197 80 5MB
German Pages 254 [255] Year 2011
Managementwissen für Studium und Praxis
Herausgegeben von Prof. Dr. Dietmar Dorn und Prof. Dr. Rainer Fischbach Lieferbare Titel: Anderegg: Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik Arrenberg, Kiy, Knobloch, Lange: Vorkurs Mathematik Barth, Barth: Controlling Behrens, Kirspel: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre Behrens, Hilligweg, Kirspel: Übungsbuch zur Volkswirtschaftslehre Behrens: Makroökonomie – Wirtschaftspolitik Bontrup: Volkswirtschaftslehre Bradtke: Mathematische Grundlagen für Ökonomen Bradtke: Statistische Grundlagen für Ökonomen Busse: Betriebliche Finanzwirtschaft Camphausen: Strategisches Management Dinauer: Grundzüge des Finanzdienstleistungsmarktes Dorn, Fischbach, Letzner: Volkswirtschaftslehre Dorsch: Abenteuer Wirtschaft, 40 Fallstudien mit Lösungen Drees-Behrens, Kirspel, Schmidt, Schwanke: Aufgaben und Fälle zur Finanzmathematik, Investition und Finanzierung Drees-Behrens, Schmidt: Aufgaben und Fälle zur Kostenrechnung Fischbach, Wollenberg: Volkswirtschaftslehre 1 Götze: Grafische und empirische Techniken des Business-Forecasting Gohout: Operations Research Haas: Excel im Betrieb Hans: Grundlagen der Kostenrechnung Heine, Herr: Volkswirtschaftslehre Koch: Marktforschung Koch: Betriebswirtschaftliches Kosten- und Leistungscontrolling in Krankenhaus und Pflege
Laser: Basiswissen Volkswirtschaftslehre Martens: Statistische Datenanalyse mit SPSS für Windows Mensch: Finanz-Controlling Peto: Grundlagen der Makroökonomik Piontek: Controlling Piontek: Beschaffungscontrolling Plümer: Logistik und Produktion Posluschny: Kostenrechnung für die Gastronomie Rau: Planung, Statistik und Entscheidung – Betriebswirtschaftliche Instrumente für die Kommunalverwaltung Rothlauf: Total Quality Management in Theorie und Praxis Rudolph: Tourismus-Betriebswirtschaftslehre Rüth: Kostenrechnung, Band I Rüth: Kostenrechnung, Band II Scharnbacher, Kiefer: Kundenzufriedenheit Schuster: Kommunale Kosten- und Leistungsrechnung Schuster: Doppelte Buchführung für Städte, Kreise und Gemeinden Sprecht, Schweer, Ceyp: Markt- und Ergebnisorientierte Unternehmensführung Stender-Monhemius: Marketing – Grundlagen mit Fallstudien Stibbe: Kostenmanagement Strunz, Dorsch: Management Strunz, Dorsch: Internationale Märkte Weeber: Internationale Wirtschaft Wilde: Plan- und Prozesskostenrechnung Wilhelm: Prozessorganisation Wörner: Handels- und Steuerbilanz nach neuem Recht Zwerenz: Statistik Zwerenz: Statistik verstehen mit Excel – Buch mit Excel-Downloads
Internationale Wirtschaft
Theorie, Empirie und Wirtschaftspolitik in der Globalisierung von
Prof. Dr. Joachim Weeber
2., verbesserte und überarbeitete Auflage
Oldenbourg Verlag München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Thomas Ammon Herstellung: Constanze Müller Titelbild: iStockphoto Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Grafik + Druck, München Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-59689-2 eISBN 978-3-486-71196-7
Vorwort zur 2. Auflage „Die zunehmende internationale Verflechtung der Volkswirtschaften verändert unser Leben mit einer Geschwindigkeit, wie sie vor wenigen Jahrzehnten noch nicht vorstellbar war. Staaten, Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher sind hiervon betroffen. Dieses Lehrbuch soll Kenntnisse über die grundlegenden Zusammenhänge dieser Entwicklung liefern.“ Diese Bemerkungen aus der ersten Auflage dieses Buches haben weiterhin Gültigkeit. Die vorliegende Neuauflage greift zusätzlich gänzlich neue Schwerpunkte der letzten Jahre auf (Finanz- und Wirtschaftskrise; Schuldenkrise in Europa), ergänzt die wirtschaftspolitischen Bereiche um neue Entwicklungen (Problem der globalen Ungleichgewichte; Umweltpolitik im Spannungsfeld der Globalisierung; die größere Bedeutung Chinas) und sie ist hinsichtlich Empirie und Theorie in den anderen Kapiteln auf den aktuellen Stand gebracht worden. Abgerundet wird die 2. Auflage zu Beginn durch einen Einstieg in die historische Dimension der internationalen Verflechtung und sie endet mit einem Ausblick auf die politische Dimension der Globalisierung. Das didaktische Konzept wurde aber trotz der umfangreichen Erweiterungen beibehalten: (auch) volkswirtschaftliches Wissen muss in einer verständlichen Sprache vermittelt werden. Auf die Darstellung abstrakter Theorien und mathematischer Ableitungen wird daher verzichtet. Theoretische Überlegungen werden mit Hilfe von Daten hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit für die Erklärung aktueller wirtschaftlicher Entwicklungen überprüft. Das bereits in der ersten Auflage verwirklichte Konzept eines ‚Leselehrbuches‘ ist durch die zahlreichen Veranstaltungen an der Fachhochschule Nordakademie, Elmshorn, bestätigt worden. Es ist für Studierende der Wirtschaftswissenschaften und verwandter Fächer sowie für Praktiker und Interessierte geeignet. Auch die neue Auflage wurde von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Oldenbourg Wissenschaftsverlages begleitet – Frau Sarah Voit hat mich bei der technischen Gestaltung besonders unterstützt. Vielen Dank. Mein besonderer Dank geht an Herrn Andre Gierke, der die Abbildungen angefertigt hat.
Joachim Weeber
Inhalt Vorwort
V
1
Einleitung
1
1.1
Historische Grundlinien der Internationalen Wirtschaft und Bestimmungsfaktoren .. 2
1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3
Aktuelle Entwicklungen und Begriffe ........................................................................ 6 Neue Anforderungen an nationale Wirtschaftspolitik................................................. 6 Begriffe und Abgrenzungen ....................................................................................... 8 Messung und Indikatoren ......................................................................................... 10
1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5
Formen internationaler Verflechtungen .................................................................... 12 Waren- und Dienstleistungsmärkte ........................................................................... 12 Kapital- und Finanzmärkte ....................................................................................... 21 Arbeitsmärkte ........................................................................................................... 26 Psychologische Übertragungen ................................................................................ 27 Literatur .................................................................................................................... 31
1.4
Weiterführende Fragestellungen ............................................................................... 32
2
Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
2.1 2.1.1 2.1.2
Die Zahlungsbilanz .................................................................................................. 36 Theorie und statistisches Meldewesen ..................................................................... 36 Teilbilanzen .............................................................................................................. 39
2.2
Literatur .................................................................................................................... 58
3
Internationale Organisationen
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3
Supranationale Organisationen ................................................................................. 60 World Trade Organization ........................................................................................ 60 International Monetary Fund .................................................................................... 65 World Bank .............................................................................................................. 67
3.2
Freihandelsorientierte regionale Staatenzusammenschlüsse .................................... 70
3.3
Weitere Organisationen ............................................................................................ 72
3.4
Literatur .................................................................................................................... 73
35
59
VIII
Inhalt
4
Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
75
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3
Reale (güterwirtschaftliche) Außenwirtschaftstheorie ............................................. 75 Preisdifferenzen........................................................................................................ 76 Produktdifferenzen ................................................................................................... 78 Theorem der komparativen Kostenvorteile .............................................................. 79
4.2 4.2.1 4.2.2
Monetäre Außenwirtschaftstheorie .......................................................................... 81 Fundamentalfaktoren ............................................................................................... 90 Spekulationsgeschäfte ............................................................................................ 100
4.3
Grundzüge wirtschaftspolitischer Instrumente ....................................................... 106
4.4
Literatur.................................................................................................................. 109
5
Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
5.1
Systeme flexibler Wechselkurse ............................................................................. 113
5.2
Systeme fester Wechselkurse ................................................................................. 114
5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3
Systeme der Wechselkursbindung .......................................................................... 116 Wechselkursbandbreiten......................................................................................... 116 Crawling Peg .......................................................................................................... 121 Currency Board ...................................................................................................... 121
5.4
Devisenbewirtschaftung und Kapitalverkehrskontrollen ....................................... 126
5.5
(Europäische) Währungsunion ............................................................................... 128
5.6
Braucht man ein Weltwährungssystem? ................................................................. 132
5.7
Literatur.................................................................................................................. 136
6
Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
111
139
6.1
Geld- und Währungspolitik .................................................................................... 140
6.2
Finanz- und Steuerpolitik ....................................................................................... 153
6.3
Lohnpolitik und Arbeitsmarkt ................................................................................ 161
6.4
Sozialpolitik ........................................................................................................... 167
6.5
Umweltpolitik ........................................................................................................ 171
6.6
Literatur.................................................................................................................. 174
7
Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
7.1
Auswirkungen zwischen Staaten und Staatengruppen ........................................... 175
7.2
Regionale Auswirkungen innerhalb eines Staates .................................................. 184
7.3
Literatur.................................................................................................................. 189
175
Inhalt
IX
8
Internationale Finanzkrisen
191
8.1
Beispiele für Internationale Finanzkrisen ............................................................... 191
8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4
Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise ............................................................... 193 Ursachen der Krise ................................................................................................. 193 Auswirkungen der Krise ......................................................................................... 196 Maßnahmen zur Bewältigung der Krise ................................................................. 200 Vorschläge zur Vermeidung neuer Finanzkrisen .................................................... 202
8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3
Die Europäische Schuldenkrise .............................................................................. 206 Der Kern der Entwicklung ..................................................................................... 206 Die Folgen .............................................................................................................. 211 Mögliche Maßnamen .............................................................................................. 214
8.4
Literatur .................................................................................................................. 216
9
Politische Optionen in Zeiten der Globalisierung
217
Literaturverzeichnis
221
Stichwortverzeichnis
243
1
Einleitung
Die Globalisierung zählt zu den Megatrends, die als langfristige Treiber des ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Wandels unser Leben auch in naher Zukunft bestimmen. Auf der einen Seite werden die daraus resultierenden Vorteile (häufig unbewusst) gerne in Kauf genommen – etwa durch billige Importware aus Fernost. Auf der anderen Seite verstärkt der globale Wettbewerb das Bedrohungsgefühl inzwischen auch bei den Bevölkerungsgruppen, die eine vergleichsweise gute Schul- und Berufsausbildung besitzen. Hinzu kommen Diskussionen über Themen, die geradezu prädestiniert dafür sind, dass sie den Rahmen einer rein fachlichen Auseinandersetzung verlassen (z. B. Themen wie Migration und Fachkräftemangel). Globalisierung wird deshalb häufig verbunden mit Standortwettbewerb, mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen und dem Verschwinden ganzer Wirtschaftszweige. Typisches Beispiel aus den letzten Jahren war hierfür die Verlagerung der HandyProduktion des finnischen Konzerns Nokia von Bochum nach Cluj in Rumänien – verbunden mit dem Verlust der Arbeitsplätze in Deutschland. Zu dieser für Ökonomen eher bekannten Globalisierungsdebatte sind die in Verbindung mit der Finanz- und Wirtschaftskrise stehenden Befürchtungen über die Stabilität der marktwirtschaftlichen Ordnung und des westlichen Wertesystems hinzugekommen. Die Ereignisse seit 2008 haben die Vernetzung der Volkswirtschaften über Staatengrenzen hinweg noch einmal besonders deutlich gemacht. Globalisierungsangst macht sich breit; die Rufe nach Protektionismus fallen in einer solchen Situation auf fruchtbaren Boden. Buchtitel wie Im freien Fall – vom Versagen der Märkte zur Neuordnung der Weltwirtschaft des Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz oder Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft von Nouriel Roubini (Spitzname ‚Dr. Doom‘) stehen ganz oben auf der Bestsellerliste zum Stichwort Weltwirtschaft des Versandhauses amazon: amazon – auch ein Ausfluss der Globalisierung und nur durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien möglich. Ein ungebremster Warenverkehr, vor allem aber ein ungehemmter Kapitalstrom werden in vielen Staaten für den drastischen Einbruch der jeweiligen Wirtschaftsleistungen der 2008/2009 verantwortlich gemacht. Die positiven Seiten der Internationalisierung der Wirtschaften sind während der Finanz- und Wirtschaftskrise dagegen in den Hintergrund getreten. In diesem Buch soll der Versuch unternommen werden, Risiken und Chancen der Globalisierung wieder in ein Gleichgewicht der fachlichen Auseinandersetzung zu bringen.
2
1 Einleitung
1.1
Historische Grundlinien der Internationalen Wirtschaft und Bestimmungsfaktoren
Fragen zur Internationalisierung der Wirtschaften und zum wirtschaftlichen Zusammenwachsen von Staaten haben Theoretiker und Praktiker der Wirtschaftspolitik bereits früher beschäftigt. Die Grundlinien dieser Entwicklung werden z. B. vom Historiker Peter Fäßler mit der Ausbreitung des Homo sapiens datiert. Die Kugelgestalt der Erde und die Entdeckungsfahrt von Christoph Kolumbus setzen den Startpunkt für die Frühphasen der Globalisierung. Die ‚modernere‘ Zeitrechnung zum hier behandelten Themenkomplex dürfte für die meisten Ökonomen allerdings erst im 19. Jahrhundert beginnen. Da an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick über diese historischen Grundlinien gegeben werden soll, ist für den Leser als Einstieg in diese Thematik die Sechs-Phasen-Systematik von Fäßler völlig ausreichend (die Jahresangaben geben bei ihm nur eine ungefähre Orientierung an):
Begriff
Zeit
Präglobale Periode
bis 1500
Protoglobalisierung
von 1500 bis 1840
Verbindung zuvor getrennter Interaktionsräume; neue Regionalsysteme (z. B. Atlantisches System: Europa, Afrika u. Amerika)
Erste Phase der Globalisierung
um 1840 und endet mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs (1914)
Entstehung von Weltmärkten für Massengüter, auch durch das Auftauchen Multinationaler Unternehmen; Großbritannien führende Weltmacht
‚Zeit der Gegenläufe‘
1914 bis 1945
Desintegration (Weltwirtschaftskrise und Zweiter Weltkrieg); Integration (Völkerbund, Ausbau globaler Kommunikations-, Informations- und Verkehrsnetze)
Wichtigste Merkmale (vor allem regionale Aspekte) Nur wenig Austausch zwischen fernen Ländern – allenfalls für wenige Luxusgüter; ansonsten separierte Interaktionsräume
1.1 Historische Grundlinien der Internationalen Wirtschaft und Bestimmungsfaktoren Zweite Phase der Globalisierung
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Bipolarität des Kalten Kriegs (politischmilitärische Hegemonialmächte USA u. UdSSR); Zentren der wirtschaftlichen Entwicklung: Europa, Nordamerika, Japan
Dritte Phase der Globalisierung
ab 1990
Multilaterale Weltordnung
3
Die letzte Phase der Globalisierung wird vor allem wegen ihrer hohen Präsenz in den Medien wahrgenommen. Ihre Verursachungsfaktoren reichen dabei allerdings weiter zurück. Zu diesen Faktoren werden gerechnet: Neue Kommunikationsmöglichkeiten und sinkende Kommunikationskosten. Damit verbunden sind eine zunehmende Markttransparenz und verbesserte Koordinations- und Kontrollmöglichkeiten für internationale Unternehmensaktivitäten. Bestimmte Produktionsprozesse können in Zwischenschritte unterteilt und räumlich getrennt werden. Vor allem bei Dienstleistungen lösen sich vormals unverzichtbare Raum- und Personengebundenheiten auf. Dienstleistungen werden dadurch transferier- und handelbar. Hier liegt wohl einer der wichtigsten Gründe für die Beschleunigung des Globalisierungsprozesses. So hat etwa das Internet mehr als nur Einfluss auf wirtschaftliche Prozesse gehabt. Vielmehr hat sich das Leben vieler Menschen auf der ganzen Welt fundamental verändert. „Die Internetrevolution ist deshalb vergleichbar der Erfindung der Eisenbahn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“1 Durch diese Globalisierung 3.0 genannte Phase werden damit nicht nur Unternehmensprozesse verändert. Vielmehr wird die Welt für fast Alle zum globalen Dorf: wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungsprozesse werden nicht mehr nur von den traditionellen Industriestaaten vorangetrieben, sondern Individuen auf der ganzen Welt sind beteiligt.2 Internetplattformen wie Wikipedia sind heute viele (vor allem junge) Menschen Informations- und Mitteilungsmedium. Selbst die Partnersuche findet häufig wie selbstverständlich zunächst auf den anonymen Wegen des www statt. Niedrigere Transportkosten in den 80er- und 90er-Jahren (Rohölpreisverfall), zunehmender Wettbewerb der Transporteure und besonders die Erfindung des Containers und der daraus resultierenden effizienteren Transportmöglichkeiten. Der Wegfall von Marktzutrittsschranken und die Stärkung des Freihandels: Zölle und nichttarifäre wurden abgebaut und die Rahmenbedingungen für den internationalen Wettbewerb stärker vereinheitlicht. Die Wertschöpfungskette konnte wegen der gesunkenen Kosten nun auch geografisch zerlegt werden.
1
Hank, R. (2009), S. 84.
2
Der Begriff Globalisierung 3.0 stammt von Friedman, T. (2007).
4
1 Einleitung
Konvertible Währungen und ein globaler Kapitalmarkt. Durch den Abbau von Devisenund Kapitalverkehrsbeschränkungen erhöht sich die internationale Kapitalmobilität, und es entwickeln sich integrierte globale Kapitalmärkte. Der Vorteil dieser finanziellen Globalisierung liegt darin, dass Kapital über regionale Grenzen hinweg seiner produktivsten Verwendung zugeführt werden kann.3 Weniger entwickelte und mit vergleichsweise wenig Kapital ausgestattete Volkswirtschaften leihen sich so Kapital am weltweiten Kapitalmarkt und investieren etwa in Infrastruktur, während die Kapitalgeber(länder) – mit weitgehend ausgeschöpften Investitionsmöglichkeiten – eine tendenziell höhere Rendite erzielen können. Zur Erreichung dieser Zielvorstellungen ist allerdings u. a. ein ausreichender Entwicklungsstand des heimischen Finanzsektors notwendig. Insgesamt gesehen, soll die Öffnung der Finanzmärkte durch den zunehmenden globalen Wettbewerb um Kapital zu einer verbesserten Risikoallokation und insgesamt mehr (Welt)Wirtschaftswachstum führen. Große Lohnkostenunterschiede bei abnehmendem Qualifikationsabstand, sodass anspruchsvolle Arbeiten auch in anderen Regionen vergleichsweise günstig erledigt werden können. Unter dem Druck steigender Arbeitslosigkeit finden ausländische Direktinvestitionen eine sehr viel positivere wirtschaftspolitische Beurteilung als zuvor. Sie werden im Vergleich zu den 80er- und 90er-Jahren eher gefördert als behindert. Sie sichern nicht nur Arbeitsplätze im Inland durch Engagement in Wachstumsmärkten, sondern bieten auch Nutzen für die Entwicklungs- und Schwellenländer durch Übertragung von Technologie und Know-how. Im Dienstleistungssektor (insbesondere im Transport- und Telekommunikationssektor, bei Banken und Versicherungen) verfolgten seit den 90er-Jahren auch die europäischen Staaten – nach US-amerikanischem Vorbild – eine Strategie der Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung. Hinzu kamen auf den Finanzmärkten auch neue Finanzprodukte, etwa die Verbriefung vormals nicht-handelbarer Kredite. Konvergierende Standards und Normen, Lebensstile und Konsummuster (‚Mc Donaldisierung‘): in vielen Teilen der Erde entstehen ähnliche Bedürfnisse. Geschäftsmodelle können auf der ganzen Welt einheitlich vorangetrieben werden, was zudem zu sinkenden Kosten durch Massenproduktion führt und damit die Rentabilität der Produktion erhöht. Die Verkürzung von Produktlebenszyklen verlangt kürzere Amortisationszeiten und eine rasche Marktdurchdringung im Weltmaßstab sowie eine Produktion in großen Einheiten (economies of scale). Wertschöpfung und Produktion folgen den Märkten – motiviert durch Kundennähe, Wechselkursschwankungen, politischen Druck. Differenzen in der Steuerbelastung (konzerninterne Verrechnungspreise als Instrument der Gewinnverlagerung: hierdurch werden Standorte im Ausland benötigt). Durch das stürmische Wachstum der ostasiatisch-pazifischen Schwellenländer, der wirtschaftlichen Stabilisierung latein- und südamerikanischer Staaten, dem Fall des Eisernen Vorhangs und den daraus resultierenden Transformationsprozessen in Mittel- und Osteu3
Vgl. Schularik, M. (2004), S. 27.
1.1 Historische Grundlinien der Internationalen Wirtschaft und Bestimmungsfaktoren
5
ropa sind für die Unternehmen der ‚alten‘ Industrieländer neue potente Konkurrenten entstanden. Im Bereich des Arbeitsmarktes hat sich das Beschäftigungspotenzial für die international agierenden Unternehmen sprunghaft erhöht. Gleichzeitig entwickeln sich aber auch neue Absatzmärkte mit zusätzlichen Kooperations- und Investitionsmöglichkeiten. Nicht für alle Begründungsstränge lassen sich gute Indikatoren finden. Vor allem die Ursachen-Wirkungsrichtung ist nicht immer eindeutig bestimmbar. Relativ unumstritten in seiner großen Bedeutung für die zunehmende Vernetzung der einzelnen Volkswirtschaften nach dem ersten Weltkrieg ist die drastische Reduzierung der Transport- und Kommunikationskosten (Abb. 1.1). Abbildung 1.1 Transport- und Kommunikationskosten 1930-2005
Auf weitere Entwicklungslinien wird in den folgenden Kapiteln noch eingegangen.
6
1 Einleitung
1.2
Aktuelle Entwicklungen und Begriffe
In diesem Abschnitt sollen zunächst aktuelle Entwicklungen skizziert und Begriffsbestimmungen zum Themenkomplex ‚Internationale Wirtschaft‘ bzw. ‚Globalisierung‘ erfolgen.
1.2.1
Neue Anforderungen an nationale Wirtschaftspolitik
Zur Jahrtausendwende hatten sich in Deutschland die kritischen Stimmen über die im internationalen Vergleich relativ schwache gesamtwirtschaftliche Lage gemehrt. Insbesondere beim Wirtschaftswachstum (Tab. 1.1) und bei der Lage auf dem Arbeitsmarkt hinkte Deutschland seit Mitte der 90er-Jahre hinterher, selbst gegenüber anderen europäischen Staaten, wie etwa Frankreich und Großbritannien (oder den hier nicht ausgewiesenen Dänemark, Niederland, Irland). Tabelle 1.1 Wirtschaftswachstum in ausgewählten Staaten seit 1950
Wirtschaftswachstum in ausgewählten Staaten seit 1950 Deutsch-
Frank-
Großbri-
land
reich
tannien
Italien
USA
Japan
in % 1950-60
8,2
4,6
2,8
5,6
3,3
8,8
1960-73
4,4
5,6
3,1
5,3
4,0
9,6
1973-80
2,2
2,8
0,9
2,8
2,1
3,7
1980-90
2,3
2,4
2,7
2,4
3,2
4,6
1990-00
2,1
2,0
2,5
1,6
3,4
1,2
2000-08
1,2
1,7
2,3
0,9
2,2
1,2
2009
-4,7
-2,5
-5,0
-5,1
-2,6
-5,2
2010
3,5
1,6
1,8
1,0
2,7
3,7
2011
2,5
3,1
1,7
1,3
2,2
1,7
In Veränderung des realen Bruttoinlandsproduktes; Zeiträume: Durchschnittlicher Zuwachs pro Jahr; Jahre: im Vergleich zum Vorjahr; Daten für 2010 und 2011 geschätzt. Quelle: Schmieding, H. (2010); OECD, Economic Outlook, No. 88, November 2010
Vor allem aber gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA zeigten sich hier Rückstände.
1.2 Aktuelle Entwicklungen und Begriffe
7
Dabei stellten die einen vor allem binnenwirtschaftliche Gründe in den Mittelpunkt ihrer Argumentation, andere sahen in weltwirtschaftlichen Fehlentwicklungen die Ursachen für die Schwierigkeiten der deutschen Volkswirtschaft. Besonders in den öffentlichen Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Politikrichtungen schienen die Gegensätze unüberbrückbar – daran hat sich bis heute nichts geändert: Während die jeweilige Opposition die heimischen Versäumnisse bemängelt, verweist die Regierung in Wirtschaftsabschwüngen auf die Weltwirtschaft als Auslöser heimischer Probleme und ähnliche Entwicklungen in den Nachbarstaaten. Dagegen wird in Phasen konjunktureller Aufhellungen gerne auf die eigenen Anstrengungen verwiesen, obwohl sehr häufig gerade die außenwirtschaftlichen Belebungen in der Vergangenheit entscheidend für eine Verbesserung der jeweiligen gesamtwirtschaftlichen Lage war. Abbildung 1.2 Entwicklung des deutschen BIP seit 1991
Solche isolierten Sichtweisen werden den tatsächlichen Gegebenheiten aber nicht gerecht. Vielmehr werden binnenwirtschaftliche Fehlentwicklungen durch Änderungen der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen erst sichtbar. Damit ist die jeweilige nationale Wirtschaftspolitik ganz entscheidend von Einflüssen aus dem Ausland abhängig. So werden nicht nur für die letzten Abkühlungen der deutschen Konjunktur bzw. Rezessionen außenwirtschaftliche Gründe verantwortlich gemacht (Abb. 1.2). Auch die großen Rückschläge in der wirtschaftlichen Entwicklung Mitte der 70er- und zu Beginn der 80er-Jahre sind mit einem externen Faktor verbunden – in beiden Fällen waren kräftige Anstiege der Energiekosten im Zuge der so genannten Ölkrisen verantwortlich. In den letzten 15 Jahren lauten die entsprechenden Stichwörter Asienkrise, die Dotcom-Bankrotte im Zuge des ersten Internet-Booms
8
1 Einleitung
der New Economy, die Terroranschläge des 11. September 2001 und deren wirtschaftlichen Folgen sowie die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Entwicklung der Weltwirtschaft ist daher ein wichtiger Parameter für alle Wirtschaftssubjekte einer Volkswirtschaft in weltoffenen Gesellschaften. Die wesentlichen Veränderungen der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich durch eine merkliche Intensivierung der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung ergeben. Zahlreiche Länder sind als neue Konkurrenten auf den Märkten hinzugekommen. Beispiel der Handel mit Waren: Teilten sich in den 60er- und 70er-Jahren nur wenige Industrienationen die wichtigsten Warenmärkte untereinander auf, sind seitdem asiatische, lateinamerikanische und mittel- und osteuropäische Staaten als zusätzliche Anbieter auf den Weltmärkten aufgetreten. Sie sind mit anscheinend konkurrenzlos günstigen Arbeitskräften in der Lage, Massenwaren und zunehmend auch international handelbare Dienstleistungen billiger als die traditionellen Industriestaaten auf den Weltmärkten anzubieten. Zudem haben die Handelsaktivitäten zwischen regional weit auseinander liegenden Anbietern und Nachfragern zugenommen. Solche Entwicklungen wirken sich letztendlich auf die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage etwa in Deutschland aus: Eine nationale Wirtschaftspolitik wird damit für international eingebundene Volkswirtschaften erheblich schwieriger. Doch nicht nur auf den Gütermärkten sind die Folgen der zunehmenden Verflechtung der einzelnen Staaten zu spüren. Ein verstärktes Zusammenwachsen der Arbeitsmärkte tritt hinzu. Migration und Fachkräftemangel sind hier nur die mit den größten Emotionen belegten Stichwörter dieser Diskussion. Auch die wachsende Verflechtung der internationalen Finanzmärkte bleibt nicht ohne Folgen für die deutsche Volkswirtschaft. Probleme bereiten dabei insbesondere die Entwicklungen, die sich von realwirtschaftlichen Vorgängen gelöst haben – wie die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt hat. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich – die Bank aller Zentralbanken – kommt daher bereits in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 1997 für den finanziellen Sektor zu dem Schluss: „Viele Abläufe im Wirtschaftsleben, vor allem im Finanzbereich, verstehen wir nicht bis ins letzte.“4 Als Folge der zunehmenden internationalen Arbeitsteilung ergeben sich schließlich für die betroffenen Staaten zum Teil drastische Änderungen in den wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Aufgabenstellungen. Die Diskussion darüber findet sich in den nächsten Kapiteln.
1.2.2
Begriffe und Abgrenzungen
Die Beschreibung der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft wurde im Kapitel zuvor vor allem durch die Formulierungen Änderungen der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen Intensivierung der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung vorgenommen.
4
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (1997), S. 3.
1.2 Aktuelle Entwicklungen und Begriffe
9
Im öffentlichen, aber auch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch wird mit dieser Entwicklung vor allem Begriff der ‚Globalisierung‘ verbunden. Aus Vereinfachungsgründen werden die genannten Formulierungen in diesem Buch synonym verwendet. Die Verwendung des Wortes ‚Globalisierung‘ hat dabei in den vergangenen beiden Jahrzehnten deutlich zugenommen. So wurde für die Enquete-Kommission ‚Globalisierung der Weltwirtschaft‘ des Deutschen Bundestages durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Zählung des Begriffes Globalisierung in ihren Printausgaben der Jahre 1993 bis 2001 vorgenommen. Danach stieg die Verwendung des Wortes ,Globalisierung‘ in diesem Zeitraum um den Faktor 33. Als Inbegriff der modernen ,Globalisierung‘ dient sicherlich das Internet und hier vor allem die Suchmaschine Google. In der deutschen Version wurden für Globalisierung Ende 2010 über 5 Mio. und in der englischen Schreibweise rund 18 Mio. Treffer angezeigt – allerdings eine vergleichsweise geringe Zahl, wenn man die Trefferanzeigen etwa für den verstorbenen Superstar Michael (Mikel) Jackson nimmt: etwa 200 Mio. Gleichwohl zeigen die Ergebnisse eins: ‚Globalisierung‘ ist Teil unseres täglichen Lebens. Dabei wird ‚Globalisierung‘ in der Literatur sehr unterschiedlich definiert.5 Die Bandbreite reicht hierbei von eher engen, pessimistischen Ansätzen „Globalisierung ist, was wir in der Dritten Welt einige Jahrhundert Kolonisierung genannt haben.“ (Martin Khor, 1995; Direktor des Third World Network.) bis hin zu umfassenden, beschreibenden Abgrenzungen „Wir betrachten Globalisierung als einen historischen Prozeß, in dessen Verlauf die Netzwerke und Systeme gesellschaftlicher Beziehungen sich räumlich ausdehnen und die menschlichen Verhaltensweisen, Aktivitäten sowie die Ausübung gesellschaftlicher Macht transkontinentalen (oder interregionalen) Charakter annehmen.“ (Jonathan Perraton, u.a., 1998, Direktor Londoner Forschungsgruppe, Sheffield University.) Vor der Vielfältigkeit der Erscheinungen von Globalisierung scheitert die Bildung einer einheitlichen, griffigen und gleichwohl breit akzeptierten Definition der Globalisierung. Schließlich umfasst dieser Begriff weit mehr als nur die in diesem Buch behandelten Aspekte menschlichen Zusammenlebens. Globalisierung behandelt neben den hier im Mittelpunkt stehenden wirtschaftlichen Zusammenhängen u. a. auch so unterschiedliche Facetten wie Rechtswesen, Kultur, Menschenrechte oder den Sport. Sogar Krankheiten und die daraus resultierenden oder nur vermuteten Pandemien – nicht nur, aber auch mit deren Folgen für die Weltwirtschaft – bekommen eine andere Dimension im Zuge der Globalisierung, wie die Beispiele der Lungenkrankheit SARS, der Vogelgrippe und der Schweinegrippe gezeigt haben. Für die im weiteren Verlauf der Ausführungen relevante Internationalisierung der Wirtschaft wird sich daher an eine Arbeitsdefinition der Deutschen Bundesbank angelehnt.
5
Für diese und weitere Definitionen: Nuscheler, F. (2004), S. 53.
10
1 Einleitung „Aus ökonomischer Sicht beschreibt Globalisierung den Prozess einer fortschreitenden internationalen Arbeitsteilung, in dessen Folge ehemals primär nationale Güter, Finanz- und Arbeitsmärkte zunehmend verflochten werden.“ 6
Damit stehen im wirtschaftspolitischen Teil des Buches diese Märkte im Mittelpunkt der Betrachtung. Daraus lassen sich im wirtschaftspolitischen Teil des Buches die Auswirkungen der Globalisierung auf die wichtigsten Bereiche der Wirtschaftspolitik und auf regionale Aspekte ableiten. Als Fazit der weiteren Analysen kann aber bereits festgehalten werden: Mit der wachsenden Bedeutung der außenwirtschaftlichen Beziehungen für viele Staaten und damit der engeren Verflechtung der Volkswirtschaften untereinander gewinnt die Außenwirtschaftstheorie und Außenwirtschaftspolitik, auch bezogen auf die Möglichkeiten einer nationalen Wirtschaftspolitik, für Forschung und Lehre immer mehr an Gewicht.
1.2.3
Messung und Indikatoren
Um das Ausmaß der internationalen Verflechtung einer Volkswirtschaft abschätzen zu können, werden in der Regel verschiedene Indikatoren verwendet. So listen etwa Rürup/Setzer 43 unterschiedlich Messgrößen auf.7 Die in der Öffentlichkeit bekanntesten Parameter werden aus den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) im Zusammenhang mit der Berechnung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ermittelt. Das BIP kann auf drei Wegen berechnet werden: Der Verwendungsrechnung, der Entstehungsrechnung und der Verteilungsrechnung (wobei die letztgenannte Möglichkeit in Deutschland aufgrund mangelnder Datensätze derzeit nur theoretisch möglich ist). Die bekanntesten Indikatoren zur Messung der Internationalisierung einer Volkswirtschaft sind dabei über die Verwendungsseite zu ermitteln: BIP = C + I + G + X – M mit:
C = Konsumgüterkäufe Privater Haushalte I
= Bruttoinvestitionen (Unternehmen und Staat)
G = Staatsverbrauch Während C, I und G die Inlandsnachfrage darstellen, wird der Saldo aus Exporteinnahmen für Güter (X) Minus Importausgaben für Güter (M) als Außenbeitrag bezeichnet. 6
Deutsche Bundesbank (2007), S. 16.
7
Vgl. Rürup, B., M. Setzer (1996).
1.2 Aktuelle Entwicklungen und Begriffe
11
Mit einem hohen positiven oder hohen negativen Außenbeitrag eines Landes wird häufig der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg hinsichtlich der ökonomischen Aktivitäten dieses Landes mit dem Ausland verbunden. Dieses Ziel ist etwa in Deutschland Teil des Zielkataloges des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitätsgesetz von 1967). Die Aufnahme dieses Zieles in das Stabilitätsgesetz erfolgte vor dem Hintergrund des damals nahezu weltweit bestehenden Systems fester Wechselkurse nationaler Währungen gegenüber dem US-Dollar (Bretton-Woods-System). Nationale wirtschaftspolitische Entscheidungen sollten die Teilnahme an diesem System nicht gefährden. Seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems steht eine Neubestimmung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts aus. Üblicherweise werden entsprechende Vorstellungen aus der Verfolgung anderer Ziele abgeleitet – etwa dem Ziel des hohen Beschäftigungsstandes. Zur Messung der Außenabhängigkeit einer Volkswirtschaft lassen sich aus diesen Grundzusammenhängen verschiedene Indikatoren ableiten: Exportquote: Anteil der gesamten Ausfuhren an Gütern (Waren und Dienstleistungen) eines Staates an seinem BIP Importquote: Anteil der gesamten Einfuhren an Gütern (Waren und Dienstleistungen) eines Staates an seinem BIP Offenheitsgrad oder Außenhandelsanteil: Anteil der Exporte und Importe am BIP Der Offenheitsgrad oder Außenhandelsanteil ist damit der umfassendere Indikator, da er sowohl die Einfuhr- als auch die Ausfuhrseite in die Betrachtung der internationalen Verflechtung eines Staates einbezieht.8 In der Öffentlichkeit dagegen, wird oftmals auf die Exportleistung alleine abgestellt, was sich auch hinter dem gerne verwendeten Begriff des ‚Exportweltmeisters‘ Deutschland verbirgt. Eine detailliertere Betrachtung über diese einfachen Indikatoren hinaus liefert schließlich die Zahlungsbilanz. Sie wird i. d. R. für die Darstellung der außenwirtschaftlichen Verflechtungen eines Staates verwendet. Dort werden auch zusammen mit den Angaben des Statistischen Bundesamtes die Daten für Export und Import ermittelt, deren Ergebnisse dann in die VGR integriert und dann auf das dort ermittelte BIP bezogen werden. Während in der VGR allerdings die außenwirtschaftlichen Verflechtungen lediglich in einem gemeinsamen Konto für den Rest der Welt außerhalb des eigenen Landes dargestellt wird, bildet die Zahlungsbilanz für jedes Land die Güter- und Kapitalströme ab. Daher ist sie umfassender und deshalb wird der Aufbau der Zahlungsbilanz in einem separaten Kapitel dargestellt. Zusätzlich zu den Indikatoren Exportquote, Importquote und Offenheitsgrad finden sich bei der Analyse des Internationalisierungsgrades von Volkswirtschaften weitere ökonomische Indikatoren, die auch anderen Statistiken entnommen werden. Als Beispiele können genannt werden: Direktinvestitionen,
8
Die Angaben zu BIP, Export und Import aus dem Rechenwerk der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen können den Angaben des Statistischen Bundesamtes entnommen werden. Sie finden sich in: Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Reihen: 1.1/1.2/1.3/3.
12
1 Einleitung
Arbeitsmarktindikatoren, wie z. B. grenzüberschreitende Wanderungssalden oder die Außenwirtschaftsabhängigkeit von industriellen Arbeitsplätzen, Finanzmarktindikatoren, wie z. B. international gehandelte Aktien und andere Wertpapiere. Informationen zu diesen Indikatoren finden sich in den folgenden Kapiteln.
1.3
Formen internationaler Verflechtungen
Die Formen internationaler Verflechtungen unterscheiden sich traditionell nach den einzelnen Markttypen:
Waren- und Dienstleistungsmärkte, Direktinvestitionen, Finanzmärkte, Arbeitsmärkte.
An Gewicht gewonnen haben spätestens nach den Ereignissen des 11. September 2001 auch Überlegungen, die auf eine gleichlaufende Übertragung von Stimmungen bzw. psychologische Stimmungslagen zwischen verschiedenen Wirtschaftsräumen hindeuten. Auf sie wird im Rahmen des Kastens „Beispiel für eine Analyse von ökonomischen Übertragungswegen – Die Folgen des Terrorismus“ in Form einer retroperspektivischen Betrachtung gesondert eingegangen. Dabei wird vor allem ein Augenmerk auf die Einbindung der deutschen Volkswirtschaft gelegt.
1.3.1
Waren- und Dienstleistungsmärkte
In diesem Kapitel soll keine allumfassende Darstellung der grenzüberschreitenden Warenund Dienstleistungsströme erfolgen. Dies würde den Rahmen eines auf Erklärungen ausgerichteten Lehrbuches sprengen (und möglicherweise die Leserinnen und Leser vor der weiteren Lektüre des Buches abschrecken). Ausführliche Beschreibungen der jeweils jüngsten Entwicklungen bezüglich Welthandel und Weltproduktion, der Entwicklung in einzelnen Staaten und Regionen und der daraus abgeleiteten Prognosen und Schlussfolgerungen für die Wirtschaftspolitik werden regelmäßig durch verschiedene Institutionen veröffentlicht, z. B.: In Deutschland:
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Gutachten und Expertisen) Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (Gutachten jeweils im Frühjahr und im Herbst) Deutsche Bundesbank (Monatsberichte)
International:
Internationaler Währungsfonds (World Economic Outlook, zweimal im Jahr mit Update)
1.3 Formen internationaler Verflechtungen
13
Organisation for Economic Co-operation and Development (Economic Outlook, zweimal im Jahr) Europäische Zentralbank (Monatsberichte). An dieser Stelle sollen nur einige für die Internationale Wirtschaft wichtige langfristige Trends mit Hilfe ausgewählter Indikatoren dargestellt werden. Neben der Betrachtung von internationalen Entwicklungen wird auch die deutsche Sichtweise nicht vernachlässigt, um die (noch immer) besondere Rolle Deutschlands für die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung aufzuzeigen. Vor allem in der jüngeren Vergangenheit kam es im nationalen und internationalen Rahmen zu einer kontroversen Diskussion über die exportorientierte Ausrichtung der deutschen Volkswirtschaft. Hier sollen lediglich einige empirische Eckpunkte zu dieser Diskussion geliefert werden (näheres zur Diskussion unter Kapitel 6.1). Umfassende Daten zu diesem Themenkomplex finden sich in der Ende 2009 erschienenen Sonderveröffentlichung „Deutschland im internationalen Konjunkturzusammenhang“ des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Abbildung 1.3 Welthandel und Weltproduktion seit 1990
Quelle: IWF, World Economic Outlook, verschiedene Ausgaben
14
1 Einleitung
Export-/Importentwicklung Ein wichtiger Indikator zur Beschreibung der aktuellen Lage ist der Vergleich zwischen der Entwicklung des Welthandels und des Weltsozialprodukts (Abb. 1.3). In den letzten Jahrzehnten lag der Zuwachs i. d. R. beim Handel zwischen Staaten z. T. erheblich über dem Wachstum des globalen BIP. Deutlich sichtbar sind auch die Einbrüche bei beiden Zeitreihen im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Vor allem der grenzüberschreitende Austausch von Waren und Dienstleistungen nahm kräftig ab. Insgesamt wuchs der Welthandel im Durchschnitt der letzten 30 Jahre z. T. deutlich schneller als die Weltproduktion, weil die Zahl der Anbieterländer zunahm. Durch die Aufspaltung der Produktionsketten wird es immer mehr Staaten ermöglicht einen Beitrag zum globalen Wachstum beizutragen. Lediglich im Jahre 2009 kam es im Verlauf der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem Rückgang des Welthandelsvolumens. Eine durch zunehmende Unsicherheit ausgelöste Zurückhaltung der Privaten Haushalte und Unternehmen beim Kauf von langlebigen Konsum- und Kapitalgüter und eine restriktive Vergabe von Exportabsicherungen (Kredite und Versicherungen) trugen hierzu bei. So gab es Hinweise darauf, dass Exporteure in einzelnen asiatischen Staaten während der Krise keine Bürgschaften mehr für ihre Ausfuhren erhielten.9 Zudem liegt ein Struktureffekt vor: so ist während der Krise vor allem die grenzüberschreitende Nachfrage nach Vorleistungs- und Investitionsgütern stark eingebrochen. Da diese Gütergruppen im internationalen Handel ein wesentlich größeres Gewicht haben als in den nationalen Inlandsprodukten, war der Einbruch des Welthandels – im Verhältnis zum Rückgang der Weltproduktion – zunächst besonders ausgeprägt. Ein weiterer Grund für den starken Rückgang beim Welthandel liegt in der Globalisierung selbst begründet. Durch die zunehmende Internationalisierung der Produktionen und der Verwendung des Bruttoprinzips bei der Erfassung der Warenströme (Vgl. dazu die Ausführungen zur Handelsbilanz), steigen die Weltexporte stärker, als es ihrem nationalen Wertschöpfungsanteil entspricht. Folglich sinkt der Welthandel im Abschwung drastischer, die aktuelle Erholung ist dafür umso ausgeprägter.10 Ein stärker als die Weltproduktion steigender Welthandel bedeutet, dass ein zunehmender Anteil der Wertschöpfungskette am Endprodukt über den grenzüberschreitenden Handel erwirtschaftet wird – die globale Arbeitsteilung hat sich in Form grenzüberschreitender Produktionen verstärkt. Ein Beleg für die Zunahme der Teilnehmerländer am Welthandel lässt sich z. B. aus Tab. 1.2 ablesen. So ist der Anteil der wichtigsten Staaten sowohl beim Ex- als auch beim Import seit 1995 gesunken. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass ein immer größer werdender Anteil dem ‚Rest der Welt‘ zugefallen ist. Zwar werden die Interdependenzen zwischen den Staaten dadurch insgesamt größer, ein großer Teil der Ex- und Importe ist aber immer noch auf die traditionellen Industriestaaten und damit wenige Regionen beschränkt (Abb. 1.4).
9
Vgl. z. B. IWF (2009).
10
Vgl. EZB (2010); Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2010), S. 25f.
1.3 Formen internationaler Verflechtungen
15
Tabelle 1.2 Entwicklung der Anteile der zehn wichtigsten Staaten am Welthandel
Entwicklung der Anteile der zehn wichtigsten Staaten am … (in%) Jahr
…Weltexport
…Weltimport
1995
60,1
57,8
2002
56,2
58,2
2009
48,7
53,0
Quelle: WTO, World Trade Report, verschiedene Jahrgänge
Dabei haben die Staaten mit einem vergleichsweise großen Nachholbedarf an Integration zwar ihre Anteile in den letzten Jahren leicht steigern können, wie z. B. die Staaten Afrikas, allerdings ist der Rückstand zu anderen Regionen z. T. noch erheblich. Dagegen haben die Boomregionen Asiens den Anteil dieses Erdteils am Welthandel deutlich steigern lassen – hier war das Wachstum am Welthandel besonders kräftig (Tab. 1.3). Abbildung 1.4 Anteile der Regionen am Welthandel 2009
Die in der deutschen Diskussion immer wieder zu hörende Forderung, dass es darauf ankomme, dass der Weltmarktanteil eines Staates gleich bleibt, ist allerdings aus Sicht der Wirtschaftspolitik nicht unproblematisch. Denn eine zunehmende Zahl von Anbietern führt
16
1 Einleitung
rein rechnerisch dazu, dass auch bei gleich bleibender Verteilung der Positionen der bisherigen Anbieter deren Weltmarktanteile kleiner werden. Die Zunahme des Handels insgesamt gleicht aber die Verringerung der Weltmarktanteile möglicherweise mehr als aus. Tabelle 1.3 Die wichtigsten Regionen des Welthandels
Die wichtigsten Regionen des Welthandels (Veränderung von 1993 bis 2009 in Prozentpunkten) Regionen
Export
Import
Nordamerika
– 4,8
– 3,9
Lateinamerika
+ 0,8
+ 0,3
Europa
– 4,2
– 3,0
Asien
+ 3,3
+ 3,7
Afrika
+ 0,7
+ 0,7
Mittlerer Osten
+ 0,2
+ 0,7
Quelle: WTO, International Trade Statistics 2010, S. 11/12
Ein Blick auf die Entwicklung der deutschen Exportquote zeigt, dass die deutsche Wettbewerbsfähigkeit in den letzten Jahrzehnten nicht gelitten hat (Abb. 1.5). Vielmehr ist seit 1980 ein tendenzieller Anstieg der Ausfuhrleistungen festzustellen. Empirische Untersuchungen zeigen eine vergleichbare Entwicklung auch in anderen Staaten. Dies gilt auch für den Vergleich mit den Zeiten vor dem Aufkommen protektionistischen Tendenzen vor dem 2. Weltkrieg.11 Schwankungen der Exportquote können konjunkturelle Gründe (im Inland und im Ausland) haben oder auch Ausdruck struktureller Ursachen (z. B. steigender Produktionsanteil der westdeutschen Wirtschaft für den innerdeutschen Transfer in die neuen Bundesländer von 1991 bis 1993) sein.
11
Vgl. mit Datenangaben bis in das 19. Jahrhundert: Bernholz, P. (2001).
1.3 Formen internationaler Verflechtungen
17
Abbildung 1.5 Die Entwicklung der deutschen Exportquote seit 1970
Die Querschnittsbetrachtung der regionalen Zusammensetzung der Exporte zeigt, welche Staaten oder Regionen die Hauptabnehmer der deutschen Güterproduktion sind. Die Längsschnittbetrachtung ermöglicht die Analyse hinsichtlich der Entwicklung der regionalen Zusammensetzung (Tab. 1.4). So hatten etwa für Deutschland die Märkte der mittel- und osteuropäischen Staaten (MOE) seit dem Zerfall des ehemaligen Ostblocks zur Mitte der 80erJahre spürbar an Gewicht gewonnen. Und die USA haben im Zuge des anhaltenden Konjunkturaufschwungs um die Jahrtausendwende zunehmend auch deutsche Produkte zur Befriedigung ihres hohen Konsum- und Investitionsbedarfs importiert. Vergleichbare Analysen lassen sich auch für die Importseite durchführen. Von Sonderentwicklungen abgesehen, z. B. wird der große Anteil der Entwicklungsländer an den deutschen Einfuhren im Jahre 1980 durch den hohen Wert für Rohölimporten im Zuge der zweiten Ölkrise erklärbar, wird deutlich, dass für Deutschland der Handel mit den Staaten der EU immer noch weit über die Hälfte der gesamten Einfuhren ausmacht. An Bedeutung deutlich gewonnen hat China. Sowohl auf der Ausfuhr als auch auf der Einfuhrseite hat dieser Handelspartner erheblich zugelegt und bei den Importen inzwischen die USA fast eingeholt. Als Ergebnis verschiedener empirischer Arbeiten zeigt sich, dass der Ex- und Import von ähnlichen Waren zwischen den Industrienationen, der so genannte intraindustrielle Handel,
18
1 Einleitung
deutlich über die Hälfte des Gesamthandels der Industrienationen ausmacht.12 Von den intraindustriellen Wirtschaftsbeziehungen ist der Austausch von Produkten zwischen verschiedenen industriellen Wirtschaftszweigen zu unterscheiden, hier liegt ein interindustrieller Handel vor. Dieser wird in erster Linie zwischen Industrie- und Schwellenländern getätigt. Tabelle 1.4 Struktur des deutschen Außenhandels seit 1960
Struktur des deutschen Außenhandels seit 19601) – nach Ländergruppen2); in % – Warenausfuhr
EU-Länder
3)
MOE-Länder Übrige europäische Länder Außereuropäische Industrie- und
Wareneinfuhr
1960
1980
2000
2005
2009
1960
1980
2000
2005
2009
40,3
51,1
64,8
64,4
63,2
39,5
48,6
59,4
59,1
58,5
3,9
4,9
2,0
3,7
4,2
4,0
4,6
3,5
4,6
4,8
23,3
18,3
6,8
6,2
6,7
14,6
12,8
6,7
7,5
8,0
12,7
9,9
14,6
12,7
10,1
18,8
13,1
15,2
11,5
10,1
7,7
6,1
10,3
8,8
6,7
14,0
7,5
8,3
8,3
8,6
..
..
1,6
2,7
4,5
..
..
3,4
6,5
8,2
18,5
14,7
10,2
10,3
11,1
22,1
20,4
11,1
11,0
9,6
1,3
1,1
1,6
2,7
4,7
1,0
0,5
4,1
6,3
9,0
Schwellenländer dar.: USA dar.: China Entwicklungsländer Sonstige
.. Keine Daten verfügbar; 1) Bis 2000: Früheres Bundesgebiet; ab 2000: Deutschland. 2) Zur Abgrenzung der Ländergruppen vgl. die Angaben der Originalquelle. 3) Für die Angaben des früheren Bundesgebietes ohne Finnland, Österreich, Schweden. Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2001), S. 438/439; Derselbe (2010), S. 392/393
Wie stark einzelne Staaten in die Weltwirtschaft integriert sind, kann am bereits erwähnten Offenheitsgrad verdeutlicht werden (Abb. 1.6). Es zeigt sich, dass vergleichsweise kleine (industriell geprägte) Volkswirtschaften intensive Aus- und Einfuhrbeziehungen unterhalten. Auf Grund einer differenzierten Nachfragestruktur können in diesen Staaten zahlreiche Waren nicht durch die heimische Volkswirtschaft hergestellt werden, sodass hier eine hohe Außenhandelsabhängigkeit entsteht. Industrienationen mit einem vergleichsweise großen Binnenmarkt (USA, Japan) weisen dagegen einen geringeren Offenheitsgrad auf.13 12
Vgl. Siebert, H. (1997), S. 42.
13
Vgl. auch Deutscher Bundestag (2001), S. 48; sowie Krugman, P., M. Obstfeld (2000), S. 139.
1.3 Formen internationaler Verflechtungen
19
Abbildung 1.6 Offenheitsgrad wichtiger Industrieländer 2008
Als Indikator zur Messung der Exportstärke und damit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Staaten können die Weltmarktanteile verwendet werden. Unter Globalisierungsgesichtspunkten ist dagegen interessant, wie sich die Anteile der Industriestaaten insgesamt im Vergleich zu den Entwicklungs- und Schwellenländern verschoben haben und ob unterschiedliche Geschwindigkeiten zukünftige Veränderungen in der Struktur der Anteile vorausschaubar machen: Bezogen auf die von der World Trade Organization ermittelten Anteile am Welthandel hat sich z. B. für Deutschland in den letzten zehn Jahren hier eine vergleichsweise stabile Situation ergeben. Mit einem Anteil von 9% am Gesamtexport ist Deutschland zwar im Jahre 2009 von China (9,6%) als Exportweltmeister abgelöst worden, hat aber seine relative Position im mittelfristigen Vergleich zu anderen Industriestaaten (Frankreich, Japan, USA) gehalten. Diese Entwicklung ist besonders bemerkenswert, weil in diesem Zeitraum neue Staaten als Anbieter von Waren auf dem Weltmarkt aufgetreten sind. Augenscheinlich sind die Exporte dieser Staaten in Relation zum deutschen Angebot eher komplementär als substitutiv. Nach den Angaben des niederländischen Centraal Planbureau haben im Vergleich der Staatengruppen die Entwicklungs- und Schwellenländern Anteile gewonnen. Eine Berechnung nach Wachstumswerten zeigt die beschleunigte Dynamik sowohl bei den Importen als auch den Exporten, wobei vor allem die Werte Asiens zugenommen haben.
20
1 Einleitung
Tabelle 1.5 Welthandel - Wachstum nach Ländergruppen seit 1991
Welthandel – Wachstum nach Ländergruppen seit 1991 1991
2000
2010
51,9
103,1
160,3
Entwickelte Staaten
53,6
102,8
123,5
Entwicklungsu. Schwellenländer
48,4
103,9
236,7
dar.: Asien
46,0
103,1
251,5
52,4
103,0
164,1
Entwickelte Staaten
56,3
103,0
125,3
Entwicklungsu. Schwellenländer
45,4
102,9
233,6
dar.: Asien
40,2
101,8
290,4
Weltimporte
Weltexporte
Jeweils Daten für November; Index 2000 = 100 Quelle: Centraal Planbureau; Datensatz zu http://www.cpb.nl/en/number/world-trademonitor-november-2010
Direktinvestitionen In der Globalisierungsdiskussion spielt neben der Exportperformance insbesondere die Entwicklung der Direktinvestitionen eine wichtige Rolle. „Deutschland fällt im Standortvergleich weiter zurück“14 oder „Investoren meiden Deutschland“15 sind in diesem Zusammenhang Mitte der 90er-Jahre häufig genannte Schlagworte gewesen. Die Fakten sprechen auf den ersten Blick eine deutliche Sprache. Die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland zeigen seit Jahren einen ansteigenden Trend.16 Angesichts der inländischen Beschäftigungsprobleme wurde dies in der Öffentlichkeit als eine aus Kostengründen stattfindende dramatische Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland empfunden. International gesehen haben die grenzüberschreitenden Direktinvestitionen ebenfalls deutlich zugenommen. Dies gilt sowohl im Bereich der traditionellen Industrieländer als auch für eine Reihe von Ent-
14
O.V. (1996a).
15
O.V. (1996b).
16
Auf die Entwicklung der deutschen Direktinvestitionen wird noch im Rahmen des Kapitels ‚2.2 Direktinvestitionen‘ ausführlich eingegangen.
1.3 Formen internationaler Verflechtungen
21
wicklungs- und Schwellenländern. Zwischen 1990 und 2009 stiegen sie um das 3fache (Industrieländer) bzw. das 13fache (Entwicklungs- und Schwellenländer) an.17
1.3.2
Kapital- und Finanzmärkte
Grenzüberschreitende Kapital- und Finanzmarkttransaktionen werden als das eigentliche Problem der zunehmenden Verflechtung von Märkten angesehen, etwa was die zahlreichen Globalisierungskritiker bei den Nichtregierungsorganisationen, so genannte NGO´s (Non Governmental Organizations), im Rahmen von Weltwirtschaftsgipfeln betrifft. Die Liberalisierung und Deregulierung der nationalen Finanzsysteme ist für viele Beobachter eine zentrale Ursache der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise. Hinter den ‚globalisierten Finanzmärkten‘ steht ein einfacher Sachverhalt: Geld und Kapital können sich heute in weiten Teilen der Welt frei bewegen und von Land zu Land wandern, wobei auch die Währung wechseln kann. Zur Berechnung des Ausmaßes der Kapitalverkehrsliberalisierung wird häufig der Chinn-ItoIndex verwendet. Danach wurden vornehmlich in den Industriestaaten nahezu sämtliche Beschränkungen abgebaut. Vor allem in Europa, weniger in den Schwellenländern nahm die Kapitalverkehrsliberalisierung zu.18 Es hat sich dadurch ein Weltfinanzmarkt herausgebildet. Ermöglicht wurde dies durch die Deregulierung und Integration nationaler Märkte, wozu vor allem der Abbau von Kapitalverkehrskontrollen, Zinsregulierungen und die moderne Kommunikationstechnologie beitragen. Kapitalströme lösen sich zudem zunehmend von realwirtschaftliche Vorgängen: Schätzungen zufolge werden nur knapp 2% des jährlichen Devisenumsatzes zur Finanzierung des Welthandels benötigt. Die Mehrzahl der Kapitalbewegungen ist dabei kurzfristig orientiert.19 Sichtbar wird diese Entwicklung etwa an der wachsenden Bedeutung grenzüberschreitender Transaktionen bei festverzinslichen Wertpapieren und Aktien. Bezogen auf das BIP sind in wichtigen Industrieländern solche Geschäftsabschlüsse in den vergangenen Jahrzehnten kräftig angestiegen.20 Neben diesen eher traditionellen Finanzmarktinstrumenten sind so genannte Finanzinnovationen hinzu gekommen. Mit börsen- und außerbörslich gehandelten Derivaten, hierunter insbesondere Optionen, können Anleger mit relativ wenig Kapital weltweit hohe Gewinne erzielen, aber auch Verluste erleiden. Derivate sind Teil einer in den 80er-Jahren entstandenen neuen Art von Finanzierungsinstrumenten, den Finanzinnovationen. Zu den Derivaten zählen Optionen, Futures und Swaps: Sie werden aus den eigentlichen Finanzgeschäften wie Krediten, Aktien und Anleihehandel abgeleitet. Dabei handelt es sich um Verträge über den zukünftigen Kauf oder Verkauf herkömmlicher Finanzierungsinstrumente zu bereits am Tage des Vertragsabschlusses vereinbartem Preis (Terminkontrakte) oder um Verträge über Rechte zu künftigem Kauf oder Verkauf (Optionen). Diese Geschäfte sind
17
Vgl. die Daten aus http://unctadstat.unctad.org/TableViewer/tableView.aspx?ReportId=88
18
Vgl. auch den Vortrag von Kern, S. (2009), Folie 6.
19
Vgl. Herr, H. (2000), S. 321.
20
Vgl. auch Theurl, T. (2001).
22
1 Einleitung
damit auf die Zukunft gerichtet und somit hochspekulativ Sie werden für zahlreiche Fehlentwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten verantwortlich gemacht. Vor allem um die Jahrtausendwende ist es in den unterschiedlichsten Segmenten des Finanzmarktes zu einer Beschleunigung grenzüberschreitender Transaktionen gekommen: „Die Gesamtverbindlichkeiten an Portfolioinvestitionen – Schuldtitel und Aktien – waren in den Jahren 2000 und 2001 mit rund 12.5 Billionen US-Dollar mit Abstand der größte Posten der internationalen Finanzanlagen. An zweiter Stelle kommen ausländische Direktinvestitionen, die am Jahresende 2001 knapp sieben Billionen ausmachten. Langfristige internationale Bankkredite lagen bei knapp vier Billionen, wenn man von den kurzfristigen Verbindlichkeiten absieht. Alle Anlageformen zusammen erreichten Ende 2001 die Summe von rund 23.5 Billionen US-Dollar bzw. gut 27.5 Billion inklusive kurzfristiger Auslandsforderungen der Geschäftsbanken … Die Gesamtbestände an internationalen Finanzanlagen lagen – im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung der Welt von gut 31 Billionen im Jahr 2001 – mit 75 bzw. 88 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in der ersten Globalisierung (zwanzig bis dreißig Prozent). Aus dieser Perspektive bestehen keine Zweifel, dass die Kapitalverflechtung der Weltwirtschaft heute weiter fortgeschritten ist als am Anfang des 20. Jahrhunderts. Das enorme Wachstum der internationalen Finanzverflechtung hat sich in den letzten Jahren weiter fortgesetzt: Zwischen dem Jahresende 2001 und 2003 ist der Bestand an grenzüberschreitenden Krediten der Geschäftsbanken nominal um über dreißig Prozent auf mehr als fünf Billionen Dollar angewachsen. Noch rasanter war die Entwicklung im Anleihemarkt. Der Gesamtbestand an internationalen Schuldtiteln ist um annähernd sechzig Prozent auf über elf Billionen Dollar angewachsen.“21 Und die entsprechenden Datensätze der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (nähere Angaben mit den entsprechenden Links finden sich unter http://www.bis.org/statistics/index.htm) zeigen eine weitere Zunahme der angesprochenen Finanzanlagen an. Der Verbund zwischen den Finanzmärkten der Staaten ist daher in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich enger geworden. Er steht für die zunehmende Geschwindigkeit im Globalisierungsprozess – wie die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise wieder zeigte. So können sich die Aktien- und Anleihemärkte in Europa immer weniger von den Entwicklungen an den Börsen anderer Metropolen lösen. Spätestens der Aktiencrash vom Oktober 1987 hat verdeutlicht, dass sich abrupte Kursbewegungen – hier der Dow Jones Aktienindex – nahezu ohne Zeitverlust auf die anderen großen Börsen übertragen. In Zeiten einer immer weiter fortschreitenden Liberalisierung der internationalen Finanzmärkte kommt es auch im Bereich der Zinsen zu einer Loslösung vom nationalen Markt. „Der Kapitalmarktzins wird nur in einer geschlossenen, vollkommen von ausländischen Einflüssen abgeschotteten Wirtschaft allein durch heimische Faktoren bestimmt.“22 Eine solch autonome Zinspolitik ist in großen Teilen der Weltwirtschaft einem internationalen Zinszusammenhang gewichen. In einer Untersuchung der Deutschen Bundesbank bereits aus dem Jahre 1997 wird etwa die Bedeutung des Zinsverbundes Deutschlands mit den USA als
21
Schularick, M. (2004), S. 39.
22
Deutsche Bundesbank (1997), S. 24.
1.3 Formen internationaler Verflechtungen
23
weltweit größtem Kapitalmarkt besonders herausgestellt. Für die Analyse wurde der Zeitraum von 1974 bis 1996 herangezogen. Die zentralen Ergebnisse: kurzfristig: der deutsche Zinsverlauf lehnt sich eng an die Entwicklung in den USA an, langfristig: die Zinsentwicklung wird in Deutschland durch inländische Faktoren bestimmt. Insgesamt gesehen ist der Verlauf der Kapitalmarktzinsen in diesem Zeitraum enger an die Entwicklung in den USA heran gerückt. Der deutsche Markt befand sich ‚im Schlepptau‘ des amerikanischen Marktes. Deutschland als ein stark in die internationalen Finanzmärkte integriertes Land, konnte sich bereits damals den Einflüssen internationaler Entwicklungen auf den Kapital- und Geldmärkten nicht entziehen. Bisweilen wird seit dieser Zeit im Zuge der Globalisierung auch von einem weltweiten Kapitalmarkt gesprochen.23 Was für Deutschland gilt, ist auch prinzipiell im Verhältnis der Zinsentwicklung zwischen dem Euro-Raum und die USA zu beobachten. Bis 2009 kam es zu einer deutlichen Annäherung der Zinssätze – sowohl bei den kurz- als auch den langfristigen Zinssätzen (Tab. 1.6). Bezogen auf die relativen Abweichungen haben sich die aus den vorhandenen Angaben Werte wie folgt entwickelt: Tabelle 1.6 Durchschnittliche Zinsdifferenzen zwischen Euro-Raum und den USA
Durchschnittliche Zinsdifferenzen zwischen Euro-Raum und den USA Kurzfristige Zinssätze
Langfristige Zinssätze
1990-1999
2,72
1,49
2000-2009
1,25
0,45
Ermittelt aus den Daten der Tabelle 1.7
Die Zinsdifferenzen zwischen den beiden großen Wirtschafts- und Währungsräumen haben sich also deutlich verringert. In der jüngsten Zeit ging dieser Prozess zunächst weiter. Vor allem durch die Ereignisse um die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise und die daraus folgenden Senkungen der Leitzinsen sind die Zinssätze am kurzen Rand aber konvergiert (Abb. 1.7).
23
Vgl. etwa bereits Rosenstock, A. (1988), S 2.
24
1 Einleitung
Abbildung 1.7 Dreimonats-Geldmarktsätze in Deutschland, USA und Japan
Quelle: EZB, Monatsbericht, Februar 2011, S. S44
Die aktuell vorliegenden Ergebnisse zeigen aber auch, dass es sehr wohl regional eigenständige Entwicklungen geben kann. Zinsen hängen eben nicht nur von internationalen Entwicklungen, sondern etwa auch von nationalen Risikofaktoren abhängig. Innerhalb Europas hatte in der Vergangenheit Deutschland eine gewisse Führungsrolle bei der Zinsentwicklung. Zum einen auf Grund der großen Bedeutung der DM als Währung im Rahmen des EWS: eine Reihe von anderen Zentralbanken orientierten sich daher an der Geldpolitik der Deutschen Bundesbank. Zum anderen hat der deutsche Kapitalmarkt durch seine Größe eine wichtige Bedeutung bei der Zinsgestaltung. Trotzdem gab es in der Vergangenheit zwischen den einzelnen Staaten der EU z. T. merkliche Unterschiede in der Höhe der Kapitalmarktzinsen, die etwa durch unterschiedliche Preisentwicklungen begründbar waren. Insofern ist zwischen einer nominalen und einer realen Zinsentwicklung zu unterscheiden. Bei der Entwicklung realer Zinssätze werden von den nominalen Zinssätzen die Inflationsraten subtrahiert. Dabei kann zusätzlich zwischen der aktuellen Inflationsrate und den erwarteten Preissteigerungen unterschieden werden. Zudem wurden für die Engagements der Kapitalgeber auf Grund höherer Unsicherheiten hinsichtlich der zukünftigen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in einzelnen Staaten der EU Risikozuschläge durch eine schlechtere Bonitätsbeurteilung verlangt. Diese großen Zinsdifferenzen waren zwischen den EWU-Staaten zunächst nicht mehr vorhanden. Im Rahmen des Maastrichter Vertrages ist die Zinsentwicklung ein Konvergenzkriterium. Als Ergebnis des Konvergenzprozesses hatten sich die Zinsunterschiede innerhalb der
1.3 Formen internationaler Verflechtungen
25
EU bis zum Start der neuen Währung im Jahre 1999 verringert und im ersten Jahrzehnt des Bestehens der gemeinsamen Währung weitgehend angeglichen – was bereits rein optisch zu beobachten ist (Abb. 1.8). Tabelle 1.7 Zinssätze im Euro-Raum und den USA
Zinssätze im Euro-Raum und den USA Kurzfristig
Langfristig
EuroRaum
USA
Differenz
EuroRaum
USA
Differenz
1990
10,37
8,28
2,09
10,87
8,73
2,14
1991
10,33
5,95
4,38
10,22
8,01
2,21
1992
10,92
3,82
7,10
9,79
7,13
2,66
1993
8,52
3,31
5,21
8,08
5,97
2,11
1994
6,52
4,75
1,77
8,18
7,21
0,97
1995
6,82
6,04
0,78
8,73
6,69
2,04
1996
5,09
5,51
0,42
7,23
6,54
0,69
1997
4,38
5,76
1,38
5,99
6,45
0,46
1998
3,95
5,57
1,62
4,71
5,33
0,62
1999
2,96
5,42
2,46
4,66
5,64
0,98
2000
4,39
6,53
2,14
5,44
6,03
0,59
2001
4,26
3,77
0,49
5,00
5,01
0,01
2002
3,32
1,79
1,53
4,91
4,60
0,31
2003
2,33
1,22
1,11
4,14
4,00
0,14
2004
2,11
1,62
0,49
4,12
4,26
0,14
2005
2,19
3,56
1,37
3,42
4,28
0,86
2006
3,08
5,20
2,12
3,84
4,79
0,95
2007
4,28
5,30
1,02
4,32
4,63
0,31
2008
4,63
2,91
1,72
4,30
3,65
0,65
2009
1,22
0,69
0,53
3,82
3,25
0,57
Jahresdurchschnitte; Differenz in %-Punkten; Kurzfristige Zinssätze: Dreimonatsgeld; Langfristige Zinssätze: Umlaufsrendite festverzinslicher Staatsschuldpapiere mit einer Restlaufzeit von mindestens drei Jahren; Euro-Raum ab 1990 in der Abgrenzung der Maastrichter Kriterien Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Datenportal)
26
1 Einleitung
Abbildung 1.8 Annäherung langfristiger Zinssätze Euro-Raum
Zwar bestanden auch bis 2007 noch geringfügige Renditedifferenzen zwischen den Teilnehmerstaaten, im Zuge der Schuldenkrise in der Eurozone haben sich diese aber wieder deutlicher ausgeweitet. Dabei war Ausgangspunkt dieser Entwicklung der von Griechenland ausgehende Vertrauensverlust im Frühjahr 2010. Dieses Misstrauen griff rasch auf andere Staaten der EU über. Die Nachfrage nach Staatsanleihen dieser Staaten ging merklich zurück; Neuengagements ließen sich die Anleger über Zuschläge bei den Risikoprämien bezahlen. Die Finanzierungskosten dieser Staaten und damit die Zinsdifferenzen zwischen den gut und schlecht beurteilten langfristigen Staatsanleihen stiegen seitdem kräftig an (zu weiteren Aspekten der Schuldenkrise in der Eurozone vgl. Kap. 8).
1.3.3
Arbeitsmärkte
Eine weitere Form des weltwirtschaftlichen Wandels findet sich auf den Arbeitsmärkten. Die Internationalisierung der Arbeitsmärkte nimmt einen immer größeren Raum in Globalisierungsdebatten ein. Die Migration spielt gerade im politischen Bereich eine wichtige Rolle, wird durch sie doch die emotionale Seite der arbeitsfähigen Bevölkerung besonders angesprochen.
1.3 Formen internationaler Verflechtungen
27
Gelingt es, den freien Güter- und Kapitalverkehr sicherzustellen, ist die Wanderung von Arbeitskräften weitgehend unnötig. Da dies in der Vergangenheit nicht der Fall war, hat es in der Geschichte immer wieder Wanderungen gegeben. Es spricht allerdings einiges dafür, dass grenzüberschreitende Wanderungsprozesse von Arbeitskräften in ihrem quantitativen Ausmaß bisher hinter den Entwicklungen anderer Märkte zurückgeblieben sind. Die Grenzen sind für Menschen immer noch weniger durchlässig als für Waren, Dienstleistungen und Kapital. Kulturelle, gesellschaftliche und sprachliche Barrieren sind eben zum Teil noch bedeutsamer als der ökonomische Wanderungsdruck. Zu beobachten sind dagegen in Deutschland erhebliche grenzüberschreitende Bewegungen von Arbeitskräften in befristeten Beschäftigungsverhältnissen und mit dem Status eines sozialrechtlichen Ausländers. Zudem stehen die nationalen Arbeitsmärkte über die Handelsströme und die Mobilität quasi in einem indirekten weltweiten Wettbewerb.
1.3.4
Psychologische Übertragungen
In einem breiteren Bewusstsein der Öffentlichkeit, aber auch der Wirtschaftswissenschaften neu sind die Auswirkungen von Gefühlen, Stimmungen, Emotionen auf den Wirtschaftsprozess – obwohl etwa Erwartungen bereits seit der Diskussionen über die Phillips-Kurve oder auch schon bei John Maynard Keynes eine wichtige Rolle spielen. Psychologische Einflüsse könne die wirtschaftliche Entwicklung stark prägen. Typisches Beispiel ist hier die Ungewissheit über die wirtschaftliche Zukunft (z. B. Angst vor einem Arbeitsplatzverlust). Kaufzurückhaltung und Angstsparen können die Folgen sein – was wiederum Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung hat. Auch Änderungen des Verbraucherverhaltens in den USA oder ein verbessertes Geschäftsklima in Südostasien sowie der Ausbruch von Seuchen und die damit verbundenen Ängste können Einschätzungen über die künftige Lage der Weltwirtschaft beeinflussen. Mithin entsteht eine ‚Globalisierung‘ der Stimmungen. Die hier insgesamt aufgezeigten Wege der Globalisierung sind spätestens durch die tragischen Ereignisse im Zuge der Terroranschläge vom 11. September 2001 auf die Türme des World Trade Center offensichtlich geworden. Im Anschluss daran kam es auch zu heftigen ökonomischen Reaktionen, die die hier aufgezeigten Übertragungswege maßgeblich betrafen. Eine kurze Darstellung über die damalige Lage veranschaulicht dies:
28
1 Einleitung Beispiel für eine Analyse von ökonomischen Übertragungswegen – Die Folgen des Terrorismus
Die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001 hatten auch erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Sie trafen die größte Wirtschaftsmacht der Welt in einer Situation, als sich die US-amerikanische Volkswirtschaft nach einer scharfen konjunkturellen Abwärtsbewegung wieder zu stabilisieren begann. Aber auch die Ökonomien anderer Staaten waren von den Terroranschlägen und seinen Folgen betroffen. Auswirkungen für die USA: Für die USA selbst kann zwischen direkten und indirekten gesamtwirtschaftlichen Effekten unterschieden werden:
Direkte Effekte sind zum einen die umfangreichen Gebäudeschäden und die Zerstörung von Sachkapital. Schätzungen gehen von einer Vermögensvernichtung von 0,1% des US-amerikanischen Vermögens aus. Hinzu kommen zum anderen Produktionsverluste durch den Ausfall von Arbeitstagen vor allem bei Fluggesellschaften, dem Hotelund Gaststättengewerbe und der Unterhaltungsindustrie. Durch die Schadensfälle waren auch Versicherungen erheblich betroffen. Zu den indirekten Effekten werden etwa die Rückgänge bei den Vertrauensindices für Konsumenten und den Unternehmenssektor in den USA gezählt. Im Gefolge gerieten auch die Kurse der Unternehmen auf den Aktienmärkten zunächst unter Druck, stabilisierten sich jedoch wieder. Die realwirtschaftlichen Auswirkungen des temporären Aktienkursverfalls, etwa Rückgang des Konsums der Bevölkerung auf Grund eines niedriger bewerteten Vermögensbestandes, werden daher als gering eingeschätzt. Zu den indirekten Auswirkungen auf die US-amerikanische Volkswirtschaft kann auch der so genannte CNN-Effekt gerechnet werden: Für einen Zeitraum von einigen Tagen haben weite Teile der Bevölkerung auf umfangreiche Einkaufstouren verzichtet und stattdessen vor dem Fernseher die Entwicklungen nach den Terrorschlägen verfolgt. Ein solches Verhalten wurde bereits während des Golfkrieges beobachtet. Die insgesamt schwächere Nachfrage führte zu Entlassungen, was die verfügbaren Einkommen weiter schmälerte und wiederum eine Zurückhaltung bei den Konsumausgaben bedeutete. Neben diesen negativen Effekten kam es aber auch zu konjunkturstützenden Impulsen, etwa bei der Sicherheitsindustrie; sowohl was das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung innerhalb der USA betraf, als auch bei der Rüstungsindustrie im Rahmen der Vergeltungsmaßnahmen in Afghanistan. Zudem war die Wirtschaftspolitik in den USA um eine Begrenzung der Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung bemüht. Dies gilt z. B. im Bereich der Finanzpolitik mit nachfragestützenden Maßnahmen. Auch die Geldpolitik ging nach dem 11. September deutlich auf Expansionskurs, wenngleich bereits zuvor die Leitzinsen im Jahresverlauf gesenkt wurden.
1.3 Formen internationaler Verflechtungen
29
Auswirkungen für andere Staaten: Von diesen direkten und indirekten Folgen der Terroranschläge in den USA ging eine konjunkturelle Eintrübung auf die Weltwirtschaft aus. Dabei sind die Auswirkungen dieses Ereignisses nur schwer zu quantifizieren, da sich die ursprünglichen Prognosen für das Jahr 2001 bereits vor dem 11. September als nicht haltbar erwiesen – somit also ohnehin Korrekturbedarf bestand. Zur qualitativen Analyse kann dagegen auf die bekannten Übertragungswege zurück gegriffen werden:
Gütermärkte: Die Verlängerung der konjunkturellen Schwächephase in den USA betrifft etwa die Exportindustrie. So wurden die Hoffnungen zahlreicher deutscher Unternehmen nach einem im Jahresverlauf wieder zunehmenden Absatz ihrer Produkte auf dem US-amerikanischen Markt nicht erfüllt. Zudem konnten zahlreiche Transporte mit Gütern im Gefolge des Flugstopps nicht durchgeführt werden. Die Verschlechterung der Geschäftserwartungen, so sank der ifo-Geschäftsklimaindex auf den niedrigsten Stand seit August 1993, führte schließlich bei Unternehmen dazu, dass Investitionspläne weiter eingeschränkt oder zumindest aufgeschoben wurden. Dienstleistungsmärkte: Von den unmittelbaren Problemen im Flugverkehr kurz nach den Terroranschlägen waren auch die Fluglinien anderer Staaten betroffen. Zudem brachen die Passagierzahlen auf Grund der Zurückhaltung im Reiseverkehr ein. Für europäische Fluggesellschaften sanken die monatlichen Passagierzahlen 2002 im Vorjahrsvergleich deutlich, beim Frachtaufkommen wurden erst im Juni 2002 wieder Zuwächse erzielt. Kapital- und Finanzmärkte: Gerade an den Finanzmärkten waren heftige Reaktionen zu beobachten. Die Kurse auf den europäischen Aktienmärkten brachen ein, so ging der DAX zwischen dem 11. und dem 21. September um rund 19% zurück. Die Folge war auch hier eine Abnahme im Vermögensbestand. Positiv ist die mit der USamerikanischen Notenbank in einer konzertierten Aktion vorgenommene Zinssenkung einer Reihe anderer Notenbanken, unter anderem auch der Europäische Zentralbank (EZB), bewertet worden. Stimmungen: Bereits im Zuge der sich abschwächenden Konjunktur in den USA zeigte sich die zunehmende Bedeutung eines bisher weitgehend vernachlässigten Übertragungsweges wirtschaftlicher Impulse zwischen Wirtschaftsräumen: Die Auswirkung von Stimmungen. Die Unsicherheit der US-amerikanischen Bevölkerung über die weitere Entwicklung in ihrem Land führte auch in vielen anderen Staaten zu einer deutlichen Eintrübung der Zukunftsaussichten in der Bevölkerung. Ernst Welteke, der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank, sprach sogar von einem ‚Stimmungsschock‘. Auch in diesen Staaten gingen die Indices von Stimmungsindikatoren zurück, kurzfristig kam es zur Kaufzurückhaltung bei Verbrauchern. Durch die wachsende Bedeutung von Vertrauenseffekten für die internationale Konjunkturübertragung ist es auch erklärbar, warum sich anscheinend der Konjunkturzusammenhang zwischen den USA und Deutschland verstärkt hat. Insbesondere dürfte es sich um einen Übertragungsweg handeln, der relativ rasch die negativen und positiven Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung weiter gibt, wenn auch nicht notwendigerweise symmetrisch.
30
1 Einleitung
Gesamtwirkungen der Übertragungseffekte Eine quantitative Schätzung der Gesamtwirkungen ist nur schwer möglich. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in einer Expertise im Jahre 2009 Abschätzungen für reale Angebots- und Nachfrageschocks in den USA auf die Entwicklung des deutschen BIP unternommen und eine große Übertragungsintensität ermittelt. Dabei kommt für beide Betrachtungsseiten ein ähnliches Ergebnis heraus: eine Veränderung des US-amerikanischen BIPs um 1%, führt in Deutschland im selben Quartal zu einer Veränderung des BIPs um 0,22% bis 0,25%. Die langfristigen Effekte sind dagegen nicht so aussagekräftig. Vergleichbares gilt für geldpolitische Schocks. Hier führt eine schockartige, expansive US-Geldpolitik über Veränderungen der Währungsrelationen zu einem Anstieg der relativen Weltmarktpreise und dadurch zu einer Dämpfung der deutschen Exporttätigkeit. In der Vergangenheit hatten entsprechende geldpolitische Schocks mit einem Erklärungsgehalt von insgesamt gut 1% nur einen unwesentlich Einfluss auf die Entwicklung des deutschen BIPs. Quellen: OECD, Economic Outlook, Juni 2002, S. 117-140; Brück, T., D. Schumacher (2004), S. 41-46; Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute (2001), S. 6.; Deutsche Bundesbank (2002); Liebert, N., C. Schütte (2001); Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2001); der Sachverständigenrat geht dabei in einem Sonderkapitel (Textziffern 458ff.) ausführlich auf den Konjunkturzusammenhang zwischen den USA und Deutschland ein und Derselbe (2009)
Ein Versuch, die quantitativen Auswirkungen solcher exogenen Schocks wie die Terroranschläge auf das wirtschaftliche Wachstum zu schätzen, liegt in einem Vergleich von Prognosen unmittelbar vor und unmittelbar nach einem solchen Ereignis. So hatte der IWF seine Herbstprognose vom September 2001 (ohne Folgen der Terroranschläge) über das Wachstum des realen BIP wichtiger Staaten und Regionen nach den Terroranschlägen überarbeitet. Tab. 1.8 zeigt die erste Abschätzung des IWF über die Folgen der Terroranschläge für die wirtschaftliche Entwicklung in Staaten und Regionen sowie für den Welthandel. Zwar dürften die Rücknahmen der Wachstumsschätzungen in einer Reihe von Staaten nicht nur alleine den Folgen der Terroranschlägen zugeordnet werden, aber für eine solch grundlegend veränderte Prognose aus anderen Gründen dürfte der zusätzliche Informationsgewinn aus zwei Monaten (Zeitraum zwischen beiden Schätzungen) nicht nachvollziehbar sein. Allerdings haben im Zuge der Terroranschläge eine Reihe von Staaten und Zentralbanken ihre Volkswirtschaften durch geld- und finanzpolitische Maßnahmen unterstützt. Vor allem die US-amerikanische Geldpolitik kurbelte mit Niedrigzinsen die Konjunktur an. Der amerikanische Kongress beschloss zusätzlich ein Hilfsprogramm in Höhe von 40 Mrd. US-Dollar (zuzüglich Darlehen und Zuschüsse von 15 Mrd. US-Dollar). Damit wird aber eine Analyse über die letztendlich genauen Wirkungen der Anschläge erschwert. Festzuhalten ist aber: es kam zu erhöhten weltweiten Transaktionskosten, es gab zahlreiche Rückkopplungseffekte über unterschiedliche Wege, Märkte und Staaten und seitdem sind – daraus folgend – Unsicherheiten und Terrorismus auch ein Thema für die Volkswirtschaften. Die große Bedeutung dieses Übertragungsweges für wirtschaftspolitische Impulse wurde spätestens durch dieses Ereignis deutlich. Aber auch in Normalzeiten pflanzen sich wirtschaftspolitische Impulse über psychologische Kanäle fort. Aufschwung und Abschwung in
1.3 Formen internationaler Verflechtungen
31
einem Land können über die Weiterverbreitung dieser Informationen auch die wirtschaftlichen Entwicklungen anderer Staaten beeinflussen. Dies gilt erst recht für außergewöhnliche Problemlagen, etwa bei panikartigen Bewegungen – wie noch gezeigt wird. Tabelle 1.8 Revision des prognostizierten Wirtschaftswachstums im Zuge der Terroranschläge vom 11. September 1) 2001- Revisionen im Herbst 2001
Revision des prognostizierten Wirtschaftswachstums im Zuge der Terroranschläge vom 11. September 2011
Frankreich Italien Großbritannien Kanada Japan USA Deutschland Wenig fortgeschrittene Volkswirtschaften Fortgeschrittene Volkswirtschaften Darunter: EWU-Raum ASEAN-4-Staaten2) Russland Lateinamerika Alle Länder Nachrichtlich: Welthandel (Volumen)
2001
2002
0,1 0,1 0,2 - 0,6 0,1 - 0,3 - 0,2
- 0,8 - 0,8 - 0,6 - 1,4 - 1,3 - 1,5 - 1,1
- 0,4
- 1,3
- 0,2 - 0,3 - 0,1 1,8 - 0,6 - 0,2
- 1,3 - 1,0 - 1,2 - 0,4 - 1,9 - 1,1
- 1,8
- 3,1
1) Revision der Vorausschätzungen des IWF hinsichtlich der Wachstumsrate des realen BIP vom November 2001 gegenüber dem September 2001; Veränderung in Prozentpunkten. 2) Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand. Quelle: IWF (2001), S. 2
1.3.5
Literatur
Aktuelle Darstellungen zur zunehmenden internationalen Arbeitsteilung und zu den außenwirtschaftlichen Einflüssen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland finden sich unter: den Internetadressen der Institute in der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose den jeweiligen Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de)
32
1 Einleitung
den regelmäßig erscheinenden Zeitschriften der Wirtschaftsforschungsinstitute (Name des Instituts; Erscheinungsrhythmus) Schnelldienst (ifo, zwei Mal monatlich) Konjunkturberichte (RWI, halbjährlich Wochenbericht (DIW, wöchentlich) Wirtschaftsdienst (HWWI, monatlich) Wirtschaft im Wandel (IWH, monatlich) Review of World Economics (IfW, vierteljährlich) Wachstums- und Konjunkturanalysen (ZEW) Für die eher international ausgerichtete Betrachtung unverzichtbar sind die Publikationen von: IWF (www.imf.org) OECD (www.oecd.org) EU-Kommission (http://europa.eu/)
1.4
Weiterführende Fragestellungen
Aus den bisherigen Ausführungen ergeben sich eine Reihe von Fragestellungen, die in den nächsten Kapiteln behandelt werden sollen: 1. In welchen Statistiken finden sich Angaben zur zunehmenden Verflechtung der Märkte? Wie werden diese Daten erhoben? Wo liegen die Probleme hinsichtlich der Aussagefähigkeit dieser Daten? Sind ausländische Direktinvestitionen im Inland oder inländische Direktinvestitionen im Ausland positiv oder negativ zu beurteilen? (Kapitel 2 ‚Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen‘) 2. Gibt es Organisationen, die den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr steuern oder überwachen? Welche regionalen Zusammenschlüsse einzelner Staaten gibt es und welche Interessen verfolgen sie? (Kapitel 3 ‚Internationale Organisationen‘) 3. Wie begründet die wirtschaftswissenschaftliche Theorie die zunehmende internationale Arbeitsteilung? Welche Rolle spielen dabei die Kapital- und Finanzmärkte? (Kapitel 4 ‚Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie‘) 4. Kann die unterschiedliche Ausgestaltung von Währungssystemen den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr zwischen einzelnen Staaten behindern oder fördern? Welche Probleme können sich für einzelne Staaten aus der Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Währungssystem ergeben? (Kapitel 5 ‚Währungsordnungen (Wechselkurssysteme)‘) 5. Welche Auswirkungen resultieren aus dem Globalisierungsprozess für einzelne Staaten? Ist eine national orientierte Wirtschaftspolitik überhaupt noch möglich? (Kapitel 6 ‚Auswirkungen der Globalisierung auf die Wirtschaftspolitik‘)
1.4 Weiterführende Fragestellungen
33
6. Können von der Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung alle Staaten profitieren? Oder gibt es durch die Globalisierung Gewinner und Verlierer? Wie sehen durch diesen Prozess die Entwicklungen innerhalb von Staaten aus? (Kapitel 7 ‚Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen‘) 7. Was sind die Ursachen und Wirkungen der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit der Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre? Warum spielen hier Globalisierungsaspekte eine entscheidende Rolle? Welche Maßnahmen werden zur Vermeidung solcher krisenhaften Entwicklungen geplant bzw. sind schon umgesetzt? Wird der Globalisierungsprozess dadurch nachhaltig beeinflusst? (Kapitel 8 ‚Internationale Finanzkrisen‘) 8. Welche Rolle werden Nationalstaaten im Zuge der Globalisierung haben? Sind überstaatliche Zusammenschlüsse in Zeiten multinationaler Unternehmen unverzichtbar? Und sind Nicht-Regierungsorganisationen tatsächlich der Weg aus dem Dilemma? (Kapitel 9 ‚Politische Optionen in Zeiten der Globalisierung‘)
2
Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Die internationale Verflechtung der Güter-, Finanz- und Arbeitsmärkte wird vor allem durch die Zahlungsbilanz der Staaten erfasst. Für die Beurteilung außenwirtschaftlicher Vorgänge sind damit zunächst Kenntnisse über deren statistische Grundlagen unverzichtbar. Dieses statistische Instrument zur Abbildung der realen Waren- und Dienstleistungsströme, aber auch der zunehmenden Finanz- und Kapitalbewegungen, soll u. a. Verantwortlichen in der Wirtschaft wichtige Informationen für Ihr Unternehmen etwa im Hinblick auf Währungsrisiken und deren Absicherung liefern. Zudem sind nicht nur für multinational tätige Wirtschaftsunternehmen, sondern auch für exportorientierte Mittelständler zunehmend Kenntnisse über Handels- und Kapitalverflechtungen zwischen einzelnen Staaten eine wesentliche Entscheidungshilfe für eine erfolgreiche strategische Unternehmensführung, wenn die Absatz- und Produktionsplanung auf prognostizierte nationale und internationale Konjunkturentwicklungen ausgerichtet ist. Wichtiger noch sind allerdings die Informationen für die Politik: Für die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger – sowohl auf nationaler und internationaler Ebene – lassen sich aus der Zahlungsbilanz notwendige Erkenntnisse etwa zur Kapitalverflechtung mit dem Ausland gewinnen. Etwa über die während der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise besonders interessierenden Veränderungen der finanziellen Forderungen und Verbindlichkeiten der deutschen Banken gegenüber dem Ausland. Diese stellen u. a. eine wichtige Information für die Geldpolitik dar. Aber auch für Diskussionen zum Thema ‚Standortwettbewerb‘ zwischen einzelnen Staaten sind solche Angaben wichtig. Und Themen wie die Transaktions- bzw. Tobin-Steuer oder die Bedeutung des (ehemaligen) Weltmeistertitels Deutschlands im Warenexport würden ohne die entsprechenden Datengrundlagen der Zahlungsbilanz nur theoretisch diskutiert werden können. Die in den Medien und der Wissenschaft diskutierten und für politische und ökonomische Spannungen verantwortlich gemachten Ungleichgewichte zwischen den Volkswirtschaften lassen sich ebenfalls nur aus diesem Zahlenwerk ableiten. Dabei ist es auch wichtig, dass die entsprechenden Statistiken möglichst detailliert vorliegen. So kann ein zwischenstaatlicher Kapitalstrom entweder aus Reiseverkehr (= Konsum) oder aus dem Kauf von Maschinen (= Investitionen) resultieren – beide Kapitalströme führen also zu unterschiedlich langfristigen Effekten auf die Volkswirtschaft. Zudem sind die Erkenntnisse aus der Zahlungsbilanz eine der Grundlagen zur Erstellung gesamtwirtschaftlicher Prognosen, die ihrerseits u. a. wichtig für die Schätzungen der Steuereinnahmen und damit für die Planbarkeit öffentlicher Haushalte sind.
36
2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Wichtige Fragen bzw. Aspekte bleiben allerdings offen – vor allem was den Datenbedarf aus internationaler Sicht betrifft. So sind zahlreiche Rechenwerke zur Erfassung außenwirtschaftlicher Aktivitäten selbst bei räumlich angrenzenden Staaten nicht immer harmonisiert. International vergleichbare Statistiken werden im Zuge der Globalisierung aber immer wichtiger werden. Daher ist es erforderlich, dass statistische Indikatoren international vergleichbar sind, um beurteilen zu können, inwieweit sich das Geschehen in wirtschaftlichen Partnerländern auf die eigene gesamtwirtschaftliche Entwicklung auswirkt. Darüber hinaus erschweren Sonderprobleme die Interpretation der Zahlungsbilanzergebnisse: So sind gerade die Daten zu den in der politischen Auseinandersetzung sehr intensiv genutzten Direktinvestitionen nur sehr schwer interpretierbar, da sich – um nur einen Grund zu nennen – der regionale Sitz zwischengeschalteter Holding-Gesellschaften oftmals aus strategischen Überlegungen nicht im wirtschaftlich relevanten Land befindet. Damit werden aber die realen Verflechtungen einzelner Staaten zueinander sehr unscharf dargestellt.
2.1
Die Zahlungsbilanz
Wie die ersten empirischen Ergebnisse gezeigt haben, ist in den letzten Jahrzehnten eine drastische Zunahme grenzüberschreitender Aktivitäten festzustellen. So haben neben den grenzüberschreitenden Transaktionen von Wirtschaftsunternehmen auch die Aktivitäten Privater Haushalte zugenommen (ein bekanntes Beispiel aus Sicht der deutschen Zahlungsbilanz ist in den 90er-Jahren etwa das ‚Mallorca-Fieber‘ gewesen, also der Kauf einer Immobilie auf der beliebten Ferieninsel bei einem Gebietsfremden (in Mallorca) durch einen hier in Deutschland Gebietsansässigen). Damit wird die Zahlungsbilanz, in der diese Vorgänge erfasst werden, immer wichtiger für die ökonomische Analyse, da der Anstieg grenzüberschreitender Tätigkeiten ein Ausfluss der Globalisierung ist. Den rechtlichen Rahmen bilden dabei das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Die oftmals geäußerten Bedenken hinsichtlich der Geheimhaltung der Daten ist dabei gesetzlich geregelt. Die Deutsche Bundesbank ist nach dem Bundesdatenschutzgesetz zur Geheimhaltung aller Einzelangaben verpflichtet. Es erfolgt daher keine Weitergabe der Daten an andere Behörden. Die Deutsche Bundesbank macht in Ihren Meldebestimmungen darauf aufmerksam, dass die erhobenen Daten ausschließlich statistischen Zwecken dienen. Im Rahmen der Zahlungsbilanz sind vor allem drei Aspekte zu beachten: die grundsätzliche theoretische Ausrichtung der Erfassung grenzüberschreitender Größen, das daraus resultierende Meldewesen und die Systematik der Zahlungsbilanz mit ihren Teilbilanzen.
2.1.1
Theorie und statistisches Meldewesen
In Deutschland werden die Daten der Zahlungsbilanz, ergänzt durch die Angaben des Statistischen Bundesamtes für den Warenverkehr, aus den Ergebnissen des außenwirtschaftsrechtlichen Meldewesens der Deutschen Bundesbank ermittelt. Hier werden zum einen die Angaben des grenzüberschreitenden Zahlungs- und Kapitalverkehrs öffentlicher und privater Haushalte, zum anderen aber Informationen insbesondere über die Geschäftsbeziehungen
2.1 Die Zahlungsbilanz
37
von Unternehmen zwischen Inland und Ausland gewonnen. Zusammen mit dem Auslandsvermögensstatus, der zum einen den Umfang und die Struktur der finanziellen Forderungen und Verbindlichkeiten Deutschlands gegenüber dem Ausland abbildet und zum anderen Daten über die Bestände der Direktinvestitionen enthält, werden hier die Grundlagen für zahlreiche Entscheidungen von Unternehmen und Politik gelegt. Neben der Erstellung der nationalen Zahlungsbilanzstatistik liefert die Deutsche Bundesbank die Daten dieser monatlichen Statistik auch an die Europäische Zentralbank, die sie zur Beurteilung der geld- und währungspolitischen Lage im Euro-Währungsgebiet benötigt. Darüber hinaus werden den Institutionen der EU die statistischen Angaben des Außenwirtschaftsverkehrs aus den nationalen Erhebungssystemen zur Verfügung gestellt. Das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaft (Eurostat) stellt daraus die Zahlungsbilanz für die EU in tiefer sachlicher und regionaler Gliederung auf. Zusätzlich sind etwa für Deutschland auch Meldeverpflichtungen aus der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen (EG, OECD, IWF, Weltbank, UNCTAD, BIZ) zu erfüllen. In der Zahlungsbilanz werden die ökonomischen Aktivitäten auf der Basis der Gebietsansässigkeit im Rahmen einer Monatsstatistik zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden abgebildet. Dabei ist der Begriff der ‚Zahlungsbilanz‘ eher verwirrend, da keine Bestände, sondern Ströme erfasst werden – im Gegensatz zur Auslandsvermögensstatistik. Auch werden nicht nur Zahlungsvorgänge abgebildet, sondern unter Umständen auch reale Vorgänge. Für die Einordnung als ‚Gebietsansässig‘ gilt dabei: natürliche Personen – Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Wirtschaftsgebiet (Definition nach Außenwirtschaftsverordnung: „seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt ist stets nach einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als 6 Monaten Dauer anzunehmen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt“), juristische Personen – Sitz oder Leitung im Wirtschaftsgebiet, Zweigniederlassung bzw. Betriebsstätten Gebietsfremder – Leitung und gesonderte Buchführung bzw. eigene Verwaltung im Wirtschaftsgebiet. Gebietsfremd sind demnach natürliche und juristische Personen, Zweigniederlassungen und Betriebsstätten, bei denen die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Erfassung der Globalisierung macht aber bereits hier Schwierigkeiten, da sie die Aufrechterhaltung des Konzeptes der Gebietsansässigkeit durch die sich aus ihr ergebenden Entwicklungen und Strategien selbst erschwert: „Mit der Globalisierung, vor allem mit der großen Bedeutung der multinationalen Unternehmen, hat die Unterscheidung zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden, aber erheblich an Trennschärfe verloren. Die großen multinationalen Unternehmen begreifen sich nicht mehr als nationale Gebilde. Ihr Handeln ist global ausgerichtet. Sie können ihren juristischen Sitz, ebenso wie die verschiedenen Teile ihrer Wertschöpfungskette, jeweils dorthin verlagern, wo es ihnen am günstigsten erscheint. In Europa können sie in Form der ‚Societas Europea‘ sogar ihren juristischen Sitz in mehreren Ländern gleichzeitig haben. Sowohl Lieferungen von Waren und Dienstleistungen als auch Finanztransaktio-
38
2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
nen zwischen Konzerngesellschaften überschreiten zwar nationale Grenzen, finden aber innerhalb des Konzerns statt.“ 24 Das Meldewesen zur Erstellung der Zahlungsbilanz und des Auslandsvermögensstatus ist damit ein wichtiger Bestandteil der deutschen Wirtschaftsstatistik. Die jeweils aktuellen Daten zur Zahlungsbilanz werden im monatlich erscheinenden Statistischen Beiheft zum Monatsbericht 3 ‚Zahlungsbilanzstatistik‘ von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht. Einmal im Jahr werden von ihr die wichtigsten Entwicklungen aus der Zahlungsbilanz des jeweiligen Vorjahres zusätzlich ausführlich kommentiert. In den vergangenen Jahren fand diese Kommentierung jeweils im Monatsbericht März der Deutschen Bundesbank statt. Aber auch in den anderen Monatsberichten finden sich kurze Darstellungen der jeweils aktuellen Entwicklung. Ein wesentlicher Teil der Daten wird aus einer Reihe von verschiedenen Meldevordrucken der Deutschen Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes gewonnen. Ein wichtiger Vordruck ist etwa das Formular zur Erfassung von Zahlungen im Außenwirtschaftsverkehr (Z4; Quelle: Deutsche Bundesbank), das hier zur Veranschaulichung mit verschiedenen hypothetischen Angaben zu sehen ist. Neben den internen Leistungskennzahlen zur Verbuchung der Daten sind auch Bestimmungs- bzw. Ursprungsland anzugeben. Hierdurch wird neben einer sachlichen Zuordnung auch eine regionale Struktur der Zahlungsbilanzströme möglich. Hinzu kommen Angaben aus internen Rechenwerken der Deutschen Bundesbank (für die so genannte Auslandsposition der Deutschen Bundesbank) sowie Schätzungen, z. B. zur Ergänzung der Angaben beim Reiseverkehr. Damit gehen zahlreiche Informationsquellen in die Zahlungsbilanz ein. Anlage Z 4 zur AWV
Zahlungen imAußenwirtschaftsverkehr
(Z 4-Excel-Version - Dienstleistungen)
Meldung nach §§ 59 ff. der Außenwirtschaftsverordnung (AWV)
An Deutsche Bundesbank ServicezentrumAußenwirtschaftsstatistik 55148 Mainz
Firmennummer, falls vorhanden 00111111 01.2007 Max Mustermann GmbH& Co KG Einzelhandel An der Gasse 16, 63739 Aschaffenburg Telefon (-Durchwahl): 06021/123-456 Fax: -245 Ansprechpartner: Herr Mayer [email protected] E-Mail-Adresse:
Monat/Jahr: Meldepflichtiger: Wirtschaftszweig: Anschrift:
Stark umrandete Felder nicht ausfüllen 1
Zweck der Zahlung
2
BA
3
Kennzahl
4
Land
5
LandNr.
6
7
Eingehende Zahlungen
8
Ausgehende Zahlungen Verrechnungen "V" Einbringungen "E"
Beträge in Tsd Euro
1
Reisekosten
2
017
Belgien
017
2
Forschungs- und Entwicklungsleistungen
1
511
Frankr
001
58
3
Lizenzgebühren für Software
1
513
Großbrit
006
63
4
Kaufm. und admin. Dienstleistungen
2
516
Irland
007
33
5
Überlassung von Arbeitskräften
2
517
Polen
060
41
6
24
Remsperger, H. (2009), S. 90.
27
2.1 Die Zahlungsbilanz
2.1.2
39
Teilbilanzen
Die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland orientiert sich an den Vorgaben des IWF (Balance of Payments Manual). Sie ist in verschiedene Teilbilanzen untergliedert. In einer Grobstruktur können folgende Teilbilanzen unterschieden werden:
Leistungsbilanz, Vermögensübertragungsbilanz, Kapitalbilanz, Bilanz der Veränderung der Währungsreserven, Bilanz der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen.
Eine aus analytischen Gründen tiefer gehende Differenzierung wird von der Deutschen Bundesbank schließlich für die Leistungsbilanz verwendet. Sie gliedert die Leistungsbilanz zusätzlich in vier Teilbilanzen:
Außenhandel, Dienstleistungsbilanz, Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen, Bilanz der laufenden Übertragungen.
Die Verbuchung der einzelnen Meldevorgänge erfolgt dabei durch das Prinzip der doppelten Buchführung in Kontenform. Damit steht jeder Buchung eine Gegenbuchung gegenüber.25 Folge dieser Verbuchungsform ist, dass zwar einzelne Teilbilanzen Überschüsse bzw. Defizite aufweisen können, die Zahlungsbilanz insgesamt ist aber immer ausgeglichen. Es kann daher keine Zahlungsbilanzüberschüsse oder Zahlungsbilanzdefizite geben. Dieser „definitorisch notwendige ‚Ausgleich der Zahlungsbilanz‘ ist von dem wirtschaftspolitischen Konzept eines Gleichgewichts der Zahlungsbilanz zu unterscheiden.“26 Wirtschaftspolitisch stellt sich die Frage, ob die Überschüsse/Defizite von Teilbilanzen mit den Vorstellungen einzelner Staaten vom außenwirtschaftlichen Gleichgewicht vereinbar sind. Auf Grund seiner Stellung als wichtiger Exportnation und damit verbunden mit der Abhängigkeit einer großen Zahl von Arbeitsplätzen vom Export, und seiner zahlreichen finanziellen Verpflichtungen, strebt etwa Deutschland einen Handelsbilanzüberschuss an. Die Handelsbilanz In der Handelsbilanz wird der Außenhandel mit Waren erfasst. Dabei kann der Warenverkehr nach regionalen und sektoralen Gesichtspunkten differenziert werden. Damit können Fragen wie ‚Wie sieht der Handel mit bestimmten Ländern und mit bestimmten Waren aus?‘ beantwortet werden. Den Rahmen für die Erfassung des Warenverkehrs bilden die internationalen Empfehlungen der Vereinten Nationen, die sich in der Veröffentlichung ‚International Mer-
25
Zahlreiche Buchungsbeispiele für die Zahlungsbilanz finden sich etwa in Nissen, H.-P. (2002), S. 206-215.
26
Deutsche Bundesbank (1990), S. 3.
40
2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
chandise Trade Statistics: Concepts and Definitions‘ finden – die allerdings keinen Zwang zur Umsetzung beinhalten, was internationale Vergleiche nicht vereinfacht. Die Daten für die deutsche Handelsbilanz werden vom Statistischen Bundesamt über die Intra- und Extrahandelsstatistik gewonnen: Intrahandelsstatistik: Erfassung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Extrahandelsstatistik: Erfassung des Handels mit den Staaten außerhalb der Europäischen Union. Wie alle Teilbilanzen weist auch die Handelsbilanz i. d. R. kein ausgeglichenes Konto auf. Bezogen auf die Erlöse aus der Ausfuhr bzw. auf die Ausgaben für die Einfuhr von Gütern gilt: Einfuhr < Ausfuhr → positive (aktive) Handelsbilanz, Einfuhr > Ausfuhr → negative (passive) Handelsbilanz. In den Handelsbilanzen der einzelnen Länder werden üblicherweise drei unterschiedliche Bewertungsverfahren für die Verbuchung der Gütertransaktionen angewandt, wobei der Warenpreis ab Werk in allen Verfahren enthalten ist: free along shipside (fas): Enthält die Transport- und Versicherungskosten bis zur Ladestelle der Zollgrenze, free on board (fob): Enthält neben den Kosten nach ‚fas‘ auch die Verladekosten bis zur Grenze des exportierenden Landes, cost, insurance, freight (cif): Enthält neben den Kosten nach ‚fob‘ auch die Transportund Versicherungskosten zwischen der Zollgrenze des Exportlandes und der Zollgrenze des Importlandes. Für internationale Verträge sind diese Abkürzungen auch als Handelsklauseln bekannt und werden dort als Incoterms bezeichnet. In der deutschen Handelsbilanz finden vor allem die Verfahren ‚fob‘ und ‚cif‘ Anwendung. Die Auswirkungen einer unterschiedlichen Verwendung der Bewertungsverfahren auf die Handelsbilanz und Dienstleistungsbilanz zeigen einfache Berechnungsbeispiele. Seit 1970 konnte Deutschland beim grenzüberschreitenden Güterverkehr immer einen positiven Außenbeitrag aufweisen – es wird daher auch von einem ‚strukturellen Überschuss‘ gesprochen. Strukturell deshalb, weil sich der positive Handelsbilanzsaldo aus einem hohen Anteil von Investitionsgütern auf der Exportseite und einem hohen Anteil an Rohstoffen auf der Importseite ergibt. Da Investitionsgüter in der sich wandelnden Weltwirtschaft eine überproportionale Nachfrage erfahren, meist verbunden mit Preissteigerungen, der Verbrauch von Rohstoffen in Deutschland aber eine vergleichsweise geringe Nachfrageelastizität aufweist, mit in der Vergangenheit tendenziell stabilen oder sogar sinkenden Preisen, entsteht ‚quasi automatisch‘ ein Überschuss im Außenhandel.
2.1 Die Zahlungsbilanz
41
Auswirkungen unterschiedlicher Bewertungsverfahren Zollgrenze Exportland
Zollgrenze Importland
Warenpreis / Werk 100
fob:
Leistungen (I) in Höhe von 50
Leistungen (II) in Höhe von 30
Warenpreis / Werk
100
+ Leistungen (I)
50 150
cif:
Warenpreis / Werk
100
+ Leistungen (I)
50
+ Leistungen (II)
30 180
Bei cif:
Die erbrachten Gesamtleistungen in Höhe von 180 Geldeinheiten werden in der Handelsbilanz verbucht.
Bei fob:
Von den erbrachten Gesamtleistungen werden 30 Geldeinheiten (Leistungen II) in der Dienstleistungsbilanz verbucht.
Die Entwicklung des Handelsbilanzsaldos hängt damit im Übrigen nicht nur von dem Verhältnis der realen Ex- und Importe ab. Vielmehr spielen auch die erzielten Preise für die Ausfuhren bzw. die zu bezahlenden Preise für die eingeführten Güter eine wichtige Rolle. Zur vereinfachten Darstellung werden hierfür die Terms of Trade heran gezogen. Sie zeigen die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Preisindex für die Ausfuhrpreise und dem Preisindex für die Einfuhrpreise. In Deutschland stiegen die Preise für die Ausfuhrgüter im Vergleich zur Einfuhrseite zunächst deutlich stärker an, sodass der Verlauf der Terms of Trade für die deutsche Wirtschaft positiv war. Vor allem in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre bis fast zur Jahrtausendwende nahmen die Preise für Ausfuhrgüter stärker zu als für Importwaren (Tab. 2.1). Hier kam es aufgrund der billigeren Rohstoffeinfuhren sogar zu rückläufigen Werten. Erst in der letzten Dekade sind es für Export- und Importwaren vergleichbare Preisveränderungen gewesen. Steigen die Ausfuhrpreise schneller als die Einfuhrpreise spricht man von einer Verbesserung der Terms of Trade, weil die Exporterlöse relativ zu den Aufwendungen für die Importe steigen. Anders ausgedrückt: es kann für die gleiche Menge an Exportgütern mehr importiert werden. Hierfür können sowohl monetäre als auch reale Gründe eine Rolle spielen (zu diesen Gründen: Kapitel 4 ‚Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie‘).
42
2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Tabelle 2.1Entwicklung der Terms of Trade für Deutschland
Entwicklung der Terms of Trade für Deutschland Zeitraum
Ausfuhrpreise
Einfuhrpreise
1980-1985
19,4
24,5
1985-1990
2,2
-17,6
1990-1995
4,0
-2,1
1995-2000
4,4
11,4
2000-2005
2,4
1,4
2005-2009
0,1
-0,9
Veränderung im Zeitraum in % Daten: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte
Das folgende Beispiel in Anlehnung an Krafft zeigt die Bedeutung der Terms of Trade: Austauschverhältnisse (Terms of Trade) – Beispiel:
Deutschland exportiert Autos (Preis: 18.000 Euro) nach Marokko und bezieht von dort Obst (Preis: 100 Dirham pro kg). Der Wechselkurs sei 100 Dirham = 3 Euro. Dies bedeutet, dass Deutschland für ein Auto real 6.000 kg Obst erhält:
ToT: 1 Auto = 6.000 kg Obst. Das reale Austauschverhältnis hängt von den Preisen und vom Wechselkurs ab. Beispiel: Wenn die Obstpreise in Marokko auf 200 Dirham steigen, so erhält man für ein Auto bei gleichem Wechselkurs nur noch 3.000 kg Obst:
ToT: 1 Auto = 3.000 kg Obst. Wird der Euro aufgewertet oder, was das Gleiche ist, der Dirham abgewertet, so tritt der entgegengesetzte Effekt ein. Nehmen wir an, gegenüber der Ausgangslage betrage der neue Wechselkurs 100 Dirham = 2 Euro so ergibt sich:
2.1 Die Zahlungsbilanz
43
ToT: 1 Auto = 9.000 kg Obst. Da in der Praxis viele Güter getauscht werden, muss man bei der Berechnung der Terms of Trade mit durchschnittlichen Preisen (gemessen durch den Preisindex) arbeiten. Es bleibt aber bei dem Ergebnis, dass sich die Terms of Trade eines Landes verbessern, wenn
die Preise im Ausland langsamer als im Inland steigen, oder wenn die inländische Währung gegenüber ausländischen Währungen aufgewertet wird.
Quelle: Krafft, D. (2000), S. 407.
Damit trugen die vergleichsweise stark steigenden Preise für die höherwertigen deutschen Exportgüter in der Vergangenheit zu einem positiven Außenbeitrag bei. In den letzten beiden Dekaden bewegte sich der jeweilige Handelsbilanzüberschuss fast durchgehend jenseits der 100 Mrd. Euro-Grenze (Abb. 2.1). Volkswirtschaftlich bedeutet der Export von Waren damit das Entstehen zusätzlicher Einkommen bei Inländern, während Importe dem Einkommenskreislauf finanzielle Mittel entziehen. Lediglich unmittelbar nach der deutschen Einheit sank der Überschuss auf ein vergleichsweise niedriges Niveau. Ursache hierfür war die kräftige Zunahme der importierten Waren. Hierin kam der einigungsbedingte Nachfrageanstieg der ostdeutschen Bevölkerung zum Ausdruck, der zum Teil nur durch den Rückgriff auf Importe gedeckt werden konnte. Durch den sprunghaften Anstieg der Nachfrage aus den neuen Bundesländern konnten zudem die durch die allgemeine Konjunkturabschwächung bedingten Probleme der westdeutschen Exportindustrie überkompensiert werden, da traditionelle Absatzmärkte im Ausland infolge einer allgemeinen Wachstumsschwäche zeitweise für deutsche Waren nur schwer zugänglich waren. Zusätzlich zu den bisherigen Angaben des grenzüberschreitenden Warenverkehrs werden die ‚Ergänzungen zum Warenhandel‘ ausgewiesen. Dahinter verbergen sich Beträge aus dem Transithandel (Verkehr durch das Inland von Ausland zu Ausland) sowie aus dem Lagerverkehr in Zollund Freihäfen. Dass die Exporterfolge entscheidend für eine stabile Arbeitsmarktlage in Deutschland sind, ist weitgehend unstrittig. Die genauen Ergebnisse zum Beschäftigungseffekt des Außenhandels lassen sich nur aber schwer ermitteln. So hängen auch ortsbezogene Dienstleistungen (z. B. Einzelhändler oder Frisör) indirekt vom Exporterfolg der deutschen Wirtschaft ab, wenn die hierdurch erzielten Einkommen ortsgebunden ausgegeben werden. Über die direkten Arbeitsmarkteffekte gibt es ebenfalls nur wenige Angaben. Das Statistische Bundesamt hat bezogen auf die Gesamtwirtschaft hier einen Anteil von fast 23% der Erwerbstätigen ermittelt, die 2006 für den Export von Waren und Dienstleistungen arbeiteten – mit stark wachsender Tendenz seit 1995. Bezogen auf die wirtschaftszweigspezifische Betroffenheit sind die Werte z. T. deutlich höher. So ermittelte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung auf der Basis von Daten des Jahres 2001 etwa in den Bereichen des Luft- und Raumfahr-
44
2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
zeugbaus, bei Automobilen und chemischen Erzeugnisse Anteile von mehr als die Hälfte der direkt für den Export Beschäftigten. 27 Abbildung 2.1 Entwicklung des deutschen Handelsbilanzsaldos seit 1970
Allerdings wird die Außenhandelsstatistik durch die Globalisierung in ihrer Qualität und damit ihrer Aussagekraft selbst beeinflusst, wie ein Beispiel von Geyer-Schäfer/Krockow zeigt: „Wird eine Ware im Ausland veredelt (be- oder verarbeitet), so wird durch die amtliche Statistik zunächst eine Ausfuhr der unveredelten Ware registriert. Nach der Veredelung wird eine Einfuhr erfasst, wobei als Warenwert der Wert der Ware vor der Veredelung zuzüglich des Veredelungswertes erfasst wird (Prinzip der Bruttoerfassung). So wird der Airbus im Rahmen der Gemeinschaftsprogramme arbeitsteilig in Spanien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland produziert. Dabei werden ständig halbfertige Flugzeugteile bzw. Flugzeuge zur Montage zwischen den beteiligten Ländern hin und her versandt. Jeder Grenzübertritt löst in der Außenhandelsstatistik des betroffenen Landes eine entsprechende Buchung aus. Bei den hohen Werten, um die es sich jeweils handelt, führt die grenzüberschreitend arbeitsteilige Produktion insgesamt zu einer Aufblähung des durch die Außenhandelsstatistik gemessenen Außenhandels. Dies beeinträchtigt die Vergleichbarkeit der Ergebnisse im Zeitablauf. Im Zuge der Globalisierung haben nämlich grenzüberschreitende Veredelungsvorgänge an Bedeutung gewonnen.“28
27
Vgl. Statistisches Bundesamt (2007); sowie Schintke, J., R. Stäglin (2003).
28
Geyer-Schäfer, K., A. Krockow (2009), S. 101.
2.1 Die Zahlungsbilanz
45
Diese zunächst rein statistische Beschreibung über die Veredelungsproblematik hat in Deutschland im Jahre 2005 unter dem von Sinn zugeschriebenen Begriff der BasarÖkonomie29 eine inhaltliche Belebung erfahren: während der Anteil der inländischen an der gesamten Wertschöpfung sinkt, steigt der Anteil der aus dem Ausland bezogenen Vorleistungen an. Zusammen mit der Konzentration Deutschlands auf den Export, kommt es damit zu einer Vernachlässigung der binnenwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftszweige. Der von der Wirtschaftspolitik angestrebte Titel des Exportweltmeisters wird daher überinterpretiert, da die Exportdaten quasi künstlich in die Höhe getrieben werden und er auch von der Umrechnung der Wechselkurse abhängig ist. Die von Sinn ausgelöste Diskussion ist bisher sowohl empirisch als auch inhaltlich nicht zu einem endgültigen Ergebnis geführt worden. Dienstleistungsbilanz Die Angaben in der Dienstleistungsbilanz sind sehr heterogen zusammen gesetzt. Es finden sich etwa Daten zu Transportleistungen, Patent- und Lizenzgebühren, Werbe- und Messekosten und zu bestimmten Versicherungsdienstleistungen. Die quantitativ bedeutsamsten Ströme stellen aber die Reiseverkehrseinnahmen und -ausgaben dar. Hier ist der Saldo auf Grund der grenzüberschreitenden Reisefreudigkeit deutscher Urlauber seit langem deutlich negativ, es kann daher von einem ‚strukturellen Defizit‘ gesprochen werden. Dieses trägt entscheidend dazu bei, dass die deutsche Dienstleistungsbilanz insgesamt negativ ist, da sich aus den anderen Unterbilanzen des Dienstleistungsverkehrs ein kräftiger Überschuss ergeben würde (2009 über 23 Mrd. Euro). In der deutschen Öffentlichkeit und den Medien finden die Angaben zum grenzüberschreitenden Reiseverkehr i. d. R. regelmäßig eine breite Beachtung. Aber auch nur selten (bezogen auf Deutschland) stattfindende Ereignisse zeigen sich in dieser Teilstatistik. Zuletzt etwa bei den Auswirkungen der in Deutschland stattgefunden Fußballweltmeisterschaft 2006: Der WM-Effekt bei den Reiseverkehrseinnahmen in Deutschland Im grenzüberschreitenden Reiseverkehr übersteigen üblicherweise die Ausgaben Deutschlands die Einnahmen in erheblichem Umfang. Während Urlaubsreisen ins Ausland hoch in der Gunst der deutschen Verbraucher stehen, ist Deutschland als Reiseziel bei ausländischen Touristen deutlich weniger gefragt. Im Jahr 2005 haben Gebietsansässige aus Deutschland 58 ½ Mrd. Euro für Privat- und Geschäftsreisen aufgewendet, wohingegen nur 23 ½ Mrd. Euro an Einnahmen aus dem Reiseverkehr erzielt wurden. Auch in den Jahren davor lag der Saldo des deutschen Reiseverkehrs tief im Minus. Im Sommerhalbjahr 2006 sind die Einnahmen aus dem Reiseverkehr allerdings von der in Deutschland ausgetragenen Fußballweltmeisterschaft positiv beeinflusst worden. Dabei schlugen insbesondere die Übernachtungsausgaben und der Konsum der aus dem Ausland angereisten WM Besucher in Deutschland, einschließlich der Käufe von Eintrittskarten und der Ausgaben für Fahrten innerhalb Deutschlands, zu Buche. Nach noch vorläufigen Angaben betrug der Gesamteffekt der Fußballweltmeisterschaft 2006 auf die Reiseverkehrseinnahmen 29
Titel des Buches von Sinn, H.-W. (2005) (statt des Airbus wählt Sinn allerdings den Porsche Cayenne).
46
2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Deutschlands, der sich im Wesentlichen auf die Monate Mai bis Juli verteilt, knapp 1 ½ Mrd. Euro. Dieser Betrag stammt zu zwei Dritteln aus EU-Ländern und zu einem Drittel aus der übrigen Welt. Dabei stiegen die Einnahmen aus einigen außereuropäischen Ländern (z. B. Ghana, Trinidad und Tobago sowie Togo), die im Allgemeinen für den Tourismus in Deutschland keine Rolle spielen, prozentual außerordentlich kräftig. Bereits im Mai – die WM selbst begann am 9. Juni und endete am 9. Juli – wurden im Vergleich zum Vorjahrsmonat Mehreinnahmen registriert, wenn auch in eher geringem Umfang. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Mannschaften einiger der teilnehmenden Fußballverbände sowie Mitarbeiter und Angehörige relativ früh anreisten. Etwa die Hälfte der zusätzlichen Reiseverkehrseinnahmen entfiel auf den Monat Juni, in dem die Mehrzahl der Fußballspiele ausgetragen wurde. Insgesamt trug der WM-Effekt im zweiten Quartal knapp einen viertel Prozentpunkt zum BIP-Wachstum bei. Im Juli nahmen die Reiseverkehrseinnahmen nur noch leicht gegenüber dem Vorjahrszeitraum zu. Dies hat das BIP im dritten Quartal nicht mehr nennenswert beeinflusst. Die relativ geringen Zuwächse im Juli sind vor allem darauf zurückzuführen, dass nur noch wenige Spiele ausgetragen wurden. Außerdem hatten die im Allgemeinen weniger ausgabenintensiven Tagesreisen ein hohes Gewicht, da an den Halbfinal- und Finalspielen ausschließlich Mannschaften aus dem europäischen Raum teilnahmen. Quelle: Deutsche Bundesbank (2006), S. 43 (Auszug)
Die Probleme bei der Erfassung der tatsächlichen Zahlungsströme sind in der Dienstleistungsbilanz allerdings besonders groß. Dies gilt vor allem bezogen auf den für Deutschland wichtigen Teil der Reiseverkehrseinnahmen und -ausgaben. Hier werden aus einer Vielzahl von Einzelinformationen (Daten aus Haushaltsbefragungen, Zahlungsvorgänge mit EC-Karte und Kreditkarten, Banküberweisungen, Ergebnisse zur Beherbergungsstatistik sowie die Daten wichtiger Partnerländer) die Reiseverkehrseinnahmen und -ausgaben ermittelt und überprüft. Zusammen mit dem Saldo der Handelsbilanz bilden die Ergebnisse für die Dienstleistungen den Außenbeitrag im Rahmen der VGR. Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen In dieser Teilbilanz werden Erträge aus Erwerbstätigkeit und Vermögen erfasst. Im Zuge einer Zunahme grenzüberschreitender Vermögensanlagen steigen auch die Dividendenzahlungen aus Aktienanlagen, die Zinseinkommen für den Besitz festverzinslicher Wertpapiere sowie die Zinsen aus und für Kredite an. Der Umfang der Vermögenseinkommen übertrifft die Erwerbseinkommen deutlich und liegt regelmäßig bei über 90% der gesamten Einkommen dieser Teilbilanz. Im Bereich der Erwerbseinkommen werden etwa grenzüberschreitende Vortragshonorare und Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit erfasst. In den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende war diese Teilbilanz durch ansteigende, an das Ausland geleistete Vermögenseinkommen noch deutlich defizitär. Inzwischen (seit 2004) zeigt sich ein deutlicher Einnahmeüberschuss, der vor allem aus einem gestiegen Zinseinnahmen aus früheren Anleihekäufen resultiert. Tendenziell (bei konstantem Zinsniveau) geht das Vermögenseinkommen bei sinkendem Nettoauslandsvermögen eines Landes zurück.
2.1 Die Zahlungsbilanz
47
Bilanz der laufenden Übertragungen Hierunter werden Zahlungen verstanden, für die keine ökonomische Gegenleistung erfolgt. In der Zahlungsbilanz wird zwischen einmaligen und wiederkehrenden Übertragungen unterschieden. Während die einmaligen Übertragungen in der Vermögensübertragungsbilanz erfasst werden, gehen in die Bilanz der laufenden Übertragungen die Zahlungsvorgänge ein, bei der die Annahme besteht, dass sie wiederkehrend sind. Zur besseren Systematisierung wird innerhalb dieser Teilbilanz zwischen privaten und öffentlichen Übertragungen unterschieden. Auch diese Bilanz schließt aus deutscher Sicht traditionell mit einem negativen Saldo ab. Den kleineren Teil hierzu tragen die privaten Übertragungen bei, von denen besonders die Heimatüberweisungen der Gastarbeiter ins Gewicht fallen. Quantitativ bedeutsamer als die privaten sind aber die öffentlichen Übertragungen. Hier finden sich etwa die laufenden Zahlungen von bzw. an die EU sowie an internationale Organisationen, wie z. B. die UNO, aber etwa auch die grenzüberschreitenden Zahlungen an im Ausland lebende Rentenberechtigte, die Leistungen von der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Allerdings werden in dieser Teilbilanz nicht alle finanziellen Bewegungen mit dem Haushalt der EU aufgeführt. Gemäß der oben genannten Definition werden hier nur die regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen erfasst. Handelt es sich dagegen um einmalige Zahlungen, wie etwa Zuschüsse für bestimmte Infrastrukturobjekte im Rahmen des EU-Regionalfonds (z. B. für Brücken und Straßen) oder für Projekte im Rahmen der Transeuropäischen Netze, wird dieser Vorgang in der Vermögensübertragungsbilanz verbucht. Die Deutsche Bundesbank gibt daher in einer gesonderten Übersicht nachrichtlich Auskunft über den aus allen Teilbilanzen ermittelten Nettobeitrag der Bundesrepublik Deutschland zum Haushalt der EU.30 Vor allem wegen des dauerhaften Defizits im Rahmen der EU-Zahlungen kann auch bei dieser Teilbilanz von einem strukturellen Defizit gesprochen werden. Leistungsbilanz Als Zwischenergebnis werden die Salden der einzelnen Teilbilanzen zur Leistungsbilanz zusammen gefasst. Sie zeigt die Veränderung des Nettoauslandsvermögens eines Staates an und stellt damit den Kernbereich der Zahlungsbilanzanalyse dar. Wenn ‚irrtümlich‘ von Zahlungsbilanzüberschüssen oder -defiziten gesprochen wird, ist dies i. d. R. auf die Leistungsbilanz bezogen. In Deutschland stehen mit der Dienstleistungsbilanz und der Bilanz der laufenden Übertragungen zwei Aggregate mit einem hohen strukturellen Defizit einem dauerhaften Handelsbilanzüberschuss gegenüber. Gegen Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre war die Leistungsbilanz deutlich ins Minus gerutscht. Grund hierfür waren die Belastungen aus der zweiten Ölkrise (Höhere Ausgaben für die Importe). Der Überschuss aus dem Außenhandel hatte schließlich in den ersten Jahren nach der deutschen Vereinigung Jahren nicht mehr ausgereicht, um die Defizite vor allem dieser beiden Teilbilanzen ausgleichen zu können. Die 30
Vgl. Deutsche Bundesbank, Statistisches Beiheft zum Monatsbericht 3, Zahlungsbilanzstatistik, laufende Monate, Tab. I.8.
48
2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
deutsche Leistungsbilanz wies daher in den 90er-Jahren einen negativen Saldo auf (Abb. 2.2). In dieser Zeit erwirtschaftete die deutsche Volkswirtschaft damit aus dem Verkauf von Waren nicht mehr ausreichend finanzielle Mittel, um ihren ausländischen Zahlungsverpflichtungen und grenzüberschreitenden Aktivitäten, insbesondere beim Reiseverkehr, nachkommen zu können. Diese Lücke musste daher durch den Zustrom von Kapital geschlossen werden. Aufgrund der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft und der günstigen Entwicklung der Weltwirtschaft haben sich schließlich nach der Jahrtausendwende hohe Exportüberschüsse ergeben. Die deutsche Volkswirtschaft erwirtschaftet damit seitdem ausreichend finanzielle Mittel. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der krisenhaften Entwicklung für den deutschen Export in den Jahren 2008/2009, auch wenn es zu einem (temporären) Absinken des Überschusses in der Leistungsbilanz gekommen ist. Abbildung 2.2 Entwicklung des deutschen Leistungsbilanzsaldos seit 1970
In Deutschland bestimmt damit im Wesentlichen die Entwicklung der Handelsbilanz das Aussehen der Leistungsbilanz. Aber auch in anderen Staaten sind die Verläufe zwischen diesen beiden Bilanzen ähnlich. Dies gilt z. B. für die USA – hier führt ein Defizit im Außenhandel allerdings zu einem negativen Leistungsbilanzsaldo. Zusammen mit dem dortigen Defizit der öffentlichen Haushalte spricht man auch vom so genannten Zwillingsdefizit, was als einer der Auslöser für die in der Öffentlichkeit diskutierten weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte und die tendenzielle Dollarschwäche der letzten Zeit angesehen wird. Solche Ungleichgewichte werden für eine Reihe von wirtschaftlichen und politischen Spannungen zwischen Staaten verantwortlich gemacht (s. Kapitel 6.1).
2.1 Die Zahlungsbilanz
49
Vermögensübertragungsbilanz Wie schon bei den laufenden Übertragungen beschrieben, werden einmalige Übertragungen in der Vermögensübertragungsbilanz erfasst. Dazu gehören z. B. Erbschaften von Privatpersonen, Vermögensmitnahmen von Ein- oder Auswanderern und, wie bereits erwähnt, EUZuschüsse zu Infrastrukturmaßnahmen. Die quantitative Bedeutung dieser Teilbilanz ist eher gering. In ihr werden auch reale Schenkungen etwa im Rahmen der Entwicklungshilfe erfasst. Hinter der Unterscheidung zwischen der ‚Vermögensübertragungsbilanz‘ und der zur Leistungsbilanz zählenden ‚Bilanz der laufenden Übertragungen‘ steht die Überlegung, dass lediglich solche Übertragungen im Rahmen der Leistungsbilanz betrachtet werden sollen, die über eine unmittelbare Veränderung des verfügbaren Einkommens Einfluss auf Einkommen und Verbrauch einer Volkswirtschaft haben. Dies ist bei laufenden Übertragungen der Fall, während bei Vermögensübertragungen zunächst nur ein einmaliger Effekt vorliegt – wenn man vom Vermögenseffekt einmal absieht. Problematik der sachlichen Zuordnung von Leistungen In dieser Teilbilanz werden auch Schuldenerlasse für Entwicklungsländer erfasst. Allerdings finden sich Leistungen im Rahmen der Entwicklungshilfe nicht nur an dieser Stelle der Zahlungsbilanz. Vielmehr können sich entsprechende Mittel auch in der Bilanz der laufenden Übertragungen (bei wiederkehrenden Zahlungen), aber auch in der Dienstleistungsbilanz finden. So können etwa Ingenieur- oder andere Dienstleistungen als Entwicklungshilfe in den entsprechenden Staaten angesehen werden, wenn sie durch deutsche Firmen erbracht werden, der Auftrag durch das Entwicklungsland zwar vergeben, die Finanzierung aber durch das Heimatland der beauftragten Firma erfolgt. In diesem Falle würde zusätzlich eine Ausnahme von der Regel sichtbar, dass zur Erfassung in der Zahlungsbilanz ein grenzüberschreitender Zahlungsstrom notwendig ist. Vielmehr haben die Firmen bei ihren eingehenden Zahlungen für diese Leistungen, die sie gegenüber dem Ausland erbringen, diese zu melden, unabhängig davon, ob die Zahlungen direkt aus dem Ausland oder vom Bund, der Kreditanstalt für Wiederaufbau oder anderen inländischen Stellen eingehen. Der auslösende Faktor zur Erfassung in der Zahlungsbilanz ist also hier alleine die grenzüberschreitende Leistung und eben nicht die Zahlung.
Kapitalbilanz Die Kapitalbilanz enthält alle Kapitalbewegungen, d. h. Änderungen in den Beständen der Forderungen und Verbindlichkeiten von Gebietsansässigen gegenüber Gebietsfremden. Eine Ausnahme stellen die Transaktionen der jeweiligen Zentralbank dar. Sie werden in der Bilanz der Veränderung der Währungsreserven erfasst. Die Kapitalbilanz wird von der Deutschen Bundesbank auf Grund der sehr unterschiedlichen Transaktionen in weiteren Unterbilanzen unterteilt. Neben der Bilanz der Direktinvestitionen, die im nächsten Kapital ausführlicher behandelt wird, setzt sich die Kapitalbilanz aus folgenden Komponenten zusammen:
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2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Bilanz der Wertpapieranlagen: Hierunter fallen Portfolioinvestitionen, etwa die Anlagen in langfristigen variabel und festverzinslichen Wertpapieren, Investmentzertifikate (mit Anteilen an Geldmarktfonds) und in Dividendenwerten, wenn sie nicht zu den Direktinvestitionen gezählt werden. In den Bewegungen dieser Teilbilanz zeigen sich die besonderen Reaktionen der Kapitalanleger etwa beim Auftreten von Krisentendenzen in anderen Staaten oder bei (vermeintlich) besonders attraktiven Anlagemöglichkeiten auf den ausländischen Aktien- und Anleihemärkten. So konnte im Zuge der Währungs- und Finanzkrisen in Südostasien (1997), Russland (1998) oder auch durch die jüngsten Krisenerscheinungen ein Zustrom von internationalem Anlagekapital in viele traditionelle Industriestaaten beobachtet werden (safe havenEffekt). Dies gilt etwa für den Kauf von deutschen Staatsanleihen. So können etwa zwei Drittel der Kursbewegungen dieser Anleihen durch eine Weltrisikokomponente erklärt werden – ein wesentlicher Teil davon dürfte auf grenzüberschreitenden Käufen/Verkäufen beruhen.31 Aber auch Steuerrechtsänderungen können hier sichtbare Kapitalbewegungen verursachen. Die Entwicklung bei den grenzüberschreitenden Wertpapierumsätzen spiegelt besonders die Globalisierung im internationalen Kapitalverkehr wider. Nach Berechnungen der Deutschen Bundesbank sind die grenzüberschreitenden Wertpapierumsätze zwischen 1990 und 2007 von etwa 700 Mrd. Euro auf 16 Billionen Euro gestiegen – mithin um das 23fache. Auch wenn durch die Finanz- und Wirtschaftskrise eine kräftige Rücknahme in 2009 zu verzeichnen war (auf rund 11 Billionen Euro), so kann bei einer Normalisierung der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder eine Rückkehr zu alten Größenordnungen erwartet werden. Bilanz der Finanzderivate: In der üblichen komprimierten Darstellung werden Wertpapieranlagen und Finanzderivate zwar mit einem gemeinsamen Saldo ausgewiesen, aber seit 1999 werden die Angaben zu den Finanzderivaten auch separat der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Hierin kommt das stark gestiegene Interesse von Politik und Wissenschaft zum Ausdruck, einen genaueren Überblick über den grenzüberschreitenden Handel mit diesen vergleichsweise neuen Instrumenten der Finanzmarktakteure zu gewinnen. Bilanz des Kreditverkehrs und des übrigen Kapitalverkehrs: Hierin werden sehr unterschiedliche Transaktionen zusammen gefasst, wie z. B. Finanzkredite oder der Auf- oder Abbau von Bankguthaben, Schuldscheindarlehen und Handelskredite. Zu den Handelskrediten zählen Forderungen und Verbindlichkeiten aus Zahlungszielen und Anzahlungen im Waren- und Dienstleistungsverkehr mit einer ursprünglich vereinbarten Laufzeit von mehr als 12 Monaten. Erfasst werden in der Kapitalbilanz ebenfalls die Beteiligungen Deutschlands an internationalen Organisationen. In diesem Teil der Zahlungsbilanz finden sich auch die Forderungen und Verbindlichkeiten der Deutschen Bundesbank, die nicht in der Bilanz der Veränderung der Währungsreserven enthalten sind. Dies sind alle Auslandsforderungen und verbindlichkeiten der Deutschen Bundesbank gegenüber Gebietsansässigen der Teilnehmerländer des Euro-Systems. Hierzu werden auch Saldenveränderungen im Zahlungsverkehr zwischen den nationalen Zentralbanken innerhalb des Euro-Systems gezählt.32 31 32
Vgl. Deutsche Bundesbank (2010), S. 32. Vgl. auch Deutsche Bundesbank (1999b), S. 57.
2.1 Die Zahlungsbilanz
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Bilanz der Veränderung der Währungsreserven Die Bilanz der Veränderung der Währungsreserven, früher auch Devisen- oder Reservebilanz genannt, wird bei Transaktionen angesprochen, die die Auslandspositionen der Zentralbanken betreffen (Ausnahmen s. Kapitalbilanz). Enthalten sind damit in dieser Bilanz vor allem die Veränderungen im Goldbestand und in Devisen und Sorten in Fremdwährungen, insbesondere in US-Dollar. Hinzu kommen noch Reservepositionen im IWF und Sonderziehungsrechte. Durch diese Guthaben entstehen Rückgriffsmöglichkeiten auf fremde Währungen im Bestand des IWF. Solche Guthaben werden insbesondere von Staaten in Anspruch genommen, die unter Liquiditätsengpässen leiden. Bilanz der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen Die Zahlungsbilanz müsste eigentlich per Definition ausgeglichen sein. Trotz des Systems der doppelten Buchführung und einer möglichst vollständigen Erfassung sämtlicher Meldevorgänge entstehen jedoch Differenzen bei der Zusammenfassung der einzelnen Teilbilanzen. Lücken in der Erfassung können etwa aus der Verwendung unterschiedlicher Datenquellen – Deutsche Bundesbank und Statistisches Bundesamt – resultieren. Hier unterscheiden sich z. B. die Höhen der Meldefreigrenzen von Intrahandelsstatistik (Meldebefreiung bei Werten von unter 400.000 Euro) und Extrahandelsstatistik (Meldungen von Warensendungen mit einem Wert über 1.000 Euro oder wenn das Gesamtgewicht der Sendung 1.000 Kilogramm übersteigt) im Rahmen des Warenverkehrs (Statistisches Bundesamt) und die Freibetragsgrenze im Meldewesen der Deutschen Bundesbank (Meldepflichtig sind Transaktionen soweit sie 12.500 Euro oder den Gegenwert übersteigen). Eine andere Fehlerquelle besteht im unterschiedlichen Buchungszeitpunkt etwa von Warenausgang/Wareneingang und Zahlungseingang/Zahlungsausgang. Diese Teilbilanz dient damit dem wertmäßigen (= technischen) Ausgleich bei der Zusammenfassung der einzelnen Teile der Zahlungsbilanz, sie wird deshalb auch als Restpostenbilanz bezeichnet. Die Beträge, die zum Ausgleich der Zahlungsbilanz benötigt werden, sind trotz zunehmender Technisierung und eines sich in den letzten Jahren vereinfachenden Meldewesens (z. B. Heraufsetzung der Beträge von Meldefreigrenzen) unverändert hoch. So erreichte in einzelnen Monaten der Jahre 2009/2010 der errechnete Ausgleichsbetrag eine Größenordnung von über 20 Mrd. Euro. Bei fehlenden Einnahmen wird der Restposten mit einem positiven, bei fehlenden Ausgaben mit einem negativen Vorzeichen ausgewiesen.33
33
Vgl. zu weiteren Möglichkeiten der Fehlerfassung auch Brümmerhoff, D. (2007), S. 207ff.
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2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen Auslandsvermögensstatus
Neben der Zahlungsbilanz wird von der Deutschen Bundesbank eine weitere Statistik zu Verfeinerung der außenwirtschaftlichen Analyse geführt: der Auslandsvermögensstatus. Diese Statistik wird zudem vom IWF ausdrücklich gefordert. Während in der Zahlungsbilanz nur Stromgrößen erfasst werden, weist diese Statistik die Bestandsgrößen aus. Dabei gibt es zwischen der Zahlungsbilanz und dem Auslandsvermögensstatus eine enge Verbindung: Der Leistungsbilanzsaldo zeigt an, in welchem Ausmaß der Vermögensbestand durch die Transaktionen der Zahlungsbilanz (Zuwachs von Forderungen bzw. Verbindlichkeiten) verändert wird. Ein Leistungsbilanzüberschuss bzw. ein Leistungsbilanzdefizit ändert damit den Auslandsvermögensstatus des Inlandes gegenüber dem Ausland. Er korrespondiert damit als „zeitpunktbezogene Aufstellung von Vermögensgegenständen mit der Stromrechnung der Zahlungsbilanz.“34 Neben den Transaktionen der Vergangenheit können allerdings auch aktuellere Markteinschätzungen (Börsen- und Devisenkurse) zu Veränderungen bei der Bewertung von Aktiva und Passiva führen. Wie die Entwicklung seit 1995 zeigt, nimmt die Bundesrepublik Deutschland insgesamt gesehen eine Nettogläubigerposition gegenüber dem Ausland ein.
Quelle: Deutsche Bundesbank (http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_aussenwirtschaft_avs.php)
34
Vgl. Deutsche Bundesbank (2001), S. 105.
2.1 Die Zahlungsbilanz
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Für die ökonomische Bewertung von Ungleichgewichten und damit den Ausgangspunkt für vielfältige Diskussionen über die ökonomischen Ungleichgewichte zwischen einzelnen Industrie- und Schwellenländern (z. B. zwischen den USA und China, Deutschland) in den einzelnen Teilbilanzen lassen sich Überschüsse und Defizite unterscheiden. Als Beispiel können dienen: Für Teilbilanzüberschüsse: – Der Wert der Ausfuhren ist größer als der Wert der Einfuhren (positive bzw. aktive Handelsbilanz); – Die Kapitalimporte sind größer als die Kapitalexporte (positive bzw. aktive Kapitalbilanz); es liegt damit ein Nettokapitalimport vor. Volkswirtschaftlich gesehen hat das Inland einen Kredit im Ausland aufgenommen → Erhöhung der inländischen Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Für Teilbilanzdefizite: – Exporte sind kleiner als Importe (negative bzw. passive Handelsbilanz) – Kapitalimporte sind kleiner als die Kapitalexporte (negative bzw. passive Kapitalbilanz); es liegt damit ein Nettokapitalexport vor (= Vergabe eines Kredites an das Ausland → Erhöhung der Forderungen an das Ausland). Daraus folgt für die ökonomische Bedeutung: Überschüsse bedeuten Kapitalzustrom; Defizite bedeuten Kapitalabwanderung. Als mögliche (wesentliche) Ursachen von Teilbilanzungleichgewichten kommen in Betracht: Für Teilbilanzüberschüsse: – Qualitäts- und Kostenvorteile bei Exportwaren führen zu Ausfuhranstiegen – durch erhöhte Kaufkraft der ausländischen Währung im Inland nehmen Ferienreisen von Ausländern nach Deutschland zu – steigende Einkommen von Inländern durch Auslandstätigkeit Für Teilbilanzdefizite: – niedrige Einkaufspreise und damit Zuwächse bei Einfuhren – Zunehmende Reisen ins Ausland durch steigende Kaufkraft der Inlandswährung im Ausland – hohe Vermögenseinkünfte von Ausländern im Inland Über einzelne realwirtschaftliche und monetäre Maßnahmen zum Abbau solcher Ungleichgewichte wird noch im Rahmen der Ausführungen zur Außenwirtschaftstheorie und -politik an den entsprechenden Stellen diskutiert (ab Kapitel 4). In Kürze lassen sich aber folgende Kernaussagen über Maßnahmen zur Beseitigung von Zahlungsbilanzteilungleichgewichten festhalten: Außenwirtschaftlich sind Teilbilanzüberschüsse leichter zu korrigieren als -defizite. Handels- und dadurch verursachte Leistungsbilanzdefizite führen zu Devisenmangel. Importe können – bei Ausschluss einer Ausweitung der inländischen Geldmenge – bei Devisenmangel nur mit Auslandskrediten finanziert werden. Diese Kredite müssen verzinst und
54
2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
getilgt werden, sodass ein anhaltendes, kreditfinanziertes Defizit entsteht, das bei Kreditfälligkeiten zu massiven Rückzahlungsproblemen führen kann (Gegenbeispiel: USA 90er Jahre). Neben dem finanziellen Aspekt beeinflussen Handels- bzw. Leistungsbilanzdefizite die Beschäftigung im Inland. Importüberschüsse bedeuten, dass mehr inländische Nachfrage auf das Ausland gerichtet ist, als ausländische Nachfrage auf das Inland. Mittelfristig werden in einer solchen Situation inländische Produzenten bei nicht ausgelasteten Kapazitäten Arbeitsplätze abbauen. Aber auch Überschüsse können mit Gefahren verbunden. Im Exportgeschäft verdiente Devisen führen im Inland tendenziell zu einer Geldmengenerhöhung, wenn es zu einem Tausch von Fremd- in Inlandswährung. Gleichzeitig besteht im Inland eine Güterlücke, da Teile des Inlandsprodukts exportiert werden. Beides kann inflationäre Tendenzen im Inland fördern. Direktinvestitionen Ein zentraler Indikator im Rahmen der Standortdiskussion und der Debatte über Ursachen und Folgen der Globalisierung stellen die Direktinvestitionen dar. In Deutschland wurden grenzüberschreitende Investitionen in erster Linie mit spektakulären Firmenzusammenschlüssen in Verbindung gebracht und diese führten zum ersten Mal zu einer umfangreichen Berichterstattung von Direktinvestitionen in den Medien (Daimler Benz und Chrysler im November 1998 [Vorzeichen: Minus]; Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone im Februar 2000 [Vorzeichen: Plus]). In Deutschland werden Angaben zu Direktinvestitionen vor allem als Transaktionsstatistik aus den Zahlungsströmen der Zahlungsbilanz ermittelt. Ebenfalls von der Deutschen Bundesbank stammen, aus den Ergebnissen zum Auslandsvermögensstatus, die Daten zu den Beständen an Direktinvestitionen. Nach der Definition des IWF, der mit dem Balance of Payments Manual und mit dem Balance of Payments Compilation Guide die Richtlinien auch für die deutsche Zahlungsbilanzstatistik liefert, versteht man unter Direktinvestitionen grenzüberschreitende Investitionen, mit dem Ziel der Herstellung einer dauerhaften Beteiligung an einem Unternehmen im Ausland. Eine dauerhafte Beteiligung würde vorliegen, wenn eine langfristige Beziehung zwischen Investor und Investitionsobjekt und ein merklicher Einfluss des Investors auf die Leitung des Investitionsobjektes besteht. In der deutschen Zahlungsbilanz werden anhand dieser Kriterien unter dem Begriff der Direktinvestitionen ganz unterschiedliche Sachverhalte erfasst. So können Direktinvestitionen z. B. sein: Anlagen in Grundbesitz, Kauf von bestehenden Produktionsanlagen, Bau von neuen Produktionsanlagen, Kauf von Vertriebsbüros, reinvestierte Gewinne. Auch Finanzkredite und Handelskredite gehören hierzu, wie etwa die kurzfristigen Kredite an ausländische Tochterunternehmen sowie die Kreditgewährung durch eine Tochter- an die Muttergesellschaft (reverse flows). Verstand man unter der Formulierung ‚langfristige Beziehung zwischen Investor und Investitionsobjekt‘ zunächst die zeitliche Grenze von einem Jahr, so gehen mittlerweile auch kurzfristige Finanzkredite und Handelskredite in die Direktinvestitionsstatistik ein; womit sich die Frage nach der Dauerhaftigkeit solcher Engagements stellt. Auch hinsichtlich der Prozentanteile am Kapital bzw. den Stimmrechten bei Finanzbeziehungen zu Unternehmen, die ein Investor besitzt und die somit als Direktinvestitionen erfasst
2.1 Die Zahlungsbilanz
55
werden, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten Änderungen in der deutschen Statistik ergeben: bis Ende 1989: mind. 25%, 1990 bis Ende 1998: mind. 20%, seit Anfang 1999: mind. 10% (womit die Richtlinie des IWF realisiert wird). Dies bedeutet, dass bei einem Beteiligungsgrad von mindestens 10% nicht mehr alleine von einem Rendite- oder spekulationsgetriebenem Engagement ausgegangen wird, sondern das Kontroll- und Einflussmotiv in den Vordergrund tritt. Empirische Ergebnisse Für international vergleichende Betrachtungen werden die Ergebnisse des World Investment Report der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) verwendet. Im Langfristvergleich stieg der Wert der Direktinvestitionen (hier Outflows) zwischen 1990 und 2007 (die Jahre der Finanz- und Wirtschaftskrise werden hier ausgeklammert) um fast das 10fache an, während der Welthandel mit einer Steigerung um das 4fache dahinter zurück blieb Tabelle 2.2 Entwicklung der Welt-Direktinvestitionen
Entwicklung der Welt-Direktinvestitionen – in Mrd. US-Dollar – Outflows
Inflows
2000
1233
1401
2001
753
825
2002
537
628
2003
566
566
2004
920
732
2005
893
986
2006
1410
1459
2007
2267
2100
2008p
1929
1771
2009p
1101
1114
(p = vorläufige Werte) Quelle: UNCTAD, World Investment Report, jeweilige Jahrgänge
56
2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Die Zunahme der internationalen Verflechtung bei den Direktinvestitionen zeigt sich aber vor allem an der Zahl der beteiligten Staaten. Während Mitte der 80er-Jahre lediglich 18 Staaten einen jährlichen Zufluss an Direktinvestitionen in Höhe von mehr als einer Mrd. US-Dollar verzeichnen konnten, waren dies Ende der 90er-Jahre bereits 51 Staaten und schließlich im Jahre 2007 fast jeder zweite Staat der Erde. Dabei existiert zwar weiterhin eine regionale Ungleichverteilung. So flossen in den letzten Jahren den entwickelnden Staaten mehr als zwei Drittel des Direktinvestitionskapitals zu. Aber es gab seit 1990 in den sich entwickelnden Staaten einen etwa doppelt so hohen Zuwachs. Da die IWF-Richtlinien nicht bindend sind, können zwischen einzelnen Staaten deutliche Unterschiede hinsichtlich der Definition und der methodischen Erfassung von Direktinvestitionen existieren. Deutlich wird dies, wenn ein Vergleich zwischen den Direktinvestitionen ‚aus allen Ländern der Welt‘ (Outflows) zu ‚in alle Länder der Welt‘ (Inflows) gezogen wird. Wären die Erfassungskriterien der Empfängerländer und der Geberländer identisch, müssten sich die Daten beider Zeitreihen entsprechen. Das empirische Ergebnis zeigt aber für einzelne Jahre erhebliche Unterschiede. Diese Problematik ist auch als ‚Deficit to the Moon‘ bekannt (Differenz zwischen den zu- und den ausfließenden Direktinvestitionen). Gründe für solche Erfassungsdifferenzen resultieren vor allem aus der unterschiedlichen Definition der zu erfassenden Sachverhalte. Wirtschaftspolitische Bewertung Zu den zuvor erläuterten methodischen Problemen bei der Erfassung von Direktinvestition kommen noch Schwierigkeiten bei der inhaltlichen Bewertung grenzüberschreitender Investitionen als Standortindikator. Was sind die Datenangaben bei den Direktinvestitionen hinsichtlich ihrer Aussagekraft wirklich wert? Was besagen Plus- und Minus-Vorzeichen bezüglich der Attraktivität eines Standortes und der Beschäftigungswirkung? Würde man sich die Betrachtungsweise einer breiten Öffentlichkeit zu Eigen machen, wären aus Deutschland ausfließende Direktinvestitionen negativ (= negatives Vorzeichen) zu bewerten, weil sie als Flucht vor einem zu teuren, zu bürokratischen oder zu unflexiblem Standort interpretiert würden, nach Deutschland zufließende Direktinvestitionen positiv (= positives Vorzeichen) zu bewerten, weil von einem attraktiven Anlagestandort auszugehen wäre. Hinter diesen Ansichten steht die Vermutung, dass ausfließende Direktinvestitionen mit einer Arbeitsplatzverlagerung vom Inland ins Ausland verbunden sind; zufließende Anlagemittel würden dagegen Arbeitsplätze schaffen. Die negative Beurteilung ausfließender und die positive Einschätzung zufließender Investitionen kann aber weder durch theoretische noch durch empirische Belege gestützt werden. Die arbeitsplatzverlagernde Wirkung kann nur angenommen werden, wenn die Motivation von Direktinvestitionen in erster Linie in Kostenersparnissen zu suchen ist. Untersuchungen zeigen aber, dass ein zentrales Motiv von Investitionen im Ausland auch der strategische Gedanke ist, näher an zukünftigen Wachstumsmärkten zu sein. Solche Absatzgesichtspunkte sind aber eher ein Beleg für die Überlegungen der Unternehmer die heimischen Arbeitsplätze zu sichern. So kann eine Investition
2.1 Die Zahlungsbilanz
57
im Ausland auch der Kauf einer Vertriebseinrichtung sein. Selbst der Bau einer Produktionsanlage im Ausland, die mit der Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden ist, kann heimische Arbeitsplätze sichern helfen, wenn durch diese Investitionen die Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtunternehmens gestärkt wird. Durch die Präsenz vor Ort werden damit insgesamt Exporte eher abgesichert als substituiert. Die insgesamt positive Wirkung grenzüberschreitender Investitionen im Ausland auf die inländische Arbeitsmarktlage wird auch empirisch durch verschiedene Untersuchung bestätigt – vor allem, wenn das Motiv für ausländische Investitionen in der Markterschließung begründet ist: Nach einer Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung ging zwischen 1990 und 1994 eine Zunahme der Beschäftigung im Ausland durch Direktinvestitionen um 10% mit einer Steigerung im Inland um 4% einher.35 Auch die OECD kommt in einer Analyse für 14 OECD-Staaten zu einer positiven Einschätzung der Direktinvestitionswirkungen: „each dollar of outward FDI (Foreign Direct Investment, J. W.) is associated with $ 2 of additional exports and with a bilateral trade surplus of $ 1.7 dollars.“36 Nunnenkamp gibt einen Überblick über verschiedene Studien zu diesem Sachverhalt. Im Ergebnis kommt auch er zu einer positiven Einschätzung der Direktinvestitionswirkungen, die er durch eine eigene Betrachtung in der Automobilindustrie untermauert.37 Schwarz/Steiner kommen zu einem differenzierteren Ergebnis, betonen aber den letztendlich arbeitsplatzstabilisierenden Effekt absatzpolitisch motivierter Direktinvestitionen.38 Nicht erfasst werden in der Direktinvestitionsstatistik solche Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die zu keinem Zahlungsstrom führen. Dies gilt etwa für zahlreiche Kooperationen und strategische Allianzen. Sie können unterschiedliche Intensitäten besitzen, zeitlich variabel sein und die Vorstufe für eine Fusion zwischen Unternehmen bilden. Ziele solcher Allianzen können sein:
Erweiterung des Güter- und Dienstleistungsangebots Abwicklung des internationalen Zahlungs- und Kapitalverkehrs Wissenstransfer und Erleichterung von Kulturanpassungen in neuen Absatzländern Absicherung der Marktposition und Schutz vor Konkurrenz
Damit kann eine Direktinvestition im Ausland insgesamt eher als ein Zeichen von Standortstärke und nicht als Standortschwäche interpretiert werden. Eine ähnliche Argumentation findet sich inzwischen bei einer Reihe von Analysen des Engagement deutscher Firmen in den Staaten Mittel- und Osteuropas (MOE-Staaten). Waren die ersten Direktinvestitionen 35
Vgl. Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (1996). Ähnlich auch Deutsche Bundesbank (1997); sowie Kromphardt, J. (1997).
36
OECD (1998), S. 50.
37
Vgl. auch Nunnenkamp, P. (2006).
38
Schwarz, P., T. Steiner (2008).
58
2 Quantitative Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
deutscher Firmen in diesen Staaten noch von den Befürchtungen eines massiven Arbeitsplatzabbaus in Deutschland begleitet, so werden die positiven Effekte der Markterschließung inzwischen deutlich höher eingeschätzt.39
2.2
Literatur
Für die Analyse aktueller Daten der deutschen Zahlungsbilanz unverzichtbar ist das Kapitel Außenwirtschaft des jeweils aktuellen Monatsberichts der Deutschen Bundesbank sowie der jeweils im März-Monatsbericht der Deutschen Bundesbank erscheinende Sonderaufsatz zur Entwicklung der Zahlungsbilanz im vergangenen Jahr. Noch tiefer gehender und mit langen Zeitreihen finden sich Teilbilanzen im monatlich neu erscheinenden Statistischen Beiheft zum Monatsbericht 3, allerdings ohne Kommentierung. Für den Euro-Raum finden sich Angaben im Monatsbericht der Europäischen Zentralbank. Für grundlegende Begriffe (nicht nur) zur Zahlungsbilanz: Reining, A., (2003). Einen umfassenden Einblick in das Meldewesen der deutschen Zahlungsbilanz liefert: Steger, A. (2001); sowie im Internet unter www.bundesbank.de der Link ‚Statistik‘. Zur ergänzenden Lektüre über die Struktur der Zahlungsbilanz sowie über die Verbuchung von Einzelvorgängen empfehlen sich: Brümmerhoff, D. (2007); sowie Frenkel, M., K. D. John (2006). Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Direktinvestitionen eignen sich die Beiträge im Sammelband von Döhrn, R., G. Heiduk (1999) und Jost, T. (1997); sowie (für einen schnellen Überblick) Jungnickel, R. (2000) und Rolling, J. (1999).
39
Vgl. dazu und zu den Auswirkungen deutscher Direktinvestitionen in den MOE-Staaten bereits: Dietz, B., A. Protsenko, V. Vincentz (2001).
3
Internationale Organisationen
Die Rolle internationaler Organisationen bei der Verwirklichung der Chancen und der Bewältigung der Risiken des weltwirtschaftlichen Wandels wird der Öffentlichkeit immer dann bewusst, wenn es bei ihren Tagungen zu kontroversen Debatten oder gar zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Globalisierungskritikern kommt. In diesem Kapitel soll nur ein erster Überblick über die wichtigsten Inhalte dieser Organisationen gegeben werden. Zur ausführlichen Lektüre wird auf die Angaben im Abschnitt 3.4 verwiesen. Internationale Organisationen und Staatenzusammenschlüsse gelten als Träger internationaler Wirtschaftspolitik und sind damit Teil der Weltwirtschaftsordnung. Auslöser vor allem zur Einrichtung der überstaatlichen Organisationen war der wohlstandsvernichtende Protektionismus in den 30er-Jahren im Gefolge der Weltwirtschaftskrise von 1929. Aber erst gegen Ende bzw. nach dem 2. Weltkrieg konnten die meisten Gründungen erfolgen. Dabei haben die einzelnen Organisationen zum Teil recht unterschiedliche Zielsetzungen. In diesem Abschnitt soll zwischen zwei grundlegenden Formen von Zusammenschlüssen und damit auch Zielrichtungen betrachtet werden: Zum einen regional begrenzte Verbünden von Staaten, mit dem Ziel der Förderung des wirtschaftlichen Wachstums dieser Staaten und des internen Handels zwischen ihnen. Zum anderen supranationale Organisationen, die möglichst viele Staaten der Erde unter ein einheitliches Regelwerk des internationalen Handels, ergänzt durch die verbindliche Setzung von Rahmenbedingungen, subsumieren wollen An dieser Stelle kann allerdings aus Platzgründen nicht auf alle Organisationen und Staatenzusammenschlüsse eingegangen werden, die auch einen wirtschaftspolitischen Hintergrund besitze; dies gilt auch für zahlreiche informelle Zusammenschlüsse.40 Neben diesen formellen Zusammenschlüssen hat die informelle Zusammenarbeit von Staaten in der jüngeren Vergangenheit an Gewicht gewonnen. Mit wirtschaftspolitischem Hintergrund sind hier etwa die G7, G8 und G20, die aus einem unterschiedlich weit gefassten Kreis von Industriestaaten und Institutionen (dies gilt für die G20) bestehen, zu nennen. Auf dieser Ebene werden z. T. Vorgehensweisen vereinbart, die wichtige Vorgaben für die formellen Staatenzusammenschlüssen darstellen können.
40
Vgl. ausführlicher z. B. Wagner (2009).
60
3 Internationale Organisationen
3.1
Supranationale Organisationen
In diesem Abschnitt werden die Ziele und Instrumente so genannter supranationaler Organisationen behandelt und einige aktuelle Probleme skizziert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bretton-Woods-Institutionen.
3.1.1
World Trade Organization
Grundgedanke zur Gründung der World Trade Organization (WTO) ist die Erkenntnis, dass Protektionismus einer der wesentlichen Ursachen für die Verschärfung der Weltwirtschaftskrise zum Ende der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. So griffen zahlreiche Regierungen auf protektionistischen Maßnahmen, wie Währungsabwertungen und Einfuhrbeschränkungen, zurück, um ihre eigene Volkswirtschaft vor den Auswirkungen der Krise zu schützen. Die Handelsströme reduzierten sich so zwischen 1929 und 1933 um fast zwei Drittel,41 ohne dass es in diesen Staaten zu einer Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung gekommen wäre. Zu diesen Maßnahmen zählen sowohl tarifäre (Einfuhrzölle) als auch nicht-tarifäre Maßnahmen (z. B. Ausstattungsmerkmale und Normen; hinzu kommen auch Änderungen der Wechselkurse (Abwertungen) als mögliche Instrumente. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde daher nach einer Vereinbarung gesucht, um eine wirtschaftliche Neuordnung der Welt ohne protektionistische Bestrebungen durchsetzen zu können. Die Initiativen gingen hierzu im Wesentlichen von den USA aus, die die internationalen Handelsbeziehungen wieder intensivieren wollten. Schließlich wurde das GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) am 1. Januar 1948 in Kraft gesetzt. Die Unterzeichnerstaaten des GATT hatten sich nach dem 2. Weltkrieg zum Ziel gesetzt, einen multilateralen Vertrag zwischen möglichst vielen Staaten mit verbindlichen Regeln für den Welthandel zu schaffen, damit protektionistische Tendenzen in Zukunft vermieden werden. Über mehrere Zwischenschritte – in sieben Verhandlungsrunden kam es immerhin zu einem Abbau von Zöllen – wurde die WTO am 1. Januar 1995 Rechtsnachfolgerin, da das GATT sich zwar nach dem 2. Weltkrieg de facto als Handelsorganisation entwickelt hatte, aber rechtlich gesehen nur ein Handelsabkommen war. Durch die letzte Vorbereitungskonferenz, sog. Uruguay-Runde, von 1986-1994, wurden die Abkommen und Vereinbarungen des GATT in die WTO aufgenommen. Einen besonderen Schutz im Rahmen der WTO soll dabei den Entwicklungsländern, durch die Erlaubnis höhere Einfuhrzölle erheben zu dürfen, gewährt werden (= günstige Bedingungen eines Entwicklungslandes). Zusätzlich wurde noch der Umweltschutz als weiteres wichtiges Ziel formuliert. Die zentralen Bestandteile der WTO finden sich aber bereits im GATT. Die wichtigsten Instrumente, die im GATT entwickelt und in die WTO aufgenommen wurden, sind: Die Meistbegünstigungsklausel: Allen anderen Partnerländern des GATT sind dieselben Einfuhrerleichterungen zu gewähren, wie sie dem am stärksten Begünstigten gewährt
41
Vgl. EZB (2009), S. 89ff.
3.1 Supranationale Organisationen
61
werden (z. B. bei Zöllen). Für Entwicklungsländer sind Ausnahmen von dieser Klausel vereinbart, da es ansonsten zu unverhältnismäßigen Belastungen sich entwickelnder Volkswirtschaften kommen kann. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung: Die eingeführten Güter aus Partnerländern des GATT sind wie Produkte aus der Inlandsproduktion zu behandeln (z. B. bei administrierten Auflagen). Das Prinzip der unspezifischen Reziprozität: Damit verpflichten sich die Vertragspartner des GATT zur Gleichwertigkeit der Gegenleistung bei Zollsenkungsvorschlägen im Rahmen multilateraler Verhandlungsrunden (Ausnahme: Entwicklungsländer). Tabelle 3.1 Verhandlungsrunden GATT/WTO
Verhandlungsrunden GATT/WTO Teilnehmende Zollniveau Länder
Zeitraum
Ort
Name der Runde
Gegenstand
1947
Genf
---
Zölle
23
40,0%
1949
Annecy
Annecy
Zölle
13
20,0%
1951
Torquay
Torquay
Zölle
38
25,0%
1956
Genf
Genf
Zölle
26
23,0%
1960-61
Genf
Dillon
Zölle
26
15,0%
1964-67
Genf
Kennedy
Zölle, Antidumping
62
10,0%
1973-79
Genf
Tokio
Zölle, nichttarifäre Maßnahmen, Rahmenabkommen
102
6,4%
1986-94
Genf
Uruguay
umfassende Verhandlungen, Gründung der WTO
123
4,0%
Quelle: http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Aussenwirtschaft/Handelspolitik-EU-WTO/wto,did=209564.html
Neben diesen Instrumenten gibt es zahlreiche Vereinbarungen im Rahmen der WTO (und im Vorgänger GATT), die zu einer Förderung des Handels zwischen den Vertragspartnern führen. Dies gilt etwa für das Verbot nicht-tarifärer Handelshemmnisse: sämtliche Handelsschranken sind offen zulegen und in langfristig zu reduzierende Zölle zu integrieren (Tab. 3.1). Neu aufgenommen wurden auch die Errichtung eines Schlichtungsorgans für Streitfälle sowie der Schutz geistigen Eigentums. Als wichtigste Neuerung gilt aber bei der WTO die
62
3 Internationale Organisationen
Ausweitung der bisherigen Regelungen für den Güterhandel auf den freien Marktzugang und damit gleichberechtigten Austausch von Dienstleistungen (GATS = General Agreement on Trade in Services). Die Bedeutung der WTO für den Welthandel ist erheblich. Sichtbar wird dies an dem Bestreben von Ländern der WTO beizutreten; derzeit sind 153 Staaten (Ende 2010) Mitglied. Das wichtigste Ereignis der letzten Dekade war die Aufnahme Chinas. An ihm sollen die ökonomischen Konsequenzen einer Mitgliedschaft in der WTO aufgezeigt werden – und zwar aus der damaligen Sicht. Die Ergebnisse sind bekannt: inzwischen ist China zur drittgrößten Wirtschaftsmacht aufgestiegen und hat Deutschland den ominösen Titel des Exportweltmeisters abgenommen und den damals angestrebten Anteil am Welthandel von fast 10% auch erreicht. Die Bedeutung der WTO am Beispiel des Beitritts Chinas Mit der Ratifizierung der Beitrittsdokumente trat China nach rund 15-jährigen Verhandlungen mit Wirkung vom 11. Dezember 2001 der WTO bei (wodurch übrigens auch Taiwan aufgenommen werden konnte, da sich China zu Beitrittsverhandlungen nur bereit erklärt hatte, wenn es zuerst Mitglied der WTO werde). In den einzelnen Vertragsbestandteilen wurde festgelegt, dass China tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse abbauen, seinen Dienstleistungssektor der internationalen Konkurrenz öffnen und ausländische Unternehmen nach den gleichen Regeln behandeln muss wie einheimische Unternehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass China Übergangsfristen für die vollständige Übernahme der WTO-Bestimmungen vereinbaren konnte (etwa Zollsenkungen für bestimmte Güter bis zum Jahre 2006). Zudem erfolgt die Aufnahme Chinas in die WTO unter den günstigen Bedingungen eines Entwicklungslandes. Trotz der Fristen wird die Aufnahme Chinas in die WTO sowohl für das Land selbst, aber auch für die anderen Staaten erhebliche Auswirkungen haben: Vermutete Auswirkungen für andere Staaten: Es wird angenommen, dass zunächst die Industriestaaten mehr von der Öffnung des Landes profitieren werden als China selbst. Mit einer Bevölkerung von gut 1,2 Mrd. Menschen stellt China einen großen Absatzmarkt dar, auch wenn sich die Kaufkraft der Konsumenten eher mittel- und langfristig erheblich steigern dürfte. Auch das Interesse ausländischer Firmen an direkten Engagements dürfte zunehmen. Insbesondere niedrige Löhne und geringe Sozialleistungen, bei vergleichsweise gutem Ausbildungsstand der Erwerbsbevölkerung könnten zu einer weiteren merklichen Zunahme ausländischer Direktinvestitionen in China führen. Neben der produzierenden Industrie werden sich wohl auch Dienstleistungsunternehmen vom größten Wachstumsmarkt in Asien angezogen fühlen. Für ausländische Banken und Versicherungen waren die Hindernisse für den Marktzugang bisher besonders hoch. Insgesamt gesehen wird damit China für Japan, die USA und die EU ein noch wichtigerer wirtschaftlicher Partner. Die ökonomischen Wirkungen des WTO-Beitritts Chinas für die Entwicklungs- und Schwellenländer sind dagegen nur schwer abschätzbar. Vermutlich dürfte sich der Konkurrenzdruck im Bereich industrieller Billigprodukte durch Chinas Exportindustrie zunächst eher verstärken. Gleichzeitig könnten gerade die Schwellenländer Südostasiens ihre Nachbarschaft zu China durch die Verlagerung der Produktion arbeitsintensiver Massengüter
3.1 Supranationale Organisationen
63
nutzen. Neben wirtschaftlichen Überlegungen spielten aber auch politische Motive eine wichtige Rolle. Insbesondere bei Fragen der Außen- und Innenpolitik wird auf die mäßigende Wirkung des WTO-Beitritts gehofft. Vermutete Auswirkungen für China: Die Zunahme ausländischer Direktinvestitionen wird den Anpassungsdruck auf die heimische chinesische Wirtschaft deutlich steigern. Neben dem Abbau des großen Verwaltungsapparates dürften vor allem unrentabel arbeitende Staatsbetriebe unter den veränderten Rahmenbedingungen keine Überlebenschance besitzen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich daher in den nächsten Jahren deutlich eintrüben, wobei hier die offizielle Statistik die Verschärfung der Situation eher unterzeichnen dürfte. Probleme werden sich damit auch bei Verteilungsfragen ergeben. Den Gewinnern durch den Wegfall der Handelsbarrieren werden Verlierer gegenüberstehen. Die Einkommens- und Vermögensverteilung der Bevölkerung wird ungleicher werden, womit sich auf Dauer auch soziale Spannungen kaum vermeiden lassen dürften. Eine solche Ungleichverteilung findet sich auch im Vergleich der Stadt- zur Landbevölkerung. Da sich ausländische Direktinvestitionen eher in den bereits bestehenden Metropolregionen ansiedeln werden, ist hier eine Zunahme der Ungleichverteilung abzusehen. Bisher haben sich ausländische Firmen vor allem in den durch Steuervergünstigungen geförderten Küstenregionen engagiert. Möglicherweise wird nun der zentrale und westliche Teil Chinas stärker mit Auslandsinvestitionen belegt. Neben der Landwirtschaft und nicht wettbewerbsfähigen Unternehmen der Exportindustrie werden auch für den maroden Bankensektor erhebliche Veränderungen erwartet. Allerdings werden die positiven Auswirkungen des WTO-Beitritts von der chinesischen Regierung höher bewertet. Eine Hoffnung wurde bereits erfüllt: Die Regierung der USA hat ihre Handelsbeschränkungen gegenüber China nach dessen Beitritt aufgehoben. China erhält daher einen permanenten Meistbegünstigungsstatus im Handel mit den USA.42 Der chinesischen Wirtschaft steht hierdurch der Zugang zum kaufkräftigen US-amerikanischen Markt offen. Zudem sieht die chinesische Regierung die Chance, dass durch den sich verschärfenden Wettbewerb zukunftsfähige Betriebe im Bereich der Exportwirtschaft entstehen und diese auch langfristig Arbeitsplätze sichern bzw. schaffen. Der Anteil Chinas am Welthandel soll so von derzeit rund 3½% auf etwa 10% ansteigen – schätzt die Weltbank. Quellen: Kahl, J. (2001); Ginten, E.A. (2001).
Die Entwicklung seitdem hat gezeigt: Für China hat sich der Beitritt zur WTO gelohnt. Es wird übrigens im Rahmen der WTO weiterhin als Entwicklungsland betrachtet, was aus Sicht des Jahres 2011 sicherlich fraglich erscheint (auch wenn weite Teile der Landbevölkerung noch unter entsprechenden Bedingungen leben). Die eigene Einstufung Chinas als Entwicklungsland aus 2001 gilt also unverändert.
42
Zwar hatte China jeweils den Meistbegünstigungsstatus im Handel mit den USA erhalten, er musste allerdings jährlich durch das amerikanische Parlament neu beschlossen werden. Hierdurch entstand Unsicherheit und ließ Raum für politische Forderungen.
64
3 Internationale Organisationen
Der WTO wird manchmal vorgeworfen, den Welthandel vor allem aus Sicht der Industrieländer zu betrachten. Diese Einschätzung wird getragen von den Ergebnissen über die regionale Verteilung der Wohlfahrtseffekte durch die fortschreitende Liberalisierung des Handels. So hat etwa Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung errechnet, dass die „großen Gewinner der Uruguay-Runde die europäischen Länder, die Vereinigten Staaten und Japan sind.“ 43 Als Gegengewicht zur WTO wird daher eine andere Organisation angesehen, die sich für Fragen und Probleme der Entwicklungsländer einsetzen soll: die UNCTAD. United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) Ein wichtiges Ziel der UNCTAD ist die Förderung des Handels zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, insbesondere war sie in den Nord-Süd-Dialog der 70er-Jahre involviert. Dazu sollen von ihr Grundsätze und Richtlinien für den internationalen Handel formuliert werden, die die Integration der Entwicklungsländer (und zeitweise der Transformationsländer) in das weltweite Freihandelssystem erleichtern. Mit dem Bedeutungszuwachs der WTO hat sich das Gewicht der UNCTAD bei der Erörterung von Fragen des internationalen Handels allerdings verringert. Vor allem Entscheidungskompetenzen sind der UNCTAD verloren gegangen. Inzwischen ist in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten die Diskussion der Probleme durch die zunehmende Globalisierung und die weitere Liberalisierung der Weltwirtschaft gerückt. Dies gilt insbesondere für die Auswirkungen dieser Prozesse auf die Staaten der Dritten Welt. Bezogen auf die Dokumentation und die Analyse internationaler Verflechtungen von Staaten und Unternehmen ist insbesondere auf den von der UNCTAD herausgegebenen ‚World Investment Report‘ hinzuweisen. Der derzeitige Einfluss der WTO bleibt allerdings hinter seiner angestrebten Bedeutung zurück. Im Zuge schleichender protektionistischer Tendenzen sind multilaterale Handelsabkommen nicht wie noch Anfang des neuen Jahrtausends erhofft vorangekommen. Indikator hierfür sind die Welthandelsgespräche die den letzten zehn Jahren stattgefunden haben. Im Zuge der so genannten Doha-Runde vereinbarten die Wirtschafts- und Handelsminister der WTO-Mitgliedsstaaten 2001 weitere Schritte zur Liberalisierung des Welthandels zu erarbeiten und letztendlich bis 2005 abzuschließen. Auf den weiteren Ministerrunden (Cancún 2003, Genf 2004, Hong Kong 2005 und Genf in 2006 und 2008) kam es aber bisher zu keinen Vereinbarungen. Bisher scheiterte der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen vor allem an unterschiedlichen Positionen Chinas, Indiens und der USA hinsichtlich besonderer Schutzmechanismen für Entwicklungs- und Schwellenländer (soll dieser Staatengruppe den Einsatz temporär höherer Zölle vor unerwarteten Agrarimportschüben ermöglichen). Ende 2011 soll im Rahmen einer Ministerkonferenz ein weiterer Anlauf zum Abschluss der Welthandelsrunde unternommen werden.
43
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2001), Ziff. 68.
3.1 Supranationale Organisationen
65
Nicht zuletzt die fehlenden Kriterien für eine Einstufung der WTO-Mitglieder als Industrieoder Entwicklungsland machen die laufenden Verhandlungen zur aktuellen Doha-Runde so schwierig. Hinzu kommt, dass es für die notwendigen Einstufungen keine Zwischenschritte etwa als Schwellenland gibt. Es existieren nur die beiden bereits erwähnten Staatengruppen (Industrie- oder Entwicklungsland) – zuzüglich der von den Vereinten Nationen Staaten festgelegten Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (LCD; Least Developed Countries). In dieser zu groben Orientierung und der Möglichkeit der (unwidersprochenen) Selbsteinstufung der Staaten dürfte der Kern zahlreicher Handelsstreitigkeiten zwischen so genannten Entwicklungsländern (wie China) und den traditionellen Industriestaaten liegen. Zudem hat die WTO im Vergleich zur Weltbank und vor allem zum IWF in der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise eine untergeordnete Rolle gespielt – trotz zunehmender protektionistischer Tendenzen.
3.1.2
International Monetary Fund
Der International Monetary Fund (Internationaler Währungsfonds, IWF) wurde zusammen mit der Weltbankgruppe auf der Internationalen Währungs- und Finanzkonferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 gegründet. Sein Mandat umfasst nach Art. 1 des Übereinkommens zum IWF folgende Inhalte:
Förderung der internationalen monetären Zusammenarbeit Förderung des Welthandels zur Förderung der Beschäftigung und Einkommen Förderung der Wechselkursstabilität Förderung des internationalen Zahlungssystems und Abbau von Kapitalverkehrs- und Devisenbeschränkungen Finanzielle Unterstützung der Mitgliedsstaaten bei Zahlungsbilanzdefiziten. Ziel des IWF ist damit – zusammengefasst – die Förderung der internationalen Zusammenarbeit in der Währungspolitik zur Unterstützung des Welthandels. Dies soll unter anderem durch die Stabilität der Beziehungen zwischen den nationalen Währungen erreicht werden. Zielstaaten sind in erster Linie Industrie- und Schwellenländer, in verringertem Umfang werden aber auch Entwicklungsländer mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen unterstützt. Seit 1999 sind hierfür die finanziellen Hilfen des IWF durch eine so genannte konzessionäre Kreditvergabe zur Armutsbekämpfung erweitert worden; die dafür notwendigen Strategien werden gemeinsam mit der Weltbank entwickelt. Im Zuge der Konferenz von Bretton Woods wurden zur Verwirklichung dieser Zielvorstellungen eine neue Währungsordnung, mit dem US-Dollar als Leitwährung44 – der wiederum in einer festen Relation zum Gold stand (35 US-Dollar/Unze) – und einem festen Wechselkurs jeder nationalen Währung eines IWF-Mitgliedstaates zum US-Dollar (so genanntes ‚Festkurssystem‘), und finanzielle Hilfen bei Störungen in den Zahlungsbilanzen vereinbart.
44
Da Gold in der heutigen internationalen Währungsordnung keine Rolle spielt, wird hier auf die Darstellung seiner historischen Bedeutung verzichtet. Vgl. dazu ausführlicher Kasten, H. (1970).
66
3 Internationale Organisationen
Auf Grund erheblicher wirtschaftlicher Probleme (schwindende Wirtschaftskraft und Leistungsbilanzdefizit der USA und steigende Kosten für den Vietnamkrieg), konnte das Festkurssystem nicht aufrecht erhalten werden. Die daraus resultierenden Währungsprobleme entstanden im Wesentlichen aus einem Konflikt zwischen nationaler Autonomie der Wirtschaftspolitik vieler Nationalstaaten und festen internationalen Regeln, die vor allem von den USA vorgegeben wurden. Schwankungen der Liquiditätsversorgung mit der Reservewährung ‚US-Dollar‘ führten entweder zur Dollarlücke oder zur Dollarschwemme. Die Folge war eine Abhängigkeit der inländischen Geldversorgung der anderen Staaten von der Geld- und Wirtschaftspolitik der USA. Diese Gegensätze in den Interessen führten schließlich de facto 1973 (formal 1978) zu einer Abkehr vom System eines US-Dollar bezogenen Wechselkurssystems.45 Das Hauptaugenmerk des IWF hat sich seit dem Fall des Festkurssystems zunächst auf die Vermeidung und Beseitigung von Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gerichtet. Ungleichgewichte in der nationalen Zahlungsbilanz einzelner Staaten können durch die Kreditvergabe des IWF reduziert oder ganz beseitigt werden. Die Kredite werden in Sonderziehungsrechten (SZR) ausgezahlt, der offiziellen Rechnungseinheit des IWF. Die SZR setzen sich aus einem Währungskorb zusammen. Dieser besteht aus: US-Dollar, Euro, Yen und dem Britischen Pfund. Im Zuge der Bedeutungszunahme soll auch der Chinesische Renminbi als Korbwährung aufgenommen werden. Die Kapitalaufbringung wird im Wesentlichen aus den Währungsreserven der Mitgliedsstaaten bzw. deren Zentralbanken erbracht und orientiert sich an den Kapitalanteilen der Staaten am IWF (hierdurch werden auch die Stimmrechte der Mitglieder festgelegt). Der Kreditzins berechnet sich als gewichteter Mittelwert der aktuellen kurzfristigen Zinsen der Korbwährungen. Diese Kreditvergabe zur Erhöhung der Devisenreserven ist allerdings an bestimmte Grundsätze und mit Auflagen verbunden. Die Grundsätze: es muss ein Zahlungsbilanzbedarf vorliegen (Nachweis vom Mitgliedstaat) es gelten für alle Staaten die selben Zinskonditionen (unabhängig von der wirtschaftlichen Ausgangslage und dem spezifischen Ausfallrisiko die IWF-Mittel sollen durch andere öffentliche und private Kreditmittel ergänzt werden Verknüpfung der Kreditmittel an Auflagen Die Eingriffe in die nationale Wirtschaftspolitik der betroffenen Staaten sind zum Teil erheblich, da die Kreditvergabe an Bedingungen geknüpft sind (wirtschaftspolitische Konditionalität). Sie können von der reinen Überwachung der aktuellen Entwicklung, über die Kürzung von Staatsausgaben bis hin zur strikten Antiinflationspolitik reichen. In Extremfällen haben die Folgen aus den Auflagen des IWF zu erheblichen sozialen Unruhen, etwa in einigen Staaten Südostasiens während der Asienkrise, geführt. Hier wurden von betroffenen Staaten etwa Streichungen von Subventionen bei Nahrungsmitteln vorgenommen. Die Preise von Grundnahrungsmitteln verteuerten sich daraufhin mitunter drastisch. Doch nicht nur in diesen Staaten ist die Kritik am IWF erheblich gewesen. Auch in den Industrieländern mehrten
45
Zur Vertiefung etwa: Holtfrerich, C.-L. (1998).
3.1 Supranationale Organisationen
67
sich im Zuge der Asienkrise die Stimmen, die eine Überarbeitung der Kreditvergabepolitik des IWF forderten. Kernpunkt dieser Kritik war, dass die Kredite des IWF quasi eine kostenlose Versicherung für private Investoren darstellten. Die Deutsche Bundesbank schrieb hierzu: „Auch in Finanzkrisen sollte der IWF nur begrenzte Liquidität bereitstellen, um damit der Verantwortung des Privatsektors in der Krisenbewältigung Vorrang zu geben. ... Der IWF soll und kann nicht die Funktion eines ‚lender of last resort‘ wahrnehmen. Eine solche Politik stünde im Widerspruch zu elementaren marktwirtschaftlichen Prinzipien, da sie die Investoren von den Risiken und Konsequenzen ihrer unternehmerischen Entscheidungen entbindet und mögliche vertragliche Lösungsansätze zwischen Schuldnern und Gläubigern von vornherein untergräbt.“46 Nach der Asienkrise ist der IWF heftig kritisiert worden und seine internationale Bedeutung sank deutlich, es wurde gar seine Bestandslegitimation diskutiert. Seine heutige hervorgehobene Rolle für die Stabilität der internationalen Finanzmärkte wurde erst durch den Verlauf der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise wieder möglich. Auf der Suche nach einer internationalen Organisation zur Überwindung der finanziellen Engpässe einzelner Staaten und zur Stabilisierung der Märkte wurde der IWF quasi wiederbelebt. Auf dem G20-Gipfel von London am 2. April 2009 wurden die IWF-Ressourcen um etwa 750 Mrd. US-Dollar aufgestockt. Neben bilateralen Kreditvereinbarungen zur kurzfristigen Bereitstellung von Finanzmitteln (250 Mrd. für SZR) kamen neue Kreditvereinbarungen durch die Mitgliedsstaaten in Höhe von 500 Mrd. hinzu. Zur Umsetzung der zusätzlichen Ressourcen wurden zudem neue Kreditlinien mit kurzer Laufzeit (1-2 Jahre) eingerichtet (Flexible und Precautionary Credit Line). Darüber hinaus wurden auf dem Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure wichtige Strukturreformen des IWF beschlossen und im März 2011 verabschiedet, die der gewachsenen ökonomischen Bedeutung der Schwellenstaaten Rechnung tragen (z. B. durch eine Verschiebung der Anteilseignerstruktur und der Stimmrechte zugunsten Chinas). Zudem soll der IWF seine Funktion als Überwacher der Wirtschaftspolitik seiner Mitgliedsstaaten wieder verstärkt wahrnehmen (Surveillance-Funktion) und seine spezifischen Vorteile durch die Integration finanzsektorspezifischer Fragen in die makroökonomische Analyse einbringen. Auch durch diese Maßnahmen wird der IWF in der Zukunft eine wichtige(re) Rolle bei der Förderung der internationalen Arbeitsteilung, durch die Förderung und Überwachung eines offenen und stabilen Währungssystems einnehmen.
3.1.3
World Bank
Die Weltbank ist Teil der so genannten Weltbankgruppe. Diese umfasst neben der International Bank for Reconstruction and Development (IBRD), die die eigentliche Weltbank darstellt, weitere Institutionen: die International Finance Corporation (IFC), die International Development Association (IDA), die Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA) und das International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID). Die Gründung der Weltbank erfolgte zusammen mit der des IWF auf der Konferenz von Bretton Woods. Ziel war zwar zunächst der Aufbau Europas nach dem Ende des 2. Weltkriegs, aber bereits zu 46
Deutsche Bundesbank (2000), S. 15 u. S. 26.
68
3 Internationale Organisationen
Beginn der 50er-Jahre wurde die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in weniger entwickelten Staaten und damit die Realisierung eines stetigen Wirtschaftswachstums dieser Staaten, bei zunehmender Integration in die Weltwirtschaft, das Hauptaufgabengebiet der Weltbank. Bis in die 70er-Jahre hinein lag hier der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit beim Aufbau einer modernen Infrastruktur, etwa in den Bereichen Verkehr, Energie und Bildung. Mit der allmählichen Übertragung zusätzlicher Aufgaben, vor allem in Fragen von Währungsangelegenheiten für Entwicklungs- und Schwellenländern, auf den IWF hat sich die Aufgabenstellung der Weltbank sukzessive verändert. Inzwischen stehen Maßnahmen zur Armutsvermeidung und umweltpolitische Aspekte im Vordergrund. Zur Sicherung von Grundbedürfnissen dient im Bereich der Landwirtschaft der Aufbau einer Selbstversorgungswirtschaft. Da die Weltbank insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Lage unterer Einkommensschichten in Entwicklungsländern fördert, hat sie in diesen Ländern auch ein vergleichsweise besseres Ansehen als der IWF. Zur Realisierung ihrer Ziele stehen der Weltbank vor allem folgende Instrumente zur Verfügung: die Vergabe von Darlehen und Krediten an Regierungen, die Koordination von Entwicklungshilfe einzelner Staaten, die Beratung von Regierungen, etwa bei der Verbesserung der Attraktivität ihrer Staaten für ausländische Direktinvestitionen. Im Mittelpunkt des Instrumentariums stehen die finanziellen Unterstützungen. Die langfristigen Darlehen werden mit einer Laufzeit von 15 bis 20 Jahren an die Regierungen vergeben. Der Kreditzins dieser Darlehen orientiert sich am jeweiligen Kapitalmarktzins. Die Refinanzierung der Weltbank erfolgt zum einen aus den Einzahlungen der Mitgliedsländer, zum anderen durch Weltbankanleihen auf dem Kapitalmarkt. Der Vorteil für die kreditnehmenden Entwicklungsländer resultiert aus einem günstigen Kreditzins: Da Entwicklungsländer ein vergleichsweise hohes Ausfallrisiko für Zins- und Tilgungsleistungen von Krediten haben, also eine schlechte Bonitätsbeurteilung und damit ein schlechtes Rating vorliegt, lässt sich ein Kapitalgeber das Risiko der Kreditvergabe an ein Entwicklungsland mit einem entsprechenden Risikozuschlag bezahlen. Da die Weltbank eine hohe Kreditwürdigkeit und damit ein sehr gutes Rating aufweist, entfällt bei ihr ein Risikozuschlag auf dem internationalen Kapitalmarkt. Ein solcher Kredit stellt also für das Empfängerland eine Subvention in Höhe des Risikozuschlags zwischen der Ratingdifferenz der Weltbank und des jeweiligen Empfängerlandes dar. Für die ärmsten Länder der Erde erfolgt zudem eine nahezu zinslose Kreditvergabe durch die Weltbankinstitutionen mit einer Laufzeit von 35 bis 50 Jahren. Im Rahmen der Weltbankgruppe werden auch bestimmte private Aktivitäten unterstützt. Hier können Kredite für die Finanzierung von Investitionen gewährt werden; mit Unterstützung bei der technischen Abwicklung und das Management für die Entwicklung von Investitionen. Besondere Bedeutung für die Förderung der internationalen Arbeitsteilung hat auch die Übernahme von Garantien durch Institutionen der Weltbankgruppe bei der Durchführung privater Direktinvestitionen gegen nicht-kommerzielle Risiken, wie etwa Transferbeschrän-
3.1 Supranationale Organisationen
69
kungen, Enteignungen und Krieg. Ähnlich wie beim IWF wurden auch die finanziellen Mittel der Weltbank auf dem G20-Gipfel von London am 2. April 2009 aufgestockt – allerdings in bescheidenerem Umfang in Höhe von 100 Mrd. US-Dollar, um die ärmsten Staaten bei der Bewältigung der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu unterstützen. Unterschieden nach Zielen, den im Mittelpunkt der Hilfe stehenden Staatengruppen und den wichtigsten Instrumenten zur Durchsetzung der Ziele ergibt sich in einer Zusammenfassung folgendes Bild über die drei wichtigsten supranationalen Organisationen auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik:
Synopse supranationaler Organisationen Institution (Mit-
WTO
IWF
Weltbank
glieder Stand: 31.12.2010)
(153)
(187)
(187)
Ziel
Freier Handel von Waren und Dienstleistungen
Stabilität des Finanzsystems und der Weltwährungsordnung
Entwicklungspolitik; Bekämpfung von Armut
Zielgruppe (überwiegend)
Alle Staaten
Industrie- und Schwellenländer
Entwicklungsländer
Instrumente
z. B.: Beseitigung von Handelshemmnissen durch Überführung nichttarifärer Beschränkungen in Zölle (kurzfristig); Reduzierung von Zöllen (mittelfristig)
Gewährung von Krediten, Zinshöhe auf Zinsniveau der Geberländer (= tendenziell niedriger als Zins des betroffenen Staates); Eingriffe in die Wirtschaftspolitik des Staates
Gewährung von Krediten mit niedrigem bzw. nahezu ohne Zins (= tendenziell deutlich niedriger als Zins des betroffenen Staates, sehr lange Laufzeit der Kredite); auch Beratung der Regierungen
70
3 Internationale Organisationen
3.2
Freihandelsorientierte regionale Staatenzusammenschlüsse
Staaten schließen sich aus den unterschiedlichsten Gründen zu Verbünden zusammen. In den vergangenen Dekaden haben besonders Überlegungen zur Förderung des Handels zwischen einzelnen Staaten an Bedeutung gewonnen. Solche regionalen Integrationen und Wirtschaftsblöcke gibt es vor allem in Europa und Amerika sowie zwischen asiatischen Staaten. Sie verstoßen zwar im Prinzip gegen die Meistbegünstigungsklausel der WTO, weil sie den Intrahandel zwischen den jeweiligen Mitgliedsstaaten durch die Errichtung von Außenzöllen und durch die Vorzugsbehandlung der Mitgliedsstaaten begünstigen. Allerdings sind nach den WTO-Regelungen Ausnahmeregelungen zulässig. In diesem Abschnitt werden nur die bedeutendsten regionalen Staatenzusammenschlüsse in ihren Grundzügen dargestellt.47 Association of South East Asian Nations (ASEAN) Dieser Zusammenschluss von zehn Staaten Südostasiens hat zum einen die Zusammenarbeit auf gesellschaftlichen Gebieten, wie etwa Wissenschaft und Kultur, als Ziel. Seit dem Bangkok-Gipfel im Dezember 1995 wurde als weitere Vereinbarung die Schaffung einer Freihandelszone in den Zielkatalog aufgenommen, die dann schließlich in einen einheitlichen Markt ohne Handelsbegrenzungen im Sinne der Europäischen Gemeinschaft münden soll. Wichtiger Schritt zur wirtschaftlichen Integration in die Weltwirtschaft war das in 2010 in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen der Staatengruppe und China, womit große Teile der Exportindustrie dieser Staaten ohne große Beschränkungen ihre Waren nach China ausführen können. Einige Staaten sind auch Teilnehmer der Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC). Die APEC stellt allerdings keinen Staatenverbund im hier behandelten Sinne dar, vielmehr ist sie lediglich als regionales Forum von derzeit 21 Staaten eingerichtet. Das Ziel dieser Staaten ist die Liberalisierung des Handels und der ungehinderten Investitionstätigkeit in der Region. Mercado Común del Sur (MERCOSUR) Der ‚Gemeinsame Markt des Südens‘ besteht seit 1995 aus den Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Verwirklicht wurde bisher eine Zollunion (Wegfall der Binnenzölle und gemeinsamer Außenzoll, mit Zollsätzen zwischen 0% und 20%) und ein gemeinsamer Markt für Güter und Dienstleistungen, aber mit gewissen Einschränkungen hinsichtlich des innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehrs.48 Die Wirtschaftskraft der vier MERCOSUR-Staaten umfasst fast drei Viertel des lateinamerikanischen BIP. Mit anderen Staaten bestehen zudem Handels- bzw. Assoziierungsabkommen 47
Der jeweilige Stand der Teilnehmerstaaten bezieht sich auf das Januar 2011.
48
Vgl. hierzu ausführlicher Sangmeister, H. (2001), S. 10f. Sangmeister geht zudem auf weitere Gesichtspunkte des MERCOSUR ein, wie etwa die Freizügigkeit auf den Arbeitsmärkten.
3.2 Freihandelsorientierte regionale Staatenzusammenschlüsse
71
(Chile, Bolivien). Zu Beginn des Jahrtausends ist es zu Spannungen innerhalb des MERCOSUR durch die lang anhaltende wirtschaftliche Schwäche Argentiniens und der vergleichsweise günstigen Entwicklung Brasiliens gekommen. Da dies, bezogen auf die BIPAnteile und die Intrahandelsbeziehungen, die beiden wichtigsten Staaten im MERCOSUR sind, war zeitweise sogar von einem Bruch des MERCOSUR auszugehen (nähere Ausführungen hierzu in Kap. 5). Dies ist zwar nicht eingetreten. Allerdings kamen weitergehende Projekte der Staatengruppe auch nicht zustande. So wurden Pläne aus 2007 zur Gründung einer gemeinsamen Entwicklungsbank (Banco del Sur) als Gegenpol zum IWF bisher nicht umgesetzt. North American Free Trade Agreement (NAFTA) Durch das nordamerikanische Freihandelsabkommen von 1992 wurde zwischen den USA, Kanada und Mexiko eine Freihandelszone für Waren und Dienstleistungen eingerichtet (1994) sowie u. a. die Liberalisierung des Kapitalverkehrs angestrebt. Besondere Ziele sind dabei: aus Sicht Mexikos: freier Zugang zu den Märkten des wichtigsten Handelspartners (USA) und zu dessen Kapitalmarkt (und damit auch zum internationalen Kapitalmarkt), aus Sicht der USA (und Kanadas): Stabilisierung der wirtschaftlichen (und politischen) Entwicklung Mexikos; vor allem in Hinblick auf die Einwanderung vieler Mexikaner in die USA. Die NAFTA strebte, unter Führung der USA, zudem ihre Erweiterung nach Latein- und Südamerika an, was die wirtschaftspolitische Bedeutung der NAFTA erheblich gesteigert hätte. Bisher wurden die entsprechenden Pläne aber nicht umgesetzt. Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) stellt die derzeit am weitesten fortgeschrittene wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen einzelnen Staaten dar, sie geht etwa deutlich über eine Freihandelszone hinaus. Nach dem Maastrichter-Vertrag von 1992 sollten die Staaten der Europäischen Union nach der Bildung eines gemeinsamen Binnenmarktes (erste Stufe) die technischen und prozeduralen Vorbereitungen für die Bildung einer Währungsunion treffen (zweite Stufe). Am 1.1.1999 wurde schließlich durch die Schaffung der neuen gemeinsamen Währung (Euro) und den Übergang der jeweils nationalen geldpolitischen Verantwortung der Startteilnehmer auf die Europäische Zentralbank eine neue Qualität in der Wirtschaftspolitik der Teilnehmerstaaten erreicht (vgl. ausführlicher in Kap. 5). Die EWWU mit ihrer gemeinsamen Währung ist damit einerseits ein vorläufiger Endpunkt der wirtschaftlichen Integration einer Reihe europäischer Staaten, die mit dem In-KraftTreten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 1958 und der Beseitigung aller Binnenzölle ihren Anfang nahm. Zwischenschritte waren die Abschaffung von Mobilitätshindernissen für den Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie für Personen (sog. ‚Vier Grundfreiheiten‘). Der Euro aber wird als der Beginn eines neuen Stadiums der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit in Europa angesehen. Dabei ist es unter Ökonomen strittig, inwieweit es auch zu einer verfeinerten Abstimmung in einzelnen Bereichen der Wirtschafts-
72
3 Internationale Organisationen
politik kommen wird. In der Literatur findet sich die Auseinandersetzung über den Grad der weiteren wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit der Nationalstaaten unter dem Stichwort ‚Wettbewerb der Systeme vs. Zentralisierung‘. Eine Ausdehnung des Binnenmarktes wird zudem durch die Zusammenarbeit mit den EFTA-Staaten (European Free Trade Association) Norwegen, Island und Liechtenstein im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) verwirklicht.
3.3
Weitere Organisationen
Zusätzlich zu den bisher aufgeführten Zusammenschlüssen sind noch andere Organisationen von Bedeutung für die internationale Zusammenarbeit von Staaten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit besitzen in diesem Sinne folgende Organisationen eine besondere Relevanz: Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) Die OECD stellt im engeren Sinne keinen regionalen Verbund von Staaten zur Förderung des internen Handels mit spezifischen Instrumenten dar. Vielmehr sind in der OECD die wichtigsten Industrieländer zusammen geschlossen, um die Förderung einer bestmöglichen Wirtschaftsentwicklung durch Analyse, Beratung und Empfehlungen zu erreichen. Sie versteht sich daher in erster Linie als Denkfabrik. Dazu gehören regelmäßig erscheinende Länderberichte (für die größeren Industriestaaten einmal pro Jahr), die nicht nur einen Überblick über die jüngere Wirtschaftsentwicklung des jeweiligen Staates geben, sondern auch (unverbindliche) Empfehlungen zur Beseitigung von Strukturproblemen an die nationale Wirtschaftspolitik richten. Zur regelmäßigen Aufgabe der OECD gehört auch die Veröffentlichung von Wirtschaftsprognosen – nicht nur für einzelne Staaten, sondern zur Entwicklung der Weltwirtschaft insgesamt. Sie besitzt keine eigenen finanziellen Instrumente, um selbstbestimmte wirtschaftspolitische Maßnahmen durchführen zu können. Sie hat auch keine supranationale Rechtssetzungsbefugnis. Sie hat nur eine beratende Funktion zur Koordinierung der Wirtschaft-, Währungs- und Außenwirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten. Allerdings stoßen Studien der OECD mitunter umfassende Diskussionen über bestimmte Themen an, die dann zu Maßnahmen der jeweiligen Staaten führen können und damit trotz der Unverbindlichkeit eine große normative Kraft besitzen. Bestes Beispiel sind hier die von Ihr veröffentlichten Schulleistungsstudien (Pisa-Studien; Programme for International Student Assessment), die gerade in Deutschland auf ein breites mediales und öffentliches Echo gestoßen sind und zur Umsetzung von Strukturreformen im Bildungssektor geführt haben. Ein weiteres Beispiel sind die ‚OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen‘, die für solche Unternehmen bestimmte Verhaltensweisen empfehlen, um global eine positive, soziale und ökologische Entwicklung zu erreichen. G7/G8/G20 Als Reaktion auf das Ende des Bretton-Wood-Systems und der ersten Ölkrise trafen sich die großen Industrieländer 1975 in Frankreich zum ersten Weltwirtschaftsgipfel, aus dem dann ein Jahr später die Staatengruppe der G7 hervorging (Deutschland, USA, Japan, Großbritan-
3.4 Literatur
73
nien, Frankreich, Italien, Kanada). Inhalt der Gespräche waren vor allem Wirtschafts- und Finanzfragen. Mit der Aufnahme Russlands (zunächst nur als Teilnehmer) wurde der Kreis zur G8 erweitert (1998). Die G20 wurde 1999 vor allem in Folge der Asienkrise gegründet. Sie besteht aus insgesamt 19 Staaten (G7-Gruppe und 12 weitere Staaten; vor allem große, systemisch bedeutsame Schwellenländer) zuzüglich der EU. Die Mitgliedschaft der Staaten wird jeweils durch die Finanzministerien und Notenbanken ausgeübt. Im Zuge der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise treffen sich die Mitglieder der G20 seit 2008 regelmäßig auch auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs. Inhalt der Treffen sind vorrangig Fragen zur Bewältigung von Finanzkrisen, der Stärkung der Finanzsektoren in den Schwellenländern, der Weiterentwicklung der Bretton-Woods-Institutionen und allgemeine Fragen der Wirtschaftspolitik. Vor allem die verbesserte Koordination bei der Bewältigung systemischer Problemlagen, z. B. durch die Einrichtung des Mutual Assessment Process (Verfahren zur gegenseitigen Bewertung der Wirtschaftspolitik zur Förderung eines nachhaltigen und ausgewogenen globalen Wirtschaftswachstums)49, und die Diskussion von Maßnahmen zur Finanzmarktregulierung waren Ziele der jüngsten Treffen. Durch die Gruppe der G20 wird die zunehmende Bedeutung der Schwellenländer bei Fragen der internationalen Finanz- und Wirtschaftsordnung deutlich.
3.4
Literatur
Den besten Einstieg für eine ausführliche und zeitnahe Analyse der supranationalen Organisationen und der regionalen Zusammenschlüsse hinsichtlich der Teilnehmerstaaten, der Ziele, des Aufbaues und der Instrumente bieten die Angaben aus dem Internet: WTO (www.wto.org)
UNCTAD (www.unctad.org)
IMF (www.imf.org)
Weltbank (www.worldbank.org)
EU (http://europa.eu/)
APEC (www.apec.org)
ASEAN (www.aseansec.org)
MERCOSUR (www.mercosur.int)
NAFTA (www.nafta-sec-alena.org)
OECD (www.oecd.org)
Ausführliche Darstellungen wichtiger Organisationen finden sich zudem in Wagner (2009).
49
Vgl. http://www.imf.org/external/np/exr/facts/g20map.htm
4
Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Für die Analyse der Folgen einer zunehmenden Verflechtung der einzelnen Märkte auf die Volkswirtschaften sind Kenntnisse über die theoretischen Zusammenhänge notwendig. Das Wissen über die theoretischen Zusammenhänge ist zudem wichtig für politische Entscheidungen, die gegebenenfalls eintretende Fehlentwicklungen korrigieren sollen. Allerdings gelten unverändert die Erkenntnisse aus der Wissenschaftstheorie, das das theoretische Wissen über das Zusammenspiel und die Auswirkungen einzelner Zusammenhänge keine Garantie dafür ist, dass in der Praxis diese Zusammenhänge immer unveränderte Gültigkeit haben: „Eine Theorie, die sich empirisch immer wieder bewährt, kann dennoch nicht als definitiv wahr bezeichnet werden, weil die Möglichkeit einer zukünftigen Widerlegung durch Tatsachen nicht auszuschließen ist. Jede Theorie gilt deswegen nur als vorläufig bestätigt oder noch nicht widerlegt.“50 Bei der Analyse der theoretischen Gründe für den Wirtschaftsverkehr zwischen zwei Staaten kann zwischen realen und monetären Faktoren unterschieden werden. Dabei wird unter dem Begriff ‚monetär‘ auf die Auswirkungen veränderter Preisrelationen zwischen den Währungen zweier Staaten, den Wechselkurs, abgestellt.
4.1
Reale (güterwirtschaftliche) Außenwirtschaftstheorie
Zunächst geht es um die Beantwortung der Frage, welche Faktoren für den Handel mit Gütern und Dienstleistungen über die nationalen Grenzen hinweg verantwortlich sind, wenn von Wechselkursveränderungen abgesehen wird. Welche Gründe führen etwa zu Spezialisierung eines Staates auf den Export eines bestimmten Produktes? Dabei kann zwischen den Gründen für Preisdifferenzen von Produkten und den Produkteigenschaften unterschieden werden. Als Ausgangspunkt der modernen realen Außenwirtschaftstheorie wird zudem ‚das Theorem der komparativen Kostenvorteile‘ kurz vorgestellt.
50
Zu diesem Prozess der Falsifikation von Theorien vgl. Woll, A. (2007), S. 13.
76
4.1.1
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Preisdifferenzen
Hierunter werden Einflüsse auf den Preis von Gütern und Dienstleistungen verstanden. Die Preisunterschiede werden schließlich zu einem grenzüberschreitenden Handel dieser Produkte führen. Gründe für Preisunterschiede können sein: Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen und unterschiedliche Produktionsbedingungen Die unterschiedliche Ausstattung der Staaten mit natürlichen Ressourcen, wie Boden, Klima und Rohstoffen, kann zum einen dazu führen, dass einige Güter überhaupt nicht oder nur zu unverhältnismäßig hohen Kosten produziert werden können (z. B. Erdöl, Kaffee, Zitronen). Zum anderen kann zwar in zwei Staaten dasselbe Produkt produziert werden, aber Unterschiede in den Produktionsbedingungen führen zu merklichen Preisunterschieden, sodass sich ein Handel zwischen den Staaten lohnt. So ist der Steinkohleabbau in Deutschland etwa um das 3fache teurer als in den USA, da in Deutschland die Steinkohle aus einer größeren Abbautiefe gewonnen werden muss. Technologische Lücke Auch das Fehlen bestimmter Produktionstechnologien oder die unzureichende bzw. nicht ausreichende Qualifikation der Erwerbsbevölkerung können Gründe für grenzüberschreitenden Handel mit Gütern und Dienstleitungen sein. Dies gilt vor allem dann, wenn der Erwerb der notwendigen Technologien bzw. die Ausbildung der Menschen im Vergleich zum Import der Güter und Dienstleistungen dauerhaft teurer ist. Unterschiede in der Ausstattung mit Produktionsfaktoren (Boden, Arbeit, Kapital) Nach dem Faktorproportionen-Theorem von Heckscher u. Ohlin kommt es auf die quantitative Verfügbarkeit der drei Produktionsfaktoren Arbeit, Boden, Kapital an, welche Güter von einem Staat exportiert bzw. importiert werden: Danach sind die vergleichsweise reichlich vorhandenen Produktionsfaktoren eines Staates relativ billig, knappe Faktoren dagegen teuer. Dies hat Auswirkungen auf die Herstellungskosten und damit auch auf die Preise dieser Güter. Relativ arbeits-/kapitalreiche Staaten werden daher arbeits-/kapitalintensive Produkte exportieren, weil Arbeit/Kapital vergleichsweise billig ist. Das FaktorproportionenTheorem besagt also, dass Exporte und Importe über den Gehalt der Produktionsfaktoren bestimmt werden können. Deshalb gilt: Industrieländer, vergleichsweise reichlich mit Kapital ausgestattet, werden tendenziell kapitalintensive und damit höherwertige Güter produzieren, während Entwicklungsländer, i. d. R. mit einem großen Bestand an niedrig qualifizierten Arbeitskräften ausgestattet, arbeitsintensive Güter herstellen und exportieren werden. Hiermit wird erklärbar, warum Staaten wie die USA, Deutschland und Japan Investitionsgüter ausführen und Entwicklungsländer arbeitsintensive Billigprodukte für den Export in die Industriestaaten herstellen. Typisches Beispiel hierfür war China, das in der ersten Phase seines wirtschaftlichen Aufholprozesses über billige, arbeitsintensive Waren seine Exporterfolge erzielte.
4.1 Reale (güterwirtschaftliche) Außenwirtschaftstheorie
77
Eine Ergänzung finden diese Überlegungen durch das Neo-Faktorproportionen-Theorem. Auslöser dieser Erweiterung waren die empirischen Ergebnisse von Leontief. Dieser fand heraus, dass selbst kapitalreiche Staaten wie die USA kapitalintensive Waren importieren und arbeitsintensive Waren exportieren.51 Das Leontief-Paradoxon lässt sich vermeiden, wenn der Faktor Arbeit nach wenig und hoch qualifizierten Arbeitskräften unterschieden wird. Hier führt die unterschiedliche Ausstattung mit Humankapital zu einem veränderten Warenhandel: ein arbeitsreiches Land kann mit einer knappen, aber gut entlohnten Zahl an höher qualifizierten Arbeitskräften ausgestattet sein. Ein kapitalreiches Land kann dagegen viele gut qualifizierte Arbeitskräfte besitzen, die aber vergleichsweise niedrig entlohnt werden. In einem solchen Fall werden arbeitsintensive Waren im arbeitsreichen Land relativ teuer produziert. Dadurch können kapitalreiche Staaten komparative Kostenvorteile bei arbeitsintensiven Produkten besitzen und diese dann auch exportieren. Produktlebenszyklus von Gütern (Ergänzung des Faktorproportionen-Theorems) Mit Hilfe des Faktorproportionen-Theorems kann auch erklärt werden, wie einzelne Staaten am Produktionsprozess von Gütern beteiligt werden. Dafür wird die Annahme getroffen, dass Güter unterschiedliche Phasen ihrer Entwicklung durchlaufen, mit einem unterschiedlichen Ausmaß an Kapitaleinsatz und Know-how. Phasen: Innovationsphase: Eine Innovation setzt ein Land mit hoher technologischer Qualifikation voraus Ausreifungsphase: Produkt fast ausgereift Nachahmer treten auf den Markt Kapitalintensive Produktion auf mittlerem technologischen Niveau Standardisierungsphase: Produkt voll ausgereift Massenproduktion Auf Grund der Differenzen in der Faktorintensität der einzelnen Produkte zwischen der Ausstattung etwa an Arbeit und Kapital (sowohl in qualitativer als quantitativer Hinsicht) können verschiedene Gruppen von Staaten auf Grund ihrer unterschiedlichen Faktorausstattung gebildet werden, die als Exporteure dieser Produkte in Frage kommen: Innovationsphase: wenige hoch entwickelte Länder (USA, Deutschland, Japan, Frankreich, Großbritannien) Ausreifungsphase: andere Industrieländer Standardisierungsphase: fortgeschrittene Entwicklungsländer und Schwellenländer Zusammen mit dem Theorem von Heckscher u. Ohlin wird dadurch der Güterhandel zwischen den Wirtschaftszweigen der Industriestaaten und der Entwicklungsländer (z. B. Maschinen gegen Textilien), der interindustrielle Handel, erklärbar. Die Produktion wird nur dann in ein kostengünstigeres Land verlegt, wenn das Produkt einen gewissen Reifegrad erreicht hat und die Produktionsverfahren standardisiert sind.
51
Vgl. Leontief, W. (1953).
78
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Kaufkraftniveau einzelner Staaten Hier spielen Kaufkraftunterschiede zwischen einzelnen Staaten eine Rolle: In Staaten mit einer relativ hohen Kaufkraft der Bevölkerung werden Produkte teurer verkauft als in Staaten mit niedriger Kaufkraft. Es lohnt sich daher für Unternehmen zunächst ihre Produkte auf diesen Märkten zu positionieren. So belegen Untersuchungen der Europäischen Kommission etwa, dass für ansonsten identische Kraftfahrzeuge in Deutschland, auf Grund der relativ hohen Kaufkraft, mit die höchsten Preise innerhalb der Staaten der EU gezahlt werden.52 Zudem spielt es auch eine Rolle, inwieweit die Bevölkerung eines Staates das ihr zur Verfügung stehende Einkommen auf einzelne Produkte aufteilt. Economies of scale Bei großen Binnenmärkten entstehen Kostenvorteile bei der Massenproduktion von Gütern. Diese Vorteile können bei weiter fortschreitender Spezialisierung der Güter dazu führen, dass sich die Produktion einzelner Staaten nur auf wenige Güter stützt – diese aber auf Grund ihrer Kostenvorteile in andere Staaten exportiert und die einheimischen Produkte der Importstaaten verdrängt werden. Durch die Spezialisierung auf wenige Produkte entstehen Kostenvorteile für die Unternehmen der exportierenden Staaten (sinkende Stückkosten) und für die Staatengemeinschaft insgesamt ein breit gefächertes Angebot. Außerdem können steigende Skalenerträge auch die Spezialisierung von Ländern erklären. Staatliche Eingriffe Hier führen unterschiedliche Belastungen mit weiteren, insbesondere staatlich verursachten Kosten zu unterschiedlichen Preisen zwischen vergleichbaren Produkten zweier Staaten. Dies können etwa Steuern, Zölle und nicht-tarifäre Auflagen (Importquoten und administrative Auflagen für bestimmte Eigenschaften eines Gutes) sein. Der Re-Import deutscher Kraftfahrzeuge aus Dänemark stellt dabei einen Spezialfall dar: Die Nettoverkaufspreise deutscher Kraftfahrzeuge liegen in Dänemark unter denen in Deutschland. Grund ist die in Dänemark höhere Belastung mit der dortigen Mehrwertsteuer (25%, im Vergleich zu 19% in Deutschland). Wird nun ein solches Kraftfahrzeug nach Deutschland reimportiert, entfällt die dänische Mehrwertsteuer und für die Einfuhr nach Deutschland muss (lediglich) die Einfuhrumsatzsteuer (19%) entrichtet werden. Damit entsteht ein Preisvorteil für den reimportierenden Kunden. Andere Verkaufsargumente, wie etwa Ausstattungsmerkmale und Serviceleistungen, werden bei diesen Überlegungen allerdings vernachlässigt
4.1.2
Produktdifferenzen
Zusätzlich zu den Preisdifferenzen können auch andere produktspezifische Gründe zu einem Export und Import von Gütern führen:
52
O.V. (2002).
4.1 Reale (güterwirtschaftliche) Außenwirtschaftstheorie
79
Unterschiedliche Qualitäten So besitzen Güter aus hoch industrialisierten Volkswirtschaften einen tatsächlichen oder auch nur vermuteten höheren Qualitätsstandard (Made in Germany). Zum höheren Qualitätsstandard kann auch das Vorhandensein ergänzender Faktoren, wie z. B. kürzere Lieferfristen und schneller und kostengünstiger Kundendienst, gerechnet werden. Die Konsumenten sind in einem solchen Fall bereit, dieses Importgut trotz eines möglicherweise sogar höheren Preises zu kaufen. Einfluss des Nachfrageverhaltens Auch die Existenz individueller Käuferpräferenzen kann für Kaufentscheidungen verantwortlich sein. Ähnliche Produkte werden wegen bestimmter Vorlieben (subjektive Bewertungen) aus bestimmten Ländern bezogen, etwa wenn ein privater deutscher Haushalt nur japanische Autos kauft. Die Überlegungen zu den unterschiedlichen Käuferpräferenzen für ähnliche Produkte können, zusammen mit Ansatz der Economies of Scale, den intraindustriellen Handel begründen.
4.1.3
Theorem der komparativen Kostenvorteile
Die Frage, warum sich Außenhandel lohnt ist eine der ältesten Fragen der Volkswirtschaftslehre. Den Grundstein zur Beantwortung und damit die Grundlage für die moderne Außenwirtschaftstheorie legte David Ricardo mit dem Werk Principles of Political Economy and Taxation (1817). Die Kernaussage des Theorems der komparativen Kostenvorteile ist, dass Handel auch für die Länder von Vorteil ist, die für alle produzierten Güter Preisvorteile aufweisen und damit diese Güter billiger produzieren können. Es ist ein Beispiel dafür, dass die wohlfahrtssteigernden Wirkungen eines grenzüberschreitenden Tauschprozesses für beide Handelspartner theoretisch gut begründbar sind.53 Zudem gibt es eine Begründung für die Spezialisierung eines Staates auf die Produktion weniger Güter. Die Bedingung für das Funktionieren des Theorems ist allerdings, dass die Kostenüberlegenheit des Landes bei einem Gut A größer als bei einem anderen Gut B. Die Grundüberlegung ist dann: Wie viel Einheiten des Gutes A kann ein Land produzieren, wenn es auf die Produktion des Gutes B verzichtet? Das Beispiel Ricardos bezog sich auf den Handel zwischen England und Portugal mit Wein und Tuch. Die Annahmen Ricardos waren: England und Portugal produzieren sowohl Wein als auch Tuch und Portugal hat bei beiden Gütern Kostenvorteile. Ausgangspunkt ist die folgende Übersicht über die Produktionskosten der beiden Güter in England und Portugal.
53
„... nobody would suggest that Norway should grow its own oranges.“ Krugman, P., M. Obstfeld (2000), S. 3.
80
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Produktionskosten in Arbeitseinheiten England
Portugal
Wein
120
80
Tuch
100
90
Portugal produziert danach beide Güter mit einem geringeren Einsatz an Arbeitseinheiten (AE). Trotzdem lohnt sich für Portugal der Import von Tuch. Hierfür werden die komparativen Kosten für die beiden Güter ermittelt.
Berechnung der komparativen Kosten England
Portugal
für 1 Ballen Tuch (ausgedrückt in Fass Wein)
100 AE 0,83Fass 120 AE
90 AE 1,125Fass 80 AE
für 1 Fass Wein (ausgedrückt in Ballen Tuch)
120 AE 1,2 Ballen 100 AE
80 AE 0,89 Ballen 90 AE
Der Vergleich der Produktionskosten eines Gutes ausgedrückt in Einheiten des jeweils anderen Gutes zeigt, dass Portugal einen Kostenvorteil bei der Produktion von Wein und England bei der Herstellung von Tuch besitzt. Bei einem angenommenen internationalen Austauschverhältnis von 1 Fass Wein für 1 Fass Tuch gilt: Für 1 Fass Wein, das in Portugal mit 80 AE hergestellt wird, erzielt man in England einen Erlös von 1 Ballen Tuch, für dessen Herstellung in Portugal 90 AE notwendig wäre. Portugal hat damit einen Wohlfahrtsgewinn von 10 AE. Für 1 Ballen Tuch, der in England mit 100 AE hergestellt wird, erzielt man in Portugal einen Erlös von 1 Fass Wein, für dessen Herstellung in England 120 AE notwendig wäre. England hat damit einen Wohlfahrtsgewinn von 20 AE. Für den grenzüberschreitenden Handel bedeutet dies: Portugal führt Wein nach England aus, während England Tuch nach Portugal exportiert.54 Beide Länder profitieren damit aus dem grenzüberschreitenden Handel. Dieses Ergebnis Ricardos, internationaler Handel ist für alle beteiligten Staaten von Vorteil, ist allerdings nicht unumstritten. Vor allem der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul A. Samuel-
54
Vgl. auch Hebler, M. (1998).
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
81
son hat in den letzten Jahren Kritik an den Überlegungen Ricardos geäußert. In einem viel beachteten Beitrag zeigte er, dass es unter bestimmten Bedingungen möglich ist, dass sich die Wohlstandssituation eines Landes durch Handel verschlechtern kann.55 Ursächlich hierfür sind die Annahmen: das Modell Ricardos berücksichtigt z. B. weder Arbeitslosigkeit noch technischen Fortschritt. So könne – laut Samuelson – der Handel mit China für die USA nachteilig sein, wenn China seine Produktivität bei der Herstellung bestimmter Güter steigere und es in den USA (theoretisch) keinen technischen Fortschritt bei der Produktion gebe. Die Gewinne aus dem Handel mit China reichen dann möglicherweise nicht aus, um die Einkommensverluste (im Modell Ricardos ist keine Arbeitslosigkeit vorgesehen) kompensieren zu können – die Löhne sinken dauerhaft. Damit würde aber die Kernaussage von Ricardo, dass damit beide Staaten von Handelsbeziehungen miteinander profitieren, hinfällig. Prinzipiell spricht der Einwand Samuelson aber nicht grundsätzlich gegen die Vorteile der Globalisierung. Vielmehr entstehen die wesentlichen negativen Effekte in seinem Beispiel aus technologischen Innovationen und den damit verbundenen Produktivitätsfortschritten, die dann erst den internationalen Handel zum Erliegen bringen, da dieser für ein höheres Wohlstandsniveau nicht mehr benötigt wird.
4.2
Monetäre Außenwirtschaftstheorie
„Nichts ist, wie es sein sollte auf den Devisenmärkten der Welt. Es ist eine verkehrte Welt – und eine sehr gefährliche. Denn am Wert der Währungen hängen Wohl und Wehe ganzer Länder, die Instabilität der Devisenmärkte bedroht deshalb auch das Gefüge der Weltwirtschaft. Werden die Wechselkurse manipuliert, vergrößern sich die Ungleichgewichte, die Probleme verschärfen sich – bis sie schließlich eskalieren. Dann droht eine Währungskrise, die ganze Volkswirtschaften in die Tiefe reißen kann.“56 Dabei hat der Handel mit Währungen in den vergangenen Jahrzehnten sogar noch drastisch zugenommen, wie Abb. 4.1 zeigt.
55
Vgl. Samuelson, P. A. (2004).
56
Dohmen, F. (2010), S. 83.
82
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Abbildung 4.1 Volumen der täglichen weltweiten Devisentransaktionen
Im Rahmen der monetären Außenwirtschaftstheorie werden die Ursachen und die Wirkungen sich verändernder Austauschrelationen zweier Währungen analysiert. Dabei wird zwischen nominalen und realen Wechselkursen unterschieden. Während die nominale Betrachtung lediglich auf die reine Währungsrelation abstellt, wird bei realen Wechselkursen zusätzlich das Verhältnis der Preisniveaus der Staaten berücksichtigt: Realer Wechselkurs = Nominaler Wechselkurs * Verhältnis der Preisniveaus Bei einem hohen/niedrigen realen Wechselkurs sind ausländische Güter im Vergleich zu den inländischen Gütern relativ billig/teuer. Damit beeinflusst auch das Verhältnis der Preisniveaus die Nachfrage nach diesen Gütern. Damit wird etwa die nominale Abwertung einer ausländischen Währung in ihrer Wirkung auf Handelsströme aufgehoben, wenn im Ausland das Preisniveau entsprechend stark ansteigt. Zur Beurteilung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit eines Landes wird i. d. R. der reale Wechselkurs betrachtet. Für das Verständnis der Wirkungsweise veränderter Währungsrelationen ist die Betrachtung in Form der hier verwendeten nominalen Wechselkurse aber völlig ausreichend.
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
83
Für das Grundverständnis zur Beurteilung von Währungen und Währungsveränderungen sind folgende Begriffen zu unterschieden: Wechselkurs
= Preis, zu dem zwei Währungen getauscht werden
Auf- bzw. Abwertung
= Veränderungen des Wechselkurses
Grafisch lassen sich die Veränderungen in der Austauschrelation in einem Preis-MengenDiagramm verdeutlichen. Danach bildet sich der Wechselkurs einer Währung auf dem Devisenmarkt aus dem Angebot an und der Nachfrage nach dieser Währung.
Preis
1€=w$
N
Angebot an $
A
A
Nachfrage nach $
N
Gleichgewichtswechselkurs w0
Menge
Ein neuer Wechselkurs kann sowohl aus einer Veränderung des Angebots als auch aus einer Veränderung der Nachfrage resultieren, wie am Beispiel einer Erhöhung der Nachfrage (NN1) zeigt. Preis
1€=w$
N
N
1
A
Angebot an $ w1 w0
A
N
N
1
Menge
84
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Zu einer solchen Veränderung des Wechselkurses kommt es etwa durch den An- oder Verkauf einer Währung durch die eigene Zentralbank. Dies wird als Devisenmarktintervention bezeichnet. Veränderungen des Wechselkurses haben erhebliche Auswirkungen für den internationalen Handel, für die Entscheidung eines Unternehmens Direktinvestitionen in einem anderen Staat durchzuführen und auch für die Finanzmärkte. In den vergangenen Jahren wurden Veränderungen der Währungsrelationen in der Öffentlichkeit, aber auch in der Fachliteratur für krisenhafte Entwicklungen mit verantwortlich gemacht. In Deutschland ist diese höhere Sensibilität gegenüber der Bedeutung von Währungsschwankungen vor allem im Zuge der Standortdebatte Mitte der 90er-Jahre entstanden. Folgender Textauszug aus einer Studie des Bundesverbandes Deutscher Industrie (BDI) zum Thema ‚hohe Arbeitskosten in Deutschland‘ aus dem Jahre 1996 mag dies belegen: „Daß die deutsche Wirtschaft mit den weltweit höchsten Arbeitskosten belastet ist, liegt zu einem wesentlichen Teil an der ungebrochenen Dynamik der Lohnnebenkosten. Allerdings hat die dramatische DM-Aufwertung der vergangenen Jahre unsere relative Position zu unseren ausländischen Wettbewerbern noch verschlechtert. Berechnungen zufolge sind seit 1989 etwa ein Drittel der Verteuerung der Lohnstückkosten ‚hausgemacht‘, zwei Drittel dagegen Folge der Währungsschocks.“57 Mit anderen Worten: Ohne die Folgen veränderter Währungsrelationen hätte es die deutsche Standortdebatte der 90er-Jahre, mit ihrer Konzentration auf die Steigerung der inländischen Arbeitskosten, in der geführten Form nicht gegeben. Die Störeffekte von ‚falschen‘ Wechselkursen und schnellen Wechselkursveränderungen kann man veranschaulichen, indem man die Lohnstückkosten in nationaler Währung mit denen in einer einheitlichen Währung vergleicht. Als Beispiel kann auf die Entwicklung in den 90er Jahren mit den noch nationalen Währungen der EU-Staaten und dem US-Dollar abgestellt werden. Bezogen auf nationale Währungen waren etwa die Lohnstückkosten in Westdeutschland im vergleichbaren Ausmaß wie in vielen anderen Staaten gestiegen. In einer einheitlichen Währung ausgedrückt war dagegen die Entwicklung in Westdeutschland bis Mitte der 90er Jahre erheblich ungünstiger gewesen, mit deutlichem Abstand zu den übrigen Staaten. Auch für Japan galten ähnliche Entwicklungen für den Außenwert des Yen. Die Arbeitskosten verteuerten sich in diesen beiden Staaten erheblich – in beiden Staaten war dies wechselkursbedingt. Die Folgen solcher Wechselkursveränderungen sind erheblich. Dabei sind nicht nur mittelfristige Entwicklungen von Bedeutung, auch starke Schwankungen, man spricht hier von einer hohen Volatilität, haben Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen, was z. B. die Planungssicherheit der Unternehmen betrifft. Auch hier ein Beispiel aus den 90er-Jahren: Im April 1995 erreichte eine Aufwertungswelle der DM ihren Höhepunkt, die verglichen mit dem April 1994 eine Aufwertung der DM gegenüber den wichtigsten Industriestaaten um 8% zur Folge hatte. Dies bedeutet eine erhebliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft – rein rechnerisch um diese 8%. Die Europäische Kommission hatte in
57
BDI (1996), S. 9.
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
85
ihrem Jahreswirtschaftsbericht für 1996 die Folgen einer solchen Entwicklung berechnet. Der Wachstumsverlust für Deutschland betrug demnach über einen Prozentpunkt, was einen negativen Beschäftigungseffekt in Höhe von rund 175.000 Arbeitsplätzen bedeutete. Dies waren Konsequenzen aus Veränderungen der Währungsrelationen, die auch bisherige Zweifler über die Einführung einer gemeinsamen Währung für die Staaten der EU zum Nachdenken brachte. Die rein rechnerische Bedeutung von Auf- und Abwertung lässt sich an (fiktiven) Beispielen veränderter Währungsrelationen zwischen dem Euro und dem US-Dollar zeigen:
Fall 1: Aufwertung des Euro (im Vergleich zum US-Dollar) Bedeutet: Wenn für einen US-Dollar ($) weniger Euro gezahlt werden muss. Also z. B.: 1 $ = 2 Euro 1 $ = 1,50 Euro
Dass der Euro im Vergleich zum US-Dollar an Wert gewinnt, wird allerdings erst deutlich, wenn die Sichtweise gewechselt wird. Bezogen auf den Euro folgt nämlich: 1 Euro = 0,50 $ 1 Euro = 0,67 $ (1:1,50) Damit erhält man nach der Aufwertung des Euro 0,17 $ mehr.
Fall 2: Abwertung des Euro (im Vergleich zum US-Dollar) Bedeutet: Wenn für einen US-Dollar mehr Euro gezahlt werden müssen. Also z. B.: 1 $ = 2 Euro 1 $ = 2,50 Euro bezogen auf den Euro folgt daraus: 1 Euro = 0,50 $ 1 Euro = 0,40 $ (1:2,50)
Für einen Euro erhält man also nach der Abwertung 0,10 $ weniger. Unterschiedlich Darstellung der Wechselkurse Bei der Darstellung von Währungspreisen kann zwischen zwei Formen unterschieden werden: Preisnotierung: Gibt an, wie viele inländische Geldeinheiten eine ausländische Geldeinheit wert ist (1,80 Euro pro US-Dollar). Diese Darstellungsweise war in Deutschland in der Zeit der DM üblich. Sie stellt den Devisenkurs einer Währung dar.
86
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Mengenorientierung: Gibt an, wie viele ausländische Geldeinheiten man für eine inländische Geldeinheit erhält (z. B.: 0,55 US-Dollar je Euro). Diese Darstellungsform war früher bereits in den angelsächsischen Ländern verbreitet (Außenwert einer Währung). Der Kurs des Euro wird in den Medien seit dem 1. Januar 1999 überwiegend in dieser Form dargestellt. Die Auswirkungen veränderter Währungsrelationen auf die Importe und die Exporte einer Volkswirtschaft sollen aus der Sicht Deutschlands im Verhältnis zu den USA in Anlehnung an das Beispiel Euro/US-Dollar gezeigt werden. Dabei wird allerdings nur eine Aufwertungssituation betrachtet. Die Analyse einer Abwertung des Euro im Verhältnis zum USDollar kann aber entsprechend vorgenommen werden.
Importbetrachtung bei einer Aufwertung des Euro Ausgangslage: Wechselkurs von 1 $ = 2 Euro Ein Kfz in den USA kostet vor der Aufwertung 50.000 $ Umgerechnet in Euro bedeutet das: 50.000 $ = 100.000 Euro Jetzt erfolgt eine Aufwertung des Euro (steigender Außenwert) von
1 $ = 2 Euro
auf
1 $ = 1,80 Euro
Folge: Der Preis des Kfz umgerechnet in Euro verändert sich durch die Aufwertung von
50.000 * 2
= 100.000 Euro
auf
50.000 * 1,80
=
90.000 Euro
Ergebnis: Das Kfz ist für die deutsche Einfuhr um 10.000 Euro billiger geworden. Folge dieser Verbilligung: Wenn die Nachfrage (NF) nach einem Produkt vom Preis (P) dieses Produktes abhängig ist (NF = f (P)), dann steigt die Nachfrage nach amerikanischen Kfz in Deutschland an. Die deutschen Importe steigen, die Ausfuhren der USA erhöhen sich.
Exportbetrachtung bei einer Aufwertung des Euro Ausgangslage (wie zuvor) Wechselkurs von 1$ = 2 Euro Ein Kfz in Deutschland kostet vor der Aufwertung 100.000 Euro Jetzt erfolgt eine Aufwertung des Euro von
1 $ = 2 Euro
auf
1 $ = 1,80 Euro
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
87
Folge: Preis des Kfz umgerechnet in US-Dollar verändert sich durch die Aufwertung von
100.000/2
= 50.000 $
auf
100.000/1,80 = 55.556 $
Ergebnis: Das Kfz ist für die US-amerikanische Einfuhr um 5.556 US-Dollar teurer geworden. Folge dieser Verteuerung: Die Nachfrage in den USA nach deutschen Kfz nimmt tendenziell ab, die Exporte deutscher Hersteller gehen zurück. Insgesamt gesehen bewirkt die Aufwertung der eigenen Währung zunächst eine Verschlechterung der eigenen Wettbewerbsposition. Das Ausmaß der Beeinträchtigungen ist dabei umso größer, je stärker die Einbindung einer Volkswirtschaft in den Prozess der internationalen Arbeitsteilung ist und je preisreagibler die eigenen Ausfuhrgüter sind (Wie in den Ausführungen zu Kapitel 4.1.2 gezeigt wurde, ist die Nachfrage nach einem Gut nicht nur von seinem Preis abhängig. Vielmehr spielen gerade bei höherwertigen Gebrauchsgütern und Investitionsgütern Aspekte wie Qualität und Kundenservice eine wichtige Rolle.). Es wird allerdings anhand des Beispiels auch deutlich, dass die Preise für Importgüter sinken. Durch die steigende Kaufkraft können, über eine Anregung der Konsumtätigkeit der Privaten Haushalte, positive Effekte auf die konjunkturelle Entwicklung ausgehen. Möglicherweise eröffnen sich durch die niedrigeren Einfuhrpreise der Zentralbank aber auch zusätzliche Zinssenkungsspielräume, wenn sich diese Entwicklung in einer moderateren Preissteigerung im Inland niederschlägt. Hinzu kommen weitere positive Effekte einer Aufwertung. So werden Auslandsreisen in Fremdwährungsgebiete erschwinglicher, weil sich die Kaufkraft der eigenen gegenüber der Fremdwährung erhöht. Zudem können auf Fremdwährung lautende Auslandsschulden der öffentlichen Hand und von Unternehmen einfacher bedient werden, da weniger Einheiten der eigenen Währung aufgewendet werden müssen, um eine Einheit der Fremdwährung zu kaufen. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass sich bei einer Abwertung der eigenen Währung auf Fremdwährung laufende Kredite relativ verteuern. Eine Entwicklung, die selbst vergleichsweise weit entwickelte Staaten treffen kann, wie das Beispiel Ungarns Mitte 2009 zeigte. Dort hatte ein nicht unerheblicher Anteil der Bevölkerung Immobilienkäufe in Schweizer Franken oder andere Fremdwährungen (vor allem Euro) getätigt. Da sich aber der Ungarische Forint deutlich abwertete, erhöhten sich die Rückzahlungsraten in Forint gerechnet deutlich. Es gibt allerdings auch wirtschaftliche Konstellationen, in denen aus den Überlegungen zum Preisniveau auch die Abwertung der eigenen Währung erwünscht sein kann. Dies gilt etwa in Zeiten der Deflation, also in einer Lage aus Rezession und negativem Vorzeichen bei der Inflationsrate. In einer solchen Konstellation können durch eine Abwertung der heimischen Währung Preissteigerungen im Inland ausgelöst werden. Da die Konsumenten in einer solchen Situation mit weiter anziehenden Preisen rechnen, kann sich der Nachfragestau bei privaten Haushalten auflösen. Eine solche Politik der schwachen Währung wurde in der Vergangenheit zeitweise etwa durch die japanische Regierung mit dem heimischen Yen betrieben, um die heimische Wirtschaft zu stützen.
88
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Die erwarteten Folgen von Aufwertung und Abwertung der eigenen Währung auf die Handelsbilanz sind allerdings nur mit einer zeitlichen Verzögerung festzustellen. Ursache hierfür ist das Auseinanderfallen von Preis- und Mengeneffekt. Während sich der Preiseffekt nahezu unmittelbar einstellt, reagiert die Mengenkomponente mit einer zeitlichen Verzögerung auf veränderte Währungsrelationen. Bei einer Abwertung bleibt die Import-/Exportmenge zunächst konstant, während die Preise für die Im- und Exporte schneller reagieren (die Preise für importierte Güter steigen, während die Preise für exportierte Güter sinken). Bei einer Abwertung entsteht bei der Handelsbilanz das Bild einer J-Kurve, während bei einer Aufwertung der Spazierstockeffekt entsteht (Abb. 4.2). Abbildung 4.2 J-Kurven- und Spazierstockeffekt positive Handelsbilanz
J-Kurve
Zeit
Spazierstockeffekt
negative Handelsbilanz
Für diese Reaktion können verschiedene Gründe verantwortlich sein: die Abwicklung in Fremdwährung fakturierter bestehender Verträge, die also noch mit den alten Wechselkursen abgeschlossen wurden,
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
89
die zusätzliche Auslandsnachfrage (bei einer Abwertung) kann auf Grund ausgelasteter Kapazitäten bzw. fester Anbieter-Nachfrage-Strukturen zunächst nicht befriedigt werden. In neueren Untersuchungen werden die früheren Ergebnisse für die Auswirkungen von Wechselkursänderungen auf einzelne Nachfrageaggregate und die Volkswirtschaft insgesamt bestätigt (Tab. 4.1). Die Ergebnisse zeigen, dass der maximale Effekt einer zehnprozentigen Euro-Aufwertung im Verhältnis zum US-Dollar bei einer Reduktion des BIP-Wachstums von knapp einem halben Prozentpunkt und beim nominalen Wechselkurs bei etwa einem Prozentpunkt liegt. Für die einzelnen Nachfrageaggregate stellen sich ebenfalls negative Auswirkungen ein. Die überraschenden negativen Auswirkungen bei den Importen resultieren nach Ansicht des Sachverständigenrates aus den Reaktionen der inländischen Verwendungskomponenten, die über rückläufige Einkommensverläufe die positiven Preiseffekte aus der Aufwertung zunächst überlagern. Für die Unternehmen einer Volkswirtschaft steht zwar eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, sich vor starken Wechselkursschwankungen (teilweise) zu schützen. Gleichwohl sind auch diese mit Nachteilen verbunden Da dies ein eher betriebswirtschaftlich ausgerichteter Themenkomplex ist, hier nur einige kurze Anmerkungen in Tabellenform – bezogen auf die Aufwertung der heimischen Währung: Sicherungsform
Nachteil
Durch Fakturierung in heimischer Währung entsteht beim inländischen Unternehmen kein Wechselkursrisiko
Das Wechselkursrisiko geht auf den ausländischen Vertragspartner über. Bei Aufwertung der Inlandswährung dürfte dieser für neue Geschäfte Preiszugeständnisse verlangen
Kurssicherung: Absicherung durch Hedginggeschäfte (exportierende Unternehmen kaufen Devisen zu einem bestimmten Kurs auf Termin bzw. als Option)
Meistens Absicherung für bis zu zwei Jahre; dauerhafte Währungsveränderungen werden nicht abgebildet; Absicherungsgeschäfte kosten Gebühren/Prämie und zwar umso mehr, je höher die Volatilität der Absicherungswährung ist; kurze, ruckartige Aufwertungen werden ebenfalls nicht erfasst; solche Absicherungsgeschäfte werden oft nur von größeren Unternehmen vorgenommen
Verlegung der Produktion in den anderen Währungsraum
Grundsatzentscheidung, die oftmals nur mit großen Kostenaufwendungen wieder rückgängig gemacht werden kann; möglicherweise Imageverlust am Ursprungsstandort; Frage der Qualität der Arbeitskräfte
90
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Tabelle 4.1 Veränderungen makroökonomischer Größen auf Veränderungen des Wechselkurses
Veränderungen makroökonomischer Größen auf Veränderungen des Wechselkurses (Beispiel Deutschland) - Annahme: Anstieg des Wechselkurses um 10% (=Aufwertung) Ausprägung
BIP
Ausrüstungsinvestitionen
Exporte
Importe
US-Dollar-Euro-Kurs Effekt auf die Veränderungsrate auf Jahresbasis in Prozentpunkten
-0,4 bis -0,5
-1,5 bis -2,2
-1,8 bis -2,9
-1,9 bis -2,1
Maximaler Effekt gegenüber dem Ausgangsniveau (%)
-0,7 bis -0,9
-2,4 bis -2,7
-3,2 bis -4,2
-2,3 bis -2,8
Signifikanz (Quartale nach dem Schock)
3 bis 6
0 bis 3
2 bis 6
2 bis 5
Effektiver nominaler Wechselkurs* Effekt auf die Veränderungsrate auf Jahresbasis in Prozentpunkten
-0,9 bis -1,0
-2,8 bis -4,6
-3,5 bis -5,4
-4,3 bis -4,6
Maximaler Effekt gegenüber dem Ausgangsniveau (%)
-1,7 bis -1,8
-4,7 bis -5,9
-6,9 bis -8,1
-5,6 bis -6,1
Signifikanz (Quartale nach dem Schock)
3 bis 6
0 bis 5
2 bis 6
0 bis 6
Quelle: Eigene Darstellung nach Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2004/2005, S. 557. * = Wertentwicklung des Euro im Verhältnis zu den wichtigsten Handelswährungen; Stand 2011: Die Berechnungen der EZB beruhen inzwischen auf Vergleichen gegenüber unterschiedlichen Gruppen von Währungen
4.2.1
Fundamentalfaktoren
Nachdem die Bedeutung von Änderungen im Preisverhältnis zweier Währungen deutlich geworden ist, soll die nächste Frage beantwortet werden: Welche Einflussfaktoren wirken auf die Wechselkurse?
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
91
Zunächst zu den so genannten fundamentalen Faktoren für Wechselkursveränderungen. Im Rahmen dieser Parameter werden vor allem die Auswirkungen von Preisen, Zinsen und Wirtschaftswachstum als Erklärungen für Veränderungen der Währungsrelationen betrachtet. Hinzu kommen Einflüsse, die mittelbar auf die vorgenannten ‚harten‘ ökonomischen Parameter wirken können. Neben den hier behandelten Theorien lässt sich vor allem kurzfristig der Besitz von Devisen, und damit auch die Veränderung von Wechselkursen, auch aus der Zahlung von z. B. Löhnen, Honoraren, Geschenken, Wettereinflüssen (der Wirbelsturm Katrina im Jahre 2005 und die damit verbundenen Unsicherheiten über dessen Auswirkungen auf Raffinerien und damit die Energieversorgung der USA führten zu einer Abwertung des US-Dollar) begründen. Wesentliche Änderungen der Währungsrelationen dürften daraus kurzfristig allenfalls nur bei quantitativ kleinen Beständen der entsprechenden Währung entstehen. Wechselkursbewegungen aufgrund der Änderungen bei Fundamentalfaktoren sind eher langfristig angelegt. Abbildung 4.3 Wechselkurs Euro/US-Dollar
Neben der reinen Darstellung der theoretischen Überlegungen soll hierbei versucht werden, die jeweilige theoretische Aussage (mit fiktiven Beispielen!) empirisch zu überprüfen. Hintergrund des empirischen Teils soll das Verhältnis zwischen Euro (und seinem wichtigsten Vorläufer, der DM) und US-Dollar sein – auf der Basis der damals verfügbaren Informationen und Daten. Dabei geht es in erster Linie um das Verhältnis dieser beiden Währungen zum Einführungszeitpunkt und in den folgenden beiden Jahren der neuen Währung für die Eurozone. Gerade in Deutschland wurde der damalige Wertverlust des Euro in der Öffentlichkeit sehr emotional und (oftmals) ohne Überprüfung der harten ökonomischen Fakten geführt. Vor allem die damalige Medienberichterstattung stellte damals die Abwertung der
92
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
neuen Währung in Zusammenhang mit einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung und an den internationalen Finanzmärkten. Hiervon war besonders der Devisenmarkt betroffen. Es lässt sich aber zeigen, dass der sinkende Außenwert der Währung keineswegs irrational war (Abb. 4.3). Bereits damals hätte bei einer längerfristigen Betrachtung gesehen werden können, dass bereits in früheren Zeiträumen ähnliche Abwertungsphasen selbst bei der DM zu beobachten waren. Vor allem in den 80er-Jahren kam es zu einem massiven Wertverlust der deutschen Währung im Vergleich um US-Dollar (Abb. 4.4). Abbildung 4.4 Entwicklung des Wechselkurses D-Mark/US-Dollar
Zunächst zu den Überlegungen hinsichtlich der Theorien der Fundamentalfaktoren. Dabei wird nur für die ersten drei Theorien eine Aussage zur frühen Entwicklung zwischen dem Euro und dem US-Dollar getroffen. Dies ist für eine erste empirische Überprüfung ausreichend. Kaufkraftparitätentheorie Aussage: Die Änderung des Wechselkurses (WK) wird bestimmt durch die Differenz der Inflationsraten zweier Länder (USA und Deutschland = D).
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie Bsp.:
1.
93
USA:
Güterpreise + 5% gegen Vorjahr
D:
Güterpreise + 2% gegen Vorjahr
d.h., die Güter werden in den USA relativ zu denen in D teurer 2.
Folge: Nachfrage nach Gütern aus D steigt und die Nachfrage nach Gütern aus den USA geht zurück
3.
Die Nachfrage nach Euro steigt gegenüber dem US-Dollar, da für den Kauf dieser Güter der Euro benötigt wird.
↓ Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar Wenn nur die Preisentwicklung über Wechselkursveränderungen entscheidet, dann ändert sich der WK Euro/US-Dollar genau um 3%. Dieser Zusammenhang wird auch als die ‚Grundversion der Kaufkraftparitätentheorie‘ bezeichnet. In einer erweiterten Version wird etwa berücksichtigt, dass im allgemeinen Preisindex auch Binnengüter in die Berechnung eingehen, die international nicht gehandelt werden (etwa im Bereich personengebundener Dienstleistungen). Eine solch modifizierte Variante der Kaufkraftparitätentheorie berücksichtigt nur die Preise der international gehandelten Güter. Untersuchungen über die Bedeutung der Kaufkraft zur Erklärung von Wechselkursbewegungen zeigen, dass vor allem langfristig und bei großen Inflationsunterschieden signifikante Einflüsse vorhanden sind. Bei preisunelastischen Gütern ist sie gar nicht relevant. Wie Tab. 4.2 zeigt, lag der Verbraucherpreisanstieg im Euro-Raum in den Jahren seit 1995 immer unter dem der USA. Bei Gültigkeit der Kaufkraftparitätentheorie hätte also seit seiner Einführung der Außenwert des Euro gegenüber dem US-Dollar an Wert gewinnen müssen. Zinsparitätentheorie Aussage: Zinsdifferenzen bewirken Kapitalbewegungen und diese Kapitalbewegungen beeinflussen die Wechselkurse. Bsp.:
1.
In den USA steigen die Zinsen schneller oder sind höher als in D; daher besteht ein zunehmendes oder größeres Interesse an Wertpapieren aus den USA
2.
Kaufinteressenten brauchen US-Dollar, um Wertpapiere in den USA kaufen zu können
3.
Die Nachfrage nach US-Dollar steigt gegenüber dem Euro
↓ Aufwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro
94
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Tabelle 4.2 Indikatoren zur Überprüfung des Verhältnisses zwischen Euro und US-Dollar
Indikatoren zur Überprüfung des Verhältnisses zwischen Euro und US-Dollar Inflationsrate1)
Zinsen2)
Wirtschaftswachstum3)
USA
Euro-Raum
USA
Euro-Raum
USA
Euro-Raum
1995
2,8
2,6
6,69
8,73
2,7
2,2
1996
2,9
2,2
6,54
7,12
3,6
1,4
1997
2,3
1,6
6,45
5,94
4,4
2,3
1998
1,6
1,1
5,33
4,70
4,3
2,9
1999
2,2
1,1
5,71
4,62
4,1
2,6
2000
3,4
2,3
6,12
5,42
4,1
3,4
2001
2,8
2,5
5,06
4,98
1,2
1,6
1) Anstieg des Verbraucherpreisindex in % gegenüber dem Vorjahr. 2) Rendite zehnjähriger Staatsanleihen. 3) Anstieg des realen BIP in % gegenüber dem Vorjahr Quellen: Deutsche Bundesbank; Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
Im Falle des Zinsniveaus zeigt sich ein deutliches Gefälle zu Gunsten der USA (Tab. 4.2). Dabei hat sich die Zinsdifferenz bis zum Jahre 2000 noch erhöht. Internationale Anleger hatten daher aus diesem Grunde in der Zeit der Einführung des Euro aus Renditeüberlegungen ihre Mittel eher in US-Dollar angelegt. Mit Hilfe der Zinsparitätentheorie kann zudem gezeigt werden, wie sich die Renditen für Inlands- und Auslandsanlagen bei bestehenden Erwartungen über Wechselkursänderungen durch internationale Kapitalbewegungen angleichen. Ausgangspunkt sollen folgende Annahmen sein: deutscher Zins 6% amerikanischer Zins 5% erwartete Aufwertung des Dollar 3% In dieser Situation ist die US-Anlage mit einem Gesamtertrag von 8% deutlich attraktiver als die deutsche Anlage (6%). Der Renditevorsprung der US-Anlage würde einen sofortigen Kapitalabfluss von Deutschland in die USA auslösen. Diesen Vorgang – die Kapitalverlagerung zum Ort der höchsten Rendite – nennt man Zinsarbitrage. Durch den Kapitalabfluss wird in Deutschland Kapital knapper, mit der Folge eines Zinsanstiegs in Deutschland (z. B. von 6% auf 7%). Der Kapitalzustrom in den USA macht dort umgekehrt Kapital reichlicher mit der Folge einer Zinssenkung (z. B. von 5% auf 4%). Der Kapitalabfluss kommt zu einem
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
95
Abschluss, und die Zinssatzveränderungen hören auf, wenn das Zinsarbitragegleichgewicht erreicht ist, also inländische Anlagen wieder die gleiche Rendite erzielen wie Auslandsanlagen. Das ist jetzt der Fall, denn der Rendite für deutsche Anlagen in Höhe von 7% entspricht eine gleich hohe Rendite für die Auslandsanlage (4% + 3%). Weitere Kapitalverlagerungen von Deutschland in die USA lohnen sich nun nicht mehr.58 Hinter dieser Darstellung stehen allerdings bestimmte Annahmen, die in der Realität nicht immer erfüllt sind:
es wird von fehlenden Transaktions- und Informationskosten ausgegangen es gibt keine Beschränkungen des Kapitalverkehrs Steuern auf den Kapitalverkehr und Zinsanlagen werden nicht erhoben es besteht Sicherheit über die Erwartungen
Ein auf der ursprünglichen Zinsparitätentheorie beruhender Effekt sind die in den letzten Jahren verstärkt aufgetretenen und durch die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien erst ermöglichten Carry-Trades. Konnten früher Zinsunterschiede von Finanzinstitutionen im Wesentlichen nur im nationalen Rahmen in der Form der Fristentransformation genutzt werden (Aufnahme kurzfristiger, niedrig zu verzinsender Kredite und Anlage dieser Mittel in langfristige, höher verzinslicher Anlageformen), sind heute währungsbezogene Carry-Trades ein Standardgeschäft international tätiger Finanzunternehmen. Dabei verschuldet sich der Investor in der Währung eines Landes mit niedrigem Zinsniveau und legt diese Mittel in der Währung eines Hochzinslandes an. Damit sind Spekulationen auf kurzfristige Zinsgewinne über Staatengrenzen hinweg möglich. Die Auswirkungen auf die Wechselkurse der beiden Staaten sind danach wie folgt zu erwarten: Aufnahme von Geld in Niedrigzinsland ↓ Ziel: Investition in Hochzinsland ↓ Aufkauf von Währung des Hochzinslandes ↓ Aufwertung der Währung des Hochzinslandes (Anlagewährung) und Abwertung der Währung des ‚Kreditlandes‘ (Niedrigzinsland) Probleme für Carry-Trader entstehen dann, wenn sich die Kreditwährung aufwertet, denn wird der Kredit fällig, muss wieder in die Ursprungswährung zurückgetauscht werden. Dadurch wird aber die Rückzahlung der in Fremdwährung aufgenommenen Kredite unattraktiver bzw. zum Verlustgeschäft. Eine solche Situation kann bei einer gleichzeitigen Rückzahlung der Fremdwährungskredite entstehen, wenn bei einer (zunächst) nur moderaten Aufwer-
58
Beispiel aus Pohl, R. (1993).
96
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
tung befürchtet wird, dass sich die Rückzahlung verteuert. Erst durch den gleichzeitigen Rücktausch entsteht aber dann (die befürchtete) kräftige Aufwertung. Eine Entwicklung, die einen bedeutsamen Anteil an den Finanzmarktturbulenzen im Zuge der Probleme des Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM; 1998) hatte, da wichtige Engagements trotz eines steigenden Yen-Kurses in dieser Währung zurückgezahlt werden mussten. Zur Mitte des letzten Jahrzehnts wurden Carry-Trades vor allem in japanischen Yen getätigt. Dabei wurden zunächst Kredite in Yen aufgenommen und in Euro und US-Dollar umgetauscht. Daraufhin stieg das Angebot an Yen an, was zu einer Abwertung des Yen führte. Ab Ende 2007 verringerte sich der Zinsabstand zwischen den USA und Japan, sodass CarryTrades für dieses Währungspaar unattraktiver wurden. Mittlerweile ist die Niedrigzinswährung eher der US-Dollar, während die Anlage in Hochzinswährungen wie dem Australischen Dollar sowie den Brasilianischen Real erfolgt.59 Wachstumsdifferenzen Aussage: Mittelfristig höheres Wirtschaftswachstum (bzw. eine allgemein bessere wirtschaftliche Performance) stimuliert die Anlagebereitschaft ausländischer Investoren, weil hierdurch eine Teilhabe am Wirtschaftswachstum ermöglicht wird und daraus zusätzliche Gewinne resultieren. Bsp.:
1.
USA:
Wirtschaftswachstum + 4%
D:
Wirtschaftswachstum + 1%
2.
Folge: Es steigt das Interesse an Direktinvestitionen in den USA, im Vergleich zu einem Engagement in Deutschland
3.
Nachfrage nach US-Dollar steigt gegenüber dem Euro, da zur Verwirklichung von Direktinvestitionen, aber auch zum Kauf von Aktien in den USA (wenn auf Grund des höheren Wirtschaftswachstums steigende Kurse und/oder höhere Dividendenzahlungen dieser Unternehmen erwartet werden) die Fremdwährung benötigt wird.
Eine Analyse hinsichtlich des Wirtschaftswachstums in den USA im Vergleich zum EuroRaum zeigt einen deutlich stärkeren Anstieg des realen BIP in der Zeit um die Einführung der neuen Währung. Erst im Verlauf des Jahres 2000 endete der bis dahin längste Wirtschaftsaufschwung in den USA. Allerdings kam es hierdurch auch zu einer Eintrübung der wirtschaftlichen Perspektiven im Euro-Raum, sodass sich aus diesem Grunde kein zusätzliches Interesse internationaler Kapitalanleger für den Euro ableiten lässt. Aus den bisherigen Faktoren lässt sich damit das höhere Interesse internationaler Anleger am US-Dollar gut ableiten. Zudem kam es zwischen 1999 und 2001 auch zu einem Anstieg der Rohölpreise, was auf eine Aufwertung des US-Dollar hinauslief (s. u.). Anhand der theoretischen Überlegungen und ihrer empirischen Überprüfung ist die Aufwertung des US-Dollar gegenüber DM/Euro in der Zeit unmittelbar vor/nach der Einführung des Euro gut fundiert gewesen. Es
59
Vgl. dazu Deutsche Bundesbank (2010), S. 39ff.
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
97
zeigt sich aber auch, dass die einzelnen Argumentationsstränge durchaus in unterschiedliche Richtungen weisen können. Die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung und die Erwartung darüber für die nahe Zukunft, waren auch maßgeblich verantwortlich für die Wechselkursbewegungen zwischen dem US-Dollar und dem Euro in den Jahren 2008/Anfang 2009. Hatte sich 2007 und in der ersten Hälfte des Jahres 2008 die US-amerikanische Währung wegen der dortigen Bankenkrise noch abgewertet, gewann der US-Dollar ab August 2008 wieder an Wert. Unter anderem, weil sich die Konjunkturaussichten im Euro-Raum verschlechterten, während sich die damalige Abwärtsbewegung der US-amerikanischen Wirtschaft (bzw. die Erwartungen darüber) zumindest nicht weiter fortsetzte. Der US-amerikanischen Wirtschaft wurde die Bewältigung der Rezession eher zugetraut als dem Euro-Raum. Eine Einschätzung, die sich Mitte 2010 wieder genau umkehrte und so auch zu einer Umkehrung der Wechselkursbewegung (Aufwertung Euro; Abwertung US-Dollar) beitrug. Sonstige Fundamentalfaktoren Zusätzlich zu diesen ‚altbekannten‘ Fundamentalfaktoren haben sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten weitere Ursachen für Wechselkursveränderungen deutlicher heraus gebildet, da sich mit den bisherigen traditionellen Ansätzen (Inflation, Zinsen, Wirtschaftswachstum) nicht mehr alle Bewegungen von Währungsrelationen erklären ließen – vor allem im kurzfristigen Bereich: Steigende Rohstoffpreise Hier werden in der Literatur zwei gegensätzliche Argumentationslinien verfolgt. Wichtig ist hierbei, dass der Rohstoff in US-Dollar gehandelt wird. Am Beispiel Rohöl lassen sich die Zusammenhänge verdeutlichen: Wirkungsrichtung: Der Rohölpreis bewirkt die Wechselkursveränderung Rohöl: Nachfrage nach Rohöl ist mittelfristig preisunelastisch
Rohöl muss gekauft werden
Rohöl wird in US-Dollar gerechnet
ein höherer Rohölpreis erfordert höhere US-Dollar-Bestände zum Kauf von Rohöl. Die Nachfrage nach US-Dollar steigt – es kommt zu einer Aufwertung des US-Dollar (= positive Korrelation). Ein solcher Einfluss zeigte sich z. B. auf dem internationalen Rohölmarkt in der Zeit von Ende 1999 bis Anfang 2001, mit den entsprechenden Wirkungen auf dem Devisenmarkt.
98
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Wirkungsrichtung: Der Wechselkurs bewirkt die Rohölpreisveränderung Der Wert des US-Dollar sinkt auf dem Devisenmarkt
Der Wert der in US-Dollar gerechneten Einnahmen der Ölförderländer sinkt
Zum Ausgleich der sinkenden Einnahmen wird bedingt durch die oligopolistische Angebotssituation auf dem Rohölmarkt ein höherer Rohölpreis durchgesetzt.
Damit führt ein sinkender Wert des US-Dollar zu einem steigenden Rohölpreis (= negative Korrelation). Eine solche Wirkungsrichtung zwischen beiden Indikatoren wird für den Zeitraum 2005 bis 2008 vermutet. Die Berechnungen von Schneider/Jörg zeigen, dass seit Mitte des letzten Jahrzehnts der Zusammenhang zwischen Ölpreis und Dollarwechselkurs merklich zugenommen hat. Für unterschiedliche Zeitintervalle berechnen sie die Elastizität monatlicher Ölpreisänderungen bezüglich Änderungen des Euro/Dollar-Kurses (um wie viel Prozent verändert sich der Ölpreis im Mittel, wenn der Dollarkurs um ein Prozent steigt oder fällt). Die Ergebnisse zeigen, dass für längere Zeiträume zurück bis in die 80er- und 90er-Jahre Jahre kein signifikanter Zusammenhang zwischen Dollar und Ölpreis feststellbar ist. Dagegen steigt die Elastizität seit 2005 merklich an: eine einprozentige Dollarabwertung geht hier durchschnittlich mit einem Anstieg des Rohölpreises um rund drei Prozent einher.60 Die Auswirkungen von Rohstoffpreisveränderungen auf den Wechselkurs haben wiederum Rückwirkungen auf die Volkswirtschaft insgesamt. Das als Holländische Krankheit (Dutch disease; in den 60er-Jahren beobachtete Aufwertung des Holländischen Gulden, die durch Erdgasfunde im Slochteren Feld ausgelöst wurde. Dadurch wurde ein Ausfuhrboom und ein Zustrom von Devisen ausgelöst, der zur Aufwertung der niederländischen Währung geführt hat.) bekannt gewordene Phänomen tritt vor allem bei rohstoffexportierenden Ländern auf. Durch den Exportüberschuss wird eine Aufwertung der eigenen Währung verursacht, wodurch sich für andere Produkte des Landes tendenziell die Absatzprobleme im Ausland erhöhen, die Importe verbilligen (wodurch die mit dem Ausland konkurrierenden heimischen Unternehmen unter Wettbewerbsdruck geraten), Faktorwanderungen von nicht expandierenden Sektoren in den rohstoffexportierenden Sektor (z. B. beim Faktor Arbeit: erhöhte Arbeitsnachfrage im Rohstoffsektor führt zu einer Rechtsverschiebung der Arbeitsnachfragefunktion und damit zu steigenden Lohnsätzen [= reale Aufwertung im Innern]) 60
Schneider, R., H. Jörg (2007).
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
99
ergeben können. Ähnliche Effekte (Aufwertung der eigenen Währung nur durch einen einzigen Exporterfolg verursacht) lassen sich in den letzten Jahren vor allem in Entwicklungsund Schwellenländer beobachten. So gehörte der Chilenische Peso in 2010 zu den am meisten gesuchten Währungen, da das Land als wichtigster Kupferexporteur von der drastischen Verteuerung dieses Rohstoffes auf dem Weltmarkt profitierte. Ein Auftreten der Holländischen Krankheit war aber bisher nicht festzustellen. Anders dagegen Mitte 2006 in Russland, als die große Nachfrage nach Rohöl und Gas zu einer realen Aufwertung des Russischen Rubel führte und damit die Exporte der anderen volkswirtschaftlichen Bereiche verteuerte und die Importe der Nicht-Energiesektoren verbilligte. Krisenzeiten Bei Kriegen und internationalen Spannungen erfolgt eine ‚Flucht‘ der Anleger in die wichtigsten Reservewährungen, wovon insbesondere der US-Dollar (vor allem in der Vergangenheit) oder andere Reservewährungen (etwa Euro, Yen, Britisches Pfund, Schweizer Franken) profitieren (safe haven-Effekt). Eine so genannte Krisenwährung muss dabei also keine Währung eines großen Landes sein oder für den Außenhandel im internationalen Geschäft üblicherweise verwendet werden. So ist z. B. im Zusammenhang mit rückläufigen Aktienkursen an zahlreichen Börsenplätzen, fehlendem Vertrauen in amerikanische Unternehmensbilanzen, einer schwachen Weltkonjunktur, der Zahlungsunfähigkeit Argentiniens, der Krise im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Brasilien und der Angst vor einem Irakkrieg der Wert des Schweizer Franken Ende 2002 im Vergleich zu anderen Währungen deutlich gestiegen. Solche ‚safe haven‘-Effekte können vor allem zu kurzfristigen Veränderungen von Wechselkursen führen. So waren zur Mitte des Jahres 2010 positive Konjunkturdaten aus Deutschland für einen steigenden Außenwert des Euro im Vergleich zum US-Dollar verantwortlich. Als dann die Unsicherheit über die Haushaltssituation einiger Peripherieländer des EuroRaums (Griechenland, Portugal, Spanien, Irland und auch Italien) größer wurde, sind auf dem Devisenmarkt wieder die sicheren Anlagen im US-Dollar-Raum bevorzugt worden – der Wert des Euro fiel, während die Notierungen für die US-amerikanische Währung stiegen. Politische Gründe Führt die zuvor genannte Begründungslinie (safe haven-Effekt) zu einer Aufwertung der betroffenen Währung, sind auch auf Unsicherheiten basierende Einflüsse auf Wechselkurse möglich, die zu einer kurz- und/oder langfristigen Abwertung (Aufwertungen sind hier eher seltener) einer Währung führen können. Mögliche Einflussfaktoren können z. B. Unsicherheiten sein über eine berechenbare und stabilitätsorientierte Geldpolitik – langfristig: Entwicklung einer neuen Institution wie die EZB im Zuge der Einführung des Euro – kurzfristig: Äußerungen von Mitgliedern der Zentralbanken (selbst wenn sie keine geldpolitische Entscheidungskompetenz haben, wie z. B. vom ehemaligen Bundesbankvorstand Sarrazin am 19. März 2010 über die Verschuldungssituation Griechenlands und den daraus folgenden Kursverlusten des Euro in Asien)
100
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
über die politische Entwicklung eines Landes/Region – langfristig: tendenzielle Abwertung der Italienischen Lira im Verlauf der 1970er/80er Jahre wegen instabiler politischer Verhältnisse und den damit verbundenen häufigen Regierungswechseln – kurzfristig: Abwertung des US-Dollar im Gefolge der Clinton/Lewinski-Affäre, 1998; Aufwertung des Serbischen Dinars durch die Verhaftung des Kriegsverbrechers Karadzic und den damit verbundenen Hoffnungen auf eine stärkere Annäherung Serbiens an Europa, Juli 1998; Aufwertung des Japanischen Yen durch den Sieg der Demokratischen Partei Japans bei den Unterhauswahlen, August 2009; Abwertung des Euro in Asien wegen eines (irrtümlichen verbreiteten) Gerüchtes über eine bevorstehenden Rücktritt der Bundeskanzlerin Angela Merkel; Januar 2010; Abwertung des Britischen Pfund wegen zukünftiger politischer Ausrichtung wegen britischer Unterhauswahl, Frühjahr 2010; Abwertung des Euro durch die Sorge um die wirtschaftliche und politische Stabilität Ungarns und die Auswirkungen auf die EU und die Eurozone; Juni 2010)
4.2.2
Spekulationsgeschäfte
Am 17. April 2001 erschien in einer norddeutschen Regionalzeitung (Norddeutsche Rundschau) folgende Meldung: Japan jubelt: Kronprinzessin ist schwanger Tokio (afp): Die 37-jährige Kronprinzessin Masako erwartet nach Angaben des Hofes in Tokio ihr erstes Kind. Die Frau des japanischen Thronfolgers Naruhito zeige „Anzeichen einer Schwangerschaft“, teilte gestern der kaiserliche Palast mit. Hof und Bevölkerung waren begeistert. Der Yen-Kurs schnellte in die Höhe. Neben der Vorfreude über die Geburt eines Kindes ist insbesondere der letzte Satz der Meldung bemerkenswert. Was hat die Geburt eines Kindes mit dem Wechselkurs der Währung eines Staates zu tun? Was zunächst kaum begründbar ist, wurde durch die Spekulation auf eine dadurch ausgelöste wirtschaftliche Aufwärtsbewegung von Teilbereichen der japanischen Wirtschaft begründet: Durch dieses Kind würde in Japan, so die Überlegungen, eine positive Grundstimmung zur Zeugung von mehr Kindern entstehen. Hierdurch würden etwa die Kinderausstatter und die Hersteller von Babynahrung profitieren, das Wirtschaftswachstum würde steigen. Damit wäre aber die Verbindung zu fundamentalen Überlegungen hergestellt. Die Gültigkeit solcher Überlegungen wurde auch Anfang des Jahres 2006 durch die Schwangerschaft der japanischen Prinzessin Kiko in ihren Grundzügen bestätigt. Bereits vor der offiziellen Verkündigung der guten Nachricht durch die kaiserliche Behörde stiegen die Aktienkurse der Firmen ‚Pigeon‘ und ‚Combi‘ deutlich an. Sie verkaufen Babynahrung und Kinderwagen.
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
101
Solche Gedankenspiele werden aber nicht mit den Spekulationsgeschäften in Verbindung gebracht, die von vielen (kritischen) Beobachtern der internationalen Finanzmärkte für eine Reihe von wirtschaftlichen Krisen des letzten Jahrzehnts verantwortlich gemacht werden. So urteilt etwa die Enquete-Kommission ‚Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten‘ des Deutschen Bundestages: „Gefährlich wird die Spekulation für eine Volkswirtschaft dann, wenn sie sich vorwiegend oder gar ausschließlich auf Devisen-, Wertpapier- oder Immobilienmärkte konzentriert und die Anbindung an die Entwicklung realer Werte verliert. ... Wenn obendrein spekulative Anleger gleiche Daten nutzen, gleichen Stimmungen unterliegen, gleiche Informationen haben, dann kann es zum ‚Herdenverhalten‘ kommen, d. h. zur kollektiven Bewegung in die gleiche Richtung. Der Herdentrieb hat im Fall der Asienkrise eine wesentliche Rolle gespielt“ 61. In der jüngeren Literatur wird hier von Animal Spirits gesprochen. Entsprechende Überlegungen finden sich ursprünglich bereits bei Keynes in seinem Hauptwerk The General Theory of Employment, Interest and Money und wurden aktuell von Akerlof/Shiller 2009 wieder aufgegriffen, um Übertreibungen auf Finanzmärkten zu erklären.62 Die Grundlagen hierfür finden sich in der neuen Wissenschaftsrichtung Neuroökonomie und in den Regeln der massenpsychologischen Dynamik und dort in der so genannten Orientierungs-Regel: „Die Orientierung an anderen Menschen verdrängt die Orientierung an Fakten. Es sind nicht die Tatsache, die Menschen mobilisieren, sondern es sind die Meinungen darüber.“63 Die gegenseitige Ansteckung führt dann zu einer Synchronisation des Verhaltens der Marktteilnehmer. Allerdings führen solche Verhaltensmuster wiederum zu einem vollständig rationalen Verhalten, wenn es alle Marktteilnehmer tun. Denn hinter dieser Art von Spekulation steht eine rationale Überlegung: das Streben nach Gewinn, den der Marktteilnehmer durch den Differenzbetrag aus Kauf- und Verkaufspreis eines Produktes erzielt – unabhängig davon, ob das Produkt Rohöl, Aktien oder Schweinebäuche sind. Hier soll der Ablauf einer solchen Spekulation am Beispiel eines Währungsverkaufes gezeigt werden: Zunächst veranlassen ‚bestimmte‘ Entwicklungen einige wenige Spekulanten zu Währungsverkäufen. Diese bestimmten Entwicklungen können etwa, wie im Fall der Asienkrise, erste Anzeichen sein, dass sich ein lang anhaltendes und kräftiges Wirtschaftswachstum eines Staates langsam abschwächt. Ein Indiz dafür ist etwa eine abnehmende Wachstumsrate bei den Ausfuhren. Gesamtwirtschaftliche Fehlentwicklungen tragen zumindest eine erhebliche Mitverantwortung für hohe Volatilitäten auf den Devisenmärkten. Sie übernehmen quasi eine Auslöserfunktion für spekulatives Verhalten. Hinzu kommen sehr oft länderspezifische Ursachen, wie eine laxe Bankenaufsicht und die Vermischung zwischen Politik und privaten Unternehmen, die zu einer Verschärfung der Lage beitragen. Der Spekulant hofft nun, dass sich durch diese außen- und binnenwirtschaftliche Gemengelage die Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung dieses Staates langsam ausbreitet. Insofern zeigen Spekulationen – so problematisch sie in ihren Auswirkungen sein können – 61
Deutscher Bundestag, Drucksache 14/6910 vom 13.09.2001, S. 16.
62
Vgl. Akerlof, G., R. Shiller (2009).
63
Fenzl, T. (2009), S. 19.
102
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
mitunter lediglich nur die Schwachstellen der wirtschaftlichen Gesamtsituation eines Staates auf. Die Spekulation findet zwischen einer ‚sehr starken‘ Währung, i. d. R. ist dies der US-Dollar ($), und der Währung eines anderen Staates statt, sie soll hier X genannt werden. Eine Spekulation kann dabei sogar ohne eigene finanzielle Mittel erfolgen. 1. Der international bekannte Finanzmagnat Herr S. leiht sich von einer inländischen Geschäftsbank Geld (1 Mio.) in X. Der Wechselkurs beträgt zu diesem Zeitpunkt 1 $ : 1 X. 2. Das geliehene Geld gibt er als zusätzliches Angebot dieser Währung auf den Devisenmarkt. Er erhält für seine 1 Mio. X den Betrag von 1 Mio. $. 3. Auf Grund der zunehmenden Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Staates und der großen Reputation des S. (‚er weiß immer mehr und früher als andere‘), tun viele andere Devisenmarktakteure das Gleiche (mit eigenen X-Beständen oder geliehenem X-Geld). Es entsteht ein ‚Lemming-Effekt‘. Das Angebot an X steigt drastisch an. Folge: Außenwert von X fällt 4. In unserem Beispiel: Wechselkurs jetzt 1 $ : 2 X (d. h., man muss jetzt 2 X bezahlen, um 1 $ kaufen zu können bzw. für 1 $ bekommt man 2 X). 5. Jetzt zahlt S. seinen X-Kredit (1 Mio. X) zurück: Für 1 $ erhält er 2 X, daraus folgt, für 500.000 $ erhält er 1 Mio. X D. h.: Von den 1 Mio. $, die er (unter Punkt 2) auf dem Devisenmarkt erhalten hat, muss er nur 500.000 US-Dollar zur Tilgung des Kredites verwenden. 6. Ergebnis: Ohne Berücksichtigung der ihm entstandenen Kosten (Zinsen für Kreditaufnahme; Personal- und sonstige Transaktionskosten) verbleibt S. ein Gewinn in Höhe von 500.000 US-Dollar. Für die Nachahmer wird der Gewinn dabei umso kleiner, je später sie sich zum Mitmachen entschlossen haben. Dadurch wird die große Eigendynamik zu Beginn eines solchen Prozesses auch erklärbar: ‚Wer zu spät kommt, den bestraft der Devisenmarkt‘. Die Folgen durch eine solche internationale Spekulationswelle für den betroffenen Staat können sein: Der (teilweise oder vollständige) Verlust der Währungsreserven: Er entsteht durch den Versuch der Zentralbank, das auf dem Devisenmarkt überschüssige Angebot an eigener Währung durch den Verkauf ihrer Devisenreserven (i. d. R. US-Dollar) vom Markt zu nehmen. So wurde im Zuge der EWS-Krise 1992/1993 auch gegen die Währung Frank-
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
103
reichs spekuliert, was bis dahin kaum vorstellbar war. Zeitweilig verlor die französische Zentralbank durch den Aufkauf des eigenen Franc 100 Mio. US-Dollar pro Minute.64 Extrem hohe Zinssätze auf dem Inlandsmarkt, mit nachteiligen Auswirkungen auf den Konsum und vor allem die Investitionen: Durch hohe Zinssätze sollen die Kredite für die Spekulanten verteuert werden, gleichzeitig soll das Engagement in der eigenen Währung attraktiver gemacht werden. Im Zuge der Spekulationen gegen das Europäische Währungssystem (EWS) stiegen so die Zinssätze in Schweden und Irland zeitweise auf 500% bzw. 300%, diese hohen Zinssätze konnten allerdings nur kurze Zeit durchgehalten werden.65 Inflationseffekte und wirtschaftlicher Niedergang: Aus der Abwertung der eigenen Währung entsteht Inflationsimport, zudem ziehen ausländische Investoren ihre Finanzmittel fluchtartig ab. In vielen Staaten Südostasiens kam es im Verlauf der Asienkrise zu erheblichen Abwertungen der eigenen Währungen (Tab. 4.3), zu einem kräftigen Anstieg der Verbraucherpreise und zu einem Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Produktion (Abb. 4.5). Streiks und soziale Unruhen waren u. a. die Folgeerscheinungen. Tabelle 4.3 Entwicklung ausgesuchter Währungen Südostasiens im Zuge der Asienkrise
Entwicklung ausgesuchter Währungen Südostasiens im Zuge der Asienkrise 30. Juni 1997 – 14. August 1998 Land Hongkong China Singapur Taiwan Japan Südkorea Philippinen Thailand Malaysia Indonesien
Währung Hongkong-Dollar (HK$) Renminbi Yuan (RMB.Y) Singapur-Dollar (S$) Neuer Taiwan-Dollar (NT$) Yen Won Phillipinischer Peso (P) Baht (B) Malaysischer Ringgit (RM) Rupiah (Rp.)
Kursverlust in % gegenüber einem US-Dollar 0,0% 0,0% 17,0% 19,1% 21,6% 32,7% 36,7% 38,7% 38,8% 80,1%
Quelle: Deutsche Bundesbank, eigene Berechnungen.
64
Daten aus: Salomon, S. (1995); zitiert nach Martin, H.-P., H. Schumann (1996), S. 89.
65
Vgl. Martin, H.-P., H. Schumann (1996), S. 88.
104
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Die Auswirkungen solcher Krisen bleiben aber nicht auf die ursprünglich betroffenen Staaten beschränkt. Vielmehr wurden etwa im Zuge der Asienkrise die wirtschaftlichen Perspektiven einer Reihe anderer aufstrebender Staaten (Emerging Markets) skeptischer beurteilt – eine Vertrauenskrise gegenüber anderen (Schwellen)ländern wurde ausgelöst. Selbst kleine Anzeichen wirtschaftlicher und finanzieller Schwäche wurden von den internationalen Märkten mit einem Abzug von Kapital ‚bestraft‘ bzw. führten zu einem Risikoaufschlag in Form von höheren Zinszahlungen bei der Vergabe von neuen Krediten. Damit wurden aber die krisenhaften Entwicklungen insgesamt verstärkt. Betroffen waren z. B. Russland und Brasilien. In beiden Fällen waren binnenwirtschaftliche (hohes Staatsdefizit und Finanzierung über eher kurzfristige Staatsanleihen; pünktliche Rückzahlung der Kredite nicht möglich) und außenwirtschaftliche Faktoren (rückläufige Exporterlöse wegen Abflachung der Weltkonjunktur; Aufwertung der jeweils eigenen Währung wegen Anbindung an einen steigenden US-DollarKurs) Auslöser für heftige Wechselkursturbulenzen. So werteten sich sowohl der Russische Rubel als auch der Brasilianische Real innerhalb kürzester Zeit drastisch ab (Kursverlust des Real innerhalb von 2 Wochen um rund die Hälfte seines Wertes; der Rubel verlor innerhalb von drei Monaten 60% seines Wertes). Für Brasilien bedeutete dies den Abfluss von fünf Mrd. US-Dollar alleine zwischen dem 11. und 15. Januar 1999 und eine Schrumpfung der Devisenreserven insgesamt von 50 auf 30 Mrd. US-Dollar. Im Gefolge der Asienkrise und durch die eigenen Entwicklungen erfolgte eine merkliche Abschwächung des Wirtschaftswachstums in diesem Land in den Jahren 1998/1999 (0,1% bzw. 0,8%), nach einem durchschnittlichen Wachstum von rund 4,5 % für die Jahre von 1993-1997. Abbildung 4.5 Entwicklung des realen BIP in den Staaten Südostasiens
Quelle: Aschinger, G. (2001), S. 220.
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie
105
Aber nicht nur für die Emerging Markets sind die Folgen solcher Krisen spürbar. Sie haben auch Auswirkungen auf die traditionellen Industriestaaten. Dabei lassen sich die wesentlichen Ursachen wie folgt grob unterscheiden: Für die Realwirtschaften und das Preisklima Durch die Abwertungen der Währungen (z. B. in den Staaten Südostasiens während der Asienkrise) werden die Importe aus diesen Ländern günstiger, gestalten sich die Exporte in diese Länder schwieriger (wg. der Aufwertung der eigenen Währungen und Zusammenbruch der dortigen Wirtschaft), zudem gibt es über indirekte Effekte (so sind auch andere wichtige Absatzmärkte deutscher Produkte von der Asienkrise betroffen gewesen) Rückkoppelungen auf die heimische Volkswirtschaft, wird auf Drittmärkten die Konkurrenz aus diesen Ländern größer. Die Preise sinken tendenziell in Folge eines sich abschwächenden Wirtschaftswachstum, mit tendenziell sinkenden Preisen auf den Weltrohstoffmärkten (z. B. bei Rohöl) Kapital- und Finanzmärkte Aus den Krisenstaaten abziehendes Kapital sucht sichere Anlagemöglichkeiten in den traditionellen Industrieländern (safe haven-Effekt). Das in diesen Staaten steigende Kapitalangebot führt zu tendenziell sinkenden Zinsen, was wiederum einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung hat. Weitere Effekte Zusätzlicher Effekt in Deutschland im Zuge der Asienkrise: Der Abschreibungsbedarf wegen verlorener Kredite deutscher Banken stieg an, wodurch es zu niedrigeren Gewinnausweisen in den Bilanzen kam. Daraus resultierten für die öffentlichen Haushalte u. a. weniger Steuerzahlungen. Die Folgen der Asienkrise wurden etwa von der OECD für die Industriestaaten insgesamt negativ eingeschätzt, was sich an den Auswirkungen für das Wirtschaftswachstum dieser Staaten in den Jahren 1998 und 1999 zeigen lässt (Tab. 4.4). Gerade in Bezug auf die Asienkrise sollte aber nicht vergessen werde, dass auch binnenwirtschaftliche Faktoren zu solchen Ereignissen beitragen. Schließlich wurde es den dortigen Banken erlaubt, den dortigen Kreditboom über den Zufluss von Auslandsmitteln zu finanzieren und für den Kauf von Aktien und Immobilien einzusetzen. Die dadurch ausgelösten Wertsteigerungen wurden fälschlicherweise als Sicherheiten interpretiert und führten wiederum zu einer freizügigen Kreditvergabe. Eine unzureichende Kontrolle der ansässigen Kreditinstitute, ein schlechtes Risikomanagement der Banken und eine Vermischung von Kreditgewerbe und Politik hatten die dortige Krise begünstigt.
106
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Tabelle 4.4 Auswirkungen der Asienkrise auf das Wirtschaftswachstum
Auswirkungen der Asienkrise auf das Wirtschaftswachstum (Industrieländer und Regionen)1) 1998
1999
OECD-Insgesamt
- 0,7
- 0,4
Japan
- 1,3
- 0,7
USA
- 0,4
- 0,4
Europäische Union
- 0,4
- 0,2
Australien und Neuseeland
- 0,9
- 0,1
1) Veränderung des realen BIP in Prozentpunkten; Schätzungen. Quelle: OECD (1998), S. 17
Spekulationsgeschäfte sind Teil der Devisenmärkte und laufen kontinuierlich ab – auch mit weniger spektakulären Finanzeinsätzen. Jüngste Beispiele dafür finden sich auch bei weniger im Mittelpunkt stehenden Währungen, wie etwa dem Russischen Rubel. Hier dürften die kräftigen Abwertungen zum Jahresbeginn 2009 (die russische Zentralbank investierte in Stützungsmaßnahmen rund ein Drittel ihrer Devisenreserven – ohne Erfolg) im Wesentlichen auf Spekulationsgeschäfte zurückzuführen sein.
4.3
Grundzüge wirtschaftspolitischer Instrumente
Aus den bisherigen Überlegungen lassen sich verschiedene wirtschaftspolitische Eingriffsmöglichkeiten ableiten, die auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung eines Staates Einfluss haben. Dies gilt etwa für die Auswirkungen auf die Handelsbilanz. In Anlehnung an die Differenzierung zwischen realer und monetärer Außenwirtschaftstheorie wird zwischen realwirtschaftlichen und monetären Maßnahmen unterschieden. Dabei sollen die Wirkungen hier nur kurz skizziert werden. Hinzu kommen Instrumente, die z. T. verboten sind, wie etwa das Dumping (Vereinbarung im Rahmen des GATT). Davon spricht man, wenn ein Produkt im Ausland zu Preisen unter seinen Herstellungskosten verkauft wird. Während auf monetäre Maßnahmen zur Beseitigung von Ungleichgewichten im Außenhandel im Kapitel ‚Internationale Währungsordnung‘ noch ausführlich eingegangen wird, können realwirtschaftliche Instrumente in zwei grobe Kategorien unterteilt werden: Preiswirksame Maßnahmen Alle Maßnahmen dieser Kategorie haben zum Ziel, die Preise der betroffenen Güter zu verändern und damit die Nachfrage zu beeinflussen. Dazu zählen direkt (vor allem die Erhebung von Zöllen, Subventionen, erleichterte Finanzierungen und/oder Versicherungen gegen aus-
4.3 Grundzüge wirtschaftspolitischer Instrumente
107
fallende Zahlungen) und indirekte preiswirksame Instrumente (nicht-tarifäre Maßnahmen; z. B. müssen im Zuge staatlicher Anforderungen für Importwaren bestimmte Ausstattungsmerkmale erfüllt sein, die diese Produkte bei Erfüllung tendenziell verteuern; hinzu kommen langwierige Genehmigungsverfahren, lebensmittelrechtliche Bestimmungen und Kennzeichnungspflichten). Nicht-tarifäre Handelshemmnisse nehmen mitunter im Vergleich zu Zöllen eine größere Bedeutung im grenzüberschreitenden Handel ein, da Zölle eher erkennbar sind. Maßnahmen zur direkten quantitativen Beeinflussung Durch die Einführung von staatlich verordneten Kontingenten werden für den Außenhandel maximale Mengen für den Export/Import zugelassen. So gelten etwa für die EU mengenmäßige Beschränkungen für die Einfuhr bestimmter Textilwaren aus bestimmten Drittländern bzw. sind diese genehmigungspflichtig. Die betroffenen Waren und Genehmigungsverfahren werden in den so genannten Einfuhrausschreibungen veröffentlicht (in Deutschland durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle [BAFA]). Durch diese Maßnahmen auf der Importseite wird das Angebot im Inland ‚künstlich‘ verknappt – der Preis im Inland steigt an. Exportkontingente sind dagegen eher selten der Fall, sind aber in Zukunft bei wichtigen Rohstoffen denkbar, wenn es z. B. bei den so genannten Seltenen Erden durch die Förderstaaten zu einer Angebotsverknappung und damit zu einem steigenden Weltmarktpreis kommen soll. Aber auch auf der Exportseite finden direkte staatliche Eingriffe statt. Typische Beispiele hierfür sind Exportbeschränkungen für Kriegswaffen, Bauteile und Anlagen für Atomkraftwerke sowie verwandte Waren. Hiervon sind i. d. R. nur ausgewählte Empfängerstaaten betroffen. Dabei sind nicht nur nationale Exportbeschränkungen zu beachten. Vor allem die USA haben in der Vergangenheit darauf geachtet, dass ihre Regelungen für Ausfuhrgüter auch von Drittstaaten umgesetzt werden.
108
4 Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Abbildung 4.6Maßnahmen zur Beseitigung von Handelsbilanzungleichgewichten
Realwirtschaftliche Maßnahmen
Monetäre M. (Wechselkurspolitik)
Exporte
Förderung
Behinderung
Importe
Förderung
Behinderung
Aufhebung von Exportbeschränkungen
Einführung von AufheExportkontingenbung von ten Importkontingenten
Gewährung von Exportsubventionen; z. B. - Exportprämien - Steuererleichterungen - Zinsvergünstigungen für Exportkredite
Abbau von Ex Aufhe Einführung portsubventiobung oder von nen; z. B. Senkung Importzöllen von Imoder Sonder- Exportprämien portzöllen steuern (oder - Steuererleichtederen Abbau rungen Anhebung) nicht- Zinsvergünsti Einführung tarifärer gungen von nichtHemmnistarifären se Hemmnissen
Gewährung von staatlichen Exportbürgschaften und Exportgarantien
Einführung von Importkontingenten
– Aufwertung: Förderung von Importen; Behinderung von Exporten – Abwertung: Förderung von Exporten; Behinderung von Importen
4.4 Literatur
4.4
109
Literatur
Zur Vertiefung der realen und monetären Außenwirtschaftstheorie eignen sich etwa: Koch, E. (2006); Koch, W. A. S. (2010); Koch, W. A. S., C. Czogalla, M. Ehret (2008), Kapitel 8. Außenwirtschaftspolitik; Krugman, P., M. Obstfeld (2009); Pohl, R. (1993), Kapitel IV. Der Außenwert des Geldes, S. 62-79; Rübel, G. (2009), Kapitel III. Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses; Sarno, L., M. Taylor (2009); Siebert, H. (1997), Kapitel 3. Die Gütermärkte in der Weltwirtschaft, S. 21-45 und Kapitel 4. Die Geldmärkte in der Weltwirtschaft, S. 47-68. Zu speziellen Themen: Deutsche Bundesbank (2004); Konrad, A. (2005); Zeddies, G. (2009) und zur ausführlichen Darstellung und Analyse der Asienkrise: Dieter, H. (2005).
5
Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme) „Das internationale Währungssystem kann als globales Netzwerk für grenzüberschreitende monetäre Transaktionen definiert werden, d.h. als Regelwerk und Rahmenbedingungen, die den Zahlungsbilanztransaktionen zugrunde liegen.“66
Die Ausführungen zur monetären Außenwirtschaftstheorie haben gezeigt, dass Wechselkursveränderungen den grenzüberschreitenden Handel von Waren und Dienstleistungen erheblich beeinflussen. Die Entwicklung von Wechselkursen hat damit erhebliche Auswirkungen auch auf andere volkswirtschaftliche Indikatoren. Daher haben Einzelstaaten, aber auch supranationale Organisationen und Staatenzusammenschlüsse Interesse an einer Gestaltung von Wechselkursen. Internationale Vereinbarungen, die die Wechselkursbildung der beteiligten Währungen nach einheitlichen Prinzipien gestalten, werden Wechselkurssysteme genannt. Sie bestimmen, ob und wie sich Wechselkurse verändern. Sie sind der wesentliche Bestandteil der internationalen Währungsordnung und legen den Rahmen fest für den monetären Teil internationaler Wirtschaftsbeziehungen. Darüber hinaus gibt es Bestandteile der Währungsordnung, die sich nicht mit der Ausgestaltung eines Wechselkurses beschäftigen, die aber gleichwohl zu den monetären Maßnahmen der außenwirtschaftlichen Wirtschaftspolitik zählen. So besitzt zwar die Europäische Währungsunion im Innenverhältnis keine Wechselkurse mehr, sie stellt aber quasi einen wichtigen Teil der internationalen Währungsordnung dar und hat durch die Einführung der gemeinsamen Währung für die teilnehmenden Staaten erhebliche ökonomische und gesellschaftliche Auswirkungen nach sich gezogen. Der Begriff der internationalen Währungsordnung wird in der Literatur unterschiedlich weit gefasst. So erörtern etwa Koch/Czogalla unter dem Begriff der internationalen Währungsordnung auch die Frage nach den Möglichkeiten zur Beseitigung von Ungleichgewichten bei Zahlungsbilanzen im Rahmen fester Wechselkurse. Dagegen stellt Pohl in seinem Kapitel über die ‚internationale Währungsordnung‘ ausschließlich auf Wechselkurssysteme ab.67 Wie werden nun Wechselkurse ‚organisiert‘, damit sie den wirtschaftlichen Interessen des Einzelstaates dienen können? Zwischen den zwei ‚Grundformen‘, einer freien Preisbildung ausschließlich durch Angebot und Nachfrage über den Markt und der Festlegung eines festen Wechselkurses durch die dafür verantwortlichen staatlichen Institutionen, lassen sich zahlrei-
66
EZB (2011), S. 93.
67
Vgl. Koch, W. A. S., C. Czogalla (1999), S. 517; sowie Pohl, R. (1993), S. 104.
112
5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
che Mischformen unterscheiden. Die Wechselkurszielzonen, Crawling Peg und der Currency Board stellen dabei die wichtigsten Varianten solcher Mischformen dar (Tab. 5.1). Dabei kann es auch zu abrupten des präferierten Wechselkursmodells kommen. So wurde z. B. der chinesische Renminbi im Zeitraum Juli 2005 bis Juli 2008 in Form eines Crawling Peg als gleitende Parität zum US-Dollar gesteuert, während er sich anschließend bis Mitte 2010 über eine feste Wechselkursanbindung – trotz eines Währungskorbes – eng an der USamerikanischen Währung orientierte. Für 2011 wird dagegen eine leichte Aufwertung den Renminbi erwartet, um die anziehende Inflation über einen höheren Außenwert der eigenen Währung zu drosseln. Tabelle 5.1Häufigkeit von Wechselkursregelungen
Häufigkeit von Wechselkursregelungen Regelung
Anzahl der Länder
Beispiele
Unabhängiges Floating
17
USA, Japan
Kontrolliertes Floating
46
Indien, Brasilien
6
Irak, Usbekistan
Crawling Peg Modelle mit Wechselkursbandbreiten
17
Kasachstan, Angola
Konventionelle Festbindung
44
Saudi-Arabien, Bahamas
Currency Board
14
Bulgarien, Bosnien-Herzegowina
Dollarisierung/Euroisierung
10
Ecuador, Montenegro
Währungsunion
16
Deutschland, Frankreich
Sonstige Lenkungsregelungen
21
Iran, Nigeria
Quelle: Deutsche Bundesbank, Devisenkursstatistik, Statistische Beihefte Nr. 5, Dezember 2010; Stand April 2009
Die Wahl des ‚richtigen‘ Wechselkurssystems wird damit auch zu einem wichtigen Instrument der nationalen Wirtschaftspolitik etwa zum Ausgleich realer Fehlentwicklungen. Nicht nur für die traditionellen Industriestaaten, sondern auch für die Entwicklungs- und Schwel-
5.1 Systeme flexibler Wechselkurse
113
lenländer hat die Wahl des Wechselkurssystems besondere ökonomische Relevanz. Da in diesen Staaten die Güter- und Finanzmärkte i. d. R. noch nicht flexibel genug sind, wird hier häufig der Versuch unternommen, exogene Schocks durch Wechselkursveränderungen (Aufwertung oder Abwertung der eigenen Währung, Wahl eines anderen Wechselkurssystems) zu mildern oder vollständig auszuschalten und damit die Währungsrelation als wichtiges Instrument der nationalen Wirtschaftspolitik zu verwenden.
5.1
Systeme flexibler Wechselkurse
Tendenziell lassen größere, fortgeschrittene Volkswirtschaften eine flexible Gestaltung von Währungsrelationen zu. Auch zahlreiche aufstrebende Länder (Ausnahme China) haben sich in der jüngeren Vergangenheit durch die weitreichende Kapitalmarktliberalisierung verstärkt einer solchen Regelung für ihre Währung zugewandt. In solchen Systemen flexibler bzw. frei schwankender Wechselkurse bestimmen Angebot und Nachfrage allein den Preis zwischen zwei Währungen: es existieren frei schwankende Wechselkurse und die Kursbildung erfolgt nur durch Marktprozesse. Damit ist in diesem Sinne der Wechselkurs kein Instrument der Geld- und Währungspolitik, sondern ist das Ergebnis der Einschätzung der Marktteilnehmer von der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung eines Währungsraumes. In der Realität wird eine solche reine Marktpreisbildung aber durch Eingriffe der Zentralbank (managed floating) ergänzt. Dies kann zum einen zur Korrektur von Marktübertreibungen, etwa bei Spekulationsattacken, notwendig sein. Markteingriffe können aber zum anderen auch durch die bewusste Herbeiführung eines anderen Wechselkurses vorgenommen werden, wenn die nationale Wirtschaftspolitik die Verwirklichung eines bestimmten Zieles anstrebt. So waren im vergangenen Jahrhundert eine Reihe von Staaten von den wirtschaftlichen Folgen starker inflationärer Prozesse bis hin zu den erheblichen negativen gesellschaftlichen Auswirkungen von Hyperinflationen betroffen. Aus der Sicht dieser Staaten war damit verständlich, dass bewusste Devisenmarktinterventionen zur kontinuierlichen Aufwertung ihrer Währungen vorgenommen wurden, damit von der außenwirtschaftlichen Seite die Preisstabilität im Inland nicht gefährdet wird. In der Vergangenheit gab es nur in kurzen Zeitabschnitten völlig frei schwankende Wechselkurse zwischen den größeren Währungen, etwa unmittelbar nach dem Ende des BrettonWood-Systems. Als nahezu unabhängig von den Wechselkursbewegungen anderer Währungen galt in der Vergangenheit, auf Grund des großen Wirtschaftsraums und seiner Funktion als internationaler Handels- und Reservewährung, nur der Preis für den US-Dollar auf dem Devisenmarkt. Allerdings wird durch das Aufkommen der neuen Schwellen- und Industrieländer, vor allem China und Indien, die uneingeschränkte Dominanz der US-amerikanischen Währung zunehmend in Frage gestellt. Bei den Verfechtern vollständig flexibler Wechselkurse besteht die Hoffnung, dass die Anpassung der Wechselkurse quasi automatisch über die ökonomische Stärke bzw. Schwäche eines Landes erfolgt – vor allem über die Wirksamkeit der Kaufkraftparitäten- und der Zinsparitätentheorie. In der Realität wurden diese Erwartungen allerdings kaum erfüllt, sodass andere Wechselkurssysteme in den Vordergrund gerückt sind.
114
5.2
5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Systeme fester Wechselkurse
Vollkommen feste Wechselkurse stellen die andere grundlegende Variante für Wechselkurssysteme dar. Eine staatliche Stelle (z. B. das Finanzministerium oder die Zentralbank) garantiert dabei eine bestimmte Währungsparität und damit einen bestimmten Umtauschkurs der nationalen Währung zum Gold, einer Leitwährung oder einem Währungskorb. Die Garantie erfolgt durch den Ankauf/Verkauf der eigenen Währung: Bei einer steigenden Nachfrage nach der eigenen Währung (im Verhältnis zur Leitwährung) muss die Zentralbank die eigene Währung auf dem Devisenmarkt verkaufen und dafür die Leitwährung (oder andere Reservewährungen) ankaufen. Greift die Zentralbank nicht ein, entsteht ein Nachfrageüberhang und der Außenwert der eigenen Währung steigt an. Existiert ein Angebotsüberhang, muss die Zentralbank die eigene Währung ankaufen und günstigstenfalls die Leitwährung (oder andere Reservewährungen) verkaufen, bis die gewünschte Währungsparität erreicht ist. Während der Verkauf der eigenen Währung durch einen zusätzlichen ‚Druck‘ von eigenem Geld zunächst relativ einfach erscheint, sind für den Ankauf der eigenen Währung Devisenreserven notwendig. Bei einem nicht ausreichenden Bestand an Devisenreserven kann der gewählte Paritätskurs nicht aufrechterhalten werden. In der Praxis genügt bei einem funktionierenden System fester Wechselkurse, d. h. ohne spekulative Einflüsse, allerdings die Zusage, jederzeit die Währung zu einem bestimmten Kurs kaufen oder verkaufen zu können. Damit ist das Vorhandensein von Devisenbeständen in diesen Fällen nicht unbedingt notwendig. Bei der Entscheidung für ein System fester Wechselkurse sind zudem zu beachten: die Bestimmung des richtigen Wertes für die Parität – ein zu hoher Kurs etwa bedeutet eine tendenzielle Aufwertung gegenüber Drittwährungen (Auswirkungen auf Preise und Export), die Wahl der Paritätswährung (i. d. R. US-Dollar, Euro oder ein Währungskorb mit den Währungen der Haupthandelsländer). Die Entscheidung für ein bestimmtes Wechselkurssystem hat damit erhebliche Auswirkungen für die Wirtschaftspolitik eines Staates, wie das folgende Beispiel für die Handelsbilanz zeigt.
5.2 Systeme fester Wechselkurse
115
Wirkungen von Teilbilanzungleichgewichten bei unterschiedlichen Wechselkurssystemen (Beispiel: Handelsbilanz) Bei festen Wechselkursen Fall: Handelsbilanzüberschuss Übersteigen die Exporte von Gütern die Importe, entsteht ein Devisenüberschuss. Nettodevisenzuflüsse bewirken eine Erhöhung der inländischen Geldmenge, weil die Zentralbank den Ankauf der Devisen mit Inlandswährung bezahlt (bezahlen muss, weil sie den Wechselkurs zwischen der inländischen und ausländischen Währung stabil zu halten hat). Eine steigende Geldmenge wirkt bei unterausgelasteten Produktionskapazitäten tendenziell beschäftigungsfördernd. Bei zunehmendem Auslastungsgrad steigt aber die Wahrscheinlichkeit von Preissteigerungen. Daher wird in der Praxis von stabilitätsorientierten Zentralbanken die steigende Geldmenge durch den Einsatz geldpolitischer Instrumente neutralisiert, etwa durch die Verringerung des Volumens bei Wertpapierpensionsgeschäften (‚sterilisierte‘ Interventionen). Fall: Handelsbilanzdefizit Bei einem negativen Saldo der Handelsbilanz übersteigen die Devisenabflüsse die Devisenzuflüsse; es kommt zu einem Nettodevisenabfluss. Da die Zentralbank Devisen aus dem eigenen Bestand gegen Inlandswährung verkauft sinkt die umlaufende inländische Geldmenge (mit Beeinträchtigungen der Inlandsnachfrage und Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt). Bei flexiblen Wechselkursen Fall: Handelsbilanzüberschuss Bei flexiblen Wechselkursen erfolgt der Ausgleich der Handelsbilanz quasi automatisch. Auf dem Devisenmarkt ist bei einem Handelsbilanzüberschuss das Angebot an ausländischer Währung größer als die Nachfrage (Ausländische Importeure bieten die eigene Währung auf dem Devisenmarkt an, um die Währung des Exportlandes zur Bezahlung der Rechnung kaufen zu können. Derselbe Effekt entsteht, wenn die Exporte mit der Währung des Importlandes direkt bezahlt werden.). Die inländische Währung wertet auf: für eine Einheit der Auslandswährung müssen weniger Einheiten der inländischen Währung gezahlt werden. Mit dem Anstieg des Außenwertes der Inlandswährung werden einerseits inländische Waren im Ausland teurer. Die Exporte sinken, das inländische Wachstum wird beeinträchtigt, mit Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Durch den steigenden Außenwert werden aber andererseits die Einfuhren günstiger. Rückläufige Einfuhrpreise wirken mäßigend auf die inländische Preissteigerungsrate und unterstützen damit die wirtschaftliche Entwicklung. Der Wechselkurs sorgt daher – im Modell – für einen Ausgleich der Handelsbilanz. Fall: Handelsbilanzdefizit Der Ausgleich der Handelsbilanz erfolgt über den Wechselkurs: Auf dem Devisenmarkt ist die Nachfrage nach der ausländischen Währung größer als das Angebot, da für die Importe
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5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
des Inlandes die Währung des Exportlandes benötigt wird (Annahme: Fakturierung in Auslandswährung). Für eine Einheit der ausländischen Währung muss mehr Inlandswährung gezahlt werden; es liegt eine Abwertung vor. Dadurch werden die inländischen Güter für den Export günstiger (mit positiven Auswirkungen auf die heimische Handelsbilanz und die inländische Wirtschaftsentwicklung). Wichtig ist: Bei flexiblen Wechselkursen besteht für die Zentralbank keine Verpflichtung die ausländische Währung aufzukaufen Keine automatische Erhöhung der inländischen Geldmenge durch die Zentralbank. Nach traditioneller Theorie müssten Ungleichgewichte der Handels- bzw. Leistungsbilanz daher bei flexiblen Wechselkursen vermieden werden. Es zeigt sich aber, dass mittelfristig auch Ausnahmen möglich sind: Dauerhaftes Leistungsbilanzdefizit (verursacht durch eine negative Handelsbilanz) der USA seit Anfang der 90er Jahre (erhöhte Investitions- und Konsumbedürfnisse). Es fand trotz flexibler Wechselkurse bisher kein vollständiger Ausgleich über den Devisenmarkt statt. Entgegen der üblichen Lehrbuchweisheit hat sich der Wechselkurs des US-Dollar bisher tendenziell nicht abgewertet. Andere Einflussfaktoren auf den Wechselkurs des US-Dollar sind anscheinend bedeutsamer gewesen. Damit konnte aber ein Ausgleich des Leistungsbilanzdefizits über die Abwertung der US-amerikanischen Währung nicht erfolgen. Von Wechselkursentwicklung unabhängiges Leistungsbilanzdefizit in Deutschland in der Wiedervereinigung zur Finanzierung des erhöhten Kapitalbedarfs (erhöhte Konsumbedürfnisse).
5.3
Systeme der Wechselkursbindung
Zwischen den Systemen flexibler und fester Wechselkurse gibt es im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Währungsordnung zahlreiche Zwischenformen. Drei davon werden in den nächsten Abschnitten behandelt.
5.3.1
Wechselkursbandbreiten
Zu den zahlreichen Zwischenformen gehören Wechselkursbandbreiten (auch Wechselkurszielzonen genannt). In der wirtschaftspolitischen Realität der ‚Nach-Bretton-Woods-Ära‘ wurden die Wechselkurse der wichtigen Währungen zunächst keinen Beschränkungen unterworfen. Im Zuge des Abkommens der Staats- und Regierungschefs von Den Haag (1969) sollte die Europäische Gemeinschaft allerdings zu einer Wirtschafts- und Währungsunion ausgebaut werden, sodass auch auf dem Gebiet der Währungspolitik eine intensivere Zusammenarbeit anzustreben war. Darüber hinaus wurde schnell deutlich, dass sich Probleme für eine nationale Wirtschaftspolitik auch durch flexible Wechselkurse ergaben. Es wurden
5.3 Systeme der Wechselkursbindung
117
daher Lösungen angestrebt, die die Vorteile von flexiblen und festen Wechselkursen zu verbinden suchten. Als Ergebnis der genannten Überlegungen gingen die Staaten der EG 1972 zunächst zu einem gemeinsamen Floaten (so genanntes Blockfloaten) gegenüber dem US-Dollar über: Dieses Floaten des Wechselkursverbundes wird bildhaft mit einer ‚Schlange im Tunnel‘ beschrieben. Dabei bilden die Wände des Tunnels den Rahmen in dem sich die einzelnen Währungen bewegen. Zwischen den Währungen der EG-Staaten, also im Innenverhältnis bzw. im Tunnel, bestanden stabile Paritäten (interne Wechselkursbindung). Den Rahmen (die Wand des Tunnels) bildete der Wechselkurs zum US-Dollar, der die höchstzulässige Abweichung beschrieb.68 Im Verlauf der 70er-Jahre ergab sich, dass auf Grund der mangelnden Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken der Teilnehmerkreis stark schwankte: die zwischen den Staaten vereinbarten Wechselkurse konnten auf Dauer nicht gehalten werden. In einer Weiterentwicklung der Währungsschlange wurde schließlich am 13. März 1979 das Europäische Währungssystem (EWS) errichtet. Ziel war es, die Wechselkurse zwischen den Währungen der EG-Staaten zu stabilisieren, da die EG-Mitgliedschaft mit der Mitgliedschaft im EWS verbunden war. Ausnahmen stellten etwa Großbritannien, Schweden und Griechenland dar. Dadurch sollte eine stabile Währungszone im ökonomischen Kernbereich Europas geschaffen werden. Das EWS gilt als das wichtigste Beispiel für ein Währungssystem mit Wechselkursbandbreiten. Die Idee eines solchen Bandes wurde im Zuge der Diskussion über die vom ehemaligen Bundesminister der Finanzen Oskar Lafontaine propagierten Wechselkurszielzonen zwischen den Währungen der so genannten Triade (USA, EU, Japan) wieder belebt.69
68
Vgl. auch Jarchow, H.-J., P. Rühmann (1997), S. 292f; sowie Teichmann, U. (1997), S. 313.
69
Vgl. etwa Lafontaine, O., C. Müller (1998), S. 76f. Lafontaine/Müller beriefen sich dabei auf einen Vorschlag der Bretton-Woods-Kommission aus dem Jahre 1994 unter dem Vorsitz des ehemaligen US-amerikanischen Notenbank-Chefs Paul Volcker. Vgl. Bretton-Woods-Kommission (1994). Als eine von vielen kritischen Stellungnahmen zur Diskussion der damaligen Zeit: Duisenberg, W. (1998). Einen interessanten Einblick über die Diskussion der damaligen Zeit liefert der ehemalige Abteilungsleiter von Lafontaine Wolfgang Filc: Filc, W. (2001), insb. S. 203ff. Grundsätzliche Darstellungen zu Wechselkurszielzonen finden sich in: Williamson, J. (1983), S. 65f.; Krugman, P. (1991).
118
5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Wechselkurs obere Bandbreite
Zielzone
untere Bandbreite In einem solchen System können also die Wechselkurse der beteiligten Währungen frei schwanken – allerdings innerhalb einer bestimmten Bandbreite. Überschreitet der Wechselkurs einer Währung diese Bandbreite, treten bestimmte Mechanismen in Kraft, die den Wechselkurs der Währung wieder in dieses Band zurückführen sollen. Die Umsetzung dieser theoretischen Vorstellungen erfolgte im europäischen Raum durch das Europäische Währungssystem. Da sich ein solches Wechselkurssystem auch heute noch praktischer Beliebtheit erfreut (unter anderem durch seinen Nachfolger WKM II), soll es hier in seinen Grundzügen dargestellt werden. Für ein System von Wechselkursbandbreiten sind einige zentrale Elemente unverzichtbar: eine Bezugsgröße, um den die Wechselkurse der beteiligten Währungen schwanken Bandbreiten als obere und untere Begrenzung für Wechselkursbewegungen und Maßnahmen (Interventionen), die eine Rückkehr der Wechselkurse in die Zielzone gewährleisten Anforderung 1 – Bezugsgröße: Der ECU (European Currency Unit) war eine Kunstwährung im EWS und übernahm die Funktion als Bezugsgröße im Wechselkursmechanismus. Die Leitkurse der nationalen Währungen schwankten zwischen zwei Werten zum ECU, die als obere und untere Bandbreite festgelegt wurden. Der ECU war ein Währungskorb – er setzte sich aus unterschiedlich großen, periodisch überprüften Anteilen der einzelnen Währungen der EU-Länder zusammen. Die Gewichtung orientierte sich u. a. an der Wirtschaftskraft (Sozialprodukt) und den innereuropäischen Handelsanteilen eines Staates. Die Korbanteile wurden mit dem Inkrafttreten des Vertrages über die EU (1993) festgeschrieben.70 Für jede Währung wurde ein ECU- Leitkurs festgelegt: für die DM: 1 ECU = 1,94964 DM
70
Die Währungen Österreichs, Schwedens und Finnlands waren durch ihren späten Beitritt zur EU (1. Januar 1995) nicht im ECU-Korb enthalten.
5.3 Systeme der Wechselkursbindung
119
für den Französischen Franc (FFR): 1 ECU = 6,53883 FFR Dabei gilt, dass die in internationalen Vereinbarungen festgelegten Kurse nicht immer ‚Marktkurse‘ sind. „Die Wechselkurse geben in diesem System nicht unbedingt die tatsächlichen Angebots- und Nachfrageverhältnisse auf den Devisenmärkten wieder, da die Parität im Allgemeinen einer politischen Zielvorstellung entspricht und allenfalls die zum Zeitpunkt der Festlegung herrschenden Marktverhältnisse widerspiegelt.“71 Aus diesen ECU-Leitkursen können dann bilaterale Leitkurse zwischen den einzelnen Währungen berechnet werden: 1,94964 DM = 6,53883 FFR daraus folgt wegen 6,53883 FFR 1,94964 DM 1 DM = 3,35386 FFR oder 1 FFR = 0,29816 DM Anforderung 2 – Bandbreiten: Die Notenbanken waren verpflichtet, durch Interventionen den Wechselkurs ihrer Währung in einer bestimmten Bandbreite zu halten. D.h.: Der an den nationalen Devisenbörsen ermittelte Marktkurs durfte vom bilateralen Leitkurs maximal um einen bestimmten %-Satz abweichen. Die Bandbreite betrug zunächst ± 2,25% (italienische Lira ± 6%; zeitweise britisches Pfund und spanische Peseta ± 6%). Im Zuge der schweren Devisenmarktturbulenzen 1992/1993 wurde die Bandbreite ab August 1993 auf ± 15% erweitert. Anforderung 3 – Interventionen: Bilaterale Notenbankinterventionen wurden verpflichtend vereinbart, wenn die Bandbreiten tangiert wurden, z. B. bei einer zu starken Aufwertung der DM zum FFR: Ankauf von FFR durch die Deutsche Bundesbank und Verkauf von DM durch die Zentralbank Frankreichs. Bereits vorher waren allerdings nationale Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Abweichung des ECU-Wertes der eigenen Währung 75% der maximalen Bandbreite erreichte (sog. Abweichungsindikator). Maßnahmen waren hier: Einseitige Interventionen (Stützung/Schwächung der eigenen Währung, durch Kauf/ Verkauf der eigenen Währung Interne währungspolitische Maßnahmen (Einsatz geld- und währungspolitischer Maßnahmen, z. B. Leitzinsveränderungen)
71
Koch, E. (1992), S. 380.
120
5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Bei großen, dauerhaften Wechselkursveränderungen und bei einer Veränderung des Teilnehmerkreises wurden Realignments (Leitkursanpassungen) vorgenommen. Zum Schutz der eigenen Volkswirtschaften konnte auch eine Suspendierung der Teilnahme am Wechselkursmechanismus erfolgen (Lira und britisches Pfund am 17. September 1992). Durch diese vergleichsweise strikten Regelungen sollten die aus großen und schnellen Wechselkursbewegungen resultierenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen für die EU-Staaten vermindert werden. Die Politik der Wechselkursbandbreiten erwies sich über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren auch als erfolgreich. Im Zuge der Spekulationen von 1992/1993 gegen nahezu alle Währungen des EWS und mit Ausweitung der Bandbreiten als Reaktion darauf, war aber dieses System faktisch nicht mehr existent. Als Auslöser und Verstärker der EWSKrise wurden zahlreiche Erklärungen genannt. Z. B.: Unterschiedliche Entwicklungen wichtiger Stabilitätskriterien in den einzelnen Ländern (Inflationsraten, Zinsen, Staatsverschuldung): Dadurch sollte eine starke Nachfrage nach Währungen mit guter gesamtwirtschaftlicher Performance ausgehen. Aber es waren auch Staaten von der Spekulation betroffen, die gute fundamentale Daten aufwiesen. Unsicherheit darüber, ob alle EWS-Währungen auch an der EWU teilnehmen werden (politischer Grund: negativer Ausgang des dänischen Referendums; nur knapp positiv in Frankreich) bzw. die Konvergenzkriterien in Zukunft erfüllen. Nach der Erweiterung der Bandbreiten auf ± 15% funktionierte das EWS wieder reibungslos. Vor dem Hintergrund einer wieder aufgenommenen stabilitätsorientierten Geld- und Währungspolitik bewegten sich die Devisenkurse weitgehend in der Nähe der Leitkurse – die Ausdehnung der Bandbreiten wurden nahezu nicht benötigt. Die Erwartung der Errichtung der EWU trug zur Stabilität des Systems bei. Die Inflationsraten und die Zinsdifferenzen näherten sich im Zuge der Umsetzung der Konvergenzrichtlinien weiter an. Als Nachfolger des EWS wurde im Zuge der EWU der Wechselkursmechanismus II (WKM II) errichtet. Zwar ist die Teilnahme am EWS II grundsätzlich freiwillig, aber nach dem Vertrag von Maastricht müssen Staaten, die sich für eine Teilnahme an der EWU qualifizieren wollen, das Wechselkurskriterium(spannungsfreie Mitgliedschaft im WKM II für die Dauer von zwei Jahren) erfüllen, um den Wechselkurs ihrer Währung im Verhältnis zum Euro zu stabilisieren: Dies erfolgt durch die Teilnahme am WKM II. Danach muss ein beitrittswilliger Staat mindestens zwei Jahre innerhalb der normalen Bandbreiten zum Euro (± 15%) die Stabilität seiner Währung im Außenverhältnis unter Beweis stellen (die Angaben erfolgen in Einheiten der betreffenden Währung pro Euro). Allerdings ist bei einem hohen Konvergenzstand auch eine engere Bandbreite möglich (Dänemark mit ± 2,25%). Damit sollen sich die betroffenen Staaten daran ‚gewöhnen‘, den Wechselkurs nicht mehr als Mittel der nationalen Wirtschaftspolitik einsetzen zu können. Devisenmarktinterventionen sind auch in der Nachfolgeregelung des EWS vorgesehen. Sie erfolgen, sobald die Marktkurse die Bandbreiten erreichen und können – theoretisch – unbegrenzt sein. Zu Beginn des WKM II waren Griechenland und Dänemark teilnehmende Länder. Durch die Erweiterung der EG um die Staaten Mittel- und Osteuropas zum 1. Mai 2004 hatte das WKM II eine erhebliche Bedeutung erlangt: Estland, Litauen, Slowenien, Lettland, Malta, Zypern und die Slowakei wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten in das WKM II aufgenommen.
5.3 Systeme der Wechselkursbindung
5.3.2
121
Crawling Peg
Eine weitere Zwischenform stellt der Crawling Peg dar. Dabei wird die Parität (an eine fremde Währung oder einen Währungskorb) regelmäßig, mit zuvor festgelegten Schritten (i. d. R. ein Prozentsatz oder als Reaktion auf Entwicklungen ausgewählter Indikatoren, wie etwa der Inflationsrate) verändert. Crawling Pegs werden in erster Linie für eine kontinuierliche Abwertung der eigenen Währung eingesetzt, um die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Industrien zu unterstützen. Ziel ist es, eine inflationsbedingte Verteuerung inländischer Güter im Vergleich zu ausländischen Gütern (reale Aufwertung der eigenen Währung) zu verhindern. Diese Form eines Wechselkurssystems ist etwa für Schwellenländer besonders interessant. Wichtige Beispiele für die praktische Durchführung von Crawling Peg-Systemen stellen die Verwirklichung dieses Wechselkurssystems durch einige Staaten Südamerikas in den 70er-Jahren (Abwertung im Vergleich zum US-Dollar) und Polen im Jahre 1991 dar (Währungskorb aus US-Dollar und Euro; monatliche Abwertung des Zloty mit vorheriger Ankündigung und orientiert an der Differenz zwischen der Inflationsrate Polens und dem niedrigeren gewogenen Durchschnitt der Inflationsraten der Korbwährungen). Am 12. April 2000 wurde der Wechselkurs des polnischen Zloty im Hinblick auf die beabsichtigte Teilnahme Polens an der EU, und damit als potenzieller Kandidat an der EWU, freigegeben. Aktuell verfolgt auch Nicaragua eine Politik des Crawling Peg und lässt eine jährliche Abwertung seiner Währung (Cordoba) nach einem Stabilitätsprogramm des IWF um jährlich 5% gegenüber dem US-Dollar zu.
5.3.3
Currency Board
Während Wechselkursbandbreiten immerhin Schwankungen der nationalen Währungen im gewählten Rahmen zulassen, stellt ein Currency Board eine noch strengere Form der Wechselkursbindung dar: Die nationale Währung wird in einem festen Verhältnis an eine ausländische Währung oder einen Währungskorb gebunden. Gegenüber einem System fester Wechselkurse kommt es hier allerdings zu einem weitgehenden Verzicht auf eine eigenständige Gestaltung von Geld- und Währungspolitik. Die wesentlichen Bestandteile eines Currency Boards sind: Die ‚gesetzliche‘ Festlegung der gewählten Wechselkursrelation, d. h. eine Änderung der gewählten Wechselkursrelation kann nur durch eine Änderung der gesetzlichen Grundlage erfolgen (im Gegensatz zu einem System mit festen Wechselkursen). Insofern stellt ein Currency Board eine extreme Variante eines Festkurssystems dar. Eine vollständige Deckung der monetären inländischen Geldbasis für die engen Geldmengenaggregate M1 und M2 (Banknoten, Münzen, Sichteinlagen) durch Devisenreserven. Eine Unterdeckung wird zum Problem, wenn auf Grund von Währungsspekulationen die in- und ausländischen Anleger die Guthaben in nationaler Währung in Guthaben in der Ankerwährung umtauschen wollen. In einem solchen Fall sind die Geschäftsbanken für die vollständige Deckung durch die Ankerwährung verantwortlich. Sollte es notwendig sein, eine steigende Nachfrage nach der Ankerwährung zu befriedigen, können sie Aktiva verkaufen bzw. Kredite kündigen, sodass ein steigendes Zinsniveau die Folge ist – mit entsprechenden Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung des Staates.
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5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Der Zentralbank wird nahezu jeder Entscheidungsspielraum entzogen, da etwa Zinsentscheidungen auch den Wechselkurs beeinflussen würden. Damit wird eine nationale Geldpolitik weitgehend aufgegeben. Ein minimaler Handlungsspielraum der nationalen Geldpolitik bleibt evtl. bei der Gestaltung von Mindestreservesätzen bestehen, wobei sich an der notwendigen Orientierung der nationalen Geld- und Währungspolitik an der der Ankerwährung nichts ändert. Ein solches Wechselkurssystem fand und findet sich auch nach Angaben der Deutschen Bundesbank z. B. in einigen EU-Staaten (Bulgarien, Estland, Litauen; Stand April 2010). Hier ist die Bindungswährung der Euro, in außereuropäischen Staaten wird eher de US-Dollar als Ankerwährung verwendet. Aus historischen Gründen bezogen sich Currency Boards von ehemaligen Kolonien häufig auf die Währung der jeweiligen Kolonialmacht, etwa auf das britische Pfund oder auf den französischen Franc. Durch das Currency Board wurde die Kolonie der Kontrolle über die eigene Geldpolitik – und damit eines wesentlichen Bestandteils einer eigenständigen Wirtschaftpolitik – enthoben. In der eher jüngeren Vergangenheit ist die Bedeutung des Currency Boards besonders durch die Finanzkrise in Argentinien in den Mittelpunkt der Medien und wissenschaftlicher Analysen gerückt. Ziel eines Currency Boards ist der Glaubwürdigkeits- und Stabilitätsimport durch eine stabile Fremdwährung (oder eines Währungskorbes), also die Übertragung der Reputation der Anker- auf die eigene Währung. Durch die Anbindung des Wechselkurses der eigenen Währung an den Kurs einer Fremdwährung mit einem stabilen, möglichst leicht steigenden Außenwert soll vor allem die Bekämpfung hoher Inflationsraten ermöglicht werden. Durch sinkende Inflationsraten wird schließlich das Vertrauen in die Stabilität der Volkswirtschaft erhöht und ausländische Investoren zu einem verstärkten Engagement ermuntert. Niedrige Preissteigerungen, positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt würden dann als Ergebnis die Durchführung des Currency Boards rechtfertigen. Bei einer Aufwertung der Ankerwährung erfährt damit auch die angebundene Währung eine Aufwertung. Dadurch sinken die Preise für importierte Güter, wodurch sich auch für die Inlandspreise ein Preissenkungsspielraum ergibt: die Inflationsrate geht damit tendenziell zurück, es wird Stabilität importiert. Die Glaubwürdigkeit einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik wird im Rahmen eines Currency Boards noch dadurch unterstützt, „dass der Wechselkurs ein sehr einfacher und sichtbarer Indikator ist, sodass die Öffentlichkeit leicht überprüfen kann, ob die Politik eingehalten wird.“72 Unterstützt wird dieser Prozess durch eine zurückhaltende Ausgabenpolitik im Bereich der öffentlichen Finanzen: Die Kreditwünsche staatlicher Ebenen können von der nationalen Zentralbank i. d. R. nicht mehr erfüllt werden, da sich die Geldbasis an der Höhe der Devisenreserven zu orientieren hat. Fiskalpolitische Stabilität und Preisstabilität sollen schließlich zu niedrigeren Inlandszinsen führen, mit positiven Impulsen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Allerdings sind die Probleme dieses Systems nicht unerheblich. Die ökonomischen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten eines Staates werden mitunter auch auf die Einrichtung eines Currency Boards
72
Gerloff, A. (2001).
5.3 Systeme der Wechselkursbindung
123
zurückgeführt, wie das Beispiel Argentiniens mit seiner Anbindung des Peso an den USDollar zeigt. Das Ende des Currency Boards in Argentinien Die ökonomische Situation Argentiniens war Anfang der 90er-Jahre von einer Hyperinflation geprägt. So stieg die Inflationsrate im ersten Quartal des Jahres 1990 auf über 14.000% an. Die wirtschaftlich desolate Lage schlug sich in einem deutlichen Rückgang der realen Produktion nieder: zwischen 1987 und 1990 ging das reale BIP um insgesamt über 10% zurück. Vor allem der IWF gab Anfang der 90er-Jahre Empfehlungen zur Überwindung der Wirtschaftskrise. Sie reichten von der Änderung des Wechselkursregimes und der umfassenden Privatisierung von Staatsunternehmen bis zur Senkung der Zölle. Zur Eindämmung der Hyperinflation wurde schließlich durch das Konvertibilitätsgesetz von 1991 der Argentinische Peso durch einen Currency Board an den US-Dollar gebunden. Dies sollte das Bemühen der argentinischen Regierung um mehr wirtschaftlicher Stabilität verdeutlichen. Die Erfolge dieser Politik stellten sich rasch ein: Die Inflationsrate erreichte bereits 1993 einen einstelligen Wert (gut 7%) und auch das wirtschaftliche Wachstum zog in den Jahren nach der Einführung des Currency Boards z. T. kräftig an. Durch die stetige Aufwertung des US-Dollar in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre kehrten sich aber die Vorteile des Currency Boards in Nachteile um: auch der Außenwert des Peso stieg. Die Exportwirtschaft Argentiniens konnte ihre Produkte, wenn überhaupt, nur noch mit Hilfe von Preiszugeständnissen absetzen. Verschärft wurde die Lage Anfang 1999 durch die Abwertung des Brasilianischen Real im Zuge der dortigen Finanzmarktturbulenzen. Konkurrenzprodukte aus Brasilien wurden damit für internationale Interessenten noch attraktiver. Zudem verteuerten sich argentinische Produkte für brasilianische Importeure kräftig. Durch die Bindung des Peso an den US-Dollar war eine Abwertung der argentinischen Währung aber nicht möglich. Die Folge war eine Überbewertung des Peso: Das Wachstum der Volkswirtschaft verminderte sich dadurch deutlich; in den Jahren von 1999 bis 2001 ging das reale BIP jeweils zurück. Die Arbeitslosenquote stieg auf 17,3% im Jahresdurchschnitt 2001 (nach Presseberichten betrug sie im Februar 2002 schon 22%) an. Durch die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt wurde der Private Verbrauch zusätzlich geschwächt. Der ökonomische Niedergang führte zu sich verschärfenden sozialen Spannungen. Zur Linderung der Finanznot der öffentlichen Haushalte wurden etwa Gehaltsanteile für Provinzbeamte, in später gegen Peso eintauschbare, Schuldpapieren (sog. Patacones) ausbezahlt, mit denen Käufe von Waren und auch die Bezahlung von Steuern ermöglicht wurden. Zudem mussten Beamte und Rentner Kürzungen ihrer Gehälter bzw. Renten hinnehmen. Exportschwäche, mangelnde Nachfrage auf der Konsumentenseite, eine durch den Currency Board nur beschränkt handlungsfähige Finanzpolitik und die preisdämpfenden Effekte der Peso-Aufwertung führten schließlich zu einer Deflation: Zwischen 1999 und 2001 ging ein rückläufiges Wirtschaftswachstum mit einer negativen Preissteigerungsrate bei den Konsumentenpreisen einher. Um die Zahlungsunfähigkeit Argentiniens zu verhindern, ge-
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5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
währte der IWF im Rahmen eines Unterstützungsprogramms in den Jahren 2000/2001 Finanzmittel in Höhe von über 22 Mrd. US-Dollar. Die Verschärfung der wirtschaftlichen Situation zeigte sich auch auf den Kapitalmärkten. Im Zuge der wachsenden politischen und ökonomischen Unsicherheiten und aus Angst vor einer zu erwartenden Abwertung des Peso wurden zunehmend Peso in US-Dollar getauscht und ins Ausland transferiert. Die Peso-Einlagen verringerten sich etwa in der ersten Jahreshälfte 2001 um rund 20%. Kapitalgeber verliehen neue Kredite nur zu wesentlichen höheren Zinssätzen, die steigende Risikoprämien (‚Zitterprämien‘) auf Grund rapide sinkender Bonitätseinschätzungen enthielten. Gegen Ende 2001 wurden ausländische Kredite nahezu nicht mehr gewährt, die Regierung erklärte die Zahlungsunfähigkeit. Der Niedergang der Wirtschaft Argentiniens zeigte sich auch an den Aktienmärkten. So ging der argentinische Merval-Index zwischen Januar und November 2001 um über 60% zurück, was die Vermögenssituation der Anleger zusätzlich verschlechterte. Die Loslösung vom US-Dollar wurde auch deshalb erschwert, weil die größtenteils auf die US-amerikanische Währung lautende hohe Auslandsverschuldung (2000: ca. 147 Mrd. USDollar = ca. 50% des BIP) bei der dann zu erwartenden Abwertung des Peso immer schwerer zu begleichen gewesen wäre (mehr Peso müssen zur Begleichung der Dollar-Schulden aufgewendet werden). Zahlreiche Firmeninsolvenzen wurden erwartet, ein hoher Abschreibungsbedarf würde bei den Banken bestehen. Zudem war die Erinnerung an die frühere Hyperinflation der eigenständigen Geld- und Währungspolitik noch gegenwärtig. Ein für das Land vergleichsweise günstiger Ausstieg aus der Anbindung an den US-Dollar, mit dem Aufbau einer unabhängigen Zentralbank an der Spitze notwendiger Reformen, wurde damit verpasst. Am 11. Februar 2002 erfolgte nach zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Kehrtwendungen (z. B. wurden alternativ erwogen: a) die Anbindung des Peso an einen Währungskorb aus US-Dollar und Euro, b) die Dollarisierung Argentiniens, c) die Einführung der neuen Währung ‚Argentino‘, d) Wechselkursbandbreiten zum brasilianischen Real) die Loslösung und damit die Aufgabe der 1:1 Bindung zum US-Dollar. Innerhalb weniger Tage wertete sich der Peso auf 1:2 ab und verlor damit die Hälfte seines Wertes; Ende März 2002 betrug der Wertverlust sogar rund 70%. Zur Befriedigung des hohen Kapitalbedarfs wurden Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Unternehmen mussten auf ihre Ausfuhren eine Exportsteuer bezahlen (z. B. auf Rohöl 20%, auf Agrarprodukte 10%). Im Rahmen eines Umschuldungsprogramms wurden 2002 fällige Zinszahlungen für ausländische Gläubiger ausgesetzt und bestehende Schulden in längere Laufzeiten bei niedrigerer Verzinsung umgewandelt. Insgesamt ging die Wirtschaftsleistung zwischen 1998 und 2002 um ein Fünftel zurück, die offizielle Arbeitslosenquote stieg auf über 20% an. Zur Jahreswende 2002/2003 stabilisierte sich die wirtschaftliche Lage. Im Verlauf der folgenden Jahre kam es zu einem kräftigen Aufschwung. bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2007, die nicht gänzlich ohne Auswirkungen auch auf Argentinien blieb, lagen die jährlichen Zuwachsraten des BIP zwischen 8-9%. Die Nachwehen der Krise sind aber auf den internationalen Finanzmärkten bis heute spürbar. Insgesamt wurden bis Ende 2010 93% der 2001 bestehenden Altschulden auf neue Anleihen umgeschuldet. Durch die Umschuldung der Altkredite (für jeden US-Dollar Altschulden wurden nur 25 Cent ersetzt) gilt Argentinien immer noch als Risikostaat, was bei einer Aufnahme von neuen Schulden zu zusätzlichen Zinsaufschlägen
5.3 Systeme der Wechselkursbindung
125
führt. Diese Risikoprämie liegt etwa doppelt so hoch wie für die Nachbarländer Uruguay oder Chile. Angriffe auf die Unabhängigkeit der Zentralbank und Divergenzen mit dem IWF erschweren zusätzlich den freien Zugang zu den Finanzmärkten. Fazit: Argentinien hält den Rekord für den größten Zahlungsausfall der jüngeren Geschichte – das Land konnte 2001 95 Mrd. US-Dollar Auslandsverbindlichkeiten nicht begleichen. Durch die Ereignisse der Vergangenheit und die autoritäre Wirtschaftspolitik der KirchnerRegierungen ist damit auf den Kapitalmärkten die Glaubwürdigkeit Argentiniens noch nicht wieder hergestellt.73 Die wesentlichen Probleme dieser Wechselkursanbindung sind daher: bei einer Abwertung der Fremdwährung entsteht ein Inflationsimport, bei einer Aufwertung der Fremdwährung verschlechtert sich die Wettbewerbssituation der nationalen Exportwirtschaft, vor allem gegenüber direkten regionalen Konkurrenten (z. B. Argentinien im Vergleich zu Brasilien), wenn sich deren Währungen tendenziell abwerten, da die Ausweitung der inländischen Geldbasis abhängig ist vom Devisenzufluss, ist in konjunkturellen Krisensituationen keine Erhöhung der Geldbasis zur Nachfragestabilisierung möglich (eine zusätzliche Ausweitung der inländischen Geldbasis ist auch durch die verzinste Anlage der Devisenreserven möglich), ein Kapitalabfluss führt zu einer Verringerung der Geldbasis; möglicherweise mit negativen Effekten auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit das Wirtschaftswachstum. Auf Grund dieser Probleme hat der IWF74 einen Katalog von Kriterien definiert, die ein Staat bei einer festen Anbindung seiner Währung an eine Ankerwährung erfüllen sollte: eine geringe Einbindung in die internationalen Kapitalmärkte ein großer Handelsanteil mit dem Land, an dessen Währung eine Anbindung erfolgen soll die wirtschaftlichen Schocks, vor denen es steht, sind denjenigen ähnlich, denen das Land gegenübersteht, an dessen Währung die Anbindung erfolgen soll es ist dazu bereit, seine geldpolitische Unabhängigkeit zu Gunsten der monetären Glaubwürdigkeit seines Partners aufzugeben sein Wirtschafts- und Finanzsystem stützt sich bereits beträchtlich auf die Währung des Partners auf Grund einer hohen aus der Vergangenheit übernommenen Inflation ist eine auf den Wechselkurs gestützte Stabilisierung attraktiv die Fiskalpolitik ist flexibel und nachhaltig die Arbeitsmärkte sind flexibel der Staat hat hohe Währungsreserven 73
Zusätzlich zu Büchern, die sich mit verschiedenen Wirtschaftskrisen beschäftigen, sind hier zur weiteren Lektüre zu empfehlen: Dieter, H. (2005), S. 146ff.; sowie Maute, J. (2006).
74
Vgl. IWF (2000).
126
5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Den Extremfall eines Currency Boards stellt die ‚Dollarisierung/Euroisierung‘ eines Staates dar. Damit wird die eigene Währung aufgegeben und an deren Platz rückt die fremde Währung, die Ankerwährung (i. d. R. der US-Dollar, z. B. in Ecuador, El Salvador, Guatemala). Die fremde Währung dient damit als Zahlungsmittel, Wertanlage und Recheneinheit. Der Hauptunterschied zum ‚normalen‘ Currency Board ist, dass durch die Dollarisierung/ Euroisierung ein vollständiger Verzicht auf geldpolitische (und damit teilweise wirtschaftspolitische) Souveränität entsteht, der erst durch die (auch) physische Einführung einer neuen Währung wieder aufgehoben werden kann. Die Möglichkeit zu freien Gestaltung des Wechselkurses und der Zinssätze entfällt. Zudem fällt der Gewinn aus der Ausgabe der Währung nicht mehr bei dem Staat an, der die fremde Währung übernimmt. Vielmehr gehen diese Gewinne an den Staat der Ankerwährung.75 Als Vorteil entsteht (auch gegenüber dem System des Currency Boards) aber ein zusätzlicher Glaubwürdigkeitseffekt, da die Dollarisierung/ Euroisierung quasi auf einer unwiderruflichen Entscheidung beruht. Hierdurch kommt es zu einem Entfall der Wechselkursrisikoprämie für internationale Anleger. Dies führt tendenziell zu niedrigeren inländischen Zinssätzen und zu geringeren Schuldendienstkosten. Hinzu kommt die quasi importierte Stabilität der Fremdwährung – die Inflation ist dadurch vergleichsweise niedrig.
5.4
Devisenbewirtschaftung und Kapitalverkehrskontrollen
Systeme flexibler Wechselkurse verwirklichen marktwirtschaftliche Überlegungen am weitest gehenden. Zwar sind in den anderen bisher dargestellten Wechselkursvereinbarungen staatliche Eingriffe in unterschiedlicher Intensität vorhanden, marktwirtschaftliche Elemente sind aber die wesentlichen Bestandteile dieser Systeme. Ein vollständig nicht-marktwirtschaftliches System stellt die Devisenbewirtschaftung dar (Abb. 5.1)
75
Gewinn, der aus der Differenz zwischen dem Nennwert und den Herstellungskosten der Zahlungsmittel entsteht (´Seigniorage´). Vgl. ausführlicher Jarchow, H.-J., P. Rühmann (1997), S. 168ff.
5.4 Devisenbewirtschaftung und Kapitalverkehrskontrollen
127
Abbildung 5.1 Ordnungspolitische Einteilung von Wechselkurssystemen
Quelle: Aschinger, G. (2001), S. 102.
Damit und mit der Kontrolle des Kapitalverkehrs, versucht eine Regierung den gesamten Devisenstrom zu lenken. Dabei wird die Möglichkeit, Kapitalverkehrsbeschränkungen durchführen zu können, oftmals vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer zugeschrieben. Aber auch im deutschen Außenwirtschaftsrecht sind Beschränkungen des Kapitalimportes zulässig, „um einer Beeinträchtigung der Kaufkraft der Deutschen Mark entgegenzuwirken oder das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz sicherzustellen.“ § 23 Abs. 3 AWG. Nach dem Neunten Euro-Einführungsgesetz gilt diese Bestimmung auch für die Kaufkraft des Euro in Deutschland. Die Wechselkursbildung wird im System der Devisenbewirtschaftung nicht durch den Markt bestimmt. Werden sämtliche Transaktionen, d. h. auch im Waren- und Dienstleistungsverkehr, mit dem Ausland genehmigungspflichtig, findet eine vollständige Kontrolle über die Leistungsbilanz statt. Deviseneinnahmen aus Exporten müssen an die Zentralbank/den Staat abgeliefert werden (Ablieferungspflicht), die Zuteilung der eingenommenen Devisen erfolgt nach einem Wirtschaftsplan, etwa für den Kauf notwendiger Importe. Mögliche Ziele einer solch protektionistischen Verhaltensweise können sein: Möglichkeit, einem Devisenmangel zu begegnen oder den Einfluss von Spekulationen zu begrenzen (Malaysia während der Asienkrise) Ideologische Gründe (Verwirklichung einer autonomen Volkswirtschaft) Hierfür können eine Reihe von Instrumenten eingesetzt werden, z. B.: Kapitalexportsteuern; sie beschränken die Kapitalflucht in- und ausländischer Anleger Kapitalimportsteuern; inländische Kreditinstitute und Unternehmen dürfen (kurzfristige) Kredite in Auslandswährung aufnehmen, allerdings wird dieser Import besteuert. Ein be-
128
5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
kanntes Beispiel hierfür war die Bardepotpflicht in Chile für kurzfristige Kapitalimporte in den 90er-Jahren, die 1998 aufgehoben wurde. Die Höhe der impliziten Besteuerung war hier abhängig von der Fristigkeit der Kapitalanlage.76 Mengenbeschränkungen des Kapitalimports und des Kapitalexports, bzw. die Genehmigungspflicht für entsprechende Transaktionen Der Wert der Währung im Außenverhältnis wird daher indirekt, über die Beschränkung der Kapitalströme, oder direkt, z. B. von der Regierung (etwa in Tunesien), festgelegt. Probleme einer solchen Politik können sein: Die eigene Währung ist international nicht handelbar; Importe können nur über Deviseneinnahmen finanziert werden. Zudem koppelt sich der Zins auf dem inländischen Kapitalmarkt vom internationalen Zins ab. Der Staat ist i. d. R. auch auf anderen ökonomischen Gebieten isoliert. Das bedeutet: kein Handelsaustausch, keine internationale Konkurrenz, kein Aufbau effizienter Industrien und damit kaum eine oder keine Steigerung des Wohlstandsniveaus. Es findet eine Umgehung der staatlichen Reglementierungen durch illegale Transaktionen statt; ein Schwarzmarkt für ausländische Währungen (insbesondere für die wichtigen Währungen) entsteht. Kurzfristig können Beschränkungen des Kapitalverkehrs die negativen Einflüsse von extremen Wechselkursschwankungen abmildern, wie das Beispiel Malaysias (der Handel mit der eigenen Währung [Ringgit] wurde eingeschränkt; ausländische Investoren durften ihre Anlagen erst nach einem Jahr in ausländische Währung konvertieren, 1999 wurde diese Regelung durch eine Steuer auf Kapitalexporte ersetzt) im Verlauf der Asienkrise gezeigt hat. Vor dem Hintergrund der durch starke Kapitalbewegungen verstärkten oder sogar ausgelösten ökonomischen und gesellschaftlichen Krisen wird die Einführung einer Tobin-Steuer als Vorschlag zur „Domestizierung der Devisenmärkte“77 diskutiert (Vgl. ausführlich Kap. 8.2.4).
5.5
(Europäische) Währungsunion
Eine Währungsunion stellt eigentlich kein Währungssystem im engeren Sinne dar, da nur eine Währung für mehrere Staaten existiert. Daher können auch keine Wechselkurse bestehen. Allerdings bedeutet der Weg zur Verwirklichung einer Währungsunion die Zusammenführung verschiedener Währungen, womit auch ökonomische Auswirkungen, sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis, für die entsprechenden Staaten verbunden sind. Zudem verändern sich für die jeweilige nationale Wirtschaftspolitik im Moment der Einführung der gemeinsamen Währung die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen erheblich. Die
76
Vgl. dazu ausführlicher Paque, K. H. (2000).
77
Hutter, H. (2001). Die Formulierung wird in diesem Beitrag dem Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke zugeschrieben.
5.5 (Europäische) Währungsunion
129
Pufferfunktion des Wechselkurses (durch Auf- oder Abwertung) muss dann von anderen ökonomischen Größen übernommen werden. Tabelle 5.2 Umrechnungsfaktoren der Altwährungen zum EURO
Umrechnungsfaktoren der Altwährungen zum Euro Euro zu Altwährung
Nationale Währung
Beitritt
1 Euro = 40,3399
Belgische Franken
1.1.99
1 Euro = 1,95583
Deutsche Mark
1.1.99
1 Euro = 166,386
Spanische Peseten
1.1.99
1 Euro = 6,55957
Französische Franken
1.1.99
1 Euro = 0,787564
Irische Pfund
1.1.99
1 Euro = 1936,27
Italienische Lire
1.1.99
1 Euro = 40,3399
Luxemburgische Franken
1.1.99
1 Euro = 2,20371
Niederländische Gulden
1.1.99
1 Euro = 13,7603
Österreichische Schilling
1.1.99
1 Euro = 200,482
Portugiesische Escudos
1.1.99
1 Euro = 5,94573
Finnmark
1.1.99
1 Euro = 340,750
Griechische Drachme
1.1.01
1 Euro = 239,640
Slowenischer Tolar
1.1.07
1 Euro = 0,4293
Maltesische Lira
1.1.08
1 Euro = 0,585274
Zypern-Pfund
1.1.08
1 Euro = 30,1260
Slowakische Krone
1.1.09
1 Euro = 15,6466
Estnische Krone
1.1.11
Das bekannteste Beispiel einer Währungsunion stellt die EWU dar. Zum 1. Januar 1999 wurden die nationalen Währungen der Teilnehmerstaaten zu Untereinheiten der gemeinsamen Währung, dem Euro. Damit können zwischen dem Euro und den ‚alten‘ Währungen der Euro-Staaten auch keine Wechselkurse bestehen. Vielmehr tauscht die Deutsche Bundesbank auf DM lautende Banknoten und Münzen zum festgelegten Umrechnungsfaktor (1 Euro = 1,95583 DM) zeitlich unbegrenzt in Euro um. Grundlage der EWU ist der Vertrag über die EU von 1992 (‚Maastrichter-Vertrag‘) sowie die ergänzenden Protokolle. In diesen Dokumenten kam es zur Festlegung des Weges von den nationalen zur gemeinsamen Währung. Die konkrete Ausgestaltung erfolgte durch spätere Entscheidungen (Umrechnungsfaktoren, Übergangsregelungen).
130
5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Für die ‚betroffenen‘ Volkswirtschaften der EWU-Staaten haben sich die Rahmenbedingungen durch die Euro-Einführung entscheidend verändert. Die Auswirkungen auf die einzelnen Bereiche der Wirtschaftspolitik waren und sind z. T. erheblich. Zur Vereinfachung der Betrachtung wird hier auf die Entwicklung bis zum Ausbrechen der Finanz- und Wirtschaftskrise eingegangen. Im Zuge der seit 2007 andauernden Krisenentwicklungen und deren Folgen haben sich (natürlich) auch Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik ergeben. Auf diese wird allerdings im separaten Kapitel Internationale Finanzkrisen eingegangen. Hier soll zunächst auf die Grundideen eines einheitlichen Währungsraumes und die daraus abgeleiteten ersten Regelungen im Zuge der Umsetzung der gemeinsamen Währung eingegangen werden: Auswirkungen auf die Geldpolitik Am stärksten sind zunächst die Auswirkungen für die Geldpolitik, weil die nationalen Zentralbanken der Teilnehmerstaaten ihre geldpolitische Entscheidungsgewalt auf den Rat der Europäischen Zentralbank übertragen haben. Damit kann sich die Geldpolitik mit dem größeren Währungsraum nicht mehr an nationalen Besonderheiten ausrichten. Entscheidungen erfolgen vielmehr auf der Grundlage der ökonomischen Situation im gesamten Euro-Raum. Nationale Belange können folglich nur noch insofern Berücksichtigung finden, als sie den europäischen ‚Durchschnitt‘ mitbestimmen. Allerdings wurde der Konjunkturverbund, vor allem zwischen den ‚großen Volkswirtschaften‘ der EWU, bis zum Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 erheblich enger, sodass in den einzelnen Staaten vergleichbare Konjunkturlagen bestanden.78 Ein indirekter gesamtwirtschaftlicher Effekt der EWU war schon vor Beginn der Währungsunion festzustellen: die nationalen Preissteigerungsraten sowie die Kapitalmarktzinsen hatten sich auf niedrigem Niveau angenähert. Auswirkungen auf die Finanzpolitik Die anderen Bereiche der Wirtschaftspolitik sind etwa durch ergänzende Regelungen des Maastrichter-Vertrages, inklusive nachfolgender Vereinbarungen, oder durch die ökonomischen Wirkungen des Euro beeinflusst. Dies gilt auch für die Finanzpolitik. Hier liegen die Verantwortlichkeiten zwar immer noch bei den Nationalstaaten, aber durch die Budgetregeln des Vertrages und des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sind die Spielräume nationaler Finanzpolitik, neben den ökonomischen Zwängen durch eine steigende Zinsbelastung, kleiner geworden – so zumindest die Ursprungsidee des Paktes. Im Verlauf der 90er-Jahre hatte sich in den EU-Staaten bei den Verschuldungskriterien eine Tendenz zur Besserung ergeben. Die Mitglieder der EWU müssen sich zudem an den Grundsätzen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ausrichten. Mit den Budgetregeln und deren Überwachung durch den Ecofin-Rat wurde ein Stück nationaler wirtschaftspolitischer Souveränität an die Gemeinschaftsebene abgegeben.79 Verstärkt werden sollte diese Entwicklung etwa mittelfristig noch durch den Wettbewerb der Steuersysteme innerhalb Europas und langfristig durch die angestrebte Steuerharmonisierung in der Europäischen Union. Insgesamt gesehen war bereits hierdurch die finanzpolitische Autonomie der Staaten der Währungsunion in Zukunft merklich eingeschränkt. Eine eigenständige, ausschließlich
78
Vgl. EZB (1999).
79
Vgl. BHF-Bank (1998).
5.5 (Europäische) Währungsunion
131
national ausgerichtete Finanzpolitik wird unter diesen Rahmenbedingungen immer weniger realisiert werden können. Auswirkungen auf die Lohnpolitik Zwischen den einzelnen Teilnehmerstaaten der EWU bestanden und bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede bei Stand und Entwicklung der Arbeitsproduktivität und anderer Faktoren (z. B. das Ausmaß der Arbeitslosigkeit, die Höhe der Inflation), die für Lohnvereinbarungen herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine einheitliche Lohnpolitik im EWU-Raum wenig hilfreich wäre. So kann etwa nicht die durchschnittliche europäische Produktivität als Maßstab für die Tarifparteien dienen; sie müssen sich vielmehr an der jeweiligen nationalen – oder sogar: regionalen – Produktivität ausrichten. Auch unterschiedliche zyklische Positionen der einzelnen Volkswirtschaften sind in diesem Zusammenhang zu beachten. Kein Staat kann sich den Regeln eines einheitlichen Währungsraums entziehen – der Druck zu einer disziplinierten Lohnpolitik hat sich durch den Euro verstärkt. Die Möglichkeit, zu hohe Tarifabschlüsse durch eine Abwertung der eigenen Währung in ihren negativen Wirkungen auszugleichen oder zumindest abzuschwächen, ist nicht mehr vorhanden. Vielmehr ist der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätzen das Resultat einer solchen Strategie. Das betreffende Land müsste folglich den Schaden seiner verfehlten Tarifpolitik selbst tragen. Seine Partner brauchen hingegen keine negativen Folgen zu befürchten; ihre relative Wettbewerbsposition würde sich sogar verbessern. Auswirkungen auf die Sozialpolitik Eine vergleichbare Argumentation wie bei der Lohnpolitik lässt sich auch für die durch sozialpolitische Regelungen entstehenden Kostenbelastungen des Faktors Arbeit führen. Auch für den Bereich der Sozialpolitik ergeben sich damit Auswirkungen durch die EWU. Dies gilt zum einen indirekt über die Beantwortung der Frage, wie die Geld-, Finanz- und Lohnpolitik unter den veränderten Rahmenbedingungen in den Staaten der EWU insgesamt auf den Arbeitsmarkt – und damit den wichtigsten Parameter eines Sozialstaats – wirkt. Zum anderen sind aber auch direkte Konsequenzen sozialpolitischer Entscheidungen zu beachten, die sich durch den Wegfall der Wechselkurse in ähnlicher Weise wie auch im Bereich der Lohnpolitik unmittelbar am Markt zeigen werden: Werden Unterschiede in den Produktionskosten einzelner Staaten nicht (mehr) durch entsprechende Produktivitätsgewinne gedeckt, kann diese übermäßige heimische Kostenbelastung in einer Währungsunion nicht mehr über eine Abwertung der eigenen Währung ‚finanziert‘ werden. Dieser ökonomische Grundzusammenhang gilt auch für sozialpolitische Entscheidungen der Staaten innerhalb einer Währungsunion. Werden beispielsweise die Sozialversicherungsbeiträge eines Landes erhöht, verändert sich die Wettbewerbsfähigkeit für die heimische Wirtschaft auf den internationalen Märkten, wenn die aus der Beitragssatzanhebung resultierende Kostenbelastung nicht durch andere Maßnahmen kompensiert wird. In der Vergangenheit ist eine solche Kompensation durch eine Abwertung der heimischen Währung möglich gewesen. In einer Währungsunion ist aber ein Ausgleich eines derartigen Kostenunterschiedes durch eine Veränderung des Wechselkurses nicht möglich. Auch die Verteilung des Erfolges oder des Misserfolges der einzelnen Staaten im internationalen Standortwettbewerb verbleibt in nationaler Entscheidung: Produktivitätsgewinne können zu einer Anhebung des Lohnniveaus oder zu einer Verbesserung der Sozialleistungen bzw. der Sozialstandards verwendet werden.
132
5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Die Ausführungen zeigen, dass eine einheitliche Stabilitätskultur der in einem gemeinsamen Währungsraum befindlichen Staaten entscheidend für den Erfolg einer Währungsunion ist. Der Wegfall des nationalen Wechselkursmechanismus verschärft insgesamt die strukturellen Wettbewerbsprobleme von Staaten, die ohne eine vorhergehende Prüfung dieser Stabilität Mitglieder eines solchen Regimes werden. Daher wurden zu Beginn der Europäischen Währungsunion einheitliche Kriterien zur Überprüfung des Stabilitätsstandes festgelegt. Insgesamt gesehen, wurden in den ersten Jahren unmittelbar positive Wachstumseffekte durch die EWU festgestellt. Zwar entstanden zunächst zusätzliche Aufwendungen im Rahmen der Umstellungsarbeiten von den nationalen auf die gemeinsame Währung er, z. B. für neue PC-Programme, Münzapparate, durch die doppelte Preisauszeichnung. Diesen kurzfristigen Belastungen können aber die Verringerung der Transaktionskosten beim Währungsumtausch gegenübergestellt werden. Insbesondere sollte ein intensiverer Wettbewerb durch den Wegfall des Währungsschleiers für eine wirtschaftliche Belebung der beteiligten Volkswirtschaften sorgen. Zudem soll ein dauerhaft niedriges Zinsniveau über eine Belebung der Investitionstätigkeit für zusätzliche Impulse in den Volkswirtschaften sorgen. Dass hierdurch aber ein wesentliches Element für die aktuellen Probleme im Zuge der europäischen Schuldenkrise entstand, wurde damals auch von führenden Wirtschaftsforschern nicht gesehen.
5.6
Braucht man ein Weltwährungssystem?
Die Verschärfungen von Wechselkursschwankungen seit Beginn der 90er-Jahre wegen der Liberalisierung der Kapitalmärkte und durch sich selbst erfüllende Spekulationserwartungen haben die ökonomische Diskussion seitdem beeinflusst: Im Zuge der Finanzkrisen der letzten Jahrzehnte (Mexiko, Asien, Russland, Brasilien, Argentinien, Finanz- und Wirtschaftskrise der Industriestaaten) ist daher auch die Frage nach der Beschränkung der heftigen Wechselkursschwankungen durch eine umfassende Neuordnung der internationalen Währungsbeziehungen häufig diskutiert worden – allerdings eher in wissenschaftlichen Kreisen als in der Wirtschaftspolitik. Eine Ausnahme stellt hier sicherlich die bereits beschriebene Forderung nach der Einrichtung von Wechselkurszielzonen dar, die auch in der Öffentlichkeit zu Debatten führte. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise haben aber supranationale Institutionen wie die UNCTAD oder der IWF die Bedeutung der Wechselkurse und ihre Organisation im globalen Finanzsystem hervorgehoben. Insgesamt bleibt damit die Frage aktuell, ob man ein neues Weltwährungssystem braucht und welche Formen der Zusammenarbeit es zwischen den wichtigen Nationen auf dem Gebiet der Währungen bisher stattfanden. Die Frage nach der Notwendigkeit eines Weltwährungssystems wird in der Literatur kontrovers beurteilt. In der Literatur finden sich immer wieder Forderungen nach neuen Formen der Währungskooperation. Befürworter einer rein marktwirtschaftlich orientierten internationalen Währungsordnung lehnen Eingriffe in die Bildung der Wechselkurse aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ab. Eine solche Position wurde lange Zeit etwa vom IWF vertreten. Andere Beobachter sehen durchaus Handlungsbedarf und lehnen solche Eingriffe nicht kategorisch ab. Hierfür bieten sich verschiedene Varianten an:
5.6 Braucht man ein Weltwährungssystem?
133
Der weitest gehende Vorschlag stellt sicherlich die Einführung einer Weltwährung dar – etwa in Form eines ‚Globo‘. Damit würden Probleme, die durch Wechselkursschwankungen entstehen können beseitigt, gleichzeitig würde aber den Nationalstaaten etwa die Möglichkeit genommen, den Wechselkurs als Mittel einer wohlstandsmehrenden Wirtschaftspolitik einsetzen zu können. Weitere ökonomische Probleme, wie etwa die Übertragung inflationärer Impulse kommen hinzu. Zudem müsste eine globale Zentralbank geschaffen werden und mit einer uneingeschränkten Glaubwürdigkeit verbunden sein, womit sich auch die Frage nach den Regeln für die Steuerung des Geldangebotes stellt. Die Einführung einer solchen Weltwährung ist derzeit politisch nicht durchsetzbar und damit eher in der theoretischen Diskussion verhaftet.80 Eine abgemilderte Variante einer solchen Weltwährung stellt der Ausbau der IWFSonderziehungsrechte zur weltweiten Verrechnungseinheit dar. Ein Vorschlag der vor allem von chinesischer Seite propagiert wird. Erstes Ziel ist es die Vorherrschaft des USDollar als wichtigste Reservewährung zu brechen, die seit der Konferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 besteht. Als Alternative zur US-amerikanischen Währung sollen die Sonderziehungsrechte dienen. Fraglich ist, ob eine solche Kunstwährung akzeptiert würde und mehr Stabilität brächte, schließlich stellen die Sonderziehungsrechte bisher keine Währung dar, sondern dienen lediglich zur Umrechnung von Kreditlinien der Staaten. Zudem müsste die Liquidität der Sonderziehungsrechte erheblich ausgeweitet werden, die dann auch für den privaten Sektor ausreichend ist. Die Umsetzbarkeit dieser Idee dürfte daher eher schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein. Zudem dürfte der wichtigste Anteilseigner – eben die USA – kein Interesse an der Verwirklichung dieses Vorschlages haben. Eine weitere Möglichkeit stellt die intensivere Zusammenarbeit der wichtigen TriadeStaaten (USA, EU-Staaten, Japan) in Form von Währungskooperationen dar. Eine Ergänzung würde eine solche Zusammenarbeit in regionalen Kooperationen, bis zu regionalen Gemeinschaftswährungen, zwischen kleineren Staaten finden, die einen Großteil ihres Außenhandels miteinander abwickeln.81 Durch die steigenden Handelsverflechtungen in einer Währung nimmt die Anfälligkeit der beteiligten Länder gegenüber exogenen Schocks ab. Die temporäre Zusammenarbeit zwischen wichtigen Währungen wurde bereits in der Vergangenheit verwirklicht. Neben dem System von Bretton-Woods, mit der Verpflichtung der beteiligten Notenbanken (außer der US-amerikanischen), die Wechselkurse ihrer Währungen innerhalb einer Bandbreite von einem Prozent zur Dollarparität zu halten, wird bei der Diskussion währungspolitischer Kooperationen zum einen auf das Plaza-Abkommen und zum anderen auf den Louvre-Akkord abgestellt. Plaza-Abkommen (1985) Die ökonomische Ausgangslage im Verlauf des Jahres 1985 war durch einen hohen Wechselkurs (hoher Außenwert) des US-Dollar gekennzeichnet. Die Folgen waren: 80
Vgl. zu Überlegungen einer Weltwährung etwa Shams, R. (2002). Eher von den Medien aufgegriffen wurde die Idee einer solchen Währung im Zusammenhang mit der Bargeldeinführung des Euro: Hickel, R. (2001); Heinemann, F. (2001).
81
Vgl. für einen solchen Vorschlag Krupp, H.-J., J. Eckhoff (1999), S. 35ff; sowie Luchtmeier, H. (2001b).
134
5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
für die USA: Beeinträchtigung der US-amerikanischen Wettbewerbsfähigkeit (Export), für andere Staaten: Inflationsimport wegen permanenter Abwertung der eigenen Währung gegenüber dem US-Dollar (Inflation; dies führte zu einem Zinsanstieg im Inland negative Auswirkungen auf die Konjunktur). Mit dem Abkommen im New Yorker Hotel Plaza vom 22. September 1985 wurde eine Abwertung des US-Dollar vereinbart. Ziel war die Verbesserung der Wirtschaftssituation für alle Beteiligten. Dies wurde mit dem konzertierten Verkauf von US-Dollar (23. September 1985 – 8. November 1985: 12,8 Mrd. US-Dollar) durch mehrere Zentralbanken erreicht. Der USDollar wertete sich daraufhin deutlich ab.82 Louvre-Akkord (1987) Im Zuge des starken Kursverlustes des US-Dollar durch die Interventionen im Rahmen des Plaza-Abkommens und der folgenden Marktbewegungen von Ende 1985 und Anfang 1987 entstanden für die anderen Industriestaaten wiederum Probleme (Exportschwäche). Zugleich erhöhte sich für die US-amerikanische Volkswirtschaft das abwertungsbedingte Inflationsrisiko. Als Gegenbewegung vereinbarten die Finanzminister und Notenbankchefs wichtiger Industriestaaten koordinierte Stützungskäufe zu Gunsten des US-Dollar.83 Abbildung 5.2 Entwicklung des US-Dollar 1972-2002
82
Vgl. auch Deutsche Bundesbank (1986), S. 68ff.
83
Beteiligt waren die USA, Deutschland, Japan, Großbritannien, Frankreich und Kanada, weitere Staaten schlossen sich an, etwa um ihre Dollarreserven zu erhöhen. Über die Größenordnung der Devisenmarktinterventionen sind keine genauen Angaben verfügbar. Die Weltwährungsreserven stiegen allerdings im Jahre 1987 um 150 Mrd. US-Dollar. Vgl. Deutsche Bundesbank (1988), S. 58ff.
5.6 Braucht man ein Weltwährungssystem?
135
Abb. 5.2 zeigt, dass die Erfolge beider Abkommen teilweise überschätzt werden. So setzte bereits im Februar 1985 die Abschwächung des Außenwertes des US-Dollar gegenüber der DM ein, die Maßnahmen des Plaza-Abkommens haben diese Abwärtsbewegung allenfalls unterstützt. Die Stützungskäufe des Louvre-Akkords haben diese Bewegung nur temporär stoppen können. Unter starken Schwankungen setzte der US-Dollar seinen Abwärtstrend weiter fort. Solche Kooperationen waren in der Vergangenheit daher nur zeitweise erfolgreich. Zudem scheinen sie politisch überhaupt nur durchführbar, wenn alle Beteiligten Vorteile aus einer solchen Zusammenarbeit gewinnen. Eine solche Situation lag etwa bei der konzertierten Zinsaktion zur Stützung der Weltwirtschaft im Gefolge der ökonomischen Auswirkungen der Terroranschläge des 11. Septembers 2001 oder bei den ersten Bemühungen zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise vor. 84 Zumindest auf regionaler Ebene haben die Vorteile einer gemeinsamen Währung zu weiteren Überlegungen über die Einführung regionaler Gemeinschaftswährungen geführt. So wird in Südamerika und in Teilen Asiens über regionale Währungsverbünde nachgedacht. Einen konkreten Beschluss zur Realisierung einer gemeinsamen Währung haben zwar bereits einige arabische Staaten herbeigeführt. Die konkrete Umsetzung scheitert bisher allerdings an nationalen Egoismen. Zentrale Bedeutung für die mittelfristige Entwicklung des Währungsgefüges wird aber die weitere Rolle des US-Dollar haben. Die Einbindung der US-amerikanischen Währung in ein umfassendes supranationales Wechselkursgefüge zur bewussten Steuerung und letztendlichem Abbau der globalen Ungleichgewichte dürfte sich als eher schwierig erweisen. Der Abbau des Handelsbilanz- und damit des Leistungsbilanzdefizits der USA dürfte nur dann ohne schwerwiegende ökonomische Konsequenzen für die Weltwirtschaft durchführbar sein, wenn deren Haupthandelspartner eine moderate, aber für einen mittelfristigen Zeitraum kontinuierliche Aufwertung der eigenen Währung zulassen. Dies betrifft vor allem den Abbau des Leistungsbilanzdefizits mit China, da hier der bilaterale Passivsaldo der USA das größte Einzeldefizit mit einem anderen Staat aufweist. Die Aufwertung der chinesischen Währung seit der formalen Auflösung der Wechselkursanbindung an den US-Dollar (Juli 2005) hat sich bisher als noch nicht ausreichend erwiesen. Und wie sieht die (nähere) Zukunft der internationalen Währungsordnung aus? Derzeit gibt es eine deutliche Bewegung in Richtung eines bipolaren Weltwährungssystems (US-Dollar; Euro), was in Zukunft – bei freier Konvertibilität – sicher durch ein erheblich stärkeres Gewicht des Renminbi ergänzt werden wird. Zwischen diesen Währungen wird es weiterhin flexible Wechselkurse geben bzw. in Zukunft ergänzt um die chinesische Währung geben müssen – mit wohl ‚gelegentlichen‘ Eingriffen im Sinne eines schmutzigen Floatings. Für den ‚Rest der Welt‘ bieten sich unter diesem Szenario regionale Kooperationen etwa in Form von regionalen Gemeinschaftswährungen an; kleinteilige Lösungen werden eher Nach- als Vorteile haben. Solche Kooperationen können durch eine koordinierte Wechselkurspolitik erfolgen, wie sie zwischen einigen Staaten Südostasiens ansatzweise bereits erfolgt. War 84
Vgl. Einecke, H. (2001).
136
5 Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
zunächst an die Einführung einer gemeinsamen Währung bis 2020 gedacht, hat die Krise in der Eurozone diesen Ansatz in den Hintergrund gedrängt. Vielmehr sollen die nationalen Währungen bestehen bleiben, aber untereinander – im Sinne der Regelungen des alten EWS – koordiniert werden. Hierzu gehören neben den multilateralen Währungsabkommen auch gemeinsame Fachgremien zur Beobachtung der nationalen Wirtschaftspolitik und die regionale Integration der lokalen Anleihemärkte, wie sie von der Asiatischen Entwicklungsbank organisiert wird. Auch in anderen Regionen gab und gibt es Pläne bzw. Absichtserklärungen zur Einführung neuer Währungsräume (Golfstaaten; Südamerika), die sich aber bisher nicht erfolgreich umsetzen ließen. In Teilen Afrikas existieren dagegen schon zwei Währungsunionen: die westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) und die zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft (CEMAC), die aber nur durch die Stützung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich bestehen können. Eine umfassende Währungsunion für die Staaten Afrikas ist auf absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Wichtig für die Entwicklung der Internationalen Währungsordnung wird die Rolle der chinesischen Währung sein. China hatte in den ersten Jahren seiner stürmischen Wirtschaftsentwicklung seine Währung vollständig von Markteinflüssen abgeschottet. Dadurch wurde die aus den Fundamentalfaktoren abzuleitende Aufwertung vermieden und die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Billigprodukte zusätzlich über den zu niedrigen Preis der Währung für den Export gefördert. Inzwischen mehren sich die Anzeichen dass es sowohl bei dem Warenexport (weg von den Billig- und hin zu höherwertigen Produkten) als auch bei der Währungsfrage zu Änderungen in der chinesischen Wirtschaftspolitik kommt. Als Teil dieser Strategie soll der Renminbi als bedeutender Bestandteil des internationalen Währungsgefüges aufgebaut werden. Zwar wird bisher die internationale Verwendung der eigenen Währung durch die chinesische Regierung stark reglementiert, es gibt aber Anzeichen der Lockerung. So wird die Fakturierung und Abwicklung im Außenhandel über Renminbi erleichtert und über bilaterale Swap-Abkommen unterstützt (dabei werden Renminbi gegen lokale Währungen getauscht). Zudem wurden Anleihen in der chinesischen Währung, z. B. durch die Weltbank und über Hongkong (seit 2007) begeben. Und seit Anfang 2011 können sogar Einlagekonten bei der New Yorker Niederlassung der Bank of China unterhalten werden. Damit ist der Renminbi auf dem Weg zu einer starken Regionalwährung. Für eine international anerkannte Reservewährung sind allerdings der Abbau der Kapitalverkehrskontrollen und eine (zumindest anscheinende) freie Konvertibilität notwendig (zur Entwicklung der chinesischen Währungspolitik im Vergleich zu den USA, vgl. auch Kap. 6.1).
5.7
Literatur
Im Bereich der Lehrbücher eignen sich zur Vertiefung: Görgens, E., K. Ruckriegel, F. Seitz (2008); Krugman, P., M. Obstfeld (2009), Kapitel 18. Das internationale Währungssystem; Pohl, R. (1993), Kapitel VI. Die internationale Währungsordnung; Sperber, H., J. Sprink (2007), Kapitel 3. Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Währungssystemen; Tomann, H. (1997), Kapitel 13. Theorie des optimalen Währungsraumes.
5.7 Literatur
137
Als Beiträge zu Teilfragestellungen sind zu empfehlen: Bundesverband deutscher Banken (1999), (Kapitel 4. Wechselkurssystem und internationale Währungskooperation, S. 22-28); Döhler, E., M. Resinek (2003), Freytag, A. (1999); Jochimsen, R. (2000); Kreile, M. (2000); Krüger, A. (2000), verschiedene Kapitel, S. 29-32, 127-145; Meyer, D. (2009); Sell, F., B. Sauer (2010), Speyer, B. (1998).
6
Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
Die Internationalisierung der Wirtschaft hat, wie gezeigt wurde, vielfältige Erscheinungsformen. Die Veränderungen der realen und monetären Rahmenbedingungen sind wichtige Entscheidungsparameter für den Nationalstaat. Der weltweite Wettbewerb zwischen Unternehmen, Produktionsfaktoren und Standorten stellt die nationale Wirtschaftspolitik damit vor neue Herausforderungen. Inwieweit die Handlungsmöglichkeiten des Staates durch die Globalisierung eingeschränkt werden, ist allerdings strittig. So geht etwa Koch davon aus, dass die zunehmende Internationalisierung der Volkswirtschaften den „Nationalstaaten nur eine weltmarktkonforme Wirtschaftspolitik“85 erlaubt. Die These vom Autonomieverlust der Nationalstaaten ist ein wichtiger Bestandteil der Globalisierungsdebatte. Unter dem Stichwort ‚Global Governance‘ wird daher der Frage nachgegangen, wie die zunehmende internationale Verflechtung „politisch so gestaltet werden kann, dass deren Risiken minimiert und Chancen optimiert sowie existierende Fehlentwicklungen korrigiert werden können.“86 Besonders nichtstaatliche Organisationen, aber auch einzelne Persönlichkeiten haben in den letzten Jahren zu einer kritischen Würdigung dieses Prozesses aufgerufen. Hierzu wird im Schlusskapitel noch ansatzweise eingegangen. Eine solche Würdigung lässt sich durch eine Analyse der Auswirkungen auf die einzelnen Politikbereiche wissenschaftlich untermauern, die aber unterschiedlich weit gefasst werden kann. So werden vor allem unter politischen und soziologischen Gesichtspunkten die Folgen der Globalisierung z. T. sehr kritisch beurteilt.87 Unter ökonomischen Gesichtspunkten soll hier die Wirkungsanalyse des Globalisierungsprozesses auf die vier zentralen Bereiche der Wirtschaftspolitik konzentriert werden – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten können sich Auswirkungen aber auch auf angrenzende Bereiche ergeben, etwa bei der Forschungs- und Technologiepolitik. Vor allem gilt dies unter dem Aspekt der technologischen Wettbewerbsfähigkeit einer modernen Volkswirtschaft:
85
Koch, E. (2000), S. 113.
86
Deutscher Bundestag (2001), S. 105.
87
Vgl. etwa Beck, U. (1997).
140
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
die Geldpolitik (mit Währungspolitik), die Finanzpolitik (mit Steuerpolitik), die Lohnpolitik (mit Arbeitsmarkt), die Sozialpolitik.
Zudem werden einführende Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Globalisierung und Umweltpolitik vorgestellt. Schwierigkeiten bei einer solchen Analyse bereitet die genaue Zuordnung von Ursache und Wirkung, da sich in volkswirtschaftlichen Abläufen eher selten monokausale Beziehungsgeflechte zeigen. Dies gilt auch für die Folgen der Globalisierung. Die Globalisierung legt aber, wie der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank Hans Tietmeyer ausführte, die internen Schwächen einer Gesellschaft „doch schneller und konsequenter offen und drängt damit verstärkt auf eine Korrektur.“88
6.1
Geld- und Währungspolitik
Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Einflüsse grenzüberschreitender Prozesse auf die nationalen Geld- und Währungspolitiken eindrucksvoll gezeigt. Es wurde dabei deutlich, dass selbst größere Staaten/Regionen, etwa die USA oder der Euro-Raum, unter dem Eindruck weltweiter Kapitalströme eine Zusammenarbeit mit anderen Staaten benötigen. Hierzu wird in Kapitel 8 noch gesondert eingegangen. Um wie viel mehr ist aber die Geldund Währungspolitik kleiner und mittlerer Staaten von solchen Entwicklung abhängig? Die Auswirkungen sind z. T. so erheblich, dass eine nationale Politik in diesem Bereich nicht mehr möglich ist. Dies gilt auch in historischer Sichtweise, wie die Auswirkungen zahlreicher Finanzkrisen, etwa am Beispiel des argentinischen Currency Boards und seiner Folgen für den Staat und seine Bevölkerung, gezeigt haben. Solche zunehmenden Internationalisierungstendenzen verändern die Wirtschaftspolitik der betroffenen Staaten. Die Einflüsse sind dabei vielfältig, Der internationale Zinszusammenhang wurde bereits in Kapitel 1 aufgezeigt. Weitere Beispiele solcher möglicher Einflüsse auf die nationale Geld- und Währungspolitik können dabei sein: Die Notwendigkeit, verstärkt grenzüberschreitende Gütermarkttransaktionen bei der Entwicklung der Geldmenge (= steigender Bedarf) einzuplanen. Dabei ist jeweils zu berücksichtigen, ob eine ‚Verpflichtung‘ der Notenbank besteht, eine solche Entwicklung etwa im Rahmen eines Festkurssystems zu unterstützen. Am direktesten sind die Auswirkungen im Rahmen bestimmter Wechselkurssysteme (Currency Board, Dollarisierung/ Euroisierung) oder bei der Unterordnung unter ein Wechselkursziel, wie es in einigen Staaten des EWS praktiziert wurde (z. B. mit der Orientierung der österreichischen Zentralbank an der Politik der Deutschen Bundesbank). Die Entwicklung der Weltgeldmenge und deren Einfluss auf die Preisentwicklung – unter nationaler Sicht, aber auch für das internationale Preisklima. Nach Berechnungen der
88
Tietmeyer, H. (1998).
6.1 Geld- und Währungspolitik
141
Bank UniCredit hat sich die weltweite Geldmenge seit 1980 mehr als verzehnfacht, während die globale Güterproduktion nur um den Faktor sechs gestiegen ist.89 Mithin resultiert daraus eine Überschussliquidität, die entweder direkt zu inflationären Prozessen bei Waren und Dienstleistungen führen kann oder – wie in der jüngsten Vergangenheit eher geschehen – die vielfältigen Vermögenspreise treibt. Im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte ist die empirische Bestimmung der relevanten Geldmenge auch durch den Einfluss neuer Finanzmarktinstrumente und durch sich verändernde Verhaltensweisen (z. B. eine größere Kurzfristorientierung bei Devisengeschäften) schwieriger geworden. Bereits 1997 schrieb Krupp: „Mit den heutigen Finanzinstrumenten ist es keine Schwierigkeit, in kürzester Zeit zwischen Geld und Geldkapital zu wechseln. Die Folgen sind eine kurzfristig stark schwankende Geldkapitalbildung und kräftige Ausschläge in der Geldmengenentwicklung, wie sie seit Anfang der 90er-Jahre zu beobachten sind. Die Grenzen zwischen Geld und Geldkapital haben sich zunehmend verwischt, sodass die laufende Geldmengenentwicklung dem Geldpolitiker, der ja kurzfristig zu entscheiden hat, immer weniger Orientierung bietet.“90 Der Abfluss von Geld (Geldmenge) einer als stabil geltenden und international gehandelten Währung in andere Staaten; so wurde früher die DM in zahlreichen Balkan-Staaten inoffiziell oder offiziell (Montenegro) als zusätzliche oder Ersatzwährung verwendet. Nach einer Schätzung der Deutschen Bundesbank befanden sich in den 90er-Jahren insgesamt etwa 30-40% des alten DM-Bargeldumlaufes außerhalb des Bankensystems im Ausland.91 Nach der Euro Einführung kam wegen des größeren Währungsraums für Investoren auch der Aspekt der attraktiven Reservewährung hinzu. Es ist davon auszugehen, dass Marktteilnehmer, die vorher nichteuropäische Reservewährungen nutzten, nunmehr den Euro bevorzugen. Die Banknotennachfrage aus Ländern außerhalb des Euro-Raums bis zum Ende des Jahres 2008 könnte nach Schätzungen der Deutschen Bundesbank auf eine Bandbreite von 25% bis 35% des in Deutschland ausgegebenen Banknotenvolumens angestiegen sein, während die EZB Ende 2007 den Auslandsumlauf des Banknoten-Nettoemissionsvolumens des Eurosystems insgesamt auf einen Wert zwischen 10% und 20% geschätzt.92 Aktueller zeigen sich Auslandseinflüsse auf die EWU-Geldmenge durch die rasche Zunahme von Gebietsfremden gehaltenen Geldmarktfonds, Geldmarktpapiere und kurzfristige Schuldverschreibungen. Dies führt zu einer Verzerrung der Geldmenge M3 nach oben. Diese Teile werden von der EZB daher aus der Geldmenge seit Oktober 2001 heraus gerechnet. „Durch diese Bereinigung entspricht die Abgrenzung von M3 eher der konzeptionellen Definition dieser Geldmenge, nach der nur die von Ansässigen im EuroWährungsgebiet gehaltenen Geldbestände einbezogen werden sollten, da nur sie eng mit der mittelfristigen Preisentwicklung im Euroraum in Verbindung stehen.“93
89
Vgl. Angaben in: O.V. (2011).
90
Krupp, H.-J. (1997), S. 14.
91
Vgl. Seitz, F. (1995).
92
Vgl. Deutsche Bundesbank (2009).
93
EZB (2001), S. 9.
142
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
Beeinträchtigungen in der Gestaltung der Zinspolitik. Der Einfluss globaler Faktoren auf Vermögenspreise und Renditen verschiedener Anlageformen ist größer geworden. Damit wird es den national orientierten Zentralbanken erschwert, über den Einsatz der geldpolitischen Instrumente die Höhe der wichtigen langfristigen Marktzinsen zu gestalten. Daher waren in einzelnen Währungsräumen anhaltend niedrige Langfristzinsen bei gleichzeitig steigenden Leitzinsen zu beobachten. So wurde Mitte des letzten Jahrzehnts eine globale Sparwelle für niedrige Zinssätze in einigen Staaten verantwortlich gemacht. Auf Grund der Probleme bei der Geldmengensteuerung hat eine Reihe von Zentralbanken daher auch die Geldmengenpolitik als (alleinige) Zielvorstellung aufgegeben. Die EZB als vergleichsweise junge Zentralbank verfolgt eine Zwei-Säulen-Strategie: Neben der Geldmenge wurde ein Multi-Indikatoren-Ansatz als Bestandteil ihrer Zwei-Säulen-Strategie eingeführt. Dieser umfasst die Beobachtung einer breiten Palette von Wirtschaftsindikatoren (z. B. Anleihekurse, Indikatoren der realen Wirtschaftstätigkeit), die eine Vorlaufseigenschaft gegenüber der zukünftigen Preisentwicklung besitzen. Aber auch diese Indikatoren stehen unter dem Einfluss internationaler Verflechtungen. Von veränderten außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gehen auch direkte Einflüsse auf das geldpolitische Endziel ‚der Preisstabilität‘ aus. So können von einer größeren Außenhandelsabhängigkeit eines Staates über die Importpreise stärkere preistreibende- oder preisdämpfende Einflüsse auf die Verbraucherpreise ausgehen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Neben Wechselkursschwankungen94 sind hier Veränderungen bei den Preisen für Vorprodukte und bei Rohstoffen zu nennen. Für Deutschland gingen kräftige Steigerungen auf die Inlandspreise etwa von den beiden Ölpreisschocks 1973/1974 und 1979-1981, die auch wirtschaftliche Rezessionen nach sich zogen. Auch der Preisanstieg zwischen Anfang 1999 und der Jahresmitte 2000 hatte seine Ursache im Wesentlichen in stark anziehenden Preisen für den Import von Rohöl, wobei weniger die Veränderung des Wechselkurses eine Rolle spielte. Vielmehr war zu etwa drei Viertel der Preisanstieg für Rohöl auf den internationalen Märkten verantwortlich. Entlastend auf das inländische Preisklima wirkte sich dagegen der Verfall der Preise auf den internationalen Rohölmärkten in den Jahren 1985/1986 aus. Dieser preissenkende Effekt trug maßgeblich dazu bei, dass 1986 zum ersten Mal nach dem Ende des 2. Weltkrieges in Deutschland eine negative Inflationsrate für ein ganzes Jahr (-0,1%) erreicht wurde. Aber auch über die Exportseite gehen Einflüsse auf das Preisklima im Inland aus. Eine Mehr-/Mindernachfrage des Auslands nach einheimischen Gütern kann einen preiserhöhenden/preissenkenden Effekt für diese Güter im Inland haben. Globale Nachfrage- und Angebotsschocks tragen damit signifikant zur Erklärung der inländischen Inflationsrate bei. Diese Effekte haben sich durch die zunehmende Internationalisierung der Volkswirtschaften in den letzten beiden Jahrzehnten noch verstärkt. So wird der weltweite Rückgang der Infla-
94
So bewirkt eine ´Straffung der Geldpolitik´ (vergleichsweise höheres Zinsniveau, bei moderaten Preissteigerungsraten = hoher Realzins) bei offenen Finanzmärkten einen Kapitalzustrom und „damit tendenziell eine Aufwertung der heimischen Währung. Der potenzielle Zielkonflikt zwischen festen Wechselkursen und unabhängiger Geldpolitik nimmt zu.“ Deutsche Bundesbank (2001b), S. 27.
6.1 Geld- und Währungspolitik
143
tionsraten im Zeitraum zwischen 1994/1994 und 2005 auch dem Wirken der Globalisierung zugeschrieben. Abbildung 6.1 Entwicklung der Inflation weltweit und in den Industrieländern
Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2006), S. 180.
Ansatzpunkte für die Auswirkungen der Globalisierung für diese Verbesserung des Preisklimas können sein: Die Intensivierung des Wettbewerbs und eine Erhöhung der Preisflexibilität durch eine zunehmende Anzahl von Anbietern. Vor allem die zunehmende Integration von Staaten mit deutlich niedrigeren Produktionskosten in den Prozess der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung hat Auswirkungen auf das Preisklima gehabt. So haben Billigimporte aus Asien in der jüngeren Vergangenheit zu niedrigen Preissteigerungsraten in den Industriestaaten beigetragen und damit die Kaufkraft für die dortige Bevölkerung stabilisiert oder sogar erhöht. Dabei kann die Übertragung zum einen indirekt über billige Rohstoffe und Vorprodukte und die dadurch rückläufigen Erzeugerpreise erfolgen, zum anderen direkt über den Import von Endprodukten für den heimischen Markt. Eine Verschiebung des beobachteten Transmissionsmechanismus – Abkehr von der inländischen Kapazitätsauslastung und Orientierung an einer globalen Kapazitätsauslastung. Ursache hierfür ist eine zunehmende Tätigkeit von Unternehmen auf internationalen Märkten, wodurch der Preis- und Lohndruck auf die heimische Volkswirtschaft übertragen wird. Über einen langsameren Anstieg der Löhne kommt es so zu einem moderateren Verlauf der Inflationsentwicklung.
144
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
Solange in Entwicklungs- und Schwellenländern die Produktion stärker zunimmt als die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen, entsteht (quasi automatisch) tendenziell ein Druck auf die Preise auf den Weltmärkten. Ein weiterer möglicher Einflusskanal ist, dass die Globalisierung selbst die Ausrichtung der Zentralbanken auf Preisstabilität prägt und deren Stabilitätsbewusstsein mit steigendem Offenheitsgrad zunimmt. Etwa, weil die gestiegene Kapitalmobilität den Anreiz zu geldpolitischer Disziplin verstärkt. Die Globalisierung des Kapitalverkehrs und das damit verbundene Abwertungsrisiko (mit den entsprechenden Inflationsrisiken) tragen zum Streben nach einer glaubwürdigen Geld- und Währungspolitik bei. Dämpfung der Inflationserwartungen und damit auch der tatsächlichen Preisentwicklung. Wirtschaftssubjekte könnten die preis- und lohndämpfenden Effekte der Globalisierung erkennen und so mit einer niedrigen Inflation rechnen. Daraus würde die Notwendigkeit eines Inflationsausgleichs etwa bei Lohnverhandlungen entfallen. Tabelle 6.1 Entwicklung von Preisen für Metalle seit 2007
Entwicklung von Preisen für Metalle seit 2007 Metall
2007
2008
2009
2010
Kupfer
6.676
2.902
7.346
9.734
Nickel
25.805
10.810
18.480
24.960
Blei
2.532
949
2.395
2.587
Zinn
16.380
10.355
16.725
26.945
Zinc
2.290
1.120
2.570
2.432
Angaben in US-Dollar/Tonne; Stand jeweils 31.12. Quelle: www.kme.com/de/service/metallpreise
Empirische Untersuchungen zwischen dem Globalisierungsgrad und der Inflationsrate eines Staates sowie die Auswertung der vorhandenen Sekundärliteratur legen den vorsichtigen Schluss nahe, dass die Globalisierung dämpfende und damit positive Effekte auf die Preisentwicklung eines Landes hat.95 Für die traditionellen Industriestaaten insgesamt kommt der IWF zu ähnlichen Ergebnissen für die Vergangenheit.96 Allerdings zeigen die preistreibenden Effekte von Rohstoffverteuerungen auf den Weltmärkten und deren Auswirkungen auf die nationalen Verbraucherpreisindizes, „dass die Gesamtwirkung der stärkeren Marktintegration auf die Verbraucherpreise in den Industrieländern dem Vorzeichen nach zunächst unbestimmt ist.“97 Der Netto-Effekt der Globalisierung auf das zukünftige weltweite Preisklima ist damit 95
Vgl. die Ergebnisse in: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (2008), S. 62ff.
96
Vgl. IMF (2006), S. 97–134.
97
Deutsche Bundesbank (2007), S. 19.
6.1 Geld- und Währungspolitik
145
nicht abschätzbar. Preisschübe bei wichtigen Rohstoffen auch außerhalb des Energiebereiches werden in Zukunft die Stabilität des Preisniveaus wahrscheinlich nachhaltig eintrüben (Tab. 6.1). Ein weiterer Globalisierungseffekt auf die Preisentwicklung ist in den letzten Jahren bei Rohstoffen und Nahrungsmittelrohstoffen festzustellen. Vor allem die Verteuerung von Lebensmitteln ist emotional belegt. Nur unterbrochen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise findet hier seit einigen Jahren ein kontinuierlicher Preisanstieg statt. Ein Preisanstieg auf den Agrarmärkten führt tendenziell zu einer Schwächung der Akzeptanz nationaler Wirtschaftspolitik in der Bevölkerung und stellt über den Verlust an Kaufkraft eine Bedrohung für das globale Wachstum und die soziale Stabilität dar. Dabei muss zwischen kurz- und langfristigen Ursachen solcher Preisbewegungen unterschieden werden. So rechnen etwa wetterbedingte Ernteausfälle und Naturkatastrophen zu den kurzfristigen Treibern von Preiserhöhungen bei Lebensmitteln. Dagegen zählen strukturelle Ursachen zu den Effekten, die unter Globalisierungsbegründungen zu subsumieren sind und die vor allem die Nachfrageseite betreffen – z. B.: die subventionierte Produktion von Biokraftstoffen für die entwickelten Staaten und die dadurch in die Höhe getriebenen Nahrungsmittelpreise; ein Effekt, der bei einem weltweiten Konjunkturaufschwung und höherem Energieverbrauch eher noch zunehmen wird die Zunahme des Lebensstandards in weiten Teilen der Welt – vor allem in den Schwellenländern – und die damit verbundene Nachfrage nach ‚höherwertigen‘, in anderen Ländern produzierte Nahrungsmittel; Veränderungen von Ernährungsgewohnheiten in weiten Bevölkerungskreisen der Schwellenländer (höherer Fleischkonsum) führen zu einer höheren Nachfrage nach Futtermitteln (Getreide) der allgemeine Anstieg der Weltbevölkerung, der insgesamt zu einer höheren Nachfrage nach Gütern des Grundbedarfes führt spekulative Übertreibungen, die auf ein zunehmendes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage setzen und so die bereits anziehenden Nahrungsmittelpreise noch weiter nach oben treiben; protektionistische Maßnahmen verschärfen solche Übertreibungseffekt zusätzlich Hinzu kommt, dass der Preistransmissionsmechanismus zwischen internationalen und lokalen Märkten noch nicht vollständig darstellbar ist. Vielmehr ist er etwa abhängig von Handelsvolumina, Wechselkursen, Transportkosten und ist inklusive der beschriebenen Angebotsverknappungen noch nicht vollständig erforscht. Die Betroffenheit steigender Lebensmittelpreise ist besonders in Entwicklungs- und Schwellenländer ausgeprägt und hat zum Ausbruch sozialer Unruhen Anfang 2011 im arabischen Raum wesentlich beigetragen. In diesen Staaten ist der Anteil der Nahrungsmittelausgaben an den Gesamtausgaben großer Teile der Bevölkerung vergleichsweise hoch. Die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise sind dort damit besonders ausgeprägt. Aber nicht nur die Ursachen, sondern auch die Lösungsmöglichkeiten solcher Preissteigerungen lassen sich über einen globalen Ansatz erschließen. So könnten die G20-Staaten koordinierte Maßnahmen ergreifen – wie z. B. „die Bereitstellung lokaler strategischer Reserven, die Unterstützung von Kleinbauern, die Verbesserung des Zugangs zu wichtigen Daten
146
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
(wie die quantitative Erfassung von Getreidevorräten oder Wettervorhersagen) oder die Weiterentwicklung von Risikomanagementinstrumenten, einschließlich marktbasierter Produkte.“98 Auch der private Sektor muss in ein solches Maßnahmenpaket eingebaut werden, etwa über die Integration der Kleinbauern in die globale Nahrungslieferkette. Für die Verantwortlichen der Geldpolitik stellt sich die Frage, inwieweit sie die intensiveren internationalen Verflechtungen und deren Auswirkungen auf die inländischen Preise in geldpolitische Entscheidungen einfließen lassen. Dabei geht es nicht nur um die Höhe des Einflusses, sondern auch um die Dauerhaftigkeit preisrelevanter Effekte. Ob etwa bei einem kurzfristigen Anstieg des Rohölpreises und den dadurch ausgelösten Inflationstendenzen eine Erhöhung der Leitzinsen angebracht ist, ist strittig. Selbst wenn es sich hier zunächst nur um kurzfristige Einflüsse handelt, lassen sich über Zweitrundeneffekte Risiken für die Preisstabilität ableiten. Unter Zweitrundeneffekten versteht man den Einbezug der hierdurch verursachten höheren Inflationsrate in die Lohnforderungen der Gewerkschaften. Aus der Weitergabe höherer Lohnabschlüsse der Unternehmen an die Konsumenten kann so längerfristig eine Gefährdung der Geldwertstabilität resultieren Führt der Prozess der Globalisierung dagegen tatsächlich zu einer tendenziell niedrigeren Inflationsrate, kann die Geldpolitik ihr Instrumentarium wesentlich weniger restriktiv einsetzen, um das gesetzte Inflationsziel zu erreichen. Die nationale Geld- und Währungspolitik hat allerdings erhebliche Auswirkungen auf die Stellung eines Staates im internationalen Standortwettbewerb. Eine stabilitätsorientierte Politik der Zentralbank bewirkt z. B., dass die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft durch Inflation nicht beeinträchtigt wird. Die Feinsteuerung nationaler Geld- und Währungspolitik ist unter den Bedingungen einer zunehmenden internationalen Verflechtung allerdings schwieriger geworden. So hat das nationale Zinsniveau unterschiedlichen Ansprüchen zu genügen: Zum einen soll es günstige Refinanzierungskosten und damit Investitionen ermöglichen, zum anderen muss es so hoch sein, dass zwar benötigtes ausländisches Kapital Anlagebereitschaft zeigt, aber ein zu starker Zustrom vermieden wird. Weitere Beeinflussungen finden durch die Finanzmärkte statt, wie der bereits dargestellte Zinszusammenhang zwischen den USA und Deutschland bzw. dem Euro-Raum gezeigt hat (vgl. Kapitel 1.3.2 ‚Kapital- und Finanzmärkte‘). Eine national gestaltbare Zinspolitik wird auch hierdurch erschwert.99 Auswirkungen gehen auch von der Wechselkursentwicklung aus. Die Auf- oder Abwertung einer großen Währung führt zu Auswirkungen auch auf andere Währungen, sodass nationale Zins- oder Wechselkursreaktionen erforderlich sind, die von der inländischen Konjunkturund Preissituation möglicherweise gar nicht erwünscht sind. Besondere Probleme bestehen bei hoch volatilen und/oder spekulativen Währungsbewegungen. So haben das Platzen der Spekulationsblasen (sog. Bubbles-Economy, z. B. in Japan Ende der 80er-Jahre) oder die
98
Schaffnit-Chatterjee, C. (2011).
99
Bei einer tiefergehenden Analyse ist zwischen den kurzfristigen Geldmarktzinsen und dem Kapitalmarkt zu unterscheiden. So konnte in der Vergangenheit bei den Geldmarktzinsen anderer wichtiger Währungen, wie etwa der DM, zeitweise von den Entwicklungen in den USA abgewichen werden. Auf dem langfristigen Kapitalmarkt bestimmen auch die Bonität des Schuldners und Wechselkurserwartungen die Zu- oder Abschläge gegenüber dem US-Kapitalmarktzins. Damit sind die nationalen Kapital- und Finanzmärkte „im Urteil der Akteure keine perfekten Substitute.“ Vgl. Krupp, H.-J. (1997), S. 9; Kremer, M. (1999).
6.1 Geld- und Währungspolitik
147
Spekulationswellen während der Asienkrise zu Kurszusammenbrüchen auf den Aktienmärkten geführt. Nach dem Zusammenbruch einer solchen ‚Asset-Price-Inflation‘ waren Zinssenkungen zur Stabilisierung der nationalen Volkswirtschaft erforderlich. Zusätzliche, sich noch verstärkende Einflüsse der internationalen Finanzmärkte werden in der Zukunft durch weltweit operierende Vermögensanlagen (z. B. kapitalgedeckte Alterssicherungsfonds) ausgehen. Angesichts der zu erwartenden Größenordnungen des zusätzlich nach rentierlichen Anlagen suchenden Kapitals dürfte es zu erheblichen Auswirkungen auf die Wechselkurse und die Zinssituation der ‚betroffenen‘ Volkswirtschaften kommen.100 Dabei können durchaus auch positive Effekte aus der Internationalisierung der Kapitalanlage und der Kapitalnachfrage resultieren. So stehen etwa für inländische Investitionen nicht nur inländische Ersparnisse zur Verfügung, es entsteht immer mehr ein weltweiter Kapitalmarkt. Kapitalnachfrager führen dabei mit immer höheren Renditeversprechungen einen Wettbewerb um das angebotene Kapital. Durch die großen grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen drohen aber makroökonomische Risiken, die das reibungslose Funktionieren der Finanzmärkte behindern können: „Die Debatte, wie gravierend solche Probleme in der Zukunft sein werden, und welche Maßnahmen geeignet sind, Fehlentwicklungen gegenzusteuern, wird sich in den kommenden Jahren weiter intensivieren. Die Notenbanken, deren Aufgabe es auch ist, den Gefahren systemischer Risiken in den Finanzsystemen so gut wie möglich vorzubeugen, werden gefordert sein, neue Lösungsvorschläge zu prüfen und eigene Ideen zur Diskussion zu stellen.“101 Anlagen zur Alterssicherung im Ausland? Die Anlage von Finanzmittel im Ausland zur Altersvorsorge wird in Staaten mit einer im Durchschnitt alternden Bevölkerung häufig als Königsweg zur Stabilität der Renteneinkommen vorgeschlagen. Allerdings gibt es auch hier Risiken, wenn man die Anlage im Ausland vornimmt. Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob diese Anlage in privaten oder staatlichen Papieren erfolgt. In beiden Fällen sind das Risiko der Anlage, die im Anlageland zu erwartende Inflationsrate und der zu erwartende Wechselkurs einzuschätzen. Generell gilt auch hier, dass mit höheren Ertragsraten in der Regel höhere Risiken verbunden sind. Außerdem ist zu klären, in welcher makroökonomischen Lage, auch unter Einbeziehung der Situation des Alterssicherungssystems, sich das jeweilige Anlageland befindet. Die besonderen Risiken gelten vor allem für Anlagen in Entwicklungs- und Schwellenländern. In der Vergangenheit kam es häufig zu Situationen, in denen die Investitionsmöglichkeiten in diesen Ländern mit dem Kapitalzustrom nicht Schritt halten konnten. Das Ergebnis sind Steigerungen der Aktienkurse, die jedenfalls nicht allein mit gestiegenen Ertragserwartungen begründet werden können. Kursverluste und damit der Verlust von Altersvorsorgevermögen sind die Folge.
100
Vgl. zu den Wechselwirkungen zwischen der Kapitalanlage aus einer kapitalgedeckten Alterssicherung und dem Zinsniveau Weeber, J. (2002).
101
Deutsche Bundesbank (2001a), S. 80.
148
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
Eine unabhängige nationale Geld- und Währungspolitik wird durch die sich verändernden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen selbst für große Staaten immer schwieriger werden. Die beschriebenen Lösungsmöglichkeiten im Bereich der Währungspolitik, etwa die Verabredungen von Währungskooperationen zwischen den wichtigen Währungen (PlazaAbkommen, Louvre-Akkord) sind nur zeitweise zu Stande gekommen. Dagegen bieten sich für ‚kleinere‘ Währungen, die dem ‚Spiel‘ des Marktes ausgesetzt sind, regionale Währungsverbünde oder eine Währungsunion an. Dies ermöglicht auch eine eigenständigere Geldpolitik für den neu geschaffenen Währungsraum. In diesem Sinne stellt die EWU auch eine Reaktion auf die zunehmende Globalisierung der Märkte dar. In den letzten Jahren ist noch ein weiteres Thema für die Geld- und Währungspolitik hinzu gekommen: die These von den Ungleichgewichten. Zwar sind große, die Weltwirtschaft prägende Handels- und Leistungsbilanzungleichgewichte kein ausgesprochen neues Phänomen. Im Zuge der krisenhaften Entwicklungen der letzten Jahre und der veränderten Konkurrenzsituation durch die neuen südostasiatischen Schwellenländer haben sie aber an Brisanz gewonnen. Vor allem die stark zunehmenden Währungsreserven großer Schwellenländer im asiatischen Raum und in Ölförderländern sind Ausgangspunkt zahlreicher politischer Kontroversen. Ausgangspunkt der aktuellen Debatte ist das Zwillingsdefizit (Staatsverschuldung und Leistungsbilanzdefizit) der USA. Dieses Zwillingsdefizit wird u. a. für die tendenzielle Dollarschwäche der letzten Jahre verantwortlich gemacht und gilt als einer der Auslöser für die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte, da hierdurch eine übermäßige Verschuldung ermöglicht wurde und damit eine zu große Kreditvergabe in den USA zur Krise führte. Solche, vor allem aus der Handels- bzw. Leistungsbilanz abgeleitete Ungleichgewichte sind aber auch in einem einheitlichen Währungsraum möglich, wie das Beispiel der Eurozone zeigt: Ungleichgewichte im Euro-Raum Auf der europäischen Ebene eskalierte der Streit über die makroökonomischen Ungleichgewichte im Euro-Raum im März 2010 in den Vorwurf der französischen Finanzministerin Lagarde, dass der deutsche Exportüberschuss untragbar sei (Frankreich hatte zu diesem Zeitpunkt ein Leistungsbilanzdefizit). Deutschland würde zu viel exportieren und habe stattdessen seine Binnennachfrage zu stärken. Die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse seien mithin Ausdruck einer unfairen ‚Beggar-thy-neighbour-Politik‘ (Strategie überzogene Exportüberschüsse zu erzielen, um den Wohlstand im eigenen Land auf Kosten der Nachbarländer zu erzielen). Dagegen verwies die deutsche Seite im Verlauf der Auseinandersetzungen auf die Wettbewerbsstärke ihrer Industrie, die sie sich durch das Zusammenspiel von Produktqualität und Kostendisziplin während der Finanz- und Wirtschaftskrise erarbeitet hätte. Auch wohl zur Versachlichung der Diskussion veröffentlichte die Deutsche Bundesbank daraufhin im Juli 2010 einen ausführlichen Beitrag zu diesem Themenkomplex. Nach deren Ansicht können sich je nach wirtschaftlicher Lage und Perspektive Argumente für beide Seiten finden. So seien einerseits aus ökonomischer Sicht Leistungsbilanzüberschüsse z. B. für Gesellschaften durchaus sinnvoll, die sich einer zunehmenden Alterung der Bevölkerung gegenübersehen, da diese Mittel als Wiederanlage im Ausland eine Diversifikation der Risiken ihrer Vermögen und das Ausnutzen höherer Renditen in aufholenden wachstumsstarken Volkswirtschaften mit einem anderen demografischen Profil ermöglicht (vgl. zu den Risiken einer solchen Strategie aber die Ausführungen in Kapitel 6).
6.1 Geld- und Währungspolitik
149
Tabelle 6.2 Leistungsbilanzsalden der Euro-Staaten
Leistungsbilanzsalden der Euro-Staaten (2010: Schätzungen; in Relation zum BIP)
2002-2006 Deutschland
2010
2002-2006
2010
4,2
4,8
Finnland
5,6
1,3
Frankreich
-0,6
-3,3
Portugal
-8,9
-10,7
Italien
-1,0
-3,2
Luxemburg
10,5
8,4
Spanien
-6,0
-4,8
Slowenien
-1,4
-0,7
Niederlande
7,5
5,2
Malta
-4,9
-3,9
Belgien
4,5
1,7
Zypern
-4,8
-6,1
Österreich
2,4
3,0
Slowakei
-7,5
-2,9
-11,8
-10,6
-11,8
4,1
-1,3
-1,1
0,5
-0,5
Griechenland Irland
Estland Euro-Raum
Quelle: Europäische Kommission, European Economic Forecast, Herbst 2010, S. 208.
Andererseits sei ist es nicht grundsätzlich zu kritisieren, dass aufholende Länder an der Peripherie des Euro-Raums mit niedrigem Einkommen zur Unterstützung des wirtschaftlichen Konvergenzprozesses für eine gewisse Zeit höhere Leistungsbilanzdefizite haben. „Bei ökonomisch effizienter Verwendung der damit korrespondierenden Kapitalimporte für dauerhaft rentable Investitionen hätte nicht nur der Schuldendienst an das Ausland aus den Erträgen geleistet, sondern auch das Volkseinkommen spürbar gesteigert werden können. In einem solchen Umfeld mit überdurchschnittlichen Produktivitätszuwächsen hätten zudem höhere Lohnsteigerungen als im EWU-Mittel die preisliche Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder nicht beschädigt.“102 Als Fazit wird der Reformbedarf zur Überwindung der Ungleichgewichte in einem einheitlichen Währungsraum auf Seiten der Defizitländer gesehen. Hier seien Strukturreformen notwendig. Der Verzicht der wettbewerbsstarken Staaten auf Überschüsse in der Leistungsbilanz hätte zudem keine positiven Ausstrahlungseffekte auf eine Verringerung der Defizite in anderen Staaten, da die Verflechtungen zwischen den beiden Staatengruppen über den Austausch von Gütern eher klein sind. Globale Ungleichgewichte Auch über den europäischen Rahmen hinaus ist der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ein wichtiges Thema, jedoch ist er nur ein Bestandteil der globalen Ungleichgewichte. Die be-
102
Deutsche Bundesbank (2010), S. 23.
150
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
sondere Bedeutung des Themas wurde noch durch das G20 Treffen in Seoul im November 2010 unterstrichen, auf dem sich die Überschussländer (Deutschland, China und Japan) massiven Angriffen ausgesetzt sahen – im Wesentlichen von den USA initiiert. Die aus den andauernden Ungleichgewichten resultierenden Folgen werden z. T. als erheblich eingeschätzt: „Die globalen Ungleichgewichte sind nach wie vor sehr groß, und in einigen Fällen haben sie sich wieder auszuweiten begonnen, und es besteht wachsende Besorgnis, dass sie zu einer Gefahr für die Erholung werden könnten.“103 Tabelle 6.3 Leistungsbilanzsalden ausgewählter Länder/Regionen
Leistungsbilanzsalden ausgewählter Länder/Regionen (Schätzungen für 2010; in Relation zum BIP)
Überschussländer (+)
Defizitländer/Region (-)
Saudi-Arabien
6,7
Spanien
5,2
Deutschland
6,1
Mittel- und Osteuropa
3,7
Russland
4,7
USA
3,2
China
4,7
Lateinamerika
1,2
Japan
3,1
Afrika: SubSahara-Region
1,1
Quelle: IWF, World Economic Outlook, Herbst 2010, S. 195ff.
Dabei entspricht die empirische Bestandsaufnahme nicht dem ursprünglichen makroökonomischen Lehrbuchwissen. Schließlich bedeutet die aktuelle Entwicklung der Leistungsbilanzen, dass viele Entwicklungs- und Schwellenländer zunehmend zu Nettokreditgebern und die (vermeintlich) fortgeschrittenen Industriestaaten (vor allem die USA) zu Kreditnehmern werden. Diese seit Jahren festzustellende Entwicklung hat sich konsequenterweise in den daraus resultierenden Beständen des Auslandsvermögensstatus (Forderungen und Verbindlichkeiten) zwischen den Staaten niedergeschlagen. Typisches Beispiel hierfür sind die Interdependenzen zwischen China und den USA: China produzierte und exportierte Waren (vor allem in die USA) und erzielte hierdurch hohe Leistungsbilanzüberschüsse. Das hierdurch eingenommene Kapital wurde (vor allem) in Staatsanleihen der USA investiert (Forderung); den USA wurden damit quasi zinsgünstige Kredite zum Kauf dieser (chinesischer) Waren gewährt (Verbindlichkeit). Anfang 2011 wurde die Höhe der chinesischen Devisenreserven auf rund 2,9 Billionen US-Dollar geschätzt. Rund zwei Drittel davon dürften auf US-Dollar lauten. Dadurch entsteht zwischen diesen beiden Staaten eine enge ökonomische Verbindung, für die der Historiker Ferguson und der Ökonom 103
OECD (2010), S. 7.
6.1 Geld- und Währungspolitik
151
Schularick den Begriff Chimerika geprägt haben.104 Die USA nutzten diese zins-günstigen Kredite zu einer beispiellosen Ausweitung des Konsums, während China durch Vollbeschäftigung und starkes Wirtschaftswachstum davon profitierte. Aus politischen Gründen ist China eher an einem schwächeren US-Dollar gelegen, während aus wirtschaftlicher Sicht die USamerikanische Währung nicht zu stark abwerten darf, da sich ansonsten die chinesischen Devisenreserven entwerten. Die beiden Staaten sind daher ökonomisch in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis verbunden. Vor allem die USA sind damit in ein de facto Abhängigkeitsverhältnis geraten. Die Kapitalzuflüsse aus China ermöglichen es den USA ihren zu zahlenden Zinssatz auf den Geld- und Kapitalmärkten niedrig zu halten und damit die eigene Konjunktur zu unterstützen. Obwohl China wegen seiner hohen, auf US-Dollar lautenden Währungsreserven eigentlich kein Interesse an einem Wertverlust des US-Dollar haben kann, wird als wirtschaftspolitische Reaktion auf die andauernde wirtschaftliche Schwäche der USA ein Abwertungswettlauf Chinas und der USA befürchtet, bis hin zu einem ‚Weltkrieg der Währungen‘105. Während es für China durch die künstlich vermiedene Aufwertung seiner Währung um die Aufrechterhaltung seiner Exportstärke über die Preise der handelbaren Waren (bestehender Leistungsbilanzüberschuss) zur Sicherung des Wirtschaftswachstum geht, ist für die USA in erster Linie der Abbau des Leistungsbilanzdefizits über die Abwertung seiner Währung das Ziel. Ein solcher ‚Race to the Bottom‘ wird mittelfristig allerdings nur Verlierer haben. Im Zuge einer Nicht-Aufwertung (Renminbi) bzw. Abwertung (US-Dollar) würden andere Währungen dagegen deutlich aufwerten, was über die verschlechterte Exportperformance negative Einflüsse auf die wirtschaftliche Entwicklung dieser Staaten hätte. Um die Folgen einer solchen Aufwertung abzumildern, neigen solche Staaten dazu mit protektionistischen Tendenzen zu reagieren. So sind Einschränkungen des Kapitalverkehrs in einigen Staaten im Verlauf der Wechselkursdebatte erfolgt. Brasilien hat wegen großer Kapitalzuflüsse – verbunden mit seinem Leistungsbilanzdefizit und der daraus verbundenen Zunahme der Verbindlichkeiten – und einer drastischen Aufwertung seiner Währung (Real) im Jahre 2010 die Steuer auf ausländische Anlagen in brasilianischen Zinstiteln von 4% auf 6% erhöht, um weitere Kapitalzuflüsse unattraktiver zu machen – wodurch auch die Nachfrage nach dem Brasilianischen Real gebremst werden soll. Auch Thailand, Indonesien, Taiwan und Südkorea setzten Maßnahmen zur Kapitalverkehrskontrolle ein.106 Aber auch traditionelle Industriestaaten haben in den letzten beiden Jahren Maßnahmen zur Abwertung ihrer Währung unternommen, z. B. verkauften die Zentralbanken der Schweiz (2009) und Japans (2010) große Beträge ihrer eigenen Währungen auf dem Devisenmarkt (ähnliche Meldungen kamen aus Indien, Südkorea, Indonesien und Singapur). Besondere Bedenken hinsichtlich der erwähnten Abwertungsspirale bestehen bei abrupten, unkoordinierten Änderungen der Währungsrelationen. Dies gilt auch für China selbst, sollte sich die chinesische Regierung dem Druck von außen beugen und seine Währung kräftig 104
Ferguson, N., M. Schularick (2007).
105
Titel eines Buches zum Thema von Eckert, D. (2010).
106
Vgl. auch World Bank (2009).
152
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
aufwerten – die USA erheben Forderungen von 20% bis 40%. Eine solche Aufwertung hätte heftige Auswirkungen für das Land zur Folge: große Teile der Ausfuhrgüter sind preisreagibel; eine massive Aufwertung des Renminbi würde die Exportwirtschaft empfindlich treffen zwar hat China in den letzten Jahren die Binnennachfrage unterstützt, gleichwohl liefert der Export weiterhin wichtige Wachstumsbeiträge; da China ein Wirtschaftswachstum von etwa 8% jährlich benötigt, um genügend Arbeitsplätze zu schaffen, hätte ein rückläufiges Exportwachstum negative Folgen für den Arbeitsmarkt rückläufiges Wachstum und verringerte Arbeitsnachfrage dürften die soziale Stabilität des Landes gefährden; niedrig qualifizierte Wanderarbeitnehmer in den Städten hätten kaum Arbeitsmarktchancen und müssten in ihre Ursprungsregionen zurückkehren Hohes Wirtschaftswachstum wird also zur Verhinderung von sozialen Spannungen benötigt, die aufgrund der zunehmenden Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung latent vorhanden sind. Eine Instabilität Chinas kann sich aber auch nicht das Ausland wünschen. Ein sprunghafter Anstieg des Außenwertes des Renminbi ist damit zunächst nicht zu erwarten. Protektionistische, tarifäre Maßnahmen tragen übrigens auch nicht zu einem wesentlichen Abbau der Leistungsbilanzdefizite bei, wie eine Untersuchung der US-amerikanischen Zentralbank gezeigt hat, wenn es etwa zu einer gleichzeitigen Erhöhung der Einfuhrzölle in den USA und in wichtigen asiatischen Handelsstaaten kommt.107 Negative Einflüsse wären dagegen auf das mittelfristige Wirtschaftswachstum der betroffenen Staaten zu erwarten. Die Währungspolitik Chinas und anderer, vor allem asiatischer Staaten hat auch Auswirkungen auf Entwicklungs- und Schwellenländer in anderen Regionen. In erster Linie dürften davon Staaten in Afrika betroffen sein, deren Wettbewerbsfähigkeit leiden wird. Damit sind auch hier Abwertungen der Währungen zu erwarten. Zudem sprechen die historischen Erfahrungen gegen protektionistische Maßnahmen: der im Zuge der beginnenden Weltwirtschaftskrise 1929 in den USA verabschiedete Smooth-Hawley-Act führte bei ca. 20.000 Importwaren zu höheren Zolltarifen und damit zu deren Verteuerung für den US-amerikanischen Markt. Zusammen mit entsprechenden Gegenmaßnahmen der davon betroffenen Staaten (Retorsionsmaßnahmen) führte dies zu einem Einbruch des Welthandels im Zeitraum 1930 bis 1933 um etwa 70% und damit verbunden zu einem Rückgang der Weltproduktion um ein Drittel. Solche protektionistischen Tendenzen sind auch aus saldenmechanischen Überlegungen nicht angebracht. Schließlich fließen Leistungsbilanzüberschüsse ganz oder teilweise wieder in andere Staaten zurück – auch in Staaten mit tendenziellen Handelsbilanzdefiziten. Dieses Recycling kann etwa am Beispiel der Rohöleinnahmen beobachtet werden. Hier können zwei Wirkungskanäle unterschieden werden: Realwirtschaftliches Recycling: Verwendung der Öleinnahmen für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen im Konsumgüterbereich oder für Ausrüstungs- und Bauinvestitionen oder 107
Faruqee, D. u.a. (2006).
6.2 Finanz- und Steuerpolitik
153
Finanzwirtschaftliches Recycling: Erwerb von Kapitalanlagen in Form von Direkt- oder Wertpapierinvestitionen bzw. direkte Bankeinlagen Untersuchungen zeigen, dass es zumindest für den realwirtschaftlichen Kanal einen positiven Zusammenhang zwischen den Ölexporteinnahmen und den Importen solcher Staaten gibt, der tendenziell zu einer Entlastung der globalen Ungleichgewichte beiträgt.108 Zur Messung ökonomischer Ungleichgewichte wurde im Februar 2011 in Paris ein auf fünf Indikatoren beruhendes Messverfahren von den Finanzministern und Notenbankpräsidenten der G20-Staaten gebilligt. Mit Hilfe dieser Indikatoren (nationale Leistungsbilanz, Wechselkurse, Währungsreserven, öffentliche Neu- und Gesamtverschuldung, private Ersparnisse) sollen die Volkswirtschaften der 20 wichtigsten Industriestaaten und Schwellenländer gemessen und vergleichen werden, um zu einem Abbau und der zukünftigen Vermeidung globaler Ungleichgewichte zu gelangen. Lageberichte und die Erarbeitung von Vorschlägen zum Abbau solcher Ungleichgewichte wären schließlich die logische Konsequenz, um zukünftige Risiken für die Weltwirtschaft abbauen zu können.
6.2
Finanz- und Steuerpolitik
Die verbreitete Vorstellung, dass durch den internationalen Wandel eine effektive nationale Wirtschaftspolitik unmöglich oder zumindest erschwert wird, hat sich seit etwa Anfang der 90er-Jahre in Deutschland vor allem an der Finanzpolitik festgemacht. Immer wieder zitierte Beispiele sind die Regelungen des Maastrichter-Vertrages und des europäischen Stabilitätspaktes. Die in diesen beiden Vertragswerken enthaltenen Bestimmungen zur Staatsverschuldung der EWU-Teilnehmerstaaten würden, so die Meinung von Kritikern, den nationalen Handlungsspielraum einschränken. „Es wird weitgehend übersehen, dass der Versuch, die Maastricht-Kriterien einzuhalten, immer neue Löcher reißt; die Arbeitslosigkeit steigt und die fiskalische Situation verschlechtert sich. Die überzogenen Sparbemühungen der Gebietskörperschaften laufen eine Brüningsche Parallelpolitik hinaus. Die Maastricht-Kriterien zur Staatsverschuldung erweisen sich als fatale Knebel einer rationalen Beschäftigungspolitik.“109 Übersehen wird dabei, dass das hohe und ansteigende Ausmaß der Staatsverschuldung und die dadurch ausgelöste steigende Zinsbelastung, die freie Gestaltung finanzpolitischer Entscheidungen ohnehin schwieriger gemacht hat; die nationalen Beschränkungen also nicht nur von internationalen Regelwerken stammen, sondern auch aus früherem nationalem Fehlverhalten resultieren. So sind die seit August 2009 geltenden Regelungen zur nationalen Schuldenbremse in Deutschland vor dem Hintergrund eines über Jahrzehnte anwachsenden Schuldenstandes entstanden. Ziel dieses Instrumentes ist es, die Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte zu gewährleisten und die Schaffung neuer finanziel-
108
Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2006), S. 139ff.
109
Oberhauser, A. (1996), S. 238.
154
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
ler Handlungsspielräume zur Erfüllung staatlicher Aufgaben zu eröffnen. Ein Ziel, das auch ohne einen zunehmenden Globalisierungsprozess anzustreben ist. Im Rahmen einer international ausgerichteten Standortpolitik hat der Staat seine Einnahmen und Ausgaben so zu gestalten, dass hierdurch möglichst keine negativen, vielmehr eher positive Effekte für die Ansiedlung ausländischer und den Verbleib bzw. die Neugründung inländischer Unternehmen ausgehen. Zu den bereits beschriebenen Beschränkungen im Rahmen der EWU sind weitere außenwirtschaftliche Einflüsse und Überlegungen zu beachten. Zwar sind Ausgaben- und Einnahmenseite der Finanzpolitik kaum trennbar, zu Gunsten einer besseren Übersichtlichkeit wird hier aber eine solche Trennung vorgenommen. Einnahmenseite Im Mittelpunkt der Analyse zur Einnahmenseite steht die Steuerpolitik eines Staates. Sie gilt häufig als Musterbeispiel für den weltweiten Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte. Die Aufteilung der Steuereinnahmen nach direkten oder indirekten Steuern, die Höhe der Unternehmensbesteuerung und die steuerliche Behandlung von Zinseinkünften sind nur einige Beispiele typischer Fragestellungen in diesem Zusammenhang. Globalisierungsprozesse haben hier frühzeitig Einfluss genommen. So sah die Deutsche Bundesbank als einen Grund für den deutlichen Rückgang der geschätzten Steuereinnahmen Mitte der 90er-Jahre die Erosion der Steuerbasis.110 Neben eher nationalen Ursachen, wie etwa der steuerlichen Förderung von Investitionen und Wohnungsbau in Ostdeutschland, wurde als weiterer wichtiger Grund die Steuervermeidungsstrategie von Unternehmen durch Verlagerung von Aktivitäten ins Ausland angesehen. Diese Globalisierungsstrategie der Unternehmen ist unverändert sowohl für inländische (deutsche) als auch für ausländische Unternehmen anwendbar und wird von einigen Staaten als Instrument im Standortwettbewerb unterstützt. Zwar werden in Deutschland konzerninterne Verrechnungspreise durch die Steuerprüfer mittlerweile (seit 2003) stärker kontrolliert (Verrechnungspreise müssen den Marktverhältnissen entsprechen). Gewinnverschiebungen durch niedrige Verrechnungspreise im Zuge eines internationalen Fremdvergleichsgrundsatzes sind aber weiterhin denkbar. Im Internet wird dafür sogar Werbung gemacht.111 Der Wettbewerb um ausländische Investoren kann zum einen über die Steuersätze, zum anderen über die Gewährung von Sonderkonditionen stattfinden. Für ausländische Investoren dürften zunächst die nominalen Steuersätze von Interesse sein. Sie sind direkt sichtbar und üben quasi eine Signalfunktion aus. Indikatoren der effektiven Steuer- bzw. Abgabenbelastung sind dagegen für einen tatsächlichen internationalen Vergleich wichtiger, da sie die tatsächliche Belastung widerspiegeln. Neben der beschriebenen Nutzung von Gewinnverlagerungsmöglichkeiten kann auch die teilweise oder vollständige Verlagerung von Produktionsstätten zu Veränderungen bei den Steuereinnahmen führen. Die Verschiebung der Steuerlasten wird damit auch eher für international operierende Konzerne eine Option sein. Kleine
110
Deutsche Bundesbank (1997).
111
Vgl. z. B. http://www.pwc.de/de/steuern/beratung-bei-der-gestaltung-von-verrechnungspreisen.jhtml
6.2 Finanz- und Steuerpolitik
155
und mittlere Unternehmen werden diese Form der Steuerentlastung kaum nutzen können – mit Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur eines Landes. Abbildung 6.2 Global Average Corporate Tax Rates
Die Gefahr, die aus den beschriebenen Möglichkeiten zur Steuerverlagerung resultiert, wird in einem Steuerwettbewerb bis zum Standard auf niedrigstem Niveau gesehen, ein ‚Race to the Bottom‘. Für die empirische Überprüfung dieser Steuerverlagerungsthese muss der Frage nachgegangen werden, ob es im Zeitverlauf zu einer Erosion der Bemessungsgrundlagen der Steuern auf mobile Produktionsfaktoren (Kapital und qualifizierte Arbeit) kommt. Bezogen auf die Besteuerung des Faktors Kapital liegen für die Körperschaftsteuer Ergebnisse aus zwei älteren Untersuchungen für Industriestaaten vor.112 Danach findet sich eine empirische Bestätigung für das Vorhandensein einer zurückgehenden Belastung des Faktors Kapital. Bei einem Vergleich der Körperschaftsteuersätze in der EU zeigen sich daher in nahezu allen Staaten Verringerungen der Steuersätze bereits zwischen 1980 und 2002.113 Diese Absenkung von Unternehmsteuern wird auch durch neue international vergleichende Studien für den aktuellen Zeitraum bestätigt (Abb. 6.2). Und auch die OECD hat in einer eigenen Untersuchung bezogen auf den durchschnittlichen Unternehmenssteuersatz eine ähnliche Tendenz
112
Vgl. die Ergebnisse von Heilemann, U., H. D. von Loeffelholz, S. M. Renn (2000). Die Autoren zitieren zusätzlich zu den eigenen Ergebnissen die Arbeit von Rodrik, D. (1997).
113
Vgl. Wagschal, U. (2005), S. 69.
156
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
festgestellt: so lag dieser bei den Mitgliedsstaaten 1982 zwar noch bei fast 50%, war im Jahre 2000 aber bereits auf 33,6% und 2007 sogar auf 27,6% gesunken.114 Auch im Bereich der Privaten Haushalte und bei Arbeitnehmern zeigen sich ansatzweise grenzüberschreitende Steuervermeidungsstrategien. Vor allem mobile Haushalte mit hohen Einkommen und Vermögen bevorzugen Standorte, die eine vergleichsweise niedrige Steuerbelastung besitzen. Typische Beispiele sind Berufssportler und Künstler. Gesamtwirtschaftlich spielen diese Fälle zwar bisher keine große Rolle, aber auch bei der Belastung hoher Einkommen hat die Steuerpolitik der meisten traditionellen Industriestaaten in den letzten Jahren Schritte zur Senkung der Spitzenbelastungen unternommen (Tab. 6.4). Selbst unter Einschluss zahlreicher Schwellenländer ist hier ein eindeutiger Trend zu einer Absenkung der Steuerspitzensätze zu erkennen. So hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in ihrer Studie Individual Income Tax and Social Security Rate Survey 2009 festgestellt, dass von 87 in die Untersuchung einbezogenen Staaten 37 im Zeitraum zwischen 2003 und 2009 den Spitzensteuersatz gesenkt haben, während nur 10 Staaten eine Anhebung vornahmen. Für die Bezieher vor allem mittlerer Einkommen kommt eine Auswanderung aus Gründen der Steuervermeidung i. d. R. dagegen nur selten in Betracht. Die Ergebnisse solcher Prozesse zeigen sich in einer insgesamt höheren Belastung der ‚normalen‘ Arbeitseinkommen, auch in Deutschland bereits Ende des letzten Jahrtausends: „Die Lohnsteuerquote (Lohnsteuer bezogen auf die Bruttolohn- und -gehaltssumme) stieg von 7% Anfang der sechziger Jahre kontinuierlich auf zuletzt 19%. Demgegenüber verringerte sich die Belastung der Gewinnund Kapitaleinkünfte in Relation zu den Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen von über 34% Anfang der achtziger Jahre auf gegenwärtig um die 20%. Auch wenn derartige Vergleiche mit großer Vorsicht zu interpretieren sind ... , so ist doch im Trend der letzten 20 Jahre in Deutschland eine deutliche Belastungsverschiebung innerhalb der direkten Steuern zulasten der Arbeitseinkommen und zugunsten der Gewinn- und Vermögenseinkünfte zu verzeichnen.“115
114
Vgl. OECD (2008), S. 3.
115
Bach, S. (2002), S. 20.
6.2 Finanz- und Steuerpolitik
157
Tabelle 6.4 Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer in ausgewählten Ländern
Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer in ausgewählten Ländern Land
1986
2009
Belgien
72
53
Dänemark
45
59
Deutschland 2)
56
47
Finnland
51
49
Frankreich
65
46
Griechenland
63
40
Irland
58
47
Italien
62
44
Niederlande
72
52
Österreich
62
50
Spanien
66
43
Schweden
50
57
Großbritannien
60
40
USA (New York)
50
44
Japan
70
50
Kanada (Ontario)
37
46
Steuersätze des Zentralstaates inkl. Zuschläge der Gebietskörperschaften gerundet auf volle Prozentsätze, Persönliche Einkommensteuer; für Deutschland 2009 einschl. 5,5% Solidaritätszuschlag. Quellen: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1998), S. 192; Bundesministerium der Finanzen, Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2009, S. 35ff.
Ein Großteil dieser Belastungen für mittlere Arbeitseinkommen dürfte dabei vor allem über die Sozialversicherungsabgaben auf die Beschäftigten zukommen.
158
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
Tabelle 6.5Abgabenquoten im internationalen Vergleich
Abgabenquoten im internationalen Vergleich 1980
1990
2000
2007
2009
Belgien
41,3
42,0
44,7
43,8
43,2
Dänemark
43,0
46,5
49,4
49,0
48,2
Deutschland
36,4
34,8
37,2
36,0
37,0
Finnland
35,8
43,7
47,2
43,0
43,1
Frankreich
40,1
42,0
44,4
43,5
41,9
Griechenland
21,6
26,2
34,0
32,3
29,4
Irland
31,0
33,1
31,3
30,9
27,8
Italien
29,7
37,8
42,2
43,4
43,5
Niederlande
42,9
42,9
39,6
38,7
..
Österreich
38,9
39,7
43,2
42,1
42,8
Spanien
22,6
32,5
34,2
37,3
30,7
Schweden
46,5
52,2
51,4
47,4
46,4
Großbritannien
34,8
35,5
36,4
36,2
34,3
USA
26,4
27,4
29,5
27,9
24,0
Japan
25,1
29,0
27,0
28,3
..
Kanada
31,0
35,9
35,6
33,0
31,1
Steuern und Sozialabgaben in % des BIP; Deutschland 1970 bis 1990 Westdeutschland. .. Daten noch nicht verfügbar. Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2009
Damit haben sich zwar die Belastungen aus Steuerzahlungen relativ gesehen reduziert, die Abgabenquote (Steuern und Sozialabgaben bezogen auf das BIP) insgesamt hat sich aber im Zeitverlauf in zahlreichen Staaten z. T. deutlich erhöht (Tab. 6.5). Die Probleme einer tendenziell sinkenden Steuerbelastung auf mobile Produktionsfaktoren zeigen sich, bei einem unveränderten Ausgabeverhalten des Staates, in einer steigenden Besteuerung immobiler Faktoren (wenig oder nicht qualifizierte Arbeit, Boden, Konsum). So kann etwa die Besteuerung des Konsums weitgehend unbeeinflusst von möglichen Ausweichstrategien erfolgen: Da hier das Bestimmungslandprinzip greift, wird der inländische Konsum mit dem inländischen Umsatzsteuersatz belegt. Da Ausweichstrategien der Konsu-
6.2 Finanz- und Steuerpolitik
159
menten (z. B. wegen der räumlichen Immobilität der Konsumenten über die Staatsgrenzen hinweg) weitgehend unterbleiben, steht hier eine regelmäßige Einnahmenquelle zur Verfügung. Hinzu kommt, dass sowohl inländische als auch ausländische Unternehmen denselben Steuersatz zu zahlen haben. Die inländischen Unternehmen mithin also keinen Nachteil erleiden. Im Gegenteil, könnte die Konsumbesteuerung auch zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit heimischer Firmen eingesetzt werden, wenn die Einnahmen über eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge ganz oder teilweise zur Senkung der Lohnnebenkosten für inländische Unternehmen und/oder Arbeitnehmer verwendet würden. Insgesamt gesehen, entsteht also ein duales Steuersystem mit einer unterschiedlich hohen Steuerbelastung auf mobile und immobile Produktionsfaktoren, was in der Vergangenheit bereits zu gesellschaftlichen Spannungen in einzelnen Staaten geführt hat. Aber auch im zwischenstaatlichen Bereich bleibt Klärungsbedarf. Etwa zwischen den Staaten der EU: soll es weiterhin einen Steuerwettbewerb der Staaten geben, also weiterhin unterschiedliche Steuersätze und Bemessungsgrundlagen als Mittel einer nationalen Wirtschaftspolitik möglich sein, oder soll die Harmonisierung des Steuerrechts als Zeichen der Integration schneller als bisher angestrebt werden. Neuere Entwicklungen auf der Einnahmenseite in Folge des Globalisierungsprozesses zeigen sich bei den Möglichkeiten der staatlichen Kreditaufnahme auf dem internationalen Kapitalmarkt. So können nicht nur Zentralstaaten, sondern auch andere Ebenen eines Föderalstaates (Bundesländer) die Chancen einer fortschreitenden Internationalisierung des Kapitalmarktes nutzen und haben sich in Asien neue Wege zur Finanzierung ihrer Haushalte erschlossen: Vorteil: Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten werden größer, Nachteil: Finanzierung möglicherweise teurer als im Inland (z. B. Werbung vor Ort, höhere Zinsen). Zudem können sich Wechselkursveränderungen auf die Belastungen durch Tilgungs- und Zinsleistungen auswirken, wie das Beispiel Argentinien zeigt. Ausgabenseite Probleme auf der Einnahmenseite führen notwendigerweise auch zu Problemen für die Ausgabenseite. Handlungsbedarf ist angesichts der aktuell hohen Schuldenstände und der zunehmenden Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte in nahezu allen großen Industriestaaten vorhanden. Dies ist allerdings keine neue Erkenntnis, im Zuge der Globalisierung wird aber die Notwendigkeit einer stabilitätskonformen Haushaltspolitik verschärft. Diese Konsolidierungsbemühungen zeigen sich empirisch in einem Rückgang der Staatsquote, die die Staatsausgaben im Verhältnis zum BIP misst. Es zeigt sich, dass die Staatsquoten in vielen Staaten bis etwa Anfang der 90er-Jahre gestiegen sind. Anschließend kam es zu einer Phase der finanziellen Konsolidierung. Zwar dürfte in den EU-Staaten sicherlich auch das Streben nach Einhaltung der finanzpolitischen Konvergenzkriterien diesen Prozess unterstützt haben, aber auch in den anderen traditionellen Industriestaaten war ein Rückgang der kassenwirksamen Staatstätigkeit festzustellen (Tab. 6.6). Die Maßnahmen zur Überwindung der Finanz- und
160
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
Wirtschaftskrise haben dagegen nach 2008 die Staatsausgaben z. T. drastisch ansteigen lassen – zu den einzelnen Maßnahmen: Kap. 8. Tabelle 6.6 Staatsquoten im internationalen Vergleich
Staatsquoten im internationalen Vergleich1) 1970/79 1980/89 1990/98
Schweden 2)
Dänemark Frankreich Österreich Italien Belgien Portugal Deutschland Finnland Griechenland3) Niederlande Norwegen Großbritannien4) Kanada Japan Spanien Irland USA 5)
Länder-Durchschnitt
2000
2010
Höchststand im Jahr
52,3
60,9
64,3
54,5
54,5
71,7 (1993)
46,9 42,3 43,2 39,4 49,7 29,3 44,9 36,5 29,1 48,6 41,1 37,6 26,5 26,3
57,3 50,4 49,7 49,6 58,5 39,1 47,1 42,6 41,0 57,4 45,5 44,1 32,0 39,1
57,8 53,3 50,7 53,2 53,2 43,6 48,2 55,4 45,9 52,0 48,6 43,3 46,7 34,0 44,1
54,2 50,9 49,6 47,3 46,9 46,3 45,1 44,5 43,4 42,5 41,9 39,4 39,3 38,4 37,9
58,9 56,2 52,9 51,4 53,9 47,8 46,8 56,3 48,3 51,2 46,6 51,0 43,5 40,6 45,1
60,2 56,2 56,5 56,4 62,1 48,1 54,8 64,8 51,2 59,9 54,7 51,4 52,2 42,5 49,0
-
48,0
38,1
30,2
66,1
66,1 (2010)
30,4
32,5
32,8
29,5
42,2
42,2 (2009/10)
39,9
46,7
48,1
43,4
44,6
44,9 (2009)
(1993/94) (2010) (1995) (1993) (1983) (2009) (1995) (1993) (2009) (1983) (1993) (2009) (1993) (1998) (1993)
1) Staatsausgaben in % des BIP, Periodendurchschnitte. 2) Ab 1971. 3) Ab 1975. 4) Umstellung des VGR-Systems auf ESVG 1995, ältere Daten nicht verfügbar. 5) Ungewichteter Durchschnitt. Quelle: OECD; Institut der deutschen Wirtschaft.
Die finanziellen Handlungsmöglichkeiten dürften in der Zukunft in zahlreichen Staaten durch die demografischen Belastungen zusätzlich eingeschränkt sein – wenn es zu keinen Maßnahmen zur Eindämmung der langfristigen alterungsbedingten Staatsausgaben kommt. Die Ausgabenseite wird in vielen Staaten daher zumindest mittelfristig kaum mit deutlichen Entlastungen verbunden sein. Dies engt daher auch den sicherlich wünschenswerten deutlichen Senkungsspielraum auf der Abgabenseite zusätzlich ein. Ein weiterer Aspekt der Globalisierung betrifft die zukünftige Verteilung der finanziellen Mittel auf einzelne Ausgabenkategorien. Unter dem Gesichtspunkt einer Internationalisie-
6.3 Lohnpolitik und Arbeitsmarkt
161
rung der Wirtschaft sollten die knapperen Ressourcen einerseits hinsichtlich des jeweiligen Standortvorteils verteilt werden. Da für Deutschland der Standortfaktor ‚Humankapital‘ eine hervorgehobene Stellung einnimmt, bedeutet dies eine Stärkung der Investitionen, die zur Verbesserung des Humankapitals führen. Andererseits ist bei der Überprüfung der Staatsausgaben eine stärker zukunftsorientierte Kosten-Nutzen-Analyse heranzuziehen: Für den Bereich der unternehmensbezogenen Subventionen etwa muss eine Konzentration der Förderung auf die Betriebe erfolgen, die in zukunftsträchtigen Bereichen tätig sind. Im Zuge der zunehmenden Globalisierung stellt sich auch die Frage nach der (gerechten) Finanzierung solcher öffentlicher Güter, deren Bereitstellung nicht mehr nationalstaatlich erfolgen kann – so genannte ‚Globale öffentlichen Güter‘. Dieser Begriff – zunächst im Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen formuliert – kennzeichnet Güter, deren Nutzeffekte weltweite oder zumindest überregionale Reichweiten haben. Darunter können Güter zur Reduzierung der globalen Umweltbelastung, zur Sicherung von Weltkulturerben oder auch zur Stabilität der Finanzmärkte verstanden werden. Auch Maßnahmen zur Abwehr weltweiter Epidemien und zur Verwirklichung der Millenniums-Ziele der Vereinten Nationen (Bekämpfung extremer Armut, Verbesserung der Gesundheitsversorgung usw.) fallen unter diesen Begriff. Gerade bei der Vermeidung von Pandemien (weltweite Epidemien) ist der Erfolg des schwächsten Akteurs wichtig. Im Zweifel sind dies die Staaten, die aufgrund ihres Entwicklungsstatus nur durch finanzielle und logistische Hilfen von anderen Staaten Erfolg bei der Bekämpfung haben werden. Die Diskussion über die notwendige Finanzierung über öffentliche oder auch private Geldgeber und wie die Verteilung der Lasten geregelt werden soll, ist noch nicht abgeschlossen. Internationale Steuern – etwa in Form der Tobin-Steuer (vgl. Kap. 8) – oder überregionale Emissionsabgaben sind mögliche Finanzierungsmodelle.116
6.3
Lohnpolitik und Arbeitsmarkt
Die Verschärfung des internationalen Wettbewerbs legt die Schwächen einer Volkswirtschaft deutlich offen, der Strukturwandel vollzieht sich nicht mehr nur innerhalb eines Staates. Für Entwicklungs- und Schwellenländer bedeutet dies etwa neue Arbeitsformen. Aber auch in den traditionellen Industrieländern finden durch die Folgen der Globalisierung erhebliche Anpassungsprozesse statt. So führt der zunehmende Wettbewerb zwischen diesen Staaten zu einem steigenden Qualitätsbedarf bei den Beschäftigten, da Massengüter, deren Produktion mit einem geringeren Ausbildungsbedarf der Menschen verbunden ist, in den Industrieländern zunehmend weniger produziert werden. Aber auch bei Höherqualifizierten ist ein stetiger Ausbildungs- und Weiterbildungsbedarf gegeben. Auf den verschiedenen Leitungsebenen entstehen so höhere Anforderungen an das Führungspersonal im Zuge der Globalisierung etwa auf: Beherrschung weiterer Fremdsprachen (neben Englisch) oder vor Ort gewonnene Kenntnisse über fremde Kulturen und Länder.
116
Vgl. Schubert, A. (2010).
162
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
Bisher liegen allerdings keine eindeutigen wissenschaftlichen Aussagen vor, ob durch die zunehmende internationale Verflechtung der Märkte insgesamt ein Arbeitsplatzverlust oder ein Arbeitsplatzgewinn entsteht. Empirische Studien zeigen, dass es Industriestaaten gibt, die in den letzten Jahrzehnten einen trendmäßig positiven Verlauf auf dem nationalen Arbeitsmarkt aufwiesen, andere dagegen einen Rückgang bei der Beschäftigung und einen Anstieg bei der Arbeitslosigkeit hinnehmen mussten. Dies deutet darauf hin, dass für die unterschiedliche Entwicklung der jeweiligen Arbeitsmärkte auch andere Einflüsse, wie z. B. der technische Fortschritt, der Wandel zu den Diensten oder strukturelle Verkrustungen, wichtig sind. Da hierdurch Überlagerungseffekte entstehen, können die Effekte einer Internationalisierung der Wirtschaft auf den Arbeitsmarkt nur schwer abgeschätzt werden. Einzelne Ergebnisse zeigen aber: Für den Bereich des grenzüberschreitenden Güterhandels konnte für einige Industriestaaten ermittelt werden, dass eine Ausweitung des Handels in den 70er- und 80er-Jahren durch die Vergrößerung des zu beliefernden Marktes mit einer Erhöhung der Beschäftigtenzahlen einherging.117 Bezogen auf die bereits zum Themenkomplex ‚Direktinvestitionen‘ zitierten Ergebnisse empirischer Analysen sind die Beschäftigungseffekte von Direktinvestitionen für die Herkunftsländer eher positiv zu beurteilen. Dies gilt vor allem bei den Direktinvestitionen, die zur Sicherung der Absatzmärkte vor Ort durchgeführt werden. Nach den Outsourcing- (Unternehmen geben Aufgaben an Drittfirmen ab) und Offshoring- (Unternehmen exportieren Teile ihrer Dienstleistungen in Länder mit niedrigem Lohnniveau) Thesen, kommt es zu einer Auslagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland – vor allem von lohnintensiven Tätigkeiten in die Entwicklungs- und Schwellenländer. Diese bis Mitte des letzten Jahrzehnts anhaltende Entwicklung hat sich aber mindestens merklich verlangsamt. Vor allem wegen der schlechten Qualität ausgelagerter Arbeitsschritte, überlangen und starren Lieferzeiten, unerwartet gestiegenen Löhnen und Nebenkosten haben zahlreiche deutsche Hersteller höherwertiger Waren und Dienstleistungen eine Rückholung dieser Produktionsprozesse veranlasst. Die OECD bestätigt sogar den vermuteten positiven Effekt von Offshoring-Aktivitäten über die Sicherung heimischer Arbeitsplätze.118 Neben dieser Niveaufrage sind auch Strukturveränderungen auf dem Arbeitsmarkt zu beachten. So sichert etwa die Verlagerung von niedrig entlohnten Arbeitstätigkeiten in die Entwicklungs- und Schwellenländer die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen in industrialisierten Volkswirtschaften. In der ersten Phase der modernen Globalisierung gehörten daher auch eher hoch qualifizierte und (gleichzeitig) mobile Arbeitnehmer zu den Gewinnern und Niedrig- bzw. Unqualifizierte zu den Verlierern der zunehmenden Internationalisierung der Wertschöpfungsketten. Im weiteren Verlauf der Globalisierung wurden aber auch höherwertige Tätigkeiten wie Softwareentwicklung, Technikentwicklung und Designaufgaben ausgelagert. Es gibt empirische Hinweise darauf, dass es etwa in Deutschland in-
117
Vgl. die Angaben bei Lichtblau, K. (1997), S. 53.
118
Vgl. OECD (2010), S. 119.
6.3 Lohnpolitik und Arbeitsmarkt
163
zwischen zu einer nennenswerten Verlagerung von Arbeitsplätzen mit geringen Qualifikationsanforderungen kam. Die verbliebenen Arbeitsplätze sind demnach im personenbezogenen und damit nicht handelbaren Bereich der Dienstleistungen angesiedelt. Dagegen dürfte inzwischen das Verlagerungsrisiko für besser qualifizierte Arbeitnehmer gestiegen sein.119 Eine ähnliche Entwicklung wird auch im Rahmen der Zuwanderung von Arbeitskräften erwartet, wobei hier Regelungen bestehen, die eine differenziertere Betrachtungsweise notwendig machen. Die theoretische Argumentation lehnt sich an das Stolper-SamuelsonTheorem an. Danach sinken/steigen tendenziell die Löhne und Gehälter derjenigen Inländer, die substitutive/komplementäre Tätigkeiten zu denen der Zuwanderer ausüben. Arbeitsintensive Güter können über den Arbeitsangebotseffekt billiger angeboten werden, die Bezahlung Niedrigqualifizierter fällt entsprechend relativ gering aus. Diese Überlegungen werden durch Untersuchungen von Arbeitsstunden und realen Stundenlöhnen nach bildungsbezogenen Qualifikationsindikatoren unterstützt. Danach kam es im Zeitraum zwischen 1990 und 2005 sowohl auf den Arbeitsmärkten der Eurozone (über eine Variation der Arbeitsstunden) als auch in den USA (über Reallöhne) zu einer Nachfrageverschiebung zulasten niedrig qualifizierter Arbeitskräfte.120 Dieser Prozess wird auch Auswirkungen auf die Lohnhöhe und die Lohnstruktur innerhalb eines Staates haben. Durch die zunehmende Internationalisierung der Produktionsprozesse steht den Unternehmen ein immer größeres Arbeitsangebot zur Verfügung – nicht mehr nationale, sondern internationale Knappheitsrelationen sind damit relevant. Die Folge sind tendenziell sinkende Löhne. Die (individuelle) Betroffenheit hängt zum einen von der Einbindung des eigenen Unternehmens in den Prozess der Arbeitsteilung und von der individuellen Qualifikation ab. Im Ergebnis wird es zu einer (relativen) Steigerung der Entlohnung bei den gut qualifizierten Tätigkeiten kommen, während die nicht ausreichend qualifizierten Erwerbspersonen eher Druck auf ihr Lohnniveau verspüren. So zeigen Untersuchungen zu Direktinvestitionen, dass es zu Verteilungseffekten zu Lasten wenig qualifizierter Arbeitskräfte in Hochlohnländern kommt, aus denen die Direktinvestitionen stammen.121 Allerdings wird es auch weiterhin die Notwendigkeit zur Beschäftigung wenig qualifizierter Arbeitnehmer geben, die etwa bestimmte Zuarbeiten für die Höherqualifizierten ausführen. Eine flexiblere Lohnstruktur nach unten, aber mit dem aus den USA bekannten Problem der ‚working poor‘, und/oder die Verbilligung von niedrigqualifizierten Arbeitskräften durch staatliche Zuschüsse bieten sich als Lösungswege an. Insgesamt gesehen zeigt auch ein Vergleich der Arbeitsmarktentwicklung in verschiedenen Staaten, dass eine zunehmende internationale Verflechtung mit steigenden Beschäftigten- und sinkenden Arbeitslosenzahlen einhergehen
119
Vgl. Laaser, C., K. Schrader (2009).
120
Vgl. dazu EZB (2008a), S. 89. Empirische Daten über die Gewinner/Verlierer der Qualifikationsgruppen finden sich bereits in Deutscher Bundestag (2001), S. 121-140. Zum Ursprungsmodell: Stolper, W. F., P. A. Samuelson (1941); sowie Grossman, G., E. Rossi-Hansberg (2006).
121
Vgl. Nunnenkamp, P. (2006), S. 29.
164
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
kann.122 Allerdings ist eine sich weiter öffnende Lohn- und Einkommensschere innerhalb der inländischen Arbeitnehmerschaft nicht auszuschließen. Ein weiterer Einflussfaktor, von dem Druck auf die Lohnhöhe ausgehen kann, wird in der Zuwanderungsproblematik etwa durch die EU-Osterweiterung gesehen.123 Wie schon gezeigt wurde (vgl. im Kapitel 1. den Abschnitt zum Arbeitsmarkt), waren die auch in der Vergangenheit bereits geäußerten Befürchtungen über einen massiven grenzüberschreitenden Zustrom Arbeitswilliger unbegründet. So gilt seit 1968 für Zuwanderer aus EU-Staaten Freizügigkeit, wenn ihr Lebensunterhalt gesichert ist. Trotz dieser Freizügigkeit kam es bisher nicht zu einer Beschleunigung bei den Wanderungen zwischen den Staaten. Kulturelle, gesellschaftliche und sprachliche Barrieren sowie die bisherigen gesetzlichen Regelungen für Zuwanderung mit Staaten außerhalb des EU-Raumes haben zudem verhindert, dass es zu großen grenzüberschreitenden Wanderungen aus diesen Staaten gekommen ist.124 Die Probleme grenzüberschreitender Arbeitskräftewanderungen sind bereits im ‚Arbeitnehmer-Entsendegesetz‘125 von 1996 aufgegriffen worden. Danach galten bei allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertragsbestimmungen des Baugewerbes die Bestimmungen für Entgelt und Urlaub auch für ausländische Arbeitgeber und ihre in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer. Im April 2009 wurde diese Regelung durch das Gesetz zur Regelung zwingender Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ersetzt. Mit dieser Neuregelung hat Deutschland die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie) in nationales Recht umgesetzt. Das Gesetz verpflichtet sowohl Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland, Arbeitgeber mit Sitz im Ausland (einschließlich der Werkvertragsunternehmer, die aufgrund bilateraler Vereinbarungen tätig werden) als auch Verleiher und Entleiher zur Einhaltung gesetzlicher Arbeitsbedingungen. In bestimmten Branchen müssen Arbeitgeber und Verleiher von Arbeitskräften tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen gewähren. Daneben treffen die Arbeitgeber, Verleiher und Entleiher weitere unterschiedliche Pflichten. Bei Beachtung der gesetzlichen Regelungen kann es daher nicht mehr zu ungleichen Arbeitsbedingungen zwischen inländischen und ausländischen Arbeitnehmern kommen. Risiken für die nationalen Arbeitsmärkte der EU-Staaten wurden auch durch die verschiedenen Erweiterungsrunden der EU vermutet. Vor allem durch das vergleichsweise gut ausgebaute deutsche Sozialleistungssystem würden Migrationanreize entstehen – so die damaligen Befürchtungen. Die Folgen hiervon wären ein tendenzieller Lohndruck, vor allem bei Beschäftigten mit einer niedrigen Qualifikation. Vor diesem Hintergrund hatte die Europäische 122
Vgl. die Analyse für Dänemark, Niederlande, Neuseeland, Großbritannien und die Vereinigten Staaten in: Kleinert, J., A. Schimmelpfennig, K. Schrader, J. Stehn (2000), S. 97ff.
123
Ähnliche Probleme wurden bereits Anfang des vergangenen Jahrzehnts für die Sozialstaaten der EU erwartet, wobei hier auch andere Ursachen, wie z. B. die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung, eine besondere Rolle spielten. Vgl. Sodan, H. (2002).
124
Vgl. Dietz, B. (2001).
125
Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen, Bundesgesetzblatt 1996, Teil I, Nr. 11, S. 227, vom 26. Februar 1996.
6.3 Lohnpolitik und Arbeitsmarkt
165
Kommission für die Beitrittsverhandlungen Übergangsfristen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit von bis zu sieben Jahren für die Verhandlungen mit den Beitrittsstaaten vorgeschlagen und schließlich in den Beitrittsverträgen vor der ersten Osterweiterungsrunde am 1. Mai 2004 vereinbart; entsprechende Regelungen bestehen damit auch mit Bulgarien und Rumänien. Danach wurde es den alten Staaten der EU freigestellt, ob und inwieweit sie während dieser Übergangsfrist ihre Arbeitsmärkte für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedsstaaten öffnen. Nach der Übergangsfrist (erste Osterweiterung: Ende April 2011; Bulgarien/Rumänien: Ende 2013) wird die volle Freizügigkeit für Arbeitskräfte aus diesen Staaten wirksam. Mit einem neuen Zuwanderungsstrom muss/kann nach Ablauf der Fristen gerechnet werden. Für die Zeit danach wurden bereits frühzeitig zahlreiche Vorschläge aus der Wissenschaft angeboten, damit die Arbeitskräftewanderungen auch weiterhin gestaltbar bleiben.126 Diese Zuwanderungsproblematik und die ersten Schätzungen hierzu beruhten allerdings auch auf dem Umstand, dass das Wohlstandsgefälle zwischen alten und neuen EU-Staaten unverändert bleibt. Inzwischen haben sich aber die Einkommensunterschiede z. T. deutlich angenähert. Der ökonomische Druck zur Migration dürfte sich hierdurch merklich vermindert haben. Als Schwelle für wesentliche Wanderungsbewegungen hat etwa die EZB den Wert von 1,5 (relatives Einkommen eines Landes zum jeweiligen Vergleichsland; gemessen in Kaufkraftstandards) ermittelt, ein Wert, der für Deutschland annähernd erreicht sind.127 Langfristig dürften daher keine nennenswerten Wanderungsbewegungen aus diesen Staaten zu erwarten sein. Dagegen könnten bisher aufgestaute Migrationswünsche zu einer kurzfristige Welle von Zuwanderungen führen. Empirisch orientierte Studien gehen von 50.000 bis 150.000 Personen pro Jahr aus.128 Wurde die Migrationsdebatte in der Vergangenheit vor allem unter der Befürchtung eines unkontrollierten Zuwanderungsstroms unqualifizierter, auf Sozialleistungen schielender Personen geführt, zeigt die jüngste Zuwanderungsdiskussion eher die Möglichkeiten auf, die sich durch die Globalisierung bieten. So wurde bereits im Jahre 2002 im Rahmen der öffentlichen Anhörung vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages zum (zunächst gescheiterten) Zuwanderungsgesetz über die ökonomischen Auswirkungen von Zuwanderungen die wissenschaftliche Erkenntnis bestätigt, dass es in Deutschland einen erheblichen Mangel an qualifizierten Fachkräften gibt und sich dieser in Zukunft weiter verstärken wird. In der gesteuerten Zuwanderung, der so genannten Arbeitsmigration, wurde mithin eine der Möglichkeiten gesehen diesen Fachkräftemangel reduzieren zu können. Für den temporären Bedarf an bestimmten Qualifikationen gab es zudem die Greencard-Regelung, die ausschließlich für Interessenten mit benötigten Berufen ausgestellt wurde. Die Erfolge blieben aber – vor allem nach dem schnellen Ende des ersten Internet-Booms der New Economy – hinter den Erwartungen zurück. 126
Für frühe Vorschläge vgl. bereits Brücke, H., C. Weise (2001); Schäfer, W. (2001). Eine umfassende empirische Analyse der EU-Erweiterung und deren Auswirkungen für den Arbeitsmarkt findet sich in: Sinn, H.-W. (2000).
127
Vgl. Heinz, F., M. Ward-Warmedinger (2006).
128
Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2010), S. 295.
166
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
Im Jahr 2005 überführte die rot-grüne Bundesregierung die Greencard in das Zuwanderungsgesetz. Hochqualifizierten Arbeitnehmern außerhalb der EU-Freizügigkeitsregelungen sollte so der Zutritt zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtern werden. Hohe Mindesteinkommen, Überprüfungen nach geeigneten deutschen Kandidaten als Alternative und die Unattraktivität Deutschlands im Vergleich zu anderen Staaten führten zu einer niedrigen Inanspruchnahme dieser Regelung. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge machten im Jahr 2009 nur 689 Personen von der Hochqualifiziertenregelung Gebrauch.129 Aber nicht nur in diesem Segment des Arbeitsmarktes können Zuwanderungen die Arbeitsangebotsprobleme einer alternden Gesellschaft lindern helfen. Gerade bei den sozialen Dienstleistungen wird mit zunehmender Arbeitskräfteknappheit in Deutschland gerechnet. Nach Datenstand 2010 und Berechnungen des Statistischen Bundesamtes könnten etwa im Bereich der Pflege in den nächsten 15 Jahren etwa 150.000 Arbeitskräfte fehlen. In einer Zeit der zunehmenden Internationalisierung der Volkswirtschaften, ist in einer wissensbasierten Ökonomie wie der Deutschlands der Zuwachs von ‚Brain Gain‘ und die Vermeidung des Abflusses von Intelligenz (Brain Drain) unverzichtbar, um wettbewerbsfähig zu sein. Der demografische Trend mit seinem zunehmenden Mangel an Fachkräften erhöht den Bedarf an qualifizierten Menschen deutlich. Für den Bereich der Zuwanderung bedeutet dies: vereinfachte Zuzugsregelungen, eine auch spürbarere Offenheit gegenüber ausländischen Arbeitskräften und die leichtere Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen gehören zu einem Programm gegen den absehbaren Fachkräftemangel. Vor allem die Anerkennung ausländischer Qualifikation wäre schnell lösbar, stellt aber ein großes Problem dar, wie der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration feststellt: „Bei Zuwanderern, die mit zureichenden Qualifikationen kommen, wurden lange und werden oft noch heute die im Ausland erworbenen Abschlüsse und beruflichen Erfahrungen nicht anerkannt. Dahinter stehen neben realen Problemen der Übertragbarkeit auch bürokratische Gründe, berufsständische Gruppeninteressen oder schlicht auf Kosten der Gesamtverantwortung durchgesetzte Konkurrenzerwägungen vertretungsstarker Gruppen.“130 Auf der anderen Seite, darf es nicht zu einem (weiteren) Verlust an Spitzenkräften aus Wissenschaft und Wirtschaft an andere Länder kommen. Ohne ausführlich auf das weite Feld der Bildungs- und allgemeinen Gesellschaftspolitik eingehen zu können, zeichnen sich damit ganz wesentliche Forderungen ab, um auf dem (globalen) Arbeitsmarkt bestehen zu können. Dazu gehören zum einen die Beherrschung von Fremdsprachen und der Umgang mit kulturellen Unterschieden. Hinzu kommt die Vermittlung von nicht-kognitiven Fähigkeiten, etwa Geduld und Motivation, sowie die Fähigkeit und Bereitschaft zum Lösen von Problemstellungen, zum Treffen von Urteilen und zur Bereitschaft zum lebenslangen Leben. Fähigkeiten, die in einer wissensbasierten Volkswirtschaft immer wichtiger werden.131 Zudem müssen die vorhandenen inländischen Potenziale optimal ausgenutzt werden. Dies bedeutet eine entsprechende Politik zur Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit (Deutschland liegt deutlich unter-
129
Vgl. Astheimer, S. (2010).
130
Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (2010), S. 178.
131
Vgl. auch OECD (2010), S. 137ff.
6.4 Sozialpolitik
167
halb der europäischen Spitzenwerte), zur Anhebung der Erwerbstätigenquote älterer qualifizierter Arbeitnehmer, zur besseren Ausbildung junger Arbeitskräfte und zur Senkung der Abbrecherquoten von Studierenden. Relativ neu waren zu Beginn der neuen Globalisierungswelle Überlegungen darüber, wie sich die Arbeitsbeziehungen in multinationalen Unternehmen gestalten und wie Betriebsräte und Gewerkschaften auf die Internationalisierung der Wirtschaft reagieren sollten. So haben etwa die Arbeitnehmervertreter der Volkswagen AG im Jahre 1998 einen VolkswagenWeltbetriebsrat gegründet. Dieser besitzt aber mit seinen Aufgaben im Informations- und Beratungsbereich deutlich weniger Einflussmöglichkeiten als die deutschen Betriebsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Zudem dürfte der Abschluss globaler Tarifverträge schon an den unterschiedlichen Interessen der Arbeitnehmer in den einzelnen Staaten scheitern. Ansatzpunkte wären allenfalls konzernweit geltende Mindeststandards fairer Arbeitspraktiken, wie sie schon in einzelnen Unternehmen vereinbart wurden.132 Weltbetriebsräte sind daher auch nicht weit verbreitet. Nach Angaben der gewerkschaftsnahen Hans-BöcklerStiftung waren Mitte des letzten Jahrzehnts nur in zehn multinationalen Unternehmen solche Institutionen installiert. Hinzu kamen rund 50 Gewerkschaftsnetze, in denen die innerhalb eines Konzerns gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmervertreter global oder regional miteinander vernetzt sind. Wesentliche Ziele solcher Netzwerke sind der Informationsaustausch und die Kooperation der Beteiligten. Häufig binden sie auch das Management schrittweise in ihre Arbeit ein. Sie versuchen, das Fachwissen der Gewerkschaften aus Ländern mit etablierten Strukturen an die Arbeitnehmervertreter in Schwellenländer weiterzugeben.133 Allerdings ist die Frage nach Einführung von Mindeststandards nicht nur bei Arbeitsbedingungen, sondern auch im Sozialbereich oder im Bereich Umwelt nicht unstrittig. Schließlich können die entsprechenden Festlegungen aus Sicht von Entwicklungsländern auch als Protektionismus der Industriestaaten ausgelegt werden.
6.4
Sozialpolitik
Ähnlich wie beim Arbeitsmarkt gab es in der Vergangenheit auch im sozialen Bereich erhebliche Widerstände eines großen Teils der Bevölkerung der Industriestaaten gegen die Folgen der Globalisierung. Überschriften wie „Deutschlands Mitte schrumpft dramatisch“ oder Formulierungen „Unter dem Druck der Globalisierung zerbricht die alte Balance der Bundesrepublik“134 entstanden zwar im Wesentlichen unter dem Eindruck der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise. Dahinter steht sehr oft aber die – oftmals nur unterschwellig empfundene – Befürchtung soziale Errungenschaften aufgeben zu müssen. Auch hier, ähnlich wie bei der Finanzpolitik und beim Arbeitsmarkt, muss zunächst festgehalten werden, dass auch noch andere Einflüsse auf diesen Teil der Wirtschaftspolitik wirken. Im Bereich der Sozialpolitik 132
Vgl. Rüb, S. (2001).
133
Vgl. Hans-Böckler-Stiftung (2006).
134
Beides aus Sauga, M., B. Triebe (2008).
168
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
ist z. B. auch die demografische Entwicklung eines Staates zu beachten. Eine exakte Identifikation von Ursachen-Wirkungs-Beziehungen ist auch hier nur schwer möglich. Daher sind auch an dieser Stelle eher qualitative Aussagen angebracht. In der Literatur finden sich zahlreiche (behauptete) Effekte zur Globalisierung, die direkt oder indirekt auch Folgen für die Sozialpolitik haben: Behauptung: Es findet ein geringerer Lohnanstieg als in der Vergangenheit statt, bis hin zu Einkommensverlusten. Dadurch fehlen im Bereich der beitragsfinanzierten Sozialversicherungen Einnahmenbestandteile; die Finanzkrise des Sozialstaates wird sich weiter verschärfen. Auswirkungen des zunehmenden Internationalisierungsprozesses auf Arbeitsmarkt und Löhne sind zu erwarten – allerdings eher unter strukturellen Aspekten, wie das vorherige Kapitel gezeigt hat. Sollte es tatsächlich zu einem allgemeinen Lohnrückgang oder Minderwachstum kommen, verhindert die spezifische Gestaltung großer Teile des deutschen Sozialsystems eine nachhaltige Finanzkrise des Sozialstaates: der deutsche Sozialstaat ist nämlich in seinen wesentlichen Bereichen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Leistungsseite an der Einkommensentwicklung orientiert. Die Anpassungen beziehen sich dabei entweder direkt auf Einkommensgrößen (Rentenerhöhungen, Anpassungen beim Arbeitslosengeld) oder auf andere Indikatoren, wie etwa die Inflationsrate (etwa bei der Sozialhilfe, bis 1. Juli 1998, oder geplant als Teilanpassungsbetrag bei den Neuregelungen zu den Hartz IV-Regelsätzen), die sich aber mittelfristig in einem ähnlichen Ausmaß wie die Einkommensgrößen verändern. Aus diesem grundlegenden Zusammenhang folgt schließlich: wenn der Einkommenszuwachs geringer wird, dann verlangsamt sich auch der Ausgabenzuwachs. Eine nachhaltige Belastung der finanziellen Ausstattung wesentlicher Teile der sozialen Sicherungssysteme kann es daher durch eine verminderte Steigerung der Einkommen nicht geben. Folgen ergeben sich über diesen Zusammenhang allenfalls aus den Time-lag bedingten Wirkungen rückläufiger Lohnzuwachsraten, da Sozialleistungen i. d. R. mit einer zeitlichen Verzögerung an die Einkommensentwicklung angepasst werden. Behauptung: Es entstehen neue Formen der Erwerbstätigkeit, durch steigende Anforderungen an die Flexibilität der Unternehmen und der Arbeitnehmer. Hieraus resultieren unzureichende Absicherungen gegenüber sozialen Risiken. Hinter dieser These steht die Vermutung, dass es durch die Globalisierung zu einer Auflösung der traditionellen Vollzeitarbeitsverhältnisse kommt, etwa durch eine vom intensiveren Wettbewerb aufgezwungene ‚Just-In-Time‘-Produktion. Empirisch nachweisbar ist eine Zunahme des Anteils neuer Arbeitszeitformen an der Gesamtbeschäftigung. Nach Keller/Seifert hat sich der Anteil solcher Beschäftigungsverhältnisse bis 2007 auf 37% erhöht (Anfang 90er-Jahre: 20%).135 Dies betrifft etwa die Teilzeitarbeit und die flexiblen Arbeitszeiten, aber auch die geringfügige Beschäftigung. Atypische Beschäftigungsverhältnisse erweitern so das Flexibilitätspotenzial der Betriebe und teilweise auch der Beschäftigten. Deutliche Zunahmen haben in Deutschland seit 1991 vor allem Teilzeitbeschäftigungen
135
Vgl. Keller, B., H. Seifert (2009).
6.4 Sozialpolitik
169
(Verdoppelung des Anteils an der Gesamtbeschäftigung bis 2007) und ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse (Ende Nov. 2010: 7,5 Mio.) zu verzeichnen. Neben veränderten Wettbewerbserfordernissen kann hinter einer Zunahme dieser neuer Arbeitsformen aber auch der Wunsch von Arbeitnehmern stehen Familie, Partnerschaft und Berufsleben besser vereinbaren zu können. Vor allem die steigende Frauenerwerbstätigkeit und der Wandel der Arbeitswelt zu den Dienstleistungsberufen begründen daher das steigende Ausmaß an Teilzeitbeschäftigung in vielen Staaten. Und aus den im Vergleich zu traditionellen Normalarbeitsplätzen niedrigeren Löhnen entstehen geringere Sozialleistungsansprüche. Vor allem im Bereich der Altersversorgung sind niedrige Versorgungsleistungen in der Zukunft zu erwarten. Die Reaktionen hierauf sind aber eher ein Problem der Sozialpolitik als der Globalisierung. Da es in Deutschland in diesen Fällen zu einer unzureichenden sozialen Absicherung kommen kann, sehen zahlreiche Vorschläge etwa die Einführung einer Versicherungspflicht für Alle im Rahmen der Sozialversicherungen vor. Folgende Behauptungen werden oftmals geäußert: Behauptung: Das Ausmaß der Beschäftigung geht zurück, bei steigender Arbeitslosigkeit. Dies belastet die Sozialkassen, die Beitragssätze zu den Sozialversicherungen und die Steuersätze steigen. Für Deutschland dürften die Auswirkungen aus der internationalen Verflechtung der Warenmärkte und durch Direktinvestitionen kaum negativ sein, sie stabilisieren eher die Beschäftigung. Die in Kapitel 6.3 ‚Lohnpolitik (Arbeitsmarkt)‘ beschriebene Strukturverschiebung zwischen den Arbeitskräften unterschiedlicher Qualifikationsstufen hat durch den steigenden Anteil von Langzeitarbeitslosen bzw. kaum vermittelbaren Personen allerdings Auswirkungen auf den Sozialstaat. Dabei sind die einzelnen Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Deutschland unterschiedlich erfolgreich. In einer Untersuchung zur Evaluation fallen die Ergebnisse für einzelne Instrumente nicht besonders positiv aus: „Quasi-marktlich organisierte Vermittlungsdienstleistungen verbessern die Chancen der Geförderten auf eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht generell, sondern instrumentenspezifisch nur für bestimmte Gruppen von Arbeitsuchenden. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung und auch die ehemaligen nichtbetrieblichen Trainingsmaßnahmen leisten einen Beitrag zur Eingliederung der Geförderten in den Arbeitsmarkt, wobei die Wirkungen mit Zeitverzögerung auftreten und teils nicht sehr stark ausgeprägt sind. Betriebsnahe Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die auf die direkte Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt setzen, wie Eingliederungszuschüsse, Gründungsförderung oder die ehemaligen betrieblichen Trainingsmaßnahmen, gehören zu den Maßnahmen, die die Chancen der Teilnehmenden auf eine Integration in Erwerbsarbeit auch nach Ablauf der Förderung erhöhen – und das teilweise beträchtlich. Allerdings besteht bei ihnen ein Mitnahme- und Substitutionsrisiko. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen schaden der Tendenz nach eher den Integrationschancen der Geförderten. Es gibt nur ganz wenige – in der Regel arbeitsmarktferne – Teilnehmer-
170
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
gruppen, auf die dies nicht zutrifft. Für die neuen, im Jahre 2005 eingeführten Arbeitsgelegenheiten hingegen sind die Evaluationsergebnisse verhalten positiv.“136 Vor allem also zusätzliche Maßnahmen zur Qualifikation und Vermittlung bieten Aussicht auf nachhaltigen Erfolg – gegebenenfalls über die Gewährung finanzieller Unterstützungsleistungen für potenzielle Arbeitgeber. Die These einer abnehmenden Beschäftigungslage/steigenden Arbeitslosigkeit und damit einhergehend von steigenden Beitrags- und Steuersätzen kann aber bezogen auf die realwirtschaftlich orientierte Globalisierungsdebatte bisher nicht bestätigt werden. Probleme für den Arbeitsmarkt und damit für die soziale Sicherung eines Landes entstehen eher im Gefolge der globalisierten Finanzmärkte. Vor allem Schwellenländer, aber auch Industriestaaten sind von solchen Entwicklungen kurz- und mittelfristig betroffen: Ökonomisch kaum nachvollziehbare Aufwertungen, die hohe Volatilität der Wechselkurse und Spekulationswellen können realwirtschaftliche Entwicklungen beeinflussen. Durch die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum entstehen Beeinträchtigungen bei der Beschäftigungssituation eines Staates. Höhere Ausgaben für Arbeitslosigkeit und rückläufige Einnahmen bei den Beiträgen und Steuern sind die Folge. Bei den Steuereinnahmen kann sich eine zusätzliche Verschärfung ergeben: So gibt es in Deutschland zahlreiche steuerfinanzierte Sozialleistungen. Bei einem intensiveren Steuerwettbewerb drohen Einschränkungen dieser Leistungen. Die Einflüsse durch Wanderungsbewegungen sind aus Sicht des Sozialstaates eher notwendig. So gehen Prognosen zur Finanzierbarkeit des deutschen Rentensystems von bis zu 8 Mio. Nettozuwanderern bis zum Jahres 2040 aus. Zur positiven Beeinflussung des Sozialstaates wäre allerdings eine bestimmte Alters- und Qualifikationsstruktur der Zuwanderung erforderlich. Problem: Diese Menschen werden i. d. R. auch in ihren Heimatländern gebraucht. Im Endeffekt geht es bei der Diskussion um die Auswirkungen der Globalisierung auf den Sozialstaat in den Industriestaaten – ähnlich wie bei der Steuerpolitik – um die Frage, ob es bei einer Verschärfung des Standortwettbewerbs einen maximalen oder minimalen Umfang des Sozialstaates geben kann. Empirische Untersuchungen zeigen, dass in der Vergangenheit die unterschiedliche Inanspruchnahme der Wirtschaftskraft für soziale Leistungen mit dauerhaftem Wirtschaftswachstum vereinbar war.137 Im Zuge sich verengender finanzieller Spielräume des Staates werden in der Zukunft aber eher Formen privatwirtschaftlicher Absicherung vor sozialen Risikotatbeständen überwiegen, wie etwa die Rentenreform in Deutschland mit der Einführung der kapitalgedeckten Eigenvorsorge gezeigt hat (Riester- und RürupRenten). Allerdings sind hier auch umgekehrte Kausalitäten nicht auszuschließen. Im Zuge der Globalisierung der Finanzmärkte haben rückläufige Kapitalerträge bzw. Teil- oder Totalverluste von Kapitalanlagen auf Auslandsmärkten auch Auswirkungen auf die Altersversorgung in den Geberländern. Die nationale Sozialpolitik besitzt insgesamt aber weiterhin Ge-
136
Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2011).
137
Vgl. etwa Glastetter, W. (2000); Krupp, H.-J., J. Weeber (1997).
6.5 Umweltpolitik
171
staltungsmöglichkeiten, die sich aber in Zukunft noch stärkeren Einflüssen der Globalisierung ausgesetzt sieht. Ein gut ausgebauter, effizient wirtschaftender Sozialstaat dürfte auch für viele höherqualifizierte Erwerbstätige ein positiver Standortfaktor sein. Für Entwicklungs- und Schwellenländer lässt sich ähnlich wie bei Industriestaaten die Sozialpolitik auch als Standortfaktor verstehen – allerdings aus einer anderen Sichtweise. So stellen relativ niedrige Sozialstandards zunächst (temporäre) komparative Kostenvorteile dar138 – ähnlich lässt sich auch für den Faktor Umwelt argumentieren. Die Forderung nach einheitlichen Umwelt- und Sozialstandards wird daher in Teilen der Literatur als eine (moderne) Form des Protektionismus seitens der Industriestaaten aufgefasst. Die großen Schwellenländer wie Brasilien oder China akzeptieren deshalb auch immer weniger, dass westliche Industriestaaten die sozialen Regeln weltweiten Handelns bestimmen. „Sie beanspruchen vielmehr eine führende Rolle in der Entwicklung und Durchsetzung global gültiger Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards. Global akzeptierte Normen gesellschaftlicher Verantwortung, um nichts weniger geht es.“139 Zur Klärung entsprechender Sachverhalte wurde die ISO 26000 entwickelt und im September 2010 verabschiedet (Social Responsibility, SR). Diese Norm definiert gesellschaftlich verantwortliches Handeln für alle Arten von Organisationen. Sie bietet damit auch für Unternehmen Orientierungspunkte für allgemeingültiges gesellschaftliches Handeln in den Bereichen faire Arbeitspraktiken, Umweltschutz, Menschenrechte, Konsumentenschutz und Korruptionsprävention. International tätige Unternehmen können sich dann mit anderen vor Ort tätigen Unternehmen vergleichen. Ob diese Vorstellungen tatsächlich umfassend und weltweit umgesetzt werden, wird sich zeigen.
6.5
Umweltpolitik
Unter den Aspekten der Internationalisierung der Wirtschaften war Umweltpolitik ein in der Vergangenheit eher vernachlässigtes Thema, obwohl bereits 1972 der Club of Rome mit seinem berühmten Buch The Limits to Growth auf davon relevante Aspekte hinwies und der Generaldirektor der WTO-Vorgängerinstitution GATT, Peter Sutherland, in einer Rede vor dem World Economic Forum in Davos 1994 bemerkte: „Trade and the environment is one area in which GATT member countries have committed themselves already to a comprehensive new work programme. … Environmental policy-making is one of the most rapidly evolving areas of national and international policy-making, and it is entirely appropriate that emphasis should be placed now in GATT/WTO on ensuring better policy coordination and multilateral cooperation over the linkages between trade and environment.”140
138
Vgl. zu Fragen des Sozialstandards: Glastetter, W. (2000), S. 206; Sautter, H. (2001); Scherrer, C., T. Greven (2001).
139
Wieland, J. (2008), S. 63.
140
Sutherland, P. (1994), S. 12.
172
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
Inzwischen haben sich durch die vergleichsweise gesicherten Erkenntnisse aus der Klimaforschung auch hier Themenstellungen für die Wissenschaft und Politik ergeben; Klimawandel enthält auch Fragestellungen zur Globalisierung. Zunächst einmal machen Umwelt und Umwelteinflüsse nicht vor Staatsgrenzen halt. Typisches Beispiel sind Industrieproduktionen an Staatsgrenzen: die hierdurch ausgelösten Umweltbeeinträchtigungen bekommen auch die Nachbarstaaten zu spüren. Das Problem der Internalisierung solcher externer Kosten wird durch den Aspekt der Globalisierung ergänzt. Während für das Internalisierungsproblem inzwischen zahlreiche Instrumente in der Praxis eingesetzt werden (Umweltauflagen, Emissionssteuern, handelbare Emissionsrechte), ist die Problembehandlung für die grenzüberschreitenden Auswirkungen noch nicht abgeschlossen. Dies gilt erst recht für den Klimawandel und die internationale Klimapolitik. Hier ist die Vernetzung zwischen den Staaten quasi weltumspannend. Dies zeigt sich etwa an den Kosten des Klimawandels, die Stichworte sind dazu: die Verteuerung der gesamtwirtschaftlichen Produktion durch witterungsbedingte Engpässe (z. B. bei Lebensmittelpreisen), die Verteuerung des Faktors Umwelt durch Steuern und Zertifikate, die wirtschaftlichen Schäden durch Unwetterkatastrophen. Auch Umverteilungsaspekte sind hier von Bedeutung. Während Inselstaaten und -regionen wie Mikronesien und Mocambique zu den Verlierern zählen werden (was sich durch den Bau von Schutzmaßnahmen auch ökonomisch zeigt), könnten Staaten wie Kanada von besseren Abbaumöglichkeiten bei Rohstoffen profitieren. Aber auch in umgekehrter Kausalität zeigen sich die Interdependenzen zwischen Ökonomie und Umwelt. Dank der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich nicht nur die Produktion in zahlreichen Industrie- und Schwellenländer verringert, sondern ist auch der Ausstoß von Kohlendioxid geringfügig gesunken (eine stärkere Reduktion wurde nur durch das anhaltend hohe Wirtschaftswachstum in China verhindert). Durch die engere Vernetzung der Volkswirtschaften führen vermutete Lösungen auf der einen Seite, zu Konsequenzen für die andere Seite. Ein Beispiel: die Einführung von Obergrenzen beim Ressourcenverbrauch. „Im Sinne globaler Gerechtigkeit wäre ein globales Nullwachstum (die Steady-State Economy) weder ethisch akzeptabel noch in Ansätzen umsetzbar, da es den Entwicklungsländern ein unzumutbares Opfer abverlangt. Stattdessen müsste, ähnlich den Absichten der internationalen Klimapolitik, eine absolute Reduktion des Ressourcenverbrauchs in Industrie- und Schwellenländern beginnen, während Entwicklungsländer eine gewisse Zeit ihren Ressourcenverbrauch weiter steigern dürften. Obwohl theoretisch denkbar, erweist sich globales Nullwachstum wegen der strukturellen wirtschaftlichen Abhängigkeit von Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern als unmöglich. Ein Schrumpfungsprozess oder auch nur schwächeres Wachstum in Industrie- und Schwellenländern würde zwangsweise zu einer Verringerung beispielsweise von Rohstoffimporten führen, während Direktinvestitionen in Entwicklungsländern abnehmen könnten. Ein Schrumpfungsprozess in Industrieländern würde auch das Wachstum in Entwicklungsländern reduzieren.“141 Klimakrise auf der einen Seite und wirtschaftlicher Aufholprozess von Entwicklungs- und Schwellenländer im Zuge der ökonomischen Globalisierung auf der anderen Seite, sind damit miteinander verbunden.
141
Ibisch, P., L. Schmidt (2010).
6.5 Umweltpolitik
173
Konsequenterweise hat daher die Weltbank dieses Thema zum Schwerpunkt ihres neuesten Weltentwicklungsberichtes gemacht. Sie kommt zum Schluss, dass unter wirtschaftlichen Aspekten die Verringerung des Klimarisikos bezahlbar ist. Schätzungen gehen von weniger als 1% des jährlichen globalen BIP aus, wobei auch hier die Frage der Lastverteilung entscheidend ist. Wahrscheinlich ist, dass die Entwicklungsländer die relativ höchste Last zu tragen haben.142 Aber auch die direkten Kosten des Klimawandels dürften ungleich verteilt sein. So führt die durch den Klimawandel ausgelöste Erderwärmung in einigen Gebieten zu Überschwemmungen und lang anhaltenden Regenfällen, während andere Regionen mit langen Dürreperioden und Hitzewellen zu kämpfen haben. Hieraus resultieren Ernteausfälle und Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung. Probleme, die vornehmlich für ärmere Staaten nur schwer zu tragen sein werden. Auch bei umwelt- und klimapolitischen Fragestellungen zeigen sich damit Aspekte der Globalisierung. Die Frage unserer Energiebasis mit ihrer Verbrennung von (weitgehend) fossilen Brennstoffen enthält ein erhebliches langfristiges, globales Risikopotenzial. Der Aspekt der Nachhaltigkeit wird daher zu recht auf internationalen Klimakonferenzen zwischen allen Staatengruppen debattiert. Lösungsansätze haben sich daraus erst auf der Tagung in Cancún im Dezember 2010 u. a. durch den Beschluss über die Einrichtung eines Klimaschutzfonds für Entwicklungsländer ergeben. Im Kern stellt ein solcher Fonds – wirtschaftlich gesehen – für die Zahlländer eine Externalisierung des bisherigen und zukünftigen Ressourcenverbrauchs dar. Ob dieser dadurch vollständig abgedeckt wird, kann allerdings bezweifelt werden. Andere Ansätze zielen auf eine stärkere lokale und regionale Versorgung, z. B. der Energie- und Lebensmittelversorgung oder des Umweltverbrauchs ab – Regionalisierung statt Globalisierung ist hier ein Stichwort. Lokale Kreislaufwirtschaftssysteme, nachwachsende Rohstoffe, endogene Versorgung und Regionalwährungen sind Ideen dazu. Strittig ist vor allem die Frage, ob das internationale Handelssystem – und damit eine der Grundlagen des modernen Globalisierungsprozesses – als Instrument der Klimaschutzpolitik eingesetzt werden sollte. Besondere Problematik resultiert aus dem Umstand, dass die Ereignisse der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise Staaten ermuntern, Klimaschutz als Vorwand für protektionistische Bestrebungen einzusetzen – was z. B. am Verhalten einzelner Staaten sichtbar wird: „Der Vorschlag, empfindliche Handelssanktionen zwecks Unterstützung nationaler Klimamaßnahmen zu verhängen … hat an Akzeptanz gewonnen. Alle Gesetzesvorlagen zur Energie- und Klimapolitik, die dem US-amerikanischen Kongress in letzter Zeit eingereicht worden sind, sehen Handelssanktionen oder Zölle (oder entsprechende Instrumente) im Zusammenhang mit bestimmten Gütern aus solchen Ländern vor, die keine Begrenzung ihrer Kohlenstoffemissionen vorsehen.“143 Ähnliches gilt auch für die Europäische Union. Umwelt- und Klimapolitik bieten aber auch ökonomische Chancen. Green-business- und Low-carbon-Innovationen (Investitionen zur nachhaltigen Verringerung der Kohlendioxidemissionen, z. B. in erneuerbare Energien, energieeffiziente Immobilien und neue Logistik-
142
Vgl. Weltbank (2010), S. 7.
143
Weltbank (2010), S. 281.
174
6 Auswirkungen der Globalisierung auf einzelne Bereiche der Wirtschaftspolitik
lösungen) werden als der wahrscheinlich größte Wachstumsmarkt der Weltwirtschaft angesehen.144 Innovative Unternehmen aus den Industriestaaten dürften davon tendenziell am ehesten profitieren. Andere Forschungsgebiete zum Zusammenhang zwischen Umwelt- und Klimapolitik stehen dagegen noch am Anfang. Dies gilt etwa für die Frage, wie Migrationsbewegungen mit dem Klimawandel zusammenhängen. Hier führt etwa das Hamburgische WeltWirtschaftsinstitut erste Überlegungen durch. Auch die Möglichkeit wegen des Rückganges des rapiden Abschmelzens der Eisflächen der Arktis neue Schiffsrouten für den Warenaustausch nutzen können, hat wirtschaftliche Konsequenzen – Verteilungsfragen, kurz- versus langfristige Folgen daraus, sind ebenfalls noch nicht vollständig erforscht. Ähnliches gilt auch für die Folgen des Klimawandels für andere Branchen (etwa Land- und Forstwirtschaft, Bau- und Immobilienwirtschaft, Versicherungs- und Kreditwirtschaft). Hier ist z. B. das Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie eine der führenden Adressen in Deutschland.
6.6
Literatur
Die Literatur zu den Auswirkungen der Globalisierung auf die nationale und internationale Wirtschaftspolitik ist mittlerweile kaum überschaubar. Die hier angegebenen Beiträge bieten die Möglichkeit eines schnellen Einstiegs in die einzelnen Politikbereiche. Zum Thema Geld- und Währungspolitik: hier wird auf die jeweiligen Monatsberichte der EZB und der Deutschen Bundesbank verwiesen; zusätzlich eignen sich Filc, W. (2008); BIZ (2006), S. 79ff. Finanz- und Steuerpolitik: Deutsche Bank Research (2008); Exbrayat, N. (2010); Ölschläger, J. (2010); Haucap, J. (2011). Lohnpolitik und Arbeitsmarkt: Behrens, C. (2008); BMWi (2007); Giesecke, J., J. Heisig (2011); IAB (2009); Laaser, C.F. (2009). Sozialpolitik: Franke, S. (2006); Klump, R. (2004); Krupp, H.-J., J. Weeber (1998). Klimawandel: Hauff, M., D. Rübbelke (2009); Messner, D. (2010); Ott, H., C. Richter (2008). Ergänzende Ausführungen zu speziellen Frage: Deutsche Bank Research (2010); Deutsche Bundesbank (2007); Erber, G., M. Petrick, V. Schlippenbach (2008), EZB (2007), EZB (2008b), EZB (2009), EZB (2010).
144
Vgl. Messner, D. (2010), S. 32.
7
Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Der fortschreitende weltwirtschaftliche Strukturwandel hat nicht nur Auswirkungen auf Unternehmen und auf einzelne Politikbereiche. Bereits in frühen Untersuchungen wurden auch Unterschiede bei Standortbedingungen und sozialen Indikatoren in die Analyse wirtschaftlicher Entwicklungen von Regionen einbezogen, etwa im Nord-Süd-Konflikt der 70erJahre.145 Heute sind gerade diese Fragestellungen Inhalt auch zahlreicher globalisierungskritischerer Aussagen. Die regionale Analyse der Auswirkungen eines zunehmenden Globalisierungsprozesses lässt sich dabei unter zwei Blickwinkeln betrachten: die Auswirkungen zwischen Staaten bzw. Staatengruppen und die Auswirkungen innerhalb eines Staates.
7.1
Auswirkungen zwischen Staaten und Staatengruppen
Regionalorientierte theoretische und empirische Analysen beschäftigen sich u. a. mit der Frage, ob es Staaten gibt, die durch die Globalisierung gewinnen oder verlieren? Als Ergebnis zeigt sich, dass zu den Gewinnerstaaten in der Vergangenheit eher die traditionellen Industriestaaten gerechnet werden können, hier ist das Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Kopf der Bevölkerung deutlich höher als in anderen Regionen (Abb. 7.1). Für diese Staatengruppe ergaben sich bisher positive Renditen aus dem Abschöpfen von Rohstoffen aus Entwicklungsländern und der Gewinnung neuer Absatzmärkte; einen Beleg hierfür liefern die für rohstoffexportierende Entwicklungsländer vergleichsweise ungünstig verlaufenden Terms of Trade in der Vergangenheit. Negativ wird in den Industriestaaten häufig der Strukturwandel und der Verlust von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich beurteilt. Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist dies allerdings positiv zu bewerten, da hieraus Anstrengungen zur Förde-
145
Vgl. Nord-Süd-Kommission (1980).
176
7 Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
rung des Humankapitals resultieren und dadurch das wirtschaftliche Wachstum insgesamt gefördert wird. Abbildung 7.1 BNE pro Kopf der Bevölkerung in einzelnen Regionen 2008
Als Gruppe von Gewinnerstaaten gelten die Schwellenländer Südostasiens und einige Länder Lateinamerikas, auch wenn das Pro-Kopf-Niveau noch deutlich unter dem Durchschnitt der entwickelnden Länder liegt. Wenn auch die dortigen Finanzkrisen der 80er- und 90er-Jahre die wirtschaftliche Entwicklung in einzelnen Regionen zeitweise zurückgeworfen hatte, so ist doch in diesen Staaten vor allem in der letzten Dekade eine z. T. deutliche Steigerung des Durchschnittseinkommens festzustellen. Wachstumsraten des Pro-Einkommens von 5% pro Jahr und mehr waren keine Seltenheit. Was die wirtschaftliche Bedeutung einzelner Staaten im weltwirtschaftlichen Gefüge betrifft, gelten die so genannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) als die eigentlichen Gewinner der jüngsten Globalisierungsphase. Wichtige internationale Entscheidungen sind ohne die Hinzuziehung dieser Staaten nicht mehr denkbar. Beeinträchtigt wird dieser Erfolg vereinzelt durch eine größere Ungleichverteilung finanzieller Mittel in der Bevölkerung in einzelnen Staaten. Vor allem China hat sich zum Boom-Land entwickelt. Waren zunächst aufgrund der komparativen Lohnkostenvorteile Billigexporte der wichtigste Teil der Aufbruchsstrategie, sind auf der Ausfuhrseite nunmehr zunehmend höherwertige Produkte vertreten. Das Land führt demnach einen verordneten Strukturwandel durch: von der ‚Werkbank der Welt‘ (mit niedrigen Einkommen für die Wanderarbeitnehmer) zu einem modernen Standort mit qualifizierten
7.1 Auswirkungen zwischen Staaten und Staatengruppen
177
Arbeitskräften – mit höheren Arbeitseinkommen. Dadurch zeichnet sich auch eine Verschiebung der Exportstruktur in Richtung höherwertiger Güter ab, wobei China vornehmlich die Endfertigung von zugelieferten Vorleistungsgütern aus anderen, häufig angrenzenden Staaten übernimmt.146 Aufgrund seiner Exportüberschüsse verfügt China zudem über die größten Devisenreserven der Welt. Schätzungen gehen zudem davon aus, dass es im Jahre 2050 die USA als größte Wirtschaftsmacht der Erde ablösen wird.147 Ob dies tatsächlich eintrifft ist aber fraglich, sind doch selbst Wirtschaftsprognosen über einen kurzen Zeitraum von wenigen Jahren von Unsicherheit geprägt. Außerdem treffen die für China optimistischen Einschätzungen nur für die Volkswirtschaft insgesamt zu. Dagegen steigt das Pro-Kopf-Einkommen wesentlich langsamer als das Bruttoinlandsprodukt insgesamt. Bei einem Vergleich auf Basis der Kaufkraftparität dürfte das BIP je Einwohner in China bis 2050 nur von heute 14 Prozent auf 45 Prozent des US-Niveaus steigen und läge damit um mehr als die Hälfte niedriger als das durchschnittliche Einkommen eines US-Bürgers. Gleichwohl gelten die Staaten Südostasiens als die neuen Wachstumszentren. Neben China werden auch Indien und Indonesien, aber auch ‚kleinere‘ Staaten, wie Vietnam, an Wirtschaftskraft deutlich zunehmen. Waren (und sind noch) zunächst die Exporterfolge verantwortlich für den Aufschwung in diesen Staaten, wird in Zukunft die Binnennachfrage wichtiger werden. Wachsende, mittlere Einkommensschichten – so die Erwartungen – werden im Zuge vergleichbarer Konsummuster und Lebensstile nach materiellem Wohlstand streben und so die Nachfrage nach weltweit ähnlichen Produkten antreiben. Verbesserte, langfristige Wachstumsperspektiven werden die Kapitalströme in diese Region weiter ansteigen lassen. Zu den Nicht-Gewinnerstaaten der Globalisierung werden i. d. R. die bisherigen Entwicklungsländer, vor allem große Teile Afrikas gezählt. In der jüngeren Vergangenheit hat sich zwar in einigen Staaten Afrikas eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ergeben, aber gleichwohl gilt „moreover, Africa is still far from reaching its goal of an annual growth rate above 7 percent a year, which is essential if it is to achieve the quality of life of other developing countries.”148 Vor allem die Staaten südlich der Sahara blieben in der wirtschaftlichen Entwicklung bisher deutlich hinter anderen Regionen zurück. Staaten mit einem Bruttonationaleinkommen von unter 500 US-Dollar je Kopf der Bevölkerung finden sich nur in dieser Region (Burundi, Liberia, Demokratische Republik Kongo, Simbabwe). Und auch Staaten, die im Zeitraum 1970-2008 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung pro Kopf zu verzeichnen haben, kommen vornehmlich aus diesem Teil der Welt. Und dies bei großer Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen und auch negativen Werten für soziale Indikatoren. Allerdings gibt es auch in diesem Teil der Erde sich gut entwickelte Staaten. Vornehmlich dort, wo es zu einer erfolgreichen Bekämpfung von Korruption und zum Ausbau der Infra-
146
Vgl. Koopman, R., Z. Wang, S.-J. Wei (2008).
147
Vgl. PWC (2011).
148
Daouas, M. (2001), S. 4.
178
7 Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
struktur und politischer Stabilität kommt. Hinzu kommen muss eine unternehmensfreundliche Grundhaltung und Strukturen auf den regionalen Finanzmärkten, die eine schnelle und kostengünstige Finanzierung der ansässigen Betriebe ermöglichen. Nach einer Studie des McKinsey Global Institute hat sich das Wachstumstempo in 27 der 30 größten Volkswirtschaften Afrikas in der letzten Dekade beschleunigt und bildet damit eine der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsregionen.149 Auch wenn die Ergebnisse der Studie vergleichsweise optimistisch geprägt sind, zeichnen sich für ausländische Investoren hier Zukunftsmärkte ab. Das wirtschaftliche Potenzial dieser Staaten haben z. B. China, Brasilien und Indien erkannt und investieren dort im Bereich Rohstoffe, Nahrungsmittel und Infrastruktur. Von weiteren Investitionen würden nicht nur die Investoren profitieren, sondern auch die entsprechenden Staaten Afrikas. Technologie- und Finanztransfer könnten einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung dieser Region leisten. Für internationale Vergleiche zum Ausmaß der monetären Betroffenheit von Ungleichverteilungen einzelner Bevölkerungsgruppen werden vor allem Armutsmaße verwendet. Dabei muss zwischen absoluter und relativer Armut auch im Vergleich zu weiter fortgeschrittenen Volkswirtschaften unterschieden werden. Während der Begriff der absoluten Armut in Entwicklungsländern einen Zustand beschreibt, in dem die physische Grundversorgung nicht mehr gewährleistet ist, versteht man darunter in den anderen Staatengruppen eine Situation, in der nicht nur das zum Überleben Notwendige an Nahrung, Kleidung, Obdach, Gesundheitspflege fehlt, sondern auch die Teilnahme am sozio-kulturellen Leben nicht gewährleistet ist. Dieses sozio-kulturelle Existenzminimum ist auf einem über dem physischen Existenzminimum liegenden Einkommensniveau angesiedelt. Auch die relativen Einkommensdefinitionen führen zu unterschiedlichen Einkommensniveaus zwischen den einzelnen Staatengruppen, da sie sich an der Relation zur gesamtwirtschaftlichen Einkommensverteilung orientieren. Ähnlich wie bei sozialen Indikatoren sind auch bei den monetären Maßstäben für Armut im Wesentlichen die Staaten Afrikas betroffen. Im Vergleich zu anderen Regionen ist hier der Anteil der Bevölkerung, der unter gravierender Einkommensarmut leidet, besonders hoch (Tab. 7.1). Der deutlich gesunkene Wert für den Wirtschaftsraum ‚Ostasien und Pazifik‘ resultiert vor allem aus der positiven Entwicklung in China (von 53,7% auf 15,9%). Wählt man im Übrigen nur das geringfügig höhere Niveau von ‚unter 2 US-Dollar pro Tag und Kopf‘ steigen die Werte für Südasien und für die Staaten Afrikas südlich der Sahara auf jeweils deutlich über 70% an. Auch bezogen auf erweiterte soziale Indikatoren ist die Entwicklung in zahlreichen Staaten Afrikas südlich der Sahara nicht als besonders positiv zu beurteilen. Nach dem Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen, der aus
Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt, Alphabetisierungsquote, Einschulungsquote und Lebensstandard (gemessen als BIP pro Kopf, kaufkraftbereinigt).
in mehreren Berechnungsstufen ein Gesamtindikator bildet, ergibt sich, dass vor allem in dieser Region die geringsten Fortschritte hinsichtlich der Wohlfahrtsentwicklung seit 1970 149
Vgl. McKinsey Global Institute (2010).
7.1 Auswirkungen zwischen Staaten und Staatengruppen
179
erreicht wurden (Abb. 7.2). Zudem lagen mit Stand 2010 die 30 Staaten mit dem niedrigsten HDI in dieser Region der Erde (nur erfasste Staaten). Abbildung 7.2 Länderfortschritte beim HDI in ausgewählten Staaten
Quelle: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Bericht über die menschliche Entwicklung 2010, Berlin 2010, S. 35.
Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise werden auch auf die Armutslage in einzelnen Staaten durchschlagen. Erste Hinweise darauf lassen sich aus den Angaben zum Milleniumsbericht 2010 der Vereinten Nationen entnehmen. Danach sind die Beschäftigungsverhältnisse in zahlreichen Entwicklungs- und Schwellenländer von der rückläufigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in ihren Ländern negativ betroffen. Dies hat zu weiter unsteten Beschäftigungsverhältnissen bei unzureichendem Verdienst geführt. Daher hat auch die Einkommensarmut aktuell wieder zugenommen. Vor allem in Südasien und in den Staaten Afrikas südlich der Sahara hat der Anteil der Erwerbstätigen, die mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag auskommen müssen 2009 im Vergleich zum Vorjahr wieder deutlich zugenommen. Und die Krisenfolgen werden andauern: „Die Armutsquoten werden 2015 und sogar 2020 etwas höher liegen, als bei stetigem Wachstum der Weltwirtschaft im Tempo vor der Krise zu erwarten gewesen wäre.“150 Der Stand der Globalisierung in einzelnen Regionen wird – wie gezeigt – i. d. R. über einzelne Indikatoren abgeleitet. Einen anderen Ansatz verfolgt der KOF-Index, der vor allem von Axel Dreher von der ETH Zürich ermittelt wird. Dieser Globalisierungsindex berechnet 150
Vereinte Nationen (2010), S. 7.
180
7 Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
aus 24 Variablen für 181 Länder über den Zeitraum 1970–2007 (Stand 2010) den Stand der Integration in der Weltwirtschaft. Die Variablen stehen für die drei Dimensionen wirtschaftliche, soziale und politische Globalisierung. Unterschieden nach Regionen haben vor allem die Staaten Osteuropas (durch Glasnost und Perestroika) sowie Zentral- und Ostasiens in den letzten Jahrzehnten eine höhere Vernetzung mit anderen Staaten erreicht. Differenziert nach Einkommensgruppen haben die Staaten mit hohem Einkommen ihre Globalisierungsposition gehalten, die Staatengruppe der mittleren Einkommen hat besonders kräftig zugelegt.151 Tabelle 7.1 Bevölkerung mit einem Einkommen unter der Armutsgrenze
Bevölkerung mit einem Einkommen unter der Armutsgrenze (unter 1,25 US-Dollar pro Tag und Kopf) Region
1993
2005
Ostasien und Pazifik
50,8
16,8
4,3
3,7
10,1
8,2
4,1
3,6
Südasien
46,9
40,3
Afrika südlich der Sahara
56,9
50,9
Alle Regionen
29,0
23,4
Europa und Zentralasien Lateinamerika und Karibik Mittlerer Osten und Nordafrika
In Prozent der Gesamtbevölkerung. Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung; kaufkraftbereinigt.
Die Suche nach den ‚Gewinnern und Verlierern‘ führt auch zu der Frage, ob es spezifische Voraussetzungen der Staaten für Erfolg bzw. Misserfolg im Globalisierungsprozess gibt? Ein Patentrezept gibt es sicherlich nicht. Aber es zeigt sich, dass bestimmte Rahmenbedingungen sich relativ günstig auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Staates auswirken können: Die Integration eines Staates in die Weltwirtschaft, durch Öffnung der Grenzen für Export und Import (als Gegensatz dazu der Protektionismus der 30er-Jahre und derzeit in einigen wenigen Staaten), aber auch Lernen durch Know-how-Transfer. So haben bereits erste Untersuchungen zu Beginn der aktuellen Globalisierungsphase gezeigt, dass etwa für die Schwellenstaaten Asiens eine Steigerung des Anteils am Welthandel mit einer Zunahme des Pro-Kopf-Einkommens seit Anfang der 70er-Jahre einhergegangen ist. Ansatzweise werden entsprechende Tendenzen auch für die jüngere Zeit bestätigt, auch wenn die Analyse der entsprechenden Datensätze durch die Finanz- und Wirtschaftskrise derzeit beein-
151
Vgl. Dreher, A. (2007).
7.1 Auswirkungen zwischen Staaten und Staatengruppen
181
trächtigt ist.152 Die Exporttätigkeit sollte sich dabei aber langfristig nicht nur auf Rohstoffe konzentrieren. Hier ist die Entwicklung der Terms of Trade in der Vergangenheit vergleichsweise ungünstig gewesen und ob dieser Trend dauerhaft umgedreht werden kann, ist fraglich – vor allem dann, wenn sich der Abbau von Rohstoffvorkommen dem Ende nähert.153 Die Öffnung der Entwicklungs- und Schwellenländer muss allerdings durch den verbesserten Zugang zu den Märkten der Industrienationen unterstützt werden. Hier waren in der Vergangenheit von der UNCTAD vor allem Spitzenzölle auf arbeitsintensive Produkte zu beanstanden.154 Die Offenheit der Kapitalmärkte, wobei hier eine Unterscheidung nach Direktinvestitionen und Finanzanlagen vorgenommen wird (für letztere kann es in einzelnen Staaten und in bestimmten Situationen, etwa bei Spekulationswellen, Beschränkungen geben, ohne dass es zu einer kurzfristigen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung kommt. Als Beispiel gelten hier die Kapitalverkehrskontrollen Malaysias im Zuge der Asienkrise). Verlässliche staatliche Rahmenbedingungen (etwa in der Verwaltung, beim Steuersystem und dem Rechtswesen; zudem fördert der Abbau staatlicher Privilegien für Betriebe, z. B. in Form der Abschaffung von Monopolen, die Anreize für ausländische Investoren, sich auf diesen Märkten zu engagieren). Eine Unterstützung durch Auslandshilfe. Studien zeigen, dass Entwicklungshilfe das Wachstum pro Kopf in Entwicklungsländern steigern kann, wenn die Regierungen dieser Staaten Eigenanstrengungen in Richtung makroökonomischer und rechtlicher Stabilität aufweisen. In solchen Staaten kommt es dann auch nicht zum ‚Samariter-Dilemma‘: danach verringert die gewährte finanzielle Unterstützung nicht die Hilfebedürftigkeit, sondern vergrößert sie.155 Verlässliche makroökonomische Stabilität (niedrige Inflation, niedriges Zinsniveau, geringer öffentlicher Schuldenstand).
Gerade die makroökonomischen Ansatzpunkte zeigen, dass die Ausgangspositionen einzelner Staaten sehr unterschiedlich sein können. Etwa was die Defizitlage der öffentlichen Haushalte anbetrifft (Tab. 7.2). Damit sind auch die Reaktionsmöglichkeiten des Staates auf krisenhafte Entwicklungen oder zur langfristigen Gestaltung von Wirtschaftspolitik aufgrund unterschiedlicher Zins- und Tilgungsbelastungen nicht einheitlich.
152
Vgl. El-Shagi, E. (1999); sowie WTO (2000) und Dollar, D., A. Kraay (2000).
153
Vgl. Kappel, R. (1999a).
154
Vgl. UNCTAD (1999).
155
Vgl. Lachmann, W. (2010).
182
7 Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Tabelle 7.2 Staatsverschuldung in ausgewählten Ländern
Verschuldungsentwicklung in ausgewählten Ländern (öffentliche Haushalte) 2005
2010
China
17,8
19,1
Indien
79,3
71,8
Malaysia
43,8
55,1
Thailand
46,4
48,5
Indonesien
45,6
31,0
Argentinien
86,8
52,2
Brasilien
69,2
66,8
Türkei
52,3
43,4
Mexiko
39,8
45,2
Marokko
64,6
49,9
Polen
47,1
53,9
Rumänien
15,8
30,5
Für 2010 Prognosen; Gesamtverschuldung des Staates in % des BIP Quelle: Kompetenzzentrum ‚Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft‘, Österreichs Außenwirtschaft 2010, Wien 2010, S. 23.
Die Überwindung von Einkommensunterschieden zwischen Staaten und Staatengruppen wird zudem durch die wirtschaftliche Weiterentwicklung eines Staates gefördert. Mit zunehmender Industrialisierung steigen daher auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern die Ansprüche an die Entlohnung und die Systeme der sozialen Sicherheit.156 Allerdings lassen sich wohlfahrtsvermehrende Faktoren nicht nur in monetären Größen ausdrücken. Positive Globalisierungseffekte können daher auch mit einer verbesserten Ausstattung sozialer Indikatoren (z. B. Bildungsversorgung, Kindersterblichkeit) einhergehen. Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und die Zunahme des Wohlstandes eines Landes sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander (Abb. 7.3).157
156
Eine solche Entwicklung lässt sich aus den unter Kap. 4.1 ´Reale (güterwirtschaftliche) Außenwirtschaftstheorie´ dargestellten Überlegungen zur Herstellung von Produkten und der steigenden Kaufkraft eines Staates ableiten. Vgl. auch Franz, W. (1999).
157
Vgl. bereits World Economic Forum (1998), S. 19; zum Aufbau und zur Aussagekraft sozialer Indikatoren Abb, F., J. Weeber (1989).
7.1 Auswirkungen zwischen Staaten und Staatengruppen
183
Abbildung 7.3 Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand
Für die weitere Entwicklung innerhalb dieser Staaten sind für die Umsetzung von Globalisierungserfolgen in Wohlstand (für eine breite Mittelschicht) neben den zuvor genannten Grundbedingungen zusätzliche Voraussetzungen erforderlich. Solche Faktoren können sein: Kein übermäßiges Bevölkerungswachstum, damit wirtschaftliche Erfolge durch eine stark steigende Einwohnerzahl nicht wieder ‚aufgefressen‘ werden. So sind in den vergangenen Jahrzehnten in einer Reihe von Transformationsländern Osteuropas und vor allem Afrikas trotz eines positiven Wirtschaftswachstums die Pro-Kopf-Einkommen gesunken. Besonders für kleinere Staaten mit bereits bestehender Ressourcenknappheit kann dies zum Problem werden. Hinzu kommen in Teilen des südlichen Afrikas zusätzlich die Probleme mit AIDS, wodurch die Verluste von produktiven Altersgruppen die ökonomische Entwicklung behindert.158 Die Fehlallokation knapper Ressourcen muss vermieden werden. So ist die Gesundheitsversorgung in großen Teilen immer noch Afrikas unzureichend, sodass durch den hohen Krankenstand in den Betrieben die Fehlzeiten sehr hoch und durch die Mangelernährung der Arbeitnehmer die Arbeitsproduktivität sehr niedrig ist. Insgesamt entsteht so ein hoher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Schaden. Auch die Versorgung mit Bildung ist ungenügend (Forderung nach ‚Bildungs- statt Militärausgaben‘).159 158
Vgl. Stockmann, R., U. Menzel, F. Nuscheler (2010), S. 277.
159
Vgl. hierzu bereits Kappel, R. (1999b).
184
7 Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Gesundheitsversorgung, der Zugang zu Bildungseinrichtungen, aber auch eine verlässliche Rechtsprechung und die Wahrung von Eigentumsrechten bestimmen auch den Weg aus der Armut für die bisher benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Nach Analysen der Weltbank ist die daraus erwachsende Chancengleichheit eine wichtige Voraussetzung zur Verringerung der Armut in diesen Staaten.160 Ein weiteres Diskussionsthema stellen auch ‚Brain Gain‘ bzw. ‚Brain Drain‘ für diese Staaten dar.161 Die Kritiker des Brain Drain betonen: der Erhalt des Humankapitals ist genau so bedeutend wie die Bildung von Sachkapital es entsteht ein Verlust von ohnehin knappen Investitionskapital, das der Staat in die Ausbildung gesteckt es kommt zu einer nachhaltigen Schwächung der Innovationskraft der Staaten durch die Abwanderung der geistigen Elite Gegenargumente hierzu sind: Migration entlastet heimische Arbeitsmärkte, wenn ein entsprechendes Arbeitsplatzangebot nicht vorhanden ist Die Rücküberweisungen von im Ausland arbeitenden Migranten erhöhen die Wohlstandsposition des Landes und unterstützen die ansässigen Familien bei der Armutsvermeidung Eine Rückwanderung führt zu einem Technologiegewinn durch im Ausland angeeignetes Wissen Migration ist auch ein Ausdruck menschlicher Freiheit Eine Gesamtbewertung der genannten Argumente im Sinne einer Kosten-Nutzen-Analyse verweist auf die Bedeutung länderspezifischer Besonderheiten. So ist die Abwanderung von heimischen Fachkräften ins Ausland ökonomisch auch davon abhängig, ob genügend Spezialisten der entsprechenden Berufe oder Ausbildungen noch im Inland vorhanden sind. Vor allem in Teilen Afrikas dürfte dies kaum gegeben sein.
7.2
Regionale Auswirkungen innerhalb eines Staates
Die regionalen Auswirkungen der Globalisierung innerhalb von Staaten sind noch nicht sehr intensiv erforscht. Die hier vorgestellten Erkenntnisse beruhen daher auf erste Überlegungen aus der Forschung. Prinzipiell kann man aber feststellen, dass die Ungleichheit zwischen Menschen innerhalb eines Landes zunimmt und zwar je nachdem, in welchem Ausmaß einzelne Regionen in den Prozess der internationalen Arbeitsteilung einbezogen sind.
160
Vgl. World Bank (2006).
161
Vgl. Stockmann, R., U. Menzel, F. Nuscheler (2010), S. 295.
7.2 Regionale Auswirkungen innerhalb eines Staates
185
Innerhalb von Entwicklungs- und Schwellenländern Innerhalb dieser Staatengruppe kann es zu spürbaren Veränderungen der Regionalstruktur durch die Globalisierung kommen. Aktuelles Beispiel ist hier China, wo es bereits in den vergangenen Jahren zu einer merklichen Bewegung von den ländlichen Regionen in die Städte gekommen ist. Diese Entwicklung hat durch die Öffnung des Binnenmarktes im Zuge des erfolgten WTO-Beitritts im vergangenen Jahrzehnt an Stärke gewonnen. Daraus resultierte die Erwartung, dass es zu einer weiteren Verarmung der Landbevölkerung, durch die zunehmende Öffnung des landwirtschaftlichen Bereiches für Importe und die besseren Verdienstmöglichkeiten in den Metropolen, kommen wird. Diese Erwartung wurde zum Großteil bestätigt. Mögliche Folgen solcher Entwicklungen können sein: Landflucht der Bevölkerung, mit Herausbildung von Slums in den Vorstädten. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich in anderen Schwellenstaaten, wie etwa in Teilen Süd- und Lateinamerikas. Eine besondere Ausprägung von Regionen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung stellt dabei die Herausbildung von Maquiladoras (in Mittelamerika) dar. Dies sind Freihandelszonen innerhalb eines Staates für die Produktion von Exportgütern, sie stellen die verlängerten Werkbänke internationaler Unternehmen dar. Zudem gelten hier i. d. R. niedrigere Umweltstandards und auch die Arbeitsrechte sind eingeschränkt. Zudem entfallen Exportzölle, auch Steuern werden von den Unternehmen nicht gezahlt. In solchen Staaten verbleiben nur die von den Unternehmen gezahlten Arbeitslöhne. Eine Konzentration auf Städte oder Metropolen kann allerdings auch Vorteile für Entwicklungs- und Schwellenländer besitzen. Wie die Ergebnisse der neuen Raumtheorie zeigen, entstehen durch die Ansiedlung von Unternehmen, deren Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften und durch die Ansiedlung von Zulieferindustrien Agglomerationen mit einer endogenen Wirtschaftsentwicklung. So werden durch die großen lokalen Märkte weitere Ansiedlungen von Betrieben möglich.162 Allerdings nimmt hierdurch auch der Einkommensunterschied zwischen Land- und Stadtbevölkerung zu (Abb. 7.4).
162
Vgl. Fujita, M., P. Krugman, A. J. Venables (1999).
186
7 Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Abbildung 7.4 Entwicklungsunterschiede nach Land- und Stadtbevölkerung in ausgewählten Staaten
Quelle: Weltbank, Weltentwicklungsbericht 2008, S. 25.
Innerhalb von Industriestaaten – Beispiel Deutschland Neben den bekannten Raumtheorien mit ihren (notwendigerweise) eher allgemeinen Aussagen, sind Analysen über die konkreten Auswirkungen der Globalisierung auf die regionale Entwicklung in den Industriestaaten bisher auf wenige Studien beschränkt. Hier finden sich einige Thesen über den Betroffenheitsgrad von Regionen, die über die Intensität des Handels mit Waren und Dienstleistungen argumentieren. Nach Lammers dürften danach „Regionen mit leistungsfähigen, international ausgerichteten Dienstleistern und industriellen Produzenten, die einen hohen Humankapitalinput haben zu den Gewinnern der Globalisierung zählen.“163 Bezogen auf Deutschland zeigen sich daher eher in West- als Ostdeutschland die Folgen einer zunehmenden internationalen Verflechtung. Dies ist Ausfluss der strukturellen Unterschiede zwischen beiden Teilen Deutschlands. Während die westdeutsche Industrie einen hohen Anteil an Investitionsgüterproduktion aufweist, ist die ostdeutsche Wirtschaft mit der Produktion von Vorleistungsgütern beschäftigt. In Ostdeutschland finden sich daher vergleichsweise wenige industrielle Standorte mit hohem Exportanteil, vielmehr ist hier eine ausgeprägte Inlandsorientierung der Wirtschaft festzustellen.164 Bezogen auf die Länder des alten Bundesgebietes geht man von einem großen Betroffenheitsgrad für Bayern, BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz und das Saarland aus. Eine geringere Betroffenheit dürfte demnach etwa in den norddeutschen Ländern (mit Ausnahme der Freien und Hansestädte Hamburg und Bremen mit ihren traditionellen Außenhandelsbeziehungen) zu spüren sein. Werden Direktinvestitionen in die Analyse einbezogen zeigt sich, dass neben den bereits
163
Lammers, K. (1999), S. 13.
164
Vgl. Damm, B., J. Günther (2011).
7.2 Regionale Auswirkungen innerhalb eines Staates
187
erwähnten Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen auch Hessen sowohl bei zufließenden als auch bei ausfließenden Direktinvestitionen führende Positionen einnehmen. Nach einer Analyse von Kutschker/Schmid zog diese Gruppe im Jahre 2006 rund drei Viertel aller ausländischen Direktinvestitionen auf sich.165 Tabelle 7.3 Regionale Betroffenheit nach Bundesländer durch die Finanz- und Wirtschaftskrise
Regionale Betroffenheit nach Bundesländern durch die Finanz- und Wirtschaftskrise BIP 20091)
BIP 1. Hj. 20101)
Baden-Württemberg
-7,4
5,0
35,9
Bayern
-5,0
3,2
28,5
Berlin
-0,7
2,1
11,6
Brandenburg
-2,1
2,8
19,9
Bremen
-3,4
2,6
40,6
Hamburg
-3,2
2,3
37,4
Hessen
-4,3
2,7
19,9
Mecklen.-Vorpom.
-2,3
0,6
14,0
Niedersachsen
-4,7
2,7
27,7
Nordrhein-Westf.
-5,8
2,9
26,3
Rheinland-Pfalz
-5,0
4,5
33,8
Saarland
-7,9
4,9
38,7
Sachsen
-3,8
2,3
21,0
Sachsen-Anhalt
-4,7
1,3
20,3
Schleswig-Holstein
-1,9
0,6
20,2
Thüringen
-4,3
3,4
18,2
Bundesland
Exportquote2)
1) In % gegenüber Vorjahr; 2) 2009; alle Daten vorläufig. Quellen: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder
Bestätigt wird die vergleichsweise kräftige Einbindung dieser Bundesländer in die Weltwirtschaft durch die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise. In Ländern mit einer hohen Industriedichte und mit Standorten von Industrien mit einer hohen Exportneigung (insbesondere des Fahrzeugbaus und des Maschinenbaus; in diesen Ländern liegt daher auch die 165
Vgl. Kutschker, M., S. Schmid (2008), S. 130.
188
7 Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Exportquote über dem Durchschnitt der Bundesländer) waren die Rückgänge beim Wirtschaftswachstum durch den globalen Nachfrageeinbruch in 2009 besonders ausgeprägt. Allerdings trägt der hohe Exportanteil der dortigen Industrie bei einer Belebung der Auslandskonjunktur auch wieder zum überproportionalen Anstieg der wirtschaftlichen Leistung bei. Typische Beispiel sind hier einerseits Baden-Württemberg und das Saarland (hohe Exportquote und starke Reaktion des Wirtschaftswachstums) und andererseits Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern (niedrige Exportquote und geringe Reaktion des Wirtschaftswachstums), wie Tab. 7.3 zeigt. Noch schwieriger ist die Einschätzung für einzelne Regionen. So ist etwa die international ausgerichtete Finanzmetropole Frankfurt a.M. stärker von internationalen Entwicklungen betroffen als viele andere Teile Hessens. Solche Auswirkungen auf Regionen müssen aber nicht durch Bundesländer oder gar Staatsgrenzen beschränkt sein. Vielmehr können die Vorteile für Regionen z. B. aus einem großen grenzüberschreitenden Angebot an qualifizierten Fachkräften resultieren. Dabei entstehen, ähnlich wie in Entwicklungs- und Schwellenländern, Metropolen mit einer wachstumsfördernden Eigendynamik. So führen Faktorwanderungen „tendenziell zu einer verstärkten Konzentration der Bevölkerung und des Kapitals auf dynamische Zentren, die ihre (absoluten) komparativen Vorteile als Produktionsstandorte durch zuwandernde Produktionsfaktoren weiter festigen können. Dadurch wird es möglich, dass internationale Faktorwanderungen das regionale Wachstum in weniger entwickelten peripheren Gebieten hemmen und das Wirtschaftswachstum in ‚dynamischen Zentren‘ fördern.“166 Solche Vorteile für Metropolregionen finden sich auch bei Direktinvestitionen, z. B. in Frankfurt a.M., Hamburg und München. Solche Zentren – so die neuere Forschung – tragen über die Bildung von so genannten Clustern zu einer Art Gegenbewegung zur Globalisierung bei. Die räumliche Konzentration von Firmen, Wissenschaftlern, Fachkräfte und Mitbewerber kann zur Steigerung der Produktivität im Vergleich zu alleinstehenden Unternehmen führen.167 Dieser Trend zur regionalen Verdichtung schlägt sich daher folgerichtig auch in einer neuen Wortschöpfung nieder, der Glokalisierung.168 Räumlich kleinere Einheiten sind Orientierungspunkte für die Menschen; Städte und Gemeinden müssen Lösungen für ihre Probleme auf lokaler Ebene finden. Vor allem Megastädte in Entwicklungs- und Schwellenländer (Städte mit mindestens zehn Mio. EinwohnerInnen) stehen vor großen Herausforderungen in den Bereichen Armutsbekämpfung, Arbeitsplatzbereitstellung und Umweltschutz. Nicht umsonst sind in den jüngsten Weltentwicklungsberichten der Weltbank Themen zu den Folgen der Verstädterung zu finden. Solche Megastädte – von denen die meisten auf der südlichen Erdhalbkugel liegen – können auch als „Knotenpunkte der Globalisierung“169 bezeichnet werden.
166
Straubhaar, T. (2001), S. 102 (Hervorhebung im Original, J.W.).
167
Vgl. Losse, B. (2009).
168
Vgl. Straubhaar, T. (1999). Im politischen Spektrum finden sich solche Überlegungen seit Jahren etwa in der Forderung nach einem ´Europa der Regionen´.
169
Stockmann, R., U. Menzel, F. Nuscheler (2010), S. 282.
7.3 Literatur
7.3
189
Literatur
Zu den regionalen Auswirkungen der zunehmenden internationalen Verflechtung der Märkte nimmt die Zahl der Beiträge seit einigen Jahren zu. Als Beispiele: Betz, J. (2007); BioTranchè, A., E. Yehoue (2007); Deutsche Bank Research (2009); Dieter, H. (2000); Herr, H. (2000); IMF (2007); Nunnenkamp, P. (2000); Koch, W. A. S. (1997) und Tetzlaff, R. (1996); Sangmeister, H. (2000); Wahl, P. (2008). Zum Thema China finden sich zahlreiche Artikel und teilweise auch ausführliche wissenschaftliche Arbeiten. Angesichts der rasanten Geschwindigkeit, mit der sich dieses Land aber in der wirtschaftlichen Entwicklung fortbewegt, sind dies nur Momentaufnahmen. Es muss daher auf die jeweils aktuellen Forschungsarbeiten der nationalen und internationalen wirtschaftswissenschaftlichen Institute und Organisationen verwiesen werden. Als ein Beispiel zum Thema Wechselkurs: Cheung, Y., M. Chinn, E. Fujii (2009). Einen Einstieg in die Theorie vermittelt auch Siebert, H. (1997), (Kapitel 7. Entwicklungsländer, S. 119-137; Kapitel 8.6 Außenwirtschaftliche Aspekte der Transformation, S. 149-153).
8
Internationale Finanzkrisen
Die Welt ist in den letzten Jahren von der größten Krise seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre betroffen. Die zunehmende internationale Verflechtung der Volkswirtschaften ist dadurch ins Stocken geraten. So ist der Welthandel nach Schätzung der WTO 2009 um rund ein Zehntel geschrumpft, so stark wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Besonders verdeutlicht wurde der Öffentlichkeit dadurch auch, welche große Bedeutung der Geld- und Finanzsektor für ein funktionsfähiges Wirtschaften hat. Ohne funktionierende Geld- und Finanzmärkte sind moderne Marktwirtschaften nicht überlebensfähig. Dabei wurde aber auch deutlich, wie vernetzt die Volkswirtschaften auch in den verschiedenen Spielarten des Finanzsektors inzwischen sind.
8.1
Beispiele für Internationale Finanzkrisen
Vorgänger für die hier ausführlich besprochene Finanz- und Wirtschaftskrise lassen sich leicht finden. In der jüngeren Vergangenheit und damit vielen (ökonomischen) Beobachtern noch sehr präsent sind etwa
die Mexikokrise 1994/1995 die Asienkrise 1997/1998 die Russlandkrise 1998 die Krisen in Brasilien 1999 und Argentinien 2001
Finanz- und Wirtschaftskrisen sind allerdings keine exklusive Erfahrung der Neuzeit. Reinhart und Rogoff haben in ihrem viel beachteten Buch This Time is Different: Eight Centuries of Financial Folly eine umfassende Aufstellung früherer Krisen vorgenommen.170 Sie fanden über 100 Zeiträume mit Bankenruns und Bankenzusammenbrüchen in den unterschiedlichsten Staaten im Zeitraum von 1800 bis 2008 und fast 250 Krisen seit Anfang des 19. Jahrhunderts, die mit einer zu hohen Auslandsverschuldung verbunden waren – wobei ein Reihe Staaten in den einzelnen Erdteilen damit immer wiederkehrende Probleme hatten:
170
Vgl. Reinhart, C., K. Rogoff (2010a).
192
8 Internationale Finanzkrisen
Tabelle 8.1 Die Staaten mit den meisten Auslandsschuldenkrisen
Die Staaten mit den meisten Auslandsschuldenkrisen (nach Erdteilen) Amerika
Europa
Venezuela
10
Spanien
13
Brasilien
9
Frankreich
8
Chile
9
Deutschland
8
Costa Rica
9
Ecuador
9
Nigeria
5
Uruguay
8
Marokko
4
Peru
8
Mexiko
8
Afrika
Asien Indonesien
4
Indien
3
Quelle: Reinhart, C., K. Rogoff, Dieses Mal ist alles anders, München 2010 (eigene Zusammenstellung)
Immer wiederkehre Elemente solcher krisenhaften Verläufe sind:
eine Anhäufung von Schulden (unabhängig vom verschuldeten Wirtschaftssubjekt) die mangelnde Bedienbarkeit der Schulden die Übernahme der Schulden durch den Staat negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft
Historische Vorläufer solcher Krisen sind also weit verbreitet. Eine der bekanntesten Krisen ist sicherlich die Tulpenmanie Anfang des 17. Jahrhunderts, die 1637 ihren Höhepunkt erreichte und bei der – glaubt man den Überlieferungen – die Zwiebel einer bestimmten Tulpenart den Preis eines Hauses in der Amsterdamer Innenstadt bzw. das 30fache des Jahreseinkommens eines durchschnittlichen Handwerkers erreichte. Die schwerwiegendste Krise der neuen ökonomischen Zeitenrechnung war die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre. In der heutigen öffentlichen Wahrnehmung verbindet man damit den rasanten Verfall der Aktienkurse (‚Schwarzer Freitag‘). Ökonomisch war sie aber auch geprägt von einem Zusammenbruch des Welthandels, einer Verringerung der Geldmenge und der großen Deflation in Deutschland und sie verschärfte die bereits vorhandenen protektionistischen Tendenzen. In den USA wurden Kredite für Importe nicht mehr gewährt, die Wareneinfuhren reduzierten sich um rund ein Viertel innerhalb der letzten drei Monate des Jahres 1929. Die größte Welle von Zahlungsausfällen war die Folge. Sie war aber vor allem ein Musterbeispiel für eine wichtiges Ergebnis der ökonomischen Krisenforschung: wird das Bankensystem von einem
8.2 Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise
193
Misstrauen erfasst, „ist es für eine Ökonomie schwer, seine normale Wirtschaftsaktivität aufrechtzuerhalten.“171 Eine Erkenntnis, die sich auch durch den Verlauf der jüngsten Finanzund Wirtschaftskrise bestätigen lässt und die über die verschiedenen Wirkungskanäle auch die unterschiedlichsten Volkswirtschaften miteinander verband.
8.2
Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise
Während die zuvor gezeigte Aufstellung mehr oder weniger regional begrenzte Finanz- und Wirtschaftskrisen zum Inhalt hatte hat, haben die Ereignisse und Ergebnisse seit 2007 gezeigt, dass viele Staaten in ihrer Entwicklung zurückgeworfen wurden. Dies nährt die Erkenntnis, dass diesmal die Krise weltweit wirkte und vom Kern als ‚systemisch‘ bezeichnet werden muss. Unterstützung erhält diese Einschätzung auch durch die Vehemenz, mit der verantwortliche Politiker und Politikerinnen einen solchen Eindruck zu vermeiden versuchten. Ein Beleg hierfür stellt die Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Formulierung vom 5. Oktober 2008 dar, als sie im Zuge der Nachwirkungen der Pleite von Lehman Brothers versicherte: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ In der Summe aller Maßnahmen kann damit die Rettung der Finanzinstitute nicht etwa als Programm zur Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bewertet werden – wie von zahlreichen Beobachtern interpretiert. Vielmehr war das Ziel die systemische Stabilisierung der Volkswirtschaften in der westlichen Welt. Von daher unterscheidet sie sich auch von früheren Finanz- und Wirtschaftskrisen. Diese waren eher länderspezifische oder allenfalls regionale Krisen – mit Ausnahme der großen Weltwirtschaftskrise. Die vollständige wissenschaftliche Aufarbeitung über die Ursachen (vor allem des jeweiligen Anteils), Auswirkungen und Konsequenzen dieser Krise ist noch nicht abgeschlossen. Wesentliche Aspekte die bis Ende 2010 bekannt sind, sollen hier trotzdem skizzenhaft dargestellt werden. Hinsichtlich der Wirkungen ist dabei auf die notwendige Differenzierung zwischen tatsächlichen Ausgaben/tatsächlichen Mindereinnahmen einerseits und der Gewährung von Bürgschaften für Unternehmen (Finanzinstitute und andere Unternehmen) hinzuweisen, da bei Bürgschaften zunächst keine staatlichen Ausgaben zu tätigen sind. Sie belasten die öffentliche Haushalte (den Steuerzahler) damit nicht unmittelbar, sondern erst dann, wenn ein betroffenes Unternehmen tatsächlich zu einem Sanierungsfall wird.
8.2.1
Ursachen der Krise
Die Ursachen und unmittelbaren Folgen der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise sind inzwischen in zahlreichen Büchern ausführlich beschrieben worden. Nahezu sämtliche nationalen und internationalen Institute und Institutionen, die sich mit gesamtwirtschaftlichen Fragestellungen befassen, haben sich mindestens einmal in den letzten Jahren ausführlich in 171
Reinhart, C., K. Rogoff (2010a), S. 42.
194
8 Internationale Finanzkrisen
Stellungnahmen und meist in zahlreichen Studien zu Spezialaspekten damit befasst. Hier soll nur eine Zusammenfassung der wesentlichen Gründe für die krisenhaften Entwicklungen dargestellt werden. Einige Hinweise zu Darstellungen dieser Krise finden sich in den Literaturhinweisen. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise, die von Reinhart/Rogoff in Anlehnung an die große Weltwirtschaftskrise als die ‚zweite große Kontraktion‘ bezeichnet wird, ist in der Literatur und den Medien zunächst unter der Bezeichnung Hypotheken- oder auch Subprime-Krise geführt geworden. Hierunter ist die Kreditvergabe an wirtschaftlich schwache Personen (eingeschränkte Bonität; hohe Beleihung des Grundbesitzes) zu verstehen, die ihren Ursprung für die Krise in den USA hat. Als Indikator für diese Entwicklung wird oft der Case-ShillerIndex verwendet, der die Entwicklung für amerikanische Hauspreise zeigt. Danach sind bei regionaler Betrachtung die Immobilienpreise im kurzen Zeitraum zwischen den Jahren 2000 und 2006 wie folgt gestiegen: Tabelle 8.2 Immobilienpreise in den USA zwischen 2000 und 2006 an ausgewählten Standorten
Immobilienpreise in den USA zwischen 2000 und 2006 an ausgewählten Standorten Region
Anstieg in Prozent
Los Angeles
170
New York
120
Washington
140
Miami
180
Zum stetigen Anstieg der Kreditvergabe an nicht solvente Kreditnehmer hat staatliche Überregulierung seinen Anteil. So waren seit 1977 (Amtszeit von Jimmy Carter) US-Banken durch den Community Reinvestment Act (CRA) gesetzlich verpflichtet, in Großstadt- und Ballungsgebieten u. a. ihre Kredite gleichmäßig über soziale Gruppen und strukturschwache Gebiete zu verteilen. Eine Verschärfung des CRA erfolgte in der Amtszeit von Bill Clinton, wodurch die offensive Vergabe von Subprime-Krediten etwa zur Erlangung behördlicher Genehmigungen notwendig wurde. Insgesamt gesehen, wurden dadurch Kredite an Hauskäufern vergeben, ohne auf deren Kreditwürdigkeit und auf Sicherheiten zu achten. Risikoprämien wurden nicht adäquat berechnet. Insgesamt kam es zu einem Aufschwung am Immobilienmarkt, nicht nur, aber vor allem in den USA; Käufer mit niedriger Bonität erhielten eine günstige Baufinanzierung (vor allem durch Ablösung alter Kredite, weniger Neufinanzierungen). Aus Sicht der Kreditgeber wurde die Auslagerung der Risiken dabei auf Zweckgesellschaften vorgenommen. Kreditlinien an solche Zweckgesellschaften mussten nur ab 365 Tagen Laufzeit mit Eigenkapital unterlegt werden, was zu einer Laufzeit mit 364 Tagen und anschließender Verlängerung der Kreditlinien führte. Dadurch verschwanden die Risiken aus den Büchern der Banken und über die Verkürzung der Bankbilanz ergaben sich neue Spielräume für neue Kreditvergaben. Diese
8.2 Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise
195
Kredite wurden schließlich immer weniger bedient: Durch eine rückläufige wirtschaftliche Entwicklung und durch sinkende Häuserpreise in den USA konnten die fälligen Raten für die so genannten Ninja-Kredite (No Income, No Job or Assets) nicht mehr bezahlen. Unterstützt und über die Grenzen der USA handelbar wurden diese Risiken durch den Trend zur Verbriefung von Krediten. Hierunter wird die Schaffung neuer Produkte in Form von handelbaren Wertpapieren zur vermeintlichen Minderung der Risiken aus der Kreditvergabe an Schuldner mit niedriger Bonität verstanden. Hierzu wurden diese Produkte durch Kumulierung und Tranchierung (dabei werden die Wertpapiere in Tranchen mit unterschiedlichem Verlustrisiko aufgeteilt und mit entsprechend unterschiedlichen hohen Zinszahlungen nacheinander vergütet) extrem komplex. Gefördert wurde diese Undurchsichtigkeit durch die Bewertung von Ratingagenturen, die diese Produkte sowohl bewertet als auch auf den Markt gebracht hatten und damit die Chance erhielten an diesem Produkt doppelt zu verdienen, wenn diese Produkte verkaufbar waren – und nur für gut bewertete Produkte gab es auch einen Markt. Käufer dieser Papiere waren u. a. Banken und Versicherer. Nach Ausfall der Schuldner verloren diese Papiere schlagartig an Wert, was zu erhöhten Abschreibungen bei den Käuferinstituten führte. Unter den makroökonomischen Faktoren spielt vor allem die Geldpolitik eine wichtige Rolle: Das hohe Geldmengen- und Kreditwachstum zu Beginn des letzten Jahrzehnts durch ungewöhnlich niedrige Leitzinsen im Zuge der Zinssenkungspolitik der US-amerikanischen Notenbank nach dem Ende der Spekulationsblase bei Aktien des damaligen Neuen Marktes (Anfang 2000) und den Ereignissen des 11. September 2001. Aus Furcht vor Deflation und Rezession kam es in den USA zu einem massiven Rückgang der Leit- und Kapitalmarktzinsen. Die US-amerikanische Zentralbank senkte so ihren wichtigsten Marktzins bis auf einen Prozent hinab. Die Folge waren niedrige langfristige Realzinsen und der Glauben an dauerhaft niedrige Zinssätze. In vielen Industriestaaten kam es einem Boom bei den Immobilienpreisen, in den USA zusätzlich getrieben durch die weit verbreitete Präferenz für nur kurzfristige Festzins- oder sogar Gleitzinskredite. Im Zuge steigender Zinssätze (ab 2004) konnten die häufig auf variabler Verzinsung basierenden Hypothekenkredite nicht mehr bedient werden. Hinzu kamen mikroökonomische Ursachen wie die Suche nach Rendite (Gedanke der Gewinnmaximierung im Sinne einer Shareholder Value-Orientierung) und asymmetrisch wirkende Vergütungssysteme bei Finanzinstitutionen, die das kurzfristige Gewinn- und Renditestreben und damit das bewusste Eingehen von höheren Risiken belohnt haben. Die Manager erhöhten den Fremdfinanzierungsgrad, ohne immer in der Lage zu sein, die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung durch den Schuldner richtig beurteilen zu können. Damit wurde der kurzfristige Geschäftserfolg mit hohen Erfolgsprämien belohnt, während das Management bei langfristigem Misserfolg nicht belangt wurde. Ein Schatten-Banken-System und ein Zweckgesellschaften-System (Hedgefonds; Conduits, Strukturierte Investmentvehikel) mit geringer Transparenz und gefördert durch eine nicht vorhandene oder nur schwach ausgeprägte Regulierung hatten die krisenhaften Tendenzen noch beschleunigt. Solche Gesellschaften wurden außerhalb der Bilanzen der Muttergesellschaft geführt und haben meistens in Offshore-Bankplätzen ihren Sitz.
196
8 Internationale Finanzkrisen
Eine Verschärfung der Krise wurde zudem durch prozyklisch wirkende institutionelle Regelungen im Bereich der Bankenaufsicht, durch die Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und einer inadäquaten Anwendung der Zeitwertbilanzierung (‚Fair Value‘) und durch das Versagen bei der Risikomessung (lange Phase relativer Stabilität in der jüngeren Vergangenheit führen zu einer Unterschätzung dauerhaft vorhandener Risiken) verursacht. Aber auch die Verbraucher tragen ihren Anteil an der Krise: „Verbraucher und Anleger kümmerten sich zu wenig um ihre Finanzgeschäfte: Sie verschuldeten sich in hohem Umfang und investierten in allzu komplexe und undurchsichtige Produkte.“172
8.2.2
Auswirkungen der Krise
Die Auswirkungen waren und sind vielschichtig und zeigen sich auf unterschiedlichen Märkten. Finanzmärkte Zu ersten Problemen im Finanzsektor kam es bereits in der ersten Jahreshälfte 2007 (Anstieg der Zwangsvollstreckungen bei Immobilienbesitzern in den USA wegen Nicht-Bedienung der Hypotheken im Zuge des Zinsanstieges; negative Auswirkungen auf die Immobilienpreise). Zahlreiche Banken kamen 2008 in Schwierigkeiten: IKB Schieflage und Risikoabschirmung; Februar 2008: Übernahme von Bear Stearns; Mai/August Probleme bei Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac; 15. September 2008 Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers. Vor allem diese Insolvenz führte zu einer Implosion des Vertrauens auf den Finanzmärkten. Banken verliehen sich untereinander kein bzw. erheblich weniger Geld. Insgesamt kam es zu einem faktischen Zusammenbruch des Interbankenhandels; der Liquiditätshandel zwischen Banken fand im Verlauf des Jahres 2008 und anschließend 2009 kaum mehr statt. Nur durch den massiven Eingriff der Staaten bzw. von Zentralbanken konnte die Versorgung der Volkswirtschaften mit Liquidität gewährleistet werden. Erst im späten Verlauf des Jahres 2009 beruhigten sich die Finanzmärkte. Hinzu kam zusätzlicher Abschreibungsbedarf bei Banken im Zuge der steigenden Kreditnehmerausfälle durch die drastische Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit in den Realwirtschaften vieler Staaten und bei im Bestand befindlicher Wertpapiere, die durch die Absenkung der Ratings von Wertverlusten betroffen waren. Realwirtschaft Die Auswirkungen auf Realwirtschaften wurden vor allem ab der zweiten Jahreshälfte 2008 spürbar. Dies zeigte sich etwa am Verlauf des Wirtschaftswachstums. Zahlreiche Institutionen reduzierten darauf hin auch für das Jahr 2009 ihre Prognosen für die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) deutlich. Für wichtige Industriestaaten wurden kräftige Rückgänge der gesamtwirtschaftlichen Produktion angenommen – die sich teilweise nicht in dieser Form bestätigten. Die im Herbst 2010 aktuellen Angaben des IWF für das Wirtschaftswachstum:
172
BIZ (2010), S. 12.
8.2 Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise
197
Tabelle 8.3 Entwicklung BIP 2009/2010
Entwicklung BIP 2009/2010 (ausgewählte Staaten) 2009 (Tatsächlich)
2010 (alte Prognose)
USA
-2,6
2,6
Japan
-5,2
2,8
Deutschland
-4,7
-3,3
Frankreich
-2,5
1,6
Großbritannien
-4,9
1,7
Russland
-7,9
4,0
Brasilien
-0,2
7,5
Veränderung gegenüber Vorjahr in % Quelle: IWF, World Economic Outlook, Washington, Herbst 2010.
Der Einbruch in der Wirtschaftsentwicklung war so heftig, dass trotz einer kräftigen Aufwärtsbewegung das Vorkrisenniveau der gesamtwirtschaftlichen Erzeugung in Deutschland erst gegen Ende 2011 wieder erreicht wird (Abb. 8.1). Durch die Ereignisse um die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise wird auch die These des internationalen Konjunkturzusammenhangs zumindest für Deutschland bestätigt. Diese besagt: kommt es in einem Land zu einer konjunkturellen Aufwärtsbewegung, so bewirkt das dort steigende Einkommen ein Wachstum der Importe und damit auch einen Einkommenszuwachs im Exportland. Die Schattenseite dieser Interdependenz zeigt sich dann im Abschwung: Aufgrund des hohen Anteils an grenzüberschreitendem Austausch von Materialien und Vorleistungen sind viele Wertschöpfungsketten mittlerweile international stark vernetzt, sodass ein scharfer Rückgang der Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern an einem Ende der Welt ohne längere Verzögerungen zu entsprechenden Nachfragerückgängen bei Vorprodukten und Rohstoffen sowie Investitionsgütern in anderen Volkswirtschaften führt. Der drastische Einbruch der Wirtschaftstätigkeit in Deutschland ist daher 2009 im Wesentlichen von der rückläufigen Auslandskonjunktur verursacht worden.
198
8 Internationale Finanzkrisen
Abbildung 8.1 Gesamtwirtschaftliche Produktion und Produktionslücke
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Dezember 2010, S. 21.
Dieser Rückgang des BIP führt über einen Time-lag zu einer Verschärfung der Arbeitsmarktsituation – mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und/oder einem geringerem Einkommen. Psychologisch negativ unterstützt wird diese Entwicklung durch eine Zurückhaltung beim Konsum, die sich bei einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Beschäftigungslage ergeben kann. Daraus resultieren insgesamt schließlich negative Multiplikatoreffekte. Sinkende Einnahmen bei den Sozialversicherungen, Mindereinnahmen beim Steueraufkommen des Staates sind die Folgen. Dabei kam etwa Deutschland durch diskretionäre Maßnahmen, den Einsatz der Kurzarbeit und Flexibilitätsvereinbarungen der Tarifparteien vergleichsweise glimpflich davon. Für die von der Finanz- und Wirtschaftskrise betroffenen Staaten insgesamt registrierte die Internationale Arbeitsorganisation dagegen Ende 2010 immer noch zusätzlich fast 28 Mio. Arbeitslose im Vergleich zu 2007.
8.2 Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise
199
Auch eine Reihe von Entwicklungs- und Schwellenländer sind von der Krise betroffen. Vor allem kleinere und/oder mit kurzfristigen und hohen Auslandsschulden belastete Staaten blieben nur mit Unterstützung des IWF zahlungsfähig oder erhielten Kredite/Bürgschaften von anderen Staaten (z. B. Island, Ukraine, Pakistan, Dubai). Die Weltbank ging Mitte 2009 davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum dieser Staatengruppe gegenüber dem Vorjahr mehr als halbiert habe – ohne China und Indien wäre das BIP sogar geschrumpft. Auch die Kapitalzuflüsse haben sich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich reduziert (Tab. 8.4). Damit hat sich die so genannte Decoupling-Theorie, nach der sich die Abhängigkeit dieser Staaten von der Weltwirtschaft stark vermindert habe, für die gesamte Staatengruppe als nicht belegbar erwiesen. Tabelle 8.4 Entwicklung der privaten Kapitalzuflüsse in Entwicklungs- und Schwellenländer
Entwicklung der privaten Kapitalzuflüsse in Entwicklungs- und Schwellenländer (in Mrd. US-Dollar) Region
2005
2007
2009
Ostasien/Pazifik
171
282
191
Europa/Zentralasien
128
411
90
Lateinamerika/Karibik
85
217
167
Nahost/Nordafrika
19
30
28
Südasien
29
118
77
Sub-Sahara-Afrika
33
53
45
465
1111
598
Insgesamt
Quelle: World Bank, Global Development Finance 2011, Washington 2010, S. 3.
Damit hat die jüngste Krise deutlich gezeigt, dass die Gruppe der Entwicklungs- und Schwellenländer sehr heterogen ist. Dass die Weltwirtschaft nicht stärker abstürzte und es zu einer weltwirtschaftlichen Belebung im Jahre 2010 kam (zwei Drittel der globalen Konjunkturerholung), war vor allem den südostasiatischen Schwellenländern (vor allem China) und Teilen Süd- und Lateinamerikas zuzuschreiben – diesen Staaten werden zwei Drittel der globalen Konjunkturerholung zugeschrieben.173 Auf der Preisseite haben sich die zunächst geäußerten Befürchtungen nach deflationären Tendenzen nicht erfüllt. Rückgänge bei nationalen Verbraucherindizes haben sich im Wesentlichen als nicht dauerhaft erwiesen.
173
Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2010), S. 26ff.
200
8.2.3
8 Internationale Finanzkrisen
Maßnahmen zur Bewältigung der Krise
Im Zuge der Krise wurden von der Geldpolitik zahlreiche (weltweite) Zinssenkungen vorgenommen, die größtenteils bei den wichtigen Zentralbanken auch Ende 2010 noch gültig waren (s. Tab. 8.5 zum Vergleich vor [Anfang 2007] und während der Krise [Mitte 2009]). Tabelle 8.5 Entwicklung ausgewählter Leitzinsen
Entwicklung ausgewählter Leitzinsen (ausgewählte Staaten/Währungsräume)
Euroraum USA Japan Großbritannien Schweiz Schweden Norwegen
Anfang 2007
Mitte 2009
3,50 5,25 0,25 5,00 2,50 3,00 5,50
1,00 0,25 0,10 0,50 0,75 0,50 2,25
Quelle: Jeweilige Zentralbanken. Prozentangaben; [Euroraum: Zinssatz der Hauptrefinanzierungsgeschäfte; Mindestbietungssatz (2007), Festsatz (2009)]
Hinzu kamen andere, z. T. für einzelne Zentralbanken neue geldpolitische Maßnahmen) zur Stützung der Geld- und Kapitalmärkte. Darunter fallen etwa die Einführung neuer Laufzeiten für Refinanzierungsgeschäfte und auch das Quantitative Easing. Ein solches Instrumentarium wird vor allem bei der von Keynes analysierten Liquiditätsfalle angewandt. Sie liegt vor, wenn eine Zentralbank Ihre Leitzinsen bereits auf ein sehr niedriges Niveau oder sogar auf Null gesenkt hat. In dieser Situation werden zinspolitische Maßnahmen unwirksam. Im Rahmen der Politik des Quantitative Easing stellen Zentralbanken durch den Ankauf von Wertpapieren (z. B. Staatsanleihen, Unternehmensanleihen) den Banken oder sogar unmittelbar dem Staat oder den Unternehmen Liquidität unmittelbar zur Verfügung. Die Zentralbank kauft dabei die entsprechenden Papiere etwa bei einer Bank an und schreibt dieser den entsprechenden Gegenwert auf einem Konto gut. Damit wird die im Umlauf befindliche Geldmenge erhöht, ohne dass der Preis für diese Liquidität, der Zins, unmittelbar gesenkt wird – er befindet sich ja bereits bei oder in der Nähe von Null. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch die EZB entsprechende Instrumente in ihren Maßnahmenkatalog aufgenommen und auch eingesetzt. Insgesamt gesehen, haben die Zentralbanken ein breites Spektrum verschiedener Instrumente zur Durchführung von Liquiditätssteuerungsoperationen verwendet. Dies schließt unter-schiedliche Aspekte des geldpolitischen Handlungsrahmens, z. B. hinsichtlich der Laufzeiten, Kosten und Besicherungsanforderungen von Zentralbankliquidität, ein und hat
8.2 Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise
201
als Ergebnis die relevanten Marktzinsen weitgehend in der Nähe des jeweiligen Leitzinses gehalten. Auf nationaler und internationaler Ebene wurden auch Bankenschutzschirme aufgespannt: es kam im Verlauf der Krise zu einer zunehmenden Beteiligung der Staaten an Banken. In Deutschland wurde zusätzlich die Einrichtung des Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz zur Wiederherstellung des Vertrauens in das Finanzsystem erreicht. (Zu den Instrumenten der SoFFin zur Stärkung des Eigenkapitals und Behebung von Liquiditätsengpässen, vgl. ausführlich www.soffin.de). Von den 480 Mrd. Euro für Staatsgarantien und Rekapitalisierungsmaßnahmen waren Anfang Februar 2011 knapp 18% abgerufen. Zusätzlich wurde durch das Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz (‚Bad-Bank-Gesetz‘) am 23. Juli 2009 den Banken die Möglichkeit eröffnet, risikobehaftete Wertpapiere an eigene Zweckgesellschaften gegen vom SoFFin garantierte Schuldverschreibungen zu übertragen. Dadurch werden die Bilanzen der Banken bereinigt und Finanzierungsmittel für die Vergabe neuer Kredite an die Wirtschaft freigesetzt. Im Prinzip werden die riskanten Papiere der Banken (Toxic Assets) gegen sichere, staatlich abgesicherte Anleihen – unter Berücksichtigung eines Bewertungsabschlages – umgetauscht. Zahlreiche Staaten (etwa USA, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Japan, China) führten im Zuge der Krise eine aktive antizyklische Finanzpolitik durch. Durch Konjunkturpakete sollte die wirtschaftliche Abwärtsbewegung der Jahre 2009/2010 aufgefangen werden (Tab. 8.6). In Deutschland belief sich der gesamtfiskalische Impuls für die Jahre 2009/2010 auf gut 2% des BIP, wobei Deutschland als einziges Land des Euro-Raumes in 2010 ein relativ höheres Volumen als im Vorjahr aufwies. Zahlreiche Einzelmaßnahmen wurden entweder als Steuerentlastung (z. B. die Erhöhung des Grundfreibetrages) oder als direkte Finanzhilfe eingesetzt (etwa die Abwrackprämie). Zusätzlich zu diesen Maßnahmen kam es noch durch die Verschärfung der Schuldenkrise in einzelnen Staaten der Eurozone (s. Kap. 8.3) zu finanziellen Unterstützungen dieser Staaten. So wurde Anfang 2010 das Hilfspaket für Griechenland verabschiedet und der so genannte Euro-Rettungsschirm installiert.
202
8 Internationale Finanzkrisen
Tabelle 8.6 Größenordnung diskretionärer Maßnahmen im Euro-Raum in 2009 und 2010
Größenordnung diskretionärer Maßnahmen im Euro-Raum in 2009 und 2010 Gesamtvolumen (in Mrd. Euro)
Gesamtvolumen (in Rel. zum nom. BIP)
Land
2009
2010
2009
2010
Deutschland
35,9
48,4
1,44
1,93
Belgien
1,3
1,2
0,36
0,33
Finnland
2,4
2,4
1,25
1,25
17,0
4,0
0,87
0,20
Griechenland
0,0
0,0
0,00
0,00
Irland
0,0
0,0
0,00
0,00
Italien
-0,3
-0,8
-0,02
-0,05
Niederlande
3,1
2,9
0,53
0,49
Österreich
4,9
4,6
1,71
1,63
Portugal
1,0
0,3
0,60
0,18
Spanien
26,8
14,7
2,44
1,34
Insgesamt
92,0
77,6
1,01
0,85
Frankreich
Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2009/2010, S. 167.
8.2.4
Vorschläge zur Vermeidung neuer Finanzkrisen
In früheren Kapiteln wurden z. T. schon Maßnahmen zur Vermeidung zukünftiger Krisen vorgestellt. Zudem gibt es Instrumente deren Einführung relativ unstrittig war: wie die Reform des internationalen Finanzsystems und Verbesserung der internationalen Kooperation im Bereich von Finanzaufsicht und Regulierung (z. B. durch Vereinbarungen auf der Tagung der G20 im April 2009 in London), der Verschärfung nationaler und internationaler bankaufsichtlicher Regelungen, einer stärkeren Kontrolle von Ratingagenturen und Hedgefonds, der zusätzlichen Bereitstellung finanzieller Mittel durch den IWF (1,1 Billionen USDollar) und der Weiterentwicklung der internationalen Rechnungslegungsstandards. Allerdings gibt es auch weiterreichende Vorschläge – etwa die Finanztransaktionssteuer.
8.2 Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise
203
Tobin-Steuer/Finanztransaktionssteuer Besonders beliebt in der Öffentlichkeit und im politischen Raum sind derzeit Vorschläge zur Beteiligung der Finanzindustrie an den Folgekosten der Finanz- und Wirtschaftskrise. Zugleich werden Instrumente gesucht, mit denen in Zukunft ähnlich krisenhafte Entwicklungen vermieden werden können. Zur Verwirklichung beider Ziele wird unter anderem über die Einrichtung einer so genannten Finanztransaktionssteuer nachgedacht. Eine solche Steuer wäre im Extremfall auf alle Finanztransaktionen zu entrichten, also auch auf Aktien, Anleihen, sämtliche Formen von Finanzderivaten (Futures, Forwards, Optionen, Swaps). Die ursprüngliche Idee einer solchen Besteuerungsform findet sich zwar schon bei John Maynard Keynes, populär wurde sie allerdings durch einen 1972 veröffentlichten Vorschlag des späteren Nobelpreisträgers James Tobin. Obwohl die internationalen Finanzbewegungen Anfang der 70er-Jahre nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems und der Freigabe von Wechselkursen noch vergleichsweise überschaubar waren, befürwortete er bereits damals eine Besteuerung von Devisentransaktionen: also quasi die Erhebung einer Umsatzsteuer auf den Handel mit Fremdwährungen. Der Vorschlag hatte in erster Linie das Ziel, die Währungsspekulationen zu verringern (‚Sand ins Getriebe der Finanzmärkte streuen‘), um deren negative Folgen für die Realwirtschaft zu reduzieren. Der positive Nebeneffekt wäre eine zusätzliche Einnahmequelle, allerdings nur solange, wie diese Lenkungsabgabe ihr Ziel, die Vermeidung der Währungsspekulationen, nicht voll erreicht. Grundkonzeption Die Wirkungsweise ist dabei relativ einfach: Auf jeden Devisentausch (ausgenommen Zentralbanken) wird ein bestimmter Steuersatz erhoben, wobei in der Literatur unterschiedliche Steuersätze genannt werden. Die Bandbreite der üblicherweise genannten Sätze reichen von 0,25% bis 0,1% bezogen auf den Nennwert einer solchen Transaktion (Tobin schlug zunächst 1% vor, reduzierte dann aber seine Vorstellungen). Durch einen solch einheitlichen Steuersatz auf alle Devisentransaktionen entsteht eine degressive Wirkung, d. h. die relative steuerliche Belastung sinkt mit der zunehmenden Haltedauer der Finanzaktiva. Sie trifft also die Marktteilnehmer am härtesten, die am häufigsten mit Devisen handeln. Dies war auch die eigentliche Zielrichtung von Tobin. Zwar trifft eine solche Besteuerung auch den Währungstausch, der im Zuge von Import- und Exportgeschäften notwendig ist. Vor allem für Spekulanten aber, die in kurzen Zeitabständen ohne Bezug zu realen Geschäften den selben Währungsbetrag umtauschen, verringert sich dadurch die Rendite. Übertriebene Kursschwankungen, so die Hoffnung der zahlreichen Befürworter einer solchen Steuer, würden dadurch eingedämmt. Als positiver Nebeneffekt kämen noch neue Steuereinnahmen hinzu, die etwa – je nach politischer Couleur des Befürworters – für die Dritte Welt, zur Reduzierung der Folgen des Klimawandels oder einfach als allgemeine Haushaltseinnahmen verwendet würden. Über die Höhe der zusätzlichen Einnahmen gehen die Schätzungen allerdings weit auseinander. Hängt doch die Wirksamkeit einer solchen Steuer von zahlreichen Annahmen ab. Zudem bleibt das grundsätzliche Problem einer solchen Lenkungsabgabe: je erfolgreicher die Abgabe in ihrer Lenkungsfunktion, desto geringer die daraus fließenden finanziellen Erträge.
204
8 Internationale Finanzkrisen
Probleme Zwar hat eine Besteuerung der Finanzmärkte und ihrer einzelnen Zweige vor allem vor dem Hintergrund der ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise eine stattliche Zahl von Befürworten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Lagern gefunden. In der praktischen Umsetzung eines solchen Vorschlages dürften sich allerdings erhebliche Schwierigkeiten ergeben. Solche Umsetzungsschwierigkeiten wurden auch schon bei der ursprünglichen Konzeption der Tobin-Steuer geäußert. Die zentralen Einwände sind: Eine solche Besteuerung der Devisengeschäfte mache prinzipiell nur Sinn, wenn sich alle Staaten der Welt an einem solchen Vorgehen beteiligen würden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Devisenbörsen in Steueroasen abwandern. Devisenspekulationen würden damit aber unverändert stattfinden und zwar in den Offshore-Zentren. Selbst in abgeschwächter Form sticht das Argument: Der Versuch einzelner Staaten eine entsprechende Besteuerung isoliert einzuführen, dürfte langfristig deren Finanzplätze schwächen. Zudem ist nicht sicher, ob bei großen Wechselkursbewegungen die Spekulationsgewinne nicht doch die Spekulationskosten durch eine solche Steuer übersteigen. Es gibt deutliche Hinweise dafür, dass die übertriebenen Abwertungen etwa im Zuge der Asienkrise 1997 auch durch eine Tobin-Steuer nicht zu verhindern gewesen wären. Finanzkrisen ließen sich so nicht vermeiden. Im Gegenteil: Insgesamt gesehen dürfte die Liquidität in den Märkten sinken, sodass die besteuerten Transaktionen eher stärker schwanken (höhere Volatilität) und damit anfälliger für Spekulationen werden. Die Verteilungsfrage der möglichen Einnahmen. Rund drei Viertel der internationalen Devisentransaktionen fallen an nur sechs Finanzzentren an, obwohl bei einer umfassenden Besteuerung auch in den anderen Staaten zumindest verwaltungstechnisch verursachte Kosten anfallen. Im Kern geht es hier um die Frage, ob eine solche Abgabe als nationale oder internationale Steuer (mit der Frage, welche Organisation für die Erhebung der Steuer beauftragt wird) konzipiert werden soll. Eine solche Abgabe trifft auch Transaktionen, die überhaupt nichts mit Spekulationsgeschäften zu tun haben – vor allem gilt dies für Import und Export. Die Steuer dürfte dann von den Kreditinstituten an ihre Kunden weiter gereicht werden, sodass sie letztendlich – je nach Überwälzungsmöglichkeit – beim Verbraucher landet. Darüber hinaus wären auch (reale) Direktinvestitionen und Kurssicherungsgeschäfte von einer solchen Besteuerung betroffen – mit negativen Auswirkungen auf die wohlstandssteigernden Effekte der internationalen Arbeitsteilung. Die Tobin-Steuer oder eine allgemeiner konzipierte Transaktionssteuer versperrt nur den Blick auf die tatsächlichen ökonomischen Probleme. So werden weder Immobilien- oder andere Vermögenspreisblasen noch staatliche Schuldenexzesse verhindert. Langfristige strukturelle Fehlentwicklungen in den Staaten und außenwirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen Staaten werden dadurch nicht beseitigt. Zusätzliche Einnahmen aus einer solchen Besteuerung dürften allenfalls einen Schleier über die tatsächlichen Probleme der Volkswirtschaften legen. Die Tobin-Steuer ist aus den genannten Gründen bisher lediglich eine theoretische Überlegung geblieben. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass auch die Finanztransaktionssteuer
8.2 Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise
205
zwar in vielen großen Staaten Europas gesellschaftlich und politisch gewollt, aber eine dadurch vorgesehene Beteiligung der Finanzindustrie an den Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht erfolgen wird. Eine Erkenntnis, die durch die Ergebnisse des G20-Gipfels im Juni 2010 in Toronto bestätigt wurde. Weitere Vorschläge zur Vermeidung zukünftiger Finanzkrisen finden sich in der wissenschaftlichen Literatur und im politischen Raum. Eine Auswahl mit kurzen Anmerkungen: Ausbau des IWF zu einer Weltzentralbank (‚Lender of Last Resort‘). Allerdings verfügt der IWF nicht über wesentliche Elemente einer Zentralbank: er begibt keine eigene Währung; er nimmt keine Sicherheiten, wie z. B. Wertpapiere; er nimmt keine ‚penalty-rates‘ (Strafzinsen), eher das Gegenteil wegen der Subventionierung von Zinsen nach unten ist der Fall. Dagegen wird der bilateralen und multilateralen Surveillance-Funktion des IWF eine zentrale Rolle bei der Krisenprävention eingeräumt: die regelmäßige Prüfung und Beurteilung der Wirtschaftsentwicklung und der Wirtschaftspolitiken auf nationaler und internationaler Ebene. Gerade in der vorausschauenden Betrachtung der Finanzmarktentwicklung hat der IWF Fehler eingeräumt. Ein größeres Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Finanzmarkt und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung ist aber nötig für die Vermeidung zukünftiger Krisen. Umfassende Finanzsektorreformen. Hierzu zählen z. B. eine umfassendere Regulierung des Finanzsektors, eine verbesserte Aufsicht über Banken und andere Finanzinstitute und ein Ausbau der staatenübergreifenden Zusammenarbeit. Im Zuge dieser Bemühungen hat etwa die EU neue europäische Aufsichtsbehörden ab 2011geschaffen: die European Banking Authority (EBA; Bankenaufsicht), European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA; Versicherungsaufsicht) und European Securities and Markets Authority (ESMA; Börsenaufsicht). Zudem wurde der European Systemic Risk Board (ESRB) eingerichtet, der quasi als Krisen-Frühwarnsystem dienen soll. Er soll die Stabilität des Finanzsystems sichern helfen und ist deshalb auch bei der EZB angesiedelt. Er kann allerdings nur Empfehlungen aussprechen, denen dann die betroffenen Staaten folgen können oder zumindest erklären müssen, warum sie diesen nicht gefolgt sind. Insgesamt gilt: In Zeiten international tätiger Finanzinstitute muss es zur Vermeidung zukünftiger Krisen zu einer Globalisierung der Überwachung und der Aufsicht über die einzelnen Segmente des Finanzmarktes kommen. Ein besonderes Problem stellt die ‚Too-big-to-fail‘-Problematik dar. Der Zusammenbruch großer und/oder über Kredit- bzw. Einlagebeziehungen umfangreich verflochtener, systemrelevanter Institute beinhaltet einerseits ein extrem hohes Risiko für die Stabilität des Finanzsystems. Daher besteht für den Staat die Notwendigkeit, solche Banken bei Problemen zu retten. Andererseits könnte eine implizite Staatsgarantie die Risikobereitschaft solcher Institute noch erhöhen. Hier gilt es einen Mittelpunkt zu finden. Um die Erwartungen von Investoren und Bankmanagern hinsichtlich einer impliziten Staatsgarantie nicht zu bestärken, gilt es ein glaubwürdiges Abwicklungsverfahren für systemrelevante Banken zu entwickeln. Das größte Systemrisiko für die Weltwirtschaft stellt die Verschuldungssituation der öffentlichen Haushalte in Verbindung mit der überbordenden Liquiditätsversorgung der Finanzmärkte dar. Zum einen können crowding-out-Effekte nicht ausgeschlossen werden: bei zuneh-
206
8 Internationale Finanzkrisen
mender Staatsverschuldung werden durch die steigende staatliche Kreditaufnahme und die dadurch ausgelösten steigenden Zinsen private Wirtschaftsaktivitäten (= Investitionen und Konsum) verdrängt. Zum anderen fällt die Staatsnachfrage im Zuge der notwendigen Konsolidierungserfordernisse mittelfristig aus.
8.3
Die Europäische Schuldenkrise
In diesem Abschnitt soll quasi als Ergänzung der jüngsten krisenhaften Erscheinungen auf die Schuldenkrise der westlichen Industriestaaten eingegangen werden, wobei der Fokus auf die Staaten der Eurozone gerichtet ist. Es kann an diesem Beispiel gezeigt werden, dass in einer Welt der wirtschaftlichen Zwänge einerseits und der politischen Wünsche von Nationalstaaten andererseits, die konsequente Durchsetzung wirtschaftlicher Orientierung im Zentrum stehen muss. Als Beispiel hierfür dient die Zusammenführung verschiedener Währungen zum Euro.174
8.3.1
Der Kern der Entwicklung
Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise hatte erhebliche Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte fast aller wichtigen Industriestaaten. Dies gilt sowohl für die USA und der dortigen öffentlichen Haushalte (s. Kap. 2 und 6) als auch für Japan. Dabei muss zumindest derzeit der hohen Staatsschulden Japans in Höhe von etwa 220% bezogen auf das BIP (Stand 2010) ein Sonderstatus im internationalen Vergleich zugewiesen werden: 95% der dortigen Staatsschulden werden von inländischen Investoren gehalten und die Hälfte davon über die Regierung unmittelbar kontrolliert (staatliche Rentenkassen, Postbank, Bank of Japan). Ein Großteil der Mittel muss also nicht über den globalen Kapitalmarkt refinanziert werden. Für die Kapitalmärkte stehen aber vor allem die Saaten der Eurozone und mit ihr die mit rund zehn Jahren vergleichsweise junge Währung seit Anfang 2010 im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Frage ist, hält das neue Währungsgefüge oder bricht es auseinander und wird damit auch der Bestand der EU gefährdet? Konjunkturbedingte Steuermindereinnahmen, umfangreiche kreditfinanzierte Konjunkturprogramme und Rettungspakete für Finanzinstitute in zahlreichen Ländern der EU haben zu sprunghaft ansteigenden Staatsdefiziten (jährliche Neuverschuldung) und höheren Staatsverschuldungen geführt. Dabei sind die höheren Verschuldungslagen in einigen Ländern nicht erst seit der Finanz- und Wirtschaftskrise entstanden, sondern wurden – durch die Ausgestaltung der entsprechenden Regelungen begünstigt – bereits mit in das neue Währungsgefüge übernommen. Dabei waren in den Vertragsregelungen des Maastrichter-Vertrages Elemente enthalten, die nach der Theorie der optimalen Währungsräume eine stabile Währung sichern sollte. 174
Eine ausführliche Darstellung der krisenhaften Entwicklung im Euro-Raum findet sich auch in: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2010), ab S. 67.
8.3 Die Europäische Schuldenkrise
207
Die Theorie optimaler Währungsräume beschäftigt sich mit der ökonomisch sinnvollen Größe und damit mit der Funktionsfähigkeit von Währungsräumen, wobei der wichtigste theoretische Beitrag von Mundell stammt.175 Im Mittelpunkt steht die Frage, wann es für bestimmte Länder vorteilhaft ist, einen gemeinsamen Währungsraum zu bilden. Er kam zu dem Ergebnis, dass ein Währungsraum dann optimal sei, wenn zur Abfederung asymmetrisch wirkender Schocks (im Land A steigt der Output, während in Land B der Output sinkt) eine ausreichende Faktormobilität (d.h. flexible Arbeitsmärkte bei Löhnen und mobilen Arbeitskräften) der einzelnen Staaten vorliegt. Die Flexibilität anderer Faktoren ist deshalb wichtig, weil der Ausgleichsmechanismus Wechselkurs zwischen den Staaten eines gemeinsamen Währungsraumes nicht (mehr) existiert. Andere Forschungsarbeiten stellten stabile Wechselkurse, flexible Kapitalströme, die Struktur der nationalen Finanzmärkte oder das Einnahmeund/oder Ausgabeverhalten öffentlicher Haushalte in den Vordergrund. Kapital- und Arbeitskräftewanderungen und Lohnanpassungen übernehmen damit in einem gemeinsamen Währungsraum die Pufferfunktion, die vorher die nationalen Wechselkurse hatten. Sollten diese Faktoren mithin eine ausreichende Flexibilität aufweisen und findet zwischen den beteiligten Staaten ein ausreichend hoher Handel mit möglichst verschiedenen Gütern statt, dann bieten sich feste Wechselkurse und damit eine Währungsunion an. Wichtig sind dabei zwischen den Staaten ähnliche Strukturen und die (auch im weiteren Verlauf einer Währungsunion) Konvergenz nationaler Wirtschaftspolitiken. Aus diesen Anforderungen wurden die im Zuge der Diskussionen über die Einführung einer gemeinsamen Währung zu erfüllenden Konvergenzkriterien abgeleitet. Sie sollten zur Überprüfung der Optimalität des neuen Währungsraumes dienen. Der theoretische gute Anspruch blieb aber deutlich hinter der politischen Realität zurück. Dies zeigt sich bei der Auslegung der Konvergenzkriterien und soll an den beiden finanzpolitischen Kriterien und dem Preiskriterium gezeigt werden (bei dieser Analyse werden das Wechselkurskriterium und Zinskriterium vernachlässigt, da sie in der Auslegung vergleichsweise als unstrittig angesehen wurden).176 Dazu werden jeweils die (übersetzten) Originalformulierungen dargestellt und im Anschluss daran die möglichen (nach Wortlaut) und die letztendlich verwendeten Ausprägungen gezeigt (Die Artikel-Angaben beziehen sich auf den
175
Vgl. Mundell, R. (1961).
176
Wechselkurskriterium: „Das in Artikel 121 Absatz 1 dritter Gedankenstrich dieses Vertrags genannte Kriterium der Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems bedeutet, daß ein Mitgliedstaat die im Rahmen des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems vorgesehenen normalen Bandbreiten zumindest in den letzten zwei Jahren vor der Prüfung ohne starke Spannungen eingehalten haben muss. Insbesondere darf er den bilateralen Leitkurs seiner Währung innerhalb des gleichen Zeitraums gegenüber der Währung eines anderen Mitgliedstaats nicht von sich aus abgewertet haben.“ Zinskriterium: „Das in Artikel 121 Absatz 1 vierter Gedankenstrich dieses Vertrags genannte Kriterium der Konvergenz der Zinssätze bedeutet, dass im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung in einem Mitgliedstaat der durchschnittliche langfristige Nominalzinssatz um nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem entsprechenden Satz in jenen – höchstens drei – Mitgliedsstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Die Zinssätze werden anhand langfristiger Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbarer Wertpapiere unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedsstaaten gemessen.“
208
8 Internationale Finanzkrisen
damaligen EG-Vertrag. Inzwischen findet sich in Artikel 126 EG-Vertrag die Grundregel der Haushaltspolitik). Preiskriterium (nach EG-Vertrag und Protokoll über die Konvergenzkriterien) „Das in Artikel 121 Absatz 1 erster Gedankenstrich dieses Vertrags genannte Kriterium der Preisstabilität bedeutet, dass ein Mitgliedstaat eine anhaltende Preisstabilität und eine während des letzten Jahres vor der Prüfung gemessene durchschnittliche Inflationsrate aufweisen muss, die um nicht mehr als 1 ½ Prozentpunkte über der Inflationsrate jener – höchstens drei – Mitgliedsstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Die Inflation wird anhand des Verbraucherpreisindex auf vergleichbarer Grundlage unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedsstaaten gemessen.“ Anwendung der Bestimmungen
Mögliche Ausprägungen
Berechnung des Referenzwerts: der ungewogene arithmetische Mittel der Inflationsrate in den drei Ländern mit den niedrigsten Inflationsraten wurde herangezogen; vorausgesetzt, diese Teuerungsraten sind mit dem Ziel der Preisstabilität vereinbar.
Die Formulierung ‚höchstens drei‘ würde auch die Verwendung des preisstabilsten Landes bedeuten – damit wäre der zu verwendete Schwellenwert niedrig anzusetzen.
Finanzpolitische Kriterien (nach EG-Vertrag und Protokoll über die Konvergenzkriterien) Artikel 104 legt das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit dar. Gemäß Artikel 104 Absatz 2 und 3 erstellt die Europäische Kommission einen Bericht, wenn ein EU-Mitgliedsstaat die Anforderungen an die Haushaltsdisziplin nicht erfüllt. Die finanzpolitischen Kriterien besagen, dass die Verletzung der Haushaltsdisziplin gegeben ist, wenn, „das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert (im Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf 3 % des BIP festgelegt) überschreitet, es sei denn, dass entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt,“ und wenn weiterhin „das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert überschreitet (im Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf 60 % des BIP festgelegt), es sei denn, dass das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.“
8.3 Die Europäische Schuldenkrise
209
Anwendung der Bestimmungen
Mögliche Ausprägungen
Der EU-Rat entscheidet mit qualifizierter Mehrheit auf Grundlage einer Empfehlung der Kommission und unter Berücksichtigung der Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, nach Prüfung der Gesamtlage, ob in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht. Damit werden die im Protokoll über das Verfahren angelegten Grenzwerte obsolet.
Enge Auslegung der Zahlenwerte (60% bzw. 3%); bezüglich der ‚es sein denn‘-Klauseln: exakte Bestimmung was die Formulierungen das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen (Defizit) und Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug (Gesamtverschuldung) bedeuten.
Anhand der verwendeten Formulierungen wird deutlich, dass schon im Vertragstext der Keim für inhaltliche Auseinandersetzungen und Interpretationsmöglichkeiten gegeben ist. Dass dies keine akademische Diskussion war, zeigten die jährlichen Überprüfungen aus den 90er-Jahren über den Konvergenzfortschritt der Staaten. Zwei Überschriften aus Tageszeitungen am 7. November 1996 belegen dies, die auf einem unterschiedlichen Verständnis der Formulierungen beruhten: „EU rechnet mit bis zu zehn EWU-Teilnehmern“ (Börsen-Zeitung) „Nur zwei Länder sind fit für den Euro“ (Die Welt) Schlussendlich wurden am ersten Mai-Wochenende 1998 die Kriterien weitgehend in der weiten Fassung ausgelegt, sodass der Rat der Staats- und Regierungschefs beschloss, dass elf Mitgliedsstaaten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung der einheitlichen Währung ab dem 1. Januar 1999 erfüllten. Dass zahlreiche Staaten das Defizit-Kriterium mit dem Referenzwert von 3% nur mit Hilfe von Einmaleffekten und ‚kreativer Buchführung‘ erfüllten, war zwar unter Einbeziehung der Regelungen von Eurostat vertragskonform, aber ökonomisch höchst bedenklich.
210
8 Internationale Finanzkrisen Maßnahmen zur Erfüllung der finanzpolitischen Kriterien des Maastrichter-Vertrages
Land
Maßnahmen
Belgien
Einnahmegutschrift aus Goldgewinnen der Zentralbank von 1993-1997 Vorzeitige Gutschrift zukünftiger Gewinne der staatlichen Lotterie in 1997
Frankreich
Außerordentliche Gewinnabführung der staatlichen Kreditbank Caisse des Dépots Einmalige Zahlung der France Telecom wg. Übernahme von Pensionsverpflichtungen durch den Staat
Italien
Erhebung einer Europa-Steuer (nur 1997) Verkürzung der Zahlungsfrist von Steuern
Österreich
Aussetzung des steuerlichen Verlustabzugs 1997 Einmalige Zahlung der Postsparkasse wg. Übernahme von Pensionsverpflichtungen durch den Staat
Portugal
Einmalige Zahlung der BNU Bank wg. Übernahme von Pensionsverpflichtungen durch den Staat
Spanien
Finanzierung öffentlicher Infrastrukturprojekte über Sonderfonds
Quelle: O.V. (1997a).
Hinzu kam in einer Reihe von EU-Staaten die Einrechnung von Komponenten aus der Schattenwirtschaft zur Erhöhung des BIP, was zur Senkung der Defizit- und der Schuldenquote führte. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass nach Eintritt in die Währungsunion und dem Erfüllen der Konvergenzkriterien einige Staaten gerade bei der Haushaltsdisziplin wieder lockere Maßstäbe anlegen würde, wurde unter deutscher Initiative 1997 der Stabilitäts- und Wachstumspakt beschlossen. Vom Ansatz waren hier die Regelungen stringenter und enthielten einen Sanktionsmechanismus bei überschreiten der Grenzwerte. Nachdem aber gegen zahlreiche Staaten so genannte Defizitverfahren (u. a. auch gegen Deutschland und Frankreich) zunächst eingeleitet und danach ausgesetzt wurden, kam es im Jahre 2005 zu einer ‚Modifizierung‘ der Regelungen. Diese Neuregelungen wurden von zahlreichen Ökonomen nicht als Stärkung, sondern eher als eine Schwächung der zu erfüllenden Anforderungen gesehen. Auslöser für diese Skepsis waren großzügigere Definitionen von Ausnahmeregelungen zur Überschreitung der Referenzwerte, flexiblere Fristen zum Ergreifen wirksamer Maßnahmen im Falle eines übermäßigeren Defizits und eine flexiblere Gestaltung der mittelfristigen Konsolidierungsziele. Insgesamt gesehen haben die (Neu)Regelungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (bisher) nicht zum Ziel einer stabilitätsorientierten Wirtschaftsund Währungsunion geführt. Und trotz z. T. exorbitant hoher öffentlicher Defizite und
8.3 Die Europäische Schuldenkrise
211
Schuldenstände – auch schon vor der Finanz- und Wirtschaftskrise – kam es nicht zur Androhung oder gar Verhängung von im Vertrag festgelegten Sanktionen. Als Ergebnis der theoretischen Überlegungen und der wirtschaftlichen und politischen Realität bei der Einführung und Umsetzung der Europäischen Währungsunion ist festzuhalten, dass die Kriterien eines optimalen Währungsraumes nicht erfüllt sind.
8.3.2
Die Folgen
Spätestens seit den gelockerten Regelungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ist die vertragliche Notwendigkeit zur Eindämmung übermäßiger Defizite im Euro-Raum entfallen. Eine Übersicht über die aktuellen Schuldenstände im Vergleich zum Beginn des Jahrtausends liefert Tab. 8.7. Es zeigt sich, dass die ermöglichten finanzpolitischen Spielräume von einigen Euro-Staaten exzessiv genutzt wurden. Ursache hierfür sind nicht nur die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Vielmehr wurden in diesen Staaten die grundlegenden Mechanismen einer Währungsunion und hier vor allem die Wirkungsweisen von Anpassungsmechanismen bei Verlust von Ab- und Aufwertung einer eigenen Währung missachtet. Ein Indiz dafür liefert die Entwicklung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit in den Staaten seit Einführung des Euro (Tab. 8.8).
212
8 Internationale Finanzkrisen
Tabelle 8.7 Zur Verschuldungsentwicklung im Euro-Raum
Zur Verschuldungsentwicklung im Euro-Raum Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte (Neuverschuldung)
Bruttoschuldenstand der öffentlichen Haushalte (Gesamtverschuldung)
Schwellenwert = 3
Schwellenwert = 60
Land
2000
2010
2000
2010
Deutschland
1,3**
-3,7
59,7
75,7
Frankreich
-1,5
-7,7
57,3
83,0
Italien
-0,8
-5,0
109,2
118,9
Spanien
-1,0
-9,3
59,3
64,4
Niederlande
2,0
-5,8
53,8
64,8
Belgien
0,4*
-4,8
107,9
98,6
Österreich
-1,7
-4,3
66,5
70,4
Griechenland
-3,7
-9,6
103,4
140,2
Irland
4,8
-32,3
37,8
97,4
Finnland
6,8
-3,1
43,8
49,0
Portugal
-2,9
-7,3
50,5
82,8
Luxemburg
6,0
-1,8
6,2
18,2
Slowenien
-3,7
-5,8
26,8*
40,7
Malta
-6,2
-4,2
55,9
70,4
Zypern
-2,3
-5,9
48,7
62,2
-12,3
-8,2
50,3
42,1
Estland
-0,2
-1,0
5,1
8,0
EWU insg.
-1,9*
-6,3
69,2
84,1
Slowakei
Angaben jeweils in % des BIP. * Daten für 2001; ** Überschuss wg. Sondereinnahmen aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen: Effekt ca. 2% des BIP. Quelle: Europäische Kommission.
8.3 Die Europäische Schuldenkrise
213
Tabelle 8.8 Preisliche Wettbewerbsfähigkeit ausgewählter Euro-Staaten
Preisliche Wettbewerbsfähigkeit ausgewählter Euro-Staaten Gestiegen Deutschland
Gesunken -17,8
Spanien
+10,6
Österreich
-6,8
Irland
+9,4
Finnland
-1,3
Italien
+7,8
Euro-Raum (insgs.)
-5,7
Griechenland
+6,7
auf Basis von Lohnstückkosten; 2. Quartal 2010 gegenüber 4. Quartal 1998 in Prozent; ein positives Vorzeichen zeigt eine Verringerung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit an. Daten für Portugal werden nicht ausgewiesen. Quelle: Deutsche Bundesbank http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_eszb_neuesfenster_tabelle.php?stat=hci_ulct &lang=
Eine solch hohe Staatsverschuldung hat u. a. langfristige gesamtwirtschaftliche Auswirkungen. So kamen Reinhart/Rogoff in einer aktuellen Studie zu dem Ergebnis, dass etwa ab einem Schwellenwert von etwa 90 % Gesamtverschuldung des Staates bezogen auf das BIP das Wirtschaftswachstum langfristig gehemmt wird.177 Die besonders unter dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit leidenden Staaten sind im Wesentlichen diejenigen mit hohen Schuldenständen. Durch die nach der Einführung des Euro für sie ungewohnt niedrigen Zinssätze finanzierten die betroffenen Staaten daher auf Pump einen künstlich überhöhten Wohlstandsstandard – quasi als Ersatz für die entfallende Abwertungsoption der eigenen Währung. Als schließlich die weltweiten Turbulenzen zusätzliche Maßnahmen zur Rettung von Kreditinstituten und zur Stabilisierung der Wirtschaftsentwicklung erforderlich machten, traf dieser zusätzliche Finanzierungsaufwand auf einen bereits überhöhten Schuldenstand. Davon sind vor allem die Südländer betroffen, in denen im letzten Jahrzehnt die Löhne stärker als in Deutschland gestiegen sind, ohne dass sich die Produktivität entsprechend erhöhte. Damit sind in diesen Staaten die Lohnstückkosten überhöht und da sich die Güter der dortigen Exportindustrie vor allem über den Preis am Weltmarkt positionieren, sind Einbußen beim Exportgeschäft gerade in Zeiten einer rückläufigen Weltkonjunktur die logische Folge. Die Anpassungslast liegt damit in erster Linie an den Euro-Staaten mit hohen Staatsdefiziten. Sie müssen strukturelle Veränderungen vornehmen und für sich neue Wachstumsmodelle entwickeln.
177
Vgl. Reinhart, C., K. Rogoff (2010b).
214
8.3.3
8 Internationale Finanzkrisen
Mögliche Maßnahmen
Neben den bereits zuvor genannten Maßnahmen zur Überwindung bzw. Präventionen der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise, werden auch Vorschläge zur Bewältigung der Probleme im Euro-Raum diskutiert. Eine Auswahl möglicher Maßnahmen die erörtert wurden bzw. werden: Maßnahme
Nachteile
Bilaterale Kreditlinien; Kreditaufnahme als solvent eingeschätzter Staaten (mit vergleichsweise niedrigem Zinsniveau) und direkte Weitergabe der Mittel an den Staat mit höherem Zinsniveau
Hier würde auf den (wenigen) Gläubigerstaaten ein erhebliche Belastung ruhen
Gemeinsame Euro-Anleihen aller Staaten und Weiterleitung an die Staaten mit höherem Zinsniveau (so genannter Euro-Bond)
Die Kreditzinssätze für die solventen Staaten würden ansteigen, dies gilt vor allem für Deutschland; eine Vorstufe hierzu wurde als Anleihe der ‚Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität‘ im Januar 2011 erfolgreich getestet
Unterstützung durch supranationale Institutionen, vor allem durch den IWF
Die Hilfe einer Institution außerhalb des EU-Rahmens wäre für viele Beobachter ein großer (politischer) Rückschlag auf dem Weg zu einer eigenständigen europäischen (Wirtschafts)Regierung
Austritt aus der Währungsunion
Für die großen Schuldnerstaaten: heftige Abwertung der neuen eigenen Währung (mit den entsprechenden Konsequenzen); kräftige Steigerungen der zu zahlenden Zinssätze
(unabhängig von rechtlichen Voraussetzungen)
Für Staaten wie Deutschland: massive Aufwertung mit Konsequenzen vor allem für die preisreagiblen Bestandteile der Exportindustrie; ein Austritt Deutschlands dürfte auch das faktische Ende der Eurozone bedeuten Außerhalb solcher z. T. Extremvorstellungen hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem jüngsten Jahresgutachten 2010/2011 Vor-
8.3 Die Europäische Schuldenkrise
215
schläge für einen umfassenderen institutionellen Rahmen gemacht. Im Wesentlichen sind dies folgende Elemente:178 Eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes mit einem wirksameren Sanktionsmechanismus (Die Bundesregierung und der französische Präsident Sarkozy haben Anfang 2011 einen ‚Pakt für Wettbewerbsfähigkeit‘ gefordert, der vermeintlich in diese Richtung geht. Er enthält allerdings zahlreiche Elemente, die mit dem ursprünglichen Stabilitäts- und Wachstumspakt nichts zu tun haben. Er wurde (zumindest vorläufig) von zahlreichen Staaten der Eurozone abgelehnt.). Eine kontinuierliche Überwachung makroökonomischer Fehlentwicklungen. (In diese Richtung geht ein Vorschlag der Europäischen Kommission, der ein Spektrum von Indikatoren beinhaltet, die Fehlentwicklungen anzeigen soll. Zu diesen Indikatoren zählen: Leistungsbilanz, Nettoauslandsposition, realer effektiver Wechselkurs, realer Anstieg der Häuserpreise, Staatsverschuldung, Verschuldung des privaten Sektors zum BIP. Im September 2010 hat sich schließlich der Europäische Rat auf die Entwicklung eines Scoreboards zur frühzeitigen Erkennung nicht mehr tragbarer oder gefährlicher Trends verständigt.179 Ein wirksamerer Mechanismus zur Vermeidung einer überhöhten Risikoneigung von Banken und damit einhergehender spekulativer Blasen im privaten Finanzsystem. Hierzu gehört auch ein effektives Regelwerk für Krisen, inkl. eines Europäischen Krisenmechanismus. Hierzu gehören auch erweiterte Kenntnisse über die Auswirkungen solcher Krisen auf Finanz- und Realwirtschaften zuzüglich einer veränderten System- und Netzwerksforschung zwischen diesen beiden Bereichen einer Volkswirtschaft – und dies im globalen Rahmen. Unverzichtbar scheint auch die Implementierung einer Insolvenzordnung für Staaten. Da dies auf internationaler Ebene politisch nicht durchsetzbar ist, würde ein solcher Ordnungsrahmen auf den Euro-Raum oder die EU beschränkt bleiben. Hierzu gehören klare Regelungen über den Zeitpunkt einer Überschuldung, mit nachvollziehbaren Daten. Fallweise Entscheidungen, die Interpretationsspielräume eröffnen, sind dagegen abzulehnen. Einen diskussionswürdigen Vorschlag hat etwa der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vorgelegt.180 Welche Maßnahmen letztlich umgesetzt werden und ob sie tatsächlich zur Stabilität des Währungsraums Euro führen, bleibt abzuwarten.
178
Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2010), S. 90ff.
179
Vgl. Europäische Kommission (2010).
180
Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2011).
216
8.4
8 Internationale Finanzkrisen
Literatur
Ausführliche Überblicke zu den Ursachen und Folgen der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise liefern zusätzlich zu den bereits im Text erwähnten Werken z. B.: Bloss, M., u.a. (2009); Brüderle, R. u. a. – Aufsatzreihe (2010); Deutsche Bundesbank (2010); EZB (2010); EZB (2011); Lewis, M. (2010); Roubini, N., S. Mihm (2010); Schäfer, U. (2009).
9
Politische Optionen in Zeiten der Globalisierung
Da die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt hat, dass eine Selbstregulierung der Märkte nicht in allen Wirtschaftsbereichen erwartet werden kann und dies über die verschiedenen Übertragungswege ganze Volkswirtschaften sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich gefährdet, ist die Frage des Selbstverständnisses von Politik wieder ins Zentrum ordnungspolitischer Auseinandersetzungen gerückt. Märkte, so die Meinung Vieler, brauchen feste Regelsetzungen – Rechtssysteme, Regulierungen. Wer soll diese Regeln aber in einer sich immer schneller wandelnden Welt festsetzen? „Immer mehr Fragen entziehen sich der Lösung im nationalstaatlichen Alleingang“ (Bernd Pfaffenbach, ehem. deutscher Wirtschaftsstaatssekretär)181 Hinter diesem Satz steht die Erkenntnis, dass sich in einer globalen Wirtschaft internationale Finanz- und Wirtschaftskrisen nicht durch nationale Strategien lösen lassen, sondern nur durch internationale Zusammenarbeit beherrschbar sind. Auch wenn Staaten weiterhin nationale Regeln aufstellen können, etwa im Bereich der Steuerpolitik und bei der Finanzmarktregulierung, gilt auch die Erkenntnis, dass die Souveränität einzelner Staaten in den einzelnen wirtschaftspolitischen Bereichen durch die Globalisierung eingeengt wird – der Gestaltungsspielraum sich also tendenziell verkleinert. Nationalstaaten haben durch die Beschleunigung des Globalisierungsprozesses einen Verlust an politischer Souveränität erlitten. Ob es gar zu einer Entmachtung der Nationalstaaten und zum Ende nationaler Wirtschaftspolitik kommen muss, ist umstritten.182 Hinzu kommt, dass sich die Machtstrukturen zwischen den großen Nationen verändern. Die Dominanz der USA nimmt ab, es kommt zu einer multipolaren Welt, in der die aufstrebenden Schwellenländer, wie China, Indien vielleicht auch Brasilien, einen größeren Anteil an Entscheidungskompetenzen beanspruchen. Dabei kann dies auch über zwischengeschaltete Formen wie etwa Staatsfonds erfolgen. Politische Steuerung ist in Zeiten der Globalisierung damit komplexer und die Interessen der zu berücksichtigenden Akteure breiter geworden. Wie ist zu reagieren und zu regieren? Diese Debatte wird unter dem Stichwort ‚Global Governance‘ geführt und beschreibt den politischen Teil der Globalisierungsdebatte. Da die 181
Zitiert nach: http://www.wiwo.de/politik-weltwirtschaft/schwellenlaender-sind-in-institutionenunterrepraesentiert-244814/
182
Vgl. u.a. Hertz, N. (2001).
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wirtschaftliche Betrachtung im Mittelpunkt dieses Buches steht, soll diese Debatte nur mit wenigen Ausführungen angerissen werden. Wenn einzelne Staaten an Gestaltungshoheit für Finanz-, Geld-, Währungs-, Lohn- und Sozialpolitik im Zuge der Globalisierung verlieren bzw. zumindest erschwert wird, wäre zunächst die engere Zusammenarbeit von Staaten eine Handlungsoption – wenn gemeinsame Interessen vorliegen. Die dafür notwendige Kooperation muss und wird von internationalen Organisationen geleistet. Wie bereits in Kapitel 3 gezeigt wurde, ist diese Erkenntnis bereits nach der großen Weltwirtschaftskrise gereift und hat letztendlich zur Bildung von Institutionen wie den IWF oder der Weltbank geführt. Gemeinsame Standards und Kodizes können so gesetzt werden, um einen Rahmen für die wirtschaftlichen Abläufe zwischen Staaten zu schaffen. Industrieländer auf der einen Seite und Entwicklungs- bzw. Schwellenländer auf der anderen Seite haben nun mal mitunter unterschiedliche Auffassungen z. B. über Arbeitsstandards, Umweltauflagen, den Klimaschutz. ‚Global Governance‘ bedeutet, hier einen Ausgleich zwischen diesen Einschätzungen zu finden. Supranationale Organisationen sind hier ein Weg dazu. Auf absehbarer Zeit eher nicht durchsetzbar scheinen dagegen Einrichtungen wie eine Weltzentralbank (vgl. Kap. 8.4) oder einen Weltwirtschaftsrat183, wenn sie denn mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet sein sollen. Auch handlungsfähige, überstaatliche Regierungen werden derzeit von den politisch Verantwortlichen eher abgelehnt, wie etwa eine europäische Wirtschaftsregierung.184 Durch die Beschleunigung der internationalen Arbeitsteilung und vor allem des immer schnelleren, nicht auf Handelsaktivitäten beruhenden Kapitalumschlages ist die Skepsis quantitativ nicht unerheblicher Bevölkerungsgruppen in vielen Staaten offenkundig geworden. Die (vermutete) Angst vor der Globalisierung hat sich zum einen in teils heftigen Protesten bei internationalen Tagungen gezeigt (für viele gelten die Unruhen von Seattle 1999 bei einer WTO-Konferenz als Startpunkt des Globalisierungsprotestes), zum anderen sind Organisationsformen außerhalb von ursprünglichen politischen Bewegungen und Parteien entstanden – die so genannten Nicht-Regierungsorganisationen (Non-Governmental Organizations, NGOs), hier hat vor allem Attac eine große Bekanntheit erreicht. Solche NGOs tragen zur globalen Willensbildung jenseits nationaler Grenzen bei. Formal gesehen wurden NGOs bereits 1945 in Art. 71 der Charta der Vereinten Nationen erwähnt: Artikel 71 Der Wirtschafts- und Sozialrat kann geeignete Abmachungen zwecks Konsultation mit nichtstaatlichen Organisationen treffen, die sich mit Angelegenheiten seiner Zuständigkeit befassen. Solche Abmachungen können mit internationalen Organisationen und, soweit angebracht, nach Konsultation des betreffenden Mitglieds der Vereinten Nationen auch mit nationalen Organisationen getroffen werden.
183
Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel, nach O.V. (2009).
184
Vgl. Brüderle, R. (2010).
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Popularität erhielten NGOs aber erst durch die Globalisierungsdebatte der 90er-Jahre. Sie sind in verschiedenen Politikbereichen tätig, z. B. in der Korruptionsbekämpfung, bei der Verhandlung von Umwelt- und Arbeitsstandards sowie den Menschenrechten. Die Akkreditierung erfolgt beim United Nations Department of Economic and Social Affairs, Ende 2010 waren dort über 3200 NGOs registriert. Bei aller (z. T. berechtigter) Kritik an einzelnen NGOs haben sie etwa durch Gegenkongresse zu Weltbank- und IWF-Tagungen zur breiteren Meinungsbildung auch der Verantwortlichen beigetragen. Daneben gibt es noch zahlreiche (kleinere) Netzwerke und Sozialforen, die sich in die Globalisierungsdiskussion einbringen. Ob es letztendlich tatsächlich zu einer Demokratisierung der Globalisierung kommt, wie vom Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz gefordert185, ist aber fraglich. Nachdem der Wettbewerb der Wirtschaftssysteme von der Marktwirtschaft gewonnen wurde und auch nicht-demokratische Staaten erfolgreich mit diesem Modell arbeiten, werden – so wird von einigen befürchtet – die wirtschaftlichen Interessen vor einer wünschenswerten Politikgestaltungen rangieren. Es sei denn, es kommt tatsächlich zu globalen Strukturen auch im politischen Prozess.
185
Vgl. Stiglitz, J. (2006), S. 335.
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Stichwortverzeichnis Abweichungsindikator 119 Aktien 12, 21, 22, 50, 96, 101, 105, 195, 203 Alterssicherung 147, 238 Ankerwährung 121, 122, 125, 126 Anleihen 50, 124, 136, 201, 203, 214 Arbeitskosten 84 Arbeitsmarktpolitik 169 Armut 69, 161, 178, 184, 240 Asienkrise 7, 66, 67, 73, 101, 103, 104, 105, 106, 109, 127, 128, 147, 181, 191, 204, 229, 239 Asset-Price-Inflation 147 Ausfuhrpreise 41, 42 Auslandsschulden 87, 199 Auslandsvermögensstatus 37, 38, 52, 54, 150, 223 Außenbeitrag 10, 11, 40, 43, 46 Bonität 146, 194, 195 Bonitätsbeurteilung 24, 68 Brasilien 70, 99, 104, 112, 123, 125, 132, 151, 171, 176, 178, 182, 191, 192, 197, 217 Bretton-Woods 11, 60, 73, 116, 117, 133, 203, 229 BRIC-Staaten 176 Case-Shiller-Index 194 China 17, 18, 19, 53, 62, 63, 65, 70, 76, 81, 103, 113, 135, 136, 150, 151, 152, 171, 172, 176, 177, 178, 182, 185, 189, 199, 201, 217, 226, 236, 239, 240 Club of Rome 171 CNN-Effekt 28 Decoupling 199 Deficit to the Moon 56 Deflation 87, 123, 192, 195 Devisenbeschränkungen 65 Devisenkurs 85
Devisenmarkt 83, 92, 97, 98, 99, 102, 113, 114, 115, 116, 151 Devisenmarktinterventionen 113, 120, 134 Devisenreserven 66, 102, 104, 106, 114, 121, 122, 125, 150, 177 Direktinvestitionen 4, 11, 12, 20, 22, 32, 36, 37, 49, 50, 54, 55, 56, 57, 58, 62, 68, 84, 96, 162, 163, 169, 172, 181, 186, 188, 204, 223, 224, 225, 236 Dollarisierung 112, 124, 126, 140, 229 Einfuhrpreise 41, 42, 87, 115 Entsendegesetz 164 Entsenderichtlinie 164 Entwicklungshilfe 49, 68, 181, 240 Entwicklungsländer 17, 18, 49, 61, 64, 65, 68, 69, 76, 77, 172, 173, 175, 177, 189, 238, 240 Existenzminimum 178 Exportquote 11, 16, 17, 188 Exportsteuer 124 Festkurssystem 65 Finanzderivaten 50, 203 Finanzpolitik 28, 123, 130, 140, 153, 154, 167, 201, 232, 233, 235, 237 Finanztransaktionssteuer 202, 203, 204 Freihandels 3 GATS 62 GATT 60, 61, 106, 171 Geldmenge 53, 115, 116, 140, 141, 142, 192, 200 Geldpolitik 24, 28, 30, 35, 99, 122, 130, 140, 142, 146, 148, 195, 200, 221, 226, 228, 230, 233, 237 Globale Ungleichgewichte 149 Glokalisierung 188, 241 Goldbestand 51
244 Greencard 165, 166 Gütermärkte 28, 109 Handel 8, 14, 17, 39, 50, 55, 62, 63, 64, 69, 75, 76, 77, 79, 80, 81, 84, 107, 111, 128, 203, 207, 221, 231, 234 Handelsbilanz 14, 39, 40, 41, 46, 48, 53, 88, 106, 114, 115, 116, 135 Handelshemmnisse 3, 61, 62, 107 HDI 178, 179 Indien 112, 113, 151, 176, 177, 178, 182, 192, 199, 217, 236 Inflation 97, 112, 125, 126, 131, 134, 143, 144, 146, 181, 208, 230, 234, 235 Kapitalbilanz 39, 49, 50, 51, 53 Kapitalexporte 53, 128 Kapitalimporte 53, 128, 149 Kapitalmarkt 4, 23, 24, 68, 71, 128, 146, 147, 159, 206, 221 Kapitalverkehrskontrollen 21, 124, 126, 136, 181 Kaufkraft 53, 62, 78, 87, 93, 127, 143, 145, 182, 226 Klimapolitik 172, 173, 174, 238 Konjunktur 7, 28, 30, 134, 146, 151, 222 Konvergenzkriterien 120, 159, 207, 208, 210 Leistungsbilanz 39, 47, 48, 49, 116, 127, 148, 149, 153, 215 Lemming-Effekt 102 Lender of Last Resort 205 Leontief-Paradoxon 77 Lohnstückkosten 84, 213 Louvre-Akkord 133, 134, 148 Maastrichter-Vertrag 71, 129 Maquiladoras 185 Mc Donaldisierung 4 Migration 1, 8, 26, 165, 166, 184, 222, 233, 237 New Economy 8, 165 NGO 21 NGOs 218, 219, 242 Ninja-Kredite 195 Offenheitsgrad 11, 18, 19, 144 Ölpreis 98, 228 Osterweiterung 164, 165, 238 Payments Manual 39, 54
Stichwortverzeichnis Plaza-Abkommen 133, 148 Pro-Kopf-Einkommen 65, 177, 183 Protektionismus 1, 59, 60, 167, 171, 180 Race to the Bottom 151, 155 Realignments 120 Reservewährung 66, 113, 133, 136, 141 Rohstoffe 143, 173, 178, 181 Russland 31, 50, 99, 104, 132, 150, 176, 197, 239 Schwellenländer 4, 18, 20, 21, 62, 64, 65, 69, 73, 77, 99, 113, 121, 127, 145, 148, 150, 152, 153, 156, 161, 162, 167, 170, 171, 172, 176, 179, 181, 185, 188, 199, 217, 218 Sonderziehungsrechte 51, 133 Sonderziehungsrechten 66 Sozialstandards 131, 171, 237 Stabilitäts- und Wachstumspakt 210, 215, 241 Standortwettbewerb 1, 35, 131, 146, 154 Strukturwandel 161, 175, 176, 235, 236 Subprime-Krediten 194 Tarifvertragsbestimmungen 164 Terms of Trade 41, 42, 175, 181 Terrorismus 12, 28, 30, 223 Tobin-Steuer 35, 128, 161, 203, 204, 230, 231 Transaktionskosten 30, 102, 132 Transportkosten 3, 145 Triade 117, 133 Umweltstandards 185 Währungskooperation 132, 137 Währungskorb 66, 114, 118, 121, 124 Währungsordnung 65, 106, 111, 116, 132, 135, 136, 231 Währungsschlange 117 Währungsunion 71, 111, 112, 116, 128, 129, 130, 131, 132, 136, 148, 207, 210, 211, 214, 228, 232 Welthandel 12, 13, 14, 15, 19, 20, 30, 31, 55, 60, 62, 64, 180, 191, 221 Weltmarktanteil 15 Weltwirtschaftskrise 2, 33, 59, 60, 152, 191, 192, 193, 194, 218 Wirtschaftswachstum 4, 6, 91, 96, 97, 100, 101, 105, 106, 122, 123, 125, 151, 152, 170, 172, 188, 196, 199, 213
Stichwortverzeichnis Zahlungsbilanz 11, 35, 36, 37, 38, 39, 47, 49, 50, 51, 52, 54, 58, 66, 127, 223 Zinsarbitrage 94
245 Zinsdifferenzen 23, 24, 26, 93, 120 Zinsverbundes 22 Zölle 3, 61, 64, 69, 78, 107, 123, 173