222 15 23MB
German Pages [213] Year 2010
ML
W
Managementwissen für Studium und Praxis Herausgegeben von Professor Dr. Dietmar Dorn und Professor Dr. Rainer Fischbach Bisher erschienene Werke: Arrenberg Kiy
Knobloch
Lange,
in Mathematik
Vorkurs
Kreis, Betriebswirtschaftslehre, Band I, 5. Auflage
-
Behrens
Kreis, Betriebswirtschaftslehre, Band II,
Behrens, Makroökonomie Wirtschafts-
Kreis, Betriebswirtschaftslehre, Band III,
Kirspel, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage politik
5. Auflage
-
Bichler Dörr, Personalwirtschaft Einfüh-
SAP® R/3® HR® Beispielen Blum, Grundzüge anwendungsorientierter Organisationslehre Bontrup, Volkswirtschaftslehre Bontrup, Lohn und Gewinn Bontrup Pulte, Handbuch Ausbildung Bradtke, Mathematische Grundlagen für rung mit
aus
-
•
Ökonomen
Übungen und Klausuren in Mathematik für Ökonomen Bradtke, Statistische Grundlagen für Bradtke,
Ökonomen
Breitschuh, Versandhandelsmarketing Busse, Betriebliche Finanzwirtschaft, 5. A. Clausius, Betriebswirtschaftslehre I Clausius, Betriebswirtschaftslehre II Dinauer, Allfinanz Grundzüge des
Finanzd ienstlei stungsmarkts Dorn Fischbach, Volkswirtschaftslehre II, 4. A. Drees-Behrens Kirspel Schmidt Schwanke, Aufgaben und Lösungen zur Finanzmathematik, Investition und -
•
Finanzierung
Drees-Behrens Schmidt, Aufgaben und Fälle zur Kostenrechnung Ellinghaus, Werbewirkung und Markterfolg Pank, Informationsmanagement, 2. Auflage Fank Schildhauer Klotz, Informations-
management: Umfeld Fallbeispiele Fiedler, Einführung in das Controlling, -
2.
Auflage
Fischbach, Volkswirtschaftslehre I, H.A. Fischer, Vom Wissenschaftler zum Unternehmer
Frodl, Dienstleistungslogistik Götze, Techniken des Business-Forecasting Götze, Mathematik für Wirtschaftsinformatiker Gohout, Operations Research Haas, Kosten, Investition, Finanzierung Planung und Kontrolle, 3. Auflage Haas, Marketing mit EXCEL, 2. Auflage Haas, Access und Excel im Betrieb Hans, Grundlagen der Kostenrechnung Hardt, Kostenmanagement, 2. Auflage Heine Herr, Volkswirtschaftslehre, 2. A. Hildebrand Rebstock, Betriebswirtschaftliche Einführung in SAP® R/3® Hofinann, Globale Informationswirtschaft Hoppen, Vertriebsmanagement Koch, Marketing Koch, Marktforschung, 3. Auflage Koch, Gesundheitsökonomie: Kosten- und Lei stu ngsrechnung Krech, Grundriß der strategischen Unter-
-
nehmensplanung
5. Auflage
Laser, Basiswissen Volkswirtschaftslehre Lebefromm, Controlling Einführung mit Beispielen aus SAP® R/3®, 2. Auflage Lebefromm, Produktionsmanagement Einführung mit Beispielen aus SAP® R/3®, -
-
4. Aufl.
Martens, Betriebswirtschaftslehre mit Excel
Martens, Statistische Datenanalyse mit SPSS für Windows Martin Bär, Grundzüge des Risikomanagements nach KonTraG Mensch, Investition Mensch. Finanz-Controlling Mensch, Kosten-Controlling Müller, Internationales Rechnungswesen Olivier, Windows-C Betriebswirtschaftliche Programmierung für Windows Feto, Einführung in das volkswirtschaft-
Rechnungswesen, 5. Auflage Feto, Grundlagen der MakroÖkonomik, 12. Auflage Feto, Geldtheorie und Geldpolitik, 2. A. Piontek, Controlling Piontek, Beschaffungscontrolling, 2. A. Piontek, Global Sourcing Posluschny, Kostenrechnung für die liche
Gastronomie
Posluschny von Schorlemer, Erfolgreiche Existenzgründungen in der Praxis Reiter Matthäus, Marktforschung und Datenanalyse mit EXCEL, 2. Auflage Reiter Matthäus, Marketing-Management mit EXCEL
Rothlauf, Total Quality Management in Theorie und Praxis
Rudolph, Tourismus-Betriebswirtschaftslehre, 2. A. Rüth, Kostenrechnung, Band I
Sauerbier, Statistik fur Wirtschaftswissenschaftler Schaal, Geldtheorie und Geldpolitik, 4. A. Scharnbacher Kiefer, Kundenzufriedenheit, 2. Auflage Schuchmann Sanns, Datenmanagement •
mit MS ACCESS Schuster, Kommunale Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Auflage Schuster, Doppelte Buchführung für Städte, Kreise und Gemeinden
Specht Schmitt, Betriebswirtschaft für Ingenieure und Informatiker, 5. Auflage Stahl, Internationaler Einsatz von
Führungskräften Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 3. A. Stender-Monhemius, Marketing Grundlagen mit Fallstudien -
Stock, Informationswirtschaft
Strunz Dorsch, Management Strunz Dorsch, Internationale Märkte Weeber, Internationale Wirtschaft Weindl Woyke, Europäische Union, 4. A Zwerenz, Statistik, 2. Auflage Zwerenz, Statistik verstehen mit Excel Buch mit CD-ROM -
Internationale Wirtschaft Von
Prof. Dr. Joachim Weeber
R.01denbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek CIP-Einheitsaufnahme -
Weeber, Joachim: Internationale Wirtschaft / von Joachim Weeber. München ; Wien : Oldenbourg, 2002 (Managementwissen für Studium und Praxis) ISBN 3-486-27227-6
-
© 2002 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0
www.oldenbourg-verlag.de
Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: MB Verlagsdruck, Schrobenhausen Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Binderei GmbH ISBN 3-486-27227-6
Vorwort Die zunehmende internationale Verflechtung der Volkswirtschaften verändert unser Leben mit einer Geschwindigkeit, wie sie vor wenigen Jahrzehnten noch nicht vorstellbar war. Staaten, Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher sind hiervon betroffen. Dieses Lehrbuch soll Kenntnisse über die grundlegenden Zusammenhänge dieser Entwicklung liefern. Die didaktische Überlegung ist, das Wissen in einer verständlichen Sprache zu vermitteln. Auf die Darstellung abstrakter Theorien wird daher verzichtet. Theoretische Überlegungen werden mit Hilfe von Daten hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit für die Erklärung aktueller wirtschaftlicher Entwicklungen überprüft. Damit ist eine Art 'Leselehrbuch' entstanden. Es ist auf den Bedarf für Studentinnen und Studenten von Berufsakademien und Fachhochschulen zugeschnitten, die im Grundstudium den ersten Kontakt zu internationalen Aspekten der Volkswirtschaftslehre haben. Es bietet aber auch anderen Interessierten die Möglichkeit zum Einstieg in Fragen internationaler Wirtschaftsbeziehungen. Das vorliegende Lehrbuch ist aus Veranstaltungen zu den Grundlagen und Auswirkungen der Intemationalisierung der Volkswirtschaften an der Fachhochschule Nordakademie, Elmshorn, entstanden. Die Grundkonzeption des Buches wurde durch die zahlreichen Diskussionsrunden mit den Studierenden 'verfeinert'. Sie haben damit einen wichtigen Beitrag zu seiner Entstehung geleistet. Ihre Fragen haben zudem gezeigt, dass ein Schwerpunkt zunächst bei der Vermittlung statistischer und institutioneller Grundlagen liegen muss. Von Ihnen habe ich aber auch gelernt, dass man die schwierigen Probleme der Wirtschaftswissenschaften verständlich machen muss. Bedanken möchte ich mich auch bei allen Anderen, die an der Entstehung dieses Buches beteiligt waren.
Joachim Weeber
Inhaltsverzeichnis Vorwort Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis 1
Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft 1.1 Aktuelle Entwicklungen und Begriffe 1.1.1 Neue Anforderungen an nationale Wirtschaftspolitik 1.1.2 Begriffe 1.1.3 Messung und Indikatoren 1.1.4 Bestimmungsfaktoren 1.2 Formen internationaler Verflechtungen 1.2.1 Waren- und Dienstleistungsmärkte 1.2.2 Kapital-und Finanzmärkte 1.2.3 Arbeitsmärkte
2
1 1
1 4 5 7
9 10 17
27
1.3 Literatur
28
1.4 Weiterführende Fragestellungen
29
Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen 2.1 Die Zahlungsbilanz
31
32
2.1.1 Melde wesen
33
2.1.2 Teilbilanzen
36
Inhaltsverzeichnis
VIII
2.2 Direktinvestitionen
2.2.1
Empirische Ergebnisse
51 51
2.2.2 Probleme der statistischen Erfassung
52
2.2.3 Probleme der inhaltlichen Bewertung
58
2.3 Literatur
61
3 Internationale
62
Organisationen 3.1 Supranationale Organisationen 3.1.1 World Trade Organization 3.1.2 International Monetary Fund 3.1.3 World Bank
63 63 68 71
3.2 Freihandelsorientierte regionale Staatenzusammenschlüsse 73
4
3.3 Literatur
77
Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie 4.1 Reale (güterwirtschaftliche) Außenwirtschaftstheorie
78
4.1.1 Preisdifferenzen
79
4.1.2 Produktdifferenzen
83
4.1.3 Theorem der komparativen Kostenvorteile
84
4.2 Monetäre Außenwirtschaftstheorie 4.2.1 Fundamentalfaktoren
Spekulationsgeschäfte Grundzüge wirtschaftspolitischer Maßnahmen
4.2.2
4.3
4.4 Literatur
5 Internationale 5.1 5.2
78
86 96 103 110 111
Währungsordnungen (Wechselkurssysteme)
Systeme flexibler Wechselkurse Systeme fester Wechselkurse
112 114 115
Inhaltsverzeichnis
5.3 Wechselkursbandbreiten
119
5.4
124
5.5
5.6 5.7
Currency Board Devisenbewirtschaftung und Kapital Verkehrskontrollen (Europäische) Währungsunion Braucht man ein Weltwährungssystem?
5.8 Literatur 6
7
IX
132
135 141
145
Auswirkungen der Globalisierung auf die Wirtschaftspolitik 146 6.1 Geldpolitik (Währungspolitik) 148 6.2 Finanzpolitik (Steuerpolitik) 153 6.3 Lohnpolitik (Arbeitsmarkt) 160 6.4 Sozialpolitik 164 6.5 Literatur
168
Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen 7.1 Auswirkungen zwischen Staaten und Staatengruppen 7.2 Regionale Auswirkungen innerhalb eines Staates
169 169
7.3 Literatur
179
Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis
176
Abbildungsverzeichnis Abb. 1.01
Entwicklung des deutschen BIP seit 1991
Abb. 1.02 Die Karriere des Wortes „Globalisierung"
3 5
Abb. 1.03 Welthandel und Weltproduktion 1980-2001
10
Abb. 1.04 Anteile der Regionen am Welthandel 1999
11
Abb. 1.05 Die Entwicklung der deutschen Exportquote 1970-2001
13
Abb. 1.06 Internationale Anleihe- und Aktientransaktionen
18
Abb. 1.07
Expansion der Märkte für derivative Finanzinstrumente
Abb. 1.08
Zinsentwicklung in Deutschland und USA seit 1974
Abb. 2.01 Vordruck Anlage Z4 zur AWV Abb. 2.02
Abb. 2.03
Abb. 2.04
Hauptposten der Zahlungsbilanz und die Herkunft
34 35
Entwicklung der deutschen Einfuhr- und Ausfuhrpreise seit 1980
42
Entwicklung des deutschen Handelsbilanzsaldos Entwicklung des deutschen Leistungsbilanzsaldos seit 1970
Abb. 2.06
21
der Daten
seit 1970
Abb. 2.05
20
Entwicklung der Weltdirektinvestitionen 19892000
43 46
55
Abbildungsverzeichnis
XI
Abb. 2.07
Erfassung von mittelbaren Direktinvestitionen
56
Abb. 4.01
Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt
87
Abb. 4.02
Veränderung des Wechselkurses einer Währung durch eine Erhöhung der Nachfrage
87
Abb. 4.03 Lohnstückkosten in der Industrie in ausgewählten Industrieländern 1985-1998 (auf Basis nationaler
Währungen) Abb. 4.04 Lohnstückkosten in der Industrie in ausgewählten Industrieländern 1985-1998 (auf Basis US-
Dollar)
Abb. 4.05 J-Kurven- und Spazierstockeffekt
Abb. 4.06
Entwicklung des Wechselkurses D-Mark/USDollar
Abb. 4.07
Entwicklung des realen BIP in den Staaten Südostasiens seit 1981
Abb. 4.08 Maßnahmen zur Beseitigung von HandelsbilanzAbb. 5.01
89
90 96
97
108
ungleichgewichten
110
Häufigkeit von Wechselkursregelungen
113
Abb. 5.02 Wechselkursbandbreiten
120
Abb. 5.03
Wechselkurssysteme in EU-Beitrittsstaaten
126
Abb. 5.04
Ordnungspolitische Einteilung von Wechselkurs-
Abb. 5.05
systemen
132
Entwicklung des US-Dollar seit 1972
144
XII
Abbildungsverzeichnis
Abb. 7.01 BSP pro Kopf der Bevölkerung in einzelnen Regionen 1999
170
Abb. 7.02 Jahresdurchschnittliches Wachstum des realen BSP pro Kopf der Bevölkerung 1975-1999
171
Abb. 7.03
Zusammenhang zwischen Einkommenswachstum und Welthandelsanteil
Abb. 7.04
Abb. 7.05
Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfähigkeit
174
und Wohlfahrt
175
Exportquote im Bergbau und Verarbeitenden Gewerbe (West- und Ostdeutschland)
178
Tabellenverzeichnis Tab. 1.01
Wirtschaftliche Entwicklung ausgewählter Länder seit 1992
Tab. 1.02 Anteile der Regionen am Welthandel
2 12
Tab. 1.03
Struktur des deutschen Außenhandels seit 1960
14
Tab. 1.04
Offenheitsgrad von Volkswirtschaften
15
Tab. 1.05 Revision des prognostizierten Wirtschaftswachstums vom Herbst 2001
26
Tab. 2.01
Wichtige Posten der Zahlungsbilanz
39
Tab. 2.02
Entwicklung des Vermögensstatus der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Ausland seit
Tab. 2.03
Tab. 4.01
1990
50
Vergleich der zu- und ausfließenden Direktinvestitionen in der deutschen Zahlungsbilanz und den Zahlungsbilanzen der OECD-Länder
57
Simulierte Auswirkungen von Währungsturbulenzen im EWS auf das BIP-Wachstum für aus-
gewählte Länder
91
Tab. 4.02 USA und Euro-Raum: Indikatoren der Wirt-
schaftsentwicklung
Tab. 4.03
Entwicklung ausgesuchter Währungen Südostasiens
Tab. 4.04
Tab. 5.01 Tab. 6.01
Auswirkungen der Asienkrise auf das Wirtschaftswachstum in Industrieländern und Regio-
99 107
nen
109
Umrechnungsfaktoren der EWU-Währungen Körperschaftsteuersätze in den Ländern der EU und ihre Veränderungen 1980-2001
137 156
XIV
Tab. 6.02 Tab. 6.03 Tab. 7.01
Tabellenverzeichnis
Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer in ausgewählten Ländern Staatsquoten im internationalen Vergleich
159
Bevölkerung mit einem Einkommen von unter einem US-Dollar pro Tag
172
15 8
Abkürzungsverzeichnis APEC
Association of South East Asian Nations
ASEAN
Asia-Pacific Economic Cooperation
AWG
Außenwirtschaftsgesetz
AWV
Außenwirtschaftsverordnung
BDI
Bundesverband Deutscher Industrie
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BSP
Bruttosozialprodukt
EU
Europäische Union
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
EWS
Europäisches Währungssystem
EWU
Europäische Währungsunion
EWWU
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion
EZB
Europäische Zentralbank
FDI
Foreign Direct Investment
GATT
General Agreement on Tariffs and Trade
GATS
General Agreement on Trade in Services
HWWA
Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv
EFTA
European Free Trade Association
XVI
Abkürzungsverzeichnis
ECU
European Currency Unit
IWF
Internationaler Währungsfonds
MERCOSUR Mercado Comün del Sur MOE
Mittel- und Osteuropa
NAFTA
North American Free Trade Agreement
NGO
Non Governmental
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
SZR
Sonderziehungsrechte
UNCTAD
United Nations Conference on Trade and Development
UNO
United Nations
VGR
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen
WKM
Wechselkursmechanismus
WTO
World Trade Organization
Organization
1.
1
Kapitel: Einleitung: Grandzüge der Internationalen Wirtschaft
1
Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
1.1
Aktuelle Entwicklungen und Begriffe Entwicklungen skizziert Themenkomplex 'Internationale
In diesem Abschnitt sollen zunächst aktuelle
und Begriffsbestimmungen Wirtschaft' erfolgen.
1.1.1
zum
Anforderungen an nationale Wirtschaftspolitik
Neue
In den letzten Jahren haben sich in Deutschland die kritischen Stimmen über die im internationalen Vergleich relativ schwache gesamt-
Lage gemehrt. Insbesondere beim Wirtschaftswachstum (Tab. 1.01) und bei der Lage auf dem Arbeitsmarkt hinkt Deutschland seit Mitte der 90er-Jahre hinterher, selbst gegenüber anderen europäischen Staaten, wie etwa Frankreich, den Niederlanwirtschaftliche
den und Großbritannien.
Dabei stellen die Einen vor allem binnenwirtschaftliche Gründe in den Mittelpunkt ihrer Argumentation, andere sehen in weltwirtschaftlichen Fehlentwicklungen die Ursachen für die Schwierigkeiten der deutschen Volkswirtschaft. Besonders in den öffentlichen Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Politikrichtungen scheinen die Gegensätze unüberbrückbar. Während die jeweilige Opposition die heimischen Versäumnisse bemängelt, verweist die Regierung in Wirt-
1.
2
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
schaftsabschwüngen auf die Weltwirtschaft als Auslöser heimischer Probleme und ähnliche Entwicklungen in den Nachbarstaaten.1 Wirtschaftliche Entwicklung ausgewählter Länder seit 19921'
Tab. 1.01
Jahr
Deutschland
Frankreich
Großbritannien
Niederlande
USA
Japan
Veränderung gegenüber Vorjahr in % 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
2,2 -1,1 2,3 1,7 0,8
1,4 2,1 1,8 3,0
1,5 -0,9
0,2 2,5
1,7 0,9
2,1 1,7 1,1
4,7
2,6 2,9
1,9
3,4 2,9 3,1
2,9 2,6 3,4 3,0 2,1 2,9
3,0 3,8 4,3
3,7 3,5
3,1
2,7 4,0 2,7 3,6 4,4
4,3 4,1 4,1
0,9 0,3 1,1 1,5
3,6 1,8 •1,1 0,8 1,5
Veränderung des realen Bruttoinlandsproduktes
Quellen: Europäische Zentralbank; Deutsche Bundesbank. Solche isolierten Sichtweisen werden den tatsächlichen Gegebenheigerecht. Vielmehr werden binnenwirtschaftliche Fehlentwicklungen durch Änderungen der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen erst sichtbar. Damit ist die jeweilige nationale Wirtschaftspolitik ganz entscheidend von Einflüssen aus dem Ausland abhängig. So werden für die letzten beiden Abkühlungen der deutschen Konjunktur außenwirtschaftliche Gründe verantwortlich gemacht (Abb. 1.01). Die Entwicklung der Weltwirtschaft ist daher ein wichtiger Parameter für alle Wirtschaftssubjekte einer Volkswirtschaft. ten aber nicht
Die wesentlichen Veränderungen der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich durch eine merkliche Intensivierung der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung ergeben. Zahlreiche Länder sind als neue Konkurrenten auf den Märkten hinzugekommen. Beispiel Güter: Teilten sich in den 60er- und 70er-Jahren nur wenige InduVgl. zu solch unterschiedlichen Einschätzungen auch O.V. (2002a).
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
3
strienationen die wichtigsten Gütermärkte untereinander auf, sind seitdem asiatische, lateinamerikanische und mittel- und osteuropäische Staaten als zusätzliche Anbieter auf den Weltmärkten aufgetreten. Sie sind mit anscheinend konkurrenzlos günstigen Arbeitskräften in der Lage, Massengüter und zunehmend auch international handelbare Dienstleistungen billiger als die traditionellen Industriestaaten auf den Weltmärkten anzubieten. Zudem haben die Handelsaktivitäten zwischen regional weit auseinanderliegenden Anbietern und
Nachfragern zugenommen. Abb. 1.01
Entwicklung des deutschen BIP seit 1991 *) Mrd.
Euro, in Preisen von 1995
-
-
520
USA/Erdöl
480
460
440
420
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
•) Saison- und kalenderbereinigt: Quarralswerte
Quelle: Eigene Darstellung (orientiert an: Beyfus, J., M. Grömling (2001), S. 7).
Solche Entwicklungen wirken sich letztendlich auf die Wirtschaftsund damit auch auf die Arbeitsmarktlage etwa in Deutschland aus: Eine nationale Wirtschaftspolitik wird damit für international eingebundene Volkswirtschaften erheblich schwieriger. Doch nicht nur auf den Gütermärkten sind die Folgen der zunehmenden Verflechtung der einzelnen Staaten zu spüren. Ein verstärktes Zusammenwachsen der Arbeitsmärkte tritt hinzu. Auch die wachsende Verflechtung der internationalen Finanzmärkte bleibt nicht ohne Folgen für die deutsche Volkswirtschaft. Probleme bereiten dabei
1.
4
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
insbesondere die
die sich von realwirtschaftlichen haben. Die Bank für Internationalen Zahlungsaus-
Entwicklungen,
Vorgängen gelöst gleich kommt in ihrem Geschäftsbericht für das
Jahr 1997 daher für den finanziellen Sektor zu dem Schluss: "Viele Abläufe im Wirtschaftsleben, vor allem im Finanzbereich, verstehen wir nicht bis ins letzte."2 Als Folge der zunehmenden internationalen Arbeitsteilung ergeben sich schließlich für die betroffenen Staaten zum Teil drastische Änderungen in den wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Aufgabenstellungen. Die Diskussion darüber findet sich in den nächsten Kapiteln.
1.1.2
Begriffe
Die Beschreibung der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft wurde im Kapitel zuvor durch die Formulierungen •
Änderungen der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen
•
Intensivierung der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung
vorgenommen.
öffentlichen, aber auch zunehmend im wissenschaftlichen Sprach-
Im
gebrauch wird mit dieser Entwicklung vor allem Begriff der 'Globalisierung' verbunden.3 Die Verwendung des Wortes 'Globalisierung' hat dabei in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen (Abb. 1.02). Internationalisierung der Wirtschaft ist aber keineswegs neu. Sie begann im Grunde genommen etwa aus europäischer Sicht schon mit den ersten Seefahrern, die von Europa aus die Kolonien besetzten und Handel betrieben. Neu ist allerdings die Dynamik mit der sich die Die
Prozesse des wirtschaftlichen Wandels in den letzten beiden JahrBank für Internationalen Zahlungsausgleich Die genannten
(1997), S. 3.
Formulierungen werden in diesem Buch synonym verwendet.
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
vollzogen haben. Daher wird die Globalisierung 'Katalysator' des Wettbewerbs bezeichnet.
zehnten
5
auch als
Die Karriere des Wortes "Globalisierung m i)
Abb. 1.02
34
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
1) Jährliche Nennungen in Frankfurter Allgemeine Zeitung
Quelle: Deutscher Bundestag (2001), S. 3.
Mit der wachsenden Bedeutung der außenwirtschaftlichen Beziehungen für viele Staaten und damit der engeren Verflechtung der Volkswirtschaften untereinander gewinnt die Außenwirtschaftstheorie und Außenwirtschaftspolitik, auch bezogen auf die Möglichkeiten einer nationalen Wirtschaftspolitik, für Forschung und Lehre immer mehr an Gewicht.
1.1.3
Messung und Indikatoren
Um das Ausmaß der internationalen Verflechtung einer Volkswirtschaft abschätzen zu können, werden in der Regel verschiedene Indikatoren verwendet. Die in der Öffentlichkeit Bekanntesten werden aus den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) im Zusammenhang mit der Berechnung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ermittelt.
1
6
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
Das BIP kann auf drei Wegen berechnet werden: Der Verwendungsrechnung, der Entstehungsrechnung und der Verteilungsrechnung. Die bekanntesten Indikatoren zur Messung der Internationalisierung einer Volkswirtschaft sind dabei über die Verwendungsseite zu ermitteln: BIP
=
mit:
C C I G
+ =
=
=
I+ G+ X-M
Konsumgüterkäufe Privater Haushalte Bruttoinvestitionen (Unternehmen und Staat) Staatsverbrauch
Während C, I, und G die Inlandsnachfrage darstellen, wird der Saldo
aus
Exporteinnahmen für Güter (X) Minus
Importausgaben für Güter (M) als Außenbeitrag bezeichnet. Mit einem hohen positiven oder hohen negativen Außenbeitrag eines Landes wird häufig der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg hinsichtlich der ökonomischen Aktivitäten dieses Landes mit dem Ausland verbunden. Zur Messung der Außenabhängigkeit einer Volkswirtschaft lassen sich aus diesen Grundzusammenhängen verschiedene Indikatoren ableiten: •
Exportquote: Anteil der gesamten Ausfuhren an Gütern (Waren und Dienstleistungen) eines Staates an seinem BIP
1.
•
•
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
J
Importquote: Anteil der gesamten Einfuhren an Gütern (Waren und Dienstleistungen) eines Staates an seinem BIP Offenheitsgrad oder Außenhandelsanteil: Anteil der Exporte und Importe am BIP Offenheitsgrad oder Außenhandelsanteil ist damit der umfassendere Indikator, da er sowohl die Einfuhr- als auch die Ausfuhrseite in die Betrachtung der internationalen VerflechDer
tung eines Staates einbezieht.4
Zusätzlich zu den Indikatoren Exportquote, Importquote und Offenheitsgrad finden sich bei der Analyse des Internationalisierungsgrades von Volkswirtschaften weitere ökonomische Indikatoren, die anderen Statistiken entnommen werden. Als Beispiele können genannt werden: •
•
•
Direktinvestitionen,
Arbeitsmarktindikatoren, wie z.B. grenzüberschreitende Wanderungssalden oder die Außenwirtschaftsabhängigkeit von industriellen Arbeitsplätzen, Finanzmarktindikatoren, wie z.B. international gehandelte Wertpapiere.
Aktien und andere
Informationen
zu
diesen Indikatoren finden sich in den
Kapiteln. 1.1.4
folgenden
Bestimmungsfaktoren
Da die internationale Verflechtung von Volkswirtschaften kein neues Phänomen darstellt, muss es Begründungen für die Beschleunigung Die
zu BIP, Export und Import können den Angaben des Statistischen Bundesamtes entwerden. Sie finden sich in: Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Reihen: 1.1/1.2/1.3/3.
Angaben
nommen
1.
8
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
dieses Prozesses geben. In der (wirtschaftswissenschaftlichen) Literatur werden zahlreiche Bestimmungsfaktoren für diese Entwicklung verantwortlich gemacht. Eine Auswahl von Argumenten zeigt die Breite der Begründungen: •
•
•
Große Lohnkostenunterschiede bei abnehmendem Qualifikationsabstand, sodass anspruchsvolle Arbeiten auch in anderen Regionen vergleichsweise günstig erledigt werden können.
steigender Arbeitslosigkeit finden ausländische Direktinvestitionen eine sehr viel positivere wirtschaftspolitische Beurteilung als zuvor. Sie werden jetzt eher gefordert als behindert. Unter dem Druck
Konvertible Währungen und ein globaler Kapitalmarkt. Durch den Abbau von Devisen- und Kapitalverkehrsbeschränkungen erhöht sich die internationale Kapitalmobilität, und es entwickeln sich integrierte
globale Kapitalmärkte. •
•
Neue Kommunikationsmöglichkeiten und sinkende Kommunikationskosten. Damit verbunden: eine zunehmende Markttransparenz und verbesserte Koordinations- und Kontrollmöglichkeiten für internationale Unternehmensaktivitäten.
Niedrigere Transportkosten in den 80er- und 90er-Jahren (Rohölpreisverfall, zunehmender Wettbewerb der Transporteure) sowie Wegfall von Marktzutrittsschranken und Stärkung des Freihandels: Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse wurden abgebaut und die Rahmenbedingungen für den internationalen Wettbewerb stärker vereinheitlicht.
•
Dienstleistungssektor (insbesondere im Transport- und Telekommunikationssektor, bei Banken und Versicherungen) verfolgen nun auch die europäischen Staaten nach US-amerikanischem Vorbild eine Strategie der Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung.
Im
-
•
-
Konvergierende Standards und Normen, Lebensstile und Konsummuster („Mc Donaldisierung"): in vielen Teilen der Erde entstehen ähnliche Bedürfnisse.
1.
•
•
Kapitel: Einleitung: Grandzüge der Internationalen Wirtschaft
9
Die Verkürzung von Produktlebenszyklen verlangt kürzere Amortisationszeiten und eine rasche Marktdurchdringung im Weltmaßstab sowie eine Produktion in großen Einheiten (economies of scale).
Wertschöpfung und Produktion folgen den Märkten motiviert durch Kundennähe, Wechselkursschwankungen, politischen Druck. -
•
•
Differenzen in der Steuerbelastung (konzerninterne Verrechnungspreise als Instrument der Gewinnverlagerung: hierdurch werden Standorte im Ausland benötigt). Durch das stürmische Wachstum der ostasiatisch-pazifischen Schwellenländer und durch die Transformationsprozesse in Mittel- und Osteuropa entstehen für die Unternehmen der „alten" Industrieländer neue potente Konkurrenten. Gleichzeitig entwickeln sich für sie aber auch neue Absatzmärkte mit zusätzlichen Kooperations- und Investi-
tionsmöglichkeiten.
Formen internationaler Verflechtungen
1.2
Die Formen internationaler Verflechtungen unterscheiden sich traditionell nach den einzelnen Markttypen: •
Waren und Dienstleistungsmärkte,
•
Direktinvestitionen,
•
Finanzmärkte,
•
Arbeitsmärkte.
-
An Gewicht gewonnen haben nach den
Ereignissen des 11. Septemauf die eine gleichlaufende Übertragung von Überlegungen, zwischen verschiedenen Wirtschaftsräumen hindeuten. Stimmungen Auf sie wird im Rahmen des Kastens „Beispiel für eine Analyse von ökonomischen Übertragungswegen Die Folgen des Terrorismus" ber 2001
-
1.
10
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
gesondert eingegangen. Zu einer ersten Messung des Grades der internationalen Verflechtung von Märkten wird auf die in den Medien und in der Wissenschaft am häufigsten verwendeten Indikatoren eingegangen.5 Dabei wird vor allem ein Augenmerk auf die Einbindung der deutschen Volkswirtschaft gelegt. 1.2.1
Waren- und Dienstleistungsmärkte
Export-/Importentwicklung
wichtiger Indikator zur Beschreibung der aktuellen Lage ist der Vergleich zwischen Welthandel und Weltsozialprodukt (Abb. 1.03). Ein
Welthandel und
Abb. 1.03
2001
Weltproduktion 1980 -
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
19801989 3)
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
20014)
1) Volumen insgesamt. 2) Gesamtproduktion, real, Bruttoinlandsprodukt 3) Durchschnittlich jährliche Veränderung. 4) Schätzung des IWF.
Quelle: Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (verschiedene Jahrgänge); IWF.
In einzelnen Studien zum Thema Internationale Wirtschaft wird die Auswahl an Indikatoren sehr weit gefasst. Allein die Arbeit von Rürup/Setzer beschreibt 43 Indikatoren. Vgl. Rürup, B., M. Setzer (1996). Für einen Einstieg in das Thema wäre der zusätzliche Informationsgewinn aus einer solchen Ausweitung aber eher gering.
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
11
Ein stärker als die Weltproduktion steigender Welthandel bedeutet, dass ein zunehmender Anteil der Wertschöpfungskette am Endprodukt über den grenzüberschreitenden Handel erwirtschaftet wird. Insgesamt wuchs der Welthandel im Durchschnitt der letzten Jahre z.T. deutlich schneller als die Weltproduktion, weil die Zahl der Anbieter zunahm. Zwar werden die Interdependenzen zwischen den Staaten dadurch insgesamt größer, ein großer Teil der Ex- und Importe ist aber immer noch auf die traditionellen Industriestaaten und damit wenige Regionen beschränkt (Abb. 1.04) dabei haben die Staaten mit einem vergleichsweise großen Nachholbedarf an Integration, wie z.B. die Staaten Afrikas, in den vergangenen Jahren Anteile verloren -
(Tab. 1.02). Abb. 1.04
Anteile der Regionen
Export
am
Welthandel 1999
Import Westeuropa H Nordamerika Mittlerer Osten Lateinamerika
MOE-Staaten *) Asien
Afrika
*) Staaten Mittel- und Osteuropas. Quelle: WTO120001. S. 37.
Die in der deutschen Diskussion immer wieder zu hörende Forderung, dass es darauf ankomme, dass der Weltmarktanteil eines Staates gleich bleibt, ist allerdings aus Sicht der Wirtschaftspolitik nicht unproblematisch. Denn eine zunehmende Zahl von Anbietern fuhrt rein rechnerisch dazu, dass auch bei gleich bleibender Verteilung der Positionen der bisherigen Anbieter deren Weltmarktanteile kleiner werden. Die Zunahme des Handels insgesamt gleicht aber die Verringerung der Weltmarktanteile möglicherweise mehr als aus.
1.
12
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft Anteile der Regionen
Tab. 1.02
Welthandel 1990 bis 1999 am
-Veränderung von in Prozentpunkten Regionen
Export 1,7 + U 5,3 + 0,8 1,1 + 3,7 -0,9 +
Nordamerika Lateinamerika
Westeuropa MOE-Staaten Afrika Asien
Mittlerer Osten
-
Import +
+
4,0 2,1 6,4
0,4 -0,4
+
0,6 -0,2
+
*) Staaten Mittel- und Osteuropas.
Quelle:
WTO
(2000), S. 37.
Ein Blick auf die Entwicklung der deutschen Exportquote zeigt, dass die deutsche Wettbewerbsfähigkeit trotz rückläufiger Weltmarktanteile nicht gelitten hat (Abb. 1.05). Vielmehr ist seit 1980 ein tendenzieller Anstieg der Ausfuhrleistungen festzustellen.6 Schwankungen der Exportquote können konjunkturelle Gründe (im Inland und im Ausland) haben oder auch Ausdruck struktureller Ursachen (z.B. steigender Produktionsanteil der westdeutschen Wirtschaft für den innerdeutschen Transfer in die neuen Bundesländer von 1991 bis 1993) sein.
Querschnittsbetrachtung der regionalen Zusammensetzung der Exporte zeigt, welche Staaten oder Regionen die Hauptabnehmer der deutschen Güterproduktion sind. Die Längsschnittbetrachtung ermöglicht die Analyse hinsichtlich der Entwicklung der regionalen Die
Zusammensetzung (Tab. 1.03). So haben etwa für Deutschland die Märkte der mittel- und osteuropäischen Staaten seit dem Zerfall des ehemaligen Ostblocks spürbar an Gewicht gewonnen. Und die USA haben im Zuge des anhaltenden Konjunkturaufschwungs der 90erJahre zunehmend auch deutsche Produkte zur Befriedigung ihres ho-
Empirische Untersuchungen zeigen eine vergleichbare Entwicklung auch in anderen Staaten. Dies gilt auch für den Vergleich mit den Zeiten vor dem Aufkommen protektionistischen Tendenzen vor dem 2. Weltkrieg. Vgl. (mit Datenangaben bis in das 19. Jahrhundert) Bernholz, P. (2001).
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
13
hen Konsum- und Investitionsbedarfs importiert. Vergleichbare Analysen lassen sich auch für die Importseite durchfuhren. Von Sonderentwicklungen abgesehen, z.B. wird der große Anteil der Entwicklungsländer an den deutschen Einfuhren im Jahre 1980 durch den hohen Wert für Rohölimporten im Zuge der zweiten Ölkrise erklärbar, wird deutlich, dass zwar für Deutschland der Handel mit den Staaten der EU immer noch über die Hälfte der gesamten Einfuhren ausmacht. Aber auch hier werden die Staaten Mittel- und Osteuropas immer wichtiger. Die Entwicklung der deutschen Exportquote 1970 2001
Abb. 1.05
-
Anteil der Ausführ von Waren und Dienstleistungen am BIP in jeweiligen Preisen -
-
in%
40
Westdeutschland
Gesamtdeutschland
35 30 25
20 15
10 5
70
75
80
85
90
1) Daten ab 1995 nicht mehr verfügbar.
Quelle: Krupp, H-J, J. Weeber(1998), S. 727(aktualisierte Darstellung).
Als Ergebnis verschiedener empirischer Arbeiten zeigt sich, dass der Ex- und Import von ähnlichen Gütern zwischen den Industrienationen, der so genannte intraindustrielle Handel, deutlich über die Hälfte des Gesamthandels der Industrienationen ausmacht.7 Von den intraindustriellen Wirtschaftsbeziehungen ist der Austausch von Produkten zwischen verschiedenen industriellen Wirtschaftszweigen zu unterscheiden, hier liegt ein inter-industrieller Handel vor. Dieser wird in erster Linie zwischen Industrie- und Schwellenländern getätigt. 7
Vgl. Siebert, H. (1997), S. 42.
1.
14
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
Tab. 1.03
Struktur des deutschen Außenhandels seit 1960 l) nach Ländergruppen 2); in % -
-
Wareneinfuhr
Warenausfuhr
1960
1970
1980
1990
2000
1960
1970
1980
1990
2000
49,8 3,8
51,1 4,9
54,5
3,6
56,5 10,2
39,5
MOE-Länder
40,3 3,9
4,0
51,5 3,7
48,6 4,6
52,1 4,0
51,8 11,8
Übrige europäische
23,3
19,7
18,3
18,8
6,6
14,6
11,9
12,8
16,0
6,7
Außereuropäische
12,7
14,1
9.9
12,2
14,4
16,4
13,1
14,5
15,0
7,7
9,1
6.1
7,3
10,3
14,0
11,0
7,5
6.7
8,5
18,5 1,3
11,8
14,7
10,:
10,3
22,1
16,1
20,4
12,0
11,0
0,8
1,1
0,8
2,0
1,0
0,4
0,5
1,4
3,7
EU-Länder31
Länder
Industrieländer dar.: USA
Entwicklungsländer Sonstige
1) Bis 2000: Früheres Bundesgebiet; 2000: Deutschland. 2) Zur Abgrenzung vgl. die Angaben der Originalquelle. 3) Für die Angaben des früheren Bundesgebietes ohne Finnland, Österreich, Schweden. Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2001), S. 438/439.
Wie stark einzelne Staaten in die Weltwirtschaft integriert sind, kann am bereits erwähnten Offenheitsgrad verdeutlicht werden (Tab.
1.04).
dass vergleichsweise kleine (industriell geprägte) Volkswirtschaften intensive Aus- und Einfuhrbeziehungen unterhalten. Auf Grund einer differenzierten Nachfragestruktur können in diesen Staaten zahlreiche Güter nicht durch die heimische Volkswirtschaft hergestellt werden, sodass hier eine hohe Außenhandelsabhängigkeit entsteht. Industrienationen mit einem vergleichsweise großen Binnenmarkt (USA, Japan) weisen dagegen einen geringeren OffenEs
zeigt sich,
heitsgrad auf.8
Direktinvestitionen
Globalisierungsdiskussion spielt neben der Exportentwicklung insbesondere die Entwicklung der Direktinvestitionen eine wichtige Rolle. "Deutschland fällt im Standortvergleich weiter zurück"9 oder In der
Vgl. auch Deutscher Bundestag (2001), S. 48; sowie Krugman, P., M. Obstfeld (2000), S. 139. 9
O.V.
(1996a).
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
15
"Investoren meiden Deutschland"10 sind in diesem Zusammenhang Mitte der 90er-Jahre häufig genannte Schlagworte gewesen. Die Fakten sprechen auf den ersten Blick eine deutliche Sprache. Die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland zeigen seit Jahren einen ansteigenden Trend.11 Angesichts der inländischen Beschäftigungsprobleme wurde dies in der Öffentlichkeit als eine aus Kostengründen stattfindende dramatische Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland empfunden. Tab. 1.04 Ländergruppen
Offenheitsgrad von Volkswirtschaften
OECD-Länder High income (Non-OECD) Middle income economies Low income economies Least developed (UN Classif.) World
1970
1980
1990
1995
1996
1997
1998
26,2 115,0 30,3 12,1 29,7 28,0
36,0 163,2 44,8 25,0 40,0 40,0
33,9 162,5 43,8 33,4 35,8 38,9
37,3 170,1 51,4 44,5 46,1 42,9
38,8
40,4
136,4 51,2
158,9 53,5
41,4 44,6 43,2
42,6 45,3 45,2
40,2 152,7 56,2 45,8 49,5 44,9
23,6 19,7
45,1 26,6 73,9 20,9 62,9
52,0 25,9 67,1 21,9 52,8
63,5 31,0 62,9 28,9 59,9
60,6 31,7 60,6 28,9 60,3
65,5 32,2 60,4 29,2 60,2
74,8 32,4 53,0 28,8 59,3
44,3 46,7 52,3 21,1 28,3 20,4 15,5
45,1 40,0 51,5
46,9 44,7 51,2 57,9 24,3 17,3 17,2 45,7 25,0 54,0 58,2 61,1
48,0 45,6 48,2 59,8 24,6 19,3 16,3 40,1 24,5 52,3 62,3 63,1
52,1 49,4 50,3 57,8 25,6 21,0 17,7 41,6 24,8 56,0 60,1 70,7
56,1 49,6 49,6 53,9 23,9 20,3 17,5 38,9 24,8 97,7 64,5 84,6
Regionen Ostasien & Pazifik Lateinamerika & Karibik Mittlerer Osten & Nordafrika Südasien Subsaharisches Afrika
11,8
47,3
Länder
Deutschland Frankreich Italien Großbritannien USA
Japan
Brasilien China Indien Indonesien Mexiko Korea
31,1 32,9 45,2 11,4 20,3 14,5 3,8 7,6 28,4 17,4 37,5
15,4 54,4 23,7 74,4
21,2
20,6 15,2 31,9 16,9 49,9 38,3 59,4
1) Die Offenheit einer Volkswirtschaft ist definiert als Anteil des gesamten Außenhandels (Exporte + Importe) am Sozialprodukt Zur Klassifikation der Länder vgl. die Weltbankubersicht (http://www worldbank org/dala/databylopic/class htm)
Quelle: Eigene Darstellung (orientiert an: Deutscher Bundestag (2001), S. 49).
International gesehen haben die grenzüberschreitenden Direktinvestitionen deutlich zugenommen. Dies gilt sowohl im Bereich der traditiO.V.
(1996b).
Auf die Entwicklung der deutschen Direktinvestitionen wird noch im Rahmen des Direktinvestitionen' ausführlich eingegangen.
Kapitels '2.2
1
16
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
onellen Industrieländer als auch fur eine Reihe und Schwellenländern. Annual average FDI
von
Entwicklungs-
growth rate (percentage), 1986-2000
More than 30%
Afghanistan; Armenia; Azerbaijan; Bahamas; Bahrain; Bangladesh; Belarus; Bermuda; Bhutan; Bolivia; Brazil; Bulgaria; Cameroon; Cape Verde; Cayman Islands; China; Comoros; Croatia; Cuba; Czech Republic; Denmark; Djibouti; Eritrea; Ethiopia; Finland; Georgia; Germany; Guyana; Hungary; India; Ireland; Japan; Jordan; Kuwait; Lao People's Democratic Republic; Latvia; Lesotho; Lithuania; Macau, China; Malawi; Mongolia; Morocco; Mozambique; Myanmar; Netherlands Antilles; Nicaragua; Norway; Paraguay; Poland; Qatar; Romania; Samoa; Säo Tomi and Principe; Senegal; Slovenia; South Africa; Sweden; TFYR Macedonia; Tonga; Tuvalu; Uganda; United Republic of Tanzania; Venezuela; Viet Nam; and Virgin Islands 20-29.9%
Anguilla; Argentina; Austria; Belgium and Luxembourg; Benin; Chad; Chile; Dominican Republic; Gabon; Ghana; Hong Kong, China; Islamic Republic of Iran; Israel; Kazakhstan; Republic of Korea; Lebanon; Malta; Republic of Moldova; Nepal; Netherlands; Panama; Peru; Russian Federation; Saint Vincent and the Grenadines; Slovakia; Sudan; Togo; Trinidad and Tobago; and Ukraine 10-19.9%
Angola; Burkina Faso; Cambodia; Canada; Colombia; Democratic Republic of Congo; Costa Rica; Cote d'lvoire; Ecuador; Equatorial Guinea; Estonia; France; Gambia; Grenada; Guinea; Guinea-Bissau; Honduras; Iceland; Jamaica; Kiribati; Malaysia; Maldives; Mali; Mauritius; Mexico; New Caledonia; Pakistan; Philippines; Portugal; Saint Lucia; Saudi Arabia; Seychelles; Somalia; Sri Lanka; Switzerland; Tajikistan; Thailand; Tunisia; Turkey; United Kingdom; United States; Uruguay; Uzbekistan; Vanuatu; Yemen;
Zambia; and Zimbabwe 0-9.9%
Albania; Algeria; Antigua and Barbuda; Aruba; Australia; Barbados; Belize; Botswana; Dominica; Egypt; El Salvador; Greece; Guatemala; Italy; Kenya; Kyrgyzstan; Madagascar; Namibia; New Zealand; Nigeria; Papua New Guinea; Saint Kitts and Nevis; Sierra Leone; Singapore; Solomon Islands; Spain; Swaziland; Syrian Arab Republic; and Taiwan
Province of China
Decline
Darussalam; Burundi; Central African Republic; Congo; Cyprus; Fiji; Gibraltar; Haiti; Indonesia; Iraq; Democratic People's Republic of Korea; Liberia; Libyan Arab Jamahiriya; Mauritania; Montserrat; Niger; Oman; Rwanda; Turkmenistan; United Arab Emirates; and Yugoslavia Brunei
Quelle: UNCTAD (2001), S. 10._
1.
1.2.2
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
17
Kapital- und Finanzmärkte
Grenzüberschreitende Kapital- und Finanzmarkttransaktionen werden als das eigentliche Problem der zunehmenden Verflechtung von Märkten angesehen, etwa was die zahlreichen Globalisierungskritiker bei den Nichtregierungsorganisationen, so genannte NGO's (Non Governmental Organizations), im Rahmen von Weltwirtschaftsgipfeln betrifft. Hinter den 'globalisierten Finanzmärkten' steht ein einfacher Sachverhalt: Geld und Kapital können sich heute in weiten Teilen der Welt frei bewegen und von Land zu Land wandern, wobei auch die Währung wechseln kann. Es hat sich ein Weltfinanzmarkt herausgebildet. Ermöglicht wurde dies durch die Deregulierung und Integration nationaler Märkte, wozu vor allem der Abbau von Kapitalverkehrskontrollen, Zinsregulierungen und die moderne Kommunikationstechnologie beitragen. Kapitalströme lösen sich zudem zunehmend von realwirtschaftliche Vorgängen: Schätzungen zufolge werden nur knapp 2% des jährlichen Devisenumsatzes zur Finanzierung des Welthandels benötigt. Die Mehrzahl der Kapitalbewegungen ist dabei kurzfristig orientiert.12 Sichtbar wird diese
Entwicklung etwa an der wachsenden Bedeutung grenzüberschreitender Transaktionen bei festverzinslichen Wertpapieren und Aktien. Bezogen auf das BIP sind in wichtigen Industrieländern solche Geschäftabschlüsse seit 1980 geradezu sprunghaft angestiegen (Abb. 1.06).13 Neben diesen eher traditionellen Finanzmarktinstrumenten sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten so genannte Finanzinnovationen hinzu gekommen. Mit börsen- und außerbörslich gehandelten Derivaten, hierunter insbesondere Optionen, können Anleger mit relativ wenig Kapital weltweit hohe Gewinne erzielen, aber auch Verluste
Vgl. Herr, H. (2000), S. 321. 13
Vgl. auch Theurl.T. (2001).
1.
18
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
grenzüberschreitenden Transaktionen in der jüngeren Vergangenheit sprunghaft angestiegen, wie Abb. 1.07 erleiden.14 Auch hier sind die
zeigt. Internationale Anleihe- und Aktientransaktionen *)
Abb. 1.06
J
USA D
F
CAN
I
J
1980
USA D
F
CAN
1985
1
1
USA
D
F
CAN
1
1990
J
USA D
F
CAN
I
1997
*) Brutiowerrpapierkäufe und -verkaufe zwischen Gebietsansassigen und Gebietsfremden.
Quelle: Weeber, J. (1999), S. 522.
In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat sich der Verbund zwischen den Finanzmärkten der Staaten wieder deutlich gezeigt. So konnten sich etwa die Aktienmärkte in Europa immer weniger von den Entwicklungen an der New Yorker Börse lösen. Wie der Aktiencrash vom Oktober 1987 verdeutlicht hat, übertragen sich gerade abrupte Kursbewegungen des Dow Jones Aktienindex nahezu ohne Zeitverlust auf die anderen großen Börsen.
Derivate sind Teil einer in den 80er-Jahren entstandenen neuen Art von Finanzierungsinstrumenten, den Finanzinnovationen. Zu den Derivaten zählen Optionen, Futures und Swaps: Sie werden aus den eigentlichen Finanzgeschäften wie Krediten, Aktien und Anleihenhandel abgeleitet. Dabei handelt es sich um Verträge über den zukünftigen Kauf oder Verkauf herkömmlicher Finanzierungsinstrumente zu bereits am Tage des Vertragsabschlusses vereinbartem Preis (Terminkontrakte) oder um Verträge Uber Rechte zu künftigem Kauf oder Verkauf (Optionen). Diese Geschäfte sind damit auf die Zukunft gerichtet und somit hochspekulativ Sie werden für zahlreiche Fehlentwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten verantwortlich gemacht Für die Bedeutung von Derivaten auf den internationalen Finanzmärkten, vgl. auch Aschinger, G. (2000), S. 42-49.
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
19
In Zeiten einer immer weiter fortschreitenden Liberalisierung der internationalen Kapital- und Finanzmärkte kommt es auch im Bereich der Zinsen zu einer Loslösung vom nationalen Markt. „Der Kapitalmarktzins wird nur in einer geschlossenen, vollkommen von ausländischen Einflüssen abgeschotteten Wirtschaft allein durch heimische Faktoren bestimmt."15 Eine solch autonome Zinspolitik ist in großen Teilen der Weltwirtschaft einem internationalen Zinszusammenhang gewichen. In einer Untersuchung der Deutschen Bundesbank wird dabei die Bedeutung des Zinsverbundes Deutschlands mit den USA als weltweit größtem Kapitalmarkt besonders herausgestellt. Für die Analyse wurde der Zeitraum von 1974 bis 1996 herangezogen. Die zentralen Ergebnisse: •
•
kurzfristig: der deutsche Zinsverlauf lehnt sich eng an die wicklung in den USA an,
Ent-
die Zinsentwicklung wird in Deutschland durch inländische Faktoren bestimmt.
langfristig:
Insgesamt gesehen ist
der Verlauf der Kapitalmarktzinsen in diesem Zeitraum enger an die Entwicklung in den USA heran gerückt (Abb. 1.08). Bisweilen wird zwar im Zuge der Globalisierung auch von einem weltweiten Kapitalmarkt gesprochen.16 Die vorliegenden Ergebnisse zeigen aber, dass es sehr wohl regional eigenständige Entwick-
lungen gibt.
Innerhalb Europas hatte in der Vergangenheit Deutschland eine gewisse Führungsrolle bei der Zinsentwicklung. Zum einen auf Grund der großen Bedeutung der DM als Währung im Rahmen des EWS: eine Reihe von anderen Zentralbanken orientierten sich daher an der Geldpolitik der Deutschen Bundesbank. Zum anderen hat der deutsche Kapitalmarkt durch seine Größe eine wichtige Bedeutung bei der Zinsgestaltung. Trotzdem gab es zwischen den einzelnen Staaten der EU z.T. merkliche Unterschiede in der Höhe der Kapitalmarktzinsen, die etwa durch unterschiedliche Preisentwicklungen begründbar wa15 16
Deutsche Bundesbank (1997), S. 24.
Vgl. etwa bereits Rosenstock, A. (1988), S 2.
1.
20
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
Insofern ist zwischen einer nominalen und einer realen Zinsentwicklung zu unterscheiden.17 Zudem wurden für die Engagements der Kapitalgeber auf Grund höherer Unsicherheiten hinsichtlich der zukünftigen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in einzelnen Staaten der EU Risikozuschläge durch eine schlechtere Bonitätsberen.
urteilung verlangt. Abb. 1.07
Expansion der Märkte für derivative Finanzinstruinente Börsengehandelte Instrumente in Mrd US-Dollar'
15
10
15
10
86
87
88
89
90
Außerbörslieh
91
92
93
94
95
gehandelte Instrumente
96
97
3)
in Mrd US-Dollar2>
30
30
25
25
20
20
15
10
10
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
1) Zinsfutures u. -Optionen, Wahrungsfutures u. -Optionen, Aktienindexfutures u. -Optionen, 2) Ausstehender Nominalbetrag am Jahresende, außerbörs. Instrumente 1997: Ende Juni 1997. 3) Zins- u. Wahrungsswaps sowie Zinsoptionen.
Quelle: Weeber, J. (1999), S. 521.
Bei der Entwicklung realer Zinssätze werden von den nominalen Zinssätzen die Inflationsraten subtrahiert. Dabei kann zusätzlich zwischen der aktuellen Inflationsrate und den erwarteten Preis-
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
21
Diese großen Zinsdifferenzen sind zwischen den EWU-Staaten nicht mehr vorhanden. Im Rahmen des Maastrichter Vertrages ist die Zinsentwicklung ein Konvergenzkriterium. Als Ergebnis des Konvergenzprozesses haben sich die Zinsunterschiede innerhalb der EU bis zum Start der neuen Währung im Jahre 1999 verringert. Allerdings bestehen zwischen den Teilnehmerstaaten auch weiterhin Renditedifferenzen. Abb. 1.08
in Deutschland und USA seit 1974
Zinsentwicklung
1
Kapitalmarktzinsen
Geldmarktzinsen 3)
1974
1977
1980
1983
1986
1989
1992
1995
1) Quartalsduchschnitte 2) Umlaufsrendite zehnjähriger öffentlicher Anleihen. 3) Dreimonatszins für Interbankengeld (D) bzw. Treasury bills (USA).
Quelle: IWF; eigene Darstellung.
Steigerungen unterschieden werden.
1998
2001
%
22
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
Beispiel für eine Analyse von ökonomischen
Übertragungswegen
-
Die Folgen des Terrorismus
-
Die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001 haben auch erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Sie trafen die größte Wirtschaftsmacht der Welt in einer Situation, als sich die US-amerikanische Volkswirtschaft nach einer scharfen konjunkturellen Abwärtsbewegung wieder zu stabilisieren begann. Aber auch die Ökonomien anderer Staaten waren von den Terroranschlägen und seinen Folgen betroffen.
a) Auswirkungen für die USA: Für die USA selbst kann zwischen direkten und indirekten gesamtwirtschaftlichen Effekten unterschieden werden: •
Direkte Effekte sind zum einen die umfangreichen Gebäudeschäden und die Zerstörung von Sachkapital. Schätzungen ge-
hen von einer Vermögensvernichtung von 0,1% des US-amerikanischen Vermögens aus. Hinzu kommen zum anderen Produktionsverluste durch den Ausfall von Arbeitstagen vor allem bei Fluggesellschaften, dem Hotel- und Gaststättengewerbe und der Unterhaltungsindustrie. Durch die Schadensfälle waren auch Versicherungen erheblich betroffen. •
Zu den indirekten Effekten werden etwa die Rückgänge bei den Vertrauensindices für Konsumenten und den Unternehmenssektor in den USA gezählt. Im Gefolge gerieten auch die Kurse der Unternehmen auf den Aktienmärkten zunächst unter Druck, stabilisierten sich jedoch wieder. Die realwirtschaftlichen Auswirkungen des temporären Aktienkursverfalls, etwa Rückgang des Konsums der Bevölkerung auf Grund eines niedriger bewerteten Vermögensbestandes, werden daher als gering eingeschätzt. Zu den indirekten Auswirkungen auf die US-amerikanische Volkswirtschaft kann auch der so genannte CNNEffekt gerechnet werden: Für einen Zeitraum von einigen Tagen haben weite Teile der Bevölkerung auf umfangreiche Einkaufstouren verzichtet und stattdessen vor dem Fernseher die
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
23
Entwicklungen nach den Terrorschlägen verfolgt. Ein solches Verhalten wurde bereits während des Golfkrieges beobachtet. Die insgesamt schwächere Nachfrage führte zu Entlassungen, was die verfugbaren Einkommen weiter schmälerte und wiederum eine Zurückhaltung bei den Konsumausgaben bedeutete. •
negativen Effekten kam es aber auch zu konjunkturstützenden Impulsen, etwa bei der Sicherheitsindustrie; sowohl was das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung innerhalb der USA betraf, als auch bei der Rüstungsindustrie im Rahmen der Vergeltungsmaßnahmen in Afghanistan. Zudem war die Wirtschaftspolitik in den USA um eine Begrenzung der Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung bemüht. Dies gilt z.B. im Bereich der Finanzpolitik mit nachfragestützenden Maßnahmen. Auch die Geldpolitik ging nach dem 11. September deutlich auf Expansionskurs, wenngleich bereits zuvor die Leitzinsen im Jahresverlauf gesenkt wurden. Neben diesen
b) Auswirkungen für andere Staaten:
Folgen der Terroranschläge in den USA ging eine konjunkturelle Eintrübung auf die Weltwirtschaft aus. Dabei sind die Auswirkungen dieses Ereignisses nur schwer zu quantifizieren, da sich die ursprünglichen Prognosen für das Jahr 2001 bereits vor dem 11. September als nicht haltbar erwiesen somit also ohnehin Korrekturbedarf bestand. Zur qualitativen Analyse kann dagegen auf die bekannten Übertragungswege zurück gegriffen werden: Von diesen direkten und indirekten
-
•
Gütermärkte:18 Die Verlängerung der konjunkturellen Schwä-
chephase in den USA betrifft etwa die Exportindustrie. So wurden die Hoffnungen zahlreicher deutscher Unternehmen nach einem im Jahresverlauf wieder zunehmenden Absatz ihrer Pro-
Die Auswirkungen im Bereich der Direktinvestitionen waren zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Manuskriptes noch nicht absehbar. Vor den Ereignissen des 11. Septembers gingen aber bereits negative Anreizwirkungen vom US-amerikanischen Konjunkturabschwung auf die Investitionen deutscher Unternehmen aus. So führten etwa Gewinnrückgange bei Tochterunternehmen auch zu Beeinträchtigungen der Ertragslage bei den deutschen Muttergesellschaften.
1-
24
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
dukte auf dem US-amerikanischen Markt nicht erfüllt. Zudem konnten zahlreiche Transporte mit Gütern im Gefolge des Flugstopps nicht durchgeführt werden. Die Verschlechterung der Geschäftserwartungen, so sank der ifo-Geschäftsklimaindex auf den niedrigsten Stand seit August 1993, führte schließlich i.d.R. bei Unternehmen dazu, dass Investitionspläne weiter eingeschränkt oder zumindest aufgeschoben wurden. •
•
Dienstleistungsmärkte: Von den unmittelbaren Problemen im Flugverkehr kurz nach den Terroranschlägen waren auch die Fluglinien anderer Staaten betroffen. Zudem brachen die Passagierzahlen auf Grund der Zurückhaltung im Reiseverkehr ein. Kapital- und Finanzmärkte: Gerade an den Finanzmärkten waren heftige Reaktionen zu beobachten. Die Kurse auf den europäischen Aktienmärkten brachen ein, so ging der DAX zwischen dem 10. und dem 21. September um rund 19% zurück. Die Folge war auch hier eine Abnahme im Vermögensbestand.
Positiv ist die mit der US-amerikanischen Notenbank in einer konzertierten Aktion vorgenommene Zinssenkung einer Reihe anderer Notenbanken, unter anderem auch der EZB, zu bewerten. •
Stimmungen: Bereits im Zuge der sich abschwächenden Konjunktur in den USA zeigte sich die zunehmende Bedeutung eines bisher weitgehend vernachlässigten Übertragungsweges wirtschaftlicher Impulse zwischen Wirtschaftsräumen: Die Auswirkung von Stimmungen. Die Unsicherheit der USamerikanischen Bevölkerung über die weitere Entwicklung in ihrem Land führte auch in vielen anderen Staaten zu einer deutlichen Eintrübung der Zukunftsaussichten in der Bevölkerung. Ernst Welteke, der Präsident der Deutschen Bundesbank, sprach sogar von einem 'Stimmungsschock'. Auch in diesen Staaten gingen die Indices von Stimmungsindikatoren zurück, kurzfristig kam es zur Kaufzurückhaltung bei Verbrauchern. Durch die wachsende Bedeutung von Vertrauenseffekten für die internationale Konjunkturübertragung ist es auch erklärbar, warum sich anscheinend der Konjunkturzusammenhang zwischen den USA
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
25
und Deutschland verstärkt hat. Insbesondere dürfte es sich um einen Übertragungsweg handeln, der relativ rasch die negativen und positiven Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung weiter gibt, wenn auch nicht notwendigerweise symmetrisch. Quellen:Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute (2001), S. 6.; Deutsche Bundesbank (2002); Liebert, N., C. Schütte (2001); Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2001). Der Sachverständigenrat geht dabei in einem Sonderkapitel (TextzifTern 458ff.) ausführlich auf den Konjunkturzusammenhang zwischen den USA und Deutschland ein.
Ein Versuch, die quantitativen Auswirkungen solcher exogenen Schocks wie die Terroranschläge auf das wirtschaftliche Wachstum zu schätzen, liegt in einem Vergleich von Prognosen unmittelbar vor und unmittelbar nach einem solchen Ereignis. So hat der IWF seine Herbstprognose vom September 2001 (ohne Folgen der Terroranschläge) über das Wachstum des realen BIP wichtiger Staaten und Regionen nach den Terroranschläge überarbeitet (Stand: November 2001). Tab. 1.05 verdeutlicht, dass es in den wichtigen Industrieländern zu einer deutlichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung durch die Folgen der Terroranschläge im Jahr 2001 gekommen bzw. für das Jahr 2001 zu erwarten ist.19 Die Tabelle zeigt zudem, dass auch das Wachstum des Welthandelsvolumens deutlich an Fahrt verloren hat. Aber nicht nur die negativen Auswirkungen der Terroranschläge in den USA haben Einfluss auf die wirtschaftliche Lage in anderen Staaten. Schließlich liegt ein Hoffnungsschimmer für die Überwindung der konjunkturellen Schwächephase in Deutschland vor allem in einer Konjunkturbelebung der US-amerikanischen Volkswirtschaft im Verlauf des Jahres 2002.20
Zwar durften die Rücknahmen der Wachstumsschätzungen in einer Reihe von Staaten nicht nur alleine den Folgen der Terroranschlagen zugeordnet werden, aber für eine solch grundlegend veränderte Prognose aus anderen Gründen dürfte der zusätzliche Informationsgewinn aus zwei Monaten nicht nachvollziehbar sein.
Eine solche Einschätzung vertraten etwa die Forschungsinstitute etwa die Meinung des HWWA bei der Vorlage der überarbeiteten 2002/2003: O.V. (2002b).
zu Beginn des Jahres 2002. Vgl. Wirtschaftsprognose ftir die Jahre
26
1
•
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
Tab. 1.05
Revision des prognostizierten Wirtschaftswachstums vom Herbst 2001 2001
2002
0,1 0,1 0,2 0,6 0,1 0,3 0,2
0,8 0,8
0,4
-1,3
0,2 0,3
-1,3 -1,0
Russland
0,1 1,8
-1,2 -0,4
Lateinamerika
0,6
Frankreich Italien
Großbritannien Kanada
Japan USA
Deutschland
0,6 1,4 1,3 1,5 U
Wenig fortgeschrittene Volkswirtschaften
Fortgeschrittene Volkswirtschaften Darunter: EWU-Raum
ASEAN-4-Staaten2)
Alle Länder
1,9 -
0,2
1,1
1,8
-3,1
Nachrichtlich: Welthandel (Volumen) [)
Revision der Vorausschätzungen des IWF hinsichtlich der Wachstumsrate des realen BIP vom November 2001 gegenüber dem September 2001; Veränderung in Prozentpunkten. 2) Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand.
Quelle:
IWF
(2001), S. 2.
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
1.2.3
27
Arbeitsmärkte
Eine weitere Form des weltwirtschaftlichen Wandels findet sich auf den Arbeitsmärkten. Die Internationalisierung der Arbeitsmärkte nimmt einen immer größeren Raum in Globalisierungsdebatten ein. Die Migration spielt gerade im politischen Bereich eine wichtige Rolle, wird durch sie doch die Emotionen bei der arbeitsfähigen Bevölkerung besonders angesprochen.
Gelingt es, den freien Güter- und Kapitalverkehr sicherzustellen, ist die Wanderung von Arbeitskräften weitgehend unnötig. Da dies in der Vergangenheit nicht der Fall war, hat es in der Geschichte immer wieder Wanderungen gegeben. Es spricht allerdings einiges dafür, dass grenzüberschreitende Wanderungsprozesse von Arbeitskräften in ihrem quantitativen Ausmaß bisher hinter den Entwicklungen anderer Märkte zurückgeblieben sind. Die Grenzen sind für Menschen immer noch weniger durchlässig als für Waren, Dienstleistungen und Kapi01 tal. Kulturelle, gesellschaftliche und sprachliche Barrieren sind eben zum Teil noch bedeutsamer als der ökonomische Wanderungsdruck.22 Zu beobachten sind
dagegen in Deutschland erhebliche grenzüberschreitende Bewegungen von Arbeitskräften in befristeten Beschäftigungsverhältnissen und mit dem Status eines sozialrechtlichen Aus-
länders. Zudem stehen die nationalen Arbeitsmärkte über die Handelsströme und die Mobilität quasi in einem indirekten weltweiten
Wettbewerb.23
21
22
23
Vgl. Flassbeck, H. (1997), S. 7; sowie Jacobs, H. (1997), S. 256. Vgl. für eine (1997), S. 69.
solche
Einschätzung Franzmeyer, F.,
Vgl. etwa Siebert, H. (1997), S.
14f.
L.
Lindlar, H. Trabold (1996); Berthold, N.
1.
28
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
Literatur
1.3
Aktuelle Darstellungen zur zunehmenden internationalen Arbeitsteilung und zu den außenwirtschaftlichen Einflüssen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland finden sich in: •
den Frühjahrs- bzw. Herbstgutachten der deutscher wirtschaftswissenschaftlicher unter: www.diw-berlin.de www.hwwa.de
Arbeitsgemeinschaft Forschungsinstitute,
www.ifo.de
www. iwh. uni-halle. de www. rwi-essen. de www. uni-kiel.
•
•
de:8080/IßV
den
jeweiligen Jahresgutachten des Sachverständigenrates Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, www. sachverstaendigenrat-wirtschaft. de
zur
regelmäßig erscheinenden Zeitschriften der sechs Wirtschaftsforschungsinstitute (Name des Instituts; Erscheinungsrhythmus) den
Schnelldienst (ifo, zwei Mal
monatlich) Mitteilungen (RWI, vierteljährlich Wochenbericht (DIW, wöchentlich) Wirtschaftsdienst (HWWA, monatlich) Wirtschaft im Wandel (IWH, monatlich) Die Weltwirtschaft (IfW, vierteljährlich) Für die eher international sind: •
ausgerichtete Betrachtung
World Economic Outlook
(IWF, halbjährlich)
unverzichtbar
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft www.
•
29
imf.org
Economic Outlook (OECD, halbjährlich)
www.oecd.org
•
Europäische Wirtschaft (EU-Kommission, jährlich) europa.eu.int/
Weiterführende Fragestellungen
1.4
bisherigen Ausfuhrungen ergeben sich eine Reihe von Fragestellungen, die in den nächsten Kapiteln behandelt werden sollen:
Aus den
1. In welchen Statistiken finden sich Angaben zur zunehmenden Verflechtung der Märkte? Wie werden diese Daten erhoben? Wo liegen die Probleme hinsichtlich der Aussagefahigkeit dieser Daten? Sind ausländische Direktinvestitionen im Inland oder inländische Direktinvestitionen im Ausland positiv oder negativ zu beurteilen?
(Kapitel 2 „Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen") 2. Gibt
es
Organisationen,
die den
grenzüberschreitenden Welche regionalen
verkehr steuern oder überwachen? schlüsse einzelner Staaten
gibt
es
Wirtschafts-
Zusammenund welche Interessen verfolgen
sie?
(Kapitel 3 „Internationale Organisationen") die wirtschaftswissenschaftliche Theorie die zunehmende internationale Arbeitsteilung? Welche Rolle spielen dabei die Kapital- und Finanzmärkte?
3. Wie
begründet
(Kapitel 4 „Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie")
30
1.
Kapitel: Einleitung: Grundzüge der Internationalen Wirtschaft
4. Kann die unterschiedliche
Ausgestaltung von Währungssystemen den Wirtschaftsverkehr zwischen einzelnen Staagrenzüberschreitenden Welche ten behindern oder fordern? Probleme können sich für einzelne Staaten aus der Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Währungssystem ergeben?
(Kapitel 5 „Währungsordnungen (Wechselkurssysteme)") 5. Welche Auswirkungen resultieren aus dem Globalisierungsprozess für einzelne Staaten? Ist eine national orientierte Wirtschaftspolitik überhaupt noch möglich?
(Kapitel 6 „Auswirkungen schaftspolitik")
der
Globalisierung
auf die Wirt-
6. Können von der Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung alle Staaten profitieren? Oder gibt es durch die Globalisierung Gewinner und Verlierer? Wie sehen durch diesen Prozess die Entwicklungen innerhalb von Staaten aus?
(Kapitel 7 „Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen")
2.
2
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
31
Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Die zunehmende Verflechtung der Weltwirtschaft wird im Zahlenwerk der VGR und vor allem aber in der Zahlungsbilanz des jeweiligen Staates erfasst. In Deutschland werden die Daten der Zahlungsbilanz, ergänzt durch die Angaben des Statistischen Bundesamtes für den Warenverkehr, aus den Ergebnissen des außenwirtschaftsrechtlichen Meldewesens der Deutschen Bundesbank und ihrer Landeszentralbanken ermittelt. Hier werden zum einen die Angaben des grenzüberschreitenden Zahlungs- und Kapitalverkehrs öffentlicher und privater Haushalte, zum anderen aber Informationen insbesondere über die Geschäftsbeziehungen von Unternehmen zwischen Inland und Ausland gewonnen. Zusammen mit dem Auslandsvermögensstatus, der zum einen den Umfang und die Struktur der finanziellen Forderungen und Verbindlichkeiten Deutschlands gegenüber dem Ausland abbildet und zum anderen Daten über die Bestände der Direktinvestitionen enthält, liefern beide Statistiken für die Entscheidungsträger der Wirtschaftsund Finanzpolitik wichtige Informationen über die internationale Verflechtung von Güter- und Finanzmärkten. Gerade für Diskussionen zum Thema 'Standortwettbewerb' zwischen einzelnen Staaten sind solche Informationen wichtig. Zudem ist vor allem für multinational tätige Wirtschaftsuntemehmen die Kenntnis über Handels- und Kapitalverflechtungen zwischen einzelnen Staaten eine wesentliche Entscheidungshilfe für eine erfolgreiche strategische Unternehmensführung.
Neben der Erstellung der nationalen Zahlungsbilanzstatistik liefert die Deutsche Bundesbank die Daten dieser monatlichen Statistik auch an
2.
32
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
die
Europäische Zentralbank, die sie zur Beurteilung der geld- und währungspolitischen Lage im Euro-Währungsgebiet benötigt. Darüber hinaus werden den Institutionen der EU die statistischen Angaben des Außenwirtschaftsverkehrs aus den nationalen Erhebungssystemen zur Verfügung gestellt. Das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaft (Eurostat) stellt daraus die Zahlungsbilanz für die EU in tiefer sachlicher und regionaler Gliederung auf. Zusätzlich sind etwa für Deutschland auch Meldeverpflichtungen aus der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen (EG,OECD, IWF) zu erfüllen.
Das Meldewesen
der Zahlungsbilanz und des Auslandsvermögensstatus sind damit ein wichtiger Bestandteil der deutschen Wirtschaftsstatistik. Die jeweils aktuellen Daten zur Zahlungsbilanz werden im monatlich erscheinenden Statistischen Beiheft zum Monatsbericht 3 „Zahlungsbilanzstatistik" von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht. Einmal im Jahr werden von ihr die wichtigsten Entwicklungen aus der Zahlungsbilanz des jeweiligen Vorjahres ausführlich kommentiert.24
2.1
zur
Erstellung
Die Zahlungsbilanz
Wie die ersten empirischen Ergebnisse gezeigt haben, ist in den letzJahren eine deutliche Zunahme grenzüberschreitender Aktivitäten festzustellen. So haben neben den grenzüberschreitenden Transaktionen von Wirtschaftsuntemehmen auch die Aktivitäten Privater Haushalte zugenommen (ein bekanntes Beispiel aus Sicht der deutschen Zahlungsbilanz ist etwa das 'Mallorca-Fieber', also der Kauf einer Immobilie auf der beliebten Ferieninsel bei einem Gebietsfremden durch einen Gebietsansässigen). Damit wird die Zahlungsbilanz, in der diese Vorgänge erfasst werden, immer wichtiger für die ökonomiten
in den vergangenen Jahren fand diese schen Bundesbank statt.
Kommentierung jeweils
im Monatsbericht März der Deut-
2.
33
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Analyse. Den rechtlichen Rahmen bilden dabei das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV).25 sehe
Im Rahmen der Zahlungsbilanz sind vor allem zwei Aspekte zu beachten: das Meldewesen und die Systematik der Zahlungsbilanz mit ihren Teilbilanzen.
2.1.1
Melde wesen
In der Zahlungsbilanz werden die ökonomischen Aktivitäten eines Jahres zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden abgebildet. Dabei ist der Begriff der 'Zahlungsbilanz' eher verwirrend, da keine Bestände, sondern Ströme erfasst werden im Gegensatz zur Auslandsvermögensstatistik. Auch werden nicht nur Zahlungsvorgänge -
abgebildet, sondern unter Umständen auch reale Vorgänge. Für die Einordnung als
a) natürliche
'Gebietsansässig' gilt dabei:
Personen: Wohnsitz oder
gewöhnlicher
Aufent-
halt26 im Wirtschaftsgebiet (somit können auch Mitbürger ausländischer Nationalität gebietsansässig sein),
b) juristische Personen: Sitz oder Leitung im Wirtschaftsgebiet, c) Zweigniederlassung Gebietsfremder: Leitung Buchführung im Wirtschaftsgebiet, d)
Betriebsstätten
schaftsgebiet.
und
gesonderte
Gebietsfremder: eigene Verwaltung
im Wirt-
Die Deutsche Bundesbank ist dabei nach dem Bundesdatenschutzgesetz zur Geheimhaltung aller Einzelangaben verpflichtet. Es erfolgt daher keine Weitergabe der Daten an andere Behörden. Die Deutsche Bundesbank macht in Ihren Meldebestimmungen darauf aufmerksam, dass die erhobenen Daten ausschließlich statistischen Zwecken dienen. Nach dem Runderlass 7/83 des Bundesministers für Wirtschaft vom 9. Februar 1983 ist ein gewöhnlicher Aufenthalt „stets nach einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als 6 Monaten Dauer anzunehmen."
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
2.
34
Gebietsfremd sind demnach natürliche und juristische Personen, Zweigniederlassungen und Betriebsstätten, bei denen die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Ein wesentlicher Teil der Daten für die deutsche Zahlungsbilanz wird aus einer Reihe von verschiedenen Meldevordrucken der Deutschen Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes gewonnen. Ein wichtiger Vordruck ist etwa das Formular zur Erfassung von Zahlungen im Außenwirtschaftsverkehr (Z4), das hier zur Veranschaulichung mit verschiedenen hypothetischen Angaben in Abb. 2.01 zu sehen ist. Neben den internen Leistungskennzahlen zur Verbuchung der Daten sind auch Bestimmungs- bzw. Ursprungsland anzugeben. Hierdurch wird neben einer sachlichen Zuordnung auch eine regionale Struktur der Zahlungsbilanzströme möglich. Abb. 2.01
Vordruck Anlage Z 4 zur AWV
Anlage Z 4 zur AWV (Z 4-Oiskette BBk Dienstleistungen)
Zahlungen im Außenwirtschaftsverkehr M.idung
n.cfi
|| M It. der AuA.nwlrtKh.ftMrordnung (AWV)
24
-
Monat/Jahr
Landeszentralbank
Hauptstelte/Zwetgstelte
Meldepicht ger:
Max Mustermann AG
Wrtschafczweig
Beteiiqungsgeselschaft
Anschrift: In alnfacttar
Tetefon
Ausfertigung
Hans-Müler Weg 22.22334
Ansprechparlner: zur
Hambug
(-Durchwahl): 040/12345-0 Herr Mayer
Weitertertung an
Deutsche Bundesbank S 21 -
-
60006 Franktst am Main Bei Zahlungen tür Dienstleistungen.
Übertragungen und Im Waranverkehr sind nur die Belcgartschlüssel (BAJ1 und 2 zulassigt
Zweck der Zahlung Provision
523 516 i 540
Österreich
017 03t
Spanien
011
Anwaltskosten
514
Schweiz
039
Schulungskosten
017
Erwerb
s
LandNr.
Werbekosten
kaufmämsche
:
Land
\on
Dienstleistung
Anteilen
an
j
Bng*rwM. Z*niunB.n
B.bSg.
>n
AiMa.ri.nd. Zaraungan
Ttd Euro
175
005
einer auslandischer
Aktiengesellschaft über 10% Ztreeimahmen Kai/auslardischer hvestinenHonds, thesaurierend
Hinzu kommen Angaben aus internen Rechenwerken der Deutschen Bundesbank (für die so genannte Auslandsposition der Deutschen Bundesbank) sowie Schätzungen, z.B. zur Ergänzung der Angaben beim Reiseverkehr. Damit gehen zahlreiche Informationsquellen in die Zahlungsbilanz ein. Eine Übersicht über die einzelnen Datenquellen gibt Abb. 2.02.
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Hauptposten der Zahlungsbilanz und die Herkunft der Daten
Abb. 2.02
Zahlungsbilanzposition A.
35
Datenquelle
Art der
primären Daten
Leistungsbilanz
1. Warenhandel
Amtliche Außenhandelsstatistik
Ausfuhr Einfuhr
(Statistisches Bundesamt)
Ergänzungen zum Warenverkehr Transithandel 2.
Güterbewegungen über die Grenze „Intrastat" Intrahandelsstatistik D -* andere EU-Mitgliedsstaaten „Extrahandelsstatistik"
Dienstleistungen darunter
Reiseverkehr
3.
Transportleistungen Versicherungen Kapitalerträge Regiemngsleistungen übrige Dienstleistungen Erwerbs- und Vermögenseinkommen
4.
Übertragungen
im privaten Bereich
Statistik des Auslandszahlungsverkehrs (§ 59 AWV)
Ergänzende Berechnungen/ Schätzungen (Deutsche Bundesbank)
Zahlungen
Statistik des Auslandszahlungsverkehrs (§ 59 AWV) Auslandsstatus der Kreditinstitute
Zahlungen
Heimatüberweisungen der Gastarbeiter Pensionen, Renten, Unterstützungen Sonstige Leistungen im öffentlichen Bereich mit den Europäischen Gemeinschaften mit anderen international Organisationen
Zuwendungen an Entwicklungsländer Wiedergutmachung Pensionen, Renten, Unterstützungen Sonstige Leistungen B.
Saldo der
C.
Kapitalbilanz 1. Langfristiger Kapitalverkehr Direktinvestitionen a) b) Wertpapieranlagen c) Kreditgewä1u-ung/-aumahme Privater Grunderwerb d) 2.
Vermögensübertragungen
Kurzfristiger Kapitalverkehr Privater Sektor a) Kreditinstitute Nichtbanken
Auslandsstatus der Kreditinstitute Statistik der Auslandsforderungen und -Verbindlichkeiten der Nichtbanken (§ 62 AWV)
Bestände
(Deutsche Bundesbank)
Bestände
Veränderung der Netto-Auslandsposition der Deutschen Bundesbank
Informationen aus dem internen Rechenwerk der Deutschen Bundesbank
Bestände und Transaktionen
Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (Restposten)
Als Rest errechnet
b) D.
Öffentlicher Sektor
Bestände
(Deutsche Bundesbank)
Quelle:
Deutsche Bundesbank
(1990), S. 38 (aktualisierte Darstellung).
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
36
2.
2.1.2
Teilbilanzen
Die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland orientiert sich an den Vorgaben des IWF (Balance of Payments Manual). Sie ist in verschiedene Teilbilanzen untergliedert. In einer Grobstniktur können folgende Teilbilanzen unterschieden werden: • • • • •
Leistungsbilanz, Vermögensübertragungsbilanz, Kapitalbilanz, Bilanz der Veränderung der Währungsreserven, Bilanz der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen.
aus analytischen Gründen tiefergehende Differenzierung wird der Deutschen Bundesbank schließlich für die Leistungsbilanz verwendet. Sie gliedert sie zusätzlich in vier Teilbilanzen:
Eine von
•
Außenhandel,
•
Dienstleistungsbilanz,
• •
Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen, Bilanz der laufenden Übertragungen.
Die das
Verbuchung der einzelnen Meldevorgänge erfolgt dabei durch Prinzip der doppelten Buchführung in Kontenform. Damit steht jeder Buchung eine Gegenbuchung gegenüber.27 Folge dieser Verbuchungsform ist, dass zwar einzelne Teilbilanzen Überschüsse bzw. Defizite aufweisen können, die Zahlungsbilanz insgesamt ist aber immer ausgeglichen. Es kann daher keine Zahlungsbilanzüberschüsse oder Zahlungsbilanzdefizite geben. Dieser „deflatorisch notwendige 'Ausgleich der Zahlungsbilanz' ist von dem wirtschaftspolitischen Konzept eines Gleichgewichts der Zahlungsbilanz zu unterscheiden."28 Wirtschaftspolitisch stellt sich Zahlreiche 206-215.
Buchungsbeispiele für
die
Deutsche Bundesbank (1990), S. 3.
Zahlungsbilanz
finden sich etwa in
Nissen,
H.-P.
(2002),
S.
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
37
die Frage, ob die Überschüsse/Defizite von Teilbilanzen mit den Vorstellungen einzelner Staaten vom außenwirtschaftlichen Gleichge-
wicht vereinbar ist. Auf Grund seiner Stellung als wichtigen Exportnation, mit der Abhängigkeit einer großen Zahl industrieller Arbeitsplätze vom Export,29 und seiner zahlreichen finanziellen Verpflichtungen, strebt etwa Deutschland einen Handelsbilanzüberschuss an. In der Praxis werden die
Ergebnisse der Verbuchung allerdings in der der Deutschen Bundesbank verwendeten Spaltendarstellung präsentiert. Dieser Darstellung wird auch hier bei der Beschreibung der Teilbilanzen gefolgt (Tab. 2.01). Die Nummernangaben in der Überschrift der einzelnen Teilbilanzen entsprechen dabei den Spaltennummern in Tab. 2.01. von
Die Handelsbilanz (Nrn.
1-6)
Die Daten der Handelsbilanz werden vom Statistischen Bundesamt über die Intra- und Extrahandelsstatistik gewonnen: •
•
Intrahandelsstatistik: Erfassung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union,
Extrahandelsstatistik: Erfassung des Handels mit den Staaten außerhalb der Europäischen Union.
Wie alle Teilbilanzen weist auch die Handelsbilanz i.d.R. kein ausgeglichenes Konto auf. Bezogen auf die Erlöse aus der Ausfuhr bzw. auf die Ausgaben für die Einfuhr von Gütern gilt: •
Einführ < Ausfuhr —> positive (aktive) Handelsbilanz,
•
Einfuhr > Ausfuhr —>
negative (passive) Handelsbilanz.
Bezogen auf den Umsatz hangt 1/3 der industriellen Arbeitsplätze vom Ausland ab. Vgl. Koch, E. (2000), S. 26. Dabei ist der Grad der wirtschaftszweigspezifischen Betroffenheit sehr unterschied-
lich. Im Bereich des Luft- und Raumfahrzeugbaus und bei Automobilen Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz rund 60%.
beträgt etwa der Anteil des
2.
38
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
In den Handelsbilanzen der einzelnen Länder werden i.d.R. drei unterschiedliche Bewertungsverfahren für die Verbuchung der Gütertransaktionen angewandt, wobei der Warenpreis ab Werk in allen Verfahren enthalten ist: •
•
•
along shipside (fas): Enthält die Transport- und Versicherungskosten bis zur Ladestelle der Zollgrenze, free
free on board (fob): Enthält neben den Kosten nach 'fas' auch die Verladekosten bis zur Grenze des exportierenden Landes,
cost, insurance, freight (cif): Enthält neben den Kosten nach 'fob' auch die Transport- und Versicherungskosten zwischen der Zollgrenze des Exportlandes und der Zollgrenze des Im-
portlandes.
In der deutschen Handelsbilanz finden vor allem die Verfahren 'fob' und 'cif Anwendung. Die Auswirkungen einer unterschiedlichen
Verwendung der Bewertungsverfahren auf die Handelsbilanz und Dienstleistungsbilanz zeigt das folgende Beispiel: Auswirkungen unterschiedlicher Bewertungsverfahren Zollgrenze Exportland
T
100
fob:
Leistungen (I) in Höhe von Warenpreis / Werk
50
T
Leistungen (II) in Höhe von 30 100
Leistungen (I)
_50
Warenpreis / Werk
100
Leistungen (I) Leistungen (II)
_30
+
cif:
-
-
Warenpreis / Werk
+ +
Zollgrenze Importland
IM 50
im
Bei cif:
Die erbrachten Gesamtleistungen in Höhe von 180 Geldeinheiten werden in der Handelsbilanz verbucht.
Bei fob:
Von den erbrachten Gesamtleistungen werden 30 Geldeinheiten in der Dienstleistungsbilanz verbucht.
(Leistungen II)
2.
39
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Tab. 2.01 Wichtige Posten der Zahlungsbilanz Leistungsbilanz, Vermögensttbertragungen und Kapiulbilanz (soweit statistisch erfasst) Leistungsbilanz (Bilanz der laufenden Posten)
Erwerbs- und
Außenhandel Ausfuhr (fob)
U'
s»
Vermögenseinkornmen
Dienstleistungen Saldo
Einfuhr (cif)
U1
Saldo
E"
Saldo
MrdDM
Zeit
33
1991
665
643
21
III
136
-24
121
1992
671
637
33
110
148
-37
123
89
33
1993
632
60
-3
109
155
-45
694
71
-1
110
164
103 108
1995
749
664
84
-4
0
788
690
98
•5
1997
888
772 828
116
-7
126
-5
149 153
175 186 208 219
118
1996
120 131
-54 -54
130 113 118
27
1994
571 622
955
1998
4
-55 -58
122
121
1
139
141
-2
-66
146
159
-12
Mrd€ 1999
510
444
65
83
124
-41
81
90
2000
597
538
59
93
138
-44
105
106
2001
637
543
93
93
140
-46
122
125
|Nachrichtlichj
Kapitalbilanz
(lang- und kurzfristiger Kapitalverkehr) Saldo der
Saldo der
Leistungsbilanz
Saldo
Vermfj- iSaldo
der lau-
fenden
jübertrajSunBen
U"
14
Saldo des übrigen
Kapitalverkehrs
darunter:
Wertpapier-
langfristige
trans-
kurz-
|fristige Kredite
Kredite aktioder gensübertra- Direkt- nen und der Kre- der KreFinanzinvestiinsge- ditinsti- ditinstigungen « tute tionen derivate samt tute Saldo 17
18
19
21
22
Verän-
Verän-
derung
derung
der NetSaldo der Wähder sta- to-Ausrungsre- tistisch landsakserven nicht |tiva der zu aufglie- BBkzu derbaren Trans[Transaktions- Trans- aktionswerten aktionen werten 7>l 26 25 24
MrdDM
Zeit
12
1991
-57
-30
-4
-30
41
1
-27
40
12
9
1992
-51
-22
-32
45
56
13
67
69
-52
7
1993
-55
-16
-27
198
149
11
-99
21
22
-26
35
1994
-59
-38
-2 -2 -2
-19
-50
127
16
125
57
2
-19
-12
1995
-55 -51
-29
-4
-38
48
-11
-3
-66
86
53 3
38 23
-52
-4
0
-51
-13
-53
-II
1
-113
-4
64 149
1996
1997 1998
3
63
-10
-19
-17
23
1
-10
I
-3
-28 67
-0
-1
-0
144
32
6 -7
-14
Mrd€ 1999 2000
-25
-16
-0
-50
-14
29
-7
59
-35
12
39
-36
-27
-20
15
138
-168
39
-21
38
9
5
-10
48
2001
-26
11
-0
-18
-20
-32
-43
-33
-71
6
55
32
1) U Ursprungswerte 2) S saisonbereinigte Werte 3) W Ergänzungen zum Warenhandel 4) E Einnahmen 5) A Ausgaben 6) und Kauf/Verkauf von immateriellen nichtproduzierten Vermögensgütern 7) BBk Deutsche Bundesbank =
=
=
=
-
=
...
Quelle: Deutsche Bundesbank.
40
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Ein Blick auf die Daten zum grenzüberschreitenden Güterverkehr zeigt, dass Deutschland seit 1970 immer einen positiven Außenbeitrag aufweisen konnte es wird auch von einem 'strukturellen Überschuss' gesprochen. Strukturell deshalb, weil sich der positive Handelsbilanzsaldo aus einem hohen Anteil von Investitionsgütern auf der Exportseite und einem hohen Anteil an Rohstoffen auf der Im-
portseite ergibt.
Investitionsgüter in der sich wandelnden Weltwirtschaft eine überproportionale Nachfrage erfahren, meist verbunden mit PreissteiDa
gerungen, der Verbrauch
Rohstoffen in Deutschland aber eine vergleichsweise geringe Nachfrageelastizität aufweist, mit tendenziell sinkenden Preisen, entsteht 'quasi automatisch' ein Überschuss im Außenhandel. von
Die Entwicklung des Handelsbilanzsaldos hängt damit im Übrigen nicht nur von dem Verhältnis der realen Ex- und Importe ab. Vielmehr spielen auch die erzielten Preise für die Ausfuhren bzw. die zu bezahlenden Preise für die eingeführten Güter eine wichtige Rolle. Zur vereinfachten Darstellung werden hierfür die terms of trade heran gezogen. Sie zeigen die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Preisindex für die Ausfuhrpreise und dem Preisindex für die Ein-
fuhrpreise.
In Deutschland stiegen die Preise für die Ausfuhrgüter im Vergleich zur Einfuhrseite seit 1980 deutlich stärker an, sodass der Verlauf der terms of trade in Abb. 2.03 nach obengerichtet ist. Man spricht in diesem Fall von einer Verbesserung der terms of trade, weil die Exporterlöse relativ zu den Aufwendungen für die Importe steigen. Anders ausgedrückt: es kann für die gleiche Menge an Exportgütern mehr importiert werden. Hierfür können sowohl monetäre als auch reale Gründe eine Rolle spielen (zu diesen Gründen: Kapitel 4 'Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie'). Das folgende trade:
Beispiel
von
Krafft
zeigt
die
Bedeutung
der terms of
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Austauschverhältnisse (terms of trade)
41
Beispiel:
-
Deutschland exportiert Autos (Preis: 18.000 DM) nach Spanien und bezieht von dort Apfelsinen (Preis: 100 Peseten pro kg). Der Wechselkurs sei 100 Peseten 3 DM. Dies bedeutet, dass Deutschland für ein Auto real 6.000 kg Apfelsinen erhält: =
tot: 1 Auto
=
6.000 kg Apfelsinen.
Das reale Austauschverhältnis Wechselkurs ab.
hängt
von
den Preisen und
vom
Beispiel:
Wenn die Apfelsinenpreise in Spanien auf 200 Peseten steigen, so erhält man für ein Auto bei gleichem Wechselkurs nur noch 3.000 kg Apfelsinen: tot: 1 Auto
=
3.000 kg Apfelsinen.
Wird die DM aufgewertet oder, was das Gleiche ist, die Peseta abgewertet, so tritt der entgegengesetzte Effekt ein. Nehmen wir an, gegenüber der Ausgangslage betrage der neue Wechselkurs 100 Peseten 2 DM, so ergibt sich: =
tot: 1 Auto
=
9.000 kg Apfelsinen.
Da in der Praxis viele Güter getauscht werden, muss man bei der Berechnung der terms of trade mit durchschnittlichen Preisen (gemessen durch den Preisindex) arbeiten. Es bleibt aber bei dem Ergebnis, dass sich die terms of trade eines Landes verbessern, wenn •
•
die Preise im Ausland langsamer als im Inland wenn
die inländische Währung aufgewertet wird.
rungen
Quelle: Krafft, D. (2000), S. 407.
gegenüber
steigen, oder
ausländischen Wäh-
2.
42
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Entwicklung der deutschen Einfuhr- und Ausfuhrpreise seit 1980
Abb. 2.03
-Ausfuhrpreise— 1980
=
-
Einfuhrpreise
-
-
Terms of Trade
)|
100
135
135
130
130
125
125
120
1 120
115
115
r-
110
110
105
105
100
100 95
95
90
90
1980 1983 1986 1989 *) Berechnet aus Ausfuhrpreise / Einfuhrpreise.
1992
1995
1998
2001
Quelle: Deutsche Bundesbank, eigene Berechnungen.
Damit tragen die vergleichsweise stark steigenden Preise für die höherwertigen deutschen Exportgüter zum positiven Außenbeitrag bei. Vor allem in den letzten beiden Dekaden bewegte sich der jeweilige Handelsbilanzüberschuss in einer Reihe von Jahren um die 50 Mrd. Euro (Abb. 2.04). Volkswirtschaftlich bedeutet der Export von Gütern damit das Entstehen zusätzlicher Einkommen bei Inländern, während Importe dem Einkommenskreislauf finanzielle Mittel entziehen. unmittelbar nach der deutschen Einheit sank der Überschuss auf ein vergleichsweise niedriges Niveau. Ursache hierfür war die kräftige Zunahme der importierten Güter. Hierin kam der einigungsbedingte Nachfrageanstieg der ostdeutschen Bevölkerung zum Ausdruck, der zum Teil nur durch den Rückgriff auf Importe gedeckt werden konnte. Durch den sprunghaften Anstieg der Nachfrage aus den neuen Bundesländern konnten zudem die durch die allgemeine Konjunkturabschwächung bedingten Probleme der westdeutschen Exportindustrie überkompensiert werden, da traditionelle Absatzmärkte im Ausland infolge einer allgemeinen Wachstumsschwäche zeitweise für deutsche Güter nur schwer zugänglich waren. Zusätzlich zu den bisherigen Angaben des grenzüberschreitenden Güterverkehrs werden die 'Ergänzungen zum Warenhandel' (Nr. 7) ausgewiesen.
Lediglich
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
43
Dahinter verbergen sich Beträge aus dem Transithandel (Verkehr durch das Inland von Ausland zu Ausland) sowie aus dem Lagerverkehr in Zoll- und Freihäfen. Abb. 2.04
Entwicklung des deutschen Handelsbilanzsaldos seit 1970 -
in Mrd. DM
-
200 180 160 140
120 100 80
60 40
Ii
20
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
Quelle: Deutsche Bundesbank.
Dienstleistungsbilanz (Nrn. 8-10) in der Dienstleistungsbilanz sind sehr heterogen zusammen gesetzt. Es finden sich etwa Daten zu Transportleistungen, Patent- und Lizenzgebühren, Werbe- und Messekosten und zu bestimmten Versicherungsdienstleistungen. Die quantitativ bedeutsamsten Ströme stellen aber die Reiseverkehrseinnahmen und -ausgaben dar. Hier ist der Saldo auf Grund der grenzüberschreitenden Reisefreudigkeit deutscher Urlauber seit langem deutlich negativ, auch hier kann daher von einem strukturellen Defizit gesprochen werden. Es trägt maßgeblich dazu bei, dass die deutsche Dienstleistungsbilanz insgesamt negativ ist. Die Probleme bei der Erfassung der tatsächlichen Zahlungsströme sind in dieser Bilanz allerdings besonders groß. Dies gilt vor allem bezogen auf den für Deutschland wichtigen Teil der Reiseverkehrsausgaben. Zusammen mit dem Saldo der HandelsDie
Angaben
44
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
bilanz bilden die Ergebnisse für die Dienstleistungen den Außenbeitrag für den Außenbeitrag im Rahmen der VGR. Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen
(Nrn. 11-13)
In dieser Teilbilanz werden Erträge aus Erwerbstätigkeit und Vermögen erfasst. Im Zuge einer Zunahme grenzüberschreitender Vermögensanlagen steigen auch die Dividendenzahlungen aus Aktienanlagen, die Zinseinkommen für den Besitz festverzinslicher Wertpapiere sowie die Zinsen aus und für Kredite an. Der Umfang der Vermögenseinkommen übertrifft die Erwerbseinkommen. Hier werden etwa grenzüberschreitende Vortragshonorare erfasst. War diese Bilanz zu Beginn der 90er-Jahre noch deutlich durch einen Einnahmeüberschuss geprägt, ist sie durch ansteigende, an das Ausland geleistete Vermögenseinkommen seit einigen Jahren defizitär. Bilanz der laufenden
Übertragungen (Nr. 14)
Hierunter werden
Zahlungen verstanden, für die keine ökonomische Gegenleistung erfolgt. In der Zahlungsbilanz wird zwischen einmali-
gen und wiederkehrenden Übertragungen unterschieden. Während die
einmaligen Übertragungen in der Vermögensübertragungsbilanz erfasst werden, gehen in die Bilanz der laufenden Übertragungen die Zahlungsvorgänge ein, bei der die Annahme besteht, dass sie wiederkehrend sind. Zur besseren Systematisierung wird innerhalb dieser Teilbilanz zwischen privaten und öffentlichen Übertragungen unterschieden.
Auch diese Bilanz schließt aus deutscher Sicht traditionell mit einem negativen Saldo ab. Den kleineren Teil hierzu tragen die privaten
Übertragungen bei,
denen besonders die Heimatüberweisungen der Gastarbeiter ins Gewicht fallen. Quantitativ bedeutsamer als die privaten sind aber die öffentlichen Übertragungen. Hier finden sich etwa die laufenden Zahlungen von bzw. an die EU sowie an internationale Organisationen, wie z.B. die UNO, aber etwa auch die grenzüberschreitenden Zahlungen an im Ausland lebende Rentenberechtigte, die Leistungen von der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung beziehen.
von
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
45
Allerdings
werden in dieser Teilbilanz nicht alle finanziellen Bewemit dem Haushalt der EU aufgeführt. Gemäß der oben gegungen nannten Definition werden hier nur die regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen erfasst. Handelt es sich dagegen um einmalige Zahlungen, wie etwa Zuschüsse für bestimmte Infrastrukturobjekte im Rahmen des EU-Regionalfonds (z.B. für Brücken und Straßen) oder für Projekte im Rahmen der Transeuropäischen Netze, wird dieser Vorgang in der Vermögensübertragungsbilanz verbucht. Die Deutsche Bundesbank gibt daher in einer gesonderten Übersicht nachrichtlich Auskunft über den aus allen Teilbilanzen ermittelten Nettobeitrag der Bundesrepublik Deutschland zum Haushalt der EU.30 Auch hier kann von einem strukturellen Defizit gesprochen werden.
Leistungsbilanz Als
Zwischenergebnis werden die Salden der einzelnen Teilbilanzen Leistungsbilanz zusammen gefasst. Sie zeigt die Veränderung des Nettoauslandsvermögens eines Staates an und stellt damit den Kernbereich der Zahlungsbilanzanalyse dar. Wenn 'irrtümlich' von Zahlungsbilanzüberschüssen oder -defiziten gesprochen wird, ist dies i.d.R. auf die Leistungsbilanz bezogen. zur
In Deutschland stehen mit der Dienstleistungsbilanz und der Bilanz der laufenden Übertragungen zwei Aggregate mit einem hohen strukturellen Defizit einem Handelsbilanzüberschuss gegenüber. Dieser hat in den letzten Jahren allerdings nicht mehr ausgereicht, um die
Defizite vor allem dieser beiden Teilbilanzen ausgleichen zu können. Die deutsche Leistungsbilanz weist daher, und dies seit rund zehn Jahren, einen negativen Saldo auf (Abb. 2.05; Ausnahme 2001). Die deutsche Volkswirtschaft erwirtschaftet damit aus dem Verkauf von Gütern nicht mehr ausreichend finanzielle Mittel, um ihren ausländischen Zahlungsverpflichtungen und grenzüberschreitenden Aktivitäten, insbesondere beim Reiseverkehr, nachkommen zu können. Diese Lücke muss daher durch den Zustrom von Kapital geschlossen werden.
Deutsche Bundesbank, Statistisches Beiheft laufende Monate, Tab. 1.8.
Vgl.
zum
Monatsbericht
3, Zahlungsbilanzstatistik,
2.
46
Abb. 2.05
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Entwicklung des deutschen Leistungsbilanzsaldos seit 1970 in Mrd. DM
-
-
120
-60 L1995 2000 1990 1975 1980 1985 1970
Quelle: Deutsche Bundesbank.
Vermögensübertragungsbilanz (Nr. 17) Wie schon bei den laufenden Übertragungen beschrieben, werden einmalige Übertragungen in der Vermögensübertragungsbilanz erfasst. Dazu gehören z.B. Schuldenerlasse für Entwicklungsländer, Erbschaften von Privatpersonen, Vermögensmitnahmen von Einoder Auswanderern und, wie bereits erwähnt, EU-Zuschüsse zu Infrastrukturmaßnahmen. Die quantitative Bedeutung dieser Teilbilanz ist eher gering. In ihr werden auch reale Schenkungen etwa im Rahmen der Entwicklungshilfe erfasst.
Kapitalbilanz (Nrn. 18-23) Die Kapitalbilanz enthält alle Kapitalbewegungen, d.h. Änderungen in den Beständen der Forderungen und Verbindlichkeiten von Gebietsansässigen gegenüber Gebietsfremden. Eine Ausnahme stellen die Transaktionen der jeweiligen Zentralbank dar. Sie werden in der Bilanz der Veränderung der Währungsreserven erfasst.
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
47
Die Kapitalbilanz wird von der Deutschen Bundesbank auf Grund der sehr unterschiedlichen Transaktionen in Teilbilanzen unterteilt. Neben der Bilanz der Direktinvestitionen (Nr. 18), die im nächsten Kapital ausfuhrlicher behandelt wird, setzt sich die Kapitalbilanz aus
folgenden Komponenten zusammen: •
•
•
Bilanz der Wertpapieranlagen (Nr. 19): Hierunter fallen Portfolioinvestitionen, etwa die Anlagen in langfristigen variabel und festverzinslichen Wertpapieren, Investmentzertifikate (mit Anteilen an Geldmarktfonds) und in Dividendenwerten, wenn sie nicht zu den Direktinvestitionen gezählt werden. In den Bewegungen dieser Teilbilanz zeigen sich die besonderen Reaktionen der Kapitalanleger etwa beim Auftreten von Krisentendenzen in anderen Staaten oder bei (vermeintlich) besonders attraktiven Anlagemöglichkeiten auf den ausländischen Aktienmärkten. So konnte im Zuge der Währungs- und Finanzkrisen in Südostasien oder Russland ein Zustrom von internationalem Anlagekapital in viele traditionelle Industriestaaten beobachtet werden (safe haven-Effekt). Bilanz der Finanzderivate (Nr. 19): In der komprimierten Darstellung von Tab. 2.01 werden Wertpapieranlagen und Finanzderivate zwar mit einem gemeinsamen Saldo ausgewiesen, aber seit 1999 werden die Angaben zu den Finanzderivaten auch separat ausgewiesen. Hierin kommt das stark gestiegene Interesse von Politik und Wissenschaft zum Ausdruck, einen genaueren Überblick über den grenzüberschreitenden Handel mit diesen vergleichsweise neuen Instrumenten der Finanzmarktakteure zu gewinnen.
Bilanz des Kreditverkehrs und des übrigen Kapitalverkehrs (Nrn. 20-22): Hierin werden sehr unterschiedliche Transaktionen zusammen gefasst, wie z.B. Finanzkredite oder der Aufoder Abbau von Bankguthaben, Schuldscheindarlehen und Handelskredite. Zu den Handelskrediten zählen Forderungen und Verbindlichkeiten aus Zahlungszielen und Anzahlungen im Waren- und Dienstleistungsverkehr mit einer ursprünglich vereinbarten Laufzeit von mehr als 12 Monaten. Erfasst werden in
2.
48
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
der Kapitalbilanz ebenfalls die Beteiligungen Deutschlands an internationalen Organisationen. In diesem Teil der Zahlungsbilanz finden sich auch die Forderungen und Verbindlichkeiten der Deutschen Bundesbank, die nicht in der Bilanz der Veränderung der Währungsreserven enthalten sind. Dies sind alle Auslandsforderungen und -Verbindlichkeiten der Deutschen Bundesbank gegenüber Gebietsansässigen der Teilnehmerländer des Euro-Systems. Hierzu werden auch Saldenveränderungen im Zahlungsverkehr zwischen den nationalen Zentralbanken innerhalb des Euro-Systems gezählt.31 Bilanz der Veränderung der Währungsreserven
(Nr. 24)
Die Bilanz der Veränderung der Währungsreserven, früher auch Devisen- oder Reservebilanz genannt, wird bei Transaktionen angesprochen, die die Auslandspositionen der Zentralbanken betreffen. Mit Beginn der Europäischen Währungsunion zählen solche zwischen den Teilnehmerländern an der Europäischen Währungsunion nicht mehr dazu, diese werden in der Kapitalbilanz erfasst. Enthalten sind damit in dieser Bilanz vor allem die Veränderungen im Goldbestand und in Devisen und Sorten in Fremdwährungen, insbesondere in US-Dollar. Hinzu kommen noch Reservepositionen im IWF und Sonderzie-
hungsrechte.32
Bilanz der statistisch nicht
(Nr. 25)
aufgliederbaren Transaktionen
Die
Zahlungsbilanz müsste eigentlich ausgeglichen sein. Trotz des Systems der doppelten Buchfiihrung und einer möglichst vollständigen Erfassung sämtlicher Meldevorgänge entstehen jedoch Differenzen bei der Zusammenfassung der einzelnen Teilbilanzen. Lücken in der Erfassung können etwa aus der Verwendung unterschiedlicher Datenquellen (Deutsche Bundesbank und Statistisches Bundesamt) resultieren (Vgl. Abb. 2.02). Eine andere Fehlerquelle besteht im Vgl.
auch Deutsche Bundesbank (1999b), S. 57.
Durch diese Guthaben entstehen Ruckgriffsmöglichkeiten auf fremde Währungen im Bestand des IWF. Solche Guthaben werden insbesondere von Staaten in Anspruch genommen, die unter Liqui-
ditätsengpässen leiden.
2.
49
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
unterschiedlichen
Zahlungseingang.
Buchungszeitpunkt
etwa von
Warenausgang und
Diese Bilanz dient dem wertmäßigen Ausgleich bei der Zusammenfassung der einzelnen Teile der Zahlungsbilanz, sie wird auch als Restpostenbilanz bezeichnet. Die Beträge, die zum Ausgleich der Zahlungsbilanz benötigt werden, sind trotz zunehmender Technisierung und eines sich in den letzten Jahren vereinfachenden Meldewesens (z.B. Heraufsetzung der Beträge von Meldefreigrenzen) unverändert hoch. So erreichte etwa im Jahre 1999 der errechnete Ausgleichsbetrag eine Größenordnung von fast 40 Mrd. Euro. Bei fehlenden Einnahmen wird der Restposten mit einem positiven, bei fehlenden Ausgaben mit einem negativen Vorzeichen ausgewiesen.33 Exkurs:
Auslandsvermögensstatus
Neben der Zahlungsbilanz wird von der Deutschen Bundesbank eine weitere Statistik zu Verfeinerung der außenwirtschaftlichen Analyse geführt: der Auslandsvermögensstatus. Diese Statistik wird zudem vom IWF ausdrücklich gefordert. Während in der Zahlungsbilanz nur Stromgrößen erfasst werden, weist diese Statistik die Bestandsgrößen clUS.
Dabei gibt es zwischen der Zahlungsbilanz und dem Auslandsvermögensstatus eine enge Verbindung: Der Leistungsbilanzsaldo zeigt an, in welchem Ausmaß der Vermögensbestand durch die Transaktionen der Zahlungsbilanz (Zuwachs von Forderungen bzw. Verbindlichkeiten) verändert wird. Ein Leistungsbilanzüberschuss bzw. ein Leistungsbilanzdefizit ändert damit den Auslandsvermögensstatus des Inlandes gegenüber dem Ausland. Er korrespondiert damit als „zeitpunktbezogene Aufstellung von Vermögensgegenständen mit der Stromrechnung der Zahlungsbilanz."34
Vgl. zu weiteren Möglichkeiten der Fehlerfassung auch Brümmerhoff, D. (2000), S.
151-152.
Vgl. Deutsche Bundesbank (2001), S. 105. Neben den Transaktionen der Vergangenheit können allerdings auch aktuellere Markteinschatzungen (Börsen- und Devisenkurse) zu Veränderungen bei der Bewertung von Aktiva und Passiva fuhren.
2.
50
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Entwicklung des Vermögensstatus der Bundesrepublik Deutschland gegenüber
Tab. 2.02
dem Ausland seit 1990 in Mio Euro -
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 1999 2000
Quelle:
Dez. Dez. Jan.
Juni Dez.
Aktiva 835.124 891.884 975.003 1.141.263 1.141.224 1.219.486 1.351.160 1.604.289 1.891.379 1.917.625 2.164.653 2.381.805
Juni Dez.
2.662.568 2.719.327 Deutsche Bundesbank.
-
Passiva 572.012 641.848 749.447 952.548 979.068 1.126.522 1.281.566
Saldo 263.112 250.037
1.535.571 1.891.906 1.891.905
225.556 188.715 162.157 92.964 69.594 68.719 -527 25.720
2.066.325 2.291.620
98.328 90.185
2.610.070 2.645.220
52.498 74.107
Wie Tab. 2.02 zeigt, nimmt die Bundesrepublik Deutschland insgesamt gesehen eine Nettogläubigerposition gegenüber dem Ausland ein. Das Netto-Auslandsvermögen ist allerdings im Vergleich zum Höchststand zu Beginn der 90er-Jahre deutlich gesunken. Hierfür waren vor allem die Defizite in der Leistungsbilanz im Gefolge der deutschen Einheit verantwortlich.35 Exkurs Ende
Vgl.
auch Deutsche Bundesbank (1998).
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
2.2
Direktinvestitionen
2.2.1
Empirische Ergebnisse
51
Ein zentraler Indikator im Rahmen der nationalen und internationalen Standortdiskussion und der Debatte über Ursachen und Folgen der Globalisierung stellen die Direktinvestitionen dar. Nach den Ergebnissen des World Investment Report der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) stieg der Wert der Direktinvestitionen im Jahre 2000 um 18%, während der Welthandel mit einer Steigerung von 12% dahinter zurück blieb. Die Zunahme der internationalen Verflechtung bei den Direktinvestitionen zeigt sich aber vor allem an der Zahl der beteiligten Staaten. Während Mitte der 80er-Jahre lediglich 18 Staaten einen jährlichen Zufluss an Direktinvestitionen in Höhe von mehr als einer Mrd. US-Dollar verzeichnen konnten, waren dies Ende der 90er-Jahre bereits 51 Staaten. Dabei existiert aber weiterhin eine regionale Ungleichverteilung. So flössen in den letzten Jahren den 30 führenden Industriestaaten rund 95% des Direktinvestitionskapitals zu, einen starken Zuwachs gab es dabei in der EU. Dagegen kam es in den Staaten Lateinamerikas und in Afrika zu einer Verringerung der Direktinvestitionen.36 In Deutschland werden grenzüberschreitende Investitionen in erster Linie mit spektakulären Firmenzusammenschlüssen in Verbindung gebracht. Vor allem drei Fusionen führten in den Medien zu einer umfangreichen Berichterstattung und hatten auch erhebliche quantitative Auswirkungen auf die Statistik der Direktinvestitionen (Tab.
2.01, Spalte 18):37
Die Angaben wurden entnommen aus: UNCTAD
(2001), Overview, S.
1-5.
Dabei ist nicht nur die Bilanz der Direktinvestitionen durch diese Transaktionen betroffen. Vielmehr werden Zusammenschlüsse größerer Unternehmen zunehmend in Form eines Aktientausches vollzogen, wie dies in den genannten Beispielen der Fall war. Hierbei wird durch die entsprechende Gegenbuchung aber auch die Bilanz der Wertpapieranlagen im Rahmen des Kapitalverkehrs angesprochen. Gegebenenfalls erhalten die Altaktionare einen kleineren Teil des Kaufpreises als Barkompo-
2.
52
•
•
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
die Fusion von Daimler Benz und Chrysler im November 1998 in einer Größenordnung von über 25 Mrd. Euro; sie wurde als deutsche Direktinvestition in der USA verbucht (Vorzeichen in der Statistik: Minus);38 die Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone im Februar 2000 in einer Größenordnung von 170-190 Mrd. Euro; verbucht als ausländische Direktinvestition in Deutschland
(Vorzeichen: Plus); •
die Deutsche Telekom erwirbt im Mai 2001 das US-amerikanische Mobilfunkuntemehmen Voicestream im Werte von rund 38 Mrd. Euro (Vorzeichen: Minus).
Doch was sind die Datenangaben bei den Direktinvestitionen hinsichtlich ihrer Aussagekraft wirklich wert? Was besagen Plus- und Minus-Vorzeichen bezüglich der Attraktivität eines Standortes und der Beschäftigungswirkung? Die Problemfelder lassen sich dabei grob in zwei Bereiche unterteilen: zum einen in die Probleme der statistischen Erfassung, zum anderen in die eher 'inhaltliche' Bewertung von Direktinvestitionen als Standortindikator.
Probleme der statistischen Erfassung
2.2.2
In Deutschland werden tistiken geliefert: •
Angaben zu Direktinvestitionen aus drei
Sta-
Von der Deutschen Bundesbank werden Angaben im Rahmen der Ergebnisse aus der Zahlungsbilanz, also als Betrachtung
nente
ausbezahlt, wie es etwa bei der Übernahme der Fa. Voicestream durch die Deutsche Telekom
geschehen ist. Ausführlich wurde die Verbuchung beschrieben in Deutsche Bundesbank (1999a), S. 73.
2.
von
lanz.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
53
gewonnen. Sie sind Teil der
Kapitalbi-
Zahlungsströmen,
der Deutschen Bundesbank stammen, aus den Auslandsvermögensstatus, die Daten zu den Ergebnissen Beständen an Direktinvestitionen.
Ebenfalls
•
von
zum
Vom Bundesministerium für Wirtschaft werden die Angaben der Deutschen Bundesbank aus der Zahlungsbilanz veröffentlicht, vermindert um die reinvestierten Gewinne.
•
In öffentlichen und wissenschaftlichen Diskursen stützt man sich i.d.R. auf die Angaben der Zahlungsbilanzstatistik. Nach der Definition des IWF, der mit dem bereits erwähnten Balance of Payments Manual und mit dem Balance of Payments Compilation Guide die Richt-
linien auch für die deutsche Zahlungsbilanzstatistik liefert, versteht unter Direktinvestitionen grenzüberschreitende Investitionen, mit dem Ziel der Herstellung einer dauerhaften Beteiligung an einem Unternehmen im Ausland. Eine dauerhafte Beteiligung würde vorlieman
gen,
wenn
a) eine langfristige Beziehung zwischen Investor und Investitionsobjekt, und b)
ein merklicher Einfluss des Investors auf die titionsobjektes besteht.
In der deutschen ter dem
Leitung des Inves-
Zahlungsbilanz werden anhand dieser Kriterien un-
Begriff der Direktinvestitionen ganz unterschiedliche Sachverhalte erfasst. So können Direktinvestitionen z.B. sein: •
• • • •
Anlagen in Grundbesitz, Kauf von bestehenden Produktionsanlagen, Bau von neuen Produktionsanlagen, Kauf von Vertriebsbüros, reinvestierte Gewinne.
2.
54
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Auch Finanzkredite und Handelskredite gehören hierzu, wie etwa die kurzfristigen Kredite an ausländische Tochterunternehmen sowie die Kreditgewährung durch eine Tochter- an die Muttergesellschaft (so genannte reverse flows'). Verstand man unter der Formulierung 'langfristige Beziehung zwischen Investor und Investitionsobjekt' aber früher die Grenze von einem Jahr, so gehen damit mittlerweile auch kurzfristige Finanzkredite und Handelskredite in die Direktinvestitionsstatistik ein; womit sich die Frage nach der Dauerhaftigkeit solcher Engagements stellt.
Allerdings haben sich in den letzten Jahren die Spezifikationen für die Erfassung auch in der deutschen Zahlungsbilanzstatistik mehrmals geändert. Dies gilt etwa hinsichtlich der Prozentanteile bzw. Stimmrechte bei Finanzbeziehungen zu Unternehmen, die ein Investor besitzt und die somit als Direktinvestitionen erfasst werden: •
bis Ende 1989:
•
1990 bis Ende 1998: mind. 20%,
•
seit Anfang 1999:
mind. 25%,
mind. 10% (,womit die Richtlinie des IWF realisiert wird).
Probleme in der methodischen Erfassung bestehen aber nicht nur in nationalen Statistiken. Da die IWF-Richtlinien nicht bindend sind, können zwischen einzelnen Staaten deutliche Unterschiede hinsichtlich der Definition und der methodischen Erfassung von Direktinvestitionen existieren. Deutlich wird dies, wenn ein Vergleich zwischen den Direktinvestitionen 'aus allen Ländern der Welt' zu 'in alle Länder der Welt' gezogen wird (Abb 2.06). .
Wären die Erfassungskriterien der Empfangerländer und der Geberländer identisch, müssten sich die Daten beider Zeitreihen entsprechen. Das empirische Ergebnis zeigt aber für einzelne Jahre erhebliche Unterschiede. Diese Problematik ist auch als 'Deficit to the Moon' bekannt.39 Gründe für solche Erfassungsprobleme können z.B. Darunter wird die weltweite Differenz zwischen den zufließenden und den ausfließenden Direktinvestitionen verstanden. Vgl. Bellak, C. (1999), S. 119.
2.
55
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
sein: andere Beteiligungsgrenzen bei Finanzbeziehungen, die unterschiedliche Behandlung reinvestierter Gewinne oder auch von Betei-
ligungen. Entwicklung der Weltdirektinvestitionen
Abb. 2.06
-
in Mrd. US-Dollar
1989 2000 -
-
1B aus allen Ländern der Welt M in alle Länder der Welt | 1.400 r.I
1989- 1994
»)
1995
1996
1997
1998
1999
2000
*) Durchschnitt
Quelle: UNCTAD (2001).
Die quantitativen Auswirkungen einer unterschiedlichen Auslegung der genannten Kriterien auf die Direktinvestitionsstatistik der jeweiligen Zahlungsbilanzen können erheblich sein. Dies lässt sich etwa am Beispiel der unterschiedlichen Erfassung von mittelbaren Beteiligungen verdeutlichen. Dabei wird zum einen die Erfassung nach den Kriterien des IWF-Manuals, zum anderen nach der Auslegung der deutschen Zahlungsbilanz vorgenommen.40 Die Unterschiede in der Abgrenzung der mittelbaren Direktinvestitiozwischen dem IWF-Manual und der Praxis der Bundesbank werden deutlich, wenn man das in Abb. 2.07 gezeigte Beispiel betrachtet. „Nach der deutschen Regelung gelten als mittelbare deutsche Direkt-
nen
Inzwischen wurde die Grenze im Rahmen der deutschen Zahlungsbilanz für unmittelbare Beteiligungen, wie bereits beschrieben, auf 10% abgesenkt. Das folgende Beispiel zeigt aber unabhängig von dieser Veränderung die grundlegenden Probleme einer unterschiedlichen Auslegung der Kriterien auf.
2.
56
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
investitionen im Ausland die grau unterlegten Unternehmen B, L, M, N, P und R. Abb. 2.07
Erfassung von mittelbaren Direktinvestitionen
(1) Deutsche Direktinvestitionen im Ausland Direktinvestor
K
1
51%
1
L
G 21%
21%
P
—
99%
I f (2) Ausländische Direktinvestitionen in Deutschland _
Direktinvestor
*) Nach der deutschen Regelung gelten die grau unterlegten Unternehmen als Oirektinvestilionsuntemehmen. Nach dem IWFManual
gelten zusatzlich die mit einer Schrallur unterlegten Unternehmen als Direktinvestitionsunternehmen.
Quelle: Jost, T. (1997), S. 17.
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
57
Unmittelbare deutsche Direktinvestitionen im Ausland sind die Unternehmen A, D, F und K. Nach den Regelungen des IWF müssten zusätzlich noch die schraffierten Unternehmen, C, E, O und Q als mittelbare deutsche Direktinvestitionen im Ausland erfasst werden. Von den ausländischen Beteiligungen in Deutschland werden die grau unterlegten Unternehmen G, J, L und P in der deutschen Statistik als mittelbare ausländische Beteiligungen angesehen. Nach den Richtlinien des IWF wären zusätzlich die schraffierten Unternehmen D, E, H, K und Q als mittelbare Direktinvestitionen des Auslands in Deutschland zu berücksichtigen."41 Tab. 2.03
Vergleich der zu- und ausfließenden Direktinvestitionen in der deutschen Zahlungsbilanz und den Zahlungsbilanzen der OECD-Länder 11 1984 bis 1994: inMrd. DM Deutsche Direktinvestitionen im Ausland
1984
1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992
Bundesbank
OECD
9,4 12,5 19,4 14,0 18,3 24,2 32,1 32,2 25,0 19,8 19,2 226,1
5,0 8,9 9,1 12,0 9,2 16,9 16,5 16,3 18,3 30,5 23,4 166,0
Ausländische Direktinvestitionen in Deutschland Bundesbank
OECD
0,8
2,8
0,7
3,3 4,7
2,5 2,8 0,6 12,7 2,9 4,7
4,0 1,3 18,5 26,1 26,0 18,3 13,4
5,6 0,6 1994 0,9 18,9 34,6 insgesamt 137,2 1) Nach Angaben der Deutschen Bundesbank und der OECD. 'Die auslandischen Zahlungsbilanzdaten stammen von 18 OECD-Ländern. Die deutschen Zahlungsbilanzangaben beziehen sich 1993
-
auf die entsprechenden 18 OECD-Länder.
Quelle: Jost, T. (1999), S.
41
Jost, T. (1997), S. 15f.
139.
58
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
Solche Schwierigkeiten hinsichtlich der Erfassung beeinträchtigen natürlich die Aussagekraft der Direktinvestitionsstatistik. FürDeutschland etwa zeigt sich, dass es erhebliche Unterschiede der zuund ausfließenden Direktinvestitionen in der deutschen Zahlungsbilanz im Vergleich zu den Angaben der Staaten der OECD gibt (Tab
2.03).
Während die Statistik der Deutschen Bundesbank für den Zeitraum von 1990 bis 1994 den mageren Wert von nur llA Mrd. Euro für zufließende Direktinvestitionen aus OECD-Staaten aufweist, verzeichneten diese Staaten, aus ihrer Sicht, Investitionen von immerhin 52/4 Mrd. Euro in Deutschland. Bei Verwendung dieser Quellen wäre also die deutsche Standortdiskussion Mitte der 90er-Jahre hinsichtlich der angeblich ausbleibenden ausländischen Direktinvestitionen völlig
überzogen gewesen.42
Probleme der inhaltlichen Bewertung
2.2.3 Zu den
erläuterten methodischen Problemen bei der Erfassung Direktinvestition kommen noch Schwierigkeiten bei der inhaltlichen Bewertung grenzüberschreitender Investitionen hinzu. Sind Direktinvestitionen tatsächlich als Standortindikator geeignet? Würde man sich die Betrachtungsweise einer breiten Öffentlichkeit zu Eigen zuvor
von
machen, wären •
•
Deutschland ausfließende Direktinvestitionen negativ zu bewerten, weil sie als Flucht vor einem zu teuren, zu bürokratischen oder zu unflexiblem Standort interpretiert würden,43 aus
nach Deutschland zufließende Direktinvestitionen positiv zu bewerten, weil von einem attraktiven Anlagestandort auszugehen wäre.
Vgl. für eine solche Fehleinschätzung auch Koch, E. (2000), S.
135.
Vgl. für eine solche Ansicht etwa das Institut der deutschen Wirtschaft (1999), S. 3.
2.
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
59
Hinter diesen Ansichten steht die Vermutung, dass ausfließende Direktinvestitionen mit einer Arbeitsplatzverlagerung vom Inland ins Ausland verbunden sind; zufließende Anlagemittel würden dagegen Arbeitsplätze schaffen. Die negative Beurteilung ausfließender und die positive Einschätzung zufließender Investitionen kann aber weder durch theoretische noch durch empirische Belege gestützt werden. Die arbeitsplatzverlagernde Wirkung kann nur angenommen werden, wenn die Motivation von Direktinvestitionen in erster Linie in Kostenersparnissen zu suchen ist. Untersuchungen zeigen aber, dass das Hauptmotiv von Investitionen im Ausland der strategische Gedanke ist, näher an den zukünftigen Wachstumsmärkten zu sein. In umfassenden Befragungen von Unternehmen wurde von diesen nicht das Kostenmotiv, sondern Markterschließung, Marktsicherung und Marktwachstum als zentrale Überlegungen für Investitionen im Ausland angegeben.44 sind aber eher ein Beleg für die Überlegungen der Unternehmer die heimischen Arbeitsplätze zu sichern. So kann eine Investition im Ausland auch der Kauf einer Vertriebseinrichtung sein. Selbst der Bau einer Produktionsanlage im Ausland, die mit der Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden ist, kann heimische Arbeitsplätze sichern helfen, wenn durch diese Investitionen die Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtunternehmens gestärkt wird. Durch die Präsenz vor Ort werden damit insgesamt Exporte eher abgesichert als
Absatzgesichtspunkte
substituiert.43
Die insgesamt positive Wirkung grenzüberschreitender Investitionen im Ausland auf die inländische Arbeitsmarktlage lässt sich auch empirisch bestätigen: Nach einer Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung ging zwischen 1990 und 1994 eine Zunahme der Beschäftigung im Ausland durch Direktin-
45
Vgl. Wilhelm, M. (1996); Deutsche Bundesbank (1997); sowie Reker, C. (2001), S. 27f. Reker analysiert zudem 39 Studien, die sich mit der empirischen Überprüfung von Bedingungen deutscher Direktinvestitionsverflechtungen beschäftigen. Diese kommen insgesamt zu ähnlichen Einschätzungen über die positiven Arbeitsmarktwirkungen grenzüberschreitender Investitionen. Vgl. auch Landeszentralbank in der Freien und Hansestadt Hamburg, in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, Direktinvestitionen (1997), S. 9-12.
2.
60
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
vestitionen um 10% mit einer Steigerung im Inland um 4% einher. Auch die OECD kommt in einer Analyse für 14 OECD-Staaten zu einer positiven Einschätzung der Direktinvestitionswirkungen: "each dollar of outward FDI (Foreign Direct Investment, J. W.) is associated with $ 2 of additional exports and with a bilateral trade surplus of
$ 1.7 dollars."47
Damit kann eine Direktinvestition im Ausland insgesamt eher als ein Zeichen von Standortstärke und nicht als Standortschwäche interpretiert werden.48 Nicht erfasst werden in der Direktinvestitionsstatistik solche Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die zu keinem Zahlungsstrom führen und damit auch nicht zu Veränderungen der Beteiligungen führen. Dies gilt etwa für zahlreiche Kooperationen und so genannte Strategische Allianzen. Solche Formen der Zusammenarbeit haben in den letzten Jahren deutlich an Gewicht gewonnen. Sie können unterschiedliche Intensitäten besitzen und zeitlich variabel sein. Sie können zudem die Vorstufe für eine Fusion zwischen Unternehmen sein. Ziele solcher Allianzen können sein:49 • • •
Erweiterung des Güter- und Dienstleistungsangebots, Abwicklung des internationalen Zahlungs- und Kapitalverkehrs, Wissenstransfer und Erleichterung von Kulturanpassungen in neuen
Absatzländern,
Vgl. Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (1996). Ähnlich auch Bundesbank (1997); sowie Kromphardt, J. (1997).
Deutsche
OECD (1998), S. 50. Eine ähnliche Argumentation findet sich inzwischen bei einer Reihe von Analysen des Engagements deutscher Firmen in den Staaten Mittel- und Osteuropas (MOE-Staaten). Waren die ersten Direktinvestitionen deutscher Firmen in diesen Staaten noch von den Befürchtungen eines massiven Arbeitsplatzabbaus in Deutschland begleitet, so werden die positiven Effekte der Markterschließung deutlich höher eingeschätzt. Inzwischen ist der Bestand deutscher Direktinvestitionen etwa in Tschechien und Ungarn bezogen auf die Einwohnerzahl höher als in den EU-Staaten Spanien und Portugal. Vgl. dazu und zu den Auswirkungen deutscher Direktinvestitionen in den MOE-Staaten: Dietz, B., A. Protsenko, V. Vincentz (2001). auch Borrmann, C, U. Dennig, R. Jungnickel, D. Keller, G. Koopmann (2001), S. 191. Die Studie listet alleine im Finanzsektor 70 öffentlich gewordene internationale strategische Allianzen zwischen einem deutschen Unternehmen und einem ausländischen Partner von 1988 bis 1999 auf.
Vgl.
2.
•
2.3
Kapitel: Erfassung von Außenwirtschaftsbeziehungen
(j \
Absicherung der Marktposition und Schutz vor Konkurrenz.
Literatur
Für die Analyse aktueller Daten der deutschen Zahlungsbilanz unverzichtbar ist das Kapitel Außenwirtschaft des jeweils aktuellen Monatsberichts der Deutschen Bundesbank sowie der jeweils im MärzMonatsbericht der Deutschen Bundesbank erscheinende Sonderaufsatz zur Entwicklung der Zahlungsbilanz im vergangenen Jahr. Noch tiefergehender und mit langen Zeitreihen finden sich Teilbilanzen im monatlich neu erscheinenden Statistischen Beiheft zum Monatsbericht 3, allerdings ohne Kommentierung. Für den Euro-Raum finden sich Angaben im Monatsbericht der Europäischen Zentralbank.
Einen umfassenden Einblick in das Meldewesen der deutschen Zahlungsbilanz liefert: Steger, A. (2001); sowie im Internet unter www.bundesbank.de der Link 'Statistik'. Zur ergänzenden Lektüre über die Struktur der Zahlungsbilanz sowie über die Verbuchung von Einzel Vorgängen empfehlen sich: Brümmerhoff, D. (2000); sowie Frankel, M., K. D. John (1999).
Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Direktinvestitionen eignen sich die Beiträge im Sammelband von Döhrn, R., G. Heiduk (1999) und Jost, T. (1997); sowie (für einen schnellen Überblick) Jungnickel, R. (2000) und Roling, J. (1999).
62
3
3.
Kapitel: Internationale Organisationen
Internationale Organisationen
Die Rolle internationaler Organisationen bei der Verwirklichung der Chancen und der Bewältigung der Risiken des weltwirtschaftlichen Wandels wird der Öffentlichkeit immer dann bewusst, wenn es bei ihren Tagungen zu kontroversen Debatten oder gar zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Globalisierungskritikern kommt. In diesem Kapitel soll ein erster Überblick über die wichtigsten Inhalte dieser Organisationen gegeben werden. Zur ausführlichen Lektüre wird auf die Angaben im Abschnitt 3.3. Literatur verwiesen. Internationale Organisationen und Staatenzusammenschlüsse gelten als Träger internationaler Wirtschaftspolitik und sind damit Teil der Weltwirtschaftsordnung. Auslöser vor allem zur Einrichtung der überstaatlichen Organisationen war der wohlstandsvernichtende Protektionismus in den 3 Oer-Jahren im Gefolge der Weltwirtschaftskrise von 1929. Aber erst gegen Ende bzw. nach dem 2. Weltkrieg konnten die meisten Gründungen erfolgen. Dabei haben die einzelnen Organisationen zum Teil recht unterschiedliche Zielsetzungen. In diesem Abschnitt soll zwischen zwei grundlegenden Formen von Zusammenschlüssen und damit auch Zielrichtungen betrachtet werden: Zum einen regional begrenzte Verbünden von Staaten, mit dem Ziel der Förderung des wirtschaftlichen Wachstums dieser Staaten und des internen Handels zwischen ihnen. Zum anderen supranationale Organisationen, die möglichst viele Staaten der Erde unter ein einheitliches Regelwerk des internationalen
3.
Kapitel: Internationale Organisationen
Handels, ergänzt durch die verbindliche Setzung
63
von
Rahmenbedin-
gungen, subsumieren wollen.50
Neben diesen formellen Zusammenschlüssen hat die informelle Zusammenarbeit von Staaten in der jüngeren Vergangenheit an Gewicht gewonnen. Mit wirtschaftspolitischem Hintergrund sind hier etwa die G7, G8 und G20, die aus einem unterschiedlich weit gefassten Kreis von Industriestaaten und Institutionen (dies gilt für die G20) bestehen, zu nennen. Auf dieser Ebene werden z.T. Vorgehensweisen vereinbart, die wichtige Vorgaben für die formellen Staatenzusammenschlüssen darstellen können.51
3.1
Supranationale Organisationen
In diesem Abschnitt werden die Ziele und Instrumente
supranationaler Organisationen me
behandelt und
skizziert.
3.1.1
World Trade
einige
so
genannter
aktuelle Proble-
Organization
Die World Trade
Organization (WTO) wurde am 1. Januar 1995 Rechtsnachfolgerin des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), da das GATT sich zwar nach dem 2. Weltkrieg de facto als Handelsorganisation entwickelt hatte, aber rechtlich gesehen nur ein Handelsabkommen war. Durch die letzte Vorbereitungskonferenz, sog. Uruguay-Runde, von 1986-1994, wurden die Abkommen und Vereinbarungen des GATT in die WTO aufgenommen. Einen besonderen Schutz im Rahmen der WTO soll dabei den EntwicklungslänAn dieser Stelle kann
Platzgründen nicht auf alle Organisationen und Staatenzusammenschlüsse auch einen wirtschaftspolitischen Hintergrund besitzen. Dies gilt etwa für die G7, G8 und G20, die aus einem unterschiedlich weit gefassten Kreis von Industriestaaten und Institutionen (G20) bestehen. aus
eingegangen werden, die An dieser Stelle kann
werden.
aus Platzgründen nicht auf die informellen Zusammenschlüsse eingegangen Vgl. dazu ausführlich Deutsche Bundesbank (1997b), S. 194ff.
3.
64
Kapitel: Internationale Organisationen
dem, durch die Erlaubnis höhere Einfuhrzölle erheben zu dürfen, gewährt werden (= günstige Bedingungen eines Entwicklungslandes). Zusätzlich wurde noch der Umweltschutz als weiteres wichtiges Ziel formuliert.
Die zentralen Bestandteile der WTO finden sich aber bereits im GATT. Die Unterzeichnerstaaten des GATT hatten sich nach dem 2. Weltkrieg zum Ziel gesetzt, einen multilateralen Vertrag zwischen möglichst vielen Staaten mit verbindlichen Regeln für den Welthandel zu schaffen, damit protektionistische Tendenzen in Zukunft vermieden werden. Die wichtigsten Instrumente, die im GATT entwickelt und in die WTO aufgenommen wurden, sind: •
•
Die Meistbegünstigungsklausel: Allen anderen Partnerländern des GATT sind die selben Einfuhrerleichterungen zu gewähren, wie sie dem am stärksten Begünstigten gewährt werden (z.B. bei Zöllen). Für Entwicklungsländer sind Ausnahmen von dieser Klausel vereinbart, da es ansonsten zu unverhältnismäßigen Belastungen sich entwickelnder Volkswirtschaften kommen kann. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung: Die eingeführten Güter aus Partnerländern des GATT sind wie Produkte aus der Inlandsproduktion zu behandeln (z.B. bei administrierten Auf-
lagen). •
Prinzip der unspezifischen Reziprozität: Damit verpflichten sich die Vertragspartner des GATT zur Gleichwertigkeit der Gegenleistung bei Zollsenkungsvorschlägen im Rahmen multilateraler Verhandlungsrunden (Ausnahme: Entwicklungsländer). Das
Neben diesen Instrumenten gibt es zahlreiche Vereinbarungen im Rahmen der WTO, die zu einer Förderung des Handels zwischen den Vertragspartnern führen. Dies gilt etwa für das Verbot nicht-tarifarer Handelshemmnisse: sämtliche Handelsschranken sind offen zulegen und in langfristig zu reduzierende Zölle zu integrieren. Neu aufgenommen wurden auch die Errichtung eines Schlichtungsorgans für
3.
Kapitel: Internationale Organisationen
65
Streitfälle sowie der Schutz geistigen Eigentums. Als wichtigste Neuerung gilt aber bei der WTO die Ausweitung der bisherigen Regelungen für den Güterhandel auf den freien Marktzugang und damit gleichberechtigten Austausch von Dienstleistungen (GATS General =
Agreement on Trade in Services).
Die Bedeutung der WTO für den Welthandel ist erheblich. Sichtbar wird dies an dem Bestreben von Ländern der WTO beizutreten; derzeit sind 144 Staaten Mitglied. Der wichtigste Fall der letzten Jahre war die Aufnahme Chinas. An ihm sollen die ökonomischen Konsequenzen einer Mitgliedschaft in der WTO aufgezeigt werden: Die
Bedeutung der WTO am Beispiel des Beitritts Chinas
Ratifizierung der Beitrittsdokumente ist China nach rund 15-jährigen Verhandlungen mit Wirkung vom 11. Dezember 2001 der WTO beigetreten.52 In den einzelnen Vertragsbestandteilen wurde festgelegt, dass China tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse abbauen, seinen Dienstleistungssektor der internationalen Konkurrenz öffnen und ausländische Unternehmen nach den gleichen Regeln behandeln muss wie einheimische Unternehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass China Übergangsfristen für die vollständige Übernahme der WTO-Bestimmungen vereinbaren konnte (etwa Zollsenkungen für bestimmte Güter bis zum Jahre 2006). Zudem erfolgt die Aufnahme Chinas in die WTO unter den günstigen Bedingungen eines Entwicklungslandes. Trotz der Fristen wird die Mit der
Aufnahme Chinas in die WTO sowohl für das Land selbst, aber auch für die anderen Staaten erhebliche Auswirkungen haben:
a)
für andere Staaten: Es wird angevon der Öffnung des Landes profitieren werden als China selbst. Mit einer Bevölkerung von gut 1,2 Mrd. Menschen stellt China einen großen Absatzmarkt dar, auch wenn sich die Kaufkraft der Konsumenten eher Vermutete
Auswirkungen
nommen, dass zunächst die Industriestaaten mehr
Damit konnte auch Taiwan aufgenommen werden, da sich China bereit erklärt hatte, wenn es zuerst Mitglied der WTO werde.
zu
Beitrittsverhandlungen
nur
3.
66
Kapitel: Internationale Organisationen
mittel- und langfristig erheblich steigern dürfte. Auch das Interesse ausländischer Firmen an direkten Engagements dürfte zunehmen. Insbesondere niedrige Löhne und geringe Sozialleistungen, bei vergleichsweise gutem Ausbildungsstand der Erwerbsbevölkerung könnten zu einer weiteren merklichen Zunahme ausländischer Direktinvestitionen in China führen. Neben der produzierenden Industrie werden sich wohl auch Dienstleistungsuntemehmen vom größten Wachstumsmarkt in Asien angezogen fühlen. Für ausländische Banken und Versicherungen waren die Hindemisse für den Marktzugang bisher besonders hoch. Insgesamt gesehen wird damit China für Japan, die USA und die EU ein noch wichtigerer wirtschaftlicher Partner.
Die ökonomischen Wirkungen des WTO-Beitritts Chinas für die Entwicklungs- und Schwellenländer sind dagegen nur schwer abschätzbar. Vermutlich dürfte sich der Konkurrenzdruck im Bereich industrieller Billigprodukte durch Chinas Exportindustrie zunächst eher verstärken. Gleichzeitig könnten gerade die Schwellenländer Südostasiens ihre Nachbarschaft zu China durch die Verlagerung der Produktion arbeitsintensiver Massengüter nutzen. Neben wirtschaftlichen Überlegungen spielten aber auch politische Motive eine wichtige Rolle. Insbesondere bei Fragen der Außenund Innenpolitik wird auf die mäßigende Wirkung des WTOBeitritts gehofft.
b) Vermutete Auswirkungen für China: Die Zunahme ausländi-
scher Direktinvestitionen wird den Anpassungsdruck auf die heimische chinesische Wirtschaft deutlich steigern. Neben dem Abbau des großen Verwaltungsapparates dürften vor allem unrentabel arbeitende Staatsbetriebe unter den veränderten Rahmenbedingungen keine Überlebenschance besitzen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich daher in den nächsten Jahren deutlich eintrüben, wobei hier die offizielle Statistik die Verschärfung der Situation eher unterzeichnen dürfte. Probleme werden sich damit auch bei VerteiZwar hatte China jeweils den Meistbegünstigungsstatus im Handel mit den USA erhalten, er musste allerdings jahrlich durch das amerikanische Parlament neu beschlossen werden. Hierdurch entstand Unsicherheit und ließ Raum für politische Forderungen.
3.
Kapitel: Internationale Organisationen
67
Den Gewinnern durch den Wegfall der HanVerlierer delsbarrieren werden gegenüberstehen. Die Einkommensund Vermögensverteilung der Bevölkerung wird ungleicher werden, womit sich auf Dauer auch soziale Spannungen kaum vermeiden lassen dürften. Ein solche Ungleichverteilung findet sich auch im Vergleich der Stadt- zur Landbevölkerung. Da sich ausländische Direktinvestitionen eher in den bereits bestehenden Metropolregionen ansiedeln werden, ist hier eine Zunahme der Ungleichverteilung abzusehen. Bisher haben sich ausländische Firmen vor allem in den durch Steuervergünstigungen geförderten Küstenregionen engagiert. Möglicherweise wird nun der zentrale und westliche Teil Chinas stärker mit Auslandsinvestitionen belegt. Neben der Landwirtschaft und nicht wettbewerbsfähigen Unternehmen der Exportindustrie werden auch für den maroden Bankensektor erhebliche Verände-
lungsfragen ergeben.
rungen erwartet.
werden die positiven Auswirkungen des WTO-Beitritts der chinesischen Regierung höher bewertet. Eine Hoffnung wurde bereits erfüllt: Die Regierung der USA hat ihre Handelsbeschränkungen gegenüber China nach dessen Beitritt aufgehoben. China erhält daher einen permanenten Meistbegünstigungsstatus im Handel mit den USA.53 Der chinesischen Wirtschaft steht hierdurch der Zugang zum kaufkräftigen US-amerikanischen Markt offen. Zudem sieht die chinesische Regierung die Chance, dass durch den sich verschärfenden Wettbewerb zukunftsfähige Betriebe im Bereich der Exportwirtschaft entstehen und diese auch langfristig Arbeitsplätze sichern bzw. schaffen. Der Anteil Chinas am Welthandel soll so von derzeit rund VA% auf etwa 10% ansteigen schätzt die Weltbank.
Allerdings von
-
Insgesamt wird durch den WTO-Beitritt eine kräftig wachsende
chinesische Volkswirtschaft mit einer deutlichen Zunahme des Durchschnittseinkommens erwartet. Auch ausländische Wirtschaftsexperten prognostizieren, dass China durch den WTO-Beitritt langfristig zur größten Wirtschaftsmacht der Erde aufsteigen wird. Quellen: Kahl, J. (2001); Gülten, E.A. (2001)._
3.
68
Kapitel: Internationale Organisationen
Der WTO wird manchmal vorgeworfen, den Welthandel vor allem aus Sicht der Industrieländer zu betrachten.54 Als Gegengewicht zur WTO wird daher eine andere Organisation angesehen, die sich für Fragen und Probleme der Entwicklungsländer einsetzen soll: die UNCTAD Exkurs: United Nations Conference on Trade and
(UNCTAD)
Development
Ein wichtiges Ziel der UNCTAD ist die Förderung des Handels zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, insbesondere war sie in den Nord-Süd-Dialog der 70er-Jahre involviert. Mit dem Bedeutungszuwachs der WTO hat sich das Gewicht der UNCTAD bei der Erörterung von Fragen des internationalen Handels allerdings verringert. Vor allem Entscheidungskompetenzen sind der UNCTAD verloren gegangen. Inzwischen ist in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten die Diskussion der Probleme durch die zunehmende Globalisierung und die weitere Liberalisierung der Weltwirtschaft gerückt. Dies gilt insbesondere für die Auswirkungen dieser Prozesse auf die Staaten der Dritten Welt. Bezogen auf die Dokumentation und die Analyse internationaler Verflechtungen von Staaten und Unternehmen ist insbesondere auf den von der UNCTAD herausgegebenen 'World Investment Report' hinzuweisen. Exkurs Ende
3.1.2
International
Monetary Fund
Der International Monetary Fund (Internationaler Währungsfonds, IWF) wurde zusammen mit der Weltbankgruppe auf der Internationalen Währungs- und Finanzkonferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 gegründet. Ziel des IWF ist die Förderung der internationalen Diese Einschätzung wird getragen von den Ergebnissen über die regionale Verteilung der Wohlfahrtseffekte durch die fortschreitende Liberalisierung des Handels. So hat etwa Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung errechnet, dass die „großen Gewinner der Uruguay-Runde die europäischen Länder, die Vereinigten Staaten und Japan sind." Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2001), Ziff. 68.
3.
Kapitel: Internationale Organisationen
69
Zusarnmenarbeit in der Währangspolitik zur Unterstützung des Welthandels. Dies soll unter anderem durch die Stabilität der Beziehungen zwischen den nationalen Währungen erreicht werden. Handelshemmende Devisen- und Kapitalbeschränkungen sollen abgebaut werden.
Zuge der Konferenz von Bretten Woods wurden zur Verwirklichung dieser Zielvorstellungen eine neue Währungsordnung, mit dem Im
US-Dollar als Leitwährung55 und einem festen Wechselkurs jeder nationalen Währung eines IWF-Mitgliedstaates an den US-Dollar (so genanntes 'Festkurssystem'), und finanzielle Hilfen bei Störungen in den Zahlungsbilanzen vereinbart. Auf Grund erheblicher wirtschaftlicher Probleme konnte das Festkurssystem nicht aufrecht erhalten
werden.56
Hauptaugenmerk des IWF hat sich seit dem Fall des Festkurssystems auf die Vermeidung und Beseitigung von Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gerichtet. Ungleichgewichte in der nationalen Zahlungsbilanz einzelner Staaten können durch die Kreditvergabe des IWF reduziert oder ganz beseitigt werden.57 Diese Kreditvergabe zur Erhöhung der Devisenreserven ist allerdings mit Auflagen verbunden. Die Eingriffe in die nationale Wirtschaftspolitik Das
Teil erheblich. Sie können von der zur strikten Antiinflationspolitik bis Kürzung Staatsausgaben reichen. In Extremfällen haben die Folgen aus den Auflagen des IWF der betroffenen Staaten sind
zum
von
Der wieder in einer festen Relation zum Gold stand (35 US-Dollar/Unze). Da Gold in der heutigen internationalen Wahrungsordnung keine Rolle spielt, wird hier auf die Darstellung seiner historischen Bedeutung verzichtet. Vgl. dazu ausführlicher Kasten, H. (1970).
Die Probleme entstanden im Wesentlichen aus einem Konflikt zwischen nationaler Autonomie der Wirtschaftspolitik vieler Nationalstaaten und festen internationalen Regeln, die vor allem von den USA vorgegeben wurden. Schwankungen der Liquiditätsversorgung mit der Reservewährung USDollar' führten entweder zur Dollarlücke oder zur Dollarschwemme. Die Folge war eine Abhängigkeit der inländischen Geldversorgung der anderen Staaten von der Geld- und Wirtschaftspolitik der USA. Diese Gegensätze in den Interessen führten schließlich de facto 1973 (formal 1978) zu einer Abkehr vom System eines US-Dollar bezogenen Wechselkurssystems. Zur Vertiefung etwa: Holtfrerich, C.-L. (1998). Die Kredite werden in Sonderziehungsrechten (SZR) ausgezahlt, der offiziellen Rechnungseinheit des IWF. Die SZR setzen sich aus einem Währungskorb zusammen. Dieser besteht aus: US-Dollar, Euro, Yen und dem britischen Pfund. Der Kreditzins berechnet sich als gewichteter Mittelwert der aktuellen kurzfristigen Zinsen der Korbwährungen.
3.
70
Kapitel: Internationale Organisationen
erheblichen sozialen Unruhen, etwa in asiens während der Asienkrise, geführt.58 zu
einigen
Staaten Südost-
Doch nicht nur in diesen Staaten ist die Kritik am IWF erheblich. Auch in den Industrieländern mehrten sich im Zuge der Asienkrise die Stimmen, die eine Überarbeitung der Kreditvergabepolitik des IWF forderten. Kernpunkt dieser Kritik ist, dass die Kredite des IWF quasi eine kostenlose Versicherung für private Investoren darstellen. Die Deutsche Bundesbank schreibt hierzu: „Auch in Finanzkrisen sollte der IWF nur begrenzte Liquidität bereitstellen, um damit der Verantwortung des Privatsektors in der Krisenbewältigung Vorrang zu geben. Der IWF soll und kann nicht die Funktion eines „lender of last resort" wahrnehmen. Eine solche Politik stünde im Widerspruch zu elementaren marktwirtschaftlichen Prinzipien, da sie die Investoren von den Risiken und Konsequenzen ihrer unternehmerischen Entscheidungen entbindet und mögliche vertragliche Lösungsansätze zwischen Schuldnern und Gläubigern von vornherein unter...
gräbt."59
Trotz dieser Kritik verbleibt dem IWF auch nach einer angedachten Überarbeitung seiner Zielinhalte eine hervorgehobene Rolle bei der Förderung der internationalen Arbeitsteilung, durch die Förderung und Überwachung eines offenen und stabilen Währungssystems.60
Hier wurden von betroffenen Staaten etwa Streichungen von Subventionen bei Nahrungsmitteln vorgenommen Die Preise von Grundnahrungsmitteln verteuerten sich daraufhin mitunter drastisch. Deutsche Bundesbank (2000), S. 15 u. S. 26. Kurze Darstellungen der verschiedenen Positionen zu einer Reform des IWF (in verständlicher Sprache) bieten Pfaller, A. (2000); Frenkel, M, L. Menkhoff (2001); sowie zur Vertiefung die Beiträge im ifo Schnelldienst, H. 24/2000.
Vgl. etwa Deutsche Bundesbank (2001).
3.
3.1.3
Kapitel: Internationale Organisationen
71
World Bank61
Die Griindung der Weltbank erfolgte zusammen mit der des IWF auf der Konferenz von Bretton Woods. Ziel war zwar zunächst der Aufbau Europas nach dem Ende des 2. Weltkriegs, aber bereits zu Beginn der 5 Oer-Jahre wurde die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in weniger entwickelten Staaten und damit die Realisierung eines stetigen Wirtschaftswachstums dieser Staaten, bei zunehmender Integration in die Weltwirtschaft, das Hauptaufgabengebiet der Weltbank. Bis in die 70er-Jahre hinein lag hier der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit beim Aufbau einer modernen Infrastruktur, etwa in den Bereichen Verkehr, Energie und Bildung. Mit der allmählichen Übertragung zusätzlicher Aufgaben, vor allem in Fragen von Währungsangelegenheiten für Entwicklungs- und Schwellenländern, auf den IWF hat sich die Aufgabenstellung der Weltbank sukzessive verändert. Inzwischen stehen Maßnahmen zur Armutsvermeidung und umweltpolitische Aspekte im Vordergrund. Zur Sicherung von Grundbedürfnissen dient im Bereich der Landwirtschaft der Aufbau einer Selbstversorgungswirtschaft. Da die Weltbank insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Lage unterer Einkommensschichten in Entwicklungsländern fordert, hat sie in diesen Ländern auch ein vergleichsweise besseres Ansehen als der IWF. Zur Realisierung ihrer Ziele stehen der Weltbank Instrumente zur Verfügung:
vor
allem
folgende
•
die Vergabe von Darlehen und Krediten an Regierungen,
•
die Koordination von Entwicklungshilfe einzelner Staaten,
Die Weltbank ist Teil der so genannten Weltbankgruppe. Diese umfasst neben der International Bank for Reconstruction and Development (IBRD), die die eigentliche Weltbank darstellt, weitere Institutionen: die International Finance Corporation (IFC), die International Development Association (IDA), die Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA) und das International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID).
3.
72
•
Kapitel: Internationale Organisationen
die Beratung von Regierungen, etwa bei der Verbesserung der Attraktivität ihrer Staaten für ausländische Direktinvestitionen.
des Instrumentariums stehen die finanziellen UnterDie stützungen. langfristigen Darlehen werden mit einer Laufzeit von 15 bis 20 Jahren an die Regierungen vergeben. Der Kreditzins dieser Darlehen orientiert sich am jeweiligen Kapitalmarktzins. Die Refinanzierung der Weltbank erfolgt zum einen aus den Einzahlungen der Mitgliedsländer, zum anderen durch Weltbankanleihen auf dem KaIm
Mittelpunkt
pitalmarkt.
Der Vorteil für die kreditnehmenden aus einem günstigen Kreditzins: Da
Entwicklungsländer resultiert Entwicklungsländer ein verhohes Ausfallrisiko für Zinsund Tilgungsleistungen gleichsweise von Krediten haben, also eine schlechte Bonitätsbeurteilung und damit ein schlechtes Rating vorliegt, lässt sich ein Kapitalgeber das Risiko der Kreditvergabe an ein Entwicklungsland mit einem entsprechenden Risikozuschlag bezahlen. Da die Weltbank eine hohe Kreditwürdigkeit und damit ein sehr gutes Rating aufweist, entfällt bei ihr ein Risikozuschlag auf dem internationalen Kapitalmarkt. Ein solcher Kredit stellt also für das Empfangerland eine Subvention in Höhe des Risikozuschlags zwischen der Ratingdifferenz der Weltbank und des jeweiligen Empfängerlandes dar. Für die ärmsten Länder der Erde erfolgt zudem eine nahezu zinslose Kreditvergabe durch die Weltbankinstitutionen mit einer Laufzeit von 35 bis 50 Jahren.
Im Rahmen der Weltbankgruppe werden auch bestimmte private Aktivitäten unterstützt. Hier können Kredite für die Finanzierung von Investitionen gewährt werden.62 Besondere Bedeutung für die Förderung der internationalen Arbeitsteilung hat auch die Übernahme von Garantien durch Institutionen der Weltbankgruppe bei der Durchführung privater Direktinvestitionen gegen nicht-kommerzielle Risiken, wie etwa Transferbeschränkungen, Enteignungen und Krieg.
Mit Unterstützung bei der technischen Investitionen.
Abwicklung
und das
Management für die Entwicklung von
3.
3.2
Kapitel: Internationale Organisationen
73
Freihandelsorientierte regionale Staatenzusammenschlüsse
Staaten schließen sich aus den unterschiedlichsten Gründen zu Verbünden zusammen. In den vergangenen Dekaden haben besonders Überlegungen zur Förderung des Handels zwischen einzelnen Staaten an Bedeutung gewonnen. Solche regionalen Integrationen und Wirtschaftsblöcke gibt es vor allem in Europa und Amerika sowie zwischen asiatischen Staaten. Sie verstoßen zwar im Prinzip gegen die Meistbegünstigungsklausel der WTO, weil sie den Intrahandel zwischen den jeweiligen Mitgliedstaaten durch die Errichtung von Außenzöllen und durch die Vorzugsbehandlung der Mitgliedstaaten begünstigen. Allerdings sind nach den WTO-Regelungen Ausnahme-
regelungen zulässig.
In diesem Abschnitt werden
nur die bedeutendsten regionalen Staatenzusammenschlüsse in ihren Grundzügen dargestellt.63
Association of South East Asian Nations
(ASEAN)
Dieser Zusammenschluss von zehn Staaten Südostasiens hat zum einen die Zusammenarbeit auf gesellschaftlichen Gebieten, wie etwa Wissenschaft und Kultur, als Ziel. Seit dem Bangkok-Gipfel im Dezember 1995 wurde als weitere Vereinbarung die Schaffung einer Freihandelszone bis 2003 in den Zielkatalog aufgenommen. Der Abbau von Investitionsschranken soll bis zum Jahre 2010 realisiert werden. Einige Staaten sind auch Teilnehmer der APEC-Gruppe.64
Der jeweilige Stand der Teilnehmerstaaten bezieht sich auf das Ende des Jahres 2001. Die Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC) stellt keinen Staatenverbund im hier behandelten Sinne dar, vielmehr ist sie lediglich als regionales Forum von derzeit 21 Staaten eingerichtet. Das Ziel dieser Staaten ist die Liberalisierung des Handels und der ungehinderten Investitionstätigkeit in der Region. Die Verwirklichung einer Freihandelszone bis zum Jahre 2020 ist geplant.
3.
74
Kapitel: Internationale Organisationen
Mercado Comün del Sur (MERCOSUR) Der 'Gemeinsame Markt des Südens' besteht seit 1995 aus den Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Verwirklicht wurde bisher eine Zollunion (Wegfall der Binnenzölle und gemeinsamer Außenzoll, mit Zollsätzen zwischen 0% und 20%) und ein gemeinsamer Markt für Güter und Dienstleistungen, aber mit gewissen Einschränkungen hinsichtlich des innergemeinschaftlichen Dienstleis-
tungsverkehrs.65
Die Wirtschaftskraft der vier MERCOSUR-Staaten umfasst rund die Hälfte des lateinamerikanischen BIP. Mit anderen Staaten bestehen zudem Handels- bzw. Assoziierungsabkommen (Chile, Bolivien). Zu Spannungen innerhalb des MERCOSUR ist es in den vergangenen Jahren durch die langanhaltende wirtschaftliche Schwäche Argentiniens und der vergleichsweise günstige Entwicklung Brasiliens gekommen. Da dies, bezogen auf die BIP-Anteile und die Intrahandelsbeziehungen, die beiden wichtigsten Staaten im MERCOSUR sind, wurde zeitweise sogar von einem Bruch des MERCOSUR gesprochen (nähere Ausführungen hierzu in Kapitel 5 'Währungsordnungen
(Wechselkurssysteme))'.
North American Free Trade Agreement (NAFTA)
Durch das nordamerikanische Freihandelsabkommen von 1992 wurde zwischen den USA, Kanada und Mexiko eine Freihandelszone für Güter und Dienstleistungen eingerichtet (1994) sowie u.a. die Liberalisierung des Kapitalverkehrs angestrebt. Besondere Ziele sind dabei: •
Sicht Mexikos: freier
Zugang zu den Märkten des wichtigsten Handelspartners (USA) und zu dessen Kapitalmarkt (und damit auch zum internationalen Kapitalmarkt), aus
Vgl. hierzu ausführlicher Sangmeister, H. (2001), S. lOf. Sangmeister geht zudem auf Gesichtspunkte des MERCOSUR ein, wie etwa die Freizügigkeit auf den Arbeitsmärkten.
weitere
3.
•
Kapitel: Internationale Organisationen
75
Sicht der USA (und Kanadas): Stabilisierung der wirtschaftlichen (und politischen) Entwicklung Mexikos; vor allem in Hinblick auf die Einwanderung vieler Mexikaner in die USA. aus
Der gesamte Wirtschaftsraum hat insgesamt mehr Einwohner und ein höheres BIP als die Staaten der EU, aber einen kleineren Anteil am Welthandel (1994: 8% zu 23%) was eine insgesamt niedrigere NAFTA-Wirtschaftsraumes bedeutet. des Außenhandelsabhängigkeit Die NAFTA strebt, unter Führung der USA, zudem ihre Erweiterung nach Lateinamerika an, was die wirtschaftspolitische Bedeutung der NAFTA erheblich steigern dürfte. -
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) stellt die derzeit am weitesten fortgeschrittene wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen einzelnen Staaten dar, sie geht etwa deutlich über eine Freihandelszone hinaus. Nach dem Maastrichter-Vertrag von 1992 sollten die Staaten der Europäischen Union nach der Bildung eines gemeinsamen Binnenmarktes (erste Stufe) die technischen und prozeduralen Vorbereitungen für die Bildung einer Währungsunion treffen (zweite Stufe). Am 1.1.1999 wurde schließlich durch die Schaffung der neuen gemeinsamen Währung (Euro) und den Übergang der jeweils nationalen geldpolitischen Verantwortung der Startteilnehmer auf die Europäische Zentralbank eine neue Qualität in der Wirtschaftspolitik der Teilnehmerstaaten erreicht (vgl. ausfrmrlicher in Kapitel 5 'Wäh-
rungsordnungen (Wechselkurssysteme))'. Die EWWU mit ihrer
gemeinsamen Währung ist damit einerseits ein vorläufiger Endpunkt der wirtschaftlichen Integration einer Reihe europäischer Staaten, die mit dem In-Kraft-Treten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 1958 und der Beseitigung aller Binnenzölle ihren Anfang nahm. Zwischenschritte waren die Abschaffung von Mobilitätshindernissen für den Waren-, Dienstleistungs- und Kasowie für Personen 'Vier (sog. Grundfreiheiten'). Der pitalverkehr Euro wird als der Beginn eines neuen Stadiums der wirtschaftspolitischer Zusammenarbeit in Europa angesehen. Dabei ist es unter Öko-
3.
76
Kapitel: Internationale Organisationen
strittig, inwieweit es auch zu einer verfeinerten Abstimmung in einzelnen Bereichen der Wirtschaftspolitik kommen wird.66
nomen
Exkurs:
Organisation for Economic Co-operation ment (OECD)
and
Develop-
Die OECD stellt im engeren Sinne keinen regionalen Verbund von Staaten zur Förderung des internen Handels mit spezifischen Instrumenten dar. Vielmehr sind in der OECD die wichtigsten Industrieländer zusammen geschlossen, um die Förderung einer bestmöglichen Wirtschaftsentwicklung durch Analyse, Beratung und Empfehlungen zu erreichen. Dazu gehören regelmäßig erscheinende Länderberichte (für die größeren Industriestaaten einmal pro Jahr), die nicht nur einen Überblick über die jüngere Wirtschaftsentwicklung des jeweiligen Staates geben, sondern auch Empfehlungen zur Beseitigung von Strukturproblemen an die nationale Wirtschaftspolitik richten. Zur regelmäßigen Aufgabe der OECD gehört auch die Veröffentlichung von Wirtschaftsprognosen nicht nur für einzelne Staaten, sondern zur Entwicklung der Weltwirtschaft insgesamt. Sie besitzt keine eigenen finanziellen Instrumente, um selbstbestimmte wirtschaftspolitische Maßnahmen durchführen zu können. Sie hat auch keine supranationale Rechtssetzungsbefugnis. Sie hat nur eine beratende Funktion zur Koordinierung der Wirtschaft-, Währungs- und Außenwirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten. -
Exkurs Ende
In der Literatur findet sich die
Auseinandersetzung über den Grad der weiteren wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit der Nationalstaaten unter dem Stichwort Wettbewerb der Systeme vs. Zentralisierung'. Eine Ausdehnung des Binnenmarktes wird zudem durch die Zusammenarbeit mit den EFTA-Staaten (European Free Trade Association) Norwegen, Island und Liechtenstein im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) angestrebt. Die Schweiz als vierter EFTA-Staat hat die Zusammenarbeit bisher abgelehnt.
3.
Kapitel: Internationale Organisationen
77
Literatur
3.3 Den besten
Einstieg für eine ausfuhrliche und zeitnahe Analyse der supranationalen Organisationen und der regionalen Zusammenschlüsse hinsichtlich der Teilnehmerstaaten, der Ziele, des Aufbaues und der Instrumente bieten die Angaben aus dem Internet: WTO (www.wto.org)
UNCTAD (www. unctad. org)
IMF (www.imf.org)
Weltbank (www.worldbank.org)
EU
APEC
(www.europa.eu.int)
(www.apecsec.org.sg)
ASEAN (www.aseansec.org)
MERCOSUR (www.mercosur.com)
NAFTA (www.nafta-sec-alena.org)
OECD
(www.oecd.org)
Zusammenfassende Darstellungen wichtiger Organisationen finden sich zudem in zwei Publikationen der Deutschen Bundesbank: Deutsche Bundesbank (1997a) und Deutsche Bundesbank (1997b).
(Kritische) Würdigungen der Tätigkeiten supranationaler Organisationen und die Kommentierung von Reformvorschlägen finden sich in: Deutsche Bundesbank (2000); Dreher, A. (2002); Flassbeck, H., T. Welter, E. Interwies (1998); Jarchow, H.-J., P. Rühmann (1997).
4.
78
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Grundlagen der Außenwirt-
4
schaftstheorie
Für die Analyse der Folgen einer zunehmenden Verflechtung der einzelnen Märkte auf die Volkswirtschaften sind Kenntnisse über die theoretischen Zusammenhänge notwendig. Das Wissen über die theoretischen Zusammenhänge ist zudem wichtig für politische Entscheidungen, die gegebenenfalls eintretende Fehlentwicklungen korrigieren
sollen.67
Bei der Analyse der theoretischen Gründe für den Wirtschaftsverkehr zwischen zwei Staaten kann zwischen realen und monetären Faktoren unterschieden werden. Dabei wird unter dem Begriff 'monetär' auf die Auswirkungen veränderter Preisrelationen zwischen den Währungen zweier Staaten, den Wechselkurs, abgestellt.
4.1
Reale (güterwirtschaftliche) Außenwirtschaftstheorie
Zunächst geht es um die Beantwortung der Frage, welche Faktoren für den Handel mit Gütern und Dienstleistungen über die nationalen Grenzen hinweg verantwortlich sind, wenn von WechselkursverändeDas theoretische Wissen Uber das Zusammenspiel und die Auswirkungen einzelner Zusammenhange ist allerdings keine Garantie dafür, dass in der Praxis diese Zusammenhange immer unveränderte Gültigkeit haben: „Eine Theorie, die sich empirisch immer wieder bewährt, kann dennoch nicht als definitiv wahr bezeichnet werden, weil die Möglichkeit einer zukünftigen Widerlegung durch Tatsachen nicht auszuschließen ist. Jede Theorie gilt deswegen nur als vorläufig bestätigt oder noch nicht widerlegt". Zu diesem Prozess der Falsifikation von Theorien vgl. Woll, A. (1981), S. 13.
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
79
rungen abgesehen wird. Welche Gründe führen etwa zu Spezialisierung eines Staates auf den Export eines bestimmten Produktes? Dabei kann zwischen den Gründen für Preisdifferenzen von Produkten und den Produkteigenschaften unterschieden werden. Als Ausgangspunkt der modernen realen Außenwirtschaftstheorie wird zudem 'das Theorem der komparativen Kostenvorteile' kurz vorgestellt.
4.1.1
Preisdifferenzen
Hierunter werden Einflüsse auf den Preis von Gütern und Dienstleistungen verstanden. Die Preisunterschiede werden schließlich zu einem grenzüberschreitenden Handel dieser Produkte führen. Gründe für Preisunterschiede können sein:
a) Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen
und unterschied-
liche Produktionsbedingungen
Die unterschiedliche Ausstattung der Staaten mit natürlichen Ressourcen, wie Boden, Klima und Rohstoffen, kann zum einen dazu führen, dass einige Güter überhaupt nicht oder nur zu unverhältnismäßig hohen Kosten produziert werden können (z.B. Erdöl, Kaffee, Zitronen). Zum anderen kann zwar in zwei Staaten das selbe Produkt produziert werden, aber Unterschiede in den Produktionsbedingungen fiihren zu merklichen Preisunterschieden, sodass sich ein Handel zwischen den Staaten lohnt. So ist der Steinkohleabbau in Deutschland etwa um das 3-fache teurer als in den USA, da in Deutschland die Steinkohle aus einer größeren Abbautiefe gewonnen werden muss.
b) Technologische Lücke Auch das Fehlen bestimmter Produktionstechnologien oder die unzureichende bzw. nicht ausreichende Qualifikation der Erwerbsbevölkerung können Gründe für grenzüberschreitenden Handel mit Gütern und Dienstleitungen sein. Dies gilt vor allem dann, wenn der Erwerb der notwendigen Technologien bzw. die
4.
80
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Ausbildung der Menschen im Vergleich und Dienstleistungen dauerhaft teurer ist. c)
Ausstattung (Boden, Arbeit, Kapital)
Unterschiede in der
zum
Import
der Güter
mit Produktionsfaktoren
Nach dem Faktorproportionen-Theorem von Heckscher u. Ohlin kommt es auf die quantitative Verfügbarkeit der drei Produktionsfaktoren Arbeit, Boden, Kapital an, welche Güter von einem Staat exportiert bzw. importiert werden: Danach sind die vergleichsweise reichlich vorhandenen Produktionsfaktoren eines Staates relativ billig, knappe Faktoren dagegen teuer. Dies hat Auswirkungen auf die Herstellungskosten und damit auch auf die Preise dieser Güter. Relativ arbeits-/kapitalreiche Staaten werden daher arbeits-/kapitalintensive Produkte exportieren, weil Arbeit/Kapital vergleichsweise billig ist.
gilt: Industrieländer, vergleichsweise reichlich mit Kapital ausgestattet, werden tendenziell kapitalintensive und damit höherwertige Güter produzieren, während Entwicklungsländer, i.d.R. mit einem großen Bestand an niedrig qualifizierten ArDeshalb
beitskräften ausgestattet, arbeitsintensive Güter herstellen und exportieren werden. Hiermit wird erklärbar, warum Staaten wie die USA, Deutschland und Japan Investitionsgüter ausführen und Entwicklungsländer arbeitsintensive Billigprodukte für den Export in die Industriestaaten herstellen.
d) Produktlebenszyklus von Gütern (Ergänzung des Faktorproportionen-Theorems) Mit Hilfe des Faktorproportionen-Theorems kann auch erklärt werden, wie einzelne Staaten am Produktionsprozess von Gütern beteiligt werden. Dafür wird die Annahme getroffen, dass Güter unterschiedliche Phasen ihrer Entwicklung durchlaufen, mit einem unterschiedlichen Ausmaß an Kapitaleinsatz und Knowhow.
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
81
Phasen: •
•
•
Innovationsphase: Eine Innovation setzt ein Land technologischer Qualifikation voraus
mit hoher
Ausreifungsphase: Produkt fast ausgereift -> Nachahmer treten auf den Markt -> Kapitalintensive Produktion auf mittlerem technologischen Niveau
Standardisierungsphase: produktion
Produkt voll
ausgereift -» Massen-
Auf Grund der Differenzen in der Faktorintensität der einzelnen Produkte zwischen der Ausstattung etwa an Arbeit und Kapital (sowohl in qualitativer als quantitativer Hinsicht) können verschiedene Gruppen von Staaten auf Grund ihrer unterschiedlichen Faktorausstattung gebildet werden, die als Exporteure dieser Produkte in Frage kommen: •
•
•
Innovationsphase: wenige hoch entwickelte Länder (USA, Deutschland, Japan, Frankreich, Großbritannien) Ausreifungsphase: andere Industrieländer
Standardisierungsphase: fortgeschrittene Entwicklungslän-
der und Schwellenländer
Zusammen mit dem Theorem von Heckscher u. Ohlin wird dadurch der Güterhandel zwischen den Wirtschaftszweigen der Industriestaaten und der Entwicklungsländer (z.B. Maschinen gegen Textilien), der interindustrielle Handel, erklärbar.
e)
Kaufkraftniveau einzelner Staaten
Hier spielen Kaufkraftunterschiede zwischen einzelnen Staaten eine Rolle: In Staaten mit einer relativ hohen Kaufkraft der Bevölkerung werden Produkte teurer verkauft als in Staaten mit niedriger Kaufkraft. Es lohnt sich daher für Unternehmen zu-
4.
82
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
nächst ihre Produkte auf diesen Märkten zu positionieren. So belegen Untersuchungen der Europäischen Kommission etwa, dass für ansonsten identische Kraftfahrzeuge in Deutschland, auf Grund der relativ hohen Kaufkraft, mit die höchsten Preise innerhalb der Staaten der EU gezahlt werden.68 Zudem spielt es auch eine Rolle, inwieweit die Bevölkerung eines Staates das ihr zur Verfügung stehende Einkommen auf einzelne Produkte aufteilt.
f)
Economies of scale
großen Binnenmärkten entstehen Kostenvorteile bei der Massenproduktion von Gütern. Diese Vorteile können bei weiter fortschreitender Spezialisierung der Güter dazu führen, dass sich die Produktion einzelner Staaten nur auf wenige Güter stützt Bei
-
diese aber auf Grund ihrer Kostenvorteile in andere Staaten exportiert und die einheimischen Produkte der Importstaaten verdrängt werden. Durch die Spezialisierung auf wenige Produkte entstehen Kostenvorteile für die Unternehmen der exportierenden Staaten und für die Staatengemeinschaft insgesamt ein breit gefächertes Angebot.
g)
Staatliche Eingriffe Hier führen unterschiedliche Belastungen mit weiteren, insbesondere staatlich verursachten Kosten zu unterschiedlichen Preisen zwischen vergleichbaren Produkten zweier Staaten. Dies können etwa Steuern, Zölle und nicht-tarifare Auflagen (Importquoten und administrative Auflagen für bestimmte Eigenschaften eines Gutes) sein. Der Re-Import deutscher Kraftfahrzeuge aus Dänemark stellt dabei einen Spezialfall dar: Die Nettoverkaufspreise deutscher Kraftfahrzeuge liegen in Dänemark unter denen in Deutschland. Grund ist die in Dänemark höhere Belastung mit der dortigen Mehrwertsteuer (25%, im Vergleich zu 16% in Deutschland). Wird nun ein solches Kraftfahrzeug nach Deutschland reimportiert, entfällt die dänische Mehrwertsteuer und für die Einfuhr nach Deutschland muss (lediglich) die EinO.V.
(2002).
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
83
fulirumsatzsteuer (16%) entrichtet werden. Damit entsteht ein Preisvorteil für den reimportierenden Kunden.69
4.1.2
Produktdifferenzen
Zusätzlich zu den Preisdifferenzen können auch andere produktspezifische Gründe zu einem Export und Import von Gütern führen:
a)
Unterschiedliche
Qualitäten
So besitzen Güter aus hoch industrialisierten Volkswirtschaften einen tatsächlichen oder auch nur vermuteten höheren Qualitätsstandard (made in Germany). Zum höheren Qualitätsstandard kann auch das Vorhandensein ergänzender Faktoren, wie z.B. kürzere Lieferfristen und schneller und kostengünstiger Kundendienst, gerechnet werden. Die Konsumenten sind in einem solchen Fall bereit, dieses Importgut trotz eines möglicherweise sogar höheren Preises zu kaufen.
b)
Einfluss des
Nachfrageverhaltens
Auch die Existenz individueller Käuferpräferenzen kann für Kaufentscheidungen verantwortlich sein. Ähnliche Produkte werden wegen bestimmter Vorlieben (subjektive Bewertungen) aus bestimmten Ländern bezogen, etwa wenn ein privater deutscher Haushalt nur japanische Autos kauft. Die Überlegungen zu den unterschiedlichen Käuferpräferenzen für ähnliche Produkte können, zusammen mit Ansatz der economies of scale, den intraindustriellen Handel begründen.
Andere Verkaufsargumente, wie etwa Ausstattungsmerkmale und diesen Überlegungen allerdings vernachlässigt.
Serviceleistungen,
werden bei
4.
84
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Theorem der komparativen Kostenvorteile
4.1.3
Die Frage, warum sich Außenhandel lohnt ist eine der ältesten Fragen der Volkswirtschaftslehre. Den Grundstein zur Beantwortung und damit die Grundlage für die moderne Außenwirtschaftstheorie legte David Ricardo mit dem Werk 'Principles of Political Economy and Taxation' (1817). Die Kernaussage des Theorems der komparativen Kostenvorteile ist, dass Handel auch für die Länder von Vorteil ist, die für alle produzierten Güter Preisvorteile aufweisen und damit diese Güter billiger produzieren können. Es ist ein Beispiel dafür, dass die wohlfahrtssteigernden Wirkungen eines grenzüberschreitenden Tauschprozesses für beide Handelspartner theoretisch gut begründbar sind.70 Zudem gibt es eine Begründung für die Spezialisierung eines Staates auf die Produktion weniger Güter. Die Bedingung für das Funktionieren des Theorems ist allerdings, dass die Kostenüberlegenheit des Landes bei einem Gut A größer als bei einem anderen Gut B. Die Grundüberlegung ist dann: Wie viel Einheiten des Gutes A kann ein Land produzieren, wenn es auf die Produktion des Gutes B verzichtet? Das Beispiel Ricardos bezog sich auf den Handel zwischen England und Portugal mit Wein und Tuch. Die Annahmen Ricardos waren:
1.
England und Portugal produzieren sowohl Wein als auch Tuch.
2.
Portugal hat bei beiden Gütern Kostenvorteile.
Ausgangspunkt ist die folgende Übersicht über die Produktionskosten der beiden Güter in England und Portugal. Produktionskosten in Arbeitseinheiten
England
Portugal
Wein
120
80
Tuch
100
90
nobody would suggest that Norway should (2000), S. 3. „...
grow its
own
oranges." Krugman, P.,
M. Obstfeld
4.
Kapitel: Grandlagen der Außenwirtschaftstheorie
85
Portugal produziert danach beide Güter mit einem geringeren Einsatz an Arbeitseinheiten (AE). Trotzdem lohnt sich für Portugal der Import von Tuch. Hierfür werden die komparativen Kosten für die beiden Güter ermittelt.
Berechnung der komparativen Kosten England für 1 Ballen Tuch (ausgedrückt in Fass Wein)
100 AE 120 AE
=
für 1 Fass Wein (ausgedrückt in Ballen Tuch)
120 AE 100 AE
=
Portugal
0,83 Fass
90 AE 80 AE
=
1,2 Ballen
%Ü£f 90 AE
=
1,125 Fass 0,89 Ballen
Der Vergleich der Produktionskosten eines Gutes ausgedrückt in Einheiten des jeweils anderen Gutes zeigt, dass Portugal einen Kostenvorteil bei der Produktion von Wein und England bei der Herstellung von Tuch besitzt.
Bei einem angenommenen internationalen Austauschverhältnis 1 Fass Wein für 1 Fass Tuch gilt: •
•
von
Für 1 Fass Wein, das in Portugal mit 80 AE hergestellt wird, erzielt man in England einen Erlös von 1 Ballen Tuch, für dessen Herstellung in Portugal 90 AE notwendig wäre. Portugal hat damit einen Wohlfahrtsgewinn von 10 AE.
Tuch, der in England mit 100 AE hergestellt wird, erzielt man in Portugal einen Erlös von 1 Fass Wein, für Für 1 Ballen
dessen Herstellung in England 120 AE notwendig wäre. land hat damit einen Wohlfahrtsgewinn von 20 AE.
Eng-
Für den grenzüberschreitenden Handel bedeutet dies: Portugal führt Wein nach England aus, während England Tuch nach Portugal exportiert.71 Beide Länder profitieren damit aus dem grenzüberschreitend Handel. Vgl. auch Hebler, M. (1998).
4.
86
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Monetäre Außenwirtschaftstheorie
4.2
Im Rahmen der monetären Außenwirtschaftstheorie werden die Ursachen und die Wirkungen sich verändernder Austauschrelationen zweier Währungen analysiert.72 Hierbei sind zunächst die Grundbegriffe zu erläutern:
Wechselkurs
=
Preis, zu dem zwei Währungen
getauscht werden Auf- bzw.
Abwertung
=
Veränderungen des Wechselkurses
Grafisch lassen sich die Veränderungen in der Austauschrelation in einem Preis-Mengen-Diagramm verdeutlichen (Abb. 4.01). Danach bildet sich der Wechselkurs einer Währung auf dem Devisenmarkt aus dem Angebot an und der Nachfrage nach dieser Währung. Wechselkurs kann sowohl aus einer Veränderung des Angebots als auch aus einer Veränderung der Nachfrage resultieren, wie Abb. 4.02 am Beispiel einer Erhöhung der Nachfrage zeigt. Ein
neuer
Zu einer solchen Veränderung des Wechselkurses kommt es etwa durch den An- oder Verkauf einer Währung durch die eigene Zentralbank. Dies wird als Devisenmarktintervention bezeichnet (vgl. auch Kapitel 5 'Währungsordnungen (Wechselkurssysteme)'). Für das Verständnis der Wirkungsweise veränderter Währungsrelationen ist die Betrachtung in Form der hier verwendeten nominalen Wechselkurse ausreichend. Bei realen Wechselkursen wird zusätzlich das Verhältnis der Preisniveaus der Staaten berücksichtigt: Realer Wechselkurs
=
Nominaler Wechselkurs x Verhältnis der Preisniveaus.
Bei einem hohen/niedrigen realen Wechselkurs sind ausländische Güter im Vergleich zu den inländischen Güter relativ billig/teuer. Damit beeinflusst auch das Verhältnis der Preisniveaus die Nachfrage nach diesen Gütern. Vgl. ausführlicher (mit Beispielen) Mankiw, G. (1998), S. 218f.
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
87
Veränderungen des Wechselkurses haben erhebliche Auswirkungen für den internationalen Handel, für die Entscheidung eines Unter-
nehmens Direktinvestitionen in einem anderen Staat durchzuführen und auch für die Finanzmärkte. In den letzten Jahren werden Veränderungen der Währungsrelationen in der Öffentlichkeit, aber auch in der Fachliteratur für krisenhafte Entwicklungen mit verantwortlich
gemacht.
Abb. 4.01
Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt
Nachfrage
nach $
Menge
Quelle: Baßeier, U., J. Heinrich (2001), S. 518. Abb. 4.02 $ = w Euro
Veränderung des Wechselkurses einer Währung durch eine Erhöhung der Nachfrage Angebot an
$
Menge
Quelle: Baßeier, U.,
J. Heinrich (2001), S. 519.
an
S
4.
88
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
In Deutschland ist diese höhere Sensibilität
gegenüber der Bedeutung von Währurigsschwankungen vor allem im Zuge der Standortdebatte Mitte der 90er-Jahre entstanden. Folgender Textauszug aus einer Studie des BDI zum Thema 'hohe Arbeitskosten in Deutschland' dem Jahre 1996 mag dies belegen:
aus
„Daß die deutsche Wirtschaft mit den weltweit höchsten Arbeitskosten belastet ist, liegt zu einem wesentlichen Teil
ungebrochenen Dynamik der Lohnnebenkosten. Allerdings hat die dramatische DM-Aufwertung der verganan
der
genen Jahre
unsere relative Position zu unseren ausländischen Wettbewerbern noch verschlechtert. Berechnungen zufolge sind seit 1989 etwa ein Drittel der Verteuerung der Lohnstückkosten 'hausgemacht', zwei Drittel dagegen Folge der Währungsschocks."73
Mit anderen Worten: Ohne die Folgen veränderter Währungsrelationen hätte es die deutsche Standortdebatte, mit ihrer Konzentration auf die Steigerung der inländischen Arbeitskosten, in der geführten Form nicht gegeben.
Die Störeffekte
„falschen" Wechselkursen und schnellen Wechselkursveränderungen kann man veranschaulichen, indem man die von
Lohnstückkosten in nationaler Währung mit denen in einer einheitlichen Währung vergleicht. Als Beispiel kann auf die Entwicklung in den 90er-Jahren mit den noch nationalen Währungen der EU-Staaten und dem US-Dollar abgestellt werden. Bezogen auf nationale Währungen waren etwa die Lohnstückkosten in Westdeutschland im vergleichbaren Ausmaß wie in vielen anderen Staaten gestiegen (Abb.
4.03).
In einer einheitlichen Währung ausgedrückt ist zwar die Schwankungsbreite aller Staaten beachtlich, aber die Entwicklung in Westdeutschland (zusammen mit Japan) ist bis Mitte der 90er-Jahre erheblich ungünstiger gewesen, mit deutlichem Abstand zu den übrigen Staaten (Abb. 4.04). In beiden Staaten war dies wechselkursbedingt. 73
BDI
(1996), S. 9.
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
89
Lohnstückkosten in der Industrie
Abb. 4.03
in
ausgewählten Industrieländern 1985 -1998
1985 300
=
100, Jahreswerte auf Basis nationaler Währungen
300
280
280
260
260
240
240
220
220
200
200
180
180 160 140 120 100
80
1-'-'-'-1-1-1-1-1-1-1-'-1-1-1
85
86 87
88
89 90 91
92 93 94 95 96 97
80
98
1) Daten für Westdeutschland
Quelle: Weeber, J. (1999), S. 423 (aktualisierte Darstellung).
Die Folgen solcher Wechselkursveränderungen sind erheblich. Dabei sind nicht nur mittelfristige Entwicklungen von Bedeutung, auch starke Schwankungen, man spricht hier von einer hohen Volatilität, haben Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen, was z.B. die Planungssicherheit der Unternehmen betrifft. Auch hier ein Beispiel aus den 90er-Jahren: Im April 1995 erreichte eine Aufwertungswelle der DM ihren Höhepunkt, die verglichen mit dem April 1994 eine Aufwertung der DM gegenüber den wichtigsten Industriestaaten um 8% zur Folge hatte. Dies bedeutet eine erhebliche Beeinträchtigung der Wettbe-
4.
90
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
werbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft rein rechnerisch um diese 8%. Die Europäische Kommission hat in ihrem Jahreswirtschaftsbericht für 1996 die Folgen einer solchen Entwicklung berechnet. Der Wachstumsverlust für Deutschland betrug demnach über einen Prozentpunkt (Tab. 4.01), was einen negativen Beschäftigungseffekt in Höhe von rund 175.000 Arbeitsplätzen bedeutete.74 -
Lohnstückkosten in der Industrie in ausgewählten Industrieländern 1985 -1998
Abb. 4.04
300
1985
=
100, Jahreswerte auf Basis US-Dollar
280 260 240 220 200
180 160 140 120
100 80
85
86 87
88
89 90 91
92 93 94 95 96 97
98
1) Daten für Westdeutschland.
Quelle: Weeber, J. (1999), S.
524 (aktualisierte
Darstellung).
Vgl. Krupp, H.-J., J. Weeber (1997), S. 246. Im Zuge der Abwertung des japanischen Yen zur Jahreswende 2001/2002 hat die Zentralbank von Südkorea den Einfluss dieser Wechselkursveränderung auf das Wachstum der heimischen Wirtschaft berechnet. Eine Abwertung des Yen um zehn Prozent würde demnach das Wachstum des realen BIP in Südkorea um 0,6 Prozentpunkte verringern. Vgl. O.V. (2002b).
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
4.
91
Simulierte Auswirkungen von Währungsturbulenzen im EWS auf das BIP-Wachstum für ausgewählte Länder
Tab. 4.01
(Prozentpunkte) Anschließende teilweise Umkehr (April Dez. 95)_ 1995 1996
Währungsturbulenzen vom Frühjahr (Dez. 94 April 95)
-
-
1995 D
1996
-1,1
-0,4
-0,3
-0,1 0,2 0,0
0,4 0,1
UK
Quelle: Europäische Kommission (1996), S.
0,1 0,0
0,3
-0,1 0,0
-0,3 0,0
0,1
17.
Bedeutung von Auf- und Abwertung lässt sich (fiktiven) Beispielen veränderter Währungsrelationen zwischen dem Euro und dem US-Dollar zeigen: Die rein rechnerische an
•
Fall 1:
Dollar)
Aufwertung des Euro (im Vergleich zum US-
Bedeutet: Wenn für einen US-Dollar gezahlt werden muss. Also z.B.: 1 $
=
1 $
=
($) weniger Euro
2 Euro
i Dass der Euro im
1,50 Euro
US-Dollar an Wert gewinnt, wird die Sichtweise allerdings erst deutlich, gewechselt wird. Bezoauf den nämlich: Euro gen folgt
Vergleich
zum
wenn
1 Euro
=
0,50 $-> 1 Euro 0,67 $ (1:1,50) =
Damit erhält man nach der Aufwertung des Euro 0,17 $ mehr. •
Fall 2:
Dollar)
Abwertung des
Euro
(im Vergleich zum
US-
4.
92
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Bedeutet: Wenn für einen US-Dollar gezahlt werden müssen. Also z.B.: 1 $
=
1 $
=
($)
mehr Euro
2 Euro
2,50 Euro
bezogen auf den Euro folgt daraus: 1 Euro
=
0,50 $-> 1 Euro 0,40 $ (1:2,50) =
Für einen Euro erhält man also nach der Abwertung 0,10 $
weniger.
Exkurs Darstellung der Wechselkurse in den Medien
Während der Jahre 1999 bis 2001 wurden in den Medien, wie etwa in den Tagesthemen der ARD, die Währungspreise sowohl zwischen der DM zum US-Dollar als auch zwischen Euro und US-Dollar dargestellt. Dabei ergab sich, dass häufig zwischen den folgenden zwei
Darstellungsweisen gewechselt wurde:75 •
•
an, wie viele inländische Geldeinheiten eine ausländische Geldeinheit wert ist (1,80 DM pro US-Dollar bzw. 1 US-Dollar kostet x DM bzw. Euro). Diese Darstellungsweise war in Deutschland in der Zeit der DM üblich. Sie stellt den Devisenkurs einer Währung dar.
Preisnotierung: Gibt
an, wie viele ausländische Geldeinheiten man für eine inländische Geldeinheit erhält (1:1,80, also 0,55 US-Dollar je DM; insbesondere in angelsächsischen Ländern verbreitet (Außenwert einer Währung). Der Kurs des Euro wird in den Medien seit dem 1. Januar 1999 in dieser
Mengennorientierung: Gibt
Form dargestellt.
Exkurs Ende 75
Vgl. auch Koch, W. A. S., C. Czogalla (1999), S. 433.
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschattstheorie
93
Die Auswirkungen veränderter Währungsrelationen auf die Importe und die Exporte einer Volkswirtschaft sollen aus der Sicht Deutsch-
lands im Verhältnis zu den USA in Anlehnung an das Beispiel Euro/US-Dollar gezeigt werden. Dabei wird allerdings nur eine Aufwertungssituation betrachtet. Die Analyse einer Abwertung des Euro im Verhältnis zum US-Dollar kann aber entsprechend vorgenommen werden. •
Importbetrachtung bei einer Aufwertung der Devisenkurs steigender Außenwert)
des Euro
(fallen-
=
Ausgangslage: Wechselkurs von 1 $
=
2 Euro
Ein Kfz in den USA kostet vor der Aufwertung 50.000 $
Umgerechnet in Euro bedeutet das: 50.000 $
=
100.000 Euro
Jetzt erfolgt eine Aufwertung des Euro von
1 $
=
auf
1$
=
Folge: Der Preis die Aufwertung von
auf
2 Euro 1,80 Euro
des Kfz
50.000 50.000
umgerechnet in
*
2
*
1,80=
=
Euro verändert sich durch
100.000 Euro 90.000 Euro
Ergebnis: Das Kfz ist für die deutsche Einfuhr um geworden.
10.000 Euro billi-
ger
Folge dieser Verbilligung: Wenn die Nachfrage (NF) nach einem Produkt vom Preis (P) dieses Produktes abhängig ist (NF f (P)), dann steigt die Nachfrage nach amerikanischen Kfz in Deutschland =
4.
94
an.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Die deutschen
sich.76 •
Importe steigen,
die AusfAihren der USA erhöhen
Exportbetrachtung bei einer Aufwertung der Devisenkurs steigender Außenwert)
des Euro
(fallen-
=
Ausgangslage (wie zuvor) Wechselkurs von 1 $
=
2 Euro
Ein Kfz in Deutschland kostet vor der Aufwertung 100.000 Euro Jetzt erfolgt eine Aufwertung des Euro 1 $
2 Euro auf 1$= 1,80 Euro von
=
Folge: Preis des Kfz umgerechnet in $ verändert sich durch die Aufwertung von
100.000/2
auf 100.000/1,80
Ergebnis:
=
=
50.000$ 55.556$
Das Kfz ist für die US-amerikanische Einfuhr
um
5.556 $ teurer geworden.
Folge dieser Verteuerung: Die Nachfrage in den USA nach deutschen Kfz nimmt tendenziell ab, die Exporte deutscher Hersteller gehen zurück.
Insgesamt gesehen bewirkt die Aufwertung der eigenen Währung zunächst eine Verschlechterung der eigenen Wettbewerbsposition. Das Ausmaß der Beeinträchtigungen ist dabei um so größer, je stärker die Einbindung einer Volkswirtschaft in den Prozess der internationalen Arbeitsteilung ist. Es wird allerdings anhand des Beispiels auch Wie in den Ausführungen zur realen Außenwirtschaftstheorie gezeigt wurde, ist die Nachfrage nach einem Gut nicht nur von seinem Preis abhangig. Vielmehr spielen gerade bei höherwertigen Gebrauchsgütern und Investitionsgütern Aspekte wie Qualität und Kundenservice eine wichtige Rolle.
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
95
deutlich, dass die Preise für Importgüter sinken. Durch die steigende Kaufkraft können, über eine Anregung der Konsumtätigkeit der Privaten Haushalte, positive Effekte auf die konjunkturelle Entwicklung ausgehen. Möglicherweise eröffnen sich durch die niedrigeren EinfAmrpreise der Zentralbank aber auch zusätzliche Zinssenkungsspielräume, wenn sich diese Entwicklung in einer moderateren Preissteigerung im Inland niederschlägt.77 Die erwarteten Folgen von Aufwertung und Abwertung der eigenen Währung auf die Handelsbilanz sind allerdings nur mit einer zeitlichen Verzögerung festzustellen. Ursache hierfür ist das Auseinanderfallen von Preis- und Mengeneffekt. Während sich der Preiseffekt nahezu unmittelbar einstellt, reagiert die Mengenkomponente mit einer zeitlichen Verzögerung auf veränderte Währungsrelationen. Bei einer Abwertung bleibt die Import-/Exportmenge zunächst konstant, während die Preise für die Im- und Exporte schneller reagieren (die Preise für importierte Güter steigen, während die Preise für exportierte Güter sinken). Bei einer Abwertung entsteht bei der Handelsbilanz das Bild einer J-Kurve, während bei einer Aufwertung der Spazierstockeffekt entsteht (Abb. 4.05). Für diese Reaktion können verschiedene Gründe verantwortlich
sein:78 •
die
Abwicklung in Fremdwährung fakturierter bestehender Verträge, die also noch mit den alten Wechselkursen abgeschlossen wurden,
Es gibt allerdings auch wirtschaftliche Konstellationen, in denen aus Überlegungen zum Preisniveau auch die Abwertung der eigenen Wahrung erwünscht sein kann. Dies gilt etwa in Zeiten der Deflation, also in einer Lage aus Rezession und negativem Vorzeichen bei der Inflationsrate. In einer solchen Konstellation kann durch die Abwertung der heimischen Währung Preissteigerungen im Inland ausgelöst werden. Da die Konsumenten in einer solchen Situation mit weiter anziehenden Preisen rechnen, kann sich der Nachfragestau bei den Privaten Haushalten auflösen. Eine solche Politik einer schwachen Währung wurde etwa, wie bereits beschrieben, durch die japanische Regierung zur Jahreswende 2001/2002 mit dem heimischen Yen betrieben allerdings mit noch nicht sichtbarem
Erfolg.
-
Vgl. auch Teichmann, U. (1997), S. 328; sowie Siebert, H. (1989), S. 219f.
4.
96
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Auslandsnachfrage (bei einer Abwertung) ausgelasteter Kapazitäten bzw. fester Anbieter-Nachfrage-Strukturen zunächst nicht befriedigt werden. die zusätzliche kann auf Grund
Abb. 4.05
J-Kurven- und
Spazierstockeffekt
positive Handelsbilanz J-Kurve
p.
Zeit
SpazierstockefFekt
negative Handelsbilanz
4.2.1
Fundamentalfaktoren
Nachdem die Bedeutung von Änderungen im Preisverhältnis zweier Währungen deutlich geworden ist, soll die nächste Frage beantwortet werden: Welche Einflussfaktoren wirken auf die Wechselkurse? Zunächst
zu
den
so
genannten fundamentalen Faktoren für Wechsel-
kursveränderungen. Hierbei wird versucht, die jeweilige theoretische Aussage (mit fiktiven Beispielen!) empirisch zu überprüfen. Hintergrund des empirischen Teils soll das Verhältnis zwischen Euro (und
4.
seinem
4.06).79
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
wichtigsten Vorläufer, Abb. 4.06
der
97
DM) und US-Dollar sein (Abb.
Entwicklung des Wechselkurses D-Mark/US-Dollar
US-Dollar Monatsdurchschnitte
1 DM =..
0,80 1.
0,20 1—1—1—1—1—1—1—1—1—'—'—'—1—'—'—1—1—'—1—1—'—'—1—1—1—1—>75
77
79
81
83
85
87
89
91
93
95
97
99
01
Quelle: Deutsche Bundesbank.
Neben den hier behandelten Theorien lasst sich der Besitz von Devisen, und damit auch die Veränderung von Wechselkursen, auch aus der Zahlung von z.B. Lohn, Honoraren, Geschenken begründen.
4.
98
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Kaufkraftparitätentheorie Die Änderung des Wechselkurses (WK) wird bestimmt durch die Differenz der Inflationsraten zweier Länder (USA und Deutschland D).
Aussage:
=
Bsp.:
1.
USA: D:
Güterpreise + 5% gegen Vorjahr Güterpreise + 2% gegen Vorjahr
d.h., die Güter werden in den USA relativ zu denen in D teurer
2.
Folge: Nachfrage nach Gütern aus D steigt und
Nachfrage nach Gütern aus den USA geht zurück 3.
Die Nachfrage nach Euro steigt gegenüber dem den Kauf dieser Güter der Euro benötigt wird.
i
Aufwertung des Euro Wenn nur die
$, da für
gegenüber dem $
Preisentwicklung über WK-Veränderungen entscheidet,
dann ändert sich der WK Euro/US-Dollar genau um 3%.80
Wie Tab. 4.02 zeigt, lag der Verbraucherpreisanstieg im Euro-Raum in den Jahren seit 1995 immer unter dem der USA. Bei Gültigkeit der Kaufkraftparitätentheorie hätte also seit seiner Einführung der Außenwert des Euro gegenüber dem US-Dollar an Wert gewinnen müssen.
Zinsparitätentheorie Aussage: Zinsdifferenzen bewirken Kapitalbewegungen
und diese
Kapitalbewegungen beeinflussen die Wechselkurse.
Der hier beschriebene Zusammenhang wird auch als die 'Grundversion der Kaufkraftparitätentheorie' bezeichnet. In einer erweiterten Version wird etwa berücksichtigt, dass nur die Preise der international gehandelten Güter von Interesse sind. Vgl. etwa Pohl, R. (1993), S. 73.
4.
Bsp.:
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
In den USA als in D
1.
steigen die Zinsen schneller oder sind höher
besteht ein zunehmendes oder an Wertpapieren aus den USA
d.h.,
es
2.
Kaufinteressenten brauchen USA kaufen zu können
3.
Die Nachfrage nach $
Aufwertung des $ Tab. 4.02
99
$,
um
größeres
Interesse
Wertpapiere
in den
steigt gegenüber dem Euro
4
gegenüber dem Euro
USA und Euro-Raum: Indikatoren der Wirtschaftsentwicklung Wirtschaftswachstum3' Zinsen2' Inflationsrate1'
USA
Euro-Raum
USA
Euro-Raum
USA
Euro-Raum
1995
2,8
2,6
6,69
8,73
2,7
2,2
1996
2,9
2,2
6,54
7,12
3,6
1,4
1997
2,3
1,6
6,45
5,94
4,4
2,3
1998
1,6
1,1
5,33
4,70
4,3
2,9
1999
2,2
1,1
5,71
4,62
4,1
2,6
2000
3,4
2,3
6,12
5,42
4,1
3,4
2001
2,8
2,5
5,06
4,98
1,2
"
Anstieg des Verbraucherpreisindex in % gegenüber dem Vorjahr Rendite zehnjähriger Staatsanleihen 3) Anstieg des realen BIP in % gegenüber dem Vorjahr 2)
Quellen: Deutsche Bundesbank; Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Im Falle des Zinsniveaus zeigt sich ein deutliches Gefälle zu Gunsten der USA (Tab. 4.02). Dabei hat sich die Zinsdifferenz bis zum Jahre 2000 noch erhöht. Internationale Anleger haben daher aus diesem Grunde in der jüngeren Vergangenheit ihre Mittel eher in US-Dollar
angelegt.
100
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Mit Hilfe der Zinsparitätentheorie kann an einem einfachen Beispiel von Pohl zudem gezeigt werden, wie sich die Renditen für Inlandsund Auslandsanlagen bei bestehenden Erwartungen über Wechselkursänderungen durch internationale Kapitalbewegungen angleichen: „Unterstellen wir eine Ausgangssituation mit einem deutschen Zins von 6%, einem amerikanischen Zins von 5% und einer erwarteten Aufwertung des Dollar um 3%. In dieser Situation ist die US-Anlage mit einem Gesamtertrag von 8% deutlich attraktiver als die deutsche Anlage (6%). Der Renditevorsprung der US-Anlage würde einen sofortigen Kapitalabfluss von Deutschland in die USA auslösen. Diesen Vorgang die Kapitalverlagerung zum Ort der höchsten Rendite -
nennt man
Zinsarbitrage.
-
Die Arbitrage hat Folgen. Durch den Kapitalabfluss wird in Deutschland Kapital knapper, mit der Folge eines Zinsanstiegs in Deutschland (z.B. von 6% auf 7%). Der Kapitalzustrom in den USA macht dort umgekehrt Kapital reichlicher mit der Folge einer Zinssenkung (z.B. von 5% auf 4%). Der Kapitalabfluss kommt zu einem Abschluss, und die Zinssatzveränderungen hören auf, wenn das Zinsarbitragegleichgewicht erreicht ist, also inländische Anlagen wieder die gleiche Rendite erzielen wie Auslandsanlagen. Das ist jetzt der Fall, denn der Rendite für deutsche Anlagen in Höhe von 7% entspricht eine gleich hohe Rendite für die Auslandsanlage (4% + 3%). Weitere Kapitalverlagerungen von Deutschland in die USA lohnen sich nun nicht
mehr."81
Hinter dieser Darstellung stehen allerdings bestimmte Annahmen, die in der Realität nicht immer erfüllt sind:82
81 8?
wird von fehlenden Transaktions- und Informationskosten ausgegangen,
•
es
•
es
gibt keine Beschränkungen des Kapitalverkehrs,
Pohl, R. (1993), S. 77. Vgl.
auch Rosenstock, A.
(1988), S 5f.
4.
•
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Steuern auf den
erhoben, •
es
101
Kapitalverkehr und Zinsanlagen werden nicht
besteht Sicherheit über die Erwartungen.
Wachstumsdifferenzen
Aussage: Mittelfristig höheres Wirtschaftswachstum stimuliert die Anlagebereitschaft ausländischer Investoren, weil hierdurch eine Teilhabe
Wirtschaftswachstum resultieren. Gewinne sätzliche am
wird und daraus
ermöglicht
zu-
Bsp.: 1. USA: Wirtschaftswachstum + 4% D:
Wirtschaftswachstum + 1%
Es steigt z.B. das Interesse in den USA, im Vergleich zu D
Direktinvestitionen
2.
Folge:
3.
Nachfrage nach $ steigt gegenüber dem Euro, da zur Verwirklichung von Direktinvestitionen, aber auch zum
an
Kauf von Aktien in den USA (wenn auf Grund des höheren Wirtschaftswachstums steigende Kurse und/oder höhere Dividendenzahlungen dieser Unternehmen erwartet werden) die Fremdwährung benötigt wird83
Analyse hinsichtlich des Wirtschaftswachstums in den USA im Vergleich zum Euro-Raum zeigt einen deutlich stärkeren Anstieg des realen BIP in den letzten Jahren (Tab. 4.02). Erst im Verlauf des Jahres 2000 endete der längste Wirtschaftsaufschwung in der jüngeren Vergangenheit der USA. Allerdings kam es hierdurch auch zu einer Eintrübung der wirtschaftlichen Perspektiven im Euro-Raum, sodass Eine
diesem Grunde kein zusätzliches Interesse internationaler Kapitalanleger für den Euro ableiten lässt.
sich
aus
bisherigen Faktoren lässt sich damit das internationaler Anleger am US-Dollar gut ableiten. Aus den
Vgl. als Beispiel für solche Marktüberlegungen etwa O.V. (2002c).
höhere Interesse
4.
102
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Sonstige Fundamentalfaktoren Zusätzlich zu diesen vergleichsweise bekannten Fundamentalfaktoren haben sich in den vergangenen Jahren weitere Ursachen fur Wechselkursveränderungen deutlicher heraus gebildet:
a) Steigende Rohstoffpreise
Bsp. Rohöl: Nachfrage nach Rohöl ist mittelfristig preisunelastisch
i
Rohöl muss gekauft werden
i
Rohöl wird in $
gerechnet
i
ein höherer Rohölpreis erfordert höhere $-Bestände zum Kauf von Rohöl. Die Nachfrage nach US-Dollar
steigt.
Ein solcher Einfluss zeigte sich z.B. auf dem internationalen Rohölmarkt in der Zeit von Ende 1999 bis Anfang 2001, mit den entsprechenden Wirkungen auf dem Devisenmarkt.
b)
Krisenzeiten
Kriegen und internationalen Spannungen (Kuwait-Krieg 1990) erfolgt eine 'Flucht' der Anleger in die wichtigsten ReservewährunBei
gen,
wovon
insbesondere der US-Dollar und der Schweizer Franken
profitieren (safe haven-Effekt). c)
Politische Gründe
Die Unsicherheit über
a)
eine berechenbare und stabilitätsorientierte oder
Geldpolitik,
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
103
b) über die politische Entwicklung eines Landes (langfristig: Italien 70er/80er Jahre; kurzfristig: USA der 90erJahre im Gefolge der Clinton/Lewinski-Affäre), kann ebenfalls führen.
zu
Veränderungen des
Wechselkurses einer
Währung
Anhand der bisherigen theoretischen Überlegungen und ihrer empirischen Überprüfung ist die Aufwertung des US-Dollar gegenüber DM/Euro in den letzten Jahren gut fundiert. Es zeigt sich aber auch, dass die einzelnen Argumentationsstränge durchaus in unterschiedliche Richtungen weisen können.
4.2.2
Spekulationsgeschäfte
Am 17.
April 2001 folgende Meldung:
erschien in einer norddeutschen
Regionalzeitung84
Japan jubelt: Kronprinzessin ist schwanger Tokio
(afp):
Die
37-jährige Kronprinzessin Masako erwartet nach Angaben des Hofes in Tokio ihr erstes Kind. Die Frau des japanischen Thronfolgers Naruhito zeige „Anzeichen einer Schwangerschaft", teilte gestern der kaiserliche Palast mit. Hof und Bevölkerung waren begeistert. Der Yen-Kurs schnellte in die Höhe. Neben der Vorfreude über die Geburt eines Kindes (inzwischen feierte Japan die Geburt einer Tochter der Kronprinzessin) ist insbesondere der letzte Satz der Meldung bemerkenswert. Was hat die Geburt eines Kindes mit dem Wechselkurs der Währung eines Staates zu tun? Was zunächst kaum begründbar ist, wurde durch die Spekulation auf eine dadurch ausgelöste wirtschaftliche Aufwärtsbewegung von Teilbereichen der japanischen Wirtschaft begründet: Durch dieses Kind würde in Japan, so die Überlegungen, eine positive GrundstimNorddeutsche Rundschau.
4.
104
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Zeugung von mehr Kindern entstehen. Hierdurch würden Kinderausstatter und die Hersteller von Babynahrung profitieren, das Wirtschaftswachstum würde steigen. Damit wäre aber die Verbindung zu fundamentalen Überlegungen hergestellt. mung
zur
etwa die
Solche Gedankenspiele werden aber nicht mit den Spekulationsgeschäften in Verbindung gebracht, die von vielen (kritischen) Beobachtern der intematonalen Finanzmärkte für eine Reihe von wirtschaftlichen Krisen des letzten Jahrzehnts verantwortlich gemacht werden.85 So urteilt etwa die Enquete-Kommission 'Globalisierung der Weltwirtschaft Herausforderungen und Antworten' des Deutschen Bundestages: „Gefährlich wird die Spekulation für eine Volkswirtschaft dann, wenn sie sich vorwiegend oder gar ausschließlich auf Devisen-, Wertpapier- oder Immobilienmärkte konzentriert und die Anbindung an die Entwicklung realer Werte verliert. Wenn obendrein spekulative Anleger gleiche Daten nutzen, gleichen Stimmungen unterliegen, gleiche Informationen haben, dann kann es zum 'Herdenverhalten' kommen, d.h. zur kollektiven Bewegung in die gleiche Richtung. Der Herdentrieb hat im Fall der Asienkrise eine wesentliche Rolle gespielt."86 -
...
Die hier erwähnte Asienkrise wurde zwar durch Spekulationen mit den Währungen südostasiatischer Staaten ausgelöst.87 Aber auch hinter dieser Art von Spekulation steht eine rationale Überlegung: das Streben nach Gewinn. Wie läuft eine solche
Spekulation ab, Währungsverkaufes ausgeht?
wenn man vom
Beispiel
eines
Zunächst veranlassen 'bestimmte' Entwicklungen einige wenige Spekulanten zu Währungsverkäufen. Diese bestimmten Entwicklungen können etwa, wie im Fall der Asienkrise, erste Anzeichen sein, dass Dies kommt auch in plakativen
Meldungen einzelner Medien zum Ausdruck, vgl. etwa O.V. (2000).
Deutscher Bundestag (2001), S. 16.
Der scharfe Konjunktureinbruch der von der Asienkrise betroffenen Volkswirtschaften wurde allerdings nicht alleine von den Spekulationswellen gegen die Wahrungen dieser Staaten begünstigt. Vielmehr trugen auch landerspezifische Ursachen wie eine laxe Bankenaufsicht und die Vermischung zwischen Politik und privaten Unternehmen zu einer Verschärfung der Lage bei.
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
105
sich ein langanhaltendes und kräftiges Wirtschaftswachstum eines Staates langsam abschwächt. Ein Indiz dafür ist etwa eine abnehmende Wachstumsrate bei den Ausfuhren. Der Spekulant hofft nun, dass sich hierdurch eine Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung dieses Staates langsam ausbreitet. Die Spekulation findet zwischen einer 'sehr starken' Währung, i.d.R. ist dies der US-Dollar, und der Währung des erwähnten Staates statt, sie soll hier X genannt werden. Eine Spekulation kann dabei sogar ohne eigene finanzielle Mittel erfolgen.
1. Der international bekannte Finanzmagnat G. S. leiht sich von einer inländischen Geschäftsbank Geld (1 Mio) in X. Der Wechselkurs beträgt zu diesem Zeitpunkt 1 $ : 1 X. 2. Das geliehene Geld gibt er als zusätzliches Angebot dieser Währung auf den Devisenmarkt. Er erhält für seine 1 Mio X den Betrag von 1 Mio $. 3. Auf Grund der zunehmenden Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Staates und der großen Reputation des G. S. ('er weiß immer mehr und früher als andere'), tun viele andere Devisenmarktakteure das Gleiche (mit eigenen X-Beständen oder geliehenem X-Geld). Es entsteht ein Temming-Effekt.'
I
Das
Angebot
an
X
steigt drastisch an. Folge:
Außenwert von X fallt 4. In
unserem
bezahlen,
Beispiel: WK jetzt 1 $
um
:
2X
1 $ kaufen zu können).
5. Jetzt zahlt G.S. seinen X-Kredit (1 Mio
(d. h., man muss jetzt 2 X
X) zurück:
Für 1 $ erhält er 2 X, daraus folgt, für 500.000 $ erhält G.S. 1 Mio X
4.
106
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
D.h.: Von den 1 Mio $, die er (unter Punkt 2) auf dem Devisenmarkt erhalten hat, muss er nur 500.000 $ zur Tilgung des Kredites verwenden.
6.
Ergebnis: Ohne Berücksichtigung der ihm entstandenen Kosten (Zinsen für Kreditaufnahme; Personal- und sonstige Transaktionskosten) verbleibt G. S. ein Gewinn in Höhe von 500.000 $. Für die Nachahmer wird der Gewinn dabei umso kleiner, je später sie sich zum Mitmachen entschlossen haben. Dadurch wird die große Eigendynamik zu Beginn eines solchen Prozesses auch erklärbar: 'Wer zu spät kommt, den bestraft der Devisenmarkt'.
Die Folgen durch eine solche internationale den betroffenen Staat können sein: •
•
•
Spekulationswelle für
(teilweise
oder vollständige) Verlust der Währungsreserven: Er entsteht durch den Versuch der Zentralbank, das auf dem Devisenmarkt überschüssige Angebot an eigener Währung durch den Verkauf ihrer Devisenreserven (i.d.R. US-Dollar) vom Markt zu nehmen.88 Der
Extrem hohe Zinssätze auf dem Inlandsmarkt, mit nachteiligen Auswirkungen auf den Konsum und vor allem die Investitionen: Durch hohe Zinssätze sollen die Kredite für die Spekulanten verteuert werden, gleichzeitig soll das Engagement in der eigenen Währung attraktiver gemacht werden.89
Inflationseffekte und wirtschaftlicher Niedergang: Aus der Abwertung der eigenen Währung entsteht Inflationsimport, zudem ziehen ausländische Investoren ihre Finanzmittel fluchtartig ab. In vielen Staaten Südostasiens kam es im Verlauf der Krise zu
Im Zuge der EWS-Krise 1992/93 wurde auch gegen die Wahrung Frankreichs spekuliert, was bis dahin kaum vorstellbar war. Zeitweilig verlor die französische Zentralbank durch den Aufkauf des eigenen Franc 100 Mio US-Dollar pro Minute. (Daten aus: Salomon, S. (1995); zitiert nach Martin, H.-P., H. Schumann (1996), S. 89). Im Zuge der Spekulationen gegen das EWS stiegen die Zinssätze in Schweden und Irland zeitweise auf 500% bzw. 300%, diese hoher Zinssätze konnten allerdings nur kurze Zeit durchgehalten werden. Vgl. Martin, H.-P., H. Schumann (1996), S. 88.
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
107
erheblichen Abwertungen der eigenen Währungen (Tab. 4.03), zu einem kräftigen Anstieg der Verbraucherpreise und zu einem Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Produktion (Abb. 4.07). Streiks und soziale Unruhen waren u.a. die Folgeerscheinungen. Tab. 4.03
Entwicklung ausgesuchter Währungen Südostasiens
30. Juni 1997 -14. Land
August 1998
Währung
Hongkong
Hongkong-Dollar (HK$)
China
Renminbi Yuan (RMB.Y)
Singapur
Singapur-Dollar (S$)
Taiwan
Thailand
Neuer Taiwan-Dollar (NT$) Yen Won Phillipinischer Peso (P) Baht (B)
Malaysia
Malaysischer Ringgit (RM)
Japan Südkorea
Philippinen
Kursverlust in %
gegenüber einem US-Dollar
Indonesien Rupiah (Rp.) Deutsche Bundesbank, Quelle: eigene Berechnungen.
0,0% 0,0% 17,0% 19,1% 21,6% 32,7% 36,7% 38,7% 38,8% 80,1%
Auswirkungen solcher Krisen bleiben aber nicht auf die ursprünglich betroffenen Staaten beschränkt. Vielmehr wurden etwa im Zuge der Asienkrise die wirtschaftlichen Perspektiven einer Reihe anderer aufstrebender Staaten (Emerging Markets) skeptischer beurDie
teilt. Selbst kleine Anzeichen wirtschaftlicher und finanzieller Schwäche wurden von den internationalen Märkten mit einem Abzug von Kapital 'bestraft' bzw. fiihrten zu einem Risikoaufschlag in Form von höheren Zinszahlungen bei der Vergabe von neuen Krediten. Damit wurden aber die krisenhaften Entwicklungen insgesamt ver-
stärkt.90
gilt z.B. für Brasilien, wo 1998/1999 die Zahlungsschwierigkeiten eines einzelnen Bundes(Minas Gerais) Auslöser für eine skeptische Beurteilung durch die internationalen Märkte waren. Als Auswirkungen ergaben sich: a) Die Anbindung des brasilianischen Real an den USDollar wurde im Januar 1999 aufgegeben, es folgte eine Abwertung des Real um etwa die Hälfte seines Wertes innerhalb von zwei Wochen, b) Abfluss von fünf Mrd US-Dollar innerhalb einer Woche im Januar, c) Schrumpfung der Devisenreserven von 50 auf 30 MRD US-Dollar. Im Gefolge der Asienkrise und durch die eigenen Entwicklungen erfolgte eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums in den Jahren 1998/1999 (0,1% bzw. 0,8%), nach einem durchschnittlichen Wachstum Dies
staates
von
4,4% für die Jahre von 1992-1997.
108
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Abb. 4.07
Entwicklung des realen BIP in den Staaten Südostasiens seit 1981
15
i
10
s
I
|
i
I 1 i
|
1
1 | | | | |
1
|
1
|
Quelle: Aschinger, G. (2000), S. 220.
Aber nicht nur für die Emerging Markets sind die Folgen solcher Krisen spürbar. Sie haben auch Auswirkungen auf die traditionellen Industriestaaten: 1. Für die Realwirtschaften und das Preisklima
Durch die Abwertungen der Währungen ostasiens während der Asienkrise)
(z.B. in den
Staaten Süd-
Importe aus diesen Ländern günstiger,
•
werden die
•
gestalten sich die Exporte in diese Länder schwieriger (wg. der Aufwertung der eigenen Währungen und Zusammenbruch der dortigen Wirtschaft), zudem gibt es über indirekte Effekte (so sind auch andere wichtige Absatzmärkte deutscher Produkte von der Asienkrise betroffen gewesen) Rückkoppelungen auf die heimische
•
Volkswirtschaft,
wird auf Drittmärkten die Konkurrenz
größer.
aus
diesen Ländern
4.
•
2.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
109
Die Preise sinken tendenziell in Folge eines sich abschwächenden Wirtschaftswachstum, mit tendenziell sinkenden Preisen auf den Weltrohstoffmärkten (z.B. bei Rohöl)
Kapital- und Finanzmärkte Aus den Krisenstaaten abziehendes Kapital sucht sichere Anlagemöglichkeiten in den traditionellen Industrieländern (safe havenEffekt). Das in diesen Staaten steigende Kapitalangebot führt zu tendenziell sinkenden Zinsen, was wiederum einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung hat.
3. Zusätzlicher Effekt in Deutschland im Zuge der Asienkrise:
Abschreibungsbedarf wegen verlorener Kredite steigt i weniger Gewinn i weniger Steuerzahlungen
deutscher Banken
Die Folgen der Asienkrise etwa wurden von der OECD für die Industriestaaten insgesamt negativ eingeschätzt, was sich an den Auswirkungen für das Wirtschaftswachstum dieser Staaten in den Jahren 1998 und 1999 zeigen lässt (Tab. 4.04) Tab. 4.04 Auswirkungen der Asienkrise auf das Wirtschafts'* _Wachstum in Industrieländern und Regionen 1998
-0,7 1,3 -0,4 0,4 -0,9
OECD-Insgesamt Japan USA
Europäische Union
Australien und Neuseeland 1) Veränderung des realen BIP in Prozentpunkten;
Quelle:
OECD
(1998),
S. 17.
Schätzungen.
1999
-0,4 0,7 0,4 0,2 0,1
110
4.
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Grundzüge wirtschaftspolitischer
4.3
Maßnahmen bisherigen Überlegungen lassen sich verschiedene wirtschaftspolitische Eingriffsmöglichkeiten ableiten, die auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung eines Staates Einfluss haben. Dies gilt etwa für die Auswirkungen auf die Handelsbilanz. In Anlehnung an die Differenzierung zwischen realer und monetärer AußenwirtAus den
schaftstheorie wird zwischen realwirtschaftlichen und monetären Maßnahmen unterschieden. Dabei sollen die Wirkungen hier nur kurz in Abb.4.08 skizziert werden:91 Abb. 4.08
Maßnahmen
Beseitigung von Handelsbilanzungleichgewichten zur
Realwirtschaftliche
Exporte
Importe
Forderung Erschwerung -Aufhebung von -Einfuhrung Exportbeschrän- von Exportkungen kontingenten -Gewährung von Abbau von Exportbürg-
schaften und
-garantien -Gewährung von Exportsubventi-
-
z.B.
Erschwerung Einführung von -Importkontingenten
-nicht-tarifären Hemmnissen
rungen
Zinsvergünsti-
z.B. -
-
genten
-Abbau nichttarifärer Steuererleichte- Hemmnisse
Exportprämien -
-
-
Förderung -Aufhebung von Importkontin-
-Aufhebung oder -Importzöllen Exportsubven- Senkung von (oder deren tionen; Importzöllen Anhebung)
onen;
Exportprämien
Monetäre
(Wechselkurspolitik) Aufwertung: Förderung von Importen; Erschwerung von Exporten Abwertung: Förderung von Exporten; Erschwerung von Importen
gungen
Steuererleichte-
rungen
Zinsvergünsti-
gungen fur
Exportkredite
Eine ausführliche Erörterung insbesondere realwirtschaftlicher Maßnahmen findet sich bei H. (1997), S. 160-176.
Siebert,
4.
4.4
Kapitel: Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie
Literatur
Vertiefung der eignen sich etwa:
Zur
111
realen und monetären Außenwirtschaftstheorie
Dahl, D. (1993), (Kapitel A. Internationale Leistungsbewegungen, S. 586-628; Kapitel B. Die internationale Bewegung der Produktionsfaktoren, S. 629-637)
Jarchow, H.-J., P. Rühmann (2000), (Kapitel V. Kapitalverkehr und Wechselkurs, S. 79-111) Koch, E. (1992), (Kapitel 5. Bestimmungsgründe des Außenhandels, S. 92-118)
Koch, W. A. S., C. Czogalla (1999), (Kapitel 3. Außenwirtschaftstheorie, S. 460-476)
Krugman, P., M. Obstfeld (2000) Pohl, R. (1993), (Kapitel IV. Der Außenwert des Geldes, S. 62-79) Siebert, H. (1997), (Kapitel 3. Die Gütermärkte in der Weltwirtschaft, S. 21-45; Kapitel 4. Die Geldmärkte in der Weltwirtschaft, S. 47-68) Eine gute Beschreibung von Ursachen und Folgen von Währungskrisen findet sich in: Aschinger, G. (2001) und (für den eiligen Leser) bei Berger, W. (2001).
112
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
5
Ausfiüirungen zur monetären Außenwirtschaftstheorie haben gezeigt, dass Wechselkursveränderungen den grenzüberschreitenden Handel von Güter und Dienstleistungen erheblich beeinflussen und auch Auswirkungen auf andere volkswirtschaftliche Indikatoren haben. Wie im vorangegangenen Kapitel erläutert, stellen Wechselkurse die Preise dar, zu denen Währungen getauscht werden. Internationale Vereinbarungen, die die Wechselkursbildung der beteiligten Währungen nach einheitlichen Prinzipien gestalten, werden Wechselkurssysteme genannt. Sie bestimmen, ob und wie sich Wechselkurse veränDie
dern. Sie sind der wesentliche Bestandteil der internationalen Währungsordnung und legen den Rahmen fest für den monetären Teil internationaler Wirtschaftsbeziehungen.92 Wie werden nun Wechselkurse 'organisiert', damit sie den wirtschaftlichen Interessen des Einzelstaates dienen können?
gibt zahlreiche Varianten, wie die Beziehungen zwischen einzelnen Währungen ausgestaltet sein können (Abb. 5.01). Zwischen den zwei 'Grundformen', einer freien Preisbildung ausschließlich durch Angebot und Nachfrage und der Festlegung eines festen WechselkurEs
durch die dafür verantwortlichen staatlichen Institutionen, lassen sich zahlreiche Mischformen unterscheiden.93 Die Wahl des ses
Der Begriff der internationalen Währungsordnung wird in der Literatur unterschiedlich weit gefasst. So erörtern etwa Koch/Czogalla unter dem Begriff der internationalen Währungsordnung auch die Frage nach den Möglichkeiten zur Beseitigung von Ungleichgewichten bei Zahlungsbilanzen im Rahmen fester Wechselkurse. Vgl. Koch, W. A. S., C Czogalla (1999), S. 517. Dagegen stellt Pohl in seinem Kapitel über die 'internationale Währungsordnung' ausschließlich auf Wechselkurssysteme ab. Vgl. Pohl R. (1993), S. 104. Je nach Sichtweise werden den zwei
grundsätzlichen Varianten von Wechselkurssystemen auch bestimmte Mischformen zugeordnet, wie z.B. die Wechselkurszielzonen und der Currency Board.
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
113
'richtigen' Wechselkurssystems wird damit auch zu einem wichtigen Instrument der nationalen Wirtschaftspolitik etwa zum Ausgleich realer Fehlentwicklungen. Abb. S.Ol
Häufigkeit von Wechselkursregelungen Stand 31. März 2001; Zahl der Länder
-
-
Wechselkursregelungen gesetzliches Zahlungsmittel 1)
ohne eigenes
Currency Board
Sonstige Regelungen mit Kontrolliertes Floating Unabhängiges Floating teilweise festen ohne einen vorgegebenen Wechselkursen 2) Wechselkurspfad
1) inld. Euro-Währungsgebiet 2) mit kontrolliertem stufenweise Kursanpassungen ("crawling pegs")
Quelle:
IWF
Floating; Regelungen mit Wechselkursbandbreiten,
(2001), S. 2-3.
Nicht nur für die traditionellen Industriestaaten, sondern auch für die Schwellen- und Entwicklungsländer hat die Wahl des Wechselkurssystems besondere ökonomische Relevanz. Da in diesen Staaten die Güter- und Finanzmärkte i.d.R. noch nicht flexibel genug sind, wird hier häufig der Versuch unternommen exogene Schocks durch Wechselkursveränderungen (Aufwertung oder Abwertung der eigenen Währung, Wahl eines anderen Wechselkurssystems) zu mildern oder vollständig auszuschalten und damit als wichtiges Instrument der nationalen Wirtschaftspolitik zu verwenden.
Diese Mischformen werden aber hier auf Grund ihrer schnitten behandelt.
großen Bedeutung in jeweils eigenen Ab-
114
5.1
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Systeme flexibler Wechselkurse
Systemen flexibler Wechselkurse bestimmen Angebot und Nachfrage allein den Preis zwischen zwei Währungen: es existieren frei schwankende Wechselkurse und die Kursbildung erfolgt nur durch Marktprozesse. In der Realität wird eine solche reine Marktpreisbildung aber durch Eingriffe der Zentralbank ('managed floating') ergänzt. Dies kann zum einen zur Korrektur von Marktübertreibungen, etwa bei Spekulationsattacken, notwendig sein. Markteingriffe können aber zum anderen auch durch die bewusste Herbeiführung eines anderen Wechselkurses vorgenommen werden, wenn die nationale Wirtschaftspolitik die Verwirklichung eines bestimmten Zieles anIn
strebt. So waren im vergangenen Jahrhundert eine Reihe von Staaten den wirtschaftlichen Folgen starker inflationärer Prozesse bis hin zu den erheblichen negativen gesellschaftlichen Auswirkungen von Hyperinflationen betroffen. Aus der Sicht dieser Staaten war damit verständlich, dass bewusste Devisenmarktinterventionen zur kontinuierlichen Aufwertung ihrer Währungen vorgenommen wurden, damit von der außenwirtschaftlichen Seite die Preisstabilität im Inland nicht gefährdet wird. von
Vergangenheit gab es nur in kurzen Zeitabschnitten völlig frei schwankende Wechselkurse zwischen den größeren Währungen, etwa unmittelbar nach dem Ende des Bretton-Wood-Systems. Dabei besteht bei den Verfechtern flexibler Wechselkurse die Hoffnung, dass die Anpassung der Wechselkurse quasi automatisch über die ökonomische Stärke bzw. Schwäche eines Landes erfolgt vor allem über die Wirksamkeit der Kaufkraftparitätentheorie. In der Realität wurden diese Erwartungen allerdings kaum erfüllt, sodass andere Wechselkurssysteme in den Vordergrund gerückt sind.94 In der
-
Als nahezu unabhängig von den Wechselkursbewegungen anderer Währungen wird, auf Grund des großen Wirtschaftsraums und seiner Funktion als internationaler Handels- und Reservewährung, nur der Preis für den US-Dollar auf dem Devisenmarkt angesehen.
5.
5.2
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
115
Systeme fester Wechselkurse
Vollkommen feste Wechselkurse stellen die andere grundlegende Variante für Wechselkurssysteme dar. Eine staatliche Stelle (z.B. das Finanzministerium oder die Zentralbank) garantiert dabei eine bestimmte Währungsparität und damit einen bestimmten Umtauschkurs der nationalen Währung zum Gold, einer Leitwährung oder einem Währungskorb. Die Garantie erfolgt durch den Ankauf/Verkauf der eigenen Währung: Bei einer steigenden Nachfrage nach der eigenen Währung (im Verhältnis zur Leitwährung) muss die Zentralbank die eigene Währung auf dem Devisenmarkt verkaufen und dafür die Leitwährung (oder andere Reservewährungen) ankaufen. Greift die Zentralbank nicht ein, entsteht ein Nachfrageüberhang und der Außenwert der eigenen Währung steigt an. Existiert ein Angebotsüberhang, muss die Zentralbank die eigene Währung ankaufen und günstigstenfalls die Leitwährung (oder andere Reservewährungen) verkaufen, bis die gewünschte Währungsparität erreicht ist. Während der Verkauf der eigenen Währung durch einen zusätzlichen 'Druck' von eigenem Geld zunächst relativ einfach erscheint, sind für den Ankauf der eigenen Währung Devisenreserven notwendig. Bei einem nicht ausreichenden Bestand an Devisenreserven kann der gewählte Paritätskurs nicht aufrecht erhalten werden.95 Bei der Entscheidung für ein zu beachten: •
•
System fester Wechselkurse sind zudem
die Bestimmung des richtigen Wertes für die Parität: ein zu hoher Kurs etwa bedeutet eine tendenzielle Aufwertung gegenüber Drittwährungen (Auswirkungen auf Preise und Export), die Wahl der Paritätswährung (i.d.R. US-Dollar, Euro DM) oder ein Währungskorb mit den Währungen der
handelsländer).
(früher Haupt-
In der Praxis genügt bei einem funktionierenden System fester Wechselkurs, d.h. ohne spekulative Einflüsse, allerdings die Zusage, jederzeit die Währung zu einem bestimmten Kurs kaufen oder verkaufen zu können. Damit ist das Vorhandensein von Devisenbeständen in diesen Fällen nicht unbe-
dingt notwendig.
116
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Die Entscheidung für ein bestimmtes Wechselkurssystem hat damit erhebliche Auswirkungen für die Wirtschaftspolitik eines Staates, wie das folgende Beispiel für die Zahlungsbilanz zeigt.
Wirkungen von Teilbilanzungleichgewichten bei unterschiedlichen Wechselkurssystemen Teilbilanzüberschüsse (Bsp. Handelsbilanz): Bei festen Wechselkursen:
Übersteigen die Exporte von Gütern die Importe, entsteht ein Devi-
senüberschuss. Nettodevisenzuflüsse bewirken eine Erhöhung der inländischen Geldmenge, weil die Zentralbank den Ankauf der Devisen mit Inlandswährung bezahlt (bezahlen muss, weil sie den Wechselkurs zwischen der inländischen und ausländischen Währung stabil zu halten hat). Eine steigende Geldmenge wirkt bei unterausgelasteten Produktionskapazitäten tendenziell beschäftigungsfördernd. Bei zunehmendem Auslastungsgrad steigt die Wahrscheinlichkeit von Preissteigerungen. Daher wird in der Praxis von stabilitätsorientierten Zentralbanken die steigende Geldmenge durch den Einsatz geldpolitischer Instrumente neutralisiert, etwa durch die Verringerung des Volumens bei Wertpapierpensionsgeschäften (auch 'sterilisierte' Interventionen genannt). Bei flexiblen Wechselkursen: Bei flexiblen Wechselkursen erfolgt der Ausgleich der Handelsbilanz quasi automatisch. Auf dem Devisenmarkt ist bei einem Handelsbilanzüberschuss das Angebot an ausländischer Währung größer als die Nachfrage (Ausländische Importeure bieten die eigene Währung auf dem Devisenmarkt an, um die Währung des Exportlandes zur Bezahlung der Rechnung kaufen zu können. Derselbe Effekt entsteht, wenn die Exporte mit der Währung des Importlandes direkt bezahlt werden.) Die inländische Währung wertet auf: für eine Einheit der Auslandswährung müssen weniger Einheiten der inländischen Währung gezahlt werden. Mit dem Anstieg des Außenwertes
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
117
der Inlandswährung werden einerseits inländische Waren im Ausland teurer werden. Die Exporte sinken, das inländische Wachstum wird beeinträchtigt, mit Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Durch den steigenden Außenwert werden aber andererseits die Einfuhren günstiger. Rückläufige Einfuhrpreise wirken mäßigend auf die inländische Preissteigerungsrate und unterstützen damit die wirtschaftliche Entwicklung. Bei flexiblen Wechselkursen besteht für die Zentralbank keine Verpflichtung die ausländische Währung aufzukaufen -» Keine automatische Erhöhung der inländische Geldmenge durch die Zentralbank.
Teilbilanzdefizite (Bsp. Handelsbilanz): Bei festen Wechselkursen: Bei einem negativen Saldo der Handelsbilanz übersteigen die Devisenabflüsse die Devisenzuflüsse; es kommt zu einem Nettodevisenabfluss. Da die Zentralbank Devisen aus dem eigenen Bestand gegen Inlandswährung verkauft sinkt die umlaufende inländische Geldmenge (mit Beeinträchtigungen der Inlandsnachfrage und Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt).
Bei flexiblen Wechselkursen:
erfolgt über den Wechselkurs: Auf dem Devisenmarkt ist die Nachfrage nach der ausländischen Währung größer als das Angebot, da für die Importe des Inlandes die Währung des Exportlandes benötigt wird (Annahme: Fakturierung in Auslandswährung). Für eine Einheit der ausländische Währung muss mehr Inlandswährung gezahlt werden; es liegt eine Abwertung vor. Dadurch werden die inländischen Güter für den Export günstiger (mit positiven Auswirkungen auf die heimische Wirtschaftsentwicklung). Der Ausgleich der Handelsbilanz
Nach traditioneller Theorie müssten Ungleichgewichte der Leistungsbilanz daher bei flexiblen Wechselkursen vermieden werden.
118
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Es zeigt sich aber, dass mittelfristig auch Ausnahmen möglich sind: •
•
Dauerhaftes Leistungsbilanzdefizit (Handelsbilanz) der USA seit Anfang der 90er-Jahre (erhöhte Investitionsbedürfnisse). Es findet trotz flexibler Wechselkurse kein Ausgleich über den Devisenmarkt statt. Entgegen der üblichen Lehrbuchweisheit hat sich der Wechselkurs des US-Dollar seither tendenziell aufgewertet. Andere Einflussfaktoren auf den Wechselkurs des US-Dollar sind anscheinend bedeutsamer gewesen. Damit konnte aber ein Ausgleich des Leistungsbilanzdefizits über die Abwertung der US-amerikanischen Währung nicht erfolgen.96 Von
Wechselkursentwicklung unabhängiges Leistungsbilanzde-
fizit in Deutschland in der Wiedervereinigung zur Finanzierung des erhöhten Kapitalbedarfs (erhöhte Konsumbedürfnisse). Zwischen den Systemen flexibler und fester Wechselkurse gibt es im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Währungsordnung zahlreiche Zwischenformen. Zwei davon, die Wechselkursbandbreiten und der Currency Board, werden in den nächsten Abschnitten behandelt.97 Handelsbilanzüberschüsse sind i.d.R. leichter zu korrigieren als (dauerhafte) Handelsbilanzdefizite. Langanhaltende Handelsbilanzdefizite führen zu Devisenmangel. Importe können dann nur mit Auslandskrediten und damit durch Kapitalimporte finanziert werden. Da diese Kredite verzinst und getilgt werden müssen, können bei der Fälligkeit der Kredite erhebliche Rückzahlungsprobleme entstehen (Gegenbeispiel: USA 90er-Jahre). Zudem bedeuten dauerhafte Importüberschüsse, dass es zu einem Netto-Export an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage kommt (mit Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt). Aber auch Handelsbilanzüberschüsse sind mit Problemen verbunden: Im Export erwirtschaftete Devisen steigern tendenziell die umlaufende Geldmenge (in Abhängigkeit vom Wechselkurssystem). Durch den Außenhandelsüberschuss werden zudem Güter per Saldo mehr ex- als importiert. Beide Effekte können zu Preissteigerungen im Inland führen. Spezielle Maßnahmen zur Beseitigung anhaltender Handelsbilanzdefizite und -Uberschüsse wurden schon in Kapitel 4 'Grundlagen der Außenwirtschaftstheorie' behandelt. Eine weitere Zwischenform stellt der Crawling Peg dar. Dabei wird die Parität (an eine fremde Währung oder einen Währungskorb) regelmäßig, mit zuvor festgelegten Schritten (i.d.R. ein Prozentsatz oder als Reaktion auf Entwicklungen ausgewählter Indikatoren, wie etwa der Inflationsrate) verändert. Crawling Pegs werden in erster Linie für eine kontinuierliche Abwertung der eigenen Währung eingesetzt, um die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Industrien zu unterstützen. Diese Form eines Wechselkurssystems ist daher etwa für Schwellenländer besonders interessant. Ein wichtiges Beispiel für die praktische Durchführung eines Crawling Peg (zuletzt Währungskorb aus US-Dollar und Euro) stellt die Verwirklichung dieses Wechselkurssystems durch Polen im Jahre 1991 dar. Am 12. April 2000 wurde der Wechselkurs des polnischen Zloty im Hinblick auf die beabsichtigte Teilnahme Polens an der EU, und damit als potenzieller Kandidat an der EWU, freigegeben. Vgl. auch Aschinger, G. (2001), S. 105f; Jarchow, H.-J., P. Rühmann (1997), S. 354.
5.
5.3
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
\\ 9
Wechselkursbandbreiten
In der wirtschaftspolitischen Realität der 'Nach-Bretton-Woods-Ära' wurden die Wechselkurse der wichtigen Währungen zunächst keinen Beschränkungen unterworfen. Im Zuge des Abkommens der Staatsund Regierungschefs von Den Haag (1969) sollte die Europäische Gemeinschaft allerdings zu einer Wirtschafts- und Währungsunion ausgebaut werden, sodass auch auf dem Gebiet der Währungspolitik eine intensivere Zusammenarbeit anzustreben war. Darüber hinaus wurde schnell deutlich, dass sich Probleme für eine nationale Wirtschaftspolitik auch durch flexible Wechselkurse ergaben. Es wurden daher Lösungen angestrebt, die die Vorteile von flexiblen und festen Wechselkursen zu verbinden suchten.
Als Ergebnis der genannten Überlegungen gingen die Staaten der EG 1972 zunächst zu einem gemeinsamen Floaten (so genanntes Blockfloaten) gegenüber dem US-Dollar über: Dieses Floaten des Wechselkursverbundes wird bildhaft mit einer 'Schlange im Tunnel' beschrieben. Dabei bilden die Wände des Tunnels den Rahmen in dem sich die einzelnen Währungen bewegen. Zwischen den Währungen der EG-Staaten, also im Innenverhältnis bzw. im Tunnel, bestanden stabile Paritäten (interne Wechselkursbindung). Den Rahmen (die Wand des Tunnels) bildete der Wechselkurs zum US-Dollar, der die
höchstzulässige Abweichung beschrieb.98
Im Verlauf der 70er-Jahre ergab sich, dass auf Grund der mangelnden Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken der Teilnehmerkreis stark schwankte: die zwischen den Staaten vereinbarten Wechselkurse konnten auf Dauer nicht gehalten werden. In einer Weiterentwicklung der Währungsschlange wurde schließlich am 13. März 1979 das Europäische Währungssystem (EWS) errichtet. Ziel war es, die Wechselkurse zwischen den Währungen der EG-Staaten zu stabi-
Vgl. auch Jarchow, H.-J., P. Rühmann (1997), S. 292f; sowie Teichmann, U. (1997), S. 313.
120
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
lisieren." Dadurch sollte eine stabile Währungszone im ökonomischen Kernbereich
Europas geschaffen werden. Das EWS gilt als das wichtigste Beispiel fur ein Währungssystem mit Wechselkursband-
breiten. In den vergangenen Jahren wurde die Idee eines solchen Bandes im Zuge der Diskussion über die vom ehemaligen Bundesminister der Finanzen Oskar Lafontaine propagierten Wechselkurszielzonen zwischen den Währungen der so genannten Triade (USA, EU, Japan) wieder belebt.100
System können also
die Wechselkurse der beteiligten Währungen frei schwanken allerdings innerhalb einer bestimmten Bandbreite. Überschreitet der Wechselkurs einer Währung diese Bandbreite, treten bestimmte Mechanismen in Kraft, die den Wechselkurs der Währung wieder in dieses Band zurückführen sollen In einem solchen
-
(Abb. 5.02). Abb. 5.02 Wechselkurs
Wechselkursbandbreiten
obere Bandbreite
Zielzone
untere
Bandbreite
I.d.R. etwa
war
die
EG-Mitgliedschaft mit
der
Mitgliedschaft
im EWS verbunden. Ausnahmen stellten
Großbritannien, Schweden und Griechenland dar.
Vgl. etwa Lafontaine, O., C. Müller (1998), S. 76f. Lafontaine/Müller berufen sich dabei auf einen Vorschlag der Bretton-Woods-Kommission aus dem Jahre 1994 unter dem Vorsitz des ehemaligen US-amerikanischen Notenbank-Chefs Paul Volcker. Vgl. Bretton-Woods-Kommission (1994). Als eine von vielen kritischen Stellungnahmen zur Diskussion der damaligen Zeit: Duisenberg, W. (1998). Einen interessanten Einblick über die Diskussion der damaligen Zeit liefert der ehemalige Abteilungsleiter von Lafontaine Wolfgang File: File, W. (2001), insb. S. 203ff. Grundsatzliche Darstellungen zu Wechselkurszielzonen finden sich in: Williamson, J. (1983), S. 65f; Krugman, P. (1991). Das Studium dieser Darstellungen erfordert allerdings zum Teil erhebliche volkswirtschaftliche Kenntnisse.
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
121
Das EWS als Beispiel für ein Wechselkursbandbreitensystem Für ein System von Wechselkursbandbreiten sind Elemente unverzichtbar: •
•
•
eine
Bezugsgröße, um Währungen schwanken,
einige
den die Wechselkurse der
Bandbreiten als obere und untere bewegungen und
zentrale
beteiligten
Begrenzung für Wechselkurs-
Maßnahmen (Interventionen), die eine Rückkehr der Wechselkurse in die Zielzone gewährleisten.
Bezugsgröße: Der ECU (European Currency Unit) war eine Kunstwährung im EWS und übernahm die Funktion als Bezugsgröße im Wechselkursmechanismus. Die Leitkurse der nationalen Währungen schwankten zwischen zwei Werten
zum
ECU, die als obere und
untere Bandbreite festgelegt wurden. Der ECU war ein Währungskorb er setzte sich aus unterschiedlich großen, periodisch über-
Anteilen der einzelnen Währungen der EU-Länder zusammen.101 Für jede Währung wurde ein ECU- Leitkurs festgelegt:102
prüften
für die DM: 1 ECU
=
1,94964 DM
für den Französischen Franc (FFR): 1 ECU
=
6,53883 FFR
Aus diesen ECU-Leitkursen können dann bilaterale Leitkurse zwiDie Gewichtung orientierte sich u.a. an der Wirtschaftskraft (Sozialprodukt) und den innereuropäischen Handelsanteilen eines Staates. Die Korbanteile wurden mit dem Inkrafttreten des Vertrages liber die EU (1993) festgeschrieben. Die Währungen Österreichs, Schwedens und Finnlands waren daher durch ihren späten Beitritt zur EU (1. Januar 1995) nicht im ECU-Korb enthalten. Diese Kurse werden in internationalen Vereinbarungen festgelegt. „Die Wechselkurse geben in diesem System nicht unbedingt die tatsächlichen Angebots- und Nachfrageverhältnisse auf den Devisenmärkten wieder, da die Parität im Allgemeinen einer politischen Zielvorstellung entspricht und allenfalls die zum Zeitpunkt der Festlegung herrschenden Marktverhältnisse widerspiegelt." Koch, E. (1992), S. 380.
122
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
sehen den einzelnen Währungen berechnet werden:
1,94964 DM 6,53883 FFR =
daraus folgt:
=3,35386 FFR oder
1DM= 1 FFR
=
0,29816 DM
Bandbreiten: Die Notenbanken waren verpflichtet, durch Interventionen den Wechselkurs ihrer Währung in einer bestimmten Bandbreite zu halten. D.h.: Der an den nationalen Devisenbörsen ermit-
telte Marktkurs durfte vom bilateralen Leitkurs maximal um einen bestimmten %-Satz abweichen. Die Bandbreite betrug zunächst ± 2,25% (italienische Lira ± 6%; zeitweise britisches Pfund und spanische Peseta ± 6%). Im Zuge der schweren Devisenmarktturbulenzen 1992/1993 wurde die Bandbreite ab August 1993 auf ± 15% erweitert. Interventionen: Bilaterale Notenbankinterventionen wurden verpflichtend vereinbart, wenn die Bandbreiten tangiert wurden, z.B. bei einer zu starken Aufwertung der DM zum FFR: • •
Ankauf von FFR durch die Deutsche Bundesbank und Verkauf von DM durch die Zentralbank Frankreichs.
Bereits vorher waren allerdings nationale Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Abweichung des ECU-Wertes der eigenen Währung 75% der maximalen Bandbreite erreichte (sog. Abweichungsindikator). Maßnahmen waren hier: •
•
Einseitige Interventionen (Stützung/Schwächung der eigenen Währung, durch Kauf/Verkauf der eigenen Währung)
währungspolitische Maßnahmen (Einsatz geld- und währungspolitischer Maßnahmen, z.B. Zinsveränderungen) Interne
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
123
großen, dauerhaften Wechselkursveränderungen und bei einer Veränderung des Teilnehmerkreises wurden Realignments (Leitkursanpassungen) vorgenommen. Zum Schutz der eigenen Volkswirtschaften konnte auch eine Suspendierung der Teilnahme am Wechselkursmechanismus erfolgen (Lira und britisches Pfund am 17. September 1992). Bei
Durch diese vergleichsweise strikten Regelungen sollten die aus großen und schnellen Wechselkursbewegungen resultierenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen für die EU-Staaten vermindert werden. Die Politik der Wechselkursbandbreiten erwies sich über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren auch als erfolgreich. Im Zuge der Spekulationen von 1992/1993 gegen nahezu alle Währungen des EWS und mit Ausweitung der Bandbreiten als Reaktion darauf, war aber dieses System faktisch nicht mehr existent. Als Auslöser und Verstärker der EWS-Krise wurden zahlreiche Erklärungen genannt. Z.B.: •
•
Unterschiedliche Entwicklungen wichtiger Stabilitätskriterien in den einzelnen Ländern (Inflationsraten, Zinsen, Staatsverschuldung): Dadurch sollte eine starke Nachfrage nach Währungen mit guter gesamtwirtschaftlicher Performance ausgehen. Aber es waren auch Staaten von der Spekulation betroffen, die gute fundamentale Daten aufwiesen. Unsicherheit darüber, ob alle EWS-Währungen auch an der EWU teilnehmen werden (politischer Grund: negativer Ausgang des dänischen Referendums; nur knapp positiv in Frankreich) bzw. die Konvergenzkriterien in Zukunft erfüllen.
Als Nachfolger des EWS wurde im Zuge der EWU der Wechselkursmechanismus II (WKM II) errichtet.103 Nach dem Vertrag von Maastricht müssen Staaten, die sich für eine Teilnahme an der EWU qualifizieren wollen das Wechselkurskriterium erfüllen, um den Wechselkurs ihrer Währung im Verhältnis zum Euro zu stabilisieren: Dies Zur konkreten Ausgestaltung des WKM II: Deutsche Bundesbank (1998). gen nehmen vor Frenkel, M., C Nickel (1999); sowie Rose, F.-J. (2000).
Ökonomische Bewertun-
124
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
wird durch die Teilnahme am WKM II erfolgen. Danach muss ein beitrittswilliger Staat mindestens zwei Jahre innerhalb der normalen Bandbreiten zum Euro (± 15%)104 am WKM II teilgenommen haben, ohne dass eine Abwertung vorgenommen wurde.105 Damit sollen sich die betroffenen Staaten daran 'gewöhnen', den Wechselkurs nicht mehr als Mittel der nationalen Wirtschaftspolitik einsetzen zu können. Dies würde damit, neben den bisherigen drei „Pre-Ins" Dänemark, Großbritannien und Schweden, auch die Staaten im Rahmen der geplanten EU-Osterweiterung betreffen, die sich, bei Erfüllung auch der anderen Konvergenzkriterien, für die EWU qualifizieren können.
Currency Board
5.4
Während Wechselkursbandbreiten immerhin Schwankungen der nationalen Währungen im gewählten Rahmen zulassen, stellt ein Currency Board eine noch strengere Form der Wechselkursbindung dar: Die nationale Währung wird in einem festen Verhältnis an eine ausländische Währung oder einen Währungskorb gebunden. Gegenüber einem System fester Wechselkurse geht allerdings die Aufgabe einer eigenständigen Gestaltung von Geld- und Währungspolitik weiter. Die wesentlichen Bestandteile eines Currency Boards sind: •
Die
'gesetzliche' Festlegung der gewählten Wechselkursrelation, d.h. eine Änderung der gewählten Wechselkursrelation kann nur durch eine Änderung der gesetzlichen Grundlage erfolgen (im Gegensatz zu einem System mit festen Wechselkursen).106
Allerdings ist auch bei einem hohen Konvergenzstand eine engere Bandbreite möglich, wie z.B. Danemark mit ± 2,25 %.
Vgl.
Deutsche Bundesbank (2001).
Insofern stellt ein
Currency Board eine extreme Variante eines Festkurssystems dar.
für
5.
•
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
125
Eine vollständige Deckung der monetären inländischen Geldbasis (Banknoten, Münzen, Sichteinlagen) durch Devisenreser-
ven.107 •
Der Zentralbank wird nahezu jeder Entscheidungsspielraum entzogen, da etwa Zinsentscheidungen auch den Wechselkurs beeinflussen würden. Damit wird eine nationalen Geldpolitik
aufgegeben.108
Ein solches Wechselkurssystem findet sich z.B. in einigen EUBeitrittsländern (Abb. 5.03). Hier ist die Bindungswährung z. T. der Euro, in außereuropäischen Staaten wird die eigene Währung eher an den US-Dollar angekoppelt.109 In der jüngeren Vergangenheit ist die Bedeutung des Currency Boards besonders durch die Finanzkrise in Argentinien in den Mittelpunkt der Medien und wissenschaftlicher Analysen gerückt. Die jahrelange Anbindung des argentinischen Peso an den US-Dollar wurde als eine wesentliche Ursache für den ökonomischen Niedergang und die gesellschaftlichen Probleme des Landes ausgemacht. Boards ist der Glaubwürdigkeits- und Stabilitätsimport durch eine stabile Fremdwährung (oder eines Währungskorbes), also die Übertragung der Reputation der Anker- auf die eigene Währimg. Durch die Anbindung des Wechselkurses der eigenen Währung an den Kurs einer Fremdwährung mit einem stabilen, möglichst leicht steigenden Außenwert soll vor allem die Bekämpfung
Ziel eines
Currency
Aschinger weist daraufhin, dass für die engen Geldmengenaggregate Ml und M2 im Allgemeinen keine 100% Deckung vorliegt. Diese Unterdeckung wird zum Problem, wenn auf Grund von Währungsspekulationen die in- und ausländischen Anleger die Guthaben in nationaler Währung in Guthaben in der Ankerwährung umtauschen wollen. In einem solchen Fall sind die Geschäftsbanken für die vollständige Deckung durch die Ankerwährung verantwortlich. Sollte es notwendig sein, eine steigende Nachfrage nach der Ankerwährung zu befriedigen, können sie Aktiva verkaufen bzw. Kredite kundigen, sodass ein steigendes Zinsniveau die Folge ist, mit entsprechenden Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung des Staates. Vgl. ausführlicher zur Unterdeckungsproblematik Aschinger, G. (2001), S. 129. Ein minimaler Handlungsspielraum der nationalen Mindestreservesätzen bestehen.
Geldpolitik
bleibt evtl. bei der
Gestaltung
von
Aus historischen Gründen bezogen sich Currency Boards von ehemaligen Kolonien häufig auf die Währung der Kolonialmacht, etwa auf das britische Pfund oder vor der Einführung des Euro auf den französischen Franc.
126
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
hoher Inflationsraten ermöglicht werden. Durch sinkende Inflationsraten wird schließlich das Vertrauen in die Stabilität der Volkswirtschaft erhöht und ausländische Investoren zu einem verstärkten Engagement ermuntert. Niedrige Preissteigerungen, positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt würden dann als Ergebnis die Durchführung des Currency Boards rechtfertigen. Abb. 5.03
Wechselkurssysteme der EU-Beitrittsstaaten
Land
Merkmale
Bulgarien
Currency Board, Bindung an EUR/DM. Currency Board, Bindung an EUR/DM. Bindung an SZR. Currency Board, Bindung an US-Dollar. Bindung an einen Währungskorb: EUR (56,8%) US-Dollar (21,6%) GBP (21,6%) Schwankungsbreite: ± 0,25% Wechselkursanbindung mit gleitender Abwertung, Bindung an einen Währungskorb: US-Dollar (45%) EUR (55%) Schwankungsbandbreite: ± 15%,
Estland Lettland Litauen Malta
Polen
Rumänien Slowakische Republik Slowenien Tschechische Republik
Ungarn
Zypern
vorangekündigte monatliche Abwertung: 0,3% Managed Floating (informelle Referenzwährung: EUR). Managed Floating (informelle Referenzwährung: EUR). Managed Floating (informelle Referenzwährung: EUR). Managed Floating (informelle Referenzwährung: EUR). Wechselkursbindung mit gleitender Abwertung, Bindung an EUR, Schwankungsbandbreite: ± 2,25%, vorangekündigte monatliche Abwertung: 0,4%. Bindung an EUR, Schwankungsbandbreite: ± 2,25%.
Quelle: EZB (2000), S. 45.
Aufwertung der Ankerwährung erfahrt damit auch die angebundene Währung eine Aufwertung. Dadurch sinken die Preise für importierte Güter, wodurch sich auch für die Inlandspreise ein Preissenkungsspielraum ergibt: die Inflationsrate geht damit tendenziell Bei einer
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
127
zurück, es wird Stabilität importiert.110 Unterstützt wird dieser Prozess
durch eine zurückhaltende Ausgabenpolitik im Bereich der öffentlichen Finanzen: Die Kjeditwünsche staatlicher Ebenen können von der nationalen Zentralbank i.d.R. nicht mehr erfüllt werden, da sich die Geldbasis an der Höhe der Devisenreserven zu orientieren hat.111 Fiskalpolitische Stabilität und Preisstabilität sollen schließlich zu niedrigeren Inlandszinsen führen, mit positiven Impulsen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Die Vorteile des Currency Boards haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Reihe von Staaten veranlasst, das Außenverhältnis ihrer Währung auf dieses Wechselkurssystem umzustellen. Allerdings sind die Probleme dieses Systems nicht unerheblich. Die ökonomischen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten eines Staates werden mitunter auch auf die Einrichtung eines Currency Boards zurück geführt, wie das Beispiel Argentiniens zeigt. Das Ende des
Currency Boards in Argentinien
Die ökonomische Situation Argentiniens war Anfang der 90er-Jahre von einer Hyperinflation geprägt. So stieg die Inflationsrate im ersten Quartal des Jahres 1990 auf über 14.000% an. Die wirtschaftlich desolate Lage schlug sich in einem deutlichen Rückgang der realen Produktion nieder: zwischen 1987 und 1990 ging das reale BIP um insgesamt über 10% zurück. Zur Eindämmung der Hyperinflation wurde 1991 der argentinische Peso durch einen Currency Board an den US-Dollar gebunden. Die Erfolge stellten sich rasch ein: Die Inflationsrate erreichte bereits 1993 einen einstelligen Wert (7,4%) und auch das wirtschaftliche Wachstum zog in den Jahren nach der Einführung des Currency Boards z.T. kräftig an. Durch die
stetige Aufwertung
des US-Dollar in der zweiten Hälfte
Die Glaubwürdigkeit einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik wird im Rahmen eines Currency Boards noch dadurch unterstützt, „dass der Wechselkurs ein sehr einfacher und sichtbarer Indikator ist, sodass die Öffentlichkeit leicht überprüfen kann, ob die Politik eingehalten wird." Gerloff, A.
(2001).
Gegebenenfalls kann es hier auch zu ergänzenden gesetzlichen Regelungen kommen.
128
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
der 90er-Jahre kehrten sich aber die Vorteile des Currency Boards in Nachteile um: auch der Außenwert des Peso stieg. Die Exportwirtschaft Argentiniens konnte ihre Produkte, wenn überhaupt, nur noch mit Hilfe von Preiszugeständnissen absetzen. Verschärft wurde die Lage Anfang 1999 durch die Abwertung des brasilianischen Real im Zuge der dortigen Finanzmarktturbulenzen. Konkurrenzprodukte aus Brasilien wurden damit für internationale Interessenten noch attraktiver. Zudem verteuerten sich argentinische Produkte für brasilianische Importeure kräftig. Durch die Bindung des Peso an den US-Dollar war eine Abwertung der argentinischen Währung aber nicht möglich. Die Folge war eine Überbewertung des Peso: Das Wachstum der Volkswirtschaft verminderte sich dadurch deutlich; in den Jahren von 1999 bis 2001 ging das reale BIP jeweils zurück. Die Arbeitslosenquote stieg auf 17,3% im Jahresdurchschnitt 2001 (nach Presseberichten betrug sie im Februar 2002 schon 22%) an. Durch die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt wurde der Private Verbrauch zusätzlich geschwächt. Der ökonomische
Niedergang führte zu sich verschärfenden soziaSpannungen. Zur Linderung der Finanznot der öffentlichen
len Haushalte wurden etwa Gehaltsanteile für Provinzbeamte, in später gegen Peso eintauschbare, Schuldpapieren (sog. 'Patacones') ausbezahlt, mit denen Käufe von Waren und auch die Bezahlung von Steuern ermöglicht wurden. Zudem mussten Beamte und Rentner Kürzungen ihrer Gehälter bzw. Renten hinnehmen.
Exportschwäche, mangelnde Nachfrage auf der Konsumentenseite, eine durch den Currency Board nur beschränkt handlungsfähige Finanzpolitik und die preisdämpfenden Effekte der Peso-Auf-
wertung führten schließlich
einer Deflation: Zwischen 1999 und 2001 ging ein rückläufiges Wirtschaftswachstum mit einer negativen Preissteigerungsrate bei den Konsumentenpreisen einher. Um die Zahlungsunfähigkeit Argentiniens zu verhindern, gewährte der IWF im Rahmen eines Unterstützungsprogramms in den Jahren 2000/2001 Finanzmittel in Höhe von über 22 Mrd. US-Dollar. Der
zu
Niedergang der Wirtschaft Argentiniens zeigte sich auch an den Aktienmärkten. So ging argentinische Merval-lndex zwischen Januar und November 2001 um über 60% zurück, was Vermögenssituation der Anleger zusätzlich verschlechterte.
der die
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
129
Die Verschärfung der wirtschaftlichen Situation zeigte sich auch auf den Kapitalmärkten. Im Zuge der wachsenden politischen und ökonomischen Unsicherheiten und aus Angst vor einer zu erwartenden Abwertung des Peso wurden zunehmend Peso in US-Dollar getauscht und ins Ausland transferiert. Die Peso-Einlagen verringerten sich etwa in der ersten Jahreshälfte 2001 um rund 20%. Kapitalgeber verliehen neue Kredite nur zu wesentlichen höheren Zinssätzen, die steigende Risikoprämien ('Zitterprämien') auf Grund rapide sinkender Bonitätseinschätzungen enthielten. Gegen Ende 2001 wurden ausländische Kredite nahezu nicht mehr gewährt, die Regierung erklärte die Zahlungsunfähigkeit."2 Die Loslösung vom US-Dollar wurde auch deshalb erschwert, weil die größtenteils auf die US-amerikanische Währung lautende hohe Auslandsverschuldung (2000: ca. 147 Mrd. US-Dollar ca. 50% des BIP) bei der dann zu erwartenden Abwertung des Peso immer schwerer zu begleichen gewesen wäre (mehr Peso müssen zur Begleichung der Dollar-Schulden aufgewendet werden). Zahlreiche Firmeninsolvenzen wurden erwartet, ein hoher Abschreibungsbedarf würde bei den Banken bestehen. Zudem war die Erinnerung an die frühere Hyperinflation der eigenständigen Geld- und Währungspolitik noch gegenwärtig. =
Ein für das Land
vergleichsweise günstiger Ausstieg aus der Anbinden US-Dollar, mit dem Aufbau einer unabhängigen Zentdung an ralbank an der Spitze notwendiger Reformen, wurde damit verpasst. Am 11. Februar 2002 erfolgte nach zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Kehrtwendungen (z.B. wurden alternativ erwogen: a) die Anbindung des Peso an einen Währungskorb aus US-Dollar und Euro, b) die Dollarisierung Argentiniens, c) die Einfuhrung der neuen Währung 'Argentino', d) Wechselkursbandbreiten zum brasilianischen Real) die Loslösung und damit die Aufgabe der 1:1 Bindung zum US-Dollar. Innerhalb weniger Tage wertete sich der Peso auf 1:2 ab und verlor damit die Hälfte seines Wertes; Ende März 2002 betrug der Wertverlust sogar rund 70%. Zur Befriedigung des hohen Kapitalbedarfs wurden Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Unternehmen müssen auf ihre Ausfuhren eine Exportsteuer bezahlen (z.B. auf Rohöl 20%, auf Agrarprodukte 10%). Zudem werden weitere Hilfskredite vom IWF erwartet, die die Folgen des erwarte-
130
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
5.
ten starken
Rückgangs des BIP mildern sollen. Im Rahmen eines Umschuldungsprogramms wurden Anfang Januar 2002 fällige Zinszahlungen für ausländische Gläubiger ausgesetzt und bestehende Schulden in längere Laufzeiten bei niedrigerer Verzinsung umgewandelt.
Quellen: Beyerle, H. (2002); Grüttner, A. (2002); Luchtmeier, H. (2001a); Mewes, C. (2002); Sandte, H. (2002).
H.
(2001); Moses,
Die wesentlichen Probleme dieser Wechselkursanbindung sind daher: •
•
•
•
bei einer
Abwertung onsimport,
der
Fremdwährung
entsteht ein Inflati-
bei einer Aufwertung der Fremdwährung verschlechtert sich die Wettbewerbssituation der nationalen Exportwirtschaft, vor allem gegenüber direkten regionalen Konkurrenten (z.B. Argentinien im Vergleich zu Brasilien), wenn sich deren Währungen tendenziell abwerten, da die Ausweitung der inländischen Geldbasis abhängig ist vom Devisenzufluss, ist in konjunkturellen Krisensituationen keine Erhöhung der Geldbasis zur Nachfragestabilisierung möglich,113
Kapitalabfluss führt zu einer Verringerung der Geldbasis; möglicherweise mit negativen Effekten auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit das Wirtschaftswachstum. ein
Auf Grund dieser Probleme hat deshalb der IWF einen Katalog von Kriterien definiert, die ein Staat bei einer festen Anbindung seiner Währung an eine Ankerwährung erfüllen sollte:"4 •
eine geringe
Eine zusätzlich reserven
114
Vgl.
Einbindung in die internationalen Kapitalmärkte,
Ausweitung der inländischen Geldbasis möglich.
IWF
(2000).
ist durch die verzinste
Anlage
der Devisen-
5.
•
•
•
•
•
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
131
ein
großer Handelsanteil mit dem Land, an dessen Währung die Anbindung erfolgen soll, die wirtschaftlichen Schocks, vor denen es steht, sind denjenigen ähnlich, denen das Land gegenübersteht, an dessen Währung die Anbindung erfolgen soll, es ist dazu bereit, seine geldpolitische Unabhängigkeit zu Gunsten der monetären Glaubwürdigkeit seines Partners aufzugeben, sein Wirtschafts- und Finanzsystem stützt sich bereits beträchtlich auf die Währung des Partners, auf Grund einer hohen aus der Vergangenheit übernommenen Inflation ist eine auf den Wechselkurs gestützte Stabilisierung attraktiv,
• • •
die Fiskalpolitik ist flexibel und nachhaltig, die Arbeitsmärkte sind flexibel, der Staat hat hohe Währungsreserven.
Den Extremfall eines Currency Boards stellt die 'Dollarisierung' eiStaates dar. Damit wird die eigene Währung aufgegeben und an deren Platz rückt die fremde Währung, die Ankerwährung (i.d.R. eben der US-Dollar, z.B. in Ecuador, El Salvador, Guatemala). Der Hauptunterschied zum 'normalen' Currency Board ist, dass durch die Dollarisierung ein vollständiger Verzicht auf geldpolitische (und damit teilweise wirtschaftspolitische) Souveränität entsteht. Zudem fällt der Gewinn aus der Ausgabe der Währung nicht mehr bei dem Staat an, der die fremde Währung übernimmt. Vielmehr gehen diese Gewinne an den Staat der Ankerwährung.115 nes
Gewinn, der
der Differenz zwischen dem Nennwert und den Herstellungskosten der ZahlungsSeigniorage ). Vgl. ausführlicher Jarchow, H.-J., P. Rühmann (1997), S. 168ff
aus
mittel entsteht (
132
5.5
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Devisenbewirtschaftung und Kapitalverkehrskontrollen
Systeme flexibler Wechselkurse verwirklichen marktwirtschaftliche Überlegungen am weitest gehenden. Zwar sind in den anderen bisher dargestellten Wechselkursvereinbarungen staatliche Eingriffe in unterschiedlicher Intensität vorhanden, marktwirtschaftliche Elemente sind aber die wesentlichen Bestandteile dieser Systeme. Ein vollständig nicht-marktwirtschaftliches System stellt die Devisenbewirtschaftung dar (Abb. 5.04). Abb. 5.04
Ordnungspolitische Einteilung von Wechselkurssystemen
vollständig
flexible Wechselkurse
Parität mit
flexible Wechselkurse in einem Band um die Parität
Kapital- und Devisenkontrollen
feste Parität
Stufenflexibilität
(Crawling Peg)
Verwendung von
positive Bandbreite
Quelle: Aschinger, G. (2001), S.
vollständig feste Wechselkurse
(Bandbreite 0) =
102.
Mit einer vollständigen Devisenbewirtschaftung, und damit mit der Kontrolle des Kapitalverkehrs, versucht eine Regierung den gesamten
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
13 3
Devisenstrom zu lenken.116 Eine Wechselkursbildung wird bei einem solchen System nicht mehr durch den Markt bestimmt. Werden sämt-
liche Transaktionen, d.h. auch im Güter- und Dienstleistungsverkehr, mit dem Ausland genehmigungspflichtig, findet eine vollständige Kontrolle über die Leistungsbilanz statt. Deviseneinnahmen aus Exporten müssen an die Zentralbank/den Staat abgeliefert werden (Ablieferungspflicht), die Zuteilung der eingenommenen Devisen erfolgt nach einem Wirtschaffsplan, etwa für den Kauf notwendiger Importe.
Mögliche Ziele einer solch protektionistischen Verhaltensweise können
•
•
sein:
Möglichkeit, einem Devisenmangel zu begegnen oder den Einfluss von Spekulationen zu begrenzen (Malaysia während der Asienkrise), Ideologische Gründe,
Volkswirtschaft.
z.B.
Verwirklichung
einer autonomen
Hierfür können eine Reihe von Instrumenten eingesetzt werden, z.B.: •
•
Kapitalexportsteuern; sie beschränken die Kapitalflucht in- und ausländischer Anleger, Kapitalimportsteuern; inländische Kreditinstitute und Unter(kurzfristige) Kredite in Auslandswährung aufnehmen, allerdings wird dieser Import besteuert,117 nehmen dürfen
Die Möglichkeit, Kapitalverkehrsbeschränkungen durchführen zu können, ist nicht auf Entwicklungs- und Schwellenländer beschränkt. Auch im deutschen Außenwirtschaftsrecht sind Beschränkungen des Kapitalimportes zulässig, „um einer Beeinträchtigung der Kaufkraft der Deutschen Mark entgegenzuwirken oder das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz sicherzustellen." § 23 Abs. 3 AWG. Nach dem Neunten Euro-Einführungsgesetz gilt diese Bestimmung auch für die
Kaufkraft des Euro in Deutschland.
Das bekannteste Beispiel ist die Bardepotpflicht in Chile für kurzfristige Kapitalimporte in den 90erJahren, sie wurde 1998 aufgehoben. Die Höhe der impliziten Besteuerung war hier abhängig von der Fristigkeit der Kapitalanlage. Vgl. dazu ausfuhrlicher Paque, K. H. (2000).
134
•
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Mengenbeschränkungen des Kapitalimports und des Kapitalexports, bzw. die Genehmigungspflicht für entsprechende Transaktionen.
Der Wert der Währung im Außenverhältnis wird daher indirekt, über die Beschränkung der Kapitalströme, oder direkt, z.B. von der Regierung (etwa in Tunesien), festgelegt.
Probleme einer solchen Politik können sein: •
•
•
Die eigene Währung ist international nicht handelbar; Importe können nur über Deviseneinnahmen finanziert werden. Zudem koppelt sich der Zins auf dem inländischen Kapitalmarkt vom internationalen Zins ab. Der Staat ist i.d.R. auch auf anderen ökonomischen Gebieten isoliert. Das bedeutet, kein Handelsaustausch, keine internationale Konkurrenz, kein Aufbau effizienter Industrien und damit kaum eine oder keine Steigerung des Wohlstandsniveaus.
Es findet eine Umgehung der staatlichen Reglementierungen durch illegale Transaktionen statt; ein Schwarzmarkt für ausländische Währungen (insbesondere für die wichtigen Währungen) entsteht.
Kurzfristig können Beschränkungen des Kapitalverkehrs die negativen Einflüsse von extremen Wechselkursschwankungen abmildern, wie das Beispiel Malaysias im weiteren Verlauf der Asienkrise gezeigt hat.118 Mittel- und langfristig sind die wohlstandsmindernden Effekte aber höher zu gewichten. Vor dem Hintergrund der durch starke Kapitalbewegungen verstärkoder sogar ausgelösten ökonomischen und gesellschaftlichen Kri-
ten
So wurde der Handel mit der eigenen Währung (Ringgit) eingeschränkt. Zudem durften ausländische Investoren ihre Anlagen erst nach einem Jahr in ausländische Währung konvertieren, 1999 wurde diese Regelung durch eine Steuer auf Kapitalexporte ersetzt. Vgl. Diehl, M, P. Nunnenkamp (2001), S. 3ff. Zu einer eher positiven Einschätzung der Kapitalverkehrsbeschränkungen Malaysias kommt Dieter, H. (2000), S. 22.
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
135
wird die Tobin-Steuer als Vorschlag zur „Domestizierung der Devisenmärkte""9 diskutiert. Der Vorschlag hat in erster Linie das Ziel, die Währungsspekulationen zu verringern, um deren negative Folgen für die Realwirtschaft auszuschalten. Hierfür soll auf die Devisenumsätze eine Steuer erhoben werden, wobei unterschiedliche Steuersätze genannt werden.120 Durch einen einheitlichen Steuersatz auf alle Devisentransaktionen entsteht eine degressive Wirkung, die „relative steuerliche Belastung sinkt mit der zunehmenden Haltedauer der Finanzaktiva".121 Sie trifft also die Marktteilnehmer am härtesten, die am häufigsten mit Devisen handeln. In der praktischen Umsetzung dürften sich allerdings Schwierigkeiten ergeben, weil sich alle Staaten der Welt an einer solchen beteiligen müssten. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Devisenbörsen in Steueroasen abwandern würden. Devisenspekulationen würden damit aber unverändert stattfinden.122 Zudem ist nicht sicher, ob bei großen Wechselkursbewegungen die Spekulationsgewinne nicht doch die Spekulationskosten durch eine solche Steuer übersteigen.123 sen
5.6
(Europäische) Währungsunion
Eine Währungsunion stellt eigentlich kein Währungssystem im engeSinne dar, da nur eine Währung für mehrere Staaten existiert. Daher können auch keine Wechselkurse bestehen. Allerdings bedeutet der Weg zur Verwirklichung einer Währungsunion die Zusamren
Hutter, H. (2001). Die Formulierung wird in diesem Beitrag dem Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke zugeschrieben. 120
121 122
123
ursprünglichen Vorschlag: Tobin, J. (1978). Der positive Nebeneffekt wäre eine zusätzliche Einnahmequelle, allerdings nur solange, wie diese Lenkungsabgabe ihr Ziel, die Vermeidung der Währungsspekulationen, nicht voll erreicht. Eine Steuer auf Spekulationsgeschäfte wurde übrigens schon von Keynes vorgeschlagen. Vgl. Keynes, J. M. (1936), S.158-160.
Zum
Meyer, A. (2001), S. 732. Vgl. ausführlicher Menkhoff, L., J. Michaelis (1995). P. (1999), S. 8, der für die während der Asienkrise getätigten Devisenumsätze eine solche Situation erwartet hätte. Zu weiteren Argumenten gegen eine solche Steuer: Meyer, A. (2001); Jost, T. (2001).
Vgl. Nunnenkamp,
136
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
menfurirung verschiedener Währungen, womit auch ökonomische Auswirkungen, sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis, für die entsprechenden Staaten verbunden sind. Zudem verändern sich für die jeweilige nationale Wirtschaftspolitik im Moment der Einführung der gemeinsamen Währung die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Pufferfunktion des Wechselkurses (durch Aufoder Abwertung) bei Veränderungen der außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen muss dann von anderen ökonomischen Größen ü-
bernommen werden.
Beispiel einer Währungsunion in der jüngeren Geschichte stellt die EWU dar. Zum 1. Januar 1999 wurden die nationalen Währungen der Teilnehmerstaaten zu Untereinheiten der gemeinsamen Währung, dem Euro (Tab. 5.01). Grundlage der EWU ist der Vertrag über die Europäische Union („Maastrichter Vertrag") von 1992 sowie die ergänzenden Protokolle. In diesen Dokumenten kam es zur Festlegung des Weges von den nationalen Währungen zur gemeinsamen Währung. Die konkreten Ausgestaltungen erfolgten durch spätere Entscheidungen (Festlegung der Umrechnungsfaktoren, Das bekannteste
Übergangsregelungen).
Für die 'betroffenen' Volkswirtschaften der EWU-Staaten haben sich die Rahmenbedingungen durch die Euro-Einführung verändert. Die Auswirkungen auf die einzelnen Bereiche der Wirtschaftspolitik waren erheblich, wie eine kurze Analyse der Geld-, Finanz-, Lohn- und
Sozialpolitik zeigt.
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Tab. 5.01
Umrechnungsfaktoren der EWU-Währungen
1 Euro
1 Euro 1 Euro:
1 Euro
:
1 Euro
:
1 Euro
:
1 Euro: 1 Euro: 1 Euro: 1 Euro: 1 Euro
137
:
1 Euro:
40,3399 1,95583 166,386 6,55957 0,787564 1936,27 40,3399 2,20371 13,7603 200,482 340,75 5,94573
Belgische Franken Deutsche Mark
Spanische Peseten Französische Franken Irische Pfund Italienische Lire
Luxemburgische Franken Niederländische Gulden
Österreichische Schilling
Portugiesische Escudos Griechische Drachme Finnmark
Die Auswirkungen der Euro-Einführung auf wichtige Bereiche der Wirtschaftspolitik
Geldpolitik: Am stärksten waren die Auswirkungen für die Geldpolitik, weil die nationalen Zentralbanken der Teilnehmerstaaten ihre geldpolitische Entscheidungsgewalt auf den Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) übertragen haben. Damit kann sich die Geldpolitik mit dem größeren Währungsraum nicht mehr an nationalen Besonderheiten ausrichten. Entscheidungen erfolgen vielmehr auf der Grundlage der ökonomischen Situation im ganzen EuroRaum. Nationale Belange können folglich nur noch insofern Berücksichtigung finden, als sie den europäischen "Durchschnitt" mitbestimmen. Allerdings ist der Konjunkturverbund, vor allem zwischen den 'großen Volkswirtschaften' der EU in den letzten Jahren erheblich enger geworden., sodass in den einzelnen Staaten vergleichbare Konjunkturlagen bestehen.124 Ein indirekter gesamtwirtVgl. Europäische Zentralbank (1999).
138
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
schaftlicher Effekt der EWU war schon vor Beginn der Währungsunion festzustellen: die nationalen Preissteigerungsraten sowie die Kapitalmarktzinsen hatten sich auf niedrigem Niveau angenähert.
Finanzpolitik: Die anderen Bereiche der Wirtschaftspolitik sind allenfalls durch ergänzende Regelungen des Maastrichter Vertrages, inklusive nachfolgender Vereinbarungen, oder durch die ökonomischen Wirkungen des Euro beeinflusst. Dies gilt auch für die Finanzpolitik. Hier liegen die Verantwortlichkeiten zwar immer noch bei den Nationalstaaten, aber bereits auf dem Weg zur neuen Währung sind die Spielräume für eine eigene Gestaltung nationaler Finanzpolitik durch die Notwendigkeit zur Erfüllung der finanzpolitischen Konvergenzkriterien kleiner geworden:125 Im Verlauf der 90er-Jahre hatte sich in den EU-Staaten bei den Verschuldungskriterien eine Tendenz zur Besserung ergeben. Die Mitglieder der EWU müssen sich zudem an den Grundsätzen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ausrichten. Mit den Budgetregeln und deren Überwachung durch den Ecofin-Rat wird ein Stück nationaler wirtschaftspolitischer Souveränität an die Gemeinschaftsebene abgegeben.126 Verstärkt wird diese Entwicklung etwa mittelfristig noch durch den Wettbewerb der Steuersysteme innerhalb Europas und langfristig durch die angestrebte Steuerharmonisierung in der Europäischen Union. Insgesamt gesehen wird dadurch die finanzpolitische Autonomie der Staaten der Währungsunion in Zukunft merklich eingeschränkt. Eine eigenständige, ausschließlich national ausgerichtete Finanzpolitik wird unter diesen Rahmenbedingungen immer weniger realisiert werden können. Lohnpolitik:
Zwischen den einzelnen Teilnehmerstaaten der EWU bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede bei Stand und EntwickDabei wird
allerdings häufig übersehen, dass ein weiterer Einflussfaktor nahezu zeitgleich in die gleiche Richtung wirkte: das hohe Ausmaß der Staatsverschuldung in wichtigen Teilnehmerstaaten. Sie bewirkte in den neunziger Jahren, dass eine freie Gestaltung finanzpolitischer Entscheidungen durch die steigende Zinsbelastung zunehmend schwieriger geworden war. Vgl. BHF-Bank (1998). Die Möglichkeit einer Verletzung der lohnpolitischen Regeln einer diskutieren z.B. Schürfeld, A. (1998); Kromphardt, J. (1999).
Währungsunion
nach unten
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
139
der Arbeitsproduktivität und anderer Faktoren (z.B. das Ausmaß der Arbeitslosigkeit, die Höhe der Inflation), die für Lohnvereinbarungen herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine einheitliche Lohnpolitik im EWU-Raum wenig hilfreich wäre. So kann etwa nicht die durchschnittliche europäische Produktivität als Maßstab für die Tarifparteien dienen; sie müssen sich vielmehr an der jeweiligen nationalen oder sogar: regionalen Produktivität ausrichten. Auch unterschiedliche zyklische Positionen der einzelnen Volkswirtschaften sind in diesem Zusammenhang zu beachten, wenngleich sich wie bereits ausgeführt die konjunkturellen Entwicklungen in Europa in den letzten Jahren spürbar angeglichen haben. Damit kann es keine einheitliche "optimale" Lohnstrategie für die Teilnehmerstaaten geben. Allerdings kann sich kein Staat den Regeln eines einheitlichen Währungsraums entziehen: Der Druck zu einer disziplinierten Lohnpolitik hat sich durch die Einführimg der gemeinsamen Währung verstärkt. Die Möglichkeit, zu hohe Tarifabschlüsse durch Inflationierung und Abwertung der eigenen Währung in ihren negativen Wirkungen auszugleichen oder zumindest abzuschwächen, entfällt. Vielmehr ist der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätzen das Resultat einer solchen Strategie. Das betreffende Land müsste folglich den Schaden seiner verfehlten Tarifpolitik selbst tragen. Seine Partner brauchen hingegen keine negativen Folgen zu befürchten; ihre relative Wettbewerbsposition würde sich sogar verbessern.127
lung
-
-
-
-
Sozialpolitik: Auch für den Bereich der Sozialpolitik ergeben sich Auswirkungen durch die EWU. Dies gilt zum einen indirekt über die Beantwortung der Frage, wie die Geld-, Finanz- und Lohnpolitik unter den veränderten Rahmenbedingungen in den Staaten der EWU insgesamt auf den Arbeitsmarkt und damit den wichtigsten Para-
meter eines Sozialstaats
wirkt. Zum anderen sind aber auch direkte Konsequenzen sozialpolitischer Entscheidungen zu beachten, die sich durch den Wegfall der Wechselkurse in ähnlicher Weise wie auch im Bereich der Lohnpolitik unmittelbar am Markt zeigen werden: Sollten in Zukunft Unterschiede in den Produktionskosten einzelner Staaten nicht mehr durch entsprechende Produktivitätsgewinne gedeckt werden, kann diese übermäßige heimische Kostenbelastung in einer Währungsunion nicht mehr über eine Abwertung der eigenen Währung 'finanziert' werden. Dieser ökonomische Grund-
140
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Zusammenhang gilt
auch für sozialpolitische Entscheidungen der Staaten innerhalb einer Währungsunion. Werden beispielsweise die
Sozialversicherungsbeiträge eines Landes erhöht, verändert sich die Wettbewerbsfähigkeit für die heimische Wirtschaft auf den internationalen Märkten, wenn die aus der Beitragssatzanhebung resultierende Kostenbelastung nicht durch andere Maßnahmen kompensiert wird. In der Vergangenheit ist eine solche Kompensation durch eine Abwertung der heimischen Währung möglich gewesen. In einer Währungsunion ist aber ein Ausgleich eines derartigen Kostenunterschiedes durch eine Veränderung des Wechselkurses nicht möglich. Auch die Verteilung des Erfolges oder des Misserfolges der einzel-
Staaten im internationalen Standortwettbewerb verbleibt in nationaler Entscheidung: Produktivitätsgewinne können zu einer Anhebung des Lohnniveaus oder zu einer Verbesserung der Sozialnen
leistungen bzw. der Sozialstandards verwendet werden.
Quellen: Eckhoff, J, J. Weeber (2000); Weeber, J. (1998).
Insgesamt gesehen, werden mittel-
und langfristig positive Wachstumseffekte durch die EWU erwartet. Insbesondere soll ein intensiverer Wettbewerb durch den Wegfall des Währungsschleiers für eine wirtschaftliche Belebung der beteiligten Volkswirtschaften sorgen. Aufrundungseffekte bei den Preisen für Güter und Dienstleistungen in der Übergangsphase dürften durch die grenzüberschreitende Preistransparenz unter Druck geraten. Zudem soll ein dauerhaft niedriges Zinsniveau über eine Belebung der Investitionstätigkeit für zusätzliche Impulse in den Volkswirtschaften sorgen.128
Den mittel- und langfristigen Wachstumsgewinnen standen aber zunächst zusätzliche Aufwendungen im Rahmen der Umstellungsarbeiten von den nationalen auf die gemeinsame Währung gegenüber, z.B. für neue PC-Programme, Münzapparate, durch die doppelte Preisauszeichnung. Diesen kurzfristigen Belastungen ist aber die Verringerung der Transaktionskosten beim Währungsumtausch gegenüber zustellen.
5.
5.7
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
141
Braucht man ein Weltwährungssystem?
Die Verschärfungen von Wechselkursschwankungen in den 90erJahren wegen der Liberalisierung der Kapitalmärkte und durch sich selbst erfüllende Spekulationserwartungen haben die ökonomische Diskussion beeinflusst: Im Zuge der Finanzkrisen der letzten Jahre (Mexiko, Asien, Russland, Brasilien, Argentinien) ist daher auch die Frage nach der Beschränkung der heftigen Wechselkursschwankungen durch eine umfassende Neuordnung der internationalen Währungsbeziehungen häufig diskutiert worden allerdings eher in wissenschaftlichen Kreisen als in der Wirtschaftspolitik. Eine Ausnahme stellt hier sicherlich die bereits beschriebene Forderung nach der Einrichtung von Wechselkurszielzonen dar, die auch in der Öffentlichkeit zu Debatten führte. Insgesamt bleibt aber die Frage aktuell, ob man ein neues Weltwährungssystem braucht129 und welche Formen der Zusammenarbeit es zwischen den wichtigen Nationen auf dem Gebiet der Währungen bisher stattfanden. -
Die Frage nach der Notwendigkeit eines Weltwährungssystems wird in der Literatur kontrovers beurteilt. Befürworter einer rein marktwirtschaftlich orientierten internationalen Währungsordnung lehnen Eingriffe in die Bildung der Wechselkurse aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ab. Eine solche Position wurde lange Zeit etwa vom IWF vertreten. Andere Beobachter sehen durchaus Handlungsbedarf und lehnen solche Eingriffe nicht kategorisch ab. Hierfür bieten sich verschiedene Varianten an: •
Der weitest gehende Vorschlag stellt sicherlich die Einführung einer Weltwährung dar. Damit würden Probleme, die durch Wechselkursschwankungen entstehen können beseitigt, gleichzeitig würde aber den Nationalstaaten etwa die Möglichkeit genommen, den Wechselkurs als Mittel einer wohlstandsmehrenden Wirtschaftspolitik einsetzen zu können. Weitere ökonomi-
Vgl. zu einer solchen Frage etwa Krupp, H.-J., J. Eckhoff (1999).
142
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
sehe Probleme, wie etwa die Übertragung inflationärer Impulse kommen hinzu. Zudem ist die Einführung einer Weltwährung derzeit politisch nicht durchsetzbar und damit eher in der theoretischen Diskussion verhaftet.130 •
Eine weitere Möglichkeit stellt die intensivere Zusammenarbeit der wichtigen Triade-Staaten (USA, EU-Staaten, Japan) in Form von Währungskooperationen dar. Eine Ergänzung würde eine solche Zusammenarbeit in regionalen Kooperationen, bis zu regionalen Gemeinschaftswährungen, zwischen kleineren Staaten finden, die einen Großteil ihres Außenhandels miteinander abwickeln.131 Durch die steigenden Handelsverflechtungen in einer Währung nimmt die Anfälligkeit der beteiligten Länder gegenüber exogenen Schocks ab.
Die temporäre Zusammenarbeit zwischen wichtigen Währungen wurde bereits in der Vergangenheit verwirklicht. Neben dem System von Bretton-Woods, mit der Verpflichtung der beteiligten Notenbanken (außer der US-amerikanischen), die Wechselkurse ihrer Währungen innerhalb einer Bandbreite von einem Prozent zur Dollarparität zu halten, wird bei der Diskussion währungspolitischer Kooperationen zum einen auf das Plaza-Abkommen und zum anderen auf den Louvre-Akkord abgestellt. Plaza-Abkommen
(1985)
Die ökonomische Ausgangslage im Verlauf des Jahres 1985 war durch einen hohen Wechselkurs (hoher Außenwert) des US-Dollar gekennzeichnet. Die Folgen waren:
zu Überlegungen einer Weltwährung etwa Shams, R. (2002). Eher von den Medien aufgegriffen wurde die Idee einer solchen Währung im Zusammenhang mit der Bargeldeinführung des Euro: Hickel, R. (2001); Heinemann, F. (2001).
Vgl.
131
Vgl. für einen solchen Vorschlag Krupp, H.-J., J. Eckhoff (1999), S. 35ff; sowie Luchtmeier, H. (2001b). Der vergleichsweise erfolgreiche Start der EWU hat sicherlich dazu beigetragen, dass auch andere Regionen Uber eine engere währungspolitische Zusammenarbeit nachdenken. Dies gilt etwa für die Staaten des Golfkooperationsrates (Saudi-Arabien, Kuweit, Bahrein, Qatar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman), die für das Jahr 2010 die Einführung einer gemeinsamen Währung planen. Vgl. O.V. (2002).
5.
•
•
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
für die USA:
Beeinträchtigung bewerbsfähigkeit (Export^),
143
der US-amerikanischen Wett-
für andere Staaten: Inflationsimport wegen permanenter Abwertung der eigenen Währung gegenüber dem US-Dollar (Inflation t; dies führte zu einem Zinsanstieg im Inland -» negative Auswirkungen auf die Konjunktur).
Mit dem Abkommen im New Yorker Hotel Plaza vom 22. September 1985 wurde eine Abwertung des US-Dollar vereinbart. Ziel war die Verbesserung der Wirtschaftssituation für alle Beteiligten. Dies wurde mit dem konzertierten Verkauf von US-Dollar (23. September 1985 8. November 1985: 12,8 Mrd. $) durch mehrere Zentralbanken erreicht. Der US-Dollar wertete sich daraufhin deutlich ab.132 -
Louvre-Akkord (1987) Im Zuge des starken Kursverlustes des US-Dollar durch die Interventionen im Rahmen des Plaza-Abkommens und der folgenden Marktbewegungen von Ende 1985 und Anfang 1987 entstanden für die anderen Industriestaaten wiederum Probleme (Exportschwäche). Zugleich erhöhte sich für die US-amerikanische Volkswirtschaft das abwertungsbedingte Inflationsrisiko. Als Gegenbewegung vereinbarten die Finanzminister und Notenbankchefs wichtiger Industriestaaten koordinierte Stützungskäufe zu Gunsten des US-Dollar.133 Abb. 5.05 zeigt, dass die Erfolge beider Abkommen teilweise überschätzt werden. So setzte bereits im Februar 1985 die Abschwächung des Außenwertes des US-Dollar gegenüber der DM ein, die Maßnahmen des Plaza-Abkommens haben diese Abwärtsbewegung allenfalls unterstützt. Die Stützimgskäufe des Louvre-Akkord haben diese Bewegung nur temporär stoppen können. Unter starken Schwankungen setzte der US-Dollar seinen Abwärtstrend weiter fort. Vgl. auch Deutsche Bundesbank (1986), S. 68ff. waren die USA, Deutschland, Japan, Großbritannien, Frankreich und Kanada, weitere Staaten schlössen sich an, etwa um ihre Dollarreserven zu erhöhen. Über die Größenordnung der Devisenmarktinterventionen sind keine genauen Angaben verfügbar. Die Weltwährungsreserven stiegen allerdings im Jahre 1987 um 150 Mrd. $. Vgl. Deutsche Bundesbank (1988), S. 58ff.
Beteiligt
5.
144
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
Abb. 5.05
Entwicklung des US-Dollar seit 1972 *) -
nominaler Außenwert
-
200 |-
80
I-,-1-1-,-1-1-1-1
1972
1975
•) Gegenüber den
1978
Währungen von
1982 18
1985
wichtigen Industrieländern
1988 1995
=
1992
1995
1998
2002
100; Monatsdurchschnitte.
Quelle: Deutsche Bundesbank; eigene Darstellung.
Solche
Kooperationen waren in der Vergangenheit daher nur zeitweierfolgreich. Zudem scheinen sie politisch überhaupt nur durchführbar, wenn alle Beteiligten Vorteile aus einer solchen Zusammenarbeit gewinnen. Eine solche Situation lag etwa bei der konzertierten Zinsaktion zur Stützung der Weltwirtschaft im Gefolge der ökonomischen Auswirkungen der Terroranschläge des 11. Septembers 2001 se
Vgl. Einecke, H. (2001).
5.
Kapitel: Internationale Währungsordnung (Wechselkurssysteme)
5.8
145
Literatur
Im Bereich der Lehrbücher eignen sich zur Vertiefung:
Bofinger, P., J. Reischle, A. Schächter (1996), (verschiedene Kapitel, S. 122-128, 174/175, 300-308, 599-610) Jarchow, H.-J., P. Rühmann (1997), (verschiedene Kapitel, S. 218234, 259-287, 288-306, 349-363)
Pohl, R. (1993), (Kapitel S. 104-110)
VI. Die internationale
Währungsordnung,
Tomann, H. (1997), (Kapitel 13. Theorie des optimalen Währungs-
raumes, S.
229-260)
Als Beiträge zu Teilfragestellungen sind zu empfehlen: Bundesverband deutscher Banken (1999), (Kapitel 4. Wechselkurssystem und internationale Währungskooperation, S. 22-28); Freytag, A. (1999); Jochimsen, R. (2000); Kreile, M. (2000); Krüger, A. (2000), (verschiedene Kapitel, S. 29-32,127-145); Speyer, B. (1998). Einen leicht lesbaren Überblick über Zielzonen und die Probleme der Währungsordnung in Asien liefern zwei ausführliche Presseveröffentlichungen: O.V. (1999a) und O.V. (1999b).
146
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Auswirkungen der Globalisierung auf die Wirtschaftspolitik
6
Internationalisierung der Wirtschaft hat, wie gezeigt wurde, vielfältige Erscheinungsformen. Die Veränderungen der realen und monetären Rahmenbedingungen sind wichtige Entscheidungsparameter Die
für den Nationalstaat. Der weltweite Wettbewerb zwischen Unternehmen, Produktionsfaktoren und Standorten stellt die nationale Wirtschaftspolitik damit vor neue Herausforderungen. Inwieweit die Handlungsmöglichkeiten des Staates durch die Globalisierung eingeschränkt werden, ist allerdings strittig. So geht etwa Koch davon aus, dass die zunehmende Internationalisierung der Volkswirtschaften den „Nationalstaaten nur eine weltmarktkonforme Wirtschaftspolitik"135 erlaubt.
Die These vom Autonomieverlust der Nationalstaaten ist ein wichtiger Bestandteil der Globalisierungsdebatte. Unter dem Stichwort 'Global Governance' wird daher der Frage nachgegangen, wie die zunehmende internationale Verflechtung „politisch so gestaltet werden kann, dass deren Risiken minimiert und Chancen optimiert sowie existierende Fehlentwicklungen korrigiert werden können."136 Besonders nichtstaatliche Organisationen, aber auch einzelne Persönlichkeiten haben in den letzten Jahren zu einer kritischen Würdigung dieses
Prozesses
aufgerufen.
Koch, E. (2000), S. 113. Deutscher Bundestag
(2001), S.
105.
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
147
Eine solche Würdigung lässt sich durch eine Analyse der Auswirkungen auf die einzelnen Politikbereiche wissenschaftlich untermauern, die aber unterschiedlich weit gefasst werden kann.137 Unter ökonomischen Gesichtspunkten soll hier die Wirkungsanalyse des Globalisierungsprozesses auf die vier zentralen Bereiche der Wirtschaftspolitik konzentriert werden:138 •
die Geldpolitik (mit Währungspolitik),
•
die Finanzpolitik (mit Steuerpolitik),
•
die Lohnpolitik (mit Arbeitsmarkt),
•
die
Sozialpolitik.
Schwierigkeiten bei einer solchen Analyse bereitet die genaue Zuordnung von Ursache und Wirkung, da sich in volkswirtschaftlichen Abläufen eher selten monokausale Beziehungsgeflechte zeigen. Dies gilt auch für die Folgen der Globalisierung. Die Globalisierung legt aber, wie der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank Hans Tietmeyer ausführte, die internen Schwächen einer Gesellschaft „doch schneller und konsequenter offen und drängt damit verstärkt auf eine Korrektur."139
So werden vor allem unter politischen und soziologischen Gesichtspunkten die sierung z.T. sehr kritisch beurteilt. Vgl. etwa Beck, U. (1997).
Folgen der Globali-
Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten können sich Auswirkungen auch auf angrenzende Bereiche ergeben, etwa bei der Umwelt-, Bildungs-, Forschungs- und Technologiepolitik. Als Einstieg in die jeweilige Thematik eignen sich: Globalisierung und Umwelt: Helm, C. (1997); Kulessa, M. E. (2000); Springer, K. (2001); Bildung: Weise, C (2000); Forschung und Technologie: Oppenländer, K. H. (1998). ...
...
Tietmeyer, H. (1998).
...
148
6.1
7-
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Geldpolitik (Währungspolitik)
Die Einflüsse auf die Geld- und Währungspolitik können für kleine und mittlere Staaten z.T. so erheblich sein, dass eine nationale Politik in diesem Bereich nicht mehr möglich ist, wie am Beispiel des argentinischen Currency Boards deutlich wird. Aber auch ökonomisch gewichtigere Staaten und Regionen sind den zunehmenden Internationalisierungstendenzen ausgesetzt und verändern ihre Wirtschaftspolitik.
Beispiele möglicher Einflüsse auf die nationale Geldpolitik:140 •
Die Notwendigkeit, verstärkt grenzüberschreitende Gütermarkttransaktionen bei der Entwicklung der Geldmenge (= steigender Bedarf) einzuplanen. Dabei ist jeweils zu berücksichtigen, ob eine 'Verpflichtung' der Notenbank besteht, eine solche Entwicklung etwa im Rahmen eines Festkurssystems zu unterstützen.
•
Der Abfluss
von
Geld
(Geldmenge) einer als stabil geltenden gehandelten Währung in andere Staaten; so
und international wurde die DM in zahlreichen Balkan-Staaten inoffiziell oder offiziell (Montenegro) als zusätzliche oder Ersatzwährung verwendet. Nach einer Schätzung der Deutschen Bundesbank befanden sich in den 90er-Jahren insgesamt etwa 30-40% des DM-Bargeldumlaufes außerhalb des Bankensystems im Aus-
land.141
Noch unmittelbarer sind die Auswirkungen im Rahmen bestimmter Wechselkurssysteme (Currency Board, Dollarisierung) oder bei der Unterordnung unter ein Wechselkursziel, wie es in einigen Staaten des EWS praktiziert wurde (z.B. mit der Örientierung der österreichischen Zentralbank an der Politik der Deutschen Bundesbank). Allerdings lag hier eine Selbstbindung vor, sodass nur eine eingeschränkte Vergleichbarkeit zu den genannten Einflüssen bestehen.
Vgl. Seitz, F. (1995).
7.
•
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
149
Im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte ist die empirische Bestimmung der relevanten Geldmenge auch durch den Einfluss neuer Finanzmarktinstrumente und durch sich verändernde Verhaltensweisen (z.B. eine größere Kurzfristorientierung bei Devisengeschäften) schwieriger geworden. „Mit den heutigen Finanzinstrumenten ist es keine Schwierigkeit, in kürzester Zeit zwischen Geld und Geldkapital zu wechseln. Die Folgen sind eine kurzfristig stark schwankende Geldkapitalbildung und kräftige Ausschläge in der Geldmengenentwicklung, wie sie seit Anfang der 90er-Jahre zu beobachten sind. Die Grenzen zwischen Geld und Geldkapital haben sich zunehmend verwischt, sodass die laufende Geldmengenentwicklung dem Geldpolitiker, der ja kurzfristig zu entscheiden hat, immer we-
niger Orientierung bietet."142 •
sich Auslandseinflüsse auf die EWUdurch die rasche Zunahme von Gebietsfremden geGeldmenge haltene Geldmarktfonds, Geldmarktpapiere und kurzfristige Schuldverschreibungen. Dies fuhrt zu einer Verzerrung der Geldmenge M3 nach oben. Diese Teile werden von der EZB daher aus der Geldmenge seit Oktober 2001 herausgerechnet. „Durch diese Bereinigung entspricht die Abgrenzung von M3 eher der konzeptionellen Definition dieser Geldmenge, nach der nur die von Ansässigen im Euro-Währungsgebiet gehaltenen Geldbestände einbezogen werden sollten, da nur sie eng mit der mittelfristigen Preisentwicklung im Euroraum in Verbindung Aktueller
zeigen
stehen."143
Auf Grund der Probleme bei der Geldmengensteuerung hat eine Reihe von Zentralbanken daher auch die Geldmengenpolitik als (alleinige) Ziel Vorstellung aufgegeben. Die EZB als vergleichsweise junge Zentralbank verfolgt eine Zwei-Säulen-Strategie: Neben der Geldmenge wurde ein Multi-Indikatoren-Ansatz als Bestandteil ihrer Zwei-Säulen-Strategie eingeführt. Dieser umfasst die Beobachtung einer breiten Palette von Wirtschaftsindikatoren (z.B. Anleihekurse, Krupp, H.-J. (1997), S. EZB
(2001), S. 9.
14.
150
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Indikatoren der realen Wirtschaftstätigkeit), die eine Vorlaufseigenschaft gegenüber der zukünftigen Preisentwicklung besitzen. Aber auch diese Indikatoren stehen unter dem Einfluss internationaler Ver-
flechtungen. Von veränderten außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gehen auch direkte Einflüsse auf das geldpolitische Endziel 'der Preisstabilität' aus. So können von einer größeren Außenhandelsabhängigkeit eines Staates über die Importpreise stärkere preistreibende- oder preisdämpfende Einflüsse auf die Verbraucherpreise ausgehen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Neben Wechselkursschwankungen144 sind hier Veränderungen bei den Preisen für Vorprodukte und bei Rohstoffen zu nennen.145 Aber auch über die Exportseite gehen Einflüsse auf das Preisklima im Inland aus. Eine Mehr-/Mindernachfrage des Auslands nach einheimischen Gütern kann einen preiserhöhenden/preissenkenden Effekt für diese Güter im Inland haben. Für die Verantwortlichen der Geldpolitik stellt sich die Frage, inwieweit sie die intensiveren internationalen Verflechtungen und deren Auswirkungen auf die inländischen Preise in geldpolitische Entscheidungen einfließen lassen. Dabei geht es nicht nur um die Höhe des Einflusses, sondern auch um die Dauerhaftigkeit preisrelevanter Effekte. Ob etwa bei einem kurzfristigen Anstieg des Rohölpreises und den dadurch ausgelösten Inflationstendenzen eine Erhöhung der Leitzinsen angebracht ist, ist strittig. Selbst wenn es sich hier zunächst
So bewirkt eine 'Straffung der Geldpolitik' (vergleichsweise höheres Zinsniveau, bei moderaten Preissteigerungsraten hoher Realzins) bei offenen Finanzmarkten einen Kapitalzustrom und „damit tendenziell eine Aufwertung der heimischen Währung. Der potenzielle Zielkonflikt zwischen festen Wechselkursen und unabhängiger Geldpolitik nimmt zu." Deutsche Bundesbank (2001b), =
S. 27.
Für Deutschland gingen kräftige Steigerungen auf die Inlandspreise etwa von den beiden Ölpreisschocks 1973/1974 und 1979-1981, die auch wirtschaftliche Rezessionen nach sich zogen. Auch der jüngste Preisanstieg zwischen Anfang 1999 und der Jahresmitte 2000 hatte seine Ursache im Wesentlichen in stark anziehenden Preisen für den Import von Rohöl, wobei weniger die Veränderung des Wechselkurses eine Rolle spielte. Vielmehr war zu etwa Drei viertel der Preisanstieg für Rohöl auf den internationalen Märkten verantwortlich. Entlastend auf das inländische Preisklima wirkte sich dagegen der Verfall der Preise auf den internationalen Rohölmärkten in den Jahren 1985/1986 aus. Dieser preissenkende Effekt trug maßgeblich dazu bei, dass 1986 zum bisher einzigen Male nach dem Ende des 2. Weltkrieges in Deutschland eine negative Jahresinflationsrate (-0,1%) erreicht wurde.
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
151
kurzfristige Einflüsse handelt, lassen sich über Zweitrundeneffekte Risiken für die Preisstabilität ableiten.146
nur um
Die nationale Geld- und Währungspolitik hat allerdings auch Auswirkungen auf die Stellung eines Staates im internationalen Standortwettbewerb. Eine stabilitätsorientierte Politik der Zentralbank bewirkt z.B., dass die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft durch Inflation nicht beeinträchtigt wird. Die Feinsteuerung nationaler Geldund Währungspolitik ist unter den Bedingung einer zunehmenden internationalen Verflechtung allerdings schwieriger geworden. So hat das nationale Zinsniveau unterschiedlichen Ansprüchen zu genügen: Zum einen soll es günstige Refinanzierungskosten und damit Investitionen ermöglichen, zum anderen muss es so hoch sein, dass zwar benötigtes ausländisches Kapital Anlagebereitschaft zeigt, aber ein zu starker Zustrom vermieden wird. Weitere Beeinflussungen finden durch die Finanzmärkte statt, wie der bereits dargestellte Zinszusammenhang zwischen den USA und Deutschland bzw. dem Euro-Raum gezeigt hat (vgl. Kapitel 1.2.2 'Kapital- und Finanzmärkte'). Eine national gestaltbare Zinspolitik wird auch hierdurch erschwert.147
Auswirkungen gehen auch von der Wechselkursentwicklung aus. Die Auf- oder Abwertung einer großen Währung führt zu Auswirkungen auch auf andere Währungen, sodass nationale Zins- oder Wechselkursreaktionen erforderlich sind, die von der inländischen Konjunktur- und Preissituation möglicherweise gar nicht erwünscht sind. Besondere Probleme bestehen bei hoch volatilen und/oder spekulativen Währungsbewegungen. So haben das Platzen der Spekulationsblasen (sog. Bubbles-Economy, z.B. in Japan Ende der 80er-Jahre) oder die Spekulationswellen während der Asienkrise zu KurszusammenbrüUnter Zweirundeneffekten versteht man den Einbezug der hierdurch verursachten höheren InflatiLohnforderungen der Gewerkschaften. Aus der Weitergabe höherer Lohnabschlüsse der Unternehmen an die Konsumenten kann so längerfristig eine Gefahrdung der Geldwertstabilität resultieren. onsrate in die
Bei einer tiefergehenden Analyse ist zwischen den kurzfristigen Geldmarktzinsen und dem Kapitalmarkt zu unterscheiden. So konnte in der Vergangenheit bei den Geldmarktzinsen anderer wichtiger Währungen, wie etwa der DM, zeitweise von den Entwicklungen in den USA abgewichen werden. Auf dem langfristigen Kapitalmarkt bestimmen auch die Bonität des Schuldners und Wechselkurserwartungen die Zu- oder Abschläge gegenüber dem US-Kapitalmarktzins. Damit sind die nationalen Kapital- und Finanzmärkte „im Urteil der Akteure keine perfekten Substitute." Vgl. Krupp, H.-J. (1997), S. 9; Kremer, M. (1999).
152
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
chen auf den Aktienmärkten geführt. Nach dem Zusammenbruch eisolchen 'Asset-Price-Inflation' waren Zinssenkungen zur Stabilisierung der nationalen Volkswirtschaft erforderlich.
ner
Zusätzliche, sich noch verstärkende Einflüsse der internationalen Fioperierende Vermögensanlagen (z.B. kapitalgedeckte Alterssicherungsfonds) ausgenanzmärkte werden in der Zukunft durch weltweit
hen. Angesichts der zu erwartenden Größenordnungen des zusätzlich nach rentierlichen Anlagen suchenden Kapitals dürfte es zu erheblichen Auswirkungen auf die Wechselkurse und die Zinssituation der 'betroffenen' Volkswirtschaften kommen.148 Dabei können durchaus auch positive Effekte aus der Internationalisierung der Kapitalanlage und der Kapitalnachfrage resultieren. So stehen etwa für inländische Investitionen nicht nur inländische Ersparnisse zur Verfügung, es entsteht immer mehr ein weltweiter Kapitalmarkt. Kapitalnachfrager fuhren dabei mit immer höheren Renditeversprechungen einen Wettbewerb um das angebotene Kapital. Durch die großen grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen drohen aber makroökonomische Risiken, die das reibungslose Funktionieren der Finanzmärkte behindern können: „Die Debatte, wie gravierend solche Probleme in der Zukunft sein werden, und welche Maßnahmen geeignet sind, Fehlentwicklungen gegenzusteuern, wird sich in den kommenden Jahren weiter intensivieren. Die Notenbanken, deren Aufgabe es auch ist, den Gefahren systemischer Risiken in den Finanzsystemen so gut wie möglich vorzubeugen, werden gefordert sein, neue Lösungsvorschläge zu prüfen und eigene Ideen zur Diskussion zu stellen."149 Eine unabhängige nationale Geld- und Währungspolitik wird durch die sich verändernden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen selbst für große Staaten immer schwieriger werden. Die beschriebenen Lösungsmöglichkeiten im Bereich der Währungspolitik, etwa die Verabredungen von Währungskooperationen zwischen den wichtigen Währungen (Plaza-Abkommen, Louvre-Akkord) sind nur zeitweise zu Stande gekommen. Dagegen bieten sich für 'kleinere' Währungen, Vgl. zu den Wechselwirkungen zwischen der rung und dem Zinsniveau Weeber, J. (2002). Deutsche Bundesbank (2001a), S. 80.
Kapitalanlage aus einer kapitalgedeckten Alterssiche-
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
153
die dem 'Spiel' des Marktes ausgesetzt sind, regionale Währungsverbünde oder eine Währungsunion an. Dies ermöglicht auch eine eigenständigere Geldpolitik für den neu geschaffenen Währungsraum. In diesem Sinne stellt die EWU auch eine Reaktion auf die zunehmende Globalisierung der Märkte dar.
6.2
Finanzpolitik (Steuerpolitik)
Die verbreitete Vorstellung, dass durch den internationalen Wandel eine effektive nationale Wirtschaftspolitik unmöglich oder zumindest erschwert wird, hat sich in den letzten Jahren in Deutschland vor allem an der Finanzpolitik festgemacht. Immer wieder zitiertes Beispiel sind die Regelungen des Maastrichter Vertrages und des europäischen Stabilitätspaktes. Die in diesen beiden Vertragswerken enthaltenen Bestimmungen zur Staatsverschuldung der EWU-Teilnehmerstaaten würden, so die Meinung von Kritikern, den nationalen Handlungsspielraum einschränken.150 Übersehen wird dabei, dass das hohe und ansteigende Ausmaß der Staatsverschuldung und die dadurch ausgelöste steigende Zinsbelastung, die freie Gestaltung finanzpolitischer Entscheidungen ohnehin schwieriger gemacht hat; die nationalen Beschränkungen also nicht nur von internationalen Regelwerken stammen, sondern auch aus früherem nationalem Fehlverhalten resultieren.
Im Rahmen einer international ausgerichteten Standortpolitik hat der Staat seine Einnahmen und Ausgaben so zu gestalten, dass hierdurch möglichst keine negativen, vielmehr eher positive Effekte für die Ansiedlung ausländischer und den Verbleib bzw. die Neugründung inländischer Unternehmen ausgehen. Zu den bereits beschriebenen Beschränkungen im Rahmen der EWU sind weitere außenwirtschaftli„Es wird weitgehend Ubersehen, dass der Versuch, die Maastricht-Kriterien einzuhalten, immer neue Löcher reißt; die Arbeitslosigkeit steigt und die fiskalische Situation verschlechtert sich. Die überzogenen Sparbemühungen der Gebietskörperschaften laufen eine Brüningsche Parallelpolitik hinaus.
Die Maastricht-Kriterien zur Staatsverschuldung erweisen sich als fatale Knebel einer rationalen Beschäftigungspolitik." Oberhauser, A. (1996), S. 238. Vgl. auch die Ausführungen zu Kapitel 5.6 (Europäische) Währungsunion'.
154
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
che Einflüsse und Überlegungen zu beachten. Zwar sind Ausgabenund Einnahmenseite der Finanzpolitik kaum trennbar, zu Gunsten einer besseren Übersichtlichkeit wird hier aber eine solche Trennung vorgenommen.
Einnahmenseite Im Mittelpunkt der Analyse zur Einnahmenseite steht die Steuerpolitik eines Staates. So sieht die Deutsche Bundesbank als einen Grund für den deutlichen Rückgang der geschätzten Steuereinnahmen im Zeitraum 1993-1996 die Erosion der Steuerbasis.151 Neben eher nationalen Ursachen, wie etwa der steuerlichen Förderung von Investitionen und Wohnungsbau in Ostdeutschland, wird als weiterer wichtiger Grund die Steuervermeidungsstrategie von Unternehmen durch Verlagerung von Aktivitäten ins Ausland angesehen. Diese Globalisierungsstrategie der Unternehmen ist sowohl für inländische (deutsche) als auch für ausländische Unternehmen anwendbar und wird von einigen Staaten als Instrument im Standortwettbewerb unterstützt. Der Wettbewerb um ausländische Investoren kann zum einen über die Steuersätze, zum anderen über die Gewährung von Sonderkonditionen stattfinden. Hierfür zwei Beispiele:152
1
2
•
Deutsche Unternehmen: Gewinne fallen nicht im Hochsteuerland Deutschland an, sondern werden über Finanzierungsgesellschaften in ausländische 'Steueroasen' (z.B. auf Inselstaaten in der Karibik, aber auch nach Irland, Belgien und den Niederlanden) transferiert.
•
Ausländische Direktinvestitionen in Deutschland: In Deutschland entstandene Betriebsüberschüsse werden in Form von Fremdkapitalzinsen (= Minderung des Gewinnes in Deutschland) an die ausländische Muttergesellschaft (mit Sitz in einem Staat mit niedrigerem Steuersatz) überwiesen.
Deutsche Bundesbank (1997).
Vgl.
auch Bach, S.
(2002), S.
10-12.
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
155
Zudem kann auch die teilweise oder vollständige Verlagerung von Produktionsstätten zu Veränderungen bei den Steuereinnahmen fuhren. Die Verschiebung der Steuerlasten wird damit auch eher für international operierende Konzerne eine Option sein. Kleine und mittlere Unternehmen werden diese Form der Steuerentlastung kaum nutmit Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur eines zen können Landes.
-
Gefahr, die aus den beschriebenen Möglichkeiten zur Steuerverlagerung resultiert, wird in einem Steuerwettbewerb bis zum Standard Die
auf niedrigstem Niveau gesehen, der so genannten „race to the bottom"-These. Für die empirische Überprüfung dieser Steuerverlagerungsthese muss der Frage nachgegangen werden, ob es im Zeitverlauf zu einer Erosion der Bemessungsgrundlagen der Steuern auf mobile Produktionsfaktoren (Kapital und qualifizierte Arbeit) kommt. Bezogen auf die Besteuerung des Faktors Kapital liegen für die Körperschaftsteuer Ergebnisse aus zwei Untersuchungen für Industriestaaten vor.153 Danach findet sich eine empirische Bestätigung für das Vorhandensein einer zurückgehenden Belastung des Faktors Kapital. Bei einem Vergleich der Körperschaftsteuersätze in der EU zeigen sich daher in nahezu allen Staaten Verringerungen der Steuersätze
(Tab. 6.01).154
Vgl. die Ergebnisse
von
Heilemann, U,
zitieren zusätzlich zu den eigenen
H. D. von Loeffelholz, S. M. Renn (2000). Ergebnissen die Arbeit von Rodrik, D. (1997).
Die Autoren
Diese Entwicklung wird durch eine neuere Studie für 68 Staaten, hierunter auch die EU- und OECD-Staaten bestätigt. Vgl. KPMG (2002).
^
1996 1997 1998 1999 2000 2001
m— EU
Vgl.
2002
Year of survey Member Countries —•— OECD Member Countries
KPMG
(2002), S. 3.
156
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Auch im Bereich der Privaten Haushalte und bei Arbeitnehmern zeigen sich ansatzweise grenzüberschreitende Steuervermeidungsstrategien. Vor allem mobile Haushalte mit hohen Einkommen und Vermögen bevorzugen Standorte, die eine vergleichsweise niedrige Steuerbelastung besitzen. Typische Beispiele sind Berufssportler und Künstler. Gesamtwirtschaftlich spielen diese Fälle zwar bisher keine große Rolle, aber auch bei der Belastung hoher Einkommen hat die Steuerpolitik der meisten Industriestaaten in den letzten Jahren Schritte zur Senkung der Spitzenbelastungen unternommen (Tab.
6.02).
Tab. 6.01
Körperschaftsteuersätze in den Ländern der EU und ihre Veränderungen 1980 2001 -
Land
1980
2001
Steuersatzänderungen in Prozentpunkten 1980 2001 -
Belgien Dänemark Deutschland
Finnland Frankreich Griechenland Großbritannien Irland Italien
Luxemburg Niederlande
Österreich
Portugal Schweden
33-48
40,17
40
30 25 30
56/36 i) k.A. 50
38,24 52 45
36,25 20-40 48 30-55
27,83 57,4
Spanien
33
-7,83 10 -31 -
35,33
14,67 3,24
35 30 20
40,25 37,45
-22 -25
4,05 -2,55
+
13 21
35 34
35,2 28 35
7,37 -29,4
+
+
2
Für ausgeschüttete Gewinne
Quelle: Bohnet, A., M. Schratzenstaller (2001), S 6. Für die Bezieher vor allem mittlerer Einkommen kommt eine Auswanderung aus Gründen der Steuervermeidung i.d.R. dagegen nur
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
157
selten in Betracht.155 Die Probleme einer tendenziell sinkenden Steuerbelastung auf mobile Produktionsfaktoren zeigen sich, bei einem unveränderten Ausgabeverhalten des Staates, in einer steigenden Besteuerung immobiler Faktoren (wenig oder nicht qualifizierte Arbeit, Boden). Es entsteht also ein duales Steuersystem mit einer unterschiedlich hohen Steuerbelastung auf mobile und immobile Produktionsfaktoren, was durchaus bereits zu gesellschaftlichen Spannungen in einzelnen Industriestaaten geführt hat. Aber auch im zwischenstaatlichen Bereich bleibt Klärungsbedarf. Etwa zwischen den Staaten der EU: soll es weiterhin einen Steuerwettbewerb der Staaten geben,
also weiterhin unterschiedliche Steuersätze und Bemessungsgrundlagen als Mittel einer nationalen Wirtschaftspolitik möglich sein, oder soll die Harmonisierung des Steuerrechts als Zeichen der Integration schneller als bisher angestrebt werden.
Entwicklungen auf der Einnahmenseite in Folge des Globalisierungsprozesses zeigen sich bei den Möglichkeiten der staatlichen Kreditaufnahme auf dem internationalen Kapitalmarkt. So hat eine
Neuere
Reihe
von Bundesländern (z.B. Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westin falen) den zurückliegenden Jahren die Chancen einer fortschreitenden Internationalisierung des Kapitalmarktes genutzt und sich in Asien neue Wege zur Finanzierung ihrer Haushalte erschlossen: •
Vorteil:
Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten werden größer,
•
Nachteil:
Finanzierung möglicherweise teurer als (z.B. Werbung vor Ort, höhere Zinsen).
Zudem können sich Wechselkursveränderungen auf die durch Tilgungs- und Zinsleistungen auswirken, wie das
gentinien zeigt.
im Inland
Belastungen Beispiel Ar-
Die Ergebnisse solcher Prozesse zeigen sich in einer insgesamt höheren Belastung der normalen' Arbeitseinkommen, auch in Deutschland: „Die Lohnsteuerquote (Lohnsteuer bezogen auf die Bruttolohn- und -gehaltssumme) stieg von 7% Anfang der sechziger Jahre kontinuierlich auf zuletzt 19%. Demgegenüber verringerte sich die Belastung der Gewinn- und Kapitaleinkünfte in Relation zu den Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen von über 34% Anfang der achtziger Jahre auf gegenwärtig um die 20%. Auch wenn derartige Vergleiche mit großer Vorsicht zu so ist doch im Trend der letzten 20 Jahre in Deutschland eine deutliche Beinterpretieren sind lastungsverschiebung innerhalb der direkten Steuern zulasten der Arbeitseinkommen und zugunsten der Gewinn- und Vermögenseinkünfte zu verzeichnen." Bach, S. (2002), S. 20. ,
...
7.
158
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Ausgabenseite Probleme auf der Einnahmenseite führen notwendigerweise auch zu Problemen für die Ausgabenseite. Handlungsbedarf ist angesichts der hohen Schuldenstände und der zunehmenden Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte damit vorhanden. Dies ist allerdings keine neue Erkenntnis, im Zuge der Globalisierung wird aber die Notwendigkeit einer stabilitätskonformen Haushaltspolitik verschärft. Diese Konsolidierungsbemühungen zeigen sich empirisch in einem Rückgang der Staatsquote, die die Staatsausgaben im Verhältnis zum BIP misst. Es zeigt sich, dass die Staatsquoten in vielen Staaten bis etwa Anfang der 90er-Jahre gestiegen sind (Tab. 6.03). Zwar dürfte in den EU-Staaten sicherlich auch das Streben nach Einhaltung der finanzpolitischen Konvergenzkriterien diesen Prozess unterstützt haben, aber auch in den anderen traditionellen Industriestaaten ist ein Rückgang der kassenwirksamen Staatstätigkeit festzustellen.
Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer
Tab. 6.02
_in ausgewählten Ländern0_ Land
Belgien
72
Dänemark
45 56 51 65
Deutschland2' Finnland
Frankreich Griechenland Irland Italien
Luxemburg Niederlande
Österreich
Spanien Schweden Großbritannien USA
Japan Kanada "
2)
Niveau 1986
63
58 62 57 72 62 66 50 60 50 70 37
Veränderung 1986 bis 1997
-15,3 -14,0 + 1,0 13,0 11,0 •23,0 10,0 ,0 7,0 12,0 12,0 10,0 -25,0 -20,0 10,4 20,0 2,7 -
-
-
-
-
Steuersätze des Zentralstaates; Niveau gerundet auf volle Prozentsätze, Persönliche Einkommenssteuer, Prozentpunkte für die Veränderung 1986 bis 1997. Für 1997 einschließlich Solidaritätszuschlag von 7,5%.
Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1998), S.
_192; eigene Darstellung._
7.
Tab. 6.03
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
159
Staatsquoten im internationalen Vergleich 1} 1970/79 1980/89 1990/98
Niederlande
52,3 46,9 42,3 43,2 39,4 49,7 29,3 44,9 36,5 29,1 48,6
Norwegen
41,1
Schweden
Dänemark2) Frankreich
Österreich Italien
Belgien Portugal Deutschland Finnland
Griechenland3) Großbritannien4) Kanada
37,6
Japan Spanien
26,5 26,3
Irland USA
Länder-Durchschnitt5>
30,4 39,9
2000
60,9 57,3 50,4 49,7
64,3 57,8 53,3 50,7
54,5 54,2 50,9 49,6
49,6
53,2 53,2 43,6 48,2 55,4 45,9
46,9 46,3 45,1 44,5 43,4
52,0 48,6 43,3 46,7
42,5 41,9 39,4 39,3
34,0 44,1 38,1 32,8 48,1
38,4 37,9
58,5 39,1 47,1 42,6 41,0 57,4 45,5 44,1 32,0 39,1 48,0 32,5 46,7
47,3
30,2
29,5 43,4
Höchststand im Jahr
71,0 (1993) 60,6 1993/94)
55,0 1996) 53,1 1993) 56,9 1993) 62,1 1983) 45,2 1993) 49,7 1995) 60,4 1993) 48,8 1993) 59,9 1983) 52,0 1992) 45,6 1993) 51,1 1992) 37,2 1998) 47,7 1993) 52,2 1982) 34,5 (1992)
1) Staatsausgaben in % des BIP, Periodendurchschnitte. 2) Ab 1971. 3) Ab 1975. 4) Umstellung des VGR-Systems auf ESVG 1995, ältere Daten nicht verfugbar. 5) Ungewichteter Durchschnitt. Quelle: OECD; Institut der deutschen Wirtschaft.
Ein weiterer Aspekt der Globalisierung betrifft die zukünftige Verteilung der finanziellen Mittel auf einzelne Ausgabenkategorien. Unter dem Gesichtspunkt einer Internationalisierung der Wirtschaft sollten die knapperen Ressourcen einerseits hinsichtlich des jeweiligen Standortvorteils verteilt werden. Da für Deutschland der Standortfaktor 'Humankapitar eine hervorgehobene Stellung einnimmt, bedeutet dies eine Stärkung der Investitionen, die zur Verbesserung des Humankapitals führen. Andererseits ist bei der Überprüfung der Staatsausgaben eine stärker zukunftsorientierte Kosten-Nutzen-Analyse heranzuziehen: Für den Bereich der untemehmensbezogenen Subventionen etwa muss eine Konzentration der Förderung auf die Betriebe erfolgen, die in zukunftsträchtigen Bereichen tätig sind.
160
6.3
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Lohnpolitik (Arbeitsmarkt)
Die Verschärfung des internationalen Wettbewerbs legt die Schwächen einer Volkwirtschaft deutlich offen, der Strukturwandel vollzieht sich eben nicht mehr nur innerhalb eines Staates. Für Entwicklungs- und Schwellenländer bedeutet dies etwa neue Arbeitsformen (vgl. Kapitel 7 Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen'). Aber auch in den traditionellen Industrieländern finden durch die Folgen der Globalisierung erhebliche Anpassungsprozesse statt. So führt der zunehmende Wettbewerb zwischen diesen Staaten zu einem steigenden Qualitätsbedarf bei den Beschäftigten, da Massengüter, deren Produktion mit einem geringeren Ausbildungsbedarf der Menschen verbunden ist, in den Industrieländern zunehmend weniger
produziert werden.156 Bisher
liegen allerdings keine eindeutigen wissenschaftlichen Aussagen vor, ob durch die zunehmende internationale Verflechtung der Märkte insgesamt ein Arbeitsplatzverlust oder ein Arbeitsplatzgewinn entsteht. Empirische Studien zeigen, dass es Industriestaaten gibt, die in den vergangenen Jahren einen positiven Verlauf auf dem nationalen Arbeitsmarkt aufwiesen, andere dagegen einen Rückgang bei der Beschäftigung und einem Anstieg bei der Arbeitslosigkeit hinnehmen mussten. Dies deutet darauf
hin, dass für die unterschiedliche Entder auch andere Einflüsse, wie Arbeitsmärkte wicklung jeweiligen z.B. der technische Fortschritt, der Wandel zu den Diensten oder strukturelle Verkrustungen, wichtig sind. Da hierdurch Überlagerungseffekte entstehen, können die Effekte einer Internationalisierung der Wirtschaft auf den Arbeitsmarkt nur schwer abgeschätzt werden. Einzelne Ergebnisse zeigen aber:
Qualifikation wird allerdings auch auf der Leitungsebene von Unternehmen erwartet. Qualifikationen für Führungspersonal im Zuge der Globalisierung können etwa sein: Beherrschung weiterer Fremdsprachen (neben Englisch) oder vor Ort gewonnene Kennmisse über
Ein höhere Zusätzliche
fremde Kulturen und Länder.
7.
•
•
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
161
Für den Bereich des grenzüberschreitenden Güterhandels konnte für einige Industriestaaten gezeigt werden, dass eine Ausweitung des Handels in den 70er und 80er-Jahren durch die Vergrößerung des zu beliefernden Marktes mit einer Erhöhung der Beschäftigtenzahlen einherging.157
Bezogen auf die bereits in Kapitel 2.2 'Direktinvestitionen' zitierten Ergebnisse empirischer Analysen sind die Beschäftigungseffekte von Direktinvestitionen eher positiv zu beurteilen.
Neben dieser Niveaufrage sind auch Strukturveränderungen auf dem Arbeitsmarkt zu beachten. So sichert etwa die Verlagerung von niedrig entlohnten Arbeitstätigkeiten in die Entwicklungs- und Schwellenländer die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen in industrialisierten Volkswirtschaften. Damit zeichnet sich ab, dass hoch qualifizierte und (gleichzeitig) mobile Arbeitnehmer zu den Gewinnern und Niedrig- bzw. Unqualifizierte zu den Verlieren der Globalisierung gehören werden. Eine ähnliche Entwicklung wird auch im Rahmen der Zuwanderung von Arbeitskräften erwartet, wobei hier Regelimgen bestehen, die eine differenziertere Betrachtungsweise notwendig machen.158 Dieser Prozess wird auch Auswirkungen auf die Lohnstruktur innerhalb eines Staates haben. Es wird zu einer (relativen) Steigerung der Entlohnung bei den gut qualifizierten Tätigkeiten kommen. Es wird aber auch weiterhin die Notwendigkeit zur Beschäftigung wenig qualifizierter Arbeitnehmer geben, die etwa bestimmte Zuarbeiten für die Höherqualifizierten ausführen. Eine flexiblere Lohnstruktur nach unten, aber mit dem aus den USA bekanntem Problem der 'working poor', und/oder die Verbilligung von niedrigqualifizierten Arbeitskräften durch staatliche Zuschüsse in Form der bekannten KombiVgl. die Angaben bei Lichtblau, K. (1997), S. 53.
Empirische Daten Uber die Gewinner/Verlierer der Qualifikationsgruppen finden sich in Deutscher Bundestag (2001), S. 121-140. Die theoretische Argumentation lehnt sich an das StolperSamuelson-Theorem an. Danach sinken/steigen tendenziell die Löhne und Gehälter derjenigen Inländer, die substitutive/komplementäre Tätigkeiten zu denen der Zuwanderer ausüben. Vgl. Stolper, W. F., P. A. Samuelson (1941); sowie Straubhaar, T. (2001), S. 102. Zusätzlich: Richter, W. (2001), S. 508.
162
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Lohn-Modelle bieten sich als Lösungswege an. Insgesamt gesehen zeigt auch ein Vergleich der Arbeitsmarktentwicklung in anderen Staaten, dass eine zunehmende internationale Verflechtung mit steigenden Beschäftigten- und sinkenden Arbeitslosenzahlen einhergehen kann.159 Ein weiterer Einflussfaktor, von dem Druck auf die Lohnhöhe ausgehen kann, wird in der Zuwanderungsproblematik etwa durch die EUOsterweiterung gesehen.160 Wie schon gezeigt wurde (vgl. Kapitel 1.2.3 'Arbeitsmärkte'), waren die auch in der Vergangenheit bereits geäußerten Befürchtungen über einen massiven grenzüberschreitenden Zustrom Arbeitswilliger unbegründet. So gilt seit 1968 für Zuwanderer aus EU-Staaten Freizügigkeit, wenn ihr Lebensunterhalt gesichert ist. Trotz dieser Freizügigkeit kam es bisher nicht zu einer Beschleunigung bei den Wanderungen zwischen den Staaten. Kulturelle, gesellschaftliche und sprachliche Barrieren sowie die bisherigen gesetzlichen Regelungen für Zuwanderung mit Staaten außerhalb des EU-Raumes haben zudem verhindert, dass es zu großen grenzüberschreitenden Wanderungen aus diesen Staaten gekommen ist.161 Die Probleme grenzüberschreitender Arbeitskräftewanderungen sind zudem bereits im 'Arbeitnehmer-Entsendegesetz'162 von 1996 aufgegriffen worden. Danach gelten bei allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertragsbestimmungen des Baugewerbes die Bestimmungen für Entgelt und Urlaub auch für ausländische Arbeitgeber und ihre in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer. Risiken für die nationalen Arbeitsmärkte der EU-Staaten werden auch in der angestrebten Erweiterung der EU gesehen. Vor allem durch das vergleichsweise gut ausgebaute deutsche Sozialleistungssystem werden Migrationanreize vermutet. Die Folgen hiervon werden in einem tendenziellen LohnVgl.
die Analyse für Dänemark, Niederlande, Neuseeland, Großbritannien und die Staaten in: Kleinen, J., A. Schimmelpfennig, K. Schräder, J. Stehn (2000), S. 97ff.
Vereinigten
Ähnliche Probleme werden auch für die Sozialstaaten der EU erwartet, wobei eine besondere Problemlage für Deutschland gesehen wird. Vgl. Sodan, H. (2002).
Vgl. Dietz,B. (2001). Gesetz Uber zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden setzblatt 1996, Teil L Nr. 11, S. 227, vom 26. Februar 1996.
Dienstleistungen, Bundesge-
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
163
Beschäftigten mit einer niedrigen QualiEuropäische Kommission für die Beitrittsverhandlungen Übergangsfristen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit von bis zu sieben Jahren für die Verhandlungen mit den Beitrittsstaaten vorgeschlagen. Für die Zeit nach diesen Übergangsfristen sind inzwischen zahlreiche Vorschläge aus der Wissenschaft vorhanden, damit die Arbeitskräftewanderungen auch nach der EU-Erweiterung politisch gestaltbar bleiben.163 druck gesehen, vor allem bei fikation. Allerdings hat die
Andererseits zeigt die Zuwanderungsproblematik die Möglichkeiten auf, die sich durch die Globalisierung bieten. So hat eine öffentliche Anhörung vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages über die ökonomischen Auswirkungen von Zuwanderungen die wissenschaftliche Erkenntnis bestätigt, dass es in Deutschland einen erheblichen Mangel an qualifizierten Fachkräften gibt und sich dieser in Zukunft weiter verstärken wird. In der gesteuerten Zuwanderung, der so genannten Arbeitsmigration, wird mithin eine der Möglichkeiten gesehen diesen Fachkräftemangel reduzieren zu können.164
sind Überlegungen darüber, wie sich die Arbeitsbeziehungen in multinationalen Unternehmen gestalten und wie Betriebsräte und Gewerkschaften auf die Internationalisierung der Wirtschaft reagieren sollten. So haben etwa die Arbeitnehmervertreter der Volkswagen AG im Jahre 1998 einen Volkswagen-Weltbetriebsrat gegründet. Dieser besitzt aber mit seinen Aufgaben im Informationsund Beratungsbereich deutlich weniger Einflussmöglichkeiten als die deutschen Betriebsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Zudem dürfte der Abschluss globaler Tarifverträge schon an den unterschiedlichen Interessen der Arbeitnehmer in den einzelnen Staaten scheitern. Ansatzpunkte wären allenfalls konzernweit geltende MinRelativ
neu
Für eine kurze Übersicht Brücke, H., C. Weise (2001); Schäfer, W. (2001). Eine umfassende empirische Analyse der EU-Erweiterung und deren Auswirkungen für den Arbeitsmarkt findet sich in: Sinn, H.-W. (2000). Für den temporären Bedarf an bestimmten Qualifikationen gibt es zudem die Green-Card-Regelung, die ausschließlich für Interessenten mit benötigten Berufen ausgestellt wird. Es wurde allerdings im Rahmen der Zuwanderungsdiskussion von dem Sachverständigen G. Kleinhenz (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) aufgezeigt, dass es „keinen ökonomischen Zwang, den Fachkräftemangel ausschließlich durch Zuwanderung zu lösen" gebe. Vgl. O.V. (2002).
7.
164
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
deststandards fairer Arbeitspraktiken, wie sie schon in einzelnen Unternehmen vereinbart wurden.165
Sozialpolitik
6.4
Ähnlich wie beim Arbeitsmarkt gibt es auch im sozialen Bereich erhebliche Widerstände eines Großteils der Bevölkerung der Industriestaaten gegen die Folgen der Globalisierung. Dahinter steht sehr oft die Befürchtung soziale Errungenschaften aufgeben zu müssen. Auch hier, ähnlich wie bei der Finanzpolitik und beim Arbeitsmarkt, muss zunächst festgehalten werden, dass auch noch andere Einflüsse auf diesen Teil der Wirtschaffspolitik wirken. Im Bereich der Sozialpolitik ist z.B. auch die demografische Entwicklung eines Staates zu beachten. Eine exakte Identifikation von Ursachen-Wirkungs-Beziehungen ist auch hier nur schwer möglich. Daher sind auch an dieser Stelle eher qualitative Aussagen angebracht. In der Literatur linden sich zahlreiche (behauptete) Effekte zur Globalisierung, die direkt oder indirekt auch Folgen für die Sozialpolitik
haben:
geringerer Lohnsanstieg als in der Vergangenheit
a)
Es findet ein
b)
Es entstehen neue Formen der Erwerbstätigkeit, durch steigende Anforderungen an die Flexibilität der Unternehmen und der Arbeitnehmer. Hieraus resultieren unzureichende Absicherungen gegenüber sozialen Risiken.
statt, bis hin zu Einkommensverlusten. Dadurch fehlen im Bereich der beitragsfinanzierten Sozialversicherungen Einnahmenbestandteile; die Finanzkrise des Sozialstaates wird sich weiter verschärfen.
Vgl. Rüb, S. (2001).
7.
c)
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
165
Das Ausmaß der Beschäftigung geht zurück, bei steigender Arbeitslosigkeit. Dies belastet die Sozialkassen, die Beitragssätze zu den Sozialversicherungen und die Steuersätze steigen.
Zu These a) 'geringerer Lohnanstieg als in der und die Auswirkungen auf den Sozialstaat'
Vergangenheit
ist in seinen wesentlichen Bereichen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Leistungsseite an der Einkommensentwicklung orientiert. Die Anpassungen beziehen sich dabei entweder direkt auf Einkommensgrößen (Rentenerhöhungen, Anpassungen beim Arbeitslosengeld) oder auf andere Indikatoren, wie etwa die Inflationsrate (etwa bei Sozialhilfe, bis 1. Juli 1998), die sich aber mittelfristig in einem ähnlichen Ausmaß wie die Einkommensgrößen verändern. Aus diesem grundlegenden Zusammenhang folgt allerdings: wenn der Einkommenszuwachs geringer wird, dann verlangsamt sich auch der Ausgabenzuwachs. Eine nachhaltige Belastung der finanziellen Ausstattung wesentlicher Teile der sozialen Sicherungssysteme kann es daher durch eine verminderte Steigerung der Einkommen nicht geben.166 Das deutsche
Sozialsystem
Zu These b) 'Neue Formen der chende soziale Absicherung'
Erwerbstätigkeit
und unzurei-
Hinter dieser These steht die Vermutung, dass es durch die Globalisierung zu einer Auflösung der traditionellen Vollzeitarbeitsverhältnisse kommt, etwa durch eine vom intensiveren Wettbewerb aufgezwungene 'Just-In-Time '-Produktion. Empirisch nachweisbar ist eine Zunahme des Anteils neuer Arbeitszeitformen an der Gesamtbeschäftigung. Dies betrifft etwa die Teilzeitarbeit und die flexiblen Arbeitszeiten, aber auch die geringfügige Beschäftigung.167 Neben veränderten Wettbewerbserfordernissen kann hinter einer Zunahme dieser neuer Arbeitsformen aber auch der Wunsch von Arbeitnehmern stehen Familie, Partnerschaft und Berufsleben besser vereinbaFolgen ergeben sich über diesen Zusammenhang allenfalls aus den time-lag-bedingten Wirkungen rückläufiger Lohnzuwachsraten, da Sozialleistungen i.d.R. mit einer zeitlichen Verzögerung an die Einkommensentwicklung angepasst werden.
Vgl. Weeber, J., J. Eckhoff(1999).
166
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
können. Vor allem die steigende Frauenerwerbstätigkeit und der Wandel der Arbeitswelt zu den Dienstleistungsberufen begründen daher das steigende Ausmaß an Teilzeitbeschäftigung in vielen Staaten. Die Reaktionen hierauf sind aber eher ein Problem der Sozialpolitik als der Globalisierung.168 ren zu
Zu These c) 'abnehmende Beschäftigung und steigende Arbeitslosigkeit führen zu steigenden Beitrags- und Steuersätzen'
Für Deutschland dürften Auswirkungen aus der internationalen Verflechtung der Warenmärkte und durch Direktinvestitionen kaum negativ sein, sie stabilisieren eher die Beschäftigung. Die in Kapitel 6.3 'Lohnpolitik (Arbeitsmarkt)' beschriebene Strukturverschiebung zwischen den Arbeitskräften unterschiedlicher Qualifikationsstufen hat durch den steigenden Anteil von Langzeitarbeitslosen bzw. kaum vermittelbaren Personen allerdings Auswirkungen auf den Sozialstaat. Hier sind zusätzliche Maßnahmen zur Qualifikation und Vermittlung notwendig gegebenenfalls über die Gewährung finanzieller Unterstützungsleistungen für potenzielle Arbeitgeber. -
Probleme für den Arbeitsmarkt und damit für die soziale Sicherung eines Landes entstehen eher im Gefolge der globalisierten Finanzmärkte. Vor allem Schwellenländer, aber auch Industriestaaten sind von solchen Entwicklungen kurz- und mittelfristig betroffen: Ökonomisch kaum nachvollziehbare Aufwertungen, die hohe Volatilität der Wechselkurse und Spekulationswellen können realwirtschaftliche Entwicklungen beeinflussen. Durch die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum entstehen Beeinträchtigungen bei der Beschäftigungssituation eines Staates. Höhere Ausgaben für Arbeitslosigkeit und rückläufige Einnahmen bei den Beiträgen und Steuern sind die Folge. Bei den Steuereinnahmen kann sich eine zusätzliche Verschärfung ergeben: So gibt es in Deutschland zahlreiche steuerfinanzierte Sozialleistungen. Bei einem intensiveren Steuerwettbewerb drohen Einschränkungen dieser Leistungen.
Da es in Deutschland in diesen Fallen zu einer unzureichenden sozialen Absicherung kommen kann, sehen zahlreiche Vorschläge etwa die Einführung einer Versicherungspflicht für Alle im Rahmen der Sozialversicherungen vor.
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
167
Die Einflüsse durch Wanderungsbewegungen sind aus Sicht des Sozialstaates eher notwendig. So gehen Prognosen zur Finanzierbarkeit des deutschen Rentensystems von bis zu 8 Mio. Nettozuwanderern bis zum Jahres 2040 aus. Zur positiven Beeinflussung des Sozialstaates wäre allerdings eine bestimmte Alters- und Qualifikationsstruktur der Zuwanderung erforderlich. Problem: Diese Menschen werden i.d.R. auch in ihren Heimatländern gebraucht. Im Endeffekt
geht es bei der Diskussion um die Auswirkungen der Globalisierung auf den Sozialstaat in den Industriestaaten ähnlich wie bei der Steuerpolitik um die Frage, ob es bei einer Verschärfung des Standortwettbewerbs einen maximalen oder minimalen Umfang des Sozialstaates geben kann. Empirische Untersuchungen zeigen, dass in der Vergangenheit die unterschiedliche Inanspruchnahme der Wirtschaftskraft für soziale Leistungen mit dauerhaftem Wirtschaftswachstum vereinbar war.169 Im Zuge sich verengender finanzieller Spielräume des Staates werden in der Zukunft aber eher Formen privatwirtschaftlicher Absicherung vor sozialen Risikotatbeständen überwiegen, wie etwa die jüngste Rentenreform in Deutschland mit der Einführung der kapitalgedeckten Eigenvorsorge gezeigt hat. Die nationale Sozialpolitik besitzt damit aber weiterhin Gestaltungsmöglichkeiten. -
-
Entwicklungs- und Schwellenländer lässt sich ähnlich wie bei Industriestaaten die Sozialpolitik auch als Standortfaktor verstehen. So stellen relativ niedrige Sozialstandards zunächst (temporäre) komparative Kostenvorteile dar170 ähnlich lässt sich auch für den Faktor Umwelt argumentieren. Die Forderung nach einheitlichen Umweltund Sozialstandards wird daher in Teilen der Literatur als eine (moderne) Form des Protektionismus seitens der Industriestaaten aufgefasst. Die internationalen Gespräche zwischen den Staatengruppen sind hier noch nicht abgeschlossen, dabei sollte die Einhaltung sozialer Mindestrechte und gesellschaftlicher Grundrechte, wie z.B. das Verbot von Kinderarbeit, aber außer Frage stehen. Für
-
Vgl. etwa Glastetter, W. (2000); Krupp, H.-J., J. Weeber (1997). Vgl.
zu
Fragen des (2001).
T.Greven
Sozialstandards.
Glastetter,
W.
(2000),
S.
206; Sautter,
H.
(2001); Scherrer, C,
168
6.5
1-
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Literatur
Die Literatur zu den Auswirkungen der Globalisierung auf die nationale und internationale Wirtschaftspolitik ist mittlerweile kaum überschaubar. Die hier angegebene Beiträge bieten die Möglichkeit eines schnellen Einstiegs in die einzelnen Politikbereiche. Zum Thema •
Geld- und Währungspolitik: Flassbeck, H. W. (1988); Nunnenkamp, P. (2000),
•
Finanz- und Steuerpolitik: Kronberger Kreis D. (2000); Sievert, O. (1996),
•
Lohnpolitik und Arbeitsmarkt: Bispinck, R., T. Schulten (1998); Däubler, W. (1998); Welzmüller, R., (1997),
•
Sozialpolitik: Afheldt, (1998).
H.
(1997), Schröder,
(1998); Sakkas,
(1995); Krupp, H.-J.,
J. Weeber
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
169
Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
7
Der fortschreitende weltwirtschaftliche Strukturwandel hat nicht
nur
auf Unternehmen und auf einzelne Politikbereiche. Bereits in frühen Analysen wurden auch Unterschiede bei Standortbedingungen und sozialen Indikatoren in die Analyse unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklungen von Regionen einbezogen, etwa im Nord-Süd-Konflikt der 70er-Jahre.171 Heute sind gerade diese Fragestellungen Inhalt auch zahlreicher globalisierungskritischerer Aussagen. Die regionale Analyse der Auswirkungen eines zunehmenden Globalisierungsprozesses lässt sich dabei unter zwei Blickwinkeln betrachten:
Auswirkungen
•
die Auswirkungen zwischen Staaten bzw.
•
die Auswirkungen innerhalb eines Staates.
7.1
Staatengruppen und
Auswirkungen zwischen Staaten und Staatengruppen
Regionalorientierte
theoretische und empirische Analysen beschäftiu.a. sich mit der Frage, ob es Staaten gibt, die durch die Globaligen sierung gewinnen oder verlieren? Als Ergebnis zeigt sich, dass zu den Gewinnerstaaten in der Vergangenheit eher die traditionellen IndustVgl. Nord-Süd-Kommission (1980).
7.
170
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
riestaaten gerechnet werden, hier ist das BSP pro Kopf der Bevölkerung deutlich höher als in anderen Regionen (Abb. 7.01). Für diese Staatengruppe ergeben sich positive Renditen aus dem Abschöpfen von Rohstoffen aus Entwicklungsländern und der Gewinnung neuer Absatzmärkte; einen Beleg hierfür liefern die für rohstoffexportierende Entwicklungsländer vergleichsweise ungünstig verlaufenden terms of trade. Negativ wird in den Industriestaaten häufig der Strukturwandel und der Verlust von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich beurteilt. Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist dies allerdings positiv zu bewerten, da hieraus Anstrengungen zur Förderung des Humankapitals resultieren und dadurch das wirtschaftliche Wachstum insgesamt gefördert wird. Abb. 7.01
BSP pro
Kopf der Bevölkerung in einzelnen Regionen -
1999
in US-Dollar pro Jahr
-
25.000
OECDStaaten
Latainamerika und Karibik
Osteuropa und GUS
arabische Staaten
Ostasien
Südasien
Afrika südlich Alle Länder der Sahara
Quelle: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (2001), S. 176; eigene Darstellung.
Als Gruppe von jungen Gewinnerstaaten gelten die Schwellenländer Südostasiens und einige Länder Lateinamerikas. Wenn auch die Finanzkrisen der 80er und 90er-Jahre die wirtschaftliche Entwicklung in einzelnen Regionen zeitweise zurückgeworfen hatte, so ist doch in diesen Staaten in den vergangenen Jahrzehnten eine z.T. deutliche Steigerung des Durchschnittseinkommens festzustellen (Abb. 7.02).
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
171
Beeinträchtigt wird dieser Erfolg vereinzelt durch eine größere gleichverteilung finanzieller Mittel in der Bevölkerung. Abb. 7.02
Un-
Jahresdurchschnittliches Wachstum des realen BSP pro Kopf der Bevölkerung 1975 1999 -
I
I
Ostasien
Südasien
OECD-Staaten Lateinamerika und Karibik
arabische
Afrika südlich
Osteuropa und
Staaten
der Sahara
GUS
Alle Länder
l)in%. 2) 1990-1999.
Quelle:
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen
(2001), S. 213; eigene Darstellung.
Globalisierung werden i.d.R. die allem große Teile Afrikas gebisherigen Entwicklungsländer, zählt.172 Sie blieben in der wirtschaftlichen Entwicklung deutlich hinter der anderer Regionen zurück. Hier hat sich das Durchschnittseinkommen pro Kopf der Bevölkerung z.T. sogar verringert (Abb. 7.02). Und dies bei großer Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen und auch negativen Werten für soziale Indikatoren, wie etwa der Kindersterblichkeit oder der Lebenserwartung. Dies gilt vor allem für die Teile Afrikas südlich der Sahara. Im Vergleich zu anderen Regionen ist hier der Anteil der Bevölkerung, der unter gravierender Einkommensarmut leidet, besonders hoch (Tab. 7.01). Zu den Nicht-Gewinnerstaaten der
vor
Ausnahmen sind etwa Ghana und Uganda, die im Durchschnitt der letzten 20 bis 30 Jahre eine positive Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens aufweisen. In der jüngeren Vergangenheit hat sich zwar in einigen weiteren Staaten eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ergeben (Vgl. dazu Gondwe, G. E. (2001), aber ..moreover, Africa is still far from reaching its goal of an annual growth rate above 7 percent a year, which is essential if it is to achieve the quality of life of other developing countries." Daouas, M. (2001), S. 4.
7.
172
Tab. 7.01
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Bevölkerung mit einem Einkommen von unter einem US-Dollar pro Tag (in %)
Region
1990
1998
Ostasien und Pazifik Osteuropa und Zentralasien Lateinamerika und Karibik Mittlerer Osten und Nordafrika Südasien Afrika südlich der Sahara Alle Regionen
27,6 1,6 16,8
14,7 12,1
2,4
2,1
44,0 47,7 29,0
40,0 48,1 23,4
Quelle: Calamitisis, E. (2001), S.
3,7
11.
Die Suche nach den 'Gewinnern und Verlierern' führt auch zu der Frage, ob es spezifische Voraussetzungen der Staaten für Erfolg bzw. Misserfolg im Globalisierungsprozess gibt? Ein Patentrezept gibt es sicherlich nicht. Aber es zeigt sich, dass bestimmte Rahmenbedingungen sich relativ günstig auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Staates auswirken können: •
Die Integration eines Staates in die Weltwirtschaft, durch Öffnung der Grenzen für Export und Import (als Gegensatz dazu der Protektionismus der 30 Jahre und derzeit in einigen wenigen Staaten), aber auch für Lernen durch Know-how-Transfer. So zeigt sich für die Schwellenstaaten Asiens, dass eine Steigerung des Anteils am Welthandel mit einer Zunahme des Pro-KopfEinkommens seit Anfang der 70er-Jahre einhergegangen ist (Abb. 7.03 a/b).173 Die Exporttätigkeit sollte sich dabei aber nicht auf Rohstoffe konzentrieren. Hier ist die Entwicklung der terms of trade in der Vergangenheit vergleichsweise ungünstig gewesen.174 Die Öffnung der Entwicklungs- und Schwellenländer muss allerdings durch den verbesserten Zugang zu den Märkten der Industrienationen unterstützt werden. Hier waren
auch El-Shagi, E. (1999). Zwei neuere Studien stutzen die These des Zusammenhangs zwischen Handelsliberalisierung und Armutsverminderung zusätzlich empirisch ab. Vgl. WTO (2000) und Dollar, D., A. Kraay (2000).
Vgl.
Vgl. Kappel, R. (1999a).
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
in der Vergangenheit von der UNCTAD vor allem auf arbeitsintensive Produkte zu beanstanden.175 •
173
Spitzenzölle
Die Offenheit der Kapitalmärkte, wobei hier eine Unterscheidung nach Direktinvestitionen und Finanzanlagen vorgenommen wird (für letztere kann es in einzelnen Staaten und in bestimmten Situation, etwa bei Spekulationswellen, Beschränkungen geben, ohne dass es zu einer kurzfristigen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung kommt. Als Beispiel gelten hier die Kapitalverkehrskontrollen Malaysias im Zuge der A-
sienkrise).
•
•
Verlässliche ökonomische Stabilität (niedrige Inflation, niedriges Zinsniveau, geringer öffentlicher Schuldenstand). Verlässliche staatliche Rahmenbedingungen (etwa in der Verwaltung, beim Steuersystem und dem Rechtswesen; zudem fordert der Abbau staatlicher Privilegien für Betriebe, z.B. in Form der Abschaffung von Monopolen, die Anreize für ausländische Investoren, sich auf diesen Märkten zu engagieren).
Überwindung
Einkommensunterschieden zwischen Staaten wird zudem durch die wirtschaftliche WeiterentStaatengruppen wicklung eines Staates gefördert. Mit zunehmender Industrialisierung steigen daher auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern die Ansprüche an die Entlohnung und die Systeme der sozialen Sicherheit.176 Allerdings lassen sich wohlfahrtsvermehrende Faktoren nicht nur in monetären Größen ausdrücken. Positive Globalisierungseffekte können daher auch mit einer verbesserten Ausstattung sozialer Indikatoren (z.B. Bildungsversorgung, Kindersterblichkeit) einhergehen Die und
von
(Abb. 7.04).177
UNCTAD (1999). Eine solche Entwicklung lässt sich aus den unter 4.1 'Reale (güterwirtschaftliche) Außenwirtschaftstheorie' dargestellten Überlegungen zur Herstellung von Produkten und der steigenden Kaufkraft eines Staates ableiten. Vgl. auch Franz, W. (1999).
Vgl. zum Aufbau und zur Aussagekraft sozialer Indikatoren Abb, F., J.
Weeber (1989).
174
7.
Kapitel: Auswirkungen der Globalisierung auf Regionen
Abb. 7. 03
Zusammenhang zwischen
Einkommenswachstum
und Welthandelsanteil
b. Außenhandel (als Prozent des Virelthandels)
o i-j—i—-—i—•—i—i—i—