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German Pages 312 Year 2016
Dania Achermann Institutionelle Identität im Wandel
Dania Achermann (Dr. phil.) hat Geschichte und Geographie an der Universität Zürich studiert und an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Aarhus Universitet promoviert. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Geschichte der Klima- und Atmosphärenwissenschaften im 20. Jahrhundert.
Dania Achermann
Institutionelle Identität im Wandel Zur Geschichte des Instituts für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen
Die vorliegende Studie wurde 2014 von der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Aarhus Universitet im Cotutelle-Verfahren als Dissertation angenommen.
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Inhalt
Einleitung | 7
Forschungsüberblick | 11 Zum Begriff »institutionelle Identität« | 18 Quellensituation | 28 Aufbau der Arbeit | 34 Von der DFS zum IPA: Themen, Organisation und Akteure von 1933 bis 1991 | 37
Die »Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug (DFS)« vor 1945 | 39 Die DFS nach dem Zweiten Weltkrieg, 1953 bis 1960 | 41 Von der DFS zur FFM, 1960 bis 1962 | 51 Einrichtung des »Instituts für Physik der Atmosphäre (IPA)« ab 1962 | 57 Die »turbulenten« 1970er Jahre | 65 Die 1980er Jahre: Stärkung der »Theorie« | 85 Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre: Erweiterung der Forschungsagenda | 93
Der Stellenwert des Segelflugs an der DFS | 95 Künstliche Radioaktivität als neues Thema in der Meteorologie | 102 Fallout als Umweltproblem | 105 Messung von Fallout an der DFS und am IPA | 121 Fazit: Funktionswandel des Fliegens als Teil institutioneller Identität | 136 Ein Flugzeug als Flaggschiff: Die »Falcon 20 E« als Forschungsinstrument und Vermittlerin institutioneller Identität | 139
Flugzeuge als (Groß-)Forschungsinstrumente | 140 »Fliegende Laboratorien« | 143 Flugzeuge am IPA | 152 Argumente für ein neues Forschungsflugzeug | 157 Der Beschaffungsprozess | 163 Die Falcon im Einsatz: Verwischen der Signaturen des IPA und der DFVLR | 173 Fazit: Ein Flugzeug als Flaggschiff | 179
Arbeiten zur Wetterbeeinflussung: Orientierung am internationalen Forschungsstand und eigene Technikentwicklungen | 185
Die Entwicklung der modernen Wetterbeeinflussung | 189 Wolken und Nebelauflösung am IPA | 197 Hagelbekämpfung am IPA | 208 Fazit: Kontinuität des Forschungsprogrammes von der FFM zum IPA | 219 Radar an Deck und auf dem Dach: Der Aufbau von Expertise | 223
Radargeräte an der DFS und am IPA | 225 Das »Poldirad« | 236 Zusammenfassung und Fazit | 247 Anhang | 255
Namensliste | 256 Insitutschronologie | 262 Abkürzungsverzeichnis | 274 Literatur- und Quellenverzeichnis | 277
Interviews | 277 Ungedruckte Quellen | 277 Gedruckte Quellen und Literatur | 280 Internetquellen | 304 Dank | 307
Einleitung ªWenn die [Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug] DFS ihre Existenzberechtigung haben soll, so muss sie sich Aufgaben stellen, die die Luftfahrt allgemein interessieren und nicht bloß den Segelflug als solchen angehen. Dass sie sich dabei des Segelflugzeugs als Versuchsträger und Forschungsmittel vorzugsweise bedient, ist nicht nur traditionell, sondern auch sachlich bedingt.«1
Nach der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg war die »Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug (DFS)« wie viele andere deutsche Forschungseinrichtungen von den alliierten Besatzungsmächten aufgelöst worden. Als 1953 eine Handvoll passionierter Segelflieger die Anstalt wieder einrichteten, konnten sie zwar noch einen Teil des ursprünglichen Vereinsvermögens auftreiben, doch ließ sich nicht einfach an den Erfolg der Zwischenkriegsjahre anschließen. Wie andere Institutionen der deutschen Luftfahrtforschung, sah sich auch die DFS mit der Aufgabe konfrontiert, ihre Forschungsinhalte der Nachkriegszeit anzupassen. Zwar konnten sie 1954 die Arbeiten wieder aufnehmen, doch bereits im folgenden Jahr fand sich die Anstalt in einer prekären existenziellen Lage wieder. Der Segelflug hatte seit den 1930er Jahren an Bedeutung verloren. Eine Forschungseinrichtung, bei der sich alles um den Segelflug drehte, schien daher nicht mehr zeitgemäß; die DFS drohte in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Um bestehen zu können, war sie gezwungen, ihr Programm den neuen Bedingungen der deutschen Forschungslandschaft anzupassen. Im Laufe einer umfassenden Reorganisation der deutschen Luftfahrtforschung, änderte die DFS 1960
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Bericht über die Sitzung des wissenschaftlich-technischen Beirats der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug München am 11.10.1955 am Flughafen MünchenRiem (KPAR A3067).
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ihren Namen in »Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt München (FFM)«, wurde aber trotzdem 1962 in dieser Form ganz aufgelöst. Aus Teilen der FFM ging das »Institut für Physik der Atmosphäre (IPA)« hervor, für das die »Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL)« die treuhänderische Verwaltung übernahm. Seither ist das IPA Teil der Organisation, die seit 1988 »Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)« heißt. Das IPA war zwar formell eine neue Einrichtung, knüpfte aber an die Tradition und an die Forschungsthemen der DFS an. Personal und Forschungsthemen überstanden die strukturellen Veränderungen zu großen Teilen unverändert. Die DFS muss somit als wesentlicher Bestandteil der IPA-Geschichte bewertet werden. Zunächst ein Verein von aktiven Segelfliegern, wandelte sich das Institut zu einer international vernetzten Forschungseinrichtung, die heute innerhalb des DLR fest verankert ist. Im Laufe der Jahrzehnte bildete sich dabei eine enorme Vielfalt an Forschungsthemen heraus, die in weiten Teilen internationale Entwicklungen der Atmosphärenwissenschaften ab den 1950er Jahren widerspiegelte. Während des Kalten Krieges erlebten die Atmosphärenwissenschaften, wie die Geowissenschaften im Allgemeinen, einen enormen Aufschwung. Im Bestreben, die Entwicklung von Waffen- und Kommunikationssystemen voranzutreiben, investierten Staaten wie die USA enorme Summen in die Erforschung von Atmosphäre und Ozeanen.2 Dabei war auch die Luftfahrtforschung militärstrategisch und wirtschaftlich bedeutsam. Um die Umwelt nicht nur zu besetzen, sondern auch zu kontrollieren, sollten die Geowissenschaften das dafür benötigte Wissen schaffen.3 Die Geschichte der DFS und des IPA war von politischen Interessen, von technischen Innovationen sowie vom Anspruch und der Organisation der Scientific Community geprägt. Für eine solche außeruniversitäre Institution war es überlebenswichtig, in diesem Geflecht die Forschungsagenda entsprechend anzupassen, um nicht die finanzielle Unterstützung und damit die existentielle Grundlage zu verlieren. Geldmittel erhält oft nur die Einrichtung, die glaubhaft vermitteln kann, dass sie in der Lage ist, den an sie gestellten Auftrag auch zu erfüllen. Ein solches Vertrauen entsteht durch die Voraussetzungen, die die Organisation mitbringt, um diesen Auftrag zu erfüllen. Dazu gehören beispielsweise die Art der Einrichtung, der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit, ihre Expertise, ihre Erfahrung und ihre technischen Möglichkeiten. Diese Merkmale formen in
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Siehe Conway: Atmospheric Science at NASA; Doel: »Constituting the Postwar Earth
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Doel: »Constituting the Postwar Earth Sciences«; Cloud: »Special Guest-Edited
Sciences«. Issue«; Conway: Atmospheric Science at NASA.
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ihrer Gesamtheit einen Charakter der Einrichtung, der einem Geldgeber vermittelt, sein Geld würde dort seiner Bestimmung gerecht, oder nicht. Die Organisationssoziologie erkennt in der Herausbildung einer solchen Identität eine elementare Voraussetzung für das Überleben einer Organisation. 4 In Anlehnung an diese Konzepte der Organisationssoziologie wird auf den folgenden Seiten der Frage nachgegangen, wie sich eine institutionelle Identität der DFS und des IPA entwickelte. Was machte den Charakter dieser Forschungseinrichtung aus? Wie veränderte er sich und welche Interessen und Rahmenbedingungen steuerten diese Veränderungen? Im Nachkriegsdeutschland unterlagen Forschung und Industrie Restriktionen, die deren Handlungsspielraum einschränkten. 5 Während die aerodynamische Forschung sowie der Bau von Motorflugzeugen unter diese Beschränkungen fielen, galt dies für die Segelflugforschung nicht.6 Mit den Pariser Verträgen 1955 fielen sämtliche Beschränkungen und der Fokus der DFS auf den Segelflug erschien nicht mehr gerechtfertigt. Die Anstalt kam unter Druck, sich thematisch zu öffnen und sich aktuellen Herausforderungen der Luftfahrtindustrie zu stellen. Die »Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR)«, deren Institut das IPA ab 1963 offiziell war, gewährleistete Zugang zu Großforschungsinstrumenten, Infrastrukturen und Finanzmitteln. Als sein Verbleib in der DFVLR im Rahmen ihrer großangelegten Reorganisation in den 1970er Jahren hinterfragt wurde, musste das IPA allerdings seine Existenz innerhalb dieser Einheitsgesellschaft verteidigen. Generell sahen sich in den 1970er Jahren viele Forschungseinrichtungen mit veränderten politischen und gesellschaftlichen Bedürfnissen konfrontiert, nicht nur in Deutschland. Nicht wenige mussten dabei ihre Organisationsstruktur und ihr Forschungsprogramm neu ausrichten, um weiterhin die staatliche Finanzierung zu sichern. Die Frage nach der Identität sowie deren Funktion für den Wandel eines Forschungsinstituts hilft dabei, die Mechanismen solcher Anpassungsstrategien zu analysieren. Thematisch waren die DFS und das IPA sowohl in der Luftfahrt- wie in der Atmosphärenforschung angesiedelt, der Grundlagen- und angewandten Forschung verpflichtet, sowie den Interessen von Umweltpolitik wie Industrie unterworfen. Institutionell existierte es neben dem staatlichen Deutschen »Wetter-
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Vgl. dazu Mukerji: A Fragile Power, S. 132.
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Kontrollratsgesetz Nr. 25. Regelung und Überwachung der naturwissenschaftlichen Forschung, vom 29.04.1946; Vgl. dazu auch Ash: »Scientific Changes in Germany«, S. 330.
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Siehe dazu Stamm: Zwischen Staat und Selbstverwaltung; Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 286-308.
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dienst (DWD)« und den meteorologischen Instituten der Universitäten. Eine solch komplexe Konstellation wirft die Frage auf, wie sich das Institut in der wissenschaftlichen und institutionellen Landschaft verortete und einen Charakter entwickelte, der seine Existenz rechtfertigte. Eckpfeiler und wiederkehrender Referenzpunkt der Tätigkeiten am Institut war stets das Fliegen. Welche Rolle spielten also Flugzeuge und das Fliegen für die Identität des Instituts und wie veränderte sich diese Rolle? In diesem Zusammenhang wird im Folgenden die Funktion des Forschungsflugzeugs als identitätsstiftendes Instrument analysiert. Das Spektrum der am Institut bearbeiteten Forschungsthemen erweiterte sich ab den 1950er Jahren stetig. Diese große Breite der Themen stellte einen weiteren Aspekt der institutionellen Identität dar. Anhand von Fallbeispielen wird die Beziehung zwischen Forschungsfragen und -instrumenten und der Entwicklung der Institutsidentität analysiert. Der zeitliche Schwerpunkt liegt dabei zwischen der Wiedereinrichtung der DFS 1953 und den späten 1980er Jahren und bewegt sich damit im Kontext des Kalten Krieges. Diese Periode in der Geschichte der DFS und des IPA war geprägt von zwei Generationen passionierter Segelflieger, die starken Einfluss auf die Ausrichtung des Instituts hatten. Ähnlich wie bei der Identität einer Person handelt es sich bei einer institutionellen Identität nicht um einen stabilen Zustand, sondern um ein Konglomerat mehrerer Aspekte, die unterschiedliche Facetten eines Charakters definieren können. Auch kann sich eine Identität nicht nur diachron verändern, sondern gleichzeitig aus verschiedenen Kategorien von Identität zusammengesetzt sein. Konkret bedeutet dies, dass man sich der Identität des hier untersuchten Instituts von unterschiedlichen Seiten nähern und dabei unterschiedliche Facetten analysieren kann. Im Folgenden stehen das wissenschaftliche Programm und die verwendeten Forschungsinstrumente im Vordergrund. Andere Kategorien von Identität, wie beispielsweise die lokale Verankerung, das Selbstverständnis als Teil einer Einheitsorganisation oder ein historisches Bewusstsein werden dabei mitberücksichtigt, wenngleich sie nicht dieselbe Aufmerksamkeit erhalten. Mit der historischen Analyse der Identität eines wissenschaftlichen Instituts in dieser expliziten Form betritt die vorliegende Studie Neuland. Der Ansatz ermöglicht es, Entscheidungen betreffend Forschungsprogramm, Instrumentenbeschaffung oder Teilnahme an Projekten in einer Dimension zu verstehen, die die politische oder wirtschaftliche Motivation ergänzen. Schließlich ist eine institutionelle Identität nicht nur Ergebnis von Entscheidungen, sondern auch selbst eine entscheidende Basis für Entscheidungen. Dieser Zugang zu einer Institutsgeschichte nimmt somit eine Facette in den Blick, die zugunsten wissenschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Interdependenzen meist vernachlässigt wird.
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Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen einer Kooperation des DLR mit dem »Centre for Science Studies (CSS)« der Aarhus Universitet in Dänemark anlässlich des 50-jährigen Bestehens der IPA im Jahr 2012. Die schriftlichen Quellen, von denen der Großteil aus dem DLR-Archiv stammt, wurden durch Interviews mit Zeitzeugen ergänzt. Die komplexen Kontexte, in denen sich die Geschichte des Instituts bewegt, erlauben vielfältige Bezüge zu verschiedenen Themenfeldern, wie beispielsweise dem Umweltdiskurs ab den 1970er Jahren, der deutschen Forschungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg, den Einflüssen des Kalten Krieges in Deutschland, dem Wissenstransfer zwischen Deutschland und den USA oder der Beziehung zwischen Wissenschaft, Politik und Industrie. Dabei liegt der Arbeit ein wissenschafts- und technikhistorischer Ansatz zugrunde und knüpft an Studien der neueren Institutionengeschichte an, bei denen es nicht um eine möglichst lückenlose Rekonstruktion der Tätigkeiten und Ereignisse geht, sondern um die Verortung und historische Analyse der Einrichtung im Kontext technischer Innovationen sowie politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verhältnisse. Der Fokus liegt dabei auf dem wissenschaftlichen Programm des Instituts. Das Fliegen als Ausgangspunkt der Institutsgründung durchzieht als Leitthema die gesamte Geschichte des DFS-IPA-Komplexes und zieht sich daher im Folgenden auch als (thematischer) roten Faden durch die gesamte Publikation.
F ORSCHUNGSÜBERBLICK Die Geschichte des IPA war bisher Gegenstand kürzerer Veröffentlichungen von meist persönlich interessierten Mitarbeitern. 7 Aspekte der Geschichte der DFS sind Bestandteil der »Geschichte der Luft- und Raumfahrt in Deutschland« von Helmuth Trischler8, eine Gesamtbetrachtung der Entwicklung von der DFS zum IPA steht allerdings aus. Die vorliegende Arbeit lässt sich in verschiedene Forschungszusammenhänge einordnen, die im Folgenden diskutiert werden. Die deutsche Wissenschaft und Technik der Nachkriegszeit ist Gegenstand der Reihe
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Bruders: »Die DVL in Oberpfaffenhofen«; Georgii: Beitrag zur Geschichte der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug; Müller: »Das Institut für Physik der Atmosphäre«; o.V.: »Die DVL in Oberpfaffenhofen«; Zetzmann: »Zur Geschichte der Flugfunk-Forschung«. Im Rahmen des Jubiläums zum 50-jährigen Bestehen des IPA erschien folgender Beitrag zur Geschichte: Volkert/Achermann: »Roots, Foundation, and Achievements«.
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Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland.
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»Studien zur Geschichte der deutschen Grossforschungseinrichtungen«. Das Projekt wurde Mitte der 1980er Jahren von der »Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen (AGF)« angestoßen, als mehrere der deutschen Großforschungszentren, die unter dieser Organisation zusammengefasst waren, ihr 30-jähriges Bestehen feierten. Aus diesem Anlass unterstützte die AGF zusammen mit dem »Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT)« die Erforschung der Geschichte ihrer Institute durch Historikerinnen und Historiker.9 Unter diesen Monographien finden sich auch Studien, die sich explizit der Geschichte eines Instituts widmen, wie beispielsweise der »Kernforschungsanlage (KFA) Jülich«10 oder des »Max-Planck-Instituts (MPI)« für Plasmaphysik11. In dieser Reihe ist auch Trischlers »Geschichte der Luft- und Raumfahrt in Deutschland« erschienen.12 Die Monographie umfasst die politische Geschichte der deutschen Luft- und Raumfahrt von 1900 bis 1970 und analysiert die Entwicklungen auf der Ebene der DFVLR sowie deren Vorgeschichte, in der auch die DFS eine Rolle spielte. Damit bereitet die Studie einen Boden für die vorliegende Arbeit. Neben dieser AGF-Reihe erschienen seit den 1990er Jahren weitere Studien zur Organisation der deutschen Wissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, die wie diese Reihe auf die vielfältigen Interdependenzen der institutionalisierten deutschen Wissenschaft mit Politik, Wirtschaft und Industrie fokussieren.13 Neben den Publikationen zur deutschen Wissenschaftsorganisation in der Nachkriegszeit gibt es mehrere Arbeiten, die die Atmosphärenwissenschaften im Kalten Krieg zum Thema haben. Speziell im Bereich der Geschichte der Meteorologie, deren Institutionen wie die Wetterdienste oder der numerischen Wettervorhersage finden sich viele Studien für den angloamerikanischen14 und einige
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Rusinek: Das Forschungszentrum, S. 18.
10 Rusinek: Das Forschungszentrum. 11 Boenke: Entstehung und Entwicklung. 12 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland. 13 Zum Beispiel die Beiträge in Gestwa/Rohdewald: »Verflechtungsstudien«; Oetzel: Forschungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland; Orth/Oberkrome (Hg.): Die Deutsche Forschungsgemeinschaft; Renn/Hoffmann/Kolboske (Hg.): ›Dem Anwenden muss ein Erkennen vorausgehen‹; Ritter: Grossforschung und Staat in Deutschland; Trischler/vom Bruch: Forschung für den Markt; Trischler: »Das politische Artefakt«; vom Bruch/Kaderas (Hg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik; vom Bruch (Hg.): Formen ausserstaatlicher Wissenschaftsförderung. 14 Unter anderem Cressman: »The Origin and Rise«; Edwards: »Meteorology as Infrastructural Globalism«; Fleming/Jankovic/Coen (Hg.): Intimate Universalities;
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für den deutschsprachigen15 Raum. Die Wetterbeeinflussung als Teil der Meteorologie ist Gegenstand verschiedener Publikationen, die sich hauptsächlich auf den US-amerikanischen Raum beziehen. Vor allem James Rodger Fleming und Kristine Harper zusammen mit Ronald Doel haben die Techniken der Wetterkontrolle im Kontext des Kalten Krieges, der amerikanischen Wirtschaft sowie ihre Rolle in den auswärtigen Beziehungen der USA untersucht. 16 Auch zur Klimaforschung als weiterem Bereich der Atmosphärenwissenschaften sind viele Arbeiten im amerikanischen Raum erschienen. Paul Edwards begreift die Klimawissenschaften zusammen mit der Meteorologie als eine »global knowledge infrastructure« und bezeichnet sie aufgrund der enormen Datenmengen, die durch Techniken wie Satelliten und Computer gesammelt werden, mit Referenz an John Ruskin als eine »Vast Machine«. 17 Ruskins Vorstellung dieser »Vast Machine« von 1839 definierte die Klimawissenschaften als »soziotechnisches System«, das ein Verständnis von Klima produziere. 18 Edwards sieht Ruskins Vision heute als erfüllt an. Die Rolle von Computermodellen sei elementar für die Entwicklung der Klimaforschung gewesen. Allerdings bedauert Edwards, dass er selbst diese Entwicklungen bisher nur für die USA, nicht aber internatio-
Friedmann: Appropriating the Weather; Harper: Weather by the Numbers; Lorenz: »The Evolution of Dynamic Meteorology«; Lynch: The Emergence of Numerical Weather Prediction; Miller: »Scientific Internationalism«; Nebeker: Calculating the Weather; Serafin: »The Evolution of Atmospheric Measurement Systems«; Walker: History of the Meteorological Office. 15 Unter anderem Belge/Gestwa: »Wetterkrieg und Klimawandel«; Bürgi: »Hinlänglich gebildet und republikanisch gesinnt«; Hammerl et al. (Hg.): Die Zentralanstalt; Lüdecke: »Hundert Jahre meteorologische Hochstation«; Tetzlaff/Lüdecke/Behr (Hg.): 125 Jahre Deutsche Meteorologische Gesellschaft; Wege: Die Entwicklung der meteorologischen Dienste. 16 Doel/Harper: »Prometheus Unleashed«; dies.: »Environmental Diplomacy«; Fleming: »The Climate Engineers«; ders.: »The pathological history«; ders.: Fixing the Sky; ders.: Historical Perspectives. Ebenfalls zur amerikanischen Wetterbeeinflussung siehe Kwa: »The Rise and Fall of Weather Modification«; Lambright/Changnon: »Arresting Technology«. Für weitere Hinweise zum Forschungsstand auf dem Gebiet der Geschichte der Wetterbeeinflussung siehe das Kapitel »Arbeiten zur Wetterbeerinflussung«. 17 Edwards: »Meteorology as Infrastructural Globalism«; ders.: A Vast Machine; siehe auch ders.: »Entangled Histories«. 18 Edwards: A Vast Machine, S. 8.
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naler erfassen konnte.19 Speziell zu Klimamodellen und Klimawandel wurde in den letzten Jahren vermehrt publiziert.20 Auffallend ist dabei, dass hinsichtlich der Meteorologiegeschichte als auch hinsichtlich der Geschichte der Klimaforschung ein Schwerpunkt im amerikanischen Raum auszumachen ist. Dies gilt ebenso für die Institutionengeschichten in diesem Bereich. Erik Conway geht in »Atmospheric Sciences at NASA« an die Geschichte der »National Aeronautics and Space Administration (NASA)« von einer umweltgeschichtlichen Perspektive heran.21 Dabei vertritt er die These, dass die NASA ihre Forschungen darauf ausrichtete sowohl wissenschaftliche Fragen wie auch politische Probleme zu lösen.22 Aspekte der Geschichte des »National Center for Atmospheric Research (NCAR)« in Boulder behandelt Joshua Howes in seiner Dissertation zu »Climate Change and American Environmentalism«. 23 Als Hintergrund zur IPAGeschichte wäre eine historische Analyse des NCAR besonders interessant, da das IPA regen Kontakt mit diesem pflegte und es zum Teil explizit als Vorbild betreffend Forschungsthemen und Institutsstrukturen diente. Dagegen erschien im Jahr 2000 eine Geschichte der »European Space Agency (ESA)« von John Krige und Arturo Russo unter Mithilfe von Michelangelo de Maria und Lorenza Sebesta.24 Das zweibändige Werk entstand im Auftrag der ESA und beschreibt
19 Ebd., S. xxiii-xxiv. 20 Um einige weitere Beispiele zu nennen: Fleming: Historical Perspectives; Heymann: »Klimakonstruktionen«; Fleming: »The evolution of climate ideas and knowledge«; ders.: »Understanding and Misunderstanding Computer Simulation«; Heymann/ Kragh: »Modeling and Simulation«; Howe: Making Global Warming Green; Miller/Edwards: »Introduction«; Shackley: »Epistemic Lifestyles«; Sörlin: »Narratives and Counter-Narratives«; Weart: »The Development of General Circulation Models«; ders.: The Discovery of Global Warming. Zur Geschichte der Klimatologie siehe auch die Beiträge in Fleming/Jankovic (Hg.): »Klima«. 21 Conway: Atmospheric Science at NASA. Zur Geschichte der NASA siehe auch den Sammelband von Dick (Hg.): NASA’s First 50 Years. 22 Conway: Atmospheric Science at NASA, S. 10. 23 Howe: Making Global Warming Green. Online finden sich Materialien zu verschiedenen NCAR-Jubiläen: UCAR and NCAR. Our History, http://www2.ucar.edu/aboutus/history (Abrufdatum: 07.03.2014). Als ergiebige Quelle zur NCAR-Geschichte sei zudem auf das sogenannte »Blue Book« verwiesen: Preliminary Plans for a National Institute for Atmospheric Research, Prepared for the National Science Foundation under grant G 5807, Second Progress Report of the University Committee on Atmospheric Research, 1959. 24 Krige/Russo: History of the European Space Agency.
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die wissenschaftlichen Arbeiten an der Einrichtung während des Kalten Krieges als Geschichte internationaler Großforschung im Verhältnis zur amerikanischen Politik. Studien zur Geschichte der Ionosphärenforschung konzentrieren sich meist auf Entwicklungen der Radiotechnik und -kommunikation. 25 Denn für den Funkverkehr sind Kenntnisse über die Ionosphäre als jenen Bereich der Atmosphäre, der besonders große Mengen Ionen und Elektronen enthält, sehr wertvoll. Einen anderen Zugang wählte Bruce Hevly für seinen Aufsatz zur Entwicklung der Ionosphärenforschung am »Naval Research Laboratory (NRL)« ab den 1920er Jahren.26 Hevly zeigte wie an jener Institution Wissenschaft und Technikentwicklung ab dem Ersten Weltkrieg interagierten. Er begriff diese Technik als Schlüssel zum Verstehen des »Forschungscharakters« am NRL und zielte auf ein Verständnis von Wissensproduktion im Militär-Wissenschafts-Komplex ab. Die Geschichte des IPA war nicht nur geprägt von den Entwicklungen in den Atmosphärenwissenschaften, sondern auch von der Luftfahrtforschung. Einen großen Stellenwert in der vorliegenden Arbeit hat das Flugzeug als Forschungsinstrument. Solche Forschungsflugzeuge wurden verwendet, um Messinstrumente in die Atmosphäre (also in den Untersuchungsraum hinein) zu transportieren. Als Forschungsinstrumente werden Flugzeuge in der Literatur manchmal als Teile von Forschungsexperimenten27 oder in autobiographischen Publikationen von Atmosphärenforschern 28 erwähnt. Darüber hinaus waren sie bisher kaum Gegenstand geschichtswissenschaftlicher Arbeiten.29 Anders sieht es mit Ballons und Raketen als Instrumententräger aus: Zu wissenschaftlichen Ballonfahrten
25 Pestre: »Studies of the Ionosphere«; Villard: »The Ionospheric Sounder«; Wicken: »Space Science and Technology in the Cold War«. Mit Fokus auf den kanadischen Raum: Jones-Imhotep: »Disciplining Technology«; ders.: »Nature, Technology, and Nation«; ders.: »Laboratory Cultures«. In Vorbereitung ist ein Aufsatz von Henrik Knudsen zu den amerikanisch-dänischen Beziehungen auf Grönland mit dem Titel »Cold War Greenland as a Space for International Scientific Collaboration«. 26 Hevly: »The Tools of Science«. 27 Beispielsweise bei Conway: Atmospheric Science at NASA. 28 Zum Beispiel die Ausrüstung einer B-23 an der University of Washington 1969 bei Fleagle: Eyewitness, S. 59. 29 Zum Segelflugzeug in der Meteorologie siehe Milford: »The Powered Sailplane in Meteorological Research«. Eine knappe Darstellung von verwendeten Forschungsflugzeugen ab den 1910er Jahren ohne nähere Analyse bietet Kington: »The Role of Weather Flights«.
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existieren bereits mehrere historische Studien.30 Was Raketen als Forschungsinstrument betrifft, sind die Arbeiten David DeVorkins hervorzuheben, der sich unter anderem mit der V-2 und ihrem Einsatz als Forschungsinstrument in den USA während des Kalten Krieges beschäftigt hat.31 Betrachtet man Forschungstechnologien allgemein, so erschließen sich zudem weitere Arbeiten. Insbesondere Terry Shinn publizierte seit den 1990er Jahren wiederholt zu Research Technologies.32 Zusammen mit Bernward Joerges untersuchte Shinn die Beziehung zwischen Wissenschaft und Forschungstechnologien. Der Begriff Research Technologies entstammt einem Briefwechsel aus den frühen 1930er Jahren zwischen dem niederländischen Nobelpreisträger Pieter Zeeman und dem Leiter des »Grand Électroaimant« in Bellevue bei Paris, Aimé Cotton. 33 Die beiden sprachen von Forschungstechnologien im Sinne von »multipurpose devices for detection, measurement and control that were conceived and developed by a community connected both to science and industry – yet at the same time also separate from each of these«.34 Terry Shinn und Bernward Joerges weiteten den Begriff zeitlich und räumlich aus und bezogen ihn sowohl auf Instrumente als auch auf Methoden, die geographisch und institutionell nicht zwingend abgegrenzt sind. Shinn/Joerges verstehen solche Forschungstechnologien als Bindeglieder zwischen verschiedenen Institutionen wie Universitäten, Herstellerfirmen oder dem Militär und wählen dafür den Begriff der »Interstitialität«. Die Autoren weisen Research Technologies zudem eine aktive Rolle in der Entwicklung der Wissenschaft zu. Damit heben sie die traditionelle Trennung zwischen Theorie und Experiment, Wissenschaft und Technik auf.35 Der im Folgenden verwendete Begriff der Forschungstechnologie schließt zwar an dieses Verständnis an und bezieht Instrumente wie Radargeräte, Instrumententräger wie Flugzeuge, und
30 Block: »The Role of Scientific Ballooning«; DeVorkin: Race to the Stratosphere; Höhler: »Psychometer, Variometer, Barograph«; Jones: »Evolution of Scientific Ballooning«; Nishimura: »Scientific Ballooning in the 20th Century«; Ryan: The PreAstronauts. 31 DeVorkin: »Instruments, Upper Atmospheric and Near Space«; ders.: »The Military Origins«; ders.: Science With a Vengeance. 32 Siehe zum Beispiel Joerges/Shinn (Hg.): Instrumentation Between Science, State and Industry; dies. (Hg.): Research-Technology; Shinn: »The Bellevue Grand Électroaimant«; ders.: »Forschungstechnologien«. 33 Zum Bellevue Grand Électroaimant 1990-1940 siehe Shinn: »The Bellevue Grand Électroaimant«. 34 Joerges/Shinn: »A Fresh Look at Instrumentation«, S. 2. 35 Ebd., S. 2-5. Siehe auch Shinn: »Forschungstechnologien«.
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Methoden wie Flugzeugmessungen oder Computersimulation mit ein. 36 Allerdings lässt sich Shinns Konzept der Forschungstechnologien nicht ohne weiteres übernehmen. Wie sich zeigt, war die Rolle von Technikentwicklung in der Geschichte des IPA umfangreicher als es Shinns Konzept der Interstitialität, Generizität und Metrologie zulassen würde. Forschungsflugzeuge verhalten sich zur Atmosphäre wie Forschungsschiffe oder Unterseebote zur Ozeanographie.37 Überhaupt verbindet die beiden Räume vieles. 38 Sowohl die Atmosphärenwissenschaften wie auch die Ozeanographie erlebten einen starken Aufschwung während des Kalten Krieges. 39 Die Atmosphäre ist allerdings nicht nur Untersuchungsobjekt, sondern sie repräsentiert auch einen Raum, der ähnlich wie geographische Räume und Weltmeere besetzt, erobert und kontrolliert werden kann. Dies geschieht sowohl diskursiv durch Sprache, wie auch materiell durch Flugzeuge, Satelliten und Raketen. 40 Die Publikationen in der historischen Geographie verstehen die Atmosphäre als solchen komplexen Raum. Der Geograph Mark Whitehead strebt beispielsweise eine »spatial history of air pollution government« an. 41 Whitehead vertritt die These, dass die Atmosphäre erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts als ein »object of government« wahrgenommen wurde, während dies in anderen sozioökonomischen Bereichen bereits viel länger der Fall sei.42 Ein anderer Geograph, Philip
36 Siehe dazu auch das Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff«. 37 Zur Ozeanographie und deren Forschungsinstrumenten siehe beispielsweise Hamblin: Oceanographers and the Cold War; Höhler: »Depth Records and Ocean Volumes« beziehungsweise dies.: »›Dichte Beschreibungen‹«; Mukerji: A Fragile Power, sowie die Beiträge in dem Sammelband von Rozwandowski/van Keuren (Hg.): The Machine in Neptune’s Garden. Zum Schiff als Forschungsinstrument besonders Sorrenson: »The Ship as a Scientific Instrument«. 38 Weiterführend dazu das Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff«. 39 Im Bereich der Cold War Studies ist besonders im US-amerikanischen Raum in den letzten Jahren viel Arbeit geleistet worden, um die Entwicklung der Geowissenschaften im Kontext des Kalten Krieges zu analysieren. Siehe dazu beispielsweise die Beiträge in Cloud (Hg.): »Earth Sciences in the Cold War«) sowie unter anderem Hamblin: Oceanographers and the Cold War; Krige: American Hegemony; McNeill/Unger (Hg.): Environmental Histories of the Cold War. 40 Siehe Achermann: »Die Eroberung der Atmosphäre« sowie das Kapitel »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung« in diesem Buch. 41 Whitehead: State, Science and the Skies. 42 Ebd., S. 12.
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Steinberg, beschäftigt sich mit Raumkonzepten in Bezug auf den Ozean.43 Steinbergs These ist, der Ozean sei als Raum sozial konstruiert und diese Konzeptualisierung der Meere forme wiederum die Gesellschaft. Ausgehend von diesen Raumkonzepten liegt dieser Arbeit ein Verständnis zugrunde, dass die Atmosphäre nicht nur ein Behälter ist, der erkundet wird, sondern gleichzeitig ein Experimentierfeld und Raum, in dem Forschung stattfindet.44
Z UM B EGRIFF » INSTITUTIONELLE I DENTITÄT « Der hier verwendete Begriff »Institut« bezieht sich auf die Forschungseinrichtung, die die DFS und das IPA darstellen. Er ist zu unterscheiden vom Begriff der »Institutionen«, der sich auf die Organisation sozialen Handelns nach bestimmten Regeln und Normen bezieht. »Institutionelle Identität« wird in diesem Kontext somit als Konzept einer Institutsidentität verstanden. Die Untersuchung einer solchen Institutsidentität ist in der Geschichtswissenschaft ein bisher vernachlässigtes Feld. Margit Szöllösi-Janzes Artikel von 1990 zur Identität und Selbstorganisation der AGF ist eine der wenigen Arbeiten innerhalb dieser Disziplin. In ihrer Studie ermittelt Szöllösi-Janze die Zugehörigkeit und Abgrenzung einer Institution als wichtigen Faktor im Identitätsbildungsprozess. Was »Identität« jedoch genau bedeutet, bleibt offen. Die Autorin verweist auf eine »gewisse Homogenität der Mitglieder« und, noch wichtiger, ein »Gruppenbewusstsein« beziehungsweise »Wir-Gefühl«.45 Auch Bernd-A. Rusinek verwendet in seinem Buch zur Geschichte der FKA Jülich einen Identitätsbegriff. Damit meint er ein Selbstverständnis, das er in der spezifischen Organisationsstruktur der Einrichtung sieht und das die KVA von anderen Forschungseinrichtungen unterscheide.46 Allerdings verwendet auch Rusinek »Identität« nicht als analytischen Gegenstand in der Institutsgeschichte. Daneben gibt es Arbeiten zum Wesen von Forschungseinrichtungen, bei denen die Idee einer Institutsidentität zwar mitschwingt, die aber weder den Begriff verwenden noch präzisieren, wie ein solches Wesen erfassbar wäre. Bei seinen Gedanken zur Rezeption und zum Stellenwert des Harnack-Prinzips für die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ver-
43 Steinberg: The social construction of the ocean. 44 Zum Stichwort Raum ist auch Susanne Raus Einführung in die historische Raumforschung inspirierend, insbesondere um über Raum nicht nur als »Container« nachzudenken: Rau: Räume. 45 Szöllösi-Janze: »Die Arbeitsgemeinschaft der Grossforschungseinrichtungen«, S. 141. 46 Rusinek: Das Forschungszentrum, S. 740-765.
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wendet Hubert Laitko den Begriff des »institutionellen Markenzeichens« sowie der »Corporate Identity«.47 Laitko geht unter anderem der Frage nach, inwieweit das Harnack-Prinzip ein Alleinstellungsmerkmal für die MPG ist. Dafür untersuchte er hauptsächlich Reden und Ansprachen der MPG-Präsidenten auf den jährlichen Festveranstaltungen. Mit dem Konzept der Corporate Identity verweist Laitko auf Rüdiger Hachtmann, der ein paar Jahre früher die Corporate Identity der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft beleuchtete.48 Diese sah er unter anderem in der »erlebte[n] Meritokratie ein von allen getragenes Leistungs- und Wissenschaftsethos, gepaart mit dem Bewusstsein, einer international anerkannten Wissenschaftselite anzugehören, die gleichzeitig institutionell nach außen relativ stark abgekapselt war«.49 Wie im Laufe dieses Kapitels noch weiter ausgeführt wird, ist jedoch das Konzept einer Corporate Identity im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Ausrichtung eines Forschungsinstitutes nicht hilfreich.50 Der hier verwendete Begriff »institutionelle Identität« wird in der historischen Literatur bisher gar nicht und in anderen Disziplinen inkonsistent verwendet. Der Sprachwissenschaftler Bethan Benwell und die Sozialpsychologin Elisabeth Stockoe verwenden ihn, um die Identität einer Person zu beschreiben, die durch eine Institution geprägt wird. Ein Hinweis auf eine solche »institutionelle Identität« ist die Verwendung von Formulierungen wie »wir« oder »uns«, wenn die Person von der Institution spricht, der sie sich zugehörig fühlt.51 Dieses Verständnis von »institutioneller Identität« verweist somit auf die Identifizierung eines Individuums mit einer Institution. Der Psychologe Harold A. Dengerink hingegen verwendet denselben Begriff, um damit auf eine Identität einer Organisation zu verweisen. Für Dengerink hat diese Art von »institutioneller Identität« nichts mit einer Identität von Individuen zu tun.52 Mit anderen Worten: In der spärlichen soziologischen und psychologischen Fachliteratur, die den Begriff »institutionelle Identität« überhaupt verwendet, existiert kein Konsens, was damit gemeint ist. Im Folgenden wird daher ein Begriff von »institutioneller Identität« konzipiert, wie er für ein wissenschaftliches Institut wie der DFS und dem IPA verwendet werden kann.
47 Laitko: »Das Harnack-Prinzip als institutionelles Markenzeichen«. 48 Hachtmann: Wissenschaftsmanagement im ›Dritten Reich‹, S. 41-44. 49 Ebd., S. 42. 50 Weitere Ausführungen dazu finden sich weiter unten. 51 Benwell/Stokoe: Discourse and Identity, S. 87-94, hier im Speziellen S. 94. 52 Dengerink: »Institutional Identity and Organizational Structure«, S. 22.
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Forschungsüberblick zu Identitäten von Organisationen Spricht man von Identität, richtet sich der Blick zunächst auf die umfangreiche psychologische und soziologische Literatur, die sich mit der Identität von Individuen beschäftigt.53 Allerdings herrscht dort Uneinigkeit darüber, wie »Identität« überhaupt verstanden werden soll. 54 Rogers Brubaker und Frederick Cooper bringen das Grundproblem auf den Punkt: »›Identity‹, we argue, tends to mean too much (when understood in a strong sense), too little (when understood in a weak sense), or nothing at all (because of its sheer ambiguity).«55 Um die Verwirrung beizulegen, schlagen sie vor, auf den Begriff »Identität« zu verzichten und stattdessen alternative Begriffe zu verwenden. 56 Allerdings beziehen sich Brubaker und Cooper hierbei auf Individuen und nicht auf Gruppen oder Einrichtungen. Im Gegensatz dazu bezieht sich der in der vorliegenden Arbeit verwendete Begriff der »institutionellen Identität« jedoch nicht auf individuelle Mitglieder einer Institution, ihrem Selbstverständnis oder ihrer Identifikation mit dem Institut, sondern auf das Institut als Entität. Daneben gibt es auch Literatur, die den Begriff der »Identität« konstruktiv nutzt. Mit Identitäten von Organisationen beschäftigt sich innerhalb der Soziologie die Unternehmensforschung.57 Stuart Albert und David Whetten gehörten zu den ersten, die sich mit organizational identity beschäftigten. In ihrem Artikel von 1985 beziehen sie sich auf die Identität von großen Institutionen wie beispielsweise Kirche, Regierung, Militär. Diese seien unter anderem aus dem Konsens der Mitglieder gebildet, wer man als Organisation sei. Als eine andere Komponente dieser Organisationsidentitäten definieren Albert und Whetten die CED-
53 Für eine Übersicht über die enorme Breite an Literatur zu »Identität« siehe Benwell/Stokoe: Discourse and Identity, S. 4-5. 54 Brubaker/Cooper: »Beyond ›Identity‹«, S. 10-11. 55 Ebd., S. 1. 56 Dafür schlagen sie beispielsweise folgende Begriffe vor: »identification«/»categorization«, »self-understanding«/»social location«, »commonality, connectedness, groupness«. Brubaker/Cooper: »Beyond ›Identity‹«, S. 9-21. 57 Ein ausführlicher Überblick zur organisational identity-Literatur der letzten 20 Jahre bieten beispielsweise He/Baruch: »Transforming organizational identity«. Da die Nuancen der Begriffe elementar für eine sorgfältige Diskussion sind, ist die Übersetzung englischer Begriffe oft nicht ohne weiteres möglich. Wo die Übersetzung ins Deutsche nicht ohne Bedeutungsveränderung machbar erscheint, wird daher wird die Terminologie in der Originalsprache beibehalten.
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Attribute, die gleich näher erklärt werden.58 Gut 20 Jahre später kam Whetten auf diesen Ansatz zurück, um ihn noch präziser zu formulieren.59 In »Albert and Whetten Revisited« (2006) führte er aus, wie »organizational identity claims« zu bestimmen und wie dieses Konzept von anderen Konzepten, wie »organizational culture, image, and identification« zu unterscheiden sei. Whetten beschreibt eine organizational identity durch die Hauptattribute einer Organisation, die diese von anderen Organisationen unterscheidbar machen: »I refer to these [attributes] as organizational identity claims or referents, signifying an organization’s selfdetermined (and ›self‹-defining) unique social space and reflected in its unique pattern of binding commitments.«60 Diese organizational identity claims lassen sich in drei Arten von Attributen unterteilen: Die central-, enduring- und distinctive-Attribute (CED). Sie unterscheiden eine Organisation von anderen Organisationen, weil sie das Hauptprogramm oder die wichtigsten Werte repräsentieren (central); weil sie schon eine »lange« Zeitperiode überdauert haben (enduring); oder weil sie die Organisation einzigartig machen und für diese bestimmte Art von Organisation erforderlich sind (distinctive). Diese organisational identity claims definieren also den »sozialen Raum« einer Organisation und sind maßgebend, wenn beispielsweise Mitglieder die Organisation nach außen vertreten oder wenn sie sich mit grundlegenden Entscheidungen befassen, die das Verständnis von »who we are as an organization« verändern könnten. 61 Whetten nennt sie daher auch »kategorischer Imperativ«, innerhalb dessen aus einem bestehenden »Menü« ausgewählt werden kann. In anderen Worten, organisational identity claims stellen Richtlinien dar, wie sich eine Organisation verhalten muss, um sich »innerhalb ihres Charakters« zu bewegen (act-in-character). 62 Die Organisationswissenschaftlerin Barbara Czarniawska rekapituliert diese Vorstellung eines »Menüs« mit den Worten: »In particular, the menu specifies both what is possible (›venture capitalist± was not on the menu in Romania in the 1980s) and what is appropriate, given previous choices (›all you can eat‹ or ›take out‹ would be considered inappropriate organizing choices for a five-star French restaurant).«63
58 Albert/Whetten: »Organizational Identity«. 59 Whetten: »Albert and Whetten Revisited«. 60 Ebd., S. 220 (Hervorhebung im Original). 61 Ebd., S. 220-222. 62 Ebd., S. 223. 63 Czarniawska: Narrating the Organisation, S. 225.
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Wie erwähnt haben Albert und Whetten ihren Ansatz auf große Institutionen wie Kirche und Militär ausgerichtet. Ihre Definition davon, was die Identität einer Organisation ausmacht und wie sie erfasst werden kann, ist indes auch wertvoll für kleinere Einheiten, mit denen sich beispielsweise Edward J. Hackett befasst. 64 Hacketts Untersuchungsgegenstand sind Forschungsgruppen bestehend aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Arbeitsraum, Material, Technologien, Ziele, Hypothesen und teilweise auch Ruf und Schicksal miteinander teilen.65 Es handelt sich also verglichen mit Albert und Whettens Institutionen um relativ kleine Einheiten und kommt in der Struktur wissenschaftlichen Instituten näher. Hackett hebt die Relevanz von ensembles of research technologies im Identitätsbildungsprozess solcher Gruppen hervor. Diese Ensembles bestehen aus Material, Praktiken, Instrumenten, Theorien und Ideen, die von der Gruppe verwendet werden: »The ensemble of research technologies not only produces results and answers questions that lead to publications, but also opens new areas for inquiry and establishes the group’s place in the field.«66 Daneben würden solche Technologien einer Gruppe auch eine symbolische Identität verleihen. Die Soziologin Chandra Mukerji verwendet den Begriff »set of techniques«.67 Jedes Labor, so schreibt Mukerji, habe sein eigenes set of techniques, das sie verwendeten, um ein eingegrenztes Feld von Forschungsfragen zu bearbeiten. Zwar verändere sich dieses Feld kontinuierlich, doch definiere es stets die »analytischen Kapazitäten« der Gruppe: »Each laboratory is known within the world of science for its own particular set of techniques. That is why I speak of them as ›signatures‹. Signatures are the identifying work techniques of a lab, constituted from a complicated system of relations between laboratory personnel and machinery, and designed to embody problem-solving strategies for research.«68
64 Hackett: »Essential Tensions«. Hackett nimmt allerdings keinen Bezug auf die Ansätze von Albert und Whetten. 65 Hackett: »Essential Tensions«, S. 788. 66 Hackett et al.: »Tokamaks and Turbulence«, zitiert in Hackett: »Essential Tensions«, S. 788. Die lange Geschichte des Begriffes »Research Technology« diskutiert Hackett in Hackett: »Essential Tensions«, Fußnote 2. Es ist unklar, warum der Autor die umfangreichen Arbeiten von Terry Shinn in diesem Gebiet nicht erwähnt. 67 Mukerji: A Fragile Power, S. 128; siehe auch dies.: »Scientific Techniques and Learning«. 68 Dies.: A Fragile Power, S. 128.
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Mukerji stellt fest, dass der Leiter oder die Leiterin eines Labors zwar die nominelle Autorität habe, die Forschungsrichtung zu beeinflussen, jedoch sei es das Labor als Ganzes, das den Weg weise.69 Sie weist darauf hin, dass die bereits bestehende Signatur (und damit die Identität) einer Forschungsgruppe die Wahl neuer Technologien einschränkt. Denn ein Labor würde nur finanziert für Arbeiten, für die es bereits bekannt sei. Erkennbar sei dies an Forschungsanträgen, in denen stark betont würde, dass das neue Projekt an frühere Methoden und Techniken anknüpfe.70 Gleichzeitig eröffne eine neue Methode oder ein neues Instrument auch neue Möglichkeiten über die für die Anschaffung zugrunde liegenden Forschungsfragen hinaus. Denn ein Instrument, so die Wissenschaftshistoriker Albert Van Helden und Thomas Hankins, bestimme nicht nur was getan, sondern auch was gedacht werden könne: »Often the instrument provides a possibility; it is an initiator of investigation. The scientist asks not only: ›I have an idea. How can I build an instrument that will confirm it?‹ but also: ›I have a new instrument. What will it allow me to do? What question can I now ask that it was pointless to ask before?‹.«71
Bruce Hevly zeigte, wie am NRL die Raketen die Forschungsfragen veränderten, da sie die Ionosphäre auf neue Art und Weise zugänglich machten. »They made research possible, not just by allowing access to the ionosphere in a new way, but by influencing the way in which scientific questions were framed, by helping to set the terms for a right answer […].«72 Ein Instrument, das zu dem bestehenden Set von Forschungstechnologien (oder ensembles of research technologies) hinzukommt, kann also auch die Signatur und damit die Identität einer Gruppe verändern. So gesehen ist die Beziehung zwischen der Identität einer Forschungsgruppe und deren Forschungstechnologien eine wechselseitige. Zum einen bestimmt die bereits bestehende Identität neue Forschungsfragen und -technologien, zum anderen beeinflussen diese wiederum die Richtung der weiteren Entwicklung der Identität. 73 In dieser Arbeit zur Identität des IPA nimmt
69 Auf die Rolle von Direktoren bei der Identitätsentwicklung der DFS und des IPA wird vor allem in den Kapiteln »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung« und »Radar an Deck und auf dem Dach« eingegangen. 70 Mukerji: A Fragile Power, S. 132-134. 71 Van Helden/Hankins: »Introduction«, S. 4. 72 Hevly: »The Tools of Science«, S. 225. 73 Die Wichtigkeit von spezifischen Technologien betont auch J.B. Morell in seinem Research-school-Modell von 1972. Morell konzentriert sich dabei auf eine bestimmte
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beispielsweise das Flugzeug eine elementare Rolle als solche Forschungstechnologie ein. In seiner Arbeit über Experimentalsysteme der Biochemie und der Molekularbiologie zeigte Hans-Jörg Rheinberger eine ähnliche wechselseitige Beziehung zwischen »epistemischen Dingen« und »technischen Dingen« auf. Demnach besteht ein Experimentalsystem aus diesen beiden Komponenten, die in einer Wechselbeziehung stehen: Die technischen Bedingungen definieren und begrenzen das Experimentalsystem. Gleichzeitig bestimmen sie die Art und Weise, wie das »Wissensobjekt« repräsentiert wird. Dieses epistemische Ding kann, einmal etabliert, wiederum in die Gestaltung der technischen Bedingungen einfließen. 74 Damit wies Rheinberger auf eine entscheidende Beziehung zwischen Instrument und Wissensproduktion hin, die sich ähnlich verhält wie die von Mukerji beschriebene Beziehung zwischen Technologie und Identitätsproduktion. »Signaturen« sind elementar für das Überleben einer Forschungseinheit. Sie markieren das wissenschaftliche Territorium, in dem sich die Gruppe bewegt.75 Die Besetzung eines Forschungsbereichs entspricht also dem, was David Whetten als »an organization’s self-determined (and ›self‹-defining) unique social space« bezeichnete.76 Darüber hinaus ist eine Identität notwendig für das Auftreten gegenüber potentiellen Geldgebern, als Versicherung, dass die Gruppe für die geplante Forschung auch tatsächlich die nötige Expertise mitbringt.77 Das Konzept »institutionelle Identitäten« in der Geschichtswissenschaft Wie also wird der Begriff »institutionelle Identitäten« in dieser Arbeit verwendet? Die DFS beziehungsweise das IPA war als außeruniversitäre Forschungseinrichtung mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen, technischem und administrativem Personal eingerichtet worden. Seit der Wiedergründung
Art kleiner Forschungsgruppen in Laboratorien. Wenn eine solche Research School kein eigenes »set of relatively simple, fast, and reliable experimental methods« aufbauen könne oder der Leiter der Gruppe sich entscheidet, ein Feld zu betreten, in dem bereits große Konkurrenz herrsche, würde dies die Chancen auf Erfolg sehr einschränken. Morell: »The Chemist Breeders«, S. 7. Mehr zu diesem Modell in den Beiträgen in Geison/Holmes (Hg.): »Research Schools. Historical Reappraisals«. 74 Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 25-26. 75 Mukerji: A Fragile Power, S. 132. 76 Whetten: »Albert and Whetten Revisited«, S. 220. 77 Vgl. dazu Mukerji: A Fragile Power, S. 132.
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1953 waren die Forschungsarbeiten in Gruppen organisiert, die sich jeweils einem Thema oder mehreren Themen und Projekten innerhalb einer übergreifenden Forschungsthematik annahmen. Das Institut kann also als eine Art große Forschungsgruppe, ähnlich derer wie sie Hackett und Mukerji untersuchten, definiert werden. Mukerjis und Hacketts Ansätze zusammen mit Albert und Whettens Konzept der organizational identity erlauben es, eine institutionelle Identität besser zu greifen und zu analysieren. 78 Sie bieten die Grundlage zur Definition von Identitäten, wie sie in der vorliegenden Arbeit analysiert werden. Der Begriff »institutionelle Identität« wird in dieser Arbeit nicht im Sinne einer Identifizierung von Personen mit dem Institut verstanden, sondern als »Signatur« des Instituts als kohärente Einheit. Es geht im Sinne von Albert und Whettens Konzept der CED-Attribute darum zu identifizieren, was das Kernprogramm der DFS beziehungsweise des IPA ausmachte, welche Aspekte über längere Zeit Teil des Forschungsprogrammes waren, wie sich das Institut von anderen Einrichtungen unterschied, was als »kategorischer Imperativ« verstanden werden kann, der den Rahmen dafür setzte, wie sich das Institut »innerhalb seines Charakters« verhielt, und wie sich dieser Rahmen und der Charakter über die Jahrzehnte hinweg veränderte. Des Weiteren wird ein Augenmerk darauf gelegt, welche Rolle Forschungstechnologien wie Flugzeuge und Radar bei der Bildung und Veränderung von institutioneller Identität spielten. Wie eine solche institutionelle Identität am IPA selbst verstanden werden kann, illustriert der Einstieg zum Strategiepapier des IPA von 2014: »Das DLR-Institut für Physik der Atmosphäre erforscht die Physik und die Chemie der globalen Atmosphäre vom Boden bis zum oberen Rand der mittleren Atmosphäre in etwa 120 km Höhe. Dabei ist es der Anspruch des Instituts mit seinen Arbeiten international wettbewerbsfähig und in Teilbereichen international führend zu sein. Als Institut des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt werden für das DLR relevante Fragen mit Atmosphärenbezug in den HGF-Programmen [der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren] Luftfahrt, Raumfahrt, Verkehr und Energie beantwortet. Dazu deckt das Institut das gesamte Methodenspektrum aus Sensorentwicklung, Beobachtungen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen (lokal bis global), Analyse, Theoriebildung sowie numerischer Modellierung ab. Mit Hilfe dieser Kompetenzen bearbeitet das Institut grundlagenorientierte und anwendungsrelevante Fragestellungen. Dabei kommt der grundlagenorientierten Vorlaufforschung eine hohe Bedeutung zu, da oftmals erst langfristige [sic] angelegte Grundlagenforschung die Realisierung einer bestimmten Anwendung ermög-
78 Brubaker/Cooper: »Beyond ›Identity‹«.
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licht. Darauf aufbauend ist [das] IPA kompetenter Ansprechpartner zu allen Fragen mit Atmosphärenrelevanz für DLR, Gesellschaft und Politik.«79
Dieses Leitbild beschreibt, welche Arbeiten am IPA gemacht werden, grenzt den Forschungsfokus ein, verortet die Einrichtung in der Forschungslandschaft, erwähnt verwendete Methoden und Instrumente und betont die darauf basierende Expertise sowie die (angestrebte) Funktion innerhalb des DLR und der Gesellschaft. Mit anderen Worten: Es grenzt sowohl den erforschten geographischen Raum wie auch den »sozialen Raum« des Instituts ab. Das Leitbild wurde im Rahmen einer Strategiediskussion formuliert, die den Beginn einer neuen Institutsleitung ab 2012 markierte. Ulrich Schumann (IPA-Direktor von 1982-2012) wurde von Markus Rapp als neuer Leiter abgelöst. Albert und Whetten weisen darauf hin, dass unter solchen »profound organisational circumstances« die Existenz der Organisation in der bisherigen Form infrage gestellt werden könne und sie daher in der Regel vermehrt eine (dokumentierte) Reflexion der Institutsidentität hervorbringen würden.80 Ob solche Dokumente auch überliefert werden, hängt dann von der Aufbewahrungspraxis der Organsiation ab. Auch in der hier behandelten Geschichte des IPA liefern solche Phasen wertvolle Hinweise auf die Identität beziehungsweise deren Veränderungen. Beispiele für solche Phasen des Übergangs wären die Zeit der Wiedereinrichtung der DFS 1953 bis 1954, inklusive der Zeit der Reorganisation und Umstrukturierung zweier DFSAbteilungen zum IPA (1961/62) sowie die Zeit der Neuorganisierung der DFVLR (1970er Jahre), als eine Diskussion um die Stellung des IPA innerhalb der DFVLR entbrannte. Diese beiden Phasen werden ausführlich beleuchtet und im Hinblick auf die Entwicklung der institutionellen Identität untersucht. Die Verwendung des Begriffs Identität in Bezug auf ein Institut wirft die Frage auf, wie von einem Institut als einem Akteur gesprochen werden kann, der Entscheidungen fällt, Forschung betreibt oder Mittel generiert. Ist es doch nicht das Institut selbst, sondern stets die darin versammelten Individuen, die Entscheidungen fällen oder wissenschaftliche Ergebnisse kommunizieren. Die britische Ethnologin Mary Douglas erklärte in ihrem Buch »How Institutions Think« von 1987, wie Emile Durkheim und seine Anhänger angefeindet worden waren, weil sie von Institutionen und sozialen Gruppen sprachen als seien dies Individuen: »The very idea of a suprapersonal cognitive system stirs a deep sense of
79 Wissenschaftliches Programm und Strategie des Instituts für Physik der Atmosphäre des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, 09.04.2014, S. 3. 80 Whetten: »Albert and Whetten Revisited«, S. 226.
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outrage.«81 Der Methodologische Individualismus, auf den sich auch die Neue Institutionenökonomik bezieht, geht ebenfalls davon aus, dass sich Kollektive nicht wie Einzelpersonen verhalten, sondern durch das Verhalten von Individuen agieren.82 Wenngleich Douglas zu bedenken gibt, dass Institutionen keine denkenden Individuen sind (»Of course institutions cannot have minds.«), plädiert sie dafür, Emile Durkheims utilitaristisches und Ludwik Flecks positivistisches Verständnis von Institutionen nicht per se zurückzuweisen.83 Douglas’ sozialanthropologische Arbeit analysiert detailliert die Beziehungen zwischen Individuen und Institutionen, beantwortet damit aber nicht, ob im Fall eines wissenschaftlichen Instituts von einem handelnden Akteur gesprochen werden kann. Wenngleich die Handlungsfähigkeit einer Institution nicht mit derjenigen eines Individuums gleichzusetzen ist, ist es jedoch üblich von Institutionen als handelnden Akteuren zu schreiben. So »bringt« das bayerische Wirtschaftsministerium etwas »in Erfahrung«, »verhandelt« das »Bundesministerium für Verkehr (BMV)« mit Baden-Württemberg und »setzt Hebel in Bewegung« 84, die MPG »setzt sich« mit ihrer Struktur »auseinander« oder »lehnt« etwas »ab«85, die NASA »beabsichtigt« bestimmte Forschung zu betreiben oder »erklärt sich« mit etwas »einverstanden«86. Die vorliegende Arbeit fokussiert auf die Identität eines Forschungsinstituts (nicht einer Institution). Mit der Annahme, dass ein Institut eine Identität hat, wird diesem folglich auch eine Handlungsfähigkeit beigemessen.87 Das Konzept von institutioneller Identität ist nicht identisch mit dem in den Unternehmenswissenschaften verwendeten Konzept der Corporate Identity einer Firma. Zwar liegt dem Begriff von Corporate Identity ein ähnliches Verständnis von einer Einrichtung als handelndem Akteur zugrunde, wie eben beschrieben. Allerdings bezieht er sich auf eine Art »Unternehmensphilosophie«, die für alle beteiligten Personen »evident« ist, selbst wenn sie nicht ausdrücklich formuliert
81 Douglas: How Institutions Think, S. x. 82 Siehe dazu Richter/Furubotn: Neue Institutionenökonomik, S. 3. 83 Ebd., S. 10-14. Siehe dazu auch Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 84 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 321. 85 Boenke: Entstehung und Entwicklung, S. 125-126. 86 Conway: Atmospheric Science at NASA, S. 32 und 34. 87 Im Falle der DFS beziehungsweise des IPA lässt die Quellenlage außerdem häufig nicht zu, dass Aussagen oder Entscheidungen bestimmten Personen zugewiesen werden können.
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sein sollte.88 Wissenschaftliche Forschungsinstitute sind jedoch anders als Firmen der freien Wirtschaft organisiert und unterliegen anderen Leistungs-, Organisations- und Finanzierungsstrukturen. Zudem hat das Konzept der Corporate Identity einen normativen Ansatz, der das Verhalten und die Entscheidungen von Personen im Unternehmen regelt. Man könnte auch von einer bewussten Identitätspolitik sprechen. Der Begriff »Corporate Identity« ist daher in diesem Zusammenhang nicht passend. Die Idee der institutionellen Identität zielt hingegen auf ein Verständnis einer Identität ab, die in einer Beziehung zur Institutsentwicklung steht und diese nicht nur steuert, sondern auch von ihr gesteuert wird. Eine institutionelle Identität bestimmt die Situierung eines Instituts in der politischen und wissenschaftlichen Landschaft und ist nicht unbedingt bewusst gesteuert und kommuniziert.
Q UELLENSITUATION Basis dieser Arbeit bilden bisher unausgewertete Quellenbestände aus dem zentralen Archiv des DLR am Standort Göttingen. Diese Dokumente tragen die Signatur »KPAR«, die sie im ehemaligem »Köln-Porz Archiv (KPAR)« erhielten. Daneben wurden Unterlagen verwendet, die in zwei Kellerräumen des IPAGebäudes in Oberpfaffenhofen lagern. Die Autorin hatte freien Zugang sowohl zum Archiv in Göttingen als auch zu den IPA-Kellerräumen. Daneben standen eingeschränkt auch Unterlagen aus der Privatsammlung von Manfred Reinhardt zur Verfügung.89 Hinzu kamen einzelne Bestände des »Bayerischen Hauptstaatsarchivs München (BayHStA)« und des »Bundesarchives in Koblenz (BAK)«. Zudem dienten Gespräche mit Zeitzeugen als Ergänzung zu den schriftlichen Dokumenten. Im Folgenden wird die Quellensituation detailliert erläutert. Quellenlage im DLR-Archiv Göttingen (KPAR-Signaturen) Die Dokumente, die am Standort Göttingen lagern, kamen laut Aussage der Archivarin Jessika Wichner in den 1980er Jahren ins damalige DFVLR-Archiv in Köln. Es sind hauptsächlich Unterlagen aus dem Fundus von Manfred Rein-
88 Birkigt/Stadler/Funck: Corporate Identity, S. 15-16. 89 Manfred Reinhardt war Leiter des IPA von 1974 bis 1991, ab 1982 zusammen mit Ulrich Schumann.
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hard, die dieser dem Historischen Archiv des DFVLR übergeben hat.90 Dabei wurden die Dokumente aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgenommen und neu zusammengestellt. 2010 kamen die Dokumente dann von Köln nach Göttingen in das neu eingerichtete DLR-Zentralarchiv. Die aktuelle Ordnung der Dokumente ist lediglich eine Übergangslösung. Die KPAR-Signaturen sollen in Zukunft neu erschlossen und mit AK-Signaturen, der heute einheitlichen Signatur des zentralen Archivs, versehen werden. Bis dahin sind die Unterlagen relativ unsystematisch in Boxen gepackt und nummeriert, nicht jedoch durchgehend geordnet im provisorischen Lagerraum des Archives deponiert. Konkret enthalten die Dossiers derzeit Forschungsberichte, Korrespondenzen, Quittungen, Aktennotizen, Skizzen, handschriftliche Notizen, Sitzungs- und Forschungsprotokolle. 91 Die Erschließung dieser Dokumente, die bisher noch nicht wissenschaftlich bearbeitet worden waren, bedeutete einen großen Arbeits- und Zeitaufwand.92 Quellensituation der Privatsammlung Reinhardt (REINH-Signaturen) Der Bestand der Privatsammlung von Manfred Reinhardt setzt sich aus einer großen Anzahl Dokumente zusammen, die Reinhardt von seiner aktiven Zeit bei der DFS an (ab 1956) bis zu seiner Pensionierung als IPA-Direktor (1991) sammelte und teilweise bei sich zuhause, teilweise verschlossen am Institut in Oberpfaffenhofen lagert. Es handelt sich dabei um Korrespondenz, Protokolle, Ge-
90 Dort wurden sie unter der Betreuung von Gebhard Aders (Stadtarchiv Köln), Peter Bruders (wissenschaftliches Sekretariat und bis Mitte der 1980er Jahre Archivar der DFVLR) und Klaus Dietrich rudimentär erfasst, umgeordnet und umgepackt. 91 Der Bestand an IPA-Archivalien misst etwa 73 Laufmeter, die aus ungefähr 800 Archivboxen bestehen. Die Signaturen sind in einem Onlinekatalog verzeichnet, wobei allerdings mehrere Boxen im Lagerraum nicht auffindbar sind. Aus den Dokumenten wurden in den 1980er Jahren die meisten Originalfotos entfernt und als KPAR-BSignaturen separat abgelegt. Diese befinden sich derzeit in einem anderen provisorischen Archivraum am Standort Göttingen. 92 Neben diesen zugänglichen Quellenbeständen lagern seit Kurzem auch Personalakten von ehemaligen Mitarbeitern des IPA im Archiv Göttingen. Diese sind derzeit nicht zugänglich, einerseits weil ein großer Teil davon noch unter die Schutzfrist fällt, andererseits weil dieser Personalaktenbestand noch gänzlich unerfasst und unsortiert in Kisten lagert. Somit ist zurzeit unklar, welche Personalakten überhaupt erhalten und welche verloren gegangen sind.
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sprächsnotizen, Forschungsberichte, Fotoalben, Zeitungsausschnitte und Vortragsmanuskripte. Die Sammlung Reinhardt ist nicht öffentlich zugänglich. Die hier verwendete Auswahl der Quellen aus dieser Privatsammlung erfolgte durch Reinhardt selbst. Auch diese Dokumente befanden sich nicht mehr im Originalzusammenhang, sondern sind teilweise mehrmals neu geordnet worden, was die historische Einordnung und Auswertung erschwerte. Viele davon sind undatiert und/oder unsigniert. Um auf die Quellen zu verweisen, wurden für diese Arbeit die Dokumenteneinheiten (Ordner, Stellordner, Mappen) mit der Signatur »REINH« mit fortlaufender Nummerierung versehen. Der zukünftige Verbleib dieser Quellen war im Frühling 2014 noch unklar.93 Das IPA-Kellerarchiv Ein weiterer Quellenbestand befindet sich am Standort des IPA in Oberpfaffenhofen. Dort gibt es ein »Archiv«, das aus zwei Kellerräumen mit Rollregalen besteht, in denen insgesamt 322 Laufmeter Akten aus den 1950er bis 2010er Jahren lagern. Sie sind nicht verzeichnet und ein Aufbewahrungsplan besteht nicht. Der Bestand ist sehr heterogen und enthält unter anderem »Tägliche Wetterberichte« (1936 bis 1944; 1957 bis 1994), »Berliner Wetterkarten« (1966 bis 1999), Sammlungen von Fachzeitschriften94, D(FV)LR-Programmbudgets (1978 bis 2003), DLR-interne Berichte ab 1972, Messtabellen von Radiosondenaufstiegen (1966 bis 1993), Protokolle von IPA-Fachbeiratssitzungen (1977 bis 1986), aber auch VHS- und DV-Kassetten mit Filmaufnahmen von Forschungsflügen und CDs mit Messdaten. Neben systematisch gesammelten Dokumenten (wie beispielsweise Reiseabrechnungen ab Mitte der 1980er Jahre oder Veröffentlichungen, die von 1959 bis 2012 am Institut entstanden sind), sind auch diverse Unterlagen von einzelnen Institutsangestellten und Projekten seit ungefähr den 1980er Jahren abgelegt. Während der Recherchearbeiten zu der vorliegenden Arbeit kamen neue Dokumente hinzu und wurden Teile des Bestands umgeordnet, was das Auswerten weiter erschwerte. Ein systematisches Verzeichnen und Auswerten dieser Bestände hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt. Daher wurden hauptsächlich die dort aufbewahrten gedruckten Quellen verwendet. Es handelt sich um sogenannte ;Tätigkeitsberichte« und »Ergebnis-
93 Es wird in Erwägung gezogen, die gesamte Privatsammlung Reinhardt in das DLRHauptarchiv in Göttingen zu überführen. 94 Unter anderem folgende Zeitschriften: »Beiträge zur Physik der Atmosphäre« von 1982 bis 1999, »Luft- und Raumfahrt« von 1973 bis 2000, »Meteorologische Mitteilungen« von 1979 bis 2003, »Promet« 1969 bis 2007.
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berichte«, die die Arbeiten des Instituts betreffen, sowie die »Jahresberichte« der DFVLR beziehungsweise DLR. Ab 1987 sind auch »Institutsberichte« respektive »Statusberichte/Status Reports« überliefert. Diese wurden alle sechs Jahre aus Anlass einer Institutsüberprüfung erstellt. Ferner enthält der Bestand Forschungsberichte, in denen die Ergebnisse der Forschungen am Institut seit 1956 publiziert wurden. 95 Im Folgenden wird die Form dieser Berichtsarten näher erläutert. Seit 1954 wurden jährlich Berichte zu Tätigkeiten, Ergebnissen und Forschungsplanungen von der DFS und dem IPA verfasst. Bis 1975 umfassten diese »Tätigkeitsberichte« detaillierte Angaben zu Forschungsprojekten, Zielen, Problemen und Entwicklungen der Institution im vorangegangenen Jahr. Sie enthalten allerdings keinerlei Angaben über Kosten oder Budgets. Ab 1975 vollzog sich eine Änderung des Konzepts dieser Berichte. Im Zuge der Reorganisierung der DFVLR erschienen nun »Ergebnisberichte«, in denen die Tätigkeiten der Einheitsgesellschaft »nicht mehr nach Gesichtspunkten der fachlichen Organisation, sondern in Analogie zum Forschungs- und Entwicklungsprogramm nach Schwerpunkten und Vorhaben geordnet« wurden.96 Um die Leistungen an den Zentren besser überprüfbar zu machen, wurden solche Ergebnisberichte auch an anderen Großforschungseinrichtungen eingeführt.97 Für das IPA bedeutete dies, dass seine Arbeiten nicht mehr gesondert angegeben wurden. Stattdessen führten diese Berichte die verschiedenen Projekte des DFVLR mit den daran beteiligten Instituten auf. Auf diese Weise machten sie deutlich, welche DFVLR-Institute jeweils an den Projekten beteiligt waren und unterstreichen so die Zusammenarbeit über Institutsgrenzen hinweg. Das IPA, als eines unter vielen Instituten, wird überall dort angeführt, wo es an Forschungsarbeiten beteiligt war. Welche Arbeiten es konkret zu diesen Projekten beitrug, ist daraus nicht mehr ersichtlich, ebenso wenig die Kostenverteilung. Dieses (neue) Konzept der Berichte spiegelt die neue Organisationsform auf der Ebene der DFVLR wider. 98 Das heißt, die ausführlichen Tätigkeitsberichte wurden abgelöst von den weniger detaillierten Ergebnisberichten. Ihr Zielpublikum waren »Bedarfsträger, Geldge-
95 Diese Forschungsberichte sind im Kellerarchiv am IPA in Oberpfaffenhofen relativ systematisch abgelegt, während die Forschungsanträge und Budgets nicht systematisch gesammelt wurden. 96 DFVLR Ergebnisbericht 1975, S. V. 97 Zum Beispiel 1971 an der KFA Jülich. Siehe Rusinek: Das Forschungszentrum, S. 750, sowie das Kapitel »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung« im vorliegenden Buch. 98 Siehe dazu auch das Kapitel »Von der DFS zum IPA«.
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ber und Nutzer« 99 , und damit Personengruppen, die von der Leistung der DFVLR überzeugt werden mussten. Probleme im Forschungsalltag wie zum Beispiel das zuvor immer wiederkehrende Thema des Mitarbeiter- oder Flugzeugmangels hatten in diesen Ergebnisberichten, die bis 1982 reichen, keinen Platz mehr. Neben den Tätigkeits- und Ergebnisberichten gibt es die »Jahresberichte« der DFVLR beziehungsweise des DLR. Sie sind an ein breiteres, öffentliches Publikum gerichtet und in einer allgemein verständlichen Sprache geschrieben. Sie enthalten keine Details der Institutsarbeiten, sondern es werden einzelne ausgewählte Projekte in kurzen Artikeln vorgestellt. Die Arbeiten des IPA werden darin nur vereinzelt erwähnt, es werden höchstens einzelne Zugpferde der Forschung vorgestellt. Spätestens ab 1987 gab es im Abstand von vier bis sechs Jahren Institutsüberprüfungen, für die am IPA jeweils ein Bericht über die Tätigkeiten verfasst und deren Ergebnisse in einem »Votum« festgehalten wurde; allerdings wurden diese Berichte und Voten sind nicht systematisch gesammelt. Quellen im »Bayerischen Hauptstaatsarchiv München« (BayHStA-Signaturen) Das Bayerische Hauptstaatsarchiv verfügt innerhalb des Bestands des Wirtschaftsministeriums (MWi) über eine umfangreiche Überlieferung zur Luftfahrtforschung in Deutschland. Der Bestand enthält auch einzelne Dossiers zur Wiedereinrichtung und Finanzierung der DFS. Darin sind vor allem Sitzungsprotokolle, Korrespondenzen, Anstellungsverträge und Satzungen enthalten sowie Unterlagen zur Klärung von Eigentumsverhältnissen und zur Wiederbeschaffung des DFS-Vermögens nach dem Zweiten Weltkrieg. Darüber hinaus sind Dokumente zur Fusion der FFM mit der DVL/DFVLR überliefert. Mehrere dieser die DFS und die FFM betreffenden Dokumente des MWi-Bestandes befinden sich auch im DLR-Archiv. Neben diesen Unterlagen enthält die Aktengruppe zur Luftfahrtforschung hauptsächlich Dokumente, die die Beziehungen des Wirtschaftsministeriums zur DFVLR dokumentieren. Das IPA als Institut innerhalb dieser Einheitsgesellschaft tritt in dieser Überlieferung nur wenig in Erscheinung.100
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DFVLR Ergebnisbericht 1975, S. V.
100 Der Bestand des Finanzministeriums (FM) enthält keine Hinweise zur DFS, FFM oder zum IPA direkt.
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Fazit Quellenlage Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Überlieferung im DLR-Archiv bis Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre zwar sehr unsystematisch, aber in gewissen Themenbereichen umfangreich ist. Für die jüngere Zeit stellt sich die Quellensituation problematischer dar. Unterlagen kamen nur spärlich ins Hauptarchiv in Göttingen und gingen teilweise in erheblichem Umfang verloren. Einige davon gingen in das IPA-Kellerarchiv, das allerdings kaum Ersatz für das professionell geführte DLR-Archiv bietet, da es keine spezifische Ordnung aufweist und die Aufbewahrungskriterien bis auf gewisse Dokumentenarten wie beispielsweise Reiseabrechnungen willkürlich sind. An dieser Quellensituation lassen sich gewisse Entwicklungen des Instituts selbst ablesen. Bis 1960/62 existierte die DFS/FFM als eigenständiges Institut, dessen schriftliche Unterlagen die drei Abteilungsleiter sammelten und ablegten. Danach übernahm Hans Gerhard Müller die Leitung des Instituts als IPA. Müller war wenige Jahre zuvor vom DWD an die DFS gekommen und nahm vom DWD neben einigen Forschungsthemen auch die Aktenablageordnung einer staatlichen Behörde mit. Mit Aktenzeichen versehen legte er vor Ort sämtliche Unterlagen geordnet ab. 101 Nach seinem Abtreten als Direktor Ende 1972 übernahmen Heinz Fortak und Manfred Reinhard die Institutsleitung in einer Zeit, in der die DFVLR in einer Phase tiefgreifender Umstrukturierungen steckte. In den darauf folgenden Jahren erlebte im Rahmen dieser Restrukturierungen auch das IPA unstete Zeiten. In der Quellenüberlieferung schlug sich dies in einem Fehlen systematischer Ablage am Institut selbst nieder, wenngleich an der umfangreichen und teilweise mehrfachen Überlieferung zu erkennen ist, dass kaum etwas vernichtet wurde. Mit dem Generationenwechsel an der Spitze des IPA (einsetzend 1982 mit der Berufung von Ulrich Schumann), kam ein Teil der Akten in ungeordnetem Zustand vom Institut in das D(FV)LR-Archiv, das sich damals noch in Köln befand und später in Göttingen eingerichtet wurde. Danach lässt sich keine bewusste Aktenablage mehr nachweisen. Die Dokumentation von Forschungsprojekten, Verhandlungen oder Entscheidungsprozessen hatte an Wert verloren im Vergleich zur Bedeutung, die den aktuellen Forschungsergebnissen beigemessen wurde. Dies steht nicht zuletzt im Einklang damit, was auch Helmuth Trischler und Rüdiger vom Bruch bei ihrer Arbeit zur Geschichte der Fraunhofer-Gesellschaft feststellten: »Historische Prozesse haben ihre Eigendynamik, und die daraus resultierenden Ergebnisse sind im Kurzzeitgedächtnis gegenwarts- und zu-
101 Diese kamen in den 1980er Jahren in anderer Ordnung als der ursprünglichen an das Archiv in Göttingen (siehe oben).
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kunftsorientierter Unternehmungen kaum gespeichert und werden insgesamt kaum für speicherungswürdig gehalten.« 102 Grundsätzlich ist die Quellenlage vieler Arbeiten zur Wissenschaftsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg problematisch, da es einerseits ein Mangel an Überlieferung in den Archiven gibt, andererseits eine Flut von Dokumenten außerhalb der Archive, welche aber nicht unbedingt zugänglich sind. E-Mails und andere elektronische Dokumente sind kaum archiviert. Zudem befindet sich der Großteil der historischen Quellen oft noch in den wissenschaftlichen Einrichtungen oder bei den einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selber und ist damit nicht öffentlich zugänglich.103
AUFBAU
DER
ARBEIT
Die Entwicklung der institutionellen Identität an der DFS und am IPA wird anhand von vier Fallbeispielen analysiert, die »Fenster« in die Geschichte des Instituts öffnen. Nach einer Einleitung in die Geschichte des Instituts (Kapitel »Von der DFS zum IPA«), in dem es hauptsächlich um Personen und Strukturen der Einrichtung geht, steht als erstes solches »Fenster« die Messung künstlicher Radioaktivität als Forschungsbereich, der die Erweiterung der Forschungsagenda veranschaulicht. Schon in den ersten Jahren der Existenz der Nachkriegs-DFS wurde die Messung von Fallout am Institut zum Thema gemacht. In dem Bestreben die Forschungsansätze zu diversifizieren, entwickelte sich das Thema bald zu einem Hauptprojekt des Instituts. Das Fliegen und das Flugzeug selbst änder-
102 Trischler/vom Bruch: Forschung für den Markt, S. 11. 103 Siehe dazu Söderqvist (Hg.): The Historiography of Contemporary Science. Für jede geschichtswissenschaftliche Arbeit stellt sich das Problem der Überlieferung: Welche Dokumente Historikerinnen und Historikern zur Verfügung stehen, ist immer beeinflusst von den Interessen und dem Geschichtsverständnis der Organisationen und Personen, die über die Überlieferung entscheiden. Im Fall der Geschichte des IPA lag diese Entscheidungshoheit zunächst bei den Wissenschaftlern selber, dann bei den Institutsleitern sowie schließlich beim Archiv der D(FV)LR. Durch die Aufbewahrung, Zugänglichkeit und Vernichtung von Dokumenten wird die historische Überlieferung somit stets beeinflusst. Mehr zu dieser Problematik in der Wissenschaftsgeschichte und des »living scientist syndrome« unter anderem bei Hounshell: »Interpreting the History of Industrial Research«; Hughes: »Whigs, Prigs and Politics«; Söderqvist/Hughes: »Why is it so difficult«; zum Thema auch: Bowker: Memory Practices in the Sciences.
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ten dabei ihren Status vom Forschungsobjekt hin zu einem Forschungsinstrument. Anhand dieses Beispiels wird im Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre« gezeigt, wie die institutionelle Kernidentität in den 1950er und 1960er Jahren stark geprägt war vom Segelflug und wie sie sich mit der wachsenden Anzahl neuer Forschungsthemen diversifizierte. Das darauf folgende Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff« beschäftigt sich mit der Beschaffung des neuen Forschungsflugzeuges »Falcon 20 E« ab den frühen 1970er Jahren. Darin geht es einerseits um grundsätzliche Überlegungen zum Flugzeug als Forschungsinstrument und andererseits darum, welche Rolle ein solches Großforschungsinstrument am IPA spielte, wie im Beschaffungsprozess argumentiert wurde, auf welche Weise sich dieses Flugzeug zu einem Aushängeschild des Instituts entwickelte und wie dies auf die Identität des IPA innerhalb der DFVLR verweist. Ein drittes »Fenster« gibt den Blick frei auf die Arbeiten zur Wetterbeeinflussung. Projekte zur Nebelauflösung und Hagelbekämpfung waren seit Ende der 1950er Jahren ein Thema an der DFS und blieben unberührt von den Umstrukturierungen um 1960 herum, als die DFS in die FFM umgewandelt wurde und kurz darauf das IPA daraus hervorging. Somit stellten die Arbeiten zur Wetterbeeinflussung eine Kontinuität in der Forschungsagenda der sich wandelnden Einrichtung dar. Außerdem zeigt sich daran, wie sich das Institut nach ausländischen, insbesondere US-amerikanischen Techniken richtete, um mit dem internationalen Forschungsstandard mitzuhalten. Das Beispiel macht zugleich deutlich, wie das Institut im Ausland entwickelte Dual-use-Techniken auf die Bedürfnisse der Region Oberbayern anpasste, wo das Institut geographisch angesiedelt ist. Im letzten Kapitel »Radar an Deck und auf dem Dach« geht es um eine weitere Forschungstechnologie, dem Radar allgemein und dem Polarisations Doppler Radar »Poldirad« im Besonderen. Radargeräte zur Wetterforschung standen schon ab den 1950er Jahren an der DFS im Einsatz. Während der Expeditionen mit dem Forschungsschiff (FS) »Meteor II« ab 1964 gelang es dem IPA, sich international einen Namen in der Radarforschung auf Schiffen zu machen. Die Anschaffung des Poldirad 20 Jahre später verhalf dem Institut zu einer Erneuerung dieses Renommees. Das Poldirad wurde unter anderem für die Hagelforschung angeschafft und kam 1986 auf das Dach des Institutsgebäudes. Dort wurde es, weitherum sichtbar, zu einem weiteren Aushängeschild und Identifikationsobjekt des Instituts. Auch war es zum Zeitpunkt seiner Beschaffung ein weltweit einzigartiges Gerät. Dieses Alleinstellungsmerkmal verhalf es dem IPA zu internationaler Sichtbarkeit und eröffnete zugleich neue Forschungsbereiche.
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Diese vier »Fenster« in die Institutsgeschichte sind keineswegs erschöpfend. Die Auswahl begründet sich zu einem Teil in der Quellenlage, aber auch im Potential der Beispiele, einen Blick über die spezifische Institutsgeschichte hinaus zuzulassen, um damit allgemeinere Erkenntnisse zur Geschichte der Atmosphärenwissenschaften sowie der Rolle institutioneller Identitäten zu gewinnen. Wie an verschiedenen Stellen der Arbeit angemerkt, gäbe es auch andere beziehungsweise weitere Forschungsthemen, Methoden und Instrumente, anhand derer sich die institutionelle Identität des IPA analysieren ließe. Das Öffnen weiterer solcher »Fenster« würde noch mehr Licht in die Geschichte des Instituts bringen. Was das Wesen und die Funktion institutioneller Identität am IPA betrifft, ist jedoch anzunehmen, dass die grundsätzlichen Schlüsse dieselben blieben dürften. Die hier ausgewählten Themenkomplexe – Fallout, Falcon, Wetterbeeinflussung und Radar – beschreiben zudem keine in sich abgeschlossenen Bereiche, sondern sind miteinander verknüpft. Als eine Konstante zieht sich das Fliegen als Motiv durch alle Themen hindurch. Fliegen erweist sich als das grundlegendste »Attribut« der institutionellen Identität und folglich auch als eine in dieser Arbeit stets wiederkehrende Thematik. Im Anhang finden sich zwei Tabellen, die als Hilfsinstrument für diese Arbeit entstanden sind, sowie ein Abkürzungsverzeichnis. Die erste Liste ist eine Namensliste, in der Daten und Eckpunkte der Lebensläufe von Personen aufgeführt sind, die in irgendeiner Weise im Rahmen der Auseinandersetzung mit der IPA-Geschichte aufgetaucht sind. Die zweite Tabelle stellt eine Institutschronologie dar, in der Notizen zur Institutsleitung, zu Strukturveränderungen, Forschungsthemen, zur Instrumentenentwicklung und so weiter zusammengetragen wurden.104
104 Die Daten für diese beiden Tabellen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Von der DFS zum IPA: Themen, Organisation und Akteure von 1933 bis 1991
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Geschichte des Instituts und dient als Orientierungsrahmen für die folgenden Kapitel. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der organisatorischen und, in groben Zügen, der thematischen Veränderungen sowie den Wechseln in der Institutsleitung. Es werden politische oder wirtschaftliche Kontexte einführend thematisiert und auf die entsprechenden Kapitel verwiesen, in denen sie ausführlicher dargestellt werden. Die Namen beziehungsweise die Namensänderungen der hier untersuchten Einrichtung – »Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug«, »Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt München« und »Institut für Physik der Atmosphäre« – veranschaulichen die enge Beziehung, die die Flugforschung mit der Atmosphärenforschung verband. Unter der Bezeichnung »wissenschaftliche Luftschifffahrt« kam die meteorologische Erforschung der freien Atmosphäre in Deutschland zuerst in den 1880er Jahren in Gang. 1906 wurde dafür der Begriff »Aerologie« gebräuchlich.1 Mit der Einführung von Flugzeugen nach dem Schwererals-Luft-Prinzip2 und dem nachfolgend zunehmenden Luftverkehr, gewann die meteorologische Forschung schließlich neue Relevanz. Wichtig wurde nun die Atmosphäre als Verkehrsraum, deren Erforschung zur »infrastrukturellen Er-
1
Höhler: »Psychometer, Variometer, Barograph«, S. 334, Fußnote 3.
2
Es gibt zwei Prinzipien, wie sich Luftfahrtzeuge in der Luft bewegen können. »Leichter-als-Luft« bezeichnet das Prinzip, bei dem das Luftfahrzeug eine geringere Dichte als die Umgebungsluft aufweist und deshalb aufsteigt. Beispiele dafür sind Zeppeline, Helium- oder Heißluftballons. Nach dem »Schwerer-als-Luft«-Prinzip fliegen Luftfahrzeuge, die eine höhere Dichte als die Luft aufweisen und daher einen Auftrieb benötigen (zum Beispiel durch die Luftströmungen, die beim Fliegen entstehen). Motor-, Segelflugzeuge oder Hubschrauber fliegen auf diese Weise.
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schließung des Landes« beitragen sollte.3 Dies lässt sich beispielsweise daran ablesen, dass der DWD dem BMV untergeordnet wurde und das BMV auch einer der wichtigsten Auftraggeber für die DFS und das IPA war. Atmosphärenwissenschaften bezeichnen üblicherweise diejenigen Wissenschaften, die sich mit den physikalischen und chemischen Phänomenen der Atmosphäre beschäftigen. Dabei handelt es sich in der Regel um die Atmosphäre der Erde, wobei jedoch auch die Atmosphären von anderen Planeten erforscht werden können. Als »Atmosphäre« definierte die »Encyclopedia of Atmospheric Sciences« 1967 »the blanket of air, water vapor, and suspended material surrounding the earth […] usually noticed when in uncommon condition and easily overlooked at other times«.4 Heute ergänzen Fachbücher, dass diese Atmosphäre aus einer Mischung verschiedener Gase – hauptsächlich aus Stickstoff und Sauerstoff – besteht und mit zunehmender Höhe in Richtung Weltall ausfranst. Das macht es schwierig, eine Mächtigkeit zu beziffern. Unterteilt werden grob drei Schichten: Die untere Atmosphäre bis in etwa 20 Kilometer Höhe, die mittlere bis 50 Kilometer Höhe und darüber die obere Atmosphäre.5 Wird der vertikale Verlauf der Temperatur zudem als maßgebender Faktor betrachtet, kann die Atmosphäre in fünf Schichten unterteilt werden: Die Troposphäre, in der die Temperatur mit zunehmender Höhe abnimmt (bis in ca. 15 Kilometer Höhe); die Stratosphäre, in der die Temperatur wieder langsam ansteigt (in ca. 15 bis 50 Kilometer Höhe); wieder sinkende Temperaturen in der Mesosphäre (ca. 50 bis 80 Kilometer Höhe); die Thermosphäre mit erneut steigenden Temperaturen (bis in eine Höhe von ungefähr 800 Kilometer); und darüber die Exosphäre mit Temperaturen von über 1000 Grad Celsius.6 Das Wetter spielt sich in der unteren Atmosphäre bis ungefähr 25 Kilometer Höhe ab, was etwa der Troposphäre entspricht. Die Meteorologie, die diese Vorgänge untersucht, spielt daher innerhalb der Atmosphärenwissenschaften eine entscheidende Rolle. Die Chemie, Physik und Dynamik der Atmosphäre sind klassischerweise ebenfalls Teil der Atmosphärenwissenschaften.7 Die Atmosphäre selbst entzieht sich allerdings einer direkten visuellen Erfassung; sie ist in einem alltäglichen Sinne unsichtbar. Ihre Sichtbarmachung war somit stets eine Repräsentation als Untersuchungsobjekt und Raum mittels graphischer Darstellungen, Daten oder Gleichungen (als Beispiel siehe Abbildung 1).
3
Lundgreen et al.: Staatliche Forschung in Deutschland, S. 161.
4
Deland: »Atmosphere«, S. 61.
5
Saha: The Earth’s Atmosphere, S. 10-11.
6
Siehe dazu unter anderem Kraus: Die Atmosphäre der Erde, S. 137-143.
7
Spar: »Atmospheric Sciences«, S. 93.
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Abbildung 1: Vertikale Süd-Nord-Darstellung der Atmosphäre vom 23. September 2010: Potentielle Temperatur (schwarze Linien), horizontale Windgeschwindigkeit (farbige Flächen) und dynamische Tropopause (graue Linien)
Quelle: Andreas Schäfler, DLR
D IE »D EUTSCHE F ORSCHUNGSANSTALT (DFS)« VOR 1945
FÜR
S EGELFLUG
Obwohl das IPA erst 1961/62 eingerichtet wurde, begann seine eigentliche Geschichte bereits früher. Nach dem Ersten Weltkrieg verhingen die EntenteMächte im Deutschen Reich ein Bauverbot für Luftfahrzeuge. Dies war ein harter Schlag für die deutsche Luftfahrtgemeinschaft und diese versuchte deshalb auch, das Verbot wann immer möglich zu umgehen. Die Überwachungskommandos zu hintergehen galt bald als »nationale Heldentat«. Allerdings führte dies wiederum zu immer strengeren Verboten der Alliierten. Dabei bezogen sich die Restriktionen auf den Motorflug, der Segelflug hingegen wurde im Verbot nicht explizit erwähnt, sodass hier ein gewisser Interpretationsspielraum bestand, den die deutsche Luftfahrt zu ihren Gunsten auslegte. Durch den Fokus auf den Segelflug konnte die DFS also weiterhin ohne Sanktionen aerodynamische Forschung und Flugsport betreiben.8 Um 1920 herum bildeten sich an den deutschen Hochschulen Akademische Fliegergruppen, die »Akafliegs«, die es den Studenten ermöglichten, Flugforschung zu betreiben. 1924 gründete der deutsche Ingenieur Oskar Urbinus
8
Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 135.
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(1878-1952) die »Rhön-Rossitten-Gesellschaft«. Urbinus hatte bereits vorher Segelflugwettbewerbe auf der Wasserkuppe in Hessen organisiert. Der Berg mit einer Gipfelhöhe von fast 1000 Metern über Meer bot günstige Bedingungen, um von dort mit den Segelfliegern zu starten. Diese Flugwettbewerbe gewannen innerhalb der Segelfluggemeinschaft schnell hohes Ansehen. Unter den Teilnehmern befanden sich aktuelle und zukünftige Größen der Segelflugs und der Flugforschung wie Ludwig Prantl, Theodore von Kármán, Ernst Lippisch oder Willy Messerschmitt. Bei diesen Anlässen begegneten sie Fliegerhelden aus dem Ersten Weltkrieg und bedeutenden Politiker. Sie alle verband ein Zugehörigkeitsgefühl zu dieser verschworenen Gemeinschaft, in der sie fliegerische Heldentaten vollbringen und rezipieren konnten.9 Wie im Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Amtosphäre« gezeigt wird, überdauerte dieses Gemeinschaftsgefühl Jahrzehnte und entfaltete seine Kraft auch in der Wiedereinrichtung der DFS 1953 und darüber hinaus. Beim Segelfliegen wurden nach dem Schwerer-als-Luft-Prinzip Aufwinde genutzt, um mit dem Flugzeug an Höhe zu gewinnen. Meteorologische Phänomene wie Winde, Turbulenz und Aerodynamik waren dabei von elementarer Bedeutung. Doch die geographische Reichweite der Segelflieger blieb auf diese Weise begrenzt. Die Erforschung dieser Phänomene sollte daher dazu beitragen, den deutschen Segelflug noch leistungsfähiger zu machen. Der Meteorologe Walter Georgii wünschte sich dafür ein neues Institut, das ausdrücklich die atmosphärischen Bedingungen des Segelfluges sowie die Konstruktion von Segelflugzeugen erforschte und sich zudem um eine systematische Flugausbildung kümmerte. 10 Urbinus Gründung der Rhön-Rossitten-Gesellschaft kam diesen Forderungen nach: »the necessary union between meteorology and aeronautics«.11 Walter Georgii löste Oskar Urbinus bald als Leiter ab und blieb auch nach der Machtergreifung der Nationalsozialistischen Partei 1933 dessen Direktor.12 Im gleichen Jahr wurde sie in das »Deutsche Forschungsinstitut für Segelflug« umgewandelt, welches noch vor Kriegsausbruch in »Forschungsanstalt für Se-
9
Ebd., S. 137.
10 Ebd., S. 139. 11 O.V.: »Veröffentlichungen des Forschungs-Instituts der Rhön-Rossitten-Gesellschaft I, Jahrbuch 1926/27«, S. 283. 12 Mehr zu Georgiis Situation während der »Dritten Reiches« siehe Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 224-225.
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gelflug (DFS)« umbenannt wurde.13 Im Zuge der Kriegsmobilmachung sollte die Infrastruktur der deutschen Segelflugforschung auch für militärische Zwecke eingesetzt werden. So dienten auch die an der DFS gewonnenen Forschungsergebnisse der (Luft-)Rüstungsforschung – darunter auch Arbeiten zu ferngesteuerten Bomben. Bis zum Kriegsbeginn stieg dabei die Zahl der Mitarbeiter an der DFS zunächst von 20 auf über 500 und erreichte 1945 ungefähr 1200.14
D IE DFS NACH DEM Z WEITEN W ELTKRIEG , 1953 BIS 1960 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lösten die alliierten Besatzungsmächte viele wissenschaftliche Institute in Deutschland auf, konfiszierten Instrumente, Forschungsergebnisse und Wissen – nicht zuletzt auch in Form der Wissenschaftler als Personen selbst. Die amerikanischen und britischen Truppen führten zu diesem Zweck in den vorrückenden Heereseinheiten spezielle Aufklärungsgruppen, die bei der Besetzung Deutschlands wichtige Dokumente, Instrumente, Wissenschaftler und Techniker identifizieren sollten. Sie befragten die Forscher eingehend zum deutschen Forschungsstand, beziehungsweise stellten sie in den eigenen Dienst. Dies galt vor allem für den militärisch relevanten Bereich, zu dem auch die Luftfahrtforschung inklusive DFS gehörte. Somit wurde die Luftfahrtforschung in Deutschland nach der Ausschaltung jüdischer Wissenschaftler ab den 1930er Jahren »nochmals eines Gutteils ihrer intellektuellen Kapazität beraubt«.15 Walter Georgii verließ Deutschland und ging erst nach Frankreich und 1946 nach Argentinien.16 Nach Verhandlungen, wie mit der deutschen Forschung umzugehen sei, einigten sich die Alliierten am 29. April 1946 auf das Kontrollratsgesetz Nr. 25. Damit war militärische Forschung in Deutschland grundsätzlich verboten. Unter das Verbot fielen auch weite Teile der Luftfahrt-
13 Die DFS der Vorkriegszeit bestand aus fünf Instituten: Flugtechnisches Institut, Institut für Flugausrüstung, Institut für Flugmechanik, Institut für Flugversuche und ein Institut für Physik der Atmosphäre. Georgii: Beitrag zur Geschichte der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 15-16. 14 Ebd., S. 16 und 22; Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 225. 15 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 289. Für eine globale Herangehensweise an die deutsche Wissenschaftsemigration nach dem Zweiten Weltkrieg siehe Neufeld: »The Nazi Aerospace Exodus«. 16 Zu den Hintergründen der Emigration deutscher Wissenschaftler nach Argentinien siehe Stanley: Rüstungsmodernisierung durch Wissenschaftsmigration?
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forschung und der Aerodynamik. Die wissenschaftlichen Institute mussten regelmäßig der entsprechenden Besatzungsmacht Bericht erstatten, um von diesen die Erlaubnis zu erhalten, weiterarbeiten zu dürfen.17 Diese schwierigen Bedingungen mögen der Grund gewesen sein, weshalb Otto Fuchs noch 1958 das Ende des Zweiten Weltkrieges offen als »unglücklichen Ausgang« beurteilte.18 Wiedereinrichtung der DFS 1953 Bayern gehörte zum Besatzungsgebiet der amerikanischen Armee, die die DFS 1945 auflösten. Ähnlich erging es der »Aerodynamischen Versuchsanstalt (AVA)« in Göttingen, das britisches Besatzungsterritorium war, sowie der DVL in Berlin unter russischen Besatzungstruppen. Alle mussten ihre Arbeiten vorerst einstellen. Die DVL verlagerte einige Außenstellen nach Bayern, wo die USMilitärregierung 1947 bestätigte, dass die als Verein organisierte Einrichtung nicht aufgelöst würde. Bis sie ihre Arbeit wieder aufnehmen konnte, dauerte es allerdings noch mehrere Jahre, da die Alliierten das Vereinsvermögen kontrollierten und die Luftfahrtforschung weiterhin durch das Kontrollratsgesetzt eingeschränkt war. 19 Als 1951 zunächst das Zulassungsverbot für Segelflugzeuge aufgehoben wurde, hatten sich verschiedene Gruppen zur Erforschung des Segelfluges wieder zusammengefunden.20 Die Akafliegs erhielten Forschungsaufträge vom Bundesverkehrsministerium und den Ländern, und erfüllten gleichzeitig den Auftrag, den Nachwuchs auszubilden.21 Das Bundesverkehrsministerium und die bayerische Staatsregierung hatten jedoch bei der Unterstützung von Neuund Wiedergründungen außeruniversitärer Flugforschungsinstitute unterschiedliche Interessen. Während auf Bundesebene eine Zentralisierung der Luftforschung angestrebt wurde, um die kostenintensive Forschung möglichst effizient finanzieren zu können, sah sich die bayerische Regierung in Konkurrenz zu Nordrhein-Westfalen und strebte nach einem möglichst starken Ausbau der Forschungsinfrastrukturen auf eigenem Territorium.22 Mit dem »Gesetz über den Deutschen Wetterdienst« wurden am 11. November 1952 die zersplitterten Land- und Zonenwetterdienste in Westdeutschland in
17 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 289-290. 18 Fuchs: »Walter Georgii 70 Jahre«. 19 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 290-306. 20 Zum Beispiel das Institut für Segelflugforschung (Freiburg) oder die Deutsche Forschungsgruppe für Alpensegelflug Ebd., S. 321. 21 O.V.: »Forschung auf dem Gebiet der Luftfahrt. Lage und Ausbaunotwendigkeiten«. 22 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 320-321.
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eine einzige Organisation, den DWD, überführt. Der DWD, dem Verkehrsministerium untergeordnet, war von da an der BRD und dem Land Berlin unterstellt, um deren Bedürfnisse nach meteorologischen Daten und Wissen nachzukommen. Der DWD war gesetzlich verpflichtet, meteorologische Forschung zu betreiben und seine Erkenntnisse insbesondere den Bereichen Verkehr, Land- und Forstwirtschaft, Gewerbe, Bau- und Gesundheitswesen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sollte mit diesen Daten auch die Sicherung der See- und Luftfahrt verbessert werden. Der DWD betrieb dafür unter anderem Wetter- und Flugwetterwarten, Wetterstationen, agrarmeteorologische Beratungsstellen sowie aerologische Stationen für den Höhenwetterdienst, wo auch mehrmals täglich Radiosonden Daten sammelten und Radargeräte Höhenwind maßen.23 Im Spätsommer 1953 berief Otto Fuchs, ehemaliges Mitglied der DFS und Vorstandsmitglied der DVL, eine Mitgliederversammlung ein mit dm Ziel, die DFS wieder einzurichten.24 Seiner Einladung folgten Vertreter der Bundesanstalt für Flugsicherung, des DWD, des »Aero Clubs«, der »Gesellschaft zur Förderung der Segelflugforschung«, der »Alpenseglerfluggruppe München«, der »Technischen Hochschule Darmstadt«, der »Technischen Universität (TU) Berlin« sowie der Bundesministerien und der Länder Bayern und Hessen. Dazu kam der »Bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus«. Von den ehemaligen Vereinsmitgliedern waren neben Otto Fuchs noch zwei weitere anwesend. Alle anderen seien verstorben oder im Ausland, hielt das Protokoll fest. Die Versammlung am 25. August beschloss, die DFS als Verein wiederzubeleben und wählte Harald Koschmieder von der TU Berlin als »wissenschaftlichen Leiter« und Otto Fuchs als »technischen Leiter« in den Vorstand.25 In dieser Kombination war absichtlich sowohl die Grundlagen- wie die angewandte Forschung im Vorstand vertreten. Denn neben den flugmeteorologischen Untersuchungen sollte der Konstruktion von (Segel-)Flugzeugen ein hoher Stellenwert eingeräumt werden, da »damit an die Tradition der [alten] DFS unmittelbar angeknüpft« würde. Den Vorteil dieser Kombination sahen Koschmieder und Fuchs darin, dass auf diese Weise Arbeiten übernommen werden konnten, »die von
23 25 Jahre Deutscher Wetterdienst 1952-1977, S. 5-6 und 10. 24 Brief von Otto Fuchs an das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, 10.08.1953 (BayHStA MWi 12847). 25 Popp: Betreff Mitgliederversammlung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug in Darmstatt, 25.08.1953, 27.08.1953 (BayHStA MWi 12847).
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anderen Forschungsstellen nicht wahrgenommen« würden, wie zum Beispiel die Flugausbildung von jungen Wissenschaftlern.26 Während der DWD als eine nationale Institution mit Regierungsauftrag eingerichtet worden war,27 fehlte der DFS ein vergleichbarer amtlicher Charakter. Sie war als Verein organisiert, ihre Ausrichtung und Existenzberechtigung war nicht staatlich festgelegt. Ihr Überleben musste die DFS mit anderen Mitteln sichern. Im Verlauf der Sitzung versuchte daher Otto Fuchs die Behördenvertreter zu überzeugen, der DFS als Vereinsmitglied beizutreten, »weil die Bereitstellung von Mitteln zur Durchführung der Aufgaben des Vereins gerade von die[ser] Seite erwartet wird, ähnlich, wie früher vom Reichsminister der Luftfahrt«.28 Der Verein war auf Gelder von Ministerien angewiesen, vom Vereinsvermögen war nicht mehr viel übriggeblieben. Nach der Umrechnung und Abwertung der Reichsmark in Deutsche Mark (DM), mit Wertpapieren, der Bibliothek, die in der Zwischenzeit vom DWD verwaltet wurde, und ein paar »Baracken« in Ainring bei Bad Reichenhall29 schätzte der Vorstand das Vereinsvermögen auf etwa 70.000 bis 80.000 DM.30 Der gesamte Wagenpark von 24 Fahrzeugen, die Schreib- und Rechenmaschinen, die Forschungsinstrumente und Büroeinrichtungen sowie sämtliches übriges Material war bei Kriegsende verloren gegangen. 31 Schließlich stellte das BMV 150.000 DM für das Jahr 1953 bereit. Das Land Bayern sollte für die Betriebskosten für den Rest des Jahres 40.000 DM und für die kommenden Jahre je 80.000 bis 100.000 DM beisteuern. Zudem sagte das Finanzministerium zu, die DFS mit jährlich 80.000 DM zu
26 Protokoll der Hauptversammlung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug 25.08.1953 in Darmstadt, von Otto Fuchs/Harald Koschmieder, 03.09.1953 (BayHStA MWi 12847). 27 25 Jahre Deutscher Wetterdienst 1952-1977, S. 5. 28 Betreff Mitgliederversammlung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug in Darmstatt, 25.08.1953, von Popp, 27.08.1953 (BayHStA MWi 12847). 29 Die DFS hatte gegen Ende des Zweiten Weltkrieges die Arbeiten von Darmstadt ins bayerische Ainring verlegt, da sie vermutete, dort weniger den Luftangriffen ausgeliefert zu sein. Interview mit Manfred Reinhardt, 14.08.2012; Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 312. 30 Betreff Mitgliederversammlung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug in Darmstatt, 25.08.1953, von Popp, 27.08.1953 (BayHStA MWi 12847) 31 Protokoll der Hauptversammlung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug 25.08.1953 in Darmstadt, von Otto Fuchs/Harald Koschmieder, 03.09.1953 (BayHStA MWi 12847)
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unterstützen.32 Im Frühling 1954 konnte die DFS somit ihre Arbeiten mit einem Jahresbudget von ungefähr 300.000 DM aufnehmen. Organisation der DFS Die DFS bezog mit 22 Mitarbeitern Räumlichkeiten am Flughafen MünchenRiem und nahm am 1. April 1954 ihre Arbeit auf.33 Der Standort war nicht zufällig gewählt. Die Region in Bayern galt durch die Voralpenlage als besonders geeignet für flugmeteorologische Untersuchungen. Die Wiedereinrichtung der DFS in München kam zudem auch der Regierung des Landes Bayern sowie der Bundesregierung entgegen. Bayern konnte damit im Wettstreit mit anderen Bundesländern eine weitere wissenschaftliche Institution im Land verbuchen. Auf Bundesebene ging es währenddessen um Souveränität: So, stellt Trischler fest, »ließ sich über den Segelflug, wie bereits in den frühen 1920er Jahren, der Verlust an nationaler Selbstbestimmung teilweise ausgleichen«.34 Die DFS war eines der vom BMV durch Forschungsaufträge meistgeförderten Luftfahrtforschungsinstitute.35 In ihrem ersten Jahr bestand die DFS aus zwei Instituten: dem Institut für Flugtechnik unter der Leitung von Otto Fuchs und dem Institut für Flugmeteorologie unter Harald Koschmieder in Darmstadt.36 Nun stellte das BMV die Frage, wie auch Walter Georgii miteinzubeziehen sei. Als Leiter der alten DFS und Koryphäe auf dem Gebiet der Flugmeteorologie schien er unverzichtbar für die neue DFS zu sein. Georgii war bei der Wiedergründungssitzung im August 1953 nicht anwesend und noch immer in Argentinien. Mit dem Vorschlag, Georgii aus Argentinien an die DFS zurückzuholen, trat das BMV an Otto Fuchs heran. Dieser meinte, »dass er die Angelegenheit längst habe kommen sehen und dass er deshalb keineswegs überrascht sei«. Auch Fuchs war der Ansicht, dass sie
32 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 321-322. Siehe auch Niederschrift über die Besprechung im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr über die Wiedererrichtung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug 03.11.1953, 26.11.1953 (BayHStA MWi 12847). 33 Tätigkeitsbericht 1954/55 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, München, S. 1. 34 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 321. 35 Nur die DFL und die DVL erhielten noch mehr Zuwendungen. Ebd., S. 352, Fußnote 111. 36 Tätigkeitsbericht 1954/55 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, München, S. 3.
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Georgii nicht übergehen könnten, da dieser für das Ansehen der DFS im In- und Ausland wichtig sei. Allerdings gab er zu bedenken, dass der Professor »ein schwieriger Mann« sei, »und es müsse reiflich überlegt werden, in welcher Form seine Beteiligung künftig erfolgen soll«. Fuchs selber sei »zu jedem Kompromiss bereit, denn die Folgen wären nicht absehbar, wenn die DFS Prof. Georgii zum Feinde hätte«. Ein größerer Widerstand war von Harald Koschmieder zu erwarten, da zwischen Koschmieder und Georgii offenbar »von früher her erhebliche Spannungen« bestanden. Daher beabsichtigten das BMV und Otto Fuchs, Georgii entweder zum Vorsitzenden des Aufsichtsausschusses zu machen oder ihm den Vorsitz im wissenschaftlichen Beirat anzubieten.37 Beide Ämter sahen keine direkte Beteiligung an den Forschungsarbeiten vor. Georgii selber hatte allerdings schon klare Vorstellungen davon, wie er seine künftige Beteiligung an der DFS sah. Er wollte »die Marschrichtung bei der Forschungstätigkeit« festlegen und »die DFS, die er ursprünglich aufgebaut habe, wieder zu einem für die Luftfahrt brauchbaren Instrument zu machen«.38 Georgii wollte also die wissenschaftliche Leitung des Instituts übernehmen, die an der Wiedergründungssitzung Harald Koschmieder zugesprochen worden war. Der Bundesverkehrsminister schlug daher vor, dass Koschmieder und Georgii je eines der beiden DFSInstitute leiten sollten und sich Fuchs auf die Geschäftsleitung konzentrieren sollte. Damit war Fuchs wiederum nicht einverstanden, da ihm eine »reine Verwaltungstätigkeit« unbefriedigend erschien. Er wollte auch die »technische Leitung« behalten. 39 Daraufhin beschloss der Aufsichtsausschuss, eigens für Walter Georgii ein drittes Institut einzurichten: das Institut für Flug(raum)forschung. 40 Somit hatten Koschmieder, Fuchs und Georgii je ihr eigenes DFS-Institut.
37 Betreff Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug, Besprechung mit Dipl.-Ing. Fuchs, von Ludwig Heigl/Kuchtner, 09.11.1954 (BayHStA MWi 12847). 38 Betreff Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug, Besprechung im Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg über die Beteiligung von Prof. Georgii an den Aufgaben der DFS, 12.11.1954, von Ludwig Heigl/Kuchtner, 15.11.1954 (BayHStA MWi 12847). 39 F.K: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsausschusses und Vorstandes der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, von F. Kirchhoff/H. Blenk, 17.12.1954 (BayHStA MWi 12847). 40 O.V.: »Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug«.
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Damit kam Walter Georgii definitiv nach Deutschland zurück. Solche Rückkehren deutscher Wissenschaftler41 aus dem Ausland waren sehr im Sinne der »Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)«, die im Mangel an Fachkräften ein grundlegendes Problem der Luftfahrtforschung erkannte. 42 Der Historiker Michael Neufeld weist darauf hin, dass der Entzug deutscher Wissenschaftler und Instrumente durch die Siegermächte ab 1945 auch auf einer symbolischen Ebene interpretiert werden kann: Wissenschaftliches und technisches Kapital sollte im Kalten Krieg den Staaten Prestige und damit Macht in internationalen Beziehungen verleihen. 43 Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, war die gewünschte Rückkehr deutscher Forscher nicht nur ein pragmatisches Mittel gegen den Personalmangel, sondern auch ein weiterer Schritt in Richtung staatlicher Souveränität. Georgii war schon der alten DFS als deren Leiter auch emotional stark verbunden gewesen. Auch in der Nachkriegs-DFS blieb er bis zu seinem Ruhestand 1961 eine der treibenden Kräfte beim Wiederaufbau, bei der Ausrichtung der Forschungsagenda und im Ausbilden einer institutionellen Identität. Er ist ein Beispiel dafür, wie wichtig Persönlichkeiten, vor allem in den Aufbaujahren, für die Entwicklung des Instituts waren. Seine Erfahrungen aus Argentinien brachte er bewusst in sein neues DFS-Institut ein: »[Ich] hatte in Argentinien 4 Jahre Gelegenheit in einem viermotorigen Flugzeug bis zu Höhen von 8,0 km zahlreiche aerophysikalische Versuchsflüge durchzuführen. Sie haben dem Studium der solaren Strahlungsintensität in größeren Höhen, der Phasenübergänge des Wassers in Wolken und der Vertikalgeschwindigkeiten der Luft, insbesondere der Leewellenströmung der Kordillere gegolten. Auf diesen Erfahrungen aufbauend werden nunmehr im Institut für Flugforschung des Verfassers diese aerophysikalischen For44
schungsflüge in Deutschland fortgesetzt.«
41 Da es sich bei den in dieser Arbeit erwähnten Personen fast ausschließlich um männliche Protagonisten handelt, wird im Folgenden auf die Nennung der weiblichen Funktionsbezeichnung verzichtet. Sofern nicht ausdrücklich vermerkt, ist die weibliche Form aber immer mitgemeint. 42 O.V.: »Forschung auf dem Gebiet der Luftfahrt. Lage und Ausbaunotwendigkeiten«. 43 Neufeld: »The Nazi Aerospace Exodus«, S. 49. In seinem Beitrag wertet Neufeld auch den globalen Wissenstransfer durch die Nachkriegsemigration und Rückkehr deutscher Wissenschaftler aus. 44 Georgii: »Aerophysikalische Flugforschung«, S. 7.
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Zusammen mit Georgii waren die beiden anderen Institutsleiter, Fuchs und Koschmieder, paritätisch an der Leitung der DFS beteiligt und bildeten zusammen den Vorstand.45 Alle drei Institutsleiter entstammten derselben Generation, die bereits in der Zwischenkriegszeit aktive Flieger gewesen war, und sie galten als Bürgen für eine fundierte Segelflugforschung.46 Wie im Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre« genauer ausgeführt, spielte dieses Gemeinschaftsgefühl eine wichtige Rolle nicht nur für das Selbstverständnis der DFS, sondern auch weit in die Geschichte des IPA hinein.47 An der DFS betrafen somit zunächst alle Forschungsfragen den Segelflug. Der Segelflug charakterisierte somit nach Albert und Whetten das zentrale (central) Attribut der Anstalt, wie es schließlich auch im Namen »Forschungsanstalt für Segelflug« ausgewiesen war. Als Hauptaufgabe proklamierten die Wissenschaftler die Frage nach dem Wassergehalt in Wolken und den Luftströmungen im Voralpenraum.48 Aber auch Flugeigenschaften von Segelflugzeugen, Böen und Aufwinde, Thermik und Nebel waren in den Jahren unmittelbar nach der Wiedereinrichtung Forschungsgegenstand. 49 Für Walter Georgii waren Flugzeugvereisung und die »Höhenstrahlströmung« relevante Themen im Hinblick auf die Zukunft des Flugverkehrs, die er in Düsenflugzeugen erkannte.50 Georgii erhielt auch gleich nach Amtsantritt einen Forschungsauftrag des BMV, um die Turbulenz solcher Strahlströme zu untersuchen. Daraus resultierte der erste DFS-Forschungsbericht. 51 Dieser schnelle Finanzierungserfolg gab den Stimmen Recht, die bei der Berufung auf die DFSLeitungsstellen auf Georgiis Reputation und Erfahrung im Bereich der deutschen Flugforschung setzten. Die Strahlströme, später auch in Deutschland Jetstreams
45 O.V.: »Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug«. 46 Zu Harald Koschmieder siehe Freytag: »›Bürogenerale‹ und ›Frontsoldaten‹«. Zu Georgii: Fuchs: »Walter Georgii 70 Jahre«. Zu Fuchs siehe: Blenk: »Otto Fuchs 65 Jahre« und Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 322. 47 Gelegentliche persönliche Konflikte wie zum Beispiel derjenige zwischen Walter Georgii und Harald Koschmieder oder zwischen Hans Gerhard Müller und Hans-Peter Barthelt (siehe Kapitel »Von der DFS zum IPA«) waren dabei nicht zu vermeiden. 48 Bericht über die Sitzung des wissenschaftlich-technischen Beirats der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug München am 11.10.1955 am Flughafen München-Riem, S. 11 (KPAR A3067). 49 Tätigkeitsbericht 1954/55 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, München, S. 5-6. 50 Georgii: »Aerophysikalische Flugforschung«, S. 7. 51 Ders.: »Beiträge zum Problem der Turbulenz der Strahlströme Teil 1«.
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genannt, erwiesen sich in den folgenden Jahren als bedeutendes Thema innerhalb der Atmosphärenwissenschaften.52 Die DFS im Kontext der deutschen Großforschung Die Wiedereinrichtung der DFS fiel in die Zeit, als sich die deutsche Forschung nach dem Zweiten Weltkrieg neu organisierte. Damals gab es zwei Vorstellungen davon, wie Wissenschaft zu organisieren sei. Um sich dezidiert von der belastenden Vergangenheit des »Dritten Reichs« zu distanzieren, propagierte eine Seite die »reine Wissenschaft«, die in keiner Weise von politischen, staatlichen oder industriellen Interessen beeinflusst werden dürfe.53 Dieser Ansicht lag die Meinung zugrunde, dass ein politischer Wissenschaftler kein guter Wissenschaftler sei und ein guter Wissenschaftler nicht politisch belastet sein könne.54 Eine andere »neue Forschergeneration« orientierte sich dagegen an der amerikanischen »Big Science«.55 Für sie sollte die Vorstellung eines in völliger Freiheit forschenden Wissenschaftlers abgelöst werden durch ein neues Verständnis von Wissenschaft, in der der Forscher nicht unabhängig arbeitet, sondern in einer Gruppe eingebunden an einem gemeinsamen Projekt mit anderen Wissenschaftlern. Die Ergebnisse sollten zudem wirtschaftlich, politisch oder sozial nutzbar sein.56 Die Kernforschung war der erste Wissenschaftszweig, der in der BRD nach diesen Prinzipien organisiert wurde.57 Für den Leiter des damals neu gegründeten »Instituts für angewandte Kernphysik (IAK)« Wolf Häfele war »Big Science« dadurch charakterisiert, dass die Forschung mit Summen in enormer Höhe finanziert wurde, einer starken staatliche Kontrolle unterlag und die Wissenschaftler von einem Projektleiter geführt wurden. Insbesondere den letzten Punkt betrachtete Häfele als Schlüssel zum Erfolg:
52 Siehe dazu das Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre«. 53 So zum Beispiel Otto Hahn für die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. 54 Oetzel: Forschungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 303. 55 DFVLR Ergebnisbericht 1975, S. 298-304; vgl. dazu auch Rusinek: Das Forschungszentrum, S. 13; Trischler: »Big Science – Big Machines«, S. 158-160. Der Begriff »Big Science« wurde Anfang der 1960er Jahre von Alwin M. Weinberg geprägt: Weinberg: Impact of Large-Scale Science. Siehe dazu auch Price: Little Science, Big Science. 56 Oetzel: Forschungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 300, 303. 57 Siehe dazu ausführlich ders.: Forschungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland.
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»Der in der Großforschung tätige Wissenschaftler hatte sich […] den Anforderungen des Projektzieles zu beugen, d.h. ein konkretes und fixiertes Forschungsziel zu verfolgen. Der Wissenschaftler wurde zu einem integrierten Bestandteil eines komplexen Systems von Arbeitsgruppen und hatte sich den hierarchischen Strukturen der Projektordnung zu unterwerfen.«58
Häfele wählte daher den deutschen Begriff »Projektforschung«, um diese neue Art von wissenschaftlicher Forschungsorganisation zu beschreiben.59 Als 1955 mit den Pariser Verträgen der alliierte Besatzungsstatus aufgehoben und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) unter dem Vorbehaltsrecht souverän wurde, entstanden in den 1950er und 1960er Jahren mehrere deutsche Großforschungseinrichtungen nach diesem Vorbild, beispielsweise die KFA Jülich, das »HahnMeitner-Institut« in Berlin und das »Garchinger Institut für Plasmaphysik«. Auch die DVL war nach diesen Ideen neu organisiert worden. Es war ein Versuch, auf diese Weise den Rückstand gegenüber der ausländischen Forschung aufzuholen. 60 Die Erwartungen an diese Einrichtungen waren entsprechend hoch.61 Wichtiger Akteur bei der Bildung solcher Institutionen war die DFG. Auch sie orientierte sich nach dem amerikanischen Forschungssystem.62 Wie die deutsche Luftfahrtforschung grundsätzlich organisiert werden sollte, war zunächst unklar. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich alle deutschen Luftfahrtforschungseinrichtungen in einer prekären finanziellen Lage. Um zu ermitteln, wie dieser Forschungsbereich effizienter zu organisieren sei, setzte die DFS eine Kommission für Luftfahrtforschung ein. Die Mehrheit der Kommission stemmte sich gegen eine staatliche Steuerung wegen den Erfahrungen während des Nationalsozialismus. Sie vertrat die Ansicht, dass sich Wissenschaftler ohne politische Kontrolle selber organisieren sollen.63
58 Ebd., S. 300. 59 Ebd., S. 23-24. 60 Vgl. dazu die Beiträge in Ritter/Szöllösi-Janze/Trischler (Hg.): Antworten auf die amerikanische Herausforderung. Zur Rolle der DFG: Trischler: »The Syndrome of Falling Behind«. 61 Rusinek: Das Forschungszentrum, S. 16. Zur Geschichte der Großforschungseinrichtungen: Ritter: Grossforschung und Staat in Deutschland; Szöllösi-Janze/Trischler (Hg.): Grossforschung in Deutschland. 62 Zur Deutschen Forschungsgesellschaft siehe Orth/Oberkrome (Hg.): Die Deutsche Forschungsgemeinschaft; Orth: Autonomie und Planung der Forschung. 63 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 347-348.
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Den anderen schien Luftfahrtforschung als Großforschung an Hochschulinstituten jedoch nicht verwirklichbar. Um den Bedürfnissen der Industrie nachzukommen, müsse die Luftfahrtforschung außeruniversitär und zentralisiert eingerichtet werden. Die Fronten innerhalb des Komitees waren verhärtet. Schließlich fiel die Entscheidung auf politischer Ebene: 1953/54 lehnte das Finanzministerium den Antrag des BMV auf Mittel für die Luftfahrtforschung ab. Der Finanzminister begründete die negative Entscheidung damit, dass die Förderung von Universitätsinstituten Länder- und nicht Bundessache sei. Ein Gesuch um Finanzierung hätte nur Erfolg, wenn sie für außeruniversitäre Institutionen beantragt würden. Es war ein Aushandeln zwischen universitärer Selbstorganisation und staatlicher Zentralisierung der Forschung. In der Hoffnung, sie effizienter gestalten und staatlich steuern zu können, veranlasste das BMV schließlich eine Konsolidierung des Forschungsbereiches. Alle Luftfahrtorganisationen sollten entweder mit der DVL, der »Deutsche Forschungsanstalt für Luftfahrt (DFL)« oder der AVA fusionieren, damit sich die Arbeiten nur noch auf diese drei Einrichtungen verteilten.64
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Die DFS blieb schließlich als letzte Einrichtung im Bereich der Luftfahrtforschung übrig, die noch eigenständig geblieben war.65 Im Zuge der Konsolidierung der deutschen Luftfahrtforschung wurde aber zunehmend offensichtlich, wie ungesichert die Existenz der DFS war. Mit den Pariser Verträgen 1955 waren zudem die Restriktionen für die Luftfahrtforschung gefallen, der Motorflug war nicht mehr den strengen Auflagen der Alliierten unterworfen.66 Namensänderung 1960 Für die DFS hatte der Bedeutungsverlust des Segelfluges Konsequenzen: »Der Segelflug ist weder wirtschaftlich noch militärisch von Interesse. Die geringe Bedeutung, die ihm zugemessen wird, veranlasst weite Kreise des In- und Auslandes, die DFS als minderwichtige Forschungsanstalt anzusehen, wenn nicht gar ihre Existenzberechti-
64 Ebd., S. 348-351. 65 Ebd., S. 446. 66 Siehe dazu das Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre«.
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gung anzuzweifeln. Die im Namen ausgedrückte Forschungsbeschränkung entspricht nicht den in Wahrheit verfolgten Zielen.«67
Der »Segelflug« hatte in den Augen des Aufsichtsrates ausgedient. Was zuvor die Existenz der Einrichtung gewährleisten sollte – die einzigartige Verbindung zwischen Segelflug und meteorologischer Forschung – schien nun ihre Existenz zu gefährden. Wie das folgende Kapitel zeigt, hatte die DFS bereits seit Mitte der 1950er Jahre den Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten vom Segelflug auf einen breiteren Zugang zur Atmosphärenforschung verschoben und mit Themen wie der Messung von künstlicher Radioaktivität in der freien Atmosphäre oder Strahlströme auch Forschungsfelder erschlossen, die vor allem die motorisierte Luftfahrt betrafen oder das Fliegen primär als Instrument und nicht mehr als Forschungsgegenstand erforderten. Dies geschah teilweise unter ministerialem Druck oder dem »Thementransfer« von anderen Institutionen an die DFS durch Personen wie Georgii. Der Segelflug hatte damit tatsächlich im Forschungsprogramm an Prominenz verloren. Ministerialrat Ludwig Heigl war der Meinung, dass »die in dem Namen ausgedrückte Bindung an den Segelflug für die Bewilligung der Mittel [hinderlich]« sei.68 Daher sollte das Institut eine neue Bezeichnung ohne den Segelflug erhalten. Walter Georgii, fest in der Tradition der Segelflugforschung verankert, wollte daran festhalten. Doch zu seinem Bedauern änderte die DFS 1960 ihren Namen schließlich in »Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt München (FFM)«.69 Der Segelflug schien aber weiterhin wichtiges Identitätsmerkmal der Einrichtung zu sein, sodass auch der Aufsichtsrat nicht gänzlich auf ihn verzichten wollte. Hatte der Segelflug als Ersatz für den motorisierten Flugverkehr zwar ausgedient, war er als Sport jedoch inzwischen international bedeutsam geworden. Daher erschien »seine völlige Vernachlässigung vonseiten der Forschung nicht angängig« und würde »auch vom Ausland nicht verstanden«.70 Aus diesem Grund sollte an der FFM eine Abteilung eigens für die Untersuchung von Segelflugproblemen eingerichtet werden. In der neuen Satzung wurde festgelegt, die FFM solle
67 Erläuterungen zur Tagesordnung der Aufsichtsausschusssitzung, 29.03.1960 (BayHStA MWi 12858). 68 Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsausschusses der FFM, 28.07.1960 (BayHStA MWi 12858). 69 Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsausschusses der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, 29.03.1960 (BayHStA MWi 12858). 70 Erläuterungen zur Tagesordnung der Aufsichtsausschusssitzung, 29.03.1960 (BayHStA MWi 12858).
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»[…] die deutsche Luftfahrt durch Unterhaltung einer Forschungsanstalt zu gemeinem Nutzen […] fördern. Die [FFM] führt Forschungsarbeiten auf dem Gebiete der Flugwissenschaften durch und bearbeitet damit zusammenhängende Forschungsaufgaben auf dem Gebiete der Meteorologie. Weiterhin widmet sie sich der wissenschaftlichen Förderung des motorlosen Fluges.«71
Mit dem neuen Namen verschwand der Segelflug auch aus der Satzung als singuläres Kernthema und fungierte nunmehr neben beziehungsweise innerhalb den »Flugwissenschaften«, die sowohl motorisierten wie motorlosen Flug miteinbezog. Georgiis Pensionierung und Auflösung der FFM Allerdings konnte auch die FFM trotz dieser Öffnungsbereitschaft in Bezug auf Forschungsthemen ihre Selbständigkeit nicht erhalten. Das Bayerische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr zusammen mit der DVL planten ab 1961, schließlich auch die FFM mit der DVL zu fusionieren, um die Zentralisierung der Luftfahrtforschung voranzutreiben. Die Verhandlungen fielen zusammen mit Georgiis Pensionierung und auch Koschmieder und Fuchs näherten sich ihrem Ruhestand. Die Frage nach den Nachfolgern der drei Institutsleiter wurde dringlich.72 Während Koschmieders und Fuchs’ Nachfolger schnell bestimmt waren73, stellte sich die Suche nach einer Nachfolge für Walter Georgii schwieriger dar.74 Verhandlungen wurden zunächst mit dem Meteorologen Joachim Küttner in den USA geführt. Küttner war ein Jahr zuvor mit einem Vorschlag für ein »Institut zur Erforschung des Flugraums« an die DVL herangetreten. Die DVL erkannte, dass sich Küttner damit ins fachliche Territorium der DFS bewegte.75 Küttner war an der Nachfolge Georgiis zwar interessiert, zögerte aber noch, die in seinen
71 Satzung der Flugwissenschaftlichen Forschungsanstalt München, früher: Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug, S. 2. 72 Brief von Ludwig Heigl an F. Kirchhoff, 08.06.1960 (BayHStA MWi 12858). 73 Hans-Peter Barthelt sollte Koschmieders Institut für Flugmeteorologie übernehmen und H. Neuber und Hans Zacher die Arbeiten von Fuchs. Sie alle waren bereits an der DFS tätig. 74 Brief von Walter Georgii/Otto Fuchs/Harald Koschmieder an F. Kirchhoff, 15.07.1960 (BayHStA MWi 12858). Warum niemand innerhalb der DFS Georgiis Aufgaben übernehmen konnte, wird aus den Dokumenten nicht ersichtlich. 75 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 393.
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Augen hervorragenden Forschungsmöglichkeiten in den USA aufzugeben. 76 Neben Küttner war auch Hans Joachim aufm Kampe im Gespräch, der bis 1945 an der DFS tätig gewesen und danach ebenfalls in die USA emigriert war. Als Dritter in der engeren Auswahl stand der Meteorologe Hans Gerhard Müller.77 Müller war Leiter der Aerologischen Station des DWD, die am Flughafen München-Riem direkt neben der DFS eingerichtet war, und somit ebenfalls bekannt. Er war es schließlich, der Georgiis Nachfolge antreten sollte.78 Abbildung 2: Graphische Darstellung der strukturellen Veränderungen des Instituts von der DFS zum IPA, 1954 bis 1977
Quelle: Manfred Reinhardt: Bildmaterial zur »Historischen Entwicklung« des Institutes für Physik der Atmosphäre, Präsentation vor dem Ad-hoc-Beratungsausschuss, 14.12.1977 (KPAR A3091)
76 Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsausschusses der FFM, 28.07.1960 (BayHStA MWi 12858), sowie der Briefwechsel zwischen Küttner und dem Aufsichtsausschuss (BayHStA MWi 12858). 77 Brief von Walter Georgii/Otto Fuchs/Harald Koschmieder an F. Kirchhoff, 15.07.1960 (BayHStA MWi 12858). 78 Die Gründe, weshalb die Wahl schließlich auf Müller und nicht auf Küttner oder aufm Kampe fiel, sind nicht belegbar.
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Am 1. November 1961 übernahm Müller alle meteorologischen Arbeiten nicht nur von Georgiis Abteilung »Flugraumforschung«, sondern gleichzeitig auch von Koschmieders Abteilung »Flugmeteorologie«. Hans-Peter Barthelt sollte die übrigen Arbeiten übernehmen (Abbildung 2). 79 So wie Georgiis Antritt 1954 Friktionen an der DFS ausgelöst hatte, verlief auch sein Abgang nicht reibungslos.80 Auch sein Nachfolger Müller war am Institut umstritten. Barthelt fühlte sich im neuen Arrangement der Arbeiten und in der täglichen Zusammenarbeit mit Müller marginalisiert und Konflikte zwischen den beiden Leitungspersönlichkeiten ließen nicht auf sich warten. Barthelt warf Müller vor, er würde »viel mehr« dem Wetterdienst unterstehen »als der Luftfahrtforschung« und die meteorologische Forschung auf Kosten der Flugforschung ausbauen. Die beiden Institutsleiter haben sich generell nicht gut miteinander verstanden. Müller war eine durchsetzungsstarke Persönlichkeit und Barthelt fühlte sich von ihm übergangen.81 Die Fronten zwischen den beiden Abteilungsleitern waren so verhärtet, dass Barthelt um seine eigene Abberufung als Institutsleiter bat.82 Doch die FFM war sowieso im Begriff sich aufzulösen. Müller bündelte am 1. Juli 1962 seine beiden Abteilungen und nannte die neue Einheit »Institut für Physik der Atmosphäre (IPA)«, in dessen Namen der »Flug-« nun gänzlich verschwunden war, und begab sich damit in die treuhänderische Verwaltung durch die DVL.83 Am 13. September 1963 fusionierte die FFM offiziell mit der DVL. Das IPA wurde als eigenständiges Institut von der DVL übernommen. Es führte seine bisherigen Arbeiten unverändert fort und sollte zudem noch weitere meteorologische Arbei-
79 Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsausschusses der Flugwissenschaftlichen Forschungsanstalt München, 21.03.1961 (BayHStA MWi 12858). 80 Es gab Meinungsdifferenzen zwischen ihm und dem Bundeswirtschaftsministerium, hauptsächlich finanzielle Entschädigungen betreffend. Siehe diverse Schreiben im Dossier BayHStA MWi 12858. 81 Dies zeigte sich auch am Fall des Einsatzes von Barthels Mitarbeiter Ehrenfried Kirchschlager auf dem Forschungsschiff Meteor. Müller warb 1962 Barthels Mitarbeiter Kirchschlager ab, um ihn für Radararbeiten auf das Forschungsschiff zu schicken. Barthelt zeigte sich sehr erbost über Müllers Eingriff in sein Personal. Interview mit Ehrenfried Kirchschlager, 23.04.2014. Zu Kirchschlagers Radararbeiten auf der FS Meteor siehe das Kapitel »Radar an Deck und auf dem Dach«. 82 Notiz zum Anruf von Herrn Barthelt, 23.11.1961 (BayHStA MWi 12859/1). 83 Tätigkeitsbericht 1962 des Instituts für Physik der Atmosphäre (1963).
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ten der DVL übernehmen.84 Nach Müllers Absonderung mit dem IPA blieb an der FFM hauptsächlich die Segelflugforschung übrig. Diese Arbeitsgruppen wurden aufgelöst und in andere DVL-Institute integriert.85 Grund für die Auflösung der FFM war, dass das Bundesverkehrsministerium es nicht mehr für gerechtfertigt hielt, der Segelflugforschung ein eigenes Institut zu gewähren. »Die DVL betont aber ausdrücklich, dass sie die Bearbeitung der Segelflugprobleme nicht vernachlässigen möchte.« Deshalb richtete sie an ihrem Institut für Flugmechanik eine »Abteilung für Segelflug« ein.86 Nach der Umwandlung der DFS in die FFM hielt die graduelle Zurückstufung des Segelfluges durch das BMV weiter an. Dass von der FFM lediglich Müllers Schwerpunkt zur »Physik der Atmosphäre« ohne den »Flug-« übriggeblieben war, war symptomatisch für den nun offenbar gewordenen Interessenschwund am Segelflug.87 1969 gingen schließlich die drei Luftfahrtforschungseinrichtungen, DVL, DFL und AVA in der Einheitsgesellschaft DFVLR auf.88 Damit wurde das IPA ein Institut der DFVLR und hatte neben den Forschungsaufträgen so auch Zugang zu hohen staatlichen Zuschüssen. Im Jahr darauf organisierte sich die DFVLR zusammen mit anderen deutschen Großforschungseinrichtungen in der AGF.89 Für die Historikerin Margit Szöllösi-Janze war die Einrichtung der AGF ein »Indikator für die Ausdifferenzierung und Etablierung des Typs Großforschungseinrichtung«, die auf einem Zusammengehörigkeitsgefühl dieser Institutionen basierte.90 Dieses Gruppenbewusstsein und die Verbandsbildung interpretierte Szöllösi-Janze als Reaktion der Institute auf die Versuche des Staates, in
84 Vertrag zwischen der Flugwissenschaftlichen Forschungsanstalt München und der Deutschen Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt Mühlheim (BayHStA MWi 12859/4). 85 Ebd. 86 Brief der Flugwissenschaftlichen Forschungsanstalt an den Aufsichtsausschuss, betreffend Konzentration der Luftfahrtforschung, Anordnung des Aufsichtsausschusses, 20.11.1961 (BayHStA MWi 12859/2). 87 Siehe auch das Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre«. 88 Zum Fusionsprozess siehe ausführlich Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 486-499. 89 Rusinek: Das Forschungszentrum, S. 15-16. Seit 1995 heißt der Verbund »HelmholtzGemeinschaft Deutscher Forschungszentren«. 90 Szöllösi-Janze: »Die Arbeitsgemeinschaft der Grossforschungseinrichtungen«, S. 141. Trischler weist allerdings darauf hin, dass bereits die Luftfahrtforschung vor der Gründung der DFVLR als »Großforschung« zu bezeichnen sei (Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 513).
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ihre Forschung steuernd einzugreifen. Für die DFVLR wurde das Verständnis von Großforschung als Projektforschung nach Wolf Häfeles Konzeption besonders sichtbar in der neuen Ordnungsstruktur ihrer Ergebnisberichte. Wo zuvor jedes DVL-Institut seine Arbeiten vorgestellt und gegebenenfalls die Kooperationen mit anderen DVL-Instituten betont hatte, waren unter der DFVLR nach 1974 die Berichte vollständig nach Projekten gegliedert. Der Stellenwert der einzelnen Institute wie dem IPA trat zurück zugunsten der Betonung des Projektcharakters der Forschung.91
E INRICHTUNG DES »I NSTITUTS FÜR P HYSIK DER ATMOSPHÄRE (IPA)« AB 1962 Bei seiner Einrichtung 1962 zählte das IPA 65 feste Mitarbeitende, dazu kamen fünf Personen, die durch Forschungsaufträge bezahlt wurden.92 Die Physik der Atmosphäre wurde der explizite Forschungsschwerpunkt. Im ersten Tätigkeitsbericht wurde klargestellt: »Das Forschungsgebiet des Instituts ist das der ›Umweltbedingungen‹ für Luft- und Raumfahrtforschung.«93 Müller, der vom DWD kam, war zwar selber ursprünglich auch Flugmeteorologe, doch Segelflug spielte am neuen Institut eine untergeordnete Rolle. Nichtsdestotrotz blieb am IPA das Fliegen, ob mit oder ohne Motor, der Fixpunkt, um den sich die Forschung bewegte. Für Müller war die Atmosphäre das »Medium, in dem sich die Luftfahrzeuge bewegen wie die Fische im Wasser«. Die Forschung solle sich daher auf die Einflüsse der Atmosphäre auf Start, Flug und Landung konzentrieren.94 Die Atmosphäre wurde somit als Umgebung des Flugzeuges – als Flugraum – begriffen, die es im Dienste des Luftverkehrs zu verstehen galt. Dieses Verständnis von einer engen Beziehung zwischen Flug- und Atmosphärenforschung, wie es bereits an der DFS herrschte, war bestimmend für die Arbeiten am IPA, und wurde mitunter als Begründung für die Anschaffung neuer Forschungsflugzeuge (zum Beispiel die Falcon) herangezogen: »Die Entwicklung der Luftfahrt und die Entwicklung der atmosphärischen Wissenschaften stehen in ständiger Wechselbeziehung. Einerseits gewann die Meteorologie wichtige Erkenntnisse durch den Einsatz von Wetter- und Forschungsflugzeugen, andererseits ist
91 Siehe Ergebnisberichte DFVLR ab 1975. 92 Tätigkeitsbericht 1962 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 93 Ebd. 94 Müller: »Arbeiten zur Erforschung der Erdatmosphäre«, S. 374.
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die Entwicklung und der Betrieb von Luftfahrzeugen auf die Auswertung der Kenntnisse über Zustand und Verhalten der Atmosphäre angewiesen.«95
Dies war mehr als pure Rhetorik. Der Einbezug der dritten Dimension in der Erforschung von Wetter und Klima durch den Einsatz von Flugzeugen (und Radiosonden) war die Basis für die Entwicklung einer modernen Meteorologie und Klimatologie. Die derart gewonnenen Erkenntnisse aus höheren Atmosphärenschichten und die so explosionsartig angewachsenen Datenmengen machten es möglich, Windströmungen auch großflächig zu beobachten. Dies begünstigte das Verständnis einer dynamischen Meteorologie.96 Umgekehrt war die Luftfahrt – insbesondere auch die militärische – angewiesen auf möglichst genaue Kenntnisse der Wettersituation und damit der großflächigen atmosphärischen Zustände. Die Entwicklung von Messverfahren und Verbesserung von Messtechniken bildeten daher auch nach der Verselbständigung des IPA von der FFM einen wichtigen Pfeiler der Institutstätigkeiten. Gemessen wurde neben den meteorologischen Grundparametern (Windrichtungen, Temperatur, Feuchtigkeit) auch Aerosoloptik, Aerosolverteilung und Strahlung. Dafür sollten Messinstrumente wie Streulichtzähler, Landesichtmesser oder die dreidimensionale Windfahne verbessert werden. Die Vermessung von Wolken per Radar, mit dem Müller bereits am DWD experimentiert hatte, sowie die Untersuchung von Tropfengrößen in Wolken waren ebenso Teil der Agenda.97 Die Messung und Sammlung solcher meteorologischen Daten stellte somit eine wichtige Basis der Institutsarbeiten dar. Das Ziel dieser Datensammlung über einen reinen Selbstzweck hinaus ist in den Darstellungen der Institutsarbeiten allerdings nicht immer erkennbar. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die (administrative) Trennung der Arbeiten an Messinstrumenten und Messmethoden von anderen, wissenschaftlichen Fragestellungen, wie beispielsweise die Erforschung von Föhn, Inversionslagen, Gewitter oder Flugsichtweite. 98 Die Instrumentenentwicklung ist jedoch nicht von ihrer Anwendung, und die damit erfolgte Datensammlung nicht von ihrer Interpretation zu trennen. Bei wissenschaftlichen Erfolgen bliebe der Aspekt der Technikentwicklung oft unsichtbar,
95 Interner Bericht IB 553, 73/2, Meteorologische Meßanlagen in Flugzeugen, Überblick über ein Arbeitsgebiet der Abteilung Flugphysik des DFVLR-Instituts für Physik der Atmosphäre, von [Fritz] Trenkle, Oberpfaffenhofen, Juni 1974, S. 7 (KPAR A2864). 96 Heymann: »Klimakonstruktionen«, S. 178. 97 Tätigkeitsbericht 1962 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 98 Siehe dazu die Darstellung in den Tätigkeitsberichten.
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schreibt Chandra Mukerji.99 Beim IPA stellt er dagegen ein wichtiges Standbein sowohl in der Agenda als auch in der Institutspräsentation dar. So wurden die Arbeiten zur Instrumentenentwicklung und Messmethoden in Tätigkeitsberichten oft als erstes besprochen. 100 Die Mitarbeiter hielten auf meteorologischen Tagungen Vorträge darüber und publizierten zu Instrumentenentwicklungen und Messungen in den DVL-eigenen Publikationsreihen sowie in Fachzeitschriften.101 Die Technikentwicklung am Institut war dabei weder »interstitiell« noch »generisch« im Sinne Terry Shinns. Shinn versteht »Research Technologies« als Bindeglied zwischen verschiedenen Arten von Institutionen, wie Universitäten, Firmen, Staat, Militär und so weiter. Damit stünde sie zwischen Wissenschaft, Engineering und Unternehmertum und sei in keiner Institution stabil verankert (»Interstitialität«). Damit würden nach Shinn im wissenschaftlich-technischen Funktionssystem des 20. Jahrhunderts diese Forschungstechnologien ohne den Anspruch von außen entwickelt. Ihre Entwickler seien nicht so sehr an der Erforschung der Natur interessiert, sondern daran, wie eine Technologie konstruiert und bedient würde. Diese Instrumente sollten dann von möglichst vielen unterschiedlichen Endnutzern verwendet und an deren individuelle Bedürfnisse angepasst werden können (»Generizität«). 102 Shinn, ähnlich wie Mukerji, attestiert ihnen daher »eine gewisse Unsichtbarkeit« in der Wissenschaft, die ihre Interstitialität und Generizität gewährleisten soll.103 Auf die Forschungstechnologien am IPA trifft dies jedoch in vielen Fällen nicht zu. Instrumente wurden am Institut speziell für die benötigten Messungen und Arbeiten konstruiert und hatten eine fest verankerte und sichtbare Position. Die Entwicklung des SchmieschekApparates zur Nebenauflösung (siehe Kapitel »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung«) oder des Streulichtschreibers zur Untersuchung der Sichtweite beim Fliegen im Nebel erhielten auf diese Weise eine besondere Wichtigkeit in der Forschungsagenda.104
99
Mukerji: A Fragile Power, S. 128.
100 Siehe dazu die Tätigkeitsberichte des Instituts. 101 Beispielsweise in »Beiträge zur Physik der Atmosphäre«, »Meteorologische Rundschau«,» Zeitschrift für Geophysik« etc. 102 Shinn: »Forschungstechnologien«, S. 8-12 und 34. 103 Ebd. 104 Dies schloss nicht aus, dass viele andere Instrumente tatsächlich »off the shelf« waren, von extern angeschafft und den eigenen Bedürfnissen angepasst – darunter die im Kapitel »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung« erwähnten Silberjodid-Raketen und unzählige herkömmliche Messinstrumente, die für die Flugzeugmessungen modifiziert wurden.
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Die Funktion von Technikentwicklungen am Institut ging also über die des reinen Zudienens hinaus. Schließlich sah Müller das IPA im Gegensatz zum DWD und den Hochschulinstituten in der experimentellen Atmosphärenforschung, die es mit Flugzeugen und entsprechenden Ausrüstungen durchführte.105 Grundlegende Arbeiten zur Meteorologie und Klimatologie betrachtete er indes als Aufgabe des DWD und der Hochschulinstitute.106 Müller brachte von seinem früheren Arbeitsort DWD nicht nur eigene Forschungsprojekte mit, sondern stellte auch eine Schnittstelle zwischen den beiden Institutionen dar.107 Der Fokus auf die Flugforschung war ein Charakteristikum, das das IPA als Teil der Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt auszeichnete.108 1974 entstand allerdings das Bedürfnis am IPA und am DWD, »die von beiden Seiten gewünschte Zusammenarbeit« besser zu organisieren und in einem Abkommen zwischen dem DFVLR-Vorstand und dem DWD festzulegen.109 Umzug nach Oberpfaffenhofen Zum Zeitpunkt der Reorganisation und Neugründung des IPA 1962 war die räumliche Situation problematisch geworden. Der Luftverkehr am Flughafen München-Riem nahm stetig zu und die Flughafengesellschaft beanspruchte die Räumlichkeiten für sich selbst. Für die DFS, die durch den Ausbau ihrer Tätigkeiten ebenfalls stetig mehr Raum benötigte, gab es dort keinen Platz mehr.110 Außerdem waren die Angestellten bereits auf mehrere Orte verteilt. Einige wa-
105 Manuskript Journalistenseminar, von Hans Gerhard Müller, 05.06.1972, S. 2 (KPAR A2878). 106 Müller: »Arbeiten zur Erforschung der Erdatmosphäre«, S. 374. 107 Zur Wetterbeeinflussung als ein »Transferthema« vom DWD an die FFM siehe Kapitel »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung«. 108 Vgl. dazu Müller: »Arbeiten zur Erforschung der Erdatmosphäre«, S. 374. 109 Brief von Heinz Fortak an H[ermann] Jordan, 30.04.1974 (KPAR A2866). Die Beziehungen zwischen dem DWD und der DFS, der FFM und dem IPA war sowohl durch Konkurrenz wie auch durch Kooperation geprägt. Ein Studium der Beziehung zwischen den beiden Institutionen ermöglichte einen tieferen Einblick in die Funktionsweise der Landschaft der deutschen Atmosphärenforschung und Forschungspolitik, dies wird in dieser Arbeit aber aus Mangel an zuverlässigem Quellenmaterial nicht weiter ausgeführt. 110 Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsausschusses und Vorstandes der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, von F. Kirchhoff/Otto Fuchs, 21.11.1957 (BayHStA MWi 12856).
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ren in Weßling stationiert, andere in Darmstadt und wieder andere waren beim DWD in Offenbach untergebracht. 111 Um alle Arbeiten des IPA unter einem Dach zu konzentrieren, war ein neuer Standort notwendig. Dafür bot sich Oberpfaffenhofen an, denn die DVL hatte dort bereits einige Institute angesiedelt.112 Finanziell unterstützt von Bund und Land investierte die DVL seit Anfang der 1960er Jahre in den Ausbau dieses Standortes neben demjenigen in Köln-Porz, um die Luft- und Raumfahrtforschung in mehreren Bundesländern anzusiedeln.113 Das Bundesland Bayern unterstützte nun die DVL dabei, das IPA und was nach deren Absonderung von der FFM noch übriggeblieben war, ebenfalls dort unterzubringen. Mit dem Umzug des IPA vom Flughafen München-Riem nach Oberpfaffenhofen konnte die dortige DVL-Flugbereitschaft die Wartung und Instrumentenprüfung der von der IPA genutzten Flugzeugflotte übernehmen. Der Umzug brachte außerdem eine Erweiterung dieser Flotte, da die DVL in Oberpfaffenhofen eine »Beech 65« (»Queen Air«) stationiert hatte, die damit auch für das IPA zugänglich wurde.114 Oberpfaffenhofen war kein neuer Kandidat in der Standortdiskussion. Zehn Jahre zuvor war an der DFS schon einmal überlegt worden, dorthin umzusiedeln. Damals war der Widerstand groß, wie Abteilungsleiter Harald Koschmieder rapportierte. Er »nahm zur Kenntnis, dass unter den obwaltenden Verhältnissen (Fehlen einer Etatisierung und daher unüberschaubare finanzielle Voraussetzungen, Fehlen von Planstellen, noch größere Entfernung von den für die Arbeitsfähigkeit des Institutes notwendigen Münchner Einrichtungen wie Instrumentenamt des Deutschen Wetterdienstes, Technische Hochschule mit Institut für Strömungstechnik, Universität, Staatsbibliothek, Patentamt und Deutsches Museum mit Bibliothek und Schwierigkeiten in der Personalgewinnung wegen der ländlichen Einöde eines oberbayerischen Dorfes als Wohnort, kümmerliche Verkehrsverhältnisse und Nichtbenutzung der Dornier-Flughafens für fliegerische Zwecke, erstes Recht der DVL bei Raum- und Gebäudefragen und schließlich soziale Härten für die derzeitigen DFS Angehörigen) eine Verlegung nach Oberpfaffenhofen mindestens für das
111 Tätigkeitsbericht 1962 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 112 Zum Beispiel das »Flugfunk-Forschungsinstitut Oberpfaffenhofen (FFO)«, das inzwischen zur DVL gehörte. 113 Weiterführend Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 447-450. 114 Interner Bericht IB 553, 73/2, Meteorologische Meßanlagen in Flugzeugen, Überblick über ein Arbeitsgebiet der Abteilung Flugphysik des DFVLR-Instituts für Physik der Atmosphäre, von [Fritz] Trenkle, Oberpfaffenhofen, Juni 1974, S. 7 (KPAR A2864).
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Institut für Flugmeteorologie keinerlei Vorteile, sehr wahrscheinlich jedoch eine große Anzahl (siehe oben) von schwerwiegenden Nachteilen und Hemmnissen mit sich bringen würde«.115
Im Vergleich zu 1957 stellte sich die Situation nun aber anders dar. Das IPA war inzwischen Teil der DVL, und in dieser Anbindung durfte das IPA den DornierSonderflughafen mitbenutzen. Am 7. Juni 1966 fand die Grundsteinlegung des neuen Institutsgebäudes in Oberpfaffenhofen und Ende 1967 schließlich der Umzug statt. Doch der neue Standort war »auf der grünen Wiese« gebaut worden (Abbildungen 3 und 4) und es war bei den Angestellten noch immer ein Widerwille vorhanden, in diese »ländliche Einöde« zu ziehen. Die Konzentration des Instituts und die Umzüge gingen daher nicht reibungslos vonstatten. Ein Großteil der Angestellten wohnte im Osten von München, da sie so einen kurzen Arbeitsweg an den Flughafen Riem hatten. Sie waren »nicht begeistert«, dass sie nun täglich quer durch die Stadt nach Oberpfaffenhofen südwestlich von München fahren mussten.116 In den Außenstellen in Darmstadt weigerten sich mehrere Angestellte, erst nach München und dann nach Oberpfaffenhofen zu ziehen. In der Konsequenz gab es einige Kündigungen.117 Überhaupt gab die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften und die hohe Fluktuation am Institut regelmäßig Anlass zur Klage. 118 Ein Fachkräftemangel in der Luftfahrtforschung bestand seit dem Wiederaufbau in den 1950er Jahren, als der Pool an Experten durch Flucht während des Zweiten Weltkrieges und durch die Internierungen von Wissenschaftlern nach der Niederlage Deutschlands stark ausgedünnt war.119
115 Aktenvermerk über Besprechung zwischen Professor Dr. H. Koschmieder, Herrn Dipl. Ing. H.P. Barthelt und Herrn Dipl. Ing. H. v. Tippelskirch am 11. und 12.03.1957, von Hans-Peter Barthelt, S. 1-2 (KPAR A2522). 116 Interview mit Ehrenfried Kirchschlager, 23.04.2014. 117 Zum Umzug: Brief von Horst Niemeyer an den DVL-Betriebsrat München-Riem, 03.10.1966 (KPAR A265). 118 Siehe unter anderem: Brief von Hans Gerhard Müller an R. Sänger, 16.02.1961 (KPAR A2878); Aktennotiz über die Besprechung vom 03.01.1961 in MünchenRiem mit H[ans] G[erhard] Müller, gefolgt von einer kurzen Unterredung mit A. Faessler, von R. Sänger (KPAR A2878); Tätigkeitsberichte 1962, 1965 und 1966 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 119 O.V.: »Forschung auf dem Gebiet der Luftfahrt. Lage und Ausbaunotwendigkeiten«; siehe dazu auch Ash: »Scientific Changes in Germany«, S. 343.
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Abbildung 3: Der DVL-Standort in Oberpfaffenhofen mit dem Neubau für das IPA oben links (Februar 1969)
Quelle: KPAR B 33/19
Abbildung 4: Der Neubau des IPA-Institutsgebäudes aus südlicher Richtung betrachtet
Quelle: Photoalben Quick (KPAR B124)
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Als 1969 die DVL, die AVA und die DFL zur »Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR)« verschmolzen, arbeiteten am IPA 93 Personen, davon 36 als wissenschaftliche Mitarbeiter und 34 als Techniker.120 Das Institut war gerade daran, seinen Einzug von München-Riem in das neue Institutsgebäude in Oberpfaffenhofen abzuschließen. Mit den Veränderungen der Organisationstruktur auf der DVL/DFVLR-Ebene kamen für das IPA nun »erhebliche Kürzungen im Haushaltsjahr 1969«, die »für dringend benötigte Anschaffung wissenschaftlichen Geräts praktisch keinen Spielraum« ließen. Es fielen hohe Reparaturkosten für die alten Geräte an und der finanzielle Engpass führte zu Verzögerungen bei den Forschungsarbeiten.121 Ansonsten ging der Betrieb normal weiter. Das IPA nahm gerade an der Atlantischen PassatExpedition teil, die von deutschen, amerikanischen und britischen Forschungseinrichtungen durchgeführt wurde. Dabei reisten IPA-Wissenschaftler auf den Forschungsschiffen Meteor, »Planet« und »Discoverer« mit. Sie kooperierten daneben mit norwegischen Forschern für eine Studie mit Radiosondenaufstiegen und führten einen regen wissenschaftlichen Austausch mit Einrichtungen in Deutschland, Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Russland. Thematisch beschäftigten sich die Mitarbeiter am IPA unter anderem mit dem Strahlungsund Energiehaushalt von Erdoberfläche und Atmosphäre. Die Wolkenphysik spielte weiterhin eine wichtige Rolle. In diesen Bereich fielen die Arbeiten zur Wetterbeeinflussung oder radarmeteorologische Untersuchungen. Messungen von Luftdruck, Wind, Temperatur und Feuchtigkeit in der Atmosphäre waren relevant im Hinblick auf Schallausbreitung, Staubverteilung, Abgase, radioaktiven Fallout und auf Starts und Landungen von Flugzeugen, Jetstream und Turbulenz in wolkenfreier Luft. Daneben widmete sich eine Abteilung speziell der Entwicklung von Messinstrumenten, die später zum Teil in die institutseigenen Flugzeuge eingebaut werden sollten. Die Untersuchung von Sichtverhältnissen war ebenfalls weiterhin Bestandteil des Forschungsprogrammes, wofür die Mitarbeiter gerade einen »Mehrfach-Infrarot-Streulichtschreiber« entwickelt hatten. Der Messung von Aerosolen in der freien Atmosphäre, insbesondere der radioaktiven Partikel, wurde am Institut hohe Relevanz beigemessen.122
120 Der Rest bestand aus fünf Ingenieuren, vier Sekretärinnen sowie 14 »Lohnempfängern«, zu deren Aufgaben keine näheren Informationen bestehen (Tätigkeitsbericht 1969 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 306). 121 Ebd. 122 Ebd., S. 308-311.
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D IE » TURBULENTEN « 1970 ER J AHRE Bis 1970 stieg die Anzahl Mitarbeiter am IPA kontinuierlich. Die DFS hatte 1954 den Betrieb mit 22 Angestellten aufgenommen. 1962 war das IPA mit 65 Mitarbeitern gestartet. Die Personalsituation war, wie bereits erwähnt, immer durch eine starke Fluktuation und Probleme beim Akquirieren von Wissenschaftlern geprägt. Ein Grund für die Schwierigkeit, wissenschaftliches Personal zu finden, war die Tatsache, dass die außeruniversitären Institute seit 1961 dem Bundesangestelltentarif (BAT) des öffentlichen Dienstes unterlagen. Wissenschaftler und technisches Personal konnten zwar von besonderen Zulagen profitieren, doch waren ihre Verdienstmöglichkeiten im Industriesektor oder in wissenschaftlichen Einrichtungen in den USA noch immer lukrativer. 123 Davon zeugen wiederholte Klagen in den DFS-IPA-Dokumenten.124 Bis 1970 war der Personalbestand dennoch auf fast 100 Angestellte angestiegen.125 Danach brachen die Zahlen hingegen plötzlich ein. Zwischen 1970 und 1973 schrumpfte das IPA um fast 20 Prozent (Abbildung 5).126 Dieser Personalrückgang fiel zusammen mit einer »sehr einschneidenden Kürzung« der Zuschüsse des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg an die DFVLR. 127 Zudem begann auf der Ebene der DFVLR ein mehrjähriger Umstrukturierungs- und Zentralisierungs-
123 Szöllösi-Janze: »Die Arbeitsgemeinschaft der Grossforschungseinrichtungen«, S. 173. Zum Problem, wissenschaftlichen Nachwuchs an der DFVLR zu finden siehe auch den Brief von Horst Niemeyer an Ludwig Heigl, 30.03.1965 (KPAR A2609/2). 124 Brief von Hans Gerhard Müller an R. Sänger, 16.02.1961 (KPAR A2878); Aktennotiz über die Besprechung vom 03.01.1961 in München-Riem mit H[ans] G[erhard] Müller, gefolgt von einer kurzen Unterredung mit A. Faessler, von R. Sänger (KPAR A2878). 125 Bildmaterial zur »Historischen Entwicklung« des Institutes für Physik der Atmosphäre, Präsentation vor dem Ad-hoc-Beratungsausschuss, von Manfred Reinhardt, 14.12.1977 (KPAR A3091); Tätigkeitsbericht 1970 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 332. 126 Tätigkeitsbericht 1973 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 258. 127 Brief des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg (Hochstetter) an die Deutsche Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, 17.01.1968, Betr. Kürzung der Haushaltsmittel für die Förderung der wirtschaftsnahen Forschung im Haushaltsjahr 1969 (KPAR A2626).
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prozess, der auch für das IPA eine unruhige Zeit bedeutete. 128 DFVLRAbteilungen wie die »Extraterrestrische Sensortechnik« wurden ausgegliedert, andere sollten zusammengeführt werden.129 Abbildung 5: Personalentwicklung am IPA von 1963 bis 1977
Quelle: Manfred Reinhardt: Bildmaterial zur »Historischen Entwicklung« des Institutes für Physik der Atmosphäre, Präsentation vor dem Ad-hoc-Beratungsausschuss, 14.12.1977 (KPAR A3091)
Kollegiale Leitung unter Heinz Fortak und Manfred Reinhardt 1970 zeichnete sich Hans Gerhards Müllers Pensionierung ab. Zur gleichen Zeit fanden im »Ministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBW)« Diskussionen statt, wie die meteorologische Forschung in der BRD zentralisiert werden könnte. Ausgelöst hatte diese Diskussionen ein Memorandum von Hermann Flohn, der darin die Zersplitterung der deutschen meteorologischen Forschung bean128 Zur Situation von Großforschungseinrichtungen um 1970 siehe Szöllösi-Janze: »Die Arbeitsgemeinschaft der Grossforschungseinrichtungen«. 129 Tätigkeitsbericht 1971 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 354.
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standete.130 Flohn, damals Leiter des Meteorologischen Instituts der Universität Bonn und einer der einflussreichsten Klimatologen in Deutschland, kritisierte fehlende Klimaforschung in der BRD und forderte die Einrichtung einer entsprechenden »Forschungszentrale« nach amerikanischem Vorbild. Ihm schwebte eine Einrichtung wie das NCAR in Boulder, Colorado, vor. Das NCAR war Ende der 1950er Jahre eingerichtet worden, um die meteorologische Forschung in den USA besser zu koordinieren.131 Die Arbeiten fokussierten auf allgemeine Zirkulationsmodelle, Wetter- und Klimakontrolle, Kohlendioxid und die Modellierung des Strahlungshaushaltes. 132 Der Gründung dieser Einrichtung lag das Bedürfnis zugrunde, die Atmosphäre zu erforschen, um die Vorgänge darin zu verstehen, vorherzusagen und schließlich zu kontrollieren. Die Motivation, die Umwelt wissenschaftlich zu erforschen, um ihre Vorgänge nicht nur verstehen, sondern am Ende auch kontrollieren zu können, war typisch für die Etablierung von Großforschung im Kalten Krieg. 133 Darüber hinaus war die NCARGründung von dem Gedanken geleitet, dass ein Untersuchungsgegenstand, der in seiner Ausdehnung so groß ist wie die globale Lufthülle, nur mit einer ebenfalls »großen« Infrastruktur untersucht werden kann. Ein einzelnes Universitätsinstitut konnte sich eine so kostspielige Ausrüstung mit Forschungsflugzeugen und Zugang zu Großrechnern und Satellitendaten nicht leisten. Die Einrichtung einer solchen Infrastruktur war also nicht mit Universitätsgeldern allein zu bewerkstelligen, sondern brauchte staatliche Unterstützung. Das NCAR war daher von Anfang an als Großforschungseinrichtung geplant, bei der im Unterschied zu anderen Großforschungsprojekten – wie beispielsweise der Kernenergieforschung – nicht nur die Infrastruktur und finanziellen Mittel »groß« waren, sondern auch das Untersuchungsobjekt selbst. Ähnlich »global« war auch die Zusammensetzung des wissenschaftlichen Personals gedacht: international und interdisziplinär. Die Belegschaft bestand daher größtenteils aus Gästen von Universitäten im In- und Ausland, was dem NCAR einen »semi-permanenten«
130 Überlegungen zur Förderung und Institutionalisierung der meteorologischen Forschung, Beilage zum Brief von Hermann Flohn an den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, 22.12.1969 (BAK B 196: 09184). 131 In der Planungsphase hieß das Institut »National Institute of Atmospheric Research (NIAR)«. Später änderte man den Namen in »National Center of Atmospheric Research (NCAR)«. 1960 wurden die Forschungsarbeiten aufgenommen (Howe: Making Global Warming Green, S. 51). 132 Howe: Making Global Warming Green, S. 51. 133 Vgl. dazu auch das Kapitel »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung«.
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Charakter verlieh.134 Ein solcher Gastaufenthalt ermöglichte es jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter, Koryphäen der Disziplin persönlich kennenzulernen. Auch viele Mitarbeiter des IPA waren mindestens einmal, oft am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere, im Rahmen dieses Gästeprogrammes an diesem »Mekka der Atmosphärenwissenschaften«, wie das NCAR inoffiziell genannt wurde.135 Flohns Memorandum für ein deutsches Forschungszentrum nach dem Vorbild des NCAR sollte auf seinen Wunsch hin vertraulich behandelt werden und nur im »engeren Kreis« zirkulieren.136 Innerhalb des Ministeriums, wo der Vorschlag auf offene Ohren stieß, wurde daraufhin die Zusammenlegung bereits bestehender meteorologischer Institute und Arbeitsgruppen diskutiert. Konkret ging es um die Arbeitsgruppe »Satellitenmeteorologie« des Meteorologischen Instituts der Universität München unter der Leitung von Hans-Jürgen Bolle, die Arbeitsgruppe »Physik der Atmosphäre« von Richard Mühleisen am Astronomischen Institut der Universität Tübingen sowie das IPA als gesamtes Institut.137 Als das Ministerium diese Idee an den DFVLR-Vorstand herantrug, war dieser mit dem Vorschlag einverstanden. Gegen eine Ausgliederung schien er nichts zu haben. Im Gegenteil: Der Vorstandsvorsitzende Volker Aschoff gab »zu verstehen, dass u[nter] a[nderem] das Institut von Professor Müller in der DFVLR ein Fremdkörper sei«.138 Eine solche Ausgliederung und Zusammenlegung mehrerer Einheiten zu einem neuen Forschungszentrum kam zwar nicht zustande. Doch Aschoffs Reaktion zeigt, dass das IPA um 1970 innerhalb der DFVLR, wenn überhaupt, dann nur schwachen Rückhalt genoss. Die wirklich turbulenten Jahre standen aber noch bevor. Ende 1972 ging Hans Gerhard Müller schließlich in Pension. Zu diesem Zeitpunkt war das Institut in acht Abteilungen gegliedert. 139 Es verfügte über
134 Howe: Making Global Warming Green, S. 46-51. 135 Interview mit Ulrich Schumann, 14.08.2012. 136 Brief von Hermann Flohn an den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, 22.12.1969 (BAK B 196: 09184). 137 Siehe Briefwechsel und Durchschriften im Bestand BAK B 196: 09184. 138 Durchschrift betreffend Zusammenfassung bestehender Arbeitsgruppen zu einem meteorologischen Zentralinstitut, von Walter Regula, 27.01.1970 (BAK B 196: 09184). 139 Die Abteilungen Messverfahren, Hohe Atmosphäre, Optik der Atmosphäre, Wolkenphysik/Flugmeteorologie, Radarmeteorologie, Energiebilanz der Atmosphäre, Stratosphäre, Austausch- und Aerosolfragen (Tätigkeitsbericht 1972 des Instituts für Physik der Atmosphäre).
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etwa eine halbe Million DM an Mitteln für Verwaltung und Investitionen.140 Seit den 1960er Jahren diskutierten die deutschen Großforschungseinrichtungen und der Staat darüber, ob und wie stark die Großforschung staatlich gesteuert werden sollte. Die Zeit zwischen Ende der 1960er und Mitte der 1970er Jahre war geprägt von diesem Aushandeln und Neugestalten der deutschen Forschungslandschaft. Der Bund bestand auf seinem Lenkungsanspruch während die Großforschungseinrichtungen nach mehr Autonomie verlangten. Die Verhandlungen mündeten schließlich in der Gründung der AGF und der Formulierung der »Dobeler-Thesen«, die das Verhältnis zwischen Staat und Großforschungseinrichtungen regeln sollten.141 Doch 1972 forderte das BMBW, Großforschung solle vermehrt auf die Bedürfnisse der »Öffentlichkeit« eingehen, um in den Forschungsplanungen das »sozial Erwünschte« zu berücksichtigen. 142 Die Regierung in Bonn ordnete an, dass an den Zentren mehr in die Entwicklung von Technologie investiert werden solle, die als gesellschaftlich relevant betrachtet wurde. Damit waren vor allem die Bereiche Umwelt, Biotechnologie, Transportsysteme und Verkehr gemeint, die in der Folge an den Großforschungseinrichtungen ausgebaut wurden.143 Gleichzeitig standen die Zentren unter Druck, ihre Arbeiten effizienter zu gestalten und ihre Leistungen überprüfbar zu machen.144 Eine Folge davon waren die neuen »Ergebnisberichte«. Die KFA Jülich führte
140 Mittelfristiges Arbeitsprogramm 1972-1976, Fachgebiet 6, Institut für Physik der Atmosphäre, S. 61 (KPAR A2846). 141 Boenke: Entstehung und Entwicklung, S. 233-244; Szöllösi-Janze: »Die Arbeitsgemeinschaft der Grossforschungseinrichtungen«, S. 158; Trischler: »Big Science – Big Machines«, S. 14-16. 142 Forschungsbericht IV der Bundesregierung, Bonn 1972, S. 11-12, zitiert in von Stumm: Kernfusionsforschung, S. 131. 143 Von Stumm: Kernfusionsforschung, S. 133-134. In der Folge trennte der Bund das BMFT vom BMBW ab. 144 Zu den Folgen dieser Umstrukturierungsprozesse für die KVA Jülich siehe ausführlich Rusinek: Das Forschungszentrum, S. 740-765. Zur den Auswirkungen auf die Gesellschaft für Strahlenforschung: Reuter-Boysen: Von der Strahlen- zur Umweltforschung, S. 203-218. Eine Zusammenfassung davon, wie die deutsche Großforschung in den 1960er und 1970er Jahre reorganisiert wurde, bietet von Stumm: Kernfusionsforschung, S. 118-138. Auch in den USA sahen sich Forschungseinrichtungen in den 1970er Jahren verstärktem Leistungs- und Effizienzdruck ausgesetzt, beispielsweise das »Oak Ridge National Laboratory (ORNL)« (Johnson/Schaffer: Oak Ridge Laboratory, S. 128-156) und das NCAR (Hundebøl: Constructing Climate Change, S. 107).
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sie bereits 1971 ein, das DFVLR 1975.145 Diese Berichte sollten es vereinfachen, die erbrachten Leistungen mit den ursprünglichen Zielen zu vergleichen. Eine andere Folge waren strukturelle Anpassungen. In seiner Organisation war die DFVLR der MPG ähnlich. Am MPG gab es zwar mit Ausnahme des Instituts für Plasmaphysik keine Großforschung. Aber beide waren außeruniversitäre Forschungsorganisationen und juristisch gesehen Vereine. Beide waren bemüht, ihre Strukturen zu verändern, um die Effizienz ihrer Institute zu steigern. Eine Strategie der MPG war dabei, ihre Institute vermehrt kollegial leiten zu lassen. Die Gesellschaft ging davon aus, dass es bei größeren Instituten für einen Leiter nicht möglich sei, den Überblick über die wissenschaftlichen Arbeiten zu behalten. Eine kollegiale Leitung sollte es deshalb ermöglichen, die Effizienz der Forschungsarbeiten besser zu überprüfen.146 1971 stand 40 von 52 MPI ein Co-Direktorat vor. Die Einführung der kollegialen Leitung war für den damaligen MPG-Direktor Reimar Lüst der »bedeutendste strukturelle Wechsel in der Max-Planck-Gesellschaft« seit ihrer Einrichtung. 147 Auch das IPA wurde vom DFVLR-Vorstand gedrängt, seine Arbeiten zu rationalisieren.148 Dass die MPIs ihre Leitungen sukzessive mit zwei Direktoren ausstatteten, wurde am IPA daher mit Interesse zur Kenntnis genommen. 149 Als Müller in Pension ging, sollte das IPA ebenfalls kollegial geleitet werden.150 Als erster Co-Direktor trat Heinz Fortak Müllers Nachfolge an. Fortak hatte bis dahin einen Lehrstuhl für theoretische Meteorologie an der Freien Universität (FU) Berlin inne und war eine angesehene Kapazität in der Meteorologie.151 Er
145 Zu den Berichtsformen der DFVLR siehe Einleitung. Zum KFA Jülich siehe Rusinek: Das Forschungszentrum, S. 750. 146 O.V.: »Die Max-Planck-Gesellschaft im Jahre 1971«. 147 Lüst: »Der Antriebsmotor der Max-Plank-Gesellschaft«, S. 125. 148 Brief von Hans Gerhard Müller an Philipp Hartl [mit handschriftlichen Anmerkungen von Klaus Barthelt], 17.01.1972 (KPAR A2529). 149 Siehe Markierungen im Bericht o.V.: »Die Max-Planck-Gesellschaft im Jahre 1971«, in KPAR A2510. 150 Die genauen Gründe für das Co-Direktorat ab 1974 sind in den Berichten nicht vermerkt. Andere Quellen, die die genauen Gründe dokumentieren könnten, sind zurzeit nicht auffindbar. In Gesprächen mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern des IPA (geführt zwischen 2010 und 2013) wurden unter anderem die Vermutungen geäußert, dass kollegiale Leitungen en vogue waren, dass daran gezweifelt wurde, ob Heinz Fortak langfristig am Institut bleiben würde, oder dass sowohl ein Praktiker wie ein Theoretiker in der Leitung vertreten sein sollte. 151 Interview mit Ulrich Schumann, 14.08.2012.
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hatte sich bereits in den 1960er Jahren einen Namen mit theoretischen Arbeiten zu Ausbreitungsmodellen von Luftschadstoffen – dem »Bremen Experiment« – gemacht. Damals war bereits bekannt, dass Schadstoffe durch Luftströmungen in der Atmosphäre transportiert werden und daher die Luft auch in Gegenden verschmutzen können, die weit entfernt vom Emissionsort liegen. Um 1970 hatten Forscher in Skandinavien ein Phänomen beobachtet, das sie »sauren Regen« nannten: Im Regen konnten sie hohe Konzentrationen von Schwefelsäure nachweisen. Zur gleichen Zeit fanden Wissenschaftler in den USA und Europa heraus, dass Stickoxide und Kohlenwasserstoffe zusammen mit Sonnenlicht für den Smog über Großstädten verantwortlich waren und dieser sich je nach Wetterlage über ganz Europa ausbreiten konnte. Das gewachsene Bewusstsein, dass lokale Verschmutzung globale Konsequenzen hatte, löste eine politische Diskussion darüber aus, welche Regionen die meisten Verschmutzungen produzierten, welche Emissionen eingeschränkt werden sollten und könnten und wie die Luft am besten überwacht würde.152 Mit diesem neuen Umweltbewusstsein richtete Ende 1970 Bayern das erste Umweltministerium der BRD ein.153 1977 etablierte die »United Nations Economic Commission for Europe (UNECE)« zusammen mit dem »United Nations Environment Programme (UNEP)« und der »World Meteorological Organization (WMO)« das »European Monitoring and Evaluation Programme (EMEP)«, um damit ein Messnetz aufzubauen, Daten zur Verschmutzung zu sammeln, die Entwicklung von Ausbreitungsmodellen zu fördern und Maßnahmen zum Abbau von Emissionen in Angriff zu nehmen.154 Mit Computermodellen waren in den 1950er und 60er Jahren neue Methoden entstanden, diesen Transport und die damit einhergehende Verschmutzung zu berechnen und vorherzusagen. Diese Vorhersagen waren wichtige Entscheidungshilfen dafür, an welcher Stelle ein Kernkraftwerk geplant werden konnte und wie sich eine radioaktive Staubwolke im Falle eines GAUs ausbreiten wür-
152 Heymann: »Modeling Reality«, S. 53-67. Bereits in den 1950er Jahren, mit dem Problem von radioaktivem Fallout, begann sich, ein solches Bewusstsein zu bilden (siehe dazu das Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre»). Die Debatte ab den frühen 1970er Jahren war allerdings nicht mehr nur auf Fallout durch oberirdische Atombombentests beschränkt, sondern bezog sich auch auf Unfälle von Kernreaktoren (wie beispielsweise auf der Three Mile Island im März 1979), »saurem Regen«, Waldsterben, Ozonbildung in der Troposphäre und Ozonabbau in der Stratosphäre. Zur »ökologischen Revolution« in den 1970er Jahren siehe auch Radkau: The Age of Ecology, S. 79-112. 153 März: »Ministerpräsidenten«, S. 155. 154 Heymann: »Modeling Reality«, S. 57.
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de. Bis in die 1970er Jahre lag der Fokus neben den radioaktiven Aerosolen auch auf der Verschmutzung durch Staub und Schwefeldioxid. 155 Dabei entbrannte eine Debatte um die Höhe von Schornsteinen. Bei Inversionslagen wurden nämlich Rauchfahnen aus Industrieschornsteinen statt in höheren Höhen abzuziehen auf die Siedlungsgebiete gedrückt und damit die Atemluft der Bevölkerung verunreinigt. Daher sollten Mindesthöhen für die Schornsteine festgelegt werden, in denen die Rauchfahnen die Inversionsschicht »durchstoßen« könnten, um dann in der darüber liegenden Schicht abzuziehen.156 Um diese Höhe zu eruieren, war es nötig zu wissen, wie sich solche Rauchfahnen in der Atmosphäre genau verhalten. Auch dafür waren theoretische Ausbreitungsmodelle gefordert. Fortak war sich bewusst, dass für den Verschmutzungseffekt von Rauchfahnen nicht nur die Schornsteinemissionen eine Rolle spielten, sondern auch die bereits vorhandenen Verunreinigungen in der Umgebungsluft. Daher entwickelte er von 1962 bis 1965 für die Stadt Bremen ein neuartiges Computermodell, das eben diese Emissionen in die Berechnungen miteinbezog.157 Die Erforschung von Luftverschmutzung war also eng verbunden mit der Entwicklung von Computermodellen. 158 Fortak, der seine wissenschaftliche Karriere unter anderem auf solchen theoretischen Arbeiten zu Simulationsmodellen aufgebaut hatte, traf auf ein Institut, das bis dahin stark im experimentellen Ansatz von Flugzeugmessungen verankert war. Ohne von Flohns Memorandum von 1969 zu wissen, war es nun Fortaks Ziel, aus dem IPA eine Art deutsches NCAR zu machen.159 Er wünschte sich auch am IPA eine ähnliche Aus-
155 Ebd., S. 55. 156 »Dreidimensionale Bilder von der dicken Luft. Oberpfaffenhofener Forscher untersuchen die anthropogenen Belastungen der Atmosphäre«, Entwurf der Pressemitteilung als Beilage zur Mitteilung von Dieter Paffrath an Manfred Reinhardt und Gerhard Ruppersberg, von Christian Ullmann, 29.07.1977, S. 3-4 (KPAR A2811). 157 Heymann: »Modeling Reality«, S. 61. Wie Heymann festhält, ignorierte dieses Modell allerdings die chemischen Umwandlungsprozesse von Schwefeloxid sowie die Topographie, die die Luftbewegungen mitbeeinflussen. 158 Siehe dazu ausführlicher Heymann: »Modeling Reality«. Zur Geschichte der numerischen Wettervorhersage und der Rolle von Felix Exner, Vilhelm Bjerknes, Lewis F. Richardson und Carl-Gustav Rossby siehe Cressman: »The Origin and Rise«. Zur Entwicklung numerischer Simulationsmodelle aus philosophischer Sicht siehe Gramelsberger: »What Do Numerical (Climate) Models Really Represent?«. Für einen soziologischen Zugang zum Thema: Sundberg: »Cultures of Simulation«. 159 Brief von Heinz Fortak an Ulrich Schumann, 14.03.1997 (SCHU 1002); Denkschrift Zentrum für die Erforschung der Atmosphäre, von Heinz Fortak, 1975 (Privatbesitz
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stattung der Flugzeugflotte, einen Großrechner, eine Simulationsgruppe sowie Gästehäuser. Inspiriert vom Forschungsprogramm am NCAR plante er Arbeiten zu einer globalen Atmosphärensimulation und mehr Anstrengungen im »meteorologischen Umweltschutz«. 160 Damit erhoffte sich Fortak ein größeres und internationaleres IPA, das innerhalb der BRD einen noch höheren Stellenwert erhielt.161 Wenn angesehene Fachkollegen das IPA mit dem NCAR verglichen, war dies daher für Fortak ein besonderes Kompliment.162 Die Aufgaben des IPA definierte Fortak ex negativo als »moderne Großforschung auf denjenigen meteorologisch interessanten Gebieten […], die weder in den Bereich des DWD gehören noch aufgrund des personellen und materiellen Aufwandes innerhalb der Universitäten bearbeitet werden können«. 163 Insbesondere mit dem DWD strebte er eine engere Zusammenarbeit an. 164 Der Anspruch, dass am Institut experimentelle wie theoretische Forschung betrieben würde, blieb dabei unangetastet. Und wie sein Vorgänger legte auch Fortak großen Wert darauf zu betonen, dass Flugzeuge »wichtigster Messträger« wären. Während seiner Amtszeit baute das IPA die Flugzeugflotte aus und beschaffte die drei Motorsegler »ASK 16« und zusammen mit der DFVLR das große meteorologische Forschungsflugzeug »Falcon«.165 Doch in Ergänzung zu den experimentellen Flugzeugmessarbeiten sah er es als eine Notwendigkeit an, auch numerische Simulationsmodelle zu integrieren, die einen erheblichen Anteil seiner bisherigen theoretischen Arbeit ausgemacht hatten.166 Im Bereich der Luftverschmutzung, den Fortak am
Fortak); Stellungnahme zur Bedeutung und zum Forschungsplan des Instituts für Physik der Atmosphäre des DFVLR, von Heinz Fortak, 08.01.1973 (KPAR A2846); Interview mit Heinz Fortak, 16.01.2015. 160 Interview mit Heinz Fortak, 16.01.2015. 161 Stellungnahme zur Bedeutung und zum Forschungsplan des Instituts für Physik der Atmosphäre des DFVLR, von Heinz Fortak, 08.01.1973, S. 1 (KPAR A2846), sowie Interview mit Ulrich Schumann, 14.08.2012. 162 Brief von Heinz Fortak an H[ermann] Jordan, 30.04.1974 (KPAR A2866). 163 Stellungnahme zur Bedeutung und zum Forschungsplan des Instituts für Physik der Atmosphäre des DFVLR, von Heinz Fortak, 08.01.1973, S. 1 (KPAR A2846). 164 Brief von Heinz Fortak an H[ermann] Jordan, 30.04.1974 (KPAR A2866). 165 DFVLR-Ergebnisbericht 1975, S. 34; Reinhardt/Schumann: Institutsbericht 19821987, S. 25. Die ASK-16-Flotte war hauptsächlich für Vermessungen von Kühlturmfahnen bestimmt (Luftfahrzeuge des Luftfahrttechnischen Bereichs der DFVLR, von H. Finkenzeller, Stand 15.07.1974, S. 3 [KPAR A2864]). 166 Stellungnahme zur Bedeutung und zum Forschungsplan des Instituts für Physik der Atmosphäre des DFVLR, von Heinz Fortak, 08.01.1973 (KPAR A2846).
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IPA zu verstärken gedachte, war am Institut bereits vor seinem Amtsantritt viel experimentelle Arbeit geleistet worden.167 Fortak brachte nun die theoretischen Modelle dafür mit. Wenige Wochen nach seinem Antritt wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1974 Manfred Reinhardt, bisher stellvertretender Leiter, als zweiter Direktor neben Fortak berufen.168 Reinhard hatte den Segelflug als Jugendlicher während des Zweiten Weltkrieges in der Fliegereinheit der Hitlerjugend in der Röhn erlernt. Nach seinem Dienst bei der Luftwaffe nahm er ein Physikstudium auf und war in der Akademischen Fliegergruppe der Technischen Hochschule Stuttgart aktiv gewesen, wo er Walter Georgii kennengelernte. Georgii war damals gerade aus Argentinien zurückgekehrt und Leiter des DFS-Instituts für Flugmeteorologie geworden. Über ihn war Reinhardt schon 1956 an die DFS gekommen.169 Nach Müllers Pensionierung hatte Reinhardt die IPA-Leitung kommissarisch übernommen, bis Fortak sein Amt angetreten hatte und er selber offiziell als zweiter Direktor berufen wurde. Im Gegensatz zu Fortak, der neu an das Institut gekommen war, konnte Reinhard als Co-Direktor also eine gewisse Kontinuität in der Institutsleitung gewährleisten. Der Battelle-Bericht 1973 Der Wechsel an der Spitze des Instituts fiel also in eine Zeit größerer Strukturveränderungen der DFVLR, die im Kontext der Neuausrichtung der deutschen Großforschung stand. Um zu prüfen, wie deren Leistungsfähigkeit erhöht werden könnte, beauftragte das BMWB (später: »Bundesministerium für Forschung und Technologie«) im April 1972 das Battelle-Institut in Frankfurt am Main. Dieses sollte unter anderem die Fragen klären, wie sich die DFVLR von anderen Forschungseinrichtungen abgrenzte, wie die Gremien und Organe neu organisiert werden sollten und wie der Erfolg (besser) kontrolliert werden könne. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden sämtliche DFVLR-Institute auf ihre Struktur und Leistungsfähigkeit überprüft. Im Abschlussbericht empfahl das Battelle-
167 Vor allem Untersuchungen zu unterschiedlichen Messmethoden und Austauschvorgängen sowie Messungen von Schadstoffkonzentrationen im Bereich künstliche Radioaktivität und Schadstoffaerosolen (Zusammenstellung der Aktvitäten der DFVLR auf dem Gebiet des Umweltschutzes, von Hans-Friedrich Fischer, 05.05.1971 [KPAR A673]). 168 Tätigkeitsbericht 1974 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 285. 169 Vorstandsbeschluss ›Den Damen und Herren des Instituts für Flugmeteorologie zur Kenntnisnahme‹, von Walter Georgii, 1959 (KPAR A2522).
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Institut Maßnahmen, um die Arbeiten an der DFVLR effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Um dies zu bewerkstelligen, sollte Personal abgebaut und geprüft werden, ob auch ganze Institute geschlossen werden könnten. Die Autoren des Abschlussberichtes stellten zudem fest, dass sich die Arbeiten an der DFVLR nicht klar von denjenigen bei der MPG abgrenzen ließen. Ein Abgrenzungsproblem sahen sie vor allem in der Tatsache, dass viele DFVLR-Institute wie die MPIs ebenfalls experimentelle Grundlagenforschung betrieben. Das IPA wurde dabei explizit genannt. Wie für das IPA war es auch für die DFVLR wichtig, ein klares Profil als Institution zu vermitteln und ihren »sozialen Raum« zu verteidigen, um von den Ministerien nicht als entbehrlich wahrgenommen zu werden. Um dieses Problem der verwischten Grenzen zur MPG zu beheben, empfahl das Battelle-Institut, sich zu überlegen, ob solche Einrichtungen wie das IPA nicht besser zur MPG wechseln sollten, damit die DFVLR sich stärker im Bereich der anwendungsorientierten Forschung positionieren könne. 170 Zudem sprach sich der Bericht deutlich dagegen aus, dass Einrichtungen, die Flugzeuge zur Forschung einsetzen, einen Platz in der DFVLR hätten, wie folgender Auszug zeigt: »Nicht zur Luft- und Raumfahrtforschung gehören […] die wissenschaftlichen Disziplinen, die neben ihrem terrestrischen Instrumentarium die Mittel und Möglichkeiten der Luftfahrt und des Raumfluges benutzen, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Natur der […] atmosphärischen Vorgänge, der Erde und des Meeres zu sammeln.«171
Damit stellten die Berater die Existenz des IPA als Teil der DFVLR grundsätzlich in Frage. Doch die Anbindung an die Einheitsgesellschaft DFVLR sicherte dem Institut eine Grundfinanzierung, gestattete den Zugang zu Flugzeugen und dem Flughafen in Oberpfaffenhofen, ermöglichte es, auf eine administrative Infrastruktur zurückzugreifen und vereinfachte die Zusammenarbeit mit anderen DFVLR-Institutionen wie der Flugbereitschaft. In anderen Worten: Für das IPA war diese Angliederung seit zehn Jahren Bestandteil ihrer Arbeitsorganisation und Arbeitsausführung. Die Kombination von Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung war stets ein ausgewiesenes Merkmal ihrer Identität. Welche Folgen hatte die Infragestellung der DFVLR-Anbindung beziehungsweise diese Kombination der beiden Forschungskategorien auf die IPA-Identität?
170 Battelle-Bericht. Studie über die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, S. 43, 135 und 136. 171 Ebd., S. 22 (Hervorhebung im Original).
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Die IPA-Leitung reagierte auf den Battelle-Bericht in einem Brief an den DFVLR-Vorstand, in welchem sie dezidiert und detailliert Widerspruch erhob. Vor allem protestierte sie gegen den Vorschlag, das Institut der MPG zuzuordnen. Grundlagenforschung würde am IPA nur »mit geringer Kapazität« betrieben, stellte Reinhardt klar, und dies auch nur in Bereichen, die für die anwendungsorientierten Fragestellungen relevant seien.172 Aber die Diskussion um die Grundlagenforschung am IPA war damit nicht beigelegt. Selbst 13 Jahre nach der Battelle-Untersuchung gab es den Grundkonflikt, dass die Satzung der DFVLR die angewandte Forschung verankerte, das IPA aber auch meteorologische Grundlagenforschung betrieb und damit strenggenommen nicht zur DFVLR passte, jedenfalls nicht ohne einen gewissen Rechtfertigungsdruck. Ungeachtet dessen, dass die Grenze zwischen »reiner« und »angewandter« Forschung in den 1970er und 1980er Jahren viel von ihrer (vermeintlichen) Schärfe eingebüßt hatte173, musste sich das IPA diesbezüglich nach der DFVLR-Satzung richten. Auch IPA-Mitarbeiter Werner Bögel schlug Mitte der 1980er daher vor, mehr angewandte Forschung zu betreiben und die Errichtung und Nutzung von Großversuchsanlagen zu verstärken, um sich damit von den meteorologischen Instituten außerhalb der Einheitsgesellschaft abzugrenzen. Zudem müsse sich das IPA mit anderen DFVLR-Instituten vernetzen und Ergebnisse produzieren, die auch für die anderen meteorologischen Institute relevant seien, denn » [j]e mehr wichtige Bedarfsträger erklären, dass sie das Institut brauchen, desto besser ist seine Existenz gesichert«. Daneben gab Bögel zu bedenken, dass die »besondere Erfahrung und Fähigkeiten der Mitarbeiter« sowie »die Kontinuität der Institutsarbeit« sich als weitere Kriterien anbieten, um die Auswahl von Forschungsthemen zu bestimmen.174 Damit machte er die Beziehung zwischen Existenzsicherung und institutioneller Identität besonders deutlich. Die Zugehörigkeit zur DFVLR und die Notwendigkeit der Abgrenzung gegenüber anderen Institutionen bestimmten bis zu einem gewissen Grad die Forschungsthemen, die Forschungsart (Grundlagen- oder angewandte Forschung) sowie die Verwendung von Instrumenten. Weitere bestimmende Faktoren waren die Expertise am Institut sowie eine gewisse »Kontinuität« (oder »Tradition«) in den Arbeiten. Damit waren wichtige Aspekte des »sozialen Raumes« des Instituts genannt, aus dem es sich
172 Brief von Manfred Reinhardt [i.V. Klaus Barthelt] an Philipp Hartl, betr. Arbeitsessen vom 06.07.1973, 12.07.1973 (KPAR A2510). 173 Geppert: »Rethinking the Space Age«, S. 220. 174 Diskussionsbeitrag zu den Kriterien für die Arbeit in NE-PA, von Werner Bögel, 22.10.1986 (KPAR A2843).
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nicht zu weit hinausbewegen konnte, ohne seine Existenz zu gefährden.175 In den nächsten Kapiteln werden diese Aspekte noch genauer beleuchtet und exemplifiziert. Im Abschlussbericht zu seiner Anstaltsprüfung zählte das Battelle-Institut mehrere Möglichkeiten auf, wie die DFVLR in Zukunft effizienter zu organisieren sei. Dies beinhaltete auch so radikale Vorschläge wie die Auflösung der ganzen Anstalt. Alternativ müssten mindestens 200 wissenschaftliche Stellen abgebaut werden. Grundsätzlich sollte die DFVLR überdenken, welche Schwerpunkte sie weiterführen, welche Abteilungen sie ausgliedern und welche Rolle der Bund oder die Länder bei der Finanzierung spielen sollten. Unter anderem müssten auch die Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung (F+EArbeiten) überdacht werden. Die Berater sahen demnach einen Trend zu immer langlebigeren und standardisierteren Flug- und Raumfahrtsystemen, womit sich zwar ein hochqualifizierter aber kein thematisch breiter oder gar steigender F+EAufwand rechtfertigten ließe.176 Die Atmosphärenforschung als fester Bestandteil der DFVLR Anfang der 1970er Jahre stagnierten die Zuwendungen des Bundes an die Wissenschaft und begannen 1973 sogar zu sinken.177 Die IPA-Leitung empfand es jedoch als Widerspruch, dass das Wachstum ihres Instituts in den 1970er Jahren erlahmte, während in den USA die Physik der Atmosphäre bei der »National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA)« und am NCAR weiterhin stark wuchs.178 Reinhardt meinte rückblickend, dass dem IPA Anfang der 1970er Jahre eben »noch nicht so viel Leistung zugetraut« worden sei.179 Zudem legt Volker Aschoffs Bemerkung von 1970 zum IPA als Fremdkörper die Annahme nahe, dass das Institut innerhalb der DFVLR bis dahin eher stiefmütterlich behandelt worden war. Doch Aschoff war inzwischen als Vorstandsvorsitzender von Hermann Jordan abgelöst worden. Und während die DFVLR begann, Emp-
175 Vgl. Mukerji: A Fragile Power, S. 132; Whetten: »Albert and Whetten Revisited«, S. 220. 176 Battelle-Bericht. Studie über die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, S. 13 und 25-26. 177 Siehe Graphik der Ausgabenentwicklung in von Stumm: Kernfusionsforschung, S. 128. 178 Mittelfristiges Arbeitsprogramm 1972-1976, Fachgebiet 6, Institut für Physik der Atmosphäre, S. 57 (KPAR A2846). 179 Interview mit Manfred Reinhardt, 21.08.2012.
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fehlungen des Battelle-Berichtes zum Stellenabbau und anderen Kosteneinsparungen umzusetzen, war sie gleichzeitig auch bemüht, die Mittel für den Forschungsschwerpunkt »Erderkundung« zu erhöhen.180 Die Atmosphärenforschung war Teil dieses Schwerpunktes. Der Grund, diese zu fördern statt einzusparen, lag in der oben beschriebenen zunehmenden Aufmerksamkeit, die die Umweltund insbesondere die Luftverschmutzung im öffentlichen Bewusstsein erhielt. Die DFVLR erwartete daher, dass die Erkundung der Atmosphäre in Zukunft eine »wachsende Bedeutung haben wird«.181 Sie entschloss sich, insbesondere die Arbeiten im Bereich Meteorologie und Atmosphärenphysik entsprechend auszubauen.182 Während die DFVLR also plante, insgesamt massiv Stellen abzubauen (von 1976 auf 1765 für das Jahr 1976) und Arbeiten unter anderem im F+E-Bereich zu reduzieren, stockte sie das Budget für die »Erkundung der Atmosphäre« bis in das Jahr 1979 von 5,3 auf 6,9 Mio. DM auf und plante zudem, sechs neue Stellen schaffen.183 Mit der Aufstockung erhoffte sich die Anstalt, zu Lösungen von akuten Umweltproblemen wie der anthropogenen Luftverschmutzung beizutragen, zum Beispiel durch deren Vorhersage. Tatsächlich bat das BMFT 1976 die DFVLR, am IPA eine neue Abteilung zur Erforschung des Klimawandels einzurichten.184 Eine solche kam zunächst nicht zustande, da der DFVLR-Vorstand damals zu wenig Kapazitäten und fehlende Expertise am IPA ortete. Das Institut war stärker auf kleinräumigere Wetterprozesse ausgerichtet als auf globale Zirkulation, wie es für die Klimaforschung als erforderlich betrachtet wurde.185 Noch im gleichen Sommer revidierte die DFVLR jedoch diese Aussage und erklärte sich bereit, am IPA die nötigen Kapazitäten zu schaffen. Schließlich wäre mit Fortak als Simulationsexperten eine IPA-Abteilung zur globalen Klimamodellierung doch denkbar gewesen. Fortak konnte in der Folge eine kleine »theoretische Abteilung« einrichten, die sich mit Fragen der anthropogenen Klimabeeinflussung beschäftigen wollte. Doch mit seinem Weggang
180 Programmbudget 1976 Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, S. 47-52. 181 Ebd. 182 Brief von Hermann Jordan an [Wolf-J.] Schmidt-Küster, 23.07.1976 (BAK B 196: 66980). 183 Programmbudget 1976 Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, S. 3, 8 und 52. 184 Brief von Wolf-J. Schmidt-Küster an die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, 25.06.1976 (BAK B 196: 66980). 185 Brief von Hermann Jordan an [Wolf-J.] Schmidt-Küster, 23.07.1976 (BAK B 196: 66980).
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einen Monat später sah sich die DFVLR ihres Simulationsexperten beraubt. Die »theoretische Abteilung« blieb dennoch bestehen und die DFVLR bemühte sich beim Take-Off der deutschen Klimaforschung in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre mit an Bord zu sein.186 Zwar ging der Auftrag zur Erforschung des Klimawandels schließlich in erster Linie an das kurz zuvor eingerichtete MPI für Meteorologie in Hamburg. Doch die Anstrengungen der DFVLR und des IPA, auch vermehrt Probleme der Umweltverschmutzung zu untersuchen, wurden dennoch weiterhin von höchster Ebene unterstützt. So scharf der Battelle-Bericht auch formuliert war, für das IPA blieben also wirkliche Konsequenzen aus. 187 Die DFVLR-Investitionspläne für die Atmosphärenforschung Mitte der 1970er Jahre weisen auf eine stabile Verankerung des IPA innerhalb der DFVLR hin. Trotz den Kritiken der BattelleUntersuchung stand diese hinter ihrem IPA. Ein Abgrenzungsproblem gegenüber der MPG oder Universitätsinstituten sah sie »aufgrund ihrer Erfahrung im Bereich der Luft- und Raumfahrt und ihrer speziellen Geräte« nicht. 188 Seine Forschungstechnik und Expertise, die sich über einen langen Zeitraum entwickelt hatte − zwei wichtige Elemente institutioneller Identität −, verhalfen dem IPA also zu einer stabilen Position innerhalb der DFVLR. Weder der Bericht noch die Umstrukturierungen und Mittelkürzungen auf der Ebene der DFVLR führten dazu, dass diese Identität ernsthaft in Frage gestellt worden wäre. Eine Veränderung lässt sich dennoch feststellen. Bis zum Erscheinen des Battelle-Berichtes war die Aufgabenstellung des IPA jahrelang auf die »Umweltbedingungen für Flugzeuge, Flugkörper und Raketen, soweit sich diese innerhalb der Erdatmosphäre bewegen«, ausgerichtet.189 Kurz nach Erscheinen des Berichtes hieß es fortan: »Das Institut für Physik der Atmosphäre der DFVLR bearbeitet […] Fragen der Umweltbedingungen in der Atmosphäre.«190 Die Veränderung der Formulierung war subtil, deutete aber die verstärkte Relevanz der Umwelt allgemein an und wies dem Flugzeug noch stärker die Funkti-
186 Siehe dazu unter anderem: Brief von Hermann Jordan an Eschelbacher, 31.08.1976 (BAK B 196: 66980); BMFT Besprechungsvermerk 512-8096-1, Beeinflussung des Weltklimas durch Wärmefreisetzung bei der Energieproduktion, 08.09.1976 (BAK B 196: 66980); Notiz über ein Gespräch zur Meteorologie zwischen BMFT und DFVLR, von Peter Meischner, 05.01.1977 (BAK B 196: 66980). 187 Interview mit Manfred Reinhardt, 14.08.2012. 188 Programmbudget 1976 Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, S. 52. 189 Siehe Tätigkeitsberichte von 1965 bis 1972 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 190 Tätigkeitsbericht 1973 des Instituts für Physik der Atmosphäre.
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on eines Instrumentes zu, mit dem Messungen durchgeführt wurden, das aber nicht mehr im Zentrum des Forschungsinteresses stand. Am tatsächlichen Stellenwert dieses Instrumentes im Institutsprogramm änderte dies nichts. Die in den Tätigkeitsberichten deklarierten Forschungsaufgaben änderten sich trotz Betonung auf die allgemeinen Umweltbedingungen in der Atmosphäre kaum. Doch wurden die »mikroklimatischen Auswirkungen von anthropogenen Eingriffen in die natürliche Umwelt« neu in das Programm aufgenommen.191 Als Folge der turbulenten 1970er Jahre hat das IPA also, wie die DFS in den 1950er Jahren, ihr Forschungsprogramm ausgeweitet, um politisch relevante Fragestellungen miteinzubeziehen (siehe dazu das folgende Kapitel zur Radioaktivitätsmessungen). Mit der Anpassung seines Forschungsprogrammes stand das Institut nicht alleine da. Flexibilität mussten auch andere deutsche Forschungszentren zeigen. Insbesondere die Großforschungseinrichtungen standen unter Druck, ihr Programm den veränderten politischen Bedürfnissen anzupassen, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Die 1960 gegründete »Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF)« beispielsweise weitete ihr Programm im Bereich Biologie, Medizin und Neue Technologien Richtung »life sciences« aus. Sie richtete neue Institute zur ökologischen Chemie, für Toxikologie und Pharmakologie ein und erweiterte 1971 ihren Namen mit dem Umweltbegriff in »Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung«. 192 Die FKA Jülich sah sich zur gleichen Zeit nicht nur mit rückläufiger Finanzierung von Seiten des Staates, sondern zusätzlich mit einem Imageverlust der Kernenergie konfrontiert. Sie stand damit doppelt unter Druck, ihr Programm zu verändern. Die Aufnahme der Festkörperforschung stellte dabei einen wichtigen Schritt dar, um den Fokus der Arbeiten in Richtung nicht-nuklearer Forschung zu lenken. Mit der gleichen Absicht nahm die wissenschaftliche Leitung der KFA im Laufe der 1970er Jahre auch Atmosphärische Chemie und Erdölchemie in ihr Programm auf.193 Über die folgende Dekade hinweg reduzierte die KFA die eigentliche Kernforschung sukzessive und wandte sich vermehrt Bereichen wie Energie, Gesundheit und Umwelt zu. 1990 erhielt das Zentrum schließlich seinen ersten wissenschaftlichen Leiter, der nicht mehr aus der Kernforschung kam.194 In dasselbe Jahr fiel die Umbenennung in »Forschungszentrum Jülich GmbH«. Eine ähnliche Umori-
191 Ebd., S. 257. 192 Reuter-Boysen: Von der Strahlen- zur Umweltforschung, S. 221. 193 Rusinek: Das Forschungszentrum, S. 755-761. 194 Joachim Treusch löste Wolf Häfele als wissenschaftlich-technischen Vorstandsvorsitzenden ab. Treusch war Physiker und bis dahin im wissenschaftlichen Beirat der KFA Festkörperforschung gewesen. Rusinek: Das Forschungszentrum, S. 764.
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entierung ist auch für die »Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt mbH (GKSS-Forschungszentrum Geestacht GmbH)« zu beobachten. Ursprüngliches Ziel der dortigen Arbeiten war es, ein kernenergiebetriebenes Schiff, die »Otto Hahn«, zu entwickeln. Ab Beginn der 1970er Jahre fand sich das GKSS-Forschungszentrum aber einem ähnlichen Druck zur Umorientierung ausgesetzt wie die anderen Institute. Es nahm die Bereiche Meerwasserentsalzung, Meerestechnik, Leichtwasserreaktor-Technologie und Reaktorsicherheitsforschung in sein Programm auf und definierte 1974 ebenfalls ein Aufgabengebiet »Umweltforschung«. 195 Die Historikerin Monika Renneberg stellte fest, dass die GKSS damit »ein Programm entwickelt [hatte], das den Bestand der Forschungseinrichtung auch ohne den Bereich der Nuklearschiffe sicherte«.196 Grundsätzlich ist von außeruniversitären Forschungszentren immer ein gewisses Maß an solcher Flexibilität erforderlich, damit sie ihre Finanzierung nicht verlieren und damit ihre gesamte Existenz gefährden. Das »Oak Ridge National Laboratory (ORNL)« ist ein Beispiel für diese Anpassungsstrategie im amerikanischen Kontext. Es wurde 1943 im Rahmen des Manhattan Projektes als »Clinton Laboratories« in Oak Ridge eingerichtet und war an der Entwicklung der Atombombe beteiligt. Als Kriegsgründung musste es sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Friedenszeiten anpassen und fokussierte anstatt auf Atomwaffen auf Nuklearenergie. Aus den »Clinton Laboratories« wurde 1947 zunächst das »Clinton National Laboratory« und 1948 schließlich das »Oak Ridge National Laboratory (ORNL)«. Die 1970er Jahre waren auch für das ORNL eine neue Herausforderung, im Ohr die Rufe nach »gesellschaftlich relevanter« Forschung. Die Sensibilisierung für Umweltthemen stellte den singulären Schwerpunkt Kernenergie in Frage. Als Antwort darauf stellte das Institut den Bau neuer Kernreaktoren ein und erweiterte stattdessen seine Fragestellungen auf sämtliche Arten von Energie sowie deren Einfluss auf die Umwelt.197 Folglich wandelte es sich in der Interpretation von Leland Johnson und Daniel Schaffer zu einer »multipurpose science research facility, ready to tackle the increasingly complex issues of energy and the environment«.198 Auch das NCAR, das erst ab 1960 eingerichtet worden war, unterlag in den 1970er Jahren dem Druck, sich vor allem strukturell neu zu organisieren. Kräfte im UCAR und der »National Science Foundation« forderten vom Zentrum, die
195 Renneberg: Gründung und Aufbau des GKSS-Forschungszentrums, S. 250-253. 196 Ebd., S. 253. 197 Johnson/Schaffer: Oak Ridge Laboratory, S. xii, 26-28 und 129-133. 198 Ebd., S.130.
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Arbeiten effizienter und hinsichtlich Qualität besser überprüfbar zu gestalten. Die Forderungen gingen für den damaligen NCAR-Direktor Walter Orr Roberts zu weit. Roberts was Gründungsdirektor des NCAR und hatte seinen Wissenschaftlern viele Freiheiten gelassen, deren Beschneidung er nicht vertreten wollte. Der Zwist führte schließlich so weit, dass Roberts sein Amt niederlegen musste.199 Im Gegensatz zum ORNL und dem IPA waren wie das NCAR viele der deutschen Großforschungszentren erst in den 1960er Jahren eingerichtet worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die DFS beziehungsweise das IPA eine seiner kritischsten Phasen, in der es sein Programm den veränderten Bedingungen der Nachkriegszeit anpassen musste, bereits hinter sich. Der Druck auf die Großforschungseinrichtungen der 1970er Jahre betraf nun zuerst die DFVLR, die ihrerseits entscheiden musste, wie sie unter diesen Umständen ihre Institute organisieren wollte. Bei der Entscheidung, wie sich das IPA entwickelte, spielte diesmal also auch die DFVLR eine Rolle. Wie die anderen Forschungszentren sah auch sie großes Potential in der Umweltforschung, für die sich am IPA bereits viele Anschlussthemen finden ließen. Anders als die KFA Jülich oder das GKSS-Forschungszentrum, die sich von ihrem ursprünglichen Schwerpunkt der Kernforschung abwandten, musste sich das IPA jedoch nicht grundsätzlich von seiner Gründungsidentität verabschieden. Das mag daran liegen, dass diese seit den späten 1950er Jahren hauptsächlich in einer Methode (Fliegen) gründete und höchstens in zweiter Linie in einem Forschungsgegenstand, welcher politisch so sensibel sein konnte wie die Kernforschung. Allerdings bleibt diese These vorerst spekulativ, da es schwierig ist, unterschiedliche Forschungseinrichtungen auf diese Weise zu vergleichen, solange deren institutionelle Identitäten nicht unter den gleichen Prämissen untersucht werden. Deutlich wird hingegen, dass eine Diversifizierung am IPA bereits seit Mitte der 1950er Jahren am Institut zu beobachten war und eine seither regelmäßig angewandte Überlebensstrategie darstellte, ohne dass damit eine grundsätzliche Neuausrichtung einherging. Die Flexibilität der Forschungsagenda, die jede staatlich geförderte außeruniversitäre Forschungseinrichtung zeigen muss, äußerte sich bei der DFS und dem IPA somit primär in einer konstanten Diversifizierung, und weniger durch eine grundlegende Neuausrichtung. Sie kann daher ab Ende der 1950er Jahren auch nicht als Ausdruck einer »Identitätskrise« interpretiert werden, sondern im Gegenteil als langandauernde Strategie
199 Hundebøl: Constructing Climate Change, S. 102 und 107.
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und somit als eine Facette des institutionellen Charakters; Diversifizierung als konsequentes »act-in-character«.200 Die Neugestaltung der Beziehung zwischen dem deutschen Staat und der Forschung und die damit einhergegangenen Umstrukturierungen der Wissenschaftsorganisation hatten für die DFVLR spürbare Auswirkungen, für das IPA stellte sich dies dagegen nicht als existenzielle Bedrohung heraus.201 Im Gegenteil, es folgte ein Bekenntnis der DFVLR zur Atmosphärenforschung am IPA. Und während die DFVLR wie auch die KVA Jülich und das GKSSForschungszentrum in Geestacht mit Stellenstreichungen und Mittelreduzierung konfrontiert waren, bekam das IPA mehr Mittel und Stellen für die Umweltforschung zugesprochen sowie ein neues Forschungsflugzeug und ging somit gestärkt aus den Umwälzungen auf DFVLR-Ebene hervor. Fortaks Weggang 1976 und die Suche nach einer Nachfolge Die Anschaffung eines neuen Flugzeuges für die Atmosphärenforschung kann als sichtbares Zeichen für dieses Bekenntnis der DFVLR zu den Arbeiten am IPA gewertet werden. 202 Im Juli 1976 wurde das große meteorologische Forschungsflugzeug »Falcon« an die DFVLR geliefert und in Oberpfaffenhofen stationiert.203 Fortaks Wunsch, aus dem IPA ein deutsches NCAR zu machen, ließ sich jedoch nicht realisieren. Die Diskussionen, die Hermann Flohn um ein neues Forschungszentrum ausgelöst hatte, mündeten 1974 in der Einrichtung des Max-Plank-Instituts für Meteorologie in Hamburg, das sich ausschließlich der Klimaforschung widmen sollte. Fortaks Rufe nach einem deutschen NCAR in Oberpfaffenhofen verhallten ungehört.204Er selber bezeichnete diesen Plan später als »zu hoch gegriffen«, er fühlte sich von der DFVLR und am IPA nicht genügend unterstützt.205 Zudem erhielt Fortak noch immer nicht den versprochenen Ruf an die Ludwig-Maximilians-Universität in München. Im Oktober jenes
200 Whetten: »Albert and Whetten Revisited«, S. 223. 201 Zu den forschungspolitischen Reformen der »langen« 1970er Jahre siehe auch Trischler: »Big Science – Big Machines«. 202 Zum Anschaffungsprozess der Falcon siehe das Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff«. 203 DFVLR-Ergebnisbericht 1976, S. 4.24. 204 Fortak bewarb sich darauf als Direktor des neu gegründeten MPI (Interview mit Heinz Fortak, 16.01.2015.). Der Ruf ging aber schließlich an Klaus Hasselmann. 205 Brief von Heinz Fortak an Ulrich Schumann, 14.03.1997 (SCHU 1002); Interview mit Heinz Fortak, 16.01.2015.
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Jahres 1976 legte Heinz Fortak daher sein Amt als Co-Direktor nieder und verließ enttäuscht das IPA. Das BMFT versuchte ihn vergeblich wegen seiner fachlichen Kompetenz noch weiterhin an der DFVLR zu halten. 206 Doch Fortak entschied sich, zu gehen. Aus einem Brief an seinen Nachfolger Ulrich Schumann spricht noch 20 Jahre später diese für ihn große Enttäuschung. In Fortaks Augen »brachte mir meine Nibelungentreue zur Anstalt am Ende den totalen beruflichen Abstieg«.207 Er war danach an die FU Berlin zurückgekehrt, wo er sich für seine Aufgabe am IPA nur hatte beurlauben lassen, und erhielt später mehrere Auszeichnungen und Ehrungen für seine Arbeit.208 Die Suche nach einer Nachfolge für Heinz Fortak stellte sich als Herausforderung für IPA und DFVLR heraus. Über mehrere Jahre liefen Verhandlungen mit potentiellen Kandidaten aus dem In- und Ausland, die stets damit endeten, dass entweder der Kandidat oder der DFVLR-Vorstand ablehnte. Diese Suche hat sich auch in das Gedächtnis der Mitarbeiter als mühsam eingeprägt. Dieter Paffrath, Mitarbeiter am IPA seit den 1960er Jahren und »Institutsdichter«, erinnerte sich noch 1995: »Der Vorstand, voller Katzenjammer Sitzt ganz frustriert in seiner Kammer. Siebzehn Bewerber sind verschlissen. Er lässt uns hier im Ungewissen. […] Herr Doktor Reinhardt bis zur Neige Spielt währendem die Sologeige. Und dirigiert mit voller Kraft Die H.G. Müller-Hinterlassenschaft Von FFM und DFS Ganz ohne Hektik, ohne Stress. Und alle fanden dieses Klima… Na, ja…, eigentlich ganz prima.«
206 BMFT Besprechungsvermerk 512-8096-1: Beeinflussung des Weltklimas durch Wärmefreisetzung bei der Energieproduktion, 08.09.1976 (BAK B 196: 66980). 207 Brief von Heinz Fortak an Ulrich Schumann, 14.03.1997 (SCHU 1002). 208 Zum Beispiel den Internationalen Rheinland-Preis für Umweltschutz (1980), Goldene Ehrenmedaille des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) (1987), Verleihung der C.F. Gauß-Professur der Akademie der Wissenschaft zu Göttingen (1992), AlfredWegener-Medaille der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (1992). 209 Fruchtbare Turbulenzen, ein nicht erschöpfender Rückblick zum 50. Geburtstag von Ulrich Schumann, von Dieter Paffrath, S. 4 und 2 (SCHU 1001).
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1977 stellte ein »Ad-hoc-Beratungsausschuss«, zusammengesetzt aus dem DFVLR-Vorstand, IPA-internen und -externen Fachleuten, einen Mangel an theoretischen Grundlagen in den Arbeiten am IPA fest.210 Die technische Ausrüstung sei »im allgemeinen« gut, doch »daneben fehlt eine theoretisch fundierte Konzeption nahezu vollkommen«.211 Daher sollte zukünftig den mesoskalischen numerischen Simulationsmodellen der Atmosphäre mehr Gewicht beigemessen werden. Aus Fortaks Amtszeit war eine kleine theoretische Abteilung vorhanden, die nun ausgebaut werden sollte. Zugleich wurde auf »Wunsch der Institutsleitung« der Ad-hoc-Beratungsausschuss in einen ständigen Fachbeirat umgewandelt, der vom DFVLR-Vorstand berufen wurde und dem Institut als fachlicher Berater und Begutachter zugleich zur Seite stand.212 Der Ruf nach mehr theoretischen Ansätzen, neben den Flugmessungen, wurde nach dem Ausscheiden von Heinz Fortak noch lauter. Darunter fiel auch die »theoretische Bearbeitung von Grenzschichtphänomenen«. 213 Die Suche nach einem Nachfolger Fortaks stand somit unter dem Vorsatz, mit dem neuen CoDirektor die theoretischen Ansätze am Institut auszubauen.214 Sechs Jahre leitete Manfred Reinhardt das Institut interimistisch allein, bis die Berufungskommission 1982 in Ulrich Schumann einen neuen Direktor fand, der die Leitung mit Reinhardt kollegial übernahm. 215 Bis dahin war Schumann als Ingenieur am Kernforschungszentrum in Karlsruhe im Bereich Reaktortechnik tätig gewesen und brachte Erfahrung im Umgang mit Turbulenzmodellen mit. 216 Mitte der
210 Im Beratungsausschuss dabei waren: Hans Walter Georgii (Sohn von Walter Georgii), Hans Hinzpeter, Erhard Raschke, Hans Reiser, Joseph Egger, Hermann Jordan (DFVLR-Vorstand), Heinz Häberle (DFVLR-Vorstand) sowie vom IPA: Manfred Reinhardt, Gerhard Ruppersberg, Dieter Paffrath. 211 Bericht über die 1. Sitzung des Ad-hoc-Beratungsausschusses beim Institut für Physik der Atmosphäre, 13.-14.12.1977 (SCHU 1003). 212 Ebd.; Stellungnahme der DFVLR zu den Empfehlungen des Ad-hoc-Beratungsausschusses, 1. Sitzung, 13.-14.12.1977, 20.4.1978 (SCHU 1003). 213 Ergebnisniederschrift der 1. Sitzung des Fachbeirates des Instituts für Physik der Atmosphäre, 14.02.-15.02.1980 (SCHU 1003). 214 Interview mit Ulrich Schumann, 08.04.2014. 215 Interview mit Ulrich Schumann, 14.08.2012. Die genaueren Umstände der Schwierigkeiten der Neubesetzung lassen sich mit dem aktuellen Quellenstand nicht zuverlässig belegen. 216 Ebd.
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1970er Jahre war auch er im Rahmen eines Postgraduierten-Stipendiums am NCAR in Boulder – zur gleichen Zeit wie Heinz Fortak.217 Doch der 35-jährige Schumann stammte nicht wie seine Vorgänger aus der Segelflieger-Generation der Zwischenkriegszeit. Sein Interesse für die Atmosphärenwissenschaften hatte er über die Forschung zu Kühlturmfahnen entwickelt. Bei seinem Amtsantritt waren Schumanns Interessen auf die mesoskaligen Modelle und die turbulente Grenzschicht gelegt – beides Themen, die der Fachbeirat vorgegeben hatte.218 Ein Nicht-Segelflieger als neuer Direktor Bei seinem Amtsantritt 1982 fand der neue Direktor Ulrich Schumann ein Institut vor, das stark auf das Fliegen, insbesondere auch das (Motor-)Segelfliegen ausgerichtet war. Schumann war der erste Institutsleiter, der nicht aus der Nähe der Segelfluggemeinschaft stammte. Er betrachtete die ausgedehnten Segelflugaktivitäten von Institutsmitgliedern eher kritisch. Ihm war zunächst nicht klar, wie dieses große Ausmaß der Fliegerei für die Forschung nützlich sein sollte.219 Auch der wissenschaftliche Beirat war skeptisch gegenüber der Fliegerei am Institut: »[…] Natürlich, fliegen macht Spaß, machte denen Spaß. Das ist ja auch nicht wirklich ganz ungefährlich, aber es war eine Herausforderung. Und in der Tat, es […] haben alle immer wieder […] gefragt, ›Herr Schumann, was wollen sie denn mit Forschungsflugzeugen machen?‹ Und ich hatte keine Ahnung davon, was da möglich ist zu dem Zeitpunkt. Habe ja nie mit Flugzeugen Messungen gemacht. Bin ja selber auch kein Flieger, insofern konnte ich da gar keinen Bezug zu haben. Da sagte [ich], ›das muss ich anschauen, das ist ein Werkzeug unter vielen‹. Aber die [Vertreter des wissenschaftlichen Beirates] hatten also Angst, dass hier wieder ganz viel geflogen wird. Nun wird ja am Ende ganz viel geflogen (lacht)! Also irgendwo war die Sache an sich schon ansteckend.«220
217 Brief von Ulrich Schumann an H[ermann] Jordan, Bewerbung, 01.09.1980 (SCHU 1001). Persönlich begegnet seien sie sich nicht, erinnert sich Schumann. Doch war Fortak dort auf eine Arbeit Schumanns gestoßen und war davon »beeindruckt« gewesen (Interview mit Ulrich Schumann, 14.08.2012; Brief von Heinz Fortak an Ulrich Schumann, Berlin 14.03.1997 [SCHU 1002]). 218 Interviews mit Ulrich Schumann, 14.08.2012 und 08.04.2014. 219 Interview mit Ulrich Schumann, 14.08.2012. 220 Ebd.
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Dieses »Werkzeug unter vielen« war fest im Verständnis der bisherigen Leitung verankert gewesen und spielte als Kernelement der institutionellen Identität eine große Rolle. In den Augen des neuen Direktors war das Fliegen aber zunächst keine unhinterfragte Selbstverständlichkeit. Mit Schumann (Jahrgang 1945) und Reinhardt (Jahrgang 1927) kamen also zwei Direktoren zusammen, die aus unterschiedlichen Generationen und Disziplinen stammten und zudem von unterschiedlichen Forschungstraditionen geprägt waren, die ihnen auch unterschiedliche Zugänge zur Atmosphärenforschung eröffneten. Reinhardt verwaltete »die H.G. Müller-Hinterlassenschaft« und verkörperte damit den experimentellen Bereich der Fliegerforschung. Schumann hatte keine Erfahrung mit der Fliegerei und legte mehr Wert auf die theoretische Untermauerung der Arbeiten am Institut. In Paffraths Worten: »Der Eine berechnete die Prozesse, Für den Ander’n war Messen die Delikatesse. Der Eine saß vor seinem Bildschirm, Der Andere im Flieger wild und firm. Der Eine macht das Finanzielle, Der And’re liebte die Modelle.«221
Der Wechsel in der Institutsleitung machte sich schnell bemerkbar und schlug sich im Institutsbericht 1982-1987 nieder. Diesen Bericht erstellten die beiden Leiter aus Anlass der Institutsüberprüfung 1987, in dessen Rahmen eine Gutachtergruppe aus DFVLR-internen und -externen Experten die Arbeiten und die Struktur des Instituts unter die Lupe nahmen, um darauf Empfehlungen für die weitere Planung abzugeben. Es ist auffallend, dass in diesem Institutsbericht ein Leitbild des IPA formuliert wurde, das fast gänzlich ohne Fliegen oder Flugzeuge als Forschungsinstrument auskam: »Das Institut für Physik der Atmosphäre befasst sich mit dem Zustand und den Prozessen in der Atmosphäre unter dem Einfluss großräumiger Randbedingungen einschließlich der Erdoberfläche insbesondere im Bereich von Gebirgen. Es beschränkt sich dabei auf die mikro- und mesoskaligen Vorgänge in der Troposphäre.«222
221 Fruchtbare Turbulenzen, ein nicht erschöpfender Rückblick zum 50. Geburtstag von Ulrich Schumann, von Dieter Paffrath, S. 6 (SCHU 1001). 222 Reinhardt/Schumann: Institutsbericht 1982-1987, S. 5.
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Das Flugzeug als grundlegendes Messinstrument lag dem zweiseitigen Text zwar implizit zugrunde223, fand in diesem Leitbild von 1987 jedoch keine ausdrückliche Erwähnung.224 Dies steht im Kontrast zu früheren Selbstbeschreibungen.225 Die neue Leitungszusammensetzung hatte sich somit im offiziellen Bericht niedergeschlagen. Schumann hatte sich explizit als Experte in der Fluiddynamik und der numerischen Simulation beworben.226 Seine Berufung kam damit dem Wunsch des Fachbeirates und des DFVLR-Vorstandes nach Stärkung der Theorie entgegen. Er war nun der Ansicht, dass in den Augen des Vorstandes das IPA wegen der hohen Flugkosten das teuerste aller DFVLR-Institute sei. Der Erkenntniswert von Flugmessungen schien zu diesem Zeitpunkt nicht ganz klar zu sein, auch für Schumann nicht. Das Fliegen im Institutsbericht zu betonen, schien ihm daher »nicht opportun«. Er wollte den Fokus mehr auf die theoretischen Zugänge legen.227 Mit dem Bericht 1987 definierte die IPA-Leitung folglich Computermodelle als gleichwertiges Instrument neben den Messinstrumenten Radar und Flugzeuglidar. Dafür war das mesoskalige Simulationsmodell »Mesoscop« entwickelt und waren neue (befristete) Stellen eingerichtet worden. »Vom Aufwand und Stellenwert her nehmen die Simulationsmodelle einen den Großgeräten vergleichba-
223 Zum Beispiel in den Formulierungen »Die Luft- und Raumfahrt bietet wertvolle Hilfsmittel zur Untersuchung der Physik der Atmosphäre […]«, es würden »leistungsfähige Messsysteme und Simulationsmodelle benötigt« und »[d]as Institut verfügt innerhalb der DFVLR über ein Instrumentarium von Mess- und Datenverarbeitungssystemen wie es international sonst nur an wenigen anderen Stellen existiert«. Einzige explizite Erwähnung in der Berichtseinleitung (»Aufgaben und Ziele«): »Die direkte Messung mit fliegenden Sonden und Systemen am Boden kann wirkungsvoll durch Fernerkundung von Satelliten, Flugzeugen und vom Boden aus unterstützt werden.« Ebd., S. 5-6. 224 Erst auf Seite 32 der Berichtes findet sich ein eindeutiges Bekenntnis zum Flugzeug als Forschungsinstrument: »Forschungsflugzeuge gehören zu den wichtigsten Messträgern der Atmosphärenerkundung.« 225 Tätigkeitsberichte 1962-1974; Heinz Fortak: Stellungnahme zur Bedeutung und zum Forschungsplan des Instituts für Physik der Atmosphäre des DFVLR, 08.01.1973 (KPAR A2846). 226 Brief von Ulrich Schumann an H[ermann] Jordan, Bewerbung, 01.09.1980 (SCHU 1001). 227 Interview mit Ulrich Schumann, 08.04.2014.
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ren Status ein«.228 Schumann knüpfte damit an Fortaks Pläne an, solche Modelle neben den »experimentellen« Messarbeiten mit den Flugzeugen zu stärken. Ausgehend von den umweltpolitischen Diskussionen in Politik und Gesellschaft seit den 1970er Jahren betonte die Selbstbeschreibung im Institutsbericht 1987 statt des Fliegens das Thema Umweltverschmutzung. Die weitere Ausführung der Aufgaben und Ziele nahm starken Bezug darauf. Die Atmosphäre sei wichtiger Bestandteil des vom Menschen bedrohten Lebensraums. »Im Zusammenhang mit Wetter, Klima und Umwelt besteht daher ein großer und gesellschaftlich dringender Bedarf an anwendungsorientierter Forschung«.229 So sahen Reinhardt und Schumann den Transport und die Umwandlungsprozesse von Schadstoffen – neben Gebirgsströmungen, Turbulenz, Wolken und Strahlung – als ein weiteres grundlegendes Standbein der IPA-Forschung (siehe Abbildung 6). Die »grenzüberschreitende Luftverschmutzung« als »wichtiges Problem der Umweltpolitik« war inzwischen fester Bestandteil der Forschungsagenda und damit der Institutssignatur geworden, die dem »Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen« sowie dem Umweltbundesamt vermittelte, dass entsprechende Expertise und Ausrüstung vorhanden sei, was sich daran zeigte, dass diese Forschungsaufträge an das IPA vergaben.230 Abbildung 6: Die im Jahre 1987 am IPA untersuchten Atmosphärenprozesse
Quelle: Reinhardt/Schumann: Institutsbericht 1982-1987, S. 29
228 Reinhardt/Schumann: Institutsbericht 1982-1987, S. 25-27. 229 Ebd., S. 5. 230 Ebd., S. 5-6 und 89.
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Abbildung 7: Die Beech 65 »Queen Air« Ende der 1980er Jahre
Quelle: DLR Jahresbericht 1989/90, S. 59
Die Möglichkeiten, die sich mit dem verstärkten Fokus auf das Thema Luftverschmutzung zu eröffnen versprachen, schienen groß zu sein. Daher baute das IPA die »Queen Air«, ein kleineres Forschungsflugzeug, das seit den 1960er Jahren in Betrieb war, speziell zu einem »Umweltforschungsflugzeug« um (Abbildung 7).231 Das Fliegen war nach wie vor wichtig für die Datensammlung. Das »Zeitalter der Ökologie« der 1970er Jahre brachte eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber der Umweltverschmutzung durch Verkehrsemissionen. 232 Und trotzdem war in der BRD der Straßenverkehr seit 1950 um etwa das Siebenfache, der Luftverkehr sogar um das 30-Fache gestiegen.233 Gegen Ende der 1980er Jahre richtete sich daher das politische Interesse auch auf den Luftverkehr als Umweltproblem. Das neue Thema der Auswirkungen von Luftverkehr auf die Belastung der Atmosphäre stärkte auch Schumanns Interesse an Flugzeugmessungen. Schließlich gehörte die Beziehung zwischen Luftfahrt und Atmosphäre nach wie vor zum wissenschaftlichen Territorium des IPA und war als »enduring attribute« zuverlässiges Identitätsmerkmal. Damit
231 Reinhardt/Schumann: Institutsbericht 1982-1987, S. 35. 232 Radkau, Die Ära der Ökologie, S. 29. 233 Gemäß Aussage des deutschen Innenministers Hans-Dietrich Genscher. Zitiert in Hünemörder: Die Frühgeschichte der globalen Umweltkrise, S. 289, Fußnote 237.
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begann die Diskussion um die Klimaeffekte des Luftverkehrs auch am IPA.234 Zudem entfaltete das Fliegen zusammen mit der neuen Forschungsmaschine Falcon eine Faszination und Wertschätzung als Instrument, die sich auch auf Schumann übertrug und damit über die ältere Generation der Segelflieger hinausreichte: »Also zu der Zeit als ich kam, hatte ich von der Fliegerei keine Ahnung, […] hatte [aber] Sympathie, fand das toll, dass man mit der Falcon bei ALPEX fliegt. Das fand ich bemerkenswert, da […] konnte ich mich mit identifizieren, konnte ich auch stolz darauf sein.«235 Der Institutscharakter war so stark über das Fliegen und die Falcon definiert, dass das Flugzeug als Forschungsinstrument einen »kategorischen Imperativ« darstellte, welcher den Rahmen definierte, innerhalb dessen die neue Leitung diesen Charakter verändern konnte, ohne die Identität des Instituts grundsätzlich in Frage zu stellen.236 Längerfristig änderte der Generationen- und Disziplinenwechsel in der Leitung an diesem Identitätsattribut nichts. Schumann stärkte aber neben dieser Konstante den Stellenwert der numerischen Simulation, die Fortak in die Methodenpalette des Instituts eingebracht hatte. Als zusätzliches Großinstrument erweiterte ab 1986 das Polarisations Doppler Radar Poldirad die IPA-Werkzeugpalette (Abbildung 8). Nach mehreren Jahren der Vorbereitung war das »Wolkenradar« am Institut »der neue Star«.237 Mit diesem Instrument war das IPA zu einem der ersten Radargeräte gekommen, mit denen nicht nur die Größe und Anzahl von Wolken- und Niederschlagsteilchen sowie deren Fortbewegungsgeschwindigkeit erkannt werden konnte (durch den Dopplereffekt), sondern zusätzlich auch ihre Form (durch Polarisation). Selbst dem NCAR stand kein vergleichbares Radargerät zur Verfügung.238 Das Poldirad wurde fortan für Arbeiten im Bereich der Wolkenphysik eingesetzt, beispielsweise um Sturmvorhersagen zu verbessern, aber auch, um Transport und Umwandlungsprozesse von Luftverunreinigungen zu beobachten. Wie im Kapitel »Radar an Deck und auf dem Dach« genauer ausgeführt, erhielt dieses neue Arbeitsinstrument sowohl auf dem Dach des Institutsgebäudes, wo es weit-
234 Interviews mit Ulrich Schumann, 31.05.2011 und 08.04.2014. 235 Interview mit Ulrich Schumann, 14.08.2012. Mit ALPEX war das internationale »Alpine Experiment (ALPEX)« gemeint, das 1982 im Rahmen des »Global Atmospheric Research Program (GARP)« stattfand. 236 Zum kategorischen Imperativ siehe Whetten: »Albert and Whetten Revisited«, S. 223, beziehungsweise die Einleitung dieser Publikation. 237 Poldirad-Einweihung, Buffet-Ansprache, von Hermann Willeke (KPAR A3016/1). 238 Request for aviation support, von Arthur R. Jameson, National Center for Atmospheric Research, Boulder, Colorado, 30.03.1985 (KPAR A3016/2).
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herum gut sichtbar war, einen prominenten Platz wie auch innerhalb der Forschungsagenda und der Selbstrepräsentation des IPA. Abbildung 8: Die im Jahr 1987 am Institut betriebenen »Werkzeuge«. Die Graphik illustriert, dass Simulationsmodelle im Instrumentarium inzwischen fest verankert waren und dass den Flugzeugen gleichzeitig nach wie vor einen hohen Stellenwert innewohnte.
Quelle: Reinhardt/Schumann: Institutsbericht 1982-1987, S. 29
Per Januar 1992 ging Manfred Reinhardt in den Ruhestand. Den Festvortrag am Abschiedskolloquium hielt Hans-Walter Georgii, der Sohn von Walter Georgii, den Reinhardt 35 Jahre zuvor eingestellt hatte.239 Zu diesem Zeitpunkt standen neben der inzwischen auch schon in die Jahre gekommenen Falcon fünf weitere Motorflugzeuge sowie die drei Motorsegler ASK 16 im Einsatz. 240 Das CoDirektorat Reinhardt-Schumann fand ein Ende, und Ulrich Schumann leitete das Institut bis zu seiner Pensionierung 2012 allein.
239 O.V.: »Atmosphären-Forscher und Segelfluganhänger«, in: Starnberger Merkur Nr. 294 vom 21./22.12.1991; Ansprache zur Einführung in das Festkolloquium zum Abschied von Manfred Reinhardt, von Ulrich Schumann, 19.12.1991 (SCHU 1001). 240 Konkret waren dies zwei Do 228, eine Do 28, eine Beech 65 (Queen Air), eine Cessna 207A und die drei Motorsegler ASK 16 (Schumann: Institutsbericht 19871992, S. 4).
Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre: Erweiterung der Forschungsagenda
Als die DFS 1953 wiedergegründet wurde, orientierten sich die Forschungsfragen stark am Segelflug, wie dies schon bei der Vorkriegs-DFS der Fall gewesen war. Doch bereits kurz nach Wiederaufnahme der Arbeiten 1954 sah sich die Anstalt mit dem Problem konfrontiert, dass die Segelflugforschung zur Existenzberechtigung nicht (mehr) ausreichte. Aufgrund der Dringlichkeit, weitere Geldquellen erschließen zu müssen, nahm die DFS neue Forschungsfelder in ihr Programm auf. Dies führte dazu, dass sich ihre Forschungsagenda stetig erweiterte. Die Messung von radioaktivem Fallout war eines der neuen Themen, die am Institut bearbeitet wurden. Im Folgenden steht diese Veränderung des wissenschaftlichen Programmes der DFS und des IPA im Vordergrund. Dabei geht es zunächst darum, welchen Stellenwert der Segelflug für die institutionelle Identität der DFS und des IPA hatte. Anhand des Forschungsfeldes »künstliche Radioaktivität in der freien Atmosphäre« lässt sich zeigen, unter welchen Vorzeichen die Veränderungen des Forschungsprogramms standen, nach welchen Kriterien neue Forschungsfragen an der DFS aufgenommen wurden und welche Wechselwirkungen zwischen dieser Veränderung und der institutionellen Identität der DFS bestanden. Mit »künstlicher Radioaktivität«, auch »Fallout« genannt, wird die Strahlung bezeichnet, die bei der Kernspaltung bei Atombombenexplosionen oder bei Betriebsunfällen in Kernkraftwerken freigesetzt wird. Sie ist nicht zu verwechseln mit »natürlicher Radioaktivität«, die durch kosmische Strahlung auf der Erde entsteht. Seit den 1910er Jahren machte sich Angst breit vor der noch unbekannten Zerstörungsmacht der Kernschmelze. Doch mit den amerikanischen Atombombenabwürfen in Japan 1945 erhielt diese Angst eine neue Qualität.1 1
Mehr zur Geschichte der Angst vor Radioaktivität bei Weart: The Rise of Nuclear Fear.
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Während des Kalten Krieges gewann die radioaktive Verschmutzung der Umwelt durch oberirdische Atombombentests in mehreren Ländern große politische Relevanz.2 In diesem Zusammenhang entstand eine Reihe neuer Forschungsfragen und -ansätze, sowohl in den Atmosphärenwissenschaften wie auch in der Ozeanographie.3 An der DFS war Fallout in zwei Arbeitsbereichen ein Thema. Einerseits weckten die Windmessungen des Instituts das Interesse des »Bundesministeriums für Atomkernenergie« und des »Sonderausschusses für Radioaktivität«. Die Windmessungen waren eigentlich Standardmessungen meteorologischer Parameter, erhielten aber durch das Fallout-Problem ab den späten 1950er Jahren eine neue politische Relevanz. Andererseits begann die DFS, aktiv die Radioaktivität in der freien Atmosphäre mit Flugzeugmessungen zu untersuchen. Thematisch hatten diese Messungen nichts mit dem Segelflug zu tun, der bis dahin Hauptforschungsthema an der DFS war. Weshalb sie dennoch Einzug in die Forschungsagenda fanden, und zeitweise sogar als eines der wichtigsten Themen am Institut überhaupt gesehen wurden, lag in der prekären finanziellen Lage der DFS und in der wachsenden Wichtigkeit begründet, der radioaktivem Fallout in Politik und Gesellschaft zugemessen wurde. Die Geschichte der Fallout-Forschung ist bisher nur lückenhaft bearbeitet. Bislang war sie kaum Gegenstand der Wissenschaftsgeschichte.4 Als einer der wenigen ging der Historiker Paul N. Edwards das Thema 2012 mit seinem Aufsatz »Entangled Histories« an.5 Darin verknüpfte Edwards die Geschichte der Fallout-Forschung mit der Entwicklung von Klimamodellen und der Diskussion über den nuklearen Winter und erkannte dabei »an old and surprisingly intimate relationship between climate science and nuclear affairs«. 6 Wie andere Verschmutzungsarten wie Rauch, Abgase, Smog oder dem Waldsterben liegt es
2
Der erste oberirdische Atombombentest wurde 1945 in den USA, der letzte bekannte
3
Siehe Rainger: »›A Wonderful Oceanographic Tool‹«.
4
Johannes Abele legte allerdings mit seiner Dissertation zum Geiger-Müller-Zähler
Test dieser Art 1980 in China durchgeführt.
eine technikgeschichtliche Arbeit zum Thema vor (Abele: ›Wachhund des Atomzeitalters‹). Die Erforschung der künstlichen Radioaktivität aus Sicht der Forscher selbst war Thema einer Publikation in der Reihe »Annalen der Meteorologie« anlässlich eines Festaktes zu 50 Jahren Radioaktivitätsmessung durch den DWD (50 Jahre Überwachung der Radioaktivität in der Atmosphäre durch den Deutschen Wetterdienst. Festveranstaltung am 8. und 9. Juni 2005). Zur Erforschung von Radioaktivität im Ozean siehe Hamblin: Oceanographers and the Cold War. 5
Edwards: »Entangled Histories«.
6
Ebd., S. 29.
K ÜNSTLICHE R ADIOAKTIVITÄT IN DER A TMOSPHÄRE
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nahe, Fallout ebenfalls in die Geschichte der Luftverschmutzung einzuordnen.7 Schließlich kann die Fallout-Debatte ab den 1950er Jahren auch als Vorläufer der späteren Umweltbewegung betrachtet werden; der Historiker Toshihiro Higuchi nennt diese Umweltdebatte die »first global environmental crisis of the Cold War«. 8 Nachfolgend wird diese enge Verbindung der Entwicklung der Meteorologie mit der Atmosphärenverschmutzung durch künstliche Radioaktivität verdeutlicht.
D ER S TELLENWERT
DES
S EGELFLUGS
AN DER
DFS
Wie der Name schon signalisierte, stand in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg der Segelflug an der »alten« DFS programmatisch im Vordergrund. Die DFS bestand aus mehreren Instituten, die bis auf eines den »Flug« im Namen trugen: Flugtechnisches Institut, Institut für Flugausrüstung, Institut für Flugmechanik, Institut für Flugversuche und Institut für Physik der Atmosphäre.9 Die Segelfluggemeinschaft im Nachkriegsdeutschland und innerhalb der DVL verfügte über ein großes Selbstbewusstsein. 10 Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatten die Medien das Bild vom Fliegen als Heldentat vermittelt. Piloten wurden zu Helden der Lüfte stilisiert, die sich mit ihren Flugzeugen männlich mutig und mit ausgeklügelter Technik den Herausforderungen und Risiken des Fliegens stellten. Wie der Technikhistoriker Christian Kehrt zeigte, basierte dieses »symbiotische Verhältnis mit der Maschine« auf einer Beherrschung sowohl der eige-
7
Historikerinnen und Historiker seien, wie Toshihiro Higuchi 2010 anmerkte, das Thema der Atombombentests und dem damit einhergehenden Fallout-Problem bisher kaum im Kontext eines Umweltproblems angegangen. Stattdessen sei das Thema unter dem Aspekt der Waffenkontrolle, der Angstsymbolik oder der Biomedizin betrachtet worden (Higuchi: »Atmospheric Nuclear Weapons Testing«, S. 302). Eine Zusammenfassung der bestehenden Literatur findet sich ebd. Higuchi selber betrachtet das Fallout-Thema aus der Perspektive des Risikomanagements. In seinem Aufsatz legt er den Fokus auf die Entwicklung der Debatte über Risikowissen und Rolle der Fallout-Kontroverse. Gestützt auf Ulrich Becks Konzept der »Risk Society« und Anthony Giddens »Consequences of Modernity« weist er darauf hin, dass die USA, welche nationale Sicherheit durch Atomtests erreichen wollten, mit radioaktivem Fallout eine neue Unsicherheit kreierte (ebd., S. 302).
8
Higuchi: »Atmospheric Nuclear Weapons Testing«, S. 322.
9
Georgii: Beitrag zur Geschichte der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 16.
10 Vgl. dazu Zacher: »Segelflugzeugbau und -forschung in Deutschland«.
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nen Nerven wie der modernen Technik.11 Viele Mitglieder der Segelfluggemeinschaft der Nachkriegszeit waren mit diesen Bildern aufgewachsen, hatten ihre Flugausbildung vor oder während des Zweiten Weltkrieges absolviert und waren teilweise in den Akademischen Fliegergruppen der Hochschulen aktiv. 12 Das Gefühl einer »verschworenen Gemeinschaft«, an die auch die Segelflugwettbewerbe der Rhön-Rossitten-Gesellschaft anknüpften, verband viele der deutschen Luftfahrtforscher, wie beispielsweise auch Theodore von Kármán oder Ludwig 13 Prantl. Die treibenden Kräfte bei der Wiedereinrichtung der DFS kamen aus dieser Gemeinschaft: Die Meteorologen Harald Koschmieder, Otto Fuchs und Walter Georgii waren aktive Flieger vor und während des Krieges und übernahmen danach die Leitung der drei DFS-Institute.14 Sie repräsentierten diese Fliegergemeinschaft, die die Luftfahrtforschung seit dem Ersten Weltkrieg prägte. Auch Hans Gerhard Müller, der erste Direktor des IPA ab 1962, war bereits in den 1930er Jahren aktiver Flieger.15 Sein Nachfolger Manfred Reinhardt war während seines Studiums in der »Akaflieg Stuttgart« engagiert, wo er Walter Georgii kennenlernte, der ihn schließlich an die DFS geholt hatte.16 Teilnahme von Mitarbeitern an Segelflugwettbewerben oder ihr Engagement in Flugorganisationen wie der »Organisation Scientifique et Technique Internationale du Vol à Voile (OSTIV)« waren an der DFS und später am IPA nicht nur Privatsache, sondern Gegenstand von offiziellen Tätigkeitsberichten und anderen Publikationen. 17 Das Narrativ des wagemutigen und pionierhaften deutschen Segelflugs wurde in institutsinternen Dokumenten bis in die späten 1960er Jahre regelmäßig reproduziert.18 Diese enge Verknüpfung zwischen dem Segelflug als Forschungsthema und persönlicher Leidenschaft der Wissenschaftler stellte ein
11 Kehrt: Moderne Krieger, S. 82-87. 12 Siehe dazu Zacher: »Segelflugzeugbau und -forschung in Deutschland« sowie Interview mit Manfred Reinhardt, 14.08.2012. 13 Freytag: »›Bürogenerale‹ und ›Frontsoldaten‹«, S. 217-218. 14 Zu Harald Koschmieder siehe Freytag: »›Bürogenerale‹ und ›Frontsoldaten‹«. Zu Georgii unter anderem: Fuchs: »Walter Georgii 70 Jahre«. Zu Fuchs: Blenk: »Otto Fuchs 65 Jahre«. 15 Siehe dazu diverse Dokumente in KPAR A2609/1. 16 Interview mit Manfred Reinhardt, 14.08.2012. 17 Siehe dazu Tätigkeitsberichte 1956-1959 der DFS und Tätigkeitsberichte 1962-1973 des IPA. 18 Siehe beispielsweise bei Fuchs: »Zur Fusion der FFM mit der DVL«; o.V.: »Aus der Geschichte der deutschen Segelflugforschung«; Georgii: Beitrag zur Geschichte der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug.
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grundlegendes Element nicht nur für die Identität der Flieger, sondern auch für die des Instituts dar. Die bewusste Tradierung dieser Fliegeridentität überdauerte am Institut bis in die späten 1980er Jahre und darüber hinaus.19 Segelflugzeuge als Forschungsinstrumente Für gewisse Untersuchungen von meteorologischen Phänomenen eignen sich (Motor-)Segler besonders gut.20 Segler können sehr langsam fliegen und reagieren sensibel auf vertikale Luftbewegungen. Daher können mit ihnen selbst kleine Veränderungen dieser Luftbewegungen gemessen werden. Die DFS war nicht die einzige Institution, die Segelflugzeuge zur Erforschung der Atmosphäre und des Wetters einsetzte. Auch das »Institut für Segelflugforschung« in Freiburg im Breisgau und die Deutsche »Forschergruppe für Alpensegelflug« betrieben Segelflugforschung.21 Und schon vor der DFS-Wiedereinrichtung 1953 führte der »Deutsche Wetterdienst in der US-Zone« Messungen von luftelektrischen Ladungen in der Atmosphäre mittels Segelfliegern durch.22 Der Leiter dieser Untersuchungen, Fritz Rossmann, stützte sich dabei auf Walter Georgiis Arbeiten, die dieser während des Zweiten Weltkrieges an der DFS am Flughafen Ainring durchgeführt hatte. Georgii hatte zu diesem Zweck ein Segelflugzeug speziell ausgerüstet. Das Segelflugzeug schien für solche luftelektrischen Messungen besser geeignet zu sein als Motorflugzeuge: »Es zeigte sich nämlich, dass der Motor im Betrieb eine ziemlich beträchtliche und veränderliche Eigenladung auf dem Flugzeug hervorbringt und diese wiederum ein schwankendes Eigenfeld um die Maschine herum zur Folge hat.«23
Für Messungen wurden auch Ballons eingesetzt.24 Allerdings konnten mit ihnen im Gegensatz zu Flugzeugen nur Stichproben gesammelt werden. Außerdem war
19 Siehe beispielsweise den informellen Vortrag während der Poldirad-Einweihung: Poldirad-Einweihung, Buffet-Ansprache, von Hermann Willeke (KPAR A3016/1). 20 Motorsegler sind Segelflugzeuge, die mit einem Motor ausgerüstet sind, der während des Fluges aus- und angeschaltet werden kann. Je nach Bedarf kann so gesegelt oder motorisiert geflogen werden. Im Vergleich zu Segelflugzeugen weisen Motorsegler daher ein höheres Eigengewicht auf, weshalb sie langsamer steigen, respektive schneller sinken. 21 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 321. 22 Siehe dazu Rossmann: »Luftelektrische Messungen mittels Segelflugzeugen«. 23 Ebd., S. 5.
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deren Flugbahn vom Wind bestimmt, was kaum Steuerung erlaubte. Der Platz, der in einem solchen Gefährt zur Verfügung stand, war auf wenige Quadratmeter begrenzt und die Ladung an Bord durfte nur wenige 100 Kilogramm wiegen. Auch bestand die Gefahr, dass ein Funkgerät eine Explosion auslöste. Ballons besaßen wie Motorflugzeuge zudem eine hohe Eigenladung, die beispielsweise die Daten von luftelektrischen Messungen verfälschten. Segelflugzeuge hatten demgegenüber den Vorteil, dass sie sehr mobil waren, was eine systematischere Messung erlaubte.25 Für gewisse Arten der Forschung schien das Segelflugzeug also den anderen Instrumententrägern überlegen gewesen zu sein. Die Referenz, die Fritz Rossmann in der oben erwähnten Publikation der Zwischenkriegs-DFS und Walter Georgii erwies, verdeutlicht den Stellenwert, den die DFS innerhalb der deutschen Segelflugforschungsgemeinschaft hatte. In der Zwischenkriegszeit konnte sie sich einen herausragenden internationalen Ruf erarbeiten.26 Die Tatsache, dass in den 1950er Jahren auch andere Einrichtungen Segelflugzeuge als Forschungsinstrumente einsetzten, der Segelflug die DFS also nicht mehr einzigartig machte, beeinträchtigte nicht dessen Stellenwert als Identitätsmerkmal. Denn die DFS konnte sich auf ihre Tradition (und damit auf ihre Erfahrung) als Segelfluginstitut berufen. 27 Der Segelflug war damit in zweierlei Hinsicht ein Attribut der DFS-Identität. Einerseits definierte er das Kernprogramm ihrer Tätigkeiten, was Albert und Whetten als zentrales Attribut einer Organisationsidentität ausmachten. Andererseits war er über eine lange Zeit hinaus ein Bestandteil des Institutscharakters, und stellte damit ein enduring attribute dieser Identität dar.28 Anfang der 1960er Jahre, als die DFS bereits nicht mehr existierte, der Segelflug stark an Bedeutung verloren hatte und die Fusion der FFM mit der DVL kurz bevorstand, betonte Walter Georgii nochmals diese starke Verankerung des Segelflugs im DFS-Programm: »Die Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug hat von Anfang an diesen zweifachen Weg der Forschung eingeschlagen, einmal neue Möglichkeiten für den motorlosen Flug zu erschließen und andererseits den Segelflug im Interesse der Wissenschaft einzusetzen. Sie
24 Zu Ballons als Instrumententräger siehe das Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff«. 25 Rossmann: »Luftelektrische Messungen mittels Segelflugzeugen«, S. 6. 26 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 321. 27 Siehe dazu auch das Zitat zu Beginn der Einleitung. 28 Whetten: »Albert and Whetten Revisited«, S. 220-222.
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hat sich so in der Aufgabenstellung wesentlich von anderen Luftfahrtforschungsanstalten unterschieden.« 29
Selbst als die DFS nicht mehr als solche existierte, lebte dieser Charakter im IPA fort. Zwar gab es, wie erwähnt, in der Nachkriegszeit auch andere Institutionen, die Segelflugforschung betrieben. So publizierte beispielsweise J.R. Milford am Department of Geophysics der Universität in Reading in England spätestens ab 1962 in diesem Bereich.30 Doch auch Milford dienten die Forschungsarbeiten der DFS beziehungsweise des IPA als Vorbild. Er bezog sich explizit auf Manfred Reinhardts Arbeiten und bezeichnete das IPA als »viable size of research unit«.31 Heinz Fortak, IPA-Leiter von 1973 bis 1976, war zudem überzeugt, dass zu diesem Zeitpunkt keine andere meteorologische Forschungsgruppe (mehr) Motorsegler besaß.32 Es ist tatsächlich denkbar, dass das IPA das einzige Institut dieser Art war, das im »Besitz« von Motorseglern war, während die anderen Einrichtungen solche Flugzeuge zwar benutzten, aber keine eigene Flotte besaßen. Ausbau der DFS-Flotte und Klagen über den Flugzeugmangel Als 1955 mit den Pariser Verträgen die Verbote in der deutschen Luftfahrtforschung fielen, verfügte die DFS über eine Flotte von Segelfliegern. Motorflugzeuge waren noch keine darunter. Wie weiter unten genauer erklärt wird, erhöhte sich allerdings der Druck auf die DFS, neben dem Segelflug auch Themen zu bearbeiten, die die Luftforschung allgemein interessieren würden. Von da an wurde die Klage über den Flugzeugmangel ein regelmäßig wiederkehrender Topos am Institut. Als erstes Motorflugzeug für die DFS-Flotte stellte 1958 die DFG eine Do 27 zur Verfügung.33 Mit dieser Maschine sammelten die Wissen-
29 Der Text wurde von Georgii ungefähr 1961 oder 1962 geschrieben und erst nach seinem Tod im Jahr 1968 von der DVL veröffentlicht (Georgii: Beitrag zur Geschichte der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 5). 30 MacCready: »Turbulence measurement by sailplane«. Siehe auch Simpson: »Aerial and radar observations«. Auch am Institut für Geophysikalische Wissenschaften der FU Berlin wurde meteorologische Forschung mit Motorseglern durchgeführt. 31 Milford: »The Powered Sailplane in Meteorological Research«. 32 Manuskript ohne Titel von Heinz Fortak [1974] (REINH 1006). 33 Im Tätigkeitsbericht von 1959 wird die Do 27 allerdings auch »anstaltseigen« genannt und 1964 »institutseigen« (Tätigkeitsbericht aus dem Institut für Flugforschung 01.11.1956-31.03.1958, S. 2, in: Tätigkeitsbericht 1956/58 der Deutschen For-
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schaftler unter anderem Proben für Ozonmessungen in der Troposphäre.34 Doch der Umstieg vom motorlosen zum motorgetriebenen Flug verlief nicht problemlos. Die Instrumente waren auf die Segelflugzeuge abgestimmt, und Motor und Propeller riefen neue Probleme hervor. Propeller verursachten Luftströmungen, welche die Windmessungen verfälschten. Für die neu hinzukommenden Motorflugzeuge mussten also Messinstrumente neu konzipiert und an das motorgetriebene Flugzeug angepasst werden. Abbildung 9: Tropfensonde aus dem Fenster der Do 27 gehalten
Quelle: Tätigkeitsbericht 1958/59 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 84
Eines der betroffenen Untersuchungsfelder waren die Messungen von Wolkentropfen von Walter Georgii. Wind und Wetter sind eng mit der Bildung von Wolken verknüpft. Da Wolken aus kleinsten Wasser- oder Eisteilchen bestehen, war die Untersuchung dieser Niederschlagsteilchen auch elementarer Bestandteil des Arbeitsprogramms an der DFS und am IPA. Um die Größe und die Verteilung solcher Wassertröpfchen in der Wolke bestimmen zu können, flogen Georgiis Mitarbeiter idealerweise in die Wolke hinein und hielten dann eine »Tröpf-
schungsanstalt für Segelflug; Tätigkeitsbericht 1958/59 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 90; Tätigkeitsbericht 1964 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 150). 34 Tätigkeitsbericht 1958/59 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 93.
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chenpistole« aus dem Fenster, um damit Tropfenproben einzufangen (Abbildung 9). Die durch die Flugzeugmotoren veränderte Luftströmung wirkte sich allerdings verfälschend auf diese Messungen aus. Deshalb entwickelten die Mitarbeiter an der DFS eine neue Messsonde, mit der solche Proben auch außerhalb der durch den Propeller verursachten Windströmung aufgefangen werden konnten.35 Abbildung 10: Winkelmessgerät zum Ausmessen von Glorien
Quelle: Tätigkeitsbericht 1958/59 der DFS, S. 84
Ein weiteres Problem stellten die Sichtverhältnisse dar. In einer Wolke konnte sich der Pilot nicht auf seine visuelle Orientierung verlassen. Er hätte entsprechende Instrumente gebraucht, um ohne Sicht fliegen zu können. Aber weder die neu erhaltene Do 27 noch die älteren Segelflieger verfügten über eine Blindflugausrüstung.36 Dieser Mangel schränkte die Forschungsarbeiten an der DFS teilweise massiv ein.37 Statt in die Wolke hineinzufliegen, mussten Georgiis Leute auf andere Methoden zurückgreifen, um etwas über deren Tropfengrößen zu erfahren. Als Alternative flogen sie über die Wolke hin-weg und vermassen
35 Tätigkeitsbericht aus dem Institut für Flugforschung 01.11.1956-31.03.1958, S. 2, in: Tätigkeitsbericht 1956/58 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug. 36 Blind- oder Instrumentalflug bezeichnet das Fliegen ohne Sicht. Dabei muss sich der Pilot im Gegensatz zum Sichtflug vollständig auf die entsprechenden Instrumente an Bord und an die Angaben der Fluglotsen am Boden verlassen. 37 Tätigkeitsbericht aus dem Institut für Flugforschung 01.11.1956-31.03.1958, S. 2, in: Tätigkeitsbericht 1956/58 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug.
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optisch die Rückstreuung des Lichtes an den feinen Tröpfchen. Diese »Glorie« ließ Rückschlüsse auf die Beschaffenheit dieser Tropfen zu. Allerdings war diese Messmethode ungenau und sagte nur etwas über die Wassertropfen an der Wolkenoberfläche aus (Abbildung 10). Systematische Tropfenvermessungen, die für ein Verständnis des Wolkenaufbaus wichtig gewesen wären, waren auf diese Art nicht möglich, denn dafür hätte man in die Wolke hineinfliegen müssen.38 Doch vorerst blieben die Klagen ungehört. Die DFS erhielt kein Geld, um eine Blindflugausrüstung zu beschaffen. Tröpfchenmessungen waren als Argument offensichtlich nicht ausreichend. Die im nächsten Abschnitt erläuterte Öffnung des Forschungsbereiches verschärfte das Problem eines Mangels an geeigneten Flugzeugen und war gleichzeitig Ansatz seiner Lösung.
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Die deutschen Luftfahrtforschungsanstalten befanden sich Mitte der 1950er Jahre in einer prekären finanziellen Lage.39 Die DFS litt nicht nur unter einem Mangel an Flugzeugen, sondern auch an Räumlichkeiten und Personal.40 Im Jahr 1955, als die Beschränkungen in der Luftfahrtforschung fielen, trat das badenwürttembergische Wirtschaftsministerium an die DFS heran. BadenWürttemberg hatte die Arbeiten des Instituts mit jährlich 30.000 DM unterstützt und forderte nun von der DFS, eine längerfristige Planung auf vier oder fünf Jahre hinaus vorzulegen.41 Eine solcherart klar formulierte »Entwicklungsrichtung« würde es den Behörden erleichtern, »größere Mittel zur Verfügung zu stellen«. Dies war der Beginn der Suche nach einer »Gesamtaufgabe« der DFS, die über die einzelnen Arbeiten der drei DFS-Institute hinausgehen sollte.42
38 Ebd.; Tätigkeitsbericht 1958/59 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 8182. 39 Siehe dazu das Kapitel »Von der DFS zum IPA«. 40 Bericht über die Sitzung des wissenschaftlich-technischen Beirats der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug München am 11.10.1955 am Flughafen MünchenRiem (KPAR A3067). 41 Wirtschaftsplan 1957/58 (BayHStA MWi 12856). 42 Bericht über die Sitzung des wissenschaftlich-technischen Beirats der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug München am 11.10.1955 am Flughafen MünchenRiem (KPAR A3067).
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Erweiterung der Forschungsagenda Die Suche nach neuen Aufgaben stellte eine Phase der Neupositionierung dar: Die DFS war gerade erst im Begriff, sich in der Nachkriegszeit wieder einzurichten. Gleichzeitig war sie gezwungen, sich inhaltlich an neue politische und gesellschaftliche Bedürfnisse anzupassen. Diesmal ging es nicht nur um einzelne Forschungsprojekte, sondern um die grundlegende Ausrichtung der Anstalt, ihr Hauptprogramm und damit letztlich ihre institutionelle Identität. Wie das Zitat am Anfang dieser Arbeit belegt, riet der wissenschaftliche Beirat der DFS, sich von nun an »nicht bloß« Fragestellungen zu widmen, die den Segelflug betreffen. Um ihre Existenz zu rechtfertigen, müsse sie »sich Aufgaben stellen, die die Luftfahrt allgemein interessieren«. Allerdings sollte die DFS auch für die neuen Aufgaben ihre Segelflugzeuge als Instrumente einsetzen, so das Gremium, dies sei sowohl »traditionell« wie auch »sachlich bedingt«.43 Die »Tradition« gründete in der Geschichte der DFS seit der Zwischenkriegszeit, als sich die Anstalt mit der Segelflugforschung weltweit einen Namen gemacht hatte. 44 Ein solcher »Traditionalismus der Wissenschaftler« konnte sich allerdings, wie der Historiker Oetzel in Bezug auf die DFG feststellte, »innerhalb der etablierten Forschungsformen […] als hemmender Faktor in Bezug auf eine konkrete Beantwortung strukturell veränderter Anforderungen und Herausforderungen an die technologische Entwicklung« erweisen. 45 Die Lösung von ihrem traditionell stark verankerten Forschungsfokus war auch für die DFS notwendig, wollte sie nicht, zusammen mit dem Segelflug allgemein, in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Da es aber das Kernelement ihrer institutionellen Identität war, konnte sie sich nicht einfach davon distanzieren. Damit diese Tradition der Segelflugforschung nicht ein Hemmnis für die Anpassung der Anstalt an neue politische und wirtschaftliche Bedürfnisse wurde, sollte sich ihre Funktion verändern. Mit der Erweiterung der Forschungsthemen an der DFS ging auch ein Aushandeln zwischen der DFS und Regierungsvertretern einher, wie eng die DFS an die Segelfluggemeinschaften und deren Bedürfnisse gebunden sein solle oder dürfe.46 In anderen Worten: Die Herausforderung für die DFS war es, das
43 Ebd. 44 Siehe dazu das Kapitel »Von der DFS zum IPA«. 45 Oetzel: Forschungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 294. 46 Zum Beispiel als der DFS-Generalsekretär eine engere Zusammenarbeit mit den Segelflugzeugsport-Vereinen wünschte, der Regierungsbaudirektor aber betonte, dass die Gelder primär für den gesamten zivilen Luftfahrtbereich bestimmt seien. Daher habe das Segelfliegen »immer sekundären Charakter« (Niederschrift über die Sitzung
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Themenspektrum zu erweitern, also den »sozialen Raum« zu verändern, dabei weiterhin von anderen Einrichtungen unterscheidbar zu bleiben, aber den Kern der Identität als »Forschungsanstalt für Segelflug« nicht komplett zu verlieren. Als denkbare Themenerweiterung kam die Gewitterforschung oder die Untersuchung der Strahlströmung in größeren Höhen in Frage. In diesem Bereich gäbe es »keine andere Luftfahrtforschungsanstalt in Deutschland, die sich derartigen Problemen zuwendet«.47 Die Strahlströmung (Jetstream) war ein Problem, das mit der verstärkten Nachfrage nach Transatlantikflügen an Bedeutung gewann. Walter Georgii sorgte dafür, dass dieses Phänomen ab 1956 auch an der DFS erforscht wurde. Wie Helmuth Trischler zeigte, war zu diesem Zeitpunkt die Themenpalette an der DFS ansonsten nicht sehr innovativ. Er begründete dies mit der Überalterung der Leitung (Koschmieder, Fuchs, Georgii). 48 Der Innovationsmangel an der DFS mag neben dem Alter der Leitung aber auch darin begründet gewesen sein, dass eine Veränderung der Institutsaufgaben die institutionelle Identität in Frage stellte, sich das Institut damit aus dem bis dahin herrschenden »kategorischen Imperativ« verabschieden würde und so erst mal eine Situation entstand, in der es nicht mehr klar war, »wer« die DFS überhaupt war. Das Festhalten am Segelflug war damit nicht nur »traditionell« und »sachlich« begründet, sondern auch als Festhalten am Kernelement der DFS»Signatur« zu verstehen. Ein zu abruptes Loslösen vom Hauptforschungsgegenstand hätte ihre institutionelle Identität grundlegend verändert. Es hätte möglicherweise die Existenz stärker gefährdet als ein vorläufiges Festhalten daran.49 1956, im Jahr nach der Aufforderung, neue Themen zu erschließen, tauchte die Messung von künstlicher Radioaktivität in der Luft als neues Forschungsthema zum ersten Mal auf. Eher beiläufig erwähnt die Forschungsplanung für jenes Jahr, dass »Die Messung der Ionenanreicherung und der Radioaktivität der Luft […] wertvolle Ergänzungen der auf Föhnflügen […] durchgeführten Mes-
des Aufsichtsausschusses und Vorstandes der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug am 22.01.1957 [KPAR A3067]). 47 Bericht über die Sitzung des wissenschaftlich-technischen Beirats der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug München am 11.10.1955 (KPAR A3067). 48 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 322. Das Problem der Überalterung war nicht DFS-spezifisch. Auch andere Einrichtungen kämpften mit dem Problem mangelnden wissenschaftlichen Personals. Siehe Szöllösi-Janze: »Die Arbeitsgemeinschaft der Grossforschungseinrichtungen«, S. 144-145. 49 Eine emotionale Bindung der Wissenschaftler an den Segelflug war vermutlich mit ein Grund für Widerstände, ihn als Forschungsthema ganz aufzugeben. Denn wie weiter oben ausgeführt verband der Segelflug als Leidenschaft viele der DFS-Mitarbeiter.
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sungen« seien. Für eine entsprechende Ausrüstung der Flugzeuge würden lediglich ein Ionenzähler und ein Geiger-Müller-Zählrohr benötigt.50 In den folgenden Jahren erhielt die Messung künstlicher Radioaktivität, respektive Fallout, in der Atmosphäre stetig größeres Gewicht am Institut. Weshalb an einer Anstalt für Segelflugforschung das Thema Fallout aufgenommen wurde, liegt zunächst nicht auf der Hand, hatte es doch nichts mit dem Fliegen an sich zu tun. Weshalb also betrachtete man an der DFS solche Daten als »wertvoll« und begann in eine Instrumentierung zu investieren, mit der man die Radioaktivität in der Luft messen konnte? Die Antwort liegt in der politischen und gesellschaftlichen Relevanz, die die künstliche Radioaktivität in den 1950er Jahren erhielt. Im Folgenden wird ausgeführt, wie Fallout als globales Verschmutzungsproblem an Aufmerksamkeit gewann und sich daher als Forschungsthema für die DFS anbot, um ihren Forschungszugang zur Atmosphäre zu erweitern und damit neue Mittel zu generieren.
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Nach den US-amerikanischen Atombombenabwürfen in Japan 1945 und der zunehmenden Anzahl an Atombombentests in den USA, der Sowjetunion und Großbritannien, wuchs die Angst vor einem nuklearen Krieg. Zudem wurde bald klar, dass bereits bei den Tests der Bomben radioaktive Stoffe freigesetzt wurden, die vermutlich die Gesundheit von Mensch und Tier gefährdeten. Ende 1953 hielt der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower seine berühmte »Atoms for Peace«-Rede vor der UNO-Vollversammlung in New York. Er plädierte dafür, die Kernenergie anstatt für Atombomben für die Energiegewinnung als eine friedliche Nutzung einzusetzen. 51 Anders gesagt, statt Bomben sollten Kernkraftwerke gebaut werden. Um dieses Anliegen zu fördern, initiierte Eisenhower die Gründung der »International Atomic Energy Agency (IAEA)« 1957. Die IAEA sollte diese »friedliche« Nutzung von Kernenergie sicherstellen.52 Nachdem 1956 und 1957 in Großbritannien und in den USA die ersten kommerziellen Kernkraftwerke ihren Betrieb aufnahmen, ergriff die Begeiste-
50 Forschungsvorhaben der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug für 1956, Institut für Flugforschung (KPAR A3067). 51 Atoms For Peace, http://web.archive.org/web/20070524054513/http://www.eisenhower.archives.gov/atoms.htm (Abrufdatum: 18.03.2014). 52 Mehr zur Geschichte der IAEA siehe Fischer: History of the International Atomic Energy Agency.
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rung für die Atomenergie auch die BRD. 53 Allerdings stellten Atomreaktoren eine neue Gefahrenquelle dar. Bei einem Betriebsunfall konnte radioaktive Strahlung in die Umwelt gelangen und die Gesundheit von Mensch und Tier schädigen. Die radioaktive Verseuchung war eine neue Art von Umweltverschmutzung und ein Bewusstsein dafür musste erst geschaffen werden. Sie lässt sich jedoch in eine Geschichte der Luftverschmutzung einordnen, die weiter zurückgeht. DFS und IPA waren an dem Thema aufgrund der direkten Beziehung zwischen Luftverschmutzung und Luftzirkulation interessiert. Künstliche Radioaktivität als neue Art der Luftverschmutzung In Ländern mit zunehmender Industrialisierung wie England oder Deutschland wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts Luftverschmutzung – vor allem der Rauch aus den Fabrikschornsteinen – als Belastung wahrgenommen.54 Politische Reaktionen darauf, wie beispielsweise in Großbritannien der Public Health Act 1848, interpretierte der Geograph Mark Whitehead als Beginn eines »atmospheric government«. Unter Berufung auf ein Foucault’sches Verständnis von »government« meinte Whitehead damit, dass politische Institutionen begannen, ein neues Machtethos zu schaffen, in welchem sie eine Ethik der Fürsorge (»pastoralism«) mit einem System von Wissensproduktion kombinierten. Dieses Ethos leitete dann die neue Art der politischen Aufsichtsmacht an.55 In anderen Worten: Mit »atmospheric government« bezeichnete Whitehead die wissenschaftlich unterstützte Überwachung der Atmosphäre mit der Absicht, damit die eigene Bevölkerung zu schützen. Nach dem Inkrafttreten des Public Health Act begann im Großbritannien der 1860er Jahre, Robert Angus Smith ein Netz von Sammelstellen zu errichten, um Regenwasser zu untersuchen. Er fand darin Schmutzpartikel, was ihn dazu veranlasste, den Regen als »sauer« zu bezeichnen. In den folgenden Jahrzehnten begann auch im Deutschen Reich ein systematisches Studium dieser Problematik. Mit den »Abhandlungen über Abgase und Rauchschäden« gab es ab 1908 zudem ein entsprechendes wissenschaftliches Organ.56
53 Uekötter: Am Ende der Gewissheiten, S. 155-163. 54 Dupuy: Histoire de la pollution atmosphérique, S. 8. Zur Luftverschmutzung im 19. Jahrhundert siehe unter anderem auch Brüggemeier/Rommelspacher: Blauer Himmel über der Ruhr, S. 19-49; Uekötter: Umweltgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, S. 6-14; Wey: Umweltpolitik in Deutschland, S. 30-31. 55 Whitehead: State, Science and the Skies, S. 12. 56 Dupuy: Histoire de la pollution atmosphérique, S. 18-19.
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Der »Trail Smelter Dispute« zwischen den USA und Kanada ist das früheste Beispiel, wie Luftverschmutzung auch über Landesgrenzen hinweg auf interstaatlicher Ebene verhandelt wurde, um schließlich in einer Gesetzgebung zu resultieren. Der Fall trug sich an der Grenze zwischen Kanada und den USA zu: 1925 zog der Rauch der Blei- und Zinkschmelzerei in Trail, British Columbia, über die US-Grenze und verursachte Schäden an Ernte und Wäldern in Washington.57 Die Auseinandersetzung um Schadenszahlungen dauerte Jahre, wurde auf Regierungsebene verhandelt und mündete 1941 in der »the polluter pays«Regelung im internationalen Recht: »[…] no State has the right to use or permit the use of its territory in such a manner as to cause injury by fumes in or to the territory of another or the properties or persons therein, when the case is of serious consequence and the injury is established by clear and convincing evidence«.58
Trotz dieses ersten Versuchs einer rechtlichen Regelung und der Verwissenschaftlichung des Problems, blieben die Ansätze für eine Lösung des Luftverschmutzungsproblems bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts lokal und unkoordiniert. Erst danach entwickelte sich eine überregionale und systematische Herangehensweise an das Thema Luftreinhaltung. 59 Vor allem in den USA festigte sich das Bewusstsein, dass in Industriestädten, wie beispielsweise Pittsburgh, Emissionen von Kohlekraftwerken die Atemluft stark beeinträchtigen, und dass es daher Gesetze und organisierte Strukturen braucht, um das Problem zu lösen.60 An diesen amerikanischen Strukturen orientierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch die DFG, als sie zu Beginn der 1960er Jahre ein verstärktes Engagement für die Reinhaltung der Luft forderte. 61 Bereits 1956 hatte der »Verein Deutscher Ingenieure (VDI)« die Kommission Reinhaltung der Luft eingesetzt und innerhalb weniger Jahre kam auch in Deutschland eine systematischere Luftreinhaltungspolitik in Gang. Matthias Heymann stellte daher für das Ende des Zweiten Weltkrieges eine »neue Phase der Luftverschmutzung und der
57 Mehr zum Trail Smelter Dispute siehe: Wirth: Smelter Smoke in North America; ders.: »The Trail Smelter Dispute«. 58 »Trail Smelter Case (United States, Canada), 16 April 1938 and 11 March 1941«, S. 1965. 59 Dupuy: Histoire de la pollution atmosphérique, S. 15-20 und 42-48; Heymann: »Luftverschmutzung, Atmosphärenforschung, Luftreinhaltung«, S. 329. 60 Etwas älter, aber mit einem Fokus auf Pittsburgh dazu: Jones: Clean Air. 61 Siehe dazu o.V.: »Reinhaltung der Luft. Lage und Ausbaunotwendigkeiten«.
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Luftreinhaltepolitik« fest. Diese sei unter anderem charakterisiert durch eine starke Zunahme der Bemühungen, eine Internationalisierung des Problems und dessen Lösungsansätze sowie einer Verwissenschaftlichung der Luftreinhaltepolitik.62 So trafen sich beispielsweise ab 1957 österreichische, tschechische, ostdeutsche und westdeutsche Forstbeamte alle zwei Jahre, um das Problem der Rauchverschmutzung gemeinsam zu diskutieren. Parallel dazu entstanden internationale Gruppen wie die »International Union of Forest Research Organizations (IUFRO)« und es fanden internationale Konferenzen zur Luftverschmutzung statt (wie zum Beispiel 1966 in London).63 Als Willy Brandt 1961 im bundesdeutschen Wahlkampf die Parole »Blauer Himmel über der Ruhr« prägte, war die Umwelt als Politikum in der BRD bereits etabliert.64 Rauchende Schornsteine waren nicht mehr der Inbegriff einer blühenden Industrie, sondern Ursache großer Besorgnis.65 Seit Luftverschmutzung nicht mehr nur als regionales, sondern als grenzüberschreitendes Problem verstanden wurde, gewann die großflächige Luftzirkulation als deren Transportmechanismus an Interesse. Daher wandten sich insbesondere auch Meteorologen dem Thema der Luftverschmutzung zu.66 Wie der DWD engagierten sich auch die FFM und insbesondere Harald Koschmieder zu Fragen der Ausbreitung von Luftverschmutzung in der Atmosphäre.67 Die Untersuchung des radioaktiven Fallouts von Atombombentests war mit seinen globalen Konsequenzen Bestandteil der von Heymann benannten »neuen Phase der Luftverschmutzung«.68 Zwischen 1945 und 1963 wurden zu Testzwecken mindestens 459 Atombomben in der Atmosphäre zur Explosion gebracht.69
62 Heymann: »Luftverschmutzung, Atmosphärenforschung, Luftreinhaltung«, S. 392, siehe dazu auch Dupuy: Histoire de la pollution atmosphérique, S. 45. 63 Dupuy: Histoire de la pollution atmosphérique, S. 45. 64 Wie Frank Uekötter feststellt, war diese Formel entgegen der gängigen Interpretation (zum Beispiel auch von Dupuy: Histoire de la pollution atmosphérique, S. 52) nicht der Beginn der Luftreinhaltepolitik in Deutschland; deren Entwicklung hatte bereits vor Jahren begonnen (Uekötter: Von der Rauchplage zur ökologischen Revolution, S. 475). 65 Dupuy: Histoire de la pollution atmosphérique, S. 57. 66 Ebd., S. 43. 67 Anhang zu o.V.: »Reinhaltung der Luft. Lage und Ausbaunotwendigkeiten«. 68 Heymann: »Luftverschmutzung, Atmosphärenforschung, Luftreinhaltung«, S. 392. 69 Für eine Auflistung aller (bekannten) oberirdischen Atombombenexplosionen weltweit von 1945 bis 1998 siehe Norris/Arkin: »Known Nuclear Tests Worldwide«, S. 66.
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Das Aufrüsten mit Atomwaffen, zunächst vor allem in den USA und der Sowjetunion, wurde auch in der BRD mit wachsender Besorgnis beobachtet.70 Durch die Zunahme von Kernwaffentests stieg auch die gemessene künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre seit Beginn des Kalten Kriegs besorgniserregend schnell an. 71 Bereits ab 1946 war dieses Problem in den USA offensichtlich geworden. Nach einem amerikanischen Atombombentest unter Wasser am Bikini Atoll im Pazifischen Ozean stellten Meeresbiologen an Fischen radioaktive Verseuchung fest, und zwar nicht nur oberflächlich auf deren Haut, sondern auch in ihren inneren Organen. Als 1954 ein Wasserbombentest (ebenfalls im Bikini Atoll) unter anderem japanische Fischer verseuchte, verstärkten sich diese Bedenken.72 Spätestens damit war offenbar geworden, dass Fallout nicht nur ein lokales Problem darstellte, sondern sich über weite Distanzen ausbreiten konnte. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, wie sich der Schadstofftransport in der Atmosphäre genau abspielte und welche Konsequenzen Fallout für die Gesundheit tatsächlich hatte.73 Radioaktiver Fallout wurde zu einem internationalen Unsicherheitsfaktor, dessen Risiko zuerst eingeschätzt und danach möglichst international geregelt werden musste. Ausgangspunkt dafür sollte die verstärkte wissenschaftliche Erforschung des Problems sein. Die wachsende Sorge um die Gesundheit von Menschen, die durch direkte Verseuchung oder indirekt durch die Aufnahme von kontaminierten Lebensmitteln gefährdet war, führte 1955 zur Bildung des »Wissenschaftlichen Ausschusses der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung (UNSCEAR)«, protegiert von den USA. 74 Der Ausschuss fasste die Unsicherheit über die Auswirkungen von Fallout auf die Menschen wie folgt zusammen: »The early fall-out of radioactive materials near to the sites of nuclear explosions, which is influenced by various meteorological and testing conditions, may cause high radiation exposure to individuals within these areas. The amount of such radiation exposures varies very greatly with the weapon tested, with the height of firing, with the distance from the
70 Protokoll 2. Kabinettssitzung am 27. Oktober 1953, B. Aussenpolitische Lage, http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1953k/kap1_2/kap2_50/para3_2.h tml?highlight=true&search=atom*&stemming=true&field=all#highlightedTerm (Abrufdatum: 09.10.2013). 71 Vgl. Dyck/Steinkopff: »50 Jahre Überwachung der Radioaktivität«, S. 49-50, oder Völkle: »50 Jahre Radioaktivitätsüberwachung in der Schweiz«, S. 29. 72 Higuchi: »Atmospheric Nuclear Weapons Testing«, S. 303-305. 73 Heymann: »Luftverschmutzung, Atmosphärenforschung, Luftreinhaltung«, S. 333. 74 Higuchi: »Atmospheric Nuclear Weapons Testing«, S. 302 und 308.
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point of explosion, with the direction of winds at various altitudes and with the chance occurrence of rainfall through radioactive material in the early hours after the test. Therefore, at present, these doses cannot in general be calculated. Under very special conditions, high radiation exposure and deleterious effects have been reported, as in the cases of the Marshall Islanders and the crew of a Japanese fishing vessel. Not enough information is available as to the general circumstances in which such local deposition may occur, and the extent and duration of the exposures liable to be involved.«75
Der UNSCEAR betonte damit dezidiert den Mangel an Daten, die eine Risikoabschätzung ermöglicht hätten. Der Ausschuss war sich einig, dass mehr Forschung nötig war, um das Problem der globalen radioaktiven Verseuchung in den Griff zu bekommen. Auf eine Beschränkung der Atombombentest konnte er sich allerdings nicht einigen.76 Der Umwelthistoriker Donald Worster sah in den wachsenden (politischen) Bemühungen der 1950er Jahre, das Fallout-Problem durch Umweltüberwachung in den Griff zu bekommen, den Beginn des »age of ecology« zumindest in den USA.77 1959 konnten sich die USA und die Sowjetunion erstmals darauf einigen, keine Atomtests mehr durchzuführen. Diese freiwillige Pause hielt jedoch nur zwei Jahre. Als die Sowjetunion 1961 die Atomtests wieder aufnahmen, löste dies auf Seiten US-amerikanischer Frauen, die um die Gesundheit ihrer Kinder besorgt waren, großen Protest aus. Sie richteten ihre Appelle an die Kennedy-Regierung, die jedoch noch immer zögerte, Maßnahmen zur Eindämmung von Atomtests zu ergreifen, solange es keine Beweise für eine Gefahr durch Fallout gab.78 Erst am 5. August 1963 unterzeichneten Großbritannien, die Sow-
75 Report of the United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation, General Assembly, Official Records: Thirteenth Session, Nr. 17, A/3838 (1958), S. 38. 76 Siehe ebd., S. 41 und 43. Zum Verhältnis zwischen den USA und der Sowjetunion den Stopp von Atomtests betreffend siehe Higuchi: »Atmospheric Nuclear Weapons Testing«, S. 311-313. 77 Worster: Nature’s Economy, S. 342-346. Hinweis bei Whitehead: State, Science and the Skies, S. 181. 78 Higuchi stellte fest, dass der Unterschied zwischen der Frauenbewegung und der amerikanischen Regierung war, dass erstere Angst um die Gesundheit der Bevölkerung hatte, während letztere um die nationale Sicherheit Amerikas im Wettrüsten mit der Sowjetunion fürchtete (Higuchi: »Atmospheric Nuclear Weapons Testing«, S. 318-319). Zur Entwicklung der Meinungen zu den Atomwaffentests und zu Fallout in
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jetunion und die USA den Limited Test Ban Treaty.79 Darin verpflichten sie sich, auf Atomwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser zu verzichten. Auf das Wettrüsten insgesamt hatte dieses Abkommen indes keinen Einfluss. Denn die Tests wurden von da an unterirdisch durchgeführt.80 In Europa ließen sich aber die Folgen dieser Maßnahmen an der in der freien Atmosphäre gemessenen Radioaktivität ablesen (Abbildung 11).81 Abbildung 11: Messungen der Betastrahlung der Luft an einer Messstation in Payern (Schweiz) zwischen 1956 und 1969
Quelle: »11. Bericht der Eidg. Kommission zur Überwachung der Radioaktivität«, S. 119
Die Abnahme der gemessenen Strahlung in den Jahren 1960 und 1961 ist die Folge der freiwilligen Einstellung von Kernwaffentests in den USA und der Sowjetunion. Der kurzzeitige Einbruch 1963 signalisiert die Folgen des Limited Test Ban Treaty. Doch abgesehen davon, dass wenig später auch Indien (1963)
der amerikanischen Bevölkerung siehe Rosi: »Mass and Attentive Opinion on Nuclear Weapons Test«. 79 Zur Test-Ban-Debatte in den USA siehe Greene: Eisenhower, Science Advice, and the Nuclear Test-Ban Debate. 80 Siehe dazu Norris/Arkin: »Known Nuclear Tests Worldwide«; Higuchi: »Atmosphereic Nuclear Weapons Testing«, S. 320. 81 Beim Zerfall radioaktiver Stoffe entsteht ionisierende Strahlung, die in Alpha-, Betaund Gammstrahlung unterteilt wird. Diese kann beispielsweise mit Zählrohren gemessen werden.
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und Israel (1964) den Vertrag ratifizierten, gab es weiterhin Staaten mit Kernwaffen, die oberirdische Tests durchführten.82 Der in Abbildung 11 erkennbare erneute Anstieg 1964, war auf die Aufnahme oberirdischer Tests in China zurückzuführen. Das Fallout-Problem war also trotz des Limited Test Ban Treaty nicht gelöst. Das Fallout-Problem in Deutschland Bis in die 1950er Jahre war es in Westdeutschland nicht möglich, genauere Informationen über Atomversuche oder eine atomare Verseuchung der Luft im Ausland zu erhalten. Diese wurden in den Atomnationen streng geheim gehalten.83 Zudem war es Deutschland bis zu den Pariser Verträgen 1955 auch nicht erlaubt, selbst Kernforschung zu betreiben. Um mehr über Atombombenexplosionen im Ausland und deren Folgen zu erfahren, lag es daher im Interesse der deutschen Regierung, die eigene Fallout-Forschung zu fördern.84 Nach der Lockerung der Restriktionen der Alliierten 1955 war der Weg frei, um das Bundesministerium für Atomfragen (1955) und andere Kommissionen zum Luftschutz einzurichten, wie zum Beispiel die DFG-Schutzkommission für radioaktive Niederschläge (1955), die »Deutsche Atomkommission« (1956) oder den »Sonderausschuss für Radioaktivität« (1956). 85 Mehrere Universitätsinstitute errichteten zudem Messstellen oder bauten bereits bestehende aus.86 Am 8. August 1955 begann auch der DWD mit der Überwachung von Radioaktivität in der Atmosphäre.87 Durch die Einrichtung eines solchen Messnetzes strebte das Innenministerium im Sinne eines »atmospheric government« eine Überwachung der Luft an, um frühzeitig erkennen zu können, wann die Fallout-Konzentration
82 Zum Limited Test Ban Treaty siehe Graham/LaVera: Cornerstones of Security, S. 2933. 83 Abele: ›Wachhund des Atomzeitalters‹, S. 129. So erging es auch anderen Ländern, zum Beispiel Spanien, das sich bezüglich Kernenergie und Testkraftwerke unter anderem auf Informationen in amerikanischen Magazinen verlassen musste (Ordoñez/ Sánchez-Ron: »Nuclear Energy in Spain«, S. 190). 84 Abele: ›Wachhund des Atomzeitalters‹, S. 129. 85 Siehe unter anderem Diehl: Radioaktivität in Lebensmitteln, S. 143, und Abele: ›Wachhund des Atomzeitalters‹, S. 130. 86 Beispielsweise an den Universitäten in Freiburg, Heidelberg, Bonn, München und Hamburg (Abele: ›Wachhund des Atomzeitalters‹, S. 139). 87 Kusch: »Vorwort«, S. 5.
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in der Atmosphäre anstieg, um dann gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen.88 Am 1. Januar 1958 trat im Rahmen der Römischen Verträge die Europäische Atomgemeinschaft »Euratom« in Kraft.89 Jeder Euratom-Mitgliedstaat, also auch Deutschland, musste gemäß den Richtlinien die Radioaktivität in Luft, Wasser und Boden kontrollieren.90 In der BRD lag die Kompetenz zur Überwachung der Atmosphäre beim Bund.91 Auch in anderen Ländern begann der Ausbau eines Messnetzes zur Überwachung der künstlichen Radioaktivität in der Luft. In Österreich installierte beispielsweise die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Zusammenarbeit mit der »US Atomic Energy Commission (AEC)« stationäre Registriergeräte auf beziehungsweise wenig über dem Boden, um damit österreichweit die Radioaktivität in der Luft zu messen. 92 In der Schweiz ernannte die Regierung 1956 die »Eidgenössische Kommission zur Überwachung der Radioaktivität (KUER)«, woraufhin auch dort ein Messnetz zur Überwachung von Radioaktivität in Luft und Niederschlag, und später auch in Gewässern, Boden und Lebensmitteln entstand. Daran beteiligt waren unter anderem Schweizer Forschungsinstitute an und außerhalb Universitäten sowie die damalige »Meteorologische Zentralanstalt«. Als Messinstrumente fanden Spektrometer und Zählrohre Anwendung. Zudem etablierte sich ab den 1960er Jahren eine Zusammenarbeit mit der Schweizer Luftwaffe. Mit speziellen Sammelvorrichtungen, die am Rumpf von Militärflugzeugen angebracht waren, konnten Luftproben aus 10 bis 15 Kilometer Höhe gesammelt werden.93
88 Bald ging es auch nicht mehr nur um die Luft oder um Gewässer. Auch eine mögliche Verseuchung von Nahrungsmittel wie Milch und Fisch rückte vermehrt in den Fokus (Abele: ›Wachhund des Atomzeitalters‹, S. 139). 89 Mehr zu Euratom siehe zum Beispiel: Deubner: Die Atompolitik der westdeutschen Industrie; Weilemann: Die Anfänge der Europäischen Atomgemeinschaft; StammKuhl: »EURATOM«; Lübbert: Die europäische Atomgemeinschaft. 90 Artikel 35, Vertrag EURATOM, http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/dat/11957K/tif/ TRAITES_1957_EURATOM_1_XM_0122_link111.pdf (Abrufdatum: 09.08.2013). 91 Abele: ›Wachhund des Atomzeitalters‹, S. 151. 92 Hammerl et al. (Hg.): Die Zentralanstalt, S. 214. 93 Völkle: »50 Jahre Radioaktivitätsüberwachung in der Schweiz«, S. 28-29.
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Die wissenschaftliche Erforschung radioaktiven Fallouts in Deutschland Über Jahrhunderte hinweg war die Fähigkeit, die Verschmutzung zu sehen, einer der Antriebe, sich deren schlimmsten Folgen aufzunehmen. Daher erwuchs ab Mitte des 19. Jahrhunderts das Interesse, das Verschmutzungsproblem zu visualisieren und aufzuzeichnen.94 Denn was nicht sichtbar ist, lässt sich schwer fassen und verwalten. Eine grundlegende Technik, radioaktive Strahlung sichtbar und ihre Bedrohung somit erfassbar zu machen, war der »Geigerzähler«. Das Gerät, das eigentlich »Geiger-Müller-Zählrohr« hieß, entwickelte sich seit den 1940er Jahren zum Inbegriff von Strahlenschutz.95 Es war für die Wissenschaftler das Instrument schlechthin, um radioaktive Strahlung zu erforschen. Anfang 1953 erschien dann in der Zeitschrift »Die Naturwissenschaften« ein kurzer Bericht der Freiburger Wissenschaftler W. Herbst und K. Philipp mit dem Titel »Wanderwege eines atomtechnischen Aerosols«.96 Darin berichteten sie, wie im Oktober 1951 in Wittental bei Freiburg im Breisgau ihre Geiger-MüllerZählrohre eine massive Zunahme von Radioaktivität in der Umgebung registrierten. Am 18. und 20. Oktober seien die Werte sogar auf das Zwei- bis Dreifache angestiegen. Die Autoren weisen darauf hin, dass amerikanische Wissenschaftler in Helena, Montana, bereits am 6. Oktober in Regen- und Schneewasser Werte gemessen hatten, die mehr als das Zehnfache des Normalwertes entsprachen. Von der Art und Weise, wie diese Werte danach wieder abfielen, schlossen die amerikanischen Kollegen, dass die Radioaktivität keinesfalls natürlich sein konnte, sondern von amerikanischen Atombombentests stammen musste. 97 Herbsts und Philipps Kollege vom Bioklimatischen Institut der Universität Freiburg im Breisgau, R. Neuwirth, studierte daraufhin Wetterkarten und kam zum Schluss, dass die radioaktive Wolke von Helena aufgrund der damals geherrschten Strömungsverhältnisse tatsächlich am 18. Oktober im Raum Freiburg eingetroffen sein musste. Da sie keinen eindeutigen Beweis dafür hatten, formulierten es die Forscher noch vorsichtig: »Es ist also möglich, dass die von uns beobachtete Erhöhung des Nulleffekts von der in Helena nachgewiesenen Atombombenexplosion herrührte.«98 Grundaussage ihres kurzen Berichtes war, dass radioak-
94 Whitehead: State, Science and the Skies, S. 39. 95 Abele: ›Wachhund des Atomzeitalters‹, zum Beispiel S. 15, 17 und 89. 96 Herbst/Philipp: »Wanderweg eines atomtechnischen Aerosols«, S. 54. 97 Vgl. dazu auch Eisenbud/Harley: »Radioactive Dust from Nuclear Detonations«. 98 Herbst/Philipp: »Wanderweg eines atomtechnischen Aerosols«, S. 54.
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tiver Fallout in der Atmosphäre über große Distanzen von über 1000 Kilometern transportiert werden konnten. Was Herbst und Philipp »unsere kleine Beobachtung« nannten, blieb nicht unwidersprochen. Zwei Monate später griff Albert Sittkus vom Physikalischen Institut der Universität Freiburg im Breisgau diese These in einem Artikel in der gleichen Zeitschrift an.99 Sittkus hatte selber im gleichen Zeitraum, keine zehn Kilometer weg von Wittental, Messungen mit Gammazählrohren durchgeführt. Im Gegensatz zu seinen Kollegen konnte er hingegen nur eine kleine Schwankung der Radioaktivität feststellen, und diese führte er auf eine natürliche Variation zurück. Er konterte Herbst und Philipps These mit dem Fazit: »Das Fehlen jeder starken Zunahme des Nulleffektes zwingt zu der Annahme, dass es sich im Wittental um eine ganz lokale Erscheinung handelt, und lässt wohl keinen Schluss auf die Auswirkung eines atomtechnischen Aerosols zu.«100 Die meteorologischen Kenntnisse der 1950er Jahre waren noch sehr begrenzt in Bezug darauf, wie sich Luftpakete in hohen Atmosphärenschichten bewegten.101 Herbst und Philipp intensivierten daher in den Monaten darauf ihre Untersuchungen zu diesem Ereignis und konnten dabei ihre These untermauern. Sittkus’ widersprechende Ergebnisse erklärten sie unter anderem damit, dass dieser die Gammastrahlung gemessen habe, doch sei bei Spaltprodukten die Betastrahlung mit Zählrohren besser nachweisbar. Daher eigneten sich Sittkus’ Gammazählrohre nicht für die Feststellung von Restprodukten aus Atomexplosionen.102 Was für Sittkus nicht plausibel schien – dass Aerosole in der Atmosphäre über mehrere 1000 Kilometer Distanz transportiert werden konnten – begründeten sie nun mit der Existenz einer »Führungsströmung«. Dass es einen solchen »Jetstream« gab, war schon länger bekannt. Man ging allerdings davon aus, dass es sich jeweils um ein temporäres Phänomen handelte. Herbst und Philipp erklärten daher, dass der lange Transportweg der radioaktiven Aerosole im Oktober 1951 nur möglich war, weil genau zu der Zeit ein solcher Jetstream existierte. So konnten sie den »Wanderweg« der kontaminierten Aerosole sorgfältig anhand der ihnen bekannten Strömungsverhältnisse rekonstruieren: »Die betrachteten Teilchen trieben mit dem Starkwindfeld des atmosphärischen Ringstromes nach Osten, umwanderten eine große russische Antizyklone und erreichten mit einer
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Sittkus: »Wanderweg eines atomtechnischen Aerosols«.
100 Ebd. 101 Edwards: »Entangled Histories«, S. 30. 102 Herbst/Neuwirth/Philipp: »Betrachtungen über die Eignung radioaktiver atomtechnischer Aerosole als Markierungsmittel«, S. 159.
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allgemeinen Ostströmung am 17./18.10.[1951] Deutschland.«103 Das ergab einen Transportweg von 18.000 Kilometer innerhalb von elf Tagen. Nun schien es also möglich, dass eine radioaktive Wolke innerhalb von wenigen Tagen die ganze Welt umrundete. Der wissenschaftliche Bericht entbehrte jedoch sämtlicher Hinweise auf eine mögliche Gefahr dieses Mechanismus‘. Die Autoren erwähnen lediglich beiläufig, dass er auch »aus lufthygienischen Gründen« interessant sein könnte. Die beiden Meteorologen sahen in ihrer Erkenntnis einerseits den Beweis für einen solchen Jetstream und andererseits eine neue Methode, mit radioaktiv markierten Teilchen als Markierungsmittel die Strömungsverhältnisse in der Atmosphäre zu studieren.104 Atombombenversuche sollten also dazu geeignet sein, den »Wanderweg« von radioaktiven Aerosolen systematischer und länderübergreifend zu studieren. Diese Beziehung zwischen Meterorologie und Fallout steht beispielhaft dafür, worauf Paul Edwards sich mit »Entangled Histories« bezieht: »Without nuclear weapon tests, much less would be known about the atmosphere than what is understood today.«105 Während in der Zeitschrift »Die Naturwissenschaften« diese wissenschaftliche Debatte zwischen Herbst/Philipp und Sittkus stattfand, suchte der Heidelberger Physiker Otto Haxel nach einer neuen Methode, wie künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre noch besser als mit Zählrohren gemessen werden konnte. Zusammen mit Gerhard Schumann veröffentlichte er im September 1953 schließlich die kurze Abhandlung »Über die radioaktive Verseuchung der Atmosphäre«.106 Die beiden Wissenschaftler hatten ab Frühling 1953 auf dem Königsstuhl bei Heidelberg die Konzentration von Radioaktivität gemessen, indem sie mittels einer Pumpe Luft durch Schwebestofffilter saugten. Diese Filter wurden regelmäßig ausgewechselt und auf die Beta-Aktivität untersucht. Der Engländer James Chadwick hatte die Filtermethode bereits 1941 angewendet, allerdings scheint Haxel dies nicht gewusst zu haben. 107 Auch auf die Arbeiten des »US Weather Bureaus«, das seit 1949 solche Messungen mit an Flugzeugen angebrachten Filtern durchführte, nahmen Haxel und Schumann keinen Bezug.108 Bei ihren eigenen Untersuchungen fanden auch sie Spaltprodukte, die von Atom-
103 Ebd., S. 157. 104 Ebd., S. 158-159. 105 Edwards: »Entangled Histories«, S. 29. 106 Haxel/Schumann: »Über die radioaktive Verseuchung der Atmosphäre«, zitiert in: Abele: ›Wachhund des Atomzeitalters‹, S. 113. 107 Ebd., S. 114. 108 Zu den Flugzeugmessungen des US Weather Bureaus zwischen 1949 und 1951 siehe Machta: »Meteorological Benefits from Atmospheric Nuclear Tests«.
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bombenexplosionen stammen mussten. Wie stark diese Konzentration jeweils war, hing von den herrschenden Wetterverhältnissen ab. Durch den Abfall der Radioaktivität dieser Spaltprodukte konnten sie auf den Zeitpunkt der Explosionen schließen. Die Atombombenexplosion von Las Vegas am 8. Mai 1953 schlug sich so in den Proben vom 13. bis 15. Mai nieder. Wie Haxel und Schumanns Graphik zeigt, stieg in dieser Zeit die Konzentration der Spaltprodukte in der Atmosphäre massiv an (Abbildung 12): Abbildung 12: Verlauf der radioaktiven Strahlung gemessen von Haxel und Schumann im Juni 1953
Quelle: Haxel/Schumann: »Über die radioaktive Verseuchung der Atmosphäre«, S. 459
Dies bedeutete, dass die Spaltprodukte in weniger als einer Woche von Las Vegas nach Deutschland transportiert worden waren. Die Heidelberger Physiker schlossen ihren Aufsatz mit dem Fazit: »Die Messungen zeigen, dass die weltweite radioaktive Verseuchung durch Atombombenexplosionen zwar noch nicht beunruhigend hoch, aber mit den heutigen Nachweismethoden bequem feststellbar ist. Umfassende Registrierungen an mehreren Orten könnten für die Meteorologie wichtige Hinweise über die Laufwege und die Laufzeiten von Luftmassen geben.«109 109 Haxel/Schumann: »Über die radioaktive Verseuchung der Atmosphäre«.
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Wie Herbst und Philipp sah auch der Physiker Haxel die Messung der künstlichen Radioaktivität nicht als eine Maßnahme, um die Bevölkerung vor nuklearer Verseuchung zu schützen, sondern vor allem als eine Methode, Luftmassenbewegungen besser verstehen zu können.110 Allerdings wurde der Ton in den deutschen wissenschaftlichen Publikationen bald besorgter. In der Veröffentlichung seiner neuen Ergebnisse 1955 räumte Sittkus dem Gesundheitsaspekt mehr Raum ein. Inzwischen hatte auch er sich davon überzeugen lassen, dass radioaktive Teilchen durch die Windströmung über sehr weite Distanzen transportiert werden konnten. Durch Niederschlag gelangten sie ins Gras, damit ins Weidevieh und schließlich in den menschlichen Stoffwechsel.111 Das Bewusstsein wuchs, dass radioaktive Strahlung in der Atmosphäre nicht nur meteorologischen Erkenntnisgewinn versprach, sondern ein gesundheitliches Problem darstellte, dessen Ausmaß noch nicht abgeschätzt werden konnte. Bayerische Bauern ließen daraufhin ihre geschlachteten Schafe von amerikanischen Wissenschaftlern auf radioaktive Verseuchung untersuchen. Migräneanfälle wurden auf den Durchzug von »Atomwolken« zurückgeführt. Die Angst vor der atomaren Verseuchung in Deutschland nahm gelegentlich auch bizarre Formen an. So berichtete das Magazin »Der Spiegel« 1956: »In der vorletzten Woche alarmierte eine Angestellte in Bonn das Atom-Ministerium, als sich ihre zum Trocknen aufgehängte Wäsche nach einem Regen blauviolett verfärbte. Zwei Ministerialbeamte und ein Physiker machten sich auf den Weg, um die Damenwäsche mittels eines Geigerzählers auf Radioaktivität zu verhören.«112
Systematischere Überwachung: AEC Monitoring System und Ergänzung des Wetterdienstgesetzes Mitte der 1950er Jahre waren sich US-Wissenschaftler einig, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen den Atombombentests und einer Erhöhung der Radioaktivität in den USA und in Kanada gab. Das US Weather Bureau hatte bereits seit 1949 mit Flugzeugen Messflüge zwischen Alaska und Japan durchgeführt, um mit gesammelten Filterproben auf den Standort sowjetischer Atom-
110 Dasselbe galt für ihre amerikanischen Kollegen Merril Eisenbud und John H. Harley, die für die AEC in New York Fallout-Forschungen durchführten (siehe Eisenbud/Harley: »Radioactive Dust from Nuclear Detonations«). 111 Sittkus: »Beobachtungen an radioaktiven Schwaden«, S. 479-480. 112 Das Resultat dieses »Verhörs« ist unbekannt (o.V.: »Der heisse Regen«, in: Der Spiegel Nr. 29 [1956], S. 43-44).
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tests zu schließen.113 Die AEC begann 1951 damit, ein Überwachungsprogramm einzurichten, um die Veränderungen der Strahlung durch die Explosionen von Atombomben zu messen. Dieses »Monitoring System« bestand aus einem Netz von 121 stationären Überwachungseinrichtungen, die über das ganze Gebiet der USA verteilt waren. Dort sammelten die Mitarbeiter zum einen Staubproben, die auf Gummipapier (»gummed paper«) niedergingen, zum anderen solche aus der Luft, welche durch Papierfilter gepresst wurde. Zusätzlich zu diesen stationären Sammelstellen setzte die AEC mobile Teams ein, die mit ihrer Ausrüstung flexibel Messungen im Umkreis von 200 bis 500 Meilen von der Explosionsstelle durchführen konnten. Diese mobilen Teams sammelten nach einer Explosion an bestimmten Orten über mehrere Wochen hinweg mit Gummipapier und Filter lokal Staubproben. Diese Orte lagen unter der vorausberechneten Bewegungsbahn der radioaktiven Wolke. Wenn die Wolken den 500-Meilen-Radius verlassen hatte, übernahmen die stationären Messstellen die weitere Überwachung.114 In der BRD übertrug die Regierung den Auftrag, die Radioaktivität in der Luft zu überwachen, an den DWD und verankerte dies mit der Ergänzung des Wetterdienstgesetzes am 8. August 1955 auch gesetzlich.115 Am DWD hatte man allerdings von der Messung von Radioaktivität »wenig Ahnung« und schickte deshalb zunächst einige Mitarbeiter zu Otto Haxel nach Heidelberg und zu anderen Experten.116 Schließlich rüstete der Wetterdienst zehn Stationen mit Messgeräten zur Sammlung von Proben aus. Die Wetterstationen registrierten jeweils ein Maximum der Betaaktivität in den Jahren 1957/58 und 1962/63, was mit der größten Anzahl an Atombombentests in der Atmosphäre weltweit korrelierte.117 Messungen des DWD beschränkten sich allerdings auf die Luft in Bodennähe und auf Niederschlagsproben, die mit Geiger-Müller-Zählrohren und Ionisationskammern untersucht wurden. Doch spätestens seit 1954 war auch in Deutschland unbestritten, dass radioaktive Aerosole durch den Wind über weite Strecken transportiert werden können. Damit gewann das Wissen über Strömungs- und Austauschverhältnisse in den oberen Schichten der Atmosphäre an Relevanz. Um die Bevölkerung gegebenenfalls warnen und Schutzmaßnahmen bei hoher
113 Machta: »Meteorological Benefits from Atmospheric Nuclear Tests«. 114 Eisenbud/Harley: »Radioactive Dust from Nuclear Detonations«, S. 141-142. 115 Dyck/Steinkopff: »50 Jahre Überwachung der Radioaktivität«, S. 48. 116 Flohn: Meteorologie im Übergang, S. 47. 117 Dyck/Steinkopff: »50 Jahre Überwachung der Radioaktivität«, S. 48-50. Vgl. dazu auch Norris/Arkin: »Known Nuclear Tests Worldwide«.
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Strahlenbelastung ergreifen zu können, sollten daher auch die höheren Luftschichten kontrolliert werden.118 Die Radioaktivitätsmessungen beim DWD leitete Hans Gerhard Müller, der damals noch Leiter der aerologischen Station des DWD am Flughafen MünchenRiem war. Er nahm 1958 ein »erhebliches Interesse« an Radioaktivitätsmessungen nicht nur in Bodennähe, sondern auch in der freien Atmosphäre wahr.119 Um diesem Bedürfnis nachzukommen, wollte er auch Messungen in höheren Schichten der Atmosphäre durchführen. Da der DWD selber keine Flugzeugflotte besaß, trat er an die Lufthansa heran. Diese willigte ein, für den DWD drei DC-3Linienflugzeuge mit einer Messvorrichtung auszurüsten. Das Prinzip basierte auf Haxels Filtermethode und war dieselbe wie für Messungen am Boden. Neu daran war, dass die Filter statt an immobilen Messstationen nun am Flugzeugrumpf befestigt wurden (Abbildungen 13 und 14). Abbildungen 13 und 14: Filtervorrichtungen des DWD 1958 an einer DC-3 der Lufthansa
Quelle: Versuche zur Bestimmung der künstlichen Radioaktivität der Luft an Verkehrsflugzeugen, [A]erologische Station München, den 06.09.1958 (KPAR A3109) 118 Hans Gerhard Müller: Manuskript »Die Radioaktivität in der freien Atmosphäre«, S. 2 (KPAR A3109). Die Einrichtung solcher systematischer Beobachtungsnetzte in verschiedenen Ländern zwischen 1956 und 1964 trug dazu bei, nicht nur großskalige Zirkulationssysteme besser zu verstehen, sondern langfristig auch die globalen Auswirkungen anthropogener Emissionen zu erfassen. Die ersten allgemeinen Zirkulationsmodelle – die Basis späterer Klimamodelle – wurden in einem Laboratorium in Princeton erstellt, an dessen Aufbau John von Neumann mitbeteiligt gewesen war (Edwards: »Entangled Histories«, S. 29-30 und 33). 119 Manuskript »Die Radioaktivität in der freien Atmosphäre«, von Hans Gerhard Müller, S. 2 (KPAR A3109).
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Die Filter waren auf diese Weise im Schnitt etwa ein bis drei Tage auf Flügen über Westdeutschland exponiert. Danach untersuchten die DWD-Mitarbeiter die so gewonnen Aerosolproben auf ihre Radioaktivität. Auf diese Art sammelte der DWD zwischen 1957 und 1958 auf über 100 Flügen etwa 400 Proben.120 Herbst, Philipps und Haxels Messungen fanden nur am Boden oder kurz darüber statt. Auf diese Weise konnten sie nur die Partikel messen, die aufgrund der Schwerkraft absanken und so nicht mehr weiter in der Luft transportiert wurden. Über den radioaktiven Gehalt der oberen Luftschichten sagte dies wenig aus. Da der Transport von Fallout aber in direktem Zusammenhang mit Luftmassenbewegungen in höheren Schichten stand, stellten Müllers Messungen mit dem Flugzeug einen entscheidenden Neuansatz dar. Mit den Flugzeugmessungen fand Müller heraus, dass die Proben aus hohen Luftschichten sich tatsächlich teilweise sehr stark von den Proben in Bodennähe unterschieden. Die gemessene Radioaktivität der Lufthansa-Proben war bis zu dreimal höher als diejenige der Bodenmessungen.121 Allerdings ließ diese Methode keine Schlüsse zu, wie sich die radioaktiven Aerosole in der Atmosphäre verteilten, sammelten sich in den Filtern doch sämtliche Teilchen, die während mehreren Flügen, sowohl bei Steig- als beim Sinkflug wie auch auf höheren Flughöhen vorhanden waren. Damit war keine differenzierte Auswertung möglich. Dem Wert solcher Messungen maß Müller selbst daher eher wenig Wert bei.122 Er kam von der Idee mit dem Linienflugzeug wieder ab und überlegte sich, ob man mit Radiosondenmessungen eventuell die verschiedenen Luftschichten besser untersuchen könne.123
M ESSUNG VON F ALLOUT
AN DER
DFS
UND AM
IPA
Als 1956 das Thema Fallout, zunächst noch als Nebensache, an der DFS aufgenommen wurde, war es international bereits als gewichtiges Umweltproblem
120 Allerdings wurden von diesen 400 Proben nicht mal 70 ausgewertet, da die Messbedingungen nicht befriedigend waren und daher die Proben nicht sehr aussagekräftig erschienen (ebd., S. 6-7). 121 Ebd. 122 Versuche zur Bestimmung der künstlichen Radioaktivität der Luft an Verkehrsflugzeugen, [A]erologische Station München, München-Riem, den 06.09.1958, S. 1 und 3-4 (KPAR A3109). 123 Manuskript »Die Radioaktivität in der freien Atmosphäre«, von Hans Gerhard Müller, S. 9 (KPAR A3109).
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erkannt worden. In mehreren Ländern waren Institutionen und ein Messnetzwerk zur Überwachung der Radioaktivität im Aufbau begriffen. Die deutsche Regierung beauftragte den DWD-Routinemessungen der bodennahen Luft vorzunehmen. Das Thema war also bereits vom DWD besetzt, was die anfängliche Beiläufigkeit der Messungen an der DFS erklären mag. Ihre Flugzeugmessungen bewertete sie lediglich als »wertvolle Ergänzungen« zu den Föhnstudien.124 Wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird, änderte sich diese Zurückhaltung, als 1957 der »Sonderausschuss Radioaktivität« und das Bundesamt für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft begann, ein Interesse an den DFS-Windmessungen zu zeigen.125 Die neue Relevanz der Windmessungen an DFS-Bodenstationen Windmessungen gehörten zum Standardrepertoire an der DFS. Denn neben den meteorologischen Grundparametern Luftdruck, Temperatur und Feuchtigkeit war auch der Wind relevant für das Wettergeschehen und insbesondere auch für den Segelflug. Zusätzlich zu solchen Standardmessungen hatte Hans-Peter Barthelt im September 1957 damit begonnen, in Höhbeck (Niedersachsen) eine DFSMessstation einzurichten. Die Bundesanstalt für Flugsicherung hatte ihn nämlich beauftragt zu untersuchen, wie die Ausbreitung von Ultrakurzwellen von Lufttemperatur und -feuchte beeinflusst würden. Die Deutsche Bundespost stellte dafür ihren Funkmast in Höhbeck zur Verfügung. Dieser war 170 Meter hoch und lag auf halbem Weg zwischen Berlin und Hamburg. Der Fernsehsender Berlin erklärte sich einverstanden, eigens für die Messungen in Höhbeck regelmäßig Signale aus Berlin an einen Feldstärkeschreiber in Hamburg zu senden. Währenddessen registrierten die am Funkmast angebrachten Instrumente Temperatur und Feuchtigkeit, um herauszufinden, wie diese meteorologischen Grundparameter die Funkwellen beeinflussten. Um die Daten zu ergänzen, arbeiteten die Forscher auch an einem speziellen Windvektormesser, der ihnen ermöglichen sollte, zusätzlich die Windrichtung zu messen.126 Kurz nach der Einrichtung der Messstation in Hamburg traten das Bundesministerium für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft und ein »Sonderaus-
124 Forschungsvorhaben der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug für 1956, Institut für Flugforschung (KPAR A3067). 125 Niederschrift über die Sitzung der Hauptversammlung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, 22.11.1957, S. 10 (KPAR A3067). 126 2. Tätigkeitsbericht aus dem Institut für Flugmeteorologie, 01.11.1956-31.03.1958, S. 1-2, aus Tätigkeitsbericht 1956/58 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug.
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schuss für Radioaktivität« an die DFS heran. Beide zeigten besonderes Interesse an Barthels Windmessungen in Höhbeck. Denn um die Gefahr einer atomaren Verseuchung durch Fallout besser einschätzen zu können, war ein Verständnis der Turbulenzerscheinungen und Austauschverhältnisse durch Wind entscheidend. Allerdingt stellte sich schnell heraus, dass die Windmessungen in Höhbeck gar nicht geeignet waren, um damit die Transportvorgänge in der Atmosphäre zu untersuchen. Höhbeck lag direkt an der innerdeutschen Grenze. Durch den Westwind wären die Messsubstanzen schnell über die Grenze nach Ostdeutschland transportiert worden, wo ein Einsammeln der Spurenstoffe nicht mehr möglich war. Für eine entsprechende Studie brauchte die DFS eine Messstation an anderer Lage. Die Deutsche Bundespost stellte daraufhin auch ihren Langwellenfunkmast in Mainflingen bei Aschaffenburg zur Verfügung. Dort konnten die Staubsammelgefäße problemlos in der Gegend auch östlich der Messstation aufgestellt werden.127 Das Interesse des Bundesministeriums an ihren Winddaten motivierte die DFS zudem, ihr Windmessgerät zu verbessern.128 Ab 1959, als die Gemeinschaft »Versuchsatomkraftwerk Kahl (VAK)« das erste kommerzielle Atomkraftwerk in Deutschland plante, begann sich auch der DWD für die Windmessungen in Mainflingen zu interessieren.129 Im Hinblick auf solche Bauten hatte Bayern am 29. August 1957 die erste Atomverordnung erlassen. Diese hielt fest, dass Kernkraftwerkunternehmen die Radioaktivität im Wasser, in der Luft sowie in Niederschlägen systematisch zu überwachen hätten, um eine allfällige Verschmutzung schnell zu erkennen.130 Das VAK musste also die Radioaktivität der Reaktorumgebung überwachen und bestellte dafür beim DWD ein entsprechendes Gutachten. Mainflingen, wo Barthelt die zweite DFSMessstation unterhielt, lag nur vier Kilometer von Kahl entfernt. Der DWD brauchte für sein Gutachten Informationen zu den dortigen Turbulenz- und Aus-
127 Ebd., S. 3. 128 Niederschrift über die Sitzung der Hauptversammlung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, 22.11.1957, S. 11 (KPAR A3067). 129 Es nahm am 13. November 1960 den Betrieb auf und produzierte bis 1985 Energie (mehr zur Atomenergie in der BRD siehe auch Fischer: Atomenergie und staatliches Interesse; Radkau/Hahn: Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft). 130 Erste Verordnung zum Schutz der Allgemeinheit vor radioaktiver Gefährdung (1. Atomverordnung). Auf bundesdeutscher Ebene regelte diese Überwachung schließlich das Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) vom 23.12.1959 (BGBI. I, S. 814) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.07.1985 (ebd., S. 1565), das durch Artikel 5 des Gesetzes vom 28.08.2013 (ebd., S. 3313) geändert wurde.
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tauschverhältnissen in der Atmosphäre und bestellte daher die Winddaten, die Barthelt seit einem Jahr dort sammelte.131 Zusätzlich wünschte das Staatsministerium, dass die DFS dort auch langfristig die Luftverhältnisse registrierte, um die Daten laufend zu ergänzen.132 Damit wurde die DFS-Messstation Teil eines Fallout-Überwachungsnetzes und des deutschen »atmospheric government«. Messungen der bodennahen Luftschicht gewannen im Zusammenhang mit dem Bau von Atomkraftwerken und im Sinne des Luftschutzes an staatlichem Interesse. Sie waren ein grundlegendes Instrument des Risikomanagements geworden.133 Die Mainflinger Messdaten erhielten so eine neue Bedeutung, die über das unmittelbare Interesse der DFS an den Wind- und Niederschlagsmessungen hinausging, und sie trugen dazu bei, dass die DFS-Arbeiten für die Politik und Industrie eine Relevanz erhielten, die nicht im Kontext der Flugforschung stand. Vom Nebenprodukt zum wichtigen Forschungsfeld Für die DFS war das Interesse des Ministeriums und des DWD an ihren Messdaten willkommen. Ihre Forschungsmittel waren zurückgegangen und ihre Existenzberechtigung als Segelfluganstalt in Frage gestellt worden.134 Nun eröffnete sich mit Fallout ein neuer Themenbereich, der politisch und gesellschaftlich große Aufmerksamkeit genoss und daher das Potential barg, neue Forschungsmittel zu generieren. 1958, im Jahr des Inkrafttretens von Euratom, begann die DFS mit eigenen Messungen von Radioaktivität in höheren Luftschichten. Die Frage lautete: Wie beeinflussen radioaktive Wolken die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen? Das Thema Radioaktivität wurde zu dem Zeitpunkt also noch im engen Kontext der Mainflinger Untersuchungen für die Flugsicherung
131 Anordnung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern wegen des Baues des Atomkraftwerkes Kahl, Entwurf (Beilage zu I), 20.05.1959 (KPAR A2516/1); Brief von W. Dammann an Hans-Peter Barthelt, 10.06.1959 (KPAR A2516/1). 132 Anordnung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern wegen des Baues des Atomkraftwerkes Kahl, Entwurf (Beilage zu I), 20.05.1959 (KPAR A2516/1); Aktenvermerk über die Besprechung zwischen Herrn Henseler von der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Inneren und dem Unterzeichneten am 12.05.1959, Atomkraftwerk Kahl, von Hans-Peter Barthelt (KPAR A2516/1); Tätigkeitsbericht 1958/59 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 43. 133 Vgl. dazu Higuchi: »Atmospheric Nuclear Weapons Testing«. 134 Niederschrift über die Sitzung der Hauptversammlung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug am 23.01.1957, S. 2 (KPAR A3067).
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angegangen. Entsprechende Messungen wollte Walter Georgii mit der Do 27 in einer Höhe bis zu 7000 Meter machen.135 Im Gegensatz zu Hans Gerhard Müller beim DWD, der für seine Messungen auf das Entgegenkommen der Lufthansa angewiesen war, konnte Georgii mit der Do 27 auf eine institutseigene Maschine zurückgreifen, was ihm zweifellos mehr Autonomie in der Messdurchführung ermöglichte. Dieses Flugzeug konnte allerdings nur bis in einer Höhe von sieben Kilometer fliegen. Für Flughöhen zwischen zehn und zwölf Kilometer wäre daher eigentlich der Düsenjet »Lockheed T-33« der Bundeswehr in Fürstenfeldbruck vorgesehen gewesen. 136 Doch die Messanlagen ließen sich nicht ohne weiteres in diese Maschine einbauen.137 Zudem mussten die Flugpläne mit den Übungsplänen der Luftwaffe koordiniert werden. Dabei sah die Armee auch keine Veranlassung, das IPA zu bevorzugen. Folglich passte selten alles zusammen und die Mitarbeiter Georgiis konnten die T-33 nur vereinzelt für ihre Messungen nutzen.138 Damit war der Flugzeugmangel, wie bei den Tropfenmessungen, auch bei den Fallout-Messungen wieder ein Thema. Ende August 1958 erhielt die DFS schließlich einen offiziellen Forschungsauftrag zur Messung von künstlicher Radioaktivität in der Atmosphäre.139 Die
135 Tätigkeitsbericht aus dem Institut für Flugforschung 01.11.1956-31.3.1958, S. 4, in: Tätigkeitsbericht 1956/58 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug. 136 Bericht über den Fortgang der Arbeiten in der Zeit vom 01.9.1959-01.10.1960, Untersuchungen der künstlichen Radioaktivität in der freien Atmosphäre, von HansFriedrich Fischer, S. 12 und 26 (REINH 1001). 137 Was genau das Problem war, ist unklar. Möglicherweise hätte der Einbau der benötigten Instrumente größere Eingriffe in die Flugzeugtechnik erfordert, als es an einer geliehenen Maschine möglich war (Tätigkeitsbericht aus dem Institut für Flugforschung 01.11.1956-31.03.1958, S. 5, in: Tätigkeitsbericht 1956/58 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug). 138 Ebd. 139 Welches Ministerium diesen Auftrag vergab, wie die Aufgabenstellung des Auftraggebers im Detail aussah und ob es einen direkten Zusammenhang mit Euratom gab, kann aufgrund der lückenhaften Quellenlage nicht belegt werden. Ein Arbeitsbericht vom 14. Oktober 1960 lässt vermuten, dass es sich bereits 1958 um den »Forschungsauftrag
384/59«
mit
einem
Budget
von
47.000
DM
handelte
(Tätigkeitsbericht 1958/59 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 89; Tätigkeitsbericht aus dem Institut für Flugforschung 01.11.1956-31.3.1958, S. 4, in: Tätigkeitsbericht 1956/58 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug; Bericht über den Fortgang der Arbeiten in der Zeit vom 01.09.1959-01.10.1960,
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Fragestellung war nun eine andere als diejenige im Zusammenhang mit der Flugsicherung: »Die Aufgabenstellung des Auftrages fordert die Schaffung einer Anlage zur Bestimmung des Gehaltes der Atmosphäre an durch Atombombenexplosionen erzeugten radioaktiven Aerosolen vom Flugzeug aus, sowie die Durchführung und Auswertung von routinemäßigen Messungen in verschiedenen Höhenschichten, insbesondere in der Tropopause und unteren Stratosphäre.«140
Der Auftrag umfasste auch die Untersuchung der Frage, wie die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen durch radioaktive Wolken beeinflusst wird. Der Schwerpunkt lag nun aber bei der Messung der Radioaktivität in der freien Atmosphäre. Diese Fragestellung zielte nicht auf das Fliegen oder den Flugverkehr im Allgemeinen ab, sondern betrachtete das Flugzeug als Instrument, um Messungen von radioaktiven Substanzen durchzuführen. Die DFS als Forschungsinstitut hob sich von anderen Einrichtungen vor allem dadurch ab, dass sie mit eigenen Flugzeugen Fallout nicht nur in Bodennähe, sondern auch in großen Höhen messen konnte. Mit diesen Messungen konnte sie ein neues Thema in ihre Forschungsagenda aufnehmen, das ein größeres Publikum interessierte und damit der Forderung des wissenschaftlichen Beirats und des Geldgebers Baden-Württemberg nachkam. Gleichzeitig erlaubten die Flugzeugmessungen, das Fliegen als Kernidentität der Anstalt zu wahren. Allerdings stand in diesem Forschungsbereich das Fliegen nicht mehr als Forschungsgegenstand selber im Zentrum, sondern diente als Mittel zum Zweck der Erforschung eines neuen Themas. Flugzeugmessungen mit Filtern Bei den anfangs durchgeführten Messungen handelte es sich um unsystematische Einzelmessungen. 141 Dafür verwendeten die Wissenschaftler an der DFS die Filtermethode, die Haxel 1953 in der deutschsprachigen Fachliteratur eingeführt und die auch Müller für seine Messungen mit der Lufthansamaschine 1958 ge-
Untersuchungen der künstlichen Radioaktivität in der freien Atmosphäre, von HansFriedrich Fischer [REINH 1001]). 140 Tätigkeitsbericht 1958/59 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 89. 141 Bericht über den Fortgang der Arbeiten in der Zeit vom 1.9.1959-1.10.1960, Untersuchungen der künstlichen Radioaktivität in der freien Atmosphäre, von HansFriedrich Fischer (REINH 1001).
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nutzt hatte.142 Diese hatte sich für Bodenmessungen bewährt. Aber eignete sie sich auch für Flugzeugmessungen? Die Proben, die Müller mit dem Linienflugzeug sammelte, wurden kaum ausgewertet.143 Die Erfahrungen des US Weather Bureaus mit solchen Flugzeug-Filtermessungen schienen zudem am Institut nicht wahrgenommen worden zu sein. 144 Fischer musste zuerst selbst testen, welche Methode sich für Flugzeugmessungen eignete. Er erwartete, dass in den höheren Atmosphärenschichten die Aerosole kleiner seien und sie deshalb von den herkömmlichen Filtern, die für bodennahe Messungen konzipiert waren, nicht aufgefangen würden.145 Ein großer Teil der Arbeiten war daher der Erprobung verschiedener Filterarten gewidmet.146 Für die ersten Messflüge ab 1958 montierten Fischers Mitarbeiter eine Haltevorrichtung, mit der die Faserfilter an der Unterseite des Flugzeugrumpfes festgemacht werden konnten. Damit fing der Filter im Flug Aerosole auf, die allein durch den Staudruck, also den Fahrtwind, durch den Filter hindurch gepresst wurden (Abbildung 15). Folglich sammelte diese einfache Vorrichtung Aerosole ohne Unterbrechung vom Start bis zur Landung. Nach der Landung kamen die Filter ins Labor, wo mittels Geiger- oder Szintillationszählern der radioaktive Gehalt der gesammelten Aerosole gemessen werden konnten. 147 Diese Filtermethode wies jedoch zwei Schwächen auf: Erstens war der Druck, mit dem die Luft durch die Filter gepresst wurde, stets wechselnd. Daher bauten Fischer und seine Kollegen eine Sauganlage, die die Luftdurchsatzgeschwindigkeit während des ganzen Fluges verstärkte und zudem konstant hielt. Da diese Vorrichtung komplett außerhalb der Kabine angebracht wurde, gab es keine Schwierigkeiten, sie auch am Militärjet T-33 anzubringen. Sie war schnell mon-
142 Haxel/Schumann: »Über die radioaktive Verseuchung der Atmosphäre«. 143 Manuskript »Die Radioaktivität in der freien Atmosphäre«, von Hans Gerhard Müller, S. 9 (KPAR A3109); Versuche zur Bestimmung der künstlichen Radioaktivität der Luft an Verkehrsflugzeugen, [A]erologische Station München, München-Riem, den 06.09.1958, S. 1 und 3-4 (KPAR A3109). 144 Jedenfalls finden sich in den Quellen keinerlei Hinweise darauf, dass ein Wissensaustausch zwischen dem US Weather Bureau und der DFS bestanden hätte, oder dass die amerikanischen Messflüge an der DFS überhaupt bekannt gewesen sind. 145 Bericht über den Fortgang der Arbeiten in der Zeit vom 01.09.1959-01.01.1960, Untersuchungen der künstlichen Radioaktivität in der freien Atmosphäre, von HansFriedrich Fischer, S. 3 (REINH 1001). 146 Tätigkeitsbericht 1958/59 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, S. 89. 147 Ebd., S. 91.
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tiert und nach dem Flug sofort wieder abgenommen und stellte damit keine Störung für den militärischen Betrieb der Maschine dar (Abbildung 16). Abbildungen 15 und 16: Filterhalterung (oben) und Zusatzbehälter für Filter mit Luftdurchsatzverstärkung (unten) an der Rumpf-Unterseite der T-33
Quelle: Hans-Friedrich Fischer: Radioaktivitätsmessungen vom Flugzeug aus. Vortrag auf der Arbeitstagung Schwebestofftechnik, 24.10.1961 (REINH 1001)
Zweitens waren am Ende eines Messfluges die Summe aller Aerosole im gleichen Filter gefangen, also auch diejenigen der unteren Schichten, die sich während des Steig- und Sinkfluges darin verfingen. Zudem kam es vor, dass die Filter unterwegs durch austretenden Kraftstoff oder durch Regentropfen stark beschädigt wurden. Dieses Problem gingen die Wissenschaftler an, indem sie eine elektromagnetisch gesteuerte Klappe konstruierten, die sich vom Innern der Kabine öffnen und schließen ließ. Damit wäre es möglich gewesen, die Filter
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erst in einer bestimmten Höhe zu exponieren. Allerdings stellte der Einbau der dafür notwendigen Steuerleitungen in die T-33 wieder ein Problem dar, da es größere Eingriffe in die Flugzeugtechnik erfordert hätte. Weil der Düsenjet aber jeweils nur für einzelne Messflüge geliehen werden konnte und sonst im normalen Militärbetrieb im Einsatz stand, war so ein Eingriff nicht möglich. 148 Für solche Messungen mussten die DFS und die FFM also auf die T-33 verzichten. Das Ausbreitungsmodell als Beispiel angewandter Fallout-Forschung Die Filterexperimente waren nötig, um eine Methode zu entwickeln, Radioaktivität in der Atmosphäre mit Flugzeugen systematisch zu messen. Denn 1961 erhielt das Institut, das inzwischen Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt (FFM) hieß, einen neuen Forschungsauftrag vom Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz, in dem es um die »Entwicklung und Erprobung eines Verfahrens zur Feststellung und Ausmessung radioaktiv verseuchter Gebiete vom Flugzeug aus« ging.149 Das Ziel dieser Arbeiten war auch FFM-intern »vor allem die Entwicklung eines einwandfreien Messverfahrens«.150 Nachdem Walter Georgii das Institut 1961 verlassen hatte, übernahm Hans-Friedrich Fischer die Leitung der Arbeiten zu diesem neuen Forschungsauftrag. Dafür sollten er und seine Mitarbeiter ein Verfahren entwickeln, mit dem der Verseuchungsgrad eines Gebiets im Falle einer Atombombenexplosion möglichst effizient ermittelt werden konnte.151 Für den Ernstfall stellten sie daher folgenden Plan auf: Zuerst musste ermittelt werden, wo die Explosion genau stattgefunden hatte und wie sich die Wind-
148 Bericht über den Fortgang der Arbeiten in der Zeit vom 01.09.1959-01.10.1960, Untersuchungen der künstlichen Radioaktivität in der freien Atmosphäre, von HansFriedrich Fischer (REINH 1001). 149 Entwurf eines Briefes an das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz I 2, Bad Godesberg, betr.: Forschungsauftrag Nr. I 2-H-59 »Entwicklung eines Verfahrens zur Feststellung und Ausmessung radioaktiv verseuchter Gebiete vom Flugzeug aus«, 27.05.1963(?) (KPAR A2641/2); Radioaktivitätsmessungen vom Flugzeug aus. Vortrag auf der Arbeitstagung Schwebestofftechnik, von Hans-Friedrich Fischer, 24.10.1961, S. 2 (REINH 1001). 150 Ebd. 151 Zwischenbericht über die bisherigen Ergebnisse zum Forschungsauftrag 12-H-59 »Entwicklung und Erprobung eines Verfahrens zur Feststellung und Ausmessung radioaktiv verseuchter Gebiete vom Flugzeug aus«, von Hans-Friedrich Fischer, Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt München, 28.02.1962 (KPAR A1001).
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situation darstellte. Dann würden die Wissenschaftler mit einem speziell dafür ausgerüsteten Flugzeug vom Explosionsort in Windrichtung losfliegen und an bestimmten Punkten die Radioaktivität messen (Abbildung 17). Diese Daten konnten danach auf eine Karte mit Isolinien übertragen werden, um so den Verlauf der Verseuchung zu visualisieren (Abbildung 18).152 Um das Verfahren zu testen, wollte Fischer aber nicht auf den Ernstfall warten. Stattdessen machte er sich die Eigenschaft zunutze, dass die von der Erdoberfläche zurückgeworfene kurzwellige Infrarotstrahlung sich ähnlich wie die ionisierende Strahlung von radioaktivem Fallout verhält. Auf einem Übungseinsatz mit der Do 27 über der Region Ammersee registrierten die Wissenschaftler diese Infrarotstrahlung und übertrugen die Daten auf eine handgezeichnete Karte. 153 Mit der Entwicklung dieser Methode zur Simulation, wie sich radioaktive Verseuchung mit dem Wind ausbreiten kann, hatte die FFM den Forschungsauftrag erledigt. Zur gleichen Zeit in den USA legte das Department of Atmospheric Sciences der Colorado State University ebenfalls eine Fallstudie zur Verbreitung von radioaktivem Fallout vor.154 Der Schwerpunkt dieser Arbeiten lag aber nicht wie an der DFS darin, Messmethoden zu verbessern, sondern die Ausbreitung der Aerosole mit meteorologischen Phänomenen in Zusammenhang zu bringen. Die Wissenschaftler ließen dafür über dem kanadischen Ort Flin Flon Szintillationszähler an Ballons aufsteigen und registrierten damit die Gammastrahlung in verschiedenen Höhen. Sie fanden schwache Spuren, von denen sie vermuteten, dass sie von der russischen Atomtestserie stammten. Ein paar Tage später konnten sie im Osten der USA solche Spuren auch am Boden nachweisen. Aufgrund dieser Verteilung schlossen sie, dass es im Jetstream eine spezifische Luftströmung gibt, die sie »isentropic ›cross-stream circulation‹« nannten.155
152 Messanlage und Verfahren zur Bestimmung der radioaktiven Verseuchung nach einem Atombombenabwurf, von Hans-Friedrich Fischer, Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt München, Institut für Flugraumforschung, 17.05.1961 (REINH 1001). 153 Ebd.; Zwischenbericht über die bisherigen Ergebnisse zum Forschungsauftrag 12-H59 »Entwicklung und Erprobung eines Verfahrens zur Feststellung und Ausmessung radioaktiv verseuchter Gebiete vom Flugzeug aus«, von Hans-Friedrich Fischer, Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt München, 28.02.1962 (KPAR A1001). 154 Reiter: A Case Study of Radioactive Fallout. 155 Ebd., S. 32.
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Abbildungen 17 und 18: Theoretische Darstellung des entwickelten Flugmessverfahrens
Quelle: Messanlage und Verfahren zur Bestimmung der radioaktiven Verseuchung nach einem Atombombenabwurf, von Hans-Friedrich Fischer, 17.05.1961 (REINH 1001)
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Die Wissenschaftler in Colorado nutzten somit die Untersuchungen von radioaktivem Fallout, um atmosphärenphysikalische Phänomene ans Licht zu bringen. Ihre Fachkollegen an der FFM in München hingegen beschrieben ihr Ziel mit der »Entwicklung eines einwandfreien Messverfahrens«.156 Sie nutzten also umgekehrt meteorologisches Wissen, um die Ausbreitung radioaktiver Verschmutzung zu modellieren. Hierbei ging es nicht in erster Linie darum, neue Erkenntnisse zu Phänomenen der Atmosphärenphysik zu gewinnen, sondern darum, das bereits bestehende Wissen für den Bau von neuen Instrumenten und die Entwicklung neuer Methoden zu verwenden, um damit die Ausbreitung von radioaktivem Fallout zu messen. Der Unterschied zwischen den beiden Forschungsansätzen liegt darin, dass das Department of Atmospheric Sciences sich der meteorologischen Grundlagenforschung widmete, während die FFM einen angewandten Ansatz wählte. Dieser Schwerpunkt auf angewandte Forschung war auch dadurch bedingt, dass die FFM – im Gegensatz zum Department of Atmospheric Sciences in Colorado – kein universitäres Forschungsinstitut war. In ihrer Satzung war festgelegt, dass sie sich an den Bedürfnissen der Luftfahrt zu orientieren habe. Obwohl die Messung der Radioaktivität eigentlich nicht diesen Bedürfnissen entsprach, war eine rein grundlagenbasierte Forschung nicht vorgesehen.157 Wie im Kapitel »Von der DFS zum IPA« dargelegt, gehörte die Orientierung an der angewandten Forschung ebenfalls zu einem Charakteristikum des Instituts und machte einen Teil seiner Signatur aus. Die Forschungsaufträge verlangten gezielt neue Methoden und Instrumente und damit anwendungsorientierte Ergebnisse. Dass sie an die DFS beziehungsweise die FFM gerichtet wurden, kann als Ausdruck dafür gewertet werden, dass dieses Charakteristikum ein Identitätsmerkmal des Instituts war, das den Auftraggebern vermittelte, das Institut würde die gewünschten (anwendungsorientierten) Ergebnisse auch liefern können.158 Ab Anfang 1962 sammelten Hans-Friedrich Fischer und seine Mitarbeiter Fallout-Proben systematisch.159 Die Untersuchung der künstlichen Radioaktivität in der Atmosphäre wurden am IPA inzwischen als Thema von »besonderer
156 Radioaktivitätsmessungen vom Flugzeug aus, Vortrag auf der Arbeitstagung Schwebestofftechnik, von Hans-Friedrich Fischer, 24.10.1961, S. 2 (REINH 1001). 157 Vgl. dazu das Kapitel »Von der DFS zum IPA«. 158 Vgl. dazu Mukerji: A Fragile Power, S. 132. 159 Bericht über den Fortgang der Arbeiten in der Zeit vom 01.08.1961 bis 01.04.1964, Untersuchung der künstlichen Radioaktivität in der freien Atmosphäre, Deutsche Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, Institut für Physik der Atmosphäre, 10.04.1964 (KPAR A2622).
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Wichtigkeit« bewertet. 160 Seit der ersten Erwähnung 1956 waren sechs Jahre vergangen, in denen die Fallout-Messungen einen zunehmend höheren Stellenwert innerhalb des Forschungsprogrammes erhielten. Damit hatten sie sich von einem während Föhnuntersuchungen eher zufällig entdeckten Thema zu einem Hauptforschungsgegenstand im wissenschaftlichen Programm des IPA entwickelt. Ein erfolgreiches Argument zur Flugzeugbeschaffung Auch am 1962 aus der FFM hervorgegangenen IPA brachen die Klagen über einen Mangel an geeigneten Flugzeugen nicht ab. 161 Nicht nur für die Tröpfchenmessungen in Wolken, sondern auch für die Fallout-Messungen war die Ausrüstung der IPA-Flotte für die Mitarbeiter unbefriedigend. Nachdem es mit der Bundeswehr zeitweise kleinere Unstimmigkeiten über die Verwendung der T-33 gegeben hatte, besserte sich nach 1963 die Zusammenarbeit zwar wieder,162 doch als in jenem Jahr bundeswehrinterne Restrukturierungen durchgeführt wurden, die Startbahn in Fürstenfeldbruck umgebaut wurde und damit der Flugbetrieb eingeschränkt war, wurde es für das IPA fast unmöglich, die T-33 auszuleihen, was zu Frustration unter den Wissenschaftlern führte.163 Im jenem Jahr konnten sie nur auf elf Flügen an sieben Tagen Messungen von Radioaktivität durchführen, die überdies nur »geringen Wert« hatten.164 Das Thema des radioaktiven Fallouts wurde daher bald zu einem neuen Argument für den Ausbau der Flugzeugflotte. In einem Telefongespräch zwischen Hans Joachim aufm Kampe, der inzwischen am »Bundesministerium für Verteidigung (BMVtg)« tätig war, und Hans Gerhard Müller Anfang Oktober 1963 zeigte aufm Kampe großes Interesse an den Arbeiten des Instituts zur Radioaktivität. Er ließ sich von der Notwendigkeit eines institutseigenen Düsenjets überzeugen und versprach, bald
160 Tätigkeitsbericht 1962 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 161 Siehe dazu auch das Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff«. 162 Bericht über den Fortgang der Arbeiten in der Zeit vom 01.08.1961 bis 01.04.1964, Untersuchung der künstlichen Radioaktivität in der freien Atmosphäre, Deutsche Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, Institut für Physik der Atmosphäre, 10.04.1964 (KPAR A2622). 163 Ebd. 164 Tätigkeitsbericht 1963 des Instituts für Physik der Atmosphäre S. 119.
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eine T-33 in Oberpfaffenhofen für die Messflüge zur Verfügung zu stellen.165 Der Wunsch nach einem Flugzeug mit Blindflugvorrichtung zur besseren Erforschung der Wolken war fünf Jahre vorher auf Bundesebene ungehört verhallt. Das Argument, die Radioaktivität in der Atmosphäre messen zu wollen (und damit auch die Forschungsaufträge zu erfüllen), war schlagkräftiger. Das Thema Fallout, das seit den 1950er Jahren enorm an politischem Interesse gewonnen hatte, verhalf dem Institut schließlich zu einer »eigenen« T-33 – mit Blindflugvorrichtung, denn im Ernstfall müssten ja, so das Argument, auch bei schlechtem Wetter und schlechter Sicht Messungen durchgeführt werden können.166 So kam das Institut 1964 endlich zu einem Flugzeug, mit dem es problemlos auch in Wolken hinein fliegen konnte. Als die lange erwartete Lockheed T-33 im Oktober 1964 geliefert wurde, kam sie gerade rechtzeitig für eine Untersuchung der Auswirkungen einer Reihe chinesischer Atombombentests. 167 China hatte den Limited Test Ban Treaty nicht unterzeichnet und führte ab 1964 bis 1980 insgesamt 23 oberirdische Nuklearwaffentests durch. 168 Unter der Leitung von Hans Friedrich Fischer unternahmen die Wissenschaftler der Abteilung »Austausch« in den folgenden zwei Jahren Messflüge nach chinesischen Atombombentests, um die Konzentration von radioaktivem Fallout über Bayern zu erfassen.169 Sie stellten dabei jeweils eine massive Erhöhung der Betastrahlung fest.170 Bis Dezember 1966 gab es fünf chinesische Atombombentests, deren Auswirkungen vom IPA untersucht wurden. Danach begann die Auswertungsphase, welche allerdings drei Jahre später beendet wurde. Als Grund für die Einstellung der Arbeiten nannte der Jahresbe-
165 Aktenvermerk betreffend Telefongespräche mit [Hans Joachim] Aufm Kampe, Bundesmininisterium für Verteidigung, [von Hans Gerhard Müller], 28.11.1963 (KPAR A2622). 166 Entwurf eines Briefes an das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz I 2, Bad Godesberg, betr. Forschungsauftrag Nr. I 2-H-59 »Entwicklung eines Verfahrens zur Feststellung und Ausmessung radioaktiv verseuchter Gebiete vom Flugzeug aus« [27.05.1963?] (KPAR A2641/2). Zur gleichen Zeit waren die Techniker am IPA daran, eine Blindflugausrüstung in die Do 27 einzubauen. Allerdings war diese auch erst 1964 fertiggestellt (Tätigkeitsbericht 1964 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 153). 167 Ebd., S. 150. 168 Norris/Arkin: »Known Nuclear Tests Worldwide«, S. 66. 169 Tätigkeitsbericht 1964 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 155. 170 Tätigkeitsbericht 1966 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 66.6.
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richt Personalmangel.171 Obwohl darin noch die Absicht zur weiteren Forschung im Bereich der künstlichen Radioaktivität angekündigt wurde, verschwand das Thema kurz darauf von der Agenda. Verschiebung des Fokus auf Umweltthemen nach 1969 Einzelne IPA-Mitarbeiter waren auch nach 1969 mit dem Thema künstlicher Radioaktivität in der freien Atmosphäre beschäftigt.172 Doch als eigenständiges Forschungsfeld mit erhöhter Priorität tauchte das Thema in der Forschungsplanung nicht mehr auf. Ersetzt wurde es durch den Fokus auf Umweltverschmutzung im allgemeineren Sinn. Die Verschiebung des Forschungsinteresses widerspiegelte die Veränderung des öffentlichen Diskurses, weg von der nuklearen Verschmutzung hin zur Luftverschmutzung durch Auspuffgase als dringlicheres Problem. Das Thema Fallout verlor an politischem Interesse. Einerseits weil die Fallout-Konzentration mit dem Verbot oberirdischer Tests in den 1960er Jahren immer mehr abgenommen hatte, andererseits weil neue Themen im Bereich Umweltverschmutzung auf die politische Agenda kamen. Die Emissionen des zunehmenden Straßen- und Luftverkehrs führten zu einer Luftverschmutzung, die die europäische Bevölkerung und Politik mehr beschäftigte als der radioaktive Fallout. Die Anzahl Berichte zum Thema Umweltschutz in Presse, Radio und Fernsehen stiegen ab 1970 rapide. Der Europarat erklärte 1970 zum »Europäischen Naturschutzjahr« und Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher kündigte ein »Gesamtkonzept für den Umweltschutz« an. Das deutsche Innenministerium erließ ein »Sofortprogramm für Umweltschutz«, die CDU/CSU organisierte eine »Arbeitsgruppe für Umweltvorsorge«. 173 Im IPA-Forschungsprogramm schlug sich diese Verschiebung der politischen und öffentlichen Problemwahrnehmung nieder: Die Messung künstlicher Radioaktivität verlor nicht nur immer mehr an Relevanz, sondern ging schließlich 1974 im neu kreierten Forschungsschwerpunkt »anthropogene Belastung der atmosphärischen Umwelt« auf. In diesem neuen IPA-Programm ging es um die Schadstoffbelastung durch Kohlenmonoxid und Schwefel, aber auch um Abwärme von Kühlturmfahnen und um Lärm.174 Messungen zur Radioaktivität sollten höchstens noch für
171 Tätigkeitsbericht 1972 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 172 Siehe beispielsweise ebd., S. 264. 173 Hünemörder: Die Frühgeschichte der globalen Umweltkrise, S. 160-171. 174 Dieser verstärkte Fokus auf die neuen ökologischen Themen ließ sich beispielsweise auch bei der Fraunhofer-Gesellschaft feststellen. Zum Thema Umweltforschung der
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Gutachten für Kernkraftwerke durchgeführt werden. Ansonsten spielte das Thema am Institut kaum mehr eine Rolle.175 Die Einstellung von Heinz Fortak als Institutsdirektor war ein weiterer Schritt in diese Richtung. Fortak hatte sich einen Namen mit Modellen zur Schadstoffausbreitung gemacht und stieß auch am IPA vermehrt Arbeiten in dieser Richtung an.176
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Kurz nach der Wiedereinrichtung der DFS sah sich das Institut mit den Forderungen des wissenschaftlichen Beirats und des Baden-Württembergischen Wirtschaftsministeriums konfrontiert, seinen Forschungsfokus vom Segelflug auf weitere Themen auszubauen. Wollte das Institut weiterhin auf die Unterstützung von politischer Seite zählen, musste es sich gegenüber den neuen Bedürfnissen der Luftfahrt öffnen. Die Zeit von Ende der 1950er bis Anfang der 1960er Jahre war folglich durch eine Neuausrichtung des Forschungsprofils gekennzeichnet. Die Messung von künstlicher Radioaktivität war eines der neuen Themen, die die DFS 1956 in ihr Programm aufnahm. Das Thema entwickelte sich am Institut bald von einem Nebenprodukt zu einem der wichtigsten Forschungsprojekte, obwohl es eine Fragestellung betraf, die nicht den Segelflug oder das Fliegen als Forschungsthema direkt anging. Die Fallout-Messung kam nicht zufällig auf die Agenda. Das Thema war mit den weltweiten Atombombentests und den Plänen für den Bau von Kernkraftwerken auch in Deutschland politisch bedeutend geworden. Der Transport von radioaktivem Fallout um den ganzen Globus stellte ein Verschmutzungsproblem
Fraunhofer-Gesellschaft siehe Trischler/vom Bruch: Forschung für den Markt, S. 365-368. 175 Tätigkeitsbericht 1974 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 290. Mit der Explosion des Reaktors des Kernkraftwerks im ukrainischen Tschernobyl am 26. April 1986 und der dadurch ausgelösten radioaktiven Verschmutzung gewann das Thema Fallout auch am IPA vorübergehend nochmals an Aufmerksamkeit. Die problematische Quellenlage für die Zeit ab den 1980er Jahren erlaubt es aber nicht, diesen Vorfall im Kontext dieser Arbeit genauer zu analysieren. In den DFVLR-Jahresberichten und dem IPA-Statusbericht 1982-1987 sind jedenfalls keine Messtätigkeiten erwähnt, was darauf hinweist, dass das Thema nicht prioritär behandelt wurde. 176 Zu Fortaks Arbeiten im Bereich Schadstoffausbreitung siehe das Kapitel »Von der DFS zum IPA«.
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von bisher nicht gekanntem Ausmaß dar. In den frühen 1950er Jahren war klar geworden, dass radioaktive Aerosole innerhalb weniger Tage um den Globus transportiert wurden. Fallout-Messungen dienten den Atmosphärenphysikern daher zunächst als Vehikel, um mehr über globale Windzirkulation und Austauschverhältnisse zu erfahren. Ein Bewusstsein, dass dieses Phänomen möglicherweise große Gefahren für die Gesundheit bergen könnte, entwickelte sich erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre. Während andere Institutionen, wie das Department of Atmospheric Sciences der Colorado State University, den Fallout-Transport studierten, um daraus Schlüsse auf die Atmosphärenzirkulation zu schließen, waren die Arbeiten am IPA darauf fokussiert, das bereits vorhandene meteorologische Wissen dafür einzusetzen, Messinstrumente und -methoden zu verbessern. An beiden Instituten basierte das Interesse an Fallout auf dessen direkter Beziehung mit der Luftzirkulation. Da das Verständnis der (regionalen) Luftzirkulation für den Segelflug wichtig war, waren Windmessungen an der DFS fest im Forschungsprogramm verankert. Die Messung von Fallout ließ sich daher zunächst ohne viel Aufwand in dieses Programm aufnehmen. Fallout von Atombombentests breitete sich allerdings nicht nur regional, sondern global aus. Diese Tatsache förderte ein Bewusstsein für eine neue räumliche Dimension von Umweltverschmutzung. Auch am IPA ließ sich eine Veränderung dieses Maßstabs erkennen. Der erste Forschungsauftrag 1958 drehte sich um die Frage, wie künstliche Radioaktivität die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen beeinflusste. Dieser Fragestellung lag ein ähnliches Erkenntnisinteresse zugrunde, wie bei den Windmessungen in Höhbeck und Mainflingen, die sich im regionalen Maßstab bewegten. Für den zweiten Auftrag, zwischen 1958 und 1963, sollte das Institut eine Messanlage entwickeln, die Fallout-Messungen mit dem Flugzeug ermöglichte. Ab 1964, mit den Messungen des Fallouts chinesischer Atomtests, bezog das IPA ebenfalls die globale Dimension mit ein. In diesem Sinne erweiterte das Thema nicht nur die Forschungsagenda, sondern auch den Maßstab, der der Fragestellung zugrunde lag. Die Untersuchung der künstlichen Radioaktivität als Forschungsthema an der DFS und am IPA zeigt eine Veränderung der Funktion des Fliegens als Kernelement institutioneller Identität. Nachdem der Motorflug 1955 wieder ohne Beschränkungen zugelassen war, erschien der Fokus auf den Segelflug nicht mehr zeitgemäß. Dies musste das Selbstverständnis der DFS herausfordern, deren zentrales Charakteristikum schließlich der Segelflug darstellte. Ein abruptes Abwenden von diesem hätte nicht nur im Widerspruch zur persönlichen Passion der Wissenschaftler gestanden, sondern hätte die Existenz der Anstalt noch mehr gefährdet. Seit der Zwischenkriegszeit hatten die Wissenschaftler Erfahrung in der Flugforschung und dem Bau dafür benötigter Instrumente ge-
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sammelt.177 Damit waren im Segelflug zwei der drei Identitätsattribute für Organisationen von Albert und Whetten vereinigt: Es stellte das zentrale Programm dar und hatte zudem bereits eine lange Zeit als solches überdauert. Hätte die DFS den Segelflug sofort aufgegeben, um sich nur noch Themen zuzuwenden, die »die Luftfahrt allgemein interessieren«, wäre sie Gefahr gelaufen, ihren »Charakter« und ihr wissenschaftliches Territorium – also ihren »sozialen Raum« – zu verlieren, womit ihre Existenz erst recht bedroht gewesen wäre. Als das Thema Fallout wenig später in das wissenschaftliche Programm kam, passte dies weder in den Bereich des Segelflugs noch in den des allgemeinen Luftverkehrs. Denn das Interesse an Radioaktivitätsmessungen ging an der DFS nicht aus dem Bedürfnis hervor, die Luftzirkulation besser zu verstehen. Vielmehr sollte das Fliegen eingesetzt werden, um Messmethoden und Instrumente zu verfeinern. Damit veränderte sich die Funktion des Fliegens vom Zentrum des Forschungsinteresses hin zu einem Instrument, mit dem neue Forschungsfragen bearbeitet werden konnten. Die Beschaffung einer T-33 mit Blindflugausrüstung für die IPA-Arbeiten durch das Verteidigungsministerium 1964 kann als Bestätigung dafür verstanden werden, dass sich das Institut an die neuen politischen Bedürfnisse nach 1955 angepasst hatte, ohne sich zu weit außerhalb seines »Charakters« zu bewegen, also ohne seine Identität als Flugforschungsanstalt zu verlieren. Die Rolle, die das Fliegen am Institut spielte, hatte sich somit verändert, während sein Stellenwert als Kernelement der institutionellen Identität beibehalten wurde. Dies weist auch auf einen Wandel des Fliegens zu wissenschaftlichen Zwecken überhaupt hin: Von der Heldentat des verwegenen Wissenschaftlers, der aus Erkenntnisinteresse sein Leben aufs Spiel setzte, hin zu einer systematischen Forschungspraxis, in der die Rolle des Wissenschaftlers und des Piloten aufgeteilt wurde.178
177 Siehe dazu das Kapitel »Von der DFS zum IPA«. 178 Eine weitergehende Untersuchung dieser Veränderung könnte Hinweise darauf geben, inwieweit diese Rollenverteilung die Forscheridentität der Wissenschaftler an der DFS und am IPA beeinflusste.
Ein Flugzeug als Flaggschiff: Die »Falcon 20 E« als Forschungsinstrument und Vermittlerin institutioneller Identität
»Ein Forschungsflugzeug bedeutet für die Erforschung der Atmosphäre das gleiche wie ein Forschungsschiff für die Erforschung des Meeres.«1
Diese Aussage fiel im Gespräch zwischen Vertretern des IPA, der DFVLR, dem DWD und den Bundesministerien für Verteidigung, Verkehr und Forschung. Man debattierte im Februar 1973 über das zukünftige Forschungsprogramm am IPA und stellte fest, dass dringender Bedarf an einem neuen Flugzeug bestehe, da die DFVLR beabsichtigte, den Bereich der Wolkenphysik auszubauen. Dafür waren Flugmessungen elementar, doch die Fluggeräte am Institut waren veraltet.2 Die Anspielung auf das Forschungsschiff diente als Argument für die große Investition, die ein neues Flugzeug bedeutete. Sie ist als Verweis auf die beiden deutschen Forschungsschiffe Meteor II und Planet zu verstehen, die zu diesem Zeitpunkt seit fast zehn Jahren an großen internationalen Forschungsprojekten teilnahmen.3 Forschungsflugzeuge sind Träger von Instrumenten, um mit diesen Vor-OrtMessungen vornehmen zu können. Seit der Entwicklung von Flugzeugen des Schwerer-als-Luft-Prinzips an der Wende zum 20. Jahrhundert, sind sie zur Erforschung der Atmosphäre im Einsatz. Auch Radiosonden spielten ab 1929 eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Erforschung höherer Schichten der
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Protokoll über das Fachgespräch zum mittelfristigen Arbeitsprogramm 1972-1976 des Instituts für Physik der Atmosphäre der DFVLR am 01.02.1973, S. 4 (KPAR A2846/2).
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Ebd.
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Zur FS Meteor II siehe das Kapitel »Radar an Deck und auf dem Dach«.
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Atmosphäre. Ihr Einsatz war kostengünstiger und beanspruchte weniger Personal als Messungen per Flugzeug. Im Gegensatz zu Flugzeugen konnten sie zudem unbemannt in große Höhen aufsteigen.4 Drachen, Ballons und Raketen spielten eine ähnliche Rolle in den Atmosphärenwissenschaften wie Forschungsflugzeuge und Radiosonden.5 In diesem Kapitel wird zunächst die Entwicklung solcher »fliegenden Laboratorien« diskutiert. Dabei werden die Parallelen der beiden Großforschungsinstrumente Forschungsschiff und Forschungsflugzeug erörtert, auf die das oben zitierte Argument für die Beschaffung eines neuen Flugzeuges hinweist. Schließlich wird anhand der Beschaffungsgeschichte der Falcon 20 E die Rolle des Flugzeuges als Forschungsinstrument und als »materialisiertes« Attribut der IPA-Identität analysiert.
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Als der Wissenschaftshistoriker Peter Galison für seine Doktorarbeit in den frühen 1980er Jahren die Laborpraxis von Physikern studierte, kam er zum Schluss, dass Instrumente eine wichtigere Rolle in der Erzeugung von Wissen spielen, als bis dahin von Historikern anerkannt.6 Galison zeigte am Beispiel der Hochenergiephysik, dass ein Instrument eine »reliability of its own« erhalte, sobald es anhand von Berechnungen und anderen Instrumenten geeicht worden war. Instrumente seien also nicht »neutral«. Je nachdem, wie eine Maschine gestaltet ist, beeinflusst dies die Interpretation ihrer Messungen. Ein Großforschungsinstrument müsse dabei für die Art von Forschung konstruiert sein, die gerade anfalle, wie auch für diejenige, die zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt sei: »Yet once they have built an instrument, experimenters have no choice as time goes on but to pursue their new problems within the material constraints of
4
Zur Rolle von Radiosonden in der Meteorologie siehe den kurzen Überblick von Ziegler: »Radiosondes and Related Instruments« sowie Flohn: Meteorologie im Übergang, S. 7. Etwas ausführlicher dazu DuBois/Multhauf/Ziegler: The Invention and Development of the Radiosonde.
5
Mehr zu Raketen als Forschungsinstrumente siehe DeVorkin: »Instruments, Upper Atmospheric and Near Space«; ders.: Science With a Vengeance; Hevly: »The Tools of Science«. Zu Forschung mit Ballons im Kalten Krieg siehe auch DeVorkin: Race to the Stratosphere; Ryan: The Pre-Astronauts. Zu Raketen in der Ionosphärenforschung auf Grönland in Kürze erscheinend auch Knudsen: Cold War Greenland as a Space for International Scientific Collaboration.
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Galison: How Experiments End.
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the aging apparatus.« 7 Galison verweist hiermit auf eine Beziehung zwischen Wissenschaft und Technik, für die zur gleichen Zeit Bruno Latour den Begriff »technoscience« einführte.8 Inzwischen ist die Vorstellung weitverbreitet, dass Wissenschaft und Technik eng miteinander verbunden seien und eine klare Trennung zwischen den beiden Feldern daher wenig Sinn mache.9 Der Gedanke, dass sich die Grenzen zwischen Wissen und dessen technischer Anwendung verwischen, gewann in den 1970er und 80er Jahren an Popularität – in einer Zeit, in der auch die konzeptionelle Trennung von Grundlagen und angewandter Forschung stärker hinterfragt wurde. 10 Wie andere Naturwissenschaften wurden auch die Atmosphärenwissenschaften stark von der Technik geformt. Forschungsflugzeuge sind Träger solcher Geräte und damit selber Forschungstechnologie. Ihre spezifische Reichweite und Lademöglichkeiten bestimmen, welche Messinstrumente welche Art von Daten sammeln, womit sie ein entscheidender Faktor für die Messungen sind. Latours Begriff der »technoscience« verdeutlicht, dass diese Technik Bestandteil der wissenschaftlichen Praxis ist und damit von dem, was Edward Hackett als »ensemble of research technologies« bezeichnet.11 Mit der Etablierung der Großforschung verankerte sich ab den späten 1950er Jahren auch die Vorstellung, dass große wissenschaftliche »Entdeckungen« nur mit neuen teuren (Groß-)Instrumenten zu machen seien.12 Sowohl in den USA wie auch unter deutschen Wissenschaftlern setzte sich – nicht zuletzt durch die Erfahrung der vergangenen Weltkriege und des Kalten Krieges13 – die Überzeugung durch, dass gute Wissenschaft auf der Verfügbarkeit von hochspezialisierten Forschungstechnologien basiere. 14 Doch je nach Größe und Ausstattung solcher Technologien überstiegen die Kosten für Bau, Anschaffung und Unterhalt die finanziellen Kapazitäten einer einzigen Institution. John Krige zeigte am
7 8
Ebd., S. 251 und 265. Latour: Science in Action. Den Diskurs zum Begriff und ein Konzept der »Technoscience« in der Longue-durée-Perspektive analysiert Stoff: »›lnteresting False Problems‹«.
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Rheinberger hinterfragte allerdings den Begriff »Technowissenschaft«. Er kritisierte, dass er eine »Beherrschung der Wissenschaft durch die Technik« suggeriere (Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 28).
10 Geppert: »Rethinking the Space Age«, S. 220. 11 Hackett: »Essential Tensions«, S. 788. 12 Vgl. unter anderem Reinhardt: »Forschungstechnologien im 20. Jahrhundert«, S. 293. 13 Siehe dazu auch Shinn: »Forschungstechnologien«, S. 20. 14 Reinhardt: »Forschungstechnologien im 20. Jahrhundert«.
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Beispiel des Teilchenbeschleunigers, der 1976 an der »Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN)«15 konstruiert wurde, wie dies ablaufen konnte: Der neue Beschleuniger war so teuer, dass das CERN ihn nicht allein finanzieren konnte; es musste mit anderen potentiellen Anwendern kooperieren. Allerdings ging mit der gemeinsamen Finanzierung auch ein Anspruch auf eine gemeinsame Nutzung der Maschine einher.16 Die Verwendung solcher Großforschungsinstrumente war ein Merkmal der Großforschung. Sie waren oft gleichzeitig Forschungsmittel und Forschungsergebnis.17 In den Atmosphärenwissenschaften waren es, unter anderem, spezielle Forschungsflugzeuge, die durch ihre Anschaffungskosten die Möglichkeiten einer einzigen Institution sprengten. Als das IPA in den frühen 1970er Jahren begann, die Anschaffung eines neuen, großen Forschungsflugzeuges zu planen, war sie sich dessen bewusst. In einem Antrag an die DFG erklärte es: »Die technisch ständig komplizierter, weil genauer und umfassender werdenden Messeinrichtungen führen automatisch zu einer gewissen Konzentration; teure Großanlagen können nicht an vielen Stellen bereitgehalten werden, sondern werden nur einmal an günstiger Stelle eingerichtet und allen interessierten Wissenschaftlern in gegenseitiger Abstimmung zur Verfügung gestellt.«18
Das neue Forschungsflugzeug war also von Anfang an als Großforschungsinstrument konzipiert. Dies unterschied es von den bisher zur Forschung eingesetzten Flugzeugen, die oft umfunktionierte Maschinen der Bundeswehr waren.19
15 Das Akronym CERN wurde abgeleitet vom Namen des Komitees, das die CERN einrichtete: Der »Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire«. 16 Krige: »Institutional Problems«. 17 Siehe dazu Trischler: »Big Science – Big Machines«, S. 158. Zur Großforschung siehe das Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre«. 18 Trägerflugzeug für die wissenschaftliche Forschung, Entwurf [mit handschriftlichen Notizen von Manfred Reinhardt], DFVLR Porz/Wahn, Mai 1972, inkl. 2. Entwurf, 13.03.1972 (KPAR A2869) (Hervorhebung im Original). 19 Wie die Lockheed T-33 oder die »Canberra«.
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»F LIEGENDE L ABORATORIEN « Von Ballons zu Flugzeugen Forschungsflugzeuge waren nicht die ersten Flugobjekte, die zur Erforschung der Atmosphäre eingesetzt wurden. Bereits im 18. Jahrhundert gab es Versuche, Instrumente in die Atmosphäre hinein zu transportieren. Damals haben Forscher wie Alexander Wilson oder Benjamin Franklin Drachen verwendet, um Elektrizität oder Temperatur in verschiedenen Höhen zu messen. Doch erst mit dem Einsatz von Ballons, wie sie die Brüder Montgolfier 1783 einführten, konnten solche Messungen in der Höhe systematischer durchgeführt werden. Zunächst waren diese allerdings unbemannt und kaum steuerbar.20 Der Physiker Jacques Alexandre César Charles montierte noch im gleichen Jahr als Erster wissenschaftliche Instrumente (Barometer und Thermometer) in einem solchen Ballon und konnte so Druck und Temperatur bis in eine Höhe von fast 3500 Metern messen. Wenig später haben andere französische Wissenschaftler solche Ballons verwendet, um das magnetische Erdfeld zu erforschen.21 Daneben dienten diese Leichter-als-Luft-Fluggeräte bald auch als bemannte Fluggeräte zur Erforschung von Verdunstung, Sonnenstrahlung, Luftelektrizität, Wolkenbildung, Vogelflug und Auswirkungen von Höhen auf den menschlichen Körper.22 Die maximale Höhe, in die man zu Beginn des 19. Jahrhunderts Instrumente mit dieser Methode brachte, lag bei etwa 7000 Metern. Der Aufstieg der drei Physiker Gaston Tissandier, Teodoro Sivel und Giuseppe Croce-Spinelle im Jahr 1875 hatte allerdings fatale Konsequenzen. Die tiefen Temperaturen und die dünne Luft in 8600 Metern Höhe führten zum Tod von Sivel und Croce-Spinelle. Es waren diese hohen physischen Belastungen, denen die Ballonfahrer auf ihren Forschungsfahrten ausgesetzt waren, welche meteorologische Forschung mit einer Vorstellung von Heldentum verknüpften. Kühnheit, Willensstärke und Selbstbeherrschung entwickelten sich zu Merkmalen sowohl des Luftfahrers wie auch des Wissenschaftlers.23 Diese »Identifikation des Meteorologen mit der Subjektposition des männlich-kühnen Kämpfers« sowie die Verbindung von Wissen-
20 Zu wissenschaftlichen Ballonfahrten siehe auch Höhler: »Psychometer, Variometer, Barograph«. 21 Ciardi: »Atmosphere, Discovery and Exploration of«, S. 45-46. 22 Fischer: »Ballooning«, S. 71. 23 Höhler: »Psychometer, Variometer, Barograph«, S. 326.
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schaft und sportlicher Leistung24 lebte auch in den Akafliegs und der DFS der Nachkriegszeit weiter. Bemannte Ballons als wissenschaftliche Instrumententräger setzten sich in der Atmosphärenforschung nicht durch. Denn neben solchen Gefahren waren die Kosten für die Aufstiege enorm. Zudem waren Ende des 19. Jahrhunderts Drachen, Fesselballons und Ballonsonden so weit entwickelt, dass sie den bemannten Ballon als Träger ablösen konnten. Gleichzeitig entbrannte eine kontroverse Diskussion darüber, welche dieser Instrumententräger zuverlässigere Messungen liefere. Unbemannte Sonden brachten die Instrumente zwar in größere Höhen, wo sie aber nicht von Menschen bedient werden konnten, sondern Daten automatisch registrieren mussten. Zudem waren sie aufgrund der extremen Bedingungen in der Höhe anfällig für Störungen. An Bord von bemannten Flugkörpern konnten Instrumente zwar von Wissenschaftlern bedient und überwacht werden, hingegen erreichten sie nicht so große Höhen.25 Als sich kurz nach der Jahrhundertwende Flugzeuge des Schwerer-als-Luft-Prinzips verbreiteten, verloren die Atmosphärenwissenschaftler das Interesse an bemannten Ballons endgültig.26 Als Instrument zur Erforschung der Atmosphäre hatten das Flugzeug und die Ballonsonden die bemannten Ballons abgelöst.27 Doch neben dem schwindenden wissenschaftlichen Interesse wurden Ballonfahrten ähnlich wie das Fliegen mit Flugzeugen weiterhin als (risikoreicher und spektakulärer) Sport betrieben.28 Währenddessen blieben unbemannte Sondenballons geschätzte Instrumententräger. Weil sie Beobachtungen und Instrumentenmessungen in großen Höhen ermöglichten, erwiesen sie sich als geeignet, um damit die vertikale Struktur der Atmosphäre zu erforschen. Der Franzose Léon Philippe Teisserenc de Bort stellte beispielsweise damit fest, dass die Temperatur in der Atmosphäre mit zunehmender Höhe bis etwa elf Kilometer abnimmt, darüber jedoch relativ stabil bleibt. Auf dieser Erkenntnis basierend verkündete er 1902 vor der »Academie
24 Ebd., S. 327. 25 DeVorkin: »Instruments, Upper Atmospheric and Near Space«, S. 471. Noch ausführlicher geht DeVorkin in seiner früheren Monographie auf wissenschaftliche Ballonfahrten ein (DeVorkin: Race to the Stratosphere). 26 Ciardi: »Atmosphere, Discovery and Exploration of«, S. 45-46. 27 Zu Raketen als (unbemannte) Instrumententräger siehe DeVorkin: Science With a Vengeance. 28 In den 1960er Jahren jagten sich Höhenrekorde bis über 34 Kilometer, und 1978 überquerte erstmals ein Team mit dem Ballon den Atlantik (Fischer: »Ballooning«, S. 73-74).
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de sciences« in Paris die Entdeckung der hohen Inversion.29 Sabine Höhler bezeichnete solche Ballonkörbe auch als »bewegliche Labors«, die mit diversen Instrumenten, unter anderem Thermometer, Barometer, Hygrometer, Spektroskopen, Kompassen und Kameras ausgerüstet werden konnten.30 Auch an der DFS und am IPA waren unbemannte Ballons im Einsatz. Einen Eindruck, wie sie konkret zu Forschungszwecken eingesetzt wurden, gibt eine Doktorarbeit, die im Sommer 1957 als DFS-Forschungsbericht veröffentlicht wurde.31 Der Doktorand erforschte im Rahmen eines Auftrages des BMV die Luftströmungen im Alpenvorraum. Um die Höhenwinde zu vermessen, verwendete er verschiedene Registriergeräte am Boden sowie mit Messinstrumenten bestückte Steigballons und Schwebeballons. Einmal pro Stunde ließ er einen Steigballon mit einem Auftrieb von 100 Metern pro Minute aufsteigen. Alle 30 Sekunden las er dann vom Boden unter anderem Windstärke und -richtung, Feuchte, Temperatur und Strahlung ab. Nach einer Viertelstunde, also in einer Höhe von 1500 Metern, war der Steigballon dann so hoch, dass er ihn jeweils »aufgab«. Dieses Prozedere wiederholte er über mehrere Stunden an verschiedenen Tagen. Parallel dazu ließ er an einer Schnur mehrere Schwebeballons aufsteigen. Mithilfe von Assistenten befestigte er an einer Perlonschnur bis zu vier derartige Träger im Abstand von 200 Metern. Während diese Ballons vertikal übereinander schwebten, las er alle 20 Minuten die Messdaten ab. Diese Schwebeballons konnte er allerdings nur vormittags einsetzen, weil danach die Winde zu stark wurden, die Ballons so nicht mehr vertikal schwebten und damit der Höhenabstand der einzelnen Messträger unter 200 Meter fiel. 32 Die leitende Fragestellung war: Wie beeinflusst diese Luftströmungen den Segelflug? Obwohl für diese Arbeit keine Flugzeuge zum Einsatz kamen, stand sie also dennoch im Dienste der Segelflugforschung. Damit war dieser Forschungsauftrag des Verkehrsministeriums mit der Kernidentität des Instituts vereinbar. Neben Ballons, Sonden und Flugzeugen gab es bereits ab den 1910er Jahren in den USA die Idee, auch Raketen zur Erforschung der (oberen) Atmosphäre einzusetzen. Bei diesen Ansätzen ging es meistens um die Frage, weshalb die
29 Teisserenc de Bort war es auch, der diese beiden Schichten 1908 Troposphäre und Stratosphäre nannte. Damit unterschied er die beiden aufgrund der Bewegungen innerhalb ihres jeweiligen Raumes: Troposphäre bezeichnete er als die Schicht, in der die meteorologischen Vorgänge stattfinden. Stratosphäre dagegen als den Raum, in dem keine solchen Bewegungen ablaufen (Ciardi: »Atmosphere, Structure of«, S. 49). 30 Höhler: »Psychometer, Variometer, Barograph«, S. 325. 31 Maletzke: »Untersuchung von Luftströmungen im Alpenvorraum«. 32 Ebd., S. 9-10.
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Ionosphäre existiert und wie sie sich in Bezug auf Radiowellen und Erdmagnetismus verhält. 33 Die V-2-Raketen, deren Konstruktion unter dem Druck des nationalsozialistischen Regimes in Peenemünde vorangetrieben und die nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA überstellt wurden, ermöglichten schließlich wissenschaftliche Messungen mit Raketen in der Ionosphäre.34 Das Interessante an der V-2 als Forschungsinstrument ist, dass sie die Beziehung zwischen militärischer Technik und Wissenschaft besonders stark verkörpert. Im Zweiten Weltkrieg in Deutschland entwickelt, sollte sie in den USA zu einer Waffe des Kalten Krieges werden und gleichzeitig die Erforschung der Ionosphäre (primär aus militärischem Interesse) vorantreiben.35 Der Fall der Falcon des IPA beziehungsweise der DFVLR lag grundsätzlich anders. Zwar kam ein ausrangiertes Militärflugzeug als Maschine in Betracht, davon abgesehen gab es jedoch keine unmittelbaren Verbindungen mit militärischen Interessen. Parallelen zwischen Forschungsschiffen und Forschungsflugzeugen Das Prinzip eines beweglichen Labors entstand nicht erst im Zusammenhang mit Fluggeräten. Lange vor der Erfindung des Flugzeuges tauchte das Forschungsschiff spätestens mit den Entdeckungsreisen der frühen Neuzeit als Akteur der Wissenschaft auf. Am Ende des 17. Jahrhunderts hielt ein Vokabular in die Naturwissenschaften Einzug, das der Geographie entliehen war. Die Entdeckung neuer »Welten« fand nicht nur in unbekannten Kontinenten, sondern auch unter dem Mikroskop und durch das Teleskop statt. Beide Arten von »Reisen« waren nur möglich mit entsprechender Technik. Für den neuseeländischen Wissenschafts- und Technikhistoriker Richard Sorrenson lag die Parallele auf der Hand: »Just as the telescope expanded the science of astronomy and allowed astronomers to explore new worlds and make images of them, so too did the ship for geography and geographers.« 36 »Schwimmende Laboratorien« auf Schiffen ermöglichten den Forschern, die Ozeane und Küstengegenden neu entdeckter Länder zu erforschen. Laborinstrumente und Schiffe waren gleichermaßen Vehikel zur Erforschung des Globus geworden. Wie Sorrenson bemerkte, waren Forschungsschiffe des 18. Jahrhunderts bisweilen sogar nach Instrumenten be-
33 DeVorkin: Science With a Vengeance, S. 7-16. 34 Zur Rolle der V-2 und späteren Raketenkonstruktionen in der Erforschung der oberen Atmosphäre siehe ebd. 35 DeVorkin: Science With a Vengeance, S. 341. 36 Sorrenson: »The Ship as a Scientific Instrument«, S. 221-222.
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nannt, wie die »L’Astrolabe« (das Astrolabium) oder die »La Boussole« (der Magnetkompass).37 In der Einleitung zu »The Machine in Neptune’s Garden« halten die Herausgeber fest: »The oceans are in constant flux, and our understanding of them is constructed from a composite of data sets, presenting empirical consistencies over time and space.«38 Wie der Ozean ist auch die Atmosphäre nur mit spezieller Technik zugänglich, repräsentier- und erforschbar. Denn beide entziehen sich dem direkten Blick und sind als Räume durch Messdaten konstruiert.39 Sie sind somit Forschungsobjekt und Forschungsraum zugleich. Schiffe oder Unterwasserboote beziehungsweise die erwähnten Flugzeuge oder Ballons und Sonden dienen dabei als solche Messträger. Sowohl der Ozean wie die Atmosphäre werden von Wissenschaftlern aufgrund dieser Messdaten in verschiedene Schichten unterteilt, von denen in manchen globale und lokale Zirkulation stattfindet. 40 Forschungsschiffe wie -flugzeuge waren oft Großanschaffungen, die nicht von einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern finanzierbar waren, weder im viktorianischen England noch in der BRD. Dazu bedurfte es in beiden Fällen staatlicher Unterstützung oder Kollaboration mehrerer Organisationen. 41 Die beiden Trägergattungen Schiff und Flugzeug sind also sowohl durch ihren Einsatz wie in ihrer Beschaffungsart vergleichbar. Als der Astronom Solon Bailey (1854-1931) eine meteorologische Station auf dem Vulkan El Misti in Peru einrichtete, brüstete er sich damit, dass niemand vor ihm Maultiere je in solche Höhen gebracht habe. Für ihn waren die Tiere ein Transportmittel, das dem Forscher physische Arbeit abnahm. Er nannte sie allerdings »eine Stufe in einem evolutionären Prozess«, an dessen Ende in Zukunft Ballons und andere Fluginstrumente stünden, die den Wissenschaftlern die Arbeit, in die Höhe zu steigen, abnehmen würden: »I hope our mules on our next expedition will appreciate their honorable position as connecting links, and exert themselves accordingly.« 42 Offensichtlich war also nicht nur die Reichweite, sondern auch die Bedienung des Transportmittels noch nicht ganz zufriedenstel-
37 Ebd., S. 221. 38 Benson/Rozwandowski/van Keuren: »Introduction«, S. xvi. 39 Siehe zum Fall der Ozeane auch Höhler: »Depth Records and Ocean Volumes«. 40 Abgesehen davon wird in der neueren Forschung auch die Interaktion von Ozean und Atmosphäre berücksichtigt (»ocean-atmosphere interactions«). Siehe dazu zum Beispiel die Bibliographie bei Charnok: »Ocean-Atmosphere Interactions«. 41 Zum Beispiel von James Cooks »Endavour«: Sorrenson: »The Ship as a Scientific Instrument«, S. 224-225. 42 Zitiert nach DeVorkin: Science With a Vengeance, S. 7.
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lend. Allerdings, gibt Sorrenson zu bedenken, sei nicht jedes Transportmittel auf Forschungsreisen auch ein wissenschaftliches Instrument. In seinen Augen sind Transporttiere keine Instrumente. Zur Erklärung zieht er den Vergleich mit Alexander von Humboldts Esel heran: War dieser, wie Humboldts Schiff, etwa auch ein wissenschaftliches Instrument? »Clearly not«, beantwortet Sorrenson die Frage selber und führt dafür drei Gründe auf. Erstens besaß Humboldts Esel keine »authority«: Für die gewonnen Erkenntnisse spiele es keine Rolle, was für ein Esel das war, wem er gehörte oder wie er sich genau vorwärtsbewegte. In anderen Worten: Ein Esel ist immer ein Esel. Für die Datensammlung mit einem Schiff war es hingegen relevant, was für ein Schiffsmodell es war, wer es finanzierte und welche Navigationsinstrumente seinen Weg bestimmten. Man könnte auch sagen, dass es unter den Schiffen Esel, Pferde oder Kamele gibt, die sich je nach Art anders beladen und steuern ließen, unterschiedliche Geschwindigkeiten und Reichweiten aufwiesen und damit die Datensammlung beeinflussten. Mit dieser Vorstellung einer »authority« des Instrumentes lässt sich an die von HansJörg Rheinberger beschriebene Beziehung zwischen »epistemischen Dingen« und »technischen Dingen« anknüpfen, wonach die Technik das Experimentalsystem definiert und bestimmt, wie das Wissensobjekt repräsentiert wird.43 Zweitens hinterließ der Esel im Gegensatz zum Schiff keine Spuren auf Humboldts Karten. Sorrenson erklärt dies als Entgegnung auf David DeVorkins Konzeption der V-2-Rakete: »While David DeVorkin calls the V-2 a vehicle or a tool, it too could be considered an instrument that, like a ship on a voyage of scientific discovery, leaves behind a trace of its interaction with the medium it passes through.«44 Ersetzt man in Gedanken das Schiff oder die Rakete mit dem Flugzeug, heiße dies, dass die Maschine während der Entnahme von Luftproben oder dem Sammeln von Daten genau diesen Untersuchungsraum selbst verändert, indem sie beispielsweise Turbulenzen auslöst oder Aerosole freisetzt. Die dritte Erklärung Sorrensons, warum Humboldts Esel kein wissenschaftliches Instrument sei, ist das Argument, der Esel böte keinen abgeschlossenen und geschützten Raum, der einen überlegenen Blick auf die Welt rundherum gewährleistete, wie das Schiff dies tue.45 In anderen Worten, ein Schiff war nicht einfach Transportmittel für Forscher und Instrumente, sondern es »formte die Art der Information, welche die Beobachter sammelten«. 46 Chandra Mukerji argu-
43 Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 24-27. 44 Sorrenson: »The Ship as a Scientific Instrument«, S. 228. 45 Ebd., S. 222. 46 Ebd., S. 227. Zur Rakete als Forschungsinstrument in der Ionosphärenforschung siehe auch Hevly: »The Tools of Science«.
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mentiert ähnlich, wenn sie am Beispiel von Wasserproben in der Ozeanographie feststellt, dass die Messtechniken Bedeutungen auf die Untersuchungsobjekte projizieren, die nicht per se schon da sind. Das Sammeln solcher Proben sei somit stark von der Wissenschaftskultur (und ihren Instrumenten) geformt.47 Unterwassergefährte oder Forschungsraketen und andere neue technische Innovationen gestatten es, diese Räume auf neue Arten zu erforschen. In der Ozeanographie machten sie es möglich, auch den zuvor unzugänglichen Meeresboden mit seinen topographischen Besonderheiten zu kartieren. 48 Die Träger selbst generieren dabei keine Daten, sondern bringen die dafür benötigten Instrumente vor Ort. Sie ermöglichen diese Art der Erforschung erst und begrenzen gleichzeitig die technischen Möglichkeiten. 49 Die Art von Trägergefährt beeinflusst dabei die Datensammlung, denn es bestimmt die Reichweite und Möglichkeiten der Messungen. Ein Unterwassergefährt beispielsweise erreicht eine bestimmte Tiefe, ist begrenzt steuerbar und bietet begrenzten Laderaum für Instrumente.50 Dasselbe gilt für Schiffe, Flugzeuge und Messsonden. Das Problem der begrenzten Ladefähigkeit lässt sich zum Beispiel an den Seefahrten des britischen Entdeckers James Cook illustrieren. An Cooks erster Expedition in die Südsee 1768 nahm auch der Botaniker Joseph Banks teil. Der junge Naturforscher war Mitglied der Royal Society, welche die Reise mit dem Schiff »Endeavour« finanzierte. Hochmotiviert und mit der Unterstützung der Royal Society wollte er Cook auch bei einer zweiten Expedition begleiten. Dafür ließ er auf Deck ein gut ausgerüstetes Laboratorium installieren. Ein entsetzter James Cook stellte aber fest, dass das Schiff nun oberlastig war und er weigerte sich, so zu segeln. Der Streit endete damit, dass Banks sein Labor wieder ausbauen musste; die Sicherheit war der gesamten Admiralität wichtiger als Banks wissenschaftliche Ambitionen. Der Historiker John C. Beaglehole kommentierte in seiner Rezeption der Episode, dass Cooks Schiff eben nicht als »floating laboratory« gedacht gewesen sei, sondern vor allem als Instrument für geographische Entdeckungen.51 Die Vorstellung eines »schwimmenden Laboratoriums« war keine Erfindung Beagleholes. Bereits in wissenschaftlichen Artikeln des 19. Jahrhunderts scheint der Begriff für Forschungsschiffe geläufig gewesen zu sein.52 Womit sich James
47 Mukerji: »Scientific Techniques and Learning«, S. 102. 48 Ebd., S. 111. 49 Vgl. dazu Benson/Rozwandowski/van Keuren: »Introduction«, S. xiii. 50 Vgl. dazu Mukerji: »Scientific Techniques and Learning«, S. 111-112. 51 Zitiert nach Sorrenson: »The Ship as a Scientific Instrument«, S. 227. 52 O.V.: »The Exploring Voyage of the Challenger«, S. 576.
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Cook nicht arrangieren konnte, wurde erst gut 100 Jahre später realisiert. Unter der Federführung der Royal Society und mit Unterstützung der britischen Regierung durchkreuzte die »Challenger« als erstes »floating laboratory« von 1872 bis 1876 die Weltmeere. An Bord waren unter anderem Mikroskope, Instrumente zum Einfangen von Tieren (Schleppnetze, Harpunen und so weiter), Lote, Wasserschöpfer, Thermometer und Hilfsmittel, mit denen Forschungen festgehalten werden konnten (Abbildung 19). Die schiere Menge an Daten, die damit gesammelt wurde, war bis dato unerreicht.53 Die Challenger war ein ehemaliges Kriegsschiff, das nur noch für die Wissenschaft eingesetzt wurde. Darin ähnelte sie als Trägerinstrument den Forschungsflugzeugen T-33 und »Canberra«, die an der Nachkriegs-DFS und am IPA im Einsatz und ebenfalls Armeemaschinen »a.D.« waren.54 Primäres Ziel der Reise mit der Challenger waren Entdeckungen und Untersuchungen von Vögeln oder Fischen.55 Darüber hinaus konnten Wissenschaftler durch die auf den Forschungsfahrten gewonnenen Erkenntnissen die Oberflächenzirkulation der Ozeane beschreiben. Auch zur Tiefseezirkulation hatten bereits Alexander von Humboldt (1769-1859), Emil von Lenz (18041865) oder Count Rumford (1753-1814) Messungen angestellt, hauptsächlich mit Thermometern an Bord ihrer Schiffe.56 Die auf der Challenger gesammelten Daten nährten die wissenschaftlichen Debatten zur Tiefseezirkulation.57 Später trugen auch die bei einer Reihe deutscher Expeditionen mit Forschungsschiffen wie der »Vivaldia« (1898-1899), der Planet (1906-1907) sowie bei den drei Meteor-Einsätzen (Meteor I: 1925-1927; Meteor II: 1964-1985; Meteor III: seit 1985) gesammelten Daten zur Theorie einer Tiefseezirkulation bei. In der Zeit
53 Höhler: »Depth Records and Ocean Volumes«, S. 126. 54 Ehemalige Militärflugzeuge oder -schiffe als wissenschaftliche Instrumententräger einzusetzen scheint bis ins 20. Jahrhundert eine übliche Praxis gewesen zu sein. Die FS Meteor I ist ein Beispiel dafür (siehe dazu das Kapitel »Radar an Deck und auf dem Dach«). Angesichts der hohen Anschaffungskosten solcher Technik ist nachvollziehbar, dass das Militär, das meistens Zugang zu größeren Mitteln als die Wissenschaft hatte, sich eher derart teure Transportmittel leisten konnte. Interessant ist, dass sich dies jedoch im Laufe des Kalten Krieges dahingehend veränderte, dass sich mit der wachsenden (militärischen) Bedeutung und der damit einhergehenden Finanzierung der Geowissenschaften Forschungsgruppen auch eigene, speziell für ihre Forschung neu konstruierte Instrumententräger anschaffen konnten. 55 O.V.: »The Exploring Voyage of the Challenger«. 56 Mills: »Oceanography, Physical«, S. 631-632. 57 Siehe dazu die Debatte zwischen William Benjamin Carpenter (1813-1885) und James Croll (1812-1890) in ebd., S. 632.
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des Kalten Kriegs war das instrumentierte Forschungsschiff aus der Ozeanographie schließlich nicht mehr wegzudenken.58 Forschungsflugzeug und Forschungsschiff haben gemeinsam, dass sie die Erforschung des Raumes in situ erst möglich machen und gleichzeitig begrenzen, da ihre technischen Voraussetzungen bestimmen, welche Art von Forschung und Datensammlung überhaupt möglich ist. Trotz der Ähnlichkeiten stellten sich an ein »fliegendes Laboratorium« jedoch andere Anforderungen. Ein Schiff wie die FS Meteor II war teilweise mehrere Monate unterwegs. Der Raum an Deck war mit vielen Messinstrumenten und unterschiedlichen Forschungsgruppen bestmöglich ausgenutzt, um auf den jeweiligen Seefahrten so viele Daten wie möglich gleichzeitig erfassen und die Forschungsreisen somit möglichst effizient nutzen zu können. An Bord eines Flugzeuges ist die Situation zwar ähnlich, der Platz jedoch noch begrenzter. Es bietet lediglich Platz für ein paar ausgewählte Instrumente und nur wenige Personen. Zudem ist eine Forschungsmaschine jeweils nicht länger als einige Stunden in der Luft. Abbildung 19: Das »schwimmende Laboratorium« der Challenger, 1872-76
Quelle: O.V.: »The Exploring Voyage of the Challenger«, S. 578
58 Ebd., S. 633.
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Walter Georgii, eine Koryphäe der deutschen Flugforschung, kehrte 1955 aus Argentinien nach Deutschland zurück, um an der DFS das Institut für Flugforschung zu übernehmen. Er war eine treibende Kraft im Wiederaufbau der Anstalt. Die Verknüpfung von Atmosphärenforschung und Fliegen stand für ihn außer Frage: »Für die Physik der Atmosphäre, die Wolkenphysik oder die Struktur der Luftströmungen genügen Radiosondenaufstiege nicht. Für die aerophysikalische Erforschung der Atmosphäre muss das Flugzeug als Messträger, mit dem Wissenschaftler als Beobachter, eingesetzt werden, um im freien Luftraum, ähnlich wie im Laboratorium, experimentieren zu können.«59
Nach und nach wurde die DFS-Flugzeugflotte mit solchen »fliegenden Laboratorien« erweitert. Zunächst waren dies Segelflugzeuge und Motorsegler, später dann auch Motor- und Düsenflugzeuge, die mit Instrumenten ausgerüstet, von Wissenschaftlern bedient und teilweise auch selber geflogen wurden. Daneben waren sowohl an der DFS wie am IPA unbemannte Ballons und Sonden im Einsatz. Jede Flugzeugklasse hatte seine Vor- und Nachteile als Forschungsinstrument. An den Segelflugzeugen und Motorseglern schätzten die Wissenschaftler die »hohe aerodynamische Güte«, die ihre Sinkgeschwindigkeit drosselte. Dies erlaubte ihnen, die Richtung und die Veränderungen von Luftströmungen relativ genau festzustellen. Um die Ursachen von Auf- und Abwinden sowie deren Geschwindigkeitsveränderungen zu messen, eigneten sich Segelflugzeuge daher besser als Flugzeuge mit »künstlichen Antrieben«, also Motoren. 60 Darüber hinaus waren Segler sehr wendig und erzeugten dabei kaum Fluglärm, womit sie sich für Einsätze auch über dicht besiedelten Orten eigneten. Da sie im Gegensatz zu Propeller- oder Jetflugzeugen kostengünstiger waren, konnte es sich eine Einrichtung wie das IPA zudem leisten, mehrere von ihnen gleichzeitig im Einsatz zu haben und so Räume parallel zu vermessen. Motorflugzeuge hatten dafür den Vorteil, dass sie technisch besser ausgerüstet waren, was auch Flüge ohne Sicht ermöglichte.61 Zudem ließen sie sich mit mehr Messinstrumenten beladen, hatten eine größere Reichweite und waren wettertauglicher.
59 Georgii: »Aerophysikalische Flugforschung«, S. 7. 60 Fuchs: »Projekt eines Versuchs- und Messflugzeuges«, S. 20. 61 Manuskript »Messplattform Motorsegler ASK 16«, S. 4 (REINH 1006).
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Bis 1955 war zwar aufgrund der Restriktionen der Alliierten nichts anderes möglich als sich auf Segelflugzeuge zu beschränken. Später kamen aber nach und nach andere Modelle an das Institut. Das erste Motorflugzeug, eine Do 27, kam ungefähr 1957 in Institutsbesitz.62 Bis in die 1970er Jahre entstand an der DFVLR eine Flotte von Messflugzeugen unterschiedlicher Klassen, die in Oberpfaffenhofen stationiert war und dort dem IPA zur Verfügung standen. Diese Flugzeuge waren aber nicht ausschließlich für die IPA-Arbeiten bestimmt. Zudem wurden auch die Flugzeuge, die das Institut selbst »besaß«, für Forschungsaufgaben anderer Institute inner- und außerhalb der DFVLR verwendet. Im Jahr 1972 waren beispielsweise DFVLR-externe Forschungseinrichtungen in Kooperation mit dem IPA insgesamt 230 Stunden mit DFVLR-Flugzeugen unterwegs. Und dies beinhaltete nur Forschungsflüge im Bereich atmosphärischer Wissenschaften, wobei die Maschinen auch für andere Wissenschaftsbereiche eingesetzt werden konnten.63 Abbildung 20: Das Forschungsflugzeug Canberra der DFVLR, Aufnahme von 1971
Quelle: Tätigkeitsbericht 1971 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 354
62 Tätigkeitsbericht aus dem Institut für Flugforschung, 01.11.1956-31.03.1958, S. 2, in: Tätigkeitsbericht 1956/58 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug. 63 Interner Bericht IB 553, 73/1, Gesichtspunkte für die Auswahl eines grösseren Forschungsflugzeuges für die Bereiche der atmosphärischen Wissenschaften, von [Fritz] Trenkle, Mai 1973, S. A-3 (KPAR A2864).
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Im Sommer 1972 stellte Manfred Reinhardt einen Antrag an die DFG zur Aufrüstung der Canberra. Diese Maschine gehörte der Bundeswehr, die es für IPAArbeiten zur Verfügung gestellt hatte (Abbildung 20). Ihre Aufrüstung sollte es möglich machen, am Projekt GATE teilzunehmen. 64 GATE stand für »GARP Atlantic Tropical Experiment« und war ein internationales Programm innerhalb des Großprojektes »Global Atmospheric Research Program (GARP)«. GARP entstand als Reaktion auf zwei UNO-Resolutionen von 1961 und 1962, welche die Wetterdienste aller Länder sowie die Wissenschaftler des »International Council of Scientific Unions (ICSU)« zur Zusammenarbeit verpflichtete. Ziel war eine globale Überwachung der Atmosphäre und entsprechende wissenschaftliche Forschung.65 Am Unterprojekt GATE waren zehn Staaten beteiligt.66 Sie steuerten insgesamt 39 Forschungsschiffe, 13 Forschungsflugzeuge, mehrere meteorologische Satelliten und ungefähr 5000 Mitarbeiter bei, um während eines dreimonatigen Experiments von Juni bis August 1974 die Wettersysteme im tropischen Ostatlantik zu untersuchen. Daneben waren rund 50 Länder in Afrika und Südamerika an zusätzlichen Messungen beteiligt. 67 Die Flugzeuge flogen unter anderem in Gruppenformationen auf verschiedenen Höhen durch Wolkenformationen hindurch und sammelten Daten zu Lufttemperatur, Feuchtigkeit, Strahlung, Meeresoberflächentemperatur und Wind sowie zu Wassergehalt, Tropfengröße, Gefrierkernen und so weiter. Unter anderem war auch das NCAR mit einem ihrer Forschungsflugzeuge (der »Sabreliner«) daran beteiligt.68 Insgesamt sollte während der drei Monate eine enorme Datenmenge gesammelt werden, für deren Auswertung die Programmleitung zwei bis drei Jahre einplante.69 Als deutschen Beitrag zu diesem internationalen Programm wollte die DFVLR mit der Canberra des IPA daran teilnehmen. Die Teilnahme an internationalen Großprojekten lag auch im Interesse der Bundespolitik, da die Einbindung deutscher Forschungsinstitute Zugang zu internationalen Fördergeldern
64 Antrag auf Genehmigung einer Sachbeihilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Thema »Flugvermessung von Temperatur-, Feuchte- und Windfeldern in der Umgebung von Cloud Clusters im Rahmen des internationalen Programmes GATE«, von Manfred Reinhardt, 31.07.1972 (KPAR A3004). 65 Neben GARP, das schließlich von 1967 bis in die frühen 1980er Jahre lief, war auch der »World Weather Watch (WWW)« eine Folge dieser Resolutionen (ebd.). 66 Brasilien, Kanada, Frankreich, die BRD, die Deutsche Demokratische Republik (DDR), Mexiko, die Niederlande, die USA, Großbritannien und die Sowjetunion. 67 Mason: »The GARP Atlantic tropical experiment«, S. 17. 68 Brief von Jack W. Hin[c]kelmann an Manfred Reinhardt, 13.02.1974 (KPAR A2866). 69 Mason: »The GARP Atlantic tropical experiment«, S. 20.
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ermöglichte.70 Für das IPA beziehungsweise die DFVLR waren solche Beteiligungen nicht nur wegen der nutzbaren Synergien wichtig, sondern auch um Präsenz in der Forschungsgemeinschaft zu zeigen und sich einen Namen zu machen. Eine solche Präsenz erlaubte es, die Signatur einer Forschungsgruppe der Scientific Community (und darüber hinaus) zu vermitteln. Für das IPA (wie auch für die DFVLR) boten solche Projekte also Gelegenheit, je nach Art der Teilnahme ihre Expertise zu beweisen oder auch zu erweitern und damit ihre Einzigartigkeit international unter Beweis zu stellen. Großprojekte dieser Art waren Gelegenheiten, Aspekte institutioneller Identität(en) zu vermitteln, zu stärken oder zu verändern. Die Canberra war allerdings nicht bereit für einen Einsatz im GATE-Projekt, es fehlten Vorrichtungen im Flugzeug: unter anderem ein Wetterradar, ein Transponder und ein Dropsondenempfänger. Um diese Nachrüstungen sowie sämtliche zusätzlichen Arbeiten für den GATE-Einsatz zu finanzieren (insgesamt 1,15 Mio. DM für vier Jahre), reichte Manfred Reinhardt bei der DFG einen Antrag auf Sachbeihilfe ein. Er begründete dies damit, dass die Canberra das einzige Flugzeug in Deutschland sei, das annähernd den Vorgaben von GATE entsprach: »In der Bundesrepublik Deutschland ist bei der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt das Flugzeug ›Canberra‹ stationiert, das als einziges Flugzeug mit Sonderausrüstung wenigstens teilweise den Spezifikationen entspricht, die für die Missionen von GATE aufgestellt wurden. […] Die mit hoher Genauigkeit vom Flugzeug aus zu messenden meteorologischen Basis-Parameter von Druckhöhe, Temperatur, Feuchte und Wind in verschiedenen Flugniveaus, vor allem der oberen Tropo- und der unteren Stratosphäre gehören seit vielen Jahren zu dem Arbeitsprogramm des Instituts für Physik der Atmosphäre.«71
Die Hinweise auf die Einzigartigkeit der Canberra innerhalb Deutschlands und auf die Expertise am IPA konnte die DFG allerdings nicht überzeugen, sie lehnte den Antrag ab. Ihre Absage begründete sie allgemein mit den hohen Kosten und dass die finanzielle Lage der DFG eine solche Investition nicht zuließe. Zudem führte sie noch einen weiteren Grund an: Weil die Canberra nicht von der DFG
70 Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, S. 400. 71 Antrag auf Genehmigung einer Sachbeihilfe der DFG zum Thema »Flugvermessung von Temperatur-, Feuchte- und Windfeldern in der Umgebung von Cloud Clusters im Rahmen des internationalen Programmes GATE«, von Manfred Reinhardt, 31.07.1972, S. 2 (KPAR A3004).
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beschafft worden war, sah diese sich auch nicht veranlasst für ihre Aufrüstung aufzukommen.72 In der Tat war die Canberra eine Militärmaschine, die vom IPA beziehungsweise der DFVLR von der Bundeswehr dauerhaft geliehen war. Da auch andere Finanzierungsmöglichkeiten scheiterten, blieb der DFVLR nichts anderes übrig, als ihren GATE-Beitrag enttäuscht abzusagen. 73 In den Augen der DVFLR wäre die Canberra die einzige Maschine gewesen, die für einen solchen Einsatz tauglich gewesen wäre. Mit großem Bedauern stellte Vorstandsmitglied Theodor Benecke fest, dass »sich unter den eingesetzten Forschungsflugzeugen kein deutsches befinden wird«.74 Das Scheitern der Canberra-Teilnahme an diesem internationalen Großprojekt war eine verpasste Möglichkeit für das IPA, seine Expertise in einem großen Rahmen unter Beweis zu stellen. Oder um Albert Whettens Bild des »Menüs« aufzugreifen: Eine Chance verpasst zu haben, die IPA-Speise »Forschungsflugzeug« in diesem wissenschaftlichen Guide Michelin aufführen zu können. Die Canberra, als das in der BRD für dieses Unternehmen einziges in Betracht gezogene Flugzeug, spielte in diesem Fall die entscheidende Rolle. Sie hätte die Funktion übernehmen sollen, die wissenschaftliche Signatur des IPA, der DFVLR und der BRD zu stärken. 1974 standen der DFVLR insgesamt 27 ein- bis zweimotorige Flugzeuge zur Verfügung. Das IPA benutzte inzwischen sieben davon: eine RF 5, eine C 207, eine Do 27 H, die B 86 »Queen Air«, zwei T-33 der Luftwaffe und die Canberra der Luftwaffe.75 Der Großteil dieser Maschinen stammte aus den 1950er und frühen 1960er Jahren. Die Canberra war mit Jahrgang 1954 die älteste und mit ihren 20 Jahren inzwischen störanfällig geworden.76 Auch die vom IPA genutzte »Queen Air« drohte an ihre (Alters-)Grenzen zu stoßen. Ebenso waren die anderen Fluggeräte nach Ansicht des IPA »überaltert«: bald würden vier davon gar nicht mehr zur Verfügung stehen, entweder aus Altersgründen oder weil die Leihverträge mit dem Militär ausliefen.77 Die Flugbereitschaft Oberpfaffenhofen befürchtete, dass diese Maschinen bald ausfallen würden, womit ein beträchtli-
72 Brief von [Theodor] Benecke an [Hans] Hinzpeter, 06.03.1973 (KPAR A3004). 73 Ebd. 74 Ebd. 75 Ohne Abteilung Segelflug-
und Leichtflugzeuge (siehe Luftfahrzeuge des
Luftfahrttechnischen Bereichs der DFVLR, von H. Finkenzeller, Stand 15.07.1974 (KPAR A2864). 76 Meteorologisches Forschungsflugzeug der DFVLR, Manuskript, ca. 1974, S. 13 (KPAR A2865). 77 Ebd.; Ereignisvermerk zur Besprechung vom 19.07.1974 über das meteorologische Forschungsflugzeug, von Heinz Fortak/Manfred Reinhardt, S. 2 (KPAR A2865).
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cher Teil der bisherigen Tätigkeiten nicht mehr weitergeführt werden könnten. Die Flugbereitschaft wäre nach eigener Einschätzung so »nicht mehr aktiv und arbeitsfähig« gewesen.78 Doch nicht nur die Flugbereitschaft fürchtete um ihre Arbeit, auch am IPA selbst bedrohte der Flugzeugengpass viele Projekte. Schon allein die Abteilung Flugphysik war Anfang der 1970er Jahre bei zwölf von 15 Forschungsaufgaben von Flugzeugen abhängig. 79 Der Ausfall eines Großteils dieser Maschinen hätte folglich eine ganze Abteilung in Bedrängnis gebracht. Die Zeit drängte, doch ein neues Flugzeug bedeutete einen großen finanziellen Aufwand, der außerhalb der Möglichkeiten eines einzelnen Instituts lag. So wandte sich das IPA an die DFVLR und meldete seinen »dringenden Bedarf« für ein neues Flugzeug an.80
ARGUMENTE
FÜR EIN NEUES
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In einem Briefentwurf an die DFG formulierte das IPA das Bedürfnis nach einem neuen Forschungsflugzeug als eine »von außen« geforderte Notwendigkeit: »In zunehmenden Masse wird von außen die Forderung an uns herangetragen, ein Trägerflugzeug zur Verfügung zu stellen, das in seiner Höhenleistung, seiner Reichweite und seiner Zuladung über das hinausgeht, was momentan zur Verfügung gestellt werden kann.«81
Ohne konkrete Beispiele zu nennen, wurde zudem auf die Entwicklung im Ausland hingewiesen, wo man sehen könne, »was für Möglichkeiten durch ein geeignetes Messflugzeug erschlossen werden können«. Der Briefentwurf war ursprünglich mit »Prof. Dr. H.G. Müller« gezeichnet, dann aber auf »Prof. V.
78 Brief von A. Brünner an Manfred Reinhardt, 22.06.1972 (KPAR A2869). 79 Interner Bericht IB 553, 73/2, Meteorologische Meßanlagen in Flugzeugen, Überblick über ein Arbeitsgebiet der Abteilung Flugphysik des DFVLR-Instituts für Physik der Atmosphäre, von [Fritz] Trenkle, Juni 1974, S. 63 (KPAR A2864). 80 Meteorologisches Forschungsflugzeug der DFVLR, Manuskript, ca. 1974, S. 14 (KPAR A2865); Ereignisvermerk zur Besprechung vom 19.07.1974 über das meteorologische Forschungsflugzeug, von Heinz Fortak/Manfred Reinhardt, S. 2 (KPAR A2865). 81 Brief von [Volker] Aschoff/Hans Gerhard Müller an die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG, Entwurf, 17.04.1972 (KPAR A2869).
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Aschoff« geändert worden. 82 Volker Aschoff war 1972 Vorstandsvorsitzender der DFVLR. Das Anliegen sollte also nicht von der IPA-Leitung, sondern im Namen des DFVLR-Vorstandes, also mit mehr Nachdruck, vorgetragen werden. Es zeichnete sich dabei bereits ab, was für den Fall dieses neuen Flugzeuges im Folgenden als Vermischung der Signaturen des IPA und der DFVLR interpretiert wird. In einem Bericht zur Auswahl eines neuen Flugzeuges, erläuterte Fritz Trenkle von der Flugbereitschaft Oberpfaffenhofen und Mitglied des Ausschusses für die Anschaffung des Forschungsflugzeuges, wie groß das potentielle Untersuchungsspektrum einer neuen Maschine sei: von Radioaktivitätsmessungen über Ozonforschung bis hin zu Aerosoluntersuchungen und der Messung weiterer meteorologischer Parameter. Dass sich dieses Anwendungsfeld in Zukunft noch stark erweitern würde, stand für die Wissenschaftler ohnehin außer Frage. Bereits dadurch seien die hohen Kosten zur Anschaffung und zum Unterhalt gerechtfertigt. Und überhaupt seien diese Kosten gar nicht so hoch, verglichen mit anderen Messträgern wie Forschungsschiffen. Mit dem Verweis auf Forschungsschiffe spielte Trenkle wohl auf die Finanzierung der FS Meteor II an, die wenige Jahre zuvor hauptsächlich durch die DFG finanziert worden war und seither als Forschungsschiff an internationalen Großprojekten teilnahm. 83 Doch abgesehen davon, so Trenkle weiter, »ist zu bedenken, dass alle obengenannten Aufgaben die Grundlagen zu einem wirksamen Umweltschutz darstellen, von dem ja das Überleben der kommenden Generation direkt abhängt«.84 Die Anschaffung eines neuen Forschungsflugzeuges ordnete Trenkle so in den Umweltverschmutzungsdiskurs ein, der, wie im Kapitel »Von der DFS zum IPA« erläutert, zu jener Zeit hochaktuell geworden war. Auch der Wissenschaftliche Beirat des DWD unterstützte das Bestreben des IPA, ein neues Forschungsflugzeug anzuschaffen. In der undatierten, ungefähr 1972 entstandenen IPA-Forschungsplanung zitierte der Autor eine Aussage dieses DWD-Beirates (ohne Quellenangabe), um damit der Forderung gegenüber der DFVLR nach einem Ausbau von Instrumentarium und Personal am IPA Gewicht zu verleihen:
82 In welcher Form der Brief schließlich definitiv verschickt wurde, ist unklar. 83 Zur FS Meteor und deren Einsatz im GARP-Programm siehe das Kapitel »Radar an Deck und auf dem Dach«. 84 Interner Bericht IB 553, 73/2, Meteorologische Meßanlagen in Flugzeugen, Überblick über ein Arbeitsgebiet der Abteilung Flugphysik des DFVLR-Instituts für Physik der Atmosphäre, von [Fritz] Trenkle, Juni 1974, S. 64 (KPAR A2864) (Hervorhebung im Original).
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»Der Wissenschaftliche Beirat [des DWD] ist der Ansicht, dass die experimentelle meteorologische Forschung in der Bundesrepublik unbedingt gefördert werden müsste. Da hierbei im allgemeinen hochwertiges und aufwendiges Gerät, insbesondere HochleistungsFlugzeuge, eingesetzt werden müssen, sollten nach Möglichkeit bestehende Institutionen durch Ausbau in die Lage versetzt werden, diese Untersuchungen in Zusammenarbeit mit den deutschen Hochschulen zur Förderung der gesamten deutschen Meteorologie vorzunehmen. Dabei ist vor allen Dingen an das DFVLR-Institut Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen zu denken.«85
Die Forschungsausrichtung sowohl des DWD als auch des IPA war in den 1970er Jahren geprägt durch die Umweltverschmutzung als neue politische und wissenschaftliche Thematik. Neue Aufgabenstellungen verlangten nach neuen Instrumenten und Methoden, was einen höheren finanziellen Aufwand bedeutete. Um die Kosten in Grenzen zu halten, war es nötig, dass verschiedene Institutionen ihre Arbeiten besser koordinierten.86 Der DWD war unter anderem daran interessiert, mit einem Flugzeug seine lückenhaften Ozonmessungen zu ergänzen. Bisher konnten DWD-Mitarbeiter kaum die horizontale Ausbreitung von Ozon untersuchen. 87 Durch die Mitbenutzung eines neuen DFVLRForschungsflugzeuges wäre dies möglich geworden. Die beiden Institutionen konnten sich gegenseitig unterstützen: Der DWD erhoffte sich von einer Mitbenutzung des Flugzeuges bessere Messbedingungen, während das IPA die Unterstützung des DWD brauchte, um die Großanschaffung rechtfertigen zu können. Derselbe Grund führte dazu, dass sich das IPA auch um ein gutes Verhältnis mit diversen anderen Instituten in Deutschland bemühte, wie beispielsweise dem Institut für Meteorologie der FU Berlin oder dem Meteorologischen Observatorium Hohenpeißenberg. 88 Mitarbeiter am IPA erkundeten deren Bedürfnislage
85 Mittelfristiges Arbeitsprogramm 1972-1976, Fachgebiet 6, Institut für Physik der Atmosphäre, S. 53 (KPAR A2846). 86 Interner Bericht IB 553, 73/2, Meteorologische Meßanlagen in Flugzeugen, Überblick über ein Arbeitsgebiet der Abteilung Flugphysik des DFVLR-Instituts für Physik der Atmosphäre, Oberpfaffenhofen, von [Fritz] Trenkle, Juni 1974, S. 62 (KPAR A2864). 87 Brief von W. Attmannspacher an Hans Fortak, 27.08.1974 (KPAR A2866). 88 Andere Institute, an die das IPA herantrat, um deren eventuellen Bedarf an einem neuen Forschungsflugzeug zu ermitteln, waren das MPI für Chemie (Abteilung Chemie der Atmosphäre und Physikalische Chemie der Isotope), das Institut für Geophysik und Meteorologie der Universität Köln, das Institut für Meteorologie und Geophysik der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt sowie das Institut für Meteorologie der Universität Mainz (Brief von Manfred Reinhardt an H. Riehl, 31.07.1974
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und holten deren Rat und Unterstützung für die Flugzeugbeschaffung ein. Da die 1970er Jahre eine Welle von Strukturveränderungen und Einsparungen auf der Ebene der DFVLR mit sich brachten, war eine gute Begründung und breite Unterstützung für eine so große Investition erforderlich.89 Das Institut für Meteorologie der Universität München hatte sein Bedürfnis für ein Forschungsflugzeug selbst bereits ausführlich formuliert.90 Die Vorschläge des IPA betrachtete es eher kritisch. Das Universitätsinstitut wollte mit einem neuen Flugzeug vor allem Wolken- und Strahlenforschung betreiben und befürwortete nicht alle Vorschläge des IPA bezüglich der Ausrüstung der Forschungsmaschine. Trotz der unterschiedlichen Vorstellungen war man sich aber einig, dass ein Forschungsflugzeug, wie es dies an ausländischen Institutionen bereits gab, nötig war, um international konkurrenzfähig zu bleiben.91 Das IPA blickte in den 1970er Jahren auf eine jahrzehntelange Tradition der Flugforschung zurück, die bis in die Zwischenkriegszeit zurückreichte. Im oben zitierten Gutachterbericht für die DFVLR betonte der Autor, dass diese Expertise »in zunehmenden Masse« von der DFVLR gefragt würde, 92 und weist darauf hin, dass »[d]as der DFVLR für die Forschung in der Atmosphäre zur Verfügung stehende Fluggerät […] in seiner Leistung nicht ausreichend und mit den im Ausland (USA, USSR [sic], UK, Frankreich) eingesetzten Mitteln nicht vergleichbar« sei. 93 Daher müsse unbedingt ein neues, leistungsfähigeres Forschungsflugzeug angeschafft werden. Der Vergleich mit dem Ausland verweist erneut auf den Topos, international Schritt halten zu müssen. Nachdem in den
[KPAR A2865]; Brief von Manfred Reinhardt an W. Attmannspacher, 31.07.1974 [KPAR A2865]; Brief von C[hristian] Junge, Max-Planck-Institut für Chemie [an das Institut für Physik der Atmosphäre], 29.10.1974 [KPAR A2866]; Brief von E[rhard] Raschke an P. Pütz, 30.10.1974 [KPAR A2866]; Brief von Walter Georgii an Manfred Reinhardt, 30.10.1974 [KPAR A2866]; Forschungsvorhaben, die ein Flugzeug als Messträger voraussetzen, von F. Fiedler, Institut für Meteorologie, Universität Mainz, 04.11.1974 [KPAR A2866]). 89 Zur finanziellen Situation an der DFVLR in den 1970er Jahren und deren Auswirkungen auf das IPA siehe das Kapitel »Von der DFS zum IPA«. 90 Brief von Hans-Jürgen Bolle an Rasch, 16.10.1974 (KPAR A2866). 91 Ebd. 92 Mittelfristiges Arbeitsprogramm 1972-1976, Fachgebiet 6, Institut für Physik der Atmosphäre, S. 54 (KPAR A2846). 93 Ebd.
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Nachkriegsjahren das Argument auf das »Aufholen« gerichtet war94, zielte die Rhetorik nun zunehmend auf ein Mithalten mit den internationalen Forschungsverhältnissen ab. Dies kann als weiterer Grund verstanden werden, warum die Teilnahme an internationalen Großprojekten wie GARP wichtig war. Wie die Absage an GARP aufgrund mangelnder Ausrüstung gezeigt hatte, war es notwendig, Zugang zu einem geeigneten Flugzeug zu haben. Eine Gutachtergruppe von 1973, zusammengesetzt aus DFVLR- und auswärtigen Wissenschaftlern sowie Politikern unterstützte schließlich ebenfalls die Idee eines neuen Forschungsflugzeuges.95 Zu dem Zeitpunkt schätzten sie die Anschaffung auf circa 12 Mio. DM.96 In Anbetracht der Tatsache, dass zur gleichen Zeit DFVLR-weit Stellen gestrichen und Mittel gekürzt wurden, mag diese Zusage zunächst widersprüchlich erscheinen. Bedenkt man aber, dass die DFVLR der Erforschung der Atmosphäre als Beitrag zur Umweltforschung großes Potential beimaß, kann die Beschaffung dieses Großinstrumentes als Bekenntnis zur Atmosphärenforschung und den IPA-Arbeiten interpretiert werden.97 Für das IPA betraf die Diskussion um die Lage der Flugzeugflotte neben der Konkurrenzfähigkeit auch das Kernelement seiner institutionellen Identität. Eine Schwächung dessen hätte es nicht nur international weniger konkurrenzfähig gemacht, sondern womöglich seine Existenzberechtigung in Frage stellen können. Denn was wäre ein Institut, dessen Identität zu einem Großteil auf Flugforschung basierte, ohne Zugang zu entsprechender Ausrüstung? Der zentrale Stellenwert, der einem neuen Forschungsflugzeug zugeschrieben wurde, kam in einer Graphik zum mittelfristigen Forschungsprogramm des IPA 1972-1976 zum Ausdruck (Abbildung 21).98 Die Graphik zeigt die unterschiedlichen Instrumen-
94 Grundsätzlich war der technische Rückstand zu den USA in mehreren europäischen Ländern ein Topos. Wie Trischler: »Big Science – Big Machines« zeigte, basierte diese Wahrnehmung einer »technologischen Lücke« jedoch auf ihrer Fehlinterpretation der US-amerikanischen Wirtschaftsentwicklung. Mehr zur Rückstandsdebatte in der deutschen Wissenschaftspolitik siehe auch Orth: Autonomie und Planung der Forschung, S. 96-100. 95 Protokoll über das Fachgespräch zum mittelfristigen Arbeitsprogramm 1972-1976 des Instituts für Physik der Atmosphäre der DFVLR am 01.02.1973, S. 3 (KPAR A2846/2). 96 Mittelfristiges Arbeitsprogramm 1972-1976, Fachgebiet 6, Institut für Physik der Atmosphäre, S. 59 (KPAR A2846). 97 Siehe dazu das Kapitel »Von der DFS zum IPA«. 98 Graphik Mittelfristiges Arbeitsprogramm 1972-1976, Institut für Physik der Atmosphäre (KPAR A2846/1).
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te, die das Institut in jenen Jahren zu verwenden plante, darunter Radiosonden, Laser, ein Segel- sowie ein Motorflugzeug, ein Wolkenradar und ein Entnebelungsapparat. In der Mitte, als größtes Objekt, ist ein Flugzeug abgebildet, das einer Falcon auffällig ähnlich sieht. Abbildung 21: Graphik zum mittelfristigen Forschungsprogramm des IPA 1972-1976
Quelle: Graphik Mittelfristiges Arbeitsprogramm 1972-1976, Institut für Physik der Atmosphäre (KPAR A2846/1)
Diese Graphik von ungefähr 1972 entstand noch vor der Anschaffung des neuen Flugzeuges. Die Platzierung in der Mitte und die vielen darauf zuführenden Pfeile, die Forschungsthemen symbolisieren – zum Beispiel Ozon oder Aerosole –, zeigen aber, dass dem neuen Instrument bereits vor seiner Anschaffung offiziell ein zentraler Stellenwert zugewiesen wurde.99 Die Darstellung führte gleich-
99
Die archivierten Dokumente im Dossier, aus dem die Graphik stammt, sind nicht im Kontext ihrer Entstehung überliefert. Daher ist nicht mehr einwandfrei rekonstruierbar, in welchem Zusammenhang und zu welchem Zweck diese Graphik ursprünglich erstellt wurde. Es ist jedoch denkbar, dass sie speziell für die Anschaffungsanträge des neuen Flugzeuges angefertigt wurde. Belegbar ist ihre Verwendung 1973 von
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zeitig vor Augen, was wegfallen würde, sollte nicht bald ein solches leistungsfähiges Flugzeug zur Verfügung stehen: Ein IPA ohne modernes Forschungsflugzeug verlöre die Fähigkeit, seine Kernaufgaben zu erfüllen und somit seine Leistungsfähigkeit überhaupt. Für das IPA und die Flugbereitschaft in Oberpfaffenhofen war wichtig, dass das neue Forschungsflugzeug in erster Linie die alte Canberra ersetzte und nicht in Konkurrenz zu anderen Maschinen der Flotte trat. Neben den Fragestellungen, die auf ein solches neues Flugzeug ausgerichtet waren, gab es schließlich andere Forschungsprojekte, die mit der bestehenden Ausrüstung abgestimmt waren. Mit der Do 27 untersuchten Mitarbeiter im Auftrag des BMVtg beispielsweise Vereisungsbedingungen. Daneben war man daran, eine meteorologische Messanlage für exakt diese Maschine anzupassen.100 Speziell für die T-33 war gerade ein Staubprobensammler konstruiert worden, mit dem Aerosole und Spurenstoffe bis zur oberen Stratosphäre gesammelt werden konnten. 101 Vorhandene Propellerund Düsenflugzeuge hätten »ihren festen Platz im Rahmen der Geräteerprobung und der Einzelmessungen«, wie Trenkle betonte.102 Es ist allerdings nicht nachzuweisen, ob zu irgendeinem Zeitpunkt überhaupt zur Diskussion gestanden hätte, das neue Flugzeug solle außer der Canberra auch noch weitere Maschinen der Flotte ersetzen.
D ER B ESCHAFFUNGSPROZESS Nachdem das Bedürfnis des IPA nach einem neuen Messträger von potentiellen Geldgebern anerkannt wurde, mussten die Anforderungen an das neue meteoro-
Fritz Trenkle in seinem Bericht zur Beschaffung des neuen Flugzeuges als Argumentationsgrundlage (Graphik Mittelfristiges Arbeitsprogramm 1972-1976, Institut für Physik der Atmosphäre, S. 16 [KPAR A2846/1]). Des Weiteren diente sie auch der DFVLR in einem offiziellen Planungsbericht und einer Gutachtergruppe als Grundlage für das »Fachgespräch zum mittelfristigen Arbeitsprogramm 1972-1976« (siehe Protokoll über das Fachgespräch zum mittelfristigen Arbeitsprogramm 19721976 des Instituts für Physik der Atmosphäre der DFVLR am 01.02.1973 [KPAR A2846/2]). 100 Tätigkeitsbericht 1973 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 259 und 261. 101 Ebd., S. 264. 102 Interner Bericht IB 553, 73/1, Gesichtspunkte für die Auswahl eines grösseren Forschungsflugzeuges für die Bereiche der atmosphärischen Wissenschaften, von [Fritz] Trenkle, Mai 1973, S. 9 (KPAR A2864).
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logische Messflugzeug abgeklärt und formuliert werden. Im Austausch mit anderen Instituten im Ausland, die bereits im Besitz eines Flugzeuges der gewünschten Größenordnung waren, konnte der IPA-Ausschuss eine Shortlist mit drei in Frage kommenden Modellen erstellen. Im nächsten Schritt ging es darum, aus dieser Liste denjenigen Typ zu wählen, der am geeignetsten erschien. Dabei war es wichtig, Größe, Kapazitäten und Kosten gegeneinander abzuwägen, um der DFVLR am Schluss eine Maschine vorschlagen zu können, die möglichst allen Bedürfnissen gerecht wurde und trotzdem finanzierbar war. Erster Schritt: Die Anforderungen an ein neues Flugzeug Das neue Flugzeug sollte dem internationalen Standard entsprechen, »auf dem Markt erhältlich« sein und »gewisse Grundspezifikationen« erfüllen.103 Nicht nur das Fluggerät an sich, sondern die Einbausysteme, die für Messaufgaben nötig waren, sowie zusätzliche Umbaumaßnahmen machten das Flugzeug zu einer Großinvestition, die nicht allein durch das IPA-Bedürfnis zu rechtfertigen war. Daher argumentierte das IPA, dass ein neues großes Trägerflugzeug neben der Atmosphärenforschung auch den Erdwissenschaften, der Ozeanographie und der Hydrologie zugutekommen würde, da diese in einem engen Verhältnis zu den Vorgängen in der Atmosphäre stünden. 104 Zudem konnte ein Forschungsflugzeug dieser Größenordnung nur effizient betrieben werden, wenn es mindestens 250 bis 300 Stunden im Jahr genutzt wurde.105 Das IPA allein hätte eine solche Auslastung gar nicht gewährleisten können. Deshalb hatte das Institut seit 1970/71 bei anderen Instituten in der ganzen BRD vorgefühlt, wie ein neues Forschungsflugzeug konzipiert sein sollte, damit diese es mitbenutzen könnten. Dabei war auch der persönliche Kontakt zu Wissenschaftlern anderer Institute relevant. Offensichtlich waren persönliche Gespräche unter Kollegen sowie eigene Erfahrungen, zum Beispiel mit dem Forschungsflugzeug Sabreliner am
103 Trägerflugzeug für die wissenschaftliche Forschung, Entwurf [mit handschriftlichen Notizen von Manfred Reinhardt], Mai 1972, inkl. 2. Entwurf, 13.03.1972 (KPAR A2869). 104 Interner Bericht IB 553, 73/1, Gesichtspunkte für die Auswahl eines grösseren Forschungsflugzeuges für die Bereiche der atmosphärischen Wissenschaften, von [Fritz] Trenkle, Mai 1973, S. 8 (KPAR A2864). 105 Meteorologisches Forschungsflugzeug der DFVLR, Manuskript, ca. 1974, S. 11 (KPAR A2865).
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NCAR in Boulder, ebenfalls ausschlaggebend für den Anforderungskatalog an das neue Flugzeug.106 Diese Anforderungen wurden im Detail zu unterschiedlichen Momenten unterschiedlich formuliert, lassen sich aber grob folgendermaßen zusammenfassen: Die neue Maschine sollte eine Messflugdauer von bis zu sieben Stunden, eine Reichweite von 2000 bis 5000 Kilometer, eine Flughöhe von bis zu 13 Kilometer, Platz für zwei bis drei Messleute, eine »wissenschaftliche Nutzlast« von ungefähr 150 bis 500 Kilogramm, Allwettertauglichkeit (also mit einer Enteisungsanlage ausgerüstet), die Möglichkeit, Geräte innerhalb und außerhalb des Rumpfes zu befestigen, eine Druckkabine mit einem Fenster im Boden sowie einen Nasenmast haben. Militärische Flugzeuge seien für solche Forschungszwecke nicht geeignet, unter anderem weil diese in der Regel nur verliehen würden und bauliche Veränderungen nicht erlaubt seien. Zudem seien sie oft nur teildruckbelüftet, was das Messpersonal zum Tragen von Atemmasken zwingen und sie somit in ihrer Bewegungsfreiheit behindern würde. Außerdem müsste das Personal eine Tauglichkeitsprüfung ablegen, die es befähigte, in Militärjets zu fliegen. Dazu kamen mögliche politisch-diplomatische Schwierigkeiten bei Flügen oder Notlandungen im Ausland. Dem Beschaffungsausschuss war auch klar, dass für das Flugzeug ein weltweiter Service und eine gute Versorgung von Ersatzteilen auch in 20 Jahren noch gewährleistet sein müssten.107 Trenkle wies in seinem Bericht ausdrücklich darauf hin, dass sich die Situation an der DFVLR von derjenigen an US-Instituten oder an der »European Space Research Organisation (ESRO)« (ein Vorläufer der späteren ESA) unterscheide. In den USA waren seiner Zählung nach mehr als 100 Forschungsflugzeuge aller Größen im Einsatz, was Trenkle auf die im Vergleich zu Deutschland massiv besseren Finanzierungsmöglichkeiten zurückführte. Die ESRO, die ebenfalls plante, ein neues Forschungsflugzeug für internationale Routinearbeiten im Bereich Erderkundung anzuschaffen (»Earth Resources Aircraft«), sei als euro-
106 Insgesamt 30 Institute wurden angeschrieben, 17 davon reichten Wünsche ein, die tatsächlich realisierbar erschienen (Interner Bericht IB 553, 73/1: Gesichtspunkte für die Auswahl eines grösseren Forschungsflugzeuges für die Bereiche der atmosphärischen Wissenschaften, von [Fritz] Trenkle, Mai 1973, S. 18 [KPAR A2864]. Siehe auch Ereignisvermerk zur Besprechung vom 19.07.1974 über das meteorologische Forschungsflugzeug, von Heinz Fortak/Manfred Reinhardt, S. 3 [KPAR A2865]). 107 Interner Bericht IB 553, 73/1, Gesichtspunkte für die Auswahl eines grösseren Forschungsflugzeuges für die Bereiche der atmosphärischen Wissenschaften, von [Fritz] Trenkle, Mai 1973, S. 8, 20-23 und 31 (KPAR A2864).
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päisches Beispiel ebenfalls nicht mit der DFVLR-Situation zu vergleichen. Denn ein neues DFVLR/IPA-Flugzeug war ausdrücklich nicht für Routinemessungen vorgesehen, sondern für stets wechselnde Aufgaben auf nationaler Basis. Es sollte daher jeweils schnell umgerüstet und für neue Einsätze bereit gemacht werden können, ohne vorher langwierige Verhandlungsprozeduren durchlaufen zu müssen. 108 Darüber hinaus sollte es nach den Bedürfnissen der beteiligten wissenschaftlichen Institute auch langfristig umgebaut, also beispielsweise mit einem Nasenmast versehen werden. Daher konnte man es nicht von anderen Flugzeugeigentümern wie der Bundeswehr chartern oder ausleihen (wie dies zum Beispiel bei den T-33 der Fall war). Denn, so die Argumentation, solche »schwerwiegende[n] Umbauten« würde kein Flugzeugeigentümer »dulden«, weil er »ja möglichst keine Nachteile für seine eigenen normalen Verwendungszwecke erleiden will«.109 Im Gegensatz zum Instrumentarium auf Forschungsschiffen müssen die Apparaturen in Flugzeugen extremen Bedingungen durch Temperatur- und Druckschwankungen standhalten und zudem auf eine massiv höhere Reisegeschwindigkeit eingestellt sein. Instrumente an Bord eines Flugzeuges mussten daher, anders als solche auf einem Schiff, in mehreren Versuchsflügen getestet werden, bevor damit zuverlässig gemessen werden konnte. Dies bedeutete, je größer das Flugzeug war und je mehr Instrumente in und außerhalb der Kabine montiert werden konnten, desto länger dauerten die Montage- und Erprobungsphasen. Große Maschinen wären somit länger am Boden und auf reinen Erprobungsflügen als kleinere mit weniger Installationsraum. Daher sollte das neue DFVLRFlugzeug zwar groß genug für die oben aufgeführten Voraussetzungen sein und gleichzeitig dennoch möglichst klein und effizient. 110 Darüber hinaus war es stark von der aktuellen Wetterlage abhängig, ob ein Messflug überhaupt durchgeführt werden konnte oder nicht. Im Gegensatz zu einem Messschiff musste ein Messflugzeug deshalb auch relativ schnell und flexibel umgerüstet werden können.111
108 Ebd., S. 26. 109 Meteorologisches Forschungsflugzeug der DFVLR, Manuskript, ca. 1974, S. 14 (KPAR A2865). 110 Interner Bericht IB 553, 73/1, Gesichtspunkte für die Auswahl eines grösseren Forschungsflugzeuges für die Bereiche der atmosphärischen Wissenschaften, von [Fritz] Trenkle, Mai 1973, S. 26-28 (KPAR A2864). 111 Vgl. dazu auch Meteorologisches Forschungsflugzeug der DFVLR, Manuskript, ca. 1974, S. 12 (KPAR A2865).
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Die Anforderungen an das neue DFVLR-Forschungsflugzeug unterschieden sich damit im Grunde kaum von James Cooks Ansprüchen an das ideale Forschungsschiff. Cook war zu dem Schluss gekommen, dass ein großes und schwerbeladenes Schiff zwar beeindruckend und mit Personal und Instrumenten gut zu beladen sei, dafür aber schwer navigierbar und nicht mit genügend Proviant zu versorgen. Er wünschte sich daher am liebsten ein »dumpy North Sea collier«, um die Weltmeere zu erforschen.112 Sowohl Cook wie auch die Wissenschaftler am IPA mussten also die Balance zwischen Leistungsfähigkeit und Praktikabilität (inklusive Finanzierbarkeit) finden. Als Standort für das neue Flugzeug bewarb das IPA Oberpfaffenhofen: Die »Flugbereitschaft« am DFVLR-Standort Oberpfaffenhofen sei in der Lage, solche Flugzeuge zu warten. Darüber hinaus, so das Institut, stünde dort entsprechend ausgebildetes Personal zur Verfügung.113 Die Expertise der dortigen Wissenschaftler, Piloten und Techniker wurde offensichtlich auch von anderen Institutionen geschätzt, welche nicht zur DFVLR gehörten. Ein expliziter Hinweis darauf, dass sich das IPA, das die treibende Kraft und der potentielle Hauptnutzer eines neuen Forschungsflugzeuges war, selber in Oberpfaffenhofen befand, fehlte in diesem Antrag an die DFG hingegen. Zusammengefasst heißt das, es sollte also ein Flugzeug angeschafft werden, das nicht zu groß und nicht zu klein und im Besitz der DFVLR war, in Oberpfaffenhofen stationiert war und dessen Einsätze vom IPA koordiniert würden. Zur Abklärung, was für eine Maschine solchen Anforderungen gerecht würde, hatte sich Fritz Trenkle bereits an eine Reihe ausländischer Institute gewandt, um sich nach deren neuen oder projektierten Maschinen zu erkundigen. Die NASA hatte an einer »Gulfstream II« Interesse gezeigt. Das Institut géographique national in Frankreich beispielsweise besaß seit Mai 1972 eine »Falcon 20 F«114, die in der Scientific Community als »surely […] one of the best equipped operational remote sensing aircraft existing in Europe today« anerkannt wurde.115 Trenkle bat dort um mehr Informationen zu den Flugeigenschaften sowie
112 Sorrenson: »The Ship as a Scientific Instrument«, S. 226. 113 Trägerflugzeug für die wissenschaftliche Forschung, Entwurf [mit handschriftlichen Notizen von Manfred Reinhardt], DFVLR Porz/Wahn, Mai 1972, inkl. 2. Entwurf, 13.03.1972 (KPAR A2869). Mehr zur Flugbereitschaft Oberpfaffenhofen siehe auch: Die Flugbereitschaft Oberpfaffenhofen im Dienste der Flugforschung, Dezember 1971 (KPAR A2864). 114 Brief des Institut géographique national an die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, 17.11.1972 (KPAR A2866). 115 Van Genderen, »Remote Sensing of Earth Resources«.
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um ein Bild der Installationen in der Kabine.116 Das NCAR betrieb seit 1968 in Boulder eine Sabreliner der Firma North American Rockwell. Jene Maschine war konzipiert, um beispielsweise Dropsondenmessungen, Studien zu Wolkenelektrizität oder Messungen zur tropischen Atmosphärendynamik durchzuführen. In dieser Funktion was sie auch am GATE-Projekt beteiligt.117 Trenkle wandte sich daher auch an die North American Rockwell. Mit dem Verweis auf das NCAR, das er als das »amerikanische Schwester-Institut« des IPA bezeichnete, bat er auch dort um nähere Angaben zu den Sabreliner-Typen.118 Zudem lag dem IPA der Bericht vor, den die North American damals zum NCAR-Sabreliner erstellt hatte. 119 Die Empfehlung, ein Geschäftsflugzeug mit zwei JetTriebwerken anzuschaffen, basierte auf der Erfahrung dieser Institutionen im Ausland.120 Zweiter Schritt: Wahl des neuen Flugzeuges In Trenkles internem Bericht zur Auswahl eines neuen Forschungsflugzeugs war eine Kostenaufstellung beigefügt, die die vier verschiedenen Flugzeugtypen der oben erwähnten ausländischen Institute miteinander verglich (Abbildung 22). Für eine Sabreliner, eine Falcon 20 F, eine Gulfstream oder eine Hawker Siddeley (HS) 125 beliefen sich die geschätzten Anschaffungskosten auf gut 3,4 bis 12,6 Mio. DM. Die Betriebskosten lagen bei allen Typen ungefähr in der gleichen Größenordnung (400.000 bis 500.000 DM pro Jahr). Gemäß dieser Einschätzung war die Gulfstream, für die sich die NASA ebenfalls interessierte, bei
116 Brief von F[ritz] Trenkle an das Institut géologique Creil/Oise (FR), 09.11.1972 (KPAR A2866). 117 Siehe Anhang zu Interner Bericht IB 553, 73/1, Gesichtspunkte für die Auswahl eines grösseren Forschungsflugzeuges für die Bereiche der atmosphärischen Wissenschaften, von [Fritz] Trenkle, Mai 1973, S. B-2 (KPAR A2864). 118 Brief von F[ritz] Trenkle an das North American Rockwell European Office, 25.10.1972 (KPAR A2662). 119 Detail Specification for the NCAR Research Jet Aircraft, North American Aviation, Inc. Los Angeles, Report Nr. NA-66-644-1, Addendum Nr. 1, 05.05.1967 (KPAR A2866). 120 Siehe unter anderem Interner Bericht IB 553, 73/1, Gesichtspunkte für die Auswahl eines grösseren Forschungsflugzeuges für die Bereiche der atmosphärischen Wissenschaften, von [Fritz] Trenkle, Mai 1973, S. 28 (KPAR A2864).
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weitem die teuerste Variante, und die Sabreliner des NCAR am günstigsten. Die Falcon 20 F lag preislich dazwischen.121
Abbildung 22: Aufstellung der geschätzten Anschaffungskosten verschiedener Forschungsflugzeuge
Quelle: [Fritz] Trenkle: Interner Bericht IB 553, 73/1, Gesichtspunkte für die Auswahl eines grösseren Forschungsflugzeuges für die Bereiche der atmosphärischen Wissenschaften, Mai 1973, S. 28 (KPAR A2864)
Zusammen mit der Zentralabteilung Luftfahrttechnik holte das IPA bei den Herstellern der vier zur Auswahl stehenden Maschinen schließlich je eine Offerte ein.122 Zudem wandte sich Reinhardt erneut an das NCAR, um dessen Erfah-
121 Interner Bericht IB 553, 73/1, Gesichtspunkte für die Auswahl eines grösseren Forschungsflugzeuges für die Bereiche der atmosphärischen Wissenschaften, von [Fritz] Trenkle, Mai 1973, S. 69 (KPAR A2864). 122 Vermerk 555, 30/73, betr. Ergebnisprotokoll einer Besprechung bei I 553 am gleichen Tage wegen Meteorologischen Messflugzeuges, von E. Urbatzka, DFVLR Zentralabteilung Luftfahrttechnik, 31.10.1973 (KPAR A2869).
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rungen mit der Sabreliner mit noch präziseren Fragen zu erörtern.123 Reinhardts Ansprechperson in Boulder war Jack Hinkelmann, der sich sehr kooperativ zeigte. In seinem Antwortbrief an Reinhardt wird deutlich, wie stolz das NCAR auf seine Sabreliner und auf die Arbeit mit ihr waren. Die Maschine habe sich für deren Arbeit als »outstanding« erwiesen: »We are very proud of the research accomplishments of our Sabreliner program, and are most pleased to share the results of our efforts with you and your group. If you have any additional questions or desire any additional engineering or sensor data, please do not hesitate to request it. It would be most desirable, after you have had an opportunity to review the data provided, to personally review our program with you and your people because I am certain that there are things of real interest to you that have not been provided herein. Since I plan to spend some time in Africa during GATE, I may be able to visit you in Oberpfaffenhofen at that time.«124
Nebst den erfragten Detailinformationen zur Sabreliner vermittelt Hinkelmanns Schreiben sowohl wissenschaftliches Selbstbewusstsein als auch eine Wertschätzung des NCAR gegenüber dem IPA. Reinhardt und Hinkelmann scheinen sich persönlich gekannt zu haben, sprach Hinkelmann Reinhardt doch in seinem Brief mit Vornamen an und schloss ihn mit »My regards to your family and the fine people at DFVLR«. Grundsätzlich lief der Kontakt zwischen den beiden Institutionen oft auch auf der persönlichen Ebene ab. Die regelmäßigen Besuche von IPA-Wissenschaftlern am NCAR waren dabei sicherlich eine wichtige Grundlage, solche Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Bis zum Frühling 1974 verkleinerte sich die Shortlist der möglichen Flugzeugtypen von vier auf drei. Die HS 125 fiel im Vergleich mit der von Hinkelmann gepriesenen Sabreliner durch und wurde von der Liste gestrichen. Sie konnte weder bei der Größe noch bei den Installationsmöglichkeiten mithalten.125 Die Sabreliner, wie sie vom NCAR verwendet wurde, war zudem günstiger (7,4 Mio. DM) als die HS 125 (9,8 Mio. DM) und schneller lieferbar.126 Eine
123 Brief von Manfred Reinhardt an Jack Hin[c]kelmann, 07.12.1973 (KPAR A2866). Es ist anzunehmen, dass sich das IPA auch an die anderen Institute gewandt hat. 124 Brief von Jack W. Hin[c]kelmann an Manfred Reinhardt, 13.02.1974 (KPAR A2866). 125 Brief von Manfred Reinhardt/Fritz Trenkle an Jack W. Hinkelmann, 19.04.1974 (KPAR A2866). 126 Reisebericht für 13./14.03.1974, Besprechung mit HWT und zwei Firmen über meteorologisches Messflugzeug, von [Fritz] Trenkle, 15.03.1974 (KPAR A2866).
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kurze Lieferzeit war ein wichtiges Argument, denn die alten IPA-Flugzeuge drohten aufgrund ihres hohen Alters bald auszufallen.127 Zwar stand die Offerte der Firma Grumman für die Gulfstream II noch aus, doch Reinhardt bezweifelte bereits vorher, dass sich eine solche Anschaffung, die fast dreimal so teuer war wie die Sabreliner, rechtfertigen ließe.128 Die Befürchtung war, dass ein so kostspieliges Flugzeug nicht von der DFVLR allein finanziert werden könnte, sondern noch mehrere Ministerien involviert wären. Wenn sich mehr Stellen daran beteiligten, würde auch entsprechend mehr Mitbestimmung gefordert. Was John Krige für die Anschaffung des Teilchenbeschleunigers am CERN feststellte, drohte also auch beim neuen Forschungsflugzeug. 129 Je teurer das Instrument war, desto mehr Institutionen müssten für die Finanzierung miteingebunden werden, desto weniger Mitbestimmung bliebe für die einzelnen Akteure in Bezug auf den tatsächlichen Einsatz des Gerätes. Das IPA fürchtete, in einem solchen Fall seine eigenen Anliegen nicht mehr durchsetzen zu können, sondern »entsprechend den gegebenen Machtverhältnissen« von Raumfahrt- oder Erderkundungswissenschaftlern ausgestochen zu werden: »Je grösser die Organisation bzw. der Rahmen gewählt wird, desto weniger bleibt für Luftphysiker und -Chemiker übrig!«130 Es sollte also tunlichst vermieden werden, zu viele Ministerien bei der Finanzierung zu beteiligen. Abgesehen davon bewies die Firma Grumman »sehr wenig Kooperationsfreudigkeit«.131 Die Gulfstream war folglich bald keine Option mehr. Am Ende standen nur noch die Falcon und die Sabreliner auf der Liste. Im Juni 1974 reiste Trenkle zusammen mit je einem Vertreter der DFVLR Forschungsplanung und der Luftfahrttechnik Oberpfaffenhofen nach Genf, um mit der dortigen Firma Rockwell International weitere Details zu besprechen.132
127 Vgl. dazu auch die Redewendung »Wer schneller gibt, gibt doppelt« in: Meteorologisches Forschungsflugzeug der DFVLR, Manuskript, ca. 1974, S. 16 (KPAR A2865). 128 Brief von Manfred Reinhardt/Fritz Trenkle an Jack W. Hinkelmann, 19.04.1974 (KPAR A2866). 129 Krige: »Institutional Problems«. 130 Meteorologisches Forschungsflugzeug der DFVLR, Manuskript, ca. 1974, S. 17 (KPAR A2865) (Hervorhebung im Original). 131 Ereignisvermerk zur Besprechung vom 19.07.1974 über das meteorologische Forschungsflugzeug, von Heinz Fortak/Manfred Reinhardt, S. 2 (KPAR A2865). 132 Reisebericht Dienstreise nach Genf, 17.-19.06.1974, Besprechung der Spezifikationen zur Anschaffung eines meteorologischen Forschungsflugzeuges, von P. Pütz, 21.06.1974 (KPAR A2866).
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Rockwell war die Firma, die die Sabreliner für das NCAR lieferte. Im Juli schien diese dann tatsächlich das Rennen gemacht zu haben. In einer Sitzung zur Flugzeugauswahl, an der Vertreter des Meteorologischen Instituts der FU Berlin, der »Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich«, des DWD (Hohenpeißenberg), des DFVLR und des IPA anwesend waren, stimmte die Mehrheit für diese Maschine der North American Rockwell, und damit für die gleiche, die bereits am NCAR in Betrieb war.133 Schließlich kam es doch anders. Am 24. Oktober 1974 versammelten sich die Vertreter mehrerer Institutionen, die sich bereits zur Sache geäußert hatten, am DFVLR-Standort in Porz-Wahn.134 Die unterschiedlichen Wünsche betreffend der Flughöhe konnte keines der bisher diskutierten Modelle befriedigen. Die Falcon 20 E, die den Beinamen »Mystère« hatte, stach dafür durch etwas anderes hervor: »Es war allen beteiligten Meteorologen klar, dass keines der vorgeschlagenen Flugzeuge in den Tropen die Stratosphäre erreicht. Jeder hatte die Vorlage mit den Diagrammen für die möglichen Reichweiten bzw. Flugdauer in großen Höhen, alle stimmten dem Vorschlag der Beschaffung einer Mystère zu, gaben also dem größeren Einbauraum und der günstigeren Reichweite in 10-11 km Höhe den Vorzug vor der etwas größeren Gipfelhöhe.«135
Die perfekte Maschine gab es nicht. Die Falcon war am Ende diejenige, auf die sich alle einigen konnten. Was für James Cook also das »dumpy North Sea collier« darstellte, war die Falcon für das IPA: der praktikabelste Kompromiss zwischen Leistungsfähigkeit, Wendigkeit, Finanzierbarkeit und Ladevolumen.
133 Die genauen Gründe für die Wahl der Sabreliner wurden nicht festgehalten (Ereignisvermerk zur Besprechung vom 19.07.1974 über das meteorologische Forschungsflugzeug, von Heinz Fortak/Manfred Reinhardt, S. 5 [KPAR A2865]). 134 Eine genaue Teilnehmerliste liegt allerdings nicht vor. Sicher waren dort unter anderem auch Vertreter des DWD, des Meteorologischen Instituts der Universität München, des Instituts für Geophysik und Meteorologie der Universität Köln und des IAE(?) (Brief von Manfred Reinhardt an Rasch, 29.10./08.11.1974 [KPAR A2865]). Nachweislich wurde ein Protokoll jener Sitzung erstellt (siehe dazu Aktennotiz betr. Meteorologisches Forschungsflugzeug, hier: Ergänzung des Protokolls DFVLR/HWT vom 12.11.1974, Pü/Tie, über die Anhörung am 24.10.1974 in Porz/Wahn, von Ferdinand Schatt/Manfred Reinhardt, 25.11.1974 [KPAR A2865]), das allerdings nicht überliefert zu sein scheint. 135 Brief von Hans-Jürgen Bolle an Rasch, 16.10.1974 (KPAR A2866).
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D IE F ALCON IM E INSATZ : V ERWISCHEN DER DES IPA UND DER DFVLR
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S IGNATUREN
Am 2. Dezember 1974 gab der DFVLR-Vorstand grünes Licht, mit der Herstellerfirma Dassault Kaufverhandlungen aufzunehmen. 136 Bereits wenige Tage später trafen in Porz-Wahn die allgemeinen Vertragsbedingungen für den Kauf einer Fan Jet Falcon 20 E ein; der Vertragsunterzeichnern stand nichts mehr im Wege.137 Der Preis für das neue Forschungsflugzeug inklusive den Umbauten für die wissenschaftlichen Instrumente betrug 9,8 Mio. DM. Anderthalb Jahre später, im Juli 1976, kam die fabrikneue Falcon in Oberpfaffenhofen an, wo ihre Ankunft mit einem Festakt gefeiert wurde. Anwesend waren neben den IPADirektoren Reinhardt und Fortak auch der DFVLR-Vorstandsvorsitzende und »Vertreter aus Forschung, Wirtschaft, von Behörden und der Bundeswehr«.138 An der Übergabefeier manifestierte sich ein großes öffentliches Interesse am neuen Forschungsflugzeug und die Einsätze der Falcon erhielten in der Folge Aufmerksamkeit über die Bundesgrenzen hinaus. Selbst die Tiroler Tageszeitung pries sie an als einen »sensationell neuartige[n] Wetter-Düsenjet (von dem es nur zwei Modelle auf der ganzen Welt gibt)«, während die Motorsegler mit »vorsintflutlich aussehenden Messfühler[n]« ausgerüstet seien.139 Die Artikelüberschrift »Vom Wetterfrosch zum Meteorologen-Düsenjet« verstärkte das Bild einer sagenhaft modernen Maschine, die die weniger spektakulären älteren Flieger daneben als veraltet erscheinen ließ. Das neue Forschungsflugzeug stand somit als technologischer Booster im Rampenlicht der überregionalen Presse und zog so die DFVLR als Eigentümerin mit ins Rampenlicht. Im öffentlichen Auftritt der DFVLR erhielt die Maschine fortan einen prominenten Platz. Bereits im Jahresbericht von 1977 wurde die Falcon gut sichtbar positioniert (Abbildung 23).140
136 166. Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, Porz-Wahn, 02.12.1974, Tagesordnungspunkt 18 (KPAR A565). 137 Allgemeine Vertrags-Bedingungen für den Verkauf der Fan Jet Falcon. Bonn, 06.12.1974 (KPAR A2865); Vermerk betr. Kaufvertrag für die Mystère 20 E, Anruf von [Ferdinand] Schatt am 18.12.1974, von P. Pütz, 19.12.1974, S. 2 (KPAR A2865). 138 Harbers/Schumann: »25 Jahre Falcon«, S. 4. 139 O.V.: »Vom Wetterfrosch zum Meteorologen-Düsenjet«, in: Tiroler Tageszeitung Nr. 182 vom 08.08.1977. 140 DFVLR Jahresbericht 1977, S. 65-66.
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Abbildung 23: Darstellung der Falcon 20 E Mystère im DFVLR-Jahresbericht von 1977. Rechts ist die Einrichtung als fliegendes Labor abgebildet
Quelle: DFVLR Jahresbericht 1977
Abbildung 24 und 25: Die Cessna (links) gehörte dem IPA und wurde im DFVLR-Jahresbericht auch als IPA-Flugzeug ausgewiesen. Rechts: Die Falcon als DFVLR-Forschungsflugzeug
Quelle: DFVLR Jahresbericht 1978, S. 67 und 68
Angesichts der hohen Anschaffungskosten von fast 10 Mio. DM war dies nicht erstaunlich. Auch in den folgenden Jahren erhielt das Flugzeug in DFVLRJahres- und Ergebnisberichten große Aufmerksamkeit, allerdings nicht im expliziten Zusammenhang mit dem IPA. Die institutionelle Einbindung der Maschine war somit kaum sichtbar ausgewiesen, ganz im Gegensatz zur Cessna 310. Während die Cessna als IPA-Maschine ausgewiesen war, wurde die Falcon als »DFVLR-Forschungsflugzeug« bezeichnet (Abbildung 24 und 25).141 Sie fun141 DFVLR Jahresbericht 1978, S. 67 und 68; DFVLR Ergebnisbericht 1978, S. 4.194.22.
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gierte also in erster Linie als Maschine der DFVLR. Die Verbindung zum IPA bleibt im offiziellen Bericht nebensächlich. Dies mag daran liegen, dass ab 1975 die Ergebnis- und Jahresberichte der DFVLR nicht mehr nach den einzelnen Instituten, sondern nach Projekten gegliedert worden waren. Somit verschwanden Institute wie das IPA als Ordnungsfaktor der Arbeiten, während die Projektausrichtung sichtbarer wurde. Damit widerspiegelt sich die Wissenschaftsmentalität der 1970er Jahre, die (wie im Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre« ausgeführt) eine Situation schuf, in der sich Forschende und Arbeitsgruppen »den hierarchischen Strukturen der Projektordnung [unterwarfen]«.142 Ein ähnliches Bild bietet sich auch in der Fachliteratur. In einem Artikel der Zeitschrift »Advances of Space Research« berichteten 1983 Forscher des »Laboratoire de Météorologie Dynamique du C.N.R.S.« in Frankreich über das flugzeuggetragene Radiometer JANUS, welches sie in Flugexperimenten getestet hatten. Dafür hatten sie ein Flugzeug des Typs Pilatus Porter verwendet. Für Sommer 1982 hatten sie aber geplant, die Falcon für ihre Experimente zu verwenden, die als DFVLR-Flugzeug bezeichnet wurde.143 Abbildung 26: Mitarbeiter des IPA präsentieren sich 1982 neben der Falcon
Quelle: DFVLR Jahresbericht 1981
142 Oetzel: Forschungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 300. Um die spezifische Repräsentation der Falcon nicht nur in DFVLR-, sondern auch in IPADokumenten zu analysieren, ist die Quellenlage nicht ausreichend. 143 Berroir et al.: »JANUS«, S. 130.
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An diesen Beispielen zeigt sich, dass die Anschaffung des neuen Flugzeuges nicht nur für das IPA, sondern auch für die DFVLR eine bedeutende Anschaffung gewesen war. Das IPA war zwar Initiant und Motor der Flugzeugbeschaffung, auf DFVLR-Ebene spielte dies aber für die Vermittlung des neuen Instrumentes an die Öffentlichkeit keine Rolle. Erst 1980 wird die Falcon zum ersten Mal explizit mit dem Institut in Zusammenhang gebracht. Fortan erhielt das IPA, wie alle anderen DFVLR-Institute, im hinteren Teil der Jahresberichte Platz, um die Ausrichtung und die Arbeiten öffentlich präsentieren zu können. Dabei stellte das Institut die Falcon als eines der wichtigsten Instrumente dar, das bald auch mit einem Bild der IPA-Mannschaft illustriert wurde (Abbildung 26).144 Dieses Bild eines IPA-Teams neben der Falcon war eine der ersten Abbildungen dieser Art. Es unterscheidet sich von der Inszenierung anderer Flugzeuge, wie zum Beispiel der Queen Air (siehe Abbildung 7). Das Arrangement tauchte seither in IPA-Publikationen immer wieder auf und verdeutlicht den Stellenwert, den das Flugzeug verglichen mit anderen Instrumenten wie numerischen Modellen oder Messsonden in der Darstellung des Instituts einnahm. Diese besondere Stellung unter den Instrumenten drückte sich auch darin aus, dass es in den Berichten als »Falcon« jeweils namentlich explizit erwähnt wurde. 145 Das Forschungsflugzeug war somit nicht nur (unsichtbares) Mittel zum Zweck, sondern beim Namen genannter Akteur bei der Generierung von Forschungsergebnissen.146 Das unterscheidet die Falcon von anderen Instrumenten, wie die namenlosen Motorsegler147, Tropfenzähler oder Simulationsmodelle und unterstreicht seine Autorität in der Repräsentation der Institutsarbeiten.
144 DFVLR Jahresbericht 1980, S. 146. 145 Ähnliches ist auch beim Lidar-Messsystem »ALEX-F« oder dem älteren Forschungsflugzeug Queen Air festzustellen. Zum Beispiel: DFVLR Jahresbericht 1981, S. 64. 146 Siehe zum Beispiel im DFVLR-Ergebnisbericht 1979 unter »Vorhaben 647« (S. 4.17): »Bei 11 Messflügen mit dem Meteorologischen Forschungsflugzeug FALCON 20 wurde die Breitenabhängigkeit des stratosphärischen Ozons vor allem im Tropopausenniveau untersucht.« Siehe auch ebd., S. 4.18: »Systematische Ozonmessflüge mit der Falcon 20 E im Bereich zwischen England und Grönland bestätigen das Auftreten erhöhter Ozonkonzentrationen im Bereich des Strahlstroms.« (DFVLR Ergebnisbericht 1980, S. 4.12) 147 Zum Beispiel: »Mittels der bei speziellen Wetterlagen durchgeführten Motorseglerflüge konnten die Polaren dieser Messträger als Grundlagen zur Bestimmung turbulenter Energieflüsse ermittelt werden.« ebd.; »Eine Reihe von Messungen des Extinktionskoeffizienten als Funktion der Höhe mittels Lidar im Vergleich mit Feuch-
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Ein anderes Beispiel dafür, wie das Bild der Falcon in eine breitere Öffentlichkeit transportiert wurde und damit als Vermittler einer institutionellen Identität agierte, lässt sich am Beispiel des »Alpine Experiment (ALPEX)« demonstrieren. ALPEX war ein Forschungsprojekt der »World Meteorological Organisation (WMO)«, im Rahmen dessen erforscht werden sollte, wie Gebirge die Strömung von Luftmassen beeinflussen. Als das Experiment im September 1981 begann, war die Luftmassenzirkulation in Bergregionen noch kaum gemessen worden. In Kooperation mit 21 Ländern, der ESA und des »European Center for Medium Range Weather Forecasts (ECMWF)«, sammelte die DFVLR während eines ganzen Jahres Daten zu Wetterphänomenen im alpinen Raum. Zusätzlich zu Bodenmessstationen und Radiosonden kamen in diesem internationalen Projekt insgesamt drei Flugzeuge zum Einsatz, zwei amerikanische und ein deutsches: die »Electra« des NCAR, ein namenloses Propellerflugzeug der NOAA und die Falcon. 148 Im DFVLR-Jahresbericht von 1982 erhielten die IPAMitarbeiter Manfred Reinhardt und Hans Fimpel vier Seiten Platz, um über dieses Experiment und das dabei verwendete Forschungsflugzeug zu berichten. Dabei zeichnen sie das Bild einer Falcon, die Seite an Seite mit den beiden Flugzeugen der renommierten Institutionen NCAR und NOAA durch die Atmosphäre zieht: »Die FALCON 20 E ist ein Jet-Flugzeug mit zwei Triebwerken, das die Möglichkeiten der zwar weitreichenden, aber nur relativ niedrig fliegenden amerikanischen Flugzeuge durch seine Fähigkeit, bis in 12 km Höhe fliegen zu können, gut ergänzte. Bei vielen Flügen konnten so Schnitte durch die Atmosphäre bis in die untere Stratosphäre gewonnen werden […]. Auf Nord-Süd-Schnitten über das Massiv der Pyrenäen hinweg entlang der Längengrade 1 Grad Ost und 2 Grad Ost mit etwa 80 km Entfernung voneinander haben die beiden Forschungsflugzeuge FALCON 20 E (DFVLR) und P 3 (NOAA) Traversierungen von 41° Nord bis 44° Nord und umgekehrt gelegt.«149
Die Autoren berichteten nicht nur über die Messergebnisse, sondern schrieben dem Flugzeug als Trägerinstrument der DFVLR eine bedeutende Rolle zu. Im
tevertikalprofilen, aufgenommen mit einem Motorsegler, zeigt eine deutliche Korrelation zwischen Extinktionskoeffizient und relativer Feuchte der Luft […].« (DFVLR Ergebnisbericht 1981, S. 4.12) 148 Reinhardt, Manfred E./Fimpel, Hans: »DFVLR-Beitrag zu ALPEX, dem internationalen meteorologischen Feldexperiment der WMO im Alpenbereich«, in: DFVLR Jahresbericht 1982, S. 53. 149 Ebd., S. 53 und 54.
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Gegensatz zum Flugzeug der NOAA konnte die Falcon höher fliegen und damit andere Daten sammeln, sodass sich die beiden Institutionen in diesem Projekt ergänzten. Ihre technischen Fähigkeiten waren also ausschlaggebend dafür, welche Daten gemessen werden konnten. Dieser Jahresbericht bringt damit zum Ausdruck, was Sorrenson in Bezug auf Humboldts Esel authority nannte.150 Das Modell, die Reichweite und die Art der an Bord mitführbaren Messinstrumente (und in indirektem Sinn auch die Finanzierung) beeinflussten die Art der Messdaten und somit die darauf basierenden Erkenntnisse. Mit der prominenten Positionierung im Jahresbericht wurde die Falcon zudem als ein Kennzeichen der DFVLR in der Öffentlichkeit präsentiert, welches ungleich mehr Wiedererkennungswert hatte als andere technische Methoden oder Ergebnisse eines Feldexperimentes. Forschungsflüge hatten seit dem frühen 20. Jahrhundert kaum an Faszination und Abenteuergeist verloren. Auch zehn Jahre nach ihrer Anschaffung war die Falcon mit einem Anschaffungswert von 10 Mio. DM und Betriebskosten von insgesamt 2 Mio. DM pro Jahr teuerstes Großinstrument am IPA.151 Sie war 150 Stunden pro Jahr im Einsatz und am IPA erwartete man, dass sie diese Leistung noch bis 1996 erbringen würde. Mit geschätzten acht »Mannjahren« war es IPA-intern das Instrument mit dem größten Personalaufwand.152 Auch an anderen Stellen werden solche Listen von Flugzeugen im Allgemeinen oder der Falcon im Speziellen, sowie vom Doppler Polarisation Radar Poldirad angeführt, gefolgt vom Lidar und dem numerischen Simulationsmodell MESOSCOP. Sie alle nehmen als Forschungstechniken eine wichtige Rolle für das wissenschaftliche Selbstverständnis und der öffentlichen Darstellung des IPA ein.153 Die Falcon war bereits
150 Sorrenson: »The Ship as a Scientific Instrument«, S. 228. 151 An zweiter Stelle stand das neue Polarisations Doppler Radar Poldirad mit 5,5 Mio. DM Anschaffungs- und noch unbestimmten Betriebskosten (siehe dazu auch das Kapitel »Radar an Deck und auf dem Dach«). Ebenfalls auf dieser Liste stehen nach Kosten in abnehmender Reihenfolge sortiert: Motorsegler, Do 28, Queen Air, Lidar, Messbus, Knollenberg (Tropfenspektrometer), Klimakammer, Radiometer, Cessna 207. Teilweise wurden diese Geräte von einem anderen Institut für Flugbetrieb (mit)finanziert (Zu Aufgaben und Struktur des Instituts für Physik der Atmosphäre, [von Ulrich Schumann], 09.12.1986, Anlage 1 »Werkzeuge« [KPAR A2843]). 152 Geeignetes Personal für den Falcon-Betrieb zu finden, schien kein Problem gewesen zu sein. Dies im Gegensatz zum Betrieb das Polarisations Doppler Radars Poldirad, dessen Betrieb mit sechs Vollzeitstellen besetzt werden musste. 153 Siehe zum Beispiel auch die interne Aufstellung der Fachplanung 1989, die »nur für den internen Gebrauch« bestimmt war (Fachplanung Bereich NA, Institut NE-PA,
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mit der Ankunft in Oberpfaffenhofen wichtiger Bestandteil der institutionellen Identität des IPA geworden. Doch das Studium der Falcon-Darstellungen in den offiziellen DFVLR-Berichten zeigt, dass die Maschine daneben auch auf der DFVLR-Ebene als wertvolles Aushängeschild diente. Dass die Falcon auch für die DFVLR-Signatur eine wichtige Rolle spielte, zeigt, wie sich die Signaturen des IPA und der DFVLR ab den 1970er Jahren stärker vermischten. Es widerspiegelt sich darin die veränderte DFVLR-Struktur, die (mindestens in der Vermittlung gegenüber Öffentlichkeit und Geldgebern) die Position einzelner Institute abschwächte und stattdessen mehr in Richtung institutsübergreifender Projektarbeit und Kooperation ging.154 Wie im Kapitel »Von der DFS zum IPA« erläutert, markierten die 1970er Jahre ein Bekenntnis der DFVLR zum IPA und eine stärkere Verankerung des Instituts innerhalb der Organisation. Die Inszenierung der Falcon in den DFVLR-Berichten veranschaulicht somit eine Folge dieser Verankerung: Das IPA teilte sich fortan Techniken als wichtige Identitätsmerkmale mit der DFVLR.
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Die Falcon als Forschungsinstrument ist in mehrerer Hinsicht interessant. Erstens wurde sie als erstes Motorflugzeug der IPA-Flotte speziell als Forschungsinstrument konzipiert und angeschafft. Dies unterschied sie von anderen Motorflugzeugen, die bis dahin dem IPA zur Verfügung standen. So waren beispielsweise ihre Vorgängerinnen, die Canberra oder die Lockheed T-33, ursprünglich Maschinen der Bundeswehr, die in Forschungsflugzeuge umfunktioniert wurden. Dies unterschied sie auch von einer V-2-Rakete, deren wissenschaftliches Programm V-2 komplett von militärischen Interessen vorgegeben und an deren bereits bestehende Technik angepasst wurde.155 Die technische Ausrüstung der Falcon orientierte sich hingegen am wissenschaftlichen Programm, nicht umgekehrt. Darin, dass sie eigens für eine bestimmte Art von Atmosphärenforschung angeschafft wurde, folgte das IPA dem Vorbild ausländischer Einrichtungen, die in einem ähnlichen Bereich forschten, wie das NCAR und die NASA in den
31.08.1989 [KPAR A2843]). In diesem Dokument wird die »Mesoskala« sogar im kondensierten Auftragsbeschrieb verankert: »Im Institut werden mesoskalige atmosphärische Prozesse und ihre Bedeutung für Klima und Umwelt untersucht.« 154 Wie in der Einleitung erwähnt, ist diese veränderte Arbeitsstruktur mit ein Grund für die schwierige Quellensituation dieser Untersuchung. 155 DeVorkin: Science With a Vengeance, S. 345.
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USA, oder das Institut géographique national in Frankreich). Das IPA wandte sich an sie, um von ihren Erfahrungen mit den jeweiligen Flugzeugtypen zu profitieren und sich mit einem neuen Flugzeug, was Ausstattung und Leistungsfähigkeit betraf, nach dem internationalen Standard zu richten. Mit der Wahl der Falcon 20 E bewegte sich das IPA somit auf einem ähnlichen Level der technischen Ausstattung wie sein Vorbild und Kooperationspartner NCAR. Ausgewählt mit dem Blick auf den internationalen Forschungsstandard war die Falcon somit auch Ausdrucksmittel für die wissenschaftliche Exzellenz des IPA. Zweitens lässt sich anhand dieses Forschungsflugzeuges zeigen, wie einem Großforschungsinstrument Autorität im Sorren’schen Sinne verliehen wurde.156 Aus der Untersuchung der Beschaffungsverhandlungen und dem Auswahlverfahren wird ersichtlich, dass Größe, Reichweite und Kapazität einer neuen Maschine bestimmen, welche Daten gemessen und somit welche Fragen beantwortet werden können. Es zeigt auch, dass diese Autorität das Ausmaß an Einfluss bestimmte, das ein einzelnes Institut wie das IPA auf den Einsatz eines Instrumentes hatte. Je größer, leistungsfähiger und damit teurer eine solche Technik war, desto mehr Stellen waren in deren Beschaffung involviert und desto kleiner war der Einfluss eines einzelnen Akteurs darauf, welche Fragen damit beantwortet wurden. Die Wahl des Flugzeugtyps hatte folglich nicht nur Einfluss auf die Datenmessung selbst, sondern auch darauf, in welchem Ausmaß ein solches Instrument die institutionelle Identität mitformte. Drittens war die Falcon ein Instrument, dessen Funktion über die rein technische hinausging. Durch sie ließ sich publikumswirksam ein Kernelement der IPA-Signatur vermitteln: Forschung durch Fliegen. Wie im Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre« bereits ausgeführt, hatte sich das Kernelement Fliegen seit den Segelflugaktivitäten in den 1950er Jahren insofern verändert, als es als Forschungsmethode das Fliegen als primärer Forschungsgegenstand ersetzte. Die Falcon war in diesem Sinne die publikumswirksame Materialisierung dieses Kernattributes der IPA-Identität. Als IPA-»Flaggschiff«157 erinnert es zudem auch semantisch an seine konzeptionelle Nähe zu den Forschungsschiffen, wie hier beschrieben. Die Falcon als Großforschungsinstrument konnte nicht vom IPA allein finanziert werden, sondern wurde zusammen mit der DFVLR angeschafft. Zudem fällt ihre Ankunft am Institut in eine Zeit der stärkeren Anbindung des IPA an die DFVLR. Ihr Fall zeigt, viertens, beispielhaft eine Verflechtung der Signaturen der DFVLR mit denjenigen des IPA ab den 1970er Jahren. Wie van Helden
156 Sorrenson: »The Ship as a Scientific Instrument«, S. 228. 157 O.V.: »Flugzeuge für die Forschung«, S. 33.
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und Hankins erklärten, werden wissenschaftliche Instrumente stets auch für ein Publikum geschaffen. Dieses besteht jeweils zum einen aus den Wissenschaftlern, die das Instrument für ihre Forschung verwenden, zum anderen sind dies auch die »patrons«, unter deren Schirmherrschaft es beschafft wird.158 Im Falle der Falcon war die DFVLR wichtige Schirmherrin. Die Anschaffung des neuen Forschungsflugzeuges wurde zwar größtenteils von IPA-Mitarbeitern initiiert und vorangetrieben. Im öffentlichen Auftritt fungierte die Falcon jedoch primär als Aushängeschild der DFVLR. Sie kann daher auch als das Integrationsobjekt par excellence des IPA innerhalb der DFVLR betrachtet werden. Das IPA war ein Teil der DFVLR, die ihrerseits eine eigene institutionelle Identität aufwies, die einen Rahmen dafür vorgab, in welche Richtung sie und das IPA sich verändern konnten (»act-in-character« 159 ). Eine weiterführende Fragestellung wäre somit, in welchem Ausmaß die DFVLR-Identität auch eine Herausforderung für die Entwicklung der IPA-Identität darstellte.160 Die Falcon und das Flugzeug als Großforschungsinstrument allgemein bieten somit einen Ausgangspunkt für Fragestellungen, die über den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit hinausgehen. Welche Wirkung übte beispielweise ein solches Instrument auf die Identifikation der Wissenschaftler aus? Welche Rolle spielte der Aspekt von Abenteuer und Heldenhaftigkeit, der dem Fliegen anhing, für diese Identifikation und die wissenschaftliche Praxis? Zu der Zeit, als die Falcon bestellt wurde, schaffte auch die NASA ein neues »fliegendes Laboratorium« an. Im Jahr 1975 nahm das »NASA Ames Research Center« in Kalifornien eine umgebaute Lockheed, eine ehemalige Militärtransportmaschine, als Forschungsflugzeug in Betrieb. Dieses »Kuiper Airborne Observatory (KAO)« konnte die obere Atmosphäre erreichen, bot Platz unter anderem für ein Teleskop und diente der Erforschung astronomischer Fragestellungen. 161 Obwohl unterschiedlich in der Größe und im Einsatz, scheinen die Falcon am IPA und das KAO eine ähnliche Funktion an ihren Instituten inne gehabt zu haben. In den 20 Jahren seines Einsatzes von 1975 bis 1995 war das KAO wichtiges Forschungsinstrument der NASA-Astronomie und wurde zu einem identitätsstiftenden Instrument für die Wissenschaftler. Ein Mitglied der Kuiper-Besatzung
158 Van Helden/Hankins: »Introduction«, S. 5. 159 Whetten: »Albert and Whetten Revisited«, S. 223. 160 Um dieser Frage nachzugehen, wäre eine tiefere Auseinandersetzung mit der institutionellen Identität der DFVLR erforderlich, was im Rahmen dieser Untersuchung jedoch zu weit führen würde. 161 Mewhinney, Kuiper Airborne Observatory, http://www.nasa.gov/vision/universe/ watchtheskies/kuiper.html (Abrufdatum: 12.11.2013).
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meinte: »Everyone felt like they owned it.«162 Andere Teammitglieder schrieben Gedichte und Lieder über das Flugzeug. Desgleichen war die Falcon Gegenstand von Gedichten am IPA. Inwiefern sie und andere Forschungsflugzeuge also in der Bildung eines Zusammengehörigkeitsgefühls an wissenschaftlichen Einrichtungen eine Schlüsselrolle einnahmen, bleibt zu untersuchen.163 Zehn Jahre nach ihrer Beschaffung befriedigte der Einsatz der Falcon nicht mehr. IPA-Mitarbeiter bemängelten unter anderem die unkoordinierten Arbeitsabläufe, die dazu führten, dass fehlerhafte Instrumente nicht schnell genug ausgewechselt oder Angestellte statt mit Messarbeiten mit »unaufschiebbaren Systemarbeiten« beschäftigt seien. Ein Digitalisierungsgerät war schon lange defekt, was die Datenauswertung ineffizient und auch externe Nutzer unzufrieden machte. Eine neue Anlage stand noch immer nicht zur Verfügung, obwohl das IPA deswegen schon seit zwei Jahren bei der DFVLR wiederholt vorstellig wurde.164 Auch andere Instrumente an Bord waren veraltet, störanfällig und teilweise sogar nicht mehr einsetzbar.165 Über die Jahre hinweg passten zwar die Techniker und Wissenschaftler die Falcon-Einrichtung den sich verändernden Forschungsbedürfnissen an, doch bald forderten sie ein neues, noch leistungsfähigeres Forschungsflugzeug. Dieses kam schließlich 2009 als »High Altitude and Long Range Research Aircraft (Halo)« an das DLR. Die Halo, mit einem Anschaffungswert von 72 Mio. Euro, wurde vom DLR, zusammen mit dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, der MPG, dem KFA Jülich und dem Karlsruhe Institute of Technology finanziert. Für sie ließ das DLR am Standort Oberpfaffenhofen sogar einen neuen, eigenen Hangar bauen. 166 Wie sich die
162 Ebd. 163 Als jüngstes Beispiel hierfür ist der Einsatz der Falcon nach dem Ausbruch des Vulkans Eyjafiallajökull in Island (April 2010) zu nennen. Siehe dazu beispielsweise Krautstrunk/Giez: »The Transition from FALCON to HALO Era«. Für verschiedene Gedichte siehe den Ordner »Kuriositäten« in SCHU 1001. 164 Ergebnisse der Arbeitsgruppe »Wissenschaftlicher Flugbetrieb« des Instituts für Physik der Atmosphäre, inkl. Anlagen, 06.11.1986, Anlage A: Gegenwärtige Hauptprobleme des Falcon-Systems (KPAR A2843). 165 Zum Beispiel der Air-Data-Computer, der Vertical Gyro, ein Temperaturmesser, das Lyman-Alfa-Feuchtmessgerät, ein Taupunktgerät, Pyrano- und Pyrgeometer, ein Radiometer und andere. Ergebnisse der Arbeitsgruppe »Wissenschaftlicher Flugbetrieb« des Instituts für Physik der Atmosphäre, inkl. Anlagen, 06.11.1986, Anlage B: Probleme der in der Falcon verwendeten Messgeräte und Sensoren (KPAR A2843). 166 Krautstrunk/Giez: »The Transition from FALCON to HALO Era«, S. 307.
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Halo, nach DLR-Aussage ein »weltweit einzigartiges Forschungsflugzeug«167, in das bestehende Instrumentarium am IPA und an der DFVLR einfügt und welche Rolle sie in der Definition oder der Veränderung einer institutionellen Identität spielt, wird sich zeigen. Ursprünglich war ihre Anschaffung als Ersatz für die Falcon gedacht. Diese spielt jedoch auch nach Ankunft der Halo in Oberpfaffenhofen immer noch eine wichtige Rolle. Weiterführend ließe sich also untersuchen, ob sich die Funktion der Falcon als Aushängeschild und »distinguishing feature«, als unterscheidendes Identitätsattribut, auf die Halo übertragen lässt und in welcher Art sie als neues Instrument und Ersatz der fast 40-jährigen Falcon die Forschungsagenda am IPA beeinflussen wird. Betrachtet man die Rolle von Forschungsflugzeugen in institutionellen Identitäten, wäre zudem der Blick auf das Höhenflugzeug »Strato 2 C« interessant. Dieses Projekt war das dritte an der DFS und dem IPA, in dessen Rahmen ein Höhenflugzeug konstruiert werden sollte. 1992 gab das Forschungsministerium den Bau in Auftrag. Hauptaufgabe des Höhenseglers sollten Ozonmessungen in der Stratosphäre sein. In der Vorbereitungsphase 1992 bis 1995 nahm die Strato 2 C in der öffentlichen Präsentation eine ähnlich prominente Rolle als Forschungsinstrument wie die Falcon 20 Jahre vorher ein.168 Doch wie bereits die zwei Höhenflugzeuge zuvor, wurde auch die Strato 2 C nie verwirklicht und daher am Institut als Misserfolg gewertet.169 Die speziell für diesen Instrumententräger entwickelten Messgeräte setzten die IPA-Mitarbeiter danach auf der Falcon ein. Ein Studium der Projekte zu den Höhenseglern am IPA verspricht Erkenntnisse darüber, welche Folgen solche »Misserfolge« für die Institutssignatur haben. Vor allem, da diese Flugzeuge den Wissenschaftlern einen weiteren Bereich der Atmosphäre, der für die Falcon nicht erreichbar war, zugänglich gemacht hätte und Arbeiten am Institut daher bereits im Vorfeld auf neue Fragestellungen ausgerichtet waren.170
167 Halo, http://dlr.de/pa/desktopdefault.aspx/tabid-8857/15304_read-11410/ (Abrufdatum: 18.04.2014). 168 DLR Jahresberichte 1992/93 bis 1994/95. 169 Das Scheitern der Strato-2-C-Projektes stand offenbar im Zusammenhang der sogenannten »Amigo-Affäre«, in der es um Bestechungsgelder für den bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl ging (o.V.: »Strato 2 C«; o.V.: »Amigos Nachhall«, in: Der Spiegel Nr. 36 [1994], S. 95-96; o.V.: »Strato am Boden«, in: Der Spiegel Nr. 4 [1996], S. 17). 170 Im Statusbericht 1992-1997 werden mehrere solcher Umdisponierungen der für den Einsatz auf der Strato 2 C entwickelten Geräte beschrieben (Statusbericht 19921997, Institut für Physik der Atmosphäre, Teil 1).
Arbeiten zur Wetterbeeinflussung: Orientierung am internationalen Forschungsstand und eigene Technikentwicklungen
Das Forschungsthema Wetterbeeinflussung ist ein Teilbereich der Wolkenphysik. Wolkenphysik spielte seit der Wiedereinrichtung der DFS eine elementare Rolle im Forschungsprogramm des Instituts. Wolken haben eine Lebenszeit von mehreren Minuten bis einigen Stunden und weisen unter Umständen Turbulenzen auf, die sich auf den Segelflug auswirken. Umgekehrt lassen sich aus ihrer Gestalt Rückschlüsse auf die herrschenden Windverhältnisse ziehen. Wissenschaftler unterscheiden und kategorisieren Wolken je nach Größe, Form, Formation, Aggregatszustand der Bestandteile und so weiter. Über Jahrzehnte hinweg standen Fragen, etwa wie Tröpfchen in Wolken verteilt sind, wie groß sie sind und wie sie sich entwickeln im Vordergrund der Forschungen im Bereich Wolkenphysik am IPA. DFS-Mitarbeiter sammelten solche Daten, die in den Bereich der Wolkenmikrophysik fallen, beispielsweise mit Tröpfchenzählern, die, wie im Kapitel »Künstliche Radioaktivität in der Amtosphäre« beschrieben, aus dem Flugzeugfenster gehalten und später auch am Flugzeugrumpf befestigt wurden. Mit dieser Datengrundlage trugen die Wissenschaftler dazu bei, die Entstehung und das Wachstum der Wolkentropfen besser zu verstehen. Sie waren sich bewusst, dass diese Einzelprozesse der Wolkenmikrophysik auch mit der Dynamik einer ganzen Wolke zusammenhingen. Allerdings waren diese Daten in ihrer Vielfalt so »unüberschaubar«, dass die Forscher sie nicht systematisch einordnen konnten.1 Erst ab den 1970er Jahren, als man am IPA auch mit (dreidimensionalen) numerischen Modellen zu arbeiten begann, schien es möglich, diese unsystematische Datenmasse in eine Wolkenmakrophysik einzubeziehen und die Wolkenentwicklung mit diesem neuen Instrument in einem größeren Maßstab zu
1
Studie zu einem Abeitsprogramm Wolkenphysik Teil 1, S. 1.
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untersuchen.2 Entsprechende Forschung im sogenannten Micro- und Mesoscale, also im Bereich von einem Meter bis 500 Kilometer, wurde explizit als »traditioneller Forschungsbereich des Institutes« dargestellt. Diese Expertise wollte das IPA »gefragt oder ungefragt« außerhalb des Forschungsinstituts anbieten.3 Techniken der Wetterbeeinflussung, als ein Teilgebiet der Wolkenphysik, wurden an der FFM und dem IPA seit 1961 bis in die frühen 1990er Jahren erforscht.4 Die Intensität, mit der die Arbeiten zu künstlichem Regen, Hagelbekämpfung oder Nebelauflösung betrieben wurde, variierte je nach politischem Auftrag oder technischen Innovationen, doch die strukturellen Veränderungen am Institut um 1962 herum ließen die Arbeiten unberührt: Die Analyse des Forschungsschwerpunkts »Wetterbeeinflussung« zeigt, dass die Umgestaltung der FFM und die Neueinrichtung des IPA inhaltlich keine Zäsur in der Geschichte des Instituts darstellten, sondern der Forschungsbereich Wetterbeeinflussung mehr an der Persönlichkeit Hans Gerhard Müllers als am Institut selbst festzumachen ist. In diesem Kapitel wird erläutert, wie das Thema als amerikanische Kriegstechnik nach Bayern gelangte und dort, an die regionalen Bedürfnisse angepasst, dem Institut neue Profilierungsmöglichkeiten eröffnete. Die Entwicklungen in den USA waren generell wichtiger Referenzpunkt für die Arbeiten zur Wetterbeeinflussung am Institut sowie in der BRD insgesamt. Die Orientierung an einer internationalen Forschungsagenda ging einher mit der Weiterentwicklung von »off the shelf«-Techniken. Während die Forschungsagenda seit Mitte der 1950er Jahre stetig ausgebaut wurde, zeigt das Beispiel Nebelauflösung, wie Forschungsthemen aufgrund veränderter Bedürfnisse der Industrie auch wieder von der Aufgabenliste verschwinden konnten. In Landwirtschaft, Luftverkehr und Kriegsführung war das Wetter stets ein zentraler Faktor. Es nicht nur vorherzusagen, sondern zu beeinflussen, war ein viel gehegter Wunsch. Mit neuen Techniken, die seit Beginn des Kalten Krieges entwickelt wurden, schien es möglich, die natürlichen Vorgänge in der Atmosphäre zu verstehen und zu bestimmen, um damit den die Erde umgebenden Raum zu beherrschen und auf diese Weise Macht auszuüben. Denn, so die euphorische Vorstellung amerikanischer Militärs und Politiker, wer das Wetter nach seinem Willen gestalten könne, der wäre auch in der Lage, es als Waffe im
2
Ebd., S. 1-2.
3
Wolkenphysikalische Forschung am Institut für Physik der Atmosphäre, von W.
4
Teile dieses Kapitels sind in der Zeitschrift »Technikgeschichte« erschienen:
Bögel et al., S. 2 und 6 (REINH 1008). Achermann: »Die Eroberung der Atmosphäre«.
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Kalten Krieg einzusetzen. 5 Wetterbeeinflussung war daher in den 1950er und 1960er Jahren international eines der wichtigsten Forschungsthemen der Atmosphärenwissenschaften.6 Doch die Unternehmungen auf dem Gebiet unterschieden sich von Land zu Land und waren abhängig vom jeweiligen politischen Kontext. Anhand des Forschungsthemas Wetterbeeinflussung, dessen zugrundeliegende Motivation als charakteristisch für die Technikentwicklung im Kalten Krieg bezeichnet werden kann, lässt sich neben einer materiellen auch eine ideelle »Besetzung« des Atmosphärenraumes feststellen. Wie in diesem Kapitel argumentiert wird, waren die Arbeiten zur Wetterbeeinflussung am IPA Teil der für die Zeit des Kalten Krieges charakteristischen Denkweise, die Natur sei durch Technik kontrollierbar, und hatten darüber hinaus Anteil an dieser Besetzung der Atmosphäre – wenngleich diese in der BRD eine andere Form annahm als in den USA. Die Entwicklungen in den USA waren dennoch ein wichtiger Referenzpunkt für die Wetterbeeinflussung in der BRD. Die Geschichte der amerikanischen Wetterbeeinflussung ist seit etwa zehn Jahren Gegenstand wissenschaftshistorischer Untersuchungen, die zeigen, dass die Wetterforschung in den USA stark militarisiert und mit entsprechend großen Mitteln ausgestattet war. 7 Für andere Länder ist die Geschichte der Wetterbeeinflussung hingegen noch wenig untersucht worden. So gibt es dazu für Deutschland bisher keine historischen Arbeiten. Dieses Kapitel trägt daher auch zu einem breiteren Verständnis dazu bei, welche Rolle der meteorologischen Forschung in der Zeit des Kalten Krieges auch außerhalb der militärischen Forschung in den USA zugewiesen wurde. Darüber hinaus wird die These aufgestellt, dass durch die Techni-
5
Aussage George C. Kenney (Kommandant der Strategic Air Command), zitiert in: Fleming: »The pathological history«, S. 10.
6
In den 1980er Jahren erlebte das Forschungsthema für kurze Zeit an wissenschaftlichen Einrichtungen international eine Wiederentdeckung, allerdings nicht mehr in gleichem Maße wie in der ersten Phase des Kalten Krieges.
7
Kwa: »The Rise and Fall of Weather Modification«; Doel: »Constituting the Postwar Earth Sciences«; Doel/Harper: »Prometheus Unleashed«; Fleming: »The pathological history«; ders.: »The Climate Engineers«; Doel/Harper: »Environmental Diplomacy«; Fleming: Fixing the Sky. Siehe dazu auch den Abschnitt zum Forschungsstand in der Einleitung. Im Gegensatz zu den meisten anderen Arbeiten auf diesem Gebiet geht Kwa auch auf die Bürgerbewegungen gegen die Wetterbeeinflussung ein. Eine ausführliche Übersicht über frühere, ebenfalls hauptsächlich amerikanische Arbeiten zur Geschichte
der
Diplomacy«, S. 117.
Wetterbeeinflussung
siehe:
Doel/Harper:
»Environmental
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ken der Wetterbeeinflussung der Raum Atmosphäre nicht nur materiell, also durch Flugzeuge oder Satelliten, »besetzt« wurde, sondern wie im Fall der Rosenheimer Großversuche auch auf einer ideellen Ebene. Gleichzeitig ermöglichte das Thema der DFS und dem IPA, an einem international hochaktuellen Forschungsfeld teilzuhaben und damit auch seinen »sozialen Raum« zu erweitern. Land-space, ocean-space und die Atmosphäre Um die Atmosphäre als globalen Raum erfassen und ihre bewusste Beeinflussung besser einordnen zu können, lohnt es sich, den Blick auf ein Raumkonzept zu werfen, das für einen anderen, ebenfalls weltumspannenden Raum, die Ozeane, entwickelt wurde. Der Geograph Philip Steinberg schuf dafür den Begriff »ocean-space«, um die Parallelen zwischen dem Wasserbereich und dem Landbereich (»land-space«) zu betonen. Beide Räume ermöglichten Besiedlungsausdehnung, die Etablierung wirtschaftlicher Beziehungen, die Ausbreitung von Kulturen sowie militärische Manöver. Steinberg zitiert dabei den Geographen Richard Hartshorne, der 1953 feststellte: » [the oceans] do divide, but do not separate«.8 Philip Steinberg definiert drei verschiedene Perspektiven auf den oceanspace: Ressourcenlieferant, Transportraum und Kriegsschauplatz.9 Zudem sei in der Neuzeit noch ein weiteres Verständnis des ocean-space hinzugekommen: die Idee, Macht über große Meeresdistanzen in entfernte Länder zu projizieren. Vor allem bei den Großmächten USA, Großbritannien und Frankreich habe diese Idee der überseeischen Macht eine wichtige Rolle im Herrschaftsdiskurs gespielt.10 Um diese spezifische Ozeanwahrnehmung zu verdeutlichen, verwendet Steinberg anstatt des Begriffs »Schlachtfeld« (»battlefield«) daher »Machtfeld« (»force-field«). In der modernen Geopolitik habe die Kontrolle über solche Machtfelder auf der Erdoberfläche eine teilweise entscheidende Rolle im globalen Machtwettbewerb gespielt. Allerdings, so Steinberg weiter, seien die Weltmeere keineswegs eine neutrale Oberfläche, sondern wie Nationalstaaten sozial konstruiert: »[…] [T]he very act of defining the sea as a space of anarchic military competition both reflects and creates specific social constructions of both ocean-space and land-space.«11 Steinbergs Grundanliegen ist es, den Ozean nicht
8
Hartshorne: »Where in the World Are We?«, zitiert in: Steinberg: The social construction of the ocean, S. 10.
9
Steinberg: The social construction of the ocean, S. 11-20.
10 Ebd., S. 16. 11 Ebd., S. 17-18.
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länger als Raum zu betrachten, der von Landgesellschaften verwaltet und gestaltet würde, damit er ihnen diene. Stattdessen sei der ocean-space wie der landspace ein Raum, in dem soziale Konflikte ausgetragen werden, und der dadurch erst geformt werde. Beide Räume seien also sozial konstruiert und reagierten auf gesellschaftliche Prozesse und räumliche Muster: »In short, the ocean is not merely a space used by society; it is one component of the space of society.«12 Zur Zeit des Kalten Krieges standen die Ozeane zusammen mit den Polarregionen und der Atmosphäre auf der Liste der noch weitgehend unerforschten Gebiete der Erde, die in den Fokus der Naturwissenschaftler rückten. Der Glaube, dass sich mithilfe der Naturwissenschaften nicht nur naturwissenschaftliche Probleme, sondern auch grenzüberschreitende politische Konflikte wie der Kalte Krieg lösen ließen, war weit verbreitet. Die nationale Stabilität sollte durch maximale Kontrolle sowohl über das Alltagsleben als auch über die unberechenbare Umwelt gesichert werden. Um deren Verhalten beeinflussen zu können, war dieses »applied fear management« auf ein umfassendes Wissen über das Funktionieren der Umwelt angewiesen. 13 Die Atmosphäre als Luftschicht, die die Erde global umfasst, ist ebenso wie der Ozean ein verbindender Raum, in dem Transport, Kommunikation und Kriegshandlungen stattfinden. Wer diese Räume besetzen kann, erwirbt eine hohe gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Kontrollfähigkeit. Das Bemühen, Wetter zu beeinflussen, ist somit eine Facette dieses Strebens nach Macht.
D IE E NTWICKLUNG DER MODERNEN W ETTERBEEINFLUSSUNG Die Vorstellung, das Wetter sei vom Menschen beeinflussbar, hatte sich nicht erst im Kalten Krieg entwickelt. Bereits in der Antike existierte die Vorstellung, dass Wetter und Krieg irgendwie zusammengehören, denn es schien, als würde nach Schlachten regelmäßig Regen fallen.14 Der Wunsch, das Wetter für Kriegszwecke zu beeinflussen, ist entsprechend alt und die Liste der Experimente lang.15 In der von der Seefahrerei geprägten frühen Neuzeit bekämpften Seeleute
12 Ebd., S. 10-11, Fußnote 2 und S. 20. 13 McNeill/Unger: »Introduction«, S. 3 und 13-16. 14 Eine moderne Erklärung dieses Phänomens besteht darin, dass Kriege hauptsächlich in Regenpausen geführt wurden und der Krieg somit zwar mit dem Wetter, aber das Wetter nichts mit dem Krieg zu tun habe (Fleming: »The pathological history«, S. 6). 15 Erläuterungen zu verschiedenen Wetterbeeinflussungstechniken siehe ebd.
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beispielsweise Wasserhosen mit Kanonenfeuer. Dieselbe Technik wurde bald auch an Land im Kampf gegen Sturm und Hagel übernommen. Im 19. Jahrhundert ging man jedoch davon aus, dass Geschosse Regen nicht verhinderten, sondern, im Gegenteil, ihn auslösten. 1871 wertete Edward Powers Gefechte im amerikanischen Bürgerkrieg systematisch aus und stellte fest, dass es oft innerhalb weniger Tage nach Artilleriebeschüssen regnete. Diesen Zusammenhang wollte sich Jahrzehnte später der Meteorologe Charles Mallroy Hatfield aus Kansas zu Nutze machen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte er sich in den USA einen Namen als Regenmacher gemacht. Seine Methode bestand darin, hohe Türme zu errichten, darauf eine Mixtur aus verschiedenen Chemikalien zu erhitzen und den daraus entstandenen Rauch in die Atmosphäre zu lassen. Er versprach, dass auf diese Weise bald Regen ausgelöst würde und verdiente als »moisture accelerator« in den USA und in Kanada sein Geld. 1916 führte er seine Experimente im Rahmen eines losen Vertrages mit der Stadtverwaltung von San Diego durch. Unglücklicherweise traf gleichzeitig eine verheerende Flut die Stadt, worauf Dutzende von Menschen ums Leben kamen, unzählige Häuser und fast alle Brücken der Stadt zerstört wurden. Die Stadt distanzierte sich daraufhin von Hatfield, verleugnete jede Zusammenarbeit und zahlte ihm sein Honorar von 10.000 US-Dollar nicht aus.16 Grundsätzlich war Hatfield eine umstrittene Persönlichkeit. Es herrschte kein Konsens darüber, ob seine Methoden tatsächlich Regen auslösen konnten oder ob er nur ein geschickter Betrüger war.17 Wolkenimpfung und künstlicher Regen Die Anstrengungen, Wetter in großem Stil zu beeinflussen, verebbten in den 1920er Jahren. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam das Thema durch eine eher zufällige Entdeckung wieder auf die Forschungsagenden: Anfang 1946 forschte Vincent Schaefer im Labor von General Electric über Vereisung – ein elementares Problem im Flugverkehr. Schaefer wollte herausfinden, warum unterkühlte Wolken nicht grundsätzlich immer schneiten und experimentierte dabei mit einem gewöhnlichen Tiefkühlgerät. Er warf Trockeneis hinein, um es schneller abzukühlen, und stellte fest, dass sich sein Atem darauf sofort in eine Eiswolke verwandelte. Trockeneis und – wie kurz darauf festgestellt – auch Silberjodid-Rauch ließ Eis explosionsartig wachsen. Zusammen mit seinem
16 Ebd., S. 6-7; ders.: Fixing the Sky, S. 80 und 90-95. 17 Es ist sehr wahrscheinlich, dass Hatfield als Vorlage zum Broadway-Stück »The Rainmaker« diente, das 1955 Premiere hatte (ebd., S. 95).
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Kollegen Irving Langmuir wollte Schaefer diesen Effekt nun auch an einer richtigen Wolke ausprobieren. Für ihr Experiment flogen sie über eine unterkühlte Wolke und warfen sechs Pfund Trockeneis aus dem Flugzeug. In der Folge bildeten sich über einen drei Meilen langen Streifen hinweg tatsächlich Eiskristalle und Schnee.18 Damit hatten die Wissenschaftler den Beweis erbracht: Wolkentröpfchen verwandeln sich dank Trockeneis in Eiskristalle. Doch wie genau funktionierte dieses »Impfen« von Wolken (»cloud seeding«)? In einer Wolke entsteht natürlicher Regen nur, wenn die winzigen schwebenden Wolkentröpfchen zusammenwachsen, bis sie so schwer geworden sind, dass sie als Regen herunterfallen. Die Frage war, warum dies nicht in jeder Wolke automatisch passierte. Schaefer und Langmuir führten dies nach ihrem Experiment darauf zurück, dass Kondensationskeime fehlen konnten, an denen sich die Tröpfchen überhaupt anbinden können. Ein ähnliches Prinzip stellten sie für unterkühlte Wolken fest: Wenn keine Kristallisationskeime vorhanden sind, können selbst -40 Grad Celsius kalte Wassertröpfchen nicht gefrieren. Mit ihren Experimenten zeigten die Wissenschaftler um Vincent Schaefer, dass Silberjodid als Kondensationskeime und Trockeneis als Kristallisationskeime agierten, welche unterkühlte Niederschlagsteilchen an sich binden und damit die Kettenreaktion bis zum Regen beziehungsweise zum Schneefall auslösen konnte. Wetterbeeinflussung in den USA Dieses erste Experiment moderner Wetterbeeinflussung von Schaefer und Langmuir löste einen enormen Schub an Forschungstätigkeiten aus. Im Rückblick analysierte der amerikanische Atmosphärenwissenschaftler Paul B. MacCready: »The field of weather modification started with three absolute blockbusters. Vince Schaefer seeded a stratus cloud and showed that just by dropping dry ice out you could cut big holes in it – letters and so on. Then somebody seeded a cloud in Australia [1947] on a day when there were loads of cumulus clouds, and they picked one and seeded it, and it grew bigger and bigger and finally it was the dominant thing in the sky and gave a huge amount of rain. And they reported all that. Then Irving Krick went to Prosser, Washington, [1948] for a seeding project – this was in the early days – and seeded clouds with
18 Ders.: »The pathological history«, S. 8-9; Kwa: »The Rise and Fall of Weather Modification«, S. 137.
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silver iodide from the ground, and there was a stupendous effect, if you plotted percentage of normal rain.«19
Neben Wolken rückten auch bald Wirbelstürme in den Fokus der Wettermacher. Finanziert durch das Office of Naval Research führte die New York University 1953 bis 1954 Experimente mit Silberjodid und Trockeneis durch, um herauszufinden, ob die Stärke oder Richtung von Wirbelstürmen beeinflussbar sei. Die Untersuchungen konnten allerdings keinen Beweis erbringen.20 MacCready führte die Euphorie zunächst auf den Wunsch zurück, die Wasserversorgung für die Landwirtschaft besser steuern zu können.21 Doch schnell erkannte das amerikanische Militär ein strategisches Potential in der Wetterbeeinflussung. Involvierte Meteorologen und Ingenieure geizten schließlich nicht mit phantastischen Versprechungen, was in Zukunft alles machbar sein würde und wie Wetterbeeinflussungstechniken im Kalten Krieg eingesetzt werden könnten. Die geographische Lage der beiden Kontrahenten USA und Sowjetunion war dabei der Schlüssel zum Konzept eines (für die USA) erfolgreichen Wetterkrieges. Durch den Druckausgleich zwischen Äquator und den Polen entstehen globale Luftmassenverschiebungen, die durch die Erdrotation abgelenkt werden und sich daher auf der Nordhalbkugel von Westen nach Osten bewegen. Diese Westwinde sollten als Transportweg dienen, auf dem Silberjodid über den Eisernen Vorhang hinweg gebracht würde, um dort seine Wirkung zu entfalten. Mit derart kontrolliertem Niederschlag, so die Vorstellung, könnte die Landwirtschaft im Osten zerstört, der Handel unterbunden und die Wirtschaft stark geschädigt werden. Flugzeuge könnten mit »Impfstoffen« gefüllte Ballons im Jetstream abwerfen, wodurch sie nach Osten getrieben würden, wo die Sicherungen gelöst und Wolken kontrolliert ausregnen könnten. Damit würden militärische Operationen des Feindes wortwörtlich »versumpfen«. Aber auch das umgekehrte Prinzip beflügelte die Phantasie der Strategen. Wolken könnten zum Ausregnen gebracht werden, bevor sie in die Sowjetunion gelangten. Dadurch entzog man den Ländern die Feuchtigkeit und schadete ebenfalls der Landwirtschaft. 22 Auch das Verbreiten von chemischen oder biologischen Giften per
19 Interview mit Paul B. MacCready geführt von Sara Lippincott, Feb.-März 2003. 20 O.V.: »Large-scale Experiment in Weather Modification«. 21 Interview mit Paul B. MacCready geführt von Sara Lippincott, Feb.-März 2003. 22 Fleming: »The pathological history«, S. 10-11.
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Wind und Niederschlag wurde in Betracht bezogen. Der Wind hätte sozusagen zu einer Art »passiven« Waffe werden sollen.23 Die Politiker glaubten die Versprechungen gerne, und das Forschungsfeld gewann sowohl in Amerika als auch in anderen Ländern dies- und jenseits des Eisernen Vorhanges enorme Popularität und Finanzierungsmittel.24 Die Gerüchte, Russland würde ebenfalls massiv in entsprechende Forschung investieren, löste in der militärischen Meteorologie ein »Wettlauf um das Wetter« aus (Abbildung 27).25 Man war überzeugt, mithilfe der Technik bald das Wetter kontrollieren und beeinflussen zu können. Die Wetterbeeinflussung sollte also die entscheidende Waffe werden, um die Welt zu beherrschen.
23 Das grundsätzliche Prinzip, Wind als militärstrategisches Transportmittel einzusetzen, war nicht neu. Die Verteilung von Giftgas im Ersten Weltkrieg funktionierte auf die gleiche Weise. Vgl. dazu Sloterdijk: Luftbeben. 24 Die Gelder, die beispielsweise im Jahr 1959 von der National Science Fundation gesprochen wurden, beliefen sich auf: 114.300 US-Dollar für die Erforschung des Effektes von Silberjodid über der Prärie; 161.800 US-Dollar für Studien zur Wolkenphysik und Wolkenbeeinflussung; 90.500 US-Dollar für die Untersuchung von Niederschlagsprozessen und Wirkung von pazifischen Küstenstürmen, um ein Modell der Stürme zu entwickeln; 68.900 US-Dollar für synoptische Beobachtungen und Studien von Gefrierkernanomalien; 57.100 US-Dollar zur Durchführung einer Feldstudie in Arizona zur Wolkenphysik und Kondensationskernbildung, Hydrometeorenbildung, Elektrifizierung und Wolkendynamik; 50.000 US-Dollar für Studien zur Wolkenelektrifizierung (Bernard Vonnegut); 40.000 US-Dollar für Wolkenphysikstudien in Santa Barbara (Paul MacCready); 383.700 US-Dollar für die Erforschung von Niederschlagsmechanismen; 64.900 US-Dollar für randomisierte Wolkenimpfexperimente; 58.800 US-Dollars für eine statistische Studie zur Evaluation von Wetterbeeinflussung; insgesamt 40.100 US-Dollar für drei Konferenzen im Themenbereich der Wetterbeeinflussung (o.V.: »Weather Modification in the United States«). 1963 wurden die Forschungen mit insgesamt 2,75 Mio. US-Dollar an öffentlichen Geldern unterstützt, im Jahr 1964 mit 3,35 Mio. US-Dollar (Walsh: »Weather Modification«, S. 275). 25 Fleming: »The pathological history«, S. 11. Das Wetter als Konkurrenzthema zwischen den USA und der Sowjetunion konnte sich auch außerhalb der Wissenschaft und Politik ganz alltäglich äußern, zum Beispiel in der Schadenfreude, dass Russland unter dem heißesten Sommer seit 17 Jahren leide – als Trost, dass das Ferienwetter in den USA so schlecht sei (o.V.: »The Criminal Clerk«, in: The Times vom 08.07.1954).
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Abbildung 27: Presseberichterstattung in Bremen zur künstlichen Wetterbeeinflussung
Quelle: Faust, Heinrich: »Wettlauf um das Wetter« in: Weser-Kurier Nr. 128 vom 05.06.1958, S. 8
Im amerikanischen Westen schossen währenddessen private Unternehmer wie Pilze aus dem Boden. Sie ließen sich von Bauern und Kommunen bezahlen, damit sie Wolken »impften«, um die Landwirtschaft mit kontrolliertem Niederschlag zu versorgen. 26 Das Thema durchdrang die amerikanische Gesellschaft bis in die Kinos und die Kinderstuben: Ab 1953 betätigte sich auch Donald Duck als Regenmacher, und das Stück »The Rainmaker«, das sehr wahrscheinlich von Charles Hatfield inspiriert worden war, wurde 1956 mit Burt Lancaster verfilmt.27 Doch neben der Euphorie war auch ein gewisses Unbehagen nicht zu verleugnen. Nicht nur fehlte der rechtliche Rahmen für solche Unternehmen, auch die Unsicherheiten darüber, was das künstliche Auslösen von Regen für Folgen auf das allgemeine Wetter oder die internationalen Beziehungen haben
26 Fleming: »The pathological history«, S. 12; Kwa: »The Rise and Fall of Weather Modification«, S. 138. 27 Donald Duck »The Master Rainmaker«, amerikanische Erstveröffentlichung: Sept. 1953 (Barks: Donald Duck). Mehr Informationen dazu siehe: http://coa.inducks. org/story.php?c=W+WDC+156-01 (Abrufdatum: 04.06.2012). Vielen Dank an Lutz Budrass für diesen Hinweis.
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könnte, fanden Ausdruck in politischen Debatten und deren Berichterstattung.28 Bald regte sich überdies ziviler Widerstand gegen die Wetterbeeinflussung. Aus Angst vor unvorhergesehenen Auswirkungen des Wolkenimpfens (wie beispielsweise Überschwemmungen oder Krankheiten), organisierten sich ab den 1970er Jahren Bürgerrechtsorganisationen wie die »Citizens Against Cloud Seeding« in South Dakota.29 Ironischerweise erzeugte das Bedürfnis von Kontrolle eine Furcht vor den unkontrollierbaren Folgen. Der Höhepunkt der Euphorie war bereits Anfang der 1960er Jahre vorbei. 1962 machte sich eine gewisse Ernüchterung unter (amerikanischen) Wissenschaftlern breit. Sie erkannten, dass die Sache mit dem Regenmachen nicht so einfach war, wie es anfangs schien. Die Wolkenbildungs- und Niederschlagsvorgänge wie auch die Sturmbildung stellten sich als viel komplexer als angenommen heraus. Das Fehlen von Kondensationskeimen sei nicht der Grund, dass gewisse Wolken nicht regneten, sondern manchmal sogar die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt regnete.30 »For the time being, meteorologists should not allow their imagination to run wild with the hope of changing things effectively on a wide scale«, mahnten Wissenschaftler wie A.H. Gordon. 31 Da die großartigen Versprechungen seitens der Wissenschaftler nicht gehalten werden konnten und private Geldgeber mit den Ergebnissen nicht zufrieden waren, gab es kaum mehr finanzielle Unterstützung für die Forschung, welche außerhalb staatlicher Institutionen stattfand.32 Selbst die »National Academy of Sciences« dämpfte die Erwartungen an Wetterbeeinflussungstechniken. In einem 1964 publizierten Bericht zu den bisherigen Tätigkeiten schrieb sie: »It is unlikely that these problems will be solved by the expansion of present efforts which emphasize the a posteriori evaluation of largely uncontrolled experiments. We believe that the patient investigation of atmospheric processes coupled with an exploration of the technological applications will eventually lead to useful weather modification, but we must emphasize that the time-scale required for success may be measured in decades. […] If weather modification, either by alteration of clouds or by perturbation of the radiation
28 Siehe beispielsweise o.V.: »Making More Rain Experiments Soon«, in: The Times vom 23.06.1955; Malone: »Weather Modification«, S. 900. Zur Wetterbeeinflussung als diplomatisches Instrument: Doel/Harper: »Prometheus Unleashed«. 29 Dennis: Weather Modification by Cloud Seeding, S. 4; Kwa: »The Rise and Fall of Weather Modification«, S. 149-151. 30 Workman: »The Problem of Weather Modification«. 31 Gordon: »Modification of the Weather«, S. 1167. 32 Workman: »The Problem of Weather Modification«, S. 407.
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balance, is to be achieved in the future, efforts in this field must be of a different kind and on a totally different scale from those of the past.«33
Die öffentlichen Gelder versiegten jedoch trotz solcher Relativierungen nicht und der Kongress versprach noch im gleichen Jahr 1 Mio. US-Dollar für Forschungen in diesem Bereich.34 Offenbar machte die Erkenntnis, dass die Sache komplizierter sei als 1946 angenommen, nicht die Hoffnungen zunichte, dennoch irgendwann das Wetter kontrollieren zu können. Allerdings wurden nun Friktionen und mangelnde Vermittlung zwischen der amerikanischen Forschungsgemeinschaft und der Politik offenkundig, die einen Konflikt zwischen grundlagenforschungsorientierten Wissenschaftler und anwendungsorientierten Politikern darstellten. Weil sie ungewollte Nebenwirkungen fürchteten, sprachen sich die Wissenschaftler gegen großräumige »trial-and-error«-Experimente und für mehr theoretische Studien aus. Politiker hingegen warfen den Wissenschaftlern vor, lediglich mehr wissenschaftliche Artikel anstatt mehr Wasser produzieren zu wollen.35 1967, der Vietnamkrieg dauerte bereits zehn Jahre an, lancierte das amerikanische Militär die Operation »POPEYE«, die in Indien durch Wolkenimpfungen die dort herrschende große Dürre und Hungersnot beenden sollte.36 Daneben gab es jedoch noch ein weiteres – geheimes – Ziel der Operation. Um den Verlauf des Vietnamkrieges zu beeinflussen, sollte der Ho-Chi-Minh-Pfad in Laos durch kontrollierte Regenfälle unpassierbar gemacht werden. Damit wäre dieser wichtige Versorgungsweg der sogenannten »Vietcong« (Nationale Front für die Befreiung Südvietnams) weggefallen. Obwohl streng geheim, erfuhren nach vier Jahren amerikanische Journalisten von diesen Absichten, Wetterbeeinflussungstechniken tatsächlich als Waffe einzusetzen. 37 Nachdem die Sache öffentlich geworden war, beschwerte sich die Sowjetunion bei den Vereinten Nationen.
33 Scientific Problems of Weather Modification. A Report of the Panel of Weather and Climate Modification Commettee on Atmospheric Sciences, S. 2 und 4 (Hervorhebung im Original). 34 Walsh, John: »Weather Modification«, S. 274. 35 Ebd., S. 276. 36 Doel/Harper: »Prometheus Unleashed«, S. 78-79. 37 Fleming: »The pathological history«, S. 13. In der Anfangszeit der modernen Wetterbeeinflussungsforschung war es allerdings kein Geheimnis gewesen, dass die Technologien auch für militärische Aktionen eingesetzt werden sollten/könnten. Die Presse berichtete frei über den Weather Control Act (o.V.: »Weather Control. Legislation in the U.S.«, in: The Times vom 15.03.1951).
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Doch bis zu einem endgültigen UN-Beschluss dauerte es nochmals sieben Jahre. 1978 trat schließlich eine UNO-Konvention in Kraft, die es verbot, Wetterbeeinflussungstechnologie militärisch oder auf irgendeine andere Weise kriegerisch zu verwenden.38
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Der Forschungsboom in der Wetterbeeinflussung ab Mitte der 1940er Jahre beschränkte sich nicht nur auf die USA und die Sowjetunion. Auch in der Schweiz, in Frankreich, Großbritannien, Italien, Jugoslawien, Israel und Deutschland wurden in der Folge Wetterbeeinflussungstechniken entwickelt und eingesetzt. In diesen Ländern standen die Absichten im Vordergrund, mit »künstlichem Niederschlag« die Energiegewinnung durch Wasserkraftwerke oder die Produktivität der Landwirtschaft zu erhöhen.39 Darüber hinaus sollten nebelfreie Flughäfen einen reibungslosen Flugbetrieb gewährleisten. In der BRD forschten Wissenschaftler unter anderem am Forschungszentrum Karlsruhe beziehungsweise der Universität Karlsruhe, beim DWD und bald auch an der DFS zur Wetterbeeinflussung. Das Ausmaß der Forschungsaktivitäten in Karlsruhe war relativ klein, was möglicherweise mit der geographischen Lage zu erklären ist.40 Für die DFS und das IPA scheinen die Karlsruher Untersuchungen nicht als sehr relevant eingestuft worden zu sein. Die Forschungsunterlagen enthalten zwar umfassende Berichte zu ausländischen Tätigkeiten auf diesem Feld, nicht jedoch zu den Versuchen in Karlsruhe oder beim DWD. Die Arbeiten zur Wetterbeeinflussung an der DFS und dem IPA konzentrierten sich auf die beiden Themen Nebelauflösung und Hagelbekämpfung. Nebel war vor allem ein Problem im Luftverkehr, während Hagel vornehmlich die Landwirtschaft betraf. Entsprechend unterschiedlich bildeten sich die Interessengruppen und Kooperationspartner. Beide Themen wurden ohne größere Zäsuren durch die Reorganisation von der DFS zum IPA weitergeführt.
38 Fleming: »The pathological history«, S. 14. 39 Die künstliche Erzeugung von Niederschlägen, Bericht, gegeben anlässlich der 12. Sitzung des Verwaltungsbeirats des Deutschen Wetterdienstes in Freiburg (Breisgau) am 23.11.1960, Entwurf von Hans Gerhard Müller, S. 4 (KPAR A2878). 40 Die Lage der DFS in der Voralpenregion war prädestiniert für die Hagelentwicklung. Es bedarf weiterer Untersuchungen, ob und in welchem Umfang auch an anderen deutschen Einrichtungen zur Wetterbeeinflussung geforscht wurde.
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Von Nebel spricht man, wenn feinste Partikel in der Atmosphäre so verteilt sind, dass die Sichtweite weniger als 1000 Meter beträgt. Für den Flugverkehr war dies schon immer ein Problem. Weil entsprechende Landeinstrumente fehlten, konnten Flugzeuge bei Nebel lange Zeit überhaupt nicht landen. Während des Zweiten Weltkrieges wurde im nebelgeplagten Großbritannien eine Methode entwickelt, Nebel erfolgreich aufzulösen. Dieses »Fog Investigation and Dispersal Operation (FIDO)«-System basierte auf der Verbrennung von Benzin und sollte ab 1942 das Nebelproblem beim militärischen Flugverkehr beheben. Doch damit der Nebel tatsächlich aufgelöst werden konnte, musste eine Unmenge von Treibstoff verbrannt werden. Mit dem Ende des Krieges fiel die Rechtfertigung für diesen enormen Aufwand weg und das FIDO-System verschwand wenig später.41 Amerikanische Einflüsse auf die deutsche Forschung zur Wetterkontrolle 1948, zwei Jahre nachdem in den Laboratorien von General Electric der Effekt von Trockeneis und Silberjodid entdeckt worden war, führte die amerikanische Besatzungsarmee in München-Erding Experimente zur Wolkenauflösung durch.42 In dem auch auf Deutsch übersetzten Forschungsbericht waren die verwendeten Substanzen allerdings nur mit A, B oder C bezeichnet, es war also für die deutschen Wissenschaftler nicht ersichtlich, ob Trockeneis, Silberjodid oder andere Substanzen verwendet wurden. Auch fehlen nahezu alle Beschreibungen der Umweltbedingungen. Offensichtlich sollten die Details der Experimente geheim bleiben. Deutschen Forschern war es so nicht möglich, das Experiment nachzuvollziehen.43 Diese Art der Geheimhaltung führte noch jahrzehntelang zu Missmut bei deutschen Wissenschaftlern.44 Keine Zweifel offen lässt der Bericht
41 Fleming: Fixing the Sky, S. 129-132. 42 System REBAS Nr. 329, Übersetzung eines Berichts der US Army, Erding Luftdepot (KPAR A2642). 43 Patententwurf »Verfahren zum Zerstören von Nebel und Wolken« von K. Wanders (KPAR A2642). 44 Brief von Gerd Hiddemann an Hans Gerhard Müller, 15.08.1970 (KPAR A2642). Da in der Hoffnung nach lukrativen Geschäften spezifische Technologien bald auch als Patente angemeldet wurden, ist hinsichtlich der Geheimhaltung von Forschungsarbeiten wahrscheinlich nicht nur der militärische, sondern auch der wirtschaftliche Kontext zu berücksichtigen.
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hingegen über den Erfolg der Versuche: Nebel sei tatsächlich künstlich in Regen verwandelt worden, hieß es. Abbildung 28: Wolkendecke nach erfolgter Impfung, das genaue Datum und der Ort der Aufnahme sind unbekannt
Quelle: Photoalben Quick (KPAR B124)
Auch 1956 war es noch immer das amerikanische Militär, das in Deutschland Experimente mit Trockeneis durchführte. Inzwischen durfte allerdings auch ein Deutscher mit dabei sein. Hans Gerhard Müller, damals noch beim DWD angestellt, nahm an zwei Versuchsflügen teil. Das Forschungsprojekt des US Signal Corps stand unter der Leitung von Helmut Weickmann, selber ursprünglich Deutscher, der 1949 nach Amerika ausgewandert war. Ziel der Versuche in der Region Landsberg am Lech (Bayern) war es, Stratuswolken durch Injizieren von Trockeneis zum Ausregnen zu bringen. Mehrere 100 Meter über den Wolken warfen die amerikanischen Wissenschaftler feste Kohlensäure aus Öffnungen im Flugzeugboden ab. Müller, der mit an Bord war, beobachtete daraufhin, wie sich unterhalb dieser Wolken »Quellköpfchen« bildeten, die ihn an eine Pflugfurche erinnerten. Diese Spur verbreiterte sich langsam und ließ die Wolken »verwaschen« aussehen (Abbildung 28). Nach ungefähr 20 Minuten gab es eine erneute Quellung im Impfgebiet mit besserer Sicht auf den Boden. Durch den Wind in den Süden gegen die Alpen getrieben, faltete sich das Impfgebiet schließlich wie ein Leporello zusammen. Müller war beeindruckt von diesem Effekt. Für den Meteorologen war die Möglichkeit Wolken aufzulösen nun eine »Tatsache«, und
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er erkannte darin vor allem Vorteile für den Flugverkehr: »Es besteht wohl kein Zweifel, dass das Verfahren in geeigneten Fällen praktische Bedeutung zur Ermöglichung von Landungen mit Bodensicht in Fällen niedriger Wolkenhöhe gewinnen kann.«45 Müllers Versuche zur Wolkenauflösung am DWD Überzeugt vom Erfolg mit Trockeneis, wandte sich Müller nun der Wolkenauflösung mit Silberjodid zu. Auf dem Hohenpeißenberg (Bayern) wollte er nachweisen, dass auch mit einem Silberjodid-Generator auf dem Boden Wolken aufgelöst werden könnten.46 Die Versuche führte Müller nun unter dem Dach seines Arbeitgebers, des DWD, und nicht mehr unter amerikanischer Federführung durch. Am Mittag des wolkenbedeckten 4. Dezembers 1958 stelle er auf dem Hohenpeißenberg einen Generator auf, der über eine Stunde lang Acetonlösung und Silberjodid in die Luft sprühte. Schon bald beobachtete Müller, wie sich auf mehreren Dutzend Metern Eiskristalle bildeten. Der Effekt wiederholte sich beim zweiten Versuch am gleichen Nachmittag, allerdings in die andere Richtung, da sich der Wind inzwischen gedreht hatte. Ob SilberjodidGeneratoren oder Trockeneisabwurf aus dem Flugzeug – beide Verfahren schienen erfolgreich zu sein, freilich für unterschiedliche Situationen. Das Trockeneis generierte viele feine Reifekristalle in seiner Nähe, deshalb war es wichtig, dass es günstig platzieren werden konnte. Dies ließ sich mit dem Flugzeug und bei Schichtwolken bewerkstelligen. War man aber mit Quellwolken konfrontiert, machte es die Konvektion schwierig, die richtige Dosis Trockeneis an den richtigen Ort zu befördern. Da das Silberjodid nicht so temperaturempfindlich war wie das Trockeneis, lässt es sich daher leichter vom Boden aus in die Wolke sprühen.47 Versuche mit Trockeneis wurden zu jener Zeit häufiger durchgeführt als jene mit Silberjodid, offenbar weil sie einfacher zu handhaben und die Resultate besser zu beobachten waren. Dies zeigte sich auch im Forschungsbericht Müllers. Im Gegensatz zu seinem ersten Forschungsbericht zu den amerikanischen Trockeneisversuchen äußerte er sich bei seinen eigenen Silberjodid-Experimenten am Hohenpeißenberg verhaltener. Die Tests ließen »einige interessante Schlüsse auf die Möglichkeit von Wetterbeeinflussungsversuchen zu«. Ob sie
45 Bericht über Beobachtungen bei Wolkenimpfversuchen über Oberbayern, von Hans Gerhard Müller, 21.03.1956 (KPAR A2878). 46 Müller: »Impfversuche mit Silberjodid«. 47 Ebd., S. 4.
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erfolgreich seien, hänge stark von den meteorologischen und topographischen Verhältnissen ab.48 Die Einsatzmöglichkeiten von Silberjodid-Generatoren waren somit eingeschränkt. Ein weiterer Vorbehalt war, dass solche großräumigen Tests ausschließlich auf sogenannten »unterkühlten« Nebel Wirkung zu haben schienen. Hierbei haben die Wassertröpfchen eine Temperatur von unter null Grad Celsius. Diese Situation ist häufig thermodynamisch instabil und damit leicht mit Trockeneis, Silberjodid oder auch Harnstoff aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wenn die Tröpfchen aber wärmer als null Grad Celsius sind, ist der Nebel thermodynamisch stabil und die genannten Methoden sind nicht wirksam. Zwischen der Entdeckung des Effekts des Wolkenimpfens in den Labors von General Electric und den Tests von Müller waren etwa zwölf Jahre vergangen. In den USA war zwischenzeitlich versucht worden, mittels Silberjodid auch Hurrikane abzuschwächen. In Frankreich, Italien und Spanien wollte man damit mehr Niederschlag für die Landwirtschaft oder die Energiegewinnung produzieren.49 Da die BRD erst drei Jahre zuvor (1955) die volle Souveränität zurück erlangt hatte, konnte hier erst jetzt Atmosphärenforschung ohne Restriktionen betrieben werden. Interessen an der Wolkenauflösung In Frankreich und Italien bestand die Absicht, mit künstlichem Niederschlag die Energiegewinnung von Wasserkraftwerken zu erhöhen. In der Anfangszeit der süddeutschen Forschung zu Wolkenauflösung waren solche Interessen hingegen nicht klar formuliert. Zwar war 1959 ein sehr trockenes Jahr in Deutschland; es gab Schäden in der Landwirtschaft und man hatte Angst vor Wasserknappheit.50 Doch im Gegensatz zum amerikanischen Westen hatte Deutschland ansonsten genug Niederschläge, tendenziell sogar eher zu viel. Regenvermehrung per se eignete sich entsprechend wenig als Begründung für die Forschung. 51 Zwar
48 Ebd., S. 8. 49 Ebd., S. 4. 50 Ebd., S. 1. 51 Die künstliche Erzeugung von Niederschlägen, Bericht, gegeben anlässlich der 12. Sitzung des Verwaltungsbeirats des Deutschen Wetterdienstes in Freiburg (Breisgau) am 23.11.1960, Entwurf von Hans Gerhard Müller, S. 5 (KPAR A2878). Die Trockenheit von 1959 weckte zwar das Interesse des »Bundesministeriums für Atomenergie und Wasserwirtschaft«. Dieses verlor sich im Jahr darauf allerdings wieder, da mit der Ausnahme des Vorjahres eigentlich kein Wassermangel herrschte (Aktennotiz über die Besprechung vom 03.01.1961 in München-Riem mit H[ans] G[erhard]
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kursierten Zielsetzungen wie Niederschlagsverhütung als Prävention gegen Überschwemmungen, oder Niederschlagsvermehrung für eine »Verbesserung der Industriewasserversorgung«, doch insgesamt waren um 1960 herum die Begründungen eher vage. Für einen Wissenschaftler wie Müller lag die Verve weniger in den politischen Argumenten als in der Forschung selbst. Während in den USA viele kommerzielle Unternehmen eifrig daran waren, gegen Bezahlung Wolken in Regen umzuwandeln, hielt der Wissenschaftler Müller diese nichtwissenschaftlichen Aktivitäten für Unsinn. Für ihn stand das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse im Vordergrund.52 Er wollte die genaue Funktionsweise von Silberjodid analysieren und herausfinden, ob es weitere Substanzen mit ähnlichen Eigenschaften gab. Auch wollten die deutschen Wissenschaftler ermitteln, wie groß die Reichweite solcher Tests war und welche meteorologischen Bedingungen dafür nötig waren. Weder der DWD noch die DFS machten Versprechen wie die US-amerikanischen Kollegen. Es bestand allerdings Konsens darüber, dass die verwendeten Substanzen tatsächlich eine Wirkung auf unterkühlte Wolken hätten.53 Was die physikalischen Vorgänge genau waren und wie man sie effizienter und zielführender einsetzen konnte, war hingegen nicht so klar. Zudem beschränkten sich die Forschungen weiterhin auf unterkühlte Wolken. Für warmen Nebel gab es bis dahin keine vielversprechende Lösungsvorschläge.54 Der Schmieschek-Apparat Im März 1961 schien sich schließlich auch eine Lösung für warmen Nebel abzuzeichnen. Bis dahin hatten die deutschen Forscher den Großteil der nötigen Technik aus dem Ausland geholt. Silberjodid-Raketen kamen aus Italien, Bodengeneratoren und chemische Substanzen unter anderem aus der Schweiz. 55
Müller, gefolgt von einer kurzen Unterredung mit A. Faessler, von R. Sänger [KPAR A2878]). 52 Die künstliche Erzeugung von Niederschlägen, Bericht, gegeben anlässlich der 12. Sitzung des Verwaltungsbeirats des Deutschen Wetterdienstes in Freiburg (Breisgau) am 23.11.1960, Entwurf von Hans Gerhard Müller, S. 5 (KPAR A2878). 53 Gleichzeitig machten auch andere (auch ausländische) Institutionen Versuche, wie sie vom DWD durchgeführt wurden, und dies mit ähnlichen Beobachtungen, wie zum Beispiel die »Atmospheric Research Group and Meteorology Research Inc.« in Altadena, Kalifornien (Todd: »Ice Crystal Development«). 54 Weather and Climate Modification, S. 47. 55 Brief von Hans Gerhard Müller an das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, 04.01.1963 (KPAR A2609/1); Aktennotiz über die Besprechung vom
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Entnebelungsmethoden waren an Flughäfen im Ausland bereits in Verwendung: In Paris-Orly und Paris Roissy sorgten Aufheizungsverfahren (Turbo-Claire) dafür, dass sich Nebel auf den Rollbahnen auflöste, und in den USA setzte das Militär Hubschrauber ein, die wärmere und trockenere Luft von oben mit dem Nebel unten vermischen, um ihn zu lichten.56 1961 wechselte Müller vom DWD an die FFM, wie die DFS zu diesem Zeitpunkt hieß, und brachte sein Forschungsthema Wetterbeeinflussung mit. An der DFS hatten sich die Wissenschaftler zwar auch schon für den Nebel interessiert, allerdings nicht, um ihn aufzulösen, sondern um im Hinblick auf einen reibungsloseren Flugverkehr ein verbessertes Streulichtgerät zur Messung der Sichtweite zu konstruieren.57 Mit Müller und seinen Wetterbeeinflussungsexperimenten trat nun der Nebel auch unter diesem Aspekt auf die FFM-Forschungsagenda. Im gleichen Jahr ließ der deutsche Ingenieur Ulrich Schmieschek in Köln einen neuartigen Entnebelungsapparat patentieren. Neu an diesem SchmieschekApparat war, dass damit nicht nur unterkühlter, sondern auch sogenannter »warmer« Nebel aufgelöst werden konnte. Bisher hatte man international lediglich Erfolge mit kaltem Nebel erzielt. In der Natur kommt warmer Nebel aber häufiger vor. An der FFM, wo gerade die Umorganisation in das neue IPA im Gange war, sah man ein Potential in dieser neuen Entwicklung und holte Schmieschek an das Institut. Unter dem institutionellen Dach des neuen IPA sollte der Ingenieur sein Verfahren weiter verfeinern. Nach seiner Anleitung wurde am IPA schließlich eine neue Apparatur zur Nebelauflösung gebaut (Abbildungen 29 und 30).58 Die Kollegen am IPA waren zufrieden mit dem Ergebnis des neuen Schmieschek-Apparates. Sie konstatierten, dass die Sicht durch die Anwendung dieser neuen Technik tatsächlich »objektiv« verbessert werden konnte. 59 Der Schmieschek-Apparat war somit eine Technik, die am Institut selber konzipiert wurde und die »off the shelf«-Techniken aus dem Ausland ergänzte.
03.01.1961 in München-Riem mit H[ans] G[erhard] Müller, gefolgt von einer kurzen Unterredung mit A. Faessler, von R. Sänger (KPAR A2878). 56 Studie zu einem Abeitsprogramm Wolkenphysik Teil 1, S. 122. 57 Tätigkeitsbericht 1958/59 der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug. 58 Studie über das DVL-Entnebelungsverfahren nach U[lrich] Schmieschek, von K. Wanders, Januar 1968 (KPAR A495). 59 Bericht über die Durchführung von Versuchen mit dem Entnebelungsverfahren nach U[lrich] Schmieschek, von K. Wanders, S. 16 (KPAR A3098).
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Abbildungen 29 und 30: Der neue Entnebelungsapparat mit Versuchsaufbau nach Schmieschek 1968
Quelle: Bericht über die Durchführung von Versuchen mit dem Entnebelungsverfahren nach U[lrich] Schmiescheck, von K. Wanders, April 1969 (KPAR A3098); Studie über das DVL-Entnebelungsverfahren nach U[lrich] Schmieschek, von K. Wanders, Januar 1968 (KPAR A495)
Obwohl ab Mitte der 1950er Jahre die Forschung zur Wetterbeeinflussung in Deutschland nicht mehr unter direkter Leitung der US-Armee stand, blieb der Einfluss der amerikanischen Forschung enorm. Um mit dem internationalen Forschungsstandard mithalten zu können, war der Blick der deutschen Wissenschaftler auf den amerikanischen Forschungsstand unabdingbar. Schmiescheks Methode war allerdings so innovativ, dass sie im Januar 1966 auch die Aufmerk-
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samkeit der in Wiesbaden stationierten US Air Force erregte, die die Tätigkeiten zur Wetterbeeinflussung am IPA aufmerksam beobachtete.60 Auch andere amerikanische Institutionen, wie der US Weather Service oder die »Air Transport Association of America« waren an den Forschungsarbeiten des IPA interessiert.61 Gegenseitige Besuche in Deutschland und Amerika waren durchaus üblich. Für die deutsche Wissenschaft gab es in der Nachkriegszeit viel aufzuholen und die Forschungstätigkeiten und Technikentwicklungen in den USA waren dafür wichtige Referenzpunkte.62 Umgekehrt lag es auch im amerikanischen Interesse, über die Forschungen an deutschen Instituten auf dem Laufenden zu bleiben. Wie John Krige betonte, war der amerikanische Zugang zur europäischen Forschung von großer Bedeutung für die USA. Die »intellektuellen Reparationszahlungen« von Deutschland an die USA nach 1945 bestanden darin, dass systematisch Wissen, Daten, Prototypen und Wissenschaftler »gesammelt« und nach Übersee transportiert wurden. Gemäß dem Marshallplan, dem großen Wirtschaftswiederaufbauprogramm der USA, sollte sich Deutschland jedoch wirtschaftlich erholen, und der Grundlagenforschung wurde dabei eine wichtige Rolle beigemessen. Mit einer stabilen deutschen Wirtschaft erhoffte sich die USA, kommunistischen Bewegungen in Europa entgegenzuwirken. Eine weitere Wissensabschöpfung aus Deutschland hätte dem entgegengewirkt. Doch die Sammlung wissenschaftlicher Daten aus Deutschland hörte mit dem Marshall Plan nicht auf. Das »wissenschaftliche Kapital« Europas sollte das Wissen amerikanischer Forscher erweitern, um damit deren »Arsenal of Knowledge« auszubauen.63 Die Kooperation der USArmee mit deutschen Wissenschaftlern bestand also laut Krige nicht trotz der amerikanischen Überlegenheit, sondern war eine Strategie, um diese wissen-
60 Brief von Alfred R. Crisi an [Ulrich] Schmieschek, 17.01.1966 (KPAR A495). Siehe auch Weather and Climate Modification, S. 34. 61 Ebd.; Gespräch über Entnebelung, 20.02.1967, Protokoll von H. Kunz (KPAR A495); Brief von Wolfgang Opfermann an Horst Niemeyer, 01.07.1968 (KPAR A2642); Aktenvermerk, Besuch von Capt. Laurence D. Mendenhall US Weather Service im Institut für Physik der Atmosphäre am 11.02.1969, von Manfred Reinhardt, 05.03.1969 (KPAR A2642). 62 Wie das »amerikanische Innovationssystem« als Vorbild für die deutsche Nachkriegsforschung diente, zeigt am Beispiel der Chemie, der angewandten Mathematik und Informatik auch Trischler: »The Syndrome of Falling Behind«. 63 Krige: American Hegemony, S. 11, sowie Krige: »Building the Arsenal of Knowledge«.
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schaftliche und technologische Überlegenheit sicherzustellen.64 Es lag somit im Interesse beider Seiten, den Wissensfluss zwischen den USA und Deutschland zu gewährleisten. Abbildung 31: Der Eiskeimgenerator »Super Bangui«, mit dem Eiskeime aus flüssiger Kohlensäure beziehungsweise aus Trockeneis in die Luft geschleudert werden konnten, 1972
Quelle: Manuskript »Beschreibung der Apparaturen der I40 zur Erzeugung von Eiskeimen im unterkühlten Nebel« (KPAR A2941)
Das neue Schmieschek-Verfahren war allerdings auch 1969 noch nicht ausgefeilt genug, um es auf Flughäfen effektiv einzusetzen.65 Dafür wären weitere Versuche nötig gewesen. Nach wie vor erfolgreicher waren die Methoden, mit Kohlensäure oder Trockeneis unterkühlten Nebel auf einer Fläche von bis zu fünf Quadratkilometern aufzulösen. Für diese Experimente verwendeten die IPAMitarbeiter einen »Eiskeimgenerator«, der ursprünglich für das Versprühen von Pflanzenschutzmitteln konstruiert worden war (Abbildung 31). Das Trockeneis konnte so bis zu 60 Meter hoch in den Nebel hineingesprüht werden und ein partielles Ausschneien bewirken. Dieses Ausschneien war jedoch schwierig zu kontrollieren. Der Wind konnte die Eiskeime ablenken, sodass der Schnee an einem anderen als dem geplanten Gebiet fiel. Für Verkehrsteilnehmer konnte eine solche unerwartete Schneebedeckung gefährlich werden 64 Ebd., S. 281-285. 65 Brief von Alfred R. Crisi an [Ulrich] Schmieschek, 17.01.1966 (KPAR A495).
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(Abbildung 32).66 Es schien kein wirklich patentes Mittel gegen Nebel in Reichweite zu sein. Abbildung 32: Aufnahme einer Landstraße nach dem Ausschneien von Nebel 1972
Quelle: KPAR B213
Ab den 1970er Jahren begann sich schließlich eine andere Technik zu etablieren, die das Problem für den Luftverkehr lösen sollte: Flugzeuge wurden immer öfter mit elektronischen Landehilfen bestückt, die es den Piloten ermöglichten, auch bei Nebel zu landen.67 Nebel schien damit bald kein Thema mehr zu sein. Auch der geplante neue Flughafen München II, der in einem ehemaligen Sumpfgebiet und damit einer Nebelregion lag, sollte mit dieser Technik ausgerüstet werden.68 Mit der Lufthansa und dem Flughafen verlor die Forschung zur Nebelauflösung in der Folge ihre finanziellen Unterstützer, und da es in der Region München keine anderen Interessenten an der Wolkenauflösung gab, konnten entsprechen-
66 Manuskript »Beschreibung der Apparaturen der I40 zur Erzeugung von Eiskeimen im unterkühlten Nebel« (KPAR A2941); Tätigkeitsbericht 1972 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 324; Interview mit Manfred Reinhardt, 14.08.2012. 67 Zur »Politik der Blindlandung« siehe Conway: »The Politics of Blind Landing«. 68 Stellungnahme zur Entnebelung von Flugbetriebsflächen durch das Linde AGVerfahren, von H. Liebelt, 04.12.1979 (KPAR A3017/2).
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de Forschungen nicht mehr finanziert und nicht mehr gerechtfertigt werden,69 sodass das Thema Nebelauflösung am IPA gänzlich von der Agenda verschwand.
H AGELBEKÄMPFUNG
AM
IPA
Das zweite Forschungsthema im Bereich Wetterbeeinflussung, das Hans Gerhard Müller neben der Wolken- und Nebelauflösung vom DWD an die FFM mitbrachte, war die Hagelbekämpfung. Bei Hagel handelt es sich um Eisklumpen von über 0,5 Zentimetern Größe. Das angeblich größte je gemessene Hagelkorn hatte einen Durchmesser von 14 Zentimetern.70 Hagel entsteht in Gewitterzellen, wenn in den unteren Bereichen einer Gewitterwolke schwebende und unterkühlte Wassertröpfchen um relativ wenige vorhandene Kristallisationskerne herum gefrieren. Da die Auswahl an solchen Kernen gering ist, wachsen die Eisklümpchen schnell zu wenigen, dafür großen Hagelkörner an. Die starken Aufwinde in einer Gewitterwolke (ausgelöst durch die Freisetzung von latenter Wärme) verhindern aber, dass die Hagelkörner sofort auf die Erde fallen. Sie werden mehrmals wieder in der Wolke hinaufgewirbelt und wachsen dabei, bis sie so schwer sind, dass sie trotz Aufwind aus der Wolke heraus auf die Erde fallen. Je stärker also die Winde, desto größer die Hagelkörner. Hagelbekämpfungsversuche wurden ab den 1950er Jahren in mehreren Ländern durchgeführt, unter anderem in Südfrankreich, in Jugoslawien sowie im amerikanischen Colorado. Auch argentinische Versuche und Aktivitäten in der Sowjetunion waren bekannt. 71 In der Schweiz unternahm die neu gegründete »Eidgenössische Kommission zum Studium von Hagelbildung und Hagelabwehr« ab 1950 Silberjodid-Impfungen von Gewitterwolken. 72 Die Idee hinter diesem sogenannten »Hagelschießen« war folgende: Die Entstehung von großen Hagelkörnern wurde auf einen Mangel an Gefrierkernen in der Gewitterwolke
69 Aktennotiz über die Besprechung »Lindeprojekt«, von Hermann Willeke, 06.08.1979 (KPAR A3017/2); Studie zu einem Abeitsprogramm Wolkenphysik Teil 1, S. 120. 70 Es wurde am 03.09.1970 in Coffeyville, Kansas, gefunden. Seine Aufschlaggeschwindigkeit wurde auf ungefähr 170 Stundenkilometer berechnet (Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft [Hg.]: Hagel, S. 6-7). 71 Müller: 9. (Abschluss-)Bericht über die Hagelabwehrversuche, S. 5-6; Hans Gerhard Müller an den Deutschen Wetterdienst Frankfurt a.M., 23.06.1954 (KPAR A2878). 72 Nach dem »Großversuch IV« im Napfgebiet (1977-1983) wurde die Kommission wegen »negativen Resultaten« aufgelöst. Schiesser: »Hagel«.
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zurückgeführt. Um Hagel zu verhindern, sollten also zusätzlich künstliche Gefrierkerne in die Wolke gepumpt werden, damit mehr, dafür aber kleinere Hagelkörner (oder sogar nur Graupelkörner) entstehen. Diese kleineren Eiskörner würden weniger Schaden anrichten, oder idealerweise auf ihrem Weg auf die Erdoberfläche zu Regentropfen schmelzen. Silberjodid war hierfür die weitverbreitete Substanz, weil es weder giftig noch wasserlöslich war und damit als umweltverträglich galt.73 Um das Silberjodid in die Gewitterwolken zu transportieren, gab es zwei Verfahren. Bei einem kamen, ähnlich wie bei den Versuchen zur Wolkenauflösung, Generatoren zum Einsatz, die das Silberjodid vom Boden aus in die Wolke katapultieren sollten. Beim anderen belud man Raketen mit der Substanz und schoss diese in die Gewitterzelle hinein. Später kamen auch Flugzeuge zum Einsatz. Der Rosenheimer Großversuch 1957 bis 1967 Der Himmel über Oberbayern ist durch die Nähe zu den Alpen und die typisch mitteleuropäischen, starken Luftmassenwechsel für die Hagelproduktion besonders prädestiniert. Vor allem im Sommer, wenn sich die Stadt München tagsüber aufheizt, entsteht starke Konvektion. Die Region, die stark vom Obstanbau geprägt war, war so immer wieder von schweren Hagelschäden betroffen. 74 Da Hagel ein großes Problem für die Volks- und Landwirtschaft darstellte, hatte das Thema Hagelbekämpfung auch politisches Potential. Die Initiative für die Experimente zur Hagelabwehr kam denn auch aus der Lokalpolitik: Der Rosenheimer Landrat Georg Knott propagierte 1954 das »Hagelschießen« als wirksames Mittel, um die Ernte vor Schäden zu schützen und stellte im Landtag den Antrag auf 100.000 DM für ein solches Experiment. 75 Hans Gerhard Müller war als wissenschaftlicher Experte und Vertreter des DWD während der Debatte im Bayerischen Landtag anwesend. Er wusste um die vagen Resultate der ausländischen Experimente und war äußerst skeptisch gegenüber dem »Hagelschießen«. Müllers und Knotts Positionen schienen unvereinbar und Müller fühlte sich von Knotts Memorandum »sehr scharf« angegriffen. 76 Schließlich ging Knott als
73 Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (Hg.): Hagel, S. 9. 74 Einer der verheerendsten Hagelzüge zog im September 1936 über die Stadt (Ebd., S. 13). 75 O.V.: »Zweite Verteidigungslinie gegen den Hagel«, in: Mangfallbote vom 16.01.1961. 76 Wie die von Müller als heftige Angriffe wahrgenommenen Äußerungen Knotts lauteten, ist nicht bekannt.
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Sieger in der Debatte hervor und der Antrag wurde mit elf gegen zwei Stimmen und vier Enthaltungen angenommen. Müller kommentierte das Ergebnis, dass dafür »weniger eine sachliche Würdigung des Auftragsinhaltes als taktische Gesichtspunkte für die bevorstehende Landtagswahl bestimmend waren«. Trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – seiner Skepsis an der Wirkungskraft wollte er aber über die nächsten Schritte in diesem Experiment informiert werden. Der DWD solle »auch dann versuchen, in irgendeiner Weise Kontakt zu dem Geschehen auf diesem Gebiete zu behalten, wenn die Durchführung der Versuche in einer Weise erfolgt, die nicht unbedingt zweckmäßig erscheint«.77 Abbildung 33: Presseberichterstattung über den Rosenheimer Hagelversuch und dessen Initiator Landrat Knott
Quelle: O.V.: »Zweite Verteidigungslinie gegen den Hagel«, in: MangfallBote vom 16.01.1961, OVB-Heimatzeitungen
77 Brief von Hans Gerhard Müller an den Deutschen Wetterdienst Frankfurt a.M., 23.06.1954 (KPAR A2878).
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Als der Rosenheimer Großversuch tatsächlich zustande kam, erschien dies in den Medien als Landrat Knotts »persönliches Verdienst« (Abbildung 33). 78 Die finanziellen Mittel stellte der Landkreis Rosenheim zusammen mit dem »Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten« sowie zu Beginn die Abteilung Hagelversicherung der Bayerischen Landesversicherungskammer. Der Landtag erteilte den Auftrag dem DWD, wo 1957 Müller selber die Leitung des Projektes übernahm.79 Als dieser 1961 an die FFM wechselte, »nahm« er dieses Experiment mit und führte es unter dem neuen institutionellen Dach aber ansonsten praktisch unverändert weiter. Mit dem Wechsel standen ihm nun auch das FFM-Radargerät »Meteor 200« sowie Flugzeuge für zusätzliche Untersuchungen des Hagelbildungsprozesses zur Verfügung. 80 Auch nach der Auflösung der FFM und der Neukonstituierung des IPA wurde das Projekt unter Müller nahtlos weitergeführt und dauerte insgesamt zehn Jahre bis 1967. Damit Schäden vermieden werden konnten, musste bei Hagelgefahr gehandelt werden, noch bevor der Hagel in der Gewitterzelle entstanden war. Es war also bei aufkommenden Gewittern jeweils Eile geboten. Im Rahmen des Rosenheimer Großversuchs sollten deshalb nach dem Vorbild der Sowjetunion und der USA ganze Hagelbekämpfungsgruppen aus Bauern und anderen Freiwilligen organisiert werden, die schnell und selbständig Silberjodid-Geschosse zünden sollten, sobald Hagel zu erwarten war.81 Zusammen mit den Obstbauern richtete die DFS ungefähr 60 solche Posten im Landkreis Rosenheim ein, von denen aus je bis zu 284 Raketen am Tag abgeschossen werden konnten. 82 Parallel dazu bestand ein Netz aus am Boden stationierten Silberjodid-Generatoren.83 Durchschnittlich waren etwa fünfhundert Freiwillige involviert, die (mehr oder weniger zuverlässig) bei Hagelgefahr Raketen und Generatoren einsetzten (Abbildung 34).
78 O.V.: »Zweite Verteidigungslinie gegen den Hagel«, in: Mangfallbote vom 16.01.1961. 79 Müller: 2. Bericht über die Hagelabwehrversuche im Landkreis Rosenheim, S. 1. 80 Müller: 5. Bericht über die Hagelabwehrversuche im Landkreis Rosenheim, S. 1. Die genauen Gründe für Müllers Wechsel vom DWD zur FFM sind jedoch unklar. 81 Müller: 2. Bericht über die Hagelabwehrversuche im Landkreis Rosenheim, S. 1-2. 82 Die Raketen stammten aus Firmen in Italien und der Schweiz (Brief von [Hans Gerhard Müller] an Franz Stein, 15.05.1972 [KPAR A2642]). 83 Hagelunterdrückung, Voraussetzungen, Erfahrungen und Probleme, von Hans Gerhard Müller, ca. 1967 (KPAR A3120).
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Abbildung 34: Standorte von Generatoren und Raketen im Landkreis Rosenheim während des Großversuches
Quelle: Müller: 9. (Abschluss-)Bericht über die Hagelabwehrversuche, o.S.
Resonanz der Hagelbekämpfung in der Bevölkerung Die politische Bedeutung der Hagelbekämpfung zeigte sich nicht nur in den Landtagsdebatten, sondern auch im öffentlichen Diskurs, in dem ein großer Teil der Terminologie dem militärischen Kontext entliehen war. Dies lässt sich besonders anhand der Presseberichterstattung erkennen. Berichteten Zeitungen über die Versuche, so schrieben sie von »Bodengeneratoren-Stützpunkte«, »Verteidigungslinie gegen den Hagel« (siehe Abbildung 33), »›Generalstabsbesprechung‹ im Dienstzimmer« 84 , von »Luftangriff« und »Bodenabwehr« 85 . Dem Wetter wurden die Attribute eines Feindes zugeschrieben und der Versuch, Hagel zu verhindern, zum »Kampf« zwischen Mensch und Wetter konstruiert. Im Gegensatz zum Forschungsbereich der Wolkenauflösung betraf Hagelschlag ein großes Publikum – vom urbanen Autobesitzer bis zum Obstbauern. Die Aufmerksamkeit für die Versuche und die damit verbundenen Emotionen waren 84 O.V.: »Zweite Verteidigungslinie gegen den Hagel«, in: Mangfallbote vom 16.01.1961. 85 W.Y.: »Rosenheimer wollen schiessen«, in: Die Zeit vom 25.03.1954, o.S.
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entsprechend groß. Die kämpferische Sprache scheint zwar im Widerspruch dazu zu stehen, dass die Forschung zur Wetterbeeinflussung in der BRD, anders als in den USA, keineswegs im militärischen Kontext stand. Aber in diesem »Kampf« gegen den Hagel, der aus Sicht der Wissenschaftler gar keinen signifikanten Effekt auf die physikalischen Vorgänge in der Atmosphäre hatte, vermittelte die militarisierte Sprache den Eindruck der Eroberung dieses Raumes auf einer nicht-physischen Ebene. Bereits die Vorstellung, das Wetter sei beeinflussbar, entsprach offenbar einem großen Bedürfnis der Landwirte und entfaltete auf diese Weise politische Wirkung. Im Kampf gegen das Wetter ließen sich die unterschiedlichen Interessen bündeln. Unabhängig vom tatsächlichen physischen Erfolg erfolgte so die Eroberung der Atmosphäre auch auf einer ideellen Ebene. 1965 und 1966, gegen Ende des Großversuches, führte das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zusammen mit dem IPA eine Befragung unter den Rosenheimer Landwirten durch.86 Gemeinsam wollte man erkunden, wie die Betroffenen selbst den Erfolg der inzwischen seit acht Jahren durchgeführten Hagelabwehr einschätzten. Die Kreisobmänner, die die Einschätzungen einsammelten, beurteilten die Versuche als durchwegs »erfolgreich« und waren der Meinung, dass sie fortgesetzt, wenn nicht sogar ausgedehnt werden sollten. Die Landwirte waren sicher, dass das »Hagelschießen« die Schäden eindämmte. An den Kosten mochten sie sich indes nicht beteiligen.87 Die Wissenschaftler waren dagegen nach wie vor nicht von der Wirkung der Wolkenimpfungen überzeugt. Auch nach zehn Jahren experimentieren konnten sie keinen signifikanten Unterschied zur Vergleichsperiode feststellen. Die Frage, ob man mit Silberjodid die Hagelentwicklung zu verhindern oder mindestens einzudämmen vermag, blieb somit unbeantwortet. Müller führte die aussageschwachen Ergebnisse darauf zurück, dass das Versuchsgebiet zu klein sei, es müsse mindestens zehnmal größer sein, »um optimale Wirkung zu erzielen«. Allerdings war sich auch Müller bewusst, dass von Seiten der Politik inzwischen kaum mehr Bereitschaft bestand, für Kosten in dieser Größenordnung aufzukommen. 88 Tatsächlich versiegte die Finanzierung durch das Ministerium für
86 Brief von Hans Gerhard Müller an F. Ruhwandl, 21.09.1965 (KPAR A2609/1); Brief von Generalsekretär Egger an die Kreisobmänner Oberbayern, 21.02.1966 (KPAR A2626). 87 Brief von Münsterer an F. Ruhwandl, 27.04.1966 (KPAR A2626). 88 Brief von Hans Gerhard Müller an G[eorg] Knott, 12.09.1967 (KPAR A2626).
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Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Landkreis Rosenheim, und das Experiment wurde 1967 eingestellt.89 Die Beendigung des Großversuches bedeutete allerdings nicht das Ende der bayerischen Hagelabwehr. Weiterhin schossen Landwirte in eigener Initiative Silberjodid-Raketen in Gewitterwolken. Als 1974 Raketenabschüsse durch ein neues Sprengstoffgesetz verboten wurden, beauftragten sie einen Sportflieger, der das Silberjodid fortan per Flugzeug in die Wolken brachte. Das IPA stand zwar noch für fachlichen Rat zur Verfügung und verfolgte die wissenschaftlichen Experimente im Ausland, unternahm jedoch keine eigenen Versuche mehr.90 Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach befürworteten im Frühling 1972 lediglich 24 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung die Idee, das Wetter mithilfe von Technik zu beeinflussen. 70 Prozent sprachen sich ausdrücklich dagegen aus.91 In Deutschland gab es zwar keine Protestbewegungen gegen die Wetterbeeinflussung wie in South Dakota. Doch den Aktivitäten im Bereich Wetterbeeinflussung fehlte am Ende die Unterstützung einer breiteren Bevölkerungsschicht. Wiederaufnahme der Hagelbekämpfung 1987 bis 1993 1987 kam 20 Jahre nach Ende des ersten Großversuchs eine erneute Kooperation zwischen dem Landkreis Rosenheim und dem IPA zustande. Wenige Jahre zuvor hatte der Münchener Hagelsturm vom 12. Juli 1984 eine Spur der Verwüstung hinterlassen und sich als »Jahrhundertereignis« in das Gedächtnis der Betroffenen eingebrannt. Die Hagelkörner waren bis zu 9,5 Zentimeter groß und 330 Gramm schwer. Die Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft schätzte den Versicherungsschaden auf 1,5 Mrd. DM, den volkswirtschaftlichen Schaden sogar auf ungefähr 3 Mrd. DM.92 Die Hagelkörner verletzten Menschen teilweise schwer. Bei »unvorsichtigen Reparaturarbeiten« gab es sogar mehrere Tote. Zum Zeitpunkt dieses Naturereignisses 1984 war die Hoffnung, Hagel wirksam bekämpfen zu können, bereits geschwunden. Auch die Münchener Rückversiche-
89 Es gab aber weiterhin Tätigkeiten im Gebiet, zum Beispiel Reisen in die Sowjetunion (Tätigkeitsbericht 1972 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 320). 90 Studie zu einem Abeitsprogramm Wolkenphysik Teil 1, S. 123-124; Brief von Hans Gerhard Müller an G[eorg] Knott, 12.09.1967 (KPAR A2626). 91 »Wetter als Waffe«, in: Die Zeit vom 23.06.1972. 92 Die Differenz ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass sehr viele Häuser, Autolager und Gärtnereien unterversichert gewesen seien. Münchener RückversicherungsGesellschaft (Hg.): Hagel, S. 5-19.
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rungs-Gesellschaft kam zu dem Schluss, dass es bisher keinen empirischen Beweis für das Wirken von »Hagelschießen« gebe. Sie bestand daher auf weiterer wissenschaftlicher Erforschung der Hagelbekämpfung, denn »der volkswirtschaftliche Nutzen einer erfolgreichen Hagelabwehr rechtfertigt auch einen hohen Aufwand«.93 Wie damals, war auch diese zweite Kooperation des IPA mit dem Landkreis Rosenheim von Seiten der Lokalpolitik initiiert.94 Der Wunsch nach einer effektiven Hagelabwehr hatte in der Region Oberbayern nie nachgelassen und war wiederkehrendes Thema in den Landesparlamenten in Bayern und BadenWürttemberg.95 Den Anstoß für einen neuen Großversuch zur Hagelbekämpfung in der Region Rosenheim und Miesbach gab Georg Knotts Nachfolger, der Rosenheimer Landrat Max Gimple. Er wünschte sich vom IPA, Gewitterwolken im Raum Rosenheim und Miesbach per Radar zu beobachten, und zu melden, wenn sie das Potential zur Hagelbildung hätten. Sobald die Rosenheimer »Hagelpiloten« gestartet waren, sollten die Wissenschaftler sie zudem per Funk über die Entwicklung dieser Wolken auf dem Laufenden halten. Darüber hinaus schrieb der Forschungsauftrag vor, dass das IPA »in geeigneten Fällen, mindestens viermal jährlich, mit ihren eigenen dafür ausgerüsteten Flugzeugen wolkenphysikalische Messungen zur Untersuchung der Umweltbedingungen von Hagelwolken, die auf unser Gebiet heranziehen oder sich auf unserem Gebiet befinden, durchführt«.96 Der Versuch war zunächst auf drei Jahre angesetzt. Dafür stellte der Landkreis einen Betrag von gut 720.000 DM zur Verfügung.97 Seit Ende des letzten Großversuchs in Rosenheim 1967 hatte es in anderen Ländern weiterhin ähnliche Projekte gegeben. Vor allem die USA und die Sowjetunion hatten in der Zwischenzeit in Experimente zur Hagelunterdrückung investiert.98 Angespornt durch Erfolgsnachrichten aus der Sowjetunion startete das NCAR 1972 das »National Hail Research Experiment« in Colorado (1972 bis 1976). Im Rahmen dieses Projektes wurden randomisierte Wolkenimpfversuche durchgeführt und untersucht. »Randomisierung« bedeutete, dass Wolken nach einem Zufallsprinzip für die Impfung ausgewählt wurden und das Ergebnis danach mit einer Gruppe Gewitterwolken verglichen wurde, die nicht manipu-
93 Ebd., S. 24 und 52. 94 Brief von [Max] Gimple an Manfred Reinhardt, 12.10.1986 (KPAR A3043). 95 Studie zu einem Abeitsprogramm Wolkenphysik Teil 1, S. 119-120. 96 Brief von [Max] Gimple an Manfred Reinhardt, 12.10.1986 (KPAR A3043). 97 Davon versprach das Bayerische Staatsministerium für Finanzen dem Landkreis einen Großteil zurückzuerstatten (Ebd.). 98 Studie zu einem Abeitsprogramm Wolkenphysik Teil 1, S. 124.
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liert wurde. Den amerikanischen Wissenschaftlern stand bei ihren Versuchen ein konventionelles (Doppler-)Radargerät zur Verfügung. Im Gegensatz zu dem Rosenheimer Projekt entstand es ohne Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung in Colorado. Im Gegenteil, die Wissenschaftler mussten während der Experimente das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen. Denn ein so großes Radargerät schien Skepsis hervorgerufen zu haben und die Initianten befürchteten Widerstände gegen das Projekt.99 Von 1977 bis 1981 gab es auch in der Schweiz einen ähnlichen Versuch: der Schweizerische Großversuch IV. Auch dieser war randomisiert und basierte auf den Methoden, die in der Sowjetunion angewandt wurden. Die Schweizer verwendeten dabei ebenfalls zwei DopplerRadargeräte. 100 Doch auch die Schweizer Wissenschaftler konnten letztendlich statistisch keinen Unterschied zwischen geimpften und ungeimpften Wolken feststellen. Der Grund, warum sich das IPA 1987 auf einen neuen Versuch in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Rosenheim einließ, war nicht, dass die Wissenschaftler glaubten, nun doch effektiv ins Wettergeschehen eingreifen zu können. Der Grund war vielmehr das im Jahr zuvor neu angeschaffte Polarisations Doppler Radar Poldirad.101 Das Poldirad unterschied sich von herkömmlichen Doppler-Radargeräten darin, dass es nicht nur den Dopplereffekt nutzen konnte, sondern darüber hinaus auch die Polarisation verändern konnte. Dies machte es möglich, die Form der Niederschlagsteilchen zu erkennen. 102 Der potentielle Nutzen des Poldirad für die Hagelforschung stellte ein wichtiges Argument dar, weshalb der Bayerische Landtag sich an der Finanzierung dieser neuartigen Radaranlage beteiligen sollte. Diese Neuanschaffung bot auch tatsächlich neue Möglichkeiten, Gewitterwolken zu untersuchen und Rückschlüsse auf die Hagelbildung zu ziehen. In der Erforschung von Hagelbildung überschnitten sich also die Interessen des Landkreises Rosenheim und des IPA. Die Kooperation mit dem Landkreis ermöglichte es dem IPA folglich durch eine für mehrere Jahre gesicherte Finanzierung, mit dem neuen Radar Wolkenbildungsprozesse zu erforschen.
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Widerstände der Bevölkerung zeigten sich auch bei anderen (privaten) Wetterbeeinflussungs-Initiativen. In einem Fall in San Luis wurde ein Radar von Impfgegnern in die Luft gesprengt (Rabson: NCAR’s assault on the hail problem, http://www.ucar. edu/communications/staffnotes/9906/here.html [Abrufdatum: 17.02.2014]).
100 Federer et al.: »Main Results of Grossversuch IV«. 101 Interview mit Ulrich Schumann, 14.08.2012. 102 Zum Poldirad siehe auch Kapitel »Radar an Deck und auf dem Dach«.
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Der Forschungsauftrag trug die Überschrift »Untersuchung von mikro- und makrophysikalischen Strukturen und Prozessen in Hagelwolken im Hinblick auf deren Beeinflussbarkeit«. Damit waren sowohl das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse des IPA wie auch der konkrete Wunsch nach Hagelabwehr des Landkreises Rosenheim berücksichtigt. Im Gegensatz zum ersten Großversuch war das Institut nicht mehr direkt an der Hagelbekämpfung beteiligt, sondern lieferte Radardaten und evaluierte, wie solche Impfversuche wirken könnten. Konkret lief die Zusammenarbeit folgendermaßen ab: Sobald die Mitarbeiter am IPA Gewitterwolken im Raum Rosenheim-Miesbach erkannten, meldeten sie dies dem Landrat in Rosenheim und gaben eine Warnung an die Hagelpiloten heraus. Während diese ihre Impfeinsätze flogen, beobachteten die Wissenschaftler die Prozesse in der Wolke mit dem neuen Radar. Dies ermöglichte ihnen, Rückschlüsse auf die Entwicklung des Niederschlages in der Wolke zu ziehen. Die Ergebnisse dieser Radarmessungen übermittelten sie dann per Funk an die Piloten, die ihre Einsätze danach ausrichten konnten. Auch das große Forschungsflugzeug Falcon 20 E kam zum Einsatz – nicht zur Wolkenimpfung selbst, sondern um in der Umgebung des Gewitters weitere wolkenphysikalische Parameter zu messen und so zusätzliche Daten zur Hagelentwicklung zu sammeln. Allerdings war der Einsatz der Falcon ungleich kostenintensiver als die Arbeit mit dem Poldirad. Eine Messflugstunde kostete etwa 7000 DM, dazu kamen jeweils hohe Aufwendungen für den Geräteeinbau und die Datenauswertung. Zudem musste das Flugzeug überhaupt verfügbar sein, wenn kurzfristig eine entsprechende Wetterlage eintrat. 103 Das Radargerät war dagegen auch kurzfristig und mit weniger Kosten und Aufwand einzusetzen. Es blieb deshalb das Hauptwerkzeug in diesem Forschungsprojekt. Die Tatsache, dass die Experimente in Rosenheim nicht randomisiert waren, stellte einen wichtigen Unterschied zu den Versuchen in den USA und der Schweiz dar. Statt Wolken nach dem Zufallsprinzip zu impfen oder nicht zu impfen, wurde in Rosenheim/Miesbach jede potentielle Hagelwolke geimpft. Somit war ein Vergleich mit einer Kontrollgruppe von nicht manipulierten Gewitterwolken nicht möglich und die Aussagekraft des Experimentes blieb beschränkt. Nach Ablauf der drei Jahre hatte das Team am IPA dank der Messungen mit dem Poldirad aber dennoch mehr Wissen über die Entwicklung von Hagel in Wolken gewonnen. Eine Erkenntnis war, dass Hagel eher wie Graupel und nicht wie Regen entsteht. Das bedeutet, dass er sich durch das Aneinandergefrieren von Eiskristallen an den Rändern von Gewitterzellen und nicht in der Mitte bildet. Für eine mögliche Wolkenimpfung hieß dies, das Silberjodid müss-
103 Höller/Meischner: Forschungsbericht DLR-FB 90-38, S. 8-9 und 19.
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te an eben jenen Rändern platziert werden.104 Allerdings ließ sich zwar die Entwicklung von Hagel bis zu einem gewissen Maße per Poldirad verfolgen, doch konnte das Instrument Silberjodid nicht erfassen. Damit blieb unklar, was in den starken Aufwinden in einer Gewitterwolke damit genau geschah. Fazit dieser drei Jahre war: »Die Radarmessungen zeigen bisher, dass die geimpften Wolken kein erkennbar anderes Radarecho als ungeimpfte Wolken erzeugen. Ein eindeutiger Impfeffekt konnte somit aus Radarbeobachtungen nicht festgestellt werden. Möglich ist aber eine Modifikation von Details im Ablauf der Mikrophysik, welche durch unterschiedliche Teilchengrößen für geimpfte und ungeimpfte Wolken zu erwarten wären.«105
Die Wissenschaftler zogen also die Möglichkeit in Betracht, dass das Impfen mit Silberjodid einen Effekt auf die Prozesse in der Wolke hatte. Nachweisen konnten sie dies aber auch mit dem neuen Radargerät nicht. Dieses Ergebnis deklarierten sie deshalb zunächst als »vorläufig«, denn die Untersuchungszeit von drei Jahren sei zu kurz und die Zahl untersuchter Gewitter zu klein gewesen, »um Aussagen im statistischen Sinn treffen zu können«. Deshalb wurde das Projekt um weitere drei Jahre verlängert.106 Die Fragestellung änderte sich dabei nicht, und auch die Methoden blieben im Wesentlichen gleich. Nach definitiver Beendigung des Versuches 1993 blieben schließlich auch die Erkenntnisse dieselben. Keine der Hypothesen zur Hagelbekämpfung konnte bestätigt werden. Zwar war man sich sicher, einen Beitrag zum besseren Verständnis der Hagelbildung geleistet zu haben, doch waren die genauen Vorgänge in einer Gewitterwolke nach wie vor unklar. Randomisierte Experimente hatten nicht stattgefunden, sodass die Forscher keine definitiven Schlüsse auf den Impfeffekt ziehen konnten. So lautete das Fazit: »Es erscheint unwahrscheinlich, dass es in Zukunft eine andere, praktikable Methode der Hagelbeeinflussung geben wird, für die ein Nachweis ihrer Wirksamkeit gelingen kann.«107
104 Ebd., S. 33-34. 105 Ebd., S. 34. 106 Ebd., S. 35-36; Höller/Meischner: Forschungsbericht DLR-FB 93-25. 107 Höller/Meischner: Forschungsbericht DLR-FB 93-25, S. 66.
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F AZIT : K ONTINUITÄT DES F ORSCHUNGSPROGRAMMES VON DER FFM ZUM IPA Der Bereich Wolkenphysik war aufgrund seiner Relevanz für den Segelflug seit DSF-Zeiten fest im Forschungsprogramm verankert. Die Arbeiten zur Wetterbeeinflussung war neben den Messungen der künstlichen Radioaktivität ein weiteres Beispiel für die Diversifizierung der Forschungsagenda, in der das Fliegen nicht mehr zwingend im Zentrum stand, sondern als Mittel zum Zweck eingesetzt werden konnte. Der erste Rosenheimer Großversuch dauerte von 1957 bis 1967, kam mit Müller ab 1961 unter das institutionelle Dach der FFM und wurde nahtlos auch während deren Auflösung und der Neugründung als IPA weitergeführt. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass das Jahr 1962 keinen Bruch in der Institutsgeschichte darstellte. Institutsintern kennzeichnet es vielmehr den Zeitpunkt der Umbenennung, die sowohl den (bereits vorher) veränderten Institutscharakter widerspiegelte als auch den Rahmen für die weitere Entwicklung vorgab: Weg vom Fliegen um seiner selbst willen, hin zur Erforschung des Raumes Atmosphäre. Es zeigt zudem, dass Forschungsthemen stark an Persönlichkeiten gebunden waren. Die Wetterbeeinflussung, die Hans Gerhard Müller als Forschungsthema vom DWD an die FFM »mitnahm«, war stärker an die Person Müllers gebunden als an eine der beiden Institutionen. Darin zeigt sich, was Chandra Mukerji für Forschungslaboratorien darlegte: Nicht nur die verwendeten Techniken, sondern auch die individuellen Wissenschaftler sind mit den Signaturen der Institution verknüpft. Technik und Personen interagieren und kreieren dabei eine koordinierte und spezifische Anordnung von Forschungsaktivitäten und tragen so zu dieser Signatur bei.108 Die neuen Techniken der Wetterbeeinflussung avancierten im Kalten Krieg sowohl zu einem Wundermittel der optimierten Landwirtschaft als auch zur Hoffnung auf einen militärstrategischen Vorteil. Dabei unterschied sich die Situation an der DFS und am IPA jedoch grundlegend von derjenigen in Übersee. Die Forschungstätigkeiten waren im Vergleich mit den Unternehmungen in den USA äußerst begrenzt. Für die USA stellten Wetterbeeinflussungstechniken im Kalten Krieg ein wichtiges militärisches Mittel dar, dessen Einsatzgebiet sich über den gesamten Globus erstreckte.109 In Deutschland hingegen beschränkten sich die Arbeiten auf lokale Anwendungen im Inland, die zwar teilweise in direktem Zusammenhang mit militärischen Interessen standen, wie beispielsweise die Nebelauflösung, die aber vor allem auch für zivile Zwecke eingesetzt wur-
108 Mukerji: A Fragile Power, S. 131-132. 109 Doel/Harper: »Prometheus Unleashed«.
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den. Dennoch fanden die Rosenheimer Versuche auch Resonanz in der amerikanischen Science Community.110 Die Hoffnung der Rosenheimer Landwirte, ihre Ernte vor Hagel zu schützen und die Erwartung des Münchner Flughafens, das Nebelproblem zu lösen, beruhten auf einer Technik, die angetrieben durch den Kalten Krieg hauptsächlich in den USA entwickelt worden war. Somit rückten auch die Rosenheimer Obstbauern, die Münchner Flughafenbetreiber und die Wissenschaftler am IPA in den Kontext des Kalten Krieges, obwohl sie nicht direkt in die politischen oder militärischen Auseinandersetzungen involviert waren. Im Falle Rosenheims spielte die Idee von der Wetterbeherrschung dennoch eine wichtige Rolle. Für die Lokalpolitik war es eine Möglichkeit, sich für die Lösung eines für breite Bevölkerungsteile existenziellen Problems zu engagieren. Dem IPA ermöglichte das Experimentieren mit Wetterbeeinflussungstechniken zum internationalen Forschungsstand aufzuholen, Präsenz in diesem Wissenschaftsbereich zu zeigen und so an der internationalen Erforschung und Besetzung dieses Raumes teilzuhaben. Dabei festigte es auch seinen »sozialen Raum«, der inzwischen nicht mehr nur durch die Segelflugforschung definiert war, sondern sich auf unterschiedliche Bereiche der Atmosphärenforschung ausgedehnt hatte. Diese Flexibilität der Forschungsagenda, die vorhandenen Kenntnisse über die meteorologischen Vorgänge und die verfügbaren Instrumente ermöglichten es dem Institut, auf die lokalen Bedürfnisse einzugehen und Forschungsaufträge zu erhalten. Das Poldirad als neues Großforschungsinstrument war explizit (auch) für die Hagelforschung beantragt worden und verhalf dem IPA zu einem sechsjährigen Forschungsauftrag. Der physikalische Effekt war in der Gesamtheit der Bemühungen um Wetterbeeinflussung allerdings eher klein, im Bereich der Hagelbekämpfung beispielsweise wissenschaftlich gar nicht nachweisbar. Der tatsächliche physikalische »Erfolg« stand allerdings auch gar nicht zwingend im Vordergrund. Bezieht man neben einer rein physikalischen Wirkung auch eine ideelle mit ein, kann der Hagel- und Nebelbekämpfung nämlich eine weitere, nicht-physikalische Funktion zugeschrieben werden. Bereits in der Idee, die Atmosphäre mit diesen Techniken kontrollieren zu können, liegt eine Aneignung dieses Raumes. Der Kalte Krieg als gesellschaftlicher Konflikt sowie dessen Lösung wurde von amerikanischen Meteorologen und Politikern in diesen Raum hineinprojiziert.111 Die »Er-
110 Weather and Climate Modification, S. 38. 111 Es ist anzunehmen, dass in der Sowjetunion ähnliche Überlegungen wie in den USA angestellt wurden. Eine historische Arbeit darüber, welchen Stellenwert Wetterbeeinflussung auf jener Seite des Eisernen Vorhanges hatte, steht bislang noch aus.
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oberung« der Atmosphäre zeigte sich demnach in zwei unterschiedlichen Arten der Besetzung, einer physischen und einer ideellen. Physisch konnte sie durch die Eingriffe erobert werden, die tatsächlich einen nachweisbaren Effekt hatten, wie bei der Wolken- und Nebelauflösung.112 Die Wetterbeeinflussung als »an emerging technology that has not emerged«113 übernahm also (auch) die Rolle eines Machtinstrumentes, um (vermeintliche) Kontrolle über Wetter und Klima zu demonstrieren. Am Beispiel der Wetterbeeinflussung im Kalten Krieg lässt sich folglich zeigen, dass die Atmosphäre nicht nur Transportraum ist, sondern wie Steinbergs »ocean-space«, auch ein Raum, in dem soziale Konflikte ausgetragen werden, und in dem Wissenschaft, Politik und damit Gesellschaft stattfindet.
112 Abgesehen von einer physischen Besetzung durch die Instrumente wie Raketen, Generatoren und Flugzeuge. 113 Lambright/Changnon: »Arresting Technology«, S. 343.
Radar an Deck und auf dem Dach: Der Aufbau von Expertise
Die Radartechnik (»Radio Detection and Ranging«) verwendet Radiowellen, um Objekte zu erkennen und deren Distanz zum Radar zu messen. Ein Radargerät besteht aus einem Transmitter, einem Empfänger, einer Antenne und einer Messanzeige. Der Transmitter sendet einen Energieimpuls aus, der von einem Objekt reflektiert und zum Radargerät zurückgeworfen wird. Von der Zeitspanne zwischen dem Senden des Impulses und dem Moment, an dem das Signal zurückkommt, lässt sich auf die Distanz zwischen dem Gerät und dem Objekt schließen. Ältere Geräte stellten diese Messungen als Linie aus Phosphor auf einem Bildschirm dar. Dort wo das Signal reflektiert wurde, »schlug« diese Linie vertikal aus. So ließ sich die Entfernung des Objektes aufgrund der Linienform ablesen. Neben dieser Linien-Darstellung gab es auch die RundsichtDarstellung (»plan-position indicator (PPI)«); diese zeigt ein Radarecho von 360 Grad an, indem sich das Gerät um die eigene Achse dreht (Abbildung 35). Dabei wurde nicht nur die Entfernung, sondern auch die ungefähre Form des Objektes dargestellt.1 Beide Darstellungen waren auf dem Bildschirm nur kurzzeitig sichtbar. Sollten sie festgehalten werden, mussten sie abfotografiert werden. Radar hatte sich während des Zweiten Weltkriegs zu einer grundlegenden Kriegstechnik entwickelt, als es darum ging, Flugzeuge und Schiffe bei jedem Wetter sowie nachts zu erkennen. Sie ermöglichte es, feindliche Stellungen selbst durch Wolkendecken hindurch aufzuspüren und mit Flugzeugen bombardieren zu können.2 Bei Radar-Einsätzen im Zweiten Weltkrieg war allerdings 1
Battan: Radar Observes the Weather«, S. 21-25.
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Ebd., S. 16-22. Im Gegensatz zur Verwendung von Radartechnik im militärischen Kontext gibt es kaum geschichtswissenschaftliche Literatur zum Einsatz von Radar in den Atmosphärenwissenschaften. Für den Einsatz in der Ionosphärenforschung beziehungsweise Astronomie nach dem Zweiten Weltkrieg siehe zum Beispiel Gillmor:
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Niederschlag ein großer Störungsfaktor. Wenn es regnete, verschwand das Radarecho von Flugzeugen und lediglich ein Störgeräusch kam beim Empfänger an. »But to meteorologists the noise was music«, freute sich der amerikanische Air-Force-Offizier Louis Battan.3 Als Meteorologe sah er das Potential, das diese »Störung« der Wetterbeobachtung eröffnete. Tatsächlich ermöglichte es die Radartechnik auf diese Weise, herannahende Gewitter zu erkennen und kurzfristig eine Warnung herauszugeben. Ab Mitte der 1940er Jahre nahmen Meteorologen daher Radar in ihr Instrumentarium auf und begannen damit, Wolken und Niederschläge zu untersuchen. Sie verteilten Radargeräte über ganze Regionen, beispielsweise entlang amerikanischer Küsten, um damit den Weg von Stürmen zu verfolgen. Die »dual use«-Technologie Radar konnte auch für die Meteorologie sowohl auf dem Boden als auch im Flugzeug eingesetzt werden. Eine Wellenlänge von drei oder zehn Zentimetern stellte sich für die Niederschlagsmessung als besonders geeignet heraus. Abbildung 35: Abfotografierte Rundsicht-Darstellung (PPI) des Radargerätes Meteor 200
Quelle: Unterlagen zu Forschungsaufträgen (KPAR B196)
»Federal Funding and Knowledge Growth« oder Agar: »Making a Meal of the Big Dish«. 3
Battan: Radar Observes the Weather«, S. 18.
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Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gab es auch in Deutschland große Anstrengungen, die Radartechnik für militärische Zwecke weiterzuentwickeln. Danach untersagte das Kontrollratsgesetz Nr. 25 von 1945 bis 1955 deutsche Forschung auf diesem Gebiet. Andere Länder investierten derweil in diesen zehn Jahren nach Kriegsende stark in die Entwicklung dieser Technik. Folglich tauchte der Topos des »Aufholens« nach 1955 auch bei der deutschen Radarentwicklung auf.4 Das erste Radargerät für die Wetterbeobachtung in Deutschland wurde 1957 in Berlin Dahlem vom Institut für Meteorologie der FU in Betrieb genommen. Es war ein umgebautes englisches Schiffsradargerät, hatte eine Reichweite von bis zu 220 Kilometer und wurde auf einem 25 Meter hohen Stahlturm installiert.5 Die Wissenschaftler am Institut für Meteorologie der FU verwendeten es einerseits, um damit Gewitter binnen Stundenfrist vorhersagen und Unwetterwarnungen herausgeben zu können, andererseits, um zu erforschen, wie Niederschlagsgebiete entstehen und sich verhalten.
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Ab dem Sommer 1959 führte auch das DVL-Institut für Flugfunk und Mikrowellen, das bereits vor dem IPA in Oberpfaffenhofen angesiedelt war, wolkenphysikalische Untersuchungen mit einem Radargerät durch.6 Dessen Gerät stand am Flughafen Essen/Mülheim. Um die Messungen zu überprüfen, wandte sich das Institut an Walter Georgii von der DFS in Riem, von wo aus dieser die wolkenphysikalischen Daten mit einem Flugzeug nachmessen sollte. An der DFS hatte man Erfahrung mit der »manuellen« Vermessung von Tropfengrößen (siehe Kapitel »Künstliche Radiaktivität in der Atmosphäre«). Nun sollten solche und andere Messungen zeigen, ob das Radargerät des Instituts für Flugfunk und Mikrowellen verlässlich maß. Die Kontrollmessungen zeigten schließlich, dass die Radartechnik noch nicht potent genug war, wenn es statt um (feindliche) Flugzeuge um Wolken ging. Wolkenuntergrenzen und teilweise auch ganze Wolken konnten vom Radar noch nicht zuverlässig erkannt werden.7
4
Siehe Giessler: »Geschichtliche Entwicklung von Radar«.
5
Scherhag: Radaranwendung in der Meteorologie, S. 71.
6
Zur Geschichte dieses Instituts, das zuvor »Flugfunk-Forschungsanstalt Oberpfaffenhofen (FFO)« und ab 1978 »Institut für Hochfrequenztechnik« hieß, siehe Moreira (Hg.): Microwaves and Radar Institute.
7
Radar-Vergleichsmessung Mülheim-Ruhr, November 1960, interner Bericht Institut für Flugfunk und Mikrowellen Oberpfaffenhofen/Mülheim, Flugwissenschaftliche
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Etwa zur gleichen Zeit (1958) beantragte auch Hans Gerhard Müller vom DWD beim BMV Mittel für ein eigenes Radargerät. Auch er wollte damit Niederschläge untersuchen. Müller hatte sich bisher mit Radiosonden beschäftigt und galt in diesem Bereich am DWD als der Experte. Die Radartechnik würde es ihm nun ermöglichen, die Radiosonden auf ihrem Weg durch die Atmosphäre zu verfolgen. Zudem war Müller einer der ersten Hagelforscher Deutschlands überhaupt. Als wissenschaftlicher Leiter des Programms zur Hagelbekämpfung in Rosenheim hatte er sich inzwischen viel Erfahrung und Wissen zur Hagelentwicklung angeeignet und versprach sich von der Radartechnik noch mehr wertvolle Informationen darüber.8 Mit einem Radargerät konnten Anzahl, Durchmesser und Verteilung von »Niederschlagselementen«, also auch von Hagel, gemessen werden. Daher wünschte sich Müller ein Gerät, das nicht nur Niederschlag erkennen, sondern gleichzeitig auch Radiosonden verfolgen konnte. Eine solche »Trackingfunktion« fand er schließlich im Radargerät Meteor 200 der italienischen Firma Selenia.9 In seinem Antrag an das Verkehrsministerium begründete Müller die Anschaffung des Gerätes wenig überraschend damit, dass er damit die theoretischen Ableitungen mit den gemessenen Daten vergleichen und so die Regenprognose verbessern könne. Das war wenig überraschend und entsprach auch den Zielen des Meteorologischen Instituts der FU Berlin. München, so das Argument jedoch, böte sich durch seine Lage im Alpenvorland als Standort an, da diese eine für die Regenentwicklung günstige Topographie biete. 10 Der Antrag wurde schließlich bewilligt, das Bundesverkehrsministerium stellte die Mittel bereit und beauftragte die DFG für gut 280.000 DM das Meteor 200 mit drei Zentimeter Wellenlänge zu bestellen.11 Das Gerät wurde von der Firma Selenia im Janu-
Forschungsanstalt München (KPAR A3015). Diese Vergleichsmessungen führte Manfred Reinhardt an der FFM bis 1961 weiter (Tätigkeitsbericht 1962 des Instituts für Physik der Atmosphäre). 8
Siehe dazu Kapitel »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung«.
9
Antrag auf Bewilligung von Forschungsmitteln für die angewandte Verkehrsforschung, Beilage zum Brief des Deutschen Wetterdiensts Offenbach an den Bundesminister für Verkehr, 30.12.1958 (KPAR A3087); Interview mit Ehrenfried Kirchschlager, 23.04.2014.
10 Antrag auf Bewilligung von Forschungsmitteln für die angewandte Verkehrsforschung, Beilage zum Brief des Deutschen Wetterdiensts Offenbach an den Bundesminister für Verkehr, 30.12.1958 (KPAR A3087). 11 Brief der Aerologischen Station München an das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, 20.11.1959 (KPAR A3087).
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ar 1961 direkt an Müller nach München-Riem geliefert. 12 Die Aerologische Station des DWD befand sich wie die FFM am Flughafen Riem. Er installierte das Gerät auf dem Flughafentower, was von FFM-Mitarbeitern interessiert zur Kenntnis genommen wurde.13 Am 17. März 1961 war das Meteor 200 zum ersten Mal in Betrieb und damit das erste Radargerät für Niederschlagsbeobachtungen in der BRD. 14 Nur wenige Monate später verließ Müller den DWD, um im November 1961 nebenan bei der FFM Walter Georgiis Nachfolge als Leiter der Abteilung Flugmeteorologie anzutreten. Die Untersuchung von Hagelentwicklung mit Radar »nahm« Müller als Thema mit. Das Meteor-200-Gerät blieb vorerst auf dem Flughafentower. Müller benutzte es aber weiterhin.15 Den Großversuch zur Hagelbekämpfung führte er mit diesem Gerät, nun unter dem institutionellen Dach der FFM beziehungsweise des IPA, weiter.16 Die FS Meteor auf der Internationalen Indischen Ozean-Expedition Im selben Jahr trat das Geophysikalische Institut der Universität Hamburg an Müller heran, um dessen Radarexpertise einzuholen. Es ging um ein Gerät, das das Institut auf einem Forschungsschiff installieren wollte. 17 Da Müller das Selenia-Gerät inzwischen gut kannte und daran interessiert war, auch Niederschlagsuntersuchungen durchzuführen, schlug er das gleiche Modell für das Forschungsschiff vor.18 Wenige Tage später reiste er nach Hamburg, um dort im Geophysikalischen Kolloquium über seine »Erfahrungen mit einem meteorologi-
12 Bestellung Hochleistungs-Wetterradargerät »Stormfinder/Windtracker« der AtlasWerke AG Bremen, Deutsche Forschungsgemeinschaft Bad Godesberg 24.09.1959 (KPAR A3087); Brief der Aerologischen Station München an den Deutschen Wetterdienst Offenbach, 10.04.1961 (KPAR A3087). 13 Interview mit Manfred Reinhardt, 14.08.2012. 14 Etwas später gab es ein solches »Wetterradar« auch in Berlin. Dies war aber ein »ausrangiertes« amerikanisches Gerät (Brief von Hans Gerhard Müller an den Deutschen Wetterdienst, 14.06.1961 [KPAR A3087]; Interview mit Ehrenfried Kirchschlager, 23.04.2014). 15 Anlage zum Verlängerungsantrag zu Az.Mü 85/6 und 85/7, Schwerpunktprogramm Radarmeteorologie, von Hans Gerhard Müller, 22.03.1963 (KPAR A2657). 16 Tätigkeitsbericht 1962 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 17 Brief von Karl Brocks an Hans Gerhard Müller, 02.02.1962 (KPAR A2616/1). 18 Interview mit Ehrenfried Kirchschlager, 23.04.2014.
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schen Radargerät« zu berichten.19 Müller hatte sich mit seiner Radarinitiative zur Niederschlagsuntersuchung in Deutschland einen Namen gemacht und übertrug diese Expertise mit seinem Wechsel vom DWD an das IPA. Schon wenig später bildete das IPA auch Mitarbeiter des DWD-Seewetteramtes sowie Angestellte des Meteorologischen Instituts Bonn in der Benutzung von Wetterradargeräten aus.20 Auch in die Radarausrüstung des Forschungsschiffes blieb Müller involviert und beriet das Seewetteramt in dieser Angelegenheit weiter.21 Das Forschungsschiff wurde im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums hauptsächlich durch die DFG finanziert und vom »Deutschen Hydrographischen Institut« im März 1964 in Dienst gestellt. Es führte ebenfalls den Namen »Meteor«. 22 Diese FS Meteor II war die Nachfolgerin der FS Meteor I. Diese war 1915 als Kriegsschiff ausgelaufen, nach dem Ersten Weltkrieg jedoch von der Deutschen Seewarte und dem Institut für Meereskunde in ein Forschungsschiff umgebaut worden, 1924 zu einer ersten Expedition in den Südatlantik aufgebrochen23 und bis 1939 als Forschungsschiff in Betrieb geblieben. Die FS Meteor II sollte es der BRD ermöglichen, an der »Internationalen Indischen Ozean Expedition (IIOE)« teilzunehmen, die bereits seit 1959 lief. Im Rahmen dieser Expedition nahmen 40 Forschungsschiffe mit Wissenschaftlern aus über 20 Ländern teil. 24 Wie die Atmosphäre war auch der Ozean ein Raum, der zu Beginn des Kalten Kriegs als noch weitgehend unerforschtes Territorium in den Blick geriet und als Naturraum vor allem aus geopolitischen Interessen wissenschaftlich untersucht, besetzt und kontrolliert werden sollte. 25 Vor dem Hintergrund, wissenschaftlich und technisch aufholen zu müssen, war die Bundesregierung daran interessiert, ebenfalls mit einem Forschungsschiff an dieser internationalen Expedition im Indischen Ozean teilzunehmen. Der Indische Ozean war für die Wissenschaftler deshalb so interessant, weil er als am wenigsten erforscht galt und durch das Monsun-Windsystem eine besondere Zirkulation auf der Oberfläche wie auch in
19 Tätigkeitsbericht 1962 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 20 Tätigkeitsbericht 1963 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 115. 21 Ebd. 22 Die Geschichte der FS Meteor II, ihrer Beschaffung sowie ihres Einsatz wurde noch nicht untersucht. 23 Geschichte Meteor I, http://www.ifm.zmaw.de/fileadmin/files/leitstelle/meteor/MET EORvirtuell/geschichte-meteor1.html (Abrufdatum: 09.04.2014). 24 Internationale Indische Ozean Expedition, Forschungsschiff »Meteor«. 25 Vgl. dazu ausführlicher die Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff« und »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung«.
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größeren Tiefen aufwies. Diese Zirkulation wirkte sich auf die Wechsel der Wassertemperatur, auf die Tierwelt und auf die Sedimentschichtung aus, sodass »ein dringendes Bedürfnis für das Studium des gesamten Systems« bestehe. Mit diesem »System« war ein Raum gemeint, der vom Ozeangrund bis in die obere Atmosphäre reichte.26 Die Expedition lässt sich in der Organisation und Motivation mit dem GATE vergleichen, das 1967 startete. Beides waren internationale Großprojekte, die die wissenschaftliche Erforschung globaler Räume anstrebten. Bei beiden hatte die BRD ein Interesse daran, mit einem eigenen Instrumententräger teilzunehmen. Für das GARP-Unterprojekt GATE scheiterte die Teilnahme aus Mangel an einem geeigneten Forschungsflugzeug.27 Doch für die IIOE ließ die Bundesregierung die Meteor II ausrüsten. 13 deutsche Forschungsinstitute schickten insgesamt 50 Wissenschaftler auf die Expedition. Die Ozeanographen, Geologen, Biologen, Zoologen und Schiffbauexperten wechselten sich auf mehreren Etappen ab. Eine Teilnahme von Atmosphärenwissenschaftlern war zu diesem Zeitpunkt noch nicht explizit geplant.28 Wenige Monate vor der ersten Probefahrt wünschte sich allerdings Friedrich Defant vom Institut für Meereskunde der Universität Kiel, dass jemand von Müllers Radargruppe an der Expedition teilnähme, primär um sich um den technischen Unterhalt des Selenia-Radargerätes auf dem Schiff zu kümmern.29 Die Techniker an Bord fühlten sich nicht kompetent genug, mit diesem Gerät zu arbeiten.30 Im Gegenzug dazu durfte Müller ein eigenes wissenschaftliches Programm ausarbeiten, um auf dem Schiff Wolkenuntersuchungen durchzuführen. 31 Er entwarf in der Folge ein Forschungsprogramm, im Rahmen dessen Radiosondenaufstiege geplant waren, um damit die kurzwellige und langwellige Strahlung in der Atmosphäre zu untersuchen. Daten zum Strahlungshaushalt über den Ozeanen lagen bisher kaum vor. Die Schiffs-
26 Internationale Indische Ozean Expedition, Forschungsschiff »Meteor«, S. 1. 27 Vgl. dazu Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff«. 28 Als teilnehmende Institute standen vor Beginn der Expedition ausschließlich ozeanographische, geologische, biologische und zoologische Forschungseinrichtungen sowie das Institut für Schiffbau der Universität Hamburg fest (Internationale Indische Ozean Expedition, Forschungsschiff »Meteor«, S. 2 und 6). 29 Brief von Friedrich Defant an Hans Gerhard Müller, 22.07.1964 (KPAR A2616/1). 30 Tätigkeitsbericht 1963 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 31 Brief von Friedrich Defant an Hans Gerhard Müller, 22.07.1964 (KPAR A2616/1).
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expedition bot Müller nun die Möglichkeit, die vom Land aus gemachten Messungen zu ergänzen.32 Für den Einsatz auf dem Schiff wählte Müller seinen Mitarbeiter Ehrenfried Kirchschlager aus. Kirchschlager hatte eine Ausbildung im Bereich Hochfrequenztechnik absolviert und war 1957 an die DFS gekommen.33 Er schiffte sich also am 15. Dezember 1964 im jemenitischen Aden zusammen mit Friedrich Defant ein. Mit einem Studenten Defants bildeten sie zu dritt auf dieser ersten Meteor-Expedition die kleine Gruppe »maritime Meteorologie«.34 Auf der Reise im Arabischen Meer und dem Indischen Ozean ließen sie alle sechs Stunden, rund um die Uhr, insgesamt fast 100 Mal Radiosonden in eine Höhe von bis zu 30 Kilometer steigen und maßen so Temperatur, Feuchte und Druck in der Atmosphäre sowie Daten zum Strahlungsstrom der Sonne. Mit dem Radargerät sammelten sie gleichzeitig Informationen zu Windrichtung und -geschwindigkeit. Die PPI-Radarbilder ließen sie von einer Fotokamera automatisch festhalten und machten zusätzlich Foto- und Filmaufnahmen des Radarschirms, auf dem Wolken und Regenschauern abgebildet wurden. Es ging vor allem darum, möglichst viele Daten zu sammeln, um damit später die Schichtung und Zirkulation der tropischen Atmosphäre besser zu verstehen.35 Das Gerät arbeitete zunächst fehlerfrei, fiel jedoch auf der dritten Etappe mehrmals aus. Der Ingenieur Kirchschlager leistete »aufopfernde Arbeit«, um das »diffizile Gerät« jeweils wieder zum Laufen zu bringen, wie der Fahrtleiter der Expedition betonte. In seinem Bericht wies er darauf hin, wie wichtig eine solche »genaue Gerätekenntnis« sei.36 Kirchschlagers Expertise im Umgang mit einer Radaranlage war also entscheidend für die positive Bewertung der meteorologischen Untersuchungen auf der Expedition.
32 Programm des DVL-Instituts für Physik der Atmosphäre im Rahmen der IQSYExpedition »Meteor« 1965, Anlage zum Brief von Hans Gerhard Müller an Karl Brocks, 29.09.1964 (KPAR A2616/2). 33 Tätigkeitsbericht 1963 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 34 Die anderen Forschungsgruppen arbeiteten unter den Bezeichnungen »physikalische Ozeanographie«, »chemische Ozeanographie«, »Meeresgeologie«, »Planktologie«, »Meeresbotanik«, »Meeressoziologie«, »Ichthyologie« und »maritime Mikrobiologie« (3. Kurzbericht Indische Ozean Expedition mit FS »Meteor«, 14.12.1964-16.01.1965 [KPAR A2616/1]). 35 Ebd. 36 4. Kurzbericht Indische Ozean Expedition mit FS »Meteor«, 16.01.-11.2.1965 (KPAR A2616/1).
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Als die FS Meteor einige Monate später, im August 1965, für ihre zweite Expeditionsreise auslief, war das IPA erneut mit an Bord. Nach der Forschungsreise im Indischen Ozean im Jahr zuvor, war das Ziel der Reise nun der Atlantische Ozean. Neben Kirchschlager nahmen auf unterschiedlichen Etappen Müller selbst und zwei weitere IPA-Wissenschaftler teil.37 Im Zentrum ihres Interesses standen nach wie vor der Strahlungshaushalt der Erde sowie die Niederschlagsentwicklung im tropischen Ozean. Zur Datensammlung arbeiteten sie weiterhin mit Radiosonden und Radar sowie neu auch mit einem Streulichtschreiber (Abbildung 36).38 Abbildung 36: Das Wetterradargerät (oben) und der Streulichtschreiber (rechts) an Bord der FS Meteor, ungefähr 1965
Quelle: Fotos zu KPAR A2629/1 (KPAR B188)
37 Brocks: Die Atlantische Expedition 1965 (IQSY). 38 Tätigkeitsbericht 1965 des Instituts für Physik der Atmosphäre.
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Die Zwischenberichte, die die Expeditionsleiter jeweils verfassten, vermitteln ein Bild harmonischen Zusammenarbeitens der Arbeitsgruppen. Auch der gesellige Teil der Expeditionen nahm einen wichtigen Stellenwert in der Berichterstattung ein. Die Wissenschaftler – es befanden sich keine Frauen an Bord39 – verbrachten schließlich viel Zeit auf wenig Raum miteinander, feierten auf dem Schiff Weihnachten sowie einen »fröhlichen Silvesterabend«. Filme und Vorträge »halfen die Stimmung hoch zu halten« und nach wenigen Wochen waren die Mannschaften »zu einer Crew verschmolzen«. 40 Als Besonderheit der MeteorExpedition im Indischen Ozean gab es das Ritual der »Äquatortaufe«, eine Art Initiationsritus, der bei jedem Überfahren des Äquators begangen wurde.41 Ähnlich wie bei Flugexpeditionen mit dem Kuiper Airborne Laboratory entwickelte sich durch die gemeinsam erlebten, nicht ungefährlichen Exkursionen, unter den Wissenschaftlern ein Gefühl von Kameradschaft und Heldentum. 42 Das Flugzeug und das Schiff waren nicht nur Instrumententräger, sondern auch Träger dieses Gemeinschaftsgefühls. Damit lässt sich an Richard Sorrensons und Chandra Mukerjis Überlegungen anschließen, dass Forschungsschiffe (und Forschungsflugzeuge) nicht nur Transportmittel seien, sondern auch die Art der Wahrnehmung der Umwelt und damit die Forschungsarbeiten selbst (mit-) formen. 43 Radar-Expertise am IPA Während Kirchschlager und Müller an den Meteor-Expeditionen teilnahmen, lief im deutschen Mülheim die Zusammenarbeit des IPA mit dem Institut für Flugfunk und Mikrowellen weiter. Neben diesen und den Arbeiten an Bord der FS
39 Auch in den folgenden Meteor-Expeditionen, mindestens bis in die 1970er Jahre, waren
die
Teilnehmer
ausschließlich
männlich.
Interview
mit
Ehrenfried
Kirchschlager, 23.04.2014. 40 3. Kurzbericht Indische Ozean Expedition mit FS »Meteor«, 14.12.1964-16.01.1965 (KPAR A2616/1). Allerdings gab es auch Spannungen unter den Teilnehmern. Schließlich verbrachten sie teilweise mehrere Monate auf sehr engem Raum zusammen und erfüllten ein hohes Arbeitspensum. Vgl. dazu Interview mit Ehrenfried Kirchschlager, 23.04.2014. 41 Ebd. 42 Siehe dazu die Hinweise auf das Kuiper Airborne Laboratory im Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff«. 43 Zu Richard Sorrensons und Chandra Mukerjis Überlegungen zum Schiff als Forschungsinstrument siehe Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff«.
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Meteor führte Müller auch sein Projekt mit dem Meteor-200-Gerät weiter, das er für den DWD angeschafft hatte. Dabei handelte es sich vor allem um die Begleitung des Hagelversuchs in Rosenheim. Mit seinem Wechsel zur FFM hatte er dem Wetterdienst praktisch jeden Einfluss auf diese Arbeiten entzogen. Abbildung 37: Das Radargerät Meteor 200 beim Abbau vom Dach des Institutsgebäudes 1986. Der Durchmesser des Radarschirmes betrug ungefähr 1,2 Meter
Quelle: KPAR B217
Als das IPA 1967 in das neue Institutsgebäude nach Oberpfaffenhofen zog, nahm Müller das Radargerät mit. Damit ging es definitiv in den Besitz des IPA über.44 Mit einem ursprünglichen Anschaffungswert von 250.000 DM war es zu dem Zeitpunkt das bei weitem wertvollste Instrument am Institut, gefolgt vom 44 Interview mit Ehrenfried Kirchschlager, 23.04.2014; Brief von Süssberger an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, 27.08.1976 (KPAR A3087); Brief von Hans Gerhard Müller an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, 31.10.1967 (1967).
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Forschungsflugzeug Do 27 mit einem Anschaffungswert von 195.000 DM.45 Das Meteor-200-Gerät wurde auf dem Dach des Institutsgebäudes in Oberpfaffenhofen installiert, wo es bis 1984 in Betrieb war (Abbildung 37). Mit Müllers Zuzug und seiner Initiative, das Radar als meteorologisches Instrument einzusetzen, hatte das IPA innerhalb weniger Jahre eine Expertise im Bereich Radarmeteorologie und dem Einsatz von Radargeräten auf Schiffsexpeditionen aufgebaut. Es kamen Doktoranden an das Institut, die ihre Dissertationen zu diesem Thema schrieben, Mitarbeiter hielten Vorträge auf Konferenzen und Vorlesungen an Universitäten zur Radarmeteorologie, schrieben Gutachten für die Ausrüstung von Schiffen mit Wetterradartechnik und empfingen regelmäßig Besuche aus dem Ausland, die diese IPA-Expertise einholten.46 Zudem schaffte das IPA ein weiteres, mobiles Radargerät an, das auf einen Anhänger installiert und örtlich flexibel eingesetzt werden konnte.47 GARP 1969 Das GARP ab 1967 umfasste mehrere Experimente. Das GATE, an dem die BRD nicht wie erhofft mit einem eigenen Forschungsflugzeug teilnehmen konnte, war eines davon.48 Ein weiteres GARP-Programm war das »Atlantische Passat Experiment (APEX)« ab 1969. 49 Die BRD war nun mit dem Forschungsschiff FS Meteor II vertreten. Nach der IIOE war dies die zweite Teilnahme des Schiffs an einem internationalen Forschungsprogramm. Zusammen mit Forschungsschiffen aus anderen Ländern war neben der FS Meteor noch ein zweites deutsches Schiff beteiligt, die Planet, die seit 1967 in Dienst war. 50 Das Programm war thematisch an die IIOE angelehnt, zog nun aber stärker auch meteorologische Fragestellungen mit ein. Themenfelder waren beispielsweise atmosphärische Spurengase, Radioaktivität, Aerosole, der Energiehaushalt der Atmosphäre und der Strahlungshaushalt der Erde. Innerhalb der tropischen Konvergenzzone sollten zudem die Schauergebiete untersucht werden, da dies Rück-
45 Aufstellung der Fragebogen für die Kartei des Anlagen- und Geräteringbuches der DGF, 31.08.1966, Anlagekarten 1966 (KPAR A2629/1). 46 Siehe Tätigkeitsberichte 1964-1968 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 47 Tätigkeitsberichte 1967 und 1968 des Instituts für Physik der Atmosphäre. 48 Siehe die Debatte um das Forschungsflugzeug Canberra im Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff«. 49 Auf Englisch: Atlantic Trade Wind Experiment (ATEX). 50 Im ersten Expeditionsabschnitt zum Beispiel die »Discoverer« der Environmental Science Services Administration (USA) und die »Hydra« der British Royal Navy.
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schlüsse auf die im Passat gespeicherte und durch Kondensation wieder freigegebene Energie zuließe.51 Zu diesem Zweck war wieder das Radargerät der FS Meteor bestimmt. Im Gegensatz zur IIOE, waren beim APEX nun mehrere meteorologische Institute beteiligt, konkret der DWD, das MPI für Aeronomie, die meteorologischen Institute der Universitäten in Hamburg, Bonn, Freiburg im Breisgau und München. Das IPA schickte Wissenschaftler sowohl an Bord der FS Meteor wie auch der FS Planet. Ihre Aufgabe bestand darin, die Sonnenstrahlung in der Atmosphäre zu untersuchen und Streulichtmessungen durchzuführen.52 Hans Gerhard Müller war auf einem Abschnitt sogar selber Fahrtleiter der FS Meteor.53 Aufgrund der Erfahrungen während der IIOE setzten die Mitarbeiter vom IPA erneut Radiosonden ein, um die kurz- und langwellige Strahlung in unterschiedlichen Höhen zu messen. Mit einem Streulichtschreiber maßen sie die Lufttrübung, die Hinweise auf die unterschiedliche Verteilung von Aerosolen über Land und über Wasser lieferte.54 Die Arbeiten mit Radar betreute diesmal nicht das IPA sondern das Meteorologische Institut der Universität Bonn. Stattdessen arbeitete das IPA-Team mit einem Rubinlaser auf der FS Planet, um damit Streulichtmessungen in der Atmosphäre vorzunehmen. Das Laserverfahren funktionierte ähnlich wie Radar, indem es einen Lichtimpuls aussendete und die Reflexion genau maß. Die mit diesem »Licht-Radar« messbaren Entfernungen waren geringer, die räumliche Auflösung aber höher.55 Ein solcher Rubinlaser war Teil der »Lidar«-Verfahren, welche sich in den folgen Jahrzehnten am IPA zu einem weiteren bedeutenden Bestandteil der Instrumentenpalette neben der Falcon und der Radartechnik entwickelten. In den folgenden Jahren waren Mitarbeiter des IPA immer wieder als Experten für Radar auf Forschungsschiffen gefragt. So zum Beispiel 1971, als es um die Anschaffung eines neuen Geräts auf der FS Meteor ging, nachdem das erste Gerät der Firma Selenia ausgedient hatte. 56 Auch am internationalen RadarWorkshop 1974 in Washington vertrat das IPA die Radararbeiten der kommen-
51 Mit »innertropischer Konvergenzzone« wird der erdumspannende Tiefdruckgürtel in der Nähe des Äquators bezeichnet, wo die Passatwinde aus dem Norden und aus dem Süden aufeinandertreffen. Dadurch entsteht in diesen Gebieten Konvektion, die mehrmals täglich zu Niederschlag und Gewittern führt. 52 Brocks: Atlantische Expedition 1969 (GARP), S. 3-7. 53 Tätigkeitsbericht 1969 des Instituts für Physik der Atmosphäre, S. 307. 54 Brocks: Atlantische Expedition 1969 (GARP), S. 15 55 Müller: »Laser erkunden die Atmosphäre«, S. 346; Asche: »Aufwendige Apparaturen liefern Informationen über die Luft«, S. 18. 56 Brief von Karl Brocks an Hans Gerhard Müller, 05.04.1971 (KPAR A2657).
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den GARP-Expedition und nahm selbst am jenem Großexperiment von Juni bis Oktober 1974 mit Radar-Niederschlagsmessungen teil.57 Die Einsätze im Rahmen der internationalen Programme IIOE und GARP ermöglichten es dem Institut, Erfahrungen im Umgang mit Instrumenten zu sammeln und diese Expertise gleichzeitig in einem internationalen Umfeld zu demonstrieren. Auch deshalb war die Tatsache, dass das IPA mangels eines geeigneten Flugzeugs nicht an der GARP-Expedition GATE hatte teilnehmen können, in den Augen der Wissenschaftler so bedauernswert. Wie die Beschaffung des Polarisations Doppler Radargeräts Poldirad im Folgenden veranschaulicht, entwickelte sich die auf den Forschungsschiffen erworbene Radarexpertise schließlich zu einem elementaren Bestandteil der Institutssignatur.
D AS »P OLDIRAD « Die durch die Radararbeiten am Institut entstandene Arbeitsgruppe »Radarmeteorologie« spezialisierte sich auf die quantitative Erfassung von Niederschlagsmessungen. Mitte der 1970er Jahre war allerdings auch ihr Radargerät Meteor 200, das Müller vom DWD an das IPA geholt hatte, veraltet. Nicht nur die Überalterung des Gerätes, sondern auch dessen Leistungsfähigkeit mit der Wellenlänge von drei Zentimeter ließen es für die Wissenschaftler nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Mit Verweis auf die Forschungsergebnisse von anderen Wissenschaftlern, die leistungsfähigere Geräte verwendeten, wünschte sich die IPALeitung unter Fortak und Reinhardt ebenfalls ein Radargerät mit einer Wellenlänge von fünf Zentimetern. Die Radararbeiten waren inzwischen fest im Arbeitsprogramm verankert und es waren spezialisiertes Personal und der Raum für ein neues Gerät vorhanden. Gegenüber der DFVLR argumentierten die Antragsteller, dass das IPA die Forschungsarbeiten mit dem alten Gerät nicht mehr weiterführen und ohne neue Radaranlage die in Übereinkunft mit der DFVLR gesteckten Ziele nicht erreichen könne. 58 Das Radar als Instrument und Forschungsmethode war in den 14 Jahren ein Bestandteil des set of techniques und
57 Bericht über die Teilnahme an dem GATE Radar Workshop, von Hans Fimpel, 28.29.03.1974 (KPAR A3004). Wie aus den Quellen zu schließen ist, handelte es sich bei dem Gerät auf der FS Meteor noch um das alte Selenia-Radargerät Meteor 200, das allerdings inzwischen äußerst störanfällig geworden war. Fast ein Drittel der Daten erwies sich als unbrauchbar. Brief von Herbert Schuster an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, 30.04.1975 (KPAR A3004). 58 Brief von Heinz Fortak/Manfred Reinhardt an P. Pütz, 11.10.1974 (KPAR A3042/2).
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damit der Institutssignatur geworden. Nur deshalb konnte das Argument mit der Forschungsplanung für die Fortführung der Arbeiten schlagkräftig sein. Chandra Mukerji hat anhand von Laboratorien gezeigt, wie ein set of techniques die Richtung der zukünftigen Arbeiten anleitete. 59 Am Beispiel des Radars wird eine solche Beziehung zwischen Instrument und institutioneller Identität auch am IPA offenkundig. Das Instrument und die damit erworbene Expertise bestimmten die Forschungsplanung und damit das Bedürfnis nach und den Antrag für das neue Gerät. Begründung für die Anschaffung Im Instrumentenrepertoire nahm das Radar eine Ergänzungsfunktion zu anderen Bodenmessinstrumenten und den Flugzeugen ein.60 Zusammen mit den Flugzeugen, mit denen Tropfenmessungen durchgeführt wurden, und den Registriergeräten am Boden, die beispielsweise Niederschlagsmengen aufzeichneten, schien das Radar eine unverzichtbare ergänzende Rolle einzunehmen, indem es Dichte, Höhe und Art des Niederschlags erkannte. 61 Unverzichtbar auch deshalb, da allein in Nordamerika etwa 20 Forschungsgruppen mit Radar zu solchen Fragen der Wolkenphysik arbeiteten und die Radarmessdaten zur Verbesserung von den seit den 1970er Jahren geförderten mesoskaligen Modellen beitrugen.62 Folglich setzte das IPA 1977 ein neues Radargerät mit fünf Zentimeter Wellenlänge auf seine Großinvestitions-»Wunschliste« und sandte diese an die DFVLR. Tatsächlich akzeptierte die DFVLR das Bedürfnis nach dem neuen Instrument und bewertete dessen Anschaffung als Priorität gegenüber anderen Investitionen.63
59 Mukerji: A Fragile Power, S. 132-134. 60 Zu den Daten von Flugzeug-, Boden- und Radarmessungen wurden am IPA auch Satellitenmessungen der Bewölkung verwendet. Das Institut unterhielt dabei keine »eigenen« Satelliten, sondern erhielt die Daten von anderen DFVLR-Instituten. Satelliten werden daher hier nicht explizit zur IPA-Instrumentenpalette gezählt. 61 Vgl. dazu Studie zu einem Abeitsprogramm Wolkenphysik Teil 2. In der DFVLRMitteilung zur Radarbeschaffung bezeichnet IPA-Mitarbeiter Herbert Schuster das Wolkenradargerät als »Messplattform«, die »unmittelbar neben dem Meteorologischen Messflugzeug [Falcon] einzuordnen« sei (Schuster: »Planung eines C-BandPuls-Doppler-Radars«, S. 7). 62 Siehe dazu Meischner: Eine Informationsreise zur Wolkenphysik. 63 Mittefristige Investitionsplanung, Grossinvestitionen ab 250 TDM, DFVLR Zentrale Programmkoordination, 20.07.1977 (KPAR A3042/2).
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Mit 3 Mio. DM war das neue Radargerät DFVLR-weit eine der teuersten budgetierten Anlagen in den Jahren 1978 bis 1982.64 Eine solche Großanschaffung konnte, wie im Falle des Forschungsflugzeuges Falcon, vom IPA weder allein getragen noch gerechtfertigt werden. Daher holte das Institut das benachbarte DFVLR-Institut mit an den Verhandlungstisch, sodass nun zwei Institute den Antrag an die DFVLR stellten. 65 Für seine Beteiligung an den Beschaffungskosten und den Unterhalt versprach das IPA dem Institut für Hochfrequenztechnik, dass dieses das neue Radargerät während eines Viertels der Einsatzzeit mitbenutzen dürfe, zum Beispiel um damit diejenigen Wettervorgänge zu erfassen, die Signale von Satelliten beeinflussen.66 Die geplanten Aufgaben für das neue Gerät waren im Großen und Ganzen dieselben wie für die bisherigen IPA-Arbeiten: Wolken und Niederschlag sollten damit »qualitativ« und »quantitativ« erfasst werden. Anders formuliert sollte das neue Instrument sowohl die Art des Niederschlags (Regen, Schnee, Graupel und so weiter) wie auch dessen Menge erkennen können. Um dies zu gewährleisten, sollte es ein Gerät sein, das einerseits eine Polarisationseinrichtung hatte, die den Aggregatszustand der Hydrometeore feststellte, und andererseits »dopplerfähig« ist. Mit dem sogenannten Dopplereffekt konnte das Radargerät nämlich auch die Geschwindigkeit der Bewegung von Hydrometeoren erkennen.67 Die bisher am IPA betriebenen »Normalradar«-Geräte wiesen weder eine Dopplerfunktion noch eine Polarisationseinrichtung auf. Mit einem solchen neuen Gerät, so versicherte
64 Nur ein Radargerät mit »synthetischer Apertur« (»SAR«) für das Institut für Hochfrequenztechnik in Oberpfaffenhofen war mit budgetierten 6 Mio. DM noch kostenintensiver veranschlagt als das Radargerät für das IPA. Ein solches Radargerät wurde für die Erfassung der Erdoberfläche aus dem Flugzeug verwendet und stand in keinem direkten Bezug zur Niederschlagsmessung (Protokoll DFVLR Mittelfristige Grossinvestitionsplanung, 08.09.1977 [KPAR A3042/2]). 65 Beim Institut für Hochfrequenztechnik handelte es sich um das ehemalige Institut für Flugfunk und Mikrowellen, mit dem das IPA, wie oben beschrieben, seit 1960 im Bereich Radar kooperierte. 66 Wolkenradar, Vorstandsvorlage, Antrag zur Beschaffung eines Polarisations Diversity-Radars POLRAD im Rahmen der mittelfristigen Planung des Forschungsbereiches Nachrichtentechnik und Erkundung, von Manfred Reinhardt/W. Keydel, 10.02.1982 (KPAR A3042/1); DFVLR-Mitteilung betreffend Nutzungsprofil für neues Mehrzweckradar, von Arno Schroth, 19.05.1982 (KPAR A3042/1). 67 Als Hydrometeore werden Niederschlagsteilchen aus kondensiertem Wasser in flüssiger oder fester Form bezeichnet. Dazu gehören Regentropfen, Schneeflocken, Hagelkörner oder Graupel.
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das IPA der DFVLR, sei es möglich, Wolkensimulationsmodelle und damit Wetterprognosen zu verbessern, und zwar insbesondere für die Voralpengegend, in der das Institut lag.68 Die Bekämpfung von Hagel, welcher ebenfalls geographisch bedingt als vordringliches Problem in Oberbayern wahrgenommen und daher in das Forschungsprogramm aufgenommen worden war, diente als weiteres Argument für die Beschaffung der neuen Radartechnik. 69 Zudem war die Hagelbekämpfung anwendungsbezogen, im Gegensatz zur grundlegenden Erforschung von Niederschlagsprozessen. Wie an anderer Stelle bereits erörtert, war ein solcher Bezug zu angewandten Fragestellungen für die Identität des DFVLRInstituts bedeutend.70 Die im Antrag erstgenannte Begründung für eine solche hochmoderne Radaranlage war, dass das Arbeitsprogramm Wolkenphysik »ein wesentliche[r], integrierte[r] Bestandteil des mittelfristigen Forschungsprogramms des Instituts« sei.71 Dieses »Arbeitsprogramm Wolkenphysik« hatte das IPA 1979 initiiert.72 Sein Hauptziel war die Untersuchung von Wolkenstrukturen und Niederschlag, welches kein neues Arbeitsfeld darstellte, sondern im Gegenteil ein Thema war, das am Institut seit der Wiedereinrichtung der DFS bearbeitet wurde. Damals ging es unter anderem um die erwähnten Tröpfchenmessungen oder Techniken der Wetterbeeinflussung. Seit den 1970er Jahren kam jedoch hinzu, dass solche Untersuchungen auch zur Verbesserung mesoskaliger Simulationsmodelle ein-
68 Beschaffung eines Wolkenradargerätes zu Forschungszwecken, Januar 1980 (KPAR A3042/2). Unter anderem wird an diesem Beispiel deutlich, wie auch die regionale Verortung des Institutes für die Instrumenten- und Themenwahl bestimmend war. Da der Standort in Bayern auch aufgrund des bereits bestehenden Forschungsinteresses der DFS (Segelflug) gewählt worden war (siehe dazu Kapitel »Von der DFS zum IPA«), weist das Verhältnis von (geographisch geprägter) Institutsidentität und Forschungsfragen eine ähnliche Reziprozität auf wie das hier diskutierte Verhältnis zwischen Identität und Forschungstechnologien. 69 Wolkenradar, Mobiles rechnergesteuertes Puls Dopplerradar mit Polarisationseinrichtung, von Peter Meischner, 13.04.1981 (KPAR A3042/2); Interview mit Ulrich Schumann, 31.05.2011. Siehe auch Kapitel »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung«. 70 Zur Diskussion um Grundlagen- und angewandter Forschung als IPA-Identitätsmerkmal siehe die Debatte um den Battelle-Bericht im Kapitel »Von der DFS zum IPA«. 71 Wolkenradar, Vorstandsvorlage, Antrag zur Beschaffung eines Polarisations Diversity-Radars POLRAD im Rahmen der mittelfristigen Planung des Forschungsbereiches Nachrichtentechnik und Erkundung, von Manfred Reinhardt/W. Keydel, 10.02.1982, S. 1 (KPAR A3042/1). 72 Studie zu einem Abeitsprogramm Wolkenphysik Teil 2.
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gesetzt werden sollten. Das »Arbeitsprogramm Wolkenphysik«, das 1981 am IPA begann und von der DFVLR unterstützt wurde, basierte also auf den Forschungsarbeiten der vergangenen Jahrzehnte. Der Hinweis, diese Arbeiten bildeten einen »wesentlichen, integrierten Bestandteil« des Institutsprogramms, verweist folglich darauf, was Albert und Whetten als enduring attribute einer Organisation bezeichnen.73 Diese Arbeiten, die als Teil der Forschungsagenda bereits einen langen Zeitraum überdauert hatten, wiesen die Richtung, in die das IPA auch in Zukunft gehen sollte beziehungsweise konnte.74 Der Antrag für das neue Radargerät beruhte somit auf demselben Argument und offenbart den Mechanismus, wie die bestehende Institutsidentität die Wahl des neuen Forschungsinstruments bestimmte.75 Auswahl des Geräts Das neue Wunschgerät erhielt zunächst die umständliche Bezeichnung »rechnergesteuertes C-Band-Puls-Doppler-Radar mit Polarisationseinrichtung« 76 und sollte dem IPA »einen Vorstoß bis in die Weltspitze« der Wolkenforschung ermöglichen. 77 Zur gleichen Zeit plante auch das »US-Air Force Geophysics Laboratory« in Massachusetts, ein Doppler-Radargerät in Zusammenarbeit mit dem »Georgia Institute of Technology« anzuschaffen. Das Geophysics Laboratory war eine staatliche Forschungseinrichtung, die sowohl Grundlagen- als auch anwendungsbezogene Forschung betrieb. In dieser Hinsicht war es ähnlich organsiert wie die DFVLR. Auch sein neues Radargerät war kein »off the shelf« Instrument, sondern eines, das speziell nach den Anforderungen des Labors konstruiert werden sollte.78 Das Geophysics Laboratory verhandelte betreffend Gerätekonstruktion mit dem Georgia Tech. Das IPA tat dasselbe und wandte
73 Whetten: »Albert and Whetten Revisited«, S. 220-222. 74 Diesem Verständnis der CED-Attribute als bestimmend für die institutionelle Identität liegt in diesem Beispiel die These zugrunde, dass ein »Forschungsprogramm Umweltmineralogie« am IPA kaum Aussichten auf Förderung durch die DFVLR gehabt hätte, da solche Arbeiten bisher kein Bestandteil der institutionellen Identität waren. 75 Mukerji: A Fragile Power, S. 132-134. 76 Schuster: »Planung eines C-Band-Puls-Doppler-Radars«. 77 Wolkenradar, Vorstandsvorlage, Antrag zur Beschaffung eines Polarisations Diversity-Radars POLRAD im Rahmen der mittelfristigen Planung des Forschungsbereiches Nachrichtentechnik und Erkundung, von Manfred Reinhardt/W. Keydel, 10.02.1982, S. 1 (KPAR A3042/1). 78 Brief von James I. Metcalf an A. Schrott, 26.01.1982 (KPAR A3042/1).
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sich gleichzeitig für die Ausführung der Konstruktionsarbeiten an die amerikanische »Enterprise Electronics Corporation«, die bereits Geräte für den DWD geliefert hatte.79 Die Enterprise Electronics Corporation war sehr daran interessiert, dieses besondere Gerät zu konstruieren und versprach der DFVLR »the most superb polarimetric radar research facility ever to be designed and realized«.80 Das Georgia Tech, das für die Konstruktionsplanung angefragt worden war, formulierte zwar etwas zurückhaltender, war aber ebenfalls am Auftrag interessiert.81 Wirkung des neuen Geräts in Wissenschaft und Öffentlichkeit Die Enterprise Electronics Corporation baute das neue Radargerät schließlich für 5 Mio. DM genau nach den Wünschen des IPA. Das »weltweit Einzigartige« daran war, dass das Gerät ermitteln konnte, wie groß Niederschlagsteilchen waren. Daraus konnten die Wissenschaftler schließen, welche Art von Niederschlag sich in einer Wolke bildete, ob es sich um Regen, Hagel oder Graupel handeln könnte – und dies in einem Radius von 300 Kilometern. Das NCAR bezeichnete das Gerät als das Einzige dieser Art, das derart hochaufgelöste Daten sammeln konnte: »At present there are no other such advanced radars, nor is it likely for the next several years that radars with the advanced capabilities of the DFVLR radar will be available in either the United States or Canada.«82 Aus diesem Grund wollte das NCAR es auch für eigene Messungen verwenden.83 Die neue Radaranlage hatte also bereits vor ihrer Lieferung an das IPA international den Ruf, ein außerordentliches Gerät zu sein, wie es bis dahin noch nicht existiert hatte. Am 9. Juli 1986 holte ein Teleskop-Kran erst das alte Radargerät Meteor 200 vom Dach des IPA-Gebäudes in Oberpfaffenhofen und hievte danach die neue Radaranlage hinauf. Mit einem Durchmesser von 5,5 Metern war der Radar-
79 DFVLR Investitionsplanung Wolkenradar, Planjahre 1982-1985, Vorlage zur Vorstandssitzung, 10.02.1982 (KPAR A3042/1). 80 Qualification Statement, Beilage zum Brief von Mike Ueltzen an Harro Ueltzen, 21.04.1982 (KPAR A3042/1). 81 Short Form Proposal, 30 Month Technical Assistance and Management Plan for the DFVLR Coehrent, Dual Polarized Meteorological Radar, Georgia Tech Research Institute, 31.05.1982 (KPAR A3042/1). 82 Request for aviation support, von Arthur R. Jameson, National Center for Atmospheric Research, Boulder, Colorado, 30.07.1985 (KPAR A3016/2). 83 Fax von Paul Spyers-Duran an Heinz Finkenzeller, 28.08.1985 (KPAR A3016/2).
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schirm des Poldirad, wie das neue Gerät inzwischen eingängiger hieß, fast viermal größer als der seines Vorgängers Meteor 200 (siehe Abbildung 37). Es war also schon von weitem deutlich sichtbar (Abbildung 38). 84 Noch bevor es in Betrieb war und auch ein wissenschaftliches Territorium markieren konnte, zeigte somit das neue Radargerät mit seiner schieren Größe und exponierten Position den Standort des IPA an. Abbildung 38: Das neue Wolkenradargerät Poldirad 1986 kurz nach der Montage mit dem Richtbaum. Der Durchmesser des Radarschirmes beträgt 5,5 Meter
Quelle: DLR (1986)
In ihrem Jahresbericht 1986 verwendete die DFVLR das Radargerät als seitenfüllendes Motiv zur Illustration des Bereiches Fernerkundung, ohne dass die damit verbundenen Arbeiten erwähnt worden wären.85 Sichtbar war es auch in deutschen und internationalen Publikationen von IPA-Mitarbeitern, in denen anfangs primär das Instrument und seine Leistung im Zentrum standen und die
84 DFVLR-Mitteilung, Wolkenradar, 01.07.1986 (KPAR A3016/1). Das Radargerät war bewusst so konstruiert worden, dass es auch abmontiert und an anderen Orten wieder aufgestellt werden konnte, um so eine gewisse örtliche Flexibilität für seinen Einsatz zu gewährleisten. 85 DFVLR Jahresbericht 1985, S. 71.
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damit erbrachten Forschungsergebnisse erst in zweiter Linie besprochen wurden.86 Forschergruppen aus dem In- und Ausland wandten sich an die DFVLR oder direkt an das IPA, um Besichtigungen zu organisieren oder mehr Informationen über das Gerät zu erhalten.87 Abbildung 39: Presseberichterstattung über das neue Radargerät am IPA
Quelle: O.V.: »Fünfseenland hat den modernsten Wetterfrosch«, in: Münchner Merkur vom 26.03.1987
Aber auch außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft weckte das Instrument großes Interesse. Das Poldirad war Thema in der Tagespresse, nicht nur im bayerischen Raum, sondern in ganz Deutschland.88 Der Untersuchungsbereich 86 Siehe Meischner: »Neues Wolkenradar erweitert die meteorologische Forschung« oder Hoinka: »Reports from the Weather Front«. 87 Selbst das Sultanat Oman wandte sich an die DFVLR, um mehr Informationen zum Poldirad zu erhalten (Brief von H. Jeske an Manfred Reinhardt, 12.09.1987 [KPAR A3016/1]; Brief von Harro H. Ueltzen an A.A. Haji Ali, 11.06.1987 [KPAR A3016/1]; Brief von Harro H. Ueltzen an Manfred Reinhardt, 16.06.1987, [KPAR A3016/1]). Im Rahmen eines Kolloquiums rund um das neue Radargerät waren mehrere Meteorologische Universitätsinstitute, der DWD, der Fernsehsender ARD, die ETH Zürich und das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr vertreten (Teilnehmer Poldirad-Colloquium, ca. 1987 [KPAR A3016/1]). 88 Um nur ein paar Beispiele zu nennen: O.V. »Neues Radargerät. Blick in die Wolken«, in: Ludwigsburger Kreiszeitung vom 26.03.1987; o.V.: »Radargerät enthüllt Geheim-
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des Geräts (Wolken, Wetter, insbesondere auch Hagel) war durch die Zeitungen leicht vermittelbar. Zudem bot das imposante Instrument selbst ein gutes Motiv für Illustrationen (Abbildung 39). Der Hessische Rundfunk schickte sogar sein Filmteam vorbei.89 Doch nicht nur das Gerät selbst, sondern auch die Daten, die es produzierte, hoben sich ästhetisch von früheren Radarbildern ab. Statt der schwarz-weißen PPI-Darstellungen konstruierte das Poldirad nun erstmals ein Abbild von Wolkenstrukturen in Farbe (Abbildung 40). Abbildung 40: Poldirad-Radarbilder vom 1. Juli 1987. Dargestellt ist eine Gewitterwolke, die sich auf das Gerät zubewegt hat. Im oberen Bild sind, blau und rosa eingefärbt, die hohen Windgeschwindigkeiten zu sehen. Die weiße Fläche in dem unteren Bild signalisiert eine hohe Reflektivität, dort befanden sich demnach große Tropfen oder Hagelkörner.
Quelle: Meischner/Schroth: Poldirad, S. 10
nis der Wolken«, in: Rhein-Zeitung vom 26.03.1987; o.V.: »Wolkenradar erkennt Hagel«, in: Schwäbische Zeitung vom 26.03.1987; o.V.: »Blick in die Wolken«, in: Oldenburgische Volkeszeitung vom 27.03.1987; o.V. »Vorhersage von Hagel«, in: Rheinische Post vom 27.03.1987; o.V.: »Radar untersucht die Wolken«, in: Kieler Nachrichten vom 26.03.1987; o.V.: »Genauer Blick in die Wolken«, in: Wilhelmshavener Zeitung vom 26.03.1987. 89 DFVLR-Mitteilung von Peter Meischner an Manfred Reinhard und andere, 01.07.1988 (KPAR A3016/1).
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Das Poldirad steht mit seiner visuellen Präsenz in internen wie externen Publikationen im Kontrast zu anderen Radaranlagen, wie beispielsweise seinem Vorgänger Meteor 200. Diese Geräte wurden in Berichten kaum abgebildet. Lediglich die von ihnen produzierten Radarbilder fanden gelegentlich Platz in den Veröffentlichungen. Das Poldirad hatte somit neben seinen technischen Funktionen auch eine spezielle ästhetische »Ausstrahlung«. Als Instrument spielte es somit mindestens in der Anfangszeit Mitte der 1980er Jahre eine wichtigere Rolle in der Vermittlung der IPA-Arbeiten als die damit gewonnenen Forschungsergebnisse. Dies unterscheidet es beispielsweise von einem Streulichtschreiber, der zwar über Jahrzehnte hinweg ein vielgebrauchtes und wertgeschätztes Instrument am Institut und ebenfalls Maßanfertigung war, aber ungleich weniger imposant in der Erscheinung und in den von ihm erhofften Forschungsergebnissen (siehe Abbildung 36). Der Betrieb des Poldirad und die damit verbundene »besondere Expertise« war auch der Grund, weshalb 1993 der damalige Leiter der IPA-Abteilung für Wolkenphysik, Peter Meischner, zum Vorsitzenden eines europäischen Forschungsprojektes gewählt wurde, bei dem es explizit um Radarsysteme ging.90 Der Betrieb dieses Großinstrumentes ermöglichte es dem Institut, sich im Bereich Radarforschung international prominent zu positionieren. Damit kann es mit dem Status des Forschungsflugzeugs Falcon verglichen werden. Beide Instrumente übernahmen eine Funktion, die über das Datensammeln hinausging. Wie die Falcon verkörperte auch das Poldirad in der internationalen Forschungsgemeinschaft (und in der Öffentlichkeit) nicht nur die Arbeiten zur Wolkenphysik, sondern die Arbeiten des Instituts insgesamt.91 Da das IPA mit dem Poldirad über ein »weltweit einzigartiges« Gerät verfügte, bot es sich für eine solche Vermittlungsrolle an. Das Institut konnte sich beziehungsweise sein wissenschaftliches Territorium oder seinen »sozialen Raum« damit von anderen meteorologischen Einrichtungen klar abgrenzen und seine Expertise im Bereich meteorologischer Radarmessungen gleichzeitig vermitteln und weiter ausbauen. Mit der Bezeichnung Poldirad erhielt das »rechnergesteuerte C-Band-Puls-DopplerRadar mit Polarisationseinrichtung« zudem einen Namen, der sich leicht(er)
90 Bei dem Projekt handelte es sich um eine Aktion von COST (Coopération européenne dans le domaine de la recherche scientifique et technique) (Statusbericht 1992-1997, Institut für Physik der Atmosphäre, Teil 1., S. 56). 91 Die zeigte sich auch in jüngster Zeit daran, dass »Jubiläen« für diese Instrumente begangen wurde, so zum Beispiel 2001 mit der Publikation »25 Jahre Falcon« oder der Feier 2004 anlässlich 20 Jahre Einsatz des Poldirad (Harbers/Schumann: »25 Jahre Falcon«).
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merken lässt.92 Dies verbindet es mit anderen Techniken, die am IPA als zentrale Instrumente bewertet wurden wie die Falcon oder das Lidar-Messsystem »ALEX«.
92 Der Name »Poldirad« leitete sich von der englischen Bezeichnung »Polarization Diversity Radar« ab.
Zusammenfassung und Fazit
In der vorliegenden Arbeit wurde die »institutionelle Identität« der DFS beziehungsweise des IPA historisch analysiert. Grundlage dafür waren Identitätskonzepte der Organisationssoziologie, die sich bisher auf Institutionen wie Kirche oder Militär oder auf kleine Einheiten von Forschungsgruppen und Laboratorien bezogen. Die Identität von wissenschaftlichen Instituten wie der DFS und dem IPA ist zuvor weder in der Organisationssoziologie noch in der Wissenschaftsgeschichte explizit untersucht worden. Zudem blieb bisher die historische Entwicklung der Identität einer Organisation außer Betracht. In Untersuchungen zur Entstehung und Veränderung wissenschaftlicher Institute standen bisher die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die technischen Innovationen im Vordergrund.1 Diese Arbeit hat das Ziel, mit der Frage nach institutionellen Identitäten diese historischen Erklärungshorizonte zu erweitern. Eine klare Definition von institutioneller Identität existiert bislang nicht. Die von Stuart Albert und David Whetten verwendeten CED-Attribute bieten aber einen praktikablen Rahmen, um die Identität eines wissenschaftlichen Instituts
1
Zur Deutschen (Groß-)Forschung siehe zum Beispiel: vom Bruch (Hg.): Formen ausserstaatlicher Wissenschaftsförderung; Boenke: Entstehung und Entwicklung; Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland; Ritter: Grossforschung und Staat in Deutschland; Oetzel: Forschungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland; Rusinek: Das Forschungszentrum; Trischler/vom Bruch: Forschung für den Markt; vom Bruch/Kaderas (Hg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik; Trischler: »Das politische Artefakt«; Gestwa/Rohdewald: »Verflechtungsstudien«; Orth/Oberkrome (Hg.): Die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Zur Geschichte der ESA und NASA: Krige/Russo: History of the European Space Agency; Conway: Atmospheric Science at NASA; Dick (Hg.): NASA’s First 50 Years.
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zu erfassen.2 Basierend auf ihrem Identitätskonzept definiert diese Untersuchung institutionelle Identität anhand dreier Charakteristika: Was war das Kernprogramm der Einrichtung (central)? Welches Charakteristikum überdauerte eine »lange« Zeit (enduring)? Und was machte diese Organisation einzigartig und von anderen unterscheidbar (distinctive)? Die untersuchten Merkmale beziehen sich auf das wissenschaftliche Programm des Instituts; auf Forschungsfragen, -instrumente und -techniken, wofür der Begriff eines »ensemble of research technologies« beziehungsweise »set of techniques« aufgegriffen wurde. Institutionelle Identität, wie sie in der vorliegenden Studie verstanden wird, bezeichnet demnach die Gesamtheit dieser Charakteristika. Chandra Mukerji hat für die Identität von Laboratorien den Begriff »Signatur« eingeführt. Mukerjis These ist, dass die Signatur einer Einrichtung hauptsächlich mit den dort verwendeten Techniken verknüpft ist, für die das Laboratorium bekannt ist. Der Begriff der institutionellen Identität erweitert diesen Ansatz. Er bietet über das SignaturKonzept hinaus die Möglichkeit, weitere Merkmale institutioneller Identität mit einzubeziehen. Neben den Techniken fokussiert diese Untersuchung hauptsächlich auf das Forschungsprogramm. Das Konzept wäre aber auch auf geographische Verortungen, Personen oder Organisationsstruktur anwendbar und ließe es damit zu, weitere beziehungsweise andere Aspekte einer institutionellen Identität zu beleuchten. Im Zentrum stand die Frage, wie sich diese institutionelle Identität der DFS, der FFM und des IPA gestaltete und wie beziehungsweise weshalb sie sich zwischen der Wiedereinrichtung 1953 und Mitte der 1980er Jahre veränderte. Dabei ging es im Besonderen auch um die Rolle, die Forschungsinstrumente für diese Identität spielten. Die Institutsgründung (»Von der DFS zum IPA«) sowie vier Themenbereiche – die Messung künstlicher Radioaktivität in der freien Atmosphäre, Flugzeuge als Forschungsinstrumente, die Arbeiten im Bereich Wetterbeeinflussung und Radar als Forschungstechnik – erlaubten die Analyse von Aspekten der Institutsidentität in Bezug auf Forschungstechniken und wissenschaftlichem Programm. Nach einer ausführlichen Diskussion und Definition des Konzeptes institutioneller Identität, wurde im Kapitel »Von der DFS zum IPA« eine Übersicht über die Geschichte des Instituts von der DFS zum IPA gegeben. Anhand dessen konnte aufgezeigt werden, dass auch an der Nachkriegs-DFS die Erforschung des Segelfluges und die dafür relevanten meteorologischen Phänomene programmatisch im Vordergrund standen, und dass der Segelflug das zentrale Attri-
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Albert/Whetten.: »Organizational Identity«; Whetten: »Albert and Whetten Revisited«.
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but der institutionellen Identität der DFS bildete. Mit den Pariser Verträgen 1955, mit denen die BRD souverän wurde, fielen auch die Restriktionen im Bereich des Motorfluges. Der ausschließliche Fokus auf den Segelflug erschien daraufhin den geldgebenden Ministerien nicht mehr zeitgemäß. Dieser Druck führte zu einer Öffnung des Forschungsprogrammes an der DFS, das nun auch Themen der allgemeinen Luftfahrt aufnahm. Zudem erweiterte sich die Themenpalette auch auf Bereiche, die nicht mehr in einem direkten Zusammenhang mit dem Fliegen als Forschungsgegenstand standen. Das Fliegen stellte dennoch ein zentrales Attribut der institutionellen Identität der DFS und seiner Nachfolgeinstitute dar. Die Atmosphäre wurde primär als Flugraum begriffen. Die 1970er Jahre waren geprägt von weitreichenden Strukturveränderungen auf der Ebene der DFVLR, wovon auch das IPA nicht unberührt blieb. Die Evaluierung der DFVLR durch das Battelle-Institut 1972/73 hinterfragte die Anbindung des IPA an die DFVLR, hauptsächlich mit der Begründung, das Institut betreibe größtenteils Grundlagenforschung, die DFVLR sei hingegen anwendungsorientiert. Es zeigte sich jedoch, dass der Battelle-Bericht keine grundlegenden Konsequenzen für das IPA hatte. Die Existenz des Instituts innerhalb der DFVLR war gefestigt, weil Luftverschmutzung und andere Umweltthemen ab den 1970er Jahren wachsende Bedeutung im politischen und gesellschaftlichen Diskurs erhielten. Zudem waren ausgerechnet die IPA-Forschungsarbeiten in diesem bedeutsamen Bereich anwendungsorientiert, was der Ausrichtung der DFVLR entsprach. Ferner spielten die am IPA verfügbare Expertise und die verwendeten Techniken – zwei wesentliche Elemente institutioneller Identität – eine Rolle für die stabile Position des IPA innerhalb der DFVLR. Das folgende Kapitel hatte die Erweiterung der DFS-Forschungsagenda zum Thema. Analysiert wurde diese anhand der Arbeiten zur Messung künstlicher Radioaktivität. Die 1950er und 1960er Jahre wurden als Zeit der Neuausrichtung des Forschungsprofils und somit der institutionellen Identität bewertet. Ausgehend von der Forderung, das Institut müsse sich vom Segelflug als Forschungsfokus lösen, diente die Fallout-Messung als konkretes Beispiel für die Erweiterung der Forschungsagenda. Denn radioaktiver Fallout war ab den 1950er Jahren als Umweltverschmutzung mit globalem Ausmaß von großer Bedeutung. An der DFS war seine Registrierung auf Messflügen zunächst ein Nebenprodukt. Mit dem zunehmenden Interesse, unter anderem von Seiten des Ministeriums für Atomkernenergie, entwickelte sich jedoch das Thema der künstlichen Radioaktivität in der Atmosphäre an der DFS und am IPA zu einem Hauptforschungsfeld. In der vorliegenden Studie wird argumentiert, dass unter anderem mit diesem neuen Thema eine Funktionsänderung des Fliegens einherging: Die Fragestellung wies dem Fliegen nicht mehr die Funktion als Forschungsgegenstand, son-
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dern als Forschungsinstrument zu. Damit wurde die (Segel-)Flugforschung zwar nicht ersetzt, aber in ihrem Ansatz erweitert. Diese Feststellung führte zur These, dass sich das Institut nicht abrupt vom Segelflug als Forschungsthema abwenden konnte, obwohl dieser von Seiten der Geldgeber als nicht mehr zeitgemäß bewertet wurde. Denn damit hätte es den wesentlichen Aspekt seiner bisherigen institutionellen Identität verloren, sich also »außerhalb seines Charakters« verhalten und seinen »sozialen Raum« verlassen, bevor ein neuer definiert war. Wie in der Einleitung argumentiert, würde der Verlust einer erkennbaren institutionellen Identität die Existenz einer Einrichtung grundsätzlich gefährden, da sie eine Bedingung für das Akquirieren von Geldmitteln ist. Die Aufnahme der Fallout-Messungen in das Arbeitsprogramm stellte somit einen Schritt in Richtung Erweiterung dieses »sozialen Raumes« des Instituts dar. Grundsätzlich müssen alle außeruniversitären Forschungseinrichtungen flexibel gegenüber gesellschaftlichen und politischen Veränderungen sein. Wie der Blick auf andere Institutionen zeigt, sind solche Phasen der Umorientierung Teil der Entwicklung von Instituten, wenn sie überleben wollen. Umso wichtiger ist die Frage nach den Mechanismen dieser Veränderungen. Das Konzept der institutionellen Identität zeigt sich dabei als ein hilfreiches Analyseinstrument. Flugzeuge als Forschungsinstrument können als fliegende Laboratorien beschrieben werden, in derselben Weise wie Forschungsschiffe schwimmende Laboratorien repräsentieren. Das Kapitel »Ein Flugzeug als Flaggschiff« beschreibt diese neue Funktion von Flugzeugen als einen bestimmenden Faktor institutioneller Identität. Die Anschaffung und der Einsatz des meteorologischen Forschungsflugzeugs Falcon 20 E ist ein Beispiel dafür. Die Initiative zur Anschaffung einer solchen Maschine ging 1972 vom IPA aus. Dieses Flugzeug war das erste Motorflugzeug in der IPA-Instrumentenpalette, das speziell für die Atmosphärenforschung konzipiert wurde und somit nicht eine nachträglich umfunktionierte Maschine war. Anhand der Analyse des Auswahlprozesses wurde gezeigt, dass dieses Großforschungsinstrument bestimmte, welche Fragen gestellt und welche Forschung betrieben werden konnte und damit eine »Autorität« in Sorren’schen Sinne besaß. 1976 kam die Falcon in den Besitz der DFVLR und entwickelte sich zu einem der wichtigsten Forschungsinstrumente des IPA. Sie ermöglichte dem Institut (und dementsprechend auch der DFVLR), an neuen internationalen Großprojekten teilzunehmen und auf diese Weise die Expertise in der Flugforschung gleichzeitig zu festigen und in der Scientific Community zu kommunizieren. Als publikumswirksame Materialisierung des Kernattributs Fliegen, übernahm das Flugzeug zudem eine Funktion, die über die technische hinausging. Als Flaggschiff des IPA symbolisierte die Falcon in internen wie externen Berichten die Leistungen des Instituts und diente damit auch als Aus-
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hängeschild der DFVLR. Das Forschungsflugzeug diente folglich auch als Integrationsobjekt für das IPA innerhalb der DFVLR und zeigte eine zunehmende Verflechtung der Signaturen des IPA und der DFVLR. Neben den Fallout-Messungen sind die Arbeiten zur Wetterbeeinflussung ein weiteres Beispiel für die Öffnung des Institutsprogrammes. Auch bei diesen Arbeiten stand das Fliegen nicht mehr als primäres Forschungsinteresse im Zentrum. Das im Kapitel »Arbeiten zur Wetterbeeinflussung« untersuchte Großprojekt zur Hagelbekämpfung in Rosenheim zeigt zudem, dass Forschungsthemen nicht nur an die Institutsidentität, sondern auch an Persönlichkeiten gebunden waren. Hans Gerhard Müller hatte beim DWD ab den 1950er Jahren mit Wetterbeeinflussungstechniken experimentiert und brachte 1961 die Experimente zur Hagelabwehr von dort mit an die FFM. Sie wurden über die Einrichtung des IPA und der Auflösung der FFM 1962 hinweg weiterbetrieben und stellten somit eine gewisse Kontinuität innerhalb der Vielfalt der Institutsarbeiten dar. Das Beispiel zeigt, dass die Gründung des IPA im Juli 1962 keine eigentliche Zäsur darstellte. Die Identität der Einrichtung änderte sich in dieser Phase kaum, doch die langsame Erweiterung des »sozialen Raums« schlug sich im Institutsnamen nieder. Damit wurde eine Flexibilität der Forschungsagenda ermöglicht, zum Beispiel das Aufnehmen von politisch relevanten Fragestellungen wie der Wetterbeeinflussung und den Fallout-Messungen, die dem Institut erlaubte, sich veränderten politischen Bedingungen anzupassen. Für die DFS lässt sich damit bereits für die 1950er Jahre feststellen, was Helmuth Trischler für die Großforschung der »langen« 1970er Jahre darlegte, nämlich »einen Weg zu finden zwischen der Scylla, als überholte ›Forschungsruinen‹ und damit im förderpolitischen Raum als zukunftsunfähig zu gelten, und der Charybdis, zum ›Gemischtwarenladen‹ zu verkommen«. 3 Auch andere deutsche (Groß-)Forschungseinrichtungen, deren Problemstellungen ab den 1970er Jahren ebenfalls an politischer und gesellschaftlicher Relevanz verloren, wandten sich neuen Themen zu, um weiterhin existenzberechtigt zu sein. Im Gegensatz zu diesen löste sich das IPA jedoch nicht grundsätzlich von seinen traditionellen Themen, sondern erweiterte das Forschungsprogramm mit neuen Projekten. Diese Diversifizierung war weniger Ausdruck mangelnder Stabilität oder Fragmentierung der institutionellen Identität, sondern vielmehr Teil dieser Identität. Die am Institut verwendete Instrumentenpalette sowie die Auswahl von (neuen) Arbeitsgebieten an der DFS und dem frühen IPA orientierten sich am internationalen Standard. Die Anschaffung des Poldirad, das weltweit einzigartig war, repräsentierte insofern eine Ausnahme. Wie die Wetterbeeinflussung, war
3
Trischler: »Big Science – Big Machines«, S. 160.
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auch die (unter anderem dafür verwendete) Radartechnik über Hans Gerhard Müller vom DWD an die FFM und das IPA gelangt. Damit brachte Müller eine Expertise an das IPA, die dem Institut ab den 1960er Jahren den Auftrag für den Geräteunterhalt auf den deutschen Forschungsschiffen Meteor II und Planet einbrachte. Radar wurde ein weiterer Bestandteil des set of techniques und formte weitere Fragestellungen mit, die zur Anschaffung des weltweit neuartigen Radargerätes führten. Die durch die erste Radaranlage am Institut, die Meteor 200, eröffneten neuen Forschungsthemen waren nach 14 Jahren so stark im Forschungsprogramm verankert, dass sie dem Institut erfolgreich als Argument für ein neues Radargerät dienten. Dieses Beispiel zeigt das von Chandra Mukerjis beschriebene wechselseitige Verhältnis zwischen der »Signatur« einer Einrichtung und deren Instrumenten. Die starke visuelle Präsenz des Poldirad, sowohl auf dem Dach des Institutsgebäudes wie auch in Zeitungs- und anderen Berichten ermöglichte zudem eine »Ausstrahlung«, die hinsichtlich ihrer Wirkung derjenigen der Falcon ähnlich war. Das Poldirad hatte somit in den 1980er Jahren neben der rein technischen auch eine identitätsstiftende Funktion. Zusammenfassend lässt sich nach Stuart und Whetten feststellen, dass das Fliegen als Forschungstechnik sich sowohl als Kernkompetenz des IPA (central) als auch als dauerhaftes Attribut des IPA (enduring) beschreiben lässt. Seit der Wiedergründung leitete es das wissenschaftliche Programm maßgeblich an. Auch andere Forschungsprioritäten, wie die Wolkenphysik und damit zusammenhängend die Radartechnik prägten jahrzehntelang das wissenschaftlichen Programm des Instituts. Ebenfalls als dauerhaftes Attribut wurde die Flexibilität der Forschungsagenda als Überlebensstrategie beschrieben, in gleicher Weise wie das breite Themenspektrum, das zum Beispiel sowohl Fragen der Grundlagenforschung als auch angewandte Forschungsprobleme einschloss. Als entscheidendes Distinktionsmerkmal (distinctive) erwies sich, dass die DFS und später das IPA Zugang zu einer (DFVLR-)»eigenen« Flugzeugflotte hatten. Dieser Umstand ermöglichte es dem Institut, sich von anderen Forschungseinrichtungen im Bereich der Meteorologie abzugrenzen. In ähnlicher Weise lässt sich Chandra Mukerjis Konzept eines set of techniques und einer »Signature« nutzen, um die Instrumente, Methoden und Forschungspraktiken des IPA als bestimmende Faktoren für seine institutionelle Identität zu analysieren.4 Das set of techniques des IPA, bestehend unter anderem aus Forschungsflugzeugen und Radartechnik, und die Breite und Flexibilität des Forschungsprogramms repräsentieren die Signatur des IPA, die wiederum einen zentralen Aspekt seiner institutionellen Identität darstellt. Mukerjis ur-
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Vgl. Mukerji: A Fragile Power; Mukerji: »Scientific Techniques and Learning«.
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sprünglich für Laboratorien entwickeltes Konzept ermöglicht somit auch für die Untersuchung der Identität wissenschaftlicher Institute wie der DFS und dem IPA einen geeigneten Zugang und bietet eine Erklärung für den Zusammenhang von institutioneller Identität und Forschungstechnik. Der hier verwendete Begriff von »institutioneller Identität« erlaubt es, die Geschichte einer wissenschaftlichen Einrichtung auf eine Weise zu analysieren, die die Einordnung in politische und wirtschaftliche Kontexte ergänzt. Er bietet weitere Erklärungsansätze für die Entwicklung von Forschungsprogrammen, die bisher in der Wissenschaftsgeschichte kaum nutzbar gemacht worden sind und trägt somit zu einem breiteren Verständnis einer Institutsgeschichte bei. Der Frage nach institutionellen Identitäten eröffnet, neben den hier vorwiegend besprochenen Forschungsthemen und -techniken als Identitätsattribute, weitere Fragestellungen. Welchen Einfluss haben zum Beispiel geographische Faktoren auf institutionelle Identitäten? Die Wahl des IPA-Standorts in Südbayern wurde unter anderem mit dem Forschungsprogramm begründet, da die Voralpenregion spezielle Windbedingungen für den Segelflug bietet. Gleichzeitig beeinflusste der Standort Forschungsinteressen und -programme. Somit stehen auch Standort und Identität in einem Zusammenhang. Eine Analyse, wie sich diese regionale Verankerung des Instituts auf seine Situierung in der nationalen Forschungslandschaft innerhalb der D(FV)LR und in der internationalen Scientific Community auswirkte, könnte die Bedeutung institutioneller Identitäten für die historische Entwicklung von Institutionen weiter beleuchten. Die Zeitperiode nach Manfred Reinhardts Pensionierung 1991 wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt. Die Veränderung in der Institutsleitung – von der kollegialen Leitung durch Manfred Reinhardt und Ulrich Schumann zu Schumanns alleiniger Leitung – repräsentierte sowohl einen Generationen- wie auch einen Disziplinenwechsel. Es drängt sich somit auch die Frage auf, welchen Einfluss diese personellen Veränderungen auf die institutionelle Identität hatten. Mit Ulrich Schumann kam 1982 ein Leiter an das IPA, der erstmals nicht mehr der traditionellen Segelfliegergemeinschaft entstammte. Dieser Wechsel an der Spitze des Instituts ging einher mit langfristigen Anpassungen der Forschungsagenda sowie der Methoden- und Instrumentenwahl. Eine Untersuchung dieser Entwicklungen seit den 1980er Jahren fehlt bisher, wäre aber aufschlussreich für die Analyse der jüngeren Entwicklung der institutionellen Identität. Allerdings muss für diese jüngere Geschichte eine veränderte Haltung in Hinsicht auf die Erhaltung von Dokumenten festgestellt werden, die die Möglichkeit einer auf Originalquellen gestützten historischen Untersuchung dieses Zeitraums deutlich erschweren dürfte.
Anhang
Gestorben 2014 (An FFM/IPA: 19611996)
Fimpel, Hans
Fischer, HansFriedrich
Geboren 1921 (An der DFS: 19541962)
Lebensdaten (An DFS/IPA)
Barthelt, Hans-Peter
Aschoff, Volker Aufm Kampe, Hans Joachim
Name
N AMENSLISTE
1962: Ausschussmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ortung und Navigation 1962-1964 (?): Leiter der Arbeiten »Austauschfragen« am IPA 1965: IPA-Abteilung »Aerosole«, künstliche Radioaktivität (spätestens ab 1964 beteiligt am Forschungsauftrag zur Untersuchung der künstlichen Radioaktivität in der freien Atmosphäre) Ab Feb. 1970: DFVLR-Vorstand in Köln
1969-1972: Vorstandsvorsitzender DLR Bis 1945: DFS, danach USA 1961: Im Gespräch als Nachfolge Georgii Danach: Bundesministerium für Verteidigung Studium der Physik an der Technischen Universität Berlin Ab 1954: Am Institut für Flugmeteorologie (Bearbeiter des Themas: Böen- und Aufwindmessungen am Boden und in Funkturmhöhe), Stellvertretender Leiter der FFM Ab 1958: Mitglied VDI-Kommission »Reinhaltung der Luft« April 1961-1962: Nachfolger von Harald Koschmieder als Leiter des Instituts für Mess- und Verfahrenstechnik (vorher »Institut für Flugmeteorologie«), Unstimmigkeiten mit Müller 1962-1964: Leiter der Arbeiten »Messfühler« 1966: Windvektorbestimmungen Kannte Müller schon vom DWD, kamen gleichzeitig an die FFM 1963-1964: Leiter der IPA-Abteilung »Strahlung« 1965: Teilnahme an der Atlantischen Expedition mit der FS Meteor II Themen: Streuung, Absorption und Reflexion von Strahlung an Wolken, Erdoberfläche und Dunstschichten mittels Sonden 1965: Mitarbeit an der Entwicklung einer »kompletten Wärmehaushaltstation mit digitaler Registrierung«
Tätigkeiten, Funktion
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Lebensdaten (An DFS/IPA)
Geboren 1926 (Am IPA: 03.12.197331.10.1976)
1897-1987
Name
Fortak, Heinz
Fuchs, Otto
1944: Einberufung zur deutschen Luftwaffe, Ausbildung zum Jagdflugzeugführer 1945-1946: Sowjetische Kriegsgefangenschaft 1947: Abitur 1951: Abschluss Geophysikstudium in Berlin 1952: Assistent am Institut für Meteorologie und Geophysik der Humboldt Universität Berlin 1955: Promotion 1959: Habilitation an der Freien Universität Berlin 1960-1961: Associate Professor an der University of Miami, Florida Ab 1961: Professor für Theoretische Meteorologie an der Freien Universität Berlin 01.12.1973-31.10.1976: Co-Direktor des IPA (zusammen mit Manfred Reinhardt) Ab Herbst 1974: Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des DWD 1975: Aufenthalt am NCAR 1977: Rückkehr an die Freie Universität Berlin 1916: Kriegsfreiwilliger als Jagdflieger Danach: Studium (Philosophie, Literatur, Landwirtschaft, Luftfahrtmechanik), aktiv in der Akaflieg Darmstadt 01.08.1933: Eintritt in die DVL, Abteilung Ingenieurnachwuchs) Ab 19.04.1944: stellvertretendes Vorstandsmitglied DVL Ab 14.08.1947: Vorstandsmitglied DVL 1952: im Notvorstand Flugfunkforschungsanstalt Oberpfaffenhofen 1953: im Notvorstand der DFS Ab 1954/55: Mitglied der DFS Ab 1954/55 bis ca. 1958: Leiter des DFS-Instituts für Flugtechnik
Tätigkeiten, Funktion
A NHANG
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Jordan, Hermann Kirchhoff, F. Kirchschlager, Ehrenreich
Geboren 1929 (An DFS/IPA: 19571992)
1888-1968 (An DFS/FFM: 19371961)
Georgii, Walter
Heigl, Ludwig Hinzpeter, Hans
Lebensdaten (An DFS/IPA)
Name
Bis 1913: Studium in Leipzig (Physik, Mathematik, Geographie) Während des Ersten Weltkriegs: Meteorologe im Dienst 1926: Berufung als Professor an der Technischen Universität Darmstadt 1926: Übernahme der Leitung des Forschungsinstituts »Rhön-Rossitten-Gesellschaft« (ab 1933: »Deutsches Forschungsinstitut für Segelflug«, ab 1937: »Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug DFS« 1943-1945: Geschäftsführer des Gremiums »Forschungsführung des Reichsluftfahrtministers und Oberbefehlshabers der Luftwaffe« 1945-1948: Aufenthalt in Frankreich 1948-1955: Aufenthalt in Argentinien 1955: Rückkehr an die DFS, Vorlesungen an der Technischen Hochschule Stuttgart 1955-31.10.1961 Leiter des DFS-Instituts für Flug(raum)forschung Ab ca. 1963: Mitarbeit am IPA auf Basis von Honorarverträgen Ministerialrat Institut für Meteorologie, Johannes Gutenberg-Universität Main Vorsitzender des GARP-Komitees der BRD Ab 1974: Co-Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg (zusammen mit Klaus Hasselmann) 1973-1987: Vorstandsvorsitzender der DFVLR Ab 1954/55: Mitglied DFS und Vorsitzender des Aufsichtsausschusses (Bremen) Ab 14.06.1964: IPA-Abteilung V 13.12.1964-28.02.1965: Teilnahme an der Indian Ocean Expedition der FS Meteor II zur Sammlung radarmeteorologischen Materials 1965: Teilnahme an der Atlantischen Expedition FS Meteor II
Tätigkeiten, Funktion
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Niemeyer, Horst
Neuber, H.
Müller, HansGerhard
1905-1978 (Am IPA: 1961-1972)
1897-1966 (An DFS/FFM: 19541961)
Koschmieder, Harald
Küttner, Joachim
Lebensdaten (An DFS/IPA)
Name
1910er: Aufenthalt in Palästina Danach: Studium in Breslau und Jena 1921: Flugmeteorologe in Fürth 1924: Habilitation in Frankfurt 1933-1936: Leiter des Meteorologischen Instituts der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Danzig 1936/42 (?): Leiter des Aeronautischen Observatoriums in Lindenberg 1945-1949: Sowjetische Kriegsgefangenschaft 1953 (?): Technische Universität Berlin 1954: Ruf an den Lehrstuhl für Meteorologie der Technischen Hochschule Darmstadt (Nachfolge von Georgii) 1954: Vorstand des DFS-Instituts für Flugmeteorologie Bis 31.03.1961: Leiter des DFS-Instituts für Flugmeteorologie 1963: Mitarbeit am IPA auf Basis von Honorarverträgen Ab 1954/55: Mitglied des wissenschaftlich-technischen Beirates (in den USA) 1961: Im Gespräch als Nachfolge von Walter Georgii 1933-1935: Flugmeteorologe im Reichsdienst, Leiter der Wetterflugstelle Darmstadt des Reichsamts für Flugsicherung (später des Reichsamtes für Wetterdienst) Bis 1961: Deutscher Wetterdienst, Leiter der Aerologischen Station in München Riem Ab 1960er: Mitglied des Kuratoriums der Deutschen Gesellschaft für Flugwissenschaften e.V. 1961-1962: Leiter der beiden FFM-Institute für Flugmeteorologie (Mess- und Verfahrenstechnik) und für Flugraumforschung 01.07.1962: Führt die beiden FFM-Abteilungen zum IPA zusammen 1962-1972: Leiter des IPA 1962: Mitarbeit in der Weltorganisation für Meteorologie und Internationale Assoziation für Physik der Atmosphäre 1962: Ausschussmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ortung und Navigation Ab spätestens 1962: Außerplanmäßiger Professor an der Universität München 1965: Teilnahme an der Atlantischen Expedition der FS Meteor II Ab 01.02.1958: Leiter der Entwicklungsabteilung der DFS-Abteilung Flugzeugentwurf (DFS-Institut für Flugtechnik), in Erwartung des Auftrages »Entwicklung eines Höhensegelflugzeuges« Um 1966: Vorstand der DVL
Tätigkeiten, Funktion
A NHANG
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Schatt, Ferdinand
Ruhwandl, F. Ruppersberg, Gerhard H.
Quick, August Wilhelm Regula, Walter Reinhardt, Manfred E.
Geboren 1929
1927-2015 (An DFS/IPA: 19561991)
Geboren 1930
Paffrath, Dieter
Popp, (Philipp?)
Lebensdaten (An DFS/IPA)
Name
Bayerisches Ministerium für Wirtschaft, war bei der Wiedergründungssitzung der DFS 1953 als Abgesandter des Ministeriums anwesend ca. 1974: Technische Universität Aachen, vertrat das IPA im Arbeitskreis für den dynamischen Segelflug, Ehrenmitglied der DFVLR Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung 1948-1956: Studium der Physik an der Technischen Hochschule Stuttgart Herbst 1956: Eintritt in DFS (Abteilung von Walter Georgii) Ab 01.04.1959: Leiter der DFS-Abteilung für Aerophysikalische Flugmessungen (DFS-Institut für Flugforschung) 1961/62-1972: Stellvertretender Institutsleiter des IPA (unter Hans Gerhard Müller) 1962: Ausschussmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ortung und Navigation 1972: Promotion an der Universität Tübingen 1974-1991: Co-Direktor des IPA (bis 1976 zusammen mit Heinz Fortak, ab 1981 mit Ulrich Schumann) 1978-1997: Präsident der OSTIV Um 1963: Regierungsdirektor im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bis 01.06.1958: Mitarbeiter an der DFS in Darmstadt Danach: am DFS-Institut für Flugmeteorologie, Leiter der Arbeiten zu Sichtmessung 1962: Ausschussmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ortung und Navigation 1962-1964 (?): Leiter der Arbeiten »Optik der Atmosphäre« 1965: Arbeiten an neuem Streulichtschreiber mit Spiegeloptik 07.11.1974: Wahl in den Senat der DFVLR DFVLR-Zentralabteilung Luftfahrttechnik Mitglied des Komitees zur Beschaffung eines Meteorologischen Forschungsflugzeuges (Falcon)
Ab 1964: Mitarbeiter in der IPA-Abteilung »Austausch« (Untersuchungen zu künstlicher Radioaktivität in der freien Atmosphäre) 1971: Promotion an der Technischen Hochschule Aachen (Hauptfach Physik), erhielt dafür 1972 den Erich-RegenerPreis der DFVLR Ab 01.01.1974: Leiter der Fachgruppe »Flugtechnik und Umweltforschung« und Mitglied im Umweltausschuss der AGF
Tätigkeiten, Funktion
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Geboren 1945 (Am IPA: 1982-2012)
Lebensdaten (An DFS/IPA)
1972-1976: Am IPA für die Beschaffung der Falcon zuständig Zentralabteilung Luftfahrttechnik, Mitglied des Komitees zur Beschaffung eines Meteorologischen Forschungsflugzeuges (Falcon) Ab 1958/59: Leiter der DFS-Abteilung Flugmechanik (Institut für Flugtechnik)
1926: Assistent bei Albert Einstein 1927-1945: Mitarbeiter an der DVL 1934-1945: Leiter der DVL-Abteilung Bildwesen 1946-1952: Im Auftrag des britischen Ministry of Supply Aircraft in Braunschweig 1957: Wiedereintritt in die DVL (Abteilung Sonderaufgaben), Aufgabe: Entnebelung von Landebahnen Ab spätestens 1961 bis 1963/66(?): Leiter des Instituts für Sonderaufgaben in Troindorf, Aufgabe: Entwicklung einer Methode zu Entnebelung 1976-1982: Ingenieur am Kernforschungszentrum Karlsruhe (Bereich Reaktortechnik) 1987: »Umhabilitiert« von Physik zum Fachbereich Meteorologie 1982-1991: Co-Direktor des IPA (zusammen mit Manfred Reinhardt) 1991-2012: Direktor des IPA Ab spätestens 1964: Mitarbeiter am IPA, Thema: Untersuchung der künstlichen Radioaktivität in der freien Atmosphäre, Faserstoff-Filter 1965: Mitarbeiter in der IPA-Abteilung Aerosole Bauingenieur und Sportflieger 1975-1988: Hagelabwehreinsätze in Rosenheim mit einer Piaggio mit Silberjodidgeneratoren DFVLR-Einrichtung für Flugversuchspersonal, Oberpfaffenhofen, (Test-)Pilot und Beurteiler der Flugzeuge, die in die engere Auswahl für die Beschaffung eines Meteorologischen Forschungsflugzeuges (Falcon) kamen. 1954/55 bis ca. 1959: Am DFS-Institut für Flugmeteorologie (Thema: Konvektion)
Tätigkeiten, Funktion
Quellen: KPAR: A495, A1612, A2522, A2609/1, A2623, A2635, A2663/1, A3067; Tätigkeitsberichte der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug 1954 bis 1959; Tätigkeitsberichte des Instituts für Physik der Atmosphäre 1962 bis 1974; Interview mit Heinz Fortak, 16.01.2015; Interview mit Ehrenfried Kirchschlager, 23.04.2014; Interviews mit Manfred Reinhardt, 14.08.2012 und 21.08.2012; Interviews mit Ulrich Schumann, 14.08.2012.
Zacher, Hans
Tippelskirch, Horst von Trenkle, Fritz Urbatzka, E.
Selbertinger, Hermann Thomas, Dieter
Schuster, Herbert J.
Schumann, Ulrich
Schmieschek, Ulrich
Name
A NHANG
| 261
Anzahl Mitarbeitende
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl) Diverses
Forschungsthemen (Auswahl)
Institutsleitung Veränderungen von Organisationsstrukturen
20-35
»Forschungsinstitut der Röhn-RossitenGesellschaft«
1924-1933
I NSTITUTSCHRONOLOGIE
1933: 20-73 1938: über 500
»Deutsches Forschungsinstitut für Segelflug (DFS)« Föhn, (Eis-)Wolkenbildung
1933-1939
530-1200
»wesentliche Änderungen« des Forschungsprogrammes: fliegende Bomben, Fernsteuerung von Segelflieger
»Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug (DFS)«
1939-1945
Ab Juni 1951: Segelflug wieder erlaubt
1945: Auflösung der DFS
1945-1952
Hagelversuche in Frankreich und Jugoslawien
25.08.: Wiedereinrichtung der DFS
1953
262 | I NSTITUTIONELLE I DENTITÄT IM W ANDEL
Zwei Segelflugzeuge Mü 13 »Bergfalke II«, keine Motorschlepper
USA: Bishop-Projekt (Untersuchung der Strahlströmung in großen Höhen); Erstmals starten wieder LufthansaLinienflüge von MünchenRiem
Beschaffungsschwierigkeiten von Instrumenten
Landrat von Rosenheim will Hagelabwehr
22
Diverses
Anzahl Mitarbeitende
10.11. (bzw. 01.01.): Inbetriebnahme der Messstation Höhbeck; Elektronischer Kompensationsdrucker mit Lochkarten; Windvektormesser; Messungen mit Düsenflugzeug; ungefähre Ankunft Do 27; DFS-Vielfachschreiber; mechanische Windfahne 1957/58: International Geophysical Year; Beginn Großversuch Hagelabwehr Rosenheim (Müller am DWD)
Luftverunreinigung, Tropfengröße in Wolken, Jetstream, Radioaktivität; Auftrag des Bundesministeriums: Entwicklung eines Höhenflugzeugs (zur Untersuchung von Strahlströmen); Luftströmungen im Alpenvorraum
Messung von künstlicher Radioaktivität mit dem Flugzeug; Idee, sich mit künstlicher Nebel vor Strahlung (Atombomben) zu schützen; Strahlströme (Georgii)
Konvektion, Kondensation, Wolken, Sicht; Leistungssteigerung Segelflug; alpine Föhnwellen (Gebiet Tölz-MurnauGarmisch Partenkirchen); Luftströmung im Voralpenraum
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl)
Forschungsthemen (Auswahl)
1957 Otto Fuchs Harald Koschmieder Walter Georgii FFO zieht von Riem wieder nach Oberpfaffenhofen
1956 Otto Fuchs Harald Koschmieder Walter Georgii
FFO wird in die DVL integriert
Veränderungen von Organisationsstrukturen
1955 Ab 01.02.: Institut für Flugforschung: Walter Georgii
1954 Institut für Flugtechnik: Otto Fuchs Institut für Flugmeteorologie: Harald Koschmieder 01.04.: Wiederaufnahme der Tätigkeiten der DFS, Bezug der Arbeitsplätze am Flughafen München Riem Konvektionsuntersuchungen, Windmessungen, Beratungen (Segelfliegerei)
Institutsleitung
A NHANG
| 263
Do 27 (ev. schon 1957?); Streulichtschreiber; Landesichtmesser; Messkoffer
Errichtung Versuchsatomkraftwerk Kahl; Kommission Reinhaltung der Luft: Änderung Gewerbeordnung; Beginn der Versuche zur Nebelauflösung am DWD (Müller) 34 (»Personalmangel«)
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl)
Diverses
Anzahl Mitarbeitende
02.01.: Beginn Arbeiten Höhenflugzeug; Strömungsuntersuchungen; Ozonmessungen
1958 Otto Fuchs Harald Koschmieder Walter Georgii
Forschungsthemen (Auswahl)
Veränderungen von Organisationsstrukturen
Institutsleitung
Aerosole; Turbulenz, Sichtweite; Konvektion; Luftverunreinigungen
1960 Otto Fuchs Harald Koschmieder Walter Georgii August: Umbenennung der DFS in »Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt München (FFM)«
64
96 (?)
Antrag für ein Radargerät zur Wolkenvermessung; Landesichtmesser; Windvektormesser; Streulichtschreiber Wachsendes Bewusstsein 01.04.: erster Wettersatellit an der DFS: Segelflug TIROS 1 in polare Umlaufwird unwichtiger, Motor- bahn gebracht flug wird wichtiger
Juni: Inbetriebnahme Messstation Mainflingen
1959 Otto Fuchs Harald Koschmieder Walter Georgii Gründung der Deutschen Gesellschaft für Flugwissenschaften (DGF) als Dachorganisation von AVA, DFL und DVL Sichtweite auf Flughäfen; Ozon; Registrierung in Höhbeck
Okt.: erster Fall radioaktiver Verschmutzung eines Flugzeuges festgestellt (an einer Boeing der Lufthansa in Hamburg)
Wolkenstrukturen (Tropfenspektrum, Sichtweite, Wassergehalt); Mesostrukturen der Troposphäre (Konvektion, Zell- und Wogenstrukturen); Jetstream; Turbulenz (mit Do 27); Radioaktivitätsmessungen; Künstlicher Niederschlag, Nebelauflösung, Hagelbekämpfung (Müller: Experimente in Rosenheim); Aerosole Entwicklung Aerosoloviskosimeter; Entwicklung einer Messsonde zur Modellierung von Fallout-Strahlung
Müller vom DWD an die FFM
1961 31.03.: Koschmieder in Ruhestand 31.10.: Georgii in Ruhestand
264 | I NSTITUTIONELLE I DENTITÄT IM W ANDEL
Anzahl Mitarbeitende
Diverses
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl)
Forschungsthemen (Auswahl)
Institutsleitung Veränderungen von Organisationsstrukturen
65 (»erhebliche Personalfluktuation«) Dazu 5 durch Forschungsaufträge bezahlte Mitarbeiter
Versuche mit Rubinlaser (bis mind. 1978); Bau Spiegelteleskop; neue Station für Radarsondenempfang; Strahlungsradiosonden per Rechenmaschinenauswertung
1962 IPA: Hans Gerhard Müller 01.07: Formung IPA innerhalb FFM 01.09: DVL übernimmt treuhänderische Verwaltung des IPA Hagelabwehr Rosenheim; Radaraufnahmen von Regengebieten; Föhnstudie Alpensüdseite (Varese); radioaktive Verseuchung von Flugzeugen Ab 13.12.: Teilnahme an der Expedition »Meteor« (radarmeteorologisches Material); Wolkenschichten/Wellenbildung an Luftmassengrenzen; Clean Air Turbulence; Sammlung von radioaktivem Staub; Messungen nach Atombombentests; künstliche Wolkenmodifikation; Strahlung; Föhn; Gewitterlagen; Hagelabwehr; erste Versuche quantitativer Bestimmungen von Niederschlagsintensität mittels Radar »viel fliegerische Aktivität«; Aerosolschnellspektrometer; Blindfluginstrumentierung Do 27; »automatische digitale Speicherung«; Bereitstellung T-33 speziell für IPA-Arbeiten; Windvektormesser; Rubinlaser; Spiegelteleskop 16.10.: Beginn der chinesischen Atombombentests 70 (»schwierige« Personalsituation)
Nebel; Föhn; »Wolkenbeeinflussung«; Okt./Nov.: Erprobung meteorologischer Raketenaufstiege (Sardinien)
Hagelbekämpfung in der Sowjetunion 69 (»geringere Fluktuation«)
Aufbau »Impulsmodulierte Laser-Apparatur«; Streulichtschreiber seriell gebaut; Bau Kondensationskernzähler; Silberjodid-Generator
1964 Hans Gerhard Müller Interne Umzüge, Darmstädter IPAMitarbeitende kommen nach München
1963 Hans Gerhard Müller 13.09: FFM fusioniert mit DVL (IPA wird DVLInstitut)
76 (»hohe Fluktuation«)
Umstellung der Auswertungsverfahren auf »digitale und automatische Methoden«; Wetterradar; Streulichtschreiber in Betrieb; Beschaffung Doppler Radar
Fortsetzung ESRO (deutsch-niederländischer Satellit GERNELAS); Untersuchungen Faserstofffilter; Meteor Expedition (Radar, Radiosonden); Hagelversuche Rosenheim; Umfrage unter Bauern zu Hagelversuchen
1965 Hans Gerhard Müller
A NHANG
| 265
Anzahl Mitarbeitende
Diverses
79 (Fluktuation ging »sehr« zurück)
87
Neues amerikanisches Verfahren zur Entnebelung; »saurer Regen« als Problem wahrgenommen
World Weather Watch (WWW) eingerichtet; 03.03: Eröffnung Neubau Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien 87 (Fluktuation nahm Ende Jahr wieder zu, »Auswirkungen bedrohen ernstlich die Arbeiten«)
Abbruch der Entwicklung eines Höhenflugzeug
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl)
Winter 1968/69: Entnebelungsversuche nach Schmieschek in Oberpfaffenhofen; Wetterbeeinflussung; Sichtweite; Verbesserung der Messmethoden (Temperatur, Feuchtigkeit, Sicht); Wolkenbildung; Jetstream und Clean Air Turbulence (wichtig für den Flugbetrieb); Infrarot Strahlung; atmosphärisches Aerosol; Schallausbreitung; Ausbreitung radioaktiver Stoffe Laser; Queen Air; Do 27; T 33 (geliehen); Piaggio (geliehen)
1968 Hans Gerhard Müller
15.09.: Ende Großversuch Hagelabwehr in Rosenheim; Abschluss Vorbereitung AZUR (05.12.: Abschuss einer NikeApache-Rakete in Kiruna); Nebelbeeinflussung
Hagelversuche Rosenheim; Künstlicher Niederschlag; Strahlung; Messreihe mit Wetterradar in Riem
Forschungsthemen (Auswahl)
1967 Hans Gerhard Müller
07.06.: Grundsteinlegung Ende 1967: Umzug von Riem in Oberpfaffenhofen nach Oberpfaffenhofen 11.11.: Richtfest
1966 Hans Gerhard Müller
Veränderungen von Organisationsstrukturen
Institutsleitung
93
31.12.: Installation eines LaserSpiegelwagens auf dem Institutsdach Finanzreform
1969 Hans Gerhard Müller Gründung DFVLR »erhebliche Kürzungen« bei Investitionen Nebel, Flughafen (Entnebelung); Messung künstlicher Radioaktivität per Flugzeug
266 | I NSTITUTIONELLE I DENTITÄT IM W ANDEL
Entnebelungsversuche in Hoechst; Weitere Publikationen zur Hagelabwehr; Umweltverschmutzung/Reinhaltung der Luft (Ausbreitung Aerosole); Gutachten Luftverschmutzung Flughafen München; Strahlung/Energie; Wolken und Niederschlag; Jet Stream, Clear Air Turbulence; Auswertung von Daten der FS Meteor IIExpeditionen Ab 30.07.: »Canberra« zur Verfügung
Entnebelungsversuche in Hoechst; Strahlung, Energiehaushalt; Nebel; Niederschlag; Jet Stream, Clear Air Turbulence; Sichtmessung; Aerosole/Luftreinhaltung; Beginn quantitativer Erfassung von Niederschlag (bis mind. 1973)
Suche nach einem neuen Messflugzeug
Jan.: Gründung der »Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen (AGF)«; Erklärung, wie bodennahes Ozon entsteht
93
Forschungsthemen (Auswahl)
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl)
Diverses
Anzahl Mitarbeitende
83
1971 Hans Gerhard Müller Frage: Co-Leitung am IPA? 1971/72: Zentralisierung(sversuche)
1970 Hans Gerhard Müller 01.01.: Einrichtung der »Flugbereitschaft Oberpfaffenhofen«
Institutsleitung Veränderungen von Organisationsstrukturen Nebel, Flughafen (Entnebelung); Wetterbeeinflussung; Gutachten für die Fraunhofer Gesellschaft zur Müllverbrennungsanlage Eschenlohe; Strahlung, Energiehaushalt; Wolken, Niederschlag; Jet Stream, Clean Air Turbulence Planung zur Beschaffung eines zweistrahligen Flugzeugs Olympische Sommerspiele in München (GutachtenAnfrage ans IPA betreffend Schliersee); Schwedische Studie zu saurem Regen an 1. UNO-Konferenz zu Human Environment (Stockholm) 82, davon 32 Wissenschaftler und 50 »sonstige« (Techniker, Ingenieure etc.)
1972 31.12.: Müller in Ruhestand BMFT erteilt Auftrag für den Battelle-Bericht
77, davon nicht grundfinanziert: 1; Gastwissenschaftler: 1 (Müller) Battelle stellt DFVLR-weit eine geringe Mobilität des wissenschaftlichen Personals fest
Bestellung Falcon 20 E; Beschaffungsentscheid für drei Motorsegler ASK
1973 03.12.: Heinz Fortak 1973/75: Beginn Neustrukturierung der DFVLR Battelle-Bericht »Tröpfchenhologramme«; Flugzeugvereisung; Wetterbeeinflussung, Nebelauflösung; Radarmessungen Niederschlag; Jet Stream, Clean Air Turbulence, Low Lewel Jet; Sichtmessung; Aerosole
A NHANG
| 267
Anzahl Mitarbeitende
Diverses
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl)
Forschungsthemen (Auswahl)
Veränderungen von Organisationsstrukturen
Institutsleitung
79, davon nicht grundfinanziert: 3; Gast: 1 (Müller)
Entscheid: Queen Air soll Umweltforschungsflugzeug werden; Anschaffung von drei ASK 16 Motorsegler
Bau eines Lidars für den Flugzeugeinsatz; LindeEntnebelungsapparatur (Bericht); Queen Air wird zum Umweltforschungsflugzeug umgebaut Firma Linde stellt die Arbeiten zur Entnebelung ein.
1975 Heinz Fortak Manfred Reinhard (Kollegiale Leitung) Restrukturierung DFVLR nach Battelle-Gutachten; neue Programmstruktur DFVLR; Einrichtung »Historisches Archiv« in Köln-Porz Flugzeugvereisung; NebelbeseiFlugsicherung; Sichtweitetigung; Radarmessungen Nieder- Messungen per Lidar; Bodennaschlag; Jet Stream, Clean Air hes Ozon; Clean Air Turbulence Turbulence, Low Lewel Jet; (für neue Überschallflugrouten); Sichtmessung; Aerosole; Einfluss Wolkenimpfversuche erfolglos; von anthropogenen Eingriffen in Simulationsmodell für SchadUmwelt auf Prognose; GAstoffausbreitung; Niederschlag; TE/GARP auf FS Meteor (KonKühlturmfahnen-Messungen vektion, Strahlung); »Mikroklima (Abschluss) von Trockenkühltürmen«; Vermessung von Kühlturmfahnen (1974-1975)
1974 01.01: Manfred Reinhard (Kollegiale Leitung mit Heinz Fortak) Gedanken zu neuer IPAAbteilungsordnung; IPA soll deutsches NCAR werden (Fortak)
1977 Manfred Reinhard
Bundesanstalt für Flugsicherung beginnt Aufbau eines »Flugsicherungssystems der achtziger Jahre«
»Thermische Belastung« der Atmosphäre durch Kernkraftwerke; Abschluss Arbeiten zu Kühltürmen und Mikroklima (Modelle); erste Flugtests mit Mini-Lidar; Flugsicherung im Flughafenbereich (soll intensiviert werden); weiterhin OPAQUE-Messflüge (Queen Air) bis Mai 1978; Sichtbarkeit (Zusammenarbeit mit Bundeswehr); CO und SO2Konzentrationskataster Juli: Falcon der DFVLR übergeben; Cessna 310
Allgemein: Reduzierung der globalen Skala (»Mesoscale«); »Kombination Theorie und Experimente«; neu: »Anthropogene Belastung der Atmosphäre«; Alpex; Ozonmessungen; Messkampagne Luftverschmutzung Nürnberg-Fürth (SO2, NO, NO2); Abschluss Arbeiten an 3-DModellierung von Kühlturmfahnen; Aerosol-Messungen mit Lidar (ASSESS II); Ausbreitungsexperimente SF6 Verzögerung Einsatz Falcon; Aerosol-Lidar ALEX-F1 in der Falcon erprobt; Digitalisierte Radarmessdaten werden nur noch über das neue Rechnersystem (Amdahl 470 V/6) verarbeitet
DFVLR-Ergebnisberichte fortan DFVLR-weit: Standortwechsel mit Soll/Ist-Vergleich (zur von Mitarbeitern, mehrere Kün»Erfolgskontrolle«) digungen; Ad-hoc-Ausschuss berät IPA (ab 1980 »Fachbeirat«)
1976 31.10.: Fortak verlässt IPA
268 | I NSTITUTIONELLE I DENTITÄT IM W ANDEL
Anzahl Mitarbeitende
Diverses
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl)
Forschungsthemen (Auswahl)
Veränderungen von Organisationsstrukturen
Institutsleitung
»Neue fachliche Gliederung« des IPA; Bestreben der DFVLR: mehr externe Beurteilung der Institute; weiterhin: »Strukturwechsel« DFVLR Projekt »Erkundung der Atmosphäre« wird gesplittet (weil zu groß); Fortsetzung von Ozonregistrierungen »in Anbetracht der Bedeutung, die man heute dem Ozonproblem beimisst« (Messungen mit Radiosonden und Flugzeugen); Beginn des Programms »Anthropologische Belastungen der Atmosphäre«: Messung der Konzentrationsverteilung von Schadstoffen (SO2, NO2, NO, CO); Ausbreitung von Schadstoffen aus Einzelquellen (Kamine etc.) mit Lidar; Ausbreitung künstlicher Tracer, Rauch-/Abgasfahnen, Ausbreitungsmodelle (GEOMAR); Kühlturmfahnen-Modelle; JASIN (mit Falcon) Inbetriebnahme von 3 Motorseglern ASK; Beschaffungsentscheid für ein flugzeuggetragenes AerosolLidar ALEX-F; Beschaffungsentscheid für das Pielke Simulationsmodell DFVLR rechnet mit Verdoppelung des Luftverkehrs bis zum Jahr 2000
1978 Manfred Reinhard
Ozonmessungen (Resultat: viel O3 auch in der mittleren Troposphäre); Wolken; Kühlturmmodellierungen; Flugsicherung
1979 Manfred Reinhard
ALPEX; Verteilung und Transport von Schadstoffen (SO2, NO. NO2, O3), Schwerpunkt: Waldschäden (Beginn Vorhaben Nr. 746); Wolkenmodell; Föhnsturmsimulationen; Übergang von 2-D zu 3-D Simulationen; Niederschlagsberechnungen; Auswirkungen von Aerosolen auf Stratuswolken in der Arktis (MIZEX, Beginn Vorhaben Nr. 745); Mesoskalige Modelle zur Erklärung von Bergund Talwinden (Beginn Vorhaben Nr. 744); Experiment PUKK (Küstenklima)
Bestellung Poldirad
Beginn Planung eines mobilen C-Band-Doppler-PolarisationsRadars
1981 Manfred Reinhard
Internationale Kampagne JASIN (mit Falcon); Niederschlagsmessungen für ein NiederschlagsModell zur Planung von Entsorgungssystemen in Stadtgebieten; Experiment DISKUS (Vorexperiment zu ALPEX): Hangwindzirkulation; Modelle/Simulation von mikrophysikalischen Prozessen in Wolken; Luftverschmutzung; GEOMAR; MESOCLIP; Aerosolkonzentrationen; Ozonmessflüge
»Ad-hoc Beratungsausschuss« wird »Fachbeirat« des IPA
1980 Manfred Reinhard
A NHANG
| 269
1982/83 Thema Waldsterben; Kernforschungszentrum Karlsruhe will mesoskalige Klimamodelle zur Luftverschmutzung erstellen 86 (?)
Diverses
Anzahl Mitarbeitende
Entscheid zum Ausbau einer Do 28 für die Vereisungsforschung
ALPEX; MERKUR (innerhalb ALPEX, 23.03.-04.04.); FöhnExperiment; neu: »numerisches Simulationsmodell«; Schadstoffausbreitung (O3); Wolkenmodelle; Konvektionsexperiment KOOP-82; EESA (Energiehaushalt Stadt und Umland Bonn)
1982 Manfred Reinhard 01.10.: Ulrich Schumann (Kollegiale Leitung)
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl)
Veränderungen von Organisationsstrukturen Forschungsthemen (Auswahl)
Institutsleitung
Kürzung Programmbudget (von Seiten DFVLR) Mesoskalige Strömungssimulation; Modell der Ausbreitung von Schadstoffen in Industriegebieten; Wolkenmodelle; Gewittervorhersage; Flugverkehrssicherung; Vereisung; Luftverschmutzung, Schadstoffmessungen; Ozonbildung (PoEbene); Aerosolgehalt; Vereisung; Hagel; ASTRA (Arktischer Stratus); SKAT (Luftverunreinigung) Kondensationskernzähler im Flugzeug; 1983-1986: Modernisierung Wetterradar; Beschaffungsentscheid mesoskaliges Simulationsmodell MESOSCOP
1983 Manfred Reinhard 01.10.: Ulrich Schumann (Kollegiale Leitung)
1983-1986: Modernisierung Wetterradar; Inbetriebnahme der Do 28 als Vereisungsforschungsflugzeug
Einfluss von Aerosolen auf arktische Stratuswolken; Vereisung; MIZEK (Marginal Ice Zone Experiment)
1984 Manfred Reinhard Ulrich Schumann (Kollegiale Leitung)
»Vienna Convention for the Protection of the Ozon Layer«
1983-1986: Modernisierung Wetterradar
Föhnexperiment; Vereisung; Experiment TULLA (Luftschadstoffe)
1985 Manfred Reinhard Ulrich Schumann (Kollegiale Leitung)
270 | I NSTITUTIONELLE I DENTITÄT IM W ANDEL
Entdeckung des Ozonlochs; Hagelunwetter München; »neuartige Waldschäden«; 26.04.: Katastrophe von Tschernobyl
Personalmangel (Mangel vor allem an wissenschaftlichen Mitarbeitern)
Anzahl Mitarbeitende
Vereisung (Projekt 1986-1988); Schadstoffe (Verteilung, Transport, Umwandlung); Zusammenhang anthropogenes O3 und Waldschäden; Grenzüberschreitende Luftverschmutzung (Umweltbundesamt); MESOSCOP; Fronten; Thermik; Vereisung; Strahlungsbilanz; Lidar; CBL (Grenzschicht-Turbulenz) Inbetriebnahme Poldirad
1986 Manfred Reinhard Ulrich Schumann (Kollegiale Leitung) Einsetzung Strukturkommission (Diskussion: braucht es eine neue IPA-Abteilung »Wissenschaftlicher Flugbetrieb«?)
Diverses
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl)
Forschungsthemen (Auswahl)
Veränderungen von Organisationsstrukturen
Institutsleitung
IPA will nicht Flugzeuge im Stand-by für Radioaktivitätsmessungen zur Verfügung stellen (andere Prioritäten); Flugzeuge (vor allem Falcon) sind voll ausgelastet; Inbetriebnahme des mesoskaligen Simulationsmodell MESOSCOP; Messbus Luftverkehr; Kolloquium Tutzing I; ESA-Langfristprogramm; »Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer« 48 Wissenschaftler (12 davon befristet)
1987 Manfred Reinhard Ulrich Schumann (Kollegiale Leitung) DFVLR-Ebene: Neustrukturierung Programmbereiche (neu: Luftfahrt, Raumfahrt, Energietechnik); »Umhabilitierung« Schumann LMU (von Fachgebiet Physik zu Meteorologie) 01.10.1987-23.01.1988: FRONTEXExperiment (innerhalb DFG-Projekt »Fronten und Orographie«); Vereisung; Hagelbekämpfung (Projekt Rosenheim bis 1993)
»Intergovernmental Panel on Climate Change (IPPC)« gegründet
1988 Manfred Reinhard Ulrich Schumann (Kollegiale Leitung) 24.11.: neuer Name der DFVLR: »Deutsche Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR)« Vereisung
Nov.: Kolloquium Tutzing II; aktuelle Themen Treibhauseffekt und Waldschäden
DFVLR-Forschungsprogramm: Auswirkung von Flugverkehr auf die Atmosphäre; Kondensstreifen; Ozon (u.a. Wirkung auf Wald); Vereisung
1989 Manfred Reinhard Ulrich Schumann (Kollegiale Leitung)
A NHANG
| 271
Diverses Anzahl Mitarbeitende
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl)
Veränderungen von Organisationsstrukturen Forschungsthemen (Auswahl)
Institutsleitung
Vereisung; Beginn CLEOPATRA (bis 1994)
1990 Manfred Reinhard Ulrich Schumann (Kollegiale Leitung)
83
Herbst: Übergabe Do 228CUFF
1991 Manfred Reinhardt geht in Ruhestand
70,5
Höhenforschungsflugzeug Strato 2C; CLEOPATRA (Wechselwirkung zwischen Biosphäre und Atmosphäre)
Beginn DLR-Personalabbau
1992 Ulrich Schumann
78
Gewitterwolken; Ozon; Messungen der Schadstoffe von Flugzeugen (zum ersten Mal); Auswirkung Luftverkehr auf Klima; Auswirkung und Transport von Spurenstoffe
1993 Ulrich Schumann
272 | I NSTITUTIONELLE I DENTITÄT IM W ANDEL
Absturz ATR-72 (USA), möglicher Grund: Vereisung 78
Flugzeugemissionen; Abschluss Wolkenund Transportexperiment (CLEOPATRA)
77
Flugrekord Strato 2C; Stratosphärisches Ozon; Start Projekt WINDLidar; März: Nachweis von 50% Ozonverlust im Polarwirbel
1995 Ulrich Schumann
72, für 2000 geplant: 63
Ausbruch Vulkan Grimsvötn (Island)
Projekt Strato 2C eingestellt; Wirbelschleppen; Einfluss Luftverkehr auf Klima; Kondensstreifen; Simulation; Ozonprognose
1996 Ulrich Schumann DLR-Ebene: weiterhin Abbau grundfinanzierter Stellen
68,5
1997 Ulrich Schumann 01.10.:DLR und Deutsche Agentur für Raumfahrtangelegenheiten werden zu: »Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)«; IPA: Reduzierung von 5 auf 4 Abteilungen, Neustrukturierung Forschungsprogramme; neue Forschungsrichtung »Verkehrsmeteorologie« Fluglärm; neu: Lärmausbreitung; Schadstoffe Luftfahrt; Ozon; Ozonprognose; Klima (Wasserkreislauf, Spurengase, Aerosole); Mesoskalige Meteorologie; Einfluss von Luftverkehr/Emissionen auf die Atmosphäre; Einfluss von Wetter auf den Luftverkehr; Lidar- und Radarmethoden; Wolkenklimatologie; Kondensstreifenklimatologie; Wirbelschleppen; Vereisung
Quellen: KPAR: A1612, A2522, A2609/1, A2609/2, A2626, A2642, A2680/1, A2680/2, A2843, A2846/1, A2865, A2878, A2904, A3017, A3028, A3034, A3067, A4846/1; REINH 1001; Crutzen/Ramanathan: »The Ascent of Atmospheric Sciences«; DFVLR Jahresberichte 1975 bis 1987; DLR Jahresberichte 1988 bis 2001; Hammerl et al. (Hg.): Die Zentralanstalt; Kröll: Votum des Überprüfungsausschusses; Reinhardt/Schumann: Institutsbericht 1982-1987; Review of the Institute of Atmospheric Physics, 05.-06.11.2003; Roth: Votum des Gutachterausschusses; Schumann: Institutsbericht 1987-1992; Status Report 2003-2007, Institute of Atmospheric Physics, Part 1; Statusbericht 1992-1997, Institut für Physik der Atmosphäre, Teil 1; Szöllösi-Janze: »Die Arbeitsgemeinschaft der Grossforschungseinrichtungen«; Tätigkeitsberichte der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug 1945 bis 1959; Tätigkeitsberichte des Instituts für Physik der Atmosphäre 1962 bis 1974; Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland.
Anzahl Mitarbeitende
Instrumente, Forschungstechniken (Auswahl) Diverses
Forschungsthemen (Auswahl)
1994 Ulrich Schumann Institutsleitung Veränderungen von Organisationsstrukturen
A NHANG
| 273
274 | I NSTITUTIONELLE I DENTITÄT IM W ANDEL
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AEC AGF ALPEX APEX AVA BAK BayHStA BMBW BMFT BMV BMVtg BRD CDU/CSU CED CERN DFG DFL DFS DFVLR DLR DM DVL DWD ECMWF EMEP ESA ESRO ETH Euratom FFM FFO FIDO FU GARP
US Atomic Energy Commission Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen GARP-»Alpine Experiment« Atlantisches Passat Experiment Aerodynamischen Versuchsanstalt Bundesarchiv Koblenz Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft Bundesministerium für Forschung und Technologie Bundesministerium für Verkehr Bundesministerium für Verteidigung Bundesrepublik Deutschland Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern central, enduring und distinctive-Attribute (nach Whetten: »Albert and Whetten Revisited«) Europäischen Organisation für Kernforschung (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsche Forschungsanstalt für Luftfahrt Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Deutsche Mark Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt Deutscher Wetterdienst European Center for Medium Range Weather Forecasts European Monitoring and Evaluation Programme European Space Agency European Space Research Organisation Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich Europäische Atomgemeinschaft Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt München Flugfunk-Forschungsinstitut Oberpfaffenhofen Fog Investigation and Dispersal Operation Freie Universität Global Atmospheric Research Program
A NHANG
GATE GKSS Halo HGF IAK ICSU IIOE IPA KFA KAO KPAR KUER MPG MPI NASA NCAR NOAA NRL ORNL OSTIV PPI UNECE UNEP UN(O) US(A) VDI WMO WWW
| 275
GARP Atlantic Tropical Experiment Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt mbH High Altitude and Long Range Research Aircraft Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren Institut für angewandte Kernphysik International Council of Scientific Unions Internationale Indische Ozean Expedition Institut für Physik der Atmosphäre Kernforschungsanlage/Kernforschungszentrum Jülich Kuiper Airborne Observatory Köln-Porz Archiv Eidgenössische Kommission zur Überwachung der Radioaktivität Max-Planck-Gesellschaft Max-Planck-Institut National Aeronautics and Space Administration National Center for Atmospheric Research National Oceanic and Atmospheric Administration Naval Research Laboratory Oak Ridge National Laboratory Organisation Scientifique et Technique Internationale du Vol à Voile plan-position indicator United Nations Economic Commission for Europe United Nations Environment Programme United Nations Organization United States (of America) Verein Deutscher Ingenieure World Meteorological Organization World Weather Watch
Literatur- und Quellenverzeichnis
I NTERVIEWS Interview mit Heinz Fortak in Berlin, 16.01.2015. Interview mit Ehrenfried Kirchschlager, telefonisch, 23.04.2014. Interviews mit Manfred Reinhardt in Oberpfaffenhofen, 14.08.2012 und 21.08.2012. Interviews mit Ulrich Schumann in Oberpfaffenhofen, 31.05.2011, 14.08.2012 und 08.04.2014.
U NGEDRUCKTE Q UELLEN Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA) Bestände Bundesministerium für Wirtschaft (MWi): 12847, 12856, 12858, 12859/1, 12859/2, 12859/4 Bundesarchiv Koblenz (BAK) Bestand B 196 Bundesministerium für Forschung und Technologie DLR-Archiv Göttingen KPAR A2510:
Handakte Barthelt, Strukturausschuss, Struktur Bd. 4, 19711975 KPAR A2516/1: VDI, Kommission Reinhaltung der Luft, 1959-1962 KPAR A2522: Aktenvermerke, Rundschreiben, Umläufe: Inst. f. Flugmeteorologie DFS/FFM 1956-1963
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KPAR A2529: KPAR A2609/1: KPAR A2609/2: KPAR A2616/1: KPAR A2622: KPAR A2626: KPAR A2629/1: KPAR A2641/2:
KPAR A2642:
KPAR A265: KPAR A2662: KPAR A2811: KPAR A2843: KPAR A2846/1: KPAR A2846/2: KPAR A2846: KPAR A2864: KPAR A2865 KPAR A2866: KPAR A2869: KPAR A2878:
Unterlagen zur Zentralisierung in OP, Handakte Barthelt, 1970-1972 NE-PA, Unterlagen Prof. Müller, AZ 2.2.1.1.9.-2.5., Schriftwechsel, 1961-1967 NE-PA, Unterlagen Prof. Müller, AZ 2.6.1.0.-2.6.1.2., Schriftwechsel, 1961-1967 NE-PA, Unterlagen Prof. Müller, Forschungsschiff Meteor; Indischer Ozean, AZ: 2.7.3.4.1-, 1964-1965 NE-PA, Unterlagen Prof. Müller, AZ 4.8.0.-4.8.2., Abt. 8, Technische Entwicklungen, 1961-1966 NE-PA, Unterlagen Prof. Müller, AZ 2.3.2., 2.3.3., 2.3.9., 2.4., Schrifwechsel mit bayerisch. Behörden, 1966-1968 NE-PA, Unterl. Prof. Müller, Verwaltungsangelegenheiten, AZ: 2.6.1.0, 1966-1968 NE-PA, Unterlagen Prof. Müller Schriftwechsel mit BMBF, sonstige Ministerien und Bundesdienststellen, AZ.: 2.1.9., 2.2.1.1., 2.2.1.9., 1960-1973 NE-PA, Unterlagen Prof. Müller, Schriftwechsel mit bayerischen Ministerien und Dienststellen, AZ 2.3.1., 2.3.2., 2.3.3., 2.3.9., 1968-1973 NE-PA, Unterlagen Prof. Müller, DFG-Forschungsaufträge, AZ: 2.7.3.4., 2.7.3.5., 2.7.3.1., 5.1., 1962-1974 NE-PA, Unterlagen Prof. Müller, Angelegenheiten der Abt. 4 und 5, AZ 4.4. und 4.5., 1969-1973 NE-PA, Öffentlichkeitsarbeit, 1975-1979 NE-PA, Fachplanung NE-PA, Schwerpunktsteuerung, 19861990 NE-PA, Mittelfristige Planung 1972, 1966-1973 NE-PA Mittelfristige Planung 1972, 1971-1973 NE-PA, Mittelfristige Planung 1972, 1966-1973 NE-PA, Beschaffung und Betrieb eines »Meteorologischen Forschungsflugzeuges«, Berichte, 1971-1974 NE-PA, Meteorologisches Forschungsflugzeug, Vorlagen; Besprechungen, 1974-1975 NE-PA Meteorologisches Forschungsflugzeug, Firmenschriftwechsel E, Flugberichte, 1973-1974 NE-PA, Messflugzeug (2), 1972-1974 NE-PA, Künstlicher Niederschlag und Hagelbildung, Prof. H.G. Müller; Ordner orange, 1948-1973
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KPAR A2941: KPAR A3004: KPAR A3015: KPAR A3016/1: KPAR A3017/2: KPAR A3042/1: KPAR A3042/2: KPAR A3043: KPAR A3067: KPAR A3087: KPAR A3091: KPAR A3098: KPAR A3109: KPAR A3120: KPAR A495: KPAR A565: KPAR A673: KPAR B124: KPAR B188: KPAR B196: KPAR B33/19:
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NE-PA Nebelbildung, Entnebelung, 1961-1974 NE-PA, Schriftwechsel mit Dienststellen und Ministerien betr. Projektunterlagen, 1972-1976 NE-PA, POLDIRAD/Wolkenradar, 1987-1990 (1959-1961) NE-PA Poldirad I, 1984-1988 NE-PA, Entnebelung Riem NE-PA, Wolkenradar I, 1974-1982 NE-PA, Wolkenradar II, 1974-1982 NE-PA, Wolkenphysik, Programm PA, 1980-1988 NE-PA, DFS Ausschuss, 1954-1960 NE-PA, RADAR, Meteor 200, Proj. de 29/2, München-Riem 13, 1958-1969 NE-PA, Fachbeirat NE-PA, 1975-1978 Prof. H.G Müller, Schmieschek-Gutachten, Entnebelung NE-PA, Aerosol, Radioaktivität, 1958-1970, Studien, Manuskripte zum Thema Aerosol, Radioaktivität NE-PA, Hagelbekämpfung, 1956 Sonderaufgaben Prof. Schmieschek, 1961-1968 DFVLR Vorstandssitzungen 11.11.1974-06.01.1975 DFVLR, Dr. Th. Benecke, Allgemein III Schriftwechsel mit dem wissenschaftlichen Sekretariat, Fotos zu KPAR A2629/01. Bilder zu KPAR A2657. Unterlagen zu Forschungsaufträgen für die DFG, 1962-74. -
Privatsammlung Manfred Reinhardt REINH 1001: REINH 1006: REINH 1008:
»Nachlieferungen«: 1. Ergänzung zur Radioaktivität und Umwelt, 2. Aerosol-Lidar/Oyon Programme »Historie [...] für FO-Bericht DFVLR 1984« Radar 1 (23.11.2010)
Privatsammlung Ulrich Schumann SCHU 1001: SCHU 1002: SCHU 1003:
Kuriositäten 1 Kuriositäten 2, 1.8.1995-22.7.2003 -
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Dank
Diese Arbeit ist als Dissertation im Cotutelle-Verfahren an der Aarhus Universitet in Dänemark und der Ludwigs-Maximilians-Universität München entstanden. Während dieser Zeit pendelte ich zwischen dem »Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt (DLR)« in Oberpfaffenhofen, dem »Centre for Science Studies (CSS)« in Aarhus, dem »Rachel Carson Center for Environment and Society (RCC)« und dem Deutschen Museum in München. Überall bin ich auf großartige Menschen getroffen, die mich begleitet und unterstützt haben, und denen ich zutiefst dankbar bin. Mein herzlichster Dank gilt Matthias Heymann. Als mein Doktorvater bot er nicht nur die fachliche Expertise, sondern stand mir immer mit Rat und Tat auch über 1000 Kilometer hinweg zur Seite. Ich danke ihm für sein Vertrauen in meine Arbeit und das Verständnis für die Herausforderungen und Zweifel, die sie mit sich brachte. Seine Unterstützung war von unschätzbarem Wert. Bei meinem Zweitbetreuer Helmuth Trischler bedanke ich mich für die fachliche Betreuung in München, für die hervorragenden Arbeitsbedingungen und die wissenschaftliche Anbindung vor Ort und dafür, dass auch seine Tür für mich immer offen stand. Hanne Andersen, Sabine Höhler, Kärin Nickelsen und Gordon Winder danke ich für ihre Bereitschaft, zusammen mit Helmuth Trischler mein Prüfungskommitee zu bilden, und dabei große Flexibiltät gezeigt zu haben, um sowohl die Richtlinien der Promotionsordnung der LMU wie auch der Graduate School der Aarhus Universitet zu entsprechen. Dass dieses Projekt überhaupt zustande kam, verdanke ich dem Institut für Physik der Atmosphäre und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das dieses in Form einer Promotionsstelle finanzierte. Mein ganz besonderer Dank gilt hierbei Ulrich Schumann für seine Offenheit, dieses »Experiment« zu unterstützen und über seine Erfahrungen und Erinnerungen aus 30 Jahren am IPA zu berichten. Bei Markus Rapp bedanke ich mich für sein Vertrauen in
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meine Arbeit und die Bereitschaft, sie ein zusätzliches Jahr zu finanzieren. Thomas Gerz danke ich für die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes in der Abteilung Wolkenphysik und Verkehrsmeteorologie am IPA und für die stets bereichernden Gespräche. Vor allem gebührt mein Dank Hans Volkert, der das Projekt überhaupt ins Leben rief. Er setzte sich unermüdlich für dessen Zustandekommen und Finanzierung ein und stellte seine Unterstützung sowie seinen großen Erfahrungsschatz hinsichtlich der Geschichte des IPA zur Verfügung. Ebenfalls danke ich Manfred Reinhardt dafür, dass er mir viele seiner Dokumente und Erinnerungen anvertraute und in intensiver Kleinarbeit zahlreiche Ordner und Kisten mit Dokumenten und Fotografien aus den vergangenen 60 Jahren Institutsgeschichte für mich zusammenstellte. Manfred Reinhardt ist traurigerweise kurz vor Drucklegung dieses Buches im Alter von 88 Jahren verstorben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass er mich in den Jahren zuvor noch an vielen seiner Erinnerungen teilhaben liess. Ebenfalls bedanke ich mich bei meinen weiteren Interviewpartnern Ehrenfried Kirchschlager und Heinz Fortak für ihr Vertrauen und die Bereitschaft, von ihrer Zeit am IPA zu erzählen. Speziell bedanke ich mich auch bei Jessika Wichner vom DLR-Archiv in Göttingen, die während meiner Recherchen eine unentbehrliche Hilfe war und immer dafür sorgte, dass ich im dortigen Archiv – trotz Umstrukturierungen – die bestmöglichen Arbeitsbedingungen vorfand. Auch viele andere Kolleginnen und Kollegen am IPA trugen zum Gelingen dieser Arbeit bei. Stellvertretend für sie alle danke ich Andreas Dörnbrack, Caroline Foster, Matrin Hagen, Dietrich Heimann, Ingo Hennemann, Hartmut Höller, Frank Holzäpfel, Stephan Körner, Lothar Oswald, Hermann Scheffold, Kersten Schmidt, Ingo Sölch, Dennis Stich, Arnold Tafferner sowie Brigitte Ziegele. Ihnen allen gilt mein großer Dank dafür, dass sie mir Willkommensein vermittelten, mir mit großer Geduld und Offenheit komplexe Phänomene und hochspezialisierte Technik erklärten, in Garagen, Schubladen und Bücherregalen Dokumente aus ihrer beruflichen Vergangenheit hervorsuchten, Kontakte herstellten, und mir bei manch geselligem Anlass ein Gefühl der Zugehörigkeit vermittelten, welches mir das Zurechtfinden in einer anderen Disziplin und das Ankommen in einem anderen Land enorm erleichterte. Das CSS an der Aarhus Universitet bot mir derweil eine disziplinäre Heimat. Ich bedanke mich bei Hanne Andersen dafür, dass ich am CSS immer willkommen war und mein Schreibtisch stets für mich bereit stand. Minna Elo gilt mein herzlicher Dank für ihre wertvolle Hilfe bei der Organisation meiner AarhusAufenthalte und für ihre großartige Gastfreundschaft, wenn ich mitten in der Nacht mit Sack und Pack in Dänemark strandete. Bei Susanne Elisabeth Nørskov bedanke ich mich für ihren engagierten Einsatz, selbst längst vergriffe-
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ne Publikationen aufzutreiben. Während Forschungskolloquien und Kaffeepausen konnte ich zudem von der Erfahrung und dem Wissen meiner Kolleginnen und Kollegen am CSS profitieren. Genannt seien hier insbesondere Lise Marie Andersen, Sara Marie Ehrenreich Green, Brian Hepburn, Kristian Hvidtfelt Nielsen, Lif Lund Jacobsen, Henrik Knudsen, Helge Kragh, Henrik Kragh Sørensen, Kurt Møller Petersen, Claire Neesham, Janet Martin-Nielsen, Henry Nielsen, Mads Paludan Goddiksen, Nils Randlev Hundebøl, Samuel Schindler, Irina Schmiedel, Susann Wagenknecht sowie die Kolleginnen und Kollegen am »Institute for Physics and Astronomy«. Bei Kristine C. Harper und Ronald E. Doel bedanke ich mich nicht nur für ihre Gutachterarbeit für das »Mid-Term Qualifying Exam« in Aarhus, sondern auch für ihre Hilfbereitschaft, Expertise und moralische Unterstützung über meine ganze Promotionszeit hinweg. Darüber hinaus haben auch viele andere zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen, haben Texte gegengelesen, Kommentare abgegeben, konstruktiv kritisiert und korrigiert. Für einen besonders wertvollen und intensiven Austausch möchte ich mich bei Marcus Dapp, Vera-Maria Giehler, Rebecca Hofmann, Annika Menke und Simone Steppacher bedanken. Auch an der Forschungsabteilung des Deutschen Museums und im Doktorandenprogramm »Environment and Society« am RCC in München konnte ich von vielen inspirierenden Gesprächen profitieren, die dieser Arbeit zugute kamen. Stellvertretend seien hier genannt Barbara Berger, Ewald Blocher, Stefan Esselborn, Norbert Gast, Sophie Gerber, Constanze Hampp, Nina Lorkowski, Antonia Mehnert, Nina Möllers, Rebecca Wolf sowie Amir Zelinger. Für die großartige Organisation des Doktorandenprogrammes des Rachel Carson Centers und ihr offenes Ohr für Probleme und Sorgen bedanke ich mich zudem herzlich bei Elisabeth Zellmer. Schließlich möchte ich all jenen teuren Menschen danken, die mir privat zur Seite standen, meine langen Abwesenheiten hinnahmen, mich von Bahnhöfen und Flughäfen abholten, meine Hochs und Tiefs geduldig ertrugen und mir auch in Situationen beistanden, die außerhalb eines akademischen Betriebes fremd sein mögen. Hier gilt mein herzlicher Dank ganz besonders Katharina Glass Achermann sowie auch Donat Achermann und Barbara Glass, ebenso auch Angela Alliegro, Jeannette Bär, Mariska Beirne, Sarah Jennings, Jacob Klitmøller, Nicole Niederhauser, Natalie Santos und Robert Toth. Schließlich sei die Person genannt, die ganz am Anfang stand, Kurt Achermann, sel., der vor langer Zeit, fernab akademischer Disziplinierung, in mir die Leidenschaft für Geschichte weckte. Ihm ist diese Arbeit gewidmet.
Science Studies Cheryce von Xylander, Alfred Nordmann (Hg.) Vollendete Tatsachen Vom endgültig Vorläufigen und vorläufig Endgültigen in der Wissenschaft Juni 2016, ca. 320 Seiten, kart., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2542-4
Anna Froese, Dagmar Simon, Julia Böttcher (Hg.) Sozialwissenschaften und Gesellschaft Neue Verortungen von Wissenstransfer Februar 2016, 344 Seiten, kart., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3402-0
Manfred E.A. Schmutzer Die Wiedergeburt der Wissenschaften im Islam Konsens und Widerspruch (idschma wa khilaf) Oktober 2015, 544 Seiten, Hardcover, 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3196-8
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Science Studies Diego Compagna (Hg.) Leben zwischen Natur und Kultur Zur Neuaushandlung von Natur und Kultur in den Technik- und Lebenswissenschaften September 2015, 272 Seiten, kart., 33,99 €, ISBN 978-3-8376-2009-2
Thomas Etzemüller Auf der Suche nach dem Nordischen Menschen Die deutsche Rassenanthropologie in der modernen Welt September 2015, 294 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3183-8
Anna-Sophie Jürgens, Tassilo Tesche (Hg.) LaborARTorium Forschung im Denkraum zwischen Wissenschaft und Kunst. Eine Methodenreflexion Juli 2015, 336 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2969-9
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Science Studies Christian Dieckhoff, Anna Leuschner, Frederike Neuber (Hg.) Die Energiewende und ihre Modelle Was uns Energieszenarien sagen können – und was nicht September 2016, ca. 160 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3171-5
Joanna Pfaff-Czarnecka (Hg.) Das soziale Leben der Universität Studentischer Alltag zwischen Selbstfindung und Fremdbestimmung Juli 2016, ca. 270 Seiten, kart., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3348-1
Sabine Könninger Genealogie der Ethikpolitik Nationale Ethikkomitees als neue Regierungstechnologie. Das Beispiel Frankreichs März 2016, ca. 350 Seiten, kart., ca. 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3286-6
Christian Kehrt Mit Molekülen spielen Wissenschaftskulturen der Nanotechnologie zwischen Politik und Medien Dezember 2015, 276 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3202-6
Hildegard Matthies, Dagmar Simon, Marc Torka (Hg.) Die Responsivität der Wissenschaft Wissenschaftliches Handeln in Zeiten neuer Wissenschaftspolitik Oktober 2015, 268 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3298-9
Andreas Beaugrand (Hg.) Bildung anführen Über Hochschulmanagement nach der Bologna-Reform
Christian Dieckhoff Modellierte Zukunft Energieszenarien in der wissenschaftlichen Politikberatung April 2015, 284 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3097-8
Fabian Karsch Medizin zwischen Markt und Moral Zur Kommerzialisierung ärztlicher Handlungsfelder März 2015, 256 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2890-6
Matthias Groß Experimentelles Nichtwissen Umweltinnovationen und die Grenzen sozial-ökologischer Resilienz 2014, 202 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2855-5
Gert Dressel, Wilhelm Berger, Katharina Heimerl, Verena Winiwarter (Hg.) Interdisziplinär und transdisziplinär forschen Praktiken und Methoden 2014, 366 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2484-7
Oliver Ibert, Felix C. Müller, Axel Stein Produktive Differenzen Eine dynamische Netzwerkanalyse von Innovationsprozessen 2014, 234 Seiten, kart., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2699-5
Tobias Cheung Organismen. Agenten zwischen Innen- und Außenwelten 1780-1860 2014, 348 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2646-9
September 2015, 362 Seiten, kart., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3195-1
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