Iuris prudentia Diocletiana: Kaiserliche Rechtsprechung am Ende des dritten Jahrhunderts 9783428156986, 9783428556984, 9783428856985, 3428156986

Die Rechtsprechung der kaiserlichen Kanzlei unter Diokletian ist gut überliefert und gilt als konservativ bis klassizist

185 111 2MB

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Inhaltsverzeichnis
Abgekürzt zitierte Literatur
1. Kapitel: Einleitung
I. Das herkömmliche Bild der diokletianischen Reskriptenpraxis
II. Zweifel und Fragen
III. Der Gegenstand der Untersuchung und seine Abgrenzung
2. Kapitel: Außervertragliche Schuldverhältnisse
I. Sachbeschädigung (actio legis Aquiliae)
II. Furtum und ähnliche Delikte
III. Erpressung (actio quod metus causa)
IV. Arglist (actio de dolo)
V. Geschäftsbesorgung ohne Auftrag (actio negotiorum gestorum)
VI. Vorlegungspflicht (actio ad exhibendum)
VII. Bereicherung durch Eingriff (condictio furtiva und actio rerum amotarum)
VIII. Leistungskondiktion
1. Causa non secuta
2. Indebitum solutum
3. Befreiuungsanspruch und Kondiktion eines Schuldscheins
3. Kapitel: Vertragliche Schuldverhältnisse
I. Darlehen (condictio aus mutuum und stipulatio)
1. Konsensuale und reale Elemente der Vertragsbindung
2. Zinsvereinbarungen
3. Exceptio non numeratae pecuniae
II. Leihe (commodatum)
III. Unentgeltliche Verwahrung (depositum)
IV. Pfandrecht (actio pigneraticia)
V. Verbalvertrag (stipulatio)
1. Allgemeines
2. Bürgschaft (fideiussio)
3. Die exceptio senatus consulti Velleiani
VI. Kaufvertrag (emptio venditio)
1. Vertragsschluss
2. Gattungskauf?
3. Gefahrtragung
4. Contrarius consensus und Auflösungsvorbehalte
5. Sach- und Rechtsmängelhaftung
6. Verzugshaftung
7. Rücktritt vom Vertrag
VII. Verdingung (locatio conductio)
VIII. Gesellschaft (societas)
IX. Auftrag (mandatum)
X. Unbenannte Verträge
1. Pactum und stipulatio
2. Exceptio pacti und replicatio doli
3. Sanktion durch Klagerechte
4. Annäherung von Tausch und Kauf
5. Vergleich (transactio)
XI. Schenkung (donatio)
1. Schenkungsvertrag
2. Gegenstände und Durchführung der Schenkung
3. Perfektion und Widerruf der Schenkung
4. Kapitel: Übergreifende Strukturen
I. Noxalhaftung
II. Adjektizische Haftung
III. Übergang von Forderungen
1. Abtretung
2. Übergang von Sicherheiten
3. Legalzession
IV. Erlöschen von Forderungen
1. Konfusion
2. Erfüllung (solutio)
3. Leistung an Erfüllungs Statt (datio in solutum)
4. Hinterlegung als Erfüllungssurrogat
V. Aufrechnung (compensatio)
VI. Durchsetzung einer Forderung
5. Kapitel: Ergebnis
I. Probleme der Rechtspraxis
II. Spuren des Volksrechts?
III. Neuerungen
IV. Fazit
Quellenverzeichnis
Gai institutiones
Pauli sententiae
Fragmenta Vaticana
Collatio legum Mosaicarum et Romanarum
Codex Theodosianus
Consultatio
Corpus Iuris Civilis
Institutiones
Digesta
Codex
Personenverzeichnis
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Iuris prudentia Diocletiana: Kaiserliche Rechtsprechung am Ende des dritten Jahrhunderts
 9783428156986, 9783428556984, 9783428856985, 3428156986

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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 185

Iuris prudentia Diocletiana Kaiserliche Rechtsprechung am Ende des dritten Jahrhunderts

Von

Jan Dirk Harke

Duncker & Humblot · Berlin

JAN DIRK HARKE

Iuris prudentia Diocletiana

Schriften zur Rechtsgeschichte Band 185

Iuris prudentia Diocletiana Kaiserliche Rechtsprechung am Ende des dritten Jahrhunderts

Von

Jan Dirk Harke

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-15698-6 (Print) ISBN 978-3-428-55698-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85698-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung 

9

I.

Das herkömmliche Bild der diokletianischen Reskriptenpraxis  . . . . . . 9

II.

Zweifel und Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

III. Der Gegenstand der Untersuchung und seine Abgrenzung . . . . . . . . . . 16 2. Kapitel

Außervertragliche Schuldverhältnisse 

19

I.

Sachbeschädigung (actio legis Aquiliae)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

II.

Furtum und ähnliche Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

III. Erpressung (actio quod metus causa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 IV. Arglist (actio de dolo) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 V.

Geschäftsbesorgung ohne Auftrag (actio negotiorum gestorum)  . . . . . . 38

VI. Vorlegungspflicht (actio ad exhibendum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 VII. Bereicherung durch Eingriff (condictio furtiva und actio rerum amotarum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 VIII. Leistungskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Causa non secuta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Indebitum solutum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Befreiuungsanspruch und Kondiktion eines Schuldscheins . . . . . . . . . .

55 55 60 64

3. Kapitel

Vertragliche Schuldverhältnisse 

I. Darlehen (condictio aus mutuum und stipulatio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konsensuale und reale Elemente der Vertragsbindung . . . . . . . . . . . . . 2. Zinsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exceptio non numeratae pecuniae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 70 70 80 93

II. Leihe (commodatum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 III. Unentgeltliche Verwahrung (depositum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

6 Inhaltsverzeichnis IV. Pfandrecht (actio pigneraticia) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 V. Verbalvertrag (stipulatio)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bürgschaft (fideiussio)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die exceptio senatus consulti Velleiani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

113 113 118 121

VI. Kaufvertrag (emptio venditio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gattungskauf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Contrarius consensus und Auflösungsvorbehalte  . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sach- und Rechtsmängelhaftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verzugshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rücktritt vom Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128 128 136 140 143 150 166 172

VII. Verdingung (locatio conductio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 VIII. Gesellschaft (societas)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 IX. Auftrag (mandatum)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 X.

Unbenannte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pactum und stipulatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exceptio pacti und replicatio doli  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sanktion durch Klagerechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Annäherung von Tausch und Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vergleich (transactio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209 210 215 221 229 235

XI. Schenkung (donatio)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schenkungsvertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstände und Durchführung der Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Perfektion und Widerruf der Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

254 254 263 272

4. Kapitel

Übergreifende Strukturen 

285

I. Noxalhaftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 II.

Adjektizische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

III. Übergang von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergang von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Legalzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.

297 297 306 308

Erlöschen von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 1. Konfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 2. Erfüllung (solutio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

Inhaltsverzeichnis7 3. Leistung an Erfüllungs Statt (datio in solutum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 4. Hinterlegung als Erfüllungssurrogat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 V. Aufrechnung (compensatio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 VI. Durchsetzung einer Forderung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 5. Kapitel Ergebnis 

335

I.

Probleme der Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

II.

Spuren des Volksrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

III. Neuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Abgekürzt zitierte Literatur Harke Harke Honoré Mitteis Schnebelt

Taubenschlag

Si error aliquis intervenit. Irrtum im klassischen römischen Vertragsrecht, Berlin 2005 Actio utilis. Anspruchsanalogie im römischen Recht, Berlin 2016 Emperors and lawyers, 2. Aufl., Oxford 1994 (mit einer Palingenesie der kaiserlichen Reskripte von 193 bis 305 auf Diskette) Reichsrecht und Volksrecht in den östlichen Provinzen des römischen Kaiserreichs, Leipzig 1891 Reskripte der Soldatenkaiser. Ein Beitrag zur römischen Rechtsgeschichte des dritten nachchristlichen Jahrhunderts, Karlsruhe 1974 Das römische Privatrecht zur Zeit Diokletians, in: Opera Minora, Bd. 1, Warschau 1959, S. 3–177 (= Bullettin de l’Académie Polonaise des Sciences et des Lettres 1919–1920, 141–281)

1. Kapitel

Einleitung I. Das herkömmliche Bild der diokletianischen Reskriptenpraxis Nach gängiger Vorstellung hat sich die kaiserliche Rechtsprechung unter Diokletian der Bewahrung des Rechts der römischen Klassik und der Abwehr von Fremdeinflüssen verschrieben. Die Darstellung dieses von der modernen Forschung beobachteten Phänomens variiert nach Zeitgeist und Stil des Autors, fällt aber in der Sache nahezu uniform aus. Fritz Schulz sieht die kaiserliche Kanzlei unter Diokletian „im heroischen Kampfe mit den peregrinischen Volksrechten“ und damit beschäftigt, „vermittelst massenhafter Reskripte die Kenntnis des römischen Rechts zu verbreiten und volksrechtliche ‚Irrtümer‘ auszumerzen“.1 Levy nennt Diokletian martialisch den „letzten Herrscher, der die Flut“ des Vulgarrechts „niederzuhalten und die alte Feste zu verteidigen suchte“.2 Wieacker attestiert Diokletian feinsinniger und in unkriegerischer Sprache einen „frühreifen und gewaltsamen Klassizismus“, der sich in der Zurückweisung volksrechtlicher Anschauungen und der unbedingten Verteidigung der überlebten klassischen Rechtsordnung beweise.3 Kaser erkennt zwar manche Fortbildung des klassischen Rechts im diokletia­ nischen Reskriptencorpus, glaubt aber auch, Diokletian habe sich in Überzeugung von der Überlegenheit der römischen Rechtserkenntnis zur Erhaltung der klassischen Tradition berufen gefühlt und sich gegen den Einfluss fremder Rechtsgedanken gewandt.4 An dieser Einschätzung, für die die aufgeführten Gelehrten nur beispielhaft genannt seien, hat sich bis in die jüngste Zeit nahezu nichts geändert,5 und sie hat ihren Weg auch in die allgemeine Geschichtswissenschaft gefunden6. 1  Schulz,

Prinzipien des römischen Rechts, München 1934, S. 92. Obligationenrecht, S. 3. 3  Wieacker, Römische Rechtsgeschichte, Bd. 2, München 2006, S. 168. 4  Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 19. 5  Vgl. etwa Garbarino, in: Schiavone (Hg.), Storia del diritto romano e linee di diritto privato, 2. Aufl., Turin 2011, S. 227, Waldstein / Rainer, Römische Rechtsgeschichte, 11. Aufl., München 2014, S. 259, Luchetti, in: Schiavone (Hg.), Storia Giuridica di Roma, Turin 2016, S. 398 ff. 6  Vgl. Demandt, Die Spätantike, 2. Aufl., München 2007, S. 66. 2  Levy,

10

1. Kap.: Einleitung

Das herkömmliche Urteil über die diokletianische Rechtsprechung ist keineswegs pauschal gefällt oder nur auf Studien zu einzelnen Themen gegründet. Taubenschlag, der eine Palingenesie der Reskripte Diokletians plante, hat ihnen 1920 eine umfassende Untersuchung gewidmet, deren Ziel die Rekon­ struktion der gesamten hierin wiedergegebenen Privatrechtsordnung ist. Ausgehend von Mitteis’ Lehre der Dichotomie von Reichs- und Volksrecht betrachtet er die Bescheide der diokletianischen Kanzlei nicht nur in ihrem ­Tenor, sondern auch nach der so zurückgewiesenen Rechtsauffassung und ordnet sie jeweils einer der beiden Rechtsmassen zu. Dabei gelangt er zu dem Ergebnis, dass sich die diokletianische Kanzlei dem Verfall des römischen Rechts entgegenstemme, der zuvor mit der Ausdehnung des römischen Bürgerrechts auf die an volksrechtliche Anschauung gewohnten Provinzbürger eingesetzt habe.7 Deren Rechtsvorstellungen korrigiere die Kanzlei unablässig vom Standpunkt des reinen römischen Rechts aus.8 Zu Veränderungen von grundlegender Bedeutung komme es nur im Personenrecht, dort allerdings unter griechischem Einfluss. Die Entscheidungen zum Schuldrecht ließen demgegenüber nur eine geringfügige Fortbildung römischer Rechtsätze erkennen. Eine Ausnahme bilde die auf Rückgewähr einer Schuldurkunde gerichtete Kondiktion, die Taubenschlag wiederum auf griechische Rechtsanschauungen zurückführen will.9 Bemerkenswerterweise ist Taubenschlags Untersuchung später nicht als Bestätigung der These von Diokletians klassizistischer Haltung wahrgenommen, sondern umgekehrt kritisiert worden, weil sie diese durch den Hinweis auf manche Innovationen gerade in Frage stelle.10 Zur Korrektur des von Tau­ benschlag entworfenen Bildes hat sich insbesondere Amelotti berufen gefühlt. Er nimmt Diokletian zwar vor dem Vorwurf schlichten Konservatismus in Schutz und führt die Verteidigung des römischen Rechts ebenso wie Kaser auf die Überzeugung von seiner Überlegenheit zurück;11 zugleich stellt er sich aber entschieden dem Versuch entgegen, Diokletians Klassizismus im Recht zu relativeren.12 Seine eigene Untersuchung der diokletianischen Reskripte beschränkt Amelotti dabei auf das Familienrecht, wo Taubenschlag Neuerungen beobachtet haben will. Amelotti erkennt diese zuweilen auch als solche an, spricht ihnen aber einen revolutionären Charakter ab und erklärt sie dort, wo Diokletian stark vom überkommenen Recht abweicht, zu Ausnahmeentscheidungen, die den Besonderheiten des Einzelfalles geschuldet sind.13 7  Taubenschlag,

S. 3. S.  7 f. 9  Taubenschlag, S. 177. 10  Vgl. den Bericht bei Amellotti, Per l’interpretazione della legislazione privatistica di Diocleziano, Mailand 1960, S. 56 ff. 11  Amelloti (Fn. 10), S. 93. 12  Amelloti (Fn. 10), S. 90 ff. 8  Taubenschlag,



I. Das herkömmliche Bild der diokletianischen Reskriptenpraxis11

Eine indirekte Unterstützung haben Taubenschlags Thesen durch die rund 60 Jahre jüngere Forschung von Honoré erfahren, der eine Palingenesie der Reskripte bis zum Ende der Regierungszeit Diokletians vorgelegt hat. Die hiermit einhergehende Untersuchung der Bescheide hat nicht Themen des materiellen Rechts, sondern die Individualität der führenden Kanzleijuristen zum Gegenstand, die Honoré vor allem an sprachlichen Kriterien identifizieren und beurteilen will. Trotz des gänzlich verschiedenen Ansatzes stimmt der Eindruck, den Honoré von den maßgeblichen Personen gewinnt, auf verblüffende Weise mit Taubenschlags Einschätzung des von ihnen geschaffenen Rechts überein: Die Juristen der diokletianischen Kanzlei sind nach Honorés Meinung weit mehr als ihre Amtsvorgänger Lehrer und Propagandisten, die das römische Recht gegen seine Verwässerung durch griechische und provinzielle Praxis bewahren wollen.14 Dies gelte, wenn auch mit gewissen Nuancen, für alle drei Juristen, die Honoré als Leiter von Diokletians Kanzlei ausmacht: Einen konservativ-belehrenden Charakter bescheinigt er vor allem den Bescheiden, die auf Gregorius oder Gregorianus, den mutmaßlichen Autor des Codex Gregorianus,15 zurückgehen.16 Arcadius Charisius,17 den Honoré zwischen Gregorius und Hermogenian am Werke sieht, sei dagegen weniger dogmatisch, habe aber eine moralisierende Tendenz.18 Auf eine rigide Ableitung der Falllösung aus übergeordneten Rechtsregeln setze wiederum Hermogenian,19 der die von ihm zu verantwortenden Entscheidungen der Jahre 293 und 294 im Stil eines Rechtslehrers20 und von vornherein mit dem Ziel ihrer Sammlung in dem nach ihm benannten Codex21 treffe22. Hermogenian23 hat zuvor schon Liebs in seiner Untersuchung von dessen iuris epitomae einen zu Diokletians Haltung passenden ‚Romanismus‘ attestiert.24 13  Amelloti

(Fn. 10), S. 154. S. 140. 15  Mit dessen Person befassen sich auch Liebs, Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, Berlin 1987, S. 30 ff. und Sperandio, Codex Gregorianus, Neapel 2005. 16  Honoré, S. 149, 154 f. 17  Ihm widmet sich wiederum auch Liebs (Fn. 15), S. 21 ff. 18  Honoré, S. 156, 159. 19  Honoré, S. 176. 20  Honoré, S. 163, 166. 21  Mit dessen Struktur und dem Zusammenhang zu den iuris epitomae Hermogenians befasst sich eingehend Cenderelli, Riccerche sul Codex Hermogenianus, Mailand 1965. 22  Honoré, S. 166. 23  Mit seiner Person beschäftigt sich besonders Liebs (Fn. 15), S. 36 ff. 24  Liebs, Hermogenians iuris epitomae, Göttingen 1964, S. 87 ff. Liebs Urteil über die Leistungsfähigkeit Hermogenians fällt allerdings deutlich ungünstiger aus als die Einschätzung Honorés; vgl. S. 105 ff. Positiver ist der Eindruck, den Dovere in seiner Untersuchung des ersten Titels des Codex Hermogenianus gewinnt; vgl. Dovere, De 14  Honoré,

12

1. Kap.: Einleitung

Eine gewisse Korrektur erfährt die übliche Einschätzung der diokletianischen Reskriptenpraxis bislang nur durch die Untersuchung, die Schnebelt 1974 zu den Bescheiden der Soldatenkaiser angestellt hat.25 Sie führt ihn zu dem Ergebnis, dass die Reskripte, die schuldrechtlichen Fragestellungen gelten, zum überwiegenden Teil das spätklassische römische Recht abbilden und zuweilen auch schon abwehrend auf volksrechtliche Anschauungen reagieren.26 Ist dieser Befund wiederum ganz von der Mitteisschen Lehre einer Antinomie von Volks- und Reichsrecht geprägt, verändert er das überkommene Bild der diokletianischen Rechtsprechung doch zumindest insofern, als sie in Kontinuität zur Reskriptenpraxis der Amtsvorgänger stünde und nicht mehr als klassizistisch, sondern als gleichbleibend konservativ anzusehen wäre. Noch mehr aufhorchen lässt freilich, dass Schnebelt in den Reskripten der Soldatenkaiser nur wenige Bescheide erkennt, die auf einen Niveauverfall des fachjuristischen Denkens deuten,27 und daneben sogar eine Gruppe von Entscheidungen ausmacht, die unter Wahrung der Qualität der klassischen Rechtsfindung auf eine Weiterbildung des Rechts innerhalb seiner eigenen Voraussetzungen zielen.28 Diese Beobachtung wirft die Frage auf, ob man derartige Bestrebungen auch in Diokletians Reskriptencorpus finden kann, wo sie bisher wegen der Fokussierung auf volksrechtliche Vorstellungen und die Prämisse ihrer Abwehr aus konservativer Grundhaltung übersehen worden sein könnten.

II. Zweifel und Fragen Wäre das beinahe krampfhaft Konservative, das sowohl die Juristen als auch das von ihnen verkündete Recht kennzeichnen soll, wirklich Wesenszug der diokletianischen Rechtsprechung, erleichterte dies fraglos das Verständnis der konstantinischen Wende. Der unter dem ersten christlichen Kaiser zu verzeichnende Niveauverlust der Rechtskunde29 erschiene dann nämlich als iure. Studi sul titolo I delle epitomi di Ermogeniano, Turin 2001, S. 50 ff., 100 ff., 140 ff. und auch ders., Gli orizzonti dei libri iuris ermogenianei, IVRA 59 (2011) 176 ff. sowie die unlängst veröffentlichten Studien in ders., Scienza del diritto e burocrazia. Hermogenianus iurislator, Bari 2017. 25  Diesem Thema gilt auch der unlängst erschienene Sammelband von Babusiaux /  Kolb (Hg.), Das Recht der „Soldatenkaiser“, Berlin u. a. 2015, der die Bescheide der kaiserlichen Kanzlei unter einer Fülle von Aspekten würdigt. 26  Schnebelt, S.  195 f. 27  Diesen kann auch Fargnoli, Zu Decius’ Kaiserkonstitutionen im Codex Iustinianus, in: Babusiaux / Kolb (Fn. 25), S. 160, 168 nicht erkennen, die sich speziell den Entscheidungen von Decius gewidmet hat. 28  Schnebelt, S.  197 f. 29  Hierzu Wieacker, Vulgarismus und Klassizismus im Recht der Spätantike, Heidelberg 1955, S. 45 ff., Voss, Recht und Rhetorik in den Kaisergesetzen der Spät­antike,



II. Zweifel und Fragen13

Merkmal einer Gegenreaktion, die durch die sture Verteidigung des Überlieferten provoziert worden ist und sich in der Negation dieser Tradition äußert. Die kaiserliche Rechtsprechung bildete so eine Parallelerscheinung zur Religionspolitik, die von radikaler Verfolgung zur Förderung des Christentums wechselt. Der auffällige Kontrast zu Diokletians umfangreichen Reformen in staatsorganisatorischer, zivil- und mititäradministrativer sowie fiskal- und währungspolitischer Hinsicht30 müsste hier wie dort mit der „Paradoxie der revolutionären Restauration“ erklärt werden:31 So wie diese Neuerungen der Wiederherstellung der Integrität des römischen Reichs dienen, wäre auch die Rechtsprechung auf die Sicherstellung der Herrschaft des ehedem geltenden Rechts gerichtet gewesen. Die Idee von der „Neubelebung des Reichsrechts“ als Pendant zur Neuorganisation des Reichs32 ist freilich nur insofern eingängig, als sie überhaupt ein Vehikel bietet, in dem sich konservative und reformatorische Elemente vereinen lassen. Sieht man genauer hin, bleibt der Widerspruch zwischen Diokletians Rechtsprechung und seiner Politik bestehen: Sind die vielfältigen Reformen jenseits des Rechts dazu gedacht, das Reich zu stabilisieren, käme die Jurisprudenz ihrerseits ganz ohne Neuerung aus. Das klassische Recht würde zwar ebenso bewahrt wie das imperium; anders als dieses wäre es jedoch keinem maßgeblichen Wandel unterworfen. Und das Rezept lautete hier gerade anders als in sonstigen Bereichen schlicht: „Weiter so!“, was diame­ tral im Gegensatz zu Diokletians ansonsten verfolgten Konzept der Bewahrung durch Veränderung stünde. Lässt sich der Widerspruch von Konservatismus im Recht und Reformismus im Übrigen nicht durch Formeln überbrücken, bleibt als Ausweg nur, dass man die juristische Neuerung allein in formeller Hinsicht ausmacht, namentlich in der Kodifikationsidee.33 In der Tat bedeutet die ZusammenfasFrankfurt am Main 1982, S. 15 ff., Simon, Konstantinisches Kaiserrecht, Frankfurt am Main 1976. 30  Einen guten Überblick aus jüngerer Zeit bietet außer Demandt (Fn. 6), S. 66 ff. neuerdings Pfeilschifter, Die Spätantike, München 2014, S. 23 ff.; die Einzelheiten hat Kuhoff, Diokletian und die Epoche der Tetrarchie, Frankfurt a. M. u. a. 2001. Zur Tetrarchie insbesondere Kolb, Diocletian und die erste Tetrarchie, Berlin u. a. 1987 Mit den Maßnahmen Diokletians zur Inflationsbekämpfung beschäftigt sich im rechtshistorischen Schrifttum neuerdings Torrent, Acitividad bancaria y inflación en epoca dioclezianea-constantiniana, IVRA 57 (2008 / 09) 49 ff. Diokletians Ansätze zu weltanschaulicher Intoleranz beschäftigen vor allem Fögen, Die Enteignung der Wahrsager, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1997. 31  Wieacker, S.  167 f. 32  Taubenschlag, S. 4. 33  Dass diese auf Diokletian selbst und nicht auf die Autoren der Codices zurückgeht, bezweifelt Liebs, Juristen als Sekretäre des römischen Kaisers, SZ 100 (1983) 485, 506 f.

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1. Kap.: Einleitung

sung der bisherigen Kaiserrechtsprechung im Codex Gregorianus und der Entscheidungen von 293 und 294 im Codex Hermogenianus einen epocheprägenden Schritt. Denn mit ihr wird nicht nur die kaiserliche Reskriptenpraxis in ähnlicher Weise zugänglich wie das Schrifttum der klassischen Juristen.34 Mit dem Modell der Sammlung ist auch das legislative Wirken der kommenden Jahrhunderte vorgezeichnet, das schließlich auch auf die Literatur der klassischen Juristen übertragen wird. Mag dies bei Schaffung der beiden Codices auch noch nicht absehbar sein, bleibt als bewusst verfolgter Plan doch, dass mit der Publikation der Judikate zugleich für Rechtssicherheit und eine Entlastung der Gerichte bis hin zur kaiserlichen Kanzlei gesorgt wird. Dies passt allerdings völlig zu Diokletians Programm, das ganz auf Stabilität und Effizienz ausgerichtet ist.35 Gelingt es, Rechts- und sonstige Politik mit Hilfe der Kodifikationsidee in Einklang zu bringen, hat man den Kontrast aber nur in das Recht selbst verschoben: Ist es denkbar, dass eine Jurisprudenz, in der die Autoren der Codices mit den Leitern der Kanzlei identisch, jedenfalls vertraut sind, in der Form ihrer Tätigkeit innovativ, inhaltlich aber geradezu blind konservativ verfährt? Zumindest der Blick auf den Vergleichsfall des justinianischen Gesetzgebungswerks legt nahe, die Frage zu verneinen. Denn hier geht das neuartige Projekt der Sammlung der alten Juristenschriften mit dem Bestreben einher, es in vielfältiger Hinsicht zu verändern. Und dieses Bestreben ist im Vermögensrecht keineswegs von der Absicht geprägt, auf volksrechtliche Anschauungen Rücksicht zu nehmen. Justinians Werk ist in erster Linie klassizistisch. Verfügt er auch zahlreiche Neuerungen, beabsichtigt er damit kaum die Anpassung des klassischen Rechts an die Rechtsanschauungen der Bürger des byzantinischen Reichs; Ziel der Eingriffe ist vor allem die intrinsische Verbesserung des Rechtsstoffs durch Beseitigung aufgetretener Widersprüche und mancher schon in klassischer Zeit überlebter Unterscheidungen. Zwar halten die unter Diokletian entstandenen Sammlungen von Kaiserentscheidungen keinen Vergleich mit Justinians Werk aus; auch bei ihnen nähme es aber Wunder, wenn das Streben nach Rechtsvereinheitlichung nicht mit dem Wunsch nach Rechtsverbesserung einherginge. So besteht denn hinreichend Anlass, das überkommene Bild vom Charakter der diokletianischen Rechtsprechung zu hinterfragen. Dies gilt, zumal eine Revision der Untersuchung Taubenschlags noch aus anderem Grund angezeigt ist. Sie leidet nämlich gleich in zweifacher Hinsicht am Geist ihrer Zeit: Zum einen ist sie der interpolationistischen Methode verhaftet, der im 34  Dass diese Sammlungstätigkeit auch mit einer Neuorganisation des Rechtsstoffs einhergeht, zeigt Liebs, Das Codexsystem. Neuordnung des römischen Rechts in nachklassischer Zeit, SZ 134 (2017) 409 ff. 35  Richtig Honoré, S. 183.



II. Zweifel und Fragen15

Regelfall gerade die Äußerungen zum Opfer fallen, die von der durch zirkulären Schluss produzierten Idealvorstellung des klassischen römischen Rechts abweichen.36 Zum anderen steht sie ganz im Bann der Mitteisschen Lehre vom Gegensatz zwischen Reichs- und Volksrecht, die sie als unmittelbar als Erklärungsschlüssel für die kaiserlichen Entscheidungen und ihren Anlass einsetzt. Dass es einen Widerspruch zwischen provinziellen Rechtsanschauungen und dem für Diokletians Kanzlei maßgeblichen römischen Recht geben kann, lässt sich natürlich nicht in Abrede stellen. Dass dieser Kontrast aber seinen Weg bis in ein kaiserliches Reskript findet,37 setzt voraus, dass die Petenten die Kanzlei ganz unvermittelt mit ihren Ansichten konfrontieren.38 Dies ist deshalb nicht besonders wahrscheinlich, weil ein Streit, der bis zum Kaiser getragen wird, zwangsläufig eine längere Vorgeschichte hat und im Regelfall unter Beteiligung von Personen geführt worden sein muss, denen eben nicht unbekannt ist, dass die Kanzlei nur nach römischem Recht urteilen und schon mangels Kenntnis keine Rücksicht auf fremde Rechtsvorstellungen nehmen kann. Mag im Einzelfall die Ursache einer Auseinandersetzung auch im Widerstreit von Volks- und Reichsrecht liegen, lässt sich doch schwerlich annehmen, dass die Gegner ihre Standpunkte nicht spätestens auf der Ebene des kaiserlichen Reskriptenverfahrens mit Argumenten verteidigen, die dem römischen Recht entstammen. Hinzu kommt, dass man bei der Beurteilung der Entscheidungen gerade als Rechtshistoriker allzu schnell versucht ist, den falschen Maßstab anzulegen: Als das Ergebnis einer konkreten Anfrage im Einzelfall können die Bescheide zwangsläufig nicht vom gleichen Abstraktionsniveau sein wie die Schriften der klassischen römischen Juristen. Was diese zuweilen unausgesprochen voraussetzen, kann daher durchaus einmal zum Tenor einer Entscheidung werden, ohne dass diese gleich auf völlige Rechtsunkenntnis der 36  Einem umgekehrten Zweck dient bemerkenswerterweise die Textkritik, die Fö­ gen (Fn. 30), S. 178 ff. an den wenigen Zeugnissen staatlicher Intoleranz in religiösen Dingen übt, die aus der Zeit vor Diokletians Verbot der Astrologie (CJ 9.18.2, 20. Aug. 294 / Honoré 2358) und seinem Manichäeredikt (Coll 15.3, 31.  März 302 / Honoré 2716) stammen. Selbst wenn man Fögens Interpolationsannahmen nicht teilt, bleibt aber ihr Befund, dass die engmaschige Kontrolle der Anschauung des Übernatürlichen mit Diokletian ihren Anfang nimmt. 37  Dies stellt auch Schönbauer, Diokletian in einem verzweifelten Abwehrkampe?, SZ 62 (1942) 267 ff., 342 in Frage, freilich vor allem in der Weise, dass er schon die Existenz eines dem Reichsrecht regelrecht entgegengesetzten Volksrechts und die Möglichkeit eines Einflusses auf das römische Recht leugnet. 38  Unter dieser Prämisse leidet auch die historische Untersuchung von Conolly, Lives behind the Laws. The World of Codex Hermogenianus, Bloomington 2010, die weitreichende Schlussfolgerungen aus der unbewiesenen Annahme zieht, Diokletians Kanzlei beschäftige sich mit Anfragen, die aus dem regionalen Umfeld des jeweiligen kaiserlichen Aufenhaltsortes an sie herangetragen werden.

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1. Kap.: Einleitung

Parteien oder aber den Einfluss einer andersartigen Rechtsvorstellung zurückgeführt werden müsste. Kann sich auch heute noch in einem unter Anwaltsbeteiligung geführten Rechtsstreit die ratio decidendi einer Gerichtsentscheidung bei isolierter Betrachtung als banal erweisen, darf man hieraus erst recht für die Antike nicht mehr als den Schluss ziehen, dass die Bedeutung des einschlägigen Rechtssatzes für den individuellen Fall eben nicht ohne Weiteres einsichtig war. Daher gilt es, das diokletianische Reskriptencorpus und, soweit sie damit zusammenhängen, auch die im Codex Gregorianus gesammelten Entscheidungen früherer Kaiser erneut unter drei Gesichtspunkten zu untersuchen: Sind Entscheidungen, die auf den ersten Blick banal erscheinen, wirklich so selbstverständlich, dass sie nur der mangelnden Rechtskenntnis der am römischen Recht unerfahrenen Rechtsunterworfenen zugeschrieben werden können? Gibt es ein alternatives Erklärungsmodell für Anschauungen, die man bisher provinziellen Rechtsgewohnheiten zuschreibt? Gibt es wirklich kaum inhaltliche Neuerungen in der Rechtsprechung der diokletianischen Kanzlei oder doch die von Schnebelt in der Rechtsprechung der Soldatenkaiser ausgemachte Fortbildung des römischen Rechts in dem selbst gesteckten Rahmen?

III. Der Gegenstand der Untersuchung und seine Abgrenzung Bei der Auswahl des untersuchenden Rechtsgebiets erspart Taubenschlags Fazit den expliziten Rekurs auf die persönliche Vorliebe des Verfassers dieses Buchs: Ist das Obligationenrecht nach Taubenschlags Ansicht von dio­ kletianischen Neuerungen weitgehend frei und damit das Feld, in dem der Kaiser das hergebrachte römische Recht stur gegen Fremdeinflüsse verteidigt, bildet es den vorzüglichen Forschungsgegenstand. Dies gilt, zumal die Entscheidungen zum Schuldrecht auch einen Vergleich zu den Bescheiden von Diokletians Amtsvorgängern aus der Zeit der Soldatenkaiser erlauben, die Schnebelt eben nur für den Bereich des Obligationenrechts untersucht hat.39 Auch die Abgrenzung des zu untersuchenden Reskriptencorpus begegnet keinen Problemen: Selbst wenn schuldrechtliche Fragestellungen in vielen der rund 1250 Konstitutionen aus diokletianischer Zeit40 angesprochen sein können, kann man sich, um eine überschaubare und doch repräsentative Gruppe von Bescheiden zu gewinnen, einfach an die Betitelung der überkommenen Sammlungen halten: Schnebelt, S.  8 f. Zählung Honoré, S. 141.

39  Hierzu 40  Zur



III. Gegenstand der Untersuchung und seine Abgrenzung17

Die Reskripte Diokletians sind zum ganz überwiegenden Teil im Codex Iustinianus überliefert, dessen viertes Buch überwiegend dem Schuldrecht gewidmet ist. Die zu ihm gehörigen Titel sind daher in die Untersuchung einzubeziehen, sofern sie nicht ausnahmsweise aus dem Rahmen des Schuldrechts herausfallen oder keine Entscheidung Diokletians enthalten. Letzteres gilt nur für wenige Titel (3, 4, 11, 18, 28, 40–42, 47, 55–56, 59–63). Auch in thematischer Hinsicht scheiden nicht viele Abschnitte aus: Der erste Titel des vierten Buchs enthält aus vorjustinianischer Zeit nur Reskripte zum Parteieid. Dem Prozessrecht gehören ferner die Titel 19 bis 21 an, die der Beweisführung gelten und zumeist den Streit um das Eigentum an einer Sache oder den Status eines Menschen betreffen. Hierauf beziehen sich in materiellrechtlicher Hinsicht auch die Titel 43 und 49–53. Zu den verbleibenden Kapiteln des vierten Buchs kommen aus anderen Bereichen des Codex Iustinianus hinzu: aus dem zweiten Buch die Titel über Pakte, Vergleiche und den Kalkulationsirrtum (2.3–2.5) sowie Abschnitte zur Geschäftsführung ohne Auftrag, zur metus- und Arglistklage (2.18–2.20), aus dem dritten Buch die Abschnitte über die aquilische Haftung (3.35) und die Noxal- und Vorlegungsklagen (3.41–42), aus dem siebten Buch der Titel über den Diebstahl (6.2) und schließlich aus dem achten Buch die Abschnitte zur Stipulation und ihren einzelnen Erscheinungsformen (8.37.–8.44) sowie zur Schenkung unter Lebenden (8.53–55). Außerhalb der justinianischen Kodifikation erlauben noch zwei Sammelwerke eine vergleichbare Abgrenzung anhand von Titeln mit schuldrechtlichem Thema. Es sind zum einen die fragmenta Vaticana mit ihrem Abschnitt über Schenkungen und die lex Cincia (Vat 260–316); hier sind lediglich die Entscheidungen zur vorehelichen Schenkung, zur Schenkung von Todes wegen und zur pflichtwidrigen Schenkung von der Untersuchung auszunehmen, weil sie eher dem Familien- und Erbrecht angehören und auch die entsprechenden Titel aus dem Codex Iustinianus nicht behandelt werden. Zum anderen ist es die Collatio legum Mosaicarum et Romanarum; hier finden sich, wenn auch nicht im Abschnitt über den Diebstahl (Coll 7), so doch im Titel zum depositum (Coll 10) relevante Entscheidungen der diokletianischen Kanzlei. Von den Titeln des Codex Gregorianus und des Codex Hermogeni­ anus, die in der Lex Romana Visigothorum überliefert sind und sich auf schuldrechtliche Themen beziehen, enthält nur der Abschnitt über die ‚pecu­ nia cauta et non numerata‘ eine Konstitution Diokletians. Die so getroffene Auswahl kann naturgemäß nicht gewährleisten, dass sie wirklich alle Entscheidungen der diokletianischen Kanzlei mit schuldrechtlichem Gegenstand erfasst; sie deckt aber sicherlich die allermeisten ab. Ergänzt werden sie durch die Entscheidungen älterer Kaiser, die in den ausgewählten Abschnitten überliefert sind und bei denen man unterstellen kann, dass sie im Codex Gregorianus veröffentlicht und damit von Diokletians

18

1. Kap.: Einleitung

Juristen als gültig angesehen werden. Sie finden Eingang in die Untersuchung, sofern ein inhaltlicher Zusammenhang zu den von der diokletianischen Kanzlei selbst getroffenen Entscheidungen besteht. So entsteht ein repräsentatives Bild von der Eigenart des Obligationenrechts in Diokletians Rechtsprechung.

2. Kapitel

Außervertragliche Schuldverhältnisse Die im eigentlichen Sinne gesetzlichen Ansprüche, die sich auf eine Bestimmung in einer lex zurückführen lassen, bilden, soweit unsere Überlieferung reicht, keinen Schwerpunkt der kaiserlichen Rechtsprechung im dritten Jahrhundert. Dies gilt nicht erst für Diokletian, sondern schon seit der Seve­ rerzeit, in der insbesondere die Haftung aus dem aquilischen Gesetz und das furtum noch die besondere Aufmerksamkeit der Kommentarliteratur findet. Dass ihr kaum Reskripte der kaiserlichen Kanzlei gegenüberstehen, kann sowohl dem Mangel an einschlägigen Anfragen als auch der Auswahl der Autoren von Codex Gregorianus, Hermogenianus oder Iustinianus geschuldet sein. Hier wie dort lässt das Ergebnis auf fehlendes Interesse schließen, im einen Fall ist es das der Rechtssuchenden, im anderen Fall das der Rechtsgelehrten. Entweder den einen oder den anderen bot die Haftung für Sachbeschädigung zu wenig Probleme, als dass sie zum Gegenstand einer für überlieferungswürdig gehaltenen Reskriptenpraxis geworden wäre. Mit dem Reichtum des spätklassischen Schrifttums lässt sich dieser Befund nur dann in Einklang bringen, wenn man annimmt, dass Ulpian und Paulus in ihren Kommentaren weniger die Fragen ihrer Zeit behandeln als von der Diskussion vergangener Juristengenerationen über mittlerweile ausgemachte Pro­ bleme berichten. Dass in den Schriften der Spätklassiker zahlreiche ältere Gelehrte von Quintus Mucius bis zur Hochklassik genannt sind, beweist dies zwar noch nicht, lässt eine solche Vermutung aber immerhin zu.

I. Sachbeschädigung (actio legis Aquiliae) Gibt es nur eine geringe Zahl von Reskripten zur aquilischen Haftung, die überhaupt ergangen sind oder den Auswahlprozess der Verfasser der Codices überstanden haben, finden sich hierunter nichtsdestoweniger solche, die bloße Selbstverständlichkeiten festhalten. So erschöpft sich die als einzelne Sentenz überlieferte ratio eines Reskripts von 293 in einem bloßen Hinweis auf die Litiskreszenz, die sich der Täter zur Strafe dafür gefallen lassen muss, dass er sich auf den Rechtsstreit überhaupt eingelassen und die Tat nicht gestanden hat:

20

2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

CJ 3.35.4 (17. April 293 / Honoré 1809) Imp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Zoilo. Contra negantem ex lege Aquilia, si damnum per iniuriam dedisse probetur, dupli procedit condemnatio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Zoilus. Gegen denjenigen, der seine Verpflichtung aus dem aquilischen Gesetz leugnet, ergeht, wenn bewiesen wird, dass er unrechtmäßig Schaden zugefügt hat, eine Verurteilung auf das Doppelte.

Zweifel an dieser Rechtsfolge können sich allenfalls aus der Ablösung des Formularprozesses durch die Kognitur ergeben. Da die Verfahrensart aber nichts am Strafzweck des aquilischen Anspruchs geändert hat, auf dem die Verdopplung der Urteilssumme beruht,41 bleibt die Litiskreszenz geltendes Recht. Auch was den Anwendungsbereich der aquilischen Haftung anbelangt, gibt es in der Rechtsprechung bis zu Diokletian eine Reihe von Entscheidungen zu Fällen, in denen die Schadensersatzpflicht des Täters kaum in Frage stehen kann. Ihr gemeinsames Merkmal besteht darin, dass Tatobjekt jeweils ein Grundstück ist. Noch aus der Zeit von Severus Alexander stammt ein Reskript, in dem die Haftung für die Beschädigung von Waldbäumen bejaht wird: CJ 3.35.1 (7. Nov. 222 / Honoré 518) Imp. Alexander A. Glyconidi. Damnum per iniuriam datum immisso in silvam igne vel excisa ea si probari potest, actione legis Aquiliae utere. Kaiser Alexander an Glyconides. Kannst du beweisen, dass unrechtmäßig Schaden zugefügt worden ist, indem in einem Wald Feuer gelegt oder er gefällt worden ist, musst du dich der Klage aus dem aquilischen Gesetz bedienen.

Unter Gordian befindet die Kanzlei, dass die Zerstörung eines Hauses und eines Wasserlaufs eine Schadensersatzpflicht des Täters zeitigt: CJ 3.35.2 (6. Nov. 239 / Honoré 1056) Imp. Gordianus A. Muciano. Legis Aquiliae actione expertus adversus eum, quem domum tuam deposuisse vel incendio concremasse damnoque te adflixisse pro­ ponis, ut id damnum sarciatur, competentis iudicis auctoritate consequeris. quin etiam, si aqua per iniuriam alio derivata est, ut in priorem statum restituatur, eiusdem iudicis cura impetrabis. Kaiser Gordian an Mucianus. Hast du mit der Klage aus dem aquilischen Gesetz gegen denjenigen geklagt, von dem du vorträgst, er habe dein Haus abgerissen oder durch Feuer zerstört und dir so Schaden zugefügt, erreichst du kraft der Amtsgewalt des zuständigen Richters, dass dein Schaden ersetzt wird. Du erreichst sogar mit Hilfe des Richters, dass ein Wasserlauf, wenn er unrechtmäßig umgeleitet worden ist, wieder in seinen früheren Zustand versetzt wird.

41  Gai

4.9.



I. Sachbeschädigung21

In diese Reihe gehört eine Entscheidung aus der Wirkungszeit Hermoge­ nians, in der Diokletian eine aquilische Haftung für das unbefugte Abweiden einer Wiese bejaht: CJ 3.35.6 (18. Okt. 294 / Honoré 2407) Imp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Plinio. De his, quae per iniuriam depasta contendis, ex sententia legis Aquiliae agere minime prohiberis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Plinius. Du bist keineswegs gehindert, wegen des Landes, von dem du geltend machst, es sei unrechtmäßig abgeweidet worden, eine Klage aus dem aquilischen Gesetz zu erheben.

Was der Anwendung der lex Aquilia in diesen Fällen auf den ersten Blick widerstrebt, ist, dass die beschädigte Sache durch die Tat nicht in ihrer Grundsubstanz berührt wird.42 Greifbar ist dies bloß bei der Zerstörung eines Hauses. Bei der Verlegung eines Wasserlaufs und der Beschädigung von Pflanzen begegnet die Haftung nach dem aquilischen Gesetz dagegen vordergründig dem Einwand, dass das Grundstück selbst hierdurch nicht verändert wird. In dem von Diokletian entschiedenen Fall liegt dies am nächsten, weil der durch das Abweiden zugefügte Nachteil offensichtlich nur vorübergehender Natur ist. Hinzu kommt, dass der Schaden durch Vieh herbeigeführt worden ist, so dass der Zuständigkeitsbereich der actio de pauperie und vielleicht auch der ominösen actio de pastu eröffnet ist, die Ulpian an einer Stelle erwähnt und auf das Zwölftafelgesetz zurückführt43. Die actio de pau­ perie verdrängt die aquilische Haftung nur, wenn sich eine spezifische Tiergefahr verwirklicht hat, indem ein Tier den Schaden aufgrund der ihm eigenen feritas verursacht hat. Fällt dagegen seinem Halter oder Führer im Umgang mit dem Tier ein Verschulden zur Last, ist umgekehrt nicht die actio de pauperie, sondern allein die aquilische Haftung begründet, der sich der Täter nicht durch Auslieferung des Tieres entziehen kann.44 Auch der Einwand mangelnder Substanzverletzung ist natürlich leicht zu widerlegen: Die Beschädigung von Pflanzen und Wasserläufen darf nicht anders behandelt werden als die Zerstörung eines Gebäudes, weil sie nicht minder Teil des Grundstücks sind als dieses. Einem Grenzfall, der auch in den Schriften der Klassiker behandelt wird, widmet sich die diokletianische Kanzlei in der folgenden Entscheidung:

42  Anders Taubenschlag, S. 164 Fn. 1124, der einen Vergleich zu den im klassischen Recht entschiedenen Fällen des Konsums einer Sache (D 9.2.30.2 Paul 22 ed, D 19.5.14.3 Ulp 41 Sab) sieht. 43  D 19.5.14.3 Ulp 41 ed. 44  D 9.1.1.4 f. Ulp 18 ed; vgl. Klausberger, Vom Tierdelikt zur Gefährdungshaftung, TSDP – IV 2011, 1, 10 ff.

22

2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

CJ 3.35.5 (18. Okt. 293 / Honoré 1987) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Claudio. De pecoribus tuis, quae per iniuriam inclusa fame necata sunt vel interfecta, legis Aquiliae actione in duplum agere potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Claudius. Wegen deines Viehs, das unrechtmäßig eingeschlossen und verhungert oder getötet worden ist, kannst du mit der Klage aus dem aquilischen Gesetz auf das Doppelte klagen.

Die Kanzlei bejaht ein aquilisches Klagerecht sowohl in dem Fall, dass Vieh aktiv getötet worden ist, als auch dann, wenn es lediglich eingesperrt worden und dann Hungers gestorben ist. Für die Juristen von Labeo bis Ulpian war dies noch ein Fall für eine zweckdienliche Klage,45 die sie immer dann gewährten, wenn die Schädigung mittelbar und nicht durch körperlichen Kontakt erfolgte.46 Auch Justinian hat sich später diese Ansicht zu eigen gemacht.47 Sofern die Entscheidung der diokletianischen Kanzlei nicht durch Kürzung entstellt worden ist, hält diese den Analogieschluss für überflüssig und die direkte Klage aus dem aquilischen Gesetz für einschlägig. Wie die zahlreichen Bescheide zeigen, in denen die Kanzlei eine actio utilis gewährt, kann dies nicht daran liegen, dass sie der Unterscheidung beider Klagearten im Kognitionsverfahren keine Relevanz mehr beimisst. Die Abwendung von der alten Juristenlehre muss vom Prozesswesen unabhängig sein und ist als solche auch völlig plausibel; denn einen Mangel körpervermittelter Schädigung kann man in dem Fall, dass Vieh eingesperrt wird und verendet, nur bei sehr naturalistischer Betrachtungsweise konstatieren: Zwar hat der Täter das Tatobjekt nicht zwangsläufig berührt und ihm zumindest keine Verletzung zugefügt; indem er es einsperrte, hat er jedoch durchaus körperlich hierauf eingewirkt. Daher lässt sich mit gutem Grund auch eine unmittelbare körperliche Schädigung annehmen, bei der es lediglich zu einem gestreckten Sterbeprozess kommt, wie er auch bei einer direkten Körperverletzung denkbar ist.

II. Furtum und ähnliche Delikte Auch die Überlieferung des diokletianischen Reskriptenmaterials zum fur­ tum fällt dürftig aus, und zwar sowohl im Verhältnis zur Gesamtzahl der auf uns gekommenen Entscheidungen als auch wiederum im Vergleich zu dem Interesse, dass das furtum in der spätklassischen Kommentarliteratur findet. Die Entscheidung einer hier noch umstrittenen Rechtsfrage suchen wir vergebens. Es gibt fast nur Reskripte zu Fällen, in denen die Annahme eines 45  Gai

3.219, D 47.8.2.20 Ulp 56 ed. ausführlich Harke, Actio utilis, S.  121 ff. 47  IJ 4.3.16. 46  Hierzu

II. Furtum und ähnliche Delikte

23

furtum infolge der besonderen Tatumstände Schwierigkeiten bereitet haben mag. Dies gilt insbesondere für eine Entscheidung aus dem Jahre 293: CJ 6.2.11 (26 Aug. 293 / Honoré 1942) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Demostheni. De his, quae subtraxisse novercam pupilli tui precibus significas, rectorem adi provinciae, qui si eam, posteaquam dominus rerum is pro quo supplicas factus est, aliquid furatam cognoverit, non ignorat in quadruplum manifesti, nec manifesti vero dupli actione furti constituta condemnationem formare. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Demosthenes. Wegen der Sachen, von denen du in deiner Eingabe behauptest, sie seien deinem Mündel von seiner Stiefmutter entwendet worden, sollst du den Provinzstatthalter angehen, der, wenn er feststellt, dass sie etwas gestohlen hat, nachdem derjenige, für den du die Eingabe vornimmst, zum Eigentümer der Sachen geworden ist, nicht verkennen wird, dass er die Verurteilung aus der Diebstahlsklage bei einer handfesten Tat auf das Vierfache, bei einer nicht handfesten Tat auf das Doppelte vornehmen muss.

Das selbstverständliche Urteil, das die Entwendung einer fremden Sache im Fall einer nicht handhaften Tat eine Strafklage auf den doppelten Wert, bei einer handhaften Tat auf das Vierfache zeitigt, fällt hier offenbar wegen eines Eigentümerwechsels schwer: Die Stiefmutter des Fragestellers könnte die ihr vorgeworfene Tat sowohl vor dem Tod ihres Ehemannes als auch danach begangen haben. Im zuerst genannten Fall wäre ihr Verhalten straflos und allenfalls durch die rein sachverfolgende actio rerum amotarum oder eine actio in factum sanktioniert gewesen;48 nur im zweiten Fall hat die Stiefmutter ein furtum zulasten des Erben begangen. Die entscheidende Fallfrage, die im Reskript bloß in Gestalt eines Vorbehalts erscheint, lautet also, ob der Ehemann im Tatzeitpunkt schon gestorben und das Mündel, für das der anfragende Vormund auftritt, zu dessen Erben geworden war. Andere Reskripte der diokletianischen Kanzlei leuchten die Reichweite des Straftatbestands aus, indem sie den Fällen gelten, in denen es nicht zu einer regelrechten Wegnahme der entwendeten Sache durch den Täter kommt. Dies gilt insbesondere für die Unterschlagung, der sich die Kanzlei in einem Fall widmet, in dem ein zur Verpflegung überlassener Sklave von seinem Besitzer verkauft und damit seinem Eigentümer entzogen wird:49 CJ 6.2.16 (1. Okt. 294 / Honoré 2390) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Artemidoro et aliis. Si servum ves­ trum nutriendum qui susceperat venumdedit, furtum commisit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Artemidorus und andere. Wer euren Sklaven verkauft hat, den er zur Verpflegung übernommen hat, hat einen Diebstahl begangen. 48  Hierzu

s. u. S.  51 ff. auch CJ 7.27.2 (9. April 293 / Honoré 1785), CJ 7.26.7 (9. Feb. 294 / Honoré 2181). 49  Vgl.

24

2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

Den anderen Beteiligten an einer solchen Veräußerung betrifft eine Entscheidung aus demselben Jahr. Sie richtet sich gegen einen Hehler, der vorsätzlich eine von einem Sklaven gestohlene oder zumindest unterschlagene Sache in Empfang nimmt und deshalb sowohl der Strafklage als auch sachverfolgenden Ansprüchen ausgesetzt ist: CJ 6.2.14 (25. Dez. 293 / Honoré 2090) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Dionysius. Eos, qui a servo furtim ablata scientes susceperint, non tantum de susceptis convenire, sed etiam poenali furti actione potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Dionysius. Diejenigen, die wissentlich Sachen empfangen haben, die von einem Sklaven durch Diebstahl entwendet wurden, kannst du nicht nur wegen des Empfangenen, sondern auch mit der Strafklage wegen Diebstahls belangen.

Für die Annahme seines Vorsatzes genügt, dass der Hehler den Sklaven­ status seines Gegenüber kennt, ohne zugleich einen Anhalt dafür zu haben, dass die Veräußerung der Sache vom Gewalthaber gestattet ist oder sich auf ein dem Sklaven eingeräumtes Sondergut bezieht: CJ 4.26.10 (3. Okt. 294 / Honoré 1974) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aphrodisio. Si liberam peculii administrationem habentes equas cum fetu de peculio servi venumdederunt, reprobandi contractum dominus nullam habet facultatem. (1) Quod si non habentes liberam peculii administrationem rem dominicam eo ignorante distraxerunt, neque dominium, quod non habent, in alium transferre possunt neque condicionem eorum servilem scientibus possessionis iustum adferunt initium: unde non immerito nec temporis praescriptionem huiusmodi possessoribus prodesse manifestum est, ideoque res mobiles ementes etiam furti actione tenentur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aphrodisius. Haben Sklaven die Befugnis zur freien Verwaltung seines Sonderguts und aus diesem trächtige Stuten verkauft, hat der Eigentümer keine Möglichkeit, den Vertrag zu widerrufen. (1) Haben sie aber nicht die Befugnis zur freien Verwaltung ihres Sonderguts und eine Sache ihres Eigentümers ohne dessen Wissen verkauft, können sie weder das Eigentum, über das sie nicht verfügen, auf einen anderen übertragen, noch verschaffen sie denjenigen, die ihren Sklavenstatus kennen, einen rechtmäßigen Besitzbeginn; daher kommt diesen Besitzern offensichtlich auch zu Recht nicht die Einrede der langen Zeit zugute, und wenn sie bewegliche Sachen kaufen, haften sie auch mit der Diebstahlsklage.

Ein furtum begeht ferner auch, wer sich als procurator eines Gläubigers aufspielt50 und für diesen zu Unrecht eine zurückzugewährende Sache oder geschuldete Leistung in Empfang nimmt:51 50  D 47.2.43.1

Ulp 41 Sab. folgenden Reskript und zum Thema im Allgemeinen Fargnoli, Ricerche in tema di furtum, Mailand 2006, S. 96 ff. 51  Zum

II. Furtum und ähnliche Delikte

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CJ 6.2.19 (nach 30. Dez. 294 / Honoré 2674) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Mnesitheo. Falsus procurator depositum recipiendo vel aes alienum exigendo citra domini voluntatem furtum facit ac praeter rei restitutionem actione dupli furti nec manifesti convenitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Mnesitheus. Ein falscher Vertreter, der ohne Zustimmung des Eigentümers eine hinterlegte Sache erhält oder eine Schuld einzieht, begeht einen Diebstahl und kann außer auf Herausgabe der Sache mit der Klage wegen nicht handhaften Diebstahls auf das Doppelte belangt werden.

In der Haftung für die Annahme einer nicht geschuldeten Leistung kommt zum Ausdruck, dass das furtum kein reines Eigentumsdelikt, sondern zum Schutz des durch den unberechtigten Sachzugriff betroffenen Vermögens gedacht ist. Diese Funktion kommt auch in der Zuweisung der Aktivlegitimation an denjenigen zum Ausdruck, der ein wirtschaftliches Interesse daran hat, dass die Sachentwendung unterblieben wäre52.53 Neben der Reichweite ihres Tatbestands beschäftigt Diokletians Kanzlei auch der Strafcharakter der Diebstahlsklage. Probleme bereitet in der Rechtsanwendung vor allem das Verhältnis zu den sachverfolgenden Klagen, namentlich zu rei vindicatio und condictio furtiva. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Verurteilung auf den Wert der entwendeten Sache begrenzt und dieser nicht vervielfacht wird. Im Fall einer Tätermehrheit verschärft sich dieser Unterschied dadurch, dass die Buße für Diebstahl von jedem Schuldner in voller Höhe gefordert werden kann, während die sachverfolgende condictio furtiva zu einer bloßen Gesamtschuld der Täter führt: CJ 4.8.1 (26. April 294 / Honoré 2314) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hermogeni. Praeses provinciae, sciens furti quidem actione singulos quosque in solidum teneri, condictionis vero nummorum furtim subtractorum electionem esse ac tum demum, si ab uno satisfactum fuerit, ceteros liberari, iure proferre sententiam curabit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hermogenes. Der Provinzstatthalter soll dafür Sorge tragen, dass ein rechtmäßiges Urteil ergeht, und dabei bedenken, dass zwar bei der Diebstahlsklage die einzelnen auf das Ganze haften, bei der Kondiktion eines heimlich entwendeten Geldbetrags dagegen die Wahl besteht und die übrigen nur dann befreit werden, wenn er von einem befriedigt wird.

Wegen ihres unterschiedlichen Zwecks kann der sachverfolgende Anspruch neben der actio furti geltend gemacht werden. Versteht sich dies im Verhältnis zwischen Täter und Opfer des furtum von selbst, bereitet sie offenbar Schwierigkeiten in der Dreiecksbeziehung, die entsteht, wenn der Täter die 52  PS

2.31.4. Harke, Das römische furtum als Eigentums- und Vermögensdelikt, in: Hilgendorf / Weitzel (Hg.), Der Strafgedanke in seiner historischen Entwicklung, Berlin 2007, 9, 17. 53  Vgl.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

gestohlene Sache an einen Dritten weitergegeben hat. Mit dieser Konstellation beschäftigen sich Diokletians Juristen in einer 293 ergangenen Entscheidung: CJ 6.2.12 (15. Okt. 293 / Honoré 1979) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Quintillae. Ancillae subtractae partus apud furem editi, priusquam a domino possideantur, usucapi nequeunt: matris furem etiam eorum causa furti teneri convenit actione. (1) Quapropter furti actione et condictione vel adversus possidentem vindicatione de mancipiis uti non prohiberis, cum altera poenam continens alterius electione minime tolli possit. (2) Nam extra poenam rei persecutionem esse nulla iuris quaestio est, cum etiam hi qui aliena mancipia comparaverunt, si hanc causam non ignorant, furti actione tenentur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Quintilla. Die bei einem Dieb geborenen Kinder einer gestohlenen Sklavin können nicht ersessen werden, bevor sie nicht in den Besitz des Eigentümers zurückgekehrt sind; und ihretwegen haftet anerkanntermaßen auch derjenige, der die Mutter gestohlen hat, mit der Diebstahlsklage. (1) Du bist daher nicht daran gehindert, dich wegen der Sklaven der Diebstahlsklage und der Diebstahlskondiktion oder gegen den Besitzer der Eigentumsherausgabeklage zu bedienen, da die eine Klage der Strafe dient und durch die Wahl der anderen keineswegs ausgeschlossen sein kann. (2) Denn es ist rechtlich nicht zweifelhaft, dass neben der Strafe auch eine Sachverfolgung stattfindet, da auch diejenigen, die wissentlich fremde Sklaven kaufen, mit der Diebstahlsklage haften.

Die zwischen den Parteien geführte Diskussion erschließt sich aus der Begründung der Entscheidung:54 Der Besitzer einer gestohlenen Sklavin oder ihrer Kinder verteidigt sich, vom Opfer der Tat in Anspruch genommen, mit dem Argument, die Tat könne nur gegenüber dem Täter geahndet werden; denn er hafte sowohl mit der actio furti als auch mit der sachverfolgenden condictio furtiva, die wegen der perpetuatio obligationis selbst dann erhalten bleibt, wenn der Dieb die Sache verloren hat. Die kaiserliche Kanzlei stellt das Verhältnis der drei möglichen Klagen dar: Der bestohlene Eigentümer kann sich der zur Bestrafung des Täters dienenden actio furti neben den sachverfolgenden Klagen bedienen, muss sich hier aber zwischen der condic­ tio furtiva und der rei vindicatio entscheiden. Dies gilt im Zweipersonenverhältnis zwischen Täter und Opfer, kann aber in der Dreiecksbeziehung zu einem Erwerber nicht anders sein. Er haftete, wenn er die Sache in Kenntnis der Tat an sich gebracht hätte, als Hehler neben dem Dieb selbst mit der actio furti und wäre daneben auch der rei vindicatio ausgesetzt. Zeigt sich an diesem Vergleichsfall, dass die Strafklage und der sachverfolgende Anspruch völlig unabhängig voneinander bestehen, kann nichts anderes gelten, wenn der Besitzer der gestohlenen Sklavin nicht mit der Strafklage belangt werden 54  Hierzu auch Harke, Ansprüche aus Delikten am Sklaven. Corpus der römischen Rechtsquellen zur antiken Sklaverei, III.2, Stuttgart 2013, S. 192 f. (Nr. 323).

II. Furtum und ähnliche Delikte

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kann. Obwohl sich die Strafklage hier allein gegen den Dieb richtet und der bestohlene Eigentümer sich auch dafür entscheiden könnte, seinen Rückgewähranspruch in Gestalt der condictio gegen diesen geltend zu machen, ist er doch nicht gehindert, die Sachverfolgung auch gegenüber dem Besitzer anzustellen, zumal dieser sich nicht darauf berufen kann, die Sklavin ersessen zu haben. Da die Ersitzungsfrage auch in einem Reskript erwähnt wird, das früher in demselben Jahr zu einem ganz ähnlichen Fall ergeht, liegt nahe, dass es aus demselben Grund eingeholt wird, nämlich weil der Besitzer gestohlener Sklaven auf die Verantwortlichkeit des Diebes verweist und so seine Passivlegitimation für die sachverfolgende rei vindicatio leugnet:55 CJ 6.2.10 (13. April 293 / Honoré 1795) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Valerio. Si abducta mancipia furto vel plagio venumdata praeses provincias perspexerit, cum nec ab emptore propter cohaerens vitium, antequam ad dominum possessio revertatur, usucapi possunt, et te ei cuius fuerunt successisse reppererit, restitui tibi providebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Valerius. Hat der Provinzstatthalter festgestellt, dass Sklaven, die durch Diebstahl oder Menschenraub abhandengekommen sind, verkauft worden sind und du der Rechtsnachfolger ihres Eigentümers bist, muss er dafür sorgen, dass sie dir zurückgegeben werden, weil sie von dem Käufer wegen des ihnen anhaftenden Mangels nicht ersessen werden können, solange sie nicht wieder in den Besitz des Eigentümers gelangt sind.

Die irrige Vorstellung von einem steten Gleichlauf der Straf- und der sachverfolgenden Klage, die Anlass für die beiden Reskripte bot, hat erkennbar auch eine Entscheidung provoziert, die vom Ende desselben Jahres stammt: CJ 6.2.15 (30. Dez. 293 / Honoré 2112) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Socratiae. Furti actione minime teneri successores ignorare non debueras. de instrumentis autem ablatis in rem actione tenentem convenire potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Socratia. Du darfst nicht verkennen, dass mit der Diebstahlsklage keineswegs die Erben haften. Wegen der entwendeten Urkunden kannst du freilich denjenigen belangen, der mit einer dinglichen Klage haftet.

Der Bescheid betrifft wiederum ein Drei-Personen-Verhältnis, zu dem es durch den Tod des Diebs gekommen ist. Der Kaiser ermahnt die Fragestellerin zu gewärtigen, dass die actio furti wegen ihres Strafcharakters nicht gegen die Erben des Täters angestellt werden kann. Etwas anderes gilt aber für die sachverfolgende rei vindicatio, die nicht den in der Person der Erben unerreichbaren Strafzweck verwirklichen soll, sondern allein den Besitz an 55  Vgl. zu dieser Entscheidung Harke (Fn. 54), S. 192 (Nr. 322). Das Fragment muss ursprünglich mit CJ 7.32.6 (Honoré 1796) verbunden gewesen sein. Dort geht es um die Sanktion der Vertreibung von einem Grundstück.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

der entwendeten Sache voraussetzt. Sie unterliegt deshalb auch gar nicht der Erbfolge und richtet sich statt gegen die Gesamtheit der Erben des Täters nur gegen denjenigen, der die Sache wirklich hat (in rem actione tenens). Hat der Strafcharakter der actio furti in den bislang betrachteten Reskripten deshalb Schwierigkeiten bereitet, weil eine an der Tat unbeteiligte Person hinzutrat, ist es in der folgenden Entscheidung von 294 die Konkurrenz zu einer anderen Strafklage, die eine keineswegs triviale Rechtsfrage zeitigt: CJ 6.2.18 (30. Dez. 294 / Honoré 2645) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Dionysodoro. In eum, qui ex naufragio vel incendio cepisse vel in his rebus damni quid dedisse dicitur, infra annum utilem ei cui res abest quadrupli, post in simplum actionem proditam praeter poe­ nam olim statutam edicti forma perpetui declarat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Dionysodurus. Das immerwährende Edikt bestimmt, dass gegen denjenigen, von dem behauptet wird, er habe bei einem Schiffbruch oder einem Brand etwas entwendet oder beschädigt, demjenigen, dessen Sache entwendet wurde, innerhalb eines Jahres die Klage auf das Vierfache, danach auf das Einfache neben der schon einst festgesetzten Strafe gewährt wird.

Verdrängt die Haftung nach Edikt über die Entwendung einer Sache bei einem Schiffbruch oder Brand die Verpflichtung des Täters aus der actio furti, oder werden die Bußen kumuliert? Diokletians Juristen verweisen auf das edictum perpetuum. Dieses sieht die prätorische Strafklage für den Fall des Schiffbruchs und des Brandes vor, ohne zugleich die ältere auf das Zwölftafelgesetz zurückgehende actio furti auszuschließen. Dass diese schon olim festgesetzte und nicht ausdrücklich ausgeschlossene Klage weiterhin einschlägig sein muss, entspricht auch dem Zweck des Edikts: Dieses reagiert auf den erhöhten sozialen Unwert, den ein Diebstahl unter Ausnutzung einer Unglückslage hat. Wäre die hierfür vorgesehene Sanktion abschließend, ginge sie über die Verpflichtung aus der actio furti nur in dem Fall hinaus, dass die Tat nicht handhaft und die Klage binnen eines Jahres erhoben wird. Ist die Tat handhaft, entspräche die Haftung des Täters schon in diesem Jahr der hergebrachten Diebstahlssanktion. Und nach Ablauf dieses Jahres würde der Täter durch eine exklusive Haftung aus der prätorischen Strafklage sogar bessergestellt, indem er nur noch den einfachen Wert der entwendeten Sachen erstatten müsste, während die actio furti mindestens auf das Doppelte gerichtet ist. Dies kann nicht Sinn des Edikts sein, die alte gesetzliche Haftung nur ergänzt und nicht verdrängt. Mit ihrer klaren Entscheidung und ihrer Ableitung aus der Gesetzgebungsgeschichte hebt sich die diokletianische Kanzlei deutlich vom schwankenden Kurs der klassischen Juristen in der parallelen Frage ab, ob die Diebstahls­ klage mit der prätorischen actio vi bonorum raptorum konkurriert.56 Zwar spricht sich Paulus dafür aus, dass diese Klage nur insoweit

II. Furtum und ähnliche Delikte

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mit der Diebstahlsklage kumuliert werden kann, als sie die hieraus geschuldete Buße übersteigt.57 Und die Darstellung in den Institutionen des Gaius spricht sogar dafür, dass ihr Autor von einer völligen Ersetzung der Diebstahlshaftung durch die der actio vi bonorum raptorum ausgeht.58 Dagegen will Ulpian beide Klagen offenbar in vollem Umfang nebeneinander zulassen.59 Zugleich möchte er einen Räuber aber vom Begriff des fur ausnehmen.60 Papinian nennt den Räuber demgegenüber einen fur manifestus;61 und Ulpian zitiert Julian, der einen Räuber eigentlich für einen fur impro­ bus oder improbior hält.62 Der Hochklassiker könnte hieraus sowohl auf die Kumulation der Strafklagen gefolgert63 als auch den Schluss gezogen haben, dass neben der actio vi bonorum raptorum noch die sachverfolgende condictio furtiva eröffnet ist64. Auch diese Lösung finden wir in einer dio­ kletianischen Entscheidung zur Noxalhaftung ausdrücklich bestätigt.65 Nur angedeutet ist sie in dem Tenor eines Reskripts, in dem sich die Kanzlei damit begnügt, die Raubklage und die actio negotiorum gestorum als mögliche Ansprüche der Fragestellerin aufzuzählen und die Zuständigkeit des Provinzstatthalters für das Verfahren festzustellen: CJ 9.33.5 (2. Juli 293 / Honoré 1916) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Dominae. Sive negotiorum gestorum contra novercam tuam sive actione vi bonorum raptorum, quae in quadruplum intra annum utilem ac post in simplum constituta est, putaveris agendum, notione praesidali poteris experiri. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Domina. Ob du nun gegen deine Stiefmutter mit der Geschäftsführungsklage oder mit der Klage wegen geraubten Gutes, die innerhalb eines Jahres auf das Vierfache und danach auf das Einfache zuständig ist, klagen zu müssen glaubst, kannst du dies im Verfahren vor dem Provinzstatthalter geltend machen.

Die Raubklage erscheint im diokletianischen Reskriptencorpus im Übrigen außer mit der Stellungnahme zur Noxalhaftung nur noch mit einem Bescheid, 56  Hierzu Desanti, Delitti privati e concorso di azioni, Turin 2010, S. 161 ff., die die Raubklage eher der Sanktion für Sachbeschädigung zuordnet und daher grundsätzlich von einer Kumulation mit der Diebstahlsklage ausgeht. 57  D 47.8.1 Paul 21 ed. 58  Gai 3.209. 59  D 4.2.14.12 Ulp 11 ed, D 47.8.2.10 Ulp 56 ed. 60  D 4.2.14.12 Ulp 11 ed. 61  D 47.2.81.3 Pap 12 quaest. 62  D 4.2.14.12 Ulp 11 ed, D 47.8.2.10 Ulp 56 ed. 63  Der Bericht in D 47.8.2.10 Ulp 56 ed ist hier nur im Hinblick auf die actio legis Aquiliae eindeutig. 64  Hierfür spricht das Julian-Zitat bei D 13.1.10.1 Ulp 38 ed. 65  CJ 3.41.4 (15. Dez. 293 / Honoré 2049); s. u. S. 289 f.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

in dem die Haftung eines Pfandgläubigers bejaht wird, der sich zu Unrecht der ihm verpfändeten Sache bemächtigt hat:66 CJ 9.33.3 (7. Jan. 293 / Honoré 1736) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Euelpisto. Res obligatas sibi creditorem vi rapientem non rem licitam facere, sed crimen committere convenit, ­eumque etiam vi bonorum raptorum infra annum utilem in quadruplum, post sim­pli actione conveniri posse non ambigitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Euelpistus. Anerkanntermaßen handelt ein Gläubiger, der ihm verpfändete Sachen raubt, nicht rechtmäßig, sondern begeht ein Verbrechen, und es ist unumstritten, dass er auch mit der Klage wegen geraubten Gutes innerhalb der Jahresfrist auf das Vierfache, danach mit der Klage auf das Einfache belangt werden kann.

III. Erpressung (actio quod metus causa) Die Reskripte zum metus-Edikt haben ein nahezu durchgängiges Thema und eine einheitliche Tendenz: Diokletians Kanzlei verteidigt den Grundsatz der Vertragsbindung, indem sie hohe Anforderungen an die Anfechtung eines Vertrags wegen unrechtmäßig erzeugter Furcht stellt. Aus der Reihe fällt lediglich ein Reskript, in dem die Kanzlei bei der Haftung der Erben eines Täters danach unterscheidet, ob die Klage schon zu dessen Lebzeiten rechtshängig geworden ist: Wird der Prozess in diesem Fall so weitergeführt wie gegen den Täter, haften die Erben ansonsten nur mit einem vermutlich im Edikt eigens vorgesehenen67 Bereicherungsanspruch: CJ 4.17.1 (27. April 294 / Honoré 2320) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Macedonae. Post litis contestationem eo qui vim fecit vel concussionem intulit vel aliquid deliquit, defuncto successores eius in solidum, alioquin in quantum ad eos pervenit conveniri iuris absolutissimi est, ne alieno scelere ditentur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Macedona. Es ist völlig feststehendes Recht, dass, wenn derjenige, der Gewalt verübt oder eine Erpressung oder ein anderes Delikt begangen hat, nach der Streitbefestigung gestorben ist, die Erben auf das Ganze, im Übrigen aber nur insoweit belangt werden können, als etwas an sie gelangt ist, damit sie nicht durch die Tat eines anderen bereichert werden.

Alle übrigen Reskripte verneinen eine Anwendung des metus-Edikts mit der Begründung, es sei keine hinreichende Furchterregung dargetan. Die 66  Der andere Teil desselben Bescheids betrifft die Frage, inwiefern der Erwerber einer Forderung ein zu ihrer Besicherung bestelltes Pfandrecht geltend machen kann; vgl. CJ 4.10.7 (7. Jan. 293 / Honoré 1735); s. u. S. 307 f. 67  Lenel, Edictum perpetuum, S. 111; vgl. zum metus-Edikt D 4.2.19 Gai 4 ed prov.



III. Erpressung31

Schwelle, die hierfür überschritten sein muss, beschreiben Diokletians Juristen regelmäßig in der Weise, dass eine Furcht vor Tod und körperlicher Misshandlung (metus mortis vel cruciatus corporis) bestanden haben muss. Gemeinsam mit der Angst vor einer Anklage wegen eines Kapitalverbrechens, die gleichsam einen Unterfall der Todesfurcht darstellt, erscheint sie in einem Reskript vom Sommer 293, das Verträgen jeglicher Art gilt: CJ 2.19.7 (4. Juni 293 / Honoré 1900) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Cotui. Si donationis vel transactionis vel stipulationis vel cuiuscumque alterius contractus obligationis confectum instrumentum metu mortis vel cruciatus corporis extortum vel capitales minas pertimescendo adito praeside provinciae probare poteris, hoc ratum haberi secundum edicti formam non patietur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Cotus. Kannst du nach Anrufung des Provinzstatthalters beweisen, dass die Errichtung einer Urkunde über eine Schenkung oder einen Vergleich oder eine Stipulation oder irgendeinen anderen Vertrag durch Furcht vor Tod oder körperlicher Misshandlung oder der Anklage wegen eines Kapitalverbrechens abgepresst worden ist, soll er entsprechend dem prätorischen Edikt nicht zulassen, dass sie wirksam bleibt.

Auf die Furcht vor Tod oder Körperqualen stoßen wir auch in einer Entscheidung zum Kaufvertrag;68 und in einem weiteren Reskript zu einem Vergleichsvertrag durch pactum erscheint sie leicht abgewandelt als Angst vor einer Gesundheitsgefahr oder körperlicher Qual: CJ 2.4.13 (2. April 290 / Honoré 1559) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Proclae. Interpositas metus causa transactiones ratas non haberi edicto perpetuo continetur. nec tamen quilibet metus ad ­rescindenda ea, quae consensu terminata sunt, sufficit, sed talem metum probari oportet, qui salutis periculum vel corporis cruciatum contineat. (1) Ad vim tamen vel dolum arguendum qualitas causae principalis non sufficit: unde si nihil tale probari potest, consensu quaestiones terminatas minime instaurari oportet. (2) Sed quoniam eum, cum quo te transegisse commemoras, ex ancilla tua natum servum esse adseveras, si vera sunt, quae precibus complexa es, alia ratio pactum reformat: nec enim dubii iuris est dominos cum servis suis paciscentes ex placitis teneri atque obligari non posse. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Procla. Im immerwährenden Edikt ist vorgesehen, dass Vergleiche, die aus Furcht eingegangen werden, nicht wirksam sind. Aber zur Anfechtung einer durch Konsens geschlossenen Vereinbarung reicht keine beliebige Furcht, sondern es muss eine solche Furcht nachgewiesen werden, die vor einer Gesundheitsgefahr oder einer körperlichen Misshandlung besteht. (1) Um eine solche Gewalt oder Arglist darzutun, reicht der Hauptvortrag nicht aus; wenn sich daher nichts Derartiges nachweisen lässt, dürfen Fragen, die durch Konsens beendet sind, keineswegs wieder anhängig gemacht werden. (2) Da du aber behauptest, dass derjenige, mit dem du dich nach deinen Angaben vergli68  CJ 4.44.8

(1. Dez. 293 / Honoré 2034); s. u. S. 183 f.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

chen hast, ein Sklave ist, der von deiner Sklavin geboren wurde, wird der Pakt bei Wahrheit des Vorbringens in deiner Eingabe aus einem anderen Grund in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt; denn es unterliegt keinem rechtlichen Zweifel, dass Eigentümer, wenn sie mit ihren eigenen Sklaven Pakte eingehen, aufgrund des Vereinbarten weder haften noch verpflichtet werden können.

Die zugrunde liegende Absicht zur Begrenzung der Reichweite des metusEdikts kommt hier in der angedeuteten reductio ad absurdum zum Ausdruck, ein ungenügender Vortrag zu der behaupteten Furcht erlaube nicht, einen Rechtsstreit wieder aufzunehmen, der durch Konsens endgültig beendet worden ist. Ist die Vereinbarung nicht durch Androhung von Tod oder körperlichem Schmerz zustande gekommen, sorgt sie dafür, dass die Angelegenheit erledigt, das Begehren nach Fortführung des Prozess unsinnig ist. Mit ihrer Rechtsprechung knüpfen Diokletians Juristen an eine Entscheidung Gordians an, in der gerade die Furcht vor Tod und körperlicher Misshandlung alternativ zur Gewaltanwendung als Grundlage der actio quod metus causa benannt ist:69 CJ 2.19.4 (3. Aug. 239 / Honoré 1038) Impp. Gordianus Primo et Eutycheti. Si per vim vel metum mortis aut cruciatus corporis venditio vobis extorta est et non postea eam consensu roborastis, iuxta perpetui formam edicti intra annum quidem agentes, quo experiundi potestas est, si res non restituatur, quadrupli referetis condemnationem, scilicet reddito a vobis pretio: post annum vero causa cognita eadem actio in simplum permittitur: quae causae cognitio eo pertinet, ut ita demum decernatur, si alia actio non sit. Kaiser Gordian an Primus und Eutychetus. Ist euch der Verkauf durch Gewalt oder Furcht vor Tod oder körperlicher Misshandlung abgepresst worden und habt ihr ihn nicht später durch eure Zustimmung bestätigt, erreicht ihr nach dem immerwährenden Edikt, wenn ihr innerhalb eines Jahres klagt, in dem ihr hierzu die Möglichkeit habt, und euch die Sache nicht zurückgegeben wird, die Verurteilung in das Vierfache, falls ihr den Kaufpreis zurückzahlt; nach einem Jahr wird nach Untersuchung des Einzelfalles dieselbe Klage auf das Einfache gewährt; diese Untersuchung erfolgt so, dass die Klage nur erteilt wird, wenn es sonst keine andere Klage gibt.

Mit der Einschränkung auf eine drohende Körperverletzung engen die Juristen der kaiserlichen Kanzlei den Tatbestand der Rechtsbehelfe wegen Erpressung stärker ein als die Juristen der Hoch- und Spätklassik. Diese bezeichnen die zur Anfechtung eines Geschäfts erforderliche Furcht allgemein als eine solche vor einem großen Übel (malitas maior),70 die auch einen sehr standhaften Menschen (homo constantissimus) zu dem erpressten Verhalten veranlasst hätte71. Indem sie die Todesfurcht zum Maßstab für die Beurteihierzu auch Calore, Actio quod metus causa, Mailand 2011, S. 357 f. Ulp 11 ed. 71  D 4.2.6 Gai 4 ed prov. 69  Vgl.

70  D 4.2.5



III. Erpressung33

lung der Bedrohung mit einer kriminalrechtlichen Anklage72 oder einer Vergewaltigung73 wählen, liefern sie jedoch zugleich den Ansatzpunkt für die spätere Kaiserrechtsprechung. Die Formel von der Furcht vor Tod oder körperlicher Misshandlung ist offensichtlich Ulpians Kommentar zur Wiedereinsetzung wegen Abwesenheit entlehnt: Bestimmt der Spätklassiker den hier wiederum vorausgesetzten metus als ‚timor mortis vel cruciatus corporis‘,74 liegt überaus nahe, diese Definition wegen der identischen Begrifflichkeit auf das eigentliche metus-Edikt zu übertragen, zumal sich der Rechtsverlust durch erzwungene Abwesenheit im Ergebnis nicht von dem Nachteil unterscheidet, der durch Vornahme eines erpressten Geschäfts entsteht. Mit dem derart verengten Begriff des metus lässt sich die Gewährung eines Rechtsbehelfs wegen Erpressung leicht in mannigfachen Konstellationen ablehnen, in denen sein Einsatz verlangt wird. So genügt es keineswegs, wenn jemand einen Kaufvertrag deshalb eingegangen ist, weil er fürchtete, ansonsten zu öffentlichen Diensten herangezogen oder nicht in den Besitz einer Urkunde zu gelangen, aus der sich seine Verpflichtung zu einer Getreidelieferung ergibt: CJ 2.19.8 (22. Aug. 293 / Honoré 1937) Impp. Diocletianus, Maximianus AA. et CC. Trophimo. Cum te domus et horti venditionem fecisse sub spe recipiendi, quod de frumento feceras, instrumentum vel timore, ne ad civilia munera nominareris, proponas et rescindi venditionem veluti metus causa factam desideres, intellegis ad ratum non habendum contractum metum huiusmodi prodesse non posse. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Trophimus. Da du vorträgst, du hättest den Verkauf von Haus und Garten in der Hoffnung auf die Rückgewähr einer Urkunde, die du über Getreide ausgestellt hast, oder in der Angst vollzogen, zu einem öffentlichen Dienst herangezogen zu werden, und deshalb die Aufhebung des Verkaufs mit der Begründung verlangst, er sei aus Furcht eingegangen, verstehst du, dass eine solche Furcht nicht dazu dienen kann, den Vertrag für ungültig zu erklären.

Erst recht genügt nicht, dass sich jemand beim Vertragsschluss vom Senatorenrang seines Gegenübers hat beeindrucken lassen. Ein hierauf gestütztes Begehren nach Auflösung der Vertragsbindung weist Diokletians Kanzlei im Jahr 294 mit der treffenden Begründung zurück, so werde die Ehrenrolle, die ein Senator innehat, in ihr Gegenteil verkehrt: CJ 2.19.6 (28. April 294 / Honoré 1845) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Pollae. Ad invidiam alicui nocere nullam dignitatem oportet. unde intellegis, quod ad metum arguendum, per quem dicis initum esse contractum, senatoria dignitas adversarii tui sola non est idonea. 72  D 4.2.7.1

Ulp 11 ed. Paul 11 ed. 74  D 4.6.3 Ulp 12 ed. 73  D 4.2.8.2

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Polla. Sein Ansehen darf jemandem nicht zur Schande gereichen. Daher verstehst du, dass die senatorische Würde deines Gegners für sich genommen nicht geeignet ist, eine Furchterregung darzutun, aufgrund derer du, wie du angibst, einen Vertrag eingegangen bist.

Dass auch die Drohung mit einer Anklage, für sich genommen, nicht taugt, gegen einen so provozierten Vertragsschluss vorzugehen, bekundet Diokle­ tians Kanzlei in einer Entscheidung aus demselben Jahr:75 CJ 2.19.10 (27. Jan. 294 / Honoré 2156) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Faustinae. Accusationis institutae vel futurae metu alienationem seu promissionem factam rescindi postulantis improbum desiderium est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Faustina. Es ist ein ungebührliches Begehren, zu fordern, dass eine Veräußerung oder ein Versprechen aufgehoben werden, die aus Furcht vor einer schon erhobenen oder künftigen Anklage erfolgen.

Der überlieferten Fassung dieses Reskripts lässt sich keine Einschränkung auf den Fall eines Delikts entnehmen, das nicht mit Todesstrafe oder körperlichem Zwang geahndet ist. Dass nur ein solches Vergehen gemeint sein kann und Diokletians Juristen insoweit nicht von der Ansicht der klassischen Juristen76 abweichen, erhellt aber die schon betrachtete Konstitution, in der die Drohung der Anklage mit einem Kapitalverbrechen ausdrücklich als ein den Erpressungsvorwurf rechtfertigender Umstand genannt wird, der eine Angst vor Tod oder körperlicher Misshandlung darstellt oder ihr zumindest gleichkommt77. An diesem Maßstab wird die Furcht vor einer Anklage denn auch eigens in einem ebenfalls von 294 stammenden Reskript gemessen:

75  Für die bloße Furcht vor einem zivilrechtlichen Rechtsstreit hat die Kanzlei dies schon unter Caracalla festgestellt; vgl. CJ  2.4.2 (11. Aug.  213 / Honoré 345): Imp. Antoninus A. Lutatiae. Cum te proponas cum sorore tua de hereditate transegisse et idpropter certam pecuniam te ei debere cavisse, etsi nulla fuisset quaestio hereditatis, tamen propter timorem litis transactione interposita pecunia recte cauta intellegitur. ex qua causa si fisco solvisses, repetere non posses: si non solvisses, iure convenire­ ris. („Kaiser Antoninus an Lutatia. Da du vorträgst, du hättest dich mit deiner Schwester über den Nachlass verglichen und bescheinigt, dass du ihr einen bestimmten Geldbetrag schuldest, gilt, auch wenn es nicht zu einem Rechtsstreit über die Erbschaft gekommen war, dennoch, wenn der Vergleich aus Furcht vor einem Rechtsstreit abgeschlossen wurde, das Versprechen. Hast du aus diesem Grund dem Fiskus gezahlt, kannst du es nicht zu zurückfordern; wenn du nicht gezahlt hast, wirst du zu Recht belangt.“). 76  D 4.2.7.1 Ulp 11 ed. 77  CJ 2.19.7 (4. Juni 293 / Honoré 1900); s. o. S. 31.



III. Erpressung35 CJ 8.37.9 (13. Okt. 294 / Honoré 2406) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Capitoni. Si quidem Zenoni stipulanti mortis vel cruciatus corporis territus timore spopondisti, adversus experientem exceptione proposita defendi potes. (1) Si vero nihil tale probetur, accusationis institutae vel futurae praetextu non ob turpem, sed probabilem causam habita stipulatione promissio non infirmatur. (2) Sin autem ob non instituendam accusationem criminis pecunia promissa sit, cum de huiusmodi causis pacisci non liceat, petitio negatur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Capito. Hast du Zenon durch Stipulation etwas aus Furcht vor Tod oder körperlicher Folter versprochen, kannst du dich gegen ihn, wenn er Klage erhebt, mit der verheißenen Einrede verteidigen. (1) Wird dagegen nichts dergleichen nachgewiesen, wird das Versprechen, wenn die Stipulation unter dem Vorwand einer schon erhobenen oder künftigen Anklage nicht aus einem sittenwidrigen, sondern aus einem erlaubten Grund abgeschlossen worden ist, nicht beeinträchtigt. (2) Ist aber Geld versprochen worden, damit keine Klage im Kriminalverfahren erhoben werde, wird die Klage abgewiesen, da es nicht erlaubt ist, über diese Sachen einen Pakt zu schließen.

Kann das Geschäft auch nicht wegen Furchterregung angefochten werden, ist es, wie die Kanzlei bemerkt, freilich immer noch dem Einwand ausgesetzt, dass das Ausbleiben der Anklage im Kriminalverfahren selbst zum Gegenstand des Geschäfts gemacht worden ist: Der Bedrohte kann sich in diesem Fall zwar nicht auf seine Furcht berufen, die von ihm versprochene Leistung aber immer noch unter Berufung auf die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung verweigern. Als Teil der Abmachung unterlegt der Bezug auf das Kriminalverfahren das Versprechen mit einer causa turpis, die es entweder ipso iure78 oder zumindest im Wege einer exceptio doli seiner Wirksamkeit beraubt. Woran der Nachweis einer Erpressung selbst dann, wenn der Vorwurf erheblich ist, scheitern kann, legt die Kanzlei in einigen weiteren Reskripten dar. Blass ist dabei die Aussage, der Vortrag dürfe sich nicht in vager Darstellung und unbewiesenen Behauptungen erschöpfen, sondern müsse die angedrohte Grausamkeit klar benennen:79 CJ 2.19.9 (1. Dez. 293 / Honoré 2031) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hymnodae. Metum non iactationibus tantum vel contestationibus, sed atrocitate facti probari convenit. nimmt Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 251 Fn. 62 an. Fragment bildete ursprünglich mit drei weiteren ein einheitliches Re­ skript. Es sind CJ 2.31.2 (Honoré 2033; S. 37 f.) mit einer bloßen Beschreibung der Funk­ tionsweise der Rechtsbehelfe zum Schutz Minderjähriger, CJ 2.20.6 (Honoré 2032; S. 37), wo ganz parallel zur hier überlieferten Aussage der fehlende Nachweis von dolus gerügt wird, sowie CJ 4.44.8 (Honoré 2034; s. u. S. 183 f.) mit dem Grundsatz, dass nur die Angst vor Tod oder körperlicher Misshandlung den Erpressungsvorwurf begründet. 78  Dies

79  Dieses

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hymnoda. Anerkanntermaßen kann eine Furcht nicht nur durch Gerede und Behauptungen, sondern nur durch die Grausamkeit einer Handlung bewiesen werden.

Einen konkreten Umstand, der den erhobenen Erpressungsvorwurf von vornherein widerlegt und den Vortrag des angeblich Bedrohten unschlüssig macht, benennen Diokletians Juristen dagegen in der folgenden Entscheidung: Es ist die Tatsache, dass der maßgebliche Vertrag in Anwesenheit von Freunden des vermeintlichen Opfers abgeschlossen worden ist, was eine Erpressung überaus unwahrscheinlich macht: CJ 2.4.35 (23. Aug. 294 / Honoré 2485) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Ammonio. Transactionem, quae dominii translatione vel actione parata seu perempta finem accepit, cum eam amicis etiam intervenientibus re vera ostenditur processisse, metus velamento rescindi postulantis professio detegit improbitatem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Ammonius. Fordert jemand unter Berufung auf seine Furcht die Aufhebung eines Vergleichs, der durch Übertragung von Eigentum oder Unterlassung einer Klage oder Erwerb oder Untergang einer Forderung vollzogen worden ist, erhellt der Vortrag die mangelnde Berechtigung, wenn dargetan wird, dass der Vergleich in Wirklichkeit im Beisein von Freunden abgeschlossen worden ist.

Einen ähnlichen Schluss auf die mangelnde Berechtigung des Erpressungsvorwurfs hat die kaiserliche Kanzlei schon unter Alexander Severus aus dem Umstand gezogen, dass das angebliche Opfer der Tat eine Leistung nicht nur versprochen, sondern anschließend auch erbracht hat, ohne darzutun, dass es hierbei erneut unter Druck stand: CJ 2.19.2 (26. Juni 226 / Honoré 764) Imp. Alexander A. Alexandro. Cum te non solum cavisse, verum etiam solvisse pecuniam confitearis, qua ratione ut vim passus restitui quod illatum est postules, perspici non potest, quando verisimile non sit ad solutionem te properasse omissa querella de chirographo utpote per vim extorto, nisi et in solvendo vim te passum dicis. Kaiser Alexander an Alexander. Da du einräumst, du hättest nicht nur versprochen, sondern auch gezahlt, ist nicht zu erkennen, aus welchem Grund du die Rückgewähr des Entrichteten so, als hättest du Gewalt erlitten, verlangst, da es nicht wahrscheinlich ist, dass du ohne Beschwerde gegen den angeblich durch Gewalt abgepressten Schuldschein zur Zahlung geschritten bist, falls du nicht angibst, auch bei der Zahlung Gewalt erlitten zu haben.

IV. Arglist (actio de dolo) Eine Tendenz zur Abwehr von Angriffen auf eine einmal eingetretene Vertragsbindung kennzeichnet auch manches Reskript zum dolus-Edikt. So ermahnt die Kanzlei die Adressatin eines Ende 293 zu einem Streit über einen



IV. Arglist37

Kaufvertrag ergangenen Reskripts, in dem sie zugleich hohe Anforderungen an die Annahme einer Erpressung stellt,80 dass die Arglist nur durch den Nachweis greifbarer Hinterlist dargetan wird: CJ.2.20.6 (1. Dez. 293 / Honoré 2032) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hymnodae. Dolum ex insidiis per­ spicuis probari convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hymnoda. Arglist wird anerkanntermaßen durch offensichtliche Hinterlist nachgewiesen.

Die Komplementäraussage, dass die bloße Behauptung eines arglistigen Verhaltens nicht zur Anfechtung einer Vereinbarung hinreicht, findet sich in einem Reskript vom selben Tag:81 CJ 2.4.22 (1. Dez. 293 / Honoré 2030) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Alexandro. Si maior transegisti, ad rescindendam transactionem de dolo contestatio non sufficit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Alexander. Hast du als Erwachsener einen Vergleich geschlossen, genügt zur Anfechtung des Vergleichs nicht die Behauptung von Arglist.

In dem folgenden Reskript wendet sich die Kanzlei dagegen, aus dem bloßen Missverhältnis von Preis und Wert einer Kaufsache auf die Arglist einer Vertragspartei zu schließen. Außerdem belehrt sie den Petenten darüber, dass die Rechtsbehelfe wegen dolus anders als die metus-Klage82 keine Drittwirkung haben, sich also nur gegen den Täter richten und nicht auch gegen denjenigen, an den eine durch Arglist erschlichene Sache weitergegeben worden ist: CJ 4.44.10 (zwischen 18. Dez. 293 und 18. Dez. 294 / Honoré 2589) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aemilio Severo. Dolus emptoris qualitate facti, non quantitate pretii aestimatur. quem si fuerit intercessisse probatum, non adversus eum, in quem emptor dominium transtulit, rei vindicatio venditori, sed contra illum cum quo contraxerat in integrum restitutio competit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aemilius Severus. Die Arglist des Käufers wird durch seine Vorgehensweise, nicht nach der Höhe des Kaufpreises beurteilt. Wird bewiesen, dass sie vorgekommen ist, steht dem Verkäufer nicht die Vindikation gegen denjenigen, auf den der Käufer das Eigentum übertragen 80  CJ 2.19.9

(1. Dez. 293 / Honoré 2031); s. o. S. 35 f. Kaser / Hackl, Das römische Zivilprozeßrecht, S. 494 Fn. 72 vermag ich in dieser knappen Aussage keinen Beleg für die Annahme zu sehen, dass das Restitutionsverfahren wegen dolus mit einem contestatio genannten Antrag eingeleitet wird. Es erscheint mir eher unwahrscheinlich, dass der Begriff hier dieselbe technische Bedeutung wie in D 4.4.20.1 Ulp 11 ed hat. 82  Vgl. Kupisch, In integrum restitutio und vindicatio utilis bei Eigentumsübertragungen im klassischen römischen Recht, Berlin u. a. 1974, S. 146 ff., Kaser, Zur in integrum restitutio, besonders wegen metus und dolus, SZ 94 (1977) 123 ff. 81  Entgegen

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

hat, sondern die Wiedereinsetzung gegen denjenigen zu, mit dem er den Vertrag geschlossen hat.

Dass auch eine nachweisbare Arglist des Gegenübers nicht genügen kann, um eine Haftung mit der actio de dolo zu begründen, zeigt eine weitere Konstitution, in der die Kanzlei dem Begehren des Anfragenden deshalb den Erfolg versagt, weil er durch seinen Vortrag zugleich Umstände dargetan hat, die ihm selbst den Vorwurf der Arglist eintragen: CJ 2.4.30 (11. Okt. 294 / Honoré 2402) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antonino. Transactione finita, cum ex partibus tuis magis dolum intercessisse quam eorum, contra quos preces fundis, confitearis, instaurare grave nec non criminosum tibi est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antonius. Es ist schwierig und für dich geradezu verfänglich, die durch Vergleich beendete Sache wiederaufzunehmen, da du zugibst, dass Arglist eher auf deiner als auf der Seite derjenigen vorgekommen ist, gegen die du deine Eingabe richtest.

Es ist kein Zufall, dass die von der Kanzlei abgelehnte actio de dolo vor allem als Instrument gegen einen unliebsamen Vergleich angestrengt wird und dass in diesem Zusammenhang auch der Satz fällt, dass einem freiwillig Handelnden keine Arglist widerfahren kann (‚volenti dolus non inferatur‘)83. Denn ein Rückgriff auf die Arglistklage ist vor allem bei einem irreversiblen Akt geboten, wie er eben durch einen Vergleich wegen dessen prozessbe­ endigender Wirkung vollzogen wird84. Ähnlich ist die Ausschlagung einer Erbschaft, die den Erben seiner Stellung beraubt, ohne dass er sie durch eine spätere Annahme wiedererlangen könnte: CJ 2.20.7 (16. April 294 / Honoré 2301) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Sebastiano. Si maior quinque et viginti annis hereditatem fratris tui repudiasti, nulla tibi facultas eius adeundae relinquitur. sane si eius uxoris tibi substitutae dolo factum est, actionem de dolo contra eam exercere potes. Kaiser Diokletian und Maximian an Sebastian. Hast du im Alter von mehr als 25 Jahren die Erbschaft deines Bruders ausgeschlagen, hast du keine Befugnis mehr, sie anzutreten. Hat freilich seine als Ersatzerbin eingesetzte Frau arglistig gehandelt, kannst du gegen sie die Arglistklage anstellen.

V. Geschäftsbesorgung ohne Auftrag (actio negotiorum gestorum) Die diokletianischen Reskripte zur negotiorum gestio lassen insofern einen gewissen Bezug zum Darlehensrecht erkennen, als sich die Kanzlei offenbar 83  CJ 2.4.34 84  s. u.

(9. Nov. 294 / Honoré 2353); s. u. S. 218 f. S.  223 f.



V. Geschäftsbesorgung ohne Auftrag39

mit Anfragen konfrontiert sieht, die auch bei einem Darlehen gestellt werden oder auf eine Übertragung des hier geltenden Regimes auf die negotiorum gestio zielen. Den praktischen Anlass liefert vielleicht das Inkasso, sei es, dass es exklusiv übernommen wird, sei es, dass es im Rahmen einer Vermögensverwaltung erfolgt. Die hieraus entspringende Verpflichtung des nego­ tiorum gestor zur Auskehr der eingezogenen Beträge ist aus Sicht des Geschäftsverkehrs nämlich der eines Darlehensnehmers nicht unähnlich. Zwar bergen die einschlägigen Entscheidungen für einen Juristen zumeist keine Überraschungen; einem Laien, der nicht streng zwischen einem Darlehensnehmer und demjenigen unterscheidet, der dessen Schuld einzieht, mögen sie jedoch keineswegs selbstverständlich erscheinen. Dem beim Darlehen dominierenden Thema, inwieweit ein Gläubiger sich auch gegen einen Dritten wenden kann, an den im Vollzug des Vertrags ein Vorteil gelangt ist,85 gilt aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine der Konstitutionen zur Geschäftsführung ohne Auftrag. In ihrer überlieferten Fassung beschränkt sie sich auf die ratio decidendi, mit der die Kanzlei dem Ansinnen des Fragestellers eine Absage erteilt: CJ 2.18.23 (20. Nov. 294 / Honoré 2475) Impp. Diocletianus, Maximianus AA. et CC. Theodoro. Negotiis gestis non in rem, sed in personam est actio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Theodorus. Nach einer Geschäftsbesorgung steht keine dingliche, sondern nur eine persönliche Klage zu.

Dass die auftragslose Geschäftsbesorgung einen schuldrechtlichen und keinen dinglichen Anspruch zeitigt, ist die passende Antwort auf die Frage, ob der Geschäftsherr auf einen Dritten zugreifen kann, der im Besitz einer aus der Geschäftsführung erlangten Sache ist. Als reines Schuldverhältnis wirkt die negotiorum gestio nur relativ zwischen Geschäftsherrn und Geschäftsbesorger und erlaubt kein Vorgehen gegen einen Drittbegünstigten. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Geschäftsherr dinglich an der Sache berechtigt ist, weil sie vom Geschäftsführer schon übereignet wurde. Ob der Geschäftsführer selbst dafür einzustehen hat, dass eine an den Geschäftsherrn herauszugebende Sache verlorengegangen ist, beschäftigt die diokletianische Kanzlei in dem folgenden Reskript: CJ 2.18.22 (bis 20. Nov. 294 / Honoré 2474) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eulogio. Negotium gerentes alienum non interveniente speciali pacto casum fortuitum praestare non compelluntur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Eulogius. Wer ein fremdes Geschäft besorgt, wird ohne besonderen Pakt nicht gezwungen, für Zufall einzustehen. 85  s. u.

S.  77 ff.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

Im Gegensatz zum Darlehen trifft die Gefahr einer zufälligen Unmöglichkeit der Leistung bei der negotiorum gestio nicht den Schuldner, sondern den Gläubiger. Haben sich die Parteien nicht durch pactum darauf verständigt, dass der Geschäftsbesorger wie ein Darlehensnehmer haften soll,86 bleibt seine Schuld eine bloße Herausgabepflicht, die ihr Ende im unverschuldeten Verlust der dem Geschäftsherrn auszukehrenden Sachen findet. Diokletians Kanzlei korrigiert so einen Rechtsirrtum, der sogar Eingang in die Paulussentenzen gefunden hat oder durch deren missverständliche Darstellung zumindest provoziert wird.87 Obwohl er nicht die Gefahr eines zufälligen Untergangs trägt, trifft den negotiorum gestor doch ebenso wie einen Darlehensnehmer die Pflicht zur Verzinsung eines eingezogenen Geldbetrags.88 Hierfür bedarf es keiner besonderen Vereinbarung. Die Zinspflicht folgt vielmehr aus dem Haftungsmaßstab, an dem der Geschäftsführer gemessen wird. Da er jegliche Sorgfalt im Umgang mit den fremden Angelegenheiten schuldet, muss er auch, soweit dies tunlich ist, für eine Mehrung des von ihm verwalteten Kapitals sorgen und die hierbei anfallenden Zinsen selbst dann leisten, wenn sie nicht angefallen, sondern dem Geschäftsherrn durch die Nachlässigkeit des Geschäftsbesorgers entgangen sind: CJ 4.32.24 (18. Nov. 294 / Honoré 2472) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Culciae. Si mater tua maior annis constituta negotia quae ad te pertinent gesserit, cum omnem diligentiam praestare debeat, usuras pecuniae tuae, quam administrasse fuerit comprobata, praestare compelli potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Culcia. Hat deine Mutter nach Erreichen der Volljährigkeit Geschäfte geführt, die dich betreffen, kann sie, da sie die Einhaltung jeglicher Sorgfalt schuldete, gezwungen werden, Zinsen auf den Betrag zu leisten, den sie erwiesenermaßen verwaltet hat.

Dass dies nur für eine umfassende Geschäftsführung gilt, wie sie etwa durch einen Pfleger oder einen Vormund erfolgt, dessen Bestellung unwirksam ist, stellt die Kanzlei bei anderer Gelegenheit heraus: CJ 2.18.20 (24. April 294 / Honoré 2312) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Octaviae. Tutori vel curatori similis non habetur, qui citra mandatum negotium alienum sponte gerit, quippe superioribus quidem muneris necessitas administrationis finem, huic autem propria voluntas facit ac satis abunde sufficit, si cui vel in paucis amici labore consulatur. (1) Secundum quae super his quidem, quae nec tutor nec curator constitutus ultro quis administravit, cum non tantum dolum et latam culpam, sed et levem praestare ne86  Hierzu D 17.1.34pr Afr 8 quaest und Harke, Das Vertragsrecht in Afrikans Quästionen, in: ders. (Hg.), Africani quaestiones, Berlin / Heidelberg, S. 37, 48 ff. 87  Vgl. PS 1.4.3. 88  So auch PS 1.4.3.



V. Geschäftsbesorgung ohne Auftrag41 cesse habeat, a te conveniri potest et ea, quae tibi ab eo deberi patuerit, cum usuris compelletur reddere. (2) De ceteris vero, quae ab aliis tui constituta iuris detenta exacta non sunt, ab hoc, qui nec agendi quidem propter exceptionis obstaculum facultatem habere potuit, exigi non potest: et idcirco adversus eos, quos res tuas tenere dicis, detorquere tuas petitiones debes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Octavia. Einem Vormund oder Pfleger wird nicht gleichgeachtet, wer ohne Auftrag freiwillig ein fremdes Geschäft geführt hat, weil bei jenen die Pflicht zur Verwaltung, bei diesem dagegen der eigene Wille maßgebend ist und es völlig genügt, wenn ihm auch nur geringfügig durch die Arbeit des Freundes geholfen wird. (1) Dementsprechend kann jemand wegen der Geschäfte, die er geführt hat, ohne zum Vormund oder Pfleger bestellt worden zu sein, da er nicht nur wegen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, sondern auch wegen leichter Fahrlässigkeit einstehen muss, von dir belangt werden, und er wird gezwungen, mit Zinsen zu leisten, was dir nachweislich von ihm geschuldet wird. (2) Wegen desjenigen aber, was erweislich dir gehört, von anderen besessen wird und nicht eingezogen worden ist, kann von demjenigen, der wegen einer entgegenstehenden Einrede nicht einmal die Klagebefugnis haben konnte, nichts gefordert werden; und daher musst du deine Forderungen gegen diejenigen richten, von denen du angibst, dass sie deine Sache innehaben.

Für alle Arten von Geschäftsführern gilt, dass sie keine Haftung für Ansprüche des Geschäftsherrn gegen Dritte trifft, die sie gar nicht geltend machen können, weil der Schuldner sich nur gegen eine cautio ratam rem haberi auf die Klage des Geschäftsbesorgers einlassen müsste. Was die Zinspflicht anbelangt, kommt es darauf an, ob der Geschäftsbesorger eine planmäßige Geschäftsführung, nämlich insbesondere wie ein Pfleger oder Vormund, übernommen hat oder ob er nur in einer einzelnen Angelegenheit eingesprungen ist.89 Während er in diesem Fall schon seiner Verpflichtung gerecht wird, wenn sein Verhalten dem Geschäftsherrn nur überhaupt einen Nutzen erbringt, muss derjenige, der sich an die Verwaltung des Vermögens einer Person gemacht hat, auch für sein Unterlassen einstehen. Daher muss er anders als jemand, der nur ein einzelnes Geschäft spontan übernommen hat, Zinsen zum Ausgleich für eine vergebene Gewinnchance leisten. Die Unterscheidung zwischen planmäßiger Verwaltung und spontaner Einzelgeschäftsführung haben Diokletians Juristen erkennbar von Papinian übernommen, dessen Formulierung zum Ziel der Einzelgeschäftsführung sie fast wörtlich übernehmen: D 26.7.39.2 Pap 5 resp Qui se negotiis impuberis non iure tutor datus secundum patris voluntatem immiscuit, errore comperto tutorem a praetore constitui consultius petet, ne forte, si rem coeptam deseruerit, fraudis vel culpae causa condemnetur. non idem servatur, si 89  Taubenschlag, S. 69 unterscheidet hier noch in unrömischer Manier zwischen einer gestio necessaria und voluntaria.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

quis ultro negotium alienum gesserit, cum satis abundeque sufficiat vel in una specie per amici laborem domino consuli. Wer nicht rechtmäßig zum Vormund bestellt ist, sich aber mit Willen des Vaters mit den Geschäften des Unmündigen beschäftigt hat, soll nach Entdeckung seines Irrtums besser beantragen, dass ein Vormund durch den Prätor bestellt wird, damit er nicht, wenn er die begonnene Geschäftsführung aufgibt, wegen Vorsatzes oder Fahrlässigkeit verurteilt wird. Dasselbe gilt nicht, wer von selbst ein fremdes Geschäft geführt hat, da es voll und ganz genügt, wenn dem Geschäftsherrn auch nur in einer Hinsicht durch die Arbeit des Freundes geholfen wird.

Mit Hilfe von Papinians Unterscheidung gelingt es der kaiserlichen Kanzlei, den durchgängigen Haftungsmaßstab der culpa so differenziert anzuwenden, dass er eine Zinspflicht nicht stets, sondern nur dann zeitigt, wenn dem Geschäftsführer auch ein Unterlassen zum Vorwurf gereicht. Die gegenläufige Zinspflicht des Geschäftsherrn kann dagegen nicht an dessen Haftung anknüpfen. Sie folgt aus der Erwägung, dass er für das Vermögensopfer schadlos gehalten werden muss, das er für den Geschäftsherrn erbracht hat. Diokletians Juristen führen dies unmittelbar auf das Gebot der guten Treue zurück: CJ 2.18.18 (24. Dez. 293 / Honoré 2079) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Pomponio. Ob negotium alienum gestum sumptuum factorum usuras praestari fides bona suasit: quo iure contra eos etiam, quorum te necessitate compulsum negotium gessisse proponis, per iudicium negotiorum gestorum uteris. Kaiser Diokletian und Maximian an Pomponius. Das Gebot der guten Treue ergibt, dass wegen der Aufwendungen für die Besorgung eines fremden Geschäfts Zinsen geleistet werden; weshalb du dich zu Recht auch gegen diejenigen, deren Geschäft du nach deinem Vortrag aus Notwendigkeit geführt hast, der Geschäftsführungsklage bedienen kannst.

Angedeutet finden wir dies schon in einem Reskript aus der Zeit von Alexander Severus: CJ 4.32.13 (zwischen 1. Mai 223 und 21. April 234 / Honoré 906) Imperator Alexander A. Eustathiae et aliis. In bonae fidei iudiciis, quale est etiam negotiorum gestorum, usurarum rationem haberi certum est. … Kaiser Alexander an Eustathia und andere. Es steht fest, dass bei Klagen auf gute Treue, zu denen auch die Geschäftsführungsklage gehört, Zinsen in Ansatz gebracht werden. …

Mit der für die Zinspflicht des Geschäftsbesorgers maßgeblichen Unterscheidung zwischen planmäßiger und Einzelgeschäftsführung ist zugleich die Frage nach den Grenzen des Anwendungsbereichs der negotiorum gestio aufgeworfen. Den Tatbestand einer auftragslosen Geschäftsführung erfüllt regelmäßig nur die Besorgung einzelner Geschäfte, nicht dagegen die planmäßige Vermögensverwaltung, die typischerweise in Erfüllung eines Auftrags



V. Geschäftsbesorgung ohne Auftrag43

oder einer anderweit begründeten Pflicht erfolgt. Zu einer negotiorum gestio kann sie dadurch werden, dass jemand tatsächlich, aber unwirksam zum Vormund bestellt ist. Regelwidrig ist dagegen der Fall des curator: Er kann auch dann, wenn er wirksam zum Betreuer bestellt ist, lediglich mit der actio ne­ gotiorum gestorum belangt werden, obwohl er das Vermögen des Betreuten keineswegs ohne Auftrag, sondern gerade in Ausübung des ihm übertragenen Amtes verwaltet. Die diokletianische Kanzlei bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass sie die Geschäftsführungsklage in diesem Fall ‚zweckdienlich‘ (‚utilis‘) nennt: CJ 2.18.17 (20. Dez. 293 / Honoré 2075) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Claudiae. Curatoris etiam successores negotiorum gestorum utili conventos actione tam dolum quam latam culpam praestare debere nec ad eos officium administrationis transire ideoque nullam alie­ nandi eos res adultae potestatem habere convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Claudia. Anerkanntermaßen müssen auch die Rechtsnachfolger eines Pflegers, wenn sie mit einer zweckdien­ lichen Geschäftsführungsklage belangt werden, sowohl für Vorsatz als auch für grobe Fahrlässigkeit einstehen, aber das Amt der Vermögensverwaltung geht nicht auf sie über, und sie haben deshalb nicht die Befugnis, die Sachen einer Heranwachsenden zu veräußern.

Diese Bezeichnung ist nicht etwa dem Umstand geschuldet, dass sich die Klage hier gegen die Erben eines curator richtet, die ihrerseits nicht zur Vermögensverwaltung berufen sind. Diokletians Juristen nennen die Geschäftsführungsklage auch dann ein iudicium utile, wenn sie gegen den Pfleger selbst erhoben werden soll: CJ 5.51.7 (12. April 293 / Honoré 1791) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Alexandro. Quidquid tutoris dolo vel lata culpa vel levi culpa sive curatoris minores amiserint vel, cum possent, non quaesierint, hoc etiam in tutelae sive negotiorum gestorum utile iudicium venire non est incerti iuris. Die Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Alexander. Es unterliegt keinem rechtlichen Zweifel, dass zum Gegenstand der Vormundschaftsklage oder einer zweckdienlichen Geschäftsführungsklage wird, was auch immer Minderjährige infolge des Vorsatzes, der groben oder leichten Fahrlässigkeit des Vormunds oder Pflegers verlieren oder, obwohl sie es könnten, nicht erlangen.

Sie folgen damit dem Sprachgebrauch Ulpians90 und eines zu seiner Wirkungszeit ergangenen Reskripts91, durch den die actio negotiorum gestorum gegen den Pfleger als ein dogmatischer Sonderfall gekennzeichnet wird.92 90  D 27.9.10

Ulp 6 op. (19. Feb. 213 / Honoré 287). 92  Vgl. Harke, Actio utilis, S.  36 ff. 91  CJ 5.54.2pr

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

Einer speziellen Konstellation, in der sich aus der Amtspflicht beider Seiten eine wechselseitige Geschäftsführung ergibt, gilt die folgende Entscheidung von 294. Gerichtet ist sie an einen Magistrat, der Vormünder für Mündel bestellt und von diesen wegen ihrer Tätigkeit belangt wird. Hat der Magistrat seinerseits eine Verpflichtung der Vormünder getilgt, führt sein Aufwendungsersatzanspruch automatisch zum Wegfall oder zur Reduktion des Anspruchs der Vormünder: CJ 4.31.11 (vor 16. Dez. 294 / Honoré 2578) Impp. Diocletianus, Maximianus AA. et CC. Claudio Iulio et Paulo. Si tutores pupillis officio magistratus urguente nominastis ac pro his propter onus primipili pecuniam solvistis, superstitiosam geritis sollicitudinem, ne ab ipsis conventi hanc eis imputare minime possitis vel a vobis quicquam amplius exigatur, si tantum, quantum eis tutores debuerunt, vel vos nomine ipsorum maiorem quantitatem dedisse probetur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Claudius Julius und Paulus. Habt ihr aufgrund eurer Amtspflicht als Magistrat Vormünder für Mündel bestellt und für sie wegen einer Primipilarlast einen Betrag gezahlt, fürchtet ihr unnötigerweise, dass ihr, wenn ihr von ihnen belangt werdet, ihr dies nicht anrechnen könnt oder von euch mehr eingetrieben wird, wenn erwiesen wird, dass ihr so viel, wie ihnen die Vormünder schuldeten, oder in ihrem Namen sogar einen größeren Betrag geleistet habt.

Einen weiteren Grenzfall bildet die Geschäftsbesorgung durch einen Miterben. Veräußert er eine zum Nachlass gehörende Sache, können die übrigen Erben ihn, wenn sie das Geschäft genehmigen, mit der actio negotiorum gestorum auf Auskehr des Kaufpreises belangen. Diokletians Kanzlei entscheidet dies Anfang 294 gleich zweimal. Das eine Reskript hat Eingang in den Codextitel über die negotiorum gestio gefunden:93 CJ 2.18.19 (13. Feb. 294 / Honoré 2196) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Alexandro. Ab uno herede pro solido re veluti communi venumdata de pretio coheres venditoris negotiorum gestorum ratam faciens venditionem agere potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Alexander. Wird eine Sache von einem Erben insgesamt als gemeinschaftlich verkauft, kann der Miterbe des Verkäufers, der den Verkauf genehmigt, wegen des Kaufpreises mit der Geschäftsführungsklage klagen.

Das andere ist in den Abschnitt über die actio familiae erciscundae aufgenommen worden: CJ 3.36.20 (zwischen 30. Jan. und 11 Feb. 294 / Honoré 2185) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Pactumeiae. In familiae erciscundae iudicio ab uno pro solido rei veluti communis venumdatae pretium non venit, sed 93  Gegen die Annahme, es handle sich um Auszüge aus demselben Reskript, zu Recht Finazzi, Bd. 2.1, S. 466.



V. Geschäftsbesorgung ohne Auftrag45 mandati, si praecessit, coheres venditoris agere potest, vel negotiorum gestorum, si ratam fecerit venditionem. nam si velut propriam unus distraxit ac pretium possideat, hereditas ab eo petenda est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Pactumeia. Der Preis für eine Sache, die von einem insgesamt als gemeinschaftlich verkauft worden ist, geht nicht in die Erbteilungsklage ein, sondern die Miterben können, wenn ein Auftrag vorangegangen ist, die Auftragsklage oder, wenn sie den Verkauf genehmigt haben, die Geschäftsführungsklage erheben. Hat er sie aber wie eine eigene verkauft und besitzt den Kaufpreis, ist die Erbschaftsklage gegen ihn anzustellen.

Die diokletianischen Juristen stellen sich damit wiederum in die Tradition einer Entscheidung aus der Zeit der Severer: CJ 2.18.3 (25. Jan. 199 / Honoré 62) Impp. Severus et Antoninus AA. Hadriano. Sive pro fratre coherede pecuniam solvisti, negotiorum gestorum actione experiri potes, sive pignoris liberandi gratia debitum universum solvere coactus es, actionem eandem habebis vel iudicio familiae herciscundae, si non est inter vos redditum, eam quantitatem adsequeris. Kaiser Severus und Antoninus an Hadrian. Hast du für deinen Bruder und Mit­ erben einen Geldbetrag gezahlt, kannst du die Geschäftsführungsklage erheben; bist du, um ein Pfand zu befreien, gezwungen worden, die gesamte Schuld zu erfüllen, steht dir dieselbe Klage zu, oder du kannst diesen Betrag mit der Erbteilungsklage erlangen, falls sie noch nicht unter euch gewährt worden ist.

Dass die Zahlung auf die Schuld eines Miterben nicht in die Erbteilung eingeht, gilt auch dann, wenn es sich um eine Verpflichtung des Erblassers handelt. Nach dem Grundsatz: ‚nomina ipso iure divisa‘, trifft sie nämlich zu dem Anteil, zu dem sie auf einen Miterben übergeht, ausschließlich diesen und nicht auch die übrigen Erben.94 Zu einer Angelegenheit der Gemeinschaft wird die Zahlung erst dann, wenn sie dazu dient, eine zum Nachlass gehörende Sache von einem Pfandrecht zu befreien.95 In diesem Fall hält die Kanzlei eine Abrechnung im Rahmen der Erbteilungsklage, aber auch einen Rückgriff mit der actio negotiorum gestorum für denkbar. Eine entsprechende Wahlmöglichkeit muss man grundsätzlich auch für die unter Diokletian entschiedenen Fälle unterstellen, in denen die Erhebung der actio familiae ercis­ cundae aber vielleicht deshalb in Betracht kommt, weil die Erbteilung schon erfolgt oder unerwünscht ist. Für den dann erforderlichen isolierten Ausgleich steht die Geschäftsführungsklage zur Verfügung; denn sie ist ebenso wie die actio mandati96 nicht auf den Fall festgelegt, dass jemand ein ausschließlich 94  Seiler, Der Tatbestand der negotiorum gestio im römischen Recht, Köln u. a. 1968, S.  301 f. 95  Vgl. Seiler (Fn. 94), S. 306. Einen Parallelfall bildet die Zahlung auf eine Erblasserschuld, die zur Abwendung einer Vertragsstrafe erfolgt; vgl. D 10.2.25.13 Paul 23 ed. 96  Zum Auftrag D 17.1.2pr Gai 2 rer cott = IJ 3.26pr.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

fremdes Geschäft besorgt, sondern gleichfalls bei einem „auch fremden“ Geschäft eröffnet, das im gemeinsamen Interesse von Geschäftsbesorger und Geschäftsherrn gleichermaßen steht.97 Schlösse die Vermengung beider Interessen die Geschäftsführungsklage aus, bedeutete dies einen ungerechtfertigten Vorteil für die auf Auskehr oder Aufwendungsersatz in Anspruch genommene Seite, die im Falle eines rein fremden Geschäfts stets leistungspflichtig, bei einem „auch fremden“ Geschäft dagegen nur dann haftbar wäre, wenn eine Teilungsklage zuständig ist.98 Anders als bei der Tätigkeit eines curator wird die Geschäftsführungsklage deshalb hier auch nicht im Wege der Analogie als actio utilis, sondern direkt angewandt.99

VI. Vorlegungspflicht (actio ad exhibendum) Den Vorlegungsanspruch erwähnen nur drei Reskripte der diokletianischen Kanzlei. An zwei Stellen wird er nur ohne nähere Erläuterung als Alternative zur rei vindicatio genannt.100 Lediglich in einer Konstitution widmet sich die Kanzlei ihm ausführlich, nutzt diese Gelegenheit aber zu einer bedeutenden Weiterentwicklung des bestehenden Regimes: CJ 3.42.7 (17. Mai 286 / Honoré 1495) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Vitaliano. Exhibitionis necessitatis tenetur, qui facultatem habens culpam vel dolum in explendo praecepto committit, ita ut, qui rem deteriorem exhibuit, aequitas exhibitionis proficiat, ut, quamvis ad exhibendum agi non potest, in factum tamen actio contra eum detur. Kaiser Diokletian und Maximian an Vitalianus. Wegen der Pflicht zur Vorlage haftet, wer die Möglichkeit hierzu hat und bei Erfüllung der Pflicht Fahrlässigkeit oder Vorsatz begeht, so dass die bei der Vorlage zu beachtende Billigkeit ergibt, dass gegen denjenigen, der die Sache in verschlechtertem Zustand vorlegt, obwohl nicht auf Vorlage geklagt werden kann, doch eine Tatsachenklage gewährt wird.

Die Entscheidung verwundert in zweierlei Hinsicht: zum einen weil Dio­ kletians Juristen im Fall einer Verschlechterung der vorzulegenden Sache nur eine actio in factum gewähren wollen, obwohl sich schon Sabinus dafür ausgesprochen hat, den Besitzer in diesem Fall mit der Vorlegungsklage im Ergebnis richtig Seiler (Fn. 94), S. 313. Ricerche in tema di negotiorum gestio, Bd. 2.1: Requisiti delle actiones negotiorum gestorum, Cassino 2003, S. 456 ff. entwickelt hier auf der Basis von D 3.5.5.6 Ulp 10 ed die Vorstellung eines teilbaren Geschäfts. 99  Anders Seiler (Fn. 94), S. 306, der sich auf den Bericht von Thalelaios stützt. Hiergegen zu Recht Finazzi (Fn. 98), S. 480, der geltend macht, dass sich die Klage nur aus Sicht der byzantinischen Juristen als ‚zweckdienlich‘ ausnehme. 100  CJ 3.42.8 (27. April 293 / Honoré 1833), s. u. S. 298 f.; CJ 3.42.9 (25. Aug. 294 /  Honoré 2360), s. u. S. 67. 97  So

98  Finazzi,



VI. Vorlegungspflicht47

selbst haften zu lassen101; zum anderen weil der Besitzer nicht nur für Vorsatz, sondern auch für Fahrlässigkeit einstehen soll, obwohl die Haftung eigentlich nur denjenigen trifft, der die Sache nicht vorlegt oder sich der Möglichkeit hierzu arglistig begeben hat. Letzteres ist nicht nur die Auffassung der klassischen Juristen,102 sondern wird auch in zwei Reskripten aus der Zeit Gordians bestätigt, von denen eines Bezug auf ein Gutachten von Modestin nimmt:103 CJ 3.42.5 (12. Feb. 239 / Honoré 1003) Impp. Gordianus A. Sabiniano militi. Ad exhibendum actione non tantum eum qui possidet, sed etiam eum teneri, qui dolo fecit, quominus exhiberet, merito tibi a non contemnendae auctoritatis iuris consulto Modestino responsum est. Kaiser Gordian an den Soldaten Sabinianus. Dir hat Modestin, ein Rechtsgelehrter von nicht zu verachtendem Ansehen, zu Recht das Gutachten erteilt, dass mit der Vorlegungsklage nicht nur der Besitzer haftet, sondern auch, wer arglistig bewirkt hat, dass er nicht vorlegen kann. In der Auflockerung dieses Prinzips liegt denn auch die entscheidende Rechtsfortbildung unter Diokletian: Auslöser für den Rekurs auf die actio in factum ist nicht die schon seit Sabinus diskutierte Frage, ob es zur Haftung hinreicht, dass die vorzulegende Sache lediglich verschlechtert worden ist. Die kaiserliche Kanzlei sieht sich zu diesem Schritt vielmehr deshalb genötigt, weil sie den Besitzer ausnahmsweise nicht bloß für seine Arglist, sondern auch für seine Fahrlässigkeit einstehen lassen will. Sie wirft ihm weder den Sachverlust vor, mit dem sich der Besitzer eigentlich seiner Passivlegitimation beraubt, noch stellt sie diesem die Beschädigung der vorzulegenden Sache gleich. Stattdessen sieht sie eine eigenständige Haftung dadurch begründet, dass der Besitzer in Kenntnis seiner Vorlegungspflicht nachlässig mit der Sache umgegangen und sie deshalb verschlechtert ist: Das fahrlässige Verhalten, das mit der actio in factum sanktioniert werden soll, ist ‚in explendo praecepto‘ vorgekommen, setzt also voraus, dass der Besitzer bereits zur Vorlage angesetzt hat oder zumindest von ihr weiß. Entscheidet er sich in diesem Stadium für einen unsorgfältigen Umgang mit der Sache, ist dies ein haftungswürdiges Verhalten, weil er sich, wenn er mit dem Vorlagerecht des anderen konfrontiert wird, hierauf einstellen muss.

Die kaiserliche Kanzlei führt dieses Ergebnis auf die ‚aequitas exhibitio­ nis‘ zurück und sucht damit zumindest begrifflich Anschluss an Ulpian, der hierauf schon in einem anderen Fall eine von Julian befürwortete actio in factum gegründet sah104. Ihr Schritt ähnelt dem, den fast zweihundert Jahre zuvor die hochklassischen Juristen unternahmen, um die Vorsatzhaftung eines Verwahrers zu erweitern: Dass dieser außer für seinen Vorsatz auch für die Vernachlässigung der eigenüblichen Sorgfalt einzustehen hat, folgerten 101  D 10.4.9.3

Ulp 24 ed. 2, 4 Ulp 24 ed (mit Zitaten von Julian und Marcell). 103  Das andere ist in CJ 9.32.4 (24. Feb. 242 / Honoré 1163) überliefert. 104  D 10.4.3.14 Ulp 24 ed. 102  D 10.4.9pr,

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

sie daraus, dass schon die Entscheidung für eine abweichende Behandlung von eigenen und hinterlegten Sachen eine gleichsam vorsätzliche Tat darstellt.105 So legten sie den Grundstein für eine Ausdehnung der Vorsatzhaftung auf den Fall grober Fahrlässigkeit.106 Diokletians Juristen gehen einen Schritt weiter und wollen dem Besitzer einer Sache bei der Erfüllung der Vorlagepflicht schon jegliche Fahrlässigkeit zum Nachteil gereichen lassen. Auch sie brechen so nicht völlig mit dem überkommenen Schema aus, das in einer Haftung für arglistige Besitzaufgabe besteht. Sie machen den Besitzer nicht etwa schlechthin für jede fahrlässige Beeinträchtigung der Sache verantwortlich, sondern knüpfen an die Kenntnis von der Vorlagepflicht an und dehnen die Haftung damit auf einen casus mixtus aus, in dem sich der Schuldner sowohl seinen Vorsatz auch als auch seine Nachlässigkeit vorhalten lassen muss. Den praktischen Anlass hierfür liefert sicherlich ein Fall, der auch den Hintergrund für die Ausdehnung der Verwahrerhaftung gebildet haben könnte: Ein Schuldner hat das Recht des Gläubigers zwar nicht ignoriert, aber doch frustriert, indem er die herauszugebende oder vorzulegende Sache ihrem Schicksal überlassen hat. Dass er sich unter diesen Umständen damit verteidigen können soll, ihn treffe nicht der Vorwurf der Arglist, erscheint der kaiserlichen Kanzlei nicht hinnehmbar und ein eklatanter Verstoß gegen die ‚aequitas exhibitionis‘, die sie zur Grundlage einer Rechtsfortbildung in Gestalt einer Tatsachenklage macht. Auf diese Weise liefert sie nicht nur ein neues Fundament für die Ansicht Sabinus’ zur Sachverschlechterung, die noch bei Ulpian auf Kritik stößt107; sie verschiebt auch den Funktionsschwerpunkt der Vorlegungsklage, der eigentlich in der Sanktion der mit der Nichtvorlage bewirkten Beweisvereitelung durch den Besitzer liegt, und folgt einer schon in der Klassik zu erkennenden Tendenz hin zu einer Rechtsfortwirkung: Das Vorlagerecht dient dazu, dem Anspruchsteller rasch zu einem Ersatzanspruch zu verhelfen, wenn die Vorlage gar nicht mehr möglich oder wegen Beschädigung der Sache untunlich ist.

VII. Bereicherung durch Eingriff (condictio furtiva und actio rerum amotarum) Beherrschendes Thema der Kaiserkonstitutionen zur condictio furtiva ist die mit der Tat eintretende perpetuatio obligationis, die zu einer Zufallshaftung des Schuldners führt108. Da er durch die selbst verübte Tat hinreichend 105  D 16.3.32 Cels 11 dig; hierzu Harke, Argumenta Iuventiana – argumenta Sal­ viana. Entscheidungsbegründungen bei Celsus und Julian, Berlin 2012, S. 47. 106  Hierzu Harke, Freigiebigkeit und Haftung, Würzburg 2006, S. 16 f. 107  D 10.4.9.3 Ulp 24 ed. 108  Vgl. etwa D 13.1.20 Tryph 15 disp.



VII. Bereicherung durch Eingriff49

über die Umstände informiert ist, die seine Pflicht zur Rückgewähr des Tatobjekts auslösen, bedarf es zur Begründung des Verzugs keiner besonderen Unterrichtung über die Leistungszeit, wie sie bei anderen Verpflichtungen durch eine vertragliche Bestimmung des Leistungstermins oder die Mahnung durch den Gläubiger erfolgt109. Indem die perpetuatio obligationis die bei der Eigentumsherausgabeklage unumgängliche Diskussion über Existenz und Besitz der Sache erübrigt, bedeutet sie den wesentlichen Vorteil, den die Kondiktion gegenüber der eigentlich für die Sachverfolgung zuständigen Vindikation hat. Erwähnt finden wir die Zufallshaftung schon in einem Re­ skript aus der Severerzeit: CJ 2.19.1 (22. Nov. 223 / Honoré 629) Imp. Alexander A. Felici. Persecutionem eorum, quae vi vel furto ablata sunt, etiam si postea interciderunt, integram esse iure responsum est. Kaiser Alexander an Felix. Es ist zu Recht beschieden, dass die Klagen wegen Sachen, die durch Gewalt oder Diebstahl entwendet worden sind, auch dann erhalten bleiben, wenn die Sachen später untergehen.

Unter Diokletian stellt die Kanzlei sie gleich zweimal knapp fest:110 CJ 4.8.2 (1. Mai 294 / Honoré 2334) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aristaeneto. Ante oblationem interemptae rei furtivae damnum ad furem pertinere certissimum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aristaenetus. Es steht völlig fest, dass vor einem Angebot die Gefahr des Untergangs einer gestohlenen Sache den Dieb trifft. CJ 6.2.9 (7. Feb. 293 / Honoré 1743) Impp. Diocletianus, Maximianus AA. et CC. Aedesio. Subtracto furto vel vi abrepto mancipio, quamvis hoc rebus humanis non oblatum fuerit exemptum, tam ad raptorem quam ad furem periculum redundabit et uterque eorum poena legitima coercebitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aedesius. Ist ein Sklave durch Diebstahl entwendet oder durch Gewalt entführt worden und vor dem Angebot seiner Rückgabe gestorben, trifft sowohl den Räuber als auch den Dieb die Gefahr, und beide werden mit der gesetzlichen Buße belegt.

Bemerkenswert ist eine dritte Entscheidung, in der die Kanzlei den Versuch einer dogmatischen Einordnung und Systematisierung unternimmt: CJ 4.7.7 (27. Nov. 294 / Honoré 2503) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Zenonidae. Eum, qui ob restituenda quae abegerat pecora pecuniam accepit, tam hanc quam quae per hoc commissum tenuit restituere debere convenit, licet mortua vel alio fortuito casu perisse dicantur, cum in hoc casu in rem mora fiat. 109  Harke, Mora debitoris und mora creditoris im klassischen römischen Recht, Berlin 2005, S. 61 ff. 110  Vgl. zu CJ 6.2.9 auch Harke (Fn. 54), S. 191 f. (Nr. 321).

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Zenonida. Wer für die Rückgewähr von entführtem Vieh einen Geldbetrag erhalten hat, muss anerkanntermaßen sowohl diesen als auch herausgeben, was er infolge dieses Delikts innehat, und zwar selbst dann, wenn es heißt, es sei durch Tod oder anderen Zufall verlorengegangen, da in diesem Fall der Verzug schon in der Sache selbst begründet ist.

Dass die Haftung mit der condictio furtiva von der Behauptung eines zufälligen Verlustes der herauszugebenden Sachen unberührt bleibt, führt Diokletians Kanzlei darauf zurück, dass in diesem Fall der Sache selbst schon Verzug anhaftet. Mit dieser Benennung der automatisch einsetzenden Zufallshaftung verweist die Kanzlei auf die schon in der Klassik etablierte Figur der mora ex re.111 So bezeichnen die Juristen den von selbst eintretenden Verzug bei Fideikommissen zugunsten von Minderjährigen, der ebenfalls weder Leistungszeitbestimmung noch Verschulden112 voraussetzt.113 Er geht auf eine Konstitution von Septimius Severus zurück.114 Diokletians Kanzlei dehnt den hierin zu findenden Rechtsgedanken aus und macht den automatisch einsetzenden Verzug zur durchgängigen Rechtsfolge einer Verpflichtung gegenüber einem Minderjährigen: CJ 2.40.3 (20. Sep. 290 / Honoré 1629) Diocletianus et Maximianus AA. Decimo Caplusio. In minorum persona re ipsa et ex solo tempore tardae pretii solutionis recepto iure moram fieri creditum est, in his videlicet, quae moram desiderant, id est in bonae fidei contractibus et fideicommissis et in legato. Kaiser Diokletian und Maximian an Decimus Caplusius. Bei Minderjährigen nimmt man an, dass kraft der Sache selbst und durch bloße Verzögerung bei der Leistung des Preises Verzug begründet ist, und zwar dort, wo Verzug maßgeblich ist, nämlich bei Verträgen auf gute Treue, Fideikommissen und Vermächtnissen.

Indem sie die schon im klassischen Recht entwickelte Idee eines sich aus der Sache selbst ergebenden Verzugs auf die condictio furtiva übertragen, gelingt es Diokletians Juristen, die Fälle, in denen Verzug ohne Leistungszeitbestimmung oder Mahnung begründet ist, begrifflich zusammenzufassen. Indem sie sich nicht für die herkömmliche Bezeichnung mora ex re entscheiden, sondern eine mora in rem konstatieren, betonen sie neben der Ähnlichkeit aber zugleich auch einen gewissen Unterschied der dazugehörenden Konstellationen: Während der automatische Verzugseintritt bei Verpflichtungen gegenüber Minderjährigen dem Schutzbedürfnis des Gläubigers Rechnung trägt, ist es bei der condictio furtiva der Schuldner, der durch sein haftungsbegründendes Verhalten die Erfüllung der regulären Verzugsvoraussetzungen entbehrlich macht. Es ist nicht die Art der Verpflichtung, sondern Harke (Fn. 109), S. 48 ff. Pomp 22 Sab; hierzu Harke (Fn. 109), S. 56 ff. 113  D 34.4.3.2 Ulp 24 Sab. 114  D 40.5.26.1 Ulp 5 fid. 111  Vgl.

112  D 12.1.5



VII. Bereicherung durch Eingriff51

sein eigener schuldhafter Beitrag in rem, der ihn in Verzug bringt und im Fall eines Sachverlustes unbedingt haftbar macht.115 Dass die condictio furtiva Teil eines breiteren Konzepts der Eingriffskondiktion ist, deren Tatbestand die Vorenthaltung aus unrechtem Grund ist (‚ex iniusta causa retineri‘),116 erhellt eine weitere Konstitution aus Diokletians Zeit zum Fall der Fruchtziehung durch einen malae fidei possessor:117 CJ 4.9.3 (8. Feb. 294 / Honoré 2174) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Galatiae. Mala fide possidens de proprietate victus extantibus fructibus vindicatione, consumptis vero condictione conventus horum restitutioni parere compellitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Galatia. Ist ein unredlicher Besitzer im Streit um das Eigentum unterlegen, wird er wegen der noch vorhandenen Früchte mit der Vindikation, wegen der verbrauchten mit der Kondiktion zur Erstattung gezwungen.

Im Fall einer beweglichen Sache ist der bösgläubige Besitzer geradezu zwangsläufig auch ein Dieb. Gegen ihn ist die condictio furtiva zuständig und sorgt für eine Haftung wegen der Früchte, die verbraucht worden sind und daher nicht mehr der rei vindicatio unterliegen. Anders verhält es sich bei Grundstücken, bei denen der Streit um die Früchte zwischen Eigentümer und Besitzer in erster Linie entbrennt und auf die wahrscheinlich auch Diokletians Reskript zu beziehen ist. Hier ist nicht die condictio furtiva einschlägig, weil das Grundstück kein taugliches Tatobjekt eines furtum ist118. Nichtsdestoweniger ist gegen ihn die Kondiktion zuständig,119 die den weitergehenden Tatbestand des unrechtmäßigen Eingriffs in eine fremde Sache hat120. Ein vergleichbarer Fall ist die actio rerum amotarum, die für die klassischen Juristen trotz ihrer speziellen Verheißung im prätorischen Edikt eine Erscheinungsform der condictio121 und ebenfalls durch eine Klage ergänzt ist, die auf das ‚ex iniusta causa habere‘ einer Sache zurückgeführt wird122. Zu dieser Klage nimmt die diokletianische Kanzlei einen eigenen Standpunkt 115  Dementsprechend taugt die condictio furtiva auch nicht als Beispiel für einen Fall, in dem keine mora ex persona vorliegt, die Marcian der mora ex re entgegensetzt; vgl. Harke (Fn. 109), S. 55. 116  D 24.1.6 Gai 11 prov, D 12.5.6 Ulp 18 Sab; hierzu Harke, Das klassische römische Kondiktionensystem, IVRA 54 (2003) 49, 68 ff. 117  Taubenschlag, S. 67 f. sieht hierin eine Ausnahme vom Erfordernis einer datio, der aber auch die condictio furtiva nicht unterliegt. 118  Gai 2.51. 119  D 13.7.22.2 Ulp 30 ed, D 10.1.4.2 Paul 23 ed. 120  D 12.1.4.1 Ulp 34 Sab, D 13.3.2 Ulp 18 Sab. 121  D 25.2.26 Gai 4 ed prov. 122  D 25.2.6.5 Paul 7 Sab (mit Zitat von Aristo), D 25.2.25 Marcian 3 reg.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

ein. In der Frage, warum Ehegatten untereinander kein furtum begehen können und eine Sachentwendung daher mit dieser Klage sanktioniert werden muss, entscheidet sie sich für eine der beiden in der Klassik vertretenen Ansichten:123 CJ 6.2.17 (13. Dez. 294 / Honoré 2564) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Cononi. Quamvis etiam hereditatis expilatae crimine promiscuus usus exemplo actionis furti ream uxorem fieri non patiatur, tamen heredes idemque filii super his, quae de patris bonis possidet, adversus eam in rem actione experiri non prohibentur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Conon. Gestattet der gemeinschaftliche Sachgebrauch auch nicht, die Ehefrau wegen des Verbrechens der Plünderung der Erbschaft nach dem Muster der Diebstahlsklage zu verklagen, sind die Erben doch nicht gehindert, gegen sie wegen der Sachen, die sie aus dem Vermögen ihres Vaters besitzt, eine dingliche Klage zu erheben.

Während Paulus noch der Ansicht von Sabinus, Proculus und Julian folgt, wonach die Sachentwendung unter Ehegatten sehr wohl ein furtum darstelle, das aber vom Anwendungsbereich der actio furti ausgenommen sei, schließen sich Diokletians Juristen der Auffassung von Nerva und Cassius an. Diese nahmen an, eine Ehefrau könne deshalb kein furtum zulasten ihres Mannes begehen, weil sie durch die Lebensgemeinschaft gleichsam zum Miteigentümer (‚quodammodo domina‘) der ihm gehörenden Sachen werde.124 An die Stelle dieser missverständlichen Wendung setzt Diokletians Kanzlei, um demselben Gedanken Ausdruck zu verleihen, treffend den Begriff des ‚usus promiscuus‘:125 Die Ehefrau kann deshalb kein furtum begehen, weil sie über die Sachen des Ehemannes in gleicher Weise verfügt wie dieser selbst. Die mit der ehelichen Lebensgemeinschaft einhergehende faktische Vergemeinschaftung des Vermögens126 lässt grundsätzlich nicht zu, dass man den Zugriff auf eine Sache des Gatten zum furtum erklärt. Dies gilt sogar über dessen Tod hinaus, solange die materielle Gemeinschaft noch nicht aufgelöst ist. Ist so erklärt, warum statt der Diebstahlssanktion die actio rerum amota­ rum zum Zuge kommt, ist diese trotz ihrer sachverfolgenden Funktion und Ähnlichkeit zur condictio nichtsdestoweniger mit einem gewissen Unwerturteil verbunden:

123  Zur Wiedergabe dieser Konstitution in den iuris epitomae Hermogenians in D 47.19.5 Liebs (Fn. 24), S. 97. 124  D 25.2.1 Paul 7 Sab. 125  Er findet sich in anderem Zusammenhang schon bei Paulus D 7.8.9 Paul 3 Sab. 126  Dass hierauf auch die Rede von der Frau als ‚quodammodo domina‘ zielt, nimmt zu Recht Wacke, Actio rerum amotarum, Köln u. a. 1963, S. 95 ff. an.



VII. Bereicherung durch Eingriff53 CJ 5.21.2 (27. Sept. 293 / Honoré 1967) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Sereno. Divortii gratia rebus uxoris amotis a marito vel ab uxore mariti rerum amotarum edicto perpetuo permittitur actio. constante etenim matrimonio neutri eorum neque poenalis neque famosa actio competit, sed de damno in factum datur actio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Serenus. Das immerwährende Edikt sieht die Klage wegen entwendeter Sachen nur dann vor, wenn aus Anlass der Scheidung Sachen der Ehefrau von dem Ehemann oder dessen Sachen von der Ehefrau entwendet worden sind. Während der Ehe steht nämlich keinem von beiden eine Strafklage oder eine Klage mit infamierender Wirkung zu, sondern es wird wegen des Schadens eine Tatsachenklage gewährt.

Dieses Reskript ist zunächst einmal deshalb bemerkenswert, weil die wechselseitige Zuständigkeit der Klage, für die sich schon die Klassiker ausgesprochen haben,127 auf das edictum perpetuum zurückgeführt wird, obwohl hier eigentlich nur eine Klage des Mannes gegen die Frau vorgesehen ist.128 Diokletians Juristen erscheint der gegenläufige Anspruch aber doch derart selbstverständlich, dass sie dafür ohne Weiteres auf das Edikt verweisen.129 Darüber hinaus legen sie dar, warum man die Klage nicht auch dann gewähren kann, wenn es zu einer Sachentwendung nicht aus Anlass der Scheidung, sondern vorher gekommen ist: Durch den Bezug auf die sich anbahnende Auflösung der Ehe erhält die Tat, obwohl sie kein furtum darstellt, ein besonderes Gepräge, das sie den Delikten ähnlich macht, die wie das furtum130 mit einer Strafklage und der Infamie des Täters sanktioniert werden.131 Die Ehegatten vor dieser Schande zu bewahren ist schon nach Ansicht der klassischen Juristen der Zweck, dem die Ausnahme der Ehegatten von der Diebstahlssanktion dient;132 und sie berufen sich auf dieses Ziel auch, wenn es darum geht, die Strafklage in Konstellationen auszuschließen, die dem Tatbestand der actio rerum amotarum ähnlich sind133. Diokletians Juristen gehen einen Schritt weiter:134 Wegen der Anknüpfung an die Scheidung erscheint ihnen auch schon die actio rerum amotarum ungeachtet ihrer rein sachverfolgenden Funktion mit einer sittlichen Missbilligung der Tat verbunden, wie 127  D 25.2.11pr Ulp 33 ed (mit Zitat von Marcell), D 25.2.7 Ulp 36 Sab, D 25.2.6.2 Paul 7 Sab. 128  Lenel, Edictum perpetuum, S. 308, der aus diesem Grund freilich einen unberechtigten Interpolationsverdacht hegt. 129  Wacke (Fn. 126), S. 76. 130  Gai 4.182. 131  Dass dieser Passus interpoliert ist, nimmt zu Unrecht Wacke (Fn. 126), S. 78 ff. an. 132  D 25.2.2 Gai ed praet tit re iud. 133  D 25.2.3.2 Paul 7 Sab. 134  Dagegen bescheinigt Atzeri, L’infamia nei rescritti di Diocleziano, in: Brandes u. a. (Hg.), Fontes Minores XII, Frankfurt a. M. 2014, S. 4, 39 f., 67 f. der diokletianischen Kanzlei hier wie sonst auch eine bloße Übernahme hergebrachter Prinzipien.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

sie auch die Verurteilung aus einer condictio furtiva begleitet. Daher muss eine Sachentwendung, die ohne Bezug zur Scheidung erfolgt, aus ihrer Sicht nicht nur von der Diebstahlssanktion ausgenommen sein, sondern darf auch keine actio rerum amotarum nach sich ziehen; und die Kanzlei kann sich auch nicht zur Anwendung der noch von Marcian befürworteten Eingriffskondiktion135 durchringen. Vielmehr will sie, sofern eine Sachverfolgung überhaupt in Betracht kommt, eine unbenannte actio in factum gewähren. Diese eröffnet dem Richter zum einen weitgehenden Beurteilungsspielraum in der Frage, ob die Tat wegen vorzeitiger Auflösung des ‚usus promiscuus‘ ausnahmsweise einer Entwendung aus Anlass der Scheidung gleichkommt; zum anderen erspart sie, wenn es denn hierzu kommt, dem belangten Ehegatten wegen ihrer neutralen Fassung das Unwerturteil, das mit der actio rerum amotarum verbunden ist. Rückt die actio rerum amotarum für Diokletians Juristen in die Nähe der eigentlichen Deliktsklagen, erklärt dies auch, warum sie sie gegen den Erben des Täters nur mit einer Einschränkung gewähren: CJ 5.21.3 (4. Dez. 293 / Honoré 2040) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Quartioni. De rebus, quas divortii causa quondam uxorem tuam abstulisse proponis, rerum amotarum actione contra successores eius non in solidum, sed quantum ad eos pervenit, quod si res extent, dominii vindicatione uti non prohiberis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Quartio. Du bist nicht gehindert, wegen derjenigen Sachen, die, wie du vorträgst, deine Frau aus Anlass der Scheidung entwendet hat, dich der Klage wegen entwendeter Sachen gegen ihre Erben, freilich nicht in voller Höhe, sondern nur, soweit sie bereichert sind, und, wenn die Sachen noch vorhanden sind, dich der Eigentumsherausgabeklage zu bedienen.

Während Paulus die actio rerum amotarum noch ohne Weiteres gegen die Erben gewähren will,136 begrenzt Diokletians Kanzlei deren Einstandspflicht auf die noch vorhandene Bereicherung und verweist den Geschädigten im Übrigen auf die Eigentumsherausgabeklage, mit der er sich auch gegen Dritte wenden kann, die im Besitz der entwendeten Sachen sind. Die Begrenzung der Haftung bedeutet eine Einschränkung der passiven Vererblichkeit, wie sie für Deliktsklagen mit Strafzweck typisch ist.137 Die Kanzlei reagiert so auf die mit der Klage verbundene sittliche Missbilligung.138 Da die Tat den Erben des Täters nicht angelastet werden kann, unterliegen sie auch keiner Verpflichtung für nicht mehr vorhandene Sachen, die sie als Zufallshaftung 135  D 25.2.25

Marcian 3 reg. Paul 7 Sab. 137  CH Visi 2.1 (25. Sep. 293 / Honoré 1966). 138  Dass sie sie als gemischte Strafklage aufgefasst hat, glaubt Wacke (Fn. 126), S. 143. 136  D 25.2.6.4



VIII. Leistungskondiktion55

aufgrund fremden Verschuldens träfe. Eine gewisse Rücksicht hat aus diesem Grund schon die klassische Jurisprudenz genommen, die den Erben zwar nicht die Haftung, wohl aber einen Zwangseid ersparte: Während der Täter selbst auf Antrag des Geschädigten schwören muss, die Tat nicht begangen zu haben,139 braucht sein Erbe einen solchen Eid nicht zu leisten, weil er sich mit ihm über die Tat eines Dritten erklären müsste.140 Indem sie aus diesem Fremdbezug auf eine Beschränkung der Erbenhaftung schließen, bleiben Diokletians Juristen ihrer Vorstellung von der actio rerum amotarum als einer Klage treu, die zwar keine Strafklage, aber doch mit einem empfindlichen Unwerturteil verbunden und daher kein gewöhnlicher sachverfolgender Anspruch ist.

VIII. Leistungskondiktion 1. Causa non secuta Eine eigenständige Gruppe unter den Entscheidungen zur Bereicherung durch Leistung bilden die Reskripte zur Zweckverfehlung. Deren Behandlung in der Klassik zeichnet die Dualität zweier Grundansätze und eine zuweilen verwirrende Terminologie aus:141 Während die meisten Juristen von einem Generaltatbestand der Leistungskondiktion in Gestalt der datio sine causa ausgehen,142 der auch den Fall abdeckt, in dem sich der Mangel des Rechtsgrunds erst künftig erweist, stoßen wir bei Pomponius und Paulus auf eine Unterscheidung zwischen einer Leistung ob causam und einer Leistung ob rem, wobei causa den vergangenen Rechtsgrund, res den noch zu erfüllenden Zweck, insbesondere in Gestalt einer Gegenleistung, bezeichnet143. Diese Unterscheidung wird aber zumindest von Paulus nicht durchgehalten, indem dieser auch einen sich künftig noch ergebenden Rechtsgrund zuweilen als causa bezeichnet und die Kondiktion gewährt, weil sie nicht eingetreten ist.144 Der so geprägten Formel: causa non se­ cuta, können sich natürlich auch die Vertreter der Gegenansicht bedienen, die zur Voraussetzung der Kondiktion die datio sine causa machen.145 139  D 25.2.11.1

Ulp 33 ed. Ulp 33 ed; hierzu Harke, Der Eid im klassischen römischen Privatund Zivilprozessrecht, Berlin 2013, S. 139. 141  Ausführlich Harke, IVRA 54 (2003) 49, 52 ff. 142  D 12.4.10 Iav 1 Plaut, D 19.1.30pr Afr 8 quaest., D 12.7.2 Ulp 32 ed. 143  D 12.6.52 Pomp 27 QM, D 12.5.1pr Paul 10 Sab. 144  D 12.6.65.3 Paul 17 Plaut. 145  Besonders deutlich in dieser Hinsicht D 12.7.4 Afr 8 quaest und D. 23.3.50pr Afr 8 quaest und D 12.7.1.2 Ulp 43 Sab. Vgl. auch D 12.4.1pr Ulp 26 ed, D 12.4.6 Ulp 3 disp. 140  D 25.2.11.2

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

Die diokletianische Kanzlei knüpft an diesen Überschneidungspunkt der unter den klassischen Juristen vertretenen Konzepte an und verwendet den Begriff der ‚causa non secuta‘ als Bezeichnung für den Tatbestand der Kondiktion einer Leistung, deren Berechtigung sich noch künftig erweisen soll. Die Formel erscheint in auffallender Stringenz in einer ganzen Reihe von Reskripten. Dem schon von den Klassikern erörterten Fall einer Leistung zur Provokation einer Sklavenfreilassung gelten gleich zwei Entscheidungen, deren eine sich dadurch auszeichnet, dass die Kanzlei, geleitet vom favor li­ bertatis, auch die Zahlung eines Sklaven an seinen Eigentümer, obwohl sie keine Leistung und damit auch nicht kondiktionsbegründend ist, sanktionieren will: CJ 4.6.6 (14. Mai 293 / Honoré 1886)146 Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Curioni et Plotioni. Cum ancillam patrem vestrum ei, contra quem supplicastis, dedisse proponatis, interest multum, utrumne donandi animo dedit, an ob manumittendam filiam, quam ancillam exis­ timabat, cum perfecta quidem donatio revocari non possit, causa vero dandi non secuta repetitio competat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Curio und Plotio. Da ihr vortragt, euer Vater habe eine Sklavin demjenigen übereignet, gegen den ihr eure Eingabe richtet, kommt es vor allem darauf an, ob er es schenkungshalber getan hat oder damit er seine Tochter freilässt, die er für eine Sklavin gehalten hat, weil eine vollzogene Schenkung zwar nicht widerrufen werden kann, aber die Kondiktion zusteht, falls der Zweck für eine Leistung nicht eingetreten ist. CJ 4.6.9 (11. Feb. 294 / Honoré 2190) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Bibulo. Si liber constitutus, ut filiae tuae manumittantur, aliquid dedisti, causa non secuta de hoc tibi restituendo condictio competit. nam si quid servus de peculio domino dederit, contra eum nullam actionem habere potest: sed dominum, qui semel accipere pecuniam pro libertate passus est, aditus rector provinciae hortabitur salva reverentia (favore scilicet libertatis) placito suo stare. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Bibulus. Hast du, nachdem du für frei erklärt worden bist, etwas gegeben, damit deine Töchter freigelassen werden, steht dir, wenn dieser Zweck nicht erreicht wird, die Kondiktion auf Rückgewähr des Geleisteten zu. Denn wenn ein Sklave etwas aus seinem Sondergut seinem Eigentümer gibt, kann er gegen ihn zwar keine Klage haben; aber der Eigentümer, der sich einmal einen Geldbetrag für die Freiheit hat geben lassen, soll vom Provinzstatthalter unter Achtung seines Ansehens (zur Begünstigung der Freiheit) ermahnt werden, die Vereinbarung einzuhalten.

Eine Dienstleistung, die aus dem Rahmen der Verdingung herausfällt, betrifft das folgende Reskript, mit der die Rückforderung eines Honorars für später nicht erbrachte Anwaltsdienste zugelassen wird: 146  Zur Figur der Schenkung unter Auflage als dritter Möglichkeit zwischen reiner donatio und datio ob rem s. u. S.  278 ff.



VIII. Leistungskondiktion57 CJ 4.6.11 (16. Dez. 294 / Honoré 2579) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Stratonicae. Advocationis causa datam pecuniam, si per eos qui acceperant, quominus susceptam fidem impleant, stetisse probetur, restituendam esse convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Stratonica. Es ist anerkannt, dass ein Geldbetrag zurückzuerstatten ist, der für rechtlichen Beistand gezahlt worden ist, wenn nachgewiesen ist, dass es an den Empfängern lag, dass die Vereinbarung nicht eingehalten wurde.

Der Vorbehalt, dass das Ausbleiben der Gegenleistung am Leistungsempfänger gelegen haben muss, dient der Rücksicht auf den Fall, in der die Gegenleistung nicht an seinem Verhalten, sondern zufällig scheitert. Unter diesen Umständen darf der Empfänger die Leistung behalten: CJ 4.6.10 (3. Dez. 294 / Honoré 2519) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Cononianae. Pecuniam a te datam, licet causa, pro qua data est, non culpa accipientis, sed fortuito casu secuta non est, minime repeti posse certum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Cononiana. Es steht fest, dass ein von dir gezahlter Geldbetrag auch keineswegs zurückgefordert werden kann, wenn der Zweck, zu dem er gezahlt worden ist, nicht aus Verschulden des Empfängers, sondern zufällig nicht erreicht worden ist.

Zwar entspricht dies im Grundsatz dem klassischen Recht. Anders als Ulpian sehen Diokletians Juristen aber offenbar davon ab, die Kondiktion auch gegen den schuldlosen Leistungsempfänger aus dem Grund zuzulassen, dass der Leistende seine Entscheidung bereut.147 Diesem Widerrufsrecht liegt eine Konstitution Marc Aurels zugrunde, wonach ein zur Freilassung übereigneter Sklave die Freiheit automatisch erlangt, dem Leistenden aber zur Vermeidung dieser Rechtsfolge ein Reurecht zusteht.148 Die Ausdehnung dieser Befugnis auf andere Fälle einer Leistung ob causam ist durchaus fragwürdig. Denn das Reurecht des Leistenden bildet ein spezifisches Gegengewicht zu dem Automatismus, mit dem die Freiheit des übereigneten Sklaven eintritt. Seine Erstreckung auf andere Konstellationen kann nur von dem Gedanken getragen sein, dass dem Leistenden mit dem Recht zur Kondiktion ohnehin die Befugnis zur Rückabwicklung des Geschäfts zusteht. Dies gilt aber wiederum nur, wenn feststeht, dass die Gegenleistung infolge eines vom Empfänger zu vertretenden Umstands ausgefallen ist. Andernfalls ist die Kondiktion ausgeschlossen; und eine Rückforderung lässt sich nur in Analogie zum Fall der Übereignung eines freizulassenden Sklaven rechtfertigen, für die es aber keine Grundlage in der ratio der Lösung dieses Falles gibt. Es nimmt 147  Vgl.

D 12.4.5pr Ulp 2 ed. D 12.4.5.1 Ulp 2 ed; hierzu Ernst, Die datio ob rem als Austauschgeschäft, in: Ernst / Jakab (Hg.), Usus Antiquus Juris Romani, Berlin / Heidelberg 2005, S.  29, 45 ff. 148  Vgl.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

daher nicht wunder, dass Diokletians Kanzlei es bei der hergebrachten Lösung belässt und die Kondiktion bei zufälliger Unmöglichkeit der Gegenleistung versagt. So erreicht sie einen Gleichlauf zu den Fällen einer Schenkung unter Auflage, die ebenfalls keiner Rückforderung unterliegt, wenn sich die Auflage nicht vollziehen lässt.149 Keinen Fall zufälliger Unmöglichkeit nimmt die kaiserliche Kanzlei an, wenn die vom Leistungsempfänger erwartete Gegenleistung verboten ist. Hier greift folglich die Kondiktion wegen Ausfalls der causa Platz. Dies gilt nicht nur, wenn die Leistung gesetzlich untersagt ist: CJ 4.6.5 (22. Sep. 290 / Honoré 1632) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Martiali. Si militem ad negotium tuum procuratorem fecisti, cum hoc legibus interdictum sit, ac propter hoc pecuniam ei numerasti, quidquid ob causam datum est, causa non secuta restitui tibi competens iudex curae habebit. Kaiser Diokletian und Maximian an Martialis. Hast du einen Soldaten zum Vertreter für deine Geschäfte bestellt, obwohl dies gesetzlich verboten ist, und hast du ihm deshalb einen Geldbetrag gezahlt, sorgt der zuständige Richter dafür, dass dir zurückgewährt wird, was du zu einem Zweck gezahlt hast, der nicht eingetreten ist.

Es betrifft auch die Konstellation, in der die Annahme der Leistung ihrem Empfänger den Vorwurf eines Sittenverstoßes zulasten des Leistenden einträgt. Einen konkreten Fall benennt ein Reskript von 290, durch das die Kondiktion gegen einen Beamten zugelassen wird, der sich eine Leistung dafür hat gewähren lassen, dass er den Leistenden nicht zum Militärdienst heranzieht: CJ 4.7.3 (30. Juli 290 / Honoré 1611) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Dizoni militi. Quod evitandi tirocinii causa dedisse te apud competentem iudicem ei de quo quereris indubia probationis luce constiterit, instantia eius recipies: qui memor censurae publicae post restitutionem pecuniae etiam concussionis crimen inultum esse non patietur. Kaiser Diokletian und Maximian an den Soldaten Dizon. Erhellt vor dem zuständigen Richter durch zweifellosen Beweis, dass du dem Beklagten etwas zur Vermeidung des Rekrutendienstes geleistet hast, erhältst du es mit seiner Hilfe wieder zurück; nach Rückerstattung des Geldbetrags wird er auch aus Rücksicht auf die öffentliche Strafverfolgung das Verbrechen der Erpressung durch eine Amtsperson nicht ungestraft lassen.

Zum Gegenstand einer Regel gemacht finden wir die Kondiktion gegen sittenwidrig handelnden Leistungsempfänger in einer Entscheidung von 293. In ihr betont die Kanzlei, dass die Kondiktion selbst dann stattfindet, wenn sich der Leistungsempfänger an die Abrede hält und die verbotene Gegenleistung erbringt: 149  s. u.

S.  283 ff.



VIII. Leistungskondiktion59 CJ 4.7.4 (7. Jan. 293 / Honoré 1734) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Rufino. Quotiens accipientis, non etiam dantis turpis invenitur causa, licet haec secuta fuerit, datum condici tantum, non etiam usurae peti possunt. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Rufinus. Immer wenn bei dem Empfänger, nicht auch beim Leistenden ein sittenwidriger Zweck vorliegt, kann, obwohl der Erfolg eingetreten ist, die Leistung gefordert, nicht auch eine Verzinsung verlangt werden.

Als Obersatz einer Subsumtion erscheint die Regel in einer Entscheidung aus dem Folgejahr: CJ 4.7.6 (18. Mai 294 / Honoré 2339) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eutychiae. Ob restituenda quae subtraxerat accipientem pecuniam, cum eius tantum interveniat turpitudo, condictione conventum hanc restituere debere convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Eutychia. Wer für die Rückgewähr entwendeter Sachen einen Geldbetrag erhalten hat, muss diesen anerkanntermaßen zurückgewähren, wenn er mit der Kondiktion belangt wird, weil nur auf seiner Seite ein Sittenverstoß vorliegt.

Den Gegenschluss, dass im Fall eines beiderseitigen Sittenverstoßes eine Rückforderung ausscheidet, hat die Kanzlei wenige Tage vor diesem Re­skript in einer Entscheidung zu einem Fall der Zuhälterei gezogen. Hier wendet sie sich nicht nur gegen die Kondiktion einer bereits erbrachten Leistung, sondern verweigert auch die Klage auf Leistung aus einem Stipulationsversprechen: CJ 4.7.5 (10. Mai 294 / Honoré 2338) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Bitho. Promercalem te habuisse uxorem proponis: unde intellegis et confessionem lenocinii preces tuas continere et cautae quantitatis ob turpem causam exactioni locum non esse. quamvis enim utriusque turpitudo versatur ac soluta quantitate cessat repetitio, tamen ex huiusmodi stipulatione contra bonos mores interposita denegandas esse actiones iuris auctoritate demonstratur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Bithus. Du trägst vor, deine Frau käuflich angeboten zu haben; daher verstehst du, dass deine Eingabe das Geständnis der Zuhälterei enthält und dass keine Forderung einer zu einem sittenwidrigen Zweck versprochenen Summe stattfindet. Obwohl nämlich auf beiden Seiten Sittenwidrigkeit vorliegt und bei Zahlung einer Summe die Rückforderung versagte, gibt doch die Achtung vor dem Recht vor, bei einem gegen die guten Sitten vorgenommenen Versprechen die Erteilung von Klagen zu verweigern.

Verweigert die Kanzlei die Klage aus Respekt vor der auctoritas iuris, bedeutet dies, dass sie Rechtsschutz verwehrt, wenn sich der jeweilige Kläger mit der anspruchsbegründenden Vereinbarung jenseits der Rechtsordnung gestellt hat. In der Severerzeit finden wir diesen Gedanken in die dem Sa-

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

chenrecht entlehnte Formulierung eingekleidet, bei beiderseitigem Sittenverstoß sei die Position des Besitzers stärker:150 CJ 4.7.2 (17. Nov. 215 / Honoré 422) Imp. Antoninus A. Longino. Cum te propter turpem causam contra disciplinam temporum meorum domum adversariae dedisse profitearis, frustra eam restitui tibi desideras, cum in pari causa possessoris melior condicio habeatur. Kaiser Antoninus an Longinus. Da du einräumst, dass du deiner Gegnerin ein Hausgrundstück zu schändlichem Zweck gegen die Sitte unserer Zeit überlassen hast, begehrst du vergeblich seine Rückerstattung, da bei gleichen Verhältnissen der Besitzer in der besseren Lage ist.

Etwa zeitgleich bedient sich auch Ulpian dieser Erwägung, um einen Kondiktionsanspruch zu versagen.151 Im Anschluss an Julian152 verwendet er sie aber auch in sachenrechtlichem Kontext, wenn es um die Konkurrenz zweier Prätendenten im Streit um den Zugriff auf eine Sache geht;153 und Papinian stellt die Überlegung in erbrechtlichem Zusammenhang an.154 Wie die Disparität dieser Fälle zeigt, ist der zu einer Rechtsregel verfestigte Satz vom Vorrang des Besitzers155 vergleichsweise unspezifisch. Dagegen verhilft Diokletians Verweis auf die auctoritas iuris dem Konzept der Rechtsschutz­ verweigerung klarer zum Ausdruck: Die Gewährung einer Klage, sei es auf erstmalige Leistung, sei es auf deren Rückgewähr, bedeutete eine teilweise Durchführung oder Anerkennung der sittenwidrigen Vereinbarung und beeinträchtigte damit die Geltungskraft der Rechtsordnung, die nicht zum Schutz sittenwidrig handelnder Personen eingesetzt werden kann. 2. Indebitum solutum Die später condictio indebiti genannte Rückforderung einer Leistung auf eine von vornherein bestehende Nichtschuld ist in der Judikatur Diokletians mit Entscheidungen zu Dreiecksverhältnissen vertreten, in denen sich die am Kondiktionsverhältnis beteiligten Personen zumindest aus der Sicht eines juristischen Laien nicht ohne Weiteres bestimmen lassen. Der Leistung an einen Dritten gilt ein Reskript von 294, in dem sich Diokletians Juristen für die Rückforderung einer an einen falsus procurator erbrachten Leistung durch den Schuldner aussprechen: 150  Hierzu Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, München 1974, S. 88 ff. 151  D 3.6.5.1 Ulp 10 ed. 152  D 43.33.1.1 Iul 49 dig. 153  D 20.1.20 Ulp 73 ed, D 6.9.2.4 Ulp 16 ed. 154  D 29.1.36.3 Pap 3 resp. 155  Er findet sich auch in D 50.17.26.2 Ulp 15 ed, D 50.17.154 Ulp 70 ed.



VIII. Leistungskondiktion61 CJ 4.5.8 (18. Okt. 294 / Honoré 2418): Imp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Ziparo. Creditoris falso procuratori solventi adversus eum indebiti repetitio, non obligationis liberatio competit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Ziparus. Demjenigen, der an einen falschen Vertreter seines Gläubigers geleistet hat, steht gegen diesen die Rückforderung der nicht geschuldeten Leistung, nicht aber die Befreiung von der Verpflichtung zu.

Die Entscheidung könnte ursprünglich in Verbindung mit einer Aussage zur Drittleistung gestanden haben, die die kaiserliche Kanzlei nur drei Tage später gegenüber einem Petenten gleichen Namens gemacht hat: CJ 8.41.6 (21. Okt. 294 / Honoré 2419) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Ziparo. Nec creditoris creditori quisquam invitus delegari potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Ziparus. Niemand kann gegen seinen Willen zur Leistung an den Gläubiger seines Gläubigers angewiesen werden.

Auf die Kondiktion einer Drittleistung bezieht sich jedenfalls die folgende Entscheidung aus dem vorangehenden Jahr: CJ 4.5.6 (8. Aug. 293 / Honoré 1928) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Mnaseae. Si per ignorantiam facti non debitam solutam quantitatem pro alio solvisti et hoc addito rectore provinciae fuerit probatum, hanc ei cuius nomine soluta est restitui eo agente providebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Mnaseas. Hast du in Unkenntnis der Sachlage eine nicht geschuldete Summe für einen anderen gezahlt und ist dies vor dem Provinzstatthalter bewiesen worden, soll er dafür sorgen, dass sie demjenigen, in dessen Namen sie gezahlt worden ist, zurückerstattet wird, wenn er klagt.

Anders als bei dem Versuch einer Erfüllung an einen falsus procurator kommt es hier nicht zu einem Gleichlauf von Leistungs- und Kondiktionsverhältnis. Der vermeintliche Gläubiger muss die Leistung nicht an den Dritten zurückgewähren, von dem er sie erhalten hat.156 Stattdessen ist er dem angeblichen Schuldner verpflichtet, für den der Dritte geleistet hat. Diesen geht der Mangel des Schuldverhältnisses nichts an, weshalb er durch die Leistung sein eigenes Ziel, insbesondere die Befreiung von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner, erreicht.157 156  Vgl. D 12.6.47 Cels 6 dig, D 12.6.57pr Pap 3 resp; vgl. Apathy, Procurator und solutio, SZ 96 (1979) 67, 80 f., Emunds, Solvendo quisque pro alio liberat eum. Studien zur befreienden Drittleistung im klassischen römischen Recht, Berlin 2007, S. 171 f. Fn. 26. 157  Zu zurückhaltend in diesem Punkt Fargnoli, Alius solvit alius repetit, Mailand 2001, S. 92 Fn. 63, die Zweifel an der Echtheit des überlieferten Textes bekundet

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

Damit die Drittleistung dem Schuldner zugerechnet werden kann, muss sie freilich einen Bezug zum Schuldner herstellen. Hieran fehlt es, wenn jemand in der Fehlannahme, Erbe zu sein, auf eine Schuld des Erblassers leistet. Da er nicht für den wahren Erben, sondern für sich selbst gehandelt hat, treten die Rechtswirkungen dieser Leistung allein in seiner Person ein. Statt den Erben zu befreien oder ihm das Recht zur Rückforderung der Leistung zu erwerben, erlangt der vermeintliche Erbe selbst einen Kondiktionsanspruch:158 CJ 4.5.5 (18. April 293 / Honoré 1812) Imp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Attalo. Si a patre emancipatus ei non intra tempora praestituta iure honorario successisti, quidquid indebitum postea per errorem utpote patris successor dedisti, eius condictionem tibi competere non est incerti iuris. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Attalus. Es unterliegt keinem rechtlichen Zweifel, dass dir, wenn du von deinem Vater aus der Gewalt entlassen worden und nicht innerhalb des festgesetzten Zeitraums nach Honorarrecht sein Rechtsnachfolger geworden bist, die Kondiktion dessen zusteht, was du später irrtümlich als Erbe deines Vaters gezahlt hast

Dass und warum im umgekehrten Fall, in dem der Leistende keinem Irrtum unterliegt, keine Kondiktion in Betracht kommt, demonstriert die Kanzlei in einer anderen Entscheidung: CJ 4.5.9 (2. Dez. 294 / Honoré 2513) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Gratianae. Indebitum solutum sciens non repetit. (1) Citra mandatum autem ab alio re distracta dominus evicta re vel ob praecedens vitium satis emptori faciens non indebitum praetendere, sed per eiusmodi factum ratum contractum habuisse probans a se debitum ostendit solutum. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Gratiana. Wer wissentlich auf eine Nichtschuld gezahlt hat, kann nicht zurückfordern. (1) Hat ein Eigentümer aber, nachdem seine Sache von einem anderen ohne Auftrag verkauft worden ist, den Käufer wegen Entwehrung oder eines vorangegangenen Fehlers befriedigt, hat er so dargetan, dass er sich nicht auf die Nichtschuld beruft, sondern auf diese Weise den Vertrag genehmigt und so eine Schuld erfüllt hat.

Hat ein Eigentümer nach einem unautorisierten Verkauf seiner Sache durch einen anderen den Käufer wegen eines Sach- oder Rechtsmangels abgefunden, ist ihm die Kondiktion gleich aus zwei Gründen verwehrt. Zunächst einmal scheitert die Rückforderung seiner Leistung daran, dass er wirksam auf eine fremde Schuld geleistet hat: Unabhängig von der mit der Leistung konkludent zum Ausdruck gebrachten Genehmigung des Geschäfts war der Kaufvertrag ohne Weiteres wirksam und Grundlage der Verpflichtung des und die Kondiktion durch den vermeintlichen Schuldner im Fall einer Drittleistung daher auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles zurückführen will. 158  Vgl. D 46.3.38.2 Afr 7 quaest.



VIII. Leistungskondiktion63

Verkäufers wegen eines Sach- oder Rechtsmangels. Hat der Eigentümer hierauf geleistet, kann er sich später nicht darauf berufen, den Drittbezug seines Handelns verkannt zu haben; vielmehr hat er die Schuld des Verkäufers wirksam erfüllt. Aus demselben Grund steht einer Rückforderung aber auch der Einwand entgegen, dass er wissentlich auf eine Nichtschuld geleistet159 hat. Die Kenntnis von der Verpflichtung des Dritten ist also gleich doppelt relevant; sie würde den Ausschluss des Kondiktionsanspruchs selbst dann zeitigen, wenn sich dieser nicht schon aus der Zurechnung der Leistung an den Schuldner ergäbe. Eine weitere Kondiktionssperre, der sich die diokletianische Kanzlei widmet, ergibt sich aus der Litiskreszenz. Für sie gilt die veteres zurückgehende Regel, wonach eine Rückforderung einer Leistung ausscheidet, wenn sich die vermeintliche Verpflichtung, die ihr die Grundlage gibt, im Verurteilungsfall verdoppelt hätte.160 Diesen Grundsatz bemühen auch Diokletians Juristen in einer Entscheidung von 293: CJ 4.5.4 (9. April 293 / Honoré 1780) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Heraclio. Ea, quae per infitiationem in lite crescunt, ab ignorante etiam indebita soluta repeti non posse certissimi iuris est. sed et si cautio indebitae pecuniae ex eadem causa interponatur, condictioni locum non esse constat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Heraclius. Es ist gesichertes Recht, dass, auch wenn in Unkenntnis auf eine Nichtschuld geleistet worden ist, nicht zurückgefordert werden kann, was sich bei Bestreiten im Prozess verdoppelt. Aber es steht fest, dass, auch wenn aus diesem Rechtsgrund ein Versprechen für einen ungeschuldeten Betrag geleistet worden ist, die Kondiktion nicht Platz greift.

Die Kanzlei schließt vom Grundfall der Leistung, die auf eine der Litiskreszenz unterliegende Forderung erfolgt, auf eine aus diesem Grund übernommene Verpflichtung: Da sie dem Gläubiger Sicherheit für die Erfüllung des von ihm erhobenen Anspruchs verschaffen soll, darf sie nicht anders beurteilt werden als eine direkte Leistung. Kommt hier keine Rückforderung in Betracht, kann der Schuldner, der das rechtsgrundlose Versprechen abgegeben hat, auch keine Kondiktion mit dem Ziel anstellen, von seiner Verpflichtung befreit zu werden. In offenem Widerspruch zu dieser Entscheidung steht zumindest in seiner überlieferten Fassung ein nur fünf Monate später ergangenes Reskript. Es gilt der Leistung auf Fideikommiss und Legat. Obwohl zumindest die Verpflichtung aus einem Legat der Litiskreszenz unterliegt, soll hier ebenso wie bei einem Fideikommiss eine Rückforderung stattfinden:

159  D 12.6.50 160  IJ

3.27.7.

Pomp 5 QM, D 12.6.1.1 Ulp 26 ed, D 12.6.26.3 Ulp 26 ed.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

CJ 4.5.7 (9. Sept. 293 / Honoré 1954) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Dionysiae. Fideicommissum [vel legatum] indebitum per errorem facti solutum repeti posse explorati iuris est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Dionysia. Es ist ausgemachtes Recht, dass die Leistung auf ein nicht geschuldetes Fideikommiss [oder Legat], die aufgrund eines Tatsachenirrtums erfolgt ist, zurückgefordert werden kann.

Dass die Kanzlei ihre Ansicht zur Kondiktion der Leistung auf eine Le­ gatsschuld geändert hat, ist kaum wahrscheinlich. Eher anzunehmen ist eine Textveränderung durch die Redaktoren des Codex Iustinianus. Indem sie die ursprünglich nur auf ein Fideikommiss bezogene Aussage auf das Legat ausdehnen, setzen sie eine von Justinians Reformen um. Sie sorgt einerseits für eine strikte Gleichbehandlung von Legat und Fideikommiss, andererseits für die Beschränkung des Kondiktionsverbots auf Vermächtnisse zugunsten von kirchlichen Einrichtungen.161 Für alle anderen Legate und Fideikommisse soll gelten, was das Reskript in seiner überkommenen Gestalt ausgibt, nämlich dass Leistungen auf eine Nichtschuld stets der Kondiktion unterliegen. Diokletians Juristen haben dagegen wahrscheinlich nur den klassischen Rechtszustand wiedergegeben, indem sie die Leistung auf ein Fideikommiss mangels Litiskreszenz der daraus entspringenden Forderung für kondizierbar erklärt haben.162 Dass ihnen die Frage vorgelegt wird, liegt aber sicherlich an demselben Umstand, der später zur Angleichung der Rechtslage von Legat und Fideikommiss geführt hat: Da beide funktionsgleich sind, leuchtet nicht ein, warum die Leistung im einen Fall kondiziert werden kann, im anderen dagegen beim Empfänger verbleibt. Und wenn sich Diokletians Juristen dagegen entscheiden, die beim Legat bestehende Kondiktionssperre auf das Fideikommiss auszudehnen, folgen sie damit wiederum derselben Tendenz, die Justinians Reform prägt: Da das althergebrachte Kondiktionsverbot einer inneren Rechtfertigung ermangelt, besteht kein Anlass, es auf Fideikommisse zu erstrecken. 3. Befreiuungsanspruch und Kondiktion eines Schuldscheins Bei den Ansprüchen, die sich auf Beseitigung des Anscheins einer Verpflichtung richten, zeichnet sich in der kaiserlichen Rechtsprechung ein von der modernen Forschung schon beobachteter Wandel ab: Während die in Justinians Codex überlieferten Reskripte aus der Zeit vor Diokletian vor ­allem die auch in CJ 4.5.4 erwogene condictio liberationis behandeln, mit der ein Schuldner die Aufhebung einer einredebehafteten und dauerhaft undurchsetzbaren Verpflichtung erreichen kann, befasst sich die diokletianische 161  IJ

3.27.7. 2.283.

162  Gai



VIII. Leistungskondiktion65

Kanzlei in erster Linie mit dem Anspruch auf Herausgabe einer Schuld­ urkunde. Die Reihe der einschlägigen Entscheidungen beginnt mit CJ 4.30.7 (5. Nov. 223 / Honoré 623): Imp. Alexander A. Iuliano et Ammoniano. Si quasi accepturi mutuam pecuniam adversario cavistis, quae numerata non est, per condictionem obligationem repetere, etsi actor non petat, vel exceptione non numeratae pecuniae adversus agentem uti potestis. Kaiser Alexander an Julian und Ammonianus. Habt ihr euch dem Gegner in der Erwartung verpflichtet, einen Darlehensbetrag zu erhalten, der nicht ausgezahlt worden ist, könnt ihr, auch wenn der Kläger ihn nicht fordert, eine Rückforderung mit der Kondiktion anstellen, oder euch der Einrede der unterlassenen Auszahlung eines Geldbetrags gegen den Kläger bedienen.

Ist ein Darlehensbetrag, dessen Rückzahlung der Darlehensnehmer durch Stipulation versprochen hat, gar nicht erst zur Auszahlung gekommen, kann er sich, wenn er in Anspruch genommen wird, der exceptio non numeratae pecuniae163 bedienen. Will der Darlehensnehmer seinerseits in die Offensive gehen, steht ihm eigentlich die korrespondierende Querel zur Verfügung. Die kaiserliche Kanzlei lässt dieses Verfahren, das sich bei Erlass des Bescheids unter Severus Alexander vielleicht noch nicht etabliert hat, unerwähnt und verweist die anfragenden Darlehensnehmer auf die Kondiktion. Sie ist begründet, weil das Versprechen mangels Auszahlung des Darlehens der causa entbehrt und die Darlehensnehmer ungeachtet der Entkräftung seiner Verpflichtung im Wege der Einrede ein Interesse daran haben, durch Aufhebung der Forderung Rechtssicherheit zu erlangen. Unter Gordian bejaht die Kanzlei einen entsprechenden Befreiungsanspruch in dem Fall, dass ein durch Inanspruchnahme des Fiskus befreiter Bürge seine untergegangene Verpflichtung versehentlich durch ein weiteres Versprechen erneuert hat:164 CJ 8.40.15 (27. Nov. 239 / Honoré 1062) Imp. Gordianus A. Claudiano. Si indebitam pecuniam quasi ex causa fideiussionis obstrictus in cautionem per errorem deduxisti, tam doli mali exceptione uti quam condicere, ut obligatio tibi accepto feratur, potes. (1) Non est autem dubium fideiussorem, rei promittendi bonis ad fiscum devolutis si idem fiscus ob debitum restituendum fuerit conventus et solverit, liberari. Kaiser Gordian an Claudianus. Hast du zum Gegenstand eines Versprechens einen nicht geschuldeten Geldbetrag irrtümlich in der Annahme gemacht, du seiest aus Bürgschaft verpflichtet, kannst du dich sowohl der Arglisteinrede bedienen als auch in der Weise kondizieren, dass dir die Schuld erlassen wird. (1) Es besteht kein Zweifel, dass ein Bürge frei wird, wenn das Vermögen des Hauptschuldners 163  Hierzu

s. u. S.  93 ff. dieser Entscheidung Schmieder, Duo rei. Gesamtobligationen im römischen Recht, Berlin 2007, S. 245 f. 164  Zu

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

an den Fiskus verfällt, falls der Fiskus wegen der Erfüllung der Schuld belangt worden ist und gezahlt hat.

In die Regierungszeit desselben Herrschers fällt die Entscheidung zugunsten einer condictio liberationis in dem Fall, dass jemand die Rückzahlung eines in Wahrheit nicht ausgezahlten Darlehens versprochen hat, um einen dann nicht erbrachten Anwaltsdienst zu vergüten.165 Mit annähernd derselben Konstellation befasst sich die Kanzlei fast zwanzig Jahre später und bejaht einen Befreiungsanspruch mit der Begründung, dass die erwartete Dienstleistung ausgeblieben ist:166 CJ 4.6.4 (27. April 259 / Honoré 1348) Impp. Valerianus et Gallienus AA. et Valerianus C. Aemiliae. Si, cum exiguam pecuniam re vera susciperes, longe maiorem te accepisse cavisti eo, quod tibi patrocinium adversarius repromitteret, cum dicas fidem promissi non secutam, ut libereris obligatione eius, quod non acceptum propter speratum patrocinium spopondisti, per condictionem consequeris. Kaiser Valerian und Gallienus und Cäsar Valerian an Aemilia. Hast du in Wirklichkeit einen kleinen Geldbetrag erhalten, aber bescheinigt, einen viel größeren erhalten zu haben, weil dein Gegner dir gerichtlichen Beistand versprochen hat, kannst du, wenn er sein Versprechen nicht gehalten hat, mit Hilfe der Kondiktion erreichen, dass du von der Verpflichtung zu demjenigen befreit wirst, was du, ohne es erhalten zu haben, für den erhofften Beistand versprochen hast.

Auf einen Befreiungsanspruch läuft auch die Entscheidung zu, der Justinians Kompilatoren in ihrem Codex einen eigenen Titel mit dem Namen ‚de calculi errore‘ gewidmet haben. Sie betrifft den Fall, dass aus mehreren Rechnungsposten ein Saldo falsch ermittelt und zum Gegenstand einer Stipulation gemacht worden ist. Ob die hieraus entspringende Verpflichtung Bestand hat oder als indebitum Gegenstand eines Befreiungsanspruchs ist, richtet sich, wenn die Sache nicht durch rechtskräftiges Urteil oder Vergleich ein für alle Mal entschieden ist, nicht nach der fehlerhaften Berechnung, sondern allein danach, wie hoch der Saldo in Wirklichkeit ist: CJ 2.5.1 (24. Feb. 293 / Honoré 1750) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Quarto. Errorem calculi, sive ex uno contractu sive ex pluribus emerserit, veritati non adferre praeiudicium saepe constitutum est: unde rationes etiam saepe computatas denuo retractari posse, si res iudicatae non sunt vel transactio non intervenit, explorati iuris et. sed et si per errorem calculi velut debitam quantitatem, cum esset indebita, promisisti, condictio liberationis tibi competit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Quartus. Es ist schon oft entschieden worden, dass ein Rechenfehler, sei es, dass er bei einem einzigen Vertrag unterläuft, sei es, dass er mehrere Verträge betrifft, der Wirklich165  CJ 2.6.3 166  Hierzu

(9. Juni 240 / Honoré 1090). Schnebelt, S. 143.



VIII. Leistungskondiktion67 keit keinen Abbruch tut; und es ist deshalb ausgemachten Rechts, dass Rechnungen, die schon oft durchgegangen worden sind, erneut behandelt werden können, falls es weder zu einer rechtskräftigen Entscheidung noch zu einem Vergleich gekommen ist. Aber auch wenn du durch einen Rechenfehler einen nichtgeschuldeten Betrag wie einen geschuldeten versprochen hast, steht dir die Kondiktion auf Befreiung von der Verbindlichkeit zu.

Unter Diokletian weicht das Thema der condictio liberationis aber zunehmend der Frage nach einem Anspruch auf Herausgabe der Urkunde über eine durch Erfüllung erloschene Schuld. Die Kanzlei bejaht ihn zuweilen in unspezifischer Form,167 zuweilen in Gestalt von Vindikation und actio ad exhi­ bendum: CJ 3.42.9 (25. Aug. 294 / Honoré 2360) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Faustino. Si ex quocumque contractu apud praesidem provinciae iure debitum cui oportuerat te reddidisse probaveris, chirographa tua, ex quibus iam nihil peti potest, et instrumenta ad eum contractum pertinentia tibi naturaliter liberationem consecuto exhiberi ac reddi iubebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Faustinus. Weist du vor dem Provinzstatthalter nach, dass du die Leistung, die du aus irgendeinem Vertrag schuldest, ordnungsgemäß an den Gläubiger erbracht hast, soll er, da du selbstverständlich Befreiung erlangt hast, anordnen, dass deine Schuldscheine, aus denen schon nichts mehr gefordert werden kann, und die Urkunden, die sich auf diesen Vertrag beziehen, vorgelegt und herausgegeben werden.

An anderer Stelle verweist sie den Schuldner, der nach Erfüllung seiner Verpflichtung die Herausgabe des Schuldscheins verlangt, auf die condictio: CJ 4.9.2 (3. April 293 / Honoré 1764) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Scylacio. Dissolutae quantitatis retentum instrumentum inefficax penes creditorem remanere et ideo per condictionem reddi oportere non est iuris ambigui. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Scylacius. Es besteht kein rechtlicher Zweifel, dass eine nach Zahlung einer Geldsumme zurückbehaltene Urkunde wirkungslos beim Gläubiger verbleibt und daher mit der Kondiktion zurückgewährt werden muss. CJ 8.42.25 (30. Dez. 294 / Honoré 2646) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antelliano. Solutionem adseveranti probationis onus incumbit: quo facto chirographum condicere potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antellianus. Wer die Erfüllung behauptet, trägt die Beweislast; kommt er ihr nach, kann er den Schuldschein kondizieren.

Hinzu kommt eine Entscheidung zum Fall eines von vornherein rechtsgrundlosen Versprechens. Dass der Gläubiger die hierüber ausgestellte Urkunde herausgeben muss, folgert die Kanzlei im Wege eines Erst-recht167  CJ

4.9.4 (16. Dez. 294 / Honoré 2580); s. u. S. 99 f.

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2. Kap.: Außervertragliche Schuldverhältnisse

Schlusses daraus, dass auch eine Leistung auf das rechtsgrundlos abgegebene Versprechen zurückgefordert werden könnte: CJ 4.5.3 (3. Apil 293 / Honoré 1765) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Pamphilo. Cum et soluta indebita quantitas ab ignorante repeti possit, multo facilius quantitatis indebitae interpositae scripturae condictio competit vel doli exceptio agenti opponitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Pamphilus. Da schon eine nicht geschuldete Summe durch denjenigen, der sie in Unkenntnis gezahlt hat, zurückgefordert werden kann, steht umso mehr eine Kondiktion auf eine Urkunde über eine nicht geschuldete Summe zu; oder es wird dem Kläger die Arglisteinrede entgegengesetzt.

Dass das Interesse an der Herausgabe des Schuldscheins nicht schlagartig unter Diokletian einsetzt, zeigt freilich eine Entscheidung von Valerian und Gallien aus dem Jahre 262:168 CG Visi 4.11.2 (8. Juni 262 / Honoré 1391a) Impp. Valerianus et Gallienus AA. Metrodoro. Si potes probare omnem pecuniam exsolutam creditori tuo, cautio tua quae apud heredem eius remansit inanis est: ut tamen aut ipsa reddatur tibi aut incisa apud creditorem remaneat, heredem eius convenire potes. Kaiser Valerian und Gallienus an Metrodorus. Kannst du beweisen, dass du deinem Gläubiger den gesamten Betrag gezahlt hast, ist der Verbleib deines Versprechens bei seinem Erben wirkungslos; du kannst ihn darauf belangen, dass es dir entweder zurückgegeben oder beim Gläubiger zerschnitten wird.

In dem hier erstmals gewährten Anspruch auf Herausgabe einer gegenstandslosen Schuldurkunde erkennt man üblicherweise eine Reaktion der kaiserlichen Rechtsprechung auf die hellenistische Urkundenpraxis.169 Zwar lässt sich kaum leugnen, dass die Kondiktion des Schuldscheins eine erst in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts aufgekommene Erscheinung darstellt. Das Bedürfnis nach Beseitigung von Schuldurkunden bestand jedoch schon früher und gibt es auch in einer Rechtsordnung, die der Niederschrift eines Vertragsschlusses reine Beweisfunktion zumisst. Obwohl die Urkunde hier dem durch sie erleichterten Zeugenbeweis untergeordnet ist, entfaltet sie doch zwangsläufig ein gewisses Eigenleben, wenn die in ihr angegebenen Zeugen nicht mehr greifbar sind.170 Den von der Urkunde ausgehenden Schein zu zerstören liegt daher seit jeher im elementaren Interesse eines Schuldners, der sich mit der Beseitigung der Niederschrift über den VerSchnebelt, S.  185 ff. S.  169 f., Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 424 Fn. 23, Schnebelt, S. 187. 170  Dies könnte auch der Verfasser der Paulussentenzen meinen, wenn er der Urkunde über eine Stipulation attestiert, dieselbe Wirkung zu haben wie ein wirklich vorgenommenes Versprechen; vgl. PS 5.7.2. 168  Hierzu

169  Taubenschlag,



VIII. Leistungskondiktion69

pflichtungsakt künftig praktisch den von ihm zu erbringenden Beweis erspart, dass die Forderung des Gläubigers rechtsgrundlos erlangt oder durch Erfüllung untergegangen ist. Dieses Bedürfnis steigt mit zunehmender räumlicher Entfernung der Vertragspartner, die etwaige Zeugen des Vertragsschlusses dem Zugriff entzieht. So kann man in der wachsenden Bedeutung der Urkunde, die sich in den kaiserlichen Judikaten niederschlägt, auch die Folge eines vermehrten Abschlusses von Distanzverträgen sehen, die ihre Parteien jenseits ihres eigenen sozialen Umfelds eingehen.

3. Kapitel

Vertragliche Schuldverhältnisse I. Darlehen (condictio aus mutuum und stipulatio) 1. Konsensuale und reale Elemente der Vertragsbindung Unter den Entscheidungen zum Darlehensrecht gibt es besonders viele, die dem am klassischen Recht geschulten Juristen banal erscheinen. Deshalb ist hier die Versuchung besonders groß, in Antworten, die Diokletians Juristen geben, die Reaktion auf fremdes Rechtsempfinden zu erkennen, dem die Kanzlei die Prinzipien des klassischen Rechts entgegenhält. Genau besehen sind die aufgeworfenen Probleme aber weder völlig trivial noch dem römischen Recht fremd; in ihnen tritt vielmehr ein Spannungsverhältnis zutage, das dem überkommenen Konzept des mutuum inhärent und die Quelle von Missverständnissen ist: Es ist die archaische Kombination von Vertrags­ charakter und dem realen Element, die Fragen aufwirft, wie sie sich bei anderen Verträgen nicht stellen: Bei einem Verbal- und Konsensualvertrag ist evident, dass er nur Rechte und Pflichten zwischen den Kontrahenten zeitigt, die sich durch ihren Konsens auf den Vertrag eingelassen haben. Beim mutuum ist dies anders, weil der den Vertrag charakterisierende Vorgang gerade in einer Zuwendung besteht. Dies legt die Erwägung nahe, dass die Vertragsbindung statt mit dem Konsens mit dem Kapitalfluss einhergeht, also auch Dritte erfassen kann, die nicht an dem Vertragsschluss beteiligt waren, sei es, dass ihnen die Darlehensvaluta ursprünglich gehörte, sei es, dass sie an sie vom Darlehensnehmer weitergereicht oder auf andere Weise an sie gelangt ist.171 Das reale Element stellt sogar infrage, was den Darlehensvertrag eigentlich gegenüber einer Sachüberlassung in Gestalt von Leihe oder Verwahrung auszeichnet, nämlich dass der Empfänger die Gefahr übernimmt und folglich auch dann haftet, wenn er die Valuta unverschuldet verloren hat. Mit einem solchen Vorbringen muss sich die Kanzlei in einem Reskript aus dem Jahre 294 auseinandersetzen, von dem nur noch der Tenor erhalten ist: 171  Dass der Charakter des mutuum als Realvertrag Gedanken an eine Drittberechtigung und Drittverpflichtung nahelegt, räumt auch Taubenschlag, S. 142 ein, der sie nichtsdestoweniger volksrechtlichen Anschauungen zuschreibt, die vom Reichsrecht abweichen.



I. Darlehen71 CJ 4.2.11 (12. Feb. 294 / Honoré 2194) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Maximiano. Incendium aere alieno non exuit debitorem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Maximian. Ein Brand befreit einen Schuldner nicht von seinen Schulden.

Die auf den ersten Blick naive Verteidigung des Schuldners mit dem Argument, er sei der Darlehensvaluta unverschuldet verlustig gegangen, ist gleich in doppelter Hinsicht nicht völlig abwegig: Zum einen drängt sich zumindest einem Laien der Fehlschluss auf, dass eine Vertragsbindung, die nur durch Auszahlung der Valuta zustande kommt, durch deren nachträglichen Untergang wieder beseitigt wird. Zum anderen gilt der Grundsatz von der Gefahrtragung des Darlehensnehmers keineswegs ausnahmslos. So übernimmt der Darlehensgeber, wenn er ein Seedarlehen gewährt, sehr wohl das Risiko, dass das Kapital wegen eines Schiffbruchs nicht zurückgezahlt werden kann.172 Der Darlehensnehmer haftet folglich erst ab dem Moment unbedingt, in dem das Schiff den Zielhafen erreicht hat. Wie die diokletianische Kanzlei ebenfalls im Jahr 294 feststellt, gilt dies aber nicht schon bei einer bloßen Verwendung der Darlehensvaluta für einen Seetransport, sondern nur, wenn dieser Zweck auch zum Gegenstand einer Vereinbarung gemacht worden ist: CJ 4.33.5 (8. Okt. 294 / Honoré 2395) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Pullio Iuliano Eucharisto. Traiecticiae quidem pecuniae, quae periculo creditoris mutuo datur, casus, antequam, ad destinatum locum navis perveniat, ad debitorem non pertinet, sine huiusmodi vero conventione infortunio naufragii non liberabitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Pullius Iulianus Eucharistus. Beim Seedarlehen, das auf die Gefahr des Gläubigers gewährt wird, trifft das Risiko den Schuldner nicht, bevor das Schiff nicht den Zielort erreicht hat; ohne eine solche Vereinbarung wird er aber nicht durch einen Schiffbruch befreit.

Auch diese Anfrage ist gewissermaßen Folge einer Übergewichtung des realen Elements: Der Darlehensnehmer, der sich durch den Schiffbruch befreit wähnt, sieht sich zu dieser Argumentation deshalb berechtigt, weil er statt des Konsenses das tatsächliche Schicksal der Darlehensvaluta für entscheidend hält. Dass er sie zur Finanzierung eines Seetransports eingesetzt hat, genügt ihm, um die besondere Gefahrverteilung beim Seedarlehen für sich in Anspruch zu nehmen. Auch bei einer entsprechenden Vereinbarung erfasst die Gefahrübernahme des Kreditgebers beim Seedarlehen nur zufällige und nicht solche Hindernisse, die sich der Darlehensnehmer selbst zuzuschreiben hat. Dessen Ansin172  D 22.1.1 Mod 10 pand, D 22.1.3 Mod 4 reg; vgl. auch CJ 4.33.2 (12. März 286 / Honoré 1476); s. u. S. 92.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

nen, von der Pflicht zur Rückzahlung des Darlehens wegen einer von ihm zu verantwortenden Beschlagnahme der Schiffsladung ausgenommen zu werden, weist die Kanzlei scharf und unter erheblichem Tadel des Darlehensnehmers zurück: CJ 4.33.4 (Honoré 1685) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Aureliae Iulianae. Cum proponas te nauticum fenus ea condicione dedisse, ut post navigium, quod in Africam dirigi debitor adseverabat, in Salonitanorum portum nave delata fenebris pecunia tibi redderetur, ita ut navigii dumtaxat quod in Africam destinabatur periculum susceperis, perque vitium debitoris, nec loco quidem navigii servato, illicitis comparatis mercibus quae navis continebat fiscum occupasse: amissarum mercium detrimentum, quod non ex marinae tempestatis discrimine, sed ex praecipiti avaritia et incivili debitoris audacia accidisse adseveratur, adscribi tibi iuris publici ratio non permittit. Kaiser Diokletian und Maximian an Aurelia Iuliana. Da du angibst, du hättest ein Seedarlehen mit der Maßgabe gewährt, dass dir der Geldbetrag zurückgewährt werde, nachdem das Schiff, das der Schuldner nach Afrika zu steuern behauptete, in den Hafen von Salonis einlaufe, so dass du nur die Gefahr der Fahrt nach Afrika übernommen hättest, und durch das Fehlverhalten des Schuldners, der sich nicht an die Route gehalten hat, der Fiskus das Schiff wegen unerlaubt gekaufter Waren, die sich hierauf befanden, beschlagnahmt habe, lässt das öffentliche Recht nicht zu, dass dir der Schaden aus dem Verlust der Waren zugeschrieben wird, der sich, wie behauptet wird, nicht wegen eines Seesturms, sondern wegen der zügellosen Gier des Schuldners und seiner ungebührlichen Frechheit ereignet hat.

Außer an der beschränkten Reichweite der Gefahrübernahme, die nur den geplanten Transport abdeckt, scheitert eine Haftungsbefreiung des Schuldners nach Ansicht der Kanzlei auch an der ratio iuris publici: Die Beschlagnahme der Schiffsladung soll als hoheitliche Maßnahme ihren Sinn nicht dadurch verfehlen, dass der Darlehensnehmer, den die Maßnahmen treffen soll, gegen deren Folgen versichert ist. Der Konflikt zwischen dem vertraglichen Charakter des mutuum und dem Realerfordernis der Auszahlung, das die Basis seiner Fehldeutung bildet, wird zumeist zugunsten der Vertragsstruktur entschieden. Den Ausschlag gibt das Auszahlungskriterium nur, wenn es überhaupt nicht zu einer Beteiligung des vermeintlichen Darlehensnehmers gekommen ist: CJ 4.2.14 (15. bis 27. Nov. 294 / Honoré 2492) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hadriano. Mutuae pecuniae, quam aliis dedit, creditor citra sollemnitatem verborum subscribentem instrumento non habet obligatum. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hadrian. Wegen eines Darlehensbetrags, den der Gläubiger anderen gewährt hat, ist derjenige, der das Dokument unterzeichnet hat, ohne Wortformel nicht verpflichtet.



I. Darlehen73

Die Urkunde, die einen anderen als den eigentlichen Kreditnehmer ausweist, bezeugt in diesem Fall lediglich ein Scheingeschäft, das wirkungslos bleibt und den Rekurs auf andere Verteidigungsmöglichkeiten erspart:173 CJ 4.29.17 (13. März 294 / Honoré 2236) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Alexandro. Si, cum pater vester a Callistrato mutuam sumpsisset pecuniam, velut hanc eius uxor accepisset, instrumentum conscriptum est, nec ad exceptionis tractatum ex senatus consulto veniente pervenire necesse est, cum eam veritatis substantia, constituta potior quam simulata gesta, tueatur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Alexander. Ist, als euer Vater einen Darlehensbetrag von Callistrat empfangen hat, eine Urkunde in der Weise aufgesetzt worden, als hätte seine Ehefrau ihn empfangen, braucht man sich nicht mit der Einrede aus dem Senatsbeschluss zu befassen, weil die Wahrheit sie stärker schützt als das zum Schein Verhandelte.

Die Fehlannahme, jemand könne durch die bloße Bescheinigung des Empfangs eines Darlehens verpflichtet werden, das in Wahrheit einem anderen ausgezahlt worden ist, muss nicht auf die unrömische Vorstellung zurückgehen, eine Urkunde zeitige auch ohne Einhaltung der Stipulationsform eine Verpflichtung.174 Dass sich ein Dritter nur im Wege einer Bürgschaft und damit durch Stipulation für die Rückzahlung der Valuta verbindlich machen kann, kann der Rechtsverkehr auch deshalb übersehen, weil die in der Vertragsurkunde dokumentierte Einigung der Parteien in anderer Hinsicht durchaus den Vorrang vor dem realen Element der Auszahlung genießt. So spielt keine Rolle, ob die Darlehensvaluta wirklich dem Darlehensgeber gehört. Sofern er sie nur im eigenen Namen auszahlt, ist er auch als Gläubiger des Darlehensnehmers anzusehen: CJ 4.2.7 (3. Okt. 293 / Honoré 1973) Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Pactumeiae. Non unde originem pecunia quae mutuo datur habet, sed qui contraxit si propriam numeravit, in huiusmodi obligationibus requiritur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Pactumeia. Bei Verpflichtungen dieser Art wird nicht untersucht, welche Herkunft das als Darlehen gewährte Geld hat, sondern ob derjenige, der den Vertrag abgeschlossen hat, es als eigenes ausgezahlt hat.

Zwar fehlt es bei der Verwendung fremden Geldes strenggenommen an einer regelrechten Zuwendung des Darlehensgebers an den Darlehensnehmer. Zu einem Hindernis für den Abschluss des Darlehens wird dies jedoch allenfalls dann, wenn der Darlehensgeber auf den Geldbetrag ohne das Einverständnis des Eigentümers zugegriffen und damit ein furtum begangen hat. Harke, Si error aliquis intervenit, S. 245 Fn. 50. Taubenschlag, S. 142 Fn. 1001, der hier den „peregrinischen Litteralvertrag“ behandelt sieht, und Kaser, Bd. 2, S. 375 Fn. 10. 173  Vgl. 174  So

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Ansonsten ist die verpflichtungsbegründende datio dadurch bewirkt, dass der Darlehensnehmer kraft der Handlung des Darlehensgebers das Eigentum an der Darlehensvaluta erlangt hat. Er wird daher ebenso verpflichtet, als ob er die Rückzahlung des Darlehens durch Stipulation versprochen hätte. Dass es dann nicht auf die Herkunft des Geldbetrags ankommt, hat die kaiserliche Kanzlei bereits unter Caracalla entschieden: CJ 4.2.2 (25. April 214 / Honoré 371) Antoninus A. Hermogeni. Quamvis pecuniam tuam Asclepiades suo nomine crediderit, stipulando tamen sibi ius obligationis quaesivit. quam pecuniam ut possis petere, mandatis tibi ab eo actionibus consequeris. Kaiser Antoninus an Hermogenes. Obwohl Asclepiades dein Geld in seinem Namen verliehen hat, hat er das Forderungsrecht durch Stipulation für sich erworben. Dass du diesen Betrag fordern kannst, erreichst du, indem dir von ihm Klageauftrag erteilt wird.

Indem sie das Erfordernis der datio auflockert, verschaffen Diokletians Juristen dem beim Stipulationsdarlehen evidenten Primat der Parteivereinbarung auch im Rahmen des mutuum Geltung.175 Anerkannt finden wir es in dem umgekehrten Fall, dass jemand eigenes Geld im Namen eines anderen auszahlt, schon in einer Entscheidung aus der Zeit von Philippus Arabs:176 CJ 4.2.4pr (15. Feb. 246 / Honoré 1260) Philippus A. et Philippus C. Maximo. Si absentis pecuniam nomine eius fenori dedisti ac reprobato nomine mandatis actionibus experiris, praeses provinciae iurisdictionem suam praebebit. … Kaiser Philipp und Cäsar Philipp an Maximus. Hast du einen Geldbetrag im Namen eines Abwesenden als verzinsliches Darlehen ausgereicht und Klage erhoben, nachdem dir nach Verweigerung der Genehmigung Klageauftrag erteilt worden ist, wird der Provinzstatthalter dich hören. …

Der hier zugelassenen Stellvertretung beim Abschluss eines mutuum hat sich die Kanzlei unter Caracalla wohl noch widersetzt. In einer zu seiner Regierungszeit ergangenen Konstitution lässt sie nicht nur die Wirksamkeit der Rückzahlungsstipulation am Verbot des Vertrags zugunsten Dritter scheitern; sie ordnet auch die übrigbleibende Verpflichtung aus Realvertrag dem Auszahlenden und nicht etwa demjenigen zu, in dessen Namen die Auszahlung erfolgt ist:177 175  Dieser Schritt könnte auch schon von Caracallas Kanzlei unternommen worden sein: Hat sie das Stipulationsversprechen nicht als originären Verpflichtungsakt, sondern als Novation angesehen (dagegen ist Apathy, Animus novandi, Wien u. a. 1975, S. 61 f.), wäre diese Schuldumschaffung nur unter der Voraussetzung wirksam, dass die Auszahlung schon zu einer Verpflichtung des Darlehensnehmers aus mutuum geführt hat. 176  Zum Fortgang der Konstitution s. u. S. 303. 177  § 1 dieses Reskripts ist auch als CJ 2.18.9 (22. Feb. 217) überliefert.



I. Darlehen75 CJ 8.37.3 (24. Feb 217 / Honoré 445) Imp. Antoninus A. Hadriano. Si, cum tuam pecuniam crederes accommodato nomine Iuliani, stipulatio in personam eius absentis directa est, cum nihil sit actum ea verborum conceptione, intellegis superfuisse tibi rei contractae obligationem. (1) Ac propterea si pecuniam a debitore tuo Iulianus exegit eamque solutionem ratam habuisti, habes adversus eum negotiorum gestorum actionem. Kaiser Antoninus an Hadrian. Ist, als du einen Geldbetrag als Darlehen unter Verwendung des Namens von Julian gewährt hast, eine Stipulation auf ihn in seiner Abwesenheit bezogen worden, siehst du ein, dass dir wegen der Nichtigkeit der Verbalform die durch Auszahlung begründete Verpflichtung verbleibt. (1) Und wenn Julian den Betrag von deinem Schuldner eingezogen hat und du diese Zahlung genehmigt hast, steht dir deshalb gegen ihn die Geschäftsführungsklage zu.

Für die diokletianische Kanzlei würde die Annahme eines Darlehensvertrags mit dem Vertretenen sicherlich nicht daran scheitern, dass der Geldbetrag aus dem Vermögen des Vertreters stammt. Ob sie aber auch eine Stellvertretung beim Vertragsschluss zugelassen hat, muss offenbleiben. Ein weiterer Fall, in dem sich Diokletians Juristen mit dem Rekurs auf die Herkunft eines als Darlehen ausgereichten Betrags befassen müssen, liegt auch der folgenden Entscheidung zugrunde: CJ 4.16.3 (18. April 293 / Honoré 1813) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Maximae. Heredem mariti quondam tui de dote reddenda tibi conveni: personalem enim actionem contra debitores hereditarios decerni tibi frustra postulas. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Maxima. Wegen der Rückgabe der Mitgift musst du einen Erben deines Ehemannes belangen; du verlangst vergebens, dass dir eine persönliche Klage gegen die Schuldner der Erbschaft gewährt wird.

Verweist die Kanzlei die Fragestellerin, die sich an die Schuldner ihres verstorbenen Mannes halten möchte, auf die actio de re uxoriae gegen dessen Erben, ergibt dies nur dann Sinn, wenn der Ehemann sich die Schuldner durch Gewährung von Darlehen aus Mitteln der Mitgift verbindlich gemacht hat: Dass die dos ein Sondervermögen in der Hand des Ehemannes bildete, nutzt die Ehefrau sie nun als Argument dafür, gegen diejenigen vorzugehen, an die Geldbeträge aus der Mitgift geflossen sind. Bleibt schon das regelrechte Eigentum eines Dritten an der zur Auszahlung verwendeten Valuta unerheblich, kann es aber erst recht nicht auf die Zugehörigkeit zu einem Sondervermögen ankommen, das nur schuldrechtlich der Frau, aber dinglich dem Ehemann zugeordnet ist. Steht die Herkunft der Darlehensvaluta hinter der Parteivereinbarung zurück, folgt hieraus auch, dass dieser der Vorrang in der Frage zukommt, ob eine Teil- oder Gesamtgläubigerschaft vorliegt:

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

CJ 4.2.9 (18. Dez. 293 / Honoré 2069) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Alexandro. Cum te in Gallia cum Syntropho certum auri pondus itemque numeratam pecuniam mutuo dedisse, ut Romae solveretur, precibus adseveras, aditus competens iudex, si duos reos stipulandi vel re pro solido tibi quaesitam actionem sive ab heredibus Syntrophi procuratorem te factum animadverterit, totum debitum, alioquin quod dedisti solum restitui tibi iubebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Alexander. Hast du, wie du in deiner Eingabe behauptest, gemeinsam mit Syntrophus in Gallien Gold von bestimmtem Gewicht und Geld als Darlehen mit der Maßgabe überlassen, dass es in Rom zurückgegeben wird, bestimmt der zuständige Richter, wenn er angerufen wird und feststellt, dass ihr Gesamtgläubiger seid oder du kraft Vereinbarung die gesamte Klage erworben hast oder du von den Erben des Syntrophus zum Prozessvertreter bestellt worden bist, dass dir der gesamte Schuldbetrag, ansonsten das herausgegeben wird, was du überlassen hast.

Der anfragende Alexander ist lediglich dann auf den von ihm selbst gewährten Teil des Darlehensbetrags beschränkt und im Übrigen auf die Bestellung zum Prozessvertreter oder die Erbfolge nach dem anderen Darlehensgeber verwiesen, wenn nichts anderes ausgemacht ist. Haben die Parteien dagegen bei Auszahlung verabredet, dass die Darlehensgeber duo rei sein sollen, setzt sich diese Vereinbarung gegenüber dem Umstand durch, dass der Darlehensbetrag teils aus dem Vermögen des einen, teils aus dem Vermögen des anderen Darlehensgebers stammt. Ungeachtet der gespaltenen Herkunft kann jeder der beiden die Rückzahlung des gesamten Betrags an sich verlangen.178 Dass auch eine Verpflichtung der Darlehensnehmer als Gesamtschuldner in erster Linie auf der Vereinbarung beruht, legt die folgende Entscheidung nahe: CJ 4.2.12 (18. Aug. 294 / Honoré 2357) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Theophanio. Si in rem communem cum Ione mutuam sumpsisti pecuniam nec re nec sollemnitate verborum vos obligastis in solidum et post integrum solvisti, de restituenda tibi parte contra Ionem experiri, ut debitum posceres, iudice cognoscente potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Theophanius. Hast du einen als Darlehen aufgenommenen Betrag für eine gemeinschaftliche Sache aufgewendet, die Dir mit Ion gemeinsam gehört, und habt ihr euch weder durch Sachhin­ gabe noch durch Wortformel auf den gesamten Betrag verpflichtet und hast du ihn später insgesamt gezahlt, kannst du vor dem erkennenden Richter gegen Ion Klage auf Erstattung seines Anteils erheben, indem du ihn als Schuld verlangst.

178  Dass die Entscheidung nicht etwa allein auf den Fall gemünzt ist, dass sich die Darlehensgeber als duo rei die Rückzahlung durch Stipulation haben versprechen lassen, nimmt zu Recht auch Schmieder (Fn. 164), S. 187 an.



I. Darlehen77

Erscheint die Gesamtverpflichtung durch Auszahlung gleichberechtigt neben der Gesamtschuld aus Stipulation, lässt dies vermuten, dass die Kanzlei auch in diesem Fall nicht die reale Empfangnahme, sondern die Vereinbarung entscheiden lässt.179 Obwohl die Valuta hier nur an den Petenten geflossen ist, kommt daher nichtsdestoweniger eine Verpflichtung eines Dritten in Betracht, falls dieser an dem Abschluss des Darlehensbetrags beteiligt war. Diese Auflockerung des Auszahlungserfordernisses eröffnet freilich auch Raum für den Wunsch eines Darlehensgebers, sich statt an den Darlehensempfänger an diejenigen zu wenden, an die er die Valuta weitergegeben hat oder denen sie zugutegekommen sind; und auch für den Darlehensnehmer liegt es nicht fern, auf denjenigen zu verweisen, der letztlich in den Genuss der Darlehensvaluta gekommen ist. Beider Argumentation ist deshalb nicht gänzlich abwegig, weil sie ja wiederum das für das mutuum charakteristische reale Element ins Feld führen können. Gerade wegen der Gefahrtragung des Darlehensnehmers hat es freilich außer Betracht zu bleiben: Ist es einmal zu einer datio gekommen, ist der Darlehensnehmer unbedingt verpflichtet, das weitere Schicksal der Darlehensvaluta folglich irrelevant. Die Juristen der diokletianischen Kanzlei müssen dies gleich mehrfach bekunden. Am prägnantesten ist ihre Stellungnahme in dem folgenden Reskript von 294. Es richtet sich an einen Darlehensnehmer, der seine Gläubiger an die Erben desjenigen verweisen will, dem er die Darlehensvaluta weitergereicht hat: CJ 4.2.15 (27. Nov. 294 / Honoré 2502) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Charidemo. Non adversus te creditores, qui mutuam pecuniam sumpsisti, sed eius, cui hanc credideras, heredes experiri contra iuris evidenter postulas formam. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Charidemus. Dein Begehren widerspricht offensichtlich der Rechtsordnung, wenn du verlangst, dass die Gläubiger nicht dich, der den als Darlehen gewährten Geldbetrag verwendet hast, sondern den Erben desjenigen verklagen, dem du es geliehen hast.

Ein ähnlicher Fall liegt vermutlich einem nur kurz danach ergangenen Bescheid zugrunde, der sich aber an den Darlehensgeber wendet und ihn daran erinnert, dass sein Vertragspartner allein der Darlehensnehmer ist. Gegen einen Dritten kann der Darlehensgeber nur dann vorgehen, wenn sich dieser ihm eigens verbindlich gemacht hat:180 CJ 8.41.7 (16. Dez. 294 / Honoré 2581) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Zoilo. Si solvere tibi pecuniam delegatus Eucarpus dare spopondit vel debitum constituit, suo nomine conveniri potest. alioquin adversus eum experiri pro chirographario debitore tuo frustra conaris. insoweit Schmieder (Fn. 164), S. 186 f. es hier ursprünglich um das constitutum ging, glaubt Taubenschlag, S. 62

179  Offen 180  Dass

Fn. 501.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Zoilus. Hat Eucarpus auf Anweisung versprochen, dir einen Geldbetrag zu zahlen, oder die Schuld mitübernommen, kann er selbst belangt werden. Andernfalls versuchst du vergeblich, gegen ihn für den aus einem Schuldschein verpflichteten Schuldner Klage zu erheben.

Nichts anderes gilt, wenn der Darlehensgeber, der einen Kredit an einen Verpächter gewährt hat, auf dessen Pächter zugreifen will, weil diese durch Verwendung des Darlehenskapitals auf die verpachteten Landgüter indirekt in den Genuss des Kredits gekommen sind. Mit diesem Fall befasst sich die Kanzlei schon zu Beginn von Diokletians Amtszeit: CJ 4.10.3 (30. Mai 286 / Honoré 1499) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Rusticiano. Ob causas proprii debiti locatoris conveniri colonos pensionibus ex placito satisfacientes perquam iniuriosum est. Kaiser Diokletian und Maximian an Rusticianus. Es ist höchst ungerecht, wegen eigener Schulden des Verpächters die Landpächter zu belangen, die ihre Pachtzahlungen vereinbarungsgemäß erbringen.

Im Jahre 294 beschäftigt sie die umgekehrte Konstellation, in der ein von Pächtern aufgenommenes Darlehen infolge seiner Verwendung für die Bewirtschaftung des Pachtlands dem Verpächter zugutegekommen ist. Für einen Durchgriff auf den Verpächter lassen Diokletians Juristen dabei weder dessen tatsächliche Begünstigung genügen, noch dass der Abschluss der Darlehensverträge im Beisein von Agenten des Verpächters erfolgte, die diesen, wenn überhaupt, dann nicht ohne seine Zustimmung verpflichten konnten.181 Dem Darlehensgeber, der unter diesen Umständen gleichwohl an dessen Verpflichtung geglaubt hat, bescheinigen sie credulitas: CJ 4.10.11 (25. Juli 294 / Honoré 2352) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Paulae. Nimia credulitate circumventa es, quia, quod colonis in rem suam mutuo dedisti, a domino praedii postulare posse credidisti: nec ad eum obligandum actorum ipsius adiuvat te praesentia. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Paula. Du bist zum Opfer zu großer Leichtgläubigkeit geworden, weil du glaubtest, dass du das, was du Pächtern für ihre eigenen Angelegenheiten gewährt hast, von dem Eigentümer der Grundstücke fordern könntest; und zur Annahme ihrer Verpflichtung hilft dir auch nicht die behauptete Anwesenheit von Geschäftsführern des Eigentümers.

Weniger abwegig erscheint der Kanzlei dagegen offenbar der Wunsch eines Darlehensgebers auf Inanspruchnahme derjenigen, die den Darlehensnehmer übervorteilt und so um einen Teil der Darlehensvaluta gebracht haben. Auch diesem Begehren erteilt sie freilich eine Absage:

181  Taubenschlag, S. 151 hält den Gedanken einer bürgschaftsähnlichen Haftung für eine Frucht volksrechtlichen Denkens.



I. Darlehen79 CJ 4.10.13 (20. Okt. – 27. Nov. 294 / Honoré 2422) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Barsimio. Eum, cui mutuam dedisti pecuniam, ad solutionem urguere competenti debes actione. nam adversus negotiatores, quos ex mercibus pecunias abstulisse tuo debitori proponis, nullam habes actionem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Barsimius. Du musst denjenigen, dem du einen Geldbetrag als Darlehen gewährt hast, mit der einschlägigen Klage zur Erfüllung drängen. Denn gegen die Händler, die, wie du vorbringst, deinen Schuldner durch Warenhandel um den Geldbetrag gebracht haben, hast du keine Klage.

Unberechtigt erscheint es Diokletians Juristen auch, wenn ein Darlehensgeber nach dem Tod seines Vertragspartners auf Vermächtnisnehmer zugreifen will, an die er die Darlehensvaluta weitergereicht wähnt. Diesem An­ sinnen begegnet die Kanzlei durch Verweis auf den Zwölftafelsatz von der Aufteilung der Nachlassverbindlichkeiten, die eben nur die Erben und nicht auch Vermächtnisnehmer treffen: CJ 4.16.7 (8. Dez. 294 / Honoré 2545) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Apolausto. Creditores hereditarios adversus legatarios non habere personalem convenit actionem, quippe cum evidentissime lex duodecim tabularum heredes huic rei faciat obnoxios. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Apolaustus. Nachlassgläubiger haben anerkanntermaßen keinen persönlichen Anspruch gegen Vermächtnisnehmer, da das Zwölftafelgesetz offensichtlich die Erben in dieser Sache verpflichtet.

Dass die Verwendung eines Darlehens zum Nutzen eines Dritten freilich nicht stets folgenlos bleiben muss, stellt die Kanzlei in einem Bescheid heraus, der wie die übrigen Reskripte von 294 stammt: CJ 4.2.13 (16. Okt. 294 / Honoré 2464) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Frontoni. Eum, qui mutuam sumpsit pecuniam, licet in res alienas, creditore non contemplatione domini rerum eam fenori dante, principaliter obligatum obnoxium remanere oportet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Fronto. Derjenige, der einen als Darlehen gewährten Geldbetrag verbraucht hat, muss auch dann, wenn es für fremde Angelegenheiten geschehen ist, hauptsächlich als Schuldner verpflichtet bleiben, wenn der Gläubiger den Betrag nicht mit Blick auf den Geschäftsherrn als Darlehen gegeben hat.

Der Darlehensnehmer soll bloß dann principaliter verpflichtet sein, wenn nicht der Kreditgeber bei der Vergabe des Darlehens gerade auf den Dritten als dominus rerum zielte. Mit diesem Vorbehalt kann einerseits die Möglichkeit einer Stellvertretung gemeint sein, wie sie auf Seiten des Darlehensgebers schon unter Philippus Arabs zugelassen wurde182. Diokletians Juristen 182  CJ

4.2.4pr (15. Feb. 246 / Honoré 1260); s. o. S. 74.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

könnten hier aber auch andererseits den Weg für eine Analogie zur actio de in rem verso offenhalten,183 wie sie sie an anderer Stelle in Fortentwicklung der klassischen Ausdehnung von actio institoria und exercitoria auf freie Geschäfts- und Schiffsleiter erwägen184. Voraussetzung wäre eine vergleichbare Eingliederung des Darlehensnehmers in den Betrieb eines anderen, was gerade in dessen Bezeichnung als dominus rerum zum Ausdruck gebracht sein könnte. Für einen Bezug zur adjektizischen actio de in rem verso spricht auch, dass dann praktisch ein Verhältnis von Haupt- und Nebenschuldner entstünde: Während der in das Geschäft des dominus integrierte Darlehensnehmer als Freier selbst verpflichtet wird, trifft die Haftung vordringlich den Geschäftsherrn, auf den sich die Vorstellung des Vertragspartners richtet. Dieser wäre also principaliter verbindlich – eine Formulierung, die die Kanzlei, sprachlogisch nicht völlig korrekt, für den Regelfall umkehrt, in dem die Darlehensgewährung eben nicht mit Blick auf einen Dritten als Geschäftsherrn erfolgt.185 2. Zinsvereinbarungen Ein anderer Schwerpunkt der Reskriptenpraxis liegt auf der Frage, ob ein Darlehensgeber Zinsen verlangen kann. Als Realvertrag, der lediglich auf die Abwehr einer ungerechtfertigten Bereicherung des Darlehensnehmers und deshalb ausschließlich auf die Rückgewähr der Darlehensvaluta gerichtet ist,186 kann das mutuum keine weitere Verpflichtung des Darlehensnehmers zeitigen. Will sich der Darlehensgeber Zinsen als Gegenleistung für die Überlassung des Kapitals ausbedingen, ist er darauf verwiesen, sie sich in Gestalt einer Stipulation versprechen zu lassen. Dies bekundet die kaiserliche Kanzlei schon unter Caracalla und ergänzt, dass auch die Leistung nicht geschuldeter Zinsen in der Fehlannahme der Wirksamkeit einer formlosen Vereinbarung keinen Anspruch auf ihre weitere Entrichtung zeitigt: CJ 4.32.7 (4. Okt. 215 / Honoré 421) Imp. Antoninus A. Domitio Aristaeo. Creditor instrumentis suis probare debet quae intendit et usuras se stipulatum, si potest. nec enim, si aliquando ex consensu praestitae sunt, obligationem constituunt. Kaiser Antoninus an Domitius Aristaeus. Der Gläubiger muss, falls er kann, durch seine Urkunden nachweisen, was er begehrt, und dass Zinsen durch Stipulation 183  Umgekehrt versteht die Konstitution Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 107 Fn. 53. 184  CJ 4.26.7.3 (5. April 293 / Honoré 1771); s. u. S. 295 f. 185  Damit erübrigt sich auch der von Claus, S. 332 geäußerte Interpolationsverdacht. 186  Harke, Ein System des römischen Vertragsrechts?, in: Studien zu Vertrag und Eigentum, Berlin 2013, S. 17, 30 ff.



I. Darlehen81 versprochen worden sind. Und es entsteht keine Verpflichtung, wenn Zinsen irgendwann aufgrund einer Vereinbarung geleistet worden sind.

Diokletians Juristen müssen sich mit dem Stipulationserfordernis in einem speziellen Fall befassen, in dem ein Anspruch auf Zahlung eines Kaufpreises in eine Darlehensforderung überführt werden soll: CJ 4.2.6 (17. Sept. 293 / Honoré 2008) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Nicandro. Si ex pretio debitae quantitatis facta novatione per stipulationem usuras licitas contra quem supplicas stipulatus es, falsa mutuae datae quantitatis demonstratio praemissa, cum obligationis non defecerat substantia, quominus usque ad modum placitum usurae possint exigi, nihil nocet. (1) Si vero citra vinculum stipulationis tantum mutuam pecuniam datam conscriptum est et eius praestari fenus convenit, simulatis pro infectis habitis huiusmodi placitum nihil de praecedenti mutavit obligatione. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Nicander. Hast du dir bei der Novation eines als Kaufpreis geschuldeten Betrags durch Stipulation Zinsen in erlaubter Höhe von demjenigen versprechen lassen, gegen den sich deine Eingabe richtet, verhindert die vorausgeschickte Fehlangabe, dass der Betrag als Darlehen gewährt worden sei, da die Verpflichtung Bestand hat, nicht, dass Zinsen in verabredeter Höhe gefordert werden können. (1) Ist aber ohne Stipulationsverpflichtung nur beurkundet worden, dass ein Darlehen gewährt wurde, und vereinbart worden, dass es mit Zinsen geleistet werden soll, hat diese Vereinbarung nichts an der früheren Verpflichtung geändert, da ein Scheingeschäft als nicht abgeschlossen gilt.

Um eine Verzinsung in bestimmter Höhe zu begründen, haben die Parteien eines Kaufvertrags in einer nachträglich getroffenen Vereinbarung bekundet, dass der als Kaufpreis geschuldete Betrag vom Verkäufer als Darlehen an den Käufer ausgereicht worden sei.187 Diese falsche Angabe berührt nicht die Wirksamkeit des Vertrags, wenn er in Form einer Stipulation abgeschlossen worden ist: Mit ihr kann ohne Weiteres eine Zinspflicht begründet werden; und auch der vorangehende Kaufvertrag, in dessen Rahmen die Parteien die Verzinsung ebenfalls hätten vorsehen können, tut dieser Verpflichtung keinen Abbruch. Anders verhält es sich, wenn die Parteien sich nicht der Stipulationsform bedient und in der Vertragsurkunde bloß festgestellt haben, der zuvor als Kaufpreis geschuldete Betrag sei als Darlehen gewährt worden. Die Kanzlei versagt hier einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Zinsen mit 187  Pringsheim, Diocletian in C.  4.2.6, Tulane Law Review 23 (1958 / 59) 551 ff. erkennt hier einen Kaufvertrag nach griechischem Muster, bei dem die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises durch Vereinbarung eines Darlehens begründet werden muss. Ernst, Gattungskauf und Lieferungskauf im römischen Recht, SZ 114 (1997) 272, 284 f. will Diokletians Entscheidung auf den Fall eines Gattungskaufs beziehen, bei dem der Kaufpreis schon gezahlt ist, die Lieferung der generisch bestimmten Kaufsachen aber noch aussteht und zum Gegenstand eines Sachdarlehens gemacht werden soll. Taubenschlag, S. 142 Fn. 1001 erkennt hier lediglich den „peregrinischen Litteralvertrag“ wieder (s. o. Fn. 174).

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

der Begründung, die Darlehensabrede habe als bloßes Scheingeschäft nichts an der ursprünglichen Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises geändert.188 Dies lässt sich in zweifacher Weise deuten, je nachdem, ob man glaubt, die diokletianische Kanzlei habe sich im Streit über die Zulässigkeit eines Vereinbarungsdarlehens auf die Seite Julians gestellt oder sich der Gegenansicht von Ulpian angeschlossen:189 Nimmt man an, Diokletians Juristen hätten wie Julian die Wirksamkeit eines Vereinbarungsdarlehens verneint, bei dem eine anderweit begründete Verpflichtung durch bloße Vereinbarung in ein mutuum überführt wird, richtet sich der Vorwurf der simulatio gegen die Beurkundung der Darlehensauszahlung als solche. Da sie für die Verpflichtung aus mutuum erforderlich, aber in Wahrheit gar nicht vorgekommen ist, bleibt sie ohne Einfluss auf den Kaufpreisanspruch. Lässt sich ein solches Verständnis auch mit dem Wortlaut des Reskripts in Einklang bringen, wird es freilich doch nicht dem Sinn gerecht, der sich aus dem Kontrast zur Entscheidung im Fall der Stipulation ergibt: Der maßgebliche Unterschied kann danach nicht in der eher theoretischen Frage liegen, ob der Kaufpreisanspruch umgeschaffen worden ist, sondern muss sich daraus ergeben, ob die Parteien mit ihrer Vereinbarung eine Zinspflicht begründet haben. Zu dieser hätte es aber ganz unabhängig von der Ablehnung eines Vereinbarungsdarlehens nicht kommen können, weil das mutuum keiner Zinsvereinbarung zugänglich ist. Der Verweis auf die simulatio ginge also ins Leere; denn die Vereinbarung des Darlehens wäre, auch wenn sie nicht an der Fiktion der Darlehensauszahlung krankte, in jeden Fall fruchtlos gewesen. Näher liegt daher anzunehmen, dass Diokletians Juristen in Übereinstimmung mit Ulpian den Abschluss eines Vereinbarungsdarlehens durch Überführung einer anderweit begründeten Schuld in ein mutuum durchaus für denkbar halten. Der Vorwurf der simulatio trifft in diesem Fall nicht die Beurkundung der in Wahrheit gar nicht vorgekommenen Auszahlung. Da es ihrer zur Wirksamkeit des mutuum im Fall eines Vereinbarungsdarlehens gar nicht bedarf, wäre er hier ebenso wenig angebracht wie im Fall der Stipulation, die gleichfalls keine Auszahlung voraussetzt. Zum Scheingeschäft wird die Vereinbarung erst dadurch, dass die Parteien vorspiegeln, ein fenus nau­ ticum abgeschlossen zu haben, das anders als das gewöhnliche mutuum eine Zinspflicht hervorbringt190. Zwar spricht die Kanzlei schlicht von fenus; versteht man ihre Aussage vor dem Hintergrund des Problems der Zins188  Zur simulatio in den Reskripten Diokletians Harke, Si error aliquis intervenit, S.  246 ff. 189  Dass dieser Streit für die Deutung des Reskripts entscheidend ist, glaubt auch Ernst, SZ 114 (1997) 272, 286. 190  D 22.2.7 Paul 3 ed.



I. Darlehen83

pflicht, kann sie jedoch unschwer so deuten, dass damit nur die ausnahmsweise verzinsliche Variante des mutuum gemeint ist. Haben die Parteien ein Seedarlehen vereinbart, ohne dass Kapital für einen Schiffstransport überlassen wurde, stellt dies eine entscheidungserhebliche Simulation dar; denn der Zinsanspruch scheitert nicht von vornherein an der Zinsfeindlichkeit des mutuum, sondern erst daran, dass die Voraussetzungen, unter denen eine formlose Zinsabrede wirksam ist, lediglich fingiert sind.191 Für die Zinsforderung bleibt nur die Kaufklage, die mangels wirksamer Novation weder automatisch noch im Wege eines pactum aufgehoben sein kann. Auf eine weitere Ausnahme, in dem der Darlehensnehmer jenseits einer Stipulationsverpflichtung Zinsen schuldet, deutet ein Reskript hin, dessen überlieferte Fassung in einer knappen Sentenz besteht: CJ 4.32.23 (29. Sept. 294 / Honoré 2384) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Iasoni. Oleo quidem vel quibus­ cumque fructibus mutuo datis incerti pretii ratio additamenta usurarum eiusdem materiae suasit admitti. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Jason. Bei Öl und allen Früchten, die darlehenshalber überlassen sind, ist es ratsam, Zinsen aus demselben Stoff wegen der Preisunsicherheit zuzulassen.

Da das Sachdarlehen ebenso wenig wie ein Geldkredit einem völligen Zinsverbot unterliegt, kann mit der Zulassung von Zinsen hier nur gemeint sein, dass sie auch formlos vereinbart werden können. Eben dies die Kanzlei schon unter Severus Alexander entschieden: CJ 4.32.11 (1. Mai 223 / Honoré 569) Imp. Alexander A. Aurelio Tyranno. Frumenti vel hordei mutuo dati accessio etiam ex nudo pacto praestanda est. Kaiser Alexander an Aurelius Tyrannus. Auf Getreide oder Gerste, die darlehenshalber überlassen sind, sind Zinsen auch aufgrund eines schlichten Pakts zu leisten.

Der Sinn dieser Ausnahme vom Stipulationserfordernis erschließt sich nicht so leicht wie beim Seedarlehen: Dort ist die Gefahrübernahme durch den Darlehensgeber, die es gestattet, ihm im Gegenzug formlos vereinbarte Zinsen zukommen zu lassen. Würde man ihm die Berufung auf die Zinsabrede versagen, müsste man umgekehrt dem Darlehensnehmer verweigern, die vereinbarte Risikoübernahme geltend zu machen. Erlaubt man ihm, sich auf dieses pactum zu berufen, muss er auch an die als Pendant getroffene Zinsvereinbarung gebunden sein. Beim Sachdarlehen übernimmt der Darlehens191  Zwar geht das fenus nauticum auf griechische Vorbilder zurück; da Diokletians Kanzlei es nicht als Rechtsinstitution in Frage stellt, sondern sich lediglich gegen seine Fiktion wendet, kann man ihr entgegen Ernst, SZ 114 (1997) 286 aber auch insoweit nicht attestieren, sie habe römisches Recht gegen griechisches Volksrecht verteidigt.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

geber dagegen, formal betrachtet, kein besonderes Risiko, das eine Ausnahme seiner Zinsforderung vom Stipulationserfordernis erheischte. Und die von Diokletian angeführte ratio incerti pretii lässt sich auch nicht so verstehen, dass der Darlehensgeber Zinsen zum Ausgleich für ein eigens übernommenes Risiko des Geldwertschwundes erhält. Indem er ein Sachdarlehen gewährt, das den Darlehensnehmer zu artgleicher Leistung verpflichtet, ist er des Inflationsrisikos ja gerade enthoben. Seine besondere Belastung kann nur darin liegen, dass er sich trotz der Preisunsicherheit, mit der das Risiko fehlender Leistungsfähigkeit des Darlehensnehmers steigt, überhaupt zu einer Darlehensgewährung bereitgefunden hat. Die Ausnahme vom Stipulationserfordernis knüpft daher in diesem Fall weniger an die Eigenart des Vertrags als an die wirtschaftlichen Umstände seines Abschlusses an. Sie ist, wie Diokletians Bescheid trotz seiner Kürze klarstellt, an eine Darlehensgewährung in Zeiten eingetretener oder drohender Inflation geknüpft.192 Die Zinslosigkeit des mutuum schließt natürlich nur eine Klage auf Zahlung von Zinsen, nicht dagegen aus, dass der Gläubiger sie behalten darf, wenn er sie einmal eingenommen hat. Hier kann die Zinsabrede die einem pactum eigentümliche Wirkung zeitigen, einen Anspruch durch Einrede auszuschließen. Ist die Zinszahlung auch ohne zugrunde liegende Verpflichtung erfolgt, ist die condictio indebiti doch durch die exceptio pacti gesperrt. Dies gilt zunächst einmal bei einer freiwilligen Zahlung durch den Darlehensnehmer oder einen Dritten. Erfolgt sie im Fall einer durch Pfandrecht gesicherten Forderung, kann der Darlehensgeber die Zahlung mangels einer Tilgungsbestimmung sogar selbst auf die Zinsen anrechnen: CJ 4.32.21 (vor 15. Juli 294 / Honoré 2349) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Chresimoni. Si usuras praestari pignore dato convenerat et in continenti numeratione facta, postea vel ante, propter quod debitum solutionem feceras, non designasti, habuit creditor in usuras tibi accepto ferendae solutae quantitatis facultatem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Chresimon. Ist bei Bestellung eines Pfandes vereinbart worden, dass Zinsen geleistet werden sollen, und hast du nicht zugleich mit der Zahlung, vorher oder nachher, erklärt, auf welche Schuld du die Leistung erbringst, hat der Gläubiger die Befugnis, den gezahlten Betrag auf die Zinsen anzurechnen.

Dass die formlose Zinsvereinbarung hier als pactum wirkt, stellt die Kanzlei eigens heraus:193 CJ 4.32.22 (15. Juli 294 / Honoré 2350) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Cominio Carino. Pignoribus quidem intervenientibus usurae, quae sine stipulatione peti non poterant, pacto retineri 192  So

auch Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 498 Fn. 37. D 13.7.11.3 Ulp 28 ed.

193  Vgl.



I. Darlehen85 possunt. verum hoc iure constituto, cum huiusmodi nullo interposito pacto tantum certae summae poenam praestari convenisse proponas, nec peti nec retineri quicquam amplius et ad pignoris solutionem urgueri te disciplina iuris perspicis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Cominius Carinus. Sind Pfänder bestellt, können Zinsen, die ohne Stipulationsversprechen nicht gefordert werden können, aufgrund des Pakts einbehalten werden. Ist dies auch zu Recht verordnet, siehst du doch ein, dass, da du vorträgst, es sei ohne den Abschluss eines solchen Pakts nur vereinbart worden, dass eine bestimmte Summe als Strafe geleistet wird, weder etwas gefordert noch etwas zurückbehalten werden kann und die Rechtsordnung zur Befreiung des Pfandes zwingt.

Auf das pactum zurückgeführt finden wir dies schon in Reskripten aus der Zeit von Septimius Severus. Was die Anrechnung einer Zahlung auf nicht geschuldete Zinsen anbelangt, widerspricht sich allerdings die Überlieferung: Der Codex Iustinianus führt ein Reskript von 200 auf, nach dem eine Zahlung des Schuldners, wenn sie den Betrag der durch pactum zugesagten Zinsen und das Kapital nicht erschöpft, ohne Weiteres vorrangig auf die Zinsen und nicht etwa auf das Kapital anzurechnen ist:194 CJ 4.32.3 (27. Sept. 200 / Honoré 73) Imp. Severus et Antoninus AA. Iuliano Serpio. Quamvis usurae fenebris pecuniae citra vinculum stipulationis peti non possunt, tamen ex pacti conventione solutae neque ut indebitae repetuntur neque in sortem accepto ferendae sunt. Kaiser Severus und Antoninus an Julian Serpius. Obwohl Zinsen auf ein Darlehen ohne Abschluss eines Stipulationsversprechens nicht gefordert werden können, sind sie doch, wenn sie aufgrund eines Pakts gezahlt worden sind, weder als nicht geschuldet zurückzufordern noch auf das Darlehenskapital anzurechnen.

Ulpian, der die durch pactum versprochenen Zinsen zum Gegenstand einer Naturalobligation erklärt, stellt die kaiserliche Rechtsprechung seiner Zeit anders dar:195 Eine vorrangige Anrechnung auf formlos vereinbarte Zinsen sei nur dann zulässig, wenn die Darlehensgewährung mit einer Verpfändung einhergeht. Fehlt es an dieser, könne eine Leistung bloß dann als Zinszahlung gelten, wenn der Darlehensnehmer zu dieser auch verpflichtet ist; ansonsten müsse der Gläubiger den empfangenen Betrag vorrangig auf das Kapital anrechnen: D 46.3.5.2 Ulp 43 Sab Imp. Antoninus cum divo patre suo rescripsit, cum distractis pignoribus creditor pecuniam redigit: si sint usurae debitae et aliae indebitae, quod solvitur in usuras, ad utramque causam usurarum tam debitarum quam indebitarum pertinere: puta quaedam earum ex stipulatione, quaedam ex pacto naturaliter debebantur. si vero 194  Hierzu Gröschler, Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen und her­ kulanensischen Urkundenfunden, Berlin 1997, S. 172 f. und Cherchi, Ricerche sulle usurae convenzionali nel diritto romano classico, Neapel 2012, S. 117 ff. 195  Hierzu Gröschler (Fn. 194), S. 166 ff.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

summa usurarum debitarum et non debitarum non eadem sit, aequaliter ad utramque causam proficit quod solutum est, non pro rata, ut verba rescripti osten­ dunt. sed si forte usurae non sint debitae et quis simpliciter solverit, quas omnino non erat stipulatus, imperator Antoninus cum divo patre suo rescripsit, ut in sortem cedant. eidem autem rescripto ita subicitur: ‚quod generaliter constitutum est prius in usuras nummum solutum accepto ferendum, ad eas usuras videtur pertinere, quas debitor exsolvere cogitur: et sicut ex pacti conventione datae repeti non pos­ sunt, ita proprio titulo non numeratae pro solutis ex arbitrio percipientis non habebuntur‘. Kaiser Antoninus hat mit seinem göttlichen Vater den Bescheid in dem Fall erteilt, dass der Gläubiger durch Verkauf von Pfändern einen Erlös erzielt hat: Sind die Zinsen zum Teil geschuldet, zum Teil nicht geschuldet, sei die Zinszahlung auf beide Arten von Zinsen, sowohl die geschuldeten als auch die nicht geschuldeten anzurechnen, zum Beispiel wenn ein Teil aus einem Stipulationsversprechen, ein Teil aus einem Pakt in natürlicher Weise geschuldet wird. Ist aber der Betrag der geschuldeten und nicht geschuldeten Zinsen nicht gleich, sei die Zahlung gleichmäßig auf beide Arten zu verteilen, nicht nach Anteilen, wie der Wortlaut des Bescheids zeigt. In dem Fall aber, dass Zinsen nicht geschuldet sind und jemand schlicht geleistet hat, was auf keine Weise durch Stipulation versprochen worden ist, hat Kaiser Antoninus mit seinem göttlichen Vater beschieden, dass es auf das Kapital angerechnet wird. In demselben Bescheid ist Folgendes hinzugefügt: „Was grundsätzlich anerkannt ist, nämlich dass eine Zahlung zunächst auf die Zinsen anzurechnen ist, bezieht sich auf solche Zinsen, zu deren Zahlung der Schuldner gezwungen werden kann; und wie nicht zurückgefordert werden kann, was aufgrund der Übereinkunft in einem Pakt geleistet worden ist, so wird es, wenn es nicht eigens unter einer Bestimmung gezahlt worden ist, nicht nach dem Ermessen des Empfängers angerechnet.“

Diese Unterscheidung ist kaum zu rechtfertigen. Zwar kann der Bezug des pactum auf einen Pfandvertrag durchaus einen Unterschied machen. Dies gilt etwa, wenn das Pfandrecht im Wege der Zurückbehaltung dazu eingesetzt werden soll, den Darlehensnehmer zur Leistung formlos vereinbarter Zinsen zu zwingen. Dies kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn die Verpfändung auf die Zinsvereinbarung erstreckt worden ist: CJ 4.32.4 (zwischen 27. Sept. 200 und 7. Juli 205 / Honoré 177) Impp. Severus et Antoninus AA. Aproniae Honoratae. Per retentionem pignoris usuras servari posse, de quibus praestandis convenit, licet stipulatio interposita non sit, merito constitutum est et rationem habet, cum pignora condicione pacti etiam usuris obstricta sint. (1) Sed enim in causa de qua agis haec ratio cessat, si quidem tempore contractus de minoribus usuris petendis convenit, postea autem, cum se debitor praestaturum maiores repromisit, non potest videri rata retentio pignoris, quando eo tempore, quo instrumenta emittebantur, non convenerit, ut pignus etiam ad hanc adiectionem teneatur. Kaiser Severus und Antoninus an Apronia Honorata. Zu Recht ist entschieden worden, dass durch die Zurückbehaltung eines Pfandes Zinsen erlangt werden können, über deren Leistung man sich geeinigt hat, auch wenn kein Stipulations-



I. Darlehen87 versprechen vorgenommen worden ist; und dies ist sinnvoll, da Pfänder kraft eines Pakts auch für Zinsen haften. (1) Aber in dem Fall, den du anführst, versagt diese Regel, wenn zwar zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses man sich geeinigt hat, dass geringere Zinsen gefordert werden, später aber, als der Schuldner höhere versprochen hat, die Zurückbehaltung des Pfandes nicht als wirksam angesehen werden kann, weil zu dem Zeitpunkt, in dem die Urkunde aufgenommen worden ist, nicht vereinbart wurde, dass das Pfand auch für diese zusätzliche Verpflichtung haftet.

In der Frage, wie die Anrechnung einer freiwillig geleisteten Zahlung zu erfolgen hat, kann es dagegen nicht auf die Existenz eines Pfandvertrags ankommen. Denn das pactum als Rechtsgrund für den Verbleib der Leistung beim Gläubiger ist nicht darauf angewiesen, dass es im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der die Rücksicht auf die formlose Vereinbarung im Rahmen eines bonae fidei iudicium erlaubt. Vermag die von Ulpian referierte Judikatur daher nicht zu überzeugen, stellt dies freilich keinen Grund, die Authentizität seines Berichts in Zweifel zu ziehen, zumal er mit einem wörtlichen Zitat des maßgeblichen Reskripts versehen ist. Dem Verdacht einer Textveränderung unterliegt eher die in CJ 4.32.3 überlieferte Fassung der Konstitution von Septimius Severus. Ihre Anpassung, die sich vielleicht in einer Kürzung erschöpft hat, könnte das Ergebnis der Redak­ tionsarbeit von Justinians Kompilatoren sein, die mit ihr auf das Reskript Diokletians in CJ 4.32.21 reagieren. Zwar geht es hier auch um den Fall, in dem die Darlehensgewährung von einer Verpfändung begleitet ist. Die Entscheidung bietet jedoch keinen Anhalt für eine Differenzierung zwischen pfandgesicherten und sonstigen Darlehensverträgen und lässt sich daher leicht als Abkehr von der unglücklichen Differenzierung der severianischen Kanzlei ansehen.196 Von einer Reform Diokletians zeugt auch ein Bescheid zu einer Vereinbarung, die eine Verzinsung über den zulässigen Maximalsatz hinaus vorsieht: CJ 4.32.18 (vor 15. Juli 294 / Honoré 2346) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Castori. Indebitas usuras, etiam si ante sortem solutae non fuerint ac propterea minuere eam non potuerint, licet post sortem redditam creditori fuerint datae, exclusa iuris varietate repeti posse pensa ratione firmatum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Castor. Um die Divergenz der Rechtsansichten zu beenden, wird nach eingehender Prüfung bekräftigt, das nicht geschuldete Zinsen, auch wenn sie nicht vor dem Kapital gezahlt worden sind und dieses deshalb nicht verringern können, sogar wenn sie nach Rückzahlung des Kapitals geleistet worden sind, zurückgefordert werden können.

Obwohl Zinsen, die aufgrund eines bloßen pactum geleistet werden, strenggenommen stets „ungeschuldet“ (indebitae) sind, kann die Entschei196  Anders Taubenschlag, S. 55 Fn. 419, der Diokletians Entscheidung im Sinne von Ulpians Darstellung der älteren Kaiserrechtsprechung deutet.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

dung für ihre Rückforderung doch nur den Zinsen gelten, die über den zulässigen Höchstzinssatz von 12 % hinaus geleistet worden sind;197 und bei ihnen kommt es wiederum auch nicht darauf an, ob sie durch pactum oder Stipulation zugesagt worden sind. Werden sie vor Erfüllung der Kapitalschuld entrichtet, werden sie anders als Zinsen, die sich in dem erlaubten Rahmen halten, auf das Kapital angerechnet, so dass eine Rückforderung ausscheidet. Erst bei Zinsen, die nach Rückzahlung des Kapitals geleistet werden, stellt sich das Problem, ob sie als Leistung auf eine Nichtschuld kondiziert werden können.198 Zwar hat Ulpian dies schon in Anknüpfung an eine Entscheidung von Septimius Severus bejaht:199 D 12.6.26pr Ulp 26 ed Si non sortem quis, sed usuras indebitas solvit, repetere non poterit, si sortis debitae solvit: sed si supra legitimum modum solvit, divus Severus rescripsit (quo iure utimur) repeti quidem non posse, sed sorti imputandum et, si postea sortem solvit, sortem quasi indebitam repeti posse. proinde et si ante sors fuerit soluta, usurae supra legitimum modum solutae quasi sors indebita repetuntur. quid si simul solverit? poterit dici et tunc repetitionem locum habere. Hat jemand nicht das Kapital, sondern nicht geschuldete Zinsen geleistet, kann er sie nicht zurückfordern, wenn er sie auf geschuldetes Kapital geleistet hat; für den Fall aber, dass er über den gesetzlich erlaubten Zinssatz hinaus geleistet hat, hat der göttliche Severus beschieden, dass sie nicht zurückgefordert werden können, sondern auf das Kapital anzurechnen sind und, wenn er später das Kapital zahlt, dieses als nicht geschuldet zurückgefordert werden kann. Daher werden die Zinsen, die über den gesetzlich erlaubten Zinssatz hinaus gezahlt worden sind, auch dann, wenn das Kapital vorher gezahlt worden ist, zurückgefordert. Was gilt, wenn er beides gleichzeitig geleistet hat? Man kann sagen, dass auch in diesem Fall die Rückforderung Platz greift.

Wie Diokletians Juristen ausdrücklich mitteilen, war die Frage dennoch umstritten. Der Grund liegt auf der Hand: Zwar bietet die Zinsvereinbarung, sofern sie den maximalen Zinssatz überschreitet, keinen Rechtsgrund für einen Verbleib der Leistung beim Darlehensgeber; einem Darlehensnehmer, der übermäßige Zinszahlungen erbracht hat, lässt sich jedoch zumindest dann, wenn er die Zinsschranke kennt, entgegenhalten, dass er wissentlich eine Nichtschuld erfüllt hat.200 Einen Reflex dieser Ansicht lassen noch die in diokletianischer Zeit entstandenen Paulussentenzen erkennen, indem sie 197  Gröschler

(Fn. 194), S. 184, Cherchi (Fn. 194), S. 110. (Fn. 194), S. 110 schreibt den Passus, in dem dies dargestellt wird, den justinianischen Kompilatoren zu. 199  Nach Ansicht von Gröschler (Fn. 194), S. 184 ff. galt eine Rückforderung von übermäßig gezahlten Zinsen vor dieser Entscheidung als schlechthin ausgeschlossen. Anders Cherchi (Fn. 194), S. 110. 200  Anders Gröschler (Fn. 194), S. 185, der glaubt, mit der varietas iuris spiele die Kanzlei auf die in Gai 4.23 erwähnte lex Marcia an. 198  Cherchi



I. Darlehen89

die Rückforderung von Zinsen, die die Zinsgrenze überschreiten, von einem error des Schuldners, also seinem Rechtsirrtum über die Existenz des Höchstzinssatzes,201 abhängig machen.202 Diokletians Juristen halten diesen Einwand aber nicht für durchschlagend203 und können hierfür den Zweck der Zinsschranke in Anspruch nehmen: Ist sie zum Schutz des Schuldners gedacht, kann sie diese Aufgabe nur dann effektiv erfüllen, wenn sie ihm auch nach Erbringung der Leistung noch eine Rückforderung eröffnet. Der Rechtsverstoß fällt bei einer Überschreitung des Höchstzinssatzes allein dem Darlehensgeber zur Last, so dass er nach dem Vorbild von Leistungen auf Vereinbarungen, denen insgesamt der Makel einer Rechts- oder Sittenverletzung anhaftet,204 auch zur Rückzahlung verpflichtet sein muss. Auf die schuldnerschützende Funktion, die eine Sanktion der Zinsschranke durch einen Bereicherungsanspruch trägt, beruft sich Diokletians Kanzlei eigens in einem anderen Reskript, durch das sie ihre Geltung für akzessorisch verpflichtete Bürgen und Kreditauftraggeber bestätigt: CJ 4.32.20 (vor 15. Juli 294 / Honoré 2348) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aelio Nicopolitano. Constitutionibus sacris, quae ultra certum modum usuras fenebris exigi pecuniae prohibent, mandatoribus etiam vel fideiussoribus subventum est: quibus quasi mandator vel fideiussor conventus uti potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aelius Nicopolitanus. Durch die heiligen Verordnungen, die verbieten, dass Zinsen über ein bestimmtes Maß hinaus eingezogen werden, wird auch den Kreditauftraggebern und Bürgen Hilfe zuteil; wer als Kreditauftraggeber oder Bürge belangt wird, kann sich ihrer ebenfalls bedienen.

Mit den constitutiones sacrae, durch die der Höchstzinssatz festgelegt ist, müssen durchaus nicht die ursprünglichen Quellen der Zinsgrenze gemeint sein; Diokletian kann auch auf die Reskripte seiner Amtsvorgänger verweisen, die den Höchstzinssatz zum Gegenstand ihrer Entscheidungen gemacht haben. In den Reskripten, die im Codex Iustinianus überliefert sind, geht es vor allem um die Anwendung des Verbots jenseits der schlichten Vereinbarung eines übermäßigen Zinssatzes für ein Gelddarlehen. Dessen Verquickung mit einem Mietvertrag beschäftigt die Kanzlei etwa unter Severus Alexander:

Gröschler (Fn. 194), S. 186 f. 4. 203  Anders Gröschler (Fn. 194), S. 185  ff., der annimmt, die Kanzlei habe die Rückforderung übermäßiger Zinsen auch nur im Fall eines Rechtsirrtums zugelassen. 204  s. o. S.  58 ff. 201  Hierzu

202  PS 2.14.2,

90

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

CJ 4.32.14 (21. April 234 / Honoré 891) Imp. Alexander Aurelio Arcasiani. Si ea pactione uxor tua mutuam pecuniam dedit, ut vice usurarum inhabitaret, pactoque ita ut convenit usa est, non etiam locando domum pensionem redegit, referri quaestionem, quasi plus domus redigeret, si locaretur, quam usurarum legitimarum ratio colligit, minime oportet. licet enim uberiore sorte potuerit contrahi locatio, non ideo tamen illicitum fenus esse contractum, sed vilius conducta habitatio videtur. Kaiser Alexander an Aurelius Arcasianes. Hat deine Ehefrau einen Geldbetrag als Darlehen mit der Vereinbarung überlassen, dass sie anstelle von Zinsen wohnen darf, und hat sie das Haus gemäß diesem Pakt wie vereinbart genutzt und nicht auch durch seine Vermietung eine Miete erzielt, darf die Frage, ob sie, wenn sie vermietet hätte, das Haus zu einem höheren Betrag eingesetzt hätte, als die gesetzlichen Zinsen ausmachen, keine Rolle spielen. Auch wenn die Vermietung zu einem höheren Preis hätte erfolgen können, ist doch deshalb kein unzulässiges Darlehen vereinbart, sondern eine Wohnung zu einem geringen Preis gemietet worden.

Der Fall legt den Kontrast zwischen dem preisregulierten Darlehen und anderen Verträgen offen, die grundsätzlich keiner Preiskontrolle unterliegen: Erhält der Darlehensgeber statt Zinsen ein Wohnrecht, stellt sich die Frage, ob diese Leistung der Zinsgrenze unterliegt und die Vereinbarung insoweit unwirksam ist, als der jährliche Nutzungswert der Wohnung die Marke von 12 % des Darlehenskapitals überschreitet. Die Kanzlei differenziert danach, ob der Darlehensgeber die Wohnung vermietet und so Geld eingenommen oder sie selbst genutzt hat. In diesem zweiten Fall will sie keine übermäßige Zinsvereinbarung, sondern eine besonders günstige Miete erkennen und unberücksichtigt lassen, zu welchem Preis der Darlehensgeber die Wohnung hätte vermieten können. Diese Unterscheidung ist sachgerecht: Hätte der Darlehensgeber die Wohnung vermietet, hätte er mit der erzielten Miete ein Substitut für die Zinsen erlangt und so den Höchstzinssatz umgangen. Nutzt er die Wohnung dagegen selbst, lässt sich ihm dieser Vorwurf nicht machen; denn er ist in den Genuss einer Leistung gekommen, wie sie für einen Vertrag typisch ist, der im Gegensatz zum Darlehen keiner Preisbeschränkung unterliegt. Dementsprechend kann auch das Verbot übermäßiger Zinsen keine Anwendung finden. Anders verhält es sich, wenn das Darlehen nicht mit Elementen anderer Vertragsarten, sondern einem übergreifenden Mechanismus wie einer Vertragsstrafe angereichert wird oder Geld- und Sachdarlehen miteinander kombiniert werden. Mit beiden Konstellationen ist die Kanzlei unter Gordian befasst. In der Vertragsstrafe macht sie auch dann, wenn sie nur für den Fall verspäteter Rückzahlung des Kapitals vereinbart ist, eine Zinsvereinbarung aus, die nicht über den Höchstsatz hinaus wirksam ist: CJ 4.32.15 (7. März 242 / Honoré 1165) Imp. Gordianus A. Claudio Portorio. Cum adleges uxorem tuam ea condicione mille aureorum numero quantitatem sumpsisse, ut, si intra diem certum debito satis



I. Darlehen91 non fecisset, cum poena quadrupli redderet quod accepit, iuris forma non patitur legem contractus istius ultra poenam legitimarum usurarum posse procedere. Kaiser Gordian an Claudius Portorius. Da du behauptest, deine Ehefrau habe die Summe von 1000 Goldstücken mit der Maßgabe aufgenommen, dass, wenn die Schuld nicht bis zu einem bestimmten Termin erfüllt ist, das Empfangene mit einer Strafe in Höhe des Vierfachen zu leisten ist, duldet die Rechtsordnung nicht, dass die Bestimmung dieses Vertrags über die Strafe der gesetzlichen Zinsen hinaus wirkt.

Dasselbe gilt, wenn bei einem Sachdarlehen die vereinbarten Verzugszinsen in Geld bestehen sollen: CJ 4.32.16 (Honoré 1191) Imp. Gordianus A. Flavio Sulpicio. Cum non frumentum, sed pecuniam fenori te accepisse adleges, ut certa modiatio tritici praestaretur, ac, nisi is modus sua die fuisset oblatus, mensurarum additamentis in fraudem usurarum legitimarum gravatum te esse contendis, potes adversus improbam petitionem competente uti defensione. Kaiser Gordian an Flavius Sulpicius. Da du vorträgst, du habest nicht Getreide, sondern einen Geldbetrag als Darlehen erhalten, damit ein bestimmtes Maß an Getreide geleistet wird, und geltend machst, dass du, wenn es nicht rechtzeitig angeboten wird, mit Zinsen in Umgehung der gesetzlichen Zinshöhe belastet seist, kannst du dich gegen die ungebührliche Forderung der einschlägigen Verteidigung bedienen.

Zur umgekehrten Konstellation äußert sich Diokletians Kanzlei: CJ 4.2.8 (16. Dez. 293 / Honoré 2057) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Proculo. Si pro mutua pecunia, quam a creditore poscebas, argentum vel iumenta vel alias species utriusque consensu aestimatas accepisti, dato auro pignori, licet ultra unam centesimam usuras stipulanti spopondisti, tamen sors, quae aestimatione partium placito definita est, et usurarum titulo legitima tantum recte petitur. nec quicquam tibi prodesse potest, quod minoris esse pretii pignus quod dedisti proponis, quominus huius quantitatis solutioni pareas. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Proculus. Hast du anstelle des Darlehensbetrags, den du von dem Gläubiger gefordert hattest, Silber oder Vieh oder andere geschätzte Sachen im beiderseitigen Einvernehmen erhalten und Gold zum Pfand gegeben, werden, obwohl du durch Stipulation mehr als zwölf Prozent Zinsen versprochen hast, dennoch das Kapital, das durch vereinbarungsgemäße Schätzung bestimmt ist, und Zinsen, allerdings nur die gesetzliche Summe, zu Recht gefordert. Und dass das Pfand, wie du vorträgst, weniger wert ist, kann dich nicht davor bewahren, dass du dich mit der Zahlung dieser Summe abfinden musst.

Ist das Darlehen durch Übereignung vertretbarer Sachen ausgereicht, die Verzinsung aber in Geld bemessen worden, steht dies einer Beurteilung nach den für reine Geld- oder Sachdarlehen geltenden Maßstäben nicht entgegen: Die Zinsvereinbarung ist wirksam, aber eben nur bis zur Höhe des Maximal-

92

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

zinssatzes; und der Darlehensnehmer kann sich auch nicht darauf berufen, dass er nur eine geringwertige Sache zum Pfand gegeben hat, weil hierin keine Vereinbarung über die Rückgewähr des Kapitals liegt. Eine hergebrachte Ausnahme von der Zinsbeschränkung wird beim Seedarlehen gemacht.205 Mit ihm befasst sich Diokletians Kanzlei in zwei Re­ skripten, die innerhalb von nur drei Tagen im Frühjahr 286 ergehen. In dem ersten stellt sie heraus, dass der vereinbarte Zinssatz nur solange gilt, wie das Schiff unterwegs ist und der Darlehensgeber die Gefahr eines zufälligen Verlustes der Ladung trägt: CJ 4.33.2 (12. März 286 / Honoré 1476) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Scribonio Honorato. Traiecticiam pecuniam, quae periculo creditoris datur, tamdiu liberam esse ab observatione communium usurarum, quamdiu navis ad portum appulerit, manifestum est. Kaiser Diokletian und Maximian an Scribonius Honoratus. Es ist offenkundig, dass ein Seedarlehen, das auf Gefahr des Gläubigers gewährt wird, so lange von der Bindung an den gemeinen Zinssatz befreit ist, bis das Schiff im Hafen eingelaufen ist.

In dem zweiten befindet sie, dass die Befugnis zur Überschreitung des Höchstzinssatzes an die Übernahme der Transportgefahr gekoppelt ist und von vornherein nicht in Betracht kommt, wenn sich die Vereinbarung der Parteien auf die Bestimmung eines entfernten Leistungsortes beschränkt: CJ 4.33.3 (14. März 286 / Honoré 1477) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Aureliae Cosmianae. Cum dicas pecuniam te ea lege dedisse, ut in sacra urbe tibi restitueretur, nec incertum periculum, quod ex navigatione maris metui solet, ad te pertinuisse profitearis, non dubium est pecuniae creditae ultra licitum te usuras exigere non posse. Kaiser Diokletian und Maximian an Aurelia Cosmiana. Da du angibst, du hättest einen Betrag mit der Maßgabe überlassen, dass er dir in der heiligen Stadt zurückgewährt werde, aber einräumst, dass dich nicht die Gefahr getroffen habe, die sich aus der Seeschifffahrt ergibt, unterliegt es keinem Zweifel, dass du auf das Darlehen keine Zinsen über das erlaubte Maß ziehen kannst.

Trägt wie im Regelfall der Darlehensnehmer das Risiko eines zufälligen Verlustes des Kapitals oder anderer Ereignisse, die seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, gibt es keinen Grund, eine Verzinsung oberhalb des Maximalzinssatzes zuzulassen. Bemerkenswerterweise hat schon Papinian die beiden Konstellationen, die zum Gegenstand der kurz nacheinander ergangenen Bescheide der Kanzlei geworden sind, gemeinsam behandelt.206

205  PS

2.14.3.

206  D 22.2.4pr

Pap 3 resp.



I. Darlehen93

3. Exceptio non numeratae pecuniae Einer weiteren Reform ist in Diokletians Zeit die Einrede der unterlassenen Auszahlung unterworfen. Mit ihr etabliert sich das durch Stipulation gesicherte Darlehen gleichsam als eigener Vertragstyp, wie er gerade für das verzinsliche Darlehen gebraucht wird. Während man sich zu Gaius’ Zeiten bei mangelnder Auszahlung des Darlehens, dessen Rückzahlung der Schuldner verspricht, noch des unspezifischen Instituts der exceptio doli bedient hat,207 entstammt die erste datierbare Aussage zur exceptio non numeratae pecuniae einem Reskript von Caracalla aus dem Jahre 215.208 Dass sie hier noch neben der exceptio doli erscheint, lässt vermuten, dass es sich um ein gerade geschaffenes Rechtsinstitut handelt: CJ 4.30.3 (29. Juni 215 / Honoré 398) Imp. Antoninus A. Demetriae. Si ex cautione tua, licet hypotheca data, conveniri coeperis, exceptione opposita seu doli seu non numeratae pecuniae compelletur petitor probare pecuniam tibi esse numeratam: quo non impleto absolutio sequetur. Kaiser Antoninus an Demetria. Wirst du aus deinem Versprechen belangt, obwohl ein Pfandrecht bestellt worden ist, wird der Gegner auf die Erhebung der Einrede der Arglist oder des nicht ausgezahlten Geldbetrags gezwungen zu beweisen, dass dir der Geldbetrag ausgezahlt worden ist; erfolgt dies nicht, kommt es zu einer Klageabweisung.

Durch das Reskript erhellen der Sinn der neuen Einrede und ihre konstitutive Bedeutung für die Rechtsfigur des Stipulationsdarlehens gleichermaßen: Die exceptio non numeratae pecuniae dient der Umverteilung der Beweislast.209 Bewirkt sie, dass der Gläubiger die Auszahlung der Darlehensvaluta zu beweisen hat, kann er seinen Anspruch nicht mehr durch bloßen Nachweis der Stipulation schlüssig dartun und es dem Schuldner überlassen, eine ungerechtfertigte Bereicherung des Gläubigers zu behaupten und durch die ausgebliebene Auszahlung zu belegen. Die zur Besicherung des Darlehens abgegebene Stipulation wird so ihres Charakters als selbständiges Schuldversprechen beraubt und von übrigen Arten von Stipulationen gesondert; sie ist jetzt ein spezifisches Versprechen zur Darlehensrückgewähr.210 Unter Diokletian 207  Gai

4.116. die Einrede der unterlassenen Auszahlung regelrecht ihren Ursprung im Kaiserrecht hat, nehmen Levy, Die querela non numeratae pecuniae, SZ 70 (1953) 214, 240 und Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 542 an; dass sie prätorisch, wenn auch nicht ediktal ist, meint Litewski, Non numerata pecunia im klassischen römischen Recht, SDHI 70 (1994) 405, 449 ff. 209  Anders Levy, SZ 70 (1953) 214, 216, der freilich zu Unrecht annimmt, die Beweislast habe im klassischen Prozess ohnehin zur Disposition des Richters gestanden; hiergegen Harke, Si error aliquis intervenit, S.  327 ff. 210  Dass die Kanzlei ihre Entscheidung sowohl für die exceptio non numeratae pecuniae als auch für die exceptio doli trifft, deutet Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 208  Dass

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

kommt die Kanzlei auf diese Eigenart in einer Entscheidung zu sprechen, mit der sie sich gegen die Übertragung des Regimes der exceptio non numeratae pecuniae auf den Einwand der Erfüllung ausspricht:211 CJ 4.30.10 (nach 11. Dez. 293 / Honoré 2660) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Mucazano. Adseveratio debitum solutum contendentis temporis diuturnitatis non excluditur. nec huic obloquitur, quod exceptio non numeratae pecuniae certa die non delata querella prius evanescat, cum inter eum, qui factum adseverans onus subiit probationis, et negantem numerationem, cuius naturali ratione probatio nulla est, et ob hoc ad petitorem eius rei necessitatem transferentem magna sit differentia. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Mucazanus. Das Vorbringen, die Schuld sei erfüllt, wird nicht durch Zeitablauf ausgeschlossen. Hiergegen spricht nicht, dass die Einrede der unterlassenen Auszahlung eines Geldbetrags untergeht, wenn die Beschwerde nicht bis zu einem bestimmten Termin erhoben ist, weil ein großer Unterschied besteht zwischen demjenigen, der mit der Behauptung einer Tatsache die Beweislast auf sich nimmt, und demjenigen, der die Auszahlung bestreitet und nach natürlicher Vernunft keiner Beweislast unterliegt und daher die Beweislast auf den Kläger abwälzt.

Dem Ansinnen des Gläubigers, die Behauptung einer solutio an dieselbe Frist zu binden, die für den Einwand der unterlassenen Auszahlung besteht, erteilt die Kanzlei unter Hinweis auf die Beweislast eine Absage: Trifft sie bei der Erfüllung stets den Schuldner, kann die Berufung auf diesen Umstand nicht von den besonderen Voraussetzungen abhängen, an die eine Umverteilung der Beweislast durch die Behauptung einer unterbliebenen Auszahlung geknüpft ist. Die Abweichung von den gewöhnlichen Beweislastregeln, nach denen der Schuldner darzutun hätte, dass der Gläubiger durch die versprochene Leistung ungerechtfertigt bereichert wird, ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Schuldner dies rechtzeitig geltend macht. Hat ein Einwand gegen die Forderung nicht diese besondere Wirkung, kommt auch keine Fristbindung in Betracht. Eine wesentliche Veränderung erfährt das Institut der exceptio non nume­ ratae pecuniae dadurch, dass Diokletian im Jahre 294 die Frist verlängert, innerhalb der ein Darlehensnehmer sie erheben kann. Belegt wird diese Reform durch eine der beiden Konstitutionen, die aus dem Codex Hermogenia­ nus Eingang in das westgotische Römergesetz gefunden haben:212

421 plausibel so, dass letztere an das Regime der ersteren als des spezielleren Rechtsinstituts angepasst worden ist. 211  Sirks, Chirographs: negotiable instruments?, SZ 133 (2016) 265, 273 nimmt an, hier gehe es um eine als Litteralvertrag angesehene cautio. 212  Zur Rekonstruktion des Textes Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 446.



I. Darlehen95 CH LRV 1.1 (7. April 294 / Honoré 2283) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Alexio. Exceptionem non numeratae pecuniae non anni sed quinquennii spatio deficere nuper censuimus. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Alexius. Wir haben unlängst entschieden, dass die Einrede der unterlassenen Auszahlung nicht nach Jahresfrist, sondern nach Ablauf von fünf Jahren wegfällt.

Mit der Erstreckung der Frist, die einem Darlehensnehmer für den Einwand mangelnder Auszahlung bleibt, gewinnt dieses Institut erheblich an Effektivität: Stand ihm früher nur ein Jahr zur Verfügung, war dies häufig zu wenig, um sich auf die Erhebung einer Einrede zu beschränken; der Darlehensnehmer war, wenn der Gläubiger ihn binnen Jahresfrist nicht belangte, vielmehr gezwungen, seinerseits in die Offensive zu gehen und fristwahrend eine Querel anzustellen. Mit der Verlängerung der Frist auf das Fünffache ist der Primat der Einrede als der ursprünglichen Art des Schuldnerschutzes wiederhergestellt: Der Zeitraum von fünf Jahren übertrifft wohl die meisten Laufzeiten von Kreditverträgen, so dass mit einer Klage des Darlehensgebers innerhalb der Frist zu rechnen ist: Und sein Abwarten bis zu deren Ende ist außer mit dem Insolvenzrisiko des Darlehensnehmers auch mit der Gefahr einer Verschlechterung seiner Beweisposition verbunden; denn je mehr Zeit seit dem Vertragsschluss vergeht, desto schwächer werden die Beweismittel, die er braucht, um die Auszahlung des Darlehens darzutun. Dass der Schuldner vor der verordneten Fristverlängerung regelmäßig gezwungen war, von der querella non numeratae pecuniae Gebrauch zu machen, deutet noch ein Bescheid an, den die diokletianische Kanzlei im Winter vor der Reform erlässt. Hier steht die Entscheidung unter dem Vorbehalt, dass bei Erhebung der exceptio die hierfür maßgebliche Frist noch nicht verstrichen oder vor deren Ablauf noch die testatio erfolgt ist, mit der die que­ rella ihren Anfang nimmt:213 CJ 4.30.9 (11. Dez. 293 / Honoré 2045)214 Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Zoilo. Cum ultra hoc quod accepit re obligari neminem posse constet et stipulatione interposita placita creditor non dederit, in factum dandam exceptionem convenit: si necdum tempus, intra quod huius rei querella deferri debet, transiit vel intra hoc in testando iuri paritum sit, nihil ultra hoc quod accepisti sortis a te nomine praeses provinciae exigi patietur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Zoilus. Da anerkanntermaßen niemand durch Sachleistung über dasjenige hinaus verpflichtet wird, was er erhalten hat, und der Gläubiger nach Abgabe des Versprechens nicht geleistet hat, ist zu dieser entwickelt Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 434, 455 f. der durch das betreffende Thalelaios-Scholion aufgeworfenen Frage, inwieweit es bei der Aufnahme dieser Entscheidung in den justinianischen Codex zu einer Kürzung gekommen ist, Levy, SZ 70 (1953) 214, 240 und Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 435. 213  Ideen 214  Zu

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

eine auf den Sachverhalt bezogene Einrede zu gewähren; ist die Frist, innerhalb derer die Beschwerde erhoben werden muss, noch nicht verstrichen oder vor ihrem Ablauf durch Erklärung dem Recht Genüge getan, soll der Provinzstatthalter nicht zulassen, dass mehr an Kapital von dir gefordert wird, als was du empfangen hast.

Dass die gewährte Einrede hier als exceptio in factum bezeichnet wird, könnte damit zusammenhängen, dass sie sich nicht gegen die Verpflichtung in Gänze, sondern lediglich insoweit richtet, als der Auszahlungsbetrag hinter dem Rückzahlungsversprechen zurückbleibt.215 Dass auch unter diesen Umständen die Rechtsbehelfe wegen pecunia non numerata einschlägig sind, hat die Kanzlei schon unter Caracalla befunden: CJ 4.30.2 (13. April 213 / Honoré 297) Imperator Antoninus A. Maturio. Minorem pecuniam te accepisse et maioris cautionem interposuisse si apud eum qui super ea re cogniturus est constiterit, nihil ultra quam accepisti cum usuris in stipulatum deductis restituere te iubebit. Kaiser Antoninus an Maturius. Stellt sich vor demjenigen, der in dieser Sache zu befinden hat, heraus, dass du einen geringeren Geldbetrag erhalten und für einen größeren ein Versprechen geleistet hast, soll er dir nur aufgeben zu leisten, was du empfangen hast, sowie die in das Versprechen aufgenommenen Zinsen.

Mit der Verlängerung der Frist für die Rechtsbehelfe wegen pecunia non numerata geht eine weitere tiefgreifende Reform einher. Anders als die Frist­ erstreckung erschließt sie sich freilich nur mühsam durch ein längeres Re­ skript aus dem Jahre 293: CJ 4.2.5 (3. Mai 293 / Honoré 1874) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aristodemo et Proculo. Si non singuli in solidum accepta mutua quantitate vel stipulanti creditori sponte vos obligastis, licet uni numerata sit pecunia, vel intercessionis nomine hanc pro rea suscepistis obligationem, frustra veremini, ne eius pecuniae nomine vos convenire possit, quam alii mutuo dedit, si intra praestitutum tempus rei gestae quaestionem detulistis. (1) Ac multo magis inanem timorem geritis, si pecunia numerata oleum susceptum instrumento sit collatum, cum, si reddendi stipulatio nulla subiecta est et huius rei est habita sollemnis contestatio, in suo statu remanente eo, quod vere factum intercessit, ex olei accepti scriptura nihil deberi manifestum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aristodemus und Proculus. Habt ihr euch nicht einzeln für den gesamten Betrag verpflichtet, indem ihr das Darlehen empfangen oder dem Gläubiger freiwillig ein Stipulationsversprechen geleistet habt, fürchtet ihr, auch wenn das Geld einem von euch ausgezahlt worden ist oder ihr diese Verpflichtung für eine Hauptschuldnerin übernommen habt, unnötig, dass er euch wegen dieses Geldbetrags, den er dem anderen zum Darlehen gegeben hat, belangen kann, falls ihr innerhalb der festgesetzten Zeit die Untersuchung des Falles beantragt habt. (1) Noch viel unnötiger ist eure Furcht, wenn bei Auszahlung eines Geldbetrags der Empfang von Öl in eine Urkunde aufgenommen worden ist, da es, wenn keine Rückgewährstipulation hinzugefügt worden ist und 215  Litewski,

SDHI 70 (1994) 405, 434.



I. Darlehen97 die Sache förmlich bezeugt worden ist, bei dem verbleibt, was wirklich geschehen ist, und offenkundig nichts aus der Urkunde über den Empfang des Öls geschuldet wird.

Die Entscheidung betrifft eine Fülle von Fallvarianten, die zwischen den Kontrahenten umstritten zu sein scheinen: Die beiden Petenten haben sich als Gesamtschuldner für die Rückzahlung eines Darlehens verbindlich gemacht, das entweder nur einem von ihnen oder keinem der beiden ausgezahlt worden oder entweder an die eigentliche Schuldnerin geflossen ist oder nur zur Ersetzung ihrer Schuld dient.216 Die Verpflichtung ist wiederum durch Stipulation oder den Empfang des Darlehens ‚in solidum‘ oder dadurch begründet worden, dass statt der Auszahlung die Empfangnahme eines Sachdarlehens über Öl beurkundet worden ist.217 Diese verwirrende Vielfalt von Fallgestaltungen bewältigt die kaiserliche Kanzlei mit wenigen Entscheidungsformeln, die sämtliche Konstellationen abdecken: Ist die Empfangnahme von Öl statt von Geld beurkundet worden, ist das Dokument ohnehin wertlos, weil ohne Ausreichung der Darlehensvaluta keine Rückgewähr geschuldet sein kann. Was die Auszahlung des Geldbetrags anbelangt, verweist die Kanzlei darauf, dass die Fragesteller innerhalb der festgesetzten Frist eine Untersuchung erwirken müssen. Hiermit kann nur die querella non numeratae pecuniae gemeint sein,218 auf der vor der Verlängerung der Frist der Schwerpunkt in der Abwehr einer unberechtigten Inanspruchnahme durch einen Darlehensgeber liegt. Dass die Frist etwas vage als ‚tempus praestitutum‘ bezeichnet ist, liegt wahrscheinlich daran, dass die Verlängerung schon im Folgejahr und damit nach Herausgabe des Codex Hermogenianus erfolgte, in dem das Reskript vor seiner Aufnahme in den Codex Iustinianus vermutlich überliefert worden ist.219 Mit der Querel soll der betroffene Darlehensnehmer vorbringen, dass das Darlehen, auf dessen Rückzahlung ihn der Gläubiger in Anspruch nimmt, entweder überhaupt nicht oder nicht an den Darlehensnehmer geflossen ist. Unabhängig davon, ob es an einen der beiden Petenten, an die unbenannte Haupt216  Entgegen Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 440 braucht die Hauptschuldnerin ihrerseits keinen falschen Schuldschein ausgestellt zu haben. 217  Dass es hier um einen Gattungskauf geht, bei dem der Kaufpreis vorab gezahlt und das Sachdarlehen zur Begründung der Lieferpflicht des Käufers fingiert wird, glaubt Ernst, SZ 114 (1997) 280. Dass die Bescheinigung des Ölempfangs dem Schutz des Darlehensgebers vor Inflation dient, nimmt Levy, SZ 70 (1953) 214, 239 an. 218  Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 442. Taubenschlag, S. 142 Fn. 1001 sieht hier den „peregrinischen Litteralvertrag“ dokumentiert, ohne auf das Problem einzugehen, dass auch nach römischem Recht ein besonderes Vehikel für Gattungskauf und Schutz vor Inflation gefunden werden musste. 219  Vgl. auch Ernst, SZ 114 (1997) 282.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

schuldnerin oder überhaupt nicht geflossen ist, hat die Verpflichtung des anderen Fragestellers den Charakter einer Bürgschaft oder zumindest einer bürgenähnlichen Verpflichtung. Dass auch einem Bürgen oder Kreditauftraggeber die Rechtsbehelfe wegen unterlassener Auszahlung zugänglich sind,220 bekundet die Kanzlei eigens in einem wahrscheinlich später ergangenen Reskript:221 CJ 4.30.12 (Honoré 2662) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Severiano. Tam mandatori quam fideiussori non numeratae pecuniae exceptio exemplo rei principalis competit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Serverianus. Sowohl einem Auftraggeber als auch einem Bürgen steht nach dem Vorbild des Hauptschuldners die Einrede der unterlassenen Auszahlung eines Geldbetrags zu.

Diese Entscheidung ist auf den Fall zugeschnitten, dass das Darlehen überhaupt nicht zur Auszahlung gekommen ist. Hat der Hauptschuldner es erhalten, darf das Argument der pecunia non numerata nicht dazu eingesetzt werden, die bewusst übernommene Mithaftung für fremde Schuld zu umgehen. Auch dies befindet die kaiserliche Kanzlei, diesmal in einem Bescheid zu einer von Gesamtschuldnern eingegangenen Stipulation zur Absicherung eines Darlehens, das nur an einen der Schuldner ausgereicht worden ist: CJ 8.39.3 (9. Feb. 294 / Honoré 2184) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Andronico. Propter mutuam uni datam pecuniam aliis reis promittendi factis, ob non numeratam sibi pecuniam obligationem remitti desiderio postulantium iura refragantur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Andronicus. Haben sich wegen eines Darlehens, das einem gewährt worden ist, andere als Gesamtschuldner verpflichtet, wird das Recht gebrochen, wenn sie begehren, dass ihre Verpflichtung wegen unterlassener Auszahlung ausgeschlossen wird.

Auch wenn das Darlehen wirklich an die Hauptschuldnerin oder den anderen Petenten ausgezahlt worden ist, kann in der von CJ 4.2.5 behandelten Konstellation freilich immer noch ein Fall von pecunia non numerata vorliegen, wenn gar keine Bürgschaft übernommen, die Verpflichtung vielmehr auf Rückgewähr eines selbst empfangenen Darlehens gerichtet sein sollte. Zwar kann die Verpflichtung durch Stipulation als Bürgschaft gedeutet werden; und die Kanzlei hat offenbar auch keine Bedenken, in einem Darlehensempfang ‚in solidum‘ die Übernahme einer Mithaftung zu sehen,222 wie sie sie zugleich in einem weiteren Reskript erwägt.223 220  D 17.1.29pr

Ulp 7 disp. Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 439. 222  Schmieder (Fn. 164), S. 187 f. 223  CJ 4.2.12 (18. Aug. 294 / Honoré 2357); s. o. S. 76 f. – Nicht ganz eindeutig ist der Hergang der Darlehensgewährung auch in D 46.1.71pr Paul 4 quaest beschrieben; hierzu Schmieder (Fn. 164), S. 183 ff. 221  Hierzu



I. Darlehen99

Verbunden mit diesem Vorrang des konsensualen Charakters des Darlehensvertrags ist nun die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Rechtsbehelfe wegen pecunia non numerata: Sollten die Darlehensnehmer nicht als Bürgen oder mithaftende Gesamtschuldner auftreten, halten Diokletians Juristen eine quaestio über die Auszahlung des Darlehens nicht nur dann für einschlägig, wenn die Darlehensnehmer sich durch Stipulation zur Rückzahlung verpflichtet haben; die fristgebundene Untersuchung soll auch dann stattfinden, wenn sie lediglich bescheinigt haben, dass Darlehen gemeinsam in voller Höhe in Empfang genommen zu haben.224 Zwar liegt bei der unrichtigen Bescheinigung eines Darlehensempfangs anders als bei einer Stipulation keine für sich genommen wirksame Verpflichtung vor, die durch ex­ ceptio oder Querel entkräftet werden müsste. Geht man von einem Übergewicht des konsensualen Elements des mutuum aus, verflüchtigt sich jedoch der strikte Gegensatz zum Stipulationsdarlehen; und es ist gerechtfertigt, die Behauptung mangelnder Auszahlung des Darlehens hier wie dort gleich zu behandeln, indem man nicht nur die Beweislast durchgängig dem Darlehensgeber zuweist, sondern zugleich den Rechtsbehelf, der für diese Beweislastverteilung sorgt, einer einheitlichen Frist unterwirft. Dieser Schritt bedeutet noch keineswegs, dass man einer Urkunde denselben Stellenwert wie einem Vertragsschluss zumisst;225 denn es ist nicht die Urkunde, gegen die sich exceptio oder querella non numeratae pecuniae richten, sondern die in ihr dokumentierte Darlehensvereinbarung. Genießt sie den Vorrang vor dem realen Element des Darlehensvertrags, ist es konsequent, sie ebenso wie eine Stipulation zu behandeln, mit der die Rückgewähr des Darlehens versprochen wird. Ebenso, wie sich diese zu einem speziellen Instrument des Kreditgeschäfts wandelt, nähert sich ihr die Darlehensvereinbarung an, die sich durch eine stärkere Betonung des konsensualen Elements vom realvertraglichen Charakter des mutuum emanzipiert. Diokletians Entscheidung von 293 ist denn auch kein Einzelfall, sondern findet ihren Widerhall in einem Reskript vom Ende des Jahres 294. Hierin macht die Kanzlei die begehrte Rückgewähr einer Empfangsquittung, wenn sie aufgrund der Behauptung einer unterbliebenen Auszahlung des Darlehens verlangt wird. ebenfalls von der Einhaltung einer Frist abhängig:226 CJ 4.9.4 (16. Dez. 294 / Honoré 2580) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Alexandro. Si non est numeratum, quod velut acceptum te sumpsisse mutuo scripsisti, et necdum transisse tempus 224  So deuten den Text auch Levy, SZ 70 (1953) 214, 218, 239, Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 441, Ernst, SZ 114 (1997) 282. 225  So aber wohl Mitteis, S. 497 Fn. 1. 226  Ohne Anhalt im Text macht Taubenschlag, S. 142 Fn. 1001 hier einen „peregrinischen Litteralvertrag“ aus.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

statutum vel intra hunc diem habitam contestationem monstrando reddi cautionem praesidali notione postulare potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Alexander. Ist noch nicht ausbezahlt, was du als darlehenshalber erhalten bescheinigt hast, und tust du dar, dass die festgelegte Frist noch nicht abgelaufen oder innerhalb ihrer eine Beschwerde erfolgt ist, kannst du nach Untersuchung des Statthalters die Rückgewähr der Bescheinigung verlangen.

Die Frist ist der Zeitraum, der für exceptio und querella non numeratae pecuniae eröffnet ist und der seit dem Frühjahr 294 nicht mehr nur ein Jahr, sondern fünf Jahre beträgt. Auch bei der Forderung nach Rückgewähr einer Quittung muss er eingehalten werden. Gilt er nicht nur für eine Stipulationsverpflichtung, sondern auch für die Haftung aus einer Darlehensvereinbarung,227 muss er auch eine condictio erfassen,228 mit der der vermeintliche Darlehensnehmer die Urkundenherausgabe erreichen will229. Diokletians Juristen folgen in diesem Punkt einer unter Gordian ergangenen Entscheidung, wonach auch die auf Schuldbefreiung gerichtete condictio dem Regime der Rechtsbehelfe wegen pecunia non numerata unterliegt.230

II. Leihe (commodatum) In der geringen Zahl der überlieferten Kaiserentscheidungen zum Leihvertrag spiegelt sich die mangelnde Relevanz dieses Vertrags in der Rechtspraxis wider: Während er als althergebrachtes Rechtsinstitut eine intensive Behandlung durch die Wissenschaft erfährt, spielen sich wirkliche Auseinandersetzungen über Leihvereinbarungen wegen ihrer geringen wirtschaftlichen Bedeutung typischerweise unterhalb der Schwelle eines gerichtlichen oder Reskriptenverfahrens ab. Im einschlägigen Titel des Codex Iustinianus sind denn auch nur vier Bescheide der diokletianischen Kanzlei überliefert, von denen lediglich einer einem neuen Rechtsproblem gilt. Im Übrigen spricht die Kanzlei nur aus, was sich von selbst versteht. So weist sie den Fragesteller darauf hin, dass der Verleiher, wenn er die Rückgabe der Leihsache begehrt, die Beweislast für den Abschluss des Leihvertrags und die Überlassung der Leihsache trägt:

227  Dass es hierum und nicht um eine Stipulation geht, glaubt auch Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 443. 228  Vgl. Levy, SZ 70 (1953) 214, 236, Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 444. 229  s. o. S.  67 ff. 230  CJ 2.6.3 (9. Juni 240 / Honoré 1090). Ob sich hier auch eine Anspielung auf die Fristbindung findet, beurteilen Levy, SZ 70 (1953) 214, 236 und Litewski, SDHI 70 (1994) 405, 432 f. unterschiedlich.



II. Leihe101 CJ 4.23.2 (4. Nov. 293 / Honoré 1996) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Auluzano. Cum eum, qui temporalis ministerii causa suscepit ancillam, ad restitutionem eius bona fides urgueat, consequens est socerum tuum huius rei causa tradidisse ancillam adito praeside provin­ ciae probare, ut fidem susceptam is adversus quem supplicas compellatur agnoscere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Auluzanus. Da das Gebot der guten Treue jemanden, der eine Sklavin für zeitweilige Dienste erhalten hat, zur Rückgabe zwingt, ist folgerichtig, dass dein Schwiegervater den Provinzstatthalter angehen und nachweisen soll, dass er die Sklavin aus diesem Grund überlassen hat, damit derjenige, gegen den sich deine Eingabe richtet, gezwungen wird, die Vereinbarung einzuhalten.

In einem weiteren Bescheid führt sie aus, dass ein Entleiher, obwohl er zur custodia verpflichtet ist,231 nicht für höhere Gewalt einzustehen hat,232 es sei denn, er hätte dieses Risiko eigens übernommen: CJ 4.23.1 (27. Mai 293 / Honoré 1897) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Sisolae. Ea quidem, quae vi maiore auferuntur, detrimento eorum quibus res commodantur imputari non solent. sed cum is, qui a te commodari sibi bovem postulabat, hostilis incursionis contemplatione periculum amissionis ac fortunam futuri damni in se suscepisse proponatur, praeses provinciae, si probaveris eum indemnitatem tibi promisisse, placitum conventionis implere eum compellet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Sisola. Was durch höhere Gewalt verlorengeht, gereicht zwar gewöhnlich nicht zum Nachteil eines Entleihers. Hat aber, wie du vorträgst, derjenige, der dich gebeten hat, ihm einen Ochsen zu leihen, mit Blick auf einen Feindeseinfall die Gefahr des Verlustes und das Risiko zufälligen künftigen Schadens auf sich genommen, soll der Provinzstatthalter, wenn du nachweist, dass er dir Schadloshaltung versprochen hat, ihn zwingen, die Vereinbarung einzuhalten.

Der Verweis auf eine contemplatio incursionis hostilis legt nahe, dass im vorliegenden Fall bei Abschluss des Leihvertrags schon ein Feindeseinfall abzusehen war. Die Haftungsübernahme durch den Entleiher muss daher nicht unbedingt Gegenstand einer ausdrücklichen Vereinbarung werden, sondern kann auch stillschweigend erfolgen und den Umständen des Vertragsschlusses zu entnehmen sein. Die passive Vererblichkeit der actio commodati stellt die Kanzlei an anderer Stelle fest: CJ 4.23.3 (11. April 294 / Honoré 2291) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Soterae. De restituendis rebus, quas obligandas pro se dederas, postquam debitum fuerit extenuatum, commodati actionem etiam adversus heredes eius exercere potes. 231  Gai

3.206, PS 2.4.3. Gai 2 aur.

232  D 44.7.1.4

102

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Sotera. Wegen der Rückgabe der Sachen, die du jemandem zur Verpfändung überlassen hast, kannst du, nachdem die Schuld getilgt ist, die Leihklage auch gegen dessen Erben anstellen.

Den Vorbehalt, dass die mit der Leihsache besicherte Forderung erfüllt ist, macht die Kanzlei deshalb, weil mit der Vereinbarung über den Einsatzzweck der Sache zugleich konkludent die Vertragslaufzeit bestimmt ist: Da die Sache als Pfand dienen soll, darf der Entleiher sie so lange behalten, bis die gesicherte Verpflichtung unter regulären Umständen erloschen ist. Zeugnis einer Neuerung könnte eine Konstitution von 294 sein, die sich in ihrer überlieferten Fassung auf einen knappen Satz beschränkt:233 CJ 4.23.4 (20 Nov. 294 / Honoré 2480) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Faustinae. Praetextu debiti restitutio commodati non probabiliter recusatur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Faustina. Unter dem Vorwand, dass eine Schuld besteht, kann die Rückgewähr von Geliehenem nicht zu Recht verweigert werden.

Dass gegenüber dem Anspruch des Verleihers auf Rückgabe der Leihsache keine Aufrechnung stattfinden soll, lässt sich mangels entsprechender Angaben im Text des Bescheids weder darauf zurückführen, dass die Gegenforderung nicht ex eadem causa folgt;234 noch ist er dadurch zu erklären, dass diese Forderung nicht hinreichend liquide ist235. Zwar wäre der Begriff pra­ etextus für ein solches Verständnis durchaus offen; ohne einen Zusatz, der die mangelnde Existenz oder fehlende Beweisbarkeit zumindest andeutet, reicht er jedoch nicht aus, um das Aufrechnungsverbot zu motivieren. Näher liegt daher, dass die Kanzlei es dem Charakter des vom Verleiher erhobenen Anspruchs selbst entnimmt. Indem sie die dem Entleiher obliegende Leistung als restitutio bezeichnet, gibt sie einen Hinweis auf den Grund des Verbots, den die zu Diokletians Regierungszeit entstandenen Paulussentenzen für das depositum näher ausführen: Auch hier soll kein Raum für eine Aufrechnung sein, weil der Entleiher zur Rückgabe der Sache selbst (‚res ipsa‘) verpflichtet ist:236 Die mit dem Kognitionsprozess eröffnete Befugnis zur Naturalvollstreckung darf zumindest bei den restitutorischen Verpflichtungen, die auf Rückgewähr einer dem Gläubiger schon zustehenden Sache gerichtet sind, nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Schuldner die Aufrechnung erWerk von Justinians Gesetzesredaktoren erklärt ihn Taubenschlag, S. 175. meint auch Pichonnaz, La compensation, Fribourg 2001, Rn. 168. 235  So aber zu Unrecht Pichonnaz (Fn. 234), Rn. 170 f. 236  PS 2.12.12. Die Aussagekraft dieses Textes bezweifelt Pichonnaz (Fn. 234), Rn. 192, 196. Dass Justinian eigens ein Aufrechnungsverbot für das depositum verhängt (CJ 4.34.11pr), rechtfertigt entgegen Pichonnaz keinen Gegenschluss auf die vorher geltende Rechtslage. 233  Zum 234  Dies



III. Unentgeltliche Verwahrung103

klärt. Der mit ihr erreichte Abzug von der Klageforderung ließe sich nur bei deren Umrechnung auf einen Geldbetrag erreichen. Fand dies im Formularprozess noch automatisch statt und ließ damit auch beim commodatum Raum für eine compensatio,237 muss diese in der Kognitur auf Geldforderungen oder Ansprüche beschränkt sein, die sich in Geld umwandeln und damit einen fungiblen Gegenstand haben. Indem die kaiserliche Kanzlei die Aufrechnung bei restitutorischen Klagen ausschließt, zieht sie also vermutlich eine Konsequenz aus der Umstellung des Zivilverfahrens.

III. Unentgeltliche Verwahrung (depositum) Ähnlich gering wie die Zahl der Reskripte zum commodatum ist die der überlieferten Entscheidungen zum depositum. Der maßgebliche Titel des Codex Iustinianus gibt nur sechs Bescheide der diokletianischen Kanzlei wieder, die durch drei nur in der Collatio enthaltene Reskripte ergänzt werden. Der Grund ist auch hier in der bescheidenen Bedeutung der unentgeltlichen Verwahrung im Rechtsleben zu suchen, der abermals mit dem Alter des Rechtsinstituts und dem so geweckten Interesse der Rechtswissenschaft kontrastiert. Wiederum halten die Bescheide mit einer Ausnahme einer Frage wenig Überraschungen bereit. Es gibt sogar ein Reskript, das sich in einem schlichten Hinweis auf das Recht zur Rückforderung aus einem Verwahrungsvertrag beschränkt: CJ 4.34.6 (vor 26. Feb. 293 / Honoré 1791) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antonio Alexandro et Ulpiano Antipatri. Is, penes quem utrasque partes transactiones vel alia instrumenta commendasse dicis, legem qua haec suscepit servare necesse habet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antonius Alexander und Ulpian Antipater. Derjenige, bei dem du, wie du angibst, beide Teile des Vergleichs oder andere Urkunden hinterlegt hast, muss die Vereinbarung, unter der er sie aufgenommen hat, einhalten.

In einem anderen Fall hat sich der Verwahrer durch Vorlage einer Urkunde, aus der sich die abredewidrige Verwendung des hinterlegten Geldbetrags ergibt, selbst überführt: CJ 4.34.7 (vor 26. Feb. 293 / Honoré 1792) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antiocho Attico Calpurniano Democrati. Desiderium tuum cum rationibus iuris non congruit. nam si custodiam pecuniae suscepisti, quam aliis a te datam instrumentum, quo hanc tibi reddi conscriptum profiteris, arguit, solutionem eius competentem improbe recusas. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antiochus Atticus Calpurnianus Democrater. Dein Begehren entspricht nicht dem Recht. Denn wenn du einen 237  D 13.6.18.4

Gai 9 ed prov.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Geldbetrag in Verwahrung genommen hast, für den die Urkunde, mit der du eingestandenermaßen die Rückgabe an dich ausbedingst, ergibt, dass du ihn an andere gewährt hast, verweigerst du zu Unrecht die gehörige Rückzahlung.

In einem weiteren Fall ergibt sich die rechtliche Schwierigkeit, vor der die Fragesteller stehen, allein aus dem Umstand, dass die Verwahrung durch einen Erbschaftssklaven vor Antritt der Erbschaft erfolgte, als er nur für die hereditas iacens handeln konnte:238 CJ 4.34.9 (7. Nov. 293 / Honoré 1999) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Menophilo et ceteris. Cum hereditas personam dominae sustineat, ab hereditario servo, priusquam patri vestro successeritis, res commendatas secundum bonam fidem ab eius qui susceperat successoribus apud rectorem provinciae petere potestis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Menophilus und andere. Da die Erbschaft die Person der Eigentümerin ersetzt, könnt ihr Sachen, die von einem Erbschaftssklaven in Verwahrung gegeben worden sind, bevor ihr die Rechtsnachfolge nach eurem Vater angetreten habt, nach dem Gebot der guten Treue von demjenigen, der sie angenommen hat, und seinen Erben bei dem Provinzstatthalter fordern.

Selbst wenn es sich nicht um eine unregelmäßige Verwahrung handeln sollte, bei der der Verwahrer ohnehin die Gefahr des zufälligen Untergangs der hinterlegten Sachen übernimmt,239 kann er sich im Fall eines pflichtwidrigen Umgangs mit ihnen doch nicht seiner Verpflichtung zur Rückzahlung entziehen. Dies bescheinigt Diokletians Kanzlei einem Hinterleger, indem sie ihm freilich zugleich den schuldrechtlichen Zugriff auf denjenigen verwehrt, an den der Verwahrer den hinterlegten Geldbetrag darlehensweise weitergereicht hat: CJ 4.34.8 (26. Feb. 293 / Honoré 1794) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Alexandro. Si is, qui depositam a te pecuniam accepit, eam suo nomine vel cuiuslibet alterius mutuo dedit, tam ipsum de implenda suscepta fide quam eius successores teneri tibi certissimum est. adversus eum autem qui accepit nulla actio tibi competit, nisi nummi extant: tunc enim contra possidentem uti vindicatione potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Alexander. Hat derjenige, der von dir einen Geldbetrag in Verwahrung genommen hat, diesen in seinem oder fremdem Namen als Darlehen gewährt, steht völlig fest, dass sowohl er selbst als auch seine Erben dir auf Rückerstattung des Erlangten haften. Gegen denjenigen, der den Geldbetrag erhalten hat, steht dir aber nur dann eine Klage zu, wenn die Münzen noch vorhanden sind; dann kannst du dich nämlich gegen den Besitzer der Vindikation bedienen. 238  Mit diesem Bescheid und der hereditas iacens bei Hermogenian in D 41.1.61pr Herm 6 iur ep befasst sich eingehend Dovere (Fn. 24), S. 129 ff. 239  D 12.1.9.9 Ulp 26 ed, D 17.1.34pr Afr 8 quaest, PS 2.12.9 = Coll 10.7.9.



III. Unentgeltliche Verwahrung105

Die Entscheidung betrifft den Realvertragscharakter von depositum und mutuum: Dass beide Verträge nur durch Sachhingabe zustande kommen, provoziert den Schluss, dass mit der Weiterreichung des in Verwahrung gegebenen Betrags ein Vertragsverhältnis zwischen dem Hinterleger und dem Darlehensnehmer entsteht. Wie in den Bescheiden zum Kreditrecht ausge­ führt,240 genügt zur Begründung eines Rückgewähranspruchs aus Darlehen aber noch nicht, dass ein ausgezahlter Geldbetrag aus dem Vermögen des Anspruchstellers stammt. Ist er von einem Dritten im eigenen Namen ausgereicht worden, werden die Parteirollen für den Kreditvertrag allein durch die Einigung über das Darlehen festgelegt. Der an diesem Vertrag nicht beteiligte Eigentümer des Geldbetrags kann den Rückzahlungsanspruch allenfalls im Wege der Abtretung oder einer sie vorwegnehmenden actio utilis241 einen schuldrechtlichen Anspruch erlangen. Die diokletianische Kanzlei erwägt dies hier anders als in vergleichbaren Konstellationen nicht und sieht den Hinterleger auf eine Vindikation des Geldes beim Darlehensnehmer beschränkt. Diese steht natürlich unter der Voraussetzung, dass der Betrag noch gesondert beim Darlehensnehmer vorhanden ist und daher nach wie vor im Eigentum des Hinterlegers steht. Eine schwer zu beantwortende Frage ist, inwieweit sich zu Diokletians Zeit die bis in die Frühklassik zurückreichende Ausdehnung der Vorsatzhaftung des Verwahrers auf Fälle grober Fahrlässigkeit zu einem Rechtssatz verfestigt hat. Die bereits von Nerva vertretene Ansicht hat der Hochklassiker Celsus mit der Begründung unterlegt, ein vorsätzliches oder zumindest vorsatzähnliches Verhalten des Verwahrers liege immer dann vor, wenn er sich dazu entschieden habe, dass hinterlegte Gut nicht mit derselben Sorgfalt wie eine eigene Sache zu behandeln.242 Die sich hieraus insbesondere ergebende Einstandspflicht für einen grob fahrlässigen Umgang mit den hinterlegten Sachen erscheint später in den aurea von Gaius als Erscheinungsform der Vorsatzhaftung.243 In den Reskripten Diokletians ist sie dagegen erst das Produkt einer nachträglichen Textänderung. Sie betrifft einen Ende 294 ergangenen Bescheid, der sowohl im Codex Iustinianus als auch in der Collatio überliefert ist: CJ 4.34.10 (12. Dez. 294 / Honoré 2557) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Septimiae Quadratillae. Qui depositum non restituit, suo nomine conventus et condemnatus ad eius restitutionem cum infamiae periculo urguetur. 240  s. o.

241  Hierzu

s. u. S.  297 ff. Cels 11 dig; hierzu Harke, Argumenta Iuventiana. Entscheidungs­ begründungen eines hochklassischen Juristen, Berlin 1999, S. 128 ff., ders. (Fn. 105), S.  16 f. 243  D 44.7.1.5 Gai 2 aur. 242  D 16.3.32

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Septimia Quadratilla. Wer eine in Verwahrung gegebene Sache nicht zurückgibt, wird in seinem Namen belangt, verurteilt und unter Drohung der Infamie zur Rückerstattung gezwungen.

Der Text der Collatio hat hinter dem einleitenden ‚qui‘ den Zusatz ‚dolo malo‘.244 Dass er später, vermutlich von Justinians Gesetzesredaktoren, gestrichen worden ist, entstellt zwar keinesfalls den Sinn der Aussage; denn der dolus malus des Verwahrers, der Grundlage der hier hervorgehobenen Infamiewirkung ist,245 kann sich ganz unabhängig von den Umständen, unter denen das hinterlegte Gut verloren gegangen ist, schon daraus ergeben, dass sich der Verwahrer überhaupt auf den Prozess eingelassen und den Hinterleger nicht freiwillig befriedigt hat246. Dass hinter der Streichung des dolus malus der Plan steckt, die Haftung des Verwahrers generell auf grobe Fahrlässigkeit auszudehnen,247 legt aber ein paralleler Eingriff in eine Konstitution von Alexander Severus nahe: CJ 4.34.1 (12. Juli 234 / Honoré 892) Imp. Alexander A. Mestrio militi. Si incursu latronum vel alio fortuito casu ornamenta deposita apud interfectum perierunt, detrimentum ad heredem eius qui depositum accepit, qui dolum solum et latam culpam, si non aliud specialiter convenit, praestare debuit, non pertinet. quod si praetextu latrocinii commissi vel alterius fortuiti casus res, quae in potestate heredis sunt vel quas dolo desiit possidere, non restituuntur, tam depositi quam ad exhibendum actio, sed etiam in rem vindicatio competit. Kaiser Alexander an den Soldaten Mestrius. Ist bei einem Feindeseinfall oder einem anderen Ereignis höherer Gewalt Schmuck, der bei einem Getöteten hinterlegt war, verlorengegangen, trifft der Schaden nicht den Erben desjenigen, der das Hinterlegte angenommen hat und ohne besondere Vereinbarung nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet. Werden Sachen, die sich in der Gewalt des Erben befinden oder deren Besitzes er sich vorsätzlich begeben hat, nur unter dem Vorwand eines Raubes oder eines anderen Ereignisses höherer Gewalt nicht zurückgewährt, stehen sowohl die Verwahrungs- als auch die Vorlegungsklage sowie die dingliche Vindikation zu.

In der Fassung, die dieses Reskript in der Collatio hat, fehlt unter anderem der Zusatz: ‚et latam culpam‘.248 Wiederum lässt die Textänderung den Sinn unberührt; denn die Streitfrage, ob ein Verwahrer auch für Fälle höherer Gewalt oder niederen Zufall einzustehen hat, lässt sich ganz unabhängig davon 244  Coll

10.6. ihr befasst sich Atzeri (Fn. 134), S. 35. 246  Kaser / Hackl, Das römische Zivilprozeßrecht, S. 284. 247  Vgl. Walter, Die Funktionen der actio depositi, Berlin 2011, S. 160 ff., der aber auch eine Interpolation von D 44.7.1.5 Gai 2 aur annimmt, ohne eine plausible Erklärung dafür anzubieten, warum bei Aufnahme dieses Textes in IJ 3.14.3 gerade von der Erwähnung der magna negligentia abgesehen wurde. 248  Coll 10.8 (25. Juni 234). 245  Mit



III. Unentgeltliche Verwahrung107

verneinen, ob er außer für Vorsatz noch für grobe Fahrlässigkeit haftet. Zumindest erhellen die Eingriffe aber, dass die Kanzlei unter Severus Alexander und auch noch unter Diokletian dolus malus als Regeltatbestand der Haftung des Verwahrers ansieht. Auf ihn treffen wir denn auch in den drei weiteren Bescheiden, die nur in der Collatio überliefert sind. Eine von ihnen nimmt das Thema der Alexander-Konstitution wieder auf, indem sie den Verlust hinterlegter Sachen im Zuge eines Gebäudebrandes zu einem haftungsbefreienden Zufall erklärt: Coll 10.3 (24. Juni 293 / Honoré 1909) Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Fl. Munatio. Eum qui suscepit depositum dolum, non etiam casum praestare certi iuris est. Cum itaque proponas ignis vi quaedam cremata de his quae tibi fuere commendata nec ullum dolum in subtrahendis rebus adhibitum, rector provinciae nihil contra iuris rationem fieri patietur. Et quoniam necti quereris moras adhibita varietate, negotium inter vos ortum secundum iuris ordinem sua ratione decidetur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Flavius Munatius. Es ist unumstrittenes Recht, dass ein Verwahrer für Arglist, nicht auch für Zufall einzustehen hat. Da du vorträgst, einige der hinterlegten Sachen seien durch die Kraft des Feuers verbrannt, ohne dass irgendeine Arglist zum Zweck der Unterschlagung im Spiel gewesen sei, wird der Provinzstatthalter nicht zulassen, dass gegen das Recht gehandelt wird. Und da du dich beklagst, es komme wegen Ausflüchten zu Verzögerungen, soll über das zwischen euch abgeschlossene Geschäft nach seinem Zweck in Gemäßheit der Rechtsordnung entschieden werden.

In einer weiteren erscheinen als alternative Anknüpfungspunkte für die Verurteilung eines Verwahrers sein Besitz an der hinterlegten Sache und die dolose Besitzaufgabe: Coll 10.4 (27. März 294 / Honoré 2255) Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Altenico Andronico. Eos penes quos vestem et argenti materiam deposuisse proponis apud rectorem provinciae convenit interrogari, qui eos, sive teneant sive dolo fecerint quominus possint restituere, secundum bonam fidem tibi satisfacere conpellet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Altenicus Andronicus. Diejenigen, von denen du vorträgst, du hättest bei ihnen Kleidung und Silberwaren in Verwahrung gegeben, sind anerkanntermaßen vor dem Provinzstatthalter zu belangen, der sie zwingen soll, dich nach dem Gebot der guten Treue zu befriedigen, sei es, dass sie die Sachen innehaben, sei es, dass sie arglistig bewirkt haben, dass sie sie nicht herausgeben können.

Die dritte schließlich beschränkt die Haftung des Verwahrers ausdrücklich auf Vorsatz, falls keine besondere Vereinbarung getroffen worden ist: Coll. 10.5 (20. Okt. 294) Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio et Eustathio et Diosimo. Is, qui depositum suscepit, ultra dolum, si non aliud specialiter convenit, praestare nihil necesse habet. Cuius memor iuris rector provinciae partium allegationibus auditis pro ereptorum qualitate suam ordinabit sententiam.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius und Eustathius und Diosimus. Ein Verwahrer muss mangels besonderer Vereinbarung nicht über Arglist hinaus einstehen. Eingedenk dessen soll der Provinzstatthalter nach Anhörung der Behauptungen der Parteien sein Urteil nach dem Gehalt der Feststellungen fällen.

Steht danach fest, dass die Kanzlei zu Diokletians Zeit die Ausdehnung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit noch nicht als Regel kennt, bedeutet dies freilich noch keineswegs, dass sie in diesem Fall nicht auch eine Einstandspflicht eines Verwahrers bejaht hätte. Denn nach der von den Hochklassikern entworfenen Argumentation folgt die Haftung in diesem Fall ja gerade daraus, dass ein Verwahrer sich wegen der Entscheidung, die hinterlegte Sache schlechter zu behandeln als die eigenen, den Vorwurf des Vorsatzes gefallen lassen muss. Und auch der Autor der in Diokletians Zeit entstandenen Paulussentenzen geht einerseits vom dolus als Regeltatbestand der Verwahrerhaftung aus, sieht diese aber andererseits offenbar auch bei culpa lata begründet.249

IV. Pfandrecht (actio pigneraticia) Die Reskripte der diokletianischen Kanzlei zur schuldrechtlichen Seite des Pfandrechts sind auf die Fragen der Gefahrtragung und der Haftung des Pfandgläubigers für den Verlust der Pfandsache konzentriert. Nur an einer Stelle treffen wir auf die banale Feststellung, dass der Verpfänder nach Erfüllung der gesicherten Forderung die Rückgewähr der Pfandsache verlangen kann:250 CJ 4.24.11 (28. Dez. 293 / Honoré 2099) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Ammiano. Pignoris causa res obligatas soluto debito restitui debere pigneraticiae actionis natura declarat. quo iure, si titulo pignoris obligasti mancipia, per eandem actionem uti potes, nec creditor citra conventionem vel praesidalem iussionem debiti causa res debitoris arbitrio suo auferre potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Ammian. Aus dem Wesen der Pfandklage folgt, dass verpfändete Sachen nach Erfüllung der Schuld zurückerstattet werden müssen. Hast du Sklaven verpfändet, kannst du dich dieses Rechts mit Hilfe dieser Klage bedienen, und der Gläubiger kann Sachen des Schuldners nicht willkürlich wegnehmen, es sei denn, dass eine Vereinbarung oder eine Anordnung des Provinzstatthalters vorliegt.

Dass der Verlust der Pfandsache grundsätzlich in den Risikobereich des Verpfänders fällt, ist Ausgangspunkt der Entscheidung in 249  PS

2.12.6, 6a. Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 68 f. sieht hier mit der natura actio­ nis die materiellrechtliche Individualität des Klagerechts angesprochen. 250  Kaser,



IV. Pfandrecht109 CJ 4.24.9 (2. Mai 293 / Honoré 1872): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Georgio. Pignus in bonis debitoris permanere ideoque ipsi perire in dubium non venit. cum igitur adseveres in horreis pignora deposita, consequens est secundum ius perpetuum, pignoribus debitori pereuntibus, si tamen in horreis, quibus et alii solebant publice uti, res depositae sunt, personalem actionem debiti reposcendi causa integram te habere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Georgius. Es unterliegt keinem Zweifel, dass Pfandsachen zum Vermögen des Schuldners gehören und deshalb zu seinem Nachteil untergehen. Behauptest du, dass die Pfandsachen in Spei­ chern in Verwahrung gegeben wurden, ist es nach dem immerwährenden Recht, wonach Pfandsachen zum Nachteil des Schuldners untergehen, folgerichtig, dass, wenn die Sachen in solchen Speichern in Verwahrung gegeben wurden, die auch andere öffentlich nutzen, dir die persönliche Klage zur Einforderung der Schuld erhalten bleibt.

Die Gefahr des zufälligen Untergangs der Pfandsache weist die Kanzlei dem Verpfänder zu, weil dieser ihr Eigentümer geblieben und der Pfandgläubiger einstweilen nur Inhaber eines Verwertungsrechts ist. Diese Klarstellung ist vielleicht durch ein populäres Missverständnis veranlasst, das der gestiegenen Bedeutung des Pfandrechts in Zeiten der Inflation entspringt: Kommt es Gläubigern unter diesen Umständen gerade auf die Realsicherheit an, liegt nahe, dass sie aus Laiensicht auch schon ihrem Vermögen zugerechnet wird. Dies könnte auch der Grund dafür sein, warum die Kanzlei einen Gläubiger belehren muss, dass er mangels Ersitzungstitels selbst durch Zeitablauf nicht zum Eigentümer der Pfandsache wird, sondern sie nach Erfüllung der gesicherten Forderung oder Eintritt des Annahmeverzugs kraft der unverjähr­ baren actio pigneraticia an den Verpfänder herausgeben muss: CJ 4.24.12 (20. Nov. 294 / Honoré 2476) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Heraisco. Quominus fructuum, quos creditor ex rebus obligatis accepit, habita ratione ac residuo debito soluto, vel si per creditorem factum fuerit, quominus solveretur, pignora quae in eadem causa durant restituat debitori, nullo spatio longi temporis defenditur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Heraiscus. Kein noch so langer Zeitlauf kann verhindern, dass Pfandsachen, die in diesem Zustand verblieben sind, dem Schuldner zurückerstattet werden, nachdem Nutzungen, die der Gläubiger aus den verpfändeten Sachen gezogen hat, angerechnet worden sind und die Restschuld erfüllt worden ist oder es am Gläubiger gelegen hat, dass sie nicht erfüllt worden ist.

Mag das Pfandrecht in der Wahrnehmung der Kreditpraxis auch mit der Leistung an Erfüllungs Statt zusammenfließen, bleibt es doch eigentlich ohne Einfluss auf den Bestand der gesicherten Forderung. Betroffen ist diese erst dann, wenn sich der Pfandgläubiger den Vorwurf des Verschuldens und daher gefallen lassen muss, dass der Verpfänder ihm die Haftung aus der actio pigneraticia entgegenstellt. Dass der Pfandgläubiger den Verlust der Pfand-

110

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

sache im Fall von CJ 4.24.9 nicht zu vertreten hat, folgt für die Kanzlei da­ raus, dass er sich einer üblichen Art der Aufbewahrung in öffentlichen Speichern bedient hat. Dort ist die Sache offenbar infolge eines Umstands untergegangen, der zu den Fällen höherer Gewalt zählt. Wäre sie durch Diebstahl abhandengekommen, hätte dies nicht nur den Vermieter des Speichers,251 sondern auch den Pfandgläubiger haftbar gemacht, weil er außer für Vorsatz und Fahrlässigkeit auch für custodia einzustehen hat:252 CJ 8.13.19 (16. Dez. 293 / Honoré 2060) Impp. Dioclectianus et Maximianus AA. et CC. Maximo. Sicut vim maiorem pignorum creditor praestare necesse non habet, ita dolum et culpam, sed et custodiam exhibere cogitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Maximus. Wie der Pfandgläubiger nicht für höhere Gewalt einzustehen hat, muss er dies doch für Vorsatz und Fahrlässigkeit und wird sogar gezwungen, für Bewachung zu sorgen.

Dass diese Haftung in CJ 4.24.9 ungenannt bleibt, ist nicht überraschend. Auch in einem unter Severus Alexander ergangenen Reskript verzichtet die Kanzlei auf ihre Erwähnung. Stattdessen lässt sie die Haftung des Gläubigers für den als höhere Gewalt anerkannten Fall eines räuberischen Angriffs schlicht daran scheitern, dass dem Pfandgläubiger ohne besondere Vereinbarung keine Einstandspflicht für Zufall aufgebürdet ist: CJ 4.24.6 (13. April 225 / Honoré 721) Imp. Alexander A. Trophimae. Quae fortuitis casibus accidunt, cum praevideri non potuerant, in quibus etiam adgressura latronum est, nullo bonae fidei iudicio praestantur: et ideo creditor pignora, quae huiusmodi causa interierunt, praestare non compellitur nec a petitione debiti submovetur nisi inter contrahentes placuerit, ut amissio pignorum liberet debitorem. Kaiser Alexander an Trophima. Für unvorhersehbaren Zufall, wozu auch ein räuberischer Angriff gehört, wird mit einer auf die gute Treue bezogenen Klage nicht gehaftet; und deshalb kann der Gläubiger wegen Pfandsachen, die auf diese Weise untergegangen sind, nicht zur Haftung herangezogen werden, und er wird auch nicht von der Klage aus der Schuld ausgeschlossen, falls nicht unter den Parteien vereinbart worden ist, dass der Verlust der Pfandsachen den Schuldner befreit.

Gilt die actio pigneraticia zumindest im klassischen Recht auch nicht als bonae fidei iudicium im eigentlichen Sinne,253 lässt ihre Formel doch genü251  D  19.2.60.9 Lab 5 post Iav epit, CJ  4.65.1 (4. Jan.  213 / Honoré 279), anders D  19.2.55pr Paul  2 sent = PS 2.18.3 und offenbar auch CJ  4.65.4 (1. Dez.  222 / Honoré 526), wonach die custodia durch den Vermieter des Speichers eigens übernommen werden muss; der maßgebliche Passus könnte freilich das Resultat einer nachträglichen Überarbeitung der eigentlich nur auf das Kriminalrecht bezogenen Entscheidung sein. Zur custodia-Haftung des Speichervermieters unlängst Marini, La custodia di merci dell’horrearius, SZ 132 (2015) 154 ff. 252  D 13.7.13.1 Ulp 38 ed. 253  Vgl. Gai 4.62 im Gegensatz zu IJ 4.16.28.



IV. Pfandrecht111

gend Spielraum für eine Beurteilung nach dem Gebot der guten Treue,254 auf das sich später auch Diokletians Kanzlei beruft255. Die custodia-Haftung sucht man noch in einer weiteren Entscheidung aus der Zeit von Severus Alexander und in einem Reskript von Philippus Arabs vergeblich: CJ  4.24.5 (19. April  224 / Honoré 667) Imp. Alexander A. Dioscoridae. Si creditor sine vitio suo argentum pignori datum perdidit restituere id non cogitur: sed si culpae reus deprehenditur [vel non probat manifestis rationibus se perdidisse], quanti debitoris interest condemnari debet. Kaiser Alexander an Dioscorida. Hat ein Gläubiger ohne sein Fehlverhalten ihm verpfändetes Silber verloren, wird er nicht zur Erstattung gezwungen; wird er aber eines schuldhaften Verhaltens überführt [oder weist er nicht durch liquide Beweismittel nach, dass er es verloren hat], muss er zur Leistung des Interesses des Schuldners verurteilt werden. CJ 4.24.8 (22. Feb. 246 / Honoré 1262) Imp. Philippous A. et Philippous C. Saturnino. Si nulla culpa seu segnitia creditori imputari potest, pignorum amissorum dispendium ad periculum eius minime pertinet. sane si simulata amissione etiam nunc eadem pignora, ut adseveras, a parte diversa possidentur, adversus eum experiri potes. Kaiser Philipp und Cäsar Philipp an Saturninus. Ist dem Gläubiger keine Fahrlässigkeit oder Trägheit zuzuschreiben, geht ein Nachteil, der sich aus dem Verlust der Pfandsachen ergibt, keineswegs auf seine Gefahr. Werden die Pfandsachen freilich, wie du behauptest, unter Vortäuschung ihres Verlustes von dem Gegner besessen, kannst du gegen ihn klagen.

Dass die Kanzlei hier die segnitia des Pfandgläubigers als möglichen Haftungsgrund anführt, ist ungewöhnlich. Da sie auch in einer Entscheidung von 245 zur Tutorenhaftung erscheint,256 besteht jedoch kein Anlass zu der Annahme, sie sei nachträglich an die Stelle des Vorwurfs mangelnder custodia getreten. Offenbar rekurriert die Kanzlei auf diese Bewachungspflicht nur dann, wenn sie auch relevant werden kann und belässt es im Übrigen bei dem Verweis auf eine Haftung des Pfandgläubigers wegen Vorsatz und Fahrlässigkeit.257 Ein weiteres Thema ist das Verhältnis von persönlicher und Pfandhaftung. Diokletians Kanzlei sieht sich gleich mehrfach zu der Feststellung veranlasst, 254  Kaser,

Das römische Privatrecht, S. 537. 8.27.9 (20. Mai 287 / Honoré 1531). 256  CJ 5.38.3 (30. März 245 / Honoré 1242). 257  Dagegen nimmt Taubenschlag, S. 56 an, die Haftung des Pfandgläubigers habe sich unter Diokletian noch nicht auf custodia erstreckt und sei hierauf erst durch spätere Interpolation von CJ 8.13.19 ausgedehnt worden. 255  CJ

112

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

der Gläubiger habe die Wahl, ob er zuerst den Schuldner in Anspruch nehmen oder auf die Pfandsache zugreifen will.258 Er darf sogar beides zugleich: CJ 4.10.14 (27. Nov. 294 / Honoré 2504) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hermodoto et Nicomacho. Est in arbitrio vestro, personali debitoris heredes actione, an eum, qui ab his distracta sibique tradita pignora tenet, in rem Serviana, si non longi temporis praescriptione munitus sit, an utrosque conveniatis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hermodotus und Nicomachus. Es ist euch überlassen, ob ihr mit der persönlichen Klage die Erben eures Schuldners oder, falls er noch nicht durch die Verjährung der langen Zeit geschützt ist, mit der dinglichen servianischen Klage denjenigen, der die von Erben verkauften Pfänder übergeben bekommen und innehat, oder beide belangt.

Bloß wenn der Schuldner präsent ist, muss der Gläubiger sich zuerst an ihn halten und kann erst danach die Realsicherheit geltend machen.259 Den Hintergrund der so beschiedenen Anfragen bildet wohl die verbreitete Vorstellung, der Pfandhaftung komme der Vorrang vor der persönlichen Verpflichtung des Schuldners zu. Sie liegt jedenfalls der an die Kanzlei gerichteten Frage zugrunde, ob der Gläubiger nach der Verwertung der Pfandsache überhaupt noch auf den Schuldner zugreifen könne. Auch diese Fehlannahme korrigiert Diokletians Kanzlei an einer Stelle: CJ 4.10.10 (3. April 294 / Honoré 2270) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Rufino. Adversus debitorem electis pignoribus personalis actio non tollitur, sed eo, quod de pretio servari potuit, in debitum computato de residuo manet integra. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Rufinus. Die persönliche Klage wird durch die Verwertung von Pfändern nicht aufgehoben, sondern bleibt unter Abzug dessen, was aus dem Kaufpreis zu erlangen war, in Höhe des Restbetrags bestehen.

Nicht auszuschließen ist, dass die Idee von der Prävalenz des Pfandrechts auf dem Einfluss außerrömischen Rechtsdenkens beruht. Viel näher liegt aber, dass sie schlicht der gestiegenen praktischen Bedeutung entspringt, die Realsicherheiten in Zeiten der Geldentwertung zukommt. Stehen sie im Fokus des Gläubigerinteresses, verwundert nicht, dass ein Schuldner, der sich ganz auf die Verwertung des Pfandes eingerichtet hat, seine persönliche Inanspruchnahme als überraschend empfinden kann.

258  Außer in dem folgenden Reskript findet sich diese Aussage auch in CJ 8.13.14 (1. Mai 293 / Honoré 1864), CJ 8.13.24 (18. Dez. 294 / Honoré 2599). 259  CJ 8.13.10 (15. Jan. 290 / Honoré 1549).



V. Verbalvertrag113

V. Verbalvertrag (stipulatio) 1. Allgemeines Obwohl die Stipulation in nahezu allen Zusammenhängen des Vertragsrechts und damit auch in einer Vielzahl der diokletianischen Reskripte vorkommt, ist die aus ihr entspringende Verpflichtung doch nicht häufig Gegenstand einer Entscheidung. Ihrer Eigenart als einseitige Verbindlichkeit ist es geschuldet, dass sie zugunsten eines unter Vormundschaft oder Pflegschaft stehenden Gläubigers auch ohne Anwesenheit des Betreuers begründet werden kann, weil sie dem Gläubiger lediglich einen rechtlichen Vorteil einbringt. Der einschlägige Bescheid der diokletianischen Kanzlei ist im Codex Iustinianus gleich doppelt wiedergegeben. Die längere Fassung nennt den Fall einer Frau unter 25 Jahren, der als Ausgangspunkt eines Erst-rechtSchlusses zu dienen scheint: CJ 8.37.7 (16. Jan. 294 / Honoré 2137) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antonino. Neque tutoris neque curatoris absentia quicquam stipulationi nocet, cum et feminam minorem viginti quinque annis absente curatore stipulari posse non ambigitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antoninus. Der Stipulation schadet weder die Abwesenheit eines Vormunds noch die eines Pflegers, da es unumstritten ist, dass auch eine Frau, die unter 25 Jahre alt ist, sich in Abwesenheit ihres Pflegers durch Stipulation versprechen lassen kann.

Der Parallelüberlieferung des ersten Satzes260 können wir entnehmen, dass die Entscheidung einer Stipulation zugunsten eines Mündels gilt, was dem Schluss a maiore ad minus einen geschlechtsspezifischen Charakter gibt. Der umgekehrten Konstellation, in der ein Minderjähriger als Schuldner auftritt und die Stipulation natürlich nicht ohne Zustimmung des Vormundes gültig ist, hat sich die Kanzlei schon unter Caracalla angenommen: CJ 8.38.1 (1. Juli 215 / Honoré 406) Imp. Antoninus A. Paulino. Ex stipulatione, in qua impubes sine tutore auctore spopondisti, non es obligatus. Kaiser Antoninus an Paulinus. Aus einer Stipulation, bei der du als Unmündiger ohne Zustimmung deines Vormunds versprochen hast, bist du nicht verpflichtet.

Ist eine Stipulation von mehreren Schuldnern eingegangen, gilt es zu klären, ob sie sich als Gesamtschuldner jeweils für die gesamte Leistung verbindlich gemacht haben oder einzelne Teilbeträge schulden. Zwar wird in Nachwirkung des im Formularprozess geltenden Prinzips der Geldverurtei-

260  CJ

5.59.1.

114

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

lung261 eine Verpflichtung im Zweifel unter den Schuldnern aufgeteilt, so dass jeder dem Gläubiger nur zu einer Quote verpflichtet ist.262 Über die Art der Schuld entscheidet jedoch zunächst einmal die Vereinbarung, die auch Raum für die Begründung einer Gesamtschuld lässt:263 CJ 8.39.2 (13. April 293 / Honoré 1800) Impp. Diocletianus, Maximianus AA. et CC. Fabricio. Exprimere debueras tuis precibus, utrumne in partem an in solidum singuli vos obligaveritis ac duo rei promittendi extiteritis, cum, si quidem ab initio unusquisque pro parte sit obligatus, egredi contractus fidem non possit, si vero in solidum, electio rescripto adimi non debeat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Fabricius. Du musst in deiner Eingabe klarstellen, ob ihr euch zu Quoten oder einzeln zur ganzen Leistung verpflichtet habt und deshalb Gesamtschuldner geworden seid, da, wenn jeder von vornherein zu einer Quote verpflichtet ist, der Vertrag eingehalten werden muss, wenn sie dagegen zur ganzen Leistung verpflichtet sind, die Auswahl nicht durch Reskript entzogen werden darf.

Ergibt sich, dass die Schuldner nur zu einem Teil verpflichtet sind, darf einer nicht für die Schuld des anderen herangezogen werden:264 CJ 2.3.18 (7. Jan. 287 / Honoré 1520) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Iulio et Aemilio. Si creditores vestros ex parte debiti admisisse quemquam vestrum pro sua persona persolventem probaveritis, aditus rector provinciae pro sua gravitate, ne alter pro altero exigatur, providebit. Kaiser Diokletian und Maximian an Julius und Aemilia. Weist ihr nach, dass eure Gläubiger zugelassen haben, dass jeder für seine Person einen Anteil der Schuld leistet, soll der Provinzstatthalter kraft seiner Amtsgewalt dafür sorgen, dass nicht einer für den anderen belangt wird.

Entsprechen diese Entscheidungen ganz dem klassischen Recht, scheint die folgende Konstitution von einer Umwälzung des Regimes der strengrechtlichen Verträge zu zeugen: CJ 4.10.4 (7. Okt. 290 / Honoré 1643) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Liciniae. Bonam fidem in contractibus considerari aequum est. Kaiser Diokletian und Maximian an Licinia. Es ist gerecht, bei Verträgen Rücksicht auf die gute Treue zu nehmen. 261  Harke, Die Wurzel der Gesamtobligation im römischen Recht, in: Harke (Hg.), Drittbeteiligung am Schuldverhältnis, Berlin / Heidelberg 2010, S. 1, 5 ff. 262  D 45.2.11.1 f. Pap 11 resp. 263  Dass es hier noch nicht um die Beurteilung einer unklaren Vereinbarung, sondern um die Klarstellung der Anfrage geht, bemerkt zu Recht Schmieder (Fn. 164), S. 70 Fn. 189. 264  Dass die Teilung der Verpflichtung hier erst die Folge eines pactum ist, glaubt Taubenschlag, S. 63.



V. Verbalvertrag115

Die Aussage, das Gebot der guten Treue gelte ‚in contractibus‘ und damit auch für eine Stipulation, ist in ihrer Allgemeinheit vermutlich erst das Werk von Justinians Kompilatoren265 und durch Textkürzung oder schlicht Eliminierung des Zusammenhangs entstanden, in dem dieser Satz stand. Dass jedenfalls Diokletians Juristen noch zwischen strengrechtlichen Verbindlichkeiten und den von der bona fides beherrschten Verträgen unterschieden, zeigt der folgende Bescheid: CJ 8.38.5 (19. Sept. 293 / Honoré 1963) Imp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aquilinae. Dolo vel metu adhibito actio quidem nascitur, si subdita stipulatio sit, per doli tamen vel metus exceptionem submoveri petitio debet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aquilina. Bei arglistiger Täuschung oder Furchterregung entsteht zwar ein Klagerecht, wenn eine Stipulation abgeschlossen wird, die Forderung muss aber durch die Einrede der Arglist oder des Zwangs ausgeschlossen werden.

Die Kanzlei stellt es als Besonderheit der Stipulation heraus, dass sie auch dann ein Klagerecht hervorbringt, wenn der Schuldner bei seinem Versprechen einem Willensmangel in Gestalt von Täuschung oder Zwang unterlegen ist. Nur hier beruht die Klageabweisung auf einer Einrede, während der Willensmangel bei den bonae fidei iudicia ohne Weiteres zu berücksichtigen ist. Obwohl diese Unterscheidung im Kognitionsprozess keine verfahrensrechtliche Relevanz mehr hat, hält Diokletians Kanzlei an ihr fest und macht sie so zu einer materiellrechtlichen Erscheinung. Ungeachtet der Sonderung von den auf gute Treue gerichteten und strengrechtlichen Verpflichtungen zeigt sich die Kanzlei ebenso wie schon die klassischen Juristen266 großzügig bei der Deutung einer Stipulation. So lässt sie das Versprechen, Gewähr für das Überleben eines Sklaven zu leisten, nicht am Verbot des Vertrags über eine unmögliche Leistung267 scheitern, sondern versteht es als die wirksame Zusage, im Fall des Todes des Sklaven dessen Wert zu ersetzen: CJ 8.37.8 (18. Feb. 294 / Honoré 2210) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Posidonio. Non moriturum praestari servum impossibilis promissio est. post mortem autem eius stipulatus recte solutionem postulat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Posidonius. Zu gewährleisten, dass ein Sklave nicht stirbt, ist ein unmögliches Versprechen. Nach seinem Tod fordert der Gläubiger aber zu Recht Zahlung. 265  Kaser,

Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 334 Fn. 18. Stipulatio und pacta, in: Medicus / Seiler (Hg.), Festschrift für Kaser, München 1976, S. 201, 209 ff. 267  Gai 3.97, 99. 266  Knütel,

116

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Die Regel von der Unwirksamkeit des ‚alteri stipulari‘ erscheint an zwei Stellen. In der einen wendet die Kanzlei sie auf den Fall an, dass sich jemand die Leistung an sich selbst und einen Dritten versprechen lässt: CJ 8.38.6 (27. Sept. 294 / Honoré 2375) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Septimio et Eustolio. Si avia vestra sibi et Eustolio, quam mutuam dederat pecuniam, dari fuit stipulata, nihil ei, cuius subiecta iuri non fuerit, quaerere potuit. sane si ipse quod ei solvi placuerat in stipulatione suo nomine deduxit, obligationem in eius etiam personam constitisse non ambigitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Septimius und Eustolius. Hat deine Großmutter sich durch Stipulation versprechen lassen, dass der Geldbetrag, den sie als Darlehen gewährt hat, an sie und Eustolius gezahlt wird, konnte sie diesem, dessen Gewalt sie nicht unterstand, nichts erwerben. Es ist unumstritten, dass in seiner Person ebenfalls eine Verpflichtung entstand, wenn er das, was ihm gezahlt werden sollte, zum Gegenstand einer im eigenen Namen abgeschlossenen Stipulation gemacht hat.

Die hier theoretisch interessante und von den klassischen Juristenschulen diskutierte Frage, ob der Gläubiger, der sich das Versprechen teilweise zugunsten eines Dritten hat geben lassen, den Anspruch in voller Höhe oder nur zur Hälfte erlangt,268 stellt sich im vorliegenden Fall vermutlich deshalb nicht, weil die Anfrage allein auf die Berechtigung des Dritten gerichtet ist. Interessanter ist das andere Reskript aus dem Jahre 290, in dem es um die Handhabung des Verbots des ‚alteri stipulari‘ bei einem eigenen Leistungs­ interesse des Gläubigers geht: CJ 8.38.3 (15. Dez. 290 /  Honoré 1665) Imp. Diocletianus et Maximianus AA. Isidoro. Ut inter absentes verborum obligatio contrahi non potest, ita alteri, cuius iuri subiectus non est, aliquid dari vel restitui, nisi sua intersit, nemo stipulari potest. (1) Cum igitur, defuncta in matrimonio filia tua, superstitis filii nomine partem dimidiam dotis a marito detineri, alteram vero partem nepoti tuo vel, si is in rebus humanis non esset, Iuliano restitui per pactum convenisse proponas, praeventoque morte nepote etiam stipulationem ad Iulianum factam ob absentiam eius non valuisse significes, ac propterea ex persona ac stipulatione tua, qua restitui cuncta iuxta pactorum tenorem provideras, reddi tibi desideres: super stipulatu tuo adi praesidem provinciae, ut examinatis partium adlegationibus, quantum constituerit interesse tua, iuxta placiti fidem dotis portionem Iuliano restitutam fuisse, ob incertae actionis effectum concludat condemnationem taxatae quantitatis. Kaiser Diokletian und Maximian an Isidorus. Ebenso, wie unter Abwesenden keine Verbalverpflichtung begründet werden kann, kann man sich auch nicht die Leistung an einen anderen versprechen lassen, der nicht der eigenen Gewalt untersteht, sofern man hieran kein Interesse hat. (1) Da du vorträgst, es sei nach dem Tod deiner Tochter in der Ehe durch Pakt vereinbart worden, dass von ihrem Mann die 268  Gai

3.103.



V. Verbalvertrag117 Hälfte der Mitgift für die überlebenden Kinder einbehalten, der andere Teil deinem Enkel oder, falls er nicht mehr leben sollte, Julian herausgegeben werde, und du angibst, eine nach dem Tod des Enkels abgeschossene Stipulation zugunsten von Julian sei wegen dessen Abwesenheit ungültig gewesen, und du deshalb in deiner Person und aufgrund einer Stipulation, mit der du dir die vollständige Herausgabe nach Maßgabe des Pakts ausbedungen hast, die Herausgabe an dich begehrst, so rufe wegen deiner Stipulation den Provinzstatthalter an, damit er nach Prüfung des Parteivorbringens daraufhin, wie hoch dein Interesse daran ist, dass entsprechend der Vereinbarung über die Mitgift der Anteil an Julian herausgegeben wird, auf der Grundlage einer unbestimmten Klage die Verurteilung zu einem Schätzbetrag vornimmt.

Eine Stipulation, mit der ein Ehemann die bei der Mitgiftbestellung gegebene Zusage wiederholt, beim Tod seiner Frau einen Teil der dos an einen Dritten auszukehren, ist nur unter der Voraussetzung wirksam, dass die Gläubigerin ein eigenes Interesse daran hat, dass die Mitgift dem Dritten herausgegeben wird. Und die Verurteilung erfolgt auch nur in dieses Interesse der Gläubigerin und nicht etwa in den Wert, den die Mitgift hat. So erhellt: Ist das Versprechen der Leistung an einen Dritten wirksam, liegt hierin nicht etwa eine Ausnahme vom Verbot des ‚alteri stipulari‘. Die Kanzlei zeigt sich nur ebenso wie bei einem Versprechen, das strenggenommen auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist, großzügig, wenn es um die Auslegung der Stipulation geht: Sie ist eben nicht auf die ausgeschlossene Leistung an den Dritten, sondern auf Ersatz des Interesses gerichtet, das der Stipulationsgläubiger an dieser Leistung hat. Bemerkenswert ist zudem die einleitende Formulierung des Verbots: Es wird nicht schlicht wiedergegeben, sondern zusammengestellt mit der Regel, dass eine Stipulationsverpflichtung nur unter Anwesenden begründet werden kann. So erlangt die schon bei Ulpian zu findende Begründung, dass „Verpflichtungen dieser Art“ (‚huiusmodi obligationes‘) der Verwirklichung des eigenen Interesses dienen,269 eine neue Wendung: Das strikte Verbot des Vertrags zugunsten Dritter ist nicht auf sämtliche Verträge zugeschnitten, sondern ein Spezifikum der Stipulation. Dass sie zu ihrer Wirksamkeit ein eigenes Interesse des Gläubigers voraussetzt, liegt daran, dass sie durch Rede und Gegenrede unter Anwesenden abgeschlossen wird. Durch diesen Begründungsmodus ist der Kreis der Beteiligten abschließend festgelegt und die Verpflichtung nur dem Interesse des Gläubigers zugänglich, der den Schuldner nach seiner Bereitschaft zur Leistung gefragt hat.270 Dementsprechend verwundert es auch nicht, dass Diokletians Kanzlei dem Gedanken einer Drittwirkung bei anderen Verträgen und insbesondere beim mutuum nicht 269  D 45.1.38.17

Ulp 47 Sab. Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter, Weimar 1949, S. 11 f., obwohl er das Reskript gerade für interpoliert hält. 270  Ähnlich

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

völlig abgeneigt ist;271 und es überrascht nicht, dass sie bei Verwahrung und Schenkung großzügig eine Abtretung des durch den Vertrag entstandenen Anspruchs unterstellt, was funktionell einem Vertrag zugunsten Dritter nahe kommt272. 2. Bürgschaft (fideiussio) Die Reskripte zur Verpflichtung eines Bürgen dokumentieren keine Rechtsänderungen, vermitteln aber dank ihrer Auswahl für Codex Gregoria­ nus und Codex Hermogenianus ein bemerkenswert vollständiges Bild, indem sie die wesentlichen Fragen zu dem Rechtsinstitut beantworten. Hierzu gehört zuvörderst das Problem, ob der Bürge vor dem Hauptschuldner in Anspruch genommen werden oder sich gegenüber dem Gläubiger mit dem Argument verteidigen kann, dieser habe noch keinen Versuch des Forderungseinzugs beim Hauptschuldner unternommen. Dieser Einwand ist schon wegen der Möglichkeit zur Einschränkung der fideiussio auf eine bloße Ausfallbürgschaft durchaus naheliegend und daher keineswegs unbedingt volksrechtlichen Ursprungs273. Diokletians Kanzlei verwehrt einem Bürgen und anderen, die sich für einen Hauptschuldner persönlich verbindlich gemacht haben, zwar den Rekurs auf die fehlende Inanspruchnahme des Schuldners und bescheinigt dem Gläubiger, die freie Auswahl unter den Schuldnern zu haben. Sie macht aber zugleich einen Vorbehalt für den Fall einer abweichenden Vereinbarung, durch die die Verpflichtung zur Ausfallbürgschaft wird:274 CJ 8.40.19 (30. April 293 / Honoré 1862) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Sabiniano. Si alienam reo principaliter constituto obligationem suscepisti vel fideiussorio sive mandatorio vel quocumque alieno nomine pro debitore intercessisti, non posse urgueri creditorem, eum qui mutuam accepit pecuniam quam te convenire, scire debueras, cum, si hoc in initio contractus specialiter non placuit, habeat liberam electionem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Sabinianus. Hast du nach Eingehung der Hauptverbindlichkeit diese übernommen oder bist als Bürge, Kre­ ditauftraggeber oder auf andere Weise für den Schuldner eingetreten, musst du wissen, dass der Gläubiger nicht gezwungen werden kann, eher denjenigen, der das Darlehen erhalten hat, als dich zu belangen, da er, sofern bei Eingehung des Vertrags nichts anderes vereinbart ist, die freie Auswahl hat. 271  s. o. S. 70 ff. – Freilich lehnt die Kanzlei mit ähnlicher Begründung sowohl für die Stipulation als auch für einen Kaufvertrag eine Stellvertretung ab; vgl. CJ 5.12.26 (27. Dez. 294 / Honoré 2630) und CJ 4.50.6.3 (19. Aug. 293 / Honoré 1933). 272  s. u. S.  300 ff. 273  So aber Taubenschlag, S. 150. 274  Vgl. Briguglio, Fideiussores succurri solet, Mailand 1999, S. 187 ff. und Fen­ nocchio, La fideiussio indemnitatis, Neapel 2014, S. 246 ff.



V. Verbalvertrag119

Die Entscheidung entspricht einem Reskript, das schon unter Caracalla ergangen ist:275 CJ 8.40.5 (2. Mai 214 / Honoré 374) Imp. Antoninus A. Potamoni. Iure nostro est potestas creditori relicto reo eligendi fideiussores, nisi inter contrahentes aliud placitum doceatur. Kaiser Antoninus an Potamones. Nach unserem Recht steht dem Gläubiger die Befugnis zu, den Hauptschuldner unbehelligt zu lassen und die Bürgen auszuwählen, wenn nicht dargetan wird, dass zwischen den Parteien etwas anderes vereinbart worden ist.

Diokletians Juristen befinden auch mit der Frage, ob umgekehrt ein erfolgloser Versuch des Gläubigers, sich in einem von dritter Seite initiierten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Hauptschuldners zu befriedigen, die Inanspruchnahme des Bürgen nicht ausschließt: CJ 8.40.20 (vor 22. Okt. 293 / Honoré 1992) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio. Sententia bonorum omnium ademptionem continente rei damnati principalis intercessores eligendi creditori potestas non adimitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius. Der Ausspruch über den Verkauf des gesamten Vermögens des verurteilten Hauptschuldners nimmt dem Gläubiger nicht die Befugnis, sich an diejenigen zu halten, die für den Hauptschuldner eingetreten sind.

Wie auch immer sich die Gesamtvollstreckung auf die Hauptschuld auswirkt, bleibt die Verpflichtung des Bürgen gleichwohl erhalten, soweit der Gläubiger nicht befriedigt worden ist. Die Bürgschaft ist zwar akzessorisch zur Hauptschuld, aber gerade für den Fall eingegangen, dass diese nicht oder nicht in vollem Umfang einbringlich ist. Erst recht unerheblich ist, ob der Gläubiger vor der Inanspruchnahme des Bürgen ihm vom Hauptschuldner verpfändete Sachen veräußert hat, zumal der Anspruch gegen den Bürgen auch nicht der Verjährung unterliegt: CJ 8.40.25 (27. Dez. 294 / Honoré 2632) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Philippo. Pignoribus datis a reo principali distractis nec post longi temporis intervallum residuum a fideiussore creditor petere prohibetur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Philipp. Sind die vom Hauptschuldner gestellten Pfandrechte verkauft worden, ist der Gläubiger nicht gehindert, auch nach Ablauf einer langen Zeit den Restbetrag vom Bürgen zu fordern.

Ihr Ende findet die Bürgschaftsverpflichtung freilich, wenn sie mit der Hauptschuld in der Person eines Erben zusammenfällt. Dieser ist dann nur 275  Vgl. Fennocchio (Fn. 274), S. 244 ff. In dem Verweis auf das ius noster erkennt Briguglio (Fn. 274), S. 189 Fn. 195 eine gezielte Belehrung des anfragenden Ägypters.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

noch aus der Hauptschuld verpflichtet, falls diese die obligatio plenior276 ist, der Hauptschuldner also nicht etwa über eine Einrede verfügte, die der Bürge nicht hat277: CJ 8.40.24 (22. Dez. 294 / Honoré 2611) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Pergamio. Fideiussoris quidem heres exemplo rei principalis tenetur. sed si idem utrisque succedat, intercessionis obligatione finita velut principalis tantum debitoris heres conveniri potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Pergamius. Der Erbe eines Bürgen haftet zwar nach dem Vorbild eines Erben des Hauptschuldners. Hat aber derselbe die Rechtsnachfolge nach beiden angetreten, kann er, weil die durch Eintritt begründete Verpflichtung erloschen ist, nur noch als Erbe des Hauptschuldners belangt werden.

Die strikte Trennung zwischen der Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger und der zugrunde liegenden Beziehung zum Hauptschuldner ist Gegenstand des folgenden Bescheids. Durch ihn verwehrt die Kanzlei dem Erben eines Bürgen die Verteidigung mit dem Argument, der Hauptschuldner habe nicht die zugesagte Sicherheit für einen möglichen Rückgriff des Bürgen geleistet: CJ 8.41.5 (12. April 294 / Honoré 2294) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Septimiae. Si pater tuus, cui te successisse proponis, creditori pro Alexandro suscepto nomine certam pecuniam stipulanti spopondit, licet per improbitatem Alexander ei satis non fecit, tamen summae repromissae nimis improbe solutio negatur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Septimia. Hat dein Vater, dessen Rechtsnachfolge du nach deinem Vortrag angetreten hast, einem Gläubiger für Alexander, der einen bestimmten Betrag aufgenommen hat, ein Stipulationsversprechen geleistet, wird, obwohl Alexander ihm unredlicherweise keine Sicherheit geleistet hat, dennoch ganz zu Unrecht die Zahlung des versprochenen Betrags verweigert.

Eine Erleichterung des Rückgriffs ergibt sich freilich daraus, dass der Bürge seine Leistung davon abhängig machen kann, dass der Gläubiger ihm die Ansprüche gegen diese abtritt. Dies gilt nicht nur für die persönliche Forderung gegen den Hauptschuldner,278 sondern auch für ein Pfandrecht, das für einen Bürgen gerade in Zeiten des Geldwertschwundes von besonderem Interesse ist: CJ 8.40.21 (22. Okt. 293 / Honoré 1993) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Iuliano. Sicut eligendi fideiussores creditor habet potestatem, ita intercessorem postulantem cedi sibi hypothecae sive 276  D 46.1.5

Ulp 46 Sab (mit Julian-Zitat). die Klarstellung von Papinian in D 46.3.95.3 Pap 28 quaest. 278  D 46.1.17 Iul 89 dig. 277  So



V. Verbalvertrag121 pignori obligata iure non prius ad solutionem, nisi mandata super hac re fuerit persecutio, convenit urgueri. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Julian. Wie der Gläubiger die Befugnis hat, die Bürgen auszuwählen, kann derjenige, der für den Hauptschuldner eingetreten ist, wenn er die Übertragung der Besitz- und besitzlosen Pfandrechte auf sich verlangt, anerkanntermaßen nicht rechtmäßig zur Zahlung gezwungen werden, solange ihm nicht Klageauftrag für die deshalb bestehenden Herausgabeansprüche erteilt worden ist.

Dass der Bürge seine Leistung nicht ohne Weiteres erbringen muss, sondern als Kaufpreis für Hauptforderung und Pfand anbieten kann,279 leiten Diokletians Juristen interessanterweise aus Wahlbefugnis des Gläubigers ab: Kann dieser den Bürgen ohne Rücksicht darauf in Anspruch nehmen, ob dieser auch gegen den Hauptschuldner vorgehen oder andere Sicherheiten verwerten kann, muss er im Gegenzug hinnehmen, dass der Bürge den Rückgriff hierauf sicherstellt. Wollte der Gläubiger nur von seinem Wahlrecht Gebrauch machen, ohne dem Bürgen die übrigen Rechte zuzugestehen, müsste er sich den Vorwurf der Arglist gefallen lassen, weil er sein Recht in unzulässiger Weise ausübt. Angedeutet finden wir den Zusammenhang zwischen dem Abtretungsprivileg und der Wahlbefugnis des Gläubigers schon in einem Reskript aus der Severerzeit:280 CJ 8.40.2 (28. Jan. 207 / Honoré 153) Impp. Severus et Antoninus AA. Plotio. Creditori, qui pro eodem debito et pignora et fideiussorem accepit, licet, si malit, fideiussorem convenire in eam pecuniam, in qua se obligaverit. quod cum facit, debet ius pignorum in eum transferre. (1) Sed cum in alia quoque causa eadem pignora vel hypothecas habet obligatas, non prius compellendus est transferre pignora, quam omne debitum exsolvatur. Kaiser Severus und Antoninus an Plotius. Ein Gläubiger, der sich für dieselbe Schuld sowohl Pfänder als auch einen Bürgen hat stellen lassen, darf, wenn er es vorzieht, den Bürgen auf den Geldbetrag belangen, zu dessen Zahlung er sich verpflichtet hat. Tut er dies, muss er die Pfandrechte auf ihn übertragen. (1) Sind ihm die Pfandrechte auch aus anderem Grund bestellt worden, kann er erst dann zu ihrer Übertragung gezwungen werden, wenn die gesamte Schuld erfüllt ist.

3. Die exceptio senatus consulti Velleiani Die Bescheide zur Einrede aus dem vellejanischen Senatsbeschluss betreffen zum ganz überwiegenden Teil Vier-Personen- und andere Verhältnisse, in denen sich die Zuständigkeit der exceptio nicht von selbst versteht oder um279  D 20.5.2

Pap 2 resp. Briguglio (Fn. 274), S. 326 ff. Vgl. ferner CJ 8.40.11 (26. Okt. 229 / Honoré 820); s. u. S. 310 ff. 280  Hierzu

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

gangen werden soll. Nur in zwei Fällen scheint die Anwendung des Senatsbeschlusses keine Probleme zu bereiten. In dem einen hält die Kanzlei die Gewährung der exceptio senatus consulti Velleiani für unnötig, wenn die Frau, die vom Gläubiger ihres Mannes belangt wird, noch nicht einmal eine Verpflichtung im eigenen Namen eingegangen ist, sondern, wenn überhaupt, dann im Namen ihres Ehemannes, aufgetreten ist:281 CJ 4.12.1 (12. April 287 / Honoré 1529) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Asclepiodotae. Frustra disputas de contractibus cum marito tuo habitis, utrumne iure steterit an minime, cum tibi sufficiat, si proprio nomine nullum contractum habuisti, quominus pro marito tuo conveniri possis, quod nec, si sponte pro eo intercessisses, quicquam a te propter senatus consultum exigi iure potuisset. Kaiser Diokletian und Maximian an Asclepiodota. Du streitest unnötigerweise darüber, ob die von deinem Ehemann eingegangenen Verträge rechtlichen Bestand haben oder nicht, weil es dafür, dass du nicht für deinen Mann belangt werden kannst, ausreicht, dass du keinen Vertrag im eigenen Namen eingegangen bist; denn auch dann, wenn du freiwillig für ihn eingetreten bist, könnte wegen des Senatsbeschlusses nichts zu Recht von dir gefordert werden.

In dem anderen beschränkt sich die für überlieferungswürdig gehaltene Aussage des einschlägigen Reskripts darauf, dem Gläubiger, wenn er mit seiner Klage gegen die Frau ausgeschlossen ist, die Wiederherstellung einer verlorenen Forderung gegen den ursprünglichen Schuldner zu gewähren. Diokletians Juristen belegen diese anders als die Klassiker, die von actio restitutoria sprechen,282 mit dem Begriff actio rescissoria, der auf die Aufhebung der Interzession Bezug (‚intercessio rescissa‘283) nimmt: CJ 4.29.16 (16. Jan. 294 / Honoré 2136) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Rufino. Si mulier alienam suscepit obligationem, cum ei per exceptionem Velleiani senatus consulti succurratur, creditori contra priores debitores rescissoria actio datur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Rufinus. Hat eine Frau eine fremde Verpflichtung übernommen, wird, da ihr mit der Einrede aus dem vellejanischen Senatsbeschluss geholfen wird, dem Gläubiger gegen die früheren Schuldner eine Wiederherstellungsklage gewährt.

Unter den behandelten Vierecksbeziehungen ist der einfachste Fall vielleicht der einer Rechtsnachfolge nach der eingetretenen Frau: Auch wenn ihre Erben ihrerseits nicht weiblich sind, können sie sich doch der Einrede 281  Wegen dem Verweis auf das ‚nomen proprium‘ kann man hier entgegen Tau­ benschlag, S. 9 Fn. 46 nicht von der Abwehr einer altbabylonisch-assyrischen Auffassung von der automatischen Mitverpflichtung einer Ehefrau ausgehen. 282  D 16.1.8.12 f. Ulp 29 ed (mit Julian-Zitat), D 16.1.8.9 Ulp 29 ed (mit Marcellus-Zitat), D 16.1.13.2 Gai 9 ed prov. 283  D 16.1.32.5 Pomp 1 sen cons.



V. Verbalvertrag123

aus dem Senatsbeschluss bedienen; denn sie übernehmen die von der Erblasserin eingegangene Verpflichtung in der Gestalt, die sie vor dem Erbfall hat­te: CJ 4.29.20 (24. Dez. 294 / Honoré 2614) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Theodotiano. Heredes quoque mulieris adversus creditores eadem exceptione, quae ex senatus consulto introducta est, uti posse non dubium est. Kaiser Diokletian und Maximian an Theodotianus. Es unterliegt keinem Zweifel, dass auch die Erben einer Frau sich derselben Einrede, die durch den Senatsbeschluss geschaffen worden ist, bedienen können.

Unbestritten ist seit der Hochklassik auch, dass die Einrede einem Bürgen zustehen muss, der sich für die von der Frau übernommene Verpflichtung verbindlich gemacht hat.284 Stünde ihm kein Leistungsverweigerungsrecht zu, könnte er nach seiner Inanspruchnahme mit Hilfe der actio mandati oder zumindest der actio negotiorum gestorum Rückgriff bei der Frau nehmen, so dass diese entgegen dem Sinn der Einrede doch nicht effektiv freigestellt wäre.285 Diokletians Kanzlei erklärt die Zuständigkeit der Einrede für den Bürgen zum anerkannten Rechtssatz, macht aber einen Vorbehalt für den Fall, dass die Frau zur Erbin des Hauptschuldners, ihres Schwiegersohnes, geworden ist: CJ 4.29.14 (6. April 293 / Honoré 1775) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Basilissae. Mulierem contra senatus consulti Velleiani auctoritatem non posse intercedere eademque exceptione fideiussorem eius uti posse iuris auctoritas probat. unde si mater tua marito quondam suo heres non extitit, satis idoneae exceptionis remedio tuta est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Basilissa. Das Recht gebietet, dass eine Frau nicht entgegen dem vellejanischen Senatsbeschluss eintreten kann und dass sich dieser Einrede auch ein von ihr gestellter Bürge bedienen kann. Daher ist deine Mutter, wenn sie nicht Erbin deines Ehemannes geworden ist, hinreichend durch das Mittel der einschlägigen Einrede geschützt.

Hat die Frau die Rechtsnachfolge nach dem Hauptschuldner angetreten, gilt für sie, was mit umgekehrtem Ergebnis für ihren eigenen Erben gilt: Sie hat die Verpflichtung in der Gestalt übernommen, die sie beim Erbfall hatte, also unbelastet mit der Einrede aus dem Senatsbeschluss. Da die ererbte Verpflichtung, verglichen mit der durch Interzession entstandenen eigenen Schuld der Frau, auch die obligatio plenior ist, bleibt diese, wie die Kanzlei in einem anderen Reskript eigens feststellt,286 auch allein übrig. Etwas ande284  D 16.1.8.4

Ulp 28 ed. Iul 4 Urs Fer, D 16.1.19.5 Afr 4 quaest; hierzu Harke (Fn. 105),

285  D 16.1.16.1

S.  92 ff. 286  CJ 8.40.24 (22. Dez. 294 / Honoré 2611); s. o. S. 120.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

res würde nur dann gelten, wenn sich die Verpflichtung des von der Frau gestellten Bürgen allein auf die Verbindlichkeit der Frau und nicht auf die Hauptschuld beziehen ließe. In diesem Fall wäre die durch Interzession entstandene Verpflichtung der Frau die stärkere. Da sie neben der ererbten Hauptschuld bestünde, fiele aber auch hier die Befugnis weg, sich durch ex­ ceptio vor der Inanspruchnahme zu schützen. Folglich kann sich auch ihr Bürge nicht mehr der Einrede bedienen, weil die Frau als Trägerin der Hauptschuld nicht mehr vor einem Rückgriff des Bürgen geschützt werden muss. Schwieriger sind die Fälle zu beurteilen, in denen die Frau nicht selbst für den Hauptschuldner eintritt, sondern dies einem Dritten überlässt, der sich dann seinerseits bei der Frau erholen kann. Hier gilt ebenfalls, dass die Frau vor einem Rückgriff geschützt werden muss, indem sich schon der eingeschaltete Dritte der Einrede aus dem Senatsbeschluss bedienen kann.287 Diokletians Juristen bekunden dies für den Fall, dass die Frau einen anderen bestimmt hat, als Kreditauftraggeber für ihren Ehemann aufzutreten: CJ 4.29.15 (15. Dez. 293 / Honoré 2048) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Agrippino. Si uxor pro marito contra senatus consultum intercessura te rogavit mandatorio nomine pro ea tuam fidem adstringere, initio contractus per exceptionis auxilium obligationi tuae cohaesit securitas, qua conventus defendi potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Agrippinus. Hat eine Frau, um für ihren Ehemann entgegen dem Senatsbeschluss einzutreten, dich gebeten, dich als Auftraggeber verbindlich zu machen, ist deine Verpflichtung vom Abschluss des Vertrags an durch das Mittel der Einrede mit einem Schutz verknüpft, mit dem du dich im Falle deiner Inanspruchnahme verteidigen kannst.

Macht die Kanzlei diese Rechtsfolge nicht eigens davon abhängig, dass der Gläubiger von der Verwicklung der Frau in die Angelegenheit Kenntnis hat, beraubt dies ihre Aussage durchaus nicht ihrer Vollständigkeit.288 Denn das Wissen des Gläubigers von der Belastung der Frau ist aus Sicht der Kanzlei keineswegs positive Voraussetzung für die Gewährung der exceptio senatus consulti Velleiani. Vielmehr ist umgekehrt seine fehlende Kenntnis von den Machenschaften der Frau die Grundlage dafür, dass er die Einrede aus dem Senatsbeschluss mit Hilfe einer replicatio doli überwinden kann.289 Wird er von der Frau nicht über ihre Beteiligung an dem Vorgang unterrich287  Dies bekundet ausdrücklich auch der Autor der Paulussentenzen; vgl. PS 2.11.4. 288  Dass sie nicht den Schluss zulässt, die Kanzlei habe dieses Wissen für gänzlich irrelevant gehalten, glaubt auch Medicus, Zur Geschichte des senatus consultum Vel­ leianum, Köln u. a. 1957, S. 128. 289  D 16.1.6 Ulp 29 ed (mit Papinian-Zitat), D 16.1.7 Pap 9 resp.



V. Verbalvertrag125

tet, kann er ihr den Vorwurf einer Täuschung machen, der die Einrede aus dem Senatsbeschluss entkräftet: CJ 4.29.18 (8. Nov. 294 / Honoré 2460) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Zotico. Feminis alienas novas vel veteres obligationes aliqua ratione suscipientibus subvenitur, nisi creditor aliqua ratione per mulierem deceptus sit: nam tunc replicatione doli senatus consulti exceptionem removeri constitutum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Zoticus. Frauen, die neue oder alte fremde Verpflichtungen aus beliebigem Grund übernommen haben, wird Beistand zuteil, falls nicht der Gläubiger aus einem Grund von der Frau getäuscht worden ist; denn es ist anerkannt, dass dann die Einrede aus dem Senatsbeschluss durch die Replik der Arglist ausgeschlossen wird.

Weniger klar ist ein Bescheid aus der Regierungszeit von Severus Alexander, in dem die infirmitas der Frau ihrer calliditas entgegengesetzt wird, mit der sie den unwissenden Gläubiger hintergeht. Die Entscheidung betrifft den Fall, in dem ein Ehemann Sachen seiner Frau als eigene verpfändet hat. Hat die Frau hierzu ihre Zustimmung erteilt, ist die Verpfändung zwar wirksam, aber mit der exceptio senatus consulti Velleiani behaftet. Hat die Frau den Einsatz der Sachen als Kreditsicherheit gebilligt, kann ein Gläubiger, dem die Herkunft der verpfändeten Sachen wegen der Verschleierung der Eigentumsverhältnisse nicht erkennbar war, ihr ihre Arglist entgegenhalten: CJ 4.29.5 (17. Juli 224 / Honoré 679) Imp. Alexander A. Popiliae. Si sine voluntate tua res tuae a marito tuo pignori datae sunt, non tenentur. quod si consensisti obligationi sciente creditrice, auxilio senatus consulti uti potes. quod si patientiam praestitisti, ut quasi suas res maritus obligaret, decipere voluisti mutuam pecuniam dantem et ideo tibi non succurretur senatus consulto, quo infirmitati, non calliditati mulierum consultum est. Kaiser Alexander an Popilia. Sind deine Sachen ohne deinen Willen von deinem Ehemann verpfändet worden, haften sie nicht. Hast du der Verpfändung aber mit Kenntnis des Gläubigers zugestimmt, kannst du den Schutz des Senatsbeschlusses in Anspruch nehmen. Hast du aber geduldet, dass dein Ehemann die Sachen als eigene verpfändet, hast du den Kreditgeber zu täuschen versucht, und deshalb kommt dir der Senatsbeschluss nicht zugute, der wegen der Schwäche der Frauen, nicht zur Begünstigung ihrer Hinterlist geschaffen worden ist.

In seiner Begründung stimmt dieser Bescheid mit einem Satz Ulpians überein, den dieser im Anschluss an Reskripte von Antoninus Pius und Septimius Severus geprägt hat: D 16.1.2.3 Ulp 29 ed Sed ita demum eis subvenit, si non callide sint versatae: hoc enim divus Pius et Severus rescripserunt. nam deceptis, non decipientibus opitulatur et est et graecum Severi tale rescriptum: ταῖς ἀπατώσαις γυναιξὶν τὸ δόγμα τῆς συγκλήτον βονλῆς οὐ βονθεὶ. infirmitas enim feminarum, non calliditas auxilium demeruit.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Aber ihnen gewährt der Senatsbeschluss nur dann Hilfe, wenn sie nicht arglistig gehandelt haben; dies haben nämlich die göttlichen Kaiser Pius und Severus beschieden. Denn geholfen wird denen, die benachteiligt werden, nicht denen, die benachteiligen, und so heißt es im Bescheid von Severus auf Griechisch: „Frauen, die andere benachteiligen, hilft der Senatsbeschluss nicht.“ Hilfe verdient nämlich die Schwäche der Frauen, nicht ihre Arglist.

Trifft diese teleologische Erwägung auch zu, birgt sie doch, wenn man sie wie Diokletians Juristen nicht in das Gerüst von exceptio und replicatio doli einpasst, die Gefahr, dass die Beweislast verkannt wird.290 Nicht die Frau muss dartun, dass der Gläubiger von ihrer Beteiligung an der Interzession Kenntnis hatte; vielmehr muss umgekehrt der Gläubiger beweisen, dass er zum Opfer einer Täuschung durch die Frau geworden ist. Dieser Unterschied, der in der Differenzierung zwischen Einrede und Replik zum Ausdruck kommt, ist auch im Kognitionsverfahren noch von Relevanz. Wegen der ­unpräzisen Darstellung bei Ulpian und Severus Alexander könnte er aber durchaus vom Verfasser der Paulussentenzen übersehen worden sein, der lediglich davon spricht, dass einer Frau, die ‚decipiendi animo‘ gehandelt hat, die Einrede nicht erteilt wird (‚exceptio ei senatus consulti non datur‘)291. Ein umgekehrter Fall, in dem sich der Gläubiger seine Arglist vorhalten lassen muss, ist dann gegeben, wenn die Frau nicht für eine schon begründete Verbindlichkeit eines anderen eintritt, sondern diese erstmals in ihrer Person entsteht. Hier greift der Senatsbeschluss gewöhnlich nicht ein, weil er ja nicht dazu dient, eine Verpflichtung der Frau schlechthin zu verhindern. Zu einem Fall der Interzession kann sie erst dann werden, wenn eine Frau die durch ihre Verpflichtung erlangten Mittel zum Vorteil eines Dritten verwendet, der, wirtschaftlich betrachtet, der eigentliche Schuldner sein soll. Ob es unter diesen Umständen zur Anwendung des Interzessionsverbotes kommt, entscheidet sich für Diokletians Kanzlei eben wie schon für Ulpian292 daran, ob der Gläubiger sich eigentlich den Dritten als Kreditnehmer verbindlich machen wollte, dann aber die Frau eingeschaltet hat: CJ 4.29.19 (15. Dez. 294 / Honoré 2570) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Faustinae. Cum ad eas etiam obligationes, quae ex mulieris persona calliditate creditoris sumpserunt primordium, decretum patrum, quod de intercessione feminarum factum est, pertinere edicto perpetuo declaratur, si tamen creditor, qui contrahere cum alio proposuerat, mulieris personam elegit, exceptione contra petitores secundum ea quae adseveras defendi potes.

290  Dass die Praxis im Formularverfahren zwischen Verweigerung der exceptio und Gewährung der replicatio doli schwankte, glaubt Medicus (Fn. 288), S. 56 ff. 291  PS 2.11.3 = D 16.1.30pr Paul 2 sent. 292  D 16.1.8.14 Ulp 29 ed.



V. Verbalvertrag127 Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Faustina. Da durch das immerwährende Edikt bestimmt wird, dass sich der Senatsbeschluss zum Eintreten von Frauen auch auf die Verpflichtungen bezieht, die aus Hinterlist des Gläubigers in der Person der Frau entstanden sind, kannst du dich entsprechend deinem Vorbringen, wenn der Gläubiger, der mit einem anderen den Vertrag schließen wollte, sich für die Person der Frau entschieden hat, mit der Einrede gegen die Kläger verteidigen.

Der Vorwurf der calliditas, den die Kanzlei hier an den Gläubiger richtet, dient nicht dazu, die Gewährung eines Rechtsbehelfs wegen dolus zu rechtfertigen oder einen Analogieschluss zu ziehen. Der Fall eines Darlehensvertrags im Drittinteresse erscheint schon im Wortlaut des vellejanischen Senatsbeschlusses, weshalb die Kanzlei die Einrede hier auch unmittelbar auf das edictum perpetuum zurückführen kann, in dem auch eine actio instituto­ ria zur erstmaligen Begründung der Schuld des Dritten vorgesehen ist.293 Damit man in einer Darlehensgewährung an die Frau eine Interzession erkennen kann, bedarf es aber eines Bezugs zu dem eigentlich Begünstigten, der sich nur aus der Absicht des Gläubigers ergeben kann. Der Begriff calli­ ditas ist hierfür eine adäquate Beschreibung294 und taugt auch bestens zur Abgrenzung von den Fällen, in denen ein Dritter schließlich in den Genuss eines von einer Frau aufgenommenen Darlehens gekommen ist, ohne dass der Gläubiger sich dies entgegenhalten lassen müsste. Mit einer solchen Konstellation befasst sich Diokletians Kanzlei in CJ 4.29.13 (30. Aug. 290 / Honoré 1619): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Condianae. Si fenebris pecunia iuxta fidem veri a creditore tibi data est, sive tota quantitas fenoris sive pars eius in usum mariti processisse proponatur, decreto patrum non adiuvaris, licet creditor causam contractus non ignoraverit. Kaiser Diokletian und Maximian an Condiana. Ist dir in Wahrheit ein verzinsliches Darlehen vom Gläubiger gewährt worden, hilft dir auch dann, wenn der Darlehensbetrag in voller Höhe oder zum Teil zum Nutzen deines Ehemannes verwendet worden ist, der Senatsbeschluss nicht, und zwar selbst dann, wenn der Gläubiger den Grund für den Vertragsschluss nicht verkannt hat.

Dass der Kreditbetrag für den Ehemann der Fragestellerin verwendet werden sollte und der Gläubiger hiervon Kenntnis hatte, genügt noch nicht für die Annahme einer Interzession, solange niemals eine Darlehensgewährung an den Ehemann selbst im Raum stand. Soll „in Wahrheit“ (‚iuxta fidem veri‘),295 293  Ein Grund für den von Lenel, Edictum perpetuum, S. 287 Fn. 7 erhobenen Interpolationsverdacht ist das ebenso wenig wie für die Unterstellung von Medicus (Fn. 288), S. 116, die Kanzlei habe die Verheißung der actio institutoria als eine schon vom Prätor vorgenommene Ausdehnung des senatus consultum missverstanden. 294  Und entgegen Medicus (Fn. 288), S. 115 keineswegs missverständlich. 295  Medicus (Fn. 288), S. 117 will „wahrheitsgemäß“ oder „glaubhafterweise“ übersetzen.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

also nicht nur formal, ein Darlehen an die Frau gewährt werden, spielt es keine Rolle, ob der Darlehensgeber weiß, dass hiervon schließlich ein Dritter profitieren soll. Die bloße Kenntnis der Verwendungsabsicht trägt dem Gläubiger noch nicht den Vorwurf der calliditas ein, wenn und weil er mit dem Dritten in keiner Beziehung steht.296 Indem sie einen Begriff aufgreifen, der in der früheren Rechtsprechung unklar zur Beschreibung eines dolus der Frau verwendet wurde, und auf den Gläubiger münzen, gelingt Diokletians Juristen ein dogmatischer Fortschritt: Sie benennen ein Merkmal, mit dessen Hilfe bei der Darlehensaufnahme durch die Frau zwischen Interzession und schlicht fremdnützigem Handeln unterscheiden lässt. Zugleich ersetzen sie den Terminus der calliditas dort, wo er in der Spätklassik erscheint, durch den korrekten Begriff des dolus, der der Kenntnis des Gläubigers seinen dogmatischen Standort zuweist und für eine Klärung der Beweislastverteilung zugunsten der Frau sorgt.

VI. Kaufvertrag (emptio venditio) 1. Vertragsschluss Da er einen beständigen Besitztitel schafft, ist der Kaufvertrag besonders anfällig für Versuche, mit ihm Vereinbarungen anderen Inhalts oder anderer Funktion zu bemänteln, sei es, um so ein Verbot oder Wirksamkeitshindernis für das eigentlich gewollte Geschäft zu umgehen, sei es, um die hierdurch vermittelte Besitzposition leichter durchsetzbar zu machen. Der Kaufvertrag ist in diesen Fällen nur ein Scheingeschäft, das bei der juristischen Beurteilung dem eigentlich beabsichtigten Vertrag weichen muss. Diokletians Kanzlei muss dies in einigen Fällen aussprechen. So stellt sie die Unwirksamkeit der emptio venditio insbesondere für eine unter diesem Deckmantel vorgenommene Verpfändung fest, die jedoch, für sich genommen, wirksam bleibt: CJ 4.22.3 (1. Mai 294 / Honoré 2333) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Marinae. Emptione pignoris causa facta non quod scriptum, sed quod gestum est inspicitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Marina. Ist ein Kaufvertrag zum Zwecke einer Verpfändung abgeschlossen worden, ist nicht auf die Urkunde, sondern auf die Vereinbarung zu achten.

296  Anders Medicus (Fn. 288), S. 118, der glaubt, die Einrede aus dem vellejanischen Senatsbeschluss werde hier verweigert, weil die Frau ihrem Mann den geliehenen Betrag in Schenkungsabsicht überlassen habe. Auch dies wäre aber ein Fall der Interzession, sofern dem Ehemann hierdurch eine sonst erfolgte eigene Verpflichtung erspart geblieben wäre.



VI. Kaufvertrag129

Häufiger wird der Kaufvertrag aber dazu eingesetzt, eine Schenkung zu verbergen oder zu ergänzen. So soll er in einem anderen von der diokletianischen Kanzlei entschiedenen Fall dafür sorgen, dass der Beschenkte eine Gegenleistung erbringen soll, die in Wahrheit Gegenstand einer Auflage und als solche durchsetzbar ist.297 Die verbreitete Praxis, einen Kaufvertrag zur Verdeckung einer verbotenen Ehegattenschenkung abzuschließen,298 bietet den Hintergrund für das folgende Reskript: CJ 4.38.6 (vor. 7. März 294 / Honoré 2224) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Lucretio. Si Gaudentius in matrem tuam titulo venditionis sine quadam fraude dominium mancipii transtulit, non idcirco, quod post inter eos matrimonium et divortium secutum dicitur, iuri eius quicquam derogatum est: quod vindicare, te matri tuae successisse probans, minime prohiberis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Lucretius. Hat Gaudentius das Eigentum an einem Sklaven aufgrund eines Kauftitels ohne Arglist auf deine Mutter übertragen, ist ihr Recht nicht deshalb, weil später zwischen ihnen eine Heirat und eine Scheidung erfolgt ist, aufgehoben worden; du bist keineswegs gehindert, es durch Vindikation geltend zu machen, wenn du beweist, dass du Rechtsnachfolger deiner Mutter geworden bist.

Ein zwischen Ehegatten geschlossener Kaufvertrag ist nur dann wirksam und Rechtsgrund für den Erwerb des Eigentums an der Kaufsache, wenn er ‚sine quadam fraude‘ zustande gekommen ist. Handelt es sich in Wahrheit ganz oder teilweise um eine Schenkung, ist sie nur insoweit wirksam, als sie schon vor der Ehe vollzogen worden ist. Danach kann unter dem Deckmantel eines Kaufvertrags weder wirksam eine Sache noch ein als Kaufpreis deklarierter Geldbetrag zugewendet werden: CJ 4.38.10 (7. April 294 / Honoré 2284) Impp. Diocletianus, Maximianus AA. et CC. Aureliae Gordianae. Si mater tua velut ex bonis patris praedium suum comparavit, cum rei propriae non consistat emptio et hanc simulatam proponas, huiusmodi placitum mutare substantiam veritatis et ei nocere non potuit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelia Gordiana. Hat deine Mutter ein eigenes Grundstück so gekauft, als stamme es aus dem Vermögen des Vaters, konnte eine solche Vereinbarung, da ein Kauf der eigenen Sache keinen Bestand hat und, wie du vorträgst, ein Scheinkauf ist, die Wahrheit nicht ändern und ihr nicht schaden.

Kauft eine Ehefrau ein ihr schon gehörendes Grundstück von ihrem Mann, beabsichtigt sie, ihm den Kaufpreis, den sie scheinbar schuldet, unter Verstoß gegen das Verbot einer Ehegattenschenkung zuzuwenden. Dieses kommt 297  CJ 4.38.3

(vor 29. Mai 293 / Honoré 1898); s. u. S. 281. Praxis wird gerade durch das römische Schenkungsverbot provoziert und kann daher entgegen Taubenschlag, S. 144 nicht als volksrechtlich gelten. 298  Diese

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

freilich gar nicht erst zum Zuge, weil die Entstehung einer Verpflichtung der Frau gleich an zwei Umständen scheitert:299 Zum einen ist der Kaufvertrag als bloßes Scheingeschäft wirkungslos; und die durch ihn verdeckte Schenkungsabrede kann ohne Abschluss einer Stipulation ohnehin keinen Anspruch hervorbringen. Zum anderen stünde dem Kaufvertrag, selbst wenn er ernsthaft gewollt wäre, die Regel entgegen, dass der Kauf einer eigenen Sache unwirksam ist.300 Dieses Wirksamkeitshindernis beschäftigt die Kanzlei noch in einem zweiten, ähnlichen Fall: CJ 4.38.4 (29. Mai 293 / Honoré 1899)301 Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Luciano. Cum res tibi donatas ab herede donatricis distractas esse proponas, intellegere debueras duplicari tibi titulum possessionis non potuisse, sed ex donatione et traditione dominum factum frustra emisse, cum rei propriae emptio non possit consistere, ac tunc demum tibi profuit, si ex donatione te non fuisse dominum demonstretur. sane quoniam omnia bona tibi ab ea donata et tradita dicis, ad hoc a filio facta venditio rerum maternarum adferre perfecta etiam donatione poterit defensionem, ne vel exemplo inofficiosi testamenti possit haec avocare. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Lucianus. Da du vorträgst, dir geschenkte Sachen seien dir von dem Erben der Schenkerin verkauft worden, musst du verstehen, dass dein Besitztitel nicht verdoppelt werden kann, sondern dass du sie, durch Schenkung und Übergabe zum Eigentümer gemacht, vergeblich gekauft hast, weil der Kauf einer eigenen Sache keinen Bestand hat, und er kann dir nur dann nützen, wenn sich ergibt, dass du durch die Schenkung nicht zum Eigentümer geworden bist. Da du freilich angibst, dir sei ihr gesamtes Vermögen geschenkt worden, kann der Kaufvertrag, der mit dem Sohn über die Sachen der Mutter geschlossen worden ist, ungeachtet des Vollzugs der Schenkung zur Verteidigung dagegen angeführt werden, dass sie nicht nach dem Vorbild eines pflichtwidrigen Testaments angefochten wird. 299  Richtig Zimmermann, Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, Berlin 2001, S. 114; nicht ganz treffend dagegen Harke, Si error aliquis intervenit, S. 244. 300  Dass diese Regel hier nur als Argumentationstopos dient und hinter der Simulation als eigentlichem Nichtigkeitsgrund zurücksteht, meint Rodeghiero, Sul sinallagma genetico nell’emptio venditio classica, Mailand 2004, S. 116. 301  Der hier aufgeführte Teil des Reskripts ist mit leicht verändertem Wortlaut in Vat 293 wiedergegeben: ‚quod autem res tibi ab herede donatricis distractas esse proponis, duplicari tibi titulum possessionis non potuisse constat, sed ex perfecta donatione dominum factum frustra emisse, cum rei propriae emptio non possit consis­ tere ac tum demum tibi profuerit, si ex donatione te non fuisse dominum monstretur. sane quoniam omnia bona uobis ab ea donata et tradita dicitis, ad hoc a filio facta uenditio rerum maternarum adferre perfecta etiam donatione poterit defensio­ nem, ne exemplo inofficiosi testamenti possit haec auocare. quibus omnibus praeses prouinciae suam notionem praebebit.‘ An dieser Stelle findet sich auch der erste Teil des Bescheids, in dem es um die Perfektion einer Schenkung geht und der von Justinians Kompilatoren wegen der Unterscheidung zwischen res mancipi und res nec mancipi weggelassen worden ist; hierzu s. u. S. 272 f.



VI. Kaufvertrag131

Hat jemand, nachdem er schon durch Schenkung zum Eigentümer von Sachen geworden war, diese vom Erben der Schenkerin gekauft, ist auch dieser Kaufvertrag als emptio rei suae eigentlich ungültig. Da die Vereinbarung dazu gedacht ist, der schon vollzogenen Schenkung Bestandskraft zu verleihen, entfaltet sie aber in anderer Hinsicht Wirkung. Sie stellt nämlich einen Vergleich dar, mit dem der Erbe im Gegenzug zur Zahlung des als Kaufpreis vereinbarten Betrags auf eine Anfechtung der Schenkung nach dem Muster der querella inofficiosi testamenti302 verzichtet.303 Hat der Beschenkte den vereinbarten Preis schon gezahlt, ist die Schenkung von der Belastung mit diesem Makel befreit.304 Ein als Kaufvertrag verbrämter Vergleich begegnet uns auch in dem folgenden Bescheid: CJ 2.4.21 (3. Okt. 293 / Honoré 1970)305 Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Geminiano. Cum ea, quae transactionis causa dari aut retineri convenit, velut emptorem eum quem accipere placuerat obtinere praescribitur, his quae simulate geruntur pro infectis habitis frustra ficti pretii postulatur numeratio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Geminianus. Wird aufgezeichnet, dass der Empfänger den vereinbarungsgemäß zum Zwecke eines Vergleichs geleisteten oder einbehaltenen Gegenstand als Käufer innehaben soll, wird, da Scheingeschäfte als nicht vorgenommen gelten, vergebens die Zahlung des Kaufpreises verlangt.

Anders als im Fall der anfechtbaren Schenkung ist dieser Vergleich nicht auf die Zahlung eines Geldbetrags gerichtet; vielmehr soll eine Partei eine Sache zum Ausgleich dafür er- oder behalten, dass sie von dem Rechtsstreit ablässt. Dass ihr die Sache kaufweise überlassen sein soll, ist nur Ausdruck der Absicht, sie möge ihr dauerhaft zugewandt sein. Dieses Ziel ist, wenn die Partei die Sache schon innehat, bereits erreicht, ansonsten mit Hilfe der bei Innominatverträgen einschlägigen Rechtsbehelfe306 durchzusetzen. Als emp­ tio venditio ist die Vereinbarung dagegen ein bloßes Scheingeschäft, so dass sie dem anderen Teil auch keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises eröffnet. In anderen Fällen sieht sich die Kanzlei mit Kaufverträgen konfrontiert, die zwar wirklich beabsichtigt, aber von anderen Personen eingegangen sind, als es den Anschein hat. Sind der wirkliche und vermeintliche Vertragspart302  Hierzu

s. u. S. 197. anscheinend Rodeghiero (Fn. 300), S. 115, die offenbar den Kaufvertrag als solchen für wirksam hält. 304  Vgl. Zimmermann (Fn. 299), S. 132 f., 137. 305  Hierzu Harke, Si error aliquis intervenit, S. 247. 306  s. u. S.  221 ff. 303  Anders

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

ner Ehegatten, kann das Ziel wiederum nur sein, eine unwirksame Ehegattenschenkung zu verbergen: CJ 4.22.2 (22. April 294 / Honoré 2311)307 Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Soteri. Acta simulata, velut non ipse, sed eius uxor comparaverit, veritatis substantiam mutare non possunt. quaestio itaque facti per praesidem examinabitur provinciae. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Soter. Zum Schein vorgenommene Handlungen, die den Anschein erwecken, jemand habe nicht selbst, sondern seine Ehefrau habe gekauft, können die Wahrheit nicht ändern. Die Tatfrage muss also vom Provinzstatthalter untersucht werden.

Dieselbe Konstellation könnte mit dem folgenden Bescheid gemeint sein, dessen Kontext sich aber nicht mehr rekonstruieren lässt: CJ 4.22.4 (24. Nov. 294 / Honoré 2487) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Decio. Si quis gestum a se fecerit alium egisse scribi, plus actum quam scriptum valet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Decius. Hat jemand bewirkt, dass beurkundet wurde, ein anderer habe vereinbart, was er selbst vereinbart hat, gilt mehr das wirklich Vereinbarte, als was beurkundet worden ist.

Dass ein Kaufvertrag aber nicht schon wegen der Herkunft des Kaufpreises als simuliert angesehen werden darf, betont die Kanzlei in CJ 4.37.2 (27. Aug. 293 / 294 / Honoré 2361): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Pannonio. Cum proponas te praedium coniuncto dominio cum patruo tuo comparasse in possessionemque tam te quam ipsum inductum, iuris ratio efficit, ut dominium fundi ad utrumque pertineat. sane quia pretium a te solo numeratum et sollemnibus pensitationibus cessante socio satisfactum esse dicis, iudicio societatis id quod eo nomine praestari oportuerit consequeris. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Pannonius. Da du vorträgst, du habest mit deinem Onkel väterlicherseits ein Grundstück zu gemeinsamem Eigentum gekauft und sowohl dir als auch ihm sei der Besitz übertragen worden, bewirkt das Recht, dass das Eigentum an dem Grundstück beiden zusteht. Da du freilich angibst, der Kaufpreis sei allein von dir gezahlt und auch die Abgaben seien ohne seine Beteiligung geleistet worden, kannst du das, was deshalb geleistet werden musste, mit der Gesellschafterklage erlangen.

Der Umstand, dass einer von zwei Käufern den gesamten Kaufpreis aufgebracht hat, rechtfertigt nicht, ihn exklusiv als Vertragspartner des Verkäufers und damit auch als Alleineigentümer der gekauften und übergebenen Sache anzusehen. Ebenso wie der Kaufpreis von einem beliebigen Dritten gezahlt werden kann, ohne die vertragliche Rollenverteilung in Frage zu stellen, hat auch die Leistung durch einen der Käufer keine Auswirkung auf das Vertrags307  Hierzu

Harke, Si error aliquis intervenit, S. 245.



VI. Kaufvertrag133

gefüge und nur zur Folge, dass er Rückgriff mit Hilfe der Gesellschafterklage nehmen kann.308 Versucht er den damit verbundenen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, indem er den fiktiven Charakter der Beteiligung des anderen Käufers und sein Alleineigentum an der Kaufsache behauptet, folgt er einem, wenn auch unberechtigten, so doch naheliegenden Verhaltensmuster und nicht notwendig einem volksrechtlichen Gedanken, wonach die Herkunft des Kaufpreises über das Eigentum an der Kaufsache entscheidet309. Dies gilt, zumal der Inanspruchnahme des anderen Käufers mit der actio pro socio hier die besondere Schwierigkeit im Wege steht, dass der Petent eine infamierende Klage gegen seinen eigenen Onkel anstellen müsste.310 Nicht zum Problemkreis der Scheingeschäfte gehört das folgende Reskript vom Dezember 294, das diesen Bezug allein durch die Aufnahme in den einschlägigen Titel (CJ 4.22) des justinianischen Codex erlangt hat: CJ 4.22.5 (20. Dez. 294 / Honoré 2604) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Victori. Si falsum instrumentum emptionis conscriptum tibi, velut locationis quam fieri mandaveras, subscribere, te non relecto, sed fidem habente, suasit, neutrum contractum in utroque alterutrius consensu deficiente constitisse procul dubio est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Victor. Es unterliegt keinem Zweifel, dass wenn du veranlasst worden bist, eine falsche Kaufvertragsurkunde anstelle einer Verdingungsurkunde, die du in Auftrag gegeben hast, im Vertrauen zu unterzeichnen, ohne sie durchzulesen, keiner der beiden Verträge mangels Einverständnisses einer Seite gilt.

Es geht um eine Situation, die bei Ulpian ‚dissensus in ipsa emptione‘311 und heute gemeinhin error in negotio heißt:312 Jemand hat in der Annahme, einen Miet- oder Pachtvertrag einzugehen, eine Urkunde über einen Kaufvertrag unterzeichnet. Um seine Bindung an den Vertrag mit dem sich aus der Urkunde ergebenen Inhalt abzuwehren,313 muss er nun dartun, einem Irrtum erlegen zu sein.314 Dies kann er bloß, indem er behauptet, den Text der Ur308  Meissel, Societas. Struktur und Typenvielfalt des römischen Gesellschaftsvertrags, Frankfurt a. M. u. a. 2004, S. 191. 309  So aber Pringsheim, Der Kauf mit fremdem Geld, Leipzig 1916, S. 93, Tau­ benschlag, S. 144 Fn. 1015 und Kaser, Das römische Privatrecht Bd. 2, S. 279 Fn. 46. Eine solche Rechtsvorstellung muss daher auch nicht hinter der ähnlichen Aussage in PS 2.17.14 stehen, in der die Herkunft des Kaufpreises ganz generell für unerheblich erklärt wird. 310  Vgl. CJ 2.11.22 (8. Dez. 294 / Honoré 2541). 311  D 18.1.9pr Ulp 28 Sab. 312  Harke, Si error aliquis intervenit, S. 103. 313  Dabei wird der Urkunde entgegen Taubenschlag, S. 141 Fn. 999 keineswegs auf volksrechtlicher Grundlage ein materiellrechtlicher Eigenwert zugeschrieben. 314  Zur Identität von error und consensus Harke, Si error aliquis intervenit, S.  29 ff.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

kunde nicht gelesen zu haben und seine Unterschrift im Vertrauen darauf geleistet zu haben, dass sie seinem zuvor erteilten Auftrag entspricht.315 Gelingt ihm dieser Nachweis, scheitert das Zustandekommen des Kaufvertrags am mangelnden consensus der Parteien. Und es kommt anders als in manchen anderen Konstellationen auch nicht in Betracht, die Vereinbarung mit einem Minimalinhalt aufrechtzuerhalten, zu dem sich die abweichenden Vorstellungen der Parteien zur Deckung bringen lassen: Wollte der Fragesteller einen Miet- oder Pacht-, der andere Teil dagegen einen Kaufvertrag abschließen, stehen sich diese beiden Vorstellungen als aliud gegenüber und nicht im Verhältnis von Mehr und Weniger. Zwar ist die zeitweilige Überlassung ein minus gegenüber der endgültigen, wie sie beim Kauf stattfindet; der Miet- oder Pachtzins lässt sich aber nicht aus dem in der Urkunde angegebenen Kaufpreis ableiten. Daher betont die Kanzlei folgerichtig und äußerst präzise, dass es am beiderseitigen Konsens der Parteien fehlt (‚alterutrius consensu deficiente‘): Der Petent ist nicht mit einem Kaufvertrag einverstanden; und der andere Teil möchte keinen Miet- oder Pachtvertrag auf der Basis der Summe eingehen, die er für den vereinbarten Kaufpreis hielt. Auf den Fall mangelnden Konsenses scheint sich auf den ersten Blick auch ein weiteres Reskript aus demselben Monat zu beziehen: CJ 4.38.11 (3. Dez. 294 / Honoré 2520) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Paterno. Invitum comparare vel distrahere postulantis causam iustam non continet desiderium. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Paternus. Die Forderung nach einem unfreiwilligen Kauf oder Verkauf ist unberechtigt.

Leider lässt sich der überlieferten Formel, wonach ein unfreiwilliger Kauf keinen Bestand hat, nicht mehr entnehmen, welcher konkreten Frage sie gilt. Dass es aber wahrscheinlich nicht um einen Irrtum geht, der einen wirklich geschlossenen Vertrag entkräftet, zeigt ein weiterer Bescheid, der ebenfalls am Jahresende 294 ergangen sein könnte und in der justinianischen Sammlung als übernächste Konstitution folgt: CJ 4.38.13 (nach 3. Dez. 294 / Honoré 2665) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Decio Lolliano. In vendentis vel ementis voluntatem collata condicione comparandi, quia non adstringit necessitate contrahentes, obligatio nulla est. idcirco dominus invitus ex huiusmodi conventione rem propriam vel quilibet alius distrahere non compellitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Decius Lollianus. Ist ein Kaufvertrag unter einer Bedingung geschlossen, die auf den Willen von Verkäufer oder Käufer bezogen ist, entsteht, da die Vertragspartner keinem Zwang unterliegen, keine Verpflichtung. Daher kann aufgrund einer solchen Vereinbarung weder der Eigentümer noch ein anderer zur Veräußerung seiner Sache gezwungen werden. 315  Harke,

Si error aliquis intervenit, S. 104.



VI. Kaufvertrag135

Der Tenor der Entscheidung ähnelt dem des anderen Bescheids auf verblüffende Weise. Sein Bezug ist hier durch den einleitenden Satz klargestellt: Es geht um einen Kaufvertrag, der unter der Bedingung geschlossen ist, dass der Verkäufer seinen Entschluss nicht bereut. Die Kanzlei sieht ihn keiner Verpflichtung ausgesetzt und versagt dem Käufer folglich einen Anspruch auf Lieferung der Kaufsache. Fraglich ist, ob sie den Kaufvertrag dabei schlechthin für ungültig hält.316 In den Schriften der spätklassischen Juristen erscheint der Fall einer auf den Willen des Schuldners bezogenen Bedingung als Beispiel für eine unwirksame Stipulation;317 und Ulpian nennt einen Kaufvertrag, dessen Geltung in das Belieben des Verkäufers gestellt ist, eine venditio nulla318. Die diokletianische Kanzlei drückt sich vorsichtiger aus, indem sie keine obligatio erkennt. Die im Plural gehaltene Begründung, die Parteien treffe keine necessitas, bezieht sich auf die alternative Falldarstellung, die sowohl einen Kauf erfasst, dessen Vollzug dem Willen des Verkäufers überlassen ist, als auch einen Vertrag, dessen Durchführung im Belieben des Käufers steht. Beide Arten von Vereinbarung sind im Gegensatz zur Stipulation, die nur eine Verpflichtung des Versprechenden hervorbringt und deren Geltung ihm folglich nicht anheimgestellt sein kann, keineswegs sinnlos: Der vom künftigen Willen einer Seite abhängig gemachte ist ein Optionsvertrag, durch den die andere Seite sehr gebunden sein soll, falls der Optionsberechtigte dies wünscht. Genau besehen, zieht der Bescheid die Gültigkeit solcher Vereinbarungen keineswegs in Frage; er beschränkt sich nämlich auf die Feststellung, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Option besteht, von dem anderen nicht zum Vertragsvollzug gezwungen werden kann. Mit einem anderen Wirksamkeitshindernis befasst sich die Kanzlei in dem folgenden Reskript. Hierin bescheinigt sie dem Vertragspartner eines furio­ sus, dass der Kauf trotz der Krankheit des Kontrahenten wirksam sein kann, wenn er zu einer Zeit abgeschlossen worden ist, in dem sich dieser in einem lichten Intervall befand: CJ 4.38.2 (8. Mai 286 / Honoré 1490) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Aurelio Avito. Emptionem et venditionem consensum desiderare nec furiosi ullum esse consensum manifestum est. intermissionis autem tempore furiosos maiores viginti quinque annis venditiones et alios quoslibet contractus posse facere non ambigitur. Kaiser Diokletian und Maximian an Aurelius Avitus. Es ist offensichtlich, dass der Abschluss eines Kaufvertrags eine Einigung erfordert und ein Geisteskranker sich nicht einigen kann. Es ist unumstritten, dass ein Geisteskranker, wenn er über nimmt Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 254 Fn. 14 an. Ulp 28 Sab, D 45.1.46.3 Paul 12 Sab. 318  D 18.1.7pr Ulp 28 Sab. 316  Dies

317  D 45.1.17

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

25 Jahre alt ist, in einem lichten Intervall einen Kaufvertrag und jeglichen anderen Vertrag abschließen kann.

Gegen den Einwand eines Sittenverstoßes verteidigt die Kanzlei schließlich einen Kaufvertrag zwischen einem Mündel und der Frau seines Vormunds. Kann dieser schon selbst, wenn er nicht gegen seine Amtspflicht als tutor verstößt, wirksam einen Gegenstand aus dem Mündelvermögen erwerben, muss dies erst recht für seine Ehefrau gelten: CJ 4.38.5 (24. Nov. 293 / Honoré 2012) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Umbigae Gratiae. Cum ipse tutor nihil ex bonis pupilli quae distrahi possunt comparare palam et bona fide prohibetur, multo magis uxor eius hoc facere potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Umbiga Gratia. Da schon ein Vormund selbst nicht gehindert ist, offen und redlich etwas aus dem Vermögen des Mündels zu kaufen, was veräußerlich ist, kann dies erst recht seine Ehefrau tun.

2. Gattungskauf? Ein Reskript vom Beginn des Jahres 294 ist eines der wenigen direkten Zeugnisse eines mit Hilfe einer Stipulation abgeschlossenen Gattungskaufs. Es ist in zwei Teile aufgespalten und auf zwei verschiedene Titel des Codex Iustinianus verteilt: Ein Fragment findet sich im Titel: ‚Si certum petetur‘ (CJ 4.2), das andere hat Eingang in den Abschnitt über die Kaufklagen (CJ 4.49) gefunden. Dementsprechend haben die Texte zwei disparate Themen. In dem einen geht es um eine Stipulation, mit deren Hilfe eine Darlehensschuld in eine Verpflichtung zur Lieferung von Wein umgeschaffen wird: CJ 4.2.10 (4. Feb. 294 / Honoré 2163) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Egi Crispino. Eo, quod a multis proprii debiti singulorum obligationis uno tantum instrumento probatio continetur, exactio non interpelletur. nam si pro pecunia quam mutuo dedisti tibi vinum stipulanti qui debuerant spoponderunt, negotii gesti paenitentia contractum habitum recte non constituit irritum. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Egis Crispinus. Dadurch, dass der Nachweis über mehrere gesonderte Verpflichtungen einzelner Schuldner in nur einer Urkunde enthalten ist, wird die Forderung nicht beeinträchtigt. Haben deine Schuldner freilich statt des Geldbetrags, den du als Darlehen gewährt hast, Wein versprochen, wird der gültig geschlossene Vertrag nicht dadurch unwirksam, dass das Geschäft bereut wird.

Das andere handelt, isoliert betrachtet, von der Frage, wem bei einem Kaufvertrag eine Wertsteigerung der Kaufsache zugutekommt, die zwischen Abschluss und Vollzug des Vertrags eintritt:



VI. Kaufvertrag137 CJ 4.49.12 (4. Feb. 294 / Honoré 2164) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Egi Crispino. Sicut periculum vini mutati, quod certum fuerat comparatum, ad emptorem, ita commodum aucti pretii pertinet. utque hoc verum est, sic certae qualitatis ac mensurae distracto vino fidem placitis servandam convenit: quo non restituto non pretii quantitatis, sed quanti interest empti competit actio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Egis Crispinus. Wie den ­Käufer die Gefahr einer Verschlechterung des Weines trifft, der bestimmt verkauft wurde, gebührt ihm auch der Vorteil einer Preiserhöhung. Und so wie dieses zutrifft, muss auch anerkanntermaßen eine Vereinbarung erfüllt werden, durch die Wein von bestimmter Qualität und Menge verkauft wird; wird er nicht geleistet, steht die Käuferklage nicht auf den Betrag des Kaufpreises, sondern auf das Inte­resse zu.

Diokletians Juristen können diese Frage einfach unter Hinweis auf die allgemeine Gefahrverteilung beantworten: Trägt der Käufer ab dem Vertragsschluss die Gefahr einer Verschlechterung der Kaufsache, muss er auch in den Genuss einer Wertsteigerung kommen; und der Verkäufer, der sich weigert, die Kaufsache zu leisten, muss nicht etwa nur den Kaufpreis erstatten, sondern dem Käufer sein Interesse ersetzen, das sich nach dem Wert der Kaufsache in dem Moment des geplanten Vertragsvollzugs bemisst. Welche Bedeutung hat diese Aussage für den in dem anderen Fragment beschriebenen Fall? Hier liegt, technisch gesehen, kein Kaufvertrag vor, sondern der Fragesteller hat ein Darlehen gewährt und erwartet von seinen Vertragspartnern nun statt einer Rückzahlung die Lieferung einer bestimmten Menge Weines, die sie durch Stipulation versprochen haben. Diese Kombination von Darlehen und Sachlieferungspflicht entspricht einem überkommenen Schema der antiken Urkundenpraxis. Es verwundert nicht, dass es auch noch unter Geltung des römischen Rechts eingesetzt wird.319 Zwar ist es durch das römische Vertragsrecht weitgehend entbehrlich geworden; dieses lässt jedoch gerade eine Lücke im Fall des Gattungskaufs, weshalb sich hier jedenfalls dann der Rückgriff auf das erprobte Muster anbietet, wenn der Käufer den Kaufpreis vorab entrichtet hat und eine Verpflichtung nur für die Verkäufer begründet werden soll. Dass diese in dem von Diokletian entschiedenen Fall versuchen, ihrer Lieferpflicht zu entkommen und statt dessen den Kaufpreis zurückzuzahlen, der ihnen als Darlehen zugeflossen ist, findet ein plausibles Motiv in der Aussage des anderen Fragments: Offenbar sind die Weinpreise gestiegen, so dass den Verkäufern bei Erfüllung ihrer Lieferpflicht ein verminderter Gewinn oder vielleicht sogar ein Verlust droht.320 Diokletians Kanzlei 319  Insoweit richtig Ernst, SZ 114 (1997) 272, 288 f., Jakab, Risikomanagement beim Weinkauf, München 2009, S. 169 f. 320  Hierin liegt aber entgegen Jakab (Fn. 321), S. 172 kein Verweis auf eine Abweichung vom iustum pretium, sondern eine schlichte Vertragsreue, die die Kanzlei auch als solches behandelt.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

erkennt hierin einen Fall der Reue (paenitentia), der sie wie an anderer Stel­ le321 die Berechtigung abspricht. Das Ergebnis entspricht dem, was im anderen Fragment für den Kaufvertrag festgestellt wird: Wer sich weigert, seiner Lieferpflicht nachzukommen, wird zu ihrer Erfüllung oder zur Leistung des Interesses gezwungen, das sich nach dem Wert des zu liefernden Gegenstands und nicht etwa danach richtet, wie viel die andere Seite geleistet hat. Hielte man die im kaufvertraglichen Teil des Reskripts angegebene Lösung für die Entscheidungsformel, mit der die Kanzlei den im anderen Teil wiedergegebenen Fall bewältigt, bedeutete dies, dass sie eine emptio venditio auch dann annimmt, wenn die Kaufsache lediglich der Gattung nach bestimmt ist. Damit brächen Diokletians Juristen mit dem hergebrachten Veräußerungscharakter des römischen Kaufvertrags, der der Anerkennung eines Gattungskaufs seit jeher entgegenstand. Nichts zwingt aber zu einer solchen Annahme322 oder der komplementären Vermutung, die Gewährung der Kaufklage im Fall eines Gattungskaufs sei das Ergebnis einer nachträg­ lichen Textveränderung durch Justinians Kompilatoren323. Wenn es in CJ 4.49.12 heißt, es sei Wein von bestimmter Qualität und bestimmtem Maß (‚certae qualitatis ac mensurae‘) zum Verkauf gekommen, lässt sich dies ohne Weiteres auf einen Vorratskauf beziehen,324 der schon im klassischen Recht als Erscheinungsform der emptio venditio anerkannt war. Auch die kaiserliche Rechtsprechung befasst sich mit ihm unter dem Gesichtspunkt, wann der Kaufvertrag perfekt und der Käufer mit der Preisgefahr belastet ist.325 Wie die Kanzlei unter Severus Alexander entscheidet,326 soll sie ihn beim Kauf eines gesamten Vorrats sofort treffen,327 beim Erwerb einer be321  s. u.

S.  172 ff. aber Honsell, Quod interest im bonae fidei iudicium, München 1969, S.  6 f., Jakab (Fn. 321), S. 173 ff. 323  So Ernst, SZ 114 (1997) 272, 289 ff., der glaubt, die diokletianische Kanzlei habe statt der Kaufklage eine actio in factum gewährt. 324  Pennitz, Das periculum rei venditae, Wien u. a. 2000, S. 337. 325  Entgegen Ernst, SZ 114 (1997) 272, 306 f., 313 f. glaube ich nicht, dass die Kanzlei durch die Verwendung des Perfektionsbegriffs von einer in der Rechtslehre etablierten Unterscheidung zwischen einem imperfekten und einem nichtigen Kauf abweicht. Zwar weist Paulus in D 18.6.8pr (33 ed) die Gefahr einer Verschlechterung der Kaufsache beim bedingten Vertragsschluss dem Käufer zu; dies bedeutet aber noch nicht, dass er begrifflich zwischen einer emptio perfecta und einer nichtigen emptio sine re unterscheidet. 326  Hierzu Fercia, Emptio perfecta e vendita di genere: sul problem del tradere in CJ 4.48.2, in: Garofalo (Hg.), La compravendita e l’interdipendenza delle obligiazioni nel diritto romano, Mailand 2007, Bd. 1, S. 701 ff. 327  Nur auf diese schuldrechtliche Frage bezieht sich die in dem Bescheid hervorgehobene Schlüsselübergabe; es geht nicht um das Problem, ob hierdurch auch das Eigentum an den Kaufsachen übergeht; vgl. Pennitz (Fn. 324), S. 315 gegen Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 283 Fn. 73. 322  Hierfür



VI. Kaufvertrag139

stimmten Menge aus einem Vorrat dagegen erst ab der Zumessung oder ihrer vom Käufer zu vertretenden Verzögerung:328 CJ 4.48.2 (28. März 223 / Honoré 556) Imp. Alexander A. Gargilio Iuliano. Cum convenit, ut singulae amphorae vini certo pretio veneant, antequam tradantur, imperfecta etiam tunc venditione periculum vini mutati emptoris, qui moram mensurae faciendae non interposuit, non fuit. (1) Cum autem universum quod in horreis erat postea venisse sine mensura et claves emptoribus traditas adlegas, perfecta venditione quod vino mutato damnum accidit, ad emptorem pertinet. (2) Haec omnia locum habent non solum si vinum, sed etiam si oleum vel frumentum vel his similia venierint et ea aut deteriora aut penitus corrupta fuerint. Kaiser Alexander an Gargilius Julian. Ist vereinbart, dass einzelne Amphoren mit Wein zu einem bestimmten Preis verkauft sind, ist der Verkauf vor deren Übergabe nicht perfekt, und die Gefahr einer Verschlechterung des Weins geht nicht zulasten des Käufers, wenn dieser nicht in Verzug mit der Abmessung gerät. (1) Da du aber vorträgst, dass später der gesamte Bestand eines Warenlagers ohne Messung verkauft worden sei und die Schlüssel den Käufern übergeben worden seien, ist der Verkauf perfekt, und ein aus der Verschlechterung des Weines herrührender Schaden geht zulasten des Käufers. (2) Dies alles gilt nicht nur, wenn Wein verkauft worden ist, sondern auch, wenn Öl, Getreide oder Ähnliches verkauft worden ist und es verschlechtert oder völlig verdorben ist.

Dass in CJ 4.49.12 kein Vorratskauf gemeint ist, bei dem der Käufer bereits die Gefahr trägt, erhellt die einleitende Beschreibung, dass Wein „bestimmt“ verkauft wurde (‚vinum, quod certum fuerat comparatum‘). Damit ist ein hinreichender Kontrast zu dem zur Entscheidung anstehenden Fall geschaffen, in dem schlicht „Wein“ (‚vinum‘) versprochen wurde. Die Ausführungen zur emptio venditio dienen also lediglich als Vergleich, um die Lösung des Gattungskaufs plausibel zu machen.329 Dieser Verweis auf das Regime des eigentlichen Kaufvertrags erscheint auch durchaus angebracht, wenn man bedenkt, dass die Parteien gerade keine emptio venditio eingegangen sind, sondern sich, formal betrachtet, für eine Kombination von Darlehen und Stipulation entschieden haben. Der Wirksamkeit dieser Vereinbarung steht zwar nicht entgegen, dass der Stipulation wegen der Verschiedenheit der zu leistenden Objektive die novierende Wirkung versagt sein könnte.330 Denn diese entscheidet höchstens darüber, ob die Verpflichtung aus der Darlehensgewährung ipso iure erloschen ist. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, könnten die Schuldner ihrer Inanspruchnahme aus dem Darlehensvertrag aber jedenfalls die exceptio pacti entgegenhalten; 328  Vgl. auch D 18.1.35.7 Gai 10 ed prov, D 18.6.5 Paul 5 Sab und hierzu Pennitz (Fn. 324), S. 279 ff. 329  Richtig Pennitz (Fn. 324), S. 337 ff. 330  So aber Ernst, SZ 114 (1997) 272, 290 und wohl auch Jakab (Fn. 321), S. 172.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

und aus demselben Grund können sie dem Anspruch aus der Stipulation nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass ihnen kein Wein überlassen worden ist. Was ihre Verpflichtung zu dieser Leistung angreifbar macht, ist der von der Kanzlei in dem Reskript eigens hervorgehobene Umstand, dass sie gemeinsam mit der Darlehensschuld dokumentiert worden ist. Dies lässt nämlich auch die Deutung zu, dass dem Versprechen der Weinlieferung lediglich der Charakter einer Ersetzungsbefugnis zukommt, die den Schuldnern wie bei einer Wahlschuld nicht die Befugnis nimmt, sich durch Erfüllung der zunächst begründeten Darlehensverpflichtung zu befreien. Die Kanzlei begegnet dem durch Verweis auf den Zweck der Vereinbarung: Soll sie die Funktion eines Kaufvertrags erfüllen, erhellt der Blick auf das dort geltende Regime von Gefahrtragung und Haftung, dass das Versprechen zur Öllieferung die Darlehensschuld nicht etwa abwandeln und den Schuldnern eine zusätzliche Erfüllungsmöglichkeit verschaffen, sondern sie vollständig ersetzen und auf die Öllieferung festlegen soll. 3. Gefahrtragung Der Satz vom periculum emptoris beschäftigt die diokletianische Kanzlei in mehreren Bescheiden, die wegen der Bedeutung der Regel auch Eingang in die Codices gefunden haben. Da die Gefahrtragung erst mit der Perfektion des Kaufvertrags einsetzt,331 stellt die Kanzlei sie unter den Vorbehalt, dass die Wirksamkeit des Vertrags im Moment des Sachuntergangs nicht durch eine Bedingung aufgeschoben war:332 CJ 4.48.5 = Vat 23 (3. Nov. 285 /  Honoré 1449) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Aurelio Leontio. Cum speciem venditam per violentiam ignis absumptam dicas, si venditionem nulla condicio suspenderat, amissae rei periculum te non adstringit. Kaiser Diokletian und Maximian an Aurelius Leontius. Da du angibst, dass eine verkaufte Einzelsache durch Feuer vernichtet worden ist, trifft die Gefahr des Sachverlustes dich nicht, wenn der Kauf nicht bedingt war.

Grund der Gefahrzuweisung an den Käufer ist der Veräußerungscharakter der emptio venditio:333 Sie sorgt dafür, dass die Kaufsache, noch bevor sie in das Eigentum des Käufers wechselt, im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander aus dem Vermögen des Verkäufers ausscheidet und dem Vermögen 331  D 18.6.8pr

Paul 33 ed. Bezeichnung der Kaufsache als species lässt sich nicht entnehmen, die Kanzlei habe auch einen Gattungskauf als emptio venditio anerkannt. Sie zieht bei dessen Beurteilung lediglich das Regime des gewöhnlichen Kaufvertrags zum Vergleich heran. 333  Vgl. die Nachweise bei Harke, Si error aliquis intervenit, S. 197. 332  Der



VI. Kaufvertrag141

des Käufers zugerechnet wird. Dementsprechend stehen diesem auch die Früchte der Sache zu; und er hat dem Verkäufer notwendige Verwendungen auf die Kaufsache zu ersetzen.334 Auch dies stellen Diokletians Juristen in einem Bescheid vom Ende des Jahres 294 fest: CJ 4.49.16 (25. Dez. 294 / Honoré 2597) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Cyrillo. Post perfectam venditionem fetus quidem [pecorum] emptori, venditori vero sumptus, si quos bona fide fecerit, restitui debere notissimum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Cyrillus. Es ist überaus bekannt, dass nach Abschluss des Kaufvertrags dem Käufer die Leibesfrucht [des Viehs] zu leisten, dem Verkäufer die Aufwendungen, die er redlicherweise gemacht hat, zu erstatten sind.

Dass die Kanzlei den Zusammenhang mit der Gefahrtragung erkennt,335 zeigt sich daran, dass diese Aussage in der ursprünglichen Fassung des Reskripts wohl mit der Regel vom periculum emptoris kombiniert war. Aus ihr haben Justinians Redaktoren eine separate Konstitution gemacht und in einen anderen Titel aufgenommen:336 CJ 4.48.6 (18. Dez. 294 / Honoré 2596) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Cyrillo. Mortis casus ancillae distractae etiam ante traditionem sine mora venditoris dilatam non ad venditorem, sed ad emptorem pertinet, et hac non ex praeterito vitio rebus humanis exemp­ta solutionem emptor pretii non recte recusat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Cyrillus. Der Tod einer verkauften Sklavin geht auch vor der Übergabe, wenn sie nicht durch Verzug des Verkäufers verschoben worden ist, nicht zulasten des Verkäufers, sondern zulasten des Käufers, und der Käufer kann die Zahlung des Kaufpreises nicht zu Recht verweigern, sofern sie nicht wegen einer schon vorher vorhandenen Krankheit gestorben ist.

Fügt man die beiden Fragmente zusammen und eliminiert den Hinweis auf pecus in dem einen Text, lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auch der Sachverhalt rekonstruieren, dem die Entscheidung galt: Eine verkaufte Sklavin ist vor ihrer Übergabe oder Übereignung an den Käufer bei oder nach der Geburt eines Kindes gestorben; und der Verkäufer hat Aufwendungen zu ihrer Heilbehandlung gemacht: Da sie im Verhältnis der Vertragsparteien schon als Sklavin des Käufers gilt, befreit der Tod der Sklavin den Käufer nicht von der Pflicht zur Kaufpreiszahlung, die sogar noch um die dem Verkäufer entstandenen Aufwendungen ergänzt wird; er kann aber im Gegenzug die Herausgabe des Nachwuchses der Sklavin verlangen. 334  D 19.1.13.13,

22 Ulp 32 ed (mit Zitat von Trebaz und Labeo). Pennitz (Fn. 324), S. 161. 336  Hierzu Pennitz (Fn. 324), S. 134 f. 335  Vgl.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Die Entscheidung zur Gefahrtragung steht unter zwei Vorbehalten. Der eine ist, dass sich der Verkäufer beim Tod der Sklavin noch nicht mit ihrer Übergabe in Verzug befindet. Ab diesem Moment setzt wie bei strengrechtlichen Verbindlichkeiten nämlich eine perpetuatio obligationis ein.337 Sie führt zu einer strikten Zufallshaftung, die auch einen Untergang der Kaufsache infolge eines Umstands betrifft, der sich auch bei rechtzeitiger Lieferung zum Nachteil des Käufers ausgewirkt hätte.338 Eine vergleichbare Einschränkung der Gefahrtragungsregel, wie sie in Diokletians Bescheid erfolgt, findet sich deshalb schon in einem Reskript aus der Regierungszeit Gordians:339 CJ 4.48.4 (18. Dez. 239 / Honoré 1070) Imp. Gordianus Silvestro militi. Cum inter emptorem et venditorem contractu sine scriptis inito de pretio convenit moraque venditoris in traditione non intercessit, periculo emptoris rem distractam esse in dubium non venit. Kaiser Gordian an den Soldaten Silvester. Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine Sache auf Gefahr des Käufers verkauft worden ist, wenn zwischen ihm und dem Käufer durch Vertrag ohne Urkunde eine Einigung über den Kaufpreis getroffen worden ist und bei der Übergabe kein Verzug des Verkäufers eingetreten ist.

Der zweite Vorbehalt betrifft die Haftung des Verkäufers für Sachmängel. Ist der Tod der Sklavin auf eine Krankheit zurückzuführen, die sie schon im Moment des Vertragsschlusses hatte, kann sich der Verkäufer nicht auf das periculum emptoris berufen, weil er wegen des morbus dem Käufer mindestens zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet ist. Einer entsprechenden Einschränkung für den Fall eines Rechtsmangels hat die Kanzlei die Gefahrtragung schon zu Zeiten von Alexander Severus unterworfen:340 CJ 4.48.1 (1. Feb. 223 / Honoré 539) Imp. Alexander A. Iuliae Secundinae. Post perfectam venditionem omne commodum et incommodum, quod rei venditae contingit, ad emptorem pertinet. auctor enim ex his tantum causis suo ordine tenetur, quae ex praecedente tempore causam evictionis parant, et ita, si ei denuntiatum est, ut causae agendae adesset, et non absente emptore contra eum pronuntiatum est. Kaiser Alexander an Julia Secundina. Nach dem Abschluss des Kaufvertrags gehen alle Vor- und Nachteile in Bezug auf die Kaufsache auf Rechnung des Käufers. Der Verkäufer haftet nämlich rechtmäßig nur wegen solcher Umstände, die infolge eines früher vorhandenen Grundes zu einer Entwehrung führen, und dies nur dann, wenn er aufgefordert worden ist, dem Prozess beizutreten, und das Urteil gegen den Käufer nicht in dessen Abwesenheit gefällt worden ist.

Trifft die Gefahrtragung mit einer Haftung des Verkäufers zusammen, weil er für die Ursache des Sachuntergangs einstandspflichtig ist, setzt sich die 337  Harke

(Fn. 109), S. 32 ff. Paul 16 quaest. 339  Hierzu Pennitz (Fn. 324), S. 136 f. 340  Hierzu Pennitz (Fn. 324), S. 146, 474 f. 338  D 18.4.21



VI. Kaufvertrag143

Haftung des Verkäufers durch; und der Käufer wird von seiner Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung frei. 4. Contrarius consensus und Auflösungsvorbehalte Dass ein Vertrag nicht ohne Zustimmung des anderen Teils aufgehoben werden kann, bescheinigt Diokletians Kanzlei in dem folgenden Bescheid aus dem Frühjahr 293. In seiner überlieferten Form ist er zwar abstrakt gehalten; er könnte sich aber ursprünglich durchaus auf einen Kaufvertrag bezogen haben:341 CJ 4.10.5 (5. April 293 / Honoré 1770) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Camerino et Marciano. Sicut initio libera potestas unicuique est habendi vel non habendi contractus, ita renuntiare semel constitutae obligationi adversario non consentiente minime potest. quapropter intellegere debetis voluntariae obligationi semel vos nexos ab hac non consentiente altera parte, cuius precibus fecistis mentionem, minime posse discedere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Camerinus und Marcianus. Wie jeder anfangs die Freiheit hat, einen Vertrag zu schließen oder nicht, so kann er ihn, wenn die Verpflichtung einmal entstanden ist, ohne die Zustimmung seines Kontrahenten keineswegs aufheben. Daher müsst ihr verstehen, dass ihr von einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung keineswegs ohne Zustimmung des anderen Teils abgehen könnt, den ihr in eurer Eingabe erwähnt habt.

Eindeutig dem Kaufvertrag zuzuordnen ist dagegen eine am selben Tag ergangene Entscheidung. Sie erschöpft sich nicht im bloßen Hinweis auf die erforderliche Mitwirkung des anderen Teils, sondern betrifft einen Fall, der sowohl zu einer aus Laiensicht schwer einzusehenden Differenzierung zwingt als auch ein für den Juristen interessantes dogmatisches Kuriosum birgt: CJ 4.45.2 (5. April 293 / Honoré 1773) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Felici. Perfectam emptionem atque venditionem re integra tantum pacto et consensu posse dissolvi constat. (1) Ergo si quidem arrae nomine aurum datum sit, potes hoc solum secundum fidem pacti recuperare. (2) Si vero partem pretii persolvisti, ad ea, quae venditorem oportet ex venditione praestare, magis actionem quam ad pretii quantitatem, quam te dedisse significas, habes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Felix. Es steht fest, dass ein abgeschlossener Kaufvertrag nur vor seinem Vollzug durch Pakt und Konsens aufgelöst werden kann. (1) Daher kannst du, wenn Gold als Angeld geleistet worden ist, nur dies aufgrund des Pakts zurückverlangen. (2) Hast du dagegen schon einen Teil des Kaufpreises gezahlt, hast du eher eine Klage auf das, was der

341  Richtig Müller-Kabisch, Die Kündigung bei societas und locatio conductio rei, Baden-Baden 2011, S. 157.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Verkäufer dir aufgrund des Verkaufs leisten muss, als auf den Preis, den du gezahlt zu haben angibst.

Die Anwendung der Regel, dass ein contrarius consensus nur wirkt, wenn die Parteien noch nicht mit dem Vollzug des Vertrags begonnen haben,342 nötigt dann zur Differenzierung, wenn der Käufer schon eine Zahlung an den Verkäufer geleistet hat, die den Kaufpreis nicht deckt. Hierbei kann es sich sowohl um eine Anzahlung handeln, die schon einen teilweisen Vollzug des Vertrags bedeutet, als auch um ein Angeld, das bloß Zeichen für den Abschluss des Vertrags343 und nicht Element seiner Durchführung ist. Hat der Käufer schon eine Anzahlung geleistet, ist die Aufhebungsabrede wirkungslos; und der Käufer kann den Verkäufer statt auf Rückzahlung des Preises nur auf Lieferung der Kaufsache in Anspruch nehmen. Anders verhält es sich, wenn die Leistung des Käufers nur ein Angeld darstellt. Da der Vertrag in diesem Fall noch in keiner Weise zur Durchführung gekommen ist, beseitigt der contrarius consensus die Vertragsbindung. Der Käufer kann also das Angeld zurückverlangen. Ist diese Unterscheidung theoretisch auch ohne Weiteres eingängig, stößt sie in der Praxis doch auf die Schwierigkeit, dass man der Zahlung des Käufers selbst nicht ansieht, ob sie Angeld oder zur Erfüllung der Kaufpreisschuld gedacht ist. Ja selbst wenn die Parteien sie eindeutig bezeichnet haben, ist nicht ausgeschlossen, dass sie im Ausdruck fehlgegriffen und etwas anderes gesagt haben, als wirklich gemeint war. Diese Schwierigkeit beruht keineswegs auf der Kollision mit volksrechtlichen Vorstellungen,344 sondern aus dem römischen Recht selbst: Ist das Angeld hier anders als nach griechischer und altorientalischer Tradition nicht mehr Gegenstand eines klar definierten Mechanismus, mit dem eine Vertragsverletzung der einen oder anderen Seite sanktioniert wird, verliert es seine Kontur; und die Unterscheidung, ob die Parteien mit ihm nur den Abschluss des Vertrags bekräftigt haben oder zu seiner Umsetzung geschritten sind, ist kaum je einfach zu treffen. Vom Standpunkt des Käufers liegt die Annahme einer Anzahlung näher, vom Standpunkt des Verkäufers die Vorstellung einer Versinnbildlichung der Vertragsbindung. 342  Man kann das Wörtchen ‚tantum‘ sowohl mit Knütel, Contrarius consensus, Köln u. a. 1968, S. 41 auf das anschließend aufgeführte Konsenserfordernis als auch auf die vorher genannte Voraussetzung des fehlenden Vertragsvollzugs beziehen. Da die Existenz einer Aufhebungsabrede im Fortgang unterstellt und nur danach unterschieden wird, welche Qualität die Leistung des Käufers hat, liegt näher, seinen Bezugspunkt im re integra-Erfordernis zu sehen. Andernfalls belehrte die Kanzlei den Fragesteller darüber, dass er nicht allein vom Vertrag abgehen kann, obwohl er doch gerade nach seinen Ansprüchen gegen den Verkäufer fragt. 343  Gai 3.139. 344  So aber Taubenschlag, S. 144 Fn. 1019 und Knütel (Fn. 342), S. 42.



VI. Kaufvertrag145

Ein außerrömischer Gedanke ist, wenn überhaupt, dann nur sehr versteckt zu finden: Wenn die Kanzlei betont, dass der Käufer nur das Angeld selbst (‚hoc solum‘) beanspruchen kann, reagiert sie möglicherweise auf das vorrömische Konzept des Arrhalkaufs .345 Danach kann der Käufer, wenn der Verkäufer den Vertrag nicht durchführen will, das Doppelte des Angelds verlangen. Eine solche Regelung lässt sich der bloßen Leistung der arrha zwar nicht entnehmen, weil diese nach römischer Vorstellung eben nur zum Beleg des Vertragsschlusses dient; sie kann jedoch auch in einem nach römischen Recht zu beurteilenden Kaufvertrag durchaus zum Gegenstand eines pactum gemacht werden, das kraft seiner Verknüpfung mit dem Kaufvertrag auch im Rahmen des bonae fidei iudicium durchsetzbar ist. Selbst wenn im entschiedenen Fall eine solche Vereinbarung getroffen worden wäre, könnte sie jedoch keinen Anspruch des Käufers begründen, weil sie nur für den Fall einer Pflichtverletzung durch den Verkäufer, nicht dagegen für eine einverständliche Aufhebung des Kaufs gilt. Die dogmatische Besonderheit eines durch Leistung eines Angelds zustande gekommenen Kaufs ist, dass der contrarius consensus hier einen Rückgewähranspruch auslöst. Eigentlich ist seine Wirkung darauf beschränkt, die durch den Vertragsschluss entstandenen Verpflichtungen zu beseitigen,346 woraus sich auch gerade das re integra-Erfordernis ergibt. Es soll verhindern, dass durch ein pactum, das nur als Annex eines Kaufvertrags gültig ist, Verpflichtungen entstehen, wie sie sonst durch einen Rückkauf begründet werden.347 Klar zum Ausdruck kommt dies in einem Reskript Gordians, das gemeinsam mit der diokletianischen Entscheidung den Codextitel: ‚quando liceat ab emptione discedere‘, ausmacht. Hier fordert die Kanzlei für die Rückgängigmachung eines schon vollzogenen Kaufs gerade einen dem ursprünglichen Kaufvertragsschluss vergleichbaren Akt:348 CJ 4.45.1 (Honoré 1120) Imp. Gordianus A. Licinio Rufino. Re quidem integra ab emptione et venditione utriusque partis consensu recedi potest: etenim quod consensu contractum est, contrariae voluntatis adminiculo dissolvitur. at enim post traditionem interpositam richtig Knütel (Fn. 342), S. 41 f. Ner 3 memb. 347  Nicht grundlegend anders Knütel (Fn. 342), S. 58 f., der glaubt, der contrarius consensus sei nur in Gestalt einer gleichzeitigen Befreiung beider Parteien denkbar. Der Grund, aus dem das so ist, liegt aber in der strengen Unterscheidung zwischen pacta und contractus und die exklusive Zuständigkeit der Letzteren für die Begründung von Klagerechten. 348  Anders Knütel (Fn. 342), S. 57 der meint, der ‚actus priori similis‘ könnte außer in einem Rückkauf auch in einer Rückgabe der Sache bestehen; ähnlich Marini, Contrarius consensus, Mailand 2017, S. 95. Mit der Rückgabe würde dem re integraErfordernis nachträglich Genüge getan, wie Aristo dies ausweislich von D 2.14.58 Ner 3 memb für möglich hält. 345  Insoweit

346  D 2.14.58

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

nuda voluntas non resolvit emptionem, si non actus quoque priori similis retro agens venditionem intercesserit. Kaiser Gordian an Licinius Rufinus. Ein Kaufvertrag kann vor seinem Vollzug durch Einverständnis beider Parteien wieder aufgehoben werden; denn was durch Konsens zustande gekommen ist, kann durch gegenläufigen Willen wieder aufgelöst werden. Nach der Übergabe löst der bloße Wille den Kauf aber nicht mehr auf, falls nicht, um den Verkauf rückgängig zu machen, ein Akt vorgenommen wird, der dem früheren ähnlich ist.

Dient das re integra-Erfordernis dazu, pacta und contractus zu scheiden, bedeutet es kein Hindernis für Wirksamkeit eines contrarius consensus, wenn sich dieser darauf beschränkt, einen Anspruch auszuschließen, der durch ein bei Vertragsschluss abgeschlossenes pactum begründet ist. Dies zeigt die Entscheidung der diokletianischen Kanzlei, die sich ausweislich des Kontextes, in dem sie im Codex Iustinianus steht, auf die einvernehmliche Aufhebung einer lex commissoria oder einer Rückkaufsabrede beziehen muss:349 CJ 4.54.8 (Honoré 2725) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Auxanoni. Tempore contractus inter emptorem et venditorem habitam conventionem integram servari, si ab ea posteriore non recedatur pacto, certum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Auxanones. Es steht fest, dass eine zur Zeit des Vertragsschlusses zwischen dem Käufer und Verkäufer getroffene Vereinbarung einzuhalten ist, wenn von ihr später nicht durch einen Pakt abgegangen worden ist.

Dass der contrarius consensus im Fall eines Angelds ausnahmsweise doch klagebegründend wirkt, folgt aus der Eigenart der arrha: Da sie lediglich den Vollzug eines Kaufvertrags sicherstellen soll, ist ihr Verbleib beim Verkäufer nur so lange gerechtfertigt, wie der Vertrag noch nicht durchgeführt und auch nicht aufgehoben worden ist. Im einen oder anderen Fall wird sie zum Gegenstand einer ungerechtfertigten Bereicherung des Verkäufers. Zwar gewährt Julian bei Aufhebung und Durchführung eines Kaufvertrags nichtsdestoweniger die actio empti zur Rückgewähr des Angelds; Ulpian hält jedoch auch die condictio für einschlägig.350 Unabhängig davon, welche der beiden Varianten Diokletians Juristen bevorzugen, lassen sie sich bei ihrer in CJ 4.45.2 überlieferten Entscheidung jedenfalls von dem Gedanken leiten, dass es nicht um die Rückgewähr einer vertraglich ausbedungenen Leistung, sondern um die Abwehr einer ungerechtfertigten Bereicherung geht, die sich aus der Sicherungsfunktion des Angelds ergibt.

349  Knütel

(Fn. 342), S. 84. Ulp 32 ed.

350  D 19.1.11.6



VI. Kaufvertrag147

Dass das Angeld nicht automatisch an den Käufer zurückfällt, sondern Gegenstand eines schuldrechtlichen Anspruchs ist, stellt die Kanzlei in einem anderen Reskript heraus:351 CJ 4.49.3 (12. Juli 290 / Honoré 1605) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Serapodoro. Ex arrali pacto personalis dumtaxat paciscentibus actio praeparatur. Kaiser Diokletian und Maximian an Serapodorus. Wegen eines Pakts über ein Angeld wird den Parteien nur eine persönliche Klage gewährt.

Der zurückgewiesene Gedanke an eine actio in rem ist keineswegs fernliegend, wenn man annimmt, der Verkäufer habe mit Durchführung oder Auflösung des Kaufvertrags die causa für seinen Besitz an den als Angeld geleisteten Dingen verloren. Provoziert wird eine solche Überlegung durch die Wirkungsweise der lex commissoria. Wie sich aus einem schon unter Caracalla ergangenen Bescheid ergibt, zielt sie nämlich darauf, dem Verkäufer im Fall der Säumnis des Käufers das Eigentum an der Kaufsache zu sichern:352 CJ 4.54.1 (9. Aug. 216 / Honoré 439) Imp. Antoninus A. Claudiae Diotinae. Si ea lege praedium vendidisti, ut, nisi intra certum tempus pretium fuisset exsolutum, emptrix arras perderet et dominium ad te pertineret, fides contractus servanda est. Kaiser Antoninus an Claudia Diotina. Hast du ein Grundstück mit der Maßgabe verkauft, dass, wenn der Kaufpreis nicht innerhalb einer bestimmten Zeit gezahlt sein sollte, die Käuferin das Angeld verliert und das Eigentum dir zusteht, ist der Vertrag einzuhalten.

Und in einem unter Severus Alexander ergangenen Bescheid wird die Vindikation als der Rechtsbehelf genannt, dessen sich der Verkäufer im Fall einer lex commissoria bedienen muss: CJ 4.54.4 (nach 13. Juli 223 / Honoré 908) Imp. Alexander A. Claudio Iuliano et Proculiano. Commissoriae venditionis legem exercere non potest, qui post praestitutum pretii solvendi diem non vindicationem rei eligere, sed usurarum pretii petitionem sequi maluit. Kaiser Alexander an Claudius Julian und Proculianus. Von dem Auflösungsvorbehalt kann nicht Gebrauch machen, wer nach dem Zahlungstermin sich nicht für die Vindikation der Sache entschieden, sondern vorgezogen hat, Zinsen auf den Kaufpreis zu verlangen.

351  Dagegen glaubt Taubenschlag, S. 144 Fn. 1019, die Kanzlei wende sich gegen die Vorstellung eines pfandähnlichen Rechts an der Kaufsache. 352  Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 548 Fn. 22 glaubt, dass der zugrunde liegende Sachverhalt dem Einfluss griechischen Rechtsdenkens ausgesetzt ist. Hierfür reicht jedoch weder der griechische Name der Adressatin noch der Umstand, dass die Parteien auch eine vom Käufer geleistete arrha in die lex commissoria einbezogen haben.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Ob hier an einen Rückfall des zunächst auf den Käufer übergegangenen Eigentums oder an den Aufschub seines Erwerbs durch den Käufer gedacht ist,353 hängt davon ab, welche Wirkung man der Vereinbarung eines künftigen Zahlungsziels auf den Wechsel des Eigentums zumisst. Nach einem Satz des Zwölftafelgesetzes ist er bis zur Zahlung des Kaufpreises aufgeschoben, falls der Käufer nicht Sicherheit leistet oder der Verkäufer dem Käufer gleichsam ein Darlehen gewährt.354 Erkennt man in der Bestimmung eines künftigen Zahlungstermins eine solche darlehensartige Vereinbarung, geht das Eigentum sofort auf den Käufer über und fällt dann bei Verzug des Käufers an den Verkäufer zurück. Ansonsten bleibt der Verkäufer ohnehin Eigentümer der Sache; und der Käufer verliert im Fall seines Verzugs lediglich die exceptio rei venditae et traditae, mit der er seinen Besitz einst­ weilen verteidigen kann. Nur zu dieser zweiten Variante fügt sich, dass die Kanzlei von Severus Alexander eine bittweise Überlassung für erforderlich hält, um der lex commissoria die gewünschte dingliche Wirkung zu verschaffen: CJ 4.54.3 (nach 1. Sept. 222 / Honoré 740) Imp. Alexander A. Felici militi. Qui ea lege praedium vendidit, ut, nisi reliquum pretium intra certum tempus restitutum esset, ad se reverteretur, si non precariam possessionem tradidit, rei vindicationem non habet, sed actionem ex venditio. Kaiser Alexander an den Soldaten Felix. Wer ein Grundstück mit der Maßgabe verkauft hat, dass es, wenn der Kaufpreis nicht innerhalb einer bestimmten Zeit geleistet wird, an ihn zurückfallen soll, hat, falls er den Besitz nicht bittweise übertragen hat, keine Eigentumsherausgabeklage, sondern die Verkäuferklage.

Unmittelbarer Eigentumserwerb und precarium schließen sich gegenseitig aus.355 Hält die Kanzlei eine bittweise Überlassung für vereinbar mit einer lex commissoria, kann diese kaum zu einem auflösend bedingten Eigentumswechsel führen.356 Vielmehr muss sie zumindest im Regelfall aufschiebenden Effekt haben, kann aber ohne Vereinbarung eines precarium nicht die Ersitzung der Sache durch den Käufer verhindern.357

353  Dies glaubt Peters, Die Rücktrittsvorbehalte des römischen Kaufrechts, Köln u. a. 1973, S. 153 f., 229. 354  IJ 2.1.41. 355  Dies gilt auch dann, wenn man mit Peters (Fn. 353), S. 67, 154 davon ausgeht, es gehe um den Fall eines italischen Grundstücks, das durch mancipatio übereignet wird. 356  Vorsichtiger Harke, Precarium. Besitzvertrag im römischen Recht, Berlin 2016, S. 18. 357  Anders Peters (Fn. 353), S. 205, 209, 226 f., der glaubt, die Vindikation scheitere ohne Vereinbarung eines precarium daran, dass dem Käufer als bloßem Sach­ inhaber die Passivlegitimation fehle.



VI. Kaufvertrag149

Von der Möglichkeit, einen vorläufigen Übergang des Eigentums auf den Käufer und seinen Rückfall an den Verkäufer zu vereinbaren, zeugt freilich eine noch unter Diokletians unmittelbaren Vorgängern ergangene Entscheidung zu einer der lex commissoria ähnlichen Aufhebungsvereinbarung:358 CJ 4.54.6 (Honoré 1415) Impp. Carus et Carinus et Numerianus AAA. Olybrio Romulo. Cum te fundum tuum certae rei contemplatione inter vos habita exiguo pretio in alium transtulisse commemoras, poterit ea res tibi non esse fraudi, quando non impleta promissi fide dominii tui ius in suam causam reverti conveniat. et ideo aditus competens iudex fundum cuius mentionem facis restitui tibi cum fructibus suis sine ulla ludificatione sua autoritate perficiet, praecipue cum diversa pars receptis nummis suis nullam passa videri possit iniuriam. Kaiser Carus, Carinus und Numerianus an Olybrius Romulus. Da du behauptest, du habest dein Grundstück auf einen anderen mit Rücksicht auf bestimmte Beziehungen unter euch zu einem geringen Preis übertragen, kann dir dies nicht zum Schaden gereichen, wenn vereinbart ist, dass bei Nichteinhaltung des Versprechens dein Eigentumsrecht zurückfallen soll. Und daher wird der zuständige Richter, wenn er angerufen wird, kraft seiner Amtsgewalt bewirken, dass dir das erwähnte Grundstück nebst Früchten ohne Abstrich herausgegeben wird, zumal dem anderen Teil kein Unrecht geschieht, indem er das Geld zurückerhält.

Dingliche Wirkung schreibt auch Diokletians Kanzlei einer Rückkaufsvereinbarung zu: CJ 4.54.7 (Honoré 2671) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Fabiano Musco. Si a te comparavit is cuius meministi et convenit, ut, si intra certum tempus soluta fuerit data quantitas, sit res inempta, remitti hanc conventionem rescripto nostro non iure petis. sed si se subtrahat, ut iure dominii eandem rem retineat, denuntiationis et obsignationis depositionisque remedio contra fraudem potes iuri tuo consulere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Fabian Muscus. Hat derjenige, den du erwähnst, von dir gekauft und ist vereinbart, dass der Kauf ungeschehen sein solle, wenn der Preis nicht innerhalb einer bestimmten Zeit gezahlt ist, forderst du zu Unrecht, dass diese Vereinbarung durch unseren Bescheid aufgehoben wird. Entzieht er sich aber, um die Sache in seinem Eigentum zu behalten, kannst du dein Recht gegen diese Arglist durch das Mittel der Anzeige, der Versiegelung und Hinterlegung schützen.

Die überlieferte Fassung des Reskripts verwirrt deshalb, weil es sich im ersten Satz an den Verkäufer richtet, der offenbar eine Aufhebung der Rückkaufvereinbarung begehrt, im zweiten Satz aber einen Ratschlag enthält, wie der Käufer eine Annahmeverhinderung durch Hinterlegung359 überwinden kann. Trotz dieses Bruchs im Duktus, der wohl auf eine Kürzung und eine mit ihr verbundene Umstellung der Formulierung zurückzuführen ist, erge358  So

deuten den Wortlaut zu Recht Peters (Fn. 353), S. 281 und Schnebelt, S. 40. s. u. S.  323 ff.

359  Hierzu

150

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

ben beide Aussagen ein einheitliches Bild vom Streitstand: Der Verkäufer will seine Rechtsstellung sichern, indem er einerseits schon die Wirksamkeit des Eigentumsübergangs auf den Käufer in Frage stellt,360 andererseits die Voraussetzungen für seinen Rückerwerb herstellen will. Sinnvoll sind die hierfür vorgeschlagene Hinterlegung sowie die gegenläufige Strategie des Käufers nur, wenn die Rückzahlung des Kaufpreises, die durch die Hinterlegung ersetzt wird, zu einem automatischen Rückfall des Eigentums führt.361 5. Sach- und Rechtsmängelhaftung Die Haftung des Verkäufers für Sachmängel tritt als Thema der diokletianischen Reskriptenpraxis deutlich hinter der Rechtsmängelhaftung zurück. Im Corpus der untersuchten Bescheide gibt es nur zwei Entscheidungen, die sich auf die eigentliche Sachmängelhaftung beziehen. Gleich beide lassen aber auf gewisse Neuerungen gegenüber dem Rechtszustand der Hochklassik schließen. Die eine gilt dem schon vom ädilizischen Edikt geregelten Fall des Kaufs eines servus fugitivus: CJ 4.58.3 (17. April 286 / Honoré 1480) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Aurelio Muciano. Si apud priorem dominum fugisse mancipium non doceatur, fuga post venditionem interveniens ad damnum emptoris pertinet. (1) Sin autem venditor non vitiosum etiam in posterum fieri servum temere promiserit [quamvis hoc impossibile esse videtur] secundum fidem tamen antecedentis vel in continenti secuti pacti experiri posse non ambi­ gitur [posteriores enim casus non venditoris, sed emptoris periculum spectant]. (2) Verum cum servum quem comparaveras ad eum qui distraxerat redisse contendis, iudex competens perspectis omnibus pro repertae rei qualitate proferre curabit sententiam. Kaiser Diokletian und Maximian an Aurelius Mucianus. Wird nicht dargetan, dass ein Sklave bei seinem früheren Eigentümer geflohen ist, fällt eine nach dem Verkauf vorgekommene Flucht dem Käufer zur Last. (1) Hat aber der Verkäufer unbedachterweise versprochen, dass der Sklave auch in Zukunft nicht mangelhaft sein werde, unterliegt es [obwohl dies unmöglich erscheint] keinem Zweifel, dass nach dem vorangegangenen oder gleichzeitig abgeschlossenen Pakt geklagt werden kann [der spätere Zufall fällt nämlich nicht in den Risikobereich des Verkäufers, sondern in den des Käufers]. (2) Da du aber behauptest, der von dir gekaufte Sklave sei zum Verkäufer zurückgekehrt, muss der zuständige Richter dafür sorgen, dass er seine Entscheidung unter Rücksicht auf alle Aspekte des Falles trifft.

Um die Fluchtneigung eines verkauften Sklaven als dessen Charaktermangel darzutun, reicht nicht der Nachweis, dass er nach dem Verkauf geflohen 360  Anders Peters (Fn. 353), S. 282 Fn. 17, der glaubt, die Kanzlei antworte zunächst auf die vom Verkäufer gestellte Frage nach der Wirksamkeit des pactum de retroemendo. 361  Richtig Peters, S.  281 f.



VI. Kaufvertrag151

ist. Zu einem fugitivus macht den Sklaven erst, dass er seine charakterliche Schwäche schon vor dem Verkauf durch einen Fluchtversuch dokumentiert hat. Entbehrlich ist dieser Beweis freilich, wenn der Verkäufer zugesagt hat, dass der Sklave auch in Zukunft mangelfrei sein werde, also, modern gesprochen, eine „Haltbarkeitsgarantie“ übernommen hat. Der Zusatz, dass es sich dabei eigentlich um eine unmögliche Leistung handelt, könnte, da er den Gedankengang des Reskripts stört, von demselben Bearbeiter stammen, dem auch die redundante und deplatzierte Bemerkung zur Gefahrtragung des Käufers zuzuschreiben ist. Inhaltlich ist er aber nicht völlig abwegig und daher vielleicht nur die verkürzte Version eines echten Passus des Bescheids. Er erinnert stark an die Entscheidung zur Stipulation, dass ein Sklave nicht sterben werde. Auch dort weist die Kanzlei daraufhin, dass das Versprechen, formal betrachtet, auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist; sie legt es jedoch so aus, dass der Schuldner für den Fall des Sklaventodes dessen Wert ersetzt.362 Ganz entsprechend lässt sich auch das dictum künftiger Mangelfreiheit eines verkauften Sklaven so deuten, dass der Verkäufer hierfür einstehen will. Anders als im Fall der Stipulation besteht die zu unterstellende Rechtsfolge aber nicht in der Leistung von Geldersatz, sondern in der redhi­ bitio, in die auch die Feststellung einer schon vorhandenen Fluchtneigung des Sklaven münden würde. Dass in dem Reskript unerwähnt bleibt, ob der Sklave auf dem öffentlichen Markt oder auf andere Weise verkauft worden ist, nimmt nicht Wunder; denn ausweislich einer anderen Entscheidung Diokletians ist die ädilizische Sachmängelhaftung mittlerweile keineswegs auf die im Edikt der Ädilen geregelten Fälle eines Marktkaufs von Sklaven oder Zugtieren beschränkt: CJ 4.58.4 (1. März / Honoré 1569) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Si praedium quis sub ea lege comparaverit, ut, si displicuerit, inemptum erit, id utpote sub condicione venditum resolvi et redhibitoriam adversus venditorem competere palam est. (1) Idem observatur et si pestibilis fundus, id est pestibulas vel herbas letiferas habens, ignorante emptore distractus sit: nam in hoc etiam casu per eandem actionem eum quoque redhibendum esse. Kaiser Diokletian und Maximian. Es ist offensichtlich, dass, wenn jemand ein Grundstück mit der Maßgabe gekauft hat, dass der Kauf, wenn es ihm nicht gefällt, ungeschehen sein soll, dieser als bedingt geschlossen aufgelöst wird und gegen den Verkäufer die Wandlungsklage zusteht. (1) Dasselbe gilt auch dann, wenn ein giftiges, also mit giftigen oder tödlichen Pflanzen bewachsenes Grundstück, ohne dass der Käufer den Mangel kannte, verkauft worden ist; denn auch in diesem Fall ist es mit derselben Klage zurückzunehmen.

362  CJ 8.37.8

(18. Feb. 294 / Honoré 2210); s. o. S. 115 f.

152

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Obwohl der Kauf eines Grundstücks keineswegs in den Anwendungsbereich des ädilizischen Edikts fällt, greift die kaiserliche Kanzlei auf dessen Regime zurück.363 Dies gilt nicht nur für die Wandlung wegen eines vitium, sondern auch für das pactum displicentiae, das ebenfalls mit einer actio red­ hibitoria umgesetzt wird364. Zwar sind Belege für die Anwendung des ädilizischen Sachmängelrechts jenseits von Kaufverträgen über Sklaven und Zugtiere in den Schriften der römischen Juristen rar und wegen der Allgemeinheit, mit der die Geltung des Edikts behauptet, nicht unverdächtig.365 Bedenkt man, dass schon der Hochklassiker Julian einen der ädilizischen Minderung ähnlichen Anspruch aufgrund der actio empti gewährt,366 gibt es jedoch keinen hinreichenden Grund, daran zu zweifeln, dass man spätestens zu Diokletians Zeit das ädilizische Sachmängelrecht auch außerhalb seines eigentlichen Geltungsbereichs zur Anwendung gebracht hat.367 Gegenüber der von Julian befürworteten Fortentwicklung der actio empti hat diese Lösung den Vorteil, dass man zugleich die zeitlichen Beschränkungen der ädilizischen Rechtsbehelfe übernimmt. Auf sie stützt sich die kaiserliche Kanzlei in einer Entscheidung aus der Zeit Gordians:368 CJ 4.58.2 (1. Dez. 239 / Honoré 1064) Imp. Gordianus A. Petilio Maximo. Cum proponas servum, quem pridem comparasti, post anni tempus fugisse, qua ratione eo nomine cum venditore eiusdem congredi quaeras, non possum animadvertere: etenim redhibitoriam actionem sex mensum temporibus vel quanto minoris anno concludi manifesti iuris est. Kaiser Gordian an Petilius Maximus. Da du vorträgst, ein Sklave, den du vor langer Zeit gekauft hast, sei dir nach Ablauf eines Jahres entflohen, vermag ich nicht zu erkennen, aus welchem Grund du gegen dessen Verkäufer Klage erheben möchtest; es ist nämlich offenkundiges Recht, dass die Wandelungsklage auf sechs Monate und die Minderungsklage auf ein Jahr beschränkt ist. 363  Anders Donadio, La tutela del compratore tra actiones aediliciae e actio empti, Mailand 2004, S. 240 ff., die glaubt, die Kanzlei gewähre die actio empti. 364  D 21.1.31.22 Ulp 1 ed aed. 365  Dies gilt für D 21.1.49 Ulp 8 disp, D 21.1.63 Ulp 1 ed aed. Hierzu Donadio (Fn. 363), S. 236 ff. 366  D 19.1.13pr-1 Ulp 32 ed; hierzu Harke, Julian und die Rechtsmängelhaftung, OIR 11 (2006) 63, 87 ff. 367  Eine Interpolation sämtlicher Quellen einschließlich CJ 4.58.4 nimmt noch Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 393 Fn. 71 an. 368  Hallebeek, C. 4.58.2 and the civil remedy for price reduction, RIDA 55 (2008) 267 ff. hält es sowohl, was den Zeithorizont Gordians angeht, als auch im justinianischen Recht für unerklärlich, warum die unbefristete actio empti unerwähnt bleibt. Auflösen lässt sich die Frage nur, wenn man annimmt, die kaiserliche Kanzlei habe die ädilizischen Rechtsbehelfe für abschließend gehalten und den Rekurs auf die actio empti im Anwendungsbereich dieser Rechtsbehelfe versagt. Dies passt gut zu der bei Diokletian zu beobachtenden Ausdehnung dieses Anwendungsbereichs unter Verdrängung von Julians Lösung.



VI. Kaufvertrag153

Für die zeitlich unbegrenzte Haftung aus der actio empti bleiben noch die Fälle, in denen sich der Verkäufer den Vorwurf einer arglistigen Täuschung des Käufers gefallen lassen muss. Hierauf könnte Diokletians Kanzlei in CJ 4.58.3 anspielen, indem sie angesichts der Behauptung, der verkaufte Sklave sei zum Verkäufer zurückgekehrt, auf die Entscheidungskompetenz des Provinzstatthalters verweist. Dass der Käufer bei Arglist des Verkäufers nicht nur wie bei der verschuldensunabhängigen Wandlungsklage den Kaufpreis zurückerhält, sondern sein gesamtes Interesse an einer mangelfreien Leistung geltend machen kann, hat die Kanzlei ausdrücklich in einem unter Caracalla ergangenen Bescheid festgestellt: CJ 4.58.1 (29. Mai 214 / Honoré 375) Imp. Antoninus A. Decentio Veromilio. Si non simpliciter, sed consilio fraudis servum tibi nescienti fugitivum vel alio modo vitiosum quis vendidit isque fugitivus abest, non solum in pretium servi venditorem conveniri, sed etiam damnum quod per eum tibi accidit competens iudex, ut iam pridem placuit, praestari iubebit. Kaiser Antoninus an Decentius Veromilius. Hat dir jemand einen entflohenen oder sonst mangelhaften Sklaven nicht einfach, sondern aus Arglist verkauft, ohne dass du von dem Mangel wusstest, und ist der Sklave verlorengegangen, muss der zuständige Richter, wie schon seit langem befunden wird, nicht nur gestatten, dass der Verkäufer wegen des Kaufpreises belangt wird, sondern auch anordnen, dass der Schaden ersetzt wird, der dir hierdurch entstanden ist.

Das von Julian entwickelte Konzept einer Minderung im Rahmen der ac­ tio empti findet sich bei Diokletian nur in einem Fall angewandt, der auf der Grenze von Sach- und Rechtsmängelhaftung liegt:369 CJ 4.49.9 (18. Mai 293 / Honoré 1905) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aureliae Zaniae Antipatrae. Si minor a venditore sive sciente sive ignorante dicebatur capitatio praedii venditi et maior inventa sit, in tantum convenitur, quanto, si scisset emptor ab initio, minus daret pretii. sin vero huiusmodi onus et gravamen functionis cognovisset, nullam adversus venditorem habet actionem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelia Zania Antipatra. Ist die Grundsteuerlast für das verkaufte Grundstück von dem Verkäufer wissentlich oder unwissentlich zu niedrig angegeben und hat sich als höher herausgestellt, kann er auf den Betrag belangt werden, den der Käufer weniger gezahlt hätte, wenn er dies von vornherein gewusst hätte. Hat er aber diese Lasten gekannt, steht ihm gegen den Verkäufer keine Klage zu.

Die auf einem Grundstück ruhende Steuerlast stellt zwar einen rechtlichen Nachteil für den Käufer dar; sie ist aber weniger den Rechtsmängeln ähnlich, die den Käufer der unmittelbaren Gefahr eines Sachentzugs aussetzen, als vielmehr der Noxalhaftung vergleichbar, die im ädilizischen Edikt neben 369  Die Verbindung zu Julian stellen auch Medicus, Id quod interest, Köln u. a. 1962, S. 143 f. und Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 548 Fn. 40 heraus.

154

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

körperlichen und charakterlichen Mängeln von Sklaven aufgeführt ist. Diokletians Juristen greifen in diesem Fall aber nicht auf das ädilizische Regime, sondern auf die actio empti und das von Julian entwickelte Konzept einer verhältnismäßigen Herabsetzung des Kaufpreises zurück: Der Käufer, der für die Inanspruchnahme des Verkäufers nicht dessen Arglist dartun muss, kann zur Herstellung eines Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung den Betrag verlangen, um den er die Sache günstiger erworben hätte, wenn er von ihrem Fehler gewusst hätte. Dass sich Diokletians Juristen dieses Modells in dem Spezialfall einer Steuerlast bedienen, spricht nicht dagegen, dass sie bei den regelrechten Sachmängeln dem ädilizischen Sachmängelrecht den Vorzug vor der actio empti geben. Dass bei einem Rechtsmangel die unbefristete Kaufklage einschlägig ist, stellt die diokletianische Kanzlei in einem anderen Bescheid heraus:370 CJ 8.44.21 (zwischen 26. Juni und 26. Aug. 293 / Honoré 1913) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Heliodoro. Empti actio longi temporis praescriptione non submovetur, licet post multa spatia rem evictam emptori fuerit comprobatum. (1) Si itaque is, quem te comparasse commemoras, nunc in libertatem proclamet, interpellare venditorem sive successores eius debes, ut tibi adsistant causamque instruant. (2) Quem si liberum esse vel servum non esse fuerit pronuntiatum, nec te conventione remisisse periculum evictionis fuerit comprobatum, praeses provinciae, si res integra est, quanti tua interest restitui tibi providebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Heliodor. Die Käuferklage wird nicht durch die Einrede der langen Zeit ausgeschlossen, auch wenn die Sache dem Käufer erweislich erst nach einem großen Zeitraum entwehrt worden ist, (1) Macht derjenige, von dem du behauptest, ihn gekauft zu haben, nun seine Freiheit geltend, musst du daher den Verkäufer oder seine Rechtsnachfolger ermahnen, dass sie dir beistehen und den Rechtsstreit führen. (2) Ist er für frei erklärt oder festgestellt worden, dass er kein Sklave ist, und nachgewiesen worden, dass das Risiko der Eviktion nicht ausgenommen wurde, soll der Provinzstatthalter, wenn die Sache unverändert ist, dafür sorgen, dass dir dein Interesse ersetzt wird.

Die Verpflichtung des Verkäufers aus der actio empti entspricht der Haftung aus der stipulatio habere licere: Sie setzt voraus, dass der Käufer den Verkäufer über den Rechtsstreit unterrichtet hat, durch den ihm der Verlust der Kaufsache droht. Ist der Verkäufer bei der Verteidigung des Käufers nicht erfolgreich oder bleibt er untätig und wird dem Käufer die Sache deshalb entwehrt, kann er sein Interesse daran geltend machen, die Sache nicht verloren zu haben. Diese Rechtsfolge tritt von selbst ein; sie muss nicht erst durch den Abschluss einer Garantiestipulation herbeigeführt werden. Vielmehr ist, wie die Kanzlei betont, umgekehrt eine besondere Vereinbarung erforderlich, durch die der Verkäufer seine Eviktionshaftung ausschließt. 370  Anders Taubenschlag, S. 58 Fn. 459, der glaubt, Diokletian habe hier eigentlich die actio auctoritatis gewährt.



VI. Kaufvertrag155

Dass sie die Ausnahme zur Regel der automatisch einsetzenden Interessehaftung ist, stellt die Kanzlei in einer weiteren Entscheidung heraus, in der sie sich mit dem atypischen Rechtsmangel eines pfandähnlichen Vorzugsrechts für Forderungen der öffentlichen Hand371 befasst: CJ 8.44.23 (31. Dez. 293 / Honoré 2120) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eustochiae. Cum successores etiam venditoris pro evictione teneri possint, si velut obligata sibi res publica Thessalonicensium pignoris instituat iure persequi quae comparasti, auctoris heredibus quocumque gradu constitutis adsistere negotio denuntia. quod sive praesentibus his fundus quem emisti fuerit evictus sive absentibus, postea quanti tua interest rem evictam non esse teneri, non quantum pretii nomine dedisti, si aliud non placuit, publice notum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Eustochia. Da auch die Verkäufer für Entwehrung haften können, sollst du, wenn die Gemeinde Thessaloniki Sachen, die du gekauft hast, wie ihr verpfändet zu verfolgen beginnt, den Erben des Verkäufers, welchen Grades auch immer, Anzeige erstatten, damit sie dir in dieser Sache beistehen. Sei es, dass das von dir gekaufte Grundstück in ihrem Beisein entwehrt worden ist, sei es, dass es in ihrer Abwesenheit geschehen ist, ist allgemein bekannt, dass sie nachher auf das Interesse am Ausbleiben der Eviktion, nicht nur auf den von dir gezahlten Kaufpreis haften, wenn nichts anderes vereinbart ist.

Knapper wird die Eviktionshaftung aus der actio empti in dem folgenden Reskript aus der Regierungszeit von Severus Alexander beschrieben: CJ 8.44.6 (8. März 222 / Honoré 481) Imp. Alexander A. Octavio. Non dubitatur, etsi specialiter venditor evictionem non promiserit, re evicta ex empto competere actionem. Kaiser Alexander an Octavius. Es besteht kein Zweifel, dass auch dann, wenn der Verkäufer nicht ausdrücklich Gewähr für Entwehrung übernommen hat, bei Entwehrung die Käuferklage zusteht.

Automatisch ausgeschlossen ist die Einstandspflicht des Verkäufers für eine Entwehrung der Hauptsache nur noch, wenn der Käufer den Rechtsmangel bei Vertragsschluss schon kannte und deshalb nicht mit der Übernahme einer Gewährleistung durch den Verkäufer rechnen durfte: CJ 8.44.27 (15. Sept. 294 / Honoré 2368) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Theophilo. Si fundum sciens alienum vel obligatum comparavit Athenocles nec quicquam de evictione convenit, quod eo nomine dedit, contra iuris poscit rationem. nam si ignorans, desiderio tuo iuris forma negantis hoc reddi refragatur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Theophilus. Hat Athenocles ein Grundstück in dem Wissen gekauft, dass es fremd oder verpfändet war, und ist 371  Hierzu Wagner, Die Entwicklung der Legalhypotheken am Schuldnervermögen im römischen Recht, Köln u. a. 1974, S. 86.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

nichts zur Entwehrung vereinbart, fordert er zu Unrecht, was er hierfür bezahlt hat. Hat er es aber unwissentlich gekauft, widerspricht dein Begehren, ihm eine Leistung zu verweigern, dem Recht.

Warum die Eviktionshaftung nicht eigens durch Stipulation begründet, sondern allenfalls umgekehrt ausgeschlossen werden muss, deutet eine weitere Entscheidung an. Ihr überlieferter Wortlaut gilt einem Versprechen ‚de tradendo‘, womit ursprünglich wohl die stipulatio habere licere als Teil einer auch Sachmängel umfassenden Garantie gemeint ist, wie sie die Ädilen in ihrem Edikt als Muster vorgesehen haben372: CJ 4.49.14 (9. Dez. 294 / Honoré 2548a) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Rusoni. Emptor servorum recte de his tradendis et de eorum fuga itemque sanitate erronesque non esse aut noxa solutus repromitti sibi recte postulat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Ruso. Der Käufer von Sklaven fordert zu Recht, dass ihm die Übergabe sowie versprochen wird, dass sie nicht flüchtig, gesund und keine Herumtreiber sind und dass eine Noxalschuld beglichen ist.

Kann ein Käufer schon aufgrund des Kaufvertrags die Übernahme einer Eviktionsgarantie durch stipulatio habere licere verlangen,373 muss er, wenn diese bis zur Entwehrung der Sache noch nicht geleistet worden ist, unmittelbar zu der hieraus folgenden Ersatzleistung berechtigt sein. Hat der Verkäufer dagegen eigens eine Eviktionsgarantie in Gestalt der stipulatio duplae übernommen, steht dem Käufer die hieraus folgende Klage alternativ zur actio empti zu:374 CJ 8.44.25 (13. Feb. 294 / Honoré 2201) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Saturninae. Si tibi liberam Saturninus condicionem eius ignorans distraxit ac nunc eam defendit in libertatem, hac libera pronuntiata venditorem vel ex stipulatione duplae, quantum in hanc deductum est, vel empti actione quanti tua interest convenire potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Saturnina. Hat dir Saturninus eine Freie in Unkenntnis ihres Status verkauft und verteidigt er nun ihre Freiheit, kannst du den Verkäufer nach der Feststellung ihrer Freiheit entweder aus der Stipulation des Doppelten auf den hierin einbezogenen Betrag oder mit der Käuferklage auf dein Interesse belangen.

Dass der Käufer ein Wahlrecht zwischen beiden Ansprüchen hat,375 ist eine Konsequenz aus der Pflicht zur Übernahme einer stipulatio habere li­ cere. Kann der Käufer diese stets verlangen, kann sie nicht schon durch den 372  Lenel,

Edictum perpetuum, S. 567 f. Ulp 32 ed (mit Neraz-Zitat). 374  Dagegen nimmt Taubenschlag, S. 58 Fn. 459 an, es sei hier ursprünglich um die actio auctoritatis gegangen. 375  So versteht den Text zu Recht Knütel, Stipulatio poenae, Köln 1976, S. 336 f. 373  D 19.1.11.8



VI. Kaufvertrag157

Abschluss einer stipulatio duplae verdrängt werden. Ohne besondere Vereinbarung lässt sich ihr nämlich nicht entnehmen, dass sie die dem Käufer automatisch zukommende Garantie verdrängen soll, zumal das hierdurch geschützte konkrete Interesse des Käufers durchaus über der Pauschale des doppelten Kaufpreises liegen kann. Dass die Übernahme einer speziellen Garantie neben der sich schon aus der actio empti ergebenden Eviktionshaftung zu Diokletians Zeit selten geworden ist, verrät eine Entscheidung vom Ende des Jahres 294, in der die Kanzlei einen Käufer gegen den Verdacht in Schutz nimmt, den Rechtsmangel gekannt zu haben: CJ 8.44.30 (13. Dez. 294 / Honoré 2566) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hastio. Non ex eo, quod duplam qui a matre tua mancipium comparavit evictionis nomine stipulatus est, alienae rei scientia convincitur, nec opinio eius ex hoc laeditur, ut malae fidei emptor existimetur. aliis itaque hoc indiciis, si vis, probare debes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hastius. Aus dem Grund, dass sich derjenige, der von deiner Mutter einen Sklaven gekauft hat, durch Stipulation für den Fall der Entwehrung das Doppelte hat versprechen lassen, wird er weder seiner Kenntnis davon überführt, dass die Sache fremd war, noch wird sein Ansehen beschädigt, indem er als Käufer schlechten Glaubens gelte. Du musst dies daher, wenn du willst, mit Hilfe anderer Anzeichen beweisen.

Die Mutter des Fragestellers hat einen ihm gehörenden Sklaven verkauft und dabei eine stipulatio duplae übernommen. Hieraus will der Petent nun ableiten, dass der Käufer durchaus schon mit dem fehlenden Eigentum der Verkäuferin an der Kaufsache rechnete. Ein solches Vorbringen ist nur dann nicht völlig abwegig, wenn die gesonderte Verpflichtung zur Rechtsmängelhaftung durch stipulatio duplae nicht mehr gängig und weitgehend von der automatisch einsetzenden Interessehaftung mit der actio empti verdrängt worden ist. Dass eine besondere Eviktionsgarantie auch für einen Dritten verfänglich sein kann, zeigt die folgende Entscheidung: CJ 8.44.31 (15. Dez. 294 / Honoré 2574) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Agatho. Heredem fideiussoris rerum, pro quibus defunctus apud emptorem intercesserat pro venditore, factum eius cui successit ex sua persona dominium vindicare non impedit, scilicet evictionis causa durante actione. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Agathus. Den Erben eines Verstorbenen, der wegen bestimmter Sachen beim Käufer als Bürge für den Verkäufer eingetreten ist, hindert das Verhalten seines Rechtsvorgängers nicht daran, aus seiner Person das Eigentum zu beanspruchen, freilich unter Fortdauer der Klage wegen Entwehrung.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Diokletians Kanzlei sieht den Erben eines Bürgen, den der Verkäufer für seine Eviktionshaftung gestellt hat,376 nicht daran gehindert, sein Eigentum an der Kaufsache geltend zu machen. Hätte er die Bürgschaft dagegen selbst durch Vertrag übernommen, stünde seinem Herausgabeanspruch nun die Arglisteinrede entgegen, weil er durch Abgabe des Bürgschaftsversprechens gewissermaßen seine Zustimmung zu der Veräußerung der Kaufsache durch den nichtberechtigten Verkäufer erteilt hat: CJ 8.44.11 (5. Feb. 231 / Honoré 858) Imp. Alexander A. Clementi. Exceptione doli recte eum submovebis, quem ab auctore tuo fideiussorem accepisti, si eius nomine controversiam refert, quasi per uxorem suam, antequam tu emeres, comparaverit, qui vendenti adeo consensum dedit, ut se etiam pro evictione obligaverit. Kaiser Alexander an Clemens. Durch die Arglisteinrede überwindest du mit Erfolg denjenigen, den du von deinem Verkäufer als Bürgen gestellt bekommen hast, wenn er deshalb einen Rechtsstreit aufnimmt, weil er die Sache, bevor du sie gekauft hast, gleichsam durch seine Frau gekauft hat, denn er hat zum Verkauf seine Zustimmung erteilt, indem er sich für Entwehrung verbindlich gemacht hat.

Je mehr die Eviktionshaftung in die allgemeine Einstandspflicht des Verkäufers aus der actio empti integriert ist, desto mehr muss auch in Vergessenheit geraten, dass sie anders als die Sachmängelhaftung nicht an den Fehler der Kaufsache anknüpft, sondern dem Vorbild der Eviktionsstipulation folgt. Dies erklärt die Vielzahl von kaiserlichen Entscheidungen, mit denen den Adressaten eingeschärft wird, dass auch die Haftung aus der Kaufklage nicht ohne Unterrichtung des Verkäufers über den Eviktionsprozess durch den Käufer und die tatsächliche Entwehrung der Kaufsache begründet ist. Außer in den schon behandelten Konstitutionen CJ 8.44.21 und 23 mahnt Diokle­ tians Kanzlei auch an anderer Stelle die Einhaltung der Voraussetzungen der Rechtsmängelhaftung an. Das Erfordernis einer wirklichen Entwehrung der Kaufsache durch Prozess steht dabei in den beiden folgenden Reskripten im Vordergrund: CJ 8.44.17 (9. Nov. 290 / Honoré 1654) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Muciano. Si, cum quaestio tibi super eo quem comparaveras commoveretur, auctorem tuum certum fecisti nec citra iudicis disceptationem eum quem emeras tradidisti, praeses provinciae in damnis, quae te tolerasse meministi, medelam iuris adhibebit. Kaiser Diokletian und Maximian an Mucianus. Hast du, als ein Rechtsstreit über den von dir gekauften Sklaven ausbrach, deinen Verkäufer benachrichtigt und den gekauften Sklaven nicht ohne richterliche Entscheidung übergeben, soll der Provinzstatthalter dir wegen der Schäden, die du nach deiner Darstellung erlitten hast, Rechtshilfe gewähren. 376  Entgegen Taubenschlag, S. 147 Fn. 1036 lässt sich dem Text nicht entnehmen, dass der Bürge von den Parteien wie ein „Selbstverkäufer“ angesehen werde.



VI. Kaufvertrag159 CJ 8.44.18 (vor 30 April 293 / Honoré 1852) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eutychio. Si status super homine tibi venumdato mota quaestio est, sollemnibus, quae iuris admitti ratio, interpositis si secundum libertatem fuerit lata sententia, poteris de evictione, si nesciens condicionem eius comparasti, sine aliqua dubitatione auctorem vel eius fideiussores heredesve eorum convenire. quod si fuisse servum sententia declaraverit, intellegis ad venditorem te reverti non posse. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Eutychius. Ist ein Streit über den Status des von dir gekauften Sklaven ausgebrochen, kannst du unter Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen, wenn die Entscheidung zugunsten der Freiheit ausgefallen ist, ohne Zweifel wegen Entwehrung den Verkäufer oder seine Bürgen oder Erben belangen, wenn du ihn in Unkenntnis seines Status gekauft hast. Ist er dagegen durch Urteil zum Sklaven erklärt, siehst du ein, dass du beim Verkäufer keinen Rückgriff nehmen kannst.

Nicht auf einen Entwehrungsprozess einzulassen braucht sich der Käufer nur, wenn der Verkäufer den Rechtsmangel selbst geschaffen hat, indem er die verkaufte Sache nachträglich veräußert oder einen verkauften Sklaven freigelassen hat. In diesem Fall kann der Käufer den Verkäufer unmittelbar auf sein Interesse in Anspruch nehmen. Die Kanzlei stellt dies für den Fall fest, in dem ein Verkäufer einer Sklavin nach deren Verkauf und vor ihrer Übergabe an den Käufer die Freiheit geschenkt hat: CJ 4.49.11 (23. Dez. 293 / Honoré 1078) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Flaviae Eucarpiae. Si ancillam tibi ex causa venditionis traditam venditor manumisit, libertatem alienae factae praestare non potuit. quod si post venditionem ante traditionem manumisit, pleno iure dominus constitutus civem Romanam facere non prohibebatur: tibi personali propter ruptam fidem contra venditorem actione competente. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Flavia Eucarpia. Hat der Verkäufer eine Sklavin freigelassen, die dir aufgrund eines Verkaufs übergeben worden war, konnte er ihr, da sie ihm nicht mehr gehörte, nicht mehr die Freiheit verschaffen. Hat er sie aber nach dem Verkauf und vor der Übergabe freigelassen, war er nicht gehindert, sie als Volleigentümer zu einer römischen Bürgerin zu machen, während dir wegen des Vertragsbruchs eine persönliche Klage gegen den Verkäufer zusteht.

Das Entwehrungserfordernis bedeutet auch nicht, dass der Käufer die Kaufsache stets verlieren müsste. Konnte er im Formularprozess dem Dritten, der von ihm die Herausgabe der Sache verlangte, ohnehin nur zur Zahlung eines Geldbetrags verurteilt werden, darf die Eviktionshaftung auch im Kognitionsverfahren nicht an einen regelrechten Sachverlust geknüpft sein. Obwohl hier eine Herausgabevollstreckung möglich ist, muss genügen, dass der Käufer den Dritten durch Geldzahlung abfindet. Die diokletianische Kanz­lei stellt dies für den Fall fest, dass der Käufer einer verpfändeten Sache die gesicherte Forderung erfüllt. Verfügt er auch weiterhin über die Kauf­

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

sache, kann er doch nichtsdestoweniger aus der vom Verkäufer übernommenen Eviktionsgarantie vorgehen: CJ 8.44.22 (26. Aug. 293 / Honoré 1943) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Iulio. Cum tibi liberum venumdatum fundum ab auctore proponas, si ex antecedente obligatione quod debebatur iure solvisti, stipulationem, quam subiectam emptioni de indemnitate proponis, ipsius conceptio commissam manifeste declarat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Julius. Da du vorträgst, dir sei vom Verkäufer ein Grundstück frei von Rechten verkauft worden, ist, wenn du zu Recht geleistet hast, was aus einer früheren Verbindlichkeit geschuldet wurde, handgreiflich dargetan, dass die Stipulation nach ihrer Fassung verfallen ist.

Daneben kann er, wenn der Verkäufer den Kaufpreis verlangt, wegen der Zahlung, die er als Drittleistung auf die Schuld des Verkäufers erbracht hat, einen Aufwendungsersatzanspruch entgegensetzen: CJ 4.31.10 (vor 16. Dez. 294 / Honoré 2577) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Iulio Nicandro. Quoniam liberum fundum distractum proponis, post vero, veluti praecedente emptionem obligatione, certum quid solvisse, si debitum a te apud praesidem provinciae petatur, compensationem eius quod indebite solvisti potes opponere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Julius Nicander. Da du behauptest, dir sei ein unbelastetes Grundstück verkauft worden, du hättest aber später wegen einer vor dem Kaufvertrag vorgenommenen Verpfändung eine gewisse Summe bezahlt, kannst du, wenn deine Schuld bei dem Provinzstatthalter eingeklagt wird, die Aufrechnung mit dem Betrag entgegensetzen, den du ungeschuldet gezahlt hast.

In voller Schärfe tritt das Entwehrungserfordernis in dem Fall zutage, dass die Kaufsache vor ihrer Entwehrung untergegangen ist: Auch wenn sie mit einem Rechtsmangel belastet war, hat der Käufer keinen Anspruch gegen den Verkäufer mehr, weil ihm die Kaufsache fortan nicht mehr abgenommen werden kann: CJ 8.44.26 (31. März 294 / Honoré 2266) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Neoni. Si quis tibi servum vendidit, postquam is rebus humanis exemptus est, cum evictionis periculum finitum sit, a te conveniri non potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Neo. Hat dir jemand einen Sklaven verkauft, kann er von dir nach dem Tod des Sklaven nicht mehr belangt werden, weil hiermit die Gefahr seiner Entwehrung weggefallen ist.

Die diokletianische Kanzlei hält an dem Entwehrungserfordernis auch in einer Konstellation fest, in der schon Papinian von ihm abgerückt ist. Es ist der Fall, dass ein Eviktionsprozess schon droht, bevor der Käufer den Kaufpreis vollständig entrichtet hat. Nach Ansicht von Diokletians Kanzlei kann er hier die Zahlung nicht etwa schlicht verweigern, sondern sie nur davon



VI. Kaufvertrag161

abhängig machen, dass ihm wegen des zu erwartenden Herausgabeverlangens Sicherheit geleistet wird: CJ 8.44.24 (27. Jan. 294 / Honoré 2159) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eutychio. Si post perfectam venditionem ante pretium numeratum rei venumdatae mota fuerit quaestio vel mancipia venumdata proclament in libertatem, cum in ipso limine contractus immineat evictio, emptorem, si satis ei non offeratur, ad totius vel residui pretii solutionem non compelli iuris auctoritate monstratur. (1) Unde cum parte pretii numerata, domus quam emisti tibi velut pignoris iure obligatae ne ad emptionem accederes, denuntiatum ab aliquo proponas, iudex tibi quae ex emptione veniunt praestari providebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Eutychius. Ist nach Abschluss des Kaufvertrags und vor Zahlung des Kaufpreises Streit über die verkaufte Sache ausgebrochen oder haben verkaufte Sklaven ihre Freiheit geltend gemacht, gibt das Recht vor, dass der Käufer, da die Entwehrung schon beim Vertragsvollzug droht, nicht zur Zahlung des gesamten Kaufpreises gezwungen werden kann, wenn ihm nicht Sicherheit angeboten wird. (1) Da du vorträgst, du seiest nach Zahlung eines Teils des Kaufpreises von einem anderen benachrichtigt worden, dass das von dir gekaufte Hausgrundstück wie ein Pfand verhaftet sei und du deshalb von dem Kauf Abstand nehmen solltest, muss der Richter dafür sorgen, dass dir geleistet wird, was dir aus dem Kauf zukommt.

Der Wortlaut der Entscheidung stimmt zum Teil mit einem Passus aus Papinians Responsen überein. In der Fassung, in der er in den fragmenta Vaticana überliefert ist, heißt es dort, wenn auch nicht für die evictio, so doch für „Eigentümergefahr“ (periculum domini) ‚in ipso contractus limine immineat‘.377 Bemerkenswerterweise entscheidet Papinian aber umgekehrt und gestattet dem Käufer die Verweigerung der Kaufpreiszahlung auch dann, wenn ihm Sicherheit für die drohende Eviktion geleistet wird. In der Fassung, die Eingang in die Digesten gefunden hat, ist diese Entscheidung umgedreht und entspricht der Lösung, die auch in dem Bescheid der diokletianischen Kanzlei befürwortet wird.378 Die handfeste Interpolation des Papiniantextes wirft die Frage auf, ob vielleicht auch das Reskript Diokletians verändert worden ist.379 Da es keinen hinreichenden Beweis für dessen Veränderung gibt, ist eher anzunehmen, dass die diokletianische Entscheidung die Vorlage für die Interpolation des Papinianfragments geboten hat.380 Die in dem Reskript vorgeschlagene Lösung weckt in der Sache keinerlei Bedenken und passt viel eher als der Vorschlag Papinians zu dem auch ansonsten 377  Vat

12.

378  D 18.1.19.1

Pap 3 resp. nimmt im Anschluss an Wieacker, Textstufen klassischer Juristen, 2. Aufl. Göttingen 1975, S. 357 f. und Benöhr, Das sogenannte Synallagma in den Konsen­ sualverträgen des klassischen römischen Rechts, Hamburg 1965, S. 57 an. 380  Dass wir es mit einer diokletianischen Neuerung zu tun haben, glaubt auch Taubenschlag, S. 162. 379  Dies

162

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

unter Diokletian verteidigten Eviktionsregime. Sie fügt sich ferner zu einer Entscheidung, die schon unter Caracalla ergangen ist und in der dem Käufer die exceptio doli gegen die Forderung nach Zahlung des Kaufpreises sowie ein eigener Anspruch auf Beseitigung des Rechtsmangels zugestanden wird: CJ 8.44.5 (17. Sept. 212 / Honoré 271) Imp. Antoninus A. Patroinae. Ex praediis, quae mercata es, si aliqua a venditore obligata et necdum tibi tradita sunt, ex empto actione consequeris, ut ea a creditrice liberentur: id enim fiet, si adversus venditorem ex vendito actione pretium petentem doli exceptionem opposueris. Kaiser Antoninus an Patroina. Sind von den Grundstücken, die du gekauft hast, einige vom Verkäufer verpfändet und dir noch nicht übergeben worden, erreichst du mit der Käuferklage, dass sie von der Gläubigerin befreit werden; dies geschieht auch, wenn du dem Verkäufer, der mit der Verkäuferklage den Kaufpreis fordert, die Einrede der Arglist entgegensetzt.

Eben diesen Anspruch könnte auch Hermogenian meinen, wenn er dem Käufer, wiederum in auffälliger Übereinstimmung mit dem Wortlaut von CJ 8.44.24, ‚mota quaestione‘ statt eines Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises ein Recht auf Verteidigung gegen die Entwehrung zuspricht.381 Nur dieses Recht kann auch gemeint sein, wenn die Kanzlei dem Käufer bescheinigt, noch vor Eviktion der Kaufsache einen Anspruch auf das ihm „Zustehende“ (‚quae ex emptione veniunt‘) zu haben.382 Und das Mittel zur Verteidigung gegen die Klage auf Kaufpreiszahlung muss die schon von Caracalla gewährte exceptio doli sein, die im bonae fidei iudicium der Kaufklage inhärent ist und nicht eigens erhoben werden muss.383 Dass sie die Verurteilung nicht unbedingt ausschließt, sondern nur von einer Sicherheitsleistung für die drohende Eviktion abhängig macht, entspricht ebenso wie die Zuerkennung eines nur auf Verteidigung gerichteten Anspruchs des Käufers völlig dem hergebrachten Entwehrungserfordernis, dass eine umfassende Rechtsmängelhaftung vor der Eviktion ausschließt. Zugleich negiert sie nicht das Schutzbedürfnis des Käufers, dem man nach dem Gebot der bona fides nicht zumuten kann, im Angesicht des zu erwartenden Entwehrungsprozesses den vollen Kaufpreis zu zahlen, und ein Mittel in die Hand geben muss, den Verkäufer zum Tätigwerden zu bewegen. 381  D 21.2.74.2 Herm 2 iur ep. Einen Zusammenhang zu dem Reskript erkennt auch Ernst, Die Einrede des nichterfüllten Vertrags, Berlin 2000, S. 66. 382  Dass auch hier nicht an ein aktives Vorgehen des Käufers, sondern daran gedacht ist, dass dieser den Verkäufer mit Hilfe der ihm zustehenden exceptio mittelbar zum Handeln veranlasst, glaubt Benöhr (Fn. 379), S. 58 f. An eine Verurteilung des Klägers, wie sie Justinian in CJ 7.45.14 dem Spätklassiker Papinian zugeschreibt und in CJ  4.49.8 (27. April 293 / Honoré 1839; s. u. S. 176 f.) auch von Diokletian angeordnet wird, glaubt dagegen Ernst (Fn. 381), S. 66 f. 383  Letzteres macht ihre ausdrückliche Erwähnung aber nicht falsch; vgl. Benöhr (Fn. 379), S. 59.



VI. Kaufvertrag163

An anderer Stelle hebt Diokletians Kanzlei hervor, dass der Käufer dem Verkäufer den Rechtsstreit anzeigen muss, damit dieser sich an ihm beteiligen kann. Unterlässt der Käufer diese Benachrichtigung, kann er den Verkäufer nicht erfolgreich mit der actio empti in Anspruch nehmen: CJ 8.44.20 (26 Juni 293 / Honoré 1912) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Solido et aliis. Si parentes vestri mancipia venumdederunt quaestioque dominii mota est, emptoribus adesse ac defendere causam non prohibemini. (1) Quod si eis haec iam evicta sunt, instauratio litis ex persona vestra, si appellationem non interposuistis, contra ius desideratur. (2) Empti sane iudicio pro evictione si conveniri coeperitis, nec vobis, ut defendatis, negotium denuntiatum probetur, intellegitis, quatenus vosmet ipsos tueri debeatis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Solidus und andere. Haben eure Eltern Sklaven verkauft und ist ein Rechtsstreit über ihren Status ausgebrochen, seid ihr nicht gehindert, den Käufern beizustehen und ihr Recht zu verteidigen. (1) Sind sie aber schon entwehrt worden, verlangt ihr, wenn ihr keine Berufung eingelegt habt, zu Unrecht, dass der Rechtsstreit in eurer Person wiederaufgenommen wird. (2) Seid ihr freilich mit der Käuferklage wegen Entwehrung belangt worden und ist erwiesen, dass ihr von der Sache keine Nachricht erhalten habt, um euch zu verteidigen, seht ihr ein, wie ihr euch selbst verteidigen könnt.

Unabhängig davon, ob der Verkäufer der Anzeige Folge leistet und sich an dem Entwehrungsprozess beteiligt, muss der Käufer, wenn er sich des Rückgriffs gegen den Verkäufer nicht begeben will, die ihm zustehenden Verteidigungsrechte geltend machen. Die diokletianische Kanzlei deutet dies in zwei Entscheidungen an. In der einen erklärt sie den Käufer der Eviktionsgefahr für ledig, weil er der Inanspruchnahme der Kaufsache durch einen Pfandgläubiger die Verjährung des Pfandrechts entgegenhalten kann: CJ 8.44.19 (30 April 293 / Honoré 1863) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Theodoro. Si obligata praedia venumdedisti et longi temporis praescriptione solita emptores se tueri possunt, evictionis periculum timere non potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Theodorus. Sind verpfändete Grundstücke zum Verkauf gekommen und können sich die Käufer mit der Einrede der langen Zeit schützen, brauchst du nicht das Risiko der Entwehrung zu fürchten.

In der anderen versichert sie dem Käufer, er könne sich sowohl der eigenen als auch der Einreden bedienen, die dem Verkäufer zustanden: CJ 8.44.28 (5. Okt. 294 / Honoré 2393) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Maximiano. Emptori etiam venditoris iura prodesse non ambigitur. si igitur vobis propter rei proprietatem mota fuerit quaestio, tam propriis quam venditoris defensionibus uti poteritis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Maximian. Es ist unumstritten, dass dem Käufer die Rechte des Verkäufers zustehen. Daher könnt ihr euch,

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

wenn Streit über das Eigentum an der Sache ausgebrochen ist, sowohl der eigenen als auch der Einwendungen des Verkäufers bedienen.

Die Voraussetzungen der Eviktionshaftung sind zu Diokletians Zeit freilich kein neues Thema und schon in den Reskripten seiner Vorgänger präsent. Das Entwehrungserfordernis erscheint hier bereits in einem unter Septimius Severus ergangenen Bescheid: CJ 8.44.3 (25. Juli 210 / Honoré 207) Impp. Severus et Antoninus AA. Aureliano. Qui rem emit et possidet, quamdiu evicta non est, auctorem suum propterea, quod aliena vel obligata res dicatur, convenire non potest. Kaiser Severus und Antoninus an Aurelianus. Wer eine Sache gekauft hat und besitzt, kann, solange sie noch nicht entwehrt ist, seinen Verkäufer nicht deshalb belangen, weil behauptet wird, die Sache sei fremd oder verpfändet.

Die Obliegenheit des Käufers zur Anzeige hebt die Kanzlei in zwei Bescheiden Alexander Severus’ vom Ende des Jahres 222 hervor. Während der eine von beiden die Art des dem Käufer zustehenden Klagerechts offenlässt, stellt der andere heraus, dass das Anzeigeerfordernis nicht nur für den Anspruch aus einer Eviktionsstipulation, sondern auch für die Haftung des Verkäufers aus der actio empti gilt:384 CJ 8.44.9 (22. Dez. 222 / Honoré 533) Imp. Alexander A. Terentio. Si controversia tibi possessionis, quam bona fide te emisse adlegas, ab aliquo movetur, auctori heredive eius denuntia. et si quidem obtinueris, habebis quod emisti. sin autem evictum erit, a venditrice successoresve eius consequeris, quanti tua interest: in quo continetur etiam eorum persecutio, quae in rem emptam a te, ut melior fieret, erogata sunt. Kaiser Alexander an Terentius. Wird gegen dich von einem Dritten Klage wegen einer Besitzung erhoben, von der du behauptest, sie rechtmäßig gekauft zu haben, sollst du es dem Verkäufer oder seinem Erben anzeigen. Und wenn du obsiegst, kannst du behalten, was du gekauft hast. Wird es dir aber entzogen, erlangst du von der Verkäuferin oder ihren Rechtsnachfolgern dein Interesse; hierzu gehört auch der Ersatz dessen, was von dir zur Verbesserung der Kaufsache aufgewendet worden ist. CJ 8.44.8 (6. Dez. 222 / Honoré 529) Imp. Alexander A. Clementio. Emptor fundi, nisi auctori aut heredi eius denuntiaverit, evicto praedio neque ex stipulatu neque ex dupla neque ex empto actionem contra venditorem vel fideiussores eius habet. sed et si iudicio emptor non adfuit aut praesens per iniuriam iudicis victus est absente auctore vel fideiussore, regressum adversus eum non habet.

384  Die als dritte Möglichkeit genannte Verpflichtung ‚ex dupla‘ ist vermutlich das Produkt einer Ersetzung der actio auctoritatis durch die Kompilatoren; vgl. Brägger, Actio auctoritatis, Berlin 2012, S. 86.



VI. Kaufvertrag165 Kaiser Alexander an Clementius. Der Käufer eines Grundstücks hat, wenn er nicht dem Verkäufer oder seinem Erben Anzeige gemacht hat, nach der Entwehrung des Grundstücks gegen den Verkäufer oder Bürgen weder eine Klage aus Stipulation noch auf das Doppelte noch aus dem Kaufvertrag. Und auch wenn der Käufer dem Verfahren nicht beigewohnt hat oder zwar anwesend, aber in Abwesenheit des Verkäufers oder Bürgen durch eine richterliche Fehlentscheidung besiegt worden ist, hat er keinen Rückgriff gegen ihn.

Wie das zweite Reskript ergibt, erfährt das Eviktionsregime eine gewisse Korrektur dadurch, dass der Verkäufer trotz effektiver Entwehrung der ­Kaufsache dann von einer Haftung verschont bleibt, wenn sie auf einer Fehlentscheidung des Richters beruht. Der Verkäufer soll nur das Risiko eines wirklich vorhandenen Rechtsmangels, nicht einer zufälligen Benachteiligung des Käufers tragen.385 Dies bestätigt die Kanzlei später unter Philippus Arabs:386 CJ 8.44.15 (1. Aug. 245 / Honoré 1248) Imp. Philippous A. et Philippous C. Menandro. Si non iniuria iudicantis, sed iuris ratione superatus es, pignus ob evictionem acceptum sollemniter persequi potes. Kaiser Philipp und Cäsar Philipp an Menander. Bist du nicht infolge einer richterlichen Fehlentscheidung, sondern zu Recht unterlegen, kannst du ein dir für den Fall der Entwehrung bestelltes Pfandrecht ordentlich geltend machen.

Erst recht braucht der Verkäufer nicht dafür einzustehen, dass einem Käufer die Kaufsache von einem Dritten außerhalb eines ordentlichen Verfahrens abgenommen worden ist.387 Die Eviktionshaftung scheitert hier nicht nur daran, dass keine regelrechte Entwehrung stattgefunden hat; für die Kanzlei ist entscheidend, dass die Kaufsache, da sie nicht im Eigentum des Störers steht, keinen Rechtsmangel aufweist: CJ 4.49.17 (nach 25. Dez. 294 / Honoré 2667) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hermiano et Hermippo. Expulsos vos de fundo per violentiam a Nerone, quem habere ius in eo negatis, profitentes nullam vobis adversus eum, ex cuius venditione fundum possidetis, actionem competere probatis. igitur ad instar interdicti seu actionis promissae experiendum esse perspicitis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hermianus und Hermippus. Indem ihr angebt, ihr seiet von einem Grundstück mit Gewalt durch Nero vertrieben worden, dem ihr absprecht, hieran ein Recht zu haben, führt ihr den Nachweis, dass euch keine Klage gegen denjenigen zusteht, von dem ihr durch Verkauf den Ulp 80 ed, Vat 10 Pap 3 resp; vgl. auch Brägger (Fn. 384), S. 191. Schnebelt, S. 48 f., der in dem Adverb ‚sollemniter‘ eine unklassische Wendung erkennt, die er einem ab der Zeit der Soldatenkaiser aufgekommenen Sprachgebrauch zuschreibt. 387  Taubenschlag, S. 147 Fn. 1037 legt nicht dar, inwiefern hier eine volksrecht­ liche Vorstellung am Werke sein könnte. 385  D 21.2.51pr 386  Hierzu

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Besitz an dem Grundstück erlangt habt. Daher müsst ihr einsehen, dass ihr mit Hilfe eines Interdikts oder einer anderen gegebenen Klage vorgehen müsst.

Erhebt der Dritte dagegen zu Recht einen Herausgabeanspruch, ist der Käufer ausschließlich auf den Rückgriff gegen den Verkäufer angewiesen; er kann den Dritten nicht etwa zur Erstattung des Kaufpreises nach dem Vorbild der Verwendungen zwingen, die den Wert der Sache gesteigert haben: CJ 8.44.16 (22. Juni 290 / Honoré 1594) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Alexandro et Diogeni. Super empti agri quaestione disceptabit praeses provinciae et, si portionem diversae partis esse cognoverit, impensas, quas ad meliorandam rem vos erogasse constiterit, habita fructuum ratione restitui vobis iubebit. nam super pretio evictae portionis non eum qui dominium evicerit, sed auctricem conveniri consequens est. Kaiser Diokletian und Maximian an Alexander und Diogenes. Über den Streit wegen eines verkauften Ackergrundstücks soll der Provinzstatthalter befinden und, wenn er feststellt, dass ein Anteil dem Gegner gehört, anordnen, dass die Aufwendungen, die ihr anerkanntermaßen zur Verbesserung der Sache getätigt habt, euch unter Abzug der Früchte erstattet werden. Denn es ist folgerichtig, dass wegen des auf den entwehrten Anteil entfallenden Kaufpreises nicht derjenige, der sein Eigentum geltend gemacht hat, sondern der Verkäufer belangt wird.

6. Verzugshaftung Versäumt der Verkäufer, dem Käufer die Kaufsache zu verschaffen, kann dieser ihre Herausgabe im Kognitionsverfahren erzwingen. Bietet sich dieses Vorgehen für ihn gerade in Zeiten des Geldwertschwundes an, ist der Käufer hierauf aber nicht beschränkt, sondern kann auch sein Interesse in Geld ersetzt verlangen. Die diokletianische Kanzlei betont dies in zwei Reskripten, ohne sich allerdings zum Umfang des Schadensersatzes zu äußern: CJ 4.49.4 (6. Sept. 290 / Honoré 1622) Impp. Diocletianus et Maximianus AA Mucianus. Si traditio rei venditae iuxta emptionis contractum procacia venditoris non fiat, quanti interesse compleri emptionem fuerit arbitratus praeses provinciae, tantum in condemnationis taxationem deducere curabit. Kaiser Diokletian und Maximian an Mucianus. Erfolgt die nach dem Kaufvertrag geschuldete Übergabe der Kaufsache aus Mutwillen des Verkäufers nicht, muss der Provinzstatthalter dafür Sorge tragen, dass in die Bestimmung der Urteilssumme eingeht, was nach seiner Beurteilung das Interesse an der Erfüllung des Kaufs ausmacht. CJ 4.49.10 (16. Dez. 293 / Honoré 2058) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Titio Attalo. Cum venditorem carnis fide conventionis rupta tempore placito hanc non exhibuisse proponas, empti actione eum quanti interest tua tunc tibi praestitam fuisse apud praesidem provinciae convenire potes.



VI. Kaufvertrag167 Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Titius Attalus. Da du vorträgst, ein Verkäufer von Fleisch habe unter Bruch der Vereinbarung nicht zum verabredeten Zeitpunkt geliefert, kannst du ihn vor dem Provinzstatthalter mit der Käuferklage auf das Interesse an der Leistung belangen.

Der Tenor der Entscheidungen gibt nicht zu erkennen, inwieweit in die Bestimmung des Interesses auch Folgeschäden eingehen können. Im klassischen Recht war das Interesse auf den Wert der dem Käufer obliegenden Leistung im Zeitpunkt des Leistungstermins oder der Streitbefestigung begrenzt und erstreckte sich nicht auf weitere Nachteile oder entgangenen Gewinn, die sich aus der hypothetischen Entwicklung des Falles ergeben.388 Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Diokletians Juristen hiervon abweichen.389 Nichts anderes folgt jedenfalls aus CJ 4.49.15 (18. Dez. 294 / Honoré 2598): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Antonino Aeliano. Ultra modum tritici distracti citra pactum in solutione mora non facta nihil emptor exigere potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Antoninus Aelianus. Über die Menge des verkauften Weizens hinaus kann der Käufer, ohne dass ein Pakt abgeschlossen worden oder Verzug eingetreten wäre, nichts verlangen.

Das Mehr, zu dem die Kanzlei einen Käufer im Fall des Verzugs zulassen will, muss nicht im Ersatz eines Folgeschadens bestehen. Näher liegt, hierin den Ausgleich für einen Wertverlust zu sehen, den die Kaufsache erfahren hat: Ist das Risiko, das ihr Wert verfällt, gewöhnlich auch dem Käufer zugewiesen, kann er aber Ersatz für die Wertminderung verlangen, die nach dem Liefertermin und damit während des Verzugs des Verkäufers eingetreten ist. Konnte der Käufer im Formularprozess ohnehin nur den Wert der Kaufsache im Liefertermin beanspruchen, kann man ihm im Kognitionsverfahren nicht verwehren, zusätzlich zur Leistung in Natur eine Kompensation in Geld für den Wertverlust zu verlangen, der ihm bei rechtzeitiger Leistung des Verkäufers erspart geblieben wäre. Beim gegenläufigen Anspruch des Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises wirkt sich durch die mit dem Kognitionsverfahren eröffnete Einzelvollstreckung nicht auf das Vollstreckungsziel aus. Ebenso wie im Formularverfahren stellt sich im Verzugsfall also nur die Frage nach den Zinsen, über die das Recht des Käufers, wie Hermogenian eigens feststellt,390 nicht hinausge388  D 19.1.3.3 Pomp 9 Sab, D 19.1.21.3 Paul 33 ed; hierzu Harke (Fn. 109), S.  34 ff. 389  Harke (Fn. 109), S. 37 Fn. 74. Anders Honsell (Fn. 322), S. 12 f., der unterstellt, Fleisch habe keinen Marktpreis gehabt, und in beiden Entscheidungen angedeutet sieht, dass bei Vorsatz des Verkäufers eine großzügigere Schadensbemessung stattfinde. 390  D 18.6.20 Herm 2 iur ep.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

hen kann. Die von ihm geleitete Kanzlei spricht sie dem Verkäufer ab Eintritt des Verzugs und kraft des officium iudicis zu: CJ 4.49.13 (2. Dez. 294 / Honoré 2516) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Flavio Alexandro. Fructus post perfectum iure contractum emptoris spectare personam convenit, ad quem et functionum gravamen pertinet: venditorque pretium tantum ac, si moram intercessisse probetur, usuras officio iudicis exigere potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Flavius Alexander. Die Früchte stehen nach Abschluss des Vertrags anerkanntermaßen dem Käufer zu, den auch die Lasten treffen; und der Verkäufer kann nur den Kaufpreis und, wenn ein Verzugseintritt bewiesen wird, Zinsen aufgrund der Amtspflicht des Richters verlangen.

Die Kanzlei wendet sich offenbar gegen einen Schluss von den Früchten der Kaufsache auf die Verzinsung des Kaufpreises: Dass die Nutzungen der Kaufsache dem Käufer schon ab Vertragsschluss gebühren, liegt an der Veräußerungsnatur der emptio venditio, die dem Käufer die Kaufsache im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander schon ab dem Vertragsschluss zuweist391. Während der Käufer deshalb auch die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt, ist er aber keineswegs sofort zur Zahlung von Zinsen verpflichtet. Der rechtsübertragende Charakter des Kaufs, an dem auch die Anerkennung des Gattungskaufs scheitert,392 kann nicht die generisch bestimmte Leistung des Käufers, sondern nur die speziell festgelegte Kaufsache betreffen. Außerdem gilt, wie wiederum Hermogenian ebenfalls eigens bekundet,393 dass Zinsen nicht ‚in obligatione‘ sind:394 Da die Verpflichtung des Käufers ebenso wenig wie andere Obligationen auf die Befriedigung des Zeitinteresses des Verkäufers gerichtet ist, werden Zinsen nur mit dem präventiven Ziel gewährt, den Käufer zur Leistung anzuhalten.395 Ihr Geltungsgrund ist das officium iudicis, zu dessen Ausübung es nur kommt, wenn der Käufer bis zur Entscheidung des Rechtsstreits noch nicht geleistet hat. Zahlt er vorher, wenn auch verspätet, bleibt seine Säumnis folgenlos. Die Entscheidung für eine Verzinsung ab Verzugseintritt steht nicht im Widerspruch zu der klassischen396 und auch durch die Paulussentenzen397 belegten Regel, dass der Verkäufer eine Verzinsung des Kaufpreises schon ab

391  s. o.

S.  140 ff. S.  136 ff. 393  Ebenso in beiderlei Hinsicht D 19.1.49.1 Herm iur ep. 394  Ebenso D 19.2.54pr Paul 5 resp. 395  Harke (Fn. 109), S. 43 ff. 396  D 19.1.13.20 Ulp 32 ed, Vat 2 Pap. 397  PS 2.17.9. 392  s. u.



VI. Kaufvertrag169

der Übergabe der Kaufsache beanspruchen kann.398 Ein Käufer gerät nämlich nicht nur dann in Verzug, wenn er den vertraglich bestimmten Leistungs­ termin verstreichen lässt;399 er ist auch dann säumig, wenn er ihn nicht zugleich mit der Übergabe der Kaufsache zahlt. Denn die traditio legt gleichsam den Leistungstermin fest: Wer als Käufer die Kaufsache in Empfang nimmt, lässt sich, selbst wenn dies vor dem Termin geschieht, zu dem gewöhnlich der Verzug einträte, darauf ein, den Kaufpreis sofort zu zahlen und muss sich, wenn er dies nicht tut, folglich mora vorhalten lassen.400 Ebenso zu deuten ist eine Entscheidung Gordians, in der die Zinspflicht des Käufers gleichfalls auf dessen Verzug zurückgeführt wird:401 CJ 4.54.5 (Honoré 1124) Imp. Gordianus Aurelio Longino evocato. Initio venditionis si pactus es, ut is cui vendidisti possessionem pretii tardius exsoluti tibi usuras pensitaret, non immerito existimas etiam eas tibi adito praeside ab emptore praestari debere. nam si initio contractus non es pactus, si coeperis experiri, ex mora dumtaxat usuras tam ab ipso debitore quam ab eo, qui in omnem causam empti suam fidem adstrinxit, de iure postulabis. Kaiser Gordian an den Berufenen Aurelius Longinus. Hast du beim Verkauf von vornherein einen Pakt abgeschlossen, wonach der Käufer der Besitzung für die verspätete Zahlung des Kaufpreises Zinsen entrichten soll, nimmst du nicht zu Unrecht an, dass sie dir auch, wenn du dich an den Provinzstatthalter wendest, geleistet werden müssen. Hast du aber bei Vertragsschluss keinen solchen Pakt abgeschlossen, kannst du, wenn du Klage erhebst, Zinsen von dem Schuldner und demjenigen, der sich für die sämtliche Verpflichtungen aus dem Kauf haftbar gemacht hat, nur aufgrund von Verzug zu Recht fordern.

Das pactum, das die Kanzlei hier als Auslöser einer Zinspflicht in Erwägung zieht, entscheidet nur über die Zinshöhe und darüber, ob der Käufer Zinsen schon vor Eintritt von Verzug, namentlich ab Vertragsschluss, leisten muss. Eine automatische Verzinsung erfolgt erst mit der mora des Käufers, für die als Anknüpfungspunkte wiederum die Vereinbarung eines Zahlungstermins oder aber die Übergabe der Kaufsache in Betracht kommen. Gegen eine automatische Zinspflicht ab traditio spricht auch nicht die folgende Entscheidung Diokletians, die auf dem in CJ 4.49.13 noch eigens abgelehnten Schluss von den Früchten der Kaufsache auf die Verzinsung des Kaufpreises beruht:

Harke (Fn. 109), S. 39 ff. es hierum geht, nimmt Pennitz (Fn. 324), S. 161 an, der annimmt, der Verkäufer behaupte hier die Vereinbarung eines Zahlungstermins vor Übergabe. 400  Harke (Fn. 109), S. 41 f. 401  Harke a. a. O. 398  Hierzu 399  Dass

170

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

CJ 4.49.5 (20. Sept. 290 / Honoré 1630) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Decimo Caplusio. Curabit praeses provinciae compellere emptorem, qui nactus possessionem fructus percepit, partem pretii quam penes se habet cum usuris restituere, quas et perceptorum fructuum ratio et minoris aetatis favor, licet nulla mora intercesserit, generavit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Decimus Caplusius. Der Provinzstatthalter soll dafür Sorge tragen, dass er den Käufer, der nach Besitzerlangung Früchte gezogen hat, zwingt, den Teil des Kaufpreises, den er einbehalten hat, mit Zinsen zu leisten, deren Zahlung sowohl die Rücksicht auf die gezogenen Früchte als auch die Begünstigung eines Minderjährigen selbst dann erheischen, wenn kein Verzug eingetreten ist.

Die Konstitution ist Teil eines Reskripts, dessen andere Hälfte in dem schon behandelten Fragment CJ 2.40.3402 überliefert ist. Dort wird festgestellt, dass zugunsten eines Minderjährigen Verzug ‚re ipsa‘ eintritt, ohne dass die gewöhnlichen Voraussetzungen von mora vorliegen müssen. In CJ 4.49.5 wendet die Kanzlei den dahinter stehenden Gedanken im Fall eines Verkaufs durch einen minor an: Obwohl der Käufer die Sache schon erhalten hat, ist noch kein Verzug eingetreten, weil er zu dem Einbehalt des noch ausstehenden Teils des Kaufpreises nach der Vereinbarung der Parteien berechtigt war. Der Umstand, dass er schon Früchte aus der Kaufsache gezogen hat, macht es aus Sicht der Kanzlei aber nicht hinnehmbar, dass der minderjährige Verkäufer nicht zugleich in den Genuss einer Verzinsung kommt. Sonst wäre er durch das Geschäft übermäßig benachteiligt. Die Zinsen sind hier also nicht Gegenstück zu den Sachfrüchten, diese vielmehr nur ein Faktor, der den Minderjährigenschutz auslöst. Da er sich im Übrigen über einen automatisch einsetzenden Verzug vollzieht, setzt er sich auch hier gegenüber der Vereinbarung eines Zahlungsaufschubs durch, die verhindert, dass Verzug und Verzinsung schon mit der Übergabe der Sache eintreten.403 Eine ganz eigentümliche Konsequenz hat der Verzug bei einer Freilassungsabrede: Sagt der Käufer eines Sklaven zu, diesen umgehend oder zu einem bestimmten Termin freizulassen, tritt diese Rechtsfolge, wenn der Verkäufer die Vereinbarung nicht bereut, von selbst ein. Damit erübrigt sich auch eine Vertragsstrafe, die der Käufer für den Fall versprochen hat, dass er sich nicht an die Vereinbarung hält:404 CJ 4.57.6 (17. Mai 293 / Honoré 1888) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Helvidiae Rufinae. Si puellam ea lege vendidisti, ut manumitteretur et, si manumissa non esset, centum aurei praestarentur, non servata fide nihilo minus eam raptam e vestigio servitutis ad libertatem, quae praestari potuit, constitit, nec pecunia quasi rupta fide suscepta recte 402  s. o.

S.  50 f. (Fn. 109), S. 42 f. 404  D 40.1.20.2 Pap 10 resp. 403  Harke



VI. Kaufvertrag171 petetur, cum non mutata venditoris voluntate condicionis potestate post manumittentis factum repraesentari optima ratione placuit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Helvidia Rufina. Hast du eine Sklavin mit der Maßgabe verkauft, dass sie freigelassen wird und, wenn sie nicht freigelassen wird, 100 Goldstücke zu zahlen sind, steht fest, dass sie bei Bruch der Vereinbarung nichtsdestoweniger sofort aus der Sklaverei in die Freiheit gelangt, die ihr gewährt werden konnte; und aufgrund des Vertragsbruchs wird der übernommene Betrag auch nicht zu Recht gefordert, weil sich, sofern nicht der Verkäufer seinen Willen geändert hat, zu Recht behaupten lässt, nach dem Verhalten des Freilassers sei der Bedingung Genüge getan.

Grund ist eine Konstitution Marc Aurels, die für einen automatischen Vollzug der Freilassungsauflage sorgt,405 falls der Verkäufer bei seiner Freilassungsabsicht bleibt406. Auf sie nimmt die Kanzlei noch ausdrücklich in zwei unter Severus Alexander ergangenen Bescheiden Bezug: CJ 4.57.2 (5. Dez. 222 / Honoré 528) Imp. Alexander A. Eutychiano. Si ea lege Chreste servum, sed naturalem filium venumdedit, ut emptor eum manumitteret, quamvis non est manumissus, ex constitutione divorum Marci et Commodi ad Aufidium Victorinum liber est. Kaiser Alexander an Eutychianus. Hat Chrestus einen Sklaven, der sein natürlicher Sohn ist, mit der Maßgabe verkauft, dass der Käufer ihn freilässt, ist er, obwohl er nicht freigelassen worden ist, aufgrund der Verordnung der göttlichen Kaiser Marcus und Commodus an Aufidius Victorinus frei. CJ 4.57.3 (23. Jan. 224 / Honoré 647) Imp. Alexander A. Fulcinio Maximo. Si Iusta Saturnino puellam nomine Firmam agentem tunc annos septem hac lege vendiderit, ut, cum haberet annos viginti quinque, libera esset, quamvis factum ab emptore praestandae libertatis pacto non sit insertum, sed ut libera esset expressum, tamen constitutioni divorum Marci et Commodi locus est. (1) Ideoque impleto vicensimo quinto anno firma libera facta est nec obest ei, quod vicensimo septimo anno manumissa est, quae iam ex constitutione libera erat: et is, quem post vicensimum quintum annum ex te conceptum enixa est, ingenuus est. Kaiser Alexander an Fulcinius Maximus. Hat Iusta dem Saturninus eine Sklavin namens Firma im Alter von sieben Jahren mit der Maßgabe verkauft, dass sie im Alter von 25 Jahren frei sein soll, greift, obwohl in dem Pakt nicht aufgeführt ist, dass die Freiheit von dem Käufer zu gewähren ist, und nur gesagt ist, dass sie frei sein soll, dennoch die Verordnung der göttlichen Kaiser Marc und Commodus Platz. (1) Daher ist sie mit Vollendung des 25. Lebensjahres frei geworden und es schadet ihr nicht, dass sie mit 27 freigelassen worden ist, weil sie schon aufgrund der Verordnung frei war; und ein von dir empfangenes Kind, das nach ihrem 25. Lebensjahr zur Welt gekommen ist, ist freigeboren.

405  D 2.4.10pr 406  D 40.8.3

Ulp 5 ed. Call 3 cog, D 18.7.3 Paul 50 ed.

172

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

7. Rücktritt vom Vertrag Eine Verurteilung des Käufers zur Zahlung von Kaufpreis und Zinsen ist in Zeiten des Geldwertschwundes für den Verkäufer weniger attraktiv als die Auflösung des Kaufvertrags, die zur Rückgewähr einer wertbeständigen Kaufsache führt. Es nimmt daher nicht Wunder, dass das vorherrschende Thema in Diokletians Reskripten zur emptio venditio die Frage ist, ob der Verkäufer seine Vertragsbindung beseitigen und sich wieder in den Besitz der Kaufsache bringen kann. Dabei gehen manche Fragesteller so weit, dass sie die Rückgewähr eines vollständig abgewickelten Vertrags anstreben.407 Diokletians Kanzlei belehrt sie darüber, dass sich die Aufgabe des Prinzips der Vertragsbindung zum Nachteil aller Rechtsunterworfenen und damit auch der einzelnen Petenten auswirkte: CJ 4.44.7 (vor 1. Dez. 293 / Honoré 2021) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Mucatraulo militi. Ratas manere semper perfectas iure venditiones vestra etiam interest. nam si oblato pretio rescindere venditionem facile permittatur, eveniet, ut et si quid vos laboribus vestris a fisco nostro vel a privato comparaveritis, eadem lege conveniamini, quam vobis tribui postulatis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an den Soldaten Mucatraulus. Es ist auch in eurem Interesse, dass rechtmäßig vollzogene Verträge für immer Bestand haben. Denn wenn ohne Weiteres zugelassen würde, dass ein Verkauf bei Angebot des Kaufpreises aufgehoben würde, hätte dies zur Folge, dass auch dann, wenn ihr etwas mit den von euch erarbeiteten Mitteln von unserem Fiskus oder von einem Privaten gekauft habt, ihr mit demselben Recht belangt würdet, das ihr für euch in Anspruch nehmt.

Auch eine Leistung an Erfüllungs Statt, durch die der Anspruch des Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises befriedigt ist, hat ein Verkäufer in einem an den Kaiser herangetragenen Fall offenbar als Argument benutzt, um unberechtigterweise die Auflösung des Vertrags zu fordern: CJ 4.44.9 (18. Dez. 293 / Honoré 2072) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Domitio Civalensi. Pretii causa non pecunia numerata, sed pro eo pecoribus in solutum consentienti datis contractus non constituitur irritus. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Domitius Civalensis. Ein Vertrag wird nicht dadurch unwirksam, dass zur Erfüllung der Kaufpreisschuld kein Geld gezahlt, sondern Vieh an Erfüllungs Statt gegeben worden ist.

Nicht von vornherein abwegig ist das Begehren nach Vertragsaufhebung, wenn der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug geraten ist. Dass 407  Kaser, Das römische Privarecht, Bd. 2, S. 448 sieht hier Vorstellungen aus dem griechischen Rechtskreis am Werke, in dem jedoch die Auflösung vollständig abgewickelter Verträge ebenso wenig Gang und Gäbe war wie im römischen Recht.



VI. Kaufvertrag173

die Kaufklagen auch zur Auflösung eines Vertrags eingesetzt werden können, haben schon die klassischen Juristen befunden,408 freilich für die umgekehrte Situation, in der die Leistung des Verkäufers hinter seiner Pflicht zurückgeblieben ist409. Diese Lösung ist nicht nur ökonomisch auf ein von Geldwertstabilität geprägtes Umfeld zugeschnitten; sie lässt sich auch nicht vom Formularprozess auf das Kognitionsverfahren übertragen: Kommt dort ohnehin nur eine Geldverurteilung in Betracht, entscheidet die Wahl zwischen Durchführung und Aufhebung des Vertrags nur darüber, welcher Wert für den Verurteilungsbetrag ausschlaggebend ist. In dem auf Naturalvollstreckung gerichteten Kognitionsverfahren würde die Zulassung einer auf Vertragsaufhebung gerichteten Klage dagegen zu einem Wechsel des Verurteilungs- und Vollstreckungsobjekts führen: Jede Seite könnte von der Geld- zur Sachleistung oder umgekehrt übergehen, der Käufer, indem er statt der ihm geschuldeten Lieferung der Kaufsache deren Preis zurückverlangt, der Verkäufer, indem er statt des ihm geschuldeten Preises die Rückgewähr der Kaufsache fordert, derer er sich dann im Wege der Zwangsvollstreckung bemächtigen könnte. Es ist nur folgerichtig, wenn die Juristen Diokletians in diesem neuen Rechtsrahmen dem Verkäufer ein Recht zur Vertragsauflösung versagen und ihn auf seinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung verweisen: CJ 4.49.6 (8. April 293 / Honoré 1779) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Neratio. Venditi actio, si non ab initio aliud convenit, non facile ad rescindendam perfectam venditionem, sed ad pretium exigendum competit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Neraz. Die Verkäuferklage steht, wenn nicht von vornherein etwas anderes vereinbart worden ist, nicht ohne Weiteres zur Auflösung des Verkaufs, sondern zum Einzug des Kaufpreises zu.

Dies gilt auch dann, wenn der Käufer den Abschluss eines Kaufvertrags leugnet und behauptet, die Sache geschenkt erhalten zu haben. Mit dieser Konstellation befasst sich Diokletians Kanzlei in zwei Bescheiden vom März 294:410

408  Auch insoweit kann man also entgegen Kaser a. a. O. nicht das griechische Recht als Auslöser des Wunsches nach Vertragsauflösung ansehen. 409  D 19.1.11.3, 5 Ulp 32 ed; hierzu Harke, Si error aliquis intervenit, S. 76, Ros­ setti, Interdipendenza delle obligazioni e ‚risoluzione‘ della emptio venditio, in: Garofalo (Fn. 326), Bd. 2, S. 3, 23 ff. sowie Donadio, Azioni edilizie e interdipendenza delle obligazioni nell’emptio venditio, a. a. O., S.  457, 510 ff. 410  Entgegen Taubenschlag, S. 144 Fn. 1013 vermag ich ihnen keineswegs die volksrechtliche Vorstellung eines Barkaufs zu entnehmen; dasselbe gilt für CJ 4.49.6 und CJ 4.38.12 (hierzu sogleich im Text).

174

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

CJ 4.38.8 (16. März 294 / Honoré 2238) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Herodi et Diogeni. Si non donationis causa, sed vere vineas distraxisti nec pretium numeratum est, actio tibi pretii, non eorum quae dedisti repetitio competit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Herodes und Diogenes. Hast du Weinberge nicht aufgrund einer Schenkung veräußert, sondern in Wahrheit verkauft und ist der Kaufpreis nicht gezahlt worden, steht dir eine Klage auf den Kaufpreis, nicht aber die Rückforderung des Überlassenen zu. CJ 4.38.9 (25. März 294 / Honoré 2248) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Severo militi. Empti fides ac venditi sine quantitate nulla est. placito autem pretio non numerato, sed solum tradita possessione istiusmodi contractus non habetur irritus, nec idcirco is qui comparavit minus recte possidet, quod soluta summa quam dari convenerat negatur. sed et donationis gratia praedii facta venditione si traditio sequatur, actione pretii nulla competente perficitur donatio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an den Soldaten Severus. Ein Kaufvertrag ohne Kaufpreis ist unwirksam. Ist der vereinbarte Kaufpreis nicht gezahlt, sondern nur der Besitz übertragen worden, gilt ein solcher Vertrag aber nicht als unwirksam; und der Käufer besitzt nicht etwa deshalb zu Unrecht, weil die Bezahlung des vereinbarten Betrags in Abrede gestellt wird. Ist aber ein Kaufvertrag schenkungshalber abgeschlossen worden und die Übergabe nachgefolgt, ist die Schenkung perfekt, und es steht keine Klage auf den Kaufpreis zu.

Verweigert der Besitzer einer Sache, die der Kläger ihm verkauft haben will, die Zahlung des Kaufpreises unter Berufung auf eine ihm gemachte Schenkung, verhilft dies dem Begehren nach Rückgewähr der Sache keinesfalls zum Erfolgt: Entweder ist sie nämlich, und sei es verdeckt durch die Simulation eines Kaufvertrags,411 geschenkt worden; dann kann sie nach Vollzug der donatio vom Besitzer als eigene behalten oder zumindest ersessen werden.412 Oder sie ist in Wahrheit verkauft worden, dann kann der Kläger nur die Zahlung des Kaufpreises und nicht die Aufhebung des Kaufvertrags fordern. Nichts anderes gilt, wenn der Käufer statt seiner Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung die zusätzlich übernommene Pflicht zur Erfüllung einer Abgabenschuld vernachlässigt hat. Hier kann der Verkäufer lediglich sein Interesse an der versprochenen Nebenleistung geltend machen, nicht aber die Auflösung des Vertrags fordern:413 S. 129 ff.; zu CJ 4.38.9 vgl. auch Harke, Si error aliquis intervenit, S. 250. diese zweite Variante deutet der andere Teil des Reskripts, aus dem CJ 4.38.9 ausgezogen ist; er ist in CJ 7.26.8 (25. März 294 / Honoré 2249) überliefert und bekräftigt die Befugnis zur Ersitzung kraft einer iusta causa. 413  Entgegen Medicus (Fn. 369), S. 174 ist der Begriff des Interesses hier keineswegs unbedacht gewählt, geht es doch um die Nachteile, die der Käufer dem Verkäufer durch die Erfüllung der Abgabenlast ersparen sollte. Zu denken sind außer an 411  s. o.

412  Auf



VI. Kaufvertrag175 CJ 4.44.14 (18. Dez. 294 / Honoré 2595) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Basilidae militi. Ea condicione distractis praediis, ut quod rei publicae debebatur qui comparavit restitueret, venditor a se celebrata solutione quanti interest experiri potest, non ex eo, quod emptor non satis conventioni fecit, contractus irritus constituitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an den Soldaten Aurelius Basilida. Sind Grundstücke unter der Bedingung verkauft, dass der Käufer leistet, was dem Gemeinwesen geschuldet ist, kann der Verkäufer, wenn er erfüllt hat, auf sein Interesse klagen, und der Vertrag wird nicht dadurch ungültig, dass der Käufer die Vereinbarung nicht eingehalten hat.

Eine Beseitigung der Vertragsbindung kommt auch nicht aus dem Grund in Betracht, dass der Verkäufer entgegen der Vereinbarung keinen Bürgen gestellt hat: CJ 4.38.12 (nach 3. Dez. 294 / Honoré 2664) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Paciano. Non idcirco minus emptio perfecta est, quod emptor fideiussorem non accepit vel instrumentum testationis vacuae possessionis omissum est: nam secundum consensum auctoris in possessionem ingressus recte possidet. (1) Pretium sane, si eo nomine satisfactum non probetur, peti potest: nec enim licet in continenti facta paenitentiae contestatio consensu finita rescindit. Kaiser Diokletian und Maximian an Aurelius Pacianus. Ein Kaufvertrag ist nicht deshalb minder perfekt, weil der Käufer keinen Bürgen gestellt bekommen hat oder die Errichtung einer Urkunde zum Beweis der Übergabe unterblieben ist; denn es besitzt zu Recht, wer mit dem Einverständnis des Verkäufers den Besitz übernommen hat. (1) Freilich kann der Kaufpreis gefordert werden, wenn nicht bewiesen wird, dass er deshalb befriedigt worden ist; ein Widerruf kann, auch wenn er umgehend erfolgt ist, nicht aufheben, was durch Konsens zustande gekommen ist.

Ebenso wenig, wie sich der Verkäufer mit Erfolg darauf berufen kann, den Kaufpreis noch nicht erhalten zu haben, kann er seinen Wunsch nach Rückabwicklung des Kaufvertrags darauf stützen, dass er selbst seinen Pflichten nicht nachgekommen ist. Mag die Berufung auf die mangelnde Beurkundung und Besicherung durch Bürgschaft volksrechtlichen Anschauungen ent­ springen,414 gilt etwas anderes für den ebenfalls zurückgewiesenen Gedanken an eine Befugnis zur paenitentia. Viel näher als die Zuweisung zur babylonischen Rechtspraxis415 liegt bei ihr nämlich das innerrömische Vorbild der Innominatrealverträge. Hier wird die Befugnis des Vorleistenden, alternativ zur Klage auf die Gegenleistung die eigene Leistung zu kondizieren, ebenpersönliche Einschränkungen die finanziellen Belastungen, die den Verkäufer deshalb treffen, weil er die Lasten selbst tragen muss; vgl. Honsell (Fn. 322), S. 115. 414  So Mitteis, S. 506 und Taubenschlag, S. 144 Fn. 1020 und S. 146 f. Fn. 1035. 415  So Taubenschlag, S.  152 f.

176

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

falls als Widerrufsrecht konzeptualisiert.416 Einer Übertragung dieses Re­ gimes auf die emptio venditio steht jedoch der von der Kanzlei hervorgehobene Umstand entgegen, dass beim Kaufvertrag der consensus beide Parteien endgültig bindet. Auch ein dem Fiskus zustehendes Reurecht lässt nach Ansicht der diokletianischen Kanzlei keinen Analogieschluss auf Kaufverträge unter Privaten zu: CJ 4.44.3 (6. Feb. 293 / Honoré 1742) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Titiae et Marcianae. De contractu venditionis et emptionis iure perfecto alterutro invito nullo recedi tempore bona fides patitur, nec ex rescripto nostro. quo iure fiscum nostrum uti saepe constitutum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Titia und Marciana. Das Gebot der guten Treue duldet nicht, einen rechtmäßig geschlossenen Kaufvertrag zu irgendeiner Zeit ohne Zustimmung des anderen Teils aufzuheben, und auch nicht aufgrund unseres Bescheids. Dass unser Fiskus dies zu Recht tut, ist hinreichend bestimmt worden.

Bemerkenswert ist, dass die Kanzlei die kaiserliche Reskriptenpraxis ausdrücklich dem Gebot der bona fides unterordnet und nicht für ausreichend hält, um einen nach guter Treue zustande gekommenen Vertrag außer Kraft zu setzen.417 Mit dem weiteren in CJ 4.38.12 erwähnten Vorbringen, die Übergabe der Kaufsache sei nicht beurkundet worden, zielt der Verkäufer darauf ab, den Fortbestand seines Eigentums zu behaupten.418 Dass ihm auch hiermit der Erfolg versagt bleibt, stellt die Kanzlei noch in einem anderen Bescheid heraus. Hier verwehrt sie einem Verkäufer, der sich der Kaufsache tatsächlich noch nicht begeben hat, die Vertragsbindung faktisch dadurch zu beseitigen, dass er den Vertragsvollzug unter Berufung auf die ausgebliebene Gegenleistung zum Stillstand bringt: CJ 4.49.8 (27. April 293 / Honoré 1839) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Eusebio. Si pater tuus venum portionem suam dedit nec induxit in vacuam possessionem praedii, ius omne penes se eum retinuisse certum est. neque enim velut traditionis factae vectigal exsolutum, si simulatum factum intercessit, veritatem mutare potuit. (1) Quapropter aditus praeses provinciae, si animadverterit in vacuam possessionem neque 416  Vgl.

D 12.4.5pr Ulp 2 disp; s. o. Fn. 147. vergleichbare Argumentation begegnet uns in CJ  8.39.2 (13.  April  293 /  Honoré 1800); s. o. S. 114. 418  Dem muss aber entgegen Taubenschlag, S. 144 Fn. 1020 keineswegs die Vorstellung einer konstitutiven Wirkung der Beurkundung für den Eigentümerwechsel zugrunde liegen. 417  Eine



VI. Kaufvertrag177 patrem tuum neque successores eius emptorem vel heredes ipsius quocumque loco factos induxisse, non dubitabit nihil esse translatum pronuntiare. et si te ex empto ad inducendum in vacuam possessionem perspexerit conveniri, aestimabit, an pretium sit exsolutum: ac si reppererit non esse satis pretio factum, hoc restitui tibi providebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Eusebius. Hat dein Vater seinen Anteil zum Verkauf gegeben, aber den Besitz an dem Grundstück nicht übertragen, steht fest, dass er sein volles Recht behalten hat. Auch wenn eine Abgabe so entrichtet worden ist, als ob die Übergabe erfolgt sei, kann dies die Wahrheit nicht ändern, wenn es nur zum Schein geschehen ist. (1) Daher muss der Provinzstatthalter, wenn er angegangen wird und feststellt, dass weder dein Vater noch seine Erben dem Käufer oder dessen Erben, wie sie auch immer an seine Stelle getreten seien, den Besitz übertragen haben, befinden, dass nichts übertragen worden ist. Und wenn er erkennt, dass du aufgrund des Kaufvertrags auf Besitzübertragung belangt wirst, untersucht er, ob der Kaufpreis gezahlt worden ist; und wenn er feststellt, dass du wegen des Kaufpreises noch nicht befriedigt worden bist, soll er dafür sorgen, dass er dir geleistet wird.

Die Kanzlei bescheinigt dem Petenten zwar, noch Inhaber des verkauften Miteigentumsanteils zu sein,419 weil der Besitz noch nicht übertragen worden und die Erfüllung einer Abgabenlast durch den Käufer nicht gleichbedeutend ist.420 Dem deshalb noch unerfüllten Anspruch auf Lieferung der Kaufsache kann der Verkäufer gleichwohl nicht dauerhaft die mangelnde Zahlung des Kaufpreises entgegenhalten, sondern nur erreichen, dass auch der Käufer zu der ihm obliegenden Leistung gezwungen wird. Erreicht wird dies durch eine Verurteilung beider Parteien, die ebenfalls durch den Übergang vom Formularprozess zum Kognitionsverfahren und der damit verbundenen Umstellung auf das System der Naturalvollstreckung erforderlich wird.421 Den Wunsch nach einer Rückabwicklung des Kaufvertrags äußern Verkäufer freilich nicht erst zu Diokletians Zeiten. Schon unter Caracalla muss die Kanzlei das Ansinnen einer Fragestellerin zurückweisen, anstelle der vom Käufer zugesagten Leistung die Kaufsache zurückzuerhalten: CJ 4.49.1 (10. Juni 215 / Honoré 393) Imp. Antoninus A. Aelianae. Adversus eum, cui agrum vendidisti, venditi iudicio consiste: nec enim tibi in rem actio cum emptore, qui personaliter tibi sit obligatus, competit.

419  In dem mit CJ 4.49.8 ursprünglich verbundenen Fragment CJ 4.52.3 (1. Feb. 293 / Honoré 1840) geht die Kanzlei auf die Frage ein, ob der Inhaber von Miteigentum dieses überhaupt an einen Außenstehenden und nicht nur an den anderen Teil­ haber veräußern darf. 420  Taubenschlag, S. 145 Fn. 1022 sieht hier die Erfüllung der Abgabenlast als Voraussetzung für den Eigentumsübergang genannt. 421  Ernst (Fn. 381), S. 65 ff.

178

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Antoninus an Aeliana. Gegen denjenigen, dem du ein Ackergrundstück verkauft hast, musst du die Verkäuferklage anstellen; und es steht dir gegen den Käufer, der dir persönlich verpflichtet ist, keine dingliche Klage zu.

Dass die Verkäuferin hier sogar die Erteilung einer dinglichen Klage fordert, könnte daran liegen, dass sie so einen Restitutionsbefehl des iudex provozieren will. Mit ihm kommt sie im Formularprozess einer wirklichen Rückgewähr der Kaufsache näher, als wenn sie die rein auf Geldverurteilung ausgerichtete actio venditi anstrengt. Zugrunde liegt der Gedanke, dass mit einer Störung des Vertragsvollzugs der Rechtsgrund für den Besitz des Käufers an der Kaufsache wegfällt. Vorbild ist die lex commissoria, die freilich auch zu dem Gegenschluss zwingt, dass es ohne eine solche Vereinbarung nicht zum Rückfall des einmal übertragenen Eigentums kommt. Dass Diokletians Kanzlei mit keiner vergleichbaren Anfrage behelligt wird, ist nicht verwunderlich. Denn anders als im Formularprozess bietet die Anerkennung eines dinglichen Rechts im Kognitionsverfahren zumindest, was das Verhältnis zum Vertragspartner anbelangt, keinerlei Vorteile. Eine dingliche Rechtsposition erweist ihre Stärke nun allein im Verhältnis zu Dritten, an die der Käufer die Kaufsache weitergibt. Einen Grund, aus dem die actio venditi noch zu Diokletians Zeit ausnahmsweise zur Rückabwicklung des Vertrags eingesetzt werden kann, erkennt die Kanzlei im dolus des Käufers. Muss dieser sich den Vorwurf gefallen lassen, den Verkäufer in arglistiger Weise getäuscht zu haben, soll der zuständige Richter anordnen, dass der Kaufvertrag aufgehoben wird (‚res­ cindi‘): CJ 4.44.5 (18. Okt. 293 / Honoré 1989) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Claudio Rufo. Si dolo adversarii deceptum venditionem praedii te fecisse praeses provinciae aditus animadvertit, sciens contrarium esse dolum bonae fidei, quae in huiusmodi maxime contractibus exigitur, rescindi venditionem iubebit. (1) Quod si iure perfecta venditio est a maiore viginti quinque annis, intellegere debes consensu mutuo perfectam venditionem resolvi non posse. Kaiser Diokletian und Maximian an Claudius Rufus. Stellt der angerufene Provinzstatthalter fest, dass du den Verkauf eines Grundstücks unter arglistiger Täuschung deines Gegners eingegangen bist, wird er, eingedenk dessen, dass die Arglist dem Gebot der guten Treue zuwiderläuft, die bei diesen Verträgen in besonderem Maße verlangt wird, die Aufhebung des Verkaufs anordnen. (1) Ist dagegen ein Vertrag rechtmäßig von jemandem vollzogen worden, der über 25 Jahre alt ist, musst du verstehen, dass ein im gegenseitigen Einverständnis vollzogener Kauf nicht aufgehoben werden kann.

Der dolus, der wegen des Gebots der guten Treue auch ohne entsprechende Einrede des Verkäufers Beachtung erheischt, rechtfertigt es, das Interesse des Käufers am Bestand des Vertrags hintanzustellen. Dies gilt selbst dann, wenn der Kaufvertrag schon vollständig vollzogen ist. Müsste die actio de dolo



VI. Kaufvertrag179

nicht wegen ihrer Subsidiarität hinter der actio venditi zurückstehen, könnte der Verkäufer mit ihr verlangen so gestellt zu werden, als wäre der Vertrag überhaupt nicht zustande gekommen. Dieses Interesse kann er auch im Rahmen der Verkäuferklage geltend machen, die auf Naturalvollstreckung gerichtet ist und damit zur Rückgewähr der Kaufsache führt. Die Zulassung der Rückabwicklung im Fall des dolus verknüpft die Kanzlei freilich mit der Ermahnung, dass ein auf beiderseitigen Konsens gegründeter Vertrag grundsätzlich nicht wieder aufgelöst werden kann. Um dem Käufer den Vorwurf des dolus einzutragen, bedarf es einer regelrechten Täuschung des Verkäufers oder einer vergleichbaren Machenschaft. Es genügt nicht, dass der Käufer von Angehörigen des Verkäufers gebeten worden ist, von dem Vorhaben des Vertragsschlusses Abstand zu nehmen: CJ 4.44.13 (zwischen 18. Dez. 293 und 18. Dez. 294 / Honoré 2592) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Nicae Decaria. Si maior annis viginti quinque fundum distraxisti, propter hoc solum, quod ementi, ne compararet, socer tuus denuntiavit, emptionem a te rescindi bona fides non patitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Nica Decaria. Hast du im Alter von mehr als 25 Jahren dein Grundstück verkauft, erlaubt das Gebot der guten Treue nicht, den Kauf deshalb aufzuheben, weil dein Schwiegervater den Käufer ermahnt hat, nicht zu kaufen.

Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Vertragsbindung macht die Kanzlei schon im ersten Jahr von Diokletians Herrschaft. Sie ist zur bekanntesten Rechtsfortbildung seiner Regierungszeit auf dem Gebiet des Privatrechts geworden und gilt dem später sogenannten Fall einer laesio enormis. Hier erhält eine Seite im Austausch für die eigene Leistung eine Gegenleistung, deren Wert geringer als die Hälfte des Wertes der eigenen Leistung ist. Diokletians Kanzlei gesteht einem Verkäufer oder seinen Erben unter diesen Umständen einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrags zu, falls nicht der Käufer bereit ist, die Differenz zwischen Preis und Wert der Kaufsache auszugleichen: CJ 4.44.2 (28. Okt. 285 / Honoré 1444) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Aurelio Lupo. Rem maioris pretii si tu vel pater tuus minoris pretii, distraxit, humanum est, ut vel pretium te restituente emptoribus fundum venditum recipias auctoritate intercedente iudicis, vel, si emptor elegerit, quod deest iusto pretio recipies. minus autem pretium esse videtur, si nec dimidia pars veri pretii soluta sit. Kaiser Diokletian und Maximian an Aurelius Lupus. Hast du oder hat dein Vater eine Sache höheren Wertes zu einem zu geringen Preis verkauft, ist es billig, dass du entweder unter Rückerstattung des Kaufpreises auf Anordnung des Richters das verkaufte Grundstück oder, wenn der Käufer dies vorzieht, die Differenz zum gerechten Preis erhältst. Als zu gering gilt ein Preis, wenn nicht einmal die Hälfte des wahren Preises gezahlt worden ist.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Diese Entscheidung ist nicht nur Gegenstand vieler Interpolations­ vermutungen,422 sondern auch unterschiedlicher Deutungsversuche geworden. Dass ein Kaufvertrag bei Unterschreitung eines gewissen Mindestpreises anfechtbar ist, wird von der modernen Forschung zuweilen auf moralphilosophische423 oder volksrechtliche424 Vorstellungen zurückgeführt oder als eine wirtschaftspolitische Notmaßnahme zum Schutz des verarmten Bauernstandes interpretiert425. Als solche habe sie sich aber gerade infolge der zu Diokletians Zeit grassierenden Inflation als wirkungslos erwiesen und sei daher wieder aufgegeben worden.426 Dass die Kanzlei Rücksicht auf eine Entscheidungsschwäche des Verkäufers nimmt, lässt sich natürlich nicht in Abrede stellen. Ihr Urteil beruht aber weder auf außerrechtlichen Gesichtspunkten, noch ist es ihr von einem späteren Bearbeiter in den Mund gelegt oder in der späteren Rechtsprechung aufgegeben. Kein Argument gegen die Echtheit der Entscheidung bietet jedenfalls die folgende Konstitution: CJ 4.46.2 (Honoré 1686) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Atiniae Plotianae. Si deserta praedia ob cessationem collationum vel reliqua tributorum ex permissu praesidis ab his, quibus periculum exactionis tributorum imminet, distracta sincera fide [iusto pretio] sollemniter comparasti, venditio ob sollemnes praestationes necessitate facta convelli non debet. (1) Sin autem venditio nulla iusta auctoritate praesidis praecedente facta est, hanc ratam haberi iura non concedunt, idque quod frustra gestum est revocari oportet, ita ut indemnitati tributorum omnibus modis consulatur. (2) Quae omnia tractari convenit praesente eo, quem emptorem extitisse proponis. Kaiser Diokletian und Maximian an Atinia Plotiana. Sind verlassene Grundstücke wegen Abgabenrückständen mit Erlaubnis des Statthalters von denen, die das Risiko der Abgabenerhebung tragen, verkauft worden und hast du sie redlich [zu einem gerechten Preis] und öffentlich gekauft, darf der wegen der Verpflichtung zu Abgaben erfolgte Kauf nicht aufgehoben werden. (1) Ist aber der Verkauf ohne ordnungsgemäße Ermächtigung des Statthalters geschehen, erlaubt das Recht nicht, ihn als gültig anzusehen, und was erfolglos abgeschlossen worden ist, muss mit der 422  Sie finden sich nicht nur bei Taubenschlag, S. 57, 174, sondern auch in jüngerer Zeit in den Arbeiten von Mayer-Maly, Pactum, Tausch und laesio enormis in den sogenannten leges barbarorum, SZ 108 (1991) 213, 226 ff., Sirks, Diocletians option for the buyer in case of rescission of a sale, TR 60 (1992) 39, 43 ff., Laesio enormis again, RIDA 54 (2007) 461 ff.; vgl. auch die gute Übersicht bei Hackl, Zu den Wurzeln der Anfechtung wegen laesio enormis, SZ 98 (1981) 147, 149 ff. 423  Hackl, SZ 98 (1981) 147, 159 f. 424  Taubenschlag, S. 147 Fn. 1038. 425  Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 389 f., Hackl, SZ 98 (1981) 147, 156 f., Pennitz, Zur Anfechtung wegen laesio enormis im römischen Recht, in: Schermaier / Rainer / Winkel (Hg.), Iurisprudentia universalis. Festschrift für Mayer-Maly, Köln u. a. 2002, S. 575, 584. 426  Hackl, SZ 98 (1981) 147, 158 f.



VI. Kaufvertrag181 Maßgabe aufgehoben werden, dass die Abgabenzahlung unbedingt gewährleistet ist. (2) Dies alles muss in Anwesenheit desjenigen verhandelt werden, den du als Käufer angibst.

Die überlieferte Fassung des Bescheids gibt insofern Rätsel auf, als sich die Kanzlei im principium an den Erwerber des Grundstücks wendet, das zur Befriedigung einer Abgabenschuld zwangsweise verkauft worden ist, während er in § 2 in der dritten Person genannt ist. Dieser Wechsel kann nur das Ergebnis einer nachträglichen Textveränderung sein. Bei ihr ist vermutlich auch der Hinweis auf das pretium iustum eingefügt worden, der in der Parallelüberlieferung der fragmenta Vaticana noch fehlt.427 Die Interpolation dieses Bescheids lässt aber keineswegs den Schluss zu, die Idee eines gerechten Preises sei Diokletians Juristen noch fremd und die Frucht philosophischer und theologischer Einflüsse auf das byzantinische Recht428. Anders als im Fall der la­ esio enormis geht es hier überhaupt nicht um die Wahrung von Austauschgerechtigkeit, sondern darum, ob der Zwangsverkauf auch gegenüber dem Steuerschuldner wirkt. Dass die Veräußerung zu einem angemessenen Preis erfolgt sein muss, bedeutet unter diesen Umständen nur eine Konkretisierung der Forderung, dass der Käufer, um sich seines Erwerbs der Sache sicher sein zu können, ‚sincera fide‘ gehandelt haben muss. Ist das Erfordernis eines pretium iustum hier erst nachträglich aufgestellt worden, rechtfertigt dies nicht die Annahme, es sei von denselben Bearbeitern als Kriterium für die Beurteilung des Austauschverhältnisses herangezogen worden. Auch für sich genommen begegnet Diokletians Entscheidung zur laesio enormis keinen Authentizitätsbedenken. Den Schlüssel zu ihrer Deutung bildet der von der Kanzlei angewendete Maßstab. Die Grenze, ab der sie eine Anfechtung des Kaufvertrags zulässt, ist keineswegs zufällig bei der Hälfte des Wertes der Kaufsache angesetzt.429 Ist sie unterschritten, haben die Parteien, objektiv gesehen, schon mehr als die Hälfte des Weges vom Idealbild eines Austauschvertrags zu einer Schenkung zurückgelegt. Zwar ist schon den klassischen Juristen bewusst gewesen, dass in einer Rechtsordnung, in der das Austauschverhältnis unkontrolliert bleibt, die Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Verträgen allein nach der Parteivereinbarung, namentlich danach erfolgen muss, ob eine einseitige Begünstigung verabredet ist oder nicht.430 Gibt die Rechtsordnung ihre Zurückhaltung auf, 427  Vgl.

Vat 22. Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 390 Fn. 39. 429  Treffend verweist Pennitz (Fn. 425), S. 587 auf den Parallelfall der domus combusta in D 18.1.57 Paul 5 Plaut, in dem über den Bestand des Kaufvertrags entscheiden soll, ob das Haus über die Hälfte zerstört worden ist; vgl. dazu auch Harke, SZ 122 (2005) 91, 95 f. 430  D 24.1.5.5 Ulp 32 Sab, D 24.1.31.3 Pomp 14 Sab; vgl. Harke, SZ 122 (2005) 91, 98 f. 428  So

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

muss zwangsläufig ein objektiver Maßstab angelegt werden. Und als Kriterium bietet sich nun die Wertrelation von 1:2 an; denn sie markiert die Mitte zwischen Austausch und Schenkung und kennzeichnet einen Fall, in dem naheliegt, dass der Vertragsschluss an einem wesentlichen Irrtum leidet:431 Kann eine Seite, wie von Diokletians Kanzlei eigens bestätigt,432 ihrer vertraglichen Bindung unter Berufung auf eine Fehlvorstellung über die Vertragsart entgehen, gilt dies nicht nur, wenn sie diese völlig verkannt hat; ein relevanter error in negotio liegt auch vor, wenn ein Verkäufer annimmt, einen reinen Kaufvertrag eingegangen zu sein, in Wahrheit aber einen gemischten Vertrag aus Schenkung und Kauf abgeschlossen hat. Lässt man eine Anfechtung unter Umständen zu, in denen mehr für eine solche Fehlannahme als dagegen spricht, hat man den Kreis der ungerechten Geschäfte, die nicht die Billigung der Rechtsordnung finden, plausibel abgegrenzt und zugleich so gezogen, dass der Grundsatz der Vertragsbindung nicht übermäßig beeinträchtig wird: Von einer Rückabwicklung betroffen sind nämlich nur Verträge, bei denen die objektive Beurteilung und die mutmaßliche Einschätzung des benachteiligten Kontrahenten so weit auseinanderfällt, dass sie schon die Vertragsgattung berührt. Es bleibt offen, inwieweit Diokletians Juristen diese Überlegungen zu Austauschgerechtigkeit und Irrtumslehre konzeptualisiert haben. Dass sie sich hiervon leiten lassen, ergibt jedenfalls der von ihnen zum Einsatz gebrachte Maßstab. Und dass es keine Einzelfallentscheidung ist, offenbart nicht nur ihr Reflex in Diokletians Preisedikt, in dem unter bestimmten Umständen ein Spielraum für eine Preisvereinbarung bis zum Doppelten des festgesetzten Preises eröffnet wird;433 es zeigt auch die spätere Reskriptenpraxis der Kanzlei. Hier wird die Anfechtung wegen laesio enormis immer wieder zum Thema der Bescheide, mit denen Diokletians Juristen auf den Wunsch von Verkäufern nach Rückabwicklung eines Kaufvertrags reagieren. So machen sie sogar in einem Reskript, das durch den besonderen Tadel des Petenten hervorsticht, einen Vorbehalt für den Fall, dass er das von ihm verkaufte Grundstück nicht zu einem vilior pretium veräußert hat:

431  Harke, SZ 122 (2005) 91, 94 ff. Dagegen will Ziliotto, La misura della sinallagmaticità: buona fede e laesio enormis, in: Garofalo (Fn. 326), Bd. 1, S. 597, 613 ff. die Entscheidung für die Anfechtbarkeit des Kaufvertrags auf das Gebot der bona ­fides zurückführen, das aber in CJ 4.44.8 gerade umgekehrt zur Verteidigung der ­Vertragsbindung angeführt wird und in CJ  4.44.5 (18. Okt.  293 / Honoré 1989; s. o. S. 178 f.) als Grund für die Anfechtung wegen dolus erscheint. 432  CJ 4.22.5 (20. Dez. 294 / Honoré 2604); s. o. S. 133. 433  Platschek, Bemerkungen zur Datierung der laesio enormis, SZ 128 (2011) 406 ff.



VI. Kaufvertrag183 CJ 4.44.12 (zwischen 18. Dez. 293 und 18. Dez. 294 / Honoré 2591) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antiocho. Non idcirco minus venditio fundi, quod hunc ad munus sumptibus necessariis urguentibus non vilioris pretii vel urguente debito te distraxisse contendis, rata manere debet. illicitis itaque petitionibus abstinendo ac pretium, si non integrum solutum est, petendo facies consultius. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antiochus. Der Verkauf eines Grundstücks büßt nicht deshalb seinen Bestand ein, weil du behauptest, du hättest wegen Ausgaben, die zur Erfüllung einer Last dringend erforderlich waren, und nicht etwa zu einem zu geringen Preis oder unter dem Zwang einer Schuld verkauft. Du tust also gut daran, von deinen unrechtmäßigen Forderungen abzugehen und die Zahlung des Kaufpreises zu verlangen, falls er noch nicht vollständig geleistet ist.

In anderen Bescheiden betont sie, dass eine einfache Divergenz zwischen Preis und Wert der Kaufsache noch keine Aufhebung des Vertrags rechtfertigt. Außer in einem Reskript, in dem der Kaufvertrag als Vergleich zur Beurteilung einer datio in ob rem herangezogen wird,434 findet sich dies noch in dem folgenden Bescheid ausgesprochen: CJ 4.44.4 (5. April 293 / Honoré 1772) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Sempronio Eudoxio. Ad rescindendam venditionem et malae fidei probationem hoc solum non sufficit, quod magno pretio fundum comparatum minoris distractum esse commemoras. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Sempronius Eudoxius. Zur Anfechtung eines Verkaufs und Nachweis von Treuwidrigkeit genügt nicht schon, dass du behauptest, ein Grundstück von hohem Wert sei zu einem geringeren Preis verkauft worden.

Eine ausführliche Stellungnahme und Klarstellung enthält ein Bescheid vom Ende des Jahres 293. Von ihm sind zum einen drei kürzere Ausschnitte erhalten, in denen es um den Nachweis von dolus435 und Erpressung436 sowie die Wiedereinsetzung wegen Minderjährigkeit437 geht; zum anderen gibt es einen längeren Text, der auch einer Anfechtung wegen laesio enormis gilt: CJ 4.44.8 (1. Dez. 293 / Honoré 2034) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aureliae Euodiae. Si voluntate tua fundum tuum filius tuus venumdedit, dolus ex calliditate atque insidiis emptoris argui debet vel metus mortis vel cruciatus corporis imminens detegi, ne habeatur rata venditio. hoc enim solum, quod paulo minori pretio fundum venumdatum significas, ad rescindendam emptionem invalidum est. quod videlicet si contractus emptionis atque venditionis cogitasses substantiam et quod emptor viliori comparandi, venditor cariori distrahendi votum gerentes ad hunc contractum accedant 434  CJ 8.42.24

(26. Dez. 294 / Honoré 2628); s. u. S. 321. (1. Dez. 293 / Honoré 2032); s. o. S. 37. 436  CJ 2.19.9 (1. Dez. 293 / Honoré 2031); s. o. S. 35 f. 437  CJ 2.31.2 (1. Dez. 293 / Honoré 2033). 435  CJ.2.20.6

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

vixque post multas contentiones, paulatim venditore de eo quod petierat detrahente, emptore autem huic quod obtulerat addente, ad certum consentiant pretium, profecto perspiceres neque bonam fidem, quae emptionis atque venditionis conventionem tuetur, pati neque ullam rationem concedere rescindi propter hoc consensu finitum contractum vel statim vel post pretii quantitatis disceptationem: nisi minus dimidia iusti pretii, quod fuerat tempore venditionis, datum est, electione iam emptori praestita servanda. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelia Euodia. Hat dein Sohn mit deinem Einverständnis ein Grundstück verkauft, muss, damit der Verkauf nicht gilt, eine Täuschung durch die Arglist oder Machenschaften des Käufers vorgebracht oder aufgedeckt werden, dass aus Furcht vor dem Tod oder einer körperlichen Folter gehandelt wurde. Dass du angibst, das Grundstück sei zu einem geringfügig zu niedrigen Preis verkauft worden, genügt nämlich für sich noch nicht zur Aufhebung des Kaufvertrags. Hättest du nämlich die Natur des Kaufvertrags bedacht, und dass der Käufer an diesen Vertrag mit dem Ziel, günstig zu kaufen, der Verkäufer mit dem Ziel, teuer zu verkaufen, herangeht und sie mühsam nach vielen Debatten einem bestimmten Preis zustimmen, wobei der Verkäufer allmählich von dem abgeht, was er gefordert hat, und der Käufer über das hinausgeht, was er angeboten hat, siehst du sicherlich ein, dass weder das Gebot der guten Treue, das die Vereinbarung eines Kaufvertrags schützt, noch ein anderer Grund erlaubt, den durch diesen Konsens geschlossenen Vertrag aufzuheben, sei es sofort, sei es nach Diskussion über den Preis; es sei denn, es sei weniger als die Hälfte des zum Verkaufszeitpunkt gerechten Preises gezahlt worden, wobei die Wahl dem Käufer offensteht.

Die Kanzlei stellt die Fragestellerin, die den von ihrem Sohn eingegangenen Kaufvertrag rückabwickeln möchte, vor hohe Hürden: Sie muss entweder eine Täuschung oder vergleichbare Machenschaft des Käufers, eine qualifizierte Bedrohung oder eine Verkürzung über die Hälfte nachweisen. Dass der Wunsch nach Aufhebung eines Vertrags wegen eines bloß minderen Ungleichgewichts der Leistungen illegitim ist, macht die Kanzlei durch einen Blick auf die Vertragsverhandlungen anschaulich: Der ausgemachte Preis ist im Regelfall das Ergebnis intensiver Verhandlungen der Parteien, die diese mit gegenläufigen Zielen aufnehmen, der Käufer, um die Kaufsache zu einem möglichst geringen Preis zu erwerben, der Verkäufer, um sie möglichst teuer zu veräußern. Haben sich beide durch gegenseitiges Nachgeben auf einen Preis verständigt, gebietet der Grundsatz der bona fides, dass diese Vereinbarung auch eingehalten wird, sofern nicht ausnahmsweise die Schwelle zur laesio enormis überschritten ist. Das hierfür erforderliche Missverhältnis von 1:2 muss aber schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen; es darf nicht erst nachträglich, insbesondere infolge von Geldwertschwund, eingetreten sein. Daher ist auch die Befugnis des Käufers, die Rückabwicklung des Vertrags durch Zahlung der Differenz zwischen Preis und Wert der Kaufsache abzuwenden, nach Maßgabe der Verhältnisse bei Eingehung des Vertrags zu bestimmen. Der Käufer ist also, wenn er an dem



VI. Kaufvertrag185

Vertrag festhalten will, nicht gezwungen, den Unterschied zum aktuellen Marktwert des Grundstücks auszugleichen. Zwar lässt sich nicht leugnen, dass das Recht zur Anfechtung wegen laesio enormis etwas unvermittelt am Ende des Textes erscheint und künstlich angefügt wirkt. Da dieser Passus inhaltlich den vorangehenden Ausführungen zu einem geringfügig zu niedrig bemessenen Preis (‚paulo minus pretium‘) keineswegs widerspricht, ist dies aber noch kein hinreichendes Indiz für eine nachträgliche Textveränderung. Dies gilt, zumal das Reskript in seiner ursprünglichen Form ja noch drei weitere, auf den Codex Iustinianus verteilte Aussagen enthielt. Müssen diese den Text von CJ 4.44.8 ergänzt haben, kann er in seiner überlieferten Form ohnehin nicht abschließend gewesen sein. Der Hinweis, dass eine Rückabwicklung auch nicht nach einer erneuten Diskussion über den Preis (‚post pretii quantitatis disceptationem‘) in Betracht kommt, lässt vermuten, dass die Fragestellerin versucht hat, sich durch Rückzahlung eines den Kaufpreis übersteigenden Betrags wieder in den Besitz des Grundstücks zu bringen. Eine solche Strategie bezeugt auch ein Reskript, das die diokletianische Kanzlei früher im Jahre 293 erlassen hat:438 CJ 4.44.6 (vor 1. Dez. 293 / Honoré 2020) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Novisio Gaiano veterano. Non est probabilis causa, propter quam rescindi consensu factam venditionem desideras. quamvis enim duplum offeras pretium emptori, tamen invitus ad rescindendam venditionem urgueri non debet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an den Veteran Novisius Gaianus. Es besteht kein rechtmäßiger Grund, aus dem du die Aufhebung des durch Konsens geschlossenen Verkaufs begehrst. Auch wenn du dem Käufer das Doppelte des Kaufpreises bietest, darf er nämlich nicht gegen seinen Willen zur Aufhebung des Verkaufs gezwungen werden.

Die Entscheidung wehrt offenbar einem Umkehrschluss, den der Petent aus der Zulassung einer Anfechtung wegen laesio enormis gezogen hat: Kann der Käufer eine Überschreitung des Kaufpreises durch den Wert der Kaufsache um das Doppelte durch Zahlung des Differenzbetrags ausgleichen, muss er sich, so denkt anscheinend der Adressat des Bescheids, im Gegenzug auch die Aufhebung des Vertrags gefallen lassen, wenn der Verkäufer ihm den doppelten Kaufpreis erstattet. Schließlich verfügt der Käufer über eine Summe, deren Zahlung ihn seinerseits zur Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte berechtigt hätte, wenn der Wert des Grundstücks bei Vertragsschluss gleich dem wirklich vereinbarten Kaufpreis gewesen wäre. Mag die Kanzlei auch vielleicht bereit sein, die Anfechtung wegen laesio enormis nicht nur einem Verkäufer, sondern auch dem Käufer zuzugestehen, kann sie dem Begehren des Fragestellers dennoch nicht entsprechen, weil das Missverhältnis, das 438  Den

Zusammenhang zur laesio enormis sieht auch Pennitz (Fn. 425), S. 584.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

durch die nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises eintritt, den Käufer zur Anfechtung lediglich berechtigen, nicht dagegen verpflichten würde. Dass die Kanzlei dem an sie herangetragenen Wunsch eigens eine Absage erteilen muss, zeigt aber, dass die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte seit ihrer Einführung im Jahr 285 in der Rechtspraxis präsent ist.

VII. Verdingung (locatio conductio) Der Bestand an Reskripten zur locatio conductio ist deutlich kleiner als die Zahl der Bescheide zum Kaufvertrag. Und unter den wenigen Konstitu­ tionen, die sich auf die Verdingung beziehen, gibt es einige, in denen die schuldrechtlichen Fragen mit einem sachenrechtlichen Thema verknüpft sind. Hierzu gehört die Entscheidung, in der die Kanzlei die Formfreiheit eines Pachtvertrags bestätigt: CJ 4.65.24 (25. Dez. 293 / Honoré 2086) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Antonino. Contractus locationis conductionisque non intervenientibus etiam instrumentis ratus habeatur: secundum quod heredes conductoris, etsi non intervenerint instrumenta, non uxorem convenire debes. sane de posteriore tempore, quo conductricem ipsam proponis fuisse, adesse fidem precibus tuis probans pensiones integras ab ea pete. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Antoninus. Ein Pachtvertrag gilt auch ohne Beurkundung als gültig; daher musst du auch dann, wenn es nicht zur Beurkundung gekommen ist, die Erben des Pächters und nicht seine Ehefrau belangen. Freilich kannst du für die spätere Zeit, in der, wie du vorträgst, sie selbst Pächterin gewesen ist, die volle Pacht von ihr fordern, wenn du die Berechtigung deines Begehrens nachweist.

In der Fehlannahme, der mit dem Ehemann geschlossene Pachtvertrag sei mangels Einhaltung der Schriftform ungültig, versucht der Verpächter, die Ehefrau des verstorbenen Pächters als Besitzerin des verpachteten Grundstücks in Anspruch zu nehmen. Dabei fordert er vermutlich im Wege der rei vindicatio die Herausgabe des Grundstücks sowie die Auskehr der gezogenen und noch vorhandenen Früchte. Die Kanzlei verweist ihn an die Erben des Pächters, von denen er die Zahlung des Pachtzinses verlangen kann. Da der Pachtvertrag keiner Form bedarf, ist er gültig zustande gekommen und mit dem Tod des Pächters auf dessen Rechtsnachfolger übergegangen. Das ihnen deshalb zustehende Besitzrecht schließt die Vindikation des Grundstücks oder der hieraus gezogenen Früchte aus. Der von der Kanzlei korrigierte Rechtsirrtum439 ist das Produkt einer Vertragspraxis, in der Grundstückspachtverträge durchgängig beurkundet wer439  Mayer-Maly, Locatio conductio, Wien u. a. 1956, S. 88 sieht ihn auch in der Betonung der Formfreiheit der locatio conductio in GE 2.9.15 am Werke.



VII. Verdingung187

den.440 Eine weitere Spur hat dieser Brauch, der sich mit griechischen Rechtsvorstellungen deckt, aber keineswegs hierauf zurückgehen muss,441 im Wortlaut eines anderen Reskripts hinterlassen. In ihm bescheinigt die Kanzlei zwei Pächtern, dass sie bei Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag das von ihnen gestellte Inventar, das der Verpächter zurückhält, he­ rausverlangen können. Um die Freiheit von weiteren Pflichten aus dem Pachtvertrag auszudrücken, bedient sich die Kanzlei dabei der Formulierung, dass die über den Pachtvertrag aufgenommene Urkunde ihre Kraft verloren habe (‚instrumentum evanuit‘): CJ 4.65.26 (29. April 294 / Honoré 2329) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Opilioni et Hermio. Si conductionis implestis fidem, eius rei gratia factum instrumentum evanuit. quod si quid vestrum in fundo fuit vel vi direptum est, hoc restitui vobis praeses provinciae iubebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Opilio und Hermius. Habt ihr den Pachtvertrag eingehalten, ist die deshalb aufgesetzte Urkunde kraftlos geworden. Ist aber eine euch gehörende Sache auf dem Grundstück geblieben oder gewaltsam entrissen worden, soll der Provinzstatthalter anordnen, dass sie auch herausgegeben wird.

Gleich an zwei Stellen begegnet der mit dem Verbot der emptio rei suae verwandte Satz von der Unwirksamkeit einer Miete oder Pacht der eigenen Sache.442 Streitpunkt ist aber jeweils nicht die hierdurch entschiedene Frage nach der Wirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrags, sondern inwieweit die Rollenverteilung bei der locatio conductio die Auseinandersetzung über das Eigentum an der betroffenen Sache präjudiziert. Da ihr Eigentümer gewöhnlich auf Vermieter- oder Verpächterseite steht, überrascht es nicht, dass der locator diesen Umstand ins Feld führt, wenn später Streit um das Eigentum entsteht. Er kann ihn zum einen gleichsam materiellrechtlich nutzen, indem er eine mit dem Abschluss des Miet- oder Pachtvertrags einhergehende Übereignung der Sache behauptet, die den Mieter selbst dann, wenn er vorher Eigentümer gewesen sein sollte, seines Rechts beraubt hätte.443 Zum anderen kann er die Vermietung oder Verpachtung als Stütze für sein Vorbringen verwenden, Eigenbesitzer und folglich Beklagter im Vindikationsprozess zu Einfluss hellenistischen Rechtsdenkens schreibt dies Mitteis, S. 516 zu. Taubenschlag, S.  140 f. 442  Mayer-Maly (Fn. 439), S. 118 wertet dies als Zeichen für eine Vorform der Hörigkeit, wie sie erstmals mit der von Konstantin 332 verordneten Bindung der Kolonen an den von ihnen gepachteten Boden hervortritt (vgl. CTh 5.17.1). Dass in den von Diokletian entschiedenen Fällen gerade um das Eigentum gestritten wird, spricht aber klar gegen eine solche Deutung. 443  Zimmermann (Fn. 299), S. 48 f. nennt dies eine Übereignung durch Besitzkonstitut. Dies trifft zwar das Ergebnis, wenn man es modern beschreiben will, nicht aber die antike Konstruktion, weil die Detention von Mieter und Pächter keine Form der Besitzmittlung darstellt. 440  Dem 441  So

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

sein, was ihm den Beweis seiner Rechtsstellung erspart. Wie die Kanzlei selbst ausführt, muss ein conductor nämlich, auch wenn er später sein Eigentum an der gemieteten oder gepachteten Sache behauptet, diese als Fremdbesitzer zunächst einmal zurückgeben und im Eigentumsrechtsstreit die Klägerrolle übernehmen:444 CJ.4.65.25 (30. Dez. 293 / Honoré 2110) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Epagatho. Si quis conductionis titulo agrum vel aliam quamcumque rem accepit, possessionem debet prius restituere et tunc de proprietate litigare. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Epagathus. Hat jemand ein Ackergrundstück oder eine andere Sache aufgrund eines Pachttitels erhalten, muss er zunächst den Besitz herausgeben und dann den Rechtsstreit um das Eigentum aufnehmen.

Diokletians Juristen erteilen beiden Varianten der Argumentation des Vermieters oder Verpächters mit Hilfe der locatio conductio keine regelrechte Absage; sie erklären sie aber für nicht zwingend, indem sie auf die Möglichkeit eines Irrtums des Mieters oder Pächters über sein Eigentumsrecht verweisen. Gegen die durchgängige Unterstellung einer Übereignung wendet sie sich dabei in CJ 4.65.20 (29. April 293 / Honoré 1847): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Carpophoro. Qui rem propriam conduxit existimans alienam, dominium non transfert, sed inefficacem conductionis contractum facit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Carpophorus. Wer seine eigene Sache in dem Glauben gemietet hat, es sei eine fremde, überträgt nicht sein Eigentum, sondern ist einen unwirksamen Mietvertrag eingegangen.

Und dem Schluss auf den Eigenbesitz des Vermieters oder Verpächters wehrt sie in CJ 4.65.23 (vor 25. Dez. 293 / Honoré 2084): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Prisco. Ad probationem rei propriae sive defensionem non sufficit locatio ei facta, qui post de dominio coeperit contendere, cum nescientia dominii proprii et errantis nullum habeat consensum: sed ex eventu, si victus fuerit, contractus locationis non constitisse magis declaratur. nemo enim sibi iure possessionem mutare potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Priscus. Zum Nachweis des Eigentums oder zur Verteidigung genügt nicht, dass sie demjenigen vermietet worden ist, der später das Eigentum daran geltend macht, da die Unkenntnis vom eigenen Eigentum und der Irrtum keine Zustimmung bedeuten; vielmehr wird, 444  Zimmermann (Fn. 299), S. 52 will diese Aussage zu Recht nicht als Beleg für die Zulassung einer conductio rei suae gelten lassen.



VII. Verdingung189 wenn er unterlegen ist, schließlich der Mietvertrag als unwirksam erwiesen. Niemand kann sich nämlich seinen Besitz ändern.

Sowohl die Übereignung als auch Verschaffung des Eigenbesitzes kann nicht ohne Mitwirkung des Mieters oder Pächters erfolgen: Zwar sind tradi­ tio und possessio zunächst einmal Fakten und keine Rechtsgeschäfte. Um die vom Vermieter oder Verpächter erstrebten Wirkungen zu zeitigen, müssen sie jedoch von einem Rechtsakt begleitet sein: Bei der Übereignung ist es die Vereinbarung über die causa, die insbesondere in einer Schenkungsabrede oder einem Kaufvertrag liegen kann und zu ihrer Wirksamkeit hier wie dort den consensus der Parteien voraussetzt. Hieran fehlt es, wenn der vermeintliche Veräußerer sein Eigentum an der betroffenen Sache verkennt und daher gar nicht mit der Möglichkeit eines eigentumsübertragenden Geschäfts rechnet.445 Dass auch beim Erwerb des Eigenbesitzes eine vergleichbare Zustimmung des anderen Teils erforderlich ist, ergibt sich aus der von Diokletians Kanzlei eigens zitierten Regel: ‚nemo sibi ipse causam possessionis mutare potest‘.446 Diese verhindert entgegen ihrer heute gängigen Deutung nicht nur eine eigenmächtige Auswechslung des Rechtsgrunds für eine schon vorhandene possessio, sondern zuvörderst und nach ihrem ursprünglichen Zweck einen Wechsel der Besitzart: Niemand kann sich eigenmächtig zum Eigenbesitzer aufschwingen und so die Beweislastverteilung für den Eigentumsrechtsstreit präjudizieren.447 Nur in diesem Sinne entfaltet der Satz auch in dem von Diokletian entschiedenen Fall seine Wirkung:448 Es bedarf von vornherein keiner Begründung, dass sich ein Fremdbesitzer durch den Abschluss eines auf Sachüberlassung an deren anderen Teil gerichteten Vertrags keinen Rechtsgrund für den eigenen Besitz schaffen kann. Nicht ausgeschlossen ist dagegen, dass er sich auf diese Weise vom Fremd- zum Eigenbesitzer macht, weil er mit dem Vertragsschluss eben seine Selbsteinschätzung dokumentiert, die Sache zu eigen zu haben.449 Das Verbot der eigenmächtigen Besitzumwandlung versperrt ihm diesen Weg und verlangt für die Besitzänderung die Mitwirkung des betroffenen Kontrahenten. Zwar lässt sich diese wiederum, objektiv gesehen, durchaus in dem Abschluss des Miet- oder Pachtvertrags erkennen. Damit sie als Zustimmung zum Wechsel vom Fremd- zum Eigen445  Harke,

Si error aliquis intervenit, S. 154. Zimmermann (Fn. 299), S. 50 f., der annimmt, auch in diesem Bescheid gehe es um die Unterstellung einer konkludenten Übereignung. 447  Ausführlich Harke, SZ 134 (2017) 234 ff. 448  Harke SZ 134 (2017) 275 f. Anders zu Unrecht noch Harke, Si error aliquis intervenit, S.  153 f. 449  Um einen vergleichbaren Wandel in der Besitzposition geht es vermutlich auch in CJ 7.32.5 (zw. 1. Aug. 290 und 31. Dez. 292 / Honoré 1687); hierzu Harke SZ 134 (2017) 276. 446  Anders

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

besitz gedeutet werden kann, bedarf es auf Seiten des Vertragspartners jedoch des Bewusstseins, dass überhaupt eine Veränderung der Besitzlage eintritt. Hieran mangelt es aber, wenn der Mieter oder Pächter seine Rechtsstellung verkennt und den Vermieter oder Verpächter für den Eigentümer der Sache hält. Obwohl es um unterschiedliche Akte, einerseits den consensus über den Rechtsgrund der Übereignung, andererseits die Zustimmung zur Besitzumwandlung geht, kann die diokletianische Kanzlei in beiden Fällen auf zwei schon in der Klassik erprobte Sätze zurückgreifen. Im einen Fall ist es die Maxime: ‚nemo rem suam errans amittit‘,450 im anderen ist es die ihr zugrunde liegende, allgemeinere Regel: ‚errantis voluntas nulla est‘451, von der Diokletians Juristen auch in der Frage einer Freilassung durch stillschweigende Duldung ausgehen452. Der Fehlvorstellung eines Eigentümers über sein Recht an einer Sache kommt danach nicht als solche Bedeutung zu; sie schließt aber sein Bewusstsein von der Bedeutung eines Verhaltens aus, das sich nach seinem objektiven Erscheinungsbild als Zustimmung zu einem Akt deuten lässt, durch den sich die Rechtsstellung des Gegenüber verbessert. Dem in seinem Verhalten manifestierten Einverständnis kann der Irrende dadurch die Wirkung nehmen, dass er seinen Irrtum über dessen mögliche Bedeutung dartut. Kann er diesen Nachweis führen, steht zugleich fest, dass die locatio conductio am Verbot eines Geschäfts mit einer res sua scheitert, so dass der Vermieter oder Verpächter keinen Miet- oder Pachtzins verlangen kann und schon erhaltene Zahlungen, da sie unbewusst auf eine Nichtschuld geleistet worden sind, zurückerstatten muss. Die schuldrechtliche Seite der Verdingung ist meist Gegenstand von nur in sehr knapper Form überlieferten Entscheidungen. So stellt die diokletianische Kanzlei an einer Stelle die Verzinsung von Geldleistungen fest, die einem locator als Miete, Pacht oder Werklohn geschuldet sind: CJ 4.65.17 (18. März 290 / Honoré 1557) Imp. Diocletianus et Maximianus AA. Hostilio Hectario. Praeses provinciae ea quae ex locatione debentur exsolvi sine mora curabit, non ignarus ex locato et conducto actionem, cum sit bonae fidei, post moram usuras legitimas admittere. Kaiser Diokletian und Maximian an Hostilius Hectarius. Der Provinzstatthalter soll dafür sorgen, dass eine Schuld aus Verdingung ohne Verzug erfüllt wird, eingedenk dessen, dass die Klage aus der Verdingung, da sie dem Gebot der guten Treue unterliegt, nach Verzugseintritt gesetzliche Zinsen einschließt. 450  D 41.1.35 Ulp 7 disp; hierzu ausführlich Harke, Error in dominio?, SZ 121 (2004) 129 ff. 451  Hierzu Harke, Si error aliquis intervenit, S.  146 ff. 452  CJ 1.18.8 (28. Aug. 294 / Honoré 2363), CJ 1.18.9 (8. Dez. 294 / Honoré 2540); hierzu Harke, Si error aliquis intervenit, S.  150 ff.



VII. Verdingung191

Die Herleitung der Zinspflicht aus dem Gebot der bona fides453 findet eine Entsprechung in der Argumentation zur negotiorum gestio454 und einer unter Caracalla ergangenen Entscheidung der Kanzlei zur Verzinsung der Vergütung, die ein Werkunternehmer bei der locatio conductio operis mit der actio conducti einfordern kann: CJ 4.65.2 (1. Juli 213 / Honoré 308) Imp. Antoninus A. Epidio Epicteto. Adversus eos, a quibus extruenda aedificia conduxisti, ex conducto actione consistens eo iudicio quod est bonae fidei debitum cum usuris solitis consequeris. Kaiser Antoninus an Epidius Epictetus. Erhebst du gegen diejenigen, von denen du die Errichtung von Gebäuden übernommen hast, die Verdingungsklage, erlangst du mit ihr, da sie dem Gebot von Treu und Glauben unterliegt, das Geschuldete einschließlich üblicher Zinsen.

Auf die nur in der Kognitur denkbare Naturalvollstreckung von Ansprüchen scheinen zwei weitere Entscheidungen der diokletianischen Kanzlei zu zielen. In dem einen Fall geht es um die aufgrund einer locatio conductio operarum geschuldete Dienstleistung. In dem von der bona fides gesteckten Rahmen hält die Kanzlei ihre Erbringung offenbar für erzwingbar: CJ 4.65.22 (vor 25. Dez. 293 / Honoré 2083) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Papiniano. Si hi, contra quos supplicas, facta locatione temporis certi suas tibi locaverint operas, quatenus bona fides patitur, causa cognita competens iudex conventionem servari iubebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Papinian. Haben diejenigen, gegen die du deine Eingabe richtest, dir durch eine Verdingung für bestimmte Zeit ihren Dienst überlassen, soll der zuständige Richter anordnen, dass die Vereinbarung eingehalten wird, soweit das Gebot der guten Treue es zulässt.

Dasselbe gilt anscheinend für die Schadensersatzpflicht, die den Pächter eines Grundstücks trifft, wenn er hierauf befindliche Gebäude beschädigt hat. Nach Ansicht der Kanzlei kann der Verpächter ihn zur Wiederherstellung zwingen, falls sich nicht etwas anderes aus einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung über die Instandhaltung des Grundstücks ergibt: CJ 4.65.29 (nach 17. Sept. 294 / Honoré 2726) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Iuliano. Cum conductorem aedificia, quae suscepit integra, destruxisse proponas, haec heredes etiam eius prae­ses provinciae instaurare aedificiorum inter vos habita ratione iubebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Julian. Da du vorträgst, der Pächter habe Gebäude zerstört, die er in unversehrtem Zustand übernommen habe, soll der Provinzstatthalter anordnen, dass auch seine Erben sie 453  Auf 454  s. o.

sie trifft man auch bei Paulus in D 19.2.54pr 5 resp. S.  42 f.

192

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

entsprechend der zwischen euch getroffenen Vereinbarung über die Gebäude wiederherstellen.

In dem folgenden Bescheid geht es um den Maßstab der Haftung beim Umgang mit Sachen, die einer Vertragspartei nicht zur Nutzung, sondern zu dem Ziel überlassen werden, dass der Übernehmer an ihr seine Leistung erbringt. Beim Werkvertrag ist es der conductor, der vom locator das Substrat für seine Werkleistung erhält; beim Dienstvertrag ist es der locator, der zuweilen eine Sache des conductor übernimmt, um so die geschuldete Dienstleistung zu erbringen. In beiden Fällen gilt gleichermaßen, dass der Verlust oder die Beschädigung der überlassenen Sache eine Haftung des Sachübernehmers auch ohne sein Verschulden zeitigt, weil er für custodia der Sache einzustehen hat. Eine Ausnahme gilt nur im Fall der höheren Gewalt:455 CJ 4.65.28 (17. Sept. 294 / Honoré 2370) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Tusciano Neoni. In iudicio tam locati quam conducti dolum et custodiam, non etiam casum, cui resisti non potest, venire constat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Tuscianus Neo. Es steht fest, dass mit der Verdingungsklage für Arglist und Bewachung, nicht aber für Zufall gehaftet wird, dem man nicht widerstehen kann.

Mit eher lakonischen Äußerungen ist auch die Landpacht bedacht. Von einer bemerkenswerten Aufweichung der forma contractus infolge des Geldwertschunds zeugt dabei trotz aller Kürze das folgende Reskript: CJ 4.65.21 (8. Okt. 293 / Honoré 1977) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antoniae. Si olei certa ponderatione fructus anni locasti, de contractu bonae fidei habito propter hoc solum, quod alter maiorem obtulit ponderationem, recedi non oportet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antonia. Hast du die Ernte eines Jahres gegen ein bestimmtes Gewicht an Öl verpachtet, darf von dem nach guter Treue eingegangenen Vertrag nicht deshalb abgegangen werden, weil ein anderer ein größeres Gewicht geboten hat.

Während die Ermahnung des Petenten zur Vertragstreue im Fall eines besseren Angebots eine Selbstverständlichkeit ist, die allerdings die Reaktion auf eine griechische Rechtspraxis bedeuten könnte,456 überrascht der Gegenstand der vereinbarten Leistungspflichten: Auf der einen Seite steht die Überlassung eines Grundstücks zur Bewirtschaftung für ein Jahr, auf der anderen Seite die Lieferung einer bestimmten Menge Öls. Damit liegt eine Vereinbarung nach dem Muster ‚facio ut facias‘457 vor, die eigentlich zu den Inomi455  Mayer-Maly (Fn. 439), S. 214 vermisst hier die ausdrückliche Erwähnung der culpa, die aber neben der custodia-Pflicht keine Relevanz hat. 456  Taubenschlag, S. 147 und Liebs (Fn. 24), S. 99. 457  D 19.5.5pr Paul 5 quaest.



VII. Verdingung193

natrealkontrakten und nicht mehr in den Anwendungsbereich der locatio conductio gehört, bei der ein in Geld bemessener Preis vereinbart sein muss458. Dass diese inflationsanfällige Leistung des conductor durch eine Sachlieferung ersetzt werden kann, folgt aber fast zwingend aus der gesellschaftsähnlichen Struktur der Landpacht.459 Sie führt nicht nur dazu, dass der Pächter zur Bewirtschaftung des überlassenen Grundstücks verpflichtet ist460 und im Gegenzug eine Beteiligung des Verpächters am Nutzungsrisiko in Gestalt der bei Missernte gebotenen remissio mercedis erwarten darf461. Schon den klassischen Juristen bot sie Anlass, das in der Antike weit verbreitete Konzept der Teilpacht als Erscheinungsform der locatio conductio anzusehen.462 Kann sich der Pächter, ohne den Rahmen dieses Vertragsmodells zu verlassen, statt zu einer Geldzahlung zur Auskehr eines Teils der Ernte an den Verpächter verpflichten, muss es beiden Parteien erst recht möglich sein, sich auf eine bestimmte Menge zu einigen, zu der der Verpächter am Ertrag des überlassenen Grundstücks beteiligt sein soll. Denn eine solche Vereinbarung steht der Bestimmung einer in Geld bemessenen merces certa näher als die Aufteilung der Früchte; und sie lässt ebenso Raum für eine remissio mercedis im Fall einer Missernte. Dass diese bei der Teilpacht automatisch eintritt, stellt Diokletians Kanzlei in einer anderen Entscheidung fest:463 CJ 4.65.18 (21. Sept. 290 / Honoré 1631) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Annio Ursino. Excepto tempore, quo edaci lucustarum pernicie sterilitatis vitium incessit, sequentis temporis fructus, quos tibi iuxta praeteritam consuetudinem deberi constiterit, reddi tibi praeses provinciae iubebit. Kaiser Diokletian und Maximian an Annius Ursinus. Der Provinzstatthalter soll anordnen, dass dir mit Ausnahme der Zeit, in der wegen Heuschreckenfraß eine Missernte vorkam, die Früchte aus der nachfolgenden Zeit herausgegeben werden, von denen sich ergibt, dass sie dir nach dem bisherigen Brauch geschuldet werden. 458  Gai

3.142.

Harke, Locatio conductio, Kolonat, Pacht, Landpacht, Berlin 2005, S.  22 ff. 460  D 19.2.25.3 Gai 10 ed prov. 461  D 19.2.15pr.-2, 4 Ulp 32 ed, D 19.2.25.6 Gai 10 ed prov. 462  D 19.2.25.6 Gai 10 ed prov. Einen Bezug zur Teilpacht stellt auch Mayer-Maly (Fn. 439), S. 135 her. 463  Vgl. Harke (Fn. 459), S. 13 Fn. 7. Den im Bescheid angebrachten Verweis auf die consuetudo versteht Mayer-Maly (Fn. 439), S. 144 Fn. 19 im Sinne eines Vorbehalts für den Fall, dass die remissio mercedis nicht abbedungen ist. Zum einen steht die consuetudo praeterita aber eher für das bisherige Verhalten der Vertragsparteien selbst als für die Geschäftspraxis; zum anderen ist bei einer Teilpacht, die auf Auskehr eines Anteils der Früchte gerichtet ist, gar kein Raum für einen regelrechten Nachlass der Pacht, die ja automatisch reduziert wird. 459  Ausführlich

194

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Um die remissio mercedis im eigentlichen Sinn,464 die nur bei einer fix bemessenen Pacht denkbar ist, geht es in dem nächsten Reskript: CJ 4.65.19 (27. April 293 / Honoré 1835) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Iulio Valentino. Circa locationes atque conductiones maxime fides contractus servanda est, si nihil specialiter exprimatur contra consuetudinem regionis. quod si alii remiserunt contra legem contractus atque regionis consuetudinem pensiones, hoc aliis praeiudicium non possit adferre. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Julius Valentinus. Bei Verdingungen sind die Verträge einzuhalten, sofern nicht ausdrücklich eine Abweichung vom örtlichen Gebrauch bestimmt ist. Haben einige entgegen den Bestimmungen des Vertrags oder dem örtlichen Geschäftsgebrauch die Pacht erlassen, kann dies nicht zum Nachteil der anderen ausfallen.

Die Befugnis des Pächters, wegen Missernte eine Herabsetzung der Pacht zu verlangen, unterliegt der näheren Ausgestaltung im einzelnen Vertrag oder durch die örtliche Verkehrssitte, die mangels einer speziellen Bestimmung zum Gegenstand der Vereinbarung wird.465 Nicht betroffen ist sie dagegen von dem Verhalten anderer Verpächter, die sich in Abweichung von Vertrag oder Geschäftsgebrauch dazu entschieden haben, einem Pächter einen Nachlass zu gewähren; denn mit einem solchen Verhalten können sie zwar die künftige Verkehrssitte, nicht dagegen den Erwartungshorizont der Parteien im Moment des Vertragsschlusses prägen. Auf ihn kann sich ein Verpächter berufen, der seinem Vertragspartner den Nachlass in Überstimmung mit einer ausdrücklichen Bestimmung oder dem früheren Geschäftsgebrauch verweigert. Das Zusammenspiel von einzelvertraglicher Regelung und örtlicher Verkehrssitte bei der remissio mercedis hat die Kanzlei schon in einer unter Severus Alexander ergangenen Entscheidung beschäftigt: CJ 4.65.8 (1. Aug. 231 / Honoré 865) Imp. Alexander A. Sabiniano Hygino. Licet certis annuis quantitatibus fundum conduxeris, si tamen expressum non est in locatione aut mos regionis postulat, ut, si qua labe tempestatis vel alio caeli vitio damna accidissent, ad onus tuum pertinerent, et quae evenerunt sterilitates ubertate aliorum annorum repensatae non probabuntur, rationem tui iuxta bonam fidem haberi recte postulabis, eamque formam qui ex appellatione cognoscet sequetur. Kaiser Alexander an Sabinianus Hyginus. Hast du ein Grundstück für eine bestimmte Anzahl Jahren zu einem bestimmten Betrag gepachtet und ist auch bei der Verpachtung nicht ausdrücklich vereinbart oder vom Geschäftsgebrauch gefordert, Capogrossi Colognesi, Remissio mercedis, Neapel 2005, S. 87 ff. Mayer-Maly (Fn. 439), S. 144, der annimmt, die fides contractus sei hier mit der Verkehrssitte gleichgesetzt, und deshalb auch in einer lex contractus nicht die individuelle Parteivereinbarung sehen will. 464  Hierzu

465  Anders



VIII. Gesellschaft195 dass, wenn ein Schaden durch Unwetter oder andere Klimaereignisse eintritt, dies zu deinen Lasten geht, forderst du, wenn nicht nachgewiesen wird, dass die Missernte durch einen Überschuss in anderen Jahren ausgeglichen wird, zu Recht, dass nach dem Gebot der guten Treue auf deine Position Rücksicht genommen wird, und der Richter, der auf die Berufung für Recht erkennt, soll dies tun.

Die Kanzlei führt die Befugnis des anfragenden Pächters, wegen Missernte, die nicht durch Überertrag in anderen Jahren ausgeglichen wird, eine Minderung der Pacht zu verlangen, auf das Gebot der bona fides zurück. Maßgeblich hierfür sind ausweislich des in seiner überlieferten Form unverständlichen und daher wahrscheinlich korrumpierten ersten si-Satzes466 zwei Faktoren: zum einen die individuelle Vereinbarung der Parteien, durch die insbesondere das Recht auf Herabsetzung der Pacht ausgeschlossen werden kann, zum anderen der Geschäftsgebrauch, der mangels abweichender Vereinbarung automatisch zum Gegenstand des Vertrags wird.

VIII. Gesellschaft (societas) Die Gesellschaft ist im untersuchten Reskriptencorpus in noch geringerem Maße vertreten als die Verdingung. Die Handvoll an Bescheiden, in denen es um die societas geht, halten keine Überraschungen bereit, betreffen aber die seit jeher diskutierten Grundfragen dieses Rechtsinstituts. Dies gilt etwa für die Entscheidung der schon im klassischen Recht geklärten Frage, ob eine Gesellschaft auch mit einem Arbeitsgesellschafter eingegangen werden kann, der keine Einlage in Form einer Geldleistung oder vergleichbaren Zuwendung er-, sondern nur seine Arbeitskraft einbringt:467 CJ 4.37.1 (5. Mai 293 / Honoré 1877) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio. Societatem uno pecuniam conferente alio operam posse contrahi magis obtinuit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius. Es hat sich eher die Ansicht durchgesetzt, dass eine Gesellschaft so eingegangen werden kann, dass einer eine Geldeinlage leistet, der andere seine Arbeitsleistung einbringt.

Ausgemacht ist auch, dass eine Gesellschaft nur so lange dauert, wie der unter den Gesellschaftern bestehende Konsens andauert, und folglich durch die Kündigung einer Partei aufgelöst wird:468

466  Mayer-Maly (Fn. 439), S. 145 will vor ‚postulat‘ ein ‚non‘ einfügen und trifft damit, wenn auch nicht unbedingt den ursprünglichen Wortlaut, so doch sicher den Sinn, den dieser Einschub im Original hatte. 467  Gai 3.149. 468  Gai 3.151; vgl. Müller-Kabisch (Fn. 341), S. 136 ff.

196

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

CJ 4.37.5 (21. Dez. 294 / Honoré 2610) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Theodoro. Tamdiu societas durat, quamdiu consensus partium integer perseverat. proinde si iam tibi pro socio nata est actio, eam inferre apud eum, cuius super ea re notio est, non prohiberis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Theodorus. Eine Gesellschaft dauert so lange, wie der Konsens der Parteien unvermindert anhält. Daher bist du, wenn du schon die Gesellschafterklage erworben hast, nicht gehindert, sie vor demjenigen zu erheben, der in dieser Sache zu erkennen hat.

Unklar ist, welche Folgerung die Kanzlei aus diesem Satz für den konkreten Fall zieht: Dass der Fragesteller die Gesellschafterklage erheben kann, lässt sich einerseits so verstehen, dass er die Gesellschaft jederzeit auflösen kann, indem er eine auf Gesamtabrechnung und Auseinandersetzung gerichtete Klage anstellt; es lässt andererseits aber auch so deuten, dass die Gesellschaft durch eine Klage, wenn sie nicht auf Beendigung des Rechtsverhältnisses gerichtet ist, noch nicht automatisch beendet wird. Eine solche Klage manente societate ist auch im klassischen Recht schon anerkannt.469 Ihre Zulässigkeit ergibt sich daraus, dass die actio pro socio nicht zwangsläufig, sondern nur deshalb auflösende Wirkung hat, weil man in ihr eine konkludente Kündigung erkennt.470 Wo dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, bleibt die Gesellschaft ungeachtet des Rechtsstreits bestehen.471 Um die Auflösung einer Gesellschaft durch den Tod eines ihrer Mitglieder geht es in dem folgenden Reskript, mit dem die Kanzlei dem Erben eines Bergwerksgesellschafters eine Klage auf das Auseinandersetzungsguthaben des Erblassers zugesteht: CJ 4.37.3 (27. Aug. 293 / 294 / Honoré 2362) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Victorino militi. Cum in societatis contractibus fides exuberet conveniatque aequitatis rationibus etiam compendia aequaliter inter socios dividi, praeses provinciae, si patrem tuum salinarum societatem participasse et non recepta communis compendii portione rebus humanis exemptum esse reppererit, commodum societatis, quod deberi iuxta fidem veri constiterit, restitui tibi praecipiet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an den Soldaten Aurelius Victorinus. Da bei Gesellschaftsverträgen das Gebot der Treue gilt und ausgemacht ist, dass auch der Gewinn gleichmäßig unter den Gesellschaftern geteilt wird, soll der Provinzstatthalter, wenn er feststellt, dass dein Vater an einer Salzbergwerksgesellschaft beteiligt war und gestorben ist, ohne seinen gewöhnlichen Anteil am Gewinn zu erhalten, dafür sorgen, dass der Gesellschaftsgewinn, der wirklich geschuldet wird, dir herausgegeben wird. 469  D 17.2.65.15

Paul 32 ed. Paul 32 ed (mit Proculus-Zitat). 471  Harke, Societas als Geschäftsführung und das klassische römische Obligationensystem, TR 73 (2005) 43, 61 f. 470  D 17.2.65pr



VIII. Gesellschaft197

Unklar bleibt hier, weshalb die Entstehung des Anspruchs und sein Übergang auf den Erben überhaupt in Zweifel geraten sein können. Denkbar ist sowohl, dass gerade die Regel von der Auflösung der Gesellschaft durch den Tod des Gesellschafters472 ein, freilich schlichtes, Argument gegen die Berechtigung des Erben geboten hat, als auch umgekehrt, dass sich die anderen Gesellschafter gerade darauf berufen haben, dass der Tod eines Gesellschafters keineswegs durchgängig, insbesondere nicht bei einer societas publica­ norum, zur Beendigung der Gesellschaft führt473. Selbstverständlich ist die Auflösung der Gesellschaft durch Tod dagegen im Fall einer societas omnium bonorum unter Ehegatten.474 Hierauf bezieht sich die letzte Entscheidung:475 CJ 4.37.4 (vor 21. Dez. 294 / Honoré 2609) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Celeri. Si societatis iure vel transactioni stipulatione subdita bonorum omnium aequis partibus inter te et Fabiam divisionem recte fieri placuit, quo minus haec rata serventur, nihil interest, utrumne testatus, qui fuerit obligatus, an intestatus rebus sit humanis exemptus. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Celer. Ergibt sich, dass zwischen dir und Fabia nach Gesellschaftsrecht oder durch vergleichsweise abgegebenes Stipulationsversprechen eine Aufteilung des gesamten Vermögens zu gleichen Teilen erfolgen soll, so kommt es, damit dem nicht zuwider gehandelt wird, nicht darauf an, ob der Verpflichtete ein Testament errichtet hat oder ohne Testament gestorben ist.

In diesem Fall ist der Grund für den Streit handgreiflich: Da die Aufteilung des von den Ehegatten gemeinsam erarbeiteten Vermögens eine Funktion erfüllt, wie sie gewöhnlich Verfügungen von Todes wegen zukommt, ist die Frage keineswegs abwegig, ob die Rechtsnachfolge nach dem verstorbenen Ehegatten einen Einfluss auf die Auseinandersetzung der Gesellschaft hat. Zu einer Erstreckung des erbrechtlichen Regimes auf Rechtsgeschäfte unter Lebenden kommt es etwa bei der Zulassung der querella inofficiosi testamenti gegen beeinträchtigende Schenkungen476. Die diokletianische Kanzlei verwirft den Gedanken aber und sondert die societas omnium bono­ rum damit klar von den Verfügungen von Todes wegen.

472  D 17.2.63.10

Ulp 31 ed, D 17.2.65.9 Paul 32 ed. Pomp 12 Sab; hierzu Meissel (Fn. 308), S. 212 ff. 474  Belegt ist sie auch durch D 34.1.16.3 Scaev 18 dig. 475  Meissel (Fn. 308), S. 129. 476  Hierzu etwa CJ 3.29.5 (28. Feb. 286 / Honoré 1471) und CJ 3.29.6 (26. April 286 / Honoré 1485). 473  D 17.2.59pr

198

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

IX. Auftrag (mandatum) Mehr Raum als die Gesellschaft füllt der Auftrag. Auch bei ihm stoßen wir aber auf eine Entscheidung, die eigentlich nicht schuldrechtlichen Fragen, sondern dem schon von der locatio conductio bekannten Problem gilt, inwieweit sich der Vertrag auf die dingliche Rechtslage auswirkt. Es geht nämlich darum, ob ein Auftrag zugleich eine Vollmacht zur Verfügung über eine Sache des Geschäftsherrn darstellt: CJ 4.35.12 (16. Dez. 293 / Honoré 2055) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Firmo. Cum mandati negotii contractum certam accepisse legem adseveres, eam integram secundum bonam fidem custodiri convenit. unde si contra mandati tenorem procurator tuus ad te pertinentem fundum vendidit nec venditionem postea ratam habuisti, dominium tibi auferre non potuit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Firmus. Da du behauptest, es sei ein Auftrag zu bestimmten Bedingungen angenommen worden, ist anerkannt, dass diese nach dem Gebot der guten Treue vollständig zu beachten sind. Und wenn dein Vertreter gegen die Auftragsvereinbarung ein dir zustehendes Grundstück verkauft hat und du den Verkauf nicht später genehmigt hast, konnte er dir das Eigentum nicht entziehen.

Dass der Vertrag den Auftragnehmer zur Beachtung sämtlicher Vorgaben des Auftraggebers verpflichtet, ist selbstverständlich. Nicht unberechtigt ist dagegen die Frage, ob die für den schuldrechtlichen Vertrag maßgeblichen Beschränkungen auch auf das Außenverhältnis zu einem Erwerber einer im Zuge des Auftrags verkauften Sache durchschlagen. Zwar fehlt dem Erwerber die Einsicht in die Beziehung zwischen den Parteien des Auftrags; da die Zustimmung, die der Auftraggeber zur Veräußerung seines Grundstücks erteilt, denselben Vorgaben unterliegt wie die Verpflichtung zur Besorgung des aufgetragenen Geschäfts, kann der Erwerber die Sache aber nur dann zu Eigentum oder in bonis erlangen, wenn der Auftragnehmer sich an diese Vorgaben gehalten hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Auftragnehmer ein Vermögensverwalter oder ein beliebiger Vertreter des Geschäftsherrn ist. Nicht völlig trivial ist entgegen dem ersten Anschein auch ein Reskript, in dem die Kanzlei bloß die mit dem mandatum eingetretene Vertragsbindung des Auftragnehmers bescheinigt: CJ 4.35.16 (29. Sept. 294 / Honoré 2385) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Uzando. Ad comparandas merces data pecunia, qui mandatum suscepit, fide rupta quanti interest mandatoris tenetur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Uzandus. Ist ein Geldbetrag zum Kauf von Waren überlassen worden, haftet derjenige, der den Auftrag erhalten hat, wenn er hiergegen verstoßen hat, auf das Interesse des Auftraggebers.



IX. Auftrag199

Wirkt die Entscheidung auch simpel, ist die Frage, die ihr aller Wahrscheinlichkeit zugrunde liegt, doch keineswegs fernliegend: Schuldet jemand, der sich unentgeltlich zur Geschäftsbesorgung für einen anderen bereiterklärt hat, diesen Gefallen auch, oder kann er seine Zusage jederzeit brechen? Die Anerkennung des mandatum als verbindlicher Konsensualvertrag lässt nur geringen Spielraum für eine Differenzierung nach dem Rechtsbindungswillen der Parteien, der im Fall einer unentgeltlichen Leistung weniger ausgeprägt ist als bei Austauschvereinbarungen. Im zu entscheidenden Fall ergibt sich die Absicht zum Vertragsschluss daraus, dass der Auftragnehmer mit der Empfangnahme eines Geldbetrags vom Auftraggeber bei diesem das Vertrauen geweckt hat, er werde diesen auch, wie verabredet, zum Kauf der Sachen einsetzen, die der Auftraggeber anschaffen möchte. Zweifel am Rechtsbindungswillen weckt vor allem die strikte Haftung, die einen Auftragnehmer trifft. Während ein Verleiher und ein Verwahrer477 grundsätzlich nur für Vorsatz einzustehen haben, weil commodatum und de­ positum als Realverträge grundsätzlich reine Rückgewährschuldverhältnisse sind,478 kennzeichnet das mandatum als Konsensualvertrag, dass es eine regelrechte Leistungspflicht hervorbringt. Ist sie einmal begründet, zeitigt sie auch eine umfassende Haftung des Auftragnehmers.479 Diokletians Kanzlei stellt dies für einen procurator fest, wobei offenbleibt, ob sie damit einen Vermögensverwalter oder einen beliebigen Vertreter meint. Eine Grenze erreicht seine Haftung erst, wenn ein dem Auftraggeber entstandener Schaden auf Zufall beruht: CJ 4.35.13 (1. Feb. 294 / Honoré 2161) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Zosimo. A procuratore dolum et omnem culpam, non etiam improvisum casum praestandum esse iuris auctoritate manifeste declaratur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Zosimus. Das Recht gebietet offensichtlich, dass ein Vertreter sowohl für Vorsatz als auch für jede Fahrlässigkeit, nicht aber auch für unvorhergesehenen Zufall einzustehen hat.

Aus der umfassenden Einstandspflicht des Auftragnehmers folgt ebenso wie bei der negotiorum gestio480 auch eine Haftung für Unterlassen. Ein Vertreter, der den Einzug von Forderungen des Geschäftsherrn übernommen hat, ist daher nicht nur zur Auskehr der erlangten Beträge, sondern auch dafür verantwortlich, dass er es unterlassen hat, Schulden einzutreiben:481 477  Hierzu

s. o. S.  105 ff. (Fn. 106), S. 25 ff. 479  D 17.1.22.11 Paul 32 ed, vgl. Harke (Fn. 106), S. 23 ff. 480  s. o. S.  40 ff. 481  Schubert, Die Mandatarhaftung im Römischen Recht, Baden-Baden 2014, S. 233 f. will die Entscheidung für die umfassende Haftung des Auftragnehmers dem 478  Harke

200

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

CJ 4.35.11 (vor 16. Dez. 293 / Honoré 2053) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Gaio. Procuratorem non tantum pro his quae gessit, sed etiam pro his quae gerenda suscepit, et tam propter exactam ex mandato pecuniam quam non exactam, tam dolum quam culpam, sumptuum ratione bona fide habita, praestare necesse est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Gaius. Ein Vertreter hat nicht nur für sein Handeln, sondern auch für das einzustehen, was er zu tun übernommen hat und sowohl wegen eingezogener Geldbeträge als auch wegen nicht eingezogener, und sowohl für Vorsatz als auch für Fahrlässigkeit, nach guter Treue jedoch unter Anrechnung von Aufwendungen.

Diese strikte Haftung steht in einem auffälligen Spannungsverhältnis zur Unbeständigkeit des mandatum in personeller Hinsicht. Nach überkommener Ansicht erlischt es nämlich, falls noch nicht ausgeführt, automatisch mit dem Tod einer der Parteien:482 CJ 4.35.15 (15. April 294 / Honoré 2297) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Precario Athenaeo. Mandatum re integra domini morte finitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Precarius Athenaeus. Ist ein Auftrag noch nicht zur Ausführung gekommen, wird er durch den Tod des Geschäftsherrn beendet.

Fragwürdig wird die strikte Verbindlichkeit des Auftrags zudem schon in hoch- und spätklassischer Zeit, als die Juristen einen außerhalb des manda­ tum durch actio utilis geltend zu machenden Anspruch auf Vergütung für eine Tätigkeit anerkennen, die sich nicht der locatio conductio zuordnen lässt.483 Diese Auffassung hat auch Eingang in die Rechtsprechung der severianischen Kanzlei gefunden:484 CJ 4.35.1 (Honoré 178) Impp. Severus et Antoninus AA. Leonidae. Adversus eum, cuius negotia gesta sunt, de pecunia, quam de propriis opibus vel ab aliis mutuo acceptam erogasti, mandati actione pro sorte et usuris potes experiri: de salario quod promisit a prae­ side provinciae cognitio praebebitur. Kaiser Severus und Antoninus an Leonidas. Gegen denjenigen, dessen Geschäfte geführt worden sind, kannst du wegen des Geldbetrags, den du aus deinem eigenen Vermögen oder durch Darlehensaufnahme bei anderen aufgewendet hast, die ManSchulenstreit zuordnen und attestiert Diokletians Kanzlei die Übernahme vorklassisch-sabinianischen Gedankenguts, das im Gegensatz zur klassisch-prokulianischen Lehre vom Utilitätsprinzip stehe. 482  Gai 3.160. 483  D 17.1.6.7 Ulp 31 ed (mit Marcellus-Zitat); hierzu Harke, Actio utilis, S.  205 ff. 484  Bürge, Salarium und ähnliche Leistungsentgelte beim mandatum, Nörr / Nishimura (Hg.), Mandatum und Verwandtes, Berlin u. a. 1993, S. 319, 324 will diese Entscheidung nur auf den Fall beziehen, dass der Auftragnehmer für eine staatliche Stelle tätig geworden ist.



IX. Auftrag201 datsklage wegen des Kapitals und der Zinsen erheben; wegen der Vergütung, die er versprochen hat, wird durch den Provinzstatthalter eine Untersuchung erfolgen.

Ein Anwendungsfall ist die Prozessvertretung, bei der Papinian zwar einen Anspruch auf eine verabredete Beteiligung am Prozessergebnis verneint, die Forderung nach einem Honorar für die geleistete Arbeit aber der cognitio extra ordinem überlässt.485 Die diokletianische Kanzlei scheint dagegen auf der Unentgeltlichkeit des Auftrags zu beharren,486 indem sie die verbotene Gewinnbeteiligung eines Prozessvertreters dem gratuitum mandatum gegenüberstellt, das nur zum Aufwendungsersatz berechtigt:487 CJ 4.35.20 (nach 19. Okt. 294 / Honoré 2724) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Epagatho. Si contra licitum litis incertum redemisti, interdictae conventionis tibi fidem impleri frustra petis. (1) Quod si gratuitum mandatum suscepisti, secundum bonam fidem sumptus recte postulas. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Epagathus. Hast du entgegen dem Verbot dich am Prozessergebnis beteiligen lassen, forderst du die Einhaltung dieser unerlaubten Vereinbarung vergeblich. (1) Hast du den Auftrag dagegen unentgeltlich übernommen, forderst du zu Recht Ersatz von Aufwendungen nach guter Treue.

Diese Haltung lässt keinen Raum für die Durchsetzung einer formlosen Vereinbarung über die Vergütung des Auftragnehmers; sie schließt aber nicht aus, dass eine Vergütung wirksam durch Stipulation versprochen wird. Auf diese Möglichkeit deutet der überlieferte Tenor aus einem anderen Reskript: CJ 4.35.17 (294 / Honoré 2647) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Gorgonio. Salarium incertae pollicitationis peti non potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Gorgonius. Eine Vergütung aus einem ungewissen einseitigen Versprechen kann nicht gefordert werden.

Kann ein salarium nicht aufgrund einer ungewissen Zusage eingeklagt werden, lässt dies den Umkehrschluss zu, dass eine bestimmte Vergütung jedenfalls dann gefordert werden kann, wenn sie in Form einer Stipulation versprochen ist. Dass sich diese Aussage auf das mandatum bezieht, ergibt nicht nur die Einordnung in den entsprechenden Titel des justinianischen Codex, sondern auch die Ähnlichkeit zu einer Aussage Papinians, der einer 485  D 17.1.7 Pap 3 resp. Zu den Gründen Finkenauer, Das entgeltliche Mandat im römischen Recht, in: Manthe / Nishimura / Igimi (Hg.), Aus der Werkstatt römischer Juristen, Berlin 2016, S. 55, 65 ff. 486  Dass sie dieselbe Ansicht wie Papinian vertritt, glaubt dagegen Michel, Gratuité en droit romain, Brüssel 1962, Nr. 295, S. 189. 487  Vgl. auch CJ 2.12.15 (3. April 293 / Honoré 1763).

202

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

pollicitatio incerta ebenfalls die verpflichtungsbegründende Wirkung abspricht und zugleich feststellt, dass ein salarium auch nicht mit der actio mandati eingefordert werden kann.488 Das Verbot eines Geschäfts mit der res sua, das für den Kaufvertrag489 und die Verdingung490 gilt, macht sich auch im Auftragsrecht bemerkbar. Es ist Ausgangspunkt eines langen Reskripts, für das die Redaktoren des Codex Iustinianus einen eigenen Titel mit der Überschrift: ‚si servus se emi manda­ verit‘, geschaffen haben: CJ 4.36.1 (1. Okt. 293 / Honoré 1969) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aureliae Dionysiae. Si extero servus se mandaverit emendum, quamvis nec ex persona servi (quia hoc liber mandare non potest) nec ex domini (quoniam qui mandat, ut a se res comparetur, inutiliter mandat) consistere credebatur actio, tamen optima ratione, quia non id agitur, ut ex ipso mandato, sed propter mandatum ex alio contractu nascatur actio, domino quaeri placuit obligationem. (1) Si itaque domino ignorante emi te mandasti ac te nummos subministrante peculiares soluti sunt, emptori minime liberatio per huiusmodi factum potuit pervenire. nec tamen si tradita nec manumissa es, etiam mandati de ancilla et empti de pretio consequendo tam contrarias actiones ei exercere concedi placuit. (2) Sane in illius arbitrio relictum est, utrumne mancipium an pretium consequi velit, cum ex peculio quod eius fuit solutio celebrata obligationis vinculo emptorem liberare non potuit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelia Dionysia. Hat ein Sklave einem Fremden den Auftrag erteilt, ihn zu kaufen, erwirbt, obwohl man glaubte, dass eine Klage weder in der Person des Sklaven (weil er dies nicht als Freier in Auftrag geben kann) noch in der Person des Eigentümers (weil einen unwirksamen Auftrag erteilt, wer den Auftrag zum Kauf seiner eigenen Sache gibt) entstehen könne, der Eigentümer dennoch vernünftigerweise einen Anspruch, weil bezweckt wurde, dass nicht aus dem Auftrag selbst, sondern wegen des Auftrags aus einem anderen Vertrag eine Klage entsteht. (1) Hast du also in Unkenntnis des Eigentümers den Auftrag zu deinem Kauf gegeben und ist ein von dir gewährter Betrag aus dem Sondergut gezahlt worden, kann der Käufer hierdurch keineswegs Befreiung erlangen. Und wenn du übergeben und nicht freigelassen worden bist, wird auch nicht zugelassen, dass er die Auftragsklage wegen der Sklavin und die zuwiderlaufende Klage auf den Kaufpreis erhebt. (2) Freilich steht es in seinem Ermessen, ob er die Sklavin oder den Preis erlangen will, da die Leistung aus dem ihm gehörenden Sondergut den Käufer nicht von seiner Verpflichtung befreien konnte.

Die anfragende Sklavin hat ohne Wissen ihres Eigentümers einen Dritten mit ihrem Freikauf beauftragt. Der Auftragnehmer ist auch den Kaufvertrag mit ihrem Eigentümer eingegangen; er hat den Kaufpreis aber mit Geld entrichtet, das aus dem Sondergut der Sklavin stammt,491 und diese auch noch 488  D 17.1.56.3

Pap 3 resp. S.  130 ff. 490  s. o. S.  190. 489  s. o.



IX. Auftrag203

nicht freigelassen.492 Die kaiserliche Kanzlei nähert sich der Falllösung, indem sie zunächst über die Wirksamkeit des Auftrags befindet. Zwar kann er den Eigentümer nicht verpflichten, weil das Geschäft nicht auf sein Geheiß und auch nicht im Rahmen der Verwaltung des Sonderguts der Sklavin erfolgte. Denkbar ist aber, dass der Eigentümer hierdurch einen Anspruch gegen den Auftragnehmer erwirbt.493 Als Hindernis für die Wirksamkeit des Auftrags macht die Kanzlei aus, dass er auf eine res sua in Gestalt der zu erwerbenden Sklavin gerichtet ist. Hierüber setzt sie sich aber mit der Begründung hinweg, Ziel des Vertrags sei nicht die Entstehung eines Anspruchs aus dem Auftrag, sondern die Begründung eines Klagerechts aus einem anderen Vertrag.494 Gemeint ist der Kaufvertrag: Der durch seine Sklavin unfreiwillig in die Rolle des Auftraggebers geratene Eigentümer soll in Vollzug des Auftrags nicht etwa die Sklavin erhalten, die ihm schon gehört; er soll Inhaber einer actio venditi gegen den Auftragnehmer werden, mit der er den Kaufpreis für die Sklavin erhält.495 Nicht nur der Kaufvertrag, auch der ihm zugrunde liegende Auftrag ist damit jedenfalls insoweit wirksam, als er den Eigentümer berechtigt.496 491  Heinemeyer, Der Freikauf des Sklaven mit eigenem Geld – redemptio nummis suis, Berlin 2013, S. 192 glaubt, rechtlich entscheidend sei die Unkenntnis des Eigentümers von der Herkunft des zum Freikauf verwendeten Geldbetrags. 492  Eine automatische Freilassung, wie sie die für den Fall einer redemptio suis nummis ausweislich von D 40.1.4pr, 1 Ulp 6 disp die divi fratres verordnet haben, findet hier nicht statt. Zwar genügt für die Feststellung, dass nummi sui zum Einsatz gekommen sind, auch eine Zahlung aus dem peculium, ohne dass es schon dem Käufer zugeordnet ist; sie muss aber wirksam sein, also mit Wissen des Verkäufers erfolgen. 493  Anders Heinemeyer (Fn. 491), S. 271 f., die das mandatum für insgesamt gültig hält. Dies lässt sich entgegen Heinemeyer (Fn. 491), S. 248 auch nicht D 17.1.19 Ulp 43 Sab entnehmen, wo der zitierte Pomponius gerade ablehnt, dass der Eigentümer zur Rücknahme der Sklavin gezwungen werden kann. 494  Anders argumentiert Papinian in D 17.1.54pr (27 quaest), der den Auftrag dann gelten lassen will, wenn der Eigentümer des Sklaven ein ideelles Interesse an der Freilassung hat. Dies existiert freilich nur in dem eher seltenen Fall, dass der Eigentümer den Auftrag des Sklaven zum eigenen Freikauf billigt, ohne aber selbst an der Verwirklichung des Freilassungsziels mitgewirkt zu haben und auch später nicht mitwirken zu wollen. Der Schwerpunkt der Entscheidung Papinians liegt daher auf dem Grundsatz, dass der von einem Sklaven erteilte Auftrag zum Freikauf unwirksam ist; und eben diesen Grundsatz kehrt Diokletian um. 495  Man kann darin mit Heinemeyer (Fn. 491), S. 278 die Tendenz erkennen, beide Geschäfte als Einheit zu betrachten; dies betrifft aber gerade nicht den Freilassungszweck, auf den die redemptio suis nummis gerichtet ist und den auch Knütel, Das Mandat zum Freikauf, in: Nörr / Nishimura (Hg.), Mandatum und Verwandtes, Berlin u. a. 1993, S. 353, 372 für den ausschlaggebenden Faktor zur Anerkennung des man­ datum hält. 496  Entgegen Knütel (Fn. 495), S. 372 hat das mandatum damit aber nicht „subsidiäre“ Funktion.

204

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Fraglich ist, welche Ansprüche dem Eigentümer aus beiden Verträgen erwachsen sind. Im Fall des Kaufvertrags ist die Antwort klar: Er kann die Zahlung des Kaufpreises verlangen, und zwar obwohl ihm der Käufer schon einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe übergeben hat. Zwar kann die Zahlung mit Münzen, die aus dem Sondergut eines verkauften Sklaven stammen und damit seinem Eigentümer gehören, den Käufer durchaus befreien; dies gilt aber, wie die Kanzlei in einem anderen Reskript aus demselben Jahr eigens feststellt, nur, wenn das Sondergut mitverkauft ist: CJ 4.49.7 (15. April 293 / Honoré 1806) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Diodoro. Si servos distraxisti ac pretium de peculio eorum, quod ad te pertinebat, nesciens unde solveretur accepisti, consequens est integram te pretii actionem habere, cum proprii venditoris nummi soluti non praestant emptori liberationem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Diodorus. Hast du Sklaven verkauft und den Kaufpreis aus ihrem Sondergut, das dir zustand, in Unkenntnis seiner Herkunft erhalten, ist es folgerichtig, dass dir eine Klage auf den gesamten Kaufpreis zusteht, da die Zahlung mit dem eigenen Geld des Verkäufers dem Käufer keine Befreiung zuteilwerden lässt.

Wie in CJ 4.36.1 lässt die Kanzlei die Wirksamkeit der Leistung daran scheitern, dass die Übergabe von Geld, das dem Verkäufer schon gehört, keine regelrechte Zahlung bedeutet. Zugleich macht sie jedoch den Vorbehalt, dass das Sondergut, aus dem der Betrag stammt, nicht dem Käufer zusteht. Dies ist nicht sachenrechtlich gemeint, sondern bezieht sich auf die schuldrechtliche Zuweisung des peculium durch den Kaufvertrag: Soll es dem Käufer überlassen werden, kann dieser hieraus auch den Kaufpreis bestreiten, obwohl die Münzen dem Verkäufer schon gehören und nicht erst durch ihre Übergabe in sein Vermögen wechseln. Geht die Kanzlei in CJ 4.36.1 nicht auf diese Möglichkeit ein, kann dies nur daran liegen, dass die Fragestellerin ohne ihr Sondergut verkauft worden ist497 und dem Käufer die Münzen, mit denen dieser den Kaufpreis entrichten sollte, heimlich gegeben hat. Unter diesen Umständen bleibt es natürlich dabei, dass der Anspruch des Eigentümers auf Zahlung des Kaufpreises noch unerfüllt ist. Da nicht nur der Kaufvertrag, sondern, wie die Kanzlei eingangs befindet, auch das mandatum einen Anspruch des Eigentümers auslöst, tritt das Recht auf Zahlung des Kaufpreises in Konkurrenz mit der actio mandati. Diese ist zunächst einmal auf Vollzug des Auftrags gerichtet. In diesem Rahmen hat Papinian dem Eigentümer einen Anspruch auf Entschädigung für sein immaterielles Interesse an der Freilassung des gekauften Sklaven zuerkannt.498 Diokletians Juristen, die das Ziel des Auftrags ja in der schon erreichten 497  Heinemeyer

498  D 17.1.54pr

(Fn. 491), S. 194. Pap 27 quaest.



IX. Auftrag205

Verschaffung der actio venditi erblicken, erwägen ein Recht auf Freilassung oder das an ihr bestehende Interesse erst gar nicht und widmen sich allein dem Anspruch auf Herausgabe des durch den Auftrag Erlangten.499 Erlangt hat der Käufer die ihm übergebene Sklavin; und auf ihre Rückgabe ist auch zuvörderst das Interesse des Eigentümers gerichtet, der ja in den Plan des Freikaufs nicht eingeweiht war. Er kann diesen Anspruch aus dem Auftrag aber nicht mit der actio venditi kumulieren; denn indem er das eine Recht geltend macht, zerstört er zugleich das andere:500 Verlangt er die Sklavin zurück, entzieht er seinem Anspruch auf Kaufpreiszahlung den Boden, weil der Käufer ihm die mangelnde Bereitschaft zur Erfüllung des Kaufvertrags entgegenhalten kann. Und umgekehrt konterkariert er, wenn er den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises erhebt, sein Recht aus dem mandatum, weil er die Sklavin nicht zurückverlangen könnte, ohne dem Käufer den Kaufpreis zu erstatten.501 Der Eigentümer muss sich also für eine von beiden Klagen entscheiden. Abgenommen ist ihm die Wahl erst mit der Freilassung der Sklavin; denn so wird sein Anspruch auf ihre Rückgabe aus dem Auftrag frustriert, und ihm bleibt nur noch den Anspruch auf Kaufpreiszahlung. Sind der Herausgabe- und Aufwendungsersatzanspruch auf Geldleistungen gerichtet, schulden Auftragnehmer und Auftraggeber spätestens ab dem Verzugseintritt auch Zinsen. Die Parteien können einen früheren Beginn der Verzinsung vereinbaren und das mandatum so mit einem Kreditelement anreichern. Einer Vereinbarung der Zinshöhe ist aber hier ebenso wie beim Darlehen502 eine Grenze durch den Maximalzinssatz von 12 % gesetzt. Die diokletianische Kanzlei stellt dies für den Fall eines Verkaufsauftrags fest, der den Auftragnehmer zur Auskehr des erzielten Kaufpreises verpflichtet: CJ 4.35.19 (19. Okt. 294 / Honoré 1990) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Eugenio. Pretii rerum distractarum, quas venales mandato praecedente acceperas, ultra licitum usuras ex stipulatione vel mora praestare, licet pignora data probentur, compelli non potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Eugenius. Du kannst nicht gezwungen werden, aus Stipulationsversprechen oder Verzug höhere als die erlaubten Zinsen auf den Erlös aus dem Verkauf von Sachen zu zahlen, die du zur Veräußerung im Auftrag erhalten hast, und zwar auch dann, wenn bewiesen wird, dass Pfänder bestellt worden sind.

499  Dementsprechend kann man die Entscheidung entgegen Knütel (Fn. 495), S. 373 auch nicht als Ausdruck eines favor libertatis ansehen. 500  Anders Heinemeyer (Fn. 491), S. 276 f., die glaubt, die diokletianische Kanzlei habe den Freikäufer vor einem Verlust bewahren wollen. 501  So trotz des anderen Ausgangspunkts richtig Heinemeyer (Fn. 491), S. 250. 502  s. o. S.  87 ff.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Die gegenläufige Zinspflicht beim Aufwendungsersatz beschäftigt die Kanzlei in einem Fall des Kreditauftrags, durch den der Auftraggeber dem Gläubiger wie ein Bürge haftet, den Schuldner aber, wenn er aufgrund einer Vereinbarung mit diesem gehandelt hat, seinerseits als Auftragnehmer in Regress nehmen kann: CJ 4.35.18 (25. Sept. 294 / Honoré 1965) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Tusciano. Post solutionem a se factam, qui dari mutuo mandavit, ab eo, pro quo intercessit, vel successoribus eius quod solutum est etiam cum usuris post moram recte reddi postulat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Tuscianus. Wer einen Kredit­ auftrag erteilt hat, fordert nach der Leistung von demjenigen, für den er eingetreten ist, oder seinen Erben zu Recht die Erstattung dessen, was geleistet worden ist, und nach Verzugseintritt auch von Zinsen.

Da der Auftrag zur Stellung einer Personalsicherheit potentiell auch zur Leistung an den Gläubiger verpflichtet, entspricht es dem Sinn der Vereinbarung, dass ein Rückgriff grundsätzlich erst nach Befriedigung des Gläubigers stattfindet.503 Etwas anderes gilt nur kraft besonderer Vereinbarung, oder wenn der Schuldner in Vermögensverfall gerät, so dass der Auftragnehmer Gefahr läuft, dass sein Rückgriff gefährdet ist: CJ 4.35.10 (vor 16. Dez. 293 / Honoré 2051) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Papio. Si pro ea contra quam supplicas fideiussor seu mandator intercessisti et neque condemnatus es neque bona eam dilapidare postea coepisse comprobare possis, ut iustam metuendi causam praebeat, neque ab initio ita te obligationem suscepisse, ut eam possis et ante solutionem convenire, nulla iuris ratione, antequam satis creditori pro ea feceris, eam ad solutionem urgueri certum est. fideiussorem vero seu mandatorem exceptione munitum et iniuria iudicis damnatum et appellatione contra bonam fidem minime usum non posse mandati agere manifestum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aureilius Papius. Es steht fest, dass du, wenn du für diejenige, gegen die sich deine Eingabe richtet, als Bürge oder Kreditauftraggeber eingetreten und weder verurteilt worden noch in der Lage bist zu beweisen, dass ihr Vermögen später so in Verfall geraten ist, dass du hinreichenden Anlass zur Befürchtung eines Ausfalls hast, und du auch die Verpflichtung nicht von vornherein mit der Maßgabe übernommen hast, dass du sie auch vor der Leistung belangen könntest, sie vor der Befriedigung des Gläubigers nicht zu Recht zur Leistung zwingen kannst. Es ist offensichtlich, dass ein Bürge, der durch eine Einrede geschützt und infolge einer Fehlentscheidung des Richters verurteilt worden ist, nicht die Auftragsklage erheben kann, wenn er entgegen der guten Treue von der Berufung keinen Gebrauch gemacht hat.

Die diokletianische Kanzlei ermahnt den Fragesteller zugleich, dass der Rückgriff nur dann in Betracht kommt, wenn die Leistung an den Gläubiger 503  Gai

3.127.



IX. Auftrag207

wirklich geboten war. Hat der Auftragnehmer es unterlassen, von einer ihm zustehenden Einrede Gebrauch zu machen, verstößt sein Regressverlangen gegen das Gebot von Treu und Glauben. Dies gilt selbst dann, wenn die Einrede im Rechtsstreit mit dem Gläubiger infolge einer richterlichen Fehleinschätzung unbeachtet geblieben ist, der Auftragnehmer dann aber von einer Berufung abgesehen hat. Auch wenn Diokletians Juristen es nicht eigens erwähnen, gehen sie wohl davon aus, dass ein Rückgriff auch schon dann möglich ist, wenn der Bürge oder Kreditauftraggeber zu Recht zur Zahlung an den Gläubiger verurteilt ist. Auch wenn noch keine Zahlung erfolgt ist, hat sich in diesem Fall das Risiko, für den Hauptschuldner einstehen zu müssen, derart konkretisiert, dass ein Regress angebracht erscheint. Entschieden hat dies die Kanzlei schon unter Gordian: CJ 4.35.6 (3. Sept. 238 / Honoré 951) Imp. Gordianus A. Aelio Sosibio militi. Si fideiussor pro reo patiente fidem suam adstrinxit, mandati cum eo post exsolutam pecuniam vel factam condemnationem potest exercere actionem. Kaiser Gordian an den Soldaten Aelius Sosibius. Hat sich ein Bürge für den Schuldner mit dessen Duldung verpflichtet, kann er gegen ihn nach Zahlung des Geldbetrags oder seiner Verurteilung die Auftragsklage erheben.

Eher als bei der Bürgschaft, die durch Stipulation der vom Hauptschuldner zu erbringenden Leistung übernommen wird, lässt der Kreditauftrag als Konsensualvertrag Raum für Vereinbarungen über den Umfang der Haftung des Sicherungsgebers. Ein Problem bedeutet freilich auch hier die Urkundenpraxis. Hier kommt es dazu, dass auf das Diktat des Gläubigers ein höherer Betrag festgehalten wird als derjenige, für den sich der Kreditauftraggeber eigentlich haftbar machen will. Diokletians Kanzlei bescheinigt ihm deshalb, dass seine Haftung ungeachtet des Urkundeninhalts nicht weiter reicht, als wirklich zwischen den Parteien vereinbart ist: CJ 8.40.22 (20. April 294 / Honoré 2309) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hermiano. Si ultra hoc, quod accepit ea, pro qua te mandatorio nomine intercessisse commemoras, daturum te scripsisti, praeses provinciae ex hoc, quod ultra mandatum tuum numeratum est, a te nihil exigi patietur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hermianus. Hast du schriftlich bekundet, dass eine größere Summe gezahlt worden ist, als die Frau, für die du nach deiner Behauptung als Kreditauftraggeber eingetreten bist, erhalten hat, soll der Provinzstatthalter nicht zulassen, dass von dir gefordert wird, was über deinen Auftrag hinaus gezahlt worden ist.

Gegenüber der Bürgschaft durch fideiussio bietet der Kreditauftrag für den Gläubiger den Vorteil, dass seine Wahl zwischen der Inanspruchnahme von Hauptschuldner und Bürge nicht schon mit der Streitbefestigung, sondern

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

erst durch die Leistung ausgeschlossen wird.504 Da die Verpflichtung von Sicherungsgeber und Hauptschuldner nicht durch Stipulation auf ‚idem‘ festgelegt ist, sondern sich im Fall des Auftraggebers nach Treu und Glauben bestimmt, kann die Klage gegen den einen nicht den Anspruch gegen den anderen konsumieren. Der Gläubiger kann also nach Belieben gegen den Hauptschuldner oder den Auftraggeber vorgehen, ohne das Risiko einzugehen, den Anspruch gegen den jeweils anderen zu verlieren:505 CJ 8.40.23 (5. Dez. 294 / Honoré 2529) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antipatro. Reos principales vel mandatores simpliciter acceptos eligere vel pro parte convenire vel, satis non faciente contra quem egeras primo, post ad alium reverti, cum nullus de his electione liberetur, licet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antipater. Haben sich Hauptschuldner und Kreditauftraggeber ohne besondere Vereinbarung verpflichtet, steht dir die Wahl offen, sie zum Teil zu belangen oder, wenn derjenige, gegen den du zunächst geklagt hast, dich nicht befriedigt, auf einen anderen zurückzugreifen, da keiner durch die Auswahl befreit wird.

Justinian wird dieses Regime des Kreditauftrags später zum Vorbild für seine Reform des Bürgschaftsrechts nehmen.506 Die dem mandatum eigene Flexibilität hat sich noch vor Diokletians Zeit auch im Sonderfall der Darlehensgewährung an Gewaltunterworfene als vorteilhaft erwiesen und macht hier sogar das hergebrachte Haftungsregime überflüssig: CJ 4.35.8 (29. Dez. 259 / Honoré 1363) Impp. Valerianus et Gallienus et Valerianus nobilissimus C. Aurelio Lucio. Si tibi pupillorum pater, ut pecuniam in rem suam servis eius crederes, mandavit et in hanc rem aeque ipso praecipiente pignora sunt obligata, et mandati actione pupillos post mortem patris convenire et exsequi ius obligationis pignorum poteris, si in solutione cessabitur. Kaiser Valerian und Gallienus und Cäsar Valerian an Aurelius Lucius. Hat der Vater von Mündeln dich beauftragt, dass du einen Geldbetrag seinen Sklaven für sein Vermögen als Darlehen überlässt, und sind ebenfalls auf sein Geheiß Pfänder bestellt worden, kannst du nach dem Tod des Vaters sowohl die Mündel mit der Auftragsklage belangen als auch das Pfandrecht geltend machen, wenn die Erfüllung ausbleibt.

Die minderjährigen Erben des Vaters, dessen Sklaven der Gläubiger ein Darlehen gewährt hat, könnten durchaus auch mit einer adjektizischen Klage belangt werden;507 denn der Vater hat, indem er den Gläubiger um die Dar504  Vgl.

D 46.1.13 Iul 14 dig, PS 2.17.16. folgenden Reskript auch Schmieder (Fn. 164), S. 207. 506  CJ 8.40.28 (18. Okt. 531); hierzu Fennocchio (Fn. 274), S. 409 ff. 507  Schnebelt, S. 130. 505  Zum



X. Unbenannte Verträge209

lehensgewährung gebeten hat, auch sein iussum zu diesem Geschäft erteilt. Einfacher und vielversprechender ist es für den Gläubiger aber, die Erben wegen eines Kreditauftrags in Anspruch zu nehmen. Zwar könnte der Vater nicht für eine Schuld eine Bürgschaft übernehmen, die ihn selbst im Wege der adjektizischen Haftung trifft; der Annahme eines mandatum, das zur Leistung entsprechend der bona fides verpflichtet, steht das Gewaltverhältnis zwischen dem Vater und den als Darlehensnehmer auftretenden Sklaven aber nicht entgegen. Da sich die Haftung des Kreditauftraggebers nach dem Gebot der guten Treue richtet, kann der Gläubiger in diesem Rahmen etwa auch die Zahlung von Zinsen oder eine sonstige verabredete Nebenleistung verlangen, für die der Anspruch auf bloße Rückgewähr des Darlehens keinen Raum lässt. Daher verwundert nicht, dass der Kreditauftrag auch in einer diokletianischen Entscheidung als Alternative zur Haftung mit der actio quod iussu erscheint:508 CJ 4.26.9 (29. April 294 / Honoré 1850) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Diogenio. Si mandator pro filio tuo extitisti vel iussu tuo cum eo quem in potestate tunc habuisti contractum est, intellegis et sorti et usuris te parere oportere, si te his omnibus obligasti, ut res quae pignoris iure detinentur liberari possint. quod si fideiussor creditae pecuniae intercessisti, teneri te ex ea obligatione explorati iuris est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Diogenius. Bist du zum Kreditauftraggeber für deinen Sohn geworden oder ist auf deine Anweisung mit einem deiner Gewaltunterworfenen ein Vertrag geschlossen worden, musst du einsehen, dass du für Kapital und Zinsen einstehen musst, wenn du dich hierfür in voller Höhe verpflichtet hast, damit die Pfandsachen, die zu Recht zurückgehalten werden, ausgelöst werden können. Bist du aber als Bürge für ein Darlehen eingetreten, entspricht es ausgemachtem Recht, dass du aus dieser Verpflichtung haftest.

X. Unbenannte Verträge Der Schwerpunkt der diokletianischen Reskriptenpraxis liegt außer auf dem Kaufvertrag auf innominaten Vereinbarungen, die keinem der anerkannten Vertragstypen entsprechen. Soweit diese nicht unspezifisch als pacta erscheinen, geht es durchweg um Tauschverträge und Vergleichsverträge. Der besondere Stellenwert des Tauschs ist leicht durch den Geldwertschwund zu erklären, der zum direkten Austausch wertbeständiger Objekte anhält. Aus demselben Grund wächst aber auch der Wunsch nach Rückabwicklung des Vertrags, mit dem sich Diokletians Kanzlei auch beim Kaufvertrag konfrontiert sieht. Dass ihm beim Tauschvertrag bis zu seiner endgültigen Durchführung entsprochen werden muss, ist wohl das entscheidende Hindernis für eine Gleichstellung mit dem Kaufvertrag. Ganz anders verhält es sich beim 508  Für

das Produkt einer Interpolation hält dies Taubenschlag, S. 74 Fn. 589.

210

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Vergleich, der wegen seiner prozessausschließenden Wirkung grundsätzlich keiner Revision zugänglich ist. Dieser Unterschied bewirkt, dass das Regime der Innominatverträge teils einheitlich, teils gespalten ist. 1. Pactum und stipulatio Ebenso wie zur locatio conductio509 trifft die Kanzlei auch zu den Innominatverträgen eine Entscheidung, in der sie sich gegen die Fehlannahme wendet, eine Vereinbarung müsste, um Wirkung zu zeitigen, in einer Urkunde festgehalten sein:510 CJ 2.3.17 (23. Juni 286 / Honoré 1503) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Deximacho. Pactum, quod bona fide interpositum docebitur, et si scriptura non existente aliis probationibus rei gestae veritas comprobari potest, praeses provinciae secundum ius custodiri efficiet. Kaiser Diokletian und Maximian an Deximachus. Der Provinzstatthalter soll dafür sorgen, dass der Pakt, von dem dargetan wird, dass er nach guter Treue zustande gekommen ist, auch dann, wenn keine Urkunde vorhanden ist, der wirkliche Geschäftsvorgang aber mit Hilfe von anderen Beweisen nachgewiesen werden kann, ordnungsgemäß eingehalten wird.

Ein Zusammenhang mit hellenistischer Urkundenpraxis ist wiederum denkbar, aber nicht zwingend. Und dass die Fehlannahme einer konstitutiven Wirkung der Schriftform für die kaiserliche Kanzlei kein Novum ist, zeigt ein ähnlicher Bescheid, der schon unter Severus Alexander ergangen ist: CJ 2.4.5 (1. März 227 / Honoré 780) Imp. Alexander A. Evocato. Cum te transegisse cum herede quondam tutoris tui profitearis, si id post legitimam aetatem fecisti, frustra desideras, ut a placitis recedatur. licet enim, ut proponis, nullum instrumentum intercesserit, tamen si de fide contractus confessione tua constet, scriptura, quae probationem rei gestae solet continere, necessaria non est. Kaiser Alexander an Evocatus. Da du einräumst, du habest dich mit einem Erben deines Vormunds verglichen, verlangst du, wenn du dies nach Erreichen des gesetzlichen Alters getan hast, vergeblich, von dem Pakt abzugehen. Denn auch wenn, wie du vorbringst, keine Urkunde aufgenommen wurde, ist, wenn der Vertragsschluss durch dein Geständnis feststeht, eine Urkunde, die gewöhnlich Beweis für den Abschluss eines Geschäfts macht, nicht erforderlich.

Auffällig häufig sind aber Reskripte, mit denen die diokletianische Kanzlei die Einhaltung der Stipulationsform anmahnt, wenn es um die Begründung eines Klagerechts geht. Positiv als dessen Voraussetzung wird die Stipulation 509  s. o.

S.  186 f. Einfluss hellenistischen Rechtsdenkens schreibt dies wiederum Mitteis,

510  Dem

S. 515 zu.



X. Unbenannte Verträge211

in einigen Reskripten genannt, die der Klage aus einem Vergleich gelten. Von der Möglichkeit, seinen Vollzug durch Versprechen einer Vertragsstrafe abzusichern, handelt CJ 2.4.37 (21. Dez. 294 / Honoré 2608): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Basilissae. Promissis transactionis causa non impletis poenam in stipulationem deductam, si contra factum fuerit, exigi posse constitit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Basilissa. Es steht fest, dass die Strafe, die für den Fall der Nichteinhaltung eines Vergleichs zum Gegenstand einer Stipulation gemacht worden ist, gefordert werden kann, wenn ihm zuwider gehandelt worden ist.

Die Parteien müssen aber keine bestimmte Leistung zum Gegenstand des Versprechens machen, sondern können sich mit einer stipulatio incerta begnügen, durch die schlicht die Einhaltung der Vereinbarung bekräftigt wird: CJ 8.37.6 (17. Dez. 293 / Honoré 2066): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Erotio. Scire debuisti, quae sub transactione dari placita sunt, certi vel incerti stipulatione subsecuta peti posse. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Erotius. Du musst wissen, dass eine Leistung, die vergleichshalber vereinbart worden ist, gefordert werden kann, wenn eine bestimmte oder unbestimmte Stipulation erfolgt ist.

Dass auch die Strafstipulation einen Anspruch auf Vollzug des Pakts oder das Interesse hieran eröffnet,511 hat die Kanzlei schon unter Gordian entschieden und anlässlich des vom Petenten erhobenen Begehrens mit Hinweis verbunden, dass die Vollstreckung nicht durch Verfall des Schuldnervermögens erfolgt512: CJ 2.3.14 (1. April 241 / Honoré 1113) Imp. Gordianus A. Caecilio militi. Si pacto, quo poenam adversarium tuum promisisse proponis, si placito non stetisset, stipulatio subiecta est, ex stipulatu agens vel id quod in conventionem devenerat, ut fiat, consequeris vel poenam stipulatione comprehensam more iudiciorum exiges. nam bona adversarii tui in te transferri citra sollemnem ordinem frustra deprecaris. Kaiser Gordian an den Soldaten Caecilius. Ist dem Pakt, mit dem dein Gegner, wie du vorträgst, eine Strafe für den Fall seiner Nichteinhaltung der Vereinbarung versprochen hat, eine Stipulation hinzugefügt, erlangst du auf dem Rechtswege mit der Klage aus der Stipulation entweder, was zum Gegenstand der Übereinkunft gemacht worden ist, oder die in der Stipulation enthaltene Strafe. Denn du forderst 511  Anders Knütel (Fn. 375), S. 279 f., der annimmt, es gehe um eine umfassende Stipulationsklausel. Die Kanzlei spricht jedoch nur von einer stipulatio poenae, die sie als Grundlage einer Vollzugshaftung gelten lässt. 512  Vgl. Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 482 Fn. 36, der hier das Verbot privater Pfändung ausgesprochen findet.

212

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

vergebens und jenseits der Rechtsordnung, dass das Vermögen deines Gegners auf dich übertragen wird.

Dass die Stipulation der Vereinbarung nicht nachfolgen muss, sondern auch vorangehen kann, sofern durch den zeitlichen Zusammenhang nur ihr Bezug feststeht, bescheinigt Diokletians Kanzlei dem Fragesteller in dem folgenden Reskript:513 CJ 2.3.27 (8. Nov. 294 / Honoré 2449) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Chresimo. Petens ex stipulatione, quae placiti servandi causa secuta est, seu antecessit pactum seu post statim interpositum sit, recte secundum se ferri sententiam postulat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Chresimus. Wer aus einer Stipulation klagt, die zur Einhaltung einer Vereinbarung abgeschlossen ist, sei es, dass der Pakt vorangegangen oder sofort danach vorgenommen worden ist, fordert zu Recht, dass ein Urteil zu seinen Gunsten ergeht.

In einer anderen Gruppe von Entscheidungen werden die Stipulation und das schlichte pactum gegenübergestellt, um den Parteien aufzuzeigen, woran sich die Klagbarkeit der Vereinbarung entscheidet. Um eine Eviktionszusage in Ergänzung einer Grundstücksschenkung geht es dabei in CJ 8.44.2 (28. Feb. 205 / Honoré 120):514 Impp. Severus et Antoninus AA. Quartae. Quoniam avus tuus, cum praedia tibi donaret, de evictione eorum cavit, potes adversus coheredes tuos ex causa stipulationis consistere ob evictionem praediorum, pro portione scilicet hereditaria. nudo autem pacto interveniente minime donatorem hac actione teneri certum est. Kaiser Severus und Antoninus an Quarta. Weil dein Großvater, als er dir Grund­ stücke schenkte, für deren Entwehrung Sicherheit leistete, kannst du gegenüber deinen Miterben nach dem Verhältnis der Erbquoten wegen einer Entwehrung auf der Grundlage der Stipulation vorgehen. Dagegen steht fest, dass ein Schenker, wenn ein einfacher Pakt geschlossen worden ist, keineswegs mit dieser Klage haftet.

Die Übernahme einer Personalsicherheit durch einen Verpächter für einen seinen Pächtern gewährten Kredit betrifft CJ 4.65.27 (vor 17. Sept. 294 / Honoré 2369): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Maximiano Agopodi. Si tibi quae pro colonis conducti praedii prorogasti dominus fundi stipulanti dare spopondit, 513  Knütel (Fn. 266), S. 223 f. glaubt, die Kanzlei behandle hier die beiden Fälle eines Strafversprechens und einer bezugnehmenden Stipulation, indem sie mit pactum einen Zusatz zu der mit placitum bezeichneten Vereinbarung meine. Der Text spricht aber nicht von einer poena; und das pactum ist auch nicht als Ergänzung einer anderen Vereinbarung kenntlich gemacht, sondern bei einem unbefangenen Verständnis des Reskripts offensichtlich das Medium für das placitum, das durch die Stipulation bewehrt ist. 514  Hierzu Harke (Fn. 106), S. 12 ff.



X. Unbenannte Verträge213 competens iudex reddi tibi iubebit. nam si conventio placiti fine stetit, ex nudo pacto perspicis actionem iure nostro nasci non potuisse. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Maximian Agopodus. Hat dir der Eigentümer eines Grundstücks durch Stipulation versprochen, zu leisten, was du für die Pächter des verpachteten Grundstücks vorgeschossen hast, soll der zuständige Richter anordnen, dass es dir erstattet wird. Ist die Vereinbarung aber im Rahmen einer schlichten Übereinkunft getroffen worden, siehst du ein, dass nach unserem Recht aus einem einfachen Pakt keine Klage erwachsen kann.

Anders als beim Eviktionsversprechen kommt hier durchaus auch eine formlose Verpflichtung durch Kreditauftrag in Betracht. Dass die Kanzlei sie nicht erwägt, kann nur daran liegen, dass die Auszahlung des Darlehens an die Pächter der Zusage des Verpächters vorangeht. Da das Geschäft, auf das sich der Auftrag beziehen könnte, hier schon geführt worden ist, kann es nicht mehr zum Gegenstand eines mandatum gemacht und eine Verpflichtung des Verpächters nur durch eine Stipulation in Gestalt einer fideiussio erreicht werden. Eine pollicitatio, die, für sich genommen, nur zugunsten des Gemeinwesens aus Anlass der Bewerbung um ein Amt wirksam vorgenommen wird,515 sich aber durch das Verhalten eines potentiellen Vertragspartners noch in ein pactum wandeln kann, behandelt CJ 8.37.5 (27. Nov. 293 / Honoré 2018): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Isidorae. Nuda pollicitatione secundum ea, quae saepe constituta sunt, ad praestanda quae promiserat urgueri quemquam non semper iura permittunt. (1) Verum quoniam praeterea, si contra pactum fecerit, quanti ea res est, tibi dari stipulanti adversarium tuum promisisse proponas, huius etiam obligationis post motam litem extitisse condicionem et eius summae, quae in hac quoque stipulatione continetur, petitioni locum factum convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Isidora. Wie schon hinlänglich beschieden ist, gestattet das Recht nicht stets, dass aufgrund eines einseitigen Versprechens jemand zur Leistung des Versprochenen gezwungen wird. (1) Da du hingegen vorträgst, dein Gegner habe dir außerdem durch Stipulation für den Fall eines Verstoßes gegen den Pakt versprochen, den Wert der Sache zu leisten, und nach Erhebung der Klage sei die Bedingung dieser Verpflichtung eingetreten, greift anerkanntermaßen auch die Forderung dieses Betrags, der auch von der Stipulation erfasst war, Platz.

Dass einem bloßen pactum auch dessen Durchführung nicht zur Klagbarkeit verhilft, stellt die Kanzlei schließlich in dem folgenden Reskript fest: CJ 2.3.28 (3. Dez. 294 / Honoré 2443) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Leontio. Si certis annis quod nudo pacto convenerat datum fuit, ad praestandum in posterum indebitum solutum obligare non potuit eum qui pactum fecit, nisi placitis stipulatio intercessit. 515  D 50.12.1.1

Ulp sing off cur rei publ, D 39.5.19pr Ulp 76 ed.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Leontius. Ist für einige Jahre geleistet worden, was in einem bloßen Pakt vereinbart wurde, kann die Leistung auf eine Nichtschuld denjenigen, der den Pakt eingegangen ist, nicht für die Zukunft verpflichten, wenn nicht über die Vereinbarung eine Stipulation abgeschlossen worden ist.

Die Entscheidung betrifft eine in regelmäßigen Abständen wiederkehrende Leistung, die offenbar jenseits des Anwendungsbereichs der locatio conduc­ tio liegt und vielleicht in einer Unterhaltsgewährung liegt. Ist sie wirklich erfolgt, könnte dies allenfalls ein Klagerecht für den Leistenden zeitigen, indem ihm, falls eine etwa ausbedungene Gegenleistung ausbleibt, eine hierauf gerichtete actio praescriptis verbis oder die Rückgewähr der eigenen Leistung mit der condictio eröffnet wäre. Es entsteht aber sicherlich kein Anspruch des Leistungsempfängers auf Wiederholung der Leistung in der Zukunft. Auch wenn die schon erbrachte Leistung nicht der Kondiktion unterliegt, weil sich der Empfänger sowohl auf das pactum als auch darauf berufen kann, dass bewusst geleistet wurde, handelt es sich ohne zugrunde liegende Stipulation doch um eine Leistung auf eine Nichtschuld (‚indebitum solutum‘), von der keine verpflichtende Wirkung ausgehen kann. Eine Parallele findet das Zusammenspiel von pactum und Stipulation beim Eigentumserwerb. Hier stellt Diokletians Kanzlei fest, dass ein pactum, auch wenn es den Rechtsgrund für den Wechsel des Eigentums liefert, doch nicht für sich allein wirken kann; vielmehr ist es auf die Übergabe der Sache oder, wenn sie noch nicht für den Eigentumserwerb genügt, auf deren Ersitzung angewiesen: CJ 2.3.20 (1. Jan. 293 / Honoré 1729) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Martiali. Traditionibus et usucapionibus dominia rerum, non nudis pactis transferuntur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Martialis. Das Eigentum an Sachen wird durch Übergabe und Ersitzung, nicht durch einfachen Pakt übertragen.

Wie sich aus einem an anderer Stelle des justinianischen Codex überlieferten Fragment desselben Reskripts ergibt, gilt diese Entscheidung der in einer Urkunde angebrachten falsa demonstratio über die Herkunft bestimmter Sachen. CJ 1.18.5 (31. Dez. 293 / Honoré 1730) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et Constantius et Maximianus nob. CC. Martiali. Cum falsa demonstratione mutari substantia veritatis minime possit, respondendo id quod paternum erat ex maternis esse bonis nihil egisti. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren Constantius und Maximian an Martialis. Da eine falsche Darstellung nicht die Wahrheit der Dinge verändern kann, wird durch die Auskunft, dass das, was aus dem väterlichen Vermögen stammt, aus dem mütterlichen Vermögen stamme, nichts bewirkt.



X. Unbenannte Verträge215

Ist diese Falschdarstellung auch als solche wirkungslos, kann man sie doch als Vereinbarung deuten, durch die das Eigentum an den betroffenen Sachen zugewiesen werden soll. Auch in dieser Funktion bleibt der Erklärung aber der Erfolg versagt, weil das pactum eben nicht genügt, um ein Klagerecht zu begründen. Dies gilt nicht nur bei der Vereinbarung einer Leistung, die mit einer actio in personam einzufordern wäre, sondern auch für die Verteilung von Eigentum, woran sich eine actio in rem anschlösse. 2. Exceptio pacti und replicatio doli Bringt ein pactum ohne begleitende Stipulation auch kein Klagerecht hervor, bedeutet dies nicht, dass ein Verstoß gegen die Vereinbarung sanktionslos wäre. Ihrer Einhaltung dient zunächst die exceptio pacti, die außer für den Einbehalt einer schon erbrachten Leistung auch dafür sorgt, dass ein anderweitig begründetes Klagerecht, wenn es durch das pactum ausgeschlossen sein soll, nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden. Dies ist gerade das Ziel eines Vergleichs, der insoweit auch gar nicht auf die Einhaltung der Stipulationsform angewiesen ist. Dass er sogar im Hinblick auf eine verabredete Gegenleistung keineswegs wirkungslos ist, zeigt das folgende Fragment, das Teil eines auf drei Stellen des Codex Iustinianus verteilten Reskripts ist: CJ 2.3.21 (1. Mai 293 / Honoré 1867) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eusebio. Cum proponas inter vos sine scriptura placuisse fratrum tuorum successiones aequis ex partibus dividi, et transactionis causa probari possit hanc intercessisse conventionem, exceptione te tueri potes, si possides: quod si adversarius tuus teneat, ex hoc placito nullam actionem esse natam, si tibi stipulatione non prospexisti, debes intellegere nec adversario tuo transactione uti concedendum, nisi ea quae placita sunt paratus est adimplere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Eusebius. Da du vorträgst, unter euch sei man, ohne eine Urkunde aufzusetzen, übereingekommen, dass der Nachlass deiner Brüder zu gleichen Teilen geteilt würde, und bewiesen werden kann, dass diese Übereinkunft zum Zwecke eines Vergleichs vorgenommen wurde, kannst du dich als Besitzer mit einer Einrede schützen; ist aber dein Gegner Besitzer, musst du einsehen, dass aus einer solchen Vereinbarung keine Klage entstanden ist, wenn du für dich nicht durch Abschluss einer Stipulation Vorsorge getroffen hast; aber deinem Gegner ist auch nicht zu gestatten, sich auf den Vergleich zu berufen, wenn er nicht bereit ist, die Vereinbarung zu erfüllen.

In den anderen beiden Fragmenten geht es um erbrechtliche Vorfragen des durch Vergleich aufgelösten Rechtsstreits: Die Kanzlei stellt zum einen fest, dass der Tod der Schwester des anfragenden Eusebius, wenn er vor der Annahme der Erbschaft des gemeinsamen Bruders eintrat, nicht zu ihrer Rechtsnachfolge und dem Übergang des Nachlasses auf die Erben der Schwester

216

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

geführt hat.516 Zum anderen führt sie aus, dass die Schwester auch bei gesetzlicher Erbfolge sehr wohl einen Anspruch aus einem Fideikommiss erwerben konnte, das im Gegensatz zur Erbschaft keiner Annahme bedarf und eine unmittelbar vererbliche Rechtsstellung verschafft.517 Da die Kanzlei ausdrücklich einen Vorbehalt für die quarta portio macht, ist davon auszugehen, dass es um ein beträchtliches, wahrscheinlich sogar um ein Universal­ fideikommiss, handelt. Die aus dieser Rechtslage resultierenden Unsicherheiten bilden den Hintergrund für den Abschluss des Vergleichs, der vermutlich zwischen Eusebius und den Erben seiner Schwester zustande gekommen ist. Danach soll der Nachlass des vorverstorbenen Bruders zu gleichen Teilen, also zur Hälfte auf Eusebius und zur Hälfte auf die Erben der Schwester, aufgeteilt werden. Die Kanzlei belehrt den Fragesteller zunächst darüber, dass diese Vereinbarung, wenn sie nicht mit einer Stipulation einhergegangen ist, kein Klagerecht hervorbringt. Sie nützt beiden Seiten folglich nur insofern, als sie schon Besitzer der Nachlasssachen sind und sich gegen eine hierauf gerichtete Vindikation, Erbschafts- oder Fideikommissklage mit der exceptio pacti verteidigen können. Darin erschöpft sich die Wirkung des Vergleichs aber nicht; denn die Einrede aus dem Pakt soll nur erheben können, wer sich seinerseits an die Vereinbarung hält. Verweigert die eine Seite die Herausgabe von Sachen, die durch den Vergleich der anderen zugewiesen sind, verliert sie ihr Verteidigungsmittel gegenüber einem Anspruch auf die selbst besessenen Sachen. Der Pakt wird so durch ein auf andere Weise begründetes Klagerecht bewehrt und seine Einhaltung indirekt erzwungen. Das Instrument, mit dem dies geschieht, benennt die Kanzlei in einer Entscheidung vom Juli 294: CJ 2.4.28 (5. Juli 294 / Honoré 2344) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Sapparutae. Sive apud acta rectoris provinciae sive sint actis, scriptura intercedente vel non, transactio interposita est, hanc servari convenit. (1) Sed quoniam, ut certum quid accipias, convenisse te, licet sine scriptura, proponis nec huius rei causa stipulationem secutam esse, quamvis ex pacto non potuit nasci actio, tamen rerum vindicatione pendente, si exceptio pacti opposita fuerit, doli mali vel in factum replicatione usa poteris ad obsequium placitorum adversarium urguere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Sapparuta. Ist ein Vergleich abgeschlossen worden, ist er einzuhalten, und zwar unabhängig davon, ob er zu den Akten des Provinzstatthalters erklärt oder eine Urkunde aufgenommen worden ist oder nicht. (1) Da du aber vorträgst, ihr seiet, wenn auch ohne Urkunde, übereingekommen, dass du eine gewisse Leistung erhältst, und es sei hierüber keine Stipulation abgeschlossen worden, kannst du, obwohl aus einem Pakt keine Klage entsteht, dennoch, wenn bei Anhängigkeit der Vindikation eine Einrede aus dem 516  CJ 6.30.7 517  CJ 6.53.6

= Cons 6.19 (1. Mai 293 / Honoré 1868). (1. Mai 293 / Honoré 1869).



X. Unbenannte Verträge217 Pakt entgegengesetzt wird, den Gegner zur Einhaltung der Vereinbarung mit Hilfe einer auf die Arglist oder die Tatsachen bezogenen Replik zwingen.

Widersetzt sich der Beklagte der Klageforderung mit Hilfe der exceptio pacti, wird diese, wenn er sich selbst nicht an die Vereinbarung hält,518 im Wege einer replicatio doli oder eines Einwands entkräftet, der als replicatio facti auf sein konkretes Handeln Bezug nimmt. Die Grundlage bildet hier wie dort der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens: Wer selbst der getroffenen Vereinbarung zuwiderhandelt, kann diese dem anderen Teil nicht entgegenhalten. Die Wirkung dieses Mechanismus ist, wie die Kanzlei ausdrücklich bemerkt, dass der Kläger dank seines eigenen Klagerechts den Beklagten so indirekt zur Durchführung des pactum zwingen kann (‚poteris ad obse­ quium placitorum adversarium urguere‘).519 Dies gilt natürlich nicht, wenn beide Seiten ihre Bereitschaft zur Einhaltung des Vergleichs aufgeben, der Kläger, indem er unter Zurückweisung eines ihm vergleichshalber angebotenen Betrags doch Klage erhebt, der Beklagte, indem er sich auf diese Klage einlässt: CJ 2.4.14 (4. Juli 290 / Honoré 1601) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Sopatrae. Si diversa pars contra placitum agere nititur, aequitatis ratio suadet refusa pecunia, cum et tu hoc desideras, causam ex integro agi. Kaiser Diokletian und Maximian an Sopatra. Will der andere Teil entgegen der Vereinbarung klagen, entspricht es der Billigkeit, dass in dieser Sache, da auch du dies verlangst, unter Zurückweisung des Geldbetrags erneut geklagt wird.

Ein indirekter Zwang zur Erbringung der Gegenleistung scheidet ferner aus, wenn das pactum gegen die guten Sitten verstößt; denn unter diesen Umständen kann demjenigen, der sich nicht an die Vereinbarung halten will, nicht der Vorwurf arglistigen Verhaltens gemacht werden. Dass ein Pakt, der ohnehin nur durch die prätorischen Rechtsmittel von exceptio und replicatio Wirkung entfalten kann, im Fall seiner Sittenwidrigkeit automatisch ungültig ist,520 hat die Kanzlei schon unter Caracalla entschieden: CJ 2.3.6 = Cons 1.7 (28. Juli 213 / Honoré 320) Imp. Antoninus Iuliae Basiliae. Pacta, quae contra leges constitutionesque vel contra bonos mores fiunt, nullam vim habere indubitati iuris est.

518  Der angedeutete Einwand, dass der Vergleich nicht formgültig zustande gekommen sein könnte, ist hier erkennbar dadurch provoziert, dass er im laufenden Prozess zustande gekommen ist, und entgegen Taubenschlag, S. 140 f. Fn. 995 kein Beleg für volksrechtliches Denken. 519  Benöhr (Fn. 379), S. 111 konstatiert hier zu Recht eine Darstellung der positiven Wirkung des pactum. 520  Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 251 Fn. 64.

218

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Antoninus an Julia Basilia. Es ist unzweifelhaftes Recht, dass Pakte, die gegen Gesetze, Verordnungen oder die guten Sitten geschlossen werden, keine Wirkung haben.

Welche Konsequenzen dies für einen Vergleich hat, legt Diokletians Kanzlei in einem Bescheid vom Frühjahr 294 dar: CJ 2.4.25 (12. April 294 / Honoré 2292) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Marcellae et Cyrillae. Si maiores quinque et viginti annis cum patruo sive avunculo vestro transegistis vel ei debita donationis causa sine aliqua condicione remisistis, non idcirco, quod hoc huius hereditatis captandae causa, id est spe futurae successionis, vos fecisse proponatis, aliis ei succedentibus instaurari finita debent. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Marcella und Cyrilla. Habt ihr euch im Alter von mehr als 25 Jahren mit deinem Onkel väterlicher- oder mütterlicherseits verglichen oder ihm eine Schuld schenkungshalber und unbedingt erlassen, darf die so beendete Sache nicht aus dem Grund wieder anhängig gemacht werden, dass ihr vortragt, ihr hättet dies zum Erwerb seiner Erbschaft, also in der Hoffnung auf eine künftige Rechtsnachfolge, getan.

Selbst wenn die beiden Fragestellerinnen auf die Forderung gegen ihren Onkel nicht in der stillen Hoffnung auf seine Rechtsnachfolge, sondern unter ausdrücklicher Vereinbarung ihrer Erbeinsetzung verzichtet haben, können sie ihn oder seine Erben nun nicht mehr erfolgreich in Anspruch nehmen. Ihrer Klage steht die exceptio pacti im Wege, ohne dass sie auf die im Gegenzug erwartete Erbeinsetzung verweisen könnten. Da diese nicht zum Gegenstand einer vertraglichen Verpflichtung oder zum Anknüpfungspunkt für eine durchsetzbare Vertragsstrafe gemacht werden kann,521 taugt sie auch nicht als Objekt eines pactum. Im Hinblick auf die Erbeinsetzung scheitert es am Sittengebot und kann dem Erblasser folglich auch nicht den Vorwurf der Arglist eintragen, wenn er sich hieran nicht halten will. Ausdrücklich sagt die Kanzlei dies in einem weiteren Bescheid, den sie im Herbst desselben Jahres zu einem ganz ähnlichen Fall erlässt: CJ 2.4.34 (9. Nov. 294 / Honoré 2353) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Ptolemaidi. Cum donationis seu transactionis causa administratae tutelae debiti scientes vos obligationem fratri vestro remisisse proponatis nec umquam volenti dolus inferatur, frustra de dolo querimini, nec ad implendum promissum hereditatis propriae pollicitatione quisquam adstringitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Ptolemais. Da ihr vortragt, ihr hättet schenkungshalber oder zum Zwecke eines Vergleichs in Kenntnis einer Schuld aus der Verwaltung einer Vormundschaft eurem Bruder eine Verpflichtung erlassen, und da demjenigen, der freiwillig handelt, keine Arglist zugefügt wird, beschwert ihr euch vergeblich über Arglist; und niemand wird zur Erfüllung eines Versprechens gezwungen, wenn er seine eigene Erbschaft versprochen hat. 521  D 45.1.61

Iul 3 Urs Fer; hierzu Harke (Fn. 105), S. 331 f.



X. Unbenannte Verträge219

Dass das pactum nicht insgesamt hinfällig ist, sondern immerhin die Forderung gegen den Erblasser sperrt, folgt dem Schema der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung im Fall eines Sittenverstoßes:522 Durch den im Rahmen des Pakts ausgesprochenen Klageverzicht hat der Gläubiger seine Leistung gewissermaßen schon erbracht, so dass er von ihr, wenn eine indirekte Erzwingung der Gegenleistung ausscheidet, auch nicht mehr abgehen kann; denn er hat seine Zuwendung bewusst zu einem sittenwidrigen Zweck gemacht. Nicht zu den übrigen Quellen zu passen scheint ein Reskript vom Ende des Jahres 294: CJ 2.4.36 (8. Dez. 294 / Honoré 2530) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Achilleo. Si cum liberis maior annis viginti quinque transegisti, quamvis dari tibi placita repraesentata necdum probentur nec offerant haec qui conveniuntur, ne quid amplius ab ipsis exigi possit, exceptionis proficit aequitas. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Achilleus. Hast du dich mit Abkömmlingen im Alter von mehr als 25 Jahren verglichen, steht, obwohl noch nicht nachgewiesen ist, dass an dich die vereinbarte Leistung erfolgt ist und die Beklagten sie auch nicht angeboten haben, doch die Einrede zu, damit von ihnen nicht mehr gefordert werden kann.

Anlass für den Vergleich ist wiederum eine erbrechtliche Auseinandersetzung, deren Themen die beiden anderen Fragmente desselben Bescheids ergeben: In dem einen schließt die Kanzlei aus dem Umstand, dass in einer Urkunde Erbfolge und Enterbung vorgesehen sind, darauf, dass die Absicht einer Erblasserin auf die Errichtung eines Testaments und nicht nur auf Abfassung eines bloßen Kodizills gerichtet ist.523 In dem anderen stellt sie die Unwirksamkeit eines in einem ungültigen Testament bestimmten Fideikommisses fest, falls sich nicht ergibt, dass es auch im Fall der gesetzlichen Erbfolge Geltung erheischen sollte.524 Während dies bei einer Bestimmung in einem Kodizill eher anzunehmen ist, kommt es weniger in Betracht, wenn die Erblasserin die Verfügung in einem Testament getroffen hat, das zugleich eine Erbeinsetzung enthält und so dokumentiert, dass sie das Fideikommiss auf der Grundlage der Annahme einer gewillkürten Erbfolge ausgesetzt hat. Den so entfachten Streit über die Gültigkeit des Fideikommisses haben Fideikommissar und gesetzlicher Erbe in der Weise aus der Welt zu schaffen versucht, dass sie einen Verzicht auf ein Klagerecht gegen eine bestimmte Leistung vereinbart haben. Es kann sich dabei sowohl um die Fideikommissklage als auch um die Eigentums- oder Erbschaftsklage handeln, die gegen 522  s. o.

S.  58 ff. (13. Dez. 294 / Honoré 2531). 524  CJ 6.42.29 (6. Dez. 294 / Honoré 2532). 523  CJ 6.23.14

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

den Fideikommissar als Besitzer von Nachlasssachen erhoben wird. Die Kanzlei lässt sie an der exceptio pacti scheitern und will dabei keine Rücksicht darauf nehmen, ob die Leistung durch den Beklagten schon erfolgt oder zumindest angeboten worden ist. Mit der im Juli 294 ergangenen Entscheidung in CJ 2.4.28 lässt sich diese Aussage nur so in Einklang bringen, dass das bloße Ausbleiben der Gegenleistung noch nicht den Vorwurf des dolus und die Gewährung einer hierauf gegründeten Replik trägt, sofern der Beklagte noch nicht zu erkennen gegeben hat, dass er sich an den Vergleich nicht mehr halten will. Dies offenbart die offene Flanke, die der Mechanismus von exceptio pacti und replicatio doli lässt: Er wirkt nur so lange, wie der Prozess über das aus anderem Grund entstandene oder behauptete Klagerecht noch andauert. Lässt sich bis zu dessen Abschluss nicht feststellen, dass der jeweils Beklagte von dem Vergleich abgehen will, läuft der jeweilige Kläger Gefahr, dass dieser nur zu seinen Lasten, nämlich im Wege der exceptio pacti, nicht aber auch insoweit durchgeführt wird, dass auch der Beklagte zu der ihm obliegenden Leistung gezwungen wird. Eine vergleichbare Situation entsteht, wenn der von einer Seite erklärte Klageverzicht in Form einer stipulatio Aquiliana erfolgt. Auch hier kann derjenige, der sein Klagerecht aufgegeben hat, mit dem Vorwurf eines arglistigen Verhaltens des Beklagten nicht erreichen, dass er diesen noch in Anspruch nehmen kann; denn der förmliche Erlass der Forderung durch ihre Überführung in eine stipulatio und eine hieran anknüpfende acceptilatio525 bewirkt den endgültigen Verlust des Klagerechts, ohne dass ein späterer Verstoß des anderen Teils gegen das pactum hieran noch etwas ändern könnte. Um dieses Problem geht es Diokletians Kanzlei wahrscheinlich in dem folgenden Reskript,526 in dem sie von dem Petenten die Vorlage einer schriftlichen Fassung der Vereinbarung verlangt, um zu entscheiden, ob das Klagerecht nur durch eine exceptio pacti gehemmt oder durch eine stipulatio Aquiliana ein für alle Mal beseitigt ist:527

525  Beide Geschäfte bilden auch zu Diokletians Zeit eine Einheit; vgl. CJ 2.4.32 (25. Okt. 294 / Honoré 2425; s. u. S. 244 f.), CJ  8.43.3 (27. Nov. 294 / Honoré 2499; s. u. S.  222 f.) und Sturm, Stipulatio Aquiliana, München 1972, S. 325 ff. 526  Auch Sturm (Fn. 525), S. 198 f. bezieht die Entscheidung auf einen Vergleich, sieht aber nicht, dass sich die Fallfrage allein aus der Nichteinhaltung des Pakts durch eine Seite ergeben kann. Seine Annahme, es gehe um Ansprüche aus einer Gesellschaft zwischen dem anfragenden Pontius und dem Ehemann der Gegnerin, erscheint zu spekulativ. 527  Die Entscheidung zeigt, wie Sturm (Fn. 525), S. 199 zu Recht betont, dass die stipulatio Aquiliana auch bei actiones in rem Einsatz findet. Für das Ergebnis einer Interpolation erklärt dies Taubenschlag, S.  175 f.



X. Unbenannte Verträge221 CJ 2.4.15 (18. Juli 290 / Honoré 1610) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Pontio. Ut responsum congruum accipere possis, insere pacti exemplum: ita enim intellegemus, utrum sola conventio fuit, an etiam Aquiliana stipulatio nec non et acceptilatio secuta fuerit: quae si subdita esse illuxerit, nullam adversariae tuae petitionem hereditatis vel in rem specialem competere palam fiet. Kaiser Diokletian und Maximian an Pontius. Damit du einen angemessenen Bescheid erhältst, füge eine Abschrift des Pakts bei; so können wir ersehen, ob es eine reine Übereinkunft war, oder ob auch eine aquilianische Stipulation und ein förmlicher Erlass erfolgt sind; erhellt, dass sie hinzugekommen sind, ist offensichtlich, dass deiner Gegnerin weder die Erbschaftsklage noch eine dingliche Einzelklage zustehen kann.

3. Sanktion durch Klagerechte In den Fällen, in denen die replicatio doli keinen ausreichenden Schutz vor einem Bruch des pactum bietet, stellt sich die Frage, ob dem anderen Teil ein zusätzliches Klagerecht zu gewähren ist, mit dem er die Einhaltung der Vereinbarung erzwingen kann. In Betracht kommt im Fall eines Vergleichs die actio de dolo. Da sie denselben Tatbestand wie die replicatio doli hat, lässt sie sich einem Kläger, der bei Fortbestand seines anderweitig begründeten Anspruchs zur Erhebung der Einrede berechtigt wäre, kaum absprechen, wenn der Vorwurf der Arglist erst nach dem Wegfall seines Klagerechts begründet ist. Während die Klassiker die Gewährung der Arglistklage unter diesen Umständen ohne hinreichenden Grund auf den Fall eines dolus praeteritus in Gestalt einer früheren Täuschung beschränken wollen,528 zeigt sich Diokletians Kanzlei konsequent. Sie lässt die Arglistklage auch wegen des dolus praesens zu, den der Verstoß gegen ein pactum bedeutet:529 CJ 2.20.5 (13. Juni 293 / Honoré 1903) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aphrodisiae. Si superstite patre per emancipationem tui iuris effecta matri successisti rebusque tuis per legitimum tutorem patrem eundemque manumissorem administratis postea transegisti cum eo 528  Dies erhellt die in D 19.5.5.2 Paul 5 quaest überlieferte Entscheidung Julians zur Übereignung eines Sklaven, um den Empfänger zur Freilassung eines anderen zu bewegen (hierzu Lambrini, Studi sull’azione di dolo, Neapel 2013, S. 60 ff.). Julian will die Arglistklage nur dann gewähren, wenn der Veräußerer einen Rechtsmangel des Sklaven kannte, und gesteht dem Vertragspartner, der den Sklaven freigelassen hat, ansonsten die actio praescriptis verbis zu. Diese Entscheidung ist nicht nur wegen der Vernachlässigung des dolus praesens, sondern auch deshalb unstimmig, weil die Zuständigkeit der actio praescriptis verbis schwerlich davon abhängig gemacht werden kann, dass kein dolus vorliegt; denn so wäre die Klage der ihrerseits subsi­ diären actio de dolo nachgeordnet. 529  Vgl. zu diesem Thema auch Lambrini (Fn. 528), S. 66 f.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

bona fide, perspicis, quod, si pactum tantum factum sit, petitio tua per exceptionem submovetur, si vero novatio legitimo modo intercessit et acceptilatio subsecuta est, nullam tibi iam superesse actionem. (1) Sane si laesa es immodice liberatione sollemniter per novationem atque acceptilationem tributa, non de dolo propter paternam verecundiam, sed in factum actio tibi tribuenda est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aphrodisia. Bist du zu Lebzeiten deines Vaters rechtlich selbständig geworden und hast die Rechtsnachfolge nach deiner Mutter angetreten und hast du dich, nachdem dein Vermögen durch deinen Vater und Freilasser als gesetzlicher Vormund verwaltet worden ist, mit ihm rechtmäßig verglichen, siehst du ein, dass, wenn nur ein Pakt abgeschlossen worden ist, deine Forderung durch eine Einrede ausgeschlossen wird und dass, wenn ordnungsgemäß eine Novation vorgenommen und ein förmlicher Erlass gefolgt ist, dir kein Klagerecht mehr verbleibt. (1) Bist du freilich durch förmliche Befreiung durch Novation und Erlass übermäßig geschädigt worden, ist dir, wenn auch nicht die Arglistklage wegen der Achtung vor dem Vater, so doch eine Tatsachenklage zu gewähren.

Hat sich die Petentin mit ihrem Vater lediglich durch pactum verglichen, ist die actio tutelae, die sie aus der gesetzlichen Vormundschaft des Vaters erworben hat, bloß durch eine exceptio pacti ausgeschlossen, die durch eine replicatio doli entkräftet werden kann. Ist es dagegen zu einer stipulatio Aquiliana gekommen, ist das Klagerecht durch das Zusammenspiel von Novation und förmlichen Erlass endgültig beseitigt: CJ 8.43.3 (27. Nov. 294 / Honoré 2499) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Demetriae. Per Aquilianam stipulationem pacto subditam obligatione praecedente sublata et acceptilatione, quae fuerit inducta, perempta ei, qui ex nulla causa restitui potest, omnis agendi via praecluditur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Demetria. Ist eine frühere Verpflichtung durch die einem Pakt hinzugefügte aquilische Stipulation aufgehoben und durch späteren förmlichen Erlass beseitigt, ist für denjenigen, der aus keinem Grund eine Wiedereinsetzung fordern kann, jeder Klageweg ausgeschlossen.

Die Kanzlei erwägt im Fall von CJ 2.20.5 daher von vornherein lediglich die Gewährung der Arglistklage. Dass sie hiervor zurückschreckt, liegt allein an der infamierenden Wirkung der Klage,530 die eine Tochter ihrem Vater nicht zumuten kann. Die stattdessen gewährte actio in factum ist aber funktionsgleich und hat als Anknüpfunkt den Sachverhalt, der dem Vater den Vorwurf des dolus einträgt.531 Die Arglist kann sich sowohl aus einer Übervorteilung der Fragestellerin bei Abschluss des Vergleichs als auch daraus 530  Kaser / Hackl,

Das römische Zivilprozeßrecht, S. 284 Fn. 10. hält Taubenschlag, S. 174 Fn. 1185 die Entscheidung für ebenso interpoliert wie die Bescheide zur Anfechtung eines Kaufvertrags wegen laesio enormis (s. o. S.  179 ff.). 531  Dagegen



X. Unbenannte Verträge223

ergeben, dass der Vater sich zwar die Befreiung von seiner Verpflichtung hat gefallen lassen, sich aber seinerseits nicht an das pactum gehalten hat. Mit ihrer Entscheidung folgen Diokletians Juristen einer Entscheidung, die die Kanzlei schon unter Severus Alexander getroffen hat:532 CJ 2.4.4 (2. März 226 / Honoré 756) Impp. Alexander A. Numidio. Actione administratae curae ab eo, qui legitimae aetatis annos complevit, in Aquilianam stipulationem deducta et per acceptilationem extincta nullam aliam superesse nisi de dolo intra concessa tempora non ambigitur, nisi specialiter etiam de dolo transactum est. Kaiser Alexander an Numidius. Ist die Klage wegen Pflegschaft von jemandem, der das gesetzliche Alter erreicht hat, zum Gegenstand einer aquilianischen Stipulation gemacht und durch förmlichen Erlass zum Erlöschen gebracht worden, ist unumstritten, dass keine Klage übrigbleibt, es sei denn wegen Arglist innerhalb der hierfür bestimmten Frist, sofern man sich nicht ausdrücklich auch wegen Arglist verglichen hat.

Bezogen auf einen dolus praeteritus gewährt die diokletianische Kanzlei die Arglistklage auch im Fall einer Prozessbeendigung durch Vergleich: CJ 2.4.19 (18. Sept. 293 / Honoré 1961) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Irenaeo. Sub praetextu instrumenti post reperti transactionem bona fide finitam rescindi iura non patiuntur. sane si eam per se vel per alium subtractis, quibus veritas argui potuit, decisionem litis extorsisse probetur, si quidem actio superest, replicationis auxilio doli mali pacti exceptio removetur, si vero iam perempta est, infra constitutum tempus tantum actionem de dolo potes exercere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Irenaeus. Unter dem Vorwand, dass später eine Urkunde aufgefunden worden sei, darf ein rechtmäßig abgeschlossener Vergleich nicht angefochten werden. Wird aber nachgewiesen, dass jemand die Beendigung des Rechtsstreits dadurch erzwungen hat, dass er selbst oder andere Urkunden, mit denen die Wahrheit dargetan werden kann, unterschlagen hat, wird, wenn noch eine Klage offensteht, die Einrede aus dem Pakt durch die Replik der Arglist überwunden; ist die Klage dagegen ausgeschlossen, kannst du nur innerhalb der festgesetzten Zeit die Arglistklage erheben.

Da der Vergleich das Verfahren endgültig beendet hat und ein erneuter Prozess über dasselbe Klagerecht nicht geführt werden kann, bleibt, wenn der Beklagte den Vergleichsschluss durch die Unterschlagung von Urkunden erschlichen hat, nur die actio de dolo, mit der der Kläger den durch den unberechtigten Anspruchsverlust eingetretenen Schaden geltend machen kann. Einen dolus praesens in Gestalt eines Verstoßes gegen den Pakt soll die Arglistklage dagegen in der folgenden Entscheidung sanktionieren. Sie gilt 532  Sturm

(Fn. 525), S. 335 f.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

einer Vereinbarung, mit der sich ein Teil zur Freilassung einer Sklavin gegen Übereignung eines anderen Sklaven verpflichtet: CJ 2.20.4 (29. April 294 / Honoré 1846) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Menandrae. Cum proponas inter te et eum, quem in contubernio ancillam tuam sibi coniunxisse memorasti, placuisse, ut tibi pro eadem daret mancipium, intellegis, quod, si manumisisti vel ei tradidisti et ille manumisit, revocandae libertatis potestatem non habes, sed solum, si necdum statutum tempus excessit et fidem placiti rumpat, desiderare debes de dolo tibi decerni actionem. quod si penes te dominium eius remansit, adito praeside provinciae cum natis hanc potes recuperare, si nulla moveatur status quaestio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Menander. Da du vorträgst, zwischen dir und demjenigen, der sich nach deiner Behauptung mit deiner Sklavin unehelich verbunden hat, ein Pakt geschlossen worden ist, wonach er dir für diese einen Sklaven gibt, verstehst du, dass, wenn du sie freigelassen oder ihm übergeben hast und er sie freigelassen hat, du kein Recht zum Widerruf ihrer Freilassung hast, sondern du, wenn die festgelegte Zeit nicht abgelaufen ist und er sich nicht an die Vereinbarung hält, verlangen musst, dass dir die Arglistklage gewährt wird. Ist das Eigentum dagegen bei dir geblieben, kannst du sie mit ihren Kindern durch Anrufung des Provinzstatthalters zurückerlangen, wenn kein Statusprozess eingeleitet wird.

Ist die Freilassung erfolgt, ist sie ebenso wie der prozessbeendigende Vergleich oder die stipulatio Aquiliana nicht mehr rückgängig zu machen. Bleibt die Übereignung des als Ersatz für die freigelassene Sklavin gedachten Sklaven aus, kann der ehemalige Eigentümer der Sklavin aber die actio de dolo erheben. Ihr Ziel ist aber vermutlich abermals nicht die Gegenleistung, sondern Ersatz für den infolge der Abmachung erlittenen Verlust. Dies legt der Schlusssatz nahe, in dem die Kanzlei dem Eigentümer für den Fall, dass die Sklavin noch nicht wirksam freigelassen ist, den dinglichen Zugriff bestätigt. Dient die Arglistklage dazu, den benachteiligten Partner wieder in die Lage zu versetzen, in der er sich vor dem nicht vollständig zur Durchführung gekommenen pactum befand, erfüllt sie die Funktion, die der condictio wegen Zweckverfehlung zukommt. Diese scheidet nicht schon dann aus, wenn die Leistung, die eine Seite aufgrund des pactum erbracht hat, nicht mehr rückgängig zu machen ist,533 sondern ist in diesem Fall auf Ersatz des Wertes der Vorleistung gerichtet. Auch dieser kommt aber nicht in Betracht, wenn eine Bemessung der Vorleistung in Geld nicht denkbar ist. Dies gilt nicht zunächst einmal für die Freilassung, weil die Freiheit eines Menschen keinen Wert hat und es für den Ansatz des Preises, den der Freigelassene im Sklavenstand hatte, an einem Mechanismus fehlt, wie sie die perpetuatio obliga­ tionis im Fall der schuldhaft verursachten Unmöglichkeit einer Leistung 533  So aber mit Bezug auf CJ 2.20.4 Artner, Agere praescriptis verbis, Berlin 2002, S. 158.



X. Unbenannte Verträge225

bietet.534 Es gilt aber in gleichem Maße für einen Anspruchsverzicht im Wege von Vergleich oder stipulatio Aquiliana; denn die Ermittlung des Wertes der Leistung bedeutete eine erneute Entscheidung über den aufgegebenen Anspruch, die wegen der prozessausschließenden Wirkung beider Institute535 nicht in Betracht kommt. Scheidet die condictio daher aus, kann der Sanktion des Pakts mit Hilfe der actio de dolo auch nicht die Subsidiarität dieser Klage entgegenstehen.536 Zweifelhaft kann die Zuständigkeit der Arglistklage allenfalls insoweit sein, als der Kontrahent, der den Pakt schon erfüllt hat, die Gegenleistung verlangt. Hier konkurriert die actio de dolo statt mit der condictio mit der actio praescriptis verbis. Gewährt wird sie schon von den klassischen Juristen in einer Konstellation, die dem in CJ 2.20.4 behandelten Freilassungsfall vergleichbar ist.537 Als auf den individuellen Fall zugeschnittene Klage stellt die actio praescriptis verbis die Zulässigkeit der Arglistklage zwar noch nicht unbedingt im klassischen Formularverfahren in Frage; mit dem Wegfall des Formelwesens wandelt sie sich jedoch ungeachtet ihres Namens zu einem Klagerecht von allgemeinem Charakter, das der Durchsetzung einseitig vollzogener pacta dient und als solches die subsidiäre actio de dolo verdrängen muss. Folglich entscheidet sich Diokletians Kanzlei auch für die actio praescriptis verbis, um einem Vertragspartner, der durch einen Vergleich seinen Anspruch Harke, Si error aliquis intervenit, S.  167 ff. Vergleich s. u. S.  228 f. 536  Vielleicht ist dies der Kern der Aussage von D 19.5.5.3 Paul 5 quaest, in der für den Fall einer Vereinbarung des Typs ‚facio ut des‘ eine zivilrechtliche Klage verneint und deshalb die actio de dolo gewährt wird (hierzu Artner (Fn. 533), S. 229 ff.). Zwar ist nicht einzusehen, warum die als Gegenleistung zugesagte datio nicht Gegenstand einer actio praescriptis verbis sein kann. Will der Vertragspartner, der sich an den Pakt gehalten hat, seine eigene Leistung zurückerlangen, kann er dies aber nicht mit der actio praescriptis verbis erreichen, sondern muss die die condictio erheben; und bei dieser war, wie die Argumentation von Celsus und Marcian in D 12.6.26.12 Ulp 26 ed und D 19.5.25 Marc 3 reg zeigt, eben streitig, ob auch Leistungen in Form eines facere zum Gegenstand der Klage taugen; vgl. Harke (Fn. 242), S. 95 ff. – Dass die actio de dolo wegen des geltend gemachten Rückgewährinteresses gewährt wird, ist auch für die Entscheidung zur Aussaat auf fremdem Grund in D 19.1.16.1 Pomp 22 Sab denkbar; dass es nicht um die Gegenleistung, sondern um den Ersatz für frustrierte Aufwendungen und damit um das Interesse an der Wiederherstellung des status quo ante geht, ist in dem von D 4.3.34 Ulp 42 Sab behandelten Parallelfall des Steinbruchs auf fremdem Grund, ganz deutlich (vgl. zu beiden Entscheidungen Lambrini (Fn. 528), S. 55 f.). – Dass die actio de dolo dagegen neben der actio praescriptis verbis bestehen konnte, deutet auch Ulpians nicht ganz eindeutige Aussage zum Fall der Vereinbarung über die entgeltliche Denunziation flüchtiger Sklaven in D 19.5.15 Ulp 42 ed an. 537  Vgl. D 2.14.7.2 Ulp 4 ed (mit Zitat von Maurician im Kontrast mit der Ansicht von Julian, der eine actio in factum geben will). 534  Hierzu 535  Zum

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

auf ein Grundstück eingebüßt hat, zum Schadensersatz wegen eines Rechtsmangels des ersatzweise überlassenen Grundstücks zu verhelfen:538 CJ 2.4.33 (9. Nov. 294 / Honoré 2452) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Euchrysio. Si pro fundo quem petebas praedium certis finibus liberum dari transactionis causa placuit, nec eo tempore minor annis viginti quinque fuisti, licet hoc praedium obligatum post vel alienum pro parte fuerit probatum, instaurari decisam litem prohibent iura. (1) Ex stipulatione sane, si placita servari secuta est, vel, si non intercessit, praescriptis verbis actione civili subdita apud rectorem provinciae agere potes. (2) Si tamen ipsas res apud te constitutas, ob quarum quaestionem litis intercessit decisio, fiscus vel alius a te vindicavit, nihil petere potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Euchrysius. Ist vereinbart worden, dass zum Zwecke eines Vergleichs anstelle des von dir geforderten Grundstücks ein unbelastetes Hausgrundstück mit bestimmten Grenzen geleistet wird und warst du zu dieser Zeit nicht jünger als 25 Jahre, verbietet das Recht auch dann, wenn sich das Hausgrundstück als belastet oder als zum Teil fremd erwiesen hat, den entschiedenen Rechtsstreit wiederaufzunehmen. (1) Du kannst aber aus einer Stipulation, wenn sie zur Einhaltung des Pakts abgeschlossen worden ist, oder, falls sie nicht abgeschlossen worden sein sollte, mit der zivilrechtlichen Klage mit vorgeschriebener Formel bei dem Provinzstatthalter Klage erheben. (2) Hat dagegen der Fiskus oder ein anderer die dir zugewiesenen Sachen gefordert, wegen deren Verfolgung die Streitentscheidung erfolgte, kannst du nichts mehr fordern.

Stellt sich heraus, dass das Grundstück, das der Kläger unter Aufgabe seines Klagerechts erhalten hat, mit einem Pfandrecht belastet ist oder dem Beklagten nur in Miteigentum zustand, entwertet dies die Gegenleistung für die vergleichsweise Beendigung des Herausgabeverfahrens. Da sich diese nicht mehr ungeschehen machen lässt, steht der Kläger vor der Wahl, ob er den Beklagten auf Schadensersatz wegen Verlustes seines Klagerechts oder auf sein Interesse an einer gehörig erbrachten Gegenleistung in Gestalt eines mangelfreien Grundstücks in Anspruch nimmt. Dass er sich für dieses zweite Ziel entschieden hat, legt der Hinweis auf die Stipulation nahe, derer sich der Kläger vordringlich bedienen soll. Sie ist auf die Einhaltung des Vergleichs und damit nicht auf Wiederherstellung des früheren Zustands, sondern auf die Befriedigung des Klägers mit Hilfe des ersatzweise übereigneten Grundstücks gerichtet. Um sie zu gewährleisten, bedarf es der Stipulation aber nicht zwingend; vielmehr kann der Kläger sein Ziel auch im Wege einer ­actio praescriptis verbis erreichen.539 Ebenso wie einen einfachen Sachtausch sanktioniert sie auch die vergleichsweise Einigung über die Aufgabe eines 538  Dass die Gewährung dieser Klage hier ebenso wie an anderen Stellen erst das Ergebnis einer justinianischen Interpolation ist, glaubt Taubenschlag, S. 175. 539  Entgegen Kaser / Hackl, Das römische Zivilprozeßrecht, S. 441 Fn. 35 vermag ich hierin keinen Beleg für eine Anwendung des Formularverfahrens zu erkennen.



X. Unbenannte Verträge227

rechtshängig gemachten Anspruchs gegen Überlassung einer Ersatzsa­che.540 Ausgeschlossen ist sie lediglich in dem Fall, dass das Grundstück, dessen Herausgabe der Kläger begehrt hat, für den Beklagten wertlos ist, weil es seinerseits einen Rechtsmangel in Gestalt einer Belastung zugunsten des Fiskus oder einer anderen Person aufweist. Hier steht sowohl dem Anspruch aus der Stipulation als auch der actio praescriptis verbis eine exceptio doli entgegen, mit der der Beklagte geltend machen kann, dass seiner mangelhaften Gegenleistung eine gleichfalls nicht vollwertige Leistung des Klägers gegenübersteht. Diokletians Juristen können für ihre Lösung auf ältere Rechtsprechung zurückgreifen. Allerdings vermittelt ein unter Caracalla ergangenes Reskript den Eindruck, eine durch Vergleich zugesagte Leistung könne nur im Fall ihres Versprechens durch Stipulation gefordert werden. Die Entscheidung gilt einem Anspruch auf Erfüllung einer Forderung, die der Gläubiger eigentlich infolge einer Konfusion durch Antritt der Erbfolge nach dem Schuldner verloren hat, dann aber im Gegenzug zur Herausgabe der Erbschaft an einen unterlegenen Erbprätendenten wiederhergestellt sehen möchte: CJ 2.3.7 (30. Juli 213 / Honoré 342) Imp. Antoninus A. Iulio Maximo. Debitori tuo si heres extitisti, actio, quam contra eum habuisti, adita hereditate confusa est. sed si eam hereditatem, posteaquam in iudicio obtinuisti, ei tradidisti, quem sententia superaveras, ea condicione pactoque, ut tam ceteris creditoribus quam tibi in eo, quod tibi deberetur, si eam hereditatem non adisses, satisfaceret, pacti conventionisque fides servanda est. quae si non servatur, ex stipulatu, si modo pacto subiecta est, actio dabitur. Kaiser Antoninus an Julius Maximus. Bist du Erbe deines Schuldners geworden, ist die Klage, die dir gegen ihn zustand, mit Antritt der Erbschaft durch Vereinigung erloschen. Hast du aber diese Erbschaft, nachdem du im Rechtsstreit obsiegt hast, demjenigen überlassen, den du im Rechtsstreit besiegt hast, und zwar unter der Bedingung und mit dem Pakt, dass er sowohl die übrigen Gläubiger als auch dich wegen der Schuld befriedigt, die bestünde, wenn du die Erbschaft nicht angetreten hättest, sind der Pakt und die Übereinkunft einzuhalten. Wird sie nicht eingehalten, ist die Klage aus Stipulation zu gewähren, falls sie mit dem Pakt verbunden ist.

Der letzte Satz des Bescheids könnte freilich einer versehentlichen Kürzung zum Opfer gefallen sein und ursprünglich die actio praescriptis verbis als Alternative zur actio ex stipulatio für den Fall genannt haben, dass keine Stipulation abgeschlossen worden ist.541 Dies ist jedenfalls der Tenor einer Entscheidung, die unter Severus Alexander fällt: 540  Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 445 Fn. 48 schreibt diese Lösung erst der ‚östlichen Doktrin‘ zu. 541  Denselben Tenor hat eine diokletianische Entscheidung zu einem Pakt über die Aufteilung einer Erbschaft; vgl. CJ 3.36.23 (vor 28. Dez. 294 / Honoré 2638).

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

CJ 2.4.6 (6. Jan. 230 / Honoré 834) Imp. Alexander A. Pomponiis. Cum mota inofficiosi querella matrem vestram cum diversa parte transegisse ita, ut partem bonorum susciperet et a lite discederet, proponatis, instaurari quidem semel omissam querellam per vos, qui matri heredis extitistis, iuris ratio non sinit. (1) Verum si fides placitis praestita non est, in id quod interest diversam partem recte convenietis: aut enim, si stipulatio conventioni subdita est, ex stipulatu actio competit, aut, si omissa verborum obligatio est, utilis actio, quae praescriptis verbis rem gestam demonstrat, danda est. Kaiser Alexander an die Pomponii. Hat sich eure Mutter, wie ihr vortragt, nach Erhebung der Klage gegen ein pflichtwidriges Testament mit dem anderen Teil derart verglichen, dass sie einen Teil des Vermögens erhält und die Klage zurücknimmt, duldet die Rechtsordnung zwar nicht, dass ihr als Erben eurer Mutter die einmal zurückgenommene Klage wieder erhebt. (1) Ist aber der Vertrag nicht eingehalten worden, nehmt ihr den anderen Teil zu Recht auf euer Interesse in Anspruch; es steht nämlich entweder, wenn der Vereinbarung eine Stipulation hinzugefügt worden ist, die Klage aus der Stipulation zu, oder es ist, wenn kein Verbalvertrag abgeschlossen worden ist, die zweckdienliche Klage zu gewähren, bei der die Angelegenheit mit vorgeschriebener Formel geschildert wird.

Es geht um eine querella inofficiosi testamenti, die von der Mutter der Fragesteller angestrengt und dann gegen die Zusage, einen Teil des Nachlasses zu erhalten, aufgegeben wurde. Ist der Erbe seinem Versprechen nicht nachgekommen, lässt sich zwar die durch den Vergleich erledigte Beschwerde gegen das Testament nicht wieder aufnehmen. Die Fragesteller können aber als Rechtsnachfolger ihrer Mutter entweder aus einer Stipulation oder, wenn diese nicht zustande gekommen ist, mit der actio praescriptis verbis vorgehen.542 Gerichtet kann diese Klage wiederum nur auf Vollzug des Vergleichs sein, also auf Auskehr des zugesagten Nachlassteils oder Ersatz des hieran bestehenden Interesses. Keinen Anspruch gewährt die Kanzlei dagegen in dem Fall, dass dem Vergleich über ein Klagerecht die vom Beklagten zugesagte Leistung gefolgt ist. Das pactum ist hier vollständig durchgeführt, indem der Kläger die ausbedungene Leistung erhalten hat und der Beklagte durch exceptio pacti geschützt ist:543 CJ 2.4.17 (9. Juni 293 / Honoré 1902) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Marcello. Cum proponas ab ea, contra quam supplicas, litem quam tecum habuit transactione decisam eamque acceptis quae negotii dirimendi causa placuerat dari nunc de conventione resiluisse, ac petas vel pacto stari vel restitui data, perspicis, si quidem de his reddendis ma542  Zu deren Bezeichnung als actio utilis Harke, Actio utilis, S. 32 ff. – Dass die Gewährung der Klage erst das Ergebnis einer späteren Interpolation ist, glaubt Tau­ benschlag, S. 63 Fn. 507. 543  Zum Widerhall dieses Reskripts in den iuris epitomae von Hermogenian in D 2.15.16 Liebs (Fn. 24), S. 95 f.



X. Unbenannte Verträge229 nente transactionis placito statim stipulatione, si contra fecerit, prospexisti et quinque et viginti annis maior fuit, quod exceptionem pacti et actionem datorum habeas: quod si nihil tale convenit, exceptio tibi, non etiam eorum quae dedisti repetitio competit securitate parta. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Marcellus. Da du vorträgst, dass von derjenigen, gegen die sich deine Eingabe richtet, ein mit dir geführter Rechtsstreit durch Vergleich beendet worden sei und sie erhalten habe, was man als Leistung zur Beendigung der Sache ausgemacht hatte, und sie nun von der Vereinbarung abgegangen sei, und du darum ersuchst, dass entweder der Pakt eingehalten oder die Leistung zurückerstattet wird, siehst du ein, dass du, wenn du durch Abschluss einer Stipulation Vorsorge für die Rückgewähr bei Bestand des Vergleichs getroffen hast und sie mindestens 25 Jahre alt war, dir sowohl die Einrede des Pakts als auch eine Klage auf die Leistung zusteht; ist eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden, steht dir eine Einrede, nicht dagegen auch die Rückforderung der Leistung zu, weil du in Sicherheit bist.

4. Annäherung von Tausch und Kauf Dass eine unförmlich zugesagte Leistung mit der actio praescriptis verbis erzwungen werden kann, führt zu einer Angleichung von Tausch und Kauf. Obwohl dieser als Konsensualvertrag voll durchsetzbar, jener nach der zumindest in der Spätklassik prävalenten Ansicht der Prokulianer nur einfaches pactum ist,544 begründen doch beide einen Anspruch auf Lieferung einer zugesagten Sache. Dies bildet vermutlich den Hintergrund der isoliert überlieferten Aussage, ein Tauschvertrag habe dieselbe Geltung wie ein Kaufvertrag:545 CJ 4.64.2 (Honoré 1570) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Primitivae. Permutationem re ipsa utpote bonae fidei constitutam, sicut commemoras, vicem emptionis obtinere non incogniti iuris est. Kaiser Diokletian und Maximian an Primitiva. Es ist bekanntermaßen Recht, dass ein Tauschvertrag, der, wie du behauptest, nach guter Treue zustande gekommen ist, den Platz eines Kaufvertrags einnimmt.

Der Hinweis auf die bona fides betrifft zwar den Vertragsschluss, legt jedoch zugleich nahe, dass auch die Erfüllung der mit der actio praescriptis verbis durchzusetzenden Leistung dem Gebot der guten Treue unterliegt.546 544  D 19.5.5.1 Paul 5 quaest, D 19.4.1.2 Paul 32 ed; der Schulenstreit ist durch Gai 3.141 belebt. 545  Anders Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 277 Fn. 25, der hier die völlige Gleichsetzung von Kauf und Tausch ausgesprochen sieht. 546  So zu Recht Scianderello, Studi sul contratto estimatorio e sulla permuta nel diritto romano, Trient 2011, S. 355 f.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Unabhängig davon, wie die Formel dieser Klage im klassischen Formularverfahren ausgestaltet war,547 bietet sich dies jedenfalls im Kognitionsverfahren an, weil die vom Partner eines Tauschvertrags erwartete Leistung der eines Verkäufers entspricht. Folglich befindet Diokletians Kanzlei auch, dass er ebenso wie dieser für einen Rechtsmangel einzustehen hat. Selbst wenn keine Garantie für den Fall der Entwehrung übernommen ist, muss er doch, falls der Empfänger der Sache ihm Gelegenheit zur Abwehr der Eviktion gegeben hat, das Interesse ersetzen, das am Verbleib der Tauschsache im Vermögen des Empfängers besteht:548 CJ 8.44.29 (7. Dez. 294 / Honoré 2537) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Rheso. Si permutationis gratia praedia curatoribus quondam fratris tui mater tua dedit, his, quae in eorum vicem accepit, posteaquam ad defensionem fuerit denuntiatum, vel cum eorum non haberet facultatem, evictis quanti interest eos conveniri posse rationis est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Rhesus. Hat deine Mutter den Pflegern deines Bruders zum Tausch Grundstücke überlassen und sind diejenigen, die sie im Gegenzug erhalten hat, entwehrt worden, nachdem eine Nachricht erfolgt ist, dass sie verteidigt werden müssen, oder sie nicht benachrichtigt werden konnten, können sie zu Recht auf das Interesse belangt werden.

Diese Lösung entspricht dem kaufvertraglichen Regime, bei dem die Verpflichtung aus der actio empti die Garantiehaftung des Verkäufers aufgrund der stipulatio habere licere absorbiert hat.549 Dass sich Diokletians Juristen nichtsdestoweniger der Eigenart der aus einem pactum entspringenden Klage bewusst sind, zeigt die folgende Entscheidung, in der sie mit ihrer Benennung als actio incerta civilis die klassische Terminologie550 aufgreifen:551

etwa Artner (Fn. 533), S. 46 ff. Bescheid ist vermutlich Teil eines Reskripts, von dem ein weiteres Fragment in CJ 6.56.2 mit leicht abweichendem Datum (8. Dez.  294 / Honoré 2536) und einer weiblichen Adressatin (Rhesa) überliefert ist. Hier stellt die Kanzlei fest, dass zur gesetzlichen Erbfolge eines ohne Nachkommen gebliebenen Kindes der Vater und nicht die Mutter berufen ist. Der Bezug zu der in CJ 8.44.29 behandelten Rechtsfrage ergibt sich wohl daraus, dass der Bruder des Petenten oder der Petentin, der aufgrund der Geschäfte seiner Pfleger in Anspruch genommen werden kann, von seinem Vater beerbt worden ist, so dass dieser nun den Rechtsnachfolgern der Mutter als anderer Partnerin des Tauschvertrags einzustehen hat. 549  s. o. 550  D 19.5.6 Nerv 1 resp, D 19.5.16pr Pomp 22 Sab. 551  Hier zeigt das Adjektiv incertus den Bezug der actio praescriptis verbis auf ein factum an; vgl. Cannata, IVRA 57 (2008 / 09) 9, 47 f. 547  Hierzu 548  Der



X. Unbenannte Verträge231 CJ 4.64.6 (vor 20. Okt 294 / Honoré 2416) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Protogeni. Rebus certa lege traditis, si huic non pareatur, praescriptis verbis incertam civilem dandam actionem iuris auctoritas demonstrat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Protogenes. Das Recht lehrt, dass, wenn Sachen mit einer bestimmten Maßgabe übergeben werden und ihr nicht Genüge getan wird, eine unbestimmte zivilrechtliche Klage mit vorgeschriebener Formel zu gewähren ist.

Hat diese Bezeichnung auch im Kognitionsprozess keine praktische Bedeutung mehr, unterstreicht sie doch die Verschiedenheit von den actiones venditi und empti. Das zugleich angedeutete Erfordernis einer Vorleistung des Klägers552 betont die Kanzlei in dem nächsten Reskript, in dem sie die permutatio mangels Stipulation und Leistung eines Teils für unklagbar erklärt:553 CJ 4.64.3 (vor 20. Okt 294 / Honoré 2413) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Barcio Leontio. Ex placito permutationis re nulla secuta constat nemini actionem competere, nisi stipulatio subiecta ex verborum obligatione quaesierit partibus actionem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Barcus Leontius. Es steht fest, dass aus der Vereinbarung eines Tauschs, wenn noch keine Leistung erfolgt ist, keinem eine Klage zusteht, falls den Parteien nicht durch Vornahme einer Stipulation eine Klage aus Verbalverpflichtung erwachsen ist.

Und umgekehrt zeitigt das pactum, wenn eine Seite vorgeleistet hat, nicht nur den Anspruch auf die Gegenleistung, sondern daneben die condictio, mit der die Vorleistung zurückgefordert werden kann. Die so eröffnete Wahlmöglichkeit stellt die Kanzlei in dem folgenden Bescheid dar, in dem sie den Tauschvertrag bemerkenswerterweise contractus nennt. Die Entscheidung betrifft einen Fall, in dem der Empfänger der Leistung diese schon an einen Dritten weitergereicht hat. Zwar kann sie deshalb nicht mehr in Natur zurückverlangt werden. Gleichwohl hat der Vorleistende die Wahl, ob er von dem Empfänger die vereinbarte Gegenleistung oder Wertersatz für die eigene Leistung fordert:554 CJ 4.64.4 (vor 20. Okt 294 / Honoré 2414) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Leontio. Cum precibus tuis expresseris placitum inter te et alium permutationis intercessisse eumque fundum a te datum vendidisse, contra emptorem quidem te nullam habere actionem perspicis, Scianderello (Fn. 546), S. 347. auch D 19.4.1.2 Paul 32 ed und Scianderello (Fn. 546), S. 346. 554  Scianderello (Fn. 546), S. 350 hält den Schlusspassus zu Unrecht für interpoliert; wenn die Kanzlei zuvor einen Anspruch auf Herausgabe des übereigneten Grundstücks selbst verneint hat, schließt dies aber noch keineswegs aus, dass der Empfänger mit der condictio dessen Wert ersetzen muss. 552  Vgl. 553  Vgl.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

cum ab eo susceperit dominium, cui te tradidisse titulo permutationis non negasti. (1) Secundum fidem autem placiti, si stipulatio subsecuta est, successores eius, cum quo contractum habuisti, convenire non prohiberis: si vero nulla stipulatio intercessit, praescriptis verbis actione, ut vel fides placiti servetur tibi vel, quod alterius accipiendi fundi gratia dedisti, causa non secuta restituatur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Leontius. Da du mit deiner Eingabe zum Ausdruck bringst, dass zwischen dir und einem anderen ein Tauschvertrag abgeschlossen worden ist und er das von dir geleistete Grundstück verkauft hat, siehst du freilich ein, dass dir gegen den Käufer keine Klage zusteht, da er von demjenigen das Eigentum erlangt hat, von dem du nicht bestreitest, dass du es ihm aufgrund des Tauschs übertragen hast. (1) Du bist aber nicht gehindert, aufgrund der Vereinbarung die Erben desjenigen zu belangen, mit dem du den Vertrag eingegangen bist, falls eine Stipulation vorgenommen worden ist; ist keine vorgenommen worden, kannst du mit der Klage mit vorgeschriebener Formel verlangen, dass die Vereinbarung eingehalten wird, oder wegen Ausfalls des Leistungszwecks zurückgewährt wird, was du geleistet hast, um das Grundstück zu erhalten.

Vor dieselbe Alternative stellt die Kanzlei den Partner eines Tauschvertrags in dem folgenden Bescheid, in dem sie zugleich die condictio als maßgeb­ lichen Rechtsbehelf für die Rückforderung der eigenen Leistung benennt: CJ 4.64.5 (vor 20. Okt 294 / Honoré 2415) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Theodolanae. Quoniam adseris patrem tuum ei contra quem preces fundis ea condictione dedisse fundum, ut invicem domum certam acciperet, aditus praeses provinciae placitis eum parere vel, si causam, propter quam fundus datus est, sequi non perspexerit, condictionis ratione datum restituere, sicut postulas, iubebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Theodolana. Weil du behauptest, dass dein Vater demjenigen, gegen den sich deine Eingabe richtet, ein Grundstück mit der Maßgabe übereignet hat, dass er ein bestimmtes Hausgrundstück erhält, muss der Provinzstatthalter anordnen, dass der Vereinbarung Genüge getan wird oder dass, wenn er feststellt, dass sich der Zweck, zu dem das Grundstück übereignet worden ist, nicht erfüllt hat, die Leistung, wie du forderst, im Wege der Kondiktion zurückgewährt wird.

Wie die Kanzlei hier eigens hervorhebt, hat die Fragestellerin offenbar ein größeres Interesse an der Rückgewähr der eigenen Leistung als an der Erbringung der Gegenleistung. Dasselbe gilt für den Adressaten des folgenden Reskripts:555 CJ 4.64.7 (20. Okt 294 / Honoré 2417) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Timotheo. Emptionem rebus fieri non posse pridem placuit. igitur cum frumenti certam modiationem Callimacho et Acamato te dedisse, ut tibi repraesentent olei designatum pondus adseveres, si placitis citra stipulationis sollemnitatem non exhibeant fidem, quantum dedisti, causa non secuta condicere pro desiderio tuo potes. 555  Scianderello

(Fn. 546), S. 352.



X. Unbenannte Verträge233 Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Timotheus. Es ist längst anerkannt, dass ein Kauf nicht durch Sachleistung erfolgen kann. Daher kannst du, da du behauptest, eine bestimmte Menge Getreide an Callimachus und Acamatus geliefert zu haben, damit sie dir im Gegenzug Öl zu einem bestimmten Gewicht leisten, wenn der ohne Einhaltung der Stipulationsform getroffenen Vereinbarung nicht Genüge getan wird, entsprechend deinem Begehren wegen Nichterfüllung des Zwecks kondizieren, was du geleistet hast.

Der Bescheid ist deshalb bemerkenswert, weil in ihm der Unterschied zwischen Kauf- und Tauschvertrag gerade als maßgeblicher Vorteil für den Tauschpartner erscheint: Wer statt der Gegenleistung die Rückgewähr der eigenen Leistung verlangt, steht auf verlorenem Posten, wenn er einen Kaufvertrag eingegangen ist; Erfolg hat er dagegen, wenn die Vereinbarung ein bloßer Tausch ist, der durch actio praescriptis verbis und condictio gleichermaßen sanktioniert wird. Dies hat die Kanzlei schon unter Gordian anlässlich eines Falles herausgestellt, in dem der vereinbarte Austausch zweier Sachen sowohl ein Kaufvertrag unter Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs Statt als auch ein reiner Tauschvertrag sein konnte:556 CJ 4.64.1 (6. Nov. 238 / Honoré 985) Imp. Gordianus A. Thraseae militi. Si, cum patruus tuus venalem possessionem haberet, pater tuus pretii nomine, licet non taxata quantitate, aliam possessionem dedit, idque quod comparavit non iniuria iudicis nec patris tui culpa evictum est, ad exemplum ex empto actionis non immerito id quod tua interest, si in patris iura successisti, consequi desideras. at enim si, cum venalis possessio non esset, permutatio facta est idque, quod ab adversario praestitum est, evictum est, quod datum est (si hoc elegeris) cum ratione restitui postulabis. Kaiser Gordian an den Soldaten Thrasea. Hat dein Vater, als dein Onkel eine Besitzung zum Verkauf stellte, anstelle des Preises eine andere Besitzung, und sei es 556  Artner (Fn. 533), S. 210 und Scianderello (Fn. 546), S. 219 ff. erkennen hier zu Unrecht eine Übernahme der sabinianischen Vorstellung des Tauschs als Unterfall des Kaufvertrags. Die kaiserliche Kanzlei folgt aber ebenso wie sonst auch dem prokulianischen Konzept (s. o. S. 229), indem sie danach unterscheidet, ob zunächst einmal ein Kauf oder von vornherein ein Tausch beabsichtigt war. Nur im Fall eines Kaufvertrags, in dem die Vereinbarung über die Sachlieferung als Gegenleistung als Zugeständnis einer datio in solutum zu verstehen ist, will sie die Kaufklage, ansonsten mit der condictio den gewöhnlichen Rechtsbehelf zur Durchsetzung unbenannter Vereinbarungen gewähren. – Rätsel gibt allenfalls auf, warum die Klage, die bei Annahme eines Kaufvertrags gewährt werden soll, „nach dem Vorbild“ der actio empti (‚ad exemplum ex empto actionis‘) gestaltet sein soll, da sie doch die direkte Kaufklage sein sollte. Geschuldet ist die vorsichtige Lösung wohl dem Umstand, dass die datio in solutum hier nicht in reiner Form erfolgt, sondern durch die Einräumung einer Ersetzungsbefugnis bei Vertragsschluss vorweggenommen wird. Anders sieht dies wiederum Scianderello (Fn. 546), S. 221, der für die Feststellung einer reinen emptio venditio die Bestimmung eines Kaufpreises vermisst. Dieser ergibt sich aber zumindest aus dem Preis, den der Verkäufer verlangt hat, bevor er sich auf das Angebot einer Leistung an Erfüllungs Statt eingelassen hat.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

ohne Schätzung ihres Wertes, überlassen, und ist die Besitzung, die er gekauft hat, ohne gerichtliche Fehlentscheidung oder Schuld deines Vaters entwehrt worden, begehrst du nicht zu Unrecht, dass du, wenn du die Rechtsnachfolge in das Vermögen deines Vaters angetreten hast, nach dem Vorbild der Käuferklage dein Interesse erlangst. Ist aber, da das Grundstück nicht zum Verkauf stand, ein Tausch vorgenommen worden und entwehrt worden, was vom Gegner geleistet wurde, forderst du (wenn du dich hierfür entscheidest) zu Recht, was geleistet worden ist.

Beide Entscheidungen erhellen, warum die kaiserliche Kanzlei weder vor noch unter Diokletian so weit geht, Kauf und Tausch aneinander anzugleichen. Möglich wäre dies nur durch Anerkennung des Tauschs als weiteren Konsensualvertrag oder Erscheinungsform der emptio venditio. Beidem steht weniger der Respekt vor dem überkommenen Rechtsregime als vielmehr der Bedarf der Rechtspraxis entgegen: Wie die zahllosen Bescheide zeigen, in denen sich die Kanzlei gegen den gerade im Kognitionsprozess unerfüllbaren Wunsch nach Rückabwicklung eines Kaufvertrags wendet,557 ist das Interesse der Rechtssuchenden bei einer Leistungsstörung infolge einer Inflation in erster Linie auf die Rückforderung der eigenen Leistung gerichtet. Dies gilt vor allem für einen Verkäufer, der mit der Kaufsache ein wertbeständiges Objekt zurückbekommt oder einbehält, mit dem Kaufpreis dagegen eine Leistung erlangt, die im Moment der zwangsweisen Anspruchsdurchsetzung schon an Wert eingebüßt hat. Zwar obliegt bei einem Tauschvertrag beiden Seiten eine Sachleistung, die grundsätzlich dem Geldwertschwund entzogen ist. Scheidet eine Naturalleistung aber aus, weil sie wie im Fall eines Rechtsmangels von vornherein oder wie bei einer Weiterveräußerung nachträglich unmöglich geworden ist, muss an ihre Stelle der Geldersatz treten, der das Schicksal eines Anspruchs auf Geldleistung teilt. Auch beim Tauschvertrag besteht folglich ein Interesse daran, sich die Rückgewähr der eigenen Leistung zumindest als Option offenzuhalten. Und der Vorteil, den die Alternativität von actio praescriptis verbis und condictio in dieser Hinsicht bedeutet, wird nicht durch den Nachteil wettgemacht, dass ein Tauschvertrag im Gegensatz zum Kaufvertrag ohne Vorleistung nicht klagbar ist: Denn die Vorleistung lässt sich entweder vermeiden, weil sie im Belieben jeder Partei steht, oder sie ist gerade das Ergebnis eines versteckten Leistungsdefizits, wie es etwa bei einem Rechtsmangel der Gegenleistung vorliegt. Hat die Rechtspraxis bis zu Diokletians Zeit kein Interesse an einer Integration des Tauschs in das Regime der Konsensualverträge, drängt sich dieser auch nicht unter Gerechtigkeitsaspekten auf: Dass der eine Vertrag durch bloße Einigung, der andere erst durch Vorleistung verbindlich wird, findet sein Gegengewicht eben in der Wahlmöglichkeit, die die Vorleistung eröffnet: Wer sich zu ihr entscheidet, nimmt zwar ein Risiko auf sich, das ihm als 557  s. o.

S.  172 ff.



X. Unbenannte Verträge235

Partner eines Kaufvertrags erspart bleibt; zum Ausgleich hat er aber auch die Auswahl der Sanktion für eine von der anderen Seite zu verantwortende Leistungsstörung. Die Ungleichbehandlung von Kauf und Tausch führt dazu, dass die Kontrahenten im einen Fall anders stehen als im anderen, sie bewirkt aber keine durchgängige Schlechterstellung der Partner des einen Vertrags im Verhältnis zu denen des anderen. 5. Vergleich (transactio) Auf den Vergleichsvertrag bezieht sich eine Aussage mit sentenzartigem Charakter, die einem Reskript vom Ende des Jahres 294 entstammt: CJ 2.4.38 (25. Dez. 294 / Honoré 2616) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Theodotiano. Transactio nullo dato vel retento seu promisso minime procedit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Theodotianus. Ein Vergleich kann nicht ohne Leistung, Zurückbehaltung oder Versprechen erfolgen.

Gemeinsam mit ihrem Bezugspunkt ist dieser Satz noch an anderer Stelle des Codex Iustinianus überliefert: CJ 6.31.3 (294) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Theodotiano. Suus heres exceptione pacti, qui testamentum iniustum adseverans postea nihil se de paterna successione petiturum non ex causa donationis, sed transigendi animo in iure professus est, cum respuere quaesitam nequiret hereditatem et transactio nullo dato vel retento seu promisso minime procedat, submoveri non potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Theodotianus. Ein Eigenerbe, der die Unrechtmäßigkeit eines Testaments behauptet und später nicht mit dem Ziel einer Schenkung, sondern zum Zwecke eines Vergleichs vor Gericht erklärt, die väterliche Erbschaft nicht in Anspruch nehmen zu wollen, kann nicht mit der Einrede überwunden werden, weil er die angefallene Erbschaft nicht ausschlagen kann und ein Vergleich nicht ohne Leistung, Zurückbehaltung oder Versprechen erfolgen kann.

Ein gesetzlicher Erbe hat sich zunächst erfolgreich gegen die Wirksamkeit einer testamentarischen Erbeinsetzung gewandt, dann aber seinen Anspruch auf Herausgabe der Erbschaft durch Vergleich aufgegeben.558 Erhebt er ihn später erneut, soll der Testamentserbe ihm nicht die exceptio pacti entgegenhalten können. Die Begründung, die Diokletians Kanzlei hierfür gibt, ist zweigeteilt: Sie besteht zum einen aus der von CJ 2.4.38 bekannten Sentenz, 558  Schwer zu rekonstruieren ist der Zusammenhang zum anderen Teil desselben Reskripts, das seinerseits an zwei Stellen überliefert ist; vgl. CJ 2.6.4 und CJ 6.19.1 (29. Dez. 294 / Honoré 2615). Hier lehnt die Kanzlei eine Wiedereinsetzung in dem Fall ab, dass jemand eine Erbschaft unter Abwesenheit seines Patrons ausgeschlagen hat.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

wonach ein Vergleich nicht ohne Leistung, Einbehalt oder Versprechen erfolgen kann, zum anderen aus einem Hinweis auf das fehlende Ausschlagungsrecht eines Eigenerben. Das Verhältnis dieser beiden Aussagen zueinander ist nicht eindeutig:559 Dass ein Vergleich nicht ohne Leistung oder deren Surrogat auskommt, kann sowohl ein zusätzliches Argument neben der fehlenden Ausschlagungsbefugnis als auch die hieraus gezogene Schlussfolgerung sein. Im ersten Fall ginge es um ein Zugeständnis des Testamentserben, das der Erbe im Gegenzug für die Aufgabe seiner Position bekommen muss,560 im zweiten um diese selbst. Näher liegt auf den ersten Blick Letzteres. Die Kanzlei stellte dann fest, dass es für den Vergleich an einer Leistung des gesetzlichen Erben fehlt, weil dieser seiner Rechtsstellung als Eigenerbe nicht wirksam entsagen konnte. Zu einem Hindernis für die ex­ ceptio pacti kann das fehlende Ausschlagungsrecht freilich nicht schon als solches werden; denn der mit dem Vergleich angestrebte Verzicht auf die Verfolgung des Nachlasses berührt nicht seine Stellung als Erbe. Das fehlende Ausschlagungsrecht kann sich auf den Vergleich nur in der Weise auswirken, dass es den Rechtsstreit zu einer res indubitata macht:561 Ist die Unwirksamkeit des Testaments einmal dargetan, kann sich ein Zweifel an der Rechtsnachfolge nur aus Antritt oder Ausschlagung der Erbschaft ergeben. Da diese nicht möglich, der Antritt nicht erforderlich ist, steht die Erbfolge außer Streit. Selbst im Fall einer res indubitata ist den Parteien aber nicht der Abschluss eines Vertrags versagt, mit dem sich eine Seite ihrer Rechtsstellung begibt. Es handelt sich nur nicht um einen Vergleich, sondern ein anderes Geschäft, entweder einen Kauf oder einen unbenannten Austauschvertrag oder, falls der andere Teil seinerseits keine Gegenleistung erbringen soll, um eine Schenkung, die auch in Gestalt eines Erlasspakts erfolgen kann. Der auch in diokletianischen562 und älteren563 Reskripten angedeutete Satz Ulpians, ein Vergleich werde über einen ungewissen, ein Erlass über einen feststehenden Anspruch geschlossen,564 benennt dabei keine regelrechte Voraussetzung eines Vergleichs; er beschreibt nur, unter welchen Umständen eher mit einem Vergleich und wann eher mit einem Erlass zu rechnen ist. Bei der Auswahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten bietet die Regel, ein Vergleich setze eine Leistung oder deren Surrogat voraus, wenn man ihn auf die Aufgabe des 559  Fino,

L’orignie della transactio, Mailand 2004, S. 93. die hergebrachte Deutung, wie wir sie auch etwa bei Taubenschlag, S. 63 Fn. 504 finden. 561  So die Deutung Fino (Fn. 559), S. 94 ff. 562  Cons 9.18 (25. März 294 / Honoré 2249a). 563  CJ 2.4.12 = Cons 9.14 (14. Feb. 259 / Honoré 1341); s. u. Fn. 580. 564  D 2.15.1 Ulp 40 ed. 560  So



X. Unbenannte Verträge237

umstrittenen Anspruchs bezieht, aber kein geeignetes Differenzierungskriterium. Denn eine Schenkung, die den Rechtsgrund für den Erlass schafft, setzt nicht minder als ein Vergleich eine wirksame Zuwendung voraus. Unterscheidbar sind Vergleich und Schenkung allein durch das Verhalten der anderen Seite: Nur wenn sie ihrerseits ein Zugeständnis im Gegenzug zum Verzicht des Anspruchstellers auf sein Recht macht, kann ein Vergleich vorliegen. Profitiert sie dagegen einseitig von der Vereinbarung, indem der Anspruchsteller sein Recht ohne jegliche Gegenleistung aufgibt, handelt es sich um eine Schenkung. Dies gilt ganz unabhängig davon, ob der aufgegebene Anspruch eine res indubitata oder in seiner Existenz noch zweifelhaft ist; denn ebenso wie der Rekurs auf einen Vergleich erspart der Einwand des schenkweisen Verzichts jegliche Auseinandersetzung über den Bestand des Rechts. Der Satz, ein Vergleich komme nicht ohne Leistung, Einbehalt oder Versprechen aus, muss in CJ 6.31.3 also ein zusätzliches Argument gegen die Annahme eines Vergleichs bedeuten. Ohne ein Zugeständnis der Gegenseite kann die Aufgabe eines Rechts keinen Vergleich darstellen, sondern nur als verkappte Schenkung bestehen. Diese setzt aber eine entsprechende Absicht der Parteien voraus, an der es in dem von Diokletian entschiedenen Fall fehlt. Um die Gegenleistung für einen vergleichshalber erklärten Anspruchsverzicht geht es auch in dem folgenden Bescheid aus dem Vorjahr: CJ 6.2.13 (1. Dez. 293 / Honoré 2023) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Domno. Post decisionem furti leges agi prohibent. quod si non transegisti, sed de sublatis partem tantum accepisti, residuam vindicare vel condicere et actione furti apud praesidem agere potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Domnus. Nach einem Vergleich über einen Diebstahl zu klagen, verbieten die Gesetze. Hast du dich dagegen nicht verglichen, sondern nur einen Teil der entwendeten Sachen angenommen, kannst du vor dem Provinzstatthalter den Rest vindizieren oder kondizieren und die Diebstahlsklage erheben.

Hat derjenige, den der Anspruchsteller eines Diebstahls bezichtigt, einen Teil der Beute zurückgegeben, hängt das weitere Schicksal der Diebstahlsklagen davon ab, ob die Rückgewähr von einem Vergleichsvertrag begleitet war. Hat sich der Anspruchsteller mit der Rückgabe der überlassenen Sachen zufrieden gegeben, liegt hierin die Gegenleistung für einen Anspruchsverzicht, der die weitere gerichtliche Verfolgung des Diebstahls ausschließt. Hat er die Sachen aber schlicht entgegengenommen, hat der Gegner lediglich eine Teilleistung auf seine Verpflichtung aus Vindikation oder Diebstahlskondiktion erbracht, die weder eine Verfolgung der übrigen Sachen noch die actio furti ausschließt, die als reine Strafklage mit vindicatio und condictio furtiva kumuliert werden kann.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Ähnlich sind Rechtsproblem und Entscheidung in CJ 2.4.24 (4. April 294 / Honoré 2276): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Victorino. Si quidem ex causa transactionis acceptis his quae instrumento continentur nihil amplius peti convenit, adversariam tuam exceptionis auxilio defendi perspicis. sin vero certam quantitatem quasi solam ab ea debitam reddere se debere sine litis decisione confessa est, tam eam quam residuam debiti partem petere minime prohiberis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Victorinus. Ist zum Zwecke eines Vergleichs nach Empfang der in einer Urkunde ausgewiesenen Leistung vereinbart worden, dass keine weitere Forderung stattfinde, siehst du ein, dass sich deine Gegnerin mit Hilfe einer Einrede verteidigen kann. Hat sie dagegen, ohne den Rechtsstreit zu beenden, schlicht anerkannt, einen bestimmten Betrag zu schulden, bist du keineswegs gehindert, sowohl ihn als auch den restlichen Teil der Schuld zu fordern.

Der Leistung, die als mögliches Zugeständnis des Schuldners im Gegenzug zu einem Anspruchsverzicht des Gläubigers in Betracht kommt, ist hier eine beurkundete Vereinbarung vorangegangen. Diente sie dazu festzulegen, mit welchem Betrag sich der Gläubiger zufrieden gibt, ist er, wenn er die Leistung erhalten hat, gehindert, den Rest der von ihm behaupteten Forderung einzuklagen. Handelt es sich dagegen um ein bloßes Anerkenntnis des Schuldners, der zugegeben hat, die in der Urkunde ausgewiesene Summe zu schulden, kann der Gläubiger sowohl den auf diese Weise unstreitig gestellten Betrag als auch den streitigen Rest seiner Forderung geltend machen. Dass die Gegenleistung ebenfalls in einem Anspruchsverzicht bestehen und sogar eine Forderung betreffen kann, die zu dem aufgegebenen Recht in einem Alternativverhältnis steht, zeigt der nächste Fall, in dem der Vergleich die Grenze der Sittenwidrigkeit streift: CJ 2.3.16 (10. Feb. 286 / Honoré 1464) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Diaphanto. Cum proponas filios testamento scriptos heredes rogatos esse, ut qui primus rebus humanis eximeretur, alteri portionem hereditatis restitueret, quoniam precariam substitutionem fratrum consensu remissam adseris, fideicommissi persecutio cessat. Kaiser Diokletian und Maximian an Diaphantus. Da du vorträgst, die testamentarisch eingesetzten Söhne seien gebeten worden, dass derjenige, der zuerst stirbt, dem anderen seinen Anteil an der Erbschaft herausgibt, fällt, weil du behauptest, die bittweise Ersatzerbeneinsetzung sei durch Konsens aufgehoben, die Klage aus dem Fideikommiss weg.

Diese Entscheidung ist nicht die erste, die einem Vergleich über eine Erbschaftsfideikommiss gilt. Schon unter Septimius Severus hat die kaiserliche Kanzlei über die Wirksamkeit eines Pakts befunden, durch den ein für den Fall der Kinderlosigkeit des Erben ausgesetztes Universalfideikommiss durch Auskehr eines Sechstels des Nachlasses abgegolten wurde:



X. Unbenannte Verträge239 CJ 2.3.1 (25. Nov. 200 / Honoré 78) Imp. Severus A. Philino. Condicionis incertum inter fratres non iniquis rationibus conventione finitum est. cum igitur verbis fideicommissi petitum a patre tuo profitearis, ut, si vita sine liberis decederet, hereditatem Licinio Frontoni restitueret, pactum eo tempore de sextante Frontoni dando, cum liberos Philinus non sustulerat, interpositum non idcirco potest iniquum videri, quod facta, sicut placuit, divisione diem suum te filio eius superstite functus est. Kaiser Severus an Philinus. Die aus einer Bedingung herrührende Ungewissheit ist von den Brüdern nicht in unbilliger Weise durch eine Übereinkunft beendet worden. Da du einräumst, dass dein Vater nach dem Wortlaut des Fideikommisses gebeten war, die Erbschaft, wenn er kinderlos sterben sollte, dem Licinius Fronto herauszugeben, kann ein Pakt, der geschlossen wurde, als Philinus noch keine Kinder hatte und demzufolge dem Fronto ein Sechstel herausgegeben wurde, nicht deshalb unbillig erscheinen, weil Philinus nach der vereinbarten Teilung gestorben ist und dich als seinen Sohn hinterlassen hat.

Dass diese Vereinbarung auch dann Bestand hat, wenn der Erbe doch noch Nachkommen hat, erscheint der Kanzlei nicht ‚iniquus‘, weil mit der Vereinbarung die aus der Bedingung resultierende Ungewissheit beseitigt wird. Ausführlicher ist eine Entscheidung der Kaiser des Jahres 255, die den auch von Diokletian später behandelten Fall eines wechselseitigen Universalfideikommisses betrifft: CJ 2.4.11 (17. Nov. 255 / Honoré 1312) Impp. Valerianus et Gallienus AA. et Valerianus nob. C. Gaiano militi. De fideicommisso a patre inter te et fratrem vicissim dato, si alter vestrum sine liberis excesserit vita, interposita transactio rata est, cum fratrum concordia remoto captandae mortis alterius voto improbabili retinetur. et non potest eo casu rescindi, tamquam circumventus sis, cum pacto tali consenseris, cum neque eam cui subveniri solet aetatem agere te proponas nec, si ageres, isdem illis de causis in integrum restitutionis auxilium impetrare deberes. Kaiser Valerian und Gallienus und Cäsar Valerian an den Soldaten Gaianus. Ein Vergleich über das von deinem Vater dir und deinem Bruder für den Fall, dass einer von euch ohne Kinder stirbt, gegenseitig auferlegte Fideikommiss ist wirksam, da sie durch Beseitigung des unziemlichen Wunschs nach dem Tod des jeweils anderen die Eintracht unter euch Brüdern erhält. Und er kann in diesem Fall auch nicht aus dem Grund angefochten werden, dass du beim Abschluss des Pakts übervorteilt worden seiest, da du nicht vorträgst, du hättest in einem solchen Alter gehandelt, in dem man gewöhnlich zu Hilfe kommt, und du, wenn du klagtest, aus diesem Grund auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erreichen dürftest.

Der Verweis auf die friedensstiftende Funktion des Vergleichs hat einen konkreten Bezugspunkt in der ratio dubitandi, die man gegen die Gültigkeit der transactio ins Feld führen könnte: Durch ihre Einigung, mit der sich die Erben ihres wechselseitigen Anspruchs aus dem Fideikommiss begeben, ändern sie die vom Erblasser vorgesehene Nachfolgeregelung ab. Noch dem

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Autor der Paulussentenzen erscheint ein solcher Verstoß gegen die voluntas testatoris die Ungültigkeit des Vergleichs nach sich zu ziehen.565 Dem Willen des Erblassers könnten sich die Erben aber auch ohne Weiteres dadurch entziehen, dass sie von dem ihnen ausgesetzten Fideikommiss keinen Gebrauch machen. Und ihre Vereinbarung fällt, genau besehen, weder unter das Verbot des Vertrags über die Erbschaft eines noch lebenden Dritten noch unter das eines Erbeinsetzungsvertrags. Mit einem pactum über den Nachlass eines noch lebenden Dritten befasst sich die Kanzlei unter Diokletian:566 CJ 8.38.4 (29. April 293 / Honoré 1851) Imp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Domnae. Ex eo instrumento nullam vos habere actionem, quia contra bonos mores de successione futura interposita fuit stipulatio, manifestum est, cum omnia, quae contra bonos mores vel in pacto vel in stipulatione deducuntur, nullius momenti sint. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Domna. Aus dieser Urkunde steht euch offensichtlich keine Klage zu, weil die Stipulation wider die guten Sitten über eine künftige Erbschaft vorgenommen worden ist, zumal alles, was gegen die guten Sitten zum Gegenstand eines Pakts oder einer Stipulation gemacht wird, ungültig ist.

Und das Verbot eines Erbeinsetzungsvertrags bekräftigt die Kanzlei noch zur Zeit der Regierung von Valerian und Gallienus 259: CJ 2.3.15 (20. Feb. 259 / Honoré 1342) Impp. Valerianus et Gallienus AA. et Valerianus nob. C. Pactumeio. Pactum, quod dotali instrumento comprehensum est, ut, si pater vita fungeretur, ex aequa portione ea quae nubebat cum fratre heres patri suo esset, neque ullam obligationem contrahere nec libertatem testamenti faciendi mulieris patri potuit auferre. Kaiser Valerian und Gallienus und der edle Cäsar Valerian an Pactumeius. Der in einer Urkunde über eine Mitgiftbestellung enthaltene Pakt, nach dem beim Tod des Vaters die Tochter, die heiratete, gemeinsam mit ihrem Bruder zu gleichem Teil Erben des Vaters sein sollen, hat weder eine Verpflichtung hervorbringen noch dem Vater der Frau die Testierfreiheit nehmen können.

Denn im Fall von CJ 2.4.11 verfügen die Parteien allein über den Nachlass eines schon Verstorbenen und strenggenommen auch nicht über die eigene Rechtsnachfolge.567 Dass sie durch ihren Pakt eine ansonsten verlorene Testierfreiheit gewinnen, legt aber die Erwägung nahe, hier ebenso wie in den schon ausgemachten Fällen eines Sittenverstoßes zu entscheiden. Die Kanzlei wehrt sich dagegen mit der treffenden Erwägung, dass der Vergleich gerade dazu dient, ungehörigen Wünschen der Erben ein Ende zu bereiten und ihr friedliches Miteinander zu befördern.568 Die Vereinbarung beseitigt also 565  PS

4.11.13. zur Schenkung D 39.5.29.2 Pap 12 resp. 567  Vgl. auch Schnebelt, S. 150. 568  Richtig Schnebelt, S.  151 f. 566  Vgl.



X. Unbenannte Verträge241

gerade den Anlass für eine Spekulation auf den Tod eines anderen, die mit den Verboten eines Erb- und eines Vertrags über den Nachlass eines noch lebenden Dritten vermieden werden soll. Dass ausnahmsweise auch ein Pakt über die Erbfolge nach den Parteien wirksam sein kann, zeigt die folgende Entscheidung, die wiederum einer Vereinbarung unter Brüdern gilt: CJ 2.3.19 (19. Nov. 290 / Honoré 1656) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Victoriano militi. Licet inter privatos huiusmodi scriptum, quo comprehenditur, ut is qui supervixerit alterius rebus potiatur, nec donationis quidem mortis causa gestae efficaciter speciem ostendat, tamen cum voluntas militum, quae super ultimo vitae spiritu deque familiaris rei decreto quoquo modo contemplatione mortis in scripturam deducitur, vim postremi iudicii obtineat proponasque te ac fratrem tuum ad discrimen proelii pergentes ob communem mortis fortunam invicem pactos esse, ut ad eum, qui superstes fuisset, res eius, cui casus finem vitae attulisset, pertinerent, existente condicione intellegitur ex fratris tui iudicio, quod principalium constitutionum prompto favore firmatur, etiam rerum eius compendium ad te de latum esse. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an den Soldaten Victorianus. Obwohl unter Privaten eine Urkunde, in der bestimmt ist, dass derjenige, der den anderen überlebt, dessen Vermögen erhält, noch nicht einmal eine wirksame Art Schenkung von Todes wegen darstellt, gilt doch, da der Wille von Soldaten, der im Angesicht des Todes und mit Rücksicht auf diesen über das Vermögen auf irgendeine Weise zum Gegenstand einer Urkunde gemacht worden ist, die Wirkung einer letztwilligen Verfügung hat und du vorträgst, dass du und dein Bruder in Erwartung einer Schlacht wegen der gemeinschaftlichen Todesgefahr vereinbart habet, dass dem Überlebenden das Vermögen desjenigen gehören soll, der umkommt, bei Eintritt der Bedingung aufgrund des Willens deines Bruders, der durch kaiserliche Verordnungen mit besonderer Gunst für gültig erklärt wird, auch sein Vermögen dir als zugefallen.

Die gegenseitige Erbeinsetzung durch pactum ist hier freilich nicht als solche, sondern deshalb gültig, weil sie als Soldatentestament gilt, das von Formerfordernissen einer letztwilligen Verfügung befreit ist. Am Sittengebot scheitert dagegen selbstverständlich ein Vergleich, durch den ein freier Mensch zu einem Sklaven gemacht werden soll: CJ 2.4.26 (13. April 294 / Honoré 2295) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Dionysiadae. Transactione matris filios eius non posse servos fieri notissimi iuris est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Dionysiada. Es entspricht überaus bekanntem Recht, dass Kinder durch einen von ihrer Mutter geschlossenen Vergleich nicht zu Sklaven gemacht werden können.

Bedenkt man, dass Konstantin später immerhin den Verkauf von Neu­ geborenen zulässt, erscheint diese Entscheidung einem auf die Zwölftafelzeit

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

zurückgehenden Wertekanon verhaftet. Da sie mit weiteren vergleichbaren Reskripten einhergeht,569 reagiert sie wohl auf eine gewandelte Rechts­ praxis,570 die später mit Konstantin teilweise, nämlich in Gestalt der Veräußerung von Neugeborenen, Anerkennung findet571. Ihr Motor muss aber zumindest bei Diokletian noch nicht der Einfluss einer fremden Rechtskultur sein,572 sondern kann auch schlicht in der Not bestehen, in die gerade der Geldwertschwund treibt573. Dies gilt, zumal das von den römischen Juristen viel diskutierte Problem des liber homo bona fide serviens574 wohl nicht zuletzt auf das tatsächliche Phänomen einer faktischen Selbstversklavung zurückgeht. Vor diesem Hintergrund ist auch eine Entscheidung zu sehen, in der sich die Kanzlei gegen den vielleicht einverständlich unternommenen Versuch einer Schuldtilgung durch Zwangsarbeit wendet:575 CJ 4.10.12 (20. Okt. 294 / Honoré 2412) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Iovino. Ob aes alienum servire liberos creditoribus iura compelli non patiuntur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Iovinus. Das Recht duldet nicht, dass freie Menschen gezwungen werden, wegen ihrer Schulden ihren Gläubigern zu dienen.

Wie es um den Vergleich wegen einer kriminalrechtlich relevanten Tat bestellt ist, lässt sich der überlieferten Fassung des folgenden Reskripts kaum entnehmen: CJ 2.4.18 (30. Aug. 293 / Honoré 1952) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Valentiniano. Transigere vel pacisci de crimine capitali excepto adulterio [non] prohibitum est. In aliis autem publicis criminibus, quae sanguinis poenam non ingerunt, transigere non licet citra falsi accusationem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Valentinianus. Es ist [nicht] verboten, sich wegen eines Kapitalverbrechens mit Ausnahme des Ehebruchs zu vergleichen oder zu paktieren. Bei anderen öffentlichen Verbrechen, die keine To-

569  Vgl. CJ 4.43.1 (16. Nov. 294 / Honoré 2469), CJ 8.16.6 (1.  Mai 293 / Honoré 1865) zur Verpfändung. 570  Vgl. Mayer-Maly, Das Notverkaufsrecht des Hausvaters, SZ 75 (1958) 116, 130 ff. 571  Vat 34 (1. Aug. 313) und CT 5.10.1 (18. Aug. 329). 572  So Mitteis, S. 363. 573  So auch Schönbauer, SZ 62 (1942) 267, 319 f. 574  Hierzu Söllner, Irrtümlich als Sklaven gehaltene freie Menschen und Sklaven in unsicheren Eigentumsverhältnissen, Corpus der römischen Rechtsquellen zur antiken Sklaverei IX:Stuttgart 2000, S. 25 ff. 575  Mitteis, S. 451 Fn. 3 sieht hier den Fall eines Selbstverkaufs behandelt; Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 205 Fn. 25 glaubt dagegen, es gehe hier um die Verpfändung von Kindern eines Schuldners.



X. Unbenannte Verträge243 desstrafe nach sich ziehen, darf man sich jenseits der falschen Beschuldigung nicht vergleichen.

Sicher erscheint nur, dass die im tradierten Text wiedergegebene Differenzierung zwischen Kapital- und sonstigen Verbrechen jedenfalls nicht in der Weise erfolgen kann, dass man sich wegen der schwereren Taten vergleichen darf, während dies bei den übrigen Delikten verboten oder zumindest erschwert ist.576 Wie aber ‚citra falsi accusationem‘ zu deuten ist, bleibt offen: Hiermit kann einerseits gemeint sein, dass ein Vergleich bei Taten, die nicht zu den Kapitalverbrechen zählen, zwar grundsätzlich zulässig ist, aber nicht abgeschlossen werden kann, ohne dass sich zumindest eine Seite der Falschbeschuldigung strafbar macht. Es kann aber auch bedeuten, dass dieser Tatbestand der einzige unter den weniger schweren Verbrechen ist, über den man nicht wirksam einen Vergleich eingehen kann. Die Kanzlei hat aber keine Bedenken gegen die Wirksamkeit eines Vergleichs, der zustande gekommen ist, als einer der Partner krank war. Sofern sich die Krankheit nicht auf seinen Geisteszustand ausgewirkt hat, hält sie nicht etwa die Vereinbarung, sondern umgekehrt die Berufung auf diesen Umstand für verwerflich: CJ 2.4.27 (9. Mai 294 / Honoré 2337) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Catoni. Sanam mente, licet aegram corpore recte transigere manifestum est, nec postulare debueras improbo desiderio placita rescindi valitudinis corporis adversae velamento. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Cato. Es ist offensichtlich, dass jemand, der, obwohl körperlich krank, doch geistig gesund ist, sich rechtmäßig vergleichen kann; und du hättest mit deinem ungebührlichen Begehren nicht verlangen dürfen, dass die Vereinbarung unter Berufung auf eine schlechte körperliche Verfassung aufgehoben wird.

Auf ein anderes Wirksamkeitshindernis trifft ein Vergleich, wenn er durch einen Gewaltunterworfenen mit Bezug auf einen Anspruch seines Gewalt­ habers vorgenommen wird. Kann ein Haussohn noch nicht einmal eine diesem zustehende Forderung einziehen, vermag er dessen Rechtsstellung erst recht nicht durch einen Pakt zu beeinträchtigen: CJ 2.3.23 (15. Nov. 293 / Honoré 2005) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Honorato. Filius paciscendo vel debitum accipiendo nihil detrahit patris obligationi. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Honoratus. Ein Haussohn kann weder durch einen Pakt noch durch die Einziehung einer Schuld der Forderung seines Vaters Abbruch tun.

576  Hiervon

geht auch Taubenschlag, S. 65 Fn. 522 aus.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Ohne besonderes Mandat kann ein Gewaltunterworfener nur wirksam Rechtshandlungen vornehmen, die die Rechtsstellung seines Gewalthabers verbessern. Die Kanzlei hat dies mit Blick auf einen Sklaven schon unter Septimius Severus ausgesprochen: CJ 2.3.3 (25. März 202 / Honoré 92) Impp. Severus et Antoninus AA. Restituto. Servus creditoris meliorem causam domini facere potest: in deterius autem reformare novo pacto non potest obligationem recte constitutam. Kaiser Severus und Antoninus an Restitutus. Ein Sklave kann die Rechtsstellung seines Eigentümers verbessern; es ist aber zu Recht festgesetzt worden, dass er eine Forderung nicht durch einen Pakt zu dessen Nachteil verändern kann.

Eine weitere wichtige Einschränkung für die Wirksamkeit von Vergleichen ergibt sich aus ihrer Prozessrelevanz. So können sie nicht mehr abgeschlossen werden, wenn die betroffene Forderung schon Gegenstand einer rechtskräftigen Entscheidung ist:577 CJ 2.4.32 (25. Okt. 294 / Honoré 2425) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Cyrillo. Si causa cognita prolata sententia, sicut iure traditum est, appellationis vel in integrum restitutionis sollemnitate suspensa non est, super iudicato frustra transigi non est opinionis incertae. proinde si non Aquiliana stipulatione et acceptilatione subsecuta competentem tibi actionem peremisti, praeses provinciae usitato more legum rebus pridem iudicatis effectum adhibere curabit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Cyrillus. Es ist unumstritten, dass man sich, wenn ein rechtmäßig ergangenes Urteil im Erkenntnisverfahren erlassen worden und seine Gültigkeit weder durch eine Berufung noch eine Wiedereinsetzung aufgeschoben ist, vergeblich über die Urteilsschuld vergleicht. Hast du das dir zustehende Klagerecht nicht durch aquilianische Stipulation und förmlichen Erlass zum Erlöschen gebracht, soll der Provinzstatthalter in Anwendung des Rechtsbrauchs dafür sorgen, dass die rechtskräftige Entscheidung vollzogen wird.

Der maßgebliche Passus dieses Bescheids, in dem die Unwirksamkeit eines Vergleichs über eine rechtskräftig festgestellte Schuld ausgesprochen wird, stammt aus einem Reskript Gordians, das in der Consultatio überliefert und hier als Auszug aus dem Titel de transactionibus des Codex Gregorianus kenntlich gemacht ist: Cons 9.15 (19. Okt. 240 / Honoré 1100) Imp. Gordianus A. Flavio Herculano. Super iudicato non subsecuta appellatione frustra transigi non est opinionis incertae. Kaiser Gordian an Flavius Herculanus. Es ist unumstritten, dass man sich vergeblich über die Urteilsschuld vergleicht, wenn keine Berufung eingelegt worden ist.

577  Zum Vorbehalt für den Fall einer Berufung Litewski, L’admissibilité de la transaction en cours d’appel dans la procédure civile romaine, RIDA 11 (1964) 233, 250.



X. Unbenannte Verträge245

Aus dem gleichnamigen Titel des Codex Hermogenianus stammt ein weiteres Reskript der diokletianischen Kanzlei, das ebenfalls Eingang in die Consultatio gefunden hat: Cons 4.11 (15. Dez. 293 / Honoré 2050) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Zeuxiano Antonino. Pacto transactionis exactio iudicati non tollitur. Unde si pater tuus condemnatus iudicio post transegit et solvit, solutione magis quam transactione tuum defende negotium … Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Zeuxianus Antoninus. Der Einzug einer Urteilsschuld wird durch einen Pakt nicht ausgeschlossen. Hat sich dein Vater nach seiner Verurteilung verglichen und geleistet, musst du deine Sache eher mit dem Einwand der Erfüllung als mit dem eines Vergleichs verteidigen …

Die Unwirksamkeit eines Vergleichs über eine rechtskräftig festgestellte Forderung hat die kaiserliche Kanzlei sogar noch vor Gordian behauptet. Im justinianischen Codex findet sich bereits eine Entscheidung von Severus Alexander, in der nicht nur die Vergleichsvereinbarung selbst, sondern auch eine daran anknüpfende Stipulation für ungültig erklärt wird:578 CJ 2.3.8 (12. Sept. 222 / Honoré 499) Imp. Alexander Severus Aurelio Dionysio. Cum, posteaquam adversarius matris tuae victus esset, matrem tuam circumvenerit, ut ei caveret nullam se controversiam de servis moturam, id pactum mala fide factum irritum est, et cum ex ea conventione cum matre tua agi coeperit, iudex eam liberabit. Kaiser Alexander an Aurelius Dionysius. Da dein Gegner deine Mutter, nachdem er ihr unterlegen war, dazu verleitet hat, dass sie ihm versprach, keine Klage wegen der Sklaven mehr zu erheben, ist dieser treuwidrig zustande gekommene Pakt unwirksam, und der Richter soll deine Mutter, wenn gegen sie aufgrund dieser Übereinkunft Klage erhoben wird, freisprechen.

Und in den Digesten ist Ulpians Bericht über einen Bescheid von Septimius Severus überliefert: D 12.6.23.1 Ulp 43 Sab Si post rem iudicatam quis transegerit et solverit, repetere poterit idcirco, quia placuit transactionem nullius esse momenti: hoc enim imperator Antoninus cum divo patre suo rescripsit. retineri tamen atque compensari in causam iudicati, quod ob talem transactionem solutum est, potest. quid ergo si appellatum sit vel hoc ipsum incertum sit, an iudicatum sit vel an sententia valeat? magis est, ut transactio vires habeat: tunc enim rescriptis locum esse credendum est, cum de sententia indubitata, quae nullo remedio adtemptari potest, transigitur. Hat sich jemand nach einer rechtskräftigen Entscheidung verglichen und etwas geleistet, kann er es deshalb zurückfordern, weil der Vergleich anerkanntermaßen nichtig ist; dies hat nämlich Kaiser Antoninus mit seinem göttlichen Vater beschieden. Was wegen eines solchen Vergleichs geleistet worden ist, kann freilich zu578  In der Parallelüberlieferung in Consultatio 1.8, 9.11 ist der Satz hinzugefügt: ‚quia de re iudicata pacisci nemo potest‘.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

rückbehalten oder mit der Urteilsschuld verrechnet werden. Was gilt aber, wenn Berufung eingelegt worden oder ungewiss ist, ob ein Urteil ergangen oder gültig ist? Es spricht mehr dafür, dass der Vergleich wirksam ist; es ist nämlich anzunehmen, dass die Bescheide nur dann Platz greifen, wenn der Vergleich über ein unzweifelhaftes Urteil geschlossen worden ist, das mit keinem Rechtsmittel angefochten werden kann.

Dass Ulpian seine Entscheidung im Fall der eingelegten Berufung579 durch Auslegung des Reskripts zu gewinnen sucht, erweist dieses als Ursprung der Regel. Ulpians Deutung legt zugleich nahe, dass sie nur eine Ausprägung des Gedankens ist, ein Vergleich sei zur Klärung einer zweifelhaften Rechtslage gedacht.580 Diese Erwägung erschöpft die Motive der kaiserlichen Kanzlei freilich nicht. Zumindest für Diokletians Juristen kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Denn sie lassen eine Vereinbarung, mit der die Vollstreckung einer Urteilsschuld ausgeschlossen wird, allein in Gestalt der stipulatio Aquiliana zu, durch die sie förmlich zum Erlöschen gebracht wird. Dies bedeutet, dass sie außer einem Vergleich auch einem formlosen Erlass die Wirkung absprechen, obwohl dieser ansonsten auch und gerade bei einer res indubitata möglich wäre.581 Sie wenden sich damit schlechthin gegen jeden Versuch, die Exekution eines Urteils unter Berufung auf ein pactum aufzuhalten. Dies kann nicht einem Schluss aus der Natur des Vergleichsvertrags, sondern nur dem Ziel geschuldet sein, rechtskräftige Entscheidungen in ih579  Vgl.

auch D 2.15.7pr Ulp 7 disp. denn auch Kaser / Hackl, Das römische Zivilprozeßrecht, S. 378 Fn. 28. – Offensichtlich die Folge eines Missverständnisses ist die Gleichsetzung von Rechtskraft und res indubitata in einer Bearbeitung des in CJ  2.4.12 (14. Feb. 259 / Honoré 1341) überlieferten Reskripts: Impp. Valerianus et Gallienus AA. Primo. Praeses provinciae aestimabit, utrum de dubia lite transactio inter te et civitatis tuae adminis­ tratores facta sit, an ambitiose id, quod indubitate deberi posset, remissum sit. nam priore casu ratam manere transactionem iubebit, posteriore nocere civitati gratiam non sinet. („Kaiser Valerian und Gallienus an Primus. Der Provinzstatthalter soll beurteilen, ob zwischen dir und den Vertretern deiner Gemeinde ein Vergleich über einen zweifelhaften Rechtsstreit abgeschlossen oder dir, was zweifellos geschuldet wurde, aus Gefälligkeit erlassen wurde. Denn im ersten Fall soll er anordnen, dass der Vergleich wirksam bleibt, im zweiten nicht zulassen, dass die Gefälligkeit der Gemeinde schadet.“) Hier geht es um die Unterscheidung zwischen einem Vergleich, der in der Kompetenz der Gemeindevertreter lag, und einem Erlass, den sie nicht zum Nachteil der von ihnen repräsentierten Körperschaft vornehmen können. Mit der Frage der Rechtskraft vermengt finden wir diese Entscheidung erst in der Fassung von Cons 9.14: Praeses provinciae aestimabit, utrum de dubia lite transactio inter te et civitatis tuae ordinem facta sit, an de re iudicata, quia de re iudicata pacisci nemo potest. Die Abänderung des im Codex überlieferten Originaltextes entspringt offenbar dem Bestreben des Verfassers der Consultatio, die Entscheidung auf eine ihm bekannte Regel zurückzuführen; vgl. Schnebelt, S.  155 ff. 581  Anders der Autor der Paulussentenzen, der ein donationis causa abgeschlossenes pactum auch bei einer rechtskräftigen Entscheidung für gültig hält; vgl. PS 5.1.5. 580  So



X. Unbenannte Verträge247

rem Bestand zu schützen und damit ihre Autorität zu gewährleisten. Ihre Geltungskraft leidet aus Sicht der Kanzlei zu sehr, könnte der Schuldner, indem er den Abschluss eines Pakts behauptet, noch eine erneute Prüfung seiner Verpflichtung erzwingen. Dass dies nicht erst für Diokletians Juristen, sondern schon für severianische Kanzlei der maßgebliche Gesichtspunkt war, ist deshalb wahrscheinlich, weil der Satz von der Unwirksamkeit des Vergleichs nicht aus dem Schrifttum übernommen zu sein scheint, sondern von der Behörde selbst aufgestellt wurde. Das durch den Prozessbezug geprägte Bedürfnis nach Rechtssicherheit macht sich noch in dessen besonderer Bestandskraft bemerkbar. Sie schließt sogar in dem Fall, dass eine zugesagte Gegenleistung ausbleibt, eine Revision der Vergleichswirkung durch condictio aus und nötigt zum Rückgriff auf die actio de dolo.582 Vor dem Hintergrund der Häufigkeit, mit der die Kanzlei beim Tauschvertrag dem Wunsch nach dessen Rückabwicklung begegnen muss, verwundert freilich nicht, dass sie auch mit zahlreichen Anfragen behelligt wird, die auf den Widerruf eines Vergleichs zielen und denen sie durch den Verweis auf dessen urteilsgleiche Wirkung erteilen muss. Dass diesen Anfragen der Gedanke an das Regime anderer Innominatverträge zugrunde liegt,583 lässt der Begriff der paenitentia erkennen, der auch im Kaufrecht als Ausdruck des Wunsches nach einer Vertragsaufhebung begegnet.584 Mit ihm beschreiben zuweilen schon die klassischen Juristen die Befugnis eines Kontrahenten, ein pactum durch Rückforderung der eigenen Leistung rückabzuwickeln.585 Im Zusammenhang mit einem Vergleich erscheint er in dem folgenden Bescheid der diokletianischen Kanzlei: CJ.2.4.39 (28. Dez. 294 / Honoré 2643) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Marcianae. Quamvis eum qui pactus est statim paeniteat, transactio rescindi et lis instaurari non potest: et qui tibi suasit intra certum tempus licere a transactione recedi, falsum adseveravit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Marciana. Auch wenn derjenige, der einen Pakt eingegangen ist, dies umgehend bereut, kann ein Vergleich nicht aufgehoben und der Rechtsstreit nicht wiederaufgenommen werden; und wer dir eingeredet hat, man könne innerhalb einer bestimmten Zeit hiervon zurücktreten, hat etwas Unrichtiges gesagt.

Auf das Gebot der fides humana führt Diokletians Kanzlei die urteilsgleiche Wirkung des Vergleichs in dem folgenden Reskript zurück:

582  s. o.

583  Und

S.  223 ff. nicht etwa die babylonische Rechtspraxis, die Taubenschlag, S. 152 f. hier

ausmacht. 584  s. o. S. 138, 175. 585  D 12.4.5pr Ulp 2 disp; s. o. Fn. 176, 416.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

CJ 2.4.20 (28. Sept. 293 / Honoré 1968) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antistiae. Non minorem auctoritatem transactionum quam rerum iudicatarum esse recta ratione placuit, si quidem nihil ita fidei congruit humanae, quam ea quae placuerant custodiri. nec enim ad rescindenum pactum sufficit, quod hoc secunda hora noctis intercessisse proponas, cum nullum tempus sanae mentis maioris quinque et viginti annis consensum repudiet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antistia. Vergleiche haben, wie zu Recht anerkannt ist, keine geringere Wirkung als rechtskräftige Entscheidungen, weil der menschlichen Treue nichts so sehr entspricht, wie eine Vereinbarung einzuhalten. Und es genügt zur Anfechtung eines Vergleichs keineswegs, dass du vorträgst, er sei um zwei Uhr nachts geschlossen worden, da der Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Konsens einer Person, die älter als 25 Jahre und geistig gesund ist, nicht in Frage stellt.

Dass es nicht das Treuegebot schlechthin sein kann, das eine unbedingte Geltung des Vergleichsvertrags erzwingt, erweist eindeutig der Gegenfall des Tauschs, den der vorleistende Teil gerade nicht durchführen muss, sondern rückgängig machen kann. Einen besonderen Gehalt erhält die Idee der fides humana erst durch den Prozessbezug. Gebietet sie hier, dass ein durch rechtskräftiges Urteil entschiedener Streit nicht wieder aufgenommen wird, darf nichts anderes für einen Vergleich gelten, auf dessen Bestand die Parteien ebenso vertrauen dürfen wie auf ein Urteil. Hier wie dort drohte sonst immerwährender Streit, der den Rechtsfrieden untergräbt. Diese spezifische Bedeutung des Treuegedankens hat die Kanzlei schon unter Philippus Arabs herausgestellt:586 CJ 2.4.10 (31. März 244 / Honoré 1216) Impp Philippous A. Apollophaniae. Fratris tui filiis de paterna successione ac statu etiam nunc contra fidem sanguinis itemque placitorum quaestionem inferre parum probe postulas. nullus etenim erit litium finis, si a transactionibus bona fide interpositis coeperit facile discedi. Kaiser Philipp an Apollophania. Du verlangst gegen die Bindung durch Blutsverwandtschaft und einen Pakt zu Unrecht, einen Rechtsstreit gegen die Söhne deines Bruders über die väterliche Rechtsnachfolge und ihren Status zu erheben. Es gäbe nämlich kein Ende eines Streits, wenn man von einem in guter Treue abgeschlossenen Vergleich einfach abgehen könne.

586  Dass der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit hier mit der fides sanguinis kombiniert ist, dürfte daran liegen, dass auch um den Status der Neffen und Nichten des Anfragenden gestritten wird. Diese Auseinandersetzung kann nicht ihre Freiheit ­betreffen, die ausweislich von CJ  2.4.26 (13. April  294 / Honoré 2295; s. o. S. 241 f.) noch unter Diokletian nicht zum Gegenstand eines Vergleichs gemacht werden darf; es daher nur die Frage ihrer ehelichen Abstammung gehen; vgl. Schnebelt, S.  145 ff., der dem Reskript von Philippus Arabs wegen des Verweises auf die fides sanguinis einen belehrenden Charakter bescheinigt.



X. Unbenannte Verträge249

Noch älter ist eine Entscheidung von Septimius Severus, in der eine durch Vergleich entschiedene Sache causa finita genannt wird: CJ 2.3.4 (10. Feb. 206 / Honoré 147) Impp. Severus et Antoninus AA. Valeriae. Postquam liti de praedio motae renun­ tiasti, causam finitam instaurari posse nulla ratio permittit. Kaiser Severus und Antoninus an Valeria. Nachdem du auf die wegen des Grundstücks erhobene Klage verzichtet hast, ist es keineswegs statthaft, dass du die abgeschlossene Sache wieder anhängig machst.

Auch Diokletians Kanzlei nimmt diese Terminologie auf, indem sie dem Kaiser ausdrücklich die Kompetenz abspricht, eine durch Vergleich erledigte Sache zu behandeln:587 CJ 2.4.16 (11. März 293 / Honoré 1757) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Caecilio. Causas vel lites transactionibus legitimis finitas imperiali rescripto resuscitari non oportet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Caecilius. Eine Sache oder ein Rechtsstreit, die durch rechtmäßigen Vergleich beendet sind, darf nicht kraft kaiserlichen Bescheids wieder aufgenommen werden.

Die der prozessrechtlichen Funktion geschuldete Bindung an den Vergleich reicht über dessen streitentscheidende Wirkung hinaus: Ebenso wie der aufgegebene Rechtsstreit nicht mehr aufgenommen werden kann, ist dem anderen Kontrahenten auch die Verweigerung oder Rückforderung einer Gegenleistung aufgrund der Behauptung verwehrt, dem anderen Teil überhaupt nicht verpflichtet gewesen zu sein. Diokletians Juristen führen dies nicht auf den Satz von Ausschluss der Kondiktion einer freiwilligen Leistung zurück, der versagte, wenn sich der Leistende auf einen Irrtum berufen könnte. Stattdessen berufen sie sich darauf, dass der Vergleich selbst einen beständigen Rechtsgrund für die Leistung bietet: CJ 2.4.23 (8. März 294 / Honoré 2230) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Tatiano. Nec intentio creditorum Archimedori, cui alios successisse profiteris, si obligatus pro eo non fuisti, tenere potest. sed haec integro negotio tractari convenerat: nam cum iam quaestionem transactione decisam et a te dari placitam numeratam pecuniam proponas, huius indebiti soluti praetextu improbe tibi petitionem decerni postulas, cum, etsi tantum in stipulationem fuisset deducta, indebiti promissi velamento defendi non posses. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Tatianus. Die Klage der Gläubiger des Archimedor, dessen Rechtsnachfolge nach deiner Behauptung andere angetreten haben, kann, wenn du dich für ihn nicht verbindlich gemacht hast, keinen Erfolg haben. Aber dies hätte in einem früheren Stadium untersucht werden müssen; da du nämlich vorträgst, die Frage sei durch einen Vergleich entschieden und von dir ein Geldbetrag gezahlt worden, forderst du zu Unrecht unter dem 587  Ganz ähnlich weist er das Begehren nach Widerruf einer donatio perfecta ab; vgl. CJ  8.55.5 (27. April  293 / Honoré 1838; s. u. S. 276). Vgl. hierzu auch Honoré, S. 176.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Vorwand, eine Nichtschuld gezahlt zu haben, dass dir eine Klage gewährt wird, weil du, auch wenn es nur zum Gegenstand einer Stipulation gemacht worden wäre, dich nicht mit dem Einwand verteidigen könntest, es sei die Leistung einer Nichtschuld versprochen worden.

Dass der Vergleich einen selbständigen Rechtsgrund bildet, zeigt die Kanzlei an dem Parallelfall eines bloßen Leistungsversprechens: Da der Vergleich hierfür eine ausreichende causa bietet, könnte sich der Kontrahent, der das Versprechen abgegeben hat, seiner Inanspruchnahme auch dann nicht mit dem Einwand einer ungerechtfertigten Bereicherung widersetzen, wenn der durch Vergleich erledigte Anspruch überhaupt nicht bestand.588 Aus demselben Grund kann er seiner Verpflichtung aus einer vergleichshalber geleisteten Stipulation auch nicht mit der exceptio non numeratae pecuniae begegnen; denn die Behauptung, es sei nicht zu einer Auszahlung gekommen, betrifft allein die Frage, ob dem Vergleich auch ein Anspruch des Kontrahenten zugrunde lag, auf den dieser im Gegenzug zu dem Versprechen teilweise verzichtet hat: CJ 4.30.11 (10. April, nach 11. Dez. 293 / Honoré 2661) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eutychiano. Si transactionis causa dare Palladio pecuniam stipulanti spopondisti, exceptione non numeratae pecuniae defendi non potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Eutychianus. Hast du zum Zwecke eines Vergleichs durch Stipulation eine Geldzahlung an Palladius versprochen, kannst du dich nicht mit der Einrede der unterlassenen Auszahlung eines Geldbetrags verteidigen.

Die Bindungswirkung des Vergleichs kann freilich nicht weiter reichen als der Streit, der durch den Vergleich bereinigt wurde. Daher versteht sich von selbst, dass die Erklärung des Anspruchstellers, keine Forderung mehr geltend zu machen, nur den Anspruch erfasst, um den sich die Auseinanderset588  Von ähnlicher Struktur ist die Argumentation, derer sich die kaiserliche Kanzlei unter Caracalla bedient, um die befreiende Wirkung des Vergleichs zu verdeutlichen: Aus dem Umstand, dass eine über den Vergleichsbetrag hinausgehende Leistung zurückgefordert werden könnte, schließt die Kanzlei darauf, dass der betroffene Kontrahent endgültig befreit ist; vgl. CJ 2.3.5 (25. Juli 213 / Honoré 315): Imp. Antoninus A. Demagorae. Creditori tuo si partem pecuniae exsolvisti, de parte vero non petenda inter te et eum convenit ob causas negotiaque eius tuo patrocinio fideque defensa, ea obligatione partim iure civili partim honorario liberatus es. nam exceptio perpetua pacti conventi vel doli residui petitionem repellit, cum et solutum per ignorantiam repeti potuisset. („Kaiser Antoninus an Demagoras. Hast du deinem Gläubiger einen Teil der Schuld geleistet und ist wegen eines von dir bei seinen Geschäften geleisteten Beistands zwischen euch vereinbart worden, dass der andere Teil nicht gefordert wird, bist du von dieser Verpflichtung teilweise nach Zivilrecht, teilweise nach Honorarrecht befreit worden. Denn die dauerhafte Einrede aus einem Pakt oder wegen Arglist schließt die Forderung des restlichen Betrags aus, da sogar eine in Unkenntnis vorgenommene Leistung zurückgefordert werden könnte.“).



X. Unbenannte Verträge251

zung der Parteien drehte.589 Auch wenn sie ohne ausdrücklichen Bezug auf die umstrittene Forderung abgegeben wurde, wird sie kraft ihres Kontextes nicht als Generalverzicht ausgelegt:590 CJ 2.4.31 (12. Okt. 294 / Honoré 2456) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Proculo. Si de certa re pacto transactionis interposito hoc comprehensum erat ‚nihil amplius peti‘, etsi non additum fuerat ‚eo nomine‘, de ceteris quaestionibus integra permaneat actio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Proculus. Ist in einem Vergleich, der über eine bestimmte Sache abgeschlossen worden ist, die Klausel enthalten, dass nichts mehr gefordert werde, so bleibt, auch wenn nicht hinzugefügt ist, dass dies in dieser Sache gelte, die Klage in anderen Streitfragen unberührt.

Geht es um die Reichweite des Vergleichs, kann auch ein Irrtum der Parteien Bedeutung erlangen. Haben sie sich über eine Sachgesamtheit, insbesondere einen Nachlass verglichen, kann eine Seite später zwar nicht geltend machen, es seien Sachen aufgetaucht, an die sie bei Vergleichsschluss nicht gedacht habe; denn auch solche Sachen sind erkennbar von der Vereinbarung erfasst. Anders verhält es sich aber bei einer Sache, von denen mindestens eine Seite bei Vergleichsschluss annahm, sie gehöre einem Dritten: CJ 2.4.29 (28. Sept. 294 / Honoré 2381) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Marciae. Sub praetextu specierum post repertarum generali transactione finita rescindi prohibent iura. error autem circa proprietatem rei apud alium extra personas transigentium tempore transactionis constitutae nihil potest nocere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Marcia. Das Recht verbietet, dass eine Prozessbeendigung durch generellen Vergleich unter dem Vorwand angefochten wird, es seien später Sachen aufgefunden worden. Ein Irrtum über das Eigentum einer Sache, von der sich herausstellt, dass sie bei Vergleichsschluss bei einem anderen als den Parteien des Vergleichsvertrags war, kann freilich nicht schaden.

Zwar ist diese Sache, wenn man sich an die objektive Bedeutung der Vereinbarung hält, ebenfalls Gegenstand des Vergleichs. Fehlt einer Seite wegen des vermuteten Eigentums eines Dritten diese Vorstellung, leidet der Vergleich insoweit aber an einem relevanten Irrtum und kann nur in Ansehung des übrigen Nachlassbestands Geltung beanspruchen. Diese Lösung entspricht den beiden Entscheidungen, in denen die Kanzlei eine mit dem Abschluss eines Mietvertrags verbundene Übereignung oder Begründung von Eigenbesitz ablehnt:591 Auch dort wendet sie sich dagegen, dass ein Verhalten, das sich, objektiv gesehen, als eigentumsrelevanter Akt deuten lässt, diese Wirkung ohne das erforderliche Bewusstsein ihres Urhebers hat. Der 589  D 2.15.5

Pap l def. Sturm (Fn. 525), S. 335. 591  s. o. S.  188 ff. 590  Vgl.

252

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Irrtum über das Eigentum ist dabei nicht als solcher, sondern deshalb erheblich, weil er ausschließt, dass eine Partei die Bedeutung ihres Handelns begreift. Da sich eine solche Fehlvorstellung nicht ohne Weiteres annehmen lässt, sondern von demjenigen, der sie behauptet dargetan werden muss, kommt sie bei einem Vergleich über eine Sachgesamtheit auch nur dann in Betracht, wenn sich die betroffene Sache nicht bei den übrigen Nachlassgegenständen befand. Daher spricht die Kanzlei ihr nur unter der Voraussetzung Bedeutung zu, dass sich die Sache bei Abschluss des Vergleichs bei einem Dritten befand, den eine oder beide Parteien für ihren Eigentümer hielten. Unter Diokletian verfährt die Kanzlei konsequenter als noch zur Regierungszeit von Severus Alexander.592 Nach einem von diesem Kaiser erlassenen Bescheid soll sich die Wirkung eines Vergleichs über die Abrechnung einer Geschäftsführungstätigkeit auf den Betrag beschränken, über den die Parteien in Streit geraten sind. Damit sperren weder der Vergleich noch eine darauf beruhende stipulatio Aquiliana die Erhebung der Geschäftsführungsklage über den Betrag, um den die wirkliche Schuld die zur Grundlage des Vergleichs gemachte Summe übertrifft:593 CJ 2.4.3 (12. Aug. 223 / Honoré 588) Imp. Alexander A. Tulliae. Age cum Geminiano, quod pater eius curator tibi datus negotia tua gesserit, et si apud iudicem negabit se actione teneri, quoniam transactio et Aquiliana stipulatio interposita est, iudex contemplatione iudicii quod est bonae fidei quaeret, de quanta pecunia nominatim transactum sit: et si apparuerit de minore transactum, quantam pecuniam reliquam ex administratione curae deberi probatum fuerit, solvere eum iubebit, quod non in stipulationem Aquilianam obligationis curae tantum deductum est, quanti erat quantitas pecuniae quae debebatur. Kaiser Alexander an Tullia. Du sollst gegen Gemianus klagen, weil sein Vater als dein Pfleger deine Geschäfte geführt hat; und wenn er vor dem Richter seine Haftung aus der Klage bestreitet, weil ein Vergleich und eine aquilianische Stipulation abgeschlossen worden sind, soll der Richter mit Rücksicht auf die Eigenart der Klage, die dem Gebot der guten Treue gehorcht, untersuchen, über welchen Betrag man sich ausdrücklich verglichen hat; und wenn sich herausstellt, dass man sich über einen geringeren Betrag verglichen hat, als aus der Verwaltung der Pflegschaft erweislich geschuldet wird, soll er anordnen, dass der übrige Betrag gezahlt wird, weil der geschuldete Betrag nicht zum Gegenstand der aquilischen Stipulation über die Verpflichtung aus der Pflegschaft gemacht worden ist. 592  Dies glaubt auch Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 446, der hierfür freilich auf die wenig aussagekräftige Entscheidung in CJ 8.43.3 verweist; s. o. S. 222 f. 593  Hierzu Sturm (Fn. 525), S. 374 ff., der hierin eine Weiterentwicklung der Entscheidung Papinians in D 2.15.5 Pap 1 def erkennt. Während sich die Ausnahme früherer Streitigkeiten von der Vergleichswirkung nach allgemeinen Auslegungsregeln von selbst versteht, bedeutet die summenmäßige Begrenzung der transactio auf einen umstrittenen Betrag eine erhebliche Beeinträchtigung der Funktion des Vergleichs, für Rechtsfrieden sorgen.



X. Unbenannte Verträge253

Die Entscheidung mag der Rücksicht auf das besondere Schutzbedürfnis eines Minderjährigen gegenüber seinem Pfleger geschuldet sein. Geht man von der Funktion eines Vergleichs aus, ist sie kaum zu rechtfertigen. Denn mit der Behauptung einer Fehlvorstellung über die finanzielle Tragweite des Vergleichs ist dessen prozessbeendigende Wirkung praktisch beseitigt. Außer der sachlichen beschäftigt Diokletians Kanzlei auch die personelle Reichweite eines Vergleichs in Dreipersonenverhältnissen. Einerseits stellt sich hier die Frage, ob ein Anspruchsinhaber seines Rechts infolge eines von einem Dritten abgeschlossenen Vergleichs verlustig geht. Die Kanzlei verneint dies für einen curator oder tutor, dem sie schlechthin die Befugnis zur Aufgabe einer Forderung des Betreuten abspricht: CJ 2.3.22 (14. Nov. 293 / Honoré 2003) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Archelao. Pactum curatoris recipere minorem quantitatem paciscentis adultae aetatis suffragium, ne noceat, efficiet. tutores enim et curatores exigentes pupillis et adultis debitum, non etiam remittentes praestant obligationis liberationem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Archelaus. Der Pakt, durch den der Pfleger einer Erwachsenen vereinbart hat, dass eine geringere Summe gezahlt werde, wirkt nicht zu ihrem Nachteil. Vormünder und Pfleger können eine Befreiung nämlich nur durch Einzug der Schuld, nicht durch Erlass herbeiführen.

Andererseits wird die Kanzlei mit der Frage konfrontiert, ob ein Vergleich zugunsten eines anderen Schuldners wirkt. Abgelehnt wird dies für den Fall, dass ein Vermächtnisinhaber ein pactum mit einem Scheinerben eingegangen ist, das seinen Anspruch gegen die wahren Erben nicht beeinträchtigen kann: CJ 2.3.24 (16. Dez. 293 / Honoré 2054) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Domnae. Si actionem legati vel fideicommissi, quam adversus heredes mariti quondam tui habuisti, te adfectione heredum aliis remisisse probetur, exceptionem pacti contra debitores instituenti actiones nocere tibi minime posse intellegis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Domna. Wird bewiesen, dass du eine Vermächtnis- oder Fideikommissforderung, die du gegen die Erben deines früheren Ehemannes hattest, anderen aus Rücksicht auf die Erben erlassen hast, musst du begreifen, dass die Einrede aus dem Pakt dir keinesfalls schaden kann, wenn du Klage gegen die Schuldner erhebst.

Schließlich muss die Kanzlei dem Ansinnen entgegentreten, dass mehrere Schuldner aus einer untereinander getroffenen Abrede über die Aufteilung der Verpflichtung einen Einwand gegen den Gläubiger herleiten: CJ 2.3.25 (28. April 294 / Honoré 2326) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Euchemero. Debitorum pactionibus creditorum petitio nec tolli nec mutari potest.

254

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Euhemerus. Ein unter Schuldnern abgeschlossener Pakt kann die Forderung der Gläubiger weder aufheben noch verändern.

Erscheint der zurückgewiesene Gedanke auf den ersten Blick auch völlig abwegig, verliert die Entscheidung ihre Selbstverständlichkeit, wenn es um eine Erbschaftsschuld geht. Richtete sich diese früher nur gegen die Person des Erblassers, ist seinen Rechtsnachfolgern nicht zu verdenken, dass sie ihre Verpflichtung für disponibel halten und annehmen, sie einem der Erben zuweisen zu können. Dieser Hintergrund, der auch Anlass für die nur mit ihrem Tenor überlieferte Entscheidung in CJ 2.3.25 gegeben haben könnte, kommt in dem folgenden Reskript zum Vorschein: CJ 2.3.26 (13. Okt. 294 / Honoré 2405) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Corneliae. Pactum successorum debitoris ex lege duodecim tabularum aes alienum hereditarium pro portionibus quaesitis singulis ipso iure divisum in solidum unum obligare creditori non potest: quod et in honorario succedentibus iure locum habebit. de chirographis itaque communibus exhibendis cum coherede vel non perfectis in divisione placitis convenire quanti tua interest potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Cornelia. Durch einen unter den Rechtsnachfolgern eines Schuldners geschlossenen Pakt kann, da eine Erbschaftsschuld gemäß dem Zwölftafelgesetz nach den einzelnen erworbenen Anteilen geteilt wird, nicht einer dem Gläubiger in voller Höhe verbindlich gemacht werden; dies gilt auch bei der Erbfolge nach prätorischem Recht. Du kannst deinen Miterben daher unter Vorlage von gemeinschaftlichen Schuldscheinen oder wegen Nichteinhaltung des Teilungspaktes auf dein Interesse belangen.

Diokletians Kanzlei sieht sich veranlasst, auf die Autorität des Zwölftafelgesetzes zu setzen, aus dem sich die automatische Aufteilung einer Erbschaftsschuld ergibt. Da es die Rechtsbeziehung zum Gläubiger auch im Fall der prätorischen Erbfolge abschließend bestimmt, kann der Vereinbarung unter den Miterben nur Wirkung für ihr Innenverhältnis Bedeutung zukommen.

XI. Schenkung (donatio) 1. Schenkungsvertrag Bei der Schenkung haben die Bescheide, die der Feststellung eines Vertragsschlusses gelten, eine andere Zielrichtung als die Entscheidungen, die zum parallelen Problem beim Kaufvertrag ergehen. Dort geht es vor allem darum aufzuklären, ob der Vertrag als solcher gewollt oder nur Deckmantel für eine andere Vereinbarung, insbesondere eine Schenkung, ist.594 Dagegen 594  s. o.

S.  129 ff.



XI. Schenkung255

stehen, wenn nur sie in Betracht kommt, regelmäßig Existenz und Wirksamkeit der Einigung selbst in Streit. Weil sie sich auf eine einseitige Bereicherung des Beschenkten richtet, ist dessen Verlockung, eine Schenkung zu behaupten, ungleich stärker als der Antrieb, den Abschluss eines Kaufvertrags geltend zu machen; und aus demselben Grund gibt es auch eine ausgeprägtere Tendenz der anderen Seite, einen wirksamen Vertragsschluss nachträglich in Abrede zu stellen. Ein durchsichtiger Versuch hierzu besteht in der Berufung auf das vorgerückte Alter des Schenkers. Dass es, wenn es nicht mit Anzeichen für einen Verlust der Geschäftsfähigkeit einhergeht, keinen Anlass zu Zweifeln an der Gültigkeit der Zuwendung bietet, stellt die Kanzlei in dem folgenden Bescheid fest: CJ 8.53.16 (27. Nov. 293 / Honoré 2019) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Theodoro. Senectus ad donationem faciendam sola non est impedimento. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Theodor. Ein Greisenalter ist, für sich genommen, kein Hindernis für eine Schenkung.

Unter den Beweisanzeichen für die Vornahme einer Schenkung beschäftigt die kaiserliche Kanzlei besonders die steuerliche Erfassung einer Sache. Zwar ist die gegenüber der Steuerbehörde gemachte Angabe, Eigentümer einer Sache zu sein, für sich genommen, noch nicht hinreichend, um ihre Schenkung an den vorgeblichen Steuerschuldner darzutun. Lässt sich jedoch zugleich darauf schließen, dass der mögliche Schenker mit der Angabe einverstanden war, ist der Nachweis einer unentgeltlichen Zuwendung erbracht: CJ 8.53.7 (15. Juli 290 / Honoré 1607) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Iulio. Censualis quidem professio domino praeiudicare non solet. sed si in censum velut sua mancipia deferenti privigno tuo consensisti, donationem in eum contulisse videris. Kaiser Diokletian und Maximian an Julius. Eine Steuererklärung kann zwar dem Eigentümer nicht zum Nachteil gereichen. Warst du aber damit einverstanden, dass dein Stiefsohn bei der Steuererhebung Sklaven als seine ausgegeben hat, wirst du so angesehen, als hättest du ihm eine Schenkung gemacht.

Mit dieser Entscheidung rückt Diokletians Kanzlei von einem 10 Jahre zuvor unter Probus ergangenen Reskript ab, dessen im Codex Iustinianus wiedergegebene Fassung der steuerlichen Behandlung einer Sache schlechthin jede Indizwirkung abspricht: CJ 8.53.4 (28. Dez. 280 / Honoré 1410) Imp. Probus A. Massiciae. Si functiones per eum, cui donata res non erat, vel ab actoribus ipsius nomine celebratae sunt, tibi obesse non potest. Kaiser Probus an Massicia. Sind öffentliche Pflichten von demjenigen, dem eine Sache nicht geschenkt worden ist, oder in seinem Namen von seinem Verwalter erfüllt worden, kann dir dies nicht zum Nachteil gereichen.

256

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Mit Hilfe der Parallelüberlieferung der fragmenta Vaticana, die den Bescheid dem 13. Buch des Codex Gregorianus zuweist, lässt sich der vorangestellte Satz rekonstruieren: Vat 288 … Indubitati iuris est, siquidem donaturam te quaedam dixisti neque apud acta instrumenta fecisti aut eundem cui donabas dominum effecisti per rei cessionem perfectam ac solam tibi possessionem retinuisti, eum rem eam uindicare sibi non posse, quando apud te eius rei proprietas mansit …  … Es ist unumstrittenes Recht, dass, wenn du gesagt hast, etwas schenken zu wollen, aber keine Urkunde errichtet oder den Beschenkten durch eine vollzogene Übertragung der Sache zum Eigentümer gemacht und den alleinigen Besitz zurückbehalten hast, er diese Sache nicht herausverlangen kann, solange das Eigentum an dieser Sache bei dir verblieben ist …

Die hieran anknüpfende Bemerkung zur Irrelevanz der steuerlichen Handhabung bezog sich in dem zu entscheidenden Fall demnach nicht auf die Frage, ob ein Schenkungsvertrag zustande gekommen ist, sondern betraf das Folgeproblem, ob die donatio auch durch Übertragung des Eigentums auf den Beschenkten vollzogen worden ist. Sie lässt sich freilich ohne Weiteres auch auf den Abschluss des Schenkungsvertrags beziehen, mit dem sich ­Diokletians Juristen beschäftigen, zumal er anders als in dem unter Probus entschiedenen Fall häufig mit der Zuwendung der Schenksache zusammenfällt. Sowohl diese als auch die Vereinbarung des Schwenkungszwecks sind aus Sicht der diokletianischen Kanzlei dargetan, wenn sich ergibt, dass die Steuererklärung mit Einverständnis des Schenkers erfolgt ist. Ein Fall, in dem dies offensichtlich ist, liegt dann vor, wenn der Schenker selbst die Sache als dem Beschenkten gehörig deklariert hat. Dass mit dem so erbrachten Nachweis der Schenkung freilich noch nicht zwingend die Entscheidung vorgegeben ist, zeigt ein Reskript, das Diokletians Kanzlei nur kurz nach dem Bescheid zur Steuererklärung mit Zustimmung des bisherigen Sachinhabers erlässt: CJ 8.53.8 (6. Sept. 290 / Honoré 1625) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Florae. Si praeses provinciae non donandi voluntate filiorum tuorum nomine praedia in censum detulisse te manifestis probationibus cognoverit, quod fides veri suggesserit, statuet. Kaiser Diokletian und Maximian an Flora. Hat der Provinzstatthalter mit Hilfe eindeutiger Beweise festgestellt, dass du ohne Schenkungsabsicht Grundstücke im Namen deiner Söhne bei der Steuererklärung angegeben hast, soll er anordnen, was der wahren Sachlage entspricht.

Kann der vermeintliche Schenker den Beweis führen, dass der steuerlichen Angabe doch keine Absicht zur Schenkung zugrunde lag, ist der durch die Steuererklärung erbrachte Nachweis konterkariert. Für den erfolgreichen Gegenbeweis bedarf es freilich handfester Beweismittel (‚probationes mani­



XI. Schenkung257

festes‘), die den schwer zu widerlegenden Eindruck, den die steuerliche Handhabung vermittelt, wieder wettmachen können. Auf dieselbe Weise ist ein Irrtum geltend zu machen, der dem Schenker bei Errichtung der Schenkungsurkunde unterlaufen ist: CJ 8.53.10 (27. April 293 / Honoré 1842) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hermionae. Nec ignorans nec invitus quisque donat. unde si de hoc fundo non cogitasti, cuius velut donationi consensisse continetur instrumento, maiores veritate rei quam scriptura vires obtinente intellegis, de quo non cogitasti nec specialiter subscripsisti, nihil te perdidisse. Kaiser Diokletian und Maximian an Hermiona. Man schenkt weder unwissentlich noch unfreiwillig. Hast du an das Grundstück nicht gedacht, von dem es in einer Urkunde heißt, du habest seiner Schenkung zugestimmt, siehst du daher ein, dass du, weil die Wahrheit mehr gilt als die Urkunde, nicht verloren hast, woran du nicht gedacht und was du auch nicht eigens in der Urkunde erwähnt hast.

Zwar kann der Schenker mit seiner Behauptung, er habe bei Vornahme der Schenkung nicht an das in der Urkunde bezeichnete Grundstück gedacht, ebenso durchdringen wie ein Käufer, der sich auf einen error in corpore beruft595. Der für den Abschluss des Schenkungsvertrags erforderliche consen­ sus596 ist durch die Urkunde jedoch eigentlich schon dargetan.597 Um den Beweis zu erschüttern, bedarf es des Gegenbeweises einer Fehlvorstellung des Schenkers, die den Schein einer wirksamen Vereinbarung als dissensus entlarvt. Hierfür genügt nicht die bloße Behauptung einer ignorantia, weil dem Schenker die Errichtung der Urkunde ja schwerlich verborgen geblieben sein kann. Und auch der Berufung auf einen regelrechten Irrtum bliebe der Erfolg versagt, wenn der Schenker den Schenkungsgegenstand selbst in der Urkunde besonders (‚specialiter‘) beschrieben hätte. Theoretisch ist zwar auch in diesem Fall denkbar, dass er über seine Identität fehlgegangen ist. Es ist jedoch derart unwahrscheinlich, dass der Nachweis eines konsenshindernden Irrtums kaum geführt werden kann.598 Kann eine Urkunde durch den Nachweis eines Irrtums entkräftet werden, versteht sich von selbst, dass sie keinen inhaltlichen Anforderungen genügen muss, um als Beweismittel für eine Schenkung zu taugen. Da zur Vornahme einer Handschenkung der schlichte consensus zwischen Schenker und Beschenktem ausreicht, bedarf es weder eines persönlichen Zusammentreffens der Parteien noch einer präzisen Beschreibung des Schenkungsgegenstands, Da beides für eine schenkungshalber begründete Verpflichtung aus StipulaHarke, Si error aliquis intervenit, S.  23 ff. Si error aliquis intervenit, S.  110 ff. 597  Dies hat entgegen Taubenschlag, S. 141 Fn. 998 nichts mit volksrechtlichen Vorstellungen von der materiellrechtlichen Bedeutung der Urkunde zu tun. 598  Harke, Si error aliquis intervenit, S. 111. 595  Hierzu

596  Harke,

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

tion nötig wäre, ist es freilich durchaus nicht abwegig, wenn diese Umstände gegen die Wirksamkeit einer Handschenkung ins Feld geführt werden. Dass sie auch unter Abwesenden und folglich sogar durch Zustimmung zur Erklärung eines Dritten erfolgen kann, muss Diokletians Kanzlei in den beiden folgenden Bescheiden erklären: CJ 8.55.6 (27. Sept. 294 / Honoré 2379) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Herenniae. Velles nec ne filio tuo praedia itemque mancipia donare, fuit initio tibi liberum. desine itaque postulare, ut donatio quam perfeceras revocetur sub praetextu mariti ac liberorum absentiae, cum huius firmitas ipsorum praesentia non indigeret. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Herennia. Dir stand es vorher frei, ob du deinem Sohn Grundstücke und Sklaven schenken wolltest. Hör deshalb auf zu fordern, dass die Schenkung, die du vollzogen hast, mit der Begründung widerrufen werden soll, dein Sohn und deine Kinder seien abwesend gewesen, da die Wirksamkeit der Schenkung deren Anwesenheit nicht voraussetzt. CJ 8.53.20 (26. Jan. 294 / Honoré 2155) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Helvio. Vice donatricis alio voluntate eius subscribente iure facta donatio non habebitur irrita. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Helvius. Hat anstelle der Schenkerin ein anderer mit ihrer Zustimmung unterschrieben, macht dies eine gültig vorgenommene Schenkung nicht unwirksam.

Und dass die Schenkungsabsicht auch in lakonischer Form geäußert werden kann, stellt sie in dem nächsten Bescheid fest: CJ 8.53.13 (18. Mai 293 / Honoré 1960) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Uraniae. Si aliquid per epistulam donatum tibi probetur, brevitas chartulae donationi, si haec recte facta probetur, nihil quicquam derogat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Urania. Ist nachgewiesen, dass dir etwas durch Brief geschenkt worden ist, beeinträchtigt die Kürze des Schreibens die Schenkung, wenn sie erweislich ordnungsgemäß erfolgt ist, nicht.

Da sie im Gegensatz zum Schenkungsversprechen keiner Form bedarf, kann eine Handschenkung sogar völlig ohne ausdrückliche Erklärung der Parteien durch konkludentes Verhalten zustande kommen. Ein Beispiel bildet die Schenkung an einen Gewaltunterworfenen, der später emanzipiert wird. Zwar kann die Zuwendung für die Dauer des Gewaltverhältnisses mangels Rechtsfähigkeit des Beschenkten keine Wirkung entfalten. Behält dieser den Gegenstand bei seiner Entlassung aus der Gewalt und fordert der Schenker ihn nicht zurück, liegt hierin aber eine erneute Einigung durch schlüssiges Verhalten, bei der sich beide Parteien als rechtlich selbständige Personen gegenüberstehen. Der eigentlich ungültige Schenkungsvertrag, den die Parteien während des Gewaltverhältnisses eingegangen sind, wirkt hier insofern fort, als er dem Verhalten der Parteien im Moment der Entlassung einen



XI. Schenkung259

konkreten Erklärungswert gibt. Wird die zunächst unwirksame Schenkung so nachträglich perfekt,599 ist es dem Schenker folglich verwehrt, die geschenkte Sache später zurückzufordern: CJ 8.53.17 (27. Dez. 293 / Honoré 2095) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hermiae. Sive emancipatis filiis res donasti sive in potestate constitutis et sui iuris effectis ac tenentibus non ademisti, blandiri tibi non debes, velut res donatas ex paenitentia liceat auferre. (1) Sane si ea, quae in tua positis potestate donaveras, post emancipationem contra tuam tenuerunt voluntatem, horum penes te dominium remansit, si quidem nec tempore quo voluisti propter vinculum potestatis sibi quicquam quaerere, nec post invito te de rebus tuis potuerunt. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hermias. Sei es, dass du deinen aus der Gewalt entlassenen Söhnen Sachen geschenkt hast, sei es, dass du sie denjenigen nicht entzogen hast, die in deiner Gewalt standen und dann rechtlich selbständig geworden sind und behielten, darfst du dir nicht einbilden, es sei dir erlaubt, die geschenkten Sachen aus Reue wieder wegzunehmen. (1) Haben sie freilich das, was du ihnen als Gewaltunterworfene geschenkt hast, nach ihrer Entlassung aus der Gewalt gegen deinen Willen behalten, ist das Eigentum hieran bei dir geblieben, indem sie wegen des Gewaltverhältnisses weder in dem Zeitpunkt, in dem du es wolltest, noch später gegen deinen Willen etwas aus deinem Vermögen erlangen konnten.

Ebenso wie die Freilassung des Beschenkten zu Lebzeiten des Schenkers ist der Fall zu behandeln, dass dieser stirbt, ohne die Zuwendung widerrufen zu haben. Da sie zu einer Schenkung von Todes wegen wird,600 unterliegt sie in diesem Fall freilich den Beschränkungen des Vermächtnisrechts, insbesondere der seit einer Entscheidung von Septimius Severus601 anwendbaren lex Falcidia: Vat 280 (22. März 286 / Honoré 1478) Divi Diocletianus et Constantius Aurelio … Pater in filium, quem in potestate habet, conferens ipso iure donationem non facit, sed ex praeceptis statutorum recepta humanitate placuit, si in eodem iudicio perseverans in fatum concesserit, liberalitatem eius salva lege Falcidia probari. proinde si pater, qui per epistulam res tibi dono dedit, non revocata liberalitate nec mutata voluntate fatalem diem intestato obiit, inlibata donatio permanet, si tamen legis Falcidiae ratio comminui eam nec exegerit; quod si locum habet, eatenus ex donatione fratres tui deducent, quatenus id fieri indemnitas et iuris ratio in optinendis portionibus, quas eos habere necesse est, exigunt. Iuxta hanc iuris formam praeses provinciae ad vicem familiae erciscundae officium sententiae suae legibus temperabit. 599  D 39.5.21.2 Pap 12 resp = Vat 255, PS 5.11.3. – Anders entscheidet Paulus, der sogar eine Ersitzung mit der Begründung ausschließt, der Schenkungsvertrag sei unwirksam; vgl. D 41.6.1.1 Paul 54 ed. 600  So befindet die Kanzlei später ausdrücklich unter Konstantin; vgl. Vat 274 (13. Aug. 315). 601  CJ 6.50.5 (18. Okt. 223 / Honoré 610).

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Die göttlichen Diokletian und Constantius an Aurelius … Ein Vater kann einem in seiner Gewalt befindlichen Sohn keine wirksame Schenkung machen, aber nach Vorgabe der Verordnungen ist unter Einfluss des Gebots der Menschlichkeit anerkannt, dass diese Freigiebigkeit, wenn er unter Beibehaltung seiner Ansicht gestorben ist, unter Vorbehalt des falzidischen Gesetzes geheilt wird. Daher soll, wenn dein Vater dir im Wege eines Briefs eine Sache zum Geschenk gemacht hat und er ohne Widerruf seiner Freigiebigkeit oder Willensänderung ohne Testament gestorben ist, die Schenkung unverkürzt Bestand haben, wenn die falzidische Rechnung nicht ihre Kürzung gebietet; greift diese aber Platz, können deine Brüder die Schenkung um so viel verringern, als ihre Schadloshaltung und das Recht beim Erhalt der geschuldeten Erbteile gebieten. Nach dieser rechtlichen Vorgabe soll der Provinzstatthalter bei der Erbteilung von seiner gesetzlichem Entscheidungskompetenz Gebrauch machen.

Die Konvaleszenz einer bis zum Tod nicht widerrufenen Schenkung bildet wohl auch die Grundlage für eine Entscheidung, deren Tenor sich in dem Auftrag an den Provinzstatthalter einem erschöpft, Gewalt zu verhindern und die Sache zu verhandeln: Vat 277 (29. Aug. 286 / Honoré 1506) Divi Diocletianus et Constantius … Si quam impugnat frater pater tuus in te contulit donationem et decedens supremo iudicio non revocavit, scilicet manente potestate, praeses provinciae iuxta divorum principum constitutiones super hac re factas vim prohibebit, de ceteris inter vos disceptaturus. Die göttlichen Diokletian und Constantius … Hat dein Vater dir eine Schenkung gemacht, die dein Bruder angreift, und bis zu seinem Tod nicht widerrufen, und zwar unter Beibehaltung seiner Fähigkeiten, soll der Provinzstatthalter entsprechend den zu derartigen Sachen ergangenen Verordnungen der göttlichen Kaiser Gewalt verhindern und das weitere Vorgehen unter euch erörtern.

Dasselbe gilt vermutlich für einen weiteren Bescheid, in dem die Kanzlei aus dem fehlenden Widerruf auf die Gültigkeit einer donatio perfecta schließt: Vat 278 (25. Okt. 286 / Honoré 1510) Divi Diocletianus et Constantius Aurelio Zoilo. Cum adfirmes patrem tuum donationes perfectas in te contulisse et supremis iudiciis eas non revocasse, poteris iure constituto, praesertim cum honori primipilari sis adstrictus, securo animo ea quae donata sunt possidere. Die göttlichen Diokletian und Constantius an Aurelius Zoilus. Da du behauptest, dein Vater habe dir vollzogene Schenkungen gemacht und sie bis zu seinem Tod nicht widerrufen, kannst du die geschenkten Sachen ruhigen Gewissens besitzen, zumal du durch dein Primipilaramt gebunden bist.

Da die Schenkung einerseits als vollzogen bezeichnet, andererseits vom Vater an den Sohn und damit unter personas exceptas erfolgt ist, kann es hier nicht um das Schenkungsverbot der lex Cincia gehen,602 das nach einer Ent602  So

aber Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 604 Fn. 41.



XI. Schenkung261

scheidung Caracallas ebenfalls durch den Tod des Schenkers geheilt wird603. Der Mangel der Schenkung, die durch ihren fehlenden Widerruf zu Lebzeiten des Schenkers beseitigt sein soll, kann daher nur in der fehlenden Rechts­ fähigkeit des Beschenkten zu Lebzeiten des Schenkers liegen.604 Damit der Heilung dieses Defizits durch das natürliche Ende des Gewaltverhältnisses und die daran anknüpfende Annahme einer donatio mortis causa Wirkung zukommt, muss die Schenkung zumindest faktisch schon bis zum Tod des Schenkers vollzogen sein; denn auch ein Schenkungsvertrag, der mit dem Ableben des Schenkers und der rechtlichen Verselbständigung des Beschenkten gültig wird, kann keinen Anspruch auf Vollzug einer noch nicht bewirkten Zuwendung begründen, sondern allenfalls in eine letztwillige Verfügung umgedeutet werden. Dass sie im Fall des Todes des Schenkers stets als Alternative zur unentgeltlichen Verfügung unter Lebenden erwogen werden muss, zeigt ein Reskript, dessen Teile an ganz unterschiedlichen Stellen des justi­ nianischen Codex überliefert sind: CJ 8.53.23 (27. Sept. 294 / Honoré 2378) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Olympiadi. Si ea quae donaveras posteriori placito qui acceperat donum tibi reddidit, donationis antecedens instrumentum actis sequentibus nihil obesse potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Olympias. Hat der Beschenkte den Gegenstand der Schenkung durch spätere Vereinbarung schenkungshalber zurückgewährt, kann die Urkunde über die frühere Schenkung dem späteren Geschäft keinen Abbruch tun. CJ 6.42.27 (Honoré 2377) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Olympiadi. Fideicommissum eius qui reliquerat paenitentia probata successores numquam praestare compelluntur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Olympias. Die Rechtsnachfolger sind keineswegs gezwungen, auf ein Fideikommiss zu leisten, wenn dessen Widerruf durch den Erblasser erwiesen ist.

Haben die Parteien die Zuwendung durch gegenläufige Verfügung des Beschenkten zugunsten des Schenkers ungeschehen gemacht, bietet die Urkunde über die zunächst erfolgte Schenkung keine Stütze für einen vom Beschenkten erhobenen Anspruch. Damit ist freilich noch nicht ausgemacht, ob sie nicht zum Nachweis eines Fideikommisses taugt, das der Schenker dem Beschenkten ausgesetzt hat. In dieser Hinsicht bleibt dessen Begehren der Erfolg aus einem anderen Grund versagt, nämlich weil in der Rücknahme der Schenksache durch den Schenker auch der Widerruf eines etwaigen Fideikommisses zu sehen ist. 603  Vat 266 Ulp 1 ed reb cred (= D 12.6.26.3 Ulp 26 ed, insofern gekürzt); s. u. Fn. 618. 604  So denn auch Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 397 Fn. 27, der aber vom Erfordernis einer Ersitzung ausgeht.

262

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Die Umdeutung einer Schenkung in eine letztwillige Verfügung erwägt Diokletians Kanzlei auch in dem Fall, dass eine Schenkungsabrede nicht nur an der mangelnden Rechtsfähigkeit der Beschenkten, sondern auch an einem Ausfall der von der Schenkerin gestellten Bedingung scheitert: CJ 8.54.5 (13. Dez. 294 / Honoré 2562) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Dexippo. Si quid mater filiae suae in potestate patris constitutae sub hac condicione, si fuerit intra biennium emancipata, donavit, licet hoc matris voluntate sui iuris effecta non tenuit, tamen prius marito defuncto sui iuris quocumque modo effecta ad similitudinem legati ita relicti rem donatam firmiter habere vel vindicare potest. Kaiser Diokletian und Maximian an Dexippus. Hat eine Mutter ihrer in der Gewalt des Vaters stehenden Tochter etwas unter der Bedingung geschenkt, dass sie binnen zweier Jahre aus der Gewalt entlassen wird, kann sie, auch wenn dies insofern nicht eingetreten ist, dass sie entsprechend dem Wunsch der Mutter rechtlich selbständig geworden ist, dennoch, nachdem sie durch den Tod des Ehemannes auf andere Weise rechtlich selbständig geworden ist, die geschenkte Sache nach dem Vorbild eines hinterlassenen Vermächtnisses sicher innehaben und herausverlangen.

Auch wenn die zunächst rechtsunfähige Beschenkte die ihr zugewendete Sache schon erhalten hat, kommt doch keine Heilung des Schenkungs­ vertrags in Betracht, weil sie nicht entsprechend der Bedingung innerhalb von zwei Jahren aus der Gewalt ihres Vaters entlassen worden ist. Ist dieser, der zugleich der Ehemann der Schenkerin ist, jedoch später gestorben und die Beschenkte dadurch rechtlich selbständig geworden, darf sie die ihr geschenkte Sache dennoch behalten und auch als ihr Eigentum verfolgen. Indem die mittlerweile ebenfalls verstorbene Schenkerin die Sache nicht zurückforderte, hat sie ihren Willen dokumentiert, es trotz Ausfall der Bedingung bei der unentgeltlichen Zuwendung zu belassen. Bemerkenswert ist, dass die Kanzlei sich nicht damit begnügt, die so dokumentierte Absicht der Schenkerin als Fideikommiss gelten zu lassen; um der Beschenkten das Eigentum an der Sache zuzusprechen, zieht sie einen Analogieschluss zum Legat, das im Gegensatz zum Fideikommiss auch dingliche Wirkung haben kann. Zwar sind die Voraussetzungen, denen die Errichtung eines Vindika­tionslegats unterliegt, nicht erfüllt; die Kanzlei erachtet den Vollzug der Schenkung durch Überlassung der Schenksache aber als gleichwertig, so dass die Beschenkte die Sache ‚ad similitudinem legati‘ innehaben kann.605

605  Nicht völlig auszuschließen ist natürlich auch, dass der entsprechende Passus interpoliert und der justinianischen Angleichung von Fideikommiss und Legat und der Gewährung einer actio in rem auch im Fall eines Fideikommisses geschuldet ist; vgl. CJ 6.43.1.1 (17. Sept. 529).



XI. Schenkung263

2. Gegenstände und Durchführung der Schenkung Bereitet die Feststellung einer donatio im typischen Fall, in dem sie auf die einfache Übertragung des Eigentums an einer Sache gerichtet ist, keine Schwierigkeiten, muss sich Diokletians Kanzlei vor allem mit Konstellationen auseinandersetzen, in denen die Tauglichkeit des Schenkungsgegenstands und mit ihr die Gültigkeit der Schenkung in Frage steht. Ein Fall, in dem ihre Entscheidung nachträglich umgekehrt wird, ist die Zuwendung befristeten Eigentums. In der Fassung, die das maßgebliche Reskript in Justinians Codex hat, wird die Wirksamkeit einer solchen Zuwendung schlichtweg bejaht: CJ 8.54.2 (11. März 286 / Honoré 1475) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Aurelio Zenoni. Si praediorum proprietatem dono dedisti ita, ut post mortem eius qui accepit ad te rediret, [donatio valet, cum etiam ad tempus certum vel incertum ea fieri potest, lege scilicet quae ei imposita est conservanda]. Kaiser Diokletian und Maximian an Aurelius Zeno. Hast du das Eigentum an Grundstücken mit der Maßgabe verschenkt, dass es nach dem Tod des Beschenkten an dich zurückfällt [ist die Schenkung gültig, weil eine Schenkung auch für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit erfolgen kann und die dabei gemachte Bedingung einzuhalten ist].

Die Parallelüberlieferung des Reskripts in den fragmenta Vaticana enthüllt, dass Diokletians Kanzlei in Wahrheit den entgegengesetzten Standpunkt einnimmt und eine Übertragung des Eigentums auf Lebenszeit des Beschenkten für unwirksam erklärt:606 Vat 283 Divi Diocletianus et Constantius Aurelio Carrenoni. Si praediorum  stipendiariorum proprietatem dono dedisti ita, ut post mortem eius qui accepit ad te rediret, donatio inrita est, cum ad tempus  proprietas transferri nequiverit. Si vero usum fructum in eam, contra quam supplicas, contulisti, usum fructum a proprietate alienare non potuisti.  Die göttlichen Diokletian und Constantius an Aurelius Carreno. Hast du das Eigentum an Grundstücken in einer Senatsprovinz mit der Maßgabe verschenkt, dass es nach dem Tod des Beschenkten an dich zurückfällt, ist die Schenkung ungültig, weil man Eigentum nicht auf Zeit übertragen kann. Hast du aber derjenigen, gegen die sich deine Eingabe richtet, einen Nießbrauch bestellt, konntest du den Nießbrauch nicht vom Eigentum abtrennen. 606  Rüger, Die donatio mortis causa im klassischen römischen Recht, Berlin 2011, S. 60 f. bekundet Zweifel an der Konjektur, durch die auch in der Fassung der frag­ menta Vaticana von einer Eigentumsübertragung ‚ad tempus‘ die Rede ist; er geht aber auch davon aus, dass Diokletian ursprünglich die Wirksamkeit einer befristeten (nicht dagegen einer bedingten) Übertragung von Eigentum verneint hat. – Tauben­ schlag, S. 100 Fn. 793 nimmt dagegen an, Diokletian habe die Schenkung eines im Wege von pacta bestellten Nießbrauchs nicht für wirksam gehalten.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Das Geschäft lässt sich freilich in die schenkweise Bestellung eines Nießbrauchs umdeuten, zu der es bei einem Provinzialgrundstück keiner in iure cessio bedarf, weil sie schlicht pactionibus et stipulationibus erfolgt607. Die Kanzlei sieht hierfür aber eine uns nicht mehr nachvollziehbare Schwierigkeit, weshalb sie der Zuwendung auch unter diesem Gesichtspunkt die Wirksamkeit abspricht.608 Ebenso, wie der Nießbrauch zum Gegenstand einer wirksamen Schenkung taugt, kann diese auch durch Zuwendung von Miteigentum erfolgen: CJ 8.53.12 (16. Mai 293 / Honoré 1887) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio. Portionem propriam rebus necdum divisis nemo prohibetur titulo donationis in alium transferre. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius. Niemand ist gehindert, schenkungshalber seinen Anteil an ungeteilten Sachen auf einen anderen zu übertragen.

Und auch die Gültigkeit des schenkweisen Erlasses einer Forderung stellt Diokletians Kanzlei eigens fest. Von selbst versteht sich die Wirksamkeit des Geschäfts bei einer stipulatio Aquiliana, weil der förmliche Erlass durch ac­ ceptilatio hier eigenständig und ohne Rücksicht auf den Schenkungsvertrag den Wegfall der Forderung zeitigt:609 CJ 8.43.2 (27. Dez. 293 / Honoré 2081) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Claro. Si donationis gratia novatione facta per acceptilationem praestiteris liberationem, omnis agendi via perempta est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Clarus. Hast du nach einer Novation schenkungshalber eine Befreiung durch Akzeptilation gewährt, ist jeder Klageweg ausgeschlossen.

Anders verhält es sich beim Erlass durch pactum, das nicht unabhängig von dem Zweck des Forderungsverzichts existiert. Hierum geht es in CJ 8.53.18 (28. Dez. 293 / Honoré 2105): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Audiano. Si donationis causa furti actio tibi remissa probetur, supervacuam geris sollicitudinem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Audianus. Ist erwiesen, dass dir schenkungshalber die Verpflichtung aus einer Diebstahlsklage erlassen worden ist, machst du dir unnötig Sorgen. 607  Gai

2.31. (Fn. 606), S. 61 erwägt, dass der Schenker bei der Bestellung des Nießbrauchs nicht Eigentümer der Sache war; dies kommt in der überlieferten Fassung des Reskripts jedoch nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck. 609  Der überlieferte Text ist vermutlich Teil eines Bescheids, aus dem auch CJ  3.32.18 (24. Dez. 293 / Honoré 2080) stammt; hier geht es um einen error in do­ minio, den man nur in sehr spekulativer Weise in Verbindung zur Erlassproblematik setzen kann. 608  Rüger



XI. Schenkung265

Fraglich erscheint dem Petenten die Gültigkeit des pactum hier vielleicht deshalb, weil es mit der actio furti eine reine Strafklage betrifft, mit der nicht nur ein privates, sondern, wie sich an der Zuweisung der Aktivlegitimation nach dem Interesse an der Vermeidung des Diebstahls zeigt,610 auch ein öffentliches Strafbedürfnis erfüllt wird. Dieses ändert aber nichts daran, dass der Anspruchsinhaber wirksam auf seine Forderung verzichten kann. Die Schenkung bedarf freilich stets des Bezugs auf einen konkreten Gegenstand. Nicht zulässig ist daher die pauschale Zuwendung eines Vermögensanteils. Dass die diokletianische Kanzlei sich mit dieser Frage beschäftigt, lässt die im Codex Iustinianus überlieferte Fassung des einschlägigen Reskripts nur noch ansatzweise erkennen: CJ 8.53.11pr (30. April 293 / Honoré 1858) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Septimio Sabiniano. Cum de bonis tuis partem quidem penes te retinuisse, partem vero in eum quem in potestate habes donationis titulo contulisse commemores, non est incerti iuris in eum, qui in sacris familiae tuae remanet, destinationem magis paternae voluntatis factam, quam perfectam donationem pervenisse. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Septimius Sabinianus. Da du behauptest, du hättest einen Teil deines Vermögens behalten, einen Teil schenkungshalber auf einen Gewaltunterworfenen übertragen, unterliegt es keinem rechtlichen Zweifel, dass bei demjenigen, der in deiner Familie geblieben ist, eher eine bloße Erklärung väterlichen Willens und keine vollzogene Schenkung erfolgt ist.

Ausführlicher ist die Version der Consultatio, die den Bescheid dem Co­ dex Hermogenianus und hier dem Titel über Schenkungen unter Ehegatten zuschreibt. Sie enthüllt, dass der Schenker in dem zu entscheidenden Fall nicht nur einen Gewaltabhängigen, sondern auch ein aus der Gewalt entlassenes Kind bedacht hat. In diesem zweiten Fall scheitert die Wirksamkeit der Zuwendung nicht schon an der fehlenden Rechtsfähigkeit des Beschenkten, sondern am Spezialitätsprinzip: Consult 6.10 Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Septimio Sabiniano. Cum de bonis tuis partem quidem tertiam penes te retinuisse, partem vero tertiam in eum, quem tu in potestate habebas, ac tertiam in emancipatum donationis titulo contulisse commemores, non est iuris incerti, in eum quidem, qui in sacris familiae tuae remanet, destinationem magis paternae voluntatis factam, quam perpetuam donationem pervenisse: nec in emancipatum translatam, si generaliter eidem partem tertiam bonorum donasti, quia generaliter bonorum portionem donari non posse, cum singulae res nominari debeant, quae donatione mancipatione vel in iure cessione transferuntur et reliqua.  Kaiser Diokletian und Maximian an Septimius Sabinianus. Da du behauptest, du hättest ein Drittel deines Vermögens einbehalten, ein Drittel auf einen deiner Ge610  Hierzu

Harke (Fn. 53), S. 9, 17 ff.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

walt Unterworfenen und ein Drittel schenkungshalber auf einen aus der Gewalt Entlassenen übertragen, unterliegt es keinem rechtlichen Zweifel, dass bei demjenigen, der in deiner Familie geblieben ist, eher eine bloße Erklärung väterlichen Willens und keine vollzogene Schenkung erfolgt ist; und auch auf den aus der Gewalt Entlassenen ist nichts übertragen, wenn du ihm allgemein einen dritten Teil deines Vermögens geschenkt hast; denn man kann nicht allgemein einen Vermögensanteil schenken, sondern muss die einzelnen Sachen benennen, die schenkungshalber durch Manzipation oder gerichtliche Abtretung übertragen werden …

Wiederum ist der zurückgewiesene Gedanke nicht vollkommen abwegig: Bedenkt man die funktionelle Ähnlichkeit von Schenkung und letztwilliger Verfügung, die in mehrfacher Hinsicht zu einer Angleichung von beider Regime geführt hat, liegt es durchaus nicht fern anzunehmen, man könne bei der Schenkung ebenso wie bei einer Erbeinsetzung verfahren. Übersehen wird dabei freilich, dass die donatio als bloßes Rechtsgrundgeschäft auf einen Übertragungsakt angewiesen ist, der einen konkreten Gegenstand haben muss. Auf demselben Fehlschluss beruht die Annahme, ein Beschenkter sei ebenso wie ein Erbe für Nachlassverbindlichkeiten haftbar. Ihm wehrt die Kanzlei CJ 8.53.15 (17. Nov. 293 / Honoré 2009): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Severae. Aeris alieni, quod ex hereditaria causa venit, non eius, qui donationis titulo possidet, sed totius iuris successoris onus est. (1) Si itaque nemini obligata praedia pro donatione consecuta es, supervacuam geris sollicitudinem, ne vel heredes donatricis vel eius creditores te iure possint convenire. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Severa. Eine Nachlassschuld fällt nicht demjenigen, der etwas schenkungshalber besitzt, sondern dem Gesamtrechtsnachfolger zur Last. (1) Hast du Grundstücke erhalten, die niemandem verpfändet sind, machst du dir unnötig Sorgen, dass dich entweder die Erben der Schenkerin oder deren Gläubiger belangen können.

Scheitert schon ein Kaufvertrag, wenn er auf eine res sua des Erwerbers gerichtet ist,611 muss dies erst recht für eine Schenkung gelten, die für sich genommen gar keine Verpflichtung hervorbringen kann und sich in ihrer Wirkung darin erschöpft, einen Rechtsgrund für eine Zuwendung zu schaffen. Die Schenkung einer dem Beschenkten schon gehörenden Sache ist daher ohne Weiteres unwirksam und setzt den Erwerber auch nicht den Anfechtungen aus, die ihren Grund in dem unentgeltlichen Charakter des Geschäfts haben. Mit Blick auf das Schenkungsverbot unter Ehegatten stellt die Kanzlei dies in dem folgenden Bescheid fest:

611  s. o.

S.  130 ff.



XI. Schenkung267 CJ 4.38.7 (7. März 294 / Honoré 2227) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Isioni. Si ancillam ex emptione sibi quaesitam mater tua donatione a secundo marito postea se simulavit accepisse, tituli falsi figmentum dominium ei duplicare vel auferre non potuit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Isio. Hat deine Mutter im Hinblick auf eine Sklavin, die sie durch einen Kaufvertrag erworben hatte, später vorgegeben, sie habe sie durch Schenkung ihres zweiten Ehemannes erhalten, kann die Vorspiegelung eines falschen Titels ihr Eigentum weder verdoppeln noch entziehen.

Die Berechtigung des Schenkers, die über die Gültigkeit der Zuwendung entscheidet, ist Gegenstand weiterer Bescheide. Dass die Verfügung eines Nichtberechtigten unwirksam ist und ohne Rechtsnachfolge des Berechtigten nach dem Schenker auch nicht wirksam werden kann, bemerkt die Kanzlei in den beiden folgenden Reskripten: CJ 8.53.14 (17. Sept. 293 / Honoré 1958) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Idaeae. Si filius tuus res ad te pertinentes sponsae suae te non consentiente donavit, ad eam quod non habuit transferre non potuit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Idaea. Hat dein Sohn dir gehörige Sachen seiner Verlobten ohne deine Zustimmung geschenkt, konnte er auf sie nicht übertragen, was ihm nicht zustand. CJ 8.53.24 (5. Feb. 299 / Honoré 2708) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Macario. Si patri tuo heres non extitisti, ex facta ab eo liberalitate titulo donationis non posse iura tua laedi manifestissimi iuris est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Macarius. Es ist offensichtlich Recht, dass, wenn du nicht Erbe deines Vaters geworden bist, eine von ihm freigiebig gemachte Schenkung deine Rechte nicht beeinträchtigen kann.

Ein Anwendungsfall derselben Regel ist der Fall, in dem die Bestellerin einer Mitgift über eine Dotalsache verfügt, während diese noch im Eigentum des Ehemannes steht: CJ 8.53.21 (11. März 294 / Honoré 2235) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antoniae. Constante matrimonio dotem penes maritum suum constitutam avia tua donare tibi non potuit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antonia. Eine deinem Ehemann bestellte Mitgift konnte deine Großmutter dir während der Ehe nicht schenken.

Anders als bei der gewöhnlichen Verfügung eines Nichtberechtigten ist die Frage nach der Wirksamkeit der Zuwendung hier freilich deshalb nicht völlig unberechtigt, weil der Ehemann die Dotalgegenstände nur während der Dauer der Ehe behalten darf und der Bestellerin daher gewissermaßen eine Anwartschaft an ihnen zukommt.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Ist der Schenker dagegen an der Schenksache berechtigt, bleibt die Wirksamkeit der Verfügung davon unberührt, wem die Sachen vorher gehörten: CJ 8.53.19 (17. Jan. 294 / Honoré 2140) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Alexandriae. Si avia vestra proprias res quacumque ratione factas titulo liberalitatis in eum contra quem preces funditis contulit, quominus haec rata maneant, quod ex origine patris vel avi vestri descendunt, nihil prodest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Alexandria. Hat eure Großmutter Sachen, die sie aus irgendeinem Grund zu eigen erworben hat, freigiebig demjenigen überlassen, gegen den sich eure Eingabe richtet, nützt euch der Umstand, dass sie aus dem Vermögen eures Vaters oder Großvaters stammen, nicht, um die Unwirksamkeit des Geschäfts darzutun.

In einer weiteren Gruppe von Entscheidungen geht es um die Frage, ob die unentgeltliche Verfügung zum Abschluss gekommen oder die Schenksache noch im Eigentum des Schenkers verblieben ist. Dass diese Frage zum Gegenstand kaiserlicher Rechtsprechung wird, ist keineswegs verwunderlich. Denn wegen ihrer fehlenden Verpflichtungswirkung kann die donatio nur über eine wirksame Zuwendung Wirkung entfalten; und dies ist gerade vor dem Hintergrund schwer einzusehen, dass es mit einer schenkungshalber abgegebenen Stipulation ja einen unentgeltlichen Vertrag gibt, der schon kraft der Parteivereinbarung wirkt. Den hierdurch provozierten Rechtsirrtum muss die Kanzlei in einigen Bescheiden korrigieren. So stellt sie in einem fragmentarisch erhaltenen Reskript, das die fragmenta Vaticana im Abschnitt zur Schenkung aufführen und das aus dem 13. Buch des Codex Gregorianus stammen soll, fest, dass es zur Übereignung eines Grundstücks der mancipa­ tio und, wenn es sich wie im zu entscheidenden Fall um Provinzbesitz handelt, der traditio bedarf: Vat 285 (286 / Honoré 1519) Divi Diocletianus et Constantius Aurelio Abanti. Si filiae tuae possessiones, de quibus agitur, neque mancipasti neque tradidisti, frustra vereris, ne ex una professione vel ut suas eas vindicet … praesertim cum fundos tributarios esse dicas … etiam ab iniuria tempera … Die göttlichen Diokletian und Constantius an Aurelius Abas. Hast du deiner Tochter die umstrittenen Besitzungen weder durch Manzipation übereignet noch übergeben, fürchtest du unnötig, dass sie sie aufgrund einer Steuererklärung oder als eigene herausverlangt … zumal du angibst, es seien Grundstücke in einer kaiser­ lichen Provinz …

Der unklare Hinweis auf eine professio lässt vermuten, dass die Erklärung der Schenkungsabsicht einer Äußerung im Rahmen des Steuerverfahrens entnommen wird. Dass sie ohne mancipatio oder traditio noch keinen Eigentumserwerb des Beschenkten zeitigen kann, hat die Kanzlei schon unter Alexander Severus in einem Reskript befunden, das in demselben Titel des Codex Gregorianus überliefert sein soll:



XI. Schenkung269 Vat 266a (30. Dez. 229 / Honoré 833) Imp. Alexander Flavio Menandro. Professio donationis apud acta facta, cum neque mancipationem neque traditionem subsecutam esse dicas, destinationem potius liberalitatis quam effectum rei actae continet. eapropter quod non habuit filius tuus dominium, si quae adfirmas vera sunt, obligare pacto suo creditori non potuit, nec quod sine effectu gestum est vindicationem tui iuris impedit. Kaiser Alexander an Flavius Menander. Die zu den Akten gegebene Erklärung einer Schenkung bedeutet, wenn ihr weder eine Manzipation noch eine Übergabe gefolgt ist, eher eine Absichtserklärung zur Schenkung, als dass sie Wirkung zeitigt. Entspricht deine Behauptung der Wahrheit, konnte dein Sohn, weil er nicht über das Eigentum verfügte, die Sache auch nicht durch Pakt seinem Gläubiger verpfänden, und was ohne Wirkung geschehen ist, kann auch deine Herausgabeklage nicht behindern.

Ebenso befindet sie in einem Reskript, mit dem der überlieferte Teil des Abschnitts zu den Schenkungen in den fragmenta Vaticana schließt: Vat 316 (Honoré 2741) Divi Diocletianus et Constantius Aureliae Homonoeae. Si non est in vacuam possessionem ex causa donationis inductus is contra quem supplicas, nulla ratione tributarii praedii dominus constitutus extraneus vindicationem habere potest. Die göttlichen Diokletian und Constantius an Aurelia Homonoea. Ist derjenige, gegen den sich deine Eingabe richtet, noch nicht aufgrund der Schenkung in den Besitz eingewiesen worden, kann ihm keinesfalls als auswärtigem Eigentümer des in einer kaiserlichen Provinz belegenen Grundstücks die Vindikation zustehen.

Ein anderer Bescheid scheint dagegen auf den ersten Blick zu ergeben, dass die Kanzlei anstelle der Besitzübertragung auch die Übergabe einer Urkunde genügen lässt:612 Vat 297 (2. Nov. 285 / Honoré 1445) Divi Diocletianus et Constantius Clodiae Iuliae Ptolemaidi. Cum matrem tuam donationis instrumenta in neptem suam fecisse nec ea tradidisse dicas, in dubium non venit liberalitatem, quae non adsignatis instrumentis minime coepta est, invalidam esse. igitur ut quaestio, quae inter uos orta est, cognita causa comprimatur, a viva matre tua neque instrumenta neque possessionem traditam esse ostende. Die göttlichen Diokletian und Constantius an Clodia Julia Ptolemais. Da du angibst, deine Mutter habe eine Schenkungsurkunde zugunsten ihrer Enkelin errichtet, aber ihr nicht übergeben, kann kein Zweifel bestehen, dass die freigiebige Handlung, die ohne Unterzeichnung der Urkunde noch nicht einmal begonnen ist, unwirksam ist. Damit der zwischen euch entstandene Streit durch eine Untersuchung erledigt wird, musst du also dartun, dass von deiner Mutter zu ihren Lebzeiten weder die Urkunde noch der Besitz übertragen worden ist.

612  Zur Entwicklung in nachklassischer Zeit Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 277.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Die Aufforderung an die Fragestellerin, sowohl den mangelnden Besitzwechsel als auch die fehlende Urkundenübergabe darzutun, muss man freilich nicht in dem Sinne verstehen, dass hier zwei alternative Modi des Eigentumserwerbs gemeint sind. Da die Kanzlei die Abfassung der Urkunde zuvor als Beginn der liberalitas bezeichnet hat, liegt näher, dass es ihr bei der Übergabe des Schriftstücks um die Erklärung der Schenkungsabsicht geht, ohne die ein Schenkungsvertrag überhaupt nicht in Betracht kommt. Kann die Adressatin des Reskripts dartun, dass es nicht zu einer Schenkungsvereinbarung gekommen ist, liegt hierin neben der mangelnden Besitzübertragung ein weiterer Angriffspunkt, dessen sie sich bedienen kann, um die wirksame Übertragung des Grundstückseigentums in Abrede zu stellen. Allein auf die Übergabe des Grundstücks stellt die Kanzlei wieder ab, wenn es um den Vorrang zwischen zwei Prätendenten geht, die beide dasselbe Provinzialgrundstück als geschenkt beanspruchen:613 Vat 315 (18. Feb. 291 / Honoré 1957) Divi Diocletianus et Constantius Ulpiae Rufinae. Cum ex causa donationis uterque dominium rei tributariae vindicetis, eum, cui priori possessio [vel] soli tradita est, haberi potiorem convenit. Die göttlichen Diokletian und Constantius an Ulpia Rufina. Da ihr beide das Eigentum an der in einer kaiserlichen Provinz belegenen Sache aufgrund einer Schenkung geltend macht, ist anerkanntermaßen derjenige in der stärkeren Position, dem zuerst der Besitz des Grundstücks übergeben worden ist.

Eine gewisse Lockerung erfährt das Übergabeerfordernis bei einer Schenkung zwischen Eltern und Kindern, die in einer häuslichen Gemeinschaft leben. Hier lassen Diokletians Juristen den Nachweis einer Besitzübertragung durch Urkunde genügen. Dass sie nicht hinterfragt werden darf, folgt für sie aus einer Entscheidung von Antoninus Pius, der eine peinliche Untersuchung der Besitzverhältnisse für ungebührlich erklärt hat: Vat 314 (9. März 294 / Honoré 2454) Divi Diocletianus et Constantius Aurelio Apollonidae. In filium a patre donationum conscriptis instrumentis eum in vacuam inductum possessionem horum lectio manifestat. Ceterum sine dubia facti quaestione divus Titus Antoninus parens noster nec necessarias angustias, ratione eius consortii quod nascendi tempore liberis et parentibus datur, cogitans, non admitti scrupulosam inquisitionem statuit; nec idcirco patris indignatione posse donationem iustam umquam rescindi summa cum ratione placuit. Die göttlichen Diokletian und Constantius an Aurelius Apollonidas. Die Lektüre der Urkunde über eine Schenkung des Vaters an den Sohn ergibt, dass er in den Besitz eingewiesen worden ist. Im Übrigen hat unser göttlicher Vorfahr Titus An613  Der Tenor dieser Entscheidung erscheint später nahezu wortgleich in CJ 3.32.15.2 (17. Sept. 293). Abstrakter formuliert, aber inhaltlich identisch ist PS 5.11.4.



XI. Schenkung271 toninus zur Vermeidung der ungewissen Frage nach der Sachlage mit Rücksicht auf die enge Gemeinschaft, die zwischen Kindern und Eltern zur Zeit der Geburt besteht, verordnet, dass keine strenge Untersuchung zugelassen werden soll; und deshalb soll anerkanntermaßen keine gerechte Schenkung gegen den Willen des Vaters mit Erfolg angefochten werden.

Eine besondere Bedeutung kommt der Erwähnung des Übergabeerfordernisses in einer Entscheidung zu, die im justinianischen Codex nur mit ihrem scheinbar allgemeingültigen Tenor überliefert ist: CJ 8.53.6 (10. Feb. 286 / Honoré 1466) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Calpurniae Aristaenetae. Nec ambigi oportet donationes etiam inter absentes, maxime si ex voluntate donantium possessionem ii quibus donatum est nanciscantur, validas esse. Kaiser Diokletian und Maximian an Calpurnia Aristaeneta. Es kann nicht bestritten werden, dass Schenkungen auch dann, wenn sie unter Abwesenden vorgenommen werden, gültig sind, insbesondere wenn die Beschenkten aufgrund des Willens des Schenkers den Besitzer erlangen.

Den Kontext der Aussage erhellt die parallele Überlieferung in den frag­ menta Vaticana:614 Vat 282 Divi Diocletianus et Constantius Calpurniae Aristaenetae. Quoniam non contenta rescripto, quod ad primas preces acceperas, iterato supplicare voluisti, ex iure rescriptum reportabis. communes res in solidum donari nequeunt, sed portiones eorum qui donant ad eos qui dono accipiunt transitum faciunt. nec ambigi oportet donationes etiam inter absentes, si ex uoluntate donantium possessionem ii quibus donatum est nanciscantur, ualidas esse … Die göttlichen Diokletian und Constantius an Calpurnia Aristaeneta. Da du mit dem Bescheid, den du auf deine erste Eingabe erhalten hast, nicht zufrieden bist und erneut eine Eingabe gemacht hast, sollst du rechtmäßig beschieden werden. Gemeinschaftliche Sachen können nicht in Gänze geschenkt werden, aber die Anteile der Schenker werden auf die Beschenkten übertragen. Es kann nicht bestritten werden, dass Schenkungen auch dann, wenn sie unter Abwesenden vorgenommen werden, gültig sind, insbesondere wenn die Beschenkten aufgrund des Willens des Schenkers den Besitzer erlangen …

Gegenstand der Schenkung ist eine Sache, die dem Schenker nicht allein gehört, sondern im Miteigentum eines anderen steht. Gleichwohl erfolgt die Übertragung, die sich nur auf den Anteil beziehen kann, ebenso wie die Übereignung einer im Alleineigentum stehenden Sache durch Übergabe.

614  Sie geben auch den zweiten Teil des Reskripts wieder, in der es um eine Anfechtung der Schenkung nach dem Vorbild der querella inofficiosi testamenti geht und die in der byzantinischen Kodifikation separat überliefert ist; vgl. CJ 3.29.4 (Honoré 1467).

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

3. Perfektion und Widerruf der Schenkung Die Zuwendung der Schenksache, ohne die der Schenkungsvertrag keine Wirkung entfalten kann, ist von der Perfektion der Schenkung zu unterscheiden. Selbst wenn der Beschenkte Eigentümer der Schenksache wird und diese von Dritten herausverlangen könnte, bedeutet dies noch nicht, dass er sich auch stets gegenüber dem Schenker durchsetzt. Hier gebührt ihm, sofern das Schenkungsverbot der lex Cincia eingreift, nur dann der Vorrang, wenn die Schenkung vollständig vollzogen ist. Während Eigentumserwerb und Schenkungsvollzug bei Provinzialgrundstücken zusammenfallen und mit der Übergabe eintreten, kann es bei italischen Grundstücken, die durch mancipa­ tio übertragen werden, und bei beweglichen Sachen zu einem Übergang des Eigentums kommen, ohne dass die Schenkung schon perfekt ist: Zwar wird der Beschenkte im Fall einer res mancipi mit der mancipatio, ansonsten mit der traditio schon Eigentümer der Sache; die Schenkung ist jedoch erst dann perfekt, wenn er dem Schenker auch besitzrechtlich überlegen ist. Muss er sich ihm im Interdiktenverfahren geschlagen geben, hat der Schenker die Sache noch nicht endgültig aufgegeben und kann dem Eigentumsherausgabeanspruch des Beschenkten die exceptio legis Cinciae entgegensetzen. Da beim Streit um bewegliche Sachen nach dem einschlägigen interdictum ­UTRUBI den Ausschlag gibt, wer im vergangenen Jahr die Sache für längere Zeit innehatte, bedarf es hier zur Perfektion der Schenkung also eines Besitzes des Beschenkten, der den überwiegenden Teil eines Jahres gedauert hat.615 Diokletians Kanzlei stellt dies ausführlich in einem Reskript dar, das insoweit nur in den fragmenta Vaticana überliefert ist, während sich die justinianische Überlieferung, auf die Tilgung der mancipatio bedacht, mit den anschließenden Aussagen zur emptio rei suae und der Anfechtung einer pflichtwidrigen Schenkung begnügt616: Vat 293 (29. Mai 293 / Honoré 1899) Divi Diocletianus et Constantius Aurelio Luciano. In donatione rei tributariae circa exceptam et non exceptam personam legis Cinciae nulla differentia est, cum et vacuae possessionis inductione celebrata in utriusque persona perficiatur et, si hanc secutam post huiusmodi placitum non constet, manifeste nec coepta videatur. quapropter in his quidem, quae solo tributario consistunt, a maiore V et XX annis in vacuam inductos vos  possessionem ostendi convenit. rerum autem mobilium siue moventium, si excepti non fuistis, quae mancipi sunt usu capta vel mancipata, post vel antea maiore tempore a vobis anni possessa, avocari non possunt; nec mancipi vero traditione facta propter eiusdem interdicti potestatem similis possessionis 615  Vgl. Vat 311 Paul. – Casavola, Lex Cincia, Neapel 1960, S. 135 ff. entwickelt aus diesem Vorbehalt seine Theorie vom ursprünglichen besitzrechtlichen Charakter der donatio. 616  CJ 4.38.4 (29. Mai 293 / Honoré 1899); s. o. S. 130.



XI. Schenkung273 probatio necessaria est. nam si exceptus fuisti privignus tum constitutus, sola traditio sufficit. … Die göttlichen Diokletian und Constantius an Aurelius Lucianus. Bei der Schenkung der in einer kaiserlichen Provinz belegenen Sache besteht kein Unterschied zwischen den nach dem cincischen Gesetz ausgenommenen und den nicht ausgenommenen Personen, weil die Schenkung bei beiden Arten von Personen durch die erfolgte Einweisung in den Besitz vollzogen wird, und, wenn nicht feststeht, dass diese auf eine solche Vereinbarung gefolgt ist, offensichtlich nicht einmal begonnen ist. Daher ist bei Schenkungen, die nur aus Sachen bestehen, die in tributarischen Provinzen belegen sind, anerkanntermaßen darzutun, dass ihr von einer Person, die älter als 25 Jahre war, in den Besitz eingewiesen worden seid. Die Schenkung von beweglichen und lebendigen Sachen dagegen kann euch, wenn ihr nicht ausgenommen seid, dann, wenn sie Manzipiumsachen sind und ersessen oder durch Manzipation übertragen worden sind, später oder auch schon vorher, wenn ihr sie die überwiegende Zeit innerhalb eines Jahres besessen habt, nicht streitig gemacht worden; bei Sachen, die nicht zu den Manzipiumsachen gehören, ist dagegen der Beweis eines ähnlichen Besitzes erforderlich, der infolge einer Übergabe und wegen der Befugnis zur Erwirkung eines Interdikts besteht; gehörst du dagegen als Stiefsohn zu den ausgenommenen Personen, genügt die bloße Übergabe …

Weniger ausführlich findet sich der Mechanismus der Perfektion in dem folgenden Bescheid dargestellt, der aus der Zeit nach dem Codex Hermoge­ nianus stammen soll und wiederum nur in den fragmenta Vaticana überliefert ist: Vat 313 (31. März 296 / Honoré 2659) Divi Diocletianus et Constantius Laelio Sempronio Laeporio. Donatio praedii quod mancipi est inter non exceptas personas traditione atque mancipatione perficitur, eius vero quod nec mancipi est traditione sola. Si igitur patrona tua in rebus humanis agens supra dicto iure ex causa donationis, retento sibi usu fructu, ad te eundem fundum transtulit, intellegis ius tuum satis esse munitum, si tamen cum moreretur patrona, quam praedium donasse commemoras, possessionem rei donatae non revocavit. Iuxta quae aditus is cuius de ea re notio est auctoritatem suam interponet. Die göttlichen Diokletian und Constantius an Laelius Sempronius Laeporius. Die Schenkung eines Grundstücks, das zu den Manzipiumsachen gehört, wird unter nicht ausgenommenen Personen durch Übergabe und Manzipation vollzogen, die eines Grundstücks, das keine Manzipiumsache ist, nur durch Übergabe. Hat deine Patronin dir das betroffene Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs zu Lebzeiten nach diesen Regeln übertragen, siehst du daher ein, dass dein Recht hinreichend gesichert ist, falls die Patronin, von der du behauptest, sie habe das Grundstück geschenkt, den Besitz der geschenkten Sache nicht wieder entzogen hat. Nach diesen Vorgaben wird derjenige, der angerufen wird und in dieser Sache zu erkennen hat, von seinem Ansehen Gebrauch machen.

Eigentlich ist die Schenkung des Grundstücks, wenn es ein italisches Grundstück ist, durch mancipatio und Übergabe, ansonsten durch bloße Übergabe vollzogen. Wegen des Vorbehalts des Nießbrauchs durch die Schenkerin ist der Beschenkte ihr jedoch zu ihren Lebzeiten im Interdikten-

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

verfahren unterlegen. Mangels vollständigen Vollzugs der Schenkung hätte die Schenkerin sie noch verhindern können, indem sie sich zu Lebzeiten zur Eigenbesitzerin aufgeschwungen und so die Durchsetzung des Eigentums des Beschenkten vereitelt hätte.617 Mit dem Tod der Schenkerin ist die Schenkung zwar immer noch nicht vollzogen; der exceptio legis Cinciae steht jedoch nun eine replicatio doli entgegen. Denn der Bestand einer zu Lebzeiten nicht widerrufenen Schenkung entspricht erkennbar dem Willen der Schenkerin. Ihr Erbe kann sich nun nicht darüber hinwegsetzen, ohne sich den Vorwurf der Arglist einzuhandeln. Dies hat die Kanzlei erstmals in der Regierungszeit von Caracalla entschieden618 und wird von ihr unter Diokletian bestätigt: Vat 312 (21. Feb. 293 / Honoré 1749) Divi Diocletianus et Constantius Aurelio Onesimo. Successoribus donatoris perfectam donationem revocare non permittitur, cum inperfectam perseverans voluntas per doli mali replicationem confirmet. unde aditus praeses prouinciae, si de possessione te pulsum animaduertit nec annus excessit, ex interdicto ‚unde vi‘ restitui te cum sua causa providebit, vel si hoc tempus finitum est, ad formulam promissam, quasi nullas vires donationem habuisse dicatur, quaestione facti examinata, iudicem praeses provinciae sententiam ferre curabit. Die göttlichen Diokletian und Constantius an Aurelius Onesimus. Den Erben eines Schenkers ist es nicht gestattet, eine vollzogene Schenkung zu widerrufen, da die fortbestehende Absicht eine nicht vollzogene Schenkung durch die Replik der Arglist heilt. Daher soll der angerufene Provinzstatthalter, wenn er feststellt, dass du aus dem Besitz vertrieben worden bist und noch nicht die Jahresfrist abgelaufen ist, dafür sorgen, dass du mit deiner Sache durch das Interdikt ‚von wo mit Gewalt‘ wiedereingesetzt wirst oder, wenn diese Frist abgelaufen ist, weil behauptet wird, die Schenkung sei nicht gültig, der Richter zu der erteilten Formel nach Untersuchung der Sachlage sein Urteil fällt.

Welche Anforderungen die Kanzlei an die Perfektion einer Forderungsschenkung stellt, erhellt der Fortgang eines Bescheids, in dem es zunächst um die Zuwendung eines Vermögensanteils geht.619 Bezogen auf einzelne Forderungen, hält sie die Schenkung schon mit einer delegatio für vollzogen: CJ 8.53.11.1 (30. April 293 / Honoré 1858) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Septimio Sabiniano. … Delegationes autem nominum in emancipatum collatae perfectam donationem efficiunt. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Septimius Sabinianus. … Die Überweisung von Forderungen an einen aus der Gewalt Entlassenen bedeutet dagegen eine vollzogene Schenkung. 617  Anders Schnebelt, S. 115 f., der die Befugnis zum Widerruf der Schenkung auf das Patronatsverhältnis zurückführen will. 618  Vat 266 Ulp 1 ed reb cred (= D 12.6.26.3 Ulp 26 ed, insofern gekürzt). 619  s. o. S.  265 f.



XI. Schenkung275

Versteht man unter delegatio die anweisungsgemäße Verpflichtung des Schuldners gegenüber dem Beschenkten, steht diese Entscheidung scheinbar in Widerspruch zu einer Konstitution von Gordian, wonach die Bestellung des Beschenkten zum procurator in rem suam genügen soll: CJ 8.53.2 (14. März 241 / Honoré 1111) Imp. Gordianus A. Leonidi. Si nominis persecutionem in te emancipatam pater tuus titulo donationis transtulit, frustra praetendit, qui debitori tuo heres extitit, consensum fuisse debitoris necessarium, cum satis fuerit actiones eo nomine tibi mandatas fuisse. Kaiser Gordian an Leonides. Hat dein Vater dir als seiner aus der Gewalt entlassenen Tochter schenkungshalber den Einzug einer Forderung überlassen, bringt der Erbe deines Schuldners vergeblich vor, es sei die Zustimmung des Schuldners erforderlich gewesen, weil es genügte, dass dir deshalb Klageauftrag erteilt wurde.

Die Diskrepanz schwindet, wenn man ebenso wie bei der Sachübereignung streng zwischen der Beziehung zum Schenker und dem Verhältnis zu Dritten unterscheidet: Während sich der Schuldner der geschenkten Forderung nicht auf seine mangelnde Mitwirkung berufen kann, weil für die Abtretung des Anspruchs der Klageauftrag genügt, kann sich der Beschenkte gegenüber dem Schenker nur dann auf die Perfektion der Schenkung berufen, wenn die Abtretung schon Drittwirkung im Verhältnis zum Schuldner entfaltet hat. Hierfür genügt der bloße Klageauftrag noch nicht, weil er die Geltendmachung des Anspruchs durch den Abtretenden nicht ausschließt. Seine Klagebefugnis endet erst dann, wenn es zu einem Kontakt zwischen dem Zessionar und dem Schuldner gekommen ist.620 Dies ist nicht nur, aber typischerweise der Fall, wenn der Schuldner sich gegenüber dem Zessionar verbindlich gemacht hat. Es gibt weitere Entscheidungen zur Perfektion einer Schenkung, deren konkreter Bezug sich nicht mehr ermitteln lässt, weil sich ihre Überlieferung auf die Feststellung beschränkt, dass eine endgültig vollzogene Schenkung nicht mehr widerrufen werden kann.621 Ein Beispiel ist Vat 279 (28. Nov. 286 / Honoré 1513): Divi Diocletianus et Constantius Benignae Superlatae. In filiam post emancipationem donationem a patre conlatam postea auferri ab ea non potuisse dubitari non oportet. si igitur nihil aliud tibi de iure adversatur, praeses provinciae, ne qua tibi legitime possidenti fiat iniuria, intercessu auctoritatis suae providebit. Die göttlichen Diokletian und Constantius an Benigna Superlata. Es ist nicht zu bezweifeln, dass eine Schenkung, die von einem Vater seiner Tochter nach ihrer Entlassung aus der Gewalt gemacht worden ist, ihr später nicht entzogen werden 620  s. u.

S.  272 ff. Regel findet sich auch in CJ 5.3.9 (25. Dez. 293 / Honoré 2087), CJ 5.3.12 (8. Feb. 294 / Honoré 2167), CJ 5.16.23 (1. Nov. 294 / Honoré 2442). 621  Diese

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

kann. Wird dir kein anderer rechtlicher Einwand entgegengesetzt, soll der Provinzstatthalter daher unter Einsatz seines Ansehens dafür sorgen, dass dir als rechtmäßiger Besitzerin kein Unrecht geschieht.

Schon unter Diokletians unmittelbaren Vorgängern hat sie sich in vergleichbarer Weise gegen einen Schenkungswiderruf aus bloßer Reue (paeni­ tentia) gewandt:622 CJ 8.55.2 (5. Mai 277 / Honoré 1408) Impp. Probus A. Felici. Si apud provinciae praesidem aviam filiae tuae quasi paenitentia ductam subtracta instrumenta donationum igni exussisse constiterit, vereri te non oportet, ne id, quod iure vires acceperat, ex post facto possit in dubium revocari. Kaiser Probus an Felix. Hat sich vor dem Provinzstatthalter herausgestellt, dass die Großmutter deiner Tochter aus Reue eine Schenkungsurkunde entwendet und verbrannt hat, brauchst du nicht zu fürchten, dass das, was zu Recht wirksam geworden ist, im Nachhinein unbeständig gemacht werden kann. CJ 8.55.3 (12. Jan. 284 / Honoré 1433) Impp. Carus, Carinus et Numerius AAA. Ianuario et Felici. Possessionem, quam in vos emancipatos per donationem mater contulit, ex paenitentia sola alienare non potuit. Kaiser Carus, Carinus und Numerius an Ianuarius und Felix. Einen Besitz, den eure Mutter nach eurer Entlassung aus der Gewalt auf euch übertragen hat, kann sie infolge bloßer Reue nicht veräußern.

In einem Fall verknüpft Diokletians Kanzlei die Absage an den Schenkungswiderruf mit einem bemerkenswerten Hinweis auf ihre Rolle im Rechtssystem: Da der Kaiser das Recht nicht beugen kann, ist ihm auch verwehrt, seine Autorität dazu einzusetzen, dem Fragesteller ausnahmsweise die Rückabwicklung einer Schenkung zu gestatten: CJ 8.55.5 (27. April 293 / Honoré 1838) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Epagatho. Si donationem rite fecisti, hanc auctoritate rescripti nostri rescindi non oportet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Epagathos. Hast du eine Schenkung wirksam vorgenommen, kann sie nicht kraft unseres Bescheids widerrufen werden.

Dass eine solche Rückabwicklung generell und auch im Fall undankbaren Verhaltens des Beschenkten nicht in Betracht kommt, hat Diokletians Kanzlei schon zu Anfang seiner Regierungszeit festgestellt: Vat 275 (3. März 286 / Honoré 1472) Divi Diocletianus et Constantius … Perfectam donationem mutata voluntate donatoris, etsi parum gratus existet, cui dono res data est, minime rescindi posse saepe rescriptum est. 622  Hierzu

Schnebelt, S.  125 f.



XI. Schenkung277 Die göttlichen Diokletian und Constantius … Es ist hinlänglich beschieden worden, dass eine vollzogene Schenkung keineswegs aufgrund einer geänderten Absicht des Schenkers widerrufen werden kann, und zwar auch dann, wenn sich der Beschenkte als wenig dankbar erwiesen hat.

Den Hintergrund dieser Aussagen bildet wohl eine Entscheidung von Philippus Arabs, der einen Widerruf aus Undankbarkeit bei einer Schenkung gestattet, die ein Patron seinem Freigelassenen gemacht hat: CJ 8.55.1 (17. Juni 249 / Honoré 1289) Imp. Philippous A. Agilio Cosmiano. Etsi perfectis donationibus in possessionem inductus libertus quantolibet tempore ea quae sibi donata sunt pleno iure ut dominus possederit, tamen, si ingratus sit, omnis donatio mutata patronorum voluntate revocanda sit. (1) Quod observabitur et circa ea, quae libertorum nomine, pecunia tamen patronorum et beneficio comparata sunt. (2) Nam qui obsequiis suis liberalitatem patronorum provocaverunt, non sunt digni, qui eam retineant, cum coeperint obsequia neglegere, cum magis in eos collata liberalitas ad obsequium inclinare debet quam ad insolentiam erigere. (3) Hoc tamen ius stabit intra ipsos tantum, qui liberalitatem dederunt. ceterum neque filii eorum neque successores ad hoc beneficium pertinebunt: neque enim fas est ullo modo inquietari donationes, quas is qui donaverat in diem vitae suae non retractavit. Kaiser Philipp an Agilius Cosmianus. Hat ein Freigelassener auch nach Vollzug einer Schenkung und Übertragung des Besitzes die geschenkten Sachen in jedem Zeitpunkt zu vollem Recht als Eigentümer besessen, kann die gesamte Schenkung doch, wenn er undankbar ist, durch Entscheidung des Patrons widerrufen werden. (1) Dies gilt auch für Sachen, die im Namen von Freigelassenen mit dem Geld der Patrone und aufgrund ihrer Freigiebigkeit angeschafft worden sind. (2) Denn wer mit seiner Ehrbezeugung freigiebige Zuwendungen eines Patrons provoziert hat, ist nicht würdig, ihrer weiterhin teilhaftig zu werden, wenn er die Pflicht zur Ehrbezeugung vernachlässigt, zumal die Freigiebigkeit eher die Ehrbezeugung fördern als Übermut erregen soll. (3) Dieses Recht besteht freilich nur zwischen denjenigen, zwischen denen die freigiebige Zuwendung erfolgt ist. Ansonsten erstreckt sich dieses Privileg nicht auf ihre Söhne und Rechtsnachfolger; denn es ist Unrecht, Schenkungen aufzuheben, die der Schenker zu Lebzeiten nicht widerrufen hat.

Die Parallelüberlieferung in den fragmenta Vaticana623 lässt die ursprüngliche Briefform erkennen; und sie unterscheidet sich von der Codexversion noch dadurch, dass sie im prinicipium keine ausdrückliche Einschränkung des Widerrufs auf den Fall undankbaren Verhaltens des Freigelassenen vorsieht. Selbst wenn der entsprechende Bedingungssatz (‚si ingratus sit‘) ein späterer Zusatz sein sollte, verfälscht er doch kaum den Gehalt der Entscheidung. Ausweislich von § 2 erscheint der Kanzlei ein Widerruf nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn der Freigelassene nach der Zuwendung das obse­ quium vernachlässigt.624 Außerdem muss der Patron hieraus noch zu eigenen 623  Vat

272. Schnebelt, S. 114 ff., der hier nur das Motiv für einen Widerruf, nicht seine tatbestandliche Voraussetzung angegeben sieht. 624  Anders

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

und den Lebzeiten des Freigelassenen die Konsequenz ziehen. Hat er sie bis zu seinem Tod nicht widerrufen, wäre eine Rückforderung durch seinen Erben nefas, gleichsam Bruch eines heiligen Bandes.625 Ist der Freigelassene vorher gestorben, kann sein Fehlverhalten ebenfalls nicht mehr sanktioniert werden. Der Widerruf ist also an den besonderen Frevel geknüpft, den ein undankbares Verhalten gegenüber dem Patron bedeutet. Er lässt sich nicht auf andere Fälle einer Undankbarkeit des Schenkers gegenüber dem Schenker übertragen. Entspringt der Wunsch nach Rückabwicklung einer Schenkung der Enttäuschung einer konkreten Erwartung an den Beschenkten oder eine ihm nahestehende Person, kann die Kanzlei das Begehren mit der Erwägung zurückweisen, der Schenker hätte die Zuwendung ja mit einer Auflage verbinden können. Hat er dies nicht getan, muss er seine Enttäuschung dem eigenen Leichtsinn zuschreiben: CJ 4.6.7 (26. Aug. 293 / Honoré 1941) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Gerontio. Si repetendi, quod donabas uxori eius, quem ad proficiscendum tecum huiusmodi liberalitate provocare proposueras, nullam addidisti condicionem, remanet integra donatio, cum levitati perfectam donationem revocare cupientium iure occurratur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Gerontius. Hast du zur Rückforderung dessen, was du der Ehefrau desjenigen geschenkt hast, den du, wie du vorträgst, mit deiner Freigiebigkeit zu einer Reise bewegen wolltest, keine Bedingung hinzugefügt, bleibt die Schenkung gültig, da das Recht dem Wunsch desjenigen wehrt, der eine aus Leichtsinn vollzogene Schenkung widerrufen will.

Könnte er die Schenkung zurückfordern, käme dies der nachträglichen Einfügung einer Auflage gleich, die nicht ohne das Einverständnis des Beschenkten möglich ist: CJ 8.54.4 (1. Okt. 291 / Honoré 1710) Impp. Diocletianus et Maximianus. Perfecta donatio condiciones postea non capit. quare si pater tuus donatione facta quasdam post aliquantum temporis fecisse condiciones videtur, officere hoc nepotibus eius fratris tui filiis minime posse non dubium est. Kaiser Diokletian und Maximian. Eine vollzogene Schenkung kann nicht nachträglich mit Bedingungen versehen werden. Daher kann, wenn dein Vater anscheinend eine gemachte Schenkung nach einiger Zeit unter Bedingungen gestellt hat, dies seinen Enkeln, den Kindern deines Bruders, nicht zum Schaden gereichen.

Der Schenker kann folglich seine Zuwendung auch dann nicht zurückverlangen, wenn der Beschenkte ihm nachträglich eine Gegenschenkung in Aussicht gestellt, aber dann nicht vollzogen hat: 625  Schnebelt, S. 123 f. führt diese außergewöhnliche Begründung darauf zurück, dass hier juristisches Neuland betreten wird.



XI. Schenkung279 CJ 4.10.8 (20. Jan. 294 / Honoré 2142) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Crescentioni. Si quidem donationis causa ei, quem adfectione patris te dilexisse proponis, tuam accipere pecuniam permisisti, et hanc tuam liberalitatem remunerans te a procuratore suo aliam pecuniam sumere praecepit, rebusque humanis ante perceptionem fuit exemptus, nec quod dederas recuperare, cum perfectam habuit donationem, nec quod tibi dari mandaverat, necdum tibi traditum petere potes a procuratore. quod si mutuo dedisti nec a delegato dari novandi causa stipulatus es, successores eius solutioni parere compellentur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Crescentio. Hast du schenkungshalber demjenigen, den du nach deinem Vortrag wie einen Vater geachtet hast, gestattet, einen dir geschuldeten Geldbetrag anzunehmen, und hat er zur Belohnung dieser Großzügigkeit gestattet, dass du von seinem Vertreter einen anderen Geldbetrag empfängst, und ist er vor der Auszahlung gestorben, kannst du weder das von dir Geleistete zurückerlangen, da die Schenkung vollzogen ist, noch von dem Vertreter fordern, was dir zu leisten befohlen worden ist, aber noch nicht übergeben worden ist. Hast du aber ein Darlehen gewährt und dir von dem Angewiesenen nicht zum Zwecke der Novation die Leistung versprechen lassen, werden seine Erben zur Erfüllung gezwungen.

Während die Zusage der Gegenschenkung mangels Vollzug wirkungslos bleibt, ist die ursprüngliche Schenkung perfekt und nicht mehr rückgängig zu machen. Ließe man die Ankündigung der Gegenschenkung als Änderung der früheren Schenkungsvereinbarung gelten, liefe dies auf die Anerkennung der verpflichtenden Wirkung eines bloßen Schenkungsvertrags hinaus, was ebenfalls nicht in Betracht kommt. Der Schenkung unter Auflage, die in diesen Entscheidungen als Negativ erscheint, hat sich die kaiserliche Kanzlei schon vor Diokletian gewidmet. So befasst sie sich unter Severus Alexander mit der Zuwendung mehrerer Gegenstände unter der Bedingung, dass die Beschenkte die Gläubiger des Schenkers abfindet: CJ 4.6.2 (18. Nov. 227 / Honoré 785) Imp. Alexander A. Asclepiadi. Si, ut proponis, pater tuus ea lege sorori tuae praedia ceterque quorum meministi donavit, ut creditoribus ipsa satisfaceret ac, si placita observata non essent, donatio resolveretur, eaque contra fidem negotii gesti versata est, non est iniquum actionem condictionis ad repetitionem rerum donatarum tibi qui patri successisti decerni. Kaiser Alexander an Asclepiades. Hat dein Vater, wie du vorträgst, deiner Schwester Grundstücke und andere Dinge, die du erwähnst, mit der Maßgabe geschenkt, dass sie selbst die Gläubiger befriedigt und dass die Schenkung aufgelöst wird, wenn diese Vereinbarung nicht eingehalten wird, und hat sie sich dem Geschäft zuwider verhalten, ist es gerecht, dir, wenn du die Rechtsnachfolge nach deinem Vater angetreten hast, eine Kondiktionsklage zur Rückgewähr der geschenkten Sachen zuzuerkennen.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Und aus der Regierungszeit von Valerian und Gallienus stammt ein Bescheid zu einem mit der Zuwendung verbundenen Veräußerungsverbot:626 CJ 4.6.3 (1. April 257 / Honoré 1327) Impp. Valerianus et Gallienus AA. Aurelio et Alexandro. Ea lege in vos collata donatio, ut neutri alienandae suae portionis facultas ulla competeret, id efficit, ne alteruter eorum dominium prorsus alienaret, vel ut donatori vel heredi eius condictio, si non fuerit condicio servata, quaeratur. Kaiser Valerian und Gallienus an Aurelius und Alexander. Ist euch eine Schenkung mit der Maßgabe gemacht, dass keinem von euch die Befugnis zustehen soll, seinen Anteil zu veräußern, bewirkt dies, dass entweder keiner von euch sein Eigentum ganz veräußert oder der Schenker oder sein Erbe deshalb eine Kondiktion erlangt, weil die Bedingung nicht eingehalten ist.

Schon in diesen Entscheidungen von Diokletians Vorgängern ist die Ansicht Julians überwunden, der Schenkung und Auflage als Alternativen begreift und die Zuwendung unter Auflage statt der donatio allein dem Kondiktionstatbestand der datio ob rem zuordnet627.628 Im Sinne dieser Dichotomie lässt sich zwar auch ein Bescheid Diokletians deuten.629 Seine Wortwahl könnte aber durchaus dem Ziel einer verkürzenden Darstellung geschuldet sein. Denn im Übrigen ist die Figur der Schenkung unter Auflage, die sowohl donatio als auch kondiktionsbegründend ist, in den Reskripten Diokletians gut belegt. Dass eine Schenkung wegen Nichterfüllung der mit ihr verbundenen Auflage rückabgewickelt werden kann,630 folgt nicht nur aus den Bescheiden, in denen auf die Möglichkeit einer condictio verwiesen wird; es ergibt sich auch aus einer Entscheidung gegen einen Schenkungswiderruf in dem Ausnahmefall, dass die ausbedungene Rückgewähr des Schenkungsgegenstands der Benachteiligung eines Dritten dient: CJ 8.55.4 (1. April 293 / Honoré 1761) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Proculae. Confiteri in fraudem te alterius donasse professionem inhonestam continere intellegas. itaque si donationem perfecisti, eam revocare non potes ex memorata adlegatione sub obtentu paenitentiae. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Procula. Du musst einsehen, dass deine Behauptung, du habest zur Hintergehung eines anderen eine Schenkung gemacht, ein sittenwidriges Geständnis bedeutet. Daher kannst du die Schenkung, 626  Einen Interpolationsverdacht äußert hier noch Schnebelt, S. 139 f., der in dem Passus: ‚ne alteruter eorum dominium prorsus alienaret‘, das byzantinische Konzept einer auflösenden Bedingung ausgesprochen findet. 627  D 39.5.2.7 Iul 60 dig; vgl. hierzu Harke, Actio utilis, S. 295. 628  Einem bloßen Versehen der Kanzlei schreibt dies Schnebelt, S. 138 f. zu. 629  CJ 4.6.6 (14. Mai 293 / Honoré 1886); s. o. S. 56. 630  Michel (Fn. 486), Nr. 438 ff., S. 274 ff. sieht dies auf den Fall einer Auflage zu dare beschränkt.



XI. Schenkung281 wenn sie vollzogen ist, nicht aufgrund der erwähnten Behauptung unter dem Vorwand der Reue widerrufen.

Noch mehr als die mögliche Rückabwicklung der Schenkung beschäftigt die Kanzlei freilich die Frage, ob der Vollzug der Auflage auch aktiv gefordert werden kann. Hierum geht es etwa in der folgenden Entscheidung, die eine durch einen Scheinkauf verschleierte Schenkung unter Zusage von Unterhaltsgewährung betrifft: CJ 4.38.3 (vor 29. Mai 293 / Honoré 1898) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Valeriae Viacrae. Si donationis causa venditionis simulatus contractus est, emptio sui deficit substantia. sane si in possessionem rei sub specie venditionis causa donationis, ut te aleret, induxisti, sicut donatio perfecta facile rescindi non potest, ita legi, quam tuis rebus donans dixisti, parere convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Valeria Viacra. Ist ein Kaufvertrag zum Schein abgeschlossen worden, um eine Schenkung vorzunehmen, fehlt es dem Kaufvertrag an Substanz. Hast du freilich jemanden unter dem Vorwand eines Kaufvertrags mit dem Ziel einer Schenkung so in den Besitz eingewiesen, dass er dir Unterhalt gewährt, ist, da eine vollzogene Schenkung nicht leicht angefochten werden kann, anerkanntermaßen den Bestimmungen, die du bei der Schenkung gemacht hast, zu gehorchen.

Noch deutlicher sind zwei Bescheide, in dem die Kanzlei dem Schenker, falls die Auflage nicht zum Gegenstand einer Stipulation gemacht worden ist, die actio praescriptis verbis zuerkennt.631 Während die hiermit zu verfolgende Leistung im einen Fall unbestimmt bleibt, bezeichnet die Kanzlei sie im anderen als Unterhaltsleistung: CJ 8.53.9 (16. April 293 / Honoré 1808) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Augustinae. Legem, quam rebus tuis donando dixisti, sive stipulatione tibi prospexisti, ex stipulatu, sive non, incerto iudicio (id est praescriptis verbis) apud praesidem provinciae debes agere, ut hanc impleri provideat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Augustina. Hast du eine Bestimmung bei der Schenkung deiner Sachen gemacht, musst du, damit sie eingehalten wird, wenn du sie durch Stipulation ausbedungen hast, mit der Klage aus Stipulation, ansonsten mit einer unbestimmten Klage (nämlich mit vorgeschriebener Formel) vor dem Provinzstatthalter klagen. CJ 4.64.8 (5. Dez. 294 / Honoré 2528) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Paulinae. Ea lege rebus donatis Candido, ut quod placuerat menstruum seu annuum tibi praestaret, cum huiusmodi conventio non nudi pacti nomine censeatur, sed rebus propriis dictae legis substantia muniatur, ad implendum placitum, sicut postulas, praescriptis verbis tibi competit actio. 631  Für

interpoliert erklärt diese Bescheide Taubenschlag, S. 101 Fn. 800.

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3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Paulina. Sind Candidus Sachen mit der Maßgabe geschenkt worden, dass er dir, wie vereinbart, monatlich oder jährlich Unterhalt leistet, steht dir, da eine solche Vereinbarung nicht als bloßer Pakt angesehen, sondern in ihrem Inhalt anerkannt wird, auf Erfüllung des Vereinbarten, wie du forderst, eine Klage mit vorgeschriebener Formel zu.

Als actio civilis incerta erscheint diese Klage in einer weiteren Entscheidung, in der es wiederum um die Zusage des Beschenkten geht, die Gläubiger des Schenkers zu befriedigen: CJ 8.53.22 (26. März 294 / Honoré 2251) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Diomedi. Cum res filio emancipato ea condicione, ut creditoribus tuis solveret, te donasse proponas, si stipulatione vel in continenti habito pacto huic rei prospexisti, creditoribus quidem non contra eum ex placito vestro, sed adversus te competit actio. (1) Eum autem, cui certa lege praedia donasti, incerta civili actione ad placitorum obsequium urgueri secundum legem donationibus dictam convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Diomedes. Da du vorträgst, du hättest deinem aus der Gewalt entlassenen Sohn etwas unter der Auflage geschenkt, dass er an deine Gläubiger leistet, steht den Gläubigern unabhängig davon, ob du dir dies durch Stipulation oder einen bei der Übereignung abgeschlossenen Pakt ausbedungen hast, freilich keine Klage gegen ihn aufgrund eures Pakts, sondern nur gegen dich zu. (1) Denjenigen, dem du unter dieser Auflage Grundstücke geschenkt hast, kannst du anerkanntermaßen mit einer unbestimmten zivilrechtlichen Klage zur Einhaltung des Pakts entsprechend der Schenkungsauflage zwingen.

Lehnt die Kanzlei hier einen direkten Anspruch der Gläubiger gegen den Beschenkten ab, entscheidet sie sich in einem anderen Fall, in dem der Schenkungsgegenstand weitergegeben werden soll und es an einem Interesse des Schenkers oder seines Rechtsnachfolgers am Vollzug der Auflage fehlen könnte, sogar für eine Überleitung des Erfüllungsanspruchs auf den Auflagenbegünstigten.632 Begründet die Schenkung unter Auflage einen Anspruch auf deren Vollzug als Alternative zur Kondiktion, bedeutet dies noch keinen Unterschied zur datio ob rem, die ebenfalls durch condictio und actio praescriptis verbis sanktioniert ist. Zumindest phänomenologisch unterscheiden sich die Fälle einer Schenkung unter Auflage aber von gewöhnlichen Innominatkontrakten: Mit der Auflage soll nicht eine Gegenleistung erbracht werden, die ohne Bezug auf die Zuwendung des Schenkungsobjekts ist. Vielmehr soll mit ihr entweder dessen Verbleib beim Beschenkten oder umgekehrt seine Rück632  CJ  8.54.3 (21. Sept.  290 / Honoré 1632).  – Von anderer Beschaffenheit ist die actio utilis, die Valerian und Gallienus in CJ 8.54.1 (26. Nov. 258 / Honoré 1340) gewähren: Es handelt sich um eine Verstärkung des Kondiktionsanspruchs, den die Kaiser zum besonderen Schutz des Schenkers im Insolvenzverfahren vorsehen; vgl. Harke, Actio utilis, S.  166 ff.



XI. Schenkung283

oder Weitergabe an einen Dritten gewährleistet werden; oder der Schenker, der sich mit der Zuwendung eines wesentlichen Bestandteils seines Vermögens begibt, verlangt vom Beschenkten seine ansonsten mit diesem Objekt gewährleistete finanzielle Absicherung, sei es, dass der Beschenkte die Erfüllung der Schulden des Schenkers übernimmt, sei es, dass er sich zur Leistung von Unterhalt an diesen verpflichtet. All dies sind Leistungen, die der Beschenkte nur mit Hilfe der Schenksache erbringen kann oder gerade aus ihr erbringen soll. Das Geschäft bleibt damit regelmäßig vorteilhaft für den Empfänger der Zuwendung, so dass es die Bezeichnung donatio eher verdient als die Zuordnung zum Kondiktionstatbestand der datio ob rem; und es dient typischerweise einer Vorwegnahme der Erbfolge, was wiederum ein Charakteristikum der Schenkung ist. Lässt sich die begriffliche Sonderung der Schenkung unter Auflage von den Innominatkontrakten schon aus diesem Grund rechtfertigen, zeigt sich eine praktische Konsequenz zumindest im Fall einer unmöglichen Auflage. Dass sie nicht zur Rückabwicklung der Zuwendung führt, spricht die Kanzlei durch einen Vorbehalt in der folgenden Entscheidung aus: CJ 4.6.8 (11. Feb. 294 / Honoré 2189) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Flaviano. Dictam legem donationi, si non impossibilem contineat causam, ab eo qui hanc suscepit non impletam condictioni facere locum iuris dictat disciplina. quapropter si titulo liberalitatis res tuas in sponsam conferendo certam dixisti legem, nec huic illa, cum posset, paruit, successores ipsius de repetendis quae dederas, si hoc tibi placuerit, convenire non prohiberis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Flavianus. Die Rechtswissenschaft lehrt, dass die Kondiktion Platz greift, wenn eine Auflage, die keinen unmöglichen Gegenstand hat, von dem Empfänger nicht erfüllt wird. Daher bist du, wenn du deine Sachen freigiebig deiner Verlobten überlassen und eine bestimmte Auflage festgelegt hast und sie dieser, obwohl sie konnte, nicht gehorcht hat, nicht gehindert, wenn du willst, deren Erben auf Rückgewähr dessen zu belangen, was du gegeben hast.

Das Ergebnis ist leichter abzuleiten als bei einer datio ob rem. Denn bei der Schenkung kann die Behandlung einer unmöglichen Bedingung bei letztwilligen Verfügungen als Vorbild dienen, wo sie entsprechend der sabinianischen633 und zu Diokletians Zeit herrschenden634 Ansicht als ‚pro non scripta‘ gilt. Dass sich Diokletians Kanzlei auch jenseits der Schenkung unter Auflage mit dem Begehren nach Rückabwicklung einer vollzogenen donatio aus­ einandersetzen muss, muss keineswegs an der volksrechtlichen Anschauung 633  Gai 634  PS

3.98. 3.4b.1.

284

3. Kap.: Vertragliche Schuldverhältnisse

liegen, Schenkungen seien stets widerruflich.635 Schon die bloße Möglichkeit einer Auflage bietet einem Schenker hinreichend Anlass, durch ihre Behauptung eine im Nachhinein unerwünschte Zuwendung in Frage zu stellen.636 Hinzukommen der Widerruf wegen Undankbarkeit eines Freigelassenen und nicht zuletzt die zur Feststellung der Perfektion erforderlichen Abgrenzungen, die den Streit über die Rückgewähr eines Geschenks geradezu provozieren.

aber Taubenschlag, S. 159. kann Taubenschlag dies nur, weil er das Recht zur Rückabwicklung einer Schenkung wegen fehlenden Vollzugs der Auflage für das Ergebnis einer Interpolation erklärt (S. 101). 635  So

636  Ignorieren

4. Kapitel

Übergreifende Strukturen I. Noxalhaftung Diokletians Reskripte zur Noxalhaftung gelten zum einen der möglichen Eigenhaftung eines Sklaven nach seiner Freilassung, zum anderen dem Verhältnis zur Einstandspflicht des Eigentümers wegen seiner eigenen Beteiligung an einem Sklavendelikt. Einem naheliegenden Missverständnis der Noxalhaftung wehrt Diokletians Kanzlei dabei in einer Entscheidung vom Frühjahr 293: CJ 4.14.6 (12. April 293 / Honoré 1790) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Feliciano. Sive servi sunt ii, quorum precibus fecisti mentionem, domi eos conveni, quia inter dominos ac servos iudicium constare nullum potest: sive post delictum manumissi sunt, ex antecedentibus post datam libertatem eos nulla ratio iuris a dominis quondam conveniri patitur. (1) Sane si post manumissionem quid illicite commiserunt, hoc apud praesidem provinciae argue accepturus ex iure sententiam. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Felicianus. Sind diejenigen, die du in deiner Eingabe erwähnst, Sklaven, musst du sie zu Hause zur Verantwortung ziehen, weil unter Eigentümern und Sklaven kein Prozess stattfinden kann; sind sie nach ihrer Tat freigelassen worden, gestattet das Recht keinesfalls, dass sie nach ihrer Freilassung wegen ihrer vorangehenden Taten von ihren Eigentümern belangt werden. (1) Haben sie freilich nach ihrer Freilassung eine unerlaubte Handlung begangen, zeige dies bei dem Provinzstatthalter an, um eine rechtmäßige Entscheidung zu erhalten.

Der Grundsatz: noxa caput sequitur, hat den Adressaten des Bescheids offenbar zu dem Fehlschluss veranlasst, er könne gegen einen ehemals eigenen Sklaven wegen eines von diesem zu seinem Nachteil verübten Delikts vorgehen. Dass eine solche Haftung nicht in Betracht kommt, ergibt der Blick auf den eingangs erwähnten Alternativfall: Solange der Sklave noch nicht freigelassen ist, kann es offenbar kein Klagerecht geben; denn im Verhältnis von Täter und Opfer ist nur der Eigentümer rechtsfähig und für eine Sanktion der Tat auf die Ausübung seiner persönlichen Gewalt über den Sklaven verwiesen. Ein Klagerecht kann auch nicht nachträglich durch die Freilassung des Sklaven entstehen, weil dessen eigene Haftung nach dem Prinzip, dass die Tat dem Sklaven folgt, an eine zuvor begründete Verpflich-

286

4. Kap.: Übergreifende Strukturen

tung anknüpft. Der Anfragende kann den Täter also nur dann haftbar machen, wenn dieser die Tat erst nach seiner Freilassung begangen hat. Auslöser des Missverständnisses könnte eine mehr als 50 Jahre ältere Entscheidung von Kaiser Gordian sein: CJ 4.14.4 (13. Sept. 238 / Honoré 956) Imp. Gordianus A. Heroni. Licet servitutis tempore quae pecuniam matris tuae subripuisse dicitur, ob eiusmodi admissum conveniri non poterat, ad libertatem tamen perducta (nam caput noxa sequitur) furti actione tenetur. Kaiser Gordian an Heron. Obwohl diejenige, die, wie du behauptest, deiner Mutter einen Geldbetrag entwendet hat, während ihrer Zeit im Sklavenstand wegen dieser Tat nicht belangt werden kann, haftet sie doch nach ihrer Freilassung mit der Diebstahlsklage (weil die Tat dem Kopf folgt).

Zumindest in seiner überkommenen Fassung, die so schon Eingang in den Codex Gregorianus gefunden haben könnte, lässt das Reskript nicht ohne Weiteres erkennen, ob die Sklavin, die eine Sache der Mutter des Petenten entwendet haben soll, im Zeitpunkt der Tat nicht dieser, sondern einem Dritten gehörte. Die Aussage, dass sie für die Dauer ihrer Sklavenstellung nicht belangt werden kann, erweckt sogar eher den Eindruck, die Täterin sei Sklavin des Opfers gewesen. Die befürwortete Eigenhaftung nach ihrer Freilassung setzt aber auch aus Sicht von Gordians Kanzlei eine schon vorhandene Verpflichtung voraus, die nur im Verhältnis zu einem dritten Eigentümer bestehen kann. Der entsprechende Hinweis auf den Satz: ‚noxa caput sequitur‘, bringt dies aber nur sehr verhalten zum Ausdruck und kann leicht übersehen werden. Auch schon vor Gordians Reskript sah sich die Kanzlei gezwungen, die Fehlannahme einer Noxalhaftung in dem Fall zu korrigieren, dass sich ein statuliber noch vor seiner Freilassung am Eigentum seines Freilassers vergeht: CJ 3.41.1 (19. Nov. 223 / Honoré 628) Imp. Alexander A. Marcello. Si extat corpus nummorum, quos ablatos ex patris tui hereditate ab eo, quem liberum esse constitit, adlegas, vindicare eos vel ad exhibendum agere non prohiberis. nam quamvis alias noxa caput sequatur et manumissus furti actione teneatur, quae in heredem non competit, cum tamen servus a domino aliquid auferat, quamvis furtum committat, furti tamen actio non est nata neque adversus ipsum, si postea manumissus est, locum habet, nisi furtivas res et post manumissionem contractat. Kaiser Alexander an Marcell. Ist der Münzbetrag, von dem du behauptest, er sei aus dem Nachlass deines Vaters von demjenigen entwendet worden, dessen Freilassung gewiss war, noch vorhanden, bist du nicht gehindert, ihn zu vindizieren oder auf Vorlegung zu klagen. Denn obwohl ansonsten die Tat dem Kopf folgt und ein Freigelassener mit der Diebstahlsklage haftet, die gegen den Erben nicht zusteht, entsteht, wenn ein Sklave etwas von seinem Eigentümer entwendet, obwohl



I. Noxalhaftung287 er einen Diebstahl begeht, doch keine Diebstahlsklage; und sie greift auch nicht Platz, wenn er später freigelassen wird, falls er sich die gestohlenen Sachen nicht auch nach der Freilassung zueignet.

Dass unter diesen Umständen keine Eigenhaftung des freigelassenen Sklaven in Betracht kommt, ist wegen des im Tatzeitpunkt bevorstehenden Statuswechsels schwerer einzusehen als in der von Gordian und Diokletian behandelten Konstellation. Denn der statuliber ist im Moment der Tat schon auf dem Weg zur Freiheit, die eben gerade die Eigenhaftung für Delikte auslöst. Die übrigen Entscheidungen der diokletianischen Kanzlei betreffen die Frage der Beteiligung des Eigentümers an einer vom Sklaven begangenen Tat. Wenig erhellend ist dabei die überlieferte Aussage eines Reskripts aus dem Frühjahr 293, in der sich die Kanzlei auf die Feststellung beschränkt, der Eigentümer eines Sklaven hafte wegen eines von diesem verübten Raubes, wenn er von der Tat keine Kenntnis hatte, lediglich im Wege einer Noxalklage: CJ 9.33.4 (30. April 293 / Honoré 1859) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Attalo. De his, quae servum alienum nesciente domino vi rapuisse dicis, infra annum in quadruplum vi bonorum raptorum et post in simplum dominus eius noxali actione apud competentem iudicem conveniri potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Attalus. Da du angibst, etwas sei von einem fremden Sklaven ohne Wissen seines Eigentümers geraubt worden, kann sein Eigentümer vor dem zuständigen Richter mit einer Noxalklage wegen geraubten Gutes binnen eines Jahres auf das Vierfache, danach auf das Einfache belangt werden.

Dass er unbeschränkt haftet, wenn er sich an der Tat seines Sklaven beteiligt hat, bekundet die Kanzlei im Folgejahr:637 CJ 3.41.5 (28. März 294 / Honoré 2257) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Menophilo. Si tibi per furtum nec manifestum ancillam servus ope consilioque domini cum aliis rebus subtraxit, cum inter servum et liberum civile iudicium consistere non possit, eum ob hoc delictum dupli poenali actione et de rebus propriis vindicatione vel condictione convenire potes. Kaiser Diokletian und Maximian an Menophilus. Hat dir ein Sklave mit Unterstützung seines Eigentümers durch nicht handhafte Tat eine Sklavin mit anderen Sachen entwendet, kannst du den Eigentümer, da zwischen einem Sklaven und einem Freien kein Rechtsstreit geführt werden kann, wegen dieses Delikts mit der Strafklage auf das Doppelte und wegen deiner Sachen mit der Vindikation und der Kondition belangen. 637  Vgl. auch PS 2.31.28 und zu beiden Texten auch Ferretti, Complicità e furto nel diritto romano, Mailand 2005, S. 274 ff.

288

4. Kap.: Übergreifende Strukturen

Bleibt die Noxalhaftung hier unerwähnt, muss dies nicht etwa daran liegen, dass sich Diokletians Juristen der Ansicht von Celsus angeschlossen haben, der im Gegensatz zu Julian, Ulpian und Paulus annahm, die unbeschränkte Eigenhaftung des Eigentümers schließe die Noxalverpflichtung aus.638 Näher liegt, dass diese im konkreten Fall keine Rolle spielt, weil der Täter sich noch in der Gewalt seines Eigentümers befindet. Einen Mehrwert bedeutet sie für den Geschädigten nämlich nur, wenn der Täter veräußert oder freigelassen worden und so ein weiteres Haftungssubjekt neben den bisherigen Eigentümer getreten ist. Wie dem Geschädigten das Vorgehen gegen den Eigentümer im Kogni­ tionsverfahren erleichtert worden ist, zeigt das folgende Reskript: CJ 3.41.3 (3. Okt. 293 / Honoré 1972) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eutychio. Sive servum plagii paras accusare sollemniter, praesidem provinciae adire non prohiberis, sive dominum eius sollicitati servi noxali iudicio vel furti malueris convenire, suam tibi notionem praeses provinciae commodabit non ignorans, quod, si dominum elegeris et eo non consentiente quod intendis commissum probaveris, vel noxae dedendae vel damni sarciendi ac poenae praestandae habeat facultatem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Eutychius. Hast du vor, einen Sklaven wegen Menschenraubs förmlich anzuklagen, bist du ebenso wenig gehindert, den Provinzstatthalter anzurufen, wie er dich hören muss, wenn du lieber den Eigentümer des angeblich verführten Sklaven mit der Noxal- oder Diebstahlsklage belangen willst, eingedenk dessen, dass, wenn du dich für den Eigentümer entscheidest und nicht beweist, dass die von dir behauptete Tat mit seinem Wissen verübt wurde, er die Befugnis hat, den Sklaven auszuliefern oder den Schaden zu ersetzen und die Strafe zu leisten.

Der Wortlaut erweckt zunächst den Eindruck, als habe der Geschädigte zu beweisen, dass der Sklave die Tat ohne Wissen seines Eigentümers verübt habe, um zu einer Verurteilung unter Vorbehalt der noxae deditio zu kommen. Da sie gerade im Interesse des Eigentümers liegt, kann dies aber schwerlich gemeint sein. Der Passus: ‚eo non consentiente quod intendis commissum probaveris‘, ist daher nicht auf ein vom Geschädigten erwartetes, sondern vielmehr umgekehrt auf ein wirklich erreichtes Beweisergebnis zu beziehen: Eigentlich will der Kläger, der sich für die Inanspruchnahme des Eigentümers entscheidet, nach Möglichkeit dessen Beteiligung an der Tat dartun und so erreichen, dass der Eigentümer unbedingt zu Strafe und Schadensersatz verurteilt wird. Scheitert der Geschädigte mit diesem Nachweis, kann aber die Urheberschaft des Sklaven belegen, bleibt es bei einer Haftung des Eigentümers; dieser wird jedoch nur alternativ zur Leistung oder zur 638  D 9.4.2.1 Ulp 18 ed, D 9.4.4.2 Paul 3 ed; hierzu Harke (Fn. 242), S. 70 ff., ders., Sklavenhalterhaftung in Rom, in: Gless / Seelmann (Hg.), Intelligente Agenten und das Recht, Baden-Baden 2016, S. 97, 108 ff.



I. Noxalhaftung289

Auslieferung des Sklaven verurteilt. Die Entscheidung zwischen alternativer und unbedingter Verurteilung fällt im Kognitionsverfahren erst nach Auswertung der Beweisaufnahme und durch den Richter, wohingegen sich der Geschädigte im Formularprozess von vornherein für eine der beiden Varianten entscheiden musste. So war er grundsätzlich auf die vom Prätor gewährte Klage festgelegt und lief, wenn er zunächst die eine Klage erhob, Gefahr, mit der anderen wegen der Rechtskraft einer Klageabweisung im ersten Verfahren ausgeschlossen zu sein.639 Der von Paulus für den Formularprozess noch als Ausnahme zugelassene Wechsel von einer Klageart zur anderen640 begegnet im Kognitionsverfahren keinen Schwierigkeiten mehr. Die mit der Kognitur eingetretene Flexibilität des Verfahrens wird von der diokletianischen Kanzlei an anderer Stelle sogar dazu eingesetzt, die Ergänzung der Noxalhaftung um sachverfolgende Ansprüche zu begründen: CJ 3.41.4 (15. Dez. 293 / Honoré 2049) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Sosio. Si servus ignorante domino vel sciente et prohibere nequeunte res tuas vi rapuit, dominum eius apud praesidem provinciae, si necdum utilis annus excessit, quadrupli, quod si hoc effluxit tempus, simpli noxali iudicio convenire potes: qui si noxae maluerit servum dedere, nihilo minus cum ipso quantum ad eum pervenit experiri non prohiberis: nam si eo conscio et prohibere valente, detracta noxae deditione conventus ad summam condemnationis solvendam omnimodo compellendus est. (1) Sane si criminis publici accusationem propter uxorem tuam a servo raptam intendendam putaveris, non contra dominum, sed contra eum, quem facinus commisisse proponis, hanc instituere debes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Sosius. Hat ein Sklave ohne das Wissen seines Eigentümers, oder ohne dass dieser es verhindern konnte, deine Sachen geraubt, kannst du seinen Eigentümer mit der Noxalklage vor dem Provinzstatthalter, wenn die Jahresfrist noch nicht abgelaufen ist, auf das Vierfache, wenn sie abgelaufen ist, auf das Einfache belangen; wenn er lieber den Sklaven ausliefern möchte, bist du gleichwohl nicht gehindert, ihn auf so viel in Anspruch zu nehmen, wieviel in sein Vermögen gelangt ist; denn wenn er von der Tat w ­ usste und sie hätte verhindern können, wird er ohne die Befugnis zur Auslieferung belangt und unbedingt zur Zahlung des Verurteilungsbetrags gezwungen. (1) Glaubst du freilich, eine strafrechtliche Anklage wegen der Entführung deiner Frau durch den Sklaven erheben zu müssen, darfst du sie nicht gegen den Eigentümer richten, sondern nur gegen den Sklaven, von dem du vorträgst, dass er das Verbrechen begangen hat.

Dass die Verurteilung bei Nachweis einer Beteiligung des Eigentümers an der Tat seines Sklaven ohne den Vorbehalt der Auslieferung erfolgt, nutzen Diokletians Juristen hier als Argument für die Kumulation mit einem sach639  D 9.4.7.1

Ulp 3 ed. Paul 3 ed; Zweifel an der Echtheit dieser Entscheidung bekundet noch Marrone, AUPA 48 (2003) 155 ff. 640  D 9.4.4.3

290

4. Kap.: Übergreifende Strukturen

verfolgenden Anspruch: Ist das Verfahren von vornherein offen für beide Arten der Kondemnation, kann die alternative Verurteilung des Eigentümers aus der actio vi bonorum raptorum kein Hindernis dafür bedeuten, dass er zusätzlich unbedingt zur Herausgabe der durch die Tat eingetretenen Bereicherung verurteilt wird.641 Und dies gilt sogar dann, wenn der Geschädigte sein Begehren erst nachträglich und in Reaktion auf den misslungenen Nachweis einer Tatbeteiligung des Sklavenhalters dafür entscheidet, seine Klage auch auf die condictio furtiva zu stützen.642

II. Adjektizische Haftung Nur wenige der diokletianischen Bescheide, die sich um eine von einem Gewaltabhängigen ausgelöste Verpflichtung drehen, haben die schlichte Anwendung des Edikts über die adjektizischen Klagen zum Gegenstand. So finden wir an einer Stelle eine actio quod iussu als Alternative zur Haftung des Gewalthabers kraft eigenen Kreditauftrags bejaht.643 In zwei weiteren Reskripten wird seine Verpflichtung mit der actio de in rem verso oder actio de peculio festgestellt. Im einen Fall verknüpft die Kanzlei die Gewährung dieser Klage mit dem Grundsatz, dass ein Gewalthaber ansonsten nicht ohne eigenes Zutun durch ein Geschäft seines Sklaven verbindlich gemacht wird: CJ 4.26.12 (20. Jan. 294 / Honoré 2143) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Victori. Dominum per servum obligari non posse ac tantum de peculio (deducto scilicet, quod naturaliter servus domino debet) eius creditoribus dari actionem vel, si quid in rem eius versum probetur, de in rem verso edicto perpetuo declaratur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Victor. Durch das immerwährende Edikt wird bestimmt, dass ein Eigentümer durch seinen Sklaven nicht verpflichtet wird und den Gläubigern nur eine Klage wegen seines Sonderguts (nämlich abzüglich dessen was der Sklave dem Eigentümer in natürlicher Weise schuldet) oder, wenn erweislich etwas in das Vermögen des Eigentümers gelangt ist, die Versionsklage zu gewähren ist.

Im anderen betont die Kanzlei, dass sich ein Sklave mangels Rechtsfähigkeit nicht selbst verpflichten kann: CJ 4.26.11 (30. Nov. 293 / Honoré 2019a) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Attalo. Cum ancilla contrahenti, quam iure non obligari constat, adversus dominum in quantum locupletius eius peculium factum est ea superstite ac post mortem intra utilem annum dandam actionem non ambigitur. 641  Anders Taubenschlag, S. 164, der annimmt, die Kumulation trete nur bei noxae deditio des Täters ein. 642  Zur Kumulation von Raubklage und Diebstahlskondiktion s. o. S. 28 ff. 643  CJ 4.26.9 (29. April 294 / Honoré 1850); s. o. S. 209.



II. Adjektizische Haftung291 Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Attalus. Es ist unumstritten, dass demjenigen, der mit einer Sklavin, von der feststeht, dass sie sich nicht wirksam verpflichten kann, einen Vertrag eingeht, gegen ihren Eigentümer eine Klage auf die Bereicherung ihres Sonderguts zu ihren Lebzeiten und binnen eines Jahres nach ihrem Tod zu gewähren ist.

Dass ein Sklave auch dann nicht selbst haftet, wenn er später freigelassen worden ist, stellt Diokletians Kanzlei gegenüber einem Petenten fest, dessen Vermögen durch Sklaven seiner Verwandten verwaltet worden ist und der sie nach ihrer Freilassung mit der actio negotiorum gestorum belangen möchte: CJ 2.18.21 (26. Sept. 294 / Honoré 2371): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Mitrae. Si cognati tui servos suos manumiserunt, hoc, quod eos administrasse res vestras contendis, eorum impedimentum libertati fieri non potuit. quin autem ex actu praecedenti post manumis­ sionem, si utriusque temporis administratio non conexa, sed separata sit, conveniri non posse procul dubio sit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Mitras. Haben deine Verwandten ihre Sklaven freigelassen, kann der Umstand, dass du geltend machst, sie hätten dein Vermögen verwaltet, kein Hindernis für deren Freiheit darstellen. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass sie nach der Freilassung wegen einer früheren Handlung, wenn die Verwaltung in beiden Zeitpunkten nicht miteinander verbunden, sondern getrennt ist, nicht belangt werden können.

Noch einen Schritt weiter geht eine Partei in dem Fall, auf den sich das folgende Reskript bezieht. Anscheinend will sie einen Freigelassenen für eine Schuld in Anspruch nehmen, die sein früherer Gewalthaber, vielleicht im Interesse eines dem ehemaligen Sklaven eingeräumten Sonderguts, begründet hat. Es ist offensichtlich, dass sie mit diesem Begehren keinen Erfolg haben kann: CJ 4.13.5 (11. April 294 / Honoré 2290) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Lampetio. Ex patroni vel domini contractu liberti vel servi conveniri non possunt. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Lampetius. Freigelassene und Sklaven können nicht aufgrund eines Vertrags ihres Freilassers oder Eigentümers belangt werden.

Die Frage nach einer Eigenhaftung von Sklaven für die während des Gewaltverhältnisses von ihnen oder zu ihren Gunsten begründeten Schulden hat die kaiserliche Kanzlei schon vor Diokletian beschäftigt. Bereits unter Septimius Severus verneint sie die Erteilung einer Klage gegen einen Freigelassenen, der eine Verpflichtung als statuliber eingegangen ist: CJ 4.14.1 (10. Dez. 196 / Honoré 31) Imp. Severus A. Ioviano. Quamvis cum statulibero contraxeris, tamen ex ante gesto te non habere cum eo post impletam condicionem libertatis actionem scire debes.

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

Kaiser Severus an Jovian. Du musst wissen, dass du, obwohl du mit einem bedingt Freigelassenen einen Vertrag abgeschlossen hast, nach der Erfüllung der Bedingung für seine Freilassung keine Klage gegen ihn aus den vorher vorgenommenen Geschäften hast.

Der Gedanke, dass der ehemalige Sklave für die selbst erzeugte Schuld einzustehen hat, ist hier deshalb nicht abwegig, weil er sich wegen seiner bedingten Freilassung bei Begründung der Verpflichtung schon auf dem Weg in die Freiheit befand. Ein anderer Anknüpfungspunkt für die Erwägung einer Eigenhaftung des freigelassenen Sklaven bildet offenbar die Befugnis zur Verwaltung eines ihm eingeräumten peculium. Sie liegt offenbar einer unter Caracalla erledigten Anfrage zugrunde: CJ 4.14.2 (30. Aug. 215 / Honoré 416) Imp. Antoninus A. Baetico. Creditoribus tuis, qui tibi in servitute pecuniam crediderunt, nulla adversus te actio competit, maxime cum peculium tibi non esse legatum proponas. Kaiser Antoninus an Baeticus. Deinen Gläubigern, die dir als Sklave einen Geldbetrag als Darlehen gewährt haben, steht gegen dich keine Klage zu, zumal dir, wie du vorträgst, dein Sondergut nicht vermacht worden ist.

Aus dem gleichen Grund muss sich Gordian mit der Frage befassen, ob ein Freigelassener mit seinem in Freiheit erwirtschafteten Vermögen seinem früheren Gewalthaber für einen negativen Saldo bei der Verwaltung des pe­ culium einzustehen hat: CJ 4.14.5 (16. Nov. 243 / Honoré 1186) Imp. Gordianus A. Chresto. Si, ut adlegas, antequam a domina manumittereris, fundos eius coluisti posteaque adempto peculio libertate donatus es, ob reliqua, si qua pridem contracta sunt, res bonorum, quas postea propriis laboribus quaesisti, inquietari minime possunt. Kaiser Gordian an Chrestus. Hast du, wie du behauptest, bevor du von deiner Eigentümerin freigelassen worden bist, ihre Grundstücke bewirtschaftet und ist dir später unter Entziehung des Sonderguts die Freiheit geschenkt worden, kann wegen der vorher eingetretenen Rückstände keineswegs dein Vermögen, das du später durch deine Arbeit erworben hast, in Anspruch genommen werden.

Den Hintergrund für all diese Anfragen könnte der Vergleich zur Noxalhaftung bilden. Geht sie nach dem Grundsatz: ‚noxa caput sequitur‘, im Fall einer Freilassung auf den Schädiger über, liegt nicht fern, dasselbe für außerdeliktische Verpflichtungen anzunehmen. Dies gilt insbesondere für Schäden, die dem Gewalthaber durch die Verwaltung des Sonderguts und damit jenseits regelrechter Vertragsbeziehungen entstanden sind. Da auch die Noxalhaftung hier nicht eingreift,644 scheidet diese freilich als Muster für die Annahme einer Eigenhaftung aus. Eher drängt sich diese in dem unter Diokle644  s. o.

S.  285 ff.



II. Adjektizische Haftung293

tian behandelten Fall einer Verpflichtung aus negotiorum gestio auf, weil diese einerseits im Verhältnis zu einem Dritten begründet sein soll, andererseits nicht auf einem Vertragsschluss beruht. Hier ist es die Verwandtschaft der negotiorum gestio mit der rechtsgeschäftlichen Haftung, die eine Anlehnung an das Noxalregime ausschließt. Ein zweiter möglicher Ansatzpunkt für die Konstruktion einer Eigenhaftung des ehemaligen Sklaven ist die Verpflichtung eines Haussohnes. Obwohl auch die von ihm eingegangenen Geschäfte eine adjektizische Einstandspflicht seines Gewalthabers auslösen, hat er, wenn er rechtlich selbständig geworden ist, nicht nur als dessen Erbe, sondern auch ansonsten zumindest mit einer Klage auf ‚id quod facere potest‘ einzustehen.645 Sie erscheint nicht nur in einem unter Septimius Severus ergangenen Bescheid, in dem eigens auf das prätorische Edikt Bezug genommen wird:646 CJ 4.26.2 (24. Nov. 196 / Honoré 28) Impp. Severus et Antoninus AA. Annio. Eius rei nomine, quae cum filio familias contracta est sive sua voluntate sive eius in cuius potestate fuit, sive in peculium ipsius sive in rem patris ea pecunia redacta est, et si paterna hereditate abstinuit, actionem nisi in id quod facere possit non dari perpetui edicti interpretatione declaratum est. Kaiser Severus und Antoninus an Annius. Durch Auslegung des immerwährenden Edikts ergibt sich, dass wegen eines Geschäfts, das mit einem Haussohn nach seinem oder dem Willen seines Gewalthabers abgeschlossen worden ist, sei es, dass ein Geldbetrag in das Sondergut gelangt ist, sei es, dass er in das Vermögen des Vaters gelangt ist, eine Klage für den Fall, dass er die väterliche Erbschaft ausgeschlagen hat, nur in Höhe seiner Leistungsfähigkeit gewährt wird.

Auch Diokletians Kanzlei erwähnt sie und beruft sich wiederum auf das Edikt: CJ 4.26.8 (8. April 293 / Honoré 1778) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Isidoro. Si ex alio contractu, non ex illicita mutui datione debitor extitisti vel quod patrem tuum in fide suscepisti, tam in patris positus potestate iure teneris quam etiam morte genitoris tui iuris effectus: et si quidem patris heres extitisti, in solidum, alioquin in quantum facere potes, secundum edicti formam. sed et si emancipatione tui iuris factus es, similiter conveniri te posse debes intellegere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Isidor. Bist du aus einem anderen Vertrag, nicht aus einer verbotenen Darlehensgewährung zum Schuldner 645  D 14.5.2pr

Ulp 29 ed. der Fall der Ausschlagung nicht erst durch die kaiserliche Rechtsprechung, sondern schon vom Edikt selbst erfasst ist, meint zu Recht Longo, Filius fa­ milias se obligat?, Mailand 2003, S. 132 ff., die aus der Verheißung dieser Klage freilich folgern will, dass ein Haussohn zu Lebzeiten seines Vaters gar nicht verpflichtet wird. 646  Dass

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

oder Bürge für deinen Vater geworden, haftest du, sowohl in der Zeit, in der du der Gewalt deines Vaters unterworfen bist, als auch nachdem du durch den Tod deines Vaters rechtlich selbständig geworden bist; und zwar wenn du Erbe deines Vaters geworden bist, auf das Ganze, ansonsten nach der Vorgabe des Edikts insoweit, als du zur Leistung fähig bist. Aber auch wenn du durch Entlassung aus der Gewalt rechtlich selbständig geworden bist, musst du einsehen, dass du gleichermaßen belangt werden kannst.

Zugleich deutet die Kanzlei den Grund dieser Haftung an, der auch einer Analogie im Fall eines freigelassenen Sklaven entgegensteht: Anders als dieser wird ein Haussohn durch die von ihm abgeschlossenen Geschäfte schon während des Gewaltverhältnisses selbst verpflichtet und ist lediglich von der Vollstreckung ausgenommen.647 Seine spätere Eigenhaftung ist daher nur konsequent und weniger erklärungsbedürftig als die durch das Edikt vorgegebene Beschränkung der Verpflichtung auf die eigene Leistungsfähigkeit. Eine besondere Rolle nimmt in der diokletianischen Reskriptenpraxis die actio institoria ein. Sie erscheint gleich dreimal als exemplum für die jeweils gewährte Klage. Noch leicht zu deuten ist dabei die Entscheidung in dem folgenden Bescheid: CJ 4.25.5 (29. Okt. 294 / Honoré 2436) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Gaio. Si mutuam pecuniam accipere Demetriano Domitianus mandavit et hoc posse probare confidis, ad exemplum institoriae eundem Domitianum apud competentem iudicem potes convenire. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Gaius. Hat Domitian dem Demetrianus aufgegeben, ein Darlehen zu empfangen, und traust du dir zu, dies zu beweisen, kannst du Domitian beim zuständigen Richter nach dem Vorbild der Geschäftsleiterklage belangen.

Diokletians Juristen schließen sich hier offensichtlich der vor allem von Papinian und Ulpian vertretenen Lehre an, wonach eine actio utilis nach dem Vorbild der institorischen Klage auch dann zu gewähren ist, wenn der als Vertreter des Geschäftsherrn tätige Freie nicht zum Geschäftsleiter bestimmt, sondern auf andere Weise für ihn tätig geworden ist.648 Hier gilt nicht minder als im ediktal geregelten Fall der Klage, dass der Geschäftsherr durch die Bestellung des Vertreters das Vertrauen des Rechtsverkehrs auf seine Gewähr für die Durchführung des Geschäfts geweckt hat.649 Schwieriger zu deuten sind dagegen zwei Entscheidungen, in denen das Muster der actio institoria für eine Haftung in Anspruch genommen wird, 647  Sogar dies stellt neuerdings Klinck, Die persönliche Haftung des filius familias, SZ 132 (2015) 126 ff. in Frage. 648  D 19.1.13.25 Ulp 32 ed, D 14.3.19pr Pap 3 resp, D 17.1.10.5 Ulp 31 ed, 3.5.30pr Pap 2 resp. 649  Harke, Actio utilis, S.  317 ff.



II. Adjektizische Haftung295

die sich ganz regulär aus einer anderen adjektizischen Klage ergibt. Die mit der Geschäftsleiterklage verwandte actio exercitoria betrifft dies in CJ 4.25.4 (17. Okt. 293 / Honoré 1982): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antigonae. Et si a muliere magister navis praepositus fuerit, ex contractibus eius ea exercitoria actione ad similitudinem institoriae tenetur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antigona. Auch wenn jemand von einer Frau zu einem Schiffskapitän eingesetzt worden ist, haftet sie aus seinen Verträgen mit der Reederklage nach dem Vorbild der Geschäftsleiterklage.

Auf die actio quod iussu zielt dagegen die Entscheidung von CJ 4.25.6 (18. Nov. 294 / Honoré 2471): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Onesimae. Qui secutus domini voluntatem cum servo ipsius habuit contractum, ad instar actionis institoriae recte de solido dominum convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Onesima. Wer auf Geheiß des Eigentümers mit dessen Sklaven einen Vertrag geschlossen hat, belangt den Eigentümer nach dem Vorbild der Geschäftsleiterklage zu Recht auf das Ganze.

Das Vorbild der actio institoria dient hier keineswegs dazu, eine Lücke zu schließen, die das ediktale System der adjektizischen Klagen lässt.650 Zu einem Exempel für die Haftung aus den beiden anderen Klagen kann die Geschäftsleiterklage nur werden, indem man sie gerade wegen der Ausdehnung ihres Anwendungsbereichs, den sie durch die spätklassischen Juristen erfahren hat, als Grundmuster der Haftung kraft Vollmachterteilung ansieht: Auch in den Fällen der actio exercitoria und der actio quod iussu hat der Geschäftsherr für das von seinem Gewaltunterworfenen oder freien Vertreter abgeschlossene Geschäft einzustehen, weil der Rechtsverkehr auf die Einsetzung als Schiffsleiter oder den konkret erteilten Auftrag vertrauen darf; und die Haftung ist, wie die zweite Konstitution ausweist, deshalb hier ebenso wie bei der actio institoria unbeschränkt. Die Geschäftsleiterklage erscheint also gleichsam als Inbegriff der unbegrenzten Vertrauenshaftung und als Gegensatz zur beschränkten Pekuliar- und Versionsverpflichtung. Einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Haftung redet die Kanzlei in einer anderen Entscheidung von 293 das Wort: CJ 4.26.7 (5. April 293 / Honoré 1771) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Crescenti. Ei, qui servo alieno dat mutuam pecuniam, quamdiu superest servus, item post mortem eius intra annum de peculio contra dominum competere actionem vel, si in rem domini haec versa sit quantitas, post annum etiam esse honorariam non est ambigui iuris. (1) Quapropter si quidem in rem domini versa pecunia est, heredes eius convenire potes de 650  Anders Taubenschlag, S. 163 f. aufgrund der anachronistischen Unterscheidung zwischen mandatum und iussum.

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

ea summa, quae in rem ipsius processit. (2) Si vero hoc probari non potest, consequens est, ut superstite quidem servo dominum de peculio convenias vel, si iam servus rebus humanis exemptus est vel distractus seu manumissus nec annus excessit, de peculio quondam adversus eum experiri possis. (3) Alioquin si cum libero rem agente eius, cuius precibus meministi, contractum habuisti et eius personam elegisti, pervides contra dominum nullam te habuisse actionem, nisi vel in rem eius pecunia processit vel hunc contractum ratum habuit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Crescens. Demjenigen, der einem fremden Sklaven ein Darlehen gewährt hat, steht nach unstreitigem Recht die Sondergutsklage zu Lebzeiten des Sklaven und auch nach dessen Tod noch für ein Jahr und, wenn der Betrag in das Vermögen des Eigentümers gelangt ist, auch nach Ablauf des Jahres die prätorische Klage zu. (1) Daher kannst du, wenn das Geld in das Vermögen des Eigentümers gelangt ist, auch dessen Erben auf den Betrag belangen, um den sein Vermögen reicher geworden ist. (2) Kannst du dies aber nicht beweisen, solltest du folgerichtig, falls der Sklave noch lebt, dessen Eigentümer wegen des Sonderguts belangen; oder du kannst gegen ihn mit dieser Klage vorgehen, wenn der Sklave schon gestorben, verkauft oder freigelassen worden und die Jahresfrist noch nicht abgelaufen ist. (3) Hast du aber übrigens mit einem freien Agenten desjenigen, den du in deiner Eingabe erwähnst, einen Vertrag geschlossen und dich für dessen Person entschieden, musst du einsehen, dass du gegen den Herrn keine Klage hast, falls der Betrag nicht in dessen Vermögen gelangt ist oder er den Vertrag genehmigt hat.

Auf die Darstellung der Varianten, wie der Vertragspartner eines Sklaven dessen Gewalthaber oder seine Erben wegen eines dem Sklaven erteilten Sonderguts oder eines erlangten Vermögensvorteils in Anspruch nehmen kann, folgt eine Bemerkung zur Haftung für die Tätigkeit eines freien Vertreters. Sie wird von der Kanzlei grundsätzlich verneint, aber ausnahmsweise bejaht, wenn der Geschäftsherr den Abschluss des Vertrags nachträglich genehmigt hat oder aber durch das Geschäft bereichert ist. Da Diokletians Kanzlei so eine zweckdienliche actio de peculio vorwegnimmt, wie sie später von den Kaisern des Jahres 422 ausdrücklich anerkannt wird,651 verwundert nicht, dass der abschließende nisi-Satz, in dem diese Haftung erscheint, dem Verdacht einer Textfälschung ausgesetzt ist.652 Striche man ihn komplett, begegnete die verbleibende Aussage aber inhaltlichen Bedenken. Zwar schließt die Kanzlei mit der Einschränkung, dass sich der Vertragspartner für die Person des Vertreters entschieden hat, den Gedanken an eine Haftung nach dem unmittelbaren Vorbild der actio institoria aus. Es bliebe jedoch kaum verständlich, warum sie nicht auch dann eingreifen soll, wenn der Geschäftsherr den Vertragsschluss nachträglich genehmigt hat. Ist hier ein Ana4.26.13 (11. Juli 422); hierzu Harke, Actio utilis, S.  324 ff. S. 73 Fn. 563, Claus, Gewillkürte Stellvertretung im römischen Privatrecht, Berlin 1973, S. 331, vgl. auch Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 607 Fn. 17. 651  CJ

652  Taubenschlag,



III. Übergang von Forderungen297

logieschluss zur Geschäftsleiterhaftung angebracht, überrascht nicht, dass Diokletians Juristen zugleich den der actio de in rem verso inhärenten Bereicherungsgedanken für übertragbar halten. Denn auch den weiteren Ansätzen, die schon von den spätklassischen Juristen jenseits der actio institoria in Richtung auf eine Stellvertretung beim Rechtsgeschäft entwickelt worden sind, liegt das Ziel, eine ungerechtfertigte Bereicherung im Dreiecksverhältnis zu verneinen.653 Nimmt man hinzu, dass die Kanzlei im Folgejahr erneut andeutet, es könne eine Dritthaftung wegen der Version eines Vermögensvorteils unter Freien geben,654 spricht mehr dafür, dass die überlieferte Aussage echt und Vorläufer oder gar Vorbild der 130 Jahre später getroffenen Entscheidung zur Gewährung einer actio utilis de peculio ist.655 Voraussetzung dieser Klage ist nicht die schlichte Bereicherung eines Dritten, sondern dass dieser den Vermögensvorteil infolge der Tätigkeit eines anderen erlangt hat, der ebenso wie ein Sklave aus Sicht des Vertragspartners als seinem Lager zugehörig erscheint.

III. Übergang von Forderungen 1. Abtretung Auf den Forderungsübergang beziehen sich zahlreiche Entscheidungen von Diokletians Kanzlei. Eine von ihnen markiert den Endpunkt einer allmählichen Entwicklung der kaiserlichen Rechtsprechung:656 CJ 4.15.5 (1. Jan. 294 / Honoré 2126) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Nanidiae. In solutum nomine dato non aliter nisi mandatis actionibus ex persona sui debitoris adversus eius debitores creditor experiri potest. suo autem nomine utili actione recte utetur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Nanidia. Ist eine Forderung an Erfüllungs Statt geleistet worden, kann der Gläubiger nur durch Klageauftrag im Namen seines Schuldners gegen dessen Schuldner Klage erheben. In seinem eigenen Namen macht er aber zu Recht von einer zweckdienlichen Klage Gebrauch.

Die Abtretung eines Anspruchs kann seit jeher in der Weise erfolgen, dass der Zedent den Zessionar zum Prozessvertreter bestellt und ihm so die Möglichkeit gibt, die Forderung im eigenen Interesse, aber fremden Namen geltend zu machen. Daneben soll er berechtigt sein, eine actio utilis zu erheben, 653  Harke,

Actio utilis, S. 339. 4.2.13 (16. Okt. 294 / Honoré 2464); s. o. S. 79 f. 655  Anders Taubenschlag, S. 174, der hier Justinians Kompilatoren am Werke sieht. 656  Hierzu Harke, Actio utilis, S.  278 ff. 654  CJ

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

mit der er auch im eigenen Namen auftreten kann und von einer Prozessvollmacht unabhängig ist.657 Dies ordnen Diokletians Juristen nicht nur bei der Abtretung einer Forderung zur Leistung an Erfüllungs Statt, sondern auch für den Fall an, dass eine verpfändete Forderung durch den Pfandgläubiger verkauft worden ist. Ebenso wie dieser den Drittschuldner mit Hilfe einer actio utilis in Anspruch nehmen kann,658 soll diese Befugnis auch dem Erwerber der Forderung zustehen:659 CJ 4.39.7 (Honoré 1718) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Manaseae. Postquam eo decursum est, ut cautiones quoque debitorum pignori darentur, ordinarium visum est, ut post nominis venditionem utiles emptori, sic (ut responsum est) vel ipsi creditori postulanti dandas actiones. Kaiser Diokletian und Maximian an Manaseas. Nachdem man dazu gekommen ist, dass auch Schuldscheine verpfändet werden, erscheint es angebracht, dass nach dem Verkauf der Forderung (wie bereits entschieden ist) dem Käufer oder auch dem Gläubiger, wenn er dies fordert, zweckdienliche Klagen zu gewähren sind.

Dass Diokletians Kanzlei eine actio utilis ferner auch bei einem Forderungsvermächtnis an gewährt,660 zeigt, dass sie die Erteilung einer zweckdienlichen Klage zur durchgängigen Folge der Abtretung und sogar einer bloßen Pflicht zur Zession einer Forderung macht: Damit der Zessionar den Schuldner selbst in Anspruch nehmen kann, genügt, dass der bisherige Inhaber der Forderung verpflichtet ist, diese auf den Zessionar zu übertragen. Auf dieser Grundlage beruht auch eine Entscheidung, die auf den ersten Blick an die Annahme eines Vertrags zugunsten Dritter denken lässt. Hat ­jemand eine fremde Sache in Verwahrung gegeben, soll der Eigentümer den Verwahrer nicht nur im Wege von Vindikation und actio ad exhibendum belangen; nach Ansicht von Diokletians Kanzlei verfügt er auch über einen vertraglichen Anspruch, falls der Verwahrungsvertrag die Rückgabe an den Eigentümer vorsieht:661 CJ 3.42.8 (27. April 293 / Honoré 1833) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Photino. Si res tuas commodavit aut deposuit is, cuius precibus meministi, adversus tenentem ad exhibendum vel vindicatione uti potes. (1) Quod si pactus sit, ut tibi restituantur, si quidem ei qui deposuit successisti, iure hereditario depositi actione uti non prohiberis: si vero nec ci657  Für interpoliert hält diese und vergleichbare Entscheidungen Taubenschlag, S. 176. 658  D 20.1.20 Ulp 63 ed, CJ 8.16.4 (28. Feb. 225 / Honoré 717). 659  Hierzu Harke, Actio utilis, S.  286 f. 660  CJ 6.37.18 (8. Dez. 294 / Honoré 2543); hierzu Harke, Actio utilis, S. 279. 661  Für das Ergebnis einer justinianischen Interpolation hält dies Taubenschlag, S.  173 f.



III. Übergang von Forderungen299 vili nec honorario iure ad te hereditas eius pertinet, intellegis nullam te ex eius pacto contra quem supplicas actionem stricto iure habere: utilis autem tibi propter aequitatis rationem dabitur depositi actio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Photinus. Hat derjenige, den du in deiner Eingabe erwähnt hast, deine Sachen verliehen oder in Verwahrung gegeben, kannst du gegen den Besitzer die Vorlegungsklage oder die Vindikation anstellen. (1) Hat er aber vereinbart, dass sie dir herausgegeben werden, bist du, falls du die Rechtsnachfolge nach dem Hinterleger angetreten hast, nicht gehindert, kraft der Erbfolge die Verwahrungsklage anzustellen; steht dir dessen Erbschaft freilich weder nach Zivil- noch nach Honorarrecht zu, scheinst du nach strengem Recht aufgrund dieser Vereinbarung keine Klage gegen denjenigen zu haben, gegen den du dich mit deiner Eingabe wendest; dir wird aber aus Gerechtigkeitsgründen eine zweckdienliche Verwahrungsklage gewährt.

Verkürzt findet sich diese Entscheidung auch in den Paulussentenzen wieder: Coll 10.7.8 = PS 2.12.8 Si quis rem penes se depositam apud alium deposuerit, tam ipse directam quam is qui apud eum deposuit utilem actionem depositi habere possunt. Hat jemand eine Sache, die bei ihm hinterlegt war, bei einem anderen hinterlegt, können sowohl ihm selbst die direkte sowie demjenigen, der bei ihm hinterlegt hat, die zweckdienliche Verwahrungsklage zustehen.

Dass Diokletians Juristen hier nicht von einer unmittelbaren Berechtigung des Eigentümers aus dem Verwahrungsvertrag ausgehen,662 zeigt ein Bescheid zu einem vergleichbaren Fall, in dem sie diesen Gedanken eigens verwerfen:663 CJ 4.27.1 (1. Juli 290 / Honoré 1597) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Marcello. Excepta possessionis causa per liberam personam, quae alterius iuri non est subdita, nihil adquiri posse indubii iuris est. (1) Si igitur procurator non sibi, sed ei, cuius negotia administrabat, redintegratae rei vindicationem pactus est idque pactum etiam stipulatio insecuta est, nulla domino obligatio adquisita est. servis autem res traditae dominis adquiruntur. Kaiser Diokletian und Maximian an Marcellus. Es unterliegt keinem rechtlichen Zweifel, dass durch eine freie Person, die nicht der Gewalt eines anderen unterworfen ist, mit Ausnahme des Besitzes nichts erworben werden kann. (1) Hat also 662  Harke, Actio utilis, S. 295 m. w. N.; anders unlängst aber wieder Finkenauer, Drittwirkende pacta im klassischen Recht, SZ 135 (2018) 178, 253 f. 663  Das Reskript umfasste ursprünglich auch einen Satz über die Haftung des Vertreters, der in seiner überlieferten Fassung in CJ 4.35.9 (Honoré 1598) nur noch eine Banalität ausdrückt: Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Marcello. Cum per pro­ curatorem causam tuam laesam esse dicas, mandati actio adversus eum tibi competit. („Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Marcellus. Da du angibst, durch einen Vertreter in deinen Angelegenheiten geschädigt worden zu sein, steht dir gegen ihn die Auftragsklage zu.“).

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

ein Vertreter nicht für sich, sondern für denjenigen, dessen Geschäfte er führte, die Herausgabe einer wiederhergestellten Sache vereinbart und hat sich an diese Vereinbarung auch eine Stipulation angeschlossen, wird dem Eigentümer keine Verpflichtung erworben. Sachen, die Sklaven übergeben werden, werden aber für ihre Eigentümer erworben.

Die Kanzlei belehrt den Petenten hier enger Anlehnung an den einschlägigen Passus in Gaius’ Institutionen664, dass außer im Fall des Besitzes kein Erwerb durch andere Gewaltfreie stattfindet. Folglich wird der Geschäftsherr auch nicht aus einer Stipulation berechtigt, mit der sich sein procurator die Herausgabe einer Sache ausbedungen hat. Dieses Ergebnis, das Diokletians Kanzlei in CJ 3.42.8 auch im Fall eines Verwahrungsvertrags zum Ergebnis des ius strictum erklärt, will sie freilich durch Erteilung einer actio utilis korrigieren. Sie verfährt dabei nach eigenem Bekunden ‚propter aequitatis rationem‘, handelt aber völlig im Einklang mit den Entscheidungen zum Zessionsrecht: Zeitigt schon die bloße Verpflichtung zur Abtretung einer Forderung ein eigenes zweckdienliches Klagerecht des Gläubigers, muss sich auch ein Eigentümer erfolgreich gegen den Verwahrer wenden können, bei dem der Besitzer die Sache hinterlegt hat;665 denn der Besitzer, in dessen Person der Rückgabeanspruch zunächst einmal entstanden ist, muss ihn kraft eines mit dem Eigentümer geschlossenen Vertrags, ansonsten im Rahmen der Vindikation an den Eigentümer abtreten. Damit dieser den Verwahrer auf Rückgabe an sich und nicht nur auf Leistung an den Besitzer in Anspruch nehmen kann, muss freilich hinzukommen, dass die Herausgabe an den Eigentümer zum Gegenstand des Verwahrungsvertrags geworden ist.666 Von selbst versteht sich dies, wenn die Hinterlegung durch einen Schuldner nach erfolglosem Angebot an den Gläubiger zu dem Zweck erfolgt, den Zinslauf zu stoppen und sich der Gefahr des zufälligen Verlustes des Leistungsgegenstands zu entledigen. Da der Verwahrer diesen gerade nicht an den Schuldner, sondern an den Gläubiger herausgeben soll, gewährt Diokletians Kanzlei dem Gläubiger, der vom Schuldner die Abtretung seines Anspruchs gegen den Verwahrer verlangen kann, wiederum den direkten Zugriff mit Hilfe der actio utilis:667 664  Gai

2.95. noch Afrikan, der eine regelrechte Abtretung durch Erteilung einer Prozessvollmacht für erforderlich hält; vgl. D 16.3.17 Afr 7 quaest. 666  Im Fall von CJ 4.27.1 kann dies entweder an der fehlenden Vereinbarung über eine Herausgabe an den Zessionar scheitern oder deshalb nicht zur Diskussion stehen, weil der Geschäftsherr schon dadurch das Eigentum an der Sache erlangt hat, dass sie seinem Sklaven übergeben worden ist. Hierauf deutet der Schlusssatz der Konstitution, in der unvermittelt vom Besitzerwerb durch einen Sklaven die Rede ist. 667  Hierzu Harke, Actio utilis, S. 279 f. – Von einer Interpolation durch Justinians Gesetzesredaktoren gehen Taubenschlag, S. 174 und auch noch Nitschke, Die Hinter665  Anders



III. Übergang von Forderungen301 CJ 4.32.19 (vor 15. Juli 294 / Honoré 2347) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aureliae Irenaeae. Acceptam mutuo sortem cum usuris licitis creditori post testationem offer ac, si non suscipiat, consignatam in publico depone, ut cursus usurarum legitimarum inhibeatur. (1) In hoc autem casu publicum intellegi oportet vel sacratissimas aedes vel ubi competens iudex super ea re aditus deponi eas disposuerit. (2) Quo subsecuto etiam periculo debitor liberabitur et ius pignorum tollitur, cum Serviana etiam actio manifeste declarat pignoris inhiberi persecutionem vel solutis pecuniis vel si per creditorem steterit, quominus solvatur. (3) Quod etiam in traiecticiis servari oportet. (4) Creditori scilicet actione utili ad exactionem earum non adversus debitorem, nisi forte eas receperit, sed vel contra depositarium vel ipsas competente pecunias. Die Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelia Irenea. Einen als Darlehen empfangenen Geldbetrag sollst du dem Gläubiger einschließlich der erlaubten Zinsen unter Zeugen anbieten oder, wenn er ihn nicht annimmt, versiegelt öffentlich hinterlegen, so dass die gesetzliche Verzinsung aufgehalten ist. (1) Als öffentlich muss in diesem Fall entweder ein Heiligtum oder ein Ort gelten, den der angerufene zuständige Richter zur Hinterlegung bestimmt hat. (2) Ist dies erfolgt, wird der Schuldner von der Gefahr befreit und das Pfandrecht erlischt, da die servianische Klage ausdrücklich bestimmt, dass das Pfandrecht endet, wenn entweder die Schuld erfüllt ist oder es am Gläubiger liegt, dass nicht erfüllt worden ist. (3) Dies muss auch für Seedarlehen gelten. (4) Dem Gläubiger steht eine zweckdienliche Klage zur Einziehung des Betrags nicht gegen den Schuldner, falls dieser ihn nicht zurückgenommen hat, sondern gegen den Verwahrer und auf den Betrag selbst zu.

Die durchgängige Sanktion einer Abtretungspflicht durch actio utilis knüpft an ältere Entscheidungen an, in denen die kaiserliche Kanzlei eine zweckdienliche Klage mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls gewährt. So springt sie unter Gordian einem Zessionar bei, der den Zedenten wegen der abgetretenen Schuld befriedigt hat, von der ihm erteilten Prozessvollmacht aber deshalb keinen Gebrauch mehr machen kann, weil der Zedent gestorben ist, bevor der Anspruch rechtshängig gemacht werden konnte, und auch keine Erben hinterlassen hat: CJ 4.10.1 (27. April 242 / Honoré 1174) Imp. Gordianus A. Valeriae. Data certae pecuniae quantitate ei cuius meministi in vicem debiti actiones tibi adversus debitorem, pro quo solvisti, dicis esse mandatas et, antequam eo nomine litem contestareris, sine herede creditorem fati munus implesse proponis. quae si ita sunt, utilis actio tibi competit. Kaiser Gordian an Valeria. Du behauptest, dass dir bei Zahlung einer bestimmten Geldsumme an den von dir Genannten im Gegenzug die Schuldklagen gegen den Schuldner, für den du gezahlt hast, überlassen worden sind und dass der Gläubiger, bevor du in seinem Namen Klage erheben konntest, ohne Erben gestorben ist. Wenn es sich so verhält, steht dir eine zweckdienliche Klage zu. legung der geschuldeten Leistung im römischen Recht, SDHI 24 (1958) 112, 145 ff., 207 ff. aus.

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

Könnte der Zessionar hier nicht mit einer actio utilis gegen den Schuldner vorgehen, bliebe der Schuldner, der mangels Inhaberschaft an der Forderung nicht in fremdem Namen belangt werden kann, auf Kosten des Zessionars bereichert. Eine andere Konstellation, in dem die kaiserliche Kanzlei eine zweckdienliche Klage sogar noch früher gewährt, ist der Erbschaftskauf. Schließt der veräußerte Nachlass auch eine Forderung ein, kann der Erbschaftskäufer sie seit einer Entscheidung von Antoninus Pius im eigenen Namen mit einer actio utilis geltend machen.668 Dies bekräftigt die Kanzlei unter Severus Alexander: CJ 4.39.5 (15. Sept. 224 / Honoré 598) Imp. Alexander A. Nonario Onesimo. Emptor hereditatis actionibus mandatis eo iure uti debet, quo is cuius persona fungitur, quamvis utiles etiam adversus debitores hereditarios actiones emptori tribui placuerit. Kaiser Alexander an Nonarius Onesimus. Der Käufer einer Erbschaft muss mit Hilfe eines Klageauftrags dieselbe Rechtsstellung erhalten wie derjenige, an dessen Stelle er tritt, obwohl dem Käufer anerkanntermaßen auch zweckdienliche Klagen gegen die Erbschaftsschuldner zugestanden werden.

Anders als in dem von Gordian entschiedenen Fall wäre dem Zessionar in diesem Fall eine Durchsetzung der erworbenen Forderung mit Hilfe einer Prozessvollmacht keineswegs unmöglich. Sie wäre aber ungebührlich erschwert. Denn im Gegensatz zum Kaufvertrag über eine einzelne Forderung lässt sich dem Erbschaftskauf, der sich auf eine Gesamtheit von Sachen und Rechten bezieht, noch nicht die Erteilung eines Klageauftrags für einen bestimmten Anspruch entnehmen. Damit sich der Erbschaftskäufer nicht für jede einzelne Forderung eine eigene Vollmacht beschaffen muss, erhält er eine actio utilis, mit der er die zum Nachlass gehörenden Ansprüche ohne Mitwirkung des Verkäufers durchsetzen kann.669 An einem Geschäft, das sich unmittelbar als Klageauftrag deuten lässt, fehlt es auch in einem unter Philippus Arabs entschiedenen Fall.670 Hier hat ein negotiorum gestor aus eigenen Mitteln, aber im Namen des Geschäftsherrn ein Darlehen ausgereicht, dann aber für dieses Geschäft nicht die Genehmigung des Geschäftsherrn erhalten. Zwar kann dieser wegen des Geschäftsführungsverhältnisses durchaus verpflichtet sein, eine Prozessvollmacht zu erteilen, mit deren Hilfe dem Geschäftsführer die Rückforderung des Darlehens ermöglicht oder zumindest erleichtert wird. Zur Abkürzung dieses Wegs gewährt die Kanzlei aber auch hier eine actio utilis: 668  D 2.14.16pr

Ulp 4 ed. Actio utilis, S.  276 f. 670  Hierzu Harke, Actio utilis, S.  277 f. 669  Harke,



III. Übergang von Forderungen303 CJ 4.2.4 (15. Feb. 246 / Honoré 1260) Philippus A. et Philippus C. Maximo. Si absentis pecuniam nomine eius fenori dedisti ac reprobato nomine mandatis actionibus experiris, praeses provinciae iurisdictionem suam praebebit. (1) Idem, si cessare mandatum animadverterit, utilem tibi adversus debitorem eo nomine actionem competere non negabit. Kaiser Philipp und Cäsar Philipp an Maximus. Hast du Geld im Namen eines Abwesenden als verzinsliches Darlehen ausgereicht und Klage erhoben, nachdem dir nach Verweigerung der Genehmigung Klageauftrag erteilt worden ist, wird der Provinzstatthalter dich hören. (1) Stellt sich heraus, dass ein Klageauftrag nicht erfolgt ist, wird er dir ferner nicht absprechen, dass dir gegen den Schuldner aus diesem Grund eine zweckdienliche Klage zusteht.

Wiederum dem Erbschaftskauf ähnlich ist die Bestellung einer Mitgift, die sich zumindest dann, wenn sie sich nicht auf eine bestimmte Forderung, sondern auf mehrere Vermögensgegenstände bezieht, ebenfalls nicht ohne Weiteres als Klageauftrag für einen zu ihr gehörenden Anspruch deuten lässt. Unter Valerian und Gallienus gewährt die Kanzlei daher auch in diesem Fall eine actio utilis:671 CJ 4.10.2 (19. Jan. 260 / Honoré 1366) Impp. Valerianus et Gallienus AA. Celso. Nominibus in dotem datis, quamvis nec delegatio praecesserit nec litis contestatio subsecuta sit, utilem tamen marito actionem ad similitudinem eius qui nomen emerit dari oportere saepe rescriptum est. Kaiser Valerian und Gallienus an Celsus. Es ist schon hinreichend entschieden worden, dass, wenn Forderungen als Mitgift überlassen worden sind, dem Ehemann, obwohl weder eine Anweisung vorausgegangen noch eine Klageerhebung erfolgt ist, dennoch eine zweckdienliche Klage in ähnlicher Weise wie dem Käufer einer Forderung gegeben werden muss.

Dass als Vergleichsfall der Forderungskäufer (‚qui nomen emerit‘)672 genannt ist, mag ein Hinweis darauf sein, dass eine zweckdienliche Klage zu dieser Zeit schon nicht mehr nur beim Erbschaftskauf, sondern zuweilen auch bei einem Kaufvertrag über eine einzelne Forderung gewährt wird. Der so vielleicht schon vorbereiteten Entscheidung für einen prinzipiellen Klageschutz des Zessionars liegt ein unabweisbarer Schluss aus dem Gleichbehandlungsgebot zugrunde: Es gibt keinen plausiblen Grund, warum der Zessionar nur dann, wenn ihm die Verfolgung des abgetretenen Anspruchs im Namen des Zedenten erschwert ist, im eigenen Namen vorgehen können soll. Auch in den Fällen, in denen das auf Forderungsübertragung gerichtete Geschäft als Prozessvollmacht verstanden werden kann, ist es für ihn einfacher, nicht als Prozessvertreter, sondern für sich selbst aufzutreten; und seiner unHarke, Actio utilis, S.  278 f. SZ 133 (2016) 265, 273 ff. unterstellt ohne Anhalt im Text, dass es um den Käufer eines chirographum geht. 671  Hierzu 672  Sirks,

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

mittelbaren Berechtigung steht weder ein schutzwürdiges Interesse des Schuldners noch ein Bedürfnis des Rechtsverkehrs entgegen: Der Schuldner hat auf die Einräumung einer Prozessvollmacht ebenso wenig Einfluss wie auf die Erteilung einer actio utilis. Er muss hinnehmen, dass die Abtretung ohne seine Kenntnis und sogar gegen seinen erklärten Willen erfolgt. Die kaiserliche Kanzlei hat dies unter Severus Alexander eigens in einem doppelt überlieferten Reskript bescheinigt: CJ 4.39.3 (9. Feb. 223 / Honoré 545) Imp. Alexander A. Quintiano et Timotheo. Nominis venditio et ignorante vel invito eo, adversus quem actiones mandantur, contrahi solet. Kaiser Alexander an Quintianus und Timotheus. Der Verkauf einer Forderung kann sowohl in Unkenntnis als auch gegen den Willen desjenigen vorgenommen werden, gegen den Klageauftrag erteilt wird. CJ 8.41.1 (6. Feb. 223 / Honoré 546) Imp. Alexander A. Quintiano et Timotheo. Delegatio debiti nisi consentiente et stipulanti promittente debitore iure perfici non potest: nominis autem venditio et ignorante vel invito eo, adversus quem actiones mandantur, contrahi solet. Kaiser Alexander an Quintianus und Timotheus. Die Schuldübernahme kann nur mit Zustimmung sowohl des Gläubigers als auch des Schuldners wirksam vorgenommen werden; der Verkauf einer Forderung wird dagegen gewöhnlich in Unkenntnis und gegen den Willen desjenigen vereinbart, gegen den Klageauftrag erteilt wird.

Die Beteiligung des Schuldners hat nur die Wirkung, dass der Zedent die Forderung nicht mehr zum Nachteil des Zessionars geltend machen kann. Hierzu ist er ungeachtet der Veräußerung der Forderung zunächst befugt. Er büßt seine Berechtigung aber ein, wenn die Forderung durch Novation auf den neuen Gläubiger übertragen oder von diesem der Forderungsübergang angezeigt wird;673 denn in der Anzeige liegt zugleich das Angebot zu einem pactum, wonach der Schuldner die Leistung bis zur Inanspruchnahme durch den Zedenten verweigern kann:674 673  Was dies für die datio in solutum bedeutet, der die Forderungsübertragung dient, stellt Saccoccio, Aliud pro alio consentiente creditore in solutum dare, Mailand 2008, S. 146 ff. dar. 674  Harke, Zum römischen Recht der Forderungsübertragung, TR 76 (2008) 1, 16 f. – Ganz entsprechend konstruiert die kaiserlichen Kanzlei den Vollzug der Schuldübernahme: Nimmt der Gläubiger den neuen Schuldner in Anspruch, kommt so stillschweigend ein pactum zustande, das der bisherige Schuldner dem Gläubiger entgegensetzen kann, wenn dieser ihn später doch noch belangen will; vgl. CJ 2.3.2 (12. Feb. 202 / Honoré 83): Impp. Severus et Antoninus AA. Claudio. Post venditionem hereditatis a te factam, si creditores contra emptores actiones suas movisse probare potueris eosque eas spontanea suscepisse voluntate, exceptione taciti pacti non inuti­ liter defenderis. („Kaiser Severus und Antoninus an Claudius. Kannst du beweisen, dass nach dem Verkauf der Erbschaft durch dich die Gläubiger gegen die Käufer



III. Übergang von Forderungen305 CJ 8.41.3 (9. Juni 239 / Honoré 1022) Imp. Gordianus A. Muciano. Si delegatio non est interposita debitoris tui ac propterea actiones apud te remanserunt, quamvis creditori tuo adversus eum solutionis causa mandaveris actiones, tamen, antequam lis contestetur vel aliquid ex debito accipiat vel debitori tuo denuntiaverit, exigere a debitore tuo debitam quantitatem non vetaris et eo modo tui creditoris exactionem contra eum inhibere. (1) Quod si delegatione facta iure novationis tu liberatus es, frustra vereris, ne eo, quod quasi a cliente suo non faciat exactionem, ad te periculum redundet, cum per verborum obligationem voluntate novationis interposita debito liberatus sis. Kaiser Gordian an Mucianus. Ist keine Anweisung deines Schuldner erfolgt und die Klage daher in deiner Hand geblieben, bist du, obwohl du deinem Gläubiger an Erfüllungs Statt Klageauftrag erteilt hast, dennoch, bevor die Klage rechtshängig geworden ist, er eine Leistung auf die Schuld erhalten oder deinem Schuldner Mitteilung gemacht hat, nicht gehindert, von deinem Schuldner den geschuldeten Betrag einzuziehen und auf diese Weise eine Einziehung bei ihm durch deinen Gläubiger zu verhindern. (1) Bist du dagegen im Wege der Überweisung durch Novation befreit worden, fürchtest du unnötig, dass du aus dem Grund, dass er von seinem Schuldner nicht einzieht, ein Risiko trägst, weil du durch den Verbalvertrag, wenn eine Novationsabsicht vorlag, von deiner Schuld befreit worden bist.

Allerdings verleiht die Unterrichtung des Schuldners dem Forderungsübergang Publizität, so dass man sie, wenn auch nicht zu seinem Schutz, so doch im Interesse des Rechtsverkehrs als einen der traditio vergleichbaren Modus des Rechtsübergangs fordern könnte. Dasselbe lässt sich aber von der Erteilung der Prozessvollmacht nicht behaupten; denn sie erfolgt allein im Verhältnis von Zedent und Zessionar und tritt nach außen erst in dem Moment in Erscheinung, in dem der Zessionar auf ihrer Grundlage Klage erhebt oder sich an den Schuldner außergerichtlich wendet. Beides kann er nicht nur aufgrund eines Klageauftrags, sondern auch als Inhaber einer actio utilis tun. Führt der automatische Übergang des Forderungsrechts auch zu einer Asymmetrie im Verhältnis zur Übereignung, stellt dies wegen der Unsichtbarkeit der Prozessvollmacht für Schuldner und Rechtsverkehr aber kein Hindernis dar. Nicht erfasst vom neuen Zessionsregime ist die Schenkung; denn sie bringt keine Verpflichtung hervor und ist bei Zuwendung eines Klagerechts erst in dem Moment perfekt, in dem sich der Schenker der Möglichkeit der Inanspruchnahme des Schuldners begibt.675 In einem Sonderfall gestattet Diokletians Kanzlei freilich auch die Durchsetzung einer geschenkten Forderung mit Hilfe einer actio utilis:

Klagen erhoben und diese sie freiwillig aufgenommen haben, verteidigst du dich nicht zu Unrecht mit einer Einrede aufgrund eines stillschweigenden Pakts.“). 675  s. o. S.  274 ff.

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

CJ 8.54.3 (21. Sept. 290 / Honoré 1632) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Iuliae Marcellae. Quotiens donatio ita conficitur, ut post tempus id quod donatum est alii restituatur, veteris iuris auctoritate rescriptum est, si is in quem liberalitatis compendium conferebatur stipulatus non sit, placiti fide non impleta, ei qui liberalitatis auctor fuit vel heredibus eius condicticiae actionis persecutionem competere. (1) Sed cum postea benigna iuris interpretatione divi principes ei qui stipulatus non sit utilem actionem iuxta donatoris voluntatem competere admiserint, actio, quae sorori tuae, si in rebus humanis ageret, competebat, tibi accommodabitur. Kaiser Diokletian und Maximian an Julia Marcella. Immer wenn eine Schenkung so vorgenommen worden ist, dass das Geschenk nach einer gewissen Zeit einem anderen herausgegeben werden soll, ist nach altem Recht beschieden worden, dass, wenn derjenige, dem der Vorteil aus der Freigiebigkeit zugewiesen ist, sich kein Versprechen hat geben lassen, dem Urheber der Freigiebigkeit oder seinen Erben bei Verstoß gegen die Vereinbarung die Verfolgung mit der Kondiktion zustehe. (1) Da aber später die göttlichen Kaiser aufgrund eines wohlwollenderen Rechtsverständnisses zugelassen haben, dass demjenigen, dem kein Versprechen geleistet worden ist, gemäß dem Willen des Schenkers eine zweckdienliche Klage zusteht, wird dir die Klage erteilt, die deiner Schwester zu ihren Lebzeiten zugestanden hätte.

Der Anspruch auf Vollzug einer Auflage676 steht eigentlich allein dem Schenker und seinen Erben zu. Letztere haben aber regelmäßig kein Interesse daran, den Beschenkten zur Erfüllung zu zwingen, wenn diese allein einem Dritten zugutekommen soll. Damit der Beschenkte so nicht praktisch von seiner Verpflichtung entlastet wird, gesteht Diokletians Kanzlei dem Auflagenbegünstigten eine zweckdienliche Klage zu, mit der er den eigentlich dem Schenker zustehenden Anspruch geltend machen kann.677 Die Besonderheit dieser Lösung liegt darin, dass der so bewirkte Forderungsübergang anders als in den anderen Zessionsfällen nicht an eine bestehende Verpflichtung zum Transfer des Anspruchs anknüpft. Der Auflagenbegünstigte, der seinerseits im Wege einer Schenkung bedacht ist, kann auf deren Grundlage nicht die Übertragung des Anspruchs auf Vollzug der Auflage verlangen. Er erhält ihn bloß, um einer ungerechtfertigten Bereicherung des Beschenkten zu wehren.678 2. Übergang von Sicherheiten Der automatische Forderungsübergang kraft einer Verpflichtung zur Zession wirkt sich auch auf den Transfer von Sicherheiten aus, die für die übertra676  s. o.

S.  281 ff. einem reinen Vertrag zugunsten Dritter geht dagegen Finkenauer, SZ 135 (2018) 178, 247 f. aus. 678  Harke, Actio utilis, S.  296 f. 677  Von



III. Übergang von Forderungen307

gene Forderung bestellt sind. Denn die Prozessvollmacht, die durch Gewährung einer actio utilis ersetzt wird, schließt gewöhnlich die Geltendmachung eines Pfandrechts ein, mit dem die abgetretene Forderung besichert ist: CJ 4.10.6 (24. Dez. 293 / Honoré 2082) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Maurico. Si in solutum nomen debitoris sui tibi debitor dedit tuus ac te in rem tuam procuratorem fecit, pignora, quae specialiter vel generaliter habes obligata, persequere. quod si ab his, quibus fuerant obligata, cum potiores erant, distracta probentur, ab emptoribus avocari non posse perspicis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Mauricus. Hat dein Schuldner dir eine Forderung gegen seinen Schuldner an Zahlungs Statt gegeben und dich zum Vertreter in eigener Sache bestellt, kannst du die Pfandrechte an einzelnen Sachen oder Gesamtheiten, die dir haften, geltend machen. Wird aber dargetan, dass sie von denjenigen, denen sie vorrangig verpfändet waren, verkauft worden sind, können sie, wie du einsiehst, den Käufern nicht mehr abgenommen werden.

Folglich löst auch die bloße Verpflichtung zur Zession der Forderung den Übergang eines hieran geknüpften Pfandrechts aus.679 Den einschlägigen Rechtsbehelf bezeichnen Diokletians Juristen in einem Reskript schlicht als vindicatio:680 CJ 4.10.7 (7. Jan. 293 / Honoré 1735) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Euelpisto. Si a creditore nomen comparasti, ea pignora, quae venditor nom[im]inis consequi posset, apud praesidem provinciae vindica. nam si debitum ex eius persona res obligatas tenentes non transferant, iure communi pignora distrahere non prohiberis. (1) Sane si creditoribus in ordine pignorum antecedentibus venumdantibus qui possident comparaverunt vel longi temporis praescriptione muniti perhibentur, pignorum distrahendorum te non habere facultatem perspicis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Euelpistus. Hast du von einem Gläubiger eine Forderung gekauft, kannst du die Pfänder, die der Verkäufer der Forderung geltend machen konnte, vor dem Provinzstatthalter vindizieren. Übernehmen nämlich diejenigen, die die für diese Person haftenden Sachen innehaben, nicht die Schuld, kannst du nach gemeinem Recht nicht am Verkauf der Pfänder gehindert werden. (1) Haben die Besitzer die Sachen freilich von Gläubigern gekauft, die im Rang vorgehen oder sind sie durch die Einrede der langen Zeit geschützt, hast du, wie du einsiehst, nicht die Befugnis, sie zu verkaufen.

In einem anderen Bescheid stellen sie klar, dass es sich um eine zweckdienliche Klage handelt, die in gleicher Weise an die Stelle einer Prozessvollmacht tritt, wie dies bei der Klage auf Erfüllung der gesicherten Forderung geschieht: Harke, Actio utilis, S.  281 f. überlieferte Text war ursprünglich wohl mit der in CJ 9.33.3 (7. Jan. 293 /  Honoré 1736) wiedergegebenen Aussage zum Raub einer Sache durch einen Pfandgläubiger verbunden; s. o. S. 30. 679  Hierzu 680  Der

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

CJ 4.39.8 (Honoré 2666) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Vigiliano. Ex nominis emptione dominium rerum obligatarum ad emptorem non transit, sed vel in rem suam procuratori facto vel utilis secundum ea, quae pridem constituta sunt, exemplo creditoris persecutio tribuitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Vigilianus. Durch den Kauf einer Forderung geht das Eigentum an verpfändeten Sachen nicht auf den Käufer über, sondern ihm wird die Verfolgung entweder aufgrund seiner Bestellung zum Vertreter in eigener Sache oder, wie schon entschieden, in zweckdienlicher Weise nach dem Vorbild der Rechtsposition des Gläubigers zugestanden.

Diese Lösung, für die Diokletians Juristen im Wege eines Umkehrschlusses auf eine Aussage Papinians zurückgreifen können,681 ist überaus konsequent, nicht nur vor dem Hintergrund der Entscheidung für den automatischen Übergang einer abzutretenden Forderung, sondern auch angesichts der Eigenart des Pfandrechts. Ausweislich der Formel der actio Serviana ist es an den Bestand der zu sichernden Forderung geknüpft. Daher ist es nur folgerichtig, wenn es mit dieser automatisch den Inhaber wechselt und zu seiner Übertragung nicht auf die Erteilung einer Prozessvollmacht für die actio Serviana angewiesen ist. Da diese auch hier kein Publizitätsbedürfnis befriedigt, steht der Überleitung des Pfandrechts im Wege einer zweckdienlichen Klage wiederum kein schutzbedürftiges Interesse des Verpfänders oder des Rechtsverkehrs entgegen, zumal schon die Begründung des Pfandrechts, wenn es besitzlos bestellt wird, nicht in Erscheinung tritt.682 3. Legalzession Der automatische Übergang einer Forderung im Wege der actio utilis geht mit einer Erleichterung des Rückgriffs unter Gesamtschuldnern einher. Auch hier sind es wieder ältere Entscheidungen zu besonderen Fällen, die Diokletians Kanzlei zum Anlass für eine allgemeine Regelung macht. Sie betrifft Gesamtschuldner, die zum Rückgriff untereinander zunächst einmal allein nach Maßgabe ihres Innenverhältnisses berechtigt sind. Dies bedeutet, dass ein Gesamtschuldner, der den Gläubiger befriedigt hat, dartun muss, aus welchem Grund er von den anderen Schuldnern Regress verlangen kann. Diokletians Juristen kehren diese Rechtslage um, indem sie aus dem bloßen Umstand, dass einer der Gesamtschuldner geleistet hat, auf das Recht zum Rückgriff schließen:683 Pap 11 resp; hierzu Harke, Actio utilis, S.  281 f. Actio utilis, S. 283. 683  Dagegen will Schmieder (Fn. 164), S. 191 hier keine bedeutende Rechtsänderung gegenüber dem klassischen Recht bezeugt sehen. 681  D 20.6.11 682  Harke,



III. Übergang von Forderungen309 CJ 8.39.1 (25. Feb. 287 / Honoré 1525) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Diogeni. Creditor prohiberi non potest exigere debitum, cum sint duo rei promittendi eiusdem pecuniae, a quo velit. (1) Et ideo, si probaveris te conventum in solidum exsolvisse, rector provinciae iuvare te adversus eum, cum quo communiter mutuam pecuniam accepisti, non cunctabitur. Kaiser Diokletian und Maximian an Diogenes. Gibt es zwei Gesamtschuldner für denselben Betrag, kann der Gläubiger nicht gehindert werden, die Schuld einzuziehen, von wem er will. (1) Und daher soll der Provinzstatthalter, wenn du nachweist, dass du belangt worden bist und den gesamten Betrag gezahlt hast, nicht zögern, dir gegenüber demjenigen beizustehen, mit dem du gemeinsam das Darlehen aufgenommen hast.

So ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass ein anderer Gesamtschuldner sich darauf beruft, die Last der Verpflichtung sei im Innenverhältnis von demjenigen allein zu tragen gewesen, der den Gläubiger auch befriedigt hat. Es verschiebt sich aber die Darlegungslast, indem nun nicht das Regressrecht, sondern umgekehrt dessen Ausschluss erwiesen werden muss. Mit der Gewährung eines ipso iure bestehenden Rückgriffsrechts knüpft die Kanzlei an schon in klassischer Zeit anerkanntes Verteidigungsvorbringen an: Ebenso wie ein Bürge seine Leistung an den Gläubiger von der Abtretung der Hauptforderung abhängig machen darf, steht einem Gesamtschuldner, wenn er vom Gläubiger belangt wird, die exceptio doli zu. Mit ihr kann er die Leistung verweigern, bis der Gläubiger ihm seinen Anspruch gegen die übrigen Schuldner abtritt.684 In der kaiserlichen Rechtsprechung erscheint dieses Recht noch in einem Bescheid von Valerian und Gallienus. Er richtet sich an eine Mehrheit von Pächtern, die sich gemeinsam gegenüber dem Verpächter verbindlich gemacht haben. Sie dürfen ihre Leistung davon abhängig machen, dass der Verpächter ihnen die Klagen überträgt, die sich aus den für die Forderung gestellten Sicherheiten ergeben:685 CJ 4.65.13 (8. März 259 / Honoré 1343) Impp. Valerianus et Gallienus AA. et Valerianus C. Aurelio Heraclidae. Si divisa conductio fuit et in singulis pro partibus facta, alieno nomine conveniri vos non oportet. si autem omnes qui conducebant in solidum locatori sunt obligati, ius ei competens conveniendi quem velit non debeat auferri. (1) Habetis sane vos facultatem locatori offerendi debitum et, ut transferantur in vos ea, quae ob hanc conductionem ab his quorum nomine inquietamini obligata sunt, postulandi. Kaiser Valerian und Gallienus und Cäsar Valerian an Aurelius Heraclida. Ist die Verpachtung getrennt und mit den einzelnen Pächtern für Teilgrundstück erfolgt, könnt ihr nicht wegen eines anderen belangt werden. Sind dagegen alle Pächter 684  D 19.2.47 Marcell 6 dig (zu Kaufvertrag und Verdingung), D 46.1.41.1 Mod 13 resp (zum Auftrag), D 27.3.1.13, 18 Ulp 36 ed (zur Vormundschaft), D 46.6.12 Pap 12 quaest (Bürgschaft). 685  Hierzu auch Schnebelt, S. 74 und Schmieder (Fn. 164), S. 200 f.

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

insgesamt verpflichtet, kann ihm die Befugnis nicht entzogen werden, zu belangen, wen er möchte. (1) Ihr habt freilich die Möglichkeit, dem Verpächter die Erfüllung der Schuld anzubieten und zu fordern, dass er auf euch überträgt, was wegen der Verpachtung an diejenigen, derenthalben ihr belästigt werdet, verhaftet ist.

Dass die Forderung gegen die übrigen Schuldner nicht infolge der Befriedigung des Gläubigers erlischt, rechtfertigen die klassischen Juristen mit der Fiktion eines Kaufvertrags: Ein in Anspruch genommener Gesamtschuldner erbringe seine Leistung nicht zum Zwecke der Erfüllung, sondern zahle so den Preis für die Ansprüche gegen die übrigen Schuldner.686 Die kaiserliche Kanzlei geht schon früh einen Schritt weiter, um einem Mitvormund zu helfen, der es unterlassen hat, seine Leistung an das Mündel unter den Vorbehalt der Zession seiner Ansprüche gegen seine Amtskollegen zu stellen. Antoninus Pius gewährt ihm in diesem Fall eine actio utilis, mit der er die anderen Vormünder so belangen kann, als habe er sich die Forderungen des Mündels abtreten lassen.687 Diese Lösung wird später unter Septimius Severus688 und Caracalla689 bestätigt, aber nicht auf andere Konstellationen einer Gesamtschuld übertragen. Noch Severus Alexander lehnt einen automatischen Regress unter Mitbürgen ab und beschränkt einen fideiussor, der den Gläubiger befriedigt hat, auf die Arglisteinrede, mit der er den Transfer der übrigen Rechte des Gläubigers erreichen kann. Hat er sie nicht erhoben und vorbehaltlos geleistet, soll ihm der Rückgriff verwehrt sein:690 CJ 8.40.11 (26. Okt. 229 / Honoré 820) Imp. Alexander A. Sallustio. Cum alter ex fideiussoribus in solidum debito satisfaciat, actio ei adversus eum qui una fideiussit non competit. (1) Potuisti sane, cum fisco solveres, desiderare, ut ius pignoris quod fiscus habuit in te transferretur, et si hoc ita factum est, cessis actionibus uti poteris. quod et in privatis debitis observandum est. Kaiser Alexander an Sallustius. Hat einer der Bürgen die Schuld in voller Höhe erfüllt, steht ihm gegen denjenigen, der sich zugleich verbürgt hat, keine Klage zu. (1) Als du an den Fiskus gezahlt hast, konntest du freilich verlangen, dass dir das Pfandrecht übertragen wird, das der Fiskus hatte, und wenn dies erfolgt ist, kannst du dich der abgetretenen Klagen bedienen. Dies gilt auch bei privaten Schulden.

Dieses Ergebnis ist unbefriedigend. Denn es gibt keinen plausiblen Grund, Mitvormünder zu bevorzugen und andere Gesamtschuldner der eigenen Vorsorge zu überlassen. Denkbar wäre vielleicht eine Differenzierung zwischen gewöhnlichen und Verpflichtungen mit Straf- oder ehrminderndem Charak686  D 27.3.21

Pap 1 def, D 46.1.36 Paul 14 quaest, D 46.3.76 Mod 6 resp. Ulp 36 ed. 688  D 27.3.1.13 Ulp 36 ed. 689  CJ 5.58.2 (14. Okt. 212 / Honoré 274). 690  Hierzu Briguglio (Fn. 274), S. 303 f. und Schmieder (Fn. 164), S. 259. 687  D 27.3.1.13



III. Übergang von Forderungen311

ter. Schon das Ergebnis einer solchen Unterscheidung ist aber keineswegs klar: Einerseits mag man einem Schuldner, der sich einer Strafklage oder der Infamiefolge gegenübersieht, eher zumuten, sich bei der Leistung seines Regresses zu versichern; andererseits könnte man ihn auch eher schonen wollen, weil er einem erhöhten Druck zur freiwilligen Leistung ausgesetzt ist. Wie man sich auch entscheidet, müsste diese Lösung jedenfalls für alle Klagen desselben Typs gleich ausfallen. Für eine isolierte Privilegierung eines Mitvormunds ließe sich allenfalls die soziale Bedeutung seines Amtes anführen. Eine solche Bedeutung kann man anderen Verpflichtungen aber nicht unterschiedslos absprechen. Harrt der Rückgriff mit Hilfe der actio utilis demnach seiner Ausdehnung auf alle Fälle der Gesamtschuld,691 ist es freilich kein Zufall, dass diese Ungleichbehandlung erst unter Diokletian abgestellt wird. Grundlage eines allgemeinen Regressrechts unter Gesamtschuldnern ist nämlich der automatische Forderungsübergang im Fall einer Abtretung. Indem Diokletians Kanzlei die Zession durchgängig mit der Rechtsfolge einer actio utilis für den Zessionar versieht,692 macht sie den Forderungsübergang davon unabhängig, ob der Zedent eine Prozessvollmacht erteilt oder ein Geschäft vorgenommen hat, in das sich ein solcher Klageauftrag hineinlesen lässt. Es genügt die bloße Verpflichtung zur Übertragung der Forderung, die schon ihren Übergang in Gestalt eines zweckdienlichen Klagerechts zeitigt. Im Fall einer Gesamtschuld existiert sie zwar eigentlich nur im Innenverhältnis der Schuldner untereinander und nicht für den Gläubiger, den gegenüber den Schuldnern keine regelrechte Pflicht trifft. Von einer exceptio doli, mit der ein Gesamtschuldner seine Leistung an die Abtretung der Forderung gegen die übrigen Schuldner knüpfen kann, geht jedoch ein vergleichbarer Zwang aus. Setzen sich Diokletians Juristen schon bei der Überleitung eines Anspruchs auf Vollzug einer Schenkungsauflage über das Erfordernis einer Zessionspflicht hinweg, können sie es erst recht im Fall der Gesamtschuld, bei der für den Gläubiger zumindest eine Obliegenheit zur Abtretung besteht.

691  Einen anderen Ansatz, der zwar zur Gewährung einer actio utilis führt, aber an die Unterstellung eines Gesellschaftsverhältnisses anknüpft, hat Paulus für die Bewohnerhaftung mit der actio de effusis vel deiectis entwickelt; vgl. D 9.3.6.3 Paul 19 ed und hierzu Harke, Actio utilis, S.  115 f. 692  Dass Diokletians Entscheidung hierauf zielt, bezweifelt Briguglio (Fn. 274), S.  240 ff.

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

IV. Erlöschen von Forderungen 1. Konfusion Der Untergang einer Forderung durch die Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerrolle kraft Erbfolge beschäftigt Diokletians Kanzlei in zwei Reskripten. In dem einen Fall wehrt sie sich gegen die vom Gläubiger begehrte Feststellung der anspruchsbegründenden Umstände mit dem Argument, der Anspruch sei jedenfalls dadurch verlorengegangen, dass der Gläubiger unstreitig die Rechtsnachfolge nach dem Schuldner, seinem Schwiegervater, angetreten habe: CJ 4.16.5 (6. März 294 / Honoré 2223) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Iulio. Ut debitum ante de hereditate tibi solvatur ac tunc, si ad te pertineret, quaeri iubeamus, praeposterea petitio est. etenim cum tibi soceri successionem quaesitam patuerit, debiti petitionem per confusionem extingui non ambigitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Julius. Dass dir eine Schuld ohne Rücksicht auf die Erbfolge erfüllt wird und wir nachher befehlen zu untersuchen, ob sie dir zusteht, ist eine irrige Forderung. Da du nämlich offenbar die Rechtsnachfolge nach deinem Schwiegervater angetreten hast, ist unumstritten, dass der Anspruch auf Erfüllung der Schuld durch Konfusion erloschen ist.

In dem anderen Fall, in dem die Gläubigerin nur zum Teil die Erbfolge nach dem Schuldner angetreten hat, ergänzt die Kanzlei ihre Entscheidung durch einen Ratschlag an den Pfleger der Gläubigerin:693 CJ 4.16.6 (1. Dez. 294 / Honoré 2511) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Domno. Si adulta, cuius curam geris, pro triente patruo suo, quem etiam tutelam eius administrasse proponis, heres extit nec ab eo quicquam exigere prohibita est, debitum a coheredibus pro besse petere non prohibetur, cum ultra eam portionem qua successit petitio non confundatur. nam adversus adultam tuam rescindi postulas testamentum, si quidem coheredes eius adeuntes hereditatem se etiam obligant et, si non solvendo constituti probentur, postulata separatio nullum ei damnum fieri patietur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Domnus. Ist eine erwachsene Frau, deren Pfleger du bist, zu einem Drittel Erbin ihres Onkels väterlicherseits geworden, der, wie du vorträgst, zugleich ihr Vormund war, und ist nicht verboten, dass sie von ihm etwas erlangt, ist sie nicht gehindert von ihren Miterben die Erfüllung der Schuld zu zwei Dritteln zu fordern, da ihr Anspruch nicht über den Anteil, zu dem sie die Rechtsnachfolge angetreten hat, durch Konfusion erloschen ist. Dass das Testament unwirksam sei, machst du nämlich gegen die Interessen der erwachsenen Frau geltend, wenn ihre Miterben sich durch Antritt der Erbschaft 693  Das Reskript ist im justinianischen Codex doppelt überliefert und auch in CJ 7.72.7 zu finden.



IV. Erlöschen von Forderungen313 verpflichtet haben und ihr, falls sich diese als nicht zahlungsfähig erweisen, bei Antrag auf Absonderung kein Schaden erleidet.

Nach der Regel: ‚nomina ipso iure divisa‘, zerfällt der Anspruch bei Antritt der Erbfolge in drei Teilforderungen, von denen nur eine durch Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerstellung erlischt, während die Teilforderungen gegen die Miterben erhalten bleiben.694 Indem der Pfleger der Frau sich gegen die Wirksamkeit des Testaments wendet, will er offenbar erreichen, dass keine Konfusion eintritt. Die Kanzlei glaubt, dass dieses Vorbringen den Interessen der betreuten Frau eher abträglich ist. Denn dem hierdurch bedingten Verlust der Erbenstellung steht kein adäquater Vorteil gegenüber, der den Angriff auf das Testament lohnenswert erschienen ließe. Das Risiko einer Insolvenz der Schuldner ist bei gesetzlicher Erbfolge nämlich nicht geringer als bei testamentarischer und im Übrigen durch die Möglichkeit einer separatio bonorum gemildert, die dazu führt, dass sich die Frau so befriedigen kann, als lebte ihr Schuldner noch. 2. Erfüllung (solutio) In den Reskripten, die sich auf die Erfüllung einer Forderung beziehen, kommt der Frage nach der Bedeutung einer Quittung eine hervorragende Bedeutung zu. Ihre Funktionsweise beleuchtet Diokletians Kanzlei im Fall einer Auftragsschuld durch Gegenüberstellung zur stipulatio Aquiliana: CJ 8.42.13 (26. Mai 293 / Honoré 1896) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Philotimo. Si obligatum ex causa mandati non per stipulationem facta novatione, post acceptilatione liberasti, sed tantum receptam ex eadem causa debitam quantitatem falso scripsisti, figmento veritatis extingui non potuit obligatio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Philotimus. Hast du jemanden, der aus Auftrag verpflichtet war, nicht nach einer Novation durch Stipulation durch Akzeptilation befreit, sondern nur fälschlicherweise schriftlich bekundet, du hättest aus diesem Grund den geschuldeten Betrag erhalten, kann die Vorspiegelung von dem, was nicht wahr ist, die Verpflichtung nicht zum Erlöschen bringen.

Während der förmliche Erlass den Anspruch ohne Rücksicht auf die Leistung endgültig beseitigt, ist die bloße Bescheinigung über den Empfang der Leistung lediglich ein Beweismittel, um die Erfüllung darzutun. Hat sie in Wahrheit nicht stattgefunden, steht dem Gläubiger zumindest materiellrechtlich kein Hindernis im Wege, seine Forderung noch mit Erfolg geltend zu machen. Dass diese Klarstellung von hellenistischen Vorstellungen über eine 694  Vgl. auch D 46.1.50 Pap 37 quaest, CJ 8.44.2 (28. Feb. 205 / Honoré 120; s. o. S. 212).

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

weiterreichende Wirkung einer Quittung provoziert ist,695 lässt sich nicht mit Gewissheit ausschließen. Zwingend ist dies aber auch nicht. Da die accepti­ latio gerade in einer fiktiven Bescheinigung der Leistung besteht, drängt sich die Frage, ob dieselbe Wirkung von einer einfachen Quittung ausgeht, auch und gerade vom Standpunkt des römischen Rechts auf. Sie hat schon die klassischen Juristen beschäftigt, die sie ebenso wie Diokletians Kanzlei verneint haben.696 Zur Gegenüberstellung von Quittung und Erlass kommt es auch in einer unter Gordian ergangenen Konstitution, die als dritte Möglichkeit freilich noch erwägt, dass die Bescheinigung schenkungshalber erteilt worden sein könnte und so ebenfalls zur Blockade des Klagerechts führte: CJ 8.42.6 (11. Februar 239 / Honoré 1001) Imp. Gordianus A. Alexandro. Si inter patrem tuum eosque, quos debitores esse dicebas, non de dubia lite transactio facta est, sed parte tantummodo recuperata universum se recepisse cavit nec de superfluo eos qui verbis obligati erant per acceptilationem liberavit nec donationis causa id factum est, exuberantis debiti integra ei repetitio competit. Kaiser Gordian an Alexander. Ist zwischen deinem Vater und denjenigen, die du als Schuldner bezeichnest, kein Vergleich wegen eines ungewissen Rechtsstreits geschlossen worden, sondern hat er, während er lediglich einen Teil erhielt, bescheinigt, alles erhalten zu haben, ohne wegen des Überschusses diejenigen, die durch Verbalvertrag verpflichtet waren, durch Akzeptilation zu befreien oder schenkungshalber gehandelt zu haben, steht ihm wegen des überschießenden Betrags die Klage ungeschmälert zu.

Schließt die Quittung im Gegensatz zum Erlass die Durchsetzung der Forderung auch nicht von Rechts wegen aus, ist ihre Bedeutung als Beweismittel doch nicht zu unterschätzen. Hat der Gläubiger den Leistungsempfang bescheinigt, ist dieser durch Vorlage der Quittung zunächst einmal dargetan; und es obliegt dem Gläubiger nachzuweisen, dass seine Erklärung ein bloßes figmentum veritatis ist. Dies kann überhaupt nur gelingen, wenn es eine plausible Erklärung für das Verhalten des Gläubigers gibt. Ein Beispiel bietet der Fall, dass er die Quittung im Vorgriff auf eine angekündigte Leistung ausgestellt hat. Bleibt diese dann hinter der Schuld zurück, besteht die Forderung in Höhe des Überrestes fort, sofern nicht der andere Teil nachweist, dass die Quittung Ausdruck eines Vergleichsvertrags war: CJ 8.42.21 (3. Dez. 294 / Honoré 2521) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Rufo. Interest multum, utrumne spe futurae numerationis suscepisse te quod instrumento continetur scripsisti, an accepta minore quantitate tantum quantum lectio probat in scriptura conferri placuit. 695  So Taubenschlag, S.  153 f., Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 442 mit Fn. 16. 696  D 46.4.19.1 Ulp 2 reg.



IV. Erlöschen von Forderungen315 Nam superiori quidem casu residui petitio debiti manet integra, posteriori vero consensu transactionis finitis stare convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Rufus. Es macht einen großen Unterschied, ob du in der Erwartung einer künftigen Zahlung den Empfang des in der Urkunde genannten Betrags bescheinigt hast, oder ob du bereit warst, nach dem Erhalt eines geringeren Betrags so viel in der Urkunde auszuweisen, wie ihr Wortlaut ergibt. Denn während dir im zuerst genannten Fall die Klage auf die Restschuld ungeschmälert erhalten bleibt, ist im zweiten Fall anerkanntermaßen der durch Konsens geschlossene Vergleich einzuhalten.

Dasselbe gilt, wenn die Quittung in Erwartung der Leistung durch einen Dritten ausgestellt wird, der vom Schuldner auch schriftlich angewiesen worden ist, die Leistung dann aber doch nicht erbringt: CJ 8.42.23 (18. Dez. 294 / Honoré 2600) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Vatio. Si litterarum Auxanonis contemplatione, quas ad Aristonem de numeranda tibi pecunia dederat, recepisse scripsisti debitum ab Aristone, mandato non impleto, cum petitio debiti manet integra, nihil legitimam exactionem impedire potest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Vatius. Hast du mit Rücksicht auf ein Schreiben von Auxanon, mit dem dieser Aristo die Zahlung eines Geldbetrags an dich aufgegeben hat, bescheinigt, dass die Schuld durch Aristo erfüllt worden ist, kann, wenn der Auftrag nicht ausgeführt worden ist, da die Forderung der Schuld dann ungeschmälert erhalten geblieben ist, nichts deren ordnungsgemäße Einziehung verhindern.

Wegen dieser nicht unerheblichen Einschränkung der Gläubigerposition messen Diokletians Juristen der Quittung auch einen höheren Beweiswert zu als der Rückgabe des Schuldscheins: CJ 8.42.14 (11. Juli 293 / Honoré 1924) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Cutae. Pecuniae solutae professio collata instrumento maiorem gestae rei probationem continet, quam si chirographum acceptae mutuae pecuniae fuisset redditum. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Cuta. Das in eine Urkunde aufgenommene Geständnis einer Geldzahlung macht hierfür mehr Beweis, als wenn der Schuldschein über die Darlehensgewährung zurückgegeben wird.

Auch die Rückgewähr der Schuldurkunde ist aber beweisrechtlich keineswegs bedeutungslos; denn sie zwingt den Gläubiger zum Nachweis, dass sie ohne seinen Willen erfolgte: CJ 8.42.15 (28. Aug. 293 / Honoré 1950) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Quartioni. Quod debitori tuo chirographum redditum contra voluntatem tuam adseveres, nihil de iure tuo deminutum est. quibuscumque itaque argumentis iure proditis hanc obligationem tibi probanti eum per huiusmodi factum liberationem minime consecutum iudex ad solutionem iure debiti compellet.

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Quartio. Da du behauptest, dass deinem Schuldner der Schuldschein gegen deinen Willen zurückgegeben worden sei, ist dein Recht nicht geschmälert worden. Weist du daher mit beliebigen rechtlich zulässigen Mitteln die Verpflichtung nach, soll der Richter denjenigen, der auf diese Weise keineswegs Befreiung erlangt hat, zu Recht zur Erfüllung der Schuld zwingen.

Ohne jeden Beweiswert ist die Rückgewähr von Schuldscheinen nur, wenn es um die Tilgung von Schulden geht, die nur mittelbar über die streitige Verpflichtung entscheiden und mit Mitteln aus verschiedenen Quellen befriedigt worden sein können:697 CJ 8.42.18 (13. Feb. 294 / Honoré 2188) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Domitio Aphobio. Inquisitio veritatis tolli non potuit, quod chirographa, quae fecerat procurator tuus, recepta tibique restituta ab ipsius herede proponas cum subscriptione procuratoris significante, quod nihil creditoribus debeatur, cum nihil prohibeat et creditoribus satisfactum et non vestrae pecuniae, sed ipsius, cui negotium gerendum mandaveras, processisse solutionem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Domitius Aphobius. Die Feststellung der Wahrheit wird nicht dadurch vereitelt, dass nach deinem Vortrag Schuldscheine, die dein Vertreter ausgestellt hat, dir von seinem Erben mit dem schriftlichen Vermerk zurückgegeben werden, dass den Gläubigern nichts geschuldet werde, da nicht ausgeschlossen ist, dass sowohl die Gläubiger befriedigt worden sind als auch die Erfüllung nicht mit dir gehörendem Geld, sondern mit Geld des von dir beauftragten Geschäftsführers erfolgt ist.

Lässt Diokletians Kanzlei einen Schluss aus der Rückgabe eines Schuldscheins zu, liegt nicht fern, auch aus dessen Einbehalt durch den Gläubiger eine Folgerung zu ziehen.698 Dem widersetzt sich die Kanzlei aber, weil sie der bloßen Untätigkeit der Parteien nicht denselben Aussagewert zumisst wie der aktiven Rückgabe: CJ 8.42.19 (11. Okt. 294 / Honoré 2404) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Diogeni. Si, actore tam mutuis pecuniis dandis quam debitis recipiendis praeposito, in hoc quod susceperas eius dominae per ipsum fecisti satis, instrumentum inane solutione celebrata nihil tibi nocere potest. aliter enim solventes servo de actione domini liberare se minime possunt.

697  Der folgende Bescheid könnte mit zwei anderen an einen gewissen Aphobius gerichteten Bescheiden zusammenhängen, die aber die Frage der Veräußerung durch einen Nichtberechtigten betreffen und sich mit CJ 8.42.18 inhaltlich nicht in Beziehung setzen lassen, ohne in übermäßige Spekulation zu verfallen. Es handelt sich um CJ 2.25.1 (11. Aug. 294 / Honoré 2186) und CJ 4.51.4 (11. Feb. 294 / Honoré 2187). 698  Für eine Folge hellenistischer Urkundenpraxis erklärt dies wiederum vorschnell Schnebelt, S.  186 f.



IV. Erlöschen von Forderungen317 Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Diogenes. Hast du mittels eines Sklaven, der als Verwalter sowohl zur Gewährung von Gelddarlehen als auch zum Einzug von Schulden eingesetzt war, wegen eines von dir aufgenommenen Darlehens, an seine Eigentümerin geleistet, kann dir die Schuldurkunde wegen der eingetretenen Erfüllung nicht zum Nachteil gereichen. Andernfalls kann man sich durch eine Leistung an einen Sklaven nicht von der Forderung seines Eigentümers befreien.

Ob die Leistung, die der Adressat dieses Reskripts erbracht haben will, gegenüber dem Gläubiger wirksam ist, hängt allein davon ab, ob dessen Sklave, der sie empfangen hat, auch hierfür zuständig war. Ist dies dargetan, bleibt unerheblich, ob auch der Schuldschein zurückgegeben worden oder beim Gläubiger verblieben ist. Diese Ansicht hat die Kanzlei auch schon unter Gordian vertreten: CJ 8.42.4 (14. Okt. 238 / Honoré 973) Imp. Gordianus A. Rufinae. Nihil interest, utrum creditori pecuniam mutuam solveris, an ex eius voluntate servo numeraveris. nec enim ex eo, quod creditor in fatum concessit, priusquam instrumenta redderet, evacuatae obligationis vires reparari queunt. Kaiser Gordian an Rufina. Es macht keinen Unterschied, ob du einen Darlehensbetrag an deinen Gläubiger oder auf sein Geheiß an seinen Sklaven gezahlt hast. Und die erloschene Verpflichtung kann nicht deshalb wieder wirksam werden, weil der Gläubiger gestorben ist, bevor er die Schuldurkunde zurückgegeben hat.

Ohne jeden Beweiswert ist schließlich eine Veränderung des Schuldscheins, die keinen Schluss auf ihren Urheber zulässt: CJ 8.42.22 (9. Dez. 294 / Honoré 2551) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Grato. Inductum (id est cancellatum) nec ne sit chirographum, vestrum solutionem semel debiti factam ei, qui exigendi potestatem habuit, probantium nihil interest. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Gratis. Ob der Schuldschein ausgestrichen, also durchgestrichen, ist oder nicht, macht keinen Unterschied, wenn ihr nachweist, dass ihr an denjenigen geleistet habt, der Einziehungsbefugnis hatte.

Soweit die solutio nicht unter Beweisaspekten, sondern als materiellrechtliches Problem behandelt wird, gelten die einschlägigen Reskripte sämtlich Dreipersonenverhältnissen. Ebenso, wie die Leistung an einen Sklaven zu ihrer Wirkung gegenüber dessen Gewalthaber dessen iussum voraussetzt, ist dies auch erforderlich, wenn der Schuldner sich durch Leistung an einen Dritten befreien will, der nicht der Gewalt des Gläubigers unterworfen ist. Dies stellt die Kanzlei im Frühjahr 293 fest: CJ 8.42.12 (13. Mai 293 / Honoré 1884) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eutycho. Invito vel ignorante creditore qui solvit alii, non se liberat obligatione. quod si hoc vel mandante vel ratum

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

habente eo fecerit, non minus liberationem consequitur, quam si eidem creditori solvisset. Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Eutychus. Wer gegen den Willen oder ohne das Wissen des Gläubigers an einen anderen leistet, befreit sich nicht von seiner Verpflichtung. Tut er dies aber auf seine Anweisung oder mit seiner Genehmigung, erreicht er seine Befreiung nicht minder, als wenn er an den Gläubiger selbst leistet.

Mit der Formel: ‚invito vel ignorante creditore‘, knüpft die Kanzlei ersichtlich an das klassische Diktum an, eine Drittleistung sei auch ‚ignorante vel invito debitore‘ gültig699. Durch Umkehrung dieses Satzes für die Leistung an einen Dritten stellen Diokletians Juristen eine neue Regel auf, mit der sie zwar kein neues Recht schaffen, aber immerhin das geltende zusammenfassen.700 Einen Fall, in dem der Satz zum Tragen kommt, hat die Kanzlei nur wenig früher beurteilt:701 CJ 8.42.11 (24. April 293 / Honoré 1826) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Capitolinae. Cum maritum tuum a debitoribus tuis minoris viginti et quinque annis constitutae velut ex causa tibi debiti aliquas accepisse quantitates nec tamen te consensum commodasse significes, nullum tibi potuit praeiudicium fieri, nisi factam solutionem post maiorem aetatem ratam feceris. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Capitolina. Gibst du an, dein Ehemann habe von deinen Schuldnern, als du jünger als 25 Jahre alt warst, bestimmte Beträge als dir geschuldet erhalten und du hättest nicht deine Zustimmung erteilt, kann dir dies nicht zum Nachteil gereichen, falls du es nicht nach der Leistung und Erreichung der Volljährigkeit genehmigt hast.

Hier trifft die Leistung, die der Schuldner im Glauben an die Empfangszuständigkeit des Ehemannes seiner Gläubigerin erbracht hat, noch auf ein zusätzliches Hindernis, nämlich deren Minderjährigkeit. Sie sorgt dafür, dass auch eine Genehmigung, mit der die Leistung an einen Dritten gewöhnlich Wirksamkeit gegenüber dem Gläubiger erlangt,702 anfechtbar bleibt, sofern dieser sie nicht im Alter von mehr als 25 Jahren erteilt hat. Eine verwandte Konstellation ist die Leistung an einen von mehreren Gläubigern. Falls diese nicht Gesamtgläubiger sind, wirkt auch sie nicht automatisch gegenüber einem anderen Gläubiger. Diokletians Kanzlei macht dessen Zustimmung daher zur Voraussetzung dafür, dass der Schuldner die Gegenklage aus demselben Vertragsverhältnis erheben kann: 699  D 3.5.38

Gai 3 verb obl, D 46.3.23 Pomp 24 Sab. (Fn. 156), S. 30. 701  In dem anderen Auszug aus demselben Reskript geht es um den Verbrauch von Sachen der Frau durch ihren Ehemann; vgl. CJ 5.16.17 (27. April / Honoré 1825). Ein direkter Zusammenhang zur hier behandelten Frage lässt sich schwerlich herstellen. 702  D 46.3.13 Iul 54 dig, D 46.3.12.4 Ulp 30 Sab. 700  Emunds



IV. Erlöschen von Forderungen319 CJ 4.35.14 (27. März 294 / Honoré 2252) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hermiano. Si secundum mandatum Tryphonis ac Felicis equos tua pecunia comparatos vel in solutum a proprio debitore tibi traditos uni de his utriusque voluntate dedisti, ad parendum placitis eos mandati iudicio conventos bona fides urguet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hermianus. Hast du Pferde, die du im Auftrag von Tryphon und Felix gekauft hast oder die dir von deinem eigenen Schuldner an Erfüllungs Statt übergeben worden sind, einem von beiden mit beider Willen überlassen, werden sie, mit der Auftragsklage belangt, durch das Gebot der guten Treue zur Einhaltung des Vereinbarten gezwungen.

Die Drittleistung durch einen anderen als den Schuldner beschäftigt die Kanzlei in einem der wenigen Reskripte, die aus der Zeit nach dem Codex Hermogenianus stammen und auf anderem Weg in die justinianische Kodifikation gefunden haben müssen: CJ 4.12.4 (23. Aug. 301 / Honoré 2715) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Philoterae. Cum te ideo ex persona filii tui commemores conveniri, quod pro debitis eius aliquid intulisse videaris, defensionibus tuis uti apud eum, cuius super ea re notio est, minime prohiberis, ut is ad solutionem alieni debiti urgueri te non patiatur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Philotera. Behauptest du, dass du deshalb für deinen Sohn in Anspruch genommen wirst, weil du schon etwas zur Erfüllung seiner Schulden geleistet hast, bist du keineswegs daran gehindert, dich vor demjenigen, der in dieser Sache erkennt, in der Weise zu verteidigen, dass er nicht zulässt, dass du zur Erfüllung einer fremden Schuld gedrängt wirst.

Die Frage, ob die Petentin für die Verpflichtung ihres Sohnes einzustehen hat, ergibt sich nicht aus dem Verwandtschaftsverhältnis, sondern ist dadurch provoziert, dass sie schon einen Teil der Schuld getilgt hat. Es ist keineswegs abwegig, dass der Gläubiger aus der Drittleistung auf eine Schuldübernahme schließen will. Diese kann jedoch nicht ohne Einhaltung der Stipulationsform erfolgen. Mangels Zugeständnis des Gläubigers kann nämlich kein durch eine actio praescriptis verbis bewehrter Vergleich vorliegen; und auch ein formloser Kreditauftrag kommt bei einer schon begründeten Hauptschuld nicht in Betracht. 3. Leistung an Erfüllungs Statt (datio in solutum) Die Feststellung, dass auch die Leistung durch einen Dritten wirksam ist, verbindet Diokletians Kanzlei mit einer Aussage zur Leistung an Erfüllungs Statt:703

703  Hierzu

auch Saccoccio (Fn. 673), S. 86 f.

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

CJ 8.42.17 (1. Dez. 293 / Honoré 2029) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Cassio. Manifesti iuris est tam alio pro debitore solvente quam rebus pro numerata pecunia consentiente creditore datis tolli comparatam obligationem. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Cassius. Es ist gesichertes Recht, dass man eine entstandene Verpflichtung sowohl durch die Leistung eines anderen für den Schuldner als auch durch Leistung von Sachen anstelle von Geld mit Zustimmung des Gläubigers zum Erlöschen bringt.

Fraglich ist, inwieweit Drittleistung und Leistung an Erfüllungs Statt hier nur aus Anlass des entschiedenen Falles zusammengestellt sind, in dem beide Institute relevant werden könnten, oder ob Diokletians Kanzlei nach einem übergreifenden Konzept strebt. Denkbar ist es jedenfalls im Hinblick auf die Rechtsfolge, die Diokletians Kanzlei nicht nur bei der Drittleistung, sondern auch bei einer Leistung an Erfüllungs Statt im Anschluss an die Ansicht der Sabinianer704 in einer ipso iure eintretenden Befreiung des Schuldners sieht.705 Ähnlich sind beide Arten der Leistung auch in ihrem Tatbestand, indem sie nicht ohne Zutun des Gläubigers möglich sind. Während sich dessen Mitwirkung bei der Drittleistung aber auch den Realakt des Leistungsempfangs beschränkt, bedarf es zur datio in solutum eines regelrechten Konsenses, wie er auch zur Begründung der Vertragsbindung erforderlich ist.706 Folglich erwähnt die Kanzlei den ‚creditor consentiens‘ auch nur im Fall der Leistung an Erfüllungs Statt und nicht bei der Drittleistung.707 Eine simple Folge aus dem Konsenserfordernis ist, dass der Gläubiger sich die Leistung eines anderen Gegenstands vom Schuldner nicht aufdrängen zu lassen braucht: CJ 8.42.16 (18. Okt. 293 / Honoré 1988) Impp. Diocletianus Maximianus AA. et CC. Charidemo. Eum, a quo mutuam sumpsisti pecuniam, in solutum nolentem suscipere nomen debitoris tui compelli iuris ratio non permittit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Charidemus. Das Recht gestattet nicht, dass jemand, von dem du ein Darlehen aufgenommen hast, gezwungen wird, gegen seinen Willen eine Forderung gegen deinen Schuldner an Erfüllungs Statt anzunehmen.

Der vertragliche Charakter der datio in solutum schließt aber umgekehrt auch aus, dass diese von einer Seite im Nachhinein rückgängig gemacht werden kann. Während sich dies beim Gläubiger von selbst versteht, kann 704  Gai

3.168. auch D 12.6.26.4 Ulp 26 ed, D 23.3.25 Paul 7 Sab. Vgl. auch Saccoccio (Fn. 673), S. 181 f. 706  Dies bestreitet zu Unrecht Saccoccio (Fn. 673), S. 67 ff. 707  Emunds (Fn. 156), S. 62 f. 705  Vgl.



IV. Erlöschen von Forderungen321

der Umstand, dass die Leistung an Erfüllungs Statt zumeist im Interesse des Schuldners erfolgt, zu dem Fehlschluss verleiten, er sei befugt, seine Leistung wieder zurückzufordern. Diokletians Kanzlei muss einem solchen Begehren, auf das ein Schuldner gerade in Zeiten der Geldentwertung verfallen kann, gleich zweimal die Berechtigung absprechen. Im einen Fall ist der überlieferte Text des Bescheids lakonisch: CJ 8.42.10 (9. Apr. 293 / Honoré 1783) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Ambrosio. Successores eius, qui maior quinque et viginti annis in solutum pro debito iure mancipia dedit, haec revocare non posse constat. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Ambrosius. Es steht fest, dass die Rechtsnachfolger von demjenigen, der im Alter von mehr als 25 Jahren Sklaven an Erfüllungs Statt geleistet hat, diese nicht zurückfordern können.

Im anderen verweist die Kanzlei auf die Position des Gläubigers: CJ 8.42.24 (26. Dez. 294 / Honoré 2628) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Rufino. Cum pro pecunia quam acceperas secundum placitum Evandro te fundum dedisse profitearis, eius industriam vel eventum meliorem tibi, non ipsi prodesse, contrarium non postulaturus, si minoris distraxisset, non iusta petis. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Rufinus. Da du angibst, dass du Evander für den empfangenen Geldbetrag vereinbarungsgemäß ein Grundstück überlassen hast, forderst du nicht zu Recht, dass dir und nicht ihm sein Ertrag und seine Verbesserungen zugutekommen, da er auch nicht das Gegenteil fordern könnte, wenn er es zu einem zu geringen Preis verkauft hat.

Kann der Gläubiger keine nachträgliche Anpassung der Vereinbarung verlangen, weil das an Erfüllungs Statt übereignete Grundstück nur unter dem von ihm angenommenen Wert zu veräußern war, ist es auch dem Schuldner verwehrt, den Bestand der datio in solutum aus dem Grunde in Frage zu stellen, dass der Gläubiger durch sie übermäßig bereichert ist: Mit dem con­ sensus über die datio in solutum gehen beide Seiten das Risiko eines Ungleichgewichts der Leistungsgegenstände ein. Der Gläubiger muss hinnehmen, dass die an Erfüllungs Statt erbrachte Leistung den Wert der Schuld nicht erreicht, der Schuldner sich darin fügen, dass sie ihn überschreitet. Die datio in solutum unterscheidet sich in diesem Punkt nicht von einem Kaufvertrag, den die Kanzlei schon unter Caracalla als Vorbild herangezogen hat, um eine Eviktionshaftung des Schuldners mit Hilfe einer actio utilis zu begründen:708 708  Hierzu Harke, Actio utilis, S. 197 f. – Offen gelassen sind Eigenart und Ziel der Klage dagegen in einem unter Diokletian ergangenen Reskript, wo nur von ‚repetere‘ die Rede ist; vgl. CJ 7.45.8 (vor 3. April 294 / Honoré 2269). Dass die Entscheidung zwischen der zweckdienlichen Kaufklage und der ursprünglichen Verpflichtung, zu deren Tilgung die gescheiterte datio in solutum dient, eine Frage des Einzelfalles ist,

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

CJ.8.44.4 (22. Juli 212 / Honoré 264) Imp. Antoninus A. Georgio. Si praedium tibi pro soluto datum aliis creditoribus fuerat obligatum, causa pignoris mutata non est. igitur si hoc iure fuerit evictum, utilis tibi actio contra debitorem competit. nam eiusmodi contractus vicem venditionis obtinet. Kaiser Antoninus an Georgius. War ein bebautes Grundstück, das dir an Erfüllungs Statt geleistet worden ist, anderen Gläubigern verhaftet, bleibt das Pfandrecht unberührt. Daher steht dir, wenn es aufgrund dieses Rechts entwehrt wird, eine zweckdienliche Klage gegen den Schuldner zu. Denn dieser Vertrag steht einem Kaufvertrag gleich.

Einem anderen Austauschvertrag, namentlich einer locatio conductio, steht eine datio in solutum dann nahe, wenn sie in Gestalt von Diensten eines Sklaven des Schuldners erfolgt. Vor eine besondere Schwierigkeit stellt eine solche Vereinbarung deshalb, weil sie durch Rückgewähr des zur Dienstleistung überlassenen Sklaven abgewickelt werden muss. Hierfür fehlt es an einem Klagerecht, wenn die Leistung an Erfüllungs Statt auf eine Forderung aus einem Vertrag erfolgt, die wie mutuum und stipulatio keine eigene Verpflichtung des Gläubigers vorsehen und auch nicht der Beurteilung nach der bona fides unterliegen. Gleichwohl ordnet Diokletians Kanzlei an, dass die Vereinbarung befolgt, der Sklave zurückgegeben werden muss: CJ 8.42.20 (28. Okt. 294 / Honoré 2441) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eucratidi. Si operas certi servi pecunia sumpta creditorem sibi in debitum compensare placuit, his secundum conventionis fidem praestitis de mancipio restituendo pacti tenor servari debet. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Eucratides. Ist vereinbart worden, dass der Gläubiger Dienste eines bestimmten Sklaven auf die Schuld anrechnet, muss, wenn die Dienste entsprechend dem Vertrag geleistet worden sind, auch der Pakt über die Rückgabe des Sklaven eingehalten werden.

Umsetzen lässt sich diese Anordnung wiederum nur im Wege einer actio utilis, auf die auch Caracallas Kanzlei im Fall eines Rechtsmangels zurückgegriffen hat. Ihre Grundlage bildet die Einsicht in die Vertragsnatur der datio in solutum. Kommt sie durch Konsens zustande, bedeutet sie ein pac­ tum, das nicht nur in Ergänzung eines anerkannten Vertrags, sondern auch für sich Geltung erheischt. Es weist nicht nur eine zufällige Ähnlichkeit zu Kaufvertrag und Verdingung auf, sondern ist ganz unabhängig vom Gegenstand der Leistung stets auch einem Innominatkontrakt vergleichbar, der mit einer actio praescriptis verbis bewehrt ist.

glaubt Saccoccio, Compravendita e datio in solutum, in: Garofalo (Fn. 326), Bd. 1, S.  629, 646 ff.



IV. Erlöschen von Forderungen323

4. Hinterlegung als Erfüllungssurrogat Dass ein Schuldner die endgültige Befreiung von seiner Verbindlichkeit nicht nur durch Leistung, sondern nach deren erfolglosem Angebot auch durch Hinterlegung des Leistungsgegenstands in versiegelter Form erreichen kann, spricht die kaiserliche Kanzlei schon kurz nach Diokletians Regierungsantritt aus:709 CJ 8.42.9 (11. Mai 286 / Honoré 1493) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Cassio. Obsignatione totius debitae pecuniae sollemniter facta liberationem contingere manifestum est. sed ita demum oblatio debiti liberationem parit, si eo loco, quo debetur solutio, fuerit celebrata. Kaiser Diokletian und Maximian an Cassius. Es ist offensichtlich, dass die förm­ liche Versiegelung und Hinterlegung des gesamten Schuldbetrags die Befreiung zeitigt. Aber ein Angebot bewirkt nur dann die Befreiung von der Schuld, wenn es dort geschehen ist, wo die Erfüllung geschuldet wurde.

Unter denselben Voraussetzungen will sie auch eine Pfandbefreiung eintreten lassen: CJ 4.24.10 (7. Mai 293 / Honoré 1878) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Apollodorae. Nec creditores nec qui his successerunt adversus debitores pignori quondam res nexas petentes, reddita iure debita quantitate vel his non accipientibus oblata et consignata et deposita, longi temporis praescriptione muniri possunt. (1) Unde intellegis, quod, si originem rei probare potes, adversario tenente vindicare dominium debeas. (2) Ut autem creditor pignoris defensione se tueri possit, extorquetur ei necessitas probandi debiti vel, si tu teneas, per vindicationem pignoris hoc idem inducitur et tibi non erit difficilis vel solutione vel oblatione atque sollemni depositione pignoris liberatio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Apollodora. Weder Gläubiger noch ihre Erben können gegenüber Schuldnern, die verpfändete Sache herausverlangen, nachdem die geschuldete Summe gehörig geleistet oder, wenn die Gläubiger sie nicht annehmen, angeboten, versiegelt und hinterlegt worden ist, sich mit dem Einwand der langen Zeit verteidigen. (1) Daher verstehst du, dass du, wenn du die Herkunft der Sache nachweisen kannst, dein Eigentum von deinem im Besitz befindlichen Gegner herausverlangen musst. (2) Damit aber der Gläubiger sich mit dem Einwand der Verpfändung schützen kann, wird ihm die Beweislast für die Schuld auferlegt; oder es läuft, wenn du dich im Besitz befindest, bei der Herausgabeklage des Pfandgläubigers auf dasselbe hinaus; und es wird dir nicht schwerfallen, entweder die Erfüllung oder das Angebot und die Befreiung des Pfandes durch förmliche Hinterlegung nachzuweisen.

Diese Entscheidung wird in einer anderen Konstitution bestätigt710 und in zwei weiteren darauf zurückgeführt, dass das prätorische Edikt die Pfandbe709  Von einer Interpolation geht insoweit Nitschke, Die Hinterlegung der geschuldeten Leistung im römischen Recht, SDHI 24 (1958) 112, 194 ff. aus. 710  CJ 8.13.20 (15. Jan. 294 / Honoré 2135).

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

freiung von einem Alternativtatbestand abhängig macht711: Entweder muss der Schuldner die gesicherte Forderung durch Erfüllung tilgen, oder es muss am Gläubiger liegen, dass die Erfüllung ausbleibt. Hierfür genügt eigentlich, dass der Gläubiger die ihm vom Schuldner ordentlich angebotene Leistung nicht annimmt. Indem sie zusätzlich die Versiegelung und Hinterlegung der Leistung fordern, suchen Diokletians Juristen den Anschluss an zwei unter Gordian ergangene Bescheide, die einen Pfandverkauf durch den Gläubiger unter diesen Umständen für unwirksam erklären.712 Deren Vorbild ist vermutlich wiederum eine Entscheidung Caracallas, die zwar auch eine pfandbesicherte Forderung, aber eine ganz andere Rechtsfrage betrifft, nämlich ob der Schuldner zur Zahlung von Zinsen verpflichtet ist:713 CJ 4.32.6 (11. Feb. 212 / Honoré 242) Imp. Antoninus A. Antigono militi. Si creditrici, quae ex causa pignoris obligatam sibi rem tenet, pecuniam debitam cum usuris testibus praesentibus obtulisti eaque non accipiente obsignatam eam deposuisti, usuras ex eo tempore quo obtulisti praestare non cogeris. absente vero creditrice praesidem super hoc interpellare debue­ras. Kaiser Antoninus an den Soldaten Antigonus. Hast du deiner Gläubigerin, die eine ihr verpfändete Sache innehat, den geschuldeten Betrag mit Zinsen vor Zeugen angeboten und ihn, da sie ihn nicht annahm, versiegelt hinterlegt, wirst du ab dem Moment des Angebots nicht zur Zinszahlung gezwungen. Ist die Gläubigerin abwesend, musstest du freilich den Provinzstatthalter angehen.

Der Zinslauf soll enden, wenn der Schuldner die ihm obliegende Leistung versiegelt und hinterlegt hat, nachdem er sie dem Gläubiger angeboten oder sich dessen Abwesenheit vom Provinzstatthalter hat bestätigen lassen. Diese Rechtsfolge ist schon bei Papinian anerkannt714 und Gegenstand eines weiteren Reskripts von Caracalla. Es hat keinen Bezug zu einer Verpfändung und stellt heraus, dass mit Versiegelung und Hinterlegung insbesondere eine vertraglich vereinbarte Verzinsung unterbrochen wird, nicht nur die Verpflichtung zur Zahlung von Straf- oder Verzugszinsen, die schon mit dem erfolglosen Angebot endet:715

711  CJ 8.30.3 (10. Okt. 293 / Honoré 1978); CJ 4.32.19.2 (vor 15. Juli 294 / Honoré 2347), s. o. S. 301. 712  CJ 8.27.8 (3. April 239 / Honoré 1013), CJ 8.28.2 (3. Aug. 239 / Honoré 1039); vgl. hierzu Nitschke, SDHI 24 (1958) 112, 158 ff. und Vigneron, Offere aut deponere, Lüttich 1979, S. 195 ff. 713  Daher liegt entgegen Vigneron (Fn. 712), S. 195 auch kein Widerspruch zur Pfandbefreiung durch bloßes Angebot vor. 714  D 22.1.7 Pap 2 resp. 715  Hierzu Nitschke, SDHI 24 (1958) 112, 139 und Vigneron (Fn. 712), S. 193.



IV. Erlöschen von Forderungen325 CJ 4.32.9 (nach 5. Okt. 215 / Honoré 448) Imp. Antoninus Canio Probo. Si per te non stetit quominus intra tempora praefinita pecuniam minorum usurarum solveres, sed per tutores filiorum creditoris, qui eam accipere noluerunt, idque apud iudicem datum probaveris, eius temporis, quo per te non stetisse apparuerit, usurae maiores non exigentur. quod si etiam sortem deposuisti, exinde, ex quo id factum apparuerit, in usuras non convenieris. Kaiser Antoninus an Canius Probus. Hat es nicht an dir gelegen, dass du nicht innerhalb der festgesetzten Zeit den zu niedrigeren Zinsen aufgenommenen Betrag gezahlt hast, sondern an den Vormündern der Söhne des Gläubigers, die ihn nicht annehmen wollten, und kannst du dies vor dem zuständigen Richter beweisen, können die höheren Zinsen für die Zeit, in der es erwiesenermaßen nicht an dir gelegen hat, nicht erlangt werden. Hast du die Valuta aber auch hinterlegt, kannst du von dem Zeitpunkt, in dem du dies erwiesenermaßen getan hast, nicht auf die Zinsen belangt werden.

Erweist sich die Verknüpfung von Pfandbefreiung und Hinterlegung unter Gordian damit eher als Zufallsprodukt, wenn nicht gar Missverständnis der älteren Kaiserrechtsprechung, kann die hierdurch angeregte Lösung der diokletianischen Kanzlei doch für sich in Anspruch nehmen, konsequent zu sein. Indem sie die Versiegelung und Hinterlegung zum durchgängigen Kriterium für schuldnerfreundliche Rechtsfolgen macht, schafft sie ein einheitliches Regime und findet mit der liberatio auch ein passendes dogmatisches Konzept. So gelingt es ihr, das unstimmige Regime des klassischen Rechts zu überwinden. Hier blieb unerklärlich, warum ein Schuldner schon durch das bloße Angebot der Leistung die Befreiung eines Pfandrechts erreichen konnte, während eine Bürge unter diesen Umständen verpflichtet blieb und sowohl er als auch der Hauptschuldner noch bis zu einer Versiegelung und Hinterlegung Zinsen leisten mussten? Der Schuldner muss sich das Ausbleiben der Leistung entweder zurechnen lassen und daher in jeder Hinsicht verhaftet bleiben; oder er wird, weil die Nichtleistung außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegt, ihrer nachteiligen Folgen vollständig enthoben. Einfach abzuleiten ist seine Erleichterung, wenn man den auslösenden Tat­ bestand einer Erfüllung durch Leistung gleichstellt. Voraussetzung ist freilich, dass der Schuldner sich des Leistungsgegenstandes begibt und der Gläubiger den Zugriff auf ihn erlangt. Dies gewährleistet die Hinterlegung der Leistung in jeder Hinsicht, seitdem sich Diokletians Kanzlei für einen automatischen Übergang des Herausgabeanspruchs vom Schuldner auf den Gläubiger im Wege einer actio utilis entscheidet.716 So entsteht ein schlüssiges und zugleich schlichtes Gesamtkonzept der Schuldnerentlastung infolge eines fruchtlosen Angebots, das fortan als weiterer Befreiungstatbestand etabliert ist.

716  CJ 4.32.19.4

(vor 15. Juli 294 / Honoré 2347); s. o. S. 301.

326

4. Kap.: Übergreifende Strukturen

V. Aufrechnung (compensatio) Anders als die Hinterlegung erkennen Diokletians Juristen die Aufrechnung nicht als einen Grund an, aus dem eine Forderung regelrecht erlischt. Dies zeigt CJ 4.31.13 (nach 16. Dez. 294 / Honoré 2663): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Basso. Si velut in id debitum, quod sollemnium publicarum pensitationum debueras nomine, compensaturo tibi nihil petiturum postea Muciano scripsisti, redditis quae venerant in compensationem non indebiti soluti repetitio, sed ante debiti competit exactio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelius Bassus. Hast du Mucianus, als er mit der Schuld aufrechnen wollte, die dich wegen einer förmlichen öffentlichen Abgabe traf, später geschrieben, dass du keine Forderung erheben würdest, so steht nach Zahlung des Aufrechnungsbetrags nicht die Rückforderung wegen Zahlung auf eine Nichtschuld, sondern die Klage auf das früher Geschuldete zu.

Der Fall, dem diese Entscheidung gilt, ist nicht leicht zu rekonstruieren: Anscheinend hat der im Reskript erwähnte Mucianus eine Forderung gegen den Petenten Aurelius Bassus, weil er dessen Abgabenschuld getilgt hat. Der Grund dieses Anspruchs, der sich etwa aus Mandat oder negotiorum gestio ergeben kann,717 bleibt ebenso offen wie die Eigenart der Gegenforderung, die Aurelius Bassus in einem Brief an Mucianus zur Aufrechnung gestellt hat. Sicher ist, dass eine der beiden Forderungen später durch Leistung erloschen ist.718 Vermutlich ist es der Anspruch von Mucianus gegen Aurelius Bassus; denn die Entscheidungsformel, in der die Kanzlei eine Klage verheißt, richtet sich trotz ihrer unpersönlichen Fassung wahrscheinlich an den Petenten, der sich danach erkundigt hat, ob und welcher Rechtsbehelf ihm zur Verfügung steht. Hat er ungeachtet seines früher geäußerten Wunschs nach Aufrechnung später an Mucianus geleistet, stellt sich die Frage, ob diese Zuwendung ins Leere ging, weil die Forderung, die so erfüllt werden sollte, schon erloschen war; in diesem Fall wäre die einschlägige Klage die condictio indebiti. Die Kanzlei hält nicht sie, sondern das alte Klagerecht des Petenten für gegeben. Es ist durch die Aufrechnung nicht endgültig verlorengegangen, sondern nur im Wege der exceptio doli gehemmt, die ihrerseits mit Erfüllung der gegenläufigen Forderung weggefallen ist. Sperrt die exceptio doli den Anspruch nicht dauerhaft, sondern nur in Abhängigkeit von der Existenz einer Gegenforderung, bedeutet dies auch, dass sie keiner Erklärung oder Ausübung im Prozess bedarf, sondern automatisch 717  Anders Taubenschlag, S. 79 Fn. 625, der hier ein Aufrechnungsverbot bei öffentlich-rechtlichen Forderungen ausgesprochen sieht. 718  Dies wäre nicht der Fall, wenn man mit Pichonnaz (Fn. 234), Rn. 907 annimmt, der Fragesteller habe seine Abgabenschuld im Nachhinein selbst beglichen.



V. Aufrechnung327

ab dem Moment zuständig ist, in dem sich die beiden Ansprüche gegenüberstehen. Dies bildet die Grundlage älterer Entscheidungen, in denen die kaiserliche Kanzlei eine Verzinsung von Forderungen ab dem Moment verneint hat, in dem der Schuldner über eine aufrechenbare Gegenforderung verfügt. Ein erster Bescheid dieses Inhalts ist nach dem Bericht Ulpians schon unter Septimius Severus ergangen.719 Aus der Zeit von Severus Alexander ein im justinianischen Codex überliefertes Reskript, in dem das Ende des Zinslaufs darauf zurückgeführt wird, dass die Aufrechnung automatisch erfüllungsgleiche Wirkungen zeitige:720 CJ 4.31.4 (15. Sep. 229 / Honoré 817) Imp. Alexander A. Flavio et Luciano. Si constat pecuniam invicem deberi, ipso iure pro soluto compensationem haberi oportet ex eo tempore, ex quo ab utraque parte debetur, utique quoad concurrent quantitates, eiusque solius, quod amplius apud alterum est, usurae debentur, si modo petitio earum subsistit. Kaiser Alexander an Flavius und Lucianus. Steht fest, dass etwas gegenseitig geschuldet wird, muss die Aufrechnung von selbst wie die Erfüllung ab dem Zeitpunkt eintreten, ab dem von beiden Seiten geschuldet wurde, und soweit sich die Beträge decken; und nur von dem Betrag, der einem mehr zusteht, werden Zinsen geschuldet, falls sie überhaupt gefordert werden können.

Dass sich bei Forderungen ungleicher Höhe der zinsträchtige Anspruch auf den Betrag reduziert, um den die eine Forderung die andere übersteigt, bestätigt die Kanzlei noch in einer wenig später erlassenen Konstitution sowie unter Philippus Arabs: CJ 4.31.5 (zwischen 15. Sep. und 16. Nov. 229 / Honoré 822) Imp. Alexander A. Honoratae. Etiam si fideicommissum tibi ex eius bonis deberi constat, cui debuisse te minorem quantitatem dicis, aequitas compensationis usurarum excludit computationem, petitio autem eius, quod amplius tibi deberi probaveris, sola relinquitur. Kaiser Alexander an Honorata. Auch wenn feststeht, dass dir ein Fideikommiss aus dem Vermögen desjenigen geschuldet ist, dem du, wie du behauptest, einen geringeren Betrag schuldest, schließt das Recht der Aufrechnung den Zinslauf aus; es bleibt aber allein die Forderung dessen, was dir erweislich mehr geschuldet ist. CJ 8.42.7 (27. Juli 244 / Honoré 1226) Imp. Philippous A. et Philippous C. Antiocho. Eius quantitatis, cuius petitionem ratio compensationis excludit, usuram non posse reposci manifestum est. Kaiser Philipp und Cäsar Philipp an Antiochus. Es ist offensichtlich, dass von dem Betrag, dessen Forderung eine Aufrechnung ausschließt, keine Zinsen gefordert werden können.

Ulp 32 ed; hierzu Pichonnaz (Fn. 234), Rn. 262. (Fn. 234), Rn. 498 glaubt, es gehe hier um agere cum compensa­ tione eines argentarius. 719  D 16.2.11

720  Pichonnaz

328

4. Kap.: Übergreifende Strukturen

Spätestens unter Diokletian setzt sich die Auffassung durch, dass die ex­ ceptio doli, mit der die Aufrechnung geltend gemacht wird, im Streitfall nicht mehr zur vollständigen Klageabweisung führt, sondern eine Reduktion der Klageforderung auf die Differenz zur Gegenforderung bewirkt.721 Besonders deutlich sind insoweit die Paulussentenzen, die den Effekt der Aufrechnung als ‚compensare vel deducere‘ bezeichnen. Ansatzweise kommt es aber auch in einer Entscheidung von Diokletians Kanzlei zum Ausdruck, die von der Schuld eines Überrestes (‚quid amplius debere‘) spricht: CJ 4.31.12 (16. Dez. 294 / Honoré 2582) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Lucio Corneliano. Invicem debiti compensatione habita, si quid amplius debeas, solvens vel accipere creditore nolente offerens et consignatum deponens de pignoribus agere potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Lucius Cornelianus. Schuldest du infolge der Aufrechnung der beiderseitigen Schulden noch einen Überschuss, kannst du, indem du leistest oder bei Annahmeverweigerung durch den Gläubiger versiegelst und hinterlegst, wegen der Pfandsachen klagen.

Diese Wirkungsweise, die Justinian später als ‚ipso iure‘ eintretenden Effekt der Aufrechnung bezeichnet,722 bedeutet keineswegs einen Bruch mit dem Grundansatz, dass die Aufrechnung im Wege einer exceptio doli wirkt.723 Nur im klassischen Formularprozess ist diese Einrede auf ihre Erhebung im Prozess angewiesen und kann als Rechtsfolge auch ausschließlich die Abweisung der Klage zeitigen, sofern der Kläger den Gegenanspruch nicht vorsichtshalber bei der Bemessung der Klageforderung in Abzug gebracht hat. Im Kognitionsverfahren, auf das sich die kaiserlichen Bescheide von Beginn an bezogen haben können und sicher bei Diokletian beziehen,724 ist die ex­ ceptio doli dagegen vom prozessualen Instrument zum materiellrechtlichen Einwand mutiert. Als solcher muss sie eine Forderung ab dem Moment sperren, in dem sich die beiden Forderungen gegenübertreten,725 und kann diese Wirkung auch teilweise, nämlich insoweit entfalten, als sie sich decken. Knüpft die Aufrechnung an die gegenseitige Zuständigkeit der Forderungen an, kann nichts anderes für ein pactum gelten, in dem sich die Parteien auf eine Verrechnung ihrer gegenseitigen Ansprüche verständigen. Dient es etwa dazu, den vereinbarten Kaufpreis um einen Betrag herabzusetzen, von dem die Parteien annehmen, dass der Verkäufer ihn dem Käufer schuldig ist, hierzu Pichonnaz (Fn. 234), Rn. 873. 4.6.30, CJ 4.31.14pr (1. Nov. 531). 723  Unangebracht ist daher ein Interpolationsverdacht, wie ihn noch Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 2, S. 448 äußert; hiergegen auch schon Schnebelt, S.  161 f. 724  Hierauf verweisen auch Schnebelt, S. 162 und Pichonnaz (Fn. 234), Rn. 871. 725  Dies ist entgegen Taubenschlag, S. 163 f. gerade keine Aufrechnung durch einseitige außergerichtliche Erklärung. 721  PS 2.5.3; 722  IJ



V. Aufrechnung329

bleibt die Abrede wirkungslos, wenn diese Forderung in Wahrheit nicht besteht. Der Verkäufer kann dann die Zahlung des gesamten Kaufpreises verlangen. Diokletians Kanzlei bescheinigt dies dem Erben eines Käufers, der sich gegen seine Inanspruchnahme mit der Begründung verteidigt, der in der Vertragsurkunde ausgewiesene Kaufpreis liege über dem Betrag, der nach der Vereinbarung in Wirklichkeit gezahlt werden sollte. War der Käufer mit dieser Überverbriefung einverstanden, kann sein Erbe nicht den Vorwurf des dolus erheben; und behauptet er, der Kaufpreis sei abredegemäß um eine Gegenforderung herabzusetzen, dringt er hiermit nur durch, wenn das pac­ tum nicht auf der Fehlvorstellung über die Gegenforderung beruht: CJ 4.44.11 (zwischen 18. Dez. 293 und 18. Dez. 294 /  Honoré 2590) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aureliae Magnae. Venditor factum emptoris, quod eum tempore contractus latuit, post arguendo, non qui eo tempore scierit, quo id ageretur, et consensit, de dolo queri potest. (1) Igitur cum patrem tuum, ut maius comprehenderetur instrumento pretium, quam rei quae distrahebatur esse convenerat, consensisse profitearis, propter hoc solum de circumscriptione frustra queritur. (2) Sane si placitum pretium non probetur solutum vel in quantitatem debiti per errorem facti compensari cautum fuit, hoc reddi recte postulatur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aurelia Magna. Ein Verkäufer kann den Vorwurf der Arglist unter Berufung auf ein Verhalten des Käufers erheben, das zur Zeit des Vertragsschlusses verborgen war, nicht aber wegen eines Verhaltens, das er kannte und billigte. (1) Daher wird, wenn dein Vater, wie du zugestehst, zugestimmt hat, dass in der Urkunde ein höherer Preises als der für den Kauf der Sache vereinbarte angegeben wird, deshalb vergeblich der Vorwurf der Hintergehung erhoben. (2) Wird freilich die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises nicht bewiesen oder ist aufgrund eines Tatsachenirrtums vereinbart worden, dass er mit einer Schuld aufgerechnet wird, wird die Forderung zu Recht erhoben.

Mit einem vergleichbaren Fall hat sich die Kanzlei schon unter Valerian und Gallienus befasst:726 CJ 4.49.2 (15. März 259 / Honoré 1347) Impp. Valerianus et Gallienus et Valerianus C. Flavio Domitiano. Venditi actionem ad recipiendum residuum pretium intendere adversario tuo poteris. (1) Nec quod in compensationem venerit, quasi et tu invicem deberes, id obesse tibi poterit, si in bonae fidei contractu, in quo maiores etiam viginti quinque annis officio iudicis in iis quae dolo commissa sunt adiuvantur, iusto errore te ductum vel fraude adversarii captum, quasi debitum id esset, quod re vera non debebatur, pepigisse monstraveris. (2) Fructus quoque perceptos ante venditionem contractam, quos, cum venditioni non accessissent, eundem emptorem invasisse proponis, eodem iudicio reposces. Kaiser Valerianus und Gallienus und Cäsar Valerianus an Flavius Domitianus. Du kannst die Verkäuferklage zum Einzug des restlichen Kaufpreises anstellen. 726  Dass es hier um eine Aufrechnung durch pactum geht, nehmen auch Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, S. 647 Fn. 28 und Schnebelt, S. 51 ff. an.

330

4. Kap.: Übergreifende Strukturen

(1) Und was als von dir geschuldet zur Aufrechnung gestellt worden ist, kann dir nicht schaden, wenn du dartust, dass du in einem vom Gebot der guten Treue bestimmten Vertrag, bei dem auch diejenigen, die älter als 25 Jahre sind, kraft richterlicher Amtspflicht gegen arglistige Taten geschützt werden, durch einen entschuldbaren Irrtum oder die Hinterlist des Gegners verleitet worden bist, als geschuldet anzuerkennen, was in Wahrheit nicht geschuldet wurde. (2) Die vor dem Verkauf gezogenen Früchte, von denen du vorträgst, dass derselbe Käufer sie, obwohl sie nicht vom Verkauf umfasst waren, an sich gebracht hat, forderst du mit derselben Klage zurück.

Dass der Irrtum über den Bestand der zur Aufrechnung gestellten Forderung beachtlich ist, folgt schlicht daraus, dass die Parteien mit ihrem pactum nur die Rechtsfolgen der gewöhnlichen Aufrechnung nachvollziehen wollen: Tritt diese nicht ein, wenn eine der zu verrechnenden Forderungen nicht existiert, kann nichts anderes für eine entsprechende Vereinbarung gelten.

VI. Durchsetzung einer Forderung Im untersuchten Reskriptencorpus gibt es eine kleine Gruppe von Entschei­ dungen, deren Thema die zwangsweise Durchsetzung des Gläubigerrechts ist. Dass sie nicht durch Selbsthilfe, sondern nur auf dem Rechtswege erfolgen darf, stellt Diokletians Kanzlei an einer Stelle fest, indem sie dem Gläubiger den Einsatz körperlichen Zwangs untersagt: CJ 4.10.9 (13. Feb. 294 / Honoré 2199–2200) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Glyconi. Negantes debitores non oportet armata vi terreri: sed petitore quidem non implente suam intentionem vel exceptione submoto absolvi, convictos autem condemnari ac iuris remediis ad solutionem urgueri convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Glycon. Schuldner, die ihre Verpflichtung leugnen, dürfen nicht mit Waffengewalt bedroht werden; anerkanntermaßen sind sie vielmehr, wenn der Kläger die Voraussetzungen seines Begehrens nicht dartun kann oder durch eine Einrede überwunden ist, freizusprechen oder, wenn sie überführt sind, zu verurteilen und auf dem Rechtsweg zur Leistung zu drängen.

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Selbsthilfe, gegen die sich die Kanzlei wendet, eine abweichende Rechtsvorstellung727 und nicht schlicht Rechtsungehorsam zugrunde liegt. Eine ordnungsgemäße Vollstreckung kann dagegen nicht am Alter des Schuldners scheitern und sich auch gegen ein Mündel richten: CJ 4.16.4 (22. Nov. 293 / Honoré 2011) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Crispo. Sub praetextu aetatis pupilli debitoris hereditarii creditorum exactionem differri non posse nimis evidens est. 727  So

Mitteis, S. 457.



VI. Durchsetzung einer Forderung331 Unde cum te tutorem proponas, quemadmodum a pupillis creditoribus satisfiat, eniti debes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Crispus. Es ist allzu offensichtlich, dass unter Berufung auf das Alter eines zum Erbschaftsschuldner gewordenen Mündels die Forderung der Gläubiger nicht aufgehalten werden kann. Daher musst du, da du vorträgst, Vormund zu sein, dich bemühen, die Gläubiger deiner Mündel zu befriedigen.

Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass die Kanzlei hier fremden Rechtsvorstellungen, etwa aus dem talmudischen Recht,728 begegnet. Ebenso gut könnte die Annahme, gegen ein Mündel dürfe nicht vollstreckt werden, auf einem Fehlschluss aus der rechtlichen Position eines Hauskindes beruhen, das zwar eine Verpflichtung eingehen kann, aber als gewaltabhängige Person nicht der Exekution unterworfen ist. Wie ein Schuldner vorzeitig zum Schutz einer Fiskalforderung belangt werden kann, zeigt die folgende Entscheidung: CJ 4.9.1 (20. Juli 294 / Honoré 1748) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Ulpio. Licet ante tempus debita exigi non possunt, tamen si te ex primipilo debitorem fisci constitutum ac patrimonium tuum exhaustum praeses provinciae compererit, ut ad solutionis securitatem solum fenebris pecuniae subsidium superesse videatur, commonebit debitorem tuum, si saltem ipse solvendo sit, ut ante definitum tempus debita tibi repraesentet, ut fisco, cuius ob necessitates publicas causam potiorem esse oportet, debita pecunia exsolvatur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Ulpius. Obwohl Schulden vor Fälligkeit nicht eingefordert werden können, soll doch der Provinzstatthalter, wenn er feststellt, dass du aus deinem Primipilaramt Schuldner des Fiskus geworden bist und dein Vermögen erschöpft ist, so dass zur Sicherung der Forderung nur noch Darlehensforderungen übrigbleiben, deinen Schuldner, falls er hinreichend solvent ist, dazu anhalten, dir vor dem Termin zu leisten, damit die Geldschuld gegenüber dem Fiskus erfüllt wird, der wegen des öffentlichen Nutzens den Vorrang genießen muss.

Ist der Gläubiger seinerseits Schuldner des Fiskus, kann dieser nicht nur die Forderung verwerten, sondern den Schuldner sogar, wenn es seine Vermögensverhältnisse erlauben, zur Leistung vor Fälligkeit anhalten. Dass ein solches Vorgehen aber davon abhängt, dass der Gläubiger ansonsten nicht zur Leistung fähig ist, betont Diokletians Kanzlei noch an einer anderen Stelle: CJ 4.15.4 (20. April 293 / Honoré 1814) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Zosimo. Non prius ad eos, qui debitoribus fisci nostri sunt obligati, actionem fiscalem extendi oportere, nisi patuerit principales reos idoneos non esse, certissimi iuris est. 728  So Yaron, RIDA 11 (1964) 281  ff., Kaser, Das römische Privatecht, Bd. 2, S. 541 Fn. 3.

332

4. Kap.: Übergreifende Strukturen

Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Zosimus. Es ist ausgemachtes Recht, dass die Fiskalklage nicht eher auf diejenigen ausgedehnt werden kann, die den Schuldnern unseres Fiskus verpflichtet sind, als sich nicht ergibt, dass die Hauptschuldner insolvent sind.

Vermutlich steht die erleichterte Inanspruchnahme der Drittschuldner auch nach wie vor unter dem von Gordian aufgestellten Erfordernis, dass die Verpflichtung unstreitig ist: CJ 4.15.3 (27. Jan. 240 / Honoré 1077) Imp. Gordianus Primiano. Si debitum non infitiantur hi, quos obnoxios debitoribus fisci esse proponis, potest videri non esse iniquum quod desideras, ut ad solutionem per officium procuratoris compellantur. nam si quaestio aliqua refertur, id concedi non oportere et ipse perspicis. Kaiser Gordian an Primianus. Bestreiten diejenigen, die, wie du vorträgst, den Schuldnern des Fiskus verpflichtet sind, ihre Schuld nicht, kann es nicht als ungerecht erscheinen, was du verlangst, nämlich dass sie durch den Vertreter des Fiskus zur Erfüllung gezwungen werden. Denn wenn irgendein Streit entsteht, siehst du ein, dass dies nicht zugelassen werden darf.

Einen speziellen Bezug auf das Fiskalrecht hat erkennbar auch die folgende Entscheidung: CJ 4.12.3 (11. Sept. 293 / Honoré 1956) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Carpophoro. Cum te possessiones non in dotem pro filia tua dedisse, sed ad sustentandam eam extra dotis causam filiae tuae praedia adsignasse proponas, civilium munerum vel onerum municipalium obtentu ex persona mariti eius, quomodo matres ex persona filiorum interpellari non possunt, cum neque maritum pro uxoris obligatione conveniri posse constat, nisi ipse pro ea se obnoxium fecit. certissimum enim est ex alterius contractu neminem obligari. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Carpophorus. Da du vorbringst, dass du deiner Tochter nicht nur Besitzungen als Mitgift überlassen, sondern ihr auch getrennt von der Mitgift zu ihrem Unterhalt Hausgrundstücke zugewiesen hast, können sie unter Behauptung öffentlicher Abgaben oder gemeindlicher Lasten des Ehemannes ebenso wenig beansprucht werden wie Mütter für ihre Söhne, da auch ein Ehemann nicht wegen der Verpflichtungen seiner Frau belangt werden kann, wenn er sich nicht selbst für sie verbindlich gemacht hat. Es steht nämlich überaus fest, dass niemand aus dem Vertrag eines anderen verpflichtet wird.

Zwar schließt das Reskript mit dem Grundsatz, dass man nicht aufgrund eines Vertrags haftet, den ein anderer eingegangen ist. Dies scheint jedoch nur als Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der konkreten Frage zu sein, ob eine Ehefrau für die Abgabenschuld ihres Mannes einzustehen hat. Die Kanzlei verneint dies ebenso wie die Haftung einer Mutter für ihre Kinder. Gegen die vergleichbare Inanspruchnahme eines Vaters für seinen Sohn wendet sie sich in einer weiteren Konstitution:



VI. Durchsetzung einer Forderung333 CJ 4.13.3 (bis 18. Feb. 294 /  Honoré 2202) Impp. Diocletianus, Maximianus AA. et CC. Theogenes. Si filius familias invito patre decurio creatus fuerit, pro eo patrem inquietari non posse iure manifestissimo cautum est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Theogenes. Das Recht sieht offensichtlich vor, dass, wenn ein Haussohn gegen den Willen seines Vaters zum Dekurion gemacht worden ist, an seiner Stelle nicht der Vater behelligt werden kann.

Und gleich in zwei Bescheiden versagt sie den Zugriff auf das Vermögen eines Sohnes wegen der Abgabenschuld seines Vaters: CJ 4.13.2 (25. Jan 286 / Honoré 1462) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Neoterio et Eutolmio. Ne contra iuris auctoritatem ab eo, qui patrem vestrum, a quo emancipatos vos dicitis, ad munus civile devocaverat, inquietemini, praeses provinciae providebit. Kaiser Diokletian und Maximian an Neoterius und Eutolmius. Der Provinzstatthalter sorgt dafür, dass ihr nicht entgegen dem Recht von demjenigen behelligt werdet, der euren Vater, von dem ihr, wie ihr behauptet, aus der Gewalt entlassen seid, zu einer öffentlichen Abgabe herangezogen hat. CJ 4.13.4 (18. Feb. 294 / Honoré 2207) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Achaeo. Patris nomine superstitis filium nec munerum civilium nec debiti causa personali posse conveniri constat actione. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Achaeus. Es steht fest, dass ein Sohn wegen seines Vaters zu dessen Lebzeiten weder wegen öffentlicher Abgaben noch wegen einer persönlichen Schuld mit einer Klage belangt werden kann.

Allerdings erwähnt das zweite Reskript neben der Abgabenschuld auch eine persönliche Verpflichtung und meint damit wohl eine Verbindlichkeit, wie sie aus Vertrag entsteht. Ebenso wie bei dem Bescheid zur Haftung einer Ehefrau scheint diesem Hinweis jedoch, wenn er nicht ohnehin einer späteren Verallgemeinerung des Tenors geschuldet ist, nur begründende Funktion zu haben, während sich die Entscheidung selbst auf die Haftung für öffent­ liche Abgaben bezieht. Eindeutig auf eine Fiskalforderung bezieht sich denn auch eine weitere Konstitution, mit der die Kanzlei wiederum die Inanspruchnahme einer Ehefrau wegen einer Schuld ihres Mannes untersagt: CJ 4.12.2 (3. Sept. 287 / Honoré 1535) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Terentiae. Ob maritorum culpam uxores inquietari leges vetant. proinde rationalis noster, si res quae a fisco occupatae sunt dominii tui esse probaveris, ius publicum sequetur. Kaiser Diokletian und Maximian an Terentia. Unsere Gesetze verbieten es, Ehefrauen wegen des Verschuldens ihrer Ehemänner zu behelligen. Daher soll unser Verwalter, wenn du nachweist, dass die vom Fiskus beschlagnahmten Sachen dein Eigentum sind, das öffentliche Recht befolgen.

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4. Kap.: Übergreifende Strukturen

Betreffen sämtliche Entscheidungen, in denen sich die Kanzlei mit einer möglichen Haftung von Ehegatten und Verwandten für die Schuld eines ­anderen befasst, Verpflichtungen gegenüber der öffentlichen Hand, können sie schwerlich Zeugnis von einer volksrechtlichen, gar altbabylonisch-assyrischen, Auffassung von der Mithaftung von Angehörigen sein.729 Ihren Grund haben sie stattdessen in der Fehlannahme eines Privilegs für Ansprüche hoheitlicher Gläubiger, die angesichts des von der Kanzlei eigens bestätigten Rechts zum Zugriff auf Schuldner des Abgabenpflichtigen auch gar nicht verwundert.

729  So

aber Taubenschlag, S. 141 Fn. 998.

5. Kapitel

Ergebnis I. Probleme der Rechtspraxis Entscheidungen, die verglichen mit der klassischen Rechtsliteratur auf den ersten Blick banal erscheinen, sind es zumeist nicht. Soweit sich die konkreten Fälle, auf die sie sich beziehen, rekonstruieren lassen, erkennt man rasch, dass sich die Lösung regelmäßig keineswegs von selbst versteht: Bei den Bescheiden zur aquilischen Haftung geht es zuweilen um Grundstücke, deren Eignung als Tatobjekt einer Sachbeschädigung jedenfalls dann nicht unmittelbar einzusehen ist, wenn statt Gebäuden Pflanzen und Wasserläufe beschädigt sind, deren Zerstörung den Boden unberührt lässt. Die Konstitutionen zum furtum gelten, sofern sie die Verwirklichung des Deliktstatbestands betreffen, nicht dem klassischen Fall des Diebstahls, sondern Konstellationen, in denen es nicht zu einer Wegnahme kommt, namentlich der Unterschlagung, der Hehlerei und der Annahme einer nichtgeschuldeten Leistung. Was die Rechtsfolgen anbelangt, wird die Kanzlei mit dem Problem der Konkurrenz von pönaler und sachverfolgender Klage befasst. Es stellt die Rechtspraxis gerade in Dreipersonenverhältnissen vor Schwierigkeiten, wenn der Besitzer einer entwendeten Sache sich gegen seine Inanspruchnahme mit dem Verweis auf die Haftung des Täters verteidigt. Um Dreiecksverhältnisse geht es auch in den Bescheiden zur condictio indebiti, wo sich einem Rechtsunterworfenen nur mühsam erschließt, warum der Leistende die Kondiktion gegen einen falsus procurator erheben kann, aber von einer Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn er als Dritter auf eine nicht bestehende Schuld geleistet hat. Und Dreiecksbeziehungen sind auch das Thema einiger Entscheidungen zur negotiorum gestio, wo sich Diokletians Kanzlei mit dem Wunsch nach einem Durchgriff gegen Dritte und außerdem der Annahme einer Zufallshaftung des Geschäftsführers konfrontiert sieht. Auslöser könnte in beiden Fällen der Blick auf das Kreditrecht sein, mit dem die Geschäftsführung ohne Auftrag durch das Phänomen des Inkasso verbunden ist. Außerdem beschäftigt sich die Kanzlei mit der Zinspflicht von Geschäftsbesorger und Geschäftsherr, die jeweils auf unterschiedlichen Gründen beruht und daher für den Rechtsverkehr nicht ohne Weiteres verständlich ist, ferner mit den Sonderfällen des curator, der eigentlich nicht ohne Auftrag tätig wird, und der Erbengemeinschaft, bei der die actio nego­

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5. Kap.: Ergebnis

tiorum gestorum in Konkurrenz zur Erbteilungsklage tritt. Wieder um die Zufallshaftung des Schuldners kreisen die Entscheidungen zur condictio furtiva, weil diese für den Eigentümer einer entwendeten Sache den entscheidenden Vorteil gegenüber der Vindikation bedeutet. Von den Bescheiden, die sich auf Realverträge beziehen, entfallen nur wenige auf commodatum und depositum. Stoßen diese Vertragsarten schon wegen ihres Alters auf das besondere Interesse der klassischen Rechtswissenschaft, können sie als Vehikel für schlichte Gefälligkeiten doch kaum Bedeutung in der Rechtspraxis erlangen. Großen Raum nimmt dagegen das mutuum ein: Zahlreiche Entscheidungen zum Darlehensrecht beantworten Fragen, die sich aus dem Widerstreit zwischen dem realen und konsensualen Element des mutuum ergeben: Dass dieser Vertrag nur durch Sachhingabe zustande kommt, provoziert den Fehlschluss, der Darlehensnehmer sei auch bloß dann zur Rückgabe verpflichtet, wenn er noch über die Darlehensvaluta verfügt und sie nicht aus Zufall verloren hat. Und beim Seedarlehen, mit dem sich die Kanzlei wegen der bei ihm geltenden Besonderheiten beschäftigen muss, verleitet es zu der unrichtigen Annahme, schon die tatsächliche Verwendung des Kapitals zur Finanzierung eines Seetransports führe auch ohne entsprechende Vereinbarung zur Einordnung als fenus nauticum. Setzt sich hier das Konsenserfordernis gegenüber dem Realvertragscharakter durch, gilt dasselbe in dem Fall, dass der Darlehensgeber fremdes Geld im eigenen Namen auszahlt, sowie dann, wenn zwei Darlehensgeber oder Darlehensnehmer unabhängig von Herkunft und Empfang der Darlehensvaluta durch bloße Vereinbarung Gesamtgläubiger oder Gesamtschuldner werden. Einer Überschätzung des realen Elements ist es schließlich zuzuschreiben, wenn Darlehensgeber auf diejenigen Personen zugreifen wollen, an die der Darlehensbetrag weitergereicht worden oder denen er zugutegekommen ist. Diokletians Kanzlei stellt sich diesem Ansinnen zumeist entgegen, erwägt aber in dem Fall, dass der Darlehensnehmer derart für einen anderen tätig geworden ist, dass der Darlehensgeber auf dessen Haftung zählen konnte, eine Analogie zur actio de in rem verso. In den Entscheidungen zum Verbalvertrag geht es um Fälle, in denen das Versprechen eines großzügigen Verständnisses bedarf, um es vor seiner Unwirksamkeit, etwa wegen Unmöglichkeit der Leistung, zu bewahren. Dient die Stipulation als Bürgschaft, sind die Petenten, die sich an Diokletians Kanzlei wenden, vor allem an dem Verhältnis zur Hauptschuld, insbesondere an dem Problem interessiert, ob der Gläubiger den Bürgen erst nachrangig in Anspruch nehmen kann. Noch spezieller sind die Anfragen zur Einrede aus dem vellejanischen Senatsbeschluss: Hier wird die Kanzlei vordinglich mit komplizierten Vierecksbeziehungen befasst, in denen nicht ohne Weiteres erkennbar ist, ob sich ein Dritter gegenüber dem Gläubiger auf das Interzessionsverbot berufen kann, das ja eigentlich nur die Verpflichtung einer Frau für einen anderen verhindern soll.



I. Probleme der Rechtspraxis337

Als praktisch wichtigster Austauschvertrag macht die emptio venditio ­ aturgemäß einen Schwerpunkt der kaiserlichen Rechtsprechung unter Dio­ n kletian aus. Zahlreiche Entscheidungen widmen sich dem Phänomen des Scheingeschäfts, sei es, dass durch eine verkörperte Erklärung die Identität der Vertragsparteien verschleiert wird, sei es, dass sie über die Vertragsart täuscht. Ziel ist regelmäßig, eine in Wahrheit beabsichtigte Schenkung zu verdecken, die aber durch ihre Verbrämung als Kaufvertrag nicht vor den ihr eigenen Wirksamkeitsschwächen bewahrt wird. Zu einem Widerspruch zwischen dem Erscheinungsbild und der Parteiabsicht kommt es ferner im Fall eines Irrtums. Betrifft er einen relevanten Gegenstand wie die Vertragsart, muss Diokletians Kanzlei die Parteien darüber aufklären, dass der Vertrag am fehlenden consensus scheitert. Unter den Rechtsfolgen, die ein Kaufvertrag hat, müssen dem Rechtsverkehr vor allem die schwer verständlichen Konsequenzen des archaischen Veräußerungscharakters erläutert werden: Er sorgt dafür, dass der Käufer die Früchte der Sache schon ab Vertragsschluss beanspruchen kann, im Gegenzug dem Verkäufer aber zum Aufwendungsersatz verpflichtet und außerdem mit der Gefahr des zufälligen Verlustes der Kaufsache belastet ist. In Widerstreit mit einem anderen Grundsatz gerät dieses Prinzip des periculum emptoris, wenn der Verkäufer für den Grund des Sachverlustes einzustehen hat. Dass sich hier die Haftung gegenüber der Gefahrtragung durchsetzt, ist nicht ohne Weiteres klar und daher durchaus einer kaiserlichen Entscheidung würdig. Dasselbe gilt für die Verzinsung des Kaufpreises, die an einen mit der Sachlieferung einsetzenden Verzug des Käufers anknüpft und einem anderen Regime als die Zuweisung der Früchte folgt, weil die Veräußerungsnatur der emptio venditio nicht für die generisch bestimmte Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises gelten kann. – Der andere konsensuale Austauschvertrag, die locatio conductio, ist in den dio­ kletianischen Entscheidungen weitaus seltener vertreten und erscheint hier zuweilen nur im Zusammenhang mit dem Streit über das Eigentum an einer vermieteten oder verpachteten Sache. Im Übrigen gibt es Entscheidungen zur remissio mercedis im Fall einer Missernte, bei der es schon deshalb zu Streit kommen muss, weil die Befugnis des Pächters, den Nachlass zu verlangen, in besonderem Maße von dem regionalen Geschäftsgebrauch abhängt. Da die locatio conductio auf den Austausch einer Sachleistung gegen Geld gerichtet ist, bereitet auch die Frage Schwierigkeiten, ob sie in der Weise abgeschlossen werden kann, dass der Pächter eine bestimmte Menge an Erzeugnissen schuldet. Eine positive Antwort erheischt sie durch einen Erst-recht-Schluss aus dem schon in der Klassik als Erscheinungsfall locatio conductio anerkannten Institut der Teilpacht. – Noch weniger Entscheidungen gibt es zur societas; die hergebrachten Grundfragen, die sich auch in der Praxis stellen, erscheinen aber auch in den diokletianischen Bescheiden: So geht es hier um die Zulässigkeit der societas mit einem Arbeitsgesellschafter, der keine Ein-

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5. Kap.: Ergebnis

lage durch Sachleistung erbringt, die Auflösung der Gesellschaft durch Kündigung und Erbfolge und die Möglichkeit einer Gesellschaftsklage unter Aufrechterhaltung der societas. Besondere Probleme stellen sich bei der so­ cietas omnium bonorum unter Ehegatten, weil sie sich funktionell mit dem Erbrecht überschneidet. – Das mandatum kommt wieder häufiger vor, allerdings zuweilen ebenso wie die locatio conductio mit Bezug auf die Frage nach der Wirksamkeit eines Eigentumserwerbs. Dass Diokletians Kanzlei die Verbindlichkeit eines Auftrags feststellen muss, verwundert nicht, muss die unbedingte Haftung des Auftragnehmers im Rechtsverkehr doch wegen der Unentgeltlichkeit des mandatum und dem Vergleich zu anderen freigiebigen Verhältnissen überraschen. Hinzu kommt der zunächst einmal schwer einzusehende Umstand, dass eine Vergütung für den Auftrag durchaus außerhalb des eigentlichen Vertragsverhältnisses durchgesetzt werden kann. Schließlich befasst sich Diokletians Kanzlei ausführlich mit dem Kreditauftrag, der sich in der Praxis als flexible Alternative zur Bürgschaft erwiesen hat, weil er dem Gläubiger das Wahlrecht zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber erst mit der Leistung nimmt. Bezieht sich der Kreditauftrag auf Gewaltunterworfene des Auftraggebers macht er überraschenderweise sogar das adjektizische Haftungsregime entbehrlich. Bei den Innominatverträgen, auf denen neben dem Kaufvertrag der zweite Schwerpunkt der Tätigkeit von Diokletians Kanzlei liegt, erweist sich deren hergebrachtes Sanktionsregime als erklärungsbedürftig: Zwar entsteht ein unbedingtes Klagerecht grundsätzlich nur bei Abschluss einer Stipulation; ohne diese besteht durch das Zusammenspiel von exceptio pacti und replica­ tio doli aber ein indirekter Zwang zur Durchführung der Vereinbarung, die zumindest in dem Fall, dass eine Seite schon aus anderem Grund über ein Forderungsrecht verfügt, auch mit einer Klage ausgeübt werden kann. Hinzu kommt die actio praescriptis verbis. Sie sorgt vor allem für eine Annäherung von Tausch und Kaufvertrag, die jedenfalls dann, wenn ein Tauschpartner seine Leistung schon erbracht hat, dieselben Rechtsfolgen zeitigen. Dass der Tausch dennoch nicht als Unterfall einer emptio venditio oder im Wege der Analogie als weiterer contractus anerkannt wird, liegt weniger am Respekt vor der klassischen Rechtsordnung als am fehlenden Interesse der Rechtspraxis: Ebenso wie Verkäufer ziehen es auch Tauschpartner vor, im Fall einer Störung die eigene Leistung zurückzuerhalten, und legen keinen Wert auf die Erbringung der Gegenleistung. Diese besteht beim Tausch zwar anders als beim Kaufvertrag grundsätzlich nicht in einer Geldzahlung. Das hiermit verbundene Risiko des Geldwertschwundes besteht aber auch beim Tauschvertrag, wenn die Gegenleistung nicht oder nicht vollständig erbracht werden kann und durch ein Äquivalent in Geld ersetzt werden muss. Die Vorliebe für die Rückabwicklung beim Tausch provoziert auch ein entsprechendes Begehren beim Vergleichsvertrag, muss hier aber an dem besonderen Bestands-



I. Probleme der Rechtspraxis339

schutz scheitern, den Vergleiche zur Sicherung des Rechtsfriedens genießen müssen. Daneben befasst sich Diokletians Kanzlei mit komplizierten Fällen, in denen ein Vergleich in die Erbfolge eingreift und daher am Verbot von Erbvertrag und einer Vereinbarung über den Nachlass eines lebenden Dritten scheitern kann. Bei der donatio muss sich die Kanzlei mit zahlreichen Auseinandersetzungen befassen, in denen schon Existenz und Gültigkeit des Schenkungsvertrags umstritten sind. Da seine Behauptung dem Beschenkten eine unentgeltliche Bereicherung verspricht, seine Verneinung die korrespondierende Entreicherung des Schenkers abwendet, nimmt dies ebenso wenig Wunder wie der Umstand, dass sich die Kanzlei auch hier wieder mit dem Wunsch nach Rückabwicklung konfrontiert sieht. Und es überrascht weiterhin nicht, dass die Auseinandersetzung nicht selten über Schenkungen ausgetragen wird, die, wenn überhaupt, dann konkludent erfolgt sind. Zweifel an der Wirksamkeit einer donatio ergeben sich auch, wenn das Objekt nicht wie im typischen Fall der Schenkung in einer Sache, sondern in Nießbrauch, Miteigentum, Erlass oder gar einem Vermögensanteil bestehen soll. Dass es ferner außer dem Schenkungsvertrag noch einer Zuwendung bedarf, durch die er überhaupt wirken kann, ist für den Rechtsverkehr deshalb nicht ohne Weiteres verständlich, weil es mit der schenkweise abgegebenen Stipulation ja immerhin ein Schenkungsversprechen gibt, bei dem der bloße Vertragsschluss hinreicht, um Rechtsfolgen zu zeitigen. Hier wie in anderen Fällen stößt die donatio dann aber noch auf das Schenkungsverbot der lex Cincia, das zu einer schwierigen Differenzierung zwischen res mancipi und res nec mancipi sowie unter Grundstücken und beweglichen Sachen zwingt. Die Entscheidungen, in denen Diokletians Kanzlei dem Wunsch nach Widerruf der Schenkung entgegentreten muss, sind wohl nicht zuletzt durch einen Bescheid aus der Amtszeit von Philippus Arabs provoziert, in dem die Rückforderung einer Schenkung von einem undankbaren Freigelassenen gestattet wird. Was die Noxalhaftung angeht, muss Diokletians Kanzlei dem vielleicht durch eine Entscheidung Gordians veranlassten Missverständnis entgegenwirken, ein ehemaliger Sklave sei auch für ein vor seiner Freilassung gegenüber seinem Gewalthaber verübtes Delikt haftbar. Die bei Taten gegenüber Dritten begründete Eigenhaftung eines freigelassenen Sklaven bildet wohl auch den Hintergrund für Anfragen nach einer entsprechenden Verpflichtung aus Rechtsgeschäften, die das adjektizische Haftungsregime aber nur im Fall von Hauskindern eröffnet. Die Erfüllung eines Anspruchs beschäftigt die Kanzlei außer in der Frage ihres Nachweises vor allem in Konstellationen, in denen die Leistung nicht zwischen den Vertragsparteien oder als datio in solutum unter Auswechslung

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5. Kap.: Ergebnis

des Leistungsgegenstands erfolgt. Hier muss die Kanzlei den nicht einfach zu erkennenden Vertragscharakter der Einigung über die Ersetzungsbefugnis herausstellen. Er sorgt für eine dem Austauschvertrag vergleichbare Risikoverteilung, verwehrt einem Schuldner die Rückforderung der an Erfüllungs Statt erbrachten Leistung und rechtfertigt sogar die Gewährung einer Klage, soweit dies zur Durchführung der Vereinbarung erforderlich ist.

II. Spuren des Volksrechts? Dass ein Petent zu seiner Anfrage durch hergebrachte Rechtsvorstellungen seines eigenen Kulturkreises bestimmt worden ist, lässt sich zweifellos in keinem Fall mit Sicherheit ausschließen. In allen Konstellationen, in denen ein solcher Einfluss aufgrund des Gegenstands der Entscheidung denkbar ist, kann man das Motiv für die Anfrage aber auch auf Eigenheiten des römischen Rechts oder zumindest auf Umstände zurückführen, die hier in gleicher Weise relevant sind wie in anderen Rechtskulturen. Für einen unmittelbaren Kontakt der Kanzlei mit volksrechtlichen Vorstellungen gibt es daher keine brauchbaren Zeugnisse. Dies gilt zuvörderst für die Beschäftigung mit Urkunden, die schon Mitteis der hellenistischen Rechtspraxis zugeschrieben hat. Auch wenn das römische Recht jenseits des Litteralvertrags die Schriftform nicht als konstitutives Element einer vertraglichen Bindung oder ihrer Auflösung kennt, bedeutet dies keineswegs, dass es eine Urkunde auch als Beweismittel ignoriert. Da ein Richter weder im klassischen Formularprozess noch in der Kognitur Vorgaben für die Beweiswürdigung zu gehorchen hat, muss die Urkunde ganz ungeachtet ihrer fehlenden materiellrechtlichen Bedeutung eine prominente Rolle für die Rechtsdurchsetzung und -verteidigung spielen; und es kann nicht ausbleiben, dass sie auch zum Gegenstand materiellrechtlicher Forderungen wird. So ist bereits auf der Grundlage des römischen Rechts erklärlich, dass eine Kondiktion auf Rückgabe einer Schuldurkunde erhoben und von der kaiserlichen Kanzlei auch gewährt wird; denn mit ihr erlangt der Schuldner ein wesentliches, wenn nicht gar das entscheidende, Instrument, dessen sich der Gläubiger zur Rechtsdurchsetzung bedienen muss. Und es überrascht umgekehrt auch nicht, dass die freiwillige Rückgabe einer Schuld­ urkunde sowie die Ausstellung einer Quittung als hinreichende Mittel zum Nachweis einer Forderungstilgung angesehen werden, die dem Gläubiger den Gegenbeweis aufnötigen. Befasst sich die kaiserliche Kanzlei stärker mit diesen Fragen als die klassischen Juristen, ist dies schlicht dem Umstand geschuldet, dass sie anders als jene in der Rechtspraxis verhaftet ist und sich nicht in gleichem Maße die Abstraktion vom Streit um Tatsachen erlauben kann. Nimmt die Beschäftigung mit der Rolle von Urkunden bis zu Diokle-



II. Spuren des Volksrechts?341

tians Zeit zu, braucht man dies ebenfalls nicht auf den zunehmenden Kontakt mit hellenistischen Rechtsvorstellungen zurückzuführen; es kann ohne Weiteres auch daran liegen, dass die Vertragsbeziehungen, die zum Gegenstand einer kaiserlichen Entscheidung werden, häufiger auf größere räumliche Distanz begründet sind. Hier schwindet naturgemäß die Bedeutung des Zeugenbeweises, der einen Zugriff auf die betroffenen Personen bei Vertragsschluss und im Prozess voraussetzt; und es steigt das Gewicht der Urkunde, deren Schicksal von dem der beteiligten Personen entkoppelt ist. Dass die Zahl dieser Verträge im dritten Jahrhundert durchaus zunehmen kann, stellt wird durch die landläufige Annahme einer wirtschaftlichen Krisenzeit keineswegs in Frage gestellt. Selbst wenn die Krise ein reichsweites und nicht nur auf Regionen mit Feindkontakt beschränktes Phänomen ist,730 zeigen sich Kontinuität und Intensivierung des Handels etwa an der reichsweiten Verbreitung von Waren aus Afrika,731 die ohne ein wachsendes Exportgeschäft nicht denkbar gewesen wäre.732 Im Fall der Quittung kommt hinzu, dass die Fehlannahme eines abschließenden Beweises der Erfüllung oder gar eines materiellrechtlichen Ausschlusses der Forderung durchaus an ein altes römisches Rechtsinstitut anknüpfen kann: Es ist die acceptilatio, die in ihrer Kombination mit der stipu­ latio Aquiliana auch in den diokletianischen Entscheidungen noch sehr präsent ist. Obwohl sie den Ausschluss der Forderung durch Erlass bewirkt, besteht sie doch gerade in der fiktiven Bescheinigung der Leistung. Wem ließe sich da verdenken, dass er auch einer einfachen Quittung dieselbe Rechtsfolge oder zumindest einen abschließenden Beweiswert zuschreibt? Vergleichbare innerrömische Ursachen für Fehlvorstellungen oder Rechtsänderungen lassen sich auch in anderen Fällen ausmachen, die als Zeichen für einen volksrechtlichen Einfluss gedeutet werden oder sich jedenfalls so deuten lassen: So kann man diesen nicht dafür verantwortlich machen, dass die Parteien beim Darlehensvertrag die Herkunft oder das Schicksal der Darlehensvaluta als Argument für die Erhebung oder Abwehr einer Forderung auf ihre Rückgewähr verwenden; denn hierzu verleitet gerade die ­archaische Struktur des mutuum als Realvertrag, bei dem die Vertragsbindung an den realen Geldfluss geknüpft ist. Muss die Kanzlei demgegenüber die Prävalenz des konsensualen Elements betonen, verwundert auch nicht, 730  Dies bezweifeln Drexhage / Konen / Ruffing, Die Wirtschaft des Römischen Reichs, Berlin 2002, S. 196 ff. 731  Vgl. Duncan-Jones, Economic change and the transition to Late Antiquity, in: Swain / Edwards (Hg.), Appoaching Late Antiquity, Oxford 2004, S. 20, 33 ff. 732  Dass es keine Belege für einen Rückgang des Handels im dritten Jahrhundert gibt, macht Ruffing, Die Wirtschaft, in: Johne (Hg.), Die Zeit der Soldatenkaiser, Bd. 2, Berlin 2008, S. 817, 837 f. geltend.

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5. Kap.: Ergebnis

dass sie über das klassische Recht hinausgeht, indem sie die exceptio non numeratae pecuniae nicht nur gegen eine Stipulation, sondern auch gegen die schlichte Bekundung eines Darlehensempfangs gewährt: Ist für den Rückforderungsanspruch aus mutuum die Vereinbarung entscheidend, kommt sie einer Stipulation so nahe, dass sich anbietet, beide im Interesse der Rechtsklarheit einem einheitlichen Regime zu unterwerfen. Muss sich die Kanzlei ferner mit dem Schicksal eines Angelds bei Durchführung oder Auflösung des Kaufvertrags beschäftigen, liegt dies wiederum an einer zutiefst römischen Besonderheit, nämlich daran, dass die arrha im Unterschied zum orientalischen und hellenistischen Rechtskreis gerade nur als Mittel zur Bekräftigung des Vertragsschlusses gilt. Erst dies macht die Abgrenzung zur Anzahlung schwierig und kollidiert mit der Regel, dass ein contrarius con­ sensus nach hergebrachter Dogmatik nur re integra erfolgen kann, was eigentlich die Gewährung einer Klage auf Rückgewähr des Angelds ausschließt. Dass die Kanzlei sich ferner mit einem Gattungskauf im Gewande eines Darlehens und der Stipulation einer Sachlieferung befasst, ist wiederum der altertüm­lichen Struktur der r­ömischen emptio venditio zuzuschreiben, die wegen ihres Veräußerungs­charakters nur Raum für einen Stückkauf lässt und bei einem Gattungsgeschäft auch im römischen Rechtsverkehr seit jeher das Ausweichen auf andere Institute notwendig gemacht hat. Und dass die Kanzlei den Parteien in zahlreichen Bescheiden das Eviktionsprinzip einschärfen muss, ist schlicht der schon in klassischer Zeit vollzogenen Rezeption der stipulatio habere licere in die actio empti geschuldet. Sie hat die Übernahme einer besonderen Rechtsmängelgewähr durch Stipulationsversprechen entbehrlich gemacht und so in Vergessenheit geraten lassen, dass auch für die Haftung mit der Kaufklage die Voraussetzungen gelten, denen die Verpflichtung aus den besonderen Eviktionsversprechen unterliegt. Die Parteien übersehen daher allzu leicht, dass die Kaufsache wirklich entwehrt und dem Verkäufer Gelegenheit zur Verteidigung gegen den Herausgabe­ anspruch des Dritten gegeben werden muss. Sieht sich die Kanzlei schließlich dazu veranlasst, die Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung gegenüber einem Mündel zu bestätigen und gegenüber Angehörigen des Schuldners zu versagen, lässt sich dies im einen Fall auf einen Fehlschluss aus der recht­ lichen Stellung eines Hauskinds, im anderen darauf zurückführen, dass es um Fiskalforderungen geht, deren weitgehende Privilegierung zu der Annahme einer familiären Mithaftung verleitet. Nicht nur einem rechtlichen, sondern vor allem einem ökonomischen Umstand ist es dagegen zuzuschreiben, dass sich die Kanzlei bei allen Austauschvereinbarungen mit dem Wunsch nach deren Rückabwicklung konfrontiert sieht. Wird ein solches Begehren bei unbenannten Verträgen durch die Zweckverfehlungskondiktion geradewegs unterstützt, darf man es auch beim Kaufvertrag, wo es dem Grundsatz der Bindung an den abgeschlosse-



III. Neuerungen343

nen contractus widerspricht, nicht geradewegs für einen Fremdkörper in der römischen Rechtskultur erklären. Es ist ganz selbstverständlich, dass ein Verkäufer, wenn der Kaufpreis nicht gezahlt oder die Vertragsdurchführung auf andere Weise gestört wird, in Zeiten des Geldwertschwunds lieber die Kaufsache zurückerlangen als eine Geldleistung oder sein in Geld bemes­ senes Interesse beanspruchen möchte. Konnte das klassische Recht dem Wunsch nach Rückabwicklung eines Vertrags noch entsprechen, ist dies zu Diokletians Zeit anders; denn im Gegensatz zum Formularverfahren erfolgt die Verurteilung nicht in mehr Geld, sondern verhilft zur Leistung in Natur, so dass zur Wahrung des Prinzips der Vertragsbindung sehr wohl zwischen Rückabwicklung und Durchführung des Vertrags zu unterscheiden ist. Ebenfalls durch die Inflation bedingt ist die gestiegene Bedeutung von Realsicherheiten, die beim Pfandrecht zu Fehlschlüssen im Hinblick auf die Gefahrtragung und das Verhältnis zur gesicherten Forderung führen: Sind Gläubiger vor allem an der Pfandsache interessiert, wundert nicht, dass sie schon ihrem Vermögen zugerechnet und die persönliche Forderung für nachrangig oder gar für getilgt gehalten wird. Zwar lässt sich bezweifeln, dass ein fühlbarer Geldwertschwund schon vor der Regierungsantritt Aurelians eingetreten ist;733 ausgelöst durch dessen Reformversuche,734 beherrscht die Inflation aber das wirtschaftliche Geschehen und gibt insbesondere Diokletian Anlass zu seinem Preisedikt. Auf schlichte und durch Inflation ausgelöste oder verschärfte Not kann man die Versklavung freier Menschen und ihre freiwillige Zwangsarbeit zurückführen, die auch hinter dem schon in klassischer Zeit virulenten Rechtsproblem des liber homo bona fide serviens zu vermuten ist. Bloßem Rechtsungehorsam entspringt wohl schließlich der Versuch der Selbsthilfe, dem die Kanzlei vereinzelt wehren muss.

III. Neuerungen Die Entscheidungen der diokletianischen Kanzlei zum Obligationenrecht weisen eine erstaunliche Fülle von Innovationen auf. Diese gehen sämtlich weder auf Einflüsse anderer Rechtskulturen noch auf ökonomische Gegebenheiten zurück, sondern beruhen auf der Fortbildung vorhandener dogmatischer Strukturen, wie Schnebelt sie auch schon in der Rechtsprechung der Soldatenkaiser ausgemacht hat. Die Neuerungen sind teils eher theoretischer 733  Ruffing

(Fn. 732), S. 820 ff. Geldwesen und Währungsgeschichte des Imperium Romanum im Spiegel der Entwicklung des 3. Jahrhunderts n. Chr. – Wirtschaftsgeschichte im Widerstreit von Metallismus und Nominalismus, in: ders. (Hg.), Die Ökonomie des Imperium Romanum, St. Katharinen 2002, S. 86, 139 ff. 734  Strobel,

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5. Kap.: Ergebnis

Natur, teils mit erheblichen praktischen Konsequenzen verbunden, teils in ihrer Reichweite sehr beschränkt und teils von übergreifender Bedeutung. Nur von theoretischer Bedeutung ist die Gewährung der direkten Klage aus der lex Aquilia in dem Fall, dass der Täter Vieh einsperrt und verhungern lässt; diese Klage verdient aber den Vorzug vor der in der Klassik befürworteten actio utilis, weil der räumliche Einschluss des Viehs durchaus die für die direkte Klage erforderliche körperliche Einwirkung darstellt. Praktische Konsequenzen hat dagegen die Entscheidung für die Kumulation der Diebstahlsklage mit anderen Strafklagen, die an den erhöhten sozialen Unwert anknüpfen, den eine Sachentwendung unter bestimmten Umständen hat; die Kumulation ist deshalb richtig, weil sie verhindert, dass der Täter gerade wegen der Schwere seiner Tat besser steht als ein gewöhnlicher Dieb. Wiederum spürbar, aber eher fragwürdig ist die Beschränkung der metus-Klage auf Fälle einer Furcht vor Tod oder körperlicher Qual, zu der man in Verteidigung des Grundsatzes der Vertragsbindung durch Transplantation der früheren Lehre zur restitutio wegen Abwesenheit kommt. Überzeugender ist die Erweiterung der Haftung aus der actio ad exhibendum: Diokletians Kanzlei lässt den zur Vorlegung verpflichteten Schuldner nicht nur für Vorsatz, sondern auch für einen fahrlässigen Verlust der vorzulegenden Sache einstehen, wenn er sich seiner Vorlagepflicht bewusst war und ihm die Entscheidung zum nachlässigen Umgang mit der Sache gleichsam als Vorsatz zur Last fällt. Nur theoriebildend ist demgegenüber die Konzeptualisierung des automatischen Verzugs bei der condictio furtiva als mora in rem: Mit diesem Begriff rückt der Diebesverzug in die Nähe der zum Schutz von minderjährigen Gläubigern gedachten mora ex re und wird zugleich von ihr geschieden, indem zum Ausdruck kommt, dass der Täter die Verzugsfolgen durch seine eigene Tat provoziert hat. Warum der Diebstahl unter Ehegatten mit dem besonderen Institut der actio rerum amotarum sanktioniert werden muss, führen Diokletians Juristen treffender als ihre klassischen Vorgänger auf die faktische Vergemeinschaftung des Vermögens in der Ehe zurück. Zugleich erkennen sie, dass auch der actio rerum amotarum, weil sie gerade an die bevorstehende Aufhebung dieser Gemeinschaft anknüpft, ein Tadel innewohnt, der ihrer Erstreckung auf andere Taten und die Erben des Täters entgegensteht. Bei der Leistungskondiktion wegen Zweckverfehlung übernimmt Diokletians Kanzlei konsequent die Formel von der ‚causa non se­ cuta‘, in der die beiden unterschiedlichen Ansichten der Klassiker zum Kondiktionstatbestand zusammenfließen. Sie verschließen sich aber Ulpians Lehre vom Reurecht, die einer unzulässigen Verallgemeinerung einer Konstitution zur Sklavenfreilassung geschuldet ist. Folglich versagen sie einen Bereicherungsanspruch, wenn die Gegenleistung ohne Zutun des Leistungsempfängers ausbleibt. Dass eine Rückforderung auch bei einem beiderseitigen Sittenverstoß ausscheidet, kann Diokletians Kanzlei wiederum treffender



III. Neuerungen345

als die Klassiker aus der auctoritas iuris ableiten, die keinen Rechtsschutz bei sittenwidrigen Geschäften zulässt. Praxiswirksamen Reformen unterliegen vor allem das Kreditrecht und die Leihe. Diokletian verlängert die Frist, bis zu der ein Schuldner die mangelnde Auszahlung des Darlehens geltend machen kann, von einem auf fünf Jahre und stellt so den Primat der exceptio non numeratae pecuniae vor der korrespondierenden Querel her. Zwang die kurze Frist einen Darlehensnehmer vorher häufig dazu, selbst in die Offensive zu gehen, bewirkt die Verfünffachung des maßgeblichen Zeitraums, dass dieser die Laufzeit eines Darlehens typischerweise übersteigt. Daher ist es nun der Darlehensgeber, der den Darlehensnehmer auf Rückzahlung in Anspruch nehmen muss; und dieser kann sich auf die Erhebung der Einrede beschränken und den Darlehensgeber so zum Nachweis der Auszahlung zwingen. Zum Vorteil von Darlehensnehmern fällt auch die Entscheidung der alten Streitfrage aus, ob Zinsen, soweit sie das Höchstmaß von 12 % überschreiten, nach ihrer Zahlung der Rückforderung unterliegen oder diese an der Regel scheitert, dass eine freiwillige Leistung auf eine Nichtschuld kondiktionsfest ist. Indem sie die Rückforderung zulassen, orientieren sich Diokletians Juristen am schuldnerschützenden Zweck der Zinsgrenze und folgen dem Muster der Zweckverfehlungskondiktion, die bei einem sittenwidrigen Verhalten des Leistungsempfängers ebenfalls gewährt wird. Soweit die Zinsen im gesetzlichen Rahmen liegen, aber formlos vereinbart sind, lässt die diokletianische Kanzlei dagegen eine Rückforderung durchgängig an der exceptio pacti scheitern und gibt die ältere Differenzierung nach der Besicherung des Anspruchs durch ein Pfandrecht auf, weil dieses für die Beurteilung des Zinspakts keine Rolle spielt. Bei der Leihe schließt die Kanzlei eine Aufrechnung gegen den Rückgewähranspruch aus, der im Kognitionsverfahren nicht mehr in Geld umgerechnet wird, sich daher nicht mehr mit gegenläufigen Ansprüchen des Entleihers zur Deckung bringen lässt. Theoretischen Charakter haben demgegenüber die Neuerungen bei Stipulation und Interzession: Das beim Verbalvertrag strikt geltende Verbot des Vertrags zugunsten Dritter leitet die Kanzlei überzeugend aus dem Abschlussmodus der Stipulation ab. Setzt sie die mündliche Rede und Gegenrede von Gläubiger und Schuldner voraus, ist durch diesen Begründungsakt zwangsläufig auch der Kreis der Beteiligten abschließend festgelegt und lässt sich nicht auf einen Dritten erweitern, der nicht die dem Gläubiger obliegende Frage nach der Leistung gestellt hat; der Gläubiger kann daher auch lediglich sein eigenes Interesse geltend machen und fordert, indem er dies tut, genaugenommen gar nicht die Leistung an den Dritten. Beim Interzessionsverbot von Frauen stellt Diokletians Kanzlei klar, dass es, wenn die Frau einen Dritten vorschiebt, zur Begründung der Einrede nicht positiv auf die Kenntnis des Gläubigers ankommt, sondern dieser, weil er die exceptio senatus consulti Velleiani durch

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5. Kap.: Ergebnis

eine replicatio doli entkräften muss, seine Unkenntnis darzutun hat. Dagegen verwendet sie den Begriff der calliditas, von der in diesem Zusammenhang in der Klassik die Rede war, als Tatbestandsmerkmal, um das Interzessionsverbot auf eine Kreditaufnahme anzuwenden. Da dieses Geschäft für sich genommen keinen Bezug auf die Schuld eines Dritten aufweist, kann es nur dann als Interzession gelten, wenn der Gläubiger sich den Vorwurf der Arglist machen lassen muss, weil er das Darlehen eigentlich einem anderen ausreichen wollte und dann die Frau zwischengeschaltet hat. Überaus praxisrelevant sind dagegen wiederum die Neuerungen im Kaufrecht. Hier entscheidet sich Diokletians Kanzlei klar für eine Anwendung des ädilizischen Edikts jenseits des Marktkaufs von Sklaven und Zugtieren. Gegenüber dem von Julian geprägten Ansatz zur Sachmängelhaftung im Rahmen der actio empti, den die Kanzlei im Grenzfall einer Steuerbelastung der Kaufsache verfolgt, hat dies den Vorteil, dass für sachliche Fehler der Kaufsache ein einheitliches Regime gilt, bei dem die Mängelrechte zeitlich befristet sind. Bei der Rechtsmängelhaftung bestehen Diokletians Juristen nicht nur auf dem Eviktionsprinzip; sie führen es auch strenger durch als die klassische Jurisprudenz, indem sie bei einer drohenden Entwehrung nichtsdestoweniger eine Klage auf Kaufpreiszahlung gewähren, wenn der Verkäufer für die Eviktionsgefahr Sicherheit leistet. Die wichtigste und auch bekannteste Innovation bleibt aber zweifellos die Anfechtung wegen laesio enormis. Mit ihr durchbricht die Kanzlei den Grundsatz der Vertragsbindung, den sie ansonsten gegen die inflationsgeprägte Forderung nach Rückabwicklung verteidigen muss. Dabei lässt sie sich keineswegs von bloßen Billigkeitserwägungen, sondern vom Vorbild der Irrtumsanfechtung leiten: Unterschreitet der Wert einer Leistung den der anderen um mehr als die Hälfte, liegt, objektiv gesehen, ein gemischter Vertrag aus Kauf und Schenkung vor, der auch einen entsprechenden error in negotio bei dem benachteiligten Teil nahelegt. Selbst wenn man im Übrigen auf der einmal eingetretenen Vertragsbindung beharrt, lässt sich hier an passender Stelle eine Grenze ziehen, ab dem das Austauschverhältnis nicht mehr der bloßen Parteivereinbarung überlassen bleibt. Diese Entscheidung, die zu Beginn von Diokletians Amtszeit fällt, ist auch in der folgenden Rechtsprechung präsent: Es gibt Bescheide, in denen die Kanzlei eine Vertragsanfechtung wegen eines leichten Ungleichgewichts der Leistungen verneint, ferner die Klarstellung, dass es auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt, so dass nachträgliche Verschiebungen infolge von Inflation außer Betracht bleiben müssen, sowie schließlich die Absage an einen fehlerhaften Umkehrschluss: Kann ein Verkäufer den Kaufvertrag anfechten, wenn der Kaufpreis weniger als die Hälfte des Wertes der Kaufsache ausmacht, bedeutet dies nicht, dass er die Rückabwicklung auch dann verlangen kann, wenn er bereit ist, dem Käufer den Kaufpreis doppelt zu erstatten.



III. Neuerungen347

Das Recht des Auftrags bereichert Diokletians Kanzlei mit einer Entscheidung, die den Auftrag eines Sklaven zum Freikauf der eigenen Person auf eine neue Grundlage stellt. Diokletians Juristen lassen die Wirksamkeit des mandatum hier nicht daran scheitern, dass es auf eine res sua des Sklavenhalters gerichtet ist, sondern erkennen das Ziel des Auftrags in der Begründung eines Anspruchs aus Kaufvertrag. So ist der Sklavenhalter sowohl aus Auftrag als auch aus Kauf berechtigt und kann sich entscheiden, ob er die Herausgabe des Sklaven oder die Zahlung des Kaufpreises verlangt. Bei den unbenannten Verträgen befürwortet die Kanzlei den Einsatz der actio de dolo, um einem Vertragspartner entgegenzukommen, der die Rückgewähr einer irreversiblen Leistung anstrebt, wie sie durch Freilassung, Erlass im Wege der stipulatio Aquiliana oder durch einen Vergleich erfolgt. Da dessen Bestandskraft ein Gebot der Rechtssicherheit ist, verfährt die Kanzlei hier strenger als die klassischen Juristen und verneint eine prozesshindernde Wirkung nur im Ausnahmefall eines Irrtums, wie er auch bei einem contrac­ tus relevant wäre. Diese Lösung entspricht der Tendenz der älteren und von Diokletian fortgeführten Rechtsprechung, wonach kein Vergleich über rechtskräftig festgestellte Ansprüche in Betracht kommt. Auch dieses Prinzip dient dem Schutz der Rechtssicherheit, indem es jeglichem Versuch wehrt, die Durchsetzung einer gerichtlichen Entscheidung unter Behauptung eines formlosen Vergleichsschlusses zu behindern. Wiederum mehr theoretisch ist die Etablierung einer Schenkung unter Auflage als ein von der datio ob rem verschiedenes Geschäft, bei dem der Schenker gleichwohl einen Anspruch auf Vollzug der Auflage hat. Von einem unbenannten Austauschvertrag unterscheidet sich die Schenkung unter Auflage dadurch, dass die dem Beschenkten obliegende Leistung einen Bezug zum Gegenstand der Schenkung aufweist und im Ergebnis auf die Begünstigung des Beschenkten gerichtet und funktional den letztwilligen Verfügungen verwandt ist. Bei einem Sklavendelikt wird dem Geschädigten die Inanspruchnahme des Sklavenhalters durch den Wegfall des Formularprozesses erleichtert, indem er sich nicht vorab zwischen Noxal- und Eigenhaftung des Sklavenhalters entscheiden muss. Ob sich dieser durch Auslieferung des Sklaven befreien kann, entscheidet sich erst durch die Beweisaufnahme. Eher theoriebildend ist es dagegen, dass sich die actio institoria, die schon in klassischer Zeit zur Basis von Analogieschlüssen bei der Stellvertretung gedient hat, in Diokletians Zeit als Grundmuster in den Fällen gilt, in denen der Geschäftsherr wegen des von ihm im Rechtsverkehr geweckten Vertrauens in Anspruch genommen werden kann. Von praktischer Relevanz ist wiederum, dass Diokletian in solchen Fällen auch eine Analogie zur actio de in rem verso erwägt.

348

5. Kap.: Ergebnis

Zum Abschluss bringt Diokletians Kanzlei auch eine durch Antoninus Pius angestoßene Entwicklung zur Vereinfachung des Zessionsrechts: Die Kanzlei billigt dem Zessionar durchgängig eine actio utilis zu, mit der sich der Übergang des Forderungsrechts automatisch aufgrund einer bloßen Zessionspflicht vollzieht. So wird die Erteilung einer Prozessvollmacht entbehrlich. Da sie für den Schuldner und den Rechtsverkehr ohnehin unsichtbar ist, können beide kein Interesse an ihr haben, das gegenüber dem des Zessionars vorrangig wäre. Dasselbe gilt für ein Pfandrecht, das Diokletians Kanzlei ebenfalls automatisch mit der gesicherten Forderung übergehen lässt. Im Ausnahmefall einer Schenkung gestehen Diokletians Juristen die actio utilis sogar einer Person zu, die keinen Anspruch auf Abtretung der Forderung hat: Es geht um den Anspruch auf Vollzug einer Auflage, an deren Erfüllung zumindest die Erben des Schenkers kein Interesse haben. Damit der Beschenkte so nicht ungerechtfertigt bereichert wird, lässt die Kanzlei den Auflagenbegünstigten zum Anspruch auf Vollzug der Auflage zu, obwohl er seinerseits beschenkt ist und daher nicht die Abtretung der Forderung gegen den Beschenkten fordern kann. Ein solches Zessionsrecht fehlt auch, wenn einer von mehreren Gesamtschuldnern den Gläubiger befriedigt. Da der Schuldner seine Leistung aber im Wege der exceptio doli von der Abtretung des Anspruchs gegen die übrigen Schuldner hätte abhängig machen können, besteht ein vergleichbarer Zessionszwang, der es rechtfertigt, auch diesen Anspruch ipso iure auf den Schuldner überzuleiten, der den Gläubiger befriedigt hat. Vom Modell des automatischen Forderungsübergangs profitiert schließlich auch die Hinterlegung, der in bestimmter Hinsicht schon vor Diokletian erfüllungsähnliche Wirkung zugeschrieben wird. Diokletians Juristen machen sie zu einem regelrechten Befreiungstatbestand und gestehen dem Gläubiger den Zugriff auf den hinterlegten Leistungsgegenstand durch Übertragung des Herausgabeanspruchs gegen die Hinterlegungsstelle zu. Nicht so weit geht die Kanzlei im Fall der Aufrechnung, bei der sie aber das bisherige Konzept ihrer Wirkung im Wege der exceptio doli konsequent durchführt: Kommt es allein auf den Bestand der Gegenforderung an, muss nicht nur automatisch der Zinslauf unterbrochen werden; die Einrede, die im Kognitionsverfahren zu einem materiellrechtlichen Ausschlussgrund mutiert, muss auch bei ungleich hohen Forderungen statt zur Klageabweisung lediglich die Reduktion des höheren Anspruchs zeitigen.

IV. Fazit Diokletians Reskriptenkanzlei erweist sich auf dem Gebiet des Obligationenrechts keineswegs als sonderlich traditionsbewusst, sondern bildet das Recht in einer Weise und in einem Maße fort, die auch den spätklassischen Juristen alle Ehre gemacht hätte. Erreichen die Entscheidungen nicht durch-



IV. Fazit349

gängig das Niveau des klassischen Schrifttums, liegt dies allein daran, dass sie im Gegensatz zu diesem als Entscheidung konkreter Streitfälle nicht an Rechtsgelehrte, sondern an Rechtsunterworfene gerichtet sind, denen ungeachtet vorhandener oder eingeholter Rechtskenntnisse ein Fehlschluss aus den nicht einfach zu durchschauenden Strukturen des römischen Rechts nicht zu verdenken ist. Für einen sturen Konservatismus, der einen Rückschritt gegenüber den Klassikern bedeuten würde, hätte die Kanzlei auch keinerlei äußeren Anlass. Es gibt kaum eine einzige Entscheidung, die man zuverlässig auf eine unmittelbare Berührung mit Rechtsvorstellungen aus einem anderen Kulturkreis zurückführen könnte und die den Eindruck eines Abwehrkampfs gegen fremde Rechtsanschauung rechtfertigte.

Quellenverzeichnis Gai institutiones 2.31 2.51 2.95 2.283 3.97 3.98 3.99 3.103 3.127 3.139 3.142 3.149 3.151 3.160 3.168 3.206 3.209 3.219 4.9 4.62 4.116 4.182

264 Fn. 607 51 Fn. 118 300 Fn. 664 64 Fn. 162 115 Fn. 267 283 Fn. 633 115 Fn. 267 116 Fn. 268 206 Fn. 503 144 Fn. 343 193 Fn. 458 195 Fn. 467 195 Fn. 468 200 Fn. 482 320 Fn. 704 101 Fn. 231 29 Fn. 58 22 Fn. 45 20 Fn. 41 110 Fn. 253 93 Fn. 207 53 Fn. 130

Pauli sententiae 1.4.3 40 Fn.  87 f. 2.4.3 101 Fn. 231 2.5.3 328 Fn. 721 2.11.3 126 Fn. 291 2.11.4 124 Fn. 287 2.12.6 108 Fn. 249 2.12.6a 108 Fn. 249 2.12.8 299 2.12.9 104 Fn. 239 2.12.12 102 Fn. 236

2.14.2 2.14.3 2.17.16 2.19.7 2.31.4 2.31.28 3.4b.1 4.11.13 5.1.5 5.7.2 5.11.13 5.11.14

89 Fn. 202 92 Fn. 205 208 Fn. 504 168 Fn. 397 25 Fn. 52 287 Fn. 637 283 Fn. 634 240 Fn. 565 246 Fn. 581 68 Fn. 170 259 Fn. 599 270 Fn. 613

Fragmenta Vaticana 2 168 Fn. 396 10 165 Fn. 385 12 161 Fn. 377 22 181 Fn. 427 23 140 34 242 Fn. 571 255 259 Fn. 599 266 261 Fn. 603, 274 Fn. 618, 274 Fn. 618 266a 269 272 277 Fn. 623 274 259 Fn. 600 275 276 f. 277 260 278 260 f. 279 275 f. 280 259 f. 282 271 283 263 f. 285 268 288 256 293 130 Fn. 301, 272 f.

Quellenverzeichnis351 297 269 f. 311 272 Fn. 615 312 274 313 273 f. 314 270 f. 315 270 316 269 Collatio legum Mosaicarum et Romanarum 10.3 107 10.4 107 10.5 107 f. 10.6 106 Fn. 244 10.7.8 299 10.7.9 104 Fn. 239 10.8 105 Fn. 248 15.3 15 Fn. 36 Codex Theodosianus 5.10.1 5.17.1

242 Fn. 571 187 Fn. 442

Consultatio 1.7 217 f. 1.8 245 Fn. 578 4.11 245 6.10 265 f. 6.19 216 Fn. 516 9.11 245 Fn. 578 9.14 236 Fn. 563, 246 Fn. 580 9.15 244 f. 9.18 236 Fn. 562 Corpus Iuris Civilis Institutiones 2.1.41 3.14.3 3.27.7 4.3.16

148 Fn. 354 105 Fn. 247 63 Fn. 160, 64 Fn. 161 22 Fn. 47

4.6.30 4.16.28

328 Fn. 722 110 Fn. 253

Digesta 2.4.10pr 2.14.7.2 2.14.16pr 2.14.58 2.15.1 2.15.5 2.15.7pr 2.15.16 3.5.30pr 3.5.38 3.6.5.1 4.2.5 4.2.6 4.2.7.1 4.2.8.2 4.2.14.12 4.2.19 4.3.34 4.4.20.1 4.6.3 6.9.2.4 7.8.9 9.1.1.4 9.1.1.5 9.2.30.2 9.3.6.3 9.4.2.1 9.4.4.2 9.4.4.3 9.4.7.1 10.1.4.2 10.2.25.13 10.4.3.14 10.4.9pr 10.4.9.2 10.4.9.3 10.4.9.4 12.1.4.1

171 Fn. 405 225 Fn. 537 302 Fn. 668 145 Fn. 346, 348 236 Fn. 564 251 Fn. 589, 252 Fn. 593 246 Fn. 579 228 Fn. 543 294 Fn. 648 318 Fn. 699 60 Fn. 151 32 Fn. 70 32 Fn. 71 33 Fn. 72, 34 Fn. 76 33 Fn. 73 29 Fn. 59 f., 62 30 Fn. 67 225 Fn. 536 37 Fn. 81 33 Fn. 74 60 Fn. 153 52 Fn. 125 21 Fn. 44 21 Fn. 44 21 Fn. 42 311 Fn. 691 288 Fn. 638 288 Fn. 638 289 Fn. 640 289 Fn. 639 51 Fn. 119 45 Fn. 95 47 Fn. 104 47 Fn. 102 47 Fn. 102 47 Fn. 101, 48 Fn. 107 47 Fn. 102 51 Fn. 120

352 Quellenverzeichnis 12.1.5 12.1.9.9 12.4.1pr 12.4.5pr 12.4.5.1 12.4.6 12.4.10 12.5.1pr 12.5.6 12.6.1.1 12.6.23.1 12.6.26pr 12.6.26.3 12.6.26.4 12.6.26.12 12.6.47 12.6.50 12.6.52 12.6.57pr 12.6.65.3 12.7.1.2 12.7.2 12.7.4 13.1.10.1 13.1.20 13.3.2 13.6.18.4 13.7.11.3 13.7.13.1 13.7.22.2 14.3.19pr 14.5.2pr 16.1.2.3 16.1.6 16.1.7 16.1.8.4 16.1.8.9 16.1.8.12 16.1.8.13 16.1.8.14 16.1.13.2

50 Fn. 112 104 Fn. 239 55 Fn. 145 57 Fn. 147, 176 Fn. 416, 247 Fn. 585 57 Fn. 148 55 Fn. 145 55 Fn. 142 55 Fn. 143 51 Fn. 116 63 Fn. 159 245 f. 88  f. 63 Fn. 159, 261 Fn. 603, 274 Fn. 618 320 Fn. 705 225 Fn. 536 61 Fn. 156 63 Fn. 159 55 Fn. 143 61 Fn. 156 55 Fn. 144 55 Fn. 145 55 Fn. 142 55 Fn. 145 29 Fn. 64 48 Fn. 108  51 Fn. 120 103 Fn. 237 84 Fn. 193 110 Fn. 252 51 Fn. 119 294 Fn. 648 293 Fn. 645 125 f. 124 Fn. 289 124 Fn. 289 123 Fn. 284 122 Fn. 282 122 Fn. 282 122 Fn. 282 126 Fn. 292 122 Fn. 282

16.1.16.1 16.1.19.5 16.1.30pr 16.1.32.5 16.2.11 16.3.17 16.3.32 17.1.2pr 17.1.6.7 17.1.7 17.1.10.5 17.1.19 17.1.29pr 17.1.34pr 17.1.54pr 17.1.56.3 17.2.59pr 17.2.63.10 17.2.65pr 17.2.65.9 17.2.65.15 18.1.7pr 18.1.9pr 18.1.19.1 18.1.35.7 18.1.57 18.4.21 18.6.5 18.6.8pr 18.6.20 18.7.3 19.1.3.3 19.1.11.3 19.1.11.5 19.1.11.6 19.1.11.8 19.1.13pr 19.1.13.1 19.1.13.13 19.1.13.20 19.1.13.22 19.1.13.25 19.1.16.1

123 Fn. 285 123 Fn. 285 126 Fn. 291 122 Fn. 283 327 Fn. 729 300 Fn. 665 48 Fn. 105, 105 Fn. 242 45 Fn. 96 200 Fn. 483 201 Fn. 485 294 Fn. 648 203 Fn. 493 98 Fn. 220 40 Fn. 86, 104 Fn. 239 203 Fn. 494, 204 Fn. 498 202 Fn. 488 197 Fn. 473 197 Fn. 472 196 Fn. 470 197 Fn. 472 196 Fn. 469 135 Fn. 317 133 Fn. 311 161 Fn. 378 139 Fn. 328 181 Fn. 428 142 Fn. 338 139 Fn. 328 140 Fn. 331 167 Fn. 390 171 Fn. 406 167 Fn. 388 173 Fn. 409 173 Fn. 409 146 Fn. 350 156 Fn. 373 152 Fn. 366 152 Fn. 366 141 Fn. 334 168 Fn. 396 141 Fn. 334 294 Fn. 648 225 Fn. 536

Quellenverzeichnis353 19.1.21.3 19.1.30pr 19.1.49.1 19.2.15pr 19.2.15.1 19.2.15.2 19.2.15.4 19.2.25.3 19.2.25.6 19.2.47 19.2.54pr 19.2.55pr 19.2.60.9 19.4.1.2 19.5.5pr 19.5.5.1 19.5.5.2 19.5.5.3 19.5.6 19.5.14.3 19.5.15 19.5.16pr 19.5.25 20.1.20 20.5.2 20.6.11 21.1.31.22 21.1.49 21.1.63.1 21.2.51pr 22.1.1 22.1.3 22.1.7 22.2.4pr 22.2.7 21.2.74.2 23.3.25 23.3.50pr 24.1.5.5 24.1.6 24.1.31.3 25.2.1 25.2.2

167 Fn. 388 55 Fn. 142 168 Fn. 393 193 Fn. 461 193 Fn. 461 193 Fn. 461 193 Fn. 461 193 Fn. 460 193 Fn. 462 309 Fn. 684 168 Fn. 394, 191 Fn. 453 110 Fn. 251 110 Fn. 251 229 Fn. 544, 231 Fn. 553 192 Fn. 457 229 Fn. 544 221 Fn. 528 225 Fn. 536 230 Fn. 550 21 Fn.  42 f. 225 Fn. 536 230 Fn. 550 225 Fn. 536 60 Fn. 153, 298 Fn. 660 121 Fn. 279 308 Fn. 681 152 Fn. 364 152 Fn. 365 152 Fn. 365 165 Fn. 385 71 Fn. 172 71 Fn. 172 324 Fn. 714 92 Fn. 206 82 Fn. 190 162 Fn. 381 320 Fn. 705 55 Fn. 145 181 Fn. 430 51 Fn. 116 181 Fn. 430 52 Fn. 124 53 Fn. 132

25.2.3.2 25.2.6.2 25.2.6.4 25.2.6.5 25.2.11pr 25.2.11.1 25.2.11.2 25.2.25 25.2.26 26.7.39.2 27.3.1.13

53 Fn. 133 53 Fn. 127 53 Fn. 136 51 Fn. 122 53 Fn. 127 55 Fn. 139 55 Fn. 140 51 Fn. 122, 54 Fn. 135 51 Fn. 121 41 f. 309 Fn. 684, 310 Fn.  687 f. 27.3.1.18 309 Fn. 684 27.3.21 310 Fn. 686 27.9.10 43 Fn. 90 29.1.36.3 60 Fn. 154 34.1.16.3 197 Fn. 474 34.4.3.2 50 Fn. 113 39.5.2.7 280 Fn. 627 39.5.19pr 213 Fn. 505 39.5.21.2 259 Fn. 599 39.5.29.2 240 Fn. 566 40.1.4pr 203 Fn. 492 40.1.20.2 170 Fn. 404 40.5.26.1 50 Fn. 114 40.8.3 171 Fn. 406 41.1.61pr 104 Fn. 238 41.1.35 190 Fn. 450 41.6.1.1 259 Fn. 599 43.33.1.1 60 Fn. 152 44.7.1.4 101 Fn. 232 44.7.1.5 105 Fn. 243 45.1.17 135 Fn. 317 45.1.38.17 117 45.1.46.3 135 Fn. 317 45.1.61 218 Fn. 521 45.2.11.1 114 Fn. 262 46.1.5 120 Fn. 276 46.1.13 208 Fn. 504 46.1.17 120 Fn. 278 46.1.36 310 Fn. 686 46.1.41.1 309 Fn. 684 46.1.71pr 98 Fn. 223

354 Quellenverzeichnis 46.3.12.4 46.3.13 46.3.23 46.3.38.2 46.3.76 46.3.95.3 46.4.19.1 46.6.12 47.2.43.1 47.2.81.3 47.8.1 47.8.2.10 47.8.2.20 50.12.1.1 50.17.26.2 50.17.154

318 Fn. 702 318 Fn. 702 318 Fn. 699 62 Fn. 158 310 Fn. 686 120 Fn. 277 314 Fn. 696 309 Fn. 684 24 Fn. 50 29 Fn. 61 29 Fn. 57 29 Fn. 59, 62 f. 22 Fn. 45 213 Fn. 515 60 Fn. 155 60 Fn. 155

Codex 1.18.5 214 f. 1.18.8 190 Fn. 452 1.18.9 190 Fn. 452 2.3.1 238 f. 2.3.2 304 f. Fn.  674 2.3.3 244 2.3.4 249 2.3.5 250 Fn. 588 2.3.6 217 f. 2.3.7 227 2.3.8 245 2.3.14 211 f. 2.3.15 240 f. 2.3.16 238 2.3.17 210 2.3.18 114 2.3.19 241 2.3.20 214 2.3.21 215 f. 2.3.22 253 2.3.23 243 f. 2.3.24 253 2.3.25 253 f. 2.3.26 254

2.3.27 212 2.3.28 213 f. 2.4.2 34 Fn. 75 2.4.3 252 2.4.4 223 2.4.5 210 f. 2.4.6 228 2.4.10 248 f. 2.4.11 239 f. 2.4.12 236 Fn. 563, 246 Fn. 580 2.4.13 31 f. 2.4.14 217 2.4.15 221 2.4.16 249 2.4.17 228 f. 2.4.18 242 f. 2.4.19 223 2.4.20 248 2.4.21 131 2.4.22 37 2.4.23 249 f. 2.4.24 238 2.4.25 218 2.4.26 241 f., 248 Fn. 586 2.4.27 243 2.4.28 216 f., 220 2.4.29 251 f. 2.4.30 38 2.4.31 251 2.4.32 220 Fn. 525, 244 2.4.33 226 2.4.34 38 Fn. 83, 218 f. 2.4.35 36 2.4.36 219 2.4.37 211 2.4.38 235 f. 2.4.39 247 2.5.1 66 f. 2.6.3 66 Fn. 165, 100 Fn. 230 2.6.4 235 Fn. 558 2.11.22 133 Fn. 310 2.12.15 201 Fn. 487 2.18.3 45 f.

Quellenverzeichnis355 2.18.9 74 Fn. 177 2.18.17 43 2.18.18 42 2.18.19 44 2.18.20 40 f. 2.18.21 291 2.18.22 39 f. 2.18.23 39 2.19.1 49 2.19.2 36 2.19.4 32 f. 2.19.6 33 f. 2.19.7 31, 34 Fn. 77 2.19.8 33 2.19.9 35 f., 37 Fn. 80, 183 Fn. 436 2.19.10 34 2.20.4 224 ff. 2.20.5 221 f. 2.20.6 35 Fn. 79, 37, 183 Fn. 435 2.20.7 38 2.25.1 316 Fn. 697 2.31.2 35 Fn. 79 2.40.3 50 f., 170 3.29.4 271 Fn. 614 3.29.5 197 Fn. 476 3.29.6 197 Fn. 476 3.32.15.3 270 Fn. 613 3.32.18 264 Fn. 609 3.35.1 20 3.35.2 20 f. 3.35.4 19 f. 3.35.5 22 3.35.6 21 3.36.20 44 f. 3.36.23 227 Fn. 541 3.41.1 286 f. 3.41.3 288 3.41.4 29 Fn. 65, 289 f. 3.41.5 287 f. 3.42.5 47 3.42.7 46 f.

3.42.8 46 Fn. 100, 298 f. 3.42.9 46 Fn. 100, 67 4.2.2 74 4.2.4pr 74, 79 Fn. 182, 303 4.2.4.1 74 Fn. 177, 303 4.2.5 96 f., 98 4.2.6 81 f. 4.2.7 73 f. 4.2.8 91 f. 4.2.9 76 4.2.10 136 ff. 4.2.11 71 4.2.12 76 f., 98 Fn. 223 4.2.13 79 f., 297 Fn. 654 4.2.14 72 f. 4.2.15 77 4.5.3 68 4.5.4 63 f. 4.5.5 62 4.5.6 61 4.5.7 64 4.5.8 61 4.5.9 62 f. 4.6.2 279 f. 4.6.3 280 4.6.4 66 4.6.5 58 4.6.6 56, 280 Fn. 629 4.6.7 278 4.6.8 283 4.6.9 56 4.6.10 57 f. 4.6.11 57 4.7.2 60 4.7.3 58 4.7.4 59 4.7.5 59 f. 4.7.6 59 4.7.7 49 f. 4.8.1 25 f. 4.8.2 49 4.9.1 331 4.9.2 67

356 Quellenverzeichnis 4.9.3 51 4.9.4 67 Fn. 167, 99 f. 4.10.1 301 f. 4.10.2 303 f. 4.10.3 78. 4.10.4 114  4.10.5 143 4.10.6 307 4.10.7 30 Fn. 66, 307 f. 4.10.8 279 4.10.9 330 4.10.10 112 4.10.11 78 f. 4.10.12 242 4.10.13 79 4.10.14 112 4.12.1 122 4.12.2 333 f. 4.12.3 332 4.12.4 319 4.13.2 333 4.13.3 333 4.13.4 333 4.13.5 291 4.14.1 291 f. 4.14.2 292 4.14.4 286 4.14.5 292 4.14.6 285 f. 4.15.3 332 4.15.4 331 f. 4.15.5 297 f. 4.16.3 75 4.16.4 330 f. 4.16.5 312 4.16.6 312 f. 4.16.7 79 4.17.1 30 f. 4.22.2 132 4.22.3 128 4.22.4 132 4.22.5 133, 182 Fn. 432 4.23.1 101

4.23.2 101 4.23.3 101 f. 4.23.4 102 4.24.5 111 4.24.6 110 f. 4.24.8 111 4.24.9 109 f. 4.24.10 323 4.24.11 108 4.24.12 109 4.25.4 295 4.25.5 294 4.26.2 293 4.26.7 80 Fn. 184, 295 f. 4.26.8 293 f. 4.26.9 209, 290 Fn. 643 4.26.10 24 4.26.11 290 f. 4.26.12 290 4.26.13 295 Fn. 651 4.27.1 299 f. 4.29.5 125 4.29.13 127 f. 4.29.14 123 4.29.15 124 4.29.16 122 4.29.17 73 4.29.18 125 4.29.19 126 f. 4.29.20 123 4.30.2 96 4.30.3 93 4.30.7 65 4.30.9 95 f. 4.30.10 94 4.30.11 250 f. 4.30.12 98 4.31.4 327 4.31.5 327 4.31.10 160 4.31.11 44 4.31.12 328 4.31.13 326

Quellenverzeichnis357 4.31.14 328 Fn. 722 4.32.3 85 ff. 4.32.4 86 f. 4.32.6 324 4.32.7 80 f. 4.32.9 325 4.32.11 83 f. 4.32.13 42 f. 4.32.14 90 4.32.15 90 f. 4.32.16 91 4.32.18 87 f. 4.32.19 301, 324 Fn. 714 4.32.20 89 4.32.21 84, 87 4.32.22 84 f. 4.32.23 83 4.32.24 40 4.33.2 71 Fn. 172, 92 4.33.3 92 4.33.4 72 4.33.5 71 4.34.6 103 4.34.7 103 f. 4.34.8 104 f. 4.34.9 104 4.34.10 105 f. 4.34.11 102 Fn. 236 4.35.1 200 f. 4.35.6 207 4.35.8 208 f. 4.35.9 299 Fn. 663 4.35.10 206 f. 4.35.11 200 4.35.12 198 4.35.13 199 4.35.14 319 4.35.15 200 4.35.16 198 f. 4.35.17 201 f. 4.35.18 206 4.35.19 205 f. 4.35.20 201

4.36.1 202 ff. 4.37.1 195 4.37.2 132 4.37.3 196 f. 4.37.4 197 4.37.5 196 4.38.2 135 f. 4.38.3 129 Fn. 297, 281 4.38.4 130 f., 272 Fn. 616 4.38.5 136 4.38.6 129 4.38.7 267 4.38.8 174 4.38.9 174 4.38.10 129 4.38.11 134 4.38.12 175 f. 4.38.13 134 f. 4.39.3 304 4.39.5 302 4.39.7 298 4.39.8 308 4.43.1 242 Fn. 569 4.44.2 179 ff. 4.44.3 176 4.44.4 183 4.44.5 178 f.,182 Fn.  431 4.44.6 185 4.44.7 172 4.44.8 31 Fn. 68, 35 Fn. 79, 183 ff. 4.44.9 172 f. 4.44.10 37 f. 4.44.11 329 4.44.12 183 4.44.13 179 4.44.14 175 4.45.1 145 f. 4.45.2 143 f., 146 4.46.2 180 f. 4.48.1 142 4.48.2 139 4.48.4 142

358 Quellenverzeichnis 4.48.5 140 f. 4.48.6 141 4.49.1 177 f. 4.49.2 329 f. 4.49.3 147 4.49.4 166 f. 4.49.5 170 4.49.6 173 4.49.7 204 4.49.8 162 Fn. 382, 176 f. 4.49.9 153 f. 4.49.10 166 f. 4.49.11 159 f. 4.49.12 137 ff. 4.49.13 168 4.49.14 156 4.49.15 167 4.49.16 141 4.49.17 165 f. 4.52.3 177 Fn. 419 4.54.8 146 4.50.6.3 118 Fn. 271 4.51.4 316 Fn. 697 4.54.1 147 4.54.3 148 4.54.5 169 4.54.4 147 f. 4.54.6 149 4.54.7 149 f. 4.54.8 146 4.57.2 171 f. 4.57.3 171 f. 4.57.6 170 f. 4.58.1 153 4.58.2 152 4.58.3 150 f. 4.58.4 151 4.64.1 233 f. 4.64.2 229 f. 4.64.3 231 4.64.4 231 f. 4.64.5 232 4.64.6 231

4.64.7 232 f. 4.64.8 281 4.65.1 110 Fn. 251 4.65.2 191 4.65.4 110 Fn. 251 4.65.8 194 f. 4.65.13 309 f. 4.65.17 190 f. 4.65.18 193 f. 4.65.19 194 4.65.20 188 4.65.21 192 f. 4.65.22 191 4.65.23 188 ff. 4.65.24 186 4.65.25 188 4.65.26 187 4.65.27 212 f. 4.65.28 192 4.65.29 191 f. 5.3.9 275 Fn. 621 5.3.12 275 Fn. 621 5.12.26 118 Fn. 271 5.16.17 318 Fn. 701 5.16.23 275 Fn. 621 5.21.2 53 f. 5.21.3 54 f. 5.38.3 111 Fn. 256 5.51.7 43 f. 5.54.2pr 43 Fn. 91 5.58.2 310 Fn. 689 5.59.1 113 Fn. 260 6.2.9 49 6.2.10 27 6.2.11 23 6.2.12 26 6.2.13 237 6.2.14 24 6.2.15 27 f. 6.2.16 23 f. 6.2.17 52 6.2.18 28 6.2.19 25

Quellenverzeichnis359 6.19.1 235 Fn. 558 6.30.7 216 Fn. 516 6.31.3 235 f. 6.37.18 298 Fn. 660 6.42.27 261 6.43.1.1 262 Fn. 605 6.50.5 259 Fn. 601 6.53.6 216 Fn. 516 6.56.2 230 Fn. 548 7.26.7 23 Fn. 49 7.26.8 174 Fn. 412 7.27.2 23 Fn. 49 7.27.7 312 Fn.693 7.32.6 27 Fn. 55 7.45.8 321 Fn. 708 7.45.14 162 Fn. 382 8.13.10 112 Fn. 259 8.13.14 112 Fn. 258 8.13.19 110 f. 9.13.20 323 Fn. 710 8.13.24 112 Fn. 258 8.16.4 298 Fn. 660 8.16.6 242 Fn. 569 8.27.8 324 Fn. 712 8.27.9 111 Fn. 255 8.28.2 324 Fn. 712 8.30.3 324 Fn. 711 8.37.3 75 8.37.5 213 8.37.6 211 8.37.7 113 8.37.8 115 f., 151 Fn. 362 8.37.9 35 8.38.1 113 f. 8.38.3 116 f. 8.38.4 240 8.38.5 115 8.38.6 116 8.39.1 309 8.39.2 114 8.39.3 98 8.40.2 121 8.40.5 119

8.40.11 121 Fn. 280, 310 f. 8.40.15 65 f. 8.40.19 118 8.40.20 119 8.40.21 120 f. 8.40.22 207 f. 8.40.23 208 8.40.24 120, 123 Fn. 286 8.40.25 119 f. 8.40.28 208 Fn. 506 8.41.1 304 8.41.3 305 8.41.5 120 8.41.6 61 8.41.7 77 f. 8.42.4 317 8.42.6 314 8.42.7 327 f. 8.42.9 323 8.42.10 321 8.42.11 318 8.42.12 317 f. 8.42.13 313 f. 8.42.14 315 8.42.15 315 f. 8.42.16 320 f. 8.42.17 320 8.42.18 316 8.42.19 316 f. 8.42.20 322 8.42.21 314 f. 8.42.22 317 8.42.23 315 8.42.24 183 Fn. 434, 321 8.42.25 67 f. 8.43.2 264 8.43.3 220 Fn. 525, 222 f., 252 Fn. 592 8.44.2 212, 313 Fn. 694 8.44.3 164 8.44.4 322 8.44.5 162 8.44.6 155

360 Quellenverzeichnis 8.44.8 164 f. 8.44.9 164 f. 8.44.11 158 8.44.15 165 8.44.16 166 8.44.17  158 f. 8.44.18 159 8.44.19 163 8.44.20 163 8.44.21 154 f. 8.44.22 160 8.44.23 155 8.44.24 161 f. 8.44.25 156 f. 8.44.26 160 f. 8.44.27 155 f. 8.44.28 163 f. 8.44.29 230 8.44.30 157 8.44.31 157 f. 8.53.2 275 8.53.4 255 f. 8.53.6 271 8.53.7 255 8.53.8 256 f. 8.53.9 281 f. 8.53.10 257 8.53.11pr 265 f. 8.53.11.1 274 f.

8.53.12 264 8.53.13 258 8.53.14 267 8.53.15 266 8.53.16 255 8.53.17 259 8.53.18 264 f. 8.53.19 268 8.53.20 258 8.53.21 267 8.53.22 282 8.53.23 261 8.53.24 267 8.54.1 282 Fn. 632 8.54.2 263 f. 8.54.3 282 Fn. 632, 306 8.54.4 278 8.54.5 262 8.55.1 277 f. 8.55.2 276 8.55.3 276 8.55.4 280 f. 8.55.5 249 Fn. 587, 276 8.55.6 258 9.18.2 15 Fn. 36 9.32.4 47 Fn. 103 9.33.3 30, 307 Fn. 680 9.33.4 287 9.33.5 29 f.

Personenverzeichnis Antoninus Pius  125 f., 270, 302, 310, 348 Arcadius Charisius  11 Aristo  145 Fn. 348 Caracalla  34 Fn. 75, 74 f., 80 f., 93, 96, 113 f., 119, 147, 153, 162, 177 f., 191, 217 f., 227, 250 Fn. 588, 261, 274, 292, 310, 321 ff. Cassius  52 Celsus  105, 225 Fn. 536, 288 Gaius  29, 93, 105, 300 Gallien  66, 68, 208 f., 239 f., 246 Fn. 580, 280, 303, 309, 329 Gordian 20, 32, 47, 65 f., 90 f., 100, 142, 145 f., 152, 169, 207, 211 f., 233 f., 244 f., 275, 286 f., 292, 301 f., 305, 314, 317, 324 f., 332, 339 Gregorius/Gregorianus  11 Hermogenian  11, 21, 52 Fn. 123, 104 Fn. 238, 162, 167 f., 228 Fn. 543 Julian  29, 47, 52, 60, 82, 146, 152 f., 221 Fn. 528,225 Fn. 537, 280, 288, 346 Justinian 14, 22, 64, 102 Fn. 236, 162 Fn. 382, 208, 262 Fn. 605, 328 Konstantin  12, 187 Fn. 442, 241 f., 259 Fn. 600 Labeo  22

Marc Aurel  57, 171 Marcian  51 Fn. 115, 54, 225 Fn. 536 Modestin  47 Nerva  52, 105 Papinian 29, 41 f., 60, 92, 120 Fn. 277, 160 ff., 201, 203 Fn. 494, 204, 252 Fn. 593, 294, 308, 324 Paulus  19, 28, 52, 54 f., 138 Fn. 325, 191 Fn. 453, 259 Fn. 599, 288 f., 311 Fn. 691 Philippus Arabs  74, 79, 111, 165, 248 f., 277, 302, 327, 339 Pomponius  55, 203 Fn. 493, 276 Probus  255 f. Proculus  52 Sabinus  46, 48, 52 Septimius Severus  50, 85 ff., 121, 125 f., 164, 200 f., 238 f., 244 ff., 249, 259, 291, 293, 310, 327 Severus Alexander  20, 36, 42, 49, 65, 83, 89 f., 106 f., 110 f., 125 f., 138 f., 142, 147 f., 155, 158, 164 f., 171 f., 194 f., 210, 223, 227 f., 245, 252, 268 f., 279, 286, 302 ff., 310, 327 Ulpian  19, 21 f., 29, 33, 43, 47, 57, 60, 82, 85, 87 f., 117, 125 f., 133, 135, 146, 225 Fn. 536, 236, 245 f., 288, 294, 327, 344 Valerian  68, 208 f., 239 f., 246 Fn. 580, 280, 303, 309, 329