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German Pages 328 Year 2020
Sarah Hübscher
Interaktion im Kunstmuseum
Edition Museum | Band 45
Sarah Hübscher, geb. 1981, ist Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, lehrt an der Fakultät Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie der TU Dortmund. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Kulturanalyse und Kulturvermittlung im musealen Kontext und urbanen Raum sowie Ausstellungen als Interaktionsräume. Sie ist freie Mitarbeiterin in der Abteilung »Bildung und Kommunikation« des Museum Ostwall im Dortmunder U und Projektleiterin diverser Formate. Außerdem ist sie Gründungsmitglied des künstlerischwissenschaftlichen Kollektivs FRAPPANZ (Dortmund).
Sarah Hübscher
Interaktion im Kunstmuseum Das Museum Ostwall im Dortmunder U
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 transcript Verlag, Bielefeld zugl. Dissertation, Technische Universität Dortmund 2019 Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept und Layout: Sarah Hübscher Lektorat: Antje Utermann-Funke, Dortmund Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-5182-9 PDF-ISBN 978-3-8394-5182-3 https://doi.org/10.14361/9783839451823 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download
Joseph Beuys, Intuition, 1968, Holzkiste mit Bleistiftzeichnung, 30 x 21 x 6 cm, Multiple, unlimitiert, 1968–1985. Foto: Sarah Hübscher | © VG Bild-Kunst, Bonn 2020.
„Ich verstehe Kunst und Wissenschaft als wesentliche Bestandteile unseres zivilen Lebens, weil viel bewirkt werden kann durch künstlerische und kreative Prozesse. Ich bin überzeugt, dass Kunst und Kultur unverzichtbare Grundlagen einer Gesellschaft im demokratischen und friedlichen Zusammenleben sind. Je kreativer eine Gesellschaft ist, umso fähiger ist sie aufzustehen und damit zu überleben. Kunst und Kultur helfen Identitäten zu entwickeln und zu stärken.“
Martin Roth 2017, S. 15.
Inhalt 09 Reallabor Kunstmuseum – aktive Prozesse als Teil von transformativer Forschung 19 Hashtags – Verschlagwortung als Kultur 21 Kulturen als Reflexionsflächen – Begriffe als Tools in transformativen Prozessen 21 Kulturen | 28 Bildung | 37 Demokratie | 42 Ort/Raum 50 Museum | 56 Objekt | 61 Interaktion 73 Modelle kultureller Praktiken: Clifford Geertz – Kulturen als Beschreibung 73 System | 76 Text | 79 Bedeutungsgewebe | 81 Transformation 81 Differenz | 84 Common Thread 87 Modelle kultureller Praktiken: Aby Warburg – Bildkulturen als Beschreibung 87 Medium | 92 Labor | 94 Reproduktion | 96 Detail 98 Zwischenraum | 100 Möglichkeitsraum | 102 Hashtag | 103 Folgen 107 Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation 107 Konzentration | 110 Stadt | 113 Wandel | 127 Mikro | 132 Ort 140 Sammlung | 146 Makro
149 Kulturelle Praktiken in Anwendung – unbestimmte Konstanten und aktive Prozesse 149 Funktion | 156 Ausstellung | 158 Anatol Herzfeld 162 Wolf Vostell | 165 August Macke | 168 Matthias Koch 171 Ketty La Rocca | 173 Martin Brand | 176 Freya Hattenberger 179 Mark Dion | 182 Roy Villevoye | 185 Jean Tinguely 195 Dossier – Objekt und Raum 211 Interaktionen im Kunstmuseum als Open Source – Denkräume öffnen 212 Kraftwerk | 216 beyond | 222 Format | 223 wort | bild 224 Brot aus dem Kriesenherd | 227 ReAktion 230 vernetzt – vernutzt – versammelt | 232 habitat. 240 Schnittstelle | 250 Atlas | 256 Robert Filliou 258 Jean Tinguely | 259 Stefan Wewerka | 260 George Brecht 262 Jesús Rafael Soto | 264 Raymond Hains | 265 Open Source 271 Das (Kunst-)Museum als Open Source – Doing Culture als Gegenwartsbeschreibung 275 Haltung | 282 Intuition 285 Literatur
Reallabor Kunstmuseum – aktive Prozesse als Teil von transformativer Forschung Denken entsteht nicht im luftleeren Raum. Gedanken sind kulturelle Manifestationen, die sich in aktiven Prozessen als Reaktionen auf bereits Vorhandenes vollziehen. Das Kunstmuseum ist explizit ein Ort für diese aktiven Prozesse, die Formen des Denkens in kulturelle Praxen überführen. Das Kunstmuseum ist Teil der Verhandlung von Gesellschaft(en) unter der Einbeziehung von historischen und aktuellen, sozialen und politischen Entwicklungen. Anna Minta und Yvonne Schweizer bewerten die gegenwärtige Situation der europäischen Museumslandschaft als problematisch: „Der aktuell andauernde Prozess des postdemokratischen Umbaus etlicher EU-Mitgliedsstaaten trifft das Museum als Experimentierort und Modellraum sozialer Öffentlichkeit und partizipativer Demokratie in hohem Maße. So sind freiheitliche Rechtssysteme und Ordnungen in Staaten wie der Türkei oder Ungarn akut bedroht; kritische Positionen werden drastisch in ihren Handlungsspielräumen eingeschränkt und aus der Öffentlichkeit verdrängt.“1 Die postdemokratischen Entwicklungen betreffen das öffentliche Denken unmittelbar und fordern Kulturinstitutionen heraus, Strategien zur Teilhabe an Demokratie zu entwickeln. Kunstmuseen verhandeln mit ihren Objekten an unterschiedlichen Scharnierstellen diese Entwicklungen ohnehin. Ihre Objekte sind Indikatoren diverser gesellschaftlicher und politischer Veränderungen. Doch auch die Institution selbst ist im Wandel begriffen und ist herausgefordert sich zu positionieren, denn der „kulturpolitische Auftrag von Museen wird spätestens seit den 1970er Jahren nicht mehr nur im 1 Minta/Schweizer 2018, einleitend, S. 3.
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Sammeln, Bewahren und Erforschen von Objekten, die für eine Gesellschaft von Bedeutung sind, gesehen. Vielmehr geht es auch darum, das in den Objekten manifestierte Wissen möglichst vielen Mitgliedern dieser Gesellschaft zu vermitteln.“2 Das (Kunst-)Museum soll als Bildungsort identitätsstiftend in die Gesellschaft wirken. Dies stellt die Museen vor die Herausforderung, die eigene Transformation und Museumsidentität an den gesellschaftlichen Wandel anzupassen – permanent. Dabei liegt der Fokus des Diskursfeldes häufig auf dem Museum der Zukunft. Das Museum wird als Zukunftsort beschrieben, der Herausforderungen bearbeitet, der Visionen umsetzt und täglich über sich hinauswachsen soll. Die gedachte Zukunft des Museums behindert jedoch den Blick auf das Museum der Gegenwart. Was können die Institutionen mit ihren Räumen, Objekten, kuratorischen Gedanken und Akteur*innen bewegen und mit ihren verknüpfenden Logiken von Gegenwart und Geschichte(n) bereits gegenwärtig leisten? Wie kann das Museum der Gegenwart konkret als Ort der Teilhabe zum Transfer von Wissen und als Plattform des öffentlichen Denkens in die Gesellschaft wirken? Das Museum der Gegenwart läuft Gefahr, mit der Fokussierung auf das Museum der Zukunft die Gesellschaft der Gegenwart und den damit verbundenen Verlust von Generationen zu riskieren. Denn das Besuchen von Kulturorten ist eine sozialisierte kulturelle Praxis. Der Kreis der regelmäßigen Kulturnutzer*innen liegt 2008 bei circa 3−4 Prozent der Bevölkerung in Deutschland, obwohl 50 Prozent der Bevölkerung potenziell für Kultur zu mobilisieren wären.3 Darüber hinaus ist der zentralste Anlass für den Besuch einer (hoch-)kulturellen Veranstaltung – unabhängig von Alter oder Bildungsniveau – der „Wunsch nach sozialer Aktivität, nach gemeinsamen Unternehmungen mit Partner oder Freundin. Erst danach werden die Motive ‚sich weiterbilden, etwas lernen‘ sowie ‚neue Kunstformen kennen zu lernen und ästhetischer Genuss‘ genannt.“4 Fragen nach den Formen von Bildungsangeboten und Kommunikation sind verbunden mit Fragen nach dem Setting der Kulturvermittlung 2 Mandel 2008, S. 76. 3 Ebd., S. 77. 4 Ebd., mit Bezug auf Noschka-Roos 1996, S. 64.
Reallabor Kunstmuseum – aktive Prozesse als Teil von transformativer Forschung
und ihrer Qualität. Für wen wird was wie angeboten? Die Angebotsdichte ist bei der Gruppe der Besucher*innen unter 20 Jahren – KiTa-Gruppen, Schulkinder und institutionell gebundene Jugendliche – besonders hoch. Auch das Angebot für Menschen im Alter von 60 Jahren und älter weist ein breites Spektrum auf. Diese Angebote sind jedoch häufig kostenpflichtig. Verloren geht in der Angebotsstruktur eine wesentliche Zielgruppe, nämlich die der 20−60-Jährigen. Laut einer Prognose für das Jahr 2020 stellen sie dann 52,9 Prozent der Bevölkerung in Deutschland.5 Diese vernachlässigte Gruppe besteht aus Multiplikator*innen des Gegenwärtigen, sie sind wesentlich für die intergenerationale Weitergabe kultureller Handlungsrepertoires zuständig. Die Ausführungen widmen sich daher verstärkt den Angeboten der Kulturvermittlung für diese Altersstruktur.6 Die Untersuchung verfolgt das Ziel, das Kunstmuseum als kulturelles System zu beschreiben und den darin angelegten thematischen Relevanzen der 20−60-Jährigen nachzuspüren. Übergeordnet stellt sich die Frage nach dem (Bildungs-)Potenzial in der Auseinandersetzung mit Kunst. Das Interesse für Bildung liegt nicht allein in den sozialwissenschaftlichen Bereichen – andersherum ist die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur nicht nur eine Kernaufgabe der Kunst- und Kulturwissenschaft. Zunehmend halten kunst- und kulturwissenschaftliche Ansätze Einzug in die Auseinandersetzungen mit dem Universalwort Bildung in sozialwissenschaftlichen Kontexten. Und selbstverständlich sind die Fragen nach Individuen und Gesellschaft(en) in kunst- und kulturwissenschaftlichen Diskursen implizit. Dies ist nicht als ungewöhnlich zu bewerten, denn Kultur und Bildung formieren eine verschränkte Einheit. Rahel Puffert bezeichnet die Verbindung von Kultur und Bildung als „Komplizenschaft“ und zeigt auf, dass es einzig 5 Bundeszentrale für politische Bildung, Grafik Bevölkerungsentwicklung und Altersstruktur/Be-
völkerung in absoluten Zahlen, Anteile der Altersgruppen in Prozent, 1960 bis 2050, Stand 2015. 6 Die Verfasserin merkt hier das Potenzial von inter- und transgenerationalen Kulturvermittlungs-
angeboten an. Sie befürwortet explizit Angebote, die dieses gesellschaftsverbindende Element befördern. Die Unterteilung in Altersgruppen ist demnach eine strukturelle Entscheidung der Institutionen und nur zu Teilen inhaltlich begründet.
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„die institutionellen Ordnungen [sind], die Trennungen ziehen, wo eigentlich keine sein sollten, und die Entscheidungen der Zuordnung erwarten, wo keine Entscheidungen möglich sind. Kultur bedarf der Bildung und ohne Bildung ist keine Kultur denkbar.“7 Die hier vorgestellte Untersuchung verhandelt daher einen Forschungsgegenstand, der per se das institutionelle Ordnungssystem überschreitet. Untersucht wird eine Institution, die beide Elemente innerhalb einer Ordnung vereint – die sich sowohl das Bewahren, Versammeln, Erforschen und Vermitteln von Kunst zur Aufgabe macht als auch als öffentliche Bildungsinstitution funktioniert: das Kunstmuseum. Die Untersuchung ist jedoch kein Beitrag zur Wirkungsforschung von Kunst; es werden darin keine Bildungserfolge evaluiert oder bewertet oder gar Kompetenzen abgefragt. Dies ist auch kein Beitrag zur Kulturnutzer*innenforschung, der hinterfragt, wer genau warum und mit wem ins Museum geht.8 Und doch betrifft das Forschungsfeld ebenfalls Fragen nach dem Erlangen von Handlungskompetenzen oder der Steigerung des Audience Development. Die Untersuchung verzichtet auf Fragebögen, Interviews und Methoden der klassischen sozialwissenschaftlichen Forschung. Vielmehr ist das Forschungssetting transformativ. Dies ist ein Beitrag zu einer interdisziplinären Forschung, die das Kunstmuseum als konkreten Ort in einem urbanen Zusammenhang untersucht und dabei gesellschaftliche Fragestellungen – lokal und global – mit einschließt. Die Untersuchung kategorisiert das Kunstmuseum als Ort der Objekte mit historischen und gegenwärtigen Relevanzen sowie als Ort von diversen Akteur*innen. Die Forschungsabsicht bestimmt das Kunstmuseum zum Reallabor. Uwe Schneidewind definiert: „Ein Reallabor bezeichnet einen gesellschaftlichen Kontext, in dem Forscherinnen und Forscher Interventionen im Sinne von ‚Realexperimenten‘ durchführen, um über soziale Dynamiken und Prozesse zu lernen. Die Idee des Reallabores überträgt den naturwissenschaftlichen Labor-Begriff in die Analyse gesellschaftlicher und politischer Prozesse. Sie knüpft an die experimentelle Wende in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an. Es be7 Puffert 2013, S. 263. 8 Vgl. weiterführend zu Besucher*innen- bzw. Nichtbesucher*innenforschung insbesondere Man-
del/Renz 2016, S. 557−610.
Reallabor Kunstmuseum – aktive Prozesse als Teil von transformativer Forschung
stehen enge Verbindungen zu Konzepten der Feld- und Aktionsforschung.“9 Und mehr noch: „Reallabore sollen zudem eine direkte transformative Wirkung erzeugen.“10 Das inter-/transdisziplinäre und transformative Forschungsformat versucht durch demokratische Aushandlungsprozesse, in denen „Wissenschaft und Gesellschaft zusammen Veränderungsprozesse initiieren und untersuchen“11, das Kunstmuseum als Ort der praxisnahen Wissensproduktion in seiner gesellschaftlichen Relevanz zu benennen. Es soll als experimenteller Möglichkeitsraum dazu beitragen, „handlungsorientiertes Wissen zu generieren und gleichzeitig Lösungen für gesellschaftlich relevante Zukunftsfragen voranzubringen“12. Die transformative Forschung möchte Aussagen über den Ort, die Objekte der Sammlung und die beteiligten Akteur*innen(gruppen) machen. Der Ort der Untersuchung ist ein städtisches Kunstmuseum mit Kunstwerken des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Der Fokus liegt dabei auf Bildungsprojekten und Vermittlungsformaten, die in einem Zeitraum von 2011 bis 2018 umgesetzt wurden. Der konkrete Ort der Untersuchung ist das Museum Ostwall im Dortmunder U, das sich nach dem innerstädtischen Umzug 2010 unter dem Leitsatz Das Museum als Kraftwerk13 in einem neuen Quartier neu versammelt. Das Museum Ostwall ist gegenwärtig und historisch geprägt von lokalen Transformationen. Im institutionellen Selbstverständnis angelegt, wohl auch bedingt durch den Sammlungsschwerpunkt der Fluxuskunst, sind aktive Prozesse in Bezug auf die Sammlungspräsentation sowie in Bezug auf die Bildung und Kommunikation im Haus erwünscht.14 Die seit 2014 konkret als Experimente in der Sammlung eingerichteten und untersuchten Projekte und Formate – Interaktionen – können als aufeinanderfolgende Einzelversuche verstanden werden. Diese Interaktionen formieren sich in ihrer Konzeption, Durchfüh9 Schneidewind 2014, online, S. 3. Schneidewind nimmt Bezug auf wBGU Sondergutachten 2014,
S. 93. 10 Fokdal/Ley et al. 2018, online, S. 2. 11 Ebd., S. 1. 12 Ebd. 13 Katalog Dortmund 2010. 14 Dank gilt dem ehemaligen Museumsdirektor Kurt Wettengl, der Sammlungsleiterin Nicole Grothe und der stellvertretenden Museumsdirektorin Regina Selter.
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rung und Neu-Konzeption als aktive Prozesse. Die in der Untersuchung explizit beschriebenen Interaktionen sind maßgeblich von der Verfasserin mitkonzipiert beziehungsweise konzipiert, durchgeführt, untersucht und transformiert worden.15 Die untersuchten Projekte und Formate können als Open-Source-Konzepte kategorisiert werden.16 Zusätzlich erfüllen sie in der Grundkonzeption den Anspruch von inklusiver und reflexiver Peer-to-PeerKommunikation.17 Daran konkret beteiligt waren Studierende der TU Dortmund, der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Duisburg-Essen und der Folkwang Universität der Künste in unterschiedlichen Konstellationen.18 Der Anteil der Gestaltung der Interaktionen durch unterschiedliche Akteur*innen – Vermittler*innen und Besucher*innen – ist im Verhältnis zu klassischen Bildungsangeboten im Museum überproportional hoch. Die hohe Akteur*innenbeteiligung wurde während der Laufzeit der unterschiedlichen Projekte gesteigert, die Arbeit zwischen den einzelnen Gruppen wurde zunehmend demokratisiert. Das Projekt Schnittstelle kann hier exemplarisch verhandelt werden, da die Transformation in der Konzeption über den Zeitraum von sieben Jahren am deutlichsten zu beobachten ist. Zugleich trifft das Projekt auch Aussagen über die Objekte der Sammlung, die die These bestätigen, dass diese in einer engen Verbindung mit der sozialen Interaktion innerhalb der unterschiedlichen Akteur*innengruppen stehen.19 Die 2015 mit den Akteur*innen des Formats Schnittstelle durchgeführten leitfadengestützten Interviews finden explizit keine Berücksichtigung in der Untersuchung, da das transformative Forschungssetting der Empfehlung 15 Das Format wort | bild wurde von Sarah Hübscher in Zusammenarbeit mit Elvira Neuendank
(TU Dortmund) und Regina Selter (stellvertretende Direktorin des Museums Ostwall, Leiterin der Abteilung Bildung und Kommunikation) entwickelt. Das Format Schnittstelle wurde von Sarah Hübscher in Zusammenarbeit mit der Abteilung Bildung und Kommunikation, namentlich Barbara Hlali (Dipl.-Pädagogin und Künstlerin, Mitarbeiterin des Museums Ostwall) und Regina Selter, entwickelt. Die Konzeption und Durchführung von Lehrveranstaltungen im Rahmen von universitärer Lehre verantwortet Sarah Hübscher. 16 Siehe das Kapitel Interaktionen im Kunstmuseum als Open Source – Denkräume öffnen. 17 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2018, online, o. S. 18 Dank gilt hier den Studierenden der unterschiedlichen Hochschulen für ihr offenes Mitmachen und Mitdenken. 19 Vgl. Ziese 2010, S. 20 f.
Reallabor Kunstmuseum – aktive Prozesse als Teil von transformativer Forschung
des wBGU Folge leisten möchte: „Komplexe Lernprozesse und umfassende Innovationen werden zumeist nicht durch die Qualität der Krisendiagnosen und Ursachenanalysen initiiert, sondern erst mit der Etablierung überzeugender neuer Orientierungsangebote und Handlungskonzepte […] und durch die Öffnung experimenteller Plattformen, auf denen Bekanntes zu Neuem neu arrangiert werden kann.“20 Eine solche Form der qualitativen Analyse der Akteur*innen hätte einen Rückschritt im Demokratisierungsprozess der Projektentwicklung sowie der transformativen Forschung bedingen können. Uwe Schneidewind beschreibt die Relevanz einer geeigneten Akteur*innenbindung wie folgt: „Die Forschung in Reallaboren erfordert eine Kooperation mit Praxisakteuren in ‚transdisziplinären Prozessen‘, d. h. in einer Begegnung auf Augenhöhe, die die Interessen und Wissensbestände der Akteure mit gleicher Gültigkeit wie die Interessen und das Wissen der Wissenschaft wahrnimmt. Nur dadurch ist gewährleistet, das [sic!] sich die Praxisakteure nicht als ‚beforschte Objekte‘ empfinden […].“21 Alle Interaktionen folgen der Logik, das Reallabor Kunstmuseum mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Themen und Fragen zu besetzen und mit unterschiedlichen Akteur*innen zu diskutieren und damit Veränderungsprozesse zu katalysieren und handlungsorientiertes Wissen zu generieren. Das Kunstmuseum ist in den didaktischen Modellen der schulischen Bildung längst als außerschulischer Lernort etabliert. Museen gelten, wie andere bildungswissenschaftlich/politisch begründete Lernorte, als „Orte, an denen sich unmittelbare, originale Begegnungen mit räumlichen und fachlichen Inhalten der Lebensrealität ereignen können“22. Zudem ist nachgewiesen, dass diese Lernorte zur Förderung von Handlungskompetenzen beitragen können.23 Das Potenzial der Orte kann in Bezug auf Bildung – verstanden als lebenslanger, wechselseitiger aktiver Prozess zwischen Individuum und Welt – übertragen werden und das Museum als demokratischen Aushandlungsort von sozialen und politischen Fragen nachhaltig etablieren. Diese die institutionellen Ordnun20 Schneidewind 2014, online, S. 2. Schneidewind zitiert hier wBGU Hauptgutachten 2011, S. 256. 21 Schneidewind 2014, online, S. 4, mit Bezug auf Scholz 2011, S. XVII. 22 Birkenhauer 1999, S. 14. 23 Sauerborn/Brühne 2012, S. 10.
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gen übergreifende Analyse der Orte kann einen Beitrag dazu leisten. Steffi Ober formuliert zudem den Zusammenhang politischer Verantwortungen für die institutionelle und gesellschaftliche Verschränkung von Forschung: „Öffnet sich die Wissenschaftspolitik […] [den] Fragestellungen aus der Zivilgesellschaft und lässt sie die Diversität gesellschaftlicher Ziele und Anforderungen an die Wissenschaft zu, könnten Vielfalt und Innovationskraft in der Wissenschaft gesteigert werden.“24 Das transformative Forschungssetting der Untersuchung des Museums Ostwall im Dortmunder U versteht sich als Beitrag der Wissenschaft für Innovationsprozesse in der Praxis. Zugleich profitiert die Untersuchung von den explizit im Reallabor Kunstmuseum angelegten aktiven Prozessen zwischen Ort, Objekten und Akteur*innen. Implizit stellt die Untersuchung Fragen nach gesellschaftlichen und bildungspolitischen Entwicklungen, nach der Verschränkung von Wissenschaft und Kulturvermittlung, dem Verhältnis Vergangenheit−Gegenwart−Zukunft im institutionellen Selbstverständnis, nach dem Lokalen und Globalen, der indikatorischen Wirkung von Kunstobjekten in der Verhandlung von gesellschaftlichen Prozessen. Die Beobachtung und Initiierung von Denken und Interaktionen bilden den Fokus in der Beschreibung der aktiven Prozesse zwischen Kunstmuseum und Gesellschaft. Denn fest steht: „Wo vom Museum die Rede ist – überall, wo vom Museum die Rede ist –, ist zugleich von der Gesellschaft die Rede.“25 Der Beschreibung des Kunstmuseums liegt die Entwicklung von Arbeitsbegriffen zugrunde, die als Begriffstools mitunter auch in ihrer Unschärfe zu brauchbaren Komplizen im Diskurs um Museen funktionieren und die Erkundung des konkreten transformativen Ortes anbahnen. Die Darstellung des Museums Ostwall im Dortmunder U im Kontext des kulturellen Systems der Kunstmuseen verfolgt einen intersektionalen Anspruch. Immer wieder werden Bezugslinien zwischen diverser Gesellschaft, dem Ort, der Institution, dem Museumsraum, den Objekten und der aktiven Akteur*innenschaft hergestellt. Die Verfasserin kategorisiert die Untersuchung als unmittelbares Resultat 24 Ober 2014, S. 13. 25 Tyradellis 2014, S. 9. Tyradellis zitiert hier den Literaturtheoretiker Werner Hamacher, o . J, o. S.
Reallabor Kunstmuseum – aktive Prozesse als Teil von transformativer Forschung
von Kultur(en) und ihrem Einwirken auf Individuen und Kollektive. Das Thema der Ausführung wird aus dem Zwischenraum als Möglichkeitsraum generiert und formuliert aktive Prozesse zwischen Wissenschaft und Alltag, Kunst- und Kulturwissenschaft und Bildungswissenschaft, Kunst und Design, Digitalem und Analogem, Bilderwelten und Medienbeiträgen des Alltags. Die dem Text zugeordneten Bilder verstehen sich als Metaobjekte, die als Sinnbilder, Symbolbilder, Kunstbilder, Alltagsbilder, Momentaufnahmen und Zwischenstationen funktionieren. Sie verknüpfen unterschiedliche Inhalte und formal-ästhetische Ebenen innerhalb und zwischen den einzelnen Kapiteln. Sie verstehen sich explizit nicht als klassische Bebilderungen des Textes, sondern als Kommentare und visualisierte Denkbewegungen aus den Medienwelten der Kunst und des Alltags – oder andersherum der Kunst als Alltag. Das Kunstmuseum wird in seiner gesellschaftlichen Verantwortung explizit als Ort der politischen Bildung und als Möglichkeitsraum der gesellschaftlichen Teilhabe an Demokratie verstanden.
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Hashtags – Verschlagwortung als Kultur Hashtags dienen der Verschlagwortung. Sie helfen unterschiedliche Kontexte zu einem Sinn zusammenzufassen und andersherum kann ihre Verwendung bestehende Ordnungen irritieren. Sie sind Werkzeuge der Neukontextualisierung und sie visualisieren – als eigene Bildform und typografische Lösung – fortlaufend neue Kontextfelder. Sie markieren Sinnstrukturen und kennzeichnen Metabegriffe als Vehikel in der medialen Kommunikation – analog und digital. Hashtags stellen individuelles Handeln in kollektive Kontexte.
„Der Begriff vermag nicht alles, was die Vernunft verlangt.“
Hans Blumenberg 2007, S. 11.
Kulturen als Reflexionsflächen – Begriffe als Tools in transformativen Prozessen
Kulturen Der Begriff der Kultur scheint gemessen an der Häufigkeit und Vielseitigkeit seiner Verwendung klar strukturiert und allgemeingültig definiert. Vor allem scheint er allerorts leicht konsumierbar und zum Konsum – medial und politisch – bereitgestellt zu sein. Doch ähnlich wie in marktwirtschaftlichen Prozessen fragen die aufmerksamen Konsument*innen mit der Zeit nach den Essenzen und Ingredienzen des zu Konsumierenden, seiner Herkunft, seiner Verwendung, seiner Veränderbarkeit und seiner Nachhaltigkeit. Im Kern sind dies Fragen nach dem Gegenstand selbst, die über das auf der Verpackung Visualisierte hinausgehen: Was genau meint Kultur und wie, von wem und warum wird sie in Anwendung gebracht? Und ja, dies beinhaltet auch die definitorischen Fragen nach dem Produkteigenen. Aleida Assmann1 erinnert daran, dass die Herkunft des Begriffs auf das lateinische Wort colere zurückzuführen ist, das mit dem deutschen Wort pflegen2, aber auch mit bebauen übersetzt werden kann. Die Überführung ins Englische verdeutlicht mit dem Ausdruck to cultivate den Ursprung vertiefend. Sei1 Aleida Assmann beschreibt den Begriff Kultur in drei wertfreien und drei werthaltigen Defi-
nitionen. Als wertfrei gelten die Verwendungen von Kultur im Zusammenhang von Pflege (lat. colere, „im Sinne von Verbesserung und Aufwertung einer Sache“), Kultur im Kontext von „geographischen und politischen Großgebilden“ (wie „die französische Kultur, die westliche Kultur“) und Kultur als ethnografischer Begriff, bezogen auf das „Zusammenleben von Menschen“. Als werthaltige Begriffe fasst sie den „elitären Begriff von Hochkultur“, die „Beherrschung der Triebnatur (Zivilisation)“ und die „kritische bzw. auratische Gegenwelt zur Realität (Frankfurter Schule)“. Assmann 2011, S. 13−17. 2 Ebd., S. 13.
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Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
ne Anwendung in zum Beispiel landwirtschaftlichen Prozessen des Hervorbringens oder des Wachstums findet sich abermals im englischen agriculture oder im Deutschen mit dem Begriff der Agrarkultur wieder. Die Verwendung des Begriffs eröffnet jedoch ein breites Diskursfeld. Assmann stellt heraus, dass sich mit der fortschreitenden „Ausdünnung […] [der] Grundbedeutung […] das Wort Kultur inzwischen als Suffix an jedwede mit einer gewissen Systematik verfolgte menschliche Tätigkeit anhängen [lässt], wobei es so gut wie alles bezeichnen kann, was einen gewissen Grad an entwickelter Vielfalt und innerer Ausdifferenzierung aufzuweisen hat, wie z. B. in Gesangskultur, Käsekultur, Fitnesskultur, Partykultur, Müllkultur oder neuerdings Sicherheitskultur“3. Mehr noch, Kultur ist offen verwendbar und „[…] alles, was im Zusammenleben von Menschen der Fall ist. […] Bernhard Waldenfels schreibt, dass sich unter Kultur all das fassen lässt, was Menschen aus sich und den Dingen machen und was ihnen dabei widerfährt; darin eingeschlossen sind symbolische Deutungen, kollektive Rituale, Kunststile oder soziale Einrichtungen, sowie die ständig wachsende Zwischenwelt aus Technik und Medien. Die Kultur ist […] ‚auf gewisse Weise alles‘.“4 Die Offenheit dieser Definition ist jedoch scheininklusiv, da „[s]obald Werte ins Spiel kommen, […] Kultur nicht mehr alles, sondern etwas sehr Spezielles [ist], das in einem (oft polemisch dramatisierten) Oppositionsverhältnis zu etwas anderem steht. Werthaltige Kulturbegriffe sind in der Regel Kampfbegriffe […]“5 beziehungsweise gewinnen in distinktiven Prozessen an Ausdruck. Innerhalb dieser distinktiven Prozesse wird deutlich, dass der Kulturbegriff als Vehikel für Konstruktionen von Machtverhältnissen über Jahrhunderte legitimierend eingesetzt wurde und noch immer wird. So findet der Begriff, der lange als Synonym für Zivilisation diente, Verwendung im Sprachgebrauch des Kolonialismus und rassistischer Systeme sowie in Instrumentalisierungsprozessen und ideologischen Praxen. Er schafft und verstärkt vertikale Strukturen in sozialen Verortungen innerhalb von Gesellschaft(en) und fördert soziokultu-
3 Ebd. 4 Assmann zitiert hier Waldenfels 2001, S. 98. 5 Assmann 2011, S. 14.
Kulturen als Reflexionsflächen – Begriffe als Tools in transformativen Prozessen
rell bedingte Diskriminierungen und Hierarchisierungen.6 Allein, dass der Begriff der Kultur meist im Singular verwendet wird, kennzeichnet ihn in einem Selbstverständnis als Etwas-nicht-im-Plural-Gedachtes und thematisiert ihn als hohes und elitäres Gut, das dem Anderen, dem Optimierbaren oder Kultivierbaren gegenübersteht. Besonders deutlich wird der distinktive Charakter des Begriffs bei der Bildung des Gegenbegriffs Nicht-Kultur.7 Kultur ist demnach auch ein instrumentalisierbarer Begriff, der besonders in politischen Verantwortungen zur Legitimation von individuellen Entscheidungen genutzt wird, um kollektive Prozesse zu steuern beziehungsweise anzustoßen – in Diktaturen wie in Demokratien. Er ist durch seine Offenheit unbeabsichtigt Gewalten und Machtverhältnissen ausgeliefert. Besonders deutlich wird die Verwendung eines nicht offenen, nicht pluralen Kulturbegriffs zuletzt 2018 in Deutschland in – medienwirksam inszenierten – Debatten um Zugehörigkeit und in dem Aufruf zur „konservativen Revolution“8. Die Debatte um die „Leitkultur“9 der Deutschen ist geprägt von distinktiven Denkmustern und folgt einer Ideologie der Ab- und Ausgrenzung. Max Czollek bewertet diesen Beitrag als Ausrufung einer deutschen Dominanzkultur10 und begegnet ihr mit seinem Gegenkonzept der Desintegration. Czollek benennt die Grundproblematik bei politisch gesetzten Prozessen wie der Integration11 oder der Inklusion als Prozesse, die nicht über
6 Vgl. dazu Positionen der Critical Diversity Literacy wie Steyn 2015, S. 379−388. Oder Kulturen
als Verhandlungsfläche von Privilegien und strukturellem Rassismus: Eddo-Lodge 2018. Und: Czollek 2018. 7 Vgl. Rimmele/Stiegler 2012, S. 13 f. 8 Weiß 2018, online, o. S. 9 Am 29.04.2017 löst der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit dem Gastbeitrag in der BILD am Sonntag mit dem Titel „Wir sind nicht Burka“ eine Debatte um die deutsche Leitkultur aus. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat 2017, online, o. S. 10 Czollek 2018, S. 44 f., mit Bezug auf Rommelspacher 1995. Czollek fasst zusammen: „[…] Rommelspacher bezeichnet die jeweiligen dominanten kulturellen Normen einer Gesellschaft als Dominanzkultur. Eine Dominanzkultur repräsentiert nicht unbedingt die Mehrheit in einem Land, sondern ist die Stimme dominanter Vorstellungen und Praxen, wie beispielsweise bei der nahezu allgemein geteilten Forderung nach Integration oder bei den überall anzutreffenden Dynamiken des Gedächtnistheaters zwischen Deutschen und Juden. Auch die Forderung nach Normalität ist Ausdruck einer deutschen Dominanzkultur.“ 11 Weiterführend: Neuhäuser 2015, online, S. 397−407.
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die „bloße Erweiterung der Teilhabe an bereits bestehenden Strukturen“12
hinausgehen. „Das Konzept der Desintegration fragt nicht, wie einzelne Gruppen mehr oder weniger gut in die Gesellschaft integriert werden können, sondern wie Gesellschaft selbst als Ort der radikalen Vielfalt anerkannt werden kann.“13 Paradoxerweise sind sowohl die Ansätze einer Vorstellung von der normativen Leitkultur als auch die der radikalen Vielfalt Produkte ein und derselben Kultur(en) – sie ist nur verschieden besetzt. Mely Kiyak beschreibt in ihrem Essay dazu passend: „Bei meinen Gesellschaftsutopien oder, einfacher ausgedrückt, Zukunftswünschen komme ich problemlos ohne die Begriffe ‚Islam‘, ‚Juden‘ oder ‚Afrikaner‘ aus. Jedenfalls tauchen sie nicht als Feindbilder auf. Warum auch? Es gibt keine einzige Kultur und keine einzige Religion auf dieser Welt, die Menschen per se nachhaltig besser oder schlechter macht. Insofern finde ich jede Diskussion unerträglich, in der die Menschen nach Herkunft oder Religion etikettiert und gegen andere Gruppen in Stellung gebracht werden. Ich bin eine Gleiche unter Gleichen – dieser Gedanke leitet mich.“14 Die Verwendung von Kultur(en) in Bezug auf kollektive Festschreibungen, beispielsweise in geopolitischen Kontexten, birgt neben der Gefahr der Distinktion auch Potenziale für Individualisierungsprozesse. Gerade in den Debatten um Identität, Migration und „die Leitkultur“ verschafft die Offenheit des Begriffs dem Anderssein auch Potenziale. Der Begriff der Kultur ist eine Hybride15, die sich als ein Vielfaches konstituiert. Edward Said fordert: „Die Funktion von Menschen wie
12 Czollek 2018, S. 73. 13 Ebd., S. 73 f. 14 Kiyak 2018, S. 37. 15 „ Neben ,Hybridität‘ (Bhabha 2000) werden gegenwärtig auch Alternativtermini wie ,Kreolisie-
rung‘ (Hannerz 1987), ,Bastardisierung‘ (Rushdie 1992), ,Melange‘ (Nederveen Pieterse 1998, Nederveen Pieterse 2004), ,Transkulturation‘ (Pratt 1992), ,Transdifferenz‘ (Lösch 2004) und ,Interkultur‘ (Auernheimer 2003) theoretisiert, um die Arbeitsweise und Entstehung von Kulturpraktiken sowie mögliche Reibungsflächen und Überlappungen im Prozess ihrer ethnischreligiösen Differenzierung zu verstehen. Wenn der Eindruck nicht täuscht, besteht auch ein großes Interesse, die endlosen Kombinations- und Rekombinationsmöglichkeiten kultureller Elemente und Praktiken positiv hervorzuheben.“ Ha 2005, S. 13. HA zur kulturhistorischen Begriffsgenese und der Kontextualisierung in den Postcolonial Studies. Er führt gesondert auf: Bhabha 2000, Rushdie 1992.
Kulturen als Reflexionsflächen – Begriffe als Tools in transformativen Prozessen
mir, die tatsächlich vielen Kulturen angehören, muss sein, immer wieder zu betonen, dass es keine Notwendigkeit gibt, sich für die eine oder andere Kultur zu entscheiden. Ich bezeichne mich weder als Araber oder Orientalen, noch als Westler oder Amerikaner. Anstelle des ‚oder‘ setze ich das ‚und‘ […] wir müssen eine neue Art Begeisterung erzeugen, die einen Identitätswechsel zur Sehnsucht und nicht zu einer dramatischen Erfahrung macht.”16 Doch auch in seiner hybriden Verfasstheit, als „dynamischer Zusammenhang von Verweisungen“17, zeigt der Begriff ein Kontinuum auf: Er ist reflexiv. Er ist als Tool durch seine historischen Dimensionen und darin implementierten Veränderlichkeiten anwendbar und funktioniert in theoriebildenden Prozessen. Die Akzeptanz seiner nicht statischen Konstruktion birgt das Potenzial, Kultur(en) über die Grenzen hinaus als fluide Phänomene zu begreifen und die Relevanzen dieser strukturell angelegten „Heterogenität von Kulturen als Konsequenz von gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen“18 zu betonen. Noch deutlicher, „[d]ass Kulturen in sich niemals statisch homogen sein können, hat schon allein damit zu tun, dass sie keine isolierten Monaden sind, sondern in ständigem Austausch mit anderen Kulturen und deren Codes begriffen sind“19. Und auch wenn sich „der Kulturbegriff immer wieder der [allgemeingültigen] Definition entzieht“20, erfüllt er diese wichtige Funktion der Reflexionsfläche. Ja, vielleicht ist er in seiner diversitären Verfasstheit einzig zu diesem Zwecke anzuwenden? Doch wie jede reflexive Fläche funktioniert die Reflexionsfläche der Kultur nur mit einer gegenüberstehenden Position, die sich auf der Fläche spiegelt, die Fläche und die Dinge erst zum Spiegeln bringt und aus dem Gespiegelten Erkenntnisse generiert. So könnte man Kulturen als dynamische Reflexionsflächen von menschlichem Sein und Schaffen definieren. Die Flächen zeigen, dass Kulturen aus Symbolsystemen bestehen, „deren beobachtbare 16 Ha 2004, S. 234. Ha zitiert hier Said 1999, S. 40 f. 17 Lüddemann 2010, S. 15, mit Verweis auf Konersmann 2003, S. 19. 18 Rimmele/Stiegler 2012, S. 15 f. 19 Ebd. 20 Barck/Fontius/Schlenstedt 2001, S. 511.
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Oberfläche hochgradig visueller Natur ist, insbesondere Bilder und Gestaltungsformen, aber auch Rituale spielen dabei eine große Rolle“21. Sie können im „[…] weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt […] auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen [ein].“22 Der Mensch verwertet demnach das zu Spiegelnde und das Gespiegelte zu Gedanken, Konzepten, Ordnungen, Werten und Normen sowie der zuvor benannten „beobachtbaren Oberfläche“, die sich materialisiert im kulturellen Erbe, in Praktiken sowie als Architektur, Kunst, Musik, Literatur, Mode, Design, Medien, Technik, Handwerk et cetera bis hin zur Generierung von Natur, denn: „was immer Menschen tun und anrühren oder anschauen, ist bereits Kultur […]“23. Die visuellen, materiellen und immateriellen kulturellen Erzeugnisse einer Gesellschaft sind Resultate historischer Bewegungen, gegenwärtiger Diskurse und zukünftiger Anliegen. Mit dem Wissen um historische und gegenwärtige Instrumentalisierungen und die unterschiedlichen Verfasstheiten über Jahrzehnte hinweg besteht die gemeinschaftliche Aufgabe darin, den Begriff nachhaltig zu verwenden: mit dem Wissen und der Weitsicht, welche Konsequenzen seine Benutzung in der Gegenwart und Zukunft hat. Kulturen sind (im Idealfall) demokratische Prozesse, und die Offenheit in der Mitgestaltung bedeutet demnach auch Verantwortung im Umgang mit ihnen. Wie bereits erwähnt und die Beispiele eindringlich zeigen, ist Kultur ein hochgradig politisierter Begriff, der im schlechten Sinne instrumentalisiert wird – im positiven Sinne zeigt er jedoch politische Verantwortungsbereiche auf. So übernimmt die UNESCO seit der Weltkonferenz in Mexiko im Jahr 1982 Verantwortung, indem sie einen pluralistischen Ansatz vertritt und Kultur als Hybride definiert. Sie thematisiert weiterhin die Rolle des Individuums hin zum/zur Akteur*in der Gestaltung von Kultur und die darin innewohnenden 21 Rimmele/Stiegler 2012, S. 15 f. 22 UNESCO-Schlussbericht, Mexiko-Stadt, 1983, online, S. 121. 23 Assmann 2011, S. 13.
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Potenziale, dass „der Mensch durch die Kultur befähigt wird, über sich selbst nachzudenken. Erst durch die Kultur werden wir zu menschlichen, rational handelnden Wesen, die über ein kritisches Urteilsvermögen und ein Gefühl der moralischen Verpflichtung verfügen. Erst durch die Kultur erkennen wir Werte und treffen die Wahl. Erst durch die Kultur drückt sich der Mensch aus, wird sich seiner selbst bewusst, erkennt seine Unvollkommenheit, stellt seine eigenen Errungenschaften in Frage, sucht unermüdlich nach neuen Sinngehalten und schafft Werke, durch die er seine Begrenztheit überschreitet.“24 Hierbei wird besonders deutlich, dass Kultur mehr ist als ein Suffix. Sie steht in Verantwortungsverhältnissen und ihr Output – die materialisierte oder immaterielle Verfasstheit – ist ein von Teilhabe geprägter Prozess aus Produktion und Rezeption im Umgang mit dem kulturellen Erbe. Die Verwendung des Begriffs Kultur kann immer nur ein Vorschlag sein. Es ist freigestellt, worauf der Begriff Kultur – in welcher Intensität und mit welchem Schwerpunkt – Bezug nimmt. Wichtig ist, dass die Rolle geklärt ist, der vehikale Charakter erkannt und die Konsequenz des Handelns im Handeln mitgedacht wird. Kultur kann nicht ausgeklammert, ihre Relevanz nicht ignoriert werden, denn „[w]enn wir von Kultur reden, sind wir immer bereits ein Teil von ihr“25, mehr noch, wann immer wir reden, handeln oder denken, ist das ein Teil von Kultur. Die Diskussion darüber ist notwendig, da der Begriff als Arbeitsbegriff in allen folgenden Ausführungen zentral ist: Er scheint in seiner Verwendung oft selbstreferenziell. Kultur findet als Legitimation, als Stütze, als Hilfswort oder als essenzieller Kern in unterschiedlichen Komplexitäten und verschiedenen Dynamiken seine Verortungen. Kultur ist kontextabhängig und kontextübergreifend – ein Diskursfeld.26 Die weitere Verwendung des Begriffs Kultur ist totalitätsorientiert27, ist nicht normativ und zielt vor allem darauf ab, Kultur nicht auf Materielles oder Immateriel24 UNESCO-Erklärung von Mexiko-City über Kulturpolitik, 1982, online, S. 1. 25 Lüddemann 2010, S. 15, mit Verweis auf Steenblock 2004, S. 19. 26 Krüger-Potratz 2012, S. 253. 27 In Bezug auf die Unterscheidung in vier Kulturbegriffe nach Andreas Reckwitz: 1. normativ, 2.
totalitätsorientiert, 3. differenztheoretisch, 4. deutungs- bzw. wissensorientiert. Vgl. dazu Reckwitz 2004, S. 1−20.
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les zu beschränken, sondern für ihre Diversität und stetige Transformation zu sensibilisieren. Kultur wird im Folgenden als aktiver Prozess verwendet.28 Dieser Prozess wird in wechselseitigen Verhältnissen erzeugt, mit weiteren (politischen) Begriffen, die als Tools zu verstehen sind. Diese Arbeitsbegriffe sind kulturell bedingt oder unterliegen kulturbedingten Transformationen. Ihre Verwendung ist kontextabhängig und kontextprägend und sie sollen zur Analyse von konkreten Handlungen mit Ortsbezug funktionieren.
Bildung Ebenso selbstverständlich wie die Verwendung des Begriffs Kultur ist auch der Gebrauch des Begriffs Bildung – politisch wie medial – präsent, und auch Bildung besitzt einen distinktiven Charakter. Doch nicht die Formen der sozialen Abgrenzungen oder die Häufigkeit der Verwendung sollen hier näher untersucht werden, sondern inhaltliche, pädagogische und politische Qualitäten des Begriffs: Im Dezember 1948 verabschiedete die gerade neu gegründete UNO unter dem Vorsitz von Eleanor Roosevelt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR). Die AEMR29 ist als internationaler Common Thread und als Reaktion auf die politischen wie humanitären Katastrophen des Zweiten Weltkrieges zu verstehen. Die Menschenrechte sind völkerrechtlich verbindende Vorschläge, die als Ratifizierungen in ihrer Allumfasstheit moralische Verantwortungsbereiche zur Wahrung der Menschenwürde formulieren. Sie besetzten damit einen gewohnheitsrechtlichen 28 In Bezug auf Monika Witsch in ihrer Auseinandersetzung mit den Kulturtheorien von Cassirer,
Simmel und Hönigswald. Vgl. dazu Witsch 2008. 29 „ Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte statuiert bürgerliche, politische und soziale
Rechte, die den Menschen um ihrer Würde willen zukommen sollen. In dreissig Artikeln werden Garantien zum Schutz der menschlichen Person (Recht auf Leben, Verbot der Sklaverei, Verbot der Folter, Verbot willkürlicher Festnahme und Haft, etc.), Verfahrensrechte (Anspruch auf wirksame Rechtsbehelfe, etc.), klassische Freiheitsrechte wie z. B. die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit, die Eigentumsgarantie oder die Ehefreiheit sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Recht auf soziale Sicherheit, Recht auf Arbeit, Recht auf Nahrung und Gesundheit, Recht auf Bildung, etc.) garantiert. Diese Rechte sollen für alle Menschen ungeachtet ihrer Rasse, ihres Geschlechts oder ihrer Nationalität gelten (Art. 2), denn alle Menschen sind frei und an Würde und Rechten gleich geboren (Art. 1).“ Informationsplattform Humanrights 2015, online, o. S.
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Charakter, dem, neben 8 Enthaltungen, 48 Staaten zustimmten.30 Der Artikel 27 Recht auf Kulturleben beschreibt im ersten Absatz: „Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.“31 Neben der bloßen Teilnahme am kulturellen Leben einer Gesellschaft beschreibt der Artikel das Recht, seine eigene Kultur wahrzunehmen und sie zu leben sowie den nachhaltigen Zugang zum kulturellen Erbe zu erlangen. Die Bedingungen für diese erklärte Teilhabe an Kultur(en) sind jedoch gekoppelt an soziale und ökonomische Faktoren, in jedem Fall bedarf die Befähigung dazu einer Grundvoraussetzung: die uneingeschränkte Möglichkeit der Bildung. Diesem Recht auf Bildung geht die Charta in Artikel 2632 nach und beschreibt die idealen Voraussetzungen für das Gelingen von Schul-, Aus-, und Universitätsbildung sowie das elterliche Recht, die Art der Bildung zu bestimmen. Bildung ist demnach die Voraussetzung dafür, dass „[a]lle Menschen […] ihre Persönlichkeit entfalten können und in der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten gestärkt werden. Dem Recht auf Bildung kommt somit im Rahmen der Menschenrechte eine ganz besondere Bedeutung zu: Es soll zur Förderung der Menschenrechte insgesamt beitragen und wir[d] daher auch als Recht auf Menschenrechtsbildung beschrieben.“33 Doch wie ist Bildung in diesem Sinne zu verstehen? Ist Bildung der 30 Vgl. Ebd. 31 UN-Department for General Assembly and Conference Management, German Translation,
2009, online, o. S. Der Zweite Absatz lautet: „(2) Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.“ 32 UN – Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 10.12.1948, Artikel 26, Recht auf Bildung, zitiert nach Amnesty International, o. J., online, o. S.: „(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muss allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen. (2 ) Die Bildung muss auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muss zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen Gruppen, unabhängig von Herkunft und Religion, beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein. (3) Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll.“ 33 Lohrenscheit 2013, online, o. S., mit Verweis auf Lohrenscheit 2004.
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Wissenserwerb, um bestimmte kulturelle Phänomene, Objekte und Rituale deuten zu können, sie mitzugestalten oder zu hinterfragen? Inwieweit wird Bildung als lebenslanger Prozess in der AEMR verstanden, wenn der Fokus der Beschreibungen auf den zeitlich begrenzten Ausbildungsphasen liegt? Inwiefern ist die Familie als primäre Sozialisationsinstanz überhaupt befähigt, eine herkunftsunabhängige Ausbildungsentscheidung jenseits der eigenen Bildungsbiografie zu treffen? Und schon wird Bildung zum Präfix politischer Diskurse um Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit und erfährt in Teilen der Diskurse eine ähnliche Konjunktur wie das von Aleida Assmann beschriebene Suffix Kultur. Hinzu kommt, dass Bildung, zumindest im deutschen Sprachraum, als Teil von Sozialisation34 verstanden wird, die neben der Erziehung35 maßgeblich zur Menschwerdung, im Sinne eines selbstständig agierenden Subjekts, befähigt. Die Diskussion sowie die Theoriebildung des Bildungsbegriffs sind eine historische wie aktuelle Herausforderung. Die Konsistenz von Bildung als „typisch deutsches Deutungsmuster, das in andere Sprachen nur unzureichend übersetzt werden kann“36, lässt den Diskurs in immer fortwährende Aufspaltungen in Sub- und NebenDiskurse wie -Theorien ausfransen. Die Betrachtung der den Kanon dominierenden klassischen Bildungstheorien – von Humboldt über Adorno bis Klafki und darüber hinaus – zeigt, dass all diese mit einem klar vorgegebenen, doch inhaltlich wenig differenzierten Bildungsbegriff operieren. „Aus anthropologischer Sicht wird mit dem Begriff der Bildung einerseits auf eine Normativität abgehoben, d. h. auf ein Menschenideal, das für Erziehung, 34 Matthias Grundmann bezeichnet Sozialisation als von sozialen Beziehungsgefügen und Grup-
pierungen geprägten Prozess, in dem soziale Handlungsstrukturen entstehen und als Voraussetzung der Entfaltung der Persönlichkeit funktionieren. Diese Handlungsstrukturen setzen sich aus „Interaktionserfahrungen, Gestaltungsprozesse[n] des alltäglichen Miteinanders, Verfestigung von Handlungswissen, Weitergabe von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten“ zusammen. Grundmann 2011, S. 28. 35 Erziehung wird im Weiteren verstanden als intentionaler Prozess zur Weitergabe von Werten und Normen. Hierbei handelt es sich „um nicht-symmetrische Kommunikationen, um Beziehungen mit Gefälle. Denn die generationale Ordnung zwischen Älteren und Jüngeren, die das Erziehungsverhältnis trägt und zugleich Teil der kulturellen Überlieferung ist, liegt auf einem Wissens-, Könnens- und Machtvorsprung der Erziehenden gegenüber den Zu-Erziehenden.“ Dietrich 2012, S. 122. 36 Zirfas 2011, S. 15.
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Lernen und Unterrichten bzw. für den Bildungsprozess maßgebend ist; und andererseits wird mit Bildung auch die Bildsamkeit als Voraussetzung von Bildung impliziert.“37 Der Mensch ist also von Anfang an ein Wesen, das bildungsbedürftig und bildungsfähig ist, ein „Homo formans“38. Die differenten Argumentationslinien auch der traditionellen Bildungstheorien zeigen jedoch einen Konsens: Bildungsprozesse haben mit „Fragen der Fremdheit oder Andersheit, mit Negativität oder Widerständigkeit, mit Neuem und Unerwartetem, mit Unvorhergesehenem und Unerhörtem zu tun, d. h. mit Momenten, die die Bedingungen der Möglichkeit für die Transformation von grundlegenden Dispositionen und Habitusformen des Menschen implizieren.“39 Der fortwährende Prozess der wechselseitigen Bedingung von Selbst und Welt ist hierbei prägend. Dietrich, Krinninger und Schubert plädieren daher, Bildung immer als Selbstbildung zu definieren, „weil Bildung eben niemandem abgenommen werden kann, auch nicht durch pädagogische Maßnahmen. Ihr Maß hat Bildung im Individuum selbst, und sie ist bei aller notwendigen Unterstützung letztendlich immer nur das, was Menschen aus sich machen – mit Unterstützung durch andere und mit Hilfe des sogenannten Bildungssystems.“40 Im Prozess der Selbstbildung implizit ist der Gedanke, dass „Bildung […] als Prozess grundlegender Transformationen der Art und Weise verstanden werden [kann], in der Menschen sich zur Welt und zu sich selbst verhalten. Dabei ist davon auszugehen, dass Bildung im Sinne solcher Transformationen sich immer dann vollzieht (oder besser: vollziehen kann), wenn Menschen Erfahrungen machen, zu deren Bewältigung ihre bisherigen Mittel und Möglichkeiten nicht ausreichen. Anders formuliert: 37 Wulf/Zirfas 2014, S. 18. Wulf und Zirfas beschreiben einleitend: „Das Prinzip der Bildsamkeit,
das seit Herbart als konstitutiv für pädagogisch-anthropologisches Denken und Handeln gelten muss, bezieht sich nun wiederum einerseits auf die (empirische) Bildungsfähigkeit (im Sinne von Erfahrungs-, Lern- und Entwicklungsmöglichkeit), andererseits auf den (normativen) Umstand, dass jedes Individuum an seiner Selbstbestimmung zu arbeiten habe; und schließlich wird mit diesem Begriff auch darauf abgehoben, dass es letztlich kein universelles Maß für die Bildsamkeit der einzelnen Person gibt, das dieser seine Bestimmung von außen auferlegen kann.“ Vgl. weiterführend: Kießler 2009, S. 211–220. 38 Wulf/Zirfas 2014, S. 19. 39 Ebd., S. 18. 40 Dietrich/Krinninger/Schubert 2013, S. 25.
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Bildungsprozesse bestehen in der Entstehung neuer Formen, neuer Figuren des Welt- und Selbstverhältnisses in Auseinandersetzung mit Problemen, zu deren Bearbeitung die bisherigen Figuren des Welt- und Selbstverhältnisses nicht ausreichen.“41 Die Aussagen nähern sich dem Gehalt von Bildung als lebenslangem Entfremdungs- und Reflexionsprozess – einem reflexiven Inder-Welt-Sein –, der als transformatives Setting im Menscheneigenen konstituiert ist und explizit in der transformatorischen Bildungstheorie bei Koller Formulierung findet.42 Die erziehungswissenschaftliche Debatte erweitert der US-amerikanische Forscher Henry A. Giroux mit der Notwendigkeit einer kultur-wissenschaftlichen Perspektive auf Bildungsprozesse und definiert Bildung als „a site of ongoing struggle and contestation, shaped in the intersection between social and cultural reproduction, on the one hand, and the disruptions produced through competing, resisting and unsettling practices and discourses on the other”43. Koller selbst beschreibt dieses Phänomen als hermeneutischen Zirkel, indem sich an „Objekte mit gewissen Erwartungen und Vorverständnissen an[ge]nähert [wird], zugleich aber das zu verstehende Objekt zu diesen Annahmen in Revision geht und so fortlaufend neue Verständnisse generiert. In diesem Prozess werden auch fortlaufend neue Figuren des Welt- und Selbstverständnisses entworfen.“44 Bis hierhin wird deutlich, dass Bildung, ebenso wie Kultur, ein aktiver Prozess ist, der die Objekte – die materialisierte Kultur – als Grundlage jeder Transformation benötigt. Der Begriff, der die transformative Bedeutung von Bildung seit den 1970er Jahren stärkt, ist der der Kulturellen Bildung.45 Die Definitionen sind multipel, Ermert definiert 2009: „Kulturelle Bildung bedeutet Bildung zur kulturellen Teilhabe. Kulturelle Teilhabe bedeutet Partizipation am künstlerisch 41 Koller 2007, S. 50. 42 Vgl. Koller 2012. 43 Giroux 2013, S. 232 f. 44 Koller 2007, S. 59, mit Verweis auf Gadamer (Original 1969) 61990, S. 271. 45 Vgl. zur Geschichte des Begriffs der Kulturellen Bildung: Reinwand-Weiss 2012/13, online, o. S.
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kulturellen Geschehen einer Gesellschaft im Besonderen und an ihren Lebens- und Handlungsvollzügen im Allgemeinen.“46 Das unabhängige Beratungsgremium, der Rat für Kulturelle Bildung, definiert 2019 online: „Unter Kultureller Bildung versteht der Rat die Allgemeinbildung in den Künsten und durch die Künste. Diese umfasst auch die Bildung von Fähigkeiten und Haltungen, die es Menschen ermöglichen, die Welt und das eigene Leben unter ästhetischen Gesichtspunkten wahrzunehmen und zu gestalten.“47 Eindeutig uneindeutig – und symptomatisch für das Agieren mit unscharfen Begriffen. Denn die definitorischen Annäherungen sind vor allem Teil einer Kanon-Debatte. Über welche Kunst, welche Kultur(en) spricht wer wann wie und warum? Wer ist die Gesellschaft und was bedeutet Teilhabe? Die korrelative Beziehung zwischen Kultur und Bildung wird dennoch deutlich, denn sowohl die Objekte dieser Welt sind kulturell bedingt als auch ihre Rezeptionswege kulturell geprägt. Doch erfüllt der nominelle Zusammenschluss zur Kulturellen Bildung auch die inhaltlichen, gesellschaftlichen und politischen Dimensionen? Welche Rolle spielen Objekte, die durch ihre Deutungen dem Marginalisierten begegnen und den Mainstream revidieren – und welche Objekte spielen eine Rolle in den als Kulturelle Bildung gelabelten Settings? Zahlreiche Angebote und Programme mit dem Label Kulturelle Bildung – vor allem in Museumskontexten – verschlagworten sich selbst mit den Leitvokabeln der deutschen Bildungslandschaft: Partizipation48 (!!!), Mitmachen (!!), Erleben (!). Sternfeld kategorisiert diese Aufforderungen nicht als gesellschaftliche (Auf-)Forderung, sondern im Sinne eines „partizipatorischen Imperativs“ als fast eine „Drohung in der Geschichte der Kulturpolizei.“49 Mit dem Imperativ verbunden sind allzu häufig hoch geförderte (Bildungs-)An-
46 Ermert 2009, online, o. S. 47 Rat für Kulturelle Bildung, Definition, o. J., online, o. S. 48 „ Der Begriff Partizipation betrifft die gleichwertige und gleichberechtigte Möglichkeit bzw.
Wirklichkeit an der Mitbestimmung gemeinschaftlicher Belange des Zusammenlebens, wobei unter Mitbestimmung Beratung und Entscheidung gemeint sind.“ Und: „Obwohl sich Partizipation auf unterschiedliche Sachverhalte und Praxen beziehen kann, d. h. auf soziale, kulturelle, ökonomische, technische oder auch pädagogische Angelegenheiten, hat sie im Kern eine politische Grundierung.“ Burghardt/Zirfas 2012, S. 183. 49 Sternfeld 2012, S. 120.
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gebote für Kinder und Jugendliche mit „kreativ ästhetischem Output“ – gelegten Collagen, modellierten Tonskulpturen, gebauten Objekten –, selbstverständlich upgecyclet und dem Mainstream folgend. Kulturelle Bildung in diesem Sinne obliegt dem Irrtum, Automatismen zu unterliegen und mit bestimmtem Zutun zu gelingen, „(a)ber es gibt da keinen Automatismus. Drei Töpfe Farbe und eine selbstreferentielle Kreativbehauptung klären nicht die Frage, welche Strategien und Grundlagen für kreative Prozesse verfolgt werden müssen. Die ‚kreativen Freiräume Kultureller Bildung‘ unterliegen häufig anderen Regeln als herkömmliche Bildungs- und Lernräume, aber sie unterliegen Regeln. Kulturelle Bildung im Sinne einer ästhetischen Alphabetisierung ist zunächst einmal wenig kreativ.“50 Das Bildungsangebot läuft Gefahr, sich zur wenig herausfordernden Materialschlacht mit scheinpartizipativer Ausrichtung zu reduzieren.51 Deutlicher formuliert: Es „kann nicht von Bildung gesprochen werden, solange Ästhetik auf die bloße Schulung von Sinnesorganen oder auf ein Produzieren von Objekten beschränkt bleibt. Menschliche Wahrnehmung enthält notwendigerweise Momente des Erkennens, Denkens, Deutens und Fühlens. Als ästhetische Bildung führt sie zu ästhetischer Urteilsbildung. Ästhetische Bildung meint somit Stellungnahme und Parteinahme.“52 Im Sinne Giroux‘ ist sie Teil des „ongoing struggle“ auf unterschiedlichen Ebenen – für Besucherschaft und Institution. Bildung ist nicht messbar, Ästhetik ist nicht normativ, Kultur ist nicht statisch. Die Ausgangslage für sinnstiftende, „gelingende“ Kulturelle Bildung ist demnach nicht einfach. Und dennoch liegt in einigen Angeboten, die explizit als Kulturelle Bildung Bezeichnung finden und Momente der ästhetischen Erfahrung bereithalten, das Potenzial der Teilhabe und der innergesellschaftlichen Verortung. Der aktive Prozess – der an Erfahrungen gekoppelt ist – ist hier der maßgebliche Gelingensfaktor dieser Teilhabeprozesse. An die Mög50 Rat für Kulturelle Bildung 2014, S. 22. 51 Durch die Konjunktur des Begriffs Partizipation erfährt er zunehmend Verwendung in Kontex-
ten, die die weitreichende Bedeutung von Partizipation als Grundlage politischen Handelns und als demokratischen Prozess vernachlässigen. 52 Kirchner/Ferrari/Spinner 2006, S. 15.
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lichkeiten der ästhetischen Erfahrung geknüpft sind Fragen nach der unmittelbaren Relevanz53 des Angebotes für das Individuum als Akteur*in. „Wenn also […] von ästhetischer Erfahrung die Rede ist, so sind damit keineswegs nur Erfahrungen im Umgang mit Kunst gemeint, sondern darüber hinaus auch sinnlich-ästhetische Erfahrungen, die unabhängig von Kunstwerken gemacht werden können. Ästhetische Erfahrungen sind im Spannungsfeld zwischen Kunsterfahrung und Alltagserfahrung situiert.“54 Das Objekt erhält in diesem Teilhabeprozess die Aufgabe, in Revision zum bisher Gedachten und Erfahrenen zu gehen. Die Forderung nach einem modernen Konzept Kultureller Bildung ist, laut Reinwand-Weiss, an die ästhetische Grundfrage gekoppelt: „Wie wollen wir als Menschen im 21. Jh. zusammen leben, wie wollen wir unsere Kultur(en) gestalten und welche Aufgabe kommt dem einzelnen Subjekt dabei zu?“55 Fest steht dabei: „Bildung ohne ästhetische Grundierung ist im doppelten Sinne sinnlos oder von Sinnen. Bildung ist ästhetisch organisiert und motiviert.“56 Mit den kulturphilosophischen Grundprinzipien der Ansätze von Simmel, Cassirer und Hönigswald leistet Monika Witsch einen ergiebigen Beitrag, um das Verhältnis von Kultur(en) zu Bildung mit Beachtung pädagogischer Settings zu diskutieren.57 Hierbei ist vor allem der aktive Prozess im sich bedingenden Miteinander prägend. Weitergedacht ergibt sich auf dieser Grundlage folgendes Modell: Menschen konstituieren sich als selbst- und fremdgebildete Subjekte, denen durch primäre und sekundäre Sozialisationsinstanzen Werte und Normen vermittelt werden. Diese werden dann in Prozessen der Selbstbildung und Selbstreflexion für sich und die Gesellschaft angenommen oder abgelehnt – oder transformiert. Diese Prozesse konstruieren lebenslange Bildungsbewegungen, die als wechselseitige Prozesse 53 Andrea Sabisch würde hier den Begriff der Aufmerksamkeit thematisieren. Welche Aufmerk-
samkeit erregt die Situation/das Objekt bei den Rezipient*innen? Vgl. dazu Sabisch 2008, S. 192−198. 54 Brandstätter 2012, S. 174. 55 Reinwand-Weiss 2012, S. 113. 56 Sabisch 2008, S. 192. 57 Vgl. Witsch 2008.
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zwischen den Subjekten und der Welt zu verstehen sind. Das konkrete Erleben, in Form einer zum Beispiel ästhetischen Erfahrung, unterstreicht die Intensität der Prozesse beziehungsweise stellt Relevanzen für das Subjekt heraus. Das Ermöglichen von Bildungsräumen in Beziehung zu Objekten, in Beziehung zu anderen und in Beziehung zu sich selbst ist dabei von großer Bedeutung. Kultur – Welt/Objekt/Gesellschaft – wird zum Sinngegenstand von Bildung und Bildung zur Vermittlungsstruktur beziehungsweise zum Vermittlungsprozess von Kultur. „Vor diesem Hintergrund“, so Jörissen, „lässt sich das Verhältnis von Bildung und Kultur naheliegender Weise nicht nur als Kultivierung im Modus der pädagogischen Vermittlung und/ oder subjektiven ‚Aneignung von Kultur‘ verstehen, und schon gar nicht als ein bloßes ‚Lernen über …‘ kulturelle Angelegenheiten, Ausdrucksformen, Kulturtechniken, Künste etc. Vielmehr ist ‚Bildung‘, nimmt man den Terminus bildungstheoretisch ernst (was leider oft genug nicht der Fall ist), eine Praxis der Reflexion auf Kultur – verstanden nämlich als implizit machtförmiges Formenrepertoire der Gestaltung von Selbst- und Weltverhältnissen.“58 Die abkürzende, den Diskurs jedoch umfassende Antwort Adornos auf die Frage nach Bildung heißt: „[…] Bildung ist nichts anderes als Kultur nach der Seite ihrer subjektiven Zueignung.“59 Bildung demnach als subjektive Seite von Kultur zu verstehen und Kultur als objektive Seite von Bildung zu verhandeln, macht die inhaltlichen Komponenten beider Begriffe als mit sich aktiv im Prozess befindlich nachvollziehbar. Sie synonym zu verwenden wäre jedoch eine unbefriedigende Verkürzung. Die Diskussion um Schärfen und Unschärfen des Bildungsbegriffs fordert dazu heraus, Bildung – ähnlich wie Kultur – nicht als isoliertes, geschichtsloses und statisches Phänomen zu deuten, sondern sie immer in Referenz zu Kultur(en) in ihrer transformativen Verfasstheit zu formulieren. Begriffen wie Erfahrung, Reflexion, Relevanz kommt dabei eine amplifizierende Bedeutung zu. Bildung geschieht nicht ohne Kultur. Jede Auseinandersetzung mit Kultur, ihren Objekten und
58 Jörissen 2016, S. 63−74. 59 Adorno (Original 1959) 1972, S. 94.
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gesellschaftlichen Strukturen ist ein Teil der Menschenrechtsbildung. Auf den Terminus der Kulturellen Bildung wird im Sinne der Erläuterungen verzichtet; Bildung wird in der weiteren Verwendung immer als Tool in Referenz zum kulturellen Kontext verwendet und in erster Linie als ein lebenslanges Menschenrecht verstanden. Bildung braucht Kultur.
Demokratie „Das Ziel der Demokratie ist ein radikales Ziel. Denn es ist ein Ziel, das bisher noch zu keiner Zeit und in keinem Land adäquat John Dewey, 1937 verwirklicht worden ist.“60 Der Begriff der Demokratie erscheint im Zusammenhang mit dem der Bildung auch 2020 unmittelbar auf der Reflexionsfläche der Kultur(en).61 Ebenso wie die Tools Kultur und Bildung ist Demokratie primär als aktiver Prozess zu verstehen. In ihrer Auslegung kann Demokratie als Staatsform und politisches Herrschaftssystem kategorisiert werden, im Diskurs um Kultur soll der Fokus jedoch auf der Demokratie als Gesellschaftsform beziehungsweise Lebensform liegen. Für demokratische Staatsformen haben diese Kategorien eine grundlegende Relevanz, um die Staatsnorm überhaupt handlungsfähig zu machen. Die Demokratie als Gesellschaftsform ist als starke Zivilgesellschaft verfasst und durch Pluralismus und soziale Differenz geprägt, und dies bei rechtlicher Gleichheit. Sie besticht durch die öffentliche Kennzeichnung von Freiheit und Diversität sowie durch ein hohes Maß bürgerlichen Engagements.62 Demokratie als Lebensform wiederum bezieht sich vielmehr auf die „Kultur des sozialen Zusammenlebens“63 und fragt nach den individual- und sozialmoralischen 60 Vgl. Dewey (Original 1935) 1991 a, S. 296−299, hier zitiert nach Neubert 2004 a, S. 20. 61 Der Begriffsgenese wie den multiplen Anwendungsformen konnte hier nur unzureichend nach-
gegangen werden. Vgl. daher Frevel/Voelzke 2017. 62 Leimgruber o. J., online, o. S. 63 Ebd.
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Grundlagen auf den Mikroebenen gesellschaftlichen Miteinanders sowie primären und sekundären Sozialisationsinstanzen. Sie wird als entscheidende Grundlage von politischem Engagement und demokratischen Gesellschaften gesehen. Denn „[w]er in einer von Toleranz und Fairness geprägten Umwelt aufwächst, die Vielfalt der Lebensstile als Chance begreift und zu Solidarität und Selbstorganisation erzogen wird, hat gemäss dieser Sicht gute Voraussetzungen, innerhalb der Gesellschaft demokratisch zu agieren und sich demokratisch in das politische System einzubringen“64. Folgt man dieser Definition, so ist Demokratie auch als Bildungsprozess – zusammengesetzt aus Fremd- und Selbstbildungsprozessen – zu verstehen, der von Nachahmung, Erfahrung und Reflexion geprägt ist und im besten Sinne zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben befähigt. Es wird deutlich, „[…] dass die Förderung von (kognitivem) Wissen über demokratische Institutionen, Strukturen und Prozesse notwendig ist, allein aber nicht ausreicht. Zugleich müssen die habituellen Einstellungen, Bereitschaften und sozial-emotionalen Bindungen […] zur Demokratie gefördert werden.“65 Die Möglichkeit, Demokratie als lebenslanges Recht zu erfahren, Diversität und Differenz zu leben, ist jedoch abermals abhängig von politischen Systemen, die Lebensgrundlagen prägen und verbunden sind mit den Fragen nach Chancengleichheit und kultureller Freiheit. Demokratie leben zu können ist ein Privileg. Die Theorie John Deweys verbindet bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Begriffe „democracy“, „experience“ und „education“. Sein 1916 veröffentlichter Ansatz erwächst aus der Vorstellung, „education“ als demokratische Erfahrung zu begründen und andersherum „democracy“ als Medium der Erziehungserfahrung zu verstehen.66 „Education“ ist demnach als ein lebenslanger, sich selbst begründender Prozess zu verhandeln, der zur
64 Ebd. 65 L ange/Himmelmann 2008, S. 7. 66 Einführend in Oelkers 52011, o. S.
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gesellschaftlichen Teilhabe befähigt.67 Unter „democracy“ differenziert Dewey zwei Gedanken: Den „[…] Gedanke[n] einer partizipatorischen Demokratie, der impliziert, dass Demokratie mehr ist als nur eine Regierungsform oder ein institutionelles Gefüge, sondern […] eine Lebensweise meint, die auf der möglichst umfassenden Teilhabe aller an den Gütern und Interessen einer Gesellschaft beruht, und zwar zu gleichen Bedingungen und in allen relevanten Lebensbereichen; […] [den] Gedanke[n] einer pluralen Demokratie, der bedeutet, dass eine Vielfalt unterschiedlicher Gruppierungen, Gemeinschaften, Kulturen und Gesellschaften keine Bedrohung und keinen Verlust, sondern vielmehr einen Gewinn für ein demokratisches Gemeinwesen darstellt, soweit die institutionellen Voraussetzungen für einen möglichst freien und umfassenden Austausch zwischen den unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens gewährleistet sind. In beiderlei Hinsicht ist Demokratie für Dewey ein melioristisches Projekt, keine Beschreibung gesellschaftlicher Realität.“68 Inklusiv in diesem den Menschen verbessernden Prozess fasst Dewey den „experience“-Begriff. Hierbei stellt der „Begründer der pragmatischen Theoriebildung den Erfahrungsbegriff in den Kontext des Raumes […] [und] betont die enge Verbindung von Erfahrung, Lernen und Erziehen, um bei Heranwachsenden ein Demokratieverständnis und ein kritisches Reflexionsbewusstsein zu befördern“69. Der Begriff der „experience“ meint „nicht die bloß subjektive Erfahrung einer objektiv gegebenen und vom Erfahrenden prinzipiell unabhängigen Wirklichkeit, es ist auch kein in erster Linie passiver Vorgang, z. B. des Aufnehmens von Sinneseindrücken. Vielmehr zeichnet sich ‚experience‘ für Dewey durch die beiden Kriterien der Kontinuität und der Interaktion aus. Grundeinheit seines ‚experience‘Begriffes ist die Handlung als ein Zusammenhang von Tun und Erleiden, in
67 In der Literatur wird der „education“-Begriff zumeist mit Erziehung ins Deutsche übersetzt. Im
Sinne der „education“ ist diese jedoch als lebenslanger Prozess gekennzeichnet, ohne intentional erzieherisches Ziel. Er kann deshalb auch als Bildungsprozess verstanden werden. Implizit sind darin individuelle und kollektive Teilhabeprozesse an Gesellschaft formuliert. 68 Neubert 2004 a, S. 20. Neubert nimmt Bezug auf Dewey (Original 1916) 1985, S. 87−106. 69 Ecarius/Oliveras 2014, S. 412.
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deren Verlauf Bedeutungen aktiv konstruiert werden.“70 Die „experience“ ist demnach als übergreifende Einheit aus Mensch und Welt zu verstehen.71 Fragen drängen sich auf: Wie muss dieser lebenslange aktive Prozess gestaltet sein? Aktion – Reaktion? Welche Grundvoraussetzungen muss das Individuum mitbringen, welche Protagonist*innen prägen den Prozess, welche Instanzen begleiten ihn, welche Objekte gehen in Revision, welche Orte intensivieren ihn und welche Formen der Interaktionen verfestigen demokratisches Handeln in den diversen Handlungsrepertoires einer Gesellschaft? Befriedigende Antworten auf diese Fragen zu finden ist schwer möglich. Doch allein die Sensibilisierung dafür, dass all diese Faktoren einen Einfluss auf das Gelingen von Demokratien als Lebens- und Staatsformen haben, ist relevant. Mit dem Unvorhersehbaren umzugehen ist eine der Herausforderungen der Zeit. Und erneut erscheint die Kultur als Reflexionsfläche und spiegelt der Demokratie ihre gesellschaftlichen Realitäten: „In der Demokratie kann man das Denken nicht delegieren und den Experten, Performern oder Demagogen überlassen“, so Aleida und Jan Assmann in der Frankfurter Paulskirche im Herbst 2018, „‚Empört Euch!‘ hat uns der 93-jährige Stéphane Hessel zugerufen. […] Das war vor acht Jahren. Inzwischen hat die Empörung die Seiten gewechselt, und das auf der ganzen Welt. Es stimmt, dass Demokratien durch Streit und Debatten gestärkt werden, aber auch in ihnen steht nicht alles zur Disposition. Es muss unstrittige Überzeugungen und einen Grundkonsens geben wie die Verfassung, die Menschenrechte und die Gewaltenteilung mit der Unabhängigkeit des Rechts und der Medien. Denn nicht jede Gegenstimme verdient Respekt. Sie verliert diesen Respekt, wenn sie darauf zielt, die Grundlagen für Meinungsvielfalt zu untergraben. Demokratie lebt nicht vom Streit, sondern vom Argument. Pöbeleien oder gar eine Eskalation polarisierender Symbole wie in Chemnitz führen zu einem Zustand allgemeiner Verwirrung, legen Demokratien lahm und machen
70 Neubert 2004 a, S. 14. Neubert nimmt Bezug auf Dewey (Original 1938−1939) 1991 b, S. 17 ff. 71 Koller 2007, S. 50.
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sie betriebsunfähig für ihre wichtigen Aufgaben.“72 Kultur reagiert auf Demokratien, Kulturen sind nicht still gegenüber dem Unvorhersehbaren in politischen Systemen, sie zeigen materiell und immateriell die Fragilität und Stärken in Gesellschaften auf und füllen die Zwischenräume mit Inhalt – mit Revisionsobjekten: Wort, Bild, Text, Medium, Ton, Material, Farbe, Form, Ort. Kulturen sind aber auch abhängig von Demokratie, denn nur mit ihr als Grundverständnis gesellschaftlichen Zusammenlebens können Kulturen uneingeschränkt wirken. John Dewey reflektiert seinen philosophischen Ansatz als kulturkritischen und kulturtheoretischen Beitrag. Der Begriff der Kultur gewinnt, so Neubert, vor allem in den Schriften seines Spätwerks zunehmend an Bedeutung. „Dies ging sogar so weit, dass er am Ende seines Lebens bereit war, sein philosophisches Grundkonzept ‚experience‘ gegen den Kulturbegriff […] auszutauschen.“73 Demokratie ist eine Staatsform, die durch „democracy“ als Lebensform von der Gesellschaft getragen wird und sich als aktiver Prozess gestaltet. Die Gesellschaft ist geprägt von permanenten Erfahrungen im Sinne der „experience“, die als Bildungsbewegungen verstanden werden können und sich durch Erziehung im Sinne von „education“ transformieren. Die Gesellschaft besteht aus Kollektiven und Individuen, die wiederum als Akteur*innen Kulturen konsumieren, reflektieren und transformieren; auch dies ist ein aktiver Prozess. Die Gesellschaft besteht als Konstruktion, sie ist nicht statisch und ist geprägt von Diversität, die in all ihren Dimensionen vertreten ist.74 Demokratie braucht Bildung und Kultur. 72 Assmann/Assmann 2018, online zitiert aus der Dankesrede von Aleida und Jan Assmann
anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2018. Assmanns beziehen sich auf die Ausschreitungen im Spätsommer 2018 in Chemnitz. Nach einem tödlichen Messerangriff auf einen Deutschen am Rande eines Stadtfestes kommt es zu Demonstrationen und Protesten mit Ausschreitungen. Zeit-Online veröffentlicht unter dem Titel Der Abend, an dem der Rechtsstaat aufgab am 28.08.2018: „Tausende Rechtsextreme ziehen durch Chemnitz, zeigen den Hitlergruß, greifen Gegendemonstranten und Journalisten an. Die Polizei ist unterlegen und lässt sie gewähren.“ Grunert 2018, online, o. S. Die Proteste halten tagelang an und bestimmen die Tagespolitik und Tagespresse und führen letztendlich auch zum Personalienwechsel im Bundesamt für Verfassungsschutz. 73 Neubert 2004 b, S. 114. Neubert nimmt Bezug auf Dewey (Original 1925) 1988 a, S. 361 f. 74 Vgl. Grafik „Four Layers of Diversity“ nach Gardenswartz/Rowe 1995, online abrufbar.
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Ort/Raum Aktive Prozesse innerhalb von Gesellschaften benötigen Orte und Räume, an denen sie sich gründen oder an denen sie sich reiben können. Dies sind Orte, die ein Demokratiebewusstsein fördern, Orte, die unterschiedlichste Bildungsräume eröffnen, die die Objekte des kulturellen Erbes beherbergen. Es sind Orte, die sich mit Räumen der Kommunikation und der Teilhabe formieren, die Relevanzen für Gegenwärtiges bieten und die Bewusstseinsformen der Geschichte als kollektives Gedächtnis in sich tragen. Diese Orte finden sich in der Stadt und im ländlichen Raum – sie sind in Transformationen begriffen und gestalten sich in aktiven Prozessen aus Rezeption und Rezeptionsgeschichte zu Erinnerungsorten von Individuen und Kollektiven in Kulturen und kulturübergreifend. Wie sich Menschen durch die Stadt, auf einen Ort zu oder eine Straße entlang bewegen, ist abhängig davon, welcher Struktur diese jeweils folgen. Ist sie umringt von Häuserschluchten oder ist sie geprägt von Sichtachsen, die Ein- und Ausblicke in die umliegende Gegend zulassen? In welcher Zeit, mit welchem Material wurde die Straße gebaut, welche Aussagen treffen die sie umgebenden Fassaden, was ist ablesbar? Wurde sie modernisiert und sind Spuren von baulichen Veränderungen erkennbar? In welche Richtung führt die Straße, ist sie als eine verbindende Strecke gedacht oder als eine Sackgasse? Welche Orte und Räume konstituieren sich entlang der Geraden, Kurven und Kreuzungen? Wer ist auf dem Weg oder mit dem Weg – zielgerichtet oder zufällig – unterwegs? Ist die Straße sinnbildlich oder geografisch formuliert? Maßgeblich ist das Verhalten an Orten davon geprägt, welche Erfahrungen ganz individuell oder welche Ereignisse kollektiv mit ihm verbunden sind. Das Konzept der Erinnerungsorte greift an dieser Stelle in das Geschehen ein. Es soll hier in seiner Relevanz für die Arbeitsbegriffe Bildung und Demokratie auf dem Metabegriff reflektiert werden und als Tool in seinem Selbstverständnis exemplarisch im weiteren Verlauf in
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Anwendung gebracht werden.75 Das Konzept, das unter dem Titel Les lieux de mémoire76 durch den französischen Historiker Pierre Nora 1984 veröffentlicht wurde, folgt der Annahme, dass spezifische Orte als Kristallisationen von kollektiven Erinnerungskulturen funktionieren. Nora
leistet
damit
einen
entscheidenden
Schritt
hin
zu
einer
kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung und löst einen regelrechten 77
„memory boom“78 aus. Zugleich disqualifiziert der Diskurs im Laufe der Zeit zunehmend den Erinnerungsort zur „alltagsweltliche[n] catch-all phrase“79, wie die Bilder aus dem sozialen Netzwerk zeigen. Doch Erinnerungsorte sind nach Nora „neben vertrauten ‚Orten‘ wie Gedenkstätten, Museen und Bauwerken auch Ereignisse, Gedenkfeiern, Persönlichkeiten und Organisationen. Außerdem sind Rituale und Embleme sowie wissenschaftliche, literarische und Gesetzestexte potenzielle ‚Gedächtnisorte‘ […]“80 und verfolgen einen materiellen, symbolischen oder funktionalen Sinn. Die Orte der Erinnerung sind demnach als Topoi zu verstehen und nicht primär geografisch zu fassen, „auch wenn sie sich auf geografische Orte beziehen können. Gemeint sind vielmehr diskursive Chiffren, […] [die] in einem bestimmten soziohistorischen Zusammenhang eine traditions- und identitätsstiftende Rolle spielen.“81 Ihr referenzieller Charakter kann daher als Kern des Konzepts formuliert werden. Gesellschaftlich oder einer Kultur entsprechend wagen die Erinnerungsorte den „[…] Versuch, Gemeinschaftsgefühle und kollektive Identität qua Erinnerung an eine gemeinsame Vergangenheit zu stiften. […] [Erinnerungsorte stehen]
75 Vgl. hierzu insbesondere die Kapitel Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte
in Transformation und Kulturelle Praktiken in Anwendung – unbestimmte Konstanten und aktive Prozesse. 76 Nora veröffentlichte mit seinem 1992 editorisch abgeschlossenen Projekt sieben Sammelbände mit Kristallisationspunkten der französischen Kulturgeschichte. Seine Überlegungen werden reflektiert und kommentiert von z. B. Assmann 1999, François/Schulze 2001 oder als bilateraler Beitrag der europäischen Erinnerungsorte von den Boer/Duchhardt/Kreis/Schmale 2012. 77 Kroh/Lang 2010, S. 184. 78 Der Begriff wurde geprägt von Jay Winter. Vgl. u. a. Winter 2001, online, o. S. 79 Siebeck 2017, online, o. S. 80 Kroh/Lang 2010, S. 184. 81 Siebeck 2017, online, o. S.
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stellvertretend für das Bedürfnis von Gemeinschaften, sich durch die Vergegenwärtigung historischer Ereignisse ihrer selbst zu vergewissern.“82 Sie sind demnach nicht einzig als Erinnerungen zu verstehen, sondern nehmen hauptsächlich die Rolle eines Tools ein, welches auch Gegenwart verhandelbar macht, indem Traditionslinien und folglich Argumentationslinien einer Nation, Kultur, Gesellschaft, Community deutlich werden. Giesecke und Welzer konkretisieren den Umgang und merken kritisch an, dass es „[…] in der erinnerungskulturellen Praxis der Gegenwart um die Beglaubigung eines historischen Geschehens durch einen Ort, den man heute noch aufsuchen kann, [geht,] um einen Fixpunkt, den die Geschichte eines Kollektivs oder einer Gesellschaft umkreist. Genau deshalb ist Deutschland übersät mit Gedenktafeln, Gedenkorten, ‚Stolpersteinen‘ und zahllosen anderen örtlichen Markierungen. Solche Fixpunkte werden historisch genau in dem Augenblick gefunden und markiert, in dem das Bezugskollektiv nach Identität sucht – im Generationenwechsel zum Beispiel. […] Solange Traditionen stabil sind und ohne Explikation funktionieren, bedarf es keiner Identitätsarbeit. Erinnerungs- und Geschichtsorte sind in diesem Sinne paradoxerweise transitorische Orte. Ihnen wird dann Bedeutung zugewiesen, wenn das betreffende Kollektiv nach Orientierung sucht, was es ist, und vor allem, was es sein möchte.“83 Das Konzept der Erinnerungsorte ist eng verbunden mit den Gedächtnistheorien von Maurice Halbwachs und in Bezug auf Kollektivbedürfnisse besonders spannend. „[Dieser] hat bereits in den 1920er Jahren darauf hingewiesen, dass das individuelle Gedächtnis aufgrund seiner sozialen Verfasstheit nicht ohne einen ‚historischen oder kollektiven Rahmen‘ existiert, den er als ‚kollektives Gedächtnis‘ bezeichnet hat. Kollektive Orientierungen sichern unbemerkt und unreflektiert die eigenen Erinnerungen ab. Das soziale Milieu, in dem wir leben, liefert nicht nur Anhaltspunkte und Anlässe für unsere Erinnerungen. Es füllt auch unbemerkt und unbewusst die Lücken unseres Gedächtnisses durch fremde Beiträge, so dass wir nicht imstande sind,
82 Kroh/Lang 2010, S. 187 f. 83 Giesecke/Welzer 2010, S. 13 f.
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zwischen eigenen und fremden Erinnerungen klar zu unterscheiden. Das individuelle Gedächtnis ist für ihn nur ein ‚Ausblickspunkt‘ auf das kollektive Gedächtnis.“84 Hierzu untersuchte Halbwachs soziale Gruppen wie Familien, Klassenverbände oder Regimente auf ein soziales Gruppengedächtnis hin und formulierte die „radikale These […], dass Menschen überhaupt kein im strikten Sinne individuelles Gedächtnis ausbilden, sondern immer schon in Gedächtnisgemeinschaften eingeschlossen sind. Das Gedächtnis bildet sich – ähnlich wie die Sprache – in kommunikativen Prozessen aus, d. h. im Erzählen, Aufnehmen und Aneignen von Erinnerungen in Näheverhältnissen. Wer ganz allein ist, kann nach Halbwachs überhaupt kein Gedächtnis ausbilden.“85 Aus bildungstheoretischer Sicht sind folgende Zusammenhänge besonders essenziell: „Die enge Verschränkung von Gedächtnis, Person und Kultur macht die Gedächtnisfunktion zu einem integralen Moment von Lern- und Bildungsprozessen. Man könnte das Gedächtnis in einer ersten Annäherung als materielles Substrat oder ‚Hardware‘ von Lernen und Bildung bezeichnen. Allerdings zeigen kulturwissenschaftliche sowie neurowissenschaftliche Studien, dass es sich bei der Gedächtnisfunktion um ein komplexes und dynamisches Geschehen handelt, das permanenten historischen, sozialkulturellen und physischen Veränderungen unterliegt.“86 Für Erinnerungsorte bedeutet dies, dass sie eine aktive Rolle in Bildungsprozessen einnehmen, sie dafür jedoch zu erzählten Orten innerhalb von Communities werden müssen. Nur so können sie als individuelle Dynamiken verhandelt werden und als aktive Prozesse in Kulturen als Teil des kollektiven Gedächtnisses bestehen.87 84 Sting 2014, S. 356. Sting verweist hier auf Halbwachs (Original 1925) 1991, S. 2, S. 31, und Sting
2009, S. 140−151. 85 Assmann 2018, online, o. S. 86 Sting 2014, S. 353. Sting verweist auf Roth 2011, S. 102, und Dieckmann/Sting/Zirfas 1998, S. 7−39. 87 Bei den aktiven Erzählungen von Erinnerungsorten in der Gegenwartsgesellschaft müssen die
(teil-)gebrochenen Traditionslinien immer mitverhandelt werden. Geschieht dies nicht, wird die permanente Re-Inszenierung des „Gedächtnistheaters“, wie Czollek mit Bezug auf den Soziologen Y. Michal Bodemann feststellt, zur Bezugsnorm in gesellschaftlichen Prozessen und bei der Verhandlung von Geschichte und Kultur. Darin eingeschlossen ist die Etablierung distinktiver und diskriminierender gesellschaftlicher Rollen als fortwährender Prozess in der
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Die Art und Weise, wie die Orte erzählt werden, welche Zusammenhänge erklärt werden und wer wem etwas zeigt, scheint demnach entscheidend. Die Rolle des Gedächtnisses – individuell und kollektiv – als Ursprung, Tradition, Gegenwart, Vergegenwärtigung, Zukunftsvision oder Utopie von Kultur als Hybride ist zentral, denn: „Das Gedächtnis stellt ein ‚anthropologisches Apriori‘ dar, ohne das weder menschliche Existenz noch gesellschaftlich-kulturelles Leben möglich sind. Es stiftet den Grund und den Zusammenhalt unseres individuellen Lebens; zugleich verleiht es Gesellschaften und Kulturen Kontinuität und Dauer. Jedes Denken baut auf bereits vorhandenen Denkschemata, Mustern und Kategorien auf – enthält also ein ‚Wieder-Denken‘ und ‚Ge-Denken‘. Ebenso ist jedes Wahrnehmen und Erkennen zugleich ein ‚Wieder-Erkennen‘, das das Festhalten von Erfahrungen und Eindrücken im Gedächtnis voraussetzt.“88 Erinnerungsorte sind demnach auch Kristallisationspunkte, an denen sich Formen des Gedächtnisses als materielles oder immaterielles Kulturerbe manifestieren. Dass Erinnerungsorte in den kulturellen und gesellschaftlichen Diskursen ihren Platz finden, setzt voraus, dass sie mit Räumen der Interaktion verbunden sind, sie diese im besten Sinne selbst konstruieren. Dies vollzieht sich dann, wenn Orte, und das schließt Erinnerungsorte ein, durch „relationale (An)Ordnung[en] von Lebewesen und sozialen Gütern“, vor allem aber durch Interaktion zum (autonomen) Raum89 verdichtet werden. Das Verhältnis von Orten und Räumen muss immer als ein transformierendes gelesen werden, sie bedingen sich, lösen sich auf, überlagern sich und gehen ineinander über.90 Die Überlegungen zum Raum in Bezug auf die kulturellen Relevanzen liegen den Theorien zum „Spatial Turn“ zugrunde, Sozialgeschichte. Vgl. Bodemann 2002. Giesecke/Welzer proklamieren die „Renovierungsbedürftigkeit“ der deutschen Erinnerungskultur. Vgl. Giesecke/Welzer 2010, insbesondere S. 78 ff. 88 S ting 2014, S. 353. Mit Bezug auf Harth 1997, S. 738; Keddi 2011, S. 95; Bözörmenyi 2009, S. 208 f.; Fabian 2007, S. 21 f. 89 L öw 82015 a, S. 158 f. 90 Vgl. Hübscher 2017, S. 105−124.
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der auch die „Bedeutung der materialen Gestalt des Raums für soziale Abläufe“91 berücksichtigt. Der in den 1990er bis 2000er Jahren ausgerufene Turn steht „[…] für die – nun alle Disziplinen durchziehende und nicht länger auf einige Vordenker/-innen beschränkte – Einsicht, dass Räume (architektonische Räume, städtische Räume, Regionen, Nationalstaaten, Schlafzimmer, Freizeitparks, Flusslandschaften) soziale Produkte sind. Nicht nur in dem Sinne, dass es Professionen gibt, die diese Räume planen und gestalten, sondern auch in der herausfordernden Einsicht, dass Räume für Menschen nur dadurch zu Räumen werden, als sie als soziale Gebilde hergestellt werden müssen. Im Moment der Platzierung bilden wir Relationen zwischen Dingen (und Klassen von Dingen) mit dem Ergebnis, dass wir diese Dinge oder Elemente (den Tisch, die Tür, die Kirche, die Linien auf der Karte einer Region) zu einer Gestalt verbinden.“92 Die Theorie der Raumsoziologin Martina Löw folgt den Feststellungen Foucaults, dass sich „[u]nsere Zeit […] als Zeitalter des Raumes begreifen [lässt]. Wir leben im Zeitalter der Gleichzeitigkeit, des Aneinanderreihens, des Nahen und Fernen, des Nebeneinander und des Zerstreuten. Die Welt wird heute nicht so sehr als ein großes Lebewesen verstanden, das sich in der Zeit entwickelt, sondern als ein Netz, dessen Stränge sich kreuzen und Punkte verbinden.“93 Löw resümiert: „Raum ist demzufolge eine Konfiguration oder ein Netzwerk, welches Personen, Dinge oder Handlungen in eine Ordnung bringt. Explizit grenzt er [Foucault] sich gegen die Vorstellung eines leeren Behälters ab, der beliebig gefüllt werden kann.“94 Die Überführung von Erinnerungsorten in Räume der Interaktion lässt sich auch mit dem Begriff des Handlungsraumes und dessen Konstitution als „dinghafte Raumordnung […], die menschliches Dasein ermöglicht, aber auch gezielt potenziert“ 95, beschreiben. Der als Handlungsraum begriffene
91 Böhme 2014, S. 431. 92 Löw 2015 b, online, o. S. 93 Foucault (Original 1967) 2015, S. 317. 94 Löw 1999, S. 54. 95 Böhme 2014, S. 423. Böhme verweist darauf, dass ein pädagogisches Verständnis von Raum
als didaktisch arrangierte Ordnung, in der Vermittlungsabsichten verwirklicht werden sollen,
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Erinnerungsort kann sich demnach explizit zum Bildungsraum potenzieren, denn sein Bildungspotenzial ist in der „material-physischen Verfasstheit des Raums“96 immer schon angelegt. Mit Verweis auf Bollnow bemerkt Böhme jedoch, „dass sich die Bildungspotenziale des Raums nur dann entfalten, wenn die Nutzer diesen Raum annehmen, sich darauf einlassen können“97. Und erneut muss die Frage nach den Relevanzen für die Akteur*innen in einer Gesellschaft gestellt werden. Im Falle der Erinnerungsorte sogar im doppelten Sinne: Die Relevanzen des Ortseigenen sowie die Relevanzen des spezifisch im Handlungsraum als Interaktion angelegten Angebots sind essenziell. Welche Aspekte des kollektiven Gedächtnisses im Erinnerungsort gelagert oder im Handlungsraum hinterlegt sind oder welche Erinnerungen in ihm konstruiert werden, ist dabei ebenfalls entscheidend. Doing Memory ist demnach unablässige kulturelle Arbeit, „das partizipative Schaffen eines gemeinsamen Erinnerungsraumes“98, denn „ein kulturelles Gedächtnis [benötigt] Dialog und lebendige Auseinandersetzung mit der jeweiligen Gegenwart“99. Die Identifikation mit einem spezifischen kulturellen Gedächtnis unterliegt weder Automatismen noch ist sie bedingt durch die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur, sondern obliegt einem Prozess, der auch als Bildung bezeichnet werden kann. Dieser Prozess ist gekennzeichnet durch die Eigenständigkeit und Selbstreflexivität, die ständige Auseinandersetzung mit der eigenen kulturellen Identität.100 daran anschließt. Sie bezieht sich dabei auf den von Bollnow geprägten Begriff „Zweckraum“. Vgl. dazu Bollnow (Original 1963) 2010, S. 209. 96 Ebd., S. 430. 97 Ebd. „Grundlegend für diese Auffassung ist, dass die Nutzungsordnung eines Raums Handlungsvollzüge von Akteuren strukturiert. Hier lassen sich instruktiv didaktische Reflexionen zum Verhältnis von materialer Raumgestalt und pädagogischer Absicht anschließen. In dieser Perspektive wird die Wirkmächtigkeit des materialen Raums in der pädagogischen Praxis unterstellt, ohne jedoch in ein überzogenes raumdeterministisches Denken zu verfallen.“ 98 Krause 2017, S. 27. 99 Assmann/Assmann 2018, online, o. S., zitiert aus der Dankesrede von Aleida und Jan Assmann anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, 2018. 100 Ebd.
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nwieweit dieser Prozess als selbstbestimmt verhandelt werden kann, ist abhängig von den Erinnerungsorten, die im Kontext von institutioneller Bildung Aufmerksamkeit bekommen und somit überhaupt ein Teil der Auseinandersetzung mit dem kollektiven Gedächtnis werden sowie das Fundament einer Kanondebatte bilden. Dies setzt eine offene Auseinandersetzung auf bildungspolitischer wie kulturpolitischer Ebene voraus. Die Diskussion um Erinnerungsorte und die Diskussionen, die an ihnen und mit ihnen geführt werden, benötigen Demokratie. Eine moderne Gesellschaft braucht den zeitgenössischen Umgang mit Geschichte und Geschichtsorten. Die Forderung besteht in einer selbstreflexiven Geschichts- und Kulturwissenschaft, die Erinnerungsorte nicht bloß rekonstruiert, sondern sie auch dekonstruiert und damit „eine am Leitbild der Demystifizierung orientierte Gedächtnis- und Symbolgeschichte“101 begründet. Der Spatial Turn ist entscheidend für den Umgang mit Erinnerungsorten und den darin oder daraus konstituierten Räumen der Interaktion: Der Raum selbst bildet eine Analysekategorie, die den „Raum nicht nur zum Erkenntnis- und Untersuchungsgegenstand […] [macht], sondern zu einem Erkenntnismittel oder einer Denkfigur, […] [in der] das Denken selbst raumbezogen wird und in ein methodisches Verfahren der Spatialisierung […]“102 übertragen wird. Erinnerungsorte bilden Grundlagen in und von Kulturen und ihren verschiedenen Gedächtnisformen. Erinnerungsorte eröffnen Räume der Verhandlung und Teilhabe, es sind Orte der Demokratie, der Kultur und der Bildung.
101 Kroh/Lang 2010, S. 185. 102 Bachmann-Medick 2013, S. 697.
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Museum „Solange Museen nicht versteinern, werden sie sich wandeln müssen. Jede Generation wird ihnen neue Aufgaben bieten und Alfred Lichtwark, 1904 neue Leistungen abverlangen.“103 Das Museum104 ist eine „gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung, im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt“105. So die grundlegende Definition des International Council of Museums (ICOM)106 zur Aufgabe und der Rolle von Museen innerhalb von Gesellschaften. Museen sind demzufolge und rückblickend auf die bisher formulierten Tools (Erinnerungs-)Orte, die je nach inhaltlicher Ausrichtung und Gattung Kultur(en) verhandeln, indem sie als „Archiv des Gegenständlichen“107 und als Kristallisationsorte das gegenständliche Gedächtnis – Objekte, Dinge, Material – zeigen. Sie bewahren, erforschen, verhandeln das kulturelle Erbe und machen es öffentlich zugänglich. Museen sind gebaute oder besetzte Architekturen, die eine eigene Zeitlichkeit besitzen. Sie sollen in der Gegenwart agieren und „in eine unbegrenzte Zukunft wirken“108. Sie müssen zukunftsweisend auf die Bedürfnisse einer Gesellschaft reagieren. Museen definieren sich zwischen Dauerhaftem und zeitlich Begrenztem.109 Sie visualisieren sich durch Sammlungsbestände und 103 Lichtwark (Original 1904) 1991, S. 47. 104 Die historischen Dimensionen des Museums, der Institutions- oder Begriffsgenese, sollen hier
nicht bearbeitet werden. Es sollen hingegen Ideen vom Museum als Ort der kulturellen Teilhabe in seinen Verantwortungsbereichen und Potenzialen formuliert werden. Das Museum als nicht statischer Ort wird sowohl historisch als auch kulturell allumfassend beschrieben in te Heesen 2012. 105 Deutscher Museumsbund e.V./ICOM Deutschland 2006, S. 6. 106 Nora Sternfeld bewertet den Zusammenschluss des ICOM als Gründungsmoment des Museums nach 1946 und betont die transnationale Museumsidee. Vgl. Sternfeld 2018, S. 40 f. 107 Lupfer/Roth 2010, S. 171. 108 Waidacher 2005, S. 20. 109 Vgl. dazu te Heesen 2012, S. 23.
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Ausstellungsprojekte, gefasst in Ausstellungsarchitekturen, Szenografien und Displays.110 Museen haben Schwellen, und diese bereits am Eingang. Sie sind beabsichtigt aufgesuchte Orte, in die Besucher*innen nicht einfach hineingeraten. Museen sind „[…] komplexe Sinnesmilieus, und je nach den sowohl durch die Architektur als auch durch die eigenen Vorerfahrungen und Suchbewegungen, kulturellen Orientierungen und mentalen Habitus aktivierten Sinnesspektren erhalten konkrete Bauten eine je bestimmte soziale, historische und anthropologisch-ästhesiologische Anmutungsqualität“111. Museen haben einen Bildungsauftrag und gehen diesem nach, indem sie fortwährend – mit der Entwicklung von Ausstellungen, Programmangeboten und den begleitenden Medien – Räume der Interaktion schaffen. Diese Räume werden durch die bereits erwähnte relationale (An-)Ordnung von Mensch und Objekt bestimmt und unter dem Begriff des „spacings“ verhandelt.112 Im besten Sinne werden aus der Besucher*innenschaft im Museumsraum handelnde, denkende und kommunizierende Akteur*innen. Parmentier weist dem Museum, das er als Zentralinstitution der Moderne kategorisiert, eine besondere gesellschaftliche Verantwortung zu. Das Museum „ist als Bildungsstätte – genauso oder mehr noch als die Schule – konstitutiv für den Zusammenhang einer Gesellschaft, die in ihrer entfesselten Dynamik ununterbrochen ihre eigenen Traditionen vernichtet und dabei ständig in die Gefahr gerät, den Kontakt zu ihrer Vergangenheit und damit zu sich selbst zu verlieren“113. Er spricht dem Museum also eine politische wie soziale Verantwortung zu, die sich in der Verhandlung von Geschichte als identitätsstiftende Konstante entfaltet – ein klassischer Erinnerungsort? 110 „ Ein Display macht etwas sichtbar. Es bereitet etwas visuell auf, zeigt etwas an (wie beim
elektronischen Anzeigefeld eines Computers oder Telefon) oder stellt etwas aus (wie bei der Schaufensterauslage oder in einer Ausstellung). Ein Display ist daher funktional und ästhetisch zugleich. Auch auf semantischer Ebene ist der Begriff doppelläufig angelegt: das englische Verb to display wird zumeist im Sinne von zeigen und ausstellen verwendet, behält aber seine vom altfranzösischen displeier übernommene Bedeutung des (sich)Entfaltens bei. Es verbindet folglich ein Sich-Zeigen mit dem Gezeigt-werden.“ McGovern 2013, S. 43. 111 Rittelmeyer 2014, S. 393 f. Rittelmeyer bezieht seine These hier auf „Bauten“ wie Kindergärten oder Schulen. 112 Löw 82015 a, S. 158 f. 113 Parmentier 2009, S. 47.
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Ja, denn „Museen haben es mit der Geschichte gleich in einem dreifachen Sinne zu tun: Sie stellen Geschichte aus, sie stellen Geschichte in einer geschichtlichen Weise aus und sie machen Geschichte. Sie stellen Geschichte aus, indem sie die vorhandenen historischen Überreste, die tradierten Sachquellen jeder Art so arrangieren, dass für das zeitgenössische Bewusstsein ein mehr oder weniger vollständiges Bild der Vergangenheit entsteht; sie stellen Geschichte geschichtlich aus, indem sie in ihren wechselnden Inszenierungen den Bedeutungswandel der gesammelten Dinge genauso berücksichtigen wie die sich wandelnden Interessen der jeweiligen Gegenwart daran; und sie machen Geschichte, indem sie als Bildungsstätten nicht nur die kollektiven Einstellungen gegenüber der Vergangenheit und der Zukunft des Gemeinwesens beeinflussen, […] sondern auch die realen Verhaltensformen [prägen].“114 Besonders hervorzuheben ist der Umstand, dass Museen Geschichte(n) und Kulturen nicht nur dokumentieren oder illustrieren, sondern, je nach Kontext, auch interpretieren. Das Museum ist ein politischer Ort. Es ist im besten Falle ein Ort der Demokratie oder wie Joseph Beuys deutlicher formuliert: Das Museum muss ein Ort der „unbedingten Toleranz“ sein, und somit könnte es „das erste Modell einer permanenten Konferenz“ für kulturelle Fragen werden.115 Das Museum wird ausdrücklich zum Ort der Teilhabe und der Verortung116 innerhalb von gesellschaftlichen Strukturen und Kulturen. Es ist ein Ort der Enkulturation und Akkulturation. Jaschke und Sternfeld gehen noch einen Schritt weiter und stellen in ihren Überlegungen zum Museum als radikaldemokratischer Ort insbesondere folgende Positionen heraus: Nina Simon, die Museen als „Räume der Mitwirkung“117 versteht, Irit Rogoff, die „Museen als Möglichkeitsräume“118 bezeichnet, und James Clifford, der das Museum als „Kontaktzonen“119 diskutiert. Das Museum wird so ein Ort 114 Ebd., S. 46. 115 Wall 2006, S. 167. Wall zitiert hier Beuys in einem Interview mit Louwrien Wijers (1980), vgl. u. a.
Four Walls Eight Windows 1990, S. 215 ff. 116 Hübscher 2015, S. 44−47. 117 Jaschke/Sternfeld 2015, S. 169 f. Vgl. dazu Simon 2010. 118 Ebd., S. 171 f. Vgl. dazu Rogoff 2010, Rogoff 2013. 119 Ebd., S. 173 f. Jaschke und Sternfeld zitieren Clifford 1997, hier S. 194–195.
Kulturen als Reflexionsflächen – Begriffe als Tools in transformativen Prozessen
mit verschiedenen (Be-)Setzungen: „Ein Museum ist nichts anderes als das, was damit getan werden kann, die Formen, durch die die Menschen es sich aneignen.“120 Museen sind, wie die Ansätze von Rogoff und Clifford zeigen, auch Orte der Selektion und der Aneignung. John Dewey formuliert bereits 1958, das Museum sei als kritischer Geschichtsort zu verhandeln: „Die meisten europäischen Museen sind unter anderem Denkmäler eines aufsteigenden Nationalismus und Imperialismus. Keine Hauptstadt kann auf ihr Museum für Malerei, Bildhauerei etc. verzichten; es ist einerseits der Vorführung einer großen künstlerischen Vergangenheit gewidmet, zum andern [sic!] soll es die Beute der monarchischen Herrscher zur Schau stellen, man denke etwa an die Ansammlung der Kriegsbeute, die sich im Louvre befindet.“121 Museen spiegeln historische und gegenwärtige wertfreie oder werthaltige Diskussionen um materialisierte Kulturen und Geschichte(n). Museen spiegeln Gesellschaften und sind „ein Teil der kulturellen Praktiken, in denen sich Repräsentationsbedürfnisse, individuelle und kollektive Narrationen sowie gesellschaftliche Diskurse und Wissensformen manifestieren. Sie sind Orte von hohem Prestige, wo die Frage, welche Personen und Gruppen wie dargestellt sind, von besonderer gesellschaftlicher Relevanz ist.“122 Museen sind auch Orte der Kommunikation und der Wissenschaft. In ihnen klären sich Objektbiografien. Auf der Grundlage ihrer Sammlungsgeschichten entwickeln sich Diskurse um Objekte, sie lösen Diskussionen um Restitutionsforderungen123 und ausstehende Provenienzforschungen124 120 Jaschke/Sternfeld 2015, S. 168. Jaschke und Sternfeld zitieren hier Ribalta 2004. 121 Dewey 1988 c, S. 15. 122 Muttenthaler/Wonisch 2006, S. 9. Die beiden Autorinnen verweisen im Speziellen darauf,
dass seit den 1970er Jahren Museen dahingehend kritisiert wurden, dass Frauen, ethnische Minderheiten und marginalisierte soziale Schichten nicht eigenbestimmt in Ausstellungen und Sammlungspräsentationen repräsentiert sind. 123 Die Diskussion wird bestimmt durch Bénédicte Savoy und Felwine Sarr, die im Auftrag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron die Bedingungen der Rückgabe afrikanischen Kulturguts aus französischen Museen an die Herkunftsländer untersucht haben. Vgl. Sarr/ Savoy 2018. Dazu weiterführend: Savoy 2018. 124 Nicht zuletzt zeigte der Fall Gurlitt den Museen erneut ihre Verantwortung auf, die in der Erklärung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kultur-
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aus. Museen werden zunehmend zu Orten einer transgenerationalen und transkulturellen Kanondebatte, die einhergeht mit (kultur- und bildungs-)politischen Forderungen. Das Museum der Gegenwart ist „post-repräsentativ“125 und hat die Pflicht, gesellschaftliche Relevanzen herauszuarbeiten und offen zur Verfügung zu stellen.126 Sternfeld verweist auf die ausschlaggebenden Wendungen hin zur „Neuen Museologie“, die durch feministische und antirassistische Aktivitäten in den 1980er Jahren erst die Möglichkeiten formuliert, „die Bürgerlichkeit und Westlichkeit der eigenen Perspektive und Historisierung zu thematisieren. So können wir heute die Genealogie des Museums neu denken und sehen, dass es sich bei unserem Museumsverständnis um westliche Geschichten handelt.“127 Das Museum als gutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, formuliert ist. Diese Erklärung wurde im Nachgang zur Washingtoner Konferenz (1998) im Dezember 1999 veröffentlicht. In ihr heißt es: „Die Bundesregierung, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände werden im Sinne der Washingtoner Erklärung in den verantwortlichen Gremien der Träger einschlägiger öffentlicher Einrichtungen darauf hinwirken, dass Kulturgüter, die als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifiziert und bestimmten Geschädigten zugeordnet werden können, nach individueller Prüfung den legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben zurückgegeben werden. […] Das Rückerstattungsrecht und das allgemeine Zivilrecht der Bundesrepublik Deutschland regeln damit abschließend und umfassend die Frage der Restitution und Entschädigung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, das insbesondere aus jüdischem Besitz stammt.“ Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes insbesondere aus jüdischem Besitz 1999, S. 3. 125 Sternfeld 2012, S. 119−131. 126 Die Kulturstiftung des Bundes hat mit dem Projekt „Museum Global“ einen neuen Standard gesetzt: „Seit einigen Jahren hat sich der Diskurs der Bildenden Kunst zunehmend außereuropäischen Entwicklungen in der Gegenwartskunst und der Moderne zugewandt. Auch in Zukunft werden verstärkt nicht-westliche Akteure – Künstler, Kuratoren und Theoretiker – die museale Praxis mitgestalten. Vor diesem Hintergrund fördert die Kulturstiftung des Bundes mit ihrem Programm ,Museum Global‘ Projekte der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, der Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin, des MKK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main und des Lenbachhauses München, die ihre Sammlungen der modernen Kunst in eine globale Perspektive rücken und die eigene Sammlungsgeschichte reflektieren. Hierbei geht es nicht so sehr darum, Versäumnisse in der Sammlungsgeschichte der Häuser aufzuzeigen, sondern vielmehr ein neues und komplexes Bild der jeweiligen Sammlungen zu entwerfen sowie einen Ausblick auf die Zukunft der Museumseinrichtungen zu unternehmen. Die weltweiten Beziehungsgeflechte zwischen Menschen, künstlerischen Strömungen und Objekten sollen sichtbar werden, die im gängigen Narrativ der Moderne weitgehend vernachlässigt wurden.“ Kulturstiftung des Bundes/Projekt Museum Global, 2014 laufend, online, o. S. 127 Sternfeld 2018, S. 41.
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Ort bietet das Potenzial der „aktive[n] Teilhabe am kulturellen Leben“ und „eine respektvolle und wertschätzende Haltung gegenüber dem kulturellen Erbe der Völker“. Es funktioniert als Ort der „Identitätsstiftung und SinnBildung, ebenso wie [als Ort für] lebenslanges und generationenverbindendes Lernen.“128 Das Museum ist mit seiner langen Tradition – oder trotz seiner langen Tradition – kein statischer Ort. Seine Transformation vollzieht sich auf unterschiedlichsten Ebenen – sozialen und politischen, privaten und öffentlichen, lokalen und globalen; das Museum ist ein Ort der Demokratie und ein „demokratischer Verstärker“129. Im Museum sind Prozesse der Bildung und die Verhandlung von Kulturen unterschiedlicher Gruppen im Fokus. Museen sind Orte der Herausforderung, sie selbst sind fortwährend herausgefordert: „Globalization is forcing museums to look again at the relationship between culture and broader values. International law and human rights theory are both unequivocal in including cultural rights as an essential component of the indivisible and irreducible body of human rights. Museums as a consequence have a duty to reduce inequality and offer opportunities for effective participation, giving priority to the areas of greatest need. In addition, as public institutions in a democratic society, museums in England and many other countries have a duty as corporate citizens to foster critical public debate. Museums have sometimes been reluctant to accept the relevance of social sciences to our work, a position which lacks intellectual integrity as well as moral credibility. We now need to embrace our role as centres for cultural democracy.“130 Der Common Thread müsste demnach lauten: Museen sind demokratische Orte der Kulturen. Daraus resultierend wird das Kunstmuseum auf diese das Tool Museum beschreibenden Eigenschaften hin untersucht. Das Kunstmuseum soll als (Erinnerungs-)Ort der Ideenwelt der Kunst – des ästhetisch gefassten, materialisierten Objekts – und als Raum der Interaktion innerhalb von Communities und Kulturen diskutiert werden. Es soll als potenzieller Ort 128 Kunz-Ott/Kudorfer/Weber 2009, S. 8. 129 Schweizer 2018, S. 48. 130 Anderson 2014, online, S. 1.
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von Bildung bearbeitet werden. Das Kunstmuseum wird verhandelt als ein Ort der Objekte, der Aktion und als Ort, der aus der Besucher*innenschaft Akteur*innen macht – ganz im Sinne einer Forderung des Museums als ein Ort der konsequenten Demokratie.131
Objekt Die Konstruktion von Orten wie Museen, Archiven und Bibliotheken ist die Konsequenz daraus, dass der Mensch sich in Prozessen des Sammelns kulturell begründet. Eva Sturm befragt diese menschliche Praxis und die „Umgangsform“132 des Musealisierens: „Wer hat nicht eine Schublade, eine Schatulle, einen Schrank, eine Hosentasche, in welche/n er Dinge einlagert, zwischenlagert, endlagert. […] Dinge zu musealisieren, ist eine alte und ganz alltägliche Aktivität. Sie inkludiert den Entschluß, etwas nicht vergehen, nicht sterben lassen zu wollen, sondern es in seiner Materialität zu bewahren. […] Meist ist die Tätigkeit des Musealisierens ein Deklarationsakt, der das Sein eines Objektes von einem Moment zum anderen wesentlich verändert.“133 Dem Museum kommt seit seiner Gründung im 18. und auch im 19. Jahrhundert und in seinem in Transformation begriffenen Selbstverständnis hierbei eine zentrale Rolle zu: Es verhandelt das Ortseigene und versammelt zugleich Objekte, die in Anordnungen, Kontexten und Chronologien raumgreifend im Miteinander visuell agieren. Das Gesammelte wird nicht nur zum Ding oder Artefakt der Geschichte, sondern zum Objekt mit Zeitzeugenschaft und unterstreicht durch seine bloße Anwesenheit im Raum seine Relevanz für die Gegenwart. MacGregor kategorisiert das Museum als Ort der Erzählungen, indem er schreibt: „Geschichte mit Hilfe von Dingen zu erzählen, dafür sind Museen bekanntlich da.“134 Unterschiedliche Museumsgattungen zeigen unterschiedliche Narrative. In ihnen formulieren sich Geschichte und 131 Der Begriff des Radikaldemokratischen, wie Sternfeld ihn berechtigterweise einführt, soll hier
vor allem als konsequente Grundbedingung von Museumsarbeit gesehen werden. Daher wird der häufig auch ideologisch besetzte Begriff des Radikalen in diesen Ausführungen in „konsequent“ überführt. Vgl. Sternfeld 2018. 132 Sturm 1991, S. 104. 133 Ebd., S. 9. 134 MacGregor 62015, S. 11.
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Geschichten, ja, bilden sich mediatisierte kollektive Gedächtnisformen.135 Das Museum versteht sich als ein demokratischer (Erinnerungs-)Ort, es ist den Kulturen verpflichtet und hat einen klar formulierten Bildungsauftrag. Es entwirft sich selbst als nicht statischen Bildungsraum und ist in seinen Konstellationen von Teilhabe und Interaktion geprägt. Museen bewahren Objekte, sie sammeln, erforschen und eröffnen der Gesellschaft den Zugang zum kulturellen Erbe unterschiedlichster Kulturen. Museen positionieren sich und die Objekte immer wieder neu, denn eines „[…] der Charakteristika von Dingen ist ja, dass sie sich oftmals lange, nachdem sie angefertigt wurden, verändern – oder verändert werden – und dabei Bedeutungen annehmen, die man sich am Anfang niemals hätte vorstellen können.”136 Diesen transformativen Charakter von Objekten herauszuarbeiten und somit ihre Rolle als multiple Narratoren von Kulturen zu etablieren, ist Teil der unter dem Hashtag #sharedheritage versammelten Botschaften. Objekte besitzen in ihren Narrationen auch einen revidierenden Charakter und tragen zur Konstruktion, Dekonstruktion und Transformation von Werten, Normen, Utopien, Ideologien innerhalb von und zwischen Nationen, Kulturen, Gesellschaften oder Communities bei. Die Dingwelt ist das gewählte Habitat von westlich orientierten Menschen – sie sind umgeben von Objekten, Gegenständen und Artefakten. Der Umgang mit Objekten im Alltag ist gängige kulturelle Praxis und wird in mimetisch137 angelegten Bildungsprozessen und 135 Die kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung agiert mit dem Begriff der Medialität des
Gedächtnisses. Der Begriff des Mediums gilt in den Kulturwissenschaften als „Kompaktbegriff“. Er schließt das Objekteigene, das Materiale, das Formale und die sozialen Bedeutungen ein. Vgl. dazu Erll/Nünning 2004, S 13. 136 MacGregor 62015, S. 20. 137 Wulf 2007, S. 91−101. Wulf definiert: „Zu den wichtigsten Formen des Lernens gehört das mimetische Lernen, das Lernen durch Nachahmung. Mimetisches Lernen bezeichnet nicht bloßes Imitieren oder Kopieren, sondern einen Prozess, in dem in der mimetischen Bezugnahme auf andere Menschen und Welten eine Erweiterung der Weltsicht, des Handelns und Verhaltens erfolgt. Mimetisches Lernen ist produktiv; es ist körperbezogen und verbindet den Einzelnen mit der Welt und anderen Menschen; es schafft ein praktisches Wissen und ist daher für soziales, künstlerisches und praktisches Handeln konstitutiv. Mimetisches Lernen ist kulturelles Lernen und als solches von zentraler Bedeutung für Erziehung und Bildung.“ Hier S. 91.
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Aneignungsverfahren fortwährend optimiert. Sobald die Dinge jedoch als Teile von Sammlungen in Erinnerungsorten wie Museen platziert sind und als Teile von Kulturen zum Zwecke der Bildung inszeniert werden, versagt die kulturelle Praxis des Selbstverständlichen-Umgangs. Mit dem Einfügen des Objekts in die „Zeitlücke“ Museum verändert sich das Objekt-SubjektVerhältnis und „[man] nähert sich dem musealisierten Gegenstand mit dem gebührenden Respekt in der ‚Gebärde der Besichtigung‘“138. Te Heesen und Lutz verweisen jedoch auf Bruno Latour, der sowohl das ObjektObjekt-Verhältnis im Museumsraum untersucht als auch das ObjektSubjekt-Verhältnis neu charakterisiert: Er benennt den Menschen als ein in einem „Kollektiv mit den Dingen“ befindliches Subjekt. Latour beschreibt das „Museum als ‚Ort der Versammlung von Dingen‘, vergleichbar mit Orten, die Menschen dazu bestimmen, sich versammeln und miteinander debattieren zu können. Das damit verbundene, gemeinhin den Menschen zugeschriebene demokratische Potenzial sieht er auch für die Dinge gegeben. Sie sind für ihn nicht einfach Tatsachen, die von vornherein existieren, sondern sich versammelnde Gegebenheiten, die in ihrer Zusammenstellung dechiffriert werden müssen.”139 Latour plädiert für ein „Parlament der Dinge“140, denn Objekte können „Latour zufolge Unterschiede, Affekte und Effekte bewirken und haben somit auch Entwicklungen vorangetrieben, Erzählungen herausgefordert und Handlungen verhindert“141. Objekte gewinnen demnach im Kollektiv an Aussagekraft und können sogar den „Ausschlag für Politik geben“142. Objekte in Museen tragen zudem das Label „Original“. Mit dieser Qualifikation durchlaufen sie ein Upgrade und werden selbst zu Erinnerungsorten, deren Dechiffrierung eine intersektionale und
138 Sturm 1991, S. 9, mit Bezug auf Rumpf 1988. 139 Vgl. dazu te Heesen/Lutz 2005, S. 18. Die Autorinnen beschreiben die strittige Position
Latours: „Latours Position bezeichnet den Extremfall einer Eigenständigkeit der Dinge – dass aber Gegenstände und ihre Konstellationen zum Sprechen gebracht werden können und es verschiedene Wege gibt, ihre Versammlung zu beschreiben und zu präsentieren.“ 140 Vgl. Latour 2009. 141 Sternfeld führt die Überlegungen von Latour in den Kontext der postkolonialen und postrepräsentativen Museologie. Vgl. Sternfeld 2016, S. 26. 142 Ebd.
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transdisziplinäre Herausforderung ist. Parmentier bezeichnet Objekte, in Anlehnung an Krzysztof Pomian143, als Semiphoren, als Zeichenträger: „Sie sind schon immer Teil des symbolischen Universums, in dem sich die Menschheit bewegen und orientieren muss. Wie die Sprachzeichen so gewinnen auch die Dingzeichen ihre Bedeutung zuerst durch das Andere, auf das sie verweisen.“ 144 Objekte sind demnach erst in ihrer Zusammenstellung befähigt, Sinnbestände zu formulieren. Und „Kollektive“ aus Menschen und Objekten werden zu lesbaren, interpretierbaren (Kon-)Texten von Kultur. Objekte werden auch zu Gegenständen der Bildung, die zum Subjekt, in einem Prozess des Abgleichs zwischen Selbst und Welt, in Revision gehen.145 Die kulturelle Praxis mit Objekten der Kunst obliegt einer doppelten Herausforderung, denn Kunstobjekte (oder zur Kunst erklärte Objekte) sind zum einen materialisierte Kultur, zum anderen weisen sie als ästhetisch gefasste Medien sowohl soziale, historische, politische, biografische, habituelle oder performative Referenzen auf, die im Kontext eines – mehr oder weniger – aufgeladenen Kunstbegriffes distinktiv oder wertneutral verwendet werden können. Kunstobjekte haben demnach vor allem in Bezug auf Bildung eine hervorzuhebende Wirkung. Sabisch versteht sie als „Praktiken des Antwortens auf unterschiedliche Aufmerksamkeiten […]. Sie zeigen auf vielfältige Art und Weise, wie die Sinne mit dem Logos verknüpft werden können, und werden so zu Beispielen für verdichtete Übersetzungen der Sinne […]. Die Künste entwerfen demnach Musterkollektionen dieser für Bildungsprozesse so relevanten Verknüpfungen und Aufmerksamkeitsschwellen.“146 Diese Musterkollektionen können übersetzt auch als Objekte verstanden werden, die durch Verknüpfungen von Selbst und Welt Relevanzen für das Individuum erzeugen. Mit Max Imdahl
143 Vgl. hierzu u. a. Pomian 1998, S. 50. Pomian versteht unter Semiphoren Gegenstände, die
Bedeutungsträger sind und das „Unsichtbare repräsentieren“. 144 Parmentier 2001, S. 40. 145 Siehe noch einmal Koller 2007, S. 59, mit Verweis auf Gadamer 61990, S. 271. 146 Sabisch 2008, S. 198.
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könnte hier mit dem Terminus der „Betroffenheit“147 argumentiert werden. Auch Dewey formuliert in der Auseinandersetzung mit dem Kunstobjekt, dem „work-of-art“, eine besondere, qualitativ-ästhetische Dimension des „experience“-Begriffs für das Individuum. Wie bereits beschrieben, ist die „experience“ als Grundvoraussetzung für Bildungsprozesse zu verstehen. Es wird ebenso deutlich, dass Dewey den Objekt-Begriff in Bezug auf die „experience“ ausweitet beziehungsweise ihn als in einer Wechselwirkung zwischen Künstler*in und Rezipient*in begriffen versteht: „Bereits der Wahrnehmung eines Kunstwerkes wohnt daher ein kreatives, poetisches Potential inne.“148 Deweys Kunstbegriff kennzeichnet das Kunstobjekt als universellste Form von Kommunikation. „Dabei werden insbesondere auch politische Implikationen im Blick auf die Rolle der Kunst in einer modernen Industriegesellschaft sowie ihr kritisches Potential zur Förderung der Demokratie angesprochen, denn ‚Kunst durchbricht Barrieren, die die Menschen voneinander trennen und die im gewöhnlichen Zusammenleben undurchdringlich sind‘.“149 Vielerlei wird hier deutlich: Zum einen ist das Objekt im Kontext Kunst im Besonderen als revidierende Variable in Prozessen der Entfremdung innerhalb von Bildungsbewegungen und der Bildung zur demokratischen Gesellschaft notwendig, zum anderen ist das Objekt selbst ein Indikator für politische, historische oder soziale Umstände und ist daher primär ein politisches Objekt: Es fordert die gesellschaftliche Verhandlung. Und drittens wohnt dem Objekt selbst ein demokratisches Moment inne, denn der/die Künstler*in stellt das Objekt in unterschiedlichsten Kontexten der Gesellschaft als verhandelbar zur Verfügung. Das Objekt ist Kommunikation und lädt zur Interaktion ein. Durch Objekte materialisiert sich Kultur, ihre Biografien geben Aufschluss über Kulturen, Gesellschaften und andere Objekte, sie sind in Transformation, ihr bildsames Potenzial eröffnet 147 Imdahl steigerte den Teilnehmer zum Betroffenen der Kunst. Vgl. Imdahl (Original 1979) 1996 a,
S. 265. 148 Neubert 2004 a, S. 16. Neubert nimmt Bezug auf Dewey (Original 1934) 1989, S. 249. 149 Ebd.
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Handlungsräume, sie sind Teil von kulturellen Praxen und Interaktionen unterschiedlichster Akteur*innen.
Interaktion Museen sind ein Teil kultureller Praxis, sie sind im besten Sinne Orte der Bildung und der konsequenten Demokratie; sie zeigen Objekte, die zu den Gedanken der Besucher*innen in Revision gehen. Sie sind transitorische Erinnerungsorte, die Räume der Kommunikation und Interaktion generieren. Der „Adressat aller Bemühungen des Museums ist eine diffuse und höchst uneinheitliche Menge von Menschen. Sie tritt in der Regel nicht in Form strukturierter Gruppen, sondern als Aggregat auf. Dessen Angehörige sind nicht einer einheitlichen Ideologie verpflichtet und sie verfügen auch nicht über einen vergleichbaren Informations- und Wissensstand.“150 Die 2006 von der UNESCO herausgegebene Road Map for Arts Education151 verweist jedoch auf die Relevanz der „Arts Education“ im Kontext von gesellschaftsbildenden Prozessen genau für diese „höchst uneinheitliche Menge“: „Universal education, of good quality, is essential. This education, however, can only be good quality if, through Arts Education, it promotes the insights and perspectives, the creativity and initiative, and the critical reflection and occupational capacities which are so necessary for life in the new century.“152 Das Keyword, Arts Education, wird im deutschsprachigen Raum als Kunstvermittlung153 oder als Vermittlung mit der und durch 150 Waidacher 2005, S. 123. 151 Herausgegeben nach der UNESCO-Weltkonferenz „Arts Education“ im März 2006 in Lissabon.
In der Erklärung heißt es: „This ,Road Map for Arts Education‘ aims to explore the role of Arts Education in meeting the need for creativity and cultural awareness in the 21st Century, and places emphasis on the strategies required to introduce or promote Arts Education in the learning environment. This document is designed to promote a common understanding among all stakeholders of the importance of Arts Education and its essential role in improving the quality of education. It endeavours to define concepts and identify good practices in the field of Arts Education.“ UNESCO Road Map for Arts Education 2006, online, S. 3. 152 Ebd., S. 14. 153 „ Kunstvermittlung hat sich in den letzten Jahren als ein neues Paradigma im Gegensatz zur Kunst- und Kulturpädagogik etablieren können. Wurde sie in den neunziger Jahren im deutschen Sprachraum von einer übersichtlichen Gruppe von Personen entwickelt – Eva
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die Kunst übersetzt. Doch Museen aller Gattungen machen Vermittlung. Obgleich der Begriff der Vermittlung zu implizieren scheint, „dass es da etwas Konkretes, vorher Existierendes, klar Umreißbares gibt, das vermittelt werden könnte. Dabei scheint es ebenfalls mitzuzählen, dass es da jemanden gibt, der das zu Vermittelnde vorher kennt – die VermittlerInnen – und dass dieses Wissen dann in möglichst präziser und verständlicher Form an jemand anderen, der es bisher nicht hatte, weitergegeben werden soll. Dieses erste Verständnis des Wortes transportiert vor allem das Bild eines mehr oder weniger reibungslosen Transfers und lässt die Wissensverhältnisse in der Vermittlung als Einbahnstraße erscheinen. Für Wissensproduktion als Gegenverkehr oder gar als Kommunikationsstau, d .h. für die Prozesse und dekonstruktiven Momente, die einen wesentlichen Teil der Arbeit ausmachen […] scheint die Bezeichnung, so verstanden, nur wenig geeignet.“154 Inhalt, Form, Kontext, Geschichte(n), … werden von einer vom Museum dafür autorisierten Person (oder einem Medium) an eine Zielgruppe vermittelt. Die Wege der Vermittlung sind vielfältig.155 Doch was genau ist Vermittlung? Ein Serviceangebot? Ein Bildungsangebot? In erster Linie ein Angebot, das freiwillig angenommen werden kann oder abgelehnt wird. Der explizit für Kunstmuseen konzipierte Terminus der Kunstvermittlung soll hier durch Kulturvermittlung156 ersetzt werden. Denn Kunst wird im Rahmen dieser Sturm und Carmen Mörsch haben hier Pionierarbeit geleistet –, so ist der Kreis derer, die sich für Kunstvermittlung interessieren, heute recht groß geworden. Viele Galerien und Museen denken mittlerweile über neue Formen der Kunstvermittlung nach und befassen sich intensiv mit den hierzu vorliegenden Positionen. Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass durch die Kunstentwicklung insgesamt die Legitimation der Kunstvermittlung, die stets gesellschaftliche Kontexte mit bearbeitet, gewachsen ist.“ Maset 2006, online o. S. 154 Sternfeld 2014, S. 9. 155 Das Kunstmuseum ist durch bildungspolitische Entscheidungen primär ein Ort der kreativen Produktion unter dem Label der Kulturellen Bildung geworden. Die bereits erwähnte auf Object-Output orientierte und materiale Vermittlung, die ausschließlich auf der Aneignung von Werkstoffen und deren Verarbeitung beruht, und auch die künstlerische Kunstvermittlung (auch wenn performative Anteile in der Kommunikation implizit sind) sollen hier explizit keine Rolle spielen. 156 Auch hier müsste es konsequenterweise Kultur(en)vermittlung heißen. „Der unscharfe Sammelbegriff ,Kulturvermittlung‘ umfasst sehr unterschiedliche Praktiken und befindet sich in einem Prozess ständiger Neubesetzung. Er wird generell für Situationen angewendet, bei denen Menschen über die Künste (oder auch wissenschaftliche und gesellschaftliche
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Ausführungen als etwas Nichtisoliertes, als immaterielle oder materielle, konzeptuelle oder visuelle Verfasstheit der Kulturen verstanden. Das Kunstobjekt obliegt einer permanenten Spiegelung durch die Kulturen. Auch der Begriff der Vermittlung unterliegt dem kulturellen Wandel, wie die Kulturen selbst wird er stetig transformiert. Die „Vermittlung in Ausstellungen und Museen versteht sich ihrerseits seit den 1990er Jahren zunehmend nicht mehr nur als Dienstleistung, sondern erkennt und entfaltet ihr Potenzial als eigenständige Praxis der Kulturproduktion an den Schnittstellen von Wissensvermittlung, kultureller Bildungsarbeit, künstlerisch-performativer Verfahren und mitunter auch Aktivismus. In dieser Perspektive entwickelt sich Vermittlung als kritische Praxis, welche Ausstellungen und Institutionen hinterfragt, erweitert und verändert.“157 Der Fokus soll hierbei auf den von Mörsch benannten Praxen der Kulturproduktion an den Schnittstellen von Wissensvermittlung und kultureller Bildungsarbeit liegen. Die Momente der Kommunikation werden besonders betont, denn Vermittlung im Sinne von Interaktion selbst „fokussiert das Dialogische“ und lässt dadurch erst die „Entstehung von Neuem“ zu.158 Hierbei wird einerseits die Rolle der Besucher*innen hin zu Akteur*innen in Communities konturiert, andererseits erhält das Kuratorische159 als explizit kulturelle Praxis die Phänomene und Erkenntnisse) informiert werden, über sie in einen Austausch treten und auf sie reagieren – sei es sprechend oder mit anderen Ausdrucksformen. Unter einen weit gefassten Begriff ,Kulturvermittlung‘ fallen dementsprechend neben den Vermittlungsangeboten kultureller Institutionen, wie zum Beispiel Führungen, Publikumsgespräche, Workshops oder Einführungen der Theater-, Opern- und Tanzbühnen, der Konzerthäuser oder des Literaturbetriebs, auch das Unterrichten der künstlerischen Schulfächer, theaterpädagogische Projekte oder Projekte mit Künstler_innen in Schulen. […] Auch Formen der außerschulischen Wissensvermittlung, die sich auf Naturwissenschaft und Technik beziehen – beispielsweise in Science Centers –, werden als Teil des großen Arbeitsfeldes Kulturvermittlung begriffen.“ Institute for Art Education der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK)/Zeit für Vermittlung 2009−2012, online, o. S. 157 Mörsch/Sachs/Sieber 2017, S. 10. 158 Settele/Mörsch 2012, S. 7. 159 „ Zwischen Kunst und Wissenschaft bildeten sich Handlungsweisen, Formate und Ästhetiken heraus, die sich unter dem Begriff des Kuratorischen fassen lassen – auf ähnliche Weise, wie man vom Literarischen oder Filmischen spricht. Mit Aktivitäten, die unter anderem als Organisation, Zusammenstellen, Ausstellen, Display, Präsentation, Vermittlung oder Veröffentlichungen gefasst werden, umfasst das Kuratorische eine Vielzahl unterschiedlicher, einander überlappender und heterogen codierter Aufgabenbereiche und Rollen.“ Von
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Aufmerksamkeit. Denn zeitgenössisches Kuratieren ist „ein eigenes Verfahren der Generierung, Vermittlung und Reflexion von Erfahrung und Wissen“160 und schafft überhaupt erst Möglichkeiten der Kommunikation und der Interaktion.161 Charles Esche charakterisiert das Kunstmuseum des 21. Jahrhunderts als „‚something close to that mix of part community center, part laboratory, part academy, alongside the established showroom function‘ that ‚encourages disagreement, incoherence, uncertainty, and unpredictable results‘“162. Was Charles Esche, der Direktor des Van Abbemuseums in Eindhoven hier meint, wird von Parmentier unmittelbar mit der Funktion des Museums als Ort der Kommunikation verknüpft: „Als Labor ist das Museum zugleich ein ‚Forum‘ der Diskussion, ein Platz für ‚confrontation and debate‘. Hier können ohne Angst vor Sanktionen die unterschiedlichsten Stimmen und Perspektiven vorgetragen und einander entgegengesetzt werden, die der Museumsmacher wie die der Besucher, auch die von Minderheiten. Das museale Laboratorium ist der Ort des diskursiven Streits über die richtige Platzierung, über gelungene und misslungene Arrangements und über mögliche Alternativen. Die ehemals isolierten Wissenschaftler und eingeschüchterten Laien betreiben von nun an zusammen, was nach der alten Tempelordnung nur den Ersten vorbehalten war: systematische Erkenntnis. Sie überprüfen vor Ort und im direkten Kontakt mit den Exponaten ihre Beobachtungen und korrigieren wechselseitig ihre Interpretationsansätze und Deutungshypothesen. Im selben Maße, wie in dieser ‚permanenten Konferenz‘ das Verständnis der neuen Bedeutungen an Stabilität gewinnt, entfalten auch die Dinge ihre bildende Wirkung. Sie überwinden die Fessel der bisherigen Wahrnehmungs- und Deutungskonventionen und bringen die beteiligten Subjekte wieder mit den vergessenen und verdrängten Anteilen ihrer selbst in Berührung. Indem die Menschen im Museum die Dingzeichen neu verstehen lernen, lernen sie auch sich selber neu verstehen. Bismarck/Schafaff/Weski, Tagungsankündigung 2010, online, o. S. Und weiterführend: von Bismarck 2015, S. 185−200. 160 Von Bismarck/Schafaff/Weski, Tagungsankündigung 2010, online, o. S. 161 Dieser Gedanke schließt die Ausführungen von Nora Sternfeld zum postrepräsentativen Kuratieren explizit mit ein. Vgl. dazu Sternfeld 2018, S. 55 ff. 162 Smith 2012, S. 213. Smith zitiert hier Esche 2004, online, o. S.
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In den unerwarteten Relationen, die sie in der musealen Versuchsanordnung den Dingen abgezwungen haben, erkennen sie die bis dahin verborgene Grammatik ihres Daseins wieder.“163 Parmentier diskutiert hier demnach sowohl den Museumsraum als Laboratorium als auch seine Funktion als Kommunikationsraum, der offen für Interaktionen ist. Besonders wichtig ist hier zu betonen, dass sowohl der Raum, konstruiert aus den relationalen (An-)Ordnungen von Mensch und Objekt164, als auch das Objekt selbst in seiner indikatorischen Verfasstheit und als „universellste Form von Kommunikation“165 verstanden werden: Beide bilden die Grundvoraussetzung von Interaktionen und Kommunikation in ihrer ganzen Vielfältigkeit.166 Die Produktion von Immateriellem – Gedanken, Dialog, Diskurs – soll als Non-Object-Output durch Interaktion potenziert werden. Michael Cassin beschreibt diese sehr bewusste Entscheidung von Museen, ihre Kulturvermittlung neu auszurichten, als eine Vermittlung basierend auf „looking and thinking and talking“ .167 Cassin vertritt die These, dass der Gedanke, als immaterielles Produkt kollektiven Denkens, den Museumsraum besetzt und im Zuge dessen das Potenzial entfaltet, auch außerhalb des Museums – verbal oder als Handlung – in die Gesellschaft zu wirken.168 Der Versprachlichung, dem bewussten Formulieren dieser Gedanken, kommt hier die bedeutende Rolle zu. Den Anlass zur Sprache geben die Objekte, der Raum, kuratorische Setzungen, Anordnungen und dadurch erzeugte Irritationen, Revisionen und Akte der Selbst- und Welt-Vergewisserungen. Die Besucher*innen werden erst durch die von Hausendorf/Müller als 163 Parmentier 2001, S. 49, mit Bezug auf Cameron 1972, hier S. 197. 164 Löw 82015 a, S. 158 f. 165 Vgl. noch einmal Neubert 2004 a, S. 16. Neubert nimmt Bezug auf Dewey (Original 1934) 1989,
S. 249. 166 Hier schließt sich der Verweis auf die vier Stufen der Partizipation nach Simon an: „Contributing“, „Collaborating“, „Co-Creating“ und „Hosting“. Vgl. Simon 2010. Zusammengefasst in: Jaschke/Sternfeld 2015, S. 169. 167 Cassin 2002, S. 9. 168 Vgl. dazu den Gedanken Alexander Dorners zum „Museum als Kraftwerk“. Dorner 1959, S. 181. Beschreibungen dazu sind u. a. zu finden bei: Wall 2006, S. 193 ff. Vgl. dazu auch: Katalog Dortmund 2010.
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„Kunstkommunikation“169 bezeichnete Interaktion zu inhaltlichen Akteur*innen im Diskursfeld von Objekten, Kunstbegriffen, dem institutionellen
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Entscheidungen
und
kollektiven Gedankenspielen. Hierzu definiert Hausendorf „fünf zentrale Aufgaben, die mit dem Sprechen und Schreiben über Kunst verbunden sind. Dabei handelt es sich um das Bezugnehmen (Worum geht es?), das Beschreiben (Was gibt es zu sehen?), das Deuten (Was steckt dahinter?), das Erläutern (Was weiß man darüber?) und das Bewerten (Was ist davon zu halten?). Damit sind kommunikative Zugzwänge gemeint, mit denen jeweils eine spezifische Frage- und Problemstellung verbunden ist, die es kommunikativ irgendwie zu bearbeiten gilt.“170 Das von Hausendorf beschriebene und als „riskante Kommunikationspraxis“171provozierte Sprechen über/mit/durch Kunst wird innerhalb der Interaktionen nicht zum erklärten Ziel, sondern zur selbstverständlichen Herausforderung. Der Gedanke und die öffentliche Formulierung werden zum selbstvergewissernden Akt, der die bloße Bewertung der Kunst, die zwischen positiver Zustimmung und negativer Abwertung changiert, überwindet. Es soll hier jedoch nicht um eine Didaktisierung oder die Generierung methodischer Formeln des Kommunizierens im Museum gehen, vielmehr liegt die spannungsreiche Erkenntnis im Moment der Erfahrung und des Unvorhersehbaren, denn die unmittelbare
Begegnung
zwischen
Informations- und Wissensstände“
172
dem
„Aggregat
verschiedener
und der Kunst ist als primär
unvorhersehbar zu kategorisieren und nicht immer ist die unmittelbare 169 Hausendorf/Müller 2015, S. 436. Die Autoren verstehen mit Bezug auf Luhmann/Filk/Simon
unter Kunstkommunikation nicht nur Kommunikation über Kunst, sondern auch Kommunikation mit und durch Kunst. Hier wird die These verstärkt, dass (Kunst-)Objekte Kommunikationsformen sind. Vgl. Luhmann 1995, S. 36, und Filk 2010, S. 23. „Zweifellos aber ist Sprache in der Kunstkommunikation omnipräsent: nicht nur in der Kommunikation über Kunstwerke, sondern auch bereits im Kontakt mit Kunstwerken, der mit Sprache initiiert, vorbereitet, gerahmt und gestaltet wird. Kommunikation mit und durch Kunstwerke ist ohne einen sprachlich konstituierten Kunstdiskurs nicht denkbar. Diese Implikation ist auch in der Kunst selbst allgegenwärtig, wenn man an die vielen Thematisierungen von (sprachlicher) Kunstkommunikation in der Kunst des 20. Jahrhunderts denkt.“ Hier S. 437. 170 Hausendorf/Müller 2015, S. 437. 171 Vgl. Hausendorf 2005, S. 99−134. 172 Waidacher 2005, S. 123.
Kulturen als Reflexionsflächen – Begriffe als Tools in transformativen Prozessen
Versprachlichung uneingeschränkt möglich. Eva Sturm formuliert daher in einer Handreichung für Kunstvermittelnde: „Es gibt Dinge, die man erzählt bekommen muss. Und es gibt Dinge, die entwickelt man in der Konfrontation – selbst und unvorhersehbar.“173 Mit Sturm beruht die entstehende Kunstkommunikation, die im Weiteren als ein Teil von Interaktion verstanden
wird,
auf
unterschiedlichen
Wissensbeständen:
„Unterweisungswissen“ , dem „Rede- oder Körperwissen“ 174
175
dem
und dem
„Reflexionswissen“ . Alle bisher beschriebenen Kommunikationsstrategien 176
der Interaktion enthalten die in der institutionalisierten Kunstwissenschaft etablierten Aufgaben: „Beschreiben als textuelles Implementieren des Kunstwerks ins Diskursuniversum; Erzählen als sprachliche Konstituierung der Sinnzusammenhänge, in welchen das Kunstwerk erst seinen Status als Bestandteil der Kunstgeschichte – und damit seine Bedeutung – erhält; das Argumentieren
schließlich
stellt
sich
als
Fundamentalaufgabe
der
Kunstwissenschaft, um Zuschreibungen an Kunstwerke als institutionell gesichertem Wissen Geltung zu verschaffen.“177 Die Sprache wird zum Produkt der Gedanken im Kollektiv. Die Stimme wird zum Objekt, das den musealisierten Objekten an die Seite „gestellt“ wird, zu ihnen in Opposition
173 Sturm 2012, S. 17 f. Vgl. auch Sturm 1996. 174 Sturm argumentiert hier: „Das Erstere ist (mehr oder weniger) zu haben. Lühmann: Eine
Generation will die nachfolgende auf das verpflichten, was sie für wissenswert hält. Das funktioniert am besten mit dem Benennbaren, dem Bekannten, dem Katalogisierbaren.“ Ebd. mit Bezug auf Lühmann 1994, S. 5 f. 175 „ Das Zweite aber ist nur zu erringen. Man kann es nur selbst hervorbringen, denn es hat mit Erkenntnis zu tun – und die ist je spezifisch zu haben. Man kann nicht sagen, ob es auftaucht, ob, anders gesagt, eine Mona Lisa mit Bart ,Sinn‘ macht. Dieses zweite Wissen hat also mit dem zu tun, was vorher nicht da, nicht deutlich war.“ Ebd., S. 18. 176 „ Dieses schließt an den Gedanken an, dass Kunst sehr lange schon mitthematisiert, wie sie selbst entsteht, wann sie zu einer solchen wird, welche Rolle das ,Publikum‘ spielt, wie es zu Teilhabenden wird. Kunst thematisiert sich mitunter (denn das ist nicht in jedem Fall so) selbst als Kunst. Readymades machen, einen Schnurrbart zufügen – wo und wann ist die Kunst? Kunst kann in solchen Anteilen selbst dekonstruktive Züge entwickeln. Sie untersucht sich selbst, unterläuft herkömmliche Denkmechanismen und -traditionen, untersucht darin, wie sie auf der Welt ist, wie Welt funktioniert (für uns).“ Ebd., S. 19. Sturm nimmt hier bspw. Bezug auf Sturm 2003, S. 27 f., und Mörsch 2009, S. 9 f. 177 Hausendorf/Müller 2016, S. 3−48, hier S. 6, mit Verweis auf Müller 2007, insbes. S. 196–300.
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Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
geht, sie fortformuliert, mit ihnen interagiert.178 Hierbei ist besonders zu betonen, dass „Kommunikation […] unweigerlich zur Bildung [zählt]. Anhand einer Verständigung können wir erkennen, dass es Modelle des Begreifens, Verstehens und Orientierens gibt, dass wir Schwierigkeiten teilen oder an bestimmten Punkten selbst nicht weiterwissen. Wir bekommen ein Gefühl dafür, dass wir doch nicht so ganz eigensinnig waren, wie wir womöglich angenommen haben, und können wiederkehrende Muster, Strukturen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie die sozialen Ebenen der Bildung mittels Kommunikation reflektieren.“179 Die Kommunikation bildet hier einen wesentlichen Teil der Interaktion. Interaktion wird verstanden als reflexiver, aktiver Prozess zur Vermittlung von Kultur(en). Das Feld der Interaktion ist bestellt: Der demokratische Erinnerungsort wird zum „post-repräsentativen Museum“180. Die platzierten Objekte, der kuratierte Raum und die Akteur*innen sind versammelt und werden herausgefordert. Interaktion ist aber immer auch ein – mehr oder weniger intentionales – pädagogisches Setting, das man im Kontext eines Kunstmuseums mit Dewey auch als (Heraus-)Bildungsort existenzieller „habits“ bezeichnen könnte: „‚Habits‘ entstehen in der Interaktion mit signifikanten Anderen im Kontext der Bräuche (‚customs‘) und Institutionen einer sozio- kulturellen Umwelt. Sie sind von primärer Relevanz für das menschliche Verhalten, weil nur durch sie […] soziale Bedeutungen und damit Struktur und Effizienz verliehen werden. Wir können ‚habits‘ als kulturell geformte Verhaltensweisen auffassen, worunter […] nicht nur passive Gewöhnungen, Routinen und feststehende Gewohnheiten zu verstehen sind. Der Begriff bezeichnet […] vielmehr in erster Linie aktive und dynamische Kräfte, die den Menschen in die Lage versetzen, Handlungsfähigkeit gerade auch angesichts neuer und ungewohnter Situationen zu bewahren.“181 Neuberts Ausführungen zu 178 Sturm beschreibt: „Der Unterschied zwischen Sprechen und Nicht-Sprechen manifestiert
sich auf den ersten Blick in der Produktion jenes Objektes, welches Stimme heißt.“ Sturm 1996, S. 266. 179 Sabisch 2008, S. 197. 180 Sternfeld 2012, S. 119−131. 181 Neubert 2004 a, S. 18. Neubert nimmt Bezug auf Dewey (Original 1922) 1988 b, S. 65 ff.
Kulturen als Reflexionsflächen – Begriffe als Tools in transformativen Prozessen
Deweys Theorie machen deutlich, dass erneut die Kultur als Reflexionsfläche in Erscheinung tritt: Denn sowohl Sprache als auch Kommunikation als auch jede Form der Interaktion sind Kulturtechniken, die sich sehr spezifisch entwickeln können. Das Kunstobjekt als Anlass, das kuratierte Setting als Interaktionsraum und die Akteur*innen als Protagonist*innen der kulturellen Handlung sind die Voraussetzung für die Herausbildung „der sozialen und kooperativen Intelligenz der Menschen in Bezug auf konstruktive gesellschaftliche Problemlösungen“182. Das Potenzial des Kunstmuseums als Ort der Interaktion geht also über die Reflexion der Kunstkommunikation und Reflexion der Kunst hinaus. Es eröffnet das Diskussionsfeld hin zum Educational Turn in der Kunst- und Kulturvermittlung und schließt Fragen des postrepräsentativen Kuratierens und die Erprobung neuer Vermittlungspraktiken mit ein.183 Durch die Verunsicherung und Neu-Befragung von Sammlungskategorien und Geschichtsverständnissen, durch die Herausforderung des Archivs, durch die Aneignung des Raumes und das Organisieren von Gegenöffentlichkeiten werden Voraussetzungen für die Produktion von alternativem Wissen angestoßen und neue Bildungswege angebahnt.184 Das Museum wird so zum Nach- und Vor-Denkort gesellschaftlicher Veränderungen, es stellt die kanonisierten Wissensbestände in Frage und wird zum Interaktionsort – zum Möglichkeitsraum –, der über den Begriff des Partizipativen hinausgeht beziehungsweise ihn okkupiert. Denn Partizipation ist überhaupt nur als Interaktionsform zu verstehen: „Den Kern von Partizipationsmodellen bildet die Interaktion, und zwar die komplementäre oder symmetrische Interaktion. Partizipation ist damit per se ein Vermittlungsprinzip zwischen den Individuen und den allgemeinen, sozialen oder politischen Institutionen.“185 Im Sinne Rogoffs, die „Partizipation als ‚to lay the ground for a claim‘“ beschreibt, „geht es nicht darum, selbst Forderungen oder auch nur 182 Ebd. 183 Die Akteur*innen dieses Turns hin zur „Vermittlung als kritische Praxis“ versammeln sich u. a.
in der Publikation: Schnittpunkt/Jaschke/Sternfeld 2012. 184 Sternfeld 2018, S. 65, entwirft einen Fünf-Punkte-Plan, den sie als para-museale Strategien
beschreibt. Mit dem Begriff Gegenentwurf verweist Sternfeld auf Marchart 2007, S. 174. 185 Burghardt/Zirfas 2012, S. 183.
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Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
Erwartungen zu formulieren, sondern vielmehr darum, Zwischen/Räume für Unerwartetes zu schaffen, in denen es überhaupt erst möglich wird, dass Forderungen
formuliert
werden.“186
Interaktion
im
Sinne
dieser
Ausführungen wird daher zum demokratiebildenden Prinzip erklärt, das auch den Begriff der Gerechtigkeit verhandelt.187 Der Interaktionsort Museum oder „[e]in partizipatives Museum in diesem Sinne müsste Strategien entwickeln, um seine eigenen Wahrheitsansprüche zu verlernen und sich selbst als umkämpftes Terrain verstehen zu können. Erst dann kann es wohl tatsächlich zum [radikal]demokratischen Verhandlungs- und Möglichkeitsraum werden.“188 Die Interaktion ist dafür die Voraussetzung. Alle bisher generierten Tools sind als in aktiven Prozessen befindlich kategorisiert. Sie stehen im wechselseitigen Verhältnis zueinander. Sie sind historische oder historisch aufgeladene Begriffe mitten im Gegenwartsgeschehen. Sie sind kontextabhängig und kontextübergreifend diskutierbar. Sie sind Tools für Gegenwartsbeschreibungen – von Objekten, Subjekten, Handlungen, … – und werden fortlaufend als Zukunftsmodelle debattiert. Ihre transformatorische Verfasstheit macht sie überhaupt erst als Tools für die Analyse von konkretem Handeln mit konkretem Ortsbezug brauchbar. Die hier beschriebenen Begriffe Bildung, Demokratie, Ort, Raum, Objekt, Museum und Interaktion werden als soziale Konstruktionen verstanden. Sie sind auch Konstrukte der Kulturen und funktionieren zugleich kulturdekonstruierend. Sie sind allesamt politisch besetzt und mit
186 Jaschke/Sternfeld 2015, S. 178 f. Die Autorinnen verweisen hier auf eine Lehrveranstaltung
von Irit Rogoff (Seminar zu „Partizipation“ im Wintersemester 2013/14 an der Aalto University in Helsinki). 187 Der Begriff Interaktion kann hier synonym zum Begriff der Partizipation geprüft werden. „Während Gerechtigkeit […] auf die normativen Grundordnungen einer Gesellschaft abhebt, ist Partizipation [Interaktion] auf die aktive Mitarbeit an dieser Grundordnung bezogen. Insofern orientiert sich Partizipation [Interaktion] normativ an Gerechtigkeitsvorstellungen, welche die über die Politik hinausgehenden moralischen Grundorientierungen und -verfassungen wiedergeben; doch ohne Formen der Partizipation [Interaktion] lassen sich gerechte soziale und pädagogische Formen des Zusammenlebens nicht konzipieren.“ Burghardt/Zirfas 2012, S. 185. 188 Jaschke/Sternfeld 2015, S. 179.
Kulturen als Reflexionsflächen – Begriffe als Tools in transformativen Prozessen
gesellschaftlichen Themen verknüpft. Sie sind verbunden mit Cultural Habits und Common Threads – lokalen und globalen. Sie sind durchdrungen von Turns und Transformationen. Sie sind trotz der intentionalen Formulierung zu Tools weitestgehend unbestimmt und in ihrer Definition als Arbeitsbegriffe erweiterbar. Das eingangs zitierte Argument Blumenbergs soll hier noch einmal verstärkt werden: „Der Begriff muß genügend Unbestimmtheit besitzen, um […] herankommende Erfahrungen noch so erfassen zu können, daß entsprechend zweckmäßige Einstellungen auf sie auch dann bezogen werden können, wenn im Detail in der vollen Konkretion Abweichungen von vergangenen Erfahrungen bestehen. Der Begriff benötigt einen Spielraum für all das Konkrete, was seiner Klassifikation unterliegen soll. Er muss zwar Deutlichkeit genug besitzen, um Unterscheidungen von dem ganz und gar nicht Einschlägigen treffen zu können, aber seine Ausschließlichkeit darf nicht die Enge besitzen, die der Name für den Bezug auf das Individuum und seine Identität, seine Identifizierbarkeit haben muß.“189 Der benötigte Spielraum heißt: Kultur.
#tools #aktiverprozess #kultur #kulturen #bildung #demokratie #democracyandeducation #ort #raum #erinnerungsort #museum #kunst #objekt #artasexperience #kulturvermittlung #interaktion #akteur*in #aktion #reaktion 189 Blumenberg 2007, S. 11−12.
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Aby Warburg mit einer Maske der Schlangentänzer von Oraibi, Arizona 1896. ©Warburg Institute London
Modelle kultureller Praktiken: Clifford Geertz – Kulturen als Beschreibung System Anknüpfend an Fragen nach Kultur(en) und ihren Definitionen entwickelt sich die Neugier, wie sich kulturelle Systeme, eingeschrieben in Gesellschaften – national, international und intergenerational, in Communities lokal und global –, generieren können und als aktive Prozesse bestehen bleiben. Wie leisten Gesellschaften den Transfer und wie wäre eine Übersetzung der multiplen Prozesse anzustellen? Um sich diesen Fragen zu nähern, ist es notwendig, sich mit ethnologischen beziehungsweise ethnografischen Konzepten zu befassen, die dem innerdisziplinären Anspruch folgen, Kulturen zu analysieren und die sich darin gründenden impliziten und expliziten Muster „übersetzt“ herauszustellen.1 Erkenntnisbereichernd scheint der Blick auf die Konzeption des USamerikanischen Ethnologen und Anthropologen Clifford Geertz. Seine Forschungssettings und seine Methodologie sind seiner Disziplin entsprechend: Er arbeitet mit Verfahren der Beobachtung, Generierung von Forschungsdaten und Sicherung der Ergebnisse in sozialwissenschaftlicher Manier. Doch Geertz transformiert in den 1970er Jahren die Technik seiner Untersuchung und diskutiert damit auch tradierte Strategien seines Faches: „Aus einer bestimmten Sicht, der des Lehrbuchs, heißt ethnographische 1 Der Anspruch der Verfasserin liegt nicht darin, einen Übertrag der ethnologischen Methoden
oder Elemente der sozialwissenschaftlichen Forschung anzuwenden. Vielmehr ist der Anspruch, Wege zur Beschreibung kultureller Systeme zu finden und im Idealfall Rückschlüsse auf die Konstitutionen von Kulturen ziehen zu können. Auf eine Beschreibung und Bewertung der expliziten Forschungsmethoden, mehrschrittigen Verfahrensweisen oder Begriffsklärungen (thick description/thin description) wird mit Verweis auf die Literatur verzichtet. Dazu: Geertz 21987.
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Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
Arbeit die Herstellung einer Beziehung zu den Untersuchten, die Auswahl von Informanten, die Transkription von Texten, die Niederschrift von Genealogien, das Kartographieren von Feldern, das Führen eines Tagebuchs und so fort. Aber es sind nicht diese Dinge, Techniken und herkömmliche Verfahrensweisen, die das ganze Unternehmen bestimmen. Entscheidend ist vielmehr die besondere geistige Anstrengung, die hinter allem steht, das komplizierte intellektuelle Wagnis“,2 das Geertz in Bezug auf Gilbert Ryle „dichte Beschreibung“ nennt – Geertz kontextualisiert.3 Er leitet so innerhalb der Ethnografie eine hermeneutische Wende ein, aus der vor allem eine Veränderung des Verständnisses des zu beforschenden Objekts resultiert. Geertz folgt der Grundannahme, dass „der Mensch der Welt immer einen Sinn verleiht, die Welt also immer schon interpretiert ist“4. Seine Menschenbildannahme und sein Weltverständnis schaffen zunächst die Basis für den Blick auf Kulturen als Constante indéterminée5, die Kontexte generiert und zugleich aus ihnen hervorgeht. Demzufolge lässt der hermeneutische Ansatz zu, dass die Ergebnisse der Analyse nicht als absolute Resultate gewertet werden, sondern als „Erweiterung des menschlichen Diskursuniversums“6 zu verstehen sind und erst in der Multiperspektive auch zu Erkenntnissen führen. Welchem Diskurs die Erkenntnis dient und wer den Diskurs führt, ist dabei ein sensibles Feld. Denn einer Veränderung des Objektverständnisses – der zu Beforschenden – liegt auch eine Veränderung des Selbstverständnisses der Forschenden zu Grunde. Zu Recht bemerkt unter anderen Christine Heil in Bezug auf Johannes Fabian das Phänomen des Otherings7, 2 Ebd., S. 10. 3 Vgl. Geertz (Original 1983) 21987, S. 10. Geertz nimmt u. a. Bezug auf Ryle 1971. 4 Halbmayer 2010, online, o. S. Vgl. Geertz 21987, S. 9. 5 Die Bezeichnung „Unbestimmte Konstante“ findet als Titel im Œuvre von Jean Tinguely
Verwendung. Tinguely bezeichnet so kleine kinetische Objekte, die als Funktionsrahmen zu verstehen sind. Besucher*innen können diesen durch selbst gewählte eigene Objekte besetzen und im Sinne eines demokratischen Kunstbegriffs weiterdenken. Vgl. das Kapitel Kulturelle Praktiken in Anwendung – unbestimmte Konstanten und aktive Prozesse. 6 Halbmayer 2010, online, o. S. 7 „ Othering bezeichnet die Einsicht, daß die Anderen nicht einfach gegeben sind, auch niemals einfach gefunden oder angetroffen werden – sie werden gemacht.“ Heil 2007, S. 34. Heil zitiert hier Fabian 1999, S. 337.
Modelle kultureller Praktiken: Clifford Geertz – Kulturen als Beschreibung
welches Generationen ethnologischer Forschungen „passierte“. Infolge von „systematischen wissenschaftlichen Betrachtungen mittels Distanzierung, Kontextualisierung und Eingrenzung“ löste sich die Singularität des konkreten Menschen beispielsweise zum „Eingeborenen aus Trobriand“ als abstraktes Subjekt auf.8 Der überlegene Ethnologe aus der einen Welt präsentiert das Wissen über die Anderen aus der anderen Welt – ohne diese selbst zu Wort kommen zu lassen. Der sensibilisierte Umgang mit den vermeintlichen Ergebnissen des westlichen Blicks auf das unbekannte System ist demnach deutlich geboten: Das Bild des White Urban Male, der in die exotische Fremde aufbricht, um das „Primitive“ zu finden und zu entschlüsseln, entspricht lange Zeit dem Status quo in der kolonial geprägten Weltsicht – die dankenswerte Wende in dieser Diskurshierarchie obliegt dem interdisziplinären Feld der Postcolonial Studies. Dass Differenzen als Potenzial für Distinktionen, für Hierarchien oder als Ausgangspunkt für Diskriminierung Verwendung finden, war dabei allzu häufig das Problem. Clifford Geertz selbst definiert die Aufgabe der Ethnologie bereits in den frühen 1980er Jahren9 neu: „Eine Ethnologie From the Native’s Point of View […] versucht also nicht, in die ‚Köpfe‘ der Menschen zu blicken, sondern den Sinngehalt der symbolischen Formen zu interpretieren, mit denen die Leute sich tatsächlich vor sich selbst und vor anderen darstellen.“10 Hinzu kommt, dass Geertz sich gegen eine Vernaturwissenschaftlichung der Sozialwissenschaften ausspricht: „Als mit Sprache begabte und in der Geschichte lebende Wesen verfügen Menschen so oder so über Intentionen, Visionen, Erinnerungen, Hoffnungen und Stimmungen sowie über Leidenschaften und Urteile, und diese haben mehr als nur ein wenig damit zu tun, was sie tun und warum sie es tun. Ein Versuch, ihr soziales und kulturelles Leben allein unter dem Aspekt von Kräften, Mechanismen und Trieben zu verstehen, von objektivierten Variablen, die in Systemen geschlossener Kau8 Vgl. dazu Ackermann 2011, S. 145. 9 In seinem Aufsatz „Aus der Perspektive des Eingeborenen. Zum Problem des ethnologischen
Verstehens“ diskutiert Geertz die Rolle des Ethnologen im Feld. Vgl. Geertz 21987, S. 289−309. 10 Fröhlich/Mörth 1998, S. 14, mit Bezug auf Geertz 21987, S. 145 f.
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Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
salität eingebunden sind, dürfte wahrscheinlich keinen Erfolg haben.“11 Die Rolle der Forschung ist hier gekennzeichnet als verantwortungsvolle Übersetzung des Wahrgenommenen – die eigene Perspektive ist dabei transparent. Die Konfrontation mit dem Fremden gibt zweierlei Aufschluss: Zum einen über gesellschaftliche Konstitutionen und darin eingeschriebene Kulturtechniken in der zu erforschenden Welt des Unbekannten, zum anderen gibt sie Aufschluss über das bekannte und allgegenwärtige System der eigenen Kultur. Der Blick auf das Andere ist also unmöglich ohne die Reflexion des eigenen Standpunktes: Das Unbekannte wird erst als Differenz kategorisiert oder gar erkannt, wenn es vom eigenen Habitusrepertoire, dem Werteund Normensystem, oder der selbstverständlichen Handlungsordnung abweicht. Denn auch die Forschung selbst – der/die Forschende, die Methodik, die Forschungsfrage − ist kulturell geprägt. Der Reiz in der Aufschlüsselung von kulturellen Systemen liegt vermeintlich in der Aufschlüsselung der Differenzen in der Konstitution. Das System, wahrgenommen als Destillat, zusammengesetzt aus vielen einzelnen symbolischen Elementen, macht Differenzen, aber auch Gemeinsamkeiten erst sichtbar. Ist eine Erkenntnis von Clifford Geertz’ Forschung, dass Kultur etwas beschreibt, was sich vor allem durch Differenz auszeichnet? Darin eingeschrieben liegt das Paradoxon des Nichtvergleichbaren als verbindendes Element.
Text Geertz generiert Texte, die zum einen situative Darstellungen sind, zum anderen auch als Instrumente der Analyse von Kulturen verstanden werden können. „Hahnenkämpfe (tetadjen; sabungan) werden in einem Ring abgehalten, der ungefähr fünfzig Fuß im Quadrat mißt. Gewöhnlich beginnen sie am späteren Nachmittag und dauern drei oder vier Stunden bis zum Sonnenuntergang. Was den allgemeinen Ablauf betrifft, so sind die Kämpfe 11 Ebd.
Modelle kultureller Praktiken: Clifford Geertz – Kulturen als Beschreibung
völlig gleich: es gibt keinen Hauptkampf, keinen Zusammenhang zwischen den einzelnen Kämpfen, keine formalen Unterschiede nach Größen, und ein jeder wird völlig ad hoc arrangiert. Sobald ein Kampf zuende ist und die emotionalen Trümmer beiseite geräumt sind − die Wetten ausbezahlt, die Flüche ausgesprochen und die toten Hähne in Besitz genommen −, begeben sich sieben, acht, vielleicht ein Dutzend Männer unauffällig mit ihren Hähnen in den Ring, um dort einen passenden Gegner für sie zu finden. Dieser Vorgang, der selten weniger als zehn Minuten dauert, oft sogar länger, findet in einer sehr scheuen, verstohlenen, oft sogar verheimlichenden Weise statt. Die nicht unmittelbar Beteiligten schenken dem Ganzen eine allenfalls versteckte, beiläufige Beachtung; diejenigen, die − zu ihrer Verlegenheit − beteiligt sind, tun irgendwie so, als geschähe das alles überhaupt nicht […].“12 In seinen Beschreibungen zum balinesischen Hahnenkampf, die Geertz als Deep Play ausführt, begibt er sich auf die Suche nach Bedeutungsgegebenheiten, die im kulturellen System als einzelne Elemente vorhanden sind. Sein Blick ist gleichzeitig gerichtet auf den Ort, die Zeit und die Protagonist*innen. Geertz versteht all diese Faktoren als einzelne Elemente, die ihre kulturellen Artikulationsweisen als symbolische Dimensionen des sozialen Handelns im Miteinander konstituieren und Context und Content bilden.13 Seine Theorie folgt der Annahme, dass einzelne Rituale, wie der Hahnenkampf, wesentliche Aspekte der jeweiligen Kultur bündeln und zugleich neue Kontexte herstellen. Diese Destillate aus den kulturellen Kontexten und den sozialisierenden Instanzen – die selbstredend auch unmittelbare Resultate von Kulturen sind – sind innerhalb des kulturellen Systems als öffentlich lesbare Texte im Sinne von Cultural Habits etabliert. „In Anlehnung an die neohermeneutische Sozialtheorie von Paul Ricœur [1978] erweitert Geertz den Textbegriff damit über schriftlich fixierte Texte hinaus und überträgt ihn auf soziale Praxis. Kulturelle Texte können nicht mehr über den Weg einer Rekonstruktion der Sinnmuster einzelner Akteure erschlossen
12 Geertz 21987, S. 214. 13 Vgl. Halbmayer 2010, online, o. S.
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Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
werden, weil die untersuchten Texte Bedeutungen haben, die nicht notwendigerweise mit den Intentionen ihrer ‚Autoren‘, also den Akteuren, übereinstimmen.“14 Demnach handelt es sich bei Geertz’ ethnologischem Interesse „nicht um reine Verhaltensbeobachtung, sondern um eine bedeutungstheoretische Fundierung sozialer Handlungen und Prozesse“15 und die Übersetzung dieser Texte im jeweiligen kulturellen Kontext. Hinzu kommt, dass Geertz den öffentlich lesbaren Text rückführt auf Handlungen und Denkbewegungen in Kollektiven: „Geertz interessiert sich […] nicht für einzelne Akteure und noch weniger dafür, was in ihren Köpfen vorgeht; dies würde in seinen Augen einen Rückfall in den Mentalismus bedeuten, den er ja gerade überwinden will. Geertz betrachtet kulturelle Schemata nicht als Eigenschaft einzelner Bewusstseine, sondern als ein Kollektivphänomen, das sich in öffentlich beobachtbaren Symbolen im Rahmen gemeinsamer Handlungspraxis manifestiert. Deshalb betont Geertz in seinem Essay über Person, Zeit und Umgangsformen auf Bali: ‚Denken ist im Grunde etwas Öffentliches – seine natürliche Heimat ist der Hof, der Markt und der städtische Platz.‘“16 Demnach sind Handlungen beobachtbare Symbole des Denkens, die dem Common Thread der Gesellschaft folgen und die erst im Miteinander kulturelle Systeme schreiben. Geertz formuliert sein Programm auf der Grundlage eines semiotischen17 Kulturbegriffs.18 Wie aus einem Text liest Geertz die darin liegenden Symbole und Elemente heraus. „Kultur – so Geertz – ist als Text aufzufassen, als öffentlich zugängliche, ineinandergreifende Systeme
14 Kumoll 2007, S. 85. Kumoll verweist auf Ricœur 1978. 15 Halbmayer 2010, online, o. S. 16 „ Die Interpretation symbolisch bedeutsamer Handlungen nennt Geertz im Anschluss an Gilbert
Ryle ,dichte Beschreibung‘ im Unterschied zur ,dünnen Beschreibung‘, die den symbolischen Gehalt sozialer Handlungen nicht erfasst.“ Kumoll 2007, S. 84. Kumoll verweist auf Geertz 1983, S 133. 17 Der Wissenschaftsphilosoph Yehuda Elkana (vgl. Elkana 1986, S. 18) bemerkt: „Das Wort ,semiotisch‘ in der […] Definition ist entweder irreführend oder es muß in der Analogie nicht wörtlich, sondern metaphorisch verstanden werden, denn obwohl das Gespinst vom Menschen selbst gesponnen ist, hat es doch eine Realität, die über das hinausgeht, was wir gewöhnlich als ,semiotisch‘ bezeichnen. Wir sollten an der Realität des Gespinstes festhalten.“ Zitiert nach: Fröhlich/Mörth 1998, S. 12. 18 Vgl. Marschall 2012, S. 179 f.
Modelle kultureller Praktiken: Clifford Geertz – Kulturen als Beschreibung
auslegbarer Zeichen.“19 Die Text-Produktion und Text-Reproduktion finden jedoch in Geertz’ interpretativem Forschungssetting wenig Beachtung.20 Dennoch macht Geertz mit seinem Vorgehen der „dichten Beschreibung“, der Kombination aus Beschreibung und Interpretation, einen wertvollen Vorschlag zur Lesbarkeit von kulturellen Systemen.
Bedeutungsgewebe Geertz’ „[d]ichte Beschreibungen sind mikroskopische Untersuchungen. Sie setzen an besonderen Praktiken oder Ereignissen an und versuchen, anhand des örtlich und zeitlich begrenzten Geschehens das Ganze der Kulturen interpretativ zu erschließen. Die lokale Untersuchung ist also nicht Endpunkt, sondern nur der Ort, von dem aus weitreichende Bezüge hergestellt werden.“21 Sie sind „(Re-)Konstruktionen dessen, was die Beteiligten vor Ort konstruieren“22 und was öffentlich – als Text – artikuliert wird. Die Beschreibung soll „die betreffende Kultur als vielschichtiges Bedeutungsgewebe“23 nachvollziehbar machen. Sie lässt eine Vorstellung davon entstehen, wie unterschiedliche Modi symbolischer Strukturierung komplex ineinander greifen und sich gegenseitig verstärken, indem sie sich wiederholen.“24 Eine essenzielle Erkenntnis dieser interpretativen Ethnologie ist, dass sich „Kultur als ein von Menschen selbstgesponnenes Bedeutungsgewebe, als sozial festgelegte Strukturen von Bedeutungen“25 formuliert. Zu
19 Ebd., S. 180. 20 Vgl. Ackermann 2011, S. 146. 21 Fröhlich/Mörth 1998, S. 18. 22 Wolff 2004, S. 87. 23 Geertz definiert den Begriff wie folgt: „Der Kulturbegriff, den ich vertrete […], ist wesentlich
ein semiotischer. Ich meine mit Max Weber, daß der Mensch ein Wesen ist, das im selbstgesponnenen Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses Gewebe ansehe. Ihre Untersuchung ist daher keine experimentelle Wissenschaft, die nach Gesetzen sucht, sondern eine interpretierende, die nach Bedeutungen sucht. Mir geht es um Erläuterungen, um das Deuten gesellschaftlicher Ausdrucksformen, die zunächst rätselhaft scheinen.“ Geertz 21987, S. 214. 24 Heil 2007, S. 65, mit Bezug auf Wolff 2004, S. 91. 25 Marschall 2012, S. 179.
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Recht merken Gerhard Fröhlich und Ingo Mörth jedoch an, dass die Metapher des vom Menschen selbstgesponnenen Kulturgewebes kritisch zu betrachten ist. Denn Menschen sind nicht bedingungslos frei in der Ausgestaltung ihrer Kultur, da sie in „aufgenötigten“ Kulturgeweben generationaler Weitergabe eingebunden sind.26 Auch hier obliegt das Bedeutungsgewebe sozialen Bedingungen und der Durchsetzung von Symbolsystemen durch Machtausübung und Gewalt.27 Die von Geertz beschriebene Verfasstheit von Kulturen als Bedeutungsgewebe gibt dem Kulturbegriff jedoch seine Elastizität und beschreibt zugleich das Potenzial von Kulturen, sich als nicht statische Konstrukte zu etablieren. Kulturen können laut Rimmele und Stiegler „in sich niemals statisch homogen sein […] [, da] sie keine isolierten Monaden sind, sondern in ständigem Austausch mit anderen Kulturen und deren Codes begriffen sind“28. Durch Individuen und Kollektive potenziert sich die Nichtstatik zum Motor von sozialen, kulturellen und politischen Bewegungen. Doch in der Nichtstatik wird ebenso deutlich, wie weit das Bedeutungsgewebe in sich differenziert ist. Aufschlussreich in diesem Sinne „[…] ist nicht nur die schlichte Tatsache der kulturellen Heterogenität als solcher, sondern auch die enorme Vielfalt der Ebenen, auf denen sie auftritt und zum Tragen kommt. Es gibt deren tatsächlich so viele, dass es schwerfällt, überhaupt ein allgemeines Bild abzugeben, Grenzen zu ziehen und Schwerpunkte zu setzen. Denn sobald man sich einen bestimmten Fall etwas genauer ansieht, werden die nächstliegenden Unterscheidungen sofort von anderen überlagert.“29 Die Differenziertheit innerhalb kultureller Systeme macht ihre Analyse und Vermittlung deshalb außerordentlich komplex. Kurz: Kulturen als Bedeutungsgewebe zu begreifen birgt die Chance, ihre fortwährende Entwicklung und die ständige Transformation als Potenzial zu werten.
26 Vgl. Fröhlich/Mörth 1998, S. 12. 27 Ebd. 28 Rimmele/Stiegler 2012, S. 15. 29 Geertz (Original 1996) 22007, S. 73.
Modelle kultureller Praktiken: Clifford Geertz – Kulturen als Beschreibung
Transformation „Das Bild einer Welt, die gesprenkelt ist mit verschiedenen Kulturen, übersät mit unverbundenen kleinen und größeren Einheiten des Denkens und Fühlens, gleichsam eine pointillistische Sicht ihrer geistigen und seelischen Zusammensetzung, ist um nichts weniger irreführend als die Vorstellung einer säuberlichen Einteilung der Welt nach dem regelmäßigen Muster einförmiger Nationalstaaten. Und zwar aus demselben Grund: Die betreffenden Elemente – ob Farbtupfer oder Kästchen – sind in Wahrheit weder kompakt noch homogen, weder einfach noch einförmig. Sobald man sie genauer betrachtet, löst sich ihre Geschlossenheit auf. Was wir dann vor uns haben, sind aber keine wohldefinierten Einheiten, die nur noch auf ihre Einordnung in eine Art Mendelsche Tabelle der natürlichen Gattungen warten würden. Wir sind vielmehr konfrontiert mit einem nur teilweise entwirrten Knäuel von Unterschieden und Ähnlichkeiten.“30 Kulturen sind also Transformationen des Bekannten und des Fremden zugleich. Es sind diachrone Systeme, deren Konstruktionen durch die Beschreibungen der Ist-Zustände nachvollzogen werden können: „Kultur ist hierbei ein Kontext, ein Rahmen, innerhalb dessen diese Ereignisse verständlich und somit dicht beschreibbar sind.“31 Die (dichte) Beschreibung von Kulturen kann deshalb auch als Bestandteil von kultureller Teilhabe verstanden werden. Denn nur wer Kulturen – materialisiert oder immateriell – als etwas Beschreibbares kategorisiert, kann sie weiter formulieren. Die Formulierungsweisen von Kulturen sind demnach auch als (teil-)globale Prozesse zu begreifen – sie beruhen auf der Vielstimmigkeit kultureller Realitäten und multiplizieren sich zugleich.
Differenz „Die wachsende Globalisierung geht einher mit einer Zunahme neuer Differenzierungen, es gibt immer weitreichendere Verbindungen bei immer verwickelteren Teilungen. Kosmopolitismus und Provinzgeist sind keine 30 Ebd. 31 Marschall 2012, S. 179.
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Gegensätze mehr, sie sind miteinander verbunden und verstärken sich gegenseitig. Der Siegeszug der Technologie, insbesondere auf dem Gebiet der Kommunikation, hat die Welt zu einem einzigen Netz von Informationen und Kausalitäten verknüpft.“32 Kulturen als Bedeutungsgewebe werden durch kommunikative Prozesse – im Sinne von Verhalten oder Handlungen – der Protagonist*innen weitergewebt, durchtrennt oder neu verknüpft. Die kommunikativen Prozesse obliegen dem Common Thread der jeweiligen Community – es sind demnach codierte Formulierungsweisen, die auf Vereinbarungen beruhen und den Common Sense artikulieren. Die „Codes stehen als eine Art Verbindungsstücke zwischen Zeichen und Gesellschaft und ermöglichen [erst die] Kommunikationsprozesse“33. Sie sind Resultate von Entfremdungsprozessen im Bekannten und Erkenntnismomenten im Unbekannten. Es gilt noch immer, den „[…] Common Sense als System von Symbolen, als übereinander gelagerte Bedeutungsschichten [zu] analysieren“34. Denn der daraus resultierende Common Thread ist (im Idealfall) nicht übergestülpt, nicht einer Vorgabe entsprechend, sondern er beruht auf der Vielfalt angeordneter Zeichen und Codes in Transformation. Die Konstitution dieser Zeichen und Codes ist insofern ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, als dass er vielstimmig formuliert wird. Spätestens seit den radikal konstruktivistischen Ansätzen des Kommunikationsphilosophen Paul Watzlawick und seines vielzitierten metakommunikativen Axioms „[…] man […] [kann] nicht nicht kommunizieren“35 wird deutlich, dass jede Form der Kommunikation – verbal oder nonverbal – einen Mitteilungscharakter besitzt und demnach als Form von Verhalten und menschlicher Interaktion gewertet werden muss. Ebenfalls wird deutlich, dass auch der vermeintlich passivste Beitrag in einer Kommunikationssituation ihren weiteren Verlauf maßgeblich mitprägt. Doch was bedeutet dies mit Blick auf die (global) kommunizierende, sich aufeinander beziehende Gesellschaft oder in Bezug auf Diskussionen um die kulturelle Teilhabe im Übertrag? Die beruhigen32 Fröhlich/Mörth 1998, S. 7, mit Bezug auf Geertz (Original 1996) 2007, S. 69 f. 33 Muttenthaler/Wonisch 2006, S. 53. 34 Marschall 2012, S. 179. 35 Als erstes der fünf pragmatischen Axiome nach Watzlawick. Hier Watzlawick 132017, S. 59.
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de Formulierung würde lauten: Alle Menschen haben fortwährend an Kultur teil! Denn folgt man Watzlawick, kann man sich nicht nicht verhalten, demnach auch nicht nicht teilhaben. Das Phänomen der Nichtteilhabe am kulturellen Bedeutungsgewebe wird zeitgleich zum Faktor seiner Bedingungen und seiner Transformationen. Die Annahme würde das ebenso beruhigende Ideal beschreiben, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, bedeutungsträchtig „mitzuweben“, sich an allen Diskursen in der Gesellschaft oder spezifisch an Kulturen und dem kulturellen Erbe zu beteiligen – den Prozess bewusst aktiv oder bewusst passiv mitzuprägen. Doch die Realität ist beunruhigend: Das Teilhabeverhalten ist nur selten selbst gewählt und nur selten in seiner Passivität oder Aktivität bewusst gelebt. Es ist geprägt durch Bildungs(un)gerechtigkeiten und darin implizit enthaltene Faktoren wie Gender, ökonomische Voraussetzungen, (politische oder religiöse) Sozialisation, Wohnorte, Mobilitätsstrukturen oder totalitäre Staatssysteme. Dass dies ein Verstoß gegen die Menschenrechte ist, wurde bereits diskutiert.36 Die entscheidende Frage im Anschluss müsste lauten: Wer generiert nun eigentlich die kulturellen Systeme? Folgen wir der Theorie Geertz’, müsste der Aspekt der gesellschaftlichen Beruhigungs- und Beunruhigungszustände genauer beschrieben werden. Wer sind die Protagonist*innen, welche Codes und Zeichen werden wie, von wem, wann und warum gedeutet, tradiert oder transformiert? Welche Kommunikationsstrategien ergeben sich, welche unerwarteten und dennoch kulturell bedingten Handlungen und Verhaltensweisen lassen sich erkennen? Die Erkenntnis bis hierhin ist: Die Masse an Codes und Zeichen scheint undurchdringbar in einem Bedeutungsgewebe namens Kultur, das sich stetig im Prozess befindet. Kulturen zu verstehen ist demnach unmöglich. Heerscharen von Ethnolog*innen müssten in ständiger Beobachtung sein, um dem stets im Wandel begriffenen Konstrukt von Kultur an allen Orten dieser Welt nachzuspüren, ihn zu beschreiben und zu reflektieren. Die Anwesenheit der Forscher*innen wäre vermutlich der nächste zu beach36 Vgl. das Kapitel Kulturen als Reflexionsflächen – Begriffe als Tools in transformativen Prozessen.
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tende Faktor in der Analyse von Transformationsprozessen in den Kulturen. Geertz’ Forschung in unterschiedlichen Kulturen eint jedoch die Erkenntnis der Differenz. Wenn nach Geertz Kultur etwas beschreibt, was sich vor allem durch Differenz auszeichnet, liegt darin das Potenzial des eingangs beschriebenen Paradoxons. Es gilt, das Nichtvergleichbare in Kulturen als verbindendes Element zu verstehen und das Diverse als Ist-Zustand zu etablieren: „Heterogeneity is the norm, conflict the ordering force, and, despite ideological romances, left and right, religious and secular, of consensus, unity, and impending harmony, they seem likely to remain so for a good deal longer than the foreseeable future.”37 Der Ethnologe spricht sich dafür aus, den kulturellen Common Thread nicht zu erzwingen, sondern „kulturelle Differenzen anzuerkennen und kulturelle Spannungen dadurch in Grenzen zu halten“38. Geertz macht an dieser Stelle sehr deutlich, dass das Problem der Anerkennung vor allem ein politisches ist, er begreift diese als zentrale politische Herausforderung der Gegenwart.39
Common Thread Die Differenz als distinktives Mittel wird sowohl innerhalb als auch zwischen unterschiedlichen Kulturen zeitweise verwendet. Die Suche nach dem roten Faden der Gesellschaft, der die Grundlage von Kulturen als Bedeutungsgewebe schafft, führt hin zu einer sensiblen Beobachter*innenperspektive. Das Zutrauen, sich mit Kulturen auseinanderzusetzen, sie zu lesen, zu interpretieren und als gleichberechtigtes Differentes anzuerkennen, scheint sowohl Herausforderung als auch Notwendigkeit zu sein. Zum sensiblen Umgang mit der eigenen Kultur, der fremden Kultur und dem Dazwischenliegenden gehört es, die Möglichkeit zu bekommen, eigene Texte zu formulieren. Hierbei wird das Formulieren der Texte als Teil der multiplen Prozesse der Konstitution von Kulturen verstanden. Clifford Geertz beschreibt, wie bereits erwähnt, dieses Denken und Formulieren von Texten 37 Kumoll 2007, S. 88. Kumoll zitiert hier Geertz 2004, S. 577−593. 38 Kumoll 2007, S. 88. 39 Ebd.
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als etwas Öffentliches. Die Überführung des in Ritualen, Handlungen, Verhalten und Kommunikationen immateriell gefassten Denkens in die Betrachtung, Beschreibung und Interpretation des materiellen Kulturerbes ist der nächste Schritt der Analyse und Vermittlung von kulturellen Systemen.
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„Bewusstes Distanzschaffen zwischen sich und der Außenwelt darf man wohl als Grundakt menschlicher Zivilisation bezeichnen; wird dieser Zwischenraum das Substrat künstlerischer Gestaltung, so sind die Vorbedingungen erfüllt, daß dieses Distanzbewußtsein zu einer sozialen Dauerfunktion werden kann, deren Zulänglichkeit oder Versagen als orientierendes geistiges Instrument eben das Schicksal der menschlichen Kultur bedeutet.“
Aby Warburg 1929. Zitiert nach Warnke 2000, S. 3.
Modelle kultureller Praktiken: Aby Warburg – Bildkulturen als Beschreibung Medium Der westliche Blick auf westlich geprägte Kulturen zeigt, dass die beobachtbare Oberfläche von Kulturen hochgradig visueller Natur ist.1 Doch auch Kulturen, die sich explizit ohne Bildmedien konstituieren, produzieren eigene visuelle Formen. Sie materialisieren sich als Architekturen, Mosaike oder Webmuster, die wiederum in ihrer Anwendung Teil des Bilddiskurses werden. Dass sich Kulturen explizit oder implizit medialisieren2, ist ein essenzieller Faktor bei ihrer Betrachtung und ihrer Analyse. Ebenso ist der Umgang mit dem visuell Erfassbaren einer Kultur auch ein dankbarer Ausgangspunkt für ihre Vermittlung. Eine These: Kulturen gründen sich in Bilddiskursen und entwickeln sich auf deren Basis weiter. Dies würde bedeuten, dass kulturelle Praxen wie Rituale, Kommunikation oder materialisierte (Bild-)Medien sich als visuelle Marken etablieren und in ihrer Verfasstheit intergenerationell weitergedacht und entwickelt werden. Dies bedeutet dann auch, dass Bildmedien zugleich mehr sind als Illustrationen von individuellem und gesellschaftlichem Denken und Handeln, sie sind unmittelbarer Teil – Ausgangspunkt und Resonanzraum – von sozialem Handeln. Umgekehrt könnte 1 Vgl. Rimmele/Stiegler 2012, S. 15−16. 2 In diesem Kapitel wird der Begriff der Medialisierung zunächst auf Bildmedien bezogen. Gleicher-
maßen kann er weitergedacht auf jegliche Formen materialisierter Kultur bezogen werden. Dies schließt alltagskontextuelle Objekte als auch explizit oder implizit im Kontext Kunst hervorgebrachte oder adaptierte Medien mit ein.
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man formulieren, dass Bilder eigene Bildkulturen haben, die in Traditionen stehen und sich als Remixes und Samplings aus Vor- und Nachbildern generieren. Dies ist kein Phänomen des digitalen Zeitalters, die Verbreitung und das Visuelle des Bildes lassen sich jedoch gerade in digitalen Medien gut nachvollziehen. Die wissenschaftliche Thematisierung von Bildern – digital, analog, zeitgenössisch oder historisch – fassen Hubert Sowa und Bettina Uhlig unter dem Begriff der „Bildhandlungen“ zusammen und formulieren zugleich die Sorge um die Verständigung auf den kontextabhängigen Bildumgang, denn dieser ist in seiner Rezeption fluide und somit unbeständig. Eine besondere Rolle erhält der wissenschaftliche Umgang mit Bildmedien, der laut Sowa und Uhlig einer Prämisse unterliegt: „Jede wissenschaftliche Thematisierung von Bildern ist per se bereits eine Verschiebung vom normal funktionierenden Bildumgang hin zu einem differenten Bildumgang. Der in einer theoretischen Einstellung fokussierte Umgang mit Bildern ist eine spezifische Umgangsform, die sich von anderen Formen der Bildpraxis signifikant unterscheidet. Dies kann als methodischer Griff vorteilhaft sein, bedarf aber, um eine vollständige und angemessene Interpretation zu sein, einer rückbindenden Finalisierung hin auf den ursprünglichen und vollständigen Handlungszusammenhang des Bildes.“3 Doch was, wenn sich der spezifische Bildumgang erst auf der Grundlage der „rückbindenden Finalisierung“ begründet? Demnach gilt es, den ursprünglichen Handlungszusammenhang des Bildmediums zu erhalten und zugleich Verschiebungen und Neucodierungen zuzulassen und den Nachvollzug anzubahnen.4 Wie der Bildumgang ist auch der Content, also der Inhalt des Bildmediums, kulturell geprägt. Dies betrifft nicht nur zum Beispiel das abgebildete Objekt in seiner Materialität und die Grade seiner Ikonizität, sondern betrifft auch die Medialität des Mediums selbst, die Eva Schürmann als Stil oder mit Bezug auf Merleau-Ponty als „eine Formulierungsweise“5 bezeichnet. Wie wird das Gezeigte gezeigt? 3 Sowa/Uhlig 2006, S. 85. 4 Es ist zu befragen, ob diese Annahme zu gleichen Teilen auf den Umgang mit Alltagsbildern und
Bildern, die explizit in künstlerischen Kontexten entstehen, zutrifft. 5 Schürmann 2010, online, S. 8. Schürmann nimmt Bezug auf Merleau-Ponty 2003, S. 131.
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Nähe, Distanz, Ausschnitt, Fokus, Farbe, Form, Medium. Welche expliziten und impliziten, formellen und informellen Parameter sind gesetzt? In welchen Kontexten entsteht das Bild, wie wird es weiterverwendet, welche Zuschreibungen werden als Setzungen akzeptiert, welche neuen Kontexte werden hinzugefügt? Und wie werden diese als Gezeigtes und in der Übersetzung als Gesehenes verstanden? Abhängig vom kulturellen Kontext der Betrachtenden oder der Bildhandelnden kann der Content unterschiedlich gelesen, codiert und rezipiert werden. Zugleich gestaltet er stetig kulturelle und kommunikative Prozesse mit. Die Prozesse der Bildproduktion, der Bildrezeption und der Modifikation neuer Formenrepertoires scheinen heute beschleunigt, vermutlich ist dies den multiplen Verbreitungs- und Rezeptionswegen geschuldet beziehungsweise zu verdanken. Seit der Ausrufung des „Pictorial Turn“ durch William J. Thomas Mitchell im Jahre 1992 und der Frage „What do pictures want?“6 wird die Bedeutung von Bildern in alltagskulturellen Kontexten immer wieder neu diskutiert. Zu häufig jedoch wird die Diskussion nicht interdisziplinär geführt und fokussiert sich, vor allem in (medien-)pädagogischen Diskursen, auf das Schlagwort Bilderflut. Die vermeintlich unbeherrschbare Masse von Bildeinflüssen wird zum Negativfaktor und zum potenziellen Gefahrenpunkt deklariert. Dieser pessimistische Ausgangspunkt für die Diskussion kann als Ausdruck von Hilflosigkeit im Umgang mit Bildkollektiven gedeutet werden. Zugleich ist dies als Indiz der fehlenden Literalität von Bildmedien im Allgemeinen zu verstehen. Allemal sind diese Sichtweisen jedoch nicht zielführend und der Diskurs endet in der ebenso gefürchteten Ohnmacht. Bilder treten seit jeher multimedial – in Form von Keramiken, Tapisserien, Tafelbildern, Architekturen, Fotografien, Memes – und in Kollektiven und Konstellationen oder als Sammlungen auf. Von antiken Vasen, den mittelalterlichen Kirchenmalereien, den Figurenrepertoires an und in Sakral- und Profanbauten, den Ausschmückungen mit Bildprogrammen von Höfen und Repräsentationsräumen, als politische Statements, als Propagandabilder … bis hin zu Bildtableaus, zuordbar zu Hashtags oder Accounts bei Bildplattformen wie Instagram oder Flickr. Das 6 Vgl. dazu Mitchell 2008, S. 46 ff.
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Problem ist also im eigentlichen Sinne nicht die Masse der Medien, sondern der Verlust der Kontrolle über die Masse: das Verschwimmen von Entstehungskontexten und die fehlende Verankerung oder fehlende Zuordnung diverser Produktions- und Rezeptionsräume. Dieser Kontrollverlust bedingt den zum Scheitern verurteilten Kontrollversuch, das Einzelbild zum Gegenstand wissenschaftlicher Thematisierungen zu machen.7 Bildmedien als isolierte, als in sich geschlossene Einheiten zu kategorisieren, ist aus kulturhistorischer Perspektive atypisch und birgt fatale Folgen: In der Einzelbildbetrachtung wird zum einen das Potenzial der indikatorischen Wirkung des Bildmediums übersehen, denn Medien sind Gradmesser sozialer, kultureller und politischer Prozesse. Zum anderen grenzt man die Möglichkeit des Nachvollzugs von ererbten Bildtraditionen und neuen Bildhandlungen als kulturelle Remixes aus. Die vermeintliche Kontrolle führt zur unbefriedigenden Beantwortung von Mitchells Frage: „I don’t know!“ Will man der Grundlage der eingangs formulierten These nachspüren, dass sich bewusst medialisierte Kulturen in Bilddiskursen gründen und sich auf deren Basis weiterentwickeln, kann es zielführend sein, sich mit Konzepten auseinanderzusetzen, die alle verfügbaren Bilderspuren von Kulturen berücksichtigen und den Blick auf das historische Spektrum von Bildhandlungen besitzen als auch ein Erkenntnisinteresse am Nachleben der Medien haben. Kurz: Es geht um Möglichkeiten der Systematisierung der beobachtbaren Oberfläche von Kulturen. Der Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Aby Warburg gilt als Wegbereiter der heutigen Bildwissenschaften. Hans-Ulrich Reck bezeichnet ihn als „[…] ‚Übergangsobjekt‘, [das sich] als spekulative Figur im transitorischen Raum der Fragestellungen zwischen Kunst und Kultur, Antike und Moderne, Bild und Begriff, Veranschaulichung und Konzeptualisierung“8 eignet. Warburg ist aber auch als Pionier eines zeitgenössischen Umgangs mit dem kulturellen Erbe, materialisiert in Abbild und Wort, und
7 Diese Vorgehensweise ist vor allem in sozialwissenschaftlichen Forschungskontexten auffällig.
Gerade hier könnte das Potenzial der Verbindung zwischen sozialen, kulturellen und politischen Bezugsrahmen und deren Materialisierung in Medienkollektiven z. B. zu Forschungen zur Mediennutzung oder in der Jugendforschung genutzt werden. 8 Reck 1991 b, S. 198.
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als Reformer von Wissen(schaft)svermittlung zu verstehen.9 Er verbindet auf eindrückliche Weise Bild- und Textinformationen und überlässt den Betrachter*innen das Schließen innewohnender Gedankenpausen. Warburg denkt und handelt interdisziplinär und er überträgt das Wissen, materialisiert in der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg10 – eine nach dem „Gesetz der guten Nachbarschaft“ konzipierte, bewegliche und problemorientierte Präsenzbibliothek11 –, auf mit schwarzem Stoff bespannte Holztafeln.12 Er verfolgt den Gedanken eines Erkenntnisgewinns durch das Prinzip der Montage13. Die Nichtstatik seines Ansatzes ist (s)eine Revolution im Wissenschaftsbetrieb des frühen 20. Jahrhunderts. Warburg und seine Mitarbeiter*innen sammeln Bilder, reproduzieren sie und ordnen sie an. In der unentwegten Umsortierung des Bildmaterials erkennt Martin Warnke keine Unsicherheit, sondern ein bewusstes Abwägen und die kritische Auseinandersetzung mit dem Material: „[…] der ständige Umbau, durch den die Bilder immer wieder in neue Konstellationen gestellt werden, läßt nicht erkennen, daß sich eine Grundvorstellung erst allmählich herausgebildet hätte; er zeigt eher, daß Warburg das einzelne Bild nicht kontextuell festgebunden sah, sondern ihm in jeder neuen Konstellation auch eine neue Aussage zu9 Busse 1998, S. 18−24. 10 „ Die Bibliothek Warburg ist sowohl Bibliothek wie Forschungsinstitut. Sie dient der Bearbeitung
eines Problems, und zwar so, daß sie erstens durch Auswahl, Sammlung und Anordnung des Bücher- und Bildmaterials das Problem, das sie fördern will, darstellt und zweitens die Resultate der Forschungen, die sich auf dieses Problem beziehen, veröffentlicht.“ Saxl (Original 1930), zitiert nach: Wuttke 1980, S. 331. Die Büchersammlung emigrierte 1933 mit rund 60000 Buchmedien nach London, wo sie in das Warburg Institute übergegangen ist. 11 Vgl. Syamken 1980, S. 48. 12 Das in das kulturelle Gedächtnis eingeschriebene Mnemosyne-Projekt Warburgs (1924−1929) kann in drei Serien eingeordnet werden. Die bezogenen Holztafeln waren Trägermedium und kuratierte Flächen mit darauf gehefteten reversiblen Gedankengängen in Wort und Bild. Dieser relativ feste „Bestand von etwa 2000 Abbildungen ist von Warburg im Laufe der Jahre immer wieder bewegt, zu Konfigurationen auf Tafeln fixiert und fotografiert worden. Dabei hat er sich von Mitarbeitern, Fritz Saxl, Gertrud Bing oder Lothar Freund beraten lassen, deren Vorschläge und Einwände einbezogen und erneut Umschichtungen vorgenommen, die wiederum fotografiert wurden.“ Die 1929 entstandene dritte Serie umfasste 79 Tafeln in den Maßen 170 x 140 cm, von denen 63 Tafeln mit ca. 971 Objekten besetzt wurden. Warnke 2000, S. VIII. 13 Didi-Huberman bezieht sich hier zunächst auf das Montageprinzip Walter Benjamins. Vgl. Benjamin 1983, S. 57. Er betont zugleich, das Montageprinzip Warburgs sei geprägt durch die Mischung von „heterogenen Dingen, Orten und Zeiten“. Didi-Huberman 2015, S. 28−29.
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traute.“14 Die Entstehung des hier exemplarisch für andere Themenkomplexe weiterzudenkenden Projekts, des Mnemosyne-Atlas Warburgs, liegt bald hundert Jahre zurück und doch erscheint er in seiner Innovation zeitgemäßer als zahlreiche kunst- und kulturwissenschaftliche Ansätze des letzten Jahrhunderts.15 Denn: „Der Atlas hat seit Warburg nicht nur die Formen – und also die Inhalte – sämtlicher ‚Kulturwissenschaften‘ oder Humanwissenschaften von Grund auf verändert, sondern er hat auch zahlreiche Künstler angeregt, die Art und Weise, wie in den visuellen Künsten heute gearbeitet wird und wie sie präsentiert werden, in Form der Sammlung oder der Remontage völlig neu zu denken.“16 Warburgs Atlas ist nach eigener Einschätzung jedoch keine Methode, er ist als Konzentrationsort seines noch nicht zu Ende gedachten Wissens zu verstehen und Teil des kollektiven Bildgedächtnisses. „Der Bilderatlas war für Warburg weder eine einfache ‚Gedächtnisstütze‘ noch ein ‚Resümee in Bildern‘ seines Denkens: Er bot eher einen Apparat, um das Denken eben dort wieder in Bewegung zu setzen, wo die Geschichte zum Stillstand gekommen war, wo es an Worten noch mangelte. Er war die Matrix eines Verlangens, das Gedächtnis zu rekonfigurieren, indem man darauf verzichtet, die Erinnerung – die Bilder des Vergangenen – in einer geordneten, oder schlimmer: in einer definitiven Erzählung zu fixieren.“17
Labor Aby Warburg eröffnet mit seinem 1924 begonnenen Atlas-Projekt eine Laborsituation18, die das Sammeln von Bildmedien, dazugehörigen Textinfor-
14 Warnke 2000, S. VIII. 15 Michael Diers stellt heraus, dass Warburg der allgemein gültigen Rolle des vornehmen Privat-
gelehrten nicht entsprach. Er füllte seine Position durch diverse Gespräche, Vorträge, Reisen, Publikationen und die Mitarbeit in wissenschaftlichen und kulturellen Vereinen sowie beinahe tägliche Briefkorrespondenzen (1905−1918) mit Kolleg*innen der Wissenschaften. Vgl. Diers 1991, S. 33. 16 Didi-Huberman 2015, S. 17. Didi-Huberman nimmt Bezug auf Neumann/Weigel 2000 und Flach/ Münz-Koenen/Streisand 2005. 17 Ebd, S. 22. 18 Martin Warnke bezeichnet den überlieferten Bildatlas als ein Bildlabor, das als dokumenta-
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mationen und Kontext-Texten zu einem Analysetool von Kulturen konzipiert – das Impulse setzt und zugleich Unschärfen thematisiert. Sein Ansatz gründet in der um die Jahrhundertwende noch unkonventionellen Idee seines Professors, des Historikers Karl Lamprecht19, „Kunstwerke nicht nur auf ihre Schönheit, ihre ästhetische Wirkung hin zu studieren, sondern sie als Dokumente zu sehen – Dokumente, die Informationen über die ‚Bildungsgeschichte der Menschheit‘ enthalten. [Und dass] […] alle Äußerungen der Kultur – sowohl die Kunst als auch Gebrauchsgegenstände – der wissenschaftlichen Untersuchung wert seien […].“20 Lamprechts Geschichtsverständnis bezieht sich auf die Annahmen Herders und Schillers zum historischen Sinn, „daß das seelische Leben eines bestimmten Zeitalters in sich je ein Ganzes bildet, eine Einheit, aus der nicht die Wirkungen der geringsten menschlichen Tätigkeit entfernt werden können, ohne ihr ihren Charakter zu nehmen“21. Warburg entwickelt hieraus seinen spezifischen Umgang mit Kulturen und bezieht sämtliche kulturellen Ausdrucksformen in seine Fragestellungen mit ein.22 Im Zentrum seiner Forschungsbewegung steht die Florentinische Kunst des 15. Jahrhunderts. Künstler wie Botticelli oder Mantegna werden befragt, inwieweit ihr Werk durch die Antike beeinflusst wurde. Hierzu analysiert Warburg zum einen die kulturelle Umgebung des jeweiligen Künstlers und seine Persönlichkeit, zum anderen die Elemente der Antike, die in der Frührenaissance erneute Wirkkraft erhielten.23 risches Arbeitsstadium verstanden werden kann, nicht aber als abgeschlossenes Werk. Vgl. Warnke 2000, S. VII. 19 Warburg begegnete Karl Lamprecht (1856−1915) während seiner Studienzeit in Bonn. Hier begegnete er auch dem Philologen Hermann Usener (1834−1905), der ihn nachhaltig in seinem Interesse an der Mythologiebildung prägte, sowie dem Kunsthistoriker Carl Justi (1832−1912), der sein Interesse an der Antike förderte. Zentral für Warburgs Forscherleben sind auch die Theorien des Evolutionsbiologen Richard Semon (1858−1918): Seinen Schriften entnimmt er den Begriff des Engramms – die im Gedächtnis eingeschriebene Erinnerungsspur (vgl. dazu Semon 1908 und Gombrich 1995, S. 70.); die Theorien des Evolutionsbiologen Charles Darwin (1809−1882), des Psychologen Carl Gustav Jung (1875−1961), des Psychoanalytikers Sigmund Freud (1856−1939) sowie des Kunsthistorikers Jacob Burckhardt und des Philosophen Friedrich Nietzsche (1844−1900). Vgl. Michels 2008, S. 30. 20 Michels 2008, S. 30. 21 L amprecht 1913, S. 65. 22 Vgl. dazu Michels 2008, S. 30. 23 Vgl. Wuttke 1980, S. 313.
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Darüber liegt Warburgs „allgemeineres Erkenntnisinteresse: die Suche nach einem Verständnis des Bildes als Agentur des Eingriffes. […] [unter Warburgs Blick] scheinen die Bilder an Leben zu gewinnen und sich in die uns umgebenden Dinge einzumischen: Warburg animiert.“24
Reproduktion Das Projekt Mnemosyne ist auch ein Resultat des technischen Fortschritts: Warburgs Entscheidung, mit Reproduktionen von Skulpturen, Tapisserien, Fresken, Münzen, Werbeillustrationen, Buchseiten, Reliefs, Druckgrafiken, Gemälden, Zeichnungen, Briefmarken, Karten, Zeitungsausschnitten, Fotografien und Architekturen zu arbeiten, ist eine Entscheidung für die mediale und kulturelle Diversität.25 Denn „Warburg huldigt nicht dem Fetisch des Unikats und seiner Einmaligkeit. Indes setzt sein Verzicht auf das Original konsequent den Dialog fort, den die Künstler selbst begannen, als sie sich ihre Vorbilder nach Reproduktionsstichen aneigneten.“26 Das Vorgehen, die Reproduktion – eine in Grauwerten abgezogene Fotografie – zum Objekt von Forschungsbewegungen zu machen, ist neu. Es fehlen die kontextuellen Zuordnungen des reproduzierten Werks sowie formale Aspekte: Farbigkeit, Format oder Größenverhältnisse der Originale werden im Nachvollzug auf den Arrangements aufgelöst. „[…] die Fotografie reduziert das Kunstwerk auf einen Bruchteil seines optischen Informationswertes und läßt akustische oder olfaktorische Effekte, haptische Reize, räumliche Verbindungen und Funktionszusammenhänge gänzlich außer Acht.“27 Im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Walter Benjamin, der die fotografische Reproduktion als „die Entschälung des Gegenstandes aus seiner Hülle, die Zertrümmerung der Aura“28 verstand, erkennt Warburg die Reduktion jedoch nicht als Einbu-
24 Sierek 2007, S. 7. 25 Die unter Reproduktion ausgeführten Gedanken sind in Grundzügen publiziert in: Hübscher/
Neuendank 2018, S. 307−324. 26 Hofmann 1995, S. 172 f. 27 Tietenberg 1999, S. 63 f. 28 Benjamin, zitiert nach: Tiedemann/Schweppenhäuser 1974, S. 479.
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ße, sondern als Potenzial. Positiv formuliert gelingt durch die fotografische Reproduktion eine „Überallheit“29 und eine nicht örtliche Gebundenheit von Kunst und kulturellem Erbe. Das Interesse Warburgs liegt also nicht in den ästhetischen Qualitäten des Originals, sondern in der Möglichkeit, Vergleiche zu ziehen und unabhängig von Format, Materialität oder Bezugnahmen im Raum Aussagen zu treffen – Aussagen über Motive, Kompositionen und Bildtraditionen. Das Herausstellen von Zeichenbeständen durch die Reproduktion, das Montieren von Ausschnitten und deren Vergrößerungen, das Bilden kultureller Kontexte führen zum Nebeneinander von bildgewordenen Erinnerungsspuren, die von der Antike bis in die Moderne reichen. Die Gruppierungen, die Samplings antiker Bildelemente, zeigen, wie sich „Ketten von Motiven und Formentsprechungen durch historisch variable Aneignungen hindurch erhalten“30. Warburg entwickelt so eine ganz eigene Qualität in seinem Vorgehen, mit eigenem ästhetischen Wert, der sich vor allem aber durch einen eigenen Erkenntnisgewinn auszeichnet. Die vorherrschende Meinung des Wissenschaftsbetriebs zu Beginn des 20. Jahrhunderts, „daß der Einsatz fotografischer Reproduktionstechniken im Bereich der Kunstwissenschaft zwangsläufig zu einer Enthistorisierung, Entkontextualisierung, Entmaterialisierung, Fragmentierung und Verfälschung des Maßstabs, ja letztlich zu einer Entwertung des Kunstwerks geführt habe“31, widerlegt Warburg zur Genüge. Das Hinzufügen antiker Textquellen als gleichberechtigtes Element auf der Tafel eröffnet einen Kosmos des Erkenntnisgewinns32 und ermöglicht die Darstellung und gleichzeitige Vermittlung des neu erschlossenen Wissensrepertoires. Warburg macht den von Sowa/Uhlig benannten differenten Bildumgang zur Ausgangslage im Umgang mit Kultur. Die Grundlage all sei-
29 Vgl. dazu Imorde 2013, S. 25, mit Bezug auf Dehio 1908, S. 475. 30 Reck 1991 a, S. 214. 31 Tietenberg 1999, S. 64. 32 Die Betrachtung Warburgs fokussierte sich auf die Rezeption der Antike in der Renaissance und
Nach-Renaissance sowie auf das Verhältnis des Einflusses des Nordens und der Antike auf die Bildwerke der Renaissance. Hinzu kommt ein Interesse an den Problemstellen der historischen und philosophischen Astrologie, die er in ihrer Bearbeitung als scheinwerferartige Erhellung von geistigen Zusammenhängen gebraucht. Vgl. Fritz Saxl (1930): „Warburgs Mnemosyne-Atlas“. In: Wuttke 1980, S. 314.
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nes Handelns ist es, die Rückbindung an Entstehungs- und Rezeptionskontexte in der Bildhandlung zu erzeugen. Zugleich legt er Transformationen offen und schafft Zugänge zu zeitgenössischen, neuen Bildhandlungen und Rezeptionswegen. Er folgt damit nicht der Moderne, sondern „er agiert als ein Element dieser Strömung, und zwar auf einem Terrain, auf dem die Etikette seinerzeit geradezu kategorisch verlangt, sich ausschließlich mit toten Dingen und Künstlern zu befassen“33. Die mediale Revolution wird zum Teil der Wissenschaftsrevolution: „Mit anderen Worten gelingt in dem Atlasprojekt das Nebeneinander geschlossen argumentierender und offen assoziierender Wissensräume.“34
Detail Mit seinem Mnemosyne-Projekt versucht Warburg „Funktion und Funktionswandel des Bildes aufzuklären“35, die Bildtafeln werden zum „unentbehrlichen Denkmittel“36. Sie sind, wie Bilder aus dem Palace Hotel in Rom 1928/29 zeigen, im Raum neben seiner Arbeitsbibliothek platziert. Es ist Teil seiner Argumentation, Bilder eben nicht als einzelne, sondern in diversen Zusammenhängen zu erforschen. Er kategorisiert das fokussierte Ausgangsobjekt im Bewusstsein der Vor-, Nachund Nebenbilder und befragt es gemäß einer Problemstellung, die zu weiteren Ausgangspunkten führen kann. Sein interdisziplinärer kulturwissenschaftlicher Ansatz bei der Untersuchung des Nachlebens der Antike kristallisiert sich in dem Begriff der Pathosformel, die Hans-Ulrich Reck wie folgt definiert: „Unter Pathosformel sollen […] die historischen Motivketten verstanden werden, deren Bedeutungen sich zunehmend in ein sozial gegliedertes Unterbewußtes ablagern und die deshalb für die Plausibilität bestimmter Darstellungsprätentionen reaktiviert werden können. Eine nahezu beliebige Besetzung von Formstrukturen durch wechselnde ideologische Gehalte 33 Forschungsgruppe Mnemosyne 2016, zur Tafel 77, o. S. 34 Welzel 2004, S. 37. 35 S yamken 1980, S. 33. 36 Ebd., S. 41.
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belegt die Wirkungsmöglichkeit der Pathosformeln an den durchgesetzten Bildformen, die durch unabläßige Erneuerung und Modifikation wirken.“37 Fritz Saxl erkennt bereits 1929, dass Warburgs Konzept der Pathosformeln als Erben von Formenrepertoires und ihrer geschichtlichen Wirkung verstanden werden sollten und Warburgs Theorie ihn zum Historiker der „mémoire sociale“ macht.38 Doch in der Erkenntnis des historischen Bewusstseins liegt noch mehr: Warburg transportiert mit seinen Offenlegungen die Kunstwissenschaft als wichtige Protagonistin in den Kontext der Erinnerungskultur und eröffnet das Feld der „kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung“39. Ererbte Bildkulturen und darin eingeschriebene ererbte Sozialformen, Geschlechterrollen, Typen und Topologien fordern differenzierte Rezeptionswege, die Möglichkeiten von Transformationen mitdenken. Nicht zufällig sind das Atlas-Projekt sowie die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg überschrieben mit dem Begriff der MNEMOSYNE. Die Göttin der Erinnerung wird zur Trägerin des (im-)materiellen Kulturerbes. Zugleich hält der Schriftzug nach Edgar Wind (1931) eine Verbindlichkeit für die Wissenschaft zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Ererbten bereit: Die Forschung sei ein „Erbgutverwalter […] [der in der Quelle] niedergelegten Erfahrung“ sowie dazu verpflichtet, die „Funktionsweisen des sozialen Gedächtnisses an Hand des historischen Materials zu untersuchen“.40 „Der Mnemosyne-Atlas präsentiert sich in grundlegender Weise als ein ‚Gedächtnis in Bildern‘, ermöglicht durch eine Gedächtniskunst, eine Kunst, die so alt ist wie die Bilder selbst.“41 Die in den Bildmedien gespeicherten kulturellen Erinnerungsspuren helfen, die – in ihrer Formensprache und ihrer Motivik – gespeicherten Codes und Modi zu bearbeiten und zu verstehen. „Der Bildatlas war auf diese Weise die Werkstatt eines stets potenziellen – unerschöpflichen, ebenso kraftvollen wie unvollendeten – Nachdenkens über die Bilder und ihre Schicksale. Er diente nicht nur zur Anamnese der ikonologischen Probleme, 37 Reck 1991 b, S. 199. 38 Anmerkungen von Martin Warnke. In: Hofmann/Syamken/Warnke 1980, S. 167. 39 Erll 2005, S. 19 f. 40 Wind (Original 1931), zitiert nach Wuttke 1980, S. 407. 41 Didi-Huberman 2015, S. 213−214.
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die Warburg sein ganzes Leben hindurch aufgeworfen hatte, sondern auch als Matrix für neue Fragen, die von all den Affinitäten zwischen den Bildern einer Tafel oder zwischen Bildern verschiedener Tafeln aufgeworfen werden sollten – eine Erwartung, die in unseren Augen auch heute noch besteht.“42 Warburg selbst mag seinen Atlas als eine Provokation der Ikonologie der Zwischenräume verstanden haben.43 Seine Provokation ist die Herausforderung der sinnstiftenden Lücke – der leeren Fläche als Möglichkeit – zwischen Gezeigtem, Gesehenem und Gedachtem.
Zwischenraum Die Forschungsbewegungen sowie das Forschungssetting – angelegt zwischen Notizen, der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg sowie den Bildersammlungen und Atlastafeln – zeigen, dass Aby Warburg Kunstwerke als nicht in sich geschlossene Systeme44 verstand. Und gleichermaßen verstand er sie erst im Kollektiv – in Verwandtschaft mit weiteren Medien – als Quellen kulturellen Handelns, in deren Zwischenräumen sich Sinn generiert und Kultur immer neu transformiert. „Er lehnte es entschieden ab, Bilder nur formal zu verstehen; doch die bloße ‚Auflösung eines Bilderrätsels‘, mochte es noch so gelehrt sein, befriedigte ihn ebenso wenig. Seine Untersuchungen einzelner Bilder, Motive und Bildprogramme gründeten in gedächtnistheoretischen Betrachtungen und in einer umfassenden Kenntnis dessen, was Ernst Cassirer, sein Kollege und Freund, symbolische Formen genannt hat. Er hat das Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart nicht einfach als zeitliches begriffen, sondern als symbolisches oder bildliches, hervorgebracht von affekt- und ritualbegabten Wesen, von Menschen, die einen kreativen Umgang mit dem in Wort und Bild tradierten Erbe pflegen.“45 Man könnte meinen, die Reduktion auf eine bestimmte Anzahl von Medien sei als vereinfachende Strategie gewählt. Doch Warburgs Entscheidung zur Reduktion auf einen 42 Ebd., S. 91. 43 Ebd., S. 17. Zitiert nach Warburg 1902, S. 106. 44 Vgl. Hofmann/Syamken/Warnke 1980, S. 88. 45 Treml/Weigel 2010, S. 10.
Modelle kultureller Praktiken: Aby Warburg – Bildkulturen als Beschreibung
vergleichsweise kleinen Bildkorpus und eine geringe Anzahl an „Motiven und Elementen“ ist nur eine logische Konsequenz zur Umsetzung seines Anliegens: Warburg überprüfte mit der Festlegung des Korpus alle möglichen „neuen Permutationen und Kombinationen“ der Bilder im Miteinander. Sein Bildumgang gleicht dem Blick durch ein Kaleidoskop, dessen Drehung immer neue Muster aus dem vorherigen hervorbringt.46 Zurück zum Zwischenraum, der in seiner Funktion nicht nur die ästhetischen Eigenschaften kaleidoskopischer Muster prägt: Im gewählten Eingangszitat benennt Warburg den Zwischenraum als Substrat für Kultur beziehungsweise kulturelles Handeln. Zugleich ist der genannte Zwischenraum47 selbst als Substrat im Sinne einer Reaktion auf diverse kulturelle Handlungen zu verstehen. Die Idee, dass sowohl die Bildrezeption als auch die Bildproduktion auf dem gleichen Substrat – im Sinne einer Basis oder Bedingung – entstehen, ist ein Potenzial bei der Thematisierung des Umgangs mit Bilderfluten. Der Fotograf Wolfgang Tillmans beschreibt dieses Phänomen treffend: „Niemand kann in Bezug auf früher entstandene Fotos unbefangen sein. Wir haben praktisch von Geburt an eine Enzyklopädie von Abbildungen im Kopf.“48 Erweitern lässt sich der Gedanke Tillmans auch auf die Bilder, die in Zukunft entstehen werden. Je nach sozialem und kulturellem Bezugsrahmen haben sich bestimmte Bildstrukturen im kollektiven Gedächtnis verfestigt und führen mit jedem weiteren Bild ein Nachleben.49 Der bewusste Rückgriff auf etablierte Bildelemente ist eher selten. In Automatismen werden Zeichen, Symbolsysteme oder Stereotype in Bezug auf zum Beispiel Gender oder Status reproduziert. Diese Codes sind in der Kultur angelegt und als Bilder im Gedächtnis gespeichert. Es sind implizite Wiederholungsprozesse, die je nach Bezugsrahmen reaktiviert werden und sich in Bildformen oder Bildinhalten ausdrücken, denn „Bilder tauchen im Ge-
46 Vgl. Gombrich 1981, S. 15. 47 Vgl. das Kapitel Modelle kultureller Praktiken: Clifford Geertz – Kulturen als Beschreibung. 48 Wolfgang Tillmans im Interview mit Neville Wakefield. In: Ausst.-Kat. Frankfurt am Main 1995,
S. 122. 49 Hübscher/Neuendank 2018, S. 313.
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dächtnis vor allem dort auf, wohin keine sprachliche Vereinbarung reicht“50. Warburgs Atlas-Projekt ist demnach keine Zusammenstellung „heterogener und oftmals inkompatibler Vorbilder, sondern eine großangelegte Reflexion, die Wiederaneignung einer verborgenen Tradition, in die Bilder eingesetzt wurden, um die Erkennbarkeitsbedingungen von Wissensformen aller Art herauszuarbeiten“51. Der Zwischenraum, das Dazwischen oder die zuvor bereits benannte Gedankenpause sind ein wichtiger Wert auch bei der Analyse von Kultur(en). Das Potenzial liegt damals wie heute in der Formulierung des Zwischenraumes als Möglichkeitsraum.
Möglichkeitsraum Warburgs Atlas-Projekt ist eine Ansammlung von Fragen, Problemen und Fakten, die sich in einzelnen Bildern manifestieren, sich aber erst im Kontext unterschiedlichster Darstellungen ein und desselben Themas kristallisieren. Jedes von Warburg verwendete Bild kann als Potenz unterschiedlichster Abbildungstypen gesehen werden. Es funktioniert als eine Art „Sammlung von Sammlungen“52. „Trägt man alle Merkmale des Mnemosyne-Projektes zusammen, ergibt sich ein definitorisches Bild. Der Warburg Atlas ist das Ergebnis eines diskursiven und präsentativ veranschaulichenden Montage-Verfahrens in der parataktischen und hypotaktischen Addition der Reproduktionen von Bildern über ihre Gattung hinweg, um ikonografische Räume und Strukturen kultureller Diskurse zu erfassen. Linearität und horizontale Addition ergänzen sich durch vertikale Schnitte zu ‚thematischen Spielfeldern‘ in einem offenen und prozessualen Kunst- und Bildbegriff.“53 Demnach entwickelt Warburg nicht nur ein Analysetool für den Bildumgang, für die Systematisierung und Kategorisierung von Bildern, sondern ein Tool zur Analyse von Kultur. Durch die Diversität der Kontexte eröffnet Warburg fortlaufend Möglichkeitsräume, die 50 Assmann 2009, S. 220. 51 Didi-Huberman 2015, S. 213−214. 52 Ebd., S. 163. Didi-Huberman verweist auf den Umgang Goethes mit Themen, die er durch Objekt-
Text-Sammlungen zu fassen versuchte und so bearbeitete. 53 Busse 1998, S. 19.
Modelle kultureller Praktiken: Aby Warburg – Bildkulturen als Beschreibung
Busse hier als „Spielfelder“54 fasst. In diesen dynamischen Prozess eingeschrieben ist das Potenzial, soziales, kulturelles oder politisches Handeln in Nachvollzug zu bringen. Doch wie war das gleich mit der Bilderflut? Ist eine so große mediale Menge überhaupt zu bewältigen? Denn die Erkenntnis des Projektes ist auch, dass Bilder vieldeutig sind. Zudem „steht einer hohen semantischen Fülle [von Bildmedien] eine mangelnde Decodierungsfähigkeit des Publikums gegenüber“55. Dilemma oder Chance? Auch wenn die Menge der impliziten und expliziten Codes größer geworden ist, ist die Möglichkeit des Zuganges und der Entschlüsselung explorativ gestiegen. Es ist demnach nicht als Resignation zu deuten, die uns immer wieder umspülende Bilderflut als beruhigende Konsequenz kulturellen Handelns zu begreifen. Sie ist Teil des analogen und digitalen kulturellen Erbes und demnach als bewahrenswerter Common Thread zu verhandeln. Ihre Formulierungsweise – nochmal nach Merleau-Ponty56 – ist ein Resultat aus dem Möglichkeitsraum, der geprägt ist von immer wiederkehrenden Bildtopoi, die von der Gesellschaft gesehen, gedeutet, tradiert, ins kulturelle und kollektive Gedächtnis überführt und transformiert wurden und werden. Der Sicherheit von Kontinuität, die der Bilderflut innewohnt, steht nun noch die schwindende Literalität der Rezipient*innen und Produzent*innen gegenüber. Bildproduktion und Bildrezeption sind ernstzunehmende Kulturtechniken, die gesellschaftliche Verantwortungen sichtbar machen. Eine der Verantwortungen liegt bei den primären und sekundären Sozialisationsinstanzen als auch bei Bildungsinstitutionen. Die können unterstützen, diese diversen Bildmedien nach Cultural Habits und Common Threads zu hinterfragen. Das Substrat, als intermediäre und interdisziplinäre Basis, ist noch nicht ausgeschöpft, der Umgang mit dem kulturellen Erbe als Kulturtechnik demzufolge noch nicht ausreichend etabliert.
54 Ebd. 55 Knieper 2003, S. 193. 56 Schürmann 2010, S. 8, mit Bezug auf Merleau-Ponty 2003, S. 131.
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Hashtag Bilder werden heute schneller als je zuvor generiert und transformiert. Im rasanten Tempo der westlich orientierten und globalisierten Gesellschaft entstehen „unmögliche“ Bildersettings und Bildzusammenhänge. Doch nach Warburgs Theorie folgen auch diese den tradierten Common Threads von Communities und funktionieren als Indikatoren für Prozesse der kulturellen Teilhabe der Gesellschaft. Das Potenzial, dass Bilder eben nicht kontextuell gebunden sein müssen,57 nutzen auch die Netzwerke und Bilderplattformen des 21. Jahrhunderts. Ein und dasselbe Bild kann mit den unterschiedlichsten Hashtags versehen sein, andersherum können gleiche Hashtags neue Bilder in die Diskussion integrieren. Das Wechselverhältnis von Diversität und Homogenität in der Verwendung von Hashtags auf den Mikro- und Metaebenen schafft einen breiten Zugang zur Teilhabe an kulturellen Diskursen.58 Wie wäre Aby Warburg dieser Fülle an Bildmedien begegnet? Welche Hashtags hätte er gesetzt? Die Grundpfeiler seiner wissenschaftlichen Arbeit – die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg und deren Bildbestand – sind bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine nach Metatags geordnete, nicht statische Mediensammlung. Vermutlich hätte Warburg die Recherchewege auf das Internet und vor allem auf Bilderplattformen ausgeweitet. Die Darstellungsweise wäre gegebenenfalls digitalisiert – nicht aber dem Modus der chronologischen Ordnung gefolgt. Die Zuordnung von verschlagworteten Bildern, die Reversibilität von Platzierungen und die daran gekoppelte Vermittlung von Inhalten – verdeutlicht durch Nähe und Distanz auf der Fläche des Tableaus – sind die großen Potenziale des Atlas-Projektes von Aby Warburg. Der Hashtag #abywarburg wird bisher für über 1540 Posts59 allein im Netzwerk Instagram verwendet. Der Hashtag verknüpft Bildmaterial von Orten – wie London, Hamburg oder Arizona −, von Objekten – Tagebucheinträgen, Bildertafeln oder Gemälden, aber auch Porträts des Kunstwissenschaftlers selbst – sowie Büsten und Fotogra57 Vgl. Warnke 2000, S. VIII, Fußnote 15. 58 Die Zugänglichkeit von Internet und Technik privilegiert nur wenige Menschen zur Teilhabe am
globalen Bilddiskurs. Auch die Datensammlung durch Megakonzerne ist ein implizites Problem in dieser Diskussion und muss an anderer Stelle verhandelt werden. 59 Stand: März 2019.
Modelle kultureller Praktiken: Aby Warburg – Bildkulturen als Beschreibung
fien. Die eingangs des Kapitels gewählte Fotografie, die Warburg mit der Katsina-Ritualmaske der Hopi aus Oraibi in Arizona zeigt, ist darunter das meist verbreitete Bild. Das Porträt, das 1896 entstand, scheint bis heute als Sinnbild für Warburgs außergewöhnliche wissenschaftliche Position zu funktionieren. In ihm steckt ein Höchstmaß an Entfremdung der westlichen Rezipienten von der „anderen“ Kultur. Durch die Kombination aus europäischer, bürgerlicher Mode und dem Ritualobjekt der Pueblo-Indianer in einer Landschaft aus Stein und Sand wächst die Irritation, ausgelöst durch den Bruch der gewohnten Sehordnungen. Zugleich wächst die Neugier, das Fremde genauer zu erfassen, den Bilderspuren nachzuspüren. Im Bild und seiner Immer-Wiederverwendung sind Fragen nach Bildikonen, Porträtkulturen, rituellen Handlungen, Kontextualisierungen und Neucodierungen implizit formuliert. Der Anspruch, jede Bilderspur en détail nachzuverfolgen, war auch zu Zeiten Warburgs eine Utopie, jedoch kein Hindernis, es trotzdem zu versuchen. Warburgs Vorgehen kann als Versuch weitergedacht werden, das nicht isolierte Bild zum Gegenstand der Analyse und Vermittlung einer nicht isolierten Kultur zu machen: „Der Warburg’sche Atlas ist ein als Wette gedachtes Objekt. Es handelt sich um die Wette, dass die Bilder, auf eine bestimmte Art und Weise versammelt, uns die Möglichkeit – oder besser: die unerschöpfliche Ressource – bieten würden, die Welt neu zu lesen.“60
Folgen Clifford Geertz und Aby Warburg eint die Motivation, die Welt lesen zu wollen, den auf ihr existierenden und den durch sie hervorgebrachten diversen Formulierungsweisen nachzuspüren. Beide operieren mit Konzeptionen von Gemeinsamkeiten als Folgen von Traditionen – und Differenzen als Symptome von Transformationen. Das generierte Sinnbild von Kultur als Constante indéterminée nach Jean Tinguely61 soll hierbei und in den weiteren Ausführungen als 60 Didi-Huberman 2015, S. 21. 61 Die „Unbestimmte Konstante“ beschreibt ein Editionsobjekt aus dem Œuvre Jean Tinguelys. Es
bildet die Voraussetzung für ein offenes Geschehen im Ausstellungsraum. Angaben zum Objekt: Jean Tinguely, Constante indéterminée, 1960, mechanische Kinetik, gebogenes Stahlblech auf
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Tool der Anerkennung von Diversität und Differenz als kulturbedingendes und kulturherausforderndes Keyword funktionieren. Geertz und Warburg eint die implizit formulierte (Heraus-)Forderung an die Gesellschaft: Kultur – materiell oder immateriell – als etwas Nichtisoliertes zu betrachten. Sowohl Warburg als auch Geertz beschreiben Kultur als etwas Rahmendes und Gerahmtes zugleich. Sie bezeichnen Kultur als Zwischenraum, Möglichkeitsraum oder Bedeutungsgewebe. Diese Vorstellungen von Kulturen als dynamische Systeme ermöglichen Freiräume, in denen das darin Eingeschriebene in seiner Transformation Unterstützung findet und Raum für Neues bietet. Andersherum zeigen beide Ansätze, dass die Strukturen von (Bild-)Kommunikation und (Bild-)Handlungen kulturell bedingt sind und ihre Verfasstheiten unmittelbar und permanent kulturell geprägt sind. Geertz und Warburg zeigen, dass die Analyse und somit auch die Vermittelbarkeit von Kulturen keine unlösbaren Rätsel sind. Ihre zumeist visuell beobachtbaren Oberflächen, bestehend aus Kommunikation, sozialem und politischem Handeln, ökologischen Überlegungen, der Konstruktion von Geschlecht und den Ausprägungen von Diversität et cetera, müssen nicht entschlüsselt werden, sondern in ihre Verfasstheiten „lediglich“ unter Einbeziehung der sie umgebenden Kulturen abgelesen werden. Die Auseinandersetzung mit beiden Ansätzen, die Kulturen als etwas Öffentliches, Nachvollziehbares und eingebettet in etwas größeres Ganzes verstehen, gibt den Impuls, auch über die Vermittelbarkeit von Kulturen nachzudenken. Der Fokus liegt dabei auf der Bewusstmachung von Objekten, Medien, Orten oder Ritualen als Konsequenz eines historisch gewachsenen und in Transformation befindlichen Möglichkeitsraumes, der Kommunikationen anstößt und Bildergeschichten fortschreibt und im Sinne Geertz’ als „Erweiterung des menschlichen Diskursuniversums“62 genutzt wird.
Holzsockel, Elektromotor, Klammer, Druckknopf, 34 x 19 x 12,5 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. 62 Halbmayer 2010, online, o. S.
#beschreibung #aktiverprozess #ritual #kultur #kulturen #text #medium #bild #kontext #remix #reproduktion #diskursuniversum #abywarburg #atlas #bedeutungsgewebe #zwischenraum #möglichkeitsraum #gesellschaft #commonthread #transformation #interaktion #akteur*in #aktion #reaktion
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Aby Warburg, Gertrud Bing und Franz Alber im Palace Hotel, Rom | 1929. © Warburg Institute London.
Reallabor Kunstmuseum – aktive Prozesse als Teil von transformativer Forschung
„Das Wichtigste ist, daß wir anfangen einen Punkt zu finden, von dem aus wir die Spur weiterverfolgen können. Eins ergibt das andere. Jeder, der es ernst nimmt mit einer Spur, wird an sein Ziel gelangen. Und oft ist die Abirrung, der Nebenweg die ergiebigste Strecke.“
Karl Schlögel 2003, S. 306 f.
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation Konzentration Den Konzepten des Kunst- und Kulturwissenschaftlers Aby Warburg und des Ethnologen Clifford Geertz zufolge sind Kulturen als Möglichkeitsräume oder Bedeutungsgewebe zu verstehen. Die Menschen navigieren somit in einem von Codes und Symbolen durchsetzten System, das sich in der generationalen Weitergabe gründet und in stetiger Transformation befindet. Aus ihm gehen Handlungen und Objekte hervor, medial gefasst oder in Kommunikationsrituale eingeschrieben. Die Navigation in solchen Symbolsystemen ist als Herausforderung beschrieben. Die Aufforderung, Differenz und Diversität nicht als Mittel der Distinktion zu missbrauchen, ist darin inkludiert. Sich den Kulturen zu verweigern, ist unmöglich: Die Grade der aktiven oder passiven Teilhabe sind jedoch gestaffelt. Die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in der heterogenen Gegenwartsgesellschaft, gemessen an Faktoren wie ökonomischen oder sozialen Privilegien, obliegt der politischen wie gesellschaftlichen Verantwortung. Die Forschungen beider Wissenschaftler eint, dass sie die Symbolsysteme von (bestimmten) Kulturen beschreiben und interpretieren, Vergleiche anstellen, Ausgangspunkten nachspüren, Differenzen formulieren und dadurch Rückschlüsse auf gesamtkulturelle Phänomene ziehen können. Die Vermittlung der Erkenntnisse, in ihrer fluiden Verfasstheit und der temporären oder lokalen Gültigkeit, ist die Herausforderung der Gesellschaft in Transformation. Die mediale Beschleunigung der Konstitution dieser Symbolsysteme birgt Spannungsfelder, aber auch Potenziale. Wenn die Erkenntnisse als nicht absolute Resultate gewertet werden,
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sondern, mit Geertz, als Beiträge im menschlichen Diskursuniversum1 weitergedacht werden, wird der Möglichkeitsraum der Kulturen ausgeschöpft. Der Möglichkeitsraum ist geprägt durch Hauptrouten und durchzogen von Nebenwegen, im Sinne des Eingangszitates des Historikers Karl Schlögel. Das Aufspüren von unterschiedlichen Ausgangspunkten und das konsequente Verfolgen aller denkbaren Spuren und Wege sind das Resultat einer multiperspektivischen Sicht auf Kulturen – im Selbstverständnis eines Möglichkeitsraumes oder Bedeutungsgewebes – und ihre Geschichte(n). Innerhalb von Bedeutungsgeweben ergeben sich Knotenpunkte, die als Konzentrationsorte unterschiedlicher Herangehensweisen und als Schnittmengen definiert werden können. Diese Konzentrationsorte lassen sich an das Konzept der Erinnerungsorte knüpfen. In den westlich geprägten Kulturen, die auf schriftliche und materielle Überlieferung ausgelegt sind, zählen neben Bibliotheken, Archiven und Gedenkstätten vor allem Museen als Speicherorte des kulturellen Erbes und kollektiven Gedächtnisses. Sie sollen Momente der Verortung schaffen und als Navigationshilfen, verpackt als oder in Bildungsinstitutionen mit Auftrag, im System der Kultur (inhaltlich wie wirtschaftlich) funktionieren. Sie sollen Möglichkeiten der kulturellen Teilhabe bieten – uneingeschränkt. Die Herausforderungen von Museen liegen darin, ihre Programme transparent zu gestalten und unterschiedliche Verortungsmöglichkeiten2 für Besucher*innen zu schaffen. Im Sinne einer „mikroskopischen Untersuchung“3 soll das Museum Ostwall im Dortmunder U – mit Werken von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwart – betrachtet werden. Der gewählte Ort ist der Ausgangspunkt, um lokale Besonderheiten zu beschreiben und andere lokale Bezüge herzustellen. Es gilt Ansätze zur Verortung, im Sinne der Navigation durch das Symbolsystem, zu schaffen. Die Erkenntnisse der Untersuchung sind demnach Grundlagen zur Herstellung diverser Bezugsfelder im Sinne einer Open Source. Der Entschluss, das Dortmunder Kunstmuseum als Ausgangspunkt dieser diversen Bezugsfelder zu wählen, ist auf mehreren Ebenen besonders reizvoll: Der Ort selbst ist ein Erinnerungsort, der sich in Transformationen, bedingt durch gesellschaftlichen Wandel, gründet. Er ist lokalen wie nomi1 Vgl. Halbmayer 2010, online, o. S. 2 Vgl. Hübscher 2015, S. 44−47. 3 Fröhlich/Mörth 1998, S. 18.
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation
nellen Veränderungen ausgesetzt und prägt zugleich Quartiere und Bezeichnungen mit. Das Kunstmuseum ist als (stadt-)gesellschaftlicher Ort zu verstehen, es ist ebenso als rahmende wie auch gerahmte Kulturinstitution im Bildungsbereich etabliert sowie der Suche nach sinnstiftenden Momenten im Freizeitverhalten der Besucher*innen verpflichtet. Das Kunstmuseum ist Speicherort des kulturellen Erbes und als Geschichtsort ästhetisch gefasster Geschichte zu verstehen. Der Fokus der mikroskopischen Betrachtung liegt auf der Konstitution des Ortes (Museum), im Ort (Dortmunder U), im Ort (Stadt), er ist geprägt von Menschen und ihren materiellen wie immateriellen Zugängen zum kulturellen Erbe und ihren Umgangsformen damit. Der Ort zeigt diskutierbare Common Threads, zeigt gesellschaftliche, politische und soziale Differenzen und generiert intergenerationale und interkulturelle Kommunikation. Die Betrachtung dieses lokal bestimmten Ortes birgt auch Möglichkeiten der Bestimmung von woanders Lokalisiertem auf einer Metaebene. Sie bewegt sich zwischen unterschiedlichen Institutionsverständnissen, Objektverständnissen und Kulturverständnissen. Die Beschreibung des Museums Ostwall im Dortmunder U ist als Fallbeispiel gedacht, je nach Fokus in Bezug auf Zeitgeschichte, Lokalgeschichte, Architekturgeschichte oder Sammlungsgeschichte. Die Betrachtung ist zeitlich gerahmt. Im Fokus liegen die ersten Jahre4 nach der Migration in das neue Quartier, die sowohl in Bezug auf die Institutionsidentität, Sammlungsgeschichte und die Stadtgeschichte Zäsuren darstellen. Die Beschreibung bietet die Chance der parallelen Betrachtung der multiplen Realitäten eines städtischen Kunstmuseums. Das Museum wird zur Projektionsfläche, zum Konzentrationsort und zum Labor der Arbeitsbegriffe, die im Kapitel Kulturen als Reflexionsflächen – Begriffe als Tools in transformativen Prozessen diskutiert werden. Ein Interesse liegt auf den partizipativen Potenzialen des Ortes selbst, vorerst jenseits der Vermittlungssituation vor dem Kunstobjekt im Museumsraum.5 4 Die Jahre 2010−2019 sind als von Umbrüchen geprägte Jahre zu beschreiben. Mit der Verände-
rung der Direktion wurden vor allem inhaltliche Neuorientierungen angebahnt, die zu diesem Zeitpunkt der Forschungsbewegung noch nicht im Kontext der Museums- und Sammlungsgeschichte einschreibbar sind. Der gewählte Zeitraum bezieht sich auf den Einzug, die ersten Sammlungspräsentationen bis hin zum ersten großen Umbau im Frühjahr 2019 im nun nicht mehr ganz neuen Quartier im Dortmunder U. 5 Die folgenden Ausführungen sind in wenigen Grundzügen publiziert in: Hübscher 2017, S. 105−124.
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Stadt Die gesellschaftliche Relevanz von Museen misst sich, neben der Objektauswahl und der Wahl der kontextualisierten Themen, häufig auch an ihrem Standort. Museen sind immer eingebunden in Architekturen und im Stadtraum oder im ländlichen Raum verortet. Die Aufmerksamkeit für den Standort im Stadtgefüge oder in anderen Umgebungen ist ein wesentlicher Faktor, der bei der Betrachtung dieser kulturellen Konzentrationsorte, ihrer Nutzung und Wahrnehmung in der Community und darüber hinaus relevant ist. Die Stadt ist der Ort der Versammlung: In ihr sammeln sich Menschen und ihre Handlungen, sie ist gebaut in unterschiedlichen Stilen und Materialitäten und sie ist mit verschiedenen Funktionen besetzt. Städte sind historisch gewachsen, materielle und immaterielle Schichten, Geschichte(n) und Biografien6 durchkreuzen ihre Orte und Räume. Sie beheimaten kurzzeitig oder langfristig Tiere und Pflanzen, Menschen mit ihren Ritualen und ihren Objekten. Die Stadt ist ein Gedächtnisort und Bildungsraum7 auf lokaler und globaler Ebene sowie der gegenwärtige Ist-Zustand und gedachte Zukunftsvision. Der Bundesbaustaatssekretär Gunther Adler formulierte bei der Eröffnung des 26. Bundeskongresses „Städtebaulicher Denkmalschutz“ resultierend: „Unser baukulturelles Erbe ist städtisches Gedächtnis, Ressource und Entwicklungschance zugleich. […] Aktuell geht es mehr denn je um die Frage nach einer europäischen Identität, die in der Stadtgesellschaft gelebt wird und insbesondere am baulichen Erbe ablesbar ist.“8 Die Stadt ist ein eigenes kulturelles System, dessen Analyse nicht linear oder gar vorhersehbar ist. Städte sind keine Texte, denn so Karl Schlögel: „Texte kann man lesen, in Städte muß man hineingehen. Man muß sich umsehen. Orte kann man nicht lesen, sondern man muß sie aufsuchen, um sie herumgehen. Gebäude und Plätze sind etwas anderes als Reproduktionen von Gebäuden, Interieurs etwas anderes als der Roman, in dem sie vorkommen. Es geht um Raumverhältnisse, Entfernungen, Nähe und Ferne, Maße, Pro6 Biografie wird hier durch die Verwendung des Begriffes im Kontext von Orten erweitert. Die Bio-
grafie von Orten beinhaltet implizite wie explizite Veränderungen, Umcodierungen und Einschnitte. Diese prägen das heutige Erscheinungsbild maßgeblich mit und machen die Identität des Ortes aus. Ihre Biografien sind wie der Ort selbst in ständiger Transformation. 7 Welzel 2017, S. 105−124. 8 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat 2018, online, o. S.
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation
portionen, Volumina, Gestalt. Räume und Orte stellen gewisse Anforderungen, unter denen sie nicht zu haben sind. Sie wollen erschlossen sein. […] Das geht nicht ohne Schulung des Auges, nicht ohne Feldstudien, nicht ohne Arbeit vor Ort.“9 Der Umgang mit Räumen und Orten ist ein gesellschaftliches wie auch ein (bildungs-)politisches Thema. Die Bedeutungen von Orten als Bedingungen kultureller Diversität sowie die Anerkennung von Lebensräumen als anthropologische Grundlage gewinnen an Aufmerksamkeit. Der Stadtraum ist als Ausgangspunkt, als Rahmen, innerhalb dessen sich Prozesse ereignen, und als veränderbarer Möglichkeitsraum in vielerlei Hinsicht relevant, denn Städte geben „in einer modernen, urbanen Gesellschaft den Handlungsraum der Bürgerinnen und Bürger für direkte politische Mitgestaltung. […] Die Prozesse der Stadtentwicklung sind damit das Medium, über das zum einen die allgemeinen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu konkreten Lebensverhältnissen verdichtet werden, über das zum anderen die praktische Ausformung konkreter Lebensbedingungen den allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungslinien ihre endgültige Gestalt gibt.“10 Auch mit der Verabschiedung der Leipzig Charta erklären sich die für Stadtentwicklung zuständigen Ministerien dazu bereit, die gewachsene europäische Stadt in ihren Dimensionen als „wertvolles und unersetzbares Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgut“11 zu schützen. Dies bestätigt die Rolle der Stadt – mit all ihren Bestandteilen, Verkehrswegen, Architekturen und Heterotopien12, ihren historischen Dimensionen und zeitgenössischen Entwicklungen – als strukturgebende und sozialisierende Instanz und expliziter Raum für Diversität. Städte sind in ihrer Allgegenwart fortwährend identitätsstiftend und als Orte der Bildung von Relevanz. Auch die Etablierung von Begriffen wie dem „Urbanen Lernen“13 oder der Diskussion um einen „Baukulturellen Bildungsbegriff“14 im Kontext von Schulbildung ist hierbei zu erwähnen. Das Aufsuchen im Sinne der Anbahnung von Verortungsprozessen ist das ver9 Schlögel 2003, S. 22. Vgl. dazu auch: Welzel 2014 a, S. 10−11. 10 Stadt und Gesellschaft, Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung, o. J., online, o. S. 11 Informationen zur Raumentwicklung 2010, S. 315. 12 Vgl. weiterführend: Foucault 2005. 13 Vgl. hierzu u. a. Thuswald 2012/13, online, o. S. 14 Vgl. hierzu u. a. Wüstenrot Stiftung 2010. Und als Best-Practice-Beispiele: Busse/Welzel 2013
oder Welzel 2014 b, S. 294−302.
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einende Element all dieser Ansätze. Das Spektrum der Untersuchungen von Orten in der Wissenschaft wie in der praktischen Bildungsarbeit reicht von der Analyse konkreter Erinnerungsorte bis zur Annäherung an Nicht-Orte15. Die Beschäftigung mit der Stadt kristallisiert sich auf deskriptiver Ebene in den Begrifflichkeiten Ort und Raum. Eine Unterscheidung zwischen Ort und Raum ist vor allem in der Betrachtung von Orten in Transformation wesentlich, wenngleich sich gerade wandelnde Orte in einer Unschärfe der Begriffe bewegen. „Ein Ort bezeichnet einen Platz, eine Stelle, konkret benennbar, meist geographisch markiert oder wie es Jörg Brauns ausdrückt, ‚im Ort ist das Eigene, Unverwechselbare, Nichtvergleichbare aufgehoben‘.“16 Orte oder Teile von Orten können durch „relationale (An)Ordnung[en] von Lebewesen und sozialen Gütern“, vor allem aber durch Interaktion zum (autonomen) Raum17 verdichtet werden. Orte und Räume müssen demnach immer in Transformationen gelesen werden. Sie bedingen sich, lösen sich auf, überlagern sich und gehen ineinander über. Sie sind rein visuell und auch historisch betrachtet nicht statisch und folgen der Konzeption der Erinnerungsorte.18 Das Besetzen von Plätzen und das sich daraus ergebende Schaffen von Räumen, das Umstrukturieren von Orten und das Überformen von Flächen sind Bestandteile kultureller wie auch politischer Praxis. Die Relevanz der historisch gewachsenen Orte und das Bewusstsein für den Erhalt von Bausubstanzen als baukulturelle Zeitzeugenschaften geraten dabei häufig außer Acht. Die Fragen nach der Transformationsgeschichte des Ortes werden nur selten gestellt, da die Wahrnehmung von Orten häufig Momentaufnahmen gleicht – ähnlich einem touristischen Blick mit eigenen Qualitäten, jedoch primär ohne identitätsstiftenden Trigger. Die Erkenntnis über die Geschichte(n) von Orten wird explizit in Bildungssituationen oder pädagogischen Settings berücksichtigt oder wird als individualbiografische Erinnerungen 15 Vgl. dazu weiterführend: Augé 2012. 16 Löw 82015 a, S. 199. Löw zitiert hier Brauns 1992, S. 163. 17 Ebd., S. 158 f. 18 Vgl. weiterführend: Krohl/Lang 2010, S. 184 ff. „Erinnerungsorte sind daher selten konkret-ding-
lich, ihre Bedeutung liegt vor allem in ihrem referentiellen Charakter.“ Bezugnehmend auf Nora 1984.
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von Protagonist*innen einer Community verbucht – nur wenige Orte sind mit ihren historischen Konstitutionen ein Teil des kollektiven Gedächtnisses. Mit der Umcodierung und der damit verbundenen Änderung der Funktion von Bauwerken, Plätzen oder Räumen verändert sich die gedankliche und emotionale Wahrnehmung der Orte – ihre Rezeptionsästhetik – wie auch die unmittelbare Geschichte oder ihre Biografie. Aktuelle wie historische Bedeutung erlangen Orte dann, wenn sie ihre Geschichte(n) noch oder neu erzählen können, ihre biografischen Spuren ablesbar sind und sie zu Vermittlungsräumen ihres Selbst sowie zum Display19 für Neues/Anderes/Fremdes werden. Der Spagat, gezeigt zu werden und zugleich zeigen zu können, gelingt jedoch nur selten. Einige wenige Orte werden durch Okkupation zu multiperspektivischen Erinnerungsorten und finden Platz im kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft und verhelfen ihr zu einer kulturellen Identität.20
Wandel Das heutige Ruhrgebiet war und ist durch die Industrialisierung, das Trauma des Zweiten Weltkrieges, den Wiederaufbau und die Deindustrialisierung geprägt. Neben dem Verlust wertvollster Bausubstanz durch Bombenangriffe und die anschließenden Räumungsarbeiten hat zuletzt die Wucht des Strukturwandels Auswirkungen auf individuelle, die Lebensumstände betreffende Faktoren wie Arbeitslosigkeit oder Veränderungen der Infrastruktur. Die nostalgische Konstruktion des Ruhrgebiets der „Malocher“ und die romantisierende Ansicht des Arbeitsalltags von Kumpeln in der Kohle ist eine gelungene zeitgeschichtliche Auslegung, die Qualitäten einer Marketingstrategie aufweist. Jedoch verliert diese Erzählung der uneingeschränkten Solidarität der Arbeiter kein Wort über gesellschaftsprägende patriarchalische Machtstrukturen und ignoriert die Ausschlachtung von menschlichen und stofflichen Ressourcen und die damit verbundenen sozia19 Vgl. McGovern 2013, S. 43−47. McGovern betont die funktionale wie ästhetische Funktion eines
Displays, Fremdes visuell zu betonen. Das Display tritt als Fläche in den Hintergrund und wird zur Schaufläche und Ausstellungsplattform für das Gezeigte. 20 Vgl. Assmann 1988, S. 9−19.
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len und ökologischen Katastrophen mit Ewigkeitswert. Viele Städte werden im Zuge des vielschichtigen Wandels an die Grenzen ihrer Identitätskonstruktion gezwungen. Politische Bedingungen und ökonomische Voraussetzungen führen zu Strategien des irreversiblen Rückbaus von Landmarks und darin eingeschriebenen sozialen Ordnungen. Man könnte diese Haltung auch als Grundproblematik der deutschen Kultur und ihrer Strategien zur Vergangenheitsbewältigung diskutieren. Aus der Not erwächst jedoch eine Chance, zumindest in Bezug auf das gebaute Kulturerbe: Der Umgang mit verlassenen Industriearchitekturen in der Region ist vielfältig und führt eine Fülle an stadtplanerischen Überlegungen, architektonischen Lösungen, ökologischen Ideen, Fragen des Denkmalschutzes und auch künstlerischen Ansätzen21 mit sich. Beispielsweise sorgen erst die fotografischen Typisierungen industrieller Bauten durch Bernd und Hilla Becher für das gesellschaftliche Bewusstsein um die Existenz, den architektonischen Wert und den Schutzbedarf dieser Orte.22 Die Wertschätzung der Gebäude und Anlagen als Teil der Kulturlandschaft des Ruhrgebiets besteht erst seit dem Nordrhein-Westfalen-Programm 197523, welches erstmals „bauliche Zeugnisse der Industrialisierung grundsätzlich für denkmalwürdig erklärte“.24 Ein Resultat der Schutzinitiative der 1970er Jahre ist die heutige Route Industriekultur, die neben weiteren auch Orte der von der Stiftung Industriedenkmalschutz betrauten Erinnerungsorte einschließt.25 Die Umcodierung der Orte, die zwischen dem Erhalt von Bausubstanzen und denkmalgeschützten Anlagen und Orten, der Rückeroberung der Brachen durch Flora und Fauna und dem 21 Auszug aus einem Gespräch mit Volker Kahmen und Bernd und Hilla Becher. Kahmen: „Für die
meisten hatte die Kunst der Bechers, die seit 1959 als Paar zusammenarbeiten, die Aufnahmen von Hochöfen, Fördertürmen, Wassertürmen und Fabrikhallen noch nicht mal was mit Fotografie zu tun. Man muss sich vor Augen halten, dass es sich dabei um anonyme Architektur handelt, um Funktionsbauten, deren Bedeutung in den 60er und auch noch 70er Jahren kaum einer erkannt hat.“ Hoffmans 2002, online, o. S. 22 Vgl. dazu Ellerbrock 2010, S. 8. 23 Das Programm sah u. a. die Bezuschussung für die „Wiederherstellung und Erhaltung der künstlerischen und technischen Baudenkmäler des Landes“ und die „Beseitigung der noch vorhandenen Kriegsschäden; Sicherung und Restaurierung wertvoller profaner Baudenkmäler; Erhaltung technischer Kulturdenkmäler“ vor und plante dafür 70 Mio. DM ein. Landesregierung NordrheinWestfalen 1970, S. 20. 24 Ellerbrock 2010, S. 8. 25 Die Route Industriekultur ist eine Initiative des Regionalverbandes Ruhr und weiterer Partner*innen.
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aktuellen kulturellen Geschehen26 changiert, wird zum neuen öffentlichen Konzept und führt zum publikumswirksamen Umgang mit dem Strukturwandel als vielseitiges Potenzial. Der Erhalt dieser wichtigen Erinnerungsorte in der Region steht meist in Opposition zu Grundstücksverkäufen und fehlenden Investoren für nicht kommerzielle Nutzungskonzepte. Aus ehemaligen Umspannwerken, Kraftzentralen und Salzlagern werden Konzertund Veranstaltungshallen. Ganze Stadträume werden umcodiert und zu neuen Lifestyle-Spots definiert.27 Kulturorte dieser Art finden wir in allen deutschen und europäischen Großstädten. London ist als Role-Model für publikumswirksame kulturelle Überformungen industrieller Anlagenbauten im europäischen Ausland zu verstehen – die Prozesse der damit verbundenen Gentrifizierung sind inbegriffen.28 Die Umnutzung des Gebäudekomplexes der 1989 geschlossenen Old Truman‘s Brewery29 im Londoner Osten ist ein treffendes Beispiel für die Re26 Die Orte werden bspw. als Spielstätten der Ruhrtriennale genutzt. „Die Ruhrtriennale ist das
Festival der Künste der Metropole Ruhr. In ehemaligen Kraftzentralen, Kokereien, Gebläsehallen, Maschinenhäusern und Kohlemischanlagen, auf Halden und Brachen von Bergbau und Stahlindustrie zeigt das Festival […] Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Installationen und Konzerte. Über sechs Wochen wird die Einzigartigkeit dieser nachindustriellen Orte mit aktuellen Entwicklungen der internationalen Kulturszene verbunden.“ Vgl. dazu Ruhrtriennale Spielstätten, o. J., online, o. S. 27 Bspw. Kulturbrauerei, Berlin. 28 Carmen Mörsch merkt an: „Die Strategie, Industrie- oder Landschaftsbrachen durch die Besiedlung mit Kultur wiederzubeleben, ist auch in Deutschland gut bekannt. Bekannt sind auch die problematischen Aspekte, mit denen solche Umnutzungen verbunden sind. Eine Kritik betrifft die Instrumentalisierung von Kunst als Standortfaktor und Beschleunigerin von Gentrifizierungsprozessen. Weiterhin leiden häufig lokale, selbstorganisierte Kulturinitiativen unter repräsentativen Großprojekten, weil letztere die wenig verfügbaren öffentlichen Fördermittel akkumulieren. Ein weiteres Spannungsfeld entsteht in der Regel durch den Widerspruch, dass ein Großteil der jeweiligen Bevölkerung in den Strukturwandel Richtung Kultur nicht mitbestimmend einbezogen ist, selten davon profitiert und eine dementsprechend skeptische Haltung an den Tag legt […].“ Mörsch 2006 a, S. 20 f. Mörsch verweist auf Schmücker 2003 und Ullrich 2004. Mörsch führt das Turner Contemporary in Margate als positives Beispiel auf. 29 Ein vom Gründungsjahr 1666 bis zur Schließung 1989 in ständiger Erweiterung befindlicher Gebäudekomplex. Siehe Truman Brewery, Webauftritt, o. J. Um 1850 war Truman zeitweilig die größte Brauerei der Welt und importierte Bier nach Australien, Westindien und Amerika. Das Ensemble weist unterschiedliche Baustile auf, welche die verschiedenen wirtschaftlichen Aufschwünge und damit baulich beschriebenen Erweiterungen dokumentieren. Der 50 Meter hohe Backstein-Schornstein mit dem Truman-Schriftzug ist heute noch weithin sichtbar. Er wurde im Zuge der letzten Erweiterungen der Kesselhäuser um 1929 erbaut. Vgl. Cornell 2013, online, o. S.
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aktivierung eines verlassenen Quartiers hin zum „lively kaleidoscope of past and present“30. Das noch immer alternativkulturell geprägte Viertel bietet Platz für unterschiedlichste Formate – Galerien, Veranstaltungsflächen oder Marktplätze –, der Erhalt des Gebäudekomplexes, der mehrere Straßenzüge umfasst, ist jedoch augenscheinlich nur Nebensache.31 Anders verhält es sich mit dem im Oktober 2018 eröffneten Coal Drops Yard32 im Norden der Stadt. Das neben der Central Saint Martins University of Arts, dem Regents Canal und nahe dem Bahnhof King’s Cross/St. Pancras gelegene Industrieareal wurde durch die Umbaumaßnahme ab 2014 durch die Architekt*innen des Büros Heatherwick Studio und die damit verbundenen Neucodierungen erst zum sichtbaren Erinnerungsort: Die nach dem Niedergang des Kohleabbaus in Nordengland in den 1980er Jahren verwaisten viktorianischen Langlagerhallen aus den 1850er Jahren wurden jahrzehntelang nicht beachtet und dadurch bewahrt. Sie entgingen so dem Londoner Bauboom, der die Grenzen des verdichteten Stadtraumes täglich neu diskutiert. Das Gebäudeensemble war in seiner ursprünglichen Funktion dem Anliefern, Verladen und Bewahren der Kohle verpflichtet und folgt den Logiken der Arbeitsabläufe und logistischen Grundvoraussetzungen. Der geschichtstragende Ort, die Hallen als gebaute Erinnerungen an die Industrialisierung und als Gedächtnisspuren der Montanindustrie wurden, ähnlich einem Filmstill, vom bewegten Stadtraum isoliert und dadurch in ihrer Historizität konserviert. Die historische Bausubstanz wurde zu großen Teilen restauriert und architektonisch mit der Gegenwart verknüpft. Das viktorianische Satteldach transformierte zum Träger eines futuristisch geschwungenen und begehbaren Dachkonstrukts. Die erhöhte Fusion beider Hallen durch die zentrale Dacharchitektur folgt der Idee des historischen Mittelpunkts von Marktplätzen. Als sichtbares erhöhtes Zentrum, gleich einer Bühne, wird der Markt als Ort des Geschehens kommuniziert. Heatherwick Studio war es bei
30 Stanford o. J., online, o. S. 31 Der Gebäudekomplex ist bisher nicht von staatlichen Organisationen wie bspw. dem National
Trust als schützenswertes Anlagenensemble anerkannt. Die private Stiftung Landmarktrust nimmt sich dem Viertel an. 32 Der Umbau des Industrieareals erfolgte durch das Londoner Architekturbüro Heatherwick Studio. Siehe Heatherwick Studio, Webauftritt, o. J.
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der Konzeption des Ortes wichtig, ihn in seiner Funktion als Ort des Vorbeigehens und Ort des Verweilens zu kennzeichnen, damit wird die ursprüngliche Nutzung als zeitweiliger Ort zitiert. Zugleich werden die geschichtlichen Dimensionen durch die Wahl des Materials weiter beschrieben. Die neu verwendeten Materialien sind Verweise auf die historische Bausubstanz: Der Schiefer für die neue Bedachung gleicht dem historischen Vorbild, Teile der ursprünglichen Backsteine wurden neu verbaut. 33 Heatherwick Studio leistete neben der baulichen Neuordnung und der Umcodierung des Viertels auch einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt viktorianischer Bausubstanz im Londoner Stadtgebiet.34 Selbst im Viertel ansässig, fragte der Architekt Thomas Heatherwick besonders nach den Bedürfnissen des Quartiers als Möglichkeitsraum mit diversen Zugängen und erweitert durch die architektonischen Lösungen das Handlungsspektrum an Orten des Konsums um ein Vielfaches. Die Versammlung von Institutionen, Freizeitangeboten und Rastplätzen im Tempo der Londoner Metropole zeichnen den Ort aus. Auch für die Umnutzung und die damit verbundene Neucodierung von Industriebauten explizit als Museumsbauten erweist sich London als ein prominenter Schauplatz. Mit dem Umbau eines ehemaligen Kraftwerks, der Bankside Power Station,35 im Süden Londons durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron als Standort der Tate Modern wurde ein Standard gesetzt. Das Schweizer Büro überzeugte mit seinem Entwurf, da dieser den Erhalt von originärer Bausubstanz im Fokus hatte.36 Der Gründungsdirektor Nicholas Serota kommentiert die Wahl des Büros: „What we liked particularly about them was the way they opened up the building. […] After all, it had been de33 Heatherwick Studio, Imagefilm 2018, 1:14−1:24 min. 34 Vgl. Mac 2018, online, o. S. 35 Erbaut von Sir Giles Gilbert Scott ab 1947 in zwei Bauphasen bis 1963. 36 Der Umbau wurde bereits kurz nach der Fertigstellung kontrovers betrachtet. Der Erhalt der
historischen Bausubstanzen war hierbei stets ein zentraler Punkt: „Tate Gallery Director Sir Nicholas Serota has been at pains to point out that the Tate Modern project […] is ‘not about restoration‘. Serota is adamant that ‘this is not a heritage monument’. Yet, by selecting Herzog & de Meuron, then a relatively unproven practice, and rejecting more radically transformational proposals by, among others, David Chipperfield and Tadao Ando, the Tate deliberately ensured that the essential identity of Sir Giles Gilbert Scott’s monumental temple of power would remain unchanged. As Harry Gugger of Herzog & de Meuron insists: ‘It’s not about restoration, but it is about working with Scott and not against him. In a sense, we had to battle with the building, but we never wanted to destroy it or spoil it.’“ Powell 2016, online, o. S.
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signed like a fortress, almost to keep people out, but they turned that round and brought in light and openness – transparency, in fact.“37 Das 1981 geschlossene Elektrizitätswerk wurde ab 1994 bis auf die ursprüngliche Stahlkonstruktion und Teile des Ziegelmauerwerks rückgebaut. Die Wiederverwendung der ungereinigten Ziegel, die Inszenierung der historischen Patina und das Bewahren des nun funktionslosen Schornsteins sind zentral als visuelle Überlieferungen und als Erinnerungsspuren verbaut beziehungsweise erhalten. Die Eingangssituation der Tate Modern wird heute durch die imposante Turbine Hall bestimmt, die Ausstellungsflächen sind im Kesselhaus untergebracht38 − die ursprüngliche Funktion der Räume ist nominell, visuell jedoch nur sekundär ablesbar. Die Logiken des industriellen Entwurfs sind vor allem über die Größenverhältnisse und die Dimensionen von Raumeinheiten, Sichtachsen und Wegstrecken einordbar. Der Erinnerungsort gibt nicht unmittelbar seine Geschichten preis, sondern generiert durch seine Ausmaße das implizite Interesse der Besucher*innen, herausfinden zu wollen, wofür solch ein überdimensionierter Ort ursprünglich konzipiert wurde. Mit der Eröffnung der Tate Modern im Jahr 2000 gelingt Vierfaches: Erstens wird die weltweit größte zusammenhängende, dauerhaft präsente und institutionell gerahmte Fläche für moderne Kunst eröffnet, zweitens gelingt damit ein touristischer Super-Coup an prominenter Stelle im Stadtraum und drittens wird ein wesentlicher Beitrag zum Erhalt industrieller Architektur im Zentrum Londons geleistet und mit ihrer Nutzung manifestiert. Viertens wird, und dies ist im Kontext von Überlegungen zur Erinnerungskultur besonders erwähnenswert, ein Identifikationsprozess zwischen Stadtbewohner*innen und der Institution durch die Erinnerungsarchitektur angestoßen: Routiniertes soziales Handeln am und mit dem Ort selbst wird konventionalisiert. Mit dem Konzept Late at Tate Modern erreicht das Museum regelmäßig zahlreiche Londoner*innen und inszeniert sich als After-Work-Spot mit der formulierten Einladung „simply enjoy the space, the music, the views“39. Die Dachterrasse wird zum „Hochsitz“ über den 37 Whitley 2000, online, o. S. 38 Vgl. Tate Modern London, History, o. J., online, o. S. Und: Herzog/De Meuron, Projekte. Tate Mo-
dern, online. Weiterführend: Rose 2016, S. 328−335. 39 Tate Modern London, Veranstaltungshinweis Late at Tate, 2019, online, o. S.
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Dächern Londons. Das Beobachten des sich ständig wandelnden Stadtpanoramas wird zur visuellen Vergegenwärtigung und zu räumlich erfahrbaren Veränderungsprozessen im unmittelbaren Habitat. Durch einen weiteren Zuschlag nach der Ausschreibung für einen Entwurf des Architekturbüros Herzog & de Meuron erhielt die Tate Modern den 2016 fertiggestellten Anbau, die sogenannten Tanks, mit weiteren Galerien und PerformanceFlächen. Die Beispiele zeigen, dass das Konzept der Erinnerungsorte und der Erhalt von Industriedenkmalen ineinander übergehen. Die Beispiele zeigen auch, dass die Neubesetzung von historischem architektonischem Leerstand häufig mit neuen Ideen und institutionellen Wandlungen zusammenhängt. Neue Stadtkonzepte werden in den neu besetzten Spots implementiert. Im Umgang mit verlassenen Industrieorten, aber auch mit entwidmeten Sakralbauten, werden zu Teilen anders lokalisierte, historisch gewachsene Räume an diese verlegt. 40 Die Migration von etablierten Kommunikationsräumen und gewachsenen Institutionen strapaziert das Konzept der Erinnerungsorte, bestätigt es jedoch in seiner Relevanz und in der Reflexion von Erinnerungskulturen.
40 Das Phänomen aktiver, doppelt codierter Orte wird in diesem Zusammenhang vorerst nicht dis-
kutiert. Die Nutzung und Wahrnehmung von Orten mit doppelter Codierung, wie Sakralbauten mit religiöser wie auch kultur- oder kunsthistorischer Relevanz, ist ein weiterer beachtenswerter Punkt in der Konstruktion von Erinnerungsorten und von kulturellen Konstitutionen.
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Foto: © COLLAGE: the London Picture Archive, ref: 282343.
Unten r: Truman´s Brewery, Brick Lane, London | 1956.
Oben r: Truman´s Brewery, Eingang, London | 2019. Foto: Sarah Hübscher.
Foto: © COLLAGE: the London Picture Archive, ref: 282365.
Oben l: Truman´s Brewery, Brick Lane, Eingang mit Logo, London | 1946.
Brick Lane, Straßenansicht/Details, London | 2019. Foto: Sarah Hübscher.
Oben r/Mitte/Unten r: Tate Modern, Außenansicht/Details, London | 2019. Foto: Sarah Hübscher.
Oben l: Bankside Power Station vor dem Umbau, London | ohne Datum. Foto: © Tate.
Unten: Tate Modern, Turbine Hall, London | 2008. Foto: © Tate.
Mitte: Bauarbeiten in der Turbine Hall, Bankside Power Station, London | 1996. Foto: © Tate.
Oben: Tate Modern, Außenansicht, London | 2019. Foto: Sarah Hübscher.
Unten: Coal Drops Yard/Coal Office, London | 2019. Foto: Sarah Hübscher.
Mitte l/r: Coal Drops Yard/Details, London | 2019. Foto: Sarah Hübscher.
© COLLAGE: the London Picture Archive, ref: 232607/32607.
Oben l/r: King›s Cross Goods Depot, London | 1977. Foto:
Unten: Coal Drops Yard Gesamtensemble, London | 2019. Foto: Luke Hayes.
Mitte: Coal Drops Yard Bogenarchitektur, London | 2018. Foto: Luke Hayes.
Oben: Coal Drops Yard Deatils, London | 2019. Foto: Sarah Hübscher.
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Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
Zurück ins Ruhrgebiet. Auch hier finden institutionelle Migrationsbewegungen von Museen in verlassene Industrieorte statt. Diese Binnenmigration von Institutionen beinhaltet sowohl Herausforderungen in Bezug auf das Selbstverständnis des Museums als auch Möglichkeiten der Neuerfindung und des Überdenkens bestehender Traditionen – zweifelsohne ist es ein Einschnitt in die Biografie der ursprünglichen Institutionen sowie der Identität des dann okkupierten Ortes. Das Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 hat eine Vielzahl dieser Migrationsprozesse angestoßen. Das prominenteste Beispiel ist wohl die Verlegung des Essener Ruhrlandmuseums in die Kohlenwäsche des UNESCO-Weltkulturerbes Zollverein und der damit verbundene Relaunch als Ruhr Museum. Die Kohlenwäsche ist der größte Bau im Gebäudekomplex Zollverein. Der 40 x 90 x 30 Meter dimensionierte, auf Betonpfeilern installierte, mit Ziegeln und Glas gefachte Stahlskelettkörper ist als Maschine konzipiert.41 Die darin verbauten Arbeitsmaschinen sind noch erhalten und als Denkmale im Obergeschoss sichtbar und begehbar, die Besucher*innen des Ruhr Museums folgen heute dem Weg der Kohle durch den Kohlebunker – von oben nach unten. Die Herausforderung der Neubesetzung dieses, aber auch anderer Industriebauten liegt darin, aus den bestehenden Nutzungskonflikten Kompromisse zu generieren und aus „Maschinengebäuden Menschengebäude zu machen“42 – die Infrastruktur eines Museumsgebäudes in die Maschine zu installieren. Des Weiteren sind die Bedingungen des denkmalgeschützten Ortes zu berücksichtigen sowie die Bedingungen der neu platzierten Objekte, ihre raumklimatischen Ansprüche, ihre Funktionen und ihre diversen Kontexte. Die Qualitäten des Ortes mit den Erinnerungsspuren der industriellen Hochzeit des Ruhrgebietes, die technischen Verfahrensabläufe sowie die unterschiedlichen Ausstellungsobjekte vermitteln sich den Besucher*innen durch ungewöhnliche Wegstrecken, architektonische Durchbrüche und visuell leitende Lichtsituationen. Die Industrie wird – anders als in der Tate Modern – zum Teil der szenografischen Inszenierung. Der Standort des Ruhr Museums in einem Essener Vorort auf Zollverein stellt das Museum – anders als das Beispiel der Tate Modern zeigt – als stadtöffentlichen Raum in die privilegierte Isolation im Ensemble des UNESCO-Welterbes. 41 Katalog Essen 2010, S. 24 f. 42 Ebd., S. 26.
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation
Mikro Das als Objekt der mikroskopischen Untersuchung gewählte Museum Ostwall im Dortmunder U, Dortmunds Museum mit Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, wurde genau wie das Ruhr Museum für das europäische Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 neu verortet. Mit seinem Umzug auf die 4. und 5. Etage des ehemaligen Gär- und Lagerhauses der Union Brauerei wurde das Museum zum neuen alten Ort am alten neuen Standort. Die Migration vom Ostwall 7 in den Westteil der Stadt, in das sogenannte Dortmunder U – den als Zentrum für Kunst und Kreativität ausgerufenen Ort –, beinhaltet zahlreiche Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen. Sowohl für die migrierte Institution mit ihren Objekten und Personen als auch für das neukonzipierte, okkupierte Quartier mit seiner ursprünglichen Infrastruktur und den industriell geprägten Flächen. Neben dem Kunstmuseum wurden ein Programmkino, der Campus Stadt der Technischen Universität Dortmund sowie das Institut für Bewegtbildstudien der FH Dortmund, die Ausstellungsfläche des Hardware MedienKunstVereins (HMKV), eine Etage für kulturelle Bildung (UZWEI Kulturelle Bildung) mit Werkstätten, eine Wechselausstellungsfläche, die Mediathek Weitwinkel sowie unterschiedliche Gastronomieformate eingerichtet.43 Das Kunstmuseum eröffnete unter der Leitung von Kurt Wettengl im Oktober 2010 unter dem Namen Museum Ostwall im Dortmunder U mit dem Sammlungspräsentationstitel Das Museum als Kraftwerk44. Die Teilfortführung seines Namens am neuen Standort kann als ein Statement in Bezug auf seine Herkunft verstanden werden. Die Kontinuität der ortsspezifischen Benennung „Ostwall“ ist ein Resultat politischer Aushandlungsprozesse, eine eigene Identitätsbewahrung und ein Identitätsfindungsprozess der zeitweise multilokalen, historisch gewachsenen Institution innerhalb einer Stadtcommunity. Der Aspekt, dass das Kunstmuseum der Stadt sowohl namentlich als auch inhaltlich von den Bewohner*innen der Stadt wiedererkannt wird, ist ein wesentlicher Punkt in der Rezeption und Akzeptanz solcher lokalen Änderungen. Im spezifischen Fall des Museums Ostwall ist der Wandel des Ortes allgegenwärtig. Das be43 Dortmunder U, Partner, o. J., online, o. S. 44 Wettengl bezieht sich auf Alexander Dorner, der den Leitsatz „Das Museum als Kraftwerk“
als Museumsdirektor des Landesmuseums in Hannover prägte Vgl. Dorner 1959; Wall 2006, S. 193−224; Katalog Dortmund 2010 b, S. 10−17.
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Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
reits 1947 am Ostwall eröffnete Museum ist mit seiner Sammlung migriert – das neue Konzept ist zukunftsweisend. Die Minimierung des industriellen Leerstands im Westen der Stadt führt im Osten zu einem vermeintlich sinnentleerten Stück des baukulturellen Erbes. Der Museumsbau am Stadtwall, als gebauter Teil der Museumsgeschichte, weist jedoch eigene Qualitäten eines Erinnerungsortes auf. Wenn in diesem Text das Dortmunder Kunstmuseum als Erinnerungsort beschrieben wird, so ist seine Geschichte multilokal und muss als solche auch erzählt werden. Der Blick auf das „alte“ Museum am Ostwall und seine Biografie ist die essenzielle Grundlage, um die Relevanz dieses Ortes sowie seine heutige Bedeutung innerhalb des Dortmunder U, der Stadt und der Region zu begreifen. Der Standort am Ostwall ist ein mehrfach umgebauter und umcodierter Erinnerungsort. Das ursprünglich von 1872−1875 als Königliches Landesoberbergamt nach Entwürfen des Berliner Architekten Gustav Knoblauch – als Verwaltungssitz des Bergbaus – errichtete Gebäude wurde erstmals 1911 neu besetzt. Das einstige repräsentative Gebäude an repräsentativer Stelle, am neu angelegten Wallring, wurde dann auch erstmalig zum Museumsort und zur Heimat des Kunst- und Gewerbemuseums der Stadt Dortmund.45 Der Umbau des Landesoberbergamtes zum stadthistorischen Museum erfolgte durch den Architekten und Stadtbaurat Friedrich Kullrich. Die Umbaumaßnahmen sind an der Außenfassade lediglich durch die vergrößerten Fenster im zweiten Obergeschoss ablesbar. Im Innern schuf Kullrich jedoch aus dem einstigen Innenhof des Verwaltungsgebäudes einen zwei Geschosse durchbrechenden Lichthof, der die repräsentative Aufgabe des Gebäudes mit seiner neuen Aufgabe architektonisch erfüllte: „Kullrichs Umbau ist vermutlich das erste Beispiel für die Umnutzung eines Industriedenkmals für kulturelle Zwecke im Ruhrgebiet.“46 Direktor Rolf Fritz erweiterte den Sammlungsbestand mit Gemäldeankäufen der Romantik, des Barock und des Mittelalters und benannte das Museum 1937 um: der Bestand wurde künftig im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte (MKK) präsentiert.47 Die Einberufung von Rolf Fritz in den Kriegsdienst im September 1940 er45 Vgl. dazu Hnilica 2014, S. 34−41. 46 Route Industriekultur, Themenrouten. Themenroute 6 − Dortmund: Dreiklang Kohle Stahl Bier,
o. J., online, o. S. 47 Stadt Dortmund, Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Provenienzforschung, o. J., online.
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation
gab, dass „Leonie Reygers als Stellvertretende Direktorin bis zum Mai 1944 Ausstellungen und Veranstaltungen durch[führte]. Bereits im Frühjahr 1943 organisierte sie die Auslagerung des städtischen, kirchlichen und privaten Kunstbesitzes in verschiedene Schlösser und rettete ihn dadurch.“48 Durch die Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude 1944 stark zerstört, der Lichthof blieb jedoch weitestgehend unbeschädigt49: „Hier richtete Leonie Reygers unter tatkräftiger Mithilfe von Dortmunder Bürgern einen provisorischen Veranstaltungsraum ein, um in der zerstörten Stadt erste Kulturveranstaltungen zu ermöglichen, bevor sie begann, das Museum rundherum Schritt für Schritt neu aufzubauen.“50 Der Wiederaufbau war von „Diskussionen um die Zukunft des neuen Hauses begleitet. Sollte es eine Kunsthalle oder ein Museum mit eigener Sammlung werden? Im März 1954 riet die Staatliche Museumspflege für Westfalen-Lippe zur Einrichtung eines Museums. Angesichts des Wettbewerbs zwischen den Städten sei eine unabhängige Institution für moderne Kunst besonders wichtig.“51 Auch inhaltlich prägte Leonie Reygers die Institution maßgeblich und „baute ein modernes Kunstmuseum auf, das zur demokratischen Bildung und Bildung der Demokratie beitragen sollte und die von den Nationalsozialisten als ‚entartet‘ verfemte moderne Kunst rehabilitierte. Dafür wurden nach Plänen des städtischen Hochbauamtes zwei Geschosse abgetragen, um Oberlichtsäle im ersten Obergeschoss zu erhalten. Die Fassade wurde mit einer neuen, hellen, einfachen Backsteinschicht umkleidet; zur Rückseite wurde ein neuer Saal mit einer gläsernen Rasterfassade angelegt, der sich über eine Freitreppe dem ebenfalls neuen Park zuwandte.“52 Der Wiederaufbau gleicht dem Bauen von Neuem auf altem Grund – der Erhalt von originärer Bausubstanz ist wegprägend. Das Gebäude etablierte sich als einer der ersten Museumsbauten der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg und avancierte mit dem 50er-Jahre-typischen architektonischen Antlitz als 48 Katalog Dortmund 2010, S. 138. 49 Der ausgelagerte Museumsbestand blieb unbeschädigt und wird nun im Museum für Kunst und
Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, im ehemaligen Gebäude der Städtischen Sparkasse (erbaut nach einem Entwurf von Hugo Steinbach, 1924), präsentiert. 50 Route Industriekultur, Themenrouten. Themenroute 6 − Dortmund: Dreiklang Kohle Stahl Bier, o. J., online, o. S. 51 Katalog Dortmund 2010, S. 137. 52 Sonne 2019, S. 34.
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Museum am Ostwall zum international beachteten Standort für Gegenwartskunst.53 Das gemeinhin als Nachkriegsbau verstandene Objekt ist ein Beispiel für die Qualität von Umbau-Architektur.54 Es weist in seiner Gestalt zentrale Elemente des Ursprungsgebäudes des Landesoberbergamtes beziehungsweise des Kullrich’schen Museumsbaus auf. Der sich über zwei Geschosse ziehende Lichthof wird auch zum Zentrum des neuen Kubusgebäudes. Auf die Historizität des Gebäudes verweisen die Segmentbögen der Erdgeschossfenster55, die auf Wunsch von Leonie Reygers (Direktorin von 1947−1966) eingeplant und umgesetzt wurden. Weiterhin ließ sie einen „gründerzeitlichen Kieselboden an der Nordseite freilegen, um an das ehemalige Oberbergamt zu erinnern. Sie trug durch ihren bewussten Umgang mit dem Bestand wesentlich zu der architektonischen Qualität bei, die das Gebäude heute bietet.“56 Die Architekturgeschichte des Hauses am Ostwall ist Teil der Stadtgeschichte Dortmunds und im Selbstverständnis gewachsener Städte ein unverzichtbarer Punkt auf der europäischen Landkarte. Das Gebäude ist als „versteckter Erinnerungsort“57 sichtbar, der sich durch seine beobachtbaren Geschichtsspuren visuell emanzipiert. Nicht zuletzt mit der Eröffnung des Baukunstarchivs NRW im November 2018 gelingt dem Museumsgebäude am Ostwall ein weiterer entscheidender Schritt. Das Baukunstarchiv NRW versteht sich als „zentrale Einrichtung zur Archivierung von nordrhein-westfälischer Architektur und Ingenieurbaukunst“58 und widmet sich der Sammlung von Zeugnissen aus Nachlässen von Architekt*innen und Städteplaner*innen und der Erforschung59 des baukulturellen Erbes. Auch hier wird im doppelten Sinne die Bedeutung des geschichtstragenden Ortes sichtbar: Die Wahl des Gebäudes als Archivort ist im Verständnis des Gebäudes am Ostwall als multipler Erinnerungsort aufzufassen, der ein „lebendiges Beispiel dafür [ist], welche erzählerische Kraft Architektur als ge-
53 Hnilica 2014, S. 13 ff. 54 Wiegand 2015, S. 16. 55 Sonne 2014, S. 7. 56 Wiegand 2015, S. 14. 57 Sonne 2014, S. 7. 58 Baukunstarchiv NRW, Baukunst im Archiv, o. J., online, o. S. 59 In Kooperation mit der Technischen Universität Dortmund.
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation
baute Geschichte entfalten kann“60. Das Ostwall – als Gebäude und in seiner Funktion – steht für Dortmunds wirtschaftlichen Aufschwung und seine Entwicklung zur Großstadt nicht nur während der Industrialisierung; es ist ein leise erzählender Zeuge der Kriegszerstörungen, die mehr als 90 Prozent der Innenstadtfläche Dortmunds ausradierten. Es ist gebautes Architekturverständnis der 1950er Jahre sowie „Ikone des Wiederaufbaus“61 und Denkmal einer engagierten Bürger*innenschaft mit Leonie Reygers an der Spitze, der die kulturelle Bildung der Stadtbevölkerung als ein besonderes Anliegen zugeschrieben werden kann. Das Ostwall ist mehr als ein Nachkriegs-Symptom, es ist ein Geschichtsort mit einem eigenen Symbolsystem und darin implementierten, aufspürbaren und im Idealfall ablesbaren Codes. Details wie die Segmentbögen verweisen auf baukulturelle Traditionen und ihre Transformationen. Der Übertrag des baulich Vererbbaren auch an den neuen Standort im Dortmunder U gelingt ebenfalls: Ein Ort, der sowohl den alten wie auch den neuen Standort kennzeichnet und als vermittelndes Element gelesen werden kann,62 ist der bereits erwähnte Lichthof, der sowohl am Ostwall 7 als auch im Dortmunder U die Eingangssituation63 bestimmt und präsenter Platz innerhalb des architektonischen Settings ist.64 Der als ästhetische Vermittlungsform von Architekturgeschichte und als gebautes Zitat der Institutionsgeschichte konzipierte Verweis ist eindeutig
60 Baukunstarchiv NRW, Baukunst im Archiv, o. J., online, o. S. 61 Hnilica 2014, S. 14. 62 Ein weiteres vermittelndes Element ist das Schaufenster, das sowohl die Fassade des wieder
aufgebauten Museums der 50er Jahre prägt als auch am neuen Standort im Dortmunder U durch bodentiefe Fenster den Einblick in den Museumsraum und das Geschehen im Inneren der Institution ermöglicht. Das Schaufenster kann als gebaute Idee eines „offenen Museums“ gelesen werden. 63 Der Eingang über den Lichthof auf der 4. Etage wurde bei der Sammlungsneupräsentation Fast wie im echten Leben 2017 auf die 5. Etage verlegt. 64 Vgl. Wettengl 2010 a, S. 18−21. „Die Gesamtarchitektur basiert sowohl auf den mit dem Museum abgestimmten Überlegungen von Gerber Architekten als auch auf den statischen und konstruktiven Notwendigkeiten: die Lage des Foyers und des Binnentreppenaufgangs, der Durchbruch der Decke zwecks hohem Foyer, die Öffnung des Museums durch große Fenster zur Kunstvertikalen und deren Verkehrswegen, die Grundentscheidungen für einen Steinboden und die Beibehaltung der massiven Unterzüge wie des Rasters der aufragenden Betonpfeiler. Im Foyer des Museums Ostwall liegt die Schnittstelle zwischen der Architektur Gerbers als Etui des Museums und der museologischen Binnenarchitektur auf den beiden Etagen, die das Museum Ostwall mit dem Berliner Architektenbüro Kuehn Malvezzi entwickelte.“
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wie uneindeutig: Das Zitat des zwei Geschosse durchbrechenden Lichthofs kann nur als solches verstanden werden, wenn der alte und der neue Standort referenziell gesehen werden und die Kausalität vermittelt wird. Dass die referenzielle Betrachtung beider Orte weiterhin gewährleistet ist und dass der Ort seine (Architektur-)Geschichte weiter in der Stadtgeschichte fortschreiben kann, ist abermals dem bürgerlichen Engagement eines breiten Bündnisses aus Stadtbevölkerung, Wissenschaft, Politik und Fachverbänden zu verdanken. Das nach dem Auszug der Institution Museum am Ostwall leerstehende Gebäude entging dem Abriss mit der in ihm ohnehin eingeschriebenen verantwortungsvollen Aufgabe, baukulturelles Erbe zu repräsentieren. Das Gebäude am Ostwall 7 ist heute das älteste Profangebäude der Dortmunder Innenstadt.65
Ort Das neu okkupierte Quartier des Kunstmuseums ist ein ebenso bewegter Erinnerungsort und ein weiteres Beispiel für „Bauen im Bestand“66: Das heute als Dortmunder U bekannte Bauwerk blickt, genau wie das Gebäude des alten Museums am Ostwall, auf Jahre des Wandels zurück und ist noch immer in Transformation. Der 1926 vom Dortmunder „Ingenieur-Architekten“67 Emil Moog als Maschine konzipierte Turm wurde 1927 erstes (Keller-) Hochhaus der Stadt.68 Das als Gär- und Lagerhaus geplante Gebäude aus Stahlbeton mit seiner Fassade aus Ziegeln und Naturstein folgte in seiner ursprünglichen Gestalt der Logik des Brauprozesses – von oben nach unten, von der Kühlung der Zutaten bis zur Auslieferung.69 Es wurde zum Leuchtturm der Union Brauerei und glänzte im wirtschaftlichen Aufschwung Dortmunds zur Bierhauptstadt Europas. Die ideelle wie auch tatsächliche Strahlkraft des modernen Komplexes wurde von Moog bereits in der Konzeption 65 Sonne, 2019, S. 33 f. 66 Wiegand 2015, S. 16. 67 Ellerbrock 2010, S. 6. 68 Vgl. einführend auch: Gliesmann 2014, S. 16−17. 69 Ellerbrock 2010, S. 25 f. Anmerkung: Dachgeschoß = Kühlschiffe/6.OG = weitere Kühlelemente,
Luftkühler und Lagerräume/5.OG = Lagerung Würze-Biermengen + Hopfen/4.OG Hauptgärraum (23000 hl)/3.2.1.OG Lagerräume (je 26000 hl)/EG Brauereihof/Kellergeschoß = Lagerraum).
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation
mitgedacht. Er entwarf den funktionellen Industriebau als Lichtarchitektur70 und krönte das höchste Gebäude Dortmunds mit einer Lichtpyramide samt einem sich drehenden Scheinwerfer und 67 zusätzlichen feststehenden Spots.71 Ein wahrhaftiger Leuchtturm inmitten der 1927 noch wenig illuminierten Stadt, zentral gelegen am Wall nahe dem Hauptbahnhof. Während des Krieges wurde im Turm weiter produziert72 und das U überstand trotz seiner zentralen Lage und vermutlich wegen seiner überdimensionierten Statik, der Stahlbetonwände und der zahlreichen Hohlpfeiler die Luftangriffe vom März 1945 nahezu unbeschadet. Hingegen wurden 75 Prozent des Großbetriebes73 im näheren Umfeld des Turmes zerstört. Die 1950er Jahre bescherten der Union Brauerei einen erneuten Aufschwung, „im Dezember 1956 wird der ‚millionste Hektoliter‘ gebraut,“74 gekrönt wurde der Boom dann 1968 mit der typografischen Marke, dem weithin sichtbaren vergoldeten U auf der Lichtpyramide des Industriebaus.75 Die 1970er Jahre standen im Zeichen des Strukturwandels, die Absatzzahlen sanken: Kohle, Stahl und Bier verloren an wirtschaftlicher Bedeutung in der gesamten Region. Auch Fusionen konnten nicht verhindern, was sich über Jahrzehnte hinweg abzeichnete: 1994 verließ die Union Brauerei den Turm und verlegte ihren Standort aus dem Zentrum Dortmunds in den Vorort Lütgendortmund.76 Der Gebäudekomplex mit dem einst höchsten Gebäude der Stadt verwahrloste und mit 70 Kirche und Bild: Dazu muss der Turm jetzt etwas sagen! Interview mit Filmemacher Adolf Win-
kelmann, o. J, online, o. S. Winkelmann: „Ich habe schon als Kind aus meinem Zimmer in der Rheinischen Straße darauf geguckt und mich gefragt: Was soll das? Das ist kein Museum, keine Kirche, sondern eigentlich nur eine Brauerei, für die eine zweckgebundene Architektur reichen würde. Und trotzdem ist da dieses Konstrukt auf dem Dach, wie eine dreifach gestufte Pyramide. Keiner konnte mir das erklären. Bis wir herausgefunden haben, dass der Architekt Emil Moog sich von der Lichtarchitektur in den USA inspirieren ließ: Früher waren in den Stützen Scheinwerfer, die das Dach beleuchtet haben – so dass die Brauerei wie ein Juwel gestrahlt hat. Emil Moog hat also regelrecht ein Logo für die Union Brauerei gebaut! Mit der Bilderuhr habe ich diese Lichtarchitektur wiederbelebt […].“ 71 „ Die Dortmunder Firma Allgemeine Elektromotoren-Werke (AEW) gestaltete die ,EisenbetonBeleuchtungspyramide‘ auf dem Kellerhochhaus. Ein drehbarer, elektrisch betriebener Scheinwerfer krönte die Dachkuppel, die von 67 Scheinwerfern angestrahlt wurde.“ Ellerbrock 2010, S. 25. 72 Jaeger 2010, S. 10−16. 73 Ellerbrock 2010, S. 31. 74 Ebd., S. 38. 75 Das U entstand nach Entwürfen des Architekturbüros Ernst Neufert, vgl. ebd., S. 51. 76 Ebd., S. 62.
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ihm ein ganzes Stadtviertel – zentral in einer der größten Städte Deutschlands. Die Ruine stand vor dem Abriss, es fehlten Investoren. Das Ausstellungsprojekt Reservate der Sehnsucht des Hardware MedienKunstVereins 1998 war wegweisend, die künstlerische Intervention im Leerstand – zwischen abgeplatzten Fliesen und zerstörten Gärbecken – proklamierte Aktion und beschrieb sich selbst als Gradmesser soziokultureller Phänomene: „Die Refugien der postindustriellen Gesellschaft fordern die permanente Okkupation und Negation öffentlicher Räume durch private Angelegenheiten ein. Das Private wird zum Öffentlichen, das Öffentliche zum Privaten und beide zum kommerziellen Spielfeld des einen Codes: fun, fun, fun. Die Ausstellung ‚Reservate der Sehnsucht‘ geht den verschiedenen Optionen der ‚Einrichtung im Unbehagen‘ nach. Auf vier Etagen einer Dortmunder Industrieruine […] wurden temporäre Displays […] installiert, in denen ‚Desaster‘ und ‚Easy Living‘ gleichermaßen zum Tragen kommen. […] Die kommerziellen Überformungen urbaner, landschaftlicher und sozialer Gefüge sind dabei ebenso Thema wie die Lebens- und Überlebensstrategien des Einzelnen an den Rändern des Öffentlichen und Privaten.“ 77 Aus dem Ausstellungsprojekt erwuchs die Idee, den Turm als zentralen Ort für Kunst und Kultur umzunutzen – das U entging so dem Fluch, eine identitätslose Shoppingmall zu werden.78 Die Stadt gewann eine Landmarke als Überlebende des Strukturwandels zurück. Die Ansiedlung von Kunst und Kultur sowie der Wissenschaft und Kulturellen Bildung gelang mit dem europäischen Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010. Die Herausforderungen des Bauens im Bestand waren groß: Der massive Turm – die Maschine –, der düstere Bunker ohne Fenster, dessen große Aufgabe über Jahrzehnte hinweg das Bewahren der kühlen Temperatur war, sollte nun zum offenen Haus, zum Habitat für Kunst, Kultur und Mensch werden. Es sollte Einblicke und Ausblicke für Besucher*innen ermöglichen, es sollte einladen, hereinzukommen und zu bleiben. Das Gebäude wurde kernsaniert79 und umstrukturiert, die Industriearchitektur ge77 Vgl. Dressler 1998, S. 10−15. 78 2011 wurde auf dem Areal der Thier-Brauerei im Südwesten der Innenstadt die Shoppingmall
Thier-Galerie mit 33000 qm Verkaufsfläche eröffnet. Lediglich das Verwaltungsgebäude der Brauerei blieb vollständig erhalten. 79 Der Ausbau wurde an das Büro Gerber Architekten vergeben. Ihr Konzept besticht durch Durchbrüche, wie die sich über die sieben Stockwerke erstreckende Kunstvertikale, und durch ausgelagerte Räume, die aus der Außenfassade hervorbrechen. Vgl. dazu Jaeger 2010, S. 10−16.
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation
weißt. Der Umgang mit dem neu entstandenen Raum ist auf den Etagen verschieden. Mal mehr, mal weniger kann das aufmerksame Auge die Spuren des Ortes ablesen: industriebauübliche Deckenstreben und Stützwerk sind sichtbar und erfüllen neben der inhaltlichen Rolle nun auch eine ästhetisch vermittelnde Funktion. Bodenplatten und Teile der Fassade wurden geöffnet und folgten der Aufforderung, Einladungen an die zukünftigen Besucher*innen zum Sehen und Entdecken auszusprechen. Das Dortmunder U wurde durch das Büro Gerber Architekten, das für den Gesamtumbau verantwortlich war, neu codiert. Gerber Architekten fand eine zeitgemäße architektonische Formensprache für die revolutionären gebauten Gedanken von 1926 und transportierte den „genius loci“80 ins 21. Jahrhundert. Das Volumen der einstigen Lagerflächen kann in den Weiten der Etagen gefunden werden, die Expansion der Union Brauerei und der Output der neuen Nutzung kann in den „Raumdurchdringungen von innen nach außen“81 in Form der aus der Fassade stehenden Kuben – die die Mediathek und den Lautsprecher (ursprünglich geplant als Ort der Klangkunst) beheimaten – gelesen werden. Die schwarz gefassten, frontverglasten Erker „gucken“82 aus der Architektur heraus und gewähren zugleich mögliche Einblicke in das Innere des Turms. Doch auch hier lässt sich ein gebautes Zitat vermuten. Die Fassade des Gebäudes am alten Standort ist vergleichbar geprägt von dem verglasten Stahlskeletterker, der als „Schaufenster“ im Sinne eines Ausstellungsstudios im historischen Konzept des Hauses funktionierte. Die Kunstvertikale ist das prägende Element im Turm: „Die ‚Kunst-Vertikale‘, die das Gebäude im vorderen Bereich über alle Geschosse durchgeschnitten hat, um einen Raum zu erschaffen, der das Gesamtvolumen erlebbar macht, ermöglicht sowohl den Museumsrundgang als auch den gezielten Besuch einzelner Ausstellungsbereiche. Die Blickbeziehungen durch diesen schmalen hohen Raum und die Inszenierung des historischen Gebäudes als eigenständiges Exponat stehen im spannungsvollen Dialog mit der fokussierten Wahrnehmung der Kunst in den Ausstellungsetagen.“83 Die Kunstvertikale trägt das einstige Staunen
80 Vgl. Interview mit Prof. Dipl.-Ing. Eckhard Gerber. In: Bayram/Busse/Welzel 2015, S. 55. 81 Gerber Architekten, Projekte, U Turm, 2010, online, o. S. 82 Interview mit Prof. Dipl.-Ing. Eckhard Gerber. In: Bayram/Busse/Welzel 2015, S. 57. 83 Gerber Architekten, Projekte, U Turm, 2010, online, o. S.
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über die Höhe des ersten Hochhauses der Stadt in das Innere des Gebäudes.84 Die von Moog konzipierte Lichtpyramide besetzt seit 2010 der Filmemacher Adolf Winkelmann mit einer Lichtinstallation: Rund 1,7 Millionen LEDs strahlen täglich, wie einst die Scheinwerfer Moogs, in die Stadt und rhythmisieren mit ihrem Bildprogramm den Stadtalltag.85 Noch immer kennzeichnet die weithin sichtbare Botschaft des Turmes seine Funktion als wichtiger Ort im Stadtgefüge; als identitätsstiftender Ort im Ort. Die Raumsituation im Museum auf der 4. und 5. Etage wurde durch das Berliner Architekturbüro Kuehn Malvezzi konzipiert.86 Die Konzeption gleicht mit flüchtigem Blick zunächst (museumsüblich) einem White Cube. Der Cube wird jedoch nach oben geöffnet, auch hier sind die historischen Deckenstreben sichtbar. Die Ummantelung der sich wie ein Raster über die Etagen ziehenden Stahlbetonpfeiler ist eine architektonische Reaktion und zugleich eine Lösung, um auf dem hallenartigen Industrieareal Hängefläche für die Kunstobjekte zu schaffen. Ein Resultat der Flächenfindung sind außergewöhnlich dicke, kubusartige Wände, die wiederum die Gesamtfläche der Ausstellungsräume minimieren und mit ihr auch Teile der historischen Dimensionen des Ortes. Das Konzept der Fläche folgt dem Prinzip der Straßen, Häuser und Plätze. Kleine Räume für einzelne Themen oder Rauminstallationen stehen neben weiten, offenen Plätzen mit raumgreifenden Werken und ortsbestimmenden Ästhetiken. Verbunden werden die Räume durch frei wählbare Wege und Straßen, die gesäumt sind von Kunstwerken, Kontextvitrinen und Medienstationen.
84 Vgl. Interview mit Prof. Dipl.-Ing. Eckhard Gerber. In: Bayram/Busse/Welzel 2015, S. 54−59. 85 Mit seiner Lichtinstallation U-Turm Bilderuhr sendet Winkelmann Kurzfilme in die Stadt. Die
meist wie Bildschirmschoner wirkenden Filme (Fische schwimmen durch ein Aquarium, Plastiktüten wehen im Wind) können als selbstreferenziell gedeutet werden. Die Installation soll nicht kommerziell genutzt werden. Zeitweilig mischen sich die Lichtzeichnungen in politische oder gesellschaftliche Themen ein. So zeigte die Bilderuhr am 08. Januar 2015 die Worte „Je suis Charlie“ mit Verweis auf die Terroranschläge von Paris oder zum Antikriegstag, der von der Rechten-Szene Dortmunds traditionell als Demonstrationstag okkupiert wird: „Ich, der Turm, fand schon damals Nazis voll uncool.“ 86 Ein weiterer Umbau der gesamten Ausstellungsfläche auf der 4. und 5. Etage wird ab März 2019 durch die niederländische Agentur Soda durchgeführt, www.soda.nl.
Unten: Fußbodenmosaik, Baukunstarchiv NRW, Dortmund | 2019. Foto: Mareile Zimmermann.
Mitte r: Lichthof im Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund | 1911. Foto: N.N.
Mitte l: Ruine des Museumsgebäudes am Ostwall, Dortmund | 1947. Foto: Erich Angenendt.
Oben r: Südflügel/Außenansicht, Dortmund | 1954. Foto: Erich Angenendt.
Oben l: Postkarte Oberbergamt, Dortmund | um 1900.
Dortmund | 2019. Foto: Mareile Zimmermann.
Oben r/Mitte/Unten: Detail/Lichthof/Treppenaufgang/Segmentbogenfenster Baukunstarchiv NRW,
Foto: Anneliese Kretschmer.
Oben l: Ostfassade des Museums am Ostwall, Dortmund | 1956. Nachlass Leonie Reygers.
Oben/Unten r: Dortmunder U/Vertikale im Dortmunder U, Dortmund | 2019. Foto: Sarah Hübscher.
Foto: © LWL-Medienzentrum für Westfalen.
Oben/Mitte l: Körnerplatz mit beleuchtetem Gebäude der Union Brauerei, Dortmund | um 1930.
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Sammlung Das Museum Ostwall im Dortmunder U zeigt Kunstwerke des 20. und 21. Jahrhunderts. Ebenso bewegt wie die architektonischen Biografien der expliziten Orte ist auch die Sammlung des Kunstmuseums. Dies zeigt sich in der Sammlungsgeschichte, die seit der Gründung 1949 geschrieben wird und die in den Sammlungspräsentationen seit 2010 im Dortmunder U als Kraftwerk funktioniert und in Bewegung87 bleibt. Der Leitgedanke der Gründungsdirektorin Leonie Reygers war, die unter den Nationalsozialisten „als ‚entartet‘ diskreditierte Kunst der Klassischen Moderne zu rehabilitieren“88. Nach dem Ankauf von ersten Grafiken und Gemälden erwarb das Museum 1957 die Privatsammlung des Bochumer Industriellen Karl Gröppel89 – rund 200 Grafiken, Gemälde und Plastiken von Künstlerinnen und Künstlern des deutschen Expressionismus. Das mediale Echo auf den Ankauf der Sammlung war voll des Lobes. Am 27. März 1958 war in der ZEIT zu lesen: „[…] so steht doch fest, daß die Sammlung für das Dortmunder Museum eine glänzende Bereicherung und eine willkommene Erweiterung des Bestandes bedeutet. Frau Dr. Leonie Reygers, die seit Jahren mit Charme, Tatkraft und weltoffener Umsicht ihr Museum dirigiert, darf diese Akquisition als einen Triumph feiern. Schließlich fallen bei uns in Deutschland nicht so häufig Privatsammlungen in den Schoß der Museen, auch nicht gegen Bezahlung, wie es im glücklicheren Amerika immer wieder (gratis) geschieht.“90 Im Katalog liest sich die Aufzählung der Künstler und Künstlerinnen, die in der Sammlung Gröppel vertreten sind, wie ein Who is Who des Aufbruchs in die Moderne. Leonie Reygers schreibt: „Vor allem sind es die ‚Expressionisten‘, die mit Werken von Paula Modersohn-Becker, Nolde und Rohlfs, mit den Malern der ‚Brücke‘: Kirchner, Schmidt-Rottluff, Heckel, Otto Mueller und Pechstein, mit Hofer, Kokoschka und Beckmann 87 In dem Konzept Sammlung in Bewegung wird die Präsentation der Kunstwerke sowie ein Aus-
tausch von Werken aus dem Depot mit einhergehender Neuthematisierung in regelmäßigen Abständen kuratiert. 88 Museum Ostwall im Dortmunder U, Sammlungsgeschichte, o. J., online, o. S. 89 Die Herkunftsgeschichte vieler Bilder der Sammlung Gröppel ist zu großen Teilen noch ungeklärt. Die Provenienzforschung innerhalb des Hauses und der Stadt ist bemüht, dem nachzukommen. 90 Trier 1958, online, o. S.
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der Sammlung ihr Gesicht geben. Aus der Gruppe des ‚Blauen Reiter‘ ist Jawlensky, dem Haus Gröppel befreundet, mit mehreren Bildern vertreten, August Macke neben anderen Bildern vor allem mit seinem strahlenden Hauptwerk dem Triptychon des Großen Zoologischen Garten – Kandinsky, Franz Marc und Feininger mit grafischen Blättern.“91 Der Museumsdirektorin geht es primär jedoch nicht um die Namen hinter den Kunstwerken, sondern um den Gebrauch der Kunst als sinnstiftendes Element. Leonie Reygers formuliert als prägende Figur ein klares Leitbild für die Institution am Ostwall und fordert den Umgang mit der Kunst für die und von der Stadtgesellschaft. Die Grundprinzipien des Anspruchs von Reygers wirken bis heute nach: „‚In jeder neuen Sehform kristallisiert sich ein neuer Inhalt der Welt. Es ist aber durchaus nicht natürlich, daß jeder sieht, was da ist.‘ Daß dieses Sehen etwas ist, was gelernt werden muß hat uns schon Wölfflin in seiner Schrift ‚Das Erklären von Kunstwerken‘ gelehrt. Es ist der einzelne, der sich dieser Bemühung unterziehen muß und damit aus der Anonymität der Masse, der Gefahr unserer industrialisierten Städte von heute, zu einem Individuum wächst, das über die Lösung materieller Fragen hinaus die Erkenntnis von der Bedeutung des Geistigen zu erringen vermag. Hier mitzuwirken, ist im Eigentlichen Sinn und Aufgabe dieses Hauses, das sich in den Nachkriegsjahren aus bescheidensten Anfängen als Museum am Ostwall entwickeln konnte. [sic!]“92 Reygers erklärt Kultur und die Kunst im Museum als identitätsstiftende Elemente für die Stadtgesellschaft und entwickelt unterschiedliche Formate für diverse Zielgruppen. Sie profitiert bei der Ankaufspolitik des Hauses nach 1945 von den Kontakten, die sie und ihr ehemaliger Vorgesetzter Rolf Fritz zu Kunsthandelnden aus Berlin, Dresden und dem Rheinland aufgebaut haben. Nicht wenige dieser Handelshäuser waren jedoch direkt am NS-Kulturgutraub beteiligt.93 Die Dortmunder Kunstsammlungen schreiben mit ihrem Bestand einen Teil deutscher Geschichte mit. Mit der Vereinbarung der in der Washingtoner Erklärung94 formulierten Selbstverpflichtung des Bundes, der Länder 91 Reygers einleitend in Katalog Dortmund 1958, o. S. 92 Ebd. 93 Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Ausstellungsankündigung: Herr Fritz, woher stammen
die Bilder?, 14.05.2018, online. 94 Washington Principles, verfasst 03.06.1998, Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, online , o. S.
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und der Städte, die Erforschung früherer Eigentumsverhältnisse und die Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts zu ermöglichen, leistet auch die Provenienzforschung in Dortmund einen wichtigen Beitrag. In einem Forschungsprojekt, das sich der systematischen Überprüfung der Sammlungen des Museums Ostwall sowie der Sammlung des Museums für Kunst und Kulturgeschichte widmet, wird der Erwerb von Werken der Klassischen Moderne bis 1956 und von Grafiken des 19. Jahrhunderts bis 1966 erforscht.95 Die Erkenntnisse der Forschung eröffnen eine weitere Gedächtnisschicht in den Ausstellungen der Sammlungen. Das Museum thematisiert in den 1960er Jahren mit dem Ankauf von Nachkriegskunst die ästhetischen Reaktionen von Kunst auf den Nationalsozialismus und sein Menschenbild. Zahlreiche der in der Sammlung vertretenen Künstlerinnen und Künstler waren zum einen unmittelbar von den Restriktionen des Nationalsozialismus betroffen und mussten emigrieren – wie beispielsweise Max Beckmann −96, sie waren beteiligte Zeugen des Weltkrieges als Soldaten – wie Joseph Beuys −97 oder verbrachten ihre Kindheitsjahre in der vom Krieg geprägten Zeit in Deutschland oder als Landverschickte – wie Wolf Vostell98. Alle eint die Bearbeitung dieser biografischen Einschnitte als Folge des politischen wie humanitären Ausnahmezustandes in ihrem künstlerischen Œuvre. Der Krieg als historisches Ereignis sowie die politische Krise als solche sind neben den thematischen Zäsuren im Werk zahlreicher Künstlerinnen und Künstler auch ein Anlass zur Wende in Bezug auf Material- und Formensprache. Neue Formen und Formate, Materialien wie Licht und Metall sowie Ma95 Das langfristige Projekt zur Erforschung der Sammlungsbestände und Ankaufspolitik wird der-
zeit von Dr. Ulrike Gärtner geleitet und ist bisher bis Oktober 2020 bewilligt. 96 Mit der Beschlagnahmung hunderter Werke Beckmanns durch die Nationalsozialisten im Zuge
der Aktion „Entartete Kunst“ emigrierte der Künstler bereits 1937 nach Amsterdam und von dort aus – nach einem Aufenthalt in Paris – 1948 endgültig nach New York, wo er 1950 starb. Vgl. Ausst.-Kat. Frankfurt am Main 2011, S. 20 f. 97 Beuys diente von 1941 bis 1945 in der Wehrmacht als Bordfunker in der Luftwaffe. Vgl. Adriani/ Konnertz/Thomas 1994, S. 15. 98 Vostell wurde 1932 geboren und diskutierte Zeit seines Lebens die politischen Ereignisse des Weltgeschehens in seinem Œuvre. Neben dem Holocaust waren auch andere Kriegsverbrechen, z. B. die des Vietnamkrieges, des Kalten Krieges, aber auch die Entwicklungen der deutschdeutschen Geschichte Themen seines ästhetischen Schaffens.
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation
schinen und elektrisch angetriebene Skulpturen halten unter anderem mit Werken des Informel und der Künstlergruppe ZERO Einzug in das Museum. Mit dem Museumsdirektor Ingo Bartsch konkretisierte sich der Sammlungsschwerpunkt: 1988 wurden erstmals Teile der Sammlung Wolfgang Feelisch und zu Beginn der 1990er Jahre auch Teile der Sammlung Siegfried Cremer angekauft oder bereichern als Dauerleihgaben das Haus. Beide Sammlungen umfassen wichtige Arbeiten aus den Bereichen Fluxus und Happening sowie des Nouveau Réalisme.99 Der alltagsästhetische Anspruch – das Verweben von Politik, Leben und Erlebtem und der Kunst sowie die andauernde Diskussion des in der Nachkriegsgeneration vorherrschenden Kunstbegriffs – wird in den Werken des Fluxus und des Nouveau Réalisme materialisiert. Werke von Joseph Beuys, Nam June Paik, Wolf Vostell, Dieter Rot(h) oder Alison Knowles bilden den Schwerpunkt auch in der aktuellen Sammlungspräsentation. Die thematische Hängung ist seit der Präsentation Fast wie im echten Leben (2017) das aktivierende Konzept, welches sowohl Werke aus dem Sammlungsschwerpunkt Fluxus als auch dem historischen Sammlungskern rund um die Klassische Moderne und zeitgenössische Positionen, wie Freya Hattenberger, Tobias Zielony oder Adrian Paci, im Miteinander denkt: „Mit Kunstwerken vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart versteht sich das MO einerseits als Speicher kreativer Energien der Vergangenheit. Andererseits möchte es Impulse aus dem Alltag der Gegenwart aufnehmen und mit Mitteln der Kunst bearbeiten. Das MO ist ein Ort künstlerischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzung, an der das Publikum teilhaben kann und soll. Die Frage, wie wird Kunst durch gesellschaftliche Prozesse beeinflusst und wie wirkt sie ihrerseits in die Gesellschaft zurück, steht im Zentrum der Ausstellungskonzeption.“100 Die Verbindung mit dem Stadtraum und dem Standort ist ein wichtiges Element der Identifikationsfigur, die das Museum verkörpert – seit jeher. Mit dem Skulpturenpark auf der Rückseite des ehemaligen Museums am Ostwall wird zum einen die Sammlung um Exponate im öffentlichen Raum erweitert, zum anderen bekommen die Bewohner*innen einen Quality Space
99 Vgl. Katalog Dortmund 2010, S. 147. 100 Museum Ostwall im Dortmunder U. Das Museum als Kraftwerk, Leitsatz, o. J., online, o. S.
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im Stadtraum, der sie implizit mit dem Museum verbindet.101 Die künstlerisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem unmittelbaren Quartier wurde ebenso für den neuen Standort adaptiert und bereits im Eröffnungsjahr 2010 mit der Beteiligung am Kooperationsprojekt U-Westend102 deutlich. Auch künstlerische Positionen, die sich unmittelbar mit dem Ort einlassen, gestalten das Programm: Das Ausstellungsformat MO Schaufenster zeigte Zeichnungen von Matthias Beckmann103, der das Dortmunder U und seinen Stadtraum grafisch erfasste. Florian Hüttner104 installierte Malereien der Reviere ums U und verknüpfte sie mit Sounds aus dem Quartier im Museumsraum. Auch die Auseinandersetzung mit dem historischen Baubestand als Teil der Stadt war Thema im Schaufenster: Mit den Fotografien von Gerd Kittel105 wurde die Architektur der 1950er Jahre am Beispiel des Dortmunder Gesundheitshauses nach Entwürfen des Architekten Will Schwarz diskutiert. Mit dem Sonderausstellungsprojekt Stadt in Sicht106 thematisierte das Museum explizit urbane Lebensräume und lud die Dortmunder Stadtbevölkerung ein, ihr eigenes fotografisches Bild von Dortmund im Museum auszustellen.107 Währenddessen ist die Sammlung ständig in Bewegung: Mit beinahe jährlich wechselnden Sammlungspräsentationen thematisiert das Museum Ostwall seinen Bestand im aktuellen Zeitgeschehen: „Es geht darum, Bezüge herzustellen zwischen der Kunst und dem Alltag der Museumsbesucher. Zu zei101 Auch bei der Neubesetzung des Standorts am Ostwall durch das Baukunstarchiv NRW ist der
durch den Leerstand des Gebäudes und die fehlenden Zuständigkeiten für das Areal verwahrloste Skulpturenpark für den Stadtraum reaktiviert worden. 102 Vgl. Busse/Preuss/Wettengl 2011. 103 MO Schaufenster #09 Matthias Beckmann – Herr Beckmann zeichnet, 01−04.2014. 104 MO Schaufenster #13 Florian Hüttner – Reviere ums U, 05−08.2015. 105 MO Schaufenster #11: Das Dortmunder Gesundheitshaus von Will Schwarz – Architektur der 50er Jahre – Fotografiert von Gerd Kittel, 09.2014−01.2015. Durch eine Kooperation mit der FAZ werden Fotografien von Kittel als Edition zum Kauf angeboten. Mit dem Erlös wird die wissenschaftliche Erforschung des Nachlasses von Will Schwarz im Dortmunder Stadtarchiv unterstützt. 106 Stadt in Sicht. Werke aus der Sammlung Deutsche Bank. Von Feininger bis Gursky. 04−08.2013. 107 Dem Aufruf in den Dortmunder Ruhr Nachrichten folgten rund 80 Menschen. Die eingereichten Fotografien wurden präsentiert und dem Publikum zur Diskussion übergeben. Mit der Zuordnung zu nicht statischen Bildclustern wurden formale, ästhetische und thematische Gemeinsamkeiten und Differenzen herausgearbeitet. Konzeption und Kuration: Sarah Hübscher, Katja Knicker, Elvira Neuendank und Kurt Wettengl.
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation
gen, dass Kunst nicht im luftleeren Raum entsteht, sondern aus einem gesellschaftlichen und politischen Kontext heraus. Der Idee vom ‚Museum als Kraftwerk‘ folgend haben wir uns auch dafür entschieden, die Fluxus-Kunst in den Mittelpunkt zu stellen“,108 so Sammlungsleiterin Nicole Grothe, die damit die Sammlung und ihren impliziten demokratischen Grundgedanken – der bereits bei der Gründung von Reygers angelegt und von Bartsch/ Wettengl mit der Ausrichtung zur Fluxuskunst bestärkt wurde – in die Gegenwart überführt. Seit 2014 vergibt der Freundeskreis des Museums den Kunstpreis Follow me Dada and Fluxus. An der Formulierung „Ziel ist es, den Sammlungsbestand des Museums Ostwall im Bereich Fluxus kontinuierlich zu erweitern und zu stärken und auch zeitgenössischen Entwicklungen dieser Kunstform Rechnung zu tragen“109 wird deutlich, dass das Museum sich als Gradmesser im Diskurs um seinen Sammlungsschwerpunkt versteht. Die Sammlung in Bewegung ist nicht nur sichtbar auf der Ausstellungsfläche, sondern die Kontinuität der Sammelbewegung ist Ausdruck der institutionellen Identität, unabhängig vom Standort. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass die Kunst im Museum nicht als isolierter Bestand, sondern als darin bewahrter Teil des kulturellen Erbes verstanden werden soll. Die Sammlungsgeschichte und die Objekte in der Sammlung sind kontextgebunden und nur in Zusammenhängen – innerhalb der Sammlung und außerhalb des Museums – lesbar. Zugleich sind die Objekte und ihre Themen neu codierbar. Sie funktionieren als Zeugnisse des Alltags, sie nehmen Bezug auf Stadträume und konkrete Orte, sie erinnern an politische Bewegungen, geschichtliche Einschnitte und soziokulturelle Entwicklungen einer Zeit, verhandeln mediale und ästhetische Reaktionen auf Gesellschaft und diskutieren die biografischen Spuren der Künstlerinnen und Künstler – materialisiert in ihrem Œuvre. Die Objekte, die Zusammenstellung und ihre Provenienz sind im kulturellen Gedächtnis manifestiert, sie sind Indikatoren, die den Gang der Zeit diachron beschreiben. Sie sind für das kol108 Abegg 2011, online, o. S. 109 MO-Kunstpreis Follow me Dada and Fluxus, Grundsatz zur Preisvergabe der Freunde des Mu-
seums Ostwall, o. J., online, o. S.
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Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
lektive Gedächtnis im Museum gespeichert und so jederzeit neu verknüpfbar. Die Sammlung als Kollektiv sowie jedes einzelne Kunstwerk für sich sind Erinnerungsorte.
Makro Bis hierher wurden die zwei Orte und die Sammlung der migrierten Institution vom Ostwall in das Quartier im Dortmunder U in ihren historischen und aktuellen Dimensionen und Funktionen sowie in ihrer Rezeptionsgeschichte auf einer Mikroebene beschrieben. Ihre zunächst voneinander getrennten Biografien eint neben der lokalen Verortung im Ruhrgebiet als Makro seit 2010 das unmittelbare Quartier. Es wird deutlich, dass Erinnerungsorte keine statischen Gebilde sind, sie unterliegen dem Wandel der Zeit, ihre gesellschaftliche Wahrnehmung und ihre Rezeption ändern sich. Sie sind nur selten monokausal zu verstehen. Sie sind keine leeren Displays, die darauf warten, gefüllt zu werden. Sie schreiben sich mit ihren kulturellen Überformungen und Umcodierungen in das kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft ein. Erinnerungsorte prägen Stadtidentitäten und verhandeln Stadträume als historisch-dynamische Systeme fortlaufend neu. Sie benötigen jedoch „Botschafter“110 und Botschafterinnen, die helfen, ihre Spuren zu finden und Wege anzubahnen – im Sinne Schlögels –, ihre neu generierten Codes zu knacken und in ihre Symbolbestände einzuordnen. Diese Botschafter*innen müssen die Orte, ihre Geschichte und Geschichten kennen, sie vernetzt zeigen, von ihnen erzählen können und zur Teilhabe einladen. Das Dortmunder Kunstmuseum ist in Bezug auf Spuren und in Bezug auf Erinnerungen ein besonders ergiebiger Ort. Die einzelnen Bildmedien der Sammlung sind als Speicher kultureller und zeitgeschichtlicher Entwicklungen zu verstehen: Sie zeigen ästhetische Tendenzen innerhalb von Gesellschaften sowie kollektiv geprägtes, individuelles ästhetisches Handeln der Künstler*innen. Sie generieren im Zusammenhang mit anderen Positionen Bedeutungsgewebe einer Zeit. Im Kontext der Sammlungsgeschichte, der verschiedenen Rezeptionswege und gesellschaftlichen Themen funktionieren sie als Kraftwerk. In Kombination mit dem aktuellen und vergangenen Ausstellungsort und der kuratorischen Praxis werden sie zu erzählbaren und 110 Welzel 2015, S. 12−17.
Das Museum Ostwall im Dortmunder U – Erinnerungsorte in Transformation
lesbaren Strukturen. Als explizite Erinnerungsorte erzeugen sie Geschichtsmomente im gegenwärtigen Handeln. Sie bilden fortlaufend Möglichkeitsräume im menschlichen Diskursuniversum.111
#museumostwall #dortmunderu #kraftwerk #möglichkeitsraum #ort #raum #erinnerungsort #stadt #museum #architektur #industriekultur #geschichte #erinnerung #gesellschaft #beschreibung #aktiverprozess #kultur #kulturen #interaktion #akteur*in #aktion #reaktion #transformation #culturalheritage #london #dortmund #europa 111 Vgl. Halbmayer 2010, online, o. S.
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“Artists have a function. Otherwise we wouldn’t be here. We’re part of a conversation. It’s our job to represent and mirror back the values of the culture in a way that people haven’t seen before.“
Susan Hiller 2011, vgl. Cooke 2011, online, o. S.
Kulturelle Praktiken in Anwendung – unbestimmte Konstanten und aktive Prozesse
Funktion Das Dortmunder Kunstmuseum ist ein Erinnerungsort. Es zeigt deutlich, in welchen Formen Architekturen besetzt werden können und als transformative Orte Geschichte(n) fortschreiben. Es zeigt auch die explizite Position von Museumsarchitektur, die in sich geschlossen als ästhetische Vermittlungsform und historisches Narrativ funktionieren kann. Der Umbau des Industriegebäudes thematisiert die Transformation des Ortes und verändert den Status quo von kulturell umcodierten Industriearchitekturen. Er kennzeichnet das Dortmunder U nicht ausschließlich als „dienende Hülle“, sondern als gebaute Form einer zukunftsweisenden, multifunktionalen Museumsarchitektur: „Das Gebäude stand schon einige Zeit leer, als der Prozess der Transformation begann. Wir haben uns dann entschlossen, alles weiß zu machen, weil es der neuen musealen Nutzung am ehesten dient und keine Nutzung einschränkt.“1 Die Entscheidung zeigt das Dortmunder U als eigenständiges Gebäude mit eigenständigen Funktionen, weil sowohl die Geschichte des Ortes, die gegenwärtigen Nutzungen als auch die Stadtumgebung in ihm architektonisch thematisiert werden. Das Museum Ostwall im Dortmunder U zeigt auch, dass die Idee des White Cube nicht statisch ist, auch er ist in Transformation: Er gilt als radikalste Überformung eines historisch gewachsenen Ortes. Brian O’Doherty beschreibt ihn als „weiße Zelle“, die Menschen ihrer 1 Prof. Dipl.-Ing Eckhard Gerber im Gespräch mit Niklas Gliesmann und Barbara Welzel. Bayram/
Busse/Welzel 2015, S. 58.
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sozialen Welt entreißt,2 wohingegen Charlotte Klonk ihn als Möglichkeit versteht, Räume zu öffnen und sie flexibel zu nutzen.3 Im Falle des Dortmunder Museums ist die gebaute Museumsarchitektur ein Kompromiss zwischen White Cube und der historischen Architektur. Die 4,30 Meter hohen Einbauten erzeugen in Bezug auf die Höhe endliche Wandflächen, die implizit auf die Deckenarchitektur verweisen. Mit dem Umbau 2019 wird die Wandhöhe auf 3,50 Meter reduziert, dies minimiert die Hängefläche und konzentriert zugleich den Ortsbezug. Das Verhältnis der weißen Fläche zum Ort scheint ein Schlüssel: Die visuelle Verhandlung des Ortseigenen wird zur Parallelnarration im Ausstellungssetting. Die Historizität des Ortes kann zudem als Ausgangspunkt kuratorischer Überlegungen funktionieren. Die Konzeption der „Ausstellung als Vermittlung“4 wird zur Grundlage des „kunsthistorisch verbürgte[n] Narrativ[s]“5, das Spannungsfelder aufbaut und Bezugslinien herstellt – zwischen Architektur, Display und Objekt und darüber hinaus zum/zur Akteur*in. Neben der Architektur sind die Objekte der Sammlung Speicher kultureller und zeitgeschichtlicher Entwicklungen, auch sie sind Erinnerungsorte im Sinne Noras: Sie manifestieren Denken und Handeln innerhalb von lokalen und globalen Gesellschaften und Communities und sind medialisierte Ideen von Künstler*innen in unterschiedlichen Materialitäten. Durch die Formen ihrer Versammlungen, die kuratorischen Überlegungen und ihre Rezeptionen generieren sie Bedeutungsgewebe einer Zeit und Erfahrungsräume des Gegenwärtigen. Sie bilden im Kontext der Sammlungsgeschichte und im Kontext von Weltgeschichten fortlaufend Möglichkeitsräume im menschlichen Diskursuniversum. Der langjährige Direktor des Dortmunder Museums, Kurt Wettengl, beschreibt die Struktur dieser Versammlungen als „Resultat konservatorischer Sorgfalt, wissenschaftlicher Auseinandersetzung und didaktischer Überle-
2 Te Heesen 2012, S. 180 ff. Te Heesen verhandelt den Begriff in Bezug auf den 1976 erschienenen
Text von Brian O’Doherty. Vgl. dazu O’Doherty (Original 1976) 1996. 3 Te Heesen 2012, S. 184. Te Heesen verweist auf Klonk 2009, S. 218. 4 Tyradellis 2014, S. 224. 5 Von Hantelmann bezieht sich auf das Selbstverständnis des Ausstellungsmachens von Nicholas
Serota, Gründungsdirektor der Tate Modern. Vgl. von Hantelmann 2013, S. 67−72.
Kulturelle Praktiken in Anwendung – unbestimmte Konstanten und aktive Prozesse
gungen“6. Die Ordnungen der Objekte und die Museumsarchitektur formieren die Erzählstruktur von Ausstellungen und Sammlungspräsentationen und legen zugleich die Erzählung einzelner Objekte an. Wettengl bezeichnet eine so konzipierte Ausstellung und die Anordnung von Objekten als „begehbare Geschichtsbilder“7. Die Vorstellung eines begehbaren Geschichtsbildes gewinnt eine Multidimensionalität letztendlich jedoch erst durch den/die Akteur*in. Er oder sie besetzt das konzipierte Bild der Geschichte mit Zeitgenossenschaft sowie individuellem und kollektivem Denken. Die als Tools herausgestellten Begriffe Bildung, Demokratie, Ort/Raum, Museum, Objekt und Interaktion helfen bei der Verhandlung von Objekten im Kunstmuseum. Sie funktionieren als Hashtags, denen Objekte zugeordnet werden, unter denen sich Bedeutungen von Objekten verschieben und mit denen gesellschaftliche Prozesse und Handlungsfelder inklusiv diskutiert werden können. All diese Prozesse spiegeln sich auf der Reflexionsfläche der Kultur. Im Sinne Aby Warburgs und Clifford Geertz’ wird die Kunstausstellung zum Ort der Analyse der von der Kunst verhandelten, visuell in Objekten verfassten „values of culture“8. Die Analyse folgt der Aussage von Rimmele und Stiegler: „Dass Ausstellungen für eine Analyse visueller Kultur von herausragender Bedeutung sind, liegt darin begründet, dass sie zugleich Feststellungen sind: Durch die Präsentationsformen von einzelnen Gegenständen, Bildern, Artefakten, durch ihre Verkettung und Verknüpfung inszenieren sie zugleich komplexe Deutungen. Die einzelnen Gegenstände können nicht einfach nebeneinander gehängt oder gelegt, aufeinander gestapelt und planlos aufgehängt werden – sie werden unvermeidlicherweise Teil einer lesbaren und sichtbaren Syntax, die notwendig eine Semantik und Symbolisierung hervorbringt. Ausstellungen üben das Publikum in Wahrnehmungsformen als Deutungsformen ein. […] Weiterhin haben Ausstellungen die Eigenschaft, alles in ein Ding zu verwandeln, etwas, das man sich aneignen kann, das einen Wert hat, Teil eines symbolischen wie realen Kapitals ist.“9 Räume und 6 Ausst.-Kat. Frankfurt am Main 2000, S. 11. 7 Ebd. 8 Vgl. noch einmal Cooke 2011, online, o. S. 9 Rimmele/Stiegler 2012, S. 55.
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Hängungen in Ausstellungen lösen jedoch die syntaktische Linearität auf und verfolgen eigene Logiken, die medial mit Atlastafeln zu vergleichen sind. Sie zeigen Zusammenstellungen, verhandeln Ordnungen und lassen Flächen zwischen den Objekten frei. Die Freiflächen können als Gedankenpausen verstanden werden, als Denkraum, als Dazwischen oder als Zwischenraum, welches/r imaginär von den aktiven Besucher*innen, den Akteur*innen, besetzt werden kann. Die Freiflächen füllen sich gedanklich mit weiteren Bildern der Kunst, des Alltags, der persönlichen Biografie oder entwerfen neue mediale Formen als Utopien. Der kuratierte Raum wird keine global-gültige, „richtige“ Objektanordnung finden, und die von Rimmele und Stiegler verwendete Vokabel der „Feststellung“10 ist zeitlich sehr begrenzt. Auch sie ist wie jede Setzung in ihrer Rezeption wie Produktion diversen Transformationen ausgesetzt – permanent. Der Besuch einer Ausstellung ist als aktiver Prozess zu bewerten, der Handlungen wie Sehen, Gehen, Erfahren, Denken einschließt, der Unvorhersehbares provoziert und von Ritualen und gesellschaftlichen Common Threads gerahmt wird. Allein die Handlung, eine Ausstellung zu besuchen, ist, unabhängig von der Rahmung eines pädagogischen Settings, einer Gruppe oder eines individuellen Besuchs, in aktiven Prozessen begriffen und signalisiert die Bereitschaft, sich überhaupt auf das Unvorhersehbare einzulassen. Die Rahmung innerhalb von Ritualen und allgemeingültigen Codices evoziert Sicherheiten, mit dem Unvorhersehbaren, mit dem Unbekannten und bisher Unerfahrenen zurechtzukommen.11 Juliane Rebentisch beschreibt den Besuch einer Ausstellung als eine von ästhetischen Erfahrungen geprägte Situation: „Ich meine in der Tat, dass man, wenn man eine ästhetische Erfahrung macht, im übertragenen Sinn allein mit dem Werk ist, auch wenn man sich faktisch mit anderen im Raum befindet. Die ästhetische Erfah10 Ebd. 11 Problematisch wird es, wenn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen selbst zu Schwellen
werden, sich überhaupt mit dem Gedanken zu befassen, dem Unvorhersehbaren zu begegnen. Diese Schwellen können materiellen/ökonomischen Gehalt haben (Eintrittsgelder, Kleiderordnungen) oder sozialer Gestalt sein (Verhaltensregeln, Kommunikation, vermeintliche Bildungsvoraussetzungen).
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rung verweist die Erfahrenden an sich selbst zurück. Das wird wiederum gerade bei offenen Kunstwerken deutlich – zum Beispiel in performativen Situationen, die weder die traditionelle Trennung von Bühne und Zuschauerraum kennen noch die ontologische von realer und fiktionaler Welt. Gerade weil meine Bewegungen, auch meine Stellung zu anderen, für die Situation, für das Geschehen selbst relevant werden, bin ich immer auch auf mich zurückgeworfen.“12 Die Begegnung mit der Kunst, die Rebentisch als Ereignis beschreibt, beinhaltet das Paradoxon, „dass Kunst ein Moment des unmittelbaren Glaubens an die von ihr eröffnete Welt ebenso fordert wie eine diesen Glauben brechende Aufmerksamkeit für ihre Vermitteltheit als Kunst. Kunst ereignet sich dann, sofern die paradoxe Einheit dieser beiden Seiten anerkannt, und das heißt: deren Spannung ausgetragen wird. Das Ereignis der Kunst ist jetzt nicht mehr das objektive des Werks, sondern das eines Prozesses zwischen Werk und BetrachterInnen.“13 Das unmittelbare Zusammenwirken von Objekt und Akteur*in verstärkt auch die Rolle von Künstler*innen als Initiator*innen der Verhandelbarkeit ihrer eigenen Kunst. Inga Eremjan beschreibt: „Zusammen mit dieser neu geprägten Auffassung von Kunst, nach der sich der primäre Zweck aus dem Erfahrungsmoment des Rezipienten zusammensetzt, veränderte sich auch die Rolle des Künstlers, welcher ‚zu einem Erfahrungsgestalter [wird], dessen Aufgabe nicht mehr darin besteht, Rezeptionsobjekte zu produzieren, sondern Gelegenheiten zu schaffen, in und mit denen der Rezipient in einen Erfahrungsprozess verwickelt wird‘.“14 Das Aktivierungspotenzial von Kunst in Bezug auf Bildungsprozesse spitzt sich hier zu. Die Verknüpfung dieser Bildungsbewegungen mit ästhetischen Erfahrungen ist ebenso deutlich, jedoch nicht klar kategorisierbar oder messbar. Die Frage bleibt: Wo genau liegt das potenzierende Moment in der Auseinandersetzung mit Kunstobjekten in Bildungsprozessen? Vielleicht liegt in dem von Torsten Meyer beschriebenen Entgrenzungsprozess zwischen Kunst und Alltagswelt das Potenzial: „Mit 12 L aleg 2012, S. 32 f. 13 Ebd. Rebentisch bezieht sich auf Düttmann 2011. 14 Eremjan 2016, S. 202−203. Der Begriff „Erfahrungsgestalter“ wird auch besprochen in:
Bätschmann 1996, S. 248−281.
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dem postautonomen Verständnis von Kunst gehen zwei Bewegungen einher. Zum einen wird im Zuge eines konsequent Weltlichwerdens die Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst destabilisiert, zum anderen vernetzen sich die Künste untereinander. Transzendentale Bezugspunkte für die traditionellen Sparten der Hochkultur gibt es nicht mehr. Nicht mehr im Ideal eurozentrischer Klassik, noch in der Reinheit des ungestörten White Cube, Konzert- oder Theatersaals. Kunst findet statt im Global Contemporary. Im Hier und Jetzt und auf dem Boden alltagskultureller Tatsachen.“15 Damit einher geht die Wandlung des Kunstbegriffes, die zumindest mit der Moderne, spätestens aber mit der Aktionskunst und Kunstformen wie dem Happening oder Performances eingeleitet wird. Das auratische Werk des vor allem im 19. Jahrhundert mystifizierten (männlichen, weißen) Künstlers wird zum demokratischen Objekt und konstituiert sich zwischen Kunst und Alltag. Damit verbunden ist auch die Wahrnehmung von Objekten, losgelöst von ihrer tradierten Statik: „Die ‚Attitudes‘-Künstler haben den Prozess hervorgehoben, das Werk war also weniger ein Resultat, sondern eben das Vorgehen.“16 Die Beispiele zeigen, dass sich sowohl die Rezeption beziehungsweise Produktion von Kunstobjekten in Transformationen befindet als auch der Ort der Kunst, das Museum, ständig transformiert wird. Ablesbar sind diese transformatorischen Prozesse 1) im Umgang mit den Objekten, 2) in der Wandlung des Kunstbegriffes, 3) in der institutionellen Öffnung des Museums, 4) im postrepräsentativen Kuratieren und 5) in offenen Formaten der Interaktion im Museumsraum. Noch in den 1990er Jahren beschreibt Eva Sturm Museen als Zeit- und Rauminseln: „Das Museum ist prinzipiell nicht nur Zeitinsel, sondern auch Rauminsel. Es nimmt Objekte fast jeder Art auf, um sie in einer Form zu präsentieren, welche die Objekte eindeutig als museal erkennbar macht. Das Objekt befindet sich von nun an in einem Raum des Unberührbaren, Auratischen, zum Beispiel in einer Vitrine, hinter Panzerglas,
15 Meyer/Dick et al. 2016, S. 13. 16 Harald Szeemann zur Konzeption des Ausstellungstitels When Attitudes Become Form. Live in
Your Head (1969) in der Kunsthalle Bern. Vortragstext aus dem Jahre 2004. Hier Szeemann 2005, S. 25.
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durch eine Alarmanlage geschützt, sakral erhöht.“17 Der von Sturm in diesem Kontext verwendete Begriff der „Entzeitlichung“ beruht auf dem Verständnis von „Vergangenheit als abgeschlossenes System.“18 Doch auch dieses Verständnis ist im Wandel: Denn Museen verhandeln Objekte zunehmend in ihrer gegenwärtigen Relevanz und machen ihre Geschichte(n) zum Teil ihrer aktuellen Erzählungen.19 So wird der Faktor der Entzeitlichung zu einem Phänomen, das man als Gleichzeitlichung im Sinne von Simultanität der Zeit beschreiben könnte. Das historische Objekt wird zum Verhandlungsgegenstand von Zeitgenossenschaften. Mit einem Verständnis für die Simultanität der Zeit und für die von Meyer beschriebenen Entgrenzungen von Kunst/ Nicht-Kunst, high/low, global/local eröffnen sich Zugänge zu Objekten, die Bildungsbewegungen anbahnen können, zumindest aber Schwellen in der Auseinandersetzung mit Objekten abbauen. Die Öffnung der Institution ist vor allem durch politische Entscheidungen befördert. Durch den kostenfreien Zugang zu Sammlungen ist der Museumsbesuch nicht länger eine ökonomische Frage, wenngleich die sozialen Fragen ihn noch immer begleiten und prägen. Die Öffnung ist geknüpft an selbstreflexive Prozesse, aus denen heraus Museen Haltungen entwickeln (müssen), die auf die im Sammelband von Anja Schütze und Jens Maedler beschriebenen „weißen Flecken“20 in der kulturellen Arbeit verweisen und sie bearbeiten. Weiterhin müssen Fragen aus dem Bereich des Diversitätsmanagements im Abgleich zum institutionellen Selbstverständnis behandelt werden. Das postrepräsentative Kuratieren leistet hier den inhaltlichen und wissenschaftlichen Beitrag und eröffnet den Raum für diverse Kontextualisierungen. Die Sichtbarmachung von marginalisierten Positionen beginnt mit der Auflösung des westlich orientierten 17 Sturm 1991, S. 106. 18 Ebd., S. 105. 19 Dass dies nicht nur mit Objekten im musealen Raum aus vergleichsweise zeitgenössischen
Kunstströmungen funktioniert, zeigen Projekte des Teams für Kunstgeschichte des Seminars für Kunst und Kunstwissenschaft an der TU Dortmund. Z. B. das Projekt Kinderuni, in dem Barbara Welzel und Birgit Franke mittelalterliches Kunsthandwerk im Kirchenraum zeigen und zugleich in zeitgenössischen Diskursen um Herkunft und Reiserouten sowie in Erzählungen über mittelalterliche Fantasiewesen in den Kontext von zeitgenössischer Fantasy-Literatur heben. Vgl. dazu Welzel 2009. 20 Vgl. dazu Maedler/Schütze 2017.
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Kanons. Die Reduktion von verschulten Vermittlungsformaten (Betrachtung + ästhetisch-materieller Output) aus den Bildungsprogrammen der Museen verweist auf die Bewusstwerdung der Notwendigkeit qualitativ hochwertiger Kulturvermittlung. Doch noch immer stellt sich die Frage nach den potenzierenden Momenten in der Auseinandersetzung mit Kunstobjekten in Bildungsprozessen. Stefan Deines gibt einen entscheidenden Hinweis: „Die Praktiken der Kunst stehen auf vielfältige und komplexe Weise mit dem Gewebe der anderen menschlichen Praktiken in Beziehung. Sie eröffnen und transformieren die Räume, in denen sich diese Praktiken vollziehen. Wer also [philosophisch] die Stellung des Menschen in der Welt beleuchten und die Formen und Dynamiken der nicht-künstlerischen Praktiken, in die er involviert ist, verstehen will, der muss auch die Funktionen der Kunst im Blick behalten.“21
Ausstellung „Was ich will: Kunst als Raum, Raum als Umgebung, Umgebung als Ereignis, Ereignis als Kunst, Kunst als Leben. Leben als Kunstwerk. Keine Flucht aus der Wirklichkeit, sondern in die Wirklichkeit. Die Welt nicht verbessern, sondern ein neues VerWolf Vostell, 1964 hältnis zu ihr schaffen.“22 Das Museum Ostwall im Dortmunder U in Dortmund verhandelt seine Sammlung als aktiven Prozess. Mit dem Konzept Sammlung in Bewegung werden die Kunstwerke regelmäßig neu kuratiert und damit auch neu kontextualisiert. Die Beschreibung dieser bewegten Sammlungspräsentationen könnte chronologisch, linear, Raum für Raum, Objekt für Objekt passieren – dieses dezidierte Vorgehen würde dem Potenzial der Sammlung zur Verhandlung von Kulturen jedoch nicht gerecht werden. Denn Ausstellungen als
21 Deines 2017, online, S. 9. 22 Ausst.-Kat. Gera 1993, S. 215.
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Möglichkeitsräume funktionieren nur selten rein chronologisch. Mit der Eröffnung der Tate Modern in London im Jahre 2000 wird der prominenteste Bruch in der europäischen Kunstwelt mit der Tradition des chronologischen Hängens begangen. Das Team der damaligen Kuratorin und aktuellen Direktorin des Hauses, Frances Morris, provoziert in thematischen Hängungen den Zwischenraum: „It’s not that we’ve abandoned chronological display entirely – what you get is a sense of time moving on but in a dialogue with the present. It shows how artistic preoccupations continue over the generations, how there is a continual attempt to break away from the conventional way of doing things.“23 Neue Narrative in der Ausstellung benötigen auch neue Narrative in der Beschreibung. Die Beschreibung nicht chronologisch geordneter Möglichkeitsräume und offener Erfahrungsräume ist dabei eine Herausforderung. Die Nennung von Formaten, Materialitäten, Displaysituationen und Raumeindrücken würde immer nur Teilaspekte betonen und die Potenziale der Räume nur rudimentär wiedergeben. Die Objekte sind nicht losgelöst von anderen Objekten und vom Raum wahrnehmbar – sie sind immer in Kontexte eingebunden. Blickrichtungen und Blickaufmerksamkeiten sind zudem subjektiv und situationsbedingt. Auf welches Objekt im Raum der Blick zuerst fällt, kann zufallsgeleitet sein. Welches Objekt im Raum als Ausgangspunkt für die Zusammenstellung gilt, ist wie auf einer Atlastafel nicht zwingend erkennbar. Das linear funktionierende Medium der Beschreibung wird hier zur narrativen Metaebene, der entstehende Text dis23 Whitley 2000, online, o. S. Dazu: In einem Gespräch mit Gina Thomas in der FAZ beschreibt
Morris rückblickend auf die Eröffnung 2000 und in Bezug auf die neue Konzeption 2016: „Im Jahr 2000 hatten wir beschlossen, uns von der Chronologie als übergreifendem Organisationsprinzip zu entfernen. Statt die Sammlung in zeitlicher Abfolge zu zeigen, haben wir Dialoge hergestellt und Kunstwerke thematisch geordnet. Die neue Hängung ist diesem Prinzip treu geblieben, aber schlüssiger geworden. Als wir damit anfingen, wurde uns plötzlich bewusst, dass der Sammlung bestimmte Kunstbereiche fehlten, insbesondere die Fotografie, und dass wir den Blick über den westlichen Kanon hinausrichten müssen. Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts schien es uns nicht mehr richtig, von einer etablierten Geschichte zu sprechen. Wir haben also angefangen, unsere Beweisstücke neu zu ordnen und Neuerwerbungen zu benutzen, um zu zeigen, warum eine breitere Auffassung von Geschichte funktioniert. Ich glaube, wir können das jetzt mit der neuen Hängung noch viel besser demonstrieren. Obwohl auch sie nicht chronologisch ist, hat sie ironischerweise einen festeren Halt in der Geschichte. Selbst die Reihenfolge der Galerien ist mehr oder weniger historisch.“ Thomas 2016, online, o. S.
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kutiert (teil-)imaginierte Objektzusammenstellungen in einem imaginären Raum, einer tatsächlich existierenden Kunstsammlung, in einem historisch und geografisch beschreibbaren Erinnerungsort. Wie das Objekt im Raum installiert ist, welche Nähe es zu anderen Objekten hat und was das Thema der imaginierten Ausstellung ist, wird dem/der Leser*in überlassen. Unter den Tools, die wie Hashtags funktionieren – #bildung, #demokratie, #ort, #raum, #museum, #objekt und #interaktion –, können die Objekte oder Positionen im imaginierten Raum versammelt werden. Die Hashtags, ihre Bedeutungen und Zuschreibungen berühren sich unmittelbar, ja, bedingen sich teilweise sogar. Die Zusammenstellungen der Objekte formulieren temporäre Beobachtungen und Fortschreibungen dieser mit den Hashtags verbundenen Themen. Sie sind nicht als statische Systematisierungen gedacht, sondern als Verhandlungsflächen, die sich fortlaufend transformieren. Sie eröffnen ein Diskursuniversum, in dem sich Kristallisationspunkte entwickeln, aufleuchten und sich wieder auflösen können.
Anatol Herzfeld, o.T. (Der Tisch/Stahltisch), 1968 „… ich versuche ständig in Kontakt zu bleiben … ich versuche Nachricht zu empfangen“, knistert es aus dem Lautsprecher in den Museumsraum. Dazu läuft ein schwarz-weiß flackernder Film. Er dokumentiert eine öffentliche Aktion in einer Düsseldorfer Kneipe, dem Creamcheese. Joseph Beuys und seine Studenten Anatol Herzfeld, Joachim Duckwitz, Johannes Stüttgen und Ulrich Meister versammelten sich dort am 5. Dezember 1968. Die von Dietmar Kirves auf Tonband und auf Super-8 festgehaltene Aktion zeigt ausschnitthaft in 16 Minuten die Geschehnisse der rund 1,5 Stunden andauernden Performance. Vor der Projektionsfläche steht ein Tisch mit dazu passenden Stühlen.24 Daran Platz nehmen möchte man allerdings nicht. Der rostbraune, kantige Stahltisch ist an drei Seiten umgeben von harten, rostbraunen Sitzen. Rau und instabil wirken die asymmetrisch gebauten, ver24 Anatol Herzfeld, o.T. (Der Tisch/Stahltisch), 1968, Aktionsrelikt, Stahltisch und drei Stahlstühle,
Armklammern, Signalleuchten, Stühle: je 86 x 45,5 x 41 cm; Tisch: 73 x 113 x 70 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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schiedenwinkligen und in sich leicht gedrehten Objekte. Das Material bricht mit der scheinbaren Fragilität, das fest verschweißte Metall manifestiert die Unzerstörbarkeit der Objekte. Der martialische Eindruck wird durch sechs auf dem Tisch angebrachte Handfixierungen verstärkt. Vor den Handpaarfixierungen sind jeweils eine rote und eine grüne Signalleuchte zu erkennen, dazwischen ein Loch. An der Seite verläuft ein Kabelstrang aus dem Tisch heraus ins Leere. Der Tisch ist nicht an den Strom angeschlossen, er könnte es jedoch sein. Der Blick auf die Projektion gibt Hinweise auf den Ablauf des Geschehens: Joachim Duckwitz, Johannes Stüttgen und Ulrich Meister nehmen Platz und werden mit ihren Händen durch die Fixierungen mit dem Tisch verschraubt. Ihre behandschuhten Hände ruhen vor den Leuchten auf dem Tisch. Das Loch im Tisch dient zum Zeitpunkt der Aktion als Mikrofonhalterung. Anatol, der Tisch und Stühle konzipiert hat, nimmt nach der Fixierung der Protagonisten in einer Raumecke Platz. Vor ihm ist ein Schaltpult. In der gegenüberliegenden Ecke des Raumes steht Joseph Beuys, an der Wand sind gezeichnete Pfeile und Linien, die auf ein Zentrum verweisen. Die Anordnung im Raum während der Aktion 1968 vergegenwärtigt eine geplottete Skizze an der Wand des Museumsraumes. Sie zeigt dezidiert die Standorte der Protagonisten und der Objekte. Der Film und auch der Ton, die nicht synchron miteinander laufen, veranlassen jedoch auch dazu, Fragen zu stellen: Wieso trägt einer der Protagonisten am Tisch einen Verband um den Kopf? Was bedeuten die installierten Leuchten auf dem Tisch? Und was wird gesprochen? Uwe M. Schneede beschreibt die Aktion genauer: „In der Mitte des Raumes stand ein eigens für diese Aktion von Anatol Herzfeld hergestellter Stahltisch, an dem, in rotem, gelbem und blauem Gewand, Joachim Duckwitz, Ulrich Meister und Johannes Stüttgen saßen, die Handgelenke mit Stahlschellen am Tisch befestigt. Stüttgen ‚hatte eine Binde um den Kopf geschlungen, die er seit einer Woche als Symbol der Krankheit unserer Zeit trägt‘. In einer Ecke saß Anatol an einem ‚Schaltpult‘, Blinkzeichen gebend für die am Tisch Sitzenden: Grün für Sprechen, Rot für Schweigen. ‚Während sie in zunächst wirr erscheinender freier Rede von der Freiheit des einzelnen, von dem neuen Reich des Bewusstseins, von Platon und Sokrates sprachen, stand Beuys in der Ecke und gestikulierte.‘ […] ‚Un-
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ermüdlich, zwei Stunden lang, in Schweiß gebadet, spreizte er die Hände auseinander, ballte sie zusammen, beugte den Oberkörper, ging in die Knie.‘ […] ‚Auf dem Revers trug er als Vereinswort Fluxus Zone West, den neuen Namen für die bisherige Deutsche Studentenpartei‘.“25 Das Bild der Aktion verdichtet sich, gleicht einer Versuchsanordnung mit festen Regeln, Rollen, Plätzen und Kommunikationsmustern. Die Situation wird von Anatol gesteuert: „‚Sprechen gegen Timer‘ – die drei Mitwirkenden waren dem Diktat einer unbarmherzig tickenden Uhr ausgeliefert. […] Anatol gab mit diesem Drama ein pessimistisches Bild des Kommunikationsprozesses.“26 In das Mikrofon sprechen darf/muss derjenige, vor dem die grüne Leuchte am Platz leuchtet. Die rote Leuchte beendet die Rede unmittelbar. „Der Tisch mit den drei Stühlen suggerierte, zumal in einer Kneipe, anregende Unterhaltung dreier aus freien Stücken sich begegnender Personen. Durch die Installation der Handfesseln und die gnadenlose Mechanisierung der Redezeit nach einem unbekannten Plan pervertierte Anatol diesen ersten Eindruck.“27 Dass die Diskussion um Freiheit, um das öffentliche Reden auf einer öffentlichen Veranstaltung, durch Manipulation und Fremdbestimmung gesteuert wird, traf den Nerv der Zeit im Jahre 1968. Jeder Versuch, die Kommunikation nach demokratischen Prinzipien laufen zu lassen, wird durch die rote und grüne Leuchte beeinflusst, gesteuert durch den Versuchsleiter. Beuys kommentiert das Aufblinken und die Dynamik der unmöglichen Kommunikation über die Möglichkeiten der Freiheit und der Mitsprache mit einer „Handaktion“28. Er entwirft ein Gegenbild zum Kommunikationsdrama am Tisch: „Statt zu reden, blieb er stumm. Statt wie die am Stahltisch Sitzenden mit Armschellen gefesselt zu sein, bewegte Beuys Arme und Hände, griff in die Luft und faßte um sich, ja führte plastisch modellierende Bewegungen im leeren Raum aus.“29 Drei Situationen im Raum bestimmen die Aktion: der Manipulator, der die Situation am Tisch gestaltet, die Fremdgesteuerten, die in der Situ25 Schneede 1994, S. 216 f. 26 Katalog Dortmund 1993, S. 92. 27 Ebd., S. 92. 28 Der Begriff der „Handaktion“ wird von Beuys selbst geprägt. Vgl. dazu Beuys/Beuys 2009, S. 16 ff. 29 Schmieder 1998, S. 156.
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ation fixiert sind, und der Verstärker der Situation, der durch sein uneingeschränktes, freies Handeln die Aktion gestisch kommentiert. Hinzu kommt das Publikum (im Film nicht bzw. am Rande sichtbar), das das Drama mit(er) trägt. Die Aktion wird nach beinahe zwei Stunden beendet, die Protagonisten aus ihren Rollen herausgelöst. Was bleibt von der Aktion erhalten? Zum einen die Aktionsrelikte: der Tisch, die Stühle nebst Technik und die Skizze Anatols.30 Zum anderen die Dokumentation: Das Film- und das Tonband werden in einer runden Metalldose als Multiple im VICE-Versand Wolfgang Feelischs 1971 verlegt.31 Unter Multiple ist ein editiertes Kunstwerk zu verstehen, das nach Buchholz/Magnani auch einen theoretischen Standpunkt zur Kunst einnimmt. Es entsteht als Auflage von mindestens 3 bis unendlich.32 Damit wird die Dokumentation der zugrundeliegenden Aktion selbst zum Kunstwerk und kann im Kontext von Beuys’ „hörbaren Plastiken“33 gesehen werden. Dabei gibt es eine Besonderheit: „Das aufgezeichnete Bild- und Tonmaterial ist in seiner Länge und technischen Anlage bewusst asynchron. Im Ablauf des realen Geschehens belassen, bietet sich die Möglichkeit, Film und Tonband zeitlich beliebig gegeneinander zu versetzen und damit immer neue Fassungen selbst zu komponieren.“34 Die Filmlänge beträgt 16 Minuten, der aufgezeichnete Ton umfasst die gesamte Aktion von 90 Minuten. Die Protagonisten des Dramas übergeben ihr Material der Gesellschaft. Der Tisch und die Stühle bezeugen den auf dem Film sichtbaren und im Tondokument hörbaren aktiven Prozess 1968.
30 Ute Klophaus hat die Handaktion von Joseph Beuys in einer Fotoserie thematisiert. Auch diese
ist im Museumsraum mit installiert. Ute Klophaus, Handaktion, 1969, 5 Fotografien, je 41 x 50 cm, rückseitig signiert und mit Copyright-Stempel versehen. Vgl. Katalog Dortmund 1993, S. 100. 31 Der Film und das Tonband werden als Multiple in einer Auflage von 200 zum Verkauf angeboten. Die Metalldose mit den Materialien ist von allen Akteuren außen signiert und mit dem Beuys’schen Braunkreuz gestempelt. 32 Vgl. dazu Buchholz/Magnani 1993, S. 7. Schmieder definiert: „Ein Multiple ist dasjenige mehr als nur einmal vorhandene Kunstwerk, zu dem kein Original existiert, ja bei dem sich die Frage nach einem Original erübrigt und das sich synchron verschiedener künstlerischer Techniken bedient.“ Schmieder 1998, S. 25. 33 Katalog Dortmund 1993, S. 63. 34 Handzettel des VICE-Versands zum Multiple Der Tisch. Der Preis betrug 1971 450 DM. Abbildung in: Schmieder 1998, S. 212.
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Wolf Vostell, T.E.K., 1970 „Schlafen Sie 24 Stunden nicht sondern beschaeftigen Sie sich mit Stacheldraht 24 Stunden lang √ Sie erfahren mehr ueber Schlaf und Stacheldraht“35: Mit dieser kurzen Handlungsanweisung gibt Vostell einen tiefgreifenden Einblick in die Motivation seines künstlerischen Handelns. Er ist daran interessiert, Gewohnheiten und Rituale zu verunsichern, Geschichte und Zeitgenossenschaft zu irritieren und zu hinterfragen und dadurch neue alltagsweltliche Erfahrungsräume zu öffnen. Vostell adressiert seine Kunst hinein in das Nachkriegsdeutschland: „Meine Kunst ist die Kunst der Minderheiten. Meine Kunst ist den Minderheiten gewidmet, den Verfolgten, den Vergasten, den Verhungerten, den Vertriebenen.“36 Das thematische Spektrum verknüpfend, leitet Vostell in sein Environment TEK ein.37 Das zentrale Thema des Raumes ist der Stacheldraht, installiert an Betonpfeilern säumt er zwei schmale Wege durch den Raum. Vostell verbindet ihn mit weiteren Objekten: Infrarotstrahler, Kaugummis, Lautsprecher, Verstärker, Koffer mit Radioempfängern, Löffel und Gabeln.38 Die statische Stille des geschwärzten Raumes und der Gegenstandskonstellationen wird gebrochen, sobald die Besucher*innen des Museums zu Akteur*innen in Vostells HappeningRaum werden und der Handlungsanweisung folgen: „KOFFER NEHMEN UND IM RAUM HERUMTRAGEN.“39 Die am Eingang des Raumes abgestell-
35 Angemerkt mit: Happening 13, ausgeführt in Wuppertal. Vgl. Heissenbüttel/Walter 1970, S. 214. 36 Ausst.-Kat. Gera 1993, S. 142. 37 Wolf Vostell, T.E.K., 1970, elektronischer Happening-Raum, fünf Lichtquellen, 30 Metallpfähle mit
Stacheldraht, fünf Koffer mit Radios und wärmeempfindlichen Mikrofonen, 13000 Löffel und Gabeln, Raum: 1348 x 536 x 473 cm; Pfähle: je 237 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. Das Environment wurde ab dem 30. Januar 1972 erstmalig in Dortmund im Museum am Ostwall installiert. Vgl. dazu Ausstellungsplakat Museum an Ostwall, 1972. 38 Das Radio als Medium, das Senden und Empfangen, bildet eine wichtige Grundlage im Denken Vostells. Vgl. dazu Wodianka 2018, S. 237−252. 39 Die vollständige Handlungsanweisung lautet: „KAUGUMMI KAUEN SENDEKAPSEL MIT PFLASTER AN DER BACKE BEFESTIGEN KOFFER NEHMEN UND IM RAUM HERUMTRAGEN UND KAUGUMMI KAUEN VERSTAERKT GESENDETE KAUGERAEUSCHE HOEREN KAUGERAEUSCHE IM KOFFER HOEREN“. Vgl. Heissenbüttel/Walter 1970, S. 6. Aus restauratorischen und konservatorischen Gründen muss die Rauminstallation in Dortmund auf die Sendekapseln und Kaugummis verzichten. Ebenso auf das von Vostell vorgesehene Mehl.
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ten Koffer40 werden angehoben und von den Akteur*innen durch den Raum getragen, der Metallboden ist mit 5000 Gabeln und 5000 Löffeln ausgelegt. Unweigerlich berühren die Schuhe der Akteur*innen die metallenen Essbestecke und lösen ein kontinuierliches Scheppern aus – Schritt für Schritt. Der Raum wird durch drei Infrarotstrahler von der Decke aus beleuchtet. Die Strahler werfen Lichtkegel auf den Boden und durchkreuzen die mit dem Stacheldraht gesäumten Wege. Bei dem Betreten der Lichtkegel wird ein thermo-elektronischer Mechanismus im Koffer ausgelöst: Das aktuelle Radioprogramm ertönt zu dem Scheppern der Schritte. Ein anderer Koffer bringt beim Betreten des Lichtkegels Fahrgeräusche einer Dampflok hervor, das rhythmische Geräusch eines Zuges auf der Bahnstrecke und das Tönen von Signalanlagen. Die Geräusche aus dem Koffer verstummen, wenn der/ die Akteur*in den Lichtkegel verlässt. Der Gang entlang des Stacheldrahts über die Löffel und Gabeln ist ein bewusster. Jeder Schritt ist mit Vorsicht gesetzt, das Tempo des Gehens entschleunigt die Aktion und das zeitgleiche Nachdenken über die eigene Handlung. Der nächste Lichtkegel bedingt die Fortsetzung der Geräusche. Der Koffer macht Krach, die darin eingeschlossene deutsche Geschichte offenbart sich auditiv im Schein der Strahler. Die Akteur*innen werden zu sinnbildlichen und tatsächlichen Träger*innen dieser Geschichte(n). Unausweichlich werden sie auf dem Weg durch den Raum damit konfrontiert und erzählen die Geschichte mit jedem Schritt mit. Durch den Schall aus den Koffern, die metallischen Schrittgeräusche und das verstärkte Geräusch des Kauens – Vostell dachte zudem an, dass die Akteur*innen Kaugummi kauend den Raum betreten, das Geräusch sollte zusätzlich verstärkt werden – komponieren die Akteur*innen im HappeningRaum eine Kakofonie aus Tönen der Bearbeitung von Geschichte. Vostell eröffnet das Assoziationsfeld: Deportation in Lager, Bilder aus den Lagern zeigen Materialhaufen: Koffer, Brillengestelle, Besteck. Der tägliche Griff in die Besteckschublade wird nach dem Betreten des Raumes ein anderer sein; der Koffer der Eltern unter dem Sofa – darin die Geschichte einer Nation, 40 Ursprünglich sah Vostell fünf Koffer vor. Die Restauratorinnen des Museums Ostwall haben mit
Hilfe von Vostells Technologen, Peter Saage, drei der Koffer zur Eröffnung des Hauses 2010 wieder zum Einsatz bringen können.
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die nicht darüber sprechen kann oder will, die Fragen der einen Generation an die andere; das Kauen als erste Handlung im Akt der Verdauung, das Bewältigen; das Kaugummi, ein Geschenk der Amerikaner an die Kinder; das Kaugummi als Geschichtsbild, das bleibt – solange man darauf herumkaut. Mit der Herausgabe einer Postkarte beschreibt Vostell 1972 seine Position: „Duchamp has qualified the object into art / I have qualified life into art.“41 Die unmittelbare Verknüpfung von Kunst und Leben findet eine eigene Bildsprache im Konzept des medienübergreifenden Strukturprinzips der décoll/age, das sein gesamtes Werk kennzeichnet.42 Seine Ästhetik ist geprägt von Dekonstruktion und rohen Materialien wie Beton und Metall, sie ist getrieben von den Fragen nach der Darstellbarkeit von Unrecht und Krieg: „[…] Gewalt ist schlimm. Aber die Reflexion über die Gewalt und über den Krieg muß sein. Den kann man nicht mit lieblichen, visuellen Metaphern garnieren. Also Blumen gegen Krieg – glaub ich nicht dran. Goya gegen Krieg – ja.“43 Vostell entwickelt mit der Konzeption des Raumes den Happening-Begriff der Fluxus-Künstler*innen für den Museumsraum weiter. Das Happening wird zum permanenten Ereignis im Museum. 1966 definierte Allan Kaprow das Happening: „A Happening is an assemblage of events performed or perceived in more than one place. Its material environments may be constructed, taken over directly from what is available, or altered slightly; just as its activities may be invented or commonplace. A Happening, unlike a stage play, may occur at a supermarket, driving along a highway, under a pile of rags, and in a friend’s kitchen, either at once or sequentially. If sequentially, time may extend to more than a year. The Happening is performed according to plan 41 Wolf Vostell, Duchamp has qualified the object into art / I have qualified life into art / 20th century
NYC, 1972, Postkarte, Auflage 500 Exemplare, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. 42 Vostell beschreibt sein Konzept in: Heissenbüttel/Walter 1970, S. 198. Er fügt ein Faksimile aus
Langenscheidts Wörterbuch 1954 zum Begriff dé-coll/age bei. Vgl. zur Einordnung des Prinzips in Vostells Œuvre u. a. Katalog Dortmund 2010, S. 62, und Wodianka 2018, S. 239. 43 Ausst.-Kat. Gera 1993, S. 138. Vostell verweist im Zitat auf die Werkreihe Goyas Los Desastres de la Guerra, die explizit das Leiden in der Zivilbevölkerung verhandelt. Susan Sontag beschreibt diese Folge von 83 Radierungen, die zwischen 1810 und 1820 entstanden sind, in: Sontag 22008, S. 53 ff. Die Blätter sind versehen mit Bildunterschriften, die die Betrachtenden an das Geschehen heranführen. Goya entwickelte so ein neues Maß der Empfänglichkeit für das Leiden. Jede Radierung fordert zum Hinsehen auf. Die Bildunterschriften beschreiben parallel, wie schwer dies ist.
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but without rehearsal, audience, or repetition. It is art but seems closer to life.“44 Vostell bespielt mit seiner Idee des Happenings neben dem Museumsraum auch den öffentlichen Raum, das Fernsehen und das Radio. Mit seinem Feature Rebellion als Verneinung. Eine akustische dé-coll/age zur Schärfung des Bewußtseins im Hessischen Rundfunk 1969 verbreitet Vostell die Botschaft: „HAPPENING IST NICHT KUNST ALS PRODUKT – SONDERN MACHT METHODEN UND PROZESSE NACHDRÜCKLICH BEWUSST!“45 Das Happening versteht Kunst explizit als aktiven Prozess.
August Macke, Großer Zoologischer Garten, 1912/13 Leonie Reygers beschreibt im Begleitheft zur Gedächtnisausstellung August Macke 1949: „In der leisen Welt der einfachen Gegebenheiten, der stummen Gebärde, der ‚geheimen Spannung zwischen den Dingen‘ ahnt August Macke staunend und verehrend die Wunder der Schöpfung und läßt sie leuchtend neu erstehen in der Farbe.“46 Der Fokus in der Beschreibung der Gründungsdirektorin des Museums am Ostwall liegt auf dem Potenzial der Farbe im Werk des Bonner Künstlers. Doch Macke selbst führt seine Arbeiten, neben der Beschäftigung mit Farbe und Form, auch in der Auseinandersetzung mit der Zeit aus. „Aber Raum, Fläche und Zeit sind doch verschiedene Dinge, die man nicht verquicken soll, heißt es immer. Könnte man sie nur erst entquicken! Ich kann’s nicht. Die Zeit spielt eine große Rolle bei der Betrachtung eines Bildes. Ein Bild (ursprünglich eine dumme leere Fläche) wird im Laufe seiner Entstehung mit einem rhythmisch abgemessenen Netz von Farben, Linien und Punkten überzogen, das in seiner endgültigen Form eine Summe von lebendiger Bewegung hervorruft. […] Die Zeit ist untrennbar von der 44 Kaprow 1966, S. 5. 45 Das Feature spielte auf unterschiedlichen Ebenen mit den Verfahren der Produktion und den
Ebenen von Fiktion und Realität. Dies führte zu einem Polizeieinsatz, da Hörer*innen vermuteten, dass das Studio von „Revolutionären“ besetzt worden sei. Vgl. Wodianka 2018, S. 242. 46 Reygers 1949, o. S. Reygers leitet so in das Begleitheft mit Werkverzeichnis zur Gedächtnisausstelllung August Macke, 25.06.−24.07.1949, im Museum am Ostwall in Dortmund ein. Die Ausstellung zeigte insgesamt 153 Werke, darunter Zeichnungen, Aquarelle und Ölgemälde. Das mit der Werknummer 20 unter dem Titel Großer Zoo, Triptychon geführte Ölgemälde war zu diesem Zeitpunkt noch Teil der Privatsammlung Gröppel in Bochum.
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Fläche. “47 Ebenso wie sein Schaffen untrennbar von der Zeit gesehen werden kann, ist das Bild in der Dortmunder Sammlung auch gekoppelt an den Ort: Es entsteht nach Besuchen des Kölner Zoos. Zusätzlich schafft Macke Studienskizzen und Aquarelle. Sie alle zeigen Menschen und Tiere, Pflanzen und Architekturen und belegen die Auseinandersetzung Mackes mit der Farben- und Formenwelt der inszenierten Natur im industrialisierten Großstadtgeschehen.48 In Phasen gesellschaftlichen Wandels wird der Faktor Zeit im Alltäglichen sichtbar. Die politischen Umbrüche am Vorabend des Ersten Weltkrieges fordern Reaktionen auf das Weltgeschehen heraus, sichtbar werden diese unter anderem durch neue Formensprachen und Stile der Kunst. Diese prägen die Entstehungszeit des Gemäldes entscheidend mit. Futurismus, Kubismus und Orphismus durchmischen die avantgardistische Kunstwelt und auch August Macke bleibt davon nicht unbeeindruckt. Vielleicht sind es die Gitterstäbe, welche die Gehege im Kölner Zoo säumen, die die Teilung der Bildfläche zu einem „weltlichen Triptychon“49 provozieren. Was immer Macke dazu bewegt hat, bleibt unklar, jedoch kann die Teilung auch als rein stilistisches Mittel interpretiert werden, das Mackes Gedanken über Fläche und Zeit materialisiert.50 Macke lässt heute einen zeitgenössischen Zugriff auf sein historisches Objekt zu: Über hundert Jahre nach der Entstehung des Gemäldes scheint es gegenwärtige Bildsprachen von Graphic Novels und Comics vorwegzunehmen. Macke erzählt von links nach rechts, Bild für Bild eine Geschichte eines Tages, eine Geschichte eines Ortes als Utopie. Erst durch die Gleichzeitigkeit von Erzählung und dem Erzählten wird der Inhalt nachvollziehbar. Die Erzählung von Menschen und Tieren erfährt im Verlauf Umkehrungen: Zeigt die linke Bildtafel noch Menschen und Tiere im uneingeschränk47 Macke an Eberhard Grisebach, 20.03.1913, in: Frese/Güse 1987, S. 300. 48 2013 erwirbt das Museum eine Bleistiftskizze Mackes aus dem Jahr 1912. Die auf 12 x 20 cm gro-
ßem Papier gezeichnete Skizze ist rückseitig datiert und betitelt mit Studie zum Zoologischen. Vgl. Stadt Dortmund, Pressemitteilung zur Neuerwerbung, 2013. 49 Die Formulierung ist übernommen aus der Objektbeschreibung zur Skizze der Galerie Ketterer 2012, online. 50 August Macke, Großer Zoologischer Garten, 1912/13, Öl auf Leinwand, Mittelteil: 129,5 x 100,5 cm; Flügel: je 129,5 x 65 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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ten Miteinander, so suggeriert die mittlere Tafel den gewohnten Blick: Der Mensch beherrscht das Tier. Die Rehe stehen hinter Gittern, der Vogel sitzt auf der von Menschen zur besseren Beschau konzipierten Schaukel und sogar der mächtige Elefant scheint bezwungen und gerahmt durch die von Menschenhand gebaute Architektur. Die dargestellten Personen werden zu Betrachterinnen und Betrachtern, die in den Zwischenräumen beiläufig agieren. Die rechte Tafel verkehrt die Umstände: Es sind die Menschen, die durch Gitterstäbe oder gerahmt von ihnen – wie in Gehegen – im Zoo stehen. Die Tiere scheinen nun uneingeschränkt und ungezwungen die vermeintliche Natur zu erkunden, vielleicht sogar zu besetzen. Der Strauß und die Gazelle könnten den von Macke beschriebenen Weg als Ausweg aus der Situation benutzen. Macke scheint mit der Beiläufigkeit der vorbeispazierenden und schlendernden Protagonistinnen und Protagonisten im Bild Ruhepole in seiner Erzählung der fortschreitenden Abfolge der Tafeln zu generieren.51 Der Fortgang der gezeigten Geschichte wird durch die Statik der Personen intensiviert. Macke greift bei der Darstellung der Menschen auf ein vertrautes Figurenrepertoire zurück. Andrea Firmenich kategorisiert dieses unter dem Begriff der Spaziergänger: „Schon einige frühe Zeichnungen Mackes verweisen in einzelnen Vorstufen auf das Thema des Spaziergangs hin. In vielen Schritten arbeitet er weiter daran, bis die Einzelmotive ab etwa 1912 zur Szene verschmelzen […]. Es sind Spaziergänger auf der Straße, Passanten beim Schaufensterbummel, Flaneure im Park, Promenierende am Flußoder Seeufer, Ausflügler bei Segelpartien und Picknicks am Ufer und schließlich Besucher im Zoologischen Garten.“52 Macke ist ein Beobachter seiner Umwelt, aber seine Haltung dazu kann nicht ausschließlich als kontemplativ gewertet werden. Macke löst sich aus der von Reygers zugeschriebenen Rolle des Staunenden und die Wunder der Schöpfung Verehrenden und begreift sich mit seinem Zoologischen Garten als nachdenklichen Erzähler urbaner Geschichten mit einer hohen stilistischen Gabe. Er selbst formuliert die Auf-
51 Die Darstellung anonymer Protagonisten ist typisch in Mackes Œuvre. Vgl. dazu zahlreiche Skiz-
zen und Gemälde, die z. B. Spaziergänger und Spaziergängerinnen zeigen. 52 F irmenich 1992, S. 122.
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gabe an die Kunst: „Das Kunstwerk ist ein Gleichnis der Natur, kein Abbild.“53 Macke strukturiert nicht nur seine Erzählung mit der Abfolge seiner Bildtafeln, er choreografiert die Lesbarkeit seines Gemäldes und die Rezeption im Ausstellungsraum. Er verhandelt Fläche und Zeit als historisches Narrativ wie auch als Voraussetzung für gegenwärtige Literalität, die sich erst durch Interaktion offenbart. Am 30. März 1913 formuliert Macke deutlich: „Es ist mir in letzter Zeit besonders klar geworden, daß im Bilde nicht der Raum (die Fläche) allein wirkt, sondern daß Fläche und Zeit untrennbar sind. Das spielt beim Betrachten des Bildes eine große Rolle. Die Sache ist sofort klar, wenn das Bild so groß wird und in einem langen schmalen Gang hängt. Man muß dann langsam vorbeigehen. Es ist die Betrachtung eines solchen Bildes, wie man an einem Zaun vorbeigeht und die einzelnen Latten flimmern.“54 Macke provoziert mit seinem Zoologischen Garten die Interaktion. Das rund 2,40 Meter lange Bild beschreibt einen aktiven Prozess.
Matthias Koch, Phoenix-Ost, 2009/2011 1841 gründete der Fabrikant Hermann Diedrich Piepenstock ein durch Dampfkraft betriebenes Stahlwerk, das nach britischem Vorbild – höchst innovativ – Stahl produzierte. Das im heutigen Stadtteil Dortmund-Hörde gelegene Stahl- und Walzwerk ging unter dem Namen Hermannshütte in die Geschichte der Schwerindustrie des Ruhrgebiets ein. Mit der Schließung der Hütte 2001 und dem Rückkauf des Areals entschied sich die Stadt Dortmund für eine Umnutzung der Fläche.Für die Umgestaltung der Fläche zur Freizeitstätte mit See, Wohn- und Gewerbebebauung wurde das Gebiet komplett entkernt: „Zur Erstellung des Seebeckens und für die Modellierung der angrenzenden Entwicklungsflächen wurden mehr als 2,5 Millionen Kubikmeter Boden und rd. 420.000 Kubikmeter Stahlbeton-Abbruch bewegt. Dabei wurde das im Zuge der Industrialisierung verfüllte Emschertal weitgehend freigelegt.“55 Auf einem Feuerwehrleiterwagen stehend, mit einer 53 Macke an Bernhard Koehler, 30.03.1913, in: Frese/Güse 1987, S. 302. 54 Ebd. 55 Stadt Dortmund o. J., online, o. S.
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Großformatkamera in der Hand, dokumentierte der in Düsseldorf lebende Fotograf Matthias Koch diesen Prozess. Phoenix-Ost gehört zu der 12-teiligen Serie Wertschätzung. Orte der Geschichte.56 Mit der gleichnamigen Ausstellung im Museum Ostwall im Dortmunder U 2011 thematisiert das Museum die Transformation von Orten im Ruhrgebiet an einem in Transformation befindlichen Ort gleicher Lokalität. Unmittelbar werden der Museumsraum und die fotografische Werkreihe zu Trägern der Erzählungen von Geschichten einer Region. Matthias Koch beschreibt seine Arbeit: „In meiner Serie ‚Orte der Geschichte‘ (eigentlich: ‚Orte meiner Geschichten‘) geht es mir um ausgewählte Orte, an denen etwas historisch Bedeutsames passiert ist – selbst wenn davon heute kaum noch etwas zu sehen ist. Nach meiner Entscheidung für ein Geschehnis erkunde ich einen entsprechenden Ort und versuche, mir ihn und seine Geschichte anzueignen, indem ich die heutige Situation, seine momentane Befindlichkeit zu einem magischen Moment einfange. […] Ich [zeige] exemplarisch Schritte des Verschwindens der Schwerindustrie in ihren abstrahierten Stufen Betrieb – Stilllegung – Verwendung als Museum – Abriss – Brache – beginnende Neubebauung.“57 Die Fotografie zeigt eine karge Landschaft, lehmiger Erdboden schichtet sich meterhoch neben ausgeschachteten Flächen. Die Größe der Erdschichten und Sandberge wird erst durch die relationale Ansicht der schweren Baugeräte deutlich. Bagger und LKW verlebendigen das zergliederte Areal nur bedingt. Immer wieder durchkreuzen spiegelnde Wasserflächen, vom Regen- oder Grundwasser besetzte Felder das Gelände. Spundwände unterteilen die Fläche, ohne die Logiken der Bebauung preiszugeben. Florian Ebner kategorisiert die Fotografien Matthias Kochs im Rahmen des Förderpreises der Wüstenrot Stiftung für Dokumentarfotografie als Dokumente eines historischen Prozesses: „[…] eine Gruppe von Arbeiten [richtet] ihren Blick auf eine Gegenwart, die bereits vergangen ist, unternimmt eine letzte Bestandsaufnahme, bevor sie Geschichte ist. […] Matthias Kochs großformatige Aufnahmen aus der Werkreihe ‚Orte der Geschichte‘ sind ebenfalls Landschaften des Verschwindens […] 56 Matthias Koch, Phoenix-Ost, 2011 (Aufnahme 2009), C-Print auf Fotopapier hinter Acrylglas,
nicht nummeriert, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. 57 Ausst.-Kat. Essen/Ludwigsburg 2014, S. 12.
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der Schwerindustriekultur des Ruhrgebiets. Koch fügt den sorgfältig gestalteten und detailreichen Landschaften präzise topografische Bildtitel hinzu, welche die Geschichte und die zukünftige Nutzung des Ortes angeben. Hinter dem Stil verbirgt sich somit auch der tatsächliche Wunsch, Dokumente eines historischen Prozesses zu schaffen.“58 Die Fotografien schreiben mit der Dokumentation der postindustriellen Orte die Erzählungen der Industriegeschichte des Ruhrgebietes fort und zeigen zugleich globale Prozesse auf. Koch skizziert die Annäherung von Industrielandschaft und Stadtraum nachdrücklich: „Denn die Industrie ist dem konkreten Ort nach eigenen Gesetzen verbunden, nach Maßgabe von Energiequellen, Rohstoffen, Transportwegen und Ressourcen der Arbeitskraft. Letzteres rückt sie in die Nähe der Städte; ebenso zieht sie die dort angesiedelte Konzentration von Markt, Tausch und Kapital an. In dieser Art verbindet sich die Industrie mit der Stadt und transformiert sie. Sie greift auf die Städte über oder schafft neue, schafft die ‚Industriestadt‘.“59 Dabei geht es ihm „um die Überlagerung von zwei Zeitebenen. Beim Anblick der heutigen Situationen erschließt sich deren frühere Bedeutsamkeit keineswegs auf den ersten Blick. Man ahnt kaum, was hier früher stattgefunden oder gestanden hat. […] Seine Arbeiten zielen ins Spannungsfeld zwischen dokumentarischer Abbildung und persönlicher Stellungnahme. Die erhöhte fotografische Perspektive und Distanz zum Objekt passen zum zeitlichen Abstand der vergangenen Ereignisse.“60 Die persönliche Stellungnahme Kochs ist auch in Hinblick auf seine Berufsbiografie interessant. Als ehemaliger Student von Bernd und Hilla Becher und als ihr Assistent auf zahlreichen Exkursionen schreibt Koch zugleich die Geschichte der Industriefotografie weiter fort. Fast fünfzig Jahre nach den Fotografien der Bechers von Hochöfen, Wassertürmen und Fördertürmen sucht Koch die Orte auf. Er trifft auf Brachen, umcodierte oder neu besetzte
58 Ebd., Ebner 2014, S. 184. 59 Bohn/Wilharm 2012, S. 10. 60 whatulookinart 2014, online, o. S.
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Gebiete.61 Koch macht Aussagen über Stadtwerdungsprozesse und den aktiven Prozess der Diskussion um urbane Identitäten.
Ketty La Rocca, Appendice per una supplica, 1974 Sechs Schwarz-Weiß-Fotografien mit den Maßen 50 x 60 Zentimeter, in Holz gerahmt und in Zweierpaaren untereinander hängend, zeigen Hände.62 Der schwarze Hintergrund gibt keinerlei Informationen über den Ort, die Tageszeit oder die Handelnden. Er lässt die unterschiedlich ineinander verschränkten, nahezu isolierten Körperteile erstrahlen und verstärkt somit den Fokus auf die Handlung: Hände, miteinander agierend, zusammengeschoben, beinahe verhakt, spannungsvoll gehalten und kraftvoll von der jeweils anderen besetzt, zeigen Gesten einer nur nach und nach entschlüsselbaren Erzählung. La Rocca selbst beschreibt 1973: „In our culture gestures only underline information, serving as a supportive means of expression … even though a greater wealth of mystic, ritual and fantastical elements – the legacy of mankind and thus irreplaceable – is also to be found in gestures.“63 Sie misst den Gesten die Funktion der Verstärkung von Informationen bei. Doch mehr: Das stützende Ausdrucksmittel der Handgeste wird zum Mittel einer alternativen Sprachkultur, die im Zwischenraum des Prä- und Post-Verbalen konstruiert wird. Das Thema der gestischen Sprache prägt die Arbeiten La Roccas zu Beginn der 1970er Jahre. Durch die Untersuchung von Beziehungsdynamiken zwischen Mann und Frau kommt sie zu dem Schluss, dass die bisherigen Kommunikationsformen unzureichend sind. Sie entwickelt daraufhin eine neue Form der Kommunikation, die auf körperlichem Ausdruck basiert und gesellschaftlich nicht vorcodiert ist. Die Auseinandersetzung mit dem „kommunikativen Potential von Gesten führt auch 61 Die Ergebnisse zeigt Koch in einer Ausstellung mit Hilla Becher 2014 unter dem Titel: Industrie-
landschaft im Wandel – Zwei Perspektiven: Fotografien von Bernd & Hilla Becher und Matthias Koch, ARTSpace Pot72, Berlin 2014. 62 Ketty La Rocca, Appendice per una supplica, 1974, 6-teilige fotografische Serie, Schriftzeichen mit Tusche, je 50 x 60 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. 63 Amanda Wilkinson Gallery 2018, online, o. S.
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zu ihrer Mitarbeit bei Nuovo Alfabeti, einer experimentellen Fernsehsendung für Gehörlose, die in Gebärdensprache ausgestrahlt wird“64. Ihre Videoarbeit Appendice per una supplica, die 1972 auf der Biennale in Venedig präsentiert wird, zeigt ein weibliches und ein männliches Händepaar in Interaktion miteinander.65 Vor einem schwarzen Hintergrund verhaken sie sich und stoßen sich ab, verharren und gestikulieren. Das rund neun Minuten dauernde Video wird zum Ausgangspunkt für eine Reihe fotografischer Arbeiten, auch für die Dortmunder Werkreihe: „Die Fotografie diente der Künstlerin dabei zur Erstellung eines persönlichen Katalogs zur Neubewertung der Gestik als Revanche für unterdrückte Körperlichkeit und Aufbäumen gegen den Primat der verbalen Sprache, die nicht mehr in der Lage ist, echte Sinngehalte zu vermitteln.“66 Das fotografische Bildmedium erweitert Ketty La Rocca durch Schrift und führt so ihr Interesse an der poesia visiva (Visuelle Poesie, wie etwa durch strukturierende Typografie) in der Analyse des Verhältnisses zwischen Verbalem und Visuellem fort. Bereits in den 1960er Jahren als Mitglied der Gruppo 70 widmet sich La Rocca durch Collagen als Spracherkundungen den Themen gesellschaftlicher Ungleichheiten in Bezug auf Gender und Race sowie Geschlechterstereotype und patriarchale Darstellungsformen in der Werbe- und Konsumwelt.67 Die feministische Künstlerin, die der italienischen Neoavantgarde zugeordnet werden kann, arbeitet medienübergreifend fotografisch, collagierend und filmisch sowie mit dem Medium der Skulptur, des Buches, in Performances und Texten. Zudem entwickelt sie ein großes Interesse an unterschiedlichen Formen der Technik und konzeptueller Musik, so komponiert sie Musikstücke auf der Grundlage mathematischer Formeln. Sie selbst vergleicht ihre Kunst mit den Aussagen der
64 Drucks 2015, online, o. S. 65 Die Videoarbeit Appendice per una supplica (1972) wird als eines der ersten experimentellen
Videos der Kunstgeschichte verhandelt. Länge: 00:09:30, online abrufbar auf der Website der Fondazione Bonotto, o. J. 66 Provinz Bozen 2016, online, o. S. 67 Siehe Collagen: Ketty La Rocca, Non commettere sorpassi impuri, 1964−1966, plastifizierte Collage, 100 x 65,5 x 1,5 cm, Archivio Ketty La Rocca, Florenz. Oder: Ketty La Rocca, Signora, lei che ama cucinare, 1964/65, Collage auf Karton, 34,9 x 24,3 cm. Reproduktionen siehe Perna 2018, online, o. S.
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amerikanischen Pop-Art-Bewegung und stellt sich die Aufgabe, gesellschaftliche Wunden aufzuzeigen.68 Das fotografische Abbild der Hände wird in der Serie der Dortmunder Sammlung durch die mit Tusche geschriebenen Wörter auf der Bildoberfläche entlang von Krümmungen und Falten der Hände ergänzt. Ständig wiederholt La Rocca ein und dasselbe Wort: you.69 Sie verhandelt mit dem kurzen Wort die gesamte Situation und versteht es als Verbindung: „The you has already started at the border of my I.“70 Gleichzeitig repräsentiert es die kleinste Einheit der Kommunikation.71 Das you wird zur Infragestellung des Gegenübers und zur gleichzeitigen Vergegenwärtigung des I im abgleichenden Prozess.72 Mit dem Titel, der übersetzt als Anhang an eine Bittschrift/ein Gesuch verstanden werden kann, eröffnet sie eine zusätzliche Kommunikationsebene. Sie öffnet den Akteur*innen das Feld, ihre Arbeit gedanklich in Kontexte des Erbittens und des Flehens zu kategorisieren, ohne dabei jemanden konkret zu adressieren oder weitere Informationen preiszugeben. 1974 schreibt sie: „It is not the time for women to make declarations; they have too much to do.“73
Martin Brand, Portraits of Young Men, 2009/10 Martin Brand zeigt Portraits of Young Men.74 Das projizierte Bild in der Größe eines Garagentores besetzt den Raum. Der Zeitpunkt des ersten Blickes auf die Arbeit im Raum bestimmt die Frage nach der Kategorie: Film oder Fotografie? Bei der ersten visuellen Erkundung der Projektion ist dies zunächst nicht klar. Martin Brand zeigt frontal im Blickkontakt mit der Kamera sich 68 „ La Pop Art non ha fatto altro che enfatizzare la società che le stava intorno […]. Oldenburg
cosa ha fatto? Ha fatto vedere come era la società, quindi io sto facendo vedere quali sono le piaghe.” Ketty La Rocca im Gespräch mit Verità Monselles, 1974. Ebd. 69 Die erste Monografie über Ketty La Rocca zeigt die Vielschichtigkeit der Kommunikationsmittel der Künstlerin. Vgl. Stepken 2018. 70 Amanda Wilkinson Gallery 2018, online, o. S. 71 Schor 2015, S. 502. 72 Katalog Dortmund 2010, S. 34. 73 Epps 2018, online, o. S. 74 Martin Brand, Portraits of Young Men, 2009/10, Fotografien/Videoprojektion, 40 Porträts, CPrints, 36 x 54 cm / Videoserie von 40 Porträts, HD-Video, einkanalige Videoprojektion in 16:9, 75:39 min, Museum Ostwall im Dortmunder U.
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selbst inszenierende männliche Jugendliche aus diversen jugendkulturellen Szenen und Systemen. Der gleiche Bildausschnitt und die gleiche Position im Bildraum treffen auf die individuelle Haltung und Ästhetik der jungen Männer. Erst mit der Zeit werden Bewegungen auf der Projektionsfläche am Körper der Protagonisten wahrgenommen – ein Wimpernschlag, der leicht wehende Wind in den Haaren, eine unauffällige Schluckbewegung oder ein unterdrücktes, schweres Atmen einzelner Porträtierter geben den Fortlauf eines Videos preis. Inke Arns beschreibt diese von Brand konzipierte Bildform als: „[d]as unendlich lang(sam)e Bewegungs-Bild, das zugleich Zeit-Bild ist […].“75 In zweiminütigen Sequenzen werden 40 Videoporträts hintereinander gezeigt, farbig, ohne Ton. Die provozierte Stille ist kalkuliert: „Martin Brand macht seine Porträts nicht spontan, nicht an jedem beliebigen Ort, sondern er sucht für seine Aufnahmen spezielle Schauplätze, interessante Hintergründe, wirkungskräftige Kontexte, die das jeweilige Modell und sein Gesicht einbinden, so dass eine Einheit mit bildkompositorischem Profil entsteht. Fast malerisch-narrativ inszeniert er die Hintergründe, wie eine Art Strukturbildungsprozess, in dem sichtbare Formen sowie ornamentale und formale Strukturen – ein Graffiti, eine Hecke, eine Mauer – erscheinen, die vom Betrachter auch als ein Bildobjekt wahrgenommen werden können, doch die nachgeordnet sind, die Relationen zwischen Bildsubjekt und Bildkontext herstellen und die in einem abstrahierenden Modus das Augenmerk auf das für wesentlich Erachtete lenken: Den Menschen, den Jugendlichen, den Heranwachsenden auf seiner Suche nach dem Ich und der eigenen Identität.“76 Die in den Jahren 2009/10 in Köln, Dortmund und dem Münsterland entstandene Reihe besteht neben den bewegten Videosequenzen auch aus Stills.77 Zu Beginn seiner Arbeit 2009 fotografiert/filmt Brand weibliche und 75 Arns 2008, S. 15. 76 Brockmann 2010, S. 10 f. Der von Brockmann gewählte Begriff des Modells trifft nach Einschät-
zung der Verfasserin nicht auf die Jugendlichen zu. Die Porträtierten stehen nicht Modell für einen bestimmten Auftrag, sondern werden als Inszenierungen ihrer selbst vor der Kamera begriffen. 77 Die fotografischen Porträts „zeigen einen ähnlichen, aber aufgrund des anderen Seitenverhältnisses (Video 16:9 und Fotografie 3:2) leicht veränderten Bildausschnitt“. Vgl. Brockmann 2010, S. 8 f. Die Dortmunder Präsentation zeigt lediglich die Videosequenzen.
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männliche Jugendliche in von ihnen besetzten Räumen. Brand ändert sein ursprüngliches Konzept: „Einhergehend mit der Beobachtung, dass Mädchen und junge Frauen signifikant unauffälliger in den häufig männlich dominierten Gruppen agierten, konzentrierte sich der Künstler nachfolgend auf die jungen Männer, die offensichtliche Macht, Stärke, Außenseitertum, Machogehabe demonstrieren und in der Gruppe von Gleichgesinnten ausleben.“78 Die in der Videoprojektion gezeigten Jugendlichen sind „still und ohne sichtbare Aktion in halbnaher Kameraeinstellung gefilmt“79. Martin Brand wählt aus den rund 170 entstandenen Porträts diese 40 Sequenzen aus. Entscheidend für die Auswahl sind neben subjektiven Kriterien auch die technische Qualität der Freiluftaufnahmen, ästhetische Merkmale und Strategien der Narration. „Für seine Aufnahmen hat der Künstler eine Methode der konzentriert-stillen und doch bewegten Beobachtung mit der Kamera entwickelt und sich somit sukzessive eine ästhetische Strategie erarbeitet, um in einer von schnellen Bildern und Sofort-Antworten geprägten Zeit kollektive Gemütsverfassungen, aber auch Diskrepanzen von Selbstbild und Fremdbild mit filmischen und fotografischen Mitteln ins Bild zu bannen […].“80 Die Porträts reflektieren männlich dominierte Jugendszenen und deren Alltagskulturen im öffentlichen Raum. Sie sind Beobachtungen von Jugend in ihrer diversen Gestalt, visualisiert in Gesichtsausdrücken, Körpersprachen und Kleidungsstilen, überführt in Gesten, eingebettet in individuellen Habitusformen und kollektiven Gesellschaftsbildern.81 Die Sequenzen verdeutlichen trotz ihrer kurzen Dauer, wie fragil oder statisch die in der Gruppe präsentierten Machtansprüche, Machtgebaren und Selbstbewusstseinsformen tatsächlich sind, sie „geben Rechenschaft von unbewussten Haltungen, (Un)Sicherheiten, Fragmenten von Identitäten; es sind kürzeste Momente, Sekundenbruchteile, augenblickliche Regungen fast wie zwischen
78 Galerie Münsterland 2010, online, o. S. 79 Brockmann 2010, S. 8 f. 80 Ebd., S. 8−9. 81 Galerie Münsterland 2010, online, o. S.
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Schlaf und Wachen […].“82 Die Arbeit von Martin Brand beschreibt zudem einen aktiven Prozess, der zwischen Kamera und Porträtiertem stattfindet und Passivität thematisiert. Der zweiminütige, zwar freiwillige Blick in die fremde Kamera ist für viele der Jugendlichen nur schwer zu halten. Der psychische Druck des Ausgeliefertseins in der reinen Form der Beobachtung ist unterschiedlich stark physisch spürbar. Ein ausweichendes Augenspiel, ein zuckender Mundwinkel, zunehmend verkrampfende Hände. Die Verhandlung von Freiwilligkeit, sich zu zeigen, und selbstauferlegten Normen im Gezeigt-Werden ist hierbei besonders interessant. Brands Arbeiten bilden eine Schnittstelle zwischen Dokumentation und Fiktion, er ist Beobachter, Initiator und Repetent zugleich. Ein Themenschwerpunkt seiner Arbeit ist die Beobachtung jugendkultureller Phänomene und der dabei sichtbar werdenden Identitätsbildungsprozesse. „Neben den inhaltlich-soziologischen Aspekten konzentriert sich die Arbeit mit der parallelen Präsentation von Fotografien und Videoprojektion auf die Untersuchung der verschiedenen Wirkungsweisen und Betrachtungsmöglichkeiten von bewegtem und unbewegtem Bild.“83 Der sich bei der Ansicht der Videoarbeit einstellende Eindruck überführt die Akteur*innen in einen mimetisch angelegten Prozess. Das stille Verharren erlangt die Qualität des Nachvollzugs der Anspannung der im Film dokumentierten Situation, der/die Akteur*in wird zum/zur Beobachter*in einer Beobachtung und tritt in Interaktion mit dem Objekt.
Freya Hattenberger, Pretty Girl, 2008 Ein Monitor zeigt einen Film. Eine Frau sitzt in einem Schaufenster. Die 84
Kamera ist auf ihren Kopf gerichtet und filmt aus dem Rauminneren heraus, das passive Geschehen auf der Straße bildet den Hintergrund der Szene. Es ist Freya Hattenberger selbst, die im Schaufenster sitzend ins Unbestimm82 Vgl. Arns 2008, S. 12−16. Arns beschreibt hier u. a. die Serie Pit Bull Germany, die 2004 nach einem
ähnlichen Konzept entstanden ist. 83 Martin Brand, Webauftritt, o. J. 84 Freya Hattenberger, Pretty Girl, 2008, zweikanalige Videoperformance auf DVD (Part 1: Text, Part
2: Face), Farbe, Ton (Stereo), 02:50 min, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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te schaut. Sie bewegt die Lippen synchron zu einer Audiospur, emotionslos ohne Regungen im Gesicht. Eine männliche Stimme hält einen Monolog. Es ist eine Art animierende Rede, eine Aufforderung zu handeln. Die Stimme fordert eine weibliche, nicht näher beschriebene Person auf, sich vor einer Kamera zu bewegen. Der Raum des Geschehens bleibt unbestimmt, es könnte überall sein.85 Mit redundanten Sätzen wie „come on you pretty girl“, unterstützt durch schrilles Pfeifen und vermeintlich motivierendes Händeklatschen, wird ein Machtverhältnis zwischen den beteiligten Rollen deutlich. Die männliche Stimme verlangt ein bestimmtes Verhalten, das weibliche Pendant ist stumm, scheint den Anweisungen jedoch – schwerfällig oder wenig willig – zu folgen. Bestätigende Phrasen kommentieren die weibliche Handlung – „oh, it’s you pretty girl“. Unbeteiligt formt Hattenberger die entwürdigenden Worte mit dem Mund nach, beinahe abwesend bringt sie die für die Videoarbeit verinnerlichten Sätze über ihre Lippen. Die Kühle in Hattenbergers Gesicht überspielt die Absurdität des Monologs: „you look like you are on drugs […] come on you pretty girl […] usually when I do that, she goes like crazy!“ Die Künstlerin hat den Text in ihre medialen Formen übersetzt. Nachvollziehbar wird dieser Prozess durch die Projektion der Worte auf der angrenzenden Wand. Weiße Schriftzeichen, nicht typografisch inszeniert, auf schwarzem Grund werden projiziert, simultan zur Tonspur und zur Lippenbewegung der Künstlerin. Sie zeigen den transkribierten Text der männlichen Stimme, ablesbar wie auf einem Teleprompter. Die Art der Inszenierung der Worte lädt zum Mitlesen ein und doch setzt ein Prozess des Nicht-nachvollziehen-Könnens ein, welch absurder Monolog hier gehalten wird. Das verschriftlichte Zeugnis steht als Beweis der abwegigen Situation gegenüber. Das rund dreiminütige Video erfährt in den letzten Sekunden
85 Freya Hattenberger beschreibt 2010 bei der Einführung zu ihren Arbeiten im Zuge der ersten
Sammlungspräsentation im Museum Ostwall im Dortmunder U, dass die Tonspur aus der Zeit eines Residence-Aufenthaltes in Amsterdam stammt. Sie sei zufällig in einer Kneipe auf den Mann und die Frau gestoßen. Als der Mann bemerkt habe, dass Hattenberger eine Kamera bei sich trug, forderte er die ihn begleitende Frau auf, sich vor dieser zu bewegen. Hattenberger verarbeitete die Tonspur des Filmes in der Videoarbeit. Die Selbstinszenierung der Künstlerin in einem Schaufenster greift die prekäre Situation zahlloser Prostituierter im Amsterdamer Rotlichtviertel auf.
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eine Wendung: Die Teilnahmslosigkeit Hattenbergers wird durch die Drehung ihres Kopfes unterbrochen. Mit einem offensiven Blick in die Kamera adressiert sie die letzten Textzeilen an die Rezipient*innenschaft im Museumsraum: „Don’t be bad, don’t be bad. Come on, you pretty girl.“ Die zuvor scheinbar Teilnahmslose eröffnet eine Interaktion mit den Besucher*innen der Sammlung. Im Loop wirkt der bizarre Monolog in Sprache, Schrift und der konterkarierenden Bildspur unentwegt fort. Auch die wiederholte Ansicht des Videos schmälert die Wirkung der Wendung nicht. Hattenberger beschreibt die Performance Pretty Girl als Verhandlungsfläche von Machtverhältnissen und Rollenverständnissen, „die sich oft in Geschlechterklischees spiegeln. Anweisungen, sich in einer bestimmten Art und Weise vor der Kamera zu verhalten und die sich an das ‚pretty girl‘ richten, werden durch die Inszenierung in einem Schaufenster bewusst gebrochen. Die Stimme dient hier nicht länger als Indikator für eine bestimmte Person, sondern wird aufgelöst, um ein Spiel der Identitäten in Gang zu setzen. Imitation als Grundmuster von (menschlichem) Verhalten wird einem autonomen Selbstbegriff gegenübergestellt.“86 Hattenberger arbeitet ausschließlich mit sich selbst, mit Kamera und Ton. Ihr Thema ist das Aufzeigen von und der Bruch mit Rollenklischees. Auch ihre Arbeit Ich bin’s87 verhandelt von der Gesellschaft tradierte Rollenklischees und Zuschreibungen. Freya Hattenberger filmt sich selbst über die Schulter hinweg vor einem Spiegel stehend. Ihre langen Haare sind eingedreht über die linke Schulter gelegt. Hattenberger leert innerhalb von sieben Minuten eine Literflasche Coca-Cola. Nach jedem Schluck rülpst sie und spricht zu ihrem Spiegelbild: „Ich bin’s.“ Schluck für Schluck folgt nach jedem Rülpsen die verbale Selbstvergewisserung: „Ich bin’s.“ Von der Rolle abweichendes, „unweibliches“ Verhalten trifft auf ein typisch männlich-pubertäres Spiel mit Körpergeräuschen, immer mit der Spiegelung und der Rückenansicht der erwachsenen Frau. Hattenberger gibt sich dem Moment hin und ist über ihre eigenen Geräusche erstaunt und belustigt. Kichernd kommentiert sie: „Ich bin’s“, bis die Flasche geleert ist. 86 Freya Hattenberger, Webauftritt, o. J. 87 Freya Hattenberger, Ich bin’s, 2004, einkanalige Videoperformance, Farbe, Ton (Stereo), 07:15
min, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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Hattenberger formuliert Aspekte und Bedürfnisse des Körpers sowie das Beziehungsgeflecht zwischen Körper, Raum und sozialer wie ökologischer Lebenswelt als zentrale Punkte in ihren Arbeiten. Dabei interessieren sie besonders „Fragen der Repräsentation und der Autonomie“88.
Mark Dion, Frankenstein in the Age of Biotechnology, 1991 Anlässlich der Ausstellung The Greenhouse Effect in der Serpentine Gallery im Jahr 2000 verfasste der Amerikaner Mark Dion ein Manifest für das künstlerische Arbeiten mit oder über die Natur. Seine Some Notes Towards a Manifesto for Artists Working With or About the Living World beginnt Dion mit: „We are not living in a simple age and as artists of the time our work reveals complex contradictions between science and art, between empiricism and the idea, between nature and technology and between aesthetic conventions and novel forms of visualization. Our goals vary. While some may wish to dissolve the contradictions in our social relations to the natural world, others may be interested in analyzing or highlighting them.“89 Er formuliert darin die verantwortungsvolle Rolle der Kunst zu Umwelt und Natur in wechselseitiger Beziehung zu den Wissenschaften und diversen Verständnissen von Gesellschaft. In seinen Arbeiten nimmt er seit den 1990er Jahren kritische Positionen zu wissenschaftlichen und politischen Themen ein. In vielfältigen Auseinandersetzungen mit der Natur schreibt er zugleich eine eigene „history of natural history“90, eine parallele Erzählung von Natur und Kultur, Vergangenheit und Gegenwart weiter. Die kulturell tradierten Vorstellungen von Natur sind seine Ausgangspunkte: „Museums of history are one of the most essential sites for any investigation into how a dominant cultural group constructs and demonstrates its truth about nature. My work is not really about nature, but rather it is a consideration of ideas of nature.“91 Hierbei spielen wissenschaftliche Sammlungen, Archive und De88 Ausst.-Kat. Dortmund 2010, S. 15. 89 Mark Dions Manifest im Ausst.-Kat. der Serpentine Gallery, London 2000, o. S. 90 Keßler 2018, S. 123. 91 Lights going on 2011, online, o. S.
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pots eine übergeordnete Rolle. Aus ihnen heraus generiert er Topics und Themen und platziert dazu Objekte, Präparate und Literatur zu Rauminstallationen, in Kabinetten und zu Wunderkammern.92 Darüber hinaus thematisiert er das Sammeln von Objekten in Wunderkammern und Museen, er spiegelt tradierte Anordnungen durch pseudo-museologische Systematiken, in denen er auch Alltagsobjekte und Fundstücke einfügt. Besonders prominent sind seine digs, die tatsächlich dem wissenschaftlichen Aufbau von archäologischen Grabungen folgen. In der Arbeit Tate Thames Dig93 (1999) wurden an den von den Gezeiten besonders geprägten Themseufern Millbank und Bankside während der Ebbe Grabungen durchgeführt. Dion und sein Team gruben große Mengen von Gegenständen aus, darunter Tonpfeifen(fragmente), Scherben von Delfter Keramiken, Austernschalen und Plastikspielzeug. Die Funde wurden akribisch gereinigt und in Zelten nahe der Fundstellen an der Tate Modern ausgestellt. Dion systematisierte die Funde anschließend in einem Holzschrank, einem Kabinett mit Auslageflächen und Glasschaufenstern im Museumsraum der Tate. Er inszenierte die historischen Funde aus dem täglich überspülten Londoner Stadtraum museal als Zeugnisse der Stadtwerdung im modernen Kunstmuseum.94 Dion selbst konkretisiert: „These digs are not interested in objects at their point of production but rather obsessed with producing meaning through reanimating objects after the end of their use cycle.“95 Dion thematisiert so Zeitgeschehen als Teil einer „Natural History“96, die weniger nach wissen92 Die Dresdner Hochschule für Bildende Künste (HfBK) lud Dion 2014 ein, ihre Sammlungen zu
sichten und zu erforschen und die Objekte in neuen Konstellationen und an öffentlichen Plätzen in Dresden zu installieren. Aus Dions „Expeditionen in die sonst unsichtbaren Speicher entstand an drei Ausstellungsorten – dem Grünen Gewölbe, dem Albertinum und den hochschuleigenen Ausstellungsräumen im Oktogon – ein Laboratorium der Kunst. Die Räume der Institutionen wurden in eine ,Akademie der Dinge‘ verwandelt und die Geschichten der Objekte aus einer künstlerischen Perspektive neu erzählt.“ Kulturstiftung des Bundes, Mark Dion und die Akademie der Dinge, 2014, online, o. S. 93 Mark Dion, Tate Thames Dig, 1999, Holzschrank, circa 2660 x 3700 x 1260 cm, gefüllt mit einer Vielzahl an Porzellan, Steingut, Metall, Tierknochen, Glas und 2 Karten (Grabungsgut aus den Themseufern an der Bankside und Millbank), Tate Modern, London. 94 F iske/Bottinelli 2002, online, o. S. 95 Mark Dion zitiert aus Erickson 2017, S. 40, in Bezug auf Markonish 2001, o. S. 96 Keßler 2018, S. 123, in Bezug auf Dion 1997, o. S.
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schaftlichen Strategien wie den Quantifizierungen oder in Messungen angelegt sind, sondern primär „auf das Sammeln, Ordnen, Dokumentieren und Tradieren beobachteter und beschriebener Naturdinge abzielt“97. Die Arbeit im Museum Ostwall versammelt Möbel, Koffer, Tierpräparate, Handwerkszeug und landwirtschaftliches Kleingerät im Miteinander in einer Laborsituation. Ein Arbeitsplatz mit Kolben und Gefäßen, Schläuchen und Behältnissen steht beleuchtet einer dunklen Rumpelkammer gegenüber. Eine Kaffeetasse und ein Laborkittel suggerieren die kurze Abwesenheit einer hier agierenden Person. Nach genauer Betrachtung fallen gläserne Becken auf. In ihnen liegen abgetrennte Präparate von menschlichen Gliedmaßen. Diese sind jedoch glücklicherweise nicht echt. Dion eröffnet mit seiner Rauminstallation Frankenstein in the Age of Biotechnology98 einen Raum zwischen Fiktion und Realität. Mit der Kontextualisierung zwischen dem Roman von Mary Shelley von 1818 und neuester Forschung im Bereich der Biotechnologie initiierte er eine breit angelegte Diskussion: Neben dem historischen Verweis ins 19. Jahrhundert auf den fiktiven Forscher, der ein Monster schafft, werden Gegenwartsbezüge hergestellt, die in die aktuellen Lebensrealitäten deuten. Zeitungsartikel und Fachliteraturberichte über Genforschung belegen den Forschungsstand, und bepflanzte Blumentöpfe mit Petunien erinnern an den ersten Freilandversuch mit gentechnisch manipulierten Pflanzen des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln.99 Dion konkretisiert seine Motivation in einem scheinbar beiläufig abgelegten Printprodukt. Auf dem Hocker hinter dem Arbeitsbereich ist eine Zeitung platziert. Es ist eine Ausgabe des Metropolis Daily Planet, darin zu lesen ein Interview mit dem Forscher Dr. Victor Frankenstein und Clark Kent, der als Journalist und Superman selbst ein künstlich erschaffenes Wesen ist. Im Gespräch zwischen den beiden Fiktiven versteht sich Frankenstein zwar „als Wegbereiter der Biotechnologie, konstatiert jedoch, dass sie zum Werkzeug der Industrie geworden sei und unvorher97 Ebd. Keßler zitiert hier Müller-Wille 2008, Sp. 1176. 98 Mark Dion, Frankenstein in the Age of Biotechnology, 1991, diverse Materialien, Rauminstallation,
Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. 99 Vgl. Katalog Dortmund 2010, S. 78, sowie Lange 2015, online, o. S.
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sehbare Konsequenzen für das Ökosystem haben werde. Er appelliert an die Menschheit, seine schrecklichen Erfahrungen ernst zu nehmen, und reflektiert kritisch die Gefahren der ‚industry, that I helped to develop‘.“100 Die frühe Dortmunder Rauminstallation ist prägend für die weitere Arbeit Dions. Er selbst stellt heraus: „In 1991, I produced an exhibition for Christian Nagel Gallery in Köln, titled Frankenstein in the Age of Biotechnology, which proved important to me since it required an extensive amount of research and study in order to grasp the issues at hand in the genetic-engineering revolution we are still on the threshold of. I had a great deal to learn. As part of the artwork I produced a newspaper, an issue of Metropolis’ Daily Planet, in which the experienced reporter Clark Kent (a hybrid of the military and the press) interviews the maverick geneticist Victor Frankenstein, who has vowed to abandon the industry. Through this interview I attempted to articulate my position on the issue, which was against a blind fear of genetics manipulation, which seemed like the logical extension of centuries of low-tech engineering through plant breeding and animal husbandry, but at the same time expressing an extreme concern and scepticism for who was directing this new industry and why, and what might be the unforeseen consequences.“101 Dion macht mit seiner Arbeit einen Vorschlag zur Auseinandersetzung mit dem Thema. Der begehbare Raum wird zum Erfahrungsraum und zum Teil einer Interaktion zwischen den Akteur*innen, der Objektzusammenstellung und dem Tagesgeschehen außerhalb des Museums.
Roy Villevoye, The Searcher, 2018 Ein Mann, bekleidet mit dunkelgrünen Gummistiefeln, einer verwaschenen Jeanshose, einem kurzen, zugeknöpften, tarnfarbenen Army-Parka mit aufgenähter niederländischer Flagge auf dem Ärmel, einem abgetragenen beigen Boonie mit hochgeknöpfter Krempe, einem Rucksack auf dem Rücken und einem Holzstab in der Hand, geht über ein Feld. Hunderte von Metern
100 Katalog Dortmund 2010, S. 78. 101 Mark Dion im Interview mit Giovanni Aloi. Aloi 2012, S. 143.
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legt er zurück, Stück für Stück begeht er die Ackerfläche. Zwischenzeitlich bleibt er stehen und scharrt mit den Füßen oder dem Stock im Boden, bückt sich, hebt etwas auf und wirft es wieder weg. Wenige Meter weiter folgt das gleiche Ritual. Der Mann erreicht ein Waldgebiet. Abermals bückt er sich nach einem kleinen Gegenstand, den er soeben aus dem Erdboden gescharrt hat. Diesmal richtet sich der Mann mit dem Gegenstand in der Hand auf, putzt mit der Handfläche Lehm und kleine Steinchen von der Oberfläche. Der Deckel einer verrosteten Feldflasche wird sichtbar. Jean-Paul de Vries lebt in Romagne-sous-Montfaucon im Norden Frankreichs unweit von Verdun und dem Forêt d’Argonne. Der Niederländer de Vries lebt als Suchender zwischen den ehemaligen Schlachtfeldern und den darin begrabenen Objekten und toten Körpern des Ersten Weltkrieges.102 Seit 1976 gräbt er täglich in den Böden des ehemaligen Weltkriegsschauplatzes: Neben Munitionshülsen, Gewehren, Helmen und Gasmasken werden auch Gegenstände des Alltagslebens der Soldaten auf den Feldern und in den Wäldern wie Besteck, Ofenroste und Flaschen sowie persönliche Gegenstände – wie Knöpfe, Kämme, Münzen, Taschenuhren – als Funde verzeichnet. Dazwischen Knochen und Skelettteile. Er ist der Leiter einer von ihm zusammengestellten Sammlung; in seinem privaten Museum, dem Romagne ’14−’18,103 präsentiert er in einer umgebauten Scheune das von ihm akribisch gesammelte und gereinigte Fundgut auf Auslageflächen, in Schubladen, an den Wänden, auf dem Fußboden und unter der Decke. Winter Prayers (2006)104 dokumentiert die Suche und das Finden der vergangenen Spuren der Weltgeschichte und porträtiert das getriebene Handeln eines vom ständigen Suchen körperlich gebeugten Mannes mittleren Alters. Die stille, weite Landschaft Nordfrankreichs wird den fahrigen Bewegungen des Suchenden, dem ständigen Wühlen im Grund entgegengesetzt. Mit der Re-Edition von Winter Prayers und den Filmen The Scrap-Iron Age (2008)105 und War 102 Vgl. Romagne ’14−’18, Webauftritt, o. J. 103 Das französische Kultusministerium hat das Museum Romagne ’14−’18 als außerschulischen
Lernort anerkannt. Vgl. Romagne ’14−’18, Webauftritt, o. J. 104 Jan Dietvorst und Roy Villevoye, Winter Prayers, 2006, HD-Video, 00:58:00 min. 105 Jan Dietvorst und Roy Villevoye, The Scrap-Iron Age, 2008, HD-Video, 00:42:30 min. The
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is Over (2011)106 veröffentlichten Jan Dietvorst und Roy Villevoye, die seit 1998 filmisch zusammenarbeiten, eine Kompilation, die die Erinnerungskultur des Ersten Weltkrieges verhandelt.107 In dieser Re-Edition als After the Battle (2012)108 treten unterschiedliche Protagonisten auf, im Zentrum steht jedoch erneut die unermüdliche und eigentümliche (Erinnerungs-)Arbeit von JeanPaul de Vries. Der Suchende wird als The Searcher (2018)109 von Roy Villevoye zur skulptural erfassten Erinnerung. Die lebensgroße, hyperreale Skulptur aus Silikon und Acrylharz ist das exakte Ebenbild des autonomen „Amateur-Archäologen“110 und Historikers aus Nordfrankreich. Mit den Gummistiefeln, der Jeanshose, dem Army-Parka, dem Boonie, dem Rucksack und dem Holzstab in der Hand gleicht die Skulptur zusätzlich mit jeder Pore, jedem Haar und jeder Hautfalte seinem Vorbild. Der Suchende scheint eingefroren und mit ihm die Erinnerung an sein emsiges Suchen und Finden. Die Skulptur trägt Fundsachen mit sich: Blechteile, zwei rostige Helme und einen deformierten, löchrigen Eimer. Die Skulptur wird zum tatsächlichen Träger von Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg in Form von Objekten und zugleich zum Träger eines individuellen Umgangs mit der Kriegsvergangenheit auf europäischem Boden. Beides, die Objekte und die kulturelle Praxis des Suchens, Sammelns und Ausstellens sind Teil der hier erzählten erinnerungskulturellen Handlungen. In der Auseinandersetzung mit de Vries’ Methoden stellen sich Fragen nach dem Besitz von Objekten und der Ausstellung von persönlichen Gegenständen von Kriegsopfern. Villevoye, der zunächst als Maler arbeitet, ändert seine Arbeitsweise 1992 radikal nach Scrap-Iron Age kann als unmittelbare Fortsetzung von Winter Prayers (2006) verstanden werden. 106 Jan Dietvorst und Roy Villevoye, War is over, 2011, HD-Video, 00:29:00 min. Das Video dokumentiert die Suche nach „unbekannten Soldaten“ auf dem Schlachtfeld. Die Kulturen ihrer Erinnerungen scheinen geprägt durch „a combination of mythomania, entrepreneurship, psychopathology and poetic inclinations“. Jan Dietvorst, Webauftritt, Filme, o. J. 107 Roll-over-Filmfestival 2013, online, o. S. 108 Jan Dietvorst und Roy Villevoye, After the battle, 2012, HD-Video, 00:75:00 min. Jan Dietvorst, Webauftritt, Filme, o. J. 109 Roy Villevoye, The Searcher, 2018, hyperreale Skulptur, Materialien: Stahlskelett, Acrylharz, Silikon, menschliche Haare, Kleidung, Fundstücke aus dem Ersten Weltkrieg, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. 110 Roll-over-Filmfestival 2013, online, o. S.
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einer Exkursion zu einer abgelegenen Siedlung der ethnischen Gruppe der Asmat in der ehemals niederländischen Kolonie in Papua Neuguinea.111 Die postkoloniale Sicht auf die Gruppe, die als kulturelle Praxis ebenfalls das Suchen und Sammeln für sich bearbeitet, kennzeichnet auch die respektvolle filmische Annäherung an die geschichtsträchtigen Orte in Nordfrankreich und ihre Protagonisten. Die Begegnung mit The Searcher im Museumsraum ist geprägt von suchenden Blicken der Akteur*innen, die sich an der hyperrealen Skulptur abarbeiten. Die Gegenstände, die er mit sich trägt, werden zu Relikten von Kriegshandlung im Kontext von Kunst. Die Verhandlung von Zeit und Zeitzeugenschaft wird zum aktiven Prozess.
Jean Tinguely, Constante indéterminée, 1960 „Mes machines sont ridicules ou alors elles sont belles, mais elles ne servent à rien.“112 Constante indéterminée113 ist eine dieser merkwürdig schönen, aber unbrauchbaren Maschinen Jean Tinguelys und Teil der Sammlung des Museums Ostwall. Unscheinbar steht sie auf einem weißen Sockel. Das gebogene Metall, rechtwinklig, tiefschwarz und matt, gleicht einer kleinen Bühne. Auf ihr inszeniert ist eine Klammer mit Schraubenmutter, die auf einem Verbindungsstück den Boden der Bühne durchdringt. Wohin das Metallstück führt, wird durch einen Blick von der Seite offenbar: Ein Elektromotor und einige Kabel sind unter der Bodenplatte installiert. Die Klammer hält ein unscheinbares weißes Stück Papier. Blickt man am Sockel hinunter, steht dort über einem Schalter geschrieben: „Bitte drücken“. Mit der Betätigung des Schalters dreht der Elektromotor unter leisem Surren die Klammer und mit ihr das darin eingespannte Papier. Das Papier, das statische zweidimensionale Objekt, wird durch die Drehung zum dreidimensionalen Gebilde mit Volumen. Sobald der Schalter nicht mehr betätigt 111 Goosen 2011, online, o. S. 112 Association Tinguley, Webauftritt, Programm, 2016. 113 Jean Tinguely, Constante indéterminée, 1960, mechanische Kinetik, gebogenes Stahlblech auf
Holzsockel, Elektromotor, Klammer, Druckknopf, 34 x 19 x 12,5 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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wird, verstummt das leise Surren des Motors und das Objekt fällt zurück in seine statische Ausgangsform. 1959 formuliert Tinguely sein Manifest für die Statik: „Es bewegt sich alles, Stillstand gibt es nicht. Lasst Euch nicht von überlebten Zeitbegriffen beherrschen. Fort mit den Stunden, Sekunden, Minuten. Hört auf, der Veränderung zu widerstehen. Seid in der Zeit – seid statisch, seid statisch – mit der Bewegung. Für Statik, im Jetzt stattfindenden Jetzt. Widersteht den angstvollen Schwächeanfällen, Bewegtes anzuhalten, Augenblicke zu versteinern und Lebendiges zu töten. Gebt es auf, immer wieder ‚Werte‘ aufzustellen, die doch in sich zusammenfallen. Seid frei, lebt!“114 Seine dynamische Schrift für die Statik ist ebenso ein Plädoyer für die Bewegung. Die Gegensätze bedingen sich und können erst im Miteinander ihr volles Potenzial entfalten. Seine unbrauchbare Maschine tritt mit der Betätigung des Schalters sogleich den Beweis an. Durch die Rotation von kleinen Gegenständen erzeugt die Maschine virtuelle Volumina.115 Tinguely wagt mit der Konzeption der Maschine einen unmittelbaren Schritt zur Demokratisierung von Kunst hinein in die breite Gesellschaft. Mit der Bereitstellung der vermeintlich unbrauchbaren Maschine verhandelt er den Moment der Interaktion im Ausstellungsraum. Das als Editionsobjekt in einer Auflage von 100 Exemplaren vertriebene Kunstwerk konnte ursprünglich von Akteur*innen in der Ausstellung zur Inszenierung ihrer persönlichen Gegenstände benutzt werden: Busfahrkarten, Bonbonpapiere, Geldscheine oder die Eintrittskarte ins Museum konnten aus dem alltäglichen Gebrauch in den Kontext der Kunst überführt werden. Tinguely verhandelt mit der Demokratisierung seiner Kunst zeitgleich die Frage nach der Kunst als aktivem Prozess und der Fragilität von Autor*innenschaft in der Kunst. Tinguely diskutiert diese Fragen nicht nur mit sich allein in der Konzeption von unbrauchbaren Maschinen. Mit weiteren Schweizer Künstlern wie Daniel Spoerri oder Dieter Roth entwirft er neue Formen eben dieser Diskussionen. In einem Brief an den zu diesem Zeitpunkt in Island lebenden Dieter Roth benennt Daniel Spoerri 1959 Tinguely als den Ausschlaggeber für ein 114 Ausst.-Kat. Wolfsburg 2000, S. 36. 115 Buderer 1992, S. 109. Buderer bezieht sich hier auf die Definition der Plastik nach László
Moholy-Nagy, der diese als „virtual volume relationship“ begreift.
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Konzept editierter Kunst: „[…] für paris habe ich jetzt durch gespräche mit tinguely eine lösung gefunden die mir liegt, und die ich verantworten kann. der kunstbetrieb, mit seinem kommerziellen hochgezüchteten leerlauf ist mir unbehaglich und ich bin nicht derjenige, der in der galerie sitzen kann, bis einmal im monat jemand eine sache für zweitausend mark kauft. ich schäme mich so viel zu verlangen. ‚kunst‘ hat für mich keinen materiellen wert, ausser dem tatsächlichen materialwert. ideen sind gratis. und überhaupt nicht bezahlbar.“116 Spoerri und Tinguely belegen diesen Demokratisierungsprozess der Kunst durch die Edition MAT117 – Multiplication d’art transformable –, die in ihrer Ausführung die Idee des Künstlers/der Künstlerin über das Endprodukt stellt und somit Idee und Material voneinander trennt.118 Die verlegten Werke der Edition MAT mussten drei Bedingungen erfüllen: „Es sollte sich um Kunst handeln, die nicht mit dem klassischen Kopierverfahren (‚Druckgrafik, Bronzeguss, Tapisserie und so weiter‘) hergestellt wurde; bei den Entwürfen musste es sich zweitens um Werke handeln, deren Konzept keine ‚persönliche Handschrift‘ aufwies, da diese als eindeutiges Identifikationsmittel nicht multiplizierbar sei. Das wichtigste Moment war jedoch das der Bewegung. Sowohl die französische – œuvres d’art transformables – wie auch die deutsche Bezeichnung – ‚vervielfältigte Kunstwerke, die sich bewegen oder bewegen lassen‘ − […] kündigten das Konzept der Edition an.“119 Tinguely begreift Kunst als etwas in Transformation Befindliches. Dies gilt nicht nur für das gedankliche Konzept, die Idee des Künstlers/der Künstlerin, sondern auch für das Objekt selbst. Auch das Objekt ist Veränderungen ausgesetzt – permanent. Die unbrauchbare Ma116 Brief Daniel Spoerris an Dieter Roth, undatiert, Sommer 1959, Dieter Roth-Archiv, Basel. Zitiert
aus: Walter 2007, S. 97, Fußnote 47. 117 Weiterführend dazu: Vatsella 1998. 118 „ Bei dieser Trennung zwischen Konzeption und Ausführung scheint es folgerichtig zu sein,
dass die Künstler die Produktion teilweise oder ganz aus den Händen gaben. Einerseits griffen sie auf vorgefertigte Industrieprodukte zurück und liessen Dritte die Herstellung ausführen, oder aber sie verkauften andererseits dem Sammler selbst eine Anleitung zur Anfertigung und animierten ihn, das Werk selbst zu basteln.“ Vgl. Walter 2007, S. 94. 119 Vgl. Walter 2007, S. 94 f. „Den Begriff Multiple gebrauchte Spoerri für die Edition nicht. Die Unterschriftsetiketten für die Objekte sind jedoch mit ,Edition MAT, Œuvres d’art multipliées‘ bezeichnet.“ Ebd., S. 95, Fußnote 44.
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schine ist das Vehikel zum Verständnis dieser aktiven Prozesse, sie wird zur Voraussetzung von Teilhabe und zum demokratischen Spielfeld innerhalb des Museumsraumes und darüber hinaus. Sie ist in Gebrauch. Zahlreiche Kurzbeschreibungen von Objekten in der Sammlung des Museums Ostwall könnten folgen. Die Dortmunder Sammlung bietet ein breites Spektrum zur Aushandlung von lokalen Themen und globalen Situationen. Die imaginierte Ausstellung hat keine Begrenzung in Bezug auf die Objektanzahl oder die zu verhandelnden Themen. Ihre Versammlung, ihre Gegenüberstellung und ihre Verknüpfung potenzieren Aussagen, stellen Merkmale heraus oder verändern Kontexte und Aussagen. Die Objekte sind als Erinnerungsorte ein Teil des kollektiven Gedächtnisses, sie sind an der Weitergabe von Kulturen und Wissen essenziell beteiligt sowie an der Konstruktion von Geschichte(n). Die Beschreibungen zu Aby Warburgs Forschung am Bildatlas Mnemosyne zeigen, dass Bildmedien nicht aus dem Off entstehen und nicht im Singular existieren. Thürlemann und Ganz spezifizieren das Potenzial des „Bild[s] im Plural“ unter der These „dass die Verbindung mehrerer Bilder genuine Sinnpotentiale besitzt, die nicht deckungsgleich sind mit denen, über die das Bild im Singular verfügt. Auch kann die Bedeutung komplexer Bildordnungen nicht als Summe der Bedeutung ihrer Konstituenten verstanden werden. “120 Bilder und damit auch Objekte stehen immer in Verbindung mit ihren visuellen, ästhetischen, materiellen Vor-, Nach- und Nebenbildern und sind in aktiven Prozessen durch unterschiedliche Akteur*innen historisch, gegenwärtig und kulturell herausgefordert. Uta Köster benennt den aktiven, prozessualen Charakter von Kunst wie folgt: „Kunst als andere Version von Wirklichkeit findet in der ‚Umkehrung‘ statt: Wirklichkeitselemente werden ins Kunstsystem geholt und zur Kunst verabredet. Dass so eine andere Version von Wirklichkeit entsteht, trägt zumindest utopische Züge.“121 Die beschriebenen zehn Objekte der Sammlung stehen stellvertretend im Diskursuniversum und verhandeln
120 Ganz/Thürlemann 2010, S. 8. 121 Kösser 2017, S. 79 f.
Kulturelle Praktiken in Anwendung – unbestimmte Konstanten und aktive Prozesse
sehr unterschiedlich gesellschaftliche Grundnormen wie die Zeit, den Ort oder den Menschen selbst. Dies tun sie materialisiert und ästhetisch gefasst in den jeweils darin angelegten Kommunikationsweisen. Sie alle treten durch ihre spezifischen Formen der Kommunikation aus ihrer historischen Perspektive in den Dialog mit dem Gegenwärtigen und werden zu Objekten von Gegenwartsverhandlungen. Das eingangs aufgeführte Zitat aus dem Jahr 2011 von Susan Hiller122 bestätigt die absichtsvolle Kommunikation von, durch, mit und über Kunst. Die von Künstler*innen selbst formulierte Aufgabe ist die Initiierung von Kommunikation und die Inszenierung von kommunikativen Praktiken. Eva Sturm beschreibt: „Künstlerinnen bauen Settings, d. h. Zeiten und Räume auf, in denen sie mit dem Publikum in Kontakt und in Kommunikation treten wollen und selbst die Vermittlung ihrer Anliegen in die Hand nehmen. Sie erforschen, untersuchen Kommunikation, Vermittlungsvorgänge, Strukturen.“123 Erstaunlich, dass Museen die Einladung dieser Kommunikations-Objekte häufig nur unzureichend annehmen und stattdessen weniger naheliegende mediale Formen ihrer Vermittlung erfinden. (Kunst-)Objekte bedingen fortwährend aktive künstlerische/gesellschaftliche Prozesse, die materialisiert als (subjektive) Wirklichkeitsbeschreibungen, Fiktionen oder Utopien formuliert werden und als Verhandlungsflächen von Kulturen funktionieren. Aus der Perspektive von 2019 kann Anatols Aktionsrelikt o.T. (Der Tisch/Stahltisch) (1968) unter den Themen von Pressefreiheit und Zensur verstanden werden. Hierzu können beispielhaft der Anschlag in Paris auf die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo (2015)124 oder die Regulierung von Pressemeldungen im Zuge der Proteste gegen die Gentrifizierung der Stadträume
122 Vgl. Eingangszitat des Kapitels: „Artists have a function. Otherwise we wouldn’t be here. We’re
part of a conversation. It’s our job to represent and mirror back the values of the culture in a way that people haven’t seen before.“ Susan Hiller im Interview mit Rachel Cooke. Cooke 2011, online, o. S. 123 Sturm 2004, S. 179. 124 Am 07.01.2015 stürmten zwei bewaffnete Männer die Redaktionssitzung des Satiremagazins Charlie Hebdo und töteten zehn Redaktionsmitglieder. Vgl. Zeit Online 2015, o. S. Vgl. Biermann et al. 2015, online, o. S.
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um den Istanbuler Gezi-Park (2013)125 genannt werden. Wolf Vostells TEK (1970) diskutiert den noch immer schwerfälligen Umgang mit der deutschen Geschichte. Diese Diskussion wird nicht mehr ausschließlich aus der fehlenden Kommunikation zwischen der Generation der Eltern und der ihrer Kinder heraus geführt, sondern schließt Fragen nach einer nationalen und internationalen sowie einer interkulturellen Erinnerungskultur mit ein.126 Dem Utopie-Entwurf in August Mackes Großem Zoologischem Garten (1912/13) werden Bilder aus Fukushima (2011)127 – der von einer Flutwelle überspülten Industrienation mit einer daraus resultierenden Atomkatastrophe – gegenübergestellt. Die Natur kehrt die Verhältnisse um, der technische Fortschritt wird zum Risikofaktor für die Lebenswelt der Menschen. Matthias Kochs Phoenix-Ost (2009) kann im Kontext der Debatten um Shrinking Cities128 und die kulturelle Überformung von Industriebrachen thematisiert werden. Der industriell bedingte Eingriff in die Naturlandschaft kann auch 2019, im Kontext der Debatten um die Fortführung des Kohleabbaus in den Braunkohleregionen und den Erhalt der vom Abbau bedrohten Dörfer im Rheinischen Revier und der Waldgebiete wie des Hambacher Forsts, verhandelt werden.129 Ketty La Roccas Appendice per una supplica (1974) verweist 2019 auf veränder125 Türkische Fernsehsender vermieden es, über die Proteste zu berichten, stattdessen strahlten
sie Kochshows, Quizsendungen sowie eine Dokumentation über Pinguine aus. Der Pinguin wurde zum visuellen Leitmotiv der Protestbewegung und wurde auf Plakaten, als Verkleidung oder auf Fotos in die Protestargumentation impliziert. Schmitt 2013, online, o. S. 126 Hannes Schrader begleitete 2018 eine Exkursion des Projekts Junge Muslime in Auschwitz. Vgl. Schrader 2018, online, o. S. 127 Ein Erdbeben der Stärke 9 löste einen Tsunami aus, der am 11. März 2011 auf die Ostküste Japans traf. 40 Meter hohe Wellen überspülten das Land, Dörfer und Städte sowie das Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi. Der damit verbundene Stromausfall löste eine Kernschmelze aus. Vgl. Zeit Online 2011, o. S. 128 Vgl. dazu das Initiativprojekt Shrinking Cities der Kulturstiftung des Bundes, 2002−2008, Webauftritt, o. J. 129 Über sechs Jahre hinweg besetzten Umweltaktivist*innen ein kleines Waldstück, den Hambacher Forst, neben dem Braunkohletagebau Hambach, der mit einer Größe von rund 80 Quadratkilometern und einer Tiefe von 500 Metern der größte Tagebau in Westeuropa ist. Die Proteste um die Räumung des Gebietes sowie die Feststellung der Einzigartigkeit des Waldes als Habitat für seltene Tierarten lösten mehrere Großdemonstrationen aus. Die für die Klärung aller Interessen eingesetzte Kohle-Kommission einigte sich auf den Erhalt des Waldes und einen Ausstieg aus dem Kohleabbau 2038. Vgl. FAZ NET 2019, online, o. S.
Kulturelle Praktiken in Anwendung – unbestimmte Konstanten und aktive Prozesse
te Kommunikationsstrategien, bedingt durch die digitale Welt.130 Kurznachrichten, Chatprogramme und Messenger-Dienste prägen die Kommunikationsstrategien über mobile Endgeräte der industrialisierten und technisierten Alltagswelt. Die Arbeit weckt unmittelbar visuelle Bezüge zu Chats in Messenger-Programmen, die mit dem Bereitstellen von Handgesten als Icons –
– die verkürzte Sprachform im Chat wieder durch
Gesten ergänzen. Martin Brands Portraits of Young Men (2009/10) diskutieren zum einen jugendkulturelles Szeneleben mit einer sozialwissenschaftlichen Relevanz, zum anderen leistet er einen Beitrag zur Entschärfung einer vorurteilsbehafteten Debatte über junge Männer mit internationaler Geschichte und ohne.131 Freya Hattenbergers Pretty Girl (2008) wird im Kontext von #metoo (2017) zum expliziten Objekt einer Debatte um sexuelle Übergriffe und die damit verbundenen männlich dominierten Hierarchien.132 Mark Dions Frankenstein in the Age of Biotechnology (1991) hinterfragt die Diskurse um genmanipuliertes Saatgut und die aktuellen Fusionen von Megakonzernen, die diese herstellen und vertreiben.133 Mit seiner Einbettung des Diskurses in die Welt der Science-Fiction schafft Dion eine realfiktionale Parallelerzählung. Roy Villevoyes The Searcher (2018) wird zum menschlichen Abbild der Suche nach (seiner) Geschichte sowie nach einer zeitgemäßen Erinnerungskultur des Ersten Weltkriegs. The Searcher wird zur Personifikation der Hybridität von kollektivem und individuellem Gedächtnis.134 Jean Tinguelys Constante indéterminée (1960) kann als Meta-Objekt verstanden werden. Es ist das Sinnbild von Transformationen und materialisiert demokratisches Handeln im Museumsraum. Es konstruiert einen lokal 130 Vgl. Mansholt 2019, online, o. S. 131 Kiyak 2017, online, o. S. 132 Zum Beginn der #metoo-Debatte vgl. FAZ NET 2017, online, o. S. 133 Hannover/Detsch 2017, online, o. S. 134 Seit November 2014 stellt das National Museum Wales seine Sammlung zum Ersten Weltkrieg
online. Das Archiv mit Fotografien und Objekten steht so einem breiten internationalen Publikum zur Verfügung. Der Bestand von 1200 Archivalien wird fortlaufend digitalisiert und auf der Seite des Museums aktualisiert: National Museum Wales, Online-Archiv, o. J.
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eingeschränkten Möglichkeitsraum der Teilhabe in einem globalen Zusammenhang, nämlich dem der Teilhabe an Kulturen. Der Titel der Edition wird zu einer Übersetzung von aktiven Prozessen und definiert sie als etwas Unbestimmtes, nicht Festgelegtes, was jedoch konstant in Bewegung bleiben kann und somit implizit auch Statik thematisiert. Objekte sind Erinnerungsorte. An sie geknüpft sind Rezeptionsgeschichten, lokale und globale Geschichten, Überlegungen zu Herkunft und Zukunft, sie erzählen über Kulturen und über Kulturraub, sie diskutieren Kollektive und Individuen, sie verhandeln Privilegien und Diskriminierungen, sie treten in Zeitzeugenschaften zu Vergangenem und Gegenwärtigem. In ihnen angelegt sind Kommunikationen über den Menschen bedingende Faktoren wie Ort und Zeit, Rollen und Identitäten, Geschichte(n) und Erinnerungen. Sie sind alle Resultate von aktiven Prozessen der künstlerischen Auseinandersetzung mit Gesellschaft(en). Und sie alle wirken zurück in die Gesellschaft und können dort aktive Prozesse bedingen oder unterstützen. Der Umgang mit den diversen Objekten verleiht dem Museum erst seine Rolle. Die Objekte einer Sammlung sind die Resultate eines sich transformierenden Kulturbegriffs, sie prägen sowohl die Sammlung als auch den Kunst- und Bildungsbegriff innerhalb eines Hauses – sie sind Teil des institutionellen Selbstverständnisses. Das Potenzial von Kunstmuseen liegt in ihren Objekten, die durch die Präsentation im Museum zum freiheitlichen Denken, der demokratischen Verhandlung und dem aktiven Prozess freigegeben sind. Das Kunstmuseum kann als Sozialisationsinstanz beschrieben werden. Die museale Fürsorge für die Objekte ermöglicht Bildungserfahrungen ohne Bewertungserfahrung sowie Kommunikationen als öffentliche Diskurse, die von einem auf Teilhabe beruhenden Gesellschaftsbild geprägt sind. Die Objekte und ihre Themen provozieren Strategien der Vermittlung, Kommunikation und Interaktion. Diese Strategien müssen flexibel in unterschiedlichen Konzepten ausgehandelt werden, auch sie unterliegen dem Wandel. Vermittlung kann aus Besucher*innen Akteur*innen machen oder ihnen
Kulturelle Praktiken in Anwendung – unbestimmte Konstanten und aktive Prozesse
zumindest diese Rolle zutrauen. Das Kunstmuseum sollte laut Busse nicht länger Ort sein, „in dem Menschen […] schauen und nicken, sondern ihre Welt verhandeln und gestalten lernen“135.
#museumostwall #dortmunderu #möglichkeitsraum #aktiverprozess #kunst #demokratie #gesellschaft #kultur #kulturen #ort #raum #museum #text #bild #medium #objekt #kontext #remix #reproduktion#interaktion #akteur*in #aktion #reaktion #erinnerung #kulturelleserbe #europa #anatol #josephbeuys #wolfvostell #augustmacke #freyahattenberger #matthiaskoch #kettylarocca #martinbrand #markdion #royvillevoye #jeantinguely #denken 135 Busse 2010, S. 118.
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Eingangsbereich mit Blick ins Treppenhaus, Dortmunder U | 2019. Foto: Sarah Hübscher.
Lichthof, 4. Obergeschoss, Museum Ostwall Im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege.
Dossier – Objekt und Raum
Anatol Herzfeld, o.T. (Der Tisch/Stahltisch), 1968. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege.
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Anatol Herzfeld, o.T. (Der Tisch/Stahltisch), 1968. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Sarah Hübscher.
Dossier – Objekt und Raum 197
Wolf Vostell, T.E.K., 1970. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto_ Roland Baege
198 Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
August Macke, Großer Zoologischer Garten, 1912/13. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege.
Dossier – Objekt und Raum 199
August Macke, Großer Zoologischer Garten, 1912/13/Studie zum Zoologischen (Garten) I, 1912, .Museum Ostwall im Dortmunder U| o. J. Foto: Jürgen Spiler.
200 Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
Matthias Koch, Phoenix-Ost, 2009/2011, Raumsituation. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege.
Dossier – Objekt und Raum 201
(managed by the artist›s son Michelangelo Vasta).
Ketty La Rocca, Appendice per una supplica, 1974. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Jürgen Spiler | © 2020 The Ketty La Rocca Estate
202 Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
Martin Brand, Portraits of Young Men, 2009/10. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege | © VG Bild-Kunst, Bonn 2020.
Dossier – Objekt und Raum 203
Freya Hattenberger, Pretty Girl, 2008. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege | © VG Bild-Kunst, Bonn 2020.
204 Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
© 2020 Mark Dion/Galerie Nagel Draxler, Köln/Berlin/München.
Mark Dion, Frankenstein in the Age of Biotechnology, 1991. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege |
Dossier – Objekt und Raum 205
Roy Villevoye, The Searcher, 2018. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege.
206 Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
Jean Tinguely, Constante indéterminée, 1960. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege | © VG Bild-Kunst, Bonn 2020.
Dossier – Objekt und Raum 207
Treppenaufgang, Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege.
208 Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
Lichthof, 4. Obergeschoss, Museum Ostwall im Dortmunder U | 2019. Foto: Roland Baege.
Dossier – Objekt und Raum 209
„Fluxus is an attitude rather than a product.“
Ben Vautier, zitiert nach Brill 2010, S. 122. Brill verweist auf Ausst.-Kat.- Köln 1992, S. 388.
Interaktionen im Kunstmuseum als Open Source – Denkräume öffnen Die beschriebenen Tools – Bildung, Demokratie, Ort, Raum, Objekt, Museum, Interaktion – sind als aktive Prozesse definiert. Sie beziehen sich aufeinander, sie generieren fortlaufend Referenzen im (noch) Unbestimmten und sind zugleich unmittelbarer Teil von Gegenwartsbeschreibungen.1 Sie erzählen von und mit Objekten, sie konstruieren Geschichte(n), transformieren Gesellschaften, verhandeln Kultur(en), reagieren auf Unvorhersehbares, entwerfen (Un-)Möglichkeiten. Clifford Geertz und Aby Warburg bezeichnen Kulturen als Konstitutionen, als Möglichkeitsräume oder als Bedeutungsgewebe, in deren Zwischenräumen Neues entsteht. Kulturen in diesem Sinne sind dynamische Systeme und ermöglichen Freiräume, die sich stetig transformieren und zu inhaltlichen Metaräumen werden. Diese Räume sind ausgestattet mit Objekten, gerahmt von Architekturen, besetzt mit Werten und Normen und freigegeben für Okkupationen unterschiedlichster Akteur*innen, die darin und darüber hinaus Visionen und Utopien formulieren (können). Kulturen sind nachvollziehbar: Sie besitzen visuell beobachtbare Oberflächen, materialisieren sich vielfältig; sie formulieren sich fortlaufend aus Kommunikationen, sozialem und politischem Handeln; sie sind immateriell von Denkmustern durchzogen. Das Kunstmuseum als Konzentrationspunkt wird hier zum Ort der Herausforderungen. Seine Medien und Objekte funktionieren als Speicher kultureller und zeitgeschichtlicher Entwicklungen: Sie materialisieren ästhetische Absichten in Gesellschaften und formieren 1 Einige der in diesem Kapitel aufgeführten Thesen gründen in den Überlegungen in: Hübscher
2017, S. 105−124.
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Interaktion im Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U
individuelles ästhetisches Handeln der Künstler*innen. Sie generieren im Zusammenhang mit anderen Positionen Bedeutungsgewebe einer Zeit. Im Kontext der Sammlungsgeschichte, der verschiedenen Rezeptionswege und gesellschaftlichen Themen funktionieren sie als Kraftwerk. In Kombination mit dem vergangenen und aktuellen Ausstellungsort und der kuratorischen Praxis werden sie zu erzählbaren und lesbaren Strukturen. Als explizite Erinnerungsorte erzeugen sie Geschichtsmomente im gegenwärtigen Handeln. Sie bilden fortlaufend Möglichkeitsräume im menschlichen Diskursuniversum. Die Potenziale des Ortes und seiner räumlichen Konstitutionen sollen als aktive Prozesse auf der reflexiven Fläche der Kultur hinterfragt und die These der Beschaffenheit von Kultur als Constante indéterminée geprüft werden.
Kraftwerk Das Kunstmuseum – das Museum Ostwall im Dortmunder U – soll im Sinne von Clifford Geertz als „Erweiterung des menschlichen Diskursuniversums“2 untersucht werden und, im Sinne Aby Warburgs, mit seinen Objekten, Medien und Akteur*innen als Konsequenz eines historisch gewachsenen und in Transformation befindlichen Möglichkeitsraumes verstanden werden. Die Beschreibungen der Direktorin des Santa Cruz Museum of Art & History (MAH), Nina Simon, kommen diesem Möglichkeitsraum sehr nahe. 2010 formuliert sie für ihr Haus den Auftrag, eine uneingeschränkt partizipative Kultureinrichtung zu sein, und definiert sie „as a place where visitors can create, share, and connect with each other around content. Create means that visitors contribute their own ideas, objects, and creative expression to the institution and to each other. Share means that people discuss, take home, remix, and redistribute both what they see and what they make during their visit. Connect means that visitors socialize with other people – staff and visitors – who share their particular interests. Around content means that visitors’ conversations and creations focus on the evidence, objects, and ideas most 2 Halbmayer 2010, online, o. S.
Interaktion im Kunstmuseum als Open Source – Denkräume öffnen
important to the institution in question.“3 Das Museum mit seinen Funktionen wird hier primär als Raum der sozialen Interaktion verstanden, dessen Strukturen die Offenheit der individuellen oder kollektiven Verortung – temporär oder langfristig – bieten. Simon stillt mit ihrem Konzept das Bedürfnis zahlreicher Besucher*innen: „In Umfragen wird die Bedeutung des kommunikativen Charakters von Museumsbesuchen deutlich. Zwei der Hauptkriterien, die Erwachsene als Grund für einen Museumsbesuch nennen, betreffen ‚soziale Interaktion‘ und ‚aktiv an etwas teilzunehmen‘.“4 Neben dem sozialen Raum ist das Museum aber auch ein Erinnerungsort, ein Ort der Dinge, der Versammlung von Objekten, von Ideen und Menschen. Im Prozess des Spacings5 diskutieren, definieren und positionieren sich unterschiedliche Akteur*innen über und durch die Objekte sowie zwischen ihnen. Diese Verhandlung von Kulturen und ihren Akteur*innen im Kunstmuseum ist etwas explizit Öffentliches – es verhandelt Gesellschaften. Das Museum der Gegenwart müsste daher postrepräsentativ6 strukturiert sein, denn erst durch die Loslösung von distinktiven Mustern werden Multiperspektiven auf Communities und Kulturen eröffnet. Im (Kunst-)Museum geht es jedoch immer auch um die Besucher*innen, nicht nur im sozialen Miteinander, sondern auch im Kontext des Erwerbs von Wissen und von Information: „Das Publikum erwartet mehrheitlich, in der kürzest möglichen Zeit so viele Werke wie möglich so verständlich wie möglich erläutert zu bekommen, dabei gut unterhalten zu werden und sich wohlzufühlen.“7 Das Museum changiert hier zwischen Dienstleistung, Unterhaltungsmedium und Comfort Zone und erweckt den Eindruck, leicht konsumierbar zu sein beziehungsweise eine Willkommenskultur für Konsument*innen zu befördern. Das Museum besetzt 3 Simon 2010, online, o. S. 4 Ziese 2010, S. 20 f. Ziese merkt an, dass Kunstmuseen unter den Museumsgattungen die meisten
Einzelbesucher aufweisen. Sie verweist auf Strösser 2004, S. 64, mit Verweis auf Waidacher 2005, S. 225. 5 „ Spacing bezeichnet also das Errichten, Bauen oder Positionieren. […] Es ist ein Positionieren in Relation zu anderen Platzierungen. […] Tatsächlich ist […] das Spacing ohne Syntheseleistung, das heißt ohne die gleichzeitige Verknüpfung der umgebenden sozialen Güter und Menschen zu Räumen nicht möglich.“ Löw 82015 a, S. 158 f. 6 Vgl. u. a. Sternfeld 2018. 7 Mörsch 2012, online, o. S.
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jedoch ein wichtiges Modul in den globalen Bildungslandschaften – es ist ein Bildungsort, der von Individuen und Kollektiven erarbeitet werden muss, die Konsument*innen müssen zu Prosument*innen werden. Mit den Vokabeln Vermittlung, Partizipation, Kunst-/Kulturvermittlung und Interaktion leistet es seinen Beitrag für die in der Road Map for Arts Education8 beschriebene Förderung von kreativen Potenzialen9 für gesellschaftsbildende Prozesse. Das Kunstmuseum ist ein begehbares und vielfältig erfahrbares Archiv: Es bietet einen ästhetischen Zugang zur Geschichte und zu Geschichten, es zeigt Themen unterschiedlicher Generationen im Gegenüber, manifestiert Denkfiguren auf Bildträgern, visualisiert in Objekten und Räumen kollektive Denkbewegungen und subjektivierte Gedanken. Die Herausstellung des „spezifischen Potenzial[s] von Kunstwerken in Bildungsprozessen“10 macht das Museum auch zum Ort der politischen Bildung, zudem ist es ein konsequent demokratischer Ort der Teilhabe und Mitsprache.11 Die Positionierung, Partizipation oder in Interaktionen angelegte (gedankliche) Okkupationen des Raumes können als reflexive Syntheseleistungen zwischen Akteur*innen, den Objekten und dem Erinnerungsort an sich verstanden werden. Die pro8 Vgl. UNESCO, Road Map for Arts Education, 2006, online, S. 1−26. 9 Reckwitz definiert: „Kreativität enthält in einem ersten Zugriff eine doppelte Bedeutung:
Zum einen verweist sie auf die Fähigkeit und die Realität, dynamisch Neues hervorzubringen. Kreativität bevorzugt das Neue gegenüber dem Alten, das Abweichende gegenüber dem Standard, das Andere gegenüber dem Gleichen. Zum anderen impliziert Kreativität ein Modell des ,Schöpferischen‘, welches diese Tätigkeit des Neuen an die moderne Figur des Künstlers, an das Künstlerische und Ästhetische zurückbindet. Es geht um mehr als um eine rein technische Produktion von Neuartigem, vielmehr um die sinnliche und affektive Erregung durch dieses Neue in Permanenz. Es geht um eine entsprechende Modellierung des Individuums als schöpferisches Subjekt, die dem Künstler analog ist.“ Reckwitz 2013, S. 23. 10 Vgl. Hattendorff/Tavernier/Welzel 2013, einleitend, S. 11. 11 Anne Bramford evaluierte in 50 Ländern die Qualität von Programmen der Kulturvermittlung, jedoch für die Zielgruppe der 0−18-Jährigen. Die Studie The Wow-Factor stellte heraus, dass „gute künstlerische und kulturelle Erfahrungen in der Bildung mit einer Reihe positiver Wirkungen in Verbindung gebracht werden können; dazu gehören: die persönliche/emotionale Wirkung (Selbstvertrauen, Ehrgeiz, Erwartungen etc.); die soziale Wirkung (Netzwerke, Kooperationen, Partnerschaften, Web-Kontakte etc.); die kulturelle Wirkung (größere Erreichbarkeit, gemeinsame Identitäten etc.); Bildungswirkung (neue Erkenntnisse, formales und informelles Lernen etc.); die innovative Wirkung (Talentförderung, Gelegenheiten zur Darstellung, öffentliche Aufmerksamkeit, mediale Aufmerksamkeit etc.); ethische Wirkung (Änderungen in den Haltungen, Nachhaltigkeit etc.) und katalytische Wirkung (Flow-Effekte, Transformationen, Reisen etc.).“ Bramford 2010, S. 190.
Interaktion im Kunstmuseum als Open Source – Denkräume öffnen
zessuale Raumbesetzung – die Verortung12 – generiert fortlaufend Fragen der einen Generation an die andere. Die raumaneignenden Prozesse ermöglichen die intensive Verknüpfung von Kunst und Gesellschaft und formulieren das Museum vor allem als Ort der „alternativen Wissensproduktion“13. Viele Museen sind Teil des gebauten Kulturerbes oder besetzen mit ihren Funktionen als Archive bestehende Architekturen und codieren diese um. Diese Museen – auch das Dortmunder Kunstmuseum – sind doppelt codierte Orte14 mit multipel codierten Aufträgen – vom Speicher der Vergangenheit hin zum Zukunftsort. Das Museum zeigt die ästhetischen Entscheidungen, Formen- und Materialsprachen verschiedener Zeiten. Die Kunst versteht sich in diesem Sinne jedoch nicht als Illustration von Geschichte, sie ist vielmehr als ein Remix von Vergangenem, dem Gegenwärtigen und etwas völlig Neuem – das für einen minimalen Zeitraum als Zukunft verhandelt wird – zu verstehen. Die Deutungsoffenheit der Ideenwelten von Kunst sowie die multiperspektivische Diskussion wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse über ein Kunstwerk lassen die im Objekt begriffene(n) Geschichte(n) gegenwärtig werden beziehungsweise machen sie für die Gegenwart relevant. Sie machen sie mit Hilfe unterschiedlicher Zugänge verhandelbar und laden so zur Teilhabe, nicht zum Konsum, ein. Die Kunst – auch im aktiven Prozess begriffen – ist postmodern, gegenwärtig, contemporary, postautonom15 und potenziert sich zur Post Art16. Doch wie genau können Kunstmuseen als produktive Möglichkeitsräume funktionieren und ihren verschiedenen Auf12 Verortung wird hier als mehrdimensionaler Prozess begriffen. Er bezieht sich sowohl auf den
Ort im kartografischen Sinne als auch auf den Ort innerhalb des Museums, der Sammlung, des Œuvres, des Kunstwerkes. Die Verortung ist Voraussetzung bzw. Teil des Prozesses der Positionierung, im räumlichen wie auch im gedanklichen Sinne. Vgl. Hübscher 2015, S. 44−47. 13 Sternfeld 2018, S. 65. 14 Das von Barbara Welzel erforschte Prinzip der doppelt codierten Räume bezieht sich auf Kirchenarchitekturen und die säkulare Sicht auf ihre Kulturschätze. Das Prinzip wird hier auf den Kontext von Museen übertragen, da auch diese als gebautes Erbe, als Erinnerungsorte, als Speicher, als Orte der Kunst multipel codiert sind. Vgl. Welzel 2018, S. 108. 15 Meyer/Dick et al. 2016, einleitend, S. 13. 16 Meyer 2015, online, o. S. Meyer zitiert hier Saltz 2012, online, o. S.: „Post Art – things that aren’t artworks so much as they are about the drive to make things that, like art, embed imagination in material […] Things that couldn’t be fitted into old categories embody powerfully creative forms, capable of carrying meaning and making change.“
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gaben als Kraftwerke17, Comfort Zones oder Bildungsorte gerecht werden? Angeli Sachs spricht vom Museum der Gegenwart als einem Ort, in dem das Display erweitert wird und „Ausstellungskonzeptionen eine Distanznahme von den Zeigegesten einräumen und die Ausstellungen im Sinne eines Handlungsraumes aktivieren. Dies passiert […] im Ausstellungsraum selbst, und es passiert über die Art, wie dort ausgestellt wird. ‚Der Raum entsteht‘, wie Beat Hächler es in Ansätzen zu einer sozialen Szenografie im Museum ausführt, ‚erst aus der Verschränkung von inhaltlicher Konzeption, räumlicher Gestaltung und sozialer Praxis/Handlung durch die Besucher.‘ In Bezug auf das Publikum bedeutet das, dass die Besucher_innen nicht ausschließlich auf die Rolle von Rezipient_innen reduziert werden, sondern in diesem Sinne ein integriertes Verständnis von Ausstellen und Vermitteln, Dialog, Interaktion, Partizipation sowie Reflexion ermöglicht werden kann.“18
beyond Die museale Praxis des Museums Ostwall ist eine kulturelle Praxis und wird im Sinne dieser Ausführungen als aktiver Prozess begriffen.19 Sie verbindet zwei wesentliche Kulturtechniken, die des Ausstellens und die des Diskursiven: „The exhibitionary includes ‚ways of arranging and presenting objects or displaying information; ways of adressing, assembling and guiding people; and ways of interacting symbolically with those objects or information via conversation, education, marketing oder critique‘, in which the discursive has become a means of intervening into the exhibitionary situation through voiced debates and targeted questioning. […] the emergence of these categories announced a newly decentred and dispersed cultural field, which remains current today.“20 17 Vgl. Dorner 1959 sowie Wall 2006 und Katalog Dortmund 2010. 18 Sachs 2017, S. 16. Sachs nimmt Bezug auf Hächler 2012, S. 139. 19 Im Folgenden werden ausschließlich Projekte beschrieben, die von der Autorin maßgeblich mit-
konzipiert wurden bzw. konzipiert und durchgeführt wurden. Die Aussagen über die Bildungsarbeit im Museum beziehen sich daher nicht auf Angebote, die von der Abteilung Bildung und Kommunikation für bspw. Schulklassen, Kindergärten oder andere Einrichtungen angeboten werden. 20 Morris/O’Neill 2014, S. 10, mit Verweis auf Draxler 2014, S. 44−64.
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Dieser dezentrale Diskurs und das weit geöffnete kulturelle Feld wird maßgeblich von den Objekten einer Ausstellung bestimmt: Zahlreiche Objekte der Dortmunder Sammlung sind Indikatoren für politische Prozesse und bilden in ihren Zusammenstellungen Aushandlungsräume für gesellschaftliche Fragen, sie konstituieren den Ausgangspunkt für die eben erwähnten sozialen Szenografien. Das lokale Museum steht in der Verantwortung, globale Entwicklungen permanent zu verhandeln, und wird zum diskursiven Ort. Das Museum als Kraftwerk wird im Zuge dessen jedoch nur allzu oft auch zur Uncomfort Zone – zum Ort des bereits erwähnten „ongoing struggle“21, in dem Selbst und Welt, das Fremde und Bekannte, Pro und Contra in den Diskurs gehen. Die Beschreibung unterschiedlicher Interaktionsformate soll hier verdeutlichen, welche Potenziale und welche Themenvielfalt sich in den diskursiven Prozessen dieser Interaktionen im Ausstellungsraum entfalten können. Primär geht es hierbei auch um die Umformung unterschiedlichster Akteur*innenrollen im Feld: Erstens soll die Auflösung der Besucher*innenrolle als bloße Rezipient*innen angebahnt werden, zweitens sollen Vermittler*innen aktiviert werden, ihre Rolle als bloße Dienstleister*innen22 zu verlassen; und drittens soll die wissenschaftlich-kuratorische Leistung gleichberechtigt neben der wissenschaftlich-pädagogischen Leistung thematisiert werden. Der weitverbreitete und unterschiedlich besetzte Begriff der Vermittlung bleibt nach wie vor umstritten. Wolfgang Ullrich merkt kritisch an, dass aus der Vermittlung ein „Imperativ geworden [ist], dessen problematische Folgen erst allmählich sichtbar werden. So weist die Kunstsoziologin Kathrin Hohmeier in einer jüngst publizierten Studie nach, was man bereits befürchten musste, nämlich dass Kunstvermittlung sogar negative Auswirkungen zeitigen kann. Im untersuchten Fall ging es darum, Jugendlichen ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne Erfahrung mit Museen einen Zugang zu moderner Kunst zu bahnen. Allerdings entwickelten sie während des Vermittlungsprogramms ‚ein hochgradig präsentes Gefühl der sozialen Exklusion im musealen Raum‘ – und schließlich fanden sie moderne Kunst noch sinnloser als zuvor, es wuchsen
21 Giroux 2013, S. 232 f. 22 Das Vermitteln als Dienstleistung wird u. a. besprochen in: Heil 2007, S. 336 ff.
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‚ihre Vorurteile ihr gegenüber‘. Hohmaier vermutet, dass die Kunstvermittler sich ihrer Zielgruppe zu sehr anpassten: Statt den Jugendlichen Wissen oder Interpretationen zu den Werken zu bieten, beschränkten sie sich darauf, sie, ausgehend von Exponaten, selbst malen zu lassen. Damit aber wurde ihnen ‚ihre eigene Bildungsferne […] noch stärker ins Bewusstsein gerufen‘.“23 Dennoch verweist Nora Sternfeld auf die implizit eingeschriebenen Qualitäten der Vermittlung. Sternfeld schlägt vor, „die Vorsilbe ‚Ver-‘ in dem Wort ernst[zunehmen]. Dann geht es beim ‚Vermitteln‘ auch darum, sich der Idee einer einfachen Übermittlung oder jener einer konsenssuchenden Mediation zu widersetzen und auch das, was dabei tradiert werden soll, kritisch reflektierbar zu machen. Dann würde gängiges Wissen beim Vermitteln möglicherweise nicht nur tradiert, sondern auch reflektiert und vielleicht sogar erschüttert.“24 Ullrich spitzt die These Sternfelds zu und fügt an, dass Kunstvermittler*innen „höchst findig [darin sind], […] ihr Publikum dort abzuholen, wo es steht. Nur liefern sie es leider genau dort auch wieder ab. Sie bemühen sich gerade nicht um Bildung oder Aufklärung; vielmehr wird der jeweiligen Klientel suggeriert, sie befinde sich schon auf Augenhöhe mit der Kunst und stecke selbst voller kreativer Potenziale. Eigentlich gehe es nur noch darum, ein paar Unsicherheiten abzubauen.“25 Michael Cassin schlägt vor, das Museum als Denkort zu etablieren und führt in diesem Sinne an: „So, am I suggesting that museums are wrong to invest time and energies and financial resources on hands-on programs? No, of course not. If these programs really work, if they do effectively the job we want them to do, let’s do them. But let’s design them very carefully, and think about what they are really leaving in peoples heads. And let’s not forget the value of simple stopping and looking and thinking and talking. We don’t always have to do hands-on activities with our hands, we can do them in our heads.“ 26 Der in diesen Ausführungen gewählte, als unbestimmt im Sinne Blumenbergs gewählte Begriff der Interaktion versucht, das gerade Beschriebene zu 23 Vgl. Ullrich 2015, online, o. S. Vgl. dazu auch Welzel 2015, S. 12−17, insbesondere S. 15 f. 24 Sternfeld 2014, online, S. 9. 25 Ullrich 2015, online, o. S. 26 Cassin 2002, S. 9.
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fassen, und funktioniert als Fusion verschiedener aktiver Prozesse, die in den Quellen mit Education, Partizipation oder Vermittlung beschrieben werden, als sammelnde Vokabel gut. Interaktion wird hier verstanden in Bezug auf Nora Sternfelds Überlegungen zur Vermittlung, Michael Cassins Aussagen zum „hand-on-in-the-head“ und Irit Rogoffs Vorschlag zur Partizipation als „to lay the ground for a claim“27. Hinzugezogen werden soll auch die Position von Carmen Mörsch, die den Begriff der Kunstvermittlung „weniger als Marketingstrategie, sondern als im Kunstmuseum und Ausstellungsinstitutionen angesiedeltes, eigenständiges Arbeitsfeld zwischen Theoriebildung und Praxis definiert. Sie [die Kunstvermittlung] entwickelt sich in kritischer Reflexion ihrer selbst und der historischen und gegenwärtigen Diskurse um Kunst, Öffentlichkeit, Partizipation und Lernen.“28 Die Kategorie der ausgewählten Formate ist umschrieben mit dem Begriff der Interaktion, sie richtet sich explizit an eine nicht institutionell zum Besuch eines Kunstmuseums verpflichtete Besucher*innenschaft. Das bedeutet, die ausgewählten Beispiele sind keine buchbaren Programme oder didaktischen Agenden, die zielgruppenspezifisch kategorisiert sind; sie sind nicht fest curricular verortbar, nicht von Stiftungen gefördert oder bildungspolitisch verantwortet; sie sind temporär den Museumsraum okkupierende Aktionen/Reaktionen/Interaktionen, in die das städtische Kunstmuseum aus seinem Selbstverständnis als Kraftwerk für gesellschaftliche Prozesse investiert. Ausgeschrieben als Angebote oder offener als Einladungen an die „interessierte Stadtöffentlichkeit“ wird der Museumsraum zum nicht statischen Interaktionsraum. Erst die dezidierte Erarbeitung der Inhalte, die genaue und bedingungslose Betrachtung des Materiellen, Immateriellen, Intermediären, die Erforschung der Dinge, Räume und Orte und ihrer individuellen Konstitutionen lassen die im Folgenden formulierten multiplen Lesarten des Sammlungsraumes und der Objekte sowie die Interaktionen überhaupt zu. Es soll beschrieben werden, inwieweit diese Angebote eine mögliche „beyond-education/participation“ praktizieren und „eine Form der 27 Jaschke/Sternfeld verweisen hier auf Irit Rogoff (Seminar zu „Partizipation“ im Wintersemes-
ter 2013/14 an der Aalto University/Helsinki). Vgl. Jaschke/Sternfeld 2015, S. 178 f. 28 Mörsch 2006 b, S. 182.
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Teilnahme und Teilhabe [befördern], die die Bedingungen des Teilnehmens selbst ins Spiel bringt“29. Dennoch sind die Formate immer auch im Kontext von pädagogisch intentionalen Settings begründet – von Wissenschaftlerinnen durchgeführt, von der Abteilung für Bildung und Kommunikation des Museums gefördert und zu Teilen als kooperative Angebote mit Institutionen formuliert. Sie sind jedoch nicht im Sinne einer Unterrichtung angelegt, sondern als Kommunikationen und als Eröffnungen von kollektiven Denkbewegungen verfasst. Sie können als Angebote des „Verlernens“30 im Sinne Sternfelds oder als offene Konzepte und als Angebote der (Selbst-)Bildung – beyond education – verstanden werden. Bezugnehmend auf die Ausführungen von Nina Simon, die Jaschke/Sternfeld unter dem Titel Museen als Räume der Mitwirkung versammeln, werden die vorgestellten Formate auch auf die vier Stufen des Participatory Museum31 hin befragt. Simon erarbeitet Kategorien der aktuellen Formen der Mitwirkung im Kontext musealer Projekte: „Diese unterscheidet sie, je nach Definierungsgrad der institutionellen Rahmenbedingungen, in vier Stufen: Contributing, Collaborating, Co-Creating und Hosting. Der gängigste Weg der Partizipation Contributing kann als eine Art Mitarbeit verstanden werden. Besucher_innen können sich einbringen, indem sie Gedanken und ihre Werke in öffentlichen Foren teilen, indem sie bei Museumsbesuchen mündlich oder schriftlich Feedback geben, Objekte oder Werke für Ausstellungen und Sammelprojekte zur Verfügung stellen, ihre Meinung im Gästebuch, auf Kommentarwänden oder Feedbackbögen äußern oder Erinnerungen und Fotografien im Internet zur Schau stellen. Social Media spielen bei dieser ersten Form der Beteiligung zunehmend 29 Jaschke/Sternfeld 2015, S. 168. 30 „Wir lernen uns zu bewegen ,wie Männer‘, ,wie Frauen‘, wie ,Deutsche‘. Und wir lernen, wer .wir‘
sind und wer die ,anderen‘, und wir lernen mit allem, was wir lernen, sehr vieles anderes nicht. Wir lernen also auch, dass nicht jedes Wissen Macht bedeutet (und manche Macht Ignoranz und Dummheit fördert und voraussetzt), welches Wissen Macht bedeutet und was gar nicht erst gewusst werden muss: Wir lernen zum Beispiel, dass manche Sprachen wichtiger sind als andere. So lernen wir uns damit abzufinden, dass manche Leute, die sieben afrikanische und drei europäische Sprachen sprechen, trotzdem nicht als gebildet gelten und deshalb wundern wir uns weniger, wenn sie keine Papiere erhalten und nirgendwo zu Hause sind.“ Sternfeld 2014, online, S. 9. 31 Vgl. Simon 2010.
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eine große Rolle. Während unter Contribution eine eher beiläufige Mitarbeit der Besucher_ innen zu verstehen ist, basieren Collaboration-Projekte […] auf einer Bindung zwischen Teilnehmer_innen und Museum; werden aber nach wie vor von Museen initiiert und kontrolliert. Museumsmitarbeiter_ innen kollaborieren mit Partner_innen aus der Community an neuen Programmen, Ausstellungen und Vermittlungsangeboten. Die dritte Stufe der Partizipation im Museum nennt Nina Simon Co-Creating: Co-kreative Projekte basieren auf Partnerschaften mit Besucher_ innen und sind nicht allein darauf ausgelegt, den Zielen der Institution zu dienen. So können Communities Unterstützung des Museums suchen, um Projekte zu realisieren, die ihnen ein Anliegen sind. Co-Creation-Projekte ermöglichen Kultureinrichtungen, lokalen Communities eine Stimme zu geben und auf ihre Bedürfnisse einzugehen und geben Community-Mitgliedern einen Ort, an dem sie sich engagieren und in Dialog treten können. Das Publikum und die Institution werden hier zu gleichberechtigten Partner_innen. Die Institution sieht sich mehr in der Rolle des Enablers, gibt den Partizipierenden Werkzeuge in die Hand und versucht unterstützend zu agieren. Bei Hosting-Projekten schließlich stellt das Museum einen Teil seiner Räumlichkeiten und/oder Ressourcen zur Verfügung, um Angebote zu präsentieren, die von Gruppen oder Besucher_innen entwickelt und durchgeführt werden. Die Institutionen teilen ihren Raum und/oder ihre Werkzeuge mit gänzlich unterschiedlichen Gruppen. HostingProjekte ermöglichen es Teilnehmer_innen, den Rahmen der Institution zu nutzen, um wirklich ihren eigenen Bedürfnissen nachzugehen. Die Beteiligung des Museums ist dabei minimal.“32 Neben den von Simon abgeleiteten Kategorien, die in den vorgestellten Formaten verortet werden sollen, soll auch die kulturelle Praxis mit Objekten aus der Sammlung des Museums Ostwall im Dortmunder U und ihr bildsames Potenzial hier thematisiert werden.33 Zugleich soll ihre indikatorische Wir-
32 Jaschke/Sternfeld 2015, S. 169−171. 33 Die folgenden Projektbeschreibungen der Reihe wort | bild werden zudem veröffentlicht in
einem Aufsatz mit dem Titel „object meets subject – oder: Vom (hi)storytelling im Kunstmuseum“. Der Beitrag erscheint im Sommer 2019 unter der Herausgeberinnenschaft von Katharina Christa Schüppel und Barbara Welzel.
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kung in Hinblick auf Geschichte, politische und soziale Bewegungen untersucht sowie ihre Leistung im Narrativ herausgestellt werden.
Format Einen Schwerpunkt in den Sammlungspräsentationen des Museums Ostwall im Dortmunder U bildet die Fluxuskunst der 1960er bis 1980er Jahre. Die Ideen von Künstlerinnen und Künstlern wie Joseph Beuys, Wolf Vostell, Alison Knowles oder George Brecht materialisieren sich in den ausgestellten Objekten und bilden das Alleinstellungsmerkmal der Dortmunder Sammlung im Museumsnetzwerk der RuhrKunstMuseen34, der 20 Kunstmuseen der Kulturmetropole Ruhr. Der fließende Übergang zwischen Kunst- und Lebenswelt, ja, ihre völlige Gleichstellung eint die Vision vieler Fluxuskünstler*innen: Kunst ist im Fluxus jede Form der „Wirklichkeitsgestaltung“35. Mit dieser Verschiebung beziehungsweise Auflösung des Kunstbegriffs ist auch die Aufgabe des Kunstmuseums im Wandel begriffen und changiert zwischen dem Anspruch des Museums als „Arbeitsplatz und künstlerischer Freiraum“36 im Sinne Bazon Brocks oder im Sinne Joseph Beuys’ und als Ort der „unbedingten Toleranz“ und somit als ein „Modell einer permanenten Konferenz“ für kulturelle Fragen.37 Die demokratische Haltung im Umgang mit der Kunst spiegelt sich jedoch auch in Objekten anderer Kunstströmungen wider. Neben Fluxus und Happening schließt das Kunstmuseum auch Objekte der Klassischen Moderne, des Nouveau Réalisme, des Informel, der Konkreten Poesie sowie Kunstwerke der Gegenwart in seine Sammlung von Wirklichkeitsbeschreibungen mit ein. Es ist nachvollziehbar, dass ein Museum mit einem Sammlungsschwerpunkt Fluxus erst recht unkonventionelle Ideen zulässt und offene Formate entwickelt, die dazu einladen, die Sammlung zu besuchen, zu benutzen und zu besetzen. Die Sammlung stellt sich immer wieder nach demokratischen Prinzipien auf und folgt dem Leitsatz n‘importe 34 Vgl. RuhrKunstMuseen, Webauftritt, o. J. 35 Vgl. dazu Wall 2006, S. 131. 36 Ebd., S. 154 f. 37 Beuys in einem Interview mit Louwrien Wijers (1980), u. a. publiziert in: Four Walls Eight Windows
1990, S. 215 ff.
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qui peut avoir une idee38 von Ben Vautier. Zwischen Akteur*innen und Objekten entstehen im Sinne einer permanenten Konferenz kulturelle Fragen. Die Objekte der Sammlung sind Bilder und Worte, Artefakte und Produkte von Aktionen, Events und Happenings. Ihre bewegte Biografie und ihr bewegender Charakter geben den permanenten Anlass, mit ihnen zu kommunizieren und zu interagieren. Fluxus ist Interaktion – physisch, visuell und immateriell – zwischen Kunst und Alltag, zwischen Künstler*in und Akteur*innen, zwischen Grenzen und Entgrenzungen. Bestehende Varianten der Kulturvermittlung verfolgen das Ziel, die Museumsbesucher*innen durch Formen der Teilhabe und Mitgestaltung von Kultur in die Sammlungskonzeption einzubinden. Diese Prozesse kann man als institutionelle Öffnungsprozesse beschreiben. Sie laden mit unterschiedlichen Formaten ein, die zwischen den Akteur*innen, Objekten, Displays und Architekturen angelegten Möglichkeitsräume zur Aushandlung von Selbst- und Weltbezügen zu nutzen.
wort | bild Mit der 2016 konzipierten künstlerisch-wissenschaftlichen Projektreihe wort | bild wurden die Objekte zum Kommunikationsanlass und als Verhandlungsfläche definiert. Das Projektteam39 folgte der Idee, dass es im Museum selbst „[…] einen Ort geben muss, an dem sich Bilder für einen Diskurs sammeln und einer Reflexion öffnen. So deutet viel darauf hin, dass das Museum eine Institution wird, in der auch jene Bilder gezeigt werden, die noch nicht Kunst geworden sind, aber den visuellen Diskurs einer Epoche bestimmen.“40 Mit seinem Projektraum erfüllt das Museum Ostwall den von KlausPeter Busse formulierten Anspruch: Das Kunstmuseum wird zum demokratischen Aushandlungsort des historischen und zeitgenössischen Umgangs 38 Objekttitel für unterschiedliche Medien. Ben Vautier, n‘importe qui peut avoir une idee, 1996, Mul-
tiple. Der ins Englische übersetzte Titel anybody can have an idea ist das Motto der Sammlungspräsentation 2013−2015 des Museums Ostwall im Dortmunder U. 39 Die Projektidee entwickelten Sarah Hübscher und Elvira Neuendank in Kommunikation mit der stellvertretenden Museumsdirektorin und Leiterin der Abteilung Bildung und Kommunikation Regina Selter. 40 Busse 2010, S. 122.
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mit dem materiellen Kulturerbe sowie den immateriellen Ideenwelten der Kunst und des Alltäglichen. Der Projektraum ist ein Forschungsraum und zugleich ein Vermittlungsort. Dieser Projektraum ist explizit in den Ausstellungsräumen angesiedelt, er ist umgeben von den Sammlungsobjekten, Displays und Settings, zwischen kuratorischen Überlegungen, neben thematischen Anordnungen und chronologischen Mustern. Er selbst ist ein gebauter Zwischenraum, gerahmt von der Ausstellungsarchitektur und der Architektur des Erinnerungsortes selbst. Er ist inhaltlich weniger eine Kunstwerkstatt als eine Denkwerkstatt41. In ihm sollen Ideen gründen und in diskursiven Prozessen durch kollektive Kommunikationen hervorgebracht werden. In einer Projektlaufzeit von jeweils drei Monaten generierten und untersuchten – ausgehend von konkreten Objekten der Sammlung – Lehramtsstudierende, Künstlerinnen und Künstler sowie Wissenschaftler*innen interdisziplinäre Themen der Gegenwartsgesellschaft: darunter Fragen nach politischen und humanitären Ausnahmezuständen, sozialen und gesellschaftlichen Phänomenen sowie medialen und globalen Prozessen und deren Konsequenzen in Wort und Bild. Die Forschung mit ihren Suchbewegungen, Fragestellungen und (Zwischen-)Ergebnissen wurde für die Besucher*innen zur Teilhabe im Museumsraum installiert und mit Veranstaltungen zum Mitund Weiterdenken verknüpft. wort | bild #1 Stephan Neuendank, Brot aus dem Krisenherd Das erste Projekt startete im April 2016. Ausgangspunkt für die Überlegungen von Stephan Neuendank war das Objekt Prager Brot von Wolf Vostell aus dem Jahre 1968.42 Das Objekt ist zunächst ein handelsübliches Weizenmischbrot mit einem Gewicht von circa 1,5 Kilogramm. In einer eingeschnittenen Kerbe auf der Oberseite des Brotes ist ein Plastikthermometer eingedrückt. Die Fusion zweier Alltagsobjekte wird zur Gegenstandskonstellation in un41 Den Begriff der Denkwerkstatt verdankt die Verfasserin dem kooperativen Projekt des Teams
der Kunstgeschichte an der TU Dortmund, des K20 – Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und Schüler*innen eines Dortmunder Gymnasiums. Vgl. dazu Gliesmann/Welzel 2015. 42 Wolf Vostell, Prager Brot, 1968, Weizenmischbrot mit Badethermometer, 9 x 13 x 24 cm (variabel), unlimitierte Auflage, signiert auf Etikett auf der Unterseite, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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klarer Mission. Als Prager Brot wird die Zusammenstellung zum Multiple und war für 8−14 DM über den von Wolfgang Feelisch gegründeten VICE-Versand in Remscheid zu beziehen.43 Mit der Vergabe des Titels verweist Vostell auf die politischen Geschehnisse des Jahres 1968: Nach der Ernennung zum Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei versuchte Alexander Dubček, unmittelbar seine Pläne zur Verwirklichung des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“44 durchzusetzen. Er verordnete Reformen in Bezug auf die Versammlungsfreiheit, die Freiheit der Wissenschaft, der Medien sowie der Kunst und Kultur. Die Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes kritisierten Dubčeks Reformpläne. Im August 1968 beendeten die Panzer des Warschauer Paktes schließlich gewaltsam den sogenannten Prager Frühling. Stephan Neuendank hat die politischen Ereignisse des gesamten Konflikts aufgearbeitet und als Grafiken – digital gedruckte, gerasterte Porträts der Protagonisten sowie Erklärungstexte – im Raum installiert. Hinzu kommen ein mit Druckraster angelegter Plot einer Reproduktion des ausgestellten Objekts in den Maßen 126 x 207,9 Zentimeter sowie ein Zeitstrahl. Das Originalobjekt Prager Brot wird in einer Vitrine im benachbarten Raum präsentiert, Wegmarkierungen führen die Besucher*innen vom Projektraum zum Brot. Um sich der ungewöhnlichen Gegenstandskonstellation des Prager Brotes anzunähern, ist es notwendig zu wissen, dass Wolf Vostell, ebenso wie Wolfgang Feelisch, die mediale Berichterstattung des Konflikts genau verfolgte. Ein Beitrag über eine Prager Bäckerei stellte dar, dass diese ihre Brote als Protestmaterial mit aufgebackenen Worten wie „Dubček“ oder „Frieden“ verkaufte.45 Die Konzeption des Prager Brotes folgt dem tschechoslowakischen Vorbild des Brotes mit Botschaft und wird zum politisierten Objekt. Die gebackene Solidaritätsbekundung in Brotform wird in Kombination mit dem darin eingedrückten Thermometer zum Kommunikationsanlass. Schmieder verdeutlicht die Relevanz des Objektes, denn „[o]ffensichtlich traute Vostell seiner künstlerischen Arbeit zu, politisches Geschehen zu 43 Vostell editierte über den Versand unterschiedliche Versionen. Einzelne Objekte wurden mit
goldener Farbe bemalt, um den Verweis auf Prag, die „goldene Stadt“, zu verdeutlichen. 44 Vgl. Lühmann 2018, online, o. S. 45 Schmieder 1998, S. 148 ff.
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kommentieren, und verlangte von sich selbst als Künstler, mit seinen Mitteln, auf politische Entwicklungen aktuell und konkret zu reagieren“46. Das Multiple wird zum Indikator gesellschaftlicher Prozesse und individueller Verfasstheiten und die Kunst – ganz im Sinne der Fluxusbewegung – erlangt neue Formen der Rezeption. Das Anliegen Vostells und Wolfgang Feelischs war es, dass die Menschen „handgreiflich“47 mit der Kunst werden und sie in alltägliche Prozesse des Denkens und Handelns einbeziehen. Das Brot als grundlegendes Nahrungsmittel wird zum Trägerstoff für politisches Denken und zugleich zur Grundlage menschlichen Handelns.48 Ebenso wie zur Entstehungszeit des Multiples ist der mediale Konsum von Kriegshandlungen in Echtzeit allgegenwärtig. Diese multimedialen und weltumspannenden Berichterstattungen nimmt auch Stephan Neuendank zum Anlass, sich im Zuge seiner Recherche über Vostell mit aktuellen kriegerischen Konflikten zu beschäftigen. Er plottet eine Weltkarte, die die Schauplätze andauernder Kriege und Konflikte verzeichnet, und installiert sie im Projektraum.49 Zusätzlich setzt Stephan Neuendank 46 Konflikt-Kurzbeschreibungen neben die Konflikt-Weltkarte an die Wandmodule. Jede Konfliktbeschreibung skizziert die Ursache des jeweiligen Konflikts sowie seinen Verlauf und den aktuellen Stand. Eine zusätzliche Information findet sich unter dem Beschriebenen; Neuendank verweist auf eine Brotsorte der Region. Die Konfliktkarte zu Syrien zeigt die Brotsorte Lavash. Neuendank recherchiert weiter und findet heraus, dass Lavash auch in Libyen, Afghanistan, Jemen und Palästina zu den Grundnahrungsmitteln gehört und als kulturelles Erbe in all diesen Regionen tägliche Essensroutinen begleitet. Er konzipiert Rezeptkarten, die unter dem Titel Brot aus dem Krisenherd auf die Herkunftsländer verweisen, und legt sie zur Mitnahme für die Besucher*innen aus. Die Brotrezepte werden zu Stellvertretern von Konfliktländern und stellen zugleich Gemeinsamkeiten von im Krieg befindlichen Regionen und politischen Gegnern heraus. 46 Ebd., S. 150. 47 Feelisch 2010, online, o. S. 48 Vgl. Museumsplattform NRW o. J., o. S. 49 Die Karte andauernder Konflikte ist online einsehbar bei Wikipedia, o. J., o. S.
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In seinem Aufruf Aus Dortmunds Öfen in die Welt lädt er Besucher*innen ein, die Rezepte nachzubacken oder die Liste zu erweitern und ein Foto des gebackenen Brotes mit Verweis auf den jeweiligen Konflikt an das Museum zu senden. Das Museum bekam Post mit Bildern von Broten: zum Beispiel ein irisches Landbrot als Stellvertreter des Nordirlandkonfliktes, Kokosnussbrot aus dem Sudan oder Injera aus dem Kongo. Die eingesendeten Bilder wurden während der Projektlaufzeit mit im Raum installiert. wort | bild #2 Sarah Hübscher/Elvira Neuendank, ReAktion: Beuys/Vostell Das künstlerisch-wissenschaftliche Projekt ReAktion: Beuys/Vostell reagiert auf das Werk und Wirken der Fluxuskünstler Joseph Beuys und Wolf Vostell.50 Ihre Kunst ist eng verbunden und als unmittelbare ReAktion auf die heutige deutsche Geschichte und die einstige deutsche Gegenwart zu verstehen. Das Projekt ReAktion stellt ihre Kunstwerke zu einer Bildersammlung zusammen und zeigt, vergleicht und vermittelt Unterschiede und verdeutlicht Gemeinsamkeiten im Schaffen der beiden Künstler. Das Projekt folgt somit den Logiken des Bildumgangs Aby Warburgs und besetzt das Bildmedium in seiner Gleichzeitigkeit als Darstellungs- und Erkenntnismedium. Der Museumsraum wird zum unmittelbaren Forschungsraum und zeigt auf, dass die Forschung untrennbar mit ihrer Präsentation korreliert.51 Es stellen sich Fragen nach einer angemessenen Form von Geschichtsschreibung und der darin impliziten Forderung nach der Berücksichtigung unterschiedlicher Erzählperspektiven. Die magnetischen Wandmodule eröffnen im Sinne Warburgs die Atlasfläche und ermöglichen das Nebeneinander unterschiedlichster Medien in Wort und Bild: Reproduktionen, Alltagsbilder, Schriften, Postkarten, Plakate im Multilog – versammelt, angeordnet, verschoben und ergänzt auf einem Tableau. In Verbindung mit dem direkten Weg zu den Kunstwerken der Sammlung formiert sich ein Interaktionsraum. Das Atlas-
50 Die folgenden Ausführungen zum Projekt ReAktion sind als überarbeitete Grundlage entnommen
aus: Hübscher/Neuendank 2018, S. 307−324. Die ausführliche Projektbeschreibung, die kulturwissenschaftliche Fundierung in Bezug auf Aby Warburg sowie eine bildungstheoretische Verortung sind dort nachzulesen. 51 Vgl. Welzel 2004, S. 35.
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projekt realisiert so neue wissenschaftliche Denkbewegungen mit (kunst-) historisch bereits bearbeitetem Wissen. Es überführt Erkanntes, Gesehenes und Gelesenes in gegenwärtige Themen- und Diskussionsfelder oder formalästhetische Zusammenhänge. Das wissenschaftlich erschlossene „Spielfeld“52 stellt Metaebenen heraus und Bezugslinien zwischen den beiden meist unabhängig voneinander arbeitenden Künstlern her. Die komparative Aufarbeitung der Kunstwerke, ihrer visuellen Bezüge und Textelemente verschiedenster Provenienz zeigen, dass beide Künstler mit ihrem Nachdenken und Handeln die kollektive Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte seit den 1960er Jahren prägen und stellvertretend für die Diskurse einer ganzen Generation diskutiert werden können. Sie rekurrieren in ihrer künstlerischen Argumentation auf Bilder und Texte aus dem Alltag, den Medien sowie der Kunst und schreiben mit ihren Arbeiten bestimmte visuelle Formulierungen fort, überspitzen diese oder produzieren Gegenbilder. Das Atlasprojekt nähert sich den Arbeiten der Künstler auf sehr mittelbare Weise: Durch das Zusammenführen von Kunstwerken, Kontextbildern wie Pressebildern, Vor- und Nachbildern sowie Texten von und über Beuys und Vostell stellt sich heraus, wie sehr beide Künstler bestehende Bildtraditionen erkennen, verhandeln und diese zugleich aufbrechen. Erst dies wird zum Schlüssel für das Verständnis ihrer Kunst, ihrer Gegenwartsbezüge und Geschichtskonstruktionen. Unter zentralen Begriffen der deutschen Geschichte wie Auschwitz, Bundesrepublik Deutschland, Rote Armee Fraktion (RAF) et cetera werden die einzelnen Medien angeordnet, eine mehrfache Verwendung wäre möglich, die Nonlinearität der Erzählstränge wird bereits bei einer ersten Anordnung deutlich. QR-Codes eröffnen Film- und Tonbeispiele als abrufbare Quellen auf dem eigenen Smartphone und kontextualisieren das Geschehen im Museumsraum im multimedialen Raum. Hinzu kommen biografische Ereignisse sowie Wortmaterial und Zitate, die sich als Metaebene über die fluide Struktur legen: Kunstbegriff, Menschenbild, Bildung und Gesellschaft et cetera. Beuys und Vostell nehmen unabhängig voneinander Geschichte als Anlass, Gesellschaft zu hinterfragen, neue Konzepte von Bil52 Hofmann 1995, S. 175.
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dung und Erziehung zu formulieren und ästhetische Ausdrucksweisen in Material und Aktion zu generieren. Neben revolutionären Formfindungen unter Rückgriff auf etablierte Strukturen sind die Denkweise und der Anspruch des Verändern-Müssens darin präsent. Das Abarbeiten an politischen Themen, an Materialitäten und an gesellschaftlichen Konventionen wird zum Ausdruck sowohl der künstlerischen Positionen selbst als auch einer ganzen Generation Kulturschaffender, die nach 1945 den Umgang mit der Geschichte aufarbeitet. Die ständige Anstrengung des VerstehenWollens und des Alternative-Findens wird zum Prinzip. Sowohl bei Vostell als auch bei Beuys kann von Lebenswerken des Wirkens und Schaffens, des Denkens und Handelns gesprochen werden. Die Verhandlung von Wissenschaft an der Wand wird zum Prinzip für eine Praktikabilität eines differenzierten Bildumgangs – als wissenschaftliche Fähigkeit der Gegenwart – in der Vermittlung, in der Forschung, im Diskurs. Das offene und flexible System des öffentlichen Atlasses lässt auch Platz für Unvorhersehbares. So finden sich mit der Zeit im Atlas neben den Reproduktionen von Werken und Texten auch Alltagsbilder von Besucher*innen des Museums wieder: Fotografien von Eichen, Beton oder Décollage53 treffen auf Pressebeiträge zur Verwendung des Bildes Napalm Girl von Nick Ut (1972) bei facebook und auf Pressekritiken zum Theaterstück Jeder Hase ein Künstler. Eine Beuys Fabel54 des ALF-Erfinders Tom Patchett. Die Frage, ob so ein Atlas jemals fertig sein kann, muss mit Nein beantwortet werden. Das Nein beinhaltet jedoch die deutliche Aufforderung, es trotzdem zu tun, denn die implizite Frage nach der Relevanz von Kunst als Narrativ und der wissenschaftlichen Qualität einer solchen Bildersammlung wird im Projekt beantwortet.
53 Bei den eingereichten Bildern von Besucher*innen handelt es sich um Verweise bzw. aktuelle
Re-Aktionen auf die Arbeit 7000 Eichen (Beuys, ab 1982), Beton als Material, das Vostell häufig in seinen Arbeiten als ästhetisches Mittel verwendete, und die Décollage, die Vostell (seit den 1960er Jahren) zum Arbeits- sowie Lebensprinzip erklärte. 54 Aufführungen fanden im Oktober 2016 im Vollgutlager – Alte Kindl Brauerei/Berlin statt: „Tom Patchett, Erfinder von ALF, hat ein Stück über Beuys geschrieben, Georg Nussbaumer bringt es auf die Bühne. Ein Gespräch über Kunst und Fernsehen, Wien und Los Angeles, Kunst in Pink und Rebellentum.“ Lehmann 2016, online, o. S.
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wort | bild #3 Matthias Plenkmann, vernetzt – vernutzt – versammelt Das Projekt vernetzt – vernutzt – versammelt verhandelt zunächst das Ureigene des Museums: das Sammeln von Objekten und die Konstruktion von Geschichten. Hinzu kommt die Thematisierung des Sammelns als künstlerische Strategie: Künstlerinnen und Künstler funktionieren als Sammler*innen, Archivar*innen und Konstrukteur*innen von Geschichte(n). Sie leben und arbeiten mit dem Vorgefundenen, sie systematisieren Objekte und generieren ästhetische Formensprachen des Dinglichen. Seit den 1960er Jahren ist sichtbar, was Jahrhunderte zuvor im Verborgenen praktiziert wurde. Galten Schneckenhäuser, Pflanzen, ausgestopfte Tiere oder Steinsammlungen in den Ateliers lange Zeit lediglich als Studienobjekte, erhält das Sammeln, Kategorisieren und Archivieren diverser Quellmaterialien nun eine neue Aufmerksamkeit. Das Vorgefundene bildet die Grundlage, neue Ausgangspunkte im künstlerischen Schaffen zu generieren: „Gefundene, aus Zeitungen, Zeitschriften oder Büchern ausgeschnittene, von den Künstlern selbst aufgenommene oder, seitdem es das Internet gibt, auch aus dem digitalen Universum entnommene Fotografien beziehungsweise reproduzierte Fotografien werden in streng seriellen oder auch in äußerst ungewöhnlichen Zusammenstellungen und Anordnungen präsentiert.“55 Matthias Plenkmanns Projekt inszeniert jedoch ebenso die Kulturtechniken des Sammelns und des Aufbewahrens in alltäglichen menschlichen Handlungsspektren. Ein besonderer Fokus liegt hier auf dem Sammeln von Digitalem − Bild, Ton, Spur − und auf der anschließenden Überführung, Rückführung oder Projektion auf das Objekt. Die Werke der Sammlung stehen im Zentrum der Überlegungen zum Sammeln. So werden Objekte der Fluxuskünstler George Brecht und Robert Filliou in die Erkundung einbezogen und ihre ironisierende Sicht auf die Welt und ihre Philosophien sichtbar. Die beiden Künstler „begegneten sich Mitte der 1960er-Jahre in Frankreich und führten von 1965 an für drei Jahre in Villefranche-sur-Mer La Cédille qui Sourit. Als eine Mischung aus Laden, Atelier und Treffpunkt verstanden sie das Projekt als das erste ‚Zentrum für die permanente Kreativität‘. Die beiden Künstler erfanden Objekte, Ge55 Seyfahrt 2012, S. 17.
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dichte und Witze, Bilderrätsel und Events. Ihr Geschäft öffneten sie auf Anfrage und boten eine Auswahl an Multiples aus den Editionen MAT, MAT MOT und Fluxus sowie Publikationen der Something Else Press von Dick Higgins an. Im März 1968 überführten die beiden La Cédille qui Sourit in das Eternal Network – das immerwährende Ereignis – und erklärten den Laden für bankrott. Ihre Kunst behielt auch weiterhin viele Gemeinsamkeiten: Humor, die Idee der kooperativen Kunstprojekte und die Beschäftigung mit fernöstlicher Philosophie.“56 Die fotografische Installation Das Geschenk57 von Jochen Gerz oder die raumgreifende Struktur Environment Structure58 von Agostino Bonalumi werden mit aktiven Dokumentations- und Sammelaufträgen mit den Besucher*innen verknüpft oder mit kurzen Geschichten und Soundcollagen besetzt. Plenkmann konzipiert einen performativen Audiowalk durch die Sammlung des Museums Ostwall. Er vernetzt, vernutzt – mit dieser Wortschöpfung ist das verselbstständigte Umnutzen oder Umcodieren von Bedeutungen gemeint – und versammelt mit seinem intermedialen Konzept Objekte, Bilder, Daten und Aktionen zu einer Geschichte, die während des Walks erfunden und zugleich erzählt wird. Das Sammeln selbst wird zur künstlerisch-wissenschaftlichen Handlung und ähnlich dem Prinzip des Found Footage59 dient das Vorgefundene als Grundlage, um neue Ausgangs56 F illiou und Brecht wurden in der Sammlungspräsentation 2017 in einem Raum im Miteinander
thematisiert. Katalog Dortmund 2013, S. 72. 57 Jochen Gerz, Das Geschenk/The gift, 2000, Installation, gerahmtes Fotopapier, Serie von 4889
Porträts, je Din-A4-Format. Die Porträts entstanden im Rahmen der Ausstellung vision.ruhr 2000 in Dortmund und wurden im Auftrag von Gerz von Fotografiestudierenden der FH angefertigt und zeigen Besucher*innen des Westfälischen Industriemuseums Zeche Zollern II/IV. Jede Fotografie wurde jeweils zweimal gedruckt, ein Exemplar erhielt die Sammlung des Museums Ostwall, das andere Exemplar bekam eine beliebig andere – nicht die abgebildete – porträtierte Person. Das Projekt beschäftigte sich somit mit der Begegnung von Fremden im eigenen Raum und auch dem Anvertrauen des eigenen Angesichts in eine unbekannte Umgebung. 58 Agostino Bonalumi, Environment Structure, 1968, Wandobjekt, Kunststoff, Holz, gesamt: 280 x 953 x 45 cm; Module jeweils max. 280 x 60 x 55 cm. Das mattglänzende, dennoch reflektierende Objekt erstreckt sich in einer statischen Bewegung entlang der Raumwand. Das schwarze Gebilde suggeriert fortlaufende Dynamiken und wird doch erst durch die Bewegung und Perspektive der Besucher*innen aktiviert. 59 Found Footage beschreibt ein Prinzip des Filmemachens aus dem Genre des Experimentalfilms. Hierbei wird vorgefundenes Filmmaterial in neue Produktionen integriert. Anders als beim Collagieren werden vor allem die „Geschichtlichkeit“ und unterschiedlichen Bedeutungsebenen des gefundenen Materials neu bzw. mitthematisiert. Vgl. Zryd 2002, S. 113 ff.
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punkte im künstlerischen Schaffen zu generieren. Ein Sprachprogramm – eine monotone Stimme, die sich mit Anna vorstellt – beginnt eine einseitige Kommunikation, erteilt Seh- und Geh-Aufträge und versucht sich als Beziehungsfigur ohne Emotionen. Hinzu kommen ortsspezifische Soundcollagen und Handlungsanweisungen, die weitere Verweise auf den architektonischen Raum wie die darin versammelten Objekte zulassen. Der Audiowalk ist als kollektives Ereignis gedacht, die mit ihren Kopfhörern in der Soundwelt eingeschlossenen Besucher*innen kommunizieren einzig über Blicke und über Bewegungen. Der Walk wird von einer anonymen Protagonistin mit Einkaufswagen durch den kulturellen Konsumtempel geführt. Auch mit ihr ist die Kommunikation unmöglich – eine schwarze Brille verhindert selbst den Austausch von Blicken. Von außen betrachtet ist das stille Kollektiv in sich ruhend und kontinuierlich in Bewegung. Die Synchronität von Handlungen und Blicken, Bewegung und Stillstand prägen den Schwarm. Die einzelnen Besucher*innen erleben jedoch sehr individuell Objekte, Räume und die Gruppe selbst. Der Walk startet und endet im Projektraum. Die Wandmodule schaffen mit angehefteten Bildbotschaften ein paralleles Narrativ, das durch Wort und Bild der Besucher*innen ergänzt wird. Im Netz entsteht eine blank page, die die besetzbaren Leerstellen zwischen all dem Vorgefundenen thematisiert. wort | bild #4 Olivia Malek, David Mellin, Ulvis Müller, habitat. Das vierte Projekt im Rahmen der Reihe wort | bild beschäftigte sich unter dem Titel habitat. mit Lebensräumen von Menschen. Ausgangspunkt für das Projektteam David Mellin, Olivia Malek und Ulvis Müller war die vierteilige fotografische Serie von Adrian Paci Back Home aus dem Jahr 2001 aus der Sammlung des Museums Ostwall. Adrian Paci wurde 1969 in Albanien geboren und floh 1997 vor den bürgerkriegsähnlichen Zuständen nach Mailand, Italien. Diese biografischen Einschnitte, „[s]eine Erfahrungen im Exil veranlassten ihn, sich mit Fragen rund um das Thema Immigration zu beschäftigen, etwa mit Mobilität, Vertreibung und kultureller Hybridisierung. Paci untersucht persönliche Geschichten samt ihrer Struktur und inszeniert sie neu, um zu demonstrieren, wie sehr das Umfeld mit seinen Beschränkun-
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gen den Menschen prägt.“60 Die fotografische Serie zeigt Familienporträts oder Porträts einzelner Familienmitglieder. Die fotografierten Menschen eint, dass sie alle aus Albanien stammen und nun in Italien leben. Sie alle erlaubten Paci, ihre verlassenen Wohnungen, Häuser und persönlichen Räume in Albanien aufzusuchen und zu fotografieren. Der Künstler reproduzierte im Anschluss die fotografischen Bilder zu lebensgroßen, gemalten Abbildern, zu Hintergründen – monochrom und statisch –, ähnlich gemalten Kulissen. Im Studio fanden sich die geflüchteten Familien nun vor ihrem persönlichen Hintergrund ein. Sie inszenierten sich, sitzend oder stehend, vor den neuen Abbildern ihrer vergangenen Lebenssituationen. Paci selbst ist bei der Rezeption seiner Kunstwerke vor allem wichtig, sie als Spuren von Transformationen wahrzunehmen: „Albanien und Migration sind vielleicht eher die Kontexte meiner Arbeiten als ihr Thema. Wenn man die letzte Dekade in Albanien miterlebt hat, können einem die Spuren, die solch eine Erfahrung auf diejenigen, die dabei waren, hinterlässt, nicht gleichgültig sein. Mich interessiert nicht meine Identität als Albaner oder Emigrant, sondern die Transformation meiner Erfahrungen in Momenten der Reflexion für mich selbst und für andere.“61 Die Auseinandersetzung mit dem in diesem Sinne doppelten Migrationshintergrund der fotografierten Familien und der Transformation ihrer Lebensräume ließ das Projektteam die Frage nach unterschiedlichen Bedeutungsebenen von Zuhause stellen. Was bedingt es? Was macht es aus? Wie individuell sind die Vorstellungen von einem Zuhause? Das Team folgte der Annahme, „dass Heimat mehr ist als nur eine Wohnung, die durch die eigenen vier Wände repräsentiert wird, denn die ausgewählten Einrichtungsgegenstände beheimaten uns. Wenn ein Wohnzimmer in Malaysia aber möglicherweise genauso gestaltet ist oder gestaltet werden kann wie eines in Dortmund oder Reykjavik, dann wird nicht nur das Unbekannte entfremdet, vielmehr wird das Bekannte seltsam fremd.“62 Der Projektraum wurde 60 Pomeranz Collection o. J., online, o. S. 61 Grothe 2007, S. 33, mit Verweis auf Adrian Paci im Interview mit Jan-Erik Lundström 2002, in:
Lundström 2002, S. 56−57. 62 Auszug Projektskizze habitat., 2017.
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zur Kulisse: Ein Gemälde, aufgeteilt auf zwei Bildträger – grau in grau und doch erschreckend vertraut –, wurde an einem der Wandmodule installiert. Ein gemaltes Wohnzimmer, mit Regalen, Sessel, Lampe und Tischchen. Die Fläche folgt dabei dezidiert dem Vorbild Pacis: Die Leinwand ist in der Mitte geteilt, die monochrome Malerei funktioniert als verblassende Kulisse, als Background des gegenwärtigen Geschehens. Das zweite Wandmodul wurde mit einer Spiegelfolie beklebt, die die Akteur*innen und den Raum reflektiert. Die Besucher*innen sahen sich je nach Position der Module mit dem handelsüblichen Wohnzimmer oder mit dem White Cube der Museumsarchitektur konfrontiert. Auch die Forschungsbewegung des Projektteams wurde im Raum installiert: Reproduktionen künstlerischer Darstellungen von Wohnräumen, Interieurs oder Häusern fanden sich neben den Überlegungen der Werbeagentur Jung von Matt63 über das durchschnittliche deutsche Wohnzimmer und neben Beispielen für die globale Verbreitung schwedischen Interieurs der IKEAzation. Herzstück des partizipativen Ansatzes war ein Fotoautomat: In einem Sockel installierte das Team eine Digitalkamera, die durch einen Knopf an der Sockeloberseite ausgelöst werden konnte. Spannend war hierbei, dass die Besucher*innen das fotografische Ergebnis nicht sofort ansehen konnten. Und trotzdem wurde der Auslöser über 2000 Mal betätigt und das eigene Angesicht im Wohnzimmer des Museums, ohne weitere Fragen, dem Projektteam überlassen. Die Resultate der anonymen Fotoaktion installierte das Projektteam beinahe täglich im Raum. Mit zusätzlichen Kommunikationsangeboten wie Führungen und Workshops begleitete das Team die Besucherinnen und Besucher vom Objekt – der Arbeit Pacis – zu ihrem künst63 „ Seit 2004 stellt sich die Hamburger Werbeagentur Jung von Matt das deutsche Durchschnitts-
wohnzimmer in ihre Büroräume, streng nach Daten des Statistischen Bundesamtes und der Konsumforschung möbliert. Das ist die Umgebung, in der sich der Durchschnittsbundesbürger wohlfühlt, hier wohnt die fiktive Familie Müller, Claudia (Jahrgang 1967), Thomas (Jahrgang 1964) und Jan (Jahrgang 1995). Die Sitzgruppe ist auf den Fernseher ausgerichtet, daran hat sich in all den Jahren nichts geändert, auch wenn der Fernseher inzwischen flach ist und die Sofas nicht mehr ganz so weich zum Hineinsinken einladen. Farblich haben sich die Müllers von Apricot über Eierschalengelb zu einem nüchternen Dunkelgrau vorgearbeitet. Der pflegeleichte Velours-Teppich wurde 2016 durch Laminat ersetzt. Ein schmiedeeiserner Kerzenständer sorgt für etwas Rustikalität. Der CD-Turm ist verschwunden, auch der Videorekorder wurde entsorgt.“ Laudenbach 2017, online, o. S.
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lerisch-wissenschaftlichen Projekt. Die kommunikativen Situationen ließen auch persönliche Einblicke in die Lebensräume unterschiedlicher Menschen zu. So berichtete ein junger Mann, der kurze Zeit zuvor mit seiner Familie nach Deutschland geflohen war, von seinem neuen Habitat. Auch seine Wohnung folgt hier dem Durchschnittswohnraum der Deutschen. Das IKEA-Sofa bildet ebenfalls einen zentralen Punkt im Wohnzimmer. Das Möbel wird jedoch zum Objekt rein visuellen Gebrauchs: Es wird von seiner Funktion entbunden beziehungsweise kulturell neu besetzt. Zum gemeinsamen Sitzen, Erzählen und Essen versammelt sich die Familie, wie in ihrem Herkunftsland üblich, auf dem Fußboden. Das Projekt wurde auch von der schwedischen Möbelkette durch das Bereitstellen von Bildmaterial unterstützt. So bildet die hauseigene Abbildung eines bekannten Regalsystems die Grundlage der Einladungskarte zum Projekt. Die künstlerisch-wissenschaftliche Projektreihe wort | bild zeigt hier lediglich einen Ausschnitt von Überlegungen zum Umgang mit Kunstobjekten und institutionellen Öffnungsprozessen. Die in der Projektreihe generierten Themen weisen ein breites Spektrum auf: die historische Kriegsberichterstattung und die Darstellung aktueller kriegerischer Konflikte; Aushandlungsprozesse des Umgangs mit der deutschen Geschichte – die zugleich auch globale Geschichte ist; medialer Lebensalltag in seiner virtuellen, immateriellen und materiellen Verfasstheit; Fragen nach der Gestaltung und dem Wert des persönlichen Habitats, das auch im Kontext von Fluchtbewegungen und dem kritisch zu verwendenden Heimatbegriff aktuell Gegenstand von Debatten ist. Das von den Akteur*innen gewählte Objekt wird bei all diesen Themen zum Ausgangspunkt, zum Begleiter, zum Sinnträger oder zum Stellvertreter mit indikatorischen Qualitäten. Deren Relevanz für „eine diffuse und höchst uneinheitliche Menge von Menschen“64 entfaltet sich in Kommunikationen. Die ausgewählten Objekte der Sammlung entwickeln in der Verbindung mit dem Projektteam, weiteren Objekten, dem Raum und den Menschen unterschiedliche Narrative, die verschieden rezipiert und 64 Waidacher 2005, S. 123.
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rezitiert werden. Die Akteur*innen der Reihe gestalteten auf unterschiedlichste Arten Zugänge zum Objekt, immer im Kontext der Sammlung und verknüpft mit gesellschaftlichen Relevanzen. Die Offenheit des Hauses, den Museumsraum als Diskursfeld freizugeben und als Laboratorium für Denk- und Bildungsprozesse okkupieren zu lassen, ist hierbei als Grundvoraussetzung für das Gelingen der Reihe zu nennen. Nur wenn die künstlerisch-wissenschaftlichen Akteur*innen völlige Freiheit in der Wahl des zu verhandelnden Objektes, der thematischen Verknüpfung, der künstlerischen Umsetzung und der Form der Vermittlung haben, können neue Erkenntnisse über das Objekt und seine thematischen Verknüpfungen gewonnen werden. Das Zeigen, Schreiben und Konstruieren von Geschichte(n) durch Objekte ist so verdichtet ein Potenzial, welches Museen explizit besitzen. Die Ausführungen zeigen, wie sehr die Auseinandersetzungen mit den Objekten der Sammlung Zeitgenossenschaften erzeugen. Die Projektreihe funktioniert als wichtige Plattform, soziale und politische Fragen in den Museumsraum hineinzutragen, Anknüpfungspunkte an die Lebenswelten heterogener gesellschaftlicher Gruppen und Individuen zu schaffen und zugleich einen Beitrag zur Wissenschaftsvermittlung zu wagen. Alle vorgestellten Projekte sind Bildungsprojekte, die auf ganz unterschiedlichen Ebenen funktionieren und für verschiedene Akteur*innengruppen Bildungserfahrungen ermöglichen. Zum einen wurde das administrative Projektteam herausgefordert, einen für Museumsverhältnisse kurzen Planungs- und Präsentationszeitraum einzuhalten. Der Zeitraum der Planung betrug circa zwei Monate, die Ausstellungsphase drei Monate. Während das eine Projekt sich im Museumsraum weiterentwickelte, arbeitete das Team in der Sammlung mit weiteren Kooperationspartner*innen bereits am nächsten Thema der Reihe. Dabei wurden fortlaufend die Erfahrungswerte des aktuellen Projektes bearbeitet und als Erfahrungswissen weitergegeben. Der vom Museum freigegebene Raum musste Prozesse der Veränderung aushalten und offenbarte zugleich seine architektonischen Grenzen. Die künstlerisch-wissenschaftlichen Akteur*innen wurden herausgefordert, ihre Ideen im Raum zu installieren und umzusetzen − in ihrer eigenen Logik, Ästhetik und Thematik, mit ihren eigenen, auch handwerklichen Fähigkeiten und mit einem Minimalaufwand an Tech-
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nik und Budget. Zum anderen war die Vermittlung ihres Projektes durch prozessbegleitende beziehungsweise prozessinitialisierende Interaktionen als offene Angebote mit (mindestens zwei) begleitenden Veranstaltungen gefordert. Die Verbindung der Entwicklung künstlerischer Strategien und der Erkenntnissicherung wissenschaftlicher Überlegungen und die zeitgleiche Übersetzung und Bezugnahme zur Sammlung – eine unbekannte und unbestimmte Besucher*innenschaft – zu verdeutlichen, ist in sich herausfordernd. Die Herausforderung an das Publikum, die Konsumierendenrolle zu verlassen und die Rolle der mitgestaltenden Akteur*innen einzunehmen, ist eine museumsspezifische Aufgabe – immer. Die Möglichkeiten, in den einzelnen Interaktionen mitzudenken und mitzureden, wurden sehr unterschiedlich aufgefasst. Die Besucher*innenzahlen bewegten sich zwischen drei und 53 an einem Veranstaltungsabend; dementsprechend divers ist auch die Intensität der Kommunikation, des Austauschs und der Einbindung zu bewerten. Die letzte Herausforderung lag bei dem Museum selbst. Sie bestand in erster Linie darin, Verantwortung abzugeben beziehungsweise umzuverteilen und darauf zu vertrauen, dass die unterschiedlichen Akteur*innen zum Gelingen der Reihe beitragen. Doch erst durch das Teilen dieser Verantwortung konnten neue Wege der Ansprache und Teilhabe generiert werden. Das partizipative Moment, das Nina Simon vor allem auf Besucher*innengruppen bezieht, wird hier explizit ausgeweitet und schließt neben den Besucher*innen auch die Museumsmacher*innen, die Projektleiterinnen und die Projektteams mit ein. Wie ein symbiotisches System werden in gemeinsamen aktiven Prozessen Museumsräume besetzt. All diese aktiven Prozesse, Interaktionen und Denkbewegungen können als Bildungsprozesse kategorisiert werden. Als Erkenntnis aller Herausforderungen kann bis hierhin festgehalten werden: dass die „Erfahrung, ‚… dass alles auch ganz anders sein könnte‘ […] die wohl wichtigste Erfahrung […] [ist]. Die Entdeckung von Möglichkeiten, Perspektivwechseln und transformatorischen Selbst-Bildungsprozessen ist zentral für eine gelungene kulturelle Bildungssituation […].“65 Hierbei sind die im Veranstaltungsformat angelegten kommunikativen Prozesse essen65 Reinwand-Weiss 2012/13, online, o. S.
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ziell, um (wie auch immer geartete) Bildung überhaupt zu ermöglichen. Im Sinne Simons sind alle denkbaren Formen des Partizipativen in der Reihe inkludiert. Sowohl der mitteilende Charakter des Contributings, der verschränkende Charakter des Collaboratings, der inklusive Charakter des CoCreatings als auch der eigenständige Charakter des Hostings können anteilig in allen Projekten beobachtet werden. Als Konsequenz aus den gesammelten Erfahrungen mit unterschiedlichen Formen der Partizipation und aus dem multiperspektivischen Blick auf die Objekte, die Sammlung und das Angebot des Museums an die Akteur*innen folgen Veränderungen des Formats, als eigener aktiver Prozess transformiert es sich stetig. Bedingt durch den Sammlungsumbau (2019) wird das Format in geänderter Struktur zukünftig als contact zone gedacht und konsequent erweitert. Im Zentrum der Reihe stehen auch hier unterschiedliche Auseinandersetzungen mit den Objekten und Themen der Sammlung des Museums Ostwall. Diese werden in wissenschaftlichen und künstlerischen Interaktionen kooperativ bearbeitet.
Mitte r: wort | bild #3, Dokumentation, Dortmund | 2017. Foto: Christian Spiess.
Einladungskarten wort | bild. Museum Ostwall im Dortmunder U | 2016/2017.
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Schnittstelle Das Format der Schnittstelle wurde 2011 erstmalig umgesetzt.66 Die anfängliche Motivation für die Entwicklung des Formats lag in der Erkenntnis, dass das Museum in seinem Bildungsangebot die Zielgruppe der über 20-Jährigen und unter 50-Jährigen nur selten ansprach. Die Schnittstelle entwickelte sich während ihrer Laufzeit bis 2017 zum After-Work-Termin, der klare Bezüge zum Freizeitverhalten von Erwachsenen herstellte.67 Im Zentrum der Arbeit des Projektteams lag die Öffnung des Sammlungsraumes und das Angebot, diesen mit unterschiedlichen Ideen, Gedanken, Aktionen und Kommunikationen zu besetzen. Dieses Angebot wurde explizit auch für Menschen formuliert, die das Kunstmuseum nicht als ihren, von ihnen nutzbaren, zu okkupierenden, codierbaren Raum wahrnehmen. Ähnlich dem Format Late at Tate Modern68 kooperierte das Museum für den Veranstaltungsabend mit Akteur*innen aus den Bereichen Literatur, Design und Musik. DJs, Poetry Slammer, Bands und Akteur*innen der freien Kulturszene im Ruhrgebiet, wie des Dortmunder Residence-Projekts FÜR HIER.69 oder des Bochumer Designmarkts Yard, besetzten für einen Abend die Museumsräume. Pop-upShops wie der des Dortmunder Concept Shops HEJ Store oder der Dortmunder Buchhandlung für Kunst, Architektur und Design The Bookstore eröffneten neben temporären Gastronomien. Die Idee der Schnittstelle, das Museum als Plattform für unterschiedlichste Kollaborationen zu nutzen, steckte an. 66 Das Format Schnittstelle wurde 2011 im Rahmen des Seminars Kunst trifft Alltag an der TU
Dortmund unter Leitung von Sarah Hübscher, Barbara Hlali (Künstlerin und Diplom-Pädagogin, Mitarbeiterin des Museums Ostwall im Dortmunder U) und Regina Selter (stellvertretende Direktorin Museum Ostwall im Dortmunder U, Leitung der Abteilung Bildung und Kommunikation) entwickelt. Das Projektteam variierte in den folgenden Jahren auf den Ebenen der Organisation bzw. Vermittlung. Wichtige Akteur*innen, deren Inter-/Aktionen auch im Text aufgezeigt werden, sind Tommy Scheer, Silke Schönfeld, Sabine Schönfeld, Matthias Plenkmann, Evelyn Bracklow. 67 Das Format kann als Abendveranstaltung kategorisiert werden, ab 18:00 öffnete sich der Ort zusätzlich über einen Zeitraum von drei bis sechs Stunden. 68 Tate Modern London, Veranstaltungshinweis 2019, online, o. S. 69 FÜR HIER. ist “about exhibitions. Workshops. Lectures. Artists, who have never been to Dortmund become residents for a couple of weeks with the task, to create their interpretation of our city in their own field of creative work. They also give a lecture and give a workshop. It is about photography, literature, graphic design and fine arts.“ FÜR HIER., Webauftritt, o. J.
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Mit den Jahren öffnete das gesamte Dortmunder U mit seinen Partner*innen die Flächen im und vor dem U für die Veranstaltungsabende. Neben den positiven Effekten der Öffnung des Hauses fokussierte sich das Projektteam auf ein qualitativ hochwertiges Programm mit den Kunstwerken der Sammlung des Museums Ostwall im Zentrum. Die Idee, dass zeitgemäße Kunstvermittlung für eine Zielgruppe 20+ auch über die Ideenwelten der Abteilung für Bildung und Kommunikation im eigenen Haus hinausgehen musste, war für das Gelingen der Veranstaltungen essenziell. Das Projektteam und das Format selbst öffneten sich im Laufe des Umsetzungszeitraumes zusehends. Hierbei wurde neben dem hausinternen Team eine speziell für die Schnittstelle formierte Gruppe aus Kunstvermittler*innen und Studierenden der Fächer Kunst (Lehramt), Kunstgeschichte und Designwissenschaften aktiv.70 Die Erkundung des Museums, das Entdecken von Interessensfeldern, die Entwicklung eigener Fragen wurden zu Initialzündungen, um die individuellen und kollektiven Ansprüche an die Veranstaltung zu formulieren. Die prozessualen Dialoge über die Vermittlungsideen und Interaktionsangebote zum gewählten Objekt ergänzten die administrativen Entscheidungen. Die Arbeit bestand in weiten Teilen aus Kommunikationen und gemeinsamen Denkbewegungen, die für die Veranstaltung in Interaktionen umformuliert wurden. Auch die administrativen Aufgaben wie Budget, Technik, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing wurden in teilkollektiven Prozessen wahrgenommen. Die Arbeit des nun erweiterten Projektteams umfasste sowohl wissenschaftliche, konzeptuelle als auch organisatorische Bereiche der Museumsarbeit. Das Erlangen von Wissen und Kompetenzen in den aktiven Prozessen der Projektphase kann im Sinne Bramfords71 als Weiterbildung verstanden werden und gilt als Basis für qualitativ hochwertige Kulturvermittlung. Essenziell ergänzen kann hier Barbara Welzel mit der These, dass Kulturvermittlung „in präziser Analyse fundiert sein und Vermittlungswege für die Komplexität der
70 Hierbei ist zu erwähnen, dass sich das Team in unterschiedlichen Konstellationen aus Studie-
renden der TU Dortmund, der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Duisburg-Essen und der Folkwang Universität der Künste zusammensetzte. 71 Bramford 2010, S. 118. Bramford betont, dass gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrende die Qualität der Kulturvermittlung erhöhen.
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Phänomene suchen sollte. Sie sollte von aktuellen kulturwissenschaftlichen Diskussionen ausgehen und in fachwissenschaftlichen Diskursen verankert sein.“72 Die Schnittstelle kann demnach im mehrfachen Sinne als (Weiter-)Bildungsprojekt bewertet werden. Die Identifikationsprozesse innerhalb des Projektteams, mit dem Haus, mit der Sammlung, mit der Veranstaltung, mit dem Objekt, für welches jedes Teammitglied im Veranstaltungsrahmen zum/ zur Botschafter*in73 wurde, bildeten hierbei wichtige Faktoren, die der Veranstaltung ein spezielles und offenes Profil verliehen. Darüber hinaus wurde die Schnittstelle auch als Event im Stadtteil und als Spot für unterschiedliche jugendkulturelle Szenen wahrgenommen. Den Akteur*innen, die als unersetzliche Protagonist*innen des Teams aus der Zielgruppe für die Zielgruppe – Peer-to-Peer – ihre Ideen in Interaktionen transformierten, gelang die Okkupation des Raumes sowie die Emanzipation aus der Rolle der Vermittler*innen als Dienstleister*innen in Gänze. Das Team wurde in kollaborativen Prozessen mit den Besucher*innen zu einer Masse an Akteur*innen, im Feld der „kritischen Wissensproduktion“74, die die Schnittstelle erst im Moment der Veranstaltung final formierten. Jede Veranstaltung der Schnittstelle folgte einem Hashtag, der neben der inhaltlichen Ausrichtung der Interaktionen auch die sozialen Medien bestimmte. Die Vergabe der Hashtags erfüllte jedoch auch eine inhaltliche Funktion, denn die Veranstaltung bildete mit all den unterschiedlichen Akteur*innen ein Kollektiv, welches sich unter Hashtags wie #derneueluxus (2015), #imaugenblick (2016) oder #artlovers_dortmund (2017) virtuell und real versammelte. 72 Welzel 2011, S. 55. Stellvertretend nennt Welzel hier: Noltze 2010; König 2005; Welzel 2008,
S. 161−169; Welzel 2009. 73 Der Begriff ist entnommen aus: Gliesmann/Welzel 2015, S. 44−47. 74 Mörsch merkt an, dass der Begriff der Wissensproduktion im kulturellen Feld inflationär ver-
wendet wird: „Anstatt dass man sagt, Leute sitzen zusammen und diskutieren, spricht man von Wissensproduktion. Ich […] sage, Wissensproduktion ist immer erst dann passiert, wenn auch etwas gesichert wurde. Das ist für mich eigentlich das Wichtige, dass man bei dem Begriff der Produktion auch das Produkt nicht vergisst – im Gegensatz zum Prozess. […] Wenn man von Wissensproduktion spricht, bedeutet das […], dass man erstens bei Lehr- und Lernprozessen, bei pädagogischen Prozessen, aber auch bei Gruppenprozessen die materiellen Bedingungen, die Machtverhältnisse, unter denen Wissen zustande kommt, mitreflektiert und mit zum Thema macht, und dass das Wissen selber sich gegenhegemonial verhält […].“ Zobl 2016, im Interview mit Carmen Mörsch, S. 117 f.
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Die Schnittstelle kann konzeptuell als Open-Source-Projekt verstanden werden. Christine Nippe beschreibt das Prinzip der Open Source in Bezug auf Irit Rogoffs Begriff des „Schmuggelns“75 und versteht Vermittlung als dadurch charakterisierten Vorgang: „Open Source ist durch das Internet und Wikipedia bekannt geworden und bedeutet, dass der Quellentext von Vielen geschrieben wird. Es liegt ihm also eine Kollaboration, eine Koautorenschaft zu Grunde. Ein Text entsteht heute nicht mehr durch eine auktoriale Person, sondern kann aus der Feder von Vielen stammen, was ein kooperativer Vorgang ist. […] Vermittlung funktioniert meines Erachtens besonders gut, wenn unterschiedliche Zielgruppen die Einladung annehmen und begeistert am Quellentext mitschreiben, […] somit gemeinsam etwas Neues schaffen. Ein Netz entsteht“76 – oder sogar ein Bedeutungsgewebe? Das Programm gliederte sich in temporäre Aktionen wie Slams, Curatorial Talks oder Short Cuts77 und kontinuierliche Interaktionen, die inhaltlich stark von den Besucher*innen geprägt waren und permanent neue Möglichkeitsräume eröffneten. Das kunstgeschichtliche wie historische Hintergrundwissen, die thematischen Bezüge zur Sammlung und die Strategien der Ansprache wurden zu Tools der Interaktionen. Der Konzeptionszeitraum betrug mehrere Monate, in dieser Forschungszeit gab es regelmäßige Projektgruppentreffen. Das Objekt und die daran anknüpfenden Themen wurden zu unterschiedlichen Angeboten und Aktionen formuliert und mit dem Hashtag des Events abgeglichen. Die Interaktionen zu den ausgewählten Objekten der Sammlung einte das Ziel, Gegenwart zu erzeugen. Doch wie transportiert man eine künstlerische Position, artikuliert in einem Objekt, verknüpft mit einer politischen oder sozialen Idee aus der vergangenen Zeit in die Gegenwart? Unter je einem Hashtag versammelte das Team unterschiedliche Bezugsfelder, die sich als thematische Grundpfeiler im Laufe der Konzeption des
75 Rogoff 2007, S. 34−44. 76 Herring/Nippe 22013, S. 86. 77 Pointierte, dialogische Führungen zu ausgewählten Kunstwerken in Kleingruppen (3−8 Perso-
nen).
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Veranstaltungssettings etablierten: Die Bezugsfelder konnten den miteinander vernetzten Kategorien Ökologie/Umwelt, social/political (in)equality, Medien/Kommunikation, Ort/Raum/Stadt und Identität(en)/Self zugewiesen werden. Aktuelle gesellschaftliche Bezüge und kulturelle Spektren fanden sich in allen Feldern auf unterschiedliche Weisen und verschieden intensiv wieder. Über den Veranstaltungszeitraum von sieben Jahren wurden circa vierzig unterschiedliche Interaktionen entwickelt, von denen hier nur einige beschrieben werden. Die hier aufgeführten Interaktionen basieren auf der Erweiterung des Museumsraumes zum Ort des freien Fragens und gemeinschaftlichen Denkens: Die verschiedenen Interaktionsideen „favorisierten den Dialog und die Debatte mit dem Publikum gegenüber der monologischen Weitergabe autorisierten Wissens. Sie versuchte, die Vermittlung nicht mit einem einheitlichen methodischen Label zu versehen, sondern bestärkte die einzelnen Vermittlerinnen, eigene methodische und inhaltliche Zugänge zur Ausstellung zu entwickeln.“78 So entwarf Silke Schönfeld unter anderem Konzepte, die ein sehr individuelles und persönliches Gespräch mit den Besucher*innen anbahnten. Unter dem Titel Gib dir mehr Zeit für dich und Kunst schenkte sie den Besucher*innen 10 Minuten Zeit vor einem Kunstwerk ihrer Wahl. In intensiven Gesprächen über das gewählte Kunstwerk, den Museumsbesuch, situativ bedingte Fragen oder tagesaktuelle Themen arrangierte sie individuelle Begegnungen in einem auf Kollektivität angelegten musealen Veranstaltungssetting. Voraussetzung für die Qualität in den Gesprächen war die dezidierte wissenschaftlich fundierte Annäherung an die Sammlung. Sie verlieh Silke Schönfeld überhaupt erst die Flexibilität, auf die von den Besucher*innen vorgeschlagenen Kunstwerke einzugehen. In ihren Interaktionen zu Joseph Beuys’ Ich kenne kein Weekend79 fokussierte sie in kleinen Gruppen das große Thema der Work-LifeBalance. Die Besucher*innen wurden unmittelbar zu Akteur*innen, die ihre Geschichte neben der von Beuys propagierten Lebens-Einheit aus Beruf und 78 Güleç/Mörsch/Wiecorek 2012, S. 20. 79 Joseph Beuys, Ich kenne kein Weekend, 1972/1980, Maggiflasche, Buch (Immanuel Kant: Kritik der
reinen Vernunft, Stuttgart: Reclam 1980), Stempelfarbe, 16,5 x 15 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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Berufung verhandelten. Anatols Der Tisch80 definierte eine Uncomfort Zone im Museumsraum: Gezwungene Gespräche, aufgezwungene Interaktion, die Einschränkung von Redefreiheit und das Ausgeliefertsein durch strukturell etablierte (Vor-)Urteile wurden in einem Setting des freien und demokratischen Gesprächs unterschiedlicher Kleingruppen thematisiert. Im Gegensatz zu den Protagonist*innen des kommunikativen Dramas am Stahltisch 1968 konnten sich die Besucher*innen freiwillig in das Feld der Akteur*innen hinein- und aus dem Feld herausbewegen. Auch die Aktionen von Tommy Scheer boten Kommunikationsanlässe. In seinem Beitrag zur Cloud81 von Christina Kubisch – einer Kabelwolke, die im Raum hängend elektromagnetische Strömungen unterschiedlichster Quellen speichert82 – fragte Tommy Scheer nach der Freiheit der Gedanken, dem Speicherwahn in der digitalen Welt und den Vor- und Nachteilen von ausgelagerter Intelligenz. Die Gedanken sind cloud thematisierte das Abspeichern und Freigeben von gedanklichem Gut innerhalb von immateriellen Clouds. Big Data traf auf das individuelle Gedächtnis und hinterfragte das Kollektiv. Die Besucher*innen hatten als Akteur*innen die Möglichkeit, einen freigegebenen fremden Gedanken im Austausch zu einem eigenen privaten Gedanken zu erhalten. Hierzu sammelte Scheer die aufgeschriebenen Gedanken in kleinen verschlossenen Briefumschlägen und verwaltete den zufallsgeleiteten Austausch. Gezielt wurde nicht nach dem Inhalt des Niedergeschriebenen gefragt. Niemand las laut vor. Das Lesen eines fremden Gedankens blieb ein persönliches Geschehen und war dennoch der Neugier anderer Akteur*innen ausgesetzt. Kubisch fordert im Gegensatz dazu auf, mitzuhören und hinzuhören und sich akustisch in die Cloud hineinzubegeben. Matthias Plenkmann thematisierte in unterschiedlich angelegten Settings das Thema Licht. Ausgangspunkt seiner Überlegungen zu Tagging Zero waren die Objekte der Künstlergruppe ZERO, die sich in einem der Museumsräume 80 Anatol (Herzfeld), o.T./Der Tisch (Stahltisch), Aktionsrelikt der Aufführung Die Vernehmung, 1969,
Stahltisch und -stühle, Armklammern aus Stahl, Signallämpchen, Stühle: je 86 x 45,5 x 41 cm; Tisch: 73 x 113 x 70 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. 81 Christina Kubisch, Cloud, 2011/2014, 2000 m elektrisches Kabel, Induktions-Kopfhörer, zwölfkanalige Komposition, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. 82 Vgl. Christina Kubisch, Webauftritt, o. J.
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versammelten. Der Gruppe ging es um die Reflexion des Zusammenwirkens von Licht und Materie. Die Wirkung von Licht auf bestimmten Oberflächen, wie Aluminium oder Glas, nehmen im Œuvre von Heinz Mack, Otto Piene oder Günther Uecker eine bedeutende Rolle ein. Ebenso wie Otto Piene thematisierte Plenkmann die Korrespondenz von Licht und Raum. Mit Hilfe eines Tagtools wurden die Besucher*innen aufgefordert, die Objekte zusätzlich zu illuminieren. Zugleich wurde der Museumsraum mit urbanen Codes wie Graffitis und Tags von den Akteur*innen besetzt. Im Gegenzug zur lichtgeleiteten Erkundung des Raumes eröffnete Plenkmann in einem neukonzipierten Raum mit Lichtkunst-Objekten ein Lichtschutzgebiet. Eine Helmkonstruktion versetzte die Besucher*innen in völlige Dunkelheit. Während die Akteur*innen im schwarzen Nichts saßen, begleitete Plenkmann sie mit Gesprächen über Licht(-Kunst) durch die Dunkelheit. Neben ökologisch relevanten Themen wie dem der Lichtverschmutzung wurden auch Fragen nach dem Luxus völliger Licht-Freiheit gestellt. Auch Sabine Schönfeld verknüpfte ökologische und urbane Fragen mit der Kunst der Sammlung im Museum Ostwall: Ausgehend von Wolf Vostells Salat-Happening83 – in dem er eine Waggonladung Salatköpfe durch das Ruhrgebiet fahren ließ und damit auf die unterschiedlich schädlichen Einflüsse durch die Umwelt auf Mensch und Natur hinwies – konzipierte Schönfeld die Interaktion Salat-to-go. Sie empfing die Besucher*innen vor einer der ehemals reisenden Salatkisten in einem Museumsraum, der mit einem Dokumentarfoto des Happenings tapeziert war. Die Überreste der 1970 noch saftig-grünen Pflanze wurden zum Gesprächsanlass über Vostells Happening und Themen wie den ökologischen Landbau, Urban Gardening und den Schrebergarten. Nach dem intensiven Austausch bekamen die Besucher*innen einen Gutschein, den sie am Ausgang des Dortmunder U gegen einen Pflanzensetzling eintauschen konnten. Als Akteur*innen konnten sie nun die formulierten Gedanken aus dem Museumsraum in den Stadtraum oder auf den eigenen Balkon verpflanzen. Mit einer Interaktion zur foto-
83 Wolf Vostell , o. T., 1970/71, 17. Kiste mit Salat des Salat-Happenings von 1970/71, in Plexiglas-
kasten, 24,5 x 62 x 42 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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grafischen Serie Status84 von Andreas Langfeld85 hinterfragte Sabine Schönfeld Formen der Identifikation mit Deutschland oder einer wie auch immer gearteten Vorstellung von Zugehörigkeit oder Heimat. Mit Fragen aus dem Einbürgerungstest aus den „Themenbereichen ,Leben in der Demokratie‘, ‚Geschichte und Verantwortung‘ sowie ‚Mensch und Gesellschaft‘“86 wurden die Besucher*innen auf die sensiblen Fotografien von Langfeld vorbereitet. Langfeld selbst richtet darin seinen „intensiven Blick auf Fragen der Anerkennung von Menschen und ihrer Würde“87. Die Kommunikation gründete allzu oft in hoher Anteilnahme und Ratlosigkeit. Auch die Interaktion von Evelyn Bracklow brachte die Besucher*innen in eine unvorhersehbare und letztendlich nicht lösbare Situation. Sie interpretierte Three Chair Events88 von George Brecht neu. Die Stühle, die Brecht als alltägliche Gegenstände zur neuen kulturellen Praxis in den Museumsraum überführte, fordern zur Handlung mit oder neben ihnen auf. Brecht verfasste 1963 dazu die Handlungsanweisung: „Sitting on a black chair Occurence. Yellow chair (Occurence). On (or near) a white chair. Occurance [sic!].“ Evelyn Bracklow montierte vor den drei Stühlen Kameras und Monitore. Diese waren auf den zwei Etagen des Museums platziert. Die Kamera filmte den/ die Akteur*in, der/die auf dem Stuhl Platz nahm oder mit ihm agierte. Das Geschehen wurde live auf einen der beiden anderen Monitore übertragen, das Gleiche passierte mit den Handlungen vor/mit/bei den anderen Stüh84 Andreas Langfeld, Status, 2013/2014, Serie aus 335 Fotografien, Maße variieren. Langfeld ver-
handelt den Status von geflüchteten Menschen auf Grundlage des Zitats Bertold Brechts, der bis 1940 an seinen Flüchtlingsgesprächen schrieb: „Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so eine einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.“ Zitiert auf der Homepage des Künstlers nach: Brecht 1961, o. S. 85 Andreas Langfeld, Webauftritt, o. J. 86 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge o. J., online, o. S. 87 Museum Ostwall im Dortmunder U, Veranstaltungshinweis, 2016, online, o. S. 88 George Brecht, Three Chair Events, 1961/1972 (Realisation), drei Stühle von unterschiedlichem Design sind Bestandteil eines „Water Yam“-Events. Eine zugehörige Event-Karte gibt Anweisungen, eine Fotografie dokumentiert die Stühle. Weißer Stuhl: 100,5 x 61 x 74 cm; Gelber Stuhl: 78 x 47 x 45 cm; Schwarzer Stuhl: 85 x 40 x 48 cm; Bild: 31,5 x 41,5 x 2,7 cm. Eventkarte einsehbar Museum of Modern Art, New York, o. J., online, o. S.
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len. Die gefilmte Realität eines jeweils anderen Stuhls in Interaktion war mit einem jeweils anderen Monitor verknüpft, so dass es keine kontinuierliche Kommunikation zwischen zwei oder gar drei Akteur*innen geben konnte. Das Prinzip Skype wurde ad absurdum geführt. Bild, Raum und Akteur*in waren gleichzeitig, aber dennoch in einer Ungleichzeitigkeit in Aktion. Eine Reaktion auf das Geschehen der anderen war durch die räumliche Trennung unmöglich. Das Format Schnittstelle hinterfragte auf unterschiedliche Weisen die Routinen des Museumseigenen: die Kommunikation, die Interaktion, die Objekte, das Kuratorische, die gesellschaftliche Relevanz, die Verantwortung. Der Veranstaltungstitel besetzte zugleich mehrere Ebenen des kooperativen Gedankens: Zum einen diskutierte er die Rolle des Museums selbst als eine Schnittstelle zwischen Stadtraum und Sammlungsraum; er verhandelte die Objekte als Schnittstellen zwischen Fragen der Kunst und den Fragen des Alltags; er machte aus Vermittler*innen Akteur*innen, die unersetzbare individuelle Ansprüche an die Vermittlungsarbeit generierten und in den fachlich wie persönlich motivierten Austausch mit den Besucher*innen gingen; er formulierte an die Besucher*innen die Aufgabe, als Akteur*innen im Museum und darüber hinaus in die Gesellschaft zu wirken und das Format mitzugestalten. Die Schnittstelle bot den intensiven Austausch mit den Objekten und bestätigte die These von Maren Ziese, „dass die Ausstellungsgegenstände, die am effektivsten eine Auseinandersetzung stimulieren, solche sind, die eine soziale Interaktion, Diskussion und Verwicklung zustandebringen, und zwar innerhalb einer Gruppe und auch über eine Gruppe hinaus“89. In Bezug auf die von Nina Simon formulierten Formen des Partizipativen kann hier vor allem der Gedanke des Collaboratings betont werden. Die diversen Akteur*innen verliehen der Veranstaltung Jahr für Jahr eigene und einzigartige Qualitäten. Das Prinzip der Konstitution von Veranstaltungen, Formaten oder Programmen durch Koautor*innenschaften gilt hier als besondere Erkenntnis in den Prozessen der Kulturvermittlung. Die Schnittstelle als 89 Ziese 2010, S. 20 f.
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aktiver Prozess transformierte sich weiter. Das von dem Freundeskreis des Museums mitgeförderte Projekt wurde 2018 erstmalig auf den Abend der jährlichen Museumsnacht übertragen, um das Großevent aus der Rolle des rein Quantitativen zu entbinden und zu Angeboten der qualitativen Kultur-
Schnittstelle, Dokumentation, Dortmund | 2017. Foto: Roland Baege.
vermittlung einzuladen.
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Atlas Das kollaborative Gestalten von Veranstaltungen kann auch auf das Format der Lehrveranstaltung im Kontext universitärer Bildung übertragen werden. Die Lehrveranstaltung folgt per se demokratischen Prinzipien des gemeinschaftlichen Denkens, Lernens und Handelns. „Ein Seminar ist der Form nach ebenso ein Kollektiv wie das Ensemble oder die Mannschaft. Und wenngleich die Studierenden selten für ein gemeinsames Ziel arbeiten, so lernen die Mitglieder eines Seminars doch in erster Linie voneinander, durch kontroverse Diskussion. Nichts kann die kooperative Bildungserfahrung eines solchen Gesprächs ersetzen.“90 Die Zusammensetzung der Studierendengruppen91 war wegführend für die Qualität der Seminare. Sowohl Masterstudierende der Kunst- und Designwissenschaft der Folkwang Universität der Künste als auch Masterstudierende des Faches Kunst im Lehramt der Universität Duisburg-Essen besuchten die Veranstaltungen miteinander. Ihre individuellen Sichtweisen auf Objekte und deren Vermittelbarkeit waren divers und ergänzten sich, wobei die Kunst- und Designstudierenden häufig vom Objekt aus in die Vermittlung dachten und die Lehramtsstudierenden das Subjekt oder eine bestimmte Zielgruppe als Ausgangspunkt ihrer Überlegungen setzten. Das gemeinsame pädagogische Setting beförderte den diskursiven Austausch beider Ausgangspunkte. Das Kunstmuseum wurde zum Seminarraum, zum Forschungslabor und Interaktionsraum, denn in Gegenwart der historischen Architektur, der neuen Displays, der Objekte, der kuratorischen Setzungen sollte über Strategien der Kulturvermittlung nachgedacht werden. Das mehrtägige Seminar gliederte sich in unterschiedliche Arbeitsphasen, die je nach den Bedürfnissen der Studierenden intensiviert werden konnten. Im ersten Schritt lernte sich die Gruppe im Prozess eines Speed-Datings kennen. Durch eine zeitlich eingeleitete Rotation in der Sitzordnung tauschten sich 90 L auer 2018, online, o. S. 91 Die hier beschriebenen Eindrücke sind Resultate aus Lehrveranstaltungen an der Universität
Duisburg-Essen zu den Themen Atlas und Mapping im Kontext von Kunst- und Kulturvermittlung 2014/15−2018. Beteiligt waren Masterstudierende im Lehramt Kunst sowie Masterstudierende der Designwissenschaften der Folkwang Universität der Künste.
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die Studierenden der unterschiedlichen Fächer zu übergeordneten Fragen nach der Qualität von Vermittlungssituationen, Ausstellungen oder Museen aus. Die reflexive Frage, warum die Situation oder der Ort als qualitativ hochwertig empfunden wurde, knüpfte daran an. Neben dem Kennenlernen und dem Austausch von Erfahrungswissen lag der Fokus dieser ersten Annäherung auch in der Sensibilisierung für die Praxis des Zuhörens, des Aufmerksamkeit-Gebens, des Einfühlens in das Gegenüber, des Mitdenkens in unvorhersehbaren Kommunikationen und der Wiedergabe beziehungsweise des Fortformulierens des gerade entstandenen Gedankens.92 Die hier angeführten Kompetenzen und Fähigkeiten sind als essenziell für die Interaktionen in kulturvermittelnden Situationen zu bewerten. In Diskussionen und Gruppenarbeiten wurden die Rollen aller beteiligten Partner*innen hinterfragt: die Rolle des Museums als kultur(ab)bildende, demokratische Institution; die Rolle der Vermittelnden als fachwissenschaftlich und kommunikationsstrategisch geschulte Akteur*innen; die Rolle der Objekte als ästhetisch gefasste Geschichtsmomente in gegenwärtigen Gesellschaften; sowie die Rolle der teilhabenden Besucher*innen, die im Idealfall zu Akteur*innen für die kulturvermittelnde Interaktion motiviert sind. Befördert durch weitere Kommunikationsübungen und Übungen zur Raumaneignung näherte sich die Seminargruppe an die Objekte und an ihre Versammlungen an. Sehen, Wahrnehmen, Beschreiben, Verorten, Reflektieren wurden zu einem Prinzip des „look and see“93 transformiert, welches anteilig auch in den Beschreibungen des „sehenden Sehens“ von Max Imdahl94 92 Das Prinzip des Speed-Datings ist hier in Anlehnung an die Workshops von Annette Ziegert
weiterentwickelt worden. Die Beraterin für Kunstvermittlung hat u. a. auch Teams der RuhrKunstMuseen und der Bundeskunsthalle fortgebildet. 93 Der Begriff ist abgeleitet vom gleichnamigen Projekt des Grafikdesigners Antony Burrill. „Truly ,seeing‘ the designed world around us, Burrill is the perfect guide to present the quotidian in a delighted and delightful way. For Look & See, Burrill has trawled through thousands of objects to make his selection, behind each of which is perhaps unintended wit, a mini revelation or a startling insight. Look & See is for anyone who wants to celebrate and perhaps find new meaning in the everyday objects we take for granted.“ Volume Verlag, Webauftritt, o. J. Vgl. dazu Burrill 2018. 94 Das „Sehende Sehen“ im Zusammenhang mit dem „Erkennenden Sehen“ bildet die Voraussetzung der Betrachtungsweise der Ikonik, die dann geschieht, „wenn sich die Erfahrungen eines
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zu finden ist. Das wahrnehmende Sehen wurde zum aktiven Prozess im Sehen selbst und zum fokussierenden Moment, der zur Objekt- beziehungsweise Themenwahl für die anschließende Projektphase führte. Das Objekt wurde nun in einen forschenden Prozess der Sondierung übergeben. Die eigenständige Auseinandersetzung und Erforschung der Objekte, das Herausstellen ihrer historischen und gegenwärtigen Kontexte, ihrer Rezeptionsgeschichten sowie ihrer Verortungen innerhalb des Œuvres des/der Künstler*in, innerhalb der Sammlung und darüber hinaus bildeten die Grundlagen für die Konzeption von Interaktionen.95 Methodisch orientierten sich die Forschungsbewegungen an den Vorschlägen des „AtlasMappings“ von Klaus-Peter Busse, der das Verfahren wie folgt beschreibt: „Atlanten sind eine künstlerische, mithin fachspezifische Methode der Annäherung an ästhetische Objekte sowie zu ihrer eingehenden Untersuchung. Sie ermöglichen die Dokumentation der Verläufe von Sinngebungsprozessen und machen dadurch auch den Verlauf von Lernwegen anschaulich.“96 Die visuell geleitete und wissenschaftlich begleitete Suche kann mit Busse als eine „Untersuchung von ästhetischen Alltagshandlungen und Kunstwerken mit Bildern, die eine Reflexion subjektund handlungsorientiert wendet“, bewertet werden. Der Atlas wird zum „Ergebnis einer Kartographie von Wirklichkeit. Mapping bezeichnet alle Handlungen, die als Kartographie von Wirklichkeitsräumen oder als Untersuchungen von Bildern zu Atlanten führen. Die Bezeichnung betont die Prozessualität dieser Entdeckungs- und Forschungshandlungen in ästhetischen und künstlerischen Verwendungen. AtlasMapping meint als zusammenfasautonomen, sehenden Sehens und eines heteronomen, wiedererkennenden Gegenstandsehens und die ihnen entsprechenden syntaktischen und semantischen Sinnebenen zu einer durch nichts anderes zu substituierenden Bildidentität ineinander vermitteln, wenn das wiedererkennende Sehen und das sehende Sehen zu den ungeahnten oder gar unvordenklichen Erfahrungen eines erkennenden Sehens zusammenwirken […].“ Imdahl 1996 b, S. 92. Imdahl definiert die Ikonik, in der „das Bild zugänglich als ein Phänomen [wird], in welchem gegenständliches, wiedererkennendes Sehen, und formales, sehendes Sehen sich ineinander vermitteln zur Anschauung einer höheren, die praktische Seherfahrung sowohl einschließenden als auch prinzipiell überbietenden Ordnung und Sinntotalität.“ Ebd. S. 92 f. 95 Die Form der Interaktion blieb im Prozess zunächst offen und wurde dem Objekt entsprechend entwickelt. Ob Gedankenaustausch, dialogische Gesprächssituationen, visuelle Erforschung und Darstellung der Erkenntnisse auf Bildatlanten oder künstlerische Strategie. 96 Busse 1998, S. 22.
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sende Bezeichnung die elementare Verbindung von Herstellungsprozeß und Produkt der Auseinandersetzung.“97 Ziel dieser sammelnden, ordnenden, strukturierenden Auseinandersetzung mit dem Objekt war es, Multiperspektiven zu erzeugen, Gegenüberstellungen anzubahnen, sie inhaltlich zu erschließen und in kulturwissenschaftliche Diskurse zu überführen. Diese Bildhandlungen, die Busse in den Arbeiten Aby Warburgs zum Bildatlas Mnemosyne begründet, können durch die medienästhetischen Thesen zu Le musée imaginaire von André Malraux ergänzt werden. Te Heesen beschreibt die Konstruktion des gedachten Ortes und die darin implizierten Bildhandlungen: „[…] das Auffinden von Ähnlichkeiten im Nebeneinander der Bilder, das neue Sehen und die neue Simultaneität –, wurde bei Malraux zu einem ‚Imaginären Museum‘ […]. Im Mittelpunkt steht dabei die fotografische Reproduktion […]. Die abgebildeten Werke, so Malraux, erhielten einen neuen Kontext, der sie ihrem eigentlichen Werkzusammenhang entziehe und sie in den Kontext einer Formgeschichte, eines Stils, einer Zeit stelle. Das Imaginäre Museum ist also ein Museum, das uns durch fotografische Reproduktion ermöglicht wird, indem es Tausende von Kunstwerken vereint, die man ansonsten nicht – auch durch Reisen nicht – hätte im Vergleich sehen können. Zugleich ist das Imaginäre Museum dasjenige Museum, das durch die nunmehr möglich gewordene Erreichbarkeit in der Abbildung überhaupt erst einzelne Werke schafft.“98 Felix Thürlemann, der für eine Kunstgeschichte des „hyperimages“ plädiert, betont, dass der Begriff „Le musée imaginaire“ „auf eine imaginäre Größe [verweist], das ‚Museum im Kopf‘, über das ein repräsentatives Kollektiv […] dank der Rezeption eines universellen, fotografisch vermittelten Bilderschatzes verfügt“99. Der Bildatlas wird demnach auch zum Vehikel eines demokratischen Museums, des offenen Denkens jenseits des festgeschriebenen Bilderkanons. Zugleich wird das Museum zum Ort materialisierten Handelns, in dem Kunst-Bilder mit anderen Kunst-Bildern und Bildern des Alltags analysiert werden.100 Im 97 Busse 1999, S. 40. Zitiert nach: Heil 2007, S. 140. 98 Malraux nennt diese Werke „Abbildungswerke“. Zitiert nach: te Heesen 2012, S. 116 f. Vgl.
weiterführend u. a.: Grasskamp 2014. 99 Thürlemann 2013, S. 117. 100 Der Begriff des Bildes schließt hier alle Medien in Form von bildlichen Reproduktionen ein.
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Miteinander dieser diversen Komponenten eröffnen sich Zwischenräume und definieren sich Möglichkeitsräume. Vor allem der reflexive Charakter der Arbeit am Atlas lässt die Objekte des Museums zu Objekten der Gegenwart werden, enthebt das Museum der Funktion als Archiv von Vergangenem und erklärt es zum Speicher der Kontexte im aktiven Prozess. Beatrice von Bismarck schreibt dazu passend, dass sich „[d]ie Gegenwart des Archivs […] nur über Prozesse der Nutzung zurückgewinnen”101 lässt. Die Arbeit mit dem Atlas schließt daran an und inkludiert Überlegungen zum Objekt im Raum und zum Raum im Ort sowie zum Ort in der Welt. Das Kuratorische wird zur vermittelnden Instanz im (Selbst-)Bildungsprozess der Studierenden und die Anordnung zur Verbindung zwischen dem Innen und Außen des Museums. Fragen nach der Darstellbarkeit des Gegenwärtigen drängen sich auf: „Wie schafft man Anordnungen, die das noch nicht Gedachte präfigurieren, wie zeigt man, was sich im Kopf (noch gar nicht) abspielt, wie erfasst man Zeitströmungen, die erkennbar, aber noch nicht formuliert sind?“102 Der Atlas wird in seinen Möglichkeitsräumen zum Ort der Utopien und somit zum visualisierten Bildungsprozess, der die Forderung Marotzkis einlöst und „die Herstellung von Bestimmtheit und die Ermöglichung von Unbestimmtheit“103 fortlaufend generiert. „Damit ist gemeint, dass einerseits etwas gelernt, erfahren, bekannt sein muss: dies meint ‚Herstellung von Bestimmtheit‘, wie sie soeben angesprochen wurde. Bildung ist aber zugleich nur angemessen zu verstehen oder auch pädagogisch zu erhoffen, wenn sie ‚Unbestimmtheitsbereiche ermöglicht und eröffnet‘. Unbestimmtheit entsteht, wenn die Rahmungen des Bekannten – unsere ‚Weltsicht‘, innerhalb derer alles einen bestimmten Sinn ergibt – erweitert, transformiert, aufgebrochen, überschritten werden. Erst dann können wir die Dinge in einem neuen, komplexeren, weiteren Licht sehen.“104 Die im Prozess befindlichen Atlanten wurden der Seminargruppe vorgestellt und die daraus generierten Schwerpunkte zu Vorschlä101 Von Bismarck 2002, S. 117. 102 Te Heesen/Lutz 2005, S. 18 f. Te Heesen/Lutz diskutieren hier Strategien des Kuratorischen
von Harald Szeemann. 103 Marotzki 1988, S. 311−333. 104 Jörissen 2016, S. 63−74. Jörissen nimmt Bezug auf Marotzki 1990, S. 153.
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gen für die Interaktion kommuniziert. In einem weiteren Schritt wurde die Kulturvermittlung mit ihren interaktiven Momenten als pädagogisches Setting erprobt. Hierbei wurden alle Beteiligten zu Akteur*innen der Situation. Darüber hinaus gaben die Atlanten Aufschluss über weitere kulturelle Kontexte, die im Rahmen der performativen Situation nur sekundär Berücksichtigung fanden – aber im Atlas thematisiert waren. Die Essenz des Umgangs mit dem Atlas war jedoch, dass die Studierenden eine reflexive Haltung zu ihrem Objekt, dem Vermittlungsspektrum und möglichen Kontexten erlangten. Fachwissenschaftliche Inhalte wurden nicht als monologischer Wissensinput inszeniert, sondern direkt in kontextgebundene, kommunikative Strategien übertragen. Dies vermittelte eine prägende Atmosphäre der Vertrautheit mit dem Ort, der Vertrautheit mit dem Kuratorischen sowie der Logik und der Leistung der Objekte. Das Geben von Impulsen, das Wertschätzen von Anmerkungen und die Positionierung zur Situation waren hierbei bemerkenswert und können als gelungene Moderationen der Situation verstanden werden. Der Bildumgang hatte demnach einen großen Einfluss auf den Gebrauch, die Reflexivität und die Eloquenz in der Sprache – auf die Kunstkommunikation. Auch die Kulturtechniken des Nonverbalen und des Performativen wurden nachweislich gestärkt. Die Studierenden bewegten sich selbstverständlicher neben, vor und bei dem Objekt und verhielten sich der Gruppe gegenüber zugewandter und waren mit Interesse und Neugier erfüllt. In diesem Setting bahnten sich eindrücklich kollektive Denkbe-wegungen im Museumsraum an. Die kollaborative Veranstaltung übertrug dem Museum dabei eine ungeplante Rolle im aktiven Prozess: Es wurde zum Gastgeber für die Anliegen der Akteur*innen, zur Plattform gesellschaftlicher Fragen, die nach Simon im Hosting Bezeichnung finden. Zugleich wurde die Rolle des Museums als Ort der Objekte mit verschiedenen Relevanzen für die Gegenwartsgesellschaft bestätigt. Im Folgenden wird eine Auswahl von sechs Atlanten gezeigt. Ergänzt werden diese durch konzeptuelle Überlegungen zu den Interaktionen.105
105 Die konzeptuellen Überlegungen der Studierenden werden im Sinne von aktiven Prozessen
mitunter weitergedacht. Die Formulierungen sind demnach nicht wörtlich aus den Konzepten
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Robert Filliou, Optimistic Box N°1, 1968 Dominik Blase beschäftigte sich mit dem Multiple Optimistic Box N°1106 von Robert Filliou und installierte sein Tableau kreisförmig um das Ausgangsobjekt. Hierbei dachte er über die Prinzipien der Verpackung von Gegenständen nach und näherte sich über die Funktion an die Materialität der Box sowie an den Werkstoff Holz an. Der Inhalt der Box, der Stein, wurde zum Ausgangspunkt von Überlegungen zum Werkstoff selbst, zu steinernen Skulpturen und führte darüber hinaus zum Stein als Waffe. Seine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen politischen Protesten schloss Blase mit Verweisen zu globalen politischen Themen 1968, dem Entstehungsjahr des Multiples, ab. Bewegung, Protest, Gewalt und Formen ihrer Thematisierung wurden implizit in Dominik Blases Interaktion, die als kollektiver Denkprozess beschrieben werden kann, verhandelt. Ein Kernelement bildete hierbei die Narration. Mit Impulsfragen an die Seminargruppe motivierte die Interaktion dazu, individuelle und kollektive Geschichten zu sammeln. Das Zitat von Albert Einstein „Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen“107 wurde hierbei zum Impuls für ein Nachdenken und die Diskussion über aktuelle bewaffnete Konflikte und die Rezeption der 68er-Bewegung. Dominik Blase gelang auch die Verbindung zu anderen Kunstformen wie der Land Art und dem Hip-Hop. Hier zitierte er eine Textzeile des Musikers Casper: „wenn deine Blicke Steine werfen“108, und eröffnete das Feld für Überlegungen zum immateriellen Steinewerfen.
übernommen. Alle Atlanten wurden mit ausführlichen Quellenangaben und individuellen Überlegungen zur Vermittlungssituation eingereicht. 106 Robert Filliou, Optimistic Box N°1, 1968, Multiple, Holzschachtel, auf Außen- und Innenseite des Deckels je ein Aufkleber mit Text (außen: thank god for modern weapons; innen: we don’t throw stones at each other any more), 10,9 x 10,8 x 10,6 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. 107 „ I know not with what weapons World War III will be fought, but World War IV will be fought with sticks and stones.“ Calaprice 2005, S. 173. 108 Textzeile aus Lippenlesen, Casper: Die Welt hört mich, Track 5, veröffentlicht 2006.
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Daraus entwickelte sich subversiv auch die Hinleitung zurück zum Objekt.
Bildatlas zu Optimistic Box N°1 von Robert Filliou. Wintersemester 2014/15. Atlas: Dominik Blase
Würde man den Stein in der Box wirklich werfen?
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Jean Tinguely, Constante indéterminée, 1960 Tobias Ellinger legte den Fokus seiner Interaktion auf die Gegensätze von Bewegung und Stillstand, Statik und Prozess. Ausgehend von dem Auflagenobjekt Constante indéterminée109 näherte sich Ellinger Medien an, die diese Gegensätze visualisierten. Neben sich drehenden Objekten und Objekten, die durch die Bewegung (des/der Produzent*in oder des Objektes selbst) in
Bildatlas zu Constante indéterminée von Jean Tinguely. Wintersemester 2014/15. Atlas: Tobias Ellinger.
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109 Jean Tinguely, Constante indéterminée, 1960, kinetisches Objekt, zweimal rechtwinklig gebo-
gene Platte mit Elektromotor aus Stahlblech auf Holzsockel. Auf der Achse befindet sich eine Klammer für einen Gegenstand, der durch den Elektromotor in schnelle Drehung versetzt wird. 34 x 19 x 12,5 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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den Zustand der Unschärfe überführt wurden, widmete sich Ellinger dem drehenden menschlichen Körper. Wie verändert sich die Wahrnehmung von Objekten durch die Drehbewegung des/der Besucher*in? Bleibt etwas von dieser Wahrnehmung auch im Stillstand erhalten? Tobias Ellinger stellte, ausgehend von der Frage nach der Unbestimmtheit von konstantem Verhalten, auch Fragen nach der Veränderung von Objekten durch die Bewegung. Diese Veränderung kann sowohl materielle Auswirkungen haben als auch ideelle Verschiebungen anbahnen. Tinguelys Überlegungen zur Demokratisierung von Kunst und von Autor*innenschaft wurden zu konkreten Handlungen im Museumsraum. Gewinnt das von dem/der Besucher*in in die Maschine eingespannte Objekt (ein Zettel, Kaugummipapier, eine Fahrkarte …) nach der Drehung an Bedeutung für die Kunstwelt, für das Kollektiv oder für das Individuum? Der Atlas führte vor allem formalästhetisch vergleichbare Medien zusammen. Er definierte sich sowohl als assoziativer Raum als auch als Versammlung der Resultate von Bewegung. Das Interesse von Tobias Ellinger lag vor allem in der Wahrnehmung von Transformationen in der unbestimmten Konstante. Stefan Wewerka, Tisch (Rauchtisch), 1969 Kathrin Kuska und Miriam Hüning stellten bei der Forschung zum Tisch (Rauchtisch)110 von Stefan Wewerka zunächst eine grundsätzliche Erkenntnis heraus: Tisch ist nicht Tisch. Mit der Annäherung an den Tisch als Möbelstück, Gebrauchsgegenstand, als Designobjekt oder als Skulptur eröffneten sie den Atlas. Sie recherchierten, dass Stefan Wewerka außer seiner künstlerischen Arbeit auch im Feld des Produktdesigns (u. a. für die deutsche Möbelfirma Tecta) tätig war. Er selbst bewegte sich ständig zwischen den Polen Objekt, Kunst, Design, Gebrauch und Konsum. Mit 70 Reproduktionen füllte sich das Tableau, und mit der Fülle erklärte sich erst, dass Wewerkas Tisch nicht als Einzelobjekt verstanden werden kann. Das Kunstwerk generiert seine Logik erst durch das Wissen um andere Möbel und ihre Funktionen. Neben den Fragen nach dem Gebrauch und der Wahrnehmung von Kunst 110 S tefan Wewerka, Tisch (Rauchtisch), 1969, Möbelobjekt, Holz, zersägt und neu montiert,
80 x 105,5 x 57,5 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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und Design thematisierten Kathrin Kuska und Miriam Hüning explizit auch das Museum als Ort der Objekte. Vor allem die Verhandlung von Objekten im Kunstmuseum, die zwischen den Bereichen Alltag und Kunst changieren, geriet in den Fokus der Überlegungen. Genügt die bloße Verschiebung eines Alltagsobjektes in den Kontext des Museums, um ein Objekt interessanter zu machen? Macht das Museum mit seinen Objekten, andersherum gefragt,
Atlas: Kathrin Kuska/Miriam Hüning
den Alltag interessanter?
Bildatlas zu Tisch (Rauchtisch) von Stefan Wewerka. Wintersemester 2014/15.
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George Brecht, Three Chair Events, 1961/1972 Kathrin Böhm arbeitete sich an der Kulturtechnik des Sitzens ab. Ausgehend von George Brechts Three Chair Events111 analysierte sie in thematisch ge111 George Brecht, Three Chair Events, 1961/1972 (Realisation), drei Stühle von unterschiedlichem
Design sind Bestandteil eines „Water Yam“-Events. Eine zugehörige Eventkarte gibt Anweisungen, eine Fotografie dokumentiert die Stühle. Weißer Stuhl: 100,5 x 61 x 74 cm; gelber Stuhl: 78 x 47 x 45 cm; schwarzer Stuhl: 85 x 40 x 48 cm; Bild: 31,5 x 41,5 x 2,7 cm, Sammlung
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gliederten Bildclustern verschiedene Aspekte zu den übergeordneten Kategorien Stuhl, Sitzen, Materialität, Symbol, Sprache, Fluxus, George Brecht und Kultur. Sie dokumentierte ihre Arbeit am Atlas und die performativen Denkbewegungen dezidiert in einem Dossier. „Beim Durchschauen der Bilder entstanden ästhetische und damit auch inhaltliche Verknüpfungen. Es kam mir vor, als würde ich während der Bilderauswahl bereits über das Werk
Bildatlas zu Three Chair Events von George Brecht, Wintersemester 2014/15. Foto: Kathrin Böhm.
nachdenken, Anknüpfungspunkte suchen, es analysieren, es abtasten.“ 112
Museum Ostwall im Dortmunder U. Eventkarte einsehbar: Museum of Modern Art, New York, Webauftritt Collection, o. J. 112 Entnommen aus dem Dossier von Kathrin Böhm: „Atlas – Werkannäherung“, S. 3. Entstanden im Rahmen der Lehrveranstaltung Vom Mapping zum Spacing, Universität Duisburg-Essen, Wintersemester 2014/15.
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Ihre analoge Vorgehensweise beförderte den reflexiven Umgang mit dem Objekt. Sie übertrug ihre eigene Forschungsbewegung in die Konzeption und die Durchführung der Interaktion. Kathrin Böhms Überlegungen bezogen Wort und Bild gleichermaßen ein, hierbei sind das gesprochene Wort sowie die als Handlungsanweisung formulierten Worte auf der Eventkarte113 zu den Three Chair Events relevant. Zudem nahm sie die Reproduktionen ihres Bildatlas in die dialogische Kunstkommunikation mit auf. Sie eröffnete so Nebenschauplätze und zeigte permanent andere Werke der Sammlung und den Museumsraum, ohne dabei den Fokus auf das Ausgangsobjekt zu verlieren. Sie initiierte damit etwas im Objekt Angelegtes: das Ereignis. Jesús Rafael Soto, Spirale no. 1 – Sotomagie, 1955/1960 Arne Meyer und Mike Rösgen beschäftigten sich in ihrem Atlasprojekt mit der Spirale no. 1 – Sotomagie114 von Jesús Rafael Soto. Das Objekt ist der Op Art zuzuordnen und dementsprechend folgten Meyer und Rösgen den Phänomenen der angeordneten Formmuster, geometrischen Farbfiguren und irritierenden optischen Effekten. Sie beschreiben Sotos Objekt als von einem physischen Standpunkt aus erfassbar, „aber diese Skulptur wird gerade durch die Wechsel in der Perspektive erst in ihrer Ganzheit erfahrbar. Es ist das optische Spiel mit den verschiedenen Ebenen, das die vom Kunstwerk angestrebte Interaktion mit den Betrachtenden schafft. Das Kunstwerk selbst fordert die Betrachtenden – ohne dass sie sich dessen überhaupt bewusst sind – regelrecht dazu auf, sich vor dem Kunstwerk zu bewegen und so genau jenen Blickwinkel zu finden, in dem sich die beiden Ebenen vereinen.“115 In ihrem Atlas ordneten sie Referenzobjekte aus der Kunst dem Objekt des venezolanischen Künstlers zu. Sie bildeten zudem thematische
113 „ Sitting on a black chair Occurence. Yellow chair (Occurence). On (or near) a white chair. Oc-
curance [sic!].“ Zitiert nach: Museum of Modern Art, New York, Webauftritt Collection, o. J. 114 Jesús Rafael Soto, Spirale no. 1 – Sotomagie, 1955/1960, Plexiglas, Metall und Holz, 49,5 x 49,5
cm, Exemplar 15/100, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U. 115 Vermittlungskonzept, S. 1. Entstanden im Rahmen der Lehrveranstaltung Vom Mapping zum
Spacing, Universität Duisburg-Essen, Wintersemester 2014/15.
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Cluster zu physikalischen Phänomenen, natürlichen Mustern, Adaptionen, Architekturen, Performances, Interaktion und Versatz. Das dargestellte Spektrum zeigte den Ausgangspunkt ihrer kommunikationsbasierten Interaktion: Sie versprachlichten das Prinzip des Moiré-Effektes und thematisierten zugleich die Bewegung im Museumsraum. Interessant war dabei die Beobachtung, dass man der Aufforderung zur Bewegung vor Sotos Objekt nachkam, anderen Objekten aber beinahe statisch begegnete. Die vom Objekt formulierte unlösbare Aufgabe – beide Formen durch die Positionierung zum Objekt visuell übereinanderzulegen – wurde zur permanenten Inter-
Bildatlas zu Spirale no. 1 – Sotomagie von Jesús Rafael Soto, Wintersemester 2014/15. Atlas: Arne Meyer/Mike Rösgen.
aktion mit dem Objekt im Museumsraum.
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Raymond Hains, Palissade de trois planches, 1959 Ellen Kozik näherte sich in ihrem Atlas zu Palissade de trois planches116 von Raymond Hains zunächst von der Oberfläche her den Themen Wand, Werbung, Plakat, Holz. Inhaltlich fügte sie die Themen Plakatabrisse, Dreiteilung und Sperrmüll als Kunst bei. Sie analysierte das Objekt zunächst visuell und recherchierte in der Fachliteratur. Sie generierte eine Atlastafel mit 56 Reproduktionen, die sowohl die Darstellung der visuellen Erkenntnisse als auch die kunsthistorische Ergebnissicherung gewährleisteten. Mit dem breit angelegten Wissen erzeugte sie eine Kommunikationssituation, die weniger dialogisch angelegt war, dafür aber Einblicke in die kunsthistorische Recherchearbeit gab.
Bildatlas zu Palissade de trois planches von Raymond Hains, Wintersemester 2014/15. Atlas: Ellen Kozik.
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116 Raymond Hains, Palissade de trois planches, 1959, Plakatabriss, Bretterzaun, Reste verschie-
dener Plakatschichten, N°1: 152,5 x 21 cm; N°2: 151,5 x 22 cm; N°3: 150 x 21,5 cm, Sammlung Museum Ostwall im Dortmunder U.
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Ellen Kozik stellte durch ihre Recherche im Winter 2014/15 heraus, dass die Präsentation der Palissade de trois planches im Museum Ostwall nicht dem Vorbild anderer Installationen aus der Werkreihe folgte. Erst durch die Arbeit des vergleichenden Sehens für den Atlas wurde deutlich, dass die drei Objekte für gewöhnlich weniger bildhaft an der Wand inszeniert werden als auf dem Boden stehend, frei im Raum oder an die Wand gelehnt installiert sind. Die Sammlungsleiterin Nicole Grothe berücksichtigte den Hinweis von Ellen Kozik in der neuen Sammlungspräsentation. Die Idee des kollaborativen Museums, das sich in aktiven Prozessen fortschreibt, wurde hier auch auf der wissenschaftlichen Seite und im Kuratorischen realisiert.
Open Source Das Contributing wurde in allen Formaten eher in methodischen Ansätzen realisiert. So wurden Strategien des Contributings in verschiedenen Interaktionen inkludiert. Sammelprojekte wie das Zusenden von Bildmedien, das Kommentieren sowohl in Form von analogen Beiträgen im Museumsraum als auch in den sozialen Netzwerken oder das virtuelle Versammeln zu Hashtags im Internet sind Beispiele dafür. Sie funktionieren als begleitende Elemente im Museumsalltag. Alle dargestellten Formate können als Collaboration-Projekte bewertet werden. Die Formen der Anbahnung, Entwicklung, Konzeption und Durchführung dieser projektartigen Formate enthalten anteilig Aspekte des Co-Creatings und des Hostings. Dass dies hier so bewertet wird, hat zum einen mit der offenen und positiven Haltung des Museums gegenüber solchen Formaten zu tun; zum anderen bedürfen auch Hostingund Co-Creating-Projekte einer personellen Betreuung durch das Museum. Allein die Terminierung, die Bewerbung, die Instandhaltung von Räumen, das Bereitstellen von Objekten sowie die Teilfinanzierung der Projekte bedürfen einer Koordination aller beteiligten Akteur*innen. Bemerkenswert ist jedoch, dass alle Formate durch ihren Quelltext als Open Source beschrieben
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werden können und daher immer Momente des „beyond“117 mit einschließen. Es stellt sich die Frage, ob die von Simon benannten Formen der Partizipation in zukünftigen aktiven Prozessen ausschließlich von Relevanz sind. Die von Anne Bramford herausgestellten Musts für qualitativ hochwertige kulturelle Arbeit im Bereich der Kinder- und Jugendbildung können auf das Prinzip der Angebote im Museum als Ort des lebenslangen Lernens übertragen werden. Sie benennt, ergänzend zu Simon, die Gelingensfaktoren für hochwertige Bildungsprogramme mit und durch Kunst und Kultur: „[…] aktive Partnerschaften zwischen Schulen und Kulturorganisationen und zwischen Lehrern, Künstlern und der Gemeinschaft; die Verantwortung für Planung, Durchführung und Beurteilung wird geteilt; die Möglichkeiten für öffentliche Aufführungen, Ausstellungen und/oder Präsentationen; eine Kombination von Entwicklung innerhalb der spezifischen Kunstformen (Kunstunterricht) mit künstlerischen und kreativen Zugänge zum Lernen (Bildung durch Kunst und Kultur) [sic!]; die Ermöglichung von kritischer Reflexion, Problemlösung und Risikobereitschaft; die Betonung von Zusammenarbeit; eine inklusive Haltung, für alle Kinder zugänglich; detaillierte Strategien für die Bewertung von und Berichterstattung über das Lernen, die Erfahrungen und die Entwicklung von Kindern; laufende Fortbildung für Lehrer, Künstler und die Gemeinschaft und flexible Schulstrukturen und durchlässige Grenzen zwischen Schulen und der Gemeinschaft.“118 An die Formen der Partizipation Simons und an die Gelingensfaktoren von Bramford knüpfen die Klärungen diverser Akteur*innenrollen im Feld des Museums als aktive Prozesse an: Dies schließt die Auflösung der tradierten und sozialisierten Besucher*innenrollen als konsumierende Rezipient*innen ein. Menschen in Museen können aus sich heraus zu Prosument*innen werden und in Akteur*innenrollen an der Transformation des Museums mitarbeiten. Das Museum sollte dazu fortwährend einladen und seine Rolle als demokratische Institution
117 Vgl. das Kapitel Das (Kunst-)Museum als Open Source – Doing Culture als Gegenwartsbeschreibung. 118 Bramford spricht über die Auswirkungen von Kulturvermittlung auf Kinder und Jugendliche
und die Schlüsse aus ihrer weltweit durchgeführten Studie The Wow Factor. Lukaczek 2011, online, o. S. Der Begriff Schule kann hier oftmals direkt durch den Begriff Museum ersetzt werden. Die Begriffe Lehrer, Künstler, Kinder können als „Akteur*innen gelesen werden.
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ausfüllen, indem es Open-Source-Formate dauerhaft in seine Programme einschreibt. Vermittler*innen sollten zudem aktiviert werden, ihre Rolle als bloße Dienstleister*innen zu verlassen: Hier ist besonders wichtig, dass die eigene Erarbeitung von Inhalten, der eigene Denkprozess, der konkreten Interaktion im Museumsraum vorausgeht. Erst wenn der/die Vermittler*in die eigene Relevanz für die Auseinandersetzung mit dem Ort und den Objekten erkannt hat, kann er/sie eine Haltung dazu entwickeln und eine qualitative Form der Kulturvermittlung gestalten: „Dabei geht es nicht unbedingt um Neuerfindung, aber um die Aufmerksamkeit für Grenzverschiebungen. In Vermittlungssituationen gilt es deshalb, für alle Beteiligten Positionsbestimmungen zu ermöglichen, in denen sich Singuläres ereignen kann, das sich in einer Form niederschlägt oder in Spuren materialisiert, sodass es wieder aufgesucht werden kann, allerdings in dem Bewusstsein, dass eine Interpretation eine Rekonstruktion, also wiederum eine Produktion von Sichtweisen ist. Wichtig ist, dass auch ein Lehrender oder Vermittelnder für sich selbst und für alle anderen seine Position markiert und seine institutionelle Rolle deutlich werden lässt und immer wieder neu reflektiert.“119 Das Prinzip des „look and see“120 lässt sich auch auf die Arbeitsweise dieser Akteur*innengruppe übertragen. Das Museum kann dabei unterstützend tätig sein. Als Beispiele können angeführt werden: kuratorische Einführungen in Ausstellungen, gemeinschaftliche Sichtungen von Depots, das Bereitstellen von Fachliteratur, das Schaffen einer hausinternen sowie regionalen/nationalen/internationalen Kommunikationskultur zwischen Vermittler*innen und darüber hinaus zu den Akteur*innen im Haus / in anderen Häusern wie auch sinnvolle Fortbildungsformate (Workshops, Tagungen), die wissenschaftlich fundierte Inhalte transportieren. Das pädagogisch-vermittelnde Arbeiten im Museum sollte wissenschaftlich fundiert sein und die damit verbundene wissenschaftlich-pädagogische Leistung sollte gleichberechtigt neben der wissenschaftlich-kuratorischen Leistung verhandelt werden. Die Utopie (?), Kulturvermittler*innen ähnlich intensiv
119 Heil 2007, S. 340 f. 120 Vgl. Burrill 2018.
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wie Lehrer*innen für das Vermitteln in Museen auszubilden, ihre Qualität zu überprüfen und in Formen von hausinternen Curricula arbeiten zu lassen und sie dementsprechend zu entlohnen, darf an dieser Stelle formuliert werden. Das Prinzip, dass Vermittlungsabteilungen Konzepte für freie Mitarbeiter*innen schreiben, befördert den dienstleistenden Charakter der Cultural Workers. Die Entwicklung von Organisationsformen in Bezug auf Personal und Kooperationspartner*innen eröffnet kollektives Denken und Handeln und ermöglicht diverse Vermittlungsstile zu entwerfen, zu prägen und wieder zu hinterfragen. Damit wird die Qualität der Vermittlung gesichert und die Identität von Häusern gefestigt.121 Kulturvermittlung und die hier beschriebenen Formen der Interaktion sind in Transformation begriffene, aktive Prozesse. Die Beispiele veranschaulichen, wie wichtig die eigenständige forschende Haltung der Vermittler*innen zu den Themen, Räumen und Objekten der Sammlung ist. Erst ihre eigenständige Auseinandersetzung schafft Diskursräume, die nicht in einvernehmlichen Aushandlungsprozessen hinter den Kulissen zwischen kuratorischer Praxis und ausführender Vermittlung entstehen. Erst daraus resultieren inhaltliche Reibungsfelder mit der Öffnung hin zu gesellschaftlichen Diskursen in einem Museum, das sich fortwährend selbst hinterfragt. Erst ein Konzept, an dem sich auch inhaltlich gerieben werden kann, schafft Möglichkeitsräume der Diskussion, Okkupation und Neubesetzung des Raumes. In diesem Sinne erfährt die Ausstellung eine revidierende Qualität in gesellschaftsbildenden Prozessen. Es geht – abermals – darum, Common Threads und Common Senses in den gemeinsamen Anstrengungen, Interaktionen und Kommunikationen zu 121 Beschäftigungsverhältnisse jenseits von Stellen für freie Mitarbeiter*innen, die selbst versi-
chert und im Krankheitsfall ohne Einkommen sind, würden das Engagement im Berufsfeld um ein Vielfaches steigern. Das Museumshopping von Haus zu Haus, von Programm zu Programm, schafft zwar ein breites Spektrum an Erfahrungswerten, bedingt allzu oft jedoch eine nur oberflächliche Beschäftigung mit Häusern, Sammlungen, Objekten und Zielgruppen. Carmen Mörsch merkt an, dass das Arbeitsfeld in Deutschland weitestgehend marginalisiert ist und vergleichsweise wenig investiert wird. „Gehen im angelsächsischen Raum schätzungsweise 10 Prozent oder mehr des Gesamtbudgets einer Kunstinstitution in die Vermittlungsarbeit, liegt dieser Betrag an den meisten deutschen Häusern weit darunter.“ Mörsch 2008, S. 121.
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finden. Dem gemeinschaftlichen Nach- und Mitdenken kommt hier eine besondere Position zu und dies auf allen Akteur*innenebenen. „Denken muss man lernen und üben […]“122, so der französische Philosoph Jean-Luc Nancy; das Museum bietet dafür den perfekten Möglichkeitsraum. Der bewertungsfreie, demokratische Museumsraum ermöglicht, das Denken überhaupt erst üben zu können und das eigene Denken mit den Denkbewegungen anderer in Abgleich zu bringen. Denn „Kunst thematisiert nicht nur künstlerische Inhalte, sondern gibt auch Wahrnehmungsformen und Kommunikationsstrukturen vor […] [und stellt] Bezüge zu anderen Kontexten“123 her. Dies schließt die materialisierten und konzeptuellen Denkbewegungen sowie das alltägliche Nachdenken von Künstler*innen, Architekt*innen, Vermittler*innen, Kurator*innen, Sammlungsleiter*innen, Direktor*innen und Servicekräften mit ein. Das Museum handelt zumeist einem Mythos folgend, den David Anderson 2005 benennt: „The myth that the wider public is not clever enough to make an active and innovative contribution to museums is without substance; as recent projects have shown, visitors can produce ideas and works of art of great freshness and originality. The myth that we lack evidence of effectiveness is also baseless. We have plenty of evidence – both quantitative and qualitative – that positive museum experiences can have an impact on people’s lives; what we are not yet good at is finding a more sophisticated language to express this.“124 Das Kunstmuseum als transformativer, demokratischer, postrepräsentativer Ort kann provozieren und aktivieren und die den Kunstwerken innewohnenden Ideen, Bewegungen und Diskussionen unmittelbar zeigen. Seine Objekte formulieren das Angebot des vernetzten Sehens, des gemeinschaftlichen Erkundens und Reflektierens als Formen der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Als Erinnerungsort kann es vernetzt mit seinem Standort, eingebettet in seine Geschichte(n) und verlinkt mit seinem Inhalt als Möglichkeitsraum der Gegenwart verstanden werden. Das Museum ist ein performativer Möglichkeitsraum, in dem kulturelle 122 Nancy/Tyradellis 2005, S. 8 f. 123 Heil 2007, S. 339. 124 Anderson 2014, online, S. 1.
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Prozesse proaktiv verhandelt werden können – ganz im Sinne der Kulturbegriffe von Warburg und Geertz. Als Open Source wird es zum Ort des Doing Culture.
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Das (Kunst-)Museum als Open Source – Doing Culture als Gegenwartsbeschreibung Kulturen sind aktive Prozesse, sie werden beeinflusst von diversen gesellschaftlichen Faktoren. Wie das zum Sinnbild für aktive Prozesse erklärte Editionsobjekt Constante indéterminée (1960) von Jean Tinguely zeigt, werden Kulturen fortlaufend transformiert. Ihre Transformation konstituiert sich in Formen der Teilhabe in den Zwischenräumen von Globalem und Lokalem, Individuum und Kollektiv, Bekanntem und Unbekanntem, Entfremdung und Erkenntnis, Tradition und Trend, Statik und Bewegung. In diesen aktiven Prozessen generieren sich kulturelle Ordnungen und kulturelle Praxen. Mit Andreas Reckwitz formuliert, bedeutet Kultur als Praxis sowohl ein „modifiziertes Verständnis von Kultur als auch ein modifiziertes Verständnis des Handelns, des Akteurs, des Sozialen schlechthin“1. Kulturelle Praxen – im Kontext von (Kunst-)Museen inbegriffen – sind „durch das spannungsreiche Verhältnis zwischen Dauer und Wandel gekennzeichnet, zwischen dem Erhalt von Ordnungen, die das Handeln strukturieren, und der Veränderung der Ordnungen durch dieses Handeln selbst. Kulturelle Praxis vollzieht sich von keinem fixierten Standort aus, vielmehr muss sie diesen aus der Bewegung heraus immer wieder bestimmen, ohne dass es dafür einen unhinterfragbaren Maßstab gäbe. Gleichwohl ist Praxis immer schon in Ordnungen befangen, die aus dem Lauf der Geschichte erwachsen und die zukünftiges Handeln mit bestimmen. Ebenso ist auch kreatives Handeln eingelassen in die Netze der Erfahrungen und strebt zugleich 1 Hörning/Reuter 2004, S. 10. Hörning und Reuter verweisen hier auf Reckwitz 2003, S. 282−301.
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über das Bekannte hinaus. Es vermag im Wechselspiel mit den Erfahrungen anderer und dem Anderen der Kultur immer wieder neue Erfahrungen zu generieren. Vielleicht ließe sich sagen, Wandel vollzieht sich in den Zwischenräumen der ‚Ordnungen‘.“2 Unterschiedliche Forschungsbereiche richten ihr Interesse zunehmend auf diese wechselseitige Beziehung zwischen dem kulturellen Handlungsraum innerhalb oder zwischen den Ordnungen und den darin – passiv oder aktiv – Handelnden: „Kultur ist dynamisch; sie ist in action. Immer häufiger richtet sich das Forschungsinteresse nicht auf die Kultur, sondern auf die Vielfalt kulturellen Wandels. Treibende Kraft dieses Wandels sind nicht nur ‚objektive‘ Prozesse der Differenzierung, Virtualisierung oder Globalisierung. Es ist vor allem das Handeln der Akteure, das Kultur bewegt. Durch die grundsätzliche Kennzeichnung des Menschen als ‚Kulturwesen‘, der mit Kultur produktiv umgeht, rückt die Kultur wieder ins Zentrum der Gesellschaftsanalyse.“3 Doch Handeln ist nicht gleich Praxis: „Nicht jede Hantierung, nicht jedes Tun ist schon Praxis. Erst durch häufiges und regelmäßiges Miteinandertun bilden sich gemeinsame Handlungsgepflogenheiten heraus, die soziale Praktiken ausmachen. Soziologisch interessant ist jenes gemeinsame Ingangsetzen und Ausführen von Handlungsweisen, die in relativ routinierten Formen verlaufen und eine bestimmte Handlungsnormalität im Alltag begründen.“4 Julia Reuter und Karl H. Hörning definieren Praxis als: „[…] zugleich regelmäßig und regelwidrig, sie ist zugleich wiederholend und wiedererzeugend, sie ist zugleich strategisch und illusorisch. In ihr sind Erfahrungen, Erkenntnisse und Wissen eingelagert, manchmal sogar regelrecht einverleibt. Doch die Erfahrungen, die 2 Kittlausz 2006, S. 263. 3 Hörning/Reuter 2004, S. 9. Hörning und Reuter führen aus, dass Kultur seit dem Cultural Turn
der 1980er Jahre den Status eines grundlegenden Phänomens sozialer Ordnung zurückerlangt, das „sämtliche Gesellschaftsbereiche durchdringt – Verwandtschaftsbeziehungen und Familienleben, Arbeitsrollen und Organisationen, Kommunikationsformen und Bedeutungen der Sprache, Körpererfahrungen und Geschlechterbeziehungen, nicht zuletzt Arbeits- und Erkenntnisweisen der Wissenschaft. Wichtige Impulse für diese Revitalisierung der Soziologie als Kultursoziologie kamen dabei nicht nur aus den eigenen Reihen, sondern aus disziplinübergreifenden Diskussionszusammenhängen, führend aus der Ethnologie Clifford Geertz’ und den anglo-amerikanischen Cultural Studies.“ 4 Ebd., S. 12. Hörning und Reuter verweisen hier auf Hörning 2001, S. 160 f.
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Erkenntnisse und das Wissen werden in der Praxis immer wieder neu eingebracht, erlebt und mobilisiert. Sie sind keine Objekte, die passiv registriert oder aber intellektualistisch angeeignet werden.“5 Das Feld der Kulturanalysen entwickelt trans- und interdisziplinäre Diskurse.6 Soziologie, Anthropologie, Kunst- und Kulturwissenschaften sowie architektur- und raumtheoretische Positionen finden ihren Ort in der Diskussion um Museen, Menschen und Kulturen. In die Analyse einbezogen werden zudem mediatisierte Formen von Kulturen wie beispielsweise Objekte. Karl H. Hörning entwickelt hierzu eine besonders bemerkenswerte kultursoziologische Theorie zur Technik, die sich auch auf Objekte der Kunst als Alltagsobjekte übertragen lässt. Matthias Wieser beschreibt den Ansatz Hörnings resümierend: „Hörnings Studien stellen den kulturellen Nutzungsund Bedeutungskontext von Technik im Alltag in den Mittelpunkt. Statt die Beziehung von Technik und Kultur als strikt voneinander geschiedene Welten zu fassen, stellt er sie aus der Perspektive der Alltagswelt als komplex und verwickelt dar. Dadurch wird die ‚Teilnehmer- und Praxisperspektive der Handelnden‘ in den Mittelpunkt gerückt und Alltag primär als alltägliche Umgangspraxis verstanden. Um deutlich zu machen, dass die technischen Dinge in diesen alltäglichen Praktiken eine große Rolle spielen, nimmt Hörning eine Kulturperspektive ein, die Technik als Ausdruck und Träger sozialer Sinnbezüge als auch Mittel und Mittler von Kultur ansieht. Theoretischer Ausgangspunkt ist eine zweifache Abgrenzung: einerseits gegenüber materialistisch-deterministischen und andererseits gegenüber textualistischen Perspektiven. Die Dinge sollen weder als alles beherrschende und bestimmende Entitäten des Sozialen verstanden werden, noch – völlig ihrer Materialität beraubt – lediglich als Zeichen und Text fungieren. Hörning interessiert mehr das Weben als das Gewebe. ‚Es ist erst die Gebrauchspraxis, die einer Sache Bedeutung verleiht, sie in Zeit- und Raumstrukturen einbettet, ihr eine bestimmte ‚Position‘, einen bestimmten ‚Wert‘ im Handlungsgefü5 Ebd., S. 13. Hörning und Reuter zitieren hier Bourdieu 1987, S. 97. 6 Zur Beschreibung des Potenzials der Inter- und Transdisziplinarität in Prozessen der Kulturana-
lysen vgl. Bal 2002, insbesondere S. 7−27.
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ge zuerteilt.‘ Diese Perspektive lässt ihn den ‚Mythos der getrennten Welten‘ überwinden, der das sie verbindende oder besser vermittelnde Glied übersieht: ‚das In-Gang-Setzen und Ausführen von Handlungsweisen […], die in relativ routinisierten Formen verlaufen. […] Durch häufiges Miteinandertun bilden sich gemeinsame Handlungsgepflogenheiten heraus, die sich zu kollektiven Handlungsmustern und Handlungsstilen verdichten und so bestimmte Handlungszüge sozial erwartbar werden lassen.‘ […] ‚Praktiken sind‘ für ihn ‚immer beides: Wiederholung und Neuerschließung‘. Allerdings tendiert Hörning in seinen Experten des Alltags und Metamorphosen der Dinge zur Betonung der Neuerschließung. Auch Wiederholung versteht er nicht als identische Wiederholung, sondern eher im poststrukturalistischen Sinn als analoge Wiederholung, d. h. als Verschiebung, als ‚ständig[es] Wieder- und Neu-Hervorbringen […]‘. Die Dinge produzieren Bedeutungen, aber sie provozieren sie auch.“7 Dass die Produktion und Provokation von Bedeutungen im Kunstmuseum besonders häufig zu beobachten ist, wird durch die Logiken der Objekte, die Logiken des Ortes und die des Kuratierens befördert. Pointiert werden dort durch Objektanordnungen visuelle „Unbestimmtheitsdimensionen“ erzeugt, die den im Menschen angelegten „offenen, experimentellen und suchenden Charakter“ verstärken.8 Kunstmuseen mit ihren Objekten und im Ort angelegten Verständnissen können zugespitzt „[i]ntakte Routinen der Selbst- und Weltauslegung“9 in Frage stellen oder gar außer Kraft setzen.Dewey benennt diese Korrelation zwischen Raum und Ding/ Ort und Objekt (die auch an anderen Orten stattfinden kann) als maßgebend für die Herausbildung von Handlungsformen von Menschen, wie Dominik Krinninger und Volker Schubert zitieren: „Die ‚besondere Umgebung, in der ein Mensch lebt, führt ihn dazu, ein Ding zu sehen, und ein anderes nicht; sie veranlasst ihn, sich gewisse Pläne zu machen, damit er mit den anderen erfolgreich zusammenwirken kann; sie schwächt gewisse Meinungen und 7 Wieser 2004, S. 97 f. Wieser nimmt Bezug auf Hörning 2001, S. 32, 67−113, 158, 160, 163; Hörning
2004, S. 140, 144; Hörning/Dollhausen 1997, S. 30. Hörning 1999, S. 90−91. 8 Marotzki formuliert dies nicht für Kunstwerke, sondern beschreibt hier Bildungsprozesse.
Marotzki 1990, S. 153. 9 Ebd.
Das (Kunst-)Museum als Open Source – Doing Culture als Gegenwartsbeschreibung
verstärkt andere […]. So erzeugt sie in ihm ein System von Verhaltensweisen, von Dispositionen zum Handeln.‘“10 Das (Kunst-)Museum als Ort mit diesen in seiner Konstitution angelegten Potenzialen ist eine solche besondere Umgebung und zugleich ein Raum alltäglicher Realitäten. Ihn verstärkt als Kommunikationsort gesellschaftlicher Anliegen zu etablieren, bleibt die herausfordernde Aufgabe, ist aber nicht unmöglich.
Haltung Der Philosoph und Kurator Daniel Tyradellis eröffnet mit seiner Schrift Müde Museen11 ein breites Diskussionsfeld um Verantwortungsbereiche – politische, soziale, wissenschaftliche und ökonomische – und reflektiert über gängige Zuschreibungsmechanismen in der Diskussion über die Museumslandschaft. Mit dem Zugeständnis an die Museen, müde sein zu dürfen, leistet er einen wichtigen Beitrag zur Gegenwartsbeschreibung der 2010er Jahre. Denn Museen sind „[m]üde, unter ständig schwierigeren ökonomischen Bedingungen arbeiten zu müssen. Müde vom dauernden Legitimationsdruck als teure Kulturinstitutionen, müde davon, als Musentempel, Unterhaltungs- und Bildungsanstalt, regionaler Standortvorteil und Tourismusattraktion mit Erwartungen überhäuft zu werden.“12 Ein wichtiger Aspekt der Beschreibung dieses Erschöpfungszustandes liegt in der Positionierung zu diesem. Daniel Tyradellis weist dem Museum eine klare gesellschaftliche Position zu und entbindet die Museen somit aus der zwanghaften Suchhaltung nach der allgemeingültigen institutionellen Identität. Er schafft eine Metakategorie, die unabhängig von Gattung oder Zuschreibungen als Unikum für alle Museen formuliert ist: „Insofern war und ist das Museum ein Korrektiv gegenüber dem jeweiligen Realitätsverständnis ‚da draußen‘. Es ist ein einzigartiger Ort, an dem Dinge zu erfahren sind wie nirgendwo sonst. Der museale Raum irritiert, weil er zu den wenigen gesellschaftlichen Freiräumen zählt, in denen 10 Krinninger/Schubert 2009, S. 28 f. Krinninger und Schubert zitieren hier Dewey (Original 1919)
1993, S. 27. 11 Tyradellis 2014, S. 9. Tyradellis zitiert hier den Literaturtheoretiker Werner Hamacher, o. J., o. S. 12 Ebd.
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Fragen und Konstellationen verhandelt werden können, die anderswo keine Beachtung finden. […] Das Museum kann ein Ort des Widerstands gegenüber diesen Verarmungen des Denkens und der Phantasie sein, vor allem aber der Reflexion und des Nachdenkens über diesen Prozess.“13 Durch die Kategorisierung des Museums als Korrektiv und als Ort des bewertungsfreien Denkens verstärkt Tyradellis die Idee hinter dem Konzept des Museums als Kraftwerk. Mit der Benennung des Museums als Gegenwartsort, als öffentliches Diskussionsforum, erfindet Daniel Tyradellis das Museum nicht neu, aber er ergänzt die Idee des gesellschaftlichen Freiraums um die Dimension des Denkens als essenziellen Bestandteil gegenwärtiger gesellschaftlicher Prozesse. Im Prinzip formuliert Tyradellis das Denken als expliziten Prozess des Doing Culture. Das Denken ist für Tyradellis „[…] ein seltenes Gut und definiert sich ex negativo; es besteht nicht oder nicht vordringlich im Nachvollzug sanktionierten Wissens, sondern in der Infragestellung und Öffnung allzu gewissen Wissens zugunsten der Momente, Affekte und Fragen, die sich dem widersetzen. Dabei ist es weniger wichtig, Denken aktiv herzustellen – das muss jeder Einzelne selbst leisten. Wichtig ist es, jenen Elementen und Faktoren entgegenzuwirken, die das Denken behindern, und das sind nicht zuletzt die Institutionen. ‚Man glaubt gerne, eine Kultur hänge stärker an ihren Inhalten als an ihren Formen, so dass die Formen sich leichter verändern, aufgeben oder neuerlich aufnehmen ließen. Nur der Sinn sei tief verwurzelt. Wer das meint, verkennt aber, welches Erstaunen oder auch welchen Hass es auslösen kann, wenn Formen sich auflösen oder neue Formen entstehen. Er verkennt, dass man mehr an der Art des Sehens, Sagens, Tuns oder Denkens hängt als an dem, was man sieht, denkt, sagt oder tut.‘“14 Tyradellis vergibt hiermit inbegriffen auch eine Funktion an die Objekte, die als visuelle Trigger erst das Denken in Gang setzen. Der von Andrea Sabisch und Manuel Zahn diskutierte Begriff der „Visuellen Assoziation“ trifft das Moment dieser Verstetigung des Denkens. Denn Visuelle Assoziationen „[…] sind weder als sichtbare Gebilde aufzufassen noch als abgeschlossene
13 Ebd., S. 14. 14 Ebd., S. 17. Tyradellis zitiert hier Foucault 2005, S. 431.
Das (Kunst-)Museum als Open Source – Doing Culture als Gegenwartsbeschreibung
Artefakte. Vielmehr ereignen sie sich als vorbewusste sinnliche Prozesse in den entstehenden Räumen zwischen Bildern und Subjekten. Sie zeigen sich vom Sichtbaren her, von medienspezifischen Konstellationen und bestimmten ikonischen Figurationen und Darstellungen, aber sie enden nicht dort, sondern verzweigen und verweben sich mit anderen sinnlichen wie auch sprachlichen Registern der Aufmerksamkeit. Visuelle Assoziationen sind also extrem flüchtige Prozesse, die Praktiken des An- und Verknüpfens wie auch des Ablösens und Trennens umfassen.“15 Die Objekte und die Akteur*innen betonen mit dem Fortschreiten des Denkens zugleich die soziale Bedeutung der Museen als moderne Orte, als „Labore des Sozialen“16, die die Vielfalt der Besucher*innen nicht als Störfaktor bewerten, sondern sie als Teil der Anordnung verstehen. Mehr noch: Mit der impliziten Benennung des Museums als Institution der Moderne – die den öffentlichen Zugang gewährleistet und innerinstitutionelle Hürden überwindet – verweist Tyradellis auf die Verantwortungsbereiche des Individuums, des modernen Subjekts, das den Ort für eben dieses Denken beanspruchen kann/könnte. Dieses moderne, selbstbestimmte Subjekt kennzeichnet Andreas Reckwitz wie folgt: „Die Moderne produziert keine eindeutige, homogene Subjektstruktur, sie liefert vielmehr ein Feld der Auseinandersetzung um kulturelle Differenzen bezüglich dessen, was das Subjekt ist und wie es sich formen kann. Kennzeichnend für die Moderne ist gerade, dass sie dem Subjekt keine definitive Form gibt, sondern diese sich als ein Kontingenzproblem, eine offene Frage auftut, auf die unterschiedliche, immer wieder neue und andere kulturelle Antworten geliefert und in die Tat umgesetzt werden.“17 Den Museen wird bei diesem von Institution, Objekten und Subjekten/Akteur*innen gestalteten aktiven Prozess eine explizite Rolle zugeschrieben: Denn Museen laden nicht nur zum Denken ein, sie zeigen, thematisieren und hinterfragen auch Formen materialisierter Gedanken oder wissenschaftlicher Geistesgüter, unabhängig davon, ob es 15 Sabisch/Zahn 2018, S. 8. 16 Tyradellis 2014, S. 15. 17 Reckwitz 2006, S. 14.
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sich um Museen mit Technik-, Design-, Natur- oder Kunstobjekten handelt. Materialisierte oder visualisierte Gedanken finden durch die museale Präsentation eine Öffentlichkeit und werden zugleich Teil von öffentlichen Diskursen. Tyradellis greift damit auch die Botschaft von Clifford Geertz auf, die mit dem von Kumoll belegten Zitat „Denken ist im Grunde etwas Öffentliches“18 gefasst werden kann. Die Diskussion um das Museum der Gegenwart ist geknüpft an eine Diskussion um das Gegenwärtige, die Gegenwart selbst, die Homi K. Bhabha mit dem Begriff „beyond“ umschreibt: „Es ist eine gängige Vorstellung unserer Zeit, die Frage der Kultur im Bereich des darüber Hinausgehenden (beyond) zu verorten […]. Dieses ‚Darüber Hinaus‘ ist weder ein neuer Horizont noch ein Zurücklassen der Vergangenheit. … Anfänge und Ende sind wohl die tragenden Mythen der mittleren Jahre; doch im fin de siècle befinden wir uns im Moment des Übergangs, wo Raum und Zeit sich kreuzen und komplexe Konfigurationen von Differenz und Identität, von Vergangenheit und Gegenwart, Innen und Außen, Einbeziehung und Ausgrenzung erzeugen.“19 Das (Kunst-)Museum wird in Bhabhas Sinne zum „beyond“-Museum, zum Ort des Zwischenraumes, zu einem Raum der „Intervention im Hier und Jetzt“20. (Kunst-)Objekte erzeugen hierbei erst die Diskussion um Gegenwart und Vergangenheit. Denn sie vergegenwärtigen die Vergangenheit nicht als „gesellschaftliche Ursache oder ästhetische Vorläufer“21. Objekte synthetisieren erneuerte Formen der Vergangenheit, die die konkrete Realisierung der Gegenwart innovieren und unterbrechen. Sie bedingen erst eine „Relation ‚Vergangenheit-Gegenwart‘ [, die] zu einem notwendigen, keinem nostalgischen Teil des Lebens [wird]“22. 18 Geertz 1983 in seinem Essay über Person, Zeit und Umgangsformen auf Bali, zitiert nach Kumoll
2007, S. 84. 19 Bhabha 2000, S. 1. In der Einleitung diskutiert Bhabha das „Präfix ,post‘ in Richtung Gegen-
wartsbezug. Er betont nämlich, dass das ,post‘ sehr deutlich mit der kulturell-zeitgenössischen Situation korrespondiert – und damit weder eine Abgeschlossenheit des Kolonialismus noch ein schlichtes Fortdauern kolonialer Strukturen meint […].“ Struve 2013, S. 14. 20 Bhabha 2000, S. 10. Bhabha verwendet den Ausdruck Zwischenraum, der im weiteren Verlauf seiner Ausführungen auch als „Dritter Raum“ bezeichnet wird, in dem sich Kulturen aushandeln und sich Identitäten (be)gründen. 21 Ebd., S. 10−11. 22 Ebd.
Das (Kunst-)Museum als Open Source – Doing Culture als Gegenwartsbeschreibung
Die Zwischenräume – auch die im Kunstmuseum – kennzeichnet Aby Warburg in den 1920er Jahren bei der Konstruktion seines Bildatlasses Mnemosyne als Substrat für kulturelles Handeln.23 Die von Warburg herausgestellten „materielle[n] Dimensionen der Kultur“24, die versammelten und angeordneten Bilder, Objekte und Medien konstruieren diese Zwischenräume kontinuierlich und bestätigen sie in der Rolle als „unentbehrliche Denkmittel“25 innerhalb dieser aktiven Prozesse. Die Zwischenräume formatieren das Museum zum Kraftwerk, zur gesellschaftlichen Gedanken-Fabrik, die in wechselseitigen Prozessen – von innen nach außen, von außen nach innen – wirkt. Der von Aby Warburg gekennzeichnete Zwischenraum kann neben der Formulierung als Denkraum auch als Erfahrungsraum, Handlungsraum oder Möglichkeitsraum bezeichnet werden. Zudem formiert er sich unweigerlich auch zum Bildungsraum. Doch damit verbunden ist eine Last: Die Belastung, die Bildungsräume tragen, ist bereits nominell formuliert, denn Bezeichnungen wie Bildungsinstitution oder Bildungsort implizieren das Bildenkönnen/-sollen/-müssen. Das positiv in den Ort eingeschriebene Bildungspotenzial wird zum programmatischen Mechanismus, der mit dem Betreten des Gebäudes erfüllt werden sollte. Zu Recht macht das Museen müde. Und gleichwohl ist die Kennzeichnung unnötig: Denn Bildung passiert unweigerlich im Miteinander von Orten, Objekten und Menschen. Klaus Mollenhauer verdichtet mit dem Begriff der „Bildungsbewegung“, die auch nicht intentionale Handlungen in den Prozess des Sich-selbst-Bildens einschließt, den Zwischenraum zum Dazwischen. In der Auseinandersetzung mit kulturellen Objekten sieht er eine besondere Leistung, um diese Bildungsbewegung zu befördern und den (Zwischen-)„Raum“ zur Klärung von Welt- und Selbstbezug zu aktivieren.26 Das (Kunst-)Museum als Ort der Kulturen ist immer auch ein Ort der Bildung – unweigerlich. Das Begehen, Sehen, Untersuchen und Hinterfragen benennt das (Kunst-)Museum als Kulturort der Praxis, da
23 Aby Warburg in seiner Einleitung zum Mnemosyne-Atlas, verfasst 1929. Zitiert aus Warnke 2000, S. 3. 24 Erll 2005, S. 21. 25 S yamken 1980, S. 41. 26 Mollenhauer 1996, S. 16.
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es zweifellos das Kulturelle mit dem Sozialen verbindet.27 Das (Kunst-)Museum kann als identitätsstiftender Produktionsort im Sinne eines Kraftwerkes oder der gesellschaftlichen Gedanken-Fabrik verstanden werden, denn: „Statt Identität als eine schon vollendete Tatsache zu begreifen, die erst danach durch neue kulturelle Praktiken repräsentiert wird, sollten wir uns vielleicht Identität als eine ‚Produktion‘ vorstellen, die niemals vollendet ist, sich immer in einem Prozess befindet, und immer innerhalb – nicht außerhalb der Repräsentation konstituiert wird.“28 Das (Kunst-)Museum ist demnach ein Heraus-Bildungs-Ort, der im Sinne eines Doing Culture zu verstehen ist. Es ist Teil des dynamischen Systems der Kulturen und kann darin seine Position als Frei(heits)raum in stetiger Transformation zum inhaltlichen Metaort ausbauen. Gail Lord bezeichnet das Museum und explizit Kunstobjekte als „cultural accelerators“29, die das kulturelle Bewusstsein beschleunigen. Es ist beinahe paradox, die Diskurse um die Zukunft des Museums zu verfolgen. Denn zahlreiche Beschreibungen kategorisieren das Museum als statischen und verschlossenen Ort. Lord bewertet diese Wahrnehmung von Museen als tradiertes Imageproblem.30 Barbara Welzel betont, dass öffentliche Kunstmuseen als zentrale Institutionen der Gesellschaft und der modernen Demokratie als lebensweltliche Orte verhandelt werden sollten, denn dies sind sie unabhängig von ihrem wie auch immer bewerteten Image.31 Die von Chris Dercon als Vision formulierte Beschreibung ist im Grunde eine Gegenwartsbeschreibung, die das Image von Museen als gesellschaftlich und politisch relevante Kommunikationsorte formuliert: „Das Museum der Zukunft wird wie eine Universität sein, wie ein Campus, wo die Kunst eine Sache ist, aber die Tatsache, dass man seine eigenen Ideen austesten kann, dass man seine eigenen Fragen auswerfen kann über Geschlecht, Identität, über 27 Vgl. Hörning/Reuter 2004, S. 10. 28 Hall 1994/2012, S. 26. 29 Lord 2008, S. 68. Lord verweist mit dem Begriff „accelerator“ auf de Kerckhove 1995. 30 Dexter hinterfragt zudem: „Why do people still think of museums as static places? Is it an
image or marketing problem? Is it that too many museums still operate in an old static mold? Why do museums not develop a vocabulary of relevance?“ Ebd. 31 Welzel 2016, S. 33−35.
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die Welt, über Gehälter. Und ein Museum ist letztlich eine viel repräsentativere, demokratischere Gesellschaft, es ist eine echte Form von demos, demokratischer selbst als die Art und Weise, wie uns die Politik vertritt.“32 Das (Kunst-)Museum ist ein Reallabor, das in fortlaufenden Prozessen Strategien der Interaktion entwickelt. Es ist gerahmt von Architekturen, besetzt durch Objekte, transformiert durch Werte und Normen, freigegeben zur gedanklichen Okkupation und beschrieben als ein Kraftwerk der Visionen und Utopien und des tatsächlichen Handelns als kulturelle Praxis. Das (Kunst-)Museum ist eine Open Source, deren Kapazitäten nur bedingt genutzt werden: „Mut zu zeigen ist das Gebot der Stunde, zu reden und zu widersprechen. […] Gerade der Kulturbetrieb kann viel mehr sein als das, was jene ängstlichen und auf sichere Distanz bedachten Kollegen sich zutrauen. Demokratische Institutionen haben diese Distanz nicht verdient. Es ist zu schade, dass viel von diesem Intelligenzapparat in Kultur und Wissenschaft überhaupt nicht genützt wird. Es ist eben außer Mode gekommen, sich zu positionieren. Genau das Gegenteil müsste aber der Fall sein. Jeder, dem die Freiheit in Kultus, Kultur und Wissenschaft zugute kommt, müsste diese Freiheit zur Verteidigung der Demokratie nützen.“33 (Kunst-)Museen nehmen eine wichtige Funktion in der Beschreibung von Kulturen ein, denn Kulturen können nur im gemeinsamen Diskurs verhandelt werden. Kulturen sind keine eindimensionalen Flächen, sondern multidimensionale Ordnungen, die Unordnungen tolerieren. Kulturen in Museen sind immateriell, visuell und materiell. Sie werden durch Objekte, Medien und Handlungen erst definiert. In ihren Verfasstheiten eingeschlossen sind Fragen nach den Relevanzen für Individuen und Gesellschaft(en), nach expliziten und impliziten Erfahrungen, dem Anbahnen von Denkbewegungen und Akten der versprachlichten Kommunikation. Kulturen – im Museum und anderswo – gibt es nur im Plural.
32 Goethe Institut London o. J., online, o. S. Chris Dercon im Interview mit Rosie Goldsmith. 33 Roth 2017, S. 89.
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Intuition Fünf mit Klammern zusammengefügte Holzelemente formieren eine rechteckige Kiste. Die 30 x 21 x 6 Zentimeter große Kiefernholzkiste ist unaufwändig gefertigt. In einer Auflage von 12000 Stück und zum Preis von 12 DM34 verlegte der Remscheider VICE-Versand seit 1968 das Multiple von Joseph Beuys. Die Multiples unterscheiden sich verständlicherweise in der Maserung des Holzes, aber auch in der Position und Größe der Beschriftung. Das Wort Intuition ist innen oder rückseitig (wie bei dem Exemplar in der Dortmunder Sammlung) zu lesen, von Joseph Beuys mit der Hand geschrieben, beinahe beiläufig mit einem Bleistift notiert. In einigen Ausführungen sind Linien unter dem Schriftzug angebracht, die Signatur und das Datum befinden sich auf der Rückseite. Die einfache Holzkiste ist ein „Schlüsselwerk im Schaffen von Joseph Beuys. Von Rezept und Handlungsanweisung, vom Bildbegriff, von der Kommunikationstheorie, von der Kreativität als Ort der Intuition, von alledem handelt diese Kiste. Das Verhältnis von Ratio und Intuition, die Versöhnung der Moderne durch die menschliche Kreativität, dies ist Beuys’ zentrales Thema.“35 Der Kasten funktioniert, ähnlich wie ein Archiv, zum Einlagern von Gedanken und kontinuierlichen Daraus-Schöpfen, zum erneuten Ablegen und Überdenken der Handlungen. Das statische Objekt wird zum wesentlichen Bestandteil aktiver Prozesse. Dierk Stemmler bezeichnet das Multiple als einen Kasten zum „Gedanken-Hineinlegen“36, der wie eine Werkzeugkiste zum alltäglichen Gebrauch der Intuition als Tool einlädt.37 Beuys selbst kategorisiert die „Intuition als die ‚höhere Form des Denkens‘, nämlich ein Denken, das sich selbst als Denken erkennt“38. Mit der Höhe der Auflage des Multiples sorgt Joseph Beuys für die Verbreitung seiner materialisierten Idee und setzt sie sogleich zur Thematisierung von Demokratie und Freiheit in 34 Der Preis wurde von ursprünglich 8 DM (1968) auf 12 DM (ab dem 01.07.1971) angehoben. Vgl. Vice-
Versand; Katalogbeilage 1971, abgebildet in: Schmieder 1998, S. 213. 35 Katalog Dortmund 1993, S. 51. 36 Katalog Bonn 1981, S. 63. 37 Katalog Dortmund 1993, S. 51. 38 Ebd.
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der Bundesrepublik Deutschland ab 1968 ein: „Intuition ist das, was erkennt, dass der Mensch frei ist. Das [die Freiheit] ist eigentlich nur mittels des Denkens Möglich [sic!], als das Denken, das sich selbst als Denken erkennt.“39 Die Einfachheit des Materials stellt Beuys in den Kontext industriell gefertigter Güter wie Schachteln, Kassetten, Koffer. Diese Unauffälligkeit der Gegenstände „benutzt Beuys, um sie, quasi mit geringen Eingriffen umfunktioniert, als Vehikel des Ideellen in den externen, kommerziellen Kreislauf wieder einzuspeisen und ihn geistig zu beeinflussen – so als ob ein Arbeiter am Fließband das anonyme Produkt […] rasch irgendwie mit einem persönlichen Signum versehen würde und es auf normalem Wege weiterwandern ließe […].“40 Beuys versieht den massenhaft produzierten Kasten mit der Botschaft, das Denken als gesamtgesellschaftlichen und kollektiven Prozess zu begreifen. Nochmal: Kulturen sind aktive Prozesse per se. Sie werden beeinflusst von diversen gesellschaftlichen Faktoren. Ihre Transformation konstituiert sich in Formen der Teilhabe in den Zwischenräumen von Globalem und Lokalem, Individuum und Kollektiv, Bekanntem und Unbekanntem, Entfremdung und Erkenntnis, Tradition und Trend, Statik und Bewegung. In diesen aktiven Prozessen generieren sich kulturelle Ordnungen und kulturelle Praxen. Das Museum als Ort der Kulturen ist im besonderen Maße von Wandlungen betroffen − oder damit beschenkt. Wie kaum eine andere Institution ist das Museum in Selbst- und Fremdreflexionsprozesse eingebunden.41 Das Museum der Gegenwart ist ein Ort der Prozesse. Es initiiert fortlaufend neue Prozesse des Sammelns, des Kuratierens, des Sehens, des Öffnens, des Kommunizierens, der Interaktion und Transformation. All diesem voraus geht das Denken als immer fortwährender aktiver Prozess.
39 Joseph Beuys im Interview mit Robert Filliou 1970. Filliou 1970, S. 165. 40 Katalog Bonn 1981, S. 63. 41 Vgl. Griesser/Sternfeld 2019, S. 58−61.
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#danke
Barbara Welzel Ulrike Mietzner Regina Selter Nicole Grothe Christine Heil Roland Baege Evelyn Bracklow Laura Di Betta Birgit Franke Sabine Funk Nushin Hosseini-Eckhardt Judith Klein Stefan Krawczyk Christopher Kreutchen Elvira Neuendank Jutta Niggemann Christin Ruppio Antje Utermann-Funke Mareile Zimmermann Neben vielen weiteren Menschen danke ich besonders meiner Familie: Lotta und Kai Hübscher, Linda Unger, Sigrid und Heinz Kettner sowie Gisela und Hubert Unger.
Joseph Beuys, Intuition, 1968, Holzkiste mit Bleistiftzeichnung, 30 x 21 x 6 cm, Multiple, unlimitiert, 1968–1985. Foto: Sarah Hübscher | © VG Bild-Kunst, Bonn 2020.
Museum Anna Greve
Koloniales Erbe in Museen Kritische Weißseinsforschung in der praktischen Museumsarbeit 2019, 266 S., kart., 23 SW-Abbildungen, 4 Farbabbildungen 24,99 € (DE), 978-3-8376-4931-4 E-Book: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4931-8
Bärbel Maul, Cornelia Röhlke (Hg.)
Museum und Inklusion Kreative Wege zur kulturellen Teilhabe 2018, 168 S., kart., 16 Farbabbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4420-3 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4420-7 EPUB: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4420-3
Bernadette Collenberg-Plotnikov (Hg.)
Das Museum als Provokation der Philosophie Beiträge zu einer aktuellen Debatte 2018, 286 S., kart., 19 SW-Abbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4060-1 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4060-5
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Museum Andrea Kramper
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Johanna Di Blasi
Das Humboldt Lab Museumsexperimente zwischen postkolonialer Revision und szenografischer Wende 2019, 292 S., kart., 16 Farbabbildungen 34,99 € (DE), 978-3-8376-4920-8 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4920-2
Klaus Krüger, Elke A. Werner, Andreas Schalhorn (Hg.)
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