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German Pages 136 [137] Year 2022
Ronald Richter
Intensivpflege und das GKV-IPReG Impulse für ambulante und stationäre Leistungserbringer
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Ronald Richter
Intensivpflege und das GKV-IPReG Impulse für ambulante und stationäre Leistungserbringer
Inhaltsverzeichnis Leseeinladung6 Kapitel I • W as regelt der neue Anspruch auf außerklinische Intensivpflege konkret? – Und ein Blick zurück 9 1.1 Die neue Regelung des § 37c SGB V 9 1.2 Die Konkretisierung des gesetzlichen Anspruchs durch die AKI-RL14 1.3 Der Blick zurück: Der Kampf gegen das RISG 16 Kapitel II • Die Umsetzung des neuen Anspruchs – Was gilt ab wann? 2.1 Der Zeitplan für die Umsetzung 2.2 Vorgezogen: Die Leistungen in vollstationären Pflegeeinrichtungen
19 19 21
Inhaltsverzeichnis
Kapitel III • Z iele und Leistungsinhalte der außerklinischen Intensivpflege25 3.1 Die Therapieziele der außerklinischen Intensivpflege 25 3.2 Die Leistungsinhalte der außerklinischen Intensivpflege 28 3.3 Die Erreichbarkeit der Therapieziele 32 3.4 Was wird aus der Phase F? 33 3.5 Die Überschneidung zur sozialen Pflegeversicherung 36
4
Kapitel IV • Der Leistungsort der außerklinischen Intensivpflege 4.1 Die Wünsche des Versicherten 4.2 Die Wünsche von Kindern und Jugendlichen 4.3 Die Beratung der Krankenkassen 4.4 Die Liste der Leistungserbringer 4.5 Die Prüfung der Sicherstellung der Versorgung am gewählten Leistungsort 4.6 Die Nachbesserung und die Zielvereinbarung
41 43 45 46 47 48 49
Kapitel V • D ie Voraussetzungen der Verordnung außerklinischer Intensivpflege51 5.1 Voraussetzungen der Verordnung außerklinischer Intensivpflege52 5.2 Die Potenzialerhebung 58 5.3 Der Verordnungsvordruck außerklinischer Intensivpflege 67 5.4 Die elektronische Verordnung 69 5.5 Die Verordnungsdauer 69 5.6 Die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen 72 5.7 Die Genehmigung der außerklinischen Intensivpflege 75 5.8 Die Änderung der Verordnung 79 5.9 Der Behandlungsplan 81
Kapitel VI • Die Qualifikation der am Versorgungsprozess Beteiligten 6.1 Die Qualifikation der potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte 6.2 Die Qualifikation der verordnenden Vertragsärztinnen und -ärzte 6.3 Die Qualifikationsanforderungen an das Personal der pflegerischen Leistungserbringer
83 83 88 92
Kapitel VII • Die Besonderheiten bei der Überleitung aus dem Krankenhaus in die außerklinische Intensivpflege 109 7.1 Die Qualifikation der verordnenden Krankenhausärztin oder des -arztes 110 7.2 Die Potentialerhebung vor der Verordnung 110 7.3 Die Information an die Krankenkassen durch das Krankenhaus 112 7.4 Sonderfall: Außerklinische Intensivpflege vor dem Krankenhausaufenthalt114 7.5 Die Information der Vertragsärzte durch das Krankenhaus 115 Kapitel VIII • Die Zusammenarbeit zur Sicherung der ärztlichen und pflegerischen Versorgungskontinuität und Versorgungskoordination von außerklinischer Intensivpflege119 Kapitel IX • Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft und persönliches Budget 125 9.1 Die Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft125 9.2 Das persönliche Budget 126 129 131
Paragrafenverzeichnis SGB V mit Erläuterungen
133
Verzeichnis der Regelungen der AKI-RL erläutert
134
Autor135 Abkürzungsverzeichnis AKI Außerklinische Intensivpflege BSG Bundessozialgericht BSGE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BT Bundestag G-BA Gemeinsamer Bundesausschuss GG Grundgesetz HKP Häusliche Krankenpflege IfSG Infektionsschutzgesetz IPReG Intensivpflege- und Rehabilitationsgesetz LSG Landessozialgericht
OPS Operationen- und Prozedurenschlüssel PflBG Pflegeberufegesetz RISG Entwurf eines Rehabilitations- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz RL Richtlinie SGB I 1. Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil SGB V 5. Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung SGB IX 9. Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen SGB XI 11. Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Kapitel X • Zuzahlungen Kapitel XI • Evaluation der Umsetzung und der AKI-RL
5
Kapitel VI • Die Qualifikation der am Versorgungsprozess Beteiligten 6.1 Die Qualifikation der potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte 6.2 Die Qualifikation der verordnenden Vertragsärztinnen und -ärzte 6.3 Die Qualifikationsanforderungen an das Personal der pflegerischen Leistungserbringer
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Kapitel VII • Die Besonderheiten bei der Überleitung aus dem Krankenhaus in die außerklinische Intensivpflege 109 7.1 Die Qualifikation der verordnenden Krankenhausärztin oder des -arztes 110 7.2 Die Potentialerhebung vor der Verordnung 110 7.3 Die Information an die Krankenkassen durch das Krankenhaus 112 7.4 Sonderfall: Außerklinische Intensivpflege vor dem Krankenhausaufenthalt114 7.5 Die Information der Vertragsärzte durch das Krankenhaus 115 Kapitel VIII • Die Zusammenarbeit zur Sicherung der ärztlichen und pflegerischen Versorgungskontinuität und Versorgungskoordination von außerklinischer Intensivpflege119 Kapitel IX • Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft und persönliches Budget 125 9.1 Die Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft125 9.2 Das persönliche Budget 126 129 131
Paragrafenverzeichnis SGB V mit Erläuterungen
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Verzeichnis der Regelungen der AKI-RL erläutert
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Autor135 Abkürzungsverzeichnis AKI Außerklinische Intensivpflege BSG Bundessozialgericht BSGE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BT Bundestag G-BA Gemeinsamer Bundesausschuss GG Grundgesetz HKP Häusliche Krankenpflege IfSG Infektionsschutzgesetz IPReG Intensivpflege- und Rehabilitationsgesetz LSG Landessozialgericht
OPS Operationen- und Prozedurenschlüssel PflBG Pflegeberufegesetz RISG Entwurf eines Rehabilitations- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz RL Richtlinie SGB I 1. Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil SGB V 5. Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung SGB IX 9. Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen SGB XI 11. Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Kapitel X • Zuzahlungen Kapitel XI • Evaluation der Umsetzung und der AKI-RL
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Leseeinladung Nach langen teilweise sehr kontroversen Auseinandersetzungen über das RISG und den ersten Entwurf des GKV-IPReG ist die gesetzliche Änderung in der außerklinischen Intensivpflege durch die Veröffentlichung der AKI-RL durch den G-BA in der praktischen Umsetzungsphase angekommen. Versicherte und Leistungserbringer können sich nun auf die weiteren Konkretisierungsschritte, insbesondere die Verhandlungen um die notwendigen Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 SGB V konzentrieren, und so auf die Anwendung des § 37c SGB V vorbereiten. Die Arbeitspapiere aus den Diskussionen zur parlamentarischen Beratung der verschiedenen Gesetzesentwürfe können getrost der Zunft der Historikerinnen und Historiker übergeben werden. Es ist nun der Zeitpunkt gekommen von den Mythen aus den politischen Diskussionen im Rahmen der Gesetzentwürfe zur außerklinischen Intensivversorgung Abschied zu nehmen. Weder werden durch die gesetzliche Definition weitere, andere oder verbesserte Leistungen gewährt noch bestehende Probleme bei der Verordnung und Genehmigung der außerklinischen Intensivpflege gelöst. Vor allem aber gehen nun nicht alle gesetzlichen Ansprüche in der außerklinischen Intensivpflege auf § 37c SGB V über und ebenso ist die außerklinische Intensivpflege nicht gleichzusetzen mit der Beatmungspflege oder der Versorgung eines Tracheostomas. Festzustellen ist hingegen, dass durch die Einführung des neuen gesetzlichen Anspruchs auf § 37c SGB V sich der Leistungsumfang für die außerklinische Intensivpflege insgesamt nicht verändert hat. Der Leistungsumfang der außerklinischen Intensivpflege entspricht dem bisherigen des § 37 SGB V in Verbindung mit der HKP-RL, denn die bisherigen Regelungen zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege für Versicherte mit intensivpflegerischem Versorgungsbedarf wurden in einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege überführt,1 aber weder beschränkt noch erweitert. Zu bemängeln ist, dass die bisher bestehenden Probleme in der Definition, den Voraussetzungen und der Finanzierung im Zusammenhang mit Leistungen der pflegerischen Intensivversorgung, namentlich der Leistungen der sogenannten Phase F, durch die Einfügung des § 37c SGB V nicht gelöst wurden. Die Leistungen nach § 37 SGB V und § 37c SGB V stehen nebeneinander. Da der Gesetzgeber in § 37c Abs. 1 Satz 2 SGB V einen außerordentlich engen Begriff der außerklinischen Intensivpflege gewählt hat, sind weiterhin Leistungen einer intensiven Behandlungspflege über § 37 SGB V zu verordnen, von den Krankenkassen zu genehmigen und zu finanzieren. Ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, der den Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V auslöst, liegt nur vor, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist. Der G-BA fasst diesen Befund in den tragenden Gründen zur 1
6
BT-Drucksache 19/19368, S. 2.
Begründung der AKI-RL zusammen2: „Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege gemäß § 37c SGB V in Verbindung mit der AKI-RL ersetzt den Anspruch auf spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V in Verbindung mit der HKP-RL (bis zum 31.10.2023: Nr. 24 Leistungsverzeichnis HKP-RL).“ Der bislang leistungsberechtigte Personenkreis wird durch die Einfügung des § 37c SGB V weder ausgeweitet noch eingeengt.3 Die gleichwohl beachtlichen Verbesserungen der gesetzlichen Regelung der außerklinischen Intensivpflege greifen die publizistisch aufbereiteten Missstände auf und betreffen die Maßnahmen zur Beatmungsentwöhnung durch eine fortgesetzte Feststellung der Entwöhnungspotenziale, die Finanzierung von Leistungen in der vollstationären Pflege – und damit die Abkehr von der Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XI und den Einstieg in eine Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege durch die Krankenkassen in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die Festlegung der ärztlichen Qualitätsanforderungen zur Potenzialerhebung und Verordnung sowie die Sicherstellung der ärztlichen und pflegerischen Versorgungskontinuität und Versorgungskoordination. Weiterhin umstritten dürfte in der praktischen Anwendung die Frage des Leistungsortes sein, wobei die „berechtigten“ Wünsche der Versicherten den Ausschlag geben sollen und nicht – wie noch das RISG plante – der vollstationären Pflege aus finanziellen Gründen der Vorrang gebührt. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers hat die gesetzliche Regelung auch den Zweck vor dem Hintergrund des bestehenden Fachkräftemangels in den Pflegeberufen die vorhandenen Fachkräfte möglichst so einzusetzen, dass allen Versicherten eine bestmögliche Versorgung ermöglicht wird. Die stationäre Versorgung, die grundsätzlich einen effizienten Einsatz des vorhandenen Pflegepersonals ermöglicht, soll daher gestärkt werden.4 Durch diese „Personaleinsatzeffizienz“ prognostiziert der Gesetzgeber durch die gesetzliche Änderung Kosteneinsparungen in einem niedrigen bis mittleren dreiPflegeeinrichtungen oder in speziellen Intensivpflege-Wohneinheiten pro Jahr.5 Allen genannten Hinweisen soll im Folgenden ausführlich nachgegangen werden, um die rechtssichere Anwendung der neuen Vorschriften zu ermöglichen, vor allem um die praktische Anwendung vorzubereiten und konzeptionelle Anpassungen oder Änderungen in der jeweiligen ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtung zu begleiten. Da es – mit Ausnahme von außerklinischen Intensivpflegen in vollstationären Pflegeeinrichtungen – bisher mit der Neuregelung keine praktische Erfahrung geben kann, werden die Begründungen der Bundesregierung für die verschiedenen Gesetzentwürfe und die Beschlussfassung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages herangezogen, vor allem aber die veröffentlichten tragenden Gründe des G-BA für die Regelungen der 2 3 4 5
Intensivpflege und das GKV-IPReG
stelligen Millionenbetrag durch eine steigende Leistungserbringung in vollstationären
G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 3 (2.2 zu Abs. 1). G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 9 (2.5 zu Abs. 1). BT-Drucksache 19/19368, S. 30. BT-Drucksache 19/19368, S. 4.
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AKI-RL. In gewohnt transparenter Art und Weise informiert der G-BA öffentlich leicht zugänglich und ausführlich, wie die Regelungen der Richtlinie zustande gekommen sind und warum. Diese Art der Aufbereitung ist beispielgebend und erleichtert die Anwendung der neuen Regelungen enorm, so dass dem G-BA mein Dank gilt. Die tragenden Gründe sind daher an vielen Stellen mit Hinweis auf die Fundstelle verwendet worden. Den entscheidenden Impuls für dieses Buch gab in vielen Gesprächen zu diesem Thema der Chefredakteur der Häuslichen Pflege Lukas Sander. Die Durchsicht des Textes und die Erstellung des Registers für die AKI-RL gewährleistete meine Frau Inka Richter. Neben den vielen Hinweisen und inhaltlichen Diskussionen meiner Kolleginnen und Kollegen, meinen Mandanten, den Inhabern und Geschäftsführungen von ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, vielen Verbandsvertreterinnen und -vertretern sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kongresse Außerklinische Intensivpflege (KAI) bin ich diesen beiden zum besonderen Dank verpflichtet. Für Wünsche und Anregungen bin ich Ihnen – den Leserinnen und Lesern – dankbar. Sie erreichen mich unter: RICHTERRECHTSANWÄLTE Prof. Ronald Richter Mönckebergstr. 17 20095 Hamburg [email protected] Hamburg, im März 2022
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Ronald Richter
Kapitel I • Was regelt der neue Anspruch auf außerklinische Intensivpflege konkret? – Und ein Blick zurück 1.1 Die neue Regelung des § 37c SGB V Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V wurde durch das GKVIPReG6 mit Wirkung ab dem 29.10.2020 eingefügt. Die Vorschrift begründet keinen neuen Leistungsanspruch für Versicherte mit besonders hohem Behandlungsbedarf, sondern definiert erstmalig legal (also im Gesetz) den leistungsrechtlichen Anspruch – wie wir im Folgenden sehen werden, einen engen oder eingeschränkten – auf außerklinische Intensivpflege, regelt also, welche (intensiv-)pflegerischen Verrichtungen als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 37c SGB V gewährt werden. Versicherte mit außerklinischen, intensivpflegerischen Versorgungsbedarfen erhalten künftig die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege auf Grundlage des § 37c SGB V. Diese Verrichtungen der häuslichen Krankenpflege werden insoweit aus dem § 37 SGB V ausgegliedert und über den neuen Anspruch nach § 37c SGB V erbracht. Der anspruchsberechtigte Personenkreis nach § 37c SGB V ist im Wesentlichen der Personenkreis, der nach bisherigem Recht aufgrund eines besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege auch bei Unterbringung in stationären Pflegeeinrichtungen ausnahmsweise Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V hatte. Insoweit wird nach Auffassung des Gesetzgebers auf die bestehende, bewährte Abgrenzung des Anwendungsbereichs zurückgegriffen.7 Bei der Einführung diePersonengruppen mit besonders hohem Versorgungsbedarf (z. B. Wachkomapatienten, Dauerbeatmete) zur Übernahme der Kosten für die Behandlungspflege durch die Krankenkassen, die nach § 132a Abs. 4 SGB V Verträge mit den vollstationären Pflegeeinrichtungen zu schließen haben, bestimmt sei.8 Nach der bisherigen Beschreibung in der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL) des G-BA besteht ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist, insbesondere weil
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Intensivpflege und das GKV-IPReG
ses Anspruchs war betont worden, dass dieser Anspruch für besondere, eng begrenzte
BGBl. I 2020, S. 2220. BT-Drucksache 19/19368, S. 23. BT-Drucksache 16/3100, S. 105.
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– behandlungspflegerische Maßnahmen in ihrer Intensität oder Häufigkeit unvorhersehbar am Tag und in der Nacht erfolgen müssen oder – die Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes am Tag und in der Nacht erforderlich ist. Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen kann demnach nicht allein auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Tracheostomas abgestellt werden.9 Diese Beschreibung übernimmt § 37c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V:
§
37c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V: Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an
medizinischer Behandlungspflege haben Anspruch auf außerklinische Intensivpfle-
ge. Ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege liegt vor, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist.
ACHTUNG Der Anspruch aus § 37c SGB V übernimmt aus dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege des § 37 SGB V nur die Verrichtungen der außerklinischen Intensivpflege, die bisher ausnahmsweise zu einem Anspruch auf medizinischer Behandlungspflege zulasten der gesetzlichen Krankenkassen in vollstationären Pflegeeinrichtungen führten. Die Anspruchsvoraussetzungen der außerklinischen Intensivpflege sind in § 37c
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Abs. 1 Satz 1 bis 4 SGB V normiert und werden in § 1 Abs. 1 bis 5 AKI-RL konkretisiert.
§
1 Abs. 1 Sätze 1 – 6 AKI-RL: Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Anspruch auf außerklinische Intensivpflege, sofern sie die
Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 AKI-RL erfüllen. Ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege liegt vor, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft im gesamten Versorgungszeitraum erforderlich ist. Medizinische Behandlungspflege sind Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die dazu dienen, Krankheiten zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern und die im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege an geeignete Pflegefachkräfte delegiert werden können. Geeignet sind Pflegefachkräfte, die für die Versorgung von Personen mit einem Bedarf von außerklinischer Intensivpflege besonders qualifiziert sind. Das Nähere regeln die Rahmenempfehlungen nach § 132l SGB V 9
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BT-Drucksache 19/19368, S. 27.
Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege gemäß § 37c SGB V in Verbindung mit der AKI-RL ersetzt den Anspruch auf spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V in Verbindung mit der HKP-RL Nr. 24 Leistungsverzeichnisses HKP-RL. Aus den durchnummerierten Verrichtungen des Leistungsverzeichnisses der HKP-RL, die bisher der außerklinischen Intensivpflege zugeordnet wurden, wird lediglich die spezielle Krankenbeobachtung in der HKP-RL [➔ 2.1] gestrichen und in § 37c SGB V überführt.
Überführung auf § 37c SGB V: 24 [Krankenbeobachtung],
Anlage zur HKP-RL: 6 [Absaugen], 8 [Beatmungsgerät], 24 [Krankenbeobachtung], 24a [Symptomkontrolle bei Palliativpatientinnen oder Palliativpatienten] und 29 [Trachealkanüle] in Frage.
In zeitlicher Hinsicht bezieht sich die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft auf den täglich erforderlichen Leistungsumfang und somit auf den gesamten Versorgungszeitraum der außerklinischen Intensivpflege. Dieser kann eine Versorgung rund um die Uhr beinhalten oder auf bestimmte Zeiträume beschränkt sein.10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts11 gehören zur Bederlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen ty-
Kapitel I
handlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erfor-
pischerweise nicht von einer Ärztin oder einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden. Die Begriffe „medizinische Behandlungspflege“ und „Behandlungspflege“ werden synonym verwendet.12 Im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege kann medizinische Behandlungspflege nur durch geeignete Pflegefachkräfte erbracht werden (§ 37c Abs. 1 Satz 2 SGB V). § 1 Abs. 1 Satz 4 AKI-RL greift die gesetzliche Formulierung auf und konkretisiert, dass eine Eignung für die Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege eine besondere Qualifikation erfordert. Diese Festlegung ist notwendig, da in der Versorgung bisher teilweise 10 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 3 (2.2 zu Abs. 1). 11 vgl. BSG, Urt. v. 17.3.2005, B 3 KR 35/04 R = BSGE 94, 205. 12 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 3 (2.2 zu Abs. 1).
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nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt werde.13 Die Anforderungen an die Eignung des eingesetzten Personals sind in den Rahmenempfehlungen gemäß § 132l SGB V zu regeln [➔ 6.3]. Darauf nimmt § 1 Abs. 1 Satz 5 AKI-RL Bezug. Der Gesetzgeber begründet die Notwendigkeit für die Neuregelung einerseits mit dem Bedeutungszuwachs der außerklinischen Intensivpflege und andererseits mit den zutage getretenen Qualitätsmängeln. Die Bedeutung der außerklinischen Intensivpflege hat in der jüngeren Vergangenheit stark zugenommen. Bedingt durch den medizinischen Fortschritt und das hohe Versorgungsniveau in Deutschland wird eine zunehmende Anzahl von Versicherten aus der Krankenhausbehandlung entlassen, die weiterhin einen intensivpflegerischen Versorgungsbedarf haben. Für das Jahr 2018 verzeichnen die GKV-Statistiken ca. 19.100 Leistungsfälle in der ambulanten und ca. 3.400 Leistungsfälle in der stationären Intensivpflege und Leistungsausgaben in Höhe von rd. 1,9 Mrd. Euro. Allerdings liegen Hinweise auf eine bestehende Fehlversorgung im Bereich der außerklinischen Intensivpflege vor. Dies betrifft insbesondere die ambulante Versorgung von Beatmungspatientinnen und Beatmungspatienten sowie Patientinnen und Patienten mit Tracheostoma und die fehlende Ausschöpfung von Potenzialen zur Beatmungsentwöhnung sowie zur Dekanülierung. Die Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB e. V.) geht in einem Positionspapier zusammen mit weiteren medizinischen Fachgesellschaften davon aus, dass die Verordnung einer 24-stündigen ambulanten Intensivpflege wegen eines Tracheostomas mit oder ohne Beatmung in vielen Fällen nicht notwendig ist, da keine Indikation für ein Tracheostoma bzw. eine invasive außerklinische Beatmung besteht.14 Hingegen zeigen auch die Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes in ambulanten Pflegediensten, die Versicherte mit Intensivpflegebedarf in ihrer eigenen Häuslichkeit oder in organisierten Wohneinheiten versorgen, Optimierungsbedarf in
Intensivpflege und das GKV-IPReG
der Versorgungsqualität auf. So hat beispielsweise eine Überprüfung von insgesamt 905 ambulanten Pflegediensten, die mindestens einen Versicherten Rund-um-die-Uhr, d. h. mit spezieller Krankenbeobachtung versorgen, u. a. ergeben, dass bei 20 Prozent der Personen, bei denen durch einen ambulanten Pflegedienst die spezielle Krankenbeobachtung durchgeführt wurde, die Versorgung nicht sachgerecht war (z. B. waren Schwellenwerte von Vitalparametern nicht dokumentiert, bei denen behandlungspflegerische Interventionen erfolgen müssen, Alarmgrenzen für die transcutane Sauerstoffsättigungsmessung waren nicht korrekt eingestellt, Verlaufskontrollen hinsichtlich Bewusstseinszustand, Beobachtung auf Ödeme, Schlafqualität, Atemgasbefeuchtung, Körpergewicht, Muskulatur, Bilanzierung wurden nicht durchgeführt). Auch aus der Presseberichterstattung liegen verschiedene Hinweise darauf vor, dass gerade in der 13 BT-Drucksache 19/19368, S. 22. 14 Positionspapier zur aufwendigen ambulanten Versorgung tracheotomierter Patienten mit und ohne Beatmung nach Langzeit-Intensivtherapie (sogenannte ambulante Intensivpflege), in: Pneumologie 2017; 71: 204-206.
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ambulanten Intensivpflege in der eigenen Häuslichkeit in manchen Fällen nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt wird.15 Die bestehenden Qualitäts- und Versorgungsmängel in der außerklinischen Intensivpflege gefährden nicht nur die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten, sondern schaden auch der Solidargemeinschaft aller Krankenversicherten. An die bedarfsgerechte Versorgung von Versicherten in der außerklinischen Intensivpflege sind daher besondere Anforderungen zu stellen. Deshalb wird mit § 37c SGB V der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege neu geregelt. Ziel dieser Neuregelung ist es, – die besonderen Bedarfe intensivpflegebedürftiger Versicherter angemessen zu berücksichtigen und diesen durch eine sachgerechte Allokation vorhandener Ressourcen Rechnung zu tragen, – eine qualitätsgesicherte und wirtschaftliche Versorgung nach aktuellem medizinischem und pflegerischem Standard zu gewährleisten und – Fehlanreize und Missbrauchsmöglichkeiten zu beseitigen.16 Um insbesondere bestehende Weaning- bzw. Dekanülierungspotenziale bei beatmeten bzw, trachealkanülierten Versicherten noch besser auszuschöpfen, Fehlanreize in der außerklinischen Intensivpflege zu beseitigen und bestehende Qualitäts- und Versorgungsmängel zu beheben, wurde die außerklinische Intensivpflege in eine eigenständige Leistung nach § 37c SGB V überführt. Damit Versicherte, die auf eine außerklinische Intensivpflege angewiesen sind, künftig besser versorgt werden, hat der G-BA die entsprechenden Rahmenbedingungen definiert [➔ 1.2]. Die Regelungen zum neu ausgestalteten Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege umfassen, ausgerichtet an dem Bedarf und dem individuellen Therapieziel der oder des Versicherten, insbesondere folgende Inhalte17:
– Anforderungen an die Verordnung und die Qualifikation der verordnenden sowie potenzialerhebenden Ärztinnen oder Ärzte, – Regelungen zur engen Vernetzung und Absprache aller an der Versorgung betei-
Kapitel I
– Ziele und Inhalte der außerklinischen Intensivpflege,
ligten Ärztinnen und Ärzte, Pflegenden, Gesundheitsfachberufe, wie zum Beispiel Ergo- und Physiotherapeutinnen und Ergo- und Physiotherapeuten, Logopädinnen und Logopäden oder Hilfsmittelversorger und – Regelungen zur Überleitung aus der stationären Versorgung in die außerklinische Intensivpflege im Rahmen des Entlassmanagements sowie die Berücksichtigung unterschiedlicher Krankheitsbilder und Patientengruppen.
15 Etwa Ärzteblatt vom 14.5.2019: „Razzia wegen Abrechnungsbetrug bei Intensivpflege“. 16 BT-Drucksache 19/19368, S. 21f. 17 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 2 (2.1).
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1.2 Die Konkretisierung des gesetzlichen Anspruchs durch die AKI-RL Die Konkretisierung des gesetzlichen Leistungsanspruchs und damit den ersten Umsetzungsschritt übernimmt der Gemeinsame Bundesausschuss, wobei der Gesetzgeber in § 37c Abs. 1 Satz 8 SGB V den Regelungsbereich und damit die Kompetenz des G-BA für den Erlass der AKI-RL sehr genau vorgegeben hat.
§
37c Abs. 1 Satz 8 SGB V: Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V bis zum 31. Oktober 2021 jeweils für
Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, für junge Volljährige, bei denen ein Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters weiterbesteht oder ein typisches Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters neu auftritt oder ein dem Kindesalter entsprechender psychomotorischer Entwicklungsstand vorliegt, und für volljährige Versicherte getrennt das Nähere zu Inhalt und Umfang der Leistungen sowie die Anforderungen 1. an den besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege nach § 37c Abs. 1 Satz 2 SGB V, 2. an die Zusammenarbeit der an der medizinischen und pflegerischen Versorgung beteiligten ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringer, insbesondere zur Sicherstellung der ärztlichen und pflegerischen Versorgungskontinuität und Versorgungskoordination, 3. an die Verordnung der Leistungen einschließlich des Verfahrens zur Feststellung des Therapieziels nach § 37c Abs. 1 Satz 5 SGB V sowie des Verfahrens zur Erhebung und Dokumentation des Entwöhnungspotenzials bei Versicherten, die beat-
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met werden oder tracheotomiert sind und 4. an die besondere Qualifikation der Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte, die die Leistung verordnen dürfen. Am 19.11.2021 hat der Gemeinsame Bundesausschuss die erste Fassung der Außerklinischen Intensivpflege Richtlinie (AKI RL) beschlossen und somit den gesetzlichen Auftrag aus § 37c Abs. 1 Satz 8 SGB V umgesetzt. Die AKI-RL wurde am 19.02.2022 durch das Bundesministerium für Gesundheit genehmigt. Sie ist in Kraft getreten und ist für alle Krankenkassen, Versicherten und die Leistungserbringer nach Veröffentlichung am 17.3.2022 im Bundesanzeiger18 am 18.3.2022 unmittelbar verbindlich (§ 1 Abs. 6 AKI RL).
18 BAnz AT 17.03.2022.BZ
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§
1 Abs. 6 AKI-RL: Diese Richtlinie ist gemäß § 91 Abs. 6 SGB V für die Träger des Gemeinsamen Bundesausschusses, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten
und die Leistungserbringer verbindlich. Der zunächst vorgesehene Regelungsauftrag an den G-BA zur Qualifikation der Leistungserbringer wurde vom Gesundheitsausschuss (14. Ausschuss) des Deutschen Bundestages gestrichen, da ein Regelungsauftrag zur besonderen Qualifikation der verordnenden Vertragsärztinnen und Vertragsärzte in der gesetzlichen Regelung enthalten ist und die Qualifikationsanforderungen in der pflegerischen Versorgung in den Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 und 2 SGB V zu regeln sind.19
ACHTUNG Die wichtigste Frage in den nun anstehenden Verhandlungen zwischen den in § 132l Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Organisationen und Verbänden in den Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 und 2 SGB V sind neben den Grundsätzen zur Vergütung in den verschiedenen Leistungsbereichen die Qualifikationsanforderungen in der pflegerischen Versorgung [➔ 6.3]. Die Antworten auf diese Fragen regeln den Marktzugang der Leistungserbringer in der außerklinischen Intensivpflege.
Die Grundsätze aus den Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 und 2 SGB V werden den konkreten Versorgungsverträgen der Leistungserbringer mit den örtlichen Krankenkasse nach § 132l Abs. 5 SGB V zugrunde gelegt, wie § 132l Abs. 1 Satz 4 SGB V ausdrücklich anordnet. Der G-BA hat die in § 37c Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 bis 4 SGB V genannten Regelungsgegen-
– Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, – junge Volljährige, bei denen ein Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters weiter besteht oder ein solches neu auftritt oder ein dem Kindesalter entspre-
Kapitel I
stände getrennt für
chender psychomotorischer Entwicklungsrückstand gegeben ist und – volljährige Versicherte zu regeln. Die vorgenommene Differenzierung soll den unterschiedlichen Bedarfen in verschiedenen Lebensphasen Rechnung tragen.20
19 BT-Drucksache 19/20720, S. 55. 20 BT-Drucksache 19/19368, S. 28.
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1.3 Der Blick zurück: Der Kampf gegen das RISG Im August 2019 hatte das Bundesministerium für Gesundheit einen Referentenentwurf eines Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetzes (RISG) vorgelegt. Nach einer kontroversen Anhörung der Fachverbände21 hat das Bundesministerium für Gesundheit im Dezember 2019 den Referentenentwurf zurückgezogen und einen vollständig überarbeiteten Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegeben und dabei auch den Namen des Gesetzes geändert. Beweggründe für die gesetzgeberische Initiative in der außerklinischen Intensivpflege waren nach der Auskunft der Bundesregierung22 bestehende Qualitäts- und Versorgungsmängel, die nicht nur die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten gefährden sollten, sondern auch der Solidargemeinschaft aller Krankenversicherten schaden würden. Auch die hohe Zahl von aus dem Krankenhaus als Beatmungspatientinnen und Beatmungspatienten entlassenen Patientinnen und Patienten wurde kritisch bewertet. Als Gründe wurden insbesondere Fehlanreize und Versorgungslücken im Übergang von stationärer zur ambulanten Behandlung ausgemacht. Soweit keine qualifizierte Entwöhnung erfolge oder diese während der ursprünglichen Indikation für stationäre Behandlung erfolglos bleibe, bestehe das Risiko, dass die Patientinnen und Patienten dauerhaft Beatmungspatientinnen und Beatmungspatienten bleiben würden, was vor allem erhebliche Einbußen der Lebensqualität der Betroffenen bedeute, daneben aber auch hohe Kosten für die Versichertengemeinschaft verursache. Daher verfolge der Gesetzgeber in Hinblick auf die genannten Entwicklungen im Wesentlichen folgende Ziele: – Es sollen klare Anreize gesetzt werden, Patientinnen und Patienten von der Beat-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
mung zu entwöhnen. Dies dient nicht nur der Gesundheit des Einzelnen. Ohne Beatmungsgerät wird auch die Teilhabe an der Gemeinschaft entscheidend verbessert oder gar erst ermöglicht. – Betroffene, die gegenwärtig allein wegen hoher Eigenanteile von einer spezialisierten stationären Pflege Abstand nehmen, sollen entscheidend entlastet werden. – Die Qualität der ambulanten intensivmedizinischen Versorgung soll durch stärkere Regulierung deutlich verbessert und vorhandener Missbrauch bekämpft werden. Gleichzeitig sollen die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände einschließlich der gewünschten Wohnform angemessen berücksichtigt werden, um damit den betrof-
21 Die Stellungnahmen zum Referentenentwurf zum Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz sind dokumentiert und abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/guv-19-lp/stellungnahmen-refe/risg.html [zuletzt abgerufen am 30.1.2022]. 22 BT-Drucksache 19/14487 – Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 19/13792.
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„Atemlos – ab ins Heim“, Demonstration am 15.10.2019 vor dem Bundesministerium für Gesundheit, Foto: Asim Loncaric
fenen Patientinnen und Patienten auch weiterhin Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.23 Die verfassungsrechtlich problematische und eindeutig rechtswidrige Grundidee des RISG war der Regelungsentwurf, dass außerklinische Intensivpflege künftig regelhaft in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die Leistungen nach § 43 SGB XI erbringen, werden sollte. Ein Anspruch auf außerklinische Intensivpflege in der eigenen Häuslichkeit war nur in Ausnahmefällen vorgesehen, wenn beispielsweise eine Unterbringung in einer vollstationären Pflegeeinrichtung oder einer Gemeinschafts-Wohneinheit nicht
Kapitel I
oder in qualitätsgesicherten sogenannten Intensivpflege-Wohngemeinschaften erbracht
zumutbar oder nicht möglich wäre, beispielsweise weil keine geeignete Einrichtung zur Verfügung stehe. In diesen Fällen sollte auch weiterhin ein Anspruch auf Versorgung in der eigenen Häuslichkeit, der Familie bzw. sonst an einem geeigneten Ort bestehen. Bei der Entscheidung über die Zumutbarkeit sollten persönliche, familiäre und örtliche Umstände lediglich angemessen berücksichtigt werden, etwa bei der Versorgung von minderjährigen Kindern. Eine Trennung von ihrer Familie wurde als nicht zumutbar
23 BT-Drucksache 19/14487, S. 3.
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benannt, wenn die Betroffenen eine Versorgung im Haushalt, in der Familie des Versicherten oder sonst an einem geeigneten Ort wünschen.24 Mit einer derartigen Regelung wäre eine regelhafte Versorgung von Patientinnen und Patienten der außerklinischen Intensivpflege in der eigenen Häuslichkeit oder dem Haushalt der Familie nur noch für Kinder und Jugendliche, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, möglich gewesen. Alle anderen Betroffenen hätten eine strenge Zumutbarkeitsprüfung absolvieren müssen, bevor ihre Krankenkassen die Finanzierung hätten sicherstellen müssen, ein geradezu unerträglicher Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Nachdem das Bundesministerium für Gesundheit zunächst zugestanden hatte erforderliche Änderungen und Klarstellungen, auch im Hinblick auf die Fragen der Selbstbestimmung und Teilhabe, in einen Gesetzentwurf einzuarbeiten, wurde schnell deutlich, dass der Gesamtregelungsansatz des RISG verworfen werden muss. Eine besonders aufwendige Leistungserbringung in der eigenen Häuslichkeit oder sonst an einem geeigneten Ort sollte auch weiterhin nur möglich sein, wenn dadurch nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften und Mitteln des Versicherten Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht werden und die medizinisch-pflegerische Versorgung an diesem Ort sichergestellt ist. Diese Voraussetzungen sollten durch die Medizinischen Dienste geprüft werden. Auch dieser einschränkende Regelungsansatz, der eine intensivpflegerische Versorgung in der eigenen Häuslichkeit nur für Versicherte vorsehen wollte, die trotz Beatmung in der Lage sind, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten, wie beispielsweise Patientinnen und Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen oder beatmete Patientinnen und Patienten mit erhaltener Motorik, wurde schließlich verworfen. Letztlich, gesetzlich geregelt wurden die möglichen Leistungsorte [➔ 4] der außerklinischen Intensivpflege in § 37c Abs. 2 SGB V als bloßer Vorschlag. Sie können von den Versicherten im Rahmen ihrer berechtigten Wünsche ohne gesetzliche Vorgabe frei gewählt werden, wobei der Medizinische Dienst zu prüfen hat, ob und wie die medizinische und pflegerische Versorgung am Ort der Leistung sichergestellt ist [➔ 4.5]. Wichtige Anliegen des RISG wie die besondere Qualifikation der verordnenden Ärztinnen und Ärzte sowie die Potentialerhebung wurden in das weitere Gesetzgebungsverfahren übernommen.
24 Referentenentwurf eines RISG, S. 22; abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/ Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/R/Referentenentwurf_RISG.pdf [zuletzt abgerufen am 30.1.2022].
18
Kapitel II • Die Umsetzung des neuen
Anspruchs – Was gilt ab wann?
2.1 Der Zeitplan für die Umsetzung Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V kann erst nach Abschluss der erforderlichen Umsetzungsschritte wie der Erstfassung der Richtlinie über die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege (AKI-RL) des G-BA nach § 37c Abs. 2 Satz 1 SGB V sowie der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen auf Bundesebene und individuell-konkreten Versorgungsverträgen nach § 132l Abs. 1, 2 und 5 SGB V verordnet und so den Versicherten zur Verfügung gestellt werden.25 Bis die einzelnen Umsetzungsschritte verhandelt, veröffentlicht, genehmigt und damit in Kraft gesetzt worden sind, gelten die bekannten Regelungen nach § 37 Abs. 2 SGB V fort. Bis zum 31.10.2023 ändert sich daher der bekannte Ablauf jedenfalls im ambulanten Bereich nur schrittweise. Bis zum 1.1.2023 können die Leistungen – wie bisher – als häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V verordnet werden, da eine Verordnung der außerklinischen Intensivpflege auf der Basis des § 37c SGB V erst mit diesem Datum möglich sein wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 AKI RL).
Zeitplan zur Umsetzung In-Kraft-treten 29.10.2020
AKI-RL G-BA Ende 2021
Verordnung nach § 37c SGB V
Abschluss Einzelverträge § 132l Abs. 5 SGB V
§
14 Abs. 1 AKI-RL: Die Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Verordnungen von Leistungen der außerklinischen Intensiv-
pflege nach dieser Richtlinie erfolgen ab dem 1. Januar 2023. Bis zu diesem Zeitpunkt werden Verordnungen zur außerklinischen Intensivpflege nach der Häusliche Kranken-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Rahmenempfehlungen § 132l SGB V 10/2022
pflege-Richtlinie verordnet. 25 BT-Drucksache 19/20720, S. 54.
19
ACHTUNG Bis zum 31.12.2022 ändert sich hinsichtlich der gesetzlichen Grundlagen zur Verordnung von Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nichts! Ärztliche Verordnungen von Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach den Regelungen der HKP-Richtlinie, die vor dem 1.1.2023 ausgestellt wurden, verlieren ab dem 31.10.2023 ihre Gültigkeit. Eine korrespondierende Übergangsregelung wurde in der § 1a HKP-RL aufgenommen und damit eine kontinuierliche Möglichkeit der Verordnung der Leistungen sichergestellt.
§
1a HKP-RL: Verordnungen von Leistungen der außerklinischen Intensivpflege bei besonders hohem Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, bei denen die ständige Anwe-
senheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft im Sinne des § 37c Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist, erfolgen ab dem 1. Januar 2023 nach den Regelungen der Richtlinie über die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V. Verordnungen von Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach den Regelungen der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie, die vor dem 1. Januar 2023 ausgestellt wurden, verlieren ab dem 31. Oktober 2023 ihre Gültigkeit.
INFO Wann ändert sich etwas? • Für Versicherte: Ärztliche Verordnungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c SGB V ab 1.1.2023 möglich. • Für ambulante Leistungserbringer: Abschluss der Versorgungsverträge nach
Intensivpflege und das GKV-IPReG
§ 132l Abs. 5 SGB V ab November 2022 möglich, nachdem die (Bundes-)Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 und 2 SGB V vereinbart wurden. • Für stationäre Leistungserbringer: Die Finanzierung über die Krankenkassen nach §§ 37c Abs. 3, 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V gilt seit dem 29.10.2020.
Erst ab dem 1.1.2023 sind voraussichtlich alle Voraussetzungen erfüllt, um eine Verordnung von Leistungen der außerklinischen Intensivpflege auf Basis der AKI-RL zu ermöglichen. Die umfassende Neugestaltung der bisherigen Versorgungslandschaft einschließlich der Implementierung sektorenübergreifender Versorgungspfade werden erstmalig umzusetzen sein.26 Es sind umfangreiche Schritte zur Vorbereitung notwendig, um eine koordinierte Einführung dieser Versorgungsleistungen zu ermöglichen.
26 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über eine Änderung der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie: Übergangsregelung und Anpassung zur außerklinischen Intensivpflege v. 19.11.2021, S. 3.
20
2.2 Vorgezogen: Die Leistungen in vollstationären Pflegeeinrichtungen Die Finanzierung der außerklinischen Intensivpflege war bisher gespalten zwischen der ambulanten Versorgung in der eigenen Häuslichkeit („1:1“) oder in Wohngemeinschaften und der vollstationären Leistungserbringung. Während im ambulanten Pflege-Setting die medizinisch notwendigen Leistungen über § 37 Abs. SGB V grundsätzlich insgesamt finanziert wurden, entfaltete § 43 SGB XI eine finanzielle Sperrwirkung, da die medizinische Behandlungspflege Bestandteil des pflegerischen Teilleistungsbudgets der sozialen Pflegeversicherung ist. Daher erhielt ein Versicherter, dem der Pflegegrad 5 zuerkannt wurde, ein monatliches Budget von 2.005,00 €. Zusätzlich regelte § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V zwar einen Zuschlag für die Leistung der medizinischen Behandlungspflege, der aber finanziell nicht die Lücke zu einer Vollfinanzierung vollständig schließen konnte. Diese Diskrepanz war zunehmend als „Gerechtigkeitslücke“ empfunden worden.
Der Leistungsumfang am Leistungsort „vollstationäre Pflegeeinrichtung“ Zur Beseitigung fiskalischer Fehlanreize im Bereich der außerklinischen Intensivpflege sieht § 37c Abs. 3 SGB V vor, dass die Krankenkassen Versicherte in stationären Pflegeeinrichtungen von Eigenanteilen entlasten, die sie ansonsten bei der Wahl dieser Versorgungsform aufgrund der Teilabsicherung in der sozialen Pflegeversicherung zu tragen hätten.27 Die Versorgung in einer vollstationären Pflegeeinrichtung, die Leistungen nach § 43 SGB XI erbringt, soll deshalb für die Versicherten künftig nicht mit finanziellen Belastungen verbunden sein, die erheblich höher sind als in der ambulanten Versorgung. charakters der Pflegeversicherung selbst zu tragen haben, werden daher durch punktuelle Erweiterungen des GKV-Leistungsanspruchs ausgeglichen.28
§
Kapitel II
Die Beträge, die Versicherte bei einer stationären Versorgung aufgrund des Teilleistungs-
37c Abs. 3 Satz 1 SGB V: Erfolgt die außerklinische Intensivpflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung, die Leistungen nach § 43 SGB XI erbringt, umfasst
der Anspruch die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für die Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege in der Einrichtung unter Anrechnung des Leistungsbetrags nach § 43 SGB XI, die betriebsnotwendigen Investitionskosten sowie die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung nach § 87 SGB XI.
27 BT-Drucksache 19/20720, S. 54. 28 BT-Drucksache 19/19368, S. 30.
21
ACHTUNG Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege umfasst künftig bei Leistungserbringung in einer vollstationären Pflegeeinrichtung die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege in der Einrichtung, die notwendigen Investitionskosten sowie die nach § 87 SGB XI vereinbarten Entgelte für Unterkunft und Verpflegung. Die Leistungen nach § 43 SGB XI sind hierbei anzurechnen. Mit anderen Worten: Bei einer Versorgung in einer vollstationären Einrichtung trägt der Versicherte lediglich die gesetzliche Zuzahlung [➔ 10.] iHv 280,00 € pro Jahr! Diese Entlastung hätte jedoch erst wirksam werden können, wenn die erforderlichen Umsetzungsschritte (Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, Rahmenempfehlungen und Abschluss von Versorgungsverträgen) erfolgt wären. Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgt außerklinische Intensivpflege weiterhin auf Grundlage der bisherigen Regelungen des § 37 SGB V. Um den Versicherten die intendierte Entlastungswirkung aber bereits vor Ablauf der für die Umsetzung vorgesehenen drei Jahre zuteilwerden zu lassen, wurde die Regelung des § 37c Abs. 3 SGB V im Übergangszeitraum – durch Hinzufügung eines 2. Halbsatzes – auf den Zuschuss für Fälle der stationären Versorgung nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V übertragen.
§
37 Abs. 2 Satz 3 SGB V: Der Anspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zu-
gelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 SGB XI, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behand-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
lungspflege haben; § 37c Abs. 3 SGB V gilt entsprechend.
ACHTUNG Durch diesen 2. Halbsatz des § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V wirkt die finanzielle Entlastung durch § 37c Abs. 3 SGB V bereits seit dem 29.10.2020!
Der Gesetzgeber wollte jedoch mit dieser Regelung nicht nur die erkannte finanzielle „Gerechtigkeitslücke“ schließen, sondern auch die sogenannte „Personaleinsatzeffizienz“ stärken: Vor dem Hintergrund des bestehenden Fachkräftemangels in den Pflegeberufen ist es wichtig, die vorhandenen Fachkräfte möglichst so einzusetzen, dass allen Versicherten eine bestmögliche Versorgung ermöglicht wird. Die stationäre Versorgung, die grundsätzlich einen effizienten Einsatz des vorhandenen Pflegepersonals ermöglicht, soll daher gestärkt werden.29 29 BT-Drucksache 19/19368, S. 30.
22
Die weitere Leistung bei „Besserung“ des Gesundheitszustandes Bei „Besserung“ des Gesundheitszustandes und daraus resultierendem Wegfall des umfassend finanzierten Leistungsanspruchs auf außerklinische Intensivpflege haben Versicherte, bei denen noch eine Pflegebedürftigkeit des Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 vorliegt, Anspruch auf eine übergangsweise Weitergewährung von 6 Monaten des Leistungsumfangs der außerklinischen Intensivpflege in stationären Einrichtungen.
§
37c Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB V: Entfällt der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege auf Grund einer Besserung des Gesundheitszustandes, sind die Leistungen
nach § 37c Abs. 3 Satz 1 SGB V für sechs Monate weiter zu gewähren, wenn eine Pflegebedürftigkeit des Pflegegrades 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 bis 5 SGB XI festgestellt ist. Die Krankenkassen können in ihrer Satzung bestimmen, dass die Leistungen nach § 37c Abs. 3 Satz 1 SGB V unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen auch über den in Satz 2 genannten Zeitraum hinaus weitergewährt werden.
ACHTUNG Der Begriff der „Besserung“ wurde vom Gesetzgeber erkennbar zu eng gewählt und ist daher auch aufgrund der Gesetzesbegründung erweiternd im Sinne von „Veränderung“ zu verstehen. Die Regelung stellt sicher, dass kein Versicherter nach Veränderung („Besserung“) des Gesundheitszustandes abrupt aus einem bestehenden Versorgungssetting herausfällt. Der Übergangszeitraum soll insbesondere die Organisation einer geeigneten Anschlussversorgung ermöglichen.30 Die gesetzliche Regelleistung ist auf einen Zeitraum von sechs ren Zeitraum als sechs Monate vorsehen, wenn sie das zur Versorgung ihrer Versicherten für sachgerecht erachten, § 37c Abs. 3 Satz 3 SGB V. Dabei darf nicht verkannt werden, dass mit der Finanzierungsregelung des § 37c Abs.
Kapitel II
Monaten begrenzt. In ihrer Satzung können die Krankenkassen jedoch auch einen länge-
3 Satz 1 SGB V in der stationären Pflege lediglich für Versicherte bei den der enge Begriff der außerklinischen Intensivpflege [➔ 3.2.1] festgestellt wurde, eine Kostenübernahme der ärztlich verordneten Behandlungspflege durch die Krankenkassen geregelt wurde. Für alle anderen Versicherten mit einem hohen Behandlungspflegebedarf verschlechtert sich die Finanzierungssituation in stationären Einrichtungen sogar. In diesen Fällen wurde bisher der Behandlungspflegezuschlag nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V gezahlt, doch gibt es diese Regelung in ab dem 31.10.2023 geltenden Fassung des § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V [in der Fassung ab 31.10.2023] so nicht mehr.
30 BT-Drucksache 19/20720, S. 56.
23
§
37 Abs. 2 Satz 3 SGB V [in der Fassung ab 31.10.2023]: Der Anspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V besteht nicht für Versicherte mit einem besonders hohen Be-
darf an medizinischer Behandlungspflege, die Anspruch auf Leistungen nach § 37c SGB V haben, soweit diese Leistungen tatsächlich erbracht werden. Die Bezugnahme auf „solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 SGB XI“ entfällt dann vollständig, so dass es den Behandlungspflegezuschlag in vollstationären Einrichtungen nicht mehr geben wird.
ACHTUNG Versorgen vollstationäre Pflegeeinrichtungen Bewohnerinnen und Bewohner, die einen höheren, ärztlich verordneten Behandlungspflegebedarf aufweisen und daher bisher einen Behandlungspflegezuschuss nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V erhielten, muss die Finanzierung dieser Leistungen umgestellt werden. Daher sind alsbald die Verhandlungen mit den Pflegekassen und dem Träger der Sozialhilfe aufzunehmen.
24
Kapitel III • Ziele und Leistungsinhalte
der außerklinischen Intensivpflege
Die Ziele der außerklinischen Intensivpflege werden in § 2 AKI-RL beschrieben, deren Leistungen sich an schwer Erkrankte richten, die die Verordnungsvoraussetzungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 4 Abs. 1 AKI-RL [➔ 5.1] erfüllen. Da es sich bei der außerklinischen Intensivpflege um eine hochkomplexe Leistung handelt, die den Alltag der Versicherten in hohem Maß bestimmt, ist die Verbesserung der Lebensqualität neben der Erhaltung, Förderung und Verbesserung der Patienten- und Versorgungssicherheit wesentliches Ziel der Versorgung. Die Verbesserung der Lebensqualität bezieht sich auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität im Rahmen des Leistungsumfangs der Krankenkassen.
§
2 Abs. 1 AKI-RL: Die außerklinische Intensivpflege dient dem Ziel, an den in § 1 Abs. 4 AKI-RL genannten Orten im Rahmen der ambulanten ärztlichen Behandlung die Patienten-
und Versorgungssicherheit von Versicherten, die die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 AKI-RL erfüllen, nach Maßgabe ihres individuellen Bedarfs zu erhalten, zu fördern und zu verbessern. Sie dient im Rahmen des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung auch der Verbesserung der Lebensqualität.
3.1 Die Therapieziele der außerklinischen Intensivpflege Wesentliche Therapieziele der außerklinischen Intensivpflege sind die Sicherstellung die Verbesserung von Funktionsbeeinträchtigungen, die die außerklinische Intensivpflege erforderlich machen und der sich daraus ergebenden Symptome zum Erhalt und zur Förderung des Gesundheitszustandes.
Kapitel III
von Vitalfunktionen und die Vermeidung von lebensbedrohlichen Komplikationen sowie
§
2 Abs. 2 AKI-RL: Die außerklinische Intensivpflege ist auf individuelle, patientenzentrierte Therapieziele auszurichten. Therapieziele sind
1. die Sicherstellung von Vitalfunktionen, 2. die Vermeidung von lebensbedrohlichen Komplikationen sowie 3. die Verbesserung von Funktionsbeeinträchtigungen, die außerklinische Intensivpflege erforderlich machen und der sich daraus ergebenden Symptome zum Erhalt und zur Förderung des Gesundheitszustandes. Zur Feststellung der Therapieziele sind diese gemäß § 37c Abs. 1 Satz 5 SGB V iVm § 6 Abs. 2 AKI-RL bei der Verordnung mit der oder dem Versicherten zu erörtern und ausgewählte
25
Aspekte zur Erreichung der Therapieziele zu dokumentieren. Im Behandlungsplan werden die Maßnahmen zur Erreichung der Therapieziele operationalisiert.31 Die absehbar größte Gruppe von Versicherten mit Bedarf für eine außerklinische Intensivpflege in der engen begrifflichen Ausformung durch den G-BA bilden beatmete oder trachealkanülierte Versicherte, so dass für diese Patientengruppe spezifische weitere Therapieziele in § 2 Abs. 3 AKI-RL konkretisiert werden.
ACHTUNG Die beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten sind keine einheitliche Versorgungsgruppe, sondern hinsichtlich des Versorgungsaufwandes zu trennen.
§
2 Abs. 3 AKI-RL: Bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten besteht eine weitere Zielsetzung in der optimalen und individuellen Hinführung zur Dekanülierung, zur Entwöh-
nung von der invasiven Beatmung oder zur Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung. Bei im Rahmen der Erhebung nach § 5 AKI-RL festgestelltem perspektivischen Potenzial soll dieses im Verlauf der weiteren außerklinischen Versorgung, insbesondere der außerklinischen Intensivpflege, stabilisiert und gehoben werden. Hierbei sind die erforderlichen Maßnahmen mit dem Ziel 1. der ausreichenden Augmentierung der alveolären Ventilation, 2. der effektiven Therapie der Erkrankung und der Begleiterkrankungen, die zum Weaning-Versagen geführt haben, 3. der Wiederherstellung der atemmuskulären Kapazität sowie 4. der Wiederherstellung der Schluckfunktion zu ergreifen. Daraus ergeben sich insbesondere folgende unterstützende Maßnahmen: 5. die Verbesserung der Atemmechanik und des Gasaustausches,
Intensivpflege und das GKV-IPReG
6. die Reduktion des inadäquaten Atemantriebes und der Atemarbeit, 7. die Behandlung von Malnutrition und Katabolismus, 8. die Verbesserung der vegetativen und neuromuskulären Funktion, 9. die (Teil-)Mobilisation, 10. die Therapie der Dysphagie zur Verbesserung der Schluckfunktion und Wiederherstellung der Sprechfunktion, 11. die Rekonditionierung der atrophierten (Skelett-)Muskulatur sowie 12. die Verbesserung der Sekretclearance. Wird für eine oder einen beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten eine außerklinische Intensivpflege verordnet, liegt zum Zeitpunkt der Verordnung in der Regel kein Potenzial für eine Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung im Sinne des § 37c Abs. 1 Satz 6 SGB V vor. Andernfalls wäre als nächster Schritt nicht eine außerklinische Intensivpflege, sondern die Zuführung des Versicherten in eine stationäre Einrichtung mit 31 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 6 (2.3 zu Abs. 2).
26
entsprechend qualifizierten Ärztinnen und Ärzten mit dem Ziel, dort den Versuch einer Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung zu unternehmen und gegebenenfalls zu realisieren, angezeigt. Daneben wird es aber auch die Fälle geben, bei denen zum Zeitpunkt der Verordnung zwar noch kein Potenzial für eine Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung in der Form feststellbar ist, dass der nächste Schritt bereits die Zuführung zu einer stationären Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung darstellt, dieses Potenzial aber sehr wohl perspektivisch noch möglich scheint. Die optimale und auf die oder den Versicherten bezogene Hinführung zur Dekanülierung, Entwöhnung von der invasiven Beatmung oder Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung ist (be-)handlungsleitend in der Versorgung von beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten mit perspektivischem Potenzial zur Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung. Diesen Versicherten kann außerklinische Intensivpflege verordnet werden, wenn die Therapieziele und damit verbundenen Maßnahmen dann insbesondere darauf ausgerichtet sind, das Potenzial für eine Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung im Rahmen der weiteren Behandlung mit Unterstützung der außerklinischen Intensivpflege sowie weiteren Therapieangeboten noch zu erreichen. Um deren Bedeutung hervorzuheben, hat der G-BA diese Therapieziele und Maßnahmen in § 2 Abs. 3 AKI-RL herausgehoben angeführt.32 Wird ein perspektivisches Potenzial festgestellt, gilt es dieses im Behandlungsverlauf zu stabilisieren und zu heben. Dies ist Aufgabe der verordnenden sowie potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte, der pflegerischen Leistungserbringer nach § 132l SGB V sowie weiterer Leistungserbringer wie Heilmitteltherapeuten. Durch die weitere spezifische Behandlung der bestehenden Grunderkrankungen, insbesondere unter Nutzung heilmitteltherapeutischer Maßnahmen und ergänzender behandlungspflegerischer Maßnahmen kann eine weitere Stabilisierung und Verbesserung des Gesundheitszustandes im Verlauf erreicht werden und die physikalischen Funktionen soweit wiederdurchgeführt - zumindest versucht werden kann. Die Maßnahmen und Ziele der außerklinischen Intensivpflege sind auch auf die Verbesserung von Funktionsbeeinträchtigungen, die außerklinische Intensivpflege erforderlich machen, und die sich daraus ergebenden Symptome zum Erhalt und zur
Kapitel III
hergestellt werden, dass eine Dekanülierung oder Beatmungsentwöhnung erfolgreich
Förderung des Gesundheitszustandes ausgerichtet.
§
2 Abs. 4 AKI-RL: Ergibt sich im Zuge der Umsetzung der Therapieziele nach § 2 Abs. 2 und Maßnahmen nach § 2 Abs. 3 AKI-RL bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten
ein Potenzial zur Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung, leitet die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt in Abstimmung mit der oder dem Versicherten unverzüglich weitere Maßnahmen ein, insbesondere eine Einweisung in eine auf die Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung spezialisierte stationäre Einrichtung.
32 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 6 (2.3 zu Abs. 3).
27
Sind in Konsequenz einer erfolgreichen außerklinischen intensivpflegerischen Behandlung bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten, die ein Potenzial nach § 2 Abs. 3 AKI-RL im Behandlungsverlauf erlangen konnten, weitere Maßnahmen, insbesondere eine Einweisung in eine auf die Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung spezialisierte stationäre Einrichtung, durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt möglich, so sind diese in Abstimmung mit der oder dem Versicherten nach § 2 Abs. 4 AKI-RL unverzüglich einzuleiten. Zum anspruchsberechtigten Personenkreis der außerklinischen Intensivpflege gehören aber auch Versicherte, bei denen aus medizinischen Gründen dauerhaft keine Aussicht auf eine nachhaltige Besserung der zugrunde liegenden Funktionsstörung besteht, die eine Beatmung oder Trachealkanüle erforderlich macht. In § 2 Abs. 5 AKI-RL wird der besondere Schwerpunkt der Zielsetzung von außerklinischer Intensivpflege für diesen Personenkreis auf die Verbesserung der Lebensqualität adressiert.
§
2 Abs. 5 AKI-RL: Besteht bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten keine Aussicht auf nachhaltige Verbesserung der zu Grunde liegenden Funktionsstörung, ist die Ziel-
setzung insbesondere die Therapieoptimierung und damit die Verbesserung der Lebensqualität.
3.2 Die Leistungsinhalte der außerklinischen Intensivpflege Der enge Begriff der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c SGB V Außerklinische Intensivpflege im engen Sinne des § 37c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V ist
Intensivpflege und das GKV-IPReG
durch die medizinische Notwendigkeit permanenter Interventionsbereitschaft und Anwesenheit, Einsatzbereitschaft und Leistungserbringung durch eine geeignete Pflegefachkraft über den gesamten Versorgungszeitraum gekennzeichnet.
§
37c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V: Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Anspruch auf außerklinische Intensivpfle-
ge. Ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege liegt vor, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist. Der Leistungsumfang der in § 37c SGB V ausgegliederten außerklinischen Intensivpflege entspricht dabei dem bisherigen Umfang der außerklinischen Intensivpflege im Rahmen der HKP-RL, denn die bisherigen Regelungen zur Erbringung medizinischer Behandlungs-
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pflege für Versicherte mit intensivpflegerischem Versorgungsbedarf wurden in einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege überführt.33
ACHTUNG Durch die Ausgliederung des engen Anspruchs auf außerklinischen Intensivpflege in den neuen § 37c SGB V ist vom Gesetzgeber insgesamt keine Veränderung der gesetzlichen Leistungen vorgenommen worden. Es wurden lediglich einzelne Verrichtungen in einen neuen und zusammengefassten Leistungsanspruch überführt. Einzelne Inhalte der medizinischen Behandlungspflege im Sinne einer Komplexleistung werden auf der Grundlage des gesetzlichen Auftrages in § 3 Abs. 1 Satz 2 AKI-RL konkretisierend, jedoch nicht abschließend („insbesondere“) aufgeführt.
§
3 Abs. 1 AKI-RL: Leistungsinhalt der außerklinischen Intensivpflege ist die permanente Interventionsbereitschaft, Anwesenheit und Leistungserbringung durch eine geeignete
Pflegefachkraft über den gesamten Versorgungszeitraum zur Erbringung der medizinischen Behandlungspflege. Zur medizinischen Behandlungspflege im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege können insbesondere gehören: 1. die spezielle Überwachung des Gesundheitszustandes und die sich daraus ergebenden notwendigen Interventionen, 2. die Pflege des Tracheostomas und das Trachealkanülenmanagement, 3. das Sekretmanagement, 4. das Dysphagiemanagement, 5. die Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes, 6. die Anwendung von Inhalations- und Absauggeräten, nicht-invasiven Beatmung, 8. die Erfassung und Bewertung von Vitalparametern, 9. die Einleitung und Durchführung von Notfallmaßnahmen und des Krisenmanagements, 10. die Anleitung der An- und Zugehörigen zur Stärkung ihrer Versorgungskompetenzen im
Kapitel III
7. der Umgang mit einer Maske (inkl. An- und Aufsetzen) im Zusammenhang mit einer
Umgang mit der Erkrankung der oder des Versicherten, insbesondere bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen und jungen Volljährigen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 AKI-RL. Ziel der Anleitung von pflegenden An- und Zugehörigen in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 AKIRL ist die Befähigung zur eigenständigen Bewältigung von Alltagssituationen durch die Vermittlung von Handlungskompetenzen oder technisch-instrumentellen Fertigkeiten. Da es sich bei der außerklinischen Intensivpflege um eine Versorgung mit hohen Anforderungen an die sach- und fachgerechte Ausführung handelt, die zudem in der Regel mit 33 BT-Drucksache 19/19368, S. 2.
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der Einstellung und Bedienung komplexer medizinischer Geräte verbunden ist, bedarf die Anleitung eines geplanten und reflektierten Lernprozesses.34
Verordnung zusätzlich notwendiger Zeiten der medizinischen Behandlungspflege Mit Wirkung vom 31.10.2023 wird nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V in der Fassung des GKVIPReG kein Anspruch mehr nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V im Fall eines Anspruchs nach § 37c SGB V bestehen, soweit diese Leistungen tatsächlich erbracht werden.
§
37 Abs. 2 Satz 3 SGB V in der Fassung ab 31.12.2023: Der Anspruch nach Satz 1 besteht nicht für Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer
Behandlungspflege, die Anspruch auf Leistungen nach § 37c SGB V haben, soweit diese Leistungen tatsächlich erbracht werden. Fallen im zeitlichen Zusammenhang der außerklinischen Intensivpflege auch erforderliche Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege nach dem Leistungsverzeichnis zur HKP-RL an, können diese nicht separat verordnet werden, sondern sind Bestandteil der außerklinischen Intensivpflege, wie § 3 Abs. 2 AKI-RL bestimmt.
§
3 Abs. 2 AKI-RL: Die außerklinische Intensivpflege beinhaltet alle im zeitlichen Zusammenhang anfallenden erforderlichen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege
nach der Anlage zur Häusliche Krankenpflege-Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V. Während des Versorgungszeitraumes der außerklinischen Intensivpflege sind diese Leistungen durch die geeignete Pflegefachkraft zu erbringen. Leistungen der medizinischen
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege können in diesen Fällen nicht separat verordnet werden. Der Leistungserbringer nach § 132l SGB V, der die außerklinische Intensivpflege erbringt, hat umfassend alle anfallenden Pflegeleistungen der medizinischen Behandlungspflege zu leisten. Hierdurch sollen Doppelstrukturen vermieden und die Kontinuität der pflegerischen Behandlung gestärkt werden. Bei Konstellationen, bei denen Versicherte nicht ganztägig durch einen Leistungserbringer, mit dem ein Vertrag nach § 132l SGB V besteht, versorgt werden, bleibt ein Anspruch auf zusätzliche Leistungen der Behandlungspflege auf der Grundlage des § 37 SGB V bestehen, wie § 3 Abs. 3 AKI-RL beschreibt.
34 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 8 (2.4 zu Abs. 1).
30
ACHTUNG Es geht bei dieser Regelung „nur“ um die medizinische Behandlungspflege, nicht um die daneben notwendige Grundpflege, also die körperbezogenen Pflegemaßnahmen.
§
3 Abs. 3 AKI-RL: Wird außerklinische Intensivpflege nicht 24 Stunden am Tag erbracht, kann neben dem Anspruch nach § 37c Abs. 1 Satz 1 SGB V für Zeiträume außerhalb des
Versorgungszeitraums der außerklinischen Intensivpflege ein Anspruch auf medizinische Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestehen. Sofern außerhalb des Versorgungszeitraums der außerklinischen Intensivpflege Leistungen der medizinischen Behandlungspflege gemäß Häusliche Krankenpflege-Richtlinie erforderlich sind, die nicht während der Zeit der außerklinischen Intensivpflege erbracht werden können, gelten die dort geregelten Anforderungen.
ACHTUNG Außerhalb des Versorgungszeitraums der außerklinischen Intensivpflege kann sich die Notwendigkeit zusätzlicher Leistungen der häuslichen Krankenpflege ergeben, zum Beispiel zur Versorgung einer chronischen Wunde. Hierdurch wird ermöglicht, dass diese zusätzlichen Leistungen weiterhin auf der Grundlage des § 37 SGB V erbracht werden können. Voraussetzung ist, dass die Versorgung aus medizinisch-pflegerischen Gründen nicht während der Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege erfolgen kann.35
Die Grenzen der ärztlichen Delegation also keine Kenntnisse und Qualifikationen erfordert, die nur der Ärztin oder dem Arzt eigen sind.
§
Kapitel III
Die ärztlich verordneten Verrichtungen der Behandlungspflege müssen delegierbar sein,
3 Abs. 4 AKI-RL: Ärztliche Maßnahmen zur Diagnostik, Therapie und Beatmungsentwöhnung können als Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nicht verordnet und
von Leistungserbringern nach § 132l SGB V nicht erbracht werden. Durch die Verordnung der Behandlungspflege wird die Erbringung einer ärztlichen Maßnahme durch geeignete Pflegefachkräfte veranlasst. In dem Bereich der außerklinischen Intensivpflege bauen ärztliche und ärztlich veranlasste behandlungspflegerische Maßnahmen aufeinander auf. § 3 Abs. 4 AKI-RL benennt den nicht durch nicht-ärztliche Leistungserbringer erbringbaren Leistungsbereich der ärztlichen Maßnahme zur Diag35 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 8 (2.4 zu Abs. 2 und 3).
31
nostik und Therapie. Während die Qualifikation der potenzialerhebenden und verordnenden Ärztinnen und Ärzte in § 8 AKI-RL [➔ 6.1] und § 9 AKI-RL [➔ 6.2] geregelt wird, sind die Rahmenbedingungen und die Maßnahmen der Qualitätssicherung in den Rahmenempfehlung nach § 132l SGB V von den in § 132l Abs. 1 SGB V genannten Vertragsparteien zu vereinbaren [➔ 6.3].
§
3 Abs. 5 AKI-RL: Um eine sichere Durchführung der verordneten Maßnahmen gewähr-
leisten zu können, sind geeignete Rahmenbedingungen (baulich, personell, organisatorisch)
und (interne und externe) Maßnahmen der Qualitätssicherung zu gewährleisten. Dabei ist insbesondere eine stabile fach- und sachgerechte Infrastruktur notwendig. Das Nähere regeln die Rahmenempfehlungen nach § 132l Absatz 1 SGB V.
ACHTUNG In den Rahmenempfehlung nach § 132l SGB V wird etwa zu regeln sein, dass die am Leistungsort zur Verfügung stehende Infrastruktur die Durchführung der außerklinischen Intensivpflege zulässt (z.B. stabile Stromversorgung, Fluchtwege etc.).36
§
3 Abs. 6 AKI-RL: Liegt der Bedarf für außerklinische Intensivpflege gemäß § 4 Abs. 1 AKIRL nicht mehr vor, endet der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege. Diesbezügliche
Hinweise sind der verordnenden Vertragsärztin oder dem verordnenden Vertragsarzt durch den Leistungserbringer unverzüglich mitzuteilen und durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt zu prüfen. Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt informiert anschließend nach Rücksprache mit der oder dem Versicherten unverzüglich
Intensivpflege und das GKV-IPReG
die Krankenkasse.
3.3 Die Erreichbarkeit der Therapieziele Nach § 37c Abs. 1 Satz 8 Nr. 3 SGB V ist in den AKI-RL auch das Verfahren zur Feststellung der Therapieziele zu regeln. Für Versicherte, die außerklinische Intensivpflege benötigen, ist es aufgrund der Komplexität der Funktionseinschränkungen, Erkrankungen und Pflegebedarfe besonders wichtig, regelmäßig, gemeinsam mit der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt, die individuellen Therapieziele zu evaluieren und gegebenenfalls anzupassen. Ziel in diesem Zusammenhang ist eine Einschätzung des Status quo unter den aktuell gesetzten Therapiezielen. In der Folge können die gesetzten Therapieziele bestätigt oder auch Therapiezieländerungen sowie Therapiebegrenzungen vorgenommen werden. Hierbei spielen neben medizinisch-pflegerischen Aspekten insbesondere ethische Abwägungen 36 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 8 (2.4 zu Abs. 5).
32
und entsprechend § 2 Abs. 5 AKI-RL die Lebensqualität des Versicherten [➔ 3.1] eine wichtige Rolle. Palliativmedizinische Fachkompetenz [➔ 5.1.4] ist bei Bedarf einzubeziehen.37
§
6 Abs. 2 AKI-RL: Um der oder dem Versicherten eine Bewertung über die grundsätzlich erreichbaren Therapieziele zu ermöglichen, ist bei der Verordnung eine Erörterung und
Feststellung der individuellen Therapieziele durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt mit der oder dem Versicherten durchzuführen. Bei der Erörterung sind folgende Aspekte zu berücksichtigen und zu dokumentieren: 1. Therapieziele und Therapiealternativen, 2. Maßnahmen zum Erreichen der Therapieziele (zum Beispiel Einbindung von Therapeutinnen und Therapeuten im Rahmen der Heilmitteltherapie, Schlucktraining), 3. Zeitraum für die Umsetzung der Therapieziele beziehungsweise des Zeitpunktes für eine Zwischenkontrolle und deren Ergebnis, 4. Mitwirkung (Art und Umfang) der oder des Versicherten beziehungsweise der An-und Zugehörigen. Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt trägt zum Erreichen der Therapieziele bei. Entsprechend der Therapieziele werden konkrete Maßnahmen verordnet und auch der Zeitraum bis zur erneuten Evaluation festgelegt. Auch die Mitwirkung der An- und Zugehörigen, die im Hinblick auf die Sicherheit und Lebensqualität für die Versicherten oftmals eine besondere Rolle spielen, wird angemessen berücksichtigt. Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt hat in diesem Zusammenhang im Rahmen seines ärztlichen Auftrags insbesondere durch Koordination und gezielte Steuerung eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung der Erreichung der Therapieziele. Um die sorgung erforderlich, bei der insbesondere neben dem Leistungserbringer nach § 132l SGB V auch die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt im besonderen Maße Verantwortung trägt.38
Kapitel III
Therapieziele erreichen zu können, ist eine multidisziplinäre Ausrichtung der Ver-
3.4 Was wird aus der Phase F? § 2 Abs. 2 AKI RL regelt die Therapieziele der außerklinischen Intensivpflege mit der 1. Sicherstellung von Vitalfunktionen, 2. Vermeidung von lebensbedrohlichen Komplikationen sowie
37 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 16 (2.7 zu Abs. 2). 38 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 16 (2.7 zu Abs. 2).
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3. Verbesserung von Funktionsbeeinträchtigungen, die außerklinische Intensivpflege erforderlich machen und der sich daraus ergebenden Symptome zum Erhalt und zur Förderung des Gesundheitszustandes. abschließend [➔ 3.1]. Leistungsinhalt der außerklinischen Intensivpflege ist nach § 3 Abs. 1 AKI-RL die permanente Interventionsbereitschaft, Anwesenheit und Leistungserbringung durch eine geeignete Pflegefachkraft über den gesamten Versorgungszeitraum zur Erbringung der medizinischen Behandlungspflege. Der G-BA konkretisiert mit diesen Regelungen den Gesetzeswortlaut aus § 37c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V. Anspruch auf außerklinischen Intensivpflege haben Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, die vorliegt, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist. Mit der Regelung in der AKI-RL wird also der gesetzliche Anspruch nicht eingeschränkt, sondern näher beschrieben.
§
37c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V: Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Anspruch auf außerklinische Intensivpfle-
ge. Ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege liegt vor, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist.
Intensivpflege und das GKV-IPReG
ACHTUNG Da auch der Gesetzeswortlaut keine Öffnungsklausel („insbesondere“) enthält, gab es für den G-BA keine Veranlassung eine Öffnung vorzunehmen! Stehen bei der Versorgung von Versicherten pflegerisch-rehabilitative Leistungen im Vordergrund und nicht die Behandlungspflege (beispielsweise bei stabilen Patienten der Phase F), erhalten diese keine Leistungen der außerklinischen Intensivpflege im engeren Sinn des § 37c SGB V. Für derartige Patienten sind weiterhin alternative Leistungsund Finanzierungswege notwendig.
Entscheidend für die Verrichtungen der außerklinischen Intensivpflege in diesem engen Sinn ist die „ständige Anwesenheit“ (§ 37c Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder „permanente Interventionsbereitschaft, Anwesenheit und Leistungserbringung“ (§ 3 Abs. 1 AKI-RL) einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder wenn ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist. Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege gemäß § 37c SGB V, konkretisiert durch die AKI-RL, ersetzt insoweit allein den bisherigen Anspruch auf außerklinische Intensivpflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V. Im Rahmen
34
der HKP-RL sieht der G-BA den nicht-beatmeten anspruchsberechtigen Personenkreis und den Leistungsumfang die außerklinischen Intensivpflege in der Ziff. 24 der Anlage zur HKP-RL (Leistungsverzeichnis) abgebildet. Da also zukünftig die AKI RL die außerklinische Intensivpflege übernimmt, wird die Ziff. 24 mit dem 31.10.2023 gestrichen.39 Anders als die AKI-RL, die keinen der Richtlinie angehängten Leistungskatalog kennt, stellt die HKP-RL keinen abschließenden Leistungskatalog dar, sondern lässt durch die Öffnungsklausel gemäß § 1 Abs. 4 Satz 3 HKP-RL auch weitere Maßnahmen zu.40 Wenn Maßnahmen der Behandlungspflege im Einzelfall erforderlich und wirtschaftlich sind, besteht auch außerhalb des Leistungsverzeichnisses der HKP-RL eine Leistungsverpflichtung der Krankenkassen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die spezielle Krankenbeobachtung im Sinne der bisherigen Ziff. 24 des Leistungsverzeichnisses im Einzelfall auch nach ihrer (zukünftigen) Streichung erforderlich und wirtschaftlich sein kann und entsprechend verordnet und erbracht wird.
ACHTUNG Auch die allgemeine Krankenbeobachtung kann eine Leistung der häuslichen Krankenpflege (Behandlungspflege) – aber ohne eine Öffnungsklausel in der AKIRL nicht der außerklinischen Intensivpflege – sein, wenn ärztliche oder pflegerische Maßnahmen zur Abwendung von Krankheitsverschlimmerungen erforderlich, aber konkret nicht voraussehbar sind.41 Aber nicht nur die (allgemeine) Krankenbeobachtung macht die Betroffenen mit einem apallischen Durchgangssyndrom als Folge schwerer erworbener zerebraler Schädigungen zu einer eigenständigen Patientengruppe, die nicht mit dem höchstmöglichen Pflegegrad 5 abgebildet werden können. Dafür spricht bereits, dass bei den Betroffenen der damit etwa der Barthel-Index bei 0 oder nahe 0 angesiedelt ist. Für diesen Personenkreis ist von entscheidender Bedeutung, dass die erreichten Rehabilitationsfortschritte aufgrund der andauernden pflegerisch-rehabilitativen Versorgung nicht gefährdet werden, wenn auch weitere große Rehabilitationsfortschritte und eine Rückführung in die Reha-
Kapitel III
Phase F keine wesentlichen Aktivitäten des täglichen Lebens nachweisbar sind und
phasen B, C und D nicht zu erwarten sind. Es zählen eben auch kleine oder minimale Fortschritte, wie die Verbesserung der Vigilanz [die Wachheit bzw. Daueraufmerksamkeit eines Patienten] vom coma vigile hin zu einem bestätigten Vorliegen eines „minimalen Bewusstseins“. Bedeutende Fortschritte sind beispielsweise bereits das Erreichen eines MCS („minimally conscious state“) mit mimischer Reaktion, verbesserter Kopf- und Rumpfstabilität ohne motorisch gerichtete Fähigkeiten der Extremitäten. Häufig kennzeichnend ist bei allen Patienten mit apallischem Durchgangssyndrom eine vegetative Instabilität 39 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 3 (2.2 zu Abs. 1). 40 vgl. BSG, Urt. v. 26.1.2006, B 3 KR 4/05 R. 41 BSG, Urt. v. 10.11.2005, B 3 KR 38/04 R.
35
des Kreislaufsystems mit Abfall der Sauerstoffkonzentration im Blut wie auch akute Krampfanfälle. Aus diesem Grund ist zur Vermeidung schwerwiegender Folgen eine bis zu 24-stündige Überwachung mit Pulsoximeter erforderlich, der mit einer zentralen Sofort-Alarmierung der Pflegestation verbunden ist, um mit Stabilisierung des Kreislaufs, Behebung lebensbedrohlicher Atemnotzustände oder Behandlung eines status epilepticus reagieren zu können. Für diesen Kreis der Versicherten, die nach der engen Definition der außerklinischen Intensivpflege im Sinne des § 37c SGB V nicht zu diesem Kreis der Anspruchsberechtigten gehören, sind die bisherigen Versorgungswege, auch der Zuschlag der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V für Leistungen der Behandlungspflege, offenzuhalten. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es durch die Überführung des Leistungsanspruchs auf Außerklinische Intensivpflege aus dem § 37 Abs. 2 SGB V in den § 37c SGB V zu keiner Verringerung der Leistungen gekommen ist. Dieses Versprechen muss nun umgesetzt werden. Entweder dadurch, dass die medizinische Behandlungspflege auch in vollstationäre Pflegeeinrichtungen, die Leistung nach § 43 SGB XI anbieten, zulasten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung erbracht wird. Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode42 gibt Anlass zur Hoffnung:
Behandlungspflege im Koalitionsvertrag: Die Behandlungspflege in der stationären (Pflege werden wir) der gesetzlichen Krankenversicherung übertragen und pauschal ausgleichen. Sollte dies Vorhaben nicht gelingen, so ist zumindest ein neuer Behandlungspflegezuschlag für die Versorgung in vollstationäre Pflegeeinrichtungen in § 37 Abs. 2 SGB V ein-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
zuführen, wenn die bisherige Regelung im Oktober 2023 außer Kraft tritt.
3.5 Die Überschneidung zur sozialen Pflegeversicherung Überschneidungen der Leistungen der medizinischen Behandlungspflege mit Leistungen der Pflegeversicherung sind auch vor dem Hintergrund der Einführung des (neuen) Pflegebedürftigkeitsbegriffs nach wie vor möglich (vor allem mit Verrichtungen aus dem Modul 5 nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 SGB XI). Fraglich ist wie in den Fällen, in denen schwerstpflegebedürftige Versicherte einer krankheitsspezifischen Beaufsichtigung rund um die Uhr – meist in Form der speziellen oder allgemeinen Krankenbeobachtung – bedürfen und die Behandlungs- und Grundpflege durch eine Pflegekraft zeitgleich erbracht 42 Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP), Zeilen 2664 – 2665.
36
werden muss, künftig vorgegangen wird. Nachdem die Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen war, dass die Behandlungspflege während der Erbringung der Grundpflege in den Hintergrund trete und dadurch der entstehende Kostenaufwand allein der Pflegeversicherung zugerechnet wurde,43 was in der Praxis zu hohen Eigenbeteiligungen der Versicherten bzw. der Träger der Sozialhilfe führen konnte, wurde im Folgenden wie folgt abgegrenzt:44 In einem ersten Schritt wurde die von der Pflegeversicherung geschuldete „reine Grundpflege“ zeitlich erfasst. Dieser Wert war nicht vollständig, sondern lediglich zur Hälfte vom Anspruch auf Behandlungssicherungspflege abzuziehen, weil während der Grundpflege weiterhin Behandlungspflege (spezielle oder allgemeine Krankenbeobachtung, Überwachung der Vitalfunktionen) durchgeführt wurde und sich beide Leistungsbereiche gleichrangig gegenüberstanden. Der von den Krankenkassen zu erfüllende Anspruch ergab sich aus der Differenz zwischen verordneter Behandlungspflege und der Hälfte des Umfangs der „reinen“ Grundpflege. Die Pflegekassen hatten demgegenüber die andere Hälfte des Zeitaufwandes der „reinen“ Grundpflege – begrenzt auf den Höchstbetrag des Sachleistungsanspruchs des jeweiligen Pflegegrades (bis zum 1.1.2017: Pflegestufe) – zu tragen.
ACHTUNG Wurden dagegen Leistungen der Grundpflege und der Behandlungspflege von zwei Personen durchgeführt, sind diese der Leistungserbringung nach zu trennen, so dass beide Ansprüche uneingeschränkt nebeneinander stehen.45
Durch die Streichung des Begriffs der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen (§ 15 Abs. 3 Satz 3 SGB XI a.F.) wurde bei der Neuausrichtung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs die Abgrenzung von Zeit- und Kostenaufwand bei der ambulangefasst und die Richtlinie nach § 17 Abs. 1b SGB XI zur Kostenabgrenzung zwischen Kranken- und Pflegeversicherung bei Pflegebedürftigen, die einen besonders hohen Bedarf an behandlungspflegerischen Leistungen haben, geregelt.46
Kapitel III
ten Versorgung von Versicherten mit erheblichem behandlungspflegerischem Bedarf neu
§
17 Abs. 1b Satz 1 und 2 SGB XI: Der Medizinische Dienst Bund erlässt im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen Richtlinien zur Feststellung
des Zeitanteils, für den die Pflegeversicherung bei ambulant versorgten Pflegebedürfti43 44 45 46
BSG, Urt. v. 28.1.1999, B 3 KR 4/98 R = BSGE 83, 254 – Drachenflieger I. Zusammenfassend: BSG, Urt. v. 17.6.2010, B 3 KR 7/09 R = BSGE 106, 173 – Drachenflieger II. BSG, Urt. v. 17.6.2010, B 3 KR 7/09 R = BSGE 106, 173 [Rn. 15]. Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Kostenabgrenzung zwischen Kranken- und Pflegeversicherung bei Pflegebedürftigen, die einen besonders hohen Bedarf an behandlungspflegerischen Leistungen haben (Kostenabgrenzungs-Richtlinien) nach § 17 Abs. 1b SGB XI vom 16.12.2016; dazu ausführlich: IGES – Abschlussbericht: Evaluation der Kostenabgrenzungs-Richtlinien nach § 17 Abs. 1b SGB XI, 2018; abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/richtlinien__vereinbarungen__formulare/pflege_berichte/2018-12-20_Evaluation_Kostenabgrenzungs-Richtlinien_Abschlussbericht.pdf [zuletzt abgerufen am 30.1.2022].
37
gen, die einen besonders hohen Bedarf an behandlungspflegerischen Leistungen haben und die Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 SGB XI und der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V oder die Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 SGB XI und der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c SGB V beziehen, die hälftigen Kosten zu tragen hat. Von den Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 SGB XI sind dabei nur Maßnahmen der körperbezogenen Pflege zu berücksichtigen. Da nach Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsverfahrens der Zeitaufwand für die erforderlichen Pflege- und Betreuungsleistungen nicht mehr erfasst wird, war eine pauschale wie auch eine einzelfallbezogene Feststellung von Zeitaufwand und Kostenanteilen von Kranken- und Pflegeversicherung zu regeln. Die Richtlinien sehen insoweit pauschale Minutenwerte für die Pflegegrade 2 bis 5 (von 37 bis zu 141 Minuten) vor, die zu Lasten der Pflegeversicherung vom Zeitaufwand, der im Übrigen von der Krankenversicherung zu tragen ist, abzuziehen sind (Ziff. 6 der Richtlinie). Eine Änderung der leistungsrechtlichen Zuordnungen der jeweiligen Maßnahmen ist nicht gewollt. Erfasst sind Personen, die sowohl Leistungen nach § 36 SGB XI wie auch nach § 37 Abs. 2 SGB V beziehen, wobei der Bedarf im Einklang mit der HKP-RL ein Maß erreichen muss, dass die Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft ständig oder zu-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
mindest in vergleichbar intensiver Weise erforderlich ist. Die Verordnung häuslicher
Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V muss daher nicht zwingend 24 Stunden / Tag umfassen.47 Durch die Einführung des Leistungsanspruchs auf außerklinische Intensivpflege in § 37c SGB V ist weiterer Abgrenzungsbedarf hinzugetreten, da gerade für Versicherte, die auch bei Versorgung durch stationäre Pflegeeinrichtungen nach § 43 SGB IX einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V hatten, angesprochen 47 BT-Drucksache 18/9083, S. 33.
38
sind.48 Die in § 17 Abs. 1b SGB XI vorgenommene Ergänzung erlaubt den Erlass entsprechender Richtlinien für die Abgrenzung zu dem aus § 37 SGB V überführten Anspruch des § 37c SGB V. Nach Ablauf der gesetzlichen Übergangsfrist (bis 30.10.2023) entfällt der zunächst noch parallel bestehende Leistungsanspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V.49 Danach erlässt der Medizinische Dienst Bund im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen Richtlinien zur Feststellung des Zeitanteils, für den die Pflegeversicherung bei ambulant versorgten Pflegebedürftigen, die einen besonders hohen Bedarf an behandlungspflegerischen Leistungen haben und – die Leistungen nach § 36 Abs. 2 SGB XI („Pflegesachleistung“) und der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V oder – die Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 SGB XI und der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c SGB V beziehen, die hälftigen Kosten zu tragen hat (§ 17 Abs. 1b Satz 1 SGB XI). Da das Recht der Pflegeversicherung nicht mehr an Leistungen der „Grundpflege“ anknüpft, ist in den Richtlinien der Zeitanteil für körperbezogene Maßnahmen festzustellen (§ 17 Abs. 1b Satz 2 SGB XI). Dabei wird vorausgesetzt, dass die Abgrenzung ausschließlich für Fälle der Leistungs-
Kapitel III
erbringung durch dieselbe Pflegekraft gilt.50
48 BT-Drucksache 19/19368, S. 27. 49 BT-Drucksache 19/20720, S. 60. 50 BT-Drucksache 18/9083, S. 33.
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Kapitel IV • Der Leistungsort der
außerklinischen Intensivpflege
In § 37c Abs. 2 Satz 1 SGB V, von § 1 Abs. 4 AKI-RL wörtlich zitiert, werden die Leistungsorte, an denen außerklinische Intensivpflege erbracht werden kann, aufgezählt.
§
37c Abs. 2 Satz 1 SGB V: Versicherte erhalten außerklinische Intensivpflege
1. in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die Leistungen nach § 43 SGB XI erbringen, 2. in Einrichtungen im Sinne des § 43a Satz 1 in Verbindung mit § 71 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a Satz 3 in Verbindung mit § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI, 3. in einer Wohneinheit im Sinne des § 132l Abs. 5 Nr. 1 SGB V oder 4. in ihrem Haushalt oder in ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, in Schulen, Kindergärten und in Werkstätten für behinderte Menschen. Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege besteht zunächst in vollstationären Pflegeeinrichtungen nach § 71 Abs. 2 SGB XI, die Leistungen nach 43 SGB XI erbringen (§ 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Einbezogen werden nach § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V ferner stationäre Einrichtungen, in denen Leistungen zur medizinischen Vorsorge bzw. Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§ 43a Satz 1 iVm § 71 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI) und Räumlichkeiten, in denen der Zweck des Wohnens von Menschen mit Behinderungen und der Erbringung von Leistungen 4 Nr. 3 SGB XI). In diesen stationären Einrichtungen, in denen vor allem die Teilhabe am Arbeitsleben oder das Wohnen im Vordergrund stehen, haben Menschen mit Behinderung und einem außerklinische Intensivpflegebedarf zwei Optionen, ihre Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege sicherzustellen. Zum einen können sie sich durch einen externen Pflegedienst versorgen lassen, der in ihre Einrichtung kommt, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert, also ein außerklinischer Intensivpflegebedarf besteht. § 37 Abs. 2 Satz 8 SGB V hat dies ausdrücklich klargestellt, nachdem die Rechtsprechung bereits vorher festgestellt hatte, dass ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch in Einrichtungen der Eingliederungshilfe
Intensivpflege und das GKV-IPReG
der Eingliederungshilfe für diese im Vordergrund stehen (§ 43a Satz 3 iVm § 71 Abs.
41
besteht, wenn die Einrichtung diese Leistung mit ihren eigenen sächlichen und personellen Mitteln nicht erbringen kann und muss.51
§
37 Abs. 2 Satz 8 SGB V: Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a SGB XI Leistungen nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wenn der Bedarf an
Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert. Zwar wird § 37 Abs. 2 Satz 8 SGB V als Folgeänderung zur Überführung des Anspruchs auf außerklinische Intensivpflege aus der häuslichen Krankenpflege am 31.10.2023 aufgehoben, weil die Regelung nicht mehr benötigt wird, denn Einrichtungen und Räumlichkeiten der Eingliederungshilfe sind in § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V explizit als mögliche Leistungsorte der Außerklinische Intensivpflege geregelt worden. Zum anderen können die stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe die Versorgung mit Leistungen der Außerklinische Intensivpflege auch selbst übernehmen, wenn die Einrichtungen als Leistungserbringer zukünftig einen Rahmenvertrag nach § 132l Abs. 5 SGB V abschließen. Dabei wird es künftig darauf ankommen, welche personellen Vorgaben in den Rahmenempfehlungen gemäß § 132l SGB V [➔ 6.3] vereinbart werden. Nach § 37c Abs. 1 Satz 2 SGB V dürfen Leistungen der Außerklinische Intensivpflege künftig nur noch durch „geeignete Pflegefachkräfte“ erbracht werden.
Intensivpflege und das GKV-IPReG
ACHTUNG Da die Leistungen der Behandlungspflege derzeit durch einen Personalmix aus geschulten Heilerziehungspflegerinnen und -pflegern, deren Ausbildung auch Pflegeanteile enthält, Sozial- oder Heilpädagoginnen und -pädagogen sichergestellt werden, die allesamt Pflegekräfte, aber eben nicht Pflegefachkräfte sind, könnte es insoweit zu einer Änderung der Durchführung der Leistungserbringung kommen. Außerklinische Intensivpflege kann des Weiteren gem. § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V darüber hinaus in qualitätsgesicherten Intensivpflege-Wohneinheiten iSd § 132l Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB V erbracht werden. Schließlich ist eine Erbringung der Leistung im Haushalt der Versicherten oder ihrer Familie oder an sonstigen geeigneten Orten möglich. § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V qualifiziert als sonstige geeignete Orte betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten oder Werkstätten für behinderte Menschen. Wie sich aus der Formulierung („insbesondere“) ergibt, handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung. Durch diese Erweiterung soll die „notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte“ gewahrt werden.52 Für die Abgrenzung, ob 51 BSG, Urt. v. 25.02.2015, B 3 KR 10/14 R, B 3 KR 11/14 R = BSGE 118, 122; Urt. v. 22.4.2015, B 3 KR 16/14 R – einfache Behandlungspflege. 52 vgl. BT-Drucksache 16/3100, S. 104 – zur Erweiterung des § 37 SGB V.
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es sich um einen geeigneten Ort handelt, kommt es nicht auf die heimrechtliche Qualifizierung an. Auch eine Einrichtung des sog. „Service-Wohnens“, bei der verschiedene Leistungen (Miete für den Wohnraum, Betreuungs- und Serviceleistungen etc.) miteinander kombiniert werden können, kann einen „geeigneten Ort“ darstellen.53
4.1 Die Wünsche des Versicherten Nachdem das RISG [➔ 1.3] als vorrangigen Leistungsort allein eine vollstationäre Pflegeeinrichtung und für Versicherte nach Vollendung des 18. Lebensjahres insbesondere keine Versorgung in der eigenen Häuslichkeit oder der Häuslichkeit der Familie vorsah, wurden die Wünsche der Versicherten völlig ausgeblendet. Der erste Entwurf des IPReG sah in § 37c Abs. 2 Satz 2 vor, dass den Wünschen der Versicherten, die sich auf den Ort der Leistung richten, zu entsprechen ist, soweit die medizinische und pflegerische Versorgung an diesem Ort tatsächlich und dauerhaft sichergestellt werden kann. Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände zu berücksichtigen. Wichtig ist dabei, dass die adäquate medizinische und pflegerische Versorgung kontinuierlich im Pflegealltag gewährleistet werden kann, denn Versorgungslücken im intensivpflegerischen Bereich könnten zu schweren, auch lebensbedrohlichen, Konsequenzen für den Versicherten führen.54 Nachdem Betroffene in den parlamentarischen Anhörungen die Sorgen geäußert hatten, dass bereits der Wechsel der Pflegekräfte zu einer Versagung der Versorgung in der eigenen Häuslichkeit führen könnten, wurde in der geänderten Gesetzesfassung klargestellt, dass die Krankenkasse berechtigten Wünschen der Versicherten zum Ort der
§
37c Abs. 2 Satz 2 SGB V: Berechtigten Wünschen der Versicherten ist zu entsprechen.
Der Gesetzeswortlaut wird in § 1 Abs. 4 Satz 2 AKI-RL zitiert. Die medizinische und
Kapitel IV
Leistungserbringung zu entsprechen hat.
pflegerische Versorgung am Leistungsort muss sichergestellt sein oder durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden können. Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände zu berücksichtigen. Eine im Rahmen einer Begutachtung des Medizinischen Dienstes getroffene Feststellung, dass die medizinische und pflegerische Versorgung am gewünschten Leistungsort nicht tatsächlich und dauerhaft sichergestellt ist, löst keinesfalls einen Automatismus zur Verneinung des Leistungsanspruchs durch die
53 BSG, Urt. v. 30.11.2017, B 3 KR 11/16 R. 54 BT-Drucksache 19/19368, S. 28.
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Krankenkasse an diesem Ort aus. Vielmehr hat die Krankenkasse mit dem Versicherten eine Zielvereinbarung über geeignete Nachbesserungsmaßnahmen abzuschließen.55 Die Fraktion der FDP wandte im Gesetzgebungsgang ein, 56 dass durch den Begriff der “berechtigten Wünsche” weiterhin eine mögliche Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts gegeben sei. Die Frage sei, wer entscheide, ob die Wünsche berechtigt seien. Dadurch sei eine Hintertür zu befürchten, Versicherte doch noch gegen ihren Willen in Pflegeheimen unterzubringen. Das in § 37c Abs. 2 Satz 2 SGB V explizit normierte Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten bringt zum Ausdruck, dass diese nicht Objekte fürsorglich-obrigkeitlicher Behandlung sind, sondern eigene soziale Rechtsansprüche haben und auch in komplexen gesundheitlichen Krisensituationen in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen oder eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, wer ihre Angelegenheiten besorgt, wenn sie dazu selbst nicht mehr in der Lage sind. Es ist jedenfalls durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) auch grundrechtlich geschützt. Deshalb stellt es einen Eingriff in dieses Grundrecht dar, wenn Wünschen der Versicherten, insbesondere was den Leistungsort angeht, nicht entsprochen wird.57 Der Begriff der „berechtigten Wünsche“ wird weder im SGB V noch in den anderen Sozialgesetzbüchern vom Gesetzgeber selbst definiert. Der allgemeine Teil spricht in § 33 Satz 2 SGB I von „Angemessenheit“. Mit der „Angemessenheit“ wird auf das verwaltungsrechtliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit verwiesen, demzufolge bei jeder Entscheidung der Verwaltung die einschränkende Wirkung haben könnte, diese trotz Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzung zu unterbleiben hat, wenn die damit verbundenen Nachteile, die mit der gesetzlichen Bestimmung und der darauf beruhenden Maßnahme bezweckten Vorteile überwiegen. Bei der Angemessenheits- oder Zumutbarkeitsprüfung geht es daher generell um die Herstellung einer Zweck-Mittel-Relation. Mit anderen Worten be-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
deutet dies, dass Wünschen dann nicht entsprochen werden kann, wenn ihre Erfüllung nur unter Inkaufnahme eines Missverhältnisses von Vorteilen zugunsten des Bürgers gegenüber Nachteilen für die (durch die Verwaltung repräsentierte) Allgemeinheit zu erreichen wäre. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die Wunscherfüllung erhebliche Mehrkosten mit sich brächte.58 Es ist daher Absicht, dass der Gesetzgeber diesen Begriff nicht verwendet. Werden aber in einem gesetzlichen Kontext unterschiedliche Begriffe verwendet, bedeuten diese auch etwas anderes. In einer Gesetzesbegründung zum neuen SGB IX hatte der Gesetzgeber Gelegenheit die Berechtigung näher zu erläutern. Danach sind die vom Leistungsberechtigten geäußerten
55 BT-Drucksache 19/20720, S. 55. 56 BT-Drucksache 19/20720, S. 53. 57 Kingreen, Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V und seine Konkretisierung durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, Rechtsgutachten für die Deutsche Fachpflege Gruppe, April 2021. 58 BVerwG, Urt. 20.7.1987, 5 C 10/85 = BVerwGE 75, 343.
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Wünsche dann berechtigt, wenn ihnen keine Rechtsvorschrift entgegensteht und wenn sie sich innerhalb des geltenden gesetzlichen Leistungsrechts bewegen.59
ACHTUNG Die „Berechtigung“ der Wünsche ist nicht subjektiv – beispielsweise in einer Zweck-Mittel-Relation – oder in einem Kostenvergleich, sondern objektiv „stehen Rechtsvorschriften entgegen“ zu ermitteln.
Können Versicherte ihre Wünsche nicht mehr selbst äußern, gilt Folgendes: Soweit Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe betroffen sind, richtet sich die Ermittlung und Berücksichtigung des Willens und der Wünsche des einwilligungsunfähigen Betroffenen nach § 1901a BGB. Liegt keine Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 BGB vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- oder Behandlungssituation des Betroffenen zu, gelten die Vorgaben des § 1901a Abs. 2 und 3 BGB. Es ist also der mutmaßliche Wille zu ermitteln; zudem ist für die Feststellung des Patientenwillens § 1901b BGB maßgeblich.60
4.2 Die Wünsche von Kindern und Jugendlichen Bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sowie jungen Volljährigen ist davon auszugehen, dass die Versorgung bevorzugt innerhalb des eigenen Haushaltes oder der Familie erfolgen soll und auch an Orten wie Schulen, Kindertagesund Jugendliche mit ihren primären Bezugspersonen aufwachsen können und nach ihren Möglichkeiten am Leben der Gemeinschaft teilhaben.61
§
1 Abs. 3 Satz 2 – 4 AKI-RL: Bei der Verordnung von außerklinischer Intensivpflege sind
Kapitel IV
tätten und in Werkstätten für behinderte Menschen zu ermöglichen ist, sodass Kinder
die gesundheitliche Eigenkompetenz, der Eigenverantwortungsbereich der oder des Versi-
cherten sowie die besonderen Belange von Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, von jungen Volljährigen, bei denen ein Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters weiterbesteht oder ein typisches Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters neu auftritt oder ein dem Kindesalter entsprechender psychomotorischer Entwicklungsstand vorliegt, und von volljährigen Versicherten zu berücksichtigen (vergleiche § 37c Abs. 1 Satz 8 SGB V). Die Versorgung durch An- und Zugehörige soll insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sowie 59 BT-Drucksache 14/5074, S. 100 – Entwurf eines SGB IX. 60 BT-Drucksache 19/19368, S. 28. 61 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 5 (2.2 zu Abs. 4).
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den in § 1 Abs. 3 Satz 2 AKI-RL genannten jungen Volljährigen ermöglicht werden. Dabei sind die Ressourcen im häuslichen Umfeld zu fördern und angemessen zu berücksichtigen. Die Versorgung durch An- und Zugehörige soll insbesondere bei Kindern, Jugendlichen sowie den in § 1 Abs. 3 Satz 2 AKI-RL genannten jungen Volljährigen ermöglicht werden. Eine Beteiligung an der außerklinischen Intensivpflege durch An- und Zugehörige muss ermöglicht werden, soweit dies durch die An- und Zugehörigen gewünscht wird und die fachgerechte Versorgung durch An- und Zugehörige auch unter Berücksichtigung der Familiensituation gewährleistet werden kann. Hierzu sind Absprachen mit der verordnenden Ärztin oder dem verordnenden Arzt, dem eingebundenen Leistungserbringer nach § 132l SGB V sowie der Krankenkasse zu treffen. Bei der Verordnung von außerklinischer Intensivpflege bei Kindern, Jugendlichen sowie den in § 1 Abs. 3 Satz 2 AKI-RL genannten jungen Volljährigen sind spezifische Krankheitsbilder im Bereich Pädiatrie und der individuelle psychomotorische Entwicklungsstand zu berücksichtigen. Die Richtlinie greift die besonderen Belange dieser Versicherten u.a. durch die Festlegung von Anforderungen an die Qualifikation der verordnenden Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, die Orte der Leistungserbringung, die Beteiligung und Unterstützung von An- und Zugehörigen bei der medizinischen Behandlungspflege sowie einen Verweis in § 12 AKIRL [➔ 8] auf Kooperationen mit spezialisierten Einrichtungen entsprechend der Grunderkrankung und Kooperationen mit Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin zur Sicherung der Versorgungskontinuität bei jungen Volljährigen auf. Die Inhalte der außerklinischen Intensivpflege ergeben sich wie bei Erwachsenen aus den individuellen Therapiezielen.62
Intensivpflege und das GKV-IPReG
4.3 Die Beratung der Krankenkassen Zum Leistungsanspruch der Versicherten gehört ausdrücklich ein Anspruch auf Beratung, insbesondere hinsichtlich der Auswahl des Leistungsortes, der deutlich über den allgemeinen Beratungsanspruch des § 14 Satz 1 SGB I hinausgeht.
§
37c Abs. 1 Satz 3 SGB V: Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege umfasst die medizinische Behandlungspflege, die zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Be-
handlung erforderlich ist, sowie eine Beratung durch die Krankenkasse, insbesondere zur Auswahl des geeigneten Leistungsorts nach § 37c Abs. 2 SGB V.
62 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 4f (2.2 zu Abs. 3).
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ACHTUNG Auf die Beratung besteht nur ein gesetzlicher Anspruch, im Umkehrschluss bedeutet dies: Für die Versicherten besteht keine Pflicht, die Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Versicherten können die Beratung selbstverständlich ablehnen, ohne dass hinsichtlich des Leistungsanspruchs ein Nachteil entsteht. Die Beratung durch die Krankenkasse umfasst neben Fragen des geeigneten Leistungsorts auch weitere für die Versorgung des Versicherten bedeutsame Aspekte.63 Die Krankenkasse muss den Versicherten nicht nur allgemein über den Anspruch auf außerklinische Intensivpflege und die verschiedenen Leistungsorte aufklären, sondern bezogen auf die individuellen Verhältnisse dem Versicherten die Wahlmöglichkeiten aufzeigen. Das setzt voraus, dass die Krankenkasse – mit Einwilligung des Versicherten – sich Kenntnis über die familiären Verhältnisse und seine Wohnsituation verschafft und auch Nachbesserungsmaßnahmen ins Auge fasst, um den Versicherten fundiert hinsichtlich der verschiedenen, möglichen Leistungsorte und einer Pflege im häuslichen Bereich beraten zu können. Ebenso ist der Versicherte auch über die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Leistungen im Rahmen eines Persönlichen Budgets [➔ 9.2] zu beraten. Die Beratung muss schließlich umfassend, sachlich und neutral erfolgen, die Krankenkasse darf nicht (auch nicht indirekt) durch ihre Informationen die Wahl in eine bestimmte Richtung bzw. einen bestimmten Leistungsort steuern.
4.4 Die Liste der Leistungserbringer Damit die Erwartungen an eine Überführung des Leistungsanspruchs auf außerklinische und aktuellere, vor allem konkretere Informationen erhalten und der gesamte Versorgungsprozess transparenter gestaltet werden. Um die Auswahl geeigneter Leistungserbringer im hochspezialisierten Bereich der außerklinischen Intensivpflege zu erleichtern, erstellen künftig die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen
Kapitel IV
Intensivpflege nach § 37c SGB V eintreffen können, müssen die Versicherten genauere
gemeinsam und einheitlich eine barrierefreie Liste der Leistungserbringer, mit denen Verträge nach § 132l Abs. 5 SGB V bestehen, auf einer eigenen Internetseite; § 132l Abs. 8 Satz 1 SGB V.
§
132l Abs. 8 SGB V: Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen erstellen gemeinsam und einheitlich eine Liste der Leistungserbringer, mit denen
Verträge nach § 132l Abs. 5 SGB V bestehen und veröffentlichen sie barrierefrei auf einer eigenen Internetseite. Die Liste ist einmal in jedem Quartal zu aktualisieren. Sie 63 BT-Drucksache 19/20720, S. 55.
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hat Angaben zu Art, Inhalt und Umfang der mit dem Leistungserbringer vertraglich vereinbarten Leistungen der außerklinischen Intensivpflege zu enthalten; sie kann personenbezogene Daten zum Zweck der Kontaktaufnahme mit dem Leistungserbringer enthalten. Die Liste darf keine versichertenbezogenen Angaben enthalten und leistungserbringerbezogene Angaben nur, soweit diese für die Kontaktaufnahme mit dem Leistungserbringer erforderlich sind. Versicherte, die Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c SGB V haben, erhalten auf Anforderung von ihrer Krankenkasse einen barrierefreien Auszug aus der Liste nach § 132l Abs. 8 Satz 1 SGB V für den Einzugsbereich, in dem die außerklinische Intensivpflege stattfinden soll. Die Liste ist einmal im Quartal zu aktualisieren und hat für jeden Leistungserbringer Angaben zu Art, Inhalt und Umfang des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs zu enthalten. Die Liste darf keine versichertenbezogenen Angaben enthalten, weil diese für die Herstellung von Transparenz nicht notwendig sind. Soweit es für die Herstellung der Transparenz für die Versicherten erforderlich ist, kann die Liste jedoch leistungserbringerbezogene Angaben auch mit Bezug zu dort beschäftigten Personen enthalten, wie zum Beispiel Angaben zu Ansprechpartnern bei dem jeweiligen Leistungserbringer. Versicherte erhalten von ihrer Krankenkasse auf Anforderung eine barrierefreie Liste dieser in Frage kommenden Leistungserbringer speziell für den Einzugsbereich, in dem die außerklinische Intensivpflege stattfinden soll.64
4.5 Die Prüfung der Sicherstellung der Versorgung am gewählten Leistungsort Intensivpflege und das GKV-IPReG
Berechtigten Wünschen der Versicherten zum Leistungsort ist gem. § 37c Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V SGB V zu entsprechen, sofern die medizinische und pflegerische Versorgung am Ort der Leistung sichergestellt ist oder durch entsprechende Nachbesserungsmaßnahmen in angemessener Zeit sichergestellt werden kann.
§
37c Abs. 2 Satz 3 SGB V: Hierbei ist zu prüfen, ob und wie die medizinische und pflegerische Versorgung am Ort der Leistung nach § 37c Abs. 2 Satz 1 SGB V sicher-
gestellt ist oder durch entsprechende Nachbesserungsmaßnahmen in angemessener Zeit sichergestellt werden kann; dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände zu berücksichtigen. Die Feststellung, ob die Voraussetzungen nach § 37c Abs. 1 SGB V (Leistungsvoraussetzungen) und § 37c Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB V (Leistungsort, berechtigte Wünsche des Versi64 BT-Drucksache 19/20720, S. 59f.
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cherten, Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung am Leistungsort oder gegebenenfalls Nachbesserungsmaßnahmen unter Berücksichtigung persönlicher, familiärer und örtlicher Umstände) erfüllt sind, wird gemäß § 37c Abs. 2 Satz 6 SGB V durch die Krankenkasse nach persönlicher Begutachtung der oder des Versicherten am Leistungsort durch den Medizinischen Dienst getroffen. Die Krankenkasse hat ihre Feststellung gemäß § 37c Abs. 2 Satz 7 SGB V jährlich zu überprüfen und hierzu eine persönliche Begutachtung des Medizinischen Dienstes zu veranlassen. Liegen der Krankenkasse Anhaltspunkte vor, dass die Leistungsvoraussetzungen oder die Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung am Leistungsort nicht mehr vorliegen, kann sie die Überprüfung gemäß § 37c Abs. 2 Satz 8 SGB V zu einem früheren Zeitpunkt durchführen.65
4.6 Die Nachbesserung und die Zielvereinbarung Stellt die Krankenkasse fest, dass der vom Versicherten gewählte Leistungsort die medizinische und pflegerische Versorgung nicht vollständig zulässt, ist zu prüfen, ob die Versorgung durch angemessene Nachbesserungsmaßnahmen gewährleistet werden kann. Die Krankenkasse hat mit dem Versicherten – nicht dem Leistungserbringer! – über die erforderlichen Maßnahmen eine Zielvereinbarung zu schließen, § 37c Abs. 2 Satz 4 SGB V.
§
37c Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB V: Über die Nachbesserungsmaßnahmen nach § 37c Abs. 2 Satz 3 SGB V schließt die Krankenkasse mit dem Versicherten eine Zielver-
einbarung, an der sich nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs weitere Krankenkasse nur Leistungen nach diesem Buch. Über die geeigneten Nachbesserungsmaßnahmen hat die Krankenkasse mit dem Versi-
Kapitel IV
Leistungsträger zu beteiligen haben. Zur Umsetzung der Zielvereinbarung schuldet die
cherten eine Zielvereinbarung abzuschließen. Damit wird auf ein bewährtes Instrument aus § 29 Abs. 4 SGB IX zurückgegriffen, mit dem die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten durch eine enge Kooperation mit dem jeweils verantwortlichen Kostenträger gestärkt wird. An der Zielvereinbarung66 haben sich bei Bedarf weitere Leistungsträger zu beteiligen; der Abschluss der Zielvereinbarung soll dann angelehnt an das Teilhabeplanverfahrens erfolgen. Der Abschluss einer Zielvereinbarung unter Beteiligung weiterer Leistungsträger darf mithin nicht zu einer Verschiebung der Leistungszuständigkeiten führen. Dabei obliegt es den Krankenkassen und Leistungs65 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 26 (2.12 zu Abs. 2). 66 dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.6.2017, L 9 SO 474/12.
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erbringern gemeinsam, eine bedarfsgerechte und dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende pflegerische Versorgung zu gewährleisten (vgl. § 70 SGB V), jedoch schuldet die Krankenkasse keine über den Leistungsumfang des SGB V hinausgehenden Leistungen.67
67 BT-Drucksache 19/20720, S. 56.
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Kapitel V • Die Voraussetzungen
der Verordnung außerklinischer Intensivpflege
Der Anspruch der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Abs. 1 Satz 1 SGB V richtet sich an Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege. Dieser hohe Bedarf ist gem. § 37c Abs. 1 Satz 2 SGB V gegeben, wenn zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft die ständige Anwesenheit einer Pflegeperson oder ein vergleichbar intensiver Einsatz erforderlich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn behandlungspflegerische Maßnahmen in ihrer Intensität oder Häufigkeit unvorhersehbar am Tag und in der Nacht erfolgen müssen oder die Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes am Tag und in der Nacht erforderlich ist. Mit dieser Definition des besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege wurde an § 1 Abs. 7 Satz 3 HKP-RL angeknüpft.68 Der Anspruch beschränkt sich nicht nur auf die Leistungen der außerklinischer Intensivpflege, sondern erstreckt sich darüber hinaus auf Beratung durch die Krankenkassen hinsichtlich eines geeigneten Leistungsorts. Weitere Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung außerklinischer Intensivpflege ist eine Verordnung durch besonders qualifizierte Vertragsärzte. Hierzu zählen neben den niedergelassenen Vertragsärzten und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) auch ermächtigte Krankenhausärzte.69
§ 7 Abs. 1 Satz 2 AKI RL: 5 Wochen
§ 10 Abs. 1 AKI RL: Krankenhaus - 7 Tage
Kapitel V
Erst-Verordnung
(Folge-)-Verordnung
§ 7 Abs. 2 Satz 1 AKI RL: 6 Monate
§ 7 Abs. 2 Satz 2 AKI RL: „beatmet“ - 12 Monate
68 BT-Drucksache 19/19368, S. 27. 69 BT-Drucksache 19/19368, S. 27.
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5.1 Voraussetzungen der Verordnung außerklinischer Intensivpflege Die Anspruchsvoraussetzungen der außerklinischen Intensivpflege sind in § 37c Abs. 1 Satz 1 bis 4 SGB V [➔ 1.1] normiert und werden in der AKI-RL weiter konkretisiert.
Die medizinische Notwendigkeit Bei der Verordnung außerklinischer Intensivpflege sind die gesundheitliche Eigenkompetenz, der Eigenverantwortungsbereich der oder des Versicherten sowie die besonderen Belange von Kindern, Jugendlichen sowie jungen Volljährigen zu berücksichtigen. Es entspricht dem allgemeinen Grundsatz der Mitverantwortung des Versicherten (vgl. § 1 Satz 3 SGB V), dass ein Anspruch auf Leistungen nur dann besteht, wenn die oder der Versicherte die erforderlichen Maßnahmen nicht selbst erbringen kann.
§
1 Abs. 3 Satz 1 AKI-RL: Die oder der Versicherte hat nur dann einen Anspruch auf außerklinische Intensivpflege, wenn und soweit sie oder er die außerklinische Intensivpflege nicht
selbst durchführen kann. Aufgrund des komplexen Versorgungsgeschehens in der außerklinischen Intensivpflege ergeben sich erhöhte Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen, was auch darin seinen Niederschlag findet, dass nur besonders qualifizierte Vertragsärztinnen und Vertragsärzte eine Verordnung [➔ 6.2] vornehmen dürfen. Leistungen der außerklinischen Intensivpflege unterliegen § 2 Abs. 1 SGB V und haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu
Intensivpflege und das GKV-IPReG
berücksichtigen.
§
1 Abs. 2 AKI-RL: Die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege erfolgt bei medizinischer Notwendigkeit. Die Verordnung erfolgt durch besonders qualifizierte Vertrags-
ärztinnen und Vertragsärzte gemäß § 9 Abs. 1 und 2 AKI-RL. Die Versorgung im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege nach dieser Richtlinie erfolgt auf der Grundlage des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse. Gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 SGB V umfasst die vertragsärztliche Versorgung unter anderem die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege. An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren (MVZ) sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Daraus folgt, dass eine Verordnung von außerklinischer Intensivpflege durch diese erfolgen kann, sofern alle Voraussetzungen vorliegen. Eine Ermächtigung
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zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung können neben einigen anderen auch sozialpädiatrische Zentren gemäß § 119 SGB V und medizinische Behandlungszentren gemäß § 119c SGB V haben.70 Voraussetzung für die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege ist schließlich, dass sich die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt persönlich von der Notwendigkeit der außerklinischen Intensivpflege überzeugt hat. Versicherte, die außerklinische Intensivpflege benötigen, sind schwerstkrank, sodass eine regelmäßige Arzt-Patienten-Interaktion wichtig ist. Diese Regelung soll vermeiden, dass eine Verordnung über einen längeren Zeitraum ohne eine ärztliche Beurteilung der Angemessenheit der Versorgung erfolgt.
§
4 Abs. 5 AKI-RL: Voraussetzung für jede Verordnung von außerklinischer Intensivpflege ist, dass sich die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt von dem
Zustand der oder des Versicherten und der Notwendigkeit der außerklinischen Intensivpflege im Rahmen einer persönlichen Untersuchung überzeugt hat. Im Rahmen der Verordnung sind neben der pflegerischen und medikamentösen Behandlung insbesondere auch Behandlungsmöglichkeiten der Heilmittelerbringer sowie die Optimierung der Hilfsmittelversorgung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund kommt Hausbesuchen eine besondere Bedeutung zu, um die persönliche Untersuchung ohne unzumutbare gesundheitliche Belastungen für die Versicherten zu gewährleisten. Mit Hilfe der Versorgung von Heil- und Hilfsmitteln können die Funktionsbeeinträchtigungen, die außerklinische Intensivpflege erforderlich machen, gemindert werden. Insofern sind diese im Verordnungsgeschehen zu berücksichtigen.71
Außerklinische Intensivpflege ist durch die medizinische Notwendigkeit permanenter Interventionsbereitschaft und Anwesenheit, Einsatzbereitschaft und Leistungserbringung durch eine geeignete Pflegefachkraft über den gesamten Versorgungszeitraum ge-
Kapitel V
Die permanente Interventionsbereitschaft
kennzeichnet. Der Leistungsumfang der außerklinischen Intensivpflege entspricht dabei dem bisherigen der HKP-RL, denn die bisherigen Regelungen zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege für Versicherte mit intensivpflegerischem Versorgungsbedarf wurden in einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege überführt.72 Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege gemäß § 37c SGB V in Verbindung mit der vorliegenden Richtlinie ersetzt den Anspruch auf spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V in Verbindung mit der HKP-RL 70 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 4 (2.2 zu Abs. 2). 71 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 11 (2.5 zu Abs. 5). 72 BT-Drucksache 19/19368, S. 2.
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(Nr. 24 Leistungsverzeichnisses HKP-RL). Die Regelung in § 4 Abs. 1 AKI-RL stellt deshalb sicher, dass Versicherte, die nach bisherigem Recht Anspruch auf spezielle Krankenbeobachtung hatten, nach der neuen Rechtslage außerklinische Intensivpflege beanspruchen können.
ACHTUNG Der bislang leistungsberechtigte Personenkreis wird durch die Einfügung des § 37c SGB V weder ausgeweitet noch eingeengt.73
§
4 Abs. 1 AKI-RL: Die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege ist bei Versicherten zulässig, bei denen wegen Art, Schwere und Dauer der Erkrankung in den Fällen des § 1
Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AKI-RL die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder in den Fällen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AKI-RL ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft notwendig ist, weil eine sofortige ärztliche oder pflegerische Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich unvorhersehbar erforderlich ist, wobei die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden können. Leistungsberechtigt sind Versicherte, bei denen wegen Art, Schwere und Dauer der Erkrankung – in den Fällen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AKI-RL [= „Haushalt“] die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder – in den Fällen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AKI-RL [➔ 4.] ein vergleichbar inten-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
siver Einsatz einer Pflegefachkraft notwendig sind. Nur so kann sofortige ärztliche oder pflegerische Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich unvorhersehbar erfolgen, geleistet werden. Lebensbedrohliche Situationen können insbesondere dann vorliegen, wenn die Vitalfunktion der Atmung derart gefährdet ist, dass bei fehlender Intervention das Leben unmittelbar bedroht ist. Daher ist die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur permanenten Interventionsbereitschaft für den Zeitraum der notwendigen außerklinischen Intensivpflege zwingend erforderlich. Bei der Mehrheit handelt es sich um beatmete und trachealkanülierte Versicherte aller Altersstufen, bei denen aufgrund von bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich zu unvorhersehbaren Zeiten behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich sind, um lebensbedrohliche Situationen zu verhindern. Die medizinischen Ursachen für die Not73 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 9 (2.5 zu Abs. 1).
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wendigkeit einer Beatmung oder Trachealkanüle können vielfältig sein. Zum Beispiel können hierzu neuromuskuläre Erkrankungen oder schwerwiegende Lungenerkrankungen gehören. Daneben kann eine weitere sehr heterogene Patientengruppe einen Anspruch auf außerklinischen Intensivpflege haben. Dies sind Versicherte mit anderen Funktionsbeeinträchtigungen, bei denen ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich zu unvorhersehbaren Zeiten lebensbedrohliche Situationen auftreten. Hierzu können beispielsweise Versicherte mit therapieresistenten Epilepsien mit einer hohen Krampfanfall-Frequenz gehören. Versicherte, die außerklinische Intensivpflege benötigen, haben in der Regel rund um die Uhr einen sehr hohen Versorgungsbedarf an Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Täglich können zu jedem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit unvorhersehbar lebensbedrohliche Störungen der Vitalfunktionen auftreten, bei denen eine unverzügliche pflegefachliche Intervention erforderlich ist.
ACHTUNG Dabei ist nicht erforderlich, dass die lebensbedrohlichen Situationen tatsächlich täglich auftreten. Ausreichend ist, dass sie prospektiv betrachtet mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich auftreten können.74
In der Medizin gibt es eine Vielzahl von schweren Erkrankungsbildern und Versorgungssituationen, bei denen eine ausgeprägte medizinisch-pflegerische Betreuung der oder des Versicherten erforderlich ist. Dies ist jedoch von der medizinischen Notwendigkeit einer permanenten Interventionsbereitschaft, die aus vitaler Indikation durch eine geeignete Pflegefachkraft sichergestellt werden muss, abzugrenzen. Versicherte, bei denen regelmäßige Durchführung von planbaren behandlungspflegerischen Maßnahmen ausreichend ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege. In der Praxis gibt es ferner auch Versorgungsfälle, bei denen die Versicherten nicht rund
Kapitel V
punktuelle behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich sind oder bei denen die
um die Uhr einen Bedarf an außerklinischer Intensivpflege haben. Diese Fallkonstellationen sind grundsätzlich von der außerklinischen Intensivpflege umfasst, wenn in der Zeit der Versorgung (beispielsweise in der Nacht, also für zehn Stunden) eine geeignete Pflegefachkraft ständig anwesend sein muss.
Die Rolle der Trachealkanüle Die Indikationen und Funktionsbeeinträchtigungen, die außerklinische Intensivpflege erforderlich machen, sind vielfältig. In der intensivmedizinischen Behandlung wird auf74 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 9 (2.5 zu Abs. 1).
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grund von Langzeitbeatmung häufig eine Trachealkanüle notwendig und auch Menschen mit einer ausgeprägten Dysphagie können zum Aspirationsschutz vorübergehend oder dauerhaft eine Trachealkanüle erhalten. Andere Gründe für eine dauerhafte Anlage einer Trachealkanüle gehen gegebenenfalls nicht mit einer lebensbedrohlichen Funktionsbeeinträchtigung einher, dies können zum Bespiel Tumore im Nasen-Rachenraum sein.75 Die Verordnungsvoraussetzung richtet sich daher allein nach der Erfüllung der Kriterien des § 4 Abs. 1 AKI-RL, also bei der permanenten Interventionsbereitschaft einer Pflegefachkraft, und nicht nach dem Vorhandensein einer Trachealkanüle oder eines Tracheostomas.
§
4 Abs. 2 AKI-RL: Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen kann nicht alleine auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Tracheostomas abgestellt werden.
Das vorrangige Ziel der Überführung der außerklinischen Intensivpflege in den § 37c SGB V ist die Ausschöpfung möglicher Potenziale der Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung. Zeigt sich im Rahmen der Erhebung der Potenziale nach § 5 AKI-RL [➔ 5.2], dass bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten ein Potenzial zur Beatmungsentwöhnung beziehungsweise Dekanülierung vorliegt, leitet die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt in Abstimmung mit der oder dem Versicherten unverzüglich weitere Maßnahmen ein, insbesondere eine Einweisung in eine auf die Beatmungsentwöhnung spezialisierte stationäre Einrichtung oder in eine auf Dysphagie spezialisierte stationäre Einrichtung. Dies ist erforderlich, damit die bereits erreichten Ziele und Potenziale nicht gefährdet werden und die oder der Versicherte weitere Therapieoptionen bekommt. Da das Auffinden geeigneter Einrichtungen mit Versorgungskapazitäten mitunter aufwändig sein kann, sollen die Krankenkassen im Rahmen ihrer
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Möglichkeiten dabei mitwirken.76
§
4 Abs. 3 AKI-RL: Zeigt sich bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten im Rahmen der Erhebung nach § 5 AKI-RL, dass ein Potenzial zur Beatmungsentwöhnung bezie-
hungsweise Dekanülierung vorliegt, leitet die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt in Abstimmung mit der oder dem Versicherten unverzüglich weitere Maßnahmen ein, insbesondere eine Einweisung in eine auf die Beatmungsentwöhnung spezialisierte stationäre Einrichtung oder in eine auf Dysphagie spezialisierte stationäre Einrichtung. Die Krankenkassen wirken unterstützend mit, geeignete Einrichtungen nach Satz 1 mit verfügbaren Versorgungskapazitäten zu benennen, sofern ihnen diese bekannt sind. Bei Versicherten mit unmittelbar bestehendem Potenzial einer Entwöhnung, Dekanülierung oder Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung können Verordnungen von außerklinischer Intensivpflege nur bis zum Zeitpunkt des Entwöhnungsversuches in einer auf die Beatmungsentwöhnung 75 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 10 (2.5 zu Abs. 2). 76 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 10 (2.5 zu Abs. 3).
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spezialisierten stationären Einrichtung oder in einer auf Dysphagie spezialisierten Einrichtung ausgestellt werden. In § 4 Abs. 3 Satz 3 AKI-RL ist zudem eine Ausnahme vorgesehen, in der außerklinische Intensivpflege auch bei unmittelbar vorliegendem Potenzial vorübergehend verordnet werden kann. Mit dieser Ausnahme ist sichergestellt, dass Versicherte im Falle von möglichen Wartezeiten auf einen freien Platz in einer Einrichtung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AKI-RL bis zur frühestmöglichen Aufnahme außerklinische Intensivpflege erhalten. Hierzu stimmen sich die verordnende Ärztin oder der verordnende Arzt mit der oder dem Versicherten und der Beatmungsentwöhnungs-Einheit ab. Im Rahmen der Abstimmung mit der oder dem Versicherten berücksichtigt die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt berechtigte Interessen der oder des Versicherten sowie die Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft.77
Die außerklinische Intensivpflege in der Palliativversorgung Die Regelung des § 4 Abs. 4 AKI-RL greift die gesetzliche Vorgabe nach § 37c Abs. 1 Satz 5 SGB V auf.
§
37c Abs. 1 Satz 5 SGB V: Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende
Vertragsarzt hat das Therapieziel mit dem Versicherten zu erörtern und individuell
festzustellen, bei Bedarf unter Einbeziehung palliativmedizinischer Fachkompetenz. Die palliative Versorgung kann die Versorgung der schwerkranken Versicherten in der der oder dem Versicherten ergänzen. Da es sich bei den Versicherten mit Bedarf an außerklinischer Intensivpflege um Schwerstkranke handelt, kann die Einbindung palliativmedizinischer Expertise in der letzten Lebensphase, zum Bespiel zur Kontrolle einer hohen Symptomlast, von besonderer Bedeutung sein. Mit der Regelung wird die Vernetzung
Kapitel V
außerklinischen Intensivpflege entsprechend dem Therapieziel im Einvernehmen mit
beider Leistungsbereiche gestärkt.78
§
4 Abs. 4 AKI-RL: Bei Bedarf, insbesondere bei Vorliegen einer infausten Prognose und wenn eine kurative Therapie nicht mehr möglich ist, ist im Einvernehmen mit der oder
dem Versicherten durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt palliativmedizinische Fachkompetenz einzubeziehen.
77 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 10 (2.5 zu Abs. 3). 78 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 10 (2.5 zu Abs. 4).
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5.2 Die Potenzialerhebung Die Erhebung des Potenzials ist die wesentliche Neuerung durch § 37c Abs. 1 Satz 6 AKI-RL im Vergleich zu § 37 SGB V und der HKP-RL, in der solch strukturierte, abgestufte Verfahren nicht vorgesehen waren. Dies trägt der Versorgungsqualität sowie dem Wunsch nach Eigenständigkeit der oder des Versicherten Rechnung.
§
37c Abs. 1 Satz 6 SGB V: Bei Versicherten, die beatmet werden oder tracheotomiert sind, sind mit jeder Verordnung einer außerklinischen Intensivpflege das Potenzial
zur Reduzierung der Beatmungszeit bis hin zur vollständigen Beatmungsentwöhnung und Dekanülierung sowie die zu deren Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu erheben, zu dokumentieren und auf deren Umsetzung hinzuwirken. Das eigentliche Weaning oder die Dekanülierung erfolgt in der stationären Versorgung (beispielsweise in einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungsenwöhnungs-Einheit). Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben und angelehnt an die Ausführungen der einschlägigen Leitlinien werden in § 2 AKIRL die Therapieziele und in § 5 AKI-RL die Aspekte der Potenzialerhebung jeweils näher erläutert. Wenn Versorgungsumfänge nach einer Besserung des Gesundheitszustandes bedarfsweise reduziert werden können, trägt dies auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V Rechnung,
§
5 Abs. 1 AKI-RL: Vor jeder Verordnung werden bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten das Potenzial zur Reduzierung der Beatmungszeit bis hin zur vollständigen
Beatmungsentwöhnung (Weaning) beziehungsweise zur Entfernung der Trachealkanüle
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(Dekanülierung) und die Möglichkeiten der Therapieoptimierung sowie die jeweils zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen individuell erhoben und dokumentiert (dieser Prozess wird im Folgenden als Erhebung bezeichnet). Dies umfasst auch die Prüfung des Potenzials für eine Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung, die Beurteilung der Therapieadhärenz und bei festgestelltem Potenzial die Festlegung und gegebenenfalls Anpassung der Entwöhnungs- beziehungsweise Dekanülierungsstrategie. Ist die Beatmung beziehungsweise die Trachealkanüle dauerhaft indiziert oder eine Dekanülierung oder Entwöhnung zum Zeitpunkt der Erhebung nicht möglich oder absehbar, sind die konkreten Gründe zu dokumentieren. § 5 Abs. 1 AKI-RL erläutert den Prozess und die Inhalte der Potenzialerhebung. § 37c Abs. 1 Satz 6 SGB V in Verbindung mit den AKI-RL sieht vor, dass vor jeder Verordnung bei Versicherten, die beatmet werden oder trachealkanüliert sind, das Potenzial zur Beatmungsentwöhnung beziehungsweise zur Dekanülierung erhoben wird und entsprechende Maßnahmen einzuleiten sind. Diese strukturierte Erhebung soll sicherstellen, dass solche Potenziale frühzeitig erkannt und weitere dann notwendige Behandlungsschritte,
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wie eine Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung im stationären Setting, durch entsprechend qualifizierte Ärztinnen und Ärzte eingeleitet werden. Eine solche Erhebung kann auch zum Ergebnis haben, dass ein solches Potenzial noch nicht vorliegt, sich aber perspektivisch noch ergeben könnte. Dann sind Therapieziele und Maßnahmen an dem Versuch auszurichten, ein solches Potenzial noch zu heben. Unabhängig davon dienen diese Erhebungen bei allen beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten dem Zweck, mögliche Therapieoptimierungen in der Folge anzustoßen und zu realisieren. Damit kann die regelmäßige Evaluation der Behandlung durch Experten auch bei nicht entwöhnbaren Versicherten medizinische notwendig sein. Häufig sind es multifaktorielle Ursachen, die eine erfolgreiche Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung verhindern und gegebenenfalls eine dauerhafte Beatmung beziehungsweise Anwendung einer Trachealkanüle indizieren. Liegt ein solcher Fall vor, sind die Gründe, die einer erfolgreichen Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung entgegenstehen, im Rahmen der Erhebung zu dokumentieren.79
§
5 Abs. 2 AKI-RL: Die Erhebung erfolgt durch die besonders qualifizierten Vertragsärztinnen und Vertragsärzte nach § 8 AKI-RL (potenzialerhebende Ärztinnen und Ärzte). Gemäß
§ 37c Abs. 1 Satz 7 SGB V sind zur Erhebung auch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztinnen und Ärzte oder nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Krankenhäuser berechtigt und nehmen zu diesem Zweck an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Potenzialerhebung erfolgt durch besonders qualifizierte Vertragsärztinnen und Vertragsärzte. Die Qualifikation dieser sogenannten potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte wird in § 8 AKI-RL festgelegt. Gemäß § 37c Abs. 1 Satz 7 SGB V sind zur Erhebung nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Krankenhäuser berechtigt und nehmen zu diesem Zweck an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Qualifikationsvoraussetzungen nach § 8 AKI-RL gelten entsprechend.80
Kapitel V
auch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztinnen und Ärzte oder
§
5 Abs. 3 AKI-RL: Die Erhebung kann auch unter Nutzung der telemedizinischen Möglichkeiten durchgeführt werden. Mindestens einmal jährlich muss die Erhebung jedoch unmit-
telbar persönlich, vorrangig am Ort der Leistung erfolgen. Wenn eine unmittelbar persönliche Erhebung am Ort der Leistung durch eine Ärztin oder einen Arzt mit der Qualifikation nach § 8 AKI-RL ausnahmsweise nicht möglich ist, ist für einen dann erforderlichen Transport der oder des Versicherten die Verhältnismäßigkeit des Transports zu prüfen. Wenn ein Transport unverhältnismäßig ist, kann abweichend von Satz 2 die dort einmal jährlich unmittelbar persönlich vorgesehene Erhebung auch unter Nutzung der telemedizinischen Möglichkeiten durchgeführt 79 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 11 (2.6 zu Abs. 1). 80 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 12 (2.6 zu Abs. 2).
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werden. Wird die Erhebung nach Satz 2 nicht unmittelbar persönlich durchgeführt, ist das Vorliegen der hierfür geltenden Voraussetzungen nach Satz 3 und 4 im Einzelfall zu begründen und in der Patientenakte zu dokumentieren. Die Erhebung kann auch unter Nutzung der telemedizinischen Möglichkeiten durchgeführt werden. Mindestens einmal jährlich muss die Erhebung jedoch unmittelbar persönlich erfolgen. Die unmittelbar persönliche Erhebung soll vorrangig am Ort der Leistung erfolgen. Dadurch können gesundheitliche Belastungen für die oder den Versicherten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Untersuchung vermieden werden. Ist dies nicht möglich, weil zum Beispiel qualifizierte Ärztinnen und Ärzte nach § 8 AKI-RL fehlen, welche die Erhebung vor Ort durchführen, und die Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand beziehungsweise gesundheitlichen Belastungen transportfähig sind, kann die notwendige fachärztliche Expertise für die jährlich unmittelbar persönlich erforderliche Erhebung auch auf telemedizinischem Wege hinzugezogen werden. Dies muss entsprechend dokumentiert und begründet werden. Die telemedizinische Erhebung entspricht vom Inhalt und Umfang einer persönlichen Erhebung.81
ACHTUNG Grundsatz der Potenzialerhebung für beatmete Versicherte: Keine Verordnung der außerklinischen Intensivpflege ohne vorherige Potenzialerhebung; § 5 Abs. 1 Satz1 AKI-RL. Frequenz: Mindestens alle sechs Monate, § 5 Abs. 4 Satz 1 AKI-RL (nicht älter als drei Monate im Zeitpunkt der Verordnung). Durchführung: Mindestens einmal jährlich unmittelbar persönlich am Ort der Leistung; § 5 Abs. 3 Satz 1 AKI-RL.
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Aspekte: § 5 Abs. 8 AKI-RL. Ausnahmen: § 5 Abs. 5 und 6 AKI-RL, wenn keine Aussicht auf eine nachhaltige Verbesserung besteht.
§
5 Abs. 4 AKI-RL: Die Erhebung muss mindestens alle sechs Monate durchgeführt werden. Sie darf zum Zeitpunkt der Verordnung nicht älter als drei Monate sein.
§ 5 Abs. 4 AKI-RL regelt die Frequenz der Potenzialerhebung. Wenn ein Weaning- oder Dekanülierungspotenzial langfristig nicht sicher ausgeschlossen werden kann, muss die Erhebung regelmäßig, mindestens jedoch alle sechs Monate durchgeführt werden. Dies ist entscheidend für die Optimierung der Versorgung der Versicherten in der außerklinischen Intensivpflege und stellt insbesondere die obligate regelmäßige fachärztliche Versorgung und insofern die Überprüfung der Indikationen für die Beatmung und Kanü81 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 12 (2.6 zu Abs. 3).
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lierung sowie die Therapieoptimierung sicher. Dadurch soll eine engmaschige Kontrolluntersuchung durch die potenzialerhebende Ärztin oder den potenzialerhebenden Arzt erfolgen, um mögliche Fortschritte in der Behandlung zu beurteilen und entsprechende Maßnahmen zur Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung einzuleiten. Die Erhebung darf zum Zeitpunkt der Verordnung nicht älter als drei Monate sein. Durch diesen Zeitraum wird ein enger zeitlicher Bezug zur Verordnung hergestellt und gleichzeitig eine gewisse Flexibilität bei der Terminvergabe für die potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte ermöglicht.82
§
5 Abs. 5 AKI-RL: Wird bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten im Rahmen der Erhebung festgestellt und dokumentiert, dass keine Aussicht auf nachhaltige Besserung
der zu Grunde liegenden Funktionsstörung besteht und eine Dekanülierung oder Entwöhnung dauerhaft nicht möglich ist, muss die Erhebung abweichend von § 5 Abs. 4 Satz 1 AKI-RL mindestens alle 12 Monate durchgeführt werden. Die Erhebung darf bei diesen Versicherten abweichend von § 5 Abs. 4 Satz 2 AKI-RL zum Zeitpunkt der Verordnung nicht älter als sechs Monate sein. Sie umfasst die in diesem Paragraphen beschriebenen Inhalte, setzt aber den Schwerpunkt auf Aspekte der Therapiekontrolle oder Therapieoptimierung. § 5 Abs. 5 AKI-RL bestimmt Ausnahmen von den Regelungen in § 5 Abs. 1 bis 3 AKI-RL für beatmete oder trachealkanülierte Versicherte, bei denen keine Aussicht auf nachhaltige Besserung der zu Grunde liegenden Funktionsstörung besteht und eine Dekanülierung oder Beatmungsentwöhnung dauerhaft nicht möglich ist. Auch bei diesen Versicherten muss die Potenzialerhebung regelmäßig erfolgen, jedoch bedarf es in diesen Fällen nicht einer so hohen Erhebungsfrequenz wie bei Versicherten, die Aussicht auf eine Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung haben. Wird im Rahmen einer Erheauf eine nachhaltige Besserung der zu Grunde liegenden Funktionsstörung besteht und eine Dekanülierung oder Beatmungsentwöhnung dauerhaft nicht möglich ist, ist die Erhebung mindestens alle 12 Monate durchzuführen. Ferner darf die Erhebung bei diesen Versicherten zum Zeitpunkt der Verordnung nicht älter als sechs Monate sein. Da in
Kapitel V
bung festgestellt, dass bei der oder dem Versicherten langfristig keine Aussicht mehr
diesen Fällen die Erhebung nicht mit einem dringenden medizinischen Behandlungsbedarf verbunden ist, wird den Versicherten und den potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzten eine größere Flexibilität bei der Terminfindung ermöglicht. Das ist entsprechend zu dokumentieren und der Krankenkasse im Rahmen der Verordnung mitzuteilen. Im Rahmen dieser Erhebung werden die in § 5 AKI-RL beschriebenen Inhalte mit dem Ziel der Therapiekontrolle oder Therapieoptimierung erhoben.83
82 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 12 (2.6 zu Abs. 4). 83 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 12f (2.6 zu Abs. 5).
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§
5 Abs. 6 AKI-RL: Nachdem innerhalb eines Gesamtzeitraumes der Patientenbeobachtung
von mindestens zwei Jahren zweimal in Folge eine Feststellung und Dokumentation nach
§ 5 Abs. 5 Satz 1 AKI-RL auf Grundlage einer unmittelbar persönlichen Untersuchung getroffen wurde, ist eine Verordnung gemäß § 6 AKI-RL auch ohne erneute Erhebung zulässig. Die Verordnung gemäß Satz 1 darf nicht durch die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt erfolgen, die oder der die Feststellungen nach Satz 1 getroffen hat. Ungeachtet dessen kann die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt eine Erhebung weiterhin wie grundsätzlich vorgesehen veranlassen beziehungsweise die oder der Versicherte diese beanspruchen. Wenn der Krankenkasse aufgrund der regelmäßigen Begutachtung des Medizinischen Dienstes ein Hinweis auf ein Potenzial zur Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung oder ein Hinweis auf eine Möglichkeit zur Therapieoptimierung vorliegt, hat sie die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt über die Notwendigkeit einer erneuten Erhebung zu informieren. Diese oder dieser hat die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Mit § 5 Abs. 6 AKI-RL werden die therapeutischen Belange von Menschen, bei denen aufgrund ihrer Diagnose und des klinischen Bildes weder ein Potenzial zur Reduzierung der Beatmungszeit, noch eine vollständige Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung möglich ist, in spezifischer Weise berücksichtigt. Bei diesen Versicherten kann eine regelmäßige Erhebung zu gesundheitlichen Belastungen führen und in der Gesamtbetrachtung kein geeignetes Mittel des Behandlungsverfahrens darstellen. Um gleichzeitig Fehlanreize in der Versorgung zu vermeiden, werden als Voraussetzung für die Entscheidung, bei Betroffenen aus dieser Patientengruppe von einer verpflichtenden Erhebung mit jeder Verordnung abzusehen, eine fachärztliche Prüfung durch eine Ärztin oder einen Arzt mit einer Qualifikation nach § 8 AKI-RL und gesicherte Diagnosestellung auf Basis eines zweijährigen Untersuchungszeitraums im Rahmen eines Vier-Augenprinzips
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geregelt. Das bedeutet, dass die verordnende Ärztin oder der verordnende Arzt gemäß § 9 AKI-RL nicht gleichzeitig die potenzialerhebende Ärztin oder der potenzialerhebende Arzt gemäß § 8 AKI-RL sein darf. Zudem wird eine Informationspflicht der Krankenkasse gegenüber der verordnenden Vertragsärztin oder dem verordnenden Vertragsarzt für den Fall geregelt, dass dem Medizinischen Dienst, der gemäß § 37c Abs. 2 Satz 7 und 8 SGB V auf Veranlassung der Krankenkasse mindestens jährlich eine persönliche Begutachtung der oder des Versicherten durchführt, ein Hinweis auf ein Potenzial zur Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung oder ein Hinweis auf eine Möglichkeit zur Therapieoptimierung vorliegt. Durch die Nutzung dieser bereits bestehenden Struktur soll auch bei Verzicht auf regelmäßige Erhebungen nach § 5 Abs. 5 Satz 1 AKI-RL die Sicherstellung der bedarfsgerechten Behandlung unterstützt werden. Unabhängig davon kann aber auch die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt bei Hinweisen auf eine Möglichkeit zur Therapieoptimierung eine Erhebung nach § 5 AKI-RL veranlassen. Zudem besteht ein Anspruch der Versicherten auf eine entsprechende Erhebung hinsichtlich der Möglichkeiten zur Therapieoptimierung,
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auch wenn in Hinblick auf eine Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung dauerhaft kein Potenzial mehr gegeben ist.84
§
5 Abs. 7 AKI-RL: Die Erforderlichkeit von weiteren Arztkontakten von potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzten nach § 8 AKI-RL über die Erhebung hinaus, bemisst sich nach
der Schwere der Erkrankung und möglicher Komplikationen. Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt nach § 9 AKI-RL wirkt auf die Umsetzung der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 bis 2 AKI-RL dokumentierten Maßnahmen hin. Unabhängig von der Erhebung und deren Frequenz können weitere Kontakte zwischen den Versicherten und den potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte nach § 8 AKI-RL erforderlich sein. Dies bemisst sich nach der Schwere der Erkrankung und möglicher Komplikationen. Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt wirkt auf die Umsetzung der im Rahmen der Erhebung dokumentierten Maßnahmen hin. Die Qualifikation der verordnenden Vertragsärztinnen und Vertragsärzte wird in § 9 AKI-RL [➔ 6.2] festgelegt.85
§
5 Abs. 8 AKI-RL: Im Rahmen der Erhebung bei beatmeten Versicherten sollen insbesondere folgende Aspekte überprüft und in die Bewertung eines Beatmungsentwöhnungs- be-
ziehungsweise Dekanülierungspotenzials einbezogen und zusammenfassend dokumentiert werden: 1. Einschätzung der Prognose der Grund- und Begleiterkrankungen und der Entwicklung der akuten Erkrankungsphase, die zur Beatmung geführt hat; Benennung der Funktionsbeeinträchtigungen, die eine Entwöhnung verhindern beziehungsweise die Spontanatmungszeit begrenzen; Einbezug eines Ethik-Fallgesprächs); 3. Einschätzung des Regenerationspotenzials und der Adhärenz (Mitarbeit) der oder des Versicherten; 4. Systematische und strukturierte Erhebung der Lebensqualität;
Kapitel V
2. Strukturierte Ermittlung des (mutmaßlichen) Patientenwillens (gegebenenfalls unter
5. Möglichkeiten der Therapieoptimierung insbesondere unter Berücksichtigung diätetischer, medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten und Heilmitteltherapien sowie Überprüfung der Funktionalität des eventuellen Beatmungszugangs; 6. Atemmechanik; 7. Hustenstoß und Sekretmanagement; 8. Hämodynamischer Status (zum Beispiel Blutdruck, Herzfrequenz); 9. Dyspnoe-, Bewusstseins- und Schmerzstatus; 10. Beurteilung der NIV-Fähigkeit; 84 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 13 (2.6 zu Abs. 6). 85 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 13 (2.6 zu Abs. 7).
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11. Feststellung der Gasaustauschparameter (zum Beispiel pO2, pH, pCO2, sO2) mit invasiven oder nicht-invasiven Messverfahren (zum Beispiel Blutgasanalyse, Pulsoxymetrie, transkutane Oxymetrie und CO2-Messung); 12. Feststellung der Geräteeinstellungen (mindestens Beatmungsmodus, Beatmungsdrücke, Atemfrequenz und FiO2- oder O2-Fluss; die Feststellung der Atemfrequenz ist entbehrlich, sofern eine Beatmungsform gewählt wurde, bei der eine Einstellung der maschinellen Atemfrequenz nicht vorgesehen ist); 13. Feststellung der Gerätemesswerte (mindestens Atemfrequenz, Atemzugvolumen, Atemminutenvolumen, Beatmungsdrücke, durchschnittliche Nutzungszeit pro Tag und Spontanatmungszeit inkl. deren Verhinderungsgründe); 14. Standardisiertes Aspirationsscreening; 15. Schluckfunktion mit geeigneten Verfahren (zum Beispiel fiberoptische endoskopische Evaluation des Schluckens [FEES]); 16. Sitz und Funktion der Trachealkanüle. Die Aufzählung in § 5 Abs. 8 AKI-RL enthält eine Liste von Aspekten, die bei beatmeten Versicherten im Rahmen der Erhebung insbesondere erhoben werden sollen. Dies bedeutet, dass die Aufzählung weder abschließend ist, noch in jedem Fall zu allen Aspekten zwingend eine Erhebung und Dokumentation erfolgen muss. Die an dieser Stelle aufgeführten Befunde, die für die Beurteilung des Potenzials zur Reduzierung der Beatmungszeit bis hin zur vollständigen Beatmungsentwöhnung (Weaning), erhoben werden sollen, orientieren sich inhaltlich an Beschreibungen, die im Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 1-717 (Feststellung des Beatmungsstatus und des Beatmungsentwöhnungspotenzials) in der Version 2021 und 2022 vorgenommen wurden. Diese wurden vor dem Hintergrund der Hinweise aus dem Stellungnahmeverfahren durch den G-BA für den vertragsärztlichen Bereich bedarfsgerecht weiterentwickelt.
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Sie sollen in der Gesamtschau die Feststellung ermöglichen, ob ein solches Potenzial vorliegt oder nicht. Zu den Feststellungen gehört auch die strukturierte Ermittlung des Patientenwillens; § 5 Abs. 8 Nr. 2 AKI-RL. Hierzu gehören sowohl die Sichtweise der oder des Versicherten zur Fortführung oder Anpassung der Maßnahmen der außerklinischen Intensivpflege als auch zur Durchführung der Beatmungsentwöhnung. Die erhobenen medizinischen Befunde sowie der (mutmaßliche) Patientenwille fließen in die Beurteilung des Weaning-/ Dekanülierungspotenzials und deren Umsetzung ein. Es ist zudem sinnvoll, dass der Zeitpunkt der Erhebung darüber hinaus dafür genutzt wird, um Möglichkeiten der Therapieoptimierung zu klären und diese gegebenenfalls anzustoßen, insbesondere unter Berücksichtigung diätetischer, medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten und Heilmitteltherapien. Die regelmäßige Erhebung dient bei Versicherten, bei denen die Beatmung aufgrund einer anhaltenden oder fortschreitenden Grunderkrankung dauerhaft indiziert ist, insbesondere der Therapieoptimierung zur Verbesserung der gesundheitlichen Le-
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bensqualität. Die Berücksichtigung eines Ethik-Fallgesprächs ist nur unter besonderen Umständen (beispielsweise bei einer möglichen Beendigung der Beatmungstherapie) angemessen und daher kein Bestandteil der regelmäßig zu erhebenden Befunde. Bei der Erhebung ist neben den medizinischen Befunden auch immer die gesundheitsbezogene Lebensqualität zu berücksichtigen. Hierdurch soll die Patientenperspektive in die Therapiebewertung eingebracht werden, die durch objektive Parameter nicht adäquat abgebildet wird.86
§
5 Abs. 9 AKI-RL: Erfolgt die Erhebung bei beatmeten Versicherten im Rahmen des Entlassmanagements, werden mindestens folgende Aspekte und Befunde erhoben:
1. Atemmechanik (zum Beispiel Hustenstoß, Sekretion); 2. Hämodynamischer Status (zum Beispiel Blutdruck, Herzfrequenz); 3. Sedierungsscore (zum Beispiel Richmond Agitation-Sedation Scale); 4. Beurteilung der NIV-Fähigkeit; 5. Feststellung der Gasaustauschparameter (zum Beispiel pO2, pH, pCO2, sO2) mit invasiven oder nicht-invasiven Messverfahren (zum Beispiel Blutgasanalyse, Pulsoxymetrie, transkutane Oxymetrie und CO2-Messung); 6. Feststellung der Geräteeinstellungen (mindestens Beatmungsmodus, Beatmungsdrücke, Atemfrequenz, FiO2 oder O2-Fluss; die Feststellung der Atemfrequenz ist entbehrlich, sofern eine Beatmungsform gewählt wurde, bei der eine Einstellung der maschinellen Atemfrequenz nicht vorgesehen ist); 7. Feststellung der Gerätemesswerte (mindestens Atemfrequenz, Atemzugvolumen, Atemminutenvolumen, Beatmungsdrücke); 8. Klinische Einschätzung der Prognose der Grund- und Begleiterkrankungen und der Entwicklung der akuten Erkrankungsphase, die zur Beatmung geführt hat; oder des Versicherten; 10. Evaluation des (mutmaßlichen) Patientenwillens (gegebenenfalls unter Einbezug eines Ethik-Fallgesprächs); 11. Beurteilung des Beatmungsentwöhnungspotenzials unter Berücksichtigung der erhobe-
Kapitel V
9. Klinische Einschätzung des Regenerationspotenzials und der Compliance (Mitarbeit) der
nen Befunde. Die Befunderhebungen nach diesem Absatz dienen daneben auch der Klärung von Möglichkeiten der weiteren Therapieoptimierung, insbesondere unter Berücksichtigung diätetischer, medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten und Heilmitteltherapien im Hinblick auf die außerklinische Versorgung. Wurden solche Aspekte identifiziert, sind diese bei der Verordnung der außerklinischen Intensivpflege zu berücksichtigen. Bei einer geplanten Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgt die Erhebung bei beatmeten Versicherten mit mindestsens den in § 5 Abs. 9 AKI-RL genannten Aspekten und 86 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 13f (2.6 zu Abs. 8).
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Befunden im Rahmen des Entlassmanagements. Durch § 39 Abs. 1 Satz 6 SGB V soll sichergestellt werden, dass Beatmungspatientinnen und Beatmungspatienten mit Entwöhnungspotenzial nicht vorschnell in die außerklinische Intensivpflege entlassen werden, sondern noch vorhandene Entwöhnungspotenziale durch Verlegung in spezialisierten Entwöhnungszentren ausgeschöpft werden.
§
39 Abs. 1 Satz 6 SGB V: Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der
Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten. Demnach gehört zur Krankenhausbehandlung auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten. Auf dieser Grundlage wurde der OPS „1-717 Feststellung des Beatmungsstatus und des Beatmungsentwöhnungspotenzials“ eingeführt. Da Krankenhäuser im Rahmen des Entlassmanagements auch außerklinische Intensivpflege verordnen können, bedurfte es einer Regelung, damit Krankenhäuser keine konkurrierenden Anwendungsvorschriften beachten müssen, wenn es um die konkreten Inhalte der Erhebung geht. Daher hat der G-BA aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit geregelt, dass bei Verordnungen von außerklinischer Intensivpflege im Rahmen des Entlassmanagements die Kriterien des vorgenannten OPS (Version 2022) Anwendung finden, wenn es um die konkreten Prüfinhalte der Erhebung geht. Die Anwendung der Kriterien des OPS im Entlassmanagement durch die Krankenhäuser wird den Anforderungen an die Erhebung vor dem Hintergrund der im Krankenhaus bestehenden klinischen Ausgangssituation und technischen Voraussetzungen inhaltlich gerecht. Auch im Rahmen des Entlassmanagements dient die Befunderhebung zudem der Klärung von Möglichkei-
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ten der weiteren Therapieoptimierung. Wurden solche Aspekte identifiziert, sind diese ebenso wie weitere in § 5 Abs. 9 AKI-RL genannte Aspekte bei der Verordnung zu berücksichtigen.87
§
5 Abs. 10 AKI-RL: Im Rahmen der Erhebung bei nicht beatmeten trachealkanülierten Versicherten sollen insbesondere folgende Aspekte überprüft und in die Bewertung des Dekan-
ülierungspotenzials einbezogen und zusammenfassend dokumentiert werden: 1. Einschätzung der Prognose der Grund- und Begleiterkrankungen und der Entwicklung der akuten Erkrankungsphase, die zur Schluckstörung geführt hat und Benennung der Funktionsbeeinträchtigungen, welche eine Dekanülierung verhindern; 2. Strukturierte Ermittlung des (mutmaßlichen) Patientenwillens (gegebenenfalls unter Einbezug eines Ethik-Fallgesprächs);
87 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 14 (2.6 zu Abs. 9).
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3. Einschätzung des Regenerationspotenzials und der Adhärenz (Mitarbeit) der oder des Versicherten; 4. Systematische und strukturierte Erhebung der Lebensqualität; 5. Möglichkeiten der Therapieoptimierung insbesondere unter Berücksichtigung diätetischer und medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten und Heilmitteltherapien; 6. Atemwegsanatomie; 7. Standardisiertes Aspirationsscreening; 8. Schluckfunktion mit geeigneten Verfahren (zum Beispiel fiberoptische endoskopische Evaluation des Schluckens [FEES]); 9. Hustenstoß und Sekretmanagement; 10. Dyspnoe, Bewusstseins- und Schmerzstatus; 11. Sitz und Funktion der Trachealkanüle. Bei dieser Erhebung müssen die bestehenden medizinischen Empfehlungen zur Behandlung einer neurogenen Dysphagie berücksichtigt werden In § 5 Abs. 10 AKI-RL schließlich werden die Aspekte benannt, welche insbesondere bei der Erhebung des Potenzials zur Dekanülierung bei trachealkanülierten, aber nicht beatmeten Versicherten überprüft werden sollen und bei der Beurteilung des Potenzials zu berücksichtigen sind. Dies bedeutet, dass die Aufzählung in der Liste weder abschließend ist, noch in jedem Einzelfall zu allen Aspekten zwingend eine Erhebung und Dokumentation erfolgen muss. Diese orientieren sich an den diesbezüglichen Inhalten einschlägiger Leitlinien.88 Es ist zudem sinnvoll, dass der Zeitpunkt der Erhebung darüber hinaus dafür genutzt wird, um Möglichkeiten der Therapieoptimierung zu klären und diese gegebenenfalls anzustoßen, insbesondere unter Berücksichtigung diätetischer, medikamentöser
5.3 Der Verordnungsvordruck außerklinischer Intensivpflege
Kapitel V
Behandlungsmöglichkeiten und Heilmitteltherapien.89
Die außerklinische Intensivpflege setzt eine ärztliche Verordnung auf einem neuen Vordruck („Verordnung außerklinischer Intensivpflege“) voraus; § 6 Abs. 1 Satz 2 AKI-RL.
§
6 Abs. 1 AKI-RL: Die außerklinische Intensivpflege setzt eine ärztliche Verordnung voraus. Die ärztliche Verordnung erfolgt auf dem vereinbarten Vordruck (Verordnung außerklini-
88 vgl. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Neurogene Dysphagie; S1-Leitlinie, Langfassung [online]. AWMF-Registernummer 030-111. Berlin (GER): Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF); 2020, abrufbar unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-111l_Neurogene-Dysphagie_2020-05.pdf [zuletzt abgerufen am 30.1.2022]. 89 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 15 (2.6 zu Abs. 11).
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scher Intensivpflege).Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt hat auf dem Verordnungsvordruck insbesondere anzugeben: 1. Die verordnungsrelevante(n) Diagnose(n) als medizinische Begründung für außerklinische Intensivpflege und die daraus resultierenden verordnungsrelevanten Funktions- und Fähigkeitseinschränkungen; 2. Beatmungspflichtig: Ja/Nein Falls ja: a) die Beatmungsform (invasiv/nicht-invasiv; assistiert/kontrolliert), b) die Beatmungsdauer (Stunden pro Tag), c) Spontanatmung (Stunden/Intervall); 3. Tracheotomiert: Ja/Nein Falls ja: Art der Kanüle: geblockt, ungeblockt; Sprechkanüle; Entblockzeiten; 4. Weaning- und Dekanülierungspotenzial gemäß § 5 AKI-RL sowie die zu dessen Umsetzung erforderlichen Maßnahmen oder Begründung für Verhinderung; 5. PEG-Anlage: Ja/Nein; 6. Erst- oder Folgeverordnung; 7. die Therapieziele; 8. voraussichtlicher Zeitpunkt der nächsten Erhebung nach § 5 AKI-RL; 9. die zu erbringenden Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 AKI-RL; 10. deren Beginn und Ende gemäß § 7 AKI-RL; 11. den Leistungsumfang; 12. gegebenenfalls weitere Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege gemäß § 3 Abs. 2 AKI-RL sowie 13. im Falle der Verordnung im Rahmen des Entlassmanagements das voraussichtliche Ent-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
lassdatum. § 6 Abs. 1 AKI-RL regelt zusätzlich zu den Verordnungsvoraussetzungen nach § 4 AKIRL die Verwendung des in den nächsten Monaten zu vereinbarenden Verordnungsvordrucks mit Angabe der verpflichtenden Inhalte. Um den Informationsfluss und die Versorgungskontinuität entsprechend § 37c Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 und 3 SGB V sicherzustellen, werden die aus medizinisch-pflegerischer Sicht notwendigen Parameter sowie Angaben zum Beatmungsentwöhnungspotenzial und Dekanülierungspotenzial auf dem Verordnungsvordruck (Verordnungsvordruck außerklinische Intensivpflege) durch die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt dokumentiert. Dies ermöglicht insbesondere für die versorgenden Leistungserbringer nach § 132l SGB V einen schnellen Überblick zur aktuellen Situation der oder des Versicherten sowie zu den medizinischen und pflegerischen Belangen und ist damit eine Grundlage für die passgenaue Organisation der außerklinischen Intensivpflege im jeweiligen Setting. Auch für eine effiziente Begutachtungspraxis durch den Medizinischen Dienst und das Genehmigungsverfahren der Kranken-
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kassen sind die Informationen auf der Verordnung von grundlegender Bedeutung. Neben der medizinischen Begründung für die außerklinische Intensivpflege über die relevante Diagnose und die daraus resultierenden verordnungsrelevanten Funktions- und Fähigkeitseinschränkungen sind an dieser Stelle auch die Angaben zum Entwöhnungs- oder Dekanülierungspotenzial zu machen. In der Regel wird ein Potenzial aktuell bei einer Verordnung nicht vorliegen [➔ 3.1], denn sonst müsste zunächst vorrangig des Weaningpotenzials die Beatmungsentwöhnung durchgeführt werden. Dann sind an dieser Stelle unter Rückgriff auf das Ergebnis der Erhebung nach § 5 AKI-RL [➔ 5.2] die Gründe zu benennen, warum der Versuch einer Beatmungsentwöhnung beziehungsweise Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung oder einer Dekanülierung aktuell nicht möglich ist. In manchen Fällen kann die Erhebung gezeigt haben, dass ein Potenzial sich perspektivisch ergeben kann. Auch dies wäre an dieser Stelle zu dokumentieren. Die sich aus dem Ergebnis der Erhebung des Potenzials jeweils ergebenden Therapieziele und Maßnahmen sind unter § 6 Abs. 1 Nr. 7, 9 und 11 AKI-RL abgebildet.90
ACHTUNG Sofern Änderungen oder Ergänzungen an den Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege nach dem Leistungsverzeichnis zur HKP-RL erforderlich werden, können durch die Ärztinnen und Ärzte in der Pflegedokumentation der Versicherten erfolgen und bedürfen keiner Änderung der Verordnung.91
5.4 Die elektronische Verordnung Die ärztlichen Verordnungen können auch in elektronischer Form erfolgen (§ 86 Abs. Versorgung verordnungsfähigen Leistungen.
§
1 Abs. 7 AKI-RL: Die Regelungen dieser Richtlinie gelten entsprechend für Verordnungen in elektronischer Form, soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt ist.
Kapitel V
2 SGB V). Der Auftrag des § 1 Abs. 7 AKI-RL bezieht sich auf die in der vertragsärztlichen
5.5 Die Verordnungsdauer Erst-Verordnungen sollen einen Zeitraum von bis zu fünf Wochen nicht überschreiten, Folgeverordnungen können für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten, bei beatmeten oder
90 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 15 (2.7 zu Abs. 1). 91 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 15 (2.7 zu Abs. 1 Nr. 12).
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trachealkanülierten Versicherten bis zu zwölf Monaten betragen (§ 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AKI RL).
§
7 Abs. 1 AKI-RL: Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt hat sich über den Erfolg der verordneten Maßnahmen zu vergewissern. Um dies sicherzustellen,
soll die Erstverordnung einen Zeitraum von bis zu fünf Wochen nicht überschreiten. Erfolgt die Verordnung im Rahmen des Entlassmanagements, gilt diese als Erstverordnung und ist gemäß § 10 Abs. 1 AKI-RL für längstens sieben Tage auszustellen. Um bedarfsgerecht und zeitnah die Inhalte der Erstverordnung hinsichtlich der Anforderungen an die komplexe medizinische und pflegerische Versorgung anpassen zu können, wurde in § 7 Abs. 1 Satz 2 AKI-RL eine Formulierung („soll“) gewählt, die dem Ermessen ärztlicher Entscheidung bei der Dauer der Verordnung Rechnung trägt. In der Regel „soll“ ein Verordnungszeitraum von fünf Wochen nicht überschritten werden, ausnahmsweise ist eine Verordnungsdauer von über fünf Wochen möglich. Im Rahmen des Entlassmanagements durch das Krankenhaus (§ 10 Abs. 1 AKI-RL) ist die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege – auch als Erstverordnung – auf einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen begrenzt. Eine nahtlose Versorgung der Versicherten ist zu gewährleisten.92
§
7 Abs. 2 AKI-RL:Die Folgeverordnung kann auch für eine längere Dauer, längstens jedoch für sechs Monate, ausgestellt werden. Besteht bei beatmeten oder trachealkanülierten
Versicherten auf der Grundlage einer Potenzialerhebung nach § 5 AKI-RL keine Aussicht auf nachhaltige Besserung der zu Grunde liegenden Funktionsstörung und ist eine Dekanülierung oder Entwöhnung dauerhaft nicht möglich, können Folgeverordnungen für längstens bis zu 12
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Monate ausgestellt werden. Die Gründe dafür müssen aus der Verordnung hervorgehen. Bei der Beurteilung der Dauer sind die persönlichen und am Versorgungsort bestehenden Ressourcen mit dem Ziel der Verbesserung der Versorgungsqualität zu berücksichtigen. Unabhängig von der Dauer der Verordnung überprüft die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt regelmäßig den Zustand der oder des Versicherten auf der Grundlage einer persönlichen Untersuchung. Die konkrete Frequenz von weiteren Arztkontakten durch verordnende Vertragsärztinnen und Vertragsärzte bemisst sich nach der Schwere der Erkrankung und möglichen Komplikationen. Eine Verordnungsdauer von bis zur sechs Monaten ist erforderlich, um Änderungen im Versorgungsbedarf zeitnah erkennen und die Verordnung rechtzeitig anpassen zu können. Wenn bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten auf der Grundlage einer Erhebung nach § 5 AKI-RL festgestellt wurde, dass keine Aussicht auf eine nachhaltige 92 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 17 (2.8 zu Abs. 1).
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Besserung der zu Grunde liegenden Funktionsstörung besteht und eine Dekanülierung oder Entwöhnung dauerhaft nicht möglich ist, können Folgeverordnungen für längstens zwölf Monate ausgestellt werden. Die Gründe dafür gehen aus der Verordnung hervor. Diese Regelung korrespondiert mit § 5 Abs. 5 AKI-RL, wonach die Erhebung bei diesen Versicherten mindestens alle zwölf Monate durchzuführen ist. Bei der Beurteilung der Dauer sind die persönlichen und am Versorgungsort bestehenden Ressourcen mit dem Ziel der Verbesserung der Versorgungsqualität zu berücksichtigen. So kann es aufgrund eines progredienten Krankheitsverlaufes zu Verschlechterungen kommen, die es perspektivisch erforderlich machen könnten, den Versorgungsumfang zu erhöhen. Ebenso ist es möglich, dass aufgrund von prognostizierbaren Gesundheitsverbesserungen in absehbarer Zeit eine Verringerung des Versorgungsumfangs eintreten kann. Diese Aspekte sind bei der Frage, ob die maximal mögliche oder eine kürzere Verordnungsdauer gewählt wird, zu berücksichtigen.93
Erst-Verordnung
§ 7 Abs. 1 Satz 2 AKI RL: 5 Wochen
§ 10 Abs. 1 AKI RL: Krankenhaus - 7 Tage (Folge-)-Verordnung
§ 7 Abs. 2 Satz 2 AKI RL: „beatmet“ - 12 Monate
§ 7 Abs. 2 Satz 5 AKI-RL:stellt klar, dass die regelmäßige (immer wiederkehrende) persönliche Untersuchung durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Ver-
Kapitel V
§ 7 Abs. 2 Satz 1 AKI RL: 6 Monate
tragsarzt auch innerhalb der Zeitspanne zwischen zwei Verordnungen erforderlich ist. Dieser stetige persönliche Arzt-Patienten-Kontakt soll die qualitätsgesicherte Versorgung stärken und entsprechend der individuellen Versorgungssituation und den Rahmenbedingungen umgesetzt werden können. Daher wurde auf eine konkretisierende zeitliche Vorgabe verzichtet.
§
7 Abs. 3 AKI-RL: Die Folgeverordnung ist spätestens drei Arbeitstage (Montag bis Freitag, wenn diese nicht gesetzliche Feiertage sind) vor Ablauf des verordneten Zeitraums auszu-
stellen. 93 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 17 (2.8 zu Abs. 2).
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Um die kontinuierliche Versorgung bei anhaltendem Bedarf an außerklinischer Intensivpflege und entsprechender Folgeverordnung sicherzustellen, ist eine Mindestfrist zur Ausstellung der Folgeverordnung vor Ablauf der Dauer der bestehenden Verordnung von außerklinischer Intensivpflege festgelegt. Sie dient der Vorbereitung und Planungssicherheit der oder des Versicherten und des beauftragten Leistungserbringers nach § 132l SGB V.94
ACHTUNG Selbstverständlich kann die Folgeverordnung auch vor der „Mindestfrist“ ausgestellt werden.
5.6 Die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen Die Medizinischen Dienste haben die Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen nach § 37c Abs. 1 und Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB V aufgrund der komplexen Behandlungsbedarfe und angesichts des Erfordernisses der Einbeziehung des Leistungsortes in die Begutachtung nach persönlicher Untersuchung der Versicherten am Leistungsort vorzunehmen, § 37c Abs. 2 Satz 6 SGB V.
§
37c Abs. 2 Satz 6 SGB V: Die Feststellung, ob die Voraussetzungen nach § 37c Abs. 1 und Abs. 2 Sätzen 1 bis 3 SGB V erfüllt sind, wird durch die Krankenkasse nach
persönlicher Begutachtung des Versicherten am Leistungsort durch den Medizinischen
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Dienst getroffen. Eine Begutachtung nach Aktenlage ist damit bereits nach dem Gesetzeswortlaut – jedoch auch nach Sinn und Zweck der Regelung – ausgeschlossen.95 Die Krankenkassen haben ihre Feststellungen jährlich zu überprüfen und in diesem Zusammenhang den Medizinischen Dienst (erneut) mit einer persönlichen Begutachtung zu beauftragen, § 37c Abs. 2 Satz 7 SGB V. Diese Prüfung dient insbesondere dazu, zu gewährleisten, dass die erforderliche medizinische und pflegerische Versorgung am jeweiligen Leistungsort auch hinsichtlich der Einhaltung der in § 37c Abs. 1 SGB V genannten Anforderungen tatsächlich und dauerhaft sichergestellt werden kann bzw. durch geeignete Nachbesserungen in angemessener Zeit sichergestellt werden kann.96
94 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 18 (2.8 zu Abs. 3). 95 BT-Drucksache 19/19368, S. 28. 96 BT-Drucksache 19/19368, S. 28.
72
§
37c Abs. 2 Satz 7 SGB V: Die Krankenkasse hat ihre Feststellung jährlich zu überprüfen und hierzu eine persönliche Begutachtung des Medizinischen Dienstes zu
veranlassen. Liegen der Krankenkasse Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzung für die Gewährung außerklinischer Intensivpflege oder für die Erbringung am bisherigen Leistungsort nicht mehr erfüllt sind, kann die Begutachtung zu einem früheren Zeitpunkt als dem jährlichen Turnus durchgeführt werden, § 37c Abs. 2 Satz 6 SGB V. Auch bei Wiederholungsbegutachtungen sind Gutachten nach Aktenlage ausgeschlossen.
§
37c Abs. 2 Satz 8 SGB V: Liegen der Krankenkasse Anhaltspunkte vor, dass die Voraussetzungen nach § 37c Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 1 bis 3 SGB V nicht mehr vor-
liegen, kann sie die Überprüfung nach § 37c Abs. 2 Satz 7 SGB V zu einem früheren Zeitpunkt durchführen. Sowohl für Erst- als für Wiederholungsbegutachtungen ist das Einverständnis der Versicherten erforderlich, sofern die Begutachtung in Räumlichkeiten erfolgen soll, die einem Wohnrecht unterliegen.97 Unabhängig von der gewählten Wohnform unterliegen Leistungsorte, an denen außerklinische Intensivpflege erbracht wird, dem Schutzbereich von Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung), so dass für das Betreten durch den Medizinischen Dienst grundsätzlich eine Einwilligung des Schutzrechtsinhabers erforderlich ist. Erfolgt diese Einwilligung durch den oder die Versicherte, den oder die Hausrechtsinhaber oder -inhaberin oder den oder die an den Wohnräumen Berechtigten nicht, kann die Leistung an den Leistungsorten nach § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB V [„Wohneinheit oder Haushalt“] versagt werden. Der oder die Versicherte ist dann auf gliederungshilfeeinrichtung“] zu verweisen.
§
37c Abs. 2 Satz 9 SGB V: Ist die Feststellung nach § 37c Abs. 2 Satz 6 SGB V oder
die Überprüfung nach § 37c Abs. 2 Sätze 7 und 8 SGB V nicht möglich, weil der oder
Kapitel V
Leistungsorte nach § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 SGB V [„vollstationäre Pflege- oder Ein-
die Versicherte oder eine andere an den Wohnräumen berechtigte Person sein oder ihr Einverständnis zu der nach § 37c Abs. 2 Sätze 6 bis 8 SGB V gebotenen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst in den Wohnräumen nicht erteilt hat, so kann in den Fällen, in denen Leistungen der außerklinischen Intensivpflege an einem Leistungsort nach § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 4 SGB V erbracht oder gewünscht werden, die Leistung an diesem Ort versagt und der oder die Versicherte auf Leistungen an einem Ort im Sinne des § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB V verwiesen werden.
97 BT-Drucksache 19/20720, S. 56.
73
Vollstationäre Pflegeeinrichtungen nach § 43 SGB XI sowie die Einrichtungen der Eingliederungshilfe unterliegen vielfältigen Qualitätskontrollen, beispielsweise auch dem Heimrecht der Länder. Ist eine Feststellung durch den Medizinischen Dienst, ob die medizinische und pflegerische Versorgung am Leistungsort sichergestellt ist, durch die fehlende Einwilligung des oder der Versicherten nicht möglich, besteht die Gefahr einer nicht ausreichenden medizinischen Versorgung. Daher ist es in diesen Fällen angezeigt, die Versicherten auf einen Leistungsort zu verweisen, an dem nach den sonstigen Vorschriften zur Qualitätssicherung und des Heimrechts ein Mindestmaß an Güte der medizinischen und pflegerischen Versorgung vorausgesetzt werden kann. Die Regelungen zu den Grenzen der Mitwirkung der Versicherten sowie zu den Folgen fehlender Mitwirkung (§§ 65, 66 und 67 SGB I) bleiben unberührt.98 Sofern sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Leistungserbringer systematisch den Zugang des Medizinischen Dienst zu den Versicherten vereiteln, hat der Medizinische Dienst die Krankenkassen, die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen (§ 197a Abs. 3b Satz 5 SGB V) und die nach den heimrechtlichen Regelungen zuständige Aufsichtsbehörde (§ 115 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) zu unterrichten.99
ACHTUNG Wird das Einverständnis zur persönlichen Prüfung am Leistungsort nicht erteilt, bestimmt die Krankenkasse den Leistungsort der Versorgung. Mit diesem Verweis soll ein Mindestmaß an qualitätsgesicherter Versorgung erzielt werden.
Der Medizinische Dienst übermittelt der Krankenkasse als Ergebnis seiner Begutachtung eine Empfehlung und die wesentlichen Gründe für diese Empfehlung. Die Krankenkasse plausibilisiert die Empfehlung des Medizinischer Dienst und stellt dann auf dieser Grund-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
lage fest, ob die Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Im Fall einer Leistungsablehnung ist das Begutachtungsergebnis dem Versicherten nach § 275 Abs. 3c SGB V mitzuteilen.
§
275 Abs. 3c SGB V: Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des
Medizinischen Dienstes nach § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Abs. 3 SGB V zu wenden.
98 BT-Drucksache 19/19368, S. 29. 99 BT-Drucksache 19/19368, S. 30.
74
5.7 Die Genehmigung der außerklinischen Intensivpflege Die Leistungen der außerklinischen Intensivpflege sind bei der Krankenasse des Versicherten zu beantragen (§ 19 Satz 1 SGB IV) und durch die Krankenkasse zu bewilligen. Nur bei Kenntnis des Versorgungswunsches kann die Krankenkasse ihrer Beratungspflicht [➔ 4.3] aus § 37c Abs. 1 Satz 3 SGB V, insbesondere hinsichtlich des Leistungsortes, nachkommen. Da für den Antrag keine Form vorgeschrieben ist, ist bereits in der Vorlage einer ärztlichen Verordnung – regelmäßig über den Leistungserbringer – ein Antrag zu werten.
§
37c Abs. 1 Satz 3 SGB V: Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege umfasst die medizinische Behandlungspflege, die zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Be-
handlung erforderlich ist, sowie eine Beratung durch die Krankenkasse, insbesondere zur Auswahl des geeigneten Leistungsorts nach § 37c Abs. 2 SGB V. Orientiert an den Regelungen zur Genehmigung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege in § 6 HKP-RL werden die Schritte der Genehmigung der außerklinischen Intensivpflege geregelt. Dass im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege eine Leistungsbewilligung durch die Krankenkassen erfolgt, setzt der Wortlaut des § 37c SGB V an mehreren Stellen voraus. So weist § 37c Abs. 2 Satz 6 SGB V der Krankenkasse ausdrücklich die Zuständigkeit für die Feststellung bestimmter Anspruchsvoraussetzungen zu [➔ 11]. Weiterhin werden in § 37c Abs. 6 SGB V Berichtspflichten des GKV-Spitzenverbandes geregelt. Diese Berichtspflichten beziehen sich gemäß § 37c Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 SGB V ausdrücklich auf Angaben zu Widerspruchsverfahren in Bezug auf die Leistungsbewilligung
§
11 Abs. 1 AKI-RL: Die von der oder dem Versicherten durch Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung beantragten Leistungen bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkasse.
Kapitel V
und deren Ergebnis.
Der Wortlaut der Regelung entspricht § 6 Abs. 1 HKP-RL. Wenn in § 37c Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 SGB V in Bezug auf die Evaluation des gesetzlichen Anspruchs eine Leistungsbewilligung der Krankenkasse im Sinne eines Verwaltungsaktes vorausgesetzt wird, so folgt daraus, dass bei der Krankenkasse im Vorfeld ein Verwaltungsverfahren (im Sinne eines Genehmigungsverfahrens) geführt werden muss. Dass sich aufgrund der geänderten Terminologie in § 37c Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 SGB V („Leistungsbewilligung“ statt „Genehmigung“) ein materieller Unterschied ergibt, ist nicht ersichtlich. Um sicherzustellen, dass das bisherige in § 6 HKP-RL geregelte Genehmigungsverfahren auch in der AKI-RL Anwendung findet, hat der G-BA den Begriff „Genehmigungsverfahren“ verwendet. Der
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Begriff „Genehmigungsverfahren“ ist in der Praxis akzeptiert. Er findet sich nicht nur in mehreren Richtlinien des G-BA zu den veranlassten Leistungen, sondern auch in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs. 1 SGB V, die u. a. auch die vertraglichen Grundlagen der außerklinischen Intensivpflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege im Verhältnis zwischen den Krankenkassen und den Pflegediensten regeln.100 Nach § 275 Abs. 2 Nr. 5 SGB V haben die Krankenkassen den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Abs. 2 Satz 1 SGB V durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen. Ein Ermessen, ob der Medizinische Dienst mit der Prüfung der ärztlichen Verordnung beauftragt wird, haben die Krankenkassen daher nicht.
§
275 Abs. 2 Nr. 5 SGB V: Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst
prüfen zu lassen […]
5. den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Abs. 2 Satz 1 SGB V. Die Feststellung, ob die Voraussetzungen nach § 37c Abs. 1 SGB V (Leistungsvoraussetzungen) und § 37c Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB V (Leistungsort, berechtigte Wünsche des Versicherten, Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung am Leistungsort oder gegebenenfalls Nachbesserungsmaßnahmen unter Berücksichtigung persönlicher, familiärer und örtlicher Umstände) erfüllt sind, wird gemäß § 37c Abs. 2 Satz 6 SGB V durch die Krankenkasse nach persönlicher Begutachtung der oder des Versicherten am Leistungsort durch den Medizinischen Dienst getroffen. Die Krankenkasse hat ihre Feststellung gemäß § 37c Abs. 2 Satz 7 SGB V jährlich zu überprüfen und hierzu eine persönliche Begutachtung des Medizinischen Dienstes zu veranlassen. Liegen der Krankenkasse Anhaltspunkte vor, dass die Leistungsvoraussetzungen oder die Sicherstellung
Intensivpflege und das GKV-IPReG
der medizinischen und pflegerischen Versorgung am Leistungsort nicht mehr vorliegen, kann sie die Überprüfung gemäß § 37c Abs. 2 Satz 8 SGB V zu einem früheren Zeitpunkt durchführen.101
§
11 Abs. 2 AKI-RL: Die Krankenkasse hat den Medizinischen Dienst im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gemäß § 37c Abs. 2 Satz 6 SGB V in Verbindung mit § 275 Abs.
2 Nr. 5 SGB V mit der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen der außerklinischen Intensivpflege zu beauftragen. Werden Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nicht oder nicht in vollem Umfang genehmigt, hat die Krankenkasse die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt sowie die oder den Versicherten über die Gründe zu informieren.
100 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 26 (2.12 zu Abs. 1). 101 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 26 (2.12 zu Abs. 2 Satz 1).
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§ 11 Abs. 2 Satz 2 AKI-RL erweitert gegenüber § 6 Abs. 2 Satz 2 HKP-RL den Kreis derjenigen, die über eine (teilweise) Leistungsversagung informiert werden, um die Versicherten. Für die Behandlungsplanung der verordnenden Vertragsärztin oder des verordnenden Vertragsarztes und die (weitere) Inanspruchnahme von Leistungen der außerklinischen Intensivpflege ist ein zeitnaher transparenter Informationsfluss zur Leistungsentscheidung der Krankenkassen gegenüber der verordnenden Vertragsärztin oder dem verordnenden Vertragsarzt und der oder dem Versicherten erforderlich und wird verpflichtend gegenüber der Krankenkasse festgelegt. Die Leistungserbringer erhalten weiterhin lediglich die Ablehnung mitgeteilt, nicht jedoch die Gründe. Eine Begründung, warum die im Versorgungsgeschehen den Versicherten am nächsten stehenden Akteure ohne sachliche Information bleiben, wird nicht gegeben.
ACHTUNG Auch weiterhin müssen die Leistungserbringer bei ihren Kunden oder Bewohnern die Ablehnungsgründe „erfragen“, um an die notwendigen Informationen zur (teilweisen) Versagung der ärztlichen Verordnung zu kommen! Dieses Verfahren muss aus Transparenz- und Gründen der Versorgungsqualität bei der nächsten Überarbeitung der AKI-RL unbedingt geändert werden.
§
11 Abs. 3 AKI-RL: Die Krankenkasse übernimmt bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt verordneten und
vom Leistungserbringer erbrachten Leistungen entsprechend der in den Verträgen nach § 132l Abs. 5 SGB V vereinbarten Vergütung, wenn die Verordnung spätestens an dem vierten der Ausstellung folgenden Arbeitstag (Montag bis Freitag, wenn diese nicht gesetzliche Feiertage sind) der Krankenkasse vorgelegt wird. Das Nähere regeln die Partner der Rahmenempfehlun-
§ 11 Abs. 3 Satz 1 AKI-RL ist vergleichbar mit dem § 6 Abs. 6 HKP-RL für die außerklinische Intensivpflege. Die Krankenkasse hat bis zur Entscheidung über die Bewilligung der Leis-
Kapitel V
gen nach § 132l Abs. 1 SGB V.
tung die Kosten für vertragsärztlich verordnete Leistungen der außerklinischen Intensivpflege zu übernehmen, wenn die Verordnung spätestens an dem vierten der Ausstellung folgenden Arbeitstag (Montag bis Freitag, wenn diese nicht gesetzliche Feiertage sind) der Krankenkasse vorgelegt wird. Die Frist wird unter Berücksichtigung der Interessen von Versicherten, Leistungserbringern und Krankenkassen als angemessen, ausreichend und ausgewogen angesehen. Zu berücksichtigen sind insoweit, – die Zielsetzung der Regelungen zur vorläufigen Kostenzusage, dass insbesondere die oder der Versicherte sowie der Leistungserbringer nach § 132l SGB V zunächst auf den Bestand der Verordnung vertrauen und die verordneten Leistungen sofort
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erbracht werden können, ohne dass bereits eine Leistungsentscheidung der Krankenkasse vorliegt; diese Leistungsentscheidung muss der Krankenkasse jedoch zeitnah mit der Übermittlung der Verordnung ermöglicht werden, – dass eine Fristüberschreitung bestehende Leistungsansprüche nicht tangiert; wenn die verordneten Leistungen notwendig und die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, können etwaige Leistungen auch dann zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden, wenn die Verordnung verfristet eingereicht wurde; Verordnungen werden – sofern die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen – ab dem in der Verordnung angegebenen Beginn-Datum genehmigt.102
ACHTUNG Jede ärztliche Verordnung der außerklinischen Intensivpflege ist den Krankenkassen unverzüglich, also so schnell wie möglich (oder „ohne schuldhaftes Zögern“ wie § 121 BGB diesen Begriff definiert) • per Fax oder • auf elektronischem Weg („End-zu-End-verschlüsselte“ E-Mail) zu übersenden. Dann ist die 4-Tages-Frist in jedem Fall gewahrt. Bei einer Übersendung per Fax ist als Nachweis ein Einzel-Sendebericht zu dokumentieren.
Sind die ärztlich verordneten und vom Leistungserbringer erbrachten Leistungen grundsätzlich genehmigungsfähig, da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, so zahlt die Krankenkasse den gesamten verordneten Zeitraum, unabhängig davon, ob die Vier-TageFrist zur Vorlage der Verordnung erfüllt wurde oder nicht. Durch § 11 Abs. 3 AKI-RL wird die Vergütung des Leistungserbringers für die erbrachten und medizinisch notwendigen Leistungen nicht beschränkt, denn die Regelung begründet keine Ausschlussfrist, sofern
Intensivpflege und das GKV-IPReG
die notwendige Leistung erbracht und die Verordnung erst später als am vierten der Ausstellung folgenden Arbeitstag (Montag bis Freitag, wenn diese nicht gesetzliche Feiertage sind) der Krankenkasse vorgelegt wird. Eine Ausschlussfrist „würde sowohl dem Sinn als auch dem Zweck der HKP-RL und dem gesamten System der häuslichen Krankenpflege widersprechen. Dies würde sogar so weit führen, dass für die verordneten und vom Leistungserbringer erbrachten Leistungen, die medizinisch notwendig sind, im Gegensatz zu den tatsächlich nicht medizinisch notwendigen Leistungen eine Vergütung verwehrt würde.“103 Dabei muss die Frist von vier Arbeitstagen bei kontinuierlich zu leistender außerklinischer Intensivpflege nur bei der ersten, den Vergütungsanspruch des Leistungserbringers auslösenden vertragsärztlichen Verordnung gewahrt sein. Bis zu dem Tag, an dem die Krankenkasse entscheidet, reicht es aus, wenn eine lückenlose Verordnungskette 102 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 27 (2.12 zu Abs. 3). 103 so zur HKP-RL: SG Potsdam, Urt. v. 24.1.2008, S 3 KR 57/06.
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vorliegt, die den gesamten Zeitraum abdeckt. Die kurze Frist von vier Arbeitstagen soll verhindern, dass schon längere Zeiträume verstrichen und hohe Kosten angefallen sind, bevor die Krankenkasse von dem pflegerischen Bedarf Kenntnis erhält. Eine vergleichbare Interessenlage besteht bei weiteren, zeitlich direkt meist an die Erstverordnung anschließende ärztliche Verordnungen nicht. Nach Kenntnis von der Bedarfslage der außerklinischen Intensivpflege hat die Krankenkasse es in der Hand, eine Entscheidung möglichst zeitnah herbeizufuhren. Dauert eine Prüfung der Anspruchsberechtigung über das zeitliche Ende der Erstverordnung hinaus an, erfasst der Vertrauensschutz auch alle sich zeitlich unmittelbar anschließenden Folgeverordnungen, die der Krankenkasse im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidungen vorliegen. Vorgesetzt wird lediglich, dass es sich um einen gleichgelagerten Sachverhalt handelt und sich die Rechtslage zu den Anspruchsvoraussetzungen in dieser Zeit nicht geändert hat. Ob die Folgeverordnungen selbst innerhalb der geregelten Frist seit ihrer Ausstellung der Krankenkasse vorgelegt worden sind, kann nicht entscheidend sein.104 Der Vertrauensschutz des § 11 Abs. 3 AKI-RL betrifft nur die Leistungen, die vom Vertragsarzt verordnet und vom Leistungserbringer bei der Krankenkasse beantragt wurden.105 Ist die Vier-Tage-Frist versäumt worden und wird die ärztliche Verordnung – aus welchen Gründen auch immer – nicht genehmigt, so ist gleichwohl eine Vergütungsforderung des Leistungserbringers bei verspäteter Übersendung in Ausnahmefällen möglich. Etwa dann, wenn im konkreten Fall eine Berufung der Krankenkasse auf eine verspätete Antragstellung als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, da die Fristversäumnis vom Leistungserbringer nicht verschuldet wurde.106 Die Verordnung und – nach Vorliegen – die Genehmigung bilden die leistungsrechtliche Grundlage der Inhalte und des Umfangs der Leistungserbringung durch den beauftragten Leistungserbringer nach § 132l SGB V.
§
sind zunächst an die Verordnung und bei Vorliegen der Genehmigung an diese gebunden.
5.8 Die Änderung der Verordnung
Kapitel V
11 Abs. 4 AKI-RL: Die Leistungserbringer, die außerklinische Intensivpflege durchführen,
Vor dem Hintergrund der komplexen Versorgungsbedarfe der Versicherten ist es aus fachlicher Sicht notwendig, versorgungsrelevante Änderungen an der Verordnung von außerklinischer Intensivpflege nur nach einer unmittelbar persönlichen Untersuchung durch die Ärztin beziehungsweise den Arzt vorzunehmen. Versorgungsrelevant im Sinne des § 6 Abs. 3 AKI.-RL sind insbesondere Änderungen hinsichtlich des
104 So zu einem außerklinischen Intensivpflegefall zur HKP-RL: BSG, Urt. v. 20.4.2016, B 3 KR 17/15 R = BSGE 121, 119. 105 so zur HKP-RL: LSG Bayern, Urt. v. 10.12.2009, L 4 KR 103/07. 106 so zur HKP-RL: SG Düsseldorf, Urt. v. 15.1.2002, S 24 KN 170/00 KR.
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Leistungsumfangs und der täglichen Dauer (Anwesenheit der geeigneten Pflegefachkraft) der außerklinischen Intensivpflege.107
§
6 Abs. 3 und 4 AKI-RL: (3) Versorgungsrelevante Änderungen und Ergänzungen der Verordnung dürfen nur auf Grundlage einer erneuten persönlichen Untersuchung der oder des
Versicherten mit Unterschrift, Stempel und Datumsangabe der verordnenden Vertragsärztin oder des verordnenden Vertragsarztes erfolgen. Rückwirkende Verordnungen sind grundsätzlich nicht zulässig. (4) Ist die außerklinische Intensivpflege ganz oder teilweise nicht mehr notwendig, teilt die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt dies schriftlich und unverzüglich der Krankenkasse mit.
ACHTUNG Eine nicht verordnungsrelevante Änderung bedarf damit keiner erneuten persönlichen Untersuchung, allerdings stets Unterschrift, Stempel und Datum der verordneten Vertragsärztin oder des -arztes.
§ 6 Abs. 3 Satz 2 AKI-RL übernimmt die Formulierung aus § 3 Abs. 5 Satz 2 HKP-RL, rückwirkende Verordnungen sind grundsätzlich nicht zulässig. „Grundsätzlich“ bedeutet aber, dass Ausnahmefälle möglich sind. Sie sind allerdings besonders zu begründen. Es reicht dabei der Hinweis der verordneten Vertragsärztin oder des -arztes warum rückwirkend verordnet werden musste.
Intensivpflege und das GKV-IPReG
ACHTUNG Die rückwirkende Verordnung ist stets vom behandelnden Arzt zu begründen. Ausführliche Begründungspflichten bestehen nicht. Es reicht ein Stichwort, warum rückwirkend verordnet wurde (beispielsweise: EDV-Ausfall, Schließung der Arztpraxis wegen Quarantäne). Stellt die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt fest, dass die verordneten Leistungen der außerklinischen Intensivpflege ganz oder teilweise nicht mehr notwendig sind, ist sie oder er verpflichtet, die Krankenkasse schriftlich und unverzüglich darüber in Kenntnis zu setzen.
107 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 16 (2.7 zu Abs. 3).
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5.9 Der Behandlungsplan Um Versorgungsbrüche, Diskontinuitäten und Informationsverluste bei der Versorgung von Versicherten zu vermeiden, sind im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege zusätzlich zu den grundlegenden Informationen, die aus der Verordnung hervorgehen, spezifische Angaben und konkretisierende Hinweise bezüglich vorhandener Fähigkeiten der oder des Versicherten, Hilfsmitteln, deren Einstellungen, sowie Inhalt und Umfang der außerklinischen Intensivpflege notwendig. Diese werden als Bestandteil der Verordnung in einem individualisierten Behandlungsplan gebündelt. Dies ermöglicht insbesondere den Leistungserbringern in der außerklinischen Intensivpflege nach § 132l SGB V eine adäquate und sichere Versorgung der oder des Versicherten. Zudem ist aufgrund der Komplexität des Versorgungsbedarfes von Versicherten mit einem Bedarf an außerklinischer Intensivpflege und aufgrund der Vielzahl der beteiligten Akteure (Leistungserbringer nach § 132l SGB V, Heilmittelerbringer, Geräteprovider, Haus- und Fachärzte, Kliniken etc.) zur Sicherung der Behandlungsqualität ein verbindlicher Behandlungsplan zwingend erforderlich. Die Versicherten sollen den Behandlungsplan erhalten. In § 6 Abs. 5 AKI-RL sind die Inhalte des Behandlungsplans abstrakt geregelt.
§
6 Abs. 5 AKI-RL: Bestandteil der Verordnung von außerklinischer Intensivpflege ist der von der verordnenden Vertragsärztin oder dem verordnenden Vertragsarzt, gegebenenfalls
unter Mitwirkung der potenzialerhebenden Ärztin oder dem potenzialerhebenden Arzt erstellte Behandlungsplan, der insbesondere konkretisierende Angaben 1. zu den erforderlichen Maßnahmen der außerklinischen Intensivpflege, 2. zur Atmung, 3. Dysphagie und Husteninsuffizienz, 5. zu Fähigkeiten/Funktionseinschränkungen zur Kommunikation, 6. Mobilität, Bewusstsein, Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten, sowie gegebenenfalls Hinweise zum Maskentyp, 7. zum Anfallsleiden und
Kapitel V
4. zu Heil- und Hilfsmitteln,
8. zur Weaning- beziehungsweise Dekanülierungsstrategie umfassen soll. Das Nähere regeln die Partner des Bundesmantelvertrags-Ärzte. Der Behandlungsplan ist der Verordnung beizulegen. Der Behandlungsplan ist bei Änderungen (zum Beispiel des Bedarfs, des klinischen Status, der relevanten Kontextfaktoren) zu aktualisieren und erneut der Krankenkasse vorzulegen, sofern sich daraus Änderungen an Inhalt und Umfang der Leistungen der außerklinischen Intensivpflege ergeben, die von der bestehenden Verordnung abweichen. Die weitere Ausgestaltung erfolgt durch die Partner des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä). Dieser enthält als Anlage zum BMV-Ä die „Vereinbarung über Vordrucke für
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die vertragsärztliche Versorgung“. Auch für die Verordnung im Rahmen des Entlassmanagements gelten gemäß § 39 Abs. 1a Satz 8 SGB V die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung. Da eine Verordnung von außerklinischer Intensivpflege auch und häufig erstmalig im Rahmen des Entlassmanagements erfolgt, ist zusätzlich zu den Partnern des BMV-Ä die Einbindung der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur Ausgestaltung des Behandlungsplans zu empfehlen, da die Krankenhäuser in der Ausübung des Verordnungsrechts im Kontext der außerklinischen Intensivpflege in besonderem Maße von den Regelungen zum Behandlungsplan betroffen sind.108
108 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 16f (2.7 zu Abs. 5).
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Kapitel VI • Die Qualifikation der am
Versorgungsprozess Beteiligten
§ 37c SGB V betont die besondere Qualifikation der potentialerhebenden und – davon getrennt – der verordnenden Ärztinnen und Ärzte, die der G-BA in der AKI-RL zu regeln hat. Die Qualifikationsanforderungen für die Leistungserbringer ist in den Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 SGB V von der Selbstverwaltung zu regeln.
6.1 Die Qualifikation der potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte Die Feststellung des Entwöhnungspotenzials geht im Rahmen der Kontrolluntersuchung jeder Verordnung voraus. Insoweit wird evaluiert, inwieweit eine weiterführende Kontrolle zur Einstellung oder Entwöhnung notwendig ist. Da die Bewertung des Entwöhnungs- oder Dekanülierungspotenzials spezielle fachliche Kompetenzen und Erfahrungen voraussetzt, können nur entsprechend qualifizierte Ärztinnen und Ärzte diese Tätigkeit durchführen. Die Erhebung des Entwöhnungspotenzials kann auch durch eine andere Ärztin oder einen anderen Arzt als die verordnende Ärztin oder den verordnenden Arzt erfolgen, der oder die diesbezüglichen besonderen Kenntnisse hat (zum Beispiel durch eine Ärztin oder einen Arzt, die bzw. der in einer qualifizierten Entwöhnungseinrichtung tätig ist). Dies müssen keine Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte sein. Auch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztinnen und Ärzte oder nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Krankenhäuser sind berechtigt, das EntwöhVertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie die potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte differenziert. Für die Beurteilung eines Entwöhnungs- oder Dekanülierungspotenzials sind spezifische Anforderungen an die durchführenden Ärztinnen und Ärzte erforderlich, die über die in § 9 Abs. 1 AKI-RL geregelten Anforderungen hinausgehen.
§
8 Abs. 1 AKI-RL: Die Erhebung gemäß § 5 AKI-RL erfolgt durch folgende an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztinnen und Ärzte:
1. Fachärztinnen und Fachärzte mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin, 2. Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin und Pneumologie, 3. Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesiologie mit mindestens sechsmonatiger einschlägiger Tätigkeit in der prolongierten Beatmungsentwöhnung auf einer auf die Be-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
nungspotenzial zu erheben.109 Die AKI-RL hat die Anforderungen an die verordnenden
109 BT-Drucksache 19/19368, S. 28.
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atmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungsentwöhnungs-Einheit, 4. Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin, Chirurgie, Neurochirurgie, Neurologie oder Kinder- und Jugendmedizin mit mindestens 12-monatiger einschlägiger Tätigkeit in der prolongierten Beatmungsentwöhnung auf einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungsentwöhnungs-Einheit, 5. weitere Fachärztinnen und Fachärzte mit mindestens 18-monatiger einschlägiger Tätigkeit in der prolongierten Beatmungsentwöhnung auf einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungsentwöhnungs-Einheit oder 6. für die Erhebung des Potenzials zur Entfernung der Trachealkanüle bei nicht beatmeten Versicherten auch Fachärztinnen und Fachärzte mit mindesten 18- monatiger einschlägiger Tätigkeit in einer stationären Einheit der Neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation. Ist für die Potenzialerhebung beziehungsweise Befunderhebungen nach § 5 AKI-RL eine ergänzende Fachexpertise notwendig, ist diese konsiliarisch durch die potenzialerhebende Fachärztin oder den potenzialerhebenden Facharzt einzubinden. Bei Versicherten ohne Aussicht auf nachhaltige Besserung der zu Grunde liegenden Funktionsstörung gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 AKI-RL ist durch die potenzialerhebende Fachärztin oder den potenzialerhebenden Facharzt zur Prüfung der Therapieoptimierung insbesondere die konsiliarische Einbindung einer Fachärztin oder eines Facharztes zu prüfen, die oder der auf die die außerklinische Intensivpflege auslösende Erkrankung spezialisiert ist. Erfolgt die Erhebung gemäß § 5 AKI-RL im Rahmen des Entlassmanagements, hat dies durch Ärztinnen und Ärzte mit folgenden Qualifikationen zu erfolgen: 1. Fachärztin oder Facharzt mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin oder
Intensivpflege und das GKV-IPReG
2. Fachärztin oder Facharzt mit mindestens 3-jähriger Erfahrung in der prolongierten Beatmungsentwöhnung auf einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungsentwöhnungs-Einheit. Die Erhebung des Potenzials zur Entfernung der Trachealkanüle bei nicht beatmeten Versicherten im Rahmen des Entlassmanagements kann auch durch Fachärztinnen und Fachärzte erfolgen, die über eine mindestens 18-monatige Erfahrung in der Behandlung entsprechend Betroffener in einer stationären Einheit der Neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation verfügen. Für die Potenzialerhebung nach § 5 AKI-RL sind Facharztgruppen qualifiziert, die im Rahmen ihrer Facharztausbildung beziehungsweise ihrer Zusatzweiterbildung für mindestens 18 Monate Methoden- und Handlungskompetenzen und praktische Erfahrungen in der Behandlung und Entwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten erworben und nachgewiesen oder die in diesem Umfang eine einschlägige Tätigkeit in der prolongierten
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Beatmungsentwöhnung auf einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungsentwöhnungs-Einheit nachgewiesen haben. Eine auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierte Beatmungsentwöhnungs-Einheit ist eine spezielle interdisziplinäre Einrichtung, die die besonderen Anforderungen der Respiratorentwöhnung bei langzeitbeatmeten Versicherten erfüllt. Eine solche Einheit hat einen Schwerpunkt in der Versorgung von Versicherten im und nach prolongiertem Weaning und in der Einleitung, Kontrolle und Betreuung von Versicherten mit außerklinischer Beatmung. Einheiten in diesem Sinne sind beispielsweise Einheiten, die berechtigt sind eine prolongierte Beatmungsentwöhnung auf einer spezialisierten intensivmedizinischen Beatmungsentwöhnungs-Einheit (OPS 8-718.8) oder eine prolongierte Beatmungsentwöhnung auf einer spezialisierten nicht intensivmedizinischen Beatmungsentwöhnungs-Einheit (OPS 8-718.9) durchzuführen.110 Während Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesiologie nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AKI-RL qualifiziert sind, wenn sie neben ihrer Aus- und Weiterbildung, in der sie bereits für 12 Monate Methoden- und Handlungskompetenzen und praktische Erfahrungen in der Behandlung und Entwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten erworben und nachgewiesen haben, weitere sechs Monate einschlägige Tätigkeit in der prolongierten Beatmungsentwöhnung auf einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungsentwöhnungs-Einheit nachweisen; sind Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin, Chirurgie, Neurochirurgie, Neurologie oder Kinder- und Jugendmedizin nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AKI-RL qualifiziert, wenn sie neben ihrer Aus- und Weiterbildung, in der sie bereits für 6 Monate Methoden- und Handlungskompetenzen und praktische Erfahrungen in der Behandlung und Entwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten erworben und nachgewiesen haben, weitere zwölf Monate einschlägige Tätigkeit in der prolongierten Beatmungsentwöhnung auf Beatmungsentwöhnungs-Einheit nachweisen. Weitere Fachärztinnen und Fachärzte sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AKI-RL qualifiziert, wenn diese eine mindestens 18-monatige einschlägige Tätigkeit in der prolongierten Beatmungsentwöhnung auf einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungs-
Kapitel VI
einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten
entwöhnungs-Einheit nachweisen, da sie im Rahmen ihrer Aus- und Weiterbildung keine Methoden- und Handlungskompetenzen und praktische Erfahrungen in der Behandlung und Entwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten erworben und nachgewiesen haben. Die häufigste Ursache, die eine über eine Beatmungsnotwendigkeit hinausgehende Trachealkanülen-Versorgung (auch nach erfolgreicher Beatmungsentwöhnung oder ohne, dass diese vorgelegen hätte) erfordert, ist eine neurogene Dysphagie. Für die Erhebung des Potenzials zur Entfernung der Trachealkanüle und zur regelmäßigen Therapiekontrolle bei trachealkanülierten, nicht beatmeten Versicherten sind daher – neben den in § 8 Abs. 110 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 18 (2.9 zu Abs. 1).
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1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 AKI-RL erwähnten Fachärztinnen und Fachärzte – auch Fachärztinnen und Fachärzte qualifiziert, die mindestens 18 Monate einschlägige Tätigkeit in einer stationären Einheit der Neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation nachweisen. Die Qualifikationsanforderungen für die Erhebung in der vertragsärztlichen Versorgung werden in einer Weise festgelegt, die die flächendeckende Verfügbarkeit entsprechend qualifizierter Ärztinnen und Ärzte gewährleistet.111
§
8 Abs. 4 AKI-RL: Die in diesem Paragraphen verwendeten Weiterbildungsbezeichnun-
gen richten sich nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer und
schließen auch die Ärztinnen und Ärzte ein, welche eine entsprechende Bezeichnung nach altem Recht in den jeweiligen Bundesländern führen. Die Potenzialerhebungen haben möglichst umfassend und vollständig zu erfolgen. In § 5 AKI-RL sind Einschätzungen beziehungsweise diagnostische Maßnahmen aufgeführt, die in Einzelfällen über die fachliche Expertise der unter § 8 Abs. 1 Satz 1 AKI-RL aufgezählten Fachärztinnen und Fachärzte hinausgehen können. Insbesondere kann eine Einschätzung der Prognose der Grund- und Begleiterkrankungen, wie sie unter § 5 Abs. 8 Nr. 1 und § 5 Abs. 10 Nr. 1 AKI-RL gefordert wird, die Durchführung einer fiberoptischen Schluck-Evaluation (§ 5 Abs. 8 Nr. 15 und Abs. 10 Nr. 8 AKI-RL) oder die Beurteilung des Trachealkanülen-Sitzes (§ 5 Abs. 8 Nr. 16 und Abs. 10 Nr. 11 AKI-RL) das Hinzuziehen weiterer Fachbereiche notwendig machen. Insbesondere ist die konsiliarische Einbindung neurologischer, neurochirurgischer, HNO-ärztlicher oder pädiatrischer Expertise im Einzelfall zielführend und patientenindividuell zu prüfen. Bei der Potenzialerhebung ist gemäß § 5 Abs. 8 Nr. 4 und Abs. 10 Nr. 4 AKI-RL neben den medizinischen Befunden auch immer die gesundheitsbezogene Lebensqualität zu berücksichtigen.112
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten, bei denen nach § 5 Abs. 5 Satz 1 AKI-RL festgestellt und dokumentiert wurde, dass keine Aussicht auf nachhaltige Besserung der zu Grunde liegenden Funktionsstörung besteht und eine Dekanülierung oder Entwöhnung dauerhaft nicht möglich ist, zielt die regelmäßige Potenzialerhebung im Schwerpunkt auf die Therapiekontrolle oder Therapieoptimierung zur Verbesserung der Lebensqualität. Bei dieser Patientengruppe kann besonders das Hinzuziehen von Fachärztinnen und Fachärzten, die auf die Grunderkrankung der oder des Versicherten spezialisiert sind, erforderlich sein. Eine entsprechende konsiliarische Einbindung ist deshalb in diesen Fällen zu prüfen. Durch das GKV-IPReG wurde neben dem § 37c SGB V auch § 39 Abs. 1 Satz 6 SGB V eingefügt. Demnach gehört zur Krankenhausbehandlung auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten. 111 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 19 (2.9 zu Abs. 1). 112 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 19f (2.9 zu Abs. 1).
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§
39 Abs. 1 Satz 6 SGB V: Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der
Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten. Durch § 39 Abs. 1 Satz 6 SGB V soll sichergestellt werden, dass Beatmungspatientinnen und Beatmungspatienten mit Entwöhnungspotenzial nicht vorschnell in die außerklinische Intensivpflege entlassen werden, sondern noch vorhandene Entwöhnungspotenziale durch Verlegung in spezialisierten Entwöhnungszentren ausgeschöpft werden. Zu diesem Zweck wird klargestellt, dass das Krankenhaus vor der Entlassung oder Verlegung von Beatmungspatienten eine qualifizierte fachärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus und des Entwöhnungspotenzials durchzuführen hat. Sofern ein Krankenhaus nicht selbst über ausreichend qualifizierte Ärzte verfügt, hat es den erforderlichen Sachverstand durch Beauftragung externer Ärzte hinzuzuziehen. Hierbei wird es sich in erster Linie um Ärzte mit langjähriger einschlägiger Praxiserfahrung handeln. Die Einzelheiten hierzu sind in einer Leistungsbeschreibung näher zu definieren, die in eine Weiterentwicklung des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) für das Jahr 2021 einfließen muss.113 Auf dieser Grundlage wurde der OPS „1-717 Feststellung des Beatmungsstatus und des Beatmungsentwöhnungspotenzials“ eingeführt. Da Krankenhäuser im Rahmen des Entlassmanagements auch außerklinische Intensivpflege verordnen können, bedurfte es einer Regelung, damit Krankenhäuser keine konkurrierenden Anwendungsvorschriften beachten müssen, wenn es um die Qualifikation der erhebungsberechtigen Ärzte geht. Eine Gruppe der Versicherten, für die die Verordnung außerklinischer Intensivpflege in Betracht kommen kann, stellen Versicherte dar, die zwar nicht beatmet, aber trachealkanüliert sind. Werden bei diesen Versicherten das Potenzial zur Entfernung der Trachealkanüle erhoben und Möglichkeiten der Therapieoptimierung geprüft (vgl. § 5 lassmanagements ebenso Fachärztinnen und Fachärzte in Betracht, welche über eine mindestens 18-monatige Erfahrung in der Behandlung entsprechend Betroffener in einer stationären Einheit der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation verfügen.114
Kapitel VI
Abs. 10 AKI-RL), kommen dafür nach § 8 Abs. 1 Satz 5 AKI-RL auch im Rahmen des Ent-
§
8 Abs. 2 AKI-RL: Die Befugnis zur Durchführung der Erhebung nach § 5 AKI-RL bedarf der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung. Die Genehmigung ist auf Antrag zu
erteilen, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller nachweist, dass sie oder er die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen erfüllt. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Erhebung im Rahmen des Entlassmanagements erfolgt. Die Befugnis zur Durchführung der Potenzialerhebung bedarf einer Genehmigung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen. Dies gilt auch für die Leistungserbringer, welche auf 113 BT-Drucksache 19/19368, S. 31. 114 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 20 (2.9 zu Abs. 1).
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Grundlage von § 37c Abs. 1 Satz 7 SGB V zum Zweck der Erhebung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen.
§
37c Abs. 1 Satz 7 SGB V: Zur Erhebung und Dokumentation nach Satz 6 sind auch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztinnen oder Ärzte oder
nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Krankenhäuser berechtigt; sie nehmen zu diesem Zweck an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Genehmigung ist auf Antrag zu erteilen, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller nachweist, dass sie oder er die in § 8 Abs. 1 AKI-RL genannten Voraussetzungen erfüllt. Die Befugnis zur Durchführung der Potenzialerhebung im Rahmen des Entlassmanagements im Krankenhaus bedarf keiner Genehmigung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen.
§
8 Abs. 3 AKI-RL: Zum Zweck der differenzierten Kontaktaufnahme mit der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt mit Qualifikationen nach §§ 8 oder 9 AKI-RL werden diese in der
Arztsuche des Nationalen Gesundheitsportals nach § 395 Abs. 2 SGB V veröffentlicht. Die Kassenärztlichen Vereinigungen übermitteln der Kassenärztlichen Bundesvereinigung regelmäßig unter anderem Angaben zum Vorliegen von Abrechnungsgenehmigungen für besonders qualitätsgesicherte Leistungsbereiche in der vertragsärztlichen Versorgung. Dies betrifft auch die Ärztinnen und Ärzte, die gemäß § 37c Abs. 1 Satz 7 SGB V zum Zweck der Erhebung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Eine Übersicht der entsprechend qualifizierten Ärztinnen und Ärzte gemäß §§ 8 und 9 AKI-RL, wird im Gesundheitsportal nach § 395 Abs. 2 SGB V veröffentlicht. Dies ermöglicht die Kontaktaufnahme und eine differenzierte Suche nach Ärztinnen und Ärzten, die für die Erhebung
Intensivpflege und das GKV-IPReG
oder die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege qualifiziert sind.
6.2 Die Qualifikation der verordnenden Vertragsärztinnen und -ärzte In Hinblick auf die Qualitätsanforderungen an Ärztinnen und Ärzte zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege unterscheidet § 9 AKI-RL die Qualitätsanforderungen für beatmete oder trachealkanülierte Versicherte [➔ 6.2.1] und für Versicherte, die weder beatmungspflichtig noch trachealkanüliert sind [➔ 6.2.2]. Nach § 37c Abs. 1 Satz 4 SGB V dürfen nur besonders qualifizierte Vertragsärztinnen und -ärzte außerklinische Intensivpflege verordnen.
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§
37c Abs. 1 Satz 4 SGB V: Die Leistung bedarf der Verordnung durch eine Vertrags-
ärztin oder einen Vertragsarzt, die oder der für die Versorgung dieser Versicherten
besonders qualifiziert ist.
ACHTUNG Mit der AKI-RL ist es gelungen, erstmals bundeseinheitliche Anforderungen an die ärztliche Qualifikation und Versorgung im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege zu regeln.
Die Qualitätsanforderungen für beatmete oder trachealkanülierte Versicherte Die AKI-RL stuft das Behandlungsverfahrens zwischen der Potenzialerhebung (§ 5 AKIRL) und der eigentlichen Verordnung der außerklinischen Intensivpflege (§ 6 AKI-RL) ab. Entsprechend wird einerseits zwischen Qualitätsanforderungen an Ärztinnen und Ärzte, die verordnen und andererseits Qualitätsanforderungen an Ärztinnen und Ärzte, die das Entwöhnungspotenzial feststellen, unterschieden. Dadurch sollen die verfügbaren ärztlichen Ressourcen optimal eingesetzt werden. Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt stellt dabei insbesondere Therapieziele auf und trägt die Verantwortung für die Koordination der medizinischen Behandlung der oder des Versicherten einschließlich der rechtzeitigen Einleitung des Verfahrens zur Erhebung.
§
9 Abs. 1 AKI-RL: Außerklinische Intensivpflege für beatmete oder trachealkanülierte Versicherte darf nur von besonders qualifizierten Vertragsärztinnen und Vertragsärzten
auf der Grundlage einer Erhebung nach § 5 AKI-RL verordnet werden. Besonders qualifizierte sowie Fachärztinnen und Fachärzte 1. für Innere Medizin und Pneumologie, 2. für Anästhesiologie,
Kapitel VI
Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sind solche mit einer Qualifikation nach § 8 AKI-RL
3. für Neurologie, 4. mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin, 5. für Kinder- und Jugendmedizin. Hausärztinnen und Hausärzte können außerklinische Intensivpflege verordnen, wenn sie über Kompetenzen im Umgang mit beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten verfügen. Die Befugnis zur Verordnung für Hausärztinnen und Hausärzte bedarf der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung. Die Genehmigung ist auf Antrag zu erteilen, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller nachweist, dass sie oder er die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt oder die Absicht erklärt, sich diese innerhalb von sechs Monaten anzueignen und
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nachzuweisen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben hierzu regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen anzubieten. Falls die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt eine ergänzende Fachexpertise für notwendig hält, kann diese konsiliarisch eingebunden werden. Die Fachärztinnen und Fachärzte, die in § 9 Abs. 1 AKI-RL als besonders qualifiziert bewertet werden, hat der Gesetzgeber dem G-BA in der Gesetzesbegründung vorgegeben, allerdings offen („insbesondere“) formuliert.115 Der G-BA hat von dieser Öffnungsklausel keinen Gebrauch gemacht.
§
9 Abs. 3 AKI-RL: Die in diesem Paragraphen verwendeten Weiterbildungsbezeichnun-
gen richten sich nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer und
schließen auch die Ärztinnen und Ärzte ein, welche eine entsprechende Bezeichnung nach altem Recht in den jeweiligen Bundesländern führen. Darüber hinaus können Hausärztinnen und Hausärzte besonders qualifiziert sein. Sie haben eine zentrale Position bei der Betreuung der Versicherten, aus der heraus sie deren Kontextfaktoren und Lebensumstände kennen und einschätzen sowie der komplexen Behandlungsbedarfe gerecht werden können. Um bei einem unerwarteten Krankheitsverlauf von beatmungspflichtigen oder trachealkanülierten Versicherten entsprechend reagieren und die Versicherten unter anderem zu pflegerischen und therapeutischen Maßnahmen beraten zu können, müssen die verordnenden Hausärztinnen und Hausärzte über theoretische und praktische Kompetenzen im Umgang mit Beatmung (nicht-invasiv, invasiv), Tracheostoma, Trachealkanülenmanagement, speziellem Sekretmanagement, zu speziellen Aspekten der Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln, Notfallsituationen und Dysphagie verfügen. Durch diese Regelung wird einerseits ermöglicht, dass Haus-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
ärztinnen und Hausärzte außerklinische Intensivpflege weiterhin verordnen können.116 Die entsprechenden Kompetenzen von Hausärztinnen und Hausärzten sind von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung nach § 9 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AKI-RL im Rahmen des antragsabhängigen Genehmigungsverfahrens zu prüfen und die Verordnungsbefugnis zu genehmigen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller bestätigt, dass sie oder er die vorgenannten Voraussetzungen, also die theoretischen und praktischen Kompetenzen, erfüllt. Ist das nicht der Fall und soll dennoch durch Hausärztinnen und Hausärzte eine Verordnung ausgestellt werden, muss sie oder er erklären, dass sie oder er sich die erforderlichen Kompetenzen innerhalb von 6 Monaten aneignet. Das ist der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung im Anschluss nachzuweisen.
115 BT-Drucksache 19/19368, S. 27. 116 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 21 (2.10 zu Abs. 1).
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Die Kassenärztlichen Vereinigungen werden verpflichtet regelmäßige Fortbildungen mit folgenden Inhalten anzubieten, deren Konzeption der Medizinische Dienst nach regionaler Absprache von den Kassenärztlichen Vereinigungen beteiligt werden kann:117 1. Beatmung (nicht-invasiv/invasiv), 2. prolongiertes Weaning, 3. Tracheostoma, 4. Trachealkanülenmanagement, 5. Sekretmanagement, 6. spezielle Hilfsmittel, 7. Notfallsituationen, 8. Dysphagie sowie der Behandlung außerklinisch Beatmeter und 9. die spezifischen Aspekte der Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln. Schließlich stellt § 9 Abs. 1 Satz 7 AKI-RL klar, dass eine notwendige Hinzuziehung von ergänzender Fachexpertise auch konsiliarisch erfolgen kann.
Die Qualitätsanforderungen für nicht beatmete oder trachealkanülierte Versicherte Besteht bei Versicherten ein Bedarf an außerklinischer Intensivpflege gemäß den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AKI-RL („ständige Aufsicht“), ohne dass sie trachealkanüliert oder beatmungspflichtig sind, bedarf es in diesem Kontext für die Verordnung einer an der spezifischen Erkrankung orientierten fachärztlichen Qualifikation.
§
9 Abs. 2 AKI-RL: Bei Versicherten, die weder beatmungspflichtig noch trachealkanüliert
nische Intensivpflege auslösende Erkrankung spezialisiert sind. Andere Vertragsärztinnen und Vertragsärzte können nur im (gegebenenfalls telemedizinischen) Konsil mit auf die Erkrankung spezialisierten Fachärztinnen und Fachärzten verordnen. Die Konsilpartnerin oder der Konsil-
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sind, erfolgt die Verordnung durch Fachärztinnen und Fachärzte, die auf die die außerkli-
partner ist auf der Verordnung anzugeben. Aufgrund der besonderen Indikation und der damit verbundenen speziellen Versorgung soll grundsätzlich nur die auf diese Erkrankung spezialisierte Vertragsärztin oder der auf diese Erkrankung spezialisierte Vertragsarzt nach persönlicher Untersuchung die außerklinische Intensivpflege verordnen. Mit der Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 AKI-RL soll weiteren an der Behandlung der oder des Versicherten beteiligten Vertragsärztinnen oder Vertragsärzten ermöglicht werden, außerklinische Intensivpflege zu verordnen. Die Ver-
117 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 22 (2.10 zu Abs. 1).
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ordnung in diesen Fällen erfolgt jedoch nur gemeinsam, d. h. im Rahmen eines Konsils mit den Fachärztinnen und Fachärzten, die auf die Erkrankung der oder des jeweiligen Versicherten spezialisiert sind. Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt trägt die Verantwortung für die Veranlassung der außerklinischen Intensivpflege.
6.3 Die Qualifikationsanforderungen an das Personal der pflegerischen Leistungserbringer Der Regelungsauftrag zu den Qualifikationsanforderungen in der pflegerischen Versorgung wurde den Vertragspartners nach § 132l Abs. 1 Satz 1 SGB V, also der Selbstverwaltung von Leistungsträgern und Leistungserbringern, erteilt, so dass diese Rahmenempfehlungen mit den Inhalten nach § 132l Abs. 2 zu regeln haben.118
§
132l Abs. 1 Satz 1 SGB V: Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Vereinigungen der Träger von vollstationären Pflegeeinrichtungen auf Bundesebe-
ne, die Leistungen nach § 43 SGB XI erbringen, die für die Wahrnehmung der Interessen der Erbringer von Leistungen nach § 132l Abs. 5 Nr. 3 SGB V [= Träger der Eingliederungshilfe] maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Einbeziehung des Medizinischen Dienstes Bund und unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V [= AKI-RL] bis zum 31. Oktober 2022 gemeinsame Rahmenempfehlungen über die einheitliche und
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flächendeckende Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege zu vereinbaren.
Inhalt der Rahmenempfehlungen Die Verhandlungen der Rahmenempfehlungen auf Bundesebene stehen derzeit noch aus. Den Vertragspartnern wurde vom Gesetzgeber aufgegeben die einzelnen Vertragsbestimmungen „in Hinblick auf den jeweiligen Leistungsort nach § 37c Abs. 2 Satz 1 SGB V“ [➔ 4] zu vereinbaren. So sollen die jeweiligen Besonderheiten je nachdem, ob eine pflegerische Versorgung in einer vollstationären Pflegeeinrichtungen oder einer Einrichtung der Eingliederungshilfe vorgenommen wird oder durch einen spezialisierten ambulanten Pflegedienst die Versorgung in einer Wohneinheit nach § 132l Abs. 5 Nr. 1 SGB V, einer Wohngemeinschaft oder der eigenen Häuslichkeit des Versicherten oder seiner Familie erfolgt, abgebildet werden. Diese Forderung bedeutet allerdings nicht, dass nicht in ein118 BT-Drucksache 19/20720, S. 55.
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zelnen Regelungsbereichen, beispielsweise hinsichtlich der personellen Anforderungen an die pflegerische Versorgung nach § 132l Abs. 2 Nr. 1 SGB V, für alle zulässigen Leistungsorte einheitliche Anforderungen vereinbart werden. Als Regelungsinhalte regelt § 132l Abs. 2 SGB V insbesondere:
§
132l Abs. 2 SGB V: In den Rahmenempfehlungen sind im Hinblick auf den jeweiligen Leistungsort nach § 37c Abs. 2 Satz 1 SGB V insbesondere zu regeln:
1. personelle Anforderungen an die pflegerische Versorgung einschließlich der Grundsätze zur Festlegung des Personalbedarfs, 2. strukturelle Anforderungen an Wohneinheiten nach § 132l Abs. 5 Nr. 1 SGB V einschließlich baulicher Qualitätsanforderungen, 3. Einzelheiten zu Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit der verordnenden Vertragsärztin oder dem verordnenden Vertragsarzt, dem Krankenhaus und mit weiteren nichtärztlichen Leistungserbringern, 4. Maßnahmen zur Qualitätssicherung einschließlich von Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement und Maßnahmen zur Fortbildung, 5. Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung, 6. Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke nach § 302 SGB V jeweils zu übermittelnden Daten, 7. Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte und
Personelle Qualifikationsanforderungen Die Vertragsparteien auf Bundesebene, also für die Leistungserbringer alle Verbände der Wohlfahrtspflege sowie alle Verbände der privat-gewerblichen Anbieter einerseits und
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8. Maßnahmen bei Vertragsverstößen.
andererseits der GKV-Spitzenverband haben die Bundes-Rahmenempfehlung nach § 132a Abs. 1 SGB V zur Versorgung mit Häuslicher Krankenpflege vom 10.12.2013 i. d. F. vom 14.10.2020 in einem Schiedsstellenverfahren geeint. § 4 der Rahmenempfehlung nach § 132a SGB V regelt die besonderen personellen Anforderungen für die Qualität der Leistungserbringung für die außerklinische ambulante Intensivpflege.
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ACHTUNG Es ist kaum anzunehmen, dass die Qualitätsanforderungen unterhalb der in § 4 des Bundesrahmenvertrages gem. § 132a SGB V getroffenen Vereinbarungen bleiben. Daher sollte zumindest jeder ambulante Pflegedienst, der weiterhin oder künftig außerklinischen Intensivpflege anbieten will, die personellen Ressourcen schaffen. Die Regelung sieht die Versorgung von beatmungspflichtigen und nicht beatmungspflichtigen Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktionen einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegefachkraft bedürfen, vor. Dies betrifft die Versorgung von beatmungspflichtigen und nicht beatmungspflichtigen Versicherten, bei denen wegen Art, Schwere und Dauer der Erkrankung akute gesundheits- oder lebensgefährdende Veränderungen der Vitalfunktionen mit der Notwendigkeit zur sofortigen medizinischen Intervention zu unvorhersehbaren Zeiten wiederkehrend eintreten können. Hierbei handelt es sich um Versicherte, die kontinuierlich der Beobachtung und Intervention mit den notwendigen medizinisch-pflegerischen Maßnahmen bedürfen und gegebenenfalls um Versicherte mit Veränderungen der Vitalfunktion Atmung, wenn sie kontinuierlich bzw. zeitweise beatmet werden. Die besonderen Belange von Kindern und Jugendlichen sind zu berücksichtigen, insbesondere durch einschlägige pädiatrische Qualifikationen bzw. Zusatzqualifikationen. Die Versorgung wird grundsätzlich durch sozialversicherungspflichtige Pflegefachkräfte sichergestellt. Der Einsatz von geringfügig Beschäftigten sollte nicht mehr als 20 % des Versorgungsumfanges betragen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, sofern die Pflegefachkräfte Eigentümerinnen oder Eigentümer oder Gesellschafterinnen oder
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Gesellschafter des ambulanten Pflegedienstes sind und sich ihr Tätigkeitsschwerpunkt auf den ambulanten Pflegedienst bezieht. Ausgenommen von dieser Regelung sind Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen sowie Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamte.
Personelle Qualifikationsanforderungen für die Versorgung von beatmungspflichtigen Versicherten Als spezifische Voraussetzungen zur Versorgung von beatmungspflichtigen Versicherten gelten folgende Regelungen: Der ambulante Pflegedienst verfügt für die Versorgung von beatmungspflichtigen Versicherten über eine sozialversicherungspflichtig beschäftigte verantwortliche Pflegefachkraft (eine Teilzeitbeschäftigung der verantwortlichen Pflegefachkraft im Mindestumfang von 50 % einer Vollzeittätigkeit ist grundsätzlich möglich), die folgenden Voraussetzungen erfüllt: Abgeschlossene Ausbildung als
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– Gesundheits- und Krankenpfleger/-in oder – Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in oder – Altenpfleger/-in nach dem Altenpflegegesetz vom 25.08.2003 oder – Altenpfleger/-in mit einer dreijährigen Ausbildung nach Landesrecht. Neben der nachstehend beschriebenen Weiterbildung muss zusätzlich eine der folgenden Qualifikationen nachgewiesen werden: – Atmungstherapeut/-in mit pflegerischer Ausbildung oder – Fachgesundheits- und Krankenpfleger/-in für Anästhesie- /Intensivpflege oder Einschlägige Berufserfahrung im Beatmungsbereich auf Intensivstationen oder Intermediate Care-Stationen oder in der außerklinischen Beatmung oder einer Weaningeinheit über mindestens zwei Jahre hauptberuflich (mindestens 19,25 Wochenstunden) innerhalb der letzten fünf Jahre oder – Fachgesundheits- und Krankenpfleger/-in für pädiatrische Intensivpflege/ Anästhesie oder Einschlägige Berufserfahrung in der pädiatrischen Intensivpflege (z. B. auf neonatologischen Intensivstationen, Intermediate Care-Stationen für Kinder, interdisziplinären pädiatrischen Intensivstation oder in der außerklinischen pädiatrischen Intensivversorgung) über mindestens zwei Jahre hauptberuflich (mindestens 19,25 Wochenstunden) innerhalb der letzten fünf Jahre. Die Rahmenfrist von fünf Jahren verlängert sich um Zeiten, in denen die verantwortliche Pflegefachkraft – wegen der Betreuung oder Erziehung eines Kindes nicht erwerbstätig war, den wöchentlich gepflegt hat, höchstens jedoch auf acht Jahre mit der Maßgabe, dass mindestens ein Jahr der Berufs-
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– als Pflegeperson nach § 19 SGB XI eine pflegebedürftige Person wenigstens 10 Stun-
erfahrung innerhalb der letzten vier Jahre nachgewiesen werden kann. Wird lediglich eine einschlägige Berufserfahrung nachgewiesen, muss zusätzlich ein erfolgreicher Abschluss einer anerkannten Zusatzqualifikation über mindestens 200 Zeitstunden (140 Zeitstunden Theorie, mindestens 60 Zeitstunden Praktikum) nachgewiesen werden. Die Inhalte der theoretischen Schulung orientieren sich curricular an Weiterbildungen von Fachgesellschaften, z. B. „Pflegeexperte für außerklinische Beatmung“ /„Pflegeexperte für pädiatrische außerklinische Intensivpflege“ und haben die Besonderheiten für alle Altersgruppen (Pädiatrie, Erwachsene, Geriatrie) zu berücksichtigen. Die Zusatzqualifikation kann unter den nachfolgend genannten Bedingungen sowohl
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vollständig altersspezifisch als auch vollständig generalistisch erfolgen. Die Zusatzqualifikation umfasst mindestens folgende Inhalte: Theoretischer Anteil (140 Zeitstunden = 186 Unterrichtseinheiten a 45 Minuten): – 70 Unterrichtseinheiten (UE) entfallen auf den medizinisch-therapeutischen Themenblock; davon sind 14 UE zur Vertiefung der altersspezifischen oder generalistischen Ausbildungsinhalte vorgesehen, insbesondere mit folgenden Inhalten: Berücksichtigung von möglichen Krisen- und Belastungssituationen, spezielle Krankheitslehre (z. B. Pulmologie, Kardiologie, Neurologie, Pädiatrie), Sauerstofflangzeittherapie, Grundlagen der Beatmung einschließlich Gerätekunde und Besonderheiten der Heimbeatmung sowie Beatmungszugängen (einschließlich Kanülenmanagement), Versorgung bei Weaningversagen nach Langzeitintensivtherapie (Langzeitweaning/Prognose) – 48 Unterrichtseinheiten (UE) entfallen auf den pflegerischen Block; davon sind 8 UE zur Vertiefung der altersspezifischen oder generalistischen Ausbildungsinhalte vorgesehen, insbesondere mit folgenden Inhalten: pflegerische Besonderheiten in der Neurologie und Palliativversorgung, Sekretmanagement, Ernährung, Schmerzmanagement, atemtherapeutische Maßnahmen, Hygiene, Notfallmanagement, Qualitäts- und Risikomanagement, rechtliche Aspekte (z. B. Patientenverfügung, Medizinproduktegesetz) – 40 Unterrichtseinheiten (UE) entfallen auf den psychosozialen Themenblock; davon sind 8 UE zur Vertiefung der altersspezifischen oder generalistischen Ausbildungsinhalte vorgesehen, insbesondere mit folgenden Inhalten: Gesprächsführung, Ethik, Stressmanagement und Konfliktmanagement, Überleitungsmanagement, professionelles Rollenverständnis, Personal- und Organisationsentwicklung, Copingstrategien, Angehörigenintegration
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– 10 Unterrichtseinheiten (UE) entfallen auf die vorgesehene Schwerpunktsetzung der Kursorganisatoren – 18 Unterrichtseinheiten (UE) entfallen auf die Facharbeit am Ende des Kurses. Im praktischen Anteil von den mindestens 60 Zeitstunden Praktikum unter fachlicher Anleitung sind mindestens 2/3 der Zeitstunden in einem Weaningzentrum, in einer Einrichtung der intensivmedizinischen Rehabilitation oder einem Zentrum für außerklinische Beatmung oder auf einer internistischen oder interdisziplinären (Kinder-) Intensivstation zu absolvieren. Das Praktikum kann nicht auf einer rein operativen (Kinder-) Intensivstation durchgeführt werden. Maximal 1/3 der Zeitstunden können auch in einer Einrichtung für außerklinische Beatmungspflege absolviert werden (Wohngemeinschaft/organisierte Wohneinheit/betreutes Wohnen, stationäre Pflegeeinrichtung, außerklinische (Kinder-) Intensivkrankenpflege), die jedoch nicht zum Unternehmen/zur Unternehmensgemeinschaft des Kursteilnehmers gehören darf. Im Falle einer altersspezifischen Schwerpunktsetzung (z. B. in der Pädiatrie) ist dies im Rahmen des Praktikums zu berücksichtigen.
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Soweit die verantwortliche Pflegefachkraft die Voraussetzungen zur Qualifikation und/ oder Weiterbildung nicht erfüllt, kann der Pflegedienst auch andere Pflegefachkräfte im Sinne einer Fachbereichsleitung benennen, welche die Voraussetzungen, mit Ausnahme der 460-stündigen Qualifikation zur verantwortlichen Pflegefachkraft, erfüllen müssen. Diese übernehmen intern die fachliche Verantwortung und Aufsicht für die beschriebenen Leistungen der außerklinischen ambulanten Intensivpflege. In Fällen der vorübergehenden Verhinderung der fachlichen Leitung übernimmt eine Pflegefachkraft die Vertretung, die die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt. Die vorübergehende Vertretung muss gegenüber der vertragsschließenden Krankenkasse angezeigt werden. Die fachliche Leitung ist spätestens zu Beginn des siebten Monats der Verhinderung durch eine entsprechend qualifizierte Pflegefachkraft sicherzustellen; sollte das nachweislich nicht möglich sein, verständigen sich Pflegedienst und Krankenkasse auf eine geeignete Übergangsregelung. Die Anzahl der zu beschäftigenden verantwortlichen Pflegefachkräfte ist unter Berücksichtigung des medizinischen und pflegerischen Stands der Erkenntnisse in der Vereinbarung nach § 132a Abs. 4 SGB V festzulegen und bei der Vergütung zu beachten. Als Orientierungswert kann in der 24-Stunden-Pflege unter Berücksichtigung von regionalen Besonderheiten ein Verhältnis von 1:12, wie es in aktuellen Leitlinien enthalten ist, herangezogen werden. Alle Pflegefachkräfte, die eigenverantwortlich die fachpflegerische Versorgung bei beatmeten Versicherten übernehmen, müssen neben einer Ausbildung als – Gesundheits- und Krankenpfleger/-in oder – Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in oder – Altenpfleger/-in nach dem Altenpflegegesetz vom 25.08.2003 oder
eine der folgenden Voraussetzungen bzw. Qualifikationen aufweisen: – Atmungstherapeut/-in oder – Fachgesundheits- und Krankenpfleger/-in für Anästhesie- und Intensivpflege oder
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– Altenpfleger/- in mit einer dreijahrigen Ausbildung nach Landesrecht,
Einschlägige Berufserfahrung im Beatmungsbereich über mindestens ein Jahr hauptberuflich (mindestens 19,25 Wochenstunden) innerhalb der letzten fünf Jahre oder – Fachgesundheits- und Krankenpfleger/-in für pädiatrische Intensivpflege/ Anästhesie oder Einschlägige Berufserfahrung in der pädiatrischen Intensivpflege bei beatmungspflichtigen Kindern mindestens ein Jahr hauptberuflich (mindestens 19,25 Wochenstunden) innerhalb der letzten fünf Jahre (z. B. auf neonatologischen Intensivstationen, Intermediate Care-Stationen für Kinder, interdisziplinären pädiatrischen Intensivstationen oder in der
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außerklinischen pädiatrischen Intensivversorgung). Alternativ zur Berufserfahrung kann ein erfolgreicher Abschluss einer anerkannten und berufsbegleitenden Zusatzqualifikation über mindestens 120 Zeitstunden (40 Zeitstunden Theorie, 80 Zeitstunden Praktikum) nachgewiesen werden. Die Inhalte der theoretischen Schulung orientieren sich curricular an Weiterbildungen von Fachgesellschaften, z. B. „Pflegefachkraft für außerklinische Beatmung“/„Pflegefachkraft für außerklinische pädiatrische Beatmung“ und haben die Besonderheiten für alle Altersgruppen (Pädiatrie, Erwachsene, Geriatrie) zu berücksichtigen. Diese Zusatzqualifikation kann unter den nachfolgend genannten Bedingungen sowohl vollständig altersspezifisch als auch vollständig generalistisch erfolgen. Die Zusatzqualifikation umfasst mindestens folgende Inhalte, wobei von der Gesamtstundenzahl mindestens 50 % in Präsenzphasen vermittelt werden sollen. Theoretischer Anteil (mindestens 40 Zeitstunden = 53 Unterrichtseinheiten a 45 Minuten): – 22 Unterrichtseinheiten (UE) entfallen auf den medizinisch-therapeutischen Themenblock insbesondere mit folgenden Inhalten: spezielle Krankheitslehre (z. B. Pulmologie, Kardiologie, Neurologie, Pädiatrie), Sauerstofftherapie, Grundlagen der Beatmung einschließlich Gerätekunde und Besonderheiten der Heimbeatmung sowie Beatmungszugängen (einschließlich Kanülenmanagement) – 20 Unterrichtseinheiten (UE) entfallen auf den pflegerischen Themenblock, insbesondere mit folgenden Inhalten: pflegerische Besonderheiten in der Neurologie und Palliativversorgung, Sekretmanagement, Ernährung, Schmerzmanagement, atemtherapeutische Maßnahmen, Hygiene, Notfallmanagement, rechtliche Aspekte (z. B. Patientenverfügung, Medizinproduktegesetz) – 6 Unterrichtseinheiten (UE) entfallen auf den psychosozialen Themenblock, insbesondere mit folgenden Inhalten: Ethik, Überleitungsmanagement, Angehörigenin-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
tegration, Copingstrategien – 5 Unterrichtseinheiten (UE) entfallen auf die vorgesehene altersspezifische oder generalistische Schwerpunktsetzung Das Praktikum umfasst 40 Zeitstunden in einer (pädiatrischen) außerklinischen Beatmungspflegeinstitution (Wohngemeinschaft/organisierte Wohneinheit, häusliche Beatmungspflege (1:1), betreutes Wohnen oder stationäre Pflegeeinrichtung) und 40 Zeitstunden in einem Beatmungs- oder Weaningzentrum oder in einer Klinik, die über eine internistische (Kinder-) Intensivstation oder eine Weaningstation verfügt, oder die alternativ eine interdisziplinäre (Kinder-) Intensivstation betreibt. Das Praktikum kann nicht auf einer rein operativen (Kinder-) Intensivstation durchgeführt werden. Für den Fall einer altersspezifischen Schwerpunktsetzung (z. B. in der Pädiatrie) ist dies im Rahmen des Praktikums zu berücksichtigen. Für neu eingestellte sowie für alle bereits beschäftigten Pflegefachkräfte mit abgeschlossener dreijähriger Ausbildung, die nicht über eine der genannten Qualifikationen verfugen, hat der Pflegedienst die Berufserfahrung auf
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Anforderung entsprechend nachzuweisen. Sofern diese nicht gegeben ist, hat der Pflegedienst die betreffenden Pflegefachkräfte mit der Aufnahme der intensivpflegerischen Betreuung zur berufsbegleitenden Fortbildung anzumelden und deren Abschluss innerhalb von sechs Monaten nachzuweisen. Bei der Versorgung eines Versicherten können nicht mehrere Pflegefachkräfte ohne entsprechende Qualifikation gleichzeitig in einem Pflegeteam eingesetzt werden. Im Übrigen ist für diese Pflegefachkräfte ab Tätigkeitsbeginn sicherzustellen, dass diese mindestens eine dem Krankheitsbild entsprechende spezifische Einweisung und strukturierte Einarbeitung erhalten haben. Alle Pflegefachkräfte müssen über eine entsprechende spezifische Einweisung und strukturierte Einarbeitung verfügen. Der Träger des Pflegedienstes ist verpflichtet, die fachliche Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegedienstes, die Leistungen nach diesem Paragrafen erbringen, durch spezifische, interne und/oder externe Fortbildung je Kalenderjahr zu gewährleisten. Die Fortbildungsmaßnahmen sollen die besonderen Belange der Versorgung von beatmungspflichtigen Versicherten ausreichend berücksichtigen. Dazu zählen insbesondere die folgenden Themengebiete: – spezielle Überwachung des Gesundheitszustandes, – Pflege des Tracheostomas, Kanülenwechsel, – Sekretmanagement, – Beatmungsgeräte und Therapieformen, Umgang mit enteraler und parenteraler Ernährung, – Umgang mit Inhalations- und Absauggeräten, – Wirkung/Nebenwirkung von Medikamenten, – Bewertung von Vitalparametern (bspw. Herz-Kreislauf-Monitoring), – notwendige Interventionen, bspw. bei Stoffwechselentgleisung, Atmungs- und Kreislaufversagen, – spezielle Hygienemaßnahmen. Die Fortbildungsverpflichtung entfällt für jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Kalenderjahre, in der die Zusatzqualifikation erworben wird.
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– Einleitung, Durchführung von Notfallmaßnahmen,
Personelle Qualifikationsanforderungen zur Versorgung von nicht beatmungspflichtigen Versicherten Zur Versorgung von nichtbeatmungspflichtigen Versicherten muss die verantwortliche Pflegefachkraft nachfolgende Voraussetzungen erfüllen: Abgeschlossene Ausbildung als – Gesundheits- und Krankenpfleger/-in oder – Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in oder
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– Altenpfleger/-in nach dem Altenpflegegesetz vom 25.08.2003 oder – Altenpfleger/-in mit einer dreijährigen Ausbildung nach Landesrecht. Neben der vorstehend beschriebenen Weiterbildung muss die verantwortliche Pflegefachkraft zusätzlich über spezifische Kenntnisse zum jeweiligen Krankheitsbild verfügen, so dass sie die übrigen an der Versorgung beteiligten Pflegefachkräfte entsprechend einweisen und einarbeiten kann. Alle Pflegefachkräfte, die eigenverantwortlich die fachpflegerische Versorgung bei nichtbeatmeten Versicherten übernehmen, müssen neben einer Ausbildung als – Gesundheits- und Krankenpfleger/-in oder – Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in oder – Altenpfleger/-in nach dem Altenpflegegesetz vom 25.08.2003 oder – Altenpfleger/- in mit einer dreijährigen Ausbildung nach Landesrecht, zusätzlich mindestens über eine dem Krankheitsbild entsprechende spezifische Einweisung und strukturierte Einarbeitung verfügen. Für Pflegedienste, die bereits auf der Grundlage vertraglicher Regelungen beatmungspflichtige Intensivpflegepatientinnen oder -patienten versorgen oder versorgt haben, aber nicht die Voraussetzungen nach § 4 Bundes-Rahmenvereinbarung nach § 132a Abs. 1 SGB V erfüllen, sind in den Verträgen nach § 132a Abs. 4 SGB V, die vor Inkrafttreten dieser Rahmenempfehlungen geschlossen worden sind, Übergangsregelungen zur Anpassung an die Rahmenempfehlungen zu vereinbaren. Dabei darf ein Übergangszeitraum für die erforderlichen strukturellen Anpassungen des Pflegedienstes von vier Jahren nach Inkrafttreten der Bundes-Rahmenempfehlungen nicht überschritten werden. Die Übergangsfrist läuft
Intensivpflege und das GKV-IPReG
damit mit dem 30.8.2023 ab.
Die Versorgungsverträge nach § 132l Abs. 5 SGB V Die Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c SGB V können nur durch Leistungserbringer erbracht, die hierfür Verträge mit den Krankenkassen nach § 132l Abs. 5 SGB V (Versorgungsverträge) abgeschlossen haben. Den Versorgungsverträgen sind nach § 132l Abs. 1 Satz 4 SGB V die Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 SGB V zugrunde zu legen.
§
132l Abs. 1 Satz 4 SGB V: Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach § 132l Abs. 5 SGB V zugrunde zu legen.
Um eine nahtlose Versorgung der Versicherten mit außerklinischer Intensivpflege sicherzustellen, sieht § 132l Abs. 5 Satz 6 SGB V vor, dass Verträge nach § 132a Abs. 4 SGB V so lange fortgelten, bis sie durch Verträge nach § 132l Abs. 5 Satz 1 SGB V abgelöst wer-
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den, längstens jedoch für zwölf Monate nach Vereinbarung der Rahmenempfehlungen nach 132l Abs. 1 SGB V.
§
132l Abs. 5 Satz 6 SGB V: Verträge nach § 132a Abs. 4 SGB V gelten so lange fort, bis sie durch Verträge nach § 132l Abs. 5 Satz 1 SGB V abgelöst werden, längstens
jedoch für zwölf Monate nach Vereinbarung der Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 SGB V. Diese Regelung wiederholt § 14 Abs. 2 AKI-RL.
§
14 Abs. 2 AKI-RL: Die Leistungen der außerklinischen Intensivpflege gemäß § 37c SGB V werden von Leistungserbringern erbracht, die über Verträge gemäß § 132l Abs. 5 SGB
V verfügen. Die Verträge nach § 132a Abs. 4 SGB V gelten so lange fort, bis sie durch Verträge nach § 132l Abs. 5 Satz 1 SGB V abgelöst werden, längstens jedoch für zwölf Monate nach Vereinbarung der Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 SGB V.
Sind Personalschlüssel zwingend? Wird die Außerklinische Intensivpflege nicht im eigenen Haushalt oder dem der Familie erbracht, ist also die Betreuungsrelation nicht 1:1, stellt sich in den Verhandlungen bisher die Frage, ob ein bestimmter Personalschlüssel vereinbart werden muss. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Eine Verpflichtung zur Vereinbarung von Personalschlüsseln in den Versorgungsverträgen nach § 132l Abs. 5 SGB V besteht nicht. Natürlich kann eine vertragliche Vereinbarung von individuellen Personalschlüsseln sinnvoll sein, rechtswidrig wäre es jedoch, den Abschluss des Versorgungsvertrages von der Vereinbarung mächtigungsgrundlage fehlt. Die Krankenkassen sind gemäß § 4 Abs. 1 SGB V rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung und gehören damit zur „vollziehenden Gewalt“. Als Teil der „vollziehenden Gewalt“ sind die Krankenkassen damit an Gesetz und Recht
Kapitel VI
eines Personalschlüssels abhängig zu machen, da es insoweit an einer gesetzlichen Er-
gebunden. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung weist zwei Komponenten auf: den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes. Der Vorbehalt des Gesetzes besagt die durchgängige Bindung der Verwaltung an gesetzliche Ermächtigungen, einerlei, ob sie belastend oder begünstigend tätig wird. Das bedeutet, dass alle Akte, auch der Abschluss eines Vertrages, einer formalgesetzlichen Ermächtigung bedürfen. Bei den Versorgungsverträgen – bisher – nach § 132a Abs. 4 SGB V und künftig nach §132l Abs. 5 SGB V zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB X, weil durch ihn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben
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wird.119 Die Krankenkassen treten damit auch nicht als Unternehmen des Privatrechts auf, weil sie über die Rechtsbeziehungen zu den einzelnen Leistungserbringern ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag erfüllen.120 Eine solche Ermächtigungsgrundlage, auf die die Krankenkassen ihre Forderung nach einem Personalschlüssel stützen könnten, existiert weder im Bereich der häuslichen Krankenpflege noch im Bereich der außerklinischer Intensivpflege. Pflegepersonaluntergrenzen wurden vom Gesetzgeber bisher ausschließlich für Krankenhäuser geregelt (vgl. § 137i SGB V). Die Einführung des DRG-Systems zur Honorierung von stationären Leistungen setzte bewusst Anreize zur Kosteneinsparung, insbesondere im Personalbereich. Das in § 137i SGB V eingesetzte Instrument der Pflegepersonaluntergrenzen bildet das Mindestverhältnis von Pflegekraft pro Patient ab.121 Für die Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen ist in § 113c Abs. 1 Satz 1 SGB XI ausdrücklich für die Zeit ab dem 01.07.2023 eine Ermächtigungsnorm in das Gesetz eingefügt worden.
§
113c Abs. 1 Satz 1 SGB XI: Ab dem 1. Juli 2023 kann in den Pflegesatzvereinbarungen nach § 84 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 SGB XI für vollstationäre Pflegeeinrichtungen
höchstens die sich aus nachfolgenden Personalanhaltswerten ergebende personelle Ausstattung mit Pflege- und Betreuungspersonal vereinbart werden: […] Die nach § 137i SGB V vorgegebene Personaluntergrenzen sollen zukünftig in den pflegesensitiven Bereichen der Krankenhäuser die Mindestbesetzungen an Pflegepersonal regeln. Im Sinne des Gesetzes sind pflegesensitive Bereiche solche Organisationseinheiten, in denen aus Sicht des Patientenschutzes sowie aus Sicht der Versorgungsqualität ein Zusammenhang zwischen der Anzahl an Pflegekräften sowie dem
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Vorkommen von unerwünschten Ereignissen bestehen. Die neuen Mindeststandards sind zunächst in vier Fachgebieten eingeführt worden. Es existierten im deutschen Gesundheitssystem bisher keine übertragbaren Modelle zur Entwicklung von Pflegepersonaluntergrenzen. Somit wurde es erforderlich, anhand einer Analyse der Ist-Personalbesetzung der Krankenhäuser und eine Erfassung der Pfleglasten bei Erkrankungen, Pflegepersonaluntergrenzen zu entwickeln. Die Personalbesetzung mit Pflegekräften muss hierzu ins Verhältnis gesetzt werden mit dem Pflegeaufwand bei Patientengruppen bestimmter Fachgebiete. Dies ist eine sehr komplexe Aufgabe, für deren Lösung die Selbstverwaltung, also der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft, sorgen sollte. Für die Ermittlung des Zusammenhangs zwischen der Personalbesetzung in pflegerischen Diensten von Krankenhäusern und dem Auftreten von unerwünschten Ereignissen im Rahmen der Patientenbehandlung (im 119 BSG, Urt. v. 25.3.2015, B 6 KA 9/14 R = BSGE 118, 164. 120 BSG, Urt. v. 25.9.2001, B 3 KR 3/01 R = BSGE 89, 24. 121 vgl. BT-Drucksache 18/12604, S. 78.
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Sinne von Schädigungen des Patienten) wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben.122 Innerhalb des sog. „Schreyögg-Gutachten“ wurden zunächst zwölf pflegesensitive Ergebnisindikatoren (insbesondere Dekubitus, Harntraktinfektion, Pneumonie, Thrombose, Sepsis, Schock) definiert, welche eine besondere Abhängigkeit von der Anzahl des eingesetzten Pflegepersonals aufweisen. Daraufhin wurden die strukturierten Qualitätsberichte sowie die Abrechnungsdaten der Krankenhäuser ausgewertet und zusammengeführt. Schließlich wurde mittels verschiedener mathematischer Analyseverfahren der statistische Zusammenhang zwischen dem Auftreten von pflegesensitiven Ergebnisindikatoren und der Pflegepersonalausstattung eines Krankenhauses ermittelt. Im Ergebnis wurden 15 medizinische Fachabteilungen ermittelt, welche im Falle einer Personalunterbesetzung besonders anfällig – besonders sensitiv – für das Auftreten unerwünschter Ereignisse und dementsprechend besonders gut für die Definition verbindlich einzuhalten Pflegepersonaluntergrenzen geeignet sind. Im nächsten Schritt wurden zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) sechs medizinische Fachabteilungen (Intensivmedizin, Unfallchirurgie, Kardiologie, Geriatrie, Neurologie und Herzchirurgie) als pflegesensitive Bereiche im Sinne des §§ 137i SGB V konsentiert, für die in Erfüllung des gesetzgeberischen Auftrags sodann verbindlich einzuhaltende Pflegepersonaluntergrenzen definiert werden sollten. Um konkrete Betreuungsschlüssel bzw. Pflegekraft-Patienten-Verhältniszahlen festlegen zu können, musste zunächst eine empirische Analyse zur gegenwärtig in deutschen Krankenhäusern vorhandenen Pflegepersonalbesetzung im Verhältnis zur Anzahl der zu versorgenden Patienten erfolgen, mit der die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im März 2018 beauftragt worden ist.123
Da es derartige Studien in der außerklinischer Intensivpflege derzeit nicht gibt, liegt es nahe, dass der Gesetzgeber in einem nächsten Schritt finanzielle Mittel bereitstellt und die Selbstverwaltung auffordert derartige Gutachten erstellen zu lassen.
Kapitel VI
ACHTUNG
Auf der Grundlage der Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern (PpUGV)124 erfolgte die Einführung von 122 Schreyögg, Expertise zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Pflegeverhältniszahlen und pflegesensitiven Ergebnisparametern in Deutschland v. 10.11.2016, zu erreichen unter: https://www.bundesgesundheitsministerium. de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Pflege/Berichte/Gutachten_Schreyoegg_Pflegesensitive_Fachabteilungen.pdf [zuletzt abgerufen: 16.2.2022]. 123 KPMG, Abschlussbericht: Studie zur Pflegepersonalausstattung und „Pflegelast“ in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern, 2018, zu erreichen unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/krankenhaeuser/pflegepersonaluntergrenzen/2018_09_24_KPMG_Pflegepersonalausstattung_und_Pflegelast_Studie_final.pdf [zuletzt abgerufen: 16.2.2022]. 124 BGBl. I 2018, 1632.
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Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen von Krankenhäusern mit Wirkung ab 01.01.2019. Pflegesensitive Bereiche im Sinne der PpUGV stellen Krankenhausbereiche dar, in denen Leistungen der Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie, Kardiologie, Neurologie und Herzchirurgie erbracht werden. Die im jeweiligen pflegesensitiven Bereich konkret einzuhaltenden „Patient-Pflegekraft-Verhältniszahlen“ im Sinne von verbindlich einzuhaltenden Betreuungsschlüssel wurden wie folgt festgelegt: Tagschicht
Nachtschicht
Intensivstation ab 2019
2,5 : 1
3,5 : 1
Intensivstation ab 2021
2,0 : 1
3,0 : 1
Geriatrie
10,0 : 1
20,0 : 1
Unfallchirurgie
10,0 : 1
20,0 : 1
Kardiologie
12,0 : 1
24,0 : 1
Neurologie
-
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Herzchirurgie
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Bei den Pflegekräften im Sinne der PpUGV handelt es sich um – Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner, – Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger, – Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger sowie – Altenpflegerinnen und -pfleger Nicht anrechenbar auf die von der PpUGV vorgegebenen Betreuungsschlüssel sind beispielsweise Medizinische Fachangestellte, Hebammen, Heilerziehungspfleger oder Er-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
zieher. Es besteht jedoch die Möglichkeit, Pflegehilfskräfte bis zu einem gewissen Prozentsatz auf die Betreuungsschlüssel anzurechnen. Pflegehilfskraft im Sinne der PpUGV sind Personen, die eine landesrechtlich geregelte Assistenz- oder Helferausbildung in der Pflege von mindestens einjähriger Dauer abgeschlossen haben. Auch die Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 SGB V sollen nach § 132l Abs. 2 Nr. 1 SGB V keinen Personalschlüssel vorsehen, sondern sollen insbesondere „Grundsätze zur Festlegung des Personalbedarfs“ regeln, während § 137i Abs. 1 S. 1 SGB V explizit „Pflegepersonaluntergrenzen“ regelt. Der Gesetzgeber hat damit bewusst keine Pflegepersonaluntergrenzen für die außerklinische Intensivpflege geregelt. Der Wille des Gesetzgebers geht dahin, dass Verträge über die Erbringung von außerklinischer Intensivpflege gemeinsam und einheitlich nach gleichen Maßstäben und mit gleichen Rahmenbedingungen geschlossen werden.125
125 BT-Drucksache 19/19368, S. 38.
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Die Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen Die bisher schon bestehende Pflicht für Leistungserbringer, mit denen die Krankenkassen Verträge nach § 132a Abs. 4 SGB V abgeschlossen haben, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b SGB V teilzunehmen, soll auch künftig für Leistungserbringer der außerklinischen Intensivpflege gelten, mit denen die Krankenkassen Verträge nach § 132l Abs. 5 SGB V abgeschlossen haben. Diese Prüfungen beziehen sich stets auf einen Leistungserbringer und nicht auf den Gesundheitszustand und Bedarf des Versicherten.
§
132l Abs. 5 Satz 4 SGB V: Die Leistungserbringer sind verpflichtet, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement durchzuführen, das den Anforderungen des
§ 132l Abs. 2 Nr. 4 SGB V entspricht, und an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b SGB V teilzunehmen; § 114 Abs. 2 SGB XI bleibt unberührt. Der Schwerpunkt der Versorgung mit außerklinischen Intensivleistungen liegt im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Die außerklinische Intensivpflege ist dadurch gekennzeichnet, dass die medizinische Versorgung von vitaler Bedeutung für die Versicherten ist, weshalb qualitativ besondere hohe medizinische Anforderungen an die Durchführung der Versorgung zu stellen sind. Aus fachlichen und aus organisatorischen Gründen – die Krankenkassen haben angesichts der Notwendigkeit zum Abschluss der spezifischen Versorgungsverträge die Übersicht über diesen Versorgungsbereich – ist es systemgerecht, wenn – bei Leistungserbringern, die eine Wohneinheit mit mindestens zwei Versicherten betreiben, die dort Leistungen nach § 37c SGB V in Anspruch nehmen (§ 132l Abs. 5 Nr. 1 SGB V), (§ 132l Abs. 5 Nr. 2 SGB V), und – darüber hinaus auch bei Leistungserbringern, die außerklinische Intensivpflegeleistungen an den in § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 4 SGB V genannten Orten erbrin-
Kapitel VI
– in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die Leistungen nach § 43 SGB XI erbringen
gen (§ 132l Abs. 5 Nr. 3 und 4 SGB V) und keinen Regelprüfungen nach § 114 Abs. 2 SGB XI unterliegen, Qualitätsprüfungen stets nach den Vorgaben des § 275 b SGB V erfolgen und von den Krankenkassen initiiert werden. Dies bedeutet, dass Pflegedienste, die sowohl Leistungen der außerklinischen Intensivpflege in einer Wohneinheit mit mindestens zwei Versicherten nach § 37c SGB V (§ 132l Abs. 5 Nr. 1 SGB V) oder in vollstationären Pflegeeinrichtungen nach § 43 SGB XI (§ 132l Abs. 5 Nr. 2), als auch Leistungen nach dem SGB XI erbringen, zwei Regelprüfungen unterliegen. Nämlich der nach § 275b Abs. 1 Satz 1 SGB V für die
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Leistungen der außerklinischen Intensivpflege und der nach § 114 Abs. 2 SGB XI für die Leistungen nach dem SGB XI.126
ACHTUNG Die Prüfungen finden als Regelprüfungen, die nach § 275b Abs. 2 Satz 2 SGB V in Intensivpflege-Wohneinheiten nach § 132l Abs. 5 Nr. 1 SGB V und Prüfungen bei Leistungserbringern, die über Versorgungsverträge nach § 132l Abs. 5 Nr. 2 zur Behandlung in vollstationären Pflegeeinrichtungen verfügen, grundsätzlich unangemeldet statt. Damit soll dem Medizinischen Dienst die Möglichkeit verschafft werden, sich einen unmittelbaren authentischen Eindruck der Versorgungssituation zu verschaffen. Eine Ankündigung der Prüfung ist nicht erforderlich, da sowohl Personal als auch erforderliche Unterlagen stets vor Ort sein müssen und eine organisatorische Vorbereitung der Leistungserbringer für den Erfolg der Prüfung nicht erforderlich ist.
Dies ist aufgrund der besonderen Anforderungen an die Versorgungsqualität in der außerklinischen Intensivpflege gerechtfertigt. Für Leistungserbringer, die außerklinische Intensivpflege an einem in § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V genannten Ort erbringen und bereits Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 128 Abs. 1 Satz 3 SGB IX unterliegen, muss im Hinblick auf die bürokratische Belastung dieser Einrichtungen eine Abstimmung der jeweiligen Prüfungen durch den Medizinischen Dienst und die Träger der Eingliederungshilfe erfolgen. Nur wenn ambulante Pflegedienste außerklinische Intensivpflegeleistungen in den Fällen des § 37c SGB V im Haushalt des Versicherten oder sonst an geeigneten Orten erbringen (§ 132l Abs. 5 Nr. 4 SGB V), ist es auf Grund der Einzelfallsituation sowie der in diesen Fällen häufigen Erbringung von Leistungen nach dem SGB V und SGB XI gerechtfertigt, die außerklinische Intensivpflege in die Qualitätsprüfung
Intensivpflege und das GKV-IPReG
nach § 114 SGB XI einzubeziehen. In diesen Fällen erfolgt nur eine Regelprüfung, die sowohl Leistungen der außerklinischen Intensivpflege als auch Leistungen nach dem SGB XI umfasst. Gegenstand der Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen sind nach der geltenden Qualitätsprüfungs-Richtlinie (Grundlagen der Qualitätsprüfungen nach § 275b SGB V127) neben der Prüfung der Abrechnung der erbrachten Leistungen auch die Anwesenheit und Qualifikation des eingesetzten Personals sowie die Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Im Rahmen dieser Qualitätsprüfungs-Richtlinie wurden für die aufwändigen und risikobehafteten Leistungen der intensivpflegerischen Versorgung spezifische Prüfparameter entwickelt. Die Prüfungen beinhalten auch eine Inaugenscheinnahme einer Stichprobe von Versicherten, die durch den zu prüfenden 126 BT-Drucksache 19/19368, S. 39f. 127 Qualitätsprüfungs-Richtlinie häusliche Krankenpflege (QPR-HKP) des GKV-Spitzenverbandes nach § 282 Abs. 2 Satz 3 SGB V über die Durchführung und den Umfang von Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen gem. § 275b SGB V von Leistungserbringern mit Verträgen nach § 132a Abs. 4 SGB V v. 18.12.2019.
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Pflegedienst oder die zu prüfende Pflegeeinrichtung versorgt werden. Dabei dürfen die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes Räume, die einem Wohnrecht der Versicherten unterliegen, nur betreten, wenn diese Versicherten eingewilligt haben, oder dies zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung wird insoweit eingeschränkt (§ 275b Abs. 2 Satz 3 SGB V). Für die Inaugenscheinnahme der Versicherten bzw. für das Betreten von Wohnräumen der Versicherten kann die Einwilligung oder der Widerspruch der Betroffenen erst nach Bekanntgabe der Einbeziehung der in Augenschein zu nehmenden Personen in die Qualitätsprüfung gegenüber den Gutachterinnen und Gutachtern des Medizinischen Dienstes erklärt werden, d. h. am Tag der Prüfung.128 Wenn die Gutachterinnen und Gutachtern des Medizinischen Dienstes keinen Zugang zu den versorgten Versicherten erhalten, weil der oder die Versicherte widersprechen und keine dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegen, stehen dem Medizinischen Dienst nach geltendem Recht grundsätzlich folgende Möglichkeiten zur Verfügung: – Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Leistungserbringer sich entgegen seiner Mitwirkungspflichten (§ 275b Abs. 2 Satz 5 und 6 SGB V) unkooperativ verhält, indem er zum Beispiel systematisch den Zugang zu den Versicherten verhindert, und damit Zweifel an der Zuverlässigkeit des Leistungserbringers bestehen, informiert der Medizinische Dienst die auftragserteilenden Krankenkassen (§ 275b Abs. 2 Satz 8 in Verbindung mit § 277 Abs. 1 Satz 4 SGB V), die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen (§ 197a Abs. 3b Satz 3 SGB V) sowie die nach heimrechtlichen Vorschriften zuständige Aufsichtsbehörde (§ 115 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). – Liegen dem Medizinischen Dienst Anhaltspunkte dafür vor, dass bei dem Leistungshygienisch relevante Mängel vorliegen, informiert er das zuständige Gesundheitsamt hierüber, welches die infektionshygienische Überwachung vornimmt (§§ 23 Abs. 6 und 6a, 15a IfSG).
Kapitel VI
erbringer oder an den Orten, an denen die Intensivpflege erbracht wird, infektions-
Besteht darüber hinaus in den genannten Fallkonstellationen der Verdacht auf eine Straftat, ist der Medizinische Dienst befugt, die Ermittlungsbehörden zu informieren.129
128 BT-Drucksache 19/19368, S. 29. 129 BT-Drucksache 19/19368, S. 30.
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Kapitel VII • Die Besonderheiten bei
der Überleitung aus dem Krankenhaus in die außerklinische Intensivpflege Die Regelung in § 1 Abs. 5 AKI-RL, dass außerklinische Intensivpflege für den Zeitraum eines Krankenhausaufenthaltes und einer stationsäquivalenten psychiatrischen Behandlung nicht verordnet werden kann, wurde aus der HKP-RL übernommen; vgl. dort § 3 HKP-RL. Auch in anderen Versorgungssettings, bei denen ein gesetzlicher Anspruch auf medizinische Behandlungspflege besteht, kann außerklinische Intensivpflege nicht verordnet werden. Ob der Anspruch in diesen Einrichtungen dem Anspruch nach dieser Richtlinie entspricht, ist durch die Krankenkasse im Einzelfall zu prüfen.
§
1 Abs. 5 AKI-RL: Außerklinische Intensivpflege kann für den Zeitraum eines Krankenhausaufenthalts und einer stationsäquivalenten psychiatrischen Behandlung nicht verordnet
werden. Auch für die Zeit des Aufenthalts in anderen Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von medizinischer Behandlungspflege durch diese Einrichtungen besteht (zum Beispiel Rehabilitationseinrichtungen, Hospize), kann außerklinische Intensivpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen. § 37c Abs. 3 SGB V bleibt unberührt. Die Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die Leistungen nach § 43 Abs. 2 SGB XI erbringen, beinhaltet auch die Erbringung der medizinischen Behandlungspflege. Aufgrund der Regelung in § 37c Abs. 3 SGB V [➔ 2.2] besteht in vollstationären Pflegeeinrichtungen dennoch ein Anspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V. Entlassmanagements in die außerklinische Intensivpflege sich besondere Voraussetzungen zu beachten. In § 10 AKI-RL wird der Prozess der Verordnung von außerklinischer Intensivpflege für diejenigen Versicherten geregelt, bei denen diese unmittelbar nach der Entlassung aus dem Krankenhaus erforderlich ist. Außerklinische Intensivpflege kann der gesetzlichen Regelung des § 39 Abs. 1a Satz 9 2. Halbsatz SGB V folgend im Zuge des Entlassmanagements für einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen verordnet werden.
§
39 Abs. 1a Satz 9 2. Halbsatz SGB V: …; im Übrigen können die in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis
zu sieben Tagen verordnet … werden.
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Bei der Überleitung aus der stationären Versorgung des Krankenhauses im Rahmen des
In seinem Genehmigungsschreiben vom 19.2.2022 hat das Bundesministerium für Gesundheit darauf hingewiesen, dass § 1 Abs. 5 Satz 2 AKI-RL in dem Sinne ausgelegt und angewendet wird, dass außerklinische Intensivpflege nur für die Zeit des Aufenthalts in
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anderen Einrichtungen, in denen Anspruch auf die Erbringung von medizinischer Behandlungspflege im Umfang außerklinischer Intensivpflege durch diese Einrichtungen besteht, nicht verordnet werden kann.
7.1 Die Qualifikation der verordnenden Krankenhausärztin oder des -arztes Eine Erstverordnung der außerklinischen Intensivpflege ist auch im Rahmen des Entlassmanagements durch das Krankenhaus (die Krankenhausärztin oder den Krankenhausarzt) möglich, § 10 Abs. 1 AKI-RL. Da nach § 37c Abs. 1 Nr. 4 SGB V in der AKI-RL die besondere Qualifikation der Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte, die die Leistung der außerklinischen Intensivpflege verordnen dürfen, zu regeln ist, ist diese Forderung nach auf die Verordnung im Rahmen des Entlassmanagements zu übertragen. Um klarzustellen, dass auch bei einer Verordnung der außerklinischen Intensivpflege durch das Krankenhaus die Qualifikationsanforderungen für die verordnende Vertragsärztin und den verordnenden Vertragsarzt gelten, wird insoweit auf § 9 AKI-RL [➔ 6.2] verwiesen.
§
10 Abs. 1 und 2 AKI-RL: (1) Soweit es für die Versorgung der oder des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung aus dem Krankenhaus erforderlich ist, kann das Krankenhaus
(die Krankenhausärztin oder der Krankenhausarzt mit Qualifikationen gemäß § 9 AKI-RL) im Rahmen des Entlassmanagements wie eine Vertragsärztin oder ein Vertragsarzt außerklinische Intensivpflege für einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen nach der Entlassung entsprechend dieser Richtlinie verordnen.
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(2) Die Ausstellung der Verordnung kann erfolgen, sobald die Erforderlichkeit der außerklinischen Intensivpflege festgestellt wird. Das voraussichtliche Entlassdatum ist auf der Verordnung anzugeben. Die Leistung der außerklinischen Intensivpflege beginnt mit der Entlassung aus dem Krankenhaus. § 10 Abs. 2 AKI-RL ermöglicht eine frühzeitige Vorbereitung der außerklinischen Intensivpflege auf Basis konkreter Informationen zu den Verordnungsinhalten, um der besonders aufwändigen Vorbereitung der Entlassung in die außerklinische Intensivpflege bei komplexen Versorgungsbedarfen Rechnung zu tragen.
7.2 Die Potentialerhebung vor der Verordnung Eine Zielrichtung der Überführung der außerklinischen Intensivpflege in den § 37c SGB V ist unter anderem, nicht erforderliche Versorgungen mit außerklinischer Intensivpflege
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zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen ist im Versorgungsprozess ein besonderes Augenmerk auf die Entlassung aus dem Krankenhaus zu legen. An dieser Stelle entscheidet sich maßgeblich, ob tatsächlich erst nach Ausschöpfung des Weaningpotenzials eine Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege erfolgt. Aus diesem Grunde darf das Krankenhaus Versicherte nur dann entlassen, wenn zuvor das Entwöhnungs- beziehungsweise Dekanülierungspotenzial erhoben worden ist und im Falle eines aktuell bestehenden Potenzials eine Anschlussversorgung zur Beatmungsentwöhnung, gegebenenfalls auch in einer anderen Klinik, eingeleitet worden ist.130 Damit ist klar, dass Krankenhäuser im Rahmen des Entlassmanagements auch eine erforderliche ärztliche Anschlussbehandlung im Wege der stationären Weiterbehandlung in einem anderen Krankenhaus verordnen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein besonderes fachärztliches Versorgungsbedürfnis vom behandelnden Krankenhaus nicht erfüllt werden kann und eine ambulante fachärztliche Anschlussversorgung aktuell nicht zur Verfügung steht. Denkbar sind zum Beispiel Fälle, in denen nach intensivmedizinischer Krankenhausbehandlung mit maschineller Atemunterstützung eine längerfristige Beatmungsentwöhnung (prolongiertes Weaning) in Betracht kommt und in einem hierauf spezialisierten Krankenhaus mit Weaningstation durchgeführt werden kann. In solchen Fällen hat das Entlassmanagement sicherzustellen, dass keine voreilige Überführung von Beatmungspatientinnen und -patienten in die außerklinische Intensivpflege ohne den vorherigen Versuch einer Beatmungsentwöhnung durch dafür fachlich qualifizierte Ärztinnen und Ärzte erfolgt. 131
§
10 Abs. 3 AKI-RL: Bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten muss vor der Verordnung eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus und des dies-
bezüglichen Entwöhnungs- beziehungsweise Dekanülierungspotenzials gemäß § 5 AKI-RL vorgenommen worden sein. Dabei ist durch das Krankenhaus sicherzustellen, dass bei aktuell vorin die außerklinische Intensivpflege ohne den vorherigen Versuch einer Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung erfolgt. Weitere Einzelheiten zu diesem Vorgehen sind in dem Rahmenvertrag zum Entlassma-
Kapitel VII
liegendem Potenzial keine Überführung von beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten
nagement nach § 39 Abs. 1a SGB V zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu regeln. Konkret ist § 4 Abs. 7 des Rahmenvertrages zum Entlassmanagement132 entsprechend zu ändern, der bisher eine Verordnung von Krankenhausbehandlung im Rahmen des Entlassmanagements ausschließt.
130 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 23 (2.11 zu Abs. 3). 131 BT-Drucksache 19/19368, S. 30. 132 Rahmenvertrag über ein Entlassmanagement beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1a SGB V (Rahmenvertrag Entlassmanagement), derzeit in der Fassung der 7. Änderungsvereinbarung vom 24.11.2021.
111
7.3 Die Information an die Krankenkassen durch das Krankenhaus Die Feststellung durch die Krankenkasse, ob die Voraussetzungen für den Anspruch auf außerklinische Intensivpflege erfüllt sind, wird gemäß des § 37c Abs. 2 Satz 6 in Verbindung mit § 275 Abs. 2 Nr. 5 SGB V [➔ 5.5] nach persönlicher Begutachtung der oder des Versicherten am Leistungsort durch den Medizinischen Dienst getroffen. Eine persönliche Begutachtung der oder des Versicherten am Leistungsort kann erst nach der Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgen. Umso wichtiger ist ein strukturiertes gemeinsames Vorgehen von Krankenhaus, Krankenkasse, Versicherter oder Versichertem und Leistungserbringer nach § 132l SGB V im Vorfeld der Entlassung. Brüche in der Versorgung nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, beispielsweise aufgrund von Differenzen in Bezug auf den geeigneten Leistungsort oder durch fehlende Kapazitäten von Leistungserbringern nach § 132l SGB V, können so vermieden werden. Eine wesentliche Voraussetzung für eine gelungene Überführung in die außerklinische Intensivpflege ist dabei die frühzeitige und nachhaltige Einbindung der Krankenkasse. Wenn das Krankenhaus zu der Einschätzung gelangt, dass nach der Entlassung eine außerklinische Intensivpflege erforderlich ist, hat es die Krankenkasse unverzüglich zu informieren. In der Regel wird dies mindestens 14 Tage vor der Entlassung erfolgen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 AKI-RL). Die Krankenkasse klärt unverzüglich, ob ein Bedarf bei der oder dem Versicherten für eine Beratung nach § 37c Abs. 1 Satz 3 SGB V, insbesondere zur Auswahl des geeigneten Leistungsorts nach § 37c Abs. 2 SGB V, besteht und führt diese Beratung gegebenenfalls mit der oder dem Versicherten durch. Insbesondere auch aufgrund des Beratungsauftrages der Krankenkasse zum geeigneten Versorgungsort soll die Krankenkasse in die Organisation der Anschlussversorgung einbezogen werden, noch bevor ein
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Leistungserbringer nach § 132l SGB V einbezogen worden ist; § 10 Abs. 4 Satz 2 AKI-RL.
ACHTUNG Die Versicherten sind jedoch nicht dazu verpflichtet, eine solche Beratung in Anspruch zu nehmen. Auch darf das Wunsch- und Wahlrecht des Versicherten nicht eingeschränkt werden.133 Die berechtigten Wünsche [➔ 4.1] der Versicherten sind verpflichtend umzusetzen.
§
10 Abs. 4 AKI-RL: Sobald die Erforderlichkeit einer außerklinischen Intensivpflege durch das Krankenhaus festgestellt wurde, hat dieses unverzüglich, in der Regel mindestens 14
Tage vor der geplanten Entlassung, die zuständige Krankenkasse hierüber zu informieren. Die Krankenkasse soll noch vor der Einbindung eines entsprechenden Leistungserbringers in die 133 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 23f (2.11 zu Abs. 4).
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Organisation der erforderlichen Anschlussversorgung einbezogen werden. Die Krankenkasse klärt unverzüglich, ob ein Bedarf für eine Beratung der oder des Versicherten zur Auswahl des geeigneten Leistungsortes besteht und führt diese in Abstimmung mit dem Krankenhaus gegebenenfalls durch. Hat sich die oder der Versicherte mit der Krankenkasse auf einen oder mehrere geeignete Leistungsorte nach § 1 Abs. 4 AKI-RL verständigt, kann die Krankenkasse der oder dem Versicherten sowie dem Krankenhaus diesbezügliche Leistungserbringer, mit denen Versorgungsverträge gemäß § 132l Abs. 5 SGB V bestehen, benennen. Daneben stellt auch die Liste der Leistungserbringer nach § 132l Abs. 8 SGB V eine Grundlage für die Auswahl eines Leistungserbringers dar. In Abstimmung mit der oder dem Versicherten nimmt das Krankenhaus Kontakt zu einem oder mehreren Leistungserbringern auf, um die Möglichkeit der Weiterversorgung der oder des Versicherten zu klären und den voraussichtlichen Entlasstag abzustimmen. Das Krankenhaus teilt der Krankenkasse den mit dem Leistungserbringer abgestimmten voraussichtlichen Entlasstag mit. Zeigt sich, dass der oder die in Aussicht genommene(n) Leistungserbringer keine verfügbaren Kapazitäten für die Versorgung der oder des Versicherten hat oder haben, stimmen sich die oder der Versicherte, das Krankenhaus sowie die Krankenkasse gemeinsam über das weitere Vorgehen ab. Diese Abstimmung beinhaltet auch, dass die Krankenkasse dahingehend unterstützend mitwirkt, geeignete Leistungserbringer mit verfügbaren Versorgungskapazitäten zu benennen, soweit ihr diese bekannt sind. Das Krankenhaus wird in Abstimmung mit der oder dem Versicherten Kontakt mit geeigneten Leistungserbringern nach § 132l SGB V zur Klärung der Möglichkeit der Weiterversorgung und zur Abstimmung eines Entlassungstages aufnehmen. Hierzu kann die Krankenkasse der oder dem Versicherten und dem Krankenhaus kurzfristig nach der Verständigung auf einen oder mehrere geeignete Leistungsorte eine Liste der Leistungserbringer [➔ 4.4] übermitteln, mit denen hierzu Versorgungsverträge gemäß § 132l Abs. 5 Grundlage für die Auswahl eines Leistungserbringers darstellen.
ACHTUNG Die Begrifflichkeit der „Verständigung“ ist nicht so zu verstehen, dass die Krankenkassen den Versicherten durch ihre Informationen bei seiner Wahl des Leistungsortes in eine bestimmte Richtung bzw. zu einem bestimmten Leistungsort steuern dürfen. Die Beratung der Krankenkassen [➔ 4.3] hat umfassend, sachlich und neutral zu erfolgen.
Kapitel VII
SGB V bestehen. Die Liste der Leistungserbringer nach 132l Abs. 8 SGB V soll eine weitere
Nach Abstimmung mit dem gewählten Leistungserbringer nach § 132l SGB V wird die Krankenkasse über den voraussichtlichen Entlassungstag informiert. Da nicht generell vorhersehbar ist, wie sich die Kapazitäten der Leistungserbringer für die außerklinische Intensivpflege nach § 132l SGB V regional entwickeln werden, ist auch die Information
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über vorhandene Kapazitäten von den Krankenkassen aktuell vorzuhalten. Für den Fall, dass der oder die in Aussicht genommenen Leistungserbringer nach § 132l SGB V keine für die Versorgung der oder des Versicherten ausreichenden Kapazitäten hat, stimmen sich die oder der Versicherte, das Krankenhaus und die Krankenkasse zum weiteren Vorgehen ab, um eine kontinuierliche Versorgung der oder des Versicherten sicher zu stellen. Dies beinhaltet erforderlichenfalls auch eine erneute Beratung der oder des Versicherten durch die Krankenkasse. Gegebenenfalls unterstützt die Krankenkasse den Prozess auch durch die Benennung von geeigneten Leistungserbringern mit verfügbaren Versorgungskapazitäten.134
7.4 Sonderfall: Außerklinische Intensivpflege vor dem Krankenhausaufenthalt § 10 Abs. 5 AKI-RL behandelt den Fall ein, dass Versicherte, die bereits außerklinische Intensivpflege auf Grundlage einer gültigen Verordnung erhalten, einer stationären Krankenhausbehandlung bedürfen. Grundsätzlich erfolgt demnach im Rahmen des Entlassmanagements durch das Krankenhaus keine Verordnung von außerklinischer Intensivpflege, wenn bei der oder dem Versicherten bereits vor Beginn der Krankenhausbehandlung Leistungen der außerklinischen Intensivpflege im Rahmen einer gültigen Verordnung erbracht wurden und nach der Entlassung aus dem Krankenhaus weiter erbracht werden sollen. Voraussetzung dafür ist, dass die Anspruchsvoraussetzungen der außerklinischen Intensivpflege unverändert vorliegen. Die bestehende Verordnung bleibt somit nach dem Krankenhausaufenthalt weiterhin gültig; § 10 Abs. 5 Satz 3 AKIRL. Eine Verlängerung der Gültigkeit der bestehenden Verordnung um den Zeitraum der
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Krankenhausbehandlung ist nicht möglich. Dies hat verwaltungsverfahrensrechtliche Gründe. Eine solche Leistungsgewährung setzt die Genehmigung der Leistung durch die Krankenkasse voraus.
§
10 Abs. 5 AKI-RL: Eine Verordnung im Entlassmanagement erfolgt grundsätzlich nicht, soweit für die oder den Versicherten unmittelbar vor Beginn der Krankenhausbehandlung
Leistungen der außerklinischen Intensivpflege im Rahmen einer gültigen Verordnung erbracht wurden und nach der Entlassung aus dem Krankenhaus weiter erbracht werden sollen. Um die Planung einer diesbezüglich nahtlosen Versorgung zu ermöglichen, teilt der Leistungserbringer nach § 132l SGB V dem Krankenhaus unaufgefordert die Inhalte und die Dauer der bestehenden Verordnung mit. Die bestehende Verordnung bleibt auch nach dem Krankenhausaufenthalt gültig, soweit die Anspruchsvoraussetzungen der außerklinischen Intensivpflege unverändert vorliegen. Hält das Krankenhaus Anpassungen an der bestehenden Verordnung der außer134 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 24 (2.11 zu Abs. 4).
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klinischen Intensivpflege nach der Krankenhausentlassung in einem erheblichen Umfang für erforderlich, wird eine Verordnung durch das Krankenhaus ausgestellt. Ein solch erheblicher Umfang liegt beispielsweise dann vor, wenn eine Beatmungspflichtigkeit neu hinzugekommen oder entfallen ist oder Anpassungen hinsichtlich des Leistungsumfangs erforderlich sind, die mit einer Veränderung der täglichen Dauer (Anwesenheit der geeigneten Pflegefachkraft) der außerklinischen Intensivpflege einhergehen. Andernfalls teilt das Krankenhaus der Verordnerin oder dem Verordner in der vertragsärztlichen Versorgung Anpassungsbedarfe mit, die diese oder dieser bei ihrer oder seiner Verordnung berücksichtigen soll. In den Fällen, in denen die Krankenhausärztin oder der Krankenhausarzt Anpassungen an der bestehenden Verordnung der außerklinischen Intensivpflege nach der Krankenhausentlassung in einem erheblichen Umfang für erforderlich hält, stellt sie oder er eine Verordnung im Rahmen des Entlassmanagements aus. Ein solch erheblicher Umfang liegt beispielweise dann vor, wenn eine Beatmungspflichtigkeit neu hinzugekommen oder entfallen ist oder Anpassungen hinsichtlich des Leistungsumfangs erforderlich sind, die mit einer Veränderung der täglichen Dauer (Anwesenheit der geeigneten Pflegefachkraft) der außerklinischen Intensivpflege einhergehen. In den Fällen, in denen Versicherte mit außerklinischer Intensivpflege im Krankenhaus behandelt und ohne wesentliche Veränderungen am Gesamtzustand entlassen werden, gibt das Krankenhaus der verordnenden Vertragsärztin oder dem verordnenden Vertragsarzt Hinweise auf einen möglichen Anpassungsbedarf der Verordnung.135
Zur Vorbereitung des Übergangs von der stationären zur ambulanten Versorgung ist die im ambulanten Bereich weiterbehandelnde Vertragsärztin oder der weiterbehandelnde Vertragsarzt über die Verordnung in Umsetzung des Entlassmanagements mit ausreichend zeitlichem Vorlauf zu informieren; § 10 Abs. 6 AKI-RL. Diese frühzeitige
Kapitel VII
7.5 Die Information der Vertragsärzte durch das Krankenhaus
Einbeziehung ist besonders bei den komplexen Versorgungsbedarfen der von außerklinischer Intensivpflege betroffenen Versicherten für eine nahtlose Anschlussversorgung erforderlich.
§
10 Abs. 6 und 7 AKI-RL: (6) Die Krankenhausärztin oder der Krankenhausarzt hat in geeigneter Weise im Rahmen des Entlassmanagements die im ambulanten Bereich weiter-
behandelnde Vertragsärztin oder den weiterbehandelnden Vertragsarzt über die Verordnung so rechtzeitig zu informieren, dass eine nahtlose Anschlussversorgung ermöglicht wird. 135 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 24f (2.11 zu Abs. 5).
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(7) § 11 Abs. 4 SGB V bleibt unberührt. Die Regelungen dieses Paragraphen [§ 10 AKI-RL] gelten entsprechend für Ärztinnen und Ärzte in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation bei Leistungen nach § 40 Abs. 2 und § 41 SGB V. In § 10 Abs. 7 AKI-RL wird klargestellt, dass der nach § 11 Abs. 4 SGB V bestehende Anspruch von Versicherten auf ein Versorgungsmanagement unberührt bleibt.
§
11 Abs. 4 SGB V: Versicherte haben Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Ver-
sorgungsbereiche; dies umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung. Die betroffenen Leistungserbringer sorgen für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten und übermitteln sich gegenseitig die erforderlichen Informationen. Sie sind zur Erfüllung dieser Aufgabe von den Krankenkassen zu unterstützen. In das Versorgungsmanagement sind die Pflegeeinrichtungen einzubeziehen; dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen nach § 7a SGB XI zu gewährleisten. Das Versorgungsmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Soweit in Verträgen nach § 140a SGB V nicht bereits entsprechende Regelungen vereinbart sind, ist das Nähere im Rahmen von Verträgen mit sonstigen Leistungserbringern der gesetzlichen Krankenversicherung und mit Leistungserbringern nach dem SGB XI sowie mit den Pflegekassen zu regeln. Mit dem Hinweis auf das Versorgungsmanagement wird einerseits auf die notwendige Hilfe und Unterstützung des Krankenhauses beim Übergang zwischen einzelnen Versorgungsbereichen hingewiesen, damit ein reibungsloser Wechsel zwischen Akutver-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
sorgung, Rehabilitation und Pflege erreicht und vor allem Pflegebedürftigkeit oder stationäre Wiedereinweisung vermieden wird.136 Der Anspruch auf Versorgungsmanagement umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung, was insbesondere die Pflicht des Leistungserbringers beinhaltet, für einen zeitnahen Termin beim Facharzt zur Anschlussbehandlung zu sorgen137 und die Zusammenarbeit mit Pflegeberatern nach § 7a SGB XI zu stärken.138 Insbesondere soll aber durch den Verweis in § 10 Abs. 7 Satz 1 AKI-RL ausdrücklich auf § 11 Abs. 4 Satz 5 SGB V hingewiesen werden, die dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung dient. Danach setzt ein Versorgungsmanagement die dazu erforderliche Übermittlung von Daten und die Einwilligung der Versicherten voraus.139
136 BT-Drucksache 16/3100, S. 96f. 137 BT-Drucksache 17/8005, S. 139. 138 BT-Drucksache 16/8525, S. 105. 139 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 25 (2.11 zu Abs. 7).
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ACHTUNG Die Datenübermittlung durch den Versicherten ist stets freiwillig; die Versicherten müssen also einwilligen und vorher entsprechend informiert werden. Die Einwilligung hat gem. § 67b Abs. 2 SGB X schriftlich zu erfolgen.
Die Verweise in § 10 Abs. 7 Satz 2 AKI-RL betreffen den Anspruch der Versicherte durch entsprechende Anwendung des § 39 Abs. 1a SGB V auf Entlassmanagement gegen stationäre Rehabilitationseinrichtungen nach § 40 SGB V in Verbindung mit § 111 SGB V und Einrichtungen der Medizinischen Rehabilitation für Mütter und Väter nach § 41 SGB V in Verbindung mit § 111a SGB V. Daher kann auch von diesen Einrichtungen im Rahmen der Entlassung außerklinische Intensivpflege verordnet werden. Danach gelten die vorstehenden Regelungen, die sich auf Krankenhausärztinnen und Krankenhausärzte beziehen, für Ärztinnen und Ärzte in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation
Kapitel VII
entsprechend.
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Kapitel VIII • Die Zusammenarbeit zur
Sicherung der ärztlichen und pflegerischen Versorgungskontinuität und Versorgungskoordination von außerklinischer Intensivpflege Der Stellenwert einer guten Kooperation und Koordination gesundheitlicher Versorgung ist aufgrund der Komplexität der Erkrankungen, Funktionseinschränkungen und deren Behandlungsverläufen in der außerklinischen Intensivpflege besonders hoch. Bei den Versicherten müssen – abhängig von der Art und Dauer ihrer Erkrankung – zahlreiche Leistungserbringer in ihre Behandlung einbezogen werden. Die Verantwortung für die interdisziplinäre und sektorenübergreifende Koordination der medizinischen Behandlung sowie die rechtzeitige Einleitung des Verfahrens zur Erhebung nach § 5 AKI-RL obliegt der verordnenden Vertragsärztin beziehungsweise dem verordnenden Vertragsarzt. Dadurch ist sichergestellt, dass eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Beteiligter mit geregelten Verantwortlichkeiten gewährleistet wird.140
§
12 Abs. 1 und 2 AKI-RL: (1) Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt trägt die Verantwortung für die Koordination der medizinischen Behandlung der
oder des Versicherten einschließlich der rechtzeitigen Einleitung des Verfahrens zur Erhebung nach § 5 AKI-RL. (2) Die an der außerklinischen Versorgung beteiligten Vertragsärztinnen und Vertragsärzte und weiteren Angehörigen von Gesundheitsfachberufen (zum Beispiel geeignete Pflegefachkräfte, im Rahmen eines Netzwerkes eng zusammen. Dazu gehören, ausgerichtet an dem individuellen Bedarf der oder des Versicherten, Teambesprechungen aller beteiligten Vertragsärztinnen und Vertragsärzte und Angehörigen von Gesundheitsfachberufen mit klar definierten und dokumentierten Absprachen. Hierbei sollen die oder der Versicherte und die an der medizinischen Behandlungspflege beteiligten An- und Zugehörigen in geeigneter Weise eingebunden werden. Im Rahmen der Zusammenarbeit sollen auch Kooperationen mit spezialisierten Einrichtungen entsprechend der Grunderkrankung eingegangen werden. Eine bedarfsgerechte Kooperation und Koordinierung der notwendigen therapeutischen Leistungen wird in § 12 Abs. 2 AKI-RL geregelt. Vorgesehen werden vernetztes Arbeiten
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten, Hilfsmittelversorger, Atmungstherapeuten) arbeiten
und eine strukturierte Koordination und Kooperation der ärztlichen und nicht-ärztlichen Leistungserbringer sowie dokumentierte Absprachen zwischen den Beteiligten. Da der 140 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 27 (2.13 zu Abs. 1).
119
Kooperation mit spezialisierten Einrichtungen in der Versorgung von Versicherten im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege eine besondere Bedeutung zukommt, sollen entsprechende Kooperationen im Rahmen von regionalen Versorgungsnetzwerken erfolgen. Spezialisierte Einrichtungen können zum Beispiel spezialisierte Einrichtungen für Versicherte mit Querschnittlähmung, für neuromuskuläre Erkrankungen, für Dysphagie oder sozialpädiatrische Zentren (SPZ) sein.141
§
12 Abs. 3 AKI-RL: Bei jungen Volljährigen, bei denen ein Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters weiterbesteht oder ein typisches Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters
neu auftritt oder ein dem Kindesalter entsprechender psychomotorischer Entwicklungsstand vorliegt, ist Ziel der Kooperation auch die Sicherung der Versorgungskontinuität bei Beendigung der Versorgung durch die Kinder- und Jugendärztin oder den Kinder- und Jugendarzt. Junge Volljährige, bei denen ein Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters weiterbesteht oder ein typisches Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters neu auftritt oder ein dem Kindesalter entsprechender psychomotorischer Entwicklungsstand vorliegt, sind häufig über viele Jahre aufgrund einer angeborenen oder chronisch fortschreitenden Erkrankung in Behandlung bei einer Kinderärztin oder einem Kinderarzt. Die betreffenden Ärztinnen und Ärzte sind deshalb mit der persönlichen Entwicklung dieser Versicherten und ihrem individuellen Krankheitsverlauf sehr vertraut. § 12 Abs. 3 AKI-RL stellt die Versorgungskontinuität für diese Versicherten bei der Überleitung von der Pädiatrie zur Erwachsenenmedizin sicher. Diese Phase des Übergangs birgt sowohl für die jungen Volljährigen (und deren Eltern) als auch für die professionellen Akteure einige Herausforderungen. In dieser Zeit kommt es zum Beispiel häufiger zu Therapieabbrüchen oder mangelnder Medikamenteneinnahme. Um eine koordinierte und kontinuierliche Ver-
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sorgung zu gewährleisten und Versorgungsbrüche zu vermeiden, soll dieser Übergang geplant und fließend erfolgen. Daher sollten mit Jugendlichen (und deren Familien) frühzeitig Themen der Transition in die Erwachsenenmedizin besprochen werden. Dazu sind eine frühzeitige Kontaktaufnahme und die Einbindung der oftmals langjährig behandelnden Ärztin beziehungsweise des oftmals langjährig behandelnden Arztes der Kinder und Jugendlichen in das multidisziplinäre Netzwerk notwendig.142 Nach § 5 PflBG obliegt den Pflegenden die Durchführungsverantwortung für ärztlich angeordnete Maßnahmen. Ebenso müssen sie interdisziplinär mit anderen Berufsgruppen kommunizieren und effektiv zusammenarbeiten sowie die pflegerischen Maßnahmen evaluieren. Im Kontext der außerklinischen Intensivpflege ist dies von besonderer Wichtigkeit, da der Leistungserbringer nach § 132l SGB V aufgrund seiner durchgängigen Anwesenheit bei der oder dem Versicherten in besonderem Maße Veränderungen in der Pflegesituation beziehungsweise Veränderungen, die sich auf die verordneten und ge141 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 28 (2.13 zu Abs. 2). 142 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 28 (2.13 zu Abs. 3).
120
nehmigten Leistungen auswirken, feststellen kann. § 12 Abs. 4 AKI-RL dient der transparenten Information gegenüber der verordnenden Vertragsärztin oder dem verordnenden Vertragsarzt bei Änderungen am Versorgungsbedarf. Auf diese Weise wird ebenfalls die zeitnahe bedarfsgerechte Anpassung der Behandlung gestärkt. Sofern die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt Grenzwerte der Vitalzeichen definiert hat und diese über- oder unterschritten werden, hat der Leistungserbringer nach § 132l SGB V die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt zu informieren, damit gegebenenfalls zeitnah interveniert werden kann.143
§
12 Abs. 4 und 5 AKI-RL: (4) Der Leistungserbringer nach § 132l SGB V berichtet der verordnenden Vertragsärztin oder dem verordnenden Vertragsarzt bei Veränderungen in der
Pflegesituation beziehungsweise bei Veränderungen, die sich auf die verordneten und genehmigten Leistungen auswirken oder nach Aufforderung durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt, gegebenenfalls auch unter Übermittlung von Auszügen aus der Pflegedokumentation. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt über Veränderungen des Gesundheitszustandes und über Unter- oder Überschreitung von durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt definierten Grenzwerten der Vitalzeichen zu informieren. Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt entscheidet über die erforderlichen Maßnahmen, die sich daraus ergeben. (5) Insbesondere bei Anzeichen, die auf ein Entwöhnungs- beziehungsweise Dekanülierungspotenzial schließen lassen, informiert der Leistungserbringer nach § 132l SGB V unverzüglich die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt. Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt leitet bei Bedarf die erforderlichen Maßnahmen zur Prüfung eines Entwöhnungs- oder Dekanülierungspotenzials ein. Die Krankenkasse wird
In § 12 Abs. 5 AKI-RL werden insbesondere Anforderungen an die notwendige Rückkopplung des Leistungserbringers nach § 132l SGB V an die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt konkretisiert. Aufgrund der durchgängigen Anwesenheit des Leistungser-
Kapitel VIII
über das Ergebnis informiert.
bringers nach § 132l SGB V liegt die Verantwortung, Anzeichen, die auf Entwöhnungsbzw. Dekanülierungspotenzial schließen lassen, unverzüglich an die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt weiterzugeben, beim Leistungserbringer nach § 132l SGB V. Liegen entsprechende Informationen vor, leitet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt bei Bedarf erforderliche Maßnahmen ein, beispielsweise eine vertiefte Diagnostik, logopädische Maßnahmen, die Anbahnung der Entwöhnung in einer spezialisierten Beatmungsent-
143 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 28 (2.13 zu Abs. 4).
121
wöhnungseinheit oder die Planung einer Dekanülierung in einer dafür spezialisierten Einrichtung. Die Krankenkasse ist über das Ergebnis zu informieren.144
§
12 Abs. 6 AKI-RL: Eine Beteiligung an der medizinischen Behandlungspflege durch Anund Zugehörige muss ermöglicht werden, soweit diese und die oder der Versicherte das
wünschen und die fachgerechte Versorgung durch die An- und Zugehörigen auch unter Berücksichtigung der Familiensituation gewährleistet werden kann. Hierzu sind Absprachen mit der verordnenden Vertragsärztin oder dem verordnenden Vertragsarzt und dem Leistungserbringer nach § 132l Abs. 5 SGB V zu treffen. Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt informiert die Krankenkasse unverzüglich über den von den An- und Zugehörigen im Verordnungszeitraum angestrebten Leistungsumfang. Eine Beteiligung der An- und Zugehörigen an der im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege verordneten Versorgung zielt insbesondere bei einer Versorgung im Haushalt der Familie der oder des Versicherten auf den Schutz der Familie und der Persönlichkeitsrechte der Versicherten und Ihrer Familienangehörigen. Die Beteiligung der An- und Zugehörigen muss in dem gewünschten Umfang ermöglicht werden, sofern die eigenständige Bewältigung des Versorgungsalltags auch unter Berücksichtigung der Familiensituation möglich ist, eine qualifizierende Anleitung in dem erforderlichen oder gewünschten Umfang nach § 3 Abs. 1 Nr. 10 AKI-RL erfolgt ist und die fachgerechte Versorgung auch in Abstimmung mit dem Leistungserbringer nach § 132l SGB V sowie dem verordnenden Vertragsarzt oder der verordnenden Vertragsärztin durch die An- und Zugehörigen gewährleistet werden kann. Die Krankenkasse wird durch die verordnende Vertragsärztin oder den Vertragsarzt über den im Verordnungszeitraum angestrebten Leistungsumfang unverzüglich informiert.145
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Der Leistungserbringer nach § 132l SGB V ist im Rahmen der pflegerischen Vorbehaltsaufgaben nach § 4 PflBG für die umfassende und prozessorientierte Pflege der Versicherten verantwortlich. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, ist es notwendig, dass die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt den Leistungserbringer nach § 132l SGB V nach § 12 Abs. 7 AKI-RL zeitnah über neue pflegerelevante Befunde informiert, damit dieser unmittelbar die Ziele und Maßnahmen der Pflege den neuen Bedarfskonstellationen anpassen kann.146
§
12 Abs. 7 und 8 AKI-RL: (7) Die verordnende Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt informiert den Leistungserbringer nach § 132l SGB V über neue pflegerelevante
Befunde.
144 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 28 (2.13 zu Abs. 5). 145 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 29 (2.13 zu Abs. 6). 146 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 29 (2.13 zu Abs. 7).
122
(8) Im Rahmen von Hausbesuchen durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt sind die Pflegedokumentation und bei beatmeten Versicherten zusätzlich die im Beatmungsgerät hinterlegten Beatmungsparameter und das Beatmungsprotokoll auszuwerten. Dies erfolgt gegebenenfalls in Abstimmung mit den potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzten. Die verordnende Vertragsärztin beziehungsweise der verordnende Vertragsarzt vermerkt bei Bedarf Anordnungen in der Pflegedokumentation. Um den Versorgungsverlauf bewerten zu können, sind die Hausbesuche regelmäßig durchzuführen. Dabei sind durch die verordnende Vertragsärztin oder den verordnenden Vertragsarzt die Pflegedokumentation und bei beatmeten Versicherten zusätzlich die im Beatmungsgerät hinterlegten Beatmungsparameter und das Beatmungsprotokoll auszuwerten. Die Pflegedokumentation liefert wertvolle Informationen zur Wirksamkeit und Umsetzung der therapeutischen Zielsetzungen, die einen umfassenden Eindruck der Versorgungssituation erst ermöglichen. Um einen unbürokratischen und zügigen Informationsfluss in Richtung Leistungserbringer nach § 132l SGB V sicher zu stellen,
Kapitel VIII
werden entsprechende Anordnungen direkt in der Pflegedokumentation vermerkt.147
147 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA über die Erstfassung der AKI-RL v. 19.11.2021, S. 29 (2.13 zu Abs. 8).
123
Kapitel IX • Kostenerstattung für eine
selbstbeschaffte Pflegefachkraft und persönliches Budget
Kann eine Krankenkasse dem Versicherten keinen Leistungserbringer für die außerklinischen Intensivpflege zur Verfügung stellen, sind dem Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft in angemessener Höhe zu erstatten.
9.1 Die Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft Neben diesem speziellen Kostenerstattungsanspruch nach § 37c Abs. 4 Satz 1 SGB V bleibt der allgemeine Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V unberührt.148
§
37c Abs. 4 SGB V: Kann die Krankenkasse keine qualifizierte Pflegefachkraft für die außerklinische Intensivpflege stellen, sind dem Versicherten die Kosten für eine
selbstbeschaffte Pflegefachkraft in angemessener Höhe zu erstatten. Die Möglichkeit der Leistungserbringung im Rahmen eines persönlichen Budgets nach §§ 2 Abs. 2 Satz 2, 11 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 29 SGB IX bleibt davon unberührt. Der Anspruch auf eine Kostenerstattung gilt auch dann, wenn die zu pflegende Person krankheitsbedingt oder aus anderen verständlichen Gründen nur eine (bestimmte) selbst ausgewählte Pflegefachkraft und keinen von der Krankenkasse vorgeschlagene anspruch zu, wenn eine Krankenkasse einen intensivpflegebedürftigen Versicherten (hier: Säugling) stets auf einen möglichst preisgünstigen Pflegedienst verweist, ohne sicher zu stellen, dass hierdurch die den besonderen persönlichen Verhältnissen genügende Pflege tatsächlich und fortlaufend erbracht wird.150 Die selbstbeschaffte Pflegefachkraft muss geeignet sein; eine bestimmte Weiterbildung oder formelle Qualifikation in Hinblick auf die Bestimmungen der Rahmenempfehlung nach § 132l Abs. 1 und 2 SGB V wird aber nicht gefordert.151 Die Anforderungen an selbstbeschaffte Pflegefachkräfte können grundsätzlich geringer sein als die Anforderungen an die professionellen Pflege-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Leistungserbringer akzeptiert.149 Ebenso steht dem Versicherten ein Kostenerstattungs-
148 BT-Drucksache 19/20720, S. 56. 149 BSG, Urt. v. 30.11.2017, B 3 KR 11/16 R. 150 LSG Berlin, Beschl. v. 5.7.2001, L 9 B 276/01 KR ER. 151 vgl. BSG, Urt. v. 26.3.1980, 3 RK 47/79 = BSGE 50, 73.
125
fachkräfte,152 deren Qualifikationen in den Rahmenverträgen nach § 132l Abs. 1 und 2 SGB V geregelt werden. Voraussetzung einer Erstattung ist daher zunächst, dass tatsächlich Kosten entstanden sind,153 führt also ein Angehöriger die Pflege kostenlos weiter, so kann eine Kostenerstattung nicht erfolgen. Dass Kosten nur in angemessener Höhe erstattet werden, soll die Krankenkassen vor überhöhten Forderungen schützen, also vor einer Belastung mit nicht notwendigen Kosten bewahren.154 Bei der Feststellung der angemessenen Kosten müssen alle Umstände berücksichtigt werden, die geeignet sind, die Höhe der Vergütung unter sachgerechten Gesichtspunkten wesentlich zu beeinflussen,155 beispielsweise die zeitliche Beanspruchung und Einsatzzeit der selbstbeschafften Pflegekraft oder Verwandtschaft mit dem Versicherten. Ohne Bedeutung ist die wirtschaftliche Lage des Versicherten.156 Die angemessene Höhe der Kosten wird nach dem tariflichen oder üblichen Entgelt eines Pflegefachkraft bestimmt, das die Krankenkasse unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hätte aufwenden müssen.
9.2 Das persönliche Budget Die Möglichkeit zur Leistungserbringung im Rahmen eines persönlichen Budgets ist nach § 37c Abs. 4 Satz 2 SGB V gewährleistet, also neben der Kostenerstattung eine weitere Alternative die Leistung nicht im Rahmen des Sachleistungsprinzips („Die Krankenkasse stellt die Dienst- oder Sachleistungen eines Leistungserbringers zur Verfügung.“) erbringen zu müssen. Voraussetzung ist auch in diesem Zusammenhang der Abschluss einer Zielvereinbarung nach § 29 SGB IX zwischen dem Versicherten, den Sozialleistungsträ-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
gern und den beteiligten Leistungserbringern.
126
§
1 Abs. 1 Satz 6 AKI-RL: Die Möglichkeit individueller Vereinbarungen bei Leistungserbringung im Rahmen eines persönlichen Budgets gemäß § 37c Absatz 4 Satz 2 SGB V in
Verbindung mit § 2 Absatz 2 Satz 2, § 11 Absatz 1 Nummer 5 SGB V und § 29 SGB IX bleibt unberührt. Wesentlicher Bestandteil der Zielvereinbarung sind Regelungen zur Qualitätssicherung.157 Die Regelungen zur Qualitätssicherung im Rahmen dieser Zielvereinbarung müssen jedoch nicht zwingend vollumfänglich die Regelungen des Leistungserbringerrechts der gesetzlichen Krankenversicherung spiegeln. Dies schon deshalb, weil an der 152 BSG, Urt. v. 21.11.2002, B 3 KR 14/02 R = BSGE 90, 150. 153 BSG, Urt. v. 3.7.1985, 3 RK 57/84. 154 BSG, Urt. v. 28.1.1977, 5 RKn 32/76 = BSGE 43, 170. 155 BSG, Urt. v. 28.1.1977, 5 RKn 32/76 = BSGE 43, 170. 156 BSG, Urt. v. 23.4.1980, 4 RJ 11/79. 157 BT-Drucksache 19/20720, S. 56.
Zielvereinbarung häufig weitere Kostenträger wie die Eingliederungshilfe beteiligt sind, die an Vorschriften des SGB V nicht gebunden sind. Dementsprechend organisiert ein Teil der intensivpflegebedürftigen Leistungsberechtigten die eigene pflegerische Versorgung mit angestellten Kräften, die nicht alle Pflegefachkräfte sind. Vielmehr kommen dabei häufig gemischt qualifizierte Teams aus Pflegefachkräften und Assistenzkräften zum Einsatz. Diese Möglichkeit bleibt erhalten, solange die Qualitätsvorgaben der jeweiligen Zielvereinbarung beachtet werden.158
ACHTUNG
Kapitel IX
Die Krankenkassen werden bei der Aushandlung von Zielvereinbarungen auf die strenge Einhaltung von Qualitätsgesichtspunkten hinzuwirken müssen, denn ein tragender Grund für die Einführung des Anspruchs auf außerklinische Intensivpflege in § 37c SGB V war die Stärkung der Qualitätssicherung.
158 BT-Drucksache 19/20720, S. 56.
127
Kapitel X • Zuzahlungen Versicherte, die Leistungen der außerklinische Intensivpflege in Anspruch nehmen, haben nach § 37c Abs. 5 SGB V Zuzahlungen zu leisten, sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Höhe der Zuzahlung richtet nach dem Leistungsort [➔ 4] der außerklinischen Intensivpflege.
§
37c Abs. 5 SGB V: Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung an die Krankenkasse den sich nach § 61 Satz 2 SGB V ergebenden Be-
trag, begrenzt auf die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr. Versicherte, die außerklinische Intensivpflege an einem Leistungsort nach § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V erhalten und die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung an die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den sich nach § 61 Satz 3 SGB V ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertrage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten. Wird die außerklinische Intensivpflege in den in § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB V genannten Örtlichkeiten gegenüber dem Versicherten erbracht, also in – vollstationären Pflegeeinrichtungen, – Einrichtungen der Rehabilitation oder Eingliederungshilfe im Sinne des § 43a Satz 1 iVm § 71 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a Satz 3 iVm § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI oder – einer Wohneinheit im Sinne des § 132l Abs. 5 Nr. 1 SGB V, richtet sich die Zuzahlung nach § 61 Satz 2 SGB V. Danach beträgt die Zuzahlung zehn Kalenderjahr. Erhalten Versicherte die außerklinische Intensivpflege an den in § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V geregelten Leistungsorten, also in ihrem Haushalt oder in ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, in Schulen, Kindergärten und in Werkstätten für behinderte Menschen, bestimmt sich die Zuzahlung nach § 61 Satz 3 SGB V. Demnach beläuft sich die Zuzahlung auf 10 % der Leistungskosten je Kalendertag zuzüglich einer Gebühr 10 Euro je Verordnung. Um eine Überforderung zu vermeiden, ist die Zuzahlungspflicht auch hier auf die ersten 28 Tage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr begrenzt. Auch in diesen Fällen gilt, dass Zuzahlungen generell nur bis zur individuellen Belastungsgrenze nach § 62
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Euro pro Kalendertag, begrenzt auf die ersten 28 Tage der Leistungsinanspruchnahme je
SGB V zu leisten sind.159
159 BT-Drucksache 19/20720, S. 57.
129
ACHTUNG Auch in Hinblick auf die Zuzahlung ist der Leistungsort der vollstationären Pflege in diesem System der außerklinischen Intensivpflege gegenüber der Versorgung in der eigenen Häuslichkeit privilegiert. Maximal sind 28 Tage x 10 € = 280 € Zuzahlungen zu leisten. Den Grund für den höheren Zahlungsbetrag bei einer Versorgung im Haushalt oder an einem sonstigen geeigneten Ort sieht der Gesetzgeber in der im Vergleich zur stationären Leistungserbringung besonderen Personal- und Kostenintensität, an denen der Versicherte teilhaben soll.160
160 BT-Drucksache 19/19368, S. 30.
130
Kapitel XI • Evaluation der Umsetzung
und der AKI-RL
Der GKV Spitzenverband ist verpflichtet bis Ende 2026 einen Bericht über die Erfahrungen mit der Umsetzung des gesetzlichen Anspruchs auf außerklinischen Intensivpflege vorzulegen.
§
37c Abs. 6 SGB V: Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt über das Bundesministerium für Gesundheit dem Deutschen Bundestag bis Ende des Jahres 2026
einen Bericht über die Erfahrungen mit der Umsetzung des Anspruchs auf außerklinische Intensivpflege vor. Darin sind insbesondere aufzuführen: 1. die Entwicklung der Anzahl der Leistungsfälle, 2. Angaben zur Leistungsdauer, 3. Angaben zum Leistungsort einschließlich Angaben zur Berücksichtigung von Wünschen der Versicherten, 4. Angaben zu Widerspruchsverfahren in Bezug auf die Leistungsbewilligung und deren Ergebnis sowie 5. Angaben zu Satzungsleistungen der Krankenkassen nach § 37c Abs. 3 Satz 3 SGB V. Der Bericht soll auf Grundlage einer validen Datenbasis einen umfassenden Überblick über die Umsetzung des neuen Leistungsanspruchs auf außerklinische Intensivpflege geben161 und insbesondere die in § 37c Abs. 6 Satz 2 SGB V genannten, aber nicht abschließend aufgeführten Aspekte beleuchten. Da der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode162 eine Evaluation hinsichtlich der Berücksichtigung von Wünschen der Versicherten (Bericht nach § 37c Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 SGB V) vorsieht, ist die Jahresangabe
IPReG im Koalitionsvertrag: Bei der intensivpflegerischen Versorgung muss die freie Wahl des Wohnorts erhalten bleiben. Das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) soll daraufhin evaluiert und nötigenfalls nachgesteuert werden. In der Pressemitteilung vom 19.11.2021 teilte der Gemeinsame Bundesausschuss mit, dass die AKI-RL zeitnah auf einen etwaig bestehenden Nachbesserungsbedarf hin evaluiert werden soll. Prof. Josef Hecken, die unparteiische Vorsitzende des G-BA, dazu wörtlich:
Intensivpflege und das GKV-IPReG
(„2026“) zu ändern und eine frühere Berichterstattung zu regeln.
161 BT-Drucksache 19/19368, S. 31. 162 Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP), Zeilen 2687 – 2689.
131
„Der G-BA hätte sich deshalb gewünscht, in seiner Richtlinie auch qualitätssichernde Vorgaben zu pflegerischen, technischen und baulichen Anforderungen an die neuen sogenannten Wohneinheiten machen zu können, in denen beatmungspflichtige Patientinnen und Patienten betreut werden. Diese Regelungskompetenz haben wir auch im Gesetzgebungsverfahren gefordert, der Gesetzgeber hat aber diesem Wunsch nicht entsprochen. Diese Anforderungen sollen künftig über Rahmenempfehlungen festgeschrieben und in Verträgen verankert werden. Qualitätsanforderungen für betreuende Ärztinnen und Ärzte durfte der G-BA jedoch sehr wohl regeln. Mit dieser Widersprüchlichkeit zwischen dem Auftrag, bedarfsgerechte Regeln zu definieren, und dem engen zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum musste der G-BA umgehen. Ob die Umsetzung gelungen ist, werden wir überprüfen: Sollte sich bei der Evaluation zeigen, dass es Nachbesserungsbedarf gibt, setzen wir uns damit auseinander.“
§
13 AKI-RL: Der Gemeinsame Bundesausschuss soll die Auswirkungen dieser Richtlinie insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der Inanspruchnahme der außerklinischen In-
tensivpflege, der Auswirkungen auf die Versorgung, der Entwicklung der Zahl der verordnenden und potenzialerhebenden Ärzte auch im Verhältnis zu dem nach dieser Richtlinie entstehenden Versorgungsbedarf, der Häufigkeit der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelungen nach § 5 Abs. 3 AKI-RL, der Umsetzung der Vorgabe zur Einweisung in eine auf die Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung spezialisierte stationäre Einrichtung sowie die Erforderlichkeit einer Anpassung seiner Regelungen vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie prüfen. Die Prüfung hinsichtlich der in § 13 AKI-RL genannten Punkte soll vier Jahre nach In-
Intensivpflege und das GKV-IPReG
Kraft treten der Richtlinie, also Anfang 2026, vorgenommen werden.
132
Paragrafen des SGB V mit Erläuterungen § 11 Abs. 4 SGB V
116
§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V
22, 24, 30
§ 37 Abs. 2 Satz 8 SGB V
42
§ 37c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V
10, 28, 34
§ 37c Abs. 1 Satz 3 SGB V
46, 75
§ 37c Abs. 1 Satz 4 SGB V
89
§ 37c Abs. 1 Satz 5 SGB V
57
§ 37c Abs. 1 Satz 6 SGB V
58
§ 37c Abs. 1 Satz 7 SGB V
88
§ 37c Abs. 1 Satz 8 SGB V
14
§ 37c Abs. 2 Satz 1 SGB V
41
§ 37c Abs. 2 Satz 2 SGB V
43
§ 37c Abs. 2 Satz 3 SGB V
48
§ 37c Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB V
49
§ 37c Abs. 2 Satz 6 SGB V
72
§ 37c Abs. 2 Satz 7 SGB V
73
§ 37c Abs. 2 Satz 8 SGB V
73
§ 37c Abs. 2 Satz 9 SGB V
73
§ 37c Abs. 3 Satz 1 SGB V
21
§ 37c Abs. 3 Satz 2 und 3 SBG V
23
§ 37c Abs. 4 SGB V
125
§ 37c Abs. 5 SGB V
129
§ 37c Abs. 6 SGB V
131
§ 39 Abs. 1 Satz 6 SGB V
66, 87
§ 39 Abs. 1a Satz 9 2.Halbsatz SGB V
109
§ 132l Abs. 1 Satz 1 SGB V
92
§ 132l Abs. 1 Satz 4 SGB V
100
§ 132l Abs. 2 SGB V
93
§ 132l Abs. 5 Satz 4 SGB V
105
§ 132l Abs. 5 Satz 6 SGB V
101
§ 132l Abs. 8 SGB V
47
§ 275 Abs. 2 Nr. 5 SGB V
76
§ 275 Abs. 3c SGB V
74
§ 17 Abs. 1b Satz 1 und 2 SGB XI
37
§ 113c Abs. 1 Satz 1 SGB XI
102
Kapitel XI
§ Seite
133
Verzeichnis der Regelungen der AKI-RL erläutert § Seite
§ Seite
§ 1 Abs. 1 Sätze 1-6 AKI-RL
§ 6 Abs. 2 AKI-RL
33
§ 6 Abs. 3 und 4 AKI-RL
80
Intensivpflege und das GKV-IPReG
§ 1 Abs. 1 Satz 6 AKI-RL
134
10 126
§ 1 Abs. 2 AKI-RL
52
§ 6 Abs. 4 AKI-RL
86
§ 1 Abs. 3 Satz 1 AKI-RL
52
§ 6 Abs. 5 AKI-RL
81
§ 1 Abs. 3 Satz 2-4 AKI-RL
45
§ 7 Abs. 1 AKI-RL
70
§ 1 Abs. 4 AKI-RL
41
§ 7 Abs. 2 AKI-RL
70
§ 1 Abs. 5 AKI-RL
109
§ 7 Abs. 3 AKI-RL
71
§ 1 Abs. 6 AKI-RL
15
§ 8 Abs. 1 AKI-RL
83
§ 1 Abs. 7 AKI-RL
69
§ 8 Abs. 2 AKI-RL
87
§ 2 Abs. 1 AKI-RL
25
§ 8 Abs. 3 AKI-RL
88
§ 2 Abs. 2 AKI-RL
25
§ 8 Abs. 4 AKI-RL
86
§ 2 Abs. 3 AKI-RL
26
§ 9 Abs. 1 AKI-RL
89
§ 2 Abs. 4 AKI-RL
27
§ 9 Abs. 2 AKI-RL
91
§ 2 Abs. 5 AKI-RL
28
§ 9 Abs. 3 AKI-RL
90
§ 3 Abs. 1 AKI-RL
29
§ 10 Abs. 1 und 2 AKI-RL
110
§ 3 Abs. 2 AKI-RL
30
§ 10 Abs. 3 AKI-RL
111
§ 3 Abs. 3 AKI-RL
31
§ 10 Abs. 4 AKI-RL
112
§ 3 Abs. 4 AKI-RL
31
§ 10 Abs. 5 AKI-RL
114
§ 3 Abs. 5 AKI-RL
32
§ 10 Abs. 6 und 7 AKI-RL
115
§ 3 Abs. 6 AKI-RL
32
§ 11 Abs. 1 Aki-RL
75
§ 4 Abs. 1 AKI-RL
54
§ 11 Abs. 2 AKI-RL
76
§ 4 Abs. 2 AKI-RL
56
§ 11 Abs. 3 AKI-RL
77
§ 4 Abs. 3 AKI-RL
56
§ 11 Abs. 4 AKI-RL
79
§ 4 Abs. 4 AKI-RL
57
§ 12 Abs. 1 und 2 AKI-RL
119
§ 4 Abs. 5 AKI-RL
53
§ 12 Abs. 3 AKI-RL
120
§ 5 Abs. 1 AKI-RL
58
§ 12 Abs. 4 und 5 AKI-RL
121
§ 5 Abs. 2 AKI-RL
59
§ 12 Abs. 6 AKI-RL
122
§ 5 Abs. 3 AKI-RL
59
§ 12 Abs. 7 und 8 AKI-RL
122
§ 5 Abs. 4 AKI-RL
60
§ 13 AKI-RL
132
§ 5 Abs. 5 AKI-RL
61
§ 14 Abs. 1 AKI-RL
19
§ 5 Abs. 6 AKI-RL
62
§ 14 Abs. 2 AKI-RL
101
§ 5 Abs. 7 AKI-RL
63
§ 11 Abs. 4 SGB V
116
§ 5 Abs. 8 AKI-RL
63
§ 5 Abs. 9 AKI-RL
65
§ 5 Abs. 10 AKI-RL
66
§ 6 Abs. 1 AKI-RL
67
Autor Ronald Richter, Prof. für Sozialrecht, Rechtsanwalt seit 1993, gründete 2005 RICHTERRECHTSANWÄLTE mit Büros in Hamburg, München und Köln. Er war 16 Jahre Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), ist stellvertretender Vorsitzender des Gesetzgebungsausschusses für Sozialrecht im DAV, Aufsichtsratsvorsitzender der Innovest AG, Hamburg und Mitglied des Aufsichtsrates der Ev.- Luth. Diakonissenanstalt zu Flensburg und Stiftungsratsvorsitzender einer Kulturstiftung des Landes Brandenburg. Er ist Autor und Herausgeber vieler Publikationen zum Heim-Sozialversicherungs-, Senioren- und Wirtschaft. Er lehrt als Lehrbeauftragter an der Hochschule für Angewandte
Autor
Wissenschaften (HAW) in Hamburg im Department Pflege und Management.
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...weitere Bücher für das Management
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