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German Pages 272 Year 1975
JAHRBUCH FÜR GESCHICHTE
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN D E R DDR Z E N T R A L I N S T I T U T FÜR G E S C H I C H T E
J A H R B U C H FÜR GESCHICHTE
Redaktionskollegium: Horst Bartel, Rolf Badstübner, Lothar Berthold, Ernst Engelberg, Heinz Heitzer, Fritz Klein, Dieter Lange, Adolf Laube, Walter Nimtz, Wolfgang Rüge, Heinrich Scheel, Hans Schleier, Wolfgang Schröder Redaktion: Wolfgang Schröder (Verantwortlicher Redakteur) Hans Schleier (Stellv.) Rosemarie Schumann Redaktionelle Bearbeitung: Rosemarie Schumann, Renate Ulbrieg
JAHRBUCH 1 1 FOR GESCHICHTE
AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1
974
Redaktionsschluß: 15. Oktober 1973
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © by Akademie-Verlag, 1974 Lizenznummer 202 • 100/86/74 Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 752 407 1 (2130/11) • L S V 0275 Printed in G D R EVP: 20,-
Inhalt
Heinz Heitzer
Allgemeines und Besonderes der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR
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Manfred Wille
Der Kampf der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands im Land Sachsen-Anhalt um die Durchsetzung des Befehls Nr. 234 der SMAD vom 9. Oktober 1947 (Zur Vertiefung des revolutionären Umwälzungsprozesses in Ostdeutschland nach dem II. Parteitag)
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Der Kampf der SED um die Durchsetzung des MarxismusLeninismus als die herrschende Ideologie in der DDR (Ende 1949 bis Anfang 1952)
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Die Entwicklung der Arbeiterklasse der DDR beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus als Gegenstand historischer Forschung
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Die bewußte, planmäßige Gestaltung einiger Prozesse der sozialistischen Entwicklung der Arbeiterklasse in der DDR (1948/1949 bis 1955)
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Heinz Voßke
Manfred Bensing
Gottfried
Dittrich
Helmut Griebenow
Die Einwirkung der Arbeiterklasse auf die Herausbildung der Klasse der Genossenschaftsbauern in der DDR . . 213
Albert Behrendt
Probleme der Arbeit des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes beim Übergang zum planmäßigen Aufbau des Sozialismus in der DDR . . . .
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Autorenverzeichnis
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Abkürzungen
BzG DZAP GdA IML/ZPA
Beiträge zur Geschichte der (deutschen) Arbeiterbewegung, Berlin Deutsches Zentralarchiv Potsdam Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin 1966 Institut f ü r Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Zentrales Parteiarchiv JbGsL Jahrbuch für Geschichte der sozialistischen Länder Europas, Berlin JfG Jahrbuch f ü r Geschichte, Berlin MEW Marx/Engels, Werke, Berlin 1956 ff. WZ Berlin Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin WZ Leipzig Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität zu Leipzig ZfG Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Berlin Die Werke Lenins werden nach der 40bändigen Ausgabe des Dietz Verlages, Berlin 1956—1965, zitiert.
Heinz
Heitzer
Allgemeines und Besonderes der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus in der D D R
Die Dialektik von Allgemeinem und Besonderem nimmt in der marxistischleninistischen Theorie und Politik eine zentrale Stellung ein. Ju. A. Krasin bezeichnet sie als eines der wichtigsten Probleme der marxistisch-leninistischen Methodologie. „Sie ist der Schlüssel zur Klärung des Verhältnisses von Grundprinzipien der revolutionären Theorie und Politik und Besonderheiten ihrer Anwendung unter den konkreten Bedingungen der einzelnen Länder und der einzelnen historischen Perioden." 1 Von entscheidender Bedeutung ist die richtige Verbindung von Allgemeinem und Besonderem beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus und bei der Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Ausgehend von den Erfahrungen des sozialistischen Aufbaus in der UdSSR und den anderen sozialistischen Ländern, stellte L. I. Breshnew auf dem XXIV. Parteitag der KPdSU fest: „Die Erfolge beim Aufbau des Sozialismus hängen weitgehend von einer richtigen Verknüpfung des Allgemeingültigen und der nationalen Besonderheiten in der gesellschaftlichen Entwicklung ab. Wir wissen heute nicht nur theoretisch, sondern wir haben uns auch in d e r Praxis davon überzeugt, d a ß der Weg zum Sozialismus, seine Hauptmerkmale von allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten bestimmt sind, die der Entwicklung aller sozialistischen Länder innewohnen. Wir wissen auch, daß sich die Wirkung der allgemeinen Gesetzmäßigkeiten in den verschiedenen Formen offenbart, die den konkreten historischen Bedingungen, die den nationalen Besonderheiten entsprechen. Stützt m a n sich nicht auf die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten und berücksichtigt nicht die konkrete historische Spezifik eines jeden Landes, so ist es unmöglich, den Sozialismus zu errichten. Ohne Berücksichtigung dieser beiden Faktoren ist es auch unmöglich, die Beziehungen zwischen den sozialistischen Staaten richtig zu entwickeln." 2 1
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Krasin, Ju. A., Dialektika obscego i osobennogo v revoljucionnom precesse, in: Rabocij klass i sovremennyj mir, 2 Bde., Moskau 1972, Bd. 2, S. 23. Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees der KPdSU an den XXIV. Parteitag
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Heinz Heitzer
Die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten sind das Hauptsächliche, das Entscheidende und Bestimmende im Sozialismus. Ohne sie k a n n es keinen Sozialismus und folglich auch keine Besonderheiten seiner Entstehung und Entwicklung in den verschiedenen Ländern und Regionen u n d in d e n verschiedenen Etappen des revolutionären Weltprozesses geben. In diesem Sinne erklärte Erich Honecker auf dem VIII. Parteitag der SED: „So ergibt sich f ü r u n s eine völlige Einheit zwischen dem Vorrang der allgemeingültigen Grundsätze f ü r den sozialistischen A u f b a u u n d der Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten in jedem Land." 3 Die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten bringen die notwendigen und wesentlichen Momente u n d Beziehungen zum Ausdruck, die durch Dauerhaftigkeit und Wiederholbarkeit gekennzeichnet sind. 4 Aber w i e alle allgemeinen Entwicklungsgesetze der Gesellschaft treten auch die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus nie in reiner, abstrakter Form auf. Das Allgemeine, sagte Lenin, „ist tot, es ist nicht rein, nicht vollständig etc., etc." 5 Es tritt immer in besonderer F o r m zutage, es w i r d im Einzelnen und durch das Einzelne realisiert. Die Beachtung des Besonderen ist Voraussetzung und Methode zur Durchsetzung der allgemeinen Gesetzmäßigkeiten. Deshalb w ä r e es auch falsch, n u r eine einzige F o r m der Entstehung und Entwicklung des Sozialismus anzunehmen. „Einheitlich in seinem Wesen, in seinen allgemeinen Gesetzmäßigkeiten wird d e r Sozialismus in unterschiedlichen F o r m e n und mit verschiedenen Methoden des Kampfes aufgebaut und nimmt er i n verschiedenen Ländern spezifische Züge an." 6 Sowohl die allgemeine Bedeutung u n d universelle Anwendbarkeit der g r u n d legenden Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus als auch die Spezifik in den Formen u n d Methoden seiner Entstehung u n d Entwicklung erklären sich aus objektiven Gründen. Der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus ist ein objektiver, materiell bedingter Prozeß. Er ist Gesetzen u n t e r w o r f e n , die f ü r alle Länder gleich sind. Die sozialistische O r d n u n g ist in jedem Fall das Ergebnis der revolutionären Ü b e r w i n d u n g des Kapitalismus durch den Sozialismus, das Ergebnis d e r sozialistischen Revolution in dieser oder jener Form. Die Errichtung des Sozialismus in jedem einzelnen Land ist Bestandteil des einheitlichen revolutionären Weltprozesses und w i r d vom Charakter der weltgeschichtlichen Epoche des Ubergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus geprägt. Die entscheidenden Klassenkräfte und die grundlegenden Aufgaben
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der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Referent: L. I. Breshnew, Generalsekretär des ZK der KPdSU, Moskau/Berlin 1971, S. 9 f. Protokoll der Verhandlungen des VIII. Parteitages der SED, 1.—3. Beratungstag, Berlin 1971, S. 41. Vgl. Momdzjan, Ch. N., Das einheitliche Wesen und die Vielfalt der Formen der Herausbildung des Sozialismus, in: Sowjetwissenschaft, Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge (im folgenden: Sw), 1972, H. 8, S. 801. Lenin, W. I., Werke, Bd. 38, S. 267. Momdzjan, in: Sw, 1972, H. 8, S. 804.
Allgemeines und Besonderes
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beim Übergang zum Sozialismus u n d bei dessen A u f b a u s t i m m e n in den einzelnen Ländern im wesentlichen überein. Die Besonderheiten in d e n Form e n und Methoden erklären sich in hohem M a ß e -daraus, d a ß „die einheitliche welthistorische A u f g a b e in einer Gesellschaft gelöst [wird], die historisch durch nationale und staatliche Grenzen getrennt ist. Die soziale Revolution des Proletariats geht u n t e r Bedingungen vonstatten, die durch nationale Besonderheiten, durch Unterschiede im Stand der politischen und ökonomischen Entwicklung, durch einen unterschiedlichen Reifegrad der Voraussetzungen f ü r den Sozialismus u n d des Begreifens der revolutionären A u f gaben der Epoche durch die Massen gekennzeichnet sind." 7 Diese objektive Dialektik wurzelt in der Entwicklung des Kapitalismus, der historisch letzten Ausbeuterordnimg, die gesetzmäßig vom Sozialismus abgelöst wird. Als Lenin in seinem Werk „Staat und Revolution" die geniale Marxsche Entdeckung von d e r Entwicklung u n d Ablösung der ökonomischen Gesellschaftsformationen auf den Übergang zum Sozialismus anwandte, stellte er fest: M a r x „studiert — wie einen naturgeschichtMchen Prozeß — die Geburt der neuen Gesellschaft aus der alten, studiert die Übergangsformen von der alten zur neuen" 8 . Und weiter: „Auf Grund welcher Unterlagen a b e r k a n n die Frage nach der k ü n f t i g e n Entwicklung des k ü n f t i g e n Kommunismus a u f geworfen w e r d e n ? Auf G r u n d d e r Tatsache, daß e r aus dem Kapitalismus hervorgeht, sich historisch aus d e m Kapitalismus entwickelt, das Resultat der Wirkungen einer gesellschaftlichen K r a f t ist, die d e r Kapitalismus erzeugt hat." 9 Einerseits nimmt i m Kapitalismus die Bedeutung des Allgemeinen gegenüber allen f r ü h e r e n Gesellschaftsformationen wesentlich zu. 10 Der kapitalistischen Formation sind in allen Ländern u n d als Weltsystem übereinstimmende Wesensmerkmale eigen. Der Kapitalismus sprengt d i e nationalen Schranken. „Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch g e s t a l t e t . . . A n die Stelle d e r alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit u n d Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander", schrieben M a r x u n d Engels im „Kommunistischen Manifest". 1 1 Die mit der kapitalistischen Produktionsweise v e r b u n d e n e Tendenz der Internationalisierung grundlegender gesellschaftlicher Prozesse u n d Beziehungen, be7
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Krasin, in: Rabocij klass i sovremennyj mir, Bd. 2, S. 25. Siehe auch Pilipenko, N. W., Allgemeine Gesetzmäßigkeiten des Aufbaus des Sozialismus und Besonderheiten ihrer Erscheinungsformen in den verschiedenen Ländern, in: Einheit, 1973, H. 5, S. 532, 535. Lenin, W. 1., Werke, Bd. 25, S. 438. Ebenda, S. 471. Cistozvonov, A. N., Über die stadial-regionale Methode bei der vergleichenden historischen Erforschung der bürgerlichen Revolutionen des 16.—18. Jahrhunderts in Europa, in: ZfG, 1973, H. 1, S. 34. MEW, Bd. 4, S. 466.
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Heinz Heitzer
sonders auf ökonomischem Gebiet, setzt sich im monopolistischen Stadium des Kapitalismus verstärkt fort. Die Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus ist deshalb „ein gesetzmäßiger welthistorischer, internationaler Prozeß, f ü r den allgemeine Gesetze charakteristisch sind, die sich aus der Gesamtheit der Bedingungen und Bedürfnisse der Gesellschaft ergeben, die das höchste Stadium des Kapitalismus erreicht hat". 12 Andererseits gleicht der Kapitalismus die Unterschiede in der politischen und ökonomischen Entwicklung der einzelnen Länder, Völker und Regionen keineswegs aus, sondern vergrößert u n d vertieft sie noch bzw. schafft neue. Das trifft besonders auf das monopolistische Stadium des Kapitalismus zu, in dem das Gesetz von d e r Ungleichmäßigkeit der Entwicklung des Kapitalismus verstärkt wirkt. Die sprunghafte, konfliktreiche u n d wechselvolle Entwicklung des Kapitalismus f ü h r t zur Verschärfung aller seiner inneren Widersprüche, zu einer außerordentlichen Dynamik des Geschichtsprozesses, zu überraschenden Wendungen. Im imperialistischen System bilden sich schwache Glieder heraus, die in der Regel zu B r e n n p u n k t e n des Klassenkampfes und der sozialen Revolution des Proletariats werden. „Jeder Marxist", schrieb Lenin, „ja jeder mit der modernen Wissenschaft ü b e r h a u p t v e r t r a u t e Mensch w ü r d e die Frage: ,Ist ein gleichmäßiger oder harmonisch-proportionaler Ubergang der verschiedenen kapitalistischen Länder zur Diktatur des Proletariats wahrscheinlich?' zweifelsohne verneinend beantworten. In der Welt des Kapitalismus hat es niemals Gleichmäßigkeit, Harmonie oder Proportionalität gegeben noch geben können. Jedes Land hat bald diese, bald jene Seite oder Besonderheit, bald diese, bald jene G r u p p e von Eigenschaften des Kapitalismus und der Arbeiterbewegung besonders ausgeprägt entwickelt. Der Entwicklungsprozeß verlief ungleichmäßig." 1 3 Die Tatsache, d a ß sich der Ubergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in nationalen Formen, im Rahmen einzelner Staaten vollzieht, ist die entscheidende objektive Ursache f ü r die Mannigfaltigkeit der Entstehung und Entwicklung des Sozialismus. Diese Mannigfaltigkeit ergibt sich aber auch daraus, daß sich die allgemeine historische Situation verändert, in der die einzelnen Völker den Weg des Sozialismus beschreiten. Mit anderen Worten: Besonderheiten in den Formen und Methoden der Entstehung und Entwicklung des Sozialismus erklären sich nicht n u r aus besonderen Entwicklungsbedingungen d e r einzelnen Völker und Länder, sondern auch aus den u n t e r schiedlichen Bedingungen, die f ü r die einzelnen Etappen des weltweiten Ubergangs der Menschheit vom Kapitalismus zum Sozialismus kennzeichnend sind. „Auf die Besonderheiten des Übergangs eines Landes zum Sozialismus", heißt es im Lehrbuch „Wissenschaftlicher Kommunismus", „haben auch die äußeren Bedingungen großen Einfluß. Dabei haben das Kräfteverhältnis zwischen Sozialismus und Kapitalismus im Weltmaßstab, die gegenseitige Hilfe der 12 a
Krasin, in: Rabocij klass i sovremennyj mir, Bd. 2, S. 25.
Lenin, W. I., Werke, Bd. 29, S. 297.
Allgemeines und Besonderes
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sozialistischen Staaten und das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Krieges mit anderen Staaten besondere Bedeutung." 1 4 Wir w e r d e n sehen, daß es ohne Berücksichtigung dieser Erkenntnis unmöglich ist, charakteristische Merkmale der volksdemokratischen Revolutionen, d a r u n t e r auch des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in d e r DDR, zu erklären. Bürgerliche Ideologen der verschiedensten Schattierungen richten ihren A n griff vor allem gegen die allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus. Sie leugnen deren objektiven Charakter u n d bezeichnen sie als bloßes Denkprodukt, als „ideologisches Dogma", das d e r Wirklichkeit oktroyiert werde. Im Hinblick auf die DDR wird d a f ü r in d e r Regel der als Diffamier u n g gedachte Terminus „Bolschewisierung" verwendet oder eine „Zwangssowjetisierung" behauptet. 1 5 Die modernen Revisionisten leugnen ebenfalls die objektive Existenz allgemeiner Gesetzmäßigkeiten. Sie verabsolutieren das Einzelne und das Besondere u n d konstruieren „Sozialismusmodelle" f ü r jedes einzelne Land bzw. f ü r G r u p p e n von Ländern. Der politische Sinn dieser Fälschungen u n d Konstruktionen liegt auf der Hand. Sie zielen allesamt auf die Spaltung des sozialistischen Weltsystems und der kommunistischen Weltbewegung, auf die Zersplitterung aller K r ä f t e , die gegen d e n Imperialismus kämpfen. Sie schüren den Nationalismus u n d insbesondere den Antisowjetismus. Im Mittelpunkt aller Angriffe gegen die Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus steht die Leugnung der allgemeingültigen E r f a h r u n g e n der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und des A u f b a u s des Sozialismus in d e r Sowjetunion. Man darf aber auch die G e f a h r e n des Dogmatismus nicht unterschätzen, der aus allgemeinen Grundsätzen ein starres Schema macht u n d die Notwendigkeit negiert, bei der A n w e n d u n g des Allgemeinen i m m e r d i e konkreten Besonderheiten zu berücksichtigen. Dogmatisches Herangehen k a n n zur Isolier u n g von der Arbeiterklasse und von den Meissen f ü h r e n und dem Sozialismus schweren Schaden zufügen. Die reichen E r f a h r u n g e n des realen Sozialismus bestätigen die Allgemeingültigkeit des sowjetischen Vorbilds und beweisen in der P r a x i s den objektiven Charakter der allgemeinen Gesetzmäßigkeiten. N u r auf ihrer G r u n d lage ist der Sozialismus möglich. Alle subjektivistischen „Sozialismusmodelle" und -Utopien haben dagegen die P r ü f u n g der Geschichte nicht bestanden. Die E r f a h r u n g e n zahlreicher sozialistischer Länder bestätigen zugleich, daß eine erfolgreiche Politik der marxistisch-leninistischen Parteien 14
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Wissenschaftlicher Kommunismus, Berlin 1972, S. 228 f. Vgl. Badstübner, Rolf, Die Entwicklung Deutschlands nach 1945 und die Entstehung der beiden deutschen Staaten, in: Unbewältigte Vergangenheit. Handbuch zur Auseinandersetzung mit der westdeutschen bürgerlichen Geschichtsschreibung, hrsg. von Gerhard Lozek, Helmut Meier u. a., Berlin 1970, S. 224 f.; Heitzer, Heinz, Das Geschichtsbild über die Deutsche Demokratische Republik, in: Ebenda, S. 233 f.
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Heinz
Heitzer
von der konsequenten Beachtung der Wechselbeziehungen von Allgemeinem u n d Besonderem abhängt. Die Errichtung und Entwicklung der kommunistischen Gesellschaftsformation vollzieht sich in drei großen geschichtlichen Stadien: Das sind die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus, der Sozialismus u n d der K o m m u nismus — die zwei Phasen der einheitlichen kommunistischen Gesellschaft. 16 Die einzelnen Etappen sind nicht s t a r r voneinander getrennt, sondern eng miteinander verflochten u n d gehen ineinander über. Der sozialistischen und der kommunistischen Phase sind sowohl gemeinsame Merkmale als auch Unterschiede eigen. 17 Das gleiche gilt f ü r die sozialistische Phase u n d die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus. In d e r Übergangsperiode, die h e u t e f ü r viele Völker schon Geschichte ist, erringt d e r Sozialismus „den Sieg im Bereich der Politik, der Ökonomie und der Kultur. Die Vielschichtigkeit der Ökonomik wird beseitigt. Mit der Liquidierung der Ausbeuterklassen verschwindet die Teilung d e r Gesellschaft in feindliche Klassen, in Ausbeuter und Ausgebeutete. Der Hauptwiderspruch d e r Übergangsperiode — der Widerspruch zwischen dem wachsenden Sozialismus u n d dem absterbenden Kapitalismus — wird überwunden. Die weitere A u f g a b e besteht in der Schaffung der voll entwickelten sozialistischen Gesellschaft." 18 In der Übergangsperiode geht es also darum, die F r a g e „Wer — wen?" zugunsten der Arbeiterklasse zu entscheiden. Gleichzeitig mit der Vernichtung des Alten — das ist die zerstörende A u f g a b e der Revolution — w e r d e n die Grundlagen des Neuen, des Sozialismus geschaffen — das ist die konstruktive A u f g a b e der Revolution. Die E r f a h r u n g e n zahlreicher Länder haben die Voraussage der Klassiker des Marxismus-Leninismus bestätigt, d a ß die Übergangsperiode ein längerer, kontinuierlicher revolutionärer Prozeß ist, der durch den erbitterten Kampf zwischen dem erstarkenden Sozialismus u n d dem untergehenden, aber noch nicht völlig besiegten Kapitalismus gekennzeichnet ist. „Wie eine ganze Reihe von Revolutionen schon in der Praxis gezeigt hat", stellte W. W. Sagladin fest, „ist die Ersetzung der kapitalistischen Ordnimg durch die sozialistische ein relativ langwieriger Prozeß, der sich ü b e r m e h r e r e aufeinanderfolgende Etappen erstreckt. Zusammengefaßt bilden diese Etappen die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus." 19 Diskussionen gibt es u n t e r marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaftlern ü b e r den Beginn u n d den Abschluß d e r Übergangsperiode. In der 16 17 18 19
Vgl. Wissenschaftlicher Kommunismus, S. 225. Vgl. Hager, Kurt, Zur Theorie und Politik des Sozialismus. Reden und Aufsätze, Berlin 1972, S. 178 f., 237-244. Wissenschaftlicher Kommunismus, S. 270. Die kommunistische Weltbewegung. Abriß der Strategie und Taktik, Gesamtredaktion: W. W. Sagladin, Berlin 1973, S. 137. Siehe audi Krasin, Ju. A., Lenin revoljucija, sovremennyj mir. Problemy leninskoj teorii socialisticeskoj revoljucii, Moskau 1967, S. 244.
Allgemeines und Besonderes
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Sowjetunion begann die Übergangsperiode mit der Errichtung der Diktatur des Proletariats. Auch in allen anderen sozialistischen Ländern w a r die ungeteilte politische Herrschaft der Arbeiterklasse unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei grundlegende, unabdingbare Voraussetzung f ü r die erfolgreiche Meisterung der Aufgaben d e r Übergangsperiode. Unter bestimmten Bedingungen, über die noch zu reden sein wird, setzte jedoch u. E. der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus bereits vor der Errichtung der Diktatur des Proletariats ein, nahm bereits die revolutionär-demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern, an der auch andere Bevölkerungsschichten beteiligt waren, Aufgaben der Übergangsperiode in Angriff. Der Abschluß der Übergangsperiode kann nicht schlechthin mit dem A u f b a u des Sozialismus, der ersten Phase des Kommunismus, identifiziert werden, wie das zuweilen geschieht. Obwohl auch bei der Errichtung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft noch bestimmte Aufgaben der Übergangsperiode zu lösen sind, fällt die Bewältigung ihrer wesentlichen Aufgaben mit der Errichtung des Fundaments der sozialistischen Gesellschaftsordnung auf politischem, ökonomischem und geistig-kulturellem Gebiet zusammen. Der Abschluß der Übergangsperiode wird gewöhnlich durch den Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse markiert. Als eine spezifische Form der Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus, die angesichts des neuen Kräfteverhältnisses am Ende und nach dem zweiten Weltkrieg möglich wurde, erwies sich die volksdemokratische Revolution. Ihr Wesen charakterisierte Ernstgert Kalbe wie folgt: „Die volksdemokratische Revolution löste antifaschistisch-demokratische und sozialistische Aufgaben in einem einheitlichen revolutionären Prozeß und vollzog in ihrem Gesamtablauf den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus. Sie umf aßt . . . den Zeitraum von der Errichtung der Volksmacht bis zur Durchsetzung sozialistischer Eigentumsverhältnisse an den Produktdonsmitteln. Auf Grund der zunehmenden Verschmelzung des Kampfes u m D e m o k r a t i e . . . mit dem Kampf u m den Sozialismus... gehen die einzelnen Phasen der volksdemokratischen Revolution ohne starre Grenzen ineinander über. Während in der ersten Phase die antiimperialistisch-demokratischen Aufgaben der Revolution dominieren, aber bereits erste sozialistische Maßnahmen in Angriff genommen werden, prägen in der zweiten Phase der Revolution die sozialistischen A u f gaben das Gesicht der Umwälzung, wobei noch bestimmte antifaschistische, demokratische Maßnahmen zu Ende geführt werden." 20 Diese Wesensbestimmung ist u. E. vor allem deshalb akzeptabel, weil sie 20
Kalbe, Ernstgert, Der Platz der volksdemokratischen Revolution beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus, in: Studien zur marxistisch-leninistischen Revolutionstheorie, Leipzig 1967, S. 93. Siehe auch Fuchs, Gerhard/Kalbe, Ernstgert/Seeber, Eva, Die volksdemokratische Revolution in den Ländern Ost- und Südosteuropas, in: ZfG, 1965, Sonderh., S. 206; Seeber, Eva, Die volksdemokratische Revolution in Ost- und Südosteuropa als einheitlicher revolutionärer Prozeß und die Herausbildung des sozialistischen Weltsystems, in: JbGsL, Bd. 18/1, 1974.
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Heinz
Heitzer
vom entscheidenden Merkmal der sozialen Revolution ausgeht, die bekanntlich „einen qualitativen Sprung in der Entwicklung der Gesellschaft [darstellt], in deren Ergebnis eine ökonomische Gesellschaftsformation durch eine andere abgelöst wird".21 Im Unterschied zu f r ü h e r e n Auffassungen, in denen zwischen einer antifaschistisch-demokratischen und einer sozialistischen Revolution auf dem Territorium der DDR unterschieden wurde, hat sich unter den Historikern der DDR mehr und mehr die Erkenntnis durchgesetzt, daß auch der historische Ubergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik als ein einheitlicher und kontinuierlicher revolutionärer Prozeß, der in zwei Hauptetappen verlief, vor sich ging.22 Damit wurde auf neuer Stufe wieder an Erkenntnisse angeknüpft, die in früheren Dokumenten der SED bereits formuliert waren. So hieß es in den vom Politbüro des Zentralkomitees der SED am 7. Februar 1961 beschlossenen Thesen zum 15. Jahrestag der Gründung der SED, in denen auf der Grundlage der Erkenntnisse der Moskauer Beratung kommunistischer und Arbeiterparteien vom November 1960 eine erste Bilanz der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR gezogen wurde: „Dank der schöpferischen Anwendung der Leninschen Theorie von der sozialistischen Revolution auf die Entwicklungsbedingungen in Deutschland durch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands vollzog die Arbeiterklasse im Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft, der Intelligenz und anderen Schichten die größte Revolution in der deutschen Geschichte. Diese Revolution, die ein untrennbarer Bestandteil des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab ist, begann mit dem Kampf u m die Beseitigung der Grundlagen des Imperialismus und Militarismus und dem Aufbau einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung. Sie f ü h r t e in ihrem weiteren Verlauf zur Errichtung der Arbeiter-und-Bauern-Macht als einer Form der Diktatur des Proletariats und zum Aufbau des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik." 23 Beim Übergang zur sozialistischen Etappe ging die SED „vom Grundinhalt unserer Epoche, von den inneren Gesetzmäßigkeiten der 1945 begonnenen volksdemokratischen Revolution aus". 24 Mit der Erkenntnis von der Wesensgleichheit der revolutionären Umwälzung 21 22
23 24
Grundlagen der marxistisch-leninistischen Philosophie, Berlin 1972, S. 409. Vgl. Heitzer, Heinz, Neue Probleme der Erforschung der Geschichte der DDR, in: ZfG, 1972, H. 8, S. 964 f.; Diehl, Ernst, Die Geschichte des deutschen Volkes im welthistorischen Prozeß, in: ZfG, 1973, H. 3, S. 285 f.; Stöckigt, Rolf, Probleme des Ubergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus — der historische Platz der Gründung der DDR, in: BzG, 1973, H. 3, S. 415 f t ; Badstübner, Rolf, Theoretische Probleme des einheitlichen revolutionären Prozesses, in: ZfG, 1973, H. 11; Die Arbeitskreise auf dem V.Historikerkongreß der DDR, in: Ebenda, H. 4, S. 451 f. Dokumente der SED, Bd. 8, Berlin 1962, S. 390. Ebenda, S. 393.
Allgemeines und Besonderes
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in der DDR und der Revolutionen in den Volksdemokratien ist zweifellos ein wichtiger Ausgangspunkt für die weitere Erforschung der Geschichte der DDR gewonnen. Aber die Dialektik von Allgemeinem und Besonderem beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus ist ein sehr komplexes Problem, das auch nicht allein von der Geschichtswissenschaft umfassend geklärt werden kann. In diesem Beitrag soll versucht werden, einige grundlegende historische Aspekte zu beleuchten. Das betrifft die Bedingungen der neuen Etappe des weltweiten Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus nach dem zweiten Weltkrieg, die spezifischen Bedingungen der DDR und ihre Auswirkungen und die wichtigsten Formen und Methoden des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR. Im weltgeschichtlichen Prozeß des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus, der durch die Große Sozialistische Oktoberrevolution eingeleitet wurde, nahm die Bedeutung des Allgemeinen ständig zu. Die Oktoberrevolution wurde in einem Lande vollzogen, das sich auf einer mittleren Entwicklungsstufe des Kapitalismus befand, der in sein monopolistisches Stadium eingetreten war, in einem Land, das Schnittpunkt der verschiedenartigsten Widersprüche oder — wie P. N. Fedossejew feststellte — ein „lebendes Modell der damaligen vielfältigen Verhältnisse in der Welt" war.25 Die Oktoberrevolution „vereinigte alle Hauptströmungen und Richtungen des revolutionären Kampfes gegen den Imperialismus und nahm deshalb die wichtigsten Prozesse vorweg, die allen Ländern gemeinsam sind, die den Weg des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus einschlagen".26 Die sozialistische Revolution und der Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion brachten die Bedürfnisse und Interessen der Arbeiterklasse aller Länder zum Ausdruck. Ungeachtet bestimmter nationaler Besonderheiten, widerspiegelten die Wesenszüge der revolutionären Umwälzung in der UdSSR deshalb allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten.27 Der Übergang neuer Länder und Völker zum Sozialismus nach dem zweiten Weltkrieg, in dessen Ergebnis das sozialistische Weltsystem entstand, vollzog sich unter fortgeschrittenen und insgesamt günstigeren Bedingungen. War die Große Sozialistische Oktoberrevolution in eine Zeit gefallen, in der sich der Monopolkapitalismus vollends herausgebildet hatte, so siegten die volksdemokratischen Revolutionen in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium des monopolistischen Kapitalismus, in dem sich seine inneren Wider25
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Fedossejew, P. N., Die internationale Bedeutung der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, in: Sw, 1967, H. 10, S. 979. Grosser, Günter/Klemm, Dieter, Die Leninsche Lehre von den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des sozialistischen Aufbaus und ihre schöpferische Anwendung durch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, in: Lenin und die Wissenschaft, Bd. 1, Berlin 1970, S. 48. Vgl. Volobujev, P. V., Über das Allgemeingültige und die nationalen Besonderheiten in der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, in: ZfG, 1968, H. 1.
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Heinz Heitzer
Sprüche bedeutend verschärften und die allgemeine Krise des Kapitalismus eine neue Stufe erreichte. Die Klassenauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus nahm immer stärker internationalen Charakter an und wurde zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei gegensätzlichen Weltsystemen. Hatten sich die Sowjetvölker in erbittertem Existenzkampf der imperialistischen Umkreisung und Intervention erwehren müssen — an der sich auch das besiegte imperialistische Deutschland beteiligt hatte —, so führte der Sieg der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg zu einem gewaltigen Machtzuwachs des Sozialismus und aller Friedenskräfte und zur zeitweiligen Ausschaltung der damals aggressivsten imperialistischen Mächte, Deutschland und Japan. Das neue Kräfteverhältnis ermöglichte es, die Mehrzahl der neu entstandenen volksdemokratischen Staaten vor einer imperialistischen Intervention zu bewahren. Hatten die Sowjetvölker auf dem Wege zum Sozialismus Pionierarbeit zu leisten, so konnten sich die Völker in den Volksdemokratien bereits auf die reichen Erfahrungen der UdSSR und der KPdSU(B) stützen. War die Sowjetunion beim Ubergang vom Kapitalismus zum Sozialismus im wesentlichen auf sich allein gestellt gewesen, so wurde den volksdemokratischen Staaten die umfassende politische und materielle Hilfe der ersten Arbeiter-und-Bauern-Macht der Welt zuteil. Hatte der weltweite Ubergang vom Kapitalismus zum Sozialismus zu einer Zeit eingesetzt, als sich kommunistische Parteien in den meisten Ländern erst zu formieren begonnen hatten, so existierte im neuen Stadium des revolutionären Weltprozesses bereits eine starke und kampferprobte kommunistische Weltbewegung, gab es marxistisch-leninistische Parteien in zahlreichen Ländern, die über großen Masseneinfluß, reiche Erfahrungen, bewährte und angesehene Führungskader und Hunderttausende im Geiste des Marxismus-Leninismus erzogene Mitglieder verfügten. Von besonderer Bedeutung war, daß bereits in den 30er Jahren die Strategie und Taktik für das neue Stadium des revolutionären Weltprozesses konzipiert und zum Gemeingut der einzelnen Abteilungen der kommunistischen Weltbewegung geworden war. Diese neuen Bedingungen, besonders das fortgeschrittene Stadium des monopolistischen Kapitalismus und seiner allgemeinen Krise einerseits, der gewaltige Machtzuwachs der Sowjetunion und ihre umfassende Hilfe, das Vorhandensein eines reichen Schatzes praktischer Erfahrungen des sozialistischen Aufbaus, die Reife der marxistisch-leninistischen Parteien andererseits, kurz: die gravierenden Wandlungen im internationalen Kräfteverhältnis zugunsten des Sozialismus waren die Grundlage für das zunehmende Gewicht des Allgemeinen. Dies fand seinen Ausdruck darin, daß in dem neuen Stadium des revolutionären Weltprozesses die Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus „im allgemeinen rascher und umfassender durchgesetzt werden" konnten, als das unter den weit schwierigeren Bedingungen der Sowjetunion der Fall gewesen war.28 Das veränderte Kräfteverhältnis ermöglichte „sozialistische Umwälzun28
GrosserJKlemm,
in: Lenin und die Wissenschaft, Bd. 1, S. 60.
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gen, die es früher nicht gab und nicht geben konnte", wie G. J. Gleserman feststellte. 29 Sozialistische Umgestaltungen wurden auch in kleinen oder industriell wenig entwickelten Ländern möglich, die früher, als sie allein standen, dazu nicht über die notwendigen Kräfte verfügten. 30 Der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in weiteren Ländern bestätigte endgültig die allgemeine Bedeutung des sowjetischen Vorbilds, widerlegte in der Praxis die Behauptungen bürgerlicher Ideologen, daß die Oktoberrevolution und der Aufbau des Sozialismus in der UdSSR eine „zufällige Entgleisung" der Geschichte, ein historischer „Ausnahmefall" gewesen seien. Auf Entstehung und Entwicklung des Sozialismus konnte nunmehr das Kriterium der Wiederholbarkeit angewandt werden. Die Erfahrungen zahlreicher Länder bewiesen unwiderlegbar, daß der Sozialismus allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, daß diese das Bestimmende und Entscheidende im Sozialismus sind. Ausgehend von der Leninschen Revolutionstheorie und von einem reichen Schatz praktischer Erfahrungen der UdSSR und der volksdemokratischen Staaten, formulierte die Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder, die 1957 in Moskau stattfand, die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus: „Die Führung der werktätigen Massen durch die Arbeiterklasse, deren Kern die marxistisch-leninistische Partei ist, bei der Durchführung der proletarischen Revolution in dieser oder jener Form und bei der Errichtung der Diktatur des Proletariats in dieser oder jener Form; das Bündnis der Arbeiterklasse mit der Hauptmasse der Bauernschaft und anderen Schichten der Werktätigen; die Beseitigung des kapitalistischen Eigentums und die Herstellung des gesellschaftlichen Eigentums an den wichtigsten Produktionsmitteln; die allmähliche sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft; die planmäßige, auf den Aufbau des Sozialismus und Kommunismus und auf die Hebung des Lebensstandards der Werktätigen gerichtete Entwicklung der Volkswirtschaft; die Verwirklichung der sozialistischen Revolution auf dem Gebiete der Ideologie und Kultur und die Heranbildung einer der Arbeiterklasse, dem schaffenden Volke und der Sache des Sozialismus ergebenen zahlreichen Intelligenz; die Beseitigung der nationalen Unterdrückung und die Herstellung von Gleichberechtigung und brüderlicher Freundschaft zwischen den Völkern; der Schutz der Errungenschaften des Sozialismus gegen die Anschläge äußerer und innerer Feinde; die Solidarität der Arbeiterklasse des gegebenen Landes mit der Arbeiterklasse der anderen Länder, das heißt der proletarische Internationalismus."31 Bedeutet die unbedingte Vorrangigkeit und zunehmende Wirksamkeit des All29
30 31
Gleserman, G. J., Das Allgemeine und Besondere in der historischen Entwicklung, in: Philosophie und Gesellschaft. Beiträge zum Studium der marxistischen Philosophie, hrsg. von Werner Pfoh und Hans Schulze, Berlin 1958, S. 422. Vgl. ebenda. Neues Deutschland, Ausg. B, 22.11.1957.
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gemeingültigen und Gemeinsamen, daß in dem neuen Stadium des revolutionären Weltprozesses das Gewicht des Besonderen zwangsläufig immer geringer wurde? Keineswegs. Eine solche Auffassung wäre undialektisch. Mit dem Übergang weiterer Völker vom Kapitalismus zum Sozialismus nahm die Mannigfaltigkeit des Geschichtsprozesses zu. Das Grundproblem der richtigen Verknüpfung von Allgemeinem und Besonderem bei der Entstehung und Entwicklung des Sozialismus, das bisher f ü r die marxistisch-leninistischen Parteien — ausgenommen die KPdSU(B) und die Mongolische Revolutionäre Volkspartei — eine Frage der Programmatik und der Vorbereitung auf die Revolution gewesen war, wurde f ü r viele von ihnen zu einer Frage der unmittelbaren Praxis. Jetzt galt es, die allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus, die erstmals in der Sowjetunion verwirklicht worden waren, auf die spezifischen Bedingungen weiterer Länder anzuwenden. Zwangsläufig erhöhte sich damit — auf der Grundlage der bestimmenden Rolle des Allgemeinen — auch die Bedeutung des Besonderen in der marxistisch-leninistischen Theorie und Politik, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. „Der Marxismus erfordert die schöpferische Anwendung der allgemeingültigen Prinzipien der sozialistischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus auf die konkreten historischen Verhältnisse eines jeden Landes", heißt es in der Moskauer Erklärung von 1957, „er duldet kein mechanisches Kopieren der Politik und der Taktik der kommunistischen Parteien anderer Länder." 32 Man kann die spezifischen Bedingungen, von denen die kommunistischen und Arbeiterparteien der volksdemokratischen Staaten ausgehen mußten, nach folgenden Kriterien unterscheiden: erstens im Hinblick auf die Stellung des Landes in der internationalen Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus. Dies im einzelnen zu analysieren, ist ein Thema f ü r sich. Hier soll n u r darauf verwiesen werden, daß alle volksdemokratischen Staaten in früheren Einfluß- und Herrschaftsbereichen des faschistischen deutschen bzw. des japanischen Imperialismus entstanden, der raubgierigsten, verhaßtesten und am meisten diskreditierten, aber auch der nach ihrer militärischen Niederlage ohnmächtigsten imperialistischen Mächte. Da in den meisten Ländern die faschistische deutsche bzw. die japanische Fremdherrschaft von der Sowjetarmee zertrümmert und eine Intervention anderer imperialistischer Mächte verhindert wurde, bestand eine Reihe günstiger Bedingungen insbesondere f ü r den Beginn der volksdemokratischen Revolution. Die ausländische Okkupation hatte die inneren Widersprüche bedeutend verschärft und das Heranreifen einer revolutionären Situation beschleunigt. Durch ihre Kollaboration mit den Okkupanten hatten sich auch die Spitzen der in diesen Ländern herrschenden Ausbeuterklassen vor dem Volke diskreditiert und mit der Vernichtung der ausländischen Imperialisten wesentliche Machtpositionen eingebüßt. In einigen Ländern waren 32
Ebenda.
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schon im antifaschistischen Befreiungskampf Teile des alten Machtapparats — besonders der Armee und der Polizei — zerschlagen worden, die im Dienste der Okkupanten gestanden hatten. Andererseits waren seit 1943 auf dem Territorium der UdSSR bewaffnete Einheiten Polens, der Tschechoslowakei, Rumäniens und Jugoslawiens geschaffen worden, die sich zu wichtigen Instrumenten der Volksmacht entwickelten; zweitens im Hinblick auf die nationalen Bedingungen. Hierzu gehören solche Momente wie die Größe des Landes, die Bevölkerungszahl und Besonderheiten der Klassenstruktur, die wirtschaftlichen Ressourcen, Besonderheiten in der nationalen Frage, der Einfluß der Religion u. a. Generell kann gesagt werden, daß die meisten volksdemokratischen Staaten zu den kleineren und anfangs zu den industriell weniger entwickelten Ländern zählten. Ihre Wirtschaft war in hohem Maße vom ausländischen Monopolkapital abhängig und einseitig entwickelt. Die Arbeiterklasse war in den meisten Ländern zahlenmäßig schwach; in der Klassenstruktur überwog die kleinbäuerliche Bevölkerung. In mehreren Ländern waren schwierige nationale Probleme zu lösen. In einigen verfügte der katholische Klerus über starken Masseneinfluß; drittens im Hinblick auf die historischen Bedingungen. Dazu gehörten die politische, wirtschaftliche und geistige Hinterlassenschaft der gestürzten Ausbeuterklassen, aber auch die progressiven Traditionen und der geschichtliche Ausgangspunkt der revolutionären Umwälzung. Alle volksdemokratischen Staaten wurzelten in jahrhundertelangen Traditionen des nationalen Befreiungskampfes und des antifeudalen Kampfes der Bauern, in jahrzehntelangen Traditionen der revolutionären Arbeiterbewegung. In den europäischen Volksdemokratien waren Gefühle der engen Verbundenheit aller slawischen Völker sehr lebendig. Von großer Bedeutung war, daß die volksdemokratischen Revolutionen aus dem Befreiungskampf gegen die deutschen und japanischen Okkupanten und ihre Helfershelfer hervorgingen. Das hatte Konsequenzen im Hinblick auf die Wechselwirkung von sozialem und nationalem Kampf, auf das Ineinandergreifen von demokratischen und sozialistischen Maßnahmen, auf die Breite der Bündniskräfte und das Ausnutzen parlamentarischer Formen. Zu den historischen Bedingungen gehörte weiterhin, daß der Rechtsopportunismus in der Arbeiterbewegung der meisten volksdemokratischen Länder — die Tschechoslowakei, Ungarn und in bestimmtem Grade auch Rumänien ausgenommen — nur über schwache Positionen verfügte. Andererseits hatten die deutschen und japanischen Okkupanten und die gestürzten Ausbeuterklassen vielen Völkern Not, Elend und Trümmer hinterlassen, waren die Folgen jahrzehntelanger antikommunistischer und antisowjetischer Hetze, waren tiefeingewurzelter Nationalismus und vielfältige kleinbürgerliche Auffassungen und Verhaltensweisen zu überwinden. Die spezifischen Züge der volksdemokratischen Revolutionen, in denen sich diese von der Oktoberrevolution unterschieden — die Kontinuität des revolutionären Prozesses, der relativ friedliche Charakter der Umwälzung, die 2*
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Breite des Bündnisses, die allmähliche H e r a u s b i l d u n g d e r D i k t a t u r d e s Prolet a r i a t s — erklären sich zu einem Teil sicher aus den spezifischen Bedingungen der einzelnen Länder. Den Ausschlag gaben jedoch die ü b e r e i n s t i m m e n d e n nationalen u n d internationalen Bedingungen, d i e f ü r das n e u e S t a d i u m des revolutionären Weltprozesses kennzeichnend w a r e n . Hier ist letztlich die A n t w o r t zu suchen, w a r u m b e s t i m m t e L ä n d e r a m E n d e des zweiten Weltkrieges zu schwachen Gliedern des imperialistischen Systems w u r d e n u n d w a r u m es hier möglich w a r , den Ü b e r g a n g v o m Kapitalismus z u m Sozialism u s auf dem Wege d e r volksdemokratischen Revolution zu vollziehen. Das E r s t a r k e n d e r S o w j e t u n i o n u n d i h r e internationalistische Hilfe, i h r e reichen E r f a h r u n g e n beim sozialistischen A u f b a u , die Existenz k a m p f e r p r o b t e r m a r xistisch-leninistischer Parteien, die sich von einer in den Wesenszügen ü b e r einstimmenden Konzeption des Übergangs v o m Kapitalismus z u m Sozialism u s leiten ließen, bilden somit die G r u n d l a g e nicht n u r f ü r das z u n e h m e n d e Gewicht des Allgemeinen i m revolutionären Weltprozeß, sondern zugleich auch f ü r die Spezifik der volksdemokratischen Revolutionen, eine Spezifik, die nicht das Wesen, s o n d e r n die F o r m e n u n d Methoden der E n t s t e h u n g u n d E n t wicklung des Sozialismus kennzeichnet. So bestätigt sich auch aus dieser Sicht die Richtigkeit der Feststellung: „Es ist unmöglich, einen k l a r e n Begriff von der Dialektik des Allgemeinen u n d Besonderen in d e r Entwicklung einer beliebigen sozialistischen Revolution zu bekommen, o h n e sie als Bestandteil d e r sozialen Weltrevolution der Arbeiterklasse zu betrachten. Es ist u n m ö g lich, die F r a g e nach den allgemeinen Gesetzen u n d Besonderheiten d e r revolutionären B e w e g u n g i n einem einzelnen Land zu lösen, ohne sie als Teil des revolutionären Weltprozesses anzusehen." 3 3 D e r Ü b e r g a n g v o m Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR w a r ein Bestandteil der neuen E t a p p e des weltweiten Ü b e r g a n g s zum Sozialismus. E n t s t e h u n g u n d Entwicklung d e r DDR k ö n n e n ebenfalls nicht e r k l ä r t w e r d e n ohne Berücksichtigung der allgemeinen Bedingungen, die f ü r das n e u e Stad i u m des revolutionären Weltprozesses charakteristisch w a r e n . Von entscheid e n d e r B e d e u t u n g sowohl f ü r den Beginn als auch f ü r die erfolgreiche Z u e n d e f ü h r u n g der revolutionären U m w ä l z u n g in der DDR w a r vor allem die grundlegende V e r ä n d e r u n g des internationalen K r ä f t e v e r h ä l t n i s s e s zugunsten des Sozialismus, w a r e n die Hilfe u n d Unterstützung, w a r die Zus a m m e n a r b e i t mit der Sowjetunion. Das fortgeschrittene S t a d i u m des monopolistischen Kapitalismus w a r zudem in Deutschland besonders ausgeprägt. Die marxistisch-leninistische Vorhut der Arbeiterklasse h a t t e sich langfristig u n d gründlich auf die revolutionäre Beseitigung des Imperialismus u n d Milit a r i s m u s vorbereitet u n d w a r v o n A n f a n g a n die aktivste u n d f ü h r e n d e K r a f t d e r revolutionären Umwälzung. Sie ließ sich konsequent von den E r f a h r u n g e n d e r KPdSU(B) u n d der anderen Parteien d e r kommunistischen 33
Krasin, in: Rabocij klass i sovremennyj mir, Bd. 2, S. 28.
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Weltbewegung leiten. Ihre Konzeption der Heranführung und des Übergangs zum Sozialismus stimmte in den Wesenszügen mit der Programmatik der anderen kommunistischen und Arbeiterparteien zur Durchführung der volksdemokratischen Revolution überein. All dies bildete die Grundlage für die bestimmende Rolle des Allgemeinen in der Entwicklung der DDR und für die prinzipielle Übereinstimmung mit dem Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in den Volksdemokratien. Die Existenz, die zunehmende Macht und Autorität, die mittelbare und unmittelbare Hilfe der UdSSR waren Grundbedingungen für den erfolgreichen Verlauf der volksdemokratischen Revolution in zahlreichen Ländern. Insofern besteht keine qualitative Besonderheit zwischen dem Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR und dem in den volksdemokratischen Staaten. Unterschiede, die sich aus den konkreten Verhältnissen ergaben, bestehen jedoch in der Art und Weise und in dem Ausmaß der Unterstützung, die die Sowjetunion der Arbeiterklasse und ihren Verbündeten in der DDR zuteil werden ließ. Das trifft vor allem auf den Beginn und die ersten Jahre der revolutionären Umwälzung zu, als die Sowjetunion auf dem Territorium der späteren DDR als sozialistische Besatzungsmacht konsequent die Beschlüsse der Antihitlerkoalition verwirklichte. Durch den Sieg der Sowjetarmee über den Hitlerfaschismus wurden die entscheidenden Teile des imperialistischen Machtapparats zerschlagen. Die sowjetische Besatzungsmacht sicherte der Arbeiterklasse und ihren Verbündeten nicht nur Schutz vor einer imperialistischen Intervention, sondern gab ihnen auch 'die bis dahin in Deutschland beispiellose Möglichkeit, sich zu organisieren und ihre Kräfte zu entfalten und auf alle gesellschaftlichen Prozesse entscheidenden Einfluß zu nehmen. Die Arbeiterklasse konnte sich in der unmittelbaren Zusammenarbeit mit den sowjetischen Kommunisten den Marxismus-Leninismus und die Erfahrungen der KPdSU(B) aneignen. Sie konnte ihre Weltanschauung ungehindert verbreiten. So trugen Anwesenheit und Wirken der Sowjetunion als sozialistische Besatzungsmacht entscheidend dazu bei, den Reifeprozeß des subjektiven Faktors zu beschleunigen. Aber die Sowjetunion übte in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Antihitlerkoalition auch unmittelbaren Einfluß auf sozialökonomische Umwälzungen aus, die gegen die Machtgrundlagen des deutschen Imperialismus gerichtet waren, ganz zu schweigen von ihren Maßnahmen zur radikalen Beseitigung der Überreste des faschistischen Regimes auf politischem und ideologischem Gebiet. Und schließlich: Die Sowjetunion bahnte neuen Beziehungen der demokratischen Kräfte des deutschen Volkes zu ¡anderen Völkern den Weg. Sie half ihnen, die internationale Isolierung zu durchbrechen, in die das deutsche Volk durch die barbarische Politik des Hitlerf aschismus geraten war. Andererseits waren die Hauptkräfte der imperialistischen Reaktion in den von der Sowjetarmee besetzten Gebieten von vornherein von der Ausübung staatlicher Gewalt ausgeschlossen. Sie waren ihrer Massenmedien beraubt und
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hatten keine Möglichkeit, sich legal — z. B. in Parteien und UnternehmerVerbänden — zu organisieren. Ein bewaffneter Widerstand gegen die im Potsdamer Abkommen festgelegten antiimperialistischen Maßnahmen w a r angesichts der Anwesenheit der Sowjetarmee von vornherein selbstmörderisch und aussichtslos. Gelang es der Arbeiterklasse und ihrer Partei, diese günstigen Umstände zu nutzen, u m die Einheit ihrer Reihen herzustellen, den Opportunismus zu schlagen, ein stabiles Bündnis mit den werktätigen Bauern und anderen Werktätigen zu schaffen und ihre f ü h r e n d e Rolle durchzusetzen, dann waren alle Voraussetzungen f ü r den erfolgreichen Beginn der revolutionären Umwälzung gegeben. So ist zweifellos der Schluß berechtigt, daß das Zusammenwirken zwischen den demokratischen Kräften des deutschen Volkes und der sowjetischen Besatzungsmacht d e r letztlich entscheidende Faktor war, der es den Gegnern des Imperialismus ermöglichte, das Kräfteverhältnis grundlegend zu ihren Gunsten zu verändern. Bürgerliche Ideologen der verschiedensten Schattierungen werden nicht müde, die Rolle der Sowjetunion bei der revolutionären Umwälzung auf dem Territorium der DDR, insbesondere in den Anfangs jähren, als „Export der Revolution" zu verleumden. Sie unterschlagen dabei mehrere fundamentale Tatbestände. Zum ersten: Der innere Widerspruch zwischen dem deutschen Volk und der faschistischen Diktatur und der äußere Widerspruch zwischen der Sowjetunion und dem faschistischen deutschen Imperialismus waren identisch. Die Ausrottung des Faschismus w a r Kriegsziel der Sowjetunion, erklärtes Ziel der Antihitlerkoalition und ebenso der deutschen Antifaschisten. Diese Ziel- und Interessenübereinstimmung w a r die Basis f ü r das Zusammenwirken von sowjetischer Besatzungsmacht und deutschen Antifaschisten. Zum zweiten: Eine Ausrottung des Faschismus w a r nicht möglich, ohne seine sozialökonomischen Grundlagen anzugreifen und ohne Förderung und Hilfe f ü r die Gegner des Faschismus. Eben dies w a r auch in den gemeinsamen Beschlüssen der Antihitlerkoalition festgelegt. Zum dritten: Erst im Klassenkampf zwischen der Arbeiterklasse und ihren Verbündeten einerseits und der imperialistischen Reaktion andererseits konnte über den weiteren Weg des deutschen Volkes entschieden werden, m u ß t e sich herausstellen, ob die durch den Sieg der Sowjetunion und ihr Wirken als Besatzungsmacht geschaffenen günstigen Bedingungen f ü r eine antiimperialistische Entwicklung auch genutzt werden konnten. Zum vierten: Die entscheidende K r a f t zur Lösung aller herangereiften Aufgaben war auch in der DDR die Arbeiterklasse unter Führung ihrer revolutionären Partei. Alle grundlegenden revolutionären Maßnahmen wurden von der KPD — zum Teil bereits in der Illegalität — bzw. von der SED konzipiert und gemeinsam mit anderen demokratischen Kräften im einzelnen ausgearbeitet und in die Tat umgesetzt. Neben den übereinstimmenden oder ähnlichen gab es einige spezifische Bedingungen, in denen sich die DDR während der Ubergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus von den Volksdemokratien unterschied.
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Erstens: In der internationalen Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus nahm die DDR objektiv einen sehr wichtigen Platz ein. Sie entstand auf einem Teil des Territoriums der ehemals aggresivsten imperialistischen Großmacht, die eines der wichtigsten Bollwerke des Weltimperialismus gegen den Sozialismus und jeglichen gesellschaftlichen Fortschritt gewesen war. Der deutsche Imperialismus hatte zwei Weltkriege ausgelöst und zahlreiche andere Völker unterworfen und grausam unterdrückt. Es lag im Lebensinteresse der UdSSR und des gesamten sozialistischen Lagers, die Gefahr einer neuen deutschen Aggression für immer auszuschließen und durch die konsequente Verwirklichung der Beschlüsse der Antihitlerkoalition über Deutschland entscheidende Voraussetzungen für eine stabile Friedensordnung in Europa zu schaffen. Nach der Zerschlagung des deutschen Imperialismus standen sich die Hauptmächte der beiden Weltsysteme auf deutschem Boden unmittelbar gegenüber. Nach ihrer Gründung bildet die DDR zusammen mit der CSR die äußerste Westflanke des sozialistischen Weltsystems. Ihre Beseitigung war ein erstrangiges, hartnäckig angestrebtes Ziel des Weltimperialismus, der sich damit den Weg zum „Zurückrollen" des Sozialismus in den europäischen Volksdemokratien öffnen wollte. Bevorzugte Mittel des imperialistischen Kampfes "waren dabei neben der massiven ideologischen Diversion die diplomatische und zeitweise die wirtschaftliche Blockade, die der DDR großen Schaden zufügten. Die Rolle Deutschlands in der internationalen Strategie des Imperialismus und die mit Hilfe der USA bewirkte Restauration der Herrschaft des deutschen Imperialismus in der BRD hatten zur Folge, daß die als „deutsche Frage" bezeichneten Probleme viele Jahre zu den zentralen und kompliziertesten Fragen der Weltpolitik gehörten. Zweitens: Was die nationalen Bedingungen betrifft, so vollzog sich der Ubergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in einem bereits in der kapitalistischen Ära hochentwickelten Industrieland mit einer zahlenmäßig sehr starken, fachlich qualifizierten Arbeiterklasse, einer zahlreichen Intelligenz, einer seit langem intensiv betriebenen Landwirtschaft mit hohen Erträgen und einem sehr spezialisierten Handwerk und ausgedehnten Einzelhandel. Es gab anfangs etwa ebenso viele Angehörige der Mittelschichten wie werktätige Bauern. Im Unterschied zu den meisten anderen sozialistischen Staaten vollzog sich der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in einem Teil eines vom Imperialismus gespaltenen ehemaligen bürgerlichen Nationalstaats, dazu im kleineren, wirtschaftlich insgesamt weniger entwickelten, an Bevölkerung und an natürlichen Ressourcen schwächeren Gebiet, unter den Bedingungen der teilweise offenen Grenze zum imperialistischen System, mit einer imperialistischen Exklave inmitten des Territoriums der DDR. Drittens: Im Hinblick auf die historischen Bedingungen bestanden einige gravierende Unterschiede gegenüber den anderen sozialistischen Ländern.
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Das betraf besonders den geschichtlichen Ausgangspunkt der Revolution. Während die volksdemokratische Revolution in Bulgarien, Jugoslawien, Polen und anderen Ländern unmittelbar aus dem antifaschistischen Befreiungskampf hervorwuchs, konnte sich die von der KPD geführte antifaschistische Widerstandsbewegung trotz des aufopferungsvollen Kampfes der Besten des deutschen Volkes nicht auf eine breite Massenbasis stützen. Zum geschichtlichen Ausgangspunkt der revolutionären Umwälzung auf dem Territorium der DDR wurde der Sieg der Sowjetunion über den faschistischen deutschen Imperialismus. Dies bedeutete einerseits, daß die entscheidenden Teile des alten Machtapparats, die Armee, die Polizei und die Staatsbürokratie, sofort und radikal zerschlagen wurden — radikaler als in den meisten Volksdemokratien. Andererseits mußten die Klassenkräfte zur Durchführung der revolutionären Umwälzung, deren Formierung in anderen Ländern zum Teil schon im antifaschistischen Befreiungskampf eingesetzt hatte, erst mobilisiert und organisiert werden. Erschwert wurde diese Aufgabe durch die Folgen und die Hinterlassenschaft des faschistischen deutschen Imperialismus und des von ihm bis „fünf Minuten nach zwölf" geführten barbarischen Krieges auf politischem, wirtschaftlichem und geistigem Gebiet. Mehrere Jahre gab es keine zentrale deutsche Staatsgewalt. Schwierige Probleme erwuchsen aus der internationalen Isolierung, in die der Faschismus das deutsche Volk getrieben hatte. Verheerend waren die Auswirkungen der jahrzehntelangen Herrschaft des Imperialismus, besonders der zwölfjährigen faschistischen Diktatur, auf das Bewußtsein der Menschen. Weitere Folgen der Raubpolitik Hitlerdeutschlands waren die Verpflichtung zur Wiedergutmachung und die Notwendigkeit, Millionen Umsiedlern eine neue Heimat zu geben. Der größte Aktivposten, ein wahrhaft goldener Fonds waren die bedeutenden langjährigen Kampftraditionen der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung, ihre hohe Bewußtheit, Diszipliniertheit und Organisiertheit, die es wieder lebendig zu machen galt. In der KPD verkörperte sich die große Traditionslinie, die von der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung des 19. Jh. über die deutschen Linken und die Widerstandskämpfer gegen den Faschismus zu den Aktivisten des demokratischen Neuaufbaus führte, eine Traditionslinie, die alle progressiven Traditionen des deutschen Volkes in sich einschloß. Andererseits war der Einfluß des Opportunismus aus historischen Gründen weit stärker als in den meisten Volksdemokratien. Die rechten Führer der deutschen Sozialdemokratie und der Gewerkschaften verfügten darüber hinaus über vielfältige internationale Verbindungen und spielten eine gewichtige Rolle in der internationalen reformistischen Arbeiterbewegung. Auch war nicht ohne Bedeutung, daß Traditionen des nationalen Befreiungskampfes und nach der Niederschlagung des deutschen Bauernkrieges auch Traditionen des antifeudalen Kampfes der Bauern in der deutschen Geschichte nicht jene entscheidende Rolle gespielt hatten wie in der Geschichte der meisten volks-
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demokratischen Länder. Eine Reihe progressiver nationaler Traditionen w a r zudem von der deutschen Bourgeoisie aufs gröblichste mißbraucht und in ihr Gegenteil verkehrt worden. Die spezifischen Bedingungen des Ubergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR geboten mit zwingender Notwendigkeit das allmähliche, schrittweise Voranschreiten, die ständige Sicherung des komplizierten Wechselverhältnisses zwischen der Hegemonie der Arbeiterklasse und der Breite des Bündnisses, die umsichtige P r ü f u n g und Beachtung aller Umstände, besonders der internationalen Faktoren und des Bewußtseinsstandes der Massen. Angesichts der anfänglichen Schwäche des subjektiven Faktors und der Folgen der verbrecherischen faschistischen Politik kam den Formen und Methoden des Heranführens an den Sozialismus, der Vorbereitung der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten auf die sozialistische Umgestaltung im antifaschistischen, demokratischen und antiimperialistischen Kampf außerordentlich große Bedeutung zu. Im Ringen u m eine antiimperialistische Demokratie mußte der unbedingt notwendige rasche Reifeprozeß des subjektiven Faktors, besonders des Bewußtseins und der Organisiertheit der Massen, gleichsam nachvollzogen werden, der in anderen Ländern schon im antifaschistischen Befreiungskampf und seiner Hinüberleitung in die volksdemokratische Revolution eingesetzt hatte. In hohem Maße w a r das ein Problem des Klassenkampfes auf ideologischem Gebiet, wie überhaupt die Erziehung zu einem neuen Bewußtsein und die ständige Auseinandersetzung mit allen Erscheinungsformen der bürgerlichen Ideologie sowohl zu Beginn als auch im Verlaufe der Ubergangsperiode eine zentrale Stellung einnahmen. Der Sieg des Sozialismus auf ideologischem Gebiet erforderte die größten Anstrengungen. Auf Grund der spezifischen Bedingungen der DDR w a r der Klassenkampf gegen die gestürzten Ausbeuterklassen noch stärker mit der internationalen Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus verflochten als in anderen sozialistischen Ländern. Erinnert sei hier an die von den USA inszenierte Berlinkrise 1948, an die Auseinandersetzungen um einen deutschen Friedensvertrag, an den Kampf gegen die Remilitarisierung der BRD und ihre Einbeziehung in die NATO und andere zentrale Probleme des internationalen Klassenkampfes, besonders des Ringens u m eine stabile europäische Nachkriegsordnung, die sich nachhaltig auf die Entwicklung der DDR auswirkten. Im Unterschied zu den meisten anderen sozialistischen Staaten, in denen sich der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus im Rahmen des gesamten ehemaligen bürgerlichen Nationalstaates (bzw. multinationalen Staates) vollzog, konnte der gesellschaftliche Fortschritt nur auf einem Teil des Territoriums des 1945 untergegangenen bürgerlichen deutschen Nationalstaats durchgesetzt werden. Das hatte besonders tiefgreifende Auswirkungen auf die Entwicklung der DDR in der Übergangsperiode. Auf einige Aspekte soll im folgenden eingegangen werden.
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Ziel der K P D und später der SED war bekanntlich eine in langwährender Auseinandersetzung zu erkämpfende antifaschistisch-demokratische Umwälzung in ganz Deutschland als notwendige Etappe auf dem Wege zum Sozialismus. Das Potsdamer Abkommen galt es, in ganz Deutschland zu verwirklichen und einen deutschen Nationalstaat zu schaffen, in dem die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten die Herrschaft ausübten. Alle Grundsatzdokumente deutscher Kommunisten, alle Aktionsprogramme, Richtlinien und Maßnahmepläne für die Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg zielten deshalb auf alle Teile Deutschlands, auf alle Besatzungszonen. Die Orientierung auf eine demokratische und fortschrittliche Entwicklung im Rahmen des gesamten ehemaligen bürgerlichen Nationalstaats bedeutete, daß die Vorhut der Arbeiterklasse für die optimale Variante der gesellschaftlichen Entwicklung auf deutschem Boden eintrat. „Optimal ist jene Variante, die dem gesellschaftlichen Fortschritt in komplexer Weise am effektivsten dient."34 Die K P D und später die SED nahmen die Tatsache, daß in der sowjetischen Besatzungszone — verglichen mit den anderen Zonen — die günstigsten Bedingungen für den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus bestanden, nicht zum Anlaß, sich in ihren Zielvorstellungen und in ihrer Politik auf dieses Territorium zu beschränken. Sie ließen sich vielmehr davon leiten, daß Möglichkeiten vorhanden waren, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit aus dem imperialistischen System herauszuführen und dadurch den höchstmöglichen Beitrag zur weiteren Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses zugunsten des Sozialismus und aller demokratischen Kräfte zu leisten. Die Realisierung der optimalen Variante der gesellschaftlichen Entwicklung war an bestimmte unabdingbare Voraussetzungen geknüpft: an das Voranschreiten der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR, d. h. jenes Territoriums, wo die günstigsten Bedingungen bestanden, auf dem Wege des gesellschaftlichen Fortschritts; an die Herstellung enger Beziehungen zur Sowjetunion, den Volksdemokratien und allen Friedenskräften; an die Zurückdrängung der reaktionärsten und aggressivsten Kräfte des Weltimperialismus, besonders der USA; an die Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse in allen Besatzjungszonen bzw. in der DDR und BRD; an die Gewinnung der Mehrheit des Volkes für den antiimperialistischen Kampf. Diese Voraussetzungen konnten nur zum Teil geschaffen werden. Das Kräfteverhältnis sowohl im nationalen als auch im internationalen Rahmen erlaubte es nicht, den gesellschaftlichen Fortschritt auf dem gesamten Territorium des ehemaligen bürgerlichen deutschen Nationalstaats durchzusetzen. „Gejagt 34
Stiehler, Gottfried, Geschichte und Verantwortung. Zur Frage der Alternativen in der gesellschaftlichen Entwicklung, Berlin 1972, S. 75 f.
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von der Angst vor dem Verlust entscheidender Machtpositionen, griffen die imperialistischen Westmächte als Schirmherren des deutschen Monopolkapitals brutal in die Klassenauseinandersetzung in Deutschland ein. Im Bunde mit rechten sozialdemokratischen Führern wurden in den damaligen Westzonen die Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse und gegen den erklärten Willen der Volksmassen die ökonomische und politische Entmachtung der imperialistischen Kriegsverbrecher hintertrieben und damit ein entscheidender Schritt zur Restaurierung der Macht der Monopole getan. Zur Wahrung seiner egoistischen Klasseninteressen zögerte auch das deutsche Monopolkapital keinen Augenblick, seinen jahrzehntelangen Verrat an den nationalen Interessen zu vollenden. Die Gründung der BRD im September 1949, das Wiedererstarken der Herrschaft des Monopolkapitals und seine aggressive Politik als Vorposten des Weltimperialismus gegen den Weltsozialismus führten zur Zerreißung des einheitlichen staatlichen Territoriums und dann letztlich zur Zerstörung der Einheit der deutschen Nation. Das ist und bleibt die historische Schuld der deutschen Monopolbourgeoisie."35 Trotz der zunehmend dahinschwindenden Möglichkeiten für eine antiimperialistische Entwicklung der BRD hielt die SED auch nach der vom Imperialismus vollzogenen staatlichen Spaltung noch mehrere Jahre an ihrer gesamtdeutschen Zielsetzung fest, entwickelte diese entsprechend den veränderten Bedingungen weiter — zuletzt mit dem Ziel, durch eine Konföderation der endgültigen Divergenz noch in letzter Stunde entgegenzuwirken — und zog erst dann die Schlußfolgerung von der völlig voneinander unabhängigen und in jeder Hinsicht konträren Entwicklung von DDR und BRD, als keinerlei Möglichkeiten für eine gesellschaftliche Annäherung mehr gegeben waren. Wie wirkten sich die mit dem Kampf um eine antiimperialistische Entwicklung in ganz Deutschland verbundenen Probleme und Erfordernisse auf den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR aus? Die zentrale Frage für die deutsche Arbeiterklasse und ihre Verbündeten, der wichtigste Beitrag, den sie zu leisten vermochten, war von Anfang an die Stärkung der neuen Ordnung im Osten Deutschlands — gemäß dem eisernen Gesetz, daß jede Revolution alle sich bietenden echten Chancen nutzen und bei Gefahr ihres Untergangs jene Aufgaben lösen muß, deren Lösungsbedingungen herangereift sind. „Die entscheidende Aufgabe bestand darin", erklärte Hermann Axen rückblickend, „die Positionen der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten auf unserem Territorium so stark und so unantastbar wie nur möglich zu machen."36 Das Voranschreiten der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR auf dem Wege des gesellschaftlichen Fortschritts konnte sich nicht anders vollziehen als gemäß den allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten des Ubergangs vom Kapitalismus zum Sozia35
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Axen, Hermann, Zur Entwicklung der sozialistischen Nation in der DDR, Berlin 1973, S. 9 f. Ebenda, S. 10 f.
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lismus. Gleichzeitig mußten das Tempo, die Methoden und Formen des Voranschreitens so bemessen sein, daß dadurch höchstmögliche Ergebnisse im Kampf um die optimale Variante der gesellschaftlichen Entwicklung auf deutschem Boden erzielt werden konnten. Dies war sicher ein Grund für die — verglichen mit den meisten Volksdemokratien — relativ lange Zeitdauer der demokratischen Etappe der Revolution, für die Nutzung aller Potenzen der antifaschistisch-demokratischen Ordnung. Es war ein zusätzliches Motiv, eine möglichst breite Bündniskonstellation anzustreben und auch beim planmäßigen Aufbau des Sozialismus beizubehalten, und der wohl entscheidende Grund für die nationale und antiimperialistische Motivierung und Stoßrichtung wesentlicher Schritte und Maßnahmen des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR. Das außerordentlich große Gewicht des nationalen, antiimperialistischen Kampfes fand auch in den Formen des Bündnisses der Arbeiterklasse mit anderen Werktätigen seinen Niederschlag (Volkskongreßbewegung für Einheit und gerechten Frieden, Nationale Front des demokratischen Deutschland). Der nationale, antiimperialistische Kampf spielte in der Entwicklung aller Volksdemokratien eine große Rolle. Eine Besonderheit der DDR besteht in dieser Hinsicht darin, daß infolge der Spaltungspolitik des Imperialismus dem nationalen, antiimperialistischen Kampf während der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus diese außerordentliche Bedeutung zukam (in den meisten Volksdemokratien war das vorher, in den Jahren des antifaschistischen Befreiungskampfes, der Fall gewesen). Dies bedeutete nicht zuletzt, daß sich der Klassenkampf in der Übergangsperiode in hohem Maße unmittelbar gegen den USA-Imperialismus und den wiedererstandenen Imperialismus in der BRD richtete, die auch den gestürzten Ausbeuterklassen in der DDR starken Rückhalt gaben. Insgesamt verstärkten somit die Erfordernisse des nationalen Kampfes die Notwendigkeit, ein breites antiimperialistisches Bündnis und eine kontinuierliche Entwicklung der Revolution anzustreben. Andernteils schuf der nationale Kampf dafür günstige Möglichkeiten, wie das generell für die volksdemokratischen Revolutionen charakteristisch war. Das Voranschreiten der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR auf dem Wege des gesellschaftlichen Fortschritts war ursprünglich eine grundlegende Voraussetzung — man kann auch sagen: das erstrangige Teilziel —, um das auf ganz Deutschland gerichtete Ziel zu verwirklichen. Die reaktionäre Entwicklung der BRD einerseits und der fortschreitende sozialistische Aufbau in der DDR andererseits bewirkten indessen eine objektive Abgrenzung zwischen beiden Staaten und Gesellschaftssystemen. Sie hatte zur Folge, daß die notwendigen Maßnahmen und Schritte des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR in zunehmendem Maße unmittelbar und dann ausschließlich aus den inneren Bedingungen der DDR und den Erfordernissen der Entwicklung des gesamten sozialistischen Weltsystems abgeleitet werden mußten. Die Dialektik der Geschichte war also derart, daß die ursprünglich
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von einem umfassenderen Ziel abgeleitete A u f g a b e m e h r u n d m e h r und schließlich endgültig zum alleinigen und bestimmenden Hauptziel w u r d e . Obwohl sich die optimale Variante des gesellschaftlichen Fortschritts auf deutschem Boden nicht verwirklichen ließ, zeitigte das konsequente Eintreten f ü r diese geschichtliche Möglichkeit Ergebnisse von bleibender Bedeutung, Ergebnisse, die letztlich zur weiteren Veränderung des internationalen K r ä f t e verhältnisses zugunsten der K r ä f t e des Sozialismus und des Friedens beitrugen. Die im Zeichen des K a m p f e s f ü r die demokratische Einheit bzw. Wiedervereinigung Deutschlands und einen Friedensvertrag, gegen die Remilitarisierung der BRD g e f ü h r t e n Aktionen gegen den Imperialismus w a r e n ein wichtiger Bestandteil der internationalen Offensive des Sozialismus, die den Weltimperialismus in die Defensive zwang. Sie f ö r d e r t e n den Zusammenschluß d e r sozialistischen Staaten u n d die Vereinigung demokratischer K r ä f t e in zahlreichen Ländern. Sie verzögerten den Ausbau des imperialistischen Paktsystems und die reaktionäre Entwicklung der BRD. Auf diese Weise half der Kampf u m die konsequente D u r c h f ü h r u n g des Potsdamer Abkommens, u m die Beseitigung d e r Herrschaft des Imperialismus u n d Militarismus in ganz Deutschland, günstige äußere Bedingungen f ü r den sozialistischen A u f b a u in den europäischen Volksdemokratien zu schaffen. Die Zerreißung des ehemaligen bürgerlichen Nationalstaats, die Zerstörung des ehemals einheitlichen deutschen Wirtschaftsgebiets durch d e n Imperialismus komplizierten zweifellos den Ubergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR. Aber d e r Einsatz, der in die Waagschale geworfen wurde, u m diesen Erschwernissen zu begegnen u n d die Pläne des Imperialismus zu durchkreuzen, k a m letztlich der sozialistischen Entwicklung der DDR zugute. Die Arbeiterklasse der DDR und ihre Vorhut b e w ä h r t e n sich auch als F ü h r u n g s k r a f t im nationalen Kampf. I h r konsequentes Eintreten f ü r die staatliche Einheit Deutschlands förderte den Zusammenschluß aller demokratischen K r ä f t e in der DDR und half d e n Verbündeten d e r Arbeiterklasse, sich vom politischen und ideologischen Einfluß d e r Bourgeoisie zu lösen. So w a r der nationale, antiimperialistische Kampf ebenso w i e in den Volksdemokratien — wenngleich erst auf einer späteren Entwicklungsstufe als dort — ein wesentlicher Stimulus f ü r die Herausbildung u n d Festigung des Bündnisses der Arbeiterklasse der DDR mit d e n werktätigen B a u e r n u n d anderen Werktätigen. Andererseits entlarvten sich die maßgebenden Vertreter der deutschen Bourgeoisie in der Konfrontation mit der nationalen Politik der SED und der DDR in einem solchen Maße als antinationale K r a f t , daß es selbst ihren eingeschworenen Apologeten h e u t e schwerfällt, ihnen nachträglich nationale Ziele anzudichten. 37 Von entscheidender Bedeutung d a f ü r , daß der nationale Kampf die Entwicklung der DDR vorantrieb, w a r 37
Selbst ein Organ wie der „Rheinische Merkur", der einst als Sprachrohr Adenauers galt, mußte am 6.2.1972 eingestehen: „Die europäische Lösung der deutschen Frage und damit die Absage an den Nationalstaat des 19. Jahrhunderts
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die Tatsache, d a ß er von A n f a n g a n u n t e r dem b e s t i m m e n d e n Einfluß der P a r t e i d e r Arbeiterklasse als antiimperialistischer K a m p f u n d als Bestandteil der weltweiten Auseinandersetzung zwischen Sozialismus u n d Imperialismus geführt wurde. Hier bietet sich eine Parallele z u r Geschichte des deutschen Volkes i m 19. J h . an. D a m a l s bestand die Möglichkeit, auf dem Wege einer Volksrevolution einen demokratischen deutschen Nationalstaat zu schaffen. Infolge des Verr a t s u n d des Versagens d e r Bourgeoisie w u r d e diese Möglichkeit nicht zur Wirklichkeit. A b e r die Loslösung d e r deutschen A r b e i t e r b e w e g u n g v o m Einfluß der Bourgeoisie, i h r e politische, organisatorische u n d ideologische Selbständigkeit, die H e r a u s b i l d u n g einer marxistischen Massenpartei — all diese Erfolge v o n z u k u n f t s t r ä c h t i g e r B e d e u t u n g w ä r e n u n d e n k b a r gewesen ohne den konsequenten Kampf f ü r die Volksrevolution, f ü r den demokratischrevolutionären Weg zur Einheit Deutschlands, o h n e die U n t e r o r d n u n g des nationalen K a m p f e s u n t e r den sozialen Kampf u m die B e f r e i u n g d e r A r beiterklasse. Die b e s t i m m e n d e n allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der E n t s t e h u n g u n d E n t wicklung des Sozialismus sind die D u r c h f ü h r u n g der sozialistischen Revolution u n d die Errichtung d e r D i k t a t u r des P r o l e t a r i a t s in dieser u n d jener F o r m sowie d i e F ü h r u n g der Volksmassen durch die marxistisch-leninistische Partei. Auch die Entwicklung der DDR ist ungeachtet einer Reihe von Besonderheiten eine Bestätigung d a f ü r . Ebenso wie in den a n d e r e n Ländern, die nach 1945 aus dem imperialistischen System ausbrachen, vollzog sich u. E. der Ü b e r g a n g v o m Kapitalismus zum Sozialismus in d e r DDR in F o r m einer volksdemokratischen Revolution. Sie löste in i h r e r ersten E t a p p e vorwiegend antiimperialistisch-demokratische u n d in i h r e r zweiten E t a p p e sozialistische A u f g a b e n . Da die Arbeiterklasse die b e s t i m m e n d e T r i e b k r a f t u n d der Hegemon w a r , bereitete die erste E t a p p e die zweite vor, wuchs kontinuierlich in sie h i n ü b e r u n d brachte bereits wichtige Elemente des Sozialismus hervor. Infolge der spezifischen Bedingungen d e r DDR — v o r allem der anfänglichen Schwäche des s u b j e k t i v e n F a k t o r s u n d d e r E r f o r d e r n i s s e des nationalen, antiimperialistischen K a m p f e s — u m f a ß t e die demokratische E t a p p e d e r Revolution einen etwas längeren Z e i t r a u m als in den anderen europäischen sozialistischen L ä n d e r n ; ihre Wechselbeziehung u n d Verflechtung m i t d e r sozialistischen E t a p p e w a r jedoch nicht m i n d e r eng. Wie überall, so vollzog sich auch i n der DDR die volksdemokratische Revolution als ein u n u n t e r brochener Prozeß, dessen Einheit u n d Kontinuität durch die Hegemonie d e r Arbeiterklasse gewährleistet u n d durch das z u n e h m e n d e E r s t a r k e n d e r soziawar das A und O der Politik Konrad Adenauers seit 1948." Die Zeitung charakterisiert Adenauers Politik als „europäische Verabschiedung des nationalen deutschen Einheitsstaats".
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listischen Elemente bzw. des Sozialismus und die zunehmende Schwächung des Kapitalismus gekennzeichnet waren. Im Ergebnis der volksdemokratischen Revolution wurden die Hauptaufgaben der Übergangsperiode gelöst, entschieden die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten die Frage „Wer — wen?" zu ihren Gunsten. Die führende Rolle der Arbeiterklasse war auch in der DDR das wichtigste Bindeglied zwischen den beiden Etappen der Revolution. Uber die revolutionär-demokratische Diktatur, in der die Arbeiterklasse die entscheidenden Positionen innehatte, führte der Weg zur Diktatur des Proletariats, zur ungeteilten Herrschaft der Arbeiterklasse — ein Grund mehr, beide Etappen der Revolution nicht als relativ selbständige Revolutionen aufzufassen, da eine Revolution durch den Übergang der Macht von den Händen einer Klasse in die einer anderen gekennzeichnet ist. Das trifft lediglich auf die gesamte Übergangsperiode zu, in deren Ergebnis die Macht von der Monopolbourgeoisie endgültig in die Hände der Arbeiterklasse überging. Die antiimperialistische Entwicklung — und damit die Ubergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus — begann auf dem Territorium der DDR mit der militärischen Zerschlagung des faschistischen deutschen Imperialismus durch die Sowjetarmee, mit der Bildung neuer Staatsorgane, die zu Keimzellen einer revolutionär-demokratischen Staatsmacht wurden, in der die Arbeiterklasse von Anfang an führende Positionen innehatte, mit der Säuberung der Staats- und Justizorgane, der Betriebe und des gesamten öffentlichen Lebens von Kriegsverbrechern und aktiven Nazis, mit der Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts der Werktätigen und der Arbeiterkontrolle in der Wirtschaft. Den Nachkriegsbedingungen entsprechend, erfolgte der Aufbau neuer Staatsorgane von unten nach oben. Ging auch der volksdemokratischen Revolution in der DDR eine revolutionäre Situation voraus? Zweifellos waren zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs der faschistischen Herrschaft bestimmte Merkmale einer revolutionären Situation vorhanden: die Krise der herrschenden Klassen, die ihre Herrschaft nicht mehr auf die bisherige Art aufrechterhalten konnten; eine Verschärfung der Not und des Elends der werktätigen Massen, die weit über das gewöhnliche Maß hinausging. Von einer bedeutenden Erhöhung der Aktivität der Massen als Folge der Krise der alten Ordnung konnte jedoch anfangs nicht die Rede sein. Hoffnungslosigkeit und Resignation waren weit verbreitet. Die Mehrheit des deutschen Volkes machte nicht das Monopolkapital und seine verbrecherische Politik, sondern die militärische Niederlage und die Besetzung Deutschlands durch die Siegermächte für die katastrophale Lage der Massen verantwortlich. Wie alle Erfahrungen lehrten, konnte eine machtvolle Massenbewegung auch nicht willkürlich hervorgerufen werden, wie Anhänger einer linksradikalen Putschtaktik glauben machen wollen. Die Erfahrungen zahlreicher Revolutionen lehren jedoch ebenfalls, daß „konsequente Aktionen von Revolutionären . . . den Impuls für die beschleunigte Entwicklung einer revolutionären Situation geben [können], wenn sich in
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dem betreffenden Lande genügend Zündstoff angesammelt hat und die entsprechenden objektiven Bedingungen vorhanden sind".38 Von dieser Möglichkeit ging auch die Führung der KPD aus. „Die im Kampf zum Sturz des faschistischen Regimes fehlende antifaschistische Massenbewegung der deutschen Arbeiterklasse und des Volkes war kein Grund, um zu schlußfolgern, daß auch in Zukunft, im Ringen für den Aufbau des neuen Deutschlands, diese Massenbewegung nicht möglich sei", stellt Horst Laschitza richtig fest. „Die Parteiführung der KPD setzte ihr Vertrauen in die deutsche Arbeiterklasse. Sie ging weiter davon aus, daß sich bereits unter den Bedingungen der verschärften Krise des Hitlerregimes in allen Schichten des Volkes große soziale und politisch-ideologische Veränderungen anbahnten. Es kam darauf an, alle Erscheinungen der Unzufriedenheit des Volkes mit dem verbrecherischen System auszunutzen" und in die Bahn des organisierten antiimperialistischen Kampfes zu lenken.39 Die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone in den Jahren 1945/1946 gab der KPD recht. Obwohl beträchtliche Teile des Volkes auch weiterhin in Apathie oder Ablehnung verharrten, steht außer Zweifel, daß sich die Aktivität einer wachsenden Anzahl von Arbeitern, von werktätigen Bauern und Angehörigen anderer werktätiger Schichten bedeutend erhöhte. Ohne die rasche Entfaltung einer Massenbewegung zur Ausrottung des Faschismus und seiner gesellschaftlichen Grundlagen wäre es nicht möglich gewesen, die volksdemokratische Revolution einzuleiten. Die bedeutende Erhöhung der Aktivität der Massen in den ersten Jahren nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus bestätigt, daß sich eine revolutionäre Situation über einen längeren Zeitraum erstrecken kann und daß ihre Merkmale in unterschiedlichem Grad und Tempo heranreifen. Gleichzeitig wird die enge Verflechtung zwischen dem Heranreifen aller Merkmale einer revolutionären Situation und dem Reifegrad des subjektiven Faktors deutlich. Die Erhöhung der Aktivität der Massen und das Ringen um die Entwicklung ihres Bewußtseins und ihrer Organisiertheit, um die Durchsetzung der führenden Rolle der Vorhut der Arbeiterklasse verschmolzen zu einem einheitlichen wechselseitigen Prozeß. Von großer Bedeutung war dabei, daß die Vorhut der Arbeiterklasse der Reaktion keine Atempause gönnte, ihr nicht die Zeit ließ, ihre Kräfte zu sammeln und neu zu gruppieren. In dem Wettlauf zwischen Fortschritt und Reaktion sicherte sie den raschen Vormarsch der um die Arbeiterklasse geschalten antiimperialistischen Kräfte. Die Kardinalfrage war die Organisierung der Arbeiterklasse, ihre Gewinnung für das Programm der KPD, die Verwirklichung der Hegemonie der Arbeiterklasse. Mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht mobilisierten Kommunisten und klassenbewußte Sozialdemokraten, anfangs eine kleine 38 39
Grundlagen der marxistisch-leninistischen Philosophie, S. 424. Laschitza, Horst, Kämpferische Demokratie gegen Faschismus. Die programmatische Vorbereitung auf die antifaschistisch-demokratische Umwälzung in Deutschland durch die Parteiführung der KPD, Berlin 1969, S. 118 f.
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Minderheit konsequenter Antifaschisten, die Arbeiterklasse für den demokratischen Neuaufbau, schufen ihre politischen und gewerkschaftlichen Organisationen, weckten ihr verschüttetes Klassenbewußtsein. Die Aktionseinheit von KPD und SPD legte den Grund für die Hegemonie der Arbeiterklasse. Von ausschlaggebender Bedeutung, eine neue Qualität im Reifegrad des subjektiven Faktors widerspiegelnd, war die Herstellung der politischen und organisatorischen Einheit der Arbeiterklasse kaum ein Jahr nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus. Dadurch wurde dem Opportunismus eine entscheidende Niederlage zugefügt. Die Arbeiterklasse konnte ihre führende Rolle wesentlich ausbauen und jene Kräftekonstellation schaffen, die ihr gemeinsam mit den werktätigen Bauern und anderen Werktätigen das Übergewicht über die Reaktion sicherte. Erneut bestätigte sich die Erkenntnis: „. .. wenn die objektiven Bedingungen zur Umgestaltung der Gesellschaft herangereift sind ..., hängen Sieg oder Niederlage ganz entscheidend von der Geschlossenheit und Organisiertheit der Massen ab, vom geschickten und entschlossenen Handeln der revolutionären Partei, von ihrer Fähigkeit, die Volksmassen mitzureißen und zu einer politischen Armee zu vereinen."40 Die Führung der SED betrieb von Anfang an eine wissenschaftlich begründete marxistisch-leninistische Politik, wenngleich die Partei in ihrer Gesamtheit noch keine Kampforganisation neuen Typs war. Da eine zentrale deutsche Staatsmacht fehlte, erfüllte die Führung der SED unter Achtung der Besatzungsbedingungen auch wichtige staatliche Aufgaben, wie die Anbahnung neuer politischer und wirtschaftlicher Beziehungen zu den europäischen Volksdemokratien oder die Koordinierung der Tätigkeit der Innenminister, der Polizei- und Justizorgane in den Ländern. Von Anfang an sahen KPD bzw. SED in den werktätigen Bauern den natürlichen und engsten Verbündeten der Arbeiterklasse. Die Tatsache, daß die Bodenreform zu einem sehr frühen Zeitpunkt und in einer Art und Weise durchgeführt wurde, die voll und ganz den Interessen der werktätigen Bauern entsprach, ist sicher in erster Linie auf die zwingende Notwendigkeit des festen Klassenbündnisses zurückzuführen. Aber auch dem Bündnis mit den städtischen Mittelschichten galt große Aufmerksamkeit. Die Partei trat Tendenzen des Sektierertums ebenso entschieden entgegen wie opportunistischen Bestrebungen, die grundlegenden Klassenziele der Arbeiterklasse zu verwischen oder außer acht zu lassen. Ebenso wie in den Volksdemokratien war die enge Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte ein Prinzip der revolutionären Arbeiterpartei, was die entschiedene Bekämpfung der Reaktionäre in den bürgerlich-demokratischen Parteien mit einschloß. Dank der zielstrebigen Bündnispolitik der SED konnte das politische Bündnis der Parteien und Massenorganisationen ständig gefestigt werden. Die Maßnahmen der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung — Agrar/l0
Gleserman, G. J., Der historische Materialismus und die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft, Berlin 1969, S. 34 f.
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reform, Enteignung des Monopolkapitals und der Junker, Schul- und Hochschulreform, Erneuerung des Justizwesens, Anfänge der Wirtschaftsplanung und Kontrolle des privaten Wirtschaftssektors, Neuordnung des Finanz- und Steuerwesens, Anfänge eines staatlichen Großhandels, Sozialgesetzgebung im Interesse der Werktätigen u. a. — entsprachen in ihrem Wesen gleichgearteten Maßnahmen in den Volksdemokratien, die in der ersten Etappe der Revolution durchgeführt wurden. Die Maßnahmen zur Liquidierung der Monopolbourgeoisie und der Großgrundbesitzer als Klasse wurden in revolutionären Massenaktionen, auf der Grundlage von Gesetzen und Verordnungen der neuen Staatsorgane verwirklicht. Bei einigen Maßnahmen, z. B. beim Volksentscheid zur Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher, fanden traditionelle demokratische Formen Anwendung. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) unterstützte die demokratischen Kräfte des deutschen Volkes allseitig. Sie hielt die imperialistische Reaktion nieder und verhinderte eine Einmischung des Imperialismus von außen. Insbesondere trug sie entscheidend dazu bei, die Initiative und Aktivität der Massen zu wecken und zu fördern und den Reifeprozeß des subjektiven Faktors der Revolution zu beschleunigen. Ihre Befehle, die den Viermächtebeschlüssen entsprachen und mit den deutschen Antifaschisten beraten wurden, förderten die fortschrittliche Entwicklung wesentlich. Sie schufen wesentliche Voraussetzungen f ü r die Durchführung der antiimperialistischen Maßnahmen. Für den Übergang zur sozialistischen Etappe der Revolution waren auch in der DDR der fortgeschrittene Grad der Bewußtheit und Organisiertheit großer Teile der Arbeiterklasse und der werktätigen Bauern, die Entwicklung der Partei der Arbeiterklasse zur marxistisch-leninistischen Partei neuen Typs, die Errichtung der Diktatur des Proletariats und die Herstellung enger politischer und wirtschaftlicher Verbindungen zur Sowjetunion und zu den anderen sozialistischen Ländern entscheidend. Die Kardinalfrage w a r die Enwicklung der SED zur Partei neuen Typs. Allein die Führung durch die marxistisch-leninistische Partei gewährleistete die planmäßige Durchsetzung aller Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus. „Die Führung der sozialistischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus durch die Partei ist die wichtigste allgemeine Gesetzmäßigkeit des sozialistischen wie auch des folgenden kommunistischen Aufbaus, weil sie die elementare Voraussetzung f ü r die Realisierung des Gesamtsystems der Gesetzmäßigkeiten ist. In der Führung der Gesellschaft durch die Partei findet die dialektische Einheit von objektiven gesellschaftlichen Bedingungen und subjektiver menschlicher Tätigkeit bei der Gestaltung des Sozialismus ihren umfassendsten Ausdruck." 41 Ostdeutschland war das erste Territorium, in dem sich nach 1945 Kommunisten und Sozialdemokraten in einer Partei zusammenschlössen. Der zahlenmäßige Anteil von ehemaligen Mitgliedern der KPD und der SPD hielt sich 41
Grosser/Klemm,
in: Lenin und die Wissenschaft, Bd. 1, S. 68 f.
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etwa die Waage. Obwohl sich die proletarische Klassenlinie in der SPD durchgesetzt hatte, w a r e n i auch in der SED noch starke opportunistische Einflüsse wirksam. Ein erheblicher Teil von Mitgliedern, die ü b e r wenig Erfahrungen und theoretische Kenntnisse verfügten, t r a t nach der Vereinigung der Partei bei. Ein langer und zielstrebiger politisch-ideologischer Klärungsprozeß w a r also unumgänglich, damit die Partei ihrer historischen Rolle gerecht werden konnte. Der bereits vor der Vereinigung eingeleitete Klärungsprozeß w u r d e nach der G r ü n d u n g der SED zielstrebig fortgesetzt. Dem Wesen nach ging es u m die weitere Zurückdrängung des Opportunismus und die zunehmende Durchsetzung der Lehren von M a r x und Engels und wichtiger Erkenntnisse Lenins. 1948, als die wesentlichen Aufgaben der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung gelöst waren, t r a t mit aller Deutlichkeit zutage, daß der sich abzeichnende Ubergang zur sozialistischen Etappe der Revolution zwingend die Entwicklung der SED zur Partei neuen Typs erforderte. Die K e r n f r a g e des damit verbundenen bisher tiefgreifendsten Klärungsprozesses w a r die Aneignung des Leninismus und der E r f a h r u n g e n der K P d S U (B), die völlige Überwindung des Opportunismus, des Antisowjetismus u n d Nationalismus. Alle Auffassungen von einem „besonderen deutschen Weg" zum Sozialismus wurden zerschlagen. Es setzte sich die Erkenntnis durch, daß die Wesenszüge des Ubergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in allen Ländern übereinstimmen und daß die E r f a h r u n g e n und das Beispiel der K P d S U (B) u n d der UdSSR von allgemeingültiger Bedeutung sind. Waren bis zum Zeitpunkt d e r G r ü n d u n g der DDR schon große Fortschritte erzielt worden 42 , so entsprach das Tempo doch noch nicht den erhöhten A n forderungen. Der III. Parteitag der SED im J a h r e 1950 beschloß deshalb Maßnahmen zur beschleunigten Entwicklung der SED als marxistisch-leninistische Partei nach dem Vorbild der KPdSU (B). Im Ringen u m die S t ä r k u n g der DDR und i m Kampf gegen den Imperialismus festigte die SED d i e Einheit und Geschlossenheit ihrer Reihen. Mit d e r Entwicklung zur Partei neuen Typs, die etwa 1952 ihren Abschluß fand, erlangte der subjektive F a k t o r jene Reife, die f ü r den planmäßigen A u f b a u des Sozialismus erforderlich war. Auf der Grundlage der Prinzipien des demokratischen Zentralismus verwirklichte die SED ihre f ü h r e n d e Rolle durch alle Parteiorganisationen, durch ihre Mitglieder in den Massenorganisationen u n d im Staatsapparat sowie in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Wie in allen sozialistischen Ländern w a r auch in der DDR die Staatsmacht der Arbeiter und Bauern das wichtigste Instrument beim planmäßigen A u f bau des Sozialismus. Bestimmte Unterschiede gegenüber den Volksdemokratien gab es bei der Herausbildung der zentralen Staatsmacht der Arbeiter und Bauern. Sie w u r d e in der DDR erst im Ergebnis der demokratischen Etappe der Revolution geschaffen. Die Arbeiter-und-Bauern-Macht stützte i2
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Stöckigt, in: BzG, 1973, H. 3, S. 424 f.
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sich auf die neuen Staatsorgane und Volksvertretungen der antifaschistischdemokratischen Ordnung. Eine nicht minder wichtige Quelle, resultierend aus der Spezifik des Kampfes gegen die imperialistische Spaltungspolitik, war die außerparlamentarische Bewegung des Deutschen Volkskongresses, aus dessen Führungsorgan die oberste Volksvertretung der DDR hervorging. So bestand nicht n u r politisch, sondern auch institutionell keinerlei Kontinuität zu den Parlamenten des ehemaligen Deutschen Reiches. Überhaupt konnten alte politische Institutionen in der Hauptsache nur in der ersten Etappe der Revolution und nur bis zur Ebene der Länder genutzt werden. Im Unterschied zu Rußland — aber ebenso wie in den meisten Volksdemokratien — bildete sich die Diktatur des Proletariats vorwiegend auf friedlichem Wege und in einem Prozeß heraus. Die Maßnahmen zur Festigung der Staatsmacht 1948 leiteten zur unmittelbaren Herausbildung der Diktatur des Proletariats über. Die Gründung der DDR war keinesfalls eine bloße Komplettierung des Aufbaus neuer Staatsorgane von unten nach oben, sondern sie stellte eine neue Qualität dar: Mit der DDR entstand ein Staat, der von Anfang an die Funktionen der Diktatur des Proletariats auszuüben begann. Bei der Weiterentwicklung und Vervollkommnung der sozialistischen Staatsmacht, bei der endgültigen Uberwindung des bürgerlichen Parlamentarismus und der Entfaltung der sozialistischen Demokratie spielte die Verwirklichung der Gesetze über die weitere Demokratisierung und die Verbesserung der Arbeit des Staatsapparats, die in den Jahren 1952, 1957 und 1958 von der Volkskammer beschlossen wurden, eine wesentliche Rolle. Ähnliche Maßnahmen kennzeichneten auch die Entwicklung der anderen sozialistischen Staaten in den 50er Jahren. Die Existenz mehrerer Parteien unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats ist f ü r eine Reihe Volksdemokratien charakteristisch. Auch in Bulgarien, Polen und der CSR wirkten mehrere Parteien unter Führung der Partei der Arbeiterklasse beim Aufbau der Grundlagen des Sozialismus zusammen. Im Verlauf der volksdemokratischen Revolution machten sie einen tiefgreifenden Wandlungsprozeß durch. Im Unterschied zu einigen anderen Ländern blieben in der DDR alle nichtproletarischen Parteien bestehen, die in der demokratischen Etappe der Revolution gebildet worden waren. Keine Partei löste sich auf oder wurde von reaktionären Kräften gespalten. Es kam nicht zur Bildung oppositioneller antikommunistischer Blocks. Diese Entwicklung erklärt sich zum Teil daraus, daß die 1945 bzw. 1948 gebildeten nichtproletarischen Parteien Neugründungen auf antifaschistisch-demokratischer Grundlage waren und deshalb nur eine geringe bzw. gar keine Kontinuität zu den traditionellen bürgerlichen deutschen Parteien bestand. Die Nationale Volksarmee der DDR w u r d e erst im J a h r e 1956, in einem bereits fortgeschrittenen Stadium des sozialistischen Aufbaus, als integrierender Bestandteil der sozialistischen Militärkoalition des Warschauer Vertrages geschaffen. Die Gesetzmäßigkeit des Schutzes der revolutionären Errungen-
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Schäften vor äußeren und inneren Feinden w a r jedoch von Anfang an wirksam. An der Seite der Sowjetarmee, die die Aufgaben des militärischen Schutzes der neuen Ordnung übernahm, gewährleisteten die neuen Schutzund Sicherheitsorgane, besonders die Volkspolizei, den Schutz der Errungenschaften des werktätigen Volkes vor Anschlägen der inneren und äußeren Reaktion. Unter Führung der SED entwickelten sie sich zu zuverlässigen Instrumenten der Arbeiterklasse. Die bewaffneten Streitkräfte der DDR entstanden nicht — wie in Bulgarien, Rumänien und Ungarn — aus der Umwandlung einer ehemaligen bürgerlichen Armee; sie konnten auch nicht unmittelbar an antifaschistische Streitkräfte anknüpfen wie die polnische oder tschechoslowakische Volksarmee. Die Nationale Volksarmee der DDR entstand auf dem Boden der sozialistischen Arbeiter-und-Bauern-Macht. Eine ihrer wichtigsten Quellen waren die in der demokratischen Etappe der Revolution geschaffenen Schutz- und Sicherheitsorgane. Die Streitkräfte der DDR setzten die militärpolitischen Traditionen der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung und aller demokratischen K r ä f t e des deutschen Volkes fort. In der Führung durch die SED und in der Besetzung der leitenden Funktionen durch bewährte Antifaschisten kam die Kontinuitätslinie zur antifaschistischen Widerstandsbewegung, nicht zuletzt zu den internationalistischen Traditionen des spanischen Freiheitskampfes, am deutlichsten zum Ausdruck. Ebenso wie den anderen sozialistischen Staaten leistete die Sowjetunion der DDR beim Aufbau und bei der Festigung der Schutz- und Sicherheitsorgane der Diktatur des Proletariats vielfältige Hilfe. Wesen, aber auch spezifische Züge der sozialistischen Staatsmacht in der DDR fanden ihren begrifflichen Niederschlag in dem Namen „Arbeiter-undBauern-Macht". Die Arbeiter-und-Bauern-Macht ist ein Staat vom Typ der Diktatur des Proletariats. Obwohl unterschiedlich im einzelnen, entspricht er u. E. nicht nur in seinem Wesen, sondern auch in seinen wichtigsten Besonderheiten dem volksdemokratischen Staat, einer besonderen Form des sozialistischen Staates, die die Geschichte nach der Pariser Kommune und nach der Sowjetmacht hervorgebracht hat. „Die breite soziale Basis der Revolution, ihre vergleichsweise friedliche Entwicklung, die Unterstützung und Hilfe der Sowjetunion bestimmten die allgemeinen Züge der volksdemokratischen Form der Diktatur des Proletariats." 43 Diese Kennzeichnung trifft zweifellos auch auf die DDR zu. Als Staat vom Typ der Diktatur des Proletariats in Form der Volksdemokratie löste die Arbeiter-und-Bauern-Macht im Prinzip die gleichen Aufgaben wie die Sowjetmacht in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus, w a r sie Hauptinstrument der Arbeiterklasse bei der Errichtung der Grundlagen des Sozialismus. Ebenso wie in den anderen sozialistischen Ländern war die Schaffung der sozialistischen Produktionsweise ihre wichtigste Aufgabe.
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Wissenschaftlicher
Kommunismus,
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Infolge der besonderen Aggressivität und Brutalität des deutschen Monopolkapitals und des hohen Grades der staatsmonopolistischen Entwicklung war die Enteignung der Monopole und ihre Überführung in Volkseigentum eine Existenzfrage für die antifaschistisch-demokratische Ordnung und zugleich ein zwingendes Erfordernis zur Sicherung des Friedens. In Übereinstimmung mit den' Viermächtebeschlüssen wurden deshalb unmittelbar nach dem Zusammenbruch des faschistischen deutschen Imperialismus Maßnahmen eingeleitet, die die Vernichtung des Monopolkapitals auf dem Territorium der späteren DDR vorbereiteten. Die SMAD stellte Betriebe der Nazi- und Kriegsverbrecher unter Sequester, sperrte die Bankguthaben und verbot Unternehmerverbände. Kommunisten und klassenbewußte Sozialdemokraten setzten mit Unterstützung der SMAD das Mitbestimmungsrecht der Werktätigen durch; sie lösten die Betriebe aus ihren Konzernbindungen und mobilisierten die Arbeiter und andere Werktätige für die Wiederaufnahme der Produktion im Interesse des Volkes. Auf der Grundlage des Volksentscheides in Sachsen und Gesetzen der neuen Staatsorgane wurden die Betriebe der Nazi- und Kriegsverbrecher im Sommer 1946 entschädigungslos enteignet. Im Gegensatz zu den imperialistischen Besatzungsmächten, die das deutsche Monopolkapital vor seiner Vernichtung bewahrten, ermöglichte und förderte die SMAD die Verwirklichung der eindeutigen Entscheidung, die die überwiegende Mehrheit des Volkes getroffen hatte. Obwohl die Enteignung der Betriebe der Nazi- und Kriegsverbrecher eine antifaschistisch-demokratische, antiimperialistische Strafmaßnahme war, die sich gegen den Faschismus und seine Träger richtete, entsprach sie der Nationalisierung der Großindustrie, die in der Regel in der ersten Etappe der volksdemokratischen Revolution durchgeführt wurde. Ebenso wie in den Ländern der Volksdemokratie wurde sie mit proletarischer Konsequenz durchgeführt. Sie brach dem Kapitalismus das Rückgrat, da sie praktisch das Monopolkapital als Ganzes traf und die entscheidenden Zweige der Industrie — besonders die Großindustrie — erfaßte, und führte zur Herausbildung eines volkseigenen Wirtschaftssektors, in dem neue ökonomische Gesetze zu wirken begannen. Die Volksmacht erhielt eine starke ökonomische Grundlage. Die Nationalisierung beschränkte sich auch in Ostdeutschland nicht auf die Großindustrie. Die Banken, das Post- und Fernmeldewesen, ein großes^Teil des Verkehrs- und Transportwesens gingen ebenfalls in die Verfügungsgewalt des Volkes über. Das Außenhandelsmonopol wurde zunächst von der SMAD wahrgenommen, später gemeinsam mit den Organen der revolutionär-demokratischen Staatsmacht, bis es voll an die Arbeiter-und-Bauern-Macht überging. Die Nationalisierung wies weit in die Zukunft. Sie nahm in bestimmter Hinsicht bereits die Lösung wichtiger Aufgaben der sozialistischen Etappe der Revolution vorweg. Neben der Hegemonie der Arbeiterklasse war der volks-
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eigene Wirtschaftssektor das wichtigste Element des Sozialismus, das in der demokratischen Etappe der Revolution entstand, eine der entscheidenden Grundlagen f ü r die Einheit und Kontinuität des revolutionären Prozesses. Der volkseigene Sektor war indessen noch kein sozialistischer Sektor, der volkseigene Betrieb noch kein sozialistischer Betrieb. Mit der volkseigenen Wirtschaft entstand eine Übergangsform zur sozialistischen Wirtschaft. Die volle Herausbildung des sozialistischen Charakters hing vom sozialistischen Charakter der Staatsmacht ab, von der Errichtung der Diktatur des Proletariats und der Ausübung ihrer wirtschaftsorganisatorischen Funktion. Erst in der sozialistischen Etappe der Revolution entwickelte sich der volkseigene Sektor in einem kontinuierlichen Prozeß zum sozialistischen Sektor der Volkswirtschaft, was mit tiefgreifenden Veränderungen in der Gestaltung der Produktionsverhältnisse, in den Formen und Methoden der Leitung und Planung, der Arbeitsorganisation usw. verbunden war. Ebenso wie in der Sowjetunion und in den Ländern der Volksdemokratie waren die Eroberung der Kommandohöhen in der Volkswirtschaft und die Errichtung der politischen Herrschaft der Arbeiterklasse die entscheidenden Voraussetzungen f ü r die Herausbildung der Planwirtschaft in der DDR. Dieser Prozeß fand seinen Abschluß im Verlaufe des Zweijahrplans 1949/1950, mit dem Übergang zur umfassenden Volkswirtschaftsplanung. 44 Einige spezifische Merkmale der Herausbildung der Planwirtschaft — wie erste Anfänge bereits vor der Errichtung der Diktatur des Proletariats — trafen nicht nur auf die DDR, sondern auch auf die volksdemokratischen Länder zu. Im Unterschied zu diesen wurde jedoch der Ubergang zur umfassenden Wirtschaftsplanung in der DDR verhältnismäßig spät vollzogen. Wie Jörg Roesler zu Recht feststellt, ist diese Besonderheit vor allem zurückzuführen auf das „Fehlen einer (nationalen) zentralen Staatsgewalt u n d die von der Arbeiterklasse und den mit ihr verbündeten progressiven Schichten verfolgte(n) Politik, welche die Errichtung eines einheitlichen, friedliebenden, demokratischen Gesamtdeutschlands zum Ziel hatte". 45 In der Übergangsperiode gab es auch in d e r DDR drei Wirtschaftssektoren: den volkseigenen bzw. sozialistischen, den privatkapitalistischen und den Sektor der kleinen Warenproduktion. Zwischen den sozialistischen und den kapitalistischen Kräften wurde der Klassenkampf um die Entscheidung der Frage „Wer — wen?" geführt. Im Unterschied zu anderen sozialistischen Ländern w a r der Übergang zur sozialistischen Etappe der Revolution in der DDR nicht mit einer zweiten Welle der Nationalisierung, die zur endgültigen oder weitgehenden Beseitigung des kapitalistischen Sektors führte, verbunden. Das aus historischen Gründen sehr starke Gewicht der Großindustrie, die den Kern der sozialistischen Wirtschaft bildete, ermöglichte es, die Frage „Wer — wen?" mit vorwiegend ökonomischen Mitteln zugunsten des sozia44 45
Vgl. den Beitrag von Jörg Roesler im folgenden Band 12, S. 281 ff. Ebenda.
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listischen Sektors zu entscheiden. Wesentlich t r u g hierzu die U n t e r s t ü t z u n g durch die S o w j e t u n i o n u n d a n d e r e sozialistische S t a a t e n bei. Sie h a l f e n bei der Sicherung d e r Rohstoffversorgung u n d bei d e r A b w e h r der imperialistischen Wirtschaftsblockade. Die H e r a u s b i l d u n g der P l a n w i r t s c h a f t u n d die Festigung des volkseigenen Sektors in der DDR sind u n t r e n n b a r mit dem Wirken der SMAD u n d zahlreicher sowjetischer E x p e r t e n v e r b u n d e n . Von besonderer B e d e u t u n g w a r die Existenz von SAG-Betrieben. U n t e r Leit u n g sowjetischer K o m m u n i s t e n w u r d e n sie f ü r Z e h n t a u s e n d e deutscher Arbeiter, Techniker u n d Ingenieure zu Schulen der sozialistischen Arbeit. Nach i h r e r Ü b e r g a b e a n die DDR in den J a h r e n 1950 bis 1954 s t ä r k t e n sie den sozialistischen S e k t o r u n d die gesamte Volkswirtschaft d e r DDR w e s e n t lich. Die ehemaligen SAG-Betriebe gingen vielfach den anderen Betrieben bei der E i n f ü h r u n g n e u e r Methoden d e r Leitung u n d Planung, der Arbeitsorganisation u n d i m sozialistischen W e t t b e w e r b b a h n b r e c h e n d voran. Nachdem der sozialistische Sektor genügend e r s t a r k t w a r u n d die A r b e i t e r und-Bauern-Macht sich w e i t e r gefestigt hatte, k o n n t e n in der DDR die Leninschen Ideen ü b e r den Staatskapitalismus in g r ö ß e r e m U m f a n g u n d den spezifischen Bedingungen d e r DDR entsprechend a n g e w a n d t w e r d e n . Das geschah v o r allem auf dem Wege d e r staatlichen Beteiligung an P r i v a t b e trieben, weniger in F o r m von Konzessionen u n d Verpachtungen. Die halbstaatlichen Betriebe erwiesen sich als eine geeignete Ü b e r g a n g s f o r m zum sozialistischen Betrieb. Sie s t ä r k t e n die Volkswirtschaft d e r DDR, t r u g e n zur stetigen Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung bei u n d ermöglichten es ehemaligen Angehörigen d e r m i t t l e r e n u n d kleinen B o u r geoisie, sich zu sozialistischen W e r k t ä t i g e n zu entwickeln. A b e r diese Ergebnisse stellten sich nicht automatisch ein, sondern k o n n t e n n u r im Klassenk a m p f , d e r in neuen F o r m e n f o r t g e f ü h r t w u r d e , durchgesetzt w e r d e n . In den halbstaatlichen Betrieben w i r k t e n , wenngleich in eingeschränkter u n d modifizierter Form, Gesetze des Kapitalismus weiter. Erst mit i h r e r U m w a n d l u n g in sozialistische Betriebe — ein Prozeß, der 1972 abgeschlossen w u r d e — w u r d e ihnen endgültig der Boden entzogen. Die wichtigste Quelle f ü r den A u f b a u einer sozialistischen Industrie w a r e n die sozialistischen Betriebe selbst, d. h. die Leistungen der in ihnen beschäftigten Millionen Arbeiter u n d a n d e r e n Werktätigen. D e r E r h ö h u n g d e r A r beitsproduktivität u n d der S e n k u n g d e r Selbstkosten k a m deshalb erstrangige B e d e u t u n g zu. Im Unterschied zu den industriell a n f a n g s weniger entwickelten sozialistischen L ä n d e r n w u r d e d i e sozialistische I n d u s t r i e der DDR nicht aus d e r L a n d w i r t s c h a f t finanziert. Diese erhielt vielmehr von der sozialistischen Industrie vielfältige Hilfe u n d Unterstützung. Vermittels der Steuergesetzg e b u n g des Staates w u r d e auch der privatkapitalistische S e k t o r f ü r die Entwicklung der sozialistischen Industrie u n d der L a n d w i r t s c h a f t n u t z b a r gemacht. Beim A u f b a u der sozialistischen Volkswirtschaft k o n n t e sich die DDR auf die Hilfe u n d die E r f a h r u n g e n d e r S o w j e t u n i o n u n d die b e g i n n e n d e Zu-
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sammenarbeit der Staaten des Rates f ü r Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) stützen. Ebenso wie die volksdemokratischen Staaten stand sie nicht — wie nach 1917 die Sowjetunion — vor der Notwendigkeit, bei Gefahr ihrer Existenz in schnellstem Tempo eine sozialistische Großindustrie zu errichten. Das schloß ein zeitweise angespanntes Tempo, das von den Erfordernissen des Kampfes gegen den Imperialismus diktiert wurde, nicht aus. Die DDR mußte nicht von einem Agrarland in ein Industrieland verwandelt werden wie die meisten anderen sozialistischen Länder. Diese grundlegende Aufgabe der sozialistischen Industrialisierung w a r deshalb f ü r die DDR nicht akut. Aber auch als industriell entwickeltes Land mußte sie — ebenso wie die CSSR — „den Weg der weiteren industriellen Entwicklung gehen, der eine Verbesserung der industriellen Struktur und die technische Vervollkommnung der Produktion auf der Grundlage der neuesten Errungenschaften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts in allen Bezirken des Landes und in allen Zweigen der Volkswirtschaft, auch in der Landwirtschaft, gewährleistete". 46 Dies war um so notwendiger, als die Kriegszerstörungen auch in der DDR sehr umfangreich waren und der Kapitalismus viele Disproportionen und einen zum Teil veralteten Produktionsapparat hinterlassen hatte. Hinzu kamen die Verpflichtungen zur wirtschaftlichen Wiedergutmachung. Eine Besonderheit der DDR waren die schweren Folgen der Spaltung des ehemals einheitlichen deutschen Wirtschaftsterritoriums durch den Imperialismus. Die daraus erwachsende spezifische Aufgabenstellung hat Kurt Langendorf so formuliert: „Für die Führung durch die Partei bestand nicht die Aufgabe, aus einem Agrarland ein Industrieland durch den extensiven Aufbau einer Industrie zu s c h a f f e n . . . " Die Aufgabe bestand auch nicht darin, ein arbeitsteiliges industrielles System, das sich im nationalen Rahmen herausgebildet hatte, in ein sozialistisches umzuwandeln. „Durch die imperialistische Spaltung Deutschlands mußte ein aus dem historisch entstandenen System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung abgetrennter Komplex von Industrie (im Prozeß der sozialistischen Umgestaltung — H. H.) wieder in ein arbeitsteilig verflochtenes System verwandelt werden." 47 Ein untrennbarer Bestandteil dieser Aufgabe w a r die Herstellung grundsätzlich neuer Außenwirtschaftsbeziehungen, insbesondere die Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der UdSSR und den anderen sozialistischen Staaten, besonders denen des RGW — und all dies unter Beachtung der eine Zeitlang noch vorhandenen Möglichkeiten einer antiimperialistischen Entwicklung der BRD und der daran geknüpften Perspektive einer Wiederherstellung der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands auf neuer, fortschrittlicher Grundlage. Wissenschaftlicher Kommunismus, S. 252. ',7 Langendorf, Kurt, Die schöpferische Rolle der SED bei der Ausarbeitung des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung, in: WZ Berlin 1966, H. 4, S. 479.
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So günstig im Vergleich zu den meisten Volksdemokratien die Voraussetzungen für die Entwicklung der sozialistischen Industrie in der DDR also einerseits waren, so schwierig gestaltete sich andererseits die Lösung der spezifischen Probleme der DDR. Ihre Meisterung war nur möglich dank der großartigen Leistungen und der hohen Qualifikation von Millionen Arbeitern und anderen Werktätigen, der Anwendung der Leninschen Prinzipien der Wirtschaftspolitik und der Erfahrungen der UdSSR durch die SED, der Hilfe und Unterstützung durch die Sowjetunion und andere sozialistische Staaten. In der Übergangsperiode wurden unter Überwindung vieler Schwierigkeiten und Entwicklungsprobleme auch in der DDR die Grundlagen der sozialistischen Produktionsweise geschaffen, einer arbeitsteiligen sozialistischen Volkswirtschaft, deren wichtigstes Glied die sozialistische Großindustrie bildete. Alle aus dem Kapitalismus und mehr noch aus der Spaltung Deutschlands resultierenden Disproportionen konnten aber in dieser Zeit nicht beseitigt werden. Neue Probleme erwuchsen aus der sich entwickelnden Arbeitsteilung der RGW-Staaten und aus den Anforderungen der wissenschaftlich-technischen Revolution. Die noch zu lösenden Aufgaben der Übergangsperiode verflochten sich deshalb aufs engste mit den neuen Aufgaben bei der Errichtung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Die im Jahre 1945 durchgeführte Bodenreform entsprach in ihrem Wesen den etwa zur gleichen Zeit in den volksdemokratischen Staaten verwirklichten revolutionären Umgestaltungen auf dem Lande. Sie zerschlug den auf dem Territorium der DDR verhältnismäßig umfangreichen Großgrundbesitz, veränderte radikal die ländliche Sozialstruktur zugunsten der werktätigen Bauern und legte den Grundstein für das enge Bündnis der Arbeiterklasse mit der werktätigen Bauernschaft. Die Bodenreform war eine revolutionäre Aktion von antifaschistischem, antiimperialistisch-demokratischem Charakter, da sie sich gegen einen Teil der imperialistischen Bourgeoisie und einen wichtigen Träger des Faschismus und Militarismus richtete. Sie wurde — w i e alle Maßnahmen dieser Etappe — von der Vorhut der Arbeiterklasse weit vorausschauend mit Blickrichtung auf den Sozialismus konzipiert und geleitet. So wurde nicht der gesamte Bodenfonds an Einzelbauern aufgeteilt. Etwa ein Drittel verblieb dem Staat oder öffentlichen Einrichtungen. Hieraus entstanden volkseigene Güter, Maschinenausleihstationen und andere Keimzellen des Sozialismus auf dem Lande. Die Größe der Neubauernwirtschaften war so bemessen, daß sie einerseits dem werktätigen Bauern eine sichere Existenzgrundlage bot und eine intensive Produktion ermöglichte, andererseits aber eine kapitalistische Entwicklung erschwerte. Anknüpfend an genossenschaftliche Traditionen wurden die Vereinigungen der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) geschaffen, die sich zu einflußreichen demokratischen Massenorganisationen der Bauern entwickelten. Das wichtigste Kettenglied für den späteren freiwilligen Ubergang der Bauern
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zur genossenschaftlichen Produktion -waren die Maschinenausleihstationen (MAS), die nach dem Vorbild der Sowjetunion gebildet wurden. Sie stärkten den Einfluß der Arbeiterklasse auf dem Lande wesentlich, schränkten die Abhängigkeit der werktätigen Bauern von den oft über eine leistungsfähige Technik verfügenden Großbauern allmählich ein, ermöglichten bereits unter den Bedingungen der kleinen Warenproduktion eine zunehmende Mechanisierung der Landwirtschaft und führten die werktätigen Bauern schrittweise an Großproduktion und gemeinsame Arbeit heran. Dank dem hohen Stand der industriellen Entwicklung, dem beschleunigten Ausbau der Betriebe des Maschinenbaus und der Hilfe durch die UdSSR war die Ausgangsposition der DDR in bezug auf den Traktorenbesatz der MAS bei Beginn der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft sehr günstig. Folgende Tabelle veranschaulicht dies: Traktoren der MASJMTS (ohne Staatsgüter) 48
(umgerechnet
UdSSR VR Bulgarien CSSR DDR Koreanische VR VR Rumänien VR Ungarn
auf 15 PS) je 1000 Hektar
1929 1948 1949 1952 1953 1951 1950
Ackerfläche
0,018
0,96 1,20
9,14 0,32 1,10 1,33
Die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft begann in der DDR im Jahre 1952, d. h. etwas später als in den europäischen volksdemokratischen Ländern. Erst zu diesem Zeitpunkt waren die objektiven und subjektiven Bedingungen dafür in der DDR herangereift. Sie wurde 1960, d. h etwa zur gleichen Zeit wie in Bulgarien, der CSSR, Rumänien und Ungarn, abgeschlossen. Traten anfangs vorwiegend Neubauern — meist ehemalige Industrieund Landarbeiter — den Genossenschaften bei, so gelang Ende der 50er Jahre, nachdem sich der sozialistische Sektor in der Landwirtschaft konsolidiert hatte, auch der Durchbruch bei den alteingesessenen Mittelbauern, deren Eigentümerbewußtsein 'besonders ausgeprägt war. Die Arbeiterklasse und ihre sozialistische Staatsmacht lenkten, leiteten und unterstützten die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft auf vielfältige Weise, vergaßen aber keinen Augenblick, daß diese tiefgreifende revolutionäre Veränderung der Produktions- und Lebensweise der Landbevölkerung nur von den Bauern selbst und unter strikter Beachtung des Prinzips der Freiwilligkeit verwirklicht werden konnte. Zu wichtigen Foren der demokratischen Beratung und Entscheidung wurden die jährlich stattfindenden Konferenzen der Aktivisten und Vorsitzenden der landwirtschaftPankratz,
Günter, Der Weg der MTS, Berlin i960, S. 10.
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liehen Produktionsgenossenschaften (LPG) mit führenden Repräsentanten der SED und der Staatsmacht. Den spezifischen Bedingungen der DDR entsprechend, konzentrierte sich die SED darauf, besonders die Mittelbauern, die wichtigste Schicht auf dem Dorfe, f ü r den Sozialismus zu gewinnen. Sie trat Tendenzen des Sektierertums ebenso entschieden entgegen wie Tendenzen, die Entwicklung dem Selbstlauf zu überlassen. Auch nach dem Beginn der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft setzte die SED die Politik der Unterstützung der noch einzeln wirtschaftenden Bauern, in denen sie die Genossenschaftsbauern von morgen sah, konsequent fort. In der Übergangsperiode wurde auch in der DDR das kapitalistische großbäuerliche Eigentum überwunden. Die Großbauern als Teil der Kapitalistenklasse hörten auf zu existieren. Das veränderte Kräfteverhältnis ermöglichte es jedoch, vorwiegend ökonomische Methoden anzuwenden und auf generelle Enteignungsmaßnahmen zu verzichten. Die SED und die Staatsmacht unterbanden eine kapitalistische Entwicklung auf dem Dorfe, drängten den wirtschaftlichen und politischen Einfluß der Großbauern zurück und setzten ihren Ausbeutungsbestrebungen Grenzen. Sie unterschieden zwischen solchen Großbauern, die ihre Verpflichtungen gegenüber dem Staat erfüllten, und solchen Elementen, die gegen die Gesetze verstießen und d a f ü r bestraft wurden. Nachdem sich der sozialistische Sektor auf dem Lande genügend gefestigt hatte, erhielten Großbauern, die loyal zur Arbeiter-und-Bauern-Macht standen, die Möglichkeit, Mitglied der LPG zu werden. Bis 1960 traten etwa 5000 Großbauern Genossenschaften bei. Die Aufnahmebedingungen waren so geregelt, daß eine Übervorteilung der anderen Genossenschaftsmitglieder nicht in Frage kam. So verschwanden die Großbauern als Ausbeuterklasse, ohne daß sie enteignet wurden oder aufhörten, Bauern zu sein. Aus ehemaligen Angehörigen der Kapitalistenklasse wurden sozialistische Werktätige, gleichberechtigte Glieder der sozialistischen Gesellschaft. Ein erheblicher Teil der Großbauern konnte sich jedoch im Verlauf der Übergangsperiode von den Ausbeutertraditionen nicht lösen, ruinierte seine Wirtschaften und verließ die DDR — ein Zeichen f ü r die Schärfe des Klassenkampfes. Die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft war auch in der DDR eine der schwierigsten Aufgaben der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus. Sie war nach der Enteignung der Monopole und des Großgrundbesitzes, der Errichtung d e r Diktatur des Proletariats und dem Aufbau der sozialistischen Industrie der wichtigste Schritt zur Beseitigung der Ausbeutimg. Die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft beseitigte die sozialökonomischen Quellen f ü r eine Restauration des Kapitalismus auf dem Lande und entschied die Frage „Wer — wen?" endgültig zugunsten der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten. Auf der Grundlage des genossenschaftlichen Eigentums entwickelte sich die Klasse der Genossenschaftsbauern, der Hauptverbündeten der Arbeiterklasse in der sozialistischen Gesellschaft. So fand die Allgemeingültigkeit des Leninschen Genossenschaftsplanes, seine
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prinzipielle Bedeutung f ü r alle Länder — auch, f ü r solche mit hoher Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft bereits unter kapitalistischen Bedingungen — erneut ihre Bestätigung. Eine weitere allgemeine Gesetzmäßigkeit der Übergangsperiode ist die sozialistische Kulturrevolution, die vor allem das Ziel verfolgt, Bildung, Wissenschaft und Kultur im Einklang mit den Interessen der Arbeiterklasse zu entwickeln, eine neue, dem Sozialismus und der Arbeiterklasse verbundene Intelligenz heranzubilden und die großen geistigen Potenzen des werktätigen Volkes freizusetzen, alle Bedingungen f ü r seine kulturelle Entwicklung, sein Heranführen an die Politik, die Wissenschaft und die ästhetischen Werte zu schaffen. In der DDR waren nicht solche Aufgaben zu lösen, vor denen weniger entwickelte Länder standen, wie die Überwindung des Analphabetismus. Auch die hemmenden religiösen und kirchlichen Einflüsse waren in anderen Ländern stärker. Das spezifische, außerordentlich schwierige Problem der DDR war die Überwindung der furchtbaren geistigen Hinterlassenschaft jahrzehntelanger Herrschaft des Imperialismus, besonders der zwölfjährigen faschistischen Diktatur — und dies in der ständigen Auseinandersetzung mit der massiven ideologischen Diversion des in der BRD wiedererstandenen Imperialismus, die über den imperialistischen „Brückenkopf" Westberlin, über verwandtschaftliche Bindungen und viele andere Kanäle direkt in die DDR hineinwirkte. Es ist deshalb nicht übertrieben festzustellen, daß die erfolgreiche geistig-kulturelle Umwälzung von gravierender Bedeutung f ü r die Entscheidung der Frage „Wer — wen?" war. Die Umgestaltung des geistigen Lebens begann auch auf dem Territorium der DDR damit, daß der imperialistischen Reaktion die entscheidenden Massenbeeinflussungsmittel entzogen und ihre Repräsentanten und Fürsprecher aus dem Bildungswesen, den Hochschulen, den Einrichtungen des kulturellen Lebens usw. entfernt wurden. Bewährte Antifaschisten, besonders Kommunisten und klassenbewußte Sozialdemokraten, übernahmen die Schlüsselpositionen auf geistig-kulturellem Gebiet. Besonders das Volksbildungswesen und der Rundfunk lagen von Anfang an fest in den Händen von Vertretern der revolutionären Arbeiterbewegung. Infolge der faschistischen Kulturbarbarei und der jahrelangen geistigen Isolierung des deutschen Volkes kamen der Wiederbelebung der progressiven kulturellen Traditionen der eigenen Geschichte — die in den anderen sozialistischen Ländern stärker im Volksbewußtsein lebendig waren — und der Verbreitung der Errungenschaften der Weltkultur, besonders der Kulturleistungen der Völker der UdSSR, außerordentlich große Bedeutung zu. Gleichzeitig galt es, die wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse systematisch zu verbreiten. Die echten Werte der nationalen und der Menschheitskultur mußten an die Stelle der faschistischen Irrlehren, des Chauvinismus und Rassismus, des Antikommunismus und Antisowjetismus treten, die das Bewußtsein der Mehrheit der Menschen anfangs beherrschten. Das war
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nach der Ausschaltung d e r Reaktion aus dem öffentlichen geistig-kulturellen Leben und d e r personellen E r n e u e r u n g die langwierige und schwierige A u f gabe. Die umfassende und weitreichende Aktion zur Umgestaltung des geistigen Lebens der Gesellschaft w a r in der ersten Etappe der Revolution die Schulreform. In Verbindung mit der Erneuerung des Hochschulwesens brach sie das Bildungsprivileg d e r besitzenden Klassen, verwirklichte die staatliche Einheitsschule als einzige Form der schulischen Bildung und verwandelte die Schule in eine Heimstatt zur Erziehung der Jugend im Geiste des Friedens, des kämpferischen Humanismus und der Völkerfreundschaft. Auf geistig-kulturellem Gebiet k a n n die Hilfe und Unterstützung durch die SMAD gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Mit ihren großen E r f a h rungen und Kenntnissen, durch ihr praktisches Beispiel und vielfältige m a terielle Hilfe t r u g e n die Mitarbeiter der SMAD, besonders die Kulturoffiziere, wesentlich dazu bei, die faschistische Ideologie zu überwinden und einem neuen Bewußtsein zum Durchbruch zu verhelfen. O h n e die Unterstützung durch die sowjetischen Kommunisten w ä r e n die in kurzer Zeit erzielten Erfolge bei der geistig-kulturellen Erneuerung unmöglich gewesen. Die K P D hatte sich auf die Umgestaltung des geistigen Lebens der Gesellschaft sehr gründlich und differenziert vorbereitet. Selbst f ü r einzelne Gebiete — wie die Entwicklung von Geschichtswissenschaft und -Unterricht — v e r f ü g t e sie über eine detaillierte Konzeption. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung war, daß eine Reihe Kulturschaffender von hohem Rang bereits vor 1933 der K P D angehört oder ihr nahegestanden hatte. Andere w a r e n im antifaschistischen Widerstandskampf zur revolutionären Arbeiterbewegung gestoßen. Nicht wenigen Antifaschisten h a t t e die Sowjetunion eine solide wissenschaftliche Ausbildung ermöglicht. Obwohl n u r eine kleine Minderheit, bildeten die sozialistischen Intellektuellen doch den Keim der neuen Intelligenz der Arbeiterklasse, erwarben sie sich u n t e r der zielstrebigen F ü h r u n g durch die Partei bleibende Verdienste bei der geistig-kulturellen Erneuerung. Im Mittelpunkt der Kulturrevolution standen in den ersten J a h r e n antifaschistisch-demokratische Maßnahmen. Gleichzeitig ist die sozialistische Perspektive, die vorausschauende Vorbereitung auf die sozialistische Umwälzung unübersehbar, wie überhaupt die Einheit und Kontinuität des Übergangsprozesses vom Kapitalismus zum Sozialismus auf geistig-kulturellem Gebiet besonders deutlich zutage treten. Die Vermittlung d e r wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse u n d der Werte d e r proletarischen und sozialistischen Kultur, die zielstrebige Förderung der sozialistischen Elemente bildeten in der DDR wie in allen Ländern der Volksdemokratie von A n f a n g an einen zentralen Bestandteil der geistig-kulturellen Umwälzung. Erinnert sei hier n u r an die massenhafte Herausgabe und Verbreitung von Werken der Klassiker des Marxismus-Leninismus und von Werken des sozialistischen Realismus, an die Propagierung von Grundlehren des wissenschaftlichen Sozialismus an den Hochschulen, Volkshochschulen, allgemeinbildenden Schulen,
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im Rundfunk usw. Gleichzeitig begann bald nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus die Heranbildung einer neuen Intelligenz aus den Reihen der Arbeiterklasse und der anderen Werktätigen in Neulehrerkursen, in Volksrichterschulen und anderen Ausbildungseinrichtungen f ü r Staats- und Wirtschaftsfunktionäre, an neuen Fakultäten wie den Gesellschaftswissenschaftlichen und Pädagogischen Fakultäten. Das waren neue Institutionen, deren Schaffung notwendig war, weil die allmähliche Umwandlung der traditionellen Bildungseinrichtungen f ü r die rasche Heranbildung einer neuen Intelligenz aus den Reihen des werktätigen Volkes nicht ausreichte. Daneben beschritt die Vorhut der Arbeiterklasse mit gleicher Zielstrebigkeit den zweiten Weg zur Heranbildung einer neuen Intelligenz: die Umerziehung der alten Intelligenz, ihre Gewinnung f ü r die Sache der Arbeiterklasse. Sie berücksichtigte die Hinweise Lenins, daß das viel Ausdauer und Geduld, die Verbindung von Prinzipienfestigkeit und Feinfühligkeit erforderte und auch Kompromisse einschloß. Wegen der traditionellen Stellung einiger Gruppen der Intelligenz und der Konfrontation mit dem Imperialismus in der BRD wurden trotz der schweren Bedingungen der ersten Nachkriegs jähre vergleichsweise außergewöhnliche Maßnahmen durchgeführt, um die materielle Lage der künstlerischen, wissenschaftlich-technischen und medizinischen Intelligenz rasch zu verbessern. Nach der Gründung der DDR und dem Beginn des ersten F ü n f j a h r p l a n s traten die sozialistischen Aufgaben und Maßnahmen mehr und mehr in den Mittelpunkt der Kulturrevolution. Es galt, die führende Rolle der Arbeiterklasse auf geistig-kulturellem Gebiet umfassend durchzusetzen. Dabei bestand engste Wechselbeziehung mit der Entwicklung der SED zur Partei neuen Typs. Nach Anfängen im Zweijahrplan 1949/1950 begann mit dem ersten F ü n f j a h r p l a n die langfristige Planung geistig-kultureller Prozesse als integrierender Bestandteil der gesamtgesellschaftlichen Umwälzung. Die planmäßige Förderung von Wissenschaft und Technik erlangte zunehmende Bedeutung. Dabei berücksichtigte die SED, daß auf den einzelnen Gebieten des seiner Natur nach sehr differenzierten geistig-kulturellen Lebens ein unterschiedliches Tempo unvermeidlich war und nicht alle Aufgaben gleichzeitig gelöst werden konnten. Zunächst galt es, alle Voraussetzungen zu schaffen, damit die sozialistische Staatsmacht ihre kulturell-erzieherische Funktion voll ausüben konnte. Mit Hilfe der Staatsmacht wurden wichtige Grundlagen f ü r eine sozialistische Entwicklung der Hochschulen und allgemeinbildenden Schulen geschaffen, entstanden zahlreiche Spezialhochschulen und neue Fachschulen, wurde das System der Berufsausbildung und -qualifizierung wesentlich erweitert. Besondere Aufmerksamkeit galt der Förderung der Jugendlichen und der Frauen. Die Heranbildung einer neuen Intelligenz schritt rasch voran. Von besonderer Bedeutung waren dabei die Bildung von Arbeiterund-Bauern-Fakultäten im Oktober 1949 und die 1951 eingeleitete Hochschulreform. Alle Maßnahmen dienten dem Ziel, Wissenschaft und Kultur zum Besitz des
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ganzen Volkes zu machen und eine sozialistische Nationalkultur zu entwickeln. Die Kulturrevolution wurde zum integrierenden Bestandteil des Kampfes um die Errichtung der Grundlagen des Sozialismus. Vorrangige Aufgabe war die Erziehung der Arbeiterklasse zum sozialistischen Bewußtsein, damit sie ihrer führenden Rolle in der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung immer besser gerecht werden konnte. In der zweiten Hälfte der 50er Jahre wurde die Kulturrevolution auf breiter Front weitergeführt. Das war engstens verknüpft mit dem Bewußtmachen der sozialistischen Perspektive der DDR und mit dem Kampf um die Durchsetzung sozialistischer Produktionsverhältnisse. Eine zentrale Stellung nahm dabei der V. Parteitag der SED (1958) ein, der das bisher umfassendste und weitreichendste Programm zur Entwicklung des geistig-kulturellen Lebens auf sozialistischer Grundlage beschloß. In erbitterten und langwierigen Auseinandersetzungen mit der ideologischen Diversion des Imperialismus, mit zählebigen bürgerlichen Auffassungen und Verhaltensweisen und auch mit revisionistischen Erscheinungen wurden die Grundlagen eines sozialistischen Schul- und Hochschulwesens geschaffen und gelangte der Prozeß der Herausbildung einer neuen sozialistischen Intelligenz im wesentlichen zum Abschluß. Die Arbeiterklasse und ihre marxistisch-leninistische Partei setzten ihre führende Rolle in der geistig-kulturellen Entwicklung endgültig durch. Der Marxismus-Leninismus wurde zur herrschenden Weltanschauung in der DDR. Zunehmende Bedeutung erlangte die kulturelle Zusammenarbeit mit der UdSSR und den anderen sozialistischen Staaten. Mit der Lösung der wesentlichen Aufgaben der Übergangsperiode war jedoch auch in der DDR die Kulturrevolution nicht abgeschlossen. Die grundlegende Umgestaltung des geistigen Lebens der Gesellschaft erwies sich als jene Aufgabe der Übergangsperiode, die am weitesten in die Periode der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft hineinreichte. Große Anstrengungen waren weiterhin erforderlich, um die zählebigen Reste und auch neue Quellen bürgerlicher und kleinbürgerlicher Auffassungen und Verhaltensweisen zu überwinden, um Bildung und Kultur zum Besitz des ganzen Volkes zu machen und das sozialistische Bewußtsein der Arbeiterklasse und der anderen Werktätigen unablässig zu festigen. Die Umgestaltung des geistig-kulturellen Lebens in der DDR, die in ihrem Inhalt und in ihren entscheidenden Ergebnissen der sozialistischen Kulturrevolution in den Volksdemokratien entsprach, bestätigte ein übriges Mal die allgemeingültige Bedeutung des Leninschen Programms der Kulturrevolution. Mit der Inangriffnahme der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung entstanden auf dem Territorium der DDR Bedingungen für das Wirken einer neuen Gesetzmäßigkeit: der Herstellung grundlegend neuer Beziehungen zu anderen Völkern, besonders zu denen der UdSSR und der volksdemokratischen Staaten. Auf Grund der spezifischen deutschen Bedingungen setzte
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sich diese Gesetzmäßigkeit freilich in sehr modifizierter Form durch. Durch die konsequente Verwirklichung des Potsdamer Abkommens und der anderen Beschlüsse der Antihitlerkoalition mußte das deutsche Volk erst die Voraussetzungen schaffen, um die internationale Isolierung zu überwinden, in die es der Faschismus getrieben hatte, und um wieder einen gleichberechtigten Platz unter den Völkern zu finden. Die ersten außenpolitischen Forderungen der Vorhut der Arbeiterklasse waren deshalb Forderungen an das deutsche Volk selbst. So erklärte das Zentralkomitee der KPD in seinem historischen Aufruf vom 11. Juni 1945: „Nie wieder Hetze und Feindschaft gegenüber der Sowjetunion; denn wo diese Hetze auftaucht, da erhebt die imperialistische Reaktion ihr Haupt! . . . Friedliches und gutnachbarliches Zusammenleben mit den anderen Völkern. Entschiedener Bruch mit der Politik der Aggression und der Gewalt gegenüber anderen Völkern, der Politik der Eroberung und des Raubes . . . Anerkennung der Pflicht zur Wiedergutmachung f ü r die durch die Hitleraggression den anderen Völkern zugefügten Schäden." 49 Mit der Entmachtung des Monopolkapitals und des Großgrundbesitzes und der Lösung der anderen Aufgaben der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung schufen die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten unter Führung der SED im Osten Deutschlands nicht nur wichtige Grundlagen f ü r die Herstellung neuer gleichberechtigter und freundschaftlicher Beziehungen zu den anderen Völkern. Die antifaschistisch-demokratische Umwälzung, in deren Verlauf entscheidende Bestimmungen des Potsdamer Abkommens verwirklicht wurden, leitete zugleich den Prozeß des Hineinwachsens in die Gemeinschaft der Völker ein, die sich von der kapitalistischen Ausbeutung befreit haben. Die Herausbildung neuer Beziehungen zwischen den Staaten und Völkern des entstehenden sozialistischen Weltsystems war kein spontaner Prozeß, keine automatische Folgeerscheinung des Ubergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in den einzelnen Ländern. Die neuen Beziehungen wurden planmäßig und zielstrebig unter Führung der kommunistischen und Arbeiterparteien geschaffen, die dabei in historisches Neuland vorstießen und vielfältige Hemmnisse und Schwierigkeiten überwinden mußten. Die entscheidende Rolle spielte die KPdSU (B), die erfolgreichste, erfahrenste und stärkste Partei der kommunistischen Weltbewegung, die sich auch auf diesem Gebiet erneut als Pionier des Menschheitsfortschritts erwies. Die neuen Beziehungen zwischen der UdSSR und den Volksdemokratien sowie zwischen den Volksdemokratien waren von Anfang an staatliche Beziehungen, die ihren Niederschlag in einem militärisch-politischen Bündnissystem neuen Typs fanden. Auf Grund der spezifischen deutschen Bedingungen, besonders des Fehlens einer zentralen Staatsmacht, der Ausübung der obersten Regierungsgewalt durch die Besatzungsmächte und der Erfordernisse des Kampfes um einen demokratischen deutschen Staat, gab es diese Mög49
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Berlin 1964, S. 194, 19S f.
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lichkeit für die demokratischen Kräfte des deutschen Volkes zunächst nicht. Um so größer war die Verantwortung der Partei der Arbeiterklasse. Nicht nur durch ihre politisch-ideologische Arbeit, durch konsequente Anerkennung der Folgen des faschistischen Raubkrieges und der Pflicht des deutschen Volkes zur Wiedergutmachung, sondern auch durch die Entwicklung direkter Verbindungen zur KPdSU (B) und zu den Führungen der kommunistischen und Arbeiterparteien in den Volksdemokratien trug sie entscheidend dazu bei, daß sich neue Beziehungen zu den Staaten und Völkern des entstehenden sozialistischen Weltsystems herauszubilden begannen. Das Anknüpfen enger Verbindungen zwischen der SED und den anderen kommunistischen und Arbeiterparteien war der Hauptweg, um neue Beziehungen zu den Staaten und Völkern des entstehenden sozialistischen Weltsystems herzustellen. Auch hierbei bestand engste Wechselwirkung mit der Entwicklung der SED zur Partei neuen Typs, ging es doch um die Erziehung der Mitglieder im Geiste der Freundschaft zur Sowjetunion und zur KPdSU (B) sowie zu den kommunistischen und Arbeiterparteien und den Völkern der volksdemokratischen Länder, um die völlige Uberwindung des Antisowjetismus und Nationalismus. Mit der Entwicklung der SED zur Partei neuen Typs erlangte der subjektive Faktor jene Reife, die notwendig war, um den Prozeß des Hineinwachsens in die Gemeinschaft der befreiten Völker zielstrebig voranzubringen. Durch ihre marxistisch-leninistische Entwicklung und Politik erwarb sich die SED das Vertrauen der anderen kommunistischen und Arbeiterparteien, schuf sie wesentliche Voraussetzungen dafür, daß sich ein neues Verhältnis zu den demokratischen Kräften des deutschen Volkes bei den von Hitlerdeutschland unterjochten Völkern herauszubilden begann. Anläßlich der 1. Parteikonferenz der SED im Januar 1949, an der sich erstmals eine große Zahl von Delegierten der Bruderparteien beteiligte, schrieb die Zeitung „Tägliche Rundschau": „Nicht, weil ,die Zeit alle Wunden heilt', nicht, weil schon dreieinhalb Jahre seit Kriegsende vergangen sind, sondern nur, weil die Sozialistische Einheitspartei sich als Trägerin und Vorkämpferin der fortschrittlichsten Ideen, der Ideen des Friedens und der Demokratie, in Deutschland bewährt hat, war eine solche Vertrauenskundgebung möglich."50 Die Verhandlungen, die SED-Delegationen in den Jahren 1947 und 1948 mit der KPdSU (B) und mit kommunistischen und Arbeiterparteien der Volksdemokratien führten, dienten neben dem politischen Erfahrungsaustausch insbesondere der Herstellung wirtschaftlicher Beziehungen, die für die Erfüllung des Zweijahrplans, die Abwehr der imperialistischen Wirtschaftsblockade und die allmähliche Verbesserung der Lebenslage der Bevölkerung von großer Bedeutung waren. Erste internationale Verbindungen wurden in den Jahren der antifaschistischdemokratischen Umwälzung auch vom FDGB und von der FDJ geknüpft. Ein großer Vertrauensbeweis für die fortschrittlichen Kräfte des deutschen 60
Tägliche Rundschau, 28.1.1949.
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Volkes war die Aufnahme des FDGB, der F D J und des DFD in die entsprechenden internationalen demokratischen Organisationen. 1948 waren die wesentlichen Aufgaben der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung gelöst. Die bis dahin geknüpften internationalen Verbindungen der SED und der demokratischen Massenorganisationen und die ersten außenwirtschaftlichen Beziehungen machten gleichzeitig sichtbar, daß der Prozeß des Hineinwachsens in die Gemeinschaft der befreiten Völker begonnen hatte. Auch dieser wahrhaft bahnbrechende Fortschritt wäre undenkbar gewesen ohne die solidarische Unterstützung durch die KPdSU (B) und die sowjetische Besatzungsmacht. Sie waren es, die neuen Beziehungen der Gleichberechtigung und Freundschaft zu den Staaten und Völkern des entstehenden sozialistischen Weltsystems den Weg bahnten, die der deutschen Arbeiterklasse und ihren Verbündeten halfen, wieder Vertrauen und Ansehen bei den anderen Völkern zu erlangen. Von der SMAD wurden die ersten wirtschaftlichen Verbindungen der sowjetischen Besatzungszone zu einigen volksdemokratischen Ländern geknüpft. In ihrer gesamten Besatzungspolitik demonstrierte die SMAD, daß zwischen dem deutschen Imperialismus, den es zu vernichten galt, und den demokratischen Kräften des deutschen Volkes, die konsequent einen neuen Weg beschritten, ein grundlegender Unterschied gemacht werden mußte. Mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik entwickelten sich erstmals in der Geschichte staatliche Beziehungen neuen Typs zwischen der Arbeiterklasse und den anderen Werktätigen der DDR und den Völkern der UdSSR und der anderen sozialistischen Länder. Die Interessen der Arbeiterklasse, die in der DDR die ungeteilte Herrschaft ausübte, prägten auch den Charakter der außenpolitischen Beziehungen zu den Staaten und Völkern des sozialistischen Weltsystems. Mit der Errichtung der Diktatur des Proletariats und dem Ubergang zur sozialistischen Etappe der Revolution schuf die Arbeiterklasse der DDR die entscheidenden inneren Bedingungen, um der Gesetzmäßigkeit der Internationalisierung — der Herstellung grundlegend neuer Beziehungen zur UdSSR und zu den volksdemokratischen Staaten auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens — zum Durchbruch zu verhelfen. So setzte sich der Prozeß des Hineinwachsens in das sozialistische Weltsystem nach der Gründung der DDR auf qualitativ neuer Stufe fort. Charakteristisch für die neue Entwicklungsetappe war die Herstellung diplomatischer Beziehungen zur UdSSR und den anderen sozialistischen Staaten, die der DDR einen sicheren internationalen Rückhalt gaben, war die endgültige Klärung der Fragen, die als Folgen des zweiten Weltkrieges in den Beziehungen der DDR zu den europäischen Volksdemokratien noch existierten, besonders die Markierung der Friedensgrenze an Oder und Neiße. Zunehmende Bedeutung erlangte die Koordinierung der Außenpolitik, besonders der Europapolitik der sozialistischen Länder, an der die DDR aktiv und gleichberechtigt teilnahm. An der Seite der anderen sozialistischen Staaten führte die DDR den Kampf gegen die USA-Aggression in Korea und gegen 4»
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die Remilitarisierung der BRD. Als Mitglied des RGW stellte die DDR langfristig geplante bilaterale Wirtschaftsbeziehungen zur UdSSR und zu anderen sozialistischen Staaten her, die von großer Bedeutung für die Erfüllung der langfristigen Wirtschaftspläne waren. Neben der wissenschaftlich-technischen begann sich in der ersten Hälfte der 50er Jahre auch die kulturelle Zusammenarbeit zu entwickeln. Die Ausdehnung der bilateralen Beziehungen und die Anfänge multilateraler Beziehungen im Rahmen des RGW kennzeichneten generell die zweite Etappe der Entwicklung des sozialistischen Weltsystems, die etwa 1949 einsetzte. Im Unterschied zu den Volksdemokratien war jedoch die DDR auch in den ersten Jahren nach ihrer Gründung noch kein Bestandteil des militärisch-politischen Bündnissystems der sozialistischen Staaten. Solange noch Möglichkeiten bestanden, auch auf dem Territorium der BRD eine antiimperialistische Entwicklung einzuleiten und einen das gesamte deutsche Territorium umfassenden demokratischen Staat zu schaffen, mußten sie genutzt werden. Unter diesen Bedingungen traten die sozialistischen Staaten für einen gesamtdeutschen demokratischen Staat ein, der keinem militärischen Bündnissystem angehören sollte. Die Gestaltung ihrer Beziehungen zur DDR war auch von dem Bestreben bestimmt, den Weg zur Bildung eines solchen Staates offenzuhalten und alles zu vermeiden, was den Abschluß eines deutschen Friedensvertrages und eine Verständigung über die Herstellung der Einheit Deutschlands auf demokratischer Grundlage erschwert und kompliziert hätte. Im Gegensatz dazu betrieben die Westmächte eine Politik der schrittweisen Integration der BRD in das imperialistische militärisch-politische Bündnissystem. Sie förderten die Wiederherstellung der Macht des deutschen Imperialismus in der BRD und gliederten die BRD 1955 in die NATO ein. Damit wurden — wie die weitere Entwicklung bewies — praktisch die Möglichkeiten zerstört, einen gesamtdeutschen demokratischen Staat zu schaffen und wurden endgültig die Weichen gestellt für die reaktionäre Entwicklung der BRD, ihre gegensätzliche Entwicklung zur DDR. Die Antwort der sozialistischen Staaten auf die friedensbedrohende Politik des NATO-Blocks war der Abschluß des Warschauer Vertrages, dem die DDR als gleichberechtigtes Mitglied beitrat. Mit dem Warschauer Vertrag begann eine neue Stufe der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit der sozialistischen Staaten. Die Voraussetzungen dafür waren durch den erfolgreichen sozialistischen Aufbau in der Sowjetunion, die Errichtung wesentlicher Grundlagen des Sozialismus in den Volksdemokratien und die bisherigen Erfolge in der bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit der sozialistischen Staaten geschaffen worden. Seit 1955 entwickelten sich auch die Beziehungen der DDR zu den anderen Staaten des sozialistischen Weltsystems auf neuer Stufe. Die DDR war nunmehr integrierender Bestandteil des multilateralen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Bündnissystems der sozialistischen Staaten. Der Staatsvertrag mit der UdSSR vom September 1955 stärkte die Souveränität der
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DDR und ihre internationale Stellung, ebnete den Weg für den allseitigen Ausbau der gegenseitigen Beziehungen und beseitigte wesentliche Elemente, die als Überreste des zweiten Weltkrieges in den Beziehungen zwischen beiden Staaten noch eine Rolle gespielt hatten. Auf ähnlicher Grundlage entwickelten sich die Beziehungen zu den anderen sozialistischen Staaten. Der Ausbau der sozialistischen bi- und multilateralen Beziehungen, das gemeinsame Bemühen, die effektivsten Wege und Formen ausfindig zu machen, um die herangereiften Fragen des sozialistischen Aufbaus und der Festigung des sozialistischen Weltsystems lösen zu können, waren auch charakteristisch für die Entwicklung der DDR in der zweiten Hälfte der 50er Jahre. Dabei bestätigte sich erneut, daß die aktiven Verbindungen zwischen den regierenden kommunistischen Parteien den „Kern, die zementierende Grundlage der Entwicklung für die allseitige Zusammenarbeit der sozialistischen Staaten" bilden.51 Auch die SED erweiterte in dieser Zeit ihre Beziehungen zur KPdSU und zu den anderen marxistisch-leninistischen Parteien der sozialistischen Länder wesentlich. In zahlreichen gemeinsamen Beratungen, die ihren Höhepunkt in den internationalen Beratungen der kommunistischen und Arbeiterparteien 1957 und 1960 fanden, wurden die gegenseitigen Erfahrungen ausgetauscht, die außenpolitischen Schritte koordiniert und die grundlegenden Maßnahmen zur Vertiefung der politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichtechnischen, militärischen und kulturellen Zusammenarbeit festgelegt. Bei der Ausgestaltung der neuen Beziehungen mußten viele Schwierigkeiten überwunden werden, „die vor allem damit zusammenhingen, daß die sozialistischen Länder zum ersten Mal gleichberechtigte, gegenseitig vorteilhafte und brüderliche Beziehungen zwischen souveränen Staaten, verwirklichten. Die meisten dieser Länder hatten zudem noch als Erbe des Kapitalismus eine einseitig entwickelte Wirtschaft und ein niedriges Niveau der Produktivkräfte übernommen. Im wirtschaftlichen Entwicklungsstand gab es zwischen den einzelnen Ländern noch bedeutende Unterschiede und Reste gegenseitigen Mißtrauens."52 Große Schwierigkeiten rief der kalte Krieg des Imperialismus hervor, der sich mit besonderer Schärfe gegen die DDR richtete. Aber die Hilfe der Sowjetunion für alle sozialistischen Staaten, die Gemeinsamkeit der sozialökonomischen und politischen Ordnung, die gemeinsame weltanschauliche Grundlage, der Marxismus-Leninismus, und die Führung durch die marxistisch-leninistischen Parteien waren die Garantie sowohl für die Abwehr aller imperialistischen Angriffe — das wurde besonders in den Jahren 1956 und 1960/1961 deutlich — als auch für die ständige Festigung und den Ausbau der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten und Völkern des sozialistischen Weltsystems. 61
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Rede des Genossen Leonid Iljitsch Breshnew, in: Internationale Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien Moskau 1969, Berlin 1969, S. 183. Die Entstehung des sozialistischen Weltwirtschaftssystems, Berlin 1967, S. 62 ( = Sozialistisches Weltwirtschaftssystem, Bd. 1).
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Die in den Jahren der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus geschaffenen neuen Beziehungen! zwischen der DDR und der UdSSR sowie zu den anderen sozialistischen Staaten fanden ihre völkerrechtliche Fixierung in dem „Vertrag über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit", den die DDR und die Sowjetunion im Juni 1964 abschlössen, sowie in den darauffolgenden Freundschafts- und Beistandsverträgen mit Bulgarien, der CSSR, Polen, der Mongolischen Volksrepublik, Rumänien und Ungarn. Mit diesen Verträgen trat die DDR auch in das bilaterale Bündnissystem der sozialistischen Staaten ein. Die Freundschafts- und Beistandsverträge der 60er Jahre markierten zugleich eine neue Etappe der Zusammenarbeit, die den fortgeschrittenen Bedingungen der Entwicklung des sozialistischen Weltsystems und des Aufbaus des Sozialismus in den einzelnen Ländern sowie den neuen Erfordernissen des Kampfes gegen den Imperialismus entsprach. Das enge Bündnis der DDR mit der UdSSR und den anderen sozialistischen Staaten war eine der entscheidenden Voraussetzungen für die erfolgreiche Lösung der Aufgaben der Ubergangsperiode. Die Erfolge beim Aufbau des Sozialismus in der DDR trugen andererseits dazu bei, die Einheit des sozialistischen Weltsystems zu festigen. Die knappe Skizze der grundlegenden Bedingungen und Prozesse des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR läßt einige Schlußfolgerungen zu. 1.Die allgemeinen Bedingungen der 1944/1945 einsetzenden neuen Etappe des revolutionären Weltprozesses, die für alle volksdemokratischen Länder gültig waren, insbesondere der gewaltige Machtzuwachs des Sozialismus und die allseitige Hilfe der Sowjetunion, prägten auch den Verlauf der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR. Sie bewirkten, daß — ungeachtet vieler Schwierigkeiten und Entwicklungsprobleme — der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus auch in der DDR insgesamt leichter war als nach 1917 in der Sowjetunion. Das Zusammenwirken zwischen den von der SED geführten demokratischen Kräften des deutschen Volkes und der sowjetischen Besatzungsmacht war der letztlich entscheidende Faktor, der es der Arbeiterklasse und ihren Verbündeten ermöglichte, im Osten Deutschlands das Kräfteverhältnis grundlegend zu ihren Gunsten zu verändern und eine antiimperialistische Entwicklung einzuleiten. Für die erfolgreiche Lösung der Aufgaben der Übergangsperiode in der DDR war von entscheidender Bedeutung, daß die Sowjetunion eine konterrevolutionäre Intervention verhinderte, daß sie der Arbeiterklasse und ihren Verbündeten politische, materielle und ideologische Hilfe auf allen Gebieten leistete, der DDR bereitwillig ihre reichen Erfahrungen vermittelte und die Interessen des deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates in der internationalen Arena vertrat. 2. Die Unterschiede zwischen der DDR und den anderen Volksdemokratien, besonders denen in Ost- und Südosteuropa, waren im Hinblick auf die
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konkret-historischen Bedingungen weit gravierender als im Hinblick auf Tempo und Fristen, Formen und Methoden des Ubergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus. Es ist dies ein Beweis mehr dafür, daß auch unter teilweise außergewöhnlichen Bedingungen der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus n u r auf dem vom Marxismus-Leninismus gewiesenen Weg möglich ist, daß unter allen Umständen die allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten das Entscheidende und Bestimmende im Sozialismus sind. Besonderheiten im Verlauf der revolutionären Umwälzung auf dem Territorium der DDR waren vielfach Besonderheiten der volksdemokratischen Revolution gegenüber der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und dem Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, Besonderheiten, die allen oder mehreren Volksdemokratien eigen waren. Sie können deshalb nicht n u r aus den inneren Bedingungen der DDR, sondern müssen auch aus den allgemeinen Bedingungen der neuen Etappe des revolutionären Weltprozesses erklärt werden. 3. Die spezifischen Bedingungen des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR waren nicht konstant. Sie waren am gravierendsten im Hinblick auf den geschichtlichen Ausgangspunkt der antiimperialistischen Entwicklung und in der ersten Etappe der volksdemokratischen Revolution, wenngleich auch in der zweiten Etappe noch sehr gewichtige Besonderheiten zu beachten waren. Infolge der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und der Spaltung Deutschlands durch den Imperialismus spielten die Besonderheiten im Tempo und in den Fristen, in den Formen und Methoden während der ersten Etappe der Revolution eine größere Rolle als in der zweiten. (Vielleicht ist das ein erkenntnistheoretischer Grund f ü r die zeitweilige Uberbetonung einiger Besonderheiten der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung, f ü r ihre relative Verselbständigung in der gesellschaftswissenschaftlichen Literatur der DDR.) Mit der Überwindung der Folgen des Faschismus auf politischem, wirtschaftlichem und geistig-kulturellem Gebiet, der Entwicklung des subjektiven Faktors, der Durchführung der grundlegenden antiimperialistisch-demokratischen Maßnahmen und dem allmählichen Hineinwachsen in das entstehende sozialistische Weltsystem begannen sich die Bedingungen der DDR denen in den volksdemokratischen Staaten anzugleichen, wenngleich wesentliche Besonderheiten in der gesamten Übergangsperiode und darüber hinaus bestehen blieben und sich auf den Verlauf der revolutionären Umwälzung auswirkten. Die zunehmende Angleichung zeigte sich darin, daß das Programm und die Politik zum planmäßigen Aufbau der Grundlagen des Sozialismus noch stärker mit denen der anderen sozialistischen Staaten übereinstimmten als Konzeption und Durchführung der antiimperialistisch-demokratischen Etappe der Revolution. 4. Rückblickend ergibt sich, daß die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR bereits mit den ersten Maßnahmen zur Beseitigung der Machtgrundlagen des Imperialismus begann, daß die antiimperialistische
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Etappe der Revolution nicht nur an den Aufbau des Sozialismus heranführte, sondern bereits Bestandteil der Ubergangsperiode war. Alle grundlegenden Maßnahmen des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus wurden schon in der demokratischen Etappe der Revolution eingeleitet oder unmittelbar vorbereitet, so daß sich die Ablösung der kapitalistischen durch die sozialistische Gesellschaftsformation als einheitlicher, kontinuierlicher revolutionärer Prozeß vollziehen konnte. Die antifaschistisch-demokratische Umwälzung wurde deshalb zur ersten Etappe der volksdemokratischen Revolution, weil sich das Kräfteverhältnis aus den genannten Gründen bereits sehr f r ü h grundlegend zugunsten der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten veränderte, die Arbeiterklasse ihre Hegemonie errichten und systematisch ausbauen konnte und die imperialistische Reaktion keine Möglichkeit fand, sich zu organisieren und die Mittelschichten auf ihre Seite zu ziehen oder gar bewaffneten Widerstand zu leisten und einen konterrevolutionären Terror zu entfesseln. Insofern besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Beginn der Ubergangsperiode noch vor der Errichtung der Diktatur des Proletariats und dem relativ friedlichen Charakter der revolutionären Umwälzung in der DDR. Die antifaschistisch-demokratische Umwälzung konnte aber auch n u r deshalb zur ersten Etappe der volksdemokratischen Revolution werden, weil ihre Ergebnisse durch die Errichtung der Diktatur des Proletariats gesichert und weiter ausgebaut wurden. Die Diktatur des Proletariats war nicht nur unabdingbare Voraussetzung f ü r die erfolgreiche Lösung aller Aufgaben der Ubergangsperiode, sondern ihre Errichtung und die endgültige Entscheidung der Frage „Wer — wen?" bestimmten erst vollends den geschichtlichen Platz der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung. 5. Die Hauptaufgaben der Übergangsperiode wurden in der DDR bis Anfang der 60er J a h r e gelöst. Die Meisterung der noch ausstehenden Probleme verflocht sich aufs engste mit den neuen Aufgaben bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Das entscheidende zäsurbildende Ereignis war der Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse, insbesondere der Eintritt aller werktätigen Bauern in LPG und ihr Übergang zur genossenschaftlichen Arbeit. Ebenfalls am Ende der Übergangsperiode stehen die Sicherungsmaßnahmen vom 13. August 1961. Sie sind zweifellos ein die Periodisierungszäsur mitbestimmendes Ereignis, bilden jedoch kein konstitutives Merkmal der Übergangsperiode. Die Notwendigkeit, die teilweise offene Grenze der DDR zum imperialistischen System zu sichern, w u r d e durch den kalten Krieg des Imperialismus auf die Tagesordnung gesetzt. Die Maßnahmen vom 13. August 1961, die von der DDR in Ubereinstimmung mit der UdSSR und den anderen Staaten des Warschauer Vertrages durchgeführt wurden, waren ein zwingendes Erfordernis zur Erhaltung und Festigung des Friedens und eine schwere Niederlage der aggressivsten Kräfte des Weltimperialismus. Zugleich schufen sie günstigere Bedingungen f ü r die weitere sozialistische Entwicklung der
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DDR, indem sie den direkten Störeinwirkungen des Imperialismus einen Riegel vorschoben und das neue Kräfteverhältnis, die untrennbare Zugehörigkeit der DDR zum sozialistischen Weltsystem, unübersehbar demonstrierten. Die teilweise offene Grenze zum imperialistischen System, eine spezifische Bedingung der DDR, die den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus sehr erschwerte, wurde beseitigt und damit eine insgesamt günstigere Ausgangssituation f ü r die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft geschaffen. Die Maßnahmen vom 13. August machten schließlich deutlich, daß der Prozeß der Abgrenzung zwischen der sozialistischen DDR und der imperialistischen BRD weit vorangeschritten war und daß infolge der reaktionären Entwicklung der BRD eine Vereinigung beider Staaten auch auf lange Sicht nicht mehr im Bereich des Möglichen lag. Die in dieser Hinsicht bis Anfang der 60er Jahre eingetretenen Veränderungen widerspiegelte der Beschluß der 14. Tagung des Zentralkomitees der SED vom November 1961, in dem festgestellt wurde: „Gemäß dem Charakter der modernen Epoche, der Epoche des Ubergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus, und gemäß den nationalen Interessen des deutschen Volkes ist es notwendig, in engster Freundschaft und Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern den Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik zum Siege zu führen und danach zur Errichtung der Grundlagen der kommunistischen Gesellschaft überzugehen, unabhängig davon, wie sich die internationalen Beziehungen und die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten weiterentwickeln. "63 53
Dokumente der SED, Bd. 8, S. 497 (Hervorhebung von mir).
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Der Kampf der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands im Land Sachsen-Anhalt um die Durchsetzung des Befehls Nr. 234 der SMAD vom 9. Oktober 1947 (Zur Vertiefung des revolutionären Umwälzungsprozesses in Ostdeutschland nach dem II. Parteitag)
Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges t r a t d e r weltweite revolutionäre Ubergangsprozeß vom Kapitalismus zum Sozialismus in eine neue Phase. 1 Der Sieg der Sowjetunion u n d der mit i h r v e r b ü n d e t e n Völker ü b e r die aggressivsten K r ä f t e des Imperialismus schuf die entscheidende Voraussetzung f ü r die W e i t e r f ü h r u n g des revolutionären Umwälzungsprozesses auf höherer Ebene. Die Sowjetunion, die H a u p t k r a f t der revolutionären Weltbewegung und der siegreichen Antihitler-Koalition, h a t t e durch die Niederw e r f u n g der räuberischsten imperialistischen Staaten den revolutionären u n d demokratischen K r ä f t e n vieler Länder der Erde f ü r ihren antifaschistischen u n d antiimperialistischen Kampf mächtige Impulse gegeben. Sie h a t t e wichtige Bedingungen d a f ü r geschaffen, daß die Arbeiterklasse in m e h r e r e n Ländern Europas und Asiens u n t e r F ü h r u n g der marxistisch-leninistischen Arbeiterparteien die politische Macht erobern u n d die E r f ü l l u n g ihrer historischen Mission in Angriff n e h m e n konnte. 2 In dem neuen Abschnitt der weltweiten Auseinandersetzung zwischen Sozialismus u n d Imperialismus gelang es den revolutionären K r ä f t e n in den volksdemokratischen Staaten und in Ostdeutschland innerhalb weniger Jahre, in h a r t e r Klassenauseinandersetzung antiimperialistische M a ß n a h m e n durchzusetzen und sowohl den Kapitalisten als auch den Großgrundbesitzern die entscheidenden Machtgrundlagen zu entziehen. 3 1 2
3
Vgl. Benser, Günter, Das deutsche Volk und die Siegermächte, in: ZfG, 1972, H. 2, S. 133 ff. Zu den vertieften Erkenntnissen der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft der DDR nach dem XXIV. Parteitag der KPdSU und dem VIII. Parteitag der SED über die Rolle der Sowjetunion bei der Weiterführung des revolutionären Weltprozesses vgl. Bartel, Horst/Schmidt, Walter, Neue Probleme der Geschichtswissenschaft in der DDR. Zur bisherigen Auswertung des VIII. Parteitages der SED durch die Historiker, in: Ebenda, H. 7, S. 808 ff.; Heitzer, Heinz, Neue Probleme der Erforschung der Geschichte der DDR, in: Ebenda, H. 8, S. 955 ff.; Benser, Das deutsche Volk, S. 133 ff. Heitzer, Neue Probleme der Erforschung, S. 960 f.
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Diese revolutionären Veränderungen waren ohne die Sowjetunion, die die Arbeiterklasse und deren Verbündete in den Volksdemokratien und in Ostdeutschland aktiv unterstützte, undenkbar. 4 Dank ihrer gewachsenen Stärke und Aktivität hinderte die Sowjetunion den Weltimperialismus an konterrevolutionären militärischen Aktionen. Die auf den Prinzipien des proletarischen Internationalismus basierende Hilfe der Sowjetunion, das Vorbild des sozialistischen Aufbaus im ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat der Erde und die Auswertung der Erfahrungen der KPdSU durch die revolutionären Arbeiterparteien beschleunigten die Durchsetzung und Festigung antiimperialistischer Veränderungen im politischen und ökonomischen System sowie in der sozialen Struktur der volksdemokratischen Länder und Ostdeutschlands. Die Arbeiterklasse eroberte die entscheidenden Positionen in der Staats- und Wirtschaftsführung. Der im heftigen Klassenkampf mit der Monopolbourgeoisie und deren Interessenvertretern geschaffene volkseigene Sektor in der Industrie bildete die materielle Basis f ü r die volksdemokratische Ordnung. Bereits 1947/48 hatte der revolutionäre Umwälzungsprozeß in den Volksdemokratien und in Ostdeutschland zu Ergebnissen geführt, die es gestatteten, neue, höhere Aufgaben in Angriff zu nehmen. 5 Es kam vorrangig darauf an, die Führungspositionen der Arbeiterklasse zur Diktatur des Proletariats weiterzuentwickeln, das Bündnis der Arbeiterklasse mit den werktätigen Bauern und den anderen Schichten, die zur antiimperialistisch-demokratischen Umgestaltung bereit waren, zu stärken und alle demokratischen Errungenschaften zu sichern und auszubauen. 6 Diese Entwicklung fiel zeitlich zusammen mit dem Aufschwung der demokratischen Volksbewegungen in vielen imperialistischen bzw. sich in Abhängigkeit vom Imperialismus befindenden Ländern der Erde. 7 Der Weltimperialismus, voran das USA-Monopolkapital, verstärkte seit 1947 seine Anstrengungen, um die weitere Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Kapitalismus und Sozialismus zugunsten des Sozialismus aufzuhalten. Er war nicht bereit, zur Sowjetunion und zu den entstehenden volksdemokratischen Staaten Beziehungen, die auf den Prinzipien d e r friedlichen Koexistenz beruhten, herzustellen. Die volksdemokratischen Errungenschaften der in den revolutionären Übergang zum Sozialismus eingetretenen
5
6 1
Chvostov, V. M., Der proletarische Internationalismus — ideologische Grundlage des gemeinsamen Kampfes der internationalen Arbeiterklasse gegen den Imperialismus, in: BzG, 1972, H. 6, S. 907 f. Vgl. Isusov, M., Probleme des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus in Bulgarien, in: BzG, 1973, H. 1, S. 21 ff.; Tutui, Gheorghe, Die Gründung der marxistisch-leninistischen Einheitspartei der Arbeiterklasse Rumäniens, in: Ebenda, S. 36; Stöckigt, Rolf, Probleme des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus — der historische Platz der Gründung der DDR, in: Ebenda, H. 3, S. 421. Vgl. Stöckigt, Probleme des Übergangs, S. 421 f. Badstübner, RolfJThomas, Siegfried, Die Spaltung Deutschlands 1945-1949, Berlin 1966, S. 188.
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Länder sollten unterminiert und rückgängig gemacht werden. Die TrumanDoktrin und ihr Kernstück, der Marshallplan, hatten das Ziel, das imperialistische System zu stabilisieren, die imperialistische Weltreaktion zu sammeln, die konterrevolutionären Kräfte in den Volksdemokratien und in Ostdeutschland zu Aktionen zu ermuntern. Mit der Politik des „roll back" sollte der Sozialismus zurückgedrängt oder gar vernichtet werden. 8 In dieser strategischen Konzeption spielten die Klassenauseinandersetzungen auf deutschem Boden eine entscheidende Rolle. Die imperialistischen Siegermächte rückten seit 1947 zunehmend von den im Potsdamer Abkommen eingegangenen Verpflichtungen ab. Sie mißbrauchten ihre Funktion als Besatzungsmächte, um das bei breiten Kreisen der Bevölkerung diskreditierte imperialistische System in den Westzonen zu stärken und dort die Restauration des Imperialismus einzuleiten.9 Die imperialistische Restaurations- und Spaltungspolitik stellte an die antifaschistisch-demokratischen Kräfte, besonders an die von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands geführte Arbeiterklasse in Ostdeutschland, erhöhte Anforderungen. Die wichtigste Aufgabe im Kampf um die Herstellung eines demokratischen Deutschlands bestand darin, die antifaschistisch-demokratischen Errungenschaften gegen die Aktionen der offen wie versteckt auftretenden Reaktion zu sichern und die Entwicklung der neuen Ordnung weiter voranzutreiben. Die Herstellung der staatlichen Einheit konnte nicht durch die Preisgabe der demokratischen Errungenschaften erkauft werden.10 Der Kampf um eine einheitliche antifaschistisch-demokratische Republik war unlösbar mit der allseitigen Festigung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung in Ostdeutschland verbunden. Dabei kam neben der Stärkung der Staatsmacht dem weiteren Ausbau der materiellen Grundlage der neuen Ordnung, deren Kernstück die volkseigenen Betriebe bildeten, entscheidende Bedeutung zu. In dem mit der Hilfe der Sowjetunion und der volksdemokratischen Länder durchgeführten demokratischen Neuaufbau der Wirtschaft in Ostdeutschland nahm Sachsen-Anhalt eine wichtige Stellung ein. Hier lagen die entscheidenden Produktionsstätten des Schwermaschinenbaus, der Braunkohlen-, Kaliund Chemie- sowie der Nahrungsmittelindustrie der gesamten sowjetischen Besatzungszone.11 Sachsen-Anhalt war der wichtigste Hersteller von Produk8 9
10 11
Ebenda, S. 187 ff. Vgl. Benser, Günter, Probleme der Strategie und Taktik der marxistischen deutschen Arbeiterpartei in der Periode der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung (1945-1949). Phil. Diss., Berlin 1964, S. 49 ff. Ebenda, S. 55. Staatsarchiv Magdeburg (im folgenden StAM), Ministerium für Wirtschaft (im folgenden: MW), Nr. 5837, S. 4; Dieker, Willi, Wirtschaft und Staat gingen in die Hände des Volkes über, in: ZfG, 1969, H. 7, S. 874.
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tionsmitteln. 12 Im Jahre 1946 erzeugte die Provinz13 50 Prozent der Brennstoffe und über 60 Prozent der gesamten Energie Ostdeutschlands.14 Wie in keinem anderen Teil Ostdeutschlands hatten aber hier bis 1945 die Konzerne die wichtigsten Wirtschaftszweige beherrscht. Die gesamte Kohlenindustrie, die Schwerchemie, die wesentlichsten Teile der Energiewirtschaft und die Großbetriebe des Schwermaschinenbaus waren in den Händen von Kriegsverbrechern wie Flick und Krupp gewesen. Die Energieerzeugung beherrschten drei Konzerne, und 22 Monopole mit 82 Betrieben beuteten die reichen Braunkohlenvorkommen aus. Der berüchtigte IG-Farben-Konzern verfügte in Sachsen-Anhalt über 21 Großbetriebe in der chemischen Industrie und im Bergbau.15 Nach dem Zusammenbruch des faschistischen Staates flüchteten die Monopolherren und die von ihnen eingesetzten Direktoren und Aufsichtsräte, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen, in die Westzonen. Angeleitet und unterstützt von Offizieren der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), nahmen Vertreter der Arbeiterklasse die Leitung der Betriebe in ihre Hände und führten die Arbeiterkontrolle ein. Sie begannen mit der Säuberung der Verwaltung der Betriebe von aktiven Nazis und Agenten des Monopolkapitals und setzten das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter in den Betrieben durch.16 Mit den Sequesterbefehlen Nr. 124 und Nr. 126 vom 30. und 31. Oktober 1945 stellte sich die SMAD in Übereinstimmung mit den alliierten Festlegungen 17 hinter die bereits begonnene Übernahme der Leitung der Betriebe durch die Arbeiterklasse. Auf Grund dieser Befehle wurden in Sachsen-Anhalt 2064 Betriebe der aktiven Nazis und Kriegsverbrecher, darunter alle Monopole, unter Sequester gestellt.18 Durch den Befehl Nr. 97 der SMAD vom 29. März 1946, der die meisten sequestrierten Unternehmen und Vermögenswerte den 12 13
14 15 16
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18
StAM, MW, Nr. 5837, S. 72. Nach den ersten demokratischen Landtagswahlen wurde mit Genehmigung der SMAD auf Beschluß des Landtages vom 3. Dezember 1946 die preußische Provinz Sachsen, zu der im Juli 1945 das ehemalige Land Anhalt gekommen war, in Provinz Sachsen-Anhalt umbenannt. Auf Grund des vom Rat der Außenminister der Alliierten verabschiedeten Kontrollratgesetzes Nr. 46, das die Auflösung des Staates Preußen verfügte, bat der Provinziallandtag am 19. März 1947 die SMAD, die Provinz Sachsen-Anhalt in Land Sachsen-Anhalt umbenennen zu dürfen. Dieser Bitte entsprach die SMAD am 21. Juli 1947. StAM, MW, Nr. 6541, S. 64. StAM, MW, Nr. 6545, S. 48; ebenda, Nr. 6541, S. 10 ff. Vgl. Doernberg, Stefan, Aus der Geschichte des Kampfes um die ökonomische Entmachtung des Monopolkapitals im Osten Deutschlands (1945—1946), in: ZfG, 1959, H. 3, S. 500. Vgl. Zur Deutschlandpolitik der Anti-Hitler-Koalition, Berlin 1968, S. 16 und 79 ff. StAM, Ministerpräsident (im folgenden: Min.Prä.), Nr. 857, S. 46.
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Länder- bzw. Provinzialregierungen zur weiteren Entscheidung über deren Zukunft übertrug, kamen 156 Konzerne und Konzernteile unter die Verfügungsgewalt der Provinz. So wurden im Juni 1946 alle energieerzeugenden Betriebe zu einem provinzeigenen Unternehmen zusammengeschlossen, um die sehr angespannte Energieversorgung besser regeln zu können.19 Das Votum des Volksentscheides im Land Sachsen vom 30. Juni 1946 und die von der Arbeiterklasse und den anderen Werktätigen in Sachsen-Anhalt immer nachdrücklicher erhobene Forderung nach Überführung der sequestrierten Betriebe in Volkseigentum veranlaßten die Provinzialregierung am 30. Juli 1946 zum Erlaß der „Verordnung betreffs Uberführung sequestrierter Unternehmen und Betriebe in das Eigentum der Provinz Sachsen"20. Am 26. September 1946 schlössen sich auf einer Festveranstaltung in Halle 691 Betriebe mit 168 000 Beschäftigten zu der Vereinigung „Industrie-Werke der Provinz Sachsen" zusammen.21 Damit waren Werke, die 70 Prozent der Industrieproduktion Sachsen-Anhalts erzeugten, in Volkseigentum überführt. 32 Mit den „Industrie-Werken" war „antifaschistisch-demokratisches Landeseigentum entstanden, das seinem Wesen nach gesellschaftliches Eigentum war"23. Die auf Länderebene geschaffenen volkseigenen Betriebe bildeten die entscheidenden Fundamente für den wirtschaftlichen Aufbau der antifaschistisch-demokratischen Ordnung und für die Entfaltung der Produktivkräfte im Interesse der Werktätigen. Mit ihnen entwickelten sich bereits zu diesem Zeitpunkt wesentliche Elemente des Sozialismus, die die Voraussetzung für den weiteren Ausbau aller Seiten der antifaschistisch-demokratischen Ordnung schufen. Der Elan und die Initiativen der Arbeiterklasse, die enge Zusammenarbeit des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr, der demokratischen Verwaltungsorgane in den Städten und Kreisen und der Betriebsleitungen mit den Wirtschaftsabteilungen der SMAD in den Kreisen und auf Provinzebene sowie das Vorbild der 48 in der Provinz entstandenen Betriebe der Sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG)24 führten im Jahre 1946 in allen Industriezweigen zur Steigerung der Produktion gegenüber dem Vorjahr. Bis auf die Brennstoff industrie erreichte aber kein Industriezweig den Vorkriegsstand der Produktion auch nur annähernd.25 19 20 21 22
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24 25
Ebenda, S. 21. Verordnungsblatt für die Provinz Sachsen, 1946, S. 351 f. StAM, Min.Prä., Nr. 857, S. 10; ebenda, Ministerium des Innern, Nr. 4329, S. 256. Volksstimme, Organ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in SachsenAnhalt, 1. Jg., Magdeburg, 16.10.1947. Falk, Waltraud, Die politische, organisatorische und ökonomische Konstituierung des volkseigenen Sektors der Wirtschaft und seine Entwicklung in der ersten Etappe der volksdemokratischen Revolution in der DDR 1945 bis 1950, in: WZ Berlin, Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe, 1967, H. 1, S. 21. Dieker, Wirtschaft und Staat, S. 876. StAM, MW, Nr. 6569, S. 6 ff.
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Diese Entwicklung wurde am Jahresende jäh unterbrochen. Der strenge Winter 1946/47 brachte erhebliche wirtschaftliche Rückschläge und ernste Versorgungsschwierigkeiten mit sich. 26 Trotz großer Anstrengungen der von der SED geführten Arbeiterklasse konnten die Rückstände in der Produktion und in der Versorgung der Bevölkerung auch bis Sommer 1947 nicht völlig aufgeholt werden. Reaktionäre Kräfte im Lande, die getarnt auch in den Verwaltungsorganen und in den Betriebsleitungen saßen, verstärkten in dieser Situation, gestützt auf die imperialistischen Kräfte und die imperialistischen Besatzungsmächte in den Westzonen ihre Anstrengungen, um die politischen und ökonomischen Erfolge der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung zu sabotieren und schließlich rückgängig zu machen. Der Landesvorstand Sachsen-Anhalt der SED schätzte richtig ein, daß reaktionäre Elemente die angespannte wirtschaftliche Lage auszunutzen versuchten, um schrittweise eine imperialistische Restauration in der Wirtschaft und im öffentlichen Leben zu erreichen. 27 Im August 1947 trat auf einer CDU-Versammlung in Magdeburg der damalige Präsident der Zentralverwaltung für Brennstoffindustrie, Friedensburg, für die Wiedererrichtung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung in der sowjetischen Besatzungszone ein. Mit seiner Befürwortung der Annahme der Marshallplan-„Hilfe" forderte er die politische und ökonomische Unterordnung unter den USA-Imperialismus. 28 Die reaktionären Kräfte ermunterten Gruppen der mittelständischen Schichten, des Kleinbürgertums und der Bauern, die von ihnen produzierten Erzeugnisse nicht zur Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. In Kreisen dieser Bevölkerungsschichten, aber auch unter Teilen der Arbeiterklasse, gelang es ihnen, Illusionen über den Marshall-Plan und die Dollarversprechungen des USA-Imperialismus zu erzeugen. 29 Alle diese Aktionen und Aktivitäten waren Teil der zur Erfolglosigkeit verurteilten imperialistischen Bemühungen, der wachsenden Autorität der Sowjetunion zu begegnen und den revolutionären Umwälzungsprozeß in den volksdemokratischen Ländern zu stoppen. F ü r die SED kam es in dieser Situation darauf an, der Arbeiterklasse und den übrigen Werktätigen in beharrlicher Uberzeugungsarbeit die weiteren Aufgaben zur Festigung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung zu erläutern und die imperialistischen Machenschaften zu entlarven. Die Partei unternahm unter Auswertung der Erfahrungen des Sowjetvolkes und mit aktiver Unterstützung durch die SMAD alles, um die Schwierigkeiten in der Wirtschaft schnellstens zu überwinden und um die Lebensbedingungen der 26 27
28 29
Dieker, Wirtschaft und Staat, S. 876 f. Vgl. Bezirksparteiarchiv der SED-Bezirksleitung Magdeburg (im folgenden: BPA Magdeburg), IV/5/1/176, o. S. Ebenda. Bezirksparteiarchiv der SED-Bezirksleitung Halle/Saale (im folgenden: BPA Halle/S.), IV/2/1/2, S. 266.
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Werktätigen zu erleichtern.30 Sie ließ sich dabei von dem Hinweis Lenins leiten: „Wir alle kennen sehr gut die Hauptursache f ü r das Sinken der Arbeitsproduktivität . . . Ruin und Verelendung, Erbitterung und Müdigkeit, hervorgerufen durch den imperialistischen Krieg, Krankheiten und Unterernährung . . . Der Hunger — das ist die Ursache. Um aber den Hunger zu beseitigen, ist eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität sowohl in der Landwirtschaft als auch im Verkehrswesen und in der Industrie notwendig. . . . Es ergibt sich also eine Art Circulus vitiosus: Um die Arbeitsproduktivität zu heben, muß man sich vor dem Hunger retten, und um sich vor dem Hunger zu retten, muß man die Arbeitsproduktivität heben." 31 Bereits am 11. Januar 1947 berieten die Parteivorsitzenden, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, mit dem Chef der SMAD, Marschall W. D. Sokolowski, über Schritte zur Überwindung der Schwierigkeiten. Uneigennützig verzichtete die Sowjetunion auf die Demontage von 200 Großbetrieben. Sie stärkte den volkseigenen Sektor der Industrie mit der Überführung von 74 dieser Betriebe in Volkseigentum. Die Vertreter der sowjetischen und der deutschen Arbeiterklasse legten fest, kurzfristig Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenslage der Bevölkerung einzuleiten. Für einen Teil der Bevölkerung wurden die Lebensmittelrationen heraufgesetzt. 32 Entscheidend war jedoch, wie es gelang, die Arbeiterklasse f ü r die Erhöhung der Produktion, vorrangig durch Steigerung der Arbeitsproduktivität, zu gewinnen. Anfang 1947 begann die SED eine breite Aufklärungskampagne unter der Losung: „Erst mehr arbeiten, dann mehr essen!"33 Auf diese Weise wurde in Zusammenarbeit mit dem FDGB und der FDJ auch in SachsenAnhalt von der Partei ein Volksaufgebot zur Lösung der dringendsten Aufgaben ins Leben gerufen. 34 Erste Erfolge im Aufschwung der Produktion in allen Ländern Ostdeutschlands konnten bereits im April 1947 auf dem II. FDGB-Kongreß in Berlin ausgewertet werden. Die Delegierten griffen die Losung der Partei der Arbeiterklasse auf. Vor allem beschäftigte sie die Frage, wie die Stabilität und Kontinuität im wirtschaftlichen Aufstieg weiter zu verbessern seien. Mit dem Aufruf „Mehr produzieren, gerechter verteilen, besser leben!" wurden die Arbeiterklasse und die übrigen Werktätigen zu erhöhten Produktionsleistungen aufgerufen. 35 In den Monaten vor dem II. Parteitag der SED entwickelten auch die Werk30 31 32
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Doernberg, Stefan, Die Geburt eines neuen Deutschland, Berlin 1959, S. 389 ff. Lenin, W. I., Die große Initiative, in: Werke, Bd. 29, S. 415 f. Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland. Dokumente aus den Jahren 1945-1949, Berlin 1968, S. 370 ff. Falk, Die politische, organisatorische und ökonomische Konstituierung, S. 24. Barthel, Horst, Die Herausbildung der Jungaktivistenbewegung in der Industrie bis zur Gründung der Deutschen Demokratischen Republik. Wirtschaftswiss. Diss., Berlin 1961, S. 73 f. Doernberg, Die Geburt eines neuen Deutschland, S. 389.
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tätigen Sachsen-Anhalts, besonders in den Betrieben, in denen die SEDBetriebsgruppen gemeinsam mit den Gewerkschaftsleitungen eine gute politisch-ideologische Überzeugungsarbeit geleistet hatten, Initiativen zur Steigerung der Produktion. Die SMAD des Landes Sachsen-Anhalt unterstützte die deutsche Arbeiterklasse durch den Befehl Nr. 94 vom 18. Juli 1947. Darin wurde die Einsetzung einer Regierungskommission verfügt, die die wirtschaftliche und finanzielle Lage der volkseigenen Betriebe überprüfen sollte. 36 In Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsoffizieren der SMAD verschaffte sich die Kommission einen Uberblick über die Lage in den volkseigenen Betrieben. Mit ihrer analytischen Arbeit half sie die Voraussetzungen für die richtungweisenden Beschlüsse des II. Parteitages und für die Maßnahmen des Befehls Nr. 234 zu schaffen. Es kam besonders darauf an, die guten Ansätze in der Uberwindung der Schwierigkeiten und im Aufschwung der Produktion weiterzuführen. Die in Vorbereitung des II. Parteitages vom 5. bis 7. September 1947 durchgeführte 2. Landesdelegiertenkonferenz der SED formulierte daher in ihrer Entschließung als wichtigste Aufgabe: „Die Aktivierung und Mobilisierung aller ehrlichen und aufbauwilligen Kräfte und die rücksichtslose Ausschaltung aller hemmenden reaktionären Elemente wird uns die Möglichkeit geben, die Lebenslage des werktätigen Volkes in Stadt und Land zu verbessern." 37 Der als Gast an der Landesdelegiertenkonferenz teilnehmende Vertreter der SMAD Sachsen-Anhalt, Oberst Radionow, wies in seiner Begrüßungsansprache darauf hin, daß die SMAD gemeinsam mit den antifaschistisch-demokratischen Kräften unter der Führung der SED Maßnahmen vorbereite, um die Lebensverhältnisse der Arbeiter zu verbessern. 38 Vom 20. bis 24. September 1947 fand in Berlin der II. Parteitag der SED statt. In realistischer Einschätzung der Entwicklung der zurückliegenden zwei Jahre erörterten die Delegierten die zu lösenden Aufgaben bei der Weiterführung und Festigung der Ergebnisse des revolutionären Umwälzungsprozesses, verbunden mit dem Kampf gegen die imperialistische Restaurations- und Spaltungspolitik in den Westzonen. Der Parteitag formulierte als wichtigste internationale Aufgabe der SED den Kampf gegen die imperialistische Reaktion im eigenen Land. Er entlarvte den Marshallplan als einen imperialistischen Versklavungsplan und stellte ihm das Programm der Schaffung eines friedliebenden antifaschistisch-demokratischen Deutschlands gegenüber. 39 Dieses 36
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St AM, Pressedienst der Landesregierung Sachsen-Anhalt (im folgenden: Pressedienst), Nr. 172/1947, S. 2. BPA Magdeburg, IV/LL2/4, Entschließung der zweiten Landesdelegiertenkonferenz der SED vom 7. September 1947. StAM, Pressedienst, Nr. 140/1947, S. 1. Protokoll der Verhandlungen des II. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (im folgenden: Protokoll der Verhandlungen), Berlin 1947, S. 77.
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Ziel w a r n u r zu verwirklichen durch den weiteren Ausbau und die allseitige S t ä r k u n g d e r antifaschistisch-demokratischen O r d n u n g in Ostdeutschland. Die SED stand vor d e r komplizierten Aufgabe, die durch Hunger, Not u n d E n t behrung bestimmte passive Haltung breiter Bevölkerungskreise zu überwinden und in der Arbeiterklasse und bei den anderen Werktätigen eine neue Einstellung zur Arbeit durchzusetzen. Es galt, alle Werktätigen aus der Abwartehaltung und d e r Resignation h e r a u s z u f ü h r e n u n d f ü r den weiteren A u f b a u zu gewinnen. 40 Die Partei ging dabei von der realistischen Feststellung aus, daß d e r Bewußtseinsstand bedeutender Teile der Bevölkerung i m m e r noch durch die Einflüsse einer jahrzehntelangen imperialistischen Klassenherrschaft sowie durch die Propaganda des Klassengegners in den Westzonen mitbestimmt wurde. Viele Menschen wollten i h r e schwierige wirtschaftliche Lage und die schlechten Lebensverhältnisse nicht als Folge des imperialistischen Krieges begreifen. Die großen materiellen Sorgen äußerten sich in einem erschreckenden politischen Desinteresse. 41 Ausgehend von dieser Situation erarbeitete die SED die strategisch-taktische Konzeption, in den Mittelpunkt der Vertiefung d e r revolutionären E r r u n g e n schaften die S t ä r k u n g u n d den Ausbau d e r ökonomischen Basis zu stellen. „Die neue Ordnung konnte sich n u r behaupten u n d festigen, wenn sie rasch ökonomisch erstarkte", 4 2 heißt es in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Die Arbeiterklasse und die anderen Werktätigen m u ß t e n d a f ü r gewonnen werden, ihre ganze K r a f t f ü r die Ü b e r w i n d u n g der wirtschaftlichen Schwierigkeiten einzusetzen, die Produktion zu verbessern und zu steigern. Es m u ß t e bewiesen werden, d a ß die antifaschistisch-demokratische O r d n u n g durchaus in d e r Lage war, die Wirtschaft zum Wohle der Werktätigen zu organisieren. Als Hauptkettenglied f ü r die Aktivierung der Arbeiterklasse zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur Verwirklichung eines „Programmes gegen Hunger und Kälte" 4 3 bezeichnete der Parteitag die Festigung und F ö r d e r u n g des volkseigenen Sektors in der Industrie. Dazu w u r d e festgestellt, in der Industrie sei „die vordringlichste A u f g a b e die Steigerung der Produktion, die Erhöhung d e r Qualität der Arbeit u n d der Arbeitsmoral in den volkseigenen Betrieben. Die Steigerung der Produktion in den volkseigenen Betrieben ist die wichtigste politische und wirtschaftliche A u f g a b e in der I n d u s t r i e . . . Aber die H a u p t a u f g a b e ist es jetzt, zu beweisen, daß die volkseigenen Betriebe in jeder Hinsicht den privatkapitalistischen Betrieben überlegen sind, und diese A u f g a b e m u ß jetzt erfüllt werden." 4 4 Mit der Durchsetzung eines neuen Arbeitsethos m u ß t e erreicht werden, „daß in den volkseigenen Betrieben besser gearbeitet w i r d und daß die demokratische 40 41 42
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Ebenda, S. 514. Vgl. BPA Magdeburg, IV/5/1/176, o. S. GdA, Bd. 6, S. 227. Doernberg, Die Geburt eines neuen Deutschland, S. 391. Protokoll der Verhandlungen,
S. 325.
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Wirtschaftsordnung der alten kapitalistischen Wirtschaftsanarchie überlegen ist".45 Unmittelbar nach Abschluß des Parteitages gingen die Landesvorstände der SED daran, Maßnahmen zur Durchsetzung der Parteitagsbeschlüsse festzulegen. Die zu lösenden Aufgaben erforderten eine höhere Qualität der politisch-ideologischen Arbeit der Partei. So legte der Landesvorstand der SED Sachsen-Anhalt fest, über die Kreisparteileitungen die Anleitung der Ortsund Betriebsgruppen der Partei zu verbessern, um den Werktätigen in beharrlicher Überzeugungsarbeit die Beschlüsse des II. Parteitages zu erläutern.46 Von großer Bedeutung für die Durchsetzung der Beschlüsse des II. Parteitages war der am 9. Oktober 1947 von der SMAD erlassene Befehl Nr. 234.47 Mit dem vom Obersten Chef der SMAD, Marschall Sokolowski, unterzeichneten Befehl stellte sich die Sowjetunion mit ihrer ganzen Autorität und Stärke hinter die Aufgabenstellung der Partei der deutschen Arbeiterklasse und verlieh ihr, da sie die oberste Regierungsgewalt in Ostdeutschland ausübte, Gesetzeskraft. Die Ausarbeitung des Befehls war Ausdruck der vom Geiste des proletarischen Internationalismus getragenen Zusammenarbeit sowjetischer und deutscher Genossen. Der Entwurf war gemeinsam von Vertretern der SED und der SMAD sowie Funktionären des FDGB vorbereitet und formuliert worden. Er wurde mit Arbeitern mehrerer Großbetriebe diskutiert, die ihn durch wertvolle Hinweise ergänzten.48 Der Befehl Nr. 234 verpflichtete die Länderregierungen, die demokratischen Verwaltungen und die Betriebsleitungen in Zusammenarbeit mit den antifaschistisch-demokratischen Parteien und Massenorganisationen, kurzfristig Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zum Kampf gegen das Bummelantentum einzuleiten. Gleichzeitig führten die in ihm enthaltenen Bestimmungen über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung, die Neuregelung des Urlaubs, die ärztliche Betreuung in den Betrieben, die Erhöhung der Lohnsätze in mehreren Industriezweigen, die Erweiterung des Leistungslohnes, die Ausweitung der Berufsausbildung, die Zusatzverpflegung und die bevorzugte Versorgung mit Textilien und Industriewaren zu einer Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Arbeiter und Angestellten.49 Der Befehl Nr. 234 entsprach den ureigensten Interessen der Arbeiterklasse und der anderen Werktätigen. Die in ihm festgelegten wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen dienten dem Ausbau und der Festigung der anti45 46
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Ebenda, S. 478. BPA Halle/S., IV/2/1/2, Protokoll der Landesvorstandssitzung der SED am 29. und 30. September 1947. Tägliche Rundschau, 10.10.1947. Ebenda. Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland, S. 504 fE.
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faschistisch-demokratischen Errungenschaften, besonders der Weiterentwicklung der sozialistischen Elemente in der neuen Ordnung und damit einer Vertiefung des revolutionären Umwälzungsprozesses in Ostdeutschland. Grundanliegen des Befehls Nr. 234 war es, der Arbeiterklasse und den anderen Werktätigen den engen Zusammenhang zwischen Steigerung der Arbeitsproduktivität und Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen deutlich zu machen und sie durch ökonomische Hebel und sozialpolitische Maßnahmen f ü r die Lösung der gestellten Aufgaben zu gewinnen. Dabei unterstrich der Befehl die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus der führenden Rolle der Arbeiterklasse als der entscheidenden politischen Kraft der antifaschistisch-demokratischen Ordnung. Er bezeichnete die Arbeiterklasse als „die Hauptkraft der Demokratisierung und des wirtschaftlichen Aufschwunges in der sowjetischen Besatzungszone sowie für die Entwicklung der Wirtschaft.. ."50 Der Befehl zeigte den Zusammenhang zwischen der konsequenten Weiterführung der antifaschistisch-antiimperialistischen Maßnahmen und dem wirtschaftlichen Aufschwung. Er appellierte an die Schöpferkraft, den Elan und die Initiative der Arbeiterklasse. „Denn man darf nicht denken, daß eine Verbesserung in der Lage der Arbeiter und des ganzen Volkes einzig durch Dekrete und Befehle erreicht wenden kann. Die entscheidende Rolle bei der Durchführung des Befehls Nr. 234 fällt deshalb vor allem der demokratischen Öffentlichkeit in der Zone zu, in erster Linie den Arbeitern, Angestellten und Ingenieuren in Industrie und Transportwesen, die gut daran tun, wenn sie selbst eine Kontrolle über die Durchführung des Befehls in allen Instanzen organisieren", hieß es in einem Kommentar des Organs der SMAD, „Tägliche Rundschau". 51 Die Veröffentlichung des Befehls Nr. 234 stellte der SED die Aufgabe, diesen Befehl der Arbeiterklasse und den anderen Werktätigen zu erläutern und die demokratischen Massenorganisationen, Betriebsleitungen und Verwaltungsorgane bei den ersten Schritten zu seiner Realisierung zu unterstützen. Die Bedeutung, die die Partei der Durchsetzung dieses Befehls in SachsenAnhalt, dem Zentrum der Grundstoffindustrie in der sowjetischen Besatzungszone, beimaß, wurde in der Tatsache deutlich, daß sofort führende Funktionäre der Partei und des FDGB, an erster Stelle die beiden Parteivorsitzenden Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl sowie der Landesvorsitzende Bernhard Koenen, auf Großkundgebungen den Werktätigen den Befehl erläuterten. Am 22. Oktober 1947 zeigte Otto Grotewohl 10 000 Werktätigen im Mineralölwerk Lützkendorf den Zusammenhang von Steigerung der Produktion und Anhebung des Lebensstandards auf. Einen Tag später sprach Bernhard Koenen vor Gewerkschaftsfunktionären in Bitterfeld. Er wies die Arbeiterklasse besonders darauf hin, wie wichtig es sei, ihre Schlüsselpositionen in Staat und Wirtschaft zu festigen und auszubauen. Die 4000 Werk60 51
Ebenda, S. 505. Tägliche Rundschau,
10.10.1947.
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tätigen des Zeitzer Kohlenreviers verpflichteten sich nach einer Kundgebung mit Wilhelm Pieck einstimmig in einer Resolution, die Produktion zu steigern. 52 Am 23. Oktober 1947 beschäftigte sich der Landesvorstand der SED, ausgehend von der Analyse der Entwicklung Sachsen-Anhalts in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren, mit den sich aus den Beschlüssen des II. Parteitages und dem Befehl Nr. 234 ergebenden Aufgaben. Eine große Hilfe für den Verlauf der Sitzung und die Beschlußfassung war das eingangs gehaltene Grundsatzreferat des Parteivorsitzenden Otto Grotewohl zum Thema „30 Jahre Große Sozialistische Oktoberrevolution", in dem er die Erfahrungen der Arbeiterklasse und der anderen Werktätigen der Sowjetunion unter der Führung der KPdSU bei der Bewältigung der komplizierten politischen und ökonomischen Probleme nach 1917 für die Lösung der in der sowjetischen Besatzungszone anstehenden Aufgaben erschloß. Otto Grotewohl würdigte besonders die Rolle und Hilfe der Sowjetunion bei der Einleitung des revolutionären Umwälzungsprozesses in Ostdeutschland und erläuterte, ausgehend von der Analyse des bisherigen Entwicklungsstandes, die zukünftigen Aufgaben der SED. 53 In dem vom Landesvorstand der SED gefaßten Beschluß wurde die Verwirklichung des Befehls Nr. 234 als die augenblicklich wichtigste ideologische Aufgabe und als eine Richtlinie für das wirtschaftliche und politische Denken und Handeln der Parteimitglieder bezeichnet. Es heißt darin: „Wie wir uns in der Aktionseinheit 1945 bewährt haben, nach dem Zusammenbruch mit einigen Zehntausend die Friedenswirtschaft zu beginnen und Fabriken und Brücken aufzubauen, so müssen wir uns jetzt zu Hunderttausenden bewähren, in Ausnutzung aller wirtschaftlichen und staatlichen Positionen, die in die Hände des Volkes gelegt wurden, durch volle Entfaltung aller Kräfte die Verbesserung der Lage der Werktätigen herbeizuführen." 54 Der Beschluß betonte klar die führende Rolle der Partei bei der Durchsetzung des Befehls Nr. 234. Er wies besonders auf die Verantwortung der Genossen in den volkseigenen Betrieben hin. Er legte fest, gemeinsam mit der Leitung der „Industrie-Werke des Landes Sachsen-Anhalt" einen Plan für eine breite Aufklärungsarbeit in den volkseigenen Betrieben auszuarbeiten. Der Landesvorstand beschloß die Bildung einer Kommission, bestehend aus den Sekretären des Vorstandes Wessel, Einicke, Pisnik und Gerisch, deren Aufgabe es sein sollte, die nachgeordneten Parteileitungen zur Durchsetzung der Maßnahmen des Befehls Nr. 234 zu befähigen. Alle Kreisvorstände der SED wurden verpflichtet, ebenfalls zwei Sekretäre ausschließlich für die Anleitung der Betriebsparteigruppen einzusetzen. In einem Rundschreiben 52 53
5i
StAM, Pressedienst, Nr 167/1947, S. 11 f. BPA Halle/S., IV/2/1/2, Protokoll der erweiterten Landesvorstandssitzung der SED am 23. Oktober 1947. Ebenda, S. 247.
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des Landesvorstandes an die Bezirks- und Kreisvorstände heißt es: „Wir stehen vor der Aufgabe, zu beweisen, daß unsere volkseigenen Betriebe den kapitalistischen Konzernbetrieben im Westen überlegen sind, daß die Volksinitiative die private kapitalistische Initiative nicht n u r ersetzt, sondern übertrifft." 5 5 Die Genossen in den Betrieben w u r d e n darauf orientiert, die Betriebsgruppen der Partei zum Motor bei d e r Verwirklichung der Beschlüsse des II. Parteitages und des Befehls Nr. 234 zu machen. 56 Die beim Landesvorstand der SED gebildete „Kommission f ü r den Befehl Nr. 234" stellte sofort Kontakte zur Landesregierung, zu dem Landesvorstand des FDGB und zu den anderen antifaschistisch-demokratischen Parteien und Massenorganisationen her, u m gemeinsam M a ß n a h m e n zur Verwirklichung des „Aufbauplanes 234" festzulegen. 57 Auf Initiative der SED beschlossen am 25. Oktober 1947 die Landesregierung und die Landesvorstände des FDGB und der antifaschistisch-demokratischen Parteien die G r ü n d u n g eines „Landesausschusses f ü r den Befehl 234", dem drei Minister der Landesregierung, Vertreter aller antifaschistisch-demokratischen Parteien und Massenorganisationen, der Leitungen der großen volkseigenen Betriebe und der demokratischen Öffentlichkeit angehörten. 5 8 Oberstes Anliegen des Ausschusses w a r es, durch Popularisierung des Befehls Nr. 234 alle aufbauwilligen K r ä f t e zu mobilisieren und f ü r seine Durchsetzung zu gewinnen. Der Befehl Nr. 234 löste in der ganzen sowjetischen Besatzungszone einen starken Widerhall aus. 59 Aus allen Teilen des Landes, besonders aus den Großbetrieben, kamen Zustimmungserklärungen. Die b e w u ß t e n Arbeiter stellten mit Genugtuung fest, daß der Befehl ihre Arbeit anerkannte, d a ß die Maßnahmen des Befehls voll u n d ganz den Interessen der Arbeiterklasse entsprachen. Auf einer Betriebsrätekonferenz in Merseburg brachte ein A r beiter aus Dessau die Meinung vieler zum Ausdruck: „Die Werte, die uns im Befehl Nr. 234 übermittelt wurden, sind diesmal nicht das Privilegium einer einzelnen und sattsam bekannten Schicht, sondern sie sind das Gemeingut aller Schaffenden in d e r sowjetischen Besatzungszone." 60 Die Werktätigen begrüßten besonders das Vorgehen gegen Bummelanten, Schwarzhändler u n d Schieber sowie die geplanten sozialen Maßnahmen. In einer einstimmig angenommenen Entschließung würdigten der Landtag und die Landesregierung den Befehl „als wichtige Grundlage f ü r unseren gesellschaftlichen Wiederaufbau. Mit seinem umfassenden Wirtschafts- und 55
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BPA Magdeburg, IV/LL2/5, Rundschreiben Nr. 43/1947 des Landesvorstandes der SED. Ebenda. BPA Halle/S., IV/2/1/2, S. 237 f. StAM, Pressedienst, Nr. 168/1947, S. 1. StAM, Informationsdienst des Landesnachrichtenamtes (im folgenden: Informationsdienst), Nr. 27/1947, S. 3 ff. StAM, Pressedienst, Nr. 167/1947, S. 3.
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sozialpolitischen P r o g r a m m wird e r wesentlich dazu beitragen, Arbeitsmoral und Arbeitsdisziplin zu stärken, den ehrlich schaffenden Menschen den A n reiz zu höherer wirtschaftlicher Leistung zu geben, dadurch die Produktion allseitig zu erhöhen und zugleich die Lebenshaltung des Volkes zu verbessern." 61 Der Landesvorstand des FDGB und die Landesvorsitzenden der Industriegewerkschaften beschlossen ein Sofortprogramm, das besonders auf die Bildung von Betriebsausschüssen und -kommissionen, auf die E i n f ü h r u n g der neuen Arbeitsordnung und auf die Steigerung der Produktion orientierte. 62 Am 30. Oktober 1947 rief d e r Block d e r antifaschistisch-demokratischen Parteien die Bevölkerung Sachsen-Anhalts auf, den Befehl Nr. 234 zu realisieren. 63 F ü r die SED k a m es darauf an, die Arbeiter von der zunächst spontanen Zustimmung zum Befehl Nr. 234 zur Verwirklichung des A u f b a u p l a n e s zu f ü h r e n . Andererseits m u ß t e n diejenigen Werktätigen, die — beeinflußt von der imperialistischen Propaganda — den im Befehl Nr. 234 festgelegten Maßn a h m e n noch skeptisch und ablehnend gegenüberstanden, in beharrlicher Überzeugungsarbeit gewonnen werden. Am 28. Oktober 1947 erläuterte Otto Grotewohl in der Landeshauptstadt Halle 2000 Funktionären der Partei die nächsten Aufgaben. 6 4 Besonders h o h e A n forderungen w u r d e n an die Betriebsparteigruppen gestellt. Eine große Hilfe f ü r die Anleitung der Betriebs- und Wohngruppen der SED zur Verbesserung ihrer massenpolitischen Arbeit w a r die Auswertung einer Sitzung d e r Landesvorsitzenden mit d e m Parteivorstand, die der Landesvorsitzende B e r n h a r d Koenen am 17. u n d 18. November 1947 auf einer Landesvorstandssitzung v o r nahm. Ausgehend von den erhöhten A n f o r d e r u n g e n an die politisch-ideologische Arbeit der SED in d e r Periode zunehmender Klassenauseinandersetzungen orientierte die Partei auf die konsequente Durchsetzung d e r Beschlüsse des II. Parteitages u n d auf die t a t k r ä f t i g e Unterstützung bei d e r Verwirklichung des Befehls Nr. 234 durch alle Betriebs-, Dorf- u n d Wohnbezirksgruppen der SED. 65 Der Landesvorstand schätzte ein, d a ß eine Massenmobilisierung n u r zu erreichen sei, w e n n die Genossen in der Produktion u n d in den demokratischen Verwaltungsorganen zum Motor der Bewegung w ü r d e n . Jedes Mitglied der Kreis- und Stadtleitungen der SED w u r d e verpflichtet, die Anleitung von fünf bis sechs Betriebsparteigruppen zu übernehmen. 6 6 Die Partei verband die Erläuterung des Befehles Nr. 234 mit der grundlegen61 62 63 64 65 66
St AM, Verhandlungen des Landtages der Provinz Sachsen-Anhalt (im folgenden: Verhandlungen des Landtages), 1. Wahlperiode, S. 852. Volksstimme, 29.10.1947. Ebenda, 30.10.1947. StAM, Pressedienst, Nr. 170/1947, S. 11. Vgl. BPA Halle/S., IV/2/1/2, S. 163 ff. Ebenda, S. 166.
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den Frage nach dem Verhältnis der Arbeiterklasse und der anderen Werktätigen zur Sowjetunion. Die Leistungen der Sowjetmenschen beim Aufbau des Sozialismus, die Hilfe der Sowjetunion bei der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung mußten den Werktätigen stärker als bisher bewußt gemacht werden. Auf der Landesvorstandssitzung der SED am 29. und 30. September 1947 betonte Alois Pisnik im Auftrage des Parteivorstandes, es komme in den folgenden Monaten darauf an, das Erbe des Roten Oktober für die eigene Arbeit zu erschließen. 67 Anläßlich des 30, Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution sprachen auf zahlreichen Veranstaltungen — so in Magdeburg, Wernigerode, Querfurt, Merseburg, Aschersleben, Kölleda und Ballenstedt — Offiziere der SMAD des Landes Sachsen-Anhalt. Zum ersten Mal wurden Tausende deutscher Werktätiger von ihren sowjetischen Klassenbrüdern über die politischen, ökonomischen und kulturellen Verhältnisse im ersten Arbeiter-und-BauernStaat der Erde informiert. Allein im Kreis Delitzsch waren zu 68 Revolutionsfeierstunden 8000 Menschen erschienen; in den Kreisen Wernigerode und Wittenberg waren es bei 39 bzw. 27 Veranstaltungen jeweils 5000 Teilnehmer.68 Die Repräsentanten des Sowjetvolkes leisteten mit ihren Ausführungen über den Aufbau des Sozialismus in ihrem Land eine wertvolle Unterstützung bei der Gewinnung der Werktätigen für den Ausbau der antifaschistischdemokratischen Errungenschaften und der Elemente des Sozialismus in Ostdeutschland. So erläuterte Hauptmann Kabanow vor der Belegschaft des Kombinates Profen die Grundzüge der sowjetischen Wirtschaftsordnung; Major Sacharow stellte in den Mittelpunkt seiner Ausführungen vor den Werktätigen der landeseigenen Betriebe und der demokratischen Verwaltungsorgane des Kreises Oschersleben die Erfahrungen und Erfolge der Sowjetunion bei der Verwirklichung der Fünfjahrpläne. In Haldensleben sprach Oberleutnant Kobrin über den Kampf der Sowjetmenschen beim Aufbau der sozialistischen Staatsordnung.®9 Vor der Belegschaft des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr referierte Major Winogradow über die sozialistische Gesellschaft in der UdSSR. 70 Von Versammlungsteilnehmern wurden die Ausführungen der sowjetischen Offiziere als offen, ehrlich, fesselnd und überzeugend eingeschätzt, da durch sie ein richtiges, wahrheitsgetreues Bild über die Sowjetunion vermittelt wurde. 71 Erstmals übersandten die Arbeiter vieler Betriebe den Völkern der Sowjetunion in Adressen brüderliche Grüße zum Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Die Belegschaft des volkseigenen Chemiebetriebes 67 68 69 70 71
Ebenda, S. 294. BPA Magdeburg, IV/LL2/4, Bericht des Landesvorstandes der SED über die Arbeit im Monat November 1947. StAM, Pressedienst, Nr. 171/1947, S. 8 f. Ebenda, Nr. 175/1947, S. 9. Vgl. BPA Magdeburg, IV/5/1/176, o. S.
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Fahlberg-List Magdeburg brachte in ihrer Grußadresse die Bereitschaft zum Ausdruck, die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen und den Kampf gegen Monopolkapital und Nazismus konsequent fortzusetzen. Die Werktätigen des SAG-Betriebes Armaturen- und Meßgerätebau Magdeburg wiesen in ihrer Grußadresse auf das feste Bündnis mit der Sowjetunion als Unterpfand für die Weiterführung des revolutionären Umwälzungsprozesses hin. 72 Zum ersten Mal wurden von den Arbeitern Fragen des Verhältnisses zur Sowjetunion als der Hauptkraft des revolutionären Umwälzungsprozesses offen aufgeworfen. Bei dem bewußteren Teil der Arbeiterklasse reifte die Einsicht, daß nur an der Seite der Sowjetunion die revolutionäre Überwindung des imperialistischen Systems möglich ist. Diese Erkenntnisse über den Aufbau einer neuen, von Ausbeutung und Unterdrückung freien Gesellschaft erleichterten der Partei und den antifaschistisch-demokratischen Massenorganisationen und Verwaltungsorganen, die im Befehl Nr. 234 festgelegten Aufgaben zu realisieren. Auf seiner ersten Sitzung am 28. Oktober 1947 faßte der „Landesausschuß für den Befehl Nr. 234" den Beschluß, in allen Städten und Kreisen „Ausschüsse für den Befehl Nr. 234" zu bilden. Innerhalb von zehn Tagen wurde diese Festlegung in 29 der 33 Kreise und in 15 der 19 kreisfreien Städte verwirklicht. 73 Vorsitzende der Kreisausschüsse waren die Landräte oder Oberbürgermeister. In den Ausschüssen arbeiteten Vertreter der antifaschistisch-demokratischen Massenorganisationen, der Ämter für Handel und Versorgung, der Abteilungen Wirtschaft und Verkehr bei den Räten der Kreise, der Industrie- und Handelskammern, der Kammern der Technik und der Genossenschaften. 74 Die „Kommission für den Befehl Nr. 234" beim Landesvorstand der SED sah es als eine ihrer Hauptaufgaben an, die Arbeit der Kreisausschüsse anzuleiten. Gemeinsam mit dem „Kreisausschuß für den Befehl Nr. 234" in Merseburg wurde ein Arbeitsplan geschaffen, der als Muster für die Pläne in den anderen Kreisen diente. 75 Oberste Aufgabe der „Kreisausschüsse für den Befehl Nr. 234" war die Anleitung und Kontrolle der Durchsetzung des Befehles Nr. 234 im Kreis. 76 Die Kreisausschüsse organisierten die Bildung von „Betriebsausschüssen für den Befehl Nr. 234". Die Betriebsausschüsse setzten sich aus Vertretern der Betriebsräte, der Gewerkschaftsleitungen, der Betriebsgruppen der FDJ, der Frauenausschüsse und der Kammern der Technik zusammen. Sie organisierten und koordinierten die Arbeit folgender Unterkommissionen: Produktionsausschuß, Arbeitsschutzkommission, Leistungslohnkommission, Frauen- und Jugendausschuß. Im Mittelpunkt der Arbeit aller Ausschüsse stand die Stei72 73 74 75 76
Ebenda. Vgl. StAM, MW, Nr. 10 307, S. 2 ff. BPA Magdeburg, IV/LL2/16, o. S. Ebenda. Zur detaillierten Aufgabenstellung der Ausschüsse vgl. BPA Magdeburg, IV/ LL2/16, o. S.
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gerung der Produktion und das Bemühen um die schrittweise Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen. Mit den Ausschüssen und Kommissionen entstanden neue Leitungs- und Machtorgane der Arbeiterklasse. Der weitere Aufbau der Industrie und des Verkehrswesens erforderte vor allem die Erhöhung der Arbeitsproduktivität und die Festigung der Arbeitsdisziplin. Es kam darauf an, den Werktätigen die Erkenntnisse Lenins zu verdeutlichen, daß die „Arbeitsproduktivität... in letzter Instanz das allerwichtigste, das ausschlaggebende für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung" ist.77 In der sowjetischen Besatzungszone hing 1947/48 die Vertiefung des revolutionären Umwälzungsprozesses im entscheidenden Maße davon ab, wie es gelang, die ökonomischen Grundlagen der antifaschistisch-demokratischen Ordnung, besonders deren Kern, den volkseigenen Sektor, weiter zu stärken und auszubauen. Im Befehl Nr. 234 heißt es: „Die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die Entfaltung der bewußten eigenen Initiative der Werktätigen für den wirtschaftlichen Aufschwung der sowjetischen Besatzungszone stellt gegenwärtig das Hauptbindeglied in dem System der Volkswirtschaft und den Schlüssel zur Lösung aller anderen wirtschaftlichen Probleme dar". 78 Die Länderregierungen, die Verwaltungsorgane und die Betriebsleitungen wurden verpflichtet, mit Unterstützung aller antifaschistischdemokratischen Parteien und Massenorganisationen, vor allem der Gewerkschaften, Maßnahmen zur Erhöhung der Produktion, zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zum Kampf gegen das Bummelantentum einzuleiten. Die SED und die anderen antifaschistisch-demokratischen Kräfte standen bei der Bewältigung dieser grundlegenden Aufgabe vor einer äußerst schwierigen Situation. Obwohl das Land Sachsen-Anhalt bis zum Ende des Jahres 1947 1 331 209 Umsiedler — das entsprach 44 Prozent der Bevölkerung Sachsen-Anhalts im Jahr 1945 — aufgenommen hatte, war die Zahl der in der Industrie Beschäftigten von 513 000 im Jahre 1939 auf 351 000 im Jahre 1947 zurückgegangen.79 Kriegszerstörungen, schonungslose Ausnutzung der überalterten Maschinen durch das faschistische Regime, Rohstoffmangel und Reparationsverpflichtungen hatten die Industrieproduktion und die Arbeitsproduktivität stark reduziert. War in Sachsen-Anhalt vor dem zweiten Weltkrieg die Arbeitsproduktivität eines Industriearbeiters gegenüber einem im Handwerk beschäftigten drei- bis viermal so hoch gewesen, so betrug sie 1947 nur noch das Doppelte.80 Nach dem strengen Winter 1946/47 ging die Arbeitsproduktivität um weitere 20 bis 30 Prozent zurück und nahm damit besorgniserregende Ausmaße an.81 77 78 79 80 81
Lenin, W. I., Die große Initiative, in: Werke, Bd. 29, S. 416. Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland, S. 506. StAM, Pressedienst, Nr. 204/1947, S. 3; ebenda, MW, Nr. 6569, S. 3 f. StAM, MW, Nr. 6569, S. 4. B P A Halle/S., IV/2/1/2, S. 229.
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Zehntausende von Werktätigen verließen zeitweilig den Arbeitsplatz, um durch Tauschaktionen in den Dörfern und nach der Ernte durch Stoppeln auf den Feldern die immer noch geringen Lebensmittelrationen aufzubessern. Die Produktionspläne wurden nicht erfüllt. Dadurch w a r die organisierte Versorgung der Bevölkerung mit vielen Waren gefährdet. Von den 27 000 Beschäftigten des Leuna-Werkes fehlten durchschnittlich 6000.82 Im September 1947 kamen in Magdeburg nur 75 Prozent der Arbeiter und Angestellten der Großgaserei und nur 80 Prozent der Maschinenfabrik Buckau-Wolf regelmäßig zur Arbeit. 83 Bei der Reichsbahndirektion Halle waren von 1850 Belegschaftsmitgliedern täglich ungefähr 600 nicht anwesend. 84 Diese angespannte ökonomische Situation versuchte die politische Reaktion auf Geheiß ihrer imperialistischen Auftraggeber in den Westzonen zur Unterminierung der Grundlagen der antifaschistisch-demokratischen Ordnung auszunutzen. Sie intensivierte im Verein mit den westalliierten Massenmedien ihre antisowjetische Propaganda, indem sie die Parole verbreitete, eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität würde nur der Besatzungsmacht zugute kommen. 85 Die Bevölkerung sollte mit Lügenmeldungen — wie „Ein neuer Krieg steht kurz bevor und ganze Ortschaften müssen für die heranrückenden sowjetischen Truppen geräumt werden" — verunsichert und beunruhigt werden. Persönlichkeiten der antifaschistisch-demokratischen Öffentlichkeit erhielten Drohbriefe. Die Zahl der Brandstiftungen, besonders in der Nahrungsmittelindustrie und in der Landwirtschaft, nahm ständig zu.86 Besonders richtete sich der Haß der Reaktion gegen die Partei der Arbeiterklasse. So wurde die Geschäftsstelle der SED in Bernburg durch einen Sprengstoffanschlag völlig zerstört. 87 Auch in Sachsen-Anhalt sagten die offen und versteckt wirkenden reaktionären Kräfte, die die Tausch- und Kompensationsgeschäfte förderten, die Steigerung der Produktion sabotierten und die Ablieferung der landwirtschaftlichen Produkte blockierten, für das Jahresende 1947 den ökonomischen Zusammenbruch und die Wiedererrichtung des kapitalistischen Systems voraus.88 Sie versuchten durch destruktive wirtschaftspolitische Aktionen die ökonomische Grundlage der antifaschistisch-demokratischen Ordnung zu beseitigen. Reaktionäre Elemente in den bürgerlichen Parteien forderten die Wiederherstellung der Unternehmerverbände und die Reprivatisierung der volkseigenen Betriebe. 89 Der Reaktion in Sachsen-Anhalt gelang es zeitweilig, die 82 83 84 85 86 87 88 89
StAM, Informationsdienst, Nr. 27/1947, S. 1. Volksstimme, 10.10.1947. BPA Halle/S., IV/2/1/2, S. 173. Vgl. BPA Magdeburg, IV/LL2/5, o. S. StAM, Pressedienst, Nr. 17/1948, S. 7. StAM, Informationsdienst, Nr. 30/1947, S.4. BPA Halle/S., IV/2/1/2, S. 328. Ebenda.
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Landtagsfraktionen der CDU und LDP für ihre politischen Ziele einzuspannen.90 Einen Höhepunkt der Klassenauseinandersetzung bildete der Abschluß der Sequesterverfahren. Reaktionäre Kräfte verstärkten in der zweiten Hälfte des Jahres 1947 ihre Aktivitäten, bereits enteignete Betriebe den ehemaligen Besitzern zurückzugeben bzw. den Abschluß der Sequesteraktion zu verzögern. Im sogenannten Härteausgleichausschuß, der die Einsprüche der Enteigneten bearbeitete, bemühte sich der Landtagsabgeordnete Holler (LDP) um die Rückgabe der Großbetriebe an ihre ehemaligen kapitalistischen Eigentümer. Holler machte sich im Ausschuß offen zum Anwalt von Nazis und Kriegsverbrechern. Der Vizepräsident des Landtages, Dr. Hennemann (CDU), scheute sich nicht, Kapitalisten und Kriegsgewinnler schriftlich zu bitten, ihn mit der Verteidigung ihrer Interessen vor dem Ausschuß zu beauftragen. 91 Den imperialistischen Machenschaften und Spekulationen konnte und mußte am wirkungsvollsten und am schnellsten durch die Gewinnung der gesamten Arbeiterklasse und großer Teile der anderen Werktätigen für die Lösung der von der Partei gestellten und im Befehl Nr. 234 gesetzlich verankerten Aufgaben begegnet werden. Im Landtag und in der Presse der Arbeiterklasse entlarvte die SED die Ziele der Reaktion. Vor dem Landtag stellte Bernhard Koenen fest, reaktionäre Kräfte in den bürgerlichen Parteien hielten sich nicht an die einstimmig angenommene Entschließung zum Befehl Nr. 234, sondern versuchten, sie zu sabotieren. 92 Seit Mitte Oktober erörterten, unterstützt von der SMAD des Landes Sachsen-Anhalt, führende Vertreter der Landesvorstände der SED und des FDGB mit Partei- und Gewerkschaftsfunktionären im Lande und in den Kreisen die sich aus dem Befehl Nr. 234 ergebenden Aufgaben zur Steigerung der Produktion. Sie vermittelten ihnen mit der Darlegung der Grundzüge der auf dem II. Parteitag beschlossenen strategisch-taktischen Konzeption der SED für den wirtschaftlichen Aufschwung im Rahmen der Weiterführung des revolutionären Umwälzungsprozesses das politisch-ideologische Rüstzeug für die Auseinandersetzung mit den Argumenten des Klassengegners. 93 In allen Kreisen organisierte der FDGB Betriebsrätekonferenzen, auf denen über Maßnahmen zur Sicherung der Produktion und der Verbesserung der Arbeitsmoral diskutiert wurde. 94 Auf Grund der Initiative der Betriebsgruppen 90
91 92 93 94
Vgl. dazu StAM, Verhandlungen des Landtages, 1. Wahlperiode, Protokolle der Landtagsdebatten über die Wirtschaftsplanung (S. 873 ff.), über den Abschluß der Sequestrierungen (S. 1301 ff.), über die Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre (S. 862 ff.) und über das Kinoenteignungsgesetz (S. 1380). Vgl. StAM, Verhandlungen des Landtages, S. 1305 ff. Ebenda, S. 884. Vgl. StAM, Pressedienst, Nr. 167/1947, S. 11; ebenda, Informationsdienst, Nr. 27/ 1947, S. 1 ff. Vgl. StAM, Informationsdienst, Nr. 27/1947, S. 1 ff.
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der SED, die zunächst die bewußtesten Arbeiter und Angestellten überzeugten, verpflichteten sich in einer Reihe von Betrieben die Werktätigen zur Steigerung der Produktion und zum Kampf gegen das Bummelantentum. Allen voran gingen die Werktätigen der SAG-Betriebe. So beschlossen die 1200 Belegschaftsmitglieder der SAG Maschinenbau in Artern ein detailliertes Aktionsprogramm. 95 Die Betriebsgruppen der SED und auch der LDP und CDU im Leuna-Werk erarbeiteten gemeinsam ein Rahmenprogramm zur Verwirklichung des Befehles Nr. 234, das von der Belegschaft gebilligt wurde. Die Notwendigkeit der Steigerung der Arbeitsproduktivität im Werk begründete das Programm mit dem Hinweis, die Werktätigen würden nicht mehr in einem Monopolbetrieb, sondern in einem volkseigenen Betrieb arbeiten. 96 Es gab aber auch Betriebe, wo größere Teile der Belegschaften sich zunächst abwartend verhielten. So gelang es zum Beispiel in den Leunaer Kohlengruben erst nach einer vierstündigen Aussprache, die Betriebsleitungen und einen Teil der Genossen für die Durchsetzung des Befehles Nr. 234 zu gewinnen. Anschließend wurde der Belegschaft der Entwurf eines erarbeiteten Aktionsprogrammes zur Diskussion vorgelegt, das dann durch viele Vorschläge der Arbeiter konstruktiv ergänzt und am Ende einstimmig verabschiedet wurde. 97 Auch in mehreren anderen Betrieben des Kreises Merseburg wurde die anfänglich skeptische Stimmung gegenüber dem Befehl Nr. 234 erst durch die beharrliche Uberzeugungsarbeit der SED überwunden. 98 Dort, wo die Betriebsgruppen der SED es verstanden hatten, arbeitsfähige „Betriebsausschüsse für den Befehl Nr. 234" ins Leben zu rufen, folgten der Zustimmung zum „Aufbauplan 234" bald die ersten Taten. Schon am 28. Oktober 1947 konnte das Walzwerk für Buntmetalle in Hettstedt einen Rückgang der Arbeitsbummelei von durchschnittlich 15 bis 20 auf 0,5 Prozent melden. 99 Dem Direktionsbezirk Magdeburg der Reichsbahn gelang es durch die konsequente Verwirklichung der im Befehl Nr. 234 festgelegten Maßnahmen im Oktober 1947 zum ersten Male, den Transportplan zu erfüllen. 100 Besonders die werktätige Jugend ging auf Initiative der F D J mit Elan an die Erfüllung der Produktionsaufgaben. In mehreren Magdeburger Maschinenbaubetrieben verpflichteten sich Jugendkollektive, Rückstände bei der Erfüllung der Produktionsauflagen durch freiwillige Uberstunden aufzuarbeiten. In anderen Werken wurden in freiwilligen Sonntagsschichten Maschinen repariert und Werkstätten renoviert, um bessere Arbeitsbedingungen Volksstimme, 11.11.1947. BPA Halle/S., IV/2/1/2, S. 209. 97 Ebenda. 98 BPA Magdeburg, IV/LL2/4, Bericht des Landesvorstandes der SED über die Arbeit im Monat November 1947. (U m -3
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