte Entstehungsgeschichte des Distichenwerkes giebt. Hier wird auch (S. 24/5) eine Charakteristik des dem ursprünglichen Korpus zu Grunde liegenden Planes begonnen, zu dem der Kommentar die Belege und zugleich die Fortsetzung liefert. Dieser Kommentar dient der Sacherklärung und berührt natürlich auch die Autorschaftsfrage. E r benutzt die dahin einschlagenden Arbeiten von Jenisch bis Jonas und setzt sie vielfach voraus, bringt aber eine Fülle neuer Aufschlüsse, die von der grossen Belesenheit der Herausgeber und ihrer liebevollen, keine Mühe des Nachsuchens scheuenden Versenkung in die Aufgabe ein rühmliches Zeugnis ablegen.

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— Eine häufig benutzte Zielsohiebe für die Xenien war der Breslauer Rektor Manso. Ihm galt eine ganze Reihe von Distichen. Das neu aufgefundene Ms. bietet mindestens vier gegen ihn gerichtete (worunter ein sehr cynisches), die später unterdrückt wurden. Mit diesem Manne und seinem Verhältnis zu Goethe und Schiller beschäftigt sich T r ö g e r 2I ) in einer Gelegenheitsschrift. In dem ersten Abschnitt „Herausforderung zum Xenienkampf" charakterisiert er unparteiisch Mansos Horenrecension, die Schillers ästhetisch-philosophischen Schriften so wenig gerecht wird. Im zweiten, „Xenienangriff", werden die auf Manso gemünzten Distichen im einzelnen erörtert. Im dritten, „Mansos Gegenwehr", charakterisiert T. hübsch die Gegenxenien, von denen er eine reiche Auswahl unter den sieben Dutzend citiert. Im letzten Abschnitt „Nachklänge und Friede" bespricht er die Nachwirkung der „Gegengeschenke an die Sudelköche" auf beiden Seiten. — Der Sturm, den die Xenien in Deutschland erregten, dauerte noch fort, als Goethe unbekümmert um das Tagesgeschrei wieder über einer stillen dichterischen Arbeit sann. Die beste Antwort auf das hässliche Echo, das seinem und Schillers keckem Unternehmen von allen Seiten entgegenscholl, war das in dem Xenienjahre begonnene und im Anfang des folgenden abgeschlossene bürgerliche Epos: H e r m a n n u n d D o r o t h e a . Die E l e g i e , mit der Goethe dieses Gedicht den Lesern empfahl, hatte wie teilweise die Xenien seinen Ursprung in der Verständnislosigkeit, die das grosse Publikum gegenüber seiner antikisierenden Lyrik, den Elegien und den Venetianischen Epigrammen, bewies. Indem Goethe in dieser Elegie eine poetische Rechtfertigung dieser seiner Dichtungen giebt, zeigt sie sich durch dieselben Angriffe hervorgerufen, die die Xenien veranlassten. Zugleich ist sie wie das Epos eine Antwort auf die neuen durch die Distichen heraufbeschworenen Streitschriften, nur keine so diskrete. Eine schöne Charakteristik dieser Elegie gewährt Hehn2 auf S. 57—60 seiner Schrift über das Epos,23 die S c h i e m a n n und L e i t z m a n n 2 ) aus dem Nachlass herausgegeben haben. ) — Auch das im Juli 1798 entstandene Gedicht „ D e u t s c h e r P a r n a s s " ist eine Folge der Xenienbewegung. Das zeigt von neuem J a c o b y 2 4 ) , nachdem er zunächst den Gang der schwierigen Dichtung angegeben und ihren ironisch-satirischen Charakter festgestellt hat. Die in ihr enthaltene Satire zielt mittelbar auch auf Herder und Wieland, gilt aber hauptsächlich Gleim. Er hatte auf die Neckereien, die er in den Xenien erfuhr, mit schwerem Geschütz erwidert, indem er ihnen die unglückseligen Reimereien, die das Büchlein „Kraft und Schnelle des alten Peleus" enthält, entgegensetzte. J. zeigt hübsch, wie Goethe in ihnen den Anlass zu seinem Liede fand, wie Bilder, die Gleim hier gebrauchte, „seine satirische Phantasie befruchteten." Ich halte den Beweis für schlagend und alle Zweifel, die man in Betreff der Entstehung des Gedichtes noch hegen konnte, scheinen mir endgültig beseitigt. Wie J. weiter ausführt, soll auf die Entstehung des Liedes noch ein Gedicht Retzers eingewirkt haben, ein Gedicht, worin Gleim und seine Freunde in dem in diesem Kreise üblichen rührseligen Tone verherrlicht wurden und das im Juniheft des Teutschen Merkurs erschien. Wenigstens soll es in Goethe die Lust zu dem satirischen Scherz verstärkt haben. Ob die Annahme richtig ist, ist schwer zu entscheiden; möglich wäre es immerhin, dass das Gedicht den letzten Anstoss gab. Zeigt so die Entstehung des Liedes, wofür wir es zu halten haben, so beweisen es noch einzelne Züge, die nur dann verständlich sind, wenn man die Satire als seinen Grundcharakter anerkennt. Zum Schluss zeichnet J. in raschen Strichen Goethes Verhältnis zu Gleim. (Vgl. auch JBL. 1892 IV 8 c : 28.) — In einem Vortrage über Goethes Beziehungen zur österreichischen Kaiserin Maria Ludovica werden die im Namen der Bürgerschaft von K a r l s b a d im J. 1810 von ihm verfassten G e d i c h t e „Der Kaiserin Ankunft", „Der Kaiserin Becher" usw. von G u g l i a 2 5 ) erörtert. — Unter dem Titel „Gedicht-Ms. Goethes" veröffentlicht ein Anonymus 26 ) ein Faksimile einer Goetheschen Niederschrift der beiden unter der Ueberschrift „Memento" in der Rubrik „Epigrammatisch" vereinigten Vierzeiler. Der Titel ist nicht ganz zutreffend oder wenigstens irre führend, insofern das Original der Niederschrift aus dem J. 1825 stammt. Das ist 10 Jahre nach der Abfassung der betreffenden Verse, die zuerst in der Ausgabe von 1815 veröffentlicht wurden. Es handelt sich also genau genommen um kein Gedicht-Ms., sondern um eine Stammbucheintragung oder ein Autograph, das lediglich sportlichen Wert hat, für die Textgeschichte der Sprüche aber nicht in Betracht kommt. — Von dem im Nov. 1816 verfassten tiefsinnigen, im Ausdruck nicht leichten 21) (IV 8 » : ISO.) — 2 2 ) ( I V 8 d : 4 . ) — 23) X K. H e i n e m a n n , J. Kussewitz, Darlegung d. dichterischen Technik v. „Alexis n. Dorn" (Tgl. JBL. 1892 IV 80 : 24): BLU. S. «60/3. — 24) D. J a c o b y , Goethes Gedicht: Deutscher Parnaas: GJb. 14, S. 198-211. |[ZDU. 7, S. 772.]| (Auch Vortr. geh. in QDL. Okt.: DLZ. S. 00.) — 25) (IV 8b : 45.) — 26) Gedichtms.

IV 8c : 27-29 IV 8d : i-4

G. W i t k o w s k i , Goethes Epos.

Gedicht „ T r a u e r l o g e " (Weim. Ausg. 3, S. 65) giebt Vogel 2 ") eine gute, die Loepersche (Hempelsche Ausg. 2. Aufl., S. 548) bei weitem übertreffende Erklärung. — Von dem Zum 28. A u g . 1823 von Goethe an eine Gesellschaft versammelter Freunde gerichteten Sendeblatt (Weim. Ausg. 4, S. 28) fand sich in einem in Schweden aufbewahrten Stammbuch als eingeklebtes Autograph das Konzept. A r n heim 2 8 ) giebt davon unter Mitteilung der in einigen Versen hervortretenden Abweichungen Nachricht. — Mit einer Original-Niederschrift, wahrscheinlich ebenfalls dem Konzept zu dem in der Mitte der zwanziger Jahre verfassten Zahmen Xenion „Die beiden l i e b e n s i c h g a r fein" usw. (Weim. Ausg. 3, S. 355), macht uns auch Pick 2 9 ) bekannt. Die Mitteilung liefert ein bezeichnendes Beispiel für den Gegensatz des Momentanen und Endgültigen, des, wenn man will, Privaten und Offiziellen, des Besonderen und Allgemeinen beim bejahrten Dichter. Die erste Fassung des Spruches, die wir jetzt erst kennen lernen, war ein „poetisches Kompliment" Goethes an seinen Mitstreiter Purkinje. Dieses persönliche Moment verwischt er später, als er daran geht, dem Gedichtchen Aufnahme in seine Werke zu gewähren. Indem er es aber statt in den Hinweis auf die Werke des befreundeten Physiologen in den Ausdruck eines Grundgedankens seiner Weltanschauung auslaufen lässt, erhebt er es aus einer beschränkt persönlichen in eine weite allgemeine Sphäre und giebt ihm jene grandiose Perspektive, die uns so oft gerade die Schlüsse seiner Schöpfungen, auch solcher von geringstem Umfang, eröffnen. —

d) Epos. Georg Witkowski. Allgemeines N. 1. — Hermann und Dorothea N. 4. — Der ewige Jude N. 17. — Werther N. 18. — Wilhelm Meister N. 30. — Novelle N. 35; —

Von a l l g e m e i n e r Bedeutung für Goethes epische und dramatische Dichtung ist sein Verhältnis zu Homer. S c h r e y e r 1 ) , der es schon früher mit umfassender Kenntnis behandelt hat, schildert jetzt in einer Schrift, die in erster Linie für die Hand reiferer Schüler bestimmt ist, von neuem kurz Goethes Stellung zu dem griechischen Sänger und erörtert sodann dessen Einfluss auf die einzelnen Werke: unter den epischen „Werther", „Hermann und Dorothea", wo das Homerische besonders in den Schilderungen hervortritt, und „Achilleis". Hier wird die Ueberlieferung des Stoffes in Ilias, Odyssee und bei den Späteren vorgeführt, Goethes Aeusserungen über den Plan sind zusammengestellt und an dem Ausgeführten weist Sch. nach, dass der Dichter sich zu eng an das antike Vorbild angeschlossen hat. — Unmittelbar an Homer erinnert auch Goethes Absicht einer kleinen epischen Dichtung „Margites"2), die er in 3einem bisher unbekannten Briefe an Friedrich Schlegel von Mitte Juli 1798 äussert. "3a) — Die hervorragendste Erscheinung des Jahres auf unserem Gebiete liegt ihrer Entstehung nach um mehr als vier Jahrzehnte zurück. Es ist die Schrift über H e r m a n n u n d D o r o t h e a von Hehn. Aus Vorlesungen entstanden, war sie schon 1851 zur Veröffentlichung vorbereitet, als sie bei der Verbannung des Vf. von der russischen Polizei konfisziert wurde. Als er sie zurückerhielt, war sie an mehreren Stellen verstümmelt, und er hat später diese Lücken nicht wieder ausgefüllt, da er den Gedanken der Herausgabe offenbar aufgegeben hatte. Das wird dadurch bewiesen, dass er grössere Abschnitte in spätere Aufsätze wörtlich hinübernahm. Trotzdem sind wir aber den Herausgebern L e i t z m a n n u n d S c h i e m a n n 4 ) zu lebhaftem Danke verpflichtet, dass sie diese Arbeit aus dem Nachlass des Vf. hervorgezogen haben. Hehn erscheint darin in voller jugendlicher Kraft, weicher und liebenswürdiger als in späterer Zeit, auch Goethe selbst gegenüber noch nicht durch einseitige Vorliebe für die Schöpfungen der mittleren Periode des Dichters befangen. Freilich ist in den thatsächlichen Teilen manches seitdem durch die Forschung und neue Funde überholt worden, auch die Anschauungen, soweit sie vom Geiste der Entstehungszeit der Schrift beeinflusst sind, können jetzt nicht mehr auf Anerkennung rechnen. Denn Goethes: DDichtnng. 13, S. 274/5. — 27) Th. V o g e l , Z. schulmäss. Behandlung v. Goethes Trauerloge: ZDTJ. 7, S. 81/4. — 28) F. A r n h e i m , Goethes Gedicht Zum 28. August 1823: GJb. 14, S. 280. — 29) A. P i c k , Zu d. Zahmen Xenien. Tl.: ib. S. 279-80. — 1) (IV 8 a : 164.) — 2) Goethes Briefe Bd. 13-14 (vgl. IV S a : 112/3) Darin: 13, S. 208. - - 3) O X B . D . M o a e l e y , Goethe and Smollet: NQ. 3, S. 55/6. — 3 a ) O X (IV S a : 155.) — 4) V. Heiin, Ueber Goethes Hermann n. Dorothea. AUB dessen Nachlass her. v. A. L e i t z m a n n u. Th. S c h i e m a n n . St., J. G. Cotta Nachf. V, 164 S. M. 3,00. (S. o.

IV 8c : 27-29 IV 8d : i-4

G. W i t k o w s k i , Goethes Epos.

Gedicht „ T r a u e r l o g e " (Weim. Ausg. 3, S. 65) giebt Vogel 2 ") eine gute, die Loepersche (Hempelsche Ausg. 2. Aufl., S. 548) bei weitem übertreffende Erklärung. — Von dem Zum 28. A u g . 1823 von Goethe an eine Gesellschaft versammelter Freunde gerichteten Sendeblatt (Weim. Ausg. 4, S. 28) fand sich in einem in Schweden aufbewahrten Stammbuch als eingeklebtes Autograph das Konzept. A r n heim 2 8 ) giebt davon unter Mitteilung der in einigen Versen hervortretenden Abweichungen Nachricht. — Mit einer Original-Niederschrift, wahrscheinlich ebenfalls dem Konzept zu dem in der Mitte der zwanziger Jahre verfassten Zahmen Xenion „Die beiden l i e b e n s i c h g a r fein" usw. (Weim. Ausg. 3, S. 355), macht uns auch Pick 2 9 ) bekannt. Die Mitteilung liefert ein bezeichnendes Beispiel für den Gegensatz des Momentanen und Endgültigen, des, wenn man will, Privaten und Offiziellen, des Besonderen und Allgemeinen beim bejahrten Dichter. Die erste Fassung des Spruches, die wir jetzt erst kennen lernen, war ein „poetisches Kompliment" Goethes an seinen Mitstreiter Purkinje. Dieses persönliche Moment verwischt er später, als er daran geht, dem Gedichtchen Aufnahme in seine Werke zu gewähren. Indem er es aber statt in den Hinweis auf die Werke des befreundeten Physiologen in den Ausdruck eines Grundgedankens seiner Weltanschauung auslaufen lässt, erhebt er es aus einer beschränkt persönlichen in eine weite allgemeine Sphäre und giebt ihm jene grandiose Perspektive, die uns so oft gerade die Schlüsse seiner Schöpfungen, auch solcher von geringstem Umfang, eröffnen. —

d) Epos. Georg Witkowski. Allgemeines N. 1. — Hermann und Dorothea N. 4. — Der ewige Jude N. 17. — Werther N. 18. — Wilhelm Meister N. 30. — Novelle N. 35; —

Von a l l g e m e i n e r Bedeutung für Goethes epische und dramatische Dichtung ist sein Verhältnis zu Homer. S c h r e y e r 1 ) , der es schon früher mit umfassender Kenntnis behandelt hat, schildert jetzt in einer Schrift, die in erster Linie für die Hand reiferer Schüler bestimmt ist, von neuem kurz Goethes Stellung zu dem griechischen Sänger und erörtert sodann dessen Einfluss auf die einzelnen Werke: unter den epischen „Werther", „Hermann und Dorothea", wo das Homerische besonders in den Schilderungen hervortritt, und „Achilleis". Hier wird die Ueberlieferung des Stoffes in Ilias, Odyssee und bei den Späteren vorgeführt, Goethes Aeusserungen über den Plan sind zusammengestellt und an dem Ausgeführten weist Sch. nach, dass der Dichter sich zu eng an das antike Vorbild angeschlossen hat. — Unmittelbar an Homer erinnert auch Goethes Absicht einer kleinen epischen Dichtung „Margites"2), die er in 3einem bisher unbekannten Briefe an Friedrich Schlegel von Mitte Juli 1798 äussert. "3a) — Die hervorragendste Erscheinung des Jahres auf unserem Gebiete liegt ihrer Entstehung nach um mehr als vier Jahrzehnte zurück. Es ist die Schrift über H e r m a n n u n d D o r o t h e a von Hehn. Aus Vorlesungen entstanden, war sie schon 1851 zur Veröffentlichung vorbereitet, als sie bei der Verbannung des Vf. von der russischen Polizei konfisziert wurde. Als er sie zurückerhielt, war sie an mehreren Stellen verstümmelt, und er hat später diese Lücken nicht wieder ausgefüllt, da er den Gedanken der Herausgabe offenbar aufgegeben hatte. Das wird dadurch bewiesen, dass er grössere Abschnitte in spätere Aufsätze wörtlich hinübernahm. Trotzdem sind wir aber den Herausgebern L e i t z m a n n u n d S c h i e m a n n 4 ) zu lebhaftem Danke verpflichtet, dass sie diese Arbeit aus dem Nachlass des Vf. hervorgezogen haben. Hehn erscheint darin in voller jugendlicher Kraft, weicher und liebenswürdiger als in späterer Zeit, auch Goethe selbst gegenüber noch nicht durch einseitige Vorliebe für die Schöpfungen der mittleren Periode des Dichters befangen. Freilich ist in den thatsächlichen Teilen manches seitdem durch die Forschung und neue Funde überholt worden, auch die Anschauungen, soweit sie vom Geiste der Entstehungszeit der Schrift beeinflusst sind, können jetzt nicht mehr auf Anerkennung rechnen. Denn Goethes: DDichtnng. 13, S. 274/5. — 27) Th. V o g e l , Z. schulmäss. Behandlung v. Goethes Trauerloge: ZDTJ. 7, S. 81/4. — 28) F. A r n h e i m , Goethes Gedicht Zum 28. August 1823: GJb. 14, S. 280. — 29) A. P i c k , Zu d. Zahmen Xenien. Tl.: ib. S. 279-80. — 1) (IV 8 a : 164.) — 2) Goethes Briefe Bd. 13-14 (vgl. IV S a : 112/3) Darin: 13, S. 208. - - 3) O X B . D . M o a e l e y , Goethe and Smollet: NQ. 3, S. 55/6. — 3 a ) O X (IV S a : 155.) — 4) V. Heiin, Ueber Goethes Hermann n. Dorothea. AUB dessen Nachlass her. v. A. L e i t z m a n n u. Th. S c h i e m a n n . St., J. G. Cotta Nachf. V, 164 S. M. 3,00. (S. o.

G. W i t k o w s k i , Goethes Epos.

IV 8d

: 4-13

wer wird heute in Ludwig Börne einen „ebenbürtigen Gegner Goethes", einen „Geistesverwandten Lessings" sehen? Wer wird der Prophezeiung glauben, dass die Popularität der Nibelungen eine künstliche, der Schule angehörige sei und daher wahrscheinlich mit den Tendenzen, von denen sie getragen wurde, wieder absterben werde? Aber in der Hauptsache behauptet sich Hehns Urteil auch jetzt noch, und die richtige Auffassung der politischen, socialen, litterarischen Grundlagen, aus denen das Gedicht emporwuchs, die Feinheit im Nachempfinden des poetischen Gehaltes, die treffliche Analyse der Charaktere und des Ganges der Handlung lassen es noch jetzt alsdenbesten Führer zu einem tieferen Verständnis der herrlichen Dichtung erscheinen. Hervorragend sind insbesondere die einleitenden Abschnitte über das Wesen des epischen Gedichtes, in denen der Einfluss Hegels deutlich bemerkbar wird (in den Anmerkungen durch wertvolle, mehr aphoristische Bemerkungen über denselben Gegenstand ergänzt), der Nachweis der specifisch epischen Begabung Goethes, die Schilderung der Zustände des 18. Jh., zumal des unpolitischen Charakters der Deutschen, der freilich nicht als ständige Eigenschaft, sondern als Ergebnis der Zeitverhältnisse dargestellt werden musste, und der Beweis, dass „Hermann und Dorothea" seiner innersten Substanz nach antipolitisch ist. Einen Vorklang der späteren Untersuchungen, auf die sich Hehns Ruhm als Goetheforscher gründet, vernehmen wir vor allem in den Schlusskapiteln, die der Form der Dichtung gewidmet sind, besonders das über die Diktion Gesagte birgt eine Fülle der feinsten Beobachtungen. Die bewusste Einfachheit und Mässigung in der Wahl der Worte, der Ausschluss alles bloss Rhetorischen, der Periodenbau und die Wortbildung, die leisen Anklänge an Homerischen Sprachgebrauch, — alles das wird nicht nach der landläufigen Dissertationsmethode aufgezählt, sondern in Verbindung mit dem innersten Wesen des Gedichtes und seiner Gattung erläutert und mit stetem Bezug auf die ästhetische Wirkung vorgeführt. Ebenso weiss Hehn die Wahl und Gestaltung des Hexameters bei Goethe treffend zu erklären; freilich ist er dabei von einer gewissen Einseitigkeit nicht freizusprechen, da er weder dem Hexameter Klopstocks noch dem Vossens gerecht wird und jede Anlehnung Goethes an die Technik des letzteren als Fehler betrachtet. Ungerecht erscheint Hehn auch in der Schlussbetrachtung, die zwar der „Luise" mit Recht eine niedere Stelle anweist, dagegen für die Grösse des „Messias" gar kein Verständnis zeigt. Die anspruchslosen Anmerkungen L.s wollen in der Hauptsache den Text von litterarischen Nachweisen entlasten und liefern hier und da Ergänzungen aus Hehns hinterlassenen Papieren. — Die neu bekannt gewordenen Briefe5) Goethes an Christiane, die Herzogin Luise, J. H. Meyer (5. Aug. 1797), an Böttiger (25. Okt. 1797) eröffnen Blicke in die Entstehungsgeschichte von „Hermann und Dorothea", die Korrespondenz mit Vieweg berichtet über die Herausgabe des Gedichtes, ein Schreiben an Hirt (30. Jan. 1798) über die Aufnahme in Berlin. — Im J. 1823 fragt Varnhagen bei Goethe über die Lokalität von „Hermann und Dorothea" an. Er meint, es müsse sicher ein bestimmter Ort, eine bestimmte Gegend die Grundlinien der Schilderung geliefert haben, und wünscht auch sonst noch zu erfahren, was über das Gedicht vom Standpunkte des Dichters selbst zu sagen wäre. Er berichtet über die Aufführung von Töpfers „Hermann und Dorothea" im Berliner Schauspielhaus am 20. Okt. 1823. G e i g e r 6 ) bezieht auf diese Anfrage das Gespräch mit Eckermann, datiert vom Dec. 1 1826 (Biedermann 5, S. 337/8), indem er es in den Dec. 1823 setzt. — G r u b e r ) schildert kurz die Geschichte der Salzburger Emigration, wiederholt Goeckings Erzählung und berichtet über die Kolonisation der Salzburger in Litauen. — R e g e l 8 ) erklärt thörichter WTeise „die munteren Träume der Freiheit" (6, V. 24) aus bewusster Nachahmung des Englischen,9 ebenso „Tasso" V. 16 „den frohen Kranz". — Dagegen wendet sich K o h l s c h m i d t ) , indem er das Attribut richtig kausativ deutet: als Zeichen der Munterkeit und Munterkeit erregend. — S p r e n g e r 1 0 ) konstruiert in dem Verse (7, V. 35) „Denn ein jeglicher denkt nur sich selbst und das nächste Bedürfnis" denken mit Akkusativ und tadelt die Einsetzung des in den alten Ausgaben fehlenden Kommas nach „nur". — E r i c h S c h m i d t 1 1 ) legt einige Verse vor, die vermutlich der ersten Fassung von „Hermann und Dorothea" angehören und lenkt die Aufmerksamkeit auf den reichen kulturhistorischen Inhalt von Goethes Quelle, der Emigrationsgeschichte Goeckings. 12 ) — Eine gute Schulausgabe des Gedichts hat H a u f f e n 1 3 ) geliefert. Die Einleitung unterichtet kurz, aber genügend über das Notwendige; nur fällt eine gewisse Unklarheit in den chronologischen Angaben auf, wenn „Reineke Fuchs" zwischen der „neuen, veränderten Ausgabe" der „Luise" von 1795 und „Alexis und Dora" genannt IV 8 c : 22.) - 5) (9. o. N. 2.) — 6) (IV 8 b : 12; S. 65/7, 134.) - 7) C. G r ä b e r , D. Salzburger Emigranten. Progr. Marienburg (L. Giesow). 71 S. - 8) E. K e g e l . E. Seitenblick aufs Englische beim dtsoh. Unterr.: ZDU.7, S. 30/4.— 9} W . K o h l BOhmidt, D. Beiwort „munter" in „Hermann u. Dorothea" 6, V. 24: ib. S. 277/8. — 10) R. S p r e n g e r , Zu Goethes Hermann D. Dorothea: ib. S. 492. - 11) E r i c h S c h m i d t , Mitteilnng in GDL. Jan.: DLZ. S. 187. (Vgl. VossZg. N. 51.) — 12) O X G. C h i a r i n i , Arminio e Dorotea: NAnt. 45, S. 429-41. — 13) (I 7 : 7 2 . ) |[C0IBW. 21, S. 880/1; H. H e r z o g : ZOG. 44.

IV

8 d : 14-29

G. W i t k o w s k i , Goethes Epos.

wird. V. 795 ist aus überflüssiger Prüderie unterdrückt. In den Anmerkungen ist alles Notwendige erklärt, vielleicht hier und da etwas zu viel, z. B. könnte die E r läuterung von „Kattun" und „Flanell" wohl fortfallen. Die Erklärung von „einen Korb geben" hätte noch weiter zurückgehen müssen, um ganz klar die sinnliche Bedeutung des Ausdrucks zu zeigen. 1 4 " 1 8 ) — Gegen Hoffmanns Untersuchungen über den „ E w i g e n J u d e n " (vgl. J B L . 1891 IV 9d: 13) wendet sich D ü n t z e r 1 1 ) . Während Hoffmann dasFrühjahr 1775 als Entstehungszeit ansetzt, möchte D. lieber am J . 1774 festhalten. E r leugnet, dass in dem Fragmente eine krankhafte Stimmung herrsche und findet darin nicht Verbitterung und Hohn gegen die Kirche, sondern den heitersten Humor, auch nicht einen cynischen Ton, in dem von der Gottheit geredet werde, wohl aber die Stimmung des entschiedenen Freidenkers, der Goethe damals schon längst war. — In die Vorgeschichte des „ W e r t h e r " führt S c h ü d d e k o p f s , 8 ) sorgsame Bibliographie aller erreichbaren Schriften Goués mit genauer Beschreibung und kritischen Notizen. — Sodann berührt sich damit näher die Publikation E u g e n W o l f i s l 9 ) , die aus den Kestnerschen Familienpapieren die früheren Sammlungen und Darstellungen A. Kestners, Düntzers (Morgenblatt 1863, N. 45 ff.) und Herbsts ergänzt. E r bietet autobiographische Notizen von Lottens Bräutigam und will aus ihnen das bisherige Charakterbild des etwas pedantischen Mannes zu dem eines romantischen, grüblerischen Jünglings umgestalten, wobei er freilich zu viel in seine Quellen hineininterpretiert. Daraus, dass Kestner einmal versucht hat, einen Roman zu schreiben, dass er überhaupt litterarischen Interessen nicht ganz abgeneigt war, dass er sich gesellschaftlichen Vergnügungen gern hingab, lässt sich doch ein solcher Schluss noch nicht ziehen. Im Gegenteil bestätigen die von W. veröffentlichten Zeugnisse für den ruhigen Verlauf seines Verhältnisses zu Lotte, zumal die Werbebriefe vom 22. Jan. ünd 25. April 1768, unsere bisherige Vorstellung von seiner leidenschaftslosen Art. Auch die Proben der Gedichte, in denen er Lotte besang, sind schlagende Beweise dafür. Eine bisher unbekannte Tagebuchstelle giebt eine Schilderung des Balles in Weipertshausen, der Goethen zuerst mit Lotte zusammenführte und auf dem auch Jerusalem anwesend war. Ausserordentlich lebensvoll malt ein Brief von Hans Buff an Lotte das Treiben der Geschwister im Deutschen Hause. Die Zusammenstellung von Kestners Notizen über die Witterung in der Zeit von Goethes Aufenthalt in Wetzlar bestätigt, dass die atmosphärischen Einflüsse, die im „Werther" eine so grosse Rolle spielen, vom Dichter künstlerisch frei angeordnet, nicht dem wirklichen Verlauf nachgezeichnet sind. Das wäre ja schon dadurch unmöglich gewesen, dass der Roman sich über eine mehr als doppelt so lange Zeit erstreckt. Die in „Goethe und Werther" abgedruckten Notizen Kestners über Goethes Verhältnis zu Lotte werden durch einzelne dort übergangene, aber nicht unwichtige Stellen ergänzt, ebenso gewinnt der von Herbst (S. 118/9) teilweise veröffentlichte Brief Kestners an Lotte jetzt beträchtlich an Wert, weil Kestner in dem früher unbekannten Teil eine indirekte Charakteristik Goethes giebt. In demselben Geleise wie dieses Schreiben bewegt sich eine Erörterung des Bräutigams über die Eifersucht. Sehr hübsch ist seine spätere Schilderung seiner Annäherung an Lotte. Jerusalems Geliebte, Frau Hert, nennt er die schönste Frau der Stadt und preist ihre Geistes- und Seelen-, eigenschaften. Den Schluss von W.s Nachlese bildet ein recht schwaches Wertherlied einer Elise von N. und ein gar nicht hierher gehöriger Bericht Kestners über den angeblich durch die Erregung bei einer Aufführung des „Kaufmanns von London" herbeigeführten Tod des Landgrafen Ludwigs VIII. von Hessen-Darmstadt im J . 1768. — Eine ausgefallene Stelle in Goethes Brief an Kestner vom 14.(?) April 1773 (Briefe N. 144), die G ü n t h e r 2 0 " 2 0 1 ) ergänzt, giebt einen Hinweis auf die frühzeitige Absicht Goethes, das Verhältnis zu Lotte dichterisch zu gestalten. Er droht, Kestner und Lotte, wenn sie sich einfallen liessen, eifersüchtig zu werden, mit den treffendsten Zügen auf die Bühne zu bringen, und Juden und Christen sollten über sie lachen. — I s c h e r 2 1 ) teilt aus einem Briefe Zimmermanns an Haller vom 30. Jan. 1775 Nachrichten über die historischen Grundlagen des „Werther" mit. — Eine höchst merkwürdige, schwerlich genau wiedergegebene A eusserung Lessings über den Roman Goethes steht in einem Briefe von Sara von Grotthus 2 2 ) an den Dichter. 23 " 29 ) — S. 1099-1104.]| — 1 4 ) X 0. F. W a t z e l , W. T. Hewett, Hermann u. Dorothea (vgl. JBL. 1891 IV 9 d : 8 ) : ZÔG. 44, S. 543/5. — 15) O X Goethe, Hermann et Dorothée. Iilustr. de Harold. Paris, Dentu. 221 S. Fr. 1,25. — 16) O X id., Herman og Dorothea. Overeat af P. Hansen. Met 8 Iilnetrationer in Fototypier af A. Bamberg. Kjôbenhafn, Bojesen. 4°. V, 91 S. Er. 4.50. — 17) H. D ü n t z e r , Ueber Goethes Bruehstloke d. Gedichtes „D. ewige Jode«: ZDPh. 25, 8. 289-303. - lg) (IV 4 : 3 . ) — 19) (IV 8 b : 36.) — 2 0 ) 0. G a n t h e r , Licke im Goethe-Kestnersohen Briefwechsel: GJb. 14, S. 161. (S. o. IV 8 b : 13.) — 2 0 a ) X (IV 8b:37.) - 21) O (IV 5 : 3 0 . ) - 22) (IV 8 b : 12; S. 50/2.) — 23) O X W. S e i b t , J. G. Schlosser u. Werthers Leiden: FZg. N. 263. — 24) O X Goethe, Werther. Nonv. éd. avec grav. ( = Petite bibl. omnibus ill. N. 10.) Paris, Boy & Geffroy. 16°. 192 S. Fr. 0,30. — 25) O X id.. Werther. Trad. franç. préc. d'une étude sur Goethe par H. Heine. Paris, C. Lévy. 270 S. Fr. 1,25. — 26) O X id., Werther. Trad. d'Aubry, entièrement refondue par J . B o d l e i n m a n n . ( = Bibl. nat.) Paris, Berthier. 16°. 160 S. Fr. 0,25. — 27) O X ¡d-, Leiden d. jungen Werther. (Buss. Uebersetz.) Petersburg, A. Suworin. (Seiten u. Preis nicht zu ermitteln.) — 28) O X Leiden d. jungen Werther. (Boss. Uebersetz.) Hoskau, M. Lederle & Co. 280 S. Bub. 0,60. — 29) (IT 8 a : 45.) — 3 0 ) (III S : 34; 8 b : 28a.)

G. W i t k o w s k i , Goethes Epos.

I V

8d

: 30-35

Die schöne Seele im „ W i l h e l m M e i s t e r " zeichnet sich in den Schilderungen ab, die E r i c h S c h m i d t 3 0 ) aus dem Briefwechsel von Auguste Friederike von Ysenburg-Büdingen mit ihrer Schwester Luise Ferdinande zu , Anhalt-Köthen heraushebt, und die sich auf Susanne von Klettenberg und Lavater beziehen. — Es ist eine anerkannte litterarhistorische Thatsache, dass der Roman der Romantiker unter dem beherrschenden Einflüsse des „Wilhelm Meister" steht. An den einzelnen Erscheinungen wie im ganzen ist dieser Einfluss häufig genug konstatiert worden, in Bezug auf Tieck z. B. erst vor kurzem von Prodnigg 3 1 ) (vgl. JBL. 1891 I V 9 d : 2 1 ; 1892 I V 10:30). D o n n e r 3 2 ) will nun die Form ermitteln, unter der sich die Gesinnungen, Begebenheiten und Schicksale des „Wilhelm Meister" in dem romantischen Roman, speciell den Bildungsromanen, fortsetzen. Er hat mit guter Litteraturkenntnis, die auf selbständiger Forschung beruht, die einzelnen Uebereinstimmungen des Originals und der Nachfolger festgestellt, vor allem den Subjektivismus der Romantiker auf die Einwirkung von Goethes Roman zurückgeführt, zugleich aber auch die Unterschiede kräftig betont. Ihre Helden lassen die Welt um sich herum spielen, sie bleiben ganz unthätig, während Goethes Held immer weiter strebt, und sie kommen fast immer ohne ernsten Kampf ans Ziel. Das sorgenlose Dasein Wilhelm Meisters ist nicht denkbar ohne sinnliche Verhältnisse. Er durchlebt Lehrjahre der Humanität, in denen sich Müssiggang und Streben auf der Grundlage äusserer Wohlhabenheit vereinigen. Bei den Romantikern durchleben die Helden Lehrjahre durch Müssiggang ohne Streben, daher überwiegen die leichten lockeren Schilderungen sehr beträchtlich. Ueberall ist die Gestalt Philinens, teilweise in die höhere Gesellschaft übertragen, nachgezeichnet, insbesondere wird ihr nächtlicher Besuch im fünften Buche wiederholt. Den stärksten Einfluss hat die Mignonepisode ausgeübt: Mignon selbst kehrt in den meisten der besprochenen Romane mit leichten Veränderungen wieder, ebenso das Motiv der geheimnisvollen Geburt (freilich ein uralter Kunstgriff der gesamten Romanlitteratur, um die Spannung zu erregen), die deutsch-italienischen Wahlverwandtschaften, bei manchen auch die lyrischen Einlagen. Dagegen wird der Harfner nur von Brentano benutzt. D. stellt die Abhängigkeit der Romantiker nach allen diesen Richtungen hin zuerst in einem Schema zusammen und prüft dann eine Reihe ihrer Romane auf ihre Beziehungen zum „Wilhelm Meister" hin im einzelnen, nämlich Tiecks „Sternbald" und „Der junge Tischlermeister", Friedrich Schlegels „Lucinde", Dorothea Schlegels „Florentin", Novalis „Heinrich von Ofterdingen", Brentanos „Godwi", Eichendorffs „Ahnung und Gegenwart" und Immermanns „Epigonen". Schon K o c h hat darauf hingewiesen, dass auch Hölderlins „Hyperion", Jean Pauls „Titan", Eichendorffs „Dichter und ihre Gesellen", die D. freilich kurz (S. 185/6) charakterisiert hat, und vor allem Fouques „ A l w i n " in die Reihe der Nachfolger „Wilhelm Meisters" zu setzen gewesen wären. Wir vermissen noch Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts", mit Recht oft geradezu als Typus der Gattung bezeichnet, und Arnims „Hollins Liebeleben", das schon Tieck als „eine läppische Nachahmung des Wilhelm Meister" verurteilte. Die angezogenen Werke behandelt D. nach Entstehungsgeschichte, Form, Inhalt und Aufnahme bei den Zeitgenossen, stellenweise beträchtlich den Umkreis seines Themas überschreitend, so bei der übrigens gut dargestellten Genesis der „Lucinde", auch nicht ohne Wiederholungen (S. 82). Im ganzen ist aber die Schrift als ein recht förderlicher Beitrag zur Geschichte der Motive anzuerkennen, der eine grosse Reihe von guten Beobachtungen enthält. Auszusetzen wäre nur ein Reihe von grösseren und kleineren Unebenheiten im Ausdruck, die zeigen, dass das Deutsche nicht die Muttersprache des Vf. ist. — Offenbar durch den grossen Erfolg der Oper von Ambroise Thomas veranlasst ist eine gar nicht ungeschickte französische Nacherzählung der Geschichte Mignons für Kinder von Simond 3 3 ). Philine und alles, was über das kindliche Gefühlsleben hinausgeht, musste dabei fortfallen. 34 ) — In der „ N o v e l l e " (Hempel 16, S. 155) spielt die Frau des Tierbändigers bekanntlich mit den Worten „Speise von den Fressern und süsse Labung von den Starken"-auf das Rätsel Simsons (Richter 14, 14) an. S c h r ä d e r 3 5 ) weist auf das versteckte Wortspiel des hebräischen Urtextes hin und versucht eine entsprechende Uebersetzung, was mit Goethe und seiner Novelle gar nichts zu thun hat. — — 31) F. P r o s c h : ZOG. 44, S. 934/5. (Vgl. I V 10:14.) — 32) J. 0. E. D o n n e r , D. Einfluss Wilhelm Heisters auf d. Roman d. Romantiker. Disa. Heisingfora. (B., R. Heinrich.) I V , 211 S. M. 4,00. ; [M. K o c h : BFDH. 10, S. 260.]| (Vgl. I V 10:13.) — 33) Ch. S i m o n d , Mignon. Imité de l'Allemand. Paris, Lecène, Ondin & Cie. 91 S. — 34) O X Cjunielowski, W. T. Goethe, Wilhelm Meister. Frzelozyt. Warschau, Lewental. 832 S. Rub. 3,00. |[PNL. 21, S. 47S]| — 35) H . S c h r ä d e r , Zu zwei Stellen v. Goethe: ZDS. 7, S. 128-30. —

Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte.

IV.

(4)26

IV 8e : 1-2

G. W i t k o w s k i , Goethes Drama. e) Drama. Georg- W i t k o w s k i .

Allgemeines N. 1. — Götz von Berlichingen N. 5. — Götter, Helden nnd Wieland N. 18. — Jahrmarktsfest zu Plundersweilern N. 19. — Das Neueste aus Plnndersweilern N. 20. — Satyros N. 22. — Clavigo N. 2S. — Elpenor N. 25. — Egmont N. 26. — Iphigenie N. 34. — Torquato Tasso N. 39. — BBrgergeneral N. 44. — Mahomet N. 46. — Die natürliche Tochter N. 48. — Pandora N. 49. — Romeo und Jalie N. 51. — Des Epimenides Erwachen N. 52. — Fanst: Allgemeines N. 55; Urfaust N. 88; erster Teil N. 89; zweiter Teil N. 102. —

Schon in einem früheren Bericht machten wir darauf aufmerksam, dass es uns noch an jeder Behandlung von Goethes dramatischen Dichtungen im a l l g e m e i n e n , von ihrer Technik, ihrem dramatischen und theatralischen Gehalt fehlt. Einen Anlauf zur Lösung dieser Aufgabe unternimmt S i t t e n b e r g e r ' ) . Er geht davon aus, dass der Begriff des Dramatischen nicht zu definieren, aber wohl zu erläutern, erklärend anzudeuten ist. Dramatisch ist ein Vorgang, der als die Geschichte eines Willens erscheint, der im stände ist, unser Gefühl sympathisch zu erregen. Theatralisch ist alles, was von der Bühne unmittelbar auf unsere Nerven einwirkt. Allgemein gilt die Anschauung, Goethe habe nicht verstanden, für die Bühne zu arbeiten, trotzdem man der Mehrzahl seiner Dramen wirklich dramatischen Fluss zugesteht. Aber dieser Ansicht liegt ein Mangel an Ueberlegung und an Verständnis für Bühnenwirkung zu Grunde. Goethe hat vielmehr die äusseren Kniffe, das Theatralische, so gut wie ein anderer erlernt und anzuwenden verstanden, doch hat er die Fähigkeit, das eigentlich Dramatische herauszuwittern und es mit keckem Griff auf die Bühne zu stellen, nur in seltenen Fällen gezeigt. In der Jugend schrieb er dramatisch bewegter als in späterer Zeit; seine theatralischen Künste treten um so stärker hervor, je schwächer der eigentlich dramatische Gehalt seiner Stücke wird. Die „Mitschuldigen" sind dramatisch recht gut veranlagt, vielleicht eins der besten Stücke Goethes, aber das Theatralische ist durchweg vernachlässigt. (Das ist unseres Erachtens unbedingt falsch.) Der Mangel an Wirkung erklärt sich aus den widerlichen Verhältnissen, die vorgeführt werden. „Götz" ist nur eine dramatisierte Chronik, der Wille des Helden zu wenig auf ein bestimmtes Ziel gerichtet. Die Götz-Seenen wirken weniger als die Adelheid- und WeislingenScenen. Das Dramatische zeigt sich hier mehr im Detail als im Aufbau des Stückes. Die Art, wie z. B. bei Götzens Tod Stimmung erregt wird, spielt schon ins Theatralische hinüber. Viele kleine Scenen haben nur den Zweck, Stimmungsbilder zu entwerfen. Theatralisch sind die Vorgänge am Bischofshofe, das Zigeunerlager, die aufrührerischen Bauern. Im „Clavigo" drängt der dramatische Zug vom dritten Akte an nicht mehr energisch genug vorwärts; hier kommt Goethen ein dramatischer (theatralischer?) Effekt zu Hilfe, der noch jederzeit seine Wirkung gethan hat: die Schwindsucht auf der Bühne, und er rettet das Stück (?). Der Leichenzug im letzten Akte ist ein starker theatralischer Effekt. Mit „Stella" weiss S., wie er gesteht, für seine Betrachtung nicht viel anzufangen. Alle wollen etwas und dabei will doch im Grunde keiner etwas. Das Stück ist nichts als eine fortlaufende Reihe lyrischer Stimmungen, dazwischen Stellen, die so platt sind, dass sie abstossen. Wenn das „Schauspiel für Liebende" von der Bühne herab überhaupt eine Wirkung thut, so hat es dies wohl nur dem Charakter Stellas und etlichen Genrescenen zu verdanken. Egmonts Wille ist bestimmter auf ein festes Ziel gerichtet als der Götzens, wenn auch vielleicht schwächer. Man könnte sich den ganzen Stoff mit grösserer Wucht behandelt denken, aber gewiss nicht schöner. Theatralisches durchzieht das ganze Stück, die Schlussscene ist opernhaft, die Erscheinung Clärchens ein Verlegenheitsmittel, weil der Dichter im natürlichen Gange der Ereignisse keinen Schluss finden konnte. Die Siegessyinphonie ist ein ganz willkürlicher theatralischer Effekt, der uns aus der Illusion reisst. (Hier berücksichtigt S. nicht, dass es sich nur um eine Anweisung für den Komponisten der damals allgemein üblichen Musik „vor, zwischen und nach dem Stücke" [siehe Hamb. Dramaturgie St. 26] handelt). Die „Geschwister" sind dramatisch vielleicht das beste Stück Goethes. In „Iphigenie" ist die Form das Erste und Alles, und damit wird der Inhalt zur Formel. Goethe hat sich vollständig in die griechische Denkweise eingelebt (?), und schon daraus ergiebt sich eine Beeinträchtigung der Wirkung für ein modernes Publikum. Er geht in seiner gräcisierenden Richtung noch weiter als die Griechen selbst, er vernachlässigt das Persönliche gänzlich. Es mangelt die nötige Objektivität: wir sehen den Dichter auf der Bühne stehen und wissen damit, dass seine Personen nicht wirkliches Leben besitzen. Aehnliches gilt auch von „Torquato Tasso". Immer mehr richtet Goethe sein Augenmerk auf scenische Effekte. Er strebt nach aufdringlicher theatralischer Wirkung, und daneben geht oft

1) (IT 8 a : 54.) — 2) (IV l a : 5 . )

(S. 116-27: Götz v. Berlichingen.

S. 128-35: Clavigo. S. 136-45: Egmont.

G. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

IV 8e : 2-9

ein ganz undramatisches und wirkungsloses Spielen mit Symbolischem und Mystischem. Der Sturz Eugeniens im ersten Akte der „Natürlichen Tochter" erinnert an den symbolischen Sturz des Baumeisters Solness. In der Faustsage liegt viel Dramatisches; aber das (von Goethe hineingetragene) Moment der Verjüngung thut der Bühnenwirkung wesentlichen Eintrag. Das Leitmotiv, das sich durch alle Scenen hindurchzieht, ist der Wissensdurst (?). Das Theatralische hindert gerade die Theaterwirkung, weil alles, was die Aufführung bieten kann, durch unsere Phantasie übertreffen wird. „Faust" ist nicht für die Bühne geschrieben und alle Versuche, ihn einzurichten, werden vergeblich bleiben. Man verdirbt sich den Genuss am „Faust", wenn man ihn sieht. — Landwehr 2 ) liefert kurze Biographien der historischen Persönlichkeiten, die Goethe zu Helden seiner Dramen gemacht hat: ein gutes Hilfsmittel, zumal für den Schulunterricht, das aber noch gewonnen hätte, wenn nicht an einigen Stellen wichtige Daten fehlten. So hätte z. B. Egmonts Beteiligung an der Niederschlagung des Aufstandes der Bilderstürmer erwähnt werden müssen. — Die schon früher besprochene Schrift S c h r e y e r s 3 ) behandelt auch eine Reihe der dramatischen Gestalten Goethes in Bezug auf ihr Verhältnis zu Homer. Er weist zur „Iphigenie auf Tauris" die Ueberlieferung der Tantalidensage bei Homer, den Cyklikern und Tragikern nach, und stellt Goethes Behandlung zu den von Homer berührten Punkten des Stoffes in Parallele. Den in der „italienischen Reise" mitgeteilten Plan der „Iphigenie in Delphi" hält Sch. gegen die Weim. Aüsg. 10, S. 415 für übereinstimmend mit dem ursprünglichen. Das beabsichtigte Drama entspricht der von Aristoteles am höchsten gestellten, vierten Art tragischer Fälle. In der „Nausikaa" Goethes wird, wie auch bei Sophokles, die Wendung zum Tragischen dadurch bedingt, dass Nausikaa in den Mittelpunkt der Handlung tritt. Der zweite Plan in der „italienischen Reise" entwickelte sich notwendig aus dem in den Skizzen angedeuteten ersten, sobald sich Goethe durch Lektüre der Odyssee den Zusammenhang der Ereignisse wieder lebhafter vergegenwärtigte. Die Art, wie Goethe die Helena im „Faust" einführt, entspricht vollständig der Darstellung bei Homer; aber den weiteren Verlauf der Ereignisse gestaltet er selbständig. Die Gestalt ist nicht allegorisch, sondern real aufzufassen4). — lieber das vielfach und gründlich behandelte Verhältnis des Götz von B e r l i c h i n g e n zu den Shakespeareschen Dramen bringt Huther 5 ) wenig, noch dazu unklar gefasst, in der Hauptsache die unnötige Widerlegung einer verfehlten Auffassung der Grundidee. Die Aenderungen in B sollen nach H. dazu gedient haben, den Grundgedanken des Stückes in einheitlicherer Weise zur Durchführung zu bringen. Organisch ist nur das Verhältnis Götzens zu Weislingen umgestaltet worden, und zwar am deutlichsten im fünften Akt, indem die Adelheid-Scenen beschnitten wurden, Weislingen die Führung des Gegenspiels, die er in A am Schlüsse verlor, bis zuletzt behielt und Götz selbst mehr in den Vordergrund gerückt wurde. Zugleich wurde das Verhältnis Weislingens zu dem Helden vor seinem Abfall inniger gestaltet, sein Charakter gehoben. Der Grundgedanke des „Götz" ist nicht der Kampf zwischen Mittelalter und Neuzeit, wie Klaucke behauptet hat, den H. mit einem überflüssigen Aufwand von Beweisen widei'legt. Dann geht er dazu über, die Abhängigkeit des Aufbaues von Shakespeares Technik zu zeigen. Wie im „Julius Cäsar" tritt in A am Schlüsse ein übernatürliches Element ein, die Erscheinung von Franzens Geist. Der übrige Bau des Stückes ist wesentlich vom „Macbeth" beeinflusst. Es sollen im „Götz" eine Menge von Stellen vorhanden sein, die auf das Uebernatürliche hinweisen und die Handlung fortlaufend motivieren, und darin soll sich die durchgängige Abhängigkeit von Shakespeare zeigen. Adelheid entspricht der Lady Macbeth, die Zigeunerscene ist eine direkte Nachbildung der Hexenscene, beide bilden die Grundlagen für den weiteren Verlauf der Handlung. Ueberhaupt ist der Plan des „Macbeth" der allgemeine Rahmen gewesen, in den der deutsche Dichter seinen Stoff, zumal in A, gefasst hat. In B ist das übernatürliche Element beseitigt. Den tragischen Gehalt des „Götz" legt H. richtig dar und weist die Durchführung der Grundidee am Gange des ersten Aktes nach. Den Aufsatz „Zum Shakespearestag" citiert er nach dem Auszug von Genee! — H e i d t 6 ) liefert einen wertlosen Vergleich des ersten Aktes in A und B, um die Vorzüge von B nachzuweisen, mit Parallelabdruck langer Stellen. Er hat keine Ahnung von der Existenz der Baechtoldschen Ausgabe. — Haehnel 1 ) wendet auf den „Götz" das Schema aus Freytags „Technik des Dramas" (S. 100/1) an und zeigt daran den planvollen, kunstgemässen Aufbau8). — H a l b f a s s 9 ) schildert lebhaft eine S. 146-68: Torquato GGA. S. 2C0-20. — (A.Heine). 4°. 22 IV 8 a : 138.) — 6) H ö l s c h e r : ASNS. g) X (1 4 : 459; II

Tasso.) — 3) (IV 8 d : l . ) — 4) J. M i n o r , H. Düntzer, Z. Goetheforschung (Tgl. JBL. 1891 IV 9 e : 3 ) : 5) A. H n t h e r , Goethes Götz v. Berlichingen u. Shakespeares hist. Dramen. Progr. d. Gymn. Cottbus S. |[M. K o c h : BFDH. 9, S. 366: i d . : EnglSt. S. 466; L. H ö l s c h e r : ASNS. 91. S. 471/2.] | ( S . o . K. H. H e i d t , Goethes älteste Bearbeitungen d. Götz t . Berlichingen. Progr. Trier. 4°. 22 S. |[L. 91, S. 471.]| - 7) K. H a e h n e l , Z. dramat. Aufbau d. „Götz v. Berlichingen": 7.DU. 7, S. 269-70. — 1:33.) |[E. M u m m e n h o f f : Fr&nkKur. N. 31.]| — 9) H a l b f a s s , Aus d. Heimat T. Götz T.

(4)26*

IV 8e : 10-13

G. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

Wanderung durch alle historischen Götzstätten und beschreibt u. a. den Mechanismus der eisernen Hand nach eigener Anschauung. —1 Nach mannigfachen Einzelforschungen der letzten Jahre giebt uns Scholte-Nollen ") jetzt eine ganz vortreffliche, auch vieles Neue enthaltende, zusammenfassende Darstellung der langen Bühnenlaufbahn des „Götz". In der schwierigen Frage der inneren Entstehungsgeschichte entscheidet sich Sch. dafür, dass Goethe die Selbstbiographie des Ritters erst nach der Rückkehr von Strassburg kennen gelernt habe. Er sei durch eine Anmerkung bei Datt „De pace publica" darauf hingeführt worden. Aus den kritischen Stimmen beim öffentlichen Erscheinen des Dramas werden diejenigen herausgehoben, welche die Möglichkeit der Darstellung bestreiten oder behaupten. Dann handelt Sch. ausführlich über die erste Berliner Aufführung, bei der neben den bekanntlich historisch getreuen Kostümen alte Dekorationen, Zimmer im Stile des 18. Jh., verwendet wurden. Interessante Notizen auf den gleichzeitigen Berliner Theaterzetteln beleuchten den grossen Erfolg. Bis 1777 wurden die Aufführungen in Berlin fortgesetzt, dann trat eine Pause bis 1795 ein. Die Hamburger Inscenierung zeichnete sich- vor der Berliner durch zeitgemässe Dekorationen aus. Indem er die unzuverlässige Vergleichung Winters (vgl. JBL. 1891 IV 9e : 16) berichtigt, zählt Sch. die AenderungenSchröders auf, giebt auch im Anhang ein Scenarium von B und H (Hamburg) in paralleler Darstellung. Dann sucht er auf Grund der spärlichen Zeugnisse mit grossem Scharfsinn die verlorene Berliner Bearbeitung Kochs zu rekonstruieren. Er vermag festzustellen, dass die Bauernhochzeit und die ganze Reichsexekution, wie auch nachher in Hamburg, gestrichen waren, dass dagegen 1,1 und 4 und III, l,die dort fehlten, in Berlin beibehalten wurden. Der Wortlaut blieb bis auf die Milderung einiger Derbheiten unangetastet. Ein Scenarium der Berliner Bearbeitung gewährt einen klaren Ueberblick ihres Verhältnisses zu B. In Bezug auf das Verhältnis Schröders zu Kochs Einrichtung erscheint die Vermutung begründet, dass er zwar sicher darüber unterrichtet war, aber die seinige unabhängig davon unternahm. Die dritte Stadt, in der „Götz" aufgeführt wurde, war Breslau, wo er vom 17. Febr. bis zum 10. März 1775 viermal auf der Bühne der herumziehenden Truppe des Prinzipals Wäser erschien, vielleicht mit Gästen aus Berlin und vermutlich nach der dortigen Einrichtung, aber ohne Erfolg. Es scheint, dass Wäser in demselben Jahre den „Götz" auch in Leipzig gespielt hat. Es folgen Aufführungen in Goethes Vaterstadt 1778 und 79, in Mannheim 1786 (wahrscheinlich in Rennschübs Einrichtung). Ueber die Anfänge des „Götz" in Wien haben wir schon durch Kilian Näheres erfahren; seine Nachrichten vervollständigt Sch. beträchtlich (vgl. jedoch N. 11). Er vergleicht das Scenarium Grüners mit dem zwanzig Jahre jüngeren Schreyvogels, das zwar eine Anzahl von gemeinsamen Zügen aufweist, so dass eine Benutzung des ersteren sicher ist, aber doch sich viel enger an B anschliesst. Sodann schildert Sch. die Entstehung und Beschaffenheit von Goethes eigenen Bearbeitungen 1803—4, C und D, über die er etwas günstiger als Brahm urteilt (auch hier erleichtert wieder ein Scenarium den Vergleich mit B), er berichtet über die schnell folgenden Berliner Aufführungen von D, über die Zweiteilung von 1809—13, über die letzte Umarbeitung Goethes, die 1819 und 1828 in Weimar aufgeführt wurde. Ein Ueberblick über die Schicksale des „Götz" auf der deutschen Bühne seit 1804 und den jetzigen Stand der Götzfrage bildet den Schluss der höchst verdienstvollen Arbeit: Dingelstedts Einrichtung, O. Devrients Versuch, A auf die Bühne zu bringen, die Vorstellungen auf der Münchener sog. Shakespeare-Bühne (nach B und C), die in Prag und Stettin Nachahmung fanden, endlich die verschiedenen Inscenierungen in Mannheim, Karlsruhe, Hannover, Leipzig, Köln, Kassel, Halle. Die schwer kontrollierbare Statistik der Aufführungen scheint nicht ganz genau zu sein; wenigstens zählt Sch. in Leipzig nur zwanzig Vorstellungen auf, während nach Müller (Das Stadttheater zu Leipzig [Leipzig 1891] 2, S. 142) der „Götz" dort seit 1817 dreissigmal gegeben worden ist. — Kilian 1 1 ) stellt auf Grund eines Theaterzettels, den er abdruckt, fest, dass die erste Aufführung des „Götz" in Wien nicht, wie früher von ihm angegeben, 1810, sondern am 23. April 1808 im Theater in der Leopoldstadt, vor sich ging. Der Vf. der leider verlorenen Bearbeitung war der Journalist und Schauspieler T. Freiherr von Ehrimfeld. Sie wurde als „historisches Schauspiel mit Gesang" in nur vier Akten angekündigt, als Träger des in der Leopoldstadt notwendigen komischen Elements war der Schneider Sindelfinger und seine Familie eingefügt, vermutlich mit Anknüpfung an die Erwähnung des von Götz befreiten Schneiders im Original und vielleicht in Verbindung mit der Bauernhochzeit in B. 1— Die Erfolglosigkeit dieser Aufführung wird durch eine Kritik bewiesen, die Glossy 2 ) zum Teil abdruckt. Nur mit Mühe konnte eine Wiederholung dem Publikum aufgedrungen werden. — Am 28. Dec.13fand die 100. Aufführung des „Götz" im Wiener Burgtheater statt. Ein Anonymus ) stellte

Berlichingen: LZg». N. 5. — 10) (IV 4:371.) — 11) (IV 4:412; Sa: 52.) - 12) C. G l o s s y , Theatergeseh. Ausstellung d. Stadt Wien [Wien, Bibl. d. Stadt Wien. 1892. XIII, 281 S. Fl. 0,40], S. «1. — 13) A. J. W., Z. 100. Anfffihrnng d. „Götz

Gr. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

IV

8

e

: 14-23

bei dieser Gelegenheit die vor dem „Götz" in Wien aufgeführten Goetheschen Dramen und die Zahl ihrer Aufführungen zusammen, dann die des „Götz" selbst, wobei er insofern irrt, als er sagt, dass Dingelstedt die alte Bearbeitung Schreyvogels angewandt habe. Er giebt ferner eine Paralleltabelle der ersten und der gegenwärtigen Besetzung und zählt die nach dem „Götz" auf dem Burgtheater erschienenen Goetheschen Werke auf. Im ganzen haben seine Bühnendichtungen dort bis jetzt 657 Vorstellungen erlebt14"11). — Einzelheiten der satirischen Farcen der letzten Frankfurter Jahre erläutert H e n k e l 1 8 ) in einer Reihe von kleinen Bemerkungen. In „ G ö t t e r , H e l d e n und W i e l a n d " entscheidet er sich für die Lesart „abgeweihet" fHempel Bd. 8, S. 271, Z. 20) mit Berufung auf die „abgeweihten Haare" in der Invektive auf Himburg (Weim. Ausg. 29, S. 16, Z. 9) und den Ausdruck äyviog bei Euripides, Alkestis V. 76 — Im „ J a h r m a r k t s f e s t zu P l u n d e r s w e i l e r n " erklärt H e n k e l 1 9 ) die Strophenform V. 164 ff. gegen Düntzer und Schröer für eine der üblichsten Formen des Volksliedes und sieht in dem häufigen „Sie" des Schattenspielmannes (V. 576 ff.) einen ethischen Akkusativ des radebrechenden Romanen. — Im „ N e u e s t e n a u s P l u n d e r s w e i l e r n " soll nach H e n k e l 2 0 ) das Mädchen mit schlechten Sitten die Nachdrucker versinnbildlichen, der Bai'bier bedeutet Ramler und dessen Wut, alle möglichen Dichtungen seinem Messer zu unterwerfen. Der Pack, den der Merkur mit sich schleppt, stellt die Mühe vor, die Wieland durch die Herausgabe der Zeitschrift bereitet wurde. Der Engel kehrt nach H.s gewagter Vermutung deshalb betrübt zum Himmel wieder, weil er Lessing nicht mehr hienieden findet. — Zu anderen Ergebnissen gelangt, in Bezug auf die Auslegung dieser und anderer Stellen desselben Gedichts, W e i z s ä c k e r 2 1 ) . V. 17—38 zielt nach ihm auf die Leserwelt, und zwar V. 17—26 auf die alles Neue verschlingenden urteilslosen Leser, V. 27—32 auf die Benutzer der Leihbibliotheken, V. 33—38 auf die Lesenarren. V. 39—46 trifft den Nachdruck, V. 47—58 nicht speciell Nicolai, sondern die Verleger im allgemeinen. Die böse Nachbarschaft (V. 56) ist nicht, wie bisher immer angenommen, die Kritik, sondern das Nachbarhaus auf dem Bilde, aus dem Jemand auf das Haus des Verlegers seine Notdurft verrichtet. Wen das bedeuten soll, sagt W. nicht. V. 59—104 meint die Kritik, und zwar V. 63—70 die Allerweltskritiker, V. 71 — 104 die höhere Kritik. V. 141—56 zielt auf den Hainbund, nicht auf die Halberstädter, wie Schöll wollte. Der Engel mit dem Lorbeerkranz (V. 205—8) ist als eine Huldigung für Wieland, nicht als Verspottung desselben (vgl. Schöll) aufzufassen. Wieland sei der einzige, dem der Engel den Lorbeerkranz reichen könne, deshalb kehre er betrübt zum Himmel wieder. Der Pack (V. 203), den der Teutsche Merkur trotz aller Bewunderer nicht los wird, bezieht sich auf den schlechten Absatz der Zeitschrift. V. 215—24, über die W. nichts Bestimmtes ermitteln kann, gehen gewiss gegen die Vertreter der petite poésie, Gleim und die Anakreontiker, worauf das Schiessen nach Schmetterlingen, die ja ihr Lieblingsattribut sind, klar hinweist. — S e u f f e r t 2 2 ) führt für die Deutung des Waldbruders im „Sat.yros" auf Herder eine Stelle aus einem Briefe von Flögel an Klotz vom 20. Juli 1769 an, wo Herder der Waldbruder genannt wird. — Den „ C l a v i g o " hat G e o r g S c h m i d t 2 3 ) in einer umfangreichen Arbeit, hauptsächlich auf den Stil hin, untersucht. Er beginnt mit einer Verurteilung: „Clavigo" nehme unter den Werken der ersten Schaffensperiode Goethes eine Ausnahmestellung ein, und zwar in malain partem, sowohl hinsichtlich des dramatischen Gehalts wie der Sprache. Sch. untersucht nun zuerst die Sprache, aber nur in Bezug auf gewisse, stark hervortretende Besonderheiten, da der Stil an sich, wie er meint, Gefühlssache ist. Beeinflusst ist der „Clavigo": 1. durch die französische Quelle (Gallizismen in den wörtlich entlehnten Stellen, Steifheit infolge ihres stolziei'enden Stils, französisches Milieu); 2. durch die Empfindsamkeit (daher der Schwulst, die Tiraden, das Verschwommene, Süssliche des Ausdrucks. „Stella" sei ganz durchsetzt von unsittlicher und darum in sich verderbter Empfindsamkeit); 3. durch den Sturm und Drang (Beaumarchais rast wie ein Tollhäusler, so dass man für diese wüsten Ergüsse einer mehr als verschrobenen Phantasie nur ein Lachen findet). Diese Ausbrüche, die im „Götz" am Platze sind, passen weder für den Pariser noch y. Berlichingen* im Bnrgtheater: Fremdenbl. N. 357. — 14) O X Goethes G8tz v. Berlichingen. (Russ. Uebersetz.) Petersburg, M. Lederle £ Co. (In d. 8bf>nd. Gesamtausg. d. mss. Goethe-Uebers. (Rub. 15,00].) — 15) X ß 7:67 a.) — 16) X W. y. Goethe, GStz y. Berlichingen mit d. eisernen Hand. Her. y. A. H e n t s c h e l n. E. L i n k e . ( = Gew. Lektüre für Schule n. Haus N. 3.) L., E. Peter. 1892. . 92 S. II. 0,30. - 17) X * Götz of Berlichingen with the iron hand. Transl. by E. S t a n h o p e P e a r s o n . ( = German class, plays N. 3.) Dresden, Pierson. 1892. 136 S. M. 1,00. — 18) H. H e n k e l , Zn „Götter, Helden n. Wieland": GJb. 14, S. 273. — 19) id., Z. Jahrmarktsfest zn Plundersweilern: ib. S. 273/4. — 20) id., Z. Neuesten ans Plnndersweilern: ib. S. 274/5. — 21) P. W e i z s i o k e r , D. Neueste y. Plundersweilern. Beitrr. z. Erklärung einiger Stellen: VLG. 6, S. 67-78. - 22) (IV 7 :19.) — 23) (I 8 : 44; IV 8 a : 107.) - 24) X A. L i o h t e n h e l d , E. Soff»,

IV

8 e : 23-25

G. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

für die soliden kleinbürgerlichen Kreise, in denen sich alles abspielt). Die Einflüsse dieser drei Faktoren zeigen sich in der Eigenart des Clavigostils, besonders in der häufigen Anwendung des Polysyndetons, cles Asyndetons, der Anaphora und der Geminatio. Sch. stellt eine genaue Statistik des Auftretens dieser Redeformen in den Jugendwerken Goethes an und kommt zu dem Ergebnis, dass ihnen gewisse Schwächen, zumal die Einseitigkeit bestimmter, zu Typen erstarrter Wendungen allgemein anhaften; aber nirgends treffen so viele Mängel auf engem Räume zusammen wie im „Clavigo", vor allem die übermässige Häufigkeit der Anaphora. Die sprachlichen Mängel stehen nun in enger Beziehung zu dem minderwertigen künstlerisch-ästhetischen Gehalt des Dramas. Das sucht Sch. an dem Charakter des Helden nachzuweisen. Die Urteile über das Stück zählt er auf; die zeitgenössischen lauten im allgemeinen nicht günstig, die späteren widersprechend, beeinflusst durch die Beziehungen des „Clavigo" zu Goethes Leben. Der Vorwurf, den er darzustellen hatte, war an sich ebenso ungewöhnlich wie abstossend. Sch. widerspricht dem Panegyrikus Schröers; man müsse sich Clavigo auf dem Wege der Reflexion nähern. Goethe stellt in ihm unmännliche Veränderlichkeit dar, und ein solcher Charakter gehört nicht auf den tragischen Kothurn, er ist ästhetisch nicht lebensfähig, jeder Unbefangene legt den „Clavigo" mit einem Gefühl des Missbehagens aus der Hand. Der Held ist nicht nur wetterwendisch, auch ein Heuchler, er verbindet in sich unvereinbare Gegensätze: er will sich vor dem neuen Minister bücken und wird von Maria als ein Mann im wahren Sinne des Wortes geschildert. Wir glauben nicht an seine Reue und seine Liebe, nur im Munde Mariens erscheint er sympathisch, in Wahrheit steigt er bis zu einer schurkischen Handlungsweise hinab. Konsequent ist er nur in der Inkonsequenz. Es ist Goethe sehr zu verargen, dass er, um die Untreue Clavigos zu begründen, ein so „ekelhaftes" Motiv wie die Krankheit Mariens verwendet. Aus den Worten des Carlos (Weim. Ausg. 10, S. 100, Z. 27 ff.) schliesst Sch. ohne triftigen Grund, dass eine Krankheit gemeint sei, die das Weib in der ehelichen Gemeinschaft durch ansteckende Berührung auf den Mann überträgt. Der Tod Clavigos ist nicht innerlich motiviert; er könnte ruhig weiterleben. Die Parallele Clavigo-Goethe, die Schröer gezogen hat, wird von Sch. abgewiesen. Die Hauptzüge des Charakters waren von Beaumarchais vorgezeichnet. Schliesslich sucht Sch. zu beweisen, dass Marie nicht schwindsüchtig, sondern herzleidend ist; sie ruft wohl eine tragische (besser: rührende), aber keine dramatische Wirkung hervor, da sie immer passiv bleibt. An dieser philisterhaften24Schrift haben nur die fleissigen stilistischen Zusammenstellungen einigen Wert. ) — W o o d 2 5 ) betont die geringe Uebereinstimmung unter den bisherigen Rekonstruktionen des „ E l p e n o r " , ihren Mangel an Rücksicht auf die Einfachheit des klassischen Stils (mit Ausnahme von Kettner, vgl. JBL. 1891 IV 9e:38). Die Lösung sollte nicht im Sinne antiker Tragik, sondern durch eine Wiedererkennung ähnlich wie in der „Iphigenie in Delphi" erfolgen. Zarnckes Ansicht, dass das Stück allegorisch, als Feier der Geburt des Weimarschen Erbprinzen aufzufassen sei, ist abzuweisen, besonders mit Hinblick auf den Brief an Knebel vom 21. Nov. 1782. Als den Boden, auf dem das Drama erwachsen ist, sieht W. das Verhältnis Goethes zu Frau von Stein und ihrem Sohne Fritz an. Er stützt sich dabei auf die Briefstelle (19. Aug. 1781): „dass Deine Liebe mich mit dem Onkel zusammenschmilzt", für die er zum ersten Male eine befriedigende Deutung giebt, indem er sie auf Lykus, den Oheim Elpenors, bezieht. Also Lykus ist Goethe, Antiope Frau von Stein, Elpenor Fritz. Ein ähnlicher Bezug herrscht schon im „Falken" und den „Geschwistern", wo Wilhelm-Goethe als Erzieher von Charlottens Tochter erscheint. Lykus darf nicht getötet werden; seine früheren Thaten löscht die Versöhnung aus. Wie in „Lila", wo eine Versöhnung der Gatten eintritt, wird hier Antiope in einer ganz ähnlichen Situation gezeigt. (Die Analogie ist nicht sehr kräftig.) Im Eingang mischt sich in Antiope das Luisen- und das Charlotten-Motiv, Elpenor steht zwischen Antiope und Lykus, wie Felix im „Wilhelm Meister" zwischen Natalie und Wilhelm, wie Fritz von Stein zwischen der Mutter und Goethe. Die Episoden in den „Lehrjahren" VIII, 10 und den „Wanderjahren" III, 18 bieten eine offenbare Parallele zum „Elpenor". Wir dürfen annehmen, dass er von Lykus beim Herabstürzen gerettet wird und vielleicht dabei das goldene Kettchen mit dem Bilde der Sonne (dem Zeichen der Frau von Stein in Goethes Tagebuch) bemerkt, dass ferner der vermeintliche Sohn der Antiope überhaupt nicht auftreten sollte. Für die tragische Verwicklung (die W. auf Grund der Bezeichnung „Tragödie" für nötig hält, da er noch nicht weiss, dass sie statt der ursprünglichen „ein Schauspiel" von Riemer eingesetzt ist), schlägt er einen ungenügenden, nun überflüssig gewordenen Behelf vor. Die Anschläge des Polymetis waren zu durchkreuzen; er musste der tragischen Gerechtigkeit verfallen. D. erlebten n. litt. Grundlagen y. Goethes Clavigo (Tgl. TBI.. 1890 IY l i e : 13): ZOG. 44, S. 182 — 25) H. Wood, Goethes

G. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

IV

8 e : 26-34

Antiope muss den Göttern danken, dass ihr Racheschwur nicht erfüllt wird, dass Elpenor nicht die Herrschaft mit dem „Ungeheuer in den Klüften des Gebirges" zu teilen braucht, Lykus muss dankbar sein, dass sich seine Schuld nicht rächt. Elpenors Zukunft wird problematisch geblieben sein; als dem Vereiniger des Lykus und der Antiope, als dem Abbild des Fritz von Stein, stellt ihm der Dichter sein Horoskop in den Stammbuchversen vom 17. März 1785. — Die Berliner Freie Volksbühne 28 ) hat unter ihre Darbietungen auch den „ E g m o n t " aufgenommen und bei dieser Gelegenheit zur Orientierung ihrer Mitglieder und zur Rechtfertigung der Wahl des Stückes wie gewöhnlich eine Betrachtung vorausgeschickt. Wir glauben es aufs Wort, dass Goethes Freiheitsgöttin für Bruno Wille und die Seinen nicht die „Freiheit, die wir meinen" ist. Der historische Egmont war als Mitglied des grossen Feudaladels der Niederlande im Verhältnis zu Spanien Mitausgebeuteter, im Verhältnis zum Bürgertum Mitausbeuter. Goethe hat zwar den historischen Helden nicht brauchen können, aber die historischen Verhältnisse richtiger als die Geschichtsschreiber aufgefasst. Schiller ist dem „Egmont" gegenüber zu sehr moralisierender Philister, dagegen urteilt er richtig über die dramatische Schwäche des Stückes, die dadurch erklärt wird, dass Goethe vom Herbst 1775 bis zum 28Sommer 1785 (!) ruckweise daran gearbeitet hat 27 ). — Marianne von Eybenberg ) erwähnt in einem Briefe an Goethe vom 3. Aug. 1796 die bezeichnende Thatsache, dass Friedrich Wilhelm II. von Preussen noch nicht den „Egmont" gelesen hat. — N i e j a h r 2 9 ) sieht das Vorbild der Traumscene im „Prinzen von Homburg" in der Traumscene des „Egmont". Wie Klärchen als Genius der Freiheit, so erscheint Natalie als Genius des Ruhmes, einen Kranz über das Haupt des Helden haltend. Vielleicht, meint N., liessen sich noch in anderen Punkten Anklänge an „Egmont" feststellen. Sie würden wohl aber ebenso den Eindruck des Zufälligen machen wie der von N. hervorgehobene. — Zum bin i 3 0 ) macht darauf aufmerksam, dass die Widmungsworte, mit denen Manzoni seinen „Adelchi" an Goethe übersandte, aus dem „Egmont" entnommen sind. Mit diesem Drama weist Manzonis Erstlingsstück, der „Graf von Carmagnola", viele und merkwürdige Aehnlichkeiten auf: in den historischen Vorbedingungen, den Charakteren der Hauptpersonen, zumal der Helden, in den Ursachen des Konflikts, in der Peripetie und der Katastrophe, in der Verbindung der historischen Treue mit den Grundsätzen der modernen Kunst. In beiden Dramen steht auf der einen Seite eine Staatsgewalt, die mit List und den schlechtesten Mitteln jeden Widerstand zu unterdrücken sucht, auf der arideren ein freimütiger, offener Held. Im Verlauf der Handlung herrscht die grösste Uebereinstimmüng, besonders in der Scene, wo der Held, gepanzert mit dem Bewusstsein seiner Unschuld, sich dem Gegner darbietet, der ihn unter dem Vorwand einer wichtigen Beratung, in Wahrheit um sich seiner zu bemächtigen, zu sich gerufen hat. Beiden Helden ist die Seelengrösse gemeinsam, die keinen Hinterhalt fürchtet, auch der Mangel an Vorsicht. Beide folgen dem Rate ihrer Freunde nicht, nur ihrem Dämon, der sie völlig beherrscht und die Katastrophe herbeiführt. Zumal in der letzten Stunde gleichen sie einander, in der Erinnerung an das Schlachtfeld ähnliche Empfindungen wie Othello (III, 3) aussprechend. Die Gattin und die Tochter Carmagnolas entsprechen in dem Eindruck, den sie hervorrufen, der Gestalt Klärchens. Sie dienen dazu, uns den Helden unter der Herrschaft zarterer Gefühle zu zeigen. Marco spielt eine gleiche Rolle wie Oranien, sie vertreten den Gegensatz zum Charakter des Helden. Beide Werke sind nicht eigentlich dramatisch. Z. tadelt besonders mit guten Gründen das Melodrama am Schlüsse des „Egmont", den „üebergang von Shakespeare zu Metastasio". In Parallele dazu stellt er die Trennung der historischen und der erfundenen Personen bei Manzoni, die auch Goethe nicht gebilligt hat, und die dem „Carmagnola" nur Nachteil brachte. Manzoni hat mutiger als Goethe mit der überlieferten Manier gebrochen, indem er alle Liebesverhältnisse ausschloss und sich eng an die Vorbilder des historischen Dramas hielt, nur lässt er das Volk nicht an der Handlung teilnehmen und schädigt so die Wirkung seines Werkes. Er verwarf ebenso wie Goethe in der Praxis die Einheiten und suchte sie theoretisch zu vernichten. — Unter den Schulausgaben 31 " 32 ) des „Egmont" hat die von B l u m e 3 3 ) einen verdienten Erfolg davongetragen. Sie ist jetzt, nachdem auf Grund der Weim. Ausg. der Text verbessert wurde, noch mehr als früher zu empfehlen. — Als Beleg zu seiner Auffassung des Tragischen, die hier nicht zu erörtern ist, vergleicht H. F. M ü l l e r 3 4 ) die Orestie des Aeschylos mit Goethes „ I p h i g e n i e " . Elpenor: VLG. «, S. 78-101. (Tgl. JBL. 1892 I T 8e : 19.) — 26) Goethes Egmont: Volksbühne N. 6. - 27) O X Egmont, its deriration: NQ. 8 1 , S. 273-341. — 2g) (IT 8 b : 12; S. 31.) — 29) J- N i e j a h r , H. T. Kleists Prinz v. Homburg n. Hermannsschlacht: VLG. 6, S. 409-29. (Darin S. 421.) — 30) B. Z n m k i n i . L' „Egmont" del Goethe e>il „Conte di Carmagnola" del Manzoni. ( = IT l d : 7 7 ; S. 155-72) - 31) O X (I 7 : 6 9 . ) |[COIRW. 22. S. 26/7; BBG. 30, S. 316.] | — 32) O X (17:70.) — 33) Goethes Egmont. Hit Einl. u. Anm. y. L. B l u m e . 6. Tausend. ( = Schnlaasg. kl ass. Werke N. 29.) Wien, Graeser. XXXII, 88 S. M. 0,50. — 34) (I 12:220.) (S. 109-62: D. Orestie d. Aesohylos n. Goethes Iphigenie. Schuld u. Sftlyie.) -

IV 8 e : 35-39

G. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

Das gemeinsame Thema beider ist die Schuld und die Entsühnung des Pelopidenhauses; wie aber der innere Friede für Orest zu erlangen ist, weiss Aeschylos nicht zu sagen, wohl aber Goethe. Iphigeniens reine Menschlichkeit vermittelt und spendet dem Orestes die Versöhnung. In ihm erwacht das Schuldbewusstsein, die Reue, die Gewissensangst, von der zuvor in seinem Geschlechte nichts zu spüren war. Dieses Leiden trägt die schuldlose Iphigenie mit, sie kämpft um seine Seele, befreit sie und richtet sie wieder auf. Bei Aeschylos ist Orest nur das Objekt, um das Götter gegen Götter streiten, seine Entsühnung nur das Mittel zu dem Zwecke, die neue reinere, humane Religion siegen zu lassen. Bei Goethe ist die Entsühnung die Hauptsache, wir erfahren in tiefer psychologischer Ausführung, wie der schuldig unschuldige Mann entsündigt, seine Sünde vergeben, der Fluch in seinem Herzen und Gewissen getilgt wird. 35_38b ) — Durch eine äusserlich stattliche Ausgabe des „ T o r q u a t o T a s s o " bringt K e r n 3 9 ) seine Arbeiten über dieses Drama (vgl. JBL. 1891 IV 9e:65; 1892 IV 86:33) zum Abschluss. Wie früher spielt die Polemik, zumal gegen Kuno Fischer und Kirchner, eine bedeutende und an dieser Stelle nicht ganz angemessene Rolle. Der Text schliesst sich im allgemeinen dem Weinholds in der Weim. Ausg. an; doch zieht er stellenweise ältere Lesarten denen in C vor und ist damit an einzelnen Stellen gewiss im Recht, z. B. V. 309, wo uns in der Weim. Ausg. bei dem Fehlen jeder Aufklärung im Apparat ein Versehen vorzuliegen scheint. Auch in V. 3342 halten wir mit K. die ältere Fassung für die bessere. K. vermehrt in dem Bestreben, die Reden scharf zu gliedern, die vom Dichter angebrachten Absätze; zuweilen zerreisst er aber dadurch den Sinn, wie vor V. 1845. Während alle Aenderungen dieser Art dem berechtigten Bemühen entstammen, eine auf Gründen beruhende subjektive Anschauung zum Ausdruck zu bringen, müssen wir der von K. eingeführten Verszählung, die mit jedem Auftritt von neuem beginnt, alle Berechtigung und jeden vernünftigen Grund absprechen. Er hat dadurch die Benutzung seiner Ausgabe ausserordentlich erschwert, ohne irgend einen ersichtlichen Vorteil zu erzielen. Zahlreiche Anmerkungen unter und hinter dem Text dienen zum Teil seiner Erklärung in einem Umfange, der sich nur durch die Rücksicht auf die Zwecke der Schule rechtfertigen lässt, zum Teil erscheinen sie überflüssig und störend, indem entsprechende und widersprechende Stellen zu den Worten Goethes aus alten, neueren und neuesten Quellen der verschiedensten Art wahllos zusammengetragen sind. Zuweilen sind dem Dichter Absichten, die ihm gewiss fremd waren, untergelegt., z, B, wenn in V, 607 „unterscheidet" eine Bosheit gegen Tasso sein soll. Die Ueberschriften, mit denen jede einzelne Scene versehen ist, sind zum grossen Teil unzutreffend. Vor und nach dem Texte sind die selbständigen Beiträge des Herausgebers, angeblich nach dem Grade der Wichtigkeit, angeordnet. Zuerst behandelt K. nach einer Einleitung, in der er weit auseinandergehende Urteile über den „Tasso" anführt, die Handlung des Dramas. Sie bewegt sich nach K. um Tassos Heilung von krankhaften Vorstellungen und ungehörigen Ansprüchen. Das Heilmittel kann nur in seiner Entfernung vom Hofe liegen. Am Schlüsse sehen wir ihn genesen und in eine Lage versetzt, in der er den Kampf mit dem praktischen Leben und dessen Anforderungen besser bestehen kann als früher und ohne tief eingreifende Störung seinen idealen Aufgaben leben wird. Seine dichterische Thätigkeit wird nun ihm selbst Frieden und der Welt Freude bereiten, und so ist am Schlüsse des Dramas der Goethesche Tasso auf dem Wege zum Glücke. Wir müssen dieser Auffassung aufs entschiedenste widersprechen, denn sie drückt das Schauspiel zu einer Episode, die sich noch beliebig oft wiederholen kann, herab, nimmt ihm dadurch den grössten Teil seiner Bedeutsamkeit, widerspricht in unerlaubter Weise den historischen Verhältnissen und zwingt dazu, den Seelenkämpfen, die sich vor uns abspielen, keine grosse Schwere beizumessen. Besonders Tassos Liebe zur Prinzessin wird davon berührt. K. muss annehmen, dass sie keineswegs so tief und innig sei, um einen „todesdunklen" Schatten auf Tassos ganzes künftiges Leben zu werfen. Trotzdem bleibt K. dabei, dass das Drama im Goetheschen Sinne tragisch sei. Gut weist er die Einheit von Handlung, Ort und Zeit, die Art der Exposition, den Gehalt an dramatischen Situationen nach. Bei der Erörterung der Charaktere der fünf auftretenden Personen sieht er in dem Sanguiniker Tasso den Uebergang vom empirischen zum erworbenen Charakter (nach Schopenhauer) gezeichnet, die Prinzessin ist von phlegmatischem Temperament und sucht deshalb

35) O X V. P a u l , D. Enteühnnng Orests bei d. Griechen n. bei Goethe: Joog-Deutschland 1, S. 44, 53/4 ; 2, S. 10/1. — 36) X S p r e n g e l , Zu Goethes Iphigenie 1,3, V. 226: ZDU. 7, S. 687/8. (Verteidigung gegen Erich Schmidts Vorwurf [vgl. JBL. 1890 IV l l e : 2 2 j , er habe d. ältere Lesart nicht berücksichtigt.) -- 37) X K- H e s s e l , Nochmals Goethes Iphigenie u. Schaclts Arete: Mädchenschule 6, S. 1-15. (Vgl. JBL. 1892 IV 8e : 25.) — 38) O X Goethe, Iphigenie paaTanris. Et Sknespil. Oversat af F. H a n s e n . Kjòbenhavn, Gyldendal. IV, 119 S. Kr. 3,00. — 3 8 a ) X (IT 8 a : 156.) - 3 8 b ) X (IV 8a : 157.) — 39) F. K e r n , Torquato Tasso. E. Schauspiel y. Goethe. Mit Einl. n. Anm. her. B„ Nicolai. VI, 394 S. III. 10,00. |[W. r . B i e d e r m a n n : LZgB. N, 33; K, H e i n e m a n n : BLU. S. 469-71; DR. 3, S. 379; LCB1. S. 693; W. C r e i z e n a c h : ASNS.91,

Gr. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

IV

8 e : 40-48

Tasso nicht zu halten, Antonio wird in möglichst günstigem Lichte dargestellt. Der Anhang bietet zuerst Ergänzungen zu den einleitenden Kapiteln, bei denen man nicht einsieht, warum sie von ihnen getrennt sind, behandelt dann höchst oberflächlich den geschichtlichen Tasso und die Quellen Goethes, unter denen die wichtigsten, Serassi und Manso, viel zu flüchtig gestreift sind, und erörtert die Entstehung der Dichtung in der von früher her sattsam bekannten Art. Das Bestreben, Moritz als Modell Tassos im Anschluss an S. Auerbach nachzuweisen, erscheint unnütz und verfehlt. Der letzte Abschnitt „Pormelles" ist in jeder Beziehung ungenügend.40-43) — Der „ B ü r g e r g e n e r a l " wurde von Mitgliedern des Zwickauer Goethevereins unter der Leitung K e l l n e r s 4 4 ) am Geburtstage des Dichters mit grossem Lacherfolg aufgeführt. — Ein hübscher Prolog von Mosen 4 5 ) wies auf den Feldzug in der Champagne und die Stimmung, aus der das kleine Stück geboren ist, passend hin. — Von der Uebersetzung des „ M a h o m e t " schreibt G o e t h e 4 6 ) an Christiane den 3. Okt. 1799. — Marianne von Eybenberg41) meint, dass das Verbot der Aufführung des „Mahomet" in Wien keinen anderen Grund habe, als dass man in einigen Zügen Aehnlichkeit mit Bonaparte fand. — Die Darstellung der „ N a t ü r l i c h e n T o c h t e r " bei Gelegenheit der Weimarer Goetheversammlung giebt V a l e n t i n 4 8 ) Anlass, die Bühnenwirksamkeit des Stückes im Gegensatz zu dem landläufigen Urteil zu konstatieren. Dieses beruht in erster Linie darauf, dass das Werk ein Bruchstück ist, welches nur die Exposition der Handlung giebt und doch äusserlich als ein ganzes erscheint. Die „Natürliche Tochter" wäre keine Trilogie geworden, ebenso wenig wie es der „Wallenstein" ist. Ferner wird die Wirkung durch die Namenlosigkeit der Personen geschädigt, die sich nicht aus dem Streben nach Aufstellung von Typen, die hier gar nicht vorhanden sind, erklärt, sondern daraus, dass Goethe die geschichtlichen Ereignisse möglichst verallgemeinern wollte. Er konnte das berechtigte Verlangen nach einem historischen Hintergrund der Handlung nicht erfüllen. V. zeigt dann den Gedanken, der die treibende Kraft des Stückes werden sollte: Eugeniens Erkenntnis und Erfüllen ihres Berufes als Retterin des Vaters und des Königs. Durch dessen Durchführung wäre die „Natürliche Tochter" ein Gegenstück zur „Jungfrau von Orleans" geworden und in Verwandtschaft zu der in der „Iphigenie" herrschenden Weltanschauung getreten. — In der „ P a n d o r a " , die meist nur auf ihre symbolische und allegorische Bedeutung hin betrachtet wird, will H a r n a c k 4 9 ) den speciell dramatischen Gehalt, das Zusammenwirken individueller"Persönlichkeiten, würdigen. Die Benennung nach der Idealgestalt der Pandora, welche die meisten verleitet, von ihr bei der Erklärung auszugehen, ist ein Missgriff, veranlasst durch den ursprünglichen, nicht durchgeführten Plan. Der Kontrast des Prometheus und Epimetheus beruht bei Goethe, abweichend von der Ueberlieferung, in der Verschiedenheit des Empfindens, und zwar wird die weichere Empfindungsart, die Epimetheus vertritt, hier so sehr, wie nirgend sonst bei Goethe, als die höhere hingestellt. Die Haupthandlung ist beim Beginn schon geschehen. Die Brüder sind einander völlig entfremdet, weil sie sich nicht verstehen. Klar ist ihr Gegensatz beim Erscheinen Pandoras zu Tage getreten, die Prometheus als Verführerin fortgewiesen hat, während der Bruder sie aufnahm. Die luftigen Götterbilder, die ihrer Büchse entstiegen sind, haben zwar nicht Epimetheus selbst, aber die grosse Masse der Menschen verführt, ihnen nachzujagen und sich dadurch in Gefahr zu stürzen. Die Menge hascht nach dem Schein der Schönheit, Epimetheus verlangt nach ihrem Wesen. Nachdem sie in Pandoras Gestalt ihm verschwunden ist, bleibt er trauernd und sehnsuchtsvoll zurück mit der Tochter Epimeleia, die sie ihm gelassen hat, und die zur Jungfrau heranwächst. Vor seinem Bruder hat er sie verborgen. Aber dessen Sohn Philemon liebt sie, er glaubt sich von ihr betrogen, sein Wüten führt die Väter zusammen, Prometheus nähert sich dem Standpunkte des Epimetheus und beide vereinigen sich in der Verehrung der verschwundenen Tochter Elpore. Von Rachsüchtigen wird das Besitztum des Epimetheus zerstört; Phileros, durch die Strenge des Vaters verzweifelt, hat sich ins Meer gestürzt; Epimeleia sucht den Tod in den Flammen. In dieser höchsten Not vereinigen sich beide Brüder zu gemeinsamem Handeln. Den Sohn kann Prometheus nicht retten; das vermögen, wie Eos verkündet, nur die Götter. Das Liebespaar ist durch ihre Macht unversehrt geblieben, das Wiedererscheinen Pandoras kündigt sich an. Das Folgende S. 282/4; A. J o n a s : ZGymn. 27, S. 116/8.]| — 4 0 ) X H- C. K e l l n e r , H. Grimm, Leonora v. Este (Tgl. JBL. 1892 I Y 8 e : 3 0 ) : MGoetheVZwickau N. 1. — 41) O X J. B. R i n a l d i , Vita Torqnati Tassi: oratiuncula ad pneros gymnasii alnmnos. Bononia, ex typ. Begia. 1892. 16°. 23 S. — 42) O X L. B e r l e , Torquato Taeso: appunti storico-critico-biografici ad nso degl'Istituti d'istruzione secondaria e specialmente delle scuole normali. Torino, Canonica. 16°. 78 S. L. 1,25. |[NAnt. 47, S. 160/1.I| — 43;. O X ( I 7 : 7 1 . ) — 4 4 ) (IV 8a: 39.) - 4 5 ) G. M o s e n , Prolog z. Jahrhundertauffahrang T. Goethes „Bargergeneral": MGoetheVZwickau. N. 3. (Vgl. ChWGV. S. 35/6.) — 4 6 ) (IV 8d : 2; 14, S. 196.) — 47) (IV 8b : 12; S. 37.) — 4 8 ) V. V a l e n t i n , Z. Aufführung v. Goethes „Natürlicher Tochter« in Weimar: DWBI. S. 321/3. — 4 9 ) 0. H a r n a c k , Ueber Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV. (4)27

IV 8e : 49-54

G. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

ist nicht mehr ausgeführt. Am Schlüsse muss Prometheus, der die Grenzen seiner Kraft erkannt hat, versöhnt sein. Der Realist wird nicht durch die Uebermacht des Ideals ins Nichts zurückgeworfen, sondern alles klingt in Harmonie aus. Die Vorbedingung des Erscheinens der Pandora ist die Versöhnung der beiden Brüder, und erst müssen Phileros und Epimeleia als Pfleger der Erbschaft des Epimetheus vereinigt sein, ehe er von der Erde entrückt und mit Pandora endgültig verbunden werden kann. Pandora ist die Verkörperung der Schönheit, aber deshalb in unserem Drama nicht eine blosse Allegorie, sondern durchaus individuell in den Erzählungen der beiden Brüder gezeichnet. Sie ist die Schönheit im weitesten Sinne, alles Erhabene und Beseligende, auch Wissenschaft und Religion, in sich umschliessend. Die Form des Dramas ist die letzte, die sich Goethe geschaffen hat, angeregt von der griechischen Tragödie und der Oper. Ein in durchgehendem Versmass gehaltener Dialog wechselt mit lyrischen Strophen, die teilweise für den Gesang berechnet sind und den handelnden Personen, nicht einem griechischen Chor, in den Mund gelegt werden. Wir finden diese Form zuerst in dem Vorspiel von 1807, dann ausgebildet in der „Pandora." Hier tritt im Dialog der Einfluss des griechischen Dramas, in den lyrischen Partien der der Oper mehr hervor. Noch stärkeres Hinneigen zur Oper zeigt „Des Epimenides Erwachen"; doch ist die Grundform beider Stücke die gleiche. Sie fand die ausgedehnteste Anwendung im zweiten Teile des „Faust". Verwandt sind mit dieser Mischform nicht Schillers Dramen, trotz lyrischer Einschiebsel, sondern eher die dramatischen Dichtungen der Romantiker; nur dass Goethe die specifischromantischen, südländischen Formen mit Ausnahme der Stanzè gar nicht verwendet. Er hat auch in der „Pandora" die Kunst des Rhythmus weit getrieben, den Reim aber sehr einfach gehalten. Es überwiegt darin durchaus für den5 0 Totaleindruck das antike Element. — Aehnlich wie Harnack entwickelt Büchner ) klar den Gang der Handlung in der „Pandora" ; doch hält er sie in der vorliegenden Form für abgeschlossen ; das Fragment kann als ein Ganzes betrachtet werden, weil die Prophezeiung der Eos am Schlüsse alles Wesentliche, was nachher dargestellt werden sollte, enthält. Wie die „Wahlverwandtschaften" ist auch „Pandora" unter dem schmerzlichen Gefühl der Entbehrung, entspringend der hoffnungslosen Leidenschaft für Minna Herzlieb, entstanden. Die dunkle Seite der Dichtung soll nach B. in der Lehre bestehen, dass derjenige, der auf Liebe, Freundschaft und Pietät sein Lebensglück aufzubauen unternimmt, leicht die Beute verbitternder Enttäuschungen wird. Den Grundgedanken hat die „Pandora" mit der „Trilogie der Leidenschaft" gemein. — In „Romeo und Julia" hat Goethe, wie Charlotte von Schiller in einem von K. Schmidt 5 1 ) mitgeteilten Briefe an ihren Sohn Ernst schreibt, die Kraft des Originals mit seiner schönen Sprache vereinigt. Sie berichtet auch (S. 76) sehr günstig über die erste Aufführung. — Eine Abhandlung über „Des E p i m e n i d e s Erwachen" eröffnet Morsch 5 2 ) mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse der Forschung über die Doppelgestalt des historischen Epimenides. Wie Loeper rechtfertigt er die Wahl des Stoffes und erklärt sie durch litterarische Ueberlieferung. Er zählt drei französische Behandlungen des Themas auf, von Poisson 1735, von Hénault 1755 und von Flins 1790. Die letzte kannte Goethe aus Grimms „Correspondance littéraire". Eine andere, sehr wahrscheinliche Quelle, die Inhaltsangabe in Kotzebues „Meine Flucht nach Paris", hat sich M. entgehen lassen, worauf Koch 5 3 ) hinweist. Alle früheren dramatischen Einkleidungen gehen von der Stelle Diog. Laert. I, 109 aus; erst Goethe erhebt die lustspielartigen Motive zu ernster Tragik. In den französischen Dichtungen erwacht der Weise am Anfang, bei Goethe ist auch sein Entschlummern und die Zeit seines Schlafens geschildert, während der Titel, der Tradition folgend, nur das Erwachen erwähnt. Die Verbindung mit Staatsumwälzungen geht gemeinsam auf die Antike zurück. Noch andere Aehnlichkeiten mit den Vorgängern erwähnt M.; aber im ganzen hat doch Goethe den Stoff völlig in der Richtung des Antik-Tragischen umgewandelt. Auch die enge Beziehung der Schlussscene zur „Alkestis" des Euripides zeigt das. Nur ist der „Epimenides" im Gegensatz zu den früheren antikisierenden Dramen antikromantisch, die antiken Figuren sind, wie schon in der „Pandora", mehr Symbole. Das Festspiel ist eine Goethesche Konfession im grossartigsten Stile : Epimenides ist Goethe selbst. M. weist frühere Vergleichungen Goethes mit dem mythischen Seher nach, ebenso dass das Verhalten, die Hoffnungen und Klagen desselben der Stellung des Dichters zu den Zeitereignissen entsprechen. Seiner Ansicht, dass der Schlussgesang, von einem patriotischen Künstler, etwa Richard Wagner, gesetzt, zu einer deutschen Nationalhymne werden könnte, vermögen-wir uns nicht anzuschliessen. — Sara von Grotthus54) unterstützt die Bitte des Theaterdirektors Liebich um ein Festspiel Goethes zur Feier von Deutschlands Befreiung mit beweglichen Worten. — Goethes „Pandora": PrJbb. 73, S. 105-22. — SO) W. B d c h n e r , üeber Goethes Pandora: ZDO. 7, S. 355-68. — 51) (IT 8 b : 9 ; 9 : 21 ; S. 68.) — 52) ( I T 8 a : 95/6.) — 53) M. Ko oh, Neuere Goethe-n Sohillerlitt. VHI: BPDH. 10, S. 211-74. (Darin: S. 253.) - 54)

G. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

IV

8e

: 55-63

Wie gewöhnlich ist der Jahresertrag der Erzeugnisse, die sich mit Goethes „ F a u s t " beschäftigen, wieder äusserlich ein reicher. Aber es findet sich in dieser Ernte eine grosse Anzahl von tauben Aehren, zumal unter den Arbeiten, die den „Faust" im a l l g e m e i n e n behandeln. Heuers 5 5 ) trefflich gearbeiteter Katalog der Frankfurter Faust-Ausstellung bringt besonders für die ältesten Gestaltungen der Sage manches Neue; Goethes Dichtung ist durch sämtliche Originalausgaben, zahlreiche Nachdrucke, illustrierte und kommentierte Ausgaben (im ganzen462) vertreten, ausserdem enthält das Verzeichnis 8 Bühnenbearbeitungen, 7 Fortsetzungen, 66 Uebersetzungen, 9 Texte zu Faustopern, 8 Possen, 6 Ballets, 14 Satiren und Parodien, 5und eine grosse 6 Anzahl von darauf bezüglichen Bildund Tonwerken. — Küchlers ) Dissertation, die zugleich dänisch5') erschien, ist nur ein eilig zusammengerafftes Konglomerat der allerbekanntesten Dinge. Neu ist die Ansicht, dass Faust in „Trüber Tag. Feld" sich von Mephistopheles lossagt, dessen er von nun an nicht mehr bedarf, und der sich nur noch als höchst lächerliche Figur einschiebt und aufdrängt58"60). — K i e s e wetters 61 ) eigenartiges Buch muss auch hier genannt werden, weil auch auf eine Anzahl Stellen des Goetheschen „Faust" von dem spiritistischen Standpunkt des Vf. ein neues, freilich wohl6 2meist trügerisches Licht fällt. — Unter den beiden Wiener Faustdramen, die Werner ) aufgefunden hat, kann das eine von Goethe beeinflusst sein. Es wurde, von Kringsteiner verfasst, 1816 im Leopoldstädter Theater gegeben. Das andere zählt unter die Singspiele des 18. Jh.; es lehnt sich an die bürgerlichen Trauerspiele und die Tendenzen der Aufklärungszeit an. — Die Vorgeschichte des Stoffes, in welche die zuletzt erwähnten Arbeiten hineinführen,6 3ist meisterhaft in grossen Zügen dargestellt im ersten Bande von Kuno F i s c h e r s ) Faustschrift, die jetzt in dritter Auflage vorliegt. Sie steht, trotz manchen Lücken und Versehen im einzelnen, durchaus auf der Höhe der Wissenschaft. F. hat jetzt den Fund des Urfaust, den die vorhergehende Auflage noch nicht verwerten konnte, in seine Darstellung der Entstehungsgeschichte eingegliedert, und er konnte das um so leichter, weil dadurch seine früheren Aufstellungen nur erhöhte Gewissheit erhielten. Die Einheit der Dichtung setzt F. in die Persönlichkeit des Dichters; eine andere vermag er bei den mannigfachen Widersprüchen nicht anzuerkennen. — Dagegen wiederholt eine neue umfangreiche Gesamterklärung des „Faust", die von Baum gart 6 4 ), die früher mehrfach unternommenen Versuche, eine präexistierende philosophische Idee, der die Ausführung in allen ihren Stadien entspricht, zu konstruieren. Mit deutlich erkennbarem Anschluss an Hegel stellt er den Erdgeist in die Mitte der gesamten Handlung. Er ist das Symbol alles Lebens, und Mephistopheles handelt überall nur in seinem Auftrage, er ist nirgends transcendental zu denken; der Teufel der Sage, an den auch Faust nicht mehr glaubt, ist verschwunden. Infolgedessen bedeutet auch die Magie nicht ein Mittel zur Erkenntnis des Uebersinnlichen, sondern sie ist nur ein Symbol für die Weltanschauung von der Immanenz der Gottheit; Faust sucht durch sie den Weg ins weite Leben. Anwendung findet sie nur bei der Beschwörung des Erdgeistes, während die des Pudels von B. als Halluzination gedeutet wird und das ganze folgende Gespräch mit Mephistopheles in Wahrheit ein Selbstgespräch Fauste sein soll. Kleine und grosse Welt werden durch Hexenküche und Walpurgisnacht symbolisch verkörpert. In der Gretchentragödie leidet Faust unter einer schweren geistig-sittlichen Erkrankung, sein ganzes Gebahren gegen Gretchen ist nur Maske. In dieser Weise deutet B. die ganze Dichtung, vorläufig bis zur ersten Scene des zweiten Teils, dem Anfangs entwickelten Grundgedanken entsprechend aus. Wir müssen dabei der Worte Goethes (an Schiller 17. Mai 1795) gedenken: „Die Idee mag gut sein und die Bemühung ist respektabel, wenn nur nicht diese Herrn, um ihre schwachen Flanken zu decken, gelegentlich die fruchtbarsten Gärten des ästhetischen Reichs verwüsten und in leidige Verschanzungen verwandeln 65-67 müssten. Und am Ende 6ist mehr Subjektives als man denkt in diesem ganzen Krame". ) — Auch Umfried 8 ) sucht den ganzen „Faust" unter einen beherrschenden Grundgedanken zu bringen. Er sieht darin die Verkörperung des christlichen Glaubens; aber frei von jeder dogmatischen Beschränkung. Diese Absicht ist nur fragmentarisch im ersten Teil zum Ausdruck gekommen, indem die Idee der Erlösung nur bis zum Gericht durchgeführt ist, das die Walpurgisnacht

(IV 8 b : 12; S. 56/7.) — 55) (II 3 : 37; I I I S : 8; IT 4 : 3 0 8 ; 8 a : 44.) |[M. O ( s b o r n ) : MagdZg. N.592; A . B a r t e l s : Didaak. N. 215; NatZg. N. 509;MAutographensaroniler. S. 79-81,87/8,94/6; E. S a c k : FZg. N. 258.]| - 56) C. K t c h l o r , D Faustsage u. d. Goethesche Faust. Dies. Kopenhagen. (L., Fock.) 56 S. M. 1,20. I[M. K o c h : BFDH. 9, S. 193; LCB1. S. 1587/8; L. F r ä n k e 1: BLU. S. 401.]| — 57) (15 : 225; 113 : 27.) — 5 S ) X C. K S c h l e i , Goethes „ F a u s f u . seine Quellen: LZgB. N.34. (Nur e. wörtlicher Ausz. ans N. 56.) — 59) x L' L e w e s , TJeber d. liist. n. myth. Fanst im Verhältnis z. Goetheschen Dichtung. Vortr.: ChWGV. S.5. (Kurzes Bef.) — 60) x A - P i c k , Faust in Erfurt: Erfurter Echo N. 30/1. (Forts. 1894, N. 1/3.) - 61) (I 5 : 2 2 4 ; 10: 25; I I 3 : 28; III 3 : 2.) — 62) (IV 4:411.) — 63) (II 3 : 2 5 ; n i 5 : 3 9 ) |[BLU. S. 447.]| — 64) H. B a u m g a r t , Goethes Faust als einheitliche Dichtung erliut. 1. Bd. Königsberg, Kocb IV, 420 S. M. 4,00. |[0. H a r n a c k : PrJbb. 75, S. 87; K. J. S c h r S e r : LCB1. S. 1272/3.]| — 65) X K. J. SchrSer, Fanst (vgl. JBL. 1892 IV 8e :65): LCB1. S. 1436/7. - 66) X C. Thomas, Faust (vgl. JBL. 1892 IV 8e : 56): ib. S. 411/2. - 6 7 j O X D- K i t t o , Goethes „Faust": NQ. 3, S. 187. (Dazu H. K r e b s : ib. S. 356/7.) — 6 t ) (IV 8 a : 73.) — 69) (IV 5 : 57.) - 70) (IV 4 : 3 1 2 : 8 a : I 3 6 . ) |[M. K o c h : BFDH. 9, S. 383; J. B i f f e r t : LZgB.N.64.]|

(4)27*

IV

8 e : 68-76

G. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

als Traumgesicht, die Kerkerscene realistisch darstellt. Der zweite Teil hat ausser dem Namen des Helden nichts mit dem ersten gemein als das Problem der menschlichen Bestimmung; denn Faust verfällt am Ende des ersten in Wirklichkeit der Hölle, und alles Folgende behandelt die objektive Seite der deutsch-menschlichen Aufgabe der Erziehung des deutschen Geistes zum sittlich-religiösen Bewusstsein, durch das die Versöhnung des Menschen mit sich selbst und seinem Dasein erreicht werden soll. Infolgedessen wird der ganze zweite Teil von U. allegorisch aufgefasst. Faust selbst ist der kranke Zeitgeist, der durch Entsagung und Busse gesunden soll, Mephistopheles der dem Zeitgeist innewohnende Widerspruch gegen das höhere Ziel. Am Schlüsse handelt es sich nicht um den physischen Tod Fausts, sondern um den geistigen, einen bei Lebzeiten eingetretenen Zustand geistiger Impotenz, Erschlaffung und unbedingter Ruhe. In diesem Sinne deutet U. mit heissem Bemühen und Heranziehung zahlreicher paralleler Goethestellen, unter denen sich eine Anzahl zwar nicht neu aufgefundener, aber bisher nicht verwerteter und wirklicher wertvoller befindet, den ganzen Gang der Dichtung; doch da der Rahmen, in den er sie presst, bald zu weit und bald zu eng ist, so geht es vielfach nicht ohne Gewaltsamkeit ab, wie andererseits das Kunstwerk zerstört wird in diesem Bestreben, den Gedankengehalt herauszuschälen. Zur Erklärung stützt sich U. vornehmlich auf die Theodicee am Ende des achten Buches von „Dichtung und Wahrheit" und auf die „Wanderjahre". Im Vorspiel auf dem Theater repräsentiert der Direktor das stoffliche Element der Dichtung, der Dichter den höheren sittlichen Gehalt, die lustige Person die Form. Der Schlussvers „Vom Himmel durch die Welt zur Hölle" findet seine Bestätigung durch den Triumph des Bösen in Walpurgisnacht und Kerkerscene. Ueberall sucht und findet U. Symbolik, selbst im Namen Nostradamus und den ersten Scenen „Vor dem Thor", die angeblich zeigen, wie völlig christliche Zucht und Ordnung darniederliegt, wie untauglich unser Leben für den höheren Zweck, wie unfähig aber auch die Kirche für ihre Aufgaben sich erweist. Das Glaubensbekenntnis Fausts in der Katechisationsscene heisst „Phrasenwerk, Wortgeklingel, Gefühlsspielerei." Der Knabe Lenker ist der Glaube, Plutus das Wunder. Die Mütter sind die almae matres, die Universitäten, entsprechend der „akademischen Bestie" des ersten Teils. Gegen eine Aufführung des „Faust" legt U. im Namen des Dichtei's und des gesunden Menschenverstandes feierlichst Verwahrung ein. Wir verwahren uns nicht minder feierlich gegen eine solche, jedes Verständnisses bare Auslegung des grossen Werkes. — In seinem Buche, das sich mit dem „Faust" nur im Titel berührt, liefert B e h r e n d s 6 9 ) ein unklares Produkt ohne jeden Wert, das sich vergeblich mit den höchsten Fragen abmüht. — Nach B a s e d o w s 7 0 ) Ansicht beruht der undramatische Eindruck des „Faust" darauf, dass Mephistopheles undarstellbar ist. Um das zu beweisen, bringt B. zuerst allerlei Unsinn über den Grundgedanken des Werkes vor. Faust, der alte Gelehrte, kommt zur Liebe durch Mephisto, der die Verneinung ist. „Und das ist die Formel für das Christentum; denn das Christentum ist ursprünglich die Religion der Entsagung, der Verneinung." Das grell Dämonische in Mephisto darzustellen, erscheint für menschliche Kräfte unmöglich; deshalb soll statt des Theaterteufels lieber ein diabolischer Mensch dargestellt werden. Den Prolog im Himmel hat Goethe nachträglich gedichtet, um für Gottes, durch Mephisto vollzogene „Malträtierung" Fausts einen Grund zu finden.11"75). — Begeben wir uns nun aus den Wolkengebieten der Spekulation auf den Boden der realen Faustforschung, so begegnet uns ein guter Ueberblick über die neueren Ergebnisse für englische Leser von C o u p l a n d 7 8 ) . Er berichtet nach kurzer Ablehnung von Scherers Hypothesen von dem Funde des Urfaust, wobei er irrtümlich die Scene auf der Landstrasse für bisher unbekannt hält. Die Wichtigkeit des Fundes sieht er vor allem in seinem Nutzen für das Verständnis des vollendeten Werkes; denn der beste Schlüssel zu diesem Buche mit sieben Siegeln ist seine Entstehungsgeschichte. Sodann lenkt C. die Aufmerksamkeit auf den metaphysischen Kern des Par. 1. Inhalt und Form sind technische Ausdrücke aller Metaphysiker. Kuno Fischers Faustschrift nennt C. mit Recht die nützlichste für die Erkenntnis der Entstehungsgeschichte und wendet sich nur gegen Fischers Behauptung, dass die Einheit lediglich in der Person des Dichters liege. Mit guten Gründen lehnt er die Einheit der philosophischen Idee ab, weil Goethe nicht vom Abstrakten ausgegangen sei, und verurteilt Louviers Machwerk. Er bespricht das Mephistophelesund Erdgeist-Problem im Anschluss an die Aufstellungen Cornishs, Fischers und

— 7 1 ) X L - F r & i i k e l , F. A. LouTier, Goethe als Kabbaiist. — id., Sphinx locnta est (vgl. JBL. 1892 IV 8 a : 69-70): BLXJ. S. 66/8. — 72) X F. A. Lonvier, Sphinx loouta est (Tgl. JBL. 1892 I T 8 a : 70). |[P. H a r m s : FZg. N. 94: E. M ü l l e r - H o l m : HambCorrB. N. 17/8; A. S n l z b a o l i : BFDH. 9, S. 78-92.]| (S. auch o. IT 8 a : 8 2 . ) — 73) X p - H a r m s , W. Gwinner, Goethes Faustidee (Tgl. JBL. 1892 IT 8 e : 5 7 ) : FZg. N. 94.— 74) X L. H ö l s c h e r , K. Schmidt, Gedanken über Goethes FauBt (vgl. JBL. 1892 IT 8e : 59): ASNS. 90, S. 345/6. - 7 5 ) X P h - W i n k l e r , Grundzfige e. „Parallele zwischen Shakespeares „Hamlet" Tl. Goethes „Fanet" (Tgl. JBL. 1892 IT 8 e : 6 4 ) . |[BLÜ. S. 367; L. H ö l s c h e r : ASNS. 91. S. 472; M, K o c h : BFDH.9,S. 193.]| (9. o. IT 8a : 137.) — 76) W. S. C o u p l a n d , Kecent contribntions to the study of Faust: PEGS. 7, S. 32-51. — 77) X F.

G. W i t k o w s k i , Goethes Drama.

I V 8 e : 77-85

Curtos, zählt die Widersprüche in der Charakteristik auf, und meint, hier sei nicht nur ein verneinender, sondern ein „selbstverneinender" Geist. Mephisto ist nicht vom Erdgeist gesandt; der Geist, der Faust sein Angesicht im Feuer zugewendet hat, ist Gott. Goethe hat, wie der Urfaust beweist, schon bei der ersten Konzeption 17in Mephistopheles7 8 den Teufel, nicht einen Kobold im Dienste des Erdgeistes gesehen ). — Sprenger ) meint, dass Goethe beim Mammon der Walpurgisnacht nicht die Verse Miltons Paradise lost II, 228 ff., auf die schon Loeper verwiesen hat, sondern I, 670 ff. und 678ff. vorgeschwebt zu haben scheinen. Auch zum zweiten Teil (V. 10105ff.) findet S. bei Milton Gedankenparallelen. — Für die abschätzige Meinung Goethes von seinem Werke in den 90 er Jahren bieten die neu veröffentlichten Briefe der Weim. Ausg.79) zwei weitere Belege. An Hirt schreibt er den 30. Jan. 1798 (13, S. 46), er sei für den Moment himmelweit von reinen und edlen Gegenständen entfernt, indem er seinen Faust zu endigen, sich aber zugleich von aller nordischen Barbarei loszusagen wünsche. Und an Cotta 2. Jan. 1799 (14, S. 1) : „Mein Faust ist zwar im vorigen Jahre ziemlich vorgerückt, doch wüsst' ich bey diesem Hexenproducte die Zeit der Reife nicht voraus zu sagen." — Als die beste aller französischen Uebersetzungen des ersten Teils ist von der gesamten deutschen Presse einstimmig die von Sabatier 8 0 ) anerkannt worden, welche nach dem Tode des Vf. jetzt von seiner Witwe heraus^ gegeben worden ist. In jahrzehntelanger Beschäftigung hat S., mit der feinsten Kenntnis der deutschen und der französischen Sprache ausgerüstet, seine Arbeit als Liebhaber im höchsten Sinne des Wortes zu einer so getreuen Wiedergabe des Urbildes gestaltet, dass sie in dieser Beziehung schwerlich zu übertreffen sein wird. Nicht nur die Zahl der Verse ist bis auf einen einzigen Fall (V. 2346) genau übereinstimmend ; er sucht auch die feinsten metrischen Eigentümlichkeiten nachzuahmen und setzt sich über alle herrschenden Gesetze der französischen Metrik hinweg, indem er die Neuerungen, die erst in der französischen Dichtung der letzten Jahre, bei den Parnassiens und Décadents, aufgetreten sind, vorwegnimmt. Er geht soweit, unreine Reime der deutschen Dichtung im Französischen durch eben solche anzudeuten. Die Freiheiten der Goetheschen Sprache veranlassen ihn, auf die kühnen Bildungen der Volkssprache und der französischen Dichter des 16. Jh. zurückzugehen: er verwendet die Elision von i in si und qui, die Inversion des Objekts in einem Masse, das von seinen Landsleuten als gewaltsam bezeichnet worden ist. Die Anmerkungen zeugen von dem Ringen des Uebersetzers mit seinem Stoff, dem steten Suchen nach der schärfsten Wiedergabe des Sinnes, auf Grund einer eingehenden Kenntnis der gesamten zu seiner Zeit vorhandenen Litteratur. Wir glauben gern der Versicherung der Vorrede, dass S. Tage und Wochen darauf verwendet hat, um für einen einzigen Ausdruck die entsprechende Wendung zu finden, bietet er doch für alle schwierigen Stellen eine Reihe von zum Teil in ihrer Art vollendeten Uebertragungen zur Auswahl, von denen jede mit der reiflichsten Ueberlegung motiviért ist. Darunter hat die Frische, der Humor, die Kraft der Sprache nicht gelitten, im Gegenteil scheint er dem Französischen nach diesen Richtungen hin neue Fähigkeiten abzugewinnen, wobei es freilich für uns schwer zu entscheiden ist, ob er nicht schon die Grenze des vom französischen Sprachgeist Erlaubten überschritten hat. Leider ist das äussere Gewand dieses Meisterwerkes ein ganz unwürdiges, das Papier ist schlecht und der Druck überaus flüchtig. Wir wollen hoffen, dass der wohlverdiente Erfolg der Uebersetzung bald eine zweite, sorgfältiger hergestellte Ausgabe ermöglicht. — Die Bedeutung der Leistung Sabatiers tritt um so klarer hervor, wenn man sie mit den älteren französischen Faustübersetzungen vergleicht, z. B. mit derjenigen der „Bibliothèque nationale"81), die von neuem erschienen ist und noch immer in ihrer steifen Prosa komische Fehler in Fülle birgt. — In englischer Sprache ist der erste Teil von neuem 82in einer wesentlich verbesserten Ausgabe der Uebersetzung von Anna Swanwick ), die vor 44 Jahren ihren ersten Versuch auf diesem Gebiete veröffentlichte, ans83Licht getreten. Die ausführliche Einleitung schliesst sich eng an Kuno Fischer an ). — Für die Beliebtheit des Fauststoffes in England spricht es, dass schon wieder ein neues Spektakelstück, verfasst von Jones 8 4 ), auf dem Haymarkettheater erschienen ist, das sich eng an Goethes „Faust", zumal die Gretchenepisode und seine Zeichnung des Mephistophelescharakters, anlehnt. — In 8 5englischer Sprache ist auch eine wertvolle Studie eines deutschen Gelehrten, Tille ), über die Faustbilder erschienen. Er sieht in den Strehlke, Wörterbuch zu Goethes Faust; id., Paralipomena (vgl. JBL. 1891 IV 9e : 89-90). |[0. F. W a U e l : ZÖG. 44, S. 588-42.]l — 78) B. S p r e n g e r . Anklänge an Milton in Goethes Fanst: EnglSt. S. 304/6. — 79) (IV 8 d : 2 . ) — 80) F. S a b a t i e r , Le Fanst de Goethe. Trad. en franç. dans le mètre de l'original et suivant les règles de la versification allemande. Paris, Delagrave. XIX, 186, 186, 198 S. Fr.7,50. |[J. W y o h g r a m : BLU. S. 180/2; II. K o c h : BFDH. 9, S.374; L . . S c h m i d t : HL. 62, S. 667-70; B. H i l d e b r a n d t : Grenzb. 2, S. 605-10; PolybibU. 13:291. Schnitze, E H : 5 5 4 . P IV 5 5 87 — Siegmar. IV 8b: 27; 8«:7. — W . I 3:246 ; 4:370. Schulz, B. II 7 :19. — Bernh. I 6 : 118. — F. IV 4 :187. Schulze, B. IV 4 : 21. jj I 7 : 23 27 Schumann, A. III 2 : 31; IV 2a: 30. — C. I 4 : 208 ; 5 : 47, 73, 296. — F. I 12:113a — P. I 8:139; 11:2, 6», 272. — Th. IV 4: 454. Schupp, F. IV 5 : 521. Scharig, E. 1 5 : 335. Sehurtz, H. 14:11. Schwab, 0. 1 8 : 9 3 Schnahn, W . 1 7 : 144; 12 : 32. Schwalbe, E. 16:8. Schwanfelder, A. 15:133. Schwann, M. II 1:8; 6 : 190; IV 5 : S10. Sohwartz, P. 1 6 : 169. — R. I 10:35; 13:65. — W . I 5 : 10, 36. Schwarz. F. IV 8b: 42. — Walther. I 11: 263. — W . E. II 1 :45, 146. Sohwendimann, J. 1 4 : 205. Schwenk, B. 1 8 : 61, 129. Schwenke, P. 13:194. Schwieters, J. I 11: 94. Sohwindrazheim. 0. 1 4: 607. goipio, K. IV 11 :17. Scurat, W . 1 6 : 101. Sebald, H. 17:121. Seoher, V. A. I I : 119. Sedläoek, A. II 1:137. Seebald, K. II 3 : 5. Seeber, Jos. IV 1 c : 68.

(4)34

Atuorenregister. Seeberg, B. H I 1 : 44. Seefeld, C. I 12 : 283. Seeger, a IV 5 :112. Seehaussen, R. I 7:137; 12 :41. Seelev, J. IV 8 a : 133. Seelig, F. IV 5 :551. Seelmann, F. 1 4 : 534. — Vf. I 4 : 46; 5 : 322; 6 :10/1; 11: 209; n 4 ¡ 5; I I I 5:15. Seemann, A. I 11: 42; 12 : 263. Seemüller, J. I S : 66; IV 4 : 200. Sehling, E. 1 6 : 93. Seibt, W. IV 8 d : 23; 10:93. Seidel, F. I 11 : 103, 258-63. Seidl, A. I 13 :133, 151; I I 2 :17. Seidlitz, W. v. I 4 : 238; 11:74, 179, 277, 396. Seifert, J. 114:37. Seifferí, M. I 18 :1,17, 26/7,38, 47, 79. Seiling, M. I 4 : 610. Seis, E. IV 4 : 238. Seitz, E. 1 6 : 209. Seliger, P. II 3 : 28. Seil, B. I I 6 : 53. Sello, G. I 4 : 360; 11: 95. Sembrzycki, J. 1 5 : 299-300, 327. Semler, C. IV 4 : 77. Semper, U. I 11:110/1. Semran, A. 1 4 : 319. Senat, A. T. I 13: 85. Sepet, U. IV 9 :112. Sepp. J. N. I 4 : 59, 446; 5 :17/8. Seraphim, A. III 1 : 43/4. — E. 1 4 : 493; I I I 1 : 43/4. Serrare, 0. A. II 3 :16. Seryaes,F. I 1: 173; 11:48,400; 12: 822, 376 ; IV 4 :167. Seth, A. IV 5 : 136/7. Settegast, H. I V l o : 1 2 3 . Setzepfandt, R. III 1 : 33. Seuffert, B I 1:174; IV 2 a : 55, 67; 7:19; 8 e : 2 2 ; 9:25; 10:20; 11:52. Seyfried, J. I 12 : 274; IV l a : 7. Sharp, F. Ch. I 12 : 86. Shedlock, J. S. I 13 : 77. Sieber, F. 1 3 : 8 . — L. 1 3 : 252; II 1 : 157. Siebert, H. III 5 : 51. Siebold, F. F. 1 3 : 67. Siebe, Th. I 5 : 44. Siegfried, C. 1115:44. Siemens, W. y. l V l o : 1 1 9 . Simmel. Q. I 1 : 1 ; IV 5 : 244. Simmet, L. IV 2a : 59. Simon, D. W. I I 6 : 62. — J. I 12 : 310. — O. I 6 : 166 — P. I 13: 144. — Th. IV 6 : 207. Simond, Ch. I 13:181; IV 6 : 623; 8d : 33; 10 : 96. Simons, L. I 12 : 851. Simonsfeld. H. I 4 : 124: I I 7 :14. Simpson, W. 13:179. Simeon, F. I 3 : 36; I I 1 : 35. Singer, H. W. I 11: 214; IV 1 d : 45; 6 : 7 ; 8 a : 142. — L. 1 8 : 4 0 . — S. 1 12 : 101 c. Sittenberger, H. I 12 : 228; IV 4:321, 323, 402 ; 8 a : 54; 8e : 1. Silt, Fr. 1 4 : 451. Skladny, A. II 1: 87; I I I 1:137; IV 1 a : 46. Skraup, E. I 12 :243. Smirnow, A. O. IV 8b : 52a. Sooin, A. I 2 : 5 ; 8:54, 149; I I I 2 : 28; 5:63. Sodenr, G. IV ó : 123. Sihle, E. I 13 : 7, 9, 128. Söhne. I 1 : 110; 5 : 246; 8:130; IV 10: 148. Soff«, E. I 10 : 20. Sohnrey, H. I 4 :169. Sokal, E. I 12 : 297. Soldan, F. 1 4 : 396. Solger, H. 1 4 : 610; IV 2 a : 58. Soltan. W. 1 8 : 23. Sommer, G. I 11: 99. — W. 1 4 : 426. Sommerlad. Th. 14:198. Sommert, H. 112:37 a. Sommervogel, 0. II 6 : 27. Sondheim, II. I 11: 234. Sonnen, E. I 12 : 152. Sorgenfrey, Th. 1 3 : 213. Sosnosky, Th. y. 18:140. Sonriau, P. I 12 : 290.

Spach. Ed. I V l c : 1 0 6 . Spandl, J. IV 4 : 76. Spannagel, G. I I I 1 : 88. 108. Spectator ( = Eisner, E.). I 1:65; 12:26b; I U 1:108; IV 5 : 7 6 » ; 11:20. Speidel, L. IV 4 : 233, 259, 470 ; 5:530. Spengler, F. I I 4 : 31. Sperling, H. 0. 13:170. Speyer, Fr. I 5 : 366; 7 :127. Spiegel, B. I I 6 :136. Spielhagen, F. I 1 :147: 12 : 399, 403, 405, 407, 410, 413; IV 4 : 103, 114, 150, 157, 161, 163/5. Spier, Anna. I 11: 342, 368. Spiesser, J. I 5 : 243 a, 315. Spiller, B. I 5 : 233. Spitta, Ph. I 1: 49; 13 : 16, 66, 73. Spitteier, E. IV 4 : 379. Spittler, C. IV 5 : 90. Spitz, R. IV 8 a : 164. Sponsel, J. L. I 11:162. Sprenger, B. 1 5 : 78/9, 83, 148, 260, 826, 349, 379 ; 8 : 89, 118; I I 7 : 8; I D 5 : 1 4 ; IV 2 b : 15 : 4 : 70 , 75; So : 14; 8 d : 1 0 ; Se : 36, 78; 9 : 45, 78, 93/4; 10:126-30, 134, 142, 146. Springer, A. I 11:171. — J. I 11:171, 400; IV l c : 148. Staarsteoher, J. IV 11:14. Staatsmann, E. I 12:153. St&cker, N. I 5:325. Stähelin, H. 1 11:243. Stalin, P. IV 5:351. Stage, C. IV 5:260. Stamminger, J. B. I 11:153. Stammler, J. I 11:139, 219-20. Stanzer, A. I I 1:145. Stapfer, P. I 1:131; 12:105,238,425. Stära, A. I 12 : 223. Starbuck, Ch. C. I 12:151. Starzer, A. 111:55,141. Staub, F. I 5:15; 8:109. Staudenmeyer, H. i n 5:36. Stearns, F. P. I 12 : 255. Steohele, ü. 1 6:204. Stegmann, H. I 11:445. Stehle,]). I 8:23; I I 3:71. Steidle, E. IV 2b: 43. Steiff, E. 1 3:74, 79,85, 92,254,260; I I 6:47. Steig, R. I 2 : 8 ; I V 1 « : 20,22; 7:15; 10:04/5. Steiger, J. I 7:10a. Stein, A. I 11:181; 13:37; IVB:184; 9:5. — B. IV 9:46. — H. v. I 12:12; IV 9:39. — L. I 12:879-80; U 1:93; 7 : 1 « ; IV 5:184. — Ph. IV 10:145a. — W. I 3:45. Steinaoker, Ed. IV 5:556. Steinberger, A. 15:161. Steinet. 0. 14:443. Steiner, B. I I 3 : 12a; I I I 3 : 1 ; IV 10:41. — R. IV 5:203/4 ; 8 a : 112. Steinhansen, G. I 1:100, 173 ; 4:4, 19-20, 43/4, 123, 136/7, 152, 167; 5:362 ; 6:238; I I 1:160; 1111:132. Steininger, E. M. 1 6:267. Steinmeyer, E. I 2:10, 22. Steinsehneider, II. 13:119; IV11:60. Stejskal, E. I 1:84; 7:142. Stern, Ad. I 1:76; I I I 1:185; 3:17; IV l a : 7 , 23, 27; l o : 2 2 ; l d : 8 8 ; 2a:75/6; 2b:62; 4:239 ; 9:16, 19: 10:56. — Alb. IV l a : 7 a ; 4:151. — Alfr. IV l c : 4 3 ; 6:831, 611. — B IV 4:408. — E. n 6:104. — M. 1 4 : 537. — M. R. t. I 11:16; IV 5 : 69, 287. Sternberg, H. IV 4 :381. Sterne, C. ( = Ernst Eranse). I 5:59; 12:97. Stettenheim, L. IV 4 : 282 ; 9:143. Stettiner, R. I 4 : 238a. Steirart-Chamberlain, H. IV 4:333. Stiassny, R. I 11:222, 226. Stich, J. H 1:141. Stiokelberger, H. IV 9:165. Stieböck, L. I 4:467 ; 8:12. Stieda, L. 1 6 : 7 4 ; IV 5 : 369, 476a, 493 a. — W. 1 4 : 222, 250, 308.

Stiefel, A. L. I 10:42. Stiehl, C. 13:190; 13:3. Stiehler, A. 1 12:240. Stieler, E. I 4:444. Stieve, F. I I 1:153; m i : 1 3 , 66; IV 5:327. Stilgebaner, E. III 3:12. Stillbauer, J. B. I I 6:28; IV 6:282. Sünde, J. I 12: 366. Stocker, F. A. IV 4 : 275». Stockhauser, G. I 11:69. Stockmayer, E. IV 2a:43. StSckel, H. 18:113. Stöcker, A. I I 6:51. Stoeckert, G. 1 1 : 3 . Stoeger, II. IV 5:345. Stoessel, A. 11:10:12:120. Stötzner, P. I 6:20:1, 247 ; 7:89. Stoffel, J. IV l d : 6 . Stolz, F. 1 4:478. Stolze, F. 1 3 : 7 . Strachwitz, Nora Gräfin. IV 1 c : 77. Strack, A. I 8:41: IV l a : 4 2 ; 8c:9. Strnoke, H. n 6:81. Sträter, E. IV 5:625. Strassburger, E. 1 4 : 371a; 5 : 32; IV 5:459. Strauoh, Ph. I 2:24; 5:308: 12:178; I I 3:41; 7:I7a-b; IV l a : 2; 8b:46; 10:138. Strauss, E. IV 4:341. Streit, W. 1 8:61,97: 11:205. Streitberg, W. I 4:155; 8:66. Strickler. H 6:167. Strieder, L. IV 2a:83. Strindberg, A. 1 12:287, 371/3; IV 4:319. Strodtmann, Ad. IV 1 a: 4. Ströbel, H. I 12:101 b, 293. Ströhmfeld, G. IV 8a:65; 8b : 49; 9:20. Struck, W. I I I 1:87. Strümpell. A. 1 6 : 91. Stritte, E. 1 4:228. Strzemcha, P. I 7 :88; IV 9:128. Strzygowski, J. I 11 : 106. 286. Stubbe, Chrn. I I 6 : 200; IV 4:2SS/9. Stabel, B. 1 4 : 9 8 ; 6:119. Stahlen. I 11:1. Stftmcke, H. IV 6:609. St&mmel, Fr. I 11:242. Stuhr, F. 14:211. . Sudermann, H. IV 4:143/4, 146. Sudhoff, E. 1 8 : 124; I I 1:104(5,178. Sudre, I>. n 3 :17. SOpfle, Th. IV I d : 1; 4:43. Sully-Prudhomme, M. I 12 :52 b. Sulzbach, A. 14 : 539; IV 8 e : 72; 11:50. Suphan, B. I 2:10; I V l a : 2 ; 2 a : l ; 4 : 1 ; 6 :41; 7:1,15;8a:34, 34a, 93; 8o:20; 9:66, 61; 10:10. Sussann, H. I I 6:165. Snter, J. IV 4:273 Syendson, 0. IV 2 b : 64. Svanwiok, Anna. IV 1 d: 40. Sybel, H. t. IV 5:661. Sydow.lt. IV 9:14. SzamafcSlski, S. I 1: 178. Szozepaiski, P. y. IV l c : 9 0 : 4 : 476; 11:24. Szl&vik. H 6:176. Taft-Hatfield, J. IV 10:103. Taine, H. I I : 122/3; 12:52 a. Talon, P. I 12:88. Tann-Bergler, 0. IV 4:266. Tannen, E. I I 3:6. Tannery, P. IV 9:37. Targioni-Tozetti, G. IV ld:74. Tascheck, W. 18:130. Tausch, E. I I 6:184. Techen, F. I I I S : 15 b. Teetz, F. 15:90. Temming, E. IV 8 a : 84. ten Brink, B. I 2:45. te Peerdt, E. I 12:60. Tirey, G. y. 1 11:176, 215, 230. Tesdorpf, 0. L. IV l c : 2 9 . — W. 1 11:267. Tetzner, F. 15:361. Teuber, 0. I I 4 : 2 ; I V 4:202,347, 472. Teuscher, R. I 5:116. Teutsch, G. 1 4:483. Tews, J. 17:120. Thaer, A. IV l c : l 2 3 . Thamhayn, W. IV l d : 2 6 . Theden, D. I 8:145; IV 5 : 1 « Thelert, G. 1 3:270.

Autorenregister. Thenn, A. I I 6:44. The linier, G. 1 4 : 9 5 . Thenriet, A. IV 8a : 21. Thiaucourt, C. 1 3 : 1 7 3 . Thibant, A. P J. I 13:7. Thiele, G. I 1 2 : 2 a. Thierae. U. I 11 -. 202. Thimm, R. 1 4 : 3 1 3 : IV 1 c : 2«. Thode, H. I I I : 186, 188, 350/1. Thoemes, N III 1:77/7a. Thoinan, E. 1 3 : 2 9 9 Tholuck, Mathilde. IV 5 : 2 7 1 . Thomälen, G. 1 3 : 261, 291. Thomas, Calv. I 1 : 173. Thomassiii, Ch. II 3 : 29 : IV 9 :116 St-Paul, Ch. de. IV 10:140. Thompson. E. M. 1 3 : 2 . Thorbecke, A. 1 7 :59a. Thorel, J . 1 1 2 : 3 9 5 ; IV 4 : 1 5 5 ; 5 : 2 0 2 : 11:1. Thudichnm, F. I I 3:76. Thurlings, A. I 3 : 8 2 Tille, Alex. I 1 : 2 3 a; 3 :184: 5 : 54, 61, 94; 8 :126; II 2 : 42; IV5 :24S; 8a: 88; 8e:85,6, 107. — Armin. I 12: 233; IV 5 : 238. Tillmann, H. I 11:74. Tissot. E. I 12 : 344: IV 4:124. Tobler, G. I 4 : 5 4 7 ; II 2:33. — L I 2 : 7 ; 5 : 1 5 ; 8:109; II 2:34. Tocoo, F. II 1 : 74. Tdche-Mittler, K. III 1:123. Toepke, G. I 6:115. Toeppen, M. 1 4 : 3 1 8 . Toischer, W. I 7 : «5; IV 8 c : 3. Toldo, F. 1 1 2 : 3 1 2 Tollin, H. 1 4 : 527, 530. Tolstoi, L I 12:319. Tomanetz, K. 1 8 : 9 2 , 1 1 5 ; IV 4:216/7. Toorenenbergen, J . J. van II 6:175. Toiresanl, K. v. IV 8 a : 3 0 . Toula, F. 1 4 : 1 6 . Trausil, M. IV 4 : 337. Trantinann, F. I 4:453/8 a. — K. I I I : 143/5. Trefftz, J. II 1 : 4 2 Treichel, A. 1 5 : 6 4 , 75, 80, 99, 121, 198/9, 342/4. 848. Triemel, L. IV 5:111. Trinius, A. 1 4 : 28. 327; IV 9:18. Trinke, F. 1 4:393. Tritonius. I 12:239. Träger, J . IV 8 a : 130; 8 e : 21; 9:60. Trojan, J . I 11: 344. Trost, K. I 12 : 280 , 324; IV I d : 1 5 ; 6:22. — L IV l o : l . Tr&mpelm.mn, A. 1 6 : 1 9 2 . Tschache, G. I 7 : 1 6 Tschaokert, P. II 2 : 1 4 ; 6:142, 178; III 5 :17, 23, 45, 2s5. Tschiersch , 0 . I 6:170. Tschirch, 0. 1 6 : 1 6 8 . Tnchert, G. 1 4 : 3 6 . Tnchmann, J. I 5 : 8 3 . Tümpel, W. 116:189. TArler, H. 1 1 1 : 1 3 1 . Tafts, H. IV 5:92. Takten, A. IV 1 c : 61. Tumlirz, C. 1 8 : 1 5 3 . Tupetz, Th. II 1:135; IV l c : 3 7 . Turba, G. II 1:14S. TargeniefT, J. IV l c : 8 0 . Twardowski. E. IV 5:99. Tyrol, F. 1 8 : 3 9 ; IV 6 : 5 . Uebelacker, M. 1 7 : 2 8 , 9 . Ueberegger, J . IV 6:34. Uellner, V. I 7 : 75; IV 9:40. Uhde, Const. I 11:101. Uhl, W. 1 4 : 1 4 4 . Uhle, P. I 4 : 3 8 5 ; IV 5 : 5 1 4 ; 6:12. — Th. IV 2 a : 32. Uhlhorn, G. II 6:152. Ullrich, H. I 5 : 235; III 3:15. — Ph. E. IV 5 : 345. Ullsperger. Fr. I 7 : 8 2 ; IV 9:119. Ulmann, H. 1 1 1 : 3 7 , 1 1 8 . Ulrich, W. I 1 2 : 5 a ; IV l d : 2 7 . Umfried, 0. L. IV 8 e : 68, 73. Umlauft. Fr. 1 7 : 1 2 . Unberath, J . 1 6 : 15. Unbescheid, H. IV 7 : 8 ; 9 : 8 , 38, 127, 144, 160. Unruh, Th. H 6:140. Untersteiner, A. I 13:14. Urlichs, H. L. I V l o : I 3 1 . Uzaune, 0 . I 3 : 266.

Vachon, M. I 4 : 605; 12:89. Vagelin, A. IV 4:104. Vnhlen, J . 1 2 : 1 6 . Vaihinger, H. IV 5:101, 127. Valbert, G. (s. aach Cherbuliez, V.). IV 5:164. Valdarnini, A. IV 5 :119. Valentin, V. I 11:295, 317; 12:212; IV 8 a : 3 , 32, 43 ; 8 e : 4 8 . Valtfr. I 1:119. Van der Briele. II 1:129. Vaodörem, F. I 12:87. Varnhagen, H. I 10:42. Varrentrapp. K. III 1:101. Vecchi. A. V. I V l d : 7 4 . Veck, 0. IV 5:66. Veesenmeyer, G. 1 3:255. Verding, G. IV 4:388. Versenyi, G. 1 5 : 275/6. Veth, Jan. I 11:39. Vetter, F. I 1:110; 2 : 1 5 ; 5 : 6 ; 11: 140; II 1:53, 84. — P. I I 1:152; 6:24. — Th. I I 1:84. Vielau, H. 1 3 : 2 2 1 . Viereck, L. 1 3 : 2 1 5 . Viergutz, F. 1 4 : 8 . Vierordt, H. I 4 : 2 7 9 ; IV 5:462. Villamaria. I 5:216. Villari, P. 1 1 : 2 . Vincenti, C. v. IV 4:420. Vincke, G. T. IV 8 a : 141. Violet, F. 1 7 : 7 7 . Virchow, R. I 6 : 9 0 ; IV 5:495 ; 7 : 7 . Virck, H. 11 1:45, 48, 145,6; 6:35, 197. Vischer, Rob. 1 1 2 : 1 0 8 ; IV 8a:40, 55. Vivus. IV 4 : 324, 326, 361. VodskoT. H. S. IV 8 a : 159. Vöge, W. 1 3 : 2 3 . Völderndorff, 0. Frhr. v. IV I c : 40. Vogel, A. I 6:48/9; IV 5:482, 4S4. - E l 3:127; 13.1. — Th. I 7 : 1 1 9 a ; I V 8 c : 2 7 ; 8 e : 9 3 . Vogler, C. H. I 11: 2S1; IV 8 : 9. Vogrinz. IV 9 :164. Vogt, F. I 1 : 9 2 ; 2 : 2 6 ; 5:12, 52, 63, 128; II 3:61. — J . I 4:587. — 0. I I 6:48. — W. I 3 : 8 0 ; IV 5 : 350. Vogt«, E. M. de. I I : 126. Voigt, L I 7:118. 136; 12:37. — Ph. H. I 6:202. Voigtländer, R 1 3 : 284. Volbehr, Th. IV 4:199. Volkell, F. IV 6:97. — J . IV 4 : 200 ; 5 : 229. Volkholz. K. III 1:33. Volkmann, W. IV 4 : 8 7 ; 11:55. VoJksmann, A. 1 5 : 1 5 1 . — H. 1 5:87, .147. Voneisen, F. IV 5:167. Voretzsch, C. I 5 : 283; II 3:14. Vorländer, K. IV l a : 2 ; 2 a : l ; 4 : 1 ; 5:113. Vornhecke, B. I 13:154. Voss, F. T. IV 8 b : 1 7 a . _ j u 3 • 33 Vulpinus, Th. II 1:170; 3 : 7 1 ; 6:171. Waag, A. IV 2 a : 49. Wachler, E. 1 1 : 9 . Wachstein. E. M. t. IV 1 c : 150. Wächter, D. IV 5 : 140. Wackernagel, R. I 4 : 492; II 3 : 75. Wackernetl, E I 7 : 1 0 ; II 4 : 9. Waddington, A. II 1 : 42; III 1:114. Wächter. G. II 6 :199. Waetzold, St. 1 7 : 2. 68. Wagner, E. I 11: 88. 1 4 : 521. — Hugo. I 4 : 376; 1 0 : 4 8 ; 11:119. — II. F. 1 6 : 226. — K. I 13 : 55. — M. I 4 :122. — Osk. I 12 : 369. — P. 1 1 3 : 30. Wahl, G. I I 4 : 24. Wahle, J . IV 8 a : 112. Waitler, J . I I I : 115/6. Waizer, R. 1 5 : 1 6 6 . Walch, J . G. II 6 : 52. Walcker, K. I 1 : 26; 4 : 602; 11:255; IV 2 a : 56. Waldberg, M. T. I I 2 :37; III 2 : 26, 42. Waiden, B. I 12 :91; IV l c : 74; IV 5 : 299; 10 : 79.

Waiden, P. I V l a : 7 . Waldmann. F. IV 5 : 257. Waldner, E. 11 2 : 24 : 3 : 53. Wallace, W. IV 10:160. Walle, P I I I : 256, 302 a; 12 : 5 4 Wallon. H. IV 9 :113. Wallraff, H. I 11 :151. Wallus, W. 1 5 : 1 0 8 . Walrond, F. F. III 5 : 24. Walsemann, H. F. I 12 : 77. Walter, F. 1 11 :369-73; IV l c : 8 0 4 : 425, 449 a. — J . I 12 : 1. Waltersdorff, H. I 11: 324. Walther, Ch. 1 8 : 1 1 . — W. I 1 1 : 1 8 5 ; II 6 : 3 9 , 62, 70, 101, 193 Walzel, 0. F. I 1:173; 8 : 4 2 ; 12 :37a, 205, 211, 288; III 3 : 7; IV 4 : 441; 6 : 3 0 ; 8d : 14; 8 e : 7 7 ; 9 : 7 0 ; 10: 12, 120, 157; 11: 2. Wan bald. I 11: 90. Waniek, G. I 12 : 4/4a; III 5 : 59-60; IV 4 : 218. Warneoke, G. I 11 :57. Warner, G. F. 1 3 : 182. Warren, J. S. 1 3 : 34. Warschauer, 0. 1 4 : 573 Wasielewski, W J. v. I 13 : 33/4. Wnsserzieher. E. 1 5 : 2 : 8 : 4, 64, 103, 141; IV l d : l ; 5:513. Wassmannsdorff, K. IV 5 : 489. Wattenbach, W. I 4:410, 404; IV 5 : 343 ; 7 : 7 . Weber, A. II 6 : 33/4. — G. IV 1 c : 109. — H. 1 4 : 447; 13 : 22; I I 6 : 5, 10. — L. I 7 : 49. — P. II l : 56. Websky, J. 1 4:520. Weddigon, 0. I 5 : 2 1 3 ; 12:202; TV 4 : 174. Wedewer, H. II 6 : 37. 98. Weech, F t . 1 4 : 429; 11:159; II 1 . 28; III 1 : 107. 126. Wegele, F. X. II 3 : 58, 86; I I 7 : 53; IV 5 : 297, 349 a, 516. Wegner, G. IV 5 :128 Wehrmann, C. 1 4 : 300. — M. 1 4 : 105/6; 6 : 153/7; I I : 96. Weiohelt, L. IV 4 : 231. Weicker, G. IV 8 a : 94. Weigand, K. 1 8 : 1 0 4 . — W. I I : 120; 12 : 381; IV 5 : 192. Weigel, A. 1 3 : 292. Weilen. A. T. I I : 117; 2 : 2; 4 : 55; 12:234/5; 1 1 4 : 1 2 , 32; IV l a : 2 ; 2a : 1; 4 : 1 , 69, 220, 410, 436 ; 3a : 34 a. Weinberg, M. 1 4:243. Weinhnld, E. 1 4 : 532. — K. I 1 : -10; 2 :1, 19, 28; 5 : 3, 5, 15/6, 50, 77, 93, 139, 230/2, 328, 334, 358; 10 : 5, 18; III 4 : 2. Weis, L. IV 5 : 89, 102, 127, 144, 228. Weiss, A. IV 1 c : 135. — J . III 1 : 52. — J . B. T. III 1 : 2 . — J . G. 1 6 : 224. — J . J . IV 1 1 : 4 9 ; 8 a : 152. — K. I I I : 269. Weissberg, M 1 5 : 313. Weissenborn, E. I 12 :166. Weissenfeis, R. IV 9 : 3. Weisstein, G. 1 3 : 52, 202. Weitbrecht E. IV 2b : 19; 4 : 246. — R. IV 2b : 17/8, 44. Weithase, H. 1 4 : 296. Weitzenböck, G. 1 8 : 1 4 4 . Weizsäcker, H. I 11: 16a. — P. I 1 1 : 7 7 : IV 2 a : 69; 8 a : 33; 8 e : 21; 9 : 1 3 5 . Welti, H. IV 4:456; 10:36. Weltner, A. J. IV 4 : 236, 421. Wendt, G. 1 6 : 1 5 1 Wengen, F. v. d. III 1:55. Wengraf, E. I 4 : 5 4 ; IV 4:366. Wenk, K. II 1:30. Wenley, M. IV 8 a : 8 1 . Wenton, R. IV 5:256. Werckshagen, C. IV 5:260. Werder, M. 1 4 : 428. Wernecke, R. 1 7 : 5 1 , 93/3a. Werner, A. II 6:171. — K. I 12:224; IV 4 : 234, 239, 249 — L. I 4:142; IV l a : 2 6 . — R. M. I 12:168, 216, 231; I I 3 : 1 , 10, 33; IQ 2 : 2 ; 3:4/5; 4 : 4 0 ; 5 : 6 ; 4(ü4)*

Sachregister. IV l d : 3 2 ; 2 a : 4 7 ; 4 : 4 1 1 ; 8 a : 1 0 3 ; 81): 29; Se:62, 89. Wernicke, A. IV 5:127. - E. I l l : 148. Weira, E. v. I 13:70. Wessely, J. E. I 11:419. Westenberger. Q. IV 2 b : 9 0 ; 10:53. Westerfeld, F. 1 6 : 1 3 3 . Westermayer. G. I 4 : 457. Wetzel, A. III 1 : 2 0 ; IV l c : 3 0 , 53. Weyler, Th. I 5 : 2 1 0 ; III 3 : 2 6 . Weymann, C. IV 10:132. Weyranch, J . J . IV 5:453. Wheat ley, L. A. 1 5:202/3, 206/7. Whitman, S. 1 4 : 4 6 1 . Wichers T. Gogh, O. IV 4:360. Wiehert, E. 1 12:428. Wichmann, F. IV 4 : 275. - H. IV 6:414 j 1 3 » 224, Wiokhoff, V. I 3 : 20, 186. Widmann, J . V. IV l d : 8 8 ; 4:278, 353. - M. IV 5 : 2 . Widmer, L. 1 1 2 : 5 1 a . Wiechowsky, A. 1 5 : 1 8 2 . Wiedemann, A. 1 5 : 7 4 , 124. - Th. IV l c : 138; 6:303. Wiegand, W. IV 1 c : 38; 5:332. Wiener. E. 1 3:291, 293. - S. I 3:212. Wiese, L. 1 6 : 7 2 . Wiesehahn. I I 1:114. Wiesner, J . I i : 114. Wiessner, E. 1 7 : 5 1 , 93/3a. Wilamowitz-Moellendorf, (J. v. I I : 41. Wilbrandt, Ad. IV » : 24/5. Wildenbrnch, E. v. 1 1 : 1 4 6 : 1 3 : 8 7 ; IV 2b * 22 Wille, B.' l" 12:284, 409: IV 5:77. Willmann, 0. I 7 : 4 3 ; III 5:51. Willmett. R. A. IV 2 a : 5 1 . Willms-Wildermnth, Agnes. IV 5 : 267; 10:139 a. Willy, R. IV 5 : 229. Wilmanns, W. I 8:66. Wilte, C. 1 3 : 1 6 1 . Wimmer, Emilie. 1 5 : 1 7 4 . j j y ^ . 1Q9. Winckelmann, 0. I 3 : 4 4 ; 11:141; I I 1:39. Winokler, Ph. IV 8 a : 137. Windakiewicz, S. I I 4:39. Winkler, A. I 11: 441. - F. 1 7 : 1 1 1 . Winter, G. 1 1 : 1 . »8; 6 : 3 6 ; II 1 : 5 0 ; D I 1:7, 117; IV 5:354. Wintera, L. 1111:84. Winterfeld, F. A. y. U I 1 : 1 2 5 ; 6 : 6 7 ; IV 2 a : 6 0 ; 4 : 4 6 1 ; 8 b : l l a ; 9 : 1 5 3 ; 10:65, 59. Winther, H. 1 7 : 1 3 2 . Wintterlin, A. 1 11:426. Wippermann, C. IV 5:555. Wirth, A. 1 1 0 : 6 . - Ch. 1 1 2 : 7 6 a . - K. M. II 2 : 2 .

Wirth, Th. IV 5 :166. Wislicenus, P. 1 6 : 1 3 1 . Witkowski, G. IV 8 a : 58, 116a; 8e:64. Witte, C. IV 1 d : 78. — H. I 6 : 1 8 8 ; I I 1:32. — K. IV 1 c : 21. — L. I I 6:109. W ttich, K. III 1:32, 36; IV 5 : 536. — M. 1 12:123,129. Wittmann, A. IV 4:457. — C. F. IV 4:39, 192/6. — H. IV l d : 8 3 . — P. IV 9:102. Wlislocki, H. t . 1 5 : 3, 22/3, 28, 118, 126. Wölfflin, H. I 11:335; IV 10:45. Wörndle, H. v. I 11:298. Wohlfahrt. I 8 : 102. Wohlgemuth. J. I 12: 11. Wohlrabe. W. I 7 :20. Wohlwill, A. 1 4:352. Wolf, G. I I 1:141, 145; IV 5 : 329. — J . 1 4 : 588. Wolff, C. 1 3 : 234. — Eng. 1 1 : 28, 57: 12 :144, 199, 227; 1 1 2 : 3 ; 3 : 1 5 ; III 2 : 8 ; IV 8 a : 116a, 131; 8 b: 3 6 : 8 d: 19; 9 : 1 6 6 ; 10:148; 11:27. — H. I 4:212. — Uax T. I I 1 : 7 9 . — Tbeod. IV 2 b : 6 0 ; 5:418/9. Wolfram, E. H. 1 5 : 2 8 1 . — G. I I I 1 : 2 9 . Wolfram, Ph. 1 1 6 : 1 9 0 . Wolkan, R. 1 1 4 : 2 1 . Wollschläger, W. I 11 :211. Wolter, E. I 10:13. Wolzogen, E. y. IV l c : 3 6 ; 4 : 294. — H. y. I 13:120; IV 10:94. Wood, H. IV 8 e : 2 5 . Woodward, J . II 1:133 Worp, J . A. UI 4 : 7. Wortmann, II. ( = J. H. Franke). I 4 : 1 8 b. Wossidlo, R. 1 6 : 4 1 , 3 4 1 . Wotke, E. I I 7 : 4, 29, 50, 70/2; III 4:21. Wouycrmans, A. y. I 11:44. Wrede, A. I I 6 : 4 . Wülcker, E. 1 8:104, 107. Wünsche, A. I 1 2 : 8 ; IV 5:142/4. Wnlckow, R. I 1 : 1 7 3 ; IV 6 : 4 1 ; 8 a :34a. Wunderlich, H. I 8 : 66, 96; II 4 : 1 0 ; 7 : 5 7 ; IV 4:118. Wnndt, W. I 12: 300. Wnnschmann, J . IV 5 : 460. Wurzbach, A. v. I 11:415. Wustmann, G. 1 11:213, 423; IV 8 a : 62; 8 c : 1. Wychgram, J . 1 1 : 6 6 ; 12:15, 305; IV 5 : 627 ; 8 e : 8 0 ; 9 : 8 , 68, 127, Wyczolkowska, A. IV 5:155. Wysocki, L. III 2 : 3 7 ; 4 : 1 4 . Wyss, B. I l l : 283. — F. IV 5 : 6 9 . — G. T. 11 3 : 6 7 , 72/3.

Wyss, J . R. III 3:27/7 a. Wyzewa, T. v. 1 4:579. Tonge, Chr. 1». de. IV 5 : 442. Zabel, E. I 11:16; 12 : 266, 393; IV 1 c : 23, 147; l d : 24; 4:106. 314, 427, 472/3 ; 5 : 29, 107/8. 151, 413, 425. Zacher, J . 1 1 1 : 4 3 1 . Z&hnsdorf, J. 1 3:298. Zagni, V. IV 4 : 4 2 . Zahn, J. I 13:53. y. I 4:481. — Th. 1 5:338. — W. 1 4 : 97, 373, 552. Zanetti. F. 1 4:582. Zang, M. J . IV 5:116. Zangemeister, K 1 3 : 203. Zardo. A. IV 6 : 2 3 : 8 a : 7 S ; 8 e : 3 7 a . Zastrow, E. I 12:182. Zeidler, J 1114:22/3. Zelle, F. I 13:59. Zeller, E. I 1 : 7 ; IV 5:266. Werdmttller, H. I 4 : 549; 11:140. Zenz, W. 1 6:225. Zepler, G. IV 5:637. Zerbst, M IV 5:187. Zernial, U. 1 7 : 1 1 6 . Zetterbaum, II. I 12 :51. Ziegler, C. 1 7 :111. — Th. I 12:23, 74; IV 6 : 269, 410 a. Ziehen, Th. I 12:50. Ziehn, B. I 13:75. Ziel, E. IV 4:171. Ziemssen, L. I 11:266; IV 5:619. Ziller, Fr 1 7 : 3 4 . Zillgenz, G. I 8 : 5 0 ; IV 11:48. Zimmer, F. II 6:190. — H. IV 2a:99, 101; 4:44. — O. 1 7 : 1 1 9 . Zimmermann, A. II 1 : 3 8 ; III 1:11, 117. — F. I 12:248. — G. A. IV l a : 1 6 . — H. I 11:106, 286. — M. G. III-.6,204,318-20. — P. IV 5 : 349. Zimmern, Helen. I 11:364. Zingerle, 0. II 7 : 1 8 . Zix, 0. I 3:63. ZSokler, 0. I 1 : 1 6 ; I I 6 : 2, 91; IV 5:278. Zola, E. I 3 : 1 7 4 ; 12 : 304, 317/8, 339. Zorn, Ph. I I : 119. Zschommler, M. IV l o : 7 3 . Zuck, 0. I I 6 :88. Zncker, II I 11:253. Zürn, G. y. 1 4:451a. — L. I 7:70. Zumbini, B. IV l d : 7 7 ; 5 : 4 1 7 ; 6 : 2 3 ; 8 a : 28; 8 e : 3 0 . Zupitza, J. 1 1 0 : 3 1 a ; 1 1 7 : 4 ; IV l d : 71. Zwenger, F. II 1 : 5 9 ; IV 11:54. Zwiedeneck-Südenhorst, H. v. III 1:10. Zwitzers, A. E IV 6 : 3 1 .

Sachregister. Aachen. I 3:260 ; 4:236, 410/1. - (Ocha), II. y. I I 6:126. Abecedarium Magdeburgense. I 6 : 1 0 . Abeken, B. R. IV l a : 3 1 a ; l c : 6 9 . Abel, C. 1115:15. _ J . Fr. IV 6:104. Abendmahlslehre. I I 1 : 1 . Aberglaube. I 5:25, 32, 81-113; I I 1:34. Abietiscola, T. (Danhauser). II, 7 :14. Abraham a Santa Clara. I 5 : 3 1 1 ; III 6:16. Abt, F. IV 2 b : 102. Acidalius, Valens. I I 7 : 3 . Ackermann, C. IV 4 : 6 , 375, 440 - Esther. 1115:10. - H. II 3 : 5 4 . - 0. IV 4 : 2 2 . - Th. IV 4:180. Adam. J . I 11 :370.

Adamherger, Antonie. IV 4 : 38, 454. Adel. I 6:161. Adelger, Herzog. I 6:152. Adelmann, B. I I 7 : 4 2 . — Helene. I V l c : 7 6 . — K. I I 7:42. Adelspartikel. I 4 : 5 3 . Adelung, J . Ch. I 8 : 4 0 , 46; IV 1 c : 67. Adlermotiv. IV 2 a : 38. Aegir. I 5:17/8. Aemilius. II 7:62/3. Aeneas Sylyius. II 1 : 9 7 ; 3 : 7 0 . Aerate. I 4:121, 282. Aeschylus. I 12:220/1 ; IV 1 c : 21, 69 ; 8e:34. Aesthetik. I 1 1 : 9 ; 12:23, 45-143. - d. Klassiker. 112:12/5 b. - u. Pädagogik. 1 12:78,83/4. Aesthetisch u. sch«n. 112:70,111/2. Aesthetisches Urteil. I 12:11, 51.

Agrargeschiohte. I 4:201/8. Agricola, J . II 6:47, 119; 7 : 4 6 . — R. 1 6 : 1 1 8 ; 1 1 6 : 4 0 ; 7:19,23,30. d. J . I I 7 :69. — St. (Eastenpanr). I I 6:30. Agrippa y. Nettesheim. I 12:379-80. Ahasverus. I 10:14 ; IV 4:112. Abiborn, W. I 11: 292. Ahlfeld, J. F. IV 1 « : 108; 5 : 605. Aicard, G. IV 4 :122. Akademie, deutsche. I 8:122,3. Akademien a. Schulen. Akosta, Uriel. IV 11:55. Aktualität. I 1:120. Alamode-Teufel. 1 1 1 5 : 5 . Albert, H. III 2 : 5 . — M. IV 4:179. — P. II 1:94. — yan Soest. I 11:252. Alberti, V. III 6:22.

Sachregister. IV l d : 3 2 ; 2 a : 4 7 ; 4 : 4 1 1 ; 8 a : 1 0 3 ; 81): 29; Se:62, 89. Wernicke, A. IV 5:127. - E. I l l : 148. Weira, E. v. I 13:70. Wessely, J. E. I 11:419. Westenberger. Q. IV 2 b : 9 0 ; 10:53. Westerfeld, F. 1 6 : 1 3 3 . Westermayer. G. I 4 : 457. Wetzel, A. III 1 : 2 0 ; IV l c : 3 0 , 53. Weyler, Th. I 5 : 2 1 0 ; III 3 : 2 6 . Weymann, C. IV 10:132. Weyranch, J . J . IV 5:453. Wheat ley, L. A. 1 5:202/3, 206/7. Whitman, S. 1 4 : 4 6 1 . Wichers T. Gogh, O. IV 4:360. Wiehert, E. 1 12:428. Wichmann, F. IV 4 : 275. - H. IV 6:414 j 1 3 » 224, Wiokhoff, V. I 3 : 20, 186. Widmann, J . V. IV l d : 8 8 ; 4:278, 353. - M. IV 5 : 2 . Widmer, L. 1 1 2 : 5 1 a . Wiechowsky, A. 1 5 : 1 8 2 . Wiedemann, A. 1 5 : 7 4 , 124. - Th. IV l c : 138; 6:303. Wiegand, W. IV 1 c : 38; 5:332. Wiener. E. 1 3:291, 293. - S. I 3:212. Wiese, L. 1 6 : 7 2 . Wiesehahn. I I 1:114. Wiesner, J . I i : 114. Wiessner, E. 1 7 : 5 1 , 93/3a. Wilamowitz-Moellendorf, (J. v. I I : 41. Wilbrandt, Ad. IV » : 24/5. Wildenbrnch, E. v. 1 1 : 1 4 6 : 1 3 : 8 7 ; IV 2b * 22 Wille, B.' l" 12:284, 409: IV 5:77. Willmann, 0. I 7 : 4 3 ; III 5:51. Willmett. R. A. IV 2 a : 5 1 . Willms-Wildermnth, Agnes. IV 5 : 267; 10:139 a. Willy, R. IV 5 : 229. Wilmanns, W. I 8:66. Wilte, C. 1 3 : 1 6 1 . Wimmer, Emilie. 1 5 : 1 7 4 . j j y ^ . 1Q9. Winckelmann, 0. I 3 : 4 4 ; 11:141; I I 1:39. Winokler, Ph. IV 8 a : 137. Windakiewicz, S. I I 4:39. Winkler, A. I 11: 441. - F. 1 7 : 1 1 1 . Winter, G. 1 1 : 1 . »8; 6 : 3 6 ; II 1 : 5 0 ; D I 1:7, 117; IV 5:354. Wintera, L. 1111:84. Winterfeld, F. A. y. U I 1 : 1 2 5 ; 6 : 6 7 ; IV 2 a : 6 0 ; 4 : 4 6 1 ; 8 b : l l a ; 9 : 1 5 3 ; 10:65, 59. Winther, H. 1 7 : 1 3 2 . Wintterlin, A. 1 11:426. Wippermann, C. IV 5:555. Wirth, A. 1 1 0 : 6 . - Ch. 1 1 2 : 7 6 a . - K. M. II 2 : 2 .

Wirth, Th. IV 5 :166. Wislicenus, P. 1 6 : 1 3 1 . Witkowski, G. IV 8 a : 58, 116a; 8e:64. Witte, C. IV 1 d : 78. — H. I 6 : 1 8 8 ; I I 1:32. — K. IV 1 c : 21. — L. I I 6:109. W ttich, K. III 1:32, 36; IV 5 : 536. — M. 1 12:123,129. Wittmann, A. IV 4:457. — C. F. IV 4:39, 192/6. — H. IV l d : 8 3 . — P. IV 9:102. Wlislocki, H. t . 1 5 : 3, 22/3, 28, 118, 126. Wölfflin, H. I 11:335; IV 10:45. Wörndle, H. v. I 11:298. Wohlfahrt. I 8 : 102. Wohlgemuth. J. I 12: 11. Wohlrabe. W. I 7 :20. Wohlwill, A. 1 4:352. Wolf, G. I I 1:141, 145; IV 5 : 329. — J . 1 4 : 588. Wolff, C. 1 3 : 234. — Eng. 1 1 : 28, 57: 12 :144, 199, 227; 1 1 2 : 3 ; 3 : 1 5 ; III 2 : 8 ; IV 8 a : 116a, 131; 8 b: 3 6 : 8 d: 19; 9 : 1 6 6 ; 10:148; 11:27. — H. I 4:212. — Uax T. I I 1 : 7 9 . — Tbeod. IV 2 b : 6 0 ; 5:418/9. Wolfram, E. H. 1 5 : 2 8 1 . — G. I I I 1 : 2 9 . Wolfram, Ph. 1 1 6 : 1 9 0 . Wolkan, R. 1 1 4 : 2 1 . Wollschläger, W. I 11 :211. Wolter, E. I 10:13. Wolzogen, E. y. IV l c : 3 6 ; 4 : 294. — H. y. I 13:120; IV 10:94. Wood, H. IV 8 e : 2 5 . Woodward, J . II 1:133 Worp, J . A. UI 4 : 7. Wortmann, II. ( = J. H. Franke). I 4 : 1 8 b. Wossidlo, R. 1 6 : 4 1 , 3 4 1 . Wotke, E. I I 7 : 4, 29, 50, 70/2; III 4:21. Wouycrmans, A. y. I 11:44. Wrede, A. I I 6 : 4 . Wülcker, E. 1 8:104, 107. Wünsche, A. I 1 2 : 8 ; IV 5:142/4. Wnlckow, R. I 1 : 1 7 3 ; IV 6 : 4 1 ; 8 a :34a. Wunderlich, H. I 8 : 66, 96; II 4 : 1 0 ; 7 : 5 7 ; IV 4:118. Wnndt, W. I 12: 300. Wnnschmann, J . IV 5 : 460. Wurzbach, A. v. I 11:415. Wustmann, G. 1 11:213, 423; IV 8 a : 62; 8 c : 1. Wychgram, J . 1 1 : 6 6 ; 12:15, 305; IV 5 : 627 ; 8 e : 8 0 ; 9 : 8 , 68, 127, Wyczolkowska, A. IV 5:155. Wysocki, L. III 2 : 3 7 ; 4 : 1 4 . Wyss, B. I l l : 283. — F. IV 5 : 6 9 . — G. T. 11 3 : 6 7 , 72/3.

Wyss, J . R. III 3:27/7 a. Wyzewa, T. v. 1 4:579. Tonge, Chr. 1». de. IV 5 : 442. Zabel, E. I 11:16; 12 : 266, 393; IV 1 c : 23, 147; l d : 24; 4:106. 314, 427, 472/3 ; 5 : 29, 107/8. 151, 413, 425. Zacher, J . 1 1 1 : 4 3 1 . Z&hnsdorf, J. 1 3:298. Zagni, V. IV 4 : 4 2 . Zahn, J. I 13:53. y. I 4:481. — Th. 1 5:338. — W. 1 4 : 97, 373, 552. Zanetti. F. 1 4:582. Zang, M. J . IV 5:116. Zangemeister, K 1 3 : 203. Zardo. A. IV 6 : 2 3 : 8 a : 7 S ; 8 e : 3 7 a . Zastrow, E. I 12:182. Zeidler, J 1114:22/3. Zelle, F. I 13:59. Zeller, E. I 1 : 7 ; IV 5:266. Werdmttller, H. I 4 : 549; 11:140. Zenz, W. 1 6:225. Zepler, G. IV 5:637. Zerbst, M IV 5:187. Zernial, U. 1 7 : 1 1 6 . Zetterbaum, II. I 12 :51. Ziegler, C. 1 7 :111. — Th. I 12:23, 74; IV 6 : 269, 410 a. Ziehen, Th. I 12:50. Ziehn, B. I 13:75. Ziel, E. IV 4:171. Ziemssen, L. I 11:266; IV 5:619. Ziller, Fr 1 7 : 3 4 . Zillgenz, G. I 8 : 5 0 ; IV 11:48. Zimmer, F. II 6:190. — H. IV 2a:99, 101; 4:44. — O. 1 7 : 1 1 9 . Zimmermann, A. II 1 : 3 8 ; III 1:11, 117. — F. I 12:248. — G. A. IV l a : 1 6 . — H. I 11:106, 286. — M. G. III-.6,204,318-20. — P. IV 5 : 349. Zimmern, Helen. I 11:364. Zingerle, 0. II 7 : 1 8 . Zix, 0. I 3:63. ZSokler, 0. I 1 : 1 6 ; I I 6 : 2, 91; IV 5:278. Zola, E. I 3 : 1 7 4 ; 12 : 304, 317/8, 339. Zorn, Ph. I I : 119. Zschommler, M. IV l o : 7 3 . Zuck, 0. I I 6 :88. Zncker, II I 11:253. Zürn, G. y. 1 4:451a. — L. I 7:70. Zumbini, B. IV l d : 7 7 ; 5 : 4 1 7 ; 6 : 2 3 ; 8 a : 28; 8 e : 3 0 . Zupitza, J. 1 1 0 : 3 1 a ; 1 1 7 : 4 ; IV l d : 71. Zwenger, F. II 1 : 5 9 ; IV 11:54. Zwiedeneck-Südenhorst, H. v. III 1:10. Zwitzers, A. E IV 6 : 3 1 .

Sachregister. Aachen. I 3:260 ; 4:236, 410/1. - (Ocha), II. y. I I 6:126. Abecedarium Magdeburgense. I 6 : 1 0 . Abeken, B. R. IV l a : 3 1 a ; l c : 6 9 . Abel, C. 1115:15. _ J . Fr. IV 6:104. Abendmahlslehre. I I 1 : 1 . Aberglaube. I 5:25, 32, 81-113; I I 1:34. Abietiscola, T. (Danhauser). II, 7 :14. Abraham a Santa Clara. I 5 : 3 1 1 ; III 6:16. Abt, F. IV 2 b : 102. Acidalius, Valens. I I 7 : 3 . Ackermann, C. IV 4 : 6 , 375, 440 - Esther. 1115:10. - H. II 3 : 5 4 . - 0. IV 4 : 2 2 . - Th. IV 4:180. Adam. J . I 11 :370.

Adamherger, Antonie. IV 4 : 38, 454. Adel. I 6:161. Adelger, Herzog. I 6:152. Adelmann, B. I I 7 : 4 2 . — Helene. I V l c : 7 6 . — K. I I 7:42. Adelspartikel. I 4 : 5 3 . Adelung, J . Ch. I 8 : 4 0 , 46; IV 1 c : 67. Adlermotiv. IV 2 a : 38. Aegir. I 5:17/8. Aemilius. II 7:62/3. Aeneas Sylyius. II 1 : 9 7 ; 3 : 7 0 . Aerate. I 4:121, 282. Aeschylus. I 12:220/1 ; IV 1 c : 21, 69 ; 8e:34. Aesthetik. I 1 1 : 9 ; 12:23, 45-143. - d. Klassiker. 112:12/5 b. - u. Pädagogik. 1 12:78,83/4. Aesthetisch u. sch«n. 112:70,111/2. Aesthetisches Urteil. I 12:11, 51.

Agrargeschiohte. I 4:201/8. Agricola, J . II 6:47, 119; 7 : 4 6 . — R. 1 6 : 1 1 8 ; 1 1 6 : 4 0 ; 7:19,23,30. d. J . I I 7 :69. — St. (Eastenpanr). I I 6:30. Agrippa y. Nettesheim. I 12:379-80. Ahasverus. I 10:14 ; IV 4:112. Abiborn, W. I 11: 292. Ahlfeld, J. F. IV 1 « : 108; 5 : 605. Aicard, G. IV 4 :122. Akademie, deutsche. I 8:122,3. Akademien a. Schulen. Akosta, Uriel. IV 11:55. Aktualität. I 1:120. Alamode-Teufel. 1 1 1 5 : 5 . Albert, H. III 2 : 5 . — M. IV 4:179. — P. II 1:94. — yan Soest. I 11:252. Alberti, V. III 6:22.

Sachregister. Albertinus, Aeg. III 3 : 1 4 ; 5 : 5 . Albertus, Magnus. II 7 : 30. Alberne, Erasm. II 1 : 8 8 ; 3 : 1 5 ; 6 : 146/7; III 5 : 1 4 ; IV 6 : 8 2 a . Albrecht, Earf. y.Brandenburg. I 3:41. — Herz. T. Bayern. I I 1 :146, 153. — v. Brandenburg, Hochmeister. II 1:31/5. Kardinal. I 11 :215. — T. Mainz. II 6 :13, 16, 18, 28/9, 94; 7:40. — F. E. A. IV 1 a : 2. — K. II 6:122. Alciati, A. I I 3 : 47. Aldus, Manutius. I 3:245. Aleander, Hier. II 1:140; 6:13. Alesius, AI. II 6:153. Alexander d. Gr. I 5 :229. — I. v. Kussland. IV 8 b : 17. — de Villa-Dei. 1 6 : 9 . Alexandersage. I 5:223. Alexandriner. I 12:31; IV 2 a : 20; 4 : 6 , 50; 10:25. Alford, G. IV 8 a : 80, 143. Allegorie I 12 : 74; II 1: 81. Allerleirauh. I 5 : 232. Allgäu. I 4 :440 Allioli, F. IV 1 c : 75. Allmers, H. IV 1 a : 43. Allotria, Gesellschaft in München. I 11:277. Almanache. IV 1 0 : 7 (b. a. Musenalmanache). Alpenlinder. I 5:303. Alphabete. I 3 : 91. Aisted. J. H. 1 6 : 23. 29. Alt, Th. I 12:111.1a. Altdorf. I 6:148. Altdorfer, Alb. 1:11, 221/3. — (Superintendent in Kulmbach). I 6:95/6. Altertum, germanisches. IV 2 a : 24/6. — klassisches. I 1: 41, 54; 7 :19, 33. Althenneberg. I 11:165. Altmann (Prof. in Bern). III 5:63. Altmüller, G. IV 4 : 202. Altstedt. I 5 : 4 2 . Amadisroman. IV 10:71. Amazonen. IV 4 : 6 0 . Arnbach, Melch. I I 1:64. Ambros, A. W. I V l c ; 1 5 7 . Amelungeborn. II 4 : 4 . Amerbach, B. II 6:170. — H. 1 3 : 1 0 9 . — (Verleger). I 11:172. Amerika. 11 1:109-14, 164. Ammann, H. II 1:55. — J. I 3 : 238; 11:216. — Kasp. I I 7:42. Ammersbach, H. III 5 : 5 . Amor n. Psyche. I 10:4. Amsdorf, Nie. v II 6:13, 56. Arnsdorf?. I 3 : 3 8 . Amsterdam. I 11:413. Anachronismen. 11 4 : 1 . Anakreon. IV 2 a : 18/9. Anakreontik. III 2 : 3 2 ; IV l c : 6 5 ; 2 a : 8, 20, 28, 31,38 ; 8 c : 7, 9; 8e : 21. — u. Goethe. IV 8 c : 7 , 9. Anatomie als Unterrichtsgegenstand. I 6:205/6. Andersen, H. Chr. IV 1 c : 14, 91. Andreae, Jak. II 1 : 1 , 173. — J. V. I 6:23/7; III 2:14/9; 5 : 2 2 ; IV 8e :88. Andreas (Kapellan). II 3 : 2 . Andrelinus, Faustus. I I 7:30. Anekdoten. I 5 :243/4. Angelus Silesius. I 6:213; III 2 : 1 8 ; 5 : 2 0 a. Angenehme, D. I 12:51, 66, 67, 74, 111/1 a. Anhalt. I 11:100. — Luise Fürstin v. 1 4 : 1 4 3 . — -Käthen, Luise Ferdinande v. IV 2 a : 79; 8 d : 3 0 . Anhaltiner. I 4 : 96/7. Anmut. I 12:4, 45, 84. Anna Amalia, Herzogin v. SachsenWeimar. IV 5 : 2 3 ; S a : 5 0 ; 8 b : 21, 42, 44. Annaberg. II 1:138. Annoncenwesen. I 3:154. Annnnzio, 0 . IV 4:204. Anonymität, in d. Fresse. I 3:174. Ansbaoh. I 11:152. Anschaunngsprinzip. I 6 : 8 . Anschütz, H. IV l c : 1 5 7 .

Anshelm, Th. I 3 : 72, 79, 245 ; II 6 : 4 7 . — V. I I 3:69. Anspach, P. II 6:35. Anstandsbuch f i r Studenten. 16:127/8. Antesperg, J. B. 1 6: 225. Anthaler. I 6:57. Anthologia Palatina. III 2 :32. Anthologie, griechische. IV 9 c :18 a. Anthologien. I 7 : 92. Anthropomorphismus. I 12:144. Antike, D. I 6 : 1 8 ; IV 9 c : 18a-20. Antiquariatskataloge. I 3 :153. Antisemitismus. I 12:267; IV 6:23. Anthisthene8. I 12:379-80. Anzengruber, J. IV 4 :270. — L. I 12:223; IV l a : 3 2 : 1 « : 85/6 ; 4:84, 117, 169,206,264,267-72, 314. Aparte, D. I 12:228. A pelt, 0. I 7 :12. — R. IV l a : 41. Apfelschuss. IV 9:132. Apianus, s. Bienemann, P. Apiarius, M. I 3 : 82. Apokryphen. II 4 : 1 . Apotheker. I 4:282. Appian. I I 7 : 67. Approbation. 1 3 : 278. Apuleius. I 5:230; 10 :5. Arbeiterfrage. I 3:148/9 Arbeitslöhne. I 4:403 ; 11:159. Arce, G. Nunez de. IV 1 d : 92. Archer, W. I 12:349 ; IV 4:138. Architektur. I 12 : 74. Architypograph. I 3 : 264. Archivbenutzung. I 3:201. Archive (s. auch Briefwechsel u. Handschriften j in : Agram I 3:47. Arolsen I I 6:148. Augsburg II 7 :43. Bologna II 7 :12. Brandenbarg I 3 : 41. Bremen I 3:45. Dresden I 6:199. Frankfurt a. M. I 3:46, 49. Frankreich I 8:48. Hagenau i. E. 15:114. Hamburg I 3 : 45. Hannover I 3 :45. Hansastädte I 3:45. Holland I 3 : 45. Kärnten III 2 : 4 . Köln I 3:45. Kroatien I 3:47. Leipzig 1 6:202. London 1116:59. Oldenburg I 3:45. Osnabrück I 3:111. Ostfriesland I 3 :45. Padua II 7 :12. Pavia II 7 :12. Perugia I I 7:12. Pfalzbayern I 3 : 43 Pisa II 7 ; 12. Rheinlande 1 3 : 4 5 . Schleiz I 3:42. Siena II 7:12. Stettin I 6:154. Strassburg I 3 : 4 4 ; II 7:38. Weimar IV 8 u : 3 4 ; 8 b : 1 ; 9:22, 27, 62. Argensola. IV l d : 9 3 . Arien. I 3 :127. Ariosto, Lud. IV 10:41. Aristophanes. I 12:168; I V I 0 : 4 2 ; 10:41. Aristoteles. I 5 : 2 2 9 ; 7 : 6 1 ; 1 0 : 7 ; 12:168, 190; IV 6 : 3 6 ; 8 e : 3 . Armenpflege. I 4 : 358. Armin. III 3:12. Arnd, Joh. III 5 : 22, 26. Arndt, F. M. I 6 : 1 7 6 ; IV l a : 6 , 23; 1 c. : 22,75,159-60 ; 2 a : 87-93 ; 2 b : 4,5 ; 5 : 322, 547/8, 550; 10:18/9. Arneth, Alfr. v. IV 1 c : 140, — Antonie v. IV 1 c : 140. Arnim, Bettina y. IV l c : 4 7 , 154; 2 b : 104; 10:67. — L. A. v. IV 8d :32; 10:9, IS, 60/2, 71, 104. Arnold, G. I 6 :171; III 5:22. Arnpeck, V. II 3:80/1. Arnstein, B. D. IV 4 : 1 . — Henriette y. IV 8 b : 15; 10:66. Arroyo, Luisa. IV 1 d : 93. Arzneibuoh. I 5:43. Ascham, Boger. II 1:168. Aschenbrödel. I 5:232. Aschermittwoch. I 5:12. Aschersleben. I 4 : 371 a ; 5 :32. Asper, H. I 11:216. Aspem, H. tho. I 6 :12. Astrologie. 1 1 6 : 1 9 , 4 1 . Astronomie. II 1:107. Attendorn, P. I 3 : 72. Attinghusen, Wernher I I v. IV 9:136. Audenhain. I 4 : 375. Auerbach, B. IV l o : 8 6 , 91, 130, 145, 148, 156 ; 4:74, 84, 250, 269. Auerbachs Keller. I 5 : 254. Auersperg, A. Graf y. (Anast. Grün), IV l a : 3 3 ; l c : 8 3 , 86, 157 ; 2 b : 1 1 4 ; 4:230; 10:91. Aufführungen, dramatische. I 1:140.

Aufklärung. I 4 : 423a; 6 : 4 6 ; III 5:49. Aufsatz, deutscher. I 6:166; 7 :11,13. Augsburg. I 4 : 452a; 11:131; II 1:47, 49. Angsburger, C. II 7 :18. — Allianz. III 1 : 52. August, Kurf. y. Sachsen. 1 1 1 : 4 2 ; I I 2:44. — Herzog v. Gotha. IV l c : 1 3 . — Prinz t . Gotha. IV 8 b : 2 . Auguste, Prinzessin v. Weimar. IV 8 b : 13. — Ferdinande, Prinzessin Luitpold y. Bayern. IV l c : 4 . — Karoline, Grossherzogin v. Mecklenburg-Strelitz. IV l c : 5 . Angustenburg, Fr. Chr. Herzog zu. IV l a : 22. — Luise Auguste Herzogin zu. IV 1 a : 22. Augustiner. I I 7 :6. AugustuB, Herzog v. Lauenburg. III 1:15. Aurispa. II 1: 93. Aus dem Winkel, Therese Emilie Henriette. IV l e : 18. Auspicien. I 5:104. Aussatz. 1 4:280. Ausstand. II 1:138; D I 1 : 65. Auswanderung. I 4 : 437. Autodafé. 1 5 : 1 1 3 . Autographen. I 3:51-60. Autorrecht. I 3:282. Ayrenhoff, C. H. v. IV 4 : 1 . Ayrer, J. II 3 : 2 1 ; 4 : 3 4 ; III 4 : 6 a , 7; IV 4:805. Baader, F. v. IV 5:89, 210. Babrios. I 12 : 203; IV 6 : 32. Baoh, J. S. 1 11:160: 13:72/79. Bachelin, Anguste, I 11 : 347. Bacraeister, A. I 2:32. Baco y. Verulatn. 1 6 : 8 . Badeleben. I 4:74. Baden. 1 1 1 : 8 8 . Baeohtold, J. II 1 : 7 . Bähr, C. IV 1 e : 94. — G. I 11:162. Bäli, J. II 1:131. Baer, K. E. v. IV 1 o : 118. Bäuerle, A. IV 4:411. Baggesen. J. IV l a : 2 2 ; l e : 2 0 , 36 9 : 2 6 ; 10:47. — Th. T. IV 1 a : 22. Dahlsen, L. I V l d : 7 0 . Bahr, H. 1 1 2 : 4 2 1 . Bahrdt, K. F. IV 5 :284 ; 8e :88. Bahrrecht. I 5 : 78-80. Balde, J . IV 7 : 8 ; 10:68. Baldinger, Frau. IV 6:13. Baie, John. I I 1 :34. Ballade. I 5 : 299; IV 2 a : 10. Balladendram». IV 10:103. Ballet. I 12 : 242. Balthasar, Herzog v. Mecklenburg. I I 1:86. Baltische Provinzen. I 11:154, 249. Balzac, H. de. 112 : S09, 316; IV 10:5. Bamberg. I 4 : 4 4 7 ; 11:150. — F. IV 5 :543. Bamberger, L. IV 5:679-80. Bändel, E. v. 1 11:296/7; I V l c : 1 5 1 ; 2 h : 36. Bandello, M. 1114:15.

Banner, J. i n 1:19-20.

Banzer, H. I I 2 : 21. Barbara. I 5:17/8. — -Legende. I 10 :6. Barbari, Jacopo dei. I 11:210. Barden. I 13:29. Bardenpoesie. IV 2 a : 28/9. Barlaam u. Josaphat. I 10:8. Barnay, L. IV 4 : 367. Barnes, A. II 6:59. Barrès. M IV l a : 3 8 . Bart, H- 1 1 2 : 2 1 . Bartels, Ad. IV l a : 8 . Barth, C. v. III 2:89. Bartisch, G. I 4:281. Baryphonus, H, I 13:66. Basedow, J. B. I 6:30,45/6; IV 5:479; 8 a : 136. Basel. 1 4 : 297: 11:138, 452. Bastlöserreime. I 5 : 267. Batsch. IV 8b:4/5. Baudelaire, Ch. I V 2 b : l . Baudissin, Wolf Graf. IV 1 o : 69,

Sachregister. Baudouin de Sebouro. I 10:10. Bauer, B. I V l e : 1 4 7 . — L. IT 10:125. Bnuern. II 1:127. Bauernfeld, Ed. v. IV l a : 3 2 ; 4:183, 202, 216, 223, 225-30, 31*, 373, 472. Bauernhaus. I 5 : 66, 307; 11:162. Bauernhobeln. II 4:11. Bauernkriege. 14:207; II 1:20/3; 3:79. Bauernlieder. IV 2 a : 35. Bauernparlament. II 1:20. Bauernrevolutioneu. III 1: 48-50. Bauernstand. I 4:204/7 a. Bauernstück. IV 4:314. Baukunst als Unterrichtsgegenstand. I 6:205/6. Bauleute. I 5:71/2. Baumann, A. IV lc:157. Baumbach, E. IV l d : 7 3 . Baumeister. I I I : 135/6. Baumgarten, A. IV l a : 3 . — H. II 1:57; IV 5:330/3 ; 8 a : 7 7 . — 8. J. IV 2 a : 7». Baumg&rtner, H. 1 4 : 1 3 8 . Baur, F. C. IV 5 : 263/4. Bausagen. I 5:148. Bavink, L. II 7:30. Bayer, K. IV 1 c : 97. Bayern. I 11:85,143-56. Bayly, Lewis. III 5:22. Bayreuth. I 4:452; 13:121/6, 139-40. Beamtenwesen. I 4:138. Beaumarchais, Caron de. IV I c : l l ; 4:204,396; 8e:23. Bebel, H. II 1:60,68; 6:100; 7:36,42. Beck, H. IV 4:372. — K. IV 4:57. — B , Buchdrucker. I 3:72. Beckeuhaub, J. I 3 :75, 83; II 7 :21. Becker, A. I V l a : 1 6 . — C. III 2:27. — Sophie. 1 4 : 1 4 3 .0 — : 9, 18. — E. T. III 5 : 4 8 ; IV l c : 1 4 5 . Lillo, G. IV 8 d : 19. Limboroh, Ph. v. IV 1 1 : 5 5 . Linck, W. I I 1 : 71: 6 : 47, 130. Lindau, P. IV 1 c : 156; 4 : 367, 373. Lindemann (Rektor). I 6:213. Lindener, M. I I 3 : 3 3 ; III 3 : 5 . Lindenschmit, L. I 2:36/7. Lindner, A. IV l a : 4 6 . Lindsay. I I 6 : 2 . Link, A. IV 1 c : 109. Lionardo da Vinoi. II 1 : 74. Lipps, Th. I 12:70, 211/2. Lipsius, A. I I 6 : 1 0 3 ; IV 5 : 268. Liscow, Ch. L. IV l a : 3, 48; IV 5 : 6 . Lispelnde Sohwestern. I 10 : 32. Liszt, F. 113 :141/3; IV 1 a : 41; 1 c : 75, 81, 145, 156/7 ; 2 b : 4 . Litten. F. W. IV 1 d : 92. Litteratur, Deutsche. 1 3 : 148-50; 6 : 6 2 , 78/9, 84; IV l a : 12; im Ausland IV l d . - England 1 1 : 1 0 7 ; IV 2 a : 3 4 . : Frankreich I 1 : 104/6 a. — in d. Schule. I 7. — Antike. I 6 : 84. — Jüdische. 1 4 : 540. — Plattdeutsche. I 1 : 93. Litteraturgeschiohte. I 1. I I 1. III 1. IV l a . IV l d . — I 7 : 134; 12 :144. Literaturwissenschaft. I 1 : 51/4. Liturgie. I 13 : 57, 73. Litzmann, B. I 12 : 398; I T 4 : 20. — C. C. T. IV 10 : 7, 53, 58. L i n u s . II 7 : 67. Livland. I 11 : 249. Lobeck. I 6 : 75. Lobedänze. I 5 :176. Lobkowitz, B. I I 7 : 72. Lobwasser, A. III 2 : 28; 5 : 63. Locher, J. I 3 : 75; I I 4 : 39; 7 : 42. Löbau. I 4 : 320. Loeben, 0. H. Graf. IV 1 c : 121. L8he, W. IV l c : 103. Loin, J . M. y. IV I n : 3. Ldner, K. I I 2 : 1 4 ; 6 :141. Loenig.fi. IV 1 d : 62. Loeper, G. V. IV 4 : 9 . Lösche, G. I I 1 : 1 3 5 . L6soher, V. E. I I I 5 : 20. Löwe, J . D. L. IV 1 c : 157. L»wen, J . J . IV 2 a : 10. Logau, F. y. I I I 2 : 40; 3 : 10. Logik. 1 8 : 6 , 62.

Lohengrin. I 5:152. Lohenstein, D. Casp. v. 111 2 : 3 8 - 4 0 ; 4 : 1 7 ; IV 2 a : 5 , 27. Lombardes. P. II 7 :42. Lombroso, C. 112 : 91,3,101 b; IV 10:70. Longfellow, H. W. IV 2 b : 15; 9 : 94; 10:142. Lope de Vega. I 12:102; IV l d : 9 3 ; 4:190, 200, 215, 222. Lorch. IV 2 a : 71. Loredano, Giov. Fr. III 2 : 3 S . Lorelei. I 5:131. Lorenz, Chr. G. IV 9 :19. — 0. IV 5 : 299. Loreuzoni. IV 4:406. Lorichius, J . 1 6 : 9 9 ; I I 1 : 1 . Lorinser, F. IV l o : 111. Lorra, H. IV 5 : 75; 11: 20. Lorsch, Kloster. I 5 : 5 2 . Loserth, J . I I 1 : 26. Lotichius, P. I I 1:172. Lotter, M. 1 3 : 3 3 . Lotze, B. H. IV 1 c : 91; 5:207/8,226. Louis Ferdinand, Prinz v. Preussen. IV 5:492. Louvier, Fr. I V 8 e : 7 6 . Loyola, I. v. II 1:124, 146. Lubertus, H. III 5 :5. Lucas, F. K. IV 6 :14. Lucian. I 5 : 2 3 0 ; 1 0 : 5 . Luder, P. 1 6 : 1 1 6 . Ludwig, I. König v. Bayern. I 8 : 51; 11: 254; IV l c : 1 5 , 145; 5 : 322, 390. — II. König v. Bayern. I 13 :114/5. — Grcssherzog v. Baden. 1 6 • 101/2. — V. Grossherzog T. Hessen-Darmstadt. I 6:106. — VIII. v. Hessen-Darmstadt. IV 8 d : 19. — Herz. T. Württemberg. I I 1 : 1 5 4 . — Wilhelm, Markgraf T.Baden. III 1: 53: IV 2 a : 65. — 0. 1 1 0 : 2 1 ; I V l c : 8 1 ; 2b:70: 4:83/6, 129, 237, 271, 314, 375. Lübeck. 1 4 : 208, 234,5, 248, 344/6; 5 : 46/8, 73, 296; 11 : 129-30; II 4 : 4 . Lütke, W. I 11 : 384-95; 12 : 24,6;IV l o : 146/7. Lücke, F. 1 2 : 1 3 . Laders, H. IV 1 c : 152. Lüdinghausen. I 1 1 : 94. Lüneburg. I 1 1 : 1 6 8 . Lineburger Heide. I 5 : 86. Lattich. I 11 : 413. Lüttkemann. J . III 5 : 22. Lützow, Elisa v. IV 1 c : 22. Luise, Königin. IV 2 a : 15; 10 : 74. — Charlotte. I I 2 : 26; III 2 : 5. — Kurfürstin y. Brandenburg. III 2:22. — Dorothea, Herzogin v. SachsenGotha. IV l a : 3 9 ; l c : 12. — Henriette, Kurfürstin r . Brandenburg. I I I 5 : 19. — Herzogin v. Weimar. IV 8 d : 5 . Luklos y. I'aträ. I 10 : 5. Lukrez. IV 2 b : 104. Lullian. IV 2 a : 31. Lur, H. I I 7 :13. Lust u. Unlust. I 12 : 14, 46-50, 74, 76, 82, 111/1 a. Lustspiel. IV 4 : 355/6. Lnther, Käthe. I I 1 : 155. — M. I I 6 : 5 1 - 1 1 1 . — I 1 :89, 97; 6:8/9, 95; 7 : 1 , 5 6 a ; 8 : 29-32, 34, 54, 106; 1 0 : 4 8 ; 11:175, 185; 12:3, 267; I I 1 : 71, 128, 140, 155, 172; 2 : 2 , 12; 3 : 5 0 ; 6 : 3 , 9, 11/3, 17, 20, 22/3, 40, 44. 47/8, 112, 142, 175, 181, 185; 7 : 38/9, 42, 44. 62/3; I V 2 a : 5 5 ; 5 : 3 2 2 , 4 6 2 ; 10:47. AesopUche Fabeln I I 1 : 8 8 . An d. Christi. Adel II 6 : 65/6. Bekenntnis yom Abendmahl I I 6 : 6 9 . Bibelübersetzung 1 8 : 3 3 / 4 ; II 1 : 88; 6 : 24, 56, 71/4. Brief an d. Katsherren 16:44. Briefe II 1:88.158; 6 : 55/6, 59-60. Christi. Haustafel 1 1 6 : 8 8 . Contra papistas 1 1 6 : 5 6 . Deutsche Messe II 6:102. Enohiridion I 6:248. Erklärung gegen S. Lemnius II 1:140, 155. Jakobusbrief I I 6 : 7 0 . Katechismus I I 6:75-87. Lieder 1 8 : 85: 12 : 194; 13 ; 57; I I 2 : 2, 12. Psalter I I 1 : 8 8 . Sendbrief yom Dolmetschen I I 1:88. Streitschrift gegen d. Theologen d. Univ. Löwen u. Paris I I 6 : 5 8 . Taufliturgie I I 6 : 6 8 . Thesen I I 6:109. Tischreden I I 6 : 5 6 , 60/1; IV 1 c : 135. V.d. Freiheit e. Christenmenschen I I 6 : 6 7 .

Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgesohiohte.

IV.

Lutheraner. I I 1:140, 146. Luther-Oratorium. I I 6 :110a. Spiel. IV 4 : 287. Luthertum. I 6 : 1 0 6 ; II 6 : 2 4 . Luthmer, H. IV 1 a : 22. Lutz, H. I I 3 : 79. Luzern. I 4 : 205. Lyceum s. Söhnten. Lyon. I 3 : 90. 108. — 0. I 7 :102. Lyrik. I I 2. I I I 2. IV 2 a ; 2 b ; 8c. — I 7 : 4 4 ; 12 :100a, 144, 188-201, 204. — Bardische. IV 2 a : 2 8 . — Geistliche. III 2:7-31. — Neulateinische. I I 7 : 4, 61'6. — Religiöse. I 12:194. — Revolutionäre. IV 2 a : 3 5 . Lyrisohe Einlagen im Drama. IV 9:70. Maas, Fr. IV 4:453. Macanlay, T B. IV l d : 7 1 ; 2 a : 7 6 . Macchiavelli, N. I 1 0 : 7 ; II 1 : 6 1 ; IV 5 : 3 1 9 , 445. Machner, M. III 2 : 39. Mader, J . 1 1 7 : 4 2 . Madrigal. I 3:127. Madruzz, Chr. I I 6 : 3 2 . Mädchenerziehnng. I I 1 : 1 2 8 . Mädchenschule s. Schulen. Mädchenwettlauf. I 5 : 5 1 . Mähly, J. IV l a : 5 0 . Märchen. I 5 : 33, 43, 45, 153, 215, 220a; 6:78/9; 12 : 203. — y. d sieben Grafen. I 5:234. Märchenlitteratur. 1 5 : 1 . Märchensammlungen. 1 5 : 200-20. Märchenstoffe. I 5 : 220 a-242. Magazin f ü r Litteratur. IV 4 :114. Magazinbibliothek. I 3:234. Magdalena y. Bayern. I I 1:153. Magdeburg. I 4 : 1 7 1 , 216, 371, 554; III 1:32/3. Magelone, D. scliöne. 1 1 1 3 : 1 ; IV 10:41. Magenau. IV 2 a : 1. Mager, K. I 6 : 204. Mahler, Discourne d. III 5 : 49. Maibaum. I 5 : 6 0 . Maien, K. IV l c : 9 5 . Maifeste. I 5: 60. Maigerioht. I 5 : 6 0 . Mailand. I 4 : 2 3 7 ; 11 :435. Mailath, J. Graf. IV 4 : 2 0 2 . Mailehen. I 5 : 6 0 . Mailieder. IV 2 a : 3 4 . Maimon, L. IV 5 : 1 2 4 . Mainz. I 1 1 : 2 3 1 ; IV 8b:25/5a. Maisch, G. I I l : 2 5 a . Major, E. III 2 : 3 9 . — G. I I 1 : 1 7 3 ; 0:119, 145; 7:62/3. Makart, W. I V 8 e : 8 5 . Maler. I I 1:82. Malerei, Karolingisohe. I 3 : 2 3 . — d. Renaissance. I I 1 : 7 4 . Malerschule, Nürnberger. I 11:188. Malerzunft. I 4 : 9 0 . Mallet. IV 2 a : 27, 34. Mallinckrodt, M. y. IV 5 : 6 0 1 . Malsburg, E. F. G. 0. Frh. y. IV 1 c : 69, 121. Maltechnik. I 1 1 : 8 . Maltitz, Fr. y. I 7 : 8 6 ; 1 0 : 2 6 ; IV 9:144. Mameranus. 1 1 6 : 1 2 . Mandelsloh, D. v. III 1 : 1 0 3 . Mandruzzo, L. I I 1 : 1 4 6 . Mangold, P. I I I 5 : 6 3 . Mann, M. (Buchdrucker). 1 3 : 1 1 1 . — im Monde. I 5 :151. Mannheim. I 11:448. Mansfeld. I 11:99. Manso, G. B. IV 8 e : 3 9 . — J . K. Fr. (Rektor). I 6:205/6; IV 8 c : 21; 9 : 6 0 . Mantegazza, P. IV l d : 8 5 . Mantegna, A. IV 8 a : 150. Manteuffol, E. y. IV l c : 1 3 8 . Mantben, Joh., y. Geretzem (Buchdrucker). I 3 : 6 9 . Manuel, N. I I 1 : 70. Manzoni, A. IV 8 e : 30. Marbach, J . I 6 : 1 6 5 ; I I 6 : 1 8 « a. Marburg. I 6:142. Marche, Olivier de la. I I 3 : 1 8 . Maroon, F. L. IV 1 d : 9. Marées, H. y. I 11:11, 335/6. Marenco, L. IV 4 : 204. Marenholtz, Bertha y. IV 5:491.

(4)36

Sachregister. Marggraff, H. IV 10:91. Margites. IV 10:32. Margueritte, P. I 12:306. Maria, Landgräfin v. Hessen. I 6:236. — Gräfin v. Schaumburg-Lippe. IV 7:15. — Prinzessin y. Weimar. IV 8 b : 13. — Ludovika, Kaiserin y. Oesterreich. IV 8b:45; 9c:25. — Pawlowna, Grossherzogin T.Sachsen. IV l a : 4 1 ; 8b:41. — Theresia, Kaiserin. I 6:99, 152, 225, 234. — -Laach. I 4 :503. Marienbad. IV 8 b : 51. Marienburg. II 1:31. Marienlegenden. I 5:167. Marienmirakel. II 4:1. Marienthal (Bnchdruokerei). I 3:83. Marino, G. 1112:38. Marionettenspieler. III 4:41. Marivaux, P. Ch. de. IV 10:99. Marlowe, Chr. III 4 : 40; IV 4 : 220; 10:88. Marmontel, J. F. IV 2 a : 10, 73. Marnef, de. 1 3 : 8 6 . Marot. IV 2a:20. Marper, P. J. 1113:7. Marquardt, Otto. IV lc:8S. Marschner, H. IV 2b:70. Marterln. 1 5 : 302,304. Martial. III 2:34; IV 9 c : 20. Martin, E. I 7:64. Martini, J. Chr. 1113:16. Martinstag. I 4:65. Mari, K. IV 5:133, 507, 560/2. Masenins, J. III 4:24. Masins, H. IV 5:494. Massmann, H. F. I 6:131; IV 1 c : 151. Massov, v. (prensB. Minister). 1 6:167. Materialismus. 1 8 :126; IV 5:44-53, 239 Mathematik. I 6:173/5; II 1:107/8. Mathesius, J. II 1:88, 138 ; 6 :149-51. Mathias, Kaiser. II 1:153. — König v. Ungarn. IV 2a:53. Matrikeln (s. auch Schülerverzeichnisse). I 4 : 95/7, 106, Aachen 1 6:89. Basel I 6:89. Freiburg i. B. I 6:102. Giessen I 6:105. Heidelberg I 6:115. Kassel I 6:106. Matth&i, A. IV l a : 1 7 ; 2a:22. — C. I 13:92. Matthisson, Fr. y. I 6:61; IV l a : 2 ; l c : 21, 69, 124,157 ; 2 a : 1, 72(3, 75; 5:351, 618; 7:15; 8b:48. Mau, J. 117:38. Manoh, J. M. I ll:302a/3. Mauke, J. M. IV 9:22. Maupassant, G. de. I 12:288, 301, 316. Maurenbrecher, W. IV 5:329. Manrer, K. y. I 1:119; IV l c : 9 0 . Mauthner, E. IV 4 : 265. Max, Gabr. I IL: 381; IV 8e : 85; 10:140. Maximilian I., deutscher Kaiser. I 3 : 7 5 ; 11:434; II 1:19, 36, 54/5,161. — II., Kaiser. II 1:1, 44/5, 61. — II., König y. Bayern. I V l c : 4 0 , 145. — Herzog y. Bayern. II 1: 153; III 1:122. — Erzherzog. IV 2a:74. Maxwell, P. I V l d : 3 9 . Mayer, Aug. IV 2 b : 7. — K. IV 2b: 7; 10:106. — Manfr. 111:96. — Bob. IV 5 : 453. — Steph. IV 4:406. Mayferth. I 6:20. Mayr, Chr. IV 10:68. Mayrhofen IV 1 c : 124. Meckenem, J. van. I 11: 416. Meckhart, J. II 6:188. Mecklenburg. 1 3 : 2 1 7 ; 4:106, 207a, 211, 222, 342; II 1:86, 162(3; III 1 : 16, 23, 136. Medailleure. 1 11:445a. Medea-Stoff. IV 4 : 200. Medici, Cosimo de. 13:186. Medizin, Geschichte d. I 4 : 278/9; II 1:104; IV 5:461/9. Meerheimb, B. v. I 12 : 248. Mehlmann, M. IV 2 b : 3. Meier, Joach. I 6 : 238. Meinung, öffentliche. I 4:128. Meisl, J. IV 4 :189.

Meisner, Balth. III 5:22. — H. IV 10 :104. Meissen. I 4 : 238. Meissner, A. IV l a : 1 5 ; 1 c:81 ; 8 a : 151. Meister, W. I 11 : 415. Kelsterbacher. I 3 : 73. Meistergesang. II 1 : 7 ; 2:17-27; IV 6:25. Meisterlieder. I 3:97/8; 10 : 32, 37; III 3:12. Meisterlin, Sig. H 7 :13. Meistersinger. II 2:22. Melanchthon, Ph. 1 3 : 38, 247 ; 4:105; 6 : 34, 107, 116, 176, 248; II 1:66, 140,155,158,172/3 ; 6:16, 41, 47,59, 111-23,148, 176, 179. 18»a; 7 : 20, 31, 46-51 a, 62/3; III 1 :110. Melissus, P. II 1:172. Melusine, D. schöne. III 3 : 1 ; IV 10:41. Memel. I 4:311. — J. P. de. m 3 :10; 5 :16a. Memmingen. III 1:21. Memoiren. IV l c . — — Musikgeschichtliche. I 13: 35. Menagius, Philemon, m 5:5. Mendelssohn, M. I 12:11; IV l a : 2 3 ; lo:65/6; 5:35, 284. Bartholdy, F. I 13 : 101/4; IV 2 b : 3. Mendez, M. IV 2 a : 34. Mengering, A. III 5:5. Menge, K. IV 6:33; 8a:59; 10:45. Menius, Just. II 1:173. Menke, B. III 2:32; IV 2 a : 8 . Menlishofer. II 7:36. Mensing, J. II 6:13. Mensuralmusik. I 13:62. Mentzel, Elisabeth. IV 9:11. Menzel, A. I 11:354; IV 2b:70. — Wolfg. III 5 : 1 1 ; IV 2 b : 39. Mercier, L. 8. IV 8e:88; 9:143. Merck, J. H. IV 5:533 ; 8b-.26. Mercure de France. IV 4:6. Mereau, Sophie. IV l a : 2 ; 2 a : 2 / 4 ; 10:7, 63)6 (s. a. Sophie Brentano). Merlan, M. I 11: 274. d. Jüngere. III 1:124. Mérimée, P. 112:309; IV 4 : 204 ; 10:5. Merk, Johanna Elisabeth. IV l a : 4 2 . Merkel, Garlieb. IV 1 c : 69. Merz, Severinus. I 6:224. Mesmer, Fr. A. IV 5:78. Mesnage, J. (Drucken. I 3:86. Messersohmid, G. II 3:38. Messkirch, Meister y. I 11:228. MeBsrelationen. I 3:154. Metagrammatik. 1 6 : 9 . Metaphorische, D. I 12:78, 107, 190 ; IV 5 : 233/4. Metaphysik. I 12 : 23, 74. MetastaBio. P. A. D. B. IV 2 a : 2 3 ; S e : 30. Methode, Literarhistorische. IV 9:164. — d. Poetik. 112:144/6. Methodik. 1 1 : 1 - 7 5 ; 6:8-15, 20, 61, 69, 73. Methodologische Schriften. I 7:1-53. Metrik. 1 5:2, 265; 12:31, 33, 113a. Metternich, C. W. Fürst I 6:146; 13:109; IV 10:29. Metz. II 1:43. Metzgersprung. I 4:63. Metzler, J. 1 6 : 205/6. Meurer, M. 112:58. Meusebach, K. H. G. Frhr. y. IV l c : 159; 2b: 99. — Karoline. IV 2 b : 99. Meuse], J. G. I V l c : 6 6 . Meyins, D. III 1:118. Meyer, F. H. IV 8 b : 2. — F. J. L. IV 9 :143. — F . K . IV 8 b : 50. — F. W. L. IV 4:20, 446. — Hugo. IV l d : 6 3 ; 8b:21. — K. F. I 7:110; IV l d : 7 6 ; 5:545. — Meloh. IV 1 c : 81, 90, 147. — Bich. M. IV 10:11. — S. H. IV 8 d : 5 . — v. Knonau, G. L. IV l c : 4 2 . J. L. 1U 5:64. Meyer beer, G. IV 1 o : 95,157 ; IV 4:80. Meysenbug, Malvine v. IV 5:170/1. Michaelis, Göttinger Professor. 1 6 :108. Miohelangelo. I 11:196; 12:101a. Miohelet, J. IV 5 :18, 215/6; 10:5. Michiele, P. III 2:38.

Mignanelli, F. II 1:140. Mignet, L. IV 11: 28. Milieu. I 1:62-75; 12:26a-26c. Militärbildungsanstalt s. Schulen. Militärzeugnisse. I 6 :166. Militarismus. I 4 : 573/4. Miller, J. M. IV l c : 1 2 4 ; 2a:33, 35. Million, Achille. IV l d : 8 . Milow, St. IV l a : 17. Milton, J. IV 1 d : 68; 8e : 78. Mimik. IV 4:118, 321, 341, 354, 477. Minnehöfe. I 4 :120. Minnelieder. I 7 : 49. Minnesang. IV 2 a : 35. Minor, J. IV 10:9, 12/3, 41, 104. Minoritenkloster. I 6 :107. Minucci, Minutio. II 1 :146. Miquél, J. IV 5 : 606. Mirabeau, V. K. y. IV l e : II. Mirza Schaff/ s. Bodenstedt, F. Misohler, E. IV l a : 34. Mitleid u. Furcht. I 12 : 11, 149, 220. Mitteldeutsch. II 4 : 4. Mittelfranken. I 5 : 31. Mitterwurzer, Fr. IV 4 : 428. Mnioch, J. J. IV 2 a : 1 ; 1U : 68. Mooenigo, A. II 1 :148/9. Mode. I 4 :173, 264/7, 350; II 1:138. Moderne, Die. IV 4 :113-69, 317-23, 354, 375. — u. mittelalterliche Auffassung d. Natur. 1 12 ; 3. Modersohn, J. II 7 :30. Möbius, E. IH 4 : 46. — M. IV 4 : 306. Möhring, F. I 13 :147. Möller, A. 1 8 : 5 7 . Mörike, E. I 12:194, 206; IV 2a:2/4; 2b : 8-18, 17. 119; 5 : 513; 10 : 40. Moers. 1 4 : 407: 11:93. Mörsperg, A. v. I 4:122. Möser, J. I 6 : 252; IV l a : 3; 8b:28. Mohrungen. IV 7 : 1. Moleschott, J. IV 5 : 465. Molière, J. L. P. I 10:41; 1 2 : 1 5 c ; III 4 :19; IV l d : 22/4; 4 : 33, 102; IV 9 : 11; 10: 99. — in Deutschland. III l : 140. Moltke, Graf Helm. v . I V l c : 6 4 ; ö : 4 5 2 , 605 ; 2b:28. Mommsen. Th.IVIo:145;5:299, 311/4. Monodrama. I 12 : 247/8. Monolog. I 12 :228, 247. Montaigne, M. E. de 112:74; II 1:90; IV 4:202. Montalyan, J. P. de. III 4:15. Montanus, Jak. II 7:30. Montesquieu, Ch. de. IV 5:2. Monumenta Germaniae Paedagogica. I 6:239. Moral n. Naturalismus. I 12 : 284/5. Moralit&ten. II 4:1, 37. Morawski. II 7:72. Morois, Th. II 7:32. Morf, H. IV 1 d : 25. Morhard, U. (Buchdrucker). I 3:72. Morhof, D. G. 1112:37; 4 : 1 ; 5:48. Moritz, Kurf. y. Sachsen. I 11:121 ; II 1:42. — v. Nassau, I 11:256. — K. Ph. I 12:15b; IV l c : 6 9 ; 5 : 409-10; 7 : 5 ; 8e:39. Morlage, H. II 7 :30. Morone, G. II 1:140/1, 145/6. Morpnrgo. I 10:14. Morré, E. IV 4:269. — Karl. IV lo:86. Morrison, A. I 3:60. Morus, Th. 110:30 ; II 1:128 ; III 2:15. Moscheles, J. I 13:97. Mosoherosch, J. M. I 6 : 238; III 5:5, 9-11 22 Mosen,' Juì. IV 1 c : 73/4, 157 ; 1 d : 32 ; 4 : 467. Mosenthal, S. H. v. IV 1 c : 157 ; 1 d : 32. Moser, F. K. v. IV 5 : 532. — G. y. IV 4:106, 110/1, 355. Mosheim, J. L. ». III 5:61. Motherby, Johanna Charlotte. IV 1 c : 22; 10:18/9. — William. IV 1 c : 22. Motley, John Lotrop. IV lc:35/6. Mouches. I 4 : 267. Mozart, W. A. I 13:62/6; IV 4:215. Mnokenkrieg. 1 3:125. Mfthlbaeh, Luise. IV 5 : 373. Mfihlheim a. d. Ruhr. I 11:93. M&hlpfort, H. 1112:39.

Sachregister. Möllenhoff, K. I 2 : 1 ; II 7 : 6 . Müller, Adam. 1V 5 : 2 1 0 ; 8 b : 21; 10 : 68, 99. — F. (Maler). I 1 2 : 1 6 5 ; IV 1 b : 1 6 a ; 4:16. - F r . IV 2 b : 102; 9 : 1 6 4 . — Fr. von. IV l a : 4 1 ; 8 b : 1 7 a . — Heinr. I I I 5 : 22. — Hieronyra. IV l d : 9 0 . — Joh. (Mathematiker). II 1 : 1 0 9 . — Job. v. I 6:173/5; IV l a : 2 2 ; l c : 69,115,124,133,158; 4 : 2 0 2 ; 5 : 293/6, 299 * 7 : 1 5 — Job. Gg. IV 1 o : 124, 133. — L. K. I 11:337/8. — Mai. I 2 : 50/1. — Niklas. IV l a : 1 6 . — Willi. IV 2 b : 15, 20. - - S t r u b i n g , H. IV 5:373/5. Müllersche Truppe. IV 2 a : 63. Müllner, A. G, A. IV 1 c : 137; 1 d : 3 ; 4 : 2 0 2 , 375. Münch - Bellingb&usen, E. Frhr. v. ( = Halm, F.). IV l o : 83, 140; 1 d : 4 ; 2 a : 3 3 ; 4 : 1 0 0 , 231/3, 473. Minchen. I 4 : 4 5 8 / 8 u ; 1 1 : 1 4 3 5, 197, 254; IV 2 a : 62. Münchener Dichterschule. IV 1 c : 81, 87-90. Münchhansen, G. A. Frhr. v. IV 2 a : 34; 1 0 : 5 0 . Münster (Stadt). 1 1 1 : 1 0 2 . — (Dom). 1 1 1 : 1 2 4 . — Seb. I 5 : 240; I I 1 : 9 8 ; 6 : 1 7 2 . Münzer, Th. II 6 : 1 7 9 , 181. Mnffat, Georg. I 1 3 : 70. — Gottl. I 1 3 : 7 0 . Mnltscher, H. I 1 1 : 2 3 2 . Muncker, Fr. IV 2 a : 5 , 11; 6 : 1 1 . Mundarten (s. a Dialekte). I 5 :16, 38. 44; 7 : 9 5 ; 8:12-28,78-83,109-14,130. Mundartliches. I 7 : 95. Mündt, Th. IV 5 : 373. Muralt, B. y. IV 5 : 3 0 . Murmellius, J . II 7 : 29-30. Murner, Th. I 1 1 : 2 3 7 ; II 1 : 8 8 ; 3 : 40 : 7 : 4 2 . Musäus, J . K. A. IV 1 a : 27; 2 a : 6 7 ; 5:23. MuBcnlns, Andr. I I 6 : 1 1 9 ; I I I 5 : 5 . — Wolfe. I I 6 : 1 8 8 . Mnsenalmanaohe. IV 1 d : 17/8; 2 a : 2/4, 81, 77. MnBeum. IV 2 a : 8 1 . -(Amsterdam). 111:413. Musik. I 3 : 1 2 7 ; I I 1 : 7 ; l.V 4 : 201/2, 215. — in d. Dichtung. 1 1 3 : 4 1 . — beim Gottesdienst. I 6 : 5 8 . — u. Foesie. I 12 : 4, 66, 74. 91/5 b. n. Theaterausstellung. I 1 3 : 1 8 ; IV 4 : 4 1 7 . Mnsikalienbibliotheken. I 3 :190/2. Musikalienhändler. I 3 : 266 a, 267. Mnsikbibliographie. I 13:1/3. Musikdrama. 1 1 3 : 1 0 1 . Musikdruck. 1 3 : 8 2 . Mnsikerbiographien. 1 13:37/8. Musikerinnen. I 1 3 : 4 0 . Musikgeschichte. I 13. — IV 2 a : 103. Musikinstrumente. I 13 : 27-30. Musikkritik. 1 1 3 : 4 - 1 3 . Musiklexika. I 13:31/3. Musikphilosophie. 1 1 3 : 4 - 1 3 . Musiksammlungen. I 3 : 1 9 2 . Müsset, A. de. I 1 2 : 2 8 7 ; IV l d : 2 6 ; 10:5. Mutian. I 3 : 2 4 5 ; I I 1 : 1 7 5 ; 7 :24/5. Myconius, F. I I 1 : 1 4 0 ; 6 : 1 3 1 / 2 ; 7 : 51a. Mylius, J . 1 1 7 : 6 2 / 3 ; I I I 4 : 1 2 ; 1 V 6 : 1 3 . Mysterien. I I 4 : 1 . Mystik. I I I 5 : 2 0 a. Mystiker. I I 1 : 8 5 . Mythologie. 1 5 : 5 / 9 ; 6 : 7 8 / 9 ; 7 : 1 0 2 ; IV 2 a : 2 7 . N., Elise t . IV 8 d : 19. Nachahmung. I 12:73/4, 91/3, 111/la. Nachtgall, 0 . I I 6 : 2 3 ; 7 : 3 6 , 42, 44. Nachtjäger, in schlesiscben Sagen. I, 5:139. Nackturalismus. I 12 : 366. Nägelsbach, K. F. 1 6 : 9 4 . Näke, G H. IV 8 e : 85. Nahrungs- u. Genussmittel. I 4:275/7. Naive, D. IV 4 :134. Namen. 1 5 : 339, 360/2, 369, 376.

Namengebung. I 5 : 3 5 6 - 7 9 . Namenkunde. I 5 : 367. Naogeorgus, Th. 1 1 0 : 3 5 : 11 1 : 8 4 ; 7:62/3. Napoleon I. I 11:329-30 ; IV 1 c : 13, 20, 2 2 . 3 6 , 1 3 3 ; 2b : 7; 8 b : 16 b, 17 » : 8 e : 4 6 ; 1 0 : 3 9 , 79; 1 1 : 4 7 . — III. IV 1 c : 19. Nardelli, G. IV l d : 7 5 . Nas, J . II 1 : 7. Nast, Louise. IV 10 : 5S. Nathusius, Marie. IV 1 c : 75. — Ph. E. IV 1 0 : 9 1 . Nationalcharakter. I 1 : 1 4 0 ; 4:147-52. Nationale Kunst. I 1 2 : 3 , 134/5 a, 267. Nationales Leben im 17. Jh. I I I 5 : 1 . NationalgefQhl, Deutsches. I 4:153/8. Nationalhymne. IV 2 b : 102. Natorp. I 6 :55. Natur u. Kunst. I 1 2 : 3 , 68-73. Naturalismus. I 1 : 1 2 5 , 134; 1 2 : 5 7 , 91/8, 123, 171/3, 228, 250-424. — Begriff d. I 12:250-83. — Französischer. I 12:304-29. — Russischer. I 12: 329-41. — Skandinavischer. I 12:342-77. Naturalisten, Deutsche. I 12:397-423. Naturgefühl. 1 4 : 1 2 4 ; 12:H>8, 110. Naturgeschichte. I 6:173/5. Naturschilderungen. IV 2 b : 119. Naturschöne, D. I 12:108-10. Natursinn. I 1 1 : 2 . Naturstudium. I 12 :1/3, 55. 58/9. Naturwissenschaften. I 3 : 2 9 . Natzmer, Gertraud v. IV l c : 6 4 . Naubert, B. IV 10:71. Nauclerus, G. I I 7 :36. — J . I I 7 : 36. Nauen. I 4 : 3 3 9 . Naumburg. I 3 : 245; 11:248. Nausea, F. I I 1 : 6 0 , 140; 6 : 3 5 . Nauwerk, Th. IV 8 e : S 5 . Neander, J . A . W . IV 1 c : 102,138,159 ; & : 322. Neft, T. v. 1 1 1 : 3 2 5 Nehrlich, G. IV 8 e : 8 5 . NeiÜhardspiel. I I 4 : 1 . Nein. I 1 0 : 4 3 . Nekrologe. I 12:22/6 d. Neuenbürg. I 4 : 2 1 0 . Nessel (Buchdruckerei). I 3 : Sil. Nessler, V. IV 2 b : 102. Nestroy, J . IV 4:187/8, 191/7, 424. Neuberin, Friederike Uuroline. I I I 4 : 4 1 ; IV 2 a : 63. Nenffer, Chr. L. IV l a : 2 . Neufzer (Marionettenspieler). III 4 :41. Neuhauss, H. J . v. II 2 :37. Neuigkeitsverzeichnisse. I 3 : 270. Neujahrsbräuche. I 5:63/4. Neujahrswünsche. 1 4 :55. Nenkirch, B. III 2 : 3 9 ; 5 : 1 5 . Neulateiner. I I 7. — I l 1 : 8 6 . Neumann-Hofer, 0. IV 1 0 : 7 0 . Neumarck, G. III 2 : 2 4 . Neumark. I 4 :319. Neumarkt, J . v. II 7 : 6 . Neumeister, E. III 2 : 3 9 . — J. I 3:91. Neuplatonismus. 1 1 1 : 9 3 . Neuromantiker,Französische. IV l d : 2 7 . Neu-Weimar. IV I a : 4 1 . Nibelungen. I 7 : 6 , 8 , 3 3 ; 13:136/8; IV 4 : 242, 246/7; 1 0 : 7 1 . Nibelungenlied. IV 1 c : 47, 69, 83,126 ; l d : 28; 8 d : 4 ; 1 0 : 3 9 . Nibelungenvers. I 1 2 : 3 1 . Nicolai, F. IV 1 c : 25, 66, 133; 2 a : 22; 5 : 23, 607 ; 6 : 1 3 , 41; 1 0 : 4 1 . — 0. I 13 :102/4. Niebuhr, B. G. IV 1 a : 2 2 ; l c : 1 5 9 ; 5 : 298. — M. IV 2 b : 104. Niederdeutsch. 1 8 : 9 , 11, 19, 33, 68; I I 3 : 6 , 15; 4 : 4 . Niederländisch. II 3 :18/9. Niederlagsrecht. I 4 : 2 5 1 . Niederlande. II 1 : 1 . Niedersachsen. I 5 : 4 5 . Niemann, A. I 12:302. — -Seebach, Marie. IV 4 : 4 2 6 . Niemeyer, A. H. I 6 : 4 4 , 55, 76. Niesser (Schauspieler). IV 4 : 406. Niethammer, Familie. IV 9 :12. Nietzsche, F. I 12 : 269, 302, 316, 378-96; IV 2 b : 1 ; 4:134/5; 5 : 1 5 1 , 170-97, 199, 223, 299, 322, 445, 634. Nigg, Marianne. IV l a : 3 7 .

Niggel, A. 1 1 2 : 2 1 . Nigrinus, G, I I 1 : 7 . Nikolaus I., Papst. II 6 : 1 2 . — V„ Papst. 1 3 : 1 8 6 . — 1., Kaiser v. Kussland. IV l c : 4 7 ; 8b :52a. Niobe. IV 2 a : 69. Nissel, F. IV 4 : 272. Nithart, H. 1 1 4 : 1 0 . Nitzsoh, K. W. II 1 : 1 3 . Nodier, Ch. I V l d : 1 2 . Nodnagel, A. IV I d : 4. - (Philologe.) IV 1 c : 137. Nöttel. I 7 : 1 8 . Nonnenlieder. IV 2 a : 3 5 . Nordau, M. I I i : 101b, 160/1, 388-96; 5:633/4; 10:70. Nordböhmen. 1 1 1 : 1 1 3 , 1 6 6 . Nordhausen. IV 2 a : 8 5 . Nordhoff, J . B. I 1 1 : 9 4 . Normative Aesthetik. I 1 2 : 5 5 , 57. Nornen. I 5 : 1 4 5 . Norwegen. IV 9 : 1 3 2 . Nostiz, K. v. 1 4 : 1 9 9 a . Noten. I 1 : 4 4 , 111. Notendrucker. I 3 : 8 2 . Notter, F. IV 2 b : 17; 10 :125. Novalis s. Hardenberg, Fr. v. Novelle. 1 7 : 1 3 9 : 12 : 248/9. Novellenstoffe. I 5 : 220a. Nürnberg. I 4 : 90, 93, 456, 459 ; 6 : 134; 11:151, 168. 188; I I 1 : 3 2 , 43, 132; III 1 : 2 2 ; IV 1 1 : 2 0 . Nuhn v. Hersfeld, J . II 3 : 8 8 . Nuntiaturberichte. I I 1 : 7 , 45, 140/1, 145/6; 6 : 3 5 . Nyrop, Kr. I I I 4 : 8 . Nysäus. I I 7 : 5 . Oberbayern. I 5 : 1 1 0 ; 11:85/6. Oberdeutsch. I 6 :154. Obereit, J . IV 5 : 30. Oberland I 1 1 : 9 3 . Oberlin, J . Fr. IV 5 : 255. Obermerohthal. I 11 :147. Oberrhein. I 4 : 2 1 9 . Obersehwaben. I 11:108. Objektivität. I 1 : 1 5 , 31/8, 149-50,170. Ooco I. II 7 : 4 3 . — II. 1 1 7 : 4 3 . — III. 1 1 7 : 4 3 . Ocoultisiuus. I 4 : 1 8 3 / 5 : II 3 : 2 8 / 9 . Ochino, B. I I 6 :173. Ode. I 1 2 : 4 ; IV 2 a : 2 0 . Odenwald. I I I : 91. Oderschiffahrt. I 4 : 252. Oechelhäuser, W. IV l o : 127; 4 : 3 7 0 . Oedenhofer, Th. II 7 : 1 3 . Oeglin, Erh I 3 : 8 2 . Oehem, Gallus. I I 7 : 1 7 . Oehlenschläger, A. IV I d : 3 ; 1 o : 69 ; 2 b : 109. Oekolampad, Joh. II 6 : 1 4 , 169; 7 : 4 2 . Oelzelt-Nervin, A. I 1 2 : 1 0 1 c . Oeppmüller, R IV 8 a : 164. Oesterley, B. I 11:340. Oesterreich. I 11:106-16; IV l a : 3 2 . 37. Oiorpati. I 5 :17/8. Oken, L. IV 5 : 2 1 0 . Olbrich, C. IV 8 a : 106. Oldeoop, J . I I 1 : 7 ; 3 : 8 9 - 9 0 ; 6 : 25, 96. Oldenburg. I 3 : 1 8 0 ; 6 : 6 6 ; 1 1 : 9 5 . Olfers, Hedwig v. IV 2 b : 20/7. Omiohius, F. II 1 : 8 6 . Oper. I 1 2 : 2 3 9 - 4 2 ; 13 : 58-60. In: Italien 1 3 : 1 2 7 . Karlsruhe IV 4 : 402. MünohenlV 4 : 4 0 4 . Operette. I 1 3 : 5 8 . Opitz, M. I 1 : 1 0 6 ; 6 : 2 0 5 / 6 ; I I 2 : 2 6 ; I I I 2 : 6, 32, 37, 39, 45; IV 2 a : 8. Oporin, J . 1 3 : 2 5 1 / 2 ; I I 1:136/7 ; 7:62/3. Ordalien. I 5:17/8. Orden, Geistliche. I 4 : 498-513. Organist. 1 6 : 1 6 4 . Orgel. I 11:161. Orlando di Lasso. I 1 3 : 6 3 . Orleans. 1 1 7 : 1 2 . Orthodoxie. I I 1 : 1 . Orthographia germanica. I 6 : 3 4 . Orthographie. 1 6 : 1 7 1 ; 8:70/4,108,127,9. Ortsnamen. I 5 : 367; 370/1 a, 372, 375/7. Osann, F. IV l o : 9 4 : 8 b : 2 . OscherBleben. I 11; 99. Oser, Fr. I V l d : 1 0 . Oslander, A. 1 1 6 : 1 3 5 . — L. I I 6 : 1 5 6 ; I I I 5 : 6 . Osnabrück. 1 4 : 366.

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Sachregister. Ossian. IV 2 a : 24, 28, 38 ; 81): 26; 8 c : 7. Osterbräuche, in d. Österreich. Alpen. I 5 : 5 3 a, 57/9. Oaterfeuer. I 5:53. Ostern. I 5 : 5 7 ; 10:45. Osterspiel. I 5:59. In Redentin. II 1:86; 4:1. Ostfalen. II 4 : 4 . Ostfriesland. 1 4:260, 263a, 362,4a. Ostmann, Ott. II 2:81. Ostprenssen. 1 4 : 3 1 0 : 1 1 : 9 8 . Otte, Ch. H. IV 1 c : 102. Otter, Jak. II « : 165. Otterwolf, F. Frhr. v. IV 4 ,1. Ottheinrich, Pfalzgraf bei Rhein. I I 1:167. Otto mit d. Barte, Kaiser. I 5 :152. — .König T. Griechenland. IV l c : 1 5 . — Truchsess, Bischof v. Augsburg. II 1:45. — v. Augsburg. 117:62/3. Ottobenren. 1 6 : 8 8 . Otway, Th. IV 4 : 200. Overbeck, C. A. IV l a : 2 3 . — W. IV 10:45. Overberg, B. I 6:55/6; IV 5 : 477. Ovid. II 4 : 10; IV 2 a : 10, 34, 62; 8 c : 14, 17/8. Owen, J. 1112:34. Oxenstierna, A. Graf v. I 6 : 2 0 ; III 1:20. Paalzow, K. F. IV 2 a : 2/4. Paar, L., Graf; I 3 : 61/8; IV 8b:4/5. Fächer, M. I 11: 244. Paohler, Faust IV l a : 33. Paderborn. I 11:125. Pädagogen, Einzelne. I 6 :16-83. — Katholische. I 6:55/9. P&dagogik. I 6. — I 1 2 : 7 4 , 81/4: III 5 : 48-50. Pädagogium s. Schulen. Päderastie. II 1 : 32. P&sse. I 4 : 303. Paisiello. G. IV 2 b : 20. Pajon, H. IV 4 : 7. Palacio, Manuel del. IV 1 d : 93. Paläographie. I 3 : 1/4. Palleske, E. IV 1 c : 147; 4 : 467. Palm, E. IV 8 a : 17. — F. IV 10 : 79. Pal8grave, J. II 4 : 37. Pamphlete. II 1 :1. Pandszen, A. IV 4 : 377. Pantheismus. IV 2b : 112. Pantsohätantra. I 5 : 220 a. Papier. I 3 :50. Papierfabrikation. I 4 : 226. Papistenbuch. I 5 : 12. Pappenheim, G. H. zu. III 1 : 2 8 . Parabeln d. Meistersinger. II 2 : 22. Paracelsisten. I 3 :124; II 1 : 1 7 6 . Paracelsns, Th. II 1 :105.6, 178 ; 6 55; IV l d : 3 ; Se:107. Paris. I 11 : 439. — E. I I 1 : 11. — Gaston. I 10 :14. Paris. J . I 3 : 90. Parnaesiens. I V 8 e : 8 0 . Parodien. IV 4 : 38; 5 :185. Parthey, G. F. K. IV 2 a : 100. Partikularismus. II 1 : 61. Paseionsmusik. I 13 : 72. PassionBspiel (s. auch Drama) in H&ritz. III 4 : 36; IV 4 : 282/4. — in Oberammergau. III 4 : 37. Pastor, L. I I 1 :10. Patak. 1 6 : 3 1 . „Patriot, D." III 5 : 49. Patriotismus. I 7 : 92. Patronendruck. I 3 : 82. Paul III., Papst. II 1:147. Pauli, J . I I 1 :88; 3 : 51; 6 :100. — R. IV 5 : 337. — Th. II 3 : 56. Paulsen, F. IV 5 : 228-30. — Karl. III 4 : 34/5. — 0. A. IV 4 : 377. Paulus Diakonus. IV 10 :125. — Ed. IV 2 b : 18/9; 10:145. — N, II 1 : 9 5 ; 6 : 3 3 — Orosius. IV 10 :132. Pegnitzschäfer. III 2 : 26; 5 : 3. Pelargus, A. I I 6 :14, 134. Pellikan, K. II 1 : 1 7 0 ; 3 : 71; 6 :171. Pensionat provisoire. I 6 :179. Penthesilea-Sage. IV 4 : 60.

Percy, Th. IV 1 d : 57; 2 a : 34; 4 : 70. Pereira-Arnstein, Frau v. IV 2a : 100. Peretz, W. I 10 :13. Perfall, G. Frhr. v. IV 4 : 371, 404/5. Pergamenter. I 3 : 88. Perikles. I 12 : 379-80. P