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German Pages 384 [385] Year 2004
MATTHIAS ROSSI
Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht
Beiträge zum Informationsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, Prof. Dr. Michael Kloepfer, Prof. Dr. Friedrich Schoch
Band 11
Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht Zu den Wechselwirkungen zwischen Informationsfreiheitsgrenzen und der Verfassungsordnung in Deutschland
Von Matthias Rossi
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Habilitationsschrift angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1619-3547 ISBN 3-428-11593-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Schrift wurde im Wintersemester 2003/2004 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Habilitationsschrift angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur sind bis einschließlich Oktober 2003 berücksichtigt. Die Arbeit entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl von Prof. Dr. Michael Kloepfer. Ihm danke ich sehr herzlich für die langjährige wissenschaftliche Förderung, fur die Betreuung und Begutachtung dieser Arbeit sowie deren Aufnahme in die „Beiträge zum Informationsrecht". Mein besonderer Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis für verschiedene wissenschaftliche Impulse sowie vor allem für die äußerst schnelle Erstellung des Zweitgutachtens dieser Arbeit. Für stete Anteilnahme, fortwährende Unterstützung und manche anregende Diskussion möchte ich schließlich besonders herzlich neben meinen Eltern auch meinen Freunden Stefan Assenmacher, Priv.-Doz. Dr. Thilo Brandner, Ralph Czarnecki, LL.M., Priv.-Doz. Dr. Jens Kersten, Sophie-Charlotte Lenski, Dr. Andreas Neun sowie Dr. Elena Syssoeva danken. Sophie-Charlotte Lenski danke ich darüber hinaus für die wertvolle Hilfe bei der Erstellung der Druckvorlage dieser Arbeit.
Berlin, im Juli 2004
Matthias Rossi
Inhaltsübersicht Einleitung
19
1. Kapitel Informationszugangsfreiheit in Deutschland A. International geprägte Entwicklung
24
B. Mittelbar verfolgte Ziele
67
C. Grundrechtsgebrauch ermöglichende Wirkung
112
2. Kapitel Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen durch Verfassungsrecht A. Überblick
118
B. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
121
C. Vorgaben für die Anspruchsberechtigung
173
D. Vorgaben für die Anspruchsverpflichtung
183
E. Vorgaben für den Rechtsschutz
188
F. Strukturelle Unterschiede zum Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit
195
3. Kapitel Modifizierung von Verfassungsrecht durch Informationsfreiheitsgesetze A. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
207
B. Modifizierung von Kontrollstrukturen
233
C. Modifizierung von Verantwortungsstrukturen
283
D. Modifizierung von Staatsstrukturen
287
E. Modifizierung von Legitimationsstrukturen
315
Zusammenfassende Thesen
325
Literaturverzeichnis
336
Sachregister
381
Inhaltsverzeichnis Einleitung
19
1. Kapitel Informationszugangsfreiheit in Deutschland A. International geprägte Entwicklung I.
II.
24
Rechtslage nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland
24
1. Verfassungsrecht
25
2. Einfaches Recht
26
Ausländische Regelungen
28
1. Tryckfrihetsförordningen in Schweden
28
2. Freedom of Information Act in den U.S. A
29
3. Regelungen in weiteren Staaten
31
III. Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit im VwVfG
32
IV. Konzentration auf den Datenschutz
37
V.
40
Impulse durch die Umweltinformationsrichtlinie
VI. Transparenz in der EU-Eigenverwaltung
43
VII. Entwicklungen im Völkerrecht
50
1. Menschenrechtskodifizierungen
50
2. Aarhus-Konvention
53
VIII. Entwicklung in anderen Staaten
55
IX. Jüngere Entwicklung in Deutschland
57
1. Entwicklung in Folge der Wiedervereinigung
57
2. Entwicklung in den Bundesländern
58
3. X.
Entwicklung auf der Bundesebene
61
4. Entwicklung in der Rechtswissenschaft
65
Impulse durch die Informationsgesellschaft
66
B. Mittelbar verfolgte Ziele I.
II.
67
Informationszugänglichkeit als Mittel
69
1. Gesetzliche Zweck- und Mittelbestimmungen
69
2. Zielbestimmungen in den Gesetzesbegründungen
72
Transparenz als Zwischenziel
77
1. Öffentlichkeit oder Transparenz der Verwaltung?
77
2. Öffentlichkeitsmaß der anderen staatlichen Gewalten
79
nsverzeichnis
10
3. Verfassungsrechtliche Begründung allgemeiner Informationszugangsfreiheit?
83
b) Subjektiv-rechtlicher Anspruch auf freien Informationszugang?
88
4. Funktionale Begründung allgemeiner Informationszugangsfreiheit III. Kontrolle und Partizipation als Hauptfunktionen 1. Kontrollfunktion
92 94 94
2. Partizipationsfunktion
99
IV. Verwaltungseffizienz als Nebenfunktion V.
83
a) Objektiv-rechtliches Öffentlichkeitsgebot?
102
Umweltschutz und andere Spezialfunktionen
106
1. Umweltschutz
106
2. Verbraucherschutz
109
3. Vergangenheitserforschung
109
C. Grundrechtsgebrauch ermöglichende Wirkung
112
2. Kapitel Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen durch Verfassungsrecht A. Überblick
118
B. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
121
I.
II.
Verfassungsrechtlicher Schutz öffentlicher Belange
122
1. Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes
125
2. Insbesondere: Funktionsfähigkeit der Exekutive
127
3. Kompetenzielle Grenzen
131
4. Verbleibender gesetzlicher Gestaltungsspielraum
133
Grundrechtlicher Schutz privater Belange
134
1. Schutz von personenbezogenen Daten
135
2. Schutz von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen
140
3. Schutz des Geistigen Eigentums
142
4. Schutz durch sonstige Grundrechte
144
a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht
145
b) Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
146
c) Unverletzlichkeit der Wohnung
148
5. Verbleibender gesetzlicher Gestaltungsspielraum a) Gesetzlicher Ausgleich widerstreitender privater Interessen
148 149
b) Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips
150
c) Mögliche Abstufungen widerstreitender Interessen
153
aa) Personenbezogene Daten von Amtsträgern
153
bb) Personenbezogene Daten von Personen der Zeitgeschichte
155
III. Vorgaben für die Verwaltung 1. Bestimmung des Informationsinteresses
157 157
nsverzeichnis
a) Bestimmung des abstrakten Informationsinteresses
158
b) Berücksichtigung des konkret-individuellen Informationsinteresses.. 159 aa) Obligatorische Berücksichtigung
159
bb) Fakultative Berücksichtigung
161
2. Vorgaben für die Abwägung a) Abwägung mit entgegenstehenden öffentlichen Belangen
167
b) Abwägung mit entgegenstehenden privaten Belangen
168
3. Vorgaben für die Art der Informationsüberlassung C. Vorgaben für die Anspruchsberechtigung I.
II.
166
Anspruchsberechtigung juristischer Personen
171 173 174
1. Juristische Personen des Privatrechts
174
2. Juristische Personen des öffentlichen Rechts
176
Differenzierung nach Staatsangehörigkeit
179
III. Diskriminierung auf Grund der Sprache? D. Vorgaben für die Anspruchsverpflichtung
181 183
I.
Vertikale Kompetenzverteilung
183
II.
Horizontale Kompetenzverteilung
186
III. Verpflichtung Privater
187
E. Vorgaben für den Rechtsschutz
188
I.
Verpflichtung zur Gewährleistung von Rechtsschutz
188
II.
Ausgestaltung des Rechtsschutzes
189
III. Selbständiger Rechtsschutz IV. Geheimnisschutz im Verwaltungsgerichtsverfahren F. Strukturelle Unterschiede zum Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit I.
II.
191 191 195
Normativ-theoretische Betrachtung
195
1. Anspruchsvoraussetzungen
195
2. Anspruchsgegenstand
197
Empirisch-praktische Bewertung
III. Zusammenfassung
199 203
3. Kapitel Modifizierung von Verfassungsrecht durch Informationsfreiheitsgesetze A. Modifizierung von Grundrechtsgehalten I.
207
Modifizierung des Grundrechts der Informationsfreiheit
207
1. Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit von Informationsquellen
209
a) Private Informationsquellen
210
b) Staatliche Informationsquellen
211
2. Aktivierung des Grundrechts auf Informationsfreiheit durch die Gesetzgeber
216
nsverzeichnis
12
a) Umfang der Grundrechtsaktivierung
216
aa) Bestimmungsrecht als äußerste Grenze der Grundrechtsaktivierung
216
bb) Alleinige Berücksichtigung anspruchsbegründender Voraussetzungen
217
cc) Berücksichtigung auch der anspruchsausschließenden und -begrenzenden Voraussetzungen b) Bedeutung der Grundrechtsaktivierung aa) Bindung der Verwaltung an das Grundrecht der Informationsfreiheit
II.
218 220 220
bb) Subjektivierung der Öffentlichkeit der Verwaltung
222
cc) Rückwirkungen
224
Modifizierung geheimnisschützender Grundrechte
225
1. Verstärkung zugangsbegründender Belange
226
2. Veränderung der Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips
228
3. Schwächung des Zweckbindungsgrundsatzes
231
B. Modifizierung von Kontrollstrukturen
233
I.
Begriff der Verwaltungskontrolle
235
II.
System und Systematisierung von Verwaltungskontrolle
238
III. Voraussetzungen von Verwaltungskontrolle 1. Distanz
240 240
2. Misstrauen
244
3. Wirksamkeit
245
4. Kompetenz
246
IV. Auswirkungen auf andere Kontrollinstrumente 1. Parlamentarische Verwaltungskontrolle a) Ausgestaltung aa) Mehrheitlich auszuübende Kontrollrechte des Parlaments bb) Kontrollrechte parlamentarischer Minderheiten
247 248 248 249 250
b) Bewertung
251
c) Modifizierung durch Informationszugangsfreiheit
255
2. Verwaltungseigene Verwaltungskontrolle a) Ausgestaltung aa) Verwaltungskontrolle innerhalb eines Verwaltungsträgers
256 256 257
bb) Verwaltungskontrolle zwischen selbständigen Verwaltungsträgern cc) Verwaltungskontrolle der mittelbaren Staatsverwaltung b) Bewertung c) Modifizierung durch Informationszugangsfreiheit 3. Gerichtliche Verwaltungskontrolle a) Ausgestaltung
258 259 259 262 263 263
nsverzeichnis
b) Bewertung
265
c) Modifizierung durch Informationszugangsfreiheit
266
4. Verwaltungskontrolle durch Rechnungshöfe
267
b) Bewertung
269
c) Modifizierung durch Informationszugangsfreiheit
270
5. Verwaltungskontrolle durch die öffentliche Meinung
271
a) Ausgestaltung
271
b) Bewertung
273
c) Modifizierung durch Informationszugangsfreiheit V.
267
a) Ausgestaltung
274
Zusammenfassung
276
1. Kontrollakteure
276
2. Kontrollgegenstände
277
3. Kontrollmaßstäbe
278
4. Kompensation von Kontrolldefiziten?
280
5. Ergebnis
282
C. Modifizierung von Verantwortungsstrukturen
283
I.
Einzelne als Verantwortungsträger
283
II.
Einzelne als Verantwortungsadressaten
286
D. Modifizierung von Staatsstrukturen I.
Modifizierung der demokratischen Ordnung
287 288
1. Veränderung des Volksbegriffs?
289
2. Stärkung politischer Minderheiten
293
3. Relativierung der Bedeutung politischer Parteien
295
4. Schwächung der Parlamente als Kontrollorgane
297
5. Beeinträchtigung gleicher Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt... 300 II.
Modifizierung der rechtsstaatlichen Ordnung
304
1. Schwächung der Gesetzesbindung der Verwaltung
305
a) Ursache für den Bedeutungsverlust des Rechts
305
b) Auswirkungen des Bedeutungsverlusts des Rechts
306
c) Verfassungsrechtliche Beurteilung des Bedeutungsverlusts
307
aa) Beeinflussung exekutiver Entscheidungsmaßstäbe
307
bb) Beeinflussung gesetzlicher Entscheidungsvorgaben
308
2. Politisierung oder Demokratisierung der Verwaltung? E. Modifizierung von Legitimationsstrukturen I.
Klassische Formen der Legitimation der Verwaltung
II.
Legitimationslücken
III. Legitimation durch Informationszugangsfreiheit?
310 315 315 317 319
1. Empirischer Legitimationsbegriff
320
2. Normativer Legitimationsbegriff.
323
14
nsverzeichnis
Zusammenfassende Thesen
325
Literaturverzeichnis
336
Sachregister
381
Abkürzungsverzeichnis Abk. ABI. Abschn. AdPub a. F. AIG-Bbg AJIL ALJ Alt. Ani. AöR ARSP ausf. Ausg. AVR
Abkommen Amtsblatt Abschnitt Administration Publique alte Fassung Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg American Journal of International Law The Australian Law Journal Alternative Anlage Archiv des öffentlichen Rechts Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie ausführlich Ausgabe Archiv des Völkerrechts
BayVBl. BB BbgVerf BDSG BGB BGBl. BT-Drs. Bulletin BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BYIL
Bayerische Verwaltungsblätter Der Betriebs-Berater Verfassung des Landes Brandenburg Bundesdatenschutzgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (seit 1951: Teil I u. II) Drucksachen des Deutschen Bundestages Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts The British Year Book of International Law
CILIP CMLRev.
Civil Liberties and Police Common Market Law Review
DA DDR ders. dies. DM Dok. DÖV DRiZ DRZ
Deutschland-Archiv Deutsche Demokratische Republik derselbe dieselbe(n) Deutsche Mark Dokument Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtszeitschrift
16
Abkürzungsverzeichnis
DtZ DuR DVB1. DVP DVR
Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Verwaltungspraxis Datenverarbeitung und Recht?
EA EAC EBLR E-IFG EIoP EJIL EnvPL EPL Ergänz. Bl.
Europa-Archiv (seit 1995: Internationale Politik) European Advisory Commission European Business Law Review Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes European Integration online Papers European Journal of International Law Environmental Policy and Law European Public Law Ergänzungsblatt
F.A.Z. FOIA FS
Frankfurter Allgemeine Zeitung Freedom of Information Act Festschrift
GA GBl. DDR GG ggfs. GOBT GS GYIL
Generalanwalt Gesetzblatt der DDR (1949-1990) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Gedächtnisschrift German Yearbook of International Law
HFR h.M. hrsg. Hrsg. HS HStR
Humboldt-Forum-Recht herrschende Meinung herausgegeben Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof
i.d.F. IFG-Bln IFG-NRW IFG-ProfE IFG-SH IGH
in der Fassung Beriiner Informationsfreiheitsgesetz Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen Professorenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes Informationsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein Internationaler Gerichtshof Statut des Internationalen Gerichtshofs vom 26. Juni 1945 (BGBl. 1973 II S. 505 ff.) Irish Law Times The International Lawyer Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts
IGH-Statut ILT Int. Lawyer IP Rax
Abkürzungsverzeichnis
JCMS JIR JO JöR JR Jura Jur.Bl. JZ
Journal of Common Market Studies Jahrbuch für internationales und ausländisches öffentliches Recht Journal Officiel Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Blätter Juristenzeitung
Kap.
Kapitel
LG lit. Ls.
Landgericht littera Leitsatz
m. abw. M. MDR m.w.N.
mit abweichender Meinung Monatsschrift für Deutsches Recht mit weiteren Nachweisen
NJ NJW NYIL NYUJILP
Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Netherlands Yearbook of International Law New York University Journal of International Law and Politics
ÖJZ OLG ÖVD
Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Öffentliche Verwaltung und Datenverarbeitung
PUAG
Gesetz über Parlamentarische Untersuchungsausschüsse
RDIC RGDIP RiW
Revue International de Droit Comparé Revue Generale de Droit International Public Recht der internationalen Wirtschaft
SchwJIR SchwJZ SJZ sog. SPD StIGH StWStP SVN
sz
Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht Schweizerische Juristen-Zeitung Süddeutsche Juristen-Zeitung sogenannt Sozialdemokratische Partei Deutschland Ständiger Internationaler Gerichtshof Staatswissenschaften und Staatspraxis Satzung der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 (BGBl. 1973 II S. 430 ff.) Süddeutsche Zeitung
ThürVBl.
Thüringer Verwaltungsblätter
UAbs.
Unterabsatz
18
Abkürzungsverzeichnis
Übers. U1G UIRL UN/ECE UNESCO Urteil US USA
Übersetzung Umweltinformationsgesetz Umweltinformationsrichtlinie United Nations Economic Commission for Europe UN Educational, Scientific and Cultural Organization Urt. United States (Vereinigte Staaten) United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika)
v. VerwArch VIZ VN Vol.
von; vom Verwaltungsarchiv Zeitschrift für Vermögens- und Investitionsrecht Vereinte Nationen Volume (Band)
WVK
Wiener Übereinkommen (Konvention) über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl. 1985 II S. 926 ff.) Wiener Übereinkommen (Konvention) über das Recht der Verträge zwischen Staaten und Internationalen Organisationen oder zwischen Internationalen Organisationen vom 21. März 1986 (ILM 1986 S. 543 ff.)
WVKIO
ZaöRV ZAR ZfJR ZfRV Ziff. ZParl. zsfd. z.T. ZVglRWiss ZVR
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Ausländerrecht Zeitschrift für japanisches Recht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, internationales Privatrecht und Europarecht Ziffer Zeitschrift für Parlamentsfragen zusammenfassend zum Teil Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Völkerrecht
Einleitung Informationen entstehen im Kopf. Sie sind das Resultat der Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen, denen sie in Abhängigkeit von zahlreichen anderen Faktoren eine bestimmte Bedeutung geben.1 Informationen sind insofern subjektiv geprägt. Einer der die Bedeutung bestimmenden Faktoren kann ein zwischen mehreren Personen vereinbarter Code sein. Je stärker dieser Code die Bestimmung der Bedeutung von Sinnes Wahrnehmungen beeinflusst, desto größer ist der objektive Gehalt von Informationen. Eine vollständige Objektivierung von Informationen lässt sich aber nicht erreichen: Keinem äußeren Geschehen wird von allen Betrachtern ein und dieselbe Bedeutung beigemessen. Informationszugang kann es bei einem solchen semantischen Verständnis von Informationen nicht geben. „Die Gedanken sind frei, [....] kein Mensch kann sie wissen," lautet der insofern treffende Text ein altes Volksliedes. Zugänglich sind nicht Informationen, sondern Daten.2 Masing spricht deshalb auch konsequent vom Datenzugang und nicht vom Informationszugang. 3 Wenn der Begriff des Informationszugangs gleichwohl im allgemeinen wie auch im juristischen Sprachgebrauch verwendet wird, dann liegt ihm kein semantischer, sondern ein pragmatischer Informationsbegriff zu Grunde. Der pragmatische Informationsbegriff löst die Information von einer wie auch immer zu bestimmenden „ursprünglichen", „objektiven" oder „wahren" Bedeutung und über-
1
Windsheimer, Die Information als Interpretationsgrundlage, S. 18, bezeichnet „die Information als ein komplexes Geschehen, in dessen Verlauf objektive Erscheinungen als geistige Wirkungen in den Bereich des subjektiven Geistes projiziert werden." Vgl. auch Albers, Neukonzeption des grundrechtlichen „Datenschutzes, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 113 (121): „Informationen werden erst durch die Deutungs- und Interpretationsleistung des Empfängers vollendet."; Trute, JZ 1998, S. 822 (825): „Informationen sind interpretierte Daten."; Gröschner, VVDStRL 63 (2003), S. 359: „Wer informiert wurde, braucht deshalb noch nicht informiert zu sein, weil Informiertheit eine eigene Interpretationsleistung des Informationsempfängers voraussetzt."; RossenStadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117(119): „... wenn sich das Datum durch die Rezeption in Information verwandelt." 2 Zur begrifflichen Unterscheidung von Daten und Informationen vgl. bspw. Schock, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (167); Kloepfer, Informationsrecht, § 1, Rn. 58; Albers, Rechtstheorie 33 (2002), S. 61 (74). 3 Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 400 u. passim.
20
Einleitung
lässt sie allein dem pragmatischen, d.h. individuell bestimmten, Gebrauch durch den Informationsempfänger. 4 Informationszugangsfreiheit meint unter Zugrundelegung des pragmatischen Informationsbegriffs die Möglichkeit, Informationen zu erhalten. Dabei bezieht sich der Begriff „Informationszugangsfreiheit" im juristischen Sprachgebrauch allein auf die Zugänglichkeit von Informationen, die bei der Verwaltung vorhanden sind. Er betrifft ausschließlich das Informationsverhältnis zwischen privaten und staatlichen Akteuren und hier allein die Konstellation, in der der Private als Informationsnachfragender, als potentieller Informationsempfänger, und der Staat als Informationsanbietender, als Informationsquelle, auftritt. Für das interne Informationsverhältnis zwischen privaten Akteuren wird er dagegen ebenso wenig verwendet wie ftir die internen Informationsbeziehungen zwischen staatlichen Akteuren. In dem so verstandenen Informationsverhältnis stehen sich also der zugangsbegehrende Bürger und die zugangsgewährende bzw. -verwehrende Behörde gegenüber. Dabei impliziert die juristische Verwendung des Begriffs „Informationszugangsfreiheit" regelmäßig ein grundsätzliches und voraussetzungsloses Informationszugangsrecht des Bürgers zu allen Informationen bei der Verwaltung, das nur ausnahmsweise gesetzlich beschränkt oder von den Behörden beschränkbar ist.5 Bei entindividualisierter Betrachtung dieses Informationsverhältnisses gewährleistet eine allgemeine Informationszugangsfreiheit die Öffentlichkeit der Verwaltung. Der Umfang und die Grenzen einer Informationszugangsfreiheit bestimmen das Verhältnis zwischen Publizität und Opazität des Verwaltungshandelns. Dieses Verhältnis ist nach dem gängigen Verständnis des geltenden Rechts von dem Grundsatz der NichtÖffentlichkeit geprägt, von dem nur ausnahmsweise unter engen persönlichen und sachlichen Voraussetzungen abgewichen wird. Eine allgemeine Informationszugangsfreiheit stellt das so verstandene Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis auf den Kopf, ohne freilich eine vollständige und uneingeschränkte Öffentlichkeit des Verwaltungshandelns anzuordnen. Ein solcher Paradigmenwechsel im Verwaltungsrecht lässt das Verfassungsrecht nicht unberührt.
4 Zu diesen Informationsbegriffen insb. Druey, Information als Gegenstand des Rechts, S. 7 ff.; ihm folgend etwa Kloepfer, Informationsrecht, § 1, Rn. 53 ff.; jeweils m.w.N. Vgl. auch schon Gaigl, DSWR 1978, S. 39 ff. 5 Trotz des sich immer mehr durchsetzenden Bedeutungsgehalts des Begriffs „Informationszugangsfreiheit 4' wird zur Unterscheidung von voraussetzungslos gewährten, aber gegenständlich beschränkten Informationszugangsansprüchen (wie etwa nach dem UIG) im Folgenden regelmäßig der Begriff „allgemeine Informationszugangsfreiheit" verwendet.
Einleitung
Das Verhältnis von Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht ist allerdings ambivalent. Das Verfassungsrecht erscheint sowohl als Grund als auch als Grenze einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit. Im Schrifttum wird es ganz überwiegend zur Begründung der Notwendigkeit herangezogen, die Öffentlichkeit der Verwaltung durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit herzustellen. Insbesondere aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit sowie aus dem Demokratieprinzip wird ein objektiver Grundsatz der Öffentlichkeit der Verwaltung, zum Teil sogar ein verfassungsunmittelbares subjektives Recht auf Zugang zu Informationen bei der Verwaltung abgeleitet. Diesen Überlegungen liegt offensichtlich ein Verfassungsverständnis zu Grunde, nach dem das Verwaltungsrecht bereits in der Verfassung selbst angelegt ist und nur noch durch (Verwaltungs-)Gesetze transformiert werden muss. In der Tat ist Verwaltungsrecht nach der einprägsamen Formel Fritz Werners konkretisiertes Verfassungsrecht. 6 Doch diese Umschreibung impliziert nicht nur die Konkretisierungsbedürftigkeit, sondern auch die Konkretisierungsfähigkeit von Verfassungsrecht. Die Dichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben darf deshalb nicht überschätzt werden: Verfassungsrecht ist „nicht so sehr konkretes wie konzentriertes Recht".7 Die Konkretisierung erfolgt erst durch die Gesetzgeber, die dabei über einen Gestaltungsspielraum verfugen, den sie entsprechend der im politischen Willensbildungsprozess getroffenen Mehrheitsentscheidung ausüben können. Dieser Gestaltungsspielraum wird durch die verfassungsrechtlich normierten Grenzen beschränkt. Insofern aktualisiert sich auch in Bezug auf allgemeine Informationsfreiheitsgesetze vor allem die Limitationsfunktion der Verfassung.
6
Werner, DVB1. 1959, S. 527 (527 u. passim). So Lerche, DVB1. 1961, S. 690 (692 f.). Vgl. hierzu auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 11. 7
22
Einleitung
Die verfassungsrechtlichen Grenzen sind indes nicht ein für allemal feststehend. Die Verfassung im normativen Sinne steht in einem wechselseitigen Verhältnis zur Verfassungswirklichkeit. Diese wird unter anderem durch die Staatspraxis geprägt, die ihrerseits in den politischen Entscheidungen der Parlamente und Regierungen zum Ausdruck kommt. Solche politischen Entscheidungen können zu einer inhaltlichen Modifizierung von Verfassungsbestimmungen führen, ohne dass deren Text ausdrücklich geändert wird. Sie ermöglichen durch einen solchen Verfassungswandel die Fortbildung des Verfassungsrechts innerhalb der Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG, deren Einhaltung vom Bundesverfassungsgericht gesichert wird. 8 Auch die Einfuhrung allgemeiner Informationszugangsfreiheit kann einen solchen Verfassungswandel durch Verwaltungsgesetz bewirken. Zwar wird die „systemverändernde Kraft" allgemeiner Informationszugangsfreiheit bislang nur auf das Verwaltungsrecht bezogen9 oder, soweit sie auf das Verfassungsrecht erstreckt wird, in erster Linie den europarechtlichen Vorgaben zugeschrieben.10 Doch die durch die gesetzliche Gewährleistung eines voraussetzungslosen Informationszugangsanspruchs bewirkte Öffentlichkeit der Verwaltung kann nicht ohne Folgen ftir die Verfassungsordnung in Deutschland bleiben. Vorstellbar sind nicht nur Modifizierungen von Grundrechtsgehalten, namentlich des Grundrechts der Informationsfreiheit sowie der geheimnisschützenden Grundrechte, sondern insbesondere auch von Staatsstrukturprinzipien, vor allem des Demokratieprinzips.
8 Zum Verfassungswandel vgl. Böckenförde, Anmerkungen zum Begriff Verfassungswandel, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens, FS Lerche, S. 3 (3 f.); Hesse, Grenzen der Verfassungswandlung, in: Ehmke u.a. (Hrsg.), FS Scheuner, S. 123 ff.; Lerche, Stiller Verfassungswandel als aktuelles Politikum, in: ders./Zacher/Badura (Hrsg.), FS Maunz, S. 285 ff. S. auch Badura, Staatsrecht, Anm. F 60. 9 Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 (418), weist mit Blick auf die UIRL auf „sektorale Systemänderungen" hin. Nach König, DÖV 2000, S. 45 (45), entfaltet der neue Ansatz „innerhalb des deutschen Verwaltungsrechts eine systemverändernde Wirkung". Nach Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (139), könnte das Regime der beschränkten Aktenöffentlichkeit „restlos und endgültig zusammenbrechen." Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 423, prognostiziert eine Änderung der Verwaltung selbst. 10 So etwa Kahl, Der europarechtlich determinierte Verfassungswandel im Kommunikations- und Informationsstaat Bundesrepublik Deutschland, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 9 (22 ff.).
Einleitung
Von diesem Verfassungsverständnis ausgehend untersucht die Arbeit nicht die Frage, ob und inwieweit das Verfassungsrecht die gesetzliche Einfuhrung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit gebietet. Vielmehr sollen die Wechselwirkungen zwischen der die Informationsfreiheitsgesetze determinierenden Verfassung (2. Kapitel) und den die Verfassung modifizierenden Informationsfreiheitsgesetzen herausgearbeitet werden (3. Kapitel). Hierfür ist es zunächst erforderlich, die Entwicklung, die Ziele und die Wirkungen der Informationszugangsfreiheit zu analysieren (1. Kapitel).
/. Kapitel
Informationszugangsfreiheit in Deutschland
A. International geprägte Entwicklung Der Gedanke einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit hat sich in der Bundesrepublik Deutschland nur sehr langsam durchgesetzt,1 wie die nachfolgende chronologische Betrachtung im Einzelnen zeigt. Dass die Informationszugangsfreiheit auch in Deutschland immerhin schon den Schritt von der unter Politikern wie unter Wissenschaftlern diskutierten Idee hin zur gesetzlichen Gewährleistung subjektiver Rechte geschafft hat, ist maßgeblich dem Einfluss ihrer internationalen Entwicklung zu verdanken. Dabei haben allerdings die von den Befürwortern einer grundsätzlichen Aktenöffentlichkeit stets als vorbildlich empfundenen Regelungen in Schweden und in den U.S.A. noch nicht den nötigen Druck auf die deutsche Gesetzgebung ausüben können. Erst die Umweltinformationsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft hat mit ihrem verbindlichen Regelungsauftrag den Damm der Aktenverschlossenheit im Bereich der mit Umweltschutzbelangen befassten Verwaltung brechen lassen.
I. Rechtslage nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland In der durch Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24.5.19492 gegründeten Bundesrepublik Deutschland gab es zunächst keine allgemeine Zugangsfreiheit zu Informationen der öffentlichen Verwaltung. Weder das Verfassungsrecht noch das einfache Recht sahen entsprechende Zugangsansprüche vor.
1 Zur Entwicklung der Informationszugangsfreiheit vgl. Kloepfer, Informationsrecht, § 10, Rn. 1 f f ; Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl., Rn. 1 ff.; Schock, VerwArch 35 (2002), S. 149 ff. 2 Vgl. Art. 145 Abs. 2 GG.
A. International geprägte Entwicklung
25
1. Verfassungsrecht Zwar wurde erstmals in der deutschen Verfassungsgeschichte die Informationsfreiheit als Grundrecht in der Verfassung verankert. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG gewährleistet das Recht, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten". Mit diesem Grundrecht reagierte der Verfassungsgeber in besonders deutlicher Weise auf die zahlreichen Informationsbeschränkungen unter dem nationalsozialistischen Regime.3 Zu diesen zählten neben den zahlreichen Literatur- und Kunstverboten vor allem auch das Verbot, sich aus ausländischen Rundfunkprogrammen zu informieren. 4 Die mit der Gewährleistung eines Grundrechts auf Informationsfreiheit im Grundgesetz zum Ausdruck gebrachte Abkehr von solchen staatlichen Informationsvorenthaltungen ist somit ein wichtiges Beispiel für die in Verfassung geronnene Zukunftsbewältigung aus Vergangenheitserfahrung. 5 Bereits aus dieser Genese erklärt sich auch die dem Grundrecht primär zugedachte Abwehrfunktion: Es soll verhindern, dass allgemein zugängliche Informationen, mag deren Quelle auch im Ausland liegen, durch staatliche Maßnahmen zurück gehalten werden. Zugleich soll eine „für die Demokratie schlechthin konstituierende" Kommunikation gewährleistet werden, die die Meinungsäußerungsfreiheit alleine nicht sicherstellen kann.6 Denn erst das Recht, sich selbst zu informieren, ermöglicht eine Meinungsbildung, die ihrerseits Voraussetzung für eine Meinungsäußerung ist. Zur tatsächlichen Herstellung hinreichender Informationsvielfalt 7 gewährleistet Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG insofern Informationsempfangsfreiheit, die auch eine Informationsbeschaffungsfreiheit umfasst. 8 Allerdings beschränkt sich diese grundrechtlich gewährleistete Informationsempfangsfreiheit auf „allgemein zugängliche Quellen", also auf solche Informationsquellen, die „technisch geeignet und bestimmt [sind], der Allgemeinheit, d.h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen." 9 Informationen der öffentlichen Verwaltung wird eine dieser Art verstandene Allgemeinzugänglichkeit regelmäßig abgesprochen, so 3
Vgl. die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 27, 71 (80). Interessant dabei die Wortwahl: Das Unerlaubte kam bereits in dem Begriff ,,/ίόhören" zum Ausdruck, und mit der Bezeichnung der ausländischen Rundfunkprogramme als „Fe/Wsender" wurde über das rechtliche Verbot hinaus auch eine nationalmoralische Verbotskategorie normiert. 5 Vgl. hierzu Kloepfer, Verfassungsgebung als Zukunftsbewältigung aus Vergangenheitserfahrung, in: Kloepfer/Merten/Papier/Skouris, Kontinuität und Diskontinuität in der deutschen Verfassungsgeschichte, S. 50. 6 BVerfGE 27, 71 (81). 7 So Lerche, Jura 1995, S. 561 (561). 8 BVerfGE 27, 71 (82 f.); 27, 88 (98). 9 BVerfGE 27, 71 (83); 90, 27 (32); vgl. auch Lerche, Jura 1995, S. 561 (565). 4
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
dass sie nach ständiger Rechtsprechung 10 und h.M. 11 nicht unter den Schutzbereich der Informationsfreiheit fallen. 12 Weil die Informationsfreiheit nach h.M. auch kein Leistungsrecht auf Eröffnung einer Informationsquelle umfasst, 13 gewährleistet sie keinen Anspruch gegenüber der öffentlichen Verwaltung, alle oder auch nur bestimmte Informationen zugänglich zu machen. Vielmehr aktualisiert sich das subjektive Freiheitsrecht des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG nur, wenn und soweit der über die Zugänglichkeit einer Informationsquelle Bestimmungsberechtigte diesen Zugang auch tatsächlich frei gegeben hat. 14 Informationsfreiheit i.S.d. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG bedeutet insofern nicht Informationszugangsfreiheit. Ob eine solche Informationszugangsfreiheit möglicherweise von anderen Grundrechten oder sonstigen Vorgaben des Grundgesetzes umfasst oder gefordert wird, etwa als Ausfluss des Art. 1 Abs. 1 GG, als Konsequenz des rechtsstaatlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör oder als Ausprägung des demokratischen Strukturprinzips, ist zunächst nicht diskutiert worden. Vielmehr wurde das Grundgesetz in den ersten Jahren nach seinem Inkrafttreten dahingehend interpretiert, dass es einen allgemeinen oder auch nur besonderen Anspruch auf Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung nicht gewährleiste.
2. Einfaches Recht Umgekehrt stand und steht das Grundgesetz der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung eines allgemeinen Informationszugangsrechts auch nicht per se entgegen. Der Gesetzgeber wäre also - in den noch aufzuzeigenden verfassungsrechtlichen Grenzen - schon damals frei gewesen, eine allgemeine Zugänglichkeit zu Informationen der Behörden verbindlich festzuschreiben. Statt dessen blieb der Gesetzgeber zunächst einmal untätig. In der Verwaltungspraxis wurde selbst den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens Akteneinsicht zunächst grundsätzlich nur und erst im Rahmen eines 10
(22).
Vgl. bspw. BVerfG, NJW 1986, S. 1243; BVerwGE 47, 247 (252) und 61, 15
11 Vgl. bspw. Schulze- Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 5 I, II, Rn. 60; Wendt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 5, Rn. 25; Clemens, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG-Mitarbeiterkommentar, Bd. 1, Art. 5, Rn. 53. 12 Kritisch hierzu unten S. 207. 13 Deutlich BVerfG E 103, 44 (59 f.). Vgl. auch Hojfmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten, S. 59; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 62; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 59a; Wendt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 5, Rn. 28. 14 Vgl. BVerfGE 103, 44 (59); Vgl. hierzu unten S. 207 ff.
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gerichtlichen Verfahrens eingeräumt. 15 Die herrschende Meinung in der Literatur stützte diese Praxis mit der Begründung, dass das Verwaltungsverfahren grundsätzlich nicht öffentlich sei. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Verfahrensbeteiligten Akteneinsicht gewährt werde, stehe deshalb allein im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung. 16 Dabei tolerierte die mangels gesetzlicher Kodifizierung besonders bedeutsame Rechtsprechung ein weitgehendes Ermessen der Behörden und wies Akteneinsichtsbegehren von Verfahrensbeteiligten selbst in Fällen, in denen es um die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen ging, ohne Begründung zurück, wenn nicht besondere Rechtsvorschriften ein solches Einsichtsrecht ausdrücklich vorsahen. 17 Ein subjektiver Anspruch auf fehlerfreie Ermessenentscheidung wurde den Betroffenen zunächst nicht gewährt. Treffend wiedergegeben wird diese Verwaltungs- und Spruchpraxis von § 22 des Musterentwurfs eines Verwaltungsverfahrensgesetzes aus dem Jahre 1963: „Die Beteiligten haben einen Anspruch auf Akteneinsicht nur insoweit, als Rechtsvorschriften ihn zuerkennen. Im Übrigen kann ihnen die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen Einsicht in ihre Akten gewähren."
Zu solchen besonderen Rechtsvorschriften zählten und zählen vor allem gesetzlich gewährte Einsichtsrechte in öffentliche Register, wie bspw. in Vereinsregister (§ 79 BGB) und Güterrechtsregister (§ 1563 BGB), in Grundbücher (§ 12 GBO), Personenstandsbücher (§ 61 PStG) und Handelregister (§ 9 Abs. 1 HGB), 18 in die Urheberrolle (§ 138 UrhG), in das Musterregister (§11 S. 1 GeschmMG), in Wasserbücher (§ 37 WHG i.V.m. Landesrecht, bspw. § 160 LWG-NW), Denkmallisten (vgl. bspw. § 3 Abs. 5 S. 1 DSchG-NW) und Baulandverzeichnisse (vgl. bspw. § 78 Abs. 5 BauO-NW) sowie Auskunftsrechte in Bezug auf Melderegister (§§ 21, 22 MRRG), Handwerksrollen (§ 6 HwO) und Gewerberegister (§14 GewO). Von besonderer praktischer Bedeutung ist auch die Übermittlung von Daten zu Fahrzeug und Halter eines KfZ (§§ 35, 39 StVG). Im Vordergrund all dieser besonderen Informationszugangsrechte steht die Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs. Andere Einsichtsrechte knüpfen an die eigene Betroffenheit an, etwa das Recht der Beamten auf Einsicht in die eigenen Personalakten (§ 56c BRRG, § 93c BBG) oder das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht (§ 19 BDSG). Auch andere Gesetze sehen zum Teil das Recht des Betroffenen vor, 15 Vgl. die Nachweise bei Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 257 ff., insb. S. 261. 16 Vgl. bspw. Haueisen, NJW 1967, S. 2291 ff. m.w.N.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1 - Allgemeiner Teil, S. 236. 17 Vgl. bspw. BVerwGE 12, 296; 30, 154; OVG Münster, DÖV 1959, S. 391; VGH Kassel, JZ 1965, S. 319; VGH Stuttgart, DVB1. 1956, S. 487. 18 Instruktiv hierzu schon Barella, DB 1956, S. 321 ff.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Einsicht in die bei einer Behörde über ihn vorhandenen Informationen zu nehmen (vgl. bspw. § 83 SGB X; § 15 BVerfSchG). Diese Rechtslage, die von vielen als unzureichend empfunden wurde, 19 änderte sich erst mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1968. Mit dieser Entscheidung erkannte das Bundesverwaltungsgericht erstmals einen subjektiven und damit einklagbaren Anspruch der Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Anträge auf Akteneinsicht an. Es gewährte diesen Anspruch aber nur unter der Voraussetzung, dass der Antragsteller „ein eigenes, gewichtiges und auf andere Weise nicht zu befriedigendes Interesse" an der Akteneinsicht nachweise.20 Spätere Entscheidungen verlangten dagegen „nur" noch ein „berechtigtes Interesse." 21 Ohne den Nachweis eines solchen besonderen Interesses bestand dagegen überhaupt kein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung.22
II. Ausländische Regelungen Diese Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere das völlige Fehlen einer gesetzlichen Regelung, stand in diametralem Gegensatz zu den Entwicklungen in einigen anderen Rechtsordnungen.
/. Tryckfrihetsförordningen
in Schweden
In Schweden gewährte schon das von der aufklärerischen Regierung unter Kanzler Fresenius zusammen mit anderen liberalen Gesetzen durchgesetzte erste Pressegesetz von 1766 (Tryckfrihetsförordningen - Druckfreiheitsverordnung) jeder Person (und nicht etwa, wie die Bezeichnung des Gesetzes suggerieren könnte, nur Journalisten) Zugang zu amtlichen Schriftstücken, und zwar unabhängig von der objektiven Betroffenheit in rechtlichen oder berechtigten
19 Vgl. bspw. Dagtoglou, JZ 1965, S. 320 ff.; Ule/Becker, Verwaltungsverfahren im Rechtsstaat, S.41 ff.; v. Köhler, NJW 1956, S. 1460 ff.; Sendler, AöR 94 (1969), S. 148 ff. 20 BVerwGE 30, 154 (160). Das Gericht hatte über den Zugang zu behördlichen Akten zu entscheiden, die in einem Zivilprozess zu Beweiszwecken vorzulegen waren. Es formulierte zwar den Grundsatz, nach dem aus Gründen des Rechtsschutzes und der „verfassungsrechtlichen Gewährleistung der sozialen Rechtsstaatlichkeit" zumindest ein justitiabler Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bestehen müsse, versagte im konkreten Fall wegen entgegenstehender beachtlicher öffentlicher Interessen gleichwohl die Vorlage von Bauakten zu Beweiszwecken im Zivilprozess. 21 Vgl. bspw. BVerwGE 51,15 (22); 69, 278 (279). 22 So ausdrücklich BVerwGE 30, 154 ( 157), 61, 15 ( 19); 69, 278 (279 f.).
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Interessen und unabhängig auch von dem subjektiven Ziel der Einsichtnahme. Zwar wurde dieses Gesetz bereits sieben Jahre später durch den König Gustav III. wieder aufgehoben. Doch schon unter der Verfassung von 1809, die ihrerseits das Prinzip der Aktenöffentlichkeit festlegte, wurde die TryckfrihetsfÖrordningen wieder in Kraft gesetzt.23 Dieses Gesetz, das seitdem zum materiellen Verfassungsrecht Schwedens gerechnet wird, 24 wurde 1949 neu gefasst. 25 Es hätte somit die Verfassungs- und Gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland beeinflussen können. Indes dürfte die Rechtsvergleichung in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch keine besonders einflussreiche Rolle bei der Ausgestaltung der deutschen Verfassungsordnung gespielt haben, so sie sich nicht auf die Rechtsordnungen der drei westlichen Besatzungsmächte bezog. Und auch der Aufsatz über die „Aktenöffentlichkeit in Schweden" aus dem Jahre 195826 dürfte von der interessierten Leserschaft in Deutschland eher mit Staunen zur Kenntnis genommen denn als nachahmungswürdiges Beispiel verstanden worden sein.27
2. Freedom of Information Act in den U.S.A. Angestoßen wurde die politische und wissenschaftliche Befassung mit dem Thema allgemeiner Informationszugangsfreiheit in Deutschland erst mit der Verabschiedung des Freedom of Information Act (FOIA) in den USA im Jahre 1966.28 Mit dem Ziel, die Kontrolle der Verwaltung durch Sicherstellung öf-
23 Zu den historischen Hintergründen s. Askelöf/Fernemann-Heurgren, Akteneinsicht in Schweden, in: Winter (Hrsg.), Öffentlichkeit von Umweltinformationen, S. 474 ff.; sowie Conradi , Das Öffentlichkeitsprinzip in der schwedischen Verwaltung, S. 56 ff.; s. auch Garstka, Internationale Entwicklung des Informationszugangsrechts, in: Kloepfer (Hrsg.), Die transparente Verwaltung - Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen, S. 73 f.; und Schlachter, Mehr Öffentlichkeit wagen, S. 51 ff. 24 Vgl. Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 125, Fn. 579. 25 Zum neu gefassten schwedischen Informationszugangsrecht s. Petrén, VerwArch 49 (1958), S. 323 ff.; Askelöf/Fernemann-Heurgren, Akteneinsicht in Schweden, in: Winter (Hrsg.), Öffentlichkeit von Umweltinformationen, S. 474 ff.; Klee, in: Lenk (Hrsg.), Neue Informationsdienste im Verhältnis von Bürger und Verwaltung, S. 147 ff. Vgl. auch Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 124 ff. 26 So der Titel des Beitrags von Petrén, VerwArch 49 (1958), S. 323 ff. 27 Noch 1998 unterstellt Österdahl in seinem rechtsvergleichenden Aufsatz über die Informationszugangsfreiheit in Schweden und der EU (ELRev. 23 (1998), S. 336 (336)) wohl zu Recht, das schwedische System sei „presumed to be so foreign to most readers." 28 U.S.C. § 552 Pubi. Law 95-502; nunmehr „as amended by Public Law No. 104231, 110 Stat. 3048 (Electronic Freedom of Information Act) v. 1996.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
fentlichen Zugangs zu amtlichen Informationen zu gewährleisten, räumt der FOIA jeder Person29 einen Anspruch auf Akteneinsicht ein, der wie auch im schwedischen Recht unabhängig von objektiven oder subjektiven Voraussetzungen gewährt wird. 30 Zuvor sah der Administrative Procedure Act (APA) aus dem Jahre 194631 einen Informationszugangsanspruch nur für selbst und uhmittelbar betroffene Personen vor („persons properly and directly concerned"). Die Forderung nach einem vorbehaltlos gewährleisteten Informationsanspruch in den U.S.A. stand schon früh unter dem Eindruck der Informationsbzw. Obstruktionspolitik der U.S.-Regierung in der McCarthy-Area 32 und während des Vietnamkrieges 33 und dürfte unter anderem deshalb so großen Erfolg gehabt haben, weil sich die U.S.-Regierung in dieser Zeit nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auch gegenüber dem Kongress weitgehend abzuschütten versuchte. 34 Die Vertuschung des My-Lai-Massakers im Jahre 196835 sowie vor allem die Watergate-Affäre haben rasch zu einer Reform des FOIA im Jahre 1974 geführt, 36 die den Grundsatz der Zugangsfreiheit weiter verfestigt und die Ausnahmetatbestände dementsprechend präzisiert und gestrafft hat.37 Neben diesen politischen Anlässen waren es von Anfang an aber auch stets wirtschaftliche Aspekte, die den Ruf nach einem möglichst weitgehenden Zugang zu amtlichen Dokumenten erstarken ließen.38
29 Nach der Legaldefinition in 5 U.S.C. § 551 (2) ist „any person" neben jeder natürlichen Person auch jede Art von Personen Vereinigung mit Ausnahme von Behörden. 30 Zur Genese des FOIA s. ausf. Rehbinder, Die Informationspflicht der Behörden im Recht der Vereinigten Staaten, S. 11 f f , dort auch eine Übersetzung des FOIA in der Fassung v. 5.7.1967 (S. 60 ff.) sowie der Erklärung von Präsident Johnson bei Unterzeichnung des FOIA in seiner ursprünglichen Fassung v. 4.7.1966 (S. 59); ein kurzer Überblick über die Genese des FOIA findet sich bei Scherer, Verwaltung und Öffentlichkeit, S. 42 ff. 31 5 U.S.C. § 1002(1964). 32 Die Vorarbeiten des FOIA begannen bereits in den 1950er Jahren, vgl. Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, S. 54. 33 Mit geheimen Operationen waren die U.S.A. bereits seit 1957 und somit lange vor dem Tonkin-Zwischenfall im August 1964 am Vietnamkrieg beteiligt, der in dieser Phase deshalb auch als U.S.-Sonderkrieg bezeichnet wurde; vgl. hierzu bspw. Tuchmann, Die Torheit der Regierenden, S. 290 ff. 34 S. Kneifel, CR 1990, S. 134 (135) m.w.N. 35 S. Goldstein/Marshall/Schwartz, The My-Lai-Massacre and Its Cover-up, passim; sowie Wise, The politics of Lying, S. 3 ff. und S. 61 ff. 36 Eine Übersetzung des FOIA 1974 findet sich bei Scherer, Verwaltung und Öffentlichkeit, S. 96 ff. 37 Vgl. hierzu Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, S. 55; Schlachter, Mehr Öffentlichkeit wagen, S. 63 ff. 38 S. die Beispiele bei Rehbinder, Die Informationspflicht der Behörden im Recht der Vereinigten Staaten, S. 13 f. Vgl. zum Ganzen Birkinshaw, Freedom of Information, S. 63 ff.
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Mit seiner Novellierung im Jahre 1996 ist der FOIA den modernen Techniken der Datenverarbeitung und Informationsübermittlung angepasst worden. Die „Electronic Freedom of Information Act Amendments" betreffen allerdings in erster Linie die Form und das Verfahren des Informationszugangs. Daten müssen nun nicht nur, soweit beantragt, „online" zur Verfugung gestellt werden, vielmehr sind die Behörden auch gehalten, „electronic reading rooms" einzurichten. Darüber hinaus sind die aktiven Informationspflichten der Behörden näher spezifiziert worden. Auf der anderen Seite ist bspw. die Frist zur Herausgabe eines verlangten Dokuments auf 20 Tage verlängert worden, weil sich die bis zu dieser Änderung geltende Frist von 10 Tagen als unrealistisch erwiesen hatte.39
3. Regelungen in weiteren Staaten Zahlreiche andere europäische Staaten folgten dem schwedischen bzw. u.s.amerikanischem Beispiel und erweiterten die Möglichkeiten ihrer Bürger, Zugang zu amtlichen Informationen zu erlangen. 40 Dies gilt zunächst einmal für Finnland, das 1766 zu Schweden gehörte und insoweit schon seit dieser Zeit ein allgemeines Informationszugangsrecht kannte. Finnland hielt sogar während seiner Zugehörigkeit zum russischen Reich von 1809 bis 1917 am Prinzip der Aktenöffentlichkeit fest, 41 stellte es aber gleichwohl - ähnlich wie Schweden - 1951 auf neue rechtliche Füße.42 Auch die anderen beiden skandinavischen Länder Dänemark 43 und Norwegen44 verankerten im Jahre 1970, inspiriert durch die Regelungen in Schweden und Finnland, den Grundsatz des freien Informationszugangs zu amtlichen Dokumenten. Außerhalb Skandinaviens wechselte Frankreich 1978 vom Prinzip
39 Näher hierzu Birkinshaw, Freedom of Information, S. 70 f.; Gellmann, DuD 1998, S. 446 f f ; Dempsey, www.missouri.edu/~foiwww/nsanalysis.html . 40 Vgl. zur Entwicklung der Aktenöffentlichkeit in anderen Ländern die Landesberichte in: Winter (Hrsg.), Öffentlichkeit von Umweltinformationen; sowie die Kurzübersichten bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl., Rn. 4 ff. und Garstka, Internationale Entwicklung des Informationszugangsrechts, in: Kloepfer (Hrsg.), Die transparente Verwaltung - Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen, S. 73 f. 41 Petrén, VerwArch 49 (1958), S. 323 (333). 42 Zum finnischen Informationsfreiheitsgesetz vgl. bspw. Rotta, S. 128 ff.; Riley, CILIP 1979/3, S. 33 (37 f.). 43 Vgl. hierzu Beilicke, Online/ÖVD 1988, S. 480 ff. 44 Vgl. hierzu Gleditsch, in: Coliver u.a. (Hrsg.), Secrecy and Liberty: National Security, Freedom of Expression and Access to Information, S. 361 (367 ff).
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
des Verwaltungsgeheimnisses zum Grundsatz der Aktenöffentlichkeit. 45 Selbst die zum damaligen Zeitpunkt sehr junge Demokratie Spanien etablierte bereits 1978 ein wenn auch nicht voraussetzungsloses, so doch erleichtertes Zugangsrecht zu Dokumenten der Verwaltung. Und auch in den Niederlanden trat nach mehr als zehnjährigen Vorarbeiten 1980 ein Gesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung in Kraft, 46 das 1991 umfassend novelliert wurde. 47
I I I . Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit im VwVfG Diese Rechtsentwicklung im Ausland, vor allem die in den U.S.A., daneben aber auch die vielbeachtete Untersuchung „Strukturwandel der Öffentlichkeit" von Habermas aus dem Jahre 196248 sowie möglicherweise die allgemeine Stimmung der 1968er Jahre49 haben dazu gefuhrt, dass sich ab dieser Zeit auch zahlreiche deutsche Juristen mit der Frage einer allgemeinen Aktenöffentlichkeit auseinander setzten. Hervorzuheben sind - in chronologischer Reihenfolge - neben vereinzelten Aufsätzen 50 insbesondere die Monographien von Leisner** Martens, 52 Rehbinder, 53 Krieger, 54 Merkel 55 und Scherer 56 sowie die Ab-
45 Zum Informationszugang in Frankreich vgl. bspw. Winter, UPR 1989, S. 81 ff.; Braibant, Adm.publ. 17 (1993), S. 58 ff.; Grewe, DÖV 2002, S. 1022 ff.; sowie Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 174 ff. 46 Zur Entwicklung der Öffentlichkeit der Verwaltung in den Niederlanden sehr instruktiv Kneifel, DuD 1984, S. 103 ff.; s. auch Lübbe-Wolff, Die Verwaltung 13 (1980), S. 339 ff.; Jans, Akteneinsicht in den Niederlanden, in: Winter (Hrsg.), Öffentlichkeit von Umweltinformationen, S. 358 ff. 47 Den Novellierungsentwurf von 1987 berücksichtigend Ziegler-Jung, DuD 1989, S. 409 ff.; zum novellierten Gesetz Ruth, DuD 1998, S. 434 ff. 48 Zur Beachtung und Rezeption dieser Untersuchung von der Rechtswissenschaft vgl. bspw. Arndt, Der Staat 3 (1964), S. 335 ff.; sowie Häberle, ZfP 1969, S. 273 ff. 49 Dies andeutend Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (123). 50 S. bspw. Haueisen, NJW 1967, S. 2291 ff.; Stein, Der Gemeindetag 1973, S. 26 ff. 51 Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, 1966. 52 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969. >3 Rehbinder, Die Informationspflicht der Behörden im Recht der Vereinigten Staaten, 1970. 54 Krieger, Das Recht des Bürgers auf behördliche Auskunft, 1972. 55 Merkel, Das Recht auf Akteneinsicht bei Verwaltungsbehörden, 1972. 56 Scherer, Verwaltung und Öffentlichkeit, 1978; vgl. hierzu die Rezensionsabhandlung von Rupp, AöR 108 (1983), S. 445 ff.
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handlung von M. Schröder. 57 Darüber hinaus entstanden nun auch mehrere Arbeiten zum Öffentlichkeitsprinzip in Schweden.58 Obwohl die ausländischen Gesetzgebungsakte bzw. deren Vorarbeiten und ihre wissenschaftliche Rezeption im Inland in die Zeit fielen, in der das am 1.1.1977 in Kraft getretene Verwaltungsverfahrensgesetz beraten wurde, 59 konnte sich der Gedanke einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit in Deutschland nicht durchsetzen. Dabei war die Gelegenheit günstig, mit der einheitlichen Kodifizierung des Verwaltungsverfahrensrechts ein allgemeines und voraussetzungslos gewährleistetes Recht auf Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung zu normieren und damit den Grundsatz aufzugeben, nach dem die Auskunftserteilung regelmäßig im Ermessen der Behörde stand. Statt dessen haben sich der Bundesgesetzgeber und - ihm folgend - die Landesgesetzgeber60 entschlossen, den Grundsatz der sog. „beschränkten Aktenöffentlichkeit" in den §§ 29, 30 VwVfG bzw. den entsprechenden Normen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder festzuschreiben. Grundgedanke des Prinzips der beschränkten Aktenöffentlichkeit ist die Gewährung rechtlichen Gehörs für Betroffene bei gleichzeitiger Wahrung der Effektivität behördlicher Aufgabenerfiillung sowie der Schutz der Grundrechte Dritter, zu deren persönlichen oder geschäftlichen Verhältnissen die Akten Informationen enthalten.61 Nach § 29 Abs. 1 S. 1 VwVfG muss die Behörde den „Beteiligten" Einsicht in „die das Verfahren betreffenden Akten" gestatten, „soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist"; Absatz 2 entbindet die Behörde von dieser Pflicht, „soweit durch die Gestattung der Akteneinsicht die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt würde, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde, oder soweit
57 M. Schröder, Staatstheoretische Aspekte einer Aktenöffentlichkeit im Verwaltungsbereich (dargestellt am amerikanischen Information Act), Die Verwaltung 4 (1971), S. 301 ff. 58 Bspw. Bergner, Das schwedische Grundrecht auf Einsicht in öffentliche Akten, 1968, und Conradi, Das Öffentlichkeitsprinzip in der schwedischen Verwaltung, 1968. 59 Zur Entstehungsgeschichte des Verwaltungsverfahrensgesetzes s. bspw. Ule/ Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 42 ff. 60 Anders nur die Regelungen in Bayern und Schleswig-Holstein: In Bayern begrenzt Art. 29 des BayLVwVfG den Anspruch auf Akteneinsicht auf die einzelnen einschlägigen Teile der Akten. In Schleswig-Holstein erkennt § 88 SHLVwG einen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht nur an, wenn dieser gesetzlich vorgesehen ist, und räumt der Verwaltung im Übrigen Ermessen ein. Im Kern entspricht diese Regelung also § 22 des Musterentwurfs eines Verwaltungsverfahrensgesetzes aus dem Jahre 1963. 61 König, DÖV 2000, S. 45 (46).
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Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheimgehalten werden müssen." § 30 VwVfG gewährt den Beteiligten darüber hinaus „einen Anspruch darauf, dass ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden." Weil die Regelungen in §§ 29, 30 VwVfG weniger der allgemeinen Transparenz des staatlichen Machtbereichs als vielmehr der individuellen Rechtsverteidigung dienen,62 ist die durch diese allgemeinen Verfahrensbestimmungen hergestellte Aktenöffentlichkeit in mehrfacher Hinsicht beschränkt: In personeller Hinsicht reduziert sich der Kreis der Anspruchsberechtigten auf die Beteiligten im Sinne des § 13 VwVfG. Zu diesen Beteiligten gehören neben dem Antragsteller, dem Antragsgegner oder dem Adressaten einer Maßnahme auch die von der Behörde hinzugezogenen Personen. Dagegen werden Dritte von einer Akteneinsicht weitgehend ausgeschlossen. In zeitlicher Hinsicht ist der Aktenzugang auf die Dauer des Verwaltungsverfahrens beschränkt, 63 und in inhaltlicher Hinsicht unterliegt der Akteneinsichtsanspruch zahlreichen Restriktionen, die sowohl von § 29 Abs. 2 VwVfG als auch von § 30 VwVfG normiert werden. Dass Akteneinsicht dabei grundsätzlich nur zu gewähren ist, wenn und soweit dies zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen erforderlich ist, zeigt deutlich, dass im Vordergrund des dieserart gewährten Akteneinsichtsrechts der Gedanke des allgemeinen Rechtsschutzes steht. Der letztlich aus der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG, 64 darüber hinaus aber auch aus den jeweils berührten Grundrechten, 65 aus Art. 19 Abs. 4 GG 66 sowie dem
62 Vgl. Schröder, Die Verwaltung 4 (1971), S. 301 (316); ihm folgend etwa Czybulka, Die Legitimation der Verwaltung, S. 281. 63 Das Einsichtsrecht beginnt frühestens mit der Einleitung des Verwaltungsverfahrens nach §§9, 22 VwVfG und endet spätestens mit dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens - vgl. BVerwG, DVB1. 1984, S. 53. Der verwaltungsinterne Zeitraum vor Beginn des Verfahrens wird nicht erfasst - vgl. Clausen, in: Knaack, VwVfG, § 29, Rn. 4.2. 64 Grundlegend BVerfGE 90, 89 (95); vgl. aber auch schon BVerfGE 39, 156 (168); 46, 202 (210); 55, 1 (6); 86, 133 (144). Vgl. auch VGH München, NVwZ 1990, S. 775. 65 So folgt der Anspruch auf Einsicht in Prüfungsprotokolle und sonstige Prüfungsunterlagen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts bspw. aus Art. 12 Abs. 1 GG, vgl. BVerwGE 92, 136. 66 Vgl. bspw. BVerwG, NJW 1983, S. 2954; Wendt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 5, Rn. 25; vgl. auch Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 80, m.w.N.
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Rechtsstaatsprinzip67 abgeleitete Anspruch auf rechtliches Gehör soll den Adressaten staatlicher Entscheidungen Gelegenheit geben, ihren Standpunkt gebührend darzulegen, und damit eine gewisse „Fairness" und „Waffengleichheit" der am Verwaltungsverfahren Beteiligten herstellen. 68 Zu diesem Zweck impliziert er als notwendige Voraussetzung den Zugang zu Informationen über die angestrebte Entscheidung sowie über die ihr zugrunde liegenden Tatsachen und Beweise. Auf der anderen Seite dient § 29 Abs. 1 S. 1 VwVfG aber auch der Wahrheitsfindung durch die Behörde, kann sie doch nun die vom Betroffenen vorgetragenen Belange in ihre Entscheidungsfindung mit einbeziehen.69 Ebenfalls motiviert durch den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör, jedoch etwas schwächer ausgestaltet, ist das Akteneinsichtsrecht im Planfeststellungsverfahren, dessen Grundtypus in den §§72 ff. VwVfG gesetzlich normiert wurde. Nach diesen Vorschriften können alle, deren Belange durch ein Planungsvorhaben berührt werden, fristgebunden Einwendungen gegen das Vorhaben erheben (§ 73 Abs. 4 VwVfG). Dieses Recht wirkt sich unmittelbar auch auf den Aktenzugang aus, denn Einwendungsberechtigte werden nach überwiegender Auffassung wie Beteiligte im Sinne des § 13 VwVfG behandelt, ohne dass es ihrer ausdrücklichen Hinzuziehung gemäß § 13 Abs. 2 VwVfG bedarf. 70 Und einwendungsbefugt ist nicht nur, wer ein rechtliches Interesse nachweisen kann, sondern schon jeder, dessen berechtigte Interessen durch das Vorhaben beeinträchtigt werden können. Dem insofern stark erweiterten Kreis potentieller Antragsteller steht aber nicht wie den Verfahrensbeteiligten im Sinne des § 29 VwVfG ein Recht auf Akteneinsicht, sondern nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu. Die Behörde muss somit eine Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der Akteneinsicht und dem Geheimhaltungsinteresse der übrigen Beteiligten, insbesondere auch des Vorhabensträgers, vornehmen. In dieser Abwägung gewinnt die Unterscheidung zwischen rechtlichem und berechtigtem Interesse wieder an Bedeutung, denn dem Einsichtsinteresse des Antragstellers kommt um so mehr Gewicht zu, je schutzwürdiger die subjektiven Rechte sind, in die durch das Vorhaben eingegriffen werden soll. 71 Der Einzelne kann bei dieser Beschrän67
Vgl. bspw. Knemeyer, in: HStR Bd. 6, § 155, Rn. 62; Herzog, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Bd. 1, Art. 5, Rn. 101; ausf. Schilling, VerwArch 78 (1987), S. 45 ff. 68 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 29, Rn. 3 f. 69 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 29, Rn. 3 f.; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/ Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 29, Rn. 5; R. Engel, Akteneinsicht und Recht auf Information über umweltbezogene Daten; S. 81 ff. 70 Vgl. bspw. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 73, Rn. 36; Bonk, in: Stelkens/ Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 13, Rn. 10 u. § 72, Rn. 115; Busch, in: Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, §29, Rn. 7.1.3; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 372 ff. 71 Ebenso König, DÖV 2000, S. 45 (47).
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
kung des Anspruchs auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung i m Wesentlichen nur geltend machen, dass sein Einsichtsinteresse nicht von vorneherein als unerheblich bewertet wird. 7 2 Ähnliches gilt heute auch im Steuerfestsetzungsverfahren 73 sowie im atom-, immissionsschutz- und gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren. Nach § 7 AtomG, § 10 BImSchG bzw. § 18 Abs. 3 S. 2 GenTG kann jeder Bürger Einwendungen gegen den Bau eines Atomkraftwerks oder einer nach dem BImSchG bzw. nach dem GenTG genehmigungsbedürftigen Anlage erheben, unabhängig davon, ob seine eigenen Belange berührt sind oder nicht. Und weil wie im Planfeststellungsverfahren jedem Einwendungsberechtigten auch ein Akteneinsichtsrecht zusteht, besteht in diesen Rechtsbereichen ein Jedermann-Recht, das freilich durch die entsprechenden Durchführungsverordnungen auf einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung reduziert wird: 74 § 10 Abs. 4 der 9. BImSchV und § 6 AtVfV ordnen die entsprechende Anwendung des § 29 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 und 3 VwVfG an. Da § 29 Abs. 1 S. 1 VwVfG von diesen Verweisungen ausgenommen ist, wird der Kreis der berechtigten Personen gerade nicht auf Beteiligte im Sinne des § 13 VwVfG beschränkt. Gegenüber der Grundnorm des § 29 VwVfG erweitern diese Bestimmungen den Kreis der Einsichtsberechtigten auf der einen Seite also erheblich, tragen aber auf der anderen Seite insofern weniger weit, als das Einsichtsrecht einer Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde überlassen wird. Außerdem werden auch diese Informationsrechte nicht voraussetzungslos gewährt, sondern sind - zumindest bei funktionaler Betrachtung - auf ein bestimmtes Verwaltungsverfahren bezogen.75 Sie können deshalb nicht als allgemeine Informationszugangsrechte im o.g. Sinne 76 bezeichnet werden. Ist die Verabschiedung des V w V f G insgesamt sicherlich auch als beachtlicher Schritt auf dem Wege zu einem einheitlichen deutschen Verwaltungsverfahrensrecht zu verstehen, erweist sie sich ex post betrachtet doch zumindest in diesem Punkt als wenig moderne Gesetzgebung. 77 Der damalige Gesetzgeber mag dies freilich anders bewertet haben, sahen doch der dem V w V f G voraus gegangene Musterentwurf von 1963 und der Gesetzentwurf der Bundesregierung von 1970 überhaupt kein Akteneinsichtsrecht vor. 7 8 U n d nachdem bis zu der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1968 79 selbst den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens ein Anspruch auf 72
Ähnlich Nolte, DÖV 1999, S. 363 (371). Abgeleitet aus § 91 AO, vgl. hierzu Dißars, NJW 1997, S. 481 (482). 74 § 6 Abs. 3 AtVfV bzw. § 10 Abs. 4 9. BImSchV. 75 Ebenso Hatje, EuR 1998, S. 734 (737). 76 Vgl. Einführung. 77 Auch die einseitige Konzentrierung des VwVfG auf die Handlungsformen des Verwaltungsakts und des Vertrags wurde schon 1979 als „fast ein wenig anachronistisch" verstanden - so Lerche, BayVBl. 1980, S. 257 (262), der ausführt: „Diese Gesetze haben sich vom liebenswürdigen Charme des Gestrigen wohl allzusehr einfangen und fesseln lassen." 78 Vgl. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 242 f. 79 BVerwGE 30, 154(160). 73
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Akteneinsicht nur und erst im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens eingeräumt wurde, muss die gesetzliche Gewährleistung eines subjektiven Rechts auf Aktenzugang während des Verwaltungsverfahrens sogar als besonders weitgehend empfunden worden sein. Aus ihrer Sicht haben der Bund und die Länder mit der Begrenzung des Akteneinsichtsrechts in den Regelungen des VwVfG bzw. der entsprechenden Landesgesetze auf solche Fälle, in denen die Gewährleistung eines solchen Rechts aus dem Gedanken des Anspruchs auf rechtliches Gehör geboten ist, 80 ein ausgewogenes Mittelmaß zwischen der rechtsstaatlich bedenklichen völligen Geheimhaltung und der damals (im Nachgang der Geschehnisse um 1968) nicht akzeptablen umfassenden Aktenöffentlichkeit gefunden. 81
IV. Konzentration auf den Datenschutz Mit der Entscheidung für das Prinzip der sog. beschränkten Aktenöffentlichkeit war die Tür fur die Verankerung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit im deutschen Verwaltungsrecht zunächst einmal bewusst zugeschlagen. Im Vordergrund des (im Übrigen zum Teil schon damals als solches bezeichneten)82 Informationsrechts der Bundesrepublik Deutschland stand zunächst vielmehr der Datenschutz. Mit der Verabschiedung des hessischen Datenschutzgesetzes im Jahre 1970,83 das weltweit als erstes seiner Art galt, wurde in Deutschland eine Entwicklung ausgelöst,84 die 1977 zur Verabschiedung des ersten Bundesdatenschutzgesetzes85 führte. Im Mittelpunkt der gesetzlichen Regelungen stand nicht, wie der Begriff „Datenschutz" einem unbefangenen Leser suggerieren könnte, ein weitest gehender Schutz der Daten, sondern gerade umgekehrt der
80 „Im modernen Rechtsstaat darf der Bürger nicht zum bloßen Objekt staatlichen Verfahrens gemacht werden. 4' - so die Begründung zum Entwurf des VwVfG, BT-Drs. 7/910 v. 18.7.1973, S. 52. 81 Vgl. etwa BT-Drs. 7/910, S. 52. 82 Vgl. bspw. Steinmüller (Hrsg.), Informationsrecht und Informationspolitik, 1976. 83 Gesetz v. 30.9.1970, GVB1. I S. 625. 84 Zur Entwicklung des Datenschutzrechts in Deutschland vgl. bspw. Simitis, in: ders. (Hrsg.), BDSG, Einl., Rn. 1 f f ; zur internationalen Entwicklung des Datenschutzrechts Einl., Rn. 112 ff.; sowie Abel, in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch Datenschutzrecht. Die neuen Grundlagen für Wirtschaft und Verwaltung, S. 194 ff. 85 Gesetz v. 1.2.1977, BGBl. I S. 201.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Schutz vor den Folgen, die sich aus einer Verarbeitung personenbezogener Angaben für die jeweiligen Betroffenen ergeben können.86 Weitere und entscheidende Impulse gingen vor allem von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.198387 zum Volkszählungsgesetz aus. Dieses Gesetz sah die zwangsweise Erhebung verschiedener Individualinformationen bspw. zur beruflichen Bildung und Tätigkeit, zum Lebensunterhalt und zu den Wohnverhältnissen der Betroffenen durch eine entsprechende (strafbewehrte) Auskunftspflicht vor. 88 Zwar hatte sich das Bundesverfassungsgericht auch zuvor schon mit den verfassungsrechtlichen Aspekten statistischer Erhebungen befassen müssen89 und die sich aus dem Gedanken der Selbstbestimmung und Selbstentfaltung folgende Befugnis des Einzelnen angedeutet, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. 90 Doch aufgrund der weitreichenden Bedeutung der Volkszählung und ihrer Wahrnehmung durch die Bevölkerung 91 hat das Bundesverfassungsgericht - insofern über die konkrete Rechtsfrage hinausgehend - mit dem Urteil zum Volkszählungsgesetz eine grundlegende Entscheidung getroffen, die „mit bewusst programmatischen Aussagen"92 den Rahmen für künftige, auch gesetzgeberische Überlegungen zum Umgang mit personenbezogenen Daten verbindlich absteckt:93 Es hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus der Taufe gehoben, das dem Einzelnen die Befugnis gewährt, selbst über die Preisgabe und Verwendung der ihn betreffenden Daten zu entscheiden.94 Angesichts dieser Konzentration auf den Datenschutz ist es verständlich, dass auch in der Wissenschaft weniger der Anspruch des Bürgers auf Zugang zu behördlichen Informationen als vielmehr - quasi umgekehrt - die Abwehr staatlicher Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht thematisiert wurde.
86 Zur Entstehung des Begriffs „Datenschutz" vgl. Simitis, in: ders. (Hrsg.), BDSG, Einl., Rn. 2. 87 BVerfGE 65, 1 ff. 88 Gesetz über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung v. 25.4.1982, BGBl. IS. 369. 89 Vgl. bspw. BVerfGE 27, 1 ff. 90 BVerfGE 27, 1 (6); 27, 344 (350); 32, 373 (379); 35, 202 (220). 91 Vgl. hierzu knapp Simitis, in: ders. (Hrsg.), BDSG, Einl., Rn. 28. 92 So Bäumler, JR 1984, S. 361 (361), H. Schneider, DÖV 1984, S. 161 (162), vgl. auch Simitis, KritV 83 (2000), S. 359 (361 ff.). 93 So Simitis, in: ders. (Hrsg.), BDSG, Einl., Rn. 29. 94 BVerfGE 65, 1 (43 u. Ls. 1); 78, 77 (84); 80, 367 (373). Zum Grundsatz der informationellen Selbstbestimmung vgl. zusammenfassend Kunig, JuS 1993, S. 595 ff.; ausf. Albers, Analyse und Neukonzeption des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, passim.
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Schon vor der Volkszählungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben sich namentlich Bull, 95 Gallwass 96 und Kloepfer 97 ausfuhrlich mit den grundrechtlichen Bezügen des Datenschutzes befasst. Datenschutz und Informationszugangsfreiheit - letztere damals noch unter dem Stichwort „Aktenöffentlichkeit 44 problematisiert - wurden dabei in erster Linie als zwei konträre Positionen, als „höchst unterschiedliche, sich prinzipiell widersprechende und deshalb tendenziell ausschließende Regelungsansätze44 verstanden.98 Eine der wenigen Ausnahmen dürfte die Arbeit von Schwan sein, der die Aspekte des Datenschutzes sehr wohl mit der Frage der allgemeinen Aktenöffentlichkeit verband. 99 Die im Allgemeinen aber vertretene konträre Betrachtungsweise des Datenschutzes auf der einen Seite und der Aktenöffentlichkeit auf der anderen Seite war zwar nicht nur in Deutschland vorherrschend, stellte sich aber in anderen Staaten zum Teil unter verkehrten Vorzeichen. So hat sich bspw. Schweden dem Datenschutz stets aus dem Blickwinkel der allgemeinen Informationszugangsfreiheit genähert und deshalb auch ein strukturell anderes Datenschutzrecht entwickelt, 100 das später bei der Anpassung an die EG-Datenschutzrichtlinie auf erhebliche Schwierigkeiten stieß.101 Der vermeintliche Gegensatz zwischen Datenschutz und Informationszugang bestand freilich nie ausnahmslos. Eine Schnittstelle zwischen Datenschutz und Informationszugänglichkeit stellen die bereits im Volkszählungsurteil hervorgehobenen 102 und zuvor schon im § 13 BDSG 1977103 verankerten Auskunftsrechte des Betroffenen dar, nach denen jeder einen Anspruch daraufhat, über die zu seiner Person gespeicherten Daten, über die (auch potentiellen) Empfänger dieser Daten und über den Zweck der Speicherung dieser Daten informiert zu werden. Die im Einzelnen recht differenziert ausgestalteten gesetzlichen Auskunftsansprüche nach § 19 BDSG (gegenüber öffentlichen Stellen) und § 34 BDSG (gegenüber nicht-öffentlichen Stellen) sind gemäß § 6 BDSG unabdingbar - eine besondere Sicherung, die der Gesetzgeber schon vor der
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Bull, NJW 1979, S. 1181 ff. Gallwass, Der Staat 1979, S. 510 ff. 97 Kloepfer, Datenschutz als Grundrecht, 1980. 98 Vgl. Simitis, in: ders. (Hrsg.), BDSG, Einl., Rn. 24 m.w.N. 99 Schwan, Amtsgeheimnis oder Aktenöffentlichkeit?: Der Auskunftsanspruch der Betroffenen, das Grundrecht auf Datenschutz und das Prinzip der Aktenöffentlichkeit, 1984. 96
100 Der Schwerpunkt des schwedischen Datenschutzes liegt auf einem Genehmigungsverfahren, das zur Offenlegung der Verarbeitungsziele und der Verarbeitungsmodalitäten zwingt. Vgl. hierzu Simitis, in: ders. (Hrsg.), BDSG, Einl., Rn. 115 ff. 101 Vgl. Österdahl, 23 ELRev. (1998), S. 336 (354 f.). 102 BVerfGE 65, 1 (42 f.). 103 Vgl. nunmehr §§ 19 und 34 BDSG.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in § 4 BDSG 1977 festgeschrieben hatte. Über diese bereichsspezifische Verflechtung von Datenschutz und Informationszugangsfreiheit hinaus ist der gemeinsame Regelungshintergrund beider Aspekte aber lange Zeit aus dem Blick geraten. 104 Vielmehr wurde der Datenschutz regelmäßig als Argument angeführt, um den Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit zu rechtfertigen und den freien Zugang zu Verwaltungsinformationen weitgehend zu verweigern. Dabei mag dem Datenschutz gegenüber der Informationszugangsfreiheit auch deshalb ein umfassenderer Schutz eingeräumt worden sein, weil er mit dem im Wesentlichen vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Recht auf informationelle Selbstbestimmung grundrechtlich fundiert ist, während die Informationszugangsfreiheit gerade nicht grundrechtlich gestützt wird. Vielleicht ist das Verhältnis von Datenschutz und Informationszugangsfreiheit aber auch ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die abwehrrechtlichen Gehalte (des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung) gegenüber etwaigen leistungsrechtlichen Gehalten von Grundrechten (der Informationsfreiheit i.S.d. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG) leichter durchsetzen. Ob allerdings diese hier nur angedeutete verfassungsrechtliche Argumentation wirklich die politische Diskussion beeinflusst hat, mag dahinstehen.105 Fest steht jedenfalls, dass trotz der Entscheidung für den Grundsatz der Aktenöffentlichkeit in zahlreichen anderen europäischen Staaten die Diskussion in Deutschland bis in die Mitte der 1980er Jahre in die umgekehrte Richtung wies: Im Interesse des Schutzes der privaten und geschäftlichen Daten der einzelnen Bürger wurde eher weniger denn mehr Zugang zu Informationen in den Händen der öffentlichen Verwaltung gefordert.
V. Impulse durch die Umweltinformationsrichtlinie Neue Impulse für eine allgemeine Aktenöffentlichkeit gingen erst wieder vom Gemeinschaftsrecht aus. A m 7.6.1990 verabschiedete der Rat der EG die
104
So Simitis, in: ders. (Hrsg.), BDSG, Einl., Rn. 24. Burkert, Informationszugangsrechte in Europa, in: Heymann (Hrsg.), Informationsmarkt und Informationsschutz in Europa, S. 86 (101), sieht die Gründe für die vorrangige Entwicklung des Datenschutzes u.a. darin, dass der Datenschutz in der öffentlichen Diskussion als Technikrecht (und nicht als Informationsrecht) wahrgenommen wurde, dass die Exekutive die durch den Datenschutz hergestellte partikularisierte Öffentlichkeit als weniger bedrohlich empfand als die durch eine Informationszugangsfreiheit hergestellte allgemeine Öffentlichkeit und dass der ökonomische Druck zur Etablierung eines Datenschutzes größer gewesen sei als zur Implementierung einer Informationszugangsfreiheit. 105
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Richtlinie über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt 106 - kurz Umweltinformationsrichtlinie (UIRL) genannt. Die Initiative zur UIRL 1 0 7 ging auf einen Vorschlag des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments zurück, der die Kommission in einem Resolutionsentwurf bereits 1985 aufforderte, Vorschläge zur Schaffung eines Rechts auf freien Zugang zu Umweltinformationen auszuarbeiten. 108 Vor dem Hintergrund sowohl der TschernobylKatastrophe, die auch im westlichen Europa zahlreiche Informationsdefizite offenbarte, als auch der in Großbritannien geführten Diskussion um eine transparentere Gestaltung der stark von Geheimhaltungsgrundsätzen geprägten englischen Verwaltung 109 fand das Ziel eines gemeinschaftsweiten Zugangsrechts zu Informationen über die Umwelt Eingang in das 4. Aktionsprogramm fur den Umweltschutz vom 7.12.1987,110 zu dem sich erstmalig auch der Rat in differenzierter Weise äußerte. 111 Auf der Grundlage der erst durch die Einheitliche Europäische Akte in den EWG-Vertrag aufgenommenen Kompetenzvorschriften im Bereich der Umweltpolitik 112 konnte die UIRL nach mehrfachen Änderungen des von der Kommission ausgearbeiteten Entwurfs 113 und nach anfänglichem Widerstand insbesondere des deutschen Vertreters im Ministerrat 114 mit der von Art. 130s EWGV geforderten Einstimmigkeit verabschiedet werden. 115
106 RL 90/313/EWG des Rates v. 7.6.1990, ABl. EG 1990 Nr. L 158, S. 56 ff. Abgelöst inzwischen durch die RL 2003/4/EG des Parlaments und des Rates v. 28.1.2003 liber den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates, ABl. EG 2003 Nr. L 41, S. 26 f f , die bis zum 14.2.2005 von den Mitgliedstaaten umzusetzen ist. 107 Zur Genese der UIRL vgl. bspw. Turiaux, UIG, § 1, Rn. 137; Hk-UI Gl Wegener, S. 360 ff. 108 EP Dokument PE 111.012/A (Resolutionsentwurf) v. 12.12.1986 und PE 111.012 (Erläuterungen) v. 20.1.1987. 109 Vgl. hierzu Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, S. 33 ff. 1,0 ABl. EG 1987 Nr. C 70, S. 1 ff. Der Information des Bürgers über die Umwelt ist der gesamte Abschnitt 2.6. des Aktionsprogramms gewidmet. 111 ABl. EG 1987 Nr. C 328, S. 1. Zuvor wurden die Aktionsprogramme vom Rat nur zur Kenntnis genommen; vgl. hierzu Epiney, Umweltrecht in der EU, S. 22 f. 112 Zu den Kompetenzen der auch bis zur EEA schon weitreichenden Gemeinschaftsmaßnahmen auf dem Gebiet des Umweltschutzes s. Kloepfer, UPR 1986, S. 321 ff. 113 ABl. EG 1988 Nr. C 3335/5 v. 30.12.1988 - K O M 88, 484 endg. 114 Vgl. Engel, Akteneinsicht und Recht auf Information über umweltbezogene Daten, S. 184 ff. 115 In der durch den Maastricht-Vertrag geänderten Fassung setzt die nun in Art. 175 EG lozierte Norm nur noch eine qualifizierte Mehrheit voraus.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
In Deutschland wurde die UIRL - mit erheblicher Verspätung - durch das Umweltinformationsgesetz (UIG) umgesetzt,116 das am 16.7.1994 in Kraft trat. 117 Die Richtlinie hatte eine Umsetzungsfrist bis zum 31.12.1992 vorgesehen.118 Obwohl das Gesetz „mit tragenden Grundsätzen des deutschen Verwaltungsrechts'4 brechen musste,119 haben die Verwaltungsgerichte in knapp sechs Jahren für eine weitgehend europarechtskonforme Anwendung des UIG gesorgt. 120 Gleichwohl sah sich der EuGH in zwei Entscheidungen121 gezwungen, das UIG in folgenden drei Punkten als nicht richtlinienkonform und somit als gemeinschaftsrechtswidrig zu qualifizieren: Zum einen fehle es im deutschen Recht an der Möglichkeit, die begehrten Informationen unter Aussonderung vertraulicher oder geheimer Informationen zumindest teilweise zu übermitteln. Zum anderen überdehne die deutsche Regelung einer Informationsverweigerung bei laufenden strafrechtlichen Ermittlungen, gerichtlichen und behördlichen Verfahren (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG) die von der Richtlinie vorgesehene Ausnahme vom Informationsanspruch in „Vorverfahren" (Art. 3 Abs. 2 UAbs. 1 dritter Spiegelstrich UIRL). 1 2 2 Schließlich stehe es nicht im Einklang mit der UIRL, dass nach dem deutschen Recht auch abgelehnte Anträge des Bürgers gebührenpflichtig sind (§ 10 Abs. 1 UIG). Der deutsche Gesetzgeber hat
116
Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 383, betont, dass das Gesetz der Bundesrepublik Deutschland durch Gemeinschaftsrecht „aufgezwungen" wurde. 117 Gesetz v. 8.7.1994, BGBl. I S. 1490; nunmehr i.d.F. d. Bek. v. 23.8.2001, BGBl. I, S. 2219. 118 Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der UIRL in der Zwischenzeit vgl. insb. VG Stade, Urt. v. 21.4.1993, NVwZ 1994, S. 201 (verneinend), mit Anmerkung von Roger, NuR 1994, S. 125 ff.; sowie VG Minden, Urt. v. 5.3.1993, ZUR 1993, S. 284 (bejahend), mit Anmerkung von Hegele, ZUR 1993, S. 286 ff.; sowie Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 (417 f.); Scherzberg, UPR 1992, S. 48 ff.; Wegener, ZUR 1993, S. 11 ff.; Meininger, NVwZ 1994, S. 150 ff. und Haller, UPR 1994, S. 88 (90 ff.). 119 So Turiaux, UIG, Vorwort. Andere Autoren sprechen von einem „Traditionsbruch", s. bspw. Breuer, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/ (Hrsg.), Freier Zugang zu Umweltinformationen - Rechtsfragen im Schnittpunkt umweltpolitischer Interessen, S. 1; und Kloepfer, ebenda, S. 54; Eifert, DÖV 1994, S. 544 ff.; Reinhardt, Die Verwaltung 30 (1997), S. 161 (162). Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924 (926), hebt hervor, dass die UIRL zu solchen Richtlinienwerken zählt, „die die strukturbestimmenden Merkmale der mitgliedstaatlichen Verwaltungsrechtsordnungen verändern wollen." 120 Zur Rechtsprechung zum UIG s. Stollmann, NuR 1998, S. 78 ff.; Rossi, UPR 2000, S. 175 ff.; Wegener, ZUR 2001, S. 93 ff. 121 EuGH, Rs. C-321/96, 17.6.1998, Slg. 1998, I 3809 (Mecklenburg/Kreis Pinneberg), mit Anmerkungen von Hatje, NJ 1999, S. 99 f.; Pitschas/Lessner, DVB1. 1999, S. 226 ff. sowie von Theuer, EuZW 1998, S. 716 ff.; und EuGH, Rs. C-217/97, 9.9.1999 (Kommission/Deutschland), NVwZ 1999, 1209 (Rn. 27-28), mit Anmerkungen von Becker, NVwZ 1999, S. 1187 ff.; Schomerus, ZUR 2000, S. 19 ff.; Pitschas, DVB1. 2000, S. 332 ff.; Heselhaus, EuZW 2000, S. 298 ff., Brandner, NJ 2000, S. 328 f. und Wegener, EuR 2000, S. 227 ff. 122
Vgl. hierzu schon vor der EuGH-Entscheidung ausf. Roger, UPR 1994, S. 216 ff.
A. International geprägte Entwicklung
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auf diese Entscheidungen nicht sofort reagiert, weil nach dem Regierungswechsel 1998 Überlegungen wieder aufgegriffen wurden, das gesamte Umweltrecht (oder doch weitgehende Teile) in einem einheitlichen Umweltgesetzbuch (UGB) zu kodifizieren. 123 Diese Kodifizierung hätte nicht nur die verschiedenen in das deutsche Recht umzusetzenden EG-Richtlinien, insbesondere die UVP-Änderungsrichtlinie 124 und die IVU-Richtlinie, 125 berücksichtigen, sondern auch der Rechtsprechung des EuGH zum UIG Rechnung tragen sollen. Nachdem das Vorhaben UGB dann aber - zumindest zunächst einmal - aufgegeben wurde, 126 wurden die erforderlichen Änderungen des UIG im Rahmen eines Artikel-Gesetzes 127 vorgenommen. 128 Durch den Erlass des UIG ist der Streit praktisch hinfällig geworden, ob die Mitwirkungsrechte, die die §§ 58 ff. BNatSchG den anerkannten Naturschutzverbänden einräumen, als Annex ihres Anhörungsrechts auch ein umfassendes Informationszugangsrecht umfassen. Dies war insbesondere zur Vorgängerregelung in § 29 BNatSchG streitig. 129
VI. Transparenz in der EU-Eigenverwaltung Die UIRL hat nicht nur maßgebliche Impulse für das deutsche Recht, sondern auch fiir das Gemeinschaftsrecht selbst geschaffen. Denn so sehr das Gemeinschaftsrecht mit der UIRL den Grundsatz der Aktenöffentlichkeit für die Umweltverwaltung in den Mitgliedstaaten einfuhren wollte, so wenig normierte es diesen Grundsatz fur die Eigenverwaltung der Gemeinschaft. Und auch das Recht auf Akteneinsicht, das der EuGH als ungeschriebenen allgemeinen
123 S. zu einem Umweltgesetzbuch den sog. Professorenentwurf von Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann unter Mitwirkung von Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, sowie Jarass/Kloepfer/Kunig/Papier/Peine/Rehbinder/Salzwedel/ Schmidt-Aßmann, Umweltgesetzbuch - Besonderer Teil; und den sog. Kommissionsentwurf Bundesministerium fiir Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE), 1998. 124 RL 97/11/EG v. 3.3.1997, ABl. EG Nr. L 73, S. 5. 125 Richtlinie 96/61/EG des Rates über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung v.24. 9. 1996, ABl. EG Nr. L 257, S. 26. 126 Begründet wurde die Aufgabe des Gesetzesvorhabens u.a. mit der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes; vgl. hierzu Gramm, DÖV 1999, S. 540 ff. 127 Art. 21 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVURichtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz v. 27.7.2001, BGBl. I S. 1950, befasst sich mit den Änderungen des UIG. 128 Zu den geänderten Vorschriften (§ 4 Abs. 1 u. 2; § 5 Abs. 2 S. 1; § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 1 u. 2 UIG) s. die entsprechenden Kommentierungen im Hk-UIG. 129 Dafür VGH Kassel, NVwZ 1982, S. 689 (690); dagegen VGH Kassel, NuR 1984, S. 30.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Rechtsgrundsatz des primären Gemeinschaftsrechts anerkannte, 130 stand stets in engem Zusammenhang mit der Verteidigung sonstiger materieller Rechte und wurde dementsprechend gerade nicht voraussetzungslos gewährleistet. Erst die im Zusammenhang mit der Gründung einer Europäischen Union durch den Vertrag von Maastricht einhergehende Diskussion um das „demokratische Defizit" der Europäischen Gemeinschaft hat auf maßgebliches Betreiben der niederländischen Präsidentschaft dazu gefuhrt, dass die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten in die Schlussakte des Vertrags auch die Erklärung Nr. 17 zum Recht auf Zugang zu Informationen aufgenommen haben: 131 Ausgehend von der Überlegung, „dass die Transparenz des Beschlussverfahrens den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärkt", empfahlen sie die Vorlage eines Berichts über „Maßnahmen [...], mit denen die den Organen vorliegenden Informationen der Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht werden sollen." Nachdem diese Forderung auch in den Schlussfolgerungen der Europäischen Räte von Birmingham 132 und Edingburgh 133 wiederholt wurde, entwickelte die Kommission zusammen mit dem Rat einen Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Kommissions- und Ratsdokumenten,134 der durch Beschluss des Rates vom 20.12.1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten135 und durch Beschluss der Kommission vom 8.2.1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten 136 umgesetzt wurde. 137 Zeitgleich mit dem Erlass des Verhaltenskodex ermöglichte der Rat durch Änderung seiner Geschäftsordnung öffentliche Aus-
130 Vgl. bspw. EuGH, Rs. 85/76, Urt. v. 13.2.1979; Slg. 1979, S. 461 (Hoffmann-La Roche/ Kommission); EuG, Rs. T-65/89, Urt. v. 1.4.1993, Slg. 1993, S. II 389 (BPB Industries/Kommission). 131 ABl. EG 1992 Nr. C 191, S. 101. Vgl. hierzu Curtin/Meijers, CMLRev. 1995, S. 391 (419 f.). 132 Vgl. Bull. EG 10/1992, S. 9. 133 Vgl. Bull. EG 12/1992, S. 10. 134 ABl. EG 1993 Nr. L 340, S.41f. Vgl. hierzu ausf. Roger, DVB1. 1994, S. 1182 ff. 135 ABl. EG 1993 Nr. L 340, S. 43. Vgl. hierzu Dreher, EuZW 1996, S. 487 ff.; sowie Kahl, ZG 1996, S. 224 ff. 136 ABl. EG 1994 Nr. L 46, S. 58 f. 137 Vgl. hierzu Roger, DVB1. 1994, S. 1182 ff.; Österdahl, 23 ELRev. (1998), S. 336 (345 f.). Zur Entstehungsgeschichte des Verhaltenskodex und der Beschlüsse zu seiner Umsetzung instruktiv die Anmerkungen von G A Tesauro, Rs. C-58/94 (Niederlande/Rat), Slg. 1996,1-2171, Rn. 2 ff.
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sprachen sowie die grundsätzliche Veröffentlichung der Abstimmungsprotokolle bei Rechtsetzungsmaßnahmen.138 Entsprechende Transparenzregeln erließ das Parlament für seinen eigenen Geschäftsbereich. 139 Auch andere Einrichtungen fassten für ihren Zuständigkeitsbereich Beschlüsse über den Zugang zu ihren Dokumenten, so der Wirtschafts- und Sozialausschuss,140 die Europäische Umweltagentur, 141 die Europäische Stiftung für Berufsbildung, 142 das Europäische Währungsinstitut 143 und die Europäische Zentralbank. 144 Die Rechtsnatur und Rechtswirkungen dieser sog. Transparenzentscheidungen von Rat und Kommission waren umstritten. Die auf eine Klage der Niederlande ergangene diesbezügliche Entscheidung des EuGH 145 sorgte zwar für Rechtssicherheit und wurde deshalb auch allgemein begrüßt, erschien in ihrer Begründung aber gleichwohl als widersprüchlich. Die Niederlande hatte gerügt, dass die Transparenzentscheidungen nicht in der Rechtsform interner Organisations- und Verwaltungsvorschriften hätten erlassen werden dürfen, weil sie darauf gerichtet seien, Rechtswirkungen gegenüber den Bürgern zu entfalten. Vielmehr hätte eine außenrechtsverbindliche Rechtsform gewählt und zugleich die Beteiligung des Europäischen Parlaments sichergestellt werden müssen. Der EuGH folgte den Bedenken der Niederlande insoweit, als er den Verhaltenskodex als Ausdruck einer bloßen freiwilligen Koordinierung zwischen dem Rat und der Kommission verstand, der für sich genommen keine Rechtswirkungen erzeugen solle und könne. Den entsprechenden Umsetzungsbeschlüssen von Kommission und Rat ist vom EuG und EuGH in nachfolgenden Entscheidungen gleichwohl Normcharakter zugesprochen worden, weil es der Berechtigung Dritter nicht entgegenstehe, dass sich die Organe die diesen Rechten korrespondierenden Verpflichtungen selbst auferlegt hätten.146
138
ABl. EG 1993 Nr. L 304, S. 1; vgl. nun aber die Geschäftsordnung in der Fassung v. 30.12.2001, ABl. EG 2001 Nr. 313, S. 40. 139 Beschl. 97/632/EGKS; EG, Euratom v. 10.7.1997 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, ABl. EG 1997 Nr. L 263, S. 1. Zur Verankerung des Informationszugangsanspruchs in der Geschäftsordnung des Parlaments s. ABI. EG Nr. C 374, S. 1 v. 29.12.2001. 140 ABl. EG 1997 Nr. C 243, S. 13. 141 ABl. EG 1997 Nr. C 282, S. 5. 142 ABl. EG 1998 Nr. C 369, S. 10. 143 ABl. EG 1998 Nr. L 90, S. 43. 144 ABl. EG 1999 Nr. L 110, S. 30. 145 EuGH, Rs. C-58/94, 30.4.1996 (Niederlande/Rat), Slg. 1996,1-2169. 146 Vgl. EuG, Rs. T-105/95, 5.3.1997 (WWF UK/Kommission), Slg. 1997,11-313.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Die in knapp sieben Jahren entstandene Rechtsprechung zu den Informationszugangsbeschlüssen hat wesentlich dazu beigetragen, dass Interessierten 147 grundsätzlich ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Zugang zu Dokumenten zur Verfügung stand. 1 4 8 Einschränkend muss allerdings betont werden, dass die gegen Zugangsverweigerung gerichteten Klagen häufig nur aus formalen Gründen Erfolg hatten, etwa wegen Verstoßes gegen die von Art. 190 E G verlangten Begründungspflichten, den Klägern aber i m Ergebnis gerade nicht den erhofften Zugang zu den Informationen verschafften. 149 Weitere Impulse erhielt die Forderung nach Transparenz der europäischen Rechtsetzung und Verwaltung durch den Beitritt der skandinavischen Länder Schweden und Finnland, die beide, wie kurz skizziert, auf eine lange Tradition der Informationszugangsfreiheit
147
und der damit einhergehenden Regierungs-
Anspruchsberechtigt waren - ebenso wie jetzt nach der VO 1049/2001 - Unionsbürger sowie natürliche und juristische Personen (des Privatrechts) mit Wohnsitz bzw. Sitz in einem Mitgliedstaat. 148 Vgl. EuG, Rs. T-194/94, 19.10.1995 (Carvel u. Guardian Newspapers/Rat), Slg. 1995, II 2765; EuGH, Rs. C-58/94, 30.4.1996 (Niederlande/Rat), Slg. 1996, I 2169; EuG, Rs. T-105/95, 5.3.1997 (WWF UK/Kommission), Slg. 1997, II 313; EuG, Rs. ΤΙ 24/96, 6.2.1998 (Interporc/Kommission -1), Slg. 1998, II 231; EuG, Rs. T-610/97, 3.3.1998 (Norup Carlsen u.a./Rat), Slg. 1998, II 485; EuG, Rs. T-83/96, 19.3.1998 (van der Wal/Kommission), Slg. 1998, II 545; EuG, Rs. T-174/95, 17.6.1998 (Svenska Journal istförbundet/Rat), Slg. 1998, II 2289; EuG, Rs. T-14/98, 19.7.1999 (Hautala/Rat), Slg. 1999, II 2489; EuG, Rs. T-l88/97, 19.7.1999 (Rothmans International Β V/Kommission), Slg. 1999, II 2463; EuG, Rs. T-309/97, 14.10.1997 (Bavarian Lager Company Ltd/Kommission), Slg. 1997, II 3217; EuG, Rs. T-l06/99, 27.10.1999 (Meyer/Kommission), Slg. 1999, II 3273; EuG, Rs. T-92/98, 7.12.1999 (Interporc/Kommission -2), Slg. 1999, II 3521; EuGH, verb. Rs. C-174/98 Ρ u. C-.l 89/98, 11.1.2000 (Niederlande u. van der Wal/Kommission), Slg. 2000, I 1; EuG, Rs. ΤΙ 88/98, 6.4.2000 (Kuijer/Rat - 1), Slg. 2000, II 1959; EuG, Rs. T-20/99, 13.9.2000 (Denkavit Nederland BV/Kommission), Slg. 2000, II 3011; EuG, Rs. T-123/99, 12.10.2000 (JT's Corporation Ltd/Kommission), Slg. 2000, II 3269; EuG, Rs. T204/99, 12.7.2001 (Mattila/Rat), Slg. 2001, II 2265; EuG, Rs. Τ 111/00, 10.10.2001 (British American Tobacco (Investments) Ltd/Kommission -1), Slg. 2001, II 2997; EuGH, Rs. C-353/99, 6.12.2001 (Rat/Hautala), Slg. 2001, I 9565; EuG, Rs. T-191/99, 11.12.2001 (Petrie u.a./Kommission), Slg. 2001, II 3677; EuG, Rs. T-211/00, 7.2.2002 (Kuijer/Rat -2), Slg. 2002, II 485; EuG, Rs. T-311/00, 25.6.2002 (British American Tobacco (Investments) Ltd/Kommission -2), Slg. 2002, II 2781. 149 So wurde bspw. festgestellt, dass die Organe im Rahmen ihres Ermessens das Informationsinteresse des Bürgers gegen ihr eigenes Geheimhaltungsinteresse abzuwägen und dies in der Ablehnungsentscheidung mitzuteilen haben (EuG, Rs. T-l94/94, 19.10.1995 (Carvel u. Guardian Newspapers/Rat), Slg. 1995, II 2767). Sie müssen dabei die genauen Gründe der Ablehnung angeben (EuG, Rs. T-105/95, 5.3.1997 (WWF UK/Kommission), Slg. 1997, II 313) und prüfen, ob nicht ein teilweiser Informationszugang in Betracht kommt (EuG, Rs. T-14/98, 19.7.1999 (Hautala/Rat), Slg. 1999, II 2489). Vgl. auch EuG, Rs. T-l74/95, 17.6.1998 (Svenska Journalistförbundet/Rat), Slg. 1998,112289.
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und Verwaltungsöffentlichkeit zurückblicken können. 1 5 0 So war es dann auch ein schwedischer Vorschlag, ein allgemeines Informationszugangsrecht i m EGVertrag zu normieren. 1 5 1 Durch den Amsterdamer Vertrag wurde nicht nur das allgemeine Transparenzgebot in Art. 1 Abs. 2 E U normiert („eine U n i o n ..., i n der die Entscheidungen möglichst offen und bürgernah getroffen werden"), 1 5 2 sondern auch das allgemeine Informationszugangsrecht i n Art. 255 E G primärrechtlich verankert. 1 5 3 I m Unterschied zu dem nur als politisch-programmatische Absichtserklärung zu qualifizierendem allgemeinen Transparenzgebot des Art. 1 Abs. 2 E U 1 5 4 gibt Art. 255 Abs. 1 EG jedem Unionsbürger sowie jeder natürlichen oder juristischen Person m i t Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission. 1 5 5 Seine Stellung i m 2. Kapitel über „Gemeinsame Vorschrif-
130 S. die den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur EU betreffenden Protokollerklärungen Nr. 45 der Republik Finnland und Nr. 47 des Königreichs Schwedens zur Transparenz, BGBl. II 1995, S. 2022 (2317 f.): Nr. 45: „Die Republik Finnland begrüßt die derzeitige Entwicklung in der Union hin zu mehr Offenheit und Transparenz. In Finnland ist die Öffentlichkeit der Verwaltung, einschließlich des allgemeinen Zugangs zu offiziellen Dokumenten, ein Grundsatz von fundamentaler rechtlicher und politischer Bedeutung. Die Republik Finnland wird diesen Grundsatz im Einklang mit ihren Rechten und Pflichten als Mitglied der Europäischen Union auch in Zukunft anwenden."
Nr. 47: „... Schweden begrüßt die derzeitige Entwicklung in der Europäischen Union hin zu mehr Offenheit und Transparenz. Die Öffentlichkeit der Verwaltung und insb. der allgemeine Zugang zu offiziellen Dokumenten sowie der verfassungsrechtliche Schutz der Personen, die Informationen an die Medien weitergeben, sind und bleiben fundamentale Grundsätze, die Bestandteile des verfassungsrechtlichen, politischen und kulturellen Erbes von Schweden darstellen." 151 Vgl. Freivalds, Access to Public Information: A Key To Commercial Growth And Electronic Democracy, europa.eu.int/ISPO/legal/stockholm/en/freivald.html; Österdahl, 23 ELRev. (1998), S. 336 (345 ff.). 152 Vgl. hierzu Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EGV/EUV, Art. 1 EUV, Rn. 34 ff.; Stumpf, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 1 EUV, Rji. 25 ff.; sowie ausf. Curtin, CMLRev. 2000, S. 7 (14 f.). 153 S. hierzu neben den Überblicken von Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EGV/EUV, Art. 255 EGV, Rn. 1 ff. und Schoo, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 255 EGV, Rn. 1 f. vor allem Curtin, CMLRev. 2000, S. 7 ff.; sowie Oberg, EIoP Vol. 2 (1998) N° 8, S. 2 ff. 154 Ebenso Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, S. 14. 155 Zu dieser Norm haben die Regierungen in der Schlussakte zum Amsterdamer Vertrag folgende Erklärung Nr. 35 abgegeben: „Die Konferenz kommt überein, dass die in Art. 191a Abs. 1 [nunmehr Art. 255 Abs. 1] des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft genannten Grundsätze und Bedingungen es einem Mitgliedstaat gestatten, die Kommission oder den Rat zu ersuchen, ein aus dem betreffenden Mit-
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
ten für mehrere Organe4' im 6. Abschnitt des Fünften Teils des EG-Vertrags darf nicht über den subjektiven Rechtscharakter hinweg täuschen, den diese Norm vermitteln will, obwohl dies durch eine Verortung im Grundsätze normierenden Ersten Teil oder im die Unionsbürgerschaft betreffenden Zweiten Teil des EG-Vertrags besser zum Ausdruck gekommen wäre. 156 Noch deutlicher wird der subjektiv-rechtliche Charakter des Informationszugangsanspruchs in der Charta der Grundrechte, die am 7.12.2000 von den Präsidenten des Parlaments, des Rates und der Kommission in Nizza „feierlich proklamiert" wurde. Die Charta enthält in Art. 42 folgenden, dem Art. 255 EG vergleichbaren Informationszugangsanspruch: „Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat haben das Recht auf Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission."
Für die Praxis sehr viel wichtiger als diese bislang keine unmittelbaren Rechtswirkungen erzeugende Charta der Grundrechte ist die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001, die seit dem 3.12.2001 in Kraft ist. 157 Die zur Umsetzung des von Art. 255 Abs. 2 EG normierten Rechtsetzungsauftrags erlassene Verordnung sieht Beschränkungen des Informationszugangsrechts vor, um gegenläufigen öffentlichen und privaten Interessen Rechnung zu tragen. So sehr diese VO 1049/2001, die zum Teil auch als Informationszugangsverordnung bezeichnet wird, 158 auf den ersten Blick zu begrüßen ist, so sehr muss sie sich in der Praxis doch erst noch bewähren. 159
gliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung an Dritte weiterzuleiten." Diesem Anliegen wird durch Art. 4 Abs. 5 sowie Art. 5 der VO 1049/2001 Rechnung getragen. 156 Ähnlich Curtin, CMLRev. 2000, S. 7 (14). 157 Art. 19 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5.2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. EG Nr. L 145, S. 43. 158 Ebenso die Terminologie von Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EGV/EUV, Art. 255 EGV, Rn. 6 ff. Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 389, spricht dagegen von der Transparenzverordnung (die streng zu unterscheiden ist von der Richtlinie RL 2000/52/EG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen (sog. Transparenzrichtlinie) v. 26.7.2000, ABI. EG 2000 Nr. LI93, S. 75. 159
Vgl. hierzu Partsch, NJW 2001, S. 3155 ff.; Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EGV/EUV, Art. 255 EGV, Rn. 7 ff.; Castenholz, EWS 2001, S. 530 ff.; Bock, DÖV 2002, S. 556 ff.; Frost, EPL 2003, S. 87 ff. Ausf. auch Epiney, Kommentierung der VO 1049/2001, in: Fluck/Theuer (Hrsg.), IF-R/UIG, Kommentar, D III 2.2; und Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, passim.
A. International geprägte Entwicklung
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Schon bei nur struktureller Betrachtung des Normengefiiges von Art. 255 Abs. 1 EG und den Bestimmungen der VO 1049/2001 ist auf den begrenzten Anwendungsbereich hinzuweisen, der sich auf den Zugang zu Dokumenten des Parlaments, des Rates und der Kommission beschränkt. Damit bleiben nicht nur weitere Organe, nämlich der Gerichtshof und der Rechnungshof (Art. 7 Abs. 1 EG), sondern auch der Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie der Ausschuss der Regionen als Hilfsorgane 160 außerhalb des Zugangsrechts. 161 Gleiches gilt für die zahlreichen anderen Institutionen, die in letzter Zeit gegründet wurden und die die unmittelbare Verwaltungstätigkeit der EU massiv haben ansteigen lassen. Dass nach dem Erwägungsgrund Nr. 8 der VO 1049/2001 auch alle von den Organen geschaffenen Einrichtungen die in der Verordnung festgelegten Grundsätze anwenden „sollten", bindet diese doch nicht in gleicher Weise an die Vorgaben der VO 1049/2001. Der durch Art. 255 Abs. 1 EG und die VO 1049/2001 gewährleistete Informationszugangsanspruch verpflichtet also vor allem die Rechtsetzungsorgane und nicht, wie die entsprechenden Informationszugangsrechte im innerstaatlichen Bereich, die Vollzugsorgane. 162 Dass insbesondere die Kommission und in eingeschränktem Maße auch der Rat zum Teil auch Tätigkeiten wahrnehmen, die der Exekutive zuzurechnen sind, wird dabei nicht übersehen. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten liegt aber eindeutig in der Rechtsetzung. Übersehen wird auch nicht, dass das Gemeinschaftsrecht zum ganz überwiegenden Teil mittelbar, nämlich durch die Behörden der Mitgliedstaaten vollzogen wird, während der unmittelbare Vollzug durch eigene Behörden der Gemeinschaft (noch) zur Ausnahme gehört. Insofern mag es verständlich erscheinen, dass die Informationszugangsfreiheit zu rein exekutiv tätigen Gemeinschaftsbehörden von Art. 255 Abs. 1 EG und der VO 1049/2001 nicht normiert wird. Gleichwohl lässt schon diese nur strukturelle Betrachtung erkennen, dass die EU nicht zwingend und keinesfalls unbedingt als Vorreiter einer transparenten Verwaltung verstanden werden kann. Vielmehr tragen Art. 255 Abs. 1 EG und die VO 1049/2001 in erster Linie zu der Publizität der Rechtsetzung bei, die in den Mitgliedstaaten vor allem durch die Öffentlichkeit der Plenarverhandlungen des Parlaments gewährleistet wird - ein seit den Anfängen parlamentarischer Demokratie geltender Grundsatz, der im primären Gemeinschaftsrecht bislang keinen Niederschlag gefunden hat. Immerhin sind die Sitzungen des Europäi-
160 Zur Terminologie vgl. bspw. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EGV/EUV, Art. 7 EGV, Rn. 5 m.w.N. 161 Curtin, CMLRev. 2000, S. 7 (27 ff.); Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EGV/EUV, Art. 255 EGV, Rn. 9; unklar insofern Partsch, NJW 2001, S. 3155 (3156), der von Art. 2 Abs. 3 VO 1049/2001 alle Einrichtungen der EU umfasst sieht. 162 Vgl. hierzu ausf. Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, passim, sowie zuvor schon Kahl, ZG 1996, S. 224 ff.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
sehen Parlaments gemäß Art. 104 seiner Geschäftsordnung grundsätzlich öffentlich; der Rat hingegen tagt ebenso wie seine nachgeordneten Instanzen grundsätzlich nicht öffentlich. 163 Betreffen Art. 255 Abs. 1 EG und die VO 1049/2001 also in erster Linie die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft, erscheint Nr. 2 der Erwägungsgründe der VO 1049/2001 somit mindestens irreführend: „Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System." 164
Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass der Entwurf eines Vertrags über die eine Verfassung für Europa das allgemeine Zugangsrecht in Art. 11-42 auf alle „Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union" erstreckt und insofern noch über den Art. 42 der derzeitigen Grundrechte-Charta hinausgeht. Sollte sich dieser Vorschlag in einer Europäischen Verfassung durchsetzen können, müsste die VO 1049/2001 dementsprechend angepasst werden.
V I I . Entwicklungen im Völkerrecht Auch auf völkerrechtlicher Ebene hat sich der Gedanke des Informationszugangsrechts bereits in rechtlich verbindlicher Weise niedergeschlagen. Das gilt allerdings weniger für die allgemeinen Menschenrechtskodifizierungen, die zwar sämtlich ein Recht auf Informationsfreiheit enthalten, dieses aber regelmäßig nicht zu einem Zugangsrecht zu Informationen der öffentlichen Verwaltung erstarken lassen. Im Blickpunkt steht vielmehr die sog. AarhusKonvention aus dem Jahre 1998, die die ihr beigetretenen Völkerrechtssubjekte u.a. verpflichtet, ihren Bürgern ein Recht auf Zugang zu Informationen über die Umwelt einzuräumen.
1. Menschenrechtskodifizierungen Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948 normiert in Art. 19 das Recht, „Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln und ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten." Unabhängig davon, dass die gesamte Erklärung ohnehin keine unmittelbare rechtliche ΒindungsWirkung entfaltet, 165 ist angesichts ihrer Entstehungs-
163 164 165
Vgl. Art. 4 Abs. 1 Geschäftsordnung-Rat. Hervorhebung durch M.R. Statt vieler Ipsen, Völkerrecht, § 48, Rn. 36.
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geschichte - die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde unter dem noch gegenwärtigen Eindruck der Menschenrechtsverletzungen im Zweiten Weltkrieg verfasst - und auch mit Blick auf den Wortlaut des Art. 19 davon auszugehen, dass ähnlich wie von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG nur die Informationsempfangsfreiheit, nicht aber eine Informationszugangsfreiheit gewährt werden soll. Auch die durch Art. 19 Abs. 2 des IPbürgR aus dem Jahre 1966166 gewährleistete Informationsfreiheit 167 umfasst wohl kein Recht auf Einsicht in behördliche Akten, 168 sondern zielt eher auf den Schutz der Individualkommunikation mit ihren Elementen der Meinungsäußerungsfreiheit und der Informationsempfangsfreiheit. 169 Gleiches gilt fiir Art. 10 Abs. 1 S. 2 der 1950 unterzeichneten EMRK, der jedermann die Freiheit garantiert, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Obwohl diese Bestimmung ihrem Wortlaut nach keine dem Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG vergleichbare Beschränkung auf „allgemein zugängliche Quellen" enthält, wird sie in ständiger Rechtsprechung des EGMR restriktiv in dem Sinne ausgelegt, dass sie kein Recht auf Einsicht in Akten der öffentlichen Verwaltung gewährleiste. 170 Zu beachten ist allerdings, dass der EGMR z.T. aus anderen in der EMRK verankerten Menschenrechten wenn auch kein subjektives Informationszugangsrecht, so doch eine staatliche Informationspflicht abgeleitet hat. So wurde bspw. Art. 8 EMRK, der die Achtung des Privat- und Familienlebens gewährleistet,171 nicht nur im negatorischen Sinne, sondern auch als Grundlage positiver staatlicher Informationsverpflichtungen verstanden. Im zugrunde liegenden Fall hatten die italienischen Behörden es - konventionswidrig - unterlassen, Anwohner einer Chemiefabrik trotz mehrfacher Betriebsstörungen mit sicher-
166 In der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 23.3.1976, BGBl. II, S. 1068. 167 Dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben." 168 Vgl. Seidel, Handbuch der Grund- und Menschenrechte, S. 108 ff. m.w.N. 169 Vgl. Österdahl, Freedom of Information in Question, S. 139 f. 170 Vgl. bspw. EGMR, Urt. v. 26.3.1987, Serie A, Bd. 116, S. 29 (Leander/Schweden); sowie deutlich EGMR, Urt. v. 19.2.1998 (Guerra u.a./Italien), NVwZ 1999, S. 57 f. Aus der Literatur vgl. Frowein, in: Frowein/Peukert, Art. 10, Rn. 392; Curtin/Meijers, CMLRev. 1995, S. 391 (400 f.); Seidel, Handbuch der Grund- und Menschenrechte, S. 103; Meyer-Ladewig, Hk-EMRK, Art. 10, Rn. 14. 171 Zu den datenschutzrechtlichen Gewährleistungen des Art. 8 EMRK vgl. bspw. Mähring, EuR 1991, S. 369 (371 f.).
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
heitsrelevanten Informationen zu versorgen. 1 7 2 I n einer neueren Entscheidung stellte der E G M R eine Verletzung des Art. 2 E M R K (Schutz des Lebens) fest, weil der Vertragsstaat (die Türkei) die Betroffenen nicht rechtzeitig und ausreichend über bestimmte Umweltrisiken informiert hatte, so dass mehrere Personen zu Tode kamen. 1 7 3 Wenn diesen Informationspflichten auch (noch) keine korrespondierenden Informationsrechte entsprechen, ist doch gleichwohl bemerkenswert, dass sich auch hier die Informationspflichten auf Daten über die Umwelt beziehen. Anknüpfungspunkt ist dabei allerdings weniger die Umwelt als objektives Gut als vielmehr die subjektive Gesundheit bzw. das Leben der Beschwerdeführer. Die Informationspflicht des Staates bzw. das Informationsrecht des Bürgers ist dabei Ausdruck der Verpflichtung des Staates, Leib und Leben seiner Bewohner vor Gefährdungen zu schützen. Auch im innerstaatlichen Recht aktualisieren sich grundrechtliche Schutzpflichten nicht nur, aber vor allem in Bezug auf die Rechtsgüter Gesundheit und Leben. 174 Ohne den Umweltschutz auf einen Schutz von Gesundheit und Leben der Menschen reduzieren zu wollen, wird hier möglicherweise ein weiterer Grund dafür ersichtlich, warum die Aktenöffentlichkeit gerade im Umweltbereich so erfolgreich durchgesetzt werden konnte, ist doch das Interesse am Umweltschutz regelmäßig 175 geleitet von dem Bemühen, die für die menschliche Gesundheit förderlichen Lebensbedingungen zu erhalten. 176 I m Übrigen verlangt Art. 8 E M R K - ähnlich insofern dem Grundgesetz i n seiner Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht - die Gewährleistung von Transparenz in dem Sinne, dass dem Bürger erkenntlich sein muss, wer, wann, zu welchem Zweck, in welchem Umfang und i n welcher Weise in das Recht auf Achtung des Privatlebens eingreifen darf. 1 7 7 Denn eine „informationelle
Intransparenz"
erzeuge
jenen
„freiheitszerstörenden
Konformitäts-
druck' 4 , 1 7 8 vor dem Art. 8 E M R K i n seiner spezifischen datenschützenden Ausgestaltung gerade schützen w i l l . 1 7 9 Über die bereits in der E M R K kodifizierten Menschenrechte hinaus forderte die Parlamentarische Versammlung des Europarats, inspiriert
172
insbesondere
EGMR, Urt. v. 19.12.1998 (Guerra u.a./Italien), NVwZ 1999, S. 57 ff. EGMR, Urt. v. 18.6.2002 (Öneryildiz/Türkei), Beschw. Nr. 48939/99. 174 Ähnlich Roßnagel, Möglichkeiten der Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 257 (266), m.w.N. 175 Anders womöglich bei einem ökozentrisch verstandenen Umweltschutz. Vgl. zum anthropozentrischen und ökozentrisehen Umweltschutz bspw. Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 19. 176 So Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 (411), der deshalb den Anspruchsgegenstand nach der UIRL weit ausgelegt wissen will. 177 Vgl. EGMR, Urt. v. 2.8.1984 (Malone/Großbritannien), EuGRZ 1985, S. 17 ff. 178 Gusy, DVR 1982, S. 251 (256); vgl. auch BVerfGE 65, 1 (43). 179 So Mähring, EuR 1991, S. 369 (373). 173
A. International geprägte Entwicklung
53
durch die französische Gesetzgebung über die Informationszugangsfreiheit, alle Mitgliedstaaten bereits 1979 auf, ein Recht des Bürgers auf Einsicht in alle Unterlagen zu schaffen, welches über die Einsichtnahme in die eigenen personenbezogenen Daten hinaus grundsätzlich alle behördlichen Akten erfassen soll. 180 Und in einer Resolution aus dem Jahre 1996 erklärte die Parlamentarische Versammlung den Zugang der Öffentlichkeit zu „klarer und vollständiger" Information über die Risiken der Kernenergie und andere umweltrelevante Sachverhalte zu einem Grund- und Menschenrecht. 181 Auch das Ministerkomitee des Europarats empfahl dessen Mitgliedstaaten bereits 1981, einen allgemein Zugang zu Behördenakten ohne Nachweis eines besonderen Interesses zu ermöglichen 182 - eine Empfehlung, die es am 21.2.2002 mit Blick auf die zwischenzeitlich dem Europarat beigetretenen mittel- und osteuropäischen Staaten erneuerte. 183
2. Aarhus-Konvention Am 25. Juni 1998 wurde anlässlich der von der UN/ECE 184 veranstalteten 4. Paneuropäischen Umweltministerkonferenz das „Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten" im dänischen Aarhus unterzeichnet. 185 Der deshalb als „Aarhus-Konvention" bezeichnete 180
Empfehlung Nr. 854/1979 v. 1.2.1979, abgedruckt bspw. in EuGRZ 1979, S. 187; näher hierzu Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 116 f.; sowie Burkert, Informationszugangsrechte in Europa, in: Heymann (Hrsg.), Informationsmarkt und Informationsschutz in Europa, S. 86 (89 f.). 181 Resolution 1087 ( 1996) on the consequences of the Chernobyl disaster. 182 Empfehlung Nr. R (81) 19 v. 25.11.1981: „1. Jedermann im Rechtsbereich eines Mitgliedstaates soll das Recht haben, auf Antrag Informationen zu erhalten, die sich im Besitz von Behörden außer gesetzgebenden Körperschaften und Rechtsprechungsorganen befinden. 2. ... 3. Der Zugang zu Informationen soll nicht deswegen verweigert werden, weil der Antragsteller kein besonderes Interesse an der Sache hat...". 183 Rec(2002)2. 184 United Nations Economic Commission for Europe - die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa, eine von den 5 Regionalkommissionen der UN mit 55 Mitgliedsstaaten, die 1947 mit dem primären Ziel der Verbesserung der ökonomischen Zusammenarbeit eingerichtet wurde. Sie ist nicht zu verwechseln mit dem UNWirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC), so aber wohl versehentlich Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl., Rn. 22; und Schock, Die Verwaltung 35 (2002), S. 149 (150). 185 Die mit Österreich und der Schweiz abgestimmte Übersetzung ist bspw. wiedergegeben bei Hk-UIG/Wegener, S. 442 ff.; in den für den Informationszugang relevanten Auszügen auch bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, S. 306 ff. Verbindlich ist die Konvention gemäß ihres Art. 22 nur in englischer, französischer und russischer Sprache. Eine englische Version findet sich in: AVR 38 (2000), S. 253 ff.
54
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
völkerrechtliche Vertrag ist nach Hinterlegung der 16. Ratifikationsurkunde 186 am 30. Oktober 2001 in Kraft getreten. 187 Bis zum 21.12.1998188 haben insgesamt 39 Staaten sowie die EG die Konvention unterzeichnet. 189 Wie die Aarhus-Konvention in ihrer ausfuhrlichen Bezeichnung zu erkennen gibt, betreffen ihre den Vertragsparteien auferlegten Verpflichtungen drei Regelungsbereiche: den Zugang zu Umweltinformationen, die Beteiligung der Öffentlichkeit an verschiedenen Entscheidungsverfahren sowie gewisse Standards im Hinblick auf den Zugang zu gerichtlichen und anderen Überprüfungsverfahren. 190 Im Kontext der allgemeinen Informationszugangsfreiheit ist vor allem der Zugang zu Umweltinformationen von Bedeutung. Obwohl sich die AarhusKonvention diesbezüglich stark an der UIRL orientiert, 191 geht sie in Einzelfragen doch zum Teil erheblich über die Regelungen der UIRL und damit auch über jene des UIG hinaus.192 Von Interesse sind aber auch die Regelungen über die obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung an bestimmten Entscheidungsverfahren, denn hier wird ein Öffentlichkeitsverständnis deutlich, 193 das bei funktionaler Betrachtung dem Leitgedanken der allgemeinen Informationszugangsfreiheit nahe kommt. Für die Entwicklung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit auf internationaler Ebene bleibt in jedem Fall festzuhalten, dass sich ebenso wie auf der Ebene der EU der Umweltschutzgedanke als Initialzündung für eine transparentere Verwaltung erwiesen hat.
186 Die Hinterlegung von mindestens 16 Ratifikationsurkunden war gemäß Art. 20 Abs. 1 der Konvention Voraussetzung für ihr Inkrafttreten. 187 Zur Entstehungsgeschichte der Aarhus-Konvention s. Zschiesche, ZUR 2001, S. 177 ff. 188 Dies war gemäß Art. 17 der Konvention der Stichtag für die Unterzeichnung am Sitz der Vereinten Nationen in New York. 189 Die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete die Konvention nicht am 25.6.1998 in Aarhus, sondern erst - nach der Bundestagswahl - am 1.12.1998 am Sitz der UNO in New York. 190 Vgl. im Einzelnen Rodenhoff, RECIEL 2002, S. 343 ff.; Scheyli, AVR 38 (2000), S. 217 ff.; Zschiesche, ZUR 2001, S. 177 (178 ff.); Brady, Environmental Policy and Law 28 (1998), S. 69 ff.; Prieur, Revue Juridique de l'Environnement 1999, Numero Special „La Convention d'Aarhus", S. 9 ff.; sowie die Monographie von Epiney/Scheyli, Die Aarhus-Konvention. Rechtliche Tragweite und Implikationen fur das schweizerische Recht, 2000. 191
Vgl. Scheyli, AVR 38 (2000), S. 217 (221). Näher Scheyli, AVR 38 (2000), S. 217 (228 ff.); Zschiesche, ZUR 2001, S. 177 (178 f. u. 182 f.). 193 Vgl. Scheyli, AVR 38 (2000), S. 217 (228 f.). 192
A. International geprägte Entwicklung
55
V I I I . Entwicklung in anderen Staaten Die skizzierte Entwicklung des Informationszugangsrechts in der Europäischen Union und auf völkerrechtlicher Ebene hat mittlerweile die Rechtsetzung zahlreicher weiterer Staaten beeinflusst. Neben den bereits genannten Staaten Schweden, Finnland, Dänemark, Norwegen, Frankreich und den Niederlanden haben bis zum Jahre 2002 fast alle anderen Mitgliedstaaten der EU Informationsfreiheitsgesetze erlassen, die einen (mehr oder weniger weitgehenden) voraussetzungslosen Zugang zu Verwaltungsakten gewährleisten. 194 Zu nennen sind - jeweils mit dem Jahr des Inkrafttretens sowie wichtiger Änderungen Griechenland (1986/1999), Italien (1990), 195 Portugal (1993/1995/1999),196 Belgien (1994/1997), Irland (1997) und Großbritannien (2000). 197 Ob dagegen das von Österreich im Jahre 1988 erlassene Auskunftspflichtgesetz 198 als Grundlage einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit verstanden werden kann, ist zweifelhaft 199 und muss aufgrund der doch recht restriktiven Voraussetzungen eines solchen Anspruchs wohl bestritten werden. 200 Abgesehen von dieser unterschiedlichen Beurteilung der Rechtslage in Österreich gibt es innerhalb der Europäischen Union 201 allein in Luxemburg sowie auf der Bundesebene
194
Vgl. die stets aktualisierten Angaben auf der Seite www.informationsfreiheit.de . Zur auch verfassungsrechtlichen Verankerung solcher Zugangsrechte vgl. die - allerdings auf dem Stand von 1996 befindliche - Übersicht in der Stellungnahme des GA Tesauro, Rs. C-58/94 (Niederlande/Rat), Slg. 1996,1-2171, Rn. 15. 195 Vgl. hierzu Rosi, RIDC 1994, S. 73 ff.; Ladeur, Akteneinsicht in Italien, in: Winter (Hrsg.), Öffentlichkeit von Umweltinformationen, 1990, S. 249 ff. 196 Vgl. hierzu Machete, EPL 6 (2000), S. 183 ff. 197 Ausf. hierzu Birkinshaw,. Freedom of Information, S. 290 ff. S. auch Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, S. 33 ff. 198 Zum politischen Hintergrund dieses Gesetzes vgl. Duschanek, Öffentlichkeit der Verwaltung und privater Geheimnisschutz, in: Festschrift Rill, S. 413 (414). 199 Dafür bspw. Kloepfer, DÖV 2003, S. 221 (226); a.A. wohl Bachmann, DÖV 1992, S. 329 (345). 200 Ebenso die Einschätzung der Europäischen Kommission, vgl. Vermerk SG.B.2/VJ/CD D (2000) 54515. Im Einzelnen hierzu Duschanek, Der Zugang zu Verwaltungsinformationen in Österreich, in: Kloepfer (Hrsg.), Die transparente Verwaltung - Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen, S. 73 f f ; ders., Öffentlichkeit der Verwaltung und privater Geheimnisschutz, in: Festschrift Rill, S. 413 ff.; sowie Schwaighofer, Recht auf Information - Zum neuen österreichischen Auskunftspflichtgesetz, in: Heckmann/Meßerschmidt (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, S. 263 ff.; Hofmann, Das Recht auf Umweltinformationen: die Rechtslage in der EU und in Österreich, S. 34 ff. 201 Außerhalb der Europäischen Union kennt von demokratisch verfassten Staaten bspw. Israel kein allgemeines Informationszugangsrecht, vgl. Gavison, in: Coliver u.a. (Hrsg.), Secrecy and Liberty: National Security, Freedom of Expression and Access to Information, S. 334 (337 ff.). Nolte, DÖV 1999, S. 363 (369), berichtet allerdings von
56
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
und in den meisten Ländern Deutschlands keine allgemeinen Gesetze über den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung. Dabei verfugen sogar einige derjenigen Staaten, die am 1.5.2004 der E U beigetreten sind, über entsprechende Gesetze bzw. verfassungsrechtliche Vorgaben, so z.B. Estland (1992), Polen (1997), 2 0 2 Ungarn (1997), 2 0 3 Lettland (1998), Litauen (1998) und die Tschechische Republik (1999). U n d auch außerhalb der Europäischen U n i o n gewährleisten viele Staaten entweder verfassungsrechtlich oder einfach-gesetzlich ein voraussetzungsloses und allgemeines Informationszugangsrecht. Das gilt neben den bereits genannten und insofern als Vorbild (1982/2000),
fungierenden 205
U.S.A. bspw. für Kanada (1983), 2 0 4
Australien
Neuseeland (1982), 2 0 6 Indien (2000), Südafrika (2000) 2 0 7 und
Japan (2001). 2 0 8
einer Entscheidung des Obersten Gerichts Israels, nach der einer Behörde die in ihrem Besitz befindlichen Informationen gerade nicht wie einer Privatperson zur freien Verfügung stünden. Vielmehr handele es sich hierbei um Eigentum der Öffentlichkeit, so dass die Informationen der Öffentlichkeit auch grundsätzlich zur Kenntnis gegeben werden müssten. In der Schweiz wird ein Informationsfreiheitsgesetz seit mehreren Jahren geplant - vgl. hierzu schon Vorbrodt, Informationsfreiheit und Informationszugang im öffentlichen Sektor, in: Grabenwerter u.a. (Hrsg.), Allgemeinheit der Grundrechte und Vielfalt der Gesellschaft, S. 161 ff. 202 Vgl. Nowacki, EPL 7 (2001), S. 344 ff., sowie zur Rechtslage vor 1990 Boc/Jendroska/Nowacki, Akteneinsicht in Polen, in: Winter (Hrsg.), Öffentlichkeit von Umweltinformationen, 1990, S. 419 ff. 203 Vgl. Oros, EPL 5 (1999), S. 204 ff.; sowie Majtényi, DuD 1996, S. 584 ff.; sowie ders. Informationsfreiheit - das ungarische Modell, in: LDA Brandenburg (Hrsg.), Internationales Symposium 2001, S. 155 ff. 204 Umfassend hierzu Burkert, Informationszugang und Datenschutz - Ein kanadisches Beispiel, 1992. S. auch Huband, DuD 1998, S. 442 ff. 205 Grundlegend Campbell, ALJ 41 (1967/68), S. 73 ff. Aktueller McDonagh, Access to public sector information: the Australian experience, http://europa.eu.int/ISPO/ legal/ stockholm/en/mcdonagh.html; sowie knapper Birkinshaw, Freedom of Information, S. 87 ff. 206 Vgl. Hazell, Public Administration 1989, S. 189 ff. 207 Der „Promotion of Access to Information Act" Südafrikas gewährt Informationszugangsansprüche nicht nur gegenüber öffentlichen Stellen, sondern auch gegenüber Privaten. Vgl. hierzu Currie, EPL 9 (2003), S. 59 ff. 208 Vgl. hierzu Kadomatsu, ZfJR 1999, S. 34 ff.; Fujiwara, in: LDA Brandenburg (Hrsg.), Informationsfreiheit und Datenschutz, S. 27 ff.
A. International geprägte Entwicklung
57
IX. Jüngere Entwicklung in Deutschland Deutschland hinkt im internationalen Vergleich in Bezug auf die Zugänglichkeit von Informationen bei der Verwaltung also hinterher und wird deshalb zum Teil sogar schon als „rückständig", 209 als „Schlusslicht" 210 bezeichnet.
7. Entwicklung in Folge der Wiedervereinigung Dies ist insofern um so erstaunlicher, als nach der im Jahre 1990 rechtlich vollzogenen Wiedervereinigung ein zweites Mal die günstige Gelegenheit bestand, die Grundlagen für ein entsprechendes Informationszugangsrecht zu schaffen und sich von dem Grundsatz der Arkanverwaltung zu verabschieden. Denn wie in den 1970er Jahren, als mit der anstehenden Verabschiedung des VwVfG die Möglichkeit gegeben war, die ausländischen Entwicklungen im Informationszugangsrecht einfach-gesetzlich auch in Deutschland zu berücksichtigen, hätten zu Beginn der 1990er Jahre die von der UIRL ausgehenden Impulse ebenso wie die Erfahrungen mit der Informationspolitik in der DDR sogar das Verfassungsrecht beeinflussen können, das sich aufgrund der in Art. 5 des Einigungsvertrags formulierten Empfehlung ohnehin auf dem Prüfstand befand. 2" Ein zweites Mal bot sich die Chance, im Bereich des Informationsrechts die historischen Erfahrungen für eine Verfassungsänderung fruchtbar zu machen und dadurch zugleich die künftigen Herausforderungen der sich abzeichnenden Informationsgesellschaft meistern zu können. Tatsächlich wurde im Rahmen der Gemeinsamen Verfassungskommission vom Land Hessen zumindest vorgeschlagen, in einem neu aufzunehmenden Art. 5 Abs. 2a GG, also in systematischem Zusammenhang mit den in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Kommunikationsgrundrechten und insbesondere mit dem Grundrecht der Informationsfreiheit, ein allgemeines Akteneinsichtsrecht aufzunehmen. 212 Dadurch sollte eine umfassende Transparenz der staatlichen Verwaltung gewährleistet und das bisherige Grundsatz-AusnahmeVerhältnis von Geheimhaltung zur Öffentlichkeit umgekehrt werden. Nach diesem Vorschlag hätte Art. 5 Abs. 2a GG folgenden Wortlaut haben sollen: 209 Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 1, Rn. 4, machen einen „Entwicklungsrückstand des deutschen Informationszugangsrechts" aus. Ebenso Partsch/Schurig, DÖV 2003, S. 482 (482). 2,0 Nordmann, RDV 2001, S. 71 (72). 211 Zu Arbeit und Ergebnissen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat s. Kloepfer/Lang, Verfassungsänderung statt Verfassungsreform, passim. 212 Vgl. BT-Drs. 12/6000, S. 62.
58
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
„Jeder Mensch hat das Recht auf Zugang zu den Daten der öffentlichen Gewalt, soweit nicht schutzwürdige Interessen oder Rechte Dritter verletzt werden."
Letztlich konnte sich in der Kommission aber nicht die erforderliche ZweiDrittel-Mehrheit für eine entsprechende Empfehlung finden. 213 Vielmehr wurde befürchtet, dass bei einem grundrechtlich verankerten allgemeinen Informationszugangsanspruch die Funktionsfähigkeit der Exekutive nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand gewährleistet werden könne. Das gleiche gelte für datenschutzrechtlich relevante Interessen Dritter. Auch drohe die Gefahr, dass eine unzulässige Ausforschung des exekutiven Kernbereichs ermöglicht und dadurch die Handlungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Regierung beschnitten werde. 214 Für den gesamten Bereich des Informations- und Datenschutzrechts - diskutiert wurde neben der Gewährleistung eines allgemeinen Einsichtsrechts auch die Verankerung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung in Art. 2a GG und die Festlegung der Rechtsstellung eines Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Art. 45d GG - blieb die Arbeit der Gemeinsamen Verfassungskommission deshalb ohne Auswirkungen. 215
2. Entwicklung
in den Bundesländern
Mittelbar ist die Wiedervereinigung gleichwohl als Initialzündung für die Etablierung allgemeiner Informationszugangsrechte in Deutschland zu betrachten. Denn in den auf dem Gebiet der DDR neu gegründeten fünf Ländern, die mit ihrem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 23 GG die Wiedervereinigung in juristischer Weise vollzogen, setzte eine Verfassungsgebung ein, die zur Ablösung der zunächst nur vorläufig erlassenen „Statute" 2 , 6 durch 213 Kritisch hierzu („merkwürdig geschichtsblind") Kloepfer/Lang, Verfassungsänderung statt Verfassungsreform, S. 80. 2,4 Schlussbericht der Gemeinsamen Verfassungskommission v. 5.1.1993, BT-Drs. 12/6000, S. 60 (63). Die Argumente gegen einen allgemeinen Informationszugangsanspruch zusammenfassend etwa Kahl, Der europarechtlich determinierte Verfassungswandel im Kommunikations- und Informationsstaat Bundesrepublik Deutschland, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 9 (17 ff.). 215 Näher hierzu Kloepfer/Lang, Verfassungsänderung statt Verfassungsreform, S. 77 ff. 216 Die in den neuen Ländern erlassenen Interimsverfassungen wurden z.T. als Vorschaltgesetz (Sachsen), als Gesetz über die vorläufige Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Landtags und der Regierung (Brandenburg), als vorläufiges Statut (MecklenburgVorpommern), als vorläufige Landessatzung (Thüringen) oder als Gesetz über die vorläufige Ordnung der Regierungsgewalt (Sachsen-Anhalt) bezeichnet. Vgl. zum Verfassungscharakter dieser vorläufigen Landesverfassungen bspw. Linck, DÖV 1991, S. 730 ff.
. International geprägte Entwicklung
59
zum Teil sehr moderne Landesverfassungen führte. Dabei wurde in Art. 21 Abs. 4 der brandenburgischen Verfassung der Grundstein für ein allgemeines Informationszugangsrecht gelegt. 217 Nach dieser Bestimmung „hat [jeder] nach Maßgabe des Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen." Darüber hinaus räumt Art. 21 Abs. 3 BbgVerf Bürgerinitiativen und Verbänden, die sich zur Beeinflussung öffentlicher Angelegenheiten zusammenschließen, „das Recht auf Information durch alle staatlichen und kommunalen Stellen" ein. In Einlösung dieser Verfassungsaufträge 218 verabschiedete das Land Brandenburg am 10. März 1998 mit dem „Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG-Bbg)" 219 das erste allgemeine Informationsfreiheitsgesetz in Deutschland.220 Erstmals in Deutschland hat jeder ein grundsätzlich umfassendes subjektives Recht auf Einsicht in Akten öffentlicher Stellen (des Landes Brandenburg), ohne ein besonderes berechtigtes Interesse nachweisen zu müssen.221 Freilich unterliegt dieser Anspruch bestimmten inhaltlichen Beschränkungen und Ausnahmen. Unabhängig von der insgesamt sicherlich gebotenen differenzierten Bewertung der konkreten Regelungen222 ist mit dem des AIGBbg aber immerhin ein wichtiger Durchbruch erzielt worden. 223
217 In den Verfassungen von Mecklenburg-Vorpommern (Art. 6 Abs. 3), Sachsen (Art. 33) und Sachsen-Anhalt (Art. 6 Abs. 2) wird immerhin der inhaltlich zwar beschränkte, gleichwohl aber als Grundrecht ausgestaltete Zugang zu Umweltdaten gewährleistet. 218 Zum Streit um Rechtsnatur, unmittelbare Anwendbarkeit und Reichweite dieser Verfassungsnormen vgl. Breidenbach/Kneifel-Haverkamp, in: Simone/Franke u.a (Hrsg.), Hdb. der Verf. des Landes Brandenburg, 1994, Art. 21, Rn. 1 u. 24; sowie VG Potsdam, LKV 1999, S. 155. 219 Gesetz v. 10.3.1998, GVB1. I S. 46; abgedruckt bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Anhang I, S. 256 ff. 220 Zur Entstehungsgeschichte s. Kneifel-Haverkamp, DuD 1998, S. 438 f., sowie Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 197 f. 221 Der Gesetzentwurf sah noch vor, das Recht auf Akteneinsicht von einem „berechtigten Interesse" abhängig zu machen, wofür allerdings ein „politisches Mitwirkungsinteresse" ausreichen sollte. Vgl. L T Bbg-Drs. 2/4417, Begründung zu § 1.
60
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Als nächstes Bundesland erließ Berlin am 15. Oktober 1999 das Berliner Informationsfreiheitsgesetz ( I F G - B l n ) , 2 2 4 das auf einem bereits am 30.4.1997 i n das Abgeordnetenhaus
eingebrachten Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis
90/Die Grünen beruht. 2 2 5 Schon 1990 hatten die damaligen Koalitionsfraktionen von SPD und Alternativer Liste einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, der sich infolge des vorzeitigen Koalitionsendes aber nicht durchsetzen konnte. 2 2 6 Das nun geltende I F G - B l n w i r d gegenüber dem brandenburgischen A I G überwiegend als Weiterentwicklung empfunden, weil es auf zahlreiche Restriktionen verzichtet und sich somit „wesentlich einsichtsfreundlicher" zeigt als das A I G - B b g . 2 2 7 Wenige Monate später, i m Februar 2000, verabschiedete auch SchleswigHolstein ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG-SH), 2 2 8 das von der Literatur als besonders vorbildlich für eine mögliche Gesetzgebung in anderen Ländern und im Bund empfunden w i r d . 2 2 9 Dies ist u m so beachtenswerter, als das Gesetz auf
222
Vgl. hierzu Winterhager, Der Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes des Landes Brandenburg, 2001, passim; Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 196 ff.; Strohmeyer, Das europäische Umweltinformationszugangsrecht als Vorbild eines nationalen Rechts der Aktenöffentlichkeit, S. 311, bezeichnet das AIG-Bbg. als „überaus inhaltsarm", s. auch die Beurteilung von Partsch, NJ 1998, S. 346 ff. u. NJW 1998, S. 2559 ff. (kritisch); Kneifel-Haverkamp, DuD 1998, S. 438 ff. (ambivalent); Breidenbach/Palenda, NJW 1999, S. 1307 ff. (zustimmend). 223 So die Einschätzung von Breidenbach/Palenda, NJW 1999, S. 1307; ebenso Schoch, Die Verwaltung 35 (2002), S. 149 (155); Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117(143). 224 Gesetz v. 15.10.1999, GVB1. S. 561; abgedruckt bei Schoch/Kloepfer, IFGProfE, Anhang I, S. 233 ff. Vgl. hierzu Haass, Das Grundeigentum 2000, S. 1086 ff.; sowie Partsch, LKV 2001, S. 98 ff. 225 BlnAbgh.-Drs. 13/1623. 226 Vgl. Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 158 f. 227 So Partsch, L K V 2001, S. 98 (99), Schoch, VerwArch 35 (2002), S. 149 (154); Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (144). 228 Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land SchleswigHolstein v. 9.2.2000, GVB1. SH S. 166, abgedruckt bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Anhang I, S. 279 ff. 229 Zum IFG-SH vgl. Weichert, DuD 2000, S. 262 ff.; Bäumler, NJW 2000, S. 1982 (1985 ff.); Jürgens, DSB 2000, S. 8 ff.; Friedersen, NordÖR 2001, S. 89 ff.; Nordmann, RDV 2001, S. 71 ff. sowie insb. auch die umfassende Kommentierung von Friedersen/Lindemann, Informationsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (IFG-SH), 2000.
A. International geprägte Entwicklung
61
den Entwurf 3 0 der im Landesparlament damals mit nur zwei Abgeordneten vertretenen Oppositionsfraktion des Süd-Schleswigschen Wählerverbands (SSW) zurück geht.231 Die skandinavische Tradition einer allgemeinen Verwaltungsöffentlichkeit hat also über die Partei der dänischen Minderheit ihren Weg auch in den Norden Deutschlands gefunden. 232 Und schließlich ist seit dem 1. Januar 2002 auch in Nordrhein-Westfalen ein Informationsfreiheitsgesetz in Kraft (IFG-NRW), 233 das auf die Initiative der oppositionellen CDU zurückgeht, 234 letztlich aber auf dem Gegenentwurf 235 der Regierungsfraktionen beruht. Mit dem IFG-NRW hat sich das Land ebenso wie Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein für ein selbständiges Gesetz entschieden, obwohl lange diskutiert wurde, ein allgemeines Informationszugangsrecht im nordrhein-westfälischen Verwaltungsverfahrensgesetz zu verankern. 236 In der Literatur wird zum Teil bedauert, dass das IFG-NRW die zwischenzeitlich geführte Diskussion um Informationsfreiheitsgesetze, insbesondere die Kritik am recht restriktiv empfundenen AIG-Bbg, nur zum Teil berücksichtigt hat. 237 Zum anderen Teil wird in Anbetracht der geringen Inanspruchnahme der bereits geltenden Informationsfreiheitsgesetze in den anderen Bundesländern bezweifelt, ob das IFG-NRW überhaupt notwendig war. 238 Insofern scheint sich eine gewisse Ernüchterung breit zu machen, die auch den Erlass weiterer Informationsfreiheitsgesetze in den anderen Bundesländern hemmt, in denen längst Entwürfe zu Informationsfreiheitsgesetzen vorliegen. 239
3. Entwicklung auf der Bundesebene Auf Bundesebene besteht ein solcher allgemeiner und voraussetzungsloser Informationszugangsanspruch (noch) nicht. Immerhin gab und gibt es aber eine
230
SHLT-Drs. 14/2374 v. 2.9.1999. Weichert, DuD 2000, S. 262, bezeichnet diese Genese als „Sternstunde des Parlamentarismus". Zur Entstehungsgeschichte auch Nordmann, RDV 2001, S. 71 (72). 232 Ähnlich Weichert, DuD 2000, S. 262 (266). 233 Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land NordrheinWestfalen (IFG-NW) v. 27.11.2001, GVB1. NW S. 806; vgl. hierzu Stollmann, NWVBI. 2002, S. 216 ff.; Partsch/Schurig, DÖV 2003, S. 482 ff. 234 NWLT-Drs. 13/321. 235 NWLT-Drs. 13/1311, S. 6. 236 Vgl. NWLT-Drs. 13/1311, S. 2. 237 So Partsch/Schurig, DÖV 2003, S. 482 (488). 238 Vgl. Stollmann, NWVBI. 2003, S. 216 (222). 239 Einen aktuellen Überblick bietet die vom Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit betreute Internet-Seite www.informationsfreiheit.de . 231
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Reihe von Bemühungen, ein allgemeines Informationsfreiheitsgesetz des Bundes zu erlassen. Schon vor dem bereits angesprochenen Versuch, über die Vorschläge der Gemeinsamen Verfassungskommission ein allgemeines Informationszugangsrecht als Grundrecht auf Verfassungsebene zu verankern, legte die das erste Mal im Bundestag vertretene Fraktion der Grünen 1986 ein „Gesetz über das Einsichtsrecht in Umweltakten (Akteneinsichtsrechtsgesetz - AERG)" vor, 240 das zwar entsprechend der damals bereits begonnenen Diskussion über eine Umweltinformationsrichtlinie der EG auf den Anspruchsgegenstand „Umweltakten'4 beschränkt war, das aber erstmals voraussetzungslos jede natürliche und juristische Person zum Aktenzugang berechtigen sollte. Parallel dazu wurde auch vom Bundesrat ein unter der Federführung der SPD-geführten Umweltverwaltung Hamburgs ausgearbeiteter Entwurf zu einem „Gesetz zum Auskunftsrecht über Umweltdaten (Umweltdatenauskunftsgesetz - UAG)" in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, der aber ebenso wie der Entwurf des AERG an den damaligen politischen Mehrheitsverhältnissen scheiterte. 241 Die Informationszugangsfreiheit blieb aber auch in den Folgejahren ein besonderes Anliegen der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Ihre Fraktionen brachten in den Folgejahren nicht nur immer wieder - zunächst erfolglos - entsprechende Gesetzentwürfe auf Landesebene ein, 242 sondern zeichneten auch für den ersten Entwurf eines allgemeinen (Bundes-) Informationsfreiheitsgesetzes verantwortlich, der am 27.8.1997 dem Bundestag vorgelegt wurde. 243 Das Gesetzesvorhaben scheiterte aber bereits an den Befürchtungen des Innenausschusses des Bundestages, dass durch ein solches Informationszugangsrecht die öffentliche Verwaltung „gestört, behindert und lahmgelegt" werde. 244 Nach den Wahlen zum 14. Bundestag konnten Bündnis 90/Die Grünen ihre Vorstellungen von einer transparenten Verwaltung in die Koalitionsvereinbarung mit der SPD vom 20.10.1998 aufnehmen. Dort heißt es: „Durch ein Informationsfreiheitsgesetz wollen wir unter Berücksichtigung des Datenschutzes den Bürgerinnen und Bürgern Informationszugangsrechte verschaffen."
Der entsprechend dieser Zielsetzung vom Bundesinnenministerium erarbeitete Referentenentwurf ist auf dem Stand vom 20.12.2000 - das Gesetz quasi
240
BT-Drs. 10/5884 v. 24.7.1986; erneut eingebracht in der 11. Legislaturperiode, BT-Drs. 11/1152 v. 11.11.1987. 241 Zu Einzelheiten beider Gesetze sowie zum Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens vgl. Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 149 ff. 242 S. bspw. BaWüLT-Drs. 9/4462, HmbBürg-Drs. 11/6958; HessLT-Drs. 12/3689; NdsLT-Drs. 10/5330 u. 11/520. Vgl. hierzu Drescher, VR 1991, S. 18 ff. 243 BT-Drs. 13/8432; vgl. hierzu Häfner/Gerlach, ZRP 1998, S. 123 ff. 244 Blickpunkt Bundestag 1/98, S. 26 f.
. International geprägte Entwicklung
63
antizipierend - per Internet der Öffentlichkeit vorgestellt worden. 245 Die ursprünglichen Pläne, das Gesetz noch in der 14. Legislaturperiode zu verabschieden, sind nach den Ereignissen vom 11. September 2001 in den USA nicht weiter verfolgt worden. 246 An dem Gesetzesvorhaben als solchem wurde jedoch festgehalten, und so wurde auch in der Koalitionsvereinbarung zur 15. Legislaturperiode zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vereinbart: „Die Verwaltung soll für die Bürgerinnen und Bürger transparenter werden. Deshalb bringen wir ein Informationsfreiheitsgesetz für die Bundesbehörden ein, das dem Grundsatz des freien Zugangs zu öffentlichen Daten und Akten Geltung verschafft. Wir wollen das Petitionsrecht, über die Lösung individueller Anliegen hinaus, zu einem politischen Mitwirkungsrecht der Bürgerinnen und Bürger ausgestalten."247
Ausgangspunkt für dieses Informationsfreiheitsgesetz dürfte der Entwurf in der Fassung vom 26. September 2001 mit Änderungen/Streichungen vom 12. April 2002 sein, der der Öffentlichkeit erneut im Internet präsentiert wird. 248 Nachdem sich Ende 2001 abzeichnete, dass das allgemeine Informationsfreiheitsgesetz politisch noch nicht durchsetzbar war, wurde ein weiteres bereichsspezifisches Informationsgesetz in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, das Verbraucherinformationsgesetz. 249 Vor dem Hintergrund der BSEKrise, motiviert aber auch durch die Diskussion um gentechnisch veränderte Lebensmittel („Novel Food"), sollte den Verbrauchern der Zugang zu den bei Behörden vorhandenen Informationen über Lebensmittel und Bedarfsgegenstände gewährt werden. 250 Strukturell glich der Entwurf des Verbraucherinformationsgesetzes weitgehend dem UIG, ging aber in vielen Punkten und vor allem insofern über das UIG hinaus, als es die zuständigen Behörden auch zur
245 In dieser Fassung ist der Entwurf abgedruckt bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Anhang I, S. 201 ff. 246 Auch in den U.S.A. ist die Informationszugangsfreiheit nach dem 11. September deutlich eingeschränkt worden. Vgl. hierzu Schulzki-Haddouti/Redelfs, Informationsfreiheit als demokratisches Prinzip, in: Schulzki-Haddouti (Hrsg.), Bürgerrechte im Netz, S. 178 (186). 247 Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen v. 16.10.2002 mit dem Titel: Erneuerung - Gerechtigkeit - Nachhaltigkeit. Für ein wirtschaftlich starkes, soziales und ökologisches Deutschland. Für eine lebendige Demokratie. 248 Ein Abdruck dieser Fassung des IFG-RefE findet sich bei Kloepfer (Hrsg.), Die transparente Verwaltung - Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen, Anhang II, S. 182. ff. 249 Vgl. BT-Drs. 14/8738. Der Entwurf des VerbIG v. 8.3.2002 ist bspw. abgedruckt bei Kloepfer (Hrsg.), Die transparente Verwaltung, Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen, Anhang II, S. 186 ff. 250 Vgl. § 1 E-VerbIG. Zum Anliegen des Gesetzes vgl. Künast, Verbraucherschutz durch Informationszugang - Das Verbraucherinformationsgesetz, in: Kloepfer (Hrsg.), Die transparente Verwaltung, Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen, S. 33 ff.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
aktiven Informationstätigkeit ermächtigte. Bei solchen Warnungen und Empfehlungen sollte es den Behörden ausdrücklich erlaubt werden, neben dem jeweiligen Erzeugnis auch den Namen des Herstellers und des Vertreibers dieses Erzeugnisses zu benennen.251 Das Gesetz fand im Bundesrat keine Mehrheit. 252 Unabhängig von der Frage, ob, wann und in welchem Umfang auch auf Bundesebene ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird, eine etwas andere Bedeutung zukäme als den bereits geltenden Informationsfreiheitsgesetzen in den Ländern, selbst wenn es ähnlich oder gar genauso ausgestaltet sein sollte wie diese. Denn da der Schwerpunkt der Verwaltungstätigkeit nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes eindeutig bei den Ländern liegt, erscheint die Aktenöffentlichkeit - zumindest bei rein quantitativer Betrachtung - in den Ländern wichtiger als im Bund. Dies gilt zumindest für den Fall, in dem man den Sinn allgemeiner Informationszugangsfreiheit primär in der (nachträglichen) Kontrolle der Verwaltung durch den Bürger erblickt. Diese Einschätzung ändert sich freilich bei einer eher qualitativen Betrachtung, denn häufig werden die administrativen Einzelentscheidungen von den Vorgaben der Bundesverwaltung geprägt. Doch auch bei solch qualitativer Betrachtung bleibt ein Bedeutungsunterschied: Eine allgemeine Aktenöffentlichkeit der Bundesbehörden trifft - abgesehen von den nicht unwichtigen, aber doch wenigen Fällen der bundeseigenen Verwaltung durch selbständige Bundesoberbehörden - in erster Linie die Bundesministerien. Diese über neben Verwaltungs- vor allem auch Regierungstätigkeiten aus. Wenn diese Tätigkeiten transparenter gestaltet werden sollen, scheint weniger die nachträgliche Kontrolle als vielmehr die begleitende Partizipation im Vordergrund der allgemeinen Informationszugangsfreiheit zu stehen. Betrachtet man die Entwicklung der Informationszugangsfreiheit in der jüngeren deutschen Gesetzgebung insgesamt, so mag man sie der Innovationskraft zuschreiben, die vom deutschen Föderalismus ausgehen kann. 253 Andererseits ist nicht zu verkennen, dass vor allem die parteipolitischen Konstellationen in den jeweiligen Parlamenten zur Verabschiedung der bisher erlassenen Informationsfreiheitsgesetze führten. Aber letztlich beruht die Innovationskraft des deutschen Föderalismus ja ihrerseits nur auf der zusätzlichen horizontalen Machtverteilung, die es den politischen Parteien erlaubt, ihre politischen Ideen schneller in geltendes Recht zu verwandeln, als wenn sie um nur ein Parlament bzw. um nur eine Regierungsbeteiligung konkurrierten.
251
Vgl. § 6 E-VerbIG. Der Bundesrat verweigerte dem Gesetz am 21.6.2002 seine Zustimmung, vgl. BT-Drs. 14/9607. 253 So die Einschätzung von Kloepfer, DÖV 2003, S. 221 (229). 2:>2
Α. International geprägte Entwicklung
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4. Entwicklung in der Rechtswissenschaft Auch die Wissenschaft hat sich nach der ersten Welle zu Beginn der siebziger Jahre erneut seit den neunziger Jahren intensiv mit dem Thema der Informationszugangsfreiheit befasst. Im Mittelpunkt zahlreicher Aufsätze sowie einer umfassenden Kommentarliteratur stand dabei zunächst das Umweltinformationsgesetz.254 Darüber hinaus sind aber auch schon zahlreiche Beiträge 255 und Monographien 256 zu einem allgemeinen Informationszugangsrecht entstanden. Im Jahre 1997 waren die „Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung" Gegenstand der Staatsrechtslehrertagung, zu deren Vorbereitung zwei bedeutende Beiträge von Schoch und Trute entstanden sind. 257 Bereits im Jahr zuvor hatte sich die Assistententagung Öffentliches Recht mit den Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft befasst. 258 Nachdem 1998 der Deutsche Juristentag auf Vorschlag von Kloepfer 259 die Empfehlung aussprach, das Informationsrecht in einem einheitlichen Gesetz zu kodifizieren, hat sich eine wissenschaftliche Kommission gebildet, 260 die den sog. Professorenentwurf eines Informationsgesetzbuchs (IGB) erarbeitet. 261 Der auch für die vorliegende Untersuchung maßgebliche erste Teil dieses IGBProfE, der Professorenentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG-ProfE), liegt bereits vor. 262 Über die Frage des bloßen Informationszugangsrechts hinausgehend, sind zwischenzeitlich zahlreiche Arbeiten entstanden, die sich ganz allgemein mit den Auswirkungen der Informationsgesellschaft auf das Verwaltungsrecht auswirken. Stellvertretend für viele sei dabei nur auf den von
2:>4 Vgl. insbesondere die Kommentare von Roger; Schomerus/Schrader/Wegener und Turiaux. 255 S. bspw. Pitschas, Die Verwaltung 33 (2000), S. 111 ff.; Voßkuhle, VerwArch 92 (2001), S. 184 ff. 236 S. insb. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, 2001; und Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002; darüber hinaus aber bspw. auch Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000; Strohmeyer, Das europäische Umweltinformationszugangsrecht als Vorbild eines nationalen Rechts der Aktenöffentlichkeit, 2003. 257
VVDStRL 57 (1998), S. 158 ff. (Schoch), S. 216 ff. (Trute). Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, 1996. 258
259 Kloepfer, Gutachten D zum 62. DJT, S. 90 f. (unter Verweis auf Garstka, Zur Wissensordnung der Informationsverarbeitung - Plädoyer fur ein allgemeines Informationsgesetz, Typoskript von 1994). 260 Die Kommission setzt sich zusammen aus den Herren Garstka, Kloepfer und Schoch. 261 Vgl. dazu Kloepfer, unter Mitwirkung von Neun, K&R 1999, S. 241 ff. 262 Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, 2002.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Hoffmann-Riem und Schmidt-Aßmann in den Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts herausgegebenen Sammelband verwiesen. 263
X. Impulse durch die Informationsgesellschaft Gerade diese letztgenannten Arbeiten waren nicht mehr ausschließlich durch die Entwicklung der Informationszugangsfreiheit im (Umwelt-)Recht der Europäischen Union, der internationalen Gemeinschaft sowie in der Bundesrepublik Deutschland beeinflusst. Vielmehr gingen spätestens seit Mitte der neunziger Jahre 264 zusätzliche wesentliche Impulse von der allgemeinen (und global geführten) Diskussion über den Wandel zu einer Informationsgesellschaft aus.265 Die Bundesregierung hat den Begriff „Informationsgesellschaft" in ihrem Bericht „Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" vom 7.3.1996 als eine Wirtschafts- und Gesellschaftsform bezeichnet, „in der der produktive Umgang mit der Ressource „Information" und die wissensintensive Produktion eine herausragende Rolle spielen." 266 Die besondere Bedeutung, die Informationen in einer solcher Art verstandenen Gesellschaft beigemessen wird, führt zusammen mit dem Befund, dass der „öffentliche Sektor" als größter Informationsbesitzer gilt, 267 nahezu zwangsläufig zu der politischen Forderung, 268 jedem Bürger den voraussetzungslosen Zugang zu und den „produktiven Umgang" mit den Informationen zu ermöglichen, die bei der öffentlichen 263
Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, 2000. 264 Burkert, Informationszugangsrechte in Europa, in: Heymann (Hrsg.), Informationsmarkt und Informationsschutz in Europa, S. 86 (104), datiert die Entwicklung eines europäischen Informationsmarktes zu Recht schon in die Mitte der achtziger Jahre (s. insofern insbesondere Sonntag, Die Zukunft der Informationsgesellschaft, 1983; sowie Ader, Der Informationsschock, 1984), doch dauerte es weitere 10 Jahre, bis die Entwicklung auch von der Rechtswissenschaft aufgegriffen wurde. 265 Zum Begriff der Informationsgesellschaft vgl. Baller, Informationsgesellschaft eine Mogelpackung?, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 33 (35 f.). 266 Bericht der Bundesregierung, Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, BT-Drs. 13/4000, S. 15. Instruktiv zur Informationsgesellschaft die Beiträge in Tauss/Kollbeck/Mönikes (Hrsg.), Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft. 267
Vgl. Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl., Rn. 1; unter Verweis vai Burkert, M M R 1999, S. V. 268 Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 392 f., versteht räum- und zeitübergreifend verfügbare Daten vor allem auch als Faktor neuer Wertschöpfung und erkennt deshalb vor allem auch einen ökonomischen Zwang zur Öffnung der bei den Verwaltungen vorhandenen Informationen.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
67
Verwaltung vorhanden sind. So betonte die EU-Kommission in ihrem „Grünbuch über die Informationen des Öffentlichen Sektors in der Informationsgesellschaft" aus dem Jahr 1999, dass der Zugang zu Informationen in der Informationsgesellschaft nicht nur in demokratisch-rechtsstaatlicher Hinsicht, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht von Bedeutung sei. 269 Um dieser ökonomischen Bedeutung Rechnung zu tragen, stellte die Kommission in ihrer Mittelung „eEurope 2002" im Jahr 2001 die europäischen Rahmenbedingungen vor, die für die Nutzung der Informationen des öffentlichen Sektors geschaffen werden müssten. Dazu zählte sie insbesondere die Erleichterung des Zugangs zu Informationen aus dem öffentlichen Sektor. 270 Misst man Informationen in einer Informationsgesellschaft keine wesentliche andere Bedeutung zu als in anderen Gesellschaften, etwa der Industriegesellschaft, ist die Informationsgesellschaft vor allem durch die exponentiell gestiegenen Möglichkeiten (digitaler) Speicherung, Vernetzung, Verarbeitung und Verbreitung von Informationen gekennzeichnet.271
B. Mittelbar verfolgte Ziele Was versprechen sich die Gesetzgeber von dem Erlass solcher Informationsfreiheitsgesetze? Welche Ziele verfolgen sie? Was ist die ratio 272 solcher Gesetze, welche Funktionen kommen ihnen zu? Der Frage soll nicht nur aus politischem Interesse nachgegangen werden. Vielmehr sind die einem Gesetz zugedachten Zielsetzungen schon abstrakt von fundamentaler rechtlicher Bedeutung:273 In Bezug auf den durch das Verfassungsrecht gebundenen Gesetzgeber ist das gesetzliche Ziel nicht nur ein Indikator für die Bestimmung seiner Verbandskompetenz; 274 es ist vor allem entscheidend für die abstrakte Beurteilung der Verhältnismäßigkeit etwaiger 269 Informationen des öffentlichen Sektors - eine Schlüsselressource für Europa, KOM (1998) 585. 270 Vgl. KOM (2001) 607 final, insb. S. 11. 271 Ähnlich zurückhaltend Gröschner, VVDStRL 63 (2003), S. 358 f.: „Ob der Begriff « Informationsgesellschaft» die Struktur oder sogar das Zeitalter einer « nachindustriellen Gesellschaft » zutreffend beschreibt, ist keine Frage der Staats- und Verwaltungsrechtslehre." 272 Mit dieser Terminologie Reinhardt, Die Verwaltung 30 (1997), S. 161 (164 ff.). 273 Vgl. hierzu auch Albers, Neukonzeption des grundrechtlichen „Datenschutzes, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 113 (130 ff.). 274 Insofern erlangt die Bestimmung des Zwecks von Informationsfreiheitsgesetzen bspw. Bedeutung für die - im Zusammenhang mit Plänen fur die Kodifizierung eines IGB durchaus aktuelle - Frage, ob der Bund ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen dürfte, das auch die Landesbehörden bindet.
68
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Grundrechtseingriffe, die ja gerade die Relation zwischen der Schwere des Grundrechtseingriffs und dem mit der hoheitlichen Maßnahme verfolgten Zweck zum Gegenstand hat. Und fiir die gesetzesgebundene Verwaltung und Rechtsprechung ist die Bestimmung des Gesetzeszwecks in all den Fällen als Auslegungshilfe von Bedeutung, in denen sie bei der Ausfüllung eigener Entscheidungsspielräume konfligierende Interessen in einer Weise in Ausgleich zu bringen haben, die den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen möglichst weitgehend Rechnung trägt. Hinzu tritt - speziell für Informationsfreiheitsgesetze - eine weitere Überlegung, die unter Vorgriff auf spätere Ausführungen schon an dieser Stelle skizziert werden muss, um die Bedeutung der Bestimmung des Gesetzeszwecks in ihrem vollen Ausmaße zu veranschaulichen: Der von den bereits geltenden Informationsfreiheitsgesetzen gewährte allgemeine Informationszugangsanspruch gewinnt seine Besonderheit gegenüber der alten und in den meisten Bundesländern sowie auf Bundesebene auch noch geltenden Rechtlage vor allem dadurch, dass er als voraussetzungsloses subjektives Recht ausgestaltet ist. Das bedeutet unter anderem, dass der Informationssuchende nicht verpflichtet ist, gegenüber der Verwaltung den Grund seines Informationsbegehrens offen zu legen. Mit dieser Zweckunabhängigkeit des Informationsanspruchs wollen die Gesetzgeber den Informationszugang erleichtern. Sie kann sich im Ergebnis gleichwohl als Nachteil für den Antragsteller erweisen. Denn wenn es der verpflichteten Verwaltung auch nicht mehr in ihr Ermessen gestellt ist, ob sie einem Interessierten Zugang zu behördlichen Informationen gewährt oder nicht, hat sie doch auch nach der neuen Rechtslage öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen, die dem Zugang zu den begehrten Informationen möglicherweise entgegenstehen. In solchen Konfliktfällen kulminiert die behördliche Entscheidung in der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Antragstellers und den öffentlichen oder privaten Geheimhaltungsinteressen. Weil der Antragsteller sein konkretes Informationsinteresse, sei es rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder wissenschaftlicher Art, aber gar nicht mehr offen zu legen hat, erscheint der abwägenden Verwaltung das Informationsbegehren entweder als bloßer Selbstzweck - und unterliegt fast zwangsläufig in einer Abwägung mit den entgegenstehenden Interessen, die regelmäßig von materiellen Rechtspositionen getragen werden oder aber es wird gestützt und getragen von den allgemeinen Zielsetzungen des gesetzlich gewährten Informationszugangsanspruchs - und geht mit nahezu gleichen Erfolgschancen in die Abwägung mit entgegenstehenden Rechtspositionen. Mit anderen Worten ist die Bestimmung der allgemeinen Ziele von Informationsfreiheitsgesetzen deshalb von so großer Bedeutung, weil sie bei der gebotenen Abwägung zwischen dem beantragten Informationszugang auf der einen Seite und der gebotenen Informationsrestriktion auf der anderen Seite an die Stelle des individuellen Zugangsinteresses treten.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
69
I. Informationszugänglichkeit als Mittel Aufgrund dieser weitreichenden Bedeutungen müssen die von den einzelnen Informationsfreiheitsgesetzen verfolgten Ziele sorgfältig mittels einer historischen und teleologischen Auslegung bestimmt werden.
/. Gesetzliche Zweck- und Mittelbestimmungen Eine historische und teleologische Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen wird der in der Praxis sicherlich nicht immer nach allen Regeln der juristischen Auslegungskunst vorgehenden Verwaltung nur oder jedenfalls besser möglich sein, wenn der Gesetzeszweck ausdrücklich normiert ist und sich nicht nur aus den entsprechenden Gesetzesmaterialien ergibt. 275 Obwohl es deshalb zum Kennzeichen moderner Gesetze geworden ist, dass sie in einer ersten Norm zunächst ihren Zweck offen- bzw. festlegen, 276 enthalten nicht alle der genannten Informationsfreiheitsgesetze bzw. Gesetzentwürfe eine entsprechende Zweckbestimmung. Im AIG-Bbg und auch im IFG-E bspw. sucht man eine solche Norm vergeblich. Wenig aussagekräftig sind aber auch die Zweckbestimmungen in § 1 IFG-SH und - nahezu identisch - in § 1 IFG-NRW. Danach ist es Zweck dieser Gesetze, „den freien Zugang zu den bei den Behörden [bzw. bei den öffentlichen Stellen, so das IFG-NRW] vorhandenen Informationen sowie die Verbreitung dieser Informationen zu gewährleisten und die grundlegenden Voraussetzungen festzulegen, unter denen derartige Informationen zugänglich gemacht werden sollen."
Diese Formulierungen entsprechen § 1 UIG, der wiederum wortgleich § 1 UIRL übernommen hat, 277 wobei diese beiden Regelungen freilich schon im Zweck ihre bereichsspezifische Begrenzung auf „vorhandene Informationen über die Umwelt" 21* zu erkennen geben. Entgegen der Verheißung in ihrer jeweiligen amtlichen Überschrift „Zweck des Gesetzes" geben solche gesetzlichen Normierungen keinen Hinweis auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, sondern beschränken sich auf eine Beschreibung des Gesetzesinhalts. Der Gesetzgeber resümiert in einer einleitenden Norm das unmittelbare Ergebnis seines Tätigwerdens und beschreibt damit 275 Zur Bedeutung der Bestimmung des Gesetzeszwecks für die Rechtspraxis s. Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 1, Rn. 6 m.w.N. 276 Vgl. bspw. den jeweiligen § 1 im BImSchG, KrW-/AbfG, BBodSchG, EnWG, TKG, TDG, SigG, PostG. 277 Zur „unreflektierten Übernahme" des Art. 1 UIRL durch § 1 UIG s. Turiaux, UIG, § 1, Rn. 3. 278 Hervorhebung durch M.R.
70
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
eher den Regelungsgegenstand als das Regelungsanliegen.279 Der Zugang zu Informationen erscheint nach solchen Formulierungen als bloßer Selbstzweck. Erst bei näherer Auslegung und insbesondere unter Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien treten die eigentlichen Regelungsziele hervor, die mit der allgemeinen Informationszugangsfreiheit realisiert werden sollen. Dabei wird freilich noch deutlicher, dass durch die genannten gesetzlichen Zweckbeschreibungen weniger die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele als vielmehr die zur Erreichung der (ungenannt bleibenden) Ziele vorgesehenen Mittel dargestellt werden. 280 Trotz der Notwendigkeit, das eigentliche Regelungsanliegen erst durch Auslegung ermitteln zu müssen, sind gesetzliche Zweckbestimmungen dieser Art doch nicht wertlos. 281 Das gilt insbesondere, wenn der Gesetzgeber wie im hier interessierenden Kontext der Informationszugänglichkeit geradezu einen Paradigmenwechsel anordnet, indem das Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis von Geheimhaltung und Informationszugang vollständig umgekehrt wird. Den gesetzlichen Zweckbestimmungen der geschilderten Art kommt in solchen Fällen eine nicht zu unterschätzende Hinweisfunktion zu, denn sie machen die gesetzesgebundene Verwaltung auf die grundlegende Veränderung der Rechtslage aufmerksam. 282 Darüber hinaus lassen auch solche Zweckbestimmungen den individuellen Informationsanträgen ein besonderes Gewicht zukommen, das die gesetzesgebundene Verwaltung bei der Abwägung mit etwaigen entgegenstehenden Interessen zu berücksichtigen hat. Dadurch kann die Gesetzesauslegung nachhaltig beeinflusst werden, wie die den Informationsanspruch nach dem UIG sehr weit interpretierende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zeigt.283 Aussagekräftiger sind in jedem Fall aber gesetzliche Zweckbestimmungen, die - wie die entsprechenden Normen im IFG-Bln, im IFG-ProfE und auch in der VO 1049/2001 - über eine bloße Inhaltsbeschreibung des Gesetzes hinausgehen und auch die hinter der Informationszugangsfreiheit stehenden Zielsetzungen erkennen lassen. Nach § 1 IFG-Bln besteht der Zweck des Gesetzes darin, „durch ein umfassendes Informationsrecht das in Akten festgehaltene Wissen und Handeln öffentlicher Stellen unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten unmittelbar der Allgemeinheit zugänglich zu machen, um über die bestehenden In-
279
Vgl. Scherzberg, DVB1. 1994, S. 733 (734). Deutlich für § 1 UIG Burkholz, NVwZ 1994, S. 124 (125); ähnlich Turiaux, § 1, Rn. 1; Hk-VIG/ Wegener, § 1, Rn. 15. 281 S. aber Turiaux, UIG, § 1, Rn. 1 („weitgehend wertlos"). 282 Mit dieser Begründung auch Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 1, Rn. 1. 283 Vgl. BVerwGE 102, 282 (286 f.), u. 108, 369 (373). 280
UIG,
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
71
formationsmöglichkeiten hinaus die demokratische Meinungs- und Willensbildung fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen" 2**
Den fur die Zweckbestimmung entscheidenden finalen Gliedsatz übernimmt auch § 1 IFG-ProfE, der mit der Erwähnung gegenläufiger Interessen zugleich noch das Gesamtregelungskonzept anspricht: 285 „Zweck der Informationszugangsfreiheit im Sinne dieses Gesetzes ist es, den freien Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen im Sinne des § 3 Abs. 1 vorhandenen Informationen sowie die Verbreitung dieser Informationen unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie überwiegender öffentlicher Belange nach Maßgabe des Zweiten Abschnitts zu gewährleisten und dadurch zugleich die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle staatlichen Handelns zu ermöglichen." 286
Diese Bestimmungen lassen nicht nur deutlich zwei Regelungsziele erkennen - nämlich die Förderung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung auf der einen Seite und die Ermöglichung einer Kontrolle staatlichen Handelns auf der anderen Seite - sondern bekräftigen durch ihre grammatikalische Struktur zugleich den Befund, dass mit dem auch von diesen Regelungen als „Zweck" charakterisiertem Informationszugang in Wirklichkeit das vom Gesetzgeber gewählte Mittel bezeichnet wird. Deutlich wird dies vor allem an der von § 1 IFG-Bln verwendeten Formulierung „durch ein umfassendes Informationsrecht" bzw. an der logischen Verknüpfung von Nr. 1 und Nr. 2 in § 1 IFG-ProfE „ und dadurch... Nicht ganz so klar, jedoch immerhin erkennbar unterscheidet Art. 1 VO 1049/2001 zwischen dem Informationszugang als Regelungsgegenstand und dem durch diesen verfolgten Regelungsziel. Nach dieser Norm ist es Zweck der Verordnung: a)
die Grundsätze und Bedingungen sowie die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des in Art. 255 EG niedergelegten Rechts auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission [...] so festzulegen, dass ein größtmöglicher Zugang zu Dokumenten gewährleistet ist,
b)
Regeln zur Sicherstellung einer möglichst einfachen Ausübung dieses Rechts aufzustellen, und
c)
eine gute Verwaltungspraxis im Hinblick auf den Zugang zu Dokumenten zu fördern." 287
284
Hervorhebung durch Vgl. die Begründung Hervorhebung durch Hervorhebung durch
285 286 287
M.R. von Schoch/Kloepfer, M.R. M.R.
IFG-ProfE, § 1, Rn. 1.
zu
72
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Obwohl die unter den Buchstaben a) und b) angesprochenen Aspekte in erster Linie nur den Regelungsgegenstand benennen, gehen sie in ihrer Aussagekraft doch insofern deutlich über die entsprechenden gesetzlichen Zweckbestimmungen im UIG, im IFG-SH und im IFG-NRW hinaus, als sie den Regelungsinhalt wertend beschreiben: Gewährleistet werden soll „ein größtmöglicher Zugang zu Dokumenten" bei „möglichst einfacher Ausübung" des Zugangsrechts. Hervorzuheben ist aber vor allem auch die Zwecksetzung unter Buchstabe c), mit der ein im Vergleich zu den geschilderten nationalrechtlichen Regelungen neuer Aspekt in Erscheinung tritt: die Förderung einer „guten Verwaltungspraxis." Darauf wird an späterer Stelle zurückzukommen sein.
2. Zielbestimmungen in den Gesetzesbegründungen Der Befund, dass ein allgemeines Informationszugangsrecht von den Gesetzgebern nicht als bloßer Selbstzweck, sondern als Mittel zur Verfolgung anderer Ziele gewährleistet wird, wird auch durch einen Blick in die Gesetzesbegründungen bestätigt, soweit diese überhaupt eine Zweckbestimmung vornehmen oder erkennen lassen. So fehlt nicht nur im AIG-Bbg selbst, sondern auch in der entsprechenden Gesetzesbegründung288 eine Festlegung der mit dem Gesetz verfolgten Ziele. Die Begründung legt vielmehr die Vermutung nahe, dass der brandenburgische Gesetzgeber allein tätig geworden ist, um den Verfassungsaufträgen aus Art. 21 Abs. 4 und Abs. 3 der brandenburgischen Verfassung nachzukommen. Dabei wurde noch nicht einmal die Zielsetzung dieser Verfassungsnormen ausdrücklich aufgegriffen, sondern nur pauschal auf die Aufgabe hingewiesen, „die Interessenabwägung zwischen den überwiegenden öffentlichen Belangen [...] und den überwiegenden privaten Belangen [...] einerseits und dem Verfassungsrecht aus Art. 21 Abs. 4 auf der anderen Seite auszugestalten."289 Die Gesetzesbegründungen zu den anderen schon in Kraft getretenen oder zumindest entworfenen Informationsfreiheitsgesetzen befassen sich dagegen ausdrücklich mit den durch das jeweilige Gesetz verfolgten Zielen und verdeutlichen dabei zugleich, dass die Gewährleistung eines allgemeinen Informationszugangsrechts als Mittel zur Erreichung dieser Ziele gewährt wird. In der Begründung zum IFG-Bln, der sich auch der IFG-ProfE weitgehend angeschlossen hat, 290 heißt es etwa:
288 289 290
BbgLT-Drs. 2/4417. BbgLT-Drs. 2/4417. Vgl. Schoch/Kloepfer,
IFG-ProfE, § 1, Rn. 7.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
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„Die Funktionsfähigkeit einer demokratisch organisierten Gesellschaft ist abhängig von der aktiven Mitgestaltung der gesellschaftlichen Realität durch kritische Bürgerinnen und Bürger als Souveräne dieser Gesellschaft. Grundvoraussetzung hierfür sind die Öffentlichkeit staatlichen Handelns (Freedom of Information) und der Schutz der individuellen Autonomie der Bürgerinnen und Bürger (Privacy Act). [...] Ziel des Gesetzes ist die „gläserne Verwaltung", deren Handeln transparent ist und deren Wissen kein Geheimwissen darstellt. Die Schaffung eines allgemeinen Akteneinsichtsrechts hat in diesem Sinne eine wichtige rechtsstaatliche Funktion, denn der freie Zugang zu den bei Behörden vorhandenen Informationen ist wesentlicher Bestandteil öffentlicher Partizipation und Kontrolle staatlichen Handelns." 291 Noch weiter gehen die Formulierungen in der Gesetzesbegründung zum IFG-SH: „Zum einen wird [den Bürgerinnen und Bürgern] Einblick in die Grundlagen von Verwaltungsentscheidungen gegeben, und somit eine erhöhte Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz dieser Entscheidungen und der zugrundeliegenden politischen Beschlüsse ermöglicht. Zum anderen betrifft der Anspruch die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in ihrem Interesse an der Entwicklung des Gemeinwesens. Ziel der Einfuhrung eines Informationszugangsrechtes ist es auch, die Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger in bezug auf das Handeln der staatlichen Organe dadurch zu optimieren, dass ihnen eine verbesserte Argumentationsgrundlage an die Hand gegeben wird. In diesem Sinne dient das Informationszugangsrecht einer - wenn auch mittelbaren Kontrolle staatlichen Handelns. Eine Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungsprozesse und deren Implementation ist auch im Hinblick darauf geboten, dass traditionelle Mechanismen der Entscheidungsfindung, -legitimation und Implementationskontrolle, wie Parlamente und Gerichte, an grundlegende Grenzen stoßen, was eine Weiterentwicklung herkömmlicher Beteiligungsformen im Sinne einer Überlebens- und wandlungsfähigen parlamentarischen Demokratie wünschenswert erscheinen lässt. Sowohl das Ziel der Transparenz als auch das Ziel des bürgerschaftlichen Mitwirkens erfordern, dass die zur Verfügung gestellte Information möglichst originär, direkt und unverfälscht ist." 292 Die Begründung für das IFG-NRW nimmt darüber hinaus zu den Bedürfnissen einer Informationsgesellschaft Stellung: „Das geltende Recht räumt den Bürgerinnen und Bürgern in der Regel nur Informationsrechte zur Wahrung ihrer individuellen Rechte gegenüber dem Staat ein. In der Informationsgesellschaft gewinnt aber die Frage eines darüber hinausgehenden Informationszugangs und somit die Schaffung und Verwirklichung eines allgemeinen Informationszugangsrechts auch unabhängig von ei291 292
BlnAbgh.-Drs. 13/1623, S. 4 f. SHLT-Drs. 14/2374, S. 11.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
ner individuellen Betroffenheit zunehmend an Bedeutung. Im Hinblick auf diese Entwicklung und die Vielzahl der allein bei den öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen kann die bloße Möglichkeit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, nicht mehr genügen. Ein Kennzeichen der Informationsgesellschaft ist, dass die einzelnen Bürgerinnen und Bürger in zunehmendem Maß vom Zugang zu Informationen abhängig werden. Nur durch den Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen vorhandenen amtlichen Informationen ist gewährleistet, dass die Bürgerinnen und Bürger mit hinreichender Sachkenntnis an Entscheidungsprozessen auf Landesebene und auf kommunaler Ebene beteiligt sind. Die Herstellung von Transparenz der öffentlichen Verwaltung ist daher eine Grundvoraussetzung bei der humanen Gestaltung der Informationsgesellschaft. Das Prinzip des freien Zugangs von Informationen ist wesentlicher Bestandteil des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips. Der freie Zugang zu Informationen erhöht die Transparenz der Verwaltung und die Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz behördlicher Entscheidungen und der zu Grunde liegenden politischen Beschlüsse. Er dokumentiert das Prinzip einer offenen Verwaltung, die im Dienste der Bürgerinnen und Bürger steht." 293 Schließlich seien noch einige Passagen aus der sehr umfangreichen Begründung des E-IFG zitiert: „(Erst) mit zunehmender Informiertheit erkennt der Bürger Wechselwirkungen in der Politik und ihre Bedeutung für seine Existenz; dadurch wächst seine Freiheit zur Mitverantwortung und zur Kritik. Die Transparenz behördlicher Entscheidungen ist eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten [...]. Dies gilt angesichts der wachsenden Informationsmacht des Staates unter Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken heute mehr denn je. Den Gefährdungen, die sich durch die Entwicklung der modernen Informationstechniken für den einzelnen und für die Demokratie ergeben, muss mit Datenschutzrechten auf der einen und Informationszugangsrechten auf der anderen Seite entgegengewirkt werden [...]. Beides ergänzt sich in notwendiger Weise; insbesondere darf der Datenschutz nicht als bloßer Vorwand für eine Informationsverweigerung dienen [...]. Lebendige Demokratie verlangt, dass die Bürger die Aktivitäten des Staates kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen [...]. Das Informationsfreiheitsgesetz ist daher notwendig, um entsprechend innerstaatlichen, europäischen und internationalen Tendenzen die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger durch eine Verbesserung der Informationszugangsrechte zu stärken [...]. Das Informationsfreiheitsgesetz dient damit vor allem der demokratischen Meinungs- und Willensbildung. In der modernen Informationsgesellschaft werden Informations-, Kommunikations- und Partizipationsanliegen der Bevölkerung immer wichtiger und verwaltungstechnisch immer leichter erfüllbar. Gleichzeitig wandelt sich das VerwaltungsVerständnis: Neben das autoritative Handeln des Staates
293
NWLT-Drs. 13/1311, S. 1 f.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
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tritt zunehmend eine konsensorientierte Kooperation mit dem Bürger, die eine gleichgewichtige Informationsverteilung erfordert. Die neuen Informationszugangsrechte verbessern die Kontrolle staatlichen Handelns und sind insofern auch ein Mittel zur Korruptionsbekämpfung. Eine öffentliche Partizipation wird insofern dazu beitragen, die Akzeptanz staatlichen Handelns zu stärken. Die zusammenfassende Gesamtbetrachtung dieser einzelnen Gesetzesbegründungen lässt deutliche Gemeinsamkeiten oder zumindest doch Parallelen erkennen. Unter Berücksichtigung auch der gesetzlichen Zweckbestimmungen lassen sich die Gesetzgebungsintentionen deshalb wie folgt systematisieren: Im Vordergrund steht deutlich die Kontroll- und Partizipationsfunktion von Informationsfreiheitsgesetzen. Die Bürger sollen verstärkt an den staatlichen Entscheidungen teilhaben und diese auch kontrollieren können. Untermauert werden diese Funktionen durch einen Rückgriff auf das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip. Darüber hinaus soll aber auch eine optimale Nutzung der bei der Verwaltung vorhandenen Informationen ermöglicht und zugleich die Effizienz des Verwaltungshandelns verbessert werden. Zur Begründung wird diesbezüglich vor allem auch auf politik-, verwaltungs- und wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse verwiesen. Schließlich lassen sich verschiedene Spezialfunktionen ausmachen, die vom Umweltschutz über den Verbraucherschutz bis hin zur Vergangenheitsbewältigung reichen. Dies gilt zwar weniger für die allgemeinen Informationsfreiheitsgesetze, jedoch um so mehr für die bereichsspezifischen Informationszugangsgesetze (UIG, VerbIG, StUG). Insbesondere die Hauptfunktionen gehen zurück auf Erwägungen, die schon zum Erlass des schwedischen Vorbilds geführt haben: „Democracy (facilitating the free exchange of views and information), control or legal certainty and efficiency of the public administration." 295 Und auch Normzweck aller Einsichtsrechte in den U.S.A. (d.h. des FOIA auf Bundesebene sowie der Zugangsgesetze in den einzelnen Bundesstaaten) ist stets der Gedanke, „dass der Zugang zu Informationen für die Demokratie wesentlich ist, der Kontrolle der Verwaltung dient und die Informationen sowieso dem Volk gehören." 296 An anderer Stelle heißt es: „Die Kenntnis des Bürgers von den Staatsgeschäften ist als alte demokratie-theoretische Forderung tief im amerikanischen Verfassungsverständnis
294
E-IFG, Stand: 26.11.2001, mit Einfügungen/Streichungen v. 12.4.2002. Vgl. Österdahl, 23 ELRev. (1998), S. 336 (337). 296 So Partsch, NJW 1998, S. 2559 ff.; unter Rückgriff auf den FOIA von Oklahoma: „The purpose of this act is to ensure and facilitate the public's right to access to and review of government records so they may efficiently and intelligently exercise their inherent political power." Ihm folgend etwa Schoch, VerwArch 35 (2002), S. 149 (156). 295
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
vom Volk als Souverän begründet." 297 Auch das niederländische Gesetz geht davon aus, dass „Offenheit und Öffentlichkeit für eine gute demokratische Verwaltungsführung wichtig sind" 298 und die Erkenntnis-, Kontroll- und Partizipationsmöglichkeiten der Bürger erweitern. 299 Die gleichen Funktionen werden dem Akteneinsichtsrecht in Frankreich zugesprochen. 300 Und nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts soll „der Transparenzgrundsatz [...] für eine stärkere Teilnahme der Bürger an Entscheidungsprozessen sorgen und eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber den Bürgern in einem demokratischen System gewährleisten. Er trägt zur Stärkung des Demokratiegrundsatzes und der Beachtung der Grundrechte bei." 301 Die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen Haupt-, Neben- und Spezialfunktionen, die, das sei noch einmal betont, vor allem auf den gesetzlichen Zweckbestimmungen und den Gesetzesbegründungen beruht, ist keinesfalls zwingend. Ungeachtet anderer, 302 je nach Perspektive möglicherweise gar gebotener Systematisierungen 303 lässt sich zweierlei aber ganz gewiss schon an dieser Stelle festhalten: Erstens wird das Informationszugangsrecht von sämtlichen Regelungen nicht als Selbstzweck, sondern im Interesse anderer Zielsetzungen gewährleistet. Und zweitens ist auch die in der politischen wie in der wissenschaftlichen Diskussion hoch gepriesene und viel zitierte Transparenz nicht das eigentliche Ziel, das mit einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit erreicht werden soll. Die Transparenz ist vielmehr nur ein Zwischenziel, das die Verwirklichung anderer Ziele ermöglichen soll.
297 Kneife!, CR 1990, S. 134; unter Verweis auf Smiley, Freedom of Information: Rationales and Proposals for Reform, in: McCamus, Freedom of Information Canadian Perspectives, Toronto 1981, S. 7. Vgl. zu den Funktionen des FOIA auch Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, S. 54. 298 Zitiert nach Ziegler-Jung, DuD 1990, S. 409 (410). 299 Zitiert nach Kneifel, DuD 1984, S. 103 (107). 300 Vgl. Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 180. 301 EuG, Rs. T-211/00, 7.2.2002 (Kuijer/Rat -2), Slg. 2002, II 485. 302 Schröder, Die Verwaltung 4 (1971), S. 301 ff., bspw. unterscheidet drei generelle Funktionen von Publizität im öffentlichen Bereich, nämlich die Darstellungs-, die Appell- und die Kundgabefunktion. Im Hinblick auf die Aktenöffentlichkeit bei der Verwaltung differenziert er zusätzlich zwischen einer Kontrollfunktion, einer Entlastungsund einer Rechtsverteidigungsfunktion. Ähnlich Kahl, Der europarechtlich determinierte Verfassungswandel im Kommunikations- und Informationsstaat Bundesrepublik Deutschland, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 9 (13 ff.), der eine Kontroll-, Entlastungs-, Legitimations-, Rechtsschutz- und Appellfunktion ausmacht. 303 Zu einer anderen Differenzierung gelangte man insbesondere, wenn man unter Berücksichtigung der praktischen Erfahrungen mit bereits geltenden Informationsfreiheitsgesetzen weniger deren Funktionen als vielmehr deren Wirkungen beschriebe.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
77
Besonders deutlich wird diese vom Gesetzgeber ins Auge gefasste Wirkungsweise allgemeiner Informationszugangsfreiheit in § 1 IFG-Bln: „Durch ein umfassendes Informationszugangsrecht" (Mittel) soll „das in Akten festgehaltene Wissen und Handeln öffentlicher Stellen [...] unmittelbar der Allgemeinheit zugänglich" gemacht werden (Zwischenziel), „um über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fordern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen." (Hauptfunktionen).
II. Transparenz als Zwischenziel Mit der Gewährleistung eines allgemeinen Informationszugangsrechts soll zunächst einmal die generelle Öffentlichkeit der Verwaltung hergestellt werden.
/. Öffentlichkeit
oder Transparenz der Verwaltung?
Dabei wird die Diskussion um die Öffentlichkeit der Verwaltung insbesondere in jüngerer Zeit mitunter weniger unter dieser Begrifflichkeit als vielmehr unter dem Begriff der Transparenz gefuhrt. 304 Die Ursache hierfür muss wohl ebenso wie der erneute und entscheidende Anstoß zur Diskussion um die Informationszugangsfreiheit auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts gesucht werden. In der Diskussion um das „demokratische Defizit" der Europäischen Gemeinschaften wurde als eine Ursache für die zum Teil beobachtete Europafeindlichkeit die unverständliche Kompetenzstruktur und das undurchsichtige Agieren der „Brüsseler Bürokratie" ausgemacht. Eine verstärkte Transparenz sollte dagegen ein „Europa der Bürger" 305 schaffen, die Zuständigkeits-, Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen offen legen und auf diese Weise die „Akzeptanzkrise" 306 überwinden. Dabei ist der im Gemeinschaftsrecht verwendete Begriff der Transparenz bis heute unscharf geblieben.307 Von seinen beiden Bedeutungsgehalten, die ihm im allgemeinen Sprachgebrauch zukom-
304 Vgl. aber schon Bäumler, JR 1984, S. 361 (363), der der Transparenz „im Zeitalter der modernen Datenverarbeitung ein Eigengewicht zu(misst), das der Aushöhlung und faktischen Beeinträchtigung von Grundrechten wie auch der Gefährdung der demokratischen Substanz entgegengesetzt werden soll." 305 Vgl. hierzu statt vieler Oppermann, Europarecht, Rn. 1548 ff. m.w.N. 306 Vgl. hierzu Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 500 ff. 307 Vgl. Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 33 ff.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
men,-08 scheint die Bedeutung „Deutlichkeit, Verstehbarkeit und Erkennbarkeit" im Vordergrund der politisch-juristischen Verwendung zu stehen, wohingegen die Bedeutung des Begriffs „Durchscheinen, Durchsichtigkeit" eher in den Hintergrund tritt. Beide Aspekte hängen freilich miteinander zusammen. Festzuhalten ist jedenfalls, dass sich der Begriff in seiner Verwendung im Rahmen des primären Gemeinschaftsrechts 309 regelmäßig auf das Rechtsetzungsverfahren bezieht.310 Nicht zuletzt deshalb hat sich fur die in Art. 1 Abs. 2 EU gewählte Formulierung „eine Union ..., in der die Entscheidungen möglichst offen und bürgernah getroffen werden" die Bezeichnung „Transparenzgebot" durchgesetzt. 311 Mit der Übernahme des Begriffs der Transparenz von der Gemeinschaftsebene auf die nationale Ebene ist diese Ausrichtung auf die Rechtsetzung verloren gegangen: In der innerdeutschen Diskussion wird der Begriff der Transparenz in erster Linie in Zusammenhang mit der Tätigkeit der Verwaltung verwendet.312 Eine ausschließliche Zuordnung zum Untersuchungsgegenstand der Öffentlichkeit der Verwaltung - im Unterschied etwa zur Öffentlichkeit der Gesetzgebung und der Rechtsprechung - lässt sich gleichwohl nicht vornehmen. In der allgemeinen Diskussion um die Publizität der Verwaltung werden die Begriffe Öffentlichkeit und Transparenz vielmehr weitgehend synonym verwendet. 313 Dabei könnte die auf die Öffentlichkeit der Verwaltung be308
Vgl. bspw. Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, 22. Band, 20. Aufl.
1999. 309
Seine Verwendung im sekundären Gemeinschaftsrecht, bspw. in der Richtlinie RL 2000/52/EG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen (sog. Transparenzrichtlinie) v. 26.7.2000, ABl. EG 2000 Nr. L 193, S. 75, soll hier nicht näher betrachtet werden. 310 Vgl. bspw. Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 30 u. S. 87 ff.; Heitsch, EuR 2001, S. 809 ff.; Kahl, ZG 1996, S. 224 ff.; Kugelmann, EuR 1996, S. 207 ff.; Blanchet, RTDE 1997, S. 915 ff.; Bradley, C.D.E. 1999, S. 283 ff. Vgl. auch die Beiträge in Rideau (Hrsg.), La Transparence dans l'union européenne - mythe ou principe juridique? 311 Vgl. bspw. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EGV/EUV, Art. 1 EUV, Rn. 34 ff. 312 Vgl. nur Kloepfer (Hrsg.), Die transparente Verwaltung - Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen. 313 Roßnagel, Möglichkeiten der Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 257 (264 ff.), verwendet die Begriffe Transparenz und Öffentlichkeit stets nebeneinander. Gegen eine Gleichsetzung der beiden Begriffe explizit Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 30; sowie Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 105. Gröschner, VVDStRL 63 (2003), S. 346; bezeichnet Transparenz als jüngere Schwester der Publizität mit dem Unterschied, dass diese sich demokratisch (bzw. republikanisch), jene sich dagegen rechtsstaatlich legitimiere. Er favorisiert deshalb eine auch begriffliche Differenzierung: „Rechtsstaatliche Transparenz zielt auf Legalität staatlichen Handelns, de-
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
79
schränkte Verwendung des Begriffs Transparenz einen Unterschied zur Öffentlichkeit von Parlamentsdebatten und Gerichtsverhandlungen zum Ausdruck bringen, der in der zeitlichen Komponente zu finden ist: Die Sitzungsöffentlichkeit in Parlament und Gerichten führt zur gleichzeitigen, zur simultanen Öffentlichkeit, während die durch freien Informationszugang gewährte Transparenz der Verwaltungstätigkeit (nur) eine retrospektive Öffentlichkeit zulässt. Denn eine „Öffentlichkeit in Echtzeit44 ist bei Verwaltungstätigkeiten schlechterdings nicht praktikabel. 314 Anders als Parlamente oder Gerichte entscheidet die Verwaltung nämlich regelmäßig nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt 315 und sie entscheidet vor allem auch nicht auf mündliche Verhandlungen, deren Zuhörer zeitgleich eine kritische Öffentlichkeit herstellen könnten. Verwaltung wird vielmehr in erster Linie schriftlich ausgeübt, und insofern muss die Öffentlichkeit der Verwaltung auf andere Weise als durch gleichzeitige Anwesenheit hergestellt werden, bspw. eben durch einen allgemeinen Zugang zu den Informationen der Verwaltung.
2. Öffentlichkeitsmaß
der anderen staatlichen Gewalten
In der Diskussion um eine allgemeine Informationszugangsfreiheit wird diese mögliche begriffliche Unterscheidung zwischen Öffentlichkeit und Transparenz nicht vorgenommen. Es geht den Befürwortern einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit ja auch weniger darum, etwaige faktisch gebotene Unterschiede in der Öffentlichkeitsausgestaltung der einzelnen staatlichen Gewalten hervorzuheben, als vielmehr darum, die normativen Unterschiede zwischen der Öffentlichkeitsgewährleistung der einzelnen staatlichen Gewalten zu beseitigen. Um der politischen Forderung nach einem allgemeinen Informationszugangsrecht rechtswissenschaftliche Schützenhilfe zu leisten, wird deshalb häufig das rechtlich gewährleistete Öffentlichkeitsmaß der drei staatlichen Gewalten miteinander verglichen und zutreffend konstatiert, dass im Unterschied zur Exekutive sowohl bei der Legislative als auch bei der Judikative eine weitgehende Öffentlichkeit gewährleistet wird. 316
mokratische Allgemeinheit auf seine Legitimation und republikanische Publizität auf seine Legitimität." (aaO S. 9). 3.4 Auf die Impraktikabilität eines allgemeinen Publikumszugangs zur Exekutivtätigkeit weist auch Kloepfer, in: HStR, Bd. 2, § 35, Rn. 60, hin. 3.5 Dass insb. die Entscheidungen der Gerichte, vor allem der Zivil- und Verwaltungsgerichte, nur auf Grund, nicht aber in der mündlichen Verhandlungen getroffen werden, wird nicht übersehen. 3.6 Vgl. bspw. Sokol, DuD 1997, S. 380 (380); Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 303 f.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Was die Legislative betrifft, stützt sich diese Beurteilung vor allem auf die Öffentlichkeit der Plenarverhandlungen der Parlamente, die für den Bundestag von Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG und für die Landesparlamente von entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Regelungen normiert wird. Die Öffentlichkeit parlamentarischer Verhandlungen ist notwendige Bedingung einer repräsentativen Demokratie. 317 Sie sichert nicht nur die notwendige Kommunikation zwischen den Wählern und den Gewählten, sondern ist zugleich unerlässlich für die demokratische Legitimation parlamentarischer Entscheidungen.318 Das Bundesverfassungsgericht bewertet „öffentliches, d.h. nachvollziehbares Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion als wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus." 319 Der Grundsatz der Öffentlichkeit impliziert das Recht der Bürger, an den Sitzungen als Zuhörer teilzunehmen - eine Möglichkeit, die faktisch durch die Raumkapazität zunächst begrenzt, durch die Präsenz der Massenmedien letztlich aber doch wieder entgrenzt wird. Auch der Bundesrat verhandelt gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 3 GG regelmäßig öffentlich. 320 Und Gesetze und Rechtsverordnungen, also die wichtigsten abstrakt-generellen Rechtssätze, müssen gemäß Art. 82 Abs. 1 S. 1 u. 2 GG im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Die Gesetzgebungspraxis geht über diese verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen 321 sogar noch hinaus. Nicht nur die Diskussion im Plenum und das in Gesetz geformte Abstimmungsergebnis sind für die Öffentlichkeit zugänglich, vielmehr wird der gesamte Gesetzgebungsprozess dokumentiert - von dem Entwurf des Gesetzes (häufig schon von einem entsprechenden Referentenentwurf) über dessen Behandlung in den Ausschüssen und im Plenum des Bundestages bis hin zur Entscheidung im Bundesrat und gegebenenfalls im Vermittlungsausschuss. Die NichtÖffentlichkeit der Beratungen in den Aus-
317
Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 42, Rn. 20, spricht von einem „notwendigen Begleitelement". Vgl. auch Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, S. 20: „notwendiges Begleitinstrument". 318 Näher hierzu Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 296 f. 3,9 BVerfGE 70, 324 (355). 320 Er kann gemäß § 17 Abs. 2 GO-BR ausnahmsweise aber auch den Ausschluss der Öffentlichkeit beschließen. 321 Nicht zu übesehen ist freilich, dass diese Mindestanforderungen häufig rein theoretischer Natur sind. Häufig kommt es im Plenum des Bundestag nur noch zur öffentlichen Proklamation der in den Ausschüssen, in den Parteizentralen der Regierungsfraktion, vermehrt sogar in parlamentsexternen Kommissionen getroffenen Entscheidungen. Neu ist dieser Befund freilich nicht, vgl. bspw. schon Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, S. 299 ff.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
81
schüssen des Bundestages322 und des Bundesrates 323 sowie im Vermittlungsausschuss324 wird durch diese Möglichkeit nachträglicher Publizität in gewissem Maße relativiert. Seitdem der Bundestag den Dokumentationsservice für parlamentarische Vorgänge im Internet eingerichtet hat, kann der Gesetzgebungsprozess sogar sehr zeitnah verfolgt werden. In Bezug auf die Judikative kann zum einen auf den Grundsatz der Öffentlichkeit (mündlicher) Gerichtsverhandlungen verwiesen werden, der im Grundgesetz selbst zwar nicht ausdrücklich festgeschrieben ist, 325 dessen Verfassungsrang in der Rechtsprechung 326 und im Schrifttum aber weitgehend anerkannt ist. 327 Einfach-gesetzlich ist das Prinzip der (Saal-) Öffentlichkeit 328 der (Haupt-) Verhandlung und der Entscheidungsverkündung in den §§ 169 ff. GVG 329 sowie in den Prozessordnungen 330 niedergelegt und außerdem auch von Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK umfasst. 331 Zum anderen sind die Gerichte verfassungsrechtlich verpflichtet, wichtige Entscheidungen zu veröffentlichen. 332 Der Grund für diese Veröffentlichungspflicht liegt vor allem in der gesetzesergänzenden und präjudizierenden Wirkung gerichtlicher Entscheidungen, so dass insoweit der Gedanke des Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG zum Tragen kommt. Zum
322 Vgl. § 69 Abs. 1 S. 1 GO-BT mit der Möglichkeit der Zulassung der Öffentlichkeit nach § 69 Abs. 1 S. 2 GO-BT. 323 Vgl. § 37 Abs. 2 GO-BR. 324 Vgl. § 7 GO-VermA. 325 Vgl. schon BVerfGE 15, 303 (307), deutlich Leisner, Der unsichtbare Staat, S. 58. 326 Vgl. BVerfGE 70, 324 (358); 103, 44 (63). 327 Vgl. nur Pieroth, Gerichtsöffentlichkeit und Persönlichkeitsschutz, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, S. 249 (255), m.w.N. Zur Entstehung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht vgl. bspw. Ranft, Jura 1995, S. 573 ff. 328 Vgl. BVerfGE 103, 44 (65): „Der Gesetzgeber war nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, wohl aber befugt, die Öffentlichkeit auf die im Raum der Verhandlung Anwesende zu begrenzen." 329 Vgl. zur Gerichtsberichterstattung in der Informationsgesellschaft R.A. Lorz, Gerichtsberichterstattung und Informationsanspruch der Öffentlichkeit aus der Sicht deutscher und amerikanischer Verfassungsrechtsprechung, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 59 ff. 330 Vgl. §§310 f. ZPO, § 268 StPO, § 55 VwGO, § 52 ArbGG, § 202 SozGG, § 52 FGO. Anders freilich die Verfahren vor den Dienst- und Ehrengerichten, vgl. § 73 BDO, § 63 DRiG, § 135 BRAO, § 96 BNotO. 331 Vgl. Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. 6, Rn. 117 ff. 332 BVerwGE 104, 105; dazu Bespr. Huff NJW 1997, S. 2651 ff., sowie Tiedemann, NVwZ 1997, 1187 ff.; allg. zur Veröffentlichungspflicht etwa Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 97 ff. m.w.N.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Teil wird zur Begründung auch direkt auf das Demokratieprinzip verwiesen. 333 Entscheidend sind in jedem Fall die normativen Gehalte der Gerichtsentscheidungen, während die deskriptiven, also die primär auf den Sachverhalt bezogenen tatsächlichen Informationen grundsätzlich keine Veröffentlichungspflicht gerichtlicher Entscheidungen indizieren. Sie werden vielmehr im Gegenteil häufig durch Anonymisierung entindividualisiert. 334 Von dieser gewaltenvergleichenden Perspektive aus erscheint die Forderung nach mehr Öffentlichkeit der Verwaltung (bei undifferenzierter, die Unterschiede im Publizitätserfordernis der einzelnen Gewalten ausblendender Betrachtung) zunächst einmal verständlich. Denn in der Tat ist das Verwaltungshandeln im Vergleich zu den Tätigkeiten der anderen staatlichen Gewalten eher durch Opazität als durch Publizität gekennzeichnet. Versteht man die Herstellung von Öffentlichkeit dagegen nicht als Selbstzweck, sondern begreift sie funktional, 335 erscheint der vergleichende Hinweis auf das Öffentlichkeitsmaß der anderen beiden staatlichen Gewalten nur als schwaches Argument für die Forderung nach einer Transparentierung der Verwaltung. Denn soweit Öffentlichkeit der Kontrollierbarkeit staatlicher Gewalten dient, besteht im Bereich der Exekutive schon deshalb ein geringeres Bedürfnis nach (mehr) Öffentlichkeit, weil die Exekutive bereits einem umfassenden Kontrollsystem unterworfen ist. Das gilt zumindest für den Bereich der Verwaltungstätigkeit, weniger zugegebenermaßen für den Bereich der Regierungstätigkeit. Und soweit durch Öffentlichkeit eine verstärkte Partizipation der Bürger an Verwaltungsentscheidungen bewirkt werden soll, erscheint es aufgrund des primär konkretindividuellen Charakters von Verwaltungsmaßnahmen grundsätzlich ausreichend, wenn nur die von der spezifischen Verwaltungsentscheidung Betroffenen an dem jeweiligen Verwaltungsverfahren beteiligt werden. Die in § 13 VwVfG zum Ausdruck kommende Unterscheidung zwischen Beteiligten und Nicht-Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens erscheint jedenfalls im Grundsatz sachgerecht.
333 So Hoffmann-Riem, JZ 1989, S. 637 (637); ihm folgend Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 97. 334 Vgl. Garstka, Zur Wissensordnung der Informationsverarbeitung - Plädoyer fur ein allgemeines Informationsgesetz, Typoskript, S. 3 f. 335 Interessant insoweit auch der Ansatz von Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, S. 66 f.; die die Funktion der von § 169 GVG gewährten Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen primär „in der Symbolbildung richtiger und gerechter Entscheidungen" sieht, während bei der durch die landespressegesetzlichen Informationsansprüche mittelbar zu gewährleistenden Öffentlichkeit der Verwaltung das „Informationsinteresse der Allgemeinheit, die Massenmedienöffentlichkeit, im Vordergrund" stehe.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
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3. Verfassungsrechtliche Begründung allgemeiner Informationszugangsfreiheit? Lässt man eine genauere Analyse des Öffentlichkeitsbedürfnisses der einzelnen staatlichen Gewalten zunächst außer Acht, mag das im Vergleich zur Legislative und Judikative geringere Öffentlichkeitsmaß der Exekutive durchaus für die Einführung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit sprechen. Ein verbindlicher Regelungsauftrag lässt sich aus dieser Beobachtung aber nicht ableiten. Denn eine ausdrückliche Normierung exekutiver Öffentlichkeit enthält das Grundgesetz nicht. 336 Gleichwohl wird die Herstellung der Öffentlichkeit der Exekutive heute überwiegend auch verfassungsrechtlich begründet. Dabei beschränken sich einige Autoren darauf, dem Grundgesetz ein objektiv-rechtliches prinzipielles Publizitätsprinzip der Verwaltung zu entnehmen. Andere wollen sogar eine subjektiv-rechtliche Verbürgung allgemeiner Informationszugangsfreiheit erkennen. a) Objektiv-rechtliches Öffentlichkeitsgebot? Nicht nur in den Gesetzesbegründungen,337 auch im überaus zahlreichen Schrifttum wird immer wieder der Zusammenhang zwischen der gewünschten Verwaltungsöffentlichkeit und den Vorgaben des Demokratieprinzips hervorgehoben,338 ohne dass freilich der genaue Konnex immer deutlich zum Aus-
336 Ebenso Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (201); unter Verweis auf BVerwG, DÖV 1997, S. 732. 337 Vgl. die zitierten Passagen aus den Begründungen zum IFG-Bln, IFG-SH, IFGNW sowie zum E-IFG und zum Prof-IFG. Deutlich auch die Formulierung im geänderten Vorschlag für eine UIRL v. 20.3.1990 (ABl. EG 1990 Nr. C 102, S. 6): „Der öffentliche Charakter von Informationen ist ein wesentlicher Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft." 338 Deutlich Scherer, Verwaltung und Öffentlichkeit, S. 30: „Demokratie [...] verlangt weitest gehende Kontrollierbarkeit von Machtausübung, die [...] durch einen allgemeinen Akteneinsichtsanspruch gewährleistet wird." Nach Kloepfer, Umweltstaat, S. 59, lassen sich Informationsrechte der Öffentlichkeit aus dem Demokratieprinzip ableiten. Bieber, DÖV 1991, S. 857 (864 ff.), greift auf das Demokratieprinzip zurück, um eine Verwaltungsöffentlichkeit in Bezug auf Informationen von grundlegender Bedeutung für Staat und Gesellschaft sowie im Falle von Gefahren fiir individuelle Rechtsgüter einer unbestimmten Zahl von Personen zu begründen. Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 109, spricht bspw. von dem „allgemeinen demokratischen Transparenzgedanken". Sokol, DuD 1997, S. 380 (380), will „mit Verwaltungstransparenz mehr Demokratie wagen". Roßnagel, Möglichkeiten der Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 257 (265 ff.), stützt „Transparenz und Öffentlichkeit" als „notwendige Modi des Verwaltungshandelns [...] auf grundrechtliche Vorgaben, auf Anforderungen des demokratischen und sozialen Rechtsstaats sowie auf
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
druck käme.339 Weniger als Begründung denn vielmehr als Beleg wird in diesem Zusammenhang stets eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zitiert, in der das Gericht festgestellt hat, dass das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG auch ein „allgemeines Öffentlichkeitsprinzip" umfasse. 340 In der Tat kann nicht geleugnet werden, dass das Grundgesetz mit Art. 20 Abs. 1 GG insgesamt eine Grundentscheidung zu Gunsten einer offenen, transparenten Rechts- und Staatsordnung getroffen hat. 341 Für die konkrete Ausgestaltung der Öffentlichkeit staatlichen Handelns im Allgemeinen und der Verwaltung im Besonderen ist mit dieser prinzipiellen Feststellung allerdings nur wenig gewonnen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht aus diesem „allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip" z.T. konkrete Folgen, etwa den im Grundgesetz selbst nicht ausdrücklich normierten Grundsatz der Budgetöffentlichkeit, abgeleitet.342 Insgesamt erweist sich das von Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG konkretisierte demokratische Prinzip des Grundgesetzes aber als zu unbestimmt, um daraus konkrete Vorgaben für die allgemeine Öffentlichkeit der Verwaltung zu entnehmen.343 Dazu ist der Zusammenhang zwischen Demokratie und Öffentlichkeit zu ambivalent. Es wäre jedenfalls verfehlt, aus der demokratischen Verfassung eines Staatswesens auf die fehlende Notwendigkeit von Geheimnissen zu schließen.
das veränderte Verständnis der Staatsaufgaben in der Informationsgesellschaft." Nach Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (187), „sind Öffentlichkeit und Informationsfreiheit Existenzbedingungen des demokratischen Systems", bzw. ist, so ders., VerwArch 35 (2002), S. 149 (156), „das Konzept der grundsätzlichen Informationszugangsfreiheit im öffentlichen Sektor [...] ein spezifischer Ausdruck eines demokratischen Gemeinwesens.". Nach Jestaedt, AöR 126 (2001), S. 204 (215), ist „Öffentlichkeit [...] für die freiheitliche Demokratie Voraussetzung und Produkt, Lebenselexier und Erkennungszeichen gleichermaßen." Vgl. auch die Stellungnahme des GA Tesauro, Rs. C-58/94 (Niederlande/Rat), Slg. 1996, 1-2171, Rn. 15: „ M i t dieser Regelung wird anerkannt, dass das Recht des Einzelnen auf Zugang zu Informationen, die im Besitz von Behörden sind, Ausdruck des demokratischen Prinzips ist und deshalb mitbestimmend für diese Staatsform ist." 339 Dies rügt auch Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 36. 340 Erstmals BVerfGE 20, 162 (178); vgl. auch BVerfGE 70, 324 (358); deutlich nun BVerfGE 103,44 (63). 341 Vgl. Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 33, m.w.N. S. auch Böckenförde, in: HStR, Bd. I, § 22, Rn. 83: „Die politische Willensbildung hat sich [...] im Lichte der Öffentlichkeit abzuspielen und darf nicht öffentlicher Einsichtnahme enthoben sein: sie ist ihrem Wesen nach auf Transparenz ausgelegt." 342 BVerfGE 70, 324 (358), bezugnehmend auch BVerfGE 79, 311 (344 f.). Auf diese Rechtsprechung verweist bspw. Roßnagel, Möglichkeiten der Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 257 (267) zur Begründung der Öffentlichkeit der Verwaltung. 343 Ausf. Kloepfer, in: HStR, Bd. II, § 35, Rn. 58 ff.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 60 ff..
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
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Auch in einer Demokratie können wichtige Erwägungen für die Geheimhaltung behördlicher Informationen sprechen, etwa zur Gewährleistung der Funktionsund Entscheidungsfähigkeit staatlicher Organe sowie zum Schutz einzelner Bürger. 344 Die Befürworter einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit verkennen freilich nicht, dass die Öffentlichkeit der Verwaltung ihre Grenzen in verfassungsrechtlichen oder verfassungsrechtlich anerkannten Gründen finden muss. Sie meinen gleichwohl, dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes mittlerweile - nicht zuletzt auf Grund der positiv beurteilten Entwicklungen der Informationszugangsfreiheit in anderen Rechtsordnungen - ein prinzipielles Publizitätsprinzip des administrativen Systems entnehmen zu können.345 Die Publizität von Regierung und Verwaltung sei zwingend erforderlich für die legitimatorische Rückkopplung der Exekutive an das Volk, für die Sicherung des Gemeinwohlbezugs ihres Handelns und für die Gewährleistung wirkungsvoller staatsbürgerlicher Teilhabe. 346 Insbesondere im Zusammenhang mit diesem letzten Partizipationsgedanken wird zum Teil auch auf Art. 38 Abs. 1 GG rekurriert, womit eine subjektiv-rechtliche Komponente in die verfassungsrechtliche Begründung einer allgemeinen Verwaltungsöffentlichkeit einbezogen wird. Denn, so die letztlich aber doch verworfene Überlegung von Nolte, wenn das Bundesverfassungsgericht den Gewährleistungsumfang des Art. 38 Abs. 1 GG in der Maastricht-Entscheidung über das eigentliche Wahlrecht hinaus auch auf den „grundlegenden demokratischen Gehalt dieses Rechts" ausdehne,347 so könne aus dem Demokratieprinzip in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 GG ein Grundrecht oder (wegen der systematischen Stellung des Art. 38 Abs. 1 GG außerhalb des 1. Abschnitts des Grundgesetzes) ein grundrechtsgleiches Recht auf Kenntnis aller wahlrelevanten Umstände abzuleiten sein, das sich zu einem allgemeinen Zugangsrecht zu Informationen der öffentlichen
344
So auch Bieber, DÖV 1991, S. 857 (857). Vgl. Scherer, Verwaltung und Öffentlichkeit, S. 28 ff.; Lübbe-Wolff, NJW 1987, S. 2705 (2707); Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, S. 112; Pernice, Billigkeit und Härteklauseln im öffentlichen Recht, S. 383 ff.; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 56; Nolte, DÖV 1999, S. 363 (367); Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 310 f.; Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 68 ff. Vorsichtig auch Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 332 ff. Einschränkend auf die planende Verwaltung Pieroth, JuS 1981, S. 625 (626 f.); auf die Regierung Jerschke, Offentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 74 f. 346 So zusammenfassend etwa Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 310 f. 347 BVerfGE 89, 155 (171). 345
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
Verwaltung verdichten könne. 348 Zutreffend dürfte es dagegen sein, aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG nur ein allgemeines Informationsbedürfnis der Wahlberechtigten, nicht aber ein subjektives Informationsrecht abzuleiten.349 Zum Teil wird die verfassungsrechtliche Begründung einer grundsätzlichen Öffentlichkeit der Verwaltung auch auf das Rechtsstaatsprinzip gestützt, das die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns - und zwar auch des einzelfallbezogenen Handelns der Verwaltung - gewährleiste sowie die Verwirklichung verfassungsrechtlich oder gesetzlich eingeräumter Rechte garantiere. 350 Noch deutlicher wird die rechtsstaatliche Radizierung der Verwaltungsöffentlichkeit bei funktionaler Betrachtung einer transparenten Verwaltung: Öffentlichkeit ermögliche Kontrolle staatlicher Machtausübung und sei somit zugleich rechtsstaatliches Anliegen. 351 Diese Art der verfassungsrechtlichen Aufladung politischer Überzeugungen vermag nicht immer zu überzeugen. Zum Teil bleibt der Verweis auf das Demokratie· und das Rechtsstaatsprinzip zu pauschal, zum Teil werden theoretische Erwägungen zu diesen Prinzipien ins Spiel gebracht, die sich nicht auf deren Konkretisierung im Grundgesetz stützen können. Zum verfassungsrechtlichen Argument erstarken solche Überlegungen aber nur, wenn sie sich gerade aus der vom Grundgesetz konstituierten demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung ableiten lassen. Dabei wird nicht verkannt, dass sich das Verständnis der notwendigerweise sehr abstrakten Strukturbestimmungen nicht auch ändern könnte - im Gegenteil, Gegenstand dieser Untersuchung ist im 3. Kapitel ja gerade der durch Änderungen des Verwaltungsrechts bewirkte Wandel des Verfassungsrechts. Im Interesse der Verfassungsfunktionen selbst gilt es aber, vorschnellen verfassungsrechtlichen Ableitungen politischer (oder politikwissenschaftlicher) Forderungen mit einer gewissen Skepsis zu begegnen.352 Nicht je-
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Nolte, DÖV 1999, S. 363 (367 f.). Vgl. auch den - einen subjektiven Informationszugangsanspruch stützenden - Ansatz von Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 88 ff. 349 Vgl. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 60; Schwan, Amtsgeheimnis oder Aktenöffentlichkeit?, S. 92; Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 109 f. 350 Vgl. Pernice, Billigkeit und Härteklauseln im öffentlichen Recht, S. 656 f.; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 320 ff. m.w.N.; fur die schweizerische Rechtsordnung etwa Häner, Öffentlichkeit und Verwaltung, S. 129 ff. 351 Pieroth, JuS 1981, S. 625 (626); ders., Gerichtsöffentlichkeit und Persönlichkeitsschutz, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, S. 249 (255); ausf. auch Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 328 f.; Jestaedt, AöR 126 (2001), S. 204 (215 f.). 352 Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 380 (Fn. 2), weist in diesem Zusammenhang allerdings zutreffend darauf hin, dass in einer staatlich verstandenen Rechtsordnung nicht Funktionalität als solche, sondern demokratische Entscheidung das Recht legitimiert.
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de staatliche Maßnahme, die sich mit einem Anliegen des demokratischen oder des rechtsstaatlichen Prinzips deckt, wird durch diese Kongruenz zugleich in einen Verfassungsrang gehoben. Verständlich erscheint im konkreten Kontext deshalb auch die Auffassung, nach der dem allgemeinen demokratischen Öffentlichkeitsgebot durch die parlamentarische Publizität und die Veröffentlichungspflicht von Gesetzen und Rechtsverordnungen Genüge getan ist. 353 Das bedeutet nicht zwingend, dass die Strukturbestimmungen der Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit entgegenstehen,354 sondern bringt nur zum Ausdruck, dass sie sich gegenüber der Gewährleistung allgemeiner Informationszugangsrechte neutral verhalten. 355 Genau dies bestreiten die Befürworter einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit aber. Ihrer Auffassung nach lässt sich dem Demokratieprinzip (sowie dem Rechtsstaatsprinzip, mitunter gar dem Sozialstaatsprinzip 356) das Gebot zu einer unmittelbaren Verwaltungsöffentlichkeit entnehmen.357 Allerdings gestehen sie dem Gesetzgeber einen weitgehenden Spielraum bei der Ausgestaltung dieses Verfassungsgebots zu. Grundsätzlich wird dabei auch erkannt, dass es neben der Einfuhrung allgemeiner Informationszugangsfreiheit andere Möglichkeiten gibt, dem verfassungsrechtlichen Publizitätsgebot der Verwaltung zu genügen.358 Denn der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt als solcher noch nichts über die Modalitäten, unter denen die Öffentlichkeit zugelassen wird. 359 In der Konsequenz fuhren ihre verfassungsrechtlichen Überlegungen somit „nur" zu einem objektiven Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung. Ein subjektives, voraussetzungslos gewährtes Informationszugangsrecht wird selbst von dessen Befürwortern aus den verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien allein nicht abgeleitet.360
353 So etwa Knirsch, Information und Geheimhaltung im Kommunalrecht, S. 138; Giesen, DuD 1997, S. 588 (589). 354 So aber Giesen, DuD 1997, S. 588 (589 f.). 355 Ähnlich Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (202); deutlicher noch ders., Die Verwaltung 35 (2002), S. 149 (152). Anders wohl Roßnagel, Möglichkeiten der Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 257 (267 ff.). 356 Vgl. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 332 ff. 357 Vgl. die Nachweise in Fn. 345. 358 Zu den verschiedenen Formen demokratischer Verwaltungsöffentlichkeit vgl. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 311 ff. 359 So BVerfGE 103, 44 (63). Vgl. auch Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 379, Ausführungen in Fn. 1. 360 Vgl. Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 332 ff.; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 319 f.; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 33 ff. Auch der Hinweis von Partsch, NJW 1998, S. 2559 (2560), auf eine in den U.S.A. anzutreffende Ableitung allgemeiner Informati-
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
b) Subjektiv-rechtlicher Anspruch auf freien Informationszugang? Zum Teil wird ein solches verfassungsrechtliches subjektives Recht auf voraussetzungslosen Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung aber unter zusätzlichen Rückgriff auf grundrechtliche Gewährleistungen konstruiert. Namentlich die in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG normierte Informationsfreiheit wird in Abkehr von der tradierten und auch immer noch herrschenden Meinung 361 vereinzelt nicht nur als Abwehrrecht, sondern darüber hinausgehend auch als Leistungsrecht verstanden. 362 Zur Begründung wird auf das aus dem Demokratieprinzip abgeleitete objektive Gebot staatlicher Publizität sowie auf die „gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland" verwiesen. 363 Damit rücken aber erneut politische Zielvorstellungen in den Vordergrund der Argumentation, die zwar plausibel darlegen, warum Informationen der öffentlichen Verwaltung allgemein zugänglich sein sollten, die aber nicht erklären, warum Informationen der öffentlichen Verwaltung plötzlich per se „allgemein zugängliche Quellen" im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG sind. 364 Auch in einer Informationsgesellschaft geht es der Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG um die Sicherung eines ungehinderten Informationsflusses, nicht aber um die Eröffnung neuer Informationsquellen. 365
onszugangsfreiheit aus der Steuerpflicht („All we have done is to make sure the taxpayers have access to public records they have already paid for.") ist wohl weniger als (verfassungsrechtliche denn vielmehr als politische Begründung für die Einführung von Informationsfreiheitsgesetzen zu verstehen. 361 Vgl. Kloepfer, in: HStR, Bd. II, §35, Rn. 54; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 44 ff.; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 60; Schulze- F ielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 60; die h.M. zsfd. auch Schoch, Die Verwaltung 35 (2002), S. 149 (152 f.). 362 So insb. Scherer, Verwaltung und Öffentlichkeit, S. 27 ff.; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 341 ff., pointiert S. 403 f.; ders., ThürVBl. 2003, S. 193 (200 f.); Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 85 ff., pointiert S. 99. 363 So bspw. Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 85 f.; ausführlicher Scherzberg, S. 343 ff. 364 Einzelheiten zu dem Gewährleistungsgehalt der von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG garantierten Informationsfreiheit siehe unten S. 207 ff. 365 Deutlich jüngst BVerfGE 103, 44 (59): „Soweit die Medien an der Zugänglichkeit einer für jedermann geöffneten Informationsquelle teilhaben, wird der Zugang durch die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt, das heißt für Medien nicht grundsätzlich anders als für die Bürger allgemein. Die Nutzung rundfunkspezifischer Aufnahme- und Übertragungsgeräte zum Zwecke der Verbreitung der Informationen mit Hilfe des Rundfunks wird demgegenüber von der insoweit spezielleren Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG erfasst. Zu deren Schutzbereich gehört aber ebenso wenig wie zu dem der Informationsfreiheit ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle. Insoweit reicht die Rundfunkfreiheit nicht weiter als die Informationsfreiheit
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
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Gegen die grundrechtliche Ableitung eines allgemeinen subjektiven Zugangsanspruchs zu Informationen der öffentlichen Verwaltung spricht i m Ü b rigen auch, dass das Grundgesetz selbst durch spezielle Grundrechte keine bereichsspezifischen subjektiven Zugangsrechte gewährleistet, sondern sich auch hier auf die Abwehrfunktion beschränkt. So w i r d i n der Literatur m i t B l i c k auf die Institutsgarantie der freien Presse und ihre Bedeutung fur die öffentliche Meinungsbildung zwar z u m T e i l die Auffassung
vertreten, Art. 5 Abs. 1
S. 2 GG normiere ein unmittelbares Informationsrecht der Presse gegenüber Verwaltungsbehörden. 3 6 6 Die Rechtsprechung 3 6 7 und die ganz überwiegende Meinung 3 6 8 betonen dagegen die Abwehrfunktion, die ebenso wie bei der Gewährleistung der Informationsfreiheit auch bei dem Schutz der Pressefreiheit i m Vordergrund stünde, und sprechen sich gegen ein verfassungsunmittelbares Informationsrecht der Presse aus. 3 6 9 U n d auch die in Art. 5 Abs. 3 S. 1 G G verankerte Wissenschaftsfreiheit gewährt den Forschern nach h.M. keinen unmittelbaren Zugang zu staatlichen Informationen, etwa zu Archiven. 3 7 0 Vielmehr steht ihnen nur ein Anspruch darauf zu, dass über den Antrag „sachgerecht, ai-
des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, die als Abwehrrecht nur den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen gegen staatliche Beschränkungen sichert." Vgl. auch Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 194, m.w.N.; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, S. 24 f. 366 Vgl. insb. Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 169 ff. u. 231 ff.; Groß, Presserecht, S. 172 ff.; Degenhart, in: BK, Art. 5 I und II, Rn. 322; Hoffmann-Riem, in: Wassermann (Hrsg.), AK-GG, Bd. 1, Art. 5, Rn. 99. Vgl. (allerdings zur von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantierten Rundfunkfreiheit) auch BVerfGE 103,44 (59 f.). 367 BVerwGE 70, 310 (311 ff.); 85, 283 (284 f.); BVerwG, NJW 1986, S. 2539; BVerwG, DVB1. 1991, S. 490; OVG Münster, DÖV 1986, S. 82; OVG Bremen, NJW 1989, S. 926; VGH BW, NVwZ 1998, S. 987 (990). 368 Vgl. Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, S. 122 ff.; Badura, Staatsrecht, Anm. C 64; Bullinger, in: HStR, Bd. VI, § 142, Rn. 69 ff.; Geiger, Die Grundrechte der Informationsfreiheit, in: Festschrift Arndt, S. 119 (134); Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 121 f; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, S. 26 ff.; Starck, AfP 1978-79, S. 171 (173 f); Berg, JuS 1998, S. 997 (999). 369
Differenzierend Heintschel von Heinegg, AfP 2003, S. 295 (299), der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zumindest in den Fällen, in denen der Staat über ein Informationsmonopol verfügt, wenn auch kein originäres Leistungsrecht, so doch ein derivatives Teilhaberecht der Presse ableitet. 370 BVerfG, NJW 1986, S. 1243; BVerwG, NJW 1986, S. 1277; Bizer, Forschungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung, S. 44, 411 f f ; Wollenteit, Informationsrechte des Forschers im Spannungsverhältnis von Transparenzforderungen und Datenschutz, S. 55 ff.; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 5 III, Rn. 43; a.A. Berg, JöR 33 (1984), S. 63 (90); Wyduckel, DVB1. 1989, S. 327 (335); Mayen, Der grundrechtliche Informationsanspruch des Forschers gegenüber dem Staat, S. 115 f f ; Manegold, Archivrecht, S. 74 ff., pointiert S. 101.
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
so frei von Willkür und unter angemessener Berücksichtigung des Zwecks des Anliegens entschieden wird." 371 Nur in begrenzten Ausnahmefällen lassen sich dem Grundgesetz konkrete Informationszugangsrechte entnehmen. Von weitaus größter Bedeutung sind die Vorwirkungen des Art. 19 Abs. 4 GG auf das Verwaltungsverfahren. Effektiver Rechtsschutz gebietet es regelmäßig, den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens ein Akteneinsichtsrecht oder einen Auskunftsanspruch zu gewähren - grundrechtliche und rechtsstaatliche Vorgaben, die sich im geltenden Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit niederschlagen. Über diese rechtsschutzmotivierten Informationszugangsrechte hinaus können sich einzelne subjektive Informationsrechte auch aus anderen Grundrechten ergeben. So hat das Bundesverfassungsgericht verschiedene Informationsrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet, etwa das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. 372 Eine leistungsrechtliche Komponente des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wollte das Bundesverfassungsgericht damit aber wohl nicht etablieren, denn es betonte: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht „verleiht kein Recht auf die Verschaffung von Kenntnissen der eigenen Abstammung, sondern kann nur vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen schützen."373 Ganz stringent ist diese Unterscheidung zwischen abwehrrechtlichen und leistungsrechtlichen Gehalten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts freilich nicht, denn „erlangbare" Informationen sind ja auch solche, die der Staat bereits besitzt. 374 Ähnlich undeutlich bleibt auch die verfassungsrechtliche Beurteilung eines Anspruchs auf Einsicht in (die eigenen) Krankenunterlagen. Das Bundesverfassungsgericht hat bislang nur entschieden, dass „das Recht auf Selbstbestimmung und die personale Würde des Patienten (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) [es] gebieten, jedem Patienten gegenüber seinem Arzt und Krankenhaus grundsätzlich einen Anspruch auf Einsicht
371 So der Kammerbeschluss des BVerfG, NJW 1986, S. 1243; vgl. dazu etwa Bayer, JuS 1989, S. 191 ff. 372 „Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Verständnis und Entfaltung der Individualität sind aber mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbunden. Zu diesen zählt neben anderen die Abstammung. Sie legt nicht nur die genetische Ausstattung des einzelnen fest und prägt so seine Persönlichkeit mit. Unabhängig davon nimmt sie auch im Bewusstsein des einzelnen eine Schlüsselstellung für Individualitätsfindung und Selbstverständnis ein." BVerfGE 79, 256 (268 f.). 373 BVerfGE 79, 256 (269). 374 Kritisch deshalb auch Jarass, Die Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, S. 89 (99 f.).
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
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in die ihn betreffenden Krankenunterlagen einzuräumen." 375 Bereits diese vorsichtige Formulierung spricht weniger fur einen verfassungsunmittelbaren 376 als vielmehr für einen gesetzlich zu gewährenden Anspruch auf Einsicht in Krankenunterlagen. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass das Einsichtsrecht jedenfalls nicht unbeschränkt besteht, sondern durch - ebenfalls grundrechtlich fundierte - Interessen des Arztes oder Dritter sowie therapeutischer Vorbehalte - begrenzt werden kann. 377 Schließlich ist auch beim dritten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Informationsanspruch unklar, ob es sich um ein verfassungsunmittelbares subjektives Recht handelt oder nicht: Das in der Volkszählungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Volkszählungsentscheidung erwähnte Recht eines jeden zu wissen, wer, was, wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß, 378 wird zum Teil als verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch in Bezug auf diese Informationen verstanden. Ob die entsprechenden gesetzlichen Auskunftsansprüche des § 19 und des § 34 BDSG aber wirklich Bestandteil des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind, ist in der Literatur umstritten. 379 Unabhängig der Beurteilung der einzelnen Entscheidungen wird jedenfalls deutlich, dass die im Vordergrund stehende Abwehrfunktion der Grundrechte der Herleitung verfassungsunmittelbarer Informationszugangsrechte wenn auch nicht entgegensteht, so doch jedenfalls nicht förderlich ist. 380 Wirkt sich dies schon auf besondere Informationsbegehren aus, die sich - wie etwa die von Presse, Rundfunk oder Wissenschaft - auf spezifische Grundrechtsgewährleistungen berufen können, gilt dies um so mehr für die grundrechtliche Ableitung eines allgemeinen Informationszugangsrechts. Ein voraussetzungsloser und zweckunabhängiger Informationszugangsanspruch wird durch das Grundgesetz nicht gewährleistet. Allenfalls lässt sich aus dem objektiv-rechtlichen Charakter des Grundrechts der Informationsfreiheit im Hinblick auf die grundlegende Bedeutung des Kommunikationsprozesses für die Demokratie der Auftrag an die staatlichen Organe und insbesondere an den Gesetzgeber ableiten, Informationen über die staatlichen Tätigkeiten bereit zu halten und zugänglich zu ma-
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BVerfG, NJW 1999, S. 1777. So aber Schoch, Die Verwaltung 35 (2002), S. 149 (153). 377 BVerfG, NJW 1999, S. 1777. 378 BVerfGE 65, 1 (43). 379 Dafür etwa Bäumler, NVwZ 1988, S. 199 ff.; Simitis/Fuckner, NJW 1990, S. 2713 (2717); Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 36 f f ; Mallmann, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, § 19, Rn. 1 und § 34, Rn. 2; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 69, 302 f.; dagegen etwa Ehmann, CR 1988, S. 575 ff.; Gola/Schomerus, BDSG, § 19, Rn. 2. 380 Vgl. hierzu Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (188 ff.), sowie Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 (249 ff.). 376
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
chen.381 Die fiir die demokratische Ordnung „schlechthin konstitutive" Informationsfreiheit mag insoweit die aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Forderung nach allgemeiner Öffentlichkeit der Verwaltung stärken, den gesetzlichen Spielraum bei der notwendigen Ausgestaltung dieser Öffentlichkeit kann sie indes nicht auf die Gewährleistung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit verengen. 382 Insgesamt verhält sich das Verfassungsrecht gegenüber der Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit weitgehend neutral. Weder gebietet noch verbietet es sie.383 Dementsprechend ist es auch nicht geeignet, die im politischen Willensbildungsprozess für die Herstellung einer transparenten Verwaltung geltend gemachten Argumente auf ein vermeintlich höheres Niveau zu heben. Diese Argumente müssen vielmehr allein durch ihren Inhalt, müssen durch die mit einer transparenten Verwaltung angestrebten Ziele überzeugen.
4. Funktionale Begründung allgemeiner Informationszugangsfreiheit Die Gewährung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit ist die „radikalste Maßnahme", die bei der Öffnung der Verwaltung für die Öffentlichkeit benutzt wird. 384 Denkbar wäre es auch, der Verwaltung bestimmte aktive Informationspflichten aufzuerlegen. Solche aktiven Informationspflichten bieten zweifellos bestimmte Vorteile. So ist bspw. gesichert, dass überhaupt Informationen an die Öffentlichkeit geraten, während dies bei einem Informationszugangsrecht davon abhängt, dass und in welchem Umfang die entsprechenden Informationen auch tatsächlich nachgefragt werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Informationen (im semantischen Sinne) kontextabhängig sind, ihre Bedeutung sich also ändert, wenn man sie aus dem Zusammenhang löst, in dem sie erhoben wurden. Bei rein aktiven Informationspflichten hätte es die Behörde weitgehend in der Hand, einen Kontextwechsel zu vermeiden. In diesem Zusammenhang hätte die Behörde schließlich die Möglichkeit, irrelevante
381 So bspw. Hoffmann-Riem, in: AK-GG, Art. 5, Anm. 99; Bieber, DÖV 1991, S. 857 (865 f.); Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 136; Nolte, DÖV 1999, S. 363 (369). Vgl. auch - bezogen allerdings auf die Frage der Medienöffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen - die abweichenden Meinungen der Richter Kühl in g, Hohmann-Dennhardt und Hoffmann-Riem, BVerfGE 103, 44 (72 ff.). 382 Vgl. erneut BVerfGE 103, 44 (63): „Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt als solcher noch nichts über die Modalitäten, unter denen die Öffentlichkeit zugelassen wird." Im Ergebnis auch Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 61. 383 Ähnlich schon Windsheimer, Die Information als Interpretationsgrundlage für die subjektiven öffentlichen Rechte des Art. 5 Abs. 1 GG, S. 158. 384 Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 9.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
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von relevanten Informationen zu selektieren und diese noch dazu vor ihrer Verbreitung auf Richtigkeit zu überprüfen. Genau hierin liegen aber zugleich auch die Nachteile, denn mit dieser - zum Teil sicherlich gebotenen - Selektion gehen Manipulationsgefahren einher, denen die durch Informationszugangsrechte hergestellte Publizität nicht oder jedenfalls nicht in dem Maße ausgesetzt ist. Hier wird die Informationsselektion eben durch den Bürger vorgenommen und bleibt für die Verwaltung somit weitgehend unvorhersehbar. Dies zwingt sie, sich in allen Bereichen und jederzeit auf eine Kontrolle einstellen zu müssen, die sie unbeschadet nur überstehen kann, wenn sie in jeder Hinsicht den Vorgaben entspricht, die an sie gestellt werden. Mit der Kontrolle der Verwaltung treten funktionelle Aspekte in den Vordergrund, die zugleich deutlich machen, dass die Herstellung von Transparenz, die Transparentierung der Verwaltung, von den Informationsfreiheitsgesetzen nur als Zwischenziel angestrebt wird. 385 Letztlich erhoffen sich die Gesetzgeber von einer transparenten Verwaltung aber andere Impulse. Die Umschreibung „erhoffen" ist mit Bedacht gewählt, denn die Steuerungsfähigkeit des Gesetzgebers endet bei dem Zwischenziel „Transparentierung der Verwaltung": Er kann durch die Gewährung von Informationszugangsrechten in gewissen Grenzen die grundsätzliche Öffentlichkeit der Verwaltung herstellen. Ob, in welchem Ausmaße und mit welcher Absicht die Berechtigten von ihrem Informationsanspruch Gebrauch machen, entzieht sich dagegen weitgehend dem Einfluss des Gesetzgebers. Die Gewährleistung von allgemeinen Informationszugangsrechten ist insofern in besonderer Weise durch ihren indirekten Charakter gekennzeichnet, ist als indirektes Steuerungsinstrument zu klassifizieren. Zu betonen ist deshalb, dass die nachfolgend beschriebenen Funktionen nur die Ziele des Gesetzgebers beschreiben und streng von den Wirkungen zu unterscheiden sind, die von den Informationsfreiheitsgesetzen in der Realität ausgehen (können). Wegen dieses möglichen Unterschiedes von Funktionen und Wirkungen beschreiben die gesetzlichen Ziele letztlich nur Möglichkeiten: Das allgemeine Informationszugangsrecht zielt auf Kontrolle und gewährt doch nur Kontrollierbarkeit, es zielt auf Partizipation und gewährt doch nur Partizipationsoptionen, es zielt auf eine wirtschaftliche Nutzung der Information und gewährt doch nur deren Nutzbarkeit, es zielt auf eine gute Verwaltungspraxis und ermöglicht diese doch nur.
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Vgl. Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 (411); Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 112 ff.
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I I I . Kontrolle und Partizipation als Hauptfunktionen Im Vordergrund der Funktionen allgemeiner Informationszugangsfreiheit stehen zum einen die zusätzliche Kontrolle der Verwaltung durch die Öffentlichkeit und zum anderen die verstärkte Partizipation der Bürger an den Verwaltungstätigkeiten.
/. Kontrollfunktion Die durch die allgemeine Informationszugangsfreiheit hergestellte (bzw. herzustellende) Öffentlichkeit der Verwaltung soll vor allem deren Kontrolle ermöglichen. Dies ist die eigentliche und allgemeinste Aufgabe der Gewährleistung von Öffentlichkeit und wird bspw. auch von der Öffentlichkeit der Plenarverhandlungen in den Parlamenten und von der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen verfolgt. 386 Die Öffentlichkeitskontrolle der Legislative und Judikative erscheint dabei ungleich wichtiger als die der Exekutive, sind diese beiden Gewalten doch nur einer eingeschränkten sonstigen Kontrolle unterworfen. Weil die gesetzgebende Gewalt auf Grund des herausgehobenen demokratischen Legitimationsgrades des Parlaments gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nur an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, untersteht sie in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen nur der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht, 387 wobei diese Kontrolle durch die zahlreichen prozessualen Vorgaben zusätzlich stark eingeschränkt ist. Im Übrigen findet im Bereich der Legislative nur eine politische Kontrolle statt, für die die Gewährleistung einer diskursermöglichenden Öffentlichkeit eine sehr viel größere Rolle spielt als für die rechtliche Kontrolle. Und die rechtsprechende Gewalt ist zwar gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ebenso wie die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden, unterliegt aber wegen ihrer von Art. 97 Abs. 1 GG gewährten Unabhängigkeit letztlich nur der Kontrolle durch die jeweiligen höherinstanzlichen Gerichte, und dies auch wiederum nur insoweit, als die jeweiligen Prozessordnungen entsprechende Rechtsmittel
386 Deutlich BVerfGE 103, 44 (65): „Eine [auf die im Raum der Verhandlung Anwesenden] beschränkte Öffentlichkeit genügt dem rechtsstaatlichen Interesse der öffentlichen Kontrolle des Gerichtsverfahrens sowie dem im Demokratieprinzip verankerten Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen, die für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung von Bedeutung sind." 387 Die darüber hinaus bestehende Bindung der nationalen Gesetzgeber an das Gemeinschaftsrecht, die durch den EuGH kontrolliert wird, soll hier ebenso außer Betracht bleiben wie die Bindung an selbst auferlegte Vorgaben, etwa an Grundsatz- oder Maßstäbegesetze. Auch auf die Bindung der Landesgesetzgeber an das Bundesrecht soll hier nicht differenzierend eingegangen werden.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
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zulassen. Die vollziehende Gewalt ist dagegen in ein umfassendes, im Einzelnen noch darzustellendes Kontrollsystem eingebunden, das von der verwaltungsinternen Kontrolle über die parlamentarische Verantwortlichkeit bis hin zur grundrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten gerichtlichen Kontrolle reicht. Warum trotz der bereits bestehenden zahlreichen Möglichkeiten der Verwaltungskontrolle die zusätzliche Kontrolle der Verwaltung durch die Öffentlichkeit erforderlich ist, wird von den Gesetzesbegründungen regelmäßig nicht explizit zum Ausdruck gebracht. Eine Ausnahme stellt insofern die Begründung zum IFG-SH dar, die darauf hinweist, dass die traditionelle Verwaltungskontrolle durch Parlamente und Gerichte an grundlegende Grenzen stoße.388 Und der E-IFG nimmt zusätzlich an, dass eine allgemeine Informationszugangsfreiheit ein wirksames Mittel zur Korruptionsbekämpfung sei, womit ein Spezialfall der Verwaltungskontrolle angesprochen ist. 389 Hier wird deutlich eine Entlastungs- bzw. eine Ergänzungsfunktion der Verwaltungskontrolle durch Informationszugang angesprochen. 390 Die meisten Gesetze schweigen hingegen zu der Frage, warum eine Kontrolle der Verwaltung durch freien Informationszugang zu gewähren ist, oder verweisen nur ausdrücklich 391 oder implizit 392 auf die entsprechenden Regelungen im Ausland. Auch die Literatur geht der Frage nach dem Kontrollbedürfnis nicht nach oder verweist pauschal auf das „unstreitig vorhandene Transparenz- und Kontrolldefizit im Exekutivbereich" 393 bzw.
388
Vgl. die Begründung zum IFG-SH, SHLT-Drs. 14/2374, S. 11. Vgl. bspw. Begründung zum E-IFG, Stand: 26.9.2001, mit Einfügungen/Streichungen v. 12.4.2002, S. 14. 390 Vgl. Kahl, Der europarechtlich determinierte Verfassungswandel im Kommunikations- und Informationsstaat Bundesrepublik Deutschland, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 9 (14). Anders dagegen die Entlastungsfunktion i.S.v. Schröder, Die Verwaltung 4 (1971), S. 301 (306), der nicht den Staat, sondern die Öffentlichkeit entlastet sieht, und zwar „von Mutmaßungen und Risiken hinsichtlich der Frage [...], wie die Verwaltung voraussichtlich entscheiden wird.' 4 389
391
Vgl. erneut die Begründung zum E-IFG, Stand: 26.9.2001, mit Einfügungen/Streichungen v. 12.4.2002, S. 14: „Das Informationsfreiheitsgesetz ist daher notwendig, um entsprechend innerstaatlichen, europäischen und internationalen Tendenzen die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger durch eine Verbesserung der Informationszugangsrechte zu stärken." 392 Die Begründung zum IFG-Bln spielt mit den Begriffen „Freedom of Information" und „Privacy Act" offensichtlich auf die Rechtslage in den U.S.A. an. 393 So Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 136. Roßnagel, Möglichkeiten der Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 257 (297) verweist auf ein Kontrollbedürfnis, „wenn mangels präziser gesetzlicher Vorgaben eine parlamentarisch oder gerichtliche Kontrolle auf Probleme stößt."
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
„die ständige Expansion der Verwaltungstätigkeit und den damit verbundenen Machtzuwachs der Behörden." 394 Anders stellt es sich im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtliche Motivation dar, mit der UIRL die unzureichenden Kontrollmöglichkeiten der Kommission über die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes395 durch die „Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts" 396 auszugleichen. Durch die „Anspornung von Privatpersonen, Nichtregierungsorganisationen oder örtlichen Behörden" sollen „der Kommission Fälle von Nichterfüllung oder unangemessener Erfüllung" der Umsetzungsverpflichtungen zur Kenntnis gebracht werden, „damit Abhilfemaßnahmen eingeleitet werden können." 397 Entscheidender Anlass für die Schaffung von sektoral auf das Gebiet des Umweltschutzes beschränkten Informationszugangsrechten war also in erster Linie das Kontrolldefizit der Kommission 398 und weniger das Vollzugsdefizit 399 im Umweltrecht, das zunächst für den nationalen Bereich, 400 mit Blick auf die bereits verabschiedete UIRL dann auch für den gemeinschaftsrechtlichen Bereich beklagt wurde. 401 Ein solches Kontrolldefizit wird man für die allgemeine Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls nicht ohne weiteres feststellen können. 402 Dass gleichwohl nicht nach dem spezifischen Bedürfnis einer Öffentlichkeitskontrolle der Verwaltung gefragt wird, hat seinen Grund wahrscheinlich vor allem darin, dass eine solche Kontrollmöglichkeit regelmäßig in einem demokratischen, und das bedeutet in einem positiven Lichte erscheint. Anders stellte es sich vielleicht dar, wenn man der Informationszugangsfreiheit im Hinblick auf die Bürger keine mobilisierende,
394
Vgl. Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 2. Vgl. hierzu Pernice, NVwZ 1990, S. 414 (423 f.). 396 Vgl. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, passim, zum „status procuratoris" des Bürgers insb. S. 225 ff. 397 ABl. EG 1987 Nr. C 328, S. 1,9. 398 Auch Gröschner, VVDStRL 63 (2003), S. 362, verweist darauf, dass eine informierte Öffentlichkeit gemeinschaftsrechtlich als Konzept zur Kompensation von Kontrolldefiziten des dezentrales Verwaltungsvollzugs verstanden wird. 399 Lerche, BayVBl. 1980, S. 257 (260 m.w.N. in Fn. 13), weist allerdings zutreffend darauf hin, dass „Vollzugsdefizit ja vor allem wohl ein Vollzugskontrolldefizit [meint]." 395
400
Vgl. hierzu grundlegendend Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, 1978; sowie die entsprechenden Befunde in den Umweltgutachten 1974 und 1978 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, BT-Drs. 7/2802, Tz. 660 ff. u. BT-Drs. 8/1938, Tz. 1121 ff. 401 Vgl. bspw. Kloepfer, Umweltrecht, 1. Aufl. 1989, § 2, Rn. 24 u. 53; Hailbronner, Umweltrecht, 1991, S. 47 ff.; Lübbe-Wolff, NuR 1993, S. 217 ff. 402 Näher hierzu unten S. 247.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
97
sondern eine instrumentalisierende Wirkung zuspräche. 403 In diesem Sinne wird nämlich eine bspw. von Schwan zitierte Aussage des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. aus einer Kabinettsorder vom 4. Februar 1804 interpretiert: „Wollte man eine gewisse und schickliche Art von Öffentlichkeit ganz verweigern, so würde kein Mittel übrig bleiben, die Nachlässigkeit oder Treulosigkeit öffentlich angestellter Staatsdiener zu entdecken." 404 Dieses Zitat wird als Beispiel dafür angeführt, dass in der absolutistischen Staatsordnung die Behördenöffentlichkeit ausschließlich zum Zweck der Kontrolle der Beamten verstanden wurde, während die Öffentlichkeit staatlichen Handelns in demokratisch verfassten Staaten wesentlich weiter greife. 405 Während früher also die Öffentlichkeit als Kontrolleur für die Interessen des Monarchen instrumentalisiert worden sei, werde sie heute in ihrem eigenen Interesse mobilisiert. Das mag - bezogen auf demokratisch verfasste Staaten - durchaus richtig sein. Gleichwohl mag man die sicherlich zutreffende Aussage Friedrich Wilhelm III. auch in anderer Weise auf die transparente Verwaltung in der Europäischen Gemeinschaft übertragen: Wenn es der Europäischen Gemeinschaft mit dem Erlass der UIRL nur um die (Vollzugs-) Kontrolle gemeinschaftsrechtlicher Umweltnormen durch die Behörden der Mitgliedstaaten gegangen sein sollte, offenbarte sich hier womöglich ein absolutistischer Charakter der EU. Festzuhalten ist jedenfalls, dass schon die Entscheidung van Gend & Loos, mit der erstmals die unmittelbare Anwendbarkeit des primären Rechts festgestellt wurde, die Bedeutung der „Wachsamkeit der an der Wahrung ihrer Rechte interessierten Einzelnen" als Instrument zur Effektivierung des Gemeinschaftsrechts hervorhebt. 406 Abgesehen von solchen befremdlich anmutenden Überlegungen kann w o h l aber nicht geleugnet werden, dass die Öffentlichkeit der Verwaltung in einer Demokratie anders begründet ist und ihr auch eine andere Funktion zukommt als in einer Monarchie. Die durch die Informationsfreiheitsgesetze ermöglichte Kontrolle soll sich in den demokratisch verfassten Staaten nicht darauf beschränken, Machtmissbrauch zu verhindern. Sie soll vielmehr „eine umfassende Bewertung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung gewährleisten." 4 0 7 Damit ist der Kontrollmaßstab angesprochen, der sich nach diesem Verständnis eben nicht nur auf die rechtlichen Vorgaben beschränkt, sondern bspw. auch auf die Zweckmäßigkeit erstreckt. 408 U n d dadurch, dass Informationszugangsrechte nicht an andere subjektive Rechte anknüpfen, dienen sie eben nicht (nur) dem
403 Vgl. Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924 (934): „Die subjektiven Rechte des einzelnen Klägers werden weniger um ihrer selbst willen geschützt, als vielmehr für die Ziele der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts instrumentalisiert." 404 Schwan, Amtsgeheimnis oder Aktenöffentlichkeit, S. 1. 405 So deutlich Bieber, DÖV 1991, S. 857 (857); s. auch Strohmeyer, Das europäische Umweltinformationszugangsrecht als Vorbild eines nationalen Rechts der Aktenöffentlichkeit, S. 168. 406
EuGH, Rs. 26/62, 5.2.1963, Slg. 1963, 1, Rn. 10 (van Gend & Loos). So Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 13; unter Verweis auf Eifert, DÖV 1994, S. 546 (546); und Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht, S. 187. 408 Zu den möglichen Kontrollmaßstäben siehe unten S. 278. 407
98
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
effektiven Schutz subjektiver Rechte oder berechtigter Interessen, sondern können vielmehr auch objektiv zur sachlichen Richtigkeit des Verfahrensergebnisses beitragen. 409 Zu betonen ist in diesem Zusammenhang aber erneut, dass der Rechtsanspruch auf Informationszugang noch keine unmittelbare Kontrolle der Verwaltung gewährleistet, sondern eine solche nur ermöglicht. Die Informationsfreiheitsgesetze schaffen durch die Möglichkeit des Zugangs zu Informationen die Möglichkeit der Kontrolle von Verwaltungshandeln; die Zugänglichkeit des in Informationen dokumentierten Verwaltungshandelns führt zu dessen Kontrollierbarkeit. Dies ist an sich keine Besonderheit. Auch die Öffentlichkeit der Plenarverhandlungen in den Parlamenten und der Hauptverhandlungen in den Gerichten gewährleistet als solche noch keine Kontrolle, sondern ermöglicht diese nur. Gleichwohl wird im Zusammenhang mit den Informationsfreiheitsgesetzen die gesetzliche Einräumung der Kontrollmöglichkeit, so scheint es, mit einer tatsächlichen ausgeübten Kontrolle gleichgesetzt. Nur ausnahmsweise wird die bloße Möglichkeit der Kontrolle deutlich herausgearbeitet. 410 Dass die Kontrollierbarkeit zum Teil mit der Kontrolle gleichgesetzt wird, hat seinen Grund sicherlich auch darin, dass schon von der bloßen Kontrollmöglichkeit eine - wenn auch mittelbare - Kontrollwirkung ausgeht, die unabhängig von der tatsächlichen Ausübung der Kontrolle ist. Der Gedanke, auf dem letztlich auch die politischen Forderungen nach allgemeiner Informationszugangsfreiheit beruhen, ist, dass allein durch eine informierte Öffentlichkeit die Verwaltung zu Transparenz und Glaubwürdigkeit ihrer Tätigkeiten vor dem Forum der Öffentlichkeit angehalten werden kann. 411 Diese mittelbare Kontrolle muss nicht weniger effizient sein als die unmittelbare Kontrolle, erfasst sie doch - theoretisch - ex ante die gesamte Verwaltungstätigkeit, während sich die unmittelbare Kontrolle nur ex post auf bestimmtes Verwaltungshandeln bezieht. Mit dieser zeitlichen Kontrollwirkung ist ein weiterer Aspekt angesprochen, der für die Zielsetzungen von Informationsfreiheitsgesetzen maßgeblich ist. Die Öffentlichkeit der Verwaltung soll nicht nur eine Kontrolle im eigentlichen, dem alt-französischen Begriff „contre-rôle" entsprechenden Sinne ermöglichen, der sich auf die retrospektive Überprüfung von bereits abgeschlossenen Vorgängen beschränkt. Sie zielen vielmehr auch auf die Möglichkeit, das Staatshandeln - wenn auch nicht unbedingt das konkrete Verwaltungsverfahren 409
So für die Informationsansprüche in Genehmigungsverfahren etwa Hatje, EuR 1998, S. 734 (742). 4.0 Vgl. bspw. Strohmeyer, Das europäische Umweltinformationszugangsrecht als Vorbild eines nationalen Rechts der Aktenöffentlichkeit, S. 76. 4.1 Vgl. bspw. Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924 (933).
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
99
- zeitnah verfolgen und möglichst sogar noch beeinflussen zu können. Diese prospektiv wirkende Kontrolle, dem eher der englischen Begriff „control" im Sinne von steuern, lenken, beeinflussen zu Grunde liegt, wird überwiegend der Partizipationsfunktion der Informationsfreiheitsgesetze zugeschrieben. 412
2. Partizipationsfunktion Wenn der Gesetzgeber sich von einer transparenten Verwaltung über die retrospektive Kontrollierbarkeit der Verwaltung hinaus eine verstärkte Partizipation der Bürger am Staatsgeschehen erhofft, so liegt dem ein zweistufiger Gedanke zu Grunde. In erster Linie knüpft der Gedanke an die bestehenden Partizipationsmöglichkeiten der Bürger an. Diese erschöpfen sich weitgehend in der Teilnahme an Wahlen. Dabei reduzierte es die Bedeutung des Wahlrechts erheblich, wenn man es ausschließlich mit den Wahlen zum Bundestag assoziierte. Gewählt werden auch die Vertreter der Landesparlamente, des Europäischen Parlaments sowie der Kommunalvertretungen. Darüber hinaus werden nach den meisten Gemeinde- bzw. Landkreisordnungen auch die Bürgermeister 413 und Landräte 414 unmittelbar gewählt. Und schließlich werden auch die Vertreterversammlungen der Sozialversicherungsträger durch Wahlen besetzt.415 Der (wahlberechtigte) Bürger trifft also eine Reihe von politischen Entscheidungen, auch wenn der Wahlakt des einzelnen Bürgers regelmäßig keine spürbare Wirkung zeigt. 416 Um solche politischen Entscheidungen treffen zu können, muss der Bürger umfassend informiert sein. Dies zu gewährleisten ist in erster Linie Aufgabe der Kommunikationsfreiheiten, also der Freiheit der Meinungsäußerung und -Verbreitung, der Informations(empfangs)freiheit sowie der Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Films. Auch die Versammlungsfreiheit wird üblicherweise zu den Kommunikationsfreiheiten gezählt. Diese Freiheiten erschöpfen sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in ih-
4,2 413
S. näher hierzu S. 235. Sonderregelungen gelten nur noch in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Ham-
burg. 414 Indirekt werden die Landräte nur noch in Baden-Württemberg (§ 39 Abs. 5 LKOBW) und Brandenburg (§ 51 Abs. 1 S. 1 LKO-Bbg) gewählt. 4,5 Vgl. im Einzelnen §§ 45 ff. SGB IV. Zu beachten ist, dass sich das Stimmrecht eines zur Gruppe der Arbeitgeber gehörenden Wahlberechtigten gemäß § 49 Abs. 2 SGB IV nach der Zahl der an einem Stichtag bei ihm beschäftigten und beim Versicherungsträger versicherungspflichtigen Personen bemisst. 416 Der Teilhabefaktor eines Bürgers (bei Bundestagswahlen) beträgt 0,000 000 0165.
100
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
rer individualschiitzenden Bedeutung. Natürlich gehört es „zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen, sich aus möglichst vielen Quellen zu unterrichten, das eigene Wesen zu erweitern und sich so als Persönlichkeit zu entfalten," wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Leipziger Volkszeitung festgestellt hat. Es führte aber weiter aus, dass den Kommunikationsgrundrechten auch eine objektiv-rechtliche, demokratische Dimension zukommt: „Das Grundrecht der Informationsfreiheit ist wie das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie." 417 Dass die Kommunikationsfreiheiten eine zentrale Voraussetzung für eine möglichst gut informierte demokratische Öffentlichkeit sind, wird besonders deutlich in der vom Bundesverfassungsgericht geprägten und seitdem ständig gebrauchten Formulierung, nach der diese Grundrechte für eine freiheitliche Demokratie „schlechthin konstituierend" sind. 418 Noch deutlicher hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung ausgeführt, „dass der Bürger nur dann an der politischen Willensbildung verantwortlich teilhaben könne, wenn [er] von den zu entscheidenden Sachfragen und von den durch die verfassten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können." 419 In diesem Sinne zielt die Partizipationsfunktion der Informationsfreiheitsgesetze also in einem ersten Schritt auf die „Förderung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung". 420 Die Bürger sollen nicht mehr nur auf die „allgemein zugänglichen Quellen" im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG angewiesen sein, um ihren Informationsbedarf zu decken. Diese Möglichkeit der Unterrichtung sei vielmehr nicht mehr ausreichend, so ausdrücklich die Begründung zum IFG-NRW. Vielmehr müssten den Bürgern auch die „Vielzahl der bei den öffentlichen Stellen vorhandenen [...] amtlichen Informationen" zur Verfügung stehen.421 In dieser Bereitstellung zusätzlicher Informationsquellen erschöpft sich die Partizipationsfunktion aber nicht. In einem zweiten Schritt zielt sie vielmehr auch auf die aktive Beteiligung der Bürger an den Verwaltungstätigkeiten. Dies kommt in den Gesetzen selbst nicht zum Ausdruck. Aber in den entsprechenden Begründungen findet sich immer wieder der Hinweis auf eine (aktive) Par417
BVerfGE 27, 71 (81 f.). Grundlegend BVerfGE 7, 198 (208); vgl. auch 20, 56 (97); 27, 71 (81); 62, 230 (247); 71, 206 (219 f.). 419 BVerfGE 44, 125 (147). Zur demokratischen Funktion von Öffentlichkeit s. auch Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 (205 f.). 420 Vgl. insb. § 1 IFG-Bln sowie § 1 IFG-ProfE. Siehe aber auch Begründung zum E-IFG, Stand: 26.9.2001, mit Einfügungen/Streichungen v. 12.4.2002, S. 13. 421 NWLT-Drs. 13/1311, S. 1 f. 4,8
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
101
tizipation der Bürger, 422 auf eine Optimierung der Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger und des bürgerschaftlichen Mitwirkens, 423 auf eine sachkenntnisreiche Beteiligung an Entscheidungsprozessen auf Landesebene und auf kommunaler Ebene424 sowie auf die von einer „lebendigen Demokratie" zu gewährende Möglichkeit, „dass die Bürger die Aktivitäten des Staates kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen." 425 Wie und in welcher Form die Partizipation erfolgen soll, bleibt dabei unklar und soll bei dieser an den Gesetzesbegründungen ausgerichteten Funktionsbeschreibung auch nicht näher untersucht werden. Deutlich ist jedenfalls, dass die Partizipationsfunktion nicht auf eine formale Beteiligung ausgerichtet ist, die ja in allgemeiner Form auch bereits weitgehend durch das VwVfG geregelt ist. Vielmehr scheint es den Gesetzgebern in erster Linie darum zu gehen, die Bürger zu dem Gebrauch ihrer (Kommunikations-) Grundrechte anzuregen und sie auch außerhalb von Wahlen für die staatlichen Belange zu interessieren. Erkennbar liegt den (staatlichen) Informationsfreiheitsgesetzen insofern das Bild eines politisch interessierten und engagierten Bürgers, eines „citoyen", 426 eines „zoon politicon" zu Grunde, wie bspw. auch in der Umschreibung von Kloepfer zum Ausdruck kommt: „Ziel des freien Informationszugangs ist die Intensivierung der politischen Mitwirkung des Einzelnen, der dabei faktisch eigenständig und eigenverantwortlich Kontrollaufgaben gegenüber der staatlichen Verwaltung wahrnimmt, indem er die Einhaltung von Recht und Gesetz mitüberwacht." 427 Damit wird zugleich an die sog. Bürgergesellschaft appelliert, die sich offensichtlich nicht von alleine gründet, die der Staat aber in Zeiten, in denen er seine Aufgaben nicht mehr alleine erfüllen kann, doch so dringend benötigt. Insgesamt bleibt die Konkretisierung der Partizipationsfunktion vage. Das gilt aber nicht etwa nur für die entsprechenden Informationsfreiheitsgesetze in Deutschland, sondern auch für die des Auslands. „Die Öffentlichkeit der Verwaltung trägt dazu bei, dass die Beziehungen zwischen Staat und Bürger enger und demokratischer werden," lautet etwa die grundlegende Annahme der niederländischen Expertenkommission, die die praktischen Erfahrungen mit dem niederländischen Gesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung drei Jahre lang
422
Vgl. Begründung zum IFG-Bln, BlnAbgh.-Drs. 13/1623, S. 4 f. Vgl. Begründung zum IFG-SH, SHLT-Drs. 14/2374, S. 11. 424 Vgl. Begründung zum IFG-NW, NWLT-Drs. 13/1311, S. 1 f. 423 Vgl. Begründung zum E-IFG, Stand: 26.9.2001, mit Einfügungen/Streichungen v. 12.4.2002, S. 13. 426 So Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 435. 427 Kloepfer, DÖV 2003, S. 221 (224). 423
102
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
untersuchte. Dabei ging sie davon aus, „dass das von der Verwaltung zusammengetragene Wissen zum gesellschaftlichen Allgemeingut werden soll und die Bürger dadurch in die Lage versetzt werden sollen, Entscheidungsprozesse auf eine Weise zu beeinflussen, die den Verfahrensweisen einer erwachsenen Demokratie besser entspricht." 428 Wie sich aber die Beeinflussung der Entscheidungsprozesse konkret vollziehen soll, ließ die Kommission offen.
IV. Verwaltungseffizienz als Nebenfunktion Neben diesen beiden Hauptfunktionen der Ermöglichung von Kontrolle und Partizipation verfolgen Informationsfreiheitsgesetze regelmäßig ein weiteres Ziel, das allerdings weder in den gesetzlich festgelegten Zweckbestimmungen noch in den entsprechenden Gesetzesbegründungen hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt: Es geht um die Verbesserung der Verwaltungseffizienz. Als einzige der gesetzlichen Zweckbestimmungen benennt Art. 1 lit. c VO 1049/2001 das Ziel, „eine gute Verwaltungspraxis im Hinblick auf den Zugang zu Dokumenten zu fördern."
Allerdings bezieht sich dieses Ziel eben nicht auf die gesamte Verwaltungstätigkeit, sondern beschränkt sich („im Hinblick") auf den Zugang zu Dokumenten. Dass die gesamte Verwaltungstätigkeit schon deshalb nicht gemeint sein kann, weil die VO 1049/2001 unmittelbar in erster Linie die am Rechtsetzungsverfahren beteiligten Organe verpflichtet, ist bereits betont worden. Insofern normiert auch diese Bestimmung gerade kein materielles Ziel des Informationszugangs, sondern beschreibt einmal mehr nur den Regelungsgegenstand der Verordnung. Immerhin weist Nr. 2 der Erwägungsgründe der VO 1049/2001 aber über die Beschränkung der guten Verwaltungspraxis auf die Gewährung von Informationszugang hinaus: „Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System."
Diese Erwägung verdeutlicht, dass der Begriff „gute Verwaltungspraxis" 429 trotz seiner selbstreferentiellen Beschränkung auf den freien Dokumentenzugang eine zusätzliche Dimension impliziert, die zum Teil auch in den Begründungen zu den innerstaatlichen Informationsfreiheitsgesetzen zum Ausdruck kommt. 428
Zitiert nach Kneifel, DuD 1984, S. 103 (103). In der englischen Fassung „good administrative practice" und in der französischen Fassung „des bonnes pratiques administratives". 429
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
103
So geht der E-IFG bspw. von einem gewandelten Verwaltungsverständnis aus: „Neben das autoritative Handeln des Staates tritt zunehmend eine konsensorientierte Kooperation mit dem Bürger, die eine gleichgewichtige Informationsverteilung erfordert/ 4430 Und nach der Begründung zum IFG-NRW dokumentiert „der freie Zugang zu Informationen [...] das Prinzip einer offenen Verwaltung, die im Dienste der Bürgerinnen und Bürger steht.44431 Damit nehmen diese Gesetzesbegründungen Bezug auf die Reform des Verwaltungsrechts, mit der zusätzlichen bzw. veränderten Staatsaufgaben durch neue Handlungsformen Rechnung getragen werden soll. Der moderne Staat wird in der vor allem sozialwissenschaftlich geprägten Diskussion als Steuerungsstaat verstanden, der eher durch informales, kooperatives, paktierendes, moderierendes und kommunikatives Verwaltungshandeln in Erscheinung tritt als durch die klassischen autoritativen Handlungsformen der Ge- und Verbote. 432 Dem „Wandel vom Interventions- zum Interaktionsstaat 44433 liegt dabei ein modifiziertes Verständnis der Staatsaufgaben zu Grunde. An die Stelle der Erfüllungsverantwortung des Staates trete immer mehr dessen Gewährleistungsverantwortung, 434 die in erster Linie die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch Private zu ermöglichen und sicherzustellen habe.435 Und mit diesem zum Teil schon zu beobachtenden, zum Teil noch geforderten Wechsel von einer Erfüllungsverantwortung zu einer Gewährleistungsverantwortung für die erforderlichen Rahmenbedingungen gesellschaftlicher Selbstbestimmung und Selbstregulierung gehe die Notwendigkeit einher, „öffentliche Verwaltung im Sinn einer höchstmöglich transparenten, zugänglichen, informierenden und dialogbereiten Staatsfunktion 44 zu verstehen. 436 Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit die Verwaltung in der Informationsgesellschaft wirklich besonderer Handlungsformen bedarf, 437 leuchtet 430
E-IFG, Stand: 26.9.2001, mit Einfügungen/Streichungen v. 12.4.2002, S. 14. NWLT-Drs. 13/1311, S. 1 f. 432 Zu diesem umfassenden Themenkomplex sei hier nur verwiesen auf Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 108 ff. 433 So Pitschas, Allgemeines Verwaltungsrecht als Teil der öffentlichen Informationsordnung, in: Hoffmann-Reim/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des allgemeines Verwaltungsrechts - Grundfragen, 1993, S. 219 (280). 434 Vgl. hierzu die Darstellung bei Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 933 ff. 435 Vgl. hierzu Schmidt-Preuß u. Di Fabio , VVDStRL 56 (1997), S. 160 ff. u. S. 235 ff. 436 So Roßnagel, Möglichkeiten der Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 257 (274). 437 Nachdenklich hierzu Schulte, Wandel der Handlungsformen der Verwaltung und der Handlungsformenlehre in der Informationsgesellschaft, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 333 ff. 431
104
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
dabei unmittelbar ein, dass Informationen in einem verstärkt kooperierenden Staat eine Schlüsselrolle spielen.438 Will (oder soll) der Bürger der Verwaltung vermehrt, ja gar grundsätzlich als Partner oder Dienstleistungsempfänger, jedenfalls nicht als Untertan gegenüberstehen, benötigt er ausreichend Kenntnis, um die Entscheidung treffen oder doch beeinflussen zu können, der er nicht mehr bloß unterworfen ist. Versteht man Verwaltung und Bürger(gesellschaft) in diesem Sinne verstärkt als gleichberechtigte Akteure, die gemeinsam oder im Wettbewerb miteinander öffentliche Aufgaben erfüllen, muss die derzeitige Informationsverteilung als asymmetrisch empfunden werden: Dem Staat stehen, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Informationspflichten des Bürgers gegenüber dem Staat,439 umfassende Informationen zur Verfügung, die zwar aufgrund der horizontalen, vertikalen und funktionalen Gewaltenteilung und vor allem auch aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben nicht unbegrenzt und voraussetzungslos von jedem Staatsorgan genutzt werden können, die aber in jedem Fall ein Wissenspotential darstellen, das dem Bürger (außerhalb eigener Betroffenheit) bislang weitgehend verschlossen ist. Es zu öffnen ist die - von den Gesetzgebern meist unausgesprochene - Aufgabe allgemeiner Informationsfreiheitsgesetze. Die (freilich in anderem Zusammenhang getroffene) Aussage von Schmidt-Aßmann 440 Kooperationsrecht sei zunächst einmal Informationsrecht, gilt insofern auch umgekehrt: Informationsrecht ist regelmäßig Kooperationsrecht. In dieser kooperationsermöglichenden Funktion soll die allgemeine Informationszugangsfreiheit aber nicht nur dem Bürger, sondern auch und gerade der Verwaltung zu Gute kommen. Denn mangelt es an Informationen, fehlt dem Individuum eine Grundvoraussetzung zur reflektierten Freiheitsausübung, hat die Verwaltung eine brüchige Basis für die Aufgabenerfüllung. 441 Die Verwaltung profitiert mittelbar von der Informationszugänglichkeit, indem sie durch Kommunikation, durch Dialog, durch Interaktion mit den Bürgern ihrerseits Informationen erhält, die sie bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen kann. Sie erhält Kenntnis nicht nur von den spezifischen Bedürfnissen, sondern bspw. auch von den Erwartungen der Bürger. Reagiert sie auf
438
Vgl. Kahl, Der europarechtlich determinierte Verfassungswandel im Kommunikations- und Informationsstaat Bundesrepublik Deutschland, in: Haratsch/Kugelmann/ Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 9 (15) m.w.N.; deutlich auch Truie, VVDStRL 57 (1998), S. 216 (252 - Fn. 153). 439 Vgl. hierzu bspw. Herrmann, Informationspflichten gegenüber der Verwaltung, passim. 440 DVB1. 1993, S. 924(935). 441 Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (168) mit Beispielen aus der Rechtsprechung.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
105
diese Erwartungen, kann frühzeitig ein Konsens erzielt 442 und mit einer verstärkten Akzeptanz der Verwaltungsmaßnahmen gerechnet werden. In diesem Sinne wird die Öffentlichkeit als Form der Rationalisierung des Verwaltungshandelns genutzt,443 wird das Verwaltungshandeln insgesamt effizienter. Der Zusammenhang zwischen Akzeptanz und Effizienz 444 des Verwaltungshandelns ist dabei nicht ohne weiteres einleuchtend, wird aber verständlich, wenn man das Verwaltungshandeln vom Ergebnis her betrachtet: Nur solche Maßnahmen der Verwaltung, die wegen ihrer grundsätzlichen Akzeptanz auch befolgt werden, führen zu dem gewünschten Steuerungsergebnis. Dabei wird freilich deutlich, dass es insbesondere bei den informalen, indirekten Steuerungsinstrumenten auf Akzeptanz ankommt, denn die direkten Instrumente wirken weniger aufgrund ihrer Beurteilung durch den Bürger als vielmehr durch ihren formalen Geltungsbefehl. Allerdings beruht die durch die Informationszugangsfreiheit herzustellende Effizienz des Verwaltungshandelns nicht allein auf dessen Akzeptanz, sondern auch auf der disziplinierenden Wirkung, die die bloße Möglichkeit jederzeitiger Kontrolle auf die Verwaltung ausübt. Die Gesetzgeber gehen offensichtlich von der Erwartung aus, dass die Verwaltung ihre Entscheidungen unter den Augen der Öffentlichkeit schneller und besser trifft. Diese Annahme trägt natürlich nur soweit, wie die Öffentlichkeit die Entscheidungsfähigkeit der Verwaltung nicht umgekehrt gerade lähmt. Denn wenn die von den Informationsfreiheitsgesetzen u.a. angestrebte „gute Verwaltungspraxis" auch auf effektives Verwaltungshandeln zielt, wird die Verwaltung ihr Handeln häufig gerade dann als besonders effektiv empfinden, wenn sie nicht stets unter den Augen der Öffentlichkeit agieren muss.445 Ein zu weitgehender Informationszugangsanspruch kann über Vermeidungsstrategien und „strategisch selektiver Aktenführung" bis hin zur Flucht der Verwaltung in die Informalität führen und damit das Gegenteil von dem bewirken, was die Informationszugangsfreiheit gewährleisen will. In den Begriffen der Ökonomik ergibt sich dieses Dilemma aus den ambivalenten Anreizwirkungen von Kontrolle. Die positive Anreizwirkung folgt daraus, das der Akteur, resultierend aus dem Wissen, dass er kontrolliert wird und im Falle von Abweichungen der festgestellten Ist-Größe von der vorgegebenen Soll-Größe mit Sanktionen zu rechnen hat, zu dem richtigen Handeln angehalten wird. Auf diese (mittelbare) Wirkung setzt die Verwaltungskontrol-
442
Vgl. Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 443. Roßnagel, Möglichkeiten der Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 257 (297). 443
444
Zu den Effizienzbegriffen vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsbegriff, S. 48 ff. Diesen Widerspruch macht Ziegler-Jung, DuD 1990, S. 409 (410, 413), auch beim niederländischen Informationsfreiheitsgesetz aus. 445
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
le durch Informationszugangsfreiheit. Zugleich können aber auch negative Anreizwirkungen auftreten, etwa die durch die ständige Kontrolle bewirkte Demotivation mit der Folge der „inneren Kündigung" oder des Versuchs, sich der Kontrolle zu entziehen.446 Nicht zuletzt mit dem Ziel, diese negativen Anreize so gering wie möglich zu halten, sehen sämtliche Informationsfreiheitsgesetze Ausnahmen von den Zugangsrechten zu Gunsten der Funktionsfähigkeit der Verwaltung vor. Insgesamt erscheint das in den Gesetzesbegründungen nur angedeutete und im Übrigen vor allem in der wissenschaftlichen Literatur hervorgehobene Ziel von Informationsfreiheitsgesetzen, die Verwaltungseffizienz zu verbessern, neutral: Wo die Transparentierung der Verwaltung deren Handeln effizienter gestalten könnte, stützt diese Wirkung den Zugangsgrundsatz, und wo sie einem effizienten Handeln entgegensteht, bestehen Ausnahmen von der Transparenz.
V. Umweltschutz und andere Spezialfunktionen Steht im Vordergrund der durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit bewirkten Öffentlichkeit der Verwaltung auch grundsätzlich die Idee, die Kontroll- und Partizipationsmöglichkeiten der Bürger zu verbessern und dadurch zugleich eine „gute Verwaltung" zu gewährleisten, soll die Transparenz der Verwaltung doch mitunter auch für darüber hinaus gehende besondere Ziele fruchtbar gemacht werden. Das gilt namentlich für die bereichsspezifischen Informationszugangsgesetze, also für solche Gesetze, die wie die allgemeinen Informationsfreiheitsgesetze keine Voraussetzungen oder Beschränkungen der Zugangsberechtigung normieren, im Unterschied zu jenen aber den Zugangsgegenstand in bestimmter Weise einengen. Wichtigstes Beispiel ist das Umweltinformationsgesetz.
/. Umweltschutz Das Umweltinformationsgesetz dient in erster Linie der Verbesserung des Umweltschutzes. Mit dieser Intention ist bereits die dem UIG zu Grunde liegende UIRL erlassen worden. Sie geht im 4. Erwägungsgrund davon aus, dass „der Zugang zu umweltbezogenen Informationen im Besitz der Behörden [...] den Umweltschutz verbessern [wird]." Allerdings soll nicht verschwiegen wer-
446
Vgl. Suchanek, Verwaltungskontrolle aus ökonomischer Sicht, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 247 (253).
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
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den, dass die UIRL auch den Wettbewerbsschutz im Auge hat, wenn sie im 5. Erwägungsgrund formuliert: „Die Unterschiede der in den Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften über den Zugang zu umweltbezogenen Informationen im Besitz der Behörden können dazu fuhren, dass die Bürger in der Gemeinschaft hinsichtlich des Zugangs zu Informationen und/oder bezüglich der Wettbewerbsbedingungen unterschiedlich behandelt werden." Dieser wettbewerbsschützende Aspekt kann nicht nur, wie sonst häufig beim Erlass von Richtlinien, zur Begründung der Gemeinschaftskompetenz betont worden sein, da die UIRL nicht auf Art. 100a EWGV (nunmehr Art. 95 EG), sondern auf Art. 130s EWGV (nunmehr Art. 176 EG) gestützt wurde, der eine auf den Wettbewerb ausgerichtete Voraussetzung nicht enthält. Gleichwohl wird man der Zielsetzung des Wettbewerbsschutzes gegenüber der des Umweltschutzes schon deshalb eine nur untergeordnete Bedeutung beimessen müssen,447 weil die Richtlinie zur Erreichung des Wettbewerbsziels nur bedingt geeignet ist. Denn aufgrund der Regelungsakzessorietät des Zugangsrechts 448 erstreckt sich die durch die Richtlinie bewirkte (formale) Harmonisierung des Zugangsanspruchs nicht auf die (materielle) Vereinheitlichung des Anspruchsgegenstands: Die Richtlinie beeinflusst weder die Quantität noch die Qualität der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorhandenen Informationen über die Umwelt und hat deshalb keinerlei Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen.449 Hauptzweck des von der UIRL vorgesehenen und vom UIG gewährleisteten Informationszugangsrechts ist eine Verbesserung des Umweltschutzes,450 die freilich nur mittelbar 451 bewirkt wird: Zum einen soll die Inanspruchnahme des Informationszugangsrechts zu einer größeren Öffentlichkeit des Verwaltungshandelns führen und dadurch der Vollzug des geltenden Umweltrechts gesi-
447 A usf. Strohmeyer, Das europäische Umweltinformationszugangsrecht als Vorbild eines nationalen Rechts der Aktenöffentlichkeit, S. 76 ff. 448 Eifert, DÖV 1994, S. 544 (548). 449 Vgl. Fluck, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/Schröder (Hrsg.), Freier Zugang zu Umweltinformationen - Rechtsfragen im Schnittpunkt umweltpolitischer Interessen, S. 48 f. 450 Deutlich Erichsen, Der Umweltinformationsanspruch und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, S. 23 (26 f.); nach intensiver Befassung mit der Rechtsetzungsgeschichte Strohmeyer, Das europäische Umweltinformationszugangsrecht als Vorbild eines nationalen Rechts der Aktenöffentlichkeit, S. 78. 451 Treffend die Analyse von Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 (410): „ M i t der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Herstellung des freien Zugangs zu Umweltdaten zielt die Gemeinschaft auf eine verbesserte Kontrolle der nationalen Verwaltung, die Schärfung des Umweltbewusstseins der Bevölkerung und damit verbunden auf eine Effektuierung der Umweltpolitik der Gemeinschaft."
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
chert werden. Zum anderen will das UIG auch „das Bewusstsein für die Erfordernisse eines wirksamen Umweltschutzes bei Bürgern und Behörden schärfen und hierdurch mittelbar zum Schutz der Umwelt beitragen." 452 Dieses vom Gesetzgeber selbst immer wieder betonte Fernziel der durch das UIG hergestellten Verwaltungsöffentlichkeit, nämlich die Effektuierung umweltschützender Regelungen, war vor allem auch für die Begründung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes kraft Sachzusammenhang von Bedeutung.453 Denn da das Informationszugangsrecht des UIG im Unterschied zu dem allgemeiner Informationsfreiheitsgesetze am Anspruchsgegenstand und nicht am Anspruchsgegner ausgerichtet ist, verpflichtet es eben nicht nur die Behörden des Bundes, sondern auch die der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, wofür es einer legitimierenden Kompetenzzuweisung bedurfte. 454 Ob das UIG neben dem Umweltschutz auch den allgemeinen Zielen von Informationsfreiheitsgesetzen zu dienen bestimmt ist, ob der Informationszugangsanspruch nach dem UIG also auch durch demokratische oder rechtsstaatliche Aspekte getragen wird, wird namentlich von Strohmeyer bestritten. Er bezweifelt darüber hinaus auch, dass die UIRL oder das UIG das Ziel verfolge, den Bürger in besonderem Maße für den Umweltschutz zu sensibilisieren. Seiner Ansicht nach beschränken sich die Regelungen allein auf das Ziel, den Vollzug des geltenden (europäischen und nationalen) Umweltrechts zu kontrollieren. 455 Mögen diese auf einer exakten Untersuchung des Rechtsetzungsprozesses beruhenden Erkenntnisse auf den ersten Blick ohne Bedeutung sein, können sie auf den zweiten Blick doch möglicherweise die Abwägung zwischen dem Zugangsinteresse und etwaigen Geheimhaltungsinteressen beeinflussen. 456 Denn es macht einen Unterschied, ob der Zugang „nur" zur Vollzugskontrolle umweltrechtlicher Vorschriften oder auch als Voraussetzung für die Meinungs- und Willensbildung sowie für die Partizipation am Staatsgeschehen begehrt wird. Unabhängig von diesen möglichen konkreten Rechtsfolgen zeigt die umstrittene Analyse der gesetzlichen Intentionen einmal mehr, dass die Steuerungsfähigkeit von Informationsfreiheitsgesetzen bei der Herstellung von Transparenz der Verwaltung endet. Ob der vom UIG gewährte Informationsanspruch wirk452
Vgl. BR-Drs. 797/93, S. 21. So Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 (415). 454 Zur schwierigen Bestimmung der Gesetzgebungskompetenz für das UIG vgl. Roger, UIG, § 2, Rn. 15 ff. 455 Strohmeyer, Das europäische Umweltinformationszugangsrecht als Vorbild eines nationalen Rechts der Aktenöffentlichkeit, S. 198; vgl. nun auch Gröschner, VVDStRL 63 (2003), S. 349 f.: „In der Begründung [der UIRL] sind andere als umweltpolitische Zielsetzungen des Rates [...] nicht erkennbar." 456 Vgl. dazu unten. 453
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
109
lieh zu Gunsten und nicht vielleicht umgekehrt zu Lasten des Umweltschutzes oder gar aus einem ganz anderen Informationsinteresse genutzt wird, können weder der Gesetzgeber noch die verpflichteten Behörden beeinflussen. Die Ausschlussklausel des § 7 Abs. 1 Nr. 3 UIG, nach der der Zugangsanspruch nicht besteht, wenn zu besorgen ist, dass der Zugang zu den begehrten Informationen negative Wirkungen fiir den Umweltschutz hat, kann aufgrund der hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts 457 den umweltschädigenden Missbrauch von Informationen über die Umwelt kaum verhindern und schließt vor allem nicht den Informationsgebrauch zu anderen als umweltschützenden Zielen aus.
2. Verbraucherschutz Wie das UIG, so wäre auch das Verbraucherschutzgesetz des Bundes ein bereichsspezifisches Informationszugangsgesetz gewesen, weil es sich auf den Zugang zu Informationen über Verbrauchsgegenstände beschränkte. 458 Und wie das UIG verfolgte auch das VerbIG mit dem freien Informationszugang spezielle Ziele, die sich freilich nicht aus der gesetzlichen Zweckbestimmung des § 1 E-VerbIG, sondern nur aus der Gesetzesbegründung ergaben. Denn § 1 EVerblG erklärte es lediglich zum Ziel des Gesetzes, den Verbrauchern freien Zugang zu Informationen über Lebensmittel und Bedarfsgegenstände zu ermöglichen, und betraf dabei einmal mehr nur den Regelungsgegenstand, nicht aber das Regelungsziel. Die Zielsetzung des Gesetzes bestand ausweislich der Entwurfsbegründung vor allem darin, den Verbrauchern in ihrer wirtschaftlichen Rolle als Marktteilnehmer ein selbstbestimmtes Handeln zu ermöglichen. Neben den wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sollte zugleich aber auch deren „Gesundheit und Sicherheit" geschützt werden. 459
3. Vergangenheitserforschung Als drittes Beispiel für eine spezielle Funktion von Informationszugangsgesetzen sei die Vergangenheitserforschung angesprochen. „Die Kenntnis der Vergangenheit bildet eine unerlässliche Voraussetzung jeder, auch der staatlichen Identität," formulierte das Europäische Parlament in einer Entschließung
457 458 459
Vgl. dazu Hk-UIQlSchrader, § 7, Rn. 20 ff. Vgl. den Entwurf des Gesetzes (E-VerbIG), BT-Drs. 14/8738. Vgl. Zielsetzung der Begründung v. 8.3.2002.
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
aus dem Jahre 1991.460 Die Vergangenheit des Staates erschließt sich unter anderem aus dem Archivmaterial. Es enthält das aus dem Geschäftsgang der Verwaltung hervorgegangene Schriftgut, 461 das im laufenden Geschäftsgang der Behörden nicht mehr gebraucht wird. Alle öffentlichen Stellen sind verpflichtet, ihre Unterlagen, die sie nicht mehr für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen, an die Archivverwaltung auszuliefern. 462 Obwohl die Archive zum Teil noch durch ihre Bezeichnung (Geheimes Preußisches Staatsarchiv) den gegenteiligen Eindruck erwecken, dienen sie doch eher der Publizität als der Geheimhaltung. Denn die Informationen, die in die Archive gelangen, sollen grundsätzlich - wenn auch erst nach Ablauf einer Sperrfrist - zugänglich sein, während die bei den Behörden befindlichen Informationen nach geltendem Recht gerade geheim bleiben. 463 Die Nutzung von Archivgut wird in Deutschland im Wesentlichen vom Bundesarchivgesetz (BArchG) v. 6.1.1988464 sowie von den Archivgesetzen der Bundesländer geregelt. 465 Nach § 5 BArchG hat grundsätzlich jeder auf Antrag das Recht, Archivgut des Bundes zu nutzen, welches vor mehr als 30 Jahren bestand. Ein besonderes Nutzungsinteresse ist nicht darzulegen. Strukturell handelt es sich hierbei also wie bei dem Zugangsrecht nach dem UIG um einen zwar voraussetzungslos gewährten, gegenständlich aber beschränkten Anspruch auf Informationszugang. Im Unterschied zu den allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen und dem UIG wird den Belangen, die einem Zugang entgegen stehen, im Archivrecht vor allem durch Ablauffristen Rechnung getragen. So darf Archivgut, dass sich auf natürliche Personen bezieht, gemäß § 5 Abs. 2 BArchG erst 30 Jahre nach dem Tod (bzw. 110 Jahre nach der Geburt) des Betroffenen eingesehen werden. Nach Ablauf dieser Frist von 30 Jahren die für wissenschaftliche Forschungsvorhaben oder zur Wahrnehmung berechtigter Belange sogar noch verkürzt werden kann - tritt im Regelfall der Bedarf
460
Entschließung des Europäischen Parlaments v. 24.1.1991 „zum Recht der Völker auf Informationen über ihre Geschichte und auf Rückgabe nationaler Archive", ABl. EG 1991 Nr. C 48, S. 181. 461 § 1 Abs. 1 der Regierungsanweisung im Anhang zu § 19 der alten Gemeinsamen Geschäftsordnung definierte Schriftgut als „alle im Bereich der Bundesministerien aus der Geschäftstätigkeit erwachsenden amtlichen Unterlagen, unabhängig von dem Material, auf dem die Aufzeichnung erfolgt. Schriftgut sind also auch Karteien, Karten, Pläne, Bild- und Tonaufzeichnungen, mechanisch oder magnetisch angebrachte Markierungen in Belegen oder sonstigen Speichermedien." Die neue GGO v. 26.7.2000 enthält keine Definition des Schriftguts mehr. 462 Vgl. bspw. § 2 Abs. 1 BArchG. 463 Ebenso Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 289. 464 BGBl. I, S. 62. 465 Zum Archivzugangsrecht vgl. ausf. Manegold, Archivrecht, S. 65 ff., sowie den Überblick bei Kloepfer, Informationsrecht, § 10, Rn. 99 ff.
Β. Mittelbar verfolgte Ziele
111
nach individuellem Rechtsschutz und auch nach Kontrolle des spezifischen Behördenhandelns als Einsichtsmotiv zurück hinter den allgemeinen Interessen an einer Offenlegung der historischen Grundlagen der jeweiligen Gegenwart. Nur bestimmtes Archivgut unterliegt besonderen Geheimhaltungsvorschriften und darf gemäß § 5 Abs. 3 BArchG deshalb erst 80 Jahre nach seiner Archivierung genutzt werden. Zusätzlich zu dieser vom Gesetzgeber selbst vorgenommenen abstrakttypisierenden Abwägung normiert § 5 Abs. 6 BArchG eine Reihe von Nutzungsverboten, über die die zuständigen Behörden, insbesondere also das Bundesarchiv, im Einzelfall zu entscheiden haben. Die Sperrfristen in den Archivgesetzen dienen nicht der Geheimhaltung als solcher, sondern dem Schutz konkreter rechtlich geschützter öffentlicher oder privater Interessen. Die Fristregelung ist also ein vom Gesetzgeber gewähltes Instrument zur interessengerechten Abwägung. 466 Besondere Zugangsregelungen gelten für die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR, die nicht den allgemeinen Regelungen des BArchG unterfallen. Im Hinblick auf die zumeist verfassungswidrige Erhebung der in den Unterlagen enthaltenen Informationen wird der Zugang zu diesen Unterlagen nur nach Maßgabe des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (StUG) gewährleistet, das in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zu einer Personengruppe eine Reihe von Anspruchsvoraussetzungen normiert und zusätzlich auch differenzierte Beschränkungen des Anspruchsgegenstandes vorsieht. 467 Es kann deshalb nicht mehr als allgemeines Informationsfreiheitsgesetz charakterisiert werden. Auch im Hinblick auf die Funktionen unterscheidet sich das StUG von den Informationsfreiheitsgesetzen. Die grundsätzlichen Ziele des (damals erst noch zu erlassenden) Gesetzes wurden bereits in der Vereinbarung zur Durchführung und Auslegung des Einigungsvertrags vom 18.9.1990 festgelegt 468 und später von § 1 StUG konkretisiert. Danach intendiert das Gesetz die Ermöglichung des Zugangs des Einzelnen zu den vom Staatssicherheitsdienst zu seiner Person gespeicherten Informationen zur Klärung des Einflusses des Staatssicherheitsdienstes auf sein Schicksal (Nr. 1), den Schutz des Einzelnen vor Beeinträchtigungen seines Persönlichkeitsrechts durch den Umgang mit den gespeicherten Informationen (Nr. 2),
466
Ebenso Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 288. Vgl. umfassend Stoltenberg, StUG-Kommentar; sowie den Überblick bei Kloepfer, Informationsrecht, § 10, Rn. 110 ff. 468 Danach sollen die gesetzlichen Regelungen einen „angemessenen Ausgleich" vornehmen zwischen „der politischen, historischen und juristischen Aufarbeitung, der Sicherung der individuellen Rechte der Betroffenen und dem gebotenen Schutz des einzelnen vor unbefugter Verwendung seiner persönlichen Daten." 467
112
1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
die Gewährleistung und Förderung der historischen, politischen und juristischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes (Nr. 3) und die Bereitstellung der erforderlichen Informationen für öffentliche und nichtöffentliche Stellen, soweit ein vom StUG anerkannter Zweck dahintersteht (Nr. 4). Eine demokratisch bzw. rechtsstaatlich begründete Kontroll- und Partizipationsfunktion verfolgt das StUG dagegen ebenso wenig wie die Gewährleistung einer „guten Verwaltungspraxis 14. Die Kontrollfunktion schlägt schon deshalb nicht mehr zu Buch, da es sich ja um Akten des aufgelösten MfS handelt und die BStU nicht kontrolliert werden soll. Auf der anderen Seite muss deshalb auch die Funktionsfähigkeit der Behörde nicht als etwaiger Geheimhaltungsgrund berücksichtigt werden. 469 Vielmehr ist der Zugang zu den Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes vor allem deshalb so restriktiv ausgestaltet, damit die Rechtswidrigkeit der Informationserhebung nicht ohne zwingenden Grund perpetuiert wird.
Doch nicht nur die besonderen Regelungen über den Zugang zu den Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes, auch der Zugang zu dem allgemeinen Archivgut dienen jedenfalls nicht in erster Linie der Kontrolle der Verwaltung und - wenn überhaupt - nur sehr mittelbar der Partizipation am politischen Leben. Man mag die Ermöglichung und Erleichterung der historischen Forschung als Funktion des Archivzugangs erkennen. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der Zugang von einem solchen besonderen Interesse gar nicht abhängig gemacht wird. Das lässt die Vermutung zu, dass der Zugang allein „der allgemeinen Information des Bürgers dient," 470 dass mit anderen Worten allein der Bürger darüber entscheidet, zu welchen Zwecken er das zugängliche Archivgut verwendet.
C. Grundrechtsgebrauch ermöglichende Wirkung Ob diese „neutrale" Informationsfunktion aber wirklich nur auf das Archivwesen beschränkt ist, erscheint durchaus fraglich. Denn ob die Informationszugangsrechte von den Bürgern tatsächlich zu den von den Gesetzgebern intendierten Zielen ausgeübt werden, entzieht sich - wie bereits angedeutet - weitgehend dem Einfluss des Staates. Die Informationsfreiheitsgesetze mögen den politisch interessierten und engagierten Bürger vor Augen haben, der Zugang zu Informationen bei der Verwaltung begehrt, um sich eine (politische) Meinung zu bilden, um Unregelmäßigkeiten, möglicherweise gar Korruptionsfälle in der Verwaltung aufzudecken oder um sich für den Umweltschutz zu engagieren. Sie beschränken den Informationszugang gleichwohl nicht auf solche hehren Motive, sondern gewähren den Anspruch vielmehr gerade vorausset469 470
Treffend Bieber, DÖV 1991, S. 857 (858). So Bieber, DÖV 1991, S. 857 (861).
C. Grundrechtsgebrauch ermöglichende Wirkung
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zungslos, d.h. unabhängig von einem wie auch immer gearteten Interesse und somit unabhängig von dem Zweck, den der Einzelne mit seinem Informationszugang verfolgt. Die von den Gesetzen und Gesetzesbegründungen vorgegebenen Ziele allgemeiner Informationszugangsrechte stehen insofern in gewissem Maße im Widerspruch zur Zweckunabhängigkeit deren Gewährleistung, denn die logische Konsequenz der voraussetzungslosen, zweckunabhängigen Einräumung eines allgemeinen Informationszugangsanspruchs ist, dass das im konkreten Einzelfall individuell bestimmte Ziel des informationsbegehrenden Bürgers nicht mit den abstrakt verfolgten Zielen des informationszugangsgewährenden Gesetzgebers kongruieren muss. Ein Blick in die Realität bestätigt diese theoretische Überlegung. So werden in den U.S.A. seit Jahren über 80% aller Informationszugangsanträge von Unternehmen mit dem Ziel gestellt, die erlangten Informationen für ihre eigene Wirtschaftstätigkeit optimierend verwerten zu können,471 obwohl auch der FOIA in den U.S.A. primär mit dem Ziel verabschiedet wurde, die Partizipation der Bürger am politischen und administrativen Geschehen zu stärken und eine Kontrolle der Verwaltung zu ermöglichen. 472 Und die ersten Erfahrungen mit dem UIG in Deutschland zeigen, dass das Recht auf Zugang zu Informationen über die Umwelt nicht in erster Linie von engagierten Einzelpersonen oder Umweltschutzverbänden genutzt, sondern in mehr als der Hälfte aller Fälle von Wirtschaftsunternehmen in Anspruch genommen wird. 473 Diese Beispiele zeigen, dass der Gesetzgeber die konkret-individuellen Ziele des Informationszugangs nicht abstrakt-generell vorweg nehmen kann: Sobald er den Informationszugang voraussetzungslos gewährleistet, begibt er sich des Einflusses auf die tatsächlich verfolgten Zwecke. Er hofft auf eine bestimmte Verwendung der zugänglich gemachten Informationen, kann aber eine andere und selbst eine seinen Zielen konträre Verwendung der Informationen nicht ausschließen. So können Informationen über rechtswidriges Verwaltungshandeln nicht nur korruptionsaufklärend und -verhindernd, sondern auch korruptionsermöglichend eingesetzt werden. Und der Zugang zu Informationen über die Umwelt kann nicht nur ein umweltschonendes Verwaltungshandeln fördern, sondern auch umweltbelastendes Privatverhalten ermöglichen. 474 Durch
471 Zur kommerziellen Bedeutung des FOIA s. Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 118 f. 472 Vgl. Rehbinder, Die Informationspflicht der Behörden im Recht der Vereinigten Staaten, S. 51 f.; Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, S. 55 f. 473 Schmillen, Das Umweltinformationsrecht zwischen Anspruch und Wirklichkeit, S. 25 ff. 474 Zu denken ist bspw. an die nachteiligen Auswirkungen der Bekanntgabe des Standortes seltener Biotope oder von Tier- oder Pflanzenarten. Ebenso können Informa-
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UIG lässt sich ein solches Verhalten ebenso wenig verhindern wie durch die Missbrauchsklauseln des § 7 Abs. 3 UIG, des § 6 Abs. 4 AIGBbg und des § 6 Abs. 1 IFG-NRW. Vor diesem Hintergrund mag die Gewährleistung eines allgemeinen Informationszugangsrechts dann doch als Selbstzweck beurteilt werden: Sie dient nicht nur als Mittel zur Herstellung der Öffentlichkeit der Verwaltung, sondern erschöpft sich auch schon in der Bereitstellung des Informationszugangs. 475 Tatsächlich aber ist die Wirkung allgemeiner Informationszugangsfreiheit in einer tiefer liegenden Ebene zu suchen. Indem die Zweckbestimmung eben nicht mehr - sei es positiv, sei es negativ - vom Gesetzgeber vorgenommen wird, sondern ausschließlich dem Anspruchsberechtigten überlassen wird, wirken allgemeine Informationszugangsrechte freiheitsermöglichend: Sie erlauben dem Einzelnen, entsprechend seinen eigenen Interessen diejenigen Informationen von der Verwaltung zu erhalten, die er nach seinen subjektiven Vorstellungen zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit, zur „reflektierten Freiheitsausübung", 476 benötigt. Informationszugangsfreiheit gewährleistet insofern die Voraussetzungen für die individuelle Inanspruchnahme von Grundrechten. Diese Ermöglichung des Grundrechtsgebrauchs beschränkt sich aber keinesfalls, wie man den zitierten gesetzlichen Zweckbestimmungen und Gesetzesbegründungen entnehmen könnte, auf diejenigen Grundrechte, denen eine „für die Demokratie schlechthin konstituierende Wirkung" zukommt. Informationszugangsfreiheit ermöglicht nicht nur den Gebrauch der „politischen" Grundrechte wie insbesondere der Kommunikationsgrundrechte, sie gewährleistet vielmehr die Inanspruchnahme aller Grundrechte einschließlich der primär für die wirtschaftliche Entfaltung relevanten Berufs- und Eigentumsfreiheit. Letztlich kommt dies auch schon in dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1969 zum Ausdruck, in dem die Informationsfreiheit nicht nur als „eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie" bezeichnet wird, sondern zugleich betont wird, dass der Bürger erst mit Hilfe des Grundrechts der Informationsfreiheit in den Stand gesetzt wird, „sich selbst die notwendigen Voraussetzungen zur Ausübung seiner persönlichen und politischen Aufgaben zu verschaffen." 477 Nicht nur für die
tionen über Umweltbelastungen an bestimmten Orten, etwa in Fließgewässern, genutzt werden, um dort unerkannt eigene Umweltschädigungen vorzunehmen. 475 Differenzierter Reinhardt, Die Verwaltung 30 (1997), S. 161 (173): „Die Übermittlung von Information von der Behörde auf den Bürger wird zum „eigentlichen" materiellen Recht und damit letztlich zum rechtstheoretischen, wenn auch wohl nicht rechtspolitischen Selbstzweck." 476 Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (168). 477 BVerfG 27, 71 (81).
C. Grundrechtsgebrauch ermöglichende Wirkung
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Ausübung politischer Aufgaben also, sondern (an erster Stelle) fiir die Ausübung seiner persönlichen Aufgabe ist die Informationsfreiheit zentrale Voraussetzung. Diese auf die gesamte private Freiheitsentfaltung des Bürgers bezogene Feststellung des Bundesverfassungsgerichts mag wegen der gleichzeitigen Betonung der (objektiven) Bedeutung der Informationsfreiheit für die freiheitliche Demokratie leicht überlesen werden. Sie gewinnt im Kontext allgemeiner Informationszugangsfreiheit jedoch insofern wieder an Bedeutung, als der Bürger grundsätzlich selbst entscheiden können muss, ob er die von ihm begehrten Informationen zur Ausübung seiner persönlichen oder seiner politischen Entfaltung verwenden will. 4 7 8 Warum die Gesetzgeber in ihren Begründungen zur Gewährleistungen der Informationszugangsfreiheit nur auf die demokratische Partizipation, auf die Kontrolle der Verwaltung oder auf den Umweltschutz rekurrieren, lässt sich an dieser Stelle nicht ergründen. Zu beobachten ist jedenfalls, dass sie mit diesen Aspekten letztlich auf solche Ziele abstellen, die im Interesse der Allgemeinheit, der Öffentlichkeit stehen und die deshalb als „öffentliches Interesse" ein besonderes Gewicht zu erlangen scheinen. Die Verfolgung bloß wirtschaftlicher oder sonstiger, bspw. auch wissenschaftlicher Interessen scheint den Gesetzgebern dagegen wohl zu eigennützig, um die allgemeine Informationszugangsfreiheit zu erklären. Dies verwundert um so mehr, als in der allgemeinen Literatur und auch in einigen Gesetzesbegründungen die besondere Bedeutung allgemeiner Informationszugangsfreiheit für die und in der Informationsgesellschaft hervorgehoben wird, einer Gesellschaft, in der Informationen auch vielleicht sogar vor allem - eine wirtschaftliche Rolle spielen: Immer mehr werden Informationen neben den klassischen Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden als vierter Produktionsfaktor, 479 als „Rohstoff 4480 verstanden. Von diesen Prämissen geht auch die Europäische Kommission in ihrem Grünbuch „Informationen des öffentlichen Sektors" aus dem Jahre 1998 aus und gelangt deshalb auch zu anderen Zielsetzungen allgemeiner Informations-
478 Diese Möglichkeit ist letztlich Folge oder doch zumindest Ausdruck des pragmatischen Informationsbegriffs, der den Informationsfreiheitsgesetzen zu Grunde liegt. Vgl. oben S. 5 f. 479 Vgl. schon Dohr, Öffentliche Information und privater Informationsmarkt, S. 1; Steinbuch, GRUR 1987, S. 582 ff.; Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 1 f. u. 58 ff.; aber auch „Rat für Forschung, Technologie und Innovation", Informationsgesellschaft-Chancen, Innovationen, Herausforderungen, S. 10. 480 Spinner. Die Wissensordnung, S. 19; Büllesbach, NJW 1991, S. 2593 (2594); vgl. auch Pitschas, Allgemeines Verwaltungsrecht als Teil der öffentlichen Informationsordnung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts - Grundfragen, 1993, S. 219 (234); Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117(120).
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1. Kap.: Informationszugangsfreiheit in Deutschland
zugänglichkeit.481 Ihr geht es nicht (primär) darum, die Informationen des öffentlichen Sektors, der in der Informationsgesellschaft als größter Informationsbesitzer gilt, 482 im Interesse einer partizipativen Demokratie oder einer öffentlichen Verwaltungskontrolle zur Verfugung zu stellen. Sie will durch einen verbesserten Zugang zu Informationen des öffentlichen Sektors vielmehr vor allem gewährleistet wissen, dass die Unionsbürger die Vorteile des Binnenmarktes besser nutzen, dass sie also von den ihnen eingeräumten Grundfreiheiten mehr und einfacher Gebrauch machen können. Dabei sollen unternehmerische Entscheidungen ebenso erleichtert werden wie die Mobilität der Arbeitnehmer. 483 Im Unterschied zu den nationalen Gesetzgebern, im Unterschied aber auch zu den Erwägungen der VO 1049/2001 scheint die Kommission bei diesem Grünbuch also weniger von dem Menschenbild eines „zoon politicon" auszugehen, der die Informationen der öffentlichen Stellen in erster Linie für das Gemeinwohl nutzt, sondern vielmehr von dem eines „homo oeconomicus", der die zugänglichen Informationen vor allem zu seinen persönlichen Interessen (und d.h. oftmals zu seinem wirtschaftlichen Gewinn) einsetzt. Darin muss man nicht zwingend einen Ansatz zur Privatisierung und Kommerzialisierung von Informationen sehen.484 Zwar ist die auf die gesamte Entwicklung der Informationstechnologie und Informationsgesellschaft bezogene Aussage sicherlich zutreffend: „Was vormals als öffentliches Gut galt, wird zur Ware, zum wirtschaftlichen Gut." 485 Korrekter wäre gleichwohl die Formulierung: „Was vormals als öffentliches Gut galt, ist nun frei verfügbar und kann zum wirtschaftlichen Gut werden". Denn wie die einmal zur Verfügung gestellten Informationen genutzt werden, hängt allein von dem Interesse ihres Verwenders ab. Im Übrigen erscheint die negative Konnotation des Begriffs der Kommerzialisierung unzutreffend. Wagt man etwa eine kurze ökonomische Analyse 486 der Informationsfreiheitsgesetze, so kommt diesen die Funktion zu, den Zugang zu 481 Europäische Kommission, Informationen des öffentlichen Sektors - Eine Schlüsselrolle für Europa, Grünbuch über die Informationen des öffentlichen Sektors in der Informationsgesellschaft, KOM (1998) 585. 482 Vgl. Schock/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl, Rn. 1; unter Verweis auf Burkert, MMR 1999, S. V. 483 Vgl. im Einzelnen KOM (1998) 585, S. 5 ff. 484 In Frankreich ist die kommerzielle Nutzung der Informationen verboten (Art. 10 de la loi N° 78-753 du 17 juillet 1978 portant diverses mesures d'amélioration des relations entre l'administration et le public et diverses dispositions d'ordre administratif, social et fiscale, JO du 18.7.1978. Vgl. hierzu allgemein Ergec, AdPub 17 (1993), S. 87 ff.; sowie Grewe, DÖV 2002, S. 1022 ff. 485 Näher hierzu Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (172) m.w.N. Vgl. - bezogen aber wohl nur auf private Informationsquellen - schon Lerche, Jura 1995, S. 561 (564). 486 Vgl. hierzu umfassend Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, passim.
C. Grundrechtsgebrauch ermöglichende Wirkung
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Informationen derart zu gewährleisten, dass der gesamtgesellschaftliche Nutzen maximiert wird. 487 Diese angestrebte Maximierung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt ergibt sich, folgt man den grundlegenden Annahmen Adam Smiths, aus der Summe der Nutzenniveaus aller Beteiligten,488 letztlich also aus individuellen Nutzenmaximierung: 489 Eigennutz fordert Gemeinnutz.490 Mögen die Gesetzgeber also auch ein bestimmtes Menschenbild, vielleicht gar einen „sozialbereiten Bürger" 491 vor Augen gehabt haben, wirken die Informationsfreiheitsgesetze doch „menschenbildneutral". Die in den Gesetzesbegründungen und im wissenschaftlichen Schrifttum explizit oder konkludent erfolgende Charakterisierung der Informationszugangsfreiheit als Voraussetzung einer freien und umfassenden politischen Willensbildung ändert hieran nichts: Dem politischen Gebrauch von Grundrechten kommt kein prinzipieller Vorrang vor politisch indifferentem Handeln zu. 492
487
Vgl. hierzu Suchanek, Verwaltungskontrolle aus ökonomischer Sicht, in: Schmidt'Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 247 (249 f.); sowie allgemein zur Effizienz von Rechtsnormen Eidenmüller, Effizienz als Rechtsbegriff, S. 21 ff. m.w.N. 488 Vgl. Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 31 f f ; Ott/Schäfer, JZ 1988, S. 213 (218). 489 So Grzeszick, JZ 2003, S. 647 (649). 490 Salje, Rechtstheorie 15 (1984), S. 277 (288). 491 Vgl. Werner, AöR 81 (1956), S. 84 (99 f.). 492 Deutlich Wendt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 5, Rn. 2.
2. Kapitel
Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen durch Verfassungsrecht
A. Überblick Die bereits geltenden ebenso wie die bislang nur entworfenen Informationsfreiheitsgesetze sind sich vor allem strukturell, zum Teil aber auch inhaltlich ausgesprochen ähnlich. Jedes Gesetz bestimmt in nur einer Norm den grundsätzlichen Anspruch auf Zugang zu Informationen bei den Behörden, konkretisiert sodann Anspruchsgegenstand und Anspruchsverpflichtete und widmet sich darüber hinaus vor allem den anspruchsbeschränkenden bzw. anspruchsausschließenden Voraussetzungen. Regelungen zur Durchführung des Anspruchszugangs sowie über prozedurale Flankierungen der Zugangsfreiheit runden die insgesamt recht kurzen Gesetze ab. Die Erklärung für diese parallelen Strukturen wird nicht nur in dem gemeinsamen Vorbild der schwedischen Tryckfrihetsförordningen bzw. in dem wohl eher rezipierten u.s.-amerikanischen FOIA gesucht werden können. Und auch die den Informationsfreiheitsgesetzen zugedachten Funktionen vermögen deren fast einheitliche strukturelle Ausgestaltung nur zum Teil zu begründen.1 Entscheidend scheint vielmehr die Tatsache, dass die gesetzliche Ausgestaltung eines allgemeinen Informationszugangsanspruchs verfassungsrechtlich determiniert ist. Das mag zunächst überraschen, lassen sich aus dem Grundgesetz, wie ausgeführt, 2 doch gerade weder ein subjektiv-öffentliches Recht auf einen voraussetzungslosen Zugang zu Informationen der Verwaltung noch ein entsprechender objektiv-rechtlicher Gesetzgebungsauftrag entnehmen. Allerdings lässt diese (auch heute zum Teil noch im Vordergrund stehende)3 Perspektive auf die ver1 So Nolte, DÖV 1999, S. 363 (365), im Hinblick auf die nahezu einheitliche Ausgestaltung der Informationsfreiheitsgesetze in den verschiedenen Rechtsordnungen. 2 Siehe oben S. 84. 3 Vgl. bspw. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 289 ff.; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 32 ff.; Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 35 f f ; Nolte,
Α. Überblick
119
fassungsrechtlichen Grundlagen einer allgemeinen Aktenöffentlichkeit vergessen, dass der Handlungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers durch die Verfassung grundsätzlich 4 nur begrenzt, nicht aber erst eröffnet wird: Der Gesetzgeber bedarf für sein Tätigwerden regelmäßig keines verfassungsrechtlichen Auftrags, sondern ist vielmehr frei, in den von der Verfassung gezogenen Grenzen tätig zu werden. Es ist deshalb nicht ganz verständlich, warum die Ablehnung eines Verfassungsgebots zur Einführung allgemeiner Aktenöffentlichkeit die entsprechende politische Forderung lange Zeit unterdrücken konnte.5 Mochten und mögen die Gegner einer transparenten Verwaltung auch stets auf die fehlende verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Herstellung einer allgemeinen Aktenöffentlichkeit verweisen können, hätten die Befürworter sich doch mehr auf politische Argumente für eine weitgehende Verwaltungsöffentlichkeit konzentrieren müssen anstatt sich - letztlich erfolglos und dadurch sogar kontraproduktiv darum zu bemühen, die Verfassung als Argument zu nutzen.6 Aufgrund ihrer Begrenzungsfunktion 7 bestimmt die Verfassung weniger die Frage, ob ein allgemeines und voraussetzungslos gewährtes Informationszugangsrecht zu gewähren ist, sondern wie es zu gewähren ist.8 Denn sofern sich die Gesetzgeber in Bund und Ländern auf Grund politischer Entscheidungen (bzw. auf Grund gemeinschaftsrechtlicher oder völkerrechtlicher Verpflichtung) dazu entschließen, einen voraussetzungslosen Zugangsanspruch zu Informationen bei der Verwaltung zu gewähren, bleiben sie bei der Ausgestaltung dieses Zugangsrechts doch gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die Verfassung und gemäß Art. 1 Abs. 3 GG vor allem an die Grundrechte gebunden. Diese aber sind auf Grund ihrer nach wie vor im Vordergrund stehenden Abwehr-
DÖV 1999, S. 363 (367 f.). Anders, nämlich von den verfassungsrechtlichen Grenzen her denkend, bspw. Schröder, NVwZ 1990, S. 905 (907); Knemeyer, DB 1993, S. 721 (724 f.). 4 Die horizontale und vertikale Kompetenzverteilung soll hier einmal außer Acht bleiben. 5 So schon (1971!) der Befund von Schröder, Die Verwaltung 4 (1971), S. 301 (303). 6 Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 379, hält es in diesem Zusammenhang für ein Fehl Verständnis der Verfassung, von ihr die Konturen zu erwarten, die eine gesetzliche Ausgestaltung des Demokratieprinzips erst gehaltvoll machen. Zur Nutzung der Verfassung als Argument in politisch umstrittenen Sachfragen allg. vgl. bspw. auch Kloepfer, JZ 2002, S. 417 (419 f.). 7 Zur legitimierenden und limitierenden Funktion von Verfassung vgl. bspw. Grimm, in: HStR, Bd. I, § 1, Rn. 51 ff. 8 Auch die Einführung eines Informationszugangsgrundrechts beschränkte überwiegend nur das Entschließungsermessen des Gesetzgebers, weniger dagegen sein Auswahlermessen.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
funktion 9 weniger fiir die anspruchsbegründenden Voraussetzungen eines allgemeinen Informationszugangsanspruchs von Bedeutung, die entsprechende Leistungs-, Teilhabe- oder Schutzaspekte der Grundrechte verlangen würden, als vielmehr für die Gründe, die den Informationszugangsanspruch zum Schutz privater Belange ausschließen oder beschränken. Etwas schwieriger stellt sich die Verfassungslage in Bezug auf etwaige öffentliche Belange dar, die, wie bspw. die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung, einem Informationszugangsanspruch entgegenstehen können, denn diese sind im Grundgesetz regelmäßig nicht ausdrücklich normiert. Nicht zuletzt deshalb wird man den Gesetzgebern bei der Bestimmung der zugangsbegrenzenden öffentlichen Belange insgesamt einen größeren Gestaltungsspielraum zubilligen müssen als bei der Ausgestaltung des grundrechtlich vorgezeichneten Schutzes privater Belange. Gleichwohl entfaltet sich auch hier die Begrenzungsfunktion der Verfassung. Die Gesetzgeber dürfen bei der Ausgestaltung der Verwaltungsöffentlichkeit ihre verfassungsrechtlich zugewiesenen Kompetenzen weder in horizontaler noch in vertikaler Hinsicht überschreiten und sind darüber hinaus verpflichtet, den Bestand, die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit des Staates zu gewährleisten. Insgesamt bestimmt sich die Struktur von Informationsfreiheitsgesetzen somit vor allem durch die verfassungsrechtlich determinierten Grenzen. Die gemeinsame Bindung der Landesgesetzgeber und des Bundesgesetzgebers an die verfassungsmäßige Ordnung und an die Grundrechte des Grundgesetzes erklärt freilich noch nicht, warum auch die Informationsfreiheitsgesetze im Ausland und auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts strukturell sehr ähnlich ausgestaltet sind. Doch auch in diesen Staaten folgt die Struktur der Informationsfreiheitsgesetze weitgehend den Vorgaben der jeweiligen Verfassungsordnung. 10 Dies mag, bezogen auf die Mitgliedstaaten der EU, als Indikator für ein gemeineuropäisches Verfassungsrecht verstanden werden." Dass auch die außereuropäischen Informationsfreiheitsgesetze, wie z.B. der u.s.-amerikanische FOIA und die stärker an diesen angelehnten Regelungen in Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika, strukturell den gesetzlichen Regelungen in Europa entsprechen, lässt sich darüber hinausgehend als Indiz für die Geltung und Bedeutung bestimmter, zum Teil auch völkerrechtlich festgelegter Men-
9
Vgl. statt vieler bspw. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. I, Vorb., Rn. 45 ff.
m.w.N. 10 Vgl. (für Frankreich) Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 210 ff. 11 Gröschner, VVDStRL 63 (2003), S. 35 I f f , begreift Transparenz als gemeineuropäische Rechtsidee.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
121
schenrechtsstandards deuten, die neben der Informationsfreiheit 12 eben auch den Datenschutz bzw. datenschutzrelevante Aspekte 13 kennen.14
B. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs Die verfassungsrechtlich determinierten Grenzen eines einfach-gesetzlich gewährleisteten Informationszugangsanspruchs erinnern stark an die verfassungsimmanenten Beschränkungsmöglichkeiten von Grundrechten. In der Tat liegt der Gedanke nahe, die Dogmatik der Immanenzbeschränkungen von Grundrechten auf die Grenzen eines allgemeinen Informationszugangsanspruchs zu übertragen. Denn wenn sogar verfassungsrechtlich vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte mit Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung durch kollidierende Grundrechte Dritter und andere Werte von Verfassungsrang begrenzt werden können,15 dann muss diese äußerste Grenze auch für Rechte gelten, die nicht verfassungsrechtlich, sondern nur einfach-gesetzlich gewährleistet werden. Geht man allerdings davon aus, dass das Grundgesetz kein subjektives Recht auf freien Informationszugang und auch keinen objektiven Grundsatz der Verwaltungsöffentlichkeit normiert, ist der Gesetzgeber schon unabhängig dieser immanenten Beschränkungsmöglichkeiten frei, mit den Grenzen zugleich das Maß der Informationszugangsfreiheit zu bestimmen. Nur wenn man ein verfassungsrechtlich fundiertes subjektives Recht auf freien Informationszugang annimmt und dementsprechend zu der Rechtfertigungsbedürftigkeit entsprechender Ausnahmebestimmungen gelangt, gewinnen die immanenten Beschränkungsmöglichkeiten an Bedeutung. Doch auch dann erlauben sie nur eine Begrenzung des Informationszugangsrechts, gebieten eine solche aber nicht unbedingt. Vielmehr verfügen die Gesetzgeber auch bei der Ausgestaltung der Immanenzbeschränkungen über einen zwar reduzierten, immerhin aber noch beträchtlichen Gestaltungsspielraum, der erst an der Grenze des Untermaßverbots endet. Insofern wäre es falsch, von den verfassungsrechtlich möglichen auf die verfassungsrechtlich nötigen Beschränkungen einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit zu schließen.
12 Zur Verankerung der Informationsfreiheit (nicht der Informationszugangsfreiheit) im Völkerrecht siehe umfassend Österdahl, Freedom of Information in Question, 1992, passim. 13 Zum Datenschutz in anderen Staaten und im Völkerrecht vgl. bspw. Simitis, in: ders. (Hrsg.), BDSG, Einl., Rn. 112 ff. 14 Nach Bieber, DÖV 1991, S. 857 (863), folgen die gemeinsamen Strukturen von Informationsfreiheitsgesetzen aus den allgemeinen Schutzzwecken und Funktionsbedingungen demokratischer Staaten. 15 Grundlegend zur BVerfGE 28, 243 (261).
Beschränkung
vorbehaltlos
gewährleisteter
Grundrechte
122
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Gleichwohl ist die Parallele zu den Möglichkeiten immanenter Beschränkungen vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte hilfreich. Sie verdeutlicht, dass gesetzlich eingeräumte Zugangsrechte zu Informationen der öffentlichen Verwaltung ihre Schranken mindestens in den private Belange schützenden Grundrechten anderer und in den öffentliche Belange schützenden sonstigen Werten von Verfassungsrang finden. Während öffentliche Belange im bipolaren Verhältnis zwischen dem informationsbegehrenden Bürger und der informationsgewährenden Verwaltung zwangsläufig berührt sein können, werden private Belange nur tangiert, soweit die bei der Verwaltung befindlichen Informationen auch Daten über Private enthalten. Dies wird in der Praxis freilich sehr oft der Fall sein, da die im Besitz der Verwaltung befindlichen Informationen häufig gerade aus Angaben resultieren, die von Privatpersonen stammen, und zwar sowohl von natürlichen Personen wie auch von juristischen Personen des Privatrechts. Ob deshalb private Belange von einem freien Informationszugang weniger häufig berührt sein werden als öffentliche Belange, muss zumindest bezweifelt werden. Wichtiger als dieser (mögliche) quantitative Unterschied in der Betroffenheit von öffentlichen und privaten Belangen, die einem freien Informationszugang entgegenstehen können, ist bei rechtlicher Betrachtung in jedem Fall der qualitative Unterschied im Maß der Verfassungsbindung: Ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Schutzes privater Belange recht streng an die grundrechtlichen Mindestvorgaben gebunden, verfugt er bereits bei der Definition der öffentlichen Belange sowie bei der Festlegung ihrer Schutzreichweite über einen erheblich größeren Spielraum. Dies zeigt sich auch in den entsprechenden Regelungen der bereits bestehenden bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetze, die zwar sämtlich Ausnahmen vom Informationszugangsanspruch zum Schutz öffentlicher Belange vorsehen, dabei einen „gemeinsamen Nenner" aber nicht erkennen lassen.16
I. Verfassungsrechtlicher Schutz öffentlicher Belange Der größere Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber bei der Normierung der einen freien Informationszugang ausschließenden oder beschränkenden öffentlichen Belange resultiert vor allem aus fehlenden konkreten verfassungsrechtlichen Vorgaben. Dass das Grundgesetz keine ausdrücklichen Bestimmungen über Ausnahmen von der Öffentlichkeit der Verwaltung enthält, nimmt freilich wenig Wunder, ordnet es doch auch einen Grundsatz der Öffentlichkeit der Verwaltung nicht explizit an. Immerhin lassen sich der geschriebenen Verfas16
So der Befund von Schoch/Kloepfer,
IFG-ProfE, § 5, Rn. 2.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
123
sung aber verschiedene Anhaltspunkte entnehmen, die einen freien Informationszugang ausschließende oder zumindest beschränkende öffentliche Belange erkennen lassen. Zunächst einmal geben verschiedene Regelungen im Grundgesetz zu erkennen, dass die Öffentlichkeit staatlichen Handelns (überhaupt) zu Gunsten öffentlicher Interessen beschränkbar ist. So kann die Öffentlichkeit der Plenarsitzungen nach Art. 42 Abs. 1 S. 2 GG und die der Verhandlungen von Untersuchungsausschüssen nach Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG ausgeschlossen werden. 17 Gleiches gilt gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 4 GG für die Verhandlungen des Bundesrates. Sofern also von der verfassungsrechtlich normierten grundsätzlichen Öffentlichkeit der legislativen Staatsgewalt auf die Öffentlichkeit auch der exekutiven Staatsgewalt geschlossen wird, muss dieser Schluss auch die verfassungsrechtlich vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten einbeziehen. Darüber hinaus finden sich in verschiedenen Grundgesetznormen Hinweise, weiche öffentlichen Belange als „sonstige Werte von Verfassungsrang" sogar vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte beschränken können und deshalb auch einer durch freien Informationszugang bewirkten Öffentlichkeit der Verwaltung entgegenstehen können. Zu nennen ist vor allem der Schutz der „freiheitlich demokratischen Grundordnung", der von Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG, Art. 18 S. 1 GG, Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 73 Nr. 10 lit. b GG, Art. 87a Abs. 4 GG und Art. 91 Abs. 1 GG intendiert wird. 18 Das Schutzgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung betrifft „die Grundprinzipien der Staatsgestaltung, die das Grundgesetz als unantastbar anerkennt", also Grundsätze der innerstaatlichen Verfassungsordnung. 19 Daneben wird häufig das Schutzgut des „Bestands des Bundes oder eines Landes" erwähnt (vgl. Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG, Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 73 Nr. 10 lit. b GG, Art. 87a Abs. 4 GG, 91 Abs. 1 GG), zum Teil in Zusammenhang mit der „Sicherung" oder der „Sicherheit" des Staates (vgl. Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG; Art. 73 Nr. 10 lit. b GG). Der auf alle drei Komponenten, auf die freiheitlich demokratische Grundordnung sowie auf den Bestand und auf die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtete Schutz wird von Art. 73 Nr. 10 lit. b GG kurz als Verfassungs-
17
Vgl. nunmehr § 14 PU AG. Nach wohl einhelliger Meinung beschreibt der Begriff „eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt." Vgl. nur BVerfGE 2, 1 (12 f.); 5, 85 (140); aus der Literatur für viele Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 18, Rn. 22 m.w.N. Für einzelne Inhalte lässt sich auf die Bestimmung in § 4 Abs. 2 BVerfSchG zurückgreifen, dem aufgrund der Normenhierarchie aber nur indizierender Charakter zukommt. 18
19
So BVerwGE 75, 86 (93 f.); 96, 86 (91).
124
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
schütz bezeichnet.20 Art. 73 Nr. 10 lit. c GG kennt darüber hinaus noch das Schutzgut der „auswärtigen Belange", das in ähnlicher Formulierung auch in Art. 73 Nr. 1 GG („auswärtige Angelegenheiten"), Art. 32 GG („Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten") und Art. 59 GG („völkerrechtliche Vertretung") Erwähnung findet. Bei aller Vorsicht gegenüber der Ableitung potentiell grundrechtsbegrenzender „Werte von Verfassungsrang" aus primär föderalistisch bedingten Kompetenzzuweisungen21 kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass sich in den Kompetenzvorschriften zum Teil öffentliche Belange niederschlagen, die für die vom Grundgesetz konstituierte Ordnung schlicht konstitutiv sind. Zu diesen Belangen zählen die unter dem Begriff Verfassungsschutz zusammengefassten „Werte", die vom konkretisierenden Gesetzgeber freilich nicht immer unter dieser Terminologie geschützt werden. Vielmehr greift der Gesetzgeber, wo er diese Verfassungsvoraussetzungen gewährleisten will, meist auf das Schutzgut des „Wohls des Bundes oder eines Landes",22 zum Teil auch auf „schwere Nachteile für die Bundesrepublik Deutschland",23 auf „sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland"24 oder auf „Interessen der Bundesrepublik Deutschland"25 zurück, wobei sich den einzelnen Begriffen durchaus unterschiedlich weit reichende Schutzbereiche zuordnen lassen.26 Ungeachtet dieser Nuancierungen, ungeachtet auch der zahlreichen weiteren in der Literatur zu findenden Begrifflichkeiten und Systematisierungsversuche 27 wird zur Verdeutlichung der verfassungsrechtlichen Grenzen von Informationszugangsansprüchen zu Gunsten öffentlicher Belange im Folgenden auf den be-
20
Vgl. bspw. auch BVerfGE 77, 240 (255). Vgl. hierzu al lg. die Sondervoten von Böckenförde und Mahrenholz, BVerfGE 69, 1 (58 ff.; 65 ff.); sowie exemplarisch zum Tierschutz (vor Änderung des Art. 20a GG im Jahre 2002) Kloepfer /Rossi, JZ 1998, S. 369 (370). 22 Vgl. bspw. § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und § 29 Abs. 2 VwVfG; § 99 Abs. 1 VwGO; §§ 54 Abs. 3 und § 96 S. 1 StPO; § 376 Abs. 4 ZPO; § 62 Abs. 1 BBG; § 39 Abs. 3 BRRG; § 7 Abs. 1 BMinG; § 34 Abs. 2 Nr. 2 AZRG; § 25 Abs. 4 StUG; § 4 Abs. 2 Nr. 2 SGB X. Von den geltenden bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetzen vgl. bspw. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AIG-Bbg; § 11 IFG-Bln; § 5 Nr. 1 IFG-ProfE. 23 Vgl. bspw. § 153c StPO. 24 Vgl. bspw. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, kritisch hierzu Rossi, AöR 127 (2002), S. 612 (630 ff.). 25 So bspw. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG. Den Begriff der „Interessen der Bundesrepublik Deutschland" weit interpretierend bspw. BVerwGE 42, 148 (154); 49, 168 (182). 26 Vgl. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 44 f. 27 Naheliegend erscheint es, in Anlehnung an § 92 Abs. 3 StGB zwischen dem Bestand, der Sicherheit und den Verfassungsgrundsätzen der Bundesrepublik Deutschland zu unterscheiden. 21
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
125
reits in zahlreichen entsprechenden Geheimhaltungsvorschriften 28 verwendeten Begriff des „Wohls des Bundes oder eines Landes" rekurriert (1). Die von dieser Begrifflichkeit bereits umfasste „Funktionsfahigkeit exekutiven Staatshandelns" wird wegen ihrer hervorgehobenen Bedeutung für die Schranken allgemeiner Informationszugangsfreiheit gesondert betrachtet (2).
1. Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes Mit dem „Wohl" des Bundes oder eines Landes verwendet der Gesetzgeber einen besonders unbestimmten Rechtsbegriff. In der Literatur wird stets betont, dass die konkrete Entscheidung einer Behörde, Informationen wegen befürchteter Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes nicht zugänglich zu machen, in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht gerichtlich voll überprüfbar sei.29 Und auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts erlaubt der Begriff einen „Grad an Konkretisierung, dass eine Überprüfung im Einzelfall möglich bleibt." 30 Die vom Bundesverfassungsgericht in den Blick genommene Konkretisierung erfolgt dabei allerdings immer noch auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau. So werden etwa nur die wesentlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland zum Staatswohl gezählt,31 wird unter einem Nachteil für das Wohl des Bundes oder eines Landes „die Beeinträchtigung oder Gefahrdung des Bestandes oder der Funktionsfähigkeit des Staates und seiner wesentlichen Einrichtungen [verstanden], insbesondere die Beeinträchtigung der äußeren oder inneren Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder eine erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung oder des freundschaftlichen Verhältnisses zu anderen Staaten oder internationalen Organisationen." 32
2K
Vgl. neben § 29 Abs. 2 VwVfG auch § 96 StPO; $ 62 Abs. 1 BBG; § 39 Abs. 3
BRRG. 29
Vgl. bspw. Kopp, VwVfG, § 5, Rn. 27; Bonk-Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 27, Rn. 24; Clausen, in: Knaack, VwVfG, § 5, Anm. 5.2.2; Nordmann, RDV 2001, S. 71 (75); Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 5, Rn. 11. 30 So BVerfGE 101, 106 (128) für die Ausnahmen von der Auskunfts- und Vorlagepflicht des § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO. 31 Vgl. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 43; Clausen, in: Knack, VwVfG, § 5, Rn. 5.2.2; Düwel, Das Amtsgeheimnis, S. 126 f. Insbesondere im strafprozessualen Schrifttum wird zum Staatswohl aber auch der Schutz aller verfassungsmäßig legitimierten staatlichen Aufgaben gezählt - so bspw. Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, § 96, Rn. 28; Amelung, AK-StPO, § 96, Rn. 22. 32 So die Erläuterung zu § 220 Nr. 1 UGB, UGB-KomE, S. 834. Vgl. aber auch Kopp, VwVfG, § 5, Rn. 27; Bonk-Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 27, Rn. 24; Clausen, in: Knaack, VwVfG, § 5, Anm. 5.2.2.
126
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Dieser konkretisierenden Aufzählung einzelner Elemente des Wohls des Bundes bzw. eines Landes entsprechen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen das Gericht bspw. die „verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die militärische Landesverteidigung", 33 „das Interesse der staatlichen Gemeinschaft an einer funktionstüchtigen Rechtspflege", 34 insbesondere an einer wirksamen „Strafverfolgung und Strafvollstreckung", 35 „den Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihrer freiheitlich demokratischen Grundordnung" 36 oder auch die „Funktionsfähigkeit der vollziehenden Gewalt" 37 als Schutzgut der Verfassung anerkannt hat. Auch diese Rechtsprechung trägt nur wenig zur Handhabbarkeit des unbestimmten Begriffs des „Wohls des Bundes oder eines Landes" bei. Es offenbart sich vielmehr ein weites Verständnis der schützenswerten öffentlichen Belange, das um so problematischer erscheint, je mehr es zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen verwendet wird. Das Bundesverfassungsgericht hat denn auch nur die grundsätzliche Eignung der genannten Schutzgüter zur Beschränkung von Grundrechten festgestellt. Ob ein Grundrechtseingriff aber tatsächlich durch überwiegende Belange des Staatswohls gerechtfertigt ist oder nicht, müsse durch eine Abwägung im konkreten Fall entschieden werden. Keinesfalls könnten Einschränkungen von Grundrechten formelhaft mit dem „Schutz der Verfassung" oder mit der „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" gerechtfertigt werden. 38 Um den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls hinreichend Rechnung tragen und eine umfassende Interessenabwägung durchführen zu können, lösen sich die Fachgerichte immer mehr vom Tatbestand der einzelnen gesetzlichen GeheimhaltungsVorschriften. 39 Dies zeigt, dass nicht nur die Verfassung selbst, sondern auch die sie konkretisierenden Gesetze die zu Gunsten öffentlicher Belange gezogenen Grenzen der Informationszugangsfreiheit nur sehr vage aufzeigen können. Da nach wie vor (zunächst, d.h. vor einem durch Informationsfreiheitsgesetze bewirkten Verfassungswandel) 40 davon auszugehen ist, dass eine allgemeine Informationszugangsfreiheit grundrechtlich nicht gewährleistet wird, soll hier nicht weiter untersucht werden, ob der Gesetzgeber die 33
BVerfGE 28, 243 (261); 32, 40 (46). BVerfGE 33, 23 (32). 35 BVerfGE 57, 250 (284). 36 BVerfGE 33, 52 (71). 37 BVerfGE 28, 191 (200); vgl. auch BVerwGE 67, 206 (209). 38 BVerfGE 77, 240 (255). In dem zu Grunde liegenden Fall ging es um die Beschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Kunstfreiheit. 39 So die von Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 43, beobachtete Tendenz der Fachgerichte. 40 Siehe hierzu unten S. 210 ff. 34
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
127
ihm insbesondere durch das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, nicht zuletzt aber auch durch die Wesentlichkeitstheorie übertragene Verantwortung für die Erkennbarkeit von Grundrechtsbeschränkungen ausreichend wahrnimmt, wenn er Ausnahmen von der Informationszugangsfreiheit generalklauselartig zu Gunsten des „Wohls des Bundes oder eines Landes" normiert. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle vielmehr nur, dass der Gesetzgeber Ausnahmen von einem allgemeinen Informationszugangsanspruch zu Gunsten des „Wohls des Bundes oder eines Landes" anordnen kann41 und in gewissem Maße sogar anordnen muss, trägt er doch auch und gerade eine Verantwortung für die Gewährleistung der Grundrechtsvoraussetzungen. 42 Bis zur verfassungsrechtlich durch das Untermaßverbot gezogenen Grenze verfügt er dabei über einen weiten Gestaltungsspielraum.
2. Insbesondere: Funktionsfähigkeit
der Exekutive
Das Schutzgut des Wohls des Bundes bzw. eines Landes umfasst auch die Funktionsfähigkeit der (wesentlichen)43 staatlichen Einrichtungen. Denn wenn die Verfassung die von ihr eingerichteten Organe mit bestimmten Aufgaben betraut, setzt sie deren Handlungs- und Funktionsfähigkeit stillschweigend voraus.44 Erfasst werden nicht nur die gesetzgebenden Körperschaften und die Gerichte nebst sonstigen Organen der Rechtspflege, sondern insbesondere auch die Einrichtungen der vollziehenden Gewalt.45 Die Aufrechterhaltung ihrer Handlungs- und Funktionsfähigkeit ist deshalb auch lange Zeit als grundsätzliches Argument gegen die Einführung einer allgemeinen Informationszugangs-
41
Nach BVerfGE 67, 100 (127), ist „das Wohl des Bundes oder eines Landes [...] im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut." 42 Zu den Grundrechtsvoraussetzungen und ihrem Schutz vgl. insb. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 16 ff. 43 Mit dieser Einschränkung bspw. UGB-KomE, Erläuterung zu § 220 Nr. 1, S. 834. 44 Deutlich insofern Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 360, m.w.N. Vgl. auch Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (197), m.w.N. Vgl. auch schon Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 438 ff. 45 Vgl. bspw. BVerfGE 28, 191 (200); BVerwGE 67, 206 (209); sowie Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 200; Schröder, Die Verwaltung 4 (1971), S. 301 (318 f.); Häberle, AöR 98 (1973), S. 625 (631); Steinberg, DÖV 1982, S. 619 (621); Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 439 f.; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 359; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 74; jeweils m.w.N.
128
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
freiheit verwendet worden. 46 Nachdem die politische Schlagkraft dieses Arguments durch die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zum Erlass des UIG und die landesverfassungsrechtliche Verpflichtung zum Erlass des AIG-Bbg überwunden wurde, muss dem verfassungsrechtlich begründeten Kern des Arguments durch entsprechende Ausnahmebestimmungen vom Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit Rechnung getragen werden, wie sie die bereits erlassenen bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetze auch vorsehen.47 Bei der Bestimmung dieses verfassungsrechtlich geschützten Kerns der Funktionsfähigkeit der Verwaltung ist allerdings zweierlei zu berücksichtigen: Erstens ist zu vergegenwärtigen, dass sich die (primär politisch geführte) Argumentation, die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung stehe einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit per se entgegen, vor allem auf formal-quantitative Aspekte bezog. Befürchtet wurde, dass der erwartete Anstieg an Informationsgesuchen die personellen und sachlichen Ressourcen der Verwaltung derart binden könnte, dass die Verwaltung die ihr eigentlich übertragenen Aufgaben nicht mehr oder jedenfalls nur noch mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen erfüllen könnte. Diese Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Befürworter einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit verweisen vielmehr auf Erfahrungen mit Informationsfreiheitsgesetzen im Ausland, auf erste empirische Untersuchungen zum UIG sowie auf Erkenntnisse in den Bundesländern, die bereits ein allgemeines Informationsfreiheitsgesetz erlassen haben.48 Sämtliche dieser statistischen Auswertungen 49 zeigen, dass es entgegen der Befürchtungen (entgegen aber auch der Erwartungen) nach Einführung der allgemeinen Informationszugangsfreiheit nicht zu einem drastischen Anstieg der Informationsgesuche kam, so dass die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Behörden weder beeinträchtigt geschweige denn ernsthaft gefährdet wurde. 50
46 Noch 1998 wandte sich der Innenausschuss des Bundestages u.a. mit der Begründung gegen das von der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN eingebrachte IFG, dass durch die Einführung eines derart umfassenden Informationszugangsrechts die öffentliche Verwaltung „gestört, behindert und lahmgelegt werde." - vgl. Blickpunkt Bundestag 1/98, S. 26. 47 S. § 4 AIG-Bbg; § 10 IFG-Bln; § 10 IFG-SH; § 7 IFG-NW; § 4 IFG-E; § 6 IFGProfE sowie § 7 UIG. 48 Vgl. bspw. Nolte, DÖV 1999, S. 363 (373). 49 Vgl. insb. auch die Tätigkeitsberichte der Landesbeauftragten für den Datenschutz in Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein. 30 Auf eigene Untersuchungen zurückgreifend Schmillen, Das Umweltinformationsrecht zwischen Anspruch und Wirklichkeit, S. 122 f f ; zuvor schon Hatje, EuR 1998, S. 734 (745); Nolte, DÖV 1999, S. 363 (373); König, DÖV 2000, S. 45 (56); Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl., Rn. 34 u. Fn. 70 sowie § 6, Rn. 4 f.; für Österreich
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
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Wenn diese statistischen Erkenntnisse auch in erster Linie angeführt werden, um das Argument zu entkräften, eine allgemeine Informationszugangsfreiheit behindere oder verhindere gar ein effizientes Verwaltungshandeln, so zeigen sie doch zugleich auch, dass die entsprechenden Informationsfreiheitsgesetze ihr Steuerungsziel letztlich nicht erreicht haben. Denn eigentlich liegt es im Interesse allgemeiner Informationszugangsfreiheit, dass von ihr möglichst umfassend Gebrauch gemacht wird. Insoweit offenbart sich ein Paradoxon der Informationsfreiheitsgesetze, das im Übrigen auch bei anderen indirekten Steuerungsinstrumenten zu beobachten ist: Entweder wird von dem Informationszugangsanspruch in dem erhofften Umfang Gebrauch gemacht. Dann wird zwar das gesetzliche Steuerungsziel erreicht, es kann aber tatsächlich schon aufgrund der quantitativen Inanspruchnahme des gesetzlichen Informationszugangsanspruchs zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung kommen. Oder das Gesetz wird nicht in nennenswertem Umfang genutzt. Dann wird die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zwar nicht beeinträchtigt, zugleich wird aber auch das Steuerungsziel nicht erreicht, so dass sich das Gesetz letztlich nach seinem Wert fragen lassen muss. Allerdings darf von der geringen Inanspruchnahme der Informationszugangsansprüche nicht vorschnell auf die Zweckverfehlung oder gar die Nutzlosigkeit des Gesetzes geschlossen werden. Denn die von dem Gesetz angestrebten Wirkungen beruhen zum Teil, wie ausgeführt, auf mittelbaren Kausalketten, so dass entscheidend die Informationszugänglichkeit, nicht der tatsächlich nachgefragte Informationszugang, ausreichend schon die Kontrollierbarkeit, nicht die tatsächlich ausgeübte Kontrolle ist. Unabhängig von der politischen Bewertung dieser ersten Erfahrungen ist jedenfalls zu betonen, dass sich der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Funktionsfähigkeit der Verwaltung weniger gegen die formal-quantitativen Bedenken richtet, denen nicht nur durch organisatorische, 51 sondern zunehmend vor allem auch durch technische Maßnahmen Rechnung getragen werden kann.52 Er bezieht sich vielmehr auf inhaltlich-qualitative Gesichtspunkte. Geschützt werden soll die Unbefangenheit, Unabhängigkeit und Neutralität der behördlichen Entscheidungsfindung. 53 Dementsprechend wird der Verwaltung
bspw. Duschanek, Öffentlichkeit der Verwaltung und privater Geheimnisschutz, in: Festschrift Rill, S. 413 (415). 51 Bspw. durch eine doppelte Aktenführung. 52 Bspw. durch die Bereitstellung bestimmter Informationen im Internet. 53 Vgl. UGB-KomE, Begründung zu § 220, S. 835; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 361. Aus ähnlichem Grund finden gemäß § 69 GOBT auch die Beratungen in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages in NichtÖffentlichkeit statt. Dadurch soll ein freieres Redeverhalten der Ausschussmitglieder ermöglicht, die Kom-
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
ein Überlegungs-, Entwurfs- und Vorbereitungsspielraum freigehalten, der einer durch Informationszugangsfreiheit bewirkten Verwaltungsöffentlichkeit verschlossen bleibt. 54 Ein solcherart verstandene verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Funktionsfähigkeit der Verwaltung kann vor allem durch temporäre Begrenzungen des Informationszugangs sichergestellt werden. Denn geschützt werden soll der Prozess der Entscheidungsfindung, nicht aber dessen Ergebnis. Aus diesem Grunde nehmen die zahlreichen bereits bestehenden gesetzlichen Bestimmungen bloße Entscheidungsentwürfe und sonstige eine Entscheidung vorbereitende Unterlagen vom Zugangsanspruch aus.55 Zweitens ist aber vor allem auch zu beachten, dass das Verhältnis zwischen der Öffentlichkeit der Verwaltung und der Gewährleistung ihrer Funktionsfähigkeit durchaus ambivalent ist. Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung fungiert nämlich nicht nur als Schranke, sondern zugleich auch als Ziel einer Transparentierung der Verwaltung. Sie erscheint sowohl als (vorrangig verfassungsrechtliches) Argument gegen als auch als (primär politisches) Argument für eine weitgehende Zugangsfreiheit zu Informationen der öffentlichen Verwaltung. Dementsprechend wird die Funktionsfähigkeit der Verwaltung ebenso von den Gegnern wie auch von den Befürwortern einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit angeführt. Während die einen um die Möglichkeit effizienten Verwaltungshandelns fürchten, wollen die anderen eine solche gerade erst gewährleisten. Nur zum Teil wird dabei erkannt, dass die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und deren Transparenz keine schlechthin konfligierenden Ziele sind. Zutreffend weist etwa Scherzberg darauf hin, dass die Verfassung die Leistungsfähigkeit der Verwaltung nur im Rahmen des von ihr dergestalt konstituierten „politisch-administrativen Gesamtsystems" schützt,56 und begreift die Funktionsfähigkeit der Verwaltung deshalb eher als Grund denn als Grenze für die Einführung der Verwaltungsöffentlichkeit. 57 Selbst wenn man dieser wertenden Schlussfolgerung im Ergebnis nicht zustimmen mag, wird doch deutlich, dass die Funktionsfähigkeit der Verwaltung als ver-
promissfindung erleichtert und die Verlagerung politisch wichtiger Entscheidung in informelle Fraktionsarbeitskreise verhindert werden. Vgl. hierzu Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 69. 54 Vom Informationszugangsanspruch ausgenommen sind deshalb etwa Entwürfe, Skizzen, Vorüberlegungen, Protokolle über verwaltungsinterne Beratungen und über Abstimmungen zwischen verschiedenen Behörden oder in Kol legi al organ en. Vgl. hierzu bspw. Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (198). 55 Vgl. schon § 29 Abs. 1 S. 2 VwVfG, aber etwa auch § 10 IFG-Bln; § 4 Abs. 2 AIG-Bbg; § 7 IFG-NRW; §§ 10 u. 11 IFG-SH; § 6 IFG-ProfE; § 4 IFG-RefE. 56 Diesbezüglich verweist er auf Schmidt-Aßmann, Jura 1979, S. 505 (509); vgl. auch Häberle, AöR 98 (1973), S. 625 (631). 57 Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 360.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
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fassungsrechtlicher Belang dem Gesetzgeber als politischem Akteur einen extrem weiten Spielraum bei der Ausgestaltung der Öffentlichkeit der Verwaltung belässt: Er kann den Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit normieren, wenn und wo dies seiner Ansicht nach zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung beiträgt, und er kann Ausnahmen anordnen, wenn und wo ein freier Informationszugang seiner Überzeugung nach der Funktionsfähigkeit der Verwaltung entgegensteht. Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung wirkt in der politischen Argumentation für und wider eine allgemeine Informationszugangsfreiheit deshalb weitgehend neutral. Ihre Gewährleistung ist weniger dem verfassungsrechtlichen als vielmehr dem politischen System überlassen, und dies ist auch der Grund dafür, dass sich die bereits existierenden Informationsfreiheitsgesetze in diesem Punkt so sehr voneinander unterscheiden.58
3. Kompetenzielle Grenzen Trotz der weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Hinblick auf Ausnahmen von der allgemeinen Informationszugangsfreiheit zu Gunsten der Funktionsfähigkeit der Verwaltung sind doch gleichwohl verfassungsrechtlich determinierte Grenzen zu beachten, die sich insbesondere aus dem System der Kompetenzverteilung und Gewaltenverschränkung ergeben. In vertikaler Hinsicht beschränkt sich der Regelungsspielraum des Gesetzgebers grundsätzlich auf dessen jeweilige Verbandsebene.59 Ob die Informationsfreiheitsgesetze dieser föderalistisch begründeten Kompetenzbegrenzung durch die entsprechende Beschränkung der Anspruchsverpflichteten hinreichend Rechnung tragen, muss dabei bezweifelt werden. Problematisch erscheinen insofern nämlich die Fälle, in denen sich Informationen verbandsfremder öffentlicher Stellen in der Hand verbandsinterner Behörden befinden. Die bloß formale Anknüpfung an den Anspruchsverpflichteten reicht deshalb nicht aus, um den Belangen der vertikalen Kompetenzteilung ausreichend Rechnung zu tragen. Erforderlich ist darüber hinaus vielmehr eine zusätzliche materielle Beschränkung des Anspruchsgegenstands, mindestens aber eine prozedurale Regelung über Äußerungs-, Einwilligungs- und Verweigerungsmöglichkeiten des
58 Vgl. die kurze vergleichende Gegenüberstellung der einzelnen Normen bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 6, Rn. 2 f. 59 Zu dem Problem, dass die Kompetenz des Bundes für den Erlass des UIG mehr an den Anspruchsgegenstand als an die Anspruchsverpflichteten anknüpft, vgl. Roger, UIG, §2, Rn. 15 ff.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
originären Informationsbesitzers. 60 Vorbildlich ist insofern die Regelung des § 3 Nr. 5 IFG-RefE, nach der „hinsichtlich vorübergehend beigezogener Informationen anderer öffentlicher Stellen, die nicht Bestandteil der eigenen Vorgänge werden sollen'1, kein Informationszugangsanspruch besteht. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Vergemeinschaftung nahezu sämtlicher Bereiche der nationalen Verwaltung macht Österdahl 6i auf ein Problem aufmerksam, das ausgerechnet in Schweden zu einer Verminderung der Transparenz der Verwaltung führt. Weil eine Ausnahmebestimmung vom Grundsatz des freien Informationszugangs an den Schutz der internationalen Beziehungen Schwedens zu anderen Staaten und zu internationalen Organisationen anknüpft, hat die infolge des Beitritts Schwedens zur Europäischen Union verstärkte Kooperation zwischen schwedischen Behörden auf der einen Seite und europäischen Institutionen bzw. solchen anderer Mitgliedstaaten bewirkt, dass immer mehr Informationen unter den Schutz eben dieser Ausnahmevorschrift fallen und nicht mehr zugänglich gemacht werden.
Vor allem aber muss der Gesetzgeber in horizontaler Hinsicht beachten, dass der Regierung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einem „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" ein „nicht ausforschbarer Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich" zusteht,62 der die Unbefangenheit der Meinungsbildung im Kabinett sowie die Einheitlichkeit des äußeren Erscheinungsbildes der Regierung schützen soll. Entsprechend dieser Zielsetzung wird der gesamte Prozess der Willensbildung der Regierung einschließlich der ressortinternen und ressortübergreifenden Abstimmungen zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gezählt und dem Zugriff des Parlaments entzogen.63 Ist in diesem Bereich sogar eine parlamentarische Kontrolle ausgeschlossen, darf der Gesetzgeber erst recht kein allgemeines Informationszugangsrecht gewährleisten. Über den Zugang zu Informationen aus dem gubernativen Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich entscheidet allein die Regierung. Ähnliches gilt in Bezug auf die Rechtsprechungsorgane. Hier darf ein allgemeiner Informationszugang nicht dazu führen, dass die von Art. 97 GG ga-
60 So verlangen § 4 Abs. 1 Nr. 2 AIG; § 10 Abs. 3 Nr. 2 IFG-Bln die Zustimmung der anderen Stelle; ähnlich sieht Art. 4 Abs. 5 VO 1049/2001 vor, dass ein Mitgliedstaat das Gemeinschaftsorgan, das von einem Privaten um Informationen gebeten wird, ersuchen kann, ein aus diesem Mitgliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung zu verbreiten. Anders die Regelung in § 5 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 IFGSH: Diese Bestimmungen ordnen an, dass dem Antragsteller die für die Entscheidung über die Akteneinsicht zuständige Stelle benannt wird. Das IFG-NW enthält - soweit ersichtlich - überhaupt keine Regelung zu dieser Frage. Allgemein zu der Problematik etwa Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 5, Rn. 14 ff. 61 Österdahl, 23 ELRev. (1998), S. 336 (351). 62 BVerfGE 67, 100 (139); 68, 1 (87). 63 A.A. Baer, Der Staat 2001, S. 525 (533 ff.), die auch bezüglich der Ausgestaltung des Organisationsbereichs der Bundesregierung von einer Vermutungsregel zu Gunsten des Parlaments ausgeht.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
133
rantierte Unabhängigkeit der Gerichte gefährdet wird. Aus diesem Grunde sind die Gerichte (und die anderen Organe der Rechtspflege) gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 UIG vollständig sowie nach allen bereits erlassenen bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetzen insoweit von der Anspruchsverpflichtung ausgenommen, als sie gerade in ihrer Eigenschaft als Rechtsprechungsorgane tätig werden.64 Letztlich ist auch diese Regelung aber eine politische Entscheidung.65 In Schweden bspw. bezieht sich der Informationszugangsanspruch auch auf Gerichtsakten. 66
4. Verbleibender
gesetzlicher Gestaltungsspielraum
Insgesamt verbleibt dem Gesetzgeber in dem bloß bipolaren Verhältnis zwischen dem Informationszugang begehrenden Bürger auf der einen Seite und der Informationszugang gewährenden Verwaltung auf der anderen Seite, also in Bezug auf den Schutz öffentlicher Belange, ein recht weiter Gestaltungsspielraum, den er wahlweise mit absoluten Ausnahmebestimmungen selbst ausfüllen oder mit relativen Ausnahmebestimmungen auf die im Einzelfall entscheidende Verwaltung übertragen kann. Um einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen zu finden, kann er bspw. temporäre Zugangsverbote erlassen. Ebenso kann er den Entscheidungsspielraum der anspruchsverpflichteten Stellen durch die Verwendung von „Soll-Vorschriften" oder „KannVorschriften" auf der Rechtsfolgenseite der Ausnahmebestimmungen unterschiedlich weit ausgestalten. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (z.B. „Wohl des Bundes oder eines Landes") auf der Tatbestandsseite der Ausnahmebestimmungen zu einem erheblichen, wenngleich auch kontrollierbaren Spielraum 67 der anspruchsverpflichteten Stellen fuhrt. Insofern reduziert sich die Steuerungsmöglichkeit des Gesetzgebers selbst in Fällen, in denen er der Verwaltung keine Ermessensentscheidung belässt, nur darauf, den zugangsgewährenden öffentlichen Stellen (und den diese gegebenenfalls kontrollierenden und korrigierenden Gerichten) Beurteilungs- und Auslegungsvorgaben an die Hand zu geben
64 Vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 IFG-Bln; § 2 Abs. 2 AIG-Bbg; § 2 Abs. 2 S. 1 IFG-NW; § 3 Abs. 3 Nr. 2 IFG-SH; § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 IFG-ProfE; § 1 Abs. 1 S. 2 IFGRefE. 65 Ähnlich die allgemeine Einschätzung von Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 403: „Bei Vorbehalt einer tatbestandlich offenen Abwägung bleibt aber doch alles offen: ... wie viel Öffentlichkeit ist gewollt?14 66 Vgl. Österdahl, 23 ELRev. (1998), S. 336 (347). 67 Zum Stand der Diskussion über den Themenkomplex unbestimmte Rechtsbegriffe und Beurteilungsspielräume instruktiv etwa Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 147 ff.
134
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
und mit einem Grundsatz-Ausnahmeverhältnis zugleich die Darlegungslast zwischen dem informationssuchenden Bürger und der informationsgewährenden Verwaltung festzulegen. Mag der Gesetzgeber der Verwaltung auch aufgeben, einem Zugangsgesuch im Zweifel so weit wie möglich stattzugeben, ist er zu einer solchen Regelung verfassungsrechtlich doch nicht verpflichtet: Solange die Informationszugangsfreiheit nicht grundrechtlich radiziert ist, steht es dem Gesetzgeber frei, Ausnahmen von einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit zu Gunsten öffentlicher Belange eng oder weit zu formulieren. Das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprinzip wird im bipolaren Informationsverhältnis nicht aktiviert. Vielmehr wird der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nur durch das verfassungsrechtliche Untermaßverbot begrenzt: Der Gesetzgeber unterschreitet seinen Freiraum, wenn er die öffentlichen Belange gar nicht oder so wenig schützt, dass die für die konstituierte Ordnung konstitutiven Voraussetzungen nicht mehr gewährleistet sind.
II. Grundrechtlicher Schutz privater Belange Anders stellt es sich dar, wenn die begehrten Informationen Daten über Dritte enthalten. In diesen Fällen wird aus dem bipolaren Informationsverhältnis zwischen dem Staat und dem Bürger ein informationelles Dreiecksverhältnis, in dem der Staat nicht nur seine eigenen Interessen zu berücksichtigen hat, die er weitgehend selbst definieren kann, sondern insbesondere auch die Interessen von Dritten beachten muss, die regelmäßig einem besonderen grundrechtlichen Schutz unterfallen. 68 Weil der staatlich ermöglichte Zugriff auf Informationen Dritter regelmäßig einen Eingriff in deren grundrechtlich geschützte Positionen darstellt, wird der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers insofern nicht nur durch das Untermaßverbot, sondern zusätzlich durch das Übermaßverbot begrenzt. Die unterschiedlichen privaten Interessen, die einem freien Informationszugang entgegenstehen können, werden durch verschiedene Grundrechte geschützt. Im Vordergrund steht der Schutz personenbezogener Daten durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (1). Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus auch der Schutz von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen, der vor allem von der Eigentumsfreiheit, daneben aber auch von der Berufsfreiheit umfasst wird (2). Schließlich ist der Schutz des geistigen Eigentums zu beach-
68 Zu dieser unterschiedlichen Interessenlage deutlich Knemeyer, DB 1993, S. 721 (721); Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 244.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
135
ten, der ebenfalls von der Eigentumsfreiheit gewährleistet wird (3). Dass auch andere Grundrechte informationsrelevante Aspekte schützen, die einem freien Informationszugang entgegenstehen können,69 soll im Rahmen dieser strukturellen Betrachtung nur erwähnt werden (4). 70
/. Schutz von personenbezogenen Daten Besonders geschützt sind zunächst personenbezogene Daten, also Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.71 Sie unterfallen dem grundrechtlichen Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht wurde vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Volkszählungsgesetz72 unter Rückgriff auf Vorarbeiten in der Literatur 73 als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet.74 Ungeachtet seines exakten Schutzguts,75 ungeachtet auch der noch immer anhaltenden Kritik an seiner dogmatischen Konstruktion 76 gewährt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis des Einzelnen, selbst über die Preisgabe und Verwendung der ihn betreffenden Daten zu entschei-
69 Selbst Art. 6 Abs. 1 u. 2 GG können - in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht - als Grenze für die Preisgabe von Informationen, im konkreten Fall für die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Fami lien fotos, Bedeutung erlangen; vgl. etwa BVerfGE 101,361 (Ls. 3). 70 Näher hierzu bspw. Kloepfer, Informationsrecht, § 3, Rn. 20 ff. 71 So die Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BDSG; vgl. aber auch BVerfGE 67, 100 (144). 72 BVerfGE 65, 1 (43 ff.). 73 Instruktiv hierzu Lutterbeck, Harmonisierung des Europäischen Informationsrechts, in: Heymann (Hrsg.), Informationsmarkt und Informationsschutz in Europa, S. 86 (144, Fn. 62). 74 Zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, seinem „Quellrecht" (so Thomas, in: Palandt (Hrsg.), BGB, § 823, Rn. 176), steht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach h.M. in einem Spezialitätsverhältnis. Die exakte Abgrenzung kann jedoch schwierig sein, zumal das Verhältnis beider Schutzaspekte ebenso umstritten ist wie deren Reichweite. Deshalb ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass durch den freien Informationszugang auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Dritten berührt sein kann. 75 Teilweise wird auf die soziale Identität des Einzelnen und seine Selbstdarstellung im Prozess der sozialen Kommunikation, teilweise auf die Freiheit zu selbstverantwortlichem, von psychischem Druck öffentlicher Anteilnahme unbeeinflusstem Verhalten rekurriert. Vgl. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 366 f., m.w.N. 76 Vgl. umfassend Albers, Analyse und Neukonzeption des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, passim; vgl. auch Hoffmann-Riem, AöR 123 (1998), S. 513 (522 ff.); Kunig, Jura 1993, S. 595 (599).
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
den.77 Weil diese Befugnis die Bestimmung der Informationsempfänger einschließt,78 berühren nicht nur die Erhebung, Speicherung und Verwertung von personenbezogenen Daten den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, sondern gerade auch die Übermittlung solcher personenbezogener Daten,79 sei es durch (aktive) Weitergabe, sei es durch die - im Kontext von Informationsfreiheitsgesetzen besonders bedeutsame - (passive) Ermöglichung des Zugangs.80 Berücksichtigt man, dass die öffentliche Verwaltung ihre vielfältigen Informationen zum großen Teil aus konkreten Verwaltungsverfahren gewinnt, die mit entsprechenden Informationspflichten des Bürgers gegenüber der Verwaltung verbunden sind,81 muss davon ausgegangen werden, dass viele der Informationen bei der Verwaltung (zumindest teilweise) auch personenbezogene Daten enthalten.82 Vergegenwärtigt man sich weiterhin, dass die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts von 1982, unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung gebe es kein belangloses Datum,83 unter den heutigen, die damaligen Möglichkeiten der Datenverarbeitung bei weitem übertreffenden modernen Informationstechniken mit ihren nahezu unbegrenzten Speicherkapazitäten und umfassenden Vernetzungsmöglichkeiten um so mehr gilt, gelangt man zu der Schlussfolgerung, dass in den meisten Fällen von Anträgen auf Informationszugang auch Interessen Dritter betroffen sind und berücksichtigt werden müssen. Mögen Informationsfreiheit und Datenschutz bei abstrakter Betrachtung somit auch „zwei Seiten derselben Medaille", 84 „zwei Seiten des Rechts der Informationsgesellschaft" 85 sein, kön-
77
BVerfGE 65, 1 (43 u. Ls. 1). Deutlich Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 367. 79 In dieser Schutzbereichserweiterung liegt eine besondere Bedeutung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, denn auch zuvor schon befand das Bundesverfassungsgericht, dass es mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren sei, „wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren." BVerfGE 27, 1 (6). 80 Vgl. zu diesen Alternativen der Übermittlung § 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG. 81 Zu den zahlreichen Informationspflichten im Bereich der Gefahrenabwehr vgl. Herrmann, Informationspflichten gegenüber der Verwaltung, S. 99 ff. 82 A.A. etwa Bleyl, DuD 1998, S. 32 (33 f.). 83 BVerfGE 65, 1 (45). 84 Vgl. schon den 14. Tätigkeitsbericht des hessischen Datenschutzbeauftragten Simitis, HessLT-Drs. 11/5232 v. 24.1.1986, Pkt. 11.1.1.; sowie Schwan, Amtsgeheimnis oder Aktenöffentlichkeit, S. 215; Schindel, DuD 1991, S. 591 (594); Gola, NJW 1993, S. 3109 (3111); Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl., Rn. 31 f. Zum Verhältnis zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Informationsfreiheit s. Gallwass, NJW 1992, S. 2785 ff. 78
85
Kloepfer,
DÖV 2003, S. 221 (221 u. 225 f.).
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
137
nen sie im konkreten Fall doch in erheblichen Widerstreit miteinander geraten.86 Die durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützten Interessen Dritter müssen einem Informationszugang nicht per se entgegenstehen. Erstens kann eine Anonymisierung der Daten einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verhindern. Zweitens kann der betroffene Dritte in die Weitergabe der ihn betreffenden Informationen einwilligen. Und drittens kann das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch ohne Einwilligung des Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen im überwiegenden Allgemeininteresse beschränkt werden. Die Anonymisierung personenbezogener Daten führt dazu, dass die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können.87 Ähnlich verfolgt die Möglichkeit des Pseudonymisierens den Zweck, die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder doch zumindest wesentlich zu erschweren. Beim Pseudonymisieren werden aber nur der Name und bestimmte Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen ersetzt, 88 während das Anonymisieren auch durch zahlreiche andere Verfahren, bspw. das Löschen von Identifikationsmerkmalen oder das Aggregieren, das Zusammenfassen von Datensätzen, erreicht werden kann.89 Zu betonen ist, dass anonymisierte und pseudonymisierte Daten gleichwohl personenbezogene Daten bleiben können, da die Bestimmbarkeit der Person nur erschwert, nicht aber vollständig ausgeschlossen wird. 90 Sie hängt letztlich von dem Zusatzwissen des privaten Informationsempfängers ab, das für den informationsgewährenden Staat regelmäßig nicht zu erkennen ist. Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch Anonymisierung oder Pseudonymisierung deshalb nur ausgeschlossen, wenn die Gefahr der Deanonymisierung oder
86 Deutlich Giesen, DuD 1997, S. 588 (588); kritisch Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 400 f.: „Die Konzepte (des Datenschutzes und der Informationsfreiheit) sind ... schon vom Grundsatz her unvereinbar: So wie Datenschutz informationsbezogen ist, ist Informationsfreiheit datenbezogen." Differenzierend Kloepfer, DÖV 2003, S. 221 (224 f.). 87
So § 3 Abs. 6 BDSG. So § 3 Abs. 6a BDSG. 89 Vgl. hierzu Bizer, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, § 3, Rn. 222; Kloepfer, Informationsrecht, § 8, Rn. 68 ff. 90 Ebenso Dammann, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, § 3, Rn. 23. A.A. offensichtlich H k - UIG /Sc h rader, § 8, Rn. 6. 88
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Depseudonymisierung so weit gemindert ist, „dass dem Betroffenen das Risiko einer Reidentifizierung ... zugemutet werden kann." 91 Auch die Einwilligung des Betroffenen verhindert eine Verletzung dessen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, sofern sie auf der freien Entscheidung des (einsichtsfähigen) Betroffenen beruht. 92 Zwar wird mitunter vertreten, dass der Dritte über die ihn betreffenden Informationen gar nicht dispositionsbefugt sei.93 Dies widerspricht jedoch dem Grundanliegen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das gerade die Freiheit gewährleisten will, grundsätzlich selbst über die Offenbarung persönlicher Lebenssachverhalte zu entscheiden.94 Nach dem Grundsatz „volenti non fit iniuria" erlaubt eine Einwilligung des betroffenen Dritten der Behörde deshalb, dem Antragsteller auch solche Informationen zugänglich zu machen, die personenbezogene Daten über den einwilligenden Dritten enthalten. Dabei ist es im Ergebnis unerheblich, ob der Eingriff durch die Einwilligung bereits tatbestandlich ausgeschlossen oder nur gerechtfertigt wird. 95 Voraussetzung für die Möglichkeit der Einwilligung 96 ist freilich, dass der Dritte vor der Weitergabe der ihn betreffenden Informationen Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Wegen des mit der Offenlegung seiner personenbezogenen Daten verbundenen (potentiellen) Grundrechtseingriffs 97 ist die vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs letztlich eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit. 98 Unscharf sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben hingegen bezüglich der Frage, ob der Gesetzgeber die Einwilligung für den Fall fingieren darf, dass der Betroffene sich innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist nicht geäußert hat. 99 Eine solche Fiktion mag im Interesse einer wirksamen Informationszugangsfreiheit als nützlich betrachtet werden; sie ist jedoch zumindest ausgeschlossen, soweit besondere Kategorien perso-
91
So Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 368 f.; unter Verweis auf Bizer, Forschungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung, S. 153 f. u. S. 216 ff. 92 Zu den Anforderungen an die Einwilligung vgl. bspw. § 4a BDSG. 93 Vgl. bspw. die Gefahr, dass insb. minder bemittelte Personen voreilig ihre persönlichsten Informationen gewinnbringend veräußern. 94 BVerfGE 65, 1 (42). 93 Überwiegend wird von einer Rechtfertigung des Eingriffs ausgegangen; vgl. nur Kloepfer, Informationsrecht, § 3, Rn. 55 m.w.N. 96 Die Einwilligung selbst setzt Einsichtsfähigkeit und Freiwilligkeit voraus, vgl. hierzu Kloepfer, Informationsrecht, § 8, Rn. 75 f. 97 Deutlich Nordmann, RDV 2001, S. 71 (81). 98 So Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 7, Rn. 11. 99 Problematisch insoweit § 7 Abs. 4 S. 2 IFG-ProfE: „Äußerst sich der Betroffene nicht innerhalb von zwei Wochen, ist von seiner Einwilligung auszugehen; Abs. 1 S. 2 bleibt unberührt." (Abs. 1 S. 2: „Besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG dürfen nur offenbart werden, wenn der Betroffene ausdrücklich einwilligt.").
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
139
nenbezogener Daten betroffen sind. 100 Das folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, jedoch aus den Vorgaben der EG-Datenschutzrichtlinie, die für die Verarbeitung bestimmter sensitiver Daten zwingend die (ausdrückliche) Einwilligung des Betroffenen verlangt. Zu diesen Daten gehören Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, über politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, über eine Gewerkschaftszugehörigkeit, die Gesundheit oder das Sexualleben.101 Schließlich ist der Zugang zu personenbezogenen Daten - mit Ausnahme der sensitiven Daten - auch ohne Einwilligung des Betroffenen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt dem Einzelnen nicht die absolute Herrschaft über „seine" Daten und ist insofern nicht schrankenlos gewährleistet. Ausgehend vielmehr von dem Bild des Einzelnen als einem sozialen Wesen, als einer sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltender, auf Kommunikation angewiesener Persönlichkeit, hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung zum Volkszählungsgesetz festgestellt, dass das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse beschränkt werden kann. 102 Solche überwiegenden Allgemeininteressen können den mit der Offenbarung personenbezogener Daten verbundenen Eingriff in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung zwar nicht ausschließen, sie können ihn aber rechtfertigen. Zwingende Voraussetzung für eine solche Beschränkung ist eine gesetzliche Grundlage, die insbesondere dem Gebot der Normenklarheit und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen muss.103 Mit diesen Erfordernissen hat das Bundesverfassungsgericht die allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Grundrechtseingriffe ausdrücklich auf das von ihm entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung übertragen. Zumindest in formaler Hinsicht tragen die bereits erlassenen bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetze diesen Anforderungen Rechnung, stellen sie den durch die Gewährleistung von Informationszugang möglichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung doch auf gesetzliche Füße.
100 Vorbildlich insoweit die differenzierte Regelgung des § 7 IFG-ProfE von Schoch/Kloepfer, vgl. aber bspw. auch § 5 Abs. 1 S. 2 IFG-RefE. 101 So § 3 Abs. 9 BDSG in Umsetzung von Art. 8 der EG-Datenschutzrichtlinie. Kritisch zu dieser Aufteilung personenbezogener Daten etwa Dammann/Simitis, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, § 3, Rn. 258. 102 BVerfGE 65, 1 (44). 103 Deutlich BVerfGE 65, 1 (Ls. 2). Zur Normenklarheit als Instrument der Transparenz etwa Bäumler, JR 1984, S. 361 (362 ff.).
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
2. Schutz von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen Die informationelle Selbstbestimmung erschöpft sich nicht in dem Schutz personenbezogener Daten. A u c h wirtschaftliche Kommunikationsvorgänge und wirtschaftsbezogene Informationen wie etwa Berufs- und Geschäftsgeheimnisse unterfallen dem Schutz der Grundrechte und dürfen deshalb nicht ohne weiteres zugänglich gemacht werden. Sedes materiae ist insofern aber nicht Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Vielmehr werden solche Informationen durch
„spezielle 44
Grundrechte
geschützt,
namentlich
durch Art. 12
und
Art. 14 G G . 1 0 4 Dies hat z u m einen zur Folge, dass sich auf den grundrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (und des ebenfalls durch Art. 14 GG geschützten Steuergeheimnisses) 105 auch juristische Personen des Privatrechts berufen können, 1 0 6 während das höchstpersönliche Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf Grund seiner Ableitung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, welches seinerseits auf Art. 2 Abs. 1 G G und die in Art. 1 Abs. 1 G G garantierte Menschenwürde gestützt w i r d , 1 0 7 nur natürlichen Personen Schutz gewährt. 1 0 8 Z u m anderen k o m m t Betriebs- und Ge-
104 Daneben kommt je nach den Umständen des Einzelfalls auch ein Schutz durch Art. 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 GG in Betracht. Vgl. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 2 I, Rn. 67. Das Bundesverfassungsgericht billigt juristischen Personen im Hinblick auf das Steuergeheimnis ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 14 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG zu, vgl. BVerfGE 67, 100 (142); s. auch Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2, Rn. 76; Schulze- Fielitz, in: Dreier (Hrsg.); GG, Bd. I, Art. 2 I, Rn. 67. 106 Vgl. Schmitt Glaeser, in: HStR, Bd. VI, 1989, § 129, Rn. 88; Erichsen, Der Umweltinformationsanspruch und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, S. 23 (25); a.A. offenbar Gallwass, Der Staat 18 (1979), S. 507 (520). 107 Vgl. nur BVerfGE 35, 202 (219); 72, 155 (170); 82, 236 (269); 90, 263 (270). 108 Rüfner, in: HStR, Bd. V, 1992, § 116 Rn. 38; Stern, Staatsrecht, Bd. I I I / l , S. 1127 f. Kritisch zur Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf natürliche Personen Kloepfer, Gutachten D zum 62. DJT, S. 82 f. In der zivilrechtlichen Rechtsprechung ist im Grundsatz anerkannt, dass Persönlichkeitsschutz auch juristischen Personen zukommen kann, vgl. etwa BGH NJW 1974, S. 1762; BGH NJW 1986, S. 2951; BGH NJW 1994, S. 1281; sowie nunmehr auch BVerfG, NJW 2002, S. 3619 (3622): Nach dieser Entscheidungen sollen sich juristische Personen zumindest auf das Recht am gesprochenen Wort, einem Ausfluss des aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts, berufen können. Unabhängig von der Frage des Grundrechtsschutzes bleibt es dem Gesetzgeber grundsätzlich unbenommen, juristischen Personen einen ähnlichen Datenschutz zu gewähren wie natürlichen Personen; so etwa die Tendenz im TDDSG, das mit dem „Nutzer" sowohl natürliche als auch juristische Personen (§ 2 Nr. 2 TDDSG) schützt, zugleich aber durchgängig von personenbezogenen Daten spricht.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
141
schäftsgeheimnissen wegen des fehlenden Menschenwürdegehalts 109 auch in einem engsten Kernbereich kein absoluter, sondern stets nur ein relativer Schutz zu. 110 Die Berufs- und die Eigentumsfreiheit verbürgen Freiheitsgewährleistungen, die einer ungehinderten staatlichen Veröffentlichung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen grundsätzlich entgegenstehen.111 Unter solchen Geheimnissen werden Tatsachen verstanden, die in Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stehen, nicht offenkundig, also nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem ausdrücklich oder konkludent bekundeten Willen des Geheimnisträgers geheim gehalten werden sollen. Um die willkürliche Vorenthaltung sämtlicher wirtschaftsbezogener Informationen auszuschließen,112 ist darüber hinaus erforderlich, dass die Geheimnisse Gegenstand eines berechtigten, bspw. eines wirtschaftlichen, Interesses des Geheimnisträgers sind. 1,3 Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Berufsund Geschäftsgeheimnissen ist nicht möglich; sie wird deshalb mitunter durch die Verwendung des Begriffs „Unternehmensgeheimnis" auch vollständig aufgegeben.114 Will man an ihr festhalten, beziehen sich Berufsgeheimnisse eher auf Daten aus dem technischen Bereich, während das Geschäftsgeheimnis alle sonstigen Daten erfasst. 115 Überwiegend werden solche Geheimnisse heute als „durch den Einsatz von Kapital und Arbeit erwirtschaftete" 116 Vermögenswerte Positionen der Geschäftsinhaber begriffen, 117 die an dem Schutz des Art. 14 GG teilhaben.118
109 Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 416 f., betont in diesem Zusammenhang, dass die Erstellung eines Unternehmensprofils im Kontext von Marketingstrategien nicht dasselbe ist wie die "eines Persönlichkeitsprofiis und dass nicht zuletzt durch den Gesichtspunkt der Kontroll- und Markttransparenz eine hinkende, also begleitende Öffentlichkeit von Verwaltungsverfahren durchaus gerechtfertigt sein kann. 1,0 Breuer, in: HStR, Bd. VI, § 148, Rn. 27. 111 Knemeyer, DB 1993, S. 721 (724). 112 Deutlich Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 8, Rn. 17. 113 Vgl. bspw. Breuer, in: HStR, Bd. VI, § 148, Rn. 26; Schoch/Kloepfer, IFGProfE, § 8, Rn. 15; Nordmann, RDV 2001, S. 71 (77); Berg, GewArch 1996, S. 177 (178); Scherzberg, DVB1. 1994, S. 733 (741); ausf. Hk-UIG/Schrader, § 8, Rn. 24 ff. 114 Vgl. Kloepfer, Informationsrecht, § 7, Rn. 49 m.w.N. 115 So Nordmann, RDV 2001, S. 71 (77). 116 Vgl. Schröder, Geheimhaltungsschutz im Recht der Umweltchemikalien, Berichte des UBA 10/80, S. 19 ff.; Breuer, in: HStR, Bd. VI, § 148, Rn. 26; ders., NVwZ 1986, S. 171 (172 f.); Knemeyer, DB 1993, S. 721 (724). 117 Pfister, Das technische Geheimnis „know how" als Vermögensrecht, S. 46. 1,8 H.M., vgl. etwa Breuer, in: HStR, Bd. VI, § 148, Rn. 26; Schröder, UPR 1985, S. 394 (396); Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 372 f.; jeweils m.w.N. S. auch BVerfGE 67, 100 (142); a.A. Wolff NJW 1997, S. 98 ff.
142
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Darüber hinaus kann die Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ihrem Inhaber die Chance nehmen, mittels bestimmter exklusiver Kenntnisse, etwa über eine Produktionsweise oder eine Rezeptur, Gewinne zu erzielen. Damit ist zugleich der Regelungsbereich des Art. 12 GG betroffen. 119 Da Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander stehen120 und die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen je nach Eigenart des Geheimnisses und des Unternehmens entweder die Ausnutzung eines bereits „gewonnenen Vermögenswertes" 121 und damit die Eigentumsgarantie oder aber die Möglichkeit zur Gewinnerzielung und damit die Berufsfreiheit betreffen kann, ist der Gesetzgeber in jedem Fall gehalten, diesen grundrechtlichen Belangen durch einen Ausnahmetatbestand Rechnung zu tragen. In diesem Bereich muss das Ausmaß der zugänglichen Informationen unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips durch den Gesetzgeber festgelegt werden - eine verfassungsrechtliche Vorgabe, die sich nicht nur auf die Struktur der bereits erlassenen bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetze auswirkt, sondern die auch für die entsprechenden Normen in § 30 VwVfG, § 10 Abs. 2 BImSchG, § 4 Abs. 3 und § 10 Abs. 3 der 9. BImSchV, § 10 UVPG, § 22 Abs. 2 u. 3 ChemG, § 3 Abs. 2 AtVfV, § 11 Abs. 3 GenTG, § 9 Abs. 1 S. 2 und § 10 Abs. 1 UmweltHG verantwortlich ist.
3. Schutz des Geistigen Eigentums Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG erfasst in Abweichung von der Begrifflichkeit des BGB sämtliche privaten Vermögenswerten Rechte.122 Dazu zählen auch die - zumindest im Verfassungsrecht unter dem Begriff „Geistiges Eigentum" zusammengefassten 123 - Rechte des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes, also vor allem des Patent- und Markenrechts, aber auch des Geschmacks- und Gebrauchsmuster- sowie des Wettbewerbsrechts. 124 Die notwendige Abwägung zwischen einem angemessenen Schutz des Rechteinhabers und dem Zugangsinteresse der Allgemeinheit wird von der Zivilrechtsordnung durch die Gewährung zeitlich und räumlich begrenzter Ausschließlich-
119
Vgl. neben den in Fn. 118 genannten Nachweisen etwa Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 (416); vgl. auch Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 375. 120 Vgl. nur Breuer, in: HStR, Bd. VI, § 147, Rn. 100; a.A. wohl Berg, GewArch 1996, S. 177(178). 121 Breuer, NVwZ 1986, S. 171 (174). 122 Statt vieler vgl. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 26 f. 123 Zur Frage, ob „Geistiges Eigentum" auch ein Rechtsbegriff des Privatrechts ist oder sein sollte, vgl. Ohly, JZ 2003, S. 545 (546 ff.). 124 Vgl. auch Ohly, JZ 2003, S. 545 (546).
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
143
keitsrechte an den Werken, Erfindungen und Kennzeichen vorgenommen, wobei die einzelnen Regelungen je nach betroffenem immaterialgüterrechtlichen Teilrechtsgebiet zum Teil stark divergieren. Diese privatrechtlich gewährten und von der Eigentumsgarantie umfassten Rechte können mit dem Anspruch auf freien Informationszugang in Konflikt geraten. Um zu verhindern, dass das privatrechtliche Regelungssystem durch die Möglichkeit freien Zugangs zu Informationen bei der Verwaltung unterlaufen wird, müssen Informationsfreiheitsgesetze entsprechende Klauseln enthalten, die den Rechten zum Schutz des geistigen Eigentums den Vorrang vor dem freien Informationszugang einräumen und den Anspruch auf Informationszugang insoweit ausschließen. In der Praxis wird diesem theoretischen Vorrang allerdings kaum Bedeutung zukommen.125 Denn die eingetragenen Rechte sind schon auf Grund spezieller Vorschriften einsehbar. 126 Und soweit Urheberrechte, etwa an im Besitz der Verwaltung befindlichen wissenschaftlichen Gutachten oder Planungsunterlagen,127 betroffen sind, 128 ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob die entsprechenden Nutzungsrechte nicht der Verwaltung übertragen wurden, so dass diese gemäß § 31 UrhG weitere Nutzungsrechte einräumen kann. 129 Außerdem sind nach §§45 ff. UrhG bestimmte Nutzungen gesetzlich freigestellt, darunter das (beschränkte) Vervielfältigungsrecht zum privaten und zum sonstigen eigenen Gebrauch nach § 53 UrhG. 130 Zu weit gehend wäre es jedoch, die Ausnahme des § 45 Abs. 1 UrhG, der eine Vervielfältigung zur Verwendung in behördlichen Verfahren genehmigungsfrei stellt, generell auf behördliche Verfahren nach den Informationsfreiheitsgesetzen anzuwenden.131 Denn hier ist die Ver-
125
Ähnlich die Einschätzung von Scherzberg,
Die Öffentlichkeit der Verwaltung,
S. 374. 126
Vgl. bspw. § 31 PatG; § 11 GeschmMG; § 8 Abs. 5 GebrMG. Soweit diese überhaupt dem Urheberrecht unterliegen. Denn Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art sind nicht schon per se wegen ihres Inhalts, sondern nur dann geschützt, „wenn sich ihre Formgestaltung von der in Fachkreisen bereits bekannten Art der zeichnerischen Darstellung abhebt." - vgl. BGH, Urt. v. 10.5.1984, GRUR 1985, S. 129(130). 127
128 Vgl. hierzu Fluck, NVwZ 1994, S. 1048 (1050); Hk-UIG/Schrader, § 8, Rn. 15; Roger, UIG, § 8, Rn. 23 f. 129 Dies gilt freilich nicht für das nicht übertragbare Urheberpersönlichkeitsrecht, das als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützt ist. Vgl. hierzu ausf. Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, Vor §§ 12 ff., Rn. 1 ff. 130 Vgl. hierzu Luft, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 53, Rn. 7. Dies gilt freilich nur für Werke, die mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind (vgl. § 6 Abs. 1 UrhG). 131 So aber Hk-UI G/Schrader, § 8, Rn. 18.
144
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
vielfältigung und Herausgabe des Werkes ja nicht Mittel zur Betreibung eines Verfahrens, sondern Zweck des Verfahrens. 132 Schließlich ist zu betonen, dass die verfassungsrechtliche Determination der Informationsfreiheitsgesetze im Bereich des Schutzes geistigen Eigentums weitaus weniger durchschlägt als etwa im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten. Denn die verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers an Art. 14 GG fuhrt aufgrund dessen normativen Charakters vor allem zu einer Selbstbindung: Ergibt sich der Inhalt des Eigentums auch aus der Zusammenschau aller zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden gesetzlichen Vorschriften, 133 hat der Gesetzgeber doch beim Erlass neuer Regelungen diejenigen zu beachten, mit denen er zuvor den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff ausgestaltet und damit zugleich den Schutz des Art. 14 GG aktiviert hat. Insofern schützt Art. 14 GG mit den gesetzlich eingeräumten Eigentumspositionen zugleich die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Dieser Schutz ist aber nur ein relativer, denn dem Gesetzgeber steht es - bis zur Grenze der Institutsgarantie des Eigentums - frei, die Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis des geistigen Eigentums neu zu bestimmen.
4. Schutz durch sonstige Grundrechte Neben diesen bislang genannten grundrechtlich geschützten Belangen, dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dem Schutz von Berufs- und Geschäftsgeheimnisse sowie dem Schutz des geistigen Eigentums, bleiben die Gesetzgeber gemäß Art. 1 Abs. 3 GG selbstverständlich auch an alle anderen Grundrechte gebunden. Allerdings sind im Kontext der allgemeinen Informationszugangsfreiheit selbst diejenigen Grundrechte nur mittelbar von Bedeutung, die für das Informationsverfassungsrecht als solches besonders prägend sind. 134 Dazu zählen etwa das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), der Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) sowie die Gewährleistung der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13). Ihre Schutzinhalte seien im Folgenden deshalb nur grob skizziert.
132 133 134
So auch zutreffend Fluck., NVwZ 1994, S. 1048 (1050). BVerfGE 58, 300 (336). Vgl. hierzu Kloepfer, Informationsrecht, § 3, Rn. 20 ff.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
145
a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist - wie später das Recht auf informationelle Selbstbestimmung - vom Bundesverfassungsgericht aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) i.V.m. der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) abgeleitet worden. 135 Es gewährleistet dem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann, 136 wobei sich (mindestens) zwei Schutzaspekte unterscheiden lassen: Im Binnenbereich garantiert das Recht der Selbstentfaltung dem Einzelnen die Möglichkeit, autonom zu entscheiden, ob und inwieweit in seine Privatsphäre Einblick genommen und eingegriffen werden kann. Im Außenbereich ermöglicht das Recht der Selbstdarstellung es dem Einzelnen, selbst zu entscheiden, ob und inwieweit Informationen aus seinem Binnenbereich zur Darstellung seiner Person in der Öffentlichkeit verwendet werden. 137 Darüber hinaus fungiert das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als „Quellrecht" für zahlreiche, zum Teil einfach-gesetzlich normierte, zum Teil vom Bundesverfassungsgericht (und vom Bundesgerichtshof) anerkannte Konkretisierungen, 138 wie etwa für das Recht am eigenen Bild, 1 3 9 das Recht am gesprochenen Wort, 140 das Recht auf Gegendarstellung 141 und den Schutz des Geburtsnamens.142 Im Kontext des freien Zugangs zu Informationen öffentlicher Stellen wird dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht neben dem insofern spezielleren Recht auf informationelle Selbstbestimmung143 sicherlich keine besonders große Bedeutung als Grenze der Preisgabe von Informationen Bedeutung zukommen. Denn bei der Gewährung von Zugang zu Informationen Privater steht deren Recht im Vordergrund, selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer persönlichen Daten bestimmen zu können, welches eben durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) geschützt ist. Indes geht der Schutzbereich des allgemei-
135
Vgl. BVerfGE 35, 202 (219); 54, 148 (153); 72, 155 (170); 90, 263 (270). BVerfGE 79, 256 (268); 90, 263 (270); 101, 361 (382 f.). 137 Vgl. hierzu bspw. Ehmann, JuS 1997, S. 193 (196 f.); H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 2 I, Rn. 51. 138 Näher hierzu Kloepfer, Informationsrecht, § 3, Rn. 42, m.w.N. 139 Vgl. BVerfGE 35, 202 (224); 54, 148 (154 f.); 101, 361 (380 f.); s. auch BGH NJW 2000, S. 2201 f. 140 Vgl. BVerfGE 34, 238 (246); 54, 208 (217). 141 Vgl. BVerfGE 97, 125 ff. 142 Vgl. BVerfGE 78, 38 (49). 143 Zum Verhältnis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung vgl. bspw. Kloepfer, Informationsrecht, § 3, Rn. 48; Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 2, Rn. 38 f. 136
146
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
nen Persönlichkeitsrechts - insbesondere durch Gewährleistung des Selbstdarstellungsrechts - über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinaus.144 Insofern ist zumindest nicht auszuschließen, dass auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem freien Zugang zu Informationen Grenzen setzen kann, die sowohl von der Legislative wie auch von der Exekutive und der Judikative zu beachten sind.
b) Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis Mit dem von Art. 10 GG gewährleisteten Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis „... soll vermieden werden, dass der Meinungs- und Informationsaustausch ... deswegen unterbleibt oder nach Form und Inhalt anders verläuft, weil die Beteiligten damit rechnen müssen, dass staatliche Stellen sich in die Kommunikation einschalten und Kenntnisse über die Kommunikationsbeziehungen oder Kommunikationsinhalte gewinnen." 145 Diese Formulierung des Bundesverfassungsgerichts bringt deutlich zum Ausdruck, dass Art. 10 GG weniger die konkreten Kommunikationsinhalte als vielmehr den Kommunikationsprozess als solchen vor staatlichen Eingriffen schützt. Dies gilt um so mehr, als bei dem Kommunikationsvorgang speicherbare Daten anfallen, denen auch ohne Kenntnis der Gesprächsinhalte persönlichkeitsrechtliche Relevanz zukommt. 146 Insgesamt sollen die Grundrechtsgewährleistungen des Art. 10 GG den besonderen Gefahren für die Vertraulichkeit der Mitteilung begegnen, die sich aus der Einschaltung eines Übermittlers ergeben. 147 Damit handelt es sich letztlich wie auch bei dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht - um eine besondere Ausprägung des Schutzes der Privatsphäre. 148 Durch die gesetzliche Einräumung eines freien Zugangs zu staatlichen Informationen werden die Grundrechtsgewährleistungen des Art. 10 GG - soweit ersichtlich - nicht unmittelbar berührt. Mittelbar kann das Grundrecht dagegen Bedeutung bei der Frage erlangen, ob die Preisgabe solcher Informationen an
144 Das genaue Verhältnis zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hängt letztlich von der Definition des Begriff „personenbezogene Daten" ab - je weiter man ihn versteht, desto kleiner wird der vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht eigenständig gewährleistete Schutzbereich. 145 BVerfGE 100, 313 (358 f.). 146 Ausdrücklich BVerfGE 100, 313 (358); vgl. auch schon BVerfGE 67, 157 (172); Krüger, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 10, Rn. 9. 147 BVerfGE 85, 386 (396). 148 Vgl. BGH, NJW 2001, S. 1588.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
147
Dritte zulässig ist, die unter Verletzung der von Art. 10 GG geschützten Geheimnisse erlangt wurden. Dass solche Informationen in der Praxis nicht per se einem absoluten Offenbarungsverbot unterliegen, zeigt der Umgang mit den Unterlagen der Staatssicherheitsbehörden der DDR. Mag die Erhebung der Informationen durch die Stasi mangels Grundrechtsbindung der DDR-Behörden auch nicht als Eingriff in Art. 10 GG zu werten sein, berührt doch auch die Herausgabe der zweifellos rechtsstaatswidrig erlangten Unterlagen neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch den Schutzbereich des Art. 10 GG. 149 Gerade wegen dieser Grundrechtsrelevanz ist die Herausgabe von Stasi-Unterlagen, so sie nicht den Antragsteller selbst betreffen, an eine Vielzahl von Voraussetzungen und unter anderem an spezielle Zwecke gebunden, etwa an den Zweck, die Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes zum Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung zu erforschen. 150 Und selbst unter diesen gesetzlich normierten Voraussetzungen wird die Offenbarung von personenbezogenen Informationen zum Teil für verfassungswidrig gehalten.151 Wenn aber die Herausgabe von rechtsstaatswidrig, bspw. unter Verletzung von Art. 10 GG erlangten Informationen schon unter den besonderen Voraussetzungen des StUG verfassungsrechtlich bedenklich erscheint, muss dies erst Recht für die Herausgabe unter den vergleichsweise geringen Voraussetzungen allgemeiner Informationsfreiheitsgesetze gelten. Insofern begrenzt auch Art. 10 GG den Anspruchsgegenstand eines voraussetzungslos gewährten Zugangsrechts. Praktisch wird der von Art. 10 GG gewährte Schutz allerdings regelmäßig in dem vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährten Schutz aufgehen, so dass dem Grundrecht auf Wahrung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nur eine geringe eigenständige Bedeutung als Grenze allgemeiner Informationszugangsfreiheit zukommt.
149 Vgl. Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 10, Rn. 45. A.A. etwa Kunig, Gutachten für das BMI, S. 39 f.; und Kirste, JuS 2003, 63 (64). Sie gehen davon aus, dass ein Eingriff in Art. 10 GG allein durch die Informationserhebung erfolgen könne. Jede weitere informationsverwertende Handlung, die den Schutzbereich des Art. 10 GG berühre, stelle sich insofern nur als Perpetuierung dieses Eingriffs dar. Da die Informationserhebung durch die Stasi mangels ihrer Grundrechtsbindung nicht als Eingriff in Art. 10GG zu werten sei, könne die bloße Herausgabe auch nicht als perpetuierter Grundrechtseingriff verstanden werden. 150 Vgl. § 32 Abs. 1 StUG. Vgl. hierzu etwa Birthler, Vergangenheitsbewältigung durch Informationszugang, in: Kloepfer (Hrsg.), Die transparente Verwaltung, S. 123 ff. 151 Vgl. Lenski, L K V 2004, S. 112 (116 f.).
148
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
c) Unverletzlichkeit der Wohnung Ähnliches gilt für die nach Maßgabe des Art. 13 GG gewährleistete Unverletzlichkeit der Wohnung, mit der die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen geschützt werden soll. 152 Dass diese räumliche Lebenssphäre keinesfalls nur vor einem körperlichen Eindringen geschützt wird, hat erneut die Diskussion um den „Großen Lauschangriff 4 gezeigt. Vielmehr geht es um die Abwehr jedweder Störungen vom privaten Leben, so dass Art. 13 GG insgesamt das Recht schützt, in den Räumen, in denen sich das Privatleben entfaltet, „in Ruhe gelassen zu werden". 153 Auch Art. 13 GG ist insofern eine (räumlich ausgerichtete) Geheimnisschutznorm. 154 Im Zusammenhang mit dem freien Zugang zu Informationen in den Händen der öffentlichen Verwaltung kann sich Art. 13 GG - wie eben auch Art. 10 GG - durchaus als Begrenzung des Anspruchsgegenstandes erweisen. Auch hier werden sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse allerdings in den meisten Fällen weitergehende Informationsrestriktionen ergeben.
5. Verbleibender
gesetzlicher Gestaltungsspielraum
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in einem die Belange Dritter berührenden dreipoligen Informationsverhältnis erheblich eingeschränkter ist als im bloß zweipoligem Verhältnis zwischen dem zugangsbegehrenden Bürger und dem zugangsgewährenden Staat.155 Denn er hat mit den Grundrechten Dritter nunmehr verfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen, deren Inhalt und Reichweite er im Unterschied zu den öffentlichen Belangen nur zum Teil ausgestaltend beeinflussen kann. Bei struktureller, freilich etwas undifferenzierter Betrachtung konkretisieren sich diese verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einem Gesetzesvorbehalt und der Pflicht zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit.
152 153 154 155
BVerfGE 96, 44 (51 ). BVerfGE 32, 54 (75); 89, 1(12). Vgl. Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 88. Sehr deutlich insofern Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 413 f.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
149
a) Gesetzlicher Ausgleich widerstreitender privater Interessen Was den Gesetzesvorbehalt betrifft, soll im Rahmen dieser nur systematischen Betrachtung nicht näher untersucht werden, wie detailreich der Gesetzgeber Kriterien für die Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Zugangsbegehrenden und dem Geheimhaltungsinteresse des Dritten vorzugeben hat. Denn letztlich handelt es sich bei dieser Frage um das allgemeine Problem, wie der Gesetzgeber in abstrakt-genereller Weise die Voraussetzungen und den Umfang potentieller Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar regeln und der Behörde zur Berücksichtung der Umstände im konkret-individuellen Einzelfall zugleich einen möglichst weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum belassen kann. Ein Blick in die verschiedenen bereits erlassenen oder schon entworfenen Informationsfreiheitsgesetze zeigt, dass an dieser Stelle ganz unterschiedliche Ansätze verfolgt werden, die von einer recht groben und daher zu einem weitgehenden Informationsausschluss führenden Vorgabe in § 5 AIG-Bbg bis hin zu sehr differenzierten Regelungen in § 9 IFG-NRW oder in § 7 IFG-ProfE reichen. Auch in der Wissenschaft werden unterschiedliche Auffassungen über das verbindliche Maß der gesetzlich vorgezeichneten Abwägung vertreten. Während die einen - zum Teil unter Verweis auf die Wesentlichkeitstheorie - die Pflicht des Gesetzgebers anmahnen, das Zugangsinteresse des Antragstellers auf der einen Seite und das Restriktionsinteresse betroffener Dritter auf der anderen Seite möglichst differenziert schon abstrakt in einen Ausgleich zu bringen, 156 plädieren die anderen dafür, der Verwaltung möglichst viel Spielraum zu belassen, um im Einzelfall einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen zu finden. 157 In jedem Fall sind die Anforderungen an den materiellen Regelungsgehalt der gesetzlichen Eingriffsgrundlage um so größer, je stärker die zugänglich gemachten Daten die private Lebenssphäre des Dritten betreffen und je eher deren Weitergabe seine Persönlichkeitsentwicklung oder seine Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit beeinträchtigen können.158
136
Vgl. bspw. Hk-UIG/Schrader, § 8, Rn. 7; Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 239 f f ; differenzierend Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 371. Die mangelnde Bestimmtheit von § 30 VwVfG kritisierend etwa Fluck, NVwZ 1994, S. 1048 (1055); Scherzberg, DVB1. 1994, S. 733 (743). Deutlich nun auch Masing, VVDStRL 63 (2003), Anmerkung 13 und 18 [These 2], S. 438 f. 157 So (sehr allgemein) etwa Huber,StWStP 8 (1997), S. 423 (440 f.); deutlicher Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (196, 202). 158 BVerfGE 65, 1 (44 f.).
150
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
b) Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips Mit diesen abgestuften Bestimmtheitsanforderungen ist zugleich die Verhältnismäßigkeit angesprochen, die der Gesetzgeber bei der Regelung von Eingriffen in grundrechtlich geschützte Informationsverfügungsbefugnisse Dritter wahren muss. Dabei ist zunächst zu betonen, dass das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprinzip es dem Gesetzgeber in Bezug auf entgegenstehende private Belange verwehrt, bei einem allgemeinen Informationszugangsrecht einen grundsätzlichen Vorrang des Zugangsinteresses vor etwaigen privaten Diskretionsinteressen anzuordnen. 159 Ein solcher Vorrang missachtete das Verhältnis zwischen grundrechtlich geschützter Freiheit und staatlich vorgenommenen Eingriffen, das eben vor allem durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip geschützt wird. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verlangt, „dass eine Grundrechtsbeschränkung von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt wird, das gewählte Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist." 160 Weil also nicht der Bürger den Gebrauch seiner Freiheit, sondern umgekehrt der Staat die Beschränkung dieser Freiheit begründen muss, streitet das Verhältnismäßigkeitsprinzip stets zu Gunsten des Grundrechtsgebrauchs. Das von Informationsfreiheitsgesetzen intendierte Grundsatz-AusnahmeVerhältnis von Öffentlichkeit zu Geheimhaltung beschränkt sich deshalb stets, auch wenn dies in den einzelnen Gesetzen nicht immer hinreichend zum Ausdruck kommt, 161 auf das bipolare Verhältnis zwischen einem zugangsbegehrenden Bürger und der zugangsgewährenden Verwaltung. Hier steht es dem Gesetzgeber aufgrund seiner - im Wesentlichen nur kompetenzrechtlich begrenz-
l>9 Anders verhält es sich bei besonderen gesetzlichen Informationszugangsrechten, bei denen das Informationsinteresse exakt definierbar ist und deshalb schon vom Gesetzgeber über entgegenstehende Diskretionsinteressen gesetzt werden kann, wie etwa das Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs bei § 9 Abs. 1 HGB oder auch bei § 39 StVG. 160
So treffend BVerfGE 78, 77 (85). Sehr weitgehend bspw. § 6 Abs. 1 IFG-Bln, der stets eine Abwägung zwischen dem Restriktionsinteresse des Dritten und dem abstrakten Zugangsinteresse des Informationsbegehrenden vorsieht; offen auch die meisten anderen Informationsfreiheitsgesetze. Dagegen nehmen die Regelungen in § 9 Abs. 1 lit. a-e IFG-NRW und § 12 Abs. 1 Nr. 1-4 IFG-SH die geschilderten verfassungsrechtlichen Vorgaben ernst, wenn sie den Zugang zu personenbezogenen Daten grundsätzlich ausschließen und nur in enumerativ benannten Ausnahmefällen zulassen. Missverständlich bleibt allerdings die von diesen Bestimmungen vorgesehene Alternative, nach der ein (zusätzliches?) rechtliches Interesse des Informationsbegehrenden die Schutzinteressen des Zugangsabwehrenden überwiegen kann. Vgl. hierzu unten S. 162. 161
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
151
ten - Verfügungsbefugnis über „seine" Informationen frei, das Maß der Geheimhaltung zu bestimmen und eine grundsätzliche Zugänglichkeit von Verwaltungsinformationen zu normieren. 162 Sobald aber grundrechtlich geschützte Belange Dritter ins Spiel kommen, ist der Gesetzgeber durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben daran gehindert, entsprechende Informationen im Grundsatz freizugeben. Denn ansonsten würde sich die Darlegungs- und Beweislast von der durch die Zugangsgewährung in Grundrechte eingreifenden Behörde auf den durch diese Grundrechte geschützten Bürger übertragen. In geheimnisschützende Grundrechte Dritter darf aber nur soweit eingegriffen werden, wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegensteht.163 Die bislang erlassenen bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetze beachten diese verfassungsrechtlichen Vorgaben weitgehend und nehmen den Grundsatz des freien Informationszugangs mehr oder weniger deutlich zurück, wenn grundrechtlich geschützte Daten Dritter betroffen sind. 164 Indes könnten die Umkehr des bisherigen Grundsatz-Ausnahme-Verhältnisses und der damit verbundene Paradigmenwechsel, die nicht nur in den Gesetzen selbst, sondern vor allem auch in den Gesetzesbegründungen und in den die Gesetze begleitenden politischen und wissenschaftlichen Diskussionen betont werden, dazu führen, dass sich die über den konkreten Informationszugang befindenden Stellen bei ihrer Entscheidung stets von dem Grundsatz der Publizität leiten lassen und dementsprechend den geheimnisschützenden Dritten die Beweislast für die Zugangsverweigerung auferlegen. Den darin liegenden Verfassungsverstoß hätte dann freilich nicht der Gesetzgeber, sondern die konkrete Verwaltungsstelle zu verantworten. Im Ergebnis führt die häufig übersehene verfassungsrechtliche Begrenzung des gesetzlichen Gestaltungsspielraums jedenfalls dazu, dass es in Bezug auf grundrechtlich geschützte private Belange bei dem Grundsatz-Ausnahme-
162 A.A. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 340; deutlicher noch ders., ThürVBl. 2003, S. 193 (200); vgl. auch Parisch, NJW 1998, S. 2559 (2559 f.). 163 Vgl. BVerfGE 32, 373 (381); 80, 367 (374). Dies galt und gilt auch für das Verhältnis zwischen dem Informationsinteresse der Presse und Geheimschutzinteressen von Dritter: Dem privaten Interesse kommt von vorneherein ein größeres Gewicht zu. Vgl. Windsheimer, Information als Interpretationsgrundlage, S. 173 f.; SchröerSchallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, S. 133, m.w.N. 164 Vgl. § 8 UIG, §§ 6 u. 7 IFG-Bln, §§ 7, 8 IFG-ProfE, § 6 IFG-RefE: „Der Anspruch besteht nicht..."; § 5 Abs. 1 AIG-Bbg, §§ 8 u. 9 IFG-NW, §§ 11, 12 IFG-SH: „Der Antrag auf Akteneinsicht ist abzulehnen ..."; § 5 IFG-RefE: „Zugang zu personenbezogenen Daten darf nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schützwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt."
152
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Verhältnis des § 30 VwVfG bleibt: 165 Regelmäßig dürfen grundrechtlich geschützte Informationen Dritter nicht ohne deren Zustimmung offenbart werden, es sei denn, die Offenbarung ist ausnahmsweise zur Wahrung eindeutig höherrangiger Rechtsgüter der Allgemeinheit oder Einzelner erforderlich. 166 Mögen bei der dabei vorzunehmenden Abwägung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auch tendenziell eher als private Geheimnisse unterliegen, da sie regelmäßig in einem größeren Sozialbezug stehen als personenbezogene Daten,167 ist jedem Geheimhaltungsinteresse des Dritten in der Interessenabwägung doch stets eine hohe Bedeutung zuzumessen.168 Diese Erkenntnis steht in deutlichem Widerspruch zu dem von Politik und Wissenschaft gleichermaßen betonten Paradigmenwechsel, der mit der Gewährleistung allgemeiner Informationszugangsfreiheit einhergehe. Bedenkt man erneut, dass ein Großteil der bei den Verwaltungen vorhandenen Informationen selbstverständlich personenbezogene Daten enthält,169 reduziert sich der Anwendungsbereich der voraussetzungslosen Zugangsfreiheit ganz erheblich. 170 Zugleich zeigt sich, dass die besonderen Informationsansprüche im Einzelfall sehr viel weiter reichen können als allgemeine Informationszugangsansprüche. Denn die besonderen Informationsrechte sind regelmäßig grundrechtlich radiziert, wurzeln bspw. im Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Das bedeutet aber, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Streit zwischen einem grundrechtlich begründetem Informationsanspruch und einem ebenfalls grundrechtlich motivierten Geheimhaltungsanspruch nicht zwingend zu Gunsten der Geheimhaltung streitet. So hat das Bundesverfassungsgericht § 99 Abs. 1 S. 2
165
Ebenso Fluck/Theuer, UIG, § 8, Rn. 374; Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 403 f. A.A. Gröschner, VVDStRL 63 (2003), S. 364, der die objektiv-rechtliche Komponente der Informationsfreiheit im Rahmen der Abwägung berücksichtigt wissen will, damit nicht der informationellen Selbstbestimmung stets ein grundsätzlicher Vorrang vor der informatorischen Selbstbestimmung zukommt. 166 Vgl. bspw. BVerwGE 35, 225 (227); 49, 89 (93); 84, 375 (379); aus jüngerer Rechtsprechung bspw. OVG Münster, RTkom 2001, S. 168 f.; VG Lüneburg, NdsVBl. 1997, S. 14 f; aus der Literatur s. bspw. Knemeyer, NJW 1984, S. 2241 (2245); KoppRamsauer, VwVfG, § 30 Rn. 7 ( 8. Aufl. prüfen); Steinberg, UPR 1988, S. 1 (4); Fluck, NVwZ 1994, S. 1048 (1054); Bonk/Kallerhoff, in: Bonk/Stelkens/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 30, Rn. 20. 167 Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 322. 168 So für § 30 VwVfG ausdrücklich OVG Münster, RTkom 2001, S. 168 (Ls. 2). 169 Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 403, verweist darauf, dass etwa bei Gesundheits-, Arbeits- und Finanzverwaltungen, bei der Polizei, Ausländerbehörden und auch bei Schulen und Universitäten ein Großteil der Aktenbestände aus dem Anwendungsbereich der Informationszugangsfreiheit ausgenommen wird. 170 Noch deutlicher Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 403: Der grundsätzliche Vorrang des Schutzes personenbezogener Daten „straft den emphatisch proklamierten Grundsatz der Aktenöffentlichkeit als materielle Regel Lügen."
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
153
VwGO a.F. deshalb fiir verfassungswidrig erklärt, weil die Vorschrift im Hinblick auf ihren Zweck, Nachteile für das Wohl des Bundes bzw. eines Landes oder für gesetzlich gewährte Schutzansprüche eines Dritten abzuwehren, nicht erforderlich sei. Es gebe nämlich Möglichkeiten, den legitimen Geheimhaltungsinteressen Rechnung zu tragen, ohne dass der von Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete effektive Rechtsschutz im selben Maße wie derzeit auf der Grundlage von § 99 VwGO verkürzt werde, bspw. durch ein sog. in-cameraVerfahren. 171 Hier stritt das Verhältnismäßigkeitsprinzip also für das durch das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz geschützte Informationsinteresse.
c) Mögliche Abstufungen widerstreitender Interessen Ist diese Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch bei allen grundrechtlich geschützten Belangen dieselbe, bleibt dem Gesetzgeber doch die Freiheit, innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen den durch die Grundrechte vermittelten Schutzumfang in Bezug auf bestimmte Sachverhalte oder Personengruppen weiter zu begrenzen als in Bezug auf andere. Im Kontext der allgemeinen Informationszugangsfreiheit ist es ihm insbesondere erlaubt, den Schutz personenbezogener Daten von Amtsträgern gegenüber dem Schutz personenbezogener Daten von anderen Personen zurückzunehmen.
aa) Personenbezogene Daten von Amtsträgern In Bezug auf personenbezogene Daten kommen die zulässigen graduellen Unterschiede im Schutzumfang besonders deutlich in der Sphärentheorie zum Ausdruck, die vom Bundesverfassungsgericht zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelt wurde. Danach ist bei der Beurteilung der Rechtfertigung von Eingriffen nach zunehmender Schutzbedürftigkeit zwischen der Sozialsphäre, der Privat- oder Geheimsphäre sowie der Intimsphäre zu unterscheiden.172 Zwar lässt sich die Sphärentheorie nicht eins zu eins auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anwenden, weil es unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung kein belangloses Datum mehr gibt, so dass die Zuordnung einer Information zu einer bestimmten Sphäre nicht möglich ist. 173 Doch letztlich ist die Sphärentheorie nur als Ausprägung des Ver-
171
BVerfGE 101, 106 (128); vgl. hierzu Margedant, NVwZ 2001, S. 759 ff. Vgl. bspw. BVerfGE 27, 344 (350 f.); 34, 238 (245); 47, 46 (73); 49, 286 (298); 80, 376 (380). 173 BVerfGE 65, 1 (45 f.). 172
154
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
hältnismäßigkeitsprinzips zu verstehen, 174 und mit dieser Funktion indiziert sie auch für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Möglichkeit eines differenzierenden Schutzumfangs. Die Differenzierung hat sich dabei nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr an der Zuordnung zu einer Sphäre, sondern an den Kriterien der Sensibilität der Daten einerseits und der Intensität ihres Sozialbezugs auf der anderen Seite zu orientieren. 175 Diese Leitvorgaben ermöglichen im Kontext der Informationszugangsfreiheit die grundsätzliche Preisgabe bestimmter personenbezogener Daten von Amtsträgern. Denn Angaben wie Name, Titel, akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung sowie Büroanschrift und Rufnummer sind in diesem Zusammenhang nur wenig sensible Daten und auf Grund der Tätigkeit der in einer oder für eine Behörde tätigen Person noch dazu von erhöhtem Sozialbezug. Die bislang geltenden bzw. bereits entworfenen Informationsfreiheitsgesetze sehen dementsprechend auch mehr oder weniger weitreichende Rückausnahmen von dem Ausschluss personenbezogener Daten aus dem Informationszugangsanspruch vor. Diese Rückausnahmen sollen vor allem sicherstellen, dass die praktisch in jeder Akte zu findenden personenbezogenen Daten von Amtsträgern nicht das Informationszugangsrecht von deren Einwilligung abhängig machen und damit letztlich verhindern. 176 Mit dem Bundesverfassungsgericht ist in diesem Zusammenhang aber darauf hinzuweisen, „dass auch Personen, die - gewollt oder ungewollt - zur Person des öffentlichen Lebens geworden sind, ihr Anrecht auf eine den Blicken der Öffentlichkeit entzogene Privatsphäre nicht verlieren. Demokratisch gewählte Amtsträger mögen für ihre Amtsführung öffentlich rechenschaftspflichtig sein und sich in diesem Umfang öffentliche Aufmerksamkeit gefallen lassen müssen. Dies gilt aber gerade nicht für ihr Privatleben, sofern dies die Amtsführung nicht berührt." 177 Diese allerdings auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und nicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bezogene - Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts macht deutlich, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Preisgabe personenbezogener Daten von Amtsträgern (und ihnen gleichgestellten
174 Auch das Bundesverfassungsgericht wendet die Sphärentheorie nicht mehr in einem strikten Sinne an. Es unterscheidet in einer jüngeren Entscheidung nur noch zwischen - stets rechtswidrigen - Eingriffen in den Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und sonstigen Eingriffen, deren Zulässigkeit sich nach einer Abwägung mit den Grundrechten des Eingreifenden bemisst. Vgl. insofern nun BVerfG, NJW 2001, S. 2320 (2321). 175 So für den Schutz der personenbezogenen Daten BVerfGE 65, 1 (44 f). 176 Vgl. Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 7, Rn. 23; Partsch, NJ 1998, S. 346 (350); ders., NJW 1998, S. 2559 (2562); Bäumler, Hinweise zum IFG-SH, § 12, Rn. 5. 177 Vgl. BVerfGE 101,361 (383).
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
155
Personen)178 nicht vollständig von der Bindung an das Recht auf informationelle Selbstbestimmung befreit ist, sondern das Spannungsverhältnis zwischen Informationszugangsfreiheit und Datenschutz auch hier vorsichtig auszutarieren hat. 179
bb) Personenbezogene Daten von Personen der Zeitgeschichte Ob das von Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasste Recht auf informationelle Selbstbestimmung neben den besonderen Regelungen für Amtsträger weitere Differenzierungen nach Personengruppen zulässt, erscheint spätestens seit der auf das „Kohl-Urteil" des Bundesverwaltungsgerichts 180 erfolgten Novellierung des StUG 181 fraglich. Seit dieser Gesetzesänderung erleichtert das Gesetz unter den Voraussetzungen des § 32a StUG die Herausgabe von Stasi-Unterlagen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen und Amtsträger. Die Kategorie „Personen der Zeitgeschichte" ist dabei deutlich dem Urheberrecht entlehnt: In Bezug auf das Recht am eigenen Bild, in Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht also, normieren die § 22 ff. KUrhG ein abgestuftes Schutzkonzept,182 das in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUrhG Ausnahmen vom grundsätzlichen Recht am eigenen Bild zugunsten von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorsieht. Dieser Begriff umfasst nicht nur alle Vorgänge, an denen gegenwärtig ein allgemeines Interesse besteht, sondern eben auch Personen der Zeitgeschichte, wobei nach allgemeiner, aber nicht unbestrittener Praxis zwischen absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte unterschieden wird. Während absolute Personen das zeitgeschichtliche Ereignis selbst sind und deshalb unabhängig von einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis auf Grund ihres Status oder ihrer Bedeutung stets im öffentlichen Interesse stehen,183 treten relative Personen der Zeitgeschichte nur im Zusammenhang mit bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignissen vorübergehend aus der Anonymität und in das Blickfeld der Öffent-
178
§ 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. d IFG-Bln nennt insoweit bspw. Gutachter und Sachverstän-
dige. 179 Vorsichtig insoweit § 7 Abs. 3 IFG-ProfE, der die Offenbarung personenbezogener Daten von Amtsträgern nur unter näheren Voraussetzungen zulässt. 180 BVerwG, NJW 2002, S. 1815 ff. 181 Fünftes Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (5. StUÄndG) vom 2.9.2002, BGBl. I 2002, S. 3446. 182 So BVerfGE 101,361 (387). 183 So Fricke, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, KUG § 23, Rn. 8.
156
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
lichkeit. 184 Das Informationsinteresse beschränkt sich hier auf das Geschehen, das den Betreffenden zur Person der Zeitgeschichte macht.185 Die besonderen Regeln für die Gruppe der absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte mögen für die Abwägung zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit und dem vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfassten Recht am eigenen Bild durchaus einen angemessenen Maßstab darstellen. 186 Ob diese Personengruppe aber im StUG bzw. in allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen differenzierenden Regelungen unterworfen werden darf, erscheint durchaus fraglich. Denn der Gedanke, der den urheberrechtlichen Ausnahmebestimmungen zu Grunde liegt, basiert auf einem gesteigerten Öffentlichkeitsinteresse an einer Person, die sich selbst in das Interesse der Öffentlichkeit begeben hat (bzw. ausnahmsweise bereits von Geburt an in diesem steht) und die deshalb in Bezug auf Abbildungen mit einer Einschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechnen kann und rechnen muss. Demgegenüber knüpft die Herausgabe nach dem StUG gerade nicht das an öffentliche Interesse an der Person der Zeitgeschichte, sondern ausschließlich an das Forschungs- bzw. Aufarbeitungsinteresse an der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sein. Das öffentliche Interesse an einer Person, zu dessen Gunsten § 23 Abs. 1 S. 1 KUrhG eine Beschränkung des Rechts am eigenen Bild zulässt, darf also nach dem StUG überhaupt nicht verfolgt werden. 187 Und auch Informationsfreiheitsgesetze dienen nicht dazu, das öffentliche Interesse an bestimmten Personen zu befriedigen, sondern verfolgen ausweislich ihrer ausdrücklich normierten oder im Wege der Auslegung ermittelten Ziele in erster Linie eine demokratietheoretisch begründete Partizipation- und Kontrollfunktion. Deshalb greift die Begründung für eine besondere Behandlung von Personen der Zeitgeschichte im Zusammenhang mit einem freien Zugang zu Informationen der Verwaltung nicht ein. Den Personen der Zeitgeschichte ist vielmehr wie jeder anderen Person in all ihren Verwaltungsangelegenheiten eine vertrauliche Kommunikation mit den staatlichen Stellen zu ermöglichen, ohne dass sie befürchten müssen, dass die dabei festgehaltenen Informationen später von jedermann eingesehen und verwendet werden können.
184
Vgl. Fricke, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, KUG § 23, Rn. 6 ff. m.w.N.; vgl. ausführlich nun auch BVerfG, NJW 2001, S. 1921 (1922). 185 Fricke, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, KUG § 23, Rn. 12. 186 Letztlich stellt auch die von der Rechtsprechung und in der Literatur entwickelte Kategorisierung von absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte - ähnlich insofern der Sphärentheorie - eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips dar. Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls klargestellt, dass auch bei absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte stets noch eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den berechtigten Interessen der Abgebildeten stattzufinden hat - vgl. BVerfG, NJW 2001, S. 1921 (1922). 187 Diesen Widerspruch deutlich hervorhebend Lenski, L K V 2004, S. 112 (115 f.).
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
157
I I I . Vorgaben für die Verwaltung Wenn und soweit der Gesetzgeber der Verwaltung einen eigenen Entscheidungsspielraum 188 belässt, sei es durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite, sei es durch die Einräumung von Ermessen auf der Rechtsfolgenseite, ist es an ihr, die gesetzlich angeordnete und darüber hinaus auch verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem Publizitätsinteresse einerseits und etwaigen Opazitätsinteressen andererseits vorzunehmen. Sie bleibt bei dieser Abwägung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in erster Linie an die besonderen Regelungen und allgemeinen Wertungen des Gesetzgebers gebunden. Darüber hinaus können sich aber auch unmittelbar aus der Verfassung Vorgaben für die Abwägung ergeben, namentlich aus den Grundrechten, die gemäß Art. 1 Abs. 3 GG auch von der Verwaltung zu beachten sind. Bevor die Verwaltung aber die gesetzlich und verfassungsrechtlich determinierte Abwägung vornehmen kann, muss sie zunächst einmal das Informationsinteresse bestimmen und gewichten
1. Bestimmung des Informationsinteresses Der Zweck des Informationszugangs ist sowohl für die Abwägung mit öffentlichen Belangen als auch für die mit privaten Belangen von erheblicher Bedeutung. Er wirft das Gewicht in die Waagschale, das die entgegenstehenden öffentlichen bzw. privaten Belange auf- und überwiegen muss. Trotz dieser enormen Bedeutung ist der Zweck des Informationszugangs im Einzelfall auf Grund des Wesens und der Struktur von Informationsfreiheitsgesetzen nur schwer zu bestimmen. Denn da der Informationszugang nach dem Anliegen des Gesetzgebers gerade unabhängig eines wie auch immer gearteten Interesses gewährt werden soll, muss der Zweck des Zugangsbegehrens vom Antragsteller nicht angegeben werden. Die im Einzelfall mit der Abwägung betraute Verwaltung kann das jeweilige Zugangsinteresse also regelmäßig nicht individuell gewichten. Vielmehr soll sie wohl nach der Vorstellung des Gesetzgebers an Stelle des konkret-individuellen Informationsinteresses grundsätzlich das abstrakte Zugangsinteresse in die Abwägung einstellen.189 Der Antragsteller
188 Der Frage, ob und inwieweit ein solcher exekutiver Entscheidungsspielraum der Kontrolle durch die Gerichte unterliegt, soll in diesem, allein das Verhältnis von Legislative zu Exekutive betreffenden Kontext nicht nachgegangen werden. Zur gerichtlichen Kontrolle exekutiver Entscheidungen vgl. zsfd. bspw. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 147 ff. 189 Deutlich insofern § 6 Abs. 1 IFG-Bln, der zur Konkretisierung des in die Abwägung einzustellenden Informationsinteresses ausdrücklich auf § 1 IFG-Bln verweist, der den Zweck des Gesetzes normiert.
158
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
handelt aus der Sicht der abwägenden Verwaltung somit nicht im eigenen, sondern im öffentlichen Interesse. 190
a) Bestimmung des abstrakten Informationsinteresses Auch die Bestimmung des abstrakten Informationsinteresses wird der Verwaltung aber nicht ohne weiteres möglich sein. Das gilt insbesondere für solche Gesetze, die, wie bspw. das AIG-Bbg oder der Entwurf eines IFG, keine ausdrückliche Zweckbestimmung enthalten.191 Doch auch die Gesetze, die in einer mit „Zweck des Gesetzes" überschriebenen Norm weniger das Regelungsanliegen als vielmehr den Regelungsgegenstand beschreiben, wie bspw. § 1 IFGSH, § 1 IFG-NRW und § 1 UIG, lassen den Inhalt des abstrakten Informationsinteresses nicht auf den ersten Blick erkennen. 192 Immerhin können die gesetzlichen Zielvorstellungen, wie gezeigt,193 aber durch Auslegung ermittelt werden, und so kann als abstraktes Informationsinteresse etwa die Bedeutung des freien Informationszugangs für die Kontroll- und Partizipationsmöglichkeiten der Bürger oder - im Falle des UIG - für den Umweltschutz in die Abwägung mit widerstreitenden öffentlichen bzw. privaten Belangen eingestellt werden. Letztlich wird die Verwaltung den genauen Inhalt des abstrakten Zugangsinteresses vielleicht auch gar nicht hinterfragen, sondern ihm einfach das große Gewicht zukommen lassen, das der Gesetzgeber ihm mit der Gewährleistung eines grundsätzlichen Informationszugangsanspruchs beimessen wollte. Die exakte Bestimmung dieses Gewichts bleibt allerdings schwierig 194 und ist mit zwei Problemen verbunden: Wird das Gewicht des derart entmaterialisierten öffentlichen Informationsinteresses zu niedrig bewertet, kann es in der Abwägung zu abstrakt, zu theoretisch erscheinen, um die konkreten und individuellen Interessen zu überwiegen, die gegen eine Preisgabe der beantragten Informationen sprechen. Wird es aber zu hoch eingeschätzt, droht die - noch näher zu beschreibende195 - Gefahr, dass sich in der Abwägung mit grundrecht-
190 Hiervon gehen - bezogen auf das UIG - etwa auch Fluck/Theuer, UIG, § 8, Rn. 98, aus. Vgl. - in etwas anderem Zusammenhang - auch Steinberg, DÖV 1982, S. 619 (619 f.) m.w.N., nach dem sich die oftmals nur schwer individualisierbaren Interessen von Drittbetroffenen eher als „latent öffentliche" Interessen verstehen lassen. Blankenagel, Die Verwaltung 26 (1993), S. 1 (17), spricht (im Kontext der Objektivierung subjektiver Rechte) von einer „Vergesellschaftung individueller Interessen." 191 192 193 194 195
Vgl. ausführlich oben S. 70 f. Vgl. ausführlich oben S. 73 f. Siehe oben S. 73 f. Hierauf weist auch Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 402, hin. Siehe unten S. 171 f. u. S. 228 ff.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
159
lieh geschützten Belangen Dritter die Beweislast umkehrt: Der einen Zugang zu seinen bei der Verwaltung vorhandenen Informationen abwehrende Grundrechtsträger hätte plötzlich nachzuweisen, das dem öffentlichen Interesse an einem freien Informationszugang
ausnahmsweise nicht entsprochen werden
darf. 196
b) Berücksichtigung des konkret-individuellen Informationsinteresses Angesichts dieser Schwierigkeiten 1 9 7 fragt sich, ob i m Rahmen der Abwägung neben dem abstrakten Informationsinteresse nicht doch der v o m A n tragsteller im konkreten Fall verfolgte individuelle Zweck berücksichtigt werden darf, ob dieser individuelle Zweck nicht vielleicht sogar berücksichtigt werden muss.
aa) Obligatorische
Berücksichtigung
Mindestens die Frage nach der obligatorischen Berücksichtigung des konkret-individuellen Informationsinteresses erscheint zunächst widersprüchlich, soll der Informationszugang doch gerade voraussetzungslos und unabhängig rechtlicher, berechtigter, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher oder sonstiger Interessen gewährleistet werden. Doch die Informationsfreiheitsgesetze und das Umweltinformationsgesetz schließen eine Bewertung des konkreten Zugangsinteresses nur auf den ersten B l i c k aus. Bei näherer Betrachtung erlauben, j a gebieten sie zum Teil sogar, das individuelle Zugangsinteresse zu eruieren. Das gilt etwa für die Handhabung der sogenannten Missbrauchsklauseln, die den Informationszugang versagen, wenn der Antrag offensichtlich missbräuchlich ist. 1 9 8 Denn um bspw. festzustellen, dass der Umweltinformationsanspruch zu sachfremden Zwecken benutzt w i r d (nach Auffassung von Turiaux ein Fall des Missbrauchs), 199 muss der konkrete Zweck erst einmal bestimmt werden. Dass nach § 7 Abs. 3 U I G nur der offensichtliche Missbrauch zur Versagung
196
So offenbar Hk-ÜIG/Schrader, § 7, Rn. 10. Lerche, Jura 1995, S. 561 (565), bezeichnet die Schwierigkeit, das Öffentlichkeitsinteresse und seinen etwaigen Vorrang festzustellen, als Dilemma, aus dem man kaum herausfinde: „Im Grunde kann doch wohl nur die Öffentlichkeit selbst über diese Frage entscheiden, doch geht es ja gerade darum, inwieweit die Öffentlichkeit über legitim Geheimzuhaltendes informiert werden darf." 198 S. insb. § 7 Abs. 3 UIG; vgl. auch § 6 Abs. 2 Alt. 2 IFG-NRW; § 6 Abs. 2 IFGProfE. 199 Turiaux, UIG, § 7, Rn. 49. 197
160
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
des Informationszugangsanspruchs führt und sich die Offensichtlichkeit regelmäßig aus dem Inhalt des Antrags selbst ergeben soll, 200 ändert nichts daran, dass die Missbrauchsklauseln - unmittelbar oder mittelbar - die konkreten Motive des Antragstellers hinterfragen. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Intention, die erlangten (Umwelt-) Informationen kommerziell nutzen zu wollen, zum Teil als Missbrauch gewertet wird. 201 Und auch § 7 Abs. 1 Nr. 3 UIG, nach dem der Zugang zu Informationen über die Umwelt ausgeschlossen ist, wenn deren Bekanntgabe die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung der Umwelt noch erhöhen würde, hinterfragt zumindest mittelbar den Zweck des Informationszugangs. Denn wenn bspw. nach dem genauen Ort einer Verunreinigung des Bodens oder des Wassers gefragt wird, macht es einen - erst im konkretindividuellen Informationsinteresse zu Tage tretenden - Unterschied, ob diese Informationen begehrt werden, um den Verursacher festzustellen oder um an eben diesem Ort unerkannt zusätzliche eigene Umweltbelastungen vorzunehmen. Noch deutlicher rekurriert § 6 Abs. 1 IFG-Bln auf das konkretindividuelle Informationsinteresse, indem er die Herausgabe personenbezogener Daten ausschließt, wenn das Informationsmotiv überwiegend privater Natur ist. 202 Und § 12 Abs. 1 Nr. 4 IFG-SH erlaubt den Antragstellern ebenso wie § 9 Abs. 1 lit. e IFG-NRW, ein zusätzliches „rechtliches Interesse" an der Kenntnisnahme der begehrten Informationen geltend zu machen, das dann in der Abwägung mit widerstreitenden schutzwürdigen Belangen Dritter berücksichtigt werden muss.203 In all diesen kurz skizzierten Fällen knüpfen die Informationsfreiheitsgesetze letztlich also doch an das konkret-individuelle Informationsinteresse an. Allerdings ist hervorzuheben, dass nicht bei jedem Informationszugangsantrag
200
Gurlit, ZRP 1989, S. 253 (255), ihr folgend Turiaux, UIG, § 7, Rn. 50. So Fluck, in: Breuer/Kloepfer/Marburger/Schröder (Hrsg.), Freier Zugang zu Umweltinformationen - Rechtsfragen im Schnittpunkt umweltpolitischer Interessen, S. 47; Turiaux, UIG, § 7, Rn. 51, mit der Begründung, die Umweltinformationsfreiheit solle den Umweltschutz verbessern, nicht aber Wettbewerbsmanipulationen ermöglichen. 202 § 6 Abs. 1 IFG-Bln: „Das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft besteht nicht, soweit durch die Akteneinsicht oder Aktenauskunft personenbezogene Daten veröffentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden oder der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen und das Informationsinteresse (§ 1) das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt." 203 § 12 Abs. 1 IFG-SH (wortgleich § 9 Abs. 1 lit. e IFG-NW): „Der Antrag auf Zugang zu Informationen ist abzulehnen, soweit durch das Bekanntwerden der Informationen personenbezogene Informationen offenbart werden, es sei denn, [...] Nr. 4: die Antragstellerin oder der Antragsteller machen ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der begehrten Information geltend und überwiegende schutzwürdige Belange der oder des Betroffenen stehen der Offenbarung nicht entgegen." 201
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
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der individuelle Zugangszweck von der Verwaltung erforscht werden muss. So beschränkt § 6 Abs. 1 IFG-Berlin die Überprüfung auf solche Anträge, die sich (auch) auf die Herausgabe personenbezogener Daten Dritter richten. Ähnlich erlaubt § 12 Abs. 1 Nr. 4 IFG-SH die Berücksichtigung eines individuellen rechtlichen Interesses nur in der Abwägung mit schutzwürdigen privaten Belangen. Gleichwohl wird an diesen Fällen gesetzlich angeordneter Berücksichtigung des konkret-individuellen Informationsinteresses deutlich, was zum Teil für alle von Informationsfreiheitsgesetzen gewährten Zugangsansprüche gilt: Mögen die Gesetze auch auf anspruchsbegründende Voraussetzungen verzichten, hängt der Erfolg eines Informationszugangsanspruchs doch letztlich von der Abwägung mit entgegenstehenden Interessen ab. Zumindest mittelbar wird der Informationsanspruch dabei häufig doch wieder an ein bestimmtes (berechtigtes) Interesse gebunden.204 Insofern ist es mindestens irreführend, vielleicht sogar widersprüchlich, wenn der von Informationsfreiheitsgesetzen gewährte Anspruch auf Zugang zu Informationen als voraussetzungslos bezeichnet wird. Eine solche Charakterisierung fokussiert verkürzend nur auf die anspruchsbegründenden Voraussetzungen und blendet die anspruchsbeschränkenden bzw. -ausschließenden Voraussetzungen aus. Abgesehen aber von dieser Kritik an der zum Teil etwas undifferenzierten Darstellung von Informationsfreiheitsgesetzen bleibt festzuhalten, dass außer in den gesetzlich ausdrücklich angeordneten Fällen das konkretindividuelle Informationsinteresse nicht zwingend berücksichtigt werden muss.
bb) Fakultative
Berücksichtigung
Fraglich bleibt jedoch, ob im Rahmen der nach allen Informationsfreiheitsgesetzen erforderlichen Abwägung zwischen dem Informationsinteresse auf der einen Seite und etwaigen entgegenstehenden Interessen auf der anderen Seite eine fakultative Berücksichtigung des konkret-individuellen Zugangsinteresses zulässig ist. Den gesetzlichen Bestimmungen lässt sich zu dieser Frage regelmäßig nichts oder nur wenig entnehmen. Während bspw. der in § 6 IFG-Bln normierte Verweis auf den in § 1 IFG-Bln beschriebenen Zweck des Gesetzes darauf hindeutet, dass allein das abstrakte Informationsinteresse in der Abwägung zu berücksichtigen ist, legt es die in § 5 IFG-RefE verwendete Formulierung „Informationsinteresse des Antragstellers" nahe, (allein) auf das konkret-
204 Ebenso Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (143), in Bezug auf das AIG-Bbg.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
individuelle Informationsinteresse zu rekurrieren. 205 Auch in der Literatur wird diese Frage, so ihre Bedeutung für die in jedem Fall notwendige Abwägung überhaupt erkannt wird, 206 unterschiedlich beantwortet. So gehen Schräder und Wegener mit Blick auf das UIG zwar einerseits davon aus, dass kein Antragsteller gezwungen werden dürfe, sein Interesse an einer Verbesserung des Umweltschutzes gesondert darzulegen. Das Fehlen einer solchen gesonderten Interessendarlegung dürfe den Abwägungsvorgang nicht negativ zu Lasten des Antragstellers beeinflussen. Andererseits wollen sie dem Antragsteller aber erlauben, sein besonderes Interesse am Umweltschutz freiwillig offen zu legen, damit es mit zusätzlichem Gewicht in der Abwägung berücksichtigt werden kann. 207 Somit schließen sie im Interesse des Umweltschutzes eine negative Diskriminierung nicht begründeter Informationszugangsanträge aus, halten eine positive Diskriminierung, also eine Privilegierung, besonders umweltschutzmotivierter Informationszugangsanträge (etwa von Umweltschutzverbänden) aber für zulässig.208 Ihrer Ansicht nach soll eine solche Privilegierung sogar auch bei der Festsetzung der für die Gewährleistung des Informationszugangs zulässig sein. Diese Auffassung ist freilich mit geltenden Gebührengrundsätzen nicht zu vereinbaren. Entscheidend für die Höhe der Gebühr ist nach dem Kostendeckungsgrundsatz der für die Erbringung der Verwaltungsleistung erforderliche Verwaltungsaufwand, ist nach dem Äquivalenzprinzip der (objektivierte) Wert der erlangten Leistung. 209 Die vom Privaten intendierte Verwendung der Verwaltungsleistung kann dagegen nicht als sachlicher Grund für eine ungleiche Gebührenerhebung herangezogen werden. 210 Auch Schoch und Kloepfer erkennen den Widerspruch zwischen dem voraussetzungslos gewährten Informationszugangsanspruch und der Notwendig-
205 Deutlich insofern auch die Erläuterung zu § 5 IFG-RefE: „Im Rahmen der Interessenabwägung ist zugunsten des Antragstellers auch das Informationsinteresse der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Die mit dem Informationsfreiheitsgesetz bezweckte Transparenz dient nicht nur dem Einzelnen, sondern ebenso der Öffentlichkeit insgesamt." 206
Deutlich insofern - wenn auch ohne Lösungsvorschlag - Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 401. Vgl. auch Duschanek, Öffentlichkeit der Verwaltung und privater Geheimnisschutz, in: Festschrift Rill, S. 413 (427): „Obwohl die Auskunftserteilung kein spezifisches (z.B. rechtliches, wirtschaftliches, soziales, wissenschaftliches) Interesse des Auskunftsbegehrenden voraussetzt, kann [...] eine Interessenabwägung mit gegenläufigen Interessen am Geheimnisschutz notwendig werden. 207 H k - UIG/Schräder, § 8, Rn. 7, und Hk-U IG/ Wegener, § 1 Rn. 5 ff. 208 Deutlich Hk-UIG/Wegener, § 1, Rn. 8. 209 Vgl. hierzu bspw. Kirchhof, in: HStR, Bd. IV, § 88, Rn. 198 ff. 2,0 Kritisch insoweit Burchardt, KritV 1999, S. 239 (250), der danach differenziert wissen möchte, ob sich die Auskunftserteilung als Beratung in höchstpersönlichen Angelegenheiten oder als Überlassung eines Vermögenswerten Vorteils darstellt.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
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keit, im Rahmen der Abwägung das Informationsinteresse werten zu müssen. Im Unterschied zu Schräder und Wegener wollen sie eine privilegierende Berücksichtigung des konkret-individuellen Informationsinteresses aber wohl nicht zulassen. Denn sie weisen nachdrücklich darauf hin, dass ein freies Informationszugangsrecht nicht zwischen „gutem" und „schlechtem" Freiheitsgebrauch unterscheiden dürfe. Der Schutz personenbezogener Daten von Dritten habe sich deshalb allein an deren schutzwürdigen Interessen, nicht aber an den Motiven und Absichten des Zugangsbegehrenden zu orientieren. 211 Auch erteilen sie der skizzierten Regelung des § 6 Abs. 1 IFG-Bln eine Absage.212 Andererseits erkennen sie, dass allein das „einfache" Informationsinteresse der Allgemeinheit nicht ausreicht, um bei der Güter- und Interessenabwägung etwa den Datenschutz gegenüber dem Informationszugangsinteresse zurückstellen zu können. Orientiert an der Rechtsprechung zu § 30 VwVfG, 2 1 3 normieren sie deshalb in § 7 Abs. 2 Nr. 3 u. 4 ihres IFG-ProfE „Belange von einigem Gewicht", 214 die vorliegen müssen, damit sich das Informationsinteresse gegenüber den Opazitätsinteressen durchsetzen kann. 215 Offen bleibt freilich, wer das Bestehen solcher gewichtigen Belange in die Abwägung einbringen soll. Im Zweifel müssen sie vom Zugangsbegehrenden wohl selbst geltend gemacht werden, so dass Schoch und Kloepfer die Berücksichtigung der individuell verfolgten Ziele des Zugangsanspruchs insoweit letztlich doch zulassen. Gleichwohl verdient ihr grundsätzlicher Ansatz, das konkret-individuelle Zugangsinteresse in der Abwägung unberücksichtigt zu lassen, Zustimmung. Zwar mag es für die über die Informationszugänglichkeit entscheidende Stelle schwierig sein, das abstrakte Informationsinteresse und vor allem dessen Bedeutung und Gewicht in der Abwägung mit entgegenstehenden Belangen exakt zu bestimmen. Auch mag die mit der abstrakten Betrachtung des Informationsinteresses notwendigerweise einhergehende nivellierende Bewertung unterschiedlicher konkreter Informationsziele als ungerecht empfunden werden. Und sicherlich wäre es für die abwägende Verwaltung einfacher, wenn das abstrakte Informationsinteresse mit konkreten und vor allem materiellen Gehalten, etwa wissenschaftlichen, publizistischen oder umweltschützenden Zielen, angereichert werden könnte. 2,1
Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 7, Rn. 14. Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 7, Rn. 5 u. 14. 2,3 Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 7, Rn. 19. 214 § 7 Abs. 2 Nr. 3 u. 4 IFG-ProfE: „Die Offenbarung personenbezogener Daten ist zulässig, wenn 3. die Bekanntgabe zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich oder 4. die Bekanntgabe zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person erforderlich ist." 2,5 Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 7, Rn. 22. 212
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Doch ist diesen Überlegungen entgegenzuhalten, dass die Berücksichtigung individueller Zugangsinteressen schon bei theoretischer Betrachtung nicht konsequent erscheint. Wenn der Zugang tatbestandlich voraussetzungslos gewährleistet wird, im Ergebnis aber die Abwägung des konkreten Informationsinteresses mit entgegenstehenden Belangen über den Zugang entscheidet, besteht die Gefahr, dass letztlich doch - wie nach dem Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit - an ein berechtigtes oder gar ein rechtliches Interesse angeknüpft wird. Außerdem ist das vom jeweiligen Antragsteller angegebene (oder vorgegebene) Interesse nur schwer auf seine Wahrhaftigkeit zu überprüfen, zumal die Voraussetzungslosigkeit des Zugangsanspruchs Strohmanngeschäften Tür und Tor öffnet. Natürlich ließen sich etwaige Plausibilitätsanforderungen denken und auch normieren, doch widersprächen diese dem grundsätzlichen Anliegen des Gesetzgebers. Weil sich das eigentliche Interesse des Antragstellers nicht ohne weiteres feststellen lässt, ist auch die von Schräder und Wegener favorisierte Unterscheidung zwischen einer unzulässigen diskriminierenden und einer zulässigen privilegierenden Berücksichtigung bestimmter konkret-individueller Informationsinteressen nicht durchzuhalten. Außerhalb der gesetzlich normierten Missbrauchsklauseln ist kein Platz für eine differenzierte Behandlung im Einzelfall festgestellter oder vielleicht sogar vom Antragsteller vorgebrachter Informationsinteressen. Vor allem aber spricht gegen die Berücksichtigung des konkret-individuellen Zugangsinteresses im Rahmen der Abwägung die Tatsache, dass die zugangsermöglichende Stelle mit der Preisgabe der begehrten Informationen die Verfügungsgewalt über eben diese verliert 216 und dementsprechend keinen Einfluss darauf hat, ob der Antragsteller die erlangten Informationen zu einem anderen als dem von ihm angegebenen und im Rahmen der Abwägung berücksichtigten Zweck verwendet oder sie sogar an Dritte weiterleitet. Insofern führt jede Herausgabe von Informationen grundsätzlich zur potentiellen vollständigen Publizität dieser Informationen, was bei der Abwägung mit entgegenstehenden Belangen stets zu berücksichtigen ist. 217 Einmal publik gewordene Informationen sind und bleiben publik und entziehen sich weitgehend der Steuerung durch rechtliche Regelungen. Zwar ließe sich theoretisch daran denken, die Herausgabe von Informationen mittels Auflagen auf bestimmte Verwendungen zu beschränken. Doch selbst dann wäre die zweckfremde Verwendung oder unerlaubte Weitergabe von Informationen nicht zu verhindern, sondern nur Anknüpfungspunkt für sekundäre Ansprüche, etwa auf Gegendarstellung
2.6 Zum nicht dinglichen Charakter und anderen Besonderheiten von Informationen vgl. ausführlich Druey, Information als Gegenstand des Recht, S. 55 ff. 2.7 So auch Fluck/Theuer, UIG, § 8, Rn. 380/389.
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oder Schadenersatz.218 Insbesondere bliebe das verwaltungsrechtliche Instrumentarium mit den Möglichkeiten der Rücknahme bzw. des Widerrufs ohne Wirkung. Nur ausnahmsweise lässt sich dem Problem unerlaubt gewonnener oder zweckwidrig verwendeter Informationen mit entsprechenden Verwertungsverboten begegnen, wie etwa im Strafprozessrecht 219 oder - eingeschränkt - auch im Zivilprozessrecht. 220 Überwiegend dagegen, und dies zeigt beispielsweise auch der zivil- und presserechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, 221 lässt sich die Wirkung einer einmal veröffentlichen Information nur schwer wieder rückgängig machen. Nach der - zum Teil allerdings heftig kritisierten 222 - Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können rechtswidrig erlangte Information sogar unter Umständen am Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG partizipieren, „wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für [die] öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss." 223 Von dieser besonderen Konstellation einmal abgesehen, kann der Irreversibilität der Informationsweitergabe wohl nur durch entsprechende Strafandrohungen Rechnung getragen werden. 224 All diese hier nur angedeuteten Probleme verdeutlichen, dass das im konkreten Fall möglicherweise vorgebrachte individuelle Informationsinteresse weder diskriminierend noch privilegierend bei der Abwägung berücksichtigt werden
218
So stellt sich die Situation bspw. für die Zweckbeschränkung in § 32 StUG dar. Danach ist eine Herausgabe der Informationen sowie eine spätere Veröffentlichung nur „für die Forschung zum Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sowie für Zwecke der politischen Bildung" zulässig. Instrumente zur Sicherung und Kontrolle der zweckbeschränkten Verwendung der herausgegebenen Informationen enthält das StUG aber nicht, sieht man einmal von der Strafandrohung des § 44 StUG ab, die ihrerseits auf die Wortlautmitteilung von personenbezogenen Informationen beschränkt ist. Vgl. hierzu Stoltenberg, StUG-Kommentar, S. 235 ff. 2,9 Zu den - im Einzelnen z.T. sehr umstrittenen - Beweisverwertungsverboten im Strafprozess vgl. bspw. Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 147 ff. 220 Vgl. hierzu Roth, Die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozessrecht, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, S. 279 ff. 221 Vgl. hierzu ausführlich Prinz/Peters, Medienrecht, S. 339 ff. u. 479 f f ; sowie Steffen, in: Löffler (Hrsg.), Presserecht, § 6 , Rn. 230 ff. u. Sedelmeier, ebd. § 11, Rn. 1 ff. Zur verfassungsrechtlichen Ableitung des Rechts auf Gegendarstellung vgl. BVerfGE 63, 131 (142 f.); 73, 118 (201). 222 Vgl. bspw. BK-Degenhart, Art. 5, Rn. 453. 223 BVerfGE 66, 116 (139). 224 Vgl. bspw. §§ 93 ff., 201 ff, 353b StGB; § 17 UWG u. § 52 PatentG.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
darf. 225 Eine diskriminierende Berücksichtigung scheidet schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber den Informationszugangsanspruch gerade voraussetzungslos gewährleisten will. Und auch eine privilegierende Berücksichtigung verstieße letztlich gegen die gesetzlichen Vorstellungen und Vorgaben. Denn abgesehen davon, dass die Zulässigkeit privilegierender Berücksichtigung konkret-individueller Informationsinteressen im Rahmen der Abwägung mehr Missbrauchsmöglichkeiten und Folgeprobleme schaffen als Nutzen stiften würde, ist es ja gerade der Sinn von voraussetzungslos gewährleisteten Informationszugangsansprüchen, dass der Gesetzgeber die Bewertung von Informationsinteressen eben nicht mehr der freien Entscheidung der Verwaltung überlässt. Ermöglicht der Gesetzgeber mit der Gewährleistung eines voraussetzungslosen Informationszugangsanspruchs den Gebrauch von Grundrechten, ist es nicht an der Verwaltung, diese gesetzgeberische Entscheidung in Bezug auf einige Grundrechte zu unterstützen und in Bezug auf andere in Frage zu stellen. Und die mit einer Betrachtung allein des abstrakten Informationsinteresses vermeintlich einhergehende nivellierende Bewertung unterschiedlicher konkret-individueller Informationsinteressen darf nicht vergessen lassen, dass besonderen Zugangsinteressen - nicht zuletzt auf Grund ihrer grundrechtlichen bzw. rechtsstaatlichen Radizierung - regelmäßig durch besondere Informationszugangsrechte Rechnung getragen wird, die durch die von Informationsfreiheitsgesetzen gewährten allgemeinen Zugangsrechte ja nicht verdrängt werden. Sie erweisen sich für den jeweiligen Antragsteller zum Teil sogar als günstiger, etwa weil sie, wie bspw. Auskunftsrechte der Presse, regelmäßig kostenfrei gewährt werden. 226
2. Vorgaben für die Abwägung Darf also das konkret-individuelle Informationsinteresse - außer in den gesetzlich ausdrücklich angeordneten Fällen - grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, und soll das Gewicht des abstrakten Informationsinteresses nicht in jedem Einzelfall unterschiedlich bewertet werden, ist die Verwaltung letztlich darauf verwiesen, allein die entgegenstehenden Belange beurteilen und gewichten zu müssen. Das Bild von der Waage vor Augen, geht das Informationsinteresse also mit einem feststehenden Gewicht in die Abwägung, das allein von
225
Nach Bäumler, Hinweise zum IFG-SH, § 11, Rn. 8, soll es dem informationssuchenden Antragsteller schon verboten sein, individuelle Gründe überhaupt in die Abwägung einzubringen. 226 Zu Recht sieht Schmillen, Das Umweltinformationsrecht zwischen Anspruch und Wirklichkeit, S. 32 f., hierin einen Grund für die geringe Inanspruchnahme des UIG durch Vertreter der Presse.
Β. Äußere Grenzen des Zugangsanspruchs
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der Bewertung der einem Informationszugang widerstreitenden Belange abhängt. Auch bei einer solchen Art der Abwägung bleibt die Verwaltung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden. Sie hat ihren Entscheidungsspielraum also in einer Weise auszufüllen, die den gesetzlichen Zielsetzungen und Wertungen möglichst nahe kommt. Zum Teil wird die von der Verwaltung im Einzelfall vorzunehmende Abwägung aber auch unmittelbar von der Verfassung determiniert. Was das Maß dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben für die abwägende Verwaltung betrifft, ist - wie schon bei der verfassungsrechtlichen Bindung des Gesetzgebers - zwischen dem bipolaren Informationsverhältnis, in dem es (nur) zu einem Widerstreit des abstrakten Informationsinteresses mit öffentlichen Belangen kommen kann, und dem dreipoligen Informationsverhältnis, in dem (zusätzlich) grundrechtlich geschützte Belange Dritter berührt sein können, zu unterscheiden.
a) Abwägung mit entgegenstehenden öffentlichen Belangen Im bipolaren Informationsverhältnis zwischen einem zugangsbegehrenden Antragsteller und der zugangsgewährenden bzw. -verwehrenden Verwaltung ist die Abwägung zwischen dem Zugangsinteresse auf der einen Seite und etwaigen öffentlichen Belangen auf der anderen Seite nur wenig verfassungsrechtlich bestimmt. Denn bei der Abwägung mit entgegenstehenden öffentlichen Belangen kommt den Grundrechten regelmäßig keine oder jedenfalls nur eine untergeordnete Bedeutung zu, so dass sich die in Art. 1 Abs. 3 GG normierte Grundrechtsbindung auch der vollziehenden Gewalt kaum aktualisiert. Diese geringe Grundrechtsrelevanz für die Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Bürgers und den Diskretionsinteressen der Verwaltung bedeutet freilich nicht, dass diese Abwägung überhaupt nicht verfassungsrechtlich determiniert wäre. Natürlich darf die Verwaltung ihren Entscheidungsspielraum bei der Abwägung bspw. nicht in einer Weise gebrauchen, die verfassungsrechtlich gezogene Kompetenzgrenzen verletzt. Doch die Verantwortung für die Wahrung der - horizontalen wie vertikalen - Kompetenzgrenzen trifft in erster Linie den Gesetzgeber. Selbst wenn der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Umfang der öffentlichen Belange solche Kompetenzgrenzen überschritte, etwa weil er Informationen aus dem Kernbereich der Exekutive grundsätzlich für zugänglich erklärte, wäre die Verwaltung doch bis zu einer entsprechenden verfassungsgerichtlichen Entscheidung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Das in Bezug auf die Abwägung mit widerstreitenden öffentlichen Belangen geringe Maß unmittelbarer Verfassungsbindung führt somit zu einer gesteiger-
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ten Bedeutung der gesetzlichen Vorgaben. Dieser Befund deckt sich mit der Feststellung, dass schon der Gesetzgeber im Bereich des bipolaren Informationsverhältnisses über einen im Vergleich zum dreipoligen Informationsverhältnis recht weiten Gestaltungsspielraum verfügt, der ihm in Bezug auf die vollziehende Gewalt entsprechend mehr Gestaltungsmacht einräumt. Demzufolge haben die von den Informationsfreiheitsgesetzen verpflichteten Stellen eine etwaige Abwägung mit widerstreitenden öffentlichen Belangen ganz im Sinne des Gesetzgebers vorzunehmen. Sie müssen insbesondere das von den Informationsfreiheitsgesetzen regelmäßig intendierte Grundsatz-AusnahmeVerhältnis von Informationszugang zu Informationszurückhaltung beachten. Entsprechend dem Willen des Gesetzgebers müssen sie die gesetzlichen Ausnahmen zu Gunsten öffentlicher Belange deshalb eng auslegen und dem Informationsinteresse des Antragstellers im Zweifel das größere Gewicht beimessen. Das gilt insbesondere auch für den öffentlichen Belang der Funktionsfähigkeit der Verwaltung, der häufig als Argument gegen die Gewährung von Informationszugang verwendet werden mag. Denn sicherlich wird die Verwaltung aus Gründen, die in ihrem Wesen und ihrer Struktur liegen, die sie selbst schützenden Belange möglichst weit auszulegen versuchen. Genau hier offenbart sich aber die besondere Bedeutung von Informationsfreiheitsgesetzen: Die Gesetzgeber überlassen es nicht mehr der Verwaltung, jenseits bereits bestehender gesetzlicher und letztlich verfassungsrechtlich motivierter Akteineinsichtsrechte frei darüber entscheiden zu können, ob und in welchem Umfang der Zugang zu Informationen der Verwaltung gewährt wird, sondern bestimmen das Maß der Öffentlichkeit der Verwaltung selbst und für ebendiese verbindlich. b) Abwägung mit entgegenstehenden privaten Belangen Anders verhält es sich im dreipoligen Informationsverhältnis, in dem es zum Widerstreit mit privaten Belangen Dritter kommen kann. Denn hier wird die von Art. 20 Abs. 3 GG betonte Gesetzesbindung zum Teil durch die in Art. 1 Abs. 3 GG normierte Bindung (auch) der vollziehenden Gewalt an die Grundrechte überlagert, die um so intensiver wirkt, je mehr Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber den vollziehenden Stellen überlässt. Die durch Informationsfreiheitsgesetze verpflichteten Stellen können sich nicht darauf verlassen, dass ihnen nur ein solcher Entscheidungsspielraum eingeräumt wurde, dessen Wahrnehmung keine Grundrechtskonflikte mehr entstehen lassen kann. Vielmehr haben sie namentlich bei der Abwägung mit entgegenstehenden privaten Belangen nicht nur die gesetzlichen Anordnungen des jeweiligen Informationsfreiheitsgesetzes, sondern zudem (und vorrangig) die grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vorgaben zu beachten. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sind um so wichtiger, als die Abwägungsmethode, das abstrakte Informationsinteresse als Fixwert zu begreifen
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und deshalb allein die einem Informationszugang entgegenstehenden Belange beurteilen und gewichten zu können, ein erhebliches freiheitsgefährdendes Potential von Informationsfreiheitsgesetzen offenbart. Indem nämlich das konkret-individuelle Zugangsinteresse zugleich ignoriert und abstrahiert wird, wird das derart zum öffentlichen Interesse erhobene Informationsinteresse auf eine Ebene gestellt, die den eingriffsabwehrenden Dritten im Ergebnis zur Rechtfertigung seines Grundrechtsgebrauchs zwingen könnte: Wenn das Informationsinteresse bei der Abwägung tatsächlich als feststehender Wert begriffen würde, der sich gegenüber den privaten Belangen solange behauptete, wie diese es nicht aufwiegen könnten, 227 wäre das Verhältnis von privater Freiheit und staatlicher Bindung 228 auf den Kopf gestellt. 229 Noch gravierender wäre es, wenn zusätzlich zu dem abstrakten Zugangsinteresse auch die Berücksichtigung des konkret-individuellen Zugangsinteresses zulässig wäre. Dann bestünde schon bei formaler Betrachtung ein derartiges Übergewicht gegenüber eventuell entgegenstehenden Belangen, dass selbst deren materielle Bewertung die Preisgabe der Informationen kaum noch verhindern könnte. Indes darf eines im dreipoligen Informationsverhältnis nicht übersehen werden: Es ist die grundrechtsverpflichtete Verwaltung, die, indem sie den Zugang zu grundrechtlich geschützten Informationen Dritter gewährt, in deren Grundrechte eingreift. Ihr ist es deshalb untersagt, im Einzelfall den betroffenen Dritten die Beweislast dafür aufzubürden, dass die beantragten privaten Informationen von besonderer Bedeutung sind und deshalb nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Vielmehr hat umgekehrt die Verwaltung nachzuweisen, dass die Zugangsermöglichung von herausgehobener Bedeutung für das öffentliche Interesse an einem freien Informationszugang ist. Mag sie die Eignung eines solchen Informationszugangs noch leicht begründen können, wird sie schon die Erforderlichkeit nur schwer darlegen können. Denn hier hat sie insbesondere aufzuzeigen, warum dem Informationsinteresse nicht ausreichend Genüge getan ist, wenn die grundrechtsgeschützten privaten bzw. geschäftlichen Informationen geschwärzt, anonymisiert oder pseudonymisiert werden. Mehr noch als es dem Gesetzgeber wegen der grundrechtlichen Freiheitsvermutung und auf Grund der Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips untersagt ist, im dreipoligen Informationsverhältnis einen grundsätzlichen Vorrang des Informationszugangsinteresses anzuordnen, ist es der Verwaltung verwehrt, bei der Abwägung von einem solchen generellen Vorrang des Informationsinteresses auszugehen, mag er in den gesetzlichen Vorschriften auch 227
So offenbar Hk/V\G-Schrader, § 7, Rn. 10. „Im Verfassungsstaat gilt [...] für die Gesellschaft grundsätzlich das Prinzip der Freiheit, für den Staat grundsätzlich dasjenige der Bindung." - So Grimm, in: HStR, Bd. I, § 1, Rn. 40, unter Verweis auf Schmitt, Verfassungslehre, S. 126. 229 Ähnlich die Befürchtung von Knemeyer, DB 1993, S. 721 (723). 228
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
mitunter zum Ausdruck kommen. 230 Insofern führt der durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und durch die Eigentums- bzw. die Berufsfreiheit bewirkte grundrechtliche Schutz der einem freien Informationszugang entgegenstehenden privaten Belange aufgrund der bereits beschriebenen Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips regelmäßig zu der Vermutung, dass diese Belange in einer Abwägung mit dem grundrechtlich nicht gewährleisteten 231 Informationszugangsrecht überwiegen. 232 Das in den Informationsfreiheitsgesetzen stets zum Ausdruck kommende Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten des Informationszugangs kann somit nicht verhindern, dass sich die konkreten privaten Opazitätsinteressen in der behördlichen Abwägung regelmäßig gegenüber dem allgemeinen Publizitätsinteresse durchsetzen. Die Verwaltung darf bei der Abwägung zwischen dem - abstrakten - Zugangsinteresse auf der einen Seite und - konkreten-individuellen - widerstreitenden privaten Belangen auf der anderen Seite also gerade nicht von einem grundsätzlichen Informationszugangsrecht ausgehen, dem nur ausnahmsweise private Belange entgegenstehen können. Sie hat sich vielmehr - und insofern besteht (wegen der grundrechtlichen Determination) kein Unterschied zwischen § 30 VwVfG und den entsprechenden Regelungen in Informationsfreiheitsgesetzen - auf die Fragen zu konzentrieren, ob die von den Dritten geltend gemachten Geheimnisse auch objektiv geheimhaltungswürdig sind 233 und ob die Offenbarung dieser Geheimnisse zur Wahrung eindeutig höherrangiger Rechtsgüter der Allgemeinheit oder Einzelner erforderlich ist. 234 Dieser zunächst auf § 30 VwVfG bezogene, zum Teil aber auch in Gesetzesform gegossene Maßstab235 entzieht dem betroffenen Dritten zwar einerseits die alleinige subjektive Definitionsmacht über die schützenswerten Belange und ermöglicht durch deren objektivierte Bestimmung 236 überhaupt erst eine Abwägung, ver230 Die bislang erlassenen bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetze nehmen den Grundsatz des freien Informationszugangs allerdings mehr oder weniger deutlich zurück, wenn grundrechtlich geschützte Daten Dritter betroffen sind. Vgl. die Nachweise in Fn. 164. 231 Zur Frage, wie sich eine grundrechtliche Gewährleistung des Informationszugangsanspruchs auf die Abwägung auswirkt, siehe unten S. 229 f. 232 So im Ergebnis auch Fluck/Theuer, UIG, § 8, Rn. 374 f f ; Lindemann, in: Friedersen/Lindemann, Informationsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, S. 60 u. 66, der der Abwägung nach § 11 Abs. 1 IFG-SH deshalb nur eine geringe praktische Bedeutung zumessen. Vgl. auch Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 321. 233 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 30, Rn. 8 m.w.N. 234 Vgl. die Nachweise in Fn. 166. 235 S. bspw. § 12 Abs. 1 Nr. 2 IFG-SH, näher hierzu Nordmann, RDV 2001, S. 71 (78); vgl. auch Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 7 Abs. 2. 236 Auch nach § 30 VwVfG sind für den Begriff des Geheimnisses „nicht allein die unter Umständen übersteigerten Vorstellung des Beteiligten [maßgeblich, vielmehr
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pflichtet ihn aber andererseits nicht zu einer Rechtfertigung seines Freiheitsgebrauchs: Die Offenbarung seiner Geheimnisse muss erforderlich sein zur Wahrung eindeutig höherrangiger Rechtsgüter, nicht aber muss umgekehrt die Geheimhaltung erforderlich sein zum Schutze seiner grundrechtlich geschützten Informationen. In jedem Fall zeigt sich, dass die privaten Belange um so mehr zurück treten, je eher mit dem Informationszugang ein materielles Ziel verfolgt wird. Dies erklärt vielleicht auch den Siegeszug der Informationszugangsfreiheit im Bereich des Umweltschutzes. Verfassungsrechtlich angereichert durch Art. 20a GG, kann das Interesse an einem effektiven Umweltschutz bei der Abwägung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiegen.^7
3. Vorgaben für die Art der Informationsüberlassung Der in der Grundrechtsrelevanz und der Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsprinzips kulminierende Unterschied zwischen der Abwägung mit öffentlichen bzw. privaten Belangen wirkt sich im Übrigen auch auf die Art der Informationsüberlassung aus. Regelmäßig kennen die Informationsfreiheitsgesetze drei unterschiedliche Arten des Informationszugangs: Die (aktive) Auskunft der Behörde, die (passive) Gewährleistung von Akteneinsicht oder die sonstige Bereitstellung von Informationsträgern. 238 Im Unterschied zum „Ob" des Informationszugangsanspruchs steht das „Wie" der Informationserteilung somit zunächst im Ermessen der zugangsgewährenden Behörde, 239 die mit der Art der Informationsüberlassung zugleich entgegenstehenden Belangen Rechnung tragen kann. Soweit es dabei um öffentliche Belange geht, tritt allerdings das vom Gesetzgeber intendierte und regelmäßig auch normierte Grundsatzmüssen die Geheimnisse] auch objektiv unter Berücksichtigung vor allem der Wertungsvorgaben des Verfassungsrechts geheimhaltungsbedürftig sein.44 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 30, Rn. 8. 237 Noch deutlicher bspw. Erichsen, Der Umweltinformationsanspruch und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, S. 23 (30). Gröschner, VVDStRL 63 (2003), S. 348 f., gibt in diesem Zusammenhang zutreffend zu bedenken, dass Umweltinformationen vor allem die natürlichen Lebensgrundlagen dokumentieren, so dass „der Datenschutz hier geradezu naturgemäß von geringerer Brisanz ist als im Bereich der personen-, betriebs- oder sicherheitsbezogener Daten.44 238
Vgl. bspw. § 4 Abs. 1 S. 2 UIG. So zum Anspruch nach dem UIG (unter ausführlicher Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte sowohl des UIG als auch der UIRL) BVerwGE 102, 282 (284 f.). Zu den Vorinstanzen s. die Anmerkungen von Haller, UPR 1994, S. 88 ff., u. UPR 1995, S. 338 ff. 239
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Ausnahme-Verhältnis erneut ermessensleitend in den Vordergrund: Die Art der Informationsüberlassung bestimmt sich nicht etwa danach, wie die Geheimhaltungsinteressen der Behörden am besten gewahrt werden können, sondern danach, wie die Behörde dem Interesse des Antragstellers am besten gerecht werden kann. Eine solche Beschränkung des Auswahlermessens ist in Bezug auf das UIG nicht nur von der Rechtsprechung angemahnt worden, 240 sondern mittlerweile bspw. auch in § 4 Abs. 1 S. 3 UIG selbst verankert worden. 241 Auch die allgemeinen Informationsfreiheitsgesetze (mit Ausnahme des IFG-SH) räumen dem Antragsteller zwar kein uneingeschränktes Wahlrecht, jedoch eine erhebliche Einflussmöglichkeit auf die Art und Weise ein, in der ihm die behördlichen Informationen zugänglich zu machen sind. 242 Dies gilt allerdings nur, wenn mit der Art der Informationsüberlassung auf entgegenstehende öffentliche Belange reagiert werden soll. Sind dagegen private Belange vom begehrten Informationszugang betroffen, wird die Möglichkeit des Antragstellers, die Art der Informationsüberlassung zu wählen, durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip gezügelt: Seinem Zugangsbegehren ist nur so und insoweit zu entsprechen, wie grundrechtlich geschützte Interessen Dritter nicht verletzt werden. Die gesetzlichen Regeln tragen dieser verfassungsrechtlichen Determination zwar nicht immer ausdrücklich Rechnung,243 lassen jedoch stets genügend Spielraum, um die grundrechtlich geschützten Belange Dritter auch bei der Bestimmung der Art und Weise des Informationszugangs berücksichtigen zu können.
240 Zu § 4 UIG a.F. vgl. bspw. VG München, GewArch 1996, 173 (176); deutlicher noch BVerwGE, 102, 282 (287). 241 „Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf die Behörde diesen nur dann durch ein anderes geeignetes Informationsmittel gewähren, wenn hierfür gewichtige von ihr darzulegende Gründe bestehen." Eingefügt durch Gesetz vom 3.8.2001, BGBl. I, S. 1950. 242 Vgl. auch § 3 Abs. 1 IFG-Bln: „Jeder Mensch hat [...] nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akte." § 5 Abs. 1 S. 3 IFG-NW (und nahezu wortgleich § 1 Abs. 1 S. 2 IFG-RefE): „Begehrt die Antragstellerin oder der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf nur dann eine andere Art bestimmt werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt." § 12 Abs. 1 S. 2 u. 3 IFG-ProfE: „Der Informationszugang soll in der beantragten Art und in dem beantragten Umfang [...] gewährt werden. Im Übrigen bestimmt die zuständige Stelle den Informationszugang nach pflichtgemäßem Ermessen." Anders § 7 AIG-Bbg: „Die zuständige Stelle bestimmt das Verfahren nach pflichtgemäßen Ermessen. Der Anspruch auf Akteneinsicht wird vorbehaltlich [zweier] Ausnahmen durch Gewährung der Einsicht in die Originaldokumente erfüllt. Mit Zustimmung des Antragstellers kann das Akteneinsichtsrecht auch [auf andere Weise] gewährt werden." 243 Sie differenzieren bei den Vorgaben über die Art und Weise des Informationszugangs nämlich nicht danach, ob auf öffentliche oder private entgegenstehende Belange Rücksicht zu nehmen ist.
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C. Vorgaben für die Anspruchsberechtigung Die verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers bestimmt aber nicht nur maßgeblich die anspruchsbegrenzenden oder gar -ausschließenden Voraussetzungen eines allgemeinen Informationszugangsrechts, sondern wirkt sich darüber hinaus auch auf die anspruchsbegründenden Voraussetzungen aus. Dieser Befund steht nicht im Widerspruch zu der Feststellung, dass sich aus der Verfassung weder ein subjektives Recht auf voraussetzungslosen Zugang ableiten noch ein entsprechender Gesetzgebungsauftrag entnehmen lässt. Vielmehr ist insofern zwischen dem Entschließungsermessen des Gesetzgebers auf der einen Seite und seinem Auswahl- oder Gestaltungsermessen auf der anderen Seite zu unterscheiden. 244 Wird die Entschließungsfreiheit des Gesetzgebers, einen voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung zu gewähren, nach hier vertretener Meinung verfassungsrechtlich nicht beschränkt, aktualisiert sich die Verfassungsbindung des Gesetzgebers erst, wenn er von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch macht. Seine grundsätzliche Gestaltungsfreiheit wird in Bezug auf die Normierung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen dann nicht nur, aber vor allem durch die Gleichheitsrechte begrenzt. 245 Zwar liegt es in der Natur allgemeiner und voraussetzungslos gewährleisteter Informationszugangsrechte, dass sie jedem offen stehen, so dass grundsätzlich keine Differenzierung zwischen verschiedenen Personengruppen und somit auch keine Diskriminierung vorgenommen wird. Allerdings werden in der gesetzlichen Praxis mitunter juristische Personen vom Informationszugang ausgenommen. Darüber hinaus wird in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, dass das Zugangsrecht zu Informationen der öffentlichen Verwaltung Staatsangehörigen vorbehalten bleiben sollte. Und schließlich könnte es eine nach Art. 3 Abs. 3 GG unzulässige Diskriminierung darstellen, dass Informationen nur in der Sprache zugänglich gemacht werden, in der sie verfasst sind, regelmäßig also auf deutsch.
244 Vgl. hierzu ausf. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, passim, sowie insb. S. 429 f. 245 Zu den Auswirkungen (absoluter) Freiheitsrechte auf das Entschließungsermessen und (relativer) Gleichheitsrechte auf das Gestaltungsermessen vgl. bspw. Rossi , JZ 2002, S. 351 (352).
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
I. Anspruchsberechtigung juristischer Personen Nach dem UIG, dem AIG-Bbg und dem IFG-RefE hat „jeder" einen freien Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung. 246 Aus dieser neutralen Formulierung folgt, dass sowohl natürliche als auch juristische Personen anspruchsberechtigt sind. 247 In Schleswig-Holstein und nach dem IFG-ProfE sind juristische Personen sogar ausdrücklich mit in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen. 248 Dagegen werden sie nach dem IFG-Bln und dem IFGNRW explizit vom Zugangsanspruch ausgenommen.249
I. Juristische Personen des Privatrechts Gegen eine Ausklammerung der juristischen Personen des Privatrechts von der Anspruchsberechtigung bestehen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nur soweit unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG ein subjektives Recht auf Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung abgeleitet wird, müsste dieses Recht gemäß Art. 19 Abs. 3 GG konsequenterweise auch auf juristische Personen erstreckt werden. 250 Auch aus gleichheitsrechtlicher Perspektive ließe sich eine Differenzierung zwischen natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts mit der im Mittelpunkt der Gesetze stehenden Partizipations- und Kontrollfunktion wohl noch rechtfertigen. Allerdings sprechen mehrere Aspekte - nicht im Sinne strikter Verfassungsbindung, aber doch im Sinne konsequenter Gesetzgebung251 - dafür, auch juristischen Personen ein Zugangsrecht zu Informationen bei der öffentlichen Verwaltung einzuräumen. Mit Blick auf die den Informationsfreiheitsgesetzen zugedachten Funktionen lässt sich zunächst argumentieren, dass auch juristische Personen des Privatrechts an der staatlichen Willensbildung partizipieren und die staatliche Machtausübung kontrollieren können und sollen. Das gilt vor allem (aber nicht nur) für solche juristische Personen, die sich - wie insbesondere die politischen Par246
Vgl. § 4 Abs. 1 UIG; § 1 AIG-Bbg; § 1 IFG-RefE. So für den Anspruch nach dem UIG etwa Hk-UIG/Wegener, UIG, § 4, Rn. 5. 248 § 4 IFG-SH: „Jede natürliche und juristische Person des Privatrechts ..."; § 2 Abs. 1 IFG-ProfE: „Jede natürliche Person ...", Abs. 2: „Dies gilt für juristische Personen und nicht rechtsfähige Personenvereinigungen entsprechend." 249 Vgl. § 3 Abs. 1 IFG-Bln: „Jeder Mensch ..."; § 4 Abs. 1 IFG-NRW: „Jede natürliche Person...". 250 Scherzberg, der sich für ein solches verfassungsunmittelbares Recht ausspricht, verhält sich zu dieser Frage - soweit ersichtlich - nicht. 251 Vgl. zu den Mindestanforderungen für die Normgestaltung etwa Schneider, Gesetzgebung, § 4, Rn. 54 ff. 247
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teien, daneben aber etwa auch die Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände oder sonstige politische Interessenvertretungen - gerade über ihre politikbeeinflussenden Tätigkeiten definieren 252. Doch auch zu jedem anderen Zweck gegründete juristische Personen können durch das Abfragen von Informationen zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung beitragen, muss doch die Kontrolle gar nicht im ureigenen Interesse des Antragstellers stehen. So beruht die von § 4 Abs. 1 UIG vorgesehene Einbeziehung juristischer Personen in den Kreis der Anspruchsberechtigten letztlich auch auf dem Gedanken, dass der (mitgliedstaatliche) Vollzug des (gemeinschaftsrechtlichen) Umweltrechts nicht nur durch umweltschutzmotivierte Bürger, sondern eben auch durch gewinnorientierte Unternehmen überprüft wird, die in erster Linie durch unterschiedliche Umweltschutzstandards bewirkte Wettbewerbsverzerrungen offen legen wollen und dabei doch zugleich die Einhaltung des Rechts durch die Behörden überprüfen. Noch deutlicher wird die gebotene Einbeziehung juristischer Personen des Privatrechts in den Kreis der Anspruchsberechtigten, wenn man weniger die Partizipations- und Kontrollfunktion von Informationsfreiheitsgesetzen als vielmehr deren Grundrechtsgebrauch ermöglichende Wirkung in den Vordergrund stellt. Denn ebenso wenig, wie die Informationsfreiheitsgesetze auf Grund ihrer prinzipiellen Blindheit für den konkret-individuell verfolgten Zweck zwischen einem informationsbegehrenden „zoon politicon" und einem informationsbegehrenden „homo oeconomicus" unterscheiden können, können sie zwischen primär politisch und primär ökonomisch interessierten juristischen Personen des Privatrechts unterscheiden. Soll in der Informationsgesellschaft der voraussetzungslose Zugang aber auch die wirtschaftliche Nutzung der bei den öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen ermöglichen, ist es nur konsequent, auch juristischen Personen des Privatrechts einen voraussetzungslosen Informationszugangsanspruch einzuräumen. Natürlich ließe sich diesen Überlegungen entgegen halten, dass es einer Einbeziehung juristischer Personen des Privatrechts in den Kreis der Anspruchsberechtigten schon deshalb nicht bedürfe, weil auch juristische Personen nach außen letztlich über natürliche Personen handeln und es deshalb ausreichend wäre, wenn allein natürliche Personen anspruchsberechtigt seien. Sicherlich ist es zutreffend, dass es wegen der Voraussetzungslosigkeit des Zugangsanspruchs für die anspruchsverpflichtete Behörde grundsätzlich einerlei ist, wer die jeweiligen Informationen begehrt. Der Erfolg des Zugangsantrags hängt in erster Linie von den beantragten Informationen und nur ausnahmsweise von der Person
252 Auf solche will Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 217, die Anspruchsberechtigung juristischer Personen des Inlands denn auch begrenzen.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
des Antragstellers ab (nämlich bspw. in den Fällen, in denen das konkretindividuelle Informationsinteresse zur Bestimmung eines etwaigen Missbrauchs zu berücksichtigen ist). 253 Gleichwohl ist die prinzipielle Möglichkeit, die begehrten Informationen über Strohmänner erhalten zu können, kein Argument gegen die unmittelbare Berechtigung juristischer Personen. Denn zum einen negiert diese Möglichkeit die grundsätzliche und eigenständige Bedeutung juristischer Personen. Zum anderen missachtet sie die für die jeweilige juristische Person geltenden Regeln der internen Willensbildung oder fordert zumindest deren Unterlaufen. Und schließlich sind schlicht keine Nachteile ersichtlich, die mit der Anspruchsberechtigung juristischer Personen des Privatrechts einhergehen.
2. Juristische Personen des öffentlichen
Rechts
In Bezug auf juristische Personen des öffentliches Rechts stellt sich nicht die Frage, ob sie anspruchsberechtigt sein müssen oder sollten, sondern die umgekehrte Frage, ob sie anspruchsberechtigt sein dürfen. Denn Informationsfreiheitsgesetze beziehen sich nur auf das Informationsverhältnis zwischen dem Staat und dem Bürger, welches von dem innerstaatlichen Informationsverhältnis grundsätzlich 254 ebenso zu unterscheiden ist wie von dem Informationsverhältnis zwischen Privaten. 255 Der staatsinterne Informationsaustausch folgt nämlich regelmäßig anderen Regeln als der Informationsaustausch zwischen dem Staat und den Bürgern, die durch ein allgemeines Informationszugangsrecht nicht unterlaufen werden dürfen. Diese Regeln werden vor allem durch die Aufgaben- und Kompetenzzuweisungen bestimmt und sind dementsprechend stark durch das Gewaltenteilungsprinzip geprägt. Wie dieses dienen die besonderen Regelungen der staatsinternen Informationsverteilung der Mäßigung von Staatsgewalt und damit der Sicherung von Freiheit sowie der Zuordnung von Staatsaufgaben an solche Organe, die ihrer Struktur nach für diese Aufgaben besonders geeignet sind. 256 Insbesondere der freiheitssichernde Aspekt der speziellen staatsinternen Informationsordnung wird auch vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung in
253
Zur obligatorischen Berücksichtigung des konkret-individuellen Informationsinteresses siehe oben S. 162. 234 Je mehr der Staat sich privater Handlungsformen bedient, desto eher verschwimmen diese Unterschiede freilich. 2r> 5 Vgl. zu den unterschiedlichen Informationsverhältnissen bspw. Kloepfer, Informationsrecht, § 10, Rn. 3 ff. 256 Vgl. zu diesen Funktionen der Gewaltenteilung bspw. BVerfGE 3, 225 (247); 95, 1 (15).
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den Vordergrund gestellt. Angesichts der Möglichkeiten der automatischen Datenverarbeitung ist es zu einem Grundsatz des Datenschutzrechts geworden, dass die Verwendung der erhobenen Daten auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt ist. 257 Deshalb ist bei einem staatsinternen Informationsaustausch nicht nur die recht abstrakte vertikale und horizontale Gewaltenteilung, sondern vor allem auch die konkrete Zuständigkeitsverteilung innerhalb einer Staatsgewalt zu beachten. Auch die verschiedenen Behörden der Exekutive dürfen Informationen grundsätzlich nur nach Maßgabe spezieller Befugnisnormen untereinander austauschen. Um ein Unterlaufen dieser besonderen Bestimmungen zu verhindern, prägt der datenschutzrechtliche Zweckbindungsgrundsatz darüber hinaus - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert 258 auch die Regelungen über die Amtshilfe. 259 Angesichts dieser besonderen Funktionen der das staatsinterne Informationsverhältnis betreffenden Regeln wird deutlich, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts durch Informationsfreiheitsgesetze grundsätzlich nicht berechtigt werden dürfen. Es bleibt bezüglich der interbehördlichen Informationsund Auskunftsrechte und -pflichten insofern bei den allgemeinen Kompetenzund Verfahrensvorschriften des Verwaltungs- und Verfassungsrechts. 260 Ungeachtet dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist im Übrigen auch nicht anzunehmen, dass die bislang erlassenen Informationsfreiheitsgesetze eine Steuerung von Informationsströmen im Innenbereich des Staates intendieren. Allerdings machen sie diese Ausgrenzung nicht immer hinreichend deutlich. Allein § 4 Abs. 1 IFG-SH begrenzt die Anspruchsberechtigung explizit auf „juristische Personen des Privatrechts". Angesichts des insofern offenen Wortlauts der anderen Informationsfreiheitsgesetze bedarf es schon einer historischen und teleologischen Interpretation dieser Gesetze, um juristische Personen des öffentlichen Rechts von der Anspruchsberechtigung auszunehmen. So hat das Bundesverwaltungsgericht bspw. aus der Entstehungsgeschichte des UIG und den Zielen der UIRL 2 6 1 zutreffend geschlussfolgert, dass sich eine
2 7 ' Deutlich BVerfGE 61,1 (46); vgl. zum datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgebot allg. Simitis, in: ders. (Hrsg.), BDSG, Einleitung, Rn. 35 ff.; sowie Kloepfer, Informationsrecht, § 8, Rn. 263 ff. 258 BVerfGE 65, 1 (46), spricht von einem „amtshilfefesten Schutz gegen Zweckentfremdung". 259 Vgl. hierzu bspw. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 5, Rn. 3 f.; sowie zuvor schon Kamiah, NJW 1976, S. 510 ff. 260 Anders Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 2, Rn.19, die es nicht für zwingend halten, bspw. öffentlich-rechtliche Träger der beruflichen oder kommunalen Selbstverwaltung kategorisch vom Zugangsanspruch auszuschließen. 261 Die auch nach der Auslegung von Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 (410), eine Modifizierung des staatsinternen Informationsflusses gerade nicht beabsichtigte.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Gemeinde nicht auf die Anspruchsberechtigung des § 4 Abs. 1 UIG berufen kann.262 Nicht auszuschließen ist als Ergebnis einer - stets verfassungskonform vorzunehmenden - Auslegung anderer Informationsfreiheitsgesetze aber auch, dass bestimmte juristische Personen des öffentlichen Rechts,263 etwa als solche organisierte Träger der beruflichen und kommunalen Selbstverwaltung oder auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und Universitäten, doch als anspruchsberechtigt zu gelten haben.264 Insbesondere der Anspruchsberechtigung von Mitarbeitern öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten wird in der Praxis dabei nur geringe Bedeutung zukommen, da ihnen schon aus den Landesgesetzen für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aus der entsprechenden Anwendung bestimmter Normen der Landespressegesetze oder aus Landesmediengesetzen ein Auskunftsanspruch gegenüber Behörden zusteht.265 Schließlich sei darauf hingewiesen, dass mit der durch die Voraussetzungslosigkeit des Zugangsanspruchs begünstigten Möglichkeit von Strohmannanträgen auch der grundsätzliche Ausschluss von juristischen Personen des öffentlichen Rechts aus der Anspruchsberechtigung unterlaufen werden kann, indem ein Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung als Privatperson bestimmte Informationen von einer Behörde erfragt, die er als Amtsperson nicht erhalten würde. Durch einen grundsätzlichen Ausschluss von Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung aus der Anspruchsberechtigung wird man diesem Problem nicht begegnen können. 266 Vielmehr muss jeder Mitarbeiter von der über den Informationsantrag entscheidenden Stelle wie jede andere natürliche Person auch behandelt werden. 267 Der von der staatsinternen Informationsordnung intendierte Schutz ist deshalb nicht durch die Begrenzung der Anspruchsberechtigten, sondern in erster Linie durch die Begrenzung des Anspruchsgegenstandes zu gewährleisten (was freilich tendenziell zu einer erheblichen Verengung des allgemeinen Informationszugangsanspruchs führen kann). Darüber hinaus lassen sich bestimmte Verwertungsverbote oder gar begleitende Strafvorschriften normieren, um die Verwendung kompetenzwidrig erlangter Informationen durch Behörden und deren Mitarbeiter zu unterbinden.
262
BVerwG, GewArch 1996, 86 (87 f.). Zu einer Erweiterung der Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts vgl. jüngst BVerfG, NJW 2002, 3622 ff. 264 Diese Möglichkeit bewusst offenlassend Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, §2, Rn. 19. 265 Vgl. ausf. Wenzel, in: Löffler (Hrsg.), Presserecht, § 25, Rn. 1 ff. mit Nachweis der entsprechenden Regelungen in den einzelnen Landesgesetzen. 266 So in Bezug auf das IFG-SH aber offenbar Friedersen/Lindemann, § 4 IFG-SH, Anm. 3 a.E. 267 So in Bezug auf IFG-SH auch Bäumler, Hinweise zum IFG-SH, § 4, Rn. 4. 263
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II. Differenzierung nach Staatsangehörigkeit Weder die in Deutschland bereits geltenden oder schon entworfenen Informationsfreiheitsgesetze noch die entsprechenden Regelungen in anderen Staaten oder auf der Ebene der Europäischen Union differenzieren bei der Anspruchsberechtigung nach der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen oder dem Sitz juristischer Personen. Insofern mag die Frage, ob eine solche Differenzierung verfassungsrechtlich zulässig oder vielleicht gar geboten ist, rein akademischer Natur sein. Sie wird in der Literatur gleichwohl erörtert. Namentlich Angelov will einen allgemeinen und voraussetzungslosen Informationszugangsanspruch „Staatsbürgern" vorbehalten. 268 Dies ist aus seiner Sicht insofern konsequent, als er zur Stärkung des status activus aus dem demokratischen Publizitätsgebot sowie aus einem erweiterten Verständnis des Art. 38 GG einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Zugang zu Informationen der Verwaltung ableitet und dabei neben der Partizipationsfunktion auch eine Integrationsfunktion in den Vordergrund stellt. 269 Seiner Ansicht nach ist der Kreis der Anspruchsberechtigten dort begrenzt, wo sich das Informationsbedürfnis nicht mehr „staatsbürgerlich-demokratisch" legitimiert. 270 Die Verwurzelung des allgemeinen Informationszugangsrechts im Demokratieprinzip führe sogar zu einer Reduzierung des persönlichen Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG, der in Bezug auf öffentliche Informationsquellen somit nur als Bürgerrecht, nicht aber als Jedermann-Recht zu qualifizieren sei.271 Ungeachtet einer politischen Bewertung ist diese Auffassung verfassungsrechtlich sicherlich vertretbar. Wenn man das demokratische Prinzip, das für Angelov maßgebliche Quelle eines allgemeinen Informationszugangsrechts sein soll, streng im Sinne der Interpretation des grundgesetzlichen Demokratieprinzips durch das Bundesverfassungsgericht und die noch immer herrschende 268 Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 217. Dass Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 67, die demokratisch begründete Öffentlichkeit durch die Anspruchsberechtigung aller Staatsbürger qualifiziert, dient wohl allein der Abgrenzung von der rechtsstaatlich begründeten Öffentlichkeit, die grundsätzlich nur den Adressatenkreis einer Norm erfasse (Hervorhebungen durch M.R.). 269 Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 88 ff. 270 Von Interesse mag in in diesem Zusammenhang auch Art. 32 eines französischen Gesetzes v. 10.8.1871 sein, der nicht nur jedem Wähler, sondern auch jedem Steuerpflichtigen eines Départements (tout électeur ou contribuable du département) das Recht einräumt, Einsicht in die Tätigkeitsunterlagen und Sitzungsberichte der Départementsrâte zu nehmen, davon Kopien anzufertigen und sie durch die Presse zu verbreiten. Zitiert nach Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 76 f. 271 Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 217.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Meinung versteht, wird man eine Beschränkung des Zugangsrechts auf Staatsangehörige wohl sogar für geboten halten müssen. Denn nach dieser Interpretation ist das Volk im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG und auch im Sinne des Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG das „Staatsvolk", das „von den Deutschen, also den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 GG gleichgestellten Personen [gebildet wird]". 2 7 2 Seit dem zur Ratifizierung des MaastrichtVertrags in Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG aufgenommenen Passus273 ist dabei allerdings zwischen dem Volksbegriff auf Bundes- und Landesebene einerseits und auf Kommunalebene andererseits zu unterscheiden, zählen doch ausweislich ihrer in dieser Bestimmung normierten Wahlberechtigung auch Unionsbürger 274 zum „Kommunalvolk". Angelov trägt dieser Verfassungsbestimmung durchaus Rechnung und will den Unionsbürgern deshalb ein Informationsrecht „in entsprechender Weise für kommunale Belange" anerkennen. 275 Ob die Begrenzung auf „kommunale Belange" mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EGV 2 7 6 in Einklang steht, muss grundsätzlich bezweifelt werden, mag hier jedoch dahinstehen. Denn unabhängig dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben scheint eine Beschränkung des Informationszugangsrechts weder auf Staatsbürger noch auf Unionsbürger verfassungsrechtlich geboten. Vielmehr steht es dem Gesetzgeber nicht nur frei, das Informationszugangsrecht unabhängig von der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen bzw. dem Sitz juristischer Personen zu gewährleisten. Umgekehrt kann ein solcher diskriminierungsfreier Zugang den gesetzlichen Zielen sogar besser gerecht werden. Dies wird verständlich, wenn man weniger auf die Partizipations- als vielmehr auf die Kontrollfunktion allgemeiner Informationszugangsfreiheit rekurriert. Denn die von einer allgemeinen Informationszugänglichkeit erwünschte - unmittelbare oder mittelbare - Kontrollwirkung stellt sich unabhängig der Staatsangehörigkeit des Antragstellers ein. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass auch die Öffentlichkeit der Legislative und der Judikative nicht nach der Staatsangehörigkeit differenziert. Stellt man darüber hinaus gar auf die Grundrechtsgebrauch ermöglichende Wirkung von Informationsfreiheitsgesetzen ab, tritt das Gebot eines nicht 272
Vgl. BVerfGE 83, 37 (Ls. 3 u. 50 f.). Aus dem Schrifttum vgl. bspw. Böckenförde, in: HStR, Bd. I, § 22, Rn. 26 ff.; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (339 f.), Jestaedt, Demokratieprinzip und KondominialVerwaltung, S. 207 f f ; Badura, Staatsrecht, Anm. A 3, E 5. 273
38. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21.12.1992, BGBl. I, S. 2086. Das Grundgesetz spricht von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft, die qua definitionem in Art. 17 Abs. 1 S. 2 EG Unionsbürger sind. 275 Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 217. 276 Zum Inhalt und Umfang des allgemeinen Diskriminierungsverbots vgl. Rossi, EuR 2000, S. 197 ff. 274
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nach der Staatsangehörigkeit differenzierenden Informationszugangsanspruchs noch deutlicher hervor. Denn abgesehen von den wenigen Deutschengrundrechten kann sich auf die Grundrechte jedermann berufen. Sollen die bei der Verwaltung vorhandenen Informationen aber genutzt werden können, um von den Grundrechten in einer selbst bestimmten Art und Weise möglichst intensiv Gebrauch machen zu können, muss der Anspruch auf Zugang zu Informationen auch allen Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit bzw. von ihrem Sitz offen stehen. Schließlich sei daran erinnert, dass eine Differenzierung der Anspruchsberechtigung nach Staatsangehörigkeit wegen der außerordentlich einfachen Möglichkeit von Strohmanngeschäften wenig praktikabel erscheint. Im Gegenteil: Sie könnte dazu führen, dass Ausländer die von ihnen begehrten Informationen entweder gar nicht erfragen oder aber auf einem privaten Markt teuer erstehen müssen.
I I I . Diskriminierung auf Grund der Sprache? Im Zusammenhang mit der gebotenen, jedenfalls aber zulässigen Anspruchsberechtigung auch ausländischer Personen stellt sich die Frage, ob es eine unzulässige Diskriminierung nicht deutschsprachiger Personen darstellt, dass die bei der Verwaltung vorhandenen Informationen auf Grund der Regelung des § 23 VwVfG, die deutsch als Amtssprache festsetzt, regelmäßig nur auf deutsch vorhanden sind. 277 Mag dieses Problem auf den ersten Blick auch abwegig erscheinen, sei doch in Erinnerung gerufen, dass nationale Sprachregelungen in der Europäischen Union durchaus als (mittelbare) Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gewertet werden können und deshalb unter Umständen gegen Art. 12 Abs. 1 EG verstoßen können. 278 Auch Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG nennt die Sprache ausdrücklich als unzulässiges Differenzierungskriterium. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht die Regelungen zur deutschen Gerichtssprache - und Entsprechendes gilt für die Amtssprache im Verwaltungsverfahren - generell aus dem Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ausgenommen. Die Festsetzung der deutschen Sprache als Gerichtsbzw. Amtssprache stelle keine Verletzung wegen der Sprache dar, denn die 277
Die Menge der bei verschiedenen Behörden durchaus vorhandenen Informationen in anderer Sprache spielt für die grundsätzliche Beantwortung dieser Frage keine Rolle. 278 Vgl. bspw. EuGH, Rs. C-274/96, 24.11.1998, EuZW 1999, 82 f. (Bickel). Zur Frage der Rechtfertigung von mittelbaren Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit vgl. Rossi , EuR 2000, S. 197 (211 ff.).
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Sprache werde nicht (unmittelbar) als Anknüpfungspunkt für Rechtsnachteile verwendet. Und zu einem Ausgleich sprachbedingter Erschwernisse, die im Tatsächlichen auftreten, verpflichte das Diskriminierungsverbot nicht. 279 Nach dieser - hier nicht weiter zu hinterfragenden - Entscheidung bestehen also keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Tatsache, dass Informationen bei der öffentlichen Verwaltung regelmäßig nur auf deutsch vorhanden sind und auch nur auf deutsch zur Verfügung gestellt werden können. Auch aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive bestehen letztlich keine Bedenken gegen eine solche Regelung. Denn die angedeutete EuGHEntscheidung betraf den Fall einer italienischen Regelung, die zwar der deutschsprachigen Minderheit in Südtirol das Recht auf ein in ihrer Sprache durchgeführtes Verfahren einräumte, deutschsprachige Angehörige anderer Mitgliedstaaten aber von diesem Recht ausschloss. Als Vergleichsgruppen standen sich also deutschsprachige Italiener und deutschsprachige Angehörige anderer Mitgliedstaaten gegenüber, so dass der Gemeinschaftsrechtsverstoß gerade nicht auf einer Diskriminierung von deutschen Muttersprachlern gegenüber italienischen Muttersprachlern beruhte und sich ein generelles Verbot, die jeweilige Amtssprache eines Mitgliedsstaates auch in staatlichen Verfahren gegenüber Angehörigen anderer Mitgliedstaaten anzuwenden, der Entscheidung nicht entnehmen lässt. Vielmehr hat der EuGH jüngst deutlich gemacht, dass es im Gemeinschaftsrecht keinen allgemeinen Grundsatz gibt „der jedem Bürger einen Anspruch darauf gewährte, dass alles, was seine Interessen berühren könnte, unter allen Umständen in seiner Sprache verfasst sein müsste."280 Zwar bezieht sich diese Entscheidung nur auf Sprachregelungen vor den Gemeinschaftsorganen, doch kann sie auf Sprachregelungen vor den Organen der Mitgliedstaaten um so eher erstreckt werden, als diese viel weniger als die Gemeinschaftsorgane in der Lage sind, ihre Informationen in verschiedenen Sprachen bereit zu halten. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass es keine verfassungs- oder gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung darstellt, dass Informationen der öffentlichen Verwaltung grundsätzlich nur auf deutsch zur Verfugung gestellt werden. Im Übrigen muss, weil das durch einen Antrag auf Zugang zu Informationen eingeleitete Verfahren grundsätzlich als Verwaltungsverfahren im Sinne des
279 BVerfGE 64, 135 (156 f.). Die volle Härte dieser Entscheidung wird dadurch gemildert, dass eine der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtige Person keinesfalls zu einem unverstandenen Objekt des Verfahrens herabgewürdigt werden darf. Durch welche verfahrensrechtlichen Befugnisse und Hilfestellungen der Person dies verhindert werden kann, ist der Konkretisierung durch den Gesetzgeber überlassen. 280
EuGH, Rs C-361/01, Urt. v. 9.9.2003, Ls. 1 u. Rn. 82 (Kik/Harmonisierungsamt), noch nicht in amtl. Slg.
D. Vorgaben für die Anspruchsverpflichtung
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VwVfG 2 8 1 zu qualifizieren ist, schon der Antrag selbst gemäß § 23 Abs. 2 VwVfG grundsätzlich auf deutsch eingereicht werden.
D. Vorgaben für die Anspruchsverpflichtung Die verfassungsrechtliche Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen macht sich schließlich auch beim Kreis der Anspruchsverpflichteten bemerkbar. Hier wirken weniger die Grundrechte als vielmehr die staatsorganisatorischen Bestimmungen des Grundgesetzes beschränkend auf den Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber ein. Dementsprechend werden die Grenzen der gesetzlichen Bestimmungsberechtigung hier vor allem durch die vertikale und horizontale Kompetenzverteilung gezogen, die schon im Zusammenhang mit der Begrenzung des Anspruchsgegenstandes eine Rolle gespielt haben. Während es dort aber nur um die Frage ging, welche Informationen von einer grundsätzlich anspruchsverpflichteten Stelle zugänglich gemacht werden dürfen, geht es hier um die Frage, ob eine bestimme Stelle überhaupt verpflichtet werden darf, die bei ihr vorhandenen Informationen grundsätzlich preiszugeben.
I. Vertikale Kompetenzverteilung Für beide Fragen ist die Abgrenzung an Hand der vertikalen Kompetenzverteilung nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Fraglich ist nämlich, ob sich die Abgrenzung (formal) nach der exekutiven oder (materiell) nach der legislativen Kompetenzverteilung bestimmt. Da die bisherigen Informationsfreiheitsgesetze allein von Ländern erlassen wurden, hat sich die Frage der Kompetenzverteilung noch nicht gestellt. Denn von den Ländern verabschiedete Informationsfreiheitsgesetze können sich unter allen Umständen nur auf die Landesebene beziehen. Anders stellt es sich aber für den Bund dar: Bezieht er die Kompetenz zum Erlass eines Informationsfreiheitsgesetzes aus seiner Befugnis, das Verwaltungsverfahren für die Bundesverwaltung zu regeln, beschränkt sich die in einem solchen Gesetz ausgesprochene Verpflichtung allein auf eben diese Bundesverwaltung. Bezieht er seine Kompetenz dagegen aus einer wie auch immer begründeten materiellen Gesetzgebungskompetenz, kann er - wie das Beispiel des UIG zeigt - auch die Landesbehörden verpflichten, nach den Bestimmungen eines Bundesinformationsfreiheitsgesetzes Informationen zugänglich zu machen.
281
Soweit der Antrag an eine Behörde des Bundes gerichtet ist, findet das VwVfG des Bundes, ansonsten das VwVfG des betreffenden Landes Anwendung.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Die Reichweite für ein Informationsfreiheitsgesetz wird zwar nicht kontrovers diskutiert, offensichtlich aber kontrovers behandelt. Während der Bund bei der Ausarbeitung seines IFG-RefE zurückhaltend davon ausgeht, nur die Bundesbehörden verpflichten zu können, möchten die Professoren Schock, Kloepfer und Garstka ihren IFG-ProfE als Teil eines umfassenden Informationsgesetzbuchs (IGB) am liebsten auch von den Landesbehörden beachtet sehen.282 Sie haben das Kompetenzproblem aber im Rahmen der Erarbeitung des IGB vorläufig zurückgestellt. Auch im Folgenden sollen nur die verfassungsrechtlichen Prämissen dargelegt werden, von denen die Lösung des Problems auszugehen hat. Die Kompetenz für ein auch die Landesbehörden verpflichtendes Informationsfreiheitsgesetz steht dem Bund gemäß Art. 30, 70 Abs. 1 GG nur zu, soweit das Grundgesetz ihm hierfür die Gesetzgebungsbefugnis verleiht. Entscheidend für die Frage, ob sich ein Informationsfreiheitsgesetz unter einen die Bundeszuständigkeit eröffnenden Kompetenztitel subsumieren lässt, ist die Bestimmung des Gesetzeszwecks.283 Rekurriert man hier auf die in den Gesetzen bzw. ihren Begründungen in den Vordergrund gerückte Funktion, die Verwaltung transparenter zu machen, findet sich in den Katalogen der Art. 73 - 75 GG kein Kompetenztitel, der eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes begründen würde. Das gleiche gilt, wenn man die Partizipations- oder Kontrollfunktion in den Vordergrund des gesetzlichen Anliegens stellt. Im Unterschied zum Erlass des UIG, bei dem die Kompetenz des Bundes - trotz einiger Schwierigkeiten in Bezug auf solche Umweltinformationen, die im Wasser- und Naturschutz anfallen - auf die aus verschiedenen einzelnen Kompetenztiteln abgeleitete Bundeskompetenz im Bereich des Umweltschutzes gestützt wurde, 284 besteht in Bezug auf ein Informationsfreiheitsgesetz keine solche Möglichkeit, zur Begründung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes an ein sachliches Regelungsziel anzuknüpfen. Allenfalls ließe sich unter Umständen daran denken, entsprechend der Grundrechtsgebrauch ermöglichenden Wirkung von und den ersten praktischen Erfahrungen mit Informationsfreiheitsgesetzen die Nutzung der zugänglichen Informationen zu wirtschaftlichen Zwecken in den Vordergrund der gesetzlichen Regelungen zu stellen und die Bundeskompetenz dann mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zu begründen. Ungeachtet aber der Frage, ob sich Informationsfreiheitsgesetze wirklich unter das „Recht der Wirtschaft" subsumie-
282
Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 3, Rn. 9 ff. Al lg. zur Bestimmung von Gesetzgebungskompetenzen Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 70, Rn. 32, m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur. 284 Kritisch hierzu Roger, UIG, §2, Rn. 15; vgl. auch Hk-UIG/Schomerus, §2, Rn. 46 ff.; zur (fehlenden) Gesamtkompetenz des Bundes im Bereich des Umweltschutzes vgl. Gramm, DÖV 1999, S. 540 ff. 283
D. Vorgaben für die Anspruchsverpflichtung
185
ren lassen, entspricht eine derartige Auslegung jedenfalls nicht der (bisherigen) Intention des Gesetzgebers. Vielmehr liegt das - zumindest vom IFG-RefE und auch vom IFG-ProfE angegebene - Ziel eines Informationsfreiheitsgesetz des Bundes in der Herstellung der Öffentlichkeit der Verwaltung. Anknüpfungspunkt könnte somit das Verwaltungsverfahren in dem von Art. 84 Abs. 1 GG gebrauchten Sinne sein. Auch dies ist aber keinesfalls zweifelsfrei, denn bei aller Offenheit und Flexibilität des von Art. 84 Abs. 1 GG verwendeten Begriffs des Verwaltungsverfahrens 285 geht es bei der Gewährleistung allgemeiner Informationszugangsfreiheit gerade nicht um die Ausgestaltung eines konkreten Verwaltungsverfahrens, nicht um die Vorbereitung einer bestimmten Verwaltungsentscheidung, sondern um den verfahrensunabhängigen und voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu sämtlichen Informationen der Verwaltung. Geht man trotz dieser Bedenken davon aus, dass die Gewährleistung eines Informationszugangsanspruchs das Verwaltungsverfahren im Sinne von Art. 84 Abs. 1 GG betrifft, muss bei der Bestimmung der Kompetenz des Bundes entsprechend der Verteilung der Verwaltungskompetenzen differenziert werden: In Bezug auf das Verfahren bei der Ausübung von Bundesrecht durch bundeseigene Behörden im Sinne von Art. 86 ff. folgt die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes aus Art. 70 ff. i.V.m. Art. 86 ff. und den Grundsätzen über die Zuständigkeit kraft Sachzusammenhang bzw. als Annexkompetenz.286 Auch bei der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder im Auftrag des Bundes wird aus der Mischung von materieller Gesetzgebungskompetenz, Art. 85 Abs. 1 GG sowie aus der „Natur der Sache" die Gesetzgebungskompetenz des Bundes abgeleitet, das Verwaltungsverfahren zu regeln. 287 Dem Verfassungstext entspricht es dagegen aber eher, sowohl im Bereich der Auftragsverwaltung (Art. 85 GG) als auch im Bereich der Aufsichtsverwaltung (Art. 84 GG) davon auszugehen, dass hier grundsätzlich die Länder für die Regelung des Verwaltungsverfahrens zuständig sind. Eine Differenzierung zwischen den beiden Formen der Landesverwaltung von Bundesgesetzen ist schon deshalb nicht angezeigt, weil die Behörden der Länder in beiden Fällen Landesstaats-
285 Vgl. BVerfGE 55, 274 (320 f.): „Vorschriften über das Verwaltungsverfahren ... sind ... jedenfalls gesetzliche Bestimmungen, die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Blick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungs- und Kontroll vorgänge in ihrem Ablauf regeln." 286 Vgl. BVerfGE 26, 338 (369 ff.); Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1, Rn. 24. 287 Vgl. bspw. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 1, Rn. 2; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1, Rn. 24 m.w.N.
186
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
gewalt mit einer eigenen Wahrnehmungskompetenz ausüben.288 Für die Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder gilt deshalb entsprechend Art. 84 Abs. 1 GG bzw. Art. 85 Abs. 1 GG, dass die Länder zur Regelung des Verwaltungsverfahrens befugt sind, der Bund aber in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz gesonderte Regelungen treffen darf. Soweit schließlich Stellen der Länder Landesrecht ausführen oder nicht gesetzesausführend handeln, ist das diesbezügliche Verwaltungsverfahren dem Zugriff des Bundes entzogen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Bundesgesetzgeber die Behörden der Länder nur insoweit verpflichten dürfte, bei ihnen vorhandene Informationen zugänglich zu machen, wie diese Informationen bei der Ausführung von Bundesgesetzen angefallen sind. Eine solche Lösung erscheint wenig praktikabel, und so bietet sich als Ausweg an, eine ähnliche Regelung wie in § 1 VwVfG zu treffen, eine Regelung, die die Bedeutung des Bundesgesetzes in der Praxis freilich stark zurückgedrängt hat.
II. Horizontale Kompetenzverteilung In Bezug auf die horizontale Kompetenz Verteilung lassen sich exakte Grenzen der Anspruchsverpflichtung allein aus der Verfassung nur schwer herleiten. Fest steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der h.M. nur, dass der Bundesregierung ein eigener unausforschbarer Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zustehen muss.289 Ein solcher begrenzt allerdings in erster Linie den Anspruchsgegenstand 290 und schließt jedenfalls nicht aus, dass auch (und gerade) die oberste Verwaltungsspitze grundsätzlich zur Bereitstellung von Informationen verpflichtet werden kann. Ähnliches gilt für die Judikative. Auch hier beschränken die verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Gerichte, nur den Anspruchsgegenstand, stehen einer prinzipiellen Anspruchsverpflichtung der Gerichte aber nicht entgegen. Das wird auch deutlich an den bereits erlassenen bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetzen, die die Rechtsprechungsorgane regelmäßig nur insoweit von der Anspruchsverpflichtung ausnehmen, als sie als Organe der Rechtspflege tätig werden. Soweit
288 289 290
Vgl. BVerfGE 81, 310 (331 f.). BVerfGE 67, 100 (139); 68, 1 (87). Siehe oben S. 134.
D. Vorgaben für die Anspruchsverpflichtung
187
diese Organe aber bloße Verwaltungsaufgaben erledigen, unterfallen sie grundsätzlich dem allgemeinen Informationszugangsanspruch. 291
I I I . Verpflichtung Privater Im Interesse eines möglichst umfangreichen Informationszugangs verpflichten die bereits erlassenen Informationsfreiheitsgesetze ebenso wie der IFGProfE in leicht unterschiedlicher Intensität auch Private, die mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut sind. 292 Zu einer solchen Ausdehnung der Anspruchsberechtigung auf Informationen bei Privaten sind die Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet. Denn da ein allgemeiner Zugang zu Informationen bei der Verwaltung grundrechtlich nicht (bzw. nur in dem vom Gesetzgeber bestimmten Maße) 293 geschützt ist, lässt sich die Wahl privater Handlungsformen insofern nicht als Flucht aus grundrechtlichen Bindungen qualifizieren, die es durch die besonderen Vorgaben des Verwaltungsprivatrechts zu verhindern gelte. Vielmehr können die verfassungsrechtlichen Vorgaben umgekehrt in eine andere Richtung weisen: Mindestens in den Fällen einer vollständigen materiellen Privatisierung können sich die Privaten in vollem Umfang auf die Grundrechte berufen, so dass die Verpflichtung, jedem Interessierten nach Maßgabe eines Informationsfreiheitsgesetzes Zugang zu Informationen gewähren zu müssen, grundsätzlich einen rechtfertigungsbedürftigen -
291 Vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 IFG-Bln; § 2 Abs. 2 AIG-Bbg; § 2 Abs. 2 S. 1 IFG-NW; § 3 Abs. 3 Nr. 2 IFG-SH; § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 IFG-ProfE; § 1 Abs. 1 S. 2 IFGRefE. Dagegen nimmt § 3 Abs. 1 Nr. 3 UIG Gerichte vollständig vom Anwendungsbereich des UIG aus. Der EuGH konnte in dieser vollständigen Exklusion der Gerichte keinen Verstoß gegen Art. 2 lit. b UIRL erkennen, der Gerichte nur „im Rahmen ihrer Rechtsprechungstätigkeit" aus dem Geltungsbereich ausnimmt. Denn die Kommission hatte in dem von ihr initiierten Vertragsverletzungsverfahren nicht nachweisen können, dass Gerichte im Rahmen ihrer administrativen Tätigkeiten über Umweltinformationen verfügen. Vgl. EuGH, Rs. C-217/97, 9.9.1999 (Kommission/Deutschland), ZUR 2000, S. 16 ff.; mit Anmerkung v. Schomerus (S. 19 ff.). 292 Vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 IFG-Bln („... und gegenüber Privaten, die mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse betraut sind."); § 2 Abs. 4 AIG-Bbg („Soweit sich die aktenführende Behörde zur Erledigung hoheitlicher Aufgaben Privater bedient, besteht das Akteneinsichtsrecht gegenüber den privaten Stellen."); § 2 Abs. 4 IFG-NRW („Sofern eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt, gilt sie als Behörde im Sinne dieses Gesetzes."); § 3 Abs. 4 IFG-SH („Einer Behörde ... steht eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben bedient oder dieser Person die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben übertragen wird."); § 3 Abs. 1 Nr. 4 IFG-ProfE („... gegenüber Privaten, deren sich die Behörden zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bedienen und die insoweit der Aufsicht oder entsprechender Einflussnahme von Behörden unterstehen..."). 293 Näher hierzu unten S. 219 f.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
und meist sicherlich auch durch die Betrauung mit hoheitlichen Aufgaben zu rechtfertigenden - Eingriff bedeutet. Rechtspolitisch ist die Einbeziehung von Privaten, die mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut sind, in den Kreis der Anspruchsverpflichteten um so eher zu begrüßen, als der Staat sich zur Erfüllung seiner Aufgaben immer öfter Privater bedient. Wo aber der Staat vermehrt ins Private flüchtet, um seine Macht (oder seine Ohnmacht) zu verschleiern, käme ein Informationsfreiheitsgesetz zur Kontrollierbarkeit staatlicher Herrschaftsausübung zu spät, wenn sich das Zugangsrecht nicht auch auf die Informationen erstreckte, die bei den mit der Ausübung hoheitlicher Aufgaben beauftragten Privaten vorhanden sind. Unter diesem Aspekt der Kontrollfunktion allgemeiner Informationsfreiheitsgesetze ist vor allem zu fordern, dass der Akt der Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf Private allgemein zugänglich ist. Denn mit diesem Übertragungsakt übergibt der Staat nicht nur Befugnisse, sondern er überträgt zugleich auch Verantwortung. Um die der ununterbrochenen Legitimationskette entsprechenden ununterbrochene Verantwortungskette nachzeichnen zu können, ist es unbedingt erforderlich, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Gliedern genau erfassen und beurteilen zu können. Nur dann kann die Verantwortung dem Verantwortlichen zugewiesen werden. Wenn also bspw. das Bundesverkehrsministerium mit einer privaten Betreibergesellschaft einen Vertrag über die Einführung und die Erhebung von einer Maut schließt, dann muss dieser Vertrag mindestens dem Parlament, möglichst aber auch der Allgemeinheit zugänglich sein, damit im Falle eines Scheiterns des Vertrags die Verantwortlichen bestimmt und zur Rechenschaft gezogen werden können.
E. Vorgaben für den Rechtsschutz
I. Verpflichtung zur Gewährleistung von Rechtsschutz Räumt der Staat den Bürgern ein voraussetzungsloses subjektives Recht auf Zugang zu Informationen bei der Verwaltung ein, muss ihnen auch die Möglichkeit gegeben sein, eine etwaige Verweigerung des Informationszugangs gerichtlich überprüfen zu lassen. Das folgt unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 GG, der den allgemeinen rechtsstaatlichen Justizgewährleistungsanspruch fur den Teilbereich des Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt konkretisiert. 294 Umgekehrt muss auch privaten Dritten Rechtsschutz für den Fall gewährt wer-
294
Vgl. nur Schulze-Fielitz,
in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 19 IV, Rn. 26.
E. Vorgaben für den Rechtsschutz
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den, dass ohne ihre Einwilligung 295 Informationen aus ihrem persönlichen bzw. geschäftlichen Lebensbereich zugänglich gemacht werden.
II. Ausgestaltung des Rechtsschutzes Dieser grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes wird durch die geltenden Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung ausreichend Rechnung getragen. Sowohl dem zugangsbegehrenden als auch dem zugangsabwehrenden Bürger stehen Möglichkeiten offen, die Entscheidung der über den Zugang entscheidenden Behörde auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Ob sich dabei die allgemeine Leistungs- bzw. Unterlassungsklage oder die Verpflichtungs- bzw. Anfechtungsklage als statthaft erweist, hängt von der Charakterisierung der behördlichen Entscheidung über den Zugangsantrag ab. Zutreffend wird diese Entscheidung überwiegend als Verwaltungsakt qualifiziert. Mag die Übermittlung bzw. die Bereitstellung der Informationen selbst auch als Realakt zu beurteilen sein, geht dieser tatsächlichen Handlung doch stets eine Entscheidung in Form eines Verwaltungsakts voraus. 296 Dies wird aus der Perspektive des Zugangsbegehrenden - besonders deutlich bei der Verweigerung des Zugangs.297 Gleiches gilt jedoch - insbesondere aus der Perspektive des Zugangsabwehrenden - für die Ermöglichung des Zugangs. Stets ist deshalb von einem (möglichen) zweistufigen Verfahren des Informationszugangs auszugehen: In einem ersten Schritt entscheidet die Behörde per Verwaltungsakt über den Zugangsantrag. Sofern dieser positiv ausfällt, wird in einem zweiten Schritt der Zugang tatsächlich gewährt. 298 Für den zugangsbegehrenden Bürger bedeutet dies, dass er zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Zugangsverweigerung auf die Verpflichtungsklage verwiesen ist. Das von § 42 Abs. 2 VwGO verlangte subjektive Recht wird ihm 295
Bei einer ordnungsgemäßen Einwilligung fehlt es wenn schon nicht an der Klagebefugnis, dann doch jedenfalls am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. 296 Ebenso Scherzberg, DVB1. 1994, S. 733 (744); Turiaux, NJW 1994, S.2319 (2323); Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 362; Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 11, Rn. 10 u. Rn. 27. 297 Vgl. für die Verweigerung der Akteneinsicht nach § 29 Abs. 2 i.V.m. § 30 VwVfG bspw. Kopp/Ramsauer, VwVfG, §29, Rn. 44; Bonk/Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 29, Rn. 81; Clausen, in: Knaack (Hrsg.), VwVfG, § 29, Rn. 8; jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung. A.A. (im Streit um die Herausgabe von Stasi-Unterlagen über Altbundeskanzler Kohl) VG Berlin, NJW 2001, 2987 f.; Erichsen, Jura 1993, 180 (182); Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 266 298 Ebenso Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 11, Rn. 10.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
durch die Anspruchsnorm des jeweiligen Informationsfreiheitsgesetzes gewährt. Dem zugangsabwehrenden Dritten steht zur Überprüfung die Anfechtungsklage offen. Auch seine Klagebefugnis kann nicht ernsthaft bestritten werden, denn die in den Informationsfreiheitsgesetzen stets enthaltenen Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sowie von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen sind sicherlich drittschützend in dem Sinne, dass sie zumindest auch auf den Schutz des Klägers gerichtet sind. 299 Gleichwohl würde eine Verankerung der Geheimhaltungsrechte Privater als subjektive öffentliche Rechte nach dem Vorbild des § 30 VwVfG den letztlich verfassungsbestimmten Positionen der Betroffenen besser Rechnung tragen als die objektive Verpflichtung der Behörden zur Geheimhaltung, die sich für Dritte lediglich als mittelbare Schutznorm darstellt. Denn mit der Gewährleistung eines solchen Anspruchs auf Wahrung der Geheimnisse wird das Vertrauen des Bürgers in die Verwaltungstätigkeit eher gestärkt, als wenn er sich allein auf die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns verlassen muss.300 Beide, sowohl der zugangsbegehrende als auch der zugangsabwehrende Bürger sind vor Erhebung der Klage gemäß § 68 Abs. 1 VwGO auf das Widerspruchsverfahren verwiesen. Die Durchführung eines solchen verwaltungsinternen Vorverfahrens erscheint gerade im Bereich des Zugangs zu Informationen der Verwaltung ausgesprochen sinnvoll, weil die möglicherweise geheimzuhaltenden Informationen dabei nicht den Bereich der Exekutive verlassen müssen. Um der Ausnahmevorschrift des § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zu entgehen, sollten die einzelnen Informationsfreiheitsgesetze die Durchführung eines Widerspruchverfahrens deshalb auch für den Fall vorschreiben, dass die Entscheidung über den Informationszugang von einer obersten Bundes- bzw. einer obersten Landesbehörde getroffen wird. 301 Ob darüber hinaus die zusätzliche, nicht als formelles Rechtsmittel ausgestaltete Möglichkeit eingeräumt wird, einen Beauftragten für Informationsfreiheit anzurufen oder nicht, 302 ist letztlich eine politische Entscheidung.
299
Zur Schutznormtheorie vgl. bspw. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 90 u.
S. 134. 300
Ähnlich Knemeyer, NJW 1984, S. 2241 (2242), zu § 30 VwVfG. Vorbildlich insofern § 11 Abs. 5 IFG-ProfE; vgl. aber auch § 9 Abs. 4 IFG-RefE; § 14 Abs. 3 IFG-Bln. 302 Sämtliche der bereits erlassenen bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetze sehen eine solche Möglichkeit vor: Vgl. § 12 IFG-RefE; § 16 Abs. 2 IFG-ProfE; § 11 Abs. 2 AIG-Bbg; § 18 Abs. 2 IFG-Bln; § 16 IFG-SH; § 13 Abs. 2 IFG-NW. 301
E. Vorgaben für den Rechtsschutz
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I I I . Selbständiger Rechtsschutz Da es sich bei den von Informationsfreiheitsgesetzen vorgesehenen Informationszugangsansprüchen um materielle, von anderen Verfahrenshandlungen unabhängige Informationsansprüche handelt, steht § 44a VwGO dem selbständigen Rechtsschutz gegen die Verweigerung bzw. die Gewährung des Informationszugangs nicht entgegen.303 Denn diese Vorschrift schließt nur die isolierte Anfechtung von behördlichen Verfahrenshandlungen aus. Solche reinen Verfahrenshandlungen können nach § 44a VwGO nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Das gilt nach überwiegender Meinung 304 auch für das von § 29 VwVfG gewährte Akteneinsichtsrecht, das ohne Frage in einer besonderen Konnexität zu einem konkreten Verwaltungsverfahren steht und insoweit als unselbständiges Zugangsrecht qualifiziert werden kann. Die Frage, ob § 44a VwGO in Bezug auf das von § 29 VwVfG vorgesehene Akteneinsichtsrecht im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass auch die Verweigerung eines verfahrensbezogenen Akteneinsichtsrechts isoliert angefochten werden darf, 305 muss für selbständige Informationszugangsrechte aber nicht entschieden werden. Denn bei diesen werden die Informationen nicht zur Beurteilung eines Verwaltungsverfahrens benötigt, sondern um ihrer selbst willen beantragt. Das Informationsrecht selbst ist Gegenstand der behördlichen Sachentscheidung, so dass § 44a VwGO schon tatbestandlich nicht einschlägig ist.
IV. Geheimnisschutz im Verwaltungsgerichtsverfahren Mit der Möglichkeit, Rechtsschutz gegen eine Zugangsverweigerung bzw. die Zugangserteilung zu erhalten, wird der eigentliche Konflikt zwischen den widerstreitenden Interessen - den Publizitätsinteressen auf der einen Seite und den Opazitätsinteressen auf der anderen Seite - nicht gelöst, sondern nur vom 303 Ebenso (für das UIG) Blumenberg, NuR 1992, S. 8 (14); Bieber, DÖV 1991, S. 857 (864); Erichsen/Scherzberg, Gutachten UBA, S. 118; Fluck/Theuer, UIG, § 5 Rn. 79; Turiaux, UIG, § 5, Rn 35; H\L-\)\GI Wegener, § 4, Rn. 39; Kollmer, N V w Z 1995, S. 858 (862); sowie allg. etwa Gurlit, ZRP 1989, S. 253 (256); König, DÖV 2000, S. 45 (49). 304 Vgl. bspw. BVerwG, NJW 1979, S. 177; OVG Münster, DVB1. 1980 S. 946; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 25, Rn. 10; Clausen, in: Knaack (Hrsg.), VwVfG, § 29, Rn. 28; a.A. bspw. Redeker/von Oertzen, VwGO, § 44a, Rn. 3a.; nun auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 29, Rn. 44. 305
So ausf. Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 355 ff.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Verwaltungs- in das Gerichtsverfahren gehoben. Dabei besteht das grundsätzliche Problem, dass das Gericht zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zugangsverweigerung bzw. -erteilung einerseits Kenntnis von den Informationen erlangen muss, deren Geheimhaltungsbedürftigkeit den Streit des Gerichtsverfahrens bilden, dies aber andererseits auch dem rechtsschutzsuchenden (bzw. beigeladenen) Bürger den Zugang zu diesen Informationen ermöglicht, weil § 100 Abs. 1 VwGO den Beteiligten des Gerichtsverfahrens in Umsetzung des Art. 103 Abs. 1 GG Anspruch auf Einsicht in alle dem Gericht vorgelegten Akten gewährt. Der Bürger würde auf diese Weise im Gerichtsverfahren Kenntnis von den geheimhaltungsbedürftigen Informationen erhalten, die ihm im Verwaltungsverfahren gerade vorenthalten wurden. Um den im Verwaltungsverfahren geltenden Geheimnisschutz nicht durch die bloße Durchführung eines Verwaltungsgerichtsverfahren zu unterlaufen, sieht § 99 Abs. 1 VwGO vor, dass die Vorlage bestimmter Informationen verweigert werden kann, wenn die zuständige oberste Aufsichtsbehörde deren Geheimhaltungsbedürftigkeit hinreichend glaubhaft macht. Dabei muss sie die Gründe für eine Auskunftsverweigerung so einleuchtend darlegen, „dass das Gericht sie unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange noch als triftig anerkennen kann, ohne andererseits geheimhaltungsbedürftige Tatsachen unmittelbar oder mittelbar preiszugeben." 306 Die Behörde muss die Geheimhaltungsbedürftigkeit also so konkret, wie das ohne gleichzeitige Offenbarung der geheimhaltungsbedürftigen Fakten möglich ist, darlegen, und ist durch diese Darlegungslast tendenziell daran gehindert, die gerichtliche Durchsetzung des Zugangsrechts durch bloße floskelhafte Behauptung zu vereiteln. 307 Trotz dieser erhöhten Anforderungen an die Darlegung hat das Bundesverfassungsgericht § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO i.V.m. § 99 Abs. 2 S. 1 VwGO a.F. allerdings für verfassungswidrig erklärt, „soweit die Regelung eine Aktenvorlage auch in denjenigen Fällen ausschließt, in denen die Gewährung effektiven Rechtsschutzes von der Kenntnis der Verwaltungsvorgänge abhängt."308 Denn es gibt Konstellationen, in denen „das Gericht nicht zu beurteilen vermag, auf welchen tatsächlichen Grundlagen die behördliche Entscheidung beruht und ob diese geeignet sind, sie zu tragen." Diese tatsächlichen Grundlagen können insbesondere dann entscheidende Bedeutung gewinnen, wenn sich der Streit um die Frage dreht, ob die Voraussetzungen des Geheimhaltungsgrundes vorliegen, auf den sich die Behörde beruft. Bei selbständigen Informationszugangsrechten wird exakt diese Frage stets den Streitgegenstand des Gerichtsverfahrens ausmachen, weil die Informationen hier Gegenstand der Sachentscheidung
306 307 308
Vgl. BVerwGE 84, 375 (388 f.). Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 (417). BVerfGE 101, 106 (Ls. 1).
E. Vorgaben für den Rechtsschutz
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sind und nicht bloß der Klärung der Voraussetzungen eines anhängigen Hauptsacheverfahrens dienen.309 Wird dem Gericht in solchen Konstellationen aber der Einblick in die Unterlagen verweigert, kann es seine Kontrollfunktion nicht in vollem Umfang wahrnehmen und dementsprechend keinen wirksamen Rechtsschutz gegen die Behördenentscheidung gewährleisten. 310 Zur Ausräumung dieser Spannungslage zwischen der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes auf der einen Seite und dem Schutz der geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen auf der anderen Seite hat das Bundesverfassungsgericht nun die Durchführung eines „in camera"-Verfahrens 311 angeregt. 312 Ein solches „in camera"-Verfahren galt in Deutschland stets als unvereinbar mit dem von Art. 103 Abs. 1 GG gewährten Anspruch auf rechtliches Gehör. 313 Denn zu dem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör zählt unter anderem das Recht auf Information, also das (für den Verwaltungsprozess von § 100 Abs. 1 VwGO konkretisierte) Recht, Kenntnis von dem dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Sachverhalt sowie von verfahrensbedeutsamen Vorgängen zu erhalten. 314 Das Bundesverfassungsgericht selbst hat - bezogen allerdings nur auf Strafverfahren - ein „in camera"-Verfahren aus diesem Grunde noch im Jahre 1981 für unzulässig erachtet. 315 Nunmehr hält es ein solches Verfahren aber für eine verhältnismäßige Lösung, die darin besteht, dass die Kenntnisnahme der geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen - in Ausnahme von § 100 Abs. 1 VwGO und unter Durchbrechung des Art. 103 Abs. 1 GG - nur dem Gericht vorbehalten bleibt. 316 Der Gesetzgeber hat den ihm vom Bundesverfassungsgericht auferlegten Auftrag, bis zum 31.12.2001 eine den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG entsprechende Regelung zu treffen, durch die Änderung des Art. 99 Abs. 2 VwGO erfüllt. 317 Nunmehr stellen gemäß § 189 VwGO gesondert zu bildende Fachsenate bei den Oberverwaltungsgerichten und beim Bundesverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung fest, ob die Verweigerung der Informationspreisgabe rechtmäßig ist oder nicht. Das Verfahren vor diesen Fachsenaten 309
Zur Bedeutung des „in camera"-Verfahrens für unselbständige Akteneinsichtsansprüche s. Margedant, NVwZ 2001, S. 759 (760 f.). 3,0 BVerfGE 101, 106(125). 311 Vgl. hierzu (noch vor der Entscheidung des BVerfG) Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 203 ff.; Sokol, DuD 1997, S. 380 (381). 3.2 BVerfGE 101, 106 (128 f.). 3.3 Vgl. bspw. BVerwGE 84, 375 (389). 3.4 Vgl. BVerfGE 84, 188 (190); 86, 133 (144); sowie bspw. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. III, Art. 103 I, Rn. 19 u. 32 f. 315 BVerfGE 57, 250 (288). 316 Näher hierzu BVerfGE 101, 106 (128 f.). 317 Gesetz v. 20.12.2001, BGBl. I, S. 3987.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
unterliegt grundsätzlich den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet, das nichtrichterliche Personal unterliegt den Regelungen des personellen Geheimschutzes. Die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Informationen nicht erkennen lassen.318 Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Gewährleistung selbständiger Informationszugangsrechte erscheint die gesetzliche Normierung eines „in-camera"-Verfahrens sinnvoll 319 und - auch im Hinblick auf Erfahrungen im Ausland - als geeignete Lösung, die Geheimhaltungsinteressen auf der einen Seite und die Informationsinteressen auf der anderen Seite in einen angemessen Ausgleich zu bringen. Für - im Kontext allgemeiner Informationszugangsfreiheit freilich nicht weiter interessierende - unselbständige Akteneinsichtsrechte bleiben dagegen Zweifel an der gefundenen Lösung. Denn hier kann dem Rechtsschutzsuchenden unter Umständen verborgen bleiben, ob die geheimhaltungsbedürftige Tatsache zu seinen Gunsten oder zu seinen Lasten zu Grunde gelegt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Problematik durchaus erkannt, Folgerungen aber nur für den Strafprozess formuliert: Weil „Geheimhaltungsinteressen der Exekutive im Strafverfahren in dubio pro reo" wirken, könne ein „incamera"-Verfahren den Rechtsschutz des Angeklagten nur verschlechtern. Denn ein solches Verfahren ermöglichte es, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen gegen ihn zu verwenden, ohne dass er sich dazu äußern könnte. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gelte der Grundsatz in dubio pro reo jedoch nicht, so dass sich die Geheimhaltung entscheidungserheblicher Tatsachen regelmäßig nachteilig für den Rechtsschutzsuchenden auswirke und ein „incamera"-Verfahren den Rechtsschutz somit nur verbessern könne. 320 Mag diese Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch grundsätzlich zutreffend sein, darf das neu in den Verwaltungsgerichtsprozess eingeführte Verfahren doch nicht dazu führen, dass es vermehrt zu „Geheimprozessen" kommt, weil die Verwaltung die von ihr in den Prozess eingebrachten Informationen regelmäßig als besonders geheimhaltungsbedürftig erklärt. Insofern sollte als Sanktion einer rechtswidrigen Vorlageweigerung stets die Offenbarung der verlangten Informationen und nicht etwa die Möglichkeit stehen, das im Streit stehende Handeln rückgängig zu machen. Grundsätzlich erweist sich die Möglichkeit der Durchführung eines „in camera"-Verfahrens aber auch bei unselbständigen Informationsrechten des Rechtsschutzsuchenden als sinnvoll. Das zeigt auch ein
318
Vgl. im Einzelnen die sehr ausführlichen Regelungen in § 99 Abs. 2 VwGO. Ebenso Margedant, NVwZ 2001, S. 759 (763). 320 BVerfGE 101, 106 (130). Kritisch, im Ergebnis aber zustimmend Margedant, NVwZ 2001, S. 759 (761). 3,9
F. Strukturelle Unterschiede zum Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit
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jüngst vom Bundesverwaltungsgericht erlassenes Urteil. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass in dem Fall, in dem ein Beamter bei seinem Dienstherrn leichtfertig oder gar wider besseren Wissens der Korruption bezichtigt wird, der Dienstherr dem Beamten zwar einerseits grundsätzlich den Namen des Denunzianten nennen muss, auch wenn diesem Vertraulichkeit zugesichert worden war, dass aber andererseits die Beweisaufnahme zur Frage, ob der Informant leichtfertig oder wider besseres Wissen gehandelt hat, im „incamera"-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO durchzuführen ist. 321
F. Strukturelle Unterschiede zum Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit Betrachtet man die gesetzliche Gewährleistung allgemeiner Informationszugangsfreiheit aus der Perspektive der die Gesetzgeber bindenden und begrenzenden Verfassung, so wird der Blick dafür geschärft, dass die Unterschiede zwischen dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit und einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit weitaus weniger groß sind als es namentlich von den Befürwortern eines voraussetzungslosen Zugangs zu Informationen der öffentlichen Verwaltung suggeriert wird. Bei rein normativ-theoretischer Betrachtung lassen sich zwar durchaus noch gewisse Unterschiede zwischen den beiden Modellen feststellen, die sich aber bei einer empirisch-praktischen Betrachtung deutlich relativieren.
I. Normativ-theoretische Betrachtung
/.
Anspruchsvoraussetzungen
Der hervorstechendste Unterschied zwischen dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit und dem Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit liegt ohne Frage in den Voraussetzungen, unter denen der Anspruch gewährt wird. Während nach dem Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit formal an eine Beteiligteneigenschaft bzw. an die Zugehörigkeit zur Presse oder inhaltlich an ein bestimmtes Interesse angeknüpft wird, wird der Zugang zu Informationen nach dem Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit voraussetzungslos gewährt.
321
BVerwG, NJW 2003, S. 3217 ff.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Dieser Unterschied manifestiert sich besonders deutlich, wenn man bei der Bewertung des Prinzips beschränkter Aktenöffentlichkeit ausschließlich auf § 29 Abs. 1 VwVfG rekurriert. Denn während nach dieser Norm, begründet durch das Rechtsstaatsprinzip und die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, nur die Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens berechtigt sind, Einsicht in die (das konkrete Verwaltungsverfahren betreffenden) Akten der Verwaltung zu nehmen, ist bei Gewährleistung allgemeiner Informationszugangsfreiheit, gestützt vor allem auf das Demokratieprinzip, jeder berechtigt, Zugang zu den bei der Verwaltung vorhandenen Informationen zu erhalten. Rösch gelangt vor diesem Hintergrund zu der Analyse, dass rechtsstaatlich begründete Öffentlichkeit grundsätzlich nur den Adressatenkreis einer Norm, demokratisch begründete Öffentlichkeit dagegen jeden Staatsbürger umfasse. 322 Freilich wird das Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit verkürzt und insofern verfälscht beschrieben, wenn man zu seiner Beschreibung ausschließlich auf die Regelung des § 29 VwVfG rekurriert. Ausgeblendet werden dabei nämlich nicht nur die skizzierten Einsichtsrechte in verschiedenen Planungsverfahren, sondern bspw. 323 auch die jedem gewährten Zugangsrechte zu staatlichen Archiven (vgl. bspw. § 5 ArchivG), 324 die gesetzlich normierten Informationsansprüche der Medien (bspw. nach § 4 LPG-Bln) 325 und der Wissenschaft (bspw. nach den Datenschutzgesetzen326 oder nach § 32a StUG) 327 sowie auch die Selbstauskunftsrechte im Datenschutzrecht (bspw. nach §§ 19, 34 BDSG) 328 oder im Beamtenrecht (bspw. nach § 90c BBG) 329 . Bezieht man all diese Auskunftsrechte in die Bewertung der geltenden Rechtslage mit ein, erscheint diese deutlich weniger geheim, als es in ihrer Charakterisierung als „Arkanverwaltung" zum Ausdruck kommt. Denn erstens ist die grundsätzliche NichtÖffentlichkeit der Verwaltungsakten schon deshalb nicht gleichbedeutend mit einem Gebot der Geheimhaltung, weil die begehrten Informationen unterhalb der disziplinar- und strafrechtlichen Geheimhaltungspflichten und bis zu den verfassungsrechtlich normierten Grenzen nach Ermessen der jeweiligen Behörde preisgegeben werden können.330 Und zweitens wird 322
So Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 67. Eine umfassende Aufzählung und Darstellung gesetzlich gewährter Zugangsrechte findet sich insb. bei Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, S. 370 ff. 324 Vgl. hierzu insb. Manegold, Archivrecht, S. 65 f f 325 Vgl. hierzu Wenzel, in: Löffler (Hrsg.), Presserecht, § 4, Rn. 1 ff. 326 S. bspw. § 40 BDSG. 327 Kritisch hierzu Lenski, L K V 2004, S. 112 (114 ff.). 328 Einzelheiten hierzu bei Mallmann, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, § 19 u. § 34. 329 Einzelheiten hierzu bei Battis, BBG, § 90c, Rn. 1 ff. 330 So die präzise Analyse von Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 382 (Fn. 9). 323
F. Strukturelle Unterschiede zum Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit
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die Öffentlichkeit dieser „Arkanverwaltung" wenn auch nicht durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit, so doch durch die weitgehende Zugangsfreiheit der Presse gewährleistet, 331 die dadurch in die Lage versetzt wird, „die ihr in der freiheitlichen Demokratie eröffnete Rolle [als Faktor für die Bildung der öffentlichen Meinung] wirksam wahrzunehmen." 332 Allein die Mittelbarkeit 333 der dieserart erzeugten Verwaltungsöffentlichkeit lässt den Schluss auf eine Geheimverwaltung jedenfalls noch nicht zu. Im Gegenteil: Die Medien sind nach wie vor unverzichtbare Voraussetzung für eine wirksame Verwaltungskontrolle. Das gilt nicht allein für die Massenmedien, sondern in nicht zu unterschätzendem Umfang gerade auch für Lokalzeitungen, die eine öffentliche Beobachtung lokaler Politik und Verwaltung ermöglichen. 334
2. Anspruchsgegenstand In Bezug auf die Art und den maximalen Umfang der zugänglichen Informationen besteht hingegen - bei abstrakter Betrachtung - kein Unterschied zwischen dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit und dem Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit. Denn in jedem Fall sind die Gesetzgeber durch die Grundrechte prinzipiell daran gehindert, Informationen von oder über private Dritte zu offenbaren, und nach wie vor werden auch grundsätzlich keine Informationen zur Verfügung gestellt, die das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden oder die Funktionsfähigkeit der staatlichen Organe beeinträchtigen könnten. Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Determination von Informationsfreiheitsgesetzen unterliegt der mögliche Anspruchsinhalt nach dem Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit denselben äußeren Grenzen wie nach dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit. Informationsfreiheitsgesetze erweitern mit anderen Worten zwar den Kreis der zulässigen Antragsteller, nicht aber den äußeren Umfang der zugänglichen Informationen. Diese im Vergleich zur allgemeinen Euphorie für die neue Transparenz ernüchternde strukturelle Erkenntnis gilt es insbesondere bei der Bewertung der den allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen zugedachten Funktionen zu be-
331
Zu den Auskunftsrechten der Presse vgl. bspw. Groß, Presserecht, S. 172 ff.; Wenzel, in: Löffler (Hrsg.), § 4, Rn. 1 f f ; Kloepfer, Informationsrecht, § 10, Rn. 75 f.; zsfd. etwa Heintschel von Heinegg, AfP 2003, S. 295 ff. 332 Vgl. BVerfGE 50, 234 (240). 333 Zur Gewährleistung einer mittelbaren Öffentlichkeit durch die Presse vgl. ausf. Wenzel, in: FS Löffler, S. 391 (396 f.). 334 Ebenso die Einschätzung von Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (175).
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
rücksichtigen. Denn die vom Gesetzgeber intendierte Partizipations- und Kontrollfunktion kann sich schon von vorneherein nicht auf diejenigen staatlichen Tätigkeiten erstrecken, die auf Grund ihres verfassungsrechtlich begründeten Schutzes dem Zugang interessierter Bürger entzogen sind und deshalb doch zugleich um so kontrollbedürftiger erscheinen. Immerhin ermöglicht ein voraussetzungsloser Informationszugangsanspruch dem Einzelnen aber, innerhalb dieser unveränderten äußeren Grenzen Zugang zu mehr und zu anderen Informationen zu erhalten als nach dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit. Das gilt sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Nach dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit werden viele Zugangsansprüche nur in Konnexität zu einem bestimmten Verfahren gewährt. So ist etwa der Anspruch der Verfahrensbeteiligten nach § 29 Abs. 1 VwVfG auf die Dauer des laufenden Verwaltungsverfahrens beschränkt, gewähren die Ansprüche aus § 7 AtG i.V.m. § 6 AtVfV bzw. § 10 BImSchG i.V.m. § 10 Abs. 4 der 9. BImSchV Zugang zu den verfahrensbezogenen Informationen nur für die Dauer des jeweiligen Genehmigungsverfahrens. Im Übrigen wird der Zugang nach Abschluss eines Verfahrens nur nach Ermessen der Behörde gewährt, und nach Ablauf von 30 Jahren greift schließlich der jedem zustehende Anspruch nach den Archivgesetzen, der sich allerdings nur auf die archivierten Behördenakten erstreckt. 335 In Erinnerung zu rufen ist allerdings, dass diese zeitliche Staffelung durch die Informationsansprüche der Presse durchbrochen wird, die grundsätzlich keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen. Allerdings sehen die meisten Landespressegesetze336 die Möglichkeit vor, Auskünfte zu schwebenden Verfahren zu verweigern, wenn deren Durchführung durch die Auskunft vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte.337 Die Informationsrechte der Beteiligten auf der einen Seite und der Presse auf der anderen Seite ergänzen sich in zeitlicher Hinsicht also nahtlos und gewährleisten auf diese Weise eine ununterbrochene Kontrolle der Verwaltung, die mal in den Händen der Betroffenen, mal in den Händen der Presse liegt. Anders stellt es sich nach dem Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit dar. Hier hat im Prinzip jeder das Recht, Zugang zu den Informationen bei der Verwaltung zu erhalten, unabhängig davon, wann sie entstanden sind.
335
Archiviert werden nämlich nur solche Unterlagen staatlicher Stellen, die nicht mehr zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt werden und wegen ihres bleibenden Wertes archivwürdig sind (vgl. bspw. § 2 Abs. 1, § 3 BArchG). 336 Anders nur das bayrische Landespressegesetz, das eine solche Ausnahmebestimmung nicht kennt. 337 Vgl. die Übersicht über die presserechtlichen Bestimmungen nebst Kommentierungen bei Wenzel, in: Löffler (Hrsg.), Presserecht, § 4, Rn. 93 ff.
F. Strukturelle Unterschiede zum Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit
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Allerdings sind laufende Verwaltungsverfahren - ebenso wie die von den Landespressegesetzen normierten Informationsrechte der Presse - aus dem allgemeinen Informationszugangsanspruch regelmäßig ausgenommen. In dieser Zeit erhalten also nur die Beteiligten unter den Voraussetzungen des § 29 VwVfG Zugang zu den das konkrete Verwaltungsverfahren betreffenden Informationen. Nach Abschluss des Verfahrens sind sie aber nicht mehr auf eine Ermessensentscheidung der Behörde oder auf eine Recherche der Presse angewiesen, sondern können - wie jeder andere auch - den Zugang über allgemeine Informationsfreiheitsgesetze begehren. In zeitlicher Hinsicht führt die Gewährleistung einer voraussetzungslosen Informationszugangsfreiheit somit durchaus zu einer Ausweitung der für (nicht der Presse angehörenden) Einzelpersonen zugänglichen Informationen. In inhaltlicher Hinsicht fällt die Analyse dagegen selbst bei konkreter Betrachtung ambivalent aus. Auf der einen Seite erstrecken sich allgemeine Informationszugangsrechte ohne Zweifel auf mehr und andere Informationen als besondere Informationszugangsrechte, die regelmäßig nur auf die verfahrensbezogenen Informationen oder die eigenen Daten begrenzt sind. Auf der anderen Seite kann der Umfang der mittels eines allgemeinen Informationszugangsrechts erlangbaren Informationen aber auch geringer ausfallen als bei einem Anspruch nach dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit. Denn im Widerstreit mit entgegenstehenden öffentlichen oder privaten Belangen streitet nun kein konkretes, in vielen Fällen sogar grundrechtlich geschütztes Interesse mehr für den Informationszugang, wie es bei den besonderen Informationszugangsrechten regelmäßig der Fall ist, sondern „nur' 4 ein abstraktes, in seiner Bedeutung schwer zu bestimmendes Zugangsinteresse. Mögen allgemeine Informationsfreiheitsgesetze somit auch grundsätzlich einen breiteren Informationszugang ermöglichen, erlauben besondere Zugangsrechte doch im konkreten Fall einen tieferen Informationszugang, der die äußeren Grenzen kurzzeitig auch einmal ausdehnen kann. Schon bei normativ-theoretischer Bewertung des Prinzips beschränkter Aktenöffentlichkeit auf der einen Seite und dem Grundsatz allgemeiner Zugangsfreiheit auf der anderen Seite ergibt sich also, dass sich die Unterschiede zwischen den beiden Prinzipien bei abstrakter Betrachtung auf den Kreis der Anspruchsberechtigten und den Umfang der Anspruchsvoraussetzungen beschränken, der mögliche Anspruchsinhalt aber in seinen äußeren Grenzen weitgehend identisch ist.
I I . Empirisch-praktische Bewertung Bei empirisch-praktischer Betrachtung der nach dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit geltenden Anspruchsvoraussetzungen reduzieren sich die
200
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Unterschiede zum Grundsatz allgemeiner Informationsfreiheitsgesetze noch weiter. Denn bei einer solchen Betrachtung ist zu vergegenwärtigen, dass der Gebrauch von Informationszugangsrechten ein entsprechendes tatsächliches Interesse voraussetzt. 338 Ohne ein besonderes Interesse erfragt niemand Informationen. Das Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit knüpft bei der Gewährleistung von Informationszugangsansprüchen deshalb stets an typische menschliche Interessen an und differenziert dabei nach verschiedenen möglichen Informationszwecken. Ob die Gesetzgeber sich dabei mehr an grundrechtlichen Vorgaben oder an empirischen Beobachtungen orientiert haben, spielt im Ergebnis keine Rolle, zumal die Grundrechte ja gerade bestimmte Interessen schützen, etwa das Interesse an einem effektiven Rechtsschutz. Entscheidend ist vielmehr, dass die schon nach dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit vorgesehenen Informationsansprüche einen Großteil derjenigen Interessen berücksichtigen, deren Vorliegen tatsächliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Zugangsrechten ist. Insofern bedeutet es nur eine geringe Beschränkung, wenn die voluntative Voraussetzung der tatsächlichen Inanspruchnahme eines Zugangsanspruchs zugleich auch zur normativen Voraussetzung der rechtlichen Gewährleistung dieses Anspruchs erhoben wird. Eine massive Beschränkung bedeutete es nur, wenn die Gesetzgeber bei der an typisierte Interessen anknüpfenden Ausgestaltung der normativen Voraussetzungen bestimmte tatsächlich bestehende Interessen ausgeblendet hätten. Dies ist aber zumindest dort nicht der Fall, wo der Zugang nur vom Nachweis eines „berechtigten Interesses" abhängt, wie etwa in § 12 Abs. 1 GBO, § 117 Abs. 1 S. 1 WG-BW und § 102 Abs. 1 S. 1 WG-Bln oder in Fällen, wo mangels gesetzlicher Normierung bei der Ermessensentscheidung der Behörde auf ein solches Interesse rekurriert wird. Denn erstens genügen für den Nachweis eines „berechtigten Interesses" regelmäßig auch Interessen wirtschaftlicher, sozialer oder ideeller Natur. 339 Und zweitens muss das Interesse stets nur glaubhaft gemacht, also plausibel dargelegt werden. Eine strenge Beweislast trifft den jeweiligen Antragsteller aber nicht, so dass das Erfordernis eines berechtigten Interesses insgesamt keine starke Beschränkung des Zugangs bedeutet.340
338
In der Ökonomik würde man wohl von Anreizen sprechen, vgl. hierzu Suchanek, Verwaltungskontrolle aus ökonomischer Sicht, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 247 (250). 339 Vgl. Bonk/Kallerhoff, in: Bonk/Stelken/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 29, Rn. 42 m.w.N. 340 Das Erfordernis einer Darlegung des berechtigten Interesses nach § 12 Abs. 1 GBO ist jedenfalls nach Auffassung des BVerfG, NJW 2001, S. 503 (504), nicht zu beanstanden. Sofern die Einsicht von Vertretern der Presse begehrt wird, müssen die Anforderungen an das berechtigte Interesse selbst wie auch an dessen Darlegung der Besonderheit einer freien Presse Rechnung tragen.
F. Strukturelle Unterschiede zum Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit
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Etwas rigider mag es sich beim Erfordernis eines rechtlichen Interesses darstellen. Ein rechtliches Interesse besteht nur, wenn der Beteiligte Einzelheiten in bezug auf ein Rechtsverhältnis klären oder sich eine gesicherte Grundlage für die Verfolgung eines Rechtsanspruchs verschaffen will. 3 4 1 Mit diesen Voraussetzungen offenbart das Erfordernis eines rechtlichen Interesses seine Nähe zum verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör. Betrachtet man aber den wichtigsten Zugangsanspruch, der an ein rechtliches Interesse anknüpft, das in § 29 Abs. 1 VwVfG gewährleistete Akteneinsichtsrecht, so lässt sich auch hier in den meisten Fällen eine Kongruenz zwischen der normativen und der tatsächlichen Voraussetzung einer Akteneinsicht feststellen. Denn in der Mehrzahl aller Verwaltungsverfahren darf man durchaus davon ausgehen, dass ein Einzelner grundsätzlich kein Interesse daran hat, Zugang zu Informationen eines bestimmten Verwaltungsverfahrens zu erhalten, wenn er von diesem Verwaltungsverfahren nicht selbst derart betroffen ist, dass sich die Durchführung des Verwaltungsverfahrens nachteilig auf die ihm gewährten Rechte auswirkt. Insofern ist das materielle Erfordernis eines rechtlichen Interesses gegenüber der formalen Anspruchs Voraussetzung der Verfahrensbeteiligung jedenfalls von geringerer Ausschluss Wirkung. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der doppelten Beschränkung des Anspruchs nach § 29 Abs. 1 VwVfG - der formellen Beschränkung auf Beteiligte und der materiellen Beschränkung auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen - in gewissem Maße die Abwägung mit den entgegenstehenden öffentlichen Belangen antizipiert, die gerade bei § 29 Abs. 1 VwVfG in dem ungestörten und unabhängigen Verfahrensablauf sowie vor allem auch in dem Schutz des Kommunikationsverhältnisses zwischen der Verwaltung und dem Verfahrensbeteiligten zu finden sind. Interesse an einem die eigene Person nicht betreffenden Verwaltungsverfahren haben in der Regel nur Vertreter der Presse sowie eventuell Mitarbeiter von Umweltschutzorganisationen oder sonstigen politischen Gruppierungen. Zumindest dem vermuteten (und im Übrigen auch verfassungsrechtlich begründeten) 342 grundsätzlichen Interesse der Presse wird jedoch schon nach dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit durch die von den Landespressegesetzen voraussetzungslos gewährten Informationsansprüche der Presseorgane Rechnung getragen.
341
Vgl. bspw. Clausen, in: Knack, VwVfG, § 29, Rn. 4.4.; Kopp, VwVfG, § 29, Rn. 7; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 29, Rn. 42. 342 Vgl. BVerfG, NJW 2001, S. 503 (505). Die verfassungsrechtliche Begründung des Informationsinteresses darf freilich nicht mit der Frage verwechselt werden, ob unmittelbar aus dem Grundrecht der Pressefreiheit ein subjektiver Anspruch der Presse auf Zugang zu Informationen staatlicher Stellen folgt. Vgl. hierzu Fn. 367 u. Fn. 368.
202
2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Bezieht man neben den an rechtliche, berechtigte oder grundsätzliche Interessen anknüpfenden Informationszugangsansprüchen auch alle anderen Informationszugangsrechte, die das Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit ausmachen, in dessen empirisch-praktische Bewertung mit ein, kann man durchaus zu dem Ergebnis gelangen, dass die Gesetzgeber auch ohne Normierung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit die potentiellen Interessen an einem Zugang zu Informationen bei der öffentlichen Verwaltung weitgehend berücksichtigt haben. Mögen die Unterschiede zwischen den an zum Teil umfassende Voraussetzungen gebundenen Zugangsrechten auf der einen Seite und einem voraussetzungslos gewährten Zugangsanspruch auf der anderen Seite bei theoretisch-normativer Betrachtung auch immens erscheinen, reduzieren sie sich bei praktisch-empirischer Betrachtung doch ganz erheblich. Dass die Gesetzgeber mit den bestehenden Informationszugangsansprüchen den weitaus meisten möglichen Informationsinteressen bereits Rechnung getragen haben, ergibt sich auch aus der relativ geringen Inanspruchnahme der bereits bestehenden voraussetzungslosen Informationszugangsrechte. Sowohl in Bezug auf das UIG als auch in Bezug auf die Informationsfreiheitsgesetze in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zeigen die ersten Erfahrungen 343 nämlich, das von der Möglichkeit des Zugangsanspruchs nur sehr wenig Gebrauch gemacht wird. 344 Zur Erklärung wird regelmäßig auf die prohibitive Wirkung der Gebühren oder auf fehlende Kenntnis von der Möglichkeit des voraussetzungslosen Informationszugangs verwiesen. 345 Dass der Bürger schlicht kein Interesse daran haben könnte, die entsprechenden Informationen nachzufragen, bleibt dagegen häufig außer Betracht. 346 Angelov übernimmt zwar die Erkenntnis von Windsheimer, dass der Einzelne ein Interesse an Informationen erst dann entwickelt, wenn seine konkreten, individuel-
343 Vgl. die einschlägigen Tätigkeitsberichte der jeweiligen Datenschutzbeauftragten, die im Durchschnit zwischen 100 und 200 Anträge pro Jahr verzeichnen. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz von Schleswig-Holstein registriert zwar mehr als 2000 Informationsanträge in den ersten zwei Jahren nach Inkrafttreten des IFG-SH, vgl. Pressemitteilung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz SchleswigHolstein. Gemessen an den ca. 2.5 Mio Einwohnern nimmt sich diese Zahl aber immer noch gering aus. 344
Empirische Untersuchungen zum UIG zeigen darüber hinaus, dass der Umweltinformation sanspruch in der Mehrzahl der Fälle nicht von denjenigen genutzt wird, für die er gedacht war - vgl. Schmitten, Das Umweltinformationsrecht zwischen Anspruch und Wirklichkeit, S. 25 f. 345
So bspw. Schmitten, Das Umweltinformationsrecht zwischen Anspruch und Wirklichkeit, S. 31 ff. 346 Dabei ist die (triviale) Erkenntnis längst belegt, dass der Grad der Informiertheit und Beteiligungsbereitschaft um so größer ist, je mehr der Einzelne vom (politischen) Geschehen selbst betroffen ist - vgl. schon Battis, Partizipation im Städtebaurecht, S. 55, m.w.N.
F. Strukturelle Unterschiede zum Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit
203
len Rechtspositionen betroffen sind, 347 geht im Folgenden, gestützt insbesondere auf demokratietheoretische Überlegungen, aber gleichwohl vehement von der Notwendigkeit eines allgemeinen Informationszugangsrechts aus. Mag man an dem diesen Überlegungen zu Grunde liegenden Menschenbild eines politisch interessierten und stets an der öffentlichen und staatlichen politischen Willensbildung beteiligten Staatsbürgers auch zweifeln, soll der theoretischnormative Unterschied zwischen dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit und dem Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit auch nicht vollständig herunter gespielt werden. Denn selbstverständlich kann ein voraussetzungsloses Informationszugangsrecht auch zu anderen Zwecken als den von den Gesetzgebern intendierten Zielen in Anspruch genommen werden, und so wird es den aus wirtschaftlichen Motiven handelnden Personen mit einem voraussetzungslos gewährten Informationszugangsanspruch wohl deutlich leichter fallen, an Informationen bei der Verwaltung zu gelangen, als nach dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit. Denn innerhalb der äußeren Grenzen des Zugangsanspruchs stehen ihm nun auch solche Informationen zur Verfügung, deren Bereitstellung zuvor im Ermessen der Behörden stand. Die rechtspolitische Forderung nach umfassender, grundsätzlich unbegrenzter Informationszugangsfreiheit erscheint vor diesem Hintergrund durchaus als flexiblere Lösung, auch ungeahnten Informationsinteressen der Bürger Rechnung tragen zu können. Die Offenheit für solche unterschiedlichen Interessen sollte dann aber auch betont werden und nicht allein auf demokratisch motivierte politische Interessen rekurriert werden.
I I I . Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der tatsächliche Unterschied zwischen dem nach noch geltender Rechtslage vorherrschendem Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit und dem im Vordringen befindlichen Prinzip allgemeiner Informationszugangsfreiheit weniger groß ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Er beschränkt sich in erster Linie auf den Kreis der Anspruchsberechtigten, wohingegen der Anspruchsgegenstand, also der maximale Umfang der zugänglich zu machenden Informationen, weitgehend identisch ist. Mag die Inanspruchnahme eines allgemeinen Informationszugangsrechts auch im konkreten Einzelfall zu mehr und anderen Informationen führen als der Gebrauch besonderer Informationszugangsrechte, bleibt diese strukturelle Erkenntnis doch vor allem bedeutsam für die Beurteilung der abstrakten
347
Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 50; unter Verweis auf Windsheimer, Die Information als Interpretationsgrundlage für die subjektiven öffentlichen Rechte des Art. 5 Abs. 1 GG, S. 145.
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
Öffentlichkeit der Verwaltung, deren Herstellung erklärtes Ziel von Informationsfreiheitsgesetzen ist. Bei dieser Beurteilung ist zunächst festzustellen, dass weder das Ausmaß der Öffentlichkeit der Verwaltung noch die zu ihrer Herstellung zu verwendenden Instrumente verfassungsrechtlich eindeutig vorgegeben sind. Dem Gesetzgeber steht es deshalb innerhalb der vor allem durch die Grundrechte sowie durch andere Verfassungsbestimmungen gezogenen Grenzen weitgehend frei, wie und in welchem Maße er die Öffentlichkeit der Verwaltung herstellt. Fest steht nur, dass weder ein generelles Gebot der Aktenöffentlichkeit noch ein umfassendes Prinzip des Aktengeheimnisses mit dem Grundgesetz unvereinbar wären. 348 Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit zunächst dafür entschieden, zum weitgehenden Schutze entgegenstehender Belange zeitlich und inhaltlich beschränkte Zugangsrechte solchen Personen zu gewähren, die ein besonderes Interesse an den begehrten Informationen geltend machen können. Gleichwohl ist das Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit nicht als Prinzip der Geheimhaltung zu qualifizieren. 349 Die Öffentlichkeit der Verwaltung wird nach diesem Modell nämlich weitgehend durch die Presse gewährleistet, der von den Landespressegesetzen grundsätzlich ein voraussetzungsloser Anspruch auf Zugang zu Informationen bei der Verwaltung eingeräumt wird. Die Mittelbarkeit dieser Öffentlichkeit der Verwaltung weist gegenüber der durch allgemeine Informationszugangsrechte gewährleisteten unmittelbaren Öffentlichkeit der Verwaltung Vor- und Nachteile auf, die beide auf der möglichen Selektion und Manipulation der erlangten Informationen beruhen. Die Entscheidung für das Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit war primär eine politische, 350 so dass es dem Gesetzgeber nun frei steht, bei Änderung seiner politischen Einschätzung den Zugang zu den bei den Behörden vorhandenen Informationen mehr oder weniger offen zu gestalten. Er kann neben den verfahrensabhängigen Akteneinsichtsrechten deshalb auch voraussetzungslose Informationszugangsrechte gewähren und den Bürgern dabei zugleich ein Wahlrecht bezüglich der Art und Weise des Informationszugangs einräumen. Festzustellen bleibt aber, dass das Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit den meisten möglichen Informationsinteressen durchaus Rechnung trägt und insgesamt eine weitgehende - wenn auch durch die Presse ver348
Ebenso Bieber, DÖV 1991, S. 857 (859). So aber bspw. Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (122) 350 Bieber, DÖV 1991, S. 857 (860); Reinhardt, Die Verwaltung 30 (1997), S. 161 (167). 349
F. Strukturelle Unterschiede zum Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit
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mittelte - Öffentlichkeit der Verwaltung bewirkt. Ein allgemeines und voraussetzungsloses Informationszugangsrecht fiihrt über die bestehenden Regelungen deshalb nur dort hinaus, wo die vom Gesetzgeber bislang - bewusst oder unbewusst - vorgenommene Typisierung von Interessen bestimmte andere ausschließt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Ausschluss anderer als rechtlicher oder berechtigter Interessen von dem Informationsanspruch ebenso wie die sonstige Beschränkung des Anspruchszugangs (etwa auf Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens) in vielen Fällen dem Schutz von öffentlichen oder privaten Belangen dient - etwa dem Vertrauen in das Kommunikationsverhältnis zwischen dem Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens und der Behörde bei § 29 VwVfG, dem Schutz der in einem Grundbuch enthaltenen persönlichen, familiären, sozialen und wirtschaftlichen Daten bei § 12 GBO oder - noch deutlicher - bei den auf die eigene Person bezogenen Auskunftsrechten nach dem BDSG oder den Beamtengesetzen. Diese öffentlichen und privaten Belange werden auch nach dem Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit von dem Anspruch ausgenommen, allerdings erst auf einer zweiten Stufe. Der Schutz dieser Belange erfolgt weniger über die Beschränkung des Kreises der Antragsteller als vielmehr über die Beschränkung des Anspruchsgegenstandes . Strukturell sind die von allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen gewährten Ansprüche somit am ehesten mit den Auskunftsrechten der Presse vergleichbar, denn diese werden ebenfalls voraussetzungslos und insbesondere unabhängig von einer gegenständlichen oder zeitlichen Konnexität zu einem Verwaltungsverfahren gewährleistet. Der entscheidende Unterschied liegt allein im Kreis der Anspruchsberechtigten, der nach den Pressegesetzen auf Presseorgane begrenzt ist, 351 weil diese als Mittler von Nachrichten und Meinungen besonders geeignet sind. 352 Diese privilegierende Stellung der Presseorgane wird durch Informationsfreiheitsgesetze aufgehoben. Fasst man die Unterschiede zwischen dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit und dem Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit bildlich zusammen, so führt die Einführung eines voraussetzungslosen Zugangsanspruchs dazu, dass nunmehr auch solche Informationsbegehrende ohne nähere Prüfung ins Haus gelassen werden, die früher schon an der Gartenpforte abgewiesen wurden. Während damals die spätestens an der Haustür einzeln überprüften Gäste gezielt in einen bestimmten Raum geleitet wurden, tummeln sich 331
Die Frage, welche Personen zu den Presseorganen zählen, wird von den einzelnen Landespressegesetzen unterschiedlich beantwortet. Während die meisten Landespressegesetze alle Vertreter der Presse berechtigen, unterfallen bspw. in Bayern nur die Redakteure und andere von diesen ausgewiesene Mitarbeiter dem Informationszugangsanspruch. Vgl. hierzu ausf. Wenzel, in: Löffler, (Hrsg.), Presserecht, § 4, Rn. 33 ff. 352 Vgl. BVerfGE 20, 162 (174 f.); 35, 202 (222).
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2. Kap.: Determinierung von Informationsfreiheitsgesetzen
nun Vertreter der Presse neben Wissenschaftlern und anderen Interessierten in der Diele und den wenigen zugänglichen Räumen, deren Anzahl sich nicht verändert hat. Die meisten Räume sind verschlossen, können aber fur einzelne Gäste zu bestimmten Zeiten vorübergehend geöffnet werden. Das Archiv im Keller mit den 30 Jahre alten Akten steht zwar prinzipiell jedermann offen, findet jedoch nur wenig Interesse. Das allgemeine Interesse gilt vielmehr dem Arbeitszimmer des Hausherrn, das aber - wie früher - stets verschlossen bleibt. Auch die Heizungs- und Bewirtschaftungsräume des Hauses sind grundsätzlich nicht zugänglich. Gleiches gilt prinzipiell für die zahlreichen Gästezimmer, die trotz des großen Andrangs nur ganz ausnahmsweise geöffnet werden. So laufen die Besucher durch die Diele und über die Flure und suchen, irritiert von den vielen Türen, den Grund ihres Kommens. Ein schon vor dem Eingang verteilter Wegweiser hilft ihnen weiter, und wenn sie mit dessen Hilfe ihr Ziel endlich erreicht haben, müssen sie beim Verlassen des Gebäudes durch die Haupttür dafür zahlen. Die Journalisten benutzen deshalb stets nur den Seiteneingang, an dem zwar beim Eingang eine formale Personenkontrolle durchgeführt wird, dafür aber beim Ausgang keine Gebühren erhoben werden. So lässt sich Geld dafür sparen, den einen oder anderen Bediensteten dazu zu bewegen, eine verschlossene Tür für kurze Zeit einmal zu öffnen. Außerdem gibt es an diesem Seiteneingang manchmal besondere Hinweise, was in jüngster Zeit im Haus vorgefallen ist und wie man am schnellsten an den Ort des Geschehens gelangt. Das ehemals von einer hohen Steinmauer umgebene, nur durch enge Eingangstüren zu erreichende, dunkle und stets (gesundes) Misstrauen erweckende Haus wirkt mit seinem kunstvoll geschmiedeten Zaun, seinen breiten und stets geöffneten Toren sowie dem hellen Anstrich längst nicht mehr so bedrohlich wie früher. Es unterscheidet sich praktisch gar nicht mehr von den Nachbarhäusern und wird deshalb auch nicht mehr so recht wahrgenommen. Mit der jedem zustehenden Möglichkeit, das Haus einmal von innen zu besichtigen, sinkt nicht nur das Interesse daran, selbst einmal in das Haus zu gelangen, sondern auch an den exklusiven Berichten, die früher den aus dem Seiteneingang kommenden Journalisten aus den Händen gerissen wurden. So gerät allmählich in Vergessenheit, dass von dem Haus aus immer noch Macht ausgeübt wird. 353
353
sim.
Vgl. zu diesem Gedanken umfassend Leisner, Der unsichtbare Staat, S. 16 u. pas-
3. Kapitel
Modifizierung von Verfassungsrecht durch Informationsfreiheitsgesetze Die permanente Öffnung der Eingangstür bleibt nicht ohne Folgen für die innere Ordnung des Hauses. Die Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit verändert die bestehenden Kontrollstrukturen (B), modifiziert die bisherigen Verantwortungsstrukturen (C) und betrifft damit auch die Staatsstrukturen (D). Sie variiert letztlich die Konstruktion der Legitimation staatlichen Handelns (E). Darüber hinaus entfaltet sie Auswirkungen auf die Grundrechte
(A).
A. Modifizierung von Grundrechtsgehalten Die durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit bewirkten Modifizierungen von Grundrechtsgehalten betreffen sowohl das zugangsgewährende Grundrecht der Informationsfreiheit als auch die zugangsabwehrenden geheimnisschützenden Grundrechte.
I. Modifizierung des Grundrechts der Informationsfreiheit Mit der Einführung allgemeiner Informationsfreiheitsgesetze wird der Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung nicht nur gesetzlich gewährleistet, er wird vielmehr zugleich vom Grundrecht der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG normierten Informationsfreiheit umfasst. Dies erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, lässt sich doch aus der Informationsfreiheit nach der deutlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 1 und nach fast einhelliger Auffassung in der Literatur 2 gerade kein subjektiver Anspruch auf Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung und nach weitaus überwie1
BVerfGE 103,44(59). Anders nur Scherer, Verwaltung und Öffentlichkeit, S. 27 f f ; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 341 ff., pointiert S. 403 f.; ders., ThürVBl. 2003, S. 193 (200); Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 85 ff., pointiert S. 99. 2
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
gender Meinung auch kein entsprechender objektiv-rechtlicher Gesetzgebungsauftrag entnehmen. Und da der Gesetzgeber gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden ist und grundsätzlich nicht umgekehrt die Schutzreichweite der Grundrechte durch den Gesetzgeber bestimmt wird, muss es als folgewidrig empfunden werden, dass die einfach-gesetzliche Gewährleistung eines Informationszugangsanspruchs zugleich einen entsprechenden verfassungsrechtlichen Schutz aktiviert. Bereits ein Blick auf die normativ geprägten Grundrechte, insbesondere auf die von Art. 14 GG geschützte Eigentumsfreiheit, zeigt freilich, dass der Umfang des grundrechtlich gewährten Schutzes maßgeblich auch von seiner Ausfüllung durch den Gesetzgeber, im Falle des Art. 14 GG von gesetzlichen Inhaltsbestimmungen, abhängen kann. Insofern lässt sich der vermeintliche Widerspruch zwischen dem Gewährleistungsumfang des Grundrechts auf Informationsfreiheit vor und nach der Einräumung eines gesetzlichen Informationszugangsanspruchs rasch wieder auflösen. Allerdings ist die Informationsfreiheit bislang überwiegend3 nicht als normativ geprägtes Grundrecht verstanden worden. Im Gegenteil: Nach ganz h.M. bestimmt sich das für die Eröffnung des grundrechtlichen Schutzbereichs maßgebliche Tatbestandsmerkmal der „allgemein zugänglichen Quellen" allein nach faktischen Gegebenheiten, nicht aber nach rechtlichen Vorgaben. Diese bisherige Auffassung bedarf allerdings einer differenzierenden Korrektur, die durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Medienöffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen auch bereits vollzogen wurde, 4 ohne dass dies in der wissenschaftlichen Literatur bislang hinreichend zur Kenntnis genommen wurde. 5 Der Korrekturbedarf resultiert daraus, dass die bislang h.M. die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Leipziger Volkszeitung zu Grunde liegende Konstellation in undifferenzierter Weise verallgemeinert hat.
3 Anders immerhin aber Dürig, AöR 81 (1956), S. 117 (139); Krieger, Das Recht des Bürgers auf behördliche Auskunft, S. 106 f. (119). Vgl. aus der jüngeren Literatur auch Kahl, Der europarechtlich determinierte Verfassungswandel im Kommunikationsund Informationsstaat Bundesrepublik Deutschland, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 9 (28); und Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 45. 4
BVerfGE 103, 44 (59 ff.). Ansätze immerhin bei Gurlit, VVDStRL 63 (2003), S. 364. 5
DVB1. 2003, S. 1119 (1121); u. Gröschner,
Α. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
I. Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit
209
von Informationsquellen
Seit dieser Entscheidung gelten solche Informationsquellen als „allgemein zugängliche Quellen" i.S.v. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG, die „technisch geeignet und bestimmt [sind], der Allgemeinheit, d.h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen." 6 Für sich genommen lässt sich dieser Formulierung ein doppelter Maßstab entnehmen: Entscheidend scheint zum einen die objektive Eignung der Quelle und zum andere ihre subjektive Bestimmung, die Allgemeinheit zu unterrichten. 7 In der weiteren Konkretisierung führte das Bundesverfassungsgericht dann aber aus, dass „entscheidend [...] allein die tatsächliche Art der Abgabe der Information, nicht die Bestimmung oder Verfügung [ist]." 8 Dies wurde (und wird noch immer) als Beleg dafür gewertet, dass es mit der „technischen Eignung" allein auf die faktische Bestimmung einer Quelle zur Information der Allgemeinheit ankomme und die subjektive Bestimmung außer Acht bleiben müsse. Bei näherer Betrachtung zeigt sich indes, dass es falsch war, den zitierten Passus des Bundesverfassungsgerichts in diesem Sinne zu interpretieren und zu generalisieren. Denn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezog sich auf einen Fall, in dem der Zugang zu einer nicht-staatlichen Informationsquelle, der Leipziger Volkszeitung, durch ein staatliches Importverbot beeinträchtigt wurde. Um in dieser Konstellation zu verhindern, dass staatliche Regelungen - etwa konkrete Einziehungen oder eben auch gesetzliche Importverbote von Büchern, Zeitungen etc. - schon den Schutzbereich der Informationsfreiheit verkürzen, ohne dass dies einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfe, hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht entschieden, dass solche Beschränkungen nicht die Allgemeinzugänglichkeit einer Informationsquelle beseitigen und damit der Eröffnung des Schutzbereichs entgegen stehen, sondern vielmehr als Schranken zu qualifizieren sind und deshalb den Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 GG zu genügen haben.9 Das Bundesverfassungsgericht wollte also verhindern, dass die staatliche Bestimmung einer privaten Informationsquelle ihre allgemeine Zugänglichkeit nehmen könnte.10 Keinesfalls aber wollte es den in der Umschreibung allgemeiner Zugänglichkeit angelegten doppelten Maßstab auf einen einfachen reduzieren, wie nun in der Entscheidung zur Medienöffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen deutlich wird.
6
BVerfGE 27, 71 (83). So auch Lerche, Jura 1995, S. 561 (565), der die später vom Bundesverfassungsgericht verwendete Definition der Informationsfreiheit in seinem Artikel im Evangelischen Staatslexikon geprägt hat. 8 BVerfGE 27, 71 (83 f.). 9 BVerfGE 27, 71 (83 ff.). 10 BVerfGE 27, 71 (83 f.). 7
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
In dieser Entscheidung hält das Bundesverfassungsgericht zunächst an der Formulierung fest, nach der eine Informationsquelle allgemein zugänglich ist, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Weiter führt es aber aus: „Erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem Umfang kann der grundrechtliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG betroffen sein. [...] Das Grundrecht gewährleistet [...] nur das Recht, sich ungehindert aus einer schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt."11 Konstitutiv für die Eröffnung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit ist mit anderen Worten nicht nur die objektive Eignung der Informationsquelle, sondern gerade auch ihre subjektive Bestimmung, die Allgemeinheit zu unterrichten. Diese subjektive Bestimmung über die Zugänglichkeit und die Art der Zugangseröffnung muss natürlich vom hierzu Berechtigten vorgenommen werden, setzt also ein entsprechendes Bestimmungsrecht voraus, das sich nach den allgemeinen Vorschriften richtet, für Privatpersonen insbesondere nach denen des bürgerlichen Rechts, für den Staat vornehmlich nach denen des öffentlichen Rechts.12 Eine ohne entsprechendes Bestimmungsrecht vorgenommene Bestimmung über Art und Umfang der Zugänglichkeit von Informationen ist dagegen unbeachtlich. Dies war wohl auch der eigentliche Kerngehalt der grundlegenden Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zur Leipziger Volkszeitung: Indem es entscheidend auf die faktische Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit abstellte, implizierte es stillschweigend sehr wohl auch die subjektive Bestimmung des hierzu berechtigten Privaten und schloss eben nur die Bestimmung des nicht bestimmungsberechtigten Staates aus.
a) Private Informationsquellen Der doppelte, die objektive Eignung und die subjektive Bestimmung der Informationsquelle umfassende Maßstab für die Beurteilung ihrer Allgemeinzugänglichkeit gilt zunächst für private Informationsquellen. Dies ist in der Literatur vereinzelt sowohl vor 13 als auch nach der die faktische Bestimmung in den Vordergrund stellenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Leip-
" 12 13
BVerfGE 103, 44 (60), unter Verweis auf BVerfGE 66, 116 (137). So BVerfGE 103,44(60). Hamann, GG-Kommentar, Art. 5 Rn. Β 5.
Α. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
211
ziger Volkszeitung vertreten 14 und nunmehr auch v o m Bundesverfassungsgericht deutlich hervorgehoben worden. Als Beispiele für die differenzierende Ausübung des privaten Bestimmungsrechts nennt das Bundesverfassungsgericht das Erfordernis der Eintrittszahlung oder der Einwilligung in Fotoaufnahmen bei einem Konzert. 1 5 Nach wie vor kann die Bestimmung zur allgemein zugänglichen Informationsquelle aber auch konkludent erfolgen, so namentlich bei der Ausstrahlung privater Rundfunkprogramme oder dem Angebot zum K a u f einer Zeitung. Nur am Rande sei im Zusammenhang mit der Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit von privaten Informationsquellen auf ein Problem aufmerksam gemacht, das aus der Anerkennung eines subjektiven Maßstabs neben der objektiven Eignung folgt. Fraglich ist nun nämlich, ob man an der Auffassung festhalten kann, nach der auch solche an die Öffentlichkeit gelangte Informationen allgemein zugänglich sind, die rechtswidrig - und d.h. insbesondere ohne Einwilligung, ohne subjektive Bestimmung des Berechtigten - erlangt bzw. veröffentlicht wurden. 16 Denn auch diese Auffassung stellt maßgeblich auf die objektive Eignung und weniger auf die subjektive Bestimmung der Informationen (durch den hierzu Berechtigten) zur Unterrichtung der Allgemeinheit ab. Zwar dürfen rechtswidrig erlangte Informationen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur publiziert und somit zu einer allgemein zugänglichen Quelle werden, „wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für [die] öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss." 17 Doch auch dieser leicht verschärfte Abwägungsmaßstab missachtet letztlich den Willen des Bestimmungsberechtigten. Betont man bei der Beurteilung der Allgemeinzugänglichkeit nunmehr aber verstärkt das subjektive Element, erscheint es fast ausgeschlossen, dass private Informationen gegen den Willen des Bestimmungsberechtigten am Grundrechtsschutz der Informationsfreiheit partizipieren können.
b) Staatliche Informationsquellen V o r allem gilt der doppelte Maßstab aber auch für staatliche Informationsquellen. Der Staat kann, soweit er bestimmungsberechtigt ist, i m Rahmen seiner Aufgaben und Befugnisse A r t und Umfang des Zugangs zu seinen Informa-
14 Deutlich Lerche, Jura 1995, S. 561 (565), vgl. aber auch Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 108 f.; und Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, S. 50 ff. Die Auffassungen zsfd. Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 41 ff. 15 BVerfGE 103,44(60). 16 So ausdrücklich BVerfGE 66, 116 (137). Kritisch hierzu etwa Lerche, Jura 1995, S. 561 (564 f.). 17 BVerfGE 66, 116 (139), Hervorhebung durch M.R.
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
tionsquellen bestimmen.18 Die Allgemeinzugänglichkeit staatlicher Informationsquellen bestimmt sich also nicht nur nach deren objektiver Eignung, die Allgemeinheit zu unterrichten. Erforderlich ist darüber hinaus vielmehr die staatliche Entscheidung, dass die betreffenden Informationen der Allgemeinheit auch zugänglich sein sollen. Nur die Einbeziehung einer solchen subjektiven Entscheidung in den Maßstab zur Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit staatlicher Informationsquellen vermag im Übrigen zu erklären, warum Behördenakten und sonstige Informationen der öffentlichen Verwaltung, etwa auch Verwaltungsvorschriften, grundsätzlich nicht als allgemein zugänglich gelten und deshalb nicht von der Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG erfasst werden. Die bislang für den Ausschluss behördlicher Akten aus dem Schutzbereich der Informationsfreiheit vorgetragene Begründung konnte nicht überzeugen. Sie stützte sich auf eine Entscheidung des OVG Münster aus dem Jahre 1958, nach der behördliche Akten keine allgemein zugänglichen Informationsquellen bilden können, „weil sie der öffentlichen Einsicht nicht allgemein zugänglich sind." 19 Diese Begründung ist in der Literatur zu Recht als „zirkelhaft" charakterisiert worden. 20 Nachdem aber auch das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1986 in einem Kammerbeschluss festgestellt hatte, dass Behördenakten „schon ihrer Natur" nach grundsätzlich nicht technisch geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit... Informationen zu verschaffen, 21 ist der Ausschluss von Informationen der öffentlichen Verwaltung aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG als gegeben hingenommen worden, ohne dies plausibel zu begründen. Ausgehend von der vorherrschenden Meinung, dass sich die Allgemeinzugänglichkeit einer Informationsquelle ausschließlich faktisch, nämlich nach deren technischen Eignung zur Unterrichtung der Allgemeinheit, bestimme, wäre jeder Begründungsversuch mit der fortschreitenden Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechniken auch zunehmend zum Scheitern verurteilt gewesen. Denn selbstverständlich sind mit den heutigen technischen Möglichkeiten zwar nicht alle, aber doch eine ganze Reihe von Informationen der öffentlichen Verwaltung faktisch zugänglich. Das gilt nicht nur für diejenigen Informationen, die von der Verwaltung im Internet zur Verfügung gestellt werden, sondern bspw. auch schon für solche, die in den Räumlichkeiten der Verwaltung eingesehen oder gar vervielfältigt werden können.
18
Deutlich nunmehr BVerfGE 103, 44 (60). Vgl. vorher schon Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 109. 19 OVG Münster, OVGE 14, 199 (201). 20 So Scherer, Verwaltung und Öffentlichkeit, S. 31. Kritisch zuvor schon Krieger, Das Recht des Bürgers auf behördliche Auskunft, S. 101 21 BVerfG, NJW 1986, S. 1243.
Α. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
213
Dass allein das Kriterium tatsächlicher Zugänglichkeit von Informationsquellen den Ausschluss von Informationen der öffentlichen Verwaltung aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG nicht zu erklären vermag, ist in der Literatur immer häufiger festgestellt worden. Kugelmann weist diesbezüglich auf die Gefahr hin, „dass die Informationsfreiheit durch das Element der tatsächlichen Zugänglichkeit als (alleiniger) Anknüpfungspunkt für den Gewährleistungsgehalt in Abhängigkeit von der technischen Entwicklung gerät," und fordert eine Neuinterpretation des Begriffs der „allgemein zugänglichen Quellen.22 Kahl will die Allgemeinzugänglichkeit nicht mehr allein im faktischen Sinne verstanden wissen, sondern plädiert (mit den Worten von Smend) für eine funktionale Einbeziehung „aller essentieller politischer Fragen, die die Allgemeinheit interessieren und für ihre Stellung als Staatsbürger relevant sind." 23 Schoch fordert eine „Akzentverlagerung beim Merkmal der Allgemeinzugänglichkeit", die auch der objektiv-rechtlichen Dimension der Informationsfreiheit gerecht werden müsse.24 Zu einer Einbeziehung des Kriteriums subjektiver, d.h. im Falle staatlicher Informationsquellen also staatlicher Bestimmung bei der Beurteilung der Allgemeinzugänglichkeit von Informationsquellen können sich die genannten Autoren dagegen nicht durchringen. 25 Scherzberg verfällt letztlich sogar der überkommenen Auffassung, die Allgemeinzugänglichkeit einer Informationsquelle bestimme sich allein nach ihrer faktischen Eignung zur öffentlichen Unterrichtung. Er erkennt zwar die Notwendigkeit eines zusätzlichen subjektiven Elements, rekurriert insofern aber - wohlgemerkt nur bei privaten Informationsquellen - allein auf die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch ihren Inhaber. 26 Und bei staatlichen Informationsquellen habe die Verfassung selbst die Bestimmung im Sinne eines umfassenden Transparenzgebots vorgenommen, so dass, die staatlicher Verfugung unterliegenden Datenbestände
22
Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 61 f. Kahl, Der europarechtlich determinierte Verfassungswandel im Kommunikations- und Informationsstaat Bundesrepublik Deutschland, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 9 (28). 24 Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (189 f.). 25 Am weitestgehenden noch Kahl, Der europarechtlich determinierte Verfassungswandel im Kommunikations- und Informationsstaat Bundesrepublik Deutschland, in: Haratsch/Kugelmann/ Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 9 (28). Eine normative Auslegung andeutend auch Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 45. 26 Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 340. 23
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
schon von Verfassungs wegen allgemein zugängliche Quellen i.S.d. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG seien.27 Vielleicht fällt die Akzeptanz des subjektiven Elements zur Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit deshalb so schwer, weil die Ausübung dieser Bestimmung durch den Staat nun einmal in der für staatliche Entscheidungen typischen Form des Rechts erfolgt, rechtliche Vorgaben aber den Schutzbereich der Informationsfreiheit nicht definieren sollen. Diese Bedenken treffen aber nur auf private Informationsquellen zu. Hier wirken staatliche Regelungen in der Tat als Schranken, die deshalb dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 GG genügen müssen. Anders verhält es sich aber in Bezug auf die staatlichen Informationsquellen. Hier kann der Staat - in den durch sonstige Verfassungsbestimmungen gezogenen Grenzen - darüber entscheiden, ob und zu welchen Modalitäten seine Informationsquellen allgemein zugänglich sein sollen. Und nur in dem Umfang, in dem der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquelle festlegt, wird der Schutzbereich der Informationsquelle eröffnet. 28 Die Allgemeinzugänglichkeit von Informationen der öffentlichen Verwaltung bestimmt sich deshalb nicht (nur) nach dem tatsächlichen Können, sondern (auch) nach dem rechtlichen Dürfen. Maßgeblich ist die subjektive Bestimmung durch den Staat, wie im Übrigen in einem Nebensatz auch schon in dem bereits zitierten Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck kam: „Behördenakten sind schon ihrer Natur nach grundsätzlich nicht allgemein zugängliche Quellen", heißt es dort, und weiter: „es sei denn, aus ihrer konkreten Zweckbestimmung ergibt sich im Einzelfall etwas anderes." 29 Damit rekurrierte das Bundesverfassungsgericht schon in diesem Beschluss auf das subjektive Element der Zweckbestimmung, implizierte, wie durch die Formulierung „ihrer Natur nach" deutlich wird, aber zugleich und wohl zutreffend, dass die meisten Behördenakten eben nicht für die Allgemeinheit bestimmt sind. Dies allerdings ändert sich durch den Erlass von Informationsfreiheitsgesetzen. Ebenso wie der Gesetzgeber (in den Grenzen seiner Verbands- und Organkompetenz) über das Maß der Informationszugänglichkeit der Judikative entscheiden kann, kann er auch über das Öffentlichkeitsmaß der Exekutive ent-
27
Vgl. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 339 f.; deutlicher noch ders., ThürVBl. 2003, S. 193 (200). Ähnlich zuvor auch schon Nolte, DÖV 1999, S. 363 (369). 28 BVerfGE 103,44(61). 29 BVerfG, NJW 1986, S. 1243.
Α. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
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scheiden. Mit der Ausübung seines Bestimmungsrechts 30 aktiviert er das Grundrecht der Informationsfreiheit, ohne dass sich die Nichtausübung als Grundrechtseingriff darstellte. 31 Zum Teil ist das Grundrecht der Informationsfreiheit schon nach geltendem Recht auf diese Weise aktiviert, so dass bestimmte der in den Händen der Verwaltung befindlichen Informationen von dem Grundrecht der Informationsfreiheit bereits jetzt erfasst werden. Das betrifft nicht nur die nach Maßgabe des UIG zugänglichen Informationen über die Umwelt und die nach Maßgabe der vier bereits geltenden Landesinformationsfreiheitsgesetze zugänglichen Informationen, sondern auch die auf Grund besonderer Auskunftsrechte einsehbaren Informationen wie bspw. des Handelsregisters (§ 9 Abs. 1 HGB) und der Grundbücher (§12 GBO). 32 Dass insofern ein nach Anspruchsgegenstand, vor allem aber auch nach der Rechtslage im jeweiligen Bundesland differenzierter Grundrechtsschutz besteht, ist keine rechtfertigungsbedürftige oder gar verfassungswidrige 33 Besonderheit, sondern vielmehr Folge der Trennung von Grundrechtsgewährleistung auf der einen Seite und Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf der anderen Seite und somit Ausdruck der bundesstaatlichen Ordnung: „Im Bundesstaat müssen die Länder die ihnen zur Regelung vorbehaltene Materie nicht notwendig einheitlich ordnen." 34 Auch bei anderen normativen Grundrechten führt die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf Bund und Länder zu unterschiedlichen Grundrechtsgewährleistungen, wie insbesondere an den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Art. 14 GG deutlich wird, die ebenfalls maßgeblich durch - zum Teil eben unterschiedliches - Landesrecht geprägt werden. Und selbst bei den Grundrechten, deren Schutzbereich nicht einer gesetzlichen Ausgestaltung bedarf, hängt die Reichweite des Grundrechtsschutzes regelmäßig von den beschränkenden Gesetzen
30 Die Ausübung des Bestimmungsrechts meint hier allein die (positive) Entscheidung, Informationen für die Allgemeinheit zugänglich zu machen. Die Entscheidung, Informationen gerade nicht für die Allgemeinheit zugänglich zu machen, steht insofern der Nichtausübung des Bestimmungsrechts gleich. 31 Im Ergebnis auch BVerfGE 103, 40 (60 f.), vgl. zuvor auch schon BVerfG, NJW 2001, S. 503 (504): „ ... wird die Zugänglichkeit konstituiert, aber nicht im Rechtssinne begrenzt.'4 A.A. Scherzberg, ThürVBl. 2003, S. 193 (199 f.), der aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG ein subjektives Recht gegen die Exekutive auf Herstellung des ihr von der Verfassung abverlangten Informationszugangs ableitet. 32 Ausdrücklich insoweit BVerfG, NJW 2001, S. 503 (504): „Soweit der Staat in der Grundbuchordnung die Voraussetzungen der Einsichtnahme festlegt, wird die Zugänglichkeit konstituiert, aber nicht im Rechtssinne begrenzt." 33 Die Bindung der staatlichen Gewalten an Art. 3 GG besteht grundsätzlich nur im konkreten Zuständigkeitsbereich des jeweils handelnden Rechtsträgers. Vgl. bspw. BVerfGE 21, 54 (68); 76 1 (73). 34 BVerfGE 16,6(24).
216
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
des Bundes und der Länder ab, so dass auch hier kein bundeseinheitlicher Grundrechtsschutz gewährt wird.
2. Aktivierung
des Grundrechts auf Informationsfreiheit
durch die Gesetzgeber
So überzeugend die vom Bundesverfassungsgericht deutlich herausgearbeitete Konstruktion der Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit von staatlichen Informationen in Bezug auf die im GVG geregelte Gerichtsöffentlichkeit auch scheint, so viele Fragen lässt sie in Bezug auf die durch Informationsfreiheitsgesetze normierte Verwaltungsöffentlichkeit doch offen. Zu klären ist insbesondere, in welchem Umfang das Grundrecht der Informationsfreiheit durch gesetzlich normierte Zugangsansprüche aktiviert wird und welche Bedeutung dieser Aktivierung zukommt.
a) Umfang der Grundrechtsaktivierung Was die Reichweite der Grundrechtsaktivierung betrifft, so dürfte zunächst einmal Klarheit darüber herrschen, dass die Grundrechtsaktivierung nicht weiter reichen kann als das durch die Kompetenzordnung begrenzte Bestimmungsrecht des jeweiligen Gesetzgebers (aa). Unklar ist dagegen aber vor allem, in welchem Umfang der grundrechtliche Schutzbereich der Informationsfreiheit von Informationsfreiheitsgesetzen aktiviert wird. Denn die Informationsfreiheitsgesetze normieren nicht nur einen grundsätzlichen Anspruch auf Zugang zu Informationen öffentlicher Stellen, sondern sehen eben auch zahlreiche Ausnahmen und Beschränkungen von diesem Zugangsanspruch vor. Fraglich ist deshalb, ob der Schutzbereich der Informationsfreiheit schon durch den grundsätzlichen Zugangsanspruch (bb) oder nur nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen (cc) aktiviert wird. 35
aa) Bestimmungsrecht als äußerste Grenze der Grundrechtsaktivierung Setzt die Bestimmung der Zugänglichkeit von Informationen ein entsprechendes Bestimmungsrecht voraus, wirkt die Reichweite dieses Bestimmungs-
35 Auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene ist die Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 255 EGV umstritten, gewährt dieser das Recht auf Zugang doch nur „vorbehaltlich der Grundsätze und Bedingungen, die nach den Absätzen 2 und 3 festzulegen sind." Vgl. hierzu Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 367 f., m.w.N. auch aus der Rechtsprechung.
Α. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
217
rechts zugleich als äußerste Grenze der Grundrechtsaktivierung. Eine ohne entsprechendes Bestimmungsrecht vorgenommene Bestimmung über Art und Umfang der Zugänglichkeit von Informationen ist unbeachtlich. In Bezug auf staatliche Informationsquellen aktualisieren sich insofern sowohl die vertikalen als vor allem auch die horizontalen Kompetenzgrenzen der einzelnen Gesetzgeber. Selbst wenn ein Informationsfreiheitsgesetz also bspw. unter Missachtung des verfassungsrechtlich geschützten Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung den Zugang zu Informationen aus diesem Bereich gestatten sollte, unterfiele dieser Anspruch nicht dem Grundrecht der Informationsfreiheit. Gleiches gilt für die Überschreitung der Verbandskompetenzen. Der in einem Bundesgesetz gewährleistete Zugang zu Informationen einer Landesverwaltung unterfiele nicht dem grundrechtlichen Schutz durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG. 36
bb) Alleinige Berücksichtigung anspruchsbegründender
Voraussetzungen
Was nun die Bestimmung des von Informationsfreiheitsgesetzen eröffneten Schutzbereichs des Grundrechts der Informationsfreiheit betrifft, so spricht Einiges dafür, insofern schon und allein auf den allgemeinen und voraussetzungslosen Informationszugangsanspruch abzustellen und die in den Gesetzen gleichfalls vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen bei der Bestimmung des Schutzbereichs außer Acht zu lassen. Denn diese Interpretation trägt dem gesetzgeberischen Anliegen in besonderem Maße Rechnung, das bisherige Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis zwischen Opazität und Publizität der Verwaltungsinformationen auf den Kopf zu stellen. Wenn durch die Gewährleistung eines voraussetzungslosen Anspruchs nicht mehr der zugangsbegehrende Private, sondern die zugangsverwehrende Verwaltung begründungspflichtig sein soll, dann erscheint es nur konsequent, sämtliche Informationen der öffentlichen Verwaltung als allgemein zugängliche Quellen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG zu begreifen und die gesetzlichen Ausnahmen und Beschränkungen als (rechtfertigungsbedürftige) Schranken dieses Grundrechts zu qualifizieren. Bei diesem Verständnis käme der Aktivierung des Grundrechts der Informationsfreiheit weitreichende Bedeutung zu, denn jede Verweigerung des Informationszugangs stellte sich dann als begründungspflichtiger Grundrechtseingriff dar, der nach Erschöpfung des Rechtswegs auch vor dem Bundesverfassungsgericht gerügt werden könnte.
36 Zu der insofern problematischen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass des UIG vgl. Roger, UIG, § 2, Rn. 15 ff.
218
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
cc) Berücksichtigung und -begrenzenden
auch der
anspruchsausschließenden
Voraussetzungen
Auf der anderen Seite zeigt ein näherer Blick in die bereits erlassenen bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetze, dass die jeweiligen Gesetzgeber keinesfalls alle Informationen der öffentlichen Verwaltung allgemein zugänglich machen wollen. Sie nehmen vielmehr bestimmte Informationen von dem Zugangsanspruch aus, wobei sie sich unterschiedlicher Regelungstechniken bedienen. Für einen Teil der Informationen wird der Anspruch schon tatbestandlich ausgeschlossen („Der Anspruch besteht nicht..."), fiir einen anderen Teil wird eine negative Bescheidung des Anspruchs vorgegeben („Der Anspruch ist abzulehnen..."), empfohlen („Der Antrag soll abgelehnt werden...") oder ermöglicht („Der Anspruch kann abgelehnt werden..."). Es würde den gesetzgeberischen Willen in unzulässiger Weise verkürzen, blendete man solche anspruchsausschließenden bzw. anspruchsbegrenzenden Regelungen bei der Frage aus, ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, die Allgemeinzugänglichkeit von Informationen der öffentlichen Verwaltung zu bestimmen. Wenn Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG zur Ermittlung der Allgemeinzugänglichkeit von Informationsquellen neben der objektiven Eignung auch auf die subjektive Bestimmung rekurriert und in Bezug auf staatliche Informationsquellen somit ein normatives Element enthält, weil der staatliche Wille eben regelmäßig in rechtlichen Formen geäußert wird, dann wird dieses normative Element durch eine Gesamtschau aller gesetzlichen Bestimmungen, nicht aber durch eine bestimmte gesetzliche Norm ausgefüllt. Eine Unterscheidung zwischen gesetzlichen Regelungen, die in Ausübung des Bestimmungsrechts die Allgemeinzugänglichkeit einer staatlichen Informationsquelle anordnen, und solchen, die diese beschränken, erscheint nicht möglich. Mit dem Erlass von Informationsfreiheitsgesetzen bestimmt der Gesetzgeber Inhalt und Schranken der Allgemeinzugänglichkeit zugleich, um die Parallele zu dem normativ geprägten Grundrecht der Eigentumsfreiheit zu ziehen, bei dem eine strikte Unterscheidung zwischen den inhaltsbestimmenden und grundrechtsbegrenzenden Regelungen ebenfalls nicht möglich ist. 37 Die Auffassung, dass die grundrechtliche Informationsfreiheit nur nach Maßgabe aller Bestimmungen eines Informationsfreiheitsgesetzes aktiviert wird, wird im Übrigen auch durch die vom Bundesverfassungsgericht in seiner 37
Str., ebenso aber bspw. Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 14, Rn. 51 m.w.N. Der von Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 211 (224), entwickelte Gedanke einer zeitlichen Differenzierung von ursprünglicher Inhaltsbestimmung und späteren Schranken ließe sich möglicherweise auch auf die Ausübung des Rechts zur Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit staatlicher Informationsquellen übertragen.
Α. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
219
Entscheidung zur Medienöffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen gewählten Formulierung bestätigt, nach der der Schutzbereich der Informationsfreiheit „erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem Umfang" betroffen sein kann.38 Bereits zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf § 12 Abs. 1 GBO festgestellt, dass die Zugänglichkeit des Grundbuchs konstituiert wird, soweit der Staat in der Grundbuchordnung die Voraussetzungen der Einsichtnahme festlegt. 4'39 Dass das Bundesverfassungsgericht bei der Eröffnung des Schutzbereichs so deutlich auf den „Umfang" rekurriert, in dem der Gesetzgeber eine Informationsquelle für die Allgemeinheit öffnet, spricht eindeutig dafür, auch die anspruchsbeschränkenden und -ausschließenden Voraussetzungen in die Bestimmung des grundrechtlichen Schutzbereichs einzubeziehen. Das gilt insbesondere auch für die gesetzlichen Abwägungsvorbehalte, die der Verwaltung im Einzelfall einen (wenn auch nicht unkontrollierbaren) Entscheidungsspielraum überlassen. Denn mit der Einräumung eines solchen Entscheidungsspielraums delegiert der Gesetzgeber zugleich die Ausübung seines Bestimmungsrechts an die Verwaltung. Natürlich ist nicht zu übersehen, dass die Einbeziehung auch anspruchsausschließender bzw. -beschränkender Voraussetzungen in die Bestimmung des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG die Bedeutung der grundrechtlichen Aktivierung erheblich reduziert. Denn im Ergebnis führt diese Betrachtung dazu, dass erst die von den Informationsfreiheitsgesetzen stets vorgesehene Abwägung zwischen dem grundsätzlichen Informationszugangsanspruch und einem solchen entgegenstehenden öffentlichen bzw. privaten Belangen über die Eröffnung des Schutzbereichs entscheidet. Die von Informationsfreiheitsgesetzten bewirkte grundrechtliche Aktivierung scheint damit praktisch irrelevant zu sein. Denn sofern ein Antrag auf Informationszugang Erfolg hat, ist es für den Antragsteller unerheblich, ob dieser Anspruch zusätzlich durch das Grundrecht der Informationsfreiheit gestützt wird oder nicht, und sofern er keinen Erfolg hat, kann sich der Antragsteller nicht auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG berufen, weil dessen Schutzbereich eben nicht eröffnet ist. Namentlich Scherzberg vertritt deshalb auch die Auffassung, dass ein derart weit verstandenes Bestimmungsrecht des Gesetzgebers das Grundrecht der Informationsfreiheit im Ergebnis unter einen Ausgestaltungsvorbehalt stellt, der in einen Wertungswiderspruch zu dem Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG tritt. 40 Diese Überlegung verdient Zustimmung, wenn man mit Scherzberg davon ausgeht, dass dem Gesetzgeber überhaupt kein Recht zur Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit von Informationen zustehe, weil sich diese schon unmittel-
38 39 40
BVerfGE 103, 44 (60); Hervorhebung durch M.R. BVerfG, NJW 2001, S. 503 (504); Hervorhebung durch M.R. So aber Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 340.
220
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
bar aus der Verfassung, namentlich aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip, ergebe. Folgt man dieser Auffassung aber nicht und räumt dem Gesetzgeber dagegen ein umfassendes Bestimmungsrecht ein, so spielt der Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG für die Ausübung des Rechts keine Rolle. Seine Bedeutung erschöpft sich in der Begrenzung staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten auf private Informationsquellen. Die bloße Ausübung des staatlichen Bestimmungsrechts stellt sich dagegen regelmäßig nicht als Eingriff in das Grundrecht der Informationsfreiheit dar, 41 so dass die in Art. 5 Abs. 2 GG normierten Schranken überhaupt nicht zur Anwendung kommen.
b) Bedeutung der Grundrechtsaktivierung Trotz der Einbeziehung der anspruchsausschließenden und -beschränkenden Voraussetzungen in die Bestimmung des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG bleibt die mit dem Erlass von Informationsfreiheitsgesetzen verbundene Aktivierung des Grundrechts der Informationsfreiheit nicht ohne Bedeutung. Sie bewirkt eine Bindung der Verwaltung an die Informationsfreiheit (aa), führt zu einer Subjektivierung der Öffentlichkeit der Verwaltung (bb) und zieht schließlich Rückwirkungen auf die Informationsfreiheitsgesetze nach sich, die deren Auslegung beeinflussen können (cc).
aa) Bindung der Verwaltung
an das Grundrecht
der Informationsfreiheit
Die mit der Ausübung des Bestimmungsrechts durch die Gesetzgeber einhergehende Aktivierung der Informationsfreiheit hat zur Folge, dass die Verwaltung bei der Anwendung der Informationsfreiheitsgesetze nicht nur an die gesetzlichen Vorgaben, sondern zusätzlich an Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG gebunden ist. Eine solche Bindung steht nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass die Verwaltung bei der Wahrnehmung des ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Entscheidungsspielraums nur von dem ihr übertragenen Recht zur Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit von Informationen Gebrauch macht, dessen Ausübung gerade nicht als Eingriff in das Grundrecht der Informationsfreiheit zu werten ist. Vielmehr ist insofern eine Unterscheidung geboten: Stellt sich das Verwaltungshandeln als Ausübung des an sie übertragenen Bestimmungsrechts dar, entfaltet Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG in der Tat kaum beschränkende Wirkungen. Immerhin ermöglicht er auch in diesen Fällen aber eine Kontrolle, ob
41
BVerfGE 103, 44 (60 f.).
Α. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
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die Verwaltung das an sie delegierte Bestimmungsrecht im Sinne des Gesetzgebers ausgeübt hat. Beruht das Verwaltungshandeln dagegen auf solchen gesetzlichen Regelungen, mit denen der Gesetzgeber das ihm zustehende Bestimmungsrecht abschließend ausüben wollte, ist die Verwaltung an Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG gebunden. Diese Konsequenz der gesetzlichen Aktivierung der Informationsfreiheit scheint auch das Bundesverfassungsgericht im Auge zu haben. Denn nach seiner Auffassung umfasst das Grundrecht der Informationsfreiheit „ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang in Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle auf Grund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber verweigert." 42 Zwar lässt diese recht abstrakt gehaltene Formulierung die Rollenverteilung zwischen grundrechtsaktivierendem Gesetzgeber und grundrechtsgebundener Verwaltung nicht deutlich erkennen, doch werden „rechtliche Vorgaben" in der Regel vom Gesetzgeber erlassen und von der Verwaltung, hier umfassend als „Staat" bezeichnet, angewendet. Die Grundrechtsaktivierung bewirkt also auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass sich jeder Verstoß gegen den Zugang zu staatlichen Informationen regelndes einfaches Recht zugleich als Eingriff in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG darstellt. In inhaltlicher Hinsicht darf diese zusätzliche Bindung der Verwaltung freilich nicht überschätzt werden. Denn die Grundrechtsaktivierung erfolgt ja eben nur in dem vom Gesetzgeber angeordneten Maße, so dass sich Gesetzesbindung und Grundrechtsbindung inhaltlich vollständig decken. Letztlich führt die Aktivierung der Informationsfreiheit durch die gesetzliche Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit staatlicher Informationsquellen also nur zu einer Veränderung des Grundrechtsmaßstabs für die gemäß Art. 1 Abs. 3 GG ja auch ohne solche Aktivierung grundrechtsgebundene Verwaltung: An die Stelle der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit tritt für den Bereich des Zugangs zu staatlichen Informationen nun die von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG geschützte Informationsfreiheit. Denn wie sonst Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht 43 und durch die h.M. 44 vor allem bewirkt, dass die in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Bindung sämtlicher staatlicher Gewalt an die verfassungsmäßige Ordnung grundrechtlich abgesichert wird, kommt diese Funktion im Bereich des Zu42
BVerfGE 103,44(60). St. Rspr., vgl. bspw. BVerfGE 6, 32 (40); 10, 354 (360); 70, 1 (25); 75, 108 (146); 80, 137 ( 1 5 7 ) - m . abw. M. Grimm, 167 ff. 44 Vgl. zsfd. Erichsen, in: HStR, Bd. VI, § 152, Rn. 1; neuere Stimmen berücksichtigend etwa auch Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 2, Rn. 12 u. 19 f; jeweils m.w.N. 43
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
gangs zu staatlichen Informationen nun dem Grundrecht der Informationsfreiheit zu. Dem Bürger ist damit die Möglichkeit eröffnet, jede rechts- und verfassungswidrige Informationsverweigerung notfalls mit der Verfassungsbeschwerde geltend zu machen. Inzident kann er dabei insbesondere auch die kompetenzwidrige Beschränkung des Informationszugangs überprüfen lassen. Insgesamt ist aber auch die Möglichkeit, etwaige Verstöße gegen die gesetzlichen Zugangsbestimmungen notfalls mit der Verfassungsbeschwerde angreifen zu können, in ihrer Bedeutung zu relativieren. Denn zum einen ist wegen der skizzierten Kongruenz der Bindungsmaßstäbe regelmäßig damit zu rechnen, dass schon die Fachgerichte für eine gesetzes- und damit auch grundrechtskonforme Zugangspraxis der Verwaltung sorgen. Und zum anderen ist zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht zugangsverwehrende Entscheidungen der Verwaltung und diese bestätigende Gerichtsentscheidungen weniger an Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG als vielmehr an den diesen aktivierenden und konkretisierenden gesetzlichen Bestimmungen prüfen müsste, was es weder will noch darf. Vielmehr ist das Bundesverfassungsgericht bei Verfassungsbeschwerden regelmäßig auf die Prüfung der Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht beschränkt. Es könne im Falle eines verweigerten Informationszugangs eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG also nur dann feststellen, wenn die Bedeutung des Grundrechts bei der (gerichtlichen) Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt wurde oder der Zugang zu Informationen willkürlich verweigert wurde.
bb) Subjektivierung
der Öffentlichkeit
der Verwaltung
Trotz ihrer nur eingeschränkten Bedeutung ist mit der Möglichkeit, zugangsverweigernde Entscheidungen der Verwaltung notfalls mit der Verfassungsbeschwerde rügen zu können, zugleich die besondere Konsequenz der Grundrechtsaktivierung durch Informationsfreiheitsgesetze angesprochen, die auf einer tieferen Ebene zu suchen ist: Die mit der Ausübung des Rechts zur Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit von Informationen einhergehende Aktivierung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG bewirkt in erster Linie eine Subjektivierung der dieserart angeordneten Öffentlichkeit der Verwaltung. Sicherlich erschließt sich diese vorrangige Bedeutung der Aktivierung des Grundrechts der Informationsfreiheit insbesondere dann nicht unmittelbar, wenn man den Blick allein auf die Informationsfreiheitsgesetze richtet. Denn diese Gesetze bewirken die Herstellung der Öffentlichkeit der Verwaltung ja gerade durch die Einräumung eines subjektiven öffentlichen Rechts, so dass es einer zusätzlichen grundrechtlich bewirkten Subjektivierung nicht unbedingt bedarf. Schon ein Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Medienöffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen verdeutlicht aber die
Α. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
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durchaus hervorgehobene Bedeutung dieser Subjektivierung: Hier führt die grundrechtliche Aktivierung der Informationsfreiheit zur Subjektivierung der primär objektiv-rechtlichen Aussage des § 169 S. 1 GVG: „Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich." Denn allein aus dieser Norm ließ sich vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach h.M. kein subjektives Recht auf Teilnahme an Gerichtsverhandlungen entnehmen.45 Zur Begründung eines solches Rechts bedurfte es vielmehr stets des Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK. 46 Insofern wirkt die mit der Aktivierung der Informationsfreiheit einhergehende Subjektivierung des Art. 169 GVG nicht nur deklaratorisch, sondern durchaus auch konstitutiv. Diese Wirkung wird zudem dadurch unterstrichen, dass mit der Aktivierung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG ein verfassungsrechtliches subjektives Recht begründet wird, während das von Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK gewährte subjektive Recht nach h.M. entsprechend dem Rang des Ratifizierungsgesetzes nur einfach-gesetzlicher Natur ist. 47 Die durch die grundrechtliche Aktivierung bewirkte Transformation von objektiven Rechtssätzen in subjektive Rechtspositionen hat somit zur Folge, dass der Einzelne auch dann einen Anspruch auf Zugang zu Informationen der staatlichen Verwaltung hätte, wenn der Gesetzgeber die Öffentlichkeit der Verwaltung „nur" in einer objektiv-rechtlichen Norm anordnen würde. Auch dann richtete sich der Umfang des Informationszugangsanspruchs aber nach den näheren gesetzlichen Bestimmungen, denn, dies sei noch einmal betont, die Aktivierung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG erfolgt nur in dem Maße, in dem der Bestimmungsberechtigte die Allgemeinzugänglichkeit der Informationen anordnet.
45 Vgl. Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, Zivilprozessordnung und Nebengesetze, Großkommentar, § 169 GVG, Rn. 3, m.w.N.; Wolf, in: Lüke/Walchshöfer, Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 169 GVG, Rn. 6; Gummer, in: Zöller, ZPOKommentar, § 169 GVG, Rn. 1. 46 Vgl. bspw. BVerwG, DÖV 1984, S. 889; ausführlich Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. 6, Rn. 117. Zum Zusammenspiel von § 169 GVG und Art. 6 Abs. 1 S. 1 S. 1 EMRK s. Wolf, in: Lüke/Walchshöfer, Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 169 GVG, Rn. 6. 47 Vgl. bspw. BVerfGE 74, 358 (370) m.w.N.; K.Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5 Rn. 11; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Vorb. Art. 119 Rn. 79; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1625; a.A. etwa A. Bleckmann, EuGRZ 1994, S. 149 ff.; differenzierend N. Sternberg, Der Rang von Menschenrechtsverträgen im deutschen Recht unter besonderer Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 2 GG, S. 219 ff.
224
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
cc) Rückwirkungen
Die Aktivierung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG durch den Gesetzgeber bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die das Grundrecht aktivierenden gesetzlichen Bestimmungen. Denn in dem Maße, in dem ein Informationszugangsantrag nun vom Schutzbereich des Grundrechts der Informationsfreiheit erfasst wird, weil er sich auf staatliche Informationen bezieht, die zur Unterrichtung der Allgemeinheit geeignet und bestimmt sind, in diesem Maße spricht der in der Antragstellung liegende Grundrechtsgebrauch grundsätzlich für die Stattgabe des Antrags, die nur ausnahmsweise verweigert werden darf. Die Aktivierung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG kann also die Auslegung der die Allgemeinzugänglichkeit anordnenden Gesetze beeinflussen. Auch diese potentiellen Rückwirkungen dürfen in ihrer Bedeutung allerdings nicht überschätzt werden. Denn noch einmal ist in Erinnerung zu rufen, dass der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG nur in dem Maße aktiviert wird, in dem der (zuständige) Gesetzgeber staatliche Informationen tatsächlich allgemein zugänglich machen will. Bei der Bestimmung des Schutzbereichs sind deshalb gerade auch die anspruchsausschließenden und »beschränkenden Voraussetzungen zu berücksichtigen. Mindestens in den Fällen, in denen der Gesetzgeber den Ausschluss des Zugangsanspruchs verbindlich anordnet, können die Rückwirkungen mangels Eröffnung des grundrechtlichen Schutzbereichs somit gar nicht erst entstehen. In den Fällen dagegen, in denen der über die konkreten Zugangsanträge entscheidenden Verwaltung vom Gesetzgeber ein Entscheidungsspielraum eingeräumt wird, kann die grundrechtliche Aktivierung die Ausübung dieses exekutiven Entscheidungsspielraums beeinflussen. Entsprechend der bereits skizzierten Kongruenz von Grundrechtsbindung und Gesetzesbindung verstärkt die Aktivierung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG also die gesetzlichen Vorgaben für die Ausübung des an die Verwaltung übertragenen Rechts, über die Allgemeinzugänglichkeit von Informationen zu entscheiden. Diese Katalysator-Wirkung betrifft insbesondere das Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis von Zugangsgewährleistung zur Zugangsverweigerung: Selbst wenn es in den Gesetzen selbst nicht immer hinreichend zum Ausdruck kommen sollte, folgt aus der Aktivierung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG, dass der Zugangsanspruch im Zweifel weit und etwaige Ausnahmen eng auszulegen sind. In dogmatischer Hinsicht sind diese Rückwirkungen von dem aktivierten Grundrecht auf die aktivierenden Gesetze zu unterscheiden von den Wechselwirkungen, die das Bundesverfassungsgericht zwischen den verschiedenen Grundrechtsgehalten des Art. 5 Abs. 1 GG und den diese gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkenden Gesetzen ausgemacht hat.48 Nach dieser Wechsel-
Α. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
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wirkungslehre müssen „die allgemeinen Gesetze [...] in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Licht der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, dass der besondere Wertgehalt dieses Rechts [...] auf jeden Fall gewahrt bleibt." 49 Die Wechselwirkungslehre betrifft damit das Verhältnis des grundrechtlichen Schutzbereichs zu seinen möglichen Schranken. Seine Auslegungsvorgaben bezieht diese Lehre aus der besonderen Bedeutung des Grundrechts. Dagegen entfalten sich die hier beschriebenen Rückwirkungen allein auf der Ebene des Schutzbereichs. Ihre Auslegungsvorgaben folgen aus den Entscheidungen des Gesetzgebers. In funktionaler Hinsicht freilich weisen Wechselwirkungen auf der einen Seite und Rückwirkungen auf der anderen Seite erhebliche Ähnlichkeiten auf, beeinflussen sie doch beide die Auslegung von Gesetzen durch die Verwaltung und durch die Rechtsprechung.
II. Modifizierung geheimnisschützender Grundrechte Eine allgemeine Informationszugangsfreiheit aktiviert nicht nur das Grundrecht der Informationsfreiheit, sondern modifiziert auch die geheimnisschützenden Grundrechte. Unter diesem Begriff sollen insbesondere das aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie die Art. 12 und 14 GG, soweit sie Berufs- und Geschäftsgeheimnisse schützen, verstanden werden. Darüber hinaus werden alle Grundrechtsgehalte erfasst, die als Hauptziel oder als Reflex bestimmte Informationen ihrer Träger vor einem ungehinderten Zugriff schützen. Dabei ist zu betonen, dass sich die Modifizierungen der geheimnisschützenden Grundrechte grundsätzlich nicht auf das Abwehrverhältnis zwischen dem grundrechtsberechtigten Bürger und dem informations erhebenden Staat auswirken. Nach wie vor ist der Staat auf spezielle oder wenigstens generelle Ermächtigungsnormen angewiesen, um an Informationen von oder über Private zu gelangen. Diese Ermächtigungsnormen werden durch die Einführung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit nicht betroffen, so dass das Verhältnis zwischen dem informationsbegehrenden Staat und dem informationsabwehrenden Privaten grundsätzlich unberührt bleibt. Betroffen ist vielmehr das Abwehrverhältnis zwischen dem grundrechtsberechtigten Bürger und dem informations überlassenden Staat. Denn durch die
48 St. Rspr. seit BVerfGE 7, 198 (208 f.); vgl. z.B. BVerfGE 12, 113 (124 f.); 20, 162 (176 f.); 24, 278 (282); 60, 234 (240); 61, 1 (10 f.); 71, 206 (214). 49 BVerfGE 7, 198 (208).
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
allgemeine Zugangsfreiheit zu Informationen bei der Verwaltung steht Privaten nun grundsätzlich die Möglichkeit offen, mittelbar, nämlich über den Staat, an Informationen über private Dritte zu gelangen, die sie unmittelbar von diesen nicht erhalten haben oder nicht erhalten würden. Dass solche Informationen über Dritte vom Zugangsanspruch grundsätzlich ausgenommen sind, ist bereits betont worden. Allerdings führt die Öffnung der Eingangstür, um im Bild des Hauses zu bleiben, zu so viel Gedränge auf den Fluren, dass die Türen der Gästezimmer nicht immer verschlossen bleiben, sondern auf Druck der interessierten Besucher von den Hausangestellten zum Teil doch geöffnet werden und dabei Einblicke in das Leben der derzeitigen Gäste ebenso zulassen wie in das früherer Gäste - Einblicke, die diese nicht zulassen oder jedenfalls doch von ihrer Zustimmung abhängig machen wollen. Das Bild verdeutlicht, dass die Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit die geheimnisschützenden Grundrechte unmittelbar nicht modifiziert. Der Einlass an der Haustür berechtigt nicht zum Zugang zu den Gästezimmern. Vielmehr determinieren diese Grundrechte gerade umgekehrt die Ausgestaltung der Informationszugangsfreiheit 50 und sind unter anderem dafür verantwortlich, dass sich das Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit sehr viel weniger vom Grundsatz der Informationszugangsfreiheit unterscheidet, als dies auf den ersten Blick den Anschein hat.51 Zugleich zeigt das Bild, das eine allgemeine Informationszugangsfreiheit mittelbar sehr wohl Auswirkungen auf die geheimnisschützenden Grundrechte entfaltet, die zu ihrer tendenziellen Schwächung führen. Bei normativer Betrachtung lassen sich drei Ursachen für die tendenzielle Relativierung der geheimnisschützenden Grundrechte ausmachen: Die Stärkung der einsichtsbegründenden Belange (1), die mögliche, zu einer Umkehr der Darlegungslasten führende Änderung der Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (2) sowie die Schwächung des datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatzes (3).
/. Verstärkung
zugangsbegründender Belange
Die mögliche Schwächung der geheimnisschützenden Grundrechte resultiert nicht aus einer Begrenzung ihrer Schutzbereiche und auch nicht aus einer Ausdehnung der diese begrenzenden Schranken. Sie folgt vor allem aus den veränderten Rahmenbedingungen für die Abwägung. Denn es besteht die (bereits
50 51
Siehe oben S. 137 f. Siehe oben S. 198 f.
Α. Modifizierung von Grundrechtsgehalten
227
skizzierte) 52 Gefahr, dass die Behörde bei der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Zugangsgewährung und etwaigen Opazitätsinteressen eines betroffenen Dritten das öffentliche Interesse an einem freien Informationszugang in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht „aufwertet." Vorstellbar ist zunächst, dass die Behörde dem (vom Antragsteller geltend gemachten) öffentlichen Zugangsinteresse ein besonders hohes Gewicht beimisst, weil in den Informationsfreiheitsgesetzen der Grundsatz des Informationszugangs betont wird, von dem nur ausnahmsweise abgewichen werden darf Denkbar ist aber auch, dass die Behörde neben dem abstrakten auch noch das konkret-individuelle Informationsinteresse des Antragstellers berücksichtigt, sofern dieses zum Ausdruck gebracht wurde. 53 Möglicherweise wird sie das Informationsinteresse gar als einen „sonstigen Wert von Verfassungsrang" begreifen, sei es, weil die Gesetze und das Schrifttum stets den Bezug eines voraussetzungslosen Informationszugangsrechts zum Demokratieprinzip betonen, sei es, weil ein gesetzliches Informationszugangsrecht das Grundrecht der Informationsfreiheit aktiviert. Und schließlich mag es sein, dass die Behörde das so gewichtete Informationszugangsrecht in Abhängigkeit vom jeweils verfolgten Informationsinteresse noch um ein weiteres materielles Interesse von Verfassungsrang ergänzt, etwa um den Umweltschutz. Um diese Aspekte erweitert, müssen die von geheimnisschützenden Grundrechten umfassten Belange in der Abwägung zwangsläufig oder jedenfalls leichter unterliegen, was ihre Schutzintensität entsprechend mindert. Es soll hier nicht noch einmal ausgeführt werden, dass bei streng normativer Betrachtung die dargestellte Aufwertung des Informationszugangsinteresses nicht zulässig ist.54 Der Grundsatz des freien Informationszugangs erstreckt sich gerade nicht auf grundrechtlich geschützte Informationen Dritter; das konkret-individuelle Informationszugangsinteresse darf grundsätzlich nicht neben dem abstrakten Interesse an der Zugänglichkeit der bei der Verwaltung vorhandenen Informationen berücksichtigt werden; und die Aktivierung des Grundrechts der Informationsfreiheit erfolgt gerade nur in dem von den Informationsfreiheitsgesetzen vorgesehenen Umfang. Allein die zusätzliche Berücksichtigung sonstiger materieller Interessen kann die geheimnisschützenden Grundrechte schwächen, doch hat dies seine Ursache dann weniger in der Gewährleistung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit als vielmehr in der verfassungsrechtlichen Verankerung des betreffenden sonstigen Interesses, etwa des Umweltschutzes in Art. 20a GG.
52 >3 54
Siehe oben S. 171 f. Vgl. zu dieser Problematik oben S. 162 ff. Vgl. insofern oben S. 153 f. und S. 169 f.
228
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Trotz dieser normativen Ausgangslage darf die Prognose gewagt werden, dass es früher oder später mit einer der genannten Begründungen zu einer Gewichtsverlagerung bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung eines freien Informationszugangs und dem Abwehrinteresse eines Dritten kommen wird. 55 Dieser Wandel wird sich zwar nicht von selbst vollziehen, sondern erst durch entsprechende Gerichtsentscheidungen vorangetrieben werden. Er ist aber in den Informationsfreiheitsgesetzen letztlich schon angelegt, weil diese das Informationsverhältnis zwischen Privaten und der Verwaltung bewusst verändern wollen und dabei um so weniger die bei der Verwaltung vorhandenen Informationen von Privaten ausnehmen können, je mehr das Handeln der Verwaltung von einer Kooperation mit Privaten geprägt ist. Mehr Transparenz der Verwaltung heißt unvermeidbar auch mehr Transparenz der Gesellschaft. 56
2. Veränderung der Wirkrichtung
des Verhältnismäßigkeitsprinzips
Die zweite, ebenfalls bereits angedeutete57 Ursache für die tendenzielle Schwächung geheimnisschützender Grundrechte knüpft unmittelbar an die erste an. Die beschriebene mögliche Aufwertung des Informationsinteresses bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungslasten. Grundsätzlich streitet das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprinzip zu Gunsten des eingriffsabwehrenden Dritten, der zwar die Schutzbedürftigkeit der ihn betreffenden Informationen darlegen, die Verweigerung seiner Zustimmung zur Preisgabe aber nicht begründen muss.58 Diese Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips droht sich umzukehren, wenn das öffentlichen Interesse an einem freien Informationszugang von vorneherein als besonders großer Fixwert verstanden wird, der nur ausnahmsweise von privaten Interessen an einer Verweigerung des Informationszugangs aufgewogen werden kann. Im Schrifttum wird - bezogen allerdings auf den Zugangsanspruch nach dem UIG und angereichert insoweit mit dem materiellen und verfassungsrechtlich verankerten Interesse an einem effektiven Um53 Das deutlich zu Gunsten des Informationszugangs ausfallende Verhältnis zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz in Schweden und in den U.S.A. sei hier weniger als Beleg denn als Beispiel genannt. Vgl. zum unterschiedlichen Verhältnis zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz in den U.S.A. einerseits und in der EU andererseits bspw. Frost, EPL 2003, S. 87 ff., sowie Shaffer , ELJ 1999, S. 419 ff. 56 So Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 412 f. 57 Siehe oben S. 171 f. 58 Vgl. zu §30 VwVfG etwa Knemeyer, NJW 1984, S. 2241 (2245); Bonk/Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, §30, Rn. 19; sowie die Nachweise in Fn. 166.
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weltschutz - bereits die Auffassung vertreten, dass die Behörde im Zweifel zu Gunsten des Einsichtsinteresses zu entscheiden hat.59 Darüber hinaus kann die von Informationsfreiheitsgesetzen intendierte Ermöglichung der Verwaltungskontrolle zu einer Veränderung der Darlegungslasten und damit zu einer Modifizierung der Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips führen. Bezogen etwa auf den allgemeinen Auskunftsanspruch der Presse, dem allgemeine Informationszugangsrechte strukturell (und auch funktionell) weitgehend entsprechen, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit auch auf die Darlegung des Informationsinteresses der Einsichtnahme (in ein Grundbuch) zurückwirkt. „Verlangt werden können nur Konkretisierungen, die für die inhaltlich beschränkte Überprüfung des Informationsinteresses [durch die zugangsgewährende Stelle] bedeutsam sind. Dabei ist zu respektieren, dass die Presse regelmäßig auch auf einen bloßen, und sei es auch nur schwachen, Verdacht hin recherchiert, ja dass es geradezu Anliegen einer Recherche ist, einem Verdacht nachzugehen. Bloße Vermutungen sind häufig Ausgangspunkt des Auffindens erheblicher Tatsachen. Ist eine publizistisch geeignete Information zu erwarten, wenn sich die Vermutung als zutreffend erweist, dann ist mit der Darlegung dieser Vermutung auch das Informationsinteresse hinreichend belegt. 4460
Zwar lässt sich diese auf das Presserecht bezogene Reduzierung der Darlegungslast für das Informationsinteresse, die mit einer entsprechenden Erweiterung der Darlegungslast für einem freien Informationszugang entgegenstehende Interessen verbunden ist, nicht ohne weiteres auf das allgemeine Informationszugangsrecht erstrecken. Denn die Informationszugangsfreiheit ist grundrechtlich nicht bzw. nur in dem Maße geschützt, in dem sie auch gesetzlich gewährleistet wird. Gleichwohl lässt diese Entscheidung die Gefahr erkennen, dass das im Mantel eines öffentlichen Kontrollinteresses ausgeübte Informationszugangsrecht die Darlegungslasten im Informationszugangsverhältnis verändern kann. Verursacht wird die mögliche Veränderung des Verhältnismäßigkeitsprinzips schließlich auch durch die Regelungen über ein beschränktes Informationszugangsrecht. Die meisten der bereits erlassenen ebenso wie die entworfenen Informationsfreiheitsgesetze enthalten eine ausdrückliche Regelung, nach der die begehrten Informationen zugänglich zu machen sind, soweit ihnen kei-
59 So - bezogen auf das UIG - etwa Reinhardt, Die Verwaltung 30 (1997), S. 161 (176); unter Verweis auf Scherzberg, DVB1. 1994, S. 733 (737); Schomerus, ZUR 1994, S. 226 (229). 60 BVerfG, NJW 2001, S. 503 (505 f.).
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
ne Geheimhaltungsgründe entgegenstehen.61 Andere Gesetze bringen diesen Grundsatz des beschränkten Informationszugangs in den einzelnen Ausnahmebestimmungen selbst zum Ausdruck. 62 Nach dem Wortlaut dieser Regelungen darf die Behörde sich zur Verweigerung eines Zugangsantrags nicht pauschal auf einen Ausschlussgrund berufen, sondern muss für jede beantragte Information einzeln prüfen, ob sie offenbart werden darf oder nicht. Der grundrechtlich gebotene Vorrang der geheimnisschützenden Grundrechte geht nach dem jeweiligen Gesetzeswortlaut somit nicht verloren. Allerdings werden die genannten Vorschriften im Schrifttum mitunter als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips charakterisiert. 63 Dies ist mindestens missverständlich. Denn das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprinzip streitet für den zugangsabwehrenden Dritten dafür, möglichst wenig Informationen zugänglich zu machen, während das im Schrifttum bezeichnete Verhältnismäßigkeitsprinzip darauf zielt, möglichst viele Informationen zugänglich zu machen. Mögen diese unterschiedlichen Perspektiven im Einzelfall auch zu dem gleichen Ergebnis, zu dem gleichen Maß an Informationsoffenbarung führen, bewirken sie doch eine unterschiedliche Verteilung der Darlegungslasten: Nach dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip muss der Staat nachweisen, warum eine Beeinträchtigung der geheimnisschützenden Grundrechte erforderlich ist. Drehte sich die Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips um, hätte der Dritte darzulegen, warum ein Schutz seiner Informationen erforderlich ist. Dies widerspricht dem grundsätzlichen Verständnis von den Grundrechten als Abwehrrechten und dem Sinn und Zweck des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips, der auf eine Minimierung staatlicher Eingriffe in grundrechtlich geschützte Freiheitsbereiche gerichtet ist. Betont sei, dass eine solche Veränderung der Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Schrifttum - soweit ersichtlich - nicht vertreten wird. Insbesondere Schock und Kloepfer weisen nachdrücklich darauf hin, dass ein unmittelbare Informationszugang nicht stattfinden kann, wenn geheimhaltungsbedürftige Informationen nicht ausreichend geschützt werden können.64 Gleichwohl schürt die verwendete Terminologie, schürt der Verweis auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip bzw. das Übermaßverbot die Gefahr, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzips in der Rechtsanwendung durch die Verwaltungen und in der Rechtsprechung der Gerichte nicht zu Gunsten des eingriffsabweh-
61
Vgl. § 12 IFG-Bln; § 6 Abs. 2 AIG-Bbg; § 14 IFG-SH; § 9 IFG-ProfE; § 4 Abs. 2 UIG. 62 Vgl. bspw. § 8 u. § 9 IFG-NW: „Der Antrag ... ist abzulehnen, soweit ..." (Hervorhebung durch M.R.). 63 Deutlich etwa Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 9, Rn. 8 f. 64 Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 9, Rn. 11 ff.
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renden Dritten, sondern zu Gunsten des zugangsbegehrenden Antragstellers und das heißt im Ergebnis zu Gunsten der grundrechtsbeeinträchtigenden Verwaltung verwendet wird. Verstärkt wird die Gefahr dadurch, dass in Bezug auf den teilweisen Informationszugang nicht hinreichend deutlich zwischen entgegenstehenden öffentlichen Belangen und entgegenstehenden privaten Belangen unterschieden wird. Weil das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprinzip in der Abwägung mit entgegenstehenden öffentlichen Belangen keine Anwendung findet, kann die Behörde den Informationszugang hier tatsächlich soweit gewährleisten, wie öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Wendet sie diesen Maßstab aber auch bei der Abwägung mit entgegenstehenden privaten Belangen an, verkennt und verdreht sie die Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips.
3. Schwächung des Zweckbindungsgrundsatzes
Die von dieser tendenziellen Aufweichung der geheimnisschützenden Grundrechte ausgehenden Gefahr wird durch die Schwächung des datenschutzrechtlichen und letztlich auch grundrechtlich begründeten Zweckbindungsgrundssatzes zusätzlich verstärkt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Volkszählungsgesetz zu Recht hervorgehoben, dass es „unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung kein ,belangloses' Datum mehr" gibt. 65 Die 1983 getroffene Analyse, dass „mit Hilfe der automatischen Datenverarbeitung Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten Person technisch gesehen unbegrenzt speicherbar und jederzeit ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abrufbar sind", 66 gilt für die modernen Informationstechnologien des 21. Jahrhunderts allemal. Sowohl die Speicherkapazitäten als vor allem auch die Vernetzung zwischen den einzelnen Informationsspeichern haben sich derart verbessert, dass der Bürger praktisch nicht mehr wissen kann, „wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß." 67 Hinzu kommt, dass der Informationsbedarf und mit ihm die Informationsmenge der verstärkt kooperativ agierenden Verwaltung ständig gewachsen ist.68 Mit der Verbesserung der Informationstechnologien und der Vergrößerung der abrufbaren Informationsmenge wachsen auch die Gefahren, dass der 65
BVerfGE 65, 1 (45). BVerfGE 65, 1 (42). 67 Vgl. BVerfGE 65, 1 (43). 68 Vgl. hierzu bspw. Voßkuhle, Der Wandel von Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht in der Informationsgesellschaft, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 349 (353 f.) 66
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Bürger nicht mehr selbst entscheiden kann, „ w a n n und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden," 6 9 dass also sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt w i r d . 7 0 Das Datenschutzrecht begegnet diesen Gefahren vor allem m i t einem recht strengen Zweckbindungsgrundsatz. Die öffentliche Verwaltung ist danach keine Informationseinheit, innerhalb derer personenbezogene Daten grundsätzlich frei ausgetauscht werden dürfen. 7 1 Vielmehr dürfen Daten grundsätzlich nur zu dem Zweck verarbeitet werden, zu dem sie auch erhoben wurden. 7 2 E i n voraussetzungsloses Informationszugangsrecht hebt diesen Zweckbindungsgrundsatz grundsätzlich auf. Masing
hat i n diesem Zusammenhang darauf aufmerksam
gemacht, dass die Konzepte des Datenschutzes auf der einen Seite und der Informationszugangsfreiheit auf der anderen Seite „schon v o m Grundsatz her unvereinbar" sind: „ D e r Datenschutz zielt auf die zweckgebundene, die Informationszugangsfreiheit auf die zweckfreie Verarbeitung von Daten." 7 3 Die Durchbrechung des datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatzes durch Informationsfreiheitsgesetze offenbart, dass das Datenschutzrecht auf der einen Seite und die Informationszugangsfreiheit auf der anderen Seite nicht nur von verschiedenen Leitvorstellungen ausgehen, sondern dass ihnen auch unterschiedliche Informationsbegriffe zu Grunde liegen. Das Datenschutzrecht basiert auf dem semantischen Informationsbegriff, der an die (mögliche) Bedeutung von Informationen anknüpft. Um die zum Zeitpunkt und im Kontext ihrer Erhebung bestehende Bedeutung einer Information zu erhalten, schützt das Datenschutzrecht vor dem Zugang zu Daten, wissend, dass ein vermeintlich belangloses Datum in einem anderen Kontext, im Zusammenspiel mit anderen Daten zu neuen Information im semantischen Sinne fuhren kann. Dem Informationszugangsrecht liegt dagegen der pragmatische Informationsbegriff zu Grunde, der die Informationen von der ihnen im Zeitpunkt und im Kontext ihrer Erhebung zukommenden Bedeutung und damit die begriffliche Unterscheidung von Daten und Informationen (im semantischen Sinne) aufhebt. Ein struktureller Vergleich zwischen Datenschutz- und Informationszugangsrecht kann nur gelingen, wenn man beiden Rechtsgebieten den gleichen Informationsbegriff zu Grunde legt. Unterwirft man sie bspw. dem semantischen Informationsbegriff, wird deutlich, dass der Datenschutz auf den Schutz von Informationen zielt 74 und zu diesem Zweck den Datenzugang begrenzt. Demgegenüber zielt das Informationszugangsrecht auf die Genese von Informationen und öffnet zu diesem Zweck den Datenzugang.
69
BVerfGE 65, 1 (42). Vgl. hierzu schon oben S. 138 ff. 71 Simitis, in: ders. (Hrsg.), BDSG, Einl, Rn. 36. 72 Vgl. insb. §§ 14 u. 28 BDSG. Zum Zweckbindungsgrundsatz im Datenschutz vgl. allg. Kloepfer, Informationsrecht, § 3, Rn. 51 u. § 8, Rn. 45 ff. 73 Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 400 f. 74 Vgl. Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 400, der allerdings an Stelle von Informationen von „Informationszusammenhängen" spricht. 70
Β. Modifizierung von Kontrollstrukturen
233
Dieser auch von Masing hervorgehobene prinzipielle Gegensatz zwischen dem Datenschutzrecht und der Informationszugangsfreiheit muss freilich etwas relativiert werden. Denn dem Datenschutz geht es um den Schutz von privaten Informationen, während die Informationszugangsfreiheit primär auf den Zugang zu öffentlichen Informationen zielt. Und soweit sich dieser Zugang auch auf Informationen von oder über Private erstreckt, werden deren Interessen grundsätzlich durch den Vorbehalt ihrer Zustimmung geschützt. Trotz dieser prozeduralen Vorkehrung wird der grundrechtliche Zweckbindungsgrundsatz, darin ist Masing zuzustimmen, durch die Gewährleistung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit relativiert. Denn selbst bei einer Zustimmung des Berechtigten werden die erlangten Informationen von den Privaten jedenfalls nicht zu dem Zweck verwendet, zu dem sie zuvor von den Behörden erhoben wurden. Vor allem aber kann sich die Bedeutung der erlangten Informationen verändern, denn Informationen sind kontextbezogen. Ihre Bedeutung ändert sich in Abhängigkeit vom übrigen Wissen des jeweiligen Informationsnutzers und in Abhängigkeit von dem Zusammenhang, in dem sie stehen.75 Wie sich die Bedeutung eines Wortes aus seinem konkreten Gebrauch in der Sprache und nicht etwa aus der satz-, text- und situationsunabhängigen Beschreibung in einem Wörterbuch ergibt, 76 so folgt auch die Bedeutung von Informationen aus ihrem Gebrauch im jeweiligen Kontext. In einem anderen Kontext gewinnen Informationen eine andere Bedeutung.77 Diese neue und andere Bedeutung bleibt dem Privaten regelmäßig verborgen, weil er nicht weiß und nicht wissen kann, in welchem Kontext die ihn betreffenden Informationen verwendet werden. Mag er eine ihn betreffende Information selbst auch für irrelevant halten und deshalb in ihre Offenbarung einwilligen, kann sie in einem anderen Zusammenhang eine Bedeutung erlangen, bei deren Kenntnis der Private in die Offenbarung auf keinen Fall eingewilligt hätte.
B. Modifizierung von Kontrollstrukturen Neben der Modifizierung von Grundrechten bewirken Informationsfreiheitsgesetze auch eine Modifizierung der Verwaltungskontrolle. Im Unterschied zu den eher reflexartigen Auswirkungen auf die Grundrechtsgehalte sind die Veränderungen der Verwaltungskontrolle sogar erklärtes Ziel der Gesetze.
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Vgl. Druey, MMR 1999, S. 121 (122). Weinrich, Linguistik der Lüge, S. 18. 77 Vgl. etwa Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (168), der daraufhinweist, dass es „Information eigen [ist], dass nicht von vorneherein feststeht, was aus ihr entsteht. Es existieren offene Verwendungs- und Nutzungsmöglichkeiten, und zwar in unendlich vielen Zusammenhängen in Staat und Gesellschaft." 76
234
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Die durch die allgemeine Informationszugänglichkeit hergestellte Öffentlichkeit der Verwaltung soll deren zusätzliche Kontrolle ermöglichen. Mitunter wird die Öffnung des Datenbestandes bei der Verwaltung sogar als eine „unabdingbare Grundvoraussetzung für die Entstehung einer unter zivilgesellschaftlichen Gesichtspunkten erwünschten Kontrollöffentlichkeit' 478 bezeichnet. Ungeachtet ihrer rechtspolitischen Wertung ist diese Aussage jedenfalls insofern zutreffend, als eine Kontrolle ohne Informationen nicht wirksam ausgeführt werden kann.79 Mit der grundsätzlichen Bereitstellung von Informationen erfüllen Informationsfreiheitsgesetze somit nur eine notwendige, nicht aber auch eine hinreichende Voraussetzung für eine effektive Verwaltungskontrolle. Sie stellen nur ein weiteres Instrument für die Kontrolle der Verwaltung zur Verfügung, ohne zugleich Anreize zu schaffen, von diesem Instrument auch Gebrauch zu machen; damit gewährleisten sie also nur die Kontrollierbarkeit, nicht aber die Kontrolle der Verwaltung durch die Öffentlichkeit. 80 Gründe für die Notwendigkeit eines zusätzlichen Kontrollinstruments werden von den Informationsfreiheitsgesetzen, dies sei hier in Erinnerung gerufen, regelmäßig nicht näher spezifiziert. Allein das IFG-SH weist darauf hin, dass die traditionelle Verwaltungskontrolle durch Parlamente und Gerichte an grundlegende Grenzen stoße.81 In der Wissenschaft, insbesondere in den Sozialwissenschaften und in der sozialwissenschaftlich orientierten Rechtswissenschaft, wird der Bedarf nach einem zusätzlichen Kontrollinstrument der Verwaltung dagegen zum Teil ausführlich begründet. 82 Die Kritik am überkommenen System der Verwaltungskontrolle bezieht sich vor allem, wie SchmidtAßmann zusammen gefasst hat,83 auf eine zu starke Ausrichtung auf institutionelle Fremdkontrollen, auf die im Vergleich zu Rechtskontrollen geringe Bedeutung von Wirtschaftlichkeitskontrollen, auf ein primär hierarchisch strukturiertes Kontrollkonzept, auf eine zu geringe Nutzung neuer Informationstechniken sowie auf eine zu statische Behandlung der Kontrollergebnisse. Im Mittelpunkt aller Argumente aber steht die These von der sinkenden Steuerungsfähigkeit des Rechts. Die Verwaltung werde in ihren Handlungen
78
Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (179). 79 Vgl. auch Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./HoffmannRiem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (41). 80 Siehe oben S. 95. 81 Vgl. die Begründung zum IFG-SH, SHLT-Drs. 14/2374, S . U . 82 Vgl. bspw. Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (41) m.w.N.; sowie Lüder, Verwaltungskontrolle aus sozial- und verwaltungswissenschaftlicher Perspektive, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 45 (47 ff). 83 Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9(15).
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immer weniger vom Gesetzgeber programmiert. Durch den Übergang von der Ordnungs- zur Leistungs- und weiter zur Planungsverwaltung, durch die zunehmende Ablösung von Konditionalprogrammen durch Finalprogramme sowie durch den Wechsel vom liberalen zum wohlfahrtsstaatlichen Ordnungsmodell ginge den formellen Gesetzen ihr Entscheidungscharakter zum Teil verloren. 84 Dadurch werde auch das überkommene System der Verwaltungskontrolle betroffen, das in erster Linie auf die gesetzesausführende Eingriffsverwaltung abgestimmt und nur wenig auf die gestaltende Planungsverwaltung ausgerichtet sei. Neue Handlungsformen der Verwaltung erforderten aber auch neue Kontrollinstrumente. Das gelte insbesondere auch für die kooperativen Handlungsformen. 85 Ob und in welchem Umfang neue Handlungsformen der Verwaltung tatsächlich dem überkommenen System der Verwaltungskontrolle entfallen, soll hier nicht näher untersucht werden. Denn festzuhalten ist in jedem Fall, dass sich das neue Kontrollinstrument der Informationszugangsfreiheit nicht auf neue Handlungsformen der Verwaltung beschränkt. Vielmehr knüpft es ausschließlich an die bei der Verwaltung vorhandenen Informationen an, ungeachtet der Frage, ob diese bei der Verwendung alter oder neuer Handlungsformen angefallen sind. Die Informationszugangsfreiheit stellt somit ein umfassendes neues Kontrollinstrument dar, das sich in das überkommene System der Verwaltungskontrolle einbinden muss. Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf die tradierten Kontrollinstrumente bleiben.86
I. Begriff der Verwaltungskontrolle Bevor diese Auswirkungen allgemeiner Informationszugangsfreiheit auf die bestehenden Kontrollinstrumente untersucht werden, muss zunächst geklärt werden, was unter dem Begriff der Verwaltungskontrolle zu verstehen ist.
84 Vgl. hierzu bspw. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 48 ff.; Schuppert, Grenzen und Alternativen von Steuerung durch Recht, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 217 ff. Zur Entwicklung der wissenschaftlichen Befassung mit der Steuerungsfähigkeit von Gesetzen vgl. Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 108 ff. 85 Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (23), zum Bedürfnis von Kontrollformen, die auf das Kooperationsverhältnis zwischen Staat und Bürger abgestimmt sind, S. 30. 86 Vgl. auch Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924 (932): „Mit der allgemeinen Informationszugangsfreiheit ist ein tiefgreifender Wandel der Funktion der Öffentlichkeit verbunden, der auf die Stellung der Verwaltung im System der Gewaltenteilung zurückwirkt. Ein solches Konzept kann zu einem Bedeutungsverlust der vorgesehenen besonderen Kontrollinstanzen führen."
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Der Begriff Kontrolle stammt v o m altfranzösischen Ausdruck contre-rôle 8 7 und stand ursprünglich für die Gegenzeichnung der Rechnungsführung durch eine zweite Person, m i t der die Richtigkeit einer Rechnung bestätigt werden sollte. 88 In diesem Sinne meint Kontrolle also die nachträgliche Überprüfung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts auf seine Übereinstimmung m i t objektiv feststellbaren Tatsachen oder normierten Anordnungen. Heute umfasst der Begriff der Kontrolle darüber hinaus z u m T e i l auch die M i t w i r k u n g an erst künftig zu treffenden Entscheidungen. 89 I n diesem Sinne w i r d er unter Rückg r i f f auf das englische „control" auch von der modernen Begrifflichkeit „controlling" verwendet, die eine Steuerung, Lenkung und Regelung eines Verhaltens impliziert. 9 0 So verstanden, lässt sich Kontrolle als eine kausale Beziehung definieren, bei der die Handlung eines Akteurs durch Präferenzen anderer A k teure hervorgerufen wird. 9 1 Innerhalb dieser durch die etymologischen Wurzeln und sozialwissenschaftlichen Interpretationen gebildeten Pole gibt es in der Rechtswissenschaft keine einheitliche Verwendung des Begriffs Kontrolle. 9 2 Einigkeit besteht nur insoweit, dass bei einer Kontrolle der Ist-Zustand eines Vorgangs oder Ergebnisses mit deren Soll-Zustand, 9 3 dass ein beobachtbarer Sachverhalt m i t einer N o r m
87 Der seinerseits auf den lateinischen Ausdruck „contra rotulus" zurückzuführen ist. Vgl. hierzu Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 4 m.w.N. 88 Schwarze, DVB1. 1974, S. 893 (894) m.w.N. 89 Schwarze, DVB1. 1974, S. 893 (894). 90 S. Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (42); vgl. auch Ossodnik, Die Verwaltung 26 (1993), S. 57 ff. Lüder, Verwaltungskontrolle aus sozial- und verwaltungswissenschaftlicher Perspektive, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 45 (54), weist daraufhin, dass das „Controlling" seinen Ursprung in der Privatwirtschaft hat: „Es bezeichnet ein System der Beschaffung und Bereitstellung von Planungs- und Kontrollinformationen für die Steuerung dezentral organisierter Unternehmen und soll die Ausrichtung der dezentral geführten Einheiten auf die Unternehmensziele sicherstellen." Vgl. auch Wieland, Öffentliche Finanzkontrollen, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 59 (68 f.). 91 So Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39; unter Verweis auf eine Definition von Robert A. Dahl, und mit Hinweis auf die Nähe einer derart verstandenen Kontrolle zum Begriff der Macht. 92 Vgl. Lüder, Verwaltungskontrolle aus sozial- und verwaltungswissenschaftlicher Perspektive, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 45 (45), m.w.N. Zusammenfassend Schulze-Fielitz, Zusammenspiel von öffentlichrechtlichen Kontrollen der Verwaltung, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 291 (302): „Hinter dem abstrakten Begriff von »Kontrolle* verbirgt sich eine Vielfalt sehr zahlreicher rechtlich strukturierter Verfahren und Maßstäbe, die naturwüchsig' entstanden sind und die die Eignung des Begriffs der Kontrolle als eines übergreifenden rechtsdogmatischen Begriffs in Frage stellen." 93 Vgl. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 34; Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 870; Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (10); ebenso aus Sicht der
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verglichen wird. 94 Kontrolle ist somit Vergleich, ist ein Instrument zur Feststellung der Abweichung zwischen Norm und Wirklichkeit. Ob die durch Informationsfreiheitsgesetze ermöglichte Verwaltungskontrolle im Sinne einer „contrerôle" oder im Sinne eines „controlling" zu verstehen ist, wird aus den Gesetzen selbst nicht hinreichend deutlich. Der Einschluss der Partizipation der Bürger in die Funktionen von Informationszugangsfreiheit indiziert aber ein weites Verständnis des Begriffs der Verwaltungskontrolle, das sicherlich über den Begriff der Staatsaufsicht hinausgeht. Der Begriff der Staataufsicht bezieht sich nach überwiegendem Verständnis allein auf die hierarchisch angelegte Kontrolle innerhalb einer staatlichen Gewalt, während die Verwaltungskontrolle gerade auch gewaltenübergreifend und sogar von Dritten, bspw. der Öffentlichkeit, ausgeübt werden kann.95 Entscheidend für die Bestimmung der von Informationsfreiheitsgesetzen intendierten Verwaltungskontrolle ist letztlich eine funktionale Betrachtung. Die durch allgemeine Informationszugangsfreiheit ermöglichte Verwaltungskontrolle soll „eine umfassende Bewertung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung gewährleisten." 96 Eine solche umfassende Bewertung zielt zum einen - ganz im Sinne einer „contre-rôle"- auf die Verhinderung eines Machtmissbrauchs durch die Exekutive und auf die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen administrativen Vollzugs der Gesetze,97 dient aber daneben auch - ganz im Sinne des Verwaltungs-Controlling - der Effizienzsteigerung aller Verwaltungstätigkeiten.98 Angesichts dieser ebenso weiten wie vagen Zielsetzung beeinflusst eine allgemeine Informationszugangsfreiheit nicht nur ein bestimmtes Instrument, sondern verändert das gesamte bestehende System der Verwaltungskontrolle.
Ökonomik Suchanek, Verwaltungskontrolle aus ökonomischer Sicht, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 247 (252), jeweils m.w.N. 94 So Lüder, Verwaltungskontrolle aus sozial- und verwaltungswissenschaftlicher Perspektive, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 45 (46). 95 Ebenso Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (13 f.), m.w.N. 96 So Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 13; unter Verweis auf Eifert, DÖV 1994, S. 546 (546); und Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht, S. 187. 97 Vgl. zu diesen Kontrollfunktionen Hatje, EuR 1998, S. 734. 98 Ossodnik, Die Verwaltung 26 (1993), S. 57 (58) versteht VerwaltungsControlling als ein Instrument, „das die Leitung einer öffentlichen Verwaltung bei der Realisierung der Verwaltungsziele durch Koordinationsleistungen unterstützt, indem es Methoden- und Verfahrensstandards verwaltungseinheitlich vorgibt, für die Verwaltungsfuhrung relevante Informationen beschafft, verarbeitet und dieser zur Verfugung stellt sowie verwaltungsadäquate Planungen und Kontrollen anregt, sie mit Informationen versorgt und sie miteinander verbindet."
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
II. System und Systematisierung von Verwaltungskontrolle Welches aber ist das System der Verwaltungskontrolle? Gibt es ein solches überhaupt? In der Wissenschaft haben sich - soweit ersichtlich - noch keine einheitlichen Vorstellungen von einem solchen System der Verwaltungskontrolle herausgebildet. Überhaupt wird der Kontrolle der Verwaltung in der rechtswissenschaftlichen (Ausbildungs-)Literatur kaum Aufmerksamkeit geschenkt," und wenn, dann nur bezüglich eines bestimmten Ausschnitts, bspw. der Verwaltungsgerichtsbarkeit, des Rechnungshofwesens oder der parlamentarischen Kontrolle. 100 Im Vordergrund steht stets die Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte, die ihrerseits stark vom Individualrechtsschutz geprägt ist. Diese Fokussierung auf einzelne Kontrollinstrumente verwundert um so mehr, als die Verwaltungskontrolle ein klassisches Thema des Staats- und Verwaltungsrechts ist, „ein Phänomen, dem die Staats- und Verwaltungsrechtslehre eine überragende Bedeutung für das gesamte Staatswesen zuweist." 101 Immerhin sind aber schon mehrere Monographien zu dem Themenkomplex der Verwaltungskontrolle entstanden,102 und seit 2001 werden die unterschiedlichen Facetten der Verwaltungskontrolle nun auch in einem von Schmidt-Aßmann und HoffmannRiem herausgegebenen Sammelband beleuchtet.103 Auch das Grundgesetz gibt ein System der Verwaltungskontrolle nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Hier wird der Begriff der Kontrolle nur im Kontext parlamentarischer Kontrolle verwendet. Nach Art. 13 Abs. 6 GG übt ein vom Bundestag gewähltes Gremium die parlamentarische Kontrolle über den Einsatz technischer Mittel zur Wohnungsüberwachung aus. Und nach Art. 45b GG wird ein Wehrbeauftragter als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle über die Bundeswehr berufen. Die parlamentarische Kontrolle ist aber - ebenso wie bspw. die von der Literatur meist in den Blick genommene gerichtliche Kontrolle - nur ein Teil des Systems der Verwaltungskontrolle. Dieses System lässt sich insbesondere deshalb so schwer erschließen, weil seine Struktur maßgeblich durch die Gewaltenteilung geprägt
99
Vgl. aber bspw. Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 18. Vgl. die Nachweise von Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (39 f.). 101 Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (16) m.w.N. 102 Vgl. bspw. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, passim; Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, passim; Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 871 ff.; Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 390 ff.; sowie (mit Blick auf die Schweiz) Mastronardi, Kriterien der demokratischen Verwaltungskontrolle, passim. 100
103
Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001.
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ist, die ihre Grundlagen im Rechtsstaats- und im Demokratieprinzip hat. 104 Angesichts der vielfältigen Gewaltenteilung, -Verflechtung und -Vermischung ist auch das Kontrollsystem durch mehrdimensionale miteinander verwobene Aspekte gekennzeichnet.105 Die weitgehende Kongruenz zwischen der Struktur der Gewaltenteilung und dem System der Verwaltungskontrolle ist im Übrigen ein weiteres Indiz dafür, dass sich der Sinn der Verwaltungskontrolle nicht darin erschöpft, die Ausübung staatlicher Macht zu beschränken. Zugleich liegt die Aufgabe der Verwaltungskontrolle (wie eben auch der Gewaltenteilung) darin, staatliche Entscheidungen zu rationalisieren. 106 Die einzelnen Instrumente des Systems der Verwaltungskontrolle sind vielfältig und kommen in unterschiedlichem Gewände und zum Teil auch mit unterschiedlichen Namen daher. 107 Jede Systematisierung muss deshalb stark vom jeweiligen Darstellungsinteresse geprägt sein. Die in der 6. und 7. Legislaturperiode eingesetzte Enquête-Kommission Verfassungsreform hat in ihrem Zwischenbericht unter der Überschrift „Die Kontrolle der Staatsgewalt" (nur) drei Arten von Kontrolle unterschieden: 108 verwaltungsinterne Kontrollen (formlose und förmliche Rechtsbehelfe, Dienst- und Fachaufsicht, Disziplinarrecht), Rechtsschutz durch die Gerichte (Art. 19 Abs. 4 GG, Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Generalklausel, Verfassungsbeschwerde) und politische Kontrollen (parlamentarische Kontrollmöglichkeiten, vor allem das Petitionsrecht, Kontrolle durch Massenmedien und Verbände, Kontrolle durch ehrenamtliche Mitwirkung von Bürgern in staatlichen Ausschüssen und Beiräten).
Diese Dreiteilung ist weder abschließend noch in sich konsequent, weil als Kriterien offensichtlich eine Mischung aus Kontrollakteuren und Kontrollmaßstäben herangezogen wurden - zwei Kontrollparameter, die zwar häufig, keinesfalls aber immer kongruent sind. Jedenfalls lässt sich das System der Verwaltungskontrolle über diese Dreiteilung hinaus aus einer Vielzahl von Perspektiven betrachten und nach ganz unterschiedlichen Kriterien systematisieren. An-
104
Vgl. hierzu ausf. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 70 ff. Zum Zusammenhang zwischen Kontrolle und Gewaltenteilung vgl. bspw. Kadelbach, Verwaltungskontrollen im Mehrebenensystem, in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 205 (206). 106 Ebenso J.-P. Schneider, Verwaltungskontrolle und Kontrollmaßstäbe, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 271 (276). 107 Zum Bedeutungsgehalt anderer Begrifflichkeiten vgl. Kahl, Die Staatsaufsicht, S. 366 ff. Kahl geht vom Obergriff der Steuerung aus, die er als „bewusstes Einwirken auf Organisationen [...] zur Erreichung vorgegebener oder selbst gesetzter Ziele" bezeichnet und der er die Kategorien Leitung, Lenkung, Kontrolle und Aufsicht unterordnet. 105
108
Zitiert nach Schwarze, DVB1. 1974, S. 893.
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
knüpfen lässt sich bspw. an den Kontrollgegenstand, den Kontrollmaßstab, die Kontrollakteure, die Kontrollinstrumente, das Kontrollverfahren, den Bezugszeitraum der Kontrolle, den Kontrollumfang, die Kontrollwirksamkeit oder an etwaige Sanktionsmöglichkeiten.109 Bereits diese verschiedenen Systematisierungsmöglichkeiten indizieren, dass es sich beim System der Verwaltungskontrolle keinesfalls um ein geschlossenes System handelt.110 Vielmehr sind die einzelnen Kontrollparameter im Innern vielfältig miteinander verwoben und nach außen hin offen. Insofern darf auch die Informationszugangsfreiheit als Instrument zur Kontrolle der Verwaltung nicht ausschließlich isoliert betrachtet werden. Vielmehr fragt sich, wie sich die Informationszugangsfreiheit in das System der Verwaltungskontrolle einfügt.
I I I . Voraussetzungen von Verwaltungskontrolle Zunächst ist aber zu beurteilen, ob die Informationszugangsfreiheit überhaupt die Voraussetzungen erfüllt, die an ein Instrument zur Kontrolle der Verwaltung zu stellen sind.
/. Distanz Jede Kontrolle des Staatshandelns ist nur funktionsfähig, wenn der Kontrolleur in einer gewissen Distanz zum Kontrollierten steht. Distanz ist begriffsnotwendige Voraussetzung von Kontrolle. 111 Schmidt-Aßmann erkennt in dieser spezifischen Distanz einen dreifachen Sinn: „Sie soll [erstens] ein erneutes Durchdenken ermöglichen, [zweitens] Lernprozesse auslösen und [drittens] durch eine Verdoppelung der gedanklichen Schritte, durch Redundanzen also, die Chance der Richtigkeit erhöhen." 112 Einfacher ausgedrückt ermöglicht nur
109 Vgl. hierzu und zu weiteren Differenzierungskriterien ausf. Mastronardi, Kriterien der demokratischen Verwaltungskontrolle, S. 105 ff., und Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 872 f. Zsfd. etwa Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (14 f.) oder Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 18, Rn. 897 ff. 110 Ebenso Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (17), unter Verweis auf Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 52 ff. 111 Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung, in: Ritterspach (Hrsg.), FS Müller, S. 379 (392). 112 Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9(10).
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Distanz die gebotene Außenperspektive, die für einen unvoreingenommenen Vergleich zwischen dem Sein und dem Sollen erforderlich ist. Und nur Distanz erlaubt, das Verwaltungshandeln an einem anderen Maßstab zu messen als dem, den der Handelnde bei seiner Entscheidung angelegt hat. Mit der Voraussetzung der Distanz offenbart sich erneut die Nähe der Verwaltungskontrolle zum Rechtsstaat, denn auch der Rechtsstaat ist eine Staatsform der Distanz, wie Kloepfer treffend herausgearbeitet hat, einer Distanz, die Freiheit und Gerechtigkeit sichern soll." 3 Das von Kloepfer als zentrales Mittel zur Distanzgewähr in den Vordergrund gestellte (formelle) Gesetz kann diesen Zweck grundsätzlich auch in Bezug auf die Verwaltungskontrolle erfüllen. Es gibt häufig nicht nur den Kontrollmaßstab vor, sondern bestimmt zugleich die Kontrollakteure, deren Befugnisse sowie das Kontrollverfahren. Allerdings erfasst es von vorneherein nur die formalisierte Verwaltungskontrolle, während der gesamte Bereich der informalen Verwaltungskontrolle außen vor bleibt. Die für eine Kontrolle notwendige Distanz muss aber nicht zwingend gesetzlich festgeschrieben sein - im Gegenteil, häufig führen nicht festgelegte Rollenverteilungen zu einer größeren Distanz und einer effektiveren Kontrolle, wie etwa die Kontrolle der Verwaltung durch die in den Medien zum Ausdruck kommende öffentliche Meinung zeigt. Mit einer „größeren" Distanz ist deren Maß angesprochen, das keinesfalls fest vorgegeben ist. Die Frage, wie viel Distanz für eine effektive Kontrolle der Verwaltung notwendig ist, lässt sich abstrakt nicht beantworten. Vielmehr hängt das Maß der Distanz von den einzelnen Kontrollparametern ab. 114 So schafft Fremdkontrolle mehr Distanz als Eigenkontrolle, 115 führt die Beschränkung auf einen Kontrollmaßstab regelmäßig zu mehr Distanz als die Offenheit für mehrere Kontrollmaßstäbe, erlaubt eine institutionelle Unabhängigkeit des Kontrolleurs eine größere Distanz vom Kontrollierten. Die Nähe oder gar Identität in Bezug auf ein Kontrollparameter kann durch die Distanz in Bezug auf ein anderes Kontrollparameter ausgeglichen werden. Diese Dependenz der Distanz von den verschiedenen Kontrollparametern verdeutlicht zugleich, dass eine verwaltungsinterne Kontrolle nicht per se als ineffizient zu qualifizieren ist. Denn erstens wird die Distanz hier bspw. durch die hierarchische Ordnung hergestellt, und zweitens konstituiert sich die Distanz hier zum Teil aus unter-
"· Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), S. 65 (66). 1,4 Vgl. hierzu die Beispiele von Schulze- Fielitz, Zusammenspiel von öffentlichrechtlichen Kontrollen der Verwaltung, in: Schmidt-Aßmann/Hofmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 291 (299). 115 Nach Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (10), schließt die Notwendigkeit von Distanz Selbstkontrolle nicht aus, „weil auch zu eigenem Handeln Distanz gefunden werden kann."
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
schiedlichen Verfahren, bspw. aus dem außenverbindlichen Verwaltungsverfahren und dem binnenwirksamen Aufsichtsverfahren. Gleichwohl zeigt der Siegeszug der zahlreichen Beauftragten, dass eine unabhängige Stellung und die Konzentration auf einen bestimmten Kontrollmaßstab zu mehr Distanz fuhren und damit auch zu einer effizienteren Kontrolle beitragen kann. 116 Besonders distanzschaffend ist bspw. auch ein politisch begründetes Spannungsverhältnis. So sieht das Bundesverfassungsgericht die parlamentarische Kontrolle, ausgeübt u.a durch Untersuchungsausschüsse, nur gewährleistet, „wenn zwischen Parlament und Regierung ein politisches Spannungsverhältnis besteht. Ein Untersuchungsverfahren, das nicht von dieser Spannung ausgelöst und in Gang gehalten wird, kann seinem Zweck nicht gerecht werden. In der Sicherstellung dieser Kontrolle liegt die verfassungsrechtliche Bedeutung des Minderheitsrechts." 117 Entscheidend für die Wirksamkeit von Verwaltungskontrollen scheint demnach zu sein, dass bei Berücksichtigung aller möglichen Faktoren ein gewisses Distanzniveau nicht unterschritten wird. Unterschritten wird das Mindestmaß an Distanz aber jedenfalls dann, wenn es zu einer Identität zwischen Kontrolleur und Kontrollierten kommt. In solchen Fällen ist eine Kontrolle obsolet. Denn „Kontrolle verlangt mindestens einen Kontrolleur und einen Kontrollierten, die beide wenigstens grundsätzlich unterscheidbar und voneinander unabhängig sind. 118 Unter Vorgriff auf das noch zu schildernde Korrelat zwischen Kontrolle und Verantwortung entspricht dem eine Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts: „Verantwortung kann nicht tragen, wer in seiner Entscheidung inhaltlich in vollem Umfang an die Willensentscheidung eines anderen gebunden ist." 119 Doch nicht erst die Identität, schon die Identifikation des Kontrolleurs mit dem Kontrollierten führt zu einem Unterschreiten der erforderlichen Kontrolldistanz. Lässt sich eine solche durch die Verwischung von Rollengrenzen bewirkte 120 Identifikation schon in antagonistisch geprägten Kontrollverhältnissen beobachten, in denen es zu einer Interaktion der Kontrolleure mit den Kontrol-
116 Von herausgehobener Bedeutung sind insbesondere die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern. 117 BVerfGE 49, 70 (85). 1,8 Schwarze, DVB1. 1974, S. 893 (895); Scheuner, Kontrolle der Staatsmacht im demokratischen Staat, S. 8. 119 BVerfGE 9, 268 (281 ff.). 120 So Schuppert, Staatswissenschaft, S. 140; unter Verweis auf Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9(11).
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Herten kommen kann, 121 ist sie in kooperativ strukturierten Kontrollverhältnissen praktisch vorgezeichnet. 122 Die an Konsens und Kooperationsbereitschaft appellierenden Steuerungsinstrumente können somit leicht zu einer Komplizenschaft zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten fuhren. Und stehen sich dabei ein privater und ein staatlicher Akteur gegenüber, so sei daran erinnert, dass die Identifikation von Staat und Gesellschaft zur Lehrbuchbestimmung des Totalitären gehört. Damit soll den auf Kooperation angelegten Handlungsformen nicht eine grundsätzliche Absage erteilt, sondern nur die äußersten Grenzen aufgezeigt werden, die bei der Einbindung (von Teilen) der Gesellschaft in die staatlichen Verantwortungsbereiche zu berücksichtigen sind. Man muss sich der Gefahr eines schleichenden Distanzverlusts bewusst sein, die mit der Vermengung von Komponenten der (prospektiven) Steuerung und der (retrospektiven) Kontrolle einhergeht und die sich insbesondere bei begleitenden Kontrollen durch die enge Zusammenarbeit von Kontrolleuren und Kontrollierten realisieren kann. Denn in diesen Fällen tritt ein Funktionswandel vom Kontrolleur zum Entscheidungsträger ein, liegt keine Kontrolle mehr, sondern liegt Mitentscheidung vor. 123 Wenn aber Kontrolle und Entscheidung zeitlich zusammenfallen, lähmt sich das System selbst, es „hängt sich auf 4 , wie man bezogen auf einen Computer sagen würde. In diesem Sinne erscheinen die von Informationsfreiheitsgesetzen anvisierten Ziele der Kontrolle auf der einen Seite und der Partizipation auf der anderen Seite durchaus als potentielle Antipoden. Und auch generell muss die abstrakte Bewertung der Verwaltungskontrolle durch Informationszugangsfreiheit ambivalent ausfallen. Einerseits wird mittels allgemeiner Informationszugangsfreiheit Transparenz hergestellt, andererseits aber auch Distanz abgebaut. Hier besteht zumindest tendenziell die Gefahr, dass durch ein Übermaß an Einflussmöglichkeiten ein Untermaß an Kontrolle ausgelöst wird. 124
121
Instruktiv hierzu Η off mann-Riem, Verwaltungskontrolle - Perspektiven, in: Schmidt-Aßmann/ders. (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 325 (334). 122 Ebenso Schuppert, Staatswissenschaft, S. 141: „Der kooperative Staat als tendenziell distanzloser Staat." 123 Vgl. Lerche, BayVBl. 1980, S. 257 (261); Blankenagel, Die Verwaltung 26 (1993), S. 1 (2); Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (51); Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (10 f.). S. auch Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle - Perspektiven, in: SchmidtAßmann/ders. (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 325 (351, 358 u. 362). 124 Vgl. Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (28).
244
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
2. Misstrauen
Eng mit der Distanz verknüpft ist das Misstrauen. Während jene vor allem das Wie einer Kontrolle bestimmt, entscheidet dieses häufig schon über das Ob einer Kontrolle: Anlass zu einer Kontrolle ist Misstrauen. Dabei ist im Einzelnen freilich zwischen den institutionalisierten Verwaltungskontrollen und den freien Verwaltungskontrollen zu unterscheiden. Bei den institutionalisierten Verwaltungskontrollen ist das Misstrauen praktisch von Amts wegen vorgeschrieben. Die Einleitung und Durchführung von Kontrollen gehört hier gerade zu den gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben. Das entlässt das Misstrauen aber nicht in die Bedeutungslosigkeit. Denn auch hier kann es etwa für die Auswahl der zu untersuchenden Sachverhalte eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Größere Bedeutung kommt ihm freilich für die freien Verwaltungskontrollen zu. Das gilt eingeschränkt für den Bürger, der eine ihn betreffende Verwaltungsmaßnahme von einem Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen lässt, denn hier ist Anlass der Verwaltungskontrolle eher die vermeintliche Rechtsverletzung als ein grundsätzliches Misstrauen. (Allerdings verlangt auch die Klageerhebung ein Misstrauen an der Rechtmäßigkeit der jeweiligen Verwaltungshandlung.) Insbesondere aber Verfahrens- und betroffenenunabhängige Verwaltungskontrollen finden ohne ein Misstrauen des Antragstellers nicht statt. Das gilt etwa für die Verwaltungskontrolle durch die Medien, die zwar mitunter in den blauen Dunst hinein recherchieren, überwiegend aber doch einem konkreten Verdacht (etwa auf einen Korruptionsfall) nachgehen. Gleiches gilt aber auch für das Instrument allgemeiner Informationszugangsfreiheit, so sich die Kontrolle der Verwaltung hier nicht nur als Reflex einer anderweitig motivierten Informationsnachfrage darstellt. Insofern fällt - wie schon bei der Distanz - die abstrakte Bewertung der Informationszugangsfreiheit als Instrument der Verwaltungskontrolle erneut ambivalent aus. Denn die Verbesserung der Akzeptanz baut dasjenige Misstrauen ab, das zur Wahrnehmung einer Kontrolle gerade erforderlich ist. Wenig überzeugend ist deshalb auch die Feststellung, dass in Ländern mit größerer Verwaltungsöffentlichkeit ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber öffentlichen Verwaltungen besteht.125 Insbesondere die schwedischen Erfahrungen weisen auf das Gegenteil hin, hier hat die allgemeine Offenheit und Transparenz zu einer grundsätzlich unkritischen Haltung der Bürger gegenüber dem Staat geführt. Insofern erscheinen die Zielsetzungen der Akzeptanz auf der einen Seite und der Kontrolle auf der anderen Seite in gewissem Maße kontraproduktiv.
125
So aber Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (51).
Β. Modifizierung von Kontrollstrukturen
245
Der Widerspruch wiegt allerdings längst nicht so schwer wie der prinzipielle Abbau von Distanz, denn nur fiir eine verstärkt misstrauenserweckende Verwaltung sollte der Preis einer verstärkt kontrollbedürftigen Verwaltung nicht gezahlt werden. Um im Bild des gezeichneten Hauses zu bleiben: Eine prinzipiell zugängliche Villa, die auf Grund ihrer Offenheit möglicherweise Interesse und Misstrauen abbaut und schon einmal übersehen wird, ist für die Gesellschaft immer noch verträglicher als ein kafkaeskes Schloss, in das trotz allen berechtigten Misstrauens kein Eindringen ist.
3. Wirksamkeit Kontrollen müssen wirksam sein. Für den Bereich der parlamentarischen Kontrollen hat das Bundesverfassungsgericht dies ausdrücklich gefordert, 126 und auch für den Bereich der den Gerichten übertragenen Rechtmäßigkeitskontrollen ist das Gebot „effektiven Rechtsschutzes" seit langem anerkannt. 127 Ungeachtet der Frage, ob dieses Effektivitätsgebot mehr im Demokratie- oder mehr im Rechtsstaatsprinzip wurzelt, lässt sich diese für einzelne Kontrollinstrumente erhobene Forderung doch zu einem generellen Gebot hinreichender Kontrolleffektivität verdichten. 128 Prima facie scheint die Informationszugangsfreiheit als Instrument der Verwaltungskontrolle diesem Gebot nicht zu genügen. Denn abgesehen von der (erhofften) unmittelbaren Kontrollwirkung, dass schon die bloße Möglichkeit einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit zu einem konsequenteren Gesetzesvollzug führen wird, erscheint die Informationszugangsfreiheit als solche weitgehend als stumpfes Schwert. 129
126 BVerfGE 67, 100 (130): „Das parlamentarische Regierungssystem wird grundlegend auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Der Grundsatz der Gewaltenteilung ... gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann." 127 Vgl. bspw. BVerfGE 60, 253 (269); 77, 275 (284); 88, 118 (123 f.); sowie Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 441 ff. 128 So Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (40); zuvor schon Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 60. 129 Reinhardt, Die Verwaltung 30 (1997), S. 161 (173); vgl. auch Strohmeyer, Das europäische Umweltinformationszugangsrecht als Vorbild eines nationalen Rechts der Aktenöffentlichkeit, S. 285 f.
246
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Auf den zweiten Blick ist allerdings zu berücksichtigen, dass nicht unbedingt jedes Kontrollinstrument mit einer eigenen Sanktionsmöglichkeit ausgestattet sein muss, um wirksam zu sein. Schmidt-Aßmann hat diesbezüglich zutreffend hervorgehoben, dass sich die Kontrolleffektivität eines einzelnen Instruments aufgrund des komplexen Systems der Verwaltungskontrolle gar nicht immer ermitteln lassen wird. Erforderlich sei vielmehr nur ein bestimmtes „Kontrollniveau". Zuvor hat schon Schwarze daraufhingewiesen, dass sich die Effektivität des Rechtschutz- und Kontrollsystems im Bereich der Kontrolle der Staatsgewalt nach den Erwartungen beurteilt, die man in die einzelnen Kontrollformen bzw. in deren Gesamtheit setzt bzw. setzen darf 1 3 0 In diesem Sinne kann die Effizienz der Informationszugangsfreiheit als Instrument der Verwaltungskontrolle nicht isoliert beurteilt werden. Denn die allgemeine Informationszugangsfreiheit entfaltet ihre Wirkung vor allem auch durch die Nutzung anderer Kontrollmechanismen. Auch zur Beurteilung der Effizienz der Informationszugangsfreiheit ist es also erforderlich, ihre Einbindung in das bestehende System der Verwaltungskontrolle zu betrachten.
4. Kompetenz
Kontrolle setzt schließlich auch Kompetenz der Kontrolleure voraus. Diese Kompetenz bezieht sich sowohl auf den Kontrollgegenstand als vor allem auch auf den Kontrollmaßstab. Das folgt zwingend aus der Definition von Kontrolle als Vergleich zwischen dem Ist- und dem Sollzustand. Nur wer das Tatsächliche zutreffend erfasst und das Normative richtig verstanden hat, kann einen Vergleich zwischen beidem ziehen. Kompetenz gewährleistet aber nicht nur die Durchführung der Kontrolle selbst, sondern sichert zugleich auch die Akzeptanz des Kontrollergebnisses, und zwar sowohl die Akzeptanz durch die Kontrollierten als auch die Akzeptanz durch die Öffentlichkeit. Gemessen an diesem Kriterium der Kompetenz scheint die Informationszugangsfreiheit kein besonders geeignetes Kontrollinstrument zu sein. Denn den Bürgern fehlt es regelmäßig nicht nur an dem notwendigen Sachverstand für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit, Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns, sondern auch schon an der umfassenden Kenntnis des von ihm kontrollierten Verwaltungshandelns. Denn selbst wenn die Informationszugangsfreiheit ihm grundsätzlich gestattet, den einem Verwaltungsverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalt zu erfassen, bleibt ihm der große Kontext der konkreten Entscheidung unabhängig seines Rechercheaufwands doch
130
Schwarze, DVB1. 1974, S. 893 (896), Hervorhebung durch M.R.
Β. Modifizierung von Kontrollstrukturen
247
schon deshalb regelmäßig verborgen, weil bestimmte Informationen eben gar nicht zugänglich sind. Allerdings erfordert nicht jede Kontrolle das gleiche Maß an Kompetenz vom jeweiligen Kontrolleur. Vielmehr hängt das erforderliche Maß der Kompetenz von verschiedenen Faktoren ab. Als grobe Leitlinie lässt sich die Regel formulieren, dass die Kompetenz des Kontrolleurs um so größer sein muss, je spezieller der Kontrollmaßstab ist und je größer seine Sanktionsbefugnisse sind. Diese abstrakte Regel kann am Beispiel von Verwaltungsrichtern exemplifiziert werden, die mit der Rechtmäßigkeit einen sehr speziellen Kontrollmaßstab anwenden und mit der Kassationsbefugnis über weitreichende Sanktionsmöglichkeiten verfügen. Sie müssen deshalb über ein hohes Maß an Kompetenz verfügen, das in Bezug auf den Kontrollmaßstab durch eine lange und intensive Ausbildung und in Bezug auf den Kontrollgegenstand durch den Untersuchungsgrundsatz und zahlreiche Beweiserhebungsmöglichkeiten gewährleistet wird. Vor diesem Hintergrund ist die Informationszugangsfreiheit nicht von vorneherein als ungeeignetes Instrument der Verwaltungskontrolle zu qualifizieren. Denn weder ist dem Bürger ein bestimmter Maßstab zur Kontrolle der Verwaltung vorgegeben noch verfügt er selbst über eigene Sanktionsbefugnisse gegenüber der Verwaltung. Er ist zur Behebung der von ihm monierten Missstände vielmehr auf andere Kontrollinstrumente angewiesen und fungiert insofern nur als Kontrollinitiator. Für die Beurteilung der Eignung von Kontrollinitiatoren ist das Kriterium des Misstrauens aber deutlich wichtiger als das Kriterium der Kompetenz.
IV. Auswirkungen auf andere Kontrollinstrumente Fungieren die Bürger bei der von einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit intendierten Verwaltungskontrolle in erster Linie als Kontrollinitiatoren, verbietet sich eine abstrakt-isolierte Bewertung der Zugangsfreiheit als Kontrollinstrument. Entscheidend ist vielmehr das Zusammenspiel zwischen der Informationszugangsfreiheit und den anderen Kontrollinstrumenten. „Denn erst der Blick auf das ganze Spektrum der verschiedenen Rechtsschutz- und Kontrolleinrichtungen lässt nähere Aussagen über die einzelnen Kontrollformen zu, wie sich umgekehrt der globale Wert eines Rechtsschutz- und Kontrollsystems erst unter Berücksichtigung aller möglichen Kontrollformen beurteilen lässt."131 Deshalb soll im Folgenden untersucht werden, wie sich die In-
131
Schwarze, DVB1. 1974, S. 893 (895 f.).
248
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
formationszugangsfreiheit mit den anderen existierenden Kontrollinstrumenten verzahnt.
/. Parlamentarische
Verwaltungskontrolle
a) Ausgestaltung Die Kontrolle von Regierung und Verwaltung obliegt nach dem hergebrachten 132 und vom Grundgesetz aufgenommenen Prinzip der parlamentarischen Demokratie primär der Volksvertretung. 133 Die Exekutive ist gegenüber dem Parlament, nicht (unmittelbar) gegenüber dem Bürger verantwortlich. Um zu gewährleisten, dass sich Regierung und Verwaltung tatsächlich an den vom Gesetzgeber artikulierten Willen halten, sind den Parlamenten eine Reihe von Kontrollmöglichkeiten zugewiesen. Zu nennen sind insbesondere das Zitierrecht (Art. 43 Abs. 1 GG), die unterschiedlich ausgestalteten Interpellationsrechte (§§ 100 ff. GOBT), das Untersuchungsrecht (insb. Art. 44 GG) sowie die Befugnis, dem Regierungschef (bzw. nach einigen Landesverfassungen auch einem einzelnen Minister) 134 das Misstrauen auszusprechen (Art. 67 GG). Auch die ist grundsätzlich als Mittel zur Kontrolle (des Haushaltsgebarens) der Regierung angelegt (Art. 110 GG). Weiterhin lässt sich auch die Kontrolle durch die Rechnungshöfe im weiteren Sinne zu den parlamentarischen Kontrollinstrumenten zählen,135 weil diese den Parlamenten berichtspflichtig sind (Art. 114 Abs. 2 S. 2 GG). Aufgrund ihrer Unabhängigkeit und ihres besonderen (und eingeschränkten) Prüfungsmaßstabs sollen sie aber noch gesondert betrachtet werden. Und schließlich kann die einem Drittel der Mitglieder des Bundestages zustehende Berechtigung, eine abstrakte Normenkontrollprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zu initiieren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG), auch als parlamentarisches Kontrollinstrument verstanden werden. Unter diesen zahlreichen Kontrollinstrumenten lassen sich solche, die nur dem Parlament als Organ bzw. seinen Ausschüssen zustehen und insofern als
132
Schon Weber, Gesammelte politische Schriften, S. 289 u. S. 339 f f , erkannte in der Parlamentarisierung eine Möglichkeit, die Verwaltung zu kontrollieren und Verwaltungsöffentlichkeit zu erzwingen. 133 Zur parlamentarischen Kontrolle der Exekutive s. bspw. BVerfGE 49, 70 (85); 67, 100(137); 77, 1 (43). 134 Vgl. Art. 57 Abs. 2 VvB; Art. 110 BremVerf; Art. 35 Abs. 1 HmbVerf; Art. 99 Abs. 1 RhPfVerf u. Art. 88 SaarlVerf. 135 Ebenso Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 887.
. Modifizierung von
ntrstrukturen
2
Mehrheitsrechte ausgestaltet sind, von solchen unterscheiden, die parlamentarischen Minderheiten oder auch einzelnen Abgeordneten zugewiesen sind.
aa) Mehrheitlich
auszuübende Kontrollrechte
des Parlaments
Das in Art. 43 Abs. 1 GG normierte Zitierrecht, also das Recht, von jedem Mitglied der Bundesregierung die Anwesenheit im Bundestag und - über den Wortlaut des Art. 43 Abs. 1 GG hinaus - die Rechenschaft zu bestimmten Themen zu verlangen, steht nach dem Wortlaut der Norm nur dem Parlament bzw. seinen Ausschüssen zu, ist also organschaftlich ausgestaltet. Über die Ausübung des Rechts muss ein Beschluss mit einfacher relativer Mehrheit (Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG) gefasst werden, was seine tatsächliche Bedeutung im Hinblick auf die parteipolitische Kongruenz von Bundestagsmehrheit und Regierung erheblich relativiert. 136 Individualansprüche einzelner Abgeordneter lassen sich der Norm nicht entnehmen. Gleiches gilt prinzipiell für das Untersuchungsrecht des Parlaments, das sich keinesfalls auf die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen beschränkt. Das Untersuchungsrecht kann vielmehr auch durch die obligatorischen Ausschüsse137 sowie durch die permanenten Fachausschüsse ausgeübt werden. Wegen des bei der Besetzung der Ausschüsse zu beachtenden Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit 138 verfügen die regierungstragenden Parteien auch in den Ausschüssen regelmäßig über eine kontrollverhindernde oder wenigstens -mäßigende Mehrheit. Ebenso liegt die Budgethoheit des Parlaments sowie die Möglichkeit des Misstrauensvotums in den Händen der Mehrheit des Parlaments. Diese Instrumente haben mit der Aufhebung des Antagonismus zwischen Regierung und Parlament ebenfalls an Schärfe verloren.
136 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 43, Rn. 12 m.w.N., spricht insoweit von einer „Reservefunktion" des Zitierrechts. 137 Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und für Verteidigung (Art. 45a GG), Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union (Art. 45 GG), Petitionsausschuss (Art. 45c GG). 138 Verfassungsrechtlich verankert bspw. in Art. 51a Abs. 1 S. 2 GG, normiert i.Ü. in § 57 Abs. 1 GOBT.
250
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
bb) Kontrollrechte
parlamentarischer
Minderheiten
Etwas differenzierter stellt sich die Ausgestaltung der Interpellationsrechte dar. Diese als Statusrechte der Abgeordneten anerkannten Rechte139 werden von den Geschäftsordnungen der Parlamente näher ausgestaltet. Nach der Geschäftsordnung des Bundestages können sog. große Anfragen von einer Gruppe von Abgeordneten in Fraktionsstärke an die Bundesregierung gerichtet werden. 140 Gleiches gilt für kleine Anfragen, auf deren Beantwortung im Unterschied zu großen Anfragen aber keine anschließende Beratung im Plenum folgt. Darüber hinaus können einzelne Mitglieder des Bundestages kurze Einzelfragen zur mündlichen oder schriftlichen Beantwortung an die Regierung richten 141 und Fragen innerhalb sogenannter Fragestunden formulieren. 142 Neben den Interpellationsrechten ist auch das Untersuchungsrecht des Parlaments insofern als Kontrollinstrument politischer Minderheiten ausgestaltet, als Untersuchungsausschüsse schon auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Bundestages eingerichtet werden müssen. Zu beachten ist aber, dass auch nach der von einer Minderheit betriebenen Einsetzung eines Untersuchungsausschusses das Untersuchungsrecht aus Art. 44 Abs. 1 GG Sache des Parlaments als Ganzem bleibt, das sich des Ausschusses nur zur sachgerechten Erfüllung dieser Aufgabe bedient.143 Insofern ist dem Kontrollrecht der politischen Minderheiten im Bundestag mit dem Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses noch nicht Genüge getan. Das Bundesverfassungsgericht hat für die ungehinderte Ausübung des Kontrollrechts weitere Sicherungen entwickelt: „So muss es vor allem der Minderheit überlassen bleiben, den Gegenstand der von ihr beantragten Untersuchung festzulegen. Der Untersuchungsgegenstand darf grundsätzlich auch nicht gegen den Willen der Minderheit verändert oder erweitert werden." ... „Der parlamentarischen Opposition würde sonst ein Instrument genommen, das ihr nicht nur in ihrem eigenem Interesse, sondern in erster Linie im Interesse des demokratischen Staates - nämlich zur öffentlichen Kontrolle der von der Mehrheit der gestützten Regierung und ihrer Exekutivorgane - in die Hand gegeben ist." ... „Von Verfassungs wegen sind jedoch Zusatzfragen gegen den Willen der Antragsteller zulässig - und zwar selbst dann, wenn dies zu einer Verzögerung der Ausschussarbeit führt - wenn sie nötig sind, um ein umfassenderes - und wirklichkeitsgetreueres - Bild des angeblichen Missstandes zu vermitteln." 144
139 Vgl. statt vieler Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 43, Rn. 43 m.w.N.; Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 887. 140 §§ 100 ff. i.V.m. §§ 75 Abs. 1 lit. fu. 76 Abs. 1 GOBT. 141 § 105 GOBT. 142 § 106 GOBT. 143 Vgl. BVerfGE 49, 79 (85); 67, 100 (125); 83, 175 (180); 105, 197(220). 144 BVerfGE 49, 70 (86 f.). Vgl. nun § 2 Abs. 2 u. 3 u. § 3 PUAG.
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ntrstrukturen
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Diese Rechtsprechung hat zum Teil Eingang in das PUAG gefunden, das am 26. Juni 2001 in Kraft getreten ist. 145 Dieses Gesetz verpflichtet in § 29 zur Herausgabe sämtlicher Beweismittel, die fiir die Untersuchung von Bedeutung sein können, eine Verpflichtung, die sich namentlich auch auf behördliche Akten erstreckt. 146 Dabei können unter den Voraussetzungen des § 16 PUAG sogar Verschlusssachen der verschiedenen Geheimhaltungsgrade von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses eingesehen werden, die ihrerseits zur entsprechenden Amtsverschwiegenheit verpflichtet werden. Ebenso wie die Möglichkeit, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, „der parlamentarischen Opposition nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern in erster Linie im Interesse des demokratischen Staates - nämlich zur öffentlichen Kontrolle der von der Mehrheit gestützten Regierung und ihrer Exekutivorgane - in die Hand gegeben"147 ist, ist es einem Drittel der Mitglieder des Bundestages auch möglich, beim Bundesverfassungsgericht eine abstrakte Normenkontrolle zu initiieren. Hier vermischen sich die primär politisch ausgerichtete parlamentarische Kontrolle auf der einen Seite mit der in erster Linie von Gerichten ausgeübten (verfassungs-)rechtlichen Kontrolle auf der anderen Seite.148 Dass abstrakte Normenkontrollen nur im Falle der Überprüfung von Rechtsverordnungen unmittelbar der Kontrolle der Exekutive dienen, im Übrigen aber auf ein Handeln der Legislative gerichtet sind, wird nicht übersehen. Doch gerade angesichts der politischen Einheit von Parlamentsmehrheit und Regierung erscheint es durchaus sachgerecht, die Antragsberechtigung im abstrakten Normenkontrollverfahren zu den minderheitsschützenden parlamentarischen Kontrollinstrumenten zu zählen.
b) Bewertung Betrachtet man die hier nur skizzierten 149 parlamentarischen Kontrollinstrumente zusammenfassend, ist zunächst festzustellen, dass parlamentarische Kontrolle in erster Linie eine politische Kontrolle ist, die sich deshalb vor allem
145
Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz) v. 19.6.2001, BGBl. I, S. 1142. 146 §§ 18, 29 PUAG. Vgl. auch BVerfGE 105, 197 (Ls. 2). 147 BVerfGE 49, 70 (86 f.); vgl. auch BVerfGE 67, 100 (126); 96, 223 (230). 148 Gleiches gilt für die Antragsberechtigung im Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, das im Unterschied zur abstrakten Normenkontrolle aber jedenfalls bei einem Interorganstreit als Mehrheitsrecht ausgestaltet ist. (Anders freilich bei einem Intraorganstreit, wo die Antragsberechtigung ja gerade der prozeduralen Flankierung materiell gewährleisteter Minderheitenrechte dient.). 149 Ausf. Busch, Parlamentarische Kontrolle, passim.
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
auf die Regierung bezieht. Darüber hinaus ist die vom Parlament ausgeübte Kontrolle dadurch charakterisiert, dass sie grundsätzlich weder auf einen bestimmten Maßstab noch auf bestimmte Gegenstände (innerhalb des Regierungshandelns) festgelegt ist. Mag sie primär auch einen politischen Maßstab an die Regierungstätigkeiten anlegen, kann dieser durch eine Wirtschaftlichkeits- oder Rechtmäßigkeitsprüfung doch erheblich erweitert werden. Unabhängig des konkreten Maßstabs ist zu beobachten, dass im Vordergrund parlamentarischer Kontrolltätigkeiten regelmäßig Erfolgskontrollen stehen,150 das exekutivinterne Procedere dagegen nur von untergeordnetem Interesse ist. Und schließlich ist zu beobachten, dass sich die Folgen parlamentarischer Kontrolle regelmäßig auf politische Sanktionen reduzieren, nämlich auf den Entzug des Vertrauens. Unter Berücksichtigung der Bedingungen in einer Mediendemokratie sieht Masing den Grund für die Begrenzung der parlamentarischen Kontrolle auf die Staatsleitung darin, dass sie allein auf „allgemeine Öffentlichkeitsresonanz" ziele und „Einzelhandeln" deshalb grundsätzlich außen vor lasse.151 Dabei ist mit „Einzelhandeln" sicherlich nicht das Verhalten eines einzelnen Ministers gemeint, das nämlich gerade in einer auch das Parlament beeinflussenden Mediendemokratie sehr wohl Gegenstand parlamentarischer Kontrollen sein kann (und, so hat man den Eindruck, immer häufiger auch ist), sondern das Handeln einer nachgeordneten Verwaltungsbehörde in einem konkreten, „unpolitischen" Einzelfall. Eine andere Erklärung für die Konzentration parlamentarischer Kontrollen auf das gubernative Handeln der Exekutive könnte darin zu finden sein, dass sich die beschriebenen Instrumente eben durchweg auf das Regierungshandeln beziehen. Das gilt in besonderem Maße für das schärfste Instrument des Misstrauensvotums, in gleichem Umfang aber auch für die praktisch bedeutsameren Interpellationsrechte. Zugleich darf - zumindest für die vom Bundestag ausgeübte Kontrolle - nicht übersehen werden, dass das Schwergewicht der Exekutive des Bundes ohne Frage in gubernativen Tätigkeiten liegt, während die meisten administrativen Tätigkeiten von den Landesbehörden ausgeübt werden. Schäfer erkennt das föderale System deshalb auch zu Recht als eine der Ursachen dafür, dass der Kontrolle der Verwaltungstätigkeiten im Bundestag eine so geringe Bedeutung zukommt. Eine weitere Ursache liege darin, dass die (primär von den Verwaltungsgerichten ausgeübte) rechtliche Kontrolle der Verwaltung für dominierend und ausreichend gehalten werde. Schließlich sei drittens festzustellen, dass der Bundestag seinen Schwerpunkt im legislativen,
150
Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. 2, S. 61 f.; ebenso Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (20). 151 Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 394 f. m.w.N.
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nicht dagegen im kontrollierenden Bereich sehe. Und außerdem fehle es dem Bundestag viertens an effektiven Sanktionsmitteln gegenüber der Verwaltung. 152 Diese Analyse mag zutreffend sein, scheint aber von einem rechtspolitischen Wunsch nach mehr unmittelbarer Verwaltungskontrolle durch das Parlament getragen zu sein. Indes erscheint es nach dem Grundsatz funktionaler Gewaltenteilung nicht geboten, dass das Parlament unmittelbare Kontrollaufgaben und -befugnisse gegenüber der Verwaltung erhält. Denn die Teilung von Gewalten „zielt ... auch darauf ab, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen." 153 In diesem Sinne fehlt Parlamenten regelmäßig das Personal, der Sachverstand und die Zeit, die Tätigkeiten der einzelnen Verwaltungsbehörden zu überwachen. Die prinzipielle Ausrichtung der parlamentarischen Kontrolle auf das Regierungshandeln ist insofern nicht zu beanstanden. Zu bemängeln ist schon eher, dass auf Grund der parteipolitischen Verflechtung von Parlamentsmehrheit und Regierung die als Mehrheitsrechte ausgestalteten Kontrollinstrumente faktisch nicht mehr wahrgenommen werden. Diese aus Zeiten der konstitutionellen Monarchie stammenden Instrumente, in denen sich der Monarch mit der ihm unterstellten Verwaltung auf der einen Seite und das Parlament auf der anderen Seite noch als Antipoden gegenüberstanden, wirken in der gelebten modernen parlamentarischen Demokratie geradezu anachronistisch. Zwar stehen sich auch in einem parlamentarischen Regierungssystem das Parlament und die Regierung grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis gegenüber, wie das Bundesverfassungsgericht betont hat. 154 Und bei entsprechendem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Abgeordneten ließe sich auch heute noch eine (stärkere) Kontrolle der Regierung durch die Parlamentsmehrheit vorstellen. Doch an die Stelle „der frei dezidierenden, nur ihrem Gewissen unterworfenen Abgeordnetenpersönlichkeit, die den Anspruch erhebt, das Volksganze zu repräsentieren," 155 ist mindestens die Fraktion, in vielen Fällen die Partei, letztlich gar die Parteiführung getreten, die das politische Handeln des Abgeordneten und insbesondere sein Abstimmungsverhalten weitgehend bestimmt. Insgesamt lässt sich somit beobachten, dass das parlamentarische Kontrollrecht zu einem Kontrollrecht der Fraktionen und der Par-
152
So die zusammenfassende Analyse von Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39
(50). 153
BVerfGE 95, 1 (15). BVerfGE 10,2(17). 155 Vgl. schon Leibholz, Die Kontrollfunktion des Parlaments, in: ders., Strukturprobleme der modernen Demokratie, S. 295 (301). 154
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
teien geworden ist. Die parteipolitische Verflechtung von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern fuhrt zu einer Komplizenschaft, in den Personen der meisten Regierungsmitglieder sogar zu einer Identität zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten, unter der die Kontrolleffektivität leiden muss,156 weil es an der hierfür notwendigen Distanz fehlt. Die institutionell geschaffene Distanz zwischen den Mitgliedern des Bundestages und jenen der Bundesregierung wird durch deren parteipolitische Nähe vollends aufgehoben. Außerdem fehlt der Parlamentsmehrheit grundsätzlich das für eine Kontrolltätigkeit notwendige Misstrauen. Genau dieser Punkt offenbart allerdings auch, dass die Kontrollinstrumente des Parlaments nicht unbedingt als schwach bezeichnet werden können. Sie sind vielmehr so ausgestaltet, dass sie zwar prinzipiell eine politische Kontrolle der Regierung ermöglichen, andererseits aber auch die Funktionsfähigkeit der Regierung nicht gefährden. Ernsthafte Sanktionen soll die Regierung vielmehr erst dann befürchten müssen, wenn sie sich nicht mehr auf das Vertrauen der (absoluten) Mehrheit der Abgeordneten stützen kann. Bis zu diesem absoluten Vertrauensverlust liegt die parlamentarische Kontrolle fast ausschließlich in den Händen der jeweiligen Opposition. Doch auch die Opposition erfüllt längst nicht alle Kontrollfunktionen, die ihr eigentlich obliegen.157 Zum Teil fehlt es ihr dazu wohl am politischen Willen, weil auch (und gerade) sie nach der Gunst der Wähler strebt, 158 zum Teil an realen Möglichkeiten. So muss eine von der parlamentarischen Mehrheit getragene Regierung mehr die innere Auflehnung in der eigenen Partei (oder in der des jeweiligen Koalitionspartners) als ein von der Opposition initiiertes Misstrauensvotum befürchten - die parlamentarische Kontrolle wandelt sich zu einer parteiinternen Kontrolle. Einzelne Abgeordnete - seien es „Abweichler" von der regierungstragenden Mehrheit, seien es Mitglieder der Oppositionsfraktionen, seien es fraktionslose Mitglieder des Parlaments - haben mit ihren Rede- und Fragerechten kaum ei-
156
Vgl. bspw. Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 998; Busch, Parlamentarische Kontrolle,
S. 23. 157 Ähnlich schon die Einschätzung von Leibholz, Die Kontrollfunktion des Parlaments, in: ders., Strukturprobleme der modernen Demokratie, S. 295 (300). 158 So verlangt häufig auch und gerade die Opposition die Ausweitung statt der Begrenzung von Ausgaben. Sie eignet sich deshalb nur bedingt zu einer Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Wie gefährlich es werden kann, wenn die Opposition ihre Kontrollbefugnisse und -aufgaben nicht wahrnimmt, zeigt die finanzielle Situation des Landes Berlin im Jahre 2003. Die hohe Verschuldung, die nach Ansicht des Senats als extreme Haushaltslage i.S.v. § 12 Abs. 4 MaßstäbeG zu bewerten ist, ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass über mehrere Jahre hinweg unter Verstoß gegen Art. 87 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 VvB eine überhöhte Verschuldung bewilligt wurde, ohne dass die Oppositionsfraktionen - die einzigen möglichen Antragsteller eines abstrakten Normenkontrollverfahrens vor dem VerfGH von Berlin - dies gerügt hätten.
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ntrstrukturen
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ne Möglichkeit, die Regierungstätigkeit ernsthaft kontrollieren zu können. Sie können aber - ganz im Sinne eines freien Diskurses - versuchen, andere Abgeordnete von ihren Kritikpunkten zu überzeugen und damit andere Kontrollinstrumente zu aktivieren. Insgesamt erscheinen die Instrumente der parlamentarischen Kontrolle im Hinblick auf ihren Zweck, eine politische Kontrolle der gubernativ tätigen Exekutive zu ermöglichen, durchaus angemessen. Und mit Blick auf die administrativ tätige Exekutive ist einerseits einzuräumen, dass sich die parlamentarische Kontrolle grundsätzlich auch auf die nachgeordnete Verwaltungstätigkeit erstreckt, diese Kontrolle aber durch andere Instrumente und Akteure erfolgt, so dass das Parlament nur mittelbar - nämlich über die politische Kontrolle der Regierung als Verwaltungsspitze - in die Verwaltungskontrolle eingebunden ist. Auf Grund ihrer Mittelbarkeit hängt die Effizienz dieser Kontrolle von der Ausgestaltung der unmittelbar eingesetzten Instrumente sowie vom Handeln der unmittelbar tätigen Akteure ab, insbesondere also von der verwaltungsinternen und der gerichtlichen Kontrolle. Bevor diese Kontrollinstrumente näher beleuchtet werden, soll zuvor aber die Ausgangsfrage beantwortet werden, ob und inwieweit das Kontrollinstrument allgemeiner Informationszugangsfreiheit die parlamentarische Kontrolle der Verwaltung verändert. c) Modifizierung durch Informationszugangsfreiheit Unmittelbare Auswirkungen einer durch allgemeine Informationszugangsfreiheit bewirkten Verwaltungskontrolle auf die parlamentarische Kontrolle lassen sich zu deren Lasten nicht feststellen. Denn der Hauptgegenstand der parlamentarischen Kontrolle, die laufenden Regierungsgeschäfte, sind aus dem Anwendungsbereich allgemeiner Informationsfreiheitsgesetze regelmäßig ausgenommen. Insofern ist eine „konkurrierende Kontrolltätigkeit" von Bürgern und Abgeordneten, die sich zu Lasten der parlamentarischen Kontrolle auswirken könnte, nicht ersichtlich. Eher erscheint es - bei einer recht theoretischen Betrachtung - naheliegend, dass die Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten verbessert. Denn die Abgeordnete können nun auf eine breitere Informationsbasis zurückgreifen, sei es, indem sie selbst von einem Informationszugangsanspruch Gebrauch machen, sei es, weil sie von Bürgern, die ihrerseits das Informationszugangsrecht in Anspruch genommen haben, auf bestimmte Vorkommnisse in der Verwaltung hingewiesen werden. Auf diese Weise erstreckt sich die von Informationsfreiheitsgesetzen intendierte und idealisierte Rückkopplung vom Bürger auf die Verwaltung sogar bis hin zum Gesetzgeber. In der Tat kann sich ein Bürger mit Informationen, die er auf Grund der Informationszugangsfreiheit erlangt hat, an den Abgeordneten seines Wahlkreises oder an sonstige Abgeordnete wenden, diese auf ein Thema auf-
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
merksam machen, Interesse wecken und so möglicherweise gar den Gebrauch parlamentarischer Kontrollrechte initiieren. Auch die Wahrnehmung seines grundrechtlich verbürgten Petitionsrechts wird durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit möglicherweise erleichtert. Letztlich knüpft diese Vorstellung aber nicht nur an ein unrealistisches Bild von einem politisch interessierten und engagierten Bürger an, sondern zudem auch an das Idealbild eines Abgeordneten, der sich mehr von Anregungen aus der Bevölkerung als von partei- und fraktionsinternen Vorgaben leiten lässt. Doch soll die Möglichkeit der unmittelbaren Willensbildung „von unten nach oben" auch für die Praxis nicht vollständig ausgeschlossen werden. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang aber darauf, dass die Abgeordneten auf Grund ihres von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisteten freien Mandats nicht verpflichtet sind, etwaigen Anstößen aus der Bevölkerung nachzugehen. Und die durch Informationsfreiheitsgesetze ermöglichte Kontrolle der Verwaltung durch die Bürger ändert auch grundsätzlich nichts an der Verantwortung der Exekutive gegenüber den unmittelbar demokratisch legitimierten Parlamenten. 159 Mögen die parlamentarischen Kontrollrechte durch die Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit bei isolierter Betrachtung also auch leicht gestärkt werden, kann eine abschließende Bewertung doch erst getroffen werden, wenn auch die Auswirkungen allgemeiner Informationszugangsfreiheit auf die mittelbaren Instrumente beleuchtet werden, mit denen die parlamentarische Kontrolle nicht nur der Regierung, sondern eben auch der nachgeordneten Verwaltung sichergestellt werden kann.
2. Verwaltungseigene
Verwaltungskontrolle
a) Ausgestaltung Die eigene Verwaltungskontrolle, also die Kontrolle der Verwaltung durch die Verwaltung selbst, ist von besonders praktischer Bedeutung. Dass dies zumindest von Außenstehenden - regelmäßig unterschätzt wird, 160 liegt möglicherweise daran, dass sie als solche nicht immer ohne weiteres erkennbar ist, da sie aus einer Vielzahl verschiedener Instrumente besteht, die von unterschiedlichen Akteuren unter je besonderen Voraussetzungen eingesetzt werden. Wie sich das gesamte System der Verwaltungskontrolle aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten lässt, so kann auch die verwaltungseigene Kontrolle aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Eine umfassende und alle 159
So auch Strohmeyer, Das europäische Umweltinformationszugangsrecht als Vorbild eines nationalen Rechts der Aktenöffentlichkeit, S. 198, für das UIG. 160 So auch die Einschätzung von Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 373.
. Modifizierung von
ntrstrukturen
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Aspekte einbeziehende Darstellung der verwaltungseigenen Kontrolle soll hier nicht vorgenommen werden. 161 Von Bedeutung sind nur die groben Strukturen der verwaltungseigenen Kontrolle.
aa) Verwaltungskontrolle
innerhalb
eines Verwaltungsträgers
Innerhalb eines Verwaltungsträgers wird die verwaltungsinterne Kontrolle grundsätzlich durch Weisungs- und Bestimmungsbefugnisse der höheren Stellen über die nachgeordneten Stellen durchgeführt. Die höheren Stellen können den ihnen nachgeordneten Stellen im Rahmen ihrer Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht detaillierte Vorgaben für das konkrete Verwaltungshandeln und die Personalwirtschaft auferlegen und verfügen grundsätzlich über eine Kassations- und Substitutionsbefugnis, die freilich unter dem Vorbehalt des Verwaltungsverfahrensrechts steht. Die Prüfung erfolgt am Maßstab der „Richtigkeit des Verwaltungshandelns'4, der sich nicht nur auf die Rechtmäßigkeit, sondern auch auf die Zweckmäßigkeit der zu überprüfenden Maßnahme erstreckt und insbesondere auch eine ergebnisorientierte Kontrolle zulässt.162 Der jeweilige Fachminister ist gegenüber dem Parlament für die Durchführung der Aufsicht verantwortlich. 163 Darüber hinaus wird die verwaltungseigene Kontrolle zum Teil auch durch Beauftragte ausgeübt. Die Kontrolle durch Beauftragte ist zum einen durch deren besondere Stellung und zum anderen durch eine Beschränkung des Prüfungsmaßstabs charakterisiert. Wichtigstes Beispiel sind die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz wird gemäß § 22 BDSG bspw. vom Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung gewählt. Er ist in der Ausübung seines Amtes einerseits unabhängig, untersteht aber gleichwohl der Rechtsaufsicht der Bundesregierung und der Dienstaufsicht des Bundesministers des Innern. 164 Einzelheiten seiner Rechtsstellung sind in § 23 BDSG normiert. Seine Kontrollbefugnis ist gemäß § 24 BDSG auf die Einhaltung des BDSG durch die öffentlichen Stellen des Bundes
161 Vgl. dazu bspw. Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 874 ff.; sowie Kahl, Die Staatsaufsicht, S. 349 ff. 162 In diesem Sinne wohl auch Steinberg, DÖV 1982, S. 619 (629), m.w.N. 163 Vgl. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 79; sowie ausf. Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 811 ff. 164 Ebenso ist die Rechtsstellung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ausgestaltet (vgl. § 35 StUG).
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
begrenzt. 165 In den Ländern ist die Rechtsstellung der jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragten zum Teil anders geregelt. So ist der Datenschutzbeauftragte in Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein außerhalb der Exekutive eingerichtet und dem Parlament zugeordnet, in Berlin ist er als oberste Landesbehörde ausgestaltet.
bb) Verwaltungskontrolle
zwischen selbständigen
Verwaltungsträgern
Zwischen zwei selbständigen Verwaltungsträgern, insbesondere also zwischen den Behörden des Bundes und denen der Länder, bestehen Aufsichtsbefugnisse nur nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Vorgaben und gesetzlichen Konkretisierungen. Im Hinblick auf den Umfang der Aufsichtsbefugnisse ist danach zu unterscheiden, ob die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit (Art. 84 GG) oder im Auftrag des Bundes (Art. 85 GG) ausführen. Führen die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, übt der Bund nach Art. 84 Abs. 3 S. 1 GG lediglich die Rechtsaufsicht über den Verwaltungsvollzug der Länder aus. Zur Wahrnehmung ihrer Rechtsaufsicht kann die Bundesregierung gemäß Art. 84 Abs. 3 S. 2 GG besondere Beauftragte an die obersten Landesbehörden entsenden.166 Dass solche Bundesbeauftragte nicht etwa an nachgeordnete Landesbehörden entsandt werden dürfen, selbst wenn der Rechtsverstoß bei ihnen vermutet wird, ist der grundsätzlichen Verwaltungsorganisationsfreiheit der Länder und damit letztlich zugleich ihrer Eigenstaatlichkeit geschuldet. Dagegen übt der Bund bei der Auftragsverwaltung nicht nur die Rechtsaufsicht über die Verwaltung der Länder aus, sondern nach Art. 85 Abs. 4 GG auch die Fachaufsicht, kann also auch die Zweckmäßigkeit des Landesvollzugs überprüfen und beeinflussen. Zu diesem Zweck kann der Bund jederzeit Berichte und Vorlage der Akten verlangen sowie Beauftragte zu allen Behörden entsenden. Darüber hinaus unterstehen die Landesbehörden nach Art. 85 Abs. 3 GG den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden mit der Maßgabe, dass der Vollzug solcher Weisungen durch die obersten Landesbehörden sicherzustellen ist.
165 Näher zur Rechtsstellung und zu den Aufgaben des Bundesdatenschutzbeauftragten bspw. Kloepfer, Informationsrecht, § 8, Rn. 141. 166 Das sind in der Regel die Landesministerien. Die Entsendung an sonstige nachgeordnete Behörden setzt nach dieser Vorschrift die Zustimmung des Bundesrates voraus.
. Modifizierung von
cc) Verwaltungskontrolle
der mittelbaren
ntrstrukturen
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Staatsverwaltung
Die Verwaltungsträger der mittelbaren Staatsverwaltung in Bund und Ländern unterliegen der Rechtsaufsicht durch Organe der unmittelbaren Staatsverwaltung. Das gilt insbesondere fiir die kommunalen Gebietskörperschaften, die, soweit sie Selbstverwaltungsangelegenheiten erledigen, der Kommunalaufsicht der Länder unterliegen, die sich in Respekt vor der verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsautonomie der Gemeinden auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Soweit die Gemeinden über die Selbstverwaltungsangelegenheiten hinaus auch „übertragene Aufgaben" als Auftragsverwaltung wahrnehmen, unterliegen sie in unterschiedlichem Maße auch der Fachaufsicht.167
b) Bewertung Die verwaltungsinterne Kontrolle hat nicht nur die Aufgabe, die „Richtigkeit" des Verwaltungshandelns zu gewährleisten, sondern vor allem auch die Funktion, eine parlamentarisch verantwortungsfähige Exekutive zu schaffen. Ohne eine effektive interne Verwaltungskontrolle fehlt die Voraussetzung dafür, dass die Regierung für das Fehlverhalten der nachgeordneten Verwaltungsstellen politisch verantwortlich gemacht werden kann. 168 Denn die parlamentarische Kontrolle erstreckt sich unmittelbar nur auf die Regierung. Die über die Regierungsmitglieder bewirkte mittelbare parlamentarische Kontrolle der Verwaltung reicht deshalb nur so weit, wie die Regierung die ihr unterstehende Verwaltung steuern und kontrollieren kann. Die Voraussetzung für diese verantwortungszuweisende Möglichkeit liegt in der hierarchischen Organisationsstruktur. 169 „Eine hierarchisch organisierte, gesetzesgebundene und durch Weisungen der parlamentarisch verantwortlichen Spitze gesteuerte Verwaltung" wird damit zur „Komplementärerscheinung demokratischer Staatlichkeit." 170 Um diese parlamentarische Kontrolle und die ihr korrespondierende parlamentarische Verantwortung nicht zu unterlaufen, dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls „Regierungsaufgaben von politischer Tragweite nicht generell der Regierungsverantwortung entzogen und auf Stel-
167 Vgl. übersichtlich Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 79; sowie ausf. bspw. Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 875 ff. 168 So Schwarze, DVB1. 1974, S. 893 (899). 169 Vgl. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235 (266). 170 So Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, S. 13.
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
len übertragen werden, die von Regierung und Parlament unabhängig sind." 171 Ein absolutes Verbot weisungsfreier Ministerialräume lässt sich dieser Rechtsprechung freilich nicht entnehmen.172 Vor dem Hintergrund ihrer richtigkeitsgewährleistenden und legitimationsvermittelnden Funktionen erscheinen die Instrumente der internen Verwaltungskontrolle (zunächst einmal) ausreichend und effizient. Hervorzuheben ist insbesondere, dass sich die verwaltungsinterne Kontrolle innerhalb eines Verwaltungsträgers regelmäßig nicht auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns beschränkt, sondern mit der „Richtigkeit" einen offenen Maßstab anlegt. Und wo sich die Kontrolle doch auf eine Rechtsaufsicht beschränkt, wie bspw. bei der Aufsichtsverwaltung des Bundes über die landeseigene Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder oder bei der Kommunalaufsicht der Länder über die Gemeinden und die Gemeindeverbände, so ist dies regelmäßig entsprechenden verfassungsrechtlich gewährten oder geschützten politischen Machtbefugnissen geschuldet. Ein Kontrolldefizit entsteht dadurch nicht, vielmehr wird die Fachaufsicht in diesen Fällen durch andere Verwaltungsträger ausgeübt, etwa innerhalb der Länder oder der Gemeinden. Insgesamt sichert die verwaltungsinterne Kontrolle damit eine umfassende Überprüfungsmöglichkeit exekutiven Handelns. Bemängelt werden kann bei abstrakt-theoretischer Betrachtung allenfalls die mangelnde oder doch zumindest gering ausgeprägte Distanz zwischen Kontrolleur und Kontrollierten und das dadurch bedingte prinzipiell fehlende Misstrauen. Beide Faktoren sind einer internen Selbstkontrolle in gewissem Maße immanent. Bei näherer Betrachtung muss diese Kritik aber relativiert werden. So scheint insbesondere in der Kontrolle zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern, also beispielsweise bei der Bundesaufsicht über den Gesetzesvollzug durch die Länder, aber auch bei der Kommunalaufsicht der Länder, eine ausreichende Distanz zwischen Kontrolleur und Kontrollierten zu bestehen. Außerdem kann das auf der mangelnden Distanz beruhende fehlende Misstrauen durch die Pflicht zur Ausübung der Aufsicht sowie durch die Möglichkeit kompensiert werden, die verwaltungsinterne Kontrolle von außen, also aus einem gehörigen Abstand, zu initiieren. In diesem Zusammenhang gewinnen die förmlichen und formlosen Rechtsbehelfe an Bedeutung, mit denen der Bürger die verwaltungseigene Kontrolle
171 BVerfGE 9, 268 (282, 291), nach dieser Entscheidung waren Vorschriften des Bremischen Personal Vertretungsgesetzes nichtig, die in streitigen personellen Angelegenheiten anstelle einer Entscheidung des Dienstheim die alleinige Zuständigkeit einer Einigungsstelle vorsahen. 172 BVerfGE 9, 268 (282 f.).
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auslösen kann. Die förmlichen Rechtsbehelfe, also insbesondere173 der Widerspruch gegen Verwaltungsakte (§§68 ff. VwGO) oder die Beschwerde gegen Justizverwaltungsakte (§ 24 Abs. 2 EGGVG), sind als Voraussetzungen für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zugleich die Schnittstelle zwischen der verwaltungsinternen und der durch Gerichte ausgeübten verwaltungsexternen Kontrolle. Dies zeigt einmal mehr die Verbundenheit der hier getrennt dargestellten verschiedenen Kontrollinstrumente. Ein besonderer Augenmerk soll hier auf die formlosen Rechtsbehelfe gelenkt werden, die im Unterschied zu den förmlichen Rechtsbehelfen unabhängig von einer individuellen Betroffenheit eingelegt werden können. Zu diesen vom Schutzumfang des Art. 17 GG umfassten formlosen Rechtsbehelfen zählen die Gegenvorstellung, die Aufsichtsbeschwerde sowie die Dienstaufsichtsbeschwerde. 174 Sowohl mit der Gegenvorstellung als auch mit der Aufsichtsbeschwerde rügt der Bürger eine bestimmte Verwaltungsmaßnahme als fehlerhaft. 175 Die Behelfe unterscheiden sich allein durch den Adressaten des Behelfs: Die Gegenvorstellung ist bei der Behörde einzureichen, deren Maßnahme vom Bürger beanstandet wird, die Aufsichtsbeschwerde ist dagegen bei der Aufsichtsbehörde einzulegen. Mit der Dienstaufsichtsbeschwerde rügt der Bürger ein dienstrechtliches fehlerhaftes Verhalten eines einzelnen Beamten. Sie soll nach dem Willen des Bürgers die Dienstaufsicht durch die Vorgesetzten in Gang setzen. Können diese formlosen Behelfe auch jederzeit vom Bürger erhoben werden, erzeugen sie als Kehrseite ihrer Formlosigkeit keine Rechtswirkungen. 176 Die Behörden sind allerdings verpflichtet, die Beschwerden des Bürgers entgegen zu nehmen und zu prüfen. 177 Mögen die formlosen Rechtsbehelfe, wie die Statistik zeigt, aus der Sicht ihrer Nutzer auch nur zu einem Bruchteil erfolgreich sein,178 darf ihre Bedeutung doch nicht unterschätzt werden. Denn die Bedeutung einer Kontrolle bestimmt sich nicht danach, ob dem Anliegen des Kontrollinitianten entsprochen wird, sondern liegt auch schon in der Durchführung der Kontrolle an sich.
173
Weitere förmliche Rechtsbehelfe werden bspw. von §§ 141, 142 FlurBerG, § 23 Abs. 1 Wehrbeschwerdeordnung, § 33 WehrPflG, § 18 KDVG vorgesehen. Darüber hinaus erlaubt § 212 Abs. 1 i.V.m. § 217 BauGB es den Ländern, die Anfechtbarkeit der nach dem vierten und fünften Teil des BauGB erlassenen Verwaltungsakte von der Durchführung eines Vorverfahrens abhängig zu machen. 174
Näher hierzu bspw. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, S. 21 f. Bereits § 180 des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 bestimmte: „Alle obrigheitlichen Personen ... sind schuldig, einen jeden, welcher sich in Angelegenheiten ihres Amtes bey ihnen meldet, persönlich zu hören, und auf schleunige Untersuchung und Abhelfung gegründeter Beschwerden bedacht zu seyn." 176 Vlg. hierzu Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 881. 177 BVerfGE 2, 225 (230). 178 Vgl. Rauball, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 17, Rn. 21 m.w.N. 175
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die interne Verwaltungskontrolle sowohl in Bezug auf den Kontrollmaßstab als auch in Bezug auf den Kontrollumfang umfassend ist. Außerdem ist die verwaltungseigene Kontrolle wegen der grundsätzlichen Kassations- und Substitutionsbefugnis als äußerst wirksam zu charakterisieren. Wie bei jedem anderen Kontrollinstrument auch, hängt die Wirksamkeit der verwaltungsinternen Kontrolle letztlich aber von ihrem tatsächlichen Gebrauch ab. c) Modifizierung durch Informationszugangsfreiheit Der Gebrauch der verwaltungsinternen Kontrollinstrumente kann durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit forciert werden. Das gilt nicht nur für den Fall, in dem das Informationszugangsrecht tatsächlich in Anspruch genommen wird, sondern auch schon für die bloße Möglichkeit seiner Inanspruchnahme. Die Inanspruchnahme des voraussetzungslosen Informationszugangsanspruchs kann quantitative und qualitative Folgen für die verwaltungseigene Kontrolle nach sich ziehen. Beide mögliche Konsequenzen beruhen darauf, dass es den Bürgern auf Grund der prinzipiell verbesserten Informationsgrundlage erleichtert wird, die verwaltungsinterne Kontrolle durch die Einlegung formloser Behelfe zu initiieren. Ob diese verbesserte Informationsgrundlage tatsächlich zu einem Anstieg fremdinitiierter verwaltungseigener Kontrollen führt, hängt letztlich davon ab, in welchem Maße sich die Bürger auch ohne individuelle Betroffenheit für das Verwaltungsgeschehen interessieren. Ohne zusätzliche Anreize bleibt die Informationszugangsfreiheit wohl als reines Instrument in der Werkzeugskiste. Die tatsächliche Nutzung dieses Instruments dürfte aber in jedem Fall zu einer Verbesserung der verwaltungseigenen Kontrolle führen, weil der Bürger seine formlosen Behelfe auf Grund der ihm prinzipiell zur Verfügung stehenden Informationen nun eher präzisieren und leichter begründen kann. Doch auch ohne die konkrete Inanspruchnahme des voraussetzungslos gewährten Informationszugangsrechts kann sich allein die Möglichkeit seines Gebrauchs auf das Ob und das Wie der verwaltungsinternen Kontrolle auswirken. Denn die grundsätzliche Aktenöffentlichkeit erlaubt nicht nur die Kontrolle der bereits verwaltungsintern Kontrollierten, sondern darüber hinaus auch eine Kontrolle der Kontrolleure. Von der Möglichkeit einer (retrospektiven) Kontrolle können deshalb durchaus (prospektive) Steuerungswirkungen für die verwaltungsinterne Kontrolle ausgehen. Diese mittelbare Wirkung, die insbesondere auch von den entsprechenden Gesetzesbegründungen betont wird, um die Notwendigkeit eines Informationsfreiheitsgesetzes zu unterstreichen, muss aber schon bei abstrakter Betrachtung etwas relativiert werden. Denn schon heute muss die Verwaltung ob des allgemeinen Auskunftsanspruchs der Me-
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dien damit rechnen, dass bestimmte Verwaltungsvorgänge und bestimmtes Verwaltungshandeln in das Licht der Öffentlichkeit gestellt werden. Darüber hinaus kann nicht abschließend beurteilt werden, ob sich die theoretisch mögliche und politisch erwünschte Folge einer mittelbaren Verbesserung der verwaltungsinternen Kontrolle tatsächlich realisiert. Entscheidend ist letztlich, dass der Anreiz zum normgerechten Verhalten für die Verwaltung größer ist als der Anreiz, den möglichen Kontrollen einer durch Informationszugangsfreiheit hergestellten Öffentlichkeit zu entgehen. Maßgeblich hierfür sind vielfältige, nicht zuletzt auch psychologische Faktoren, die sich der gesetzlichen Steuerbarkeit mindestens teilweise entziehen. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die mittelbare Wirkung von Informationsfreiheitsgesetzen allein auf der möglichen, auf der „drohenden" Durchführung der Kontrolle beruht. Es ist deshalb durchaus vorstellbar, dass diese mittelbare Wirkung in der Zukunft verblasst, sollten die allgemeinen Informationszugangsrechte über längere Zeit nicht in Anspruch genommen werden oder ohne Resultate bleiben. Trotz dieser Bedenken ist insgesamt festzuhalten, dass sich eine allgemeine Informationszugangsfreiheit auf die verwaltungsinterne Verwaltungskontrolle erheblich stärker auswirken wird als auf die parlamentarische Verwaltungskontrolle. Allerdings darf über diese getrennte Darstellung von parlamentarischer und verwaltungsinterner Kontrolle nicht vergessen werden, dass die verwaltungsinterne Kontrolle essentielle Voraussetzung für die Wirksamkeit der parlamentarischen Verwaltungskontrolle ist. Insofern beeinflussen die skizzierten Konsequenzen mittelbar auch die parlamentarische Verwaltungskontrolle.
3. Gerichtliche
Verwaltungskontrolle
a) Ausgestaltung Die gerichtliche Verwaltungskontrolle wird vor allem von den Verwaltungsgerichten, daneben aber auch von den Sozial- und Finanzgerichten sowie nicht zuletzt von den Verfassungsgerichten ausgeübt. In der Außenwahrnehmung kommt der gerichtlichen Verwaltungskontrolle wohl die größte Bedeutung innerhalb des Systems der Verwaltungskontrolle zu. Dabei erscheint die Kontrolle der Verwaltung regelmäßig nur als Reflex der eigentlichen Funktion der gerichtlichen Tätigkeit, nämlich des Individualrechtsschutzes. 179 Dieser verfassungsrechtlich insbesondere von Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt bestimmt maßgeblich die Ausgestaltung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle, die sich in fast allen Kontroll179 Der Satz von Savigny „Wer sein Recht verteidigt, verteidigt zugleich das Recht", gewinnt hier neue Bedeutung.
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Parametern erheblich von der parlamentarischen und von der verwaltungseigenen Kontrolle unterscheidet. 180 So steht den Gerichten kein Selbstbefassungsrecht zu. Vielmehr können sie nur auf Antrag bzw. Klage tätig werden. Dabei ist mit der Beschränkung der Klagebefugnis auch der gesamtmögliche Umfang der gerichtlichen Verwaltungskontrolle beschränkt: Nur soweit der Einzelne in subjektiven Rechten nachteilig betroffen ist, ist eine punktuelle Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte vorgesehen. Mag sich das Erfordernis der Klagebefugnis fur den einen oder anderen auch als Rechtsschutzverweigerung darstellen, muss allerdings betont werden, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit wegen der gesetzlichen Nutzung von Generalklauseln und der Ausweitung subjektiver öffentlicher Rechte doch insgesamt mit nahezu jedem Verwaltungshandeln befasst werden kann.181 Das fehlende Selbstbefassungsrecht wirkt sich auch auf den konkreten Umfang des Gegenstandes gerichtlicher Verwaltungskontrolle aus. Zwar gilt im Verwaltungsgerichtsprozess gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO der Untersuchungsgrundsatz, so dass die Verwaltungsgerichte gemäß § 86 Abs. 1 S. 2 VwGO an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden sind. Doch der mögliche Kontrollumfang wird durch die in § 88 VwGO normierte Dispositionsmaxime begrenzt, nach der das Gericht über das Klagebegehren nicht hinaus gehen darf. Weiteres und besonderes Kennzeichen der gerichtlichen Kontrolle ist ihre Begrenzung auf den Maßstab der Rechtmäßigkeit. Eine Prüfung der Zweckmäßigkeit ist den Gerichten aus Gründen der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung grundsätzlich untersagt. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit des Handelns obliegt in den vom Gesetzgeber vorgezeichneten Grenzen allein der Verwaltung, die hierfür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besseren Voraussetzungen verfügt. 182 Dieser Grundsatz wird freilich durchbrochen. So haben die Gerichte im Rahmen der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme stets auch deren Zweck in den Blick zu nehmen. Zwar dürfen sie den Zweck hierbei nicht hinterfragen oder gar durch einen anderen ersetzen. Gleichwohl wird die Zweckmäßigkeit hier wie in allen Fällen, in denen sich Aspekte der Zweckverwirklichung zur rechtlichen Voraussetzung des Handelns verdichten, Gegenstand einer gerichtlichen Kontrol-
180 Hufen, Verwaltungsprozessrecht, S. 21, charakterisiert die gerichtliche Verwaltungskontrolle kurz aber treffend als förmliche, nachträgliche, fremdinitiierte und mit hohem „Sanktionspotential" versehene Rechtskontrolle. 181 So auch Brohm, NJW 1984, S. 8 ff.; Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (45). 182 Vgl. BVerfGE 95, 1(15) zur Begründung der funktionellen Gewaltenteilung.
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le. 183 Das gilt etwa auch, soweit Verwaltungsgesetze Zielsetzungen zu Rechtsetzungen erheben, also durch finale Regelungsstrukturen gekennzeichnet sind. Hier umfasst die Rechtskontrolle zum Teil auch eine Kontrolle der Zielerreichung.184 Schließlich ist gerichtliche Kontrolle grundsätzlich im Wesentlichen eine nachträgliche Kontrolle. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der Suspensiveffekt verwaltungsgerichtlicher Klagen den Vollzug von Verwaltungsakten hemmt und insoweit auch eine begleitende Kontrolle ermöglicht. 185 Die Kontrollwirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle wird durch die Kassationsbefugnis der Gerichte gewährleistet. Eine Substitutionsbefugnis steht den Gerichten dagegen grundsätzlich nicht zu. Eigenständige Anordnungen dürfen sie nur ausnahmsweise treffen.
b) Bewertung Nicht zuletzt wegen des - prozessual mit der Verfassungsbeschwerde bewehrten - Rechts auf effektiven Rechtsschutz muss die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung zumindest insofern als besonders effektiv beurteilt werden, als sie den Schutz des Einzelnen vor unrechtmäßigem Verwaltungshandeln gewährleisten soll. Der Grund für die besondere Wirksamkeit dieser Rechtmäßigkeitskontrolle ist ohne Frage in der besonderen institutionellen und personellen Unabhängigkeit zu suchen, die vor allem von Art. 97 Abs. 1 GG gewährleistet wird. Die dadurch hergestellte Distanz zwischen den Kontrolleuren und den Kontrollierten fungiert hier allerdings weniger als Voraussetzung für ein gesundes Misstrauen, sondern dient vielmehr der besonderen Objektivität der Kontrolleure. Ein besonderes Misstrauen der Richter ist auch gar nicht erforderlich. Denn das Misstrauen soll in erster Linie kontrollinitiierend wirken, und insofern ersetzt das in der Klage zum Ausdruck kommende Misstrauen der Kläger das Misstrauen der eigentlichen Kontrolleure. Eine rechtsschutzunabhängige Kontrolle der Verwaltung wird durch die Gerichte dagegen nicht geleistet. Dies mag von einen bedauert und von anderen begrüßt werden. Während die einen für die Ausweitung der Klagebefugnis plädieren, um eine von der Verletzung subjektiver Rechte unabhängige Kontrolle durch die Gerichte zu ermöglichen, warnen die anderen vor einer Vermischung
183 184 185
So schon Schwarze, DVB1. 1974, S. 893 (898). Vgl. schon Lerche, BayVBl. 1980, S. 257 (259). Vgl. Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 885.
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
der Kontrollmaßstäbe und vor einer Durchbrechung der Kompetenzverteilung. Mit einer Ausdehnung der Klagebefugnis wachse die Gefahr, dass die Gerichte quasi Zweitentscheider werden und „bessere" Entscheidungen als die Verwaltungen treffen. 186 Unabhängig dieser im Wesentlichen rechtspolitischen Überlegungen bleibt für die noch vorzunehmende Gesamtbetrachtung des Systems der Verwaltungskontrolle jedenfalls festzuhalten, dass sich die gerichtliche Verwaltungskontrolle im Wesentlichen als äußerst wirksames „Nebenprodukt" des Individualrechtsschutzes darstellt.
c) Modifizierung durch Informationszugangsfreiheit Unmittelbare Auswirkungen einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit auf die gerichtliche Verwaltungskontrolle lassen sich nicht beobachten. Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Gerichte (und die anderen Organe der Rechtspflege) nach allen bereits erlassenen bzw. entworfenen Informationsfreiheitsgesetzen insoweit von der Anspruchsverpflichtung ausgenommen werden, als sie gerade in ihrer Eigenschaft als Rechtsprechungsorgane tätig werden. 187 Zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung einer konkreten gerichtlichen Verwaltungskontrolle wird die Informationszugangsfreiheit deshalb wohl nicht fuhren. Darüber hinaus ist sicherlich festzuhalten, dass die Gewährung oder Verweigerung des Zugangs selbst Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen sein können. Die gerichtliche Verwaltungskontrolle wird insofern um einen möglichen Kontrollgegenstand erweitert, dadurch aber nicht grundlegend verändert. Wohl kann es sein, dass bei der gerichtlichen Kontrolle von Zugangsverweigerungen häufiger als in anderen Verfahren das „in camera"-Verfahren Anwendung finden wird, doch stellt auch dies keine essentielle Veränderung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle dar.
186 So bspw. Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (45 f.); unter Verweis auf Brohm, NJW 1984, S. 8(11). 187 Vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 UIG; § 2 Abs. 1 S. 2 IFG-Bln; § 2 Abs. 2 AIG-Bbg; § 2 Abs. 2 S. 1 IFG-NW; § 3 Abs. 3 Nr. 2 IFG-SH; § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 IFG-ProfE; § 1 Abs. 1 S. 2 IFG-RefE.
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4. Verwaltungskontrolle
ntrstrukturen
durch
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Rechnungshöfe
a) Ausgestaltung Die Ausgestaltung der Verwaltungskontrolle durch die Rechnungshöfe von Bund und Ländern entspricht in einigen Punkten der Ausgestaltung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle. Wie die Gerichte, so prüfen auch die Rechnungshöfe das Handeln der Verwaltung primär an einem einzelnen Kontrollmaßstab, nämlich an dem der Wirtschaftlichkeit, und wie bei der gerichtlichen Kontrolle, so wird auch bei der Rechnungshofkontrolle die Kontrollobjektivität der Rechnungshofkontrolle insbesondere durch die Unabhängigkeit und die Fachkompetenz der Mitglieder der Rechnungshöfe gewährleistet. In anderen Punkten bestehen freilich gravierende Unterschiede in der Ausgestaltung der beiden Kontrollinstrumente. So werden die Rechnungshöfe nicht erst auf Antrag, sondern von Amts wegen tätig, und vor allem verfügen sie über keine so scharfen Sanktionsmittel wie die Gerichte mit ihrer Kassationsbefugnis. Nach Wieland besteht die Eigenart der Rechnungsprüfung darin, dass es sich um eine Fremdkontrolle der Verwaltung durch eine unabhängige Stelle im Auftrage des Gesetzgebers handelt. „Mittels der Rechnungsprüfung stellt die Legislative sicher, dass die Exekutive ihr Budgetrecht respektiert, das mit der Verabschiedung von Haushaltsgesetz und Haushaltsplan ausgeübt worden ist." 188 In der Tat lassen sich die Tätigkeiten der Rechnungshöfe in einen engen Zusammenhang mit dem Budgetrechts des Parlaments stellen und sich in den zeitlichen Ablauf des Haushaltsverfahrens einreihen. Zusammen mit der internen Rechnungsprüfung der Parlamente obliegt den Rechnungshöfen die externe Rechnungsprüfung in der auf den Haushaltsvollzug folgenden Phase der Haushaltskontrolle, die unmittelbar in die Entscheidung über die Entlastung der Regierung mündet. Dabei bewerten die Rechnungshöfe das Haushaltsgebaren in erster Linie am Maßstab der Wirtschaftlichkeit, während die Parlamente vor allem eine politische Bewertung vornehmen. Indes bedarf die Fokussierung auf diese Einbindung in die parlamentarische Haushaltskontrolle in mehrfacher Hinsicht der Korrektur. Im Hinblick auf das Verhältnis zum Parlament sind die Rechnungshöfe über eine bloße Hilfsfunktion hinausgewachsen. Insofern ist zu betonen, dass die Rechnungshöfe unabhängig von den Parlamenten agieren. Sie sind insbesondere zur Prüfung verpflichtet, ohne dass es hierzu einer ausdrücklichen parlamentarischen Anord-
188
Wieland, Öffentliche Finanzkontrollen, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 59 (63).
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
nung bedarf. 189 Diese nicht nur gegenüber den Regierungen, sondern auch gegenüber den Parlamenten gewährleistete Unabhängigkeit ist um so wichtiger, als die im Konstitutionalismus noch bestehende Spannung zwischen Legislative und Exekutive 190 in der parlamentarischen Demokratie längst durch eine parteipolitische Verflechtung der beiden Gewalten abgebaut ist und die Parlamente, genauer die parlamentarischen Mehrheiten, regelmäßig kein Interesse daran haben, die von ihnen getragenen Regierungen einer unwirtschaftlichen Haushaltsausführung zu bezichtigen. Darüber hinaus ist der Maßstab der Rechnungsprüfung mit dem Begriff „Wirtschaftlichkeitskontrolle" nur ungenügend beschrieben. Denn zum einen haben wirtschaftliche Gesichtspunkte über die gesetzlich verwendeten Begriffe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit 191 auch rechtliche Bedeutung erlangt, so dass der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit keineswegs außerhalb des Gesetzmäßigkeitsprinzip liegt, sondern vielmehr dessen integrierender Bestandteil ist. 192 Und zum anderen bezieht sich die Prüfung regelmäßig nicht nur auf die Frage, ob beim Vollzug des Haushaltsplans „wirtschaftlich und sparsam" verfahren wird, sondern generell auch darauf, ob das Haushaltsgesetz und der Haushaltsplan eingehalten worden sind. 193 Prüfungsmaßstab können insoweit auch rechtliche Vorgaben sein. Im Einzelnen werden die Maßstäbe häufig verschwimmen, werden Verstöße gegen die Haushaltsgrundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit mit Verstößen gegen rechtliche Bestimmungen (etwa auch des Vergaberechts) einhergehen. Im Anschluss an die umfassende Analyse der Tätigkeiten der Rechnungshöfe von Schulze-Fielitz 194 lassen sich vier Beobachtungen festhalten: Erstens beschränken sich die Rechnungshöfe nicht ausschließlich auf eine Rechnungsprüfung, sondern untersuchen zugleich auch die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Zweitens prüfen sie den Haushaltsvollzug nicht blind am Maßstab der gesetzlichen Vorschriften, sondern hinterfragen diesen Maßstab zuweilen und bewerten somit auch die gesetzlichen Vorgaben. Die Kritik an den gesetzlichen Aufgaben kann drittens zu Privatisierungsanstößen fuhren. Und viertens fuhren die Rechnungshöfe nicht mehr nur ausschließliche nachträgliche Rechnungs-
189
Vgl. bspw. § 88 BRHG. Zur Entwicklung der Rechnungsprüfung instruktiv Wieland, Öffentliche Finanzkontrollen, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 59 (63 ff.). 191 Vgl. § 90 BHO. Der Maßstab der Wirtschaftlichkeit wird darüber hinaus sogar von der Verfassung verwendet (s. Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG). 192 Vgl. bspw. § 6 Abs. 1 HGrG; § 7 Abs. 1 BHO. 193 Vgl. bspw. § 90 BHO. 194 Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (243 ff.). 190
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Prüfungen durch, sondern nehmen auch zukunftsgerichtete Beratungen vor. 195 Insbesondere die letzten beiden Tätigkeiten lassen deutlich einen Wandel von der Kontrolle im engen Sinn hin zu einem „Controlling" im weiten Sinne erkennen.
b) Bewertung Wenn die Verwaltungskontrolle durch die Rechnungshöfe zum Teil als zweitwichtigste Kontrollart bezeichnet wird, 196 dann hängt dies sicherlich erneut (wie auch bei der Bewertung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle) mit der objektiven und d.h. vor allem unpolitischen Kontrolle zusammen, die insbesondere durch die Ausgestaltung des rechtlichen Status der Rechnungshöfe gewährleistet wird, die - gerade auch im internationalen Vergleich - traditionell als „neutrale, politisch nicht handelnde und der politischen Verantwortung weitgehend entrückte Fachorgane" verstanden werden. 197 Allerdings wird die Ausgestaltung der Rechnungshofskontrolle nicht nur als Vorteil empfunden, sondern auch als Nachteil verstanden. Zum einen bilde die Haushalts- und Finanzkontrolle ein Lehrstück für das Entstehen einer Expertokratie, die ihrerseits selbst einen weiteren Freiraum für unkontrolliertes Handeln besitze.198 Zum anderen beziehe sich die Wirtschaftlichkeitsprüfung in Deutschland als logische Konsequenz des Konzepts neutraler und unpolitischer Expertokratie nicht oder jedenfalls weniger auf eine Erfolgskontrolle, die nämlich notgedrungen auch eine stärkere politische Wertung und Einschätzung beinhaltete.199 Solche Überlegungen basieren überwiegend auf politischen Forderungen nach Änderungen der Kontroll- und damit der Machtverteilung in die eine oder andere Richtung. Ungeachtet solcher (rechts-)politischen Desiderate ist an dieser Stelle vor allem festzuhalten, dass die Rechnungshofberichte per se keine unmittelbaren Wirkungen nach sich ziehen. Ihre Wirksamkeit hängt deshalb davon ab, dass andere Kontrollakteure die Mängelberichte aufgreifen und entsprechende Sanktionen verhängen. Zu denken ist in erster Linie an die Parlamente, denen die Rechnungshöfe berichtspflichtig sind, um ihnen die parlamentarische Rechnungslegung im Rahmen ihrer Haushaltskontrolle zu erleichtern. Doch auch 195 So die Thesen von Schulze-Fielitz zsfd. Wieland, Öffentliche Finanzkontrollen, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 59 (65). 196 Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (47). 197 So Sigg, Die Stellung der Rechnungshöfe im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, S. 72; zitiert nach Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (48). 198 Vgl. die Nachweise bei Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (48). 199 Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (49).
20
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
hier zeigt sich erneut, dass das aus dem Konstitutionalismus stammende Instrument der Rechnungslegung und Rechnungsprüfung im Zeitalter der parlamentarischen Demokratie unscharf geworden ist. Denn die politische Einheit aus Regierung und Parlamentsmehrheit wird faktisch politische Sanktionen jeglicher Art verhindern. 200 So bleibt es denn der Opposition überlassen, aus den Mängelberichten politischen Gewinn zu schlagen.
c) Modifizierung durch Informationszugangsfreiheit Auch die Verwaltungskontrolle durch die Rechnungshöfe wird durch die Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit unmittelbar nicht beeinträchtigt. Informationen aus laufenden Prüfungen der Rechnungshöfe sind von den Informationszugangsansprüchen regelmäßig ausgenommen, sei es auf Grund ausdrücklicher Bestimmung wie in § 3 Abs. 3 Nr. 3 IFG-SH oder in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 IFG-ProfE, sei es auf Grund der allgemeinen Bestimmungen zum Schutze der behördlichen Entscheidungsfindung. Mittelbar sind dagegen wechselseitige Beeinflussungen zwischen den beiden Kontrollinstrumenten möglich. So ist es durchaus vorstellbar, dass die Berichte der Rechnungshöfe das Interesse der Bürger an weiteren Nachforschungen wecken und insofern zu dem Gebrauch der Informationszugangsrechte anregen. Vor allem aber ist es umgekehrt denkbar, dass die Rechnungshöfe auf Grund von Informationen, die Bürger durch die allgemeine Informationszugangsfreiheit erlangt haben, zu bestimmten Prüfungen angeregt werden. Denn die Kontrolle der Verwaltung durch die Rechnungshöfe ist nur theoretisch umfassend, praktisch dagegen können und müssen die Rechnungshöfe die Prüfungen ihrem Ermessen nach beschränken. 201 Insofern gewinnen die Rechnungshöfe durch die allgemeine Informationszugangsfreiheit in dem Maße, in dem von dieser Freiheit tatsächlich Gebrauch gemacht wird, eine Reihe von Sensoren hinzu. Ob sich eine allgemeine Informationszugangsfreiheit auch auf die nur geringen Sanktionsmöglichkeiten der Rechnungshöfe auswirkt, erscheint dagegen ungewiss. Schon jetzt zeigen die Berichte der Rechnungshöfe nur in dem Maße Wirkungen, in dem sie von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen werden. Mittler und Multiplikatoren sind dabei (neben den jeweiligen politischen Oppositionsparteien) in erster Linie die Medien. Ob sich die Öffentlichkeit aber durch die Gewährung allgemeiner Informationszugangsfreiheit von einer mittelbaren Medienöffentlichkeit zu einer unmittelbaren Bürgeröffentlichkeit wandeln wird, die dann ihrerseits den Rechnungshofberichten zu mehr Auf200 201
Ebenso v. Arnim, DÖV 1982, S. 917 (919). Vgl. bspw. § 89 Abs. 2 BRHG.
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merksamkeit und politischen Konsequenzen verhelfen wird, erscheint angesichts fehlenden Interesses der Bürger eher zweifelhaft.
5. Vei-waltungskontrolle
durch die öffentliche
Meinung
a) Ausgestaltung Damit ist die Verwaltungskontrolle durch die öffentliche Meinung angesprochen, die im Unterschied zu den anderen Instrumenten der Verwaltungskontrolle nicht institutionalisiert und nicht formalisiert ist. Trotz oder vielmehr wohl wegen ihrer fehlenden Normierung erweist sich die öffentliche Meinung als „vierte Gewalt" häufig als besonders effizientes Kontrollinstrument. Bereits seit ihrer seit ihrer Entstehung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hat sie stets den Anspruch erhoben, die praktische Politik zu beeinflussen. 202 Dabei bleibt freilich offen, was genau die „öffentliche Meinung" ist. Lesenswert ist hierzu immer wieder die Umschreibung von Oncken, die bspw. von Kloepfer
wiedergegeben wird. Danach ist öffentliche Meinung „ein Komplex von gleichartigen Äußerungen größerer oder geringerer Schichten eines Volkes über Gegenstände des öffentlichen Lebens, bald spontan hervorbrechend, bald künstlerisch gemacht; in den verschiedenartigsten Organen sich ausdrückend, in Vereinen, in Versammlungen, vor allem in der Presse und Publizistik oder auch nur in dem unausgesprochenen Empfinden eines jeden, des gemeinen Mannes auf der Straße oder eines kleinen Kreises von Gebildeten; hier eine wirkliche Macht auf die auch die Staatsmänner blicken, dort ein Faktor ohne politische Bedeutung; und immer anders zu werten in jedem Volke; bald einheitlich, wie eine gewaltige Flutwelle gegen die Regierenden und Sachverständigen sich erhebend, bald in sich zerteilt und die widerstrebendsten Tendenzen bergend; einmal das einfache und natürliche Gefühl eines Menschen zum Ausdruck bringend, das andere Mal ein lärmender und unsinniger Ausbruch wilder Instinkte; angesehen und doch immer führend; von den Kennenden und Wissenden über die Achsel angesehen und doch wieder den Willen der Menschen bezwingend, ansteckend wie eine Epidemie, launisch und treulos und herrschsüchtig wie die Menschen selber, und dann doch wieder nichts als ein Wort, mit dem sich die Machthaber betrügen." 203
Ungeachtet der genauen Bestimmung der öffentlichen Meinung herrscht Einigkeit wohl darüber, dass bei der Bildung der öffentlichen Meinung den Medien, insbesondere den Massenmedien, eine erhebliche Bedeutung zukommt. 204
202
Zur Geschichte der öffentlichen Meinung vgl. v. Brünneck, EuR 1989, S. 249 (249 ff.), m.w.N. in Fn. 1. 203 Oncken, zitiert nach Kloepfer, in: HStR, Bd. II, § 35, Rn. 2. 204 Näher hierzu Kloepfer, in: HStR, Bd. II, § 35, Rn. 38 ff.
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Bei seinen Beobachtungen über die Demokratie in Amerika hat de Tocqueville bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erkannt, dass „in den Vereinigten Staaten [...] eine Zeitung für sich allein genommen wenig Macht [hat]; aber die regelmäßig erscheinende Presse ist, nächst dem Volk, immer noch die erste der Mächte." 205 Auch heute fungieren die Zeitungen, mehr noch aber das Fernsehen und der Rundfunk, als Mediatoren, die den ständigen Kontakt zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern herstellen 206 Sie erweisen sich dabei häufig aber auch - freiwillig oder unfreiwillig - als Manipulatoren. Denn eines darf nicht übersehen werden: Die Medien sichern nur mittelbare Öffentlichkeit. Ähnlich wie bei der parlamentarisch vermittelten Öffentlichkeit bleiben Informationen auch bei der durch Medien vermittelten Publizität gefiltert, hier freilich in gesellschaftlicher Freiheit und Vielfalt, orientiert auch an Teil- und Lokalöffentlichkeiten." 207 Die von den Medien zwangsläufig vorzunehmende Informationsselektion ist allerdings nicht automatisch als Manipulation zu bewerten. Gerade in der Informationsgesellschaft kann die Trennung des Informationsspreus vom Informationsweizen durchaus als positiv begriffen werden. Andererseits darf auch nicht übersehen werden, dass die Medien die Relevanz von Informationen mitunter nach anderen Kriterien beurteilen als die Bürger. Letztlich ist eine ausgewogene Informationsselektion wohl nur durch die Vielfalt von Presse und Medien zu sichern, die ihrerseits durch den Staat gewährleistet werden muss. Die allgemeine Bedeutung der (Freiheit der) Medien für die politische Meinungsbildung, die vom Bundesverfassungsgericht mehrfach hervorgehoben worden ist, 208 lässt sich auch auf die spezielle Bedeutung der Medien für die Verwaltungskontrolle übertragen. Auch hier kommt den Medien eine entscheidende Aufgabe zu, Missstände in der Verwaltung aufzuspüren, publik zu machen und gegebenenfalls eine Korrektur zu erwirken. In Bezug auf diese Aufgabe hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Presse mehrfach als „public watchdog" 209 bezeichnet und ihre Rolle in der Demokratie damit treffend charakterisiert. Andererseits darf auch hier nicht übersehen werden, dass die Presse regelmäßig nur solche Verwaltungsvorgänge näher untersucht, die für sie einen gewissen Publikationswert besitzen. Die Kontrolle der Verwal-
205 206
de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, Bd. I, S. 213. So die Qualifizierung der Aufgabe der Presse in BVerfGE 20, 152 (172, 175); 35,
202 (222). 207
Vgl. Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 385 f. Vgl. insb. BVerfGE 20, 162 (174); s. aber auch BVerfGE 44, 125 (139); 50, 234 (240); 101,361 (389). 209 Vgl. bspw. EGMR, Urt. v. 26.11.1991, Series A 216, Ziff. 59 (Observer and Guardian); Urt. ν. 25.6.1992, Series A 239, Ziff. 63 (Thorgeirson); weitere Nachweise bei Frowein, in: ders./Peukert, EMRK, Art. 10, Rn. 15. 208
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tung durch die in den Medien zum Ausdruck kommende Meinung erscheint so in gewissem Maße zufällig, wenn nicht willkürlich.
b) Bewertung Die Kontrolle der Verwaltung durch die insbesondere in den Medien zum Ausdruck kommende öffentliche Meinung ist geprägt durch ihren informalen Charakter. Die rechtlichen Regeln für diese Art der Verwaltungskontrolle erschöpfen sich weitgehend in der Gewährung von Auskunftsansprüchen der Presse und der Medien. Die fehlende rechtliche Ausgestaltung erlaubt ihr im Verhältnis zu den anderen Kontrollinstrumenten eine besondere Offenheit und Flexibilität sowohl im Hinblick auf die Kontrollgegenstände als auch im Hinblick auf die Kontrollmaßstäbe. Unter welchen Gesichtspunkten die öffentliche Meinung bestimmte Verwaltungsmaßnahmen beleuchtet, lässt sich ex ante kaum sagen. Mal steht die Rechtmäßigkeit, mal die Zweckmäßigkeit, mal der eine, mal der andere politische Maßstab im Vordergrund der in den Medien geäußerten Kritik an dem Handeln der Verwaltung. Die Effektivität der Verwaltungskontrolle durch die öffentliche Meinung beruht nicht zuletzt auf der großen Distanz zwischen den Kontrolleuren und den Kontrollierten. Diese Distanz ergibt sich ihrerseits aus dem Gegenüber von privaten und staatlichen Akteuren - eine Konstellation, die die Kontrolle durch die öffentliche Meinung von den anderen Kontrollinstrumenten unterscheidet. Zwar sind auch an der gerichtlichen Verwaltungskontrolle Privatpersonen beteiligt, doch erschöpft sich ihre Funktion dort in der Kontrollinitiative. Gleiches gilt für die Rolle, die Private in der parlamentarischen und verwaltungsinternen Kontrolle spielen können. Die große Distanz bei der Kontrolle durch die öffentliche Meinung schafft vor allem das für die Kontrolle erforderliche grundsätzliche Misstrauen. Dagegen darf bezweifelt werden, dass sie auch für eine Objektivität der Verwaltungskontrolle sorgt. Im Gegenteil: Die Kontrolle durch die Medien ist zwar machtvoll, zugleich aber auch unscharf und zufällig. Aus der Tatsache, dass die Verwaltungskontrolle durch die insbesondere in den Medien zum Ausdruck kommende öffentliche Meinung nicht institutionalisiert und formalisiert ist, darf freilich nicht geschlossen werden, sie unterliege überhaupt keinen Vorgaben. Die Medien - und insbesondere die Massenkommunikationsmittel - folgen vielmehr eigenen Regeln, die in dem Falle, in dem sie privatrechtlich organisiert sind, zum Teil durch streng ökonomische Aspekte charakterisiert sind. So bestimmt sich der Informationswert häufig allein nach den Einschaltquoten und somit nach dem Unterhaltungs- oder Sensationswert der Informationen. Dabei bleibt häufig unklar, ob die Medien mit ihrem Angebot auf eine entsprechende Nachfrage reagieren oder eine solche gerade erst hervorrufen. Insofern ist die öffentliche Meinung für sich genommen
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
sicherlich nicht in der Lage, eine gleichmäßige und objektive Kontrolle der Verwaltung zu gewährleisten. Mit Blick auf das Gesamtsystem der Verwaltungskontrolle ist aber nicht zu verkennen, dass erst die öffentliche Meinung die Wirksamkeit anderer Kontrollinstrumente gewährleisten kann. Insbesondere die Rechnungshofkontrolle und die (zumeist von den Oppositionsfraktionen betriebene) parlamentarische Kontrolle sind auf die Medien angewiesen, weil ihre nicht sanktionsbewehrten Kontrolltätigkeiten sonst ungehört und folgenlos bleiben. Bei dieser Betrachtung stellen die Medien quasi eine Plattform zur Verfügung, der sich auch die institutionalisierten Kontrolleure bedienen können, um die Wirksamkeit ihrer Kontrollen zu erhöhen und den Kontrollierten ein Lernen zu ermöglichen.
c) Modifizierung durch Informationszugangsfreiheit Die durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit bewirkten Modifizierungen der Verwaltungskontrolle durch die öffentlichen Meinung sind vielfältig. Das betrifft zunächst die Anzahl potentieller Kontrolleure. Mit der Möglichkeit eines voraussetzungslosen Zugangs zu Informationen bei der Verwaltung verändern sich auch die Akteure der öffentlichen Meinungsbildung. Die Privilegierung der presse- und medienrechtlichen Informationsansprüche verliert in einer Informationsgesellschaft an Rechtfertigung. 210 Durch die allgemeine Informationszugänglichkeit kann an die Stelle der durch Parlament und Presse mediatisierten Verwaltungsöffentlichkeit immer mehr eine unmittelbare Öffentlichkeit treten. Diese Öffentlichkeit erscheint allerdings entindividualisiert. Denn weder die Bürger noch organisierte Zusammenschlüsse oder die Massenmedien können die Öffentlichkeit im Funktionsbereich der Verwaltungskontrolle zutreffend repräsentieren: „Die klassische bürgerliche Öffentlichkeit und ihre Zuständigkeit für das , Allgemeine' sind in der modernen Gesellschaft subjektlos geworden, [so dass] Verwaltungsöffentlichkeit als ein offener Prozess ohne festen Träger oder Teilnehmerkreis verstanden werden [muss]." 211 Gröschner spricht in diesem Zusammenhang stets von einer Kontrolle der Verwaltung durch eine informierte Öffentlichkeit. 212 Eine solche informierte Öffentlichkeit ist allerdings ein abstraktum und von einzelnen informierten Bürgern streng zu unterscheiden. Erneut sei insofern daran erinnert, dass ein
210
Vgl. hierzu auch Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 392 f. Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (178). 212 Gröschner, VVDStRL 63 (2003), S. 362 ff. 211
in: Schmidt-Aßmann/
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freier Informationszugang nur ein Werkzeug darstellt, mit dessen Hilfe eine informierte Öffentlichkeit entstehen kann. Die Veränderung der Zahl der Kontrolleure kann auch die Kontrollmaßstäbe beeinflussen. Denn jeder Kontrolleur misst das Handeln der Verwaltung an einem für ihn wichtigen Maßstab. So können neben der Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und vielleicht auch Wirtschaftlichkeit andere Aspekte an Bedeutung gewinnen, wie etwa Sinnhaftigkeit, Unbilligkeit, Fairness oder Härte des Verwaltungshandelns, Aspekte also, die eigentlich der politischen (und d.h. in erster Linie parlamentarischen ) Prioritätensetzung überlassen sind und nun auch von Gruppen, Individuen und Massenmedien bei der Beurteilung des Verwaltungshandelns herangezogen werden können.213 Sollte mit dem freien Informationszugang eine verstärkte politische Kontrolle intendiert sein, so hätte die Forderung nach einer dominierenden politischen Kontrolle Renaissance. Bereits 1972 wurde die Auffassung vertreten: „In einer Demokratie hat die Forderung nach politischer Kontrolle im Vordergrund zu stehen und verdient grundsätzlich den Vorrang vor der Rechtskontrolle... (Erst) beim Versagen politischer Kontrolle wird Rechtskontrolle als (zweitbeste) Lösung wieder in Betracht kommen. 4 ' 214 Trotz des Anstiegs der Zahl der potentiellen Kontrollakteure ist darauf hinzuweisen, dass der Bürger durch die Wahrnehmung seines Informationszugangsrechts nicht automatisch zum Kontrolleur wird. Nicht nur, dass ihm häufig die Möglichkeiten der erforderlichen Recherche fehlen werden, er ist vor allem zur Durchsetzung seiner Kontrolltätigkeiten auf andere Akteure angewiesen. Die zunächst geschilderte Aufhebung der Presseprivilegien ist also nicht (unbedingt) mit einem Bedeutungsverlust der Medien verbunden. Im Gegenteil: Sie gewinnen auf der einen Seite einen Zuwachs an „Sensoren" und behalten doch ihr Monopol bei der Entscheidung über die Reaktion. Eine wirksamere Kontrolle der Verwaltung ist damit aber nicht gesichert. Vielmehr werden allein die Vor- und Nachteile einer Verwaltungskontrolle durch die öffentliche Meinung vergrößert. Dabei kann die Demokratie durchaus ihr massenmedial paradoxes Antlitz zeigen: Wenn zur Durchsetzung der Informationszugangsfreiheit die Medien erforderlich sind, besteht die Gefahr, dass Prominente mit „Bildwert" mehr Gehör finden werden als „der kleine Mann auf der Straße."
213
So zu der in Großbritannien praktizierten Verwaltungskontrolle am Maßstab der „maladministration 44 Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (53). 214 So Rehbinder/Burgbacher/Knieper, Bürgerklage im Umweltrecht, 1972, S. 125; zitiert nach Schwarze, DVB1. 1974, S. 893 (900).
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
V. Zusammenfassung Fasst man die Auswirkungen einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit auf die anderen Instrumente der Verwaltungskontrolle aus der Perspektive verschiedener Kontrollparameter zusammen, werden nicht nur die Veränderungen des Systems der Verwaltungskontrolle deutlich, sondern lässt sich auch die Informationszugangsfreiheit als Instrument der Verwaltungskontrolle abschließend bewerten.
/. Kontrollakteure
Offensichtlichste und bereits mehrfach betonte Konsequenz allgemeiner Informationszugangsfreiheit ist die Steigerung der Zahl der potentiellen Kontrollakteure. Die Kontrolle der Verwaltung wird nicht mehr allein Abgeordneten, Verwaltungsbeamten, Richtern, Mitarbeitern der Rechnungshöfe und Journalisten überlassen. Vielmehr kann nun jeder (im weitesten Sinne des Wortes, denn erfasst werden natürliche wie juristische Personen gleich welcher Staatsangehörigkeit bzw. gleich welchen Sitzes) zur Kontrolle der Verwaltung beitragen, unabhängig davon, ob er an einem konkreten Verwaltungsverfahren beteiligt ist oder nicht. Die Bedeutung der Vergrößerung der Zahl potentieller Akteure für die Kontrolle der Verwaltung darf freilich nicht überschätzt werden. Denn zum einen, und auch dies ist schon hervorgehoben worden, wird nur der Kreis der möglichen Akteure erweitert, und zum anderen bleibt die durch Informationszugangsfreiheit ermöglichte Kontrolle der Verwaltung für sich genommen weitgehend folgenlos, sieht man einmal von etwaigen mittelbaren Auswirkungen auf die Verwaltungsführung ab. Das bedeutet, dass die Wirksamkeit der durch allgemeine Informationszugangsfreiheit ermöglichte Kontrolle zwingend von anderen Kontrollinstrumenten und deren Akteuren abhängt. Vor diesem Hintergrund erscheint der Einzelne auch bei der durch allgemeine Informationszugangsfreiheit ermöglichten Verwaltungskontrolle weniger als Kontrolleur denn vielmehr als Kontrollinitiator. Die Wirksamkeit der (unmittelbaren) Kontrolle der Verwaltung mittels einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit hängt also von zwei Faktoren ab: Sie verlangt zum einen, dass der Einzelne von seinem Informationszugangsrecht tatsächlich Gebrauch macht (was wiederum ein entsprechendes Interesse voraussetzt), und sie erfordert zum anderen, dass der als Kontrollinitiator agierende Bürger „echte", also mit Sanktionsmacht ausgestatte Kontrolleure für seine Erkenntnisse gewinnen kann. Die voraussetzungslose Berechtigung zum Zugang zu Informationen bei der Verwaltung lässt sich insoweit als eine von mehreren Zündkerzen verstehen, die fur sich genommen den Wagen nicht bewegen, den Motor aber zum Laufen bringen kann.
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In dieser Rolle erschöpft sich der informationsnachsuchende Bürger aber nicht. Er fungiert nämlich nicht nur als Kontrollinitiator, sondern zugleich auch als Kontrolleur des Kontrolleurs. Insoweit ist eine allgemeine Informationszugangsfreiheit in gewissem Maße die Antwort auf die Frage „Quis custodiet ipsos custodes?"215 Doch auch in der Eigenschaft als Wächter der Kontrolleure ist der Bürger auf andere Instrumente angewiesen, um die bei seinen Kontrollen festgestellten Missstände beseitigen zu können. In Betracht kommen hier namentlich die formlosen Behelfe, allen voran die Dienstaufsichtsbeschwerde, daneben aber unter Umständen auch die Strafanzeige sowie erneut die Einschaltung der Medien als Vertreter der öffentlichen Meinung.
2.
Kontrollgegenstände
Der äußere Umfang des Gegenstands der Verwaltungskontrolle wird durch die Einführung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit nicht verändert. Das wäre auch schon deshalb nicht möglich, weil (zumindest theoretisch) sämtliches Verwaltungshandeln der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Außerdem reicht die durch staatliche Institutionen ausgeübte Kontrolle regelmäßig tiefer als eine durch allgemeine Informationszugangsfreiheit ermöglichte Kontrolle. Denn sie erstreckt sich auch auf den Bereich exekutiver Tätigkeiten, der vom freien Informationszugang zur Sicherung des „Wohls des Bundes bzw. eines Landes" bzw. zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung ausgenommen ist. Entgegen manchen argwöhnenden Vermutungen findet auch und gerade in diesen Bereichen, also etwa im Bereich der Staatssicherheit, der militärischen Verteidigung, der auswärtigen Beziehungen etc., in jedem Fall eine parlamentarische, darüber hinaus aber auch eine verwaltungsinterne Kontrolle statt, und- die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Rechnungshöfe erstreckt sich ebenfalls auf diese dem Zugang der Bürger grundsätzlich vorenthaltenen Bereiche exekutiven Handelns. Allein die gerichtliche Kontrolle greift hier mangels Individualbezugs seltener ein als in außenwirksameren Bereichen der Verwaltungstätigkeit. Sie bleibt aber - nicht zuletzt wegen Art. 19 Abs. 4 GG gleichwohl möglich. Innerhalb des äußeren Umfangs möglicher Verwaltungskontrolle kann die Informationszugangsfreiheit dagegen schon einmal den Gegenstand einer konkreten Verwaltungskontrolle verändern. Denn die Inanspruchnahme der Informationszugangsfreiheit kann das Augenmerk der Kontrolleure auf kontrollbedürftiges Verwaltungshandeln lenken und damit zu einem effizienteren Einsatz der Kontrollkapazitäten beitragen. Diese mit der kontrollinitiierenden Wirkung
2,5
Zugeschrieben Decimus Iunius Iuvenalis, Satiren, V I - 347.
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
2
einhergehende gegenstandsbezogene Folge allgemeiner Informationszugangsfreiheit aktualisiert sich insbesondere gegenüber der verwaltungseigenen Kontrolle sowie gegenüber der Kontrolle durch die in den Medien zum Ausdruck kommende öffentliche Meinung. Der Einfluss auf die parlamentarische Kontrolle dürfte dagegen geringer, der auf die gerichtliche Kontrolle so gut wie ausgeschlossen sein. Denn bei der parlamentarischen Kontrolle dürfte die (Hemm-)Schwelle zur Kontaktaufnahme mit Abgeordneten zu groß sein, und bei der gerichtlichen Kontrolle bestimmt sich der Kontrollgegenstand ausschließlich nach dem rechtsverletzenden Verhalten der Verwaltung, das grundsätzlich nur von dem Inhaber des verletzten Rechts zum Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle gemacht werden kann.
3.
Kontrollmaßstäbe
Die durch allgemeine Informationszugangsfreiheit ermöglichte Kontrolle der Verwaltung ist nicht auf einen bestimmten Kontrollmaßstab festgelegt. Vielmehr ist der Kontrollmaßstab offen. Die durch einen Einzelnen vorgenommene Verwaltungskontrolle kann durch die Unterscheidung von Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit bestimmt sein, sie kann aber sich aber ebenso an ökonomischen, politischen, moralischen, ästhetischen oder jeden anderen Kriterien orientieren. 216 Diese Offenheit legt zunächst die Vermutung nahe, dass das System der Verwaltungskontrolle durch die Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit zumindest in Bezug auf die Kontrollmaßstäbe nicht verändert wird. Indes führt die Abhängigkeit der Verwaltungskontrolle durch freien Informationszugang von anderen Kontrollinstrumenten dazu, dass die spezifischen Kontrollmaßstäbe dieser Instrumente tendenziell gestärkt werden. Die Kontrolle durch allgemeine Informationszugangsfreiheit fungiert insoweit als Katalysator. Unterstellt man, dass sich private Bürger mit ihren durch die Informationszugangsfreiheit erlangten Informationen vor allem an die Medien wenden, bliebe der Kontrollmaßstab grundsätzlich offen. Denn auch die Medien sind als (regelmäßig) nicht staatliche, jedenfalls aber nicht institutionalisierte Kontrollakteure nicht auf einen bestimmten Maßstab festgelegt, sondern können mal das eine und mal das andere Kriterium zum Maßstab ihrer Recherche und Berichterstattung machen. Eben diese Kriterien würden durch den Gebrauch allgemeiner Informationszugangsfreiheit an Bedeutung gewinnen. Dass diese Kri-
2,6
Vgl. Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (154).
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terien mit dem Maßstab der Rechtmäßigkeit allenfalls eine gemeinsame Schnittmenge bilden, ließe sich an zahlreichen Beispielen verdeutlichen. Erinnert sei etwa an die Medienberichterstattung in Fällen, in denen ein abgewiesener Asylbewerber im Einklang mit den rechtlichen Regeln und der üblichen Verwaltungspraxis ausgewiesen wird, seine persönlichen und sozialen Verhältnisse ebenso wie seine Beliebtheit bei ausgewählten Personen aus der Sicht der Medien aber für einen Verbleib in Deutschland sprechen. Dabei soll nicht weiter hinterfragt werden, ob sich die von den Medien publizierte Meinung in solchen Fällen tatsächlich mit der öffentlichen Meinung deckt. Festzuhalten ist jedenfalls, dass sich die unmittelbar oder mittelbar durch die Medien ausgeübte Kontrolle der Verwaltung an einem ex ante nur schwer vorhersehbaren Maßstab orientiert, der sich selten mit dem der Rechtmäßigkeit decken wird. Ähnliches gilt für die Fälle, in denen ein Bürger zur Durchsetzung seiner mittels allgemeiner Informationszugangsfreiheit ausgeübten Kontrolle die Rechnungshöfe oder die Parlamente befasst. Denn erstere entscheiden (mit den erwähnten Ausnahmen) grundsätzlich am Maßstab der Wirtschaftlichkeit, letztere primär nach politischen Kriterien. Da eine Initiierung der gerichtlichen Kontrolle zur Durchsetzung von Unregelmäßigkeiten, die einem Bürger außerhalb seiner Beteiligung an einem Verwaltungsverfahren aufgefallen sein mögen, an einer fehlenden Klagebefugnis scheitert, erlangt der Maßstab der Rechtmäßigkeit nur an Bedeutung, wenn der Bürger eine verwaltungsinterne Kontrolle auslöst. Insgesamt lässt sich deshalb prognostizieren, dass der Maßstab der Rechtmäßigkeit im Zusammenhang mit der Kontrolle der Verwaltung durch freien Informationszugang nur eine untergeordnete Rolle spielen wird. Zum Teil scheint dies sogar gewünscht. Denn häufig wird beklagt, dass die politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland (zu) sehr von der Vorstellung geprägt sei, dass Richtigkeit und Rechtmäßigkeit Synonyme seien.217 Und der Ruf nach allgemeiner Informationszugangsfreiheit ist ja nicht zuletzt die Forderung einer Ablösung des Rechtsstaatsprinzips als leitende Maxime für die Verwaltungskontrolle durch das Demokratieprinzip, das primär politische Maßstäbe bereit hält. Ob damit auf eine zunehmende Politisierung der Verwaltung reagiert oder eine solche erst gefördert wird, soll an dieser Stelle nicht näher untersucht werden. 218 Denn festzuhalten bleibt, dass die durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit ermöglichte Verwaltungskontrolle den Maßstab der Rechtmäßigkeit nur tendenziell in den Hintergrund rückt, ihn aber nicht völlig verdrängt.
217
In diese Richtung bspw. Blankenagel, Die Verwaltung 26 (1993), S. 1 (1); vgl. auch Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (42). 218 Siehe dazu unten S. 319.
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Zum Teil kommt die allgemeine Informationszugangsfreiheit dem Maßstab der Rechtmäßigkeit sogar zu Gute. So wird das Verwaltungshandeln durch die Stärkung seiner Nachvollziehbarkeit grundsätzlich weniger beeinflussbar für Sonderinteressen 219 - ein Ziel, das in erster Linie durch das Recht zu erreichen gesucht wird. Vor allem aber eignet sich die Informationszugangsfreiheit insbesondere zur Aufdeckung von Vollzugsdefiziten, die zumindest in den Fällen, in denen ein exekutives Handeln ausdrücklich vorgeschrieben ist, als rechtswidrig qualifiziert werden müssen. In diesem Zusammenhang hat Lerche schon 1979 darauf hingewiesen, dass „Vollzugsdefizit ja vor allem wohl ein Vollzugskontrolldefizit meint." 220 Eine Vollzugskontrolle durch einzelne Personen und die Öffentlichkeit erweist sich insbesondere für die Kommission der EU und die anderen europäischen Behörden als besonders wichtig, weil diese über keinen weisungsabhängigen Unterbau verfügen und sich das Handeln (oder Unterlassen) der mitgliedstaatlichen Behörden weitgehend ihrer Kontrolle entzieht. 221 Aber auch bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder sowie generell bei jeder Ausführung gesetzlicher Vorschriften durch die Exekutive ist die Kontrolle, ob die gesetzlichen Vorschriften vollzogen werden, wichtiger vielleicht noch als die Kontrolle, wie die gesetzlichen Vorschriften vollzogen werden. Wenngleich eine strikte Unterscheidung dieser beiden Fragen nicht immer möglich sein wird, erscheint die Kontrolle des „ob" in der Regel sehr viel einfacher durchzufuhren zu sein als die Kontrolle des „wie", weil es für letztere nicht nur genauer tatsächlicher Kenntnisse, sondern häufig auch fachlicher und rechtlicher Kenntnisse bedarf, die für die Kontrolle des „ob" grundsätzlich nicht erforderlich sind. Insofern ist die Vollzugskontrolle ein geeignetes Tätigkeitsfeld für das Kontrollinstrument des freien Informationszugangs.
4. Kompensation
von Kontrolldefiziten?
Ob abgesehen von diesen Vollzugsdefiziten auch die anderen tatsächlichen oder behaupteten Defizite des überkommenen Kontrollsystems durch die allgemeine Informationszugangsfreiheit kompensiert werden können, muss bezweifelt werden.
2,9
Nolte, DÖV 1999, S. 363 (374). Lerche, BayVBl. 1980, S. 257 (260) m.w.N. in Fn. 13. 221 Vgl. Kadelbach, Verwaltungskontrollen im Mehrebenensystem, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 205 (243). 220
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Zunächst ist zu betonten, dass nicht jeder Steuerungsverlust des Parlaments in gleichem Maße ein Defizit der Verwaltungskontrolle begründet. 222 Denn auch außerhalb der reinen Gesetzesvollziehung, etwa bei der aktiv gestalterischen Arbeit, unterliegt die Verwaltung doch einer verwaltungsinternen und letztlich auch einer parlamentarischen Kontrolle. So bleibt die Exekutive für ihr in Kooperation mit privaten Akteuren ausgeübtes Handeln in vollem Umfang parlamentarisch verantwortlich, wie bspw. die im Streit um die Einführung einer Maut für Schwertransporter geäußerten, an den Bundesverkehrsminister gerichteten Rücktrittsforderungen zeigen. Steuerungsverlust und Kontrollverlust sind nur dann kongruent, wenn man den Begriff der Kontrolle im Sinne eines „controlling" versteht. Bei einer an die „contre-rôle" anknüpfenden Verwendung des Begriffs können das Maß der Steuerungsmöglichkeit und das Maß der Kontrollmöglichkeit durchaus auseinanderfallen. Wo darüber hinaus der parlamentarische Steuerungsverlust durch Privatisierungen ehemals staatlich ausgeführter Aufgaben hervorgerufen wird, ist daran zu erinnern, dass nicht alle Informationsfreiheitsgesetze den Zugangsanspruch auf Informationen bei Privaten, die mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut sind, erstrecken und hierzu auch nicht durch die Verfassung verpflichtet sind.223 Insofern ist hier nicht zwingend eine Kompensation für vermeintliche Kontrolldefizite zu erwarten. Vielmehr fällt die Kontrolle spätestens nach einer materiellen Privatisierung grundsätzlich, d.h. soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, vollständig aus dem staatlichen Kontrollsystem heraus. Sie unterliegt dann vor allem den Regelungen der privaten Wirtschaftsordnung, so dass sich ihre Kontrolle in rechtlicher Hinsicht nach Maßgabe vor allem des Gesellschaftsrechts, in tatsächlicher Hinsicht nach Maßgabe ihres Erfolgs vollzieht. 224 Und wo der Staat die Gewährleistungsverantwortung für die von Privaten zu erbringenden öffentlichen Aufgaben übernimmt, behält er regelmäßig die Möglichkeit der Kontrolle der Recht- und Ordnungsmäßigkeit. Sofern sich die Privaten aber von selbst oder nach staatlichem Anstoß Selbstkontrollmechanismen unterwerfen, reduziert sich die Gewährleistungsverantwortung des Staates allein auf die Kontrolle der Existenz solcher Mechanismen.225 Ein allgemeines Informationszugangsrecht kann in diesen Fällen grundsätzlich nur
222 A.A. etwa Schäfer, Die Verwaltung 26 (1993), S. 39 (41), m.w.N., nach der mit dem Steuerungsverlust der Gesetzgeber zwangsläufig auch ein KontrollVerlust der Gesetzgeber einhergeht. Vgl. auch Huber, StWStP 8 (1997), S. 423 (434). 223 Siehe oben S. 178. 224 So schon treffend Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (29). 223 So treffend Lüder, Verwaltungskontrolle aus sozial- und verwaltungswissenschaftlicher Perspektive, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 45 (53).
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
auf die Tätigkeiten des staatlichen Kontrolleurs, nicht aber auf die Tätigkeiten des privaten Aufgabenerbringers gerichtet sein. Insgesamt ist nicht ersichtlich, wie das bloße Recht auf Zugang zu Informationen bei der Verwaltung etwaige Kontrolldefizite ausgleichen können soll, zumal diese Art der Kontrolle in ihrer Wirksamkeit von Instrumenten abhängig ist, deren Ineffizienz die Kontrolldefizite doch erst ausgelöst haben soll. Solche Kontrolldefizite müssen entweder durch andere, wirksam ausgestaltete Kontrollinstrumente kompensiert oder aber durch eine Wiederbelebung der bestehenden Kontrollinstrumente abgebaut werden.
5. Ergebnis
Eine allgemeine Informationszugangsfreiheit mag als Voraussetzung für den Gebrauch politischer und anderer Grundrechte äußerst sinnvoll sein, als eigenständiges Instrument zur Kontrolle der Verwaltung taugt sie nur bedingt. Fast ist man versucht zu sagen, sie fingiert eine Kontrolle der Verwaltung mehr als dass sie deren Kontrollierbarkeit gewährleistet. 226 Wenn eine allgemeine Informationszugangsfreiheit als Instrument der Verwaltungskontrolle auf der einen Seite auch wenig nützt, richtet sie auf der anderen Seite doch keinen unmittelbaren Schaden an. Denn sie fügt sich leicht in das bestehende System der Verwaltungskontrolle ein und trägt zum Teil sogar zu einer Steigerung der Wirksamkeit anderer Kontrollinstrumente bei. 227 Allerdings lässt sich in Bezug auf die Kontrollmaßstäbe eine Tendenz zur Schwächung des Kriteriums der Rechtmäßigkeit erkennen, bedingt vor allem durch die Stärkung anderer Kontrollmaßstäbe, insbesondere der nicht leicht zu fassenden Maßstäbe der Medien. Ob diese Tendenz mit zunehmender Inanspruchnahme des Informationszugangsrechts in eine Gefahr für den freiheits- und gleichheitssichernden Maßstab des Rechts umschlägt, kann nicht ohne weiteres prognostiziert werden, ist aber durch die Erfahrungen in Ländern mit langjähri-
226 Interessant in diesem Zusammenhang die „Betrachtungen über die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege", Bd. 1, S. 16, von Feuerbach aus dem Jahre 1821 : „Und so wurden, ohne zu bedenken, daß eine öffentliche Rechtspflege eben so schlecht seyn kann, als gut eine nicht öffentliche, jede gegründete oder ungegründete Beschwerde über irgend ein Gebrechen der bestehenden Rechtsverwaltung mit dem lauten Hülfsrufe: Oeffentlichkeit! beschlossen. Man hätte hierbei in Versuchung gerathen können, zu glauben, es komme auf weiter nichts an, als nur die Thüren der Gerichtssäle zu öffnen, um die Gerechtigkeit blos dadurch, daß man sie in ihrem Jammerstande zu allgemeiner Betrachtung ausstelle, von allen ihren Uebeln, Leiden und Gebrechen auf einmal zu befreien." 227 Ähnlich Hatje, EuR 1998, S. 734 (746 f.); skeptisch Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924 (933).
C. Modifizierung von Verantwortungsstrukturen
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ger allgemeiner Aktenöffentlichkeit nicht belegt. Die Möglichkeit hierzu ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen und unter dem Mantel einer Demokratisierung der Verwaltung zum Teil auch gewollt.
C. Modifizierung von Verantwortungsstrukturen Führt eine allgemeine Informationszugangsfreiheit nur zu mittelbaren und (deshalb) geringen Modifizierungen des Systems der Verwaltungskontrolle, nämlich unter Umständen zu einer Schwächung des Rechts als Maßstab von Verwaltungsentscheidungen, liegt die Vermutung nahe, dass sie auch das System der Verwaltungsverantwortung 228 weitgehend unberührt lässt.229 Denn Kontrolle und Verantwortung sind grundsätzlich kongruent, sind Korrelate. 230 Diese Vermutung täuscht aber. Denn die Verantwortung entspricht schon der Kontrollmöglichkeit, nicht erst der tatsächlich durchgeführten Kontrolle. Deshalb herrscht kein Zweifel daran, dass das System der Verwaltungsverantwortung allein durch die Einführung eines neuen Kontrollinstruments modifiziert wird. Unklar ist aber, welche Veränderungen in den Verantwortungsstrukturen tatsächlich bewirkt werden.
I. Einzelne als Verantwortungsträger Überwiegend wird davon ausgegangen, dass den Einzelnen bereits durch die Möglichkeit eines freien Informationszugangs eine Mitverantwortung für die Kontrolle der Verwaltung übertragen wird, 231 dass eine „von Staat und Privaten gesamthänderisch wahrzunehmende Verantwortung" begründet wird. 232
228 Unter dem System der Verwaltungsverantwortung wird hier die Summe aller Regelungen verstanden, die die demokratische Verantwortung der Exekutive festlegen. Zu einem anderen Begriff der Verwaltungsverantwortung vgl. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 9 ff. 229 Nach Schmidt-Aßmann, Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 9 (36), führen Veränderungen im System der Verwaltungsverantwortung auch zu Veränderungen im System der Verwaltungskontrolle. 230 So Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle - Perspektiven, in: Schmidt-Aßmann/ ders. (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 325 (338); vgl. auch Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 394 ff. 231 Vgl. Gröschner, VVDStRL 63 (2003), S. 362. 232 So bezogen auf Umweltinformationen Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117(137).
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Eine solchermaßen verstandene Verantwortungsverlagerung stellt sich keinesfalls nur als notwendige Konsequenz der Einräumung von Kontrollmöglichkeiten dar, sondern vielmehr häufig als deren eigentliches Ziel. So wollte die Kommission mit der UIRL „die Bürger unmittelbarer für den Umweltschutz verantwortlich machen." 233 Gerade im Umweltbereich erhofft man sich namentlich auf europäischer Ebene auch von anderen Instrumenten, bspw. der Umweltverträglichkeitsprüfung, die Bildung einer zivilgesellschaftlichen Verantwortung für das Gemeinwesen,234 wobei nach neokorporistischen Vorstellungen vor allem die organisierten Akteure „als Hilfseinrichtungen der Gemeinschaftskontrolle instrumentalisiert" 235 und als Ansatz eines „föderalen Monitorsystems" begriffen werden. 236 Der Entwurf einer Europäischen Verfassung stärkt diesen Ansatz, indem er sich in Art. 46 zum „Grundsatz der partizipativen Demokratie" bekennt und dabei neben „der Zivilgesellschaft" insbesondere auch „repräsentative Verbände" in den Blick nimmt. Doch auch auf nationaler Ebene und unabhängig vom Umweltschutz wird einer allgemeinen Informationsfreiheit der Zweck zugesprochen, der Einzelne solle „faktisch eigenständig und eigenverantwortlich" Kontrollaufgaben gegenüber der staatlichen Verwaltung wahrnehmen. 237 Pernice versteht diese Funktion der Bürger als Ausdruck eines besonderen Status, eines „status activus processsualis", der u.a. die Mitverantwortung des Bürgers für die Gemeinschaft materialisiere. 238 Erkennt man das Ziel allgemeiner Informationszugangsfreiheit tatsächlich darin, dem Bürger Verantwortung für die Kontrolle der Verwaltung zuzuweisen, hätte dies gravierende Auswirkungen auf die VerwaltungsVerantwortung. Denn Verantwortung ist eine feststehende Größe, die nicht beliebig erweitert oder verkleinert werden kann. Deshalb führte die Begründung einer privaten Kontrollverantwortung zwangsläufig in gleichem Maße zu einer Reduzierung der staatlichen KontrollVerantwortung. In diesem Sinne hat bspw. SchmidtAßmann in der europarechtlich verordneten Transparenz „ein Konzept neuer Steuerungsinstrumente" erkannt, „das die Grenze zwischen administrativer und
233 Vgl. ABl. EG 1988, Nr. C 335, S. 5. Ausf. auch Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, S. 33. 234 Die gemeinsame Verantwortung von Staat und Gesellschaft hat ihren Niederschlag insbesondere im Kooperationsprinzip gefunden. Vgl. hierzu und zu den instrumentellen Ausgestaltungen Kloepfer, Umweltrecht, § 4, Rn. 47 ff. 235 Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Venvaltungskontrolle, S. 117 (138, 141). 236 Anschaulich am Beispiel von Umweltschutzverbänden Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 277. 237 Vgl. bspw. Kloepfer, DÖV 2003, S. 221 (224); Hervorhebung durch M.R. 238 Pernice, NVwZ 1999, S. 414 (424); unter Verweis auf Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43, 86 ff.
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privater Verantwortung nicht nur beeinflusst", sondern „das traditionelle Konzept staatlicher Kontrollverantwortung wenigstens teilweise ersetzen will." 2 3 9 Indes muss aus mehreren Gründen bezweifelt werden, dass eine Informationszugangsfreiheit tatsächlich Verantwortung für die Kontrolle der Verwaltung auf Private verlagert. Schon bei theoretischer Betrachtung erscheint eine solche Verantwortungsverlagerung nicht möglich, jedenfalls aber nicht sinnvoll. Denn Verantwortung ist strukturell gekennzeichnet von einem Verantwortungsträger, der für einen bestimmten Verantwortungsgegenstand gegenüber einem Verantwortungsadressaten Verantwortung innehat. Nach dieser Struktur ist das Volk als Inhaber der Staatsgewalt stets letzter Verantwortungsadressat, wobei diese Rolle in einer parlamentarischen Demokratie regelmäßig auf die Parlamente übertragen ist. Verantwortungsträger ist das Volk dagegen nicht und kann es mangels eines höheren Verantwortungsadressaten auch nicht sein. Allenfalls käme eine Verantwortung sich selbst gegenüber in Betracht, doch führte dies ebenso wie die dieser Konstellation korrespondierende Kongruenz von Kontrolleur und Kontrolliertem ins Leere. Unabhängig dieser grundsätzlichen Bedenken ist Kontrolle auch grundsätzlich kein tauglicher Gegenstand von Verantwortung. Kontrolle ist vielmehr das Mittel, mit der Verantwortung für einen (inhaltlichen) Gegenstand ausgeübt wird. So tragen die höheren Verwaltungsbehörden keine Verantwortung für die Kontrolle über die ihnen nachgeordneten Behörden, sondern für die Richtigkeit des Verwaltungshandelns. Die Gerichte tragen keine Verantwortung für die Kontrolle exekutives Handelns, sondern für dessen Rechtmäßigkeit. Der Bund trägt in der Auftragsverwaltung keine Verantwortung für die Kontrolle des Gesetzesvollzugs durch die Länder, sondern für dessen Recht- und Zweckmäßigkeit. Wenn also keine Verantwortung für Kontrolle besteht (und auch nicht bestehen kann), kann eine solche auch nicht übertragen werden. Doch selbst wenn man die Verantwortung für die Kontrolle der Verwaltung als tauglichen Gegenstand begriffe, ließe sich deren Verlagerung von der staatlichen Ebene auf Private allein mit der voraussetzungslosen Gewährung eines Informationszugangsanspruchs nicht begründen. Denn zum einen würde dies den ausdrücklich als subjektives Recht angelegten und ausgestalteten Informationsanspruch in eine Informationspflicht umwandeln. Und zum anderen würde dies den Verwendungszweck der erlangten Informationen auf die Kontrolle der Verwaltung beschränken. Das voraussetzungslose Informationszugangsrecht überlässt den Zweck seiner Inanspruchnahme aber gerade der subjektiven Bestimmung durch den Anspruchsinhaber. Dieser kann die erlangten Informatio-
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Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924 (927 f., 929 f.).
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
nen ohne Frage zur Kontrolle der Verwaltung verwenden, er kann sie aber ebenso gut auch fiir andere, bspw. für wirtschaftliche oder wissenschaftliche Zwecke benutzen.
II. Einzelne als Verantwortungsadressaten Die durch die Informationszugangsfreiheit bewirkte Verantwortungsverlagerung betrifft die Einzelnen also nicht in ihrer Rolle als Verantwortungsträger, sondern in ihrer Rolle als Verantwortungsadressat. Nicht die Verantwortung der Einzelnen, sondern die demokratische Verantwortung der Verwaltung soll dadurch gestärkt werden, dass die Verwaltung nicht nur gegenüber dem Parlament, sondern auch unmittelbar gegenüber dem Volk verantwortlich ist. 240 Mit der Begründung von Verantwortung der Verwaltung unmittelbar gegenüber dem Volk gehen zwei weitere Änderungen in den Verantwortungsstrukturen einher: Zum einen verliert die Verwaltung in dem Maße, in dem sie unmittelbar dem Volk gegenüber verantwortlich ist, an Verantwortung gegenüber dem Parlament. Und dieses verliert in eben diesem Maße an Verantwortung gegenüber dem Volk. Auch gegen eine solche Verantwortungsverlagerung lassen sich strukturelle Bedenken anführen, die im Korrelat von Kontrolle und Verantwortung begründet sind. Denn grundsätzlich verlangt Verantwortung ein entsprechend wirksames Kontrollmittel zur Einforderung eben dieser Verantwortung, 241 und ein solches stellt die Informationszugangsfreiheit, wie dargelegt, nicht da. Zwar kann die Informationszugangsfreiheit im Verbund mit anderen Kontrollinstrumenten Verantwortung einfordern, so dass die strukturellen Bedenken ausgeräumt erscheinen. Doch der Konnex zwischen Kontrolle und Verantwortung ist bei dieser Konstruktion eben nur mittelbar. Die Einforderung der Verantwortung hängt nicht mehr allein von einem Akteur, dem Parlament, sondern von den Entscheidungen zweier Akteure ab - dem Volk und dem Parlament. Während sich also die Verantwortungsstrukturen von einer Verantwortungsreihe (Volk - Parlamente - Verwaltung) zu einem Verantwortungsdreieck verändern, bleibt es in Bezug auf die Kontrollstrukturen bei einer Kontrollreihe mit der Folge, dass Verantwortung und Kontrolle einander nicht mehr korrespondieren.
240 Deutlich insoweit Nr. 2 der Erwägungsgründe der VO 1049/2001: „Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System." 241 Vgl. bspw. Pitschas, VerwaltungsVerantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 394 f.
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Schwerwiegender sind deshalb auch die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bewirkte Veränderung des Adressaten von Verwaltungsverantwortung. Denn wegen der unveränderbaren Größe der Gesamtverantwortung fuhrt eine Erweiterung des Adressatenkreises zwangsläufig zu einer Minimierung, jedenfalls aber zu einer Relativierung der Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Parlament. Nicht auszuschließen ist nunmehr, dass sich die Verwaltung dem einen Verantwortungsadressaten unter Hinweis auf den jeweils anderen entzieht. Sind Verantwortung und Kontrolle der Verwaltung aber Grundelemente einer demokratischen Verfassungsordnung, 242 vielleicht sogar konstituierende Merkmale, ja Kern der repräsentativ-parlamentarischen Demokratie, 243 so müssen Veränderungen im System der Verwaltungskontrolle und der Verwaltungsverantwortung zu Modifizierungen eben dieser Verfassungsordnung führen. Zutreffend hat Schmidt-Aßmann darauf hingewiesen, dass ein System der Verwaltungskontrolle im Hinblick auf die grundlegenden Prinzipien der repräsentativen Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit bedenklich ist, wenn es durch die Einbeziehung der Öffentlichkeit zu einer Verdrängung der „förmlichen Verantwortungs- und Kontrollstrukturen" kommt. 244
D. Modifizierung von Staatsstrukturen Die Verfassungsordnung wird maßgeblich durch die Strukturprinzipien bestimmt, die vor allem in Art. 20 GG, daneben aber bspw. auch in der Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 GG und in der Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG normiert sind. Ihrem Charakter als Leitlinien für die Organisation des Staates entsprechend, sind die Strukturprinzipien notwendigerweise abstrakt. Ihre konkreten Inhalte und Vorgaben lassen sich nicht ohne weiteres erkennen, sondern ergeben sich zum Teil erst im Zusammenspiel mit anderen verfassungsrechtlichen oder sonstigen nachgeordneten Normen. Diese Konkretisierungen lassen sich ihrerseits nur selten einem einzelnen Staatsstrukturprinzip zuordnen, sondern werden häufig durch mehrere Strukturprinzipien geprägt. Die von dem Zusammenspiel mehrerer Strukturprinzipien ausgehende Prägekraft schlägt sich bspw. in Begriffen wie „freiheitliche Demokratie", „sozialer Rechtsstaat" oder „freiheitlich demokratische Grundordnung" nieder. 242 Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der parlamentarischen Verfassungsordnung, in: FS für Gebhard Müller, S. 379 (384). 243 Schwarze, DVB1. 1974, S. 893 (894); Kirchhof, in: HStR, Bd. III, § 59, Rn. 188 u. Rn. 204. 244
Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924 (933); ders., Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft - Perspektiven in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.); Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 25 f. und S. 55 f.; seine Bedenken aufgreifend, aber im Ergebnis nicht teilend etwa Hatje, EuR 1998, S. 734 (744).
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
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Auch Charakterisierungen des Regierungssystems als eine „parlamentarische Demokratie" oder eine „Parteiendemokratie" nehmen auf mehrere Strukturprinzipien Bezug.245 Für die Untersuchung der durch eine voraussetzungslose Informationszugangsfreiheit bewirkte Modifizierung der Verfassungsordnung birgt dieses Zusammenspiel der Staatsstrukturprinzipien die Gefahr, dass die zu beschreibenden Auswirkungen auf die Strukturprinzipien ebenso abstrakt und allgemein bleiben wie diese selbst. Um die verfassungsrechtlichen Konsequenzen einer Informationszugangsfreiheit aber so konkret und deutlich wie möglich beschreiben zu können, werden im Folgenden die Strukturprinzipien der Demokratie und des Rechtsstaats je für sich als Maßstab herangezogen, ohne dass die einzelnen Elemente ausschließlich als Ausprägung des Strukturprinzips verstanden werden, unter dem sie untersucht werden.
I. Modifizierung der demokratischen Ordnung Im Mittelpunkt der durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit bewirkten Modifizierung von Staatsstrukturen steht die demokratische Ordnung. Auch Masing erkennt, dass eine allgemeine Informationszugangsfreiheit zu einer neuen Ausbalancierung des Demokratieprinzips führt. 246 Das Ergebnis dieser Ausbalancierung festzuhalten, fällt um so schwerer, als gerade das Demokratieprinzip vielfältigen Interpretationen zugänglich ist. Nicht nur bei theoretischer, womöglich gar philosophischer Betrachtung, sondern selbst aus normativer Perspektive erscheint das Demokratieprinzip als derart interpretationsoffen, dass die Bestimmung eines neuen Inhalts schon deshalb unmöglich erscheint, weil sein alter nicht feststeht. So wird die Forderung nach umfassender Informationszugangsfreiheit ja gerade mit dem Demokratieprinzip begründet, 247 das hier doch zugleich als mögliche Grenze von Informationsfreiheitsgesetzen, jedenfalls aber als deren Gestaltungsprodukt begriffen wird. Indes ist mit Hesse davon auszugehen, dass „die verfassungsrechtlich maßgebliche Bedeutung des [Demokratie-] Begriffs nur anhand der konkreten Ausformung der Demokratie durch die Verfassung gewonnen werden kann." 248 Dementsprechend muss die Untersuchung der Modifizierungen der grundgesetzlichen Demokratie bei Art. 20 Abs. 2 GG ansetzen, einer Norm, die zwischen Inhaberschaft und Ausübung der Staatsgewalt deutlich unterscheidet. 245 246 247 248
Vgl. hierzu Badura, Staatsrecht, Anm. D i l . Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 394. Siehe oben S. 85. Hesse, § 5, Rn. 127; vgl. auch Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46 (46 f.).
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Träger der Staatsgewalt ist nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG das Volk. Ausgeübt wird die Staatsgewalt gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG durch das Volk in Wahlen und Abstimmungen sowie durch besondere Organe der Rechtsprechung, der Gesetzgebung und der Verwaltung. Von dieser Norm ausgehend, ist zu untersuchen, ob und inwieweit einzelne Elemente der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes durch die Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit modifiziert werden.
/. Veränderung des Volksbegriffs? Die geschilderte Veränderung der Verantwortungsstrukturen führt nicht nur dazu, dass das Volk als unmittelbarer Verantwortungsadressat neben das Parlament tritt, sie bewirkt möglicherweise auch die Notwendigkeit, den Begriff „Volk" im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG neu zu bestimmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der wohl h.M. im Schrifttum meint der Begriff Volk im Sinne dieser wie jeder anderen Vorschrift des Grundgesetzes allein das Staatsvolk, also die Summe aller Deutschen im Sinne des Art. 116 GG. 249 Von diesem Staatsvolk geht gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt aus, die gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG unmittelbar durch Wahlen und Abstimmungen und mittelbar durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung vom Staatsvolk ausgeübt wird. Demgegenüber besteht die durch allgemeine Informationszugangsfreiheit geschaffene Verantwortung der Verwaltung gegenüber allen Informationszugangsberechtigten, unabhängig von ihrer Wahlberechtigung und unabhängig insbesondere auch von der Staatsangehörigkeit. Adressat der durch die Informationszugangsfreiheit geschaffenen unmittelbaren Verantwortung der Exekutive ist also nicht das Volk im Sinne eines Staatsvolks, sondern das Volk im Sinne der Bevölkerung. 250 Die von allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen ausgehende „Demokratisierung" der Verwaltung wirkt also
249 BVerfGE 83, 37 (50); 83, 60 (76); aus dem Schrifttum bspw. Badura, Staatsrecht, Anm. A 3; Böckenförde, in: HStR, Bd. I, § 22, Rn. 26 ff.; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (348 ff.), Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 207 ff; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 20 (Demokratie), Rn. 83; jeweils m.w.N. 250
Streng genommen erstreckt sich die Verantwortung sogar über die Bevölkerung im Sinne aller in Deutschland lebenden Personen hinaus. Denn die Anspruchsberechtigung wird nicht nur unabhängig von der Staatsangehörigkeit, sondern auch unabhängig vom Aufenthaltsort gewährt. Berücksichtigt man, dass der Zugang häufig aus wirtschaftlichen Interessen in Anspruch genommen wird, erscheint es nicht fern liegend, dass das Zugangsrecht von Wirtschaftsunternehmen aus dem Ausland in Anspruch genommen wird.
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
zweifach: An die Stelle der mittelbaren tritt eine unmittelbare Beziehung zwischen der Exekutive und den Bürgern, und an die Stelle des auf Deutsche beschränkten Staatsvolks tritt der größere Kreis der Bevölkerung. Die Modifizierung des verfassungsrechtlich verwendeten Begriffs „Volk" durch ein bloßes Informationsfreiheitsgesetz erscheint auf den ersten Blick unzulässig. In der Tat kann die Verfassung nach den Vorgaben des Art. 79 Abs. 1 u. 2 GG durch einfaches Gesetz und ohne Änderung ihres Wortlauts grundsätzlich nicht verändert werden, schon gar nicht in einem für die gesamte Verfassungsordnung so zentralen Punkt wie der Bestimmung des Inhabers der Staatsgewalt, bei dem möglicherweise sogar die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG betroffen ist. Wenn man aber davon ausgeht, dass mit der durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit geschaffenen Möglichkeit der Verwaltungskontrolle die Anspruchsberechtigten zugleich auch als Verantwortungsadressaten der Verwaltung erscheinen, und wenn man weiterhin unterstellt, dass das Volk nicht in zwei verschiedenen Rollen in Erscheinung treten kann, mal als Inhaber der Staatsgewalt, mal als Adressat der Verwaltungsverantwortung, dann ergibt sich der logische Schluss, dass der Begriff des Volkes im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG dem Kreis der Anspruchsberechtigten angepasst werden muss - oder die Anspruchsberechtigung von Personen, die nicht zum Staatsvolk gehören, verfassungswidrig ist. Dabei erscheint die erste Variante, die Neubestimmung des Begriffs „Volk", nicht von vorneherein ausgeschlossen. Auf den zweiten Blick zeigt sich nämlich, dass der Begriff „Volk" ist in seiner Verwendung vom Grundgesetz keinesfalls auf das „Staatsvolk" begrenzt, 251 sondern in gewissen Schranken 252 offen für einen unterschiedlichen Personenkreis ist. Dabei soll weniger der Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 GG bemüht werden, der entgegen seiner Interpretation keinen Hinweis auf das Deutsche Volk enthält. Entscheidender ist die Tatsache, dass das Grundgesetz selbst trotz des vermeintlich einheitlich verwendeten Begriffs „Volk" zwischen verschiedenen Personengruppen differenziert. Drei Beispiele seien genannt. Ist Inhaber der Staatsgewalt gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG noch das gesamte Staatsvolk, wird die Staatsgewalt gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG i.V.m. Art. 38 Abs. 2 u. 3 GG schon nur noch durch das Wahlvolk ausgeübt. Selbst in seiner legitimationsbegründenden Funktion ist das Volk also offenbar keine feststehende Größe. Bestätigt wird diese Variabilität des Volksbegriffs durch die Tatsache, dass er sich auf Kommunalebene offensicht-
251 Anders verhält es sich freilich mit dem Begriff „Deutsche Volk", wie er bspw. von Art. 56 GG und von Art. 64 Abs. 2 GG, daneben aber auch von der Präambel und von Art. 146 GG verwendet wird. 252 Zu dem von Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (369), eingeführten „Störungsverbot" siehe unten S. 332.
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lieh auch auf Unionsbürger erstrecken lässt - eine Erweiterung, die von Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG zwar verfassungsrechtlich verbürgt ist, die mit der Konstruktion eines einheitlichen Volksbegriffs aber nicht im Einklang steht.253 Und schließlich sei daran erinnert, dass das Grundgesetz bei der Neugliederung des Bundesgebiets zumindest auch an die Bevölkerung als maßgebliche Bezugsgröße anknüpft, wenngleich das Wahlvolk dabei nicht grundsätzlich in die Bedeutungslosigkeit entlassen wird. 254 Diese drei Beispiele belegen freilich noch nicht, dass nicht das Staatsvolk, sondern die Bevölkerung Inhaber aller Staatsgewalt ist oder sein sollte. Sie verdeutlichen aber, dass der Begriff „Volk" in gewissem Maße flexibel gebraucht wird und in bestimmten Bereichen eine Ausweitung zulässt. Insofern muss die von der Staatsangehörigkeit unabhängige Berechtigung zum Zugang von Informationen bei der Verwaltung nicht verfassungswidrig sein. Die Verfassungsmäßigkeit einer allgemeinen Informationszugangsberechtigung würde aber in der Tat bedeuten, dass mit ihrer Einführung eine Neuinterpretation des Begriffs „Volk" im Sinne der „Bevölkerung" erfolgen muss. Denn die Zugangsberechtigten erscheinen in ihrer Rolle als Verantwortungsadressaten als Legitimationssubjekte, was sie insoweit als Inhaber der Staatsgewalt ausweist. Und, so lautet die bislang nur skizzierte Argumentation, es lässt sich nicht zwischen der Rolle des Volks als Inhaber der Staatsgewalt und seiner Rolle als Adressat der Verwaltungsverantwortung unterscheiden. Zwar ließe sich daran denken, ebenso wie zwischen dem Staatsvolk als Inhaber der Staatsgewalt und dem Wahlvolk als Ausübendem der Staatsgewalt auch zwischen dem Staatsvolk als Inhaber der Staatsgewalt und der Bevölkerung als Adressat der Verwaltungsverantwortung zu differenzieren. Allerdings ist dieser Rückschluss insofern unzulässig, als das Wahlvolk sich als Teilmenge des Staatsvolks darstellt, während die Bevölkerung das Staatsvolk einschließt und insofern über dieses hinausgeht. Es ist aber nicht vorstellbar, dass die Verwaltung jemanden verantwortlich ist, der nicht Inhaber der Staatsgewalt ist. Insofern scheint es - die Vereinbarkeit allgemeiner Informationszugangsfreiheit mit Art. 79 Abs. 3 GG unterstellt - zwingend, die Inhaberschaft der Staatsgewalt an den Kreis der Verantwortungsadressaten exekutiven Verwaltungshandelns anzupassen, mit anderen Worten die Bevölkerung als Inhaber der Staatsgewalt, als Volk im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG zu begreifen.
253
Vgl. bspw. Zuleeg, KritV 2000, S. 419 (424 ff). Vgl. insb. Art. 29 Abs. 6 GG, nach der eine Mehrheit im Volksentscheid und in der Volksbefragung zwar die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (der jeweiligen Landesbevölkerung) ist, jedoch nur, wenn sie zugleich ein Viertel der zum Bundestag Wahlberechtigten umfasst. 254
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Eine solche Konsequenz der Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit erscheint ungeachtet verfassungsrechtlicher Bedenken freilich sehr weitgehend. Sie ließe sich relativieren, wenn man mit einigen Stimmen im Schrifttum davon ausgeht, dass das Volk im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG schon unabhängig von Informationsfreiheitsgesetzen nicht nur das Staatsvolk, sondern die gesamte Bevölkerung meint. 255 Dann käme den Informationsfreiheitsgesetzen insofern keine konstitutive Wirkung mehr zu. In diesem Sinne lässt sich auch eine Formulierung des Bundesverfassungsgerichts verstehen, nach der „alle der Staatsgewalt Unterworfenen den gleichen Einfluss auf die Ausübung von Staatsgewalt haben müssen." 256 Allerdings ergibt sich aus den weiteren Ausführungen in dieser Entscheidung, dass das Bundesverfassungsgericht mehr die gleiche Teilhabe aller (Staatsbürger) an der Ausübung der Staatsgewalt und nicht die Erstreckung des Legitimationssubjekts auf die gesamte Bevölkerung im Blick hatte. Außerdem sprechen (ungeachtet des flexiblen Gebrauchs vom Grundgesetz selbst) mit der herrschenden Meinung zahlreiche Gründe dafür, 257 den Begriff „ V o l k " (ungeachtet seines flexiblen Gebrauchs im Grundgesetz selbst) zumindest insoweit als Staatsvolk zu definieren, wie er die Inhaberschaft der Staatsgewalt bezeichnet. Es gibt aber auch eine dritte Möglichkeit, die weder zu einer Verfassungswidrigkeit der Anspruchsberechtigung von Ausländern noch zu einer gesetzlichen Modifizierung der Inhaberschaft von Staatsgewalt führt. Im Wege einer verfassungskonformen Auslegung sind die Wirkungen allgemeiner Informationsfreiheitsgesetze zu beschränken. Festzuhalten ist selbstverständlich daran, dass Informationsfreiheitsgesetze in erster Linie jedem den Gebrauch der ihm eröffneten Grundrechte ermöglichen bzw. erleichtern. Was jedoch die Kontrollfunktion und die damit verbundene Begründung einer Verwaltungsverantwortung gegenüber den Zugangsberechtigten betrifft, so ist zu differenzieren: Während eine Kontrolle der Verwaltung durch jeden Informationszugangsberechtigten durchgeführt werden kann, wird eine Verantwortung der Verwaltung nur gegenüber solchen Zugangsberechtigten begründet, die zum Staatsvolk gehören. Eine solche Interpretation zerreißt zwar das Korrelat zwischen Kontrolle und Verwaltung und relativiert in eben diesem Umfang auch die Wirksamkeit der Kontrolle. Dies scheint im Vergleich zu den enormen verfassungsrechtlichen Auswirkungen allerdings ein kleiner Preis, zumal die Verantwortung der Verwaltung letztlich nur als abstrakte Konstruktion zu bewerten ist und durch einen Einzelnen im konkreten Fall ohnehin nicht eingefordert werden kann. Darüber hinaus ist es weder verfassungsrechtlich zulässig noch gesetzlich ge255 Deutlich Schlüter, ZAR 2000, S. 210 (215 ff.); vorsichtig wohl auch Zuleeg, KritV 2000, S. 419 (421 ff.). 256 BVerfGE 93, 27 (69), Hervorhebung durch M.R. 237 Vgl. insoweit insb. BVerfGE 83, 37 ff. sowie die Nachweise in Fn. 249.
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wollt und schlechterdings auch nicht praktikabel, dass die Verwaltung gegenüber Ausländern verantwortlich ist, die von außerhalb des deutschen Staatsgebiets Anfragen an die deutsche Verwaltung richten. Im Übrigen kommen auch juristische Personen (und seien es inländische) nicht als Verantwortungsadressaten exekutiven Handelns in Betracht - sie sind zwar unter den Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsberechtigt, gehören aber gleichwohl nicht zum Staatsvolk im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG. Insofern ist es durchaus folgerichtig, die Verantwortung der Verwaltung nur gegenüber solchen Informationszugangsberechtigten zu begründen, die zum Kreis der Inhaber der Staatsgewalt gehören. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit nicht zu einer Modifizierung des Volksbegriffs im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG fuhrt, sondern vielmehr umgekehrt unter dessen Vorbehalt steht. Dieses Ergebnis mag ernüchternd, seine Begründung überflüssig erscheinen. Die Ausführungen gewinnen aber erneut an Bedeutung, wenn es um die Frage geht, ob (und gegebenenfalls in welchem Umfang) die Möglichkeit eines freien Informationszugangs oder jedenfalls doch seine Nutzung das exekutive Handeln legitimiert - eine Frage, die nicht nur von Teilen der Wissenschaft, sondern auch von den Gesetzgebern durchaus bejaht wird. 258
2. Stärkung politischer
Minderheiten
Das demokratische Prinzip des Grundgesetzes umfasst auch den Schutz von politischen Minderheiten. Zwar enthält es keine spezifischen Regelungen über deren Rechte. Doch in zahlreichen Bestimmungen kommt zum Ausdruck, dass die jeweiligen politischen Minderheiten einen gewissen Schutz erfahren, um zur Mehrheit werden zu können. Das gilt vor allem für die zeitliche Begrenzung der Herrschaft, die sich in der Periodizität von Wahlen niederschlägt, daneben aber auch für die zahlreichen privilegierenden Quoren wie etwa zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Art. 44 Abs. 1 GG), zur Einbringung eines Gesetzes (Art. 76 GG i.V.m. § 76 GOBT) oder zur Einleitung eines abstrakten Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG). Darüber hinaus werden politische Minderheiten durch besondere Rechte ihrer Mitglieder geschützt, etwa durch die von Art. 38 Abs. 1 GG umfassten Interpellationsrechte. Sämtliche dieser Rechte beziehen sich allerdings nur auf die politischen Minderheiten im Parlament. 259 Außerhalb des Parlaments profitieren Anhänger politischer Minderheiten (wie jeder ande-
258 259
Siehe unten S. 324 ff. BVerfGE 70, 324 (363).
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
re auch) von dem Schutz der Grundrechte, insbesondere von dem der Kommunikationsgrundrechte. Durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit stehen den Akteuren politischer Minderheiten 260 neue und andere Informationsquellen zur Verfugung, die sie in zweifacher Weise fiir ihre politischen Zwecke nutzen können. Zum einen können sie bestimmte Tätigkeiten der Verwaltung kontrollieren, auf dabei zu Tage tretende Missstände aufmerksam machen und zugleich versuchen, die Bürger von ihren eigenen politischen Zielsetzungen zu überzeugen. Eine solche Vorgehensweise entspricht einer klassischen (destruktiven) Oppositionspolitik. Die zusätzlichen Informationen werden hier nur mittelbar zu eigenen Zwecken genutzt, primär geht es um eine Kritik an den verantwortlichen politischen Mehrheiten. Zum anderen können sie die gewonnenen Informationen nutzen, um ihre eigenen politischen Ideen auf eine gesicherte Tatsachengrundlage zu stellen und praktikable Alternativprogramme zu der jeweiligen Regierungspolitik zu entwickeln und vorzulegen. In diesem Sinne erleichtert die allgemeine Informationszugangsfreiheit den politischen Minderheiten eine konstruktive Oppositionspolitik im Sinne einer alternativen Regierungspolitik. Die zusätzlichen Informationen werden hier primär zu Ausarbeitung eigener Handlungsvorschläge genutzt. Beide Nutzungsmöglichkeiten können natürlich nicht strikt voneinander getrennt werden und müssen dies auch nicht. Die gesonderte Darstellung soll aber noch einmal die doppelte Wirkungsweise verdeutlichen, die Informationsfreiheitsgesetzen in Bezug auf die politische Willensbildung zugesprochen wird. Zum einen gehen die Gesetzgeber davon aus, dass eine allgemeine Informationszugangsfreiheit die Möglichkeit verbessert, sich eine eigene Meinung zu bilden und zu verbreiten und dadurch am politischen Leben zu partizipieren. Zum anderen hoffen sie, dass die zugänglichen Informationen genutzt werden, um das Handeln der Verwaltung zu kontrollieren. Weder in ihrer Partizipationsfunktion noch in ihrer Kontrollfunktion sind die Informationsfreiheitsgesetze jedoch speziell auf politische Minderheiten zugeschnitten. Auf Grund der Voraussetzungslosigkeit ihres Zugangsanspruchs wirken sie vielmehr neutral, differenzieren nicht nach parteipolitischer Zugehö260
Dabei sollen die Begriffe „Minderheiten" und „Mehrheiten" in personeller Hinsicht nicht nur auf die parlamentarischen Mitglieder bezogen werden, für die sich insoweit die Begriffe Regierungsfraktion(en) und Oppositionsfraktion(en) durchgesetzt haben. Sie werden vielmehr in einem weiteren Sinne verstanden und sollen alle politisch Akteure einbeziehen. Rekurriert wird dabei aber nicht nur auf ein rein mathematisches, sondern auch auf ein politisches, in Ansehung der politischen Wirklichkeit sogar (zunächst noch) auf ein parteipolitisches Kriterium.
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rigkeit und auch nicht nach den jeweiligen parteipolitischen Mehrheiten. Deshalb wird das vom Grundgesetz vorgesehene Kräfteverhältnis zwischen den politischen Mehr- und Minderheiten unmittelbar nicht verändert. Dass Informationsfreiheitsgesetze gleichwohl primär den politischen Minderheiten zu Gute kommen, resultiert aus einem Vergleich mit den sonstigen Möglichkeiten des Informationszugangs, die zumindest faktisch Akteure der jeweiligen regierungstragenden politischen Parteien bevorzugen. Das ergibt sich nicht nur aus den als Mehrheitsrechten ausgestalteten Informationsrechten des Bundestages und seiner Ausschüsse (Art. 43 Abs. 1 GG), sondern vor allem durch den parteipolitischen Zusammenhalt, der formell gewährte Informationszugangsrechte weitgehend entbehrlich macht. Natürlich wäre es naiv zu glauben, dass mit der Gewährleistung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit eine gleichgewichtige Informationsverteilung zwischen regierungsstützenden und opponierenden Personen hergestellt werden kann. Auch weiterhin werden regierungstragende Akteure schneller und einfacher an mehr und vor allem an relevante Informationen gelangen als andere Personen, und zwar nicht nur aus faktischen oder psychologischen Gründen. Vielmehr darf nicht übersehen werden, dass Informationszugangsansprüche gegenstandlich und zeitlich beschränkt sind und insofern gerade keine Zugangsmöglichkeit zu Informationen aus laufenden oder geheimen Verfahren bieten. Hier bleiben die Akteure politischer Minderheiten auf die speziellen Interpellationsrechte angewiesen, mit denen Fraktionen oder auch einzelne Abgeordnete Auskünfte von der Regierung erfragen können. Innerhalb des Anwendungsbereichs können Informationsfreiheitsgesetze aber zu einer tendenziellen Verringerung des Informationsvorsprungs regierungstragender Akteure bzw. umgekehrt zu einer leichten Verbesserung des Informationsstandes opponierender Akteure beitragen. 3. Relativierung
der Bedeutung politischer
Parteien
Eine allgemeine Informationszugangsfreiheit fuhrt aber nicht nur zu einer (relativen) Verbesserung der Informationsmöglichkeiten der nach parteipolitischen Gesichtspunkten definierten politischen Minderheiten, sondern tendenziell auch zu einer Nivellierung dieses Maßstabs. Denn mit dem voraussetzungslos gewährleisteten Recht, bestimmte bei der Verwaltung vorhandene Informationen zu erhalten, also mit der Begründung eines unmittelbaren Kommunikationsverhältnisses zwischen dem Bürger und der Verwaltung, relativiert sich in gewissem Maße die Bedeutung der politischen Parteien. Diese sind mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts neben der Wahlvorbereitung ganz generell „dazu berufen, die Bürger freiwillig zu politischen Handlungseinheiten mit dem Ziel der Beteiligung an der Willensbildung in den Staatsorganen organisatorisch zusam-
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
menzuschließen und ihnen so einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen zu ermöglichen. Den Parteien obliegt es, politische Ziele zu formulieren und diese den Bürgern zu vermitteln sowie daran mitzuwirken, dass die Gesellschaft wie auch den einzelnen Bürger betreffende Probleme erkannt, benannt und angemessenen Lösungen zugeführt werden. Die für den Prozess der politischen Willensbildung im demokratischen Staat entscheidende Rückkopplung zwischen Staatsorganen und Volk ist auch Sache der Parteien." 261
Der dieserart beschriebenen Mittlerfunktion der politischen Parteien bedarf es - bei theoretischer Betrachtung - in dem Maße nicht mehr, in dem sich Gesellschaft und Staat, in dem sich Bürger und Verwaltung unmittelbar gegenüberstehen. Dabei ist freilich nicht zu erwarten, dass jeder einzelne Bürger von den unmittelbaren Kommunikationsmöglichkeiten Gebrauch machen wird. Es werden sich wohl vielmehr in Bezug auf bestimmte Sachgegenstände neue Interessengruppen herausbilden, die dann als korporative Akteure zwischen den einzelnen Bürger und die Verwaltung treten und insofern die Funktion der politischen Parteien übernehmen. Von diesen unterscheiden sich neue Akteure aber (mindestens) in zweierlei Hinsicht: Zum einen beschränken sich ihre Interessen häufig nur auf einen bestimmten, begrenzten Sachbereich, und zum anderen sind ihre Aktivitäten regelmäßig nicht darauf gerichtet, an der politischen Willensbildung in den Parlamenten mitzuwirken. Dass sie unter Umständen auch die übrigen Voraussetzungen einer politischen Partei nicht erfüllen, soll hier nicht näher untersucht werden, denn in vielen Fällen wollen sich solche neuen gesellschaftlichen Organisationsformen gerade bewusst von politischen Parteien abgrenzen. Genau aus diesem Grunde wird die Bedeutung der politischen Parteien eben auch - tendenziell - relativiert. Die Zugehörigkeit zu einer Mehrheit oder Minderheit bestimmt sich unter den Möglichkeiten einer voraussetzungslosen Informationszugangsfreiheit nicht mehr ausschließlich nach parteipolitischen Kriterien, sondern variiert nach Zeit und Gegenstand und ist von außen nicht mehr ohne weiteres feststellbar. Ein solcher tendenzieller Bedeutungsverlust der politischen Parteien ändert ohne Frage die tatsächliche demokratische Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, ohne dass darin ein Verstoß gegen die normative Verfassungsordnung gesehen werden kann. Denn wirken die politischen Parteien gemäß Art. 21 GG auch an der politischen Willensbildung des Volkes mit, ist ihnen dabei doch schon ausweislich des Begriffs der Mfwirkung keine Monopolstellung bei der Willensbildung eingeräumt. Vielmehr wirken hier - jeweils im Rahmen ihrer Grundrechte - auch die einzelnen Bürger, Verbände, Gruppen und Vereinigungen mit, 262 deren Einflussmöglichkeiten durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit - ebenso wie durch andere Kooperationsmöglich-
261 262
BVerfGE 85, 264 (284). Vgl. BVerfGE 85, 264 (284).
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keiten - leicht verbessert werden. Dies mag unter mehreren Aspekten als Vorteil empfunden werden, etwa um die Macht der tradierten politischen Parteien aufzubrechen und damit zugleich alternative und innovative Handlungsvorschläge in die politische Diskussion einzubringen, geht aber auch mit verschiedenen Nachteilen einher. Denn bei allen Vorbehalten gegen die parteipolitischen Verflechtungen fuhrt doch gerade die (gewollte) parteipolitisch bestimmte Zusammensetzung der Parlamente zu der Möglichkeit, in den Parlamenten auf vorgefasste Meinungen zurückgreifen und dementsprechend innerhalb einer überschaubaren Zeit Entscheidungen fällen zu können. Die Funktion der politischen Parteien liegt eben auch in der Bündelung von Meinungen, die zwar durchaus Manipulationsmöglichkeiten schafft, die aber letztlich auch zu einem Funktionieren des Systems beiträgt. So wird - bei grober Betrachtung - die politische Meinungsfindung durch allgemeine Informationszugangsfreiheit insgesamt schwerer und unsicherer. 4. Schwächung
der Parlamente
als
Kontrollorgane
Die Rolle der Parlamente scheint durch die Einführung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit nicht beeinträchtigt zu sein. Denn weder werden den Parlamenten Entscheidungsbefugnisse genommen noch werden den Bürgern (Mit-) Entscheidungsbefugnisse übertragen. Als Entscheidungsorgane werden die Parlamente durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit also nicht unmittelbar beeinträchtigt. Als Kontrollorgane werden sie dagegen sehr wohl betroffen. Zwar ändert die Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit bei rein rechtlicher Betrachtung nichts an den Kontrollbefugnissen der Parlamente. Die Exekutive ist den Parlamenten weiterhin (politisch) verantwortlich, die Parlamente können die Regierungen für das gesamte Handeln der Exekutive weiterhin zur Rechenschaft ziehen. Und bei tatsächlicher Betrachtung kann eine allgemeine Informationszugangsfreiheit sogar zu einer Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten der Parlamente führen, weil eine solche - wie dargelegt - tendenziell die politischen Minderheiten stärkt, denen faktisch die parlamentarische Kontrolle anvertraut ist. Doch abgesehen von dieser relativen innerparlamentarischen Verschiebung von Kontrollbefugnissen scheinen die Parlamente bei einer saldierenden Betrachtung insgesamt eher geschwächt zu werden. Die Ursache hierfür ist vor allem in der bereits beschriebenen Verantwortungsverlagerung und der ihr folgenden Inkongruenz zwischen der Verantwortungsstruktur auf der einen Seite und der Kontrollstruktur auf der anderen Seite zu suchen. In dem Verantwortungsdreieck verlieren die Parlamente ihre Eigenschaft als ausschließlicher Verantwortungsadressat der Verwaltung, behalten aber ihre umfassenden Kontrollbefugnisse. Diese können sie allerdings in Bezug auf das Verwaltungshandeln, für das die Verwaltung dem Volk unmittelbar
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
verantwortlich ist, nur zusammen mit dem Volk, nämlich auf Grund dessen Kontrollinitiative ausüben. Betroffen ist dabei nicht nur die Frage, ob überhaupt eine parlamentarische Kontrolle der Verwaltung durchgeführt wird, sondern vor allem auch die Frage, welcher Maßstab dabei herangezogen und wie das Ergebnis der Kontrolle ausfallen wird. So kann die Zweckmäßigkeit einer Verwaltungshandlung in der Bevölkerung anders beurteilt werden als im Parlament, kann weniger ein rechtlicher als vielmehr ein moralischer Maßstab herangezogen werden. Solche etwaigen Bewertungs- und Meinungsunterschiede zwischen der Parlamentsmehrheit und dem durch die Medien formulierten Volkswillen sind freilich keine Besonderheiten. Sie verstärken sich aber in dem Maße, in dem nicht nur Journalisten, sondern jedermann der Zugang zu Informationen bei der Verwaltung offen steht. Die zunehmende Berücksichtigung des Volkswillens kann durchaus positiv als erlaubte und sogar gewünschte Rückkopplung zwischen dem Volk und dem Parlament verstanden werden. Sie beinhaltet aber auch gewisse Gefahren: Zum einen folgt die durch die Medien ermöglichte und in den Medien stattfindende Bildung einer öffentlichen Meinung anderen Regeln als die Willensbildung im Parlament. Sie gewährleistet insbesondere nicht die Berücksichtigung aller gesellschaftlichen Interessen und neigt (dadurch) zugleich zu Extrempositionen. Zum anderen droht die zunehmende Bedeutung des Volkswillens die Freiheit des Abgeordnetenmandats zu beeinträchtigen. Möglicherweise erscheinen diese Gefährdungen in der abstrakten Darstellung überzeichnet. Betrachtet man einen konkreten Anwendungsfall der Informationszugangsfreiheit, erscheinen Auswirkungen auf die Kontroll- und Verantwortungsbefugnisse fast ausgeschlossen. So beeinträchtigt etwa die an die Landesschulverwaltung gerichtete Frage von Eltern schulpflichtiger Kinder, wie viel Asbest in dem Gebäude einer bestimmten Schule enthalten ist, die Verantwortlichkeit des öffentlichen Schulträgers gegenüber dem Landesparlament nicht. Das Parlament kann den Schulträger politisch zur Verantwortung ziehen (mit durchaus auch rechtlichen Folgen), wenn der Asbestgehalt den zulässigen Maximalwert überschreitet. Eine derart funktionierende Kontrolle entspricht dem Idealbild der von einer Informationsfreiheit ausgehenden Verwaltungskontrolle, in dem der Bürger durch sein Interesse und sein grundsätzliches Misstrauen auf Vollzugsdefizite aufmerksam macht, die die staatlichen Kontrolleure von sich auch nicht erkennen würden. Das Beispiel lässt sich aber auch abwandeln. Wenn etwa die Landesschulverwaltung eine Schule neu streichen lassen möchte und hiermit die Firma X beauftragt, die sie unter mehreren Anbietern im Einklang mit allen vergaberechtlichen Vorschriften nach Wirtschaftlichkeitskriterien ausgewählt hat, dann besteht durchaus die Möglichkeit, dass ihr im Anschluss an die Auftragserteilung von der in den Medien zum Ausdruck kommenden öffentlichen Meinung etwa vorgeworfen wird, bei der Auftragsvergabe nicht hinreichend berücksichtigt zu haben, dass die Firma X sich (im Einklang mit den rechtlichen Bestimmungen) regelmäßig von der
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Verpflichtung freikauft, Behinderte zu beschäftigen, dass sie darüber hinaus zwar zulässige, aber nicht die umweltfreundlichsten Farben verwendet und dass sie während des Dritten Reichs in die Machenschaften der Nationalsozialisten verwickelt war. Wenn die Landesschulverwaltung auf Grund des öffentlichen Drucks die Auftragserteilung zurücknimmt, sich dafür schadenersatzpflichtig macht und zudem noch eine teurere andere Firma mit dem Streichen der Schule beauftragen muss, dann bleibt sie für dieses unwirtschaftliche Verhalten dem Parlament zwar verantwortlich. Das Parlament wird sich dem öffentlichen Druck aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso beugen wie die Verwaltung und die Verantwortung deshalb gar nicht einfordern. Und so die Verantwortung doch eingefordert wird, kann die Verwaltung sich ihr unter Hinweis auf die öffentliche Meinung entziehen oder dies zumindest versuchen. Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass der Übergang von einer bloß passiven Kontrolle der Verwaltung, die die bestehende Kontroll- und Verantwortungsstrukturen unberührt zu lassen scheint, zu einer aktiven Mitwirkung an staatlichen Entscheidungen fließend ist. Das gilt gar nicht mal in erster Linie für die unmittelbaren Wirkungen der durch die Informationszugangsfreiheit geschaffenen Kontrollmöglichkeiten, sondern vor allem für die mittelbaren Kontrollwirkungen, die nach der Vorstellung der Gesetzgeber ja sogar im Vordergrund von Informationsfreiheitsgesetzen stehen. Bereits das Licht der Öffentlichkeit, die bloße Kontrollierbarkeit der Verwaltung, soll antizipierende Wirkungen auf das Verwaltungshandeln entfalten. Diese Wirkungen beruhen letztlich auf dem durch ständige Kontrollen ausgelösten Lerneffekt: Die Verwaltung wird Aufträge zum Streichen von Schulen, um im Beispiel zu bleiben, künftig nicht mehr an Unternehmen vergeben, die sich von der Pflicht freikaufen, Behinderte zu beschäftigen, die nicht die umweltfreundlichsten Farben verwenden und die möglicherweise in die Verbrechen der Nationalsozialisten verwickelt waren. Dieses Ergebnis entspricht durchaus den Zielen und Vorstellungen der ursprünglichen Kontrollinitiatoren, die durch ihr Engagement Entscheidungen der Verwaltung mit beeinflussen. Es entspricht aber nicht den ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers, der Aufträge (allein) nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten vergeben wissen wollte. Durch ihre mittelbaren Wirkungen kann Kontrolle also zur Mitentscheidung werden. Dieser fließende Übergang von der Kontrolle zur Partizipation ist von den Informationsfreiheitsgesetzen durchaus gewollt, wie die einzelnen Gesetzesbegründungen zu erkennen geben.263 Er erscheint in einem direktdemokratischen und deshalb besonders hellen Lichte. Außerhalb des Lichtkegels bleiben indes die Bevölkerungsgruppen, die sich in dem konkreten Fall
263
Siehe oben S. 73 ff.
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
nicht engagiert, sondern auf die staatlichen Entscheidungsmechanismen vertraut haben, denen sie sich auch und gerade deshalb unterworfen haben, um gesellschaftliche Konflikte möglichst gerecht, in einer Demokratie also entsprechend den von der Mehrheit des Staatsvolks beschlossenen Maßstäben, und vor allem auch effizient, nämlich durch eigens hierfür vorgesehene Verfahren und Institutionen, lösen zu können. Insofern berührt die durch Informationsfreiheitsgesetze eingeräumte Möglichkeit, die Verwaltung zu kontrollieren und ihre Entscheidungen - zumindest mittelbar - zu beeinflussen, sowohl die sog. Verantwortungsgrenze, bis zu der für die Ausübung von Staatsgewalt die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert sein muss,264 als vor allem auch den Grundsatz, „dass alle der Staatsgewalt Unterworfenen den gleichen Einfluss auf die Ausübung von Staatsgewalt haben müssen".265
5. Beeinträchtigung
gleicher
Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt
Der Grundsatz gleicher Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt wurzelt im Demokratieprinzip. Inhaber der Staatsgewalt und damit Legitimationssubjekt sämtlichen staatlichen Handelns ist das Volk als eine verfasste Personengesamtheit, als eine „zur Einheit verbundene Gruppe von Menschen",266 als eine „Schicksalsgemeinschaft". 267 Die Ausübung der Staatsgewalt obliegt im Interesse der Allgemeinwohlorientierung 268 ausschließlich diesem Staatsvolk als Gesamtheit. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist es deshalb verboten, an Stelle des Gesamtvolks kleineren Einheiten von Bürgern, seien sie durch eine örtliche Gemeinschaft, seien sie von einer bestimmten Ausübung von Staatsgewalt individuell betroffen, besondere Mitwirkungsbefugnisse einzuräumen. 269 Hier manifestiert sich erneut die von Kloepfer vorgenommene Charakterisierung der grundgesetzlichen Staatsform als eine Staatsform der Distanz,270 und es erweist sich, dass für diese Distanz nicht ausschließlich der 264
Der Frage, ob die mit einer Informationszugangsfreiheit eröffneten Kontroll- und Partizipationsmöglichkeiten die Verantwortungsgrenze wahren oder überschreiten, soll erst im Zusammenhang mit etwaigen Modifizierungen der Legitimationsstrukturen nachgegangen werden. 265
S. BVerfGE 93, 37 (69); vgl. auch schon BVerfGE 83, 60 (75). Näher hierzu Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (348 f. u. 374 f.). 266 So Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (349). 267 Vgl. bspw. Isensee, HStR, Bd. I (2. Aufl.), § 22, Rn. 26 f. 268 Kritisch zur Unterscheidung zwischen Allgemein- und besonderem Interesse durch das Bundesverfassungsgericht Battis/Kersten, DÖV 1996, S. 584 (586). 269 Deutlich BVerfGE 93, 37 (69); s. auch BVerfGE 83, 60 (75). 270 Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), S. 65 (66).
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Rechtsstaat verantwortlich zeitigt, sondern dass auch das Demokratieprinzip „auf den Elementen distanzierter egalitärer Herrschaftsausübung aufbaut." 271 Ob die durch Informationsfreiheitsgesetze ermöglichten Kontroll- und Partizipationsmöglichkeiten der Bürger den Grundsatz der gleichen Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt beeinträchtigen oder ihn gar verletzen, ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Denn bei aller Einigkeit im Grundsatz bestehen doch Meinungsunterschiede im Hinblick auf den Umfang dieses verfassungsrechtlichen Gebots. Schon das Bundesverfassungsgericht scheint nicht von einem kategorischen Verbot besonderer Mitentscheidungsbefugnisse auszugehen. Denn es differenziert bspw. zwischen amtlichem Handeln mit Entscheidungscharakter und Entscheidungen im internen Bereich von Regierung und Verwaltung 272 und lässt im Binnenbereich des Beschäftigungsverhältnisses Entscheidungen einer nicht ausschließlich mit persönlich legitimierten Mitgliedern besetzten Einigungsstelle zu, solange das „Prinzip der doppelten Mehrheit" gewahrt bleibt. Nach diesem von Böckenförde entwickelten Prinzip 273 kann eine Entscheidung einer solchen Stelle nur dann als demokratisch legitimiert betrachtet werden, wenn die Mehrheit ihrer Mitglieder uneingeschränkt personell demokratisch legitimiert ist und die Entscheidung darüber hinaus von einer Mehrheit der so legitimierten Mitglieder getragen wird. 274 Diese Rechtsprechung zum Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst darf nun nicht zu dem Grundsatz abstrahiert werden, dass jegliches staatliche Handeln ausreichend legitimiert ist, wenn es nur mindestens zur Hälfte von Personen getragen wurde, die personell legitimiert sind. Bei einer solchen Sichtweise verstießen die durch allgemeine Informationszugangsfreiheit eröffneten Kontroll- und Partizipationsmöglichkeiten sicherlich nicht gegen den Grundsatz der gleichen Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt, weil die Entscheidungen in diesen Fällen immer noch von den staatlichen Behörden getroffen werden, die hierzu regelmäßig sowohl sachlich-inhaltlich als auch personell legitimiert sind. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezog sich aber ausdrücklich nur auf den Binnenbereich der Verwaltung. Für das außenwirksame Handeln der Verwaltung sind die Legitimationsanforderungen höher, so dass die Mitwirkung besonderer Bevölkerungsgruppen hier eher ausgeschlossen ist als im Binnenbereich. In der Literatur wurde und wird immer wieder die Notwendigkeit begründet, bestimmten Bevölkerungsgruppen mehr und andere Mitwirkungsmöglichkeiten 271
So Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (376). Vgl. bspw. BVerfGE 93, 37 (68 f.), näher hierzu Battis/Kersten, S. 584 (585 f.). 273 Böckenförde, HStR, Bd. I (2. Aufl.), § 22, Fn. 25. 274 BVerfGE 93, 37 (72). 272
DÖV 1996,
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
an staatlichen Entscheidungen einzuräumen als der Gesamtheit des Staatsvolks. 275 Solche Partizipationsrechte beeinträchtigen regelmäßig den Grundsatz gleicher Teilhabe aller an der Ausübung der Staatsgewalt. Allerdings kann diese Beeinträchtigung der Gleichheit gerechtfertigt sein, etwa durch die individuelle Betroffenheit von einem bestimmen Verwaltungsverfahren oder einem konkreten Planungsvorhaben. 276 Dabei ist mit Schmidt-Aßmann aber zwischen den bloß rechtsstaatlich gebotenen und deshalb nicht legitimationsvermittelnden Anhörungsrechten und demokratietheoretisch begründeten Partizipationsrechten zu unterscheiden: Nur letztere verletzen den Grundsatz der gleichen Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt und sind deshalb grundsätzlich unzulässig.277 Für die durch eine Informationszugangsfreiheit bewirkten Kontrollund Partizipationsmöglichkeiten der Bürger ist damit allerdings noch keine Aussage getroffen. Denn innerhalb der demokratietheoretischen Partizipationsmöglichkeiten unterscheidet Schmidt-Aßmann „schlichte Mitwirkungsformen'4, zu denen er ausdrücklich auch die durch eine Informationszugangsfreiheit bewirkten verschiedenen Einflussmöglichkeiten zählt, von anderen Mitwirkungsmöglichkeiten. Solche „schlichten Mitwirkungsformen" beeinträchtigen den Grundsatz auf gleiche Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt seiner Ansicht nach nicht. Sie können vielmehr „zu einer rechtlich beachtlichen Verbesserung auch der gesetzesvermittelten sachlich-inhaltlichen demokratischen Legitimation beitragen, insofern Gesetzestatbestände offene Entscheidungsprogramme enthalten, die auf eine Konkretisierung unter umfassender Interessenbestimmung eingerichtet sind." 278 Diese zunächst recht optimistische Beurteilung schlichter Mitwirkungsformen relativiert Schmidt-Aßmann aber sogleich wieder mit Blick auf die immensen faktischen Wirkungen, die auch von schlichten Mitwirkungsformen ausgehen können. Hier verlangt er nach gesetzlichen Regelungen, ohne dabei deutlich zu machen, ob rechtlich normierte Partizipationsformen mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip vereinbar wären oder dieses veränderten. 279 Ohne die auch in dieser Untersuchung in den Vordergrund gestellten faktischen Wirkungen der Informationszugangsfreiheit schmälern zu wollen, ist bei normativer Betrachtung festzustellen, dass der Zugangsanspruch keinen wie auch immer definierten Personengruppen vorenthalten wird, sondern umge-
275 Vgl. bspw. Menzel, Legitimation staatlicher Herrschaft durch Partizipation Privater?, S. 84, m.w.N. 276 Zum „Modell der Betroffenenbeteiligung" in Abgrenzung zum „Modell der Öffentlichkeitsbeteiligung" vgl. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, S. 46 ff. 277 Vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (375 f.) m.w.N. 278 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (373). 279 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (373 f.).
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kehrt ja gerade voraussetzungslos gewährleistet wird. Seine Gewährleistung mag deshalb die bereits erwähnte und noch zu prüfende absolute Verantwortungsgrenze überschreiten, den Grundsatz auf gleiche Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt verletzt er aber nicht. Eine möglicherweise mit den Informationsfreiheitsgesetzen einhergehende ungleiche Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt hätte ihre Ursache nicht in der staatlichen Gewährleistung der Informationszugangsfreiheit, sondern in der privaten Entscheidung über die Inanspruchnahme des Zugangsrechts. Das Informationszugangsrecht kann nicht deshalb unzulässig sein, weil einige es in Anspruch nehmen und andere nicht. Zwar muss der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von partizipationsermöglichenden Rechten durchaus berücksichtigen, dass nicht alle Bürger mit gleicher Intensität am Prozess der politischen Willensbildung teilnehmen wollen oder können.280 Selbst neokorporistische Modelle, die nicht auf einzelne Personen als individuelle Akteure, sondern auf organisatorische Zusammenschlüsse als korporative Akteure rekurrieren, 281 erkennen, dass sich nicht alle Anliegen und Interessen verbandlich organisieren lassen und bestimmte Gruppen deshalb weniger als andere in die politische Willensbildung einbezogen sind.282 Der Gesetzgeber kann solchen Personen bzw. Gruppen den Informationszugang aber insbesondere durch die Ausgestaltung des Zugangsverfahrens sowie gegebenenfalls durch staatliche oder staatlich geforderte Hilfsmittel erleichtern. Ebenso muss er die Möglichkeit minimieren, die öffentliche Meinungsmacht als „Einfiusstor für Sonderinteressen" 283 zu nutzen, bspw. durch eine auf Pluralismus zielende Medienordnung. Bei Beachtung dieser Rahmenbedingungen lässt sich ein Verstoß gegen den Grundsatz der gleichen Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt nicht feststellen. Im Übrigen sei mit Battis darauf hingewiesen, dass sich partizipative Elemente und repräsentatives Prinzip, als dessen Ausfluss der Grundsatz gleicher Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt verstanden werden kann, nicht per se ausschließen, sondern sich vielmehr auch gegenseitig ergänzen können. 284 In diesem Sinne fasst der Entwurf einer Europäischen Verfassung unter dem Titel „Das demokratische Leben der Union" den Grundsatz der repräsentativen Demokratie in Art. 45 und den Grundsatz der partizipativen Demokratie in Art. 46
280
So in Bezug auf die direkte Demokratie Karpen, JA 1993, S. 110 (111). Vgl. hierzu V. Schneider, Organisationsstaat und Verhandlungsdemokratie, in: Werle/Schimank (Hrsg.), Gesellschaftliche Komplexität und kollektive Handlungsfähigkeit, S. 243 (250 ff.). 282 Vgl. Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (169). 283 Vgl. Rubbert, Saal- und Medienöffentlichkeit, S. 264 ff.; ihm folgend Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 363. 284 Battis, Partizipation im Städtebaurecht, S. 198 ff. 281
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
zusammen. Dies wirft die Frage auf, ob sich mit der Informationszugangsfreiheit und den Entwicklungen auf europäischer Ebene möglicherweise auch das Demokratieverständnis des Grundgesetztes gewandelt hat - eine Frage, die an dieser Stelle nicht beantwortet werden soll.
II. Modifizierung der rechtsstaatlichen Ordnung Neben der demokratischen Ordnung modifiziert eine allgemeine Informationszugangsfreiheit auch die rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes, die in allgemeiner Form vor allem in Art. 20 Abs. 3 GG, daneben aber auch in Art. 20 Abs. 2 GG sowie in Art. 28 Abs. 1 GG normiert ist. Sie umfasst insbesondere die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, die Gewährleistung von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz sowie den Grundsatz der Gewaltenteilung.285 Ähnlich wie in Bezug auf die demokratische Ordnung, lassen sich auch in Bezug auf die rechtsstaatliche Ordnung unmittelbare Auswirkungen einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit nicht feststellen. Die Zugänglichkeit von Informationen bei der Verwaltung beeinträchtigt direkt weder die Verfassungsbindung der Gesetzgebung noch die Gesetzesbindung der Verwaltung und Rechtsprechung, und sie entfaltet auch keine unmittelbaren Wirkungen auf die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes oder auf die verfassungsrechtlich vorgesehene Gewaltenteilung. Schon gar nicht lassen sich prima vista Schwächungen der genannten Elemente erkennen. Im Gegenteil: Erkennt man den Charakter eines Rechtsstaats in der Berechenbarkeit, Kontrollierbarkeit und Kompetenzmäßigkeit der öffentlichen Gewalt, so scheint eine allgemeine Informationszugangsfreiheit diesen Charakter noch zu stärken. 286 Bei näherer Betrachtung lassen sich indes mittelbare Modifizierungen feststellen, die zu einer Schwächung wenn auch nicht aller, so doch einiger der dem Rechtsstaat zuzuordnenden Elemente fuhren. Mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist dabei auch der Dreh- und Angelpunkt der rechtsstaatlichen Ordnung betroffen.
285 Die Auflistung ist nicht vollständig. Zu den einzelnen Elementen des Rechtsstaatsprinzips und ihren Bedeutungen vgl. umfassend Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, passim; sowie Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, passim. 286 Nach Pieroth, JuS 1981, S. 625 (626), ist die Kontrolle staatlicher Machtausübung zugleich rechtsstaatliches Handeln. Vgl. auch ders., Gerichtsöffentlichkeit und Persönlichkeitsschutz, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, S. 249 (255).
. Modifizierung von
1. Schwächung
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der Gesetzesbindung
3
der Verwaltung
Im parlamentarischen Gesetz verschmelzen das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip. In ihm spiegelt sich die Rechtsüberzeugung der demokratischen Gesellschaft wider, 287 die für das Handeln der Verwaltung verbindlich ist. Auf Grund seiner hohen demokratischen Legitimation ist es nach wie vor als der verfassungsrechtlich vorgegebene Orientierungspunkt zu begreifen, von dem aus sich das Verhältnis der Verwaltung (aber auch der Rechtsprechung) zum Gesetzgeber erschließt. 288 Vor diesem Hintergrund ist es zwingend, dass sich die beschriebenen Modifizierungen der demokratischen Ordnung auch auf die rechtsstaatliche Ordnung erstrecken. Dem beschriebenen Bedeutungsverlust des Parlaments entspricht ein Bedeutungsverlust des Rechts (im Sinne parlamentarischer Gesetze). Beide Aspekte beeinflussen sich wechselseitig: Mit der Schwächung des Parlaments sinkt die Bedeutung und damit die Steuerungsfähigkeit des Rechts, und mit der fehlenden Steuerungsfähigkeit des Rechts vermindern sich die parlamentarischen Einflussmöglichkeiten.
a) Ursache für den Bedeutungsverlust des Rechts Die Ursache für den Bedeutungsverlust des Rechts resultiert erneut aus den durch eine Informationszugangsfreiheit veränderten Verantwortungs- und Kontrollstrukturen. Die Verwaltung steht nicht mehr allein in einer Beziehung zu den Parlamenten, die diese durch Gesetze (also durch Recht) steuern oder zu steuern versuchen, sondern zusätzlich in einer unmittelbaren Beziehung zum Volk. Dieses unmittelbare Verhältnis zwischen der Verwaltung und dem Volk ist aber gerade nicht primär durch das Recht gekennzeichnet. Das Volk artikuliert seinen Willen nicht in Form von Gesetzen, sondern lässt allenfalls eine öffentliche Meinung erkennen, die vielleicht politische, keinesfalls aber rechtliche Verbindlichkeit für das Handeln der Verwaltung erzeugt. So ist es vorstellbar, dass mit der weitgehenden Öffentlichkeit der Verwaltungsvorgänge das Recht als maßgeblicher Entscheidungsmaßstab gegenüber anderen Faktoren an Bedeutung verliert. 289 Die öffentliche Meinung tendiert bspw. zu einer Moralisierung und Emotionalisierung und orientiert sich grundsätzlich eher an kurzfristigen Zeiträumen als an langfristigen Perspektiven. Wahrscheinlicher ist es aber noch, dass sich gar nicht eine öffentliche Meinung des Volkes artikuliert, 287 So (ohne die Beschränkung auf demokratische Gesellschaften) Benda, DÖV 1983, S. 305 (307). 288 Vgl. Huber, StWStP 8 (1997), S. 423 (423). 289 Vgl. schon oben S. 285 f.
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3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
sondern ganz verschiedene und zum Teil konträre Partikularinteressen zum Ausdruck gebracht werden. So kann das Verwaltungshandeln bspw. unter Effizienzgesichtspunkten betrachtet oder am Maßstab der Behindertengerechtigkeit, des Umweltschutzes oder des Tierschutzes gemessen werden, um nur einige von vielen Beispielen zu nennen.
b) Auswirkungen des Bedeutungsverlusts des Rechts Bei rein normativer Betrachtung wird die von Art. 20 Abs. 3 GG angeordnete Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht durch das unmittelbare Verhältnis zwischen der Verwaltung und dem Volk zwar nicht aufgehoben, 290 sie wird aber relativiert. Schon von dieser Relativierung des Rechts als Maßstab des Verwaltungshandelns können erhebliche Nachteile ausgehen. Masing gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die NichtÖffentlichkeit der Akten gegenüber der Allgemeinheit auch als Sicherung von Unparteilichkeit, entpolitisierender Distanz und Effizienz verstanden werden kann. 291 Wenn er damit auch nicht der Unzugänglichkeit von Informationen bei der Verwaltung das Wort redet, rekurriert er doch erkennbar auf die Funktionen, die dem Maßstab des Rechts eigen sind: Recht sichert Freiheit und Gleichheit, Objektivität und nicht zuletzt auch Frieden. Diese Funktionen und Wirkungen von Recht basieren - zumindest in einer Demokratie - maßgeblich auf seiner Genese. Das formelle Gesetz beruht auf der Zustimmung aller, sind die Abgeordneten doch „Vertreter des ganzen Volkes" (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG). 292 Eine solche Zustimmung aller lässt sich selbst für die öffentliche Meinung nicht konstruieren, weil die gleiche Teilhabe aller an der Bildung der öffentlichen Meinung nicht (durch ein bestimmtes Verfahren) gewährleistet ist. Für eine nicht nur gegenüber den Parlamenten, sondern auch gegenüber dem Volk unmittelbar verantwortliche Verwaltung besteht deshalb die Gefahr, dass sie das in den formellen Gesetzen zum Ausdruck kommende Allgemeininteresse zu Gunsten von partikularen Sonderinteressen aus dem Blick verliert. Diese
290 Das gilt bspw. auch für ein Effektivitäts- und Effizienzdenken, das neben die Regelorientierung tritt, sie aber nicht ersetzt: Auch ein „staatspolitisch erweitertes Verwaltungsmanagement muss den Geltungsanspruch betriebswirtschaftlicher Grundsätze den Anforderungen staatsleitender Prinzipien unterordnen." Vgl. Mastronardi, Kriterien der demokratischen Verwaltungskontrolle, S. 118. 291 Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 385. 292 Nicht verkannt wird, dass Gesetze bei faktischer Betrachtung nicht auf der Zustimmung aller, sondern nur auf der Zustimmung der Mehrheit der tatsächlich abstimmenden Abgeordneten beruhen. Doch soll hier von der grundsätzlichen Bereitschaft der Minderheit ausgegangen werden, sich Mehrheitsentscheidungen zu unterwerfen. Hinterfragt man diese Bereitschaft, hinterfragt man letztlich die Demokratie.
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Gefahr realisiert sich nicht erst, wenn sich ein solches Sonderinteresse auf ein bestimmtes Entscheidungsergebnis auswirkt, sondern schon dadurch, dass sich der Entscheidungsmaßstab der Verwaltung im Sinne eines bestimmten Partikularinteresses ändert.
c) Verfassungsrechtliche Beurteilung des Bedeutungsverlusts Beurteilt man die von einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit ausgehende Gefahr einer Suprematie von Sonderinteressen gegenüber dem Allgemeininteresse, so ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz gleicher Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt insofern nicht festgestellt werden kann, als die Informationszugangsfreiheit für jeden gleichermaßen eröffnet ist. 293 Da mangels Interesse oder mangels Fähigkeit aber nicht jeder von der Informationszugangsfreiheit (in gleichem Maße) Gebrauch machen wird, wächst mit der Gefahr der Suprematie von Sonderinteressen die Schwierigkeit für die Verwaltung, die für ein gemeinwohlorientiertes Handeln notwendige und förderliche Distanz gegenüber gesellschaftlichen Sonderinteressen zu wahren. 294 Des weiteren ist bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung dieser von der Relativierung des Rechts ausgehenden Gefahr danach zu differenzieren, ob nur der exekutive Entscheidungsmaßstab oder auch die legislativen Entscheidungsvorgaben beeinflusst werden.
aa) Beeinflussung
exekutiver
Entscheidungsmaßstäbe
Wo immer der Verwaltung - sei es durch die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen, sei es durch die Einräumung von Ermessen - vom Gesetzgeber nur ein äußerer Rahmen gesetzt wird, innerhalb dessen sie ihre Entscheidungen zu treffen hat, kann die Verwaltung ihre durch die allgemeine Informationszugangsfreiheit entstandene oder doch zumindest verstärkte unmittelbare Kommunikationsbeziehung zum Volk nutzen, um eine den Interessen des Volkes möglichst entsprechende Entscheidung zu treffen, ohne dabei die gesetzlich gesetzten Grenzen zu überschreiten. In dieser Konstellation scheinen die Auswirkungen von Informationsfreiheitsgesetzen auf die rechtsstaatliche Ordnung nicht bedenklich, sondern vielleicht sogar gewollt. Denn in vielen Fällen, in denen die Gesetze der Verwal293 294
Siehe oben S. 308 f. Schuppert, Staatswissenschaft, S. 141.
0
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
tung einen Entscheidungsspielraum belassen und damit bewusst oder unbewusst auf außerrechtliche Kontroll- und Entscheidungsmaßstäbe verweisen, stehen solche Maßstäbe gerade nicht zur Verfugung. 295 Dies ändert sich - zumindest theoretisch - durch die Einfuhrung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit. Nunmehr können die Bürger wenn auch nicht unmittelbar und kurzfristig, so doch mittelbar und langfristig die Entscheidungen der Verwaltung beeinflussen, kann umgekehrt die Verwaltung auf entsprechende Vorstellungen in der Bevölkerung zurückgreifen. Diese Beeinflussung wird sich nur in den seltensten Fällen auf eine konkrete Verwaltungsentscheidung beziehen, weil die laufenden Verwaltungsverfahren dem Informationszugangsanspruch ja grundsätzlich entzogen sind. Sie kann sich aber insbesondere auf den Maßstab beziehen, den die Verwaltung bei der Ausfüllung des ihr vom Gesetzgeber überlassenen Entscheidungsspielraums anlegt. Erscheint diese Art der Beeinflussung von Verwaltungsentscheidungen wegen der grundsätzlichen Respektierung der gesetzlichen Grenzen auch regelmäßig in einem positiven Lichte, sind doch auch hier verfassungsrechtliche Bedenken angezeigt. Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen der Gesetzgeber nicht nur die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns gewährleisten will, sondern auch dessen Zweckmäßigkeit zu steuern versucht. Hier ist es durchaus vorstellbar, dass die Verwaltung unter antizipierender Berücksichtigung eines wie auch immer geäußerten Sonderinteresses eine Entscheidung trifft, die zwar rechtmäßig ist, dem vom Gesetzgeber intendierten Zweck aber nicht in optimaler Weise Rechnung trägt. Solche Entscheidungen sind durch einen Ermessensfehlgebrauch gekennzeichnet und deshalb - eigentlich grundsätzlich rechtswidrig. Allerdings kann die doppelte Verantwortung der Verwaltung gegenüber den Parlamenten auf der einen Seite und dem Volk auf der anderen Seite zu einer schleichenden Schwächung der gesetzlichen Entscheidungsvorgaben fuhren, und zwar um so unbemerkter, je größer der der Verwaltung eingeräumte Entscheidungsspielraum ist.
bb) Beeinflussung gesetzlicher
Entscheidungsvorgaben
Gravierender noch als ein potentieller Ermessensfehlgebrauch ist die Gefahr, dass die Verwaltung sich bei ihren Entscheidungen so sehr von der äußeren Erwartungshaltung leiten lässt, weil sie sich - um im Bild des Verantwortungsdreiecks zu bleiben - so sehr auf die durch eine Informationszugangsfreiheit begründete unmittelbare Verantwortung gegenüber dem Volk konzentriert,
295
Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (156 f.).
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dass sie ihre unmittelbare Verantwortung gegenüber den Parlamenten missachtet. Auch diese Gefahr ist keinesfalls neu, schon jetzt ist die Verwaltung (insbesondere bei Verfahren von allgemeinem Interesse) dem Druck der öffentlichen Meinung ausgesetzt, die durchaus im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben stehen kann. Übersehen werden darf in diesem Zusammenhang auch nicht, dass die durch die öffentliche Meinung ausgeübte gesellschaftliche Kontrolle und Steuerung staatlicher Aufgabenwahrnehmung bereits in den Kommunikationsgrundrechten angelegt ist und dass die Bedeutung der Medien für die Demokratie in den institutionellen Gewährleistungen von Presse und Rundfunk hervorgehoben wird. 296 Doch nach der Idee der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes soll die dieserart gebildete und artikulierte öffentliche Meinung vor allem die abstrakt-generelle Rechtsetzung und weniger die konkretindividuelle Entscheidungsfindung beeinflussen. Die Möglichkeit einer solchen Beeinflussung vergrößert sich aber mit der durch eine Informationszugangsfreiheit bewirkten allgemeinen Transparenz der Verwaltung. Dabei muss gar nicht zwischen gebundenen und Ermessenentscheidungen differenziert werden. Entscheidend ist, dass die antizipierende Berücksichtigung einer potentiellen Kontrolle durch die Öffentlichkeit mindestens zu einer Ausweitung, vielleicht sogar zu einer Verdrängung des gesetzlichen Maßstabs durch andere Kriterien, etwa der Effizienz oder vielleicht gar der Medienwirksamkeit, führen kann. So räumt etwa Suchanek ein, dass „die Fokussierung auf Effizienz die Gefahr in sich [birgt], die Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Rechtsschutzes [bzw.] mit den Grundsätzen des Gesetzesvorbehalts oder der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu vernachlässigen," und zwar insbesondere dann, „wenn Effizienz zum übergeordneten Prinzip erhoben wird." 2 9 7 Und Czerwick warnt vor einer tendenziellen Unterbewertung der staats- und verfassungsrechtlichen Vorgaben und einer tendenziellen Überbewertung gesellschaftlicher, in der Praxis wohl also vor allem interessengruppenspezifischer Abhängigkeiten. 298 Dass eine Überschreitung - oder deutlicher ausgedrückt: eine Missachtung der gesetzlichen Grenzen in jedem Fall einen Verstoß gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Prinzip der Rechtmäßigkeit der Verwaltung darstellt, muss nicht betont werden. Hervorgehoben sei vielmehr die Gefahr, dass diese Missachtung von den unmittelbar Beteiligten nicht nur gebilligt, sondern womöglich gar begrüßt wird. Sie scheiden deshalb als potentielle Kontrollinitian296
Vgl. Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 (419). Suchanek, Verwaltungskontrolle aus ökonomischer Sicht, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 247 (248 f.). 298 So auch Czerwick, Bürokratie und Demokratie, S. 111. 297
0
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
ten aus, die die Gerichte mit dem Verwaltungshandeln befassen und so die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns wieder herstellen könnten. Die Gerichte scheinen - unabhängig und auf den Maßstab der Rechtmäßigkeit spezialisiert - grundsätzlich nämlich weniger anfällig für rechtsfremde Maßstäbe. Nun mag man einwenden, dass genau an dieser Stelle die der allgemeinen Informationszugangsfreiheit zugedachte Kontrollfunktion zum Tragen kommt, dass also die Transparenz der Verwaltung ein rechtswidriges Handeln gerade verhindert. Doch noch einmal sei betont, dass Voraussetzung für den Gebrauch des Informationszugangsrechts ein bestimmtes Interesse ist, ein solches aber in der Regel nur bei den von einem konkreten Verwaltungsverfahren Betroffenen vorhanden ist, und dass selbst in dem Fall, in dem das Zugangsrecht zur Kontrolle der Verwaltung ausgeübt wird, der Maßstab dieser Kontrolle nicht der der Rechtmäßigkeit sein muss. Insofern geht es bei der Informationszugangsfreiheit auch nur vordergründig um eine „Mobilisierung der Bürger für die Durchsetzung des Rechts." Abstrakt ist es natürlich richtig, dass der einzelne Bürger gleichsam die Rolle eines „Wächters" über die korrekte Ausführung der Gesetze übernimmt. 299 Aber in der Praxis ist es doch nur der interessierte Bürger, der von dem Informationszugangsrecht überhaupt Gebrauch machen wird, und er wird dabei nicht primär von objektiven Kontrollinteressen, sondern von seinen eigenen Interessen geleitet. Private Kontrolle ist grundsätzlich privatnützige Kontrolle. 300 Dass eine privatnützige Kontrolle sich durchaus auch mit einer gemeinnützigen Kontrolle decken kann, wird nicht übersehen. Doch die Schnittmenge beider Kontrollansätze ist sehr viel kleiner als die entstehende Teilmenge der rein privaten Kontrolle. Insgesamt vergrößert sich mit einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit die Möglichkeit, dass die Verwaltung ihre Entscheidungen außerhalb der durch das Recht gesetzten Grenzen trifft. Mit einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit gerät die Verwaltung tendenziell aus dem Steuerungssystem Recht in das Steuerungssystem Politik, wird also zunehmend politisiert.
2. Politisierung
oder Demokratisierung
der Verwaltung?
Die zunehmende Lösung der Verwaltung aus dem rechtlichen Steuerungsinstrumentarium muss nicht zwingend mit dem leicht pejorativ verwendeten Begriff der Politisierung, sondern kann auch mit dem tendenziell meliorativ begriffenen Begriff der Demokratisierung beschrieben werden. Unabhängig von diesen möglichen Konnotationen bringen die beiden Begriffe doch vor allem ei299 300
Hatje, EuR 1998, S. 734 (735). So Kirchhof, NVwZ 1988, S. 97 ff.
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nen Unterschied in der Kausalität zum Ausdruck: Dem Begriff der Politisierung scheint eine aktive Komponente im Sinne einer Forderung innezuwohnen, bestimmte Verwaltungsentscheidungen von den Bindungen des Rechts zu befreien. Demgegenüber scheint der Begriff der Demokratisierung eher darauf gerichtet zu sein, die (aus welchen Gründen auch immer) aus den rechtlichen Bindungen gelösten Verwaltungsentscheidungen wenigstens in das demokratische System zurückzuholen. Damit ist das Verhältnis von Demokratie und Verwaltung angesprochen, das im rechtswissenschaftlichen wie im politikwissenschaftlichen Schrifttum umstritten ist und immer wieder in den Blick des wissenschaftlichen Interesses rückt. 301 Ausgangspunkt ist stets der von Weber nach dem Übergang von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Demokratie herausgearbeitete Befund, dass Demokratie und Bürokratie 302 in einem teilweise sich gegenseitig voraussetzenden, teilweise aber auch in einem zwiespältigen und sich widersprechenden Wechselverhältnis zueinander stehen.303 Für Weber ist der bürokratische Herrschaftsapparat nicht von der Existenz einer Demokratie abhängig, wohl aber die Demokratie von einer gut funktionierenden Verwaltung. 304 Legte man dem Verhältnis von Verwaltung und Demokratie heute eine solche einseitige Kausalbeziehung zu Grunde, erschiene die Forderung nach einer Demokratisierung der Verwaltung unverständlich. Doch das Verständnis der Verwaltung hat sich gewandelt. Ihr kommt nicht mehr allein eine dienende im Sinne einer gesetzesvollziehenden Funktion zu, sondern sie nimmt zahlreiche planende und gestaltende Aufgaben wahr, die ihr jenseits rechtlicher Vorgaben einen zum Teil erheblichen Spielraum eröffnen. Im Mittelpunkt der Forderung nach einer (neuen Form der) Demokratisierung der Verwaltung steht heute die These von der nachlassenden Steuerungskraft der Gesetze. Wenn die Gesetze der unmittelbar demokratisch legitimierten Parlamente die Entscheidungen der Verwaltung nicht mehr hinreichend determinierten, dann müssten diese Entscheidungen eben selbst und unmittelbar demokratisiert werden. 301
Vgl. jüngst - aus politikwissenschaftlicher Perspektive - Czerwick, Bürokratie und Demokratie, passim. 302 In den Sozialwissenschaften wird an Stelle des Begriffs der „Verwaltung" häufig der Begriff der „Bürokratie" oder der „bürokratischen Verwaltung" verwendet, ohne dass eine exakte Abgrenzung erkennbar wird. 303 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 721 ff. 304 Vgl. die Analyse von Czerwick, Bürokratie und Demokratie, S. 73. Im Kontext allgemeiner Informationszugangsfreiheit sei daneben darauf hingewiesen, dass nach Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 730, „bürokratische Verwaltung ihrer Tendenz nach stets Verwaltung mit Ausschluss der Öffentlichkeit" ist.
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Richtig an dieser Forderung ist ohne Frage die Feststellung, dass die Gesetzgeber das Entscheidungsprogramm der Verwaltung zunehmend offener gestalten, deren Entscheidungen dementsprechend immer weniger determinieren. In einem von Wahl gezeichneten Bild ist die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zwar der Mantel, der ihr rechtliches Erscheinungsbild nach außen bestimmt; von Bedeutung sei aber vor allem auch, was sie darunter trage. 305 Die unter dem rechtsstaatlichen Mantel getragene Kleidung soll offensichtlich maßgeblich direkt vom Demokratieprinzip bestimmt werden. Dass der Mantel selbst aus dem Demokratieprinzip gewebt wurde, scheint nicht zu genügen.306 Vielmehr wächst die Forderung, „das Demokratieprinzip [...] in das Verwaltungsverfahren [zurückzuholen], um die Legitimationslücken und Kontrolldefizite nach Möglichkeit zu beseitigen, mit denen im Zuge der Entwicklung hin zu einer sich selbst programmierenden, steuernden und kontrollierenden Verwaltung zu rechnen ist." 307 Dieser demokratiebezogene Ansatz ist insofern verständlich, als die Ausübung der Staatsgewalt durch die Verwaltung grundsätzlich dem Willen des Inhabers der Staatsgewalt entsprechen muss und bei unzureichender Determination durch den Gesetzgeber einer anderen Rückbindung an den Volkswillen bedarf. Je weiter der Mantel geschnitten ist, um im Bild von Wahl zu bleiben, je größer also der Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum der Verwaltung ist, desto mehr Raum bleibt für eine Demokratisierung der Verwaltung, 308 desto stärker ist aber auch die Forderung nach einer solchen. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Diskussion über verstärkte Partizipationsmöglichkeiten in den siebziger Jahren insbesondere im Zusammenhang mit der kommunalen Selbstverwaltung geführt wurde. 309 Doch so positiv der Begriff der Demokratie auch konnotiert sein mag, so sehr stellt sich doch die Frage, welches Demokratieverständnis hinter einer solchen Forderung nach einer Demokratisierung der Verwaltung steht und wie eine solche umzusetzen ist.
305 Wahl, Privatorganisationsrecht als Steuerungsinstrument bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, in: Schmidt-Aßmann/Hoffammn-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorgan isationsrecht als Steuerungsressource, S. 301 (316). 306 Vgl. bspw. Huber, StWStP 8 (1997), S. 423 (424): „Steht bei klassischer Betrachtung des Verwaltungsrechts das Rechtsstaatsprinzip im Vordergrund, geht es unter der Steuerungsperspektive im Kern um das Demokratieprinzip." 307 So Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117 (189); unter Verweis auf Bora, KritJ 1994, S. 306 (309). 308 Vgl. Faber, Verwaltungsrecht, S. 82. 309 Vgl. hierzu ausf. Battis, Partizipation im Städtebaurecht, S. 158.
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tatsstrukturen
313
Ein pluralistisches Demokratieverständnis geht davon aus, dass die Beteiligung einer Vielzahl von Akteuren am Entscheidungsprozess die Berücksichtigung vielfältiger Interessen ermöglicht und die Akzeptanz der Entscheidungen durch eine Mehrheit sicherstellt. Dieses - vor allem in den U.S.A. - vorherrschende Verständnis von Demokratie 310 unterscheidet sich nicht nur von der legislatorisch-hierarchischen Demokratie, sondern bspw. auch von einem unmittelbaren Demokratiebegriff Rousseau 'scher Prägung. Nicht vorgegebenes Gemeinwohl und Identität von Regierenden und Regierten, sondern Prinzip der „checks and balances", freier Konkurrenz und individueller Freiheit bestimmen dieses Demokratie Verständnis. „Der Akzent dieser Vorstellung von Demokratie liegt deshalb auch auf der inhaltlichen Offenheit politischer Entscheidungen, der Einhaltung von Verfahrensregeln bei der Entscheidungsfindung, der formal jedermann zustehenden Teilnahme am politisch-administrativen Entscheidungsprozess sowie auf der Betonung der Notwendigkeit, dass alle Teilnehmer fähig und willens sind, Kompromisse zu schließen und Obstruktion zu vermeiden." 311 In diesem Sinne ist eine allgemeine Informationszugangsfreiheit ein notwendiger Schritt für eine demokratische Entwicklung, und zwar insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie nicht nur eine Kontrolle im Sinne von „contrerôle", sondern auch im Sinne von „controlling" bewirken soll, also letztlich eine Partizipation an den Entscheidungen der Verwaltung gewährleisten soll. Intensivere Kommunikationsbeziehungen zwischen der Verwaltung und den Bürgern sind eine zwingende Voraussetzung für die Anbindung der Verwaltungsentscheidungen an den Willen des Volkes. Doch erneut stellt sich die Frage nach der Kausalität: Verlangt eine zunehmende Politisierung der Verwaltung nach zusätzlicher demokratischer Legitimation durch Partizipation 312 oder führt die Gewährleistung partizipativer Einflussmöglichkeiten zu einer zunehmenden Politisierung der Verwaltung? Ist der Mantel im Laufe der Zeit ausgeleiert und löchrig geworden oder führt der zunehmende Druck von innen dazu, dass die Nähte aufgehen, der Mantel rissig wird und seine Funktion nicht mehr erfüllen kann? Übersehen werden darf jedenfalls nicht, dass der zum Teil beobachtete und auch immer noch zu beobachtende Funktionswandel der Verwaltungstätigkeit von der bloß gesetzesvollziehenden hin zur eigenständig planenden Verwal-
310
Vgl. umfassend Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung,
S. 29 ff. 311
So Czerwick, Bürokratie und Demokratie, S. 107 f. So Bora, KritJ 1994, S. 306 (309); Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 117(189). 3,2
314
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
tung längst nicht alle ihrer Bereiche erfasst hat. Dementsprechend dienen Verwaltungsverfahren nicht nur der ausgleichenden Mediation zwischen verschiedenen Interessengruppen, sondern nach wie vor auch der Entscheidung in Individualverfahren. Gerade in solchen Fällen ist das Verwaltungsverfahren auf „die entpolitisierende Sachlichkeit der Nichteinmischung" angewiesen,313 die durch die strenge Orientierung an formellen und materiellen rechtlichen Maßstäben gewährleistet werden kann, während ein erhöhtes Politisierungspotential die Friedensfunktion des Rechts beeinträchtigen kann. 314 Auch außerhalb der rechtlich weitgehend gebundenen Entscheidungen in Individualverfahren stehen der vermeintlichen Demokratisierung zahlreiche, zum Teil schon skizzierte, Nachteile gegenüber. So wird die Verwaltung überwiegend auf die Forderung der organisierten gesellschaftlichen Interessen reagieren, während nicht nur die nicht-organisierten Interessen, sondern auch das Allgemeinwohl weitgehend außen vor bleiben werden. Sie gerät dadurch fast zwangsläufig in das Spannungsfeld gesellschaftlicher Ungleichheit. 315 „Politisierung heißt dann [...] nur: Partizipation zur Durchsetzung eines Teils der eigenen Interessen, und sie begünstigt deutlich den Status quo und die vorherrschende Verteilung von Vorteilen und Chancen; denn natürlich kann nur der etwas geben, etwas verhindern, etwas zusagen, der etwas hat." 316 Und nicht zuletzt werden durch partizipative Elemente Verantwortlichkeiten administrativer Entscheidung verwischt. 317 Angesichts dieser nachteiligen Auswirkungen einer Demokratisierung der Verwaltung auf die rechtsstaatliche Ordnung wird die Position von Hesse verständlich. Nach Hesse kann die Verwaltung „nur bedingt der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes zugeordnet werden", weil sie trotz „aller Verknüpfungen und Abhängigkeiten als selbständige Funktion in die verfassungsrechtliche Ordnung der staatlichen Funktionen eingefugt ist." 318 Seiner Ansicht nach steht die Verwaltung - obwohl sie sich insbesondere in den Bereichen, in de-
313
Vgl. Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 419, der vor diesem Hintergrund für eine bereichsspezifische Informationszugangsfreiheit plädiert, die sich etwa auf Verfahren mit planungsrechtlichem Einschlag, gesetzlich normierter Öffentlichkeitsbeteiligung sowie solchen des Umweltrechts beschränken solle (S. 425 ff). 314 Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 419 f. 315 Vgl. Masing, VVDStRL 63 (2003), S. 391 f. Vgl. auch Karpen, JA 1993, S. 110 (113): Die begehrte Beteiligung basiert nicht auf einer individuellen (Rechts)Betroffenheit, sondern „auf einem diffusen demokratischen Interesse der Mitsprache bei Angelegenheiten von öffentlichem Gewicht." 316 Luhmann, Politikbegriffe und die „Politisierung der Verwaltung, in: Demokratie und Verwaltung, S. 211 (227). 317 Näher hierzu Czerwick, Bürokratie und Demokratie, S. 110, m.w.N. 318 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 230.
E. Modifizierung von Legitimationsstrukturen
315
nen ihre Träger selbständig gestalten, (mit-)entscheiden oder die zu realisierenden Programme bestimmen, nicht als unpolitische Funktion qualifizieren lässt auf Grund der Eigenart ihrer Aufgaben, ihrer Rechtsgebundenheit und ihrer relativen Selbständigkeit gegenüber den politischen Kräften in erster Linie unter dem Einfluss des sozialen Rechtsstaats, der für die Ausgestaltung der Verwaltung durch das Grundgesetz primär bestimmend ist. 319 Dieser Befund schließt nicht aus, dass die Verwaltung auch durch das demokratische Prinzip des Grundgesetzes beeinflusst wird. Namentlich das Verwaltungsverfahrensrecht enthält - nicht zuletzt im Übrigen mit den (beschränkten) Akteneinsichtsrechten - ein erhebliches demokratisches Potential. 320 Doch insgesamt darf in Bezug auf die Verwaltung das Demokratieprinzip nicht überschätzt, darf das Rechtsstaatsprinzip nicht unterschätzt werden: „Demokratie ist gewiss ein preisenswertes Gut, Rechtsstaat aber ist wie das tägliche Brot, wie Wasser zum Trinken und wie Luft zum Atmen, und das Beste der Demokratie ist gerade dieses, dass nur sie geeignet ist, den Rechtsstaat zu sichern." 321 Mit diesem Zitat von Radbruch soll nicht ein prinzipieller Vorrang des Rechtsstaats vor dem Demokratieprinzip begründet werden. Beide Prinzipien stehen, das ist eingangs bereits betont worden, ohnehin in einem Wechselverhältnis zueinander. Aus der Sicht des Rechtsstaatsprinzips begründet das Demokratieprinzip die Legitimation des staatlich gesetzten Rechts, und aus der Sicht des Demokratieprinzips transferiert das Rechtstaatsprinzip diese Legitimation in die Ausführung staatlichen Handelns. Insofern wird deutlich, dass die Frage nach der Zulässigkeit und dem Maß der durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit bewirkten Demokratisierung der Verwaltung letztlich eine Frage nach der Legitimation des Verwaltungshandelns ist.
E. Modifizierung von Legitimationsstrukturen
I. Klassische Formen der Legitimation der Verwaltung Die Notwendigkeit und die Formen der Legitimation staatlichen Handelns hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Mitbestim-
3,9
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 230. Vgl. hierzu Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 114 ff. u. 480 ff. 321 G. Radbruch, zitiert nach Eyermann, Demokratie und „Partizipation" des Staatsbürgers?, in: Festschrift Fröhler, S. 13 (14). 320
316
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
mungsgesetz Schleswig-Holstein knapp und treffend wie folgt zusammengefasst: „Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden. Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird vor allem durch die Wahl des Parlaments, durch die von ihm beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt, durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung sowie durch die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung hergestellt. Für die Beurteilung, ob dabei ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht wird, haben die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und in der Literatur unterschiedenen Formen der institutionellen, funktionellen, sachlichinhaltlichen und der personellen Legitimation Bedeutung nicht je für sich, sondern nur in ihrem Zusammenwirken. Aus verfassungsrechtlicher Sicht entscheidend ist nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein bestimmtes Legitimationsniveau. Dieses kann bei den verschiedenen Erscheinungsformen von Staatsgewalt im allgemeinen und der vollziehenden Gewalt im besonderen unterschiedlich ausgestaltet sein; innerhalb der Exekutive ist dabei auch die Funktionenteilung zwischen der für die politische Gestaltung zuständigen, parlamentarisch verantwortlichen Regierung und der zum Gesetzesvollzug verpflichteten Verwaltung zu berücksichtigen." 322 Nach diesem normativ-verfassungsrechtlichen, Herrschaftsübertragung
anknüpfenden
an die
grundgesetzliche
Legitimationsverständnis
spielen die
Parlamente eine überragende Rolle. A l s einzige unmittelbar v o m V o l k gewählten Organe kommt ihnen die Funktion der Legitimationsvermittlung zwischen dem Legitimationssubjekt „ V o l k " und den anderen legitimationsbedürftigen Staatsorganen zu. Die Vermittlung der Legitimation erfolgt dabei, wie das Bundesverfassungsgericht noch einmal hervorgehoben hat, über verschiedene Legitimationsformen, die in ihrem Zusammenspiel ein ausreichendes Legitimationsniveau der staatlichen Gewalt sicherstellen müssen. V o n besonderer Bedeutung sind dabei die personelle und die sachlichinhaltliche Legitimationsform: „Organe und Amtswalter bedürfen ... zur Ausübung von Staatsgewalt einer Legitimation, die - als eine demokratische - auf die Gesamtheit der Staatsbürger, das Volk, zurückgeht, jedoch regelmäßig nicht durch unmittelbare Volkswahl erfolgen muss. In diesem Bereich ist die Ausübung von Staatsgewalt demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung der Amtsträger - personelle Legitimation vermit-
322
BVerfGE 93, 37 (66 f.); vgl. auch BVerfGE 83, 60 (71).
E. Modifizierung von Legitimationsstrukturen
317
telnd - auf das Staatsvolk zurückführen lässt und das Handeln der Amtsträger selbst eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt." 323
Die personelle Legitimation verlangt, dass sich die Einsetzung eines konkreten Amtswalters auf eine Entscheidung des Volks zurückfuhren lässt. Erforderlich (und ausreichend) ist dabei, dass eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen dem einzelnen Amtswalter und dem Volk besteht. Vor diesem Hintergrund erhält die hierarchische Organisationsform der Verwaltung eine legitimationsbegründende Bedeutung. Die sachlich-inhaltliche Legitimation verlangt, dass die Handlungen der Staatsorgane mit dem Willen des Volkes übereinstimmen müssen. Dabei ist nach der Ausgestaltung der grundgesetzlichen Demokratie als eine repräsentative Demokratie von vorneherein zu berücksichtigen, dass sich der Wille des Volkes in erster Linie in den von den Parlamenten erlassenen Gesetzen widerspiegelt. Die Abgeordneten sind alleine durch ihre unmittelbare Wahl legitimiert und bedürfen keiner sachlich-inhaltlichen Legitimation mehr. Sie sind vielmehr mit ihrer Wahl nur noch ihrem Gewissen unterworfen und frei von sachlichen Vorgaben oder Wünschen. Aufgrund dieses freien Mandats findet die inhaltliche Rückkoppelung an das Volk zwischen den Wahlen allein über die Öffentlichkeit statt.324 Der von den Organen der Exekutive (und im Übrigen auch von denen der Judikative) zu vollziehende Wille des Volkes ist also in erster Linie der Wille der Parlamente. 325 Dies kommt in der von Art. 20 Abs. 3 GG normierten Gesetzesbindung der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt deutlich zum Ausdruck. In inhaltlicher Hinsicht ist das vorherrschende Legitimationskonzept für die Verwaltung mit anderen Worten die Legalität. 326
I I . Legitimationslücken Eine solcherart verstandene „Konstruktion" demokratischer Legitimation der Verwaltung stößt um so mehr an Grenzen, 327 je weniger die Entscheidungen der Verwaltung durch den Gesetzgeber determiniert sind. Dabei lassen sich (mindestens) zwei Gründe für die fehlende oder zumindest doch nachlassende 323
BVerfGE 93, 37 (67), unter Verweis auf BVerfGE 9, 268 (281). Vgl. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. I, Vorb., Rn. 109 m.w.N. 325 Vgl. hierzu Benda, Akzeptanz als Bedingung demokratischer Legitimität, S. 9. 326 Vgl. Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 (210): „Die verfassungsrechtlich-normative Legitimität staatlicher Herrschaft reduziert sich damit weitgehend auf ihre Legalität." Vgl. auch die Kurzbeschreibung von Kadelbach, Verwaltungskontrollen im Mehrebenensystem, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, S. 205 (208): „Klassische Formen der demokratische Legitimation der Verwaltung sind somit Gesetzesbindung, Ministerverantwortlichkeit und Aufsicht." 327 Vgl. bspw. Schuppen, Der Staat 32 (1993), S. 581 (596 ff.). 324
318
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Steuerung der Verwaltung durch die Gesetzgeber ausmachen: Die öffentliche Verwaltung ist nicht ausschließlich auf den Vollzug von Gesetzen programmiert und kann deshalb auch nicht ausschließlich als verlängerter Arm der Regierung verstanden werden. Sie hat vielmehr zum Teil eine eigenständige Bedeutung erlangt, in der sie nur eingeschränkt der Kontrolle der Parlamente unterliegt. Hervorzuheben sind insofern „die Ermessensspielräume der Verwaltung, die Vorbereitungsherrschaft der Verwaltung, die Verselbständigung von Verwaltungseinheiten sowie nicht zuletzt auch die Gesetzesflut, die zwangsläufig zu einer selektiven Gesetzesanwendung fuhren muss." 328 Darüber hinaus haben die Parlamente im Zuge der Europäisierung und auch der Globalisierung selbst erheblich an Entscheidungsspielraum verloren. Die Organe der Exekutive vollziehen heute nicht nur den in den nationalen Gesetzen zum Ausdruck kommenden Volkswillen, sondern auch europäische Verordnungen und Richtlinien, die sich nur sehr mittelbar auf die nationalen Parlamente zurückführen lassen.329 Wenn aber die nationalen Parlamente nicht mehr als die einzigen Orte betrachtet werden können, „an [denen] politische Entscheidungen im Namen des Volkes und für das Volk getroffen werden", 330 dann bedarf es, so ist ebenfalls schon in den siebziger Jahren erkannt worden, 331 „funktionaler Äquivalente", 332 die eine demokratische Rückkopplung und Legitimation der Verwaltung ermöglichen können.333 Die allein über die Legalität vermittelte Legitimation exekutiver Entscheidungen bedarf deshalb nach zahlreicher werdenden Stimmen immer stärker der Anreicherung. 334
328
So die zsfd. Betrachtung von Czerwick, Bürokratie und Demokratie, S. 102. Zur demokratischen Legitimation der Europäischen Union vgl. bspw. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 37 ff., sowie bspw. Pernice, VVDStRL 60 (2001), S. 148 f f ; Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 626 ff. 330 Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 216 331 Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46 ( 65 f.) hält einem solchen Verständnis von Legitimation insbesondere entgegen, es fordere die Möglichkeit eines Bruchs zwischen Legalität und empirischer Legitimität. Eine Rückkoppelung der normativ legitimierten staatlichen Entscheidungen an den Konsens der Herrschaftsunterworfenen könne dagegen einen bedrohlichen Proteststau verhindern. 332 Luhmann, ARSP 1971, S. 27 (32 f.). 333 Vgl. bspw. Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 (216 ff.). 334 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, S. 499 f f ; siehe aber auch schon Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 128, der - im Anschluss an Luhmann - eine verfahrensgestütze Legitimation vorschlägt. Hoffmann-Riem, VVDStRL 57 (1998), Aussprache, S. 274 (276), ist der Ansicht, dass „durch das, was wir zur Zeit beim Aufbau der Informationsgesellschaft erleben, [...] auch die traditionelle demokratische Legitimation wegzufallen [droht], eine Legitimation, die vorrangig durch Verwaltungsrecht und da329
E. Modifizierung von Legitimationsstrukturen
319
I I I . Legitimation durch Informationszugangsfreiheit? Auf der Suche nach solchen „funktionalen Äquivalenten" soll an dieser Stelle die zunächst in den siebziger Jahren, später auch noch einmal im Zusammenhang mit der Verbandsklage geführte Diskussionen um eine Legitimation durch Partizipation 335 nicht wieder neu eröffnet werden. 336 Ausreichend ist insofern, das Ergebnis dieser Diskussion festzuhalten, nach dem die Mitspracheund Mitwirkungsmöglichkeiten der von Verwaltungsentscheidungen Betroffenen grundsätzlich zulässig und zum Teil sogar geboten sind, solange sie keine echten Mitentscheidungskompetenzen begründen. 337 In diese Richtung weist auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zum Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst. 338 Der Blick soll vielmehr auf die Frage gelenkt werden, ob einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit legitimierende oder jedenfalls doch legitimationsstützende Wirkung zukommen kann. Aus der gewohnten juristischen Perspektive mit ihrem normativen Legitimationsverständnis mag diese Frage ungewöhnlich erscheinen, weil die Legitimation nach diesem Verständnis vor der staatlichen Handlung erfolgen muss. Gleichwohl zielen die bereits erlassenen Informationsfreiheitsgesetze ja ausweislich ihrer Begründungen 339 mehr oder
mit durch nationales Recht gebildet wurde. In der globalisierten Informationsgesellschaft brauchen wir jetzt nicht nur ein Privatisierungsfolgenrecht, sondern wir brauchen auch ein Globalisierungsfolgenverwaltungsrecht, das eine neue Art von Legitimation bei der Sicherung der Freiheitsverwirklichung in globalen Vernetzungen schafft." 335 Vgl. insb. Walter u. Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 147 u. 179; Blümel, „Demokratisierung der Planung" oder rechtstaatliche Planung?, in: Roman Schnur (Hrsg.), Festschrift Forsthoff, S. 9 ff.; Eyermann, Demokratie und „Partizipation" des Staatsbürgers?, in: Festschrift Fröhler, S. 13 ff.; ausf. Menzel, Legitimation staatlicher Herrschaft durch Partizipation Privater?, passim; die Partizipationsdebatte zsfd. Battis, Partizipation im Städtebaurecht, S. 43 ff.; Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, S. 8 ff.; die Diskussion um die Verbandsklage zsfd. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, S. 121 ff.; rückblickend auch SchmidtAßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (371 ff.). 336 Vgl. aber bspw. Stegger, Partizipation und Demokratie im Cyberland, in: Tauss/Kollbeck/Mönikes (Hrsg.), Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, S. 785 ff. 337 Vgl. bspw. Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 774. Nach Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (349), können „Partizipationsformen [...] die Akzeptanz der Entscheidung erhöhen und im Sinne der demokratischen Idee erwünscht sein [...], sie vermitteln jedoch keine demokratische Legitimation, sondern können umgekehrt die von Art. 20 Abs. 2 GG vorgezeichneten Legitimationszüge sogar beeinträchtigen." 338 Siehe insb. BVerfGE 93, 37 (68 f.); instruktiv und kritisch hierzu Battis/Kersten, DÖV 1996, S. 589 ff. 339 Siehe oben S. 73.
320
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
weniger deutlich 340 auf eine legitimierende Wirkung der Informationszugangsfreiheit, und auch im Schrifttum wird die legitimatorische Funktion einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit zum Teil in den Vordergrund gestellt.341
/. Empirischer Legitimationsbegriff Diesen Vorstellungen liegt offensichtlich der vor allem von den Sozialwissenschaften verwendete empirische Legitimationsbegriff zu Grunde, der - bei allen Differenzierungen im Einzelnen - vor allem auf die Anerkennung, die Akzeptanz staatlicher Tätigkeiten rekurriert. In diesem Sinne bezeichnet Legitimation denjenigen Vorgang, durch den die Herrschaftsunterworfenen der Staatsgewalt auf Grund bestimmter Legitimitätsvorstellungen tatsächlich generelle Zustimmungsbereitschaft entgegenbringen. Im Unterschied zum normativen Legitimationsbegriff knüpft der empirische Legitimationsbegriff nicht an das „input 44 , sondern an das „output 44 staatlichen Handelns an. 342 Der zunächst in der Antike postulierte und später zunächst vom Kirchenrecht, dann auch vom mittelalterlichen Stadtrecht rezipierte Grundsatz „quod omnes tangit, ab omnibus approbetur 44,343 der auch von verschiedenen direkt-demokratischen Theorien 344 immer wieder aufgegriffen wird, gewinnt insofern erneut an Bedeutung. Die „Approbation 44 erfolgt nach den „output44-orientieren Vorstellungen vor allem durch die Akzeptanz staatlichen Handelns.
340
Vgl. insb. die Begründung zum IFG-SH: „Eine Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungsprozesse und deren Implementation ist auch im Hinblick darauf geboten, dass traditionelle Mechanismen der Entscheidungsfindung, legitimation und Implementationskontrolle, wie Parlamente und Gerichte, an grundlegende Grenzen stoßen, was eine Weiterentwicklung herkömmlicher Beteiligungsformen im Sinne einer Überlebens- und wandlungsfähigen parlamentarischen Demokratie wünschenswert erscheinen lässt." SHLT-Drs. 14/2374, S. 11. 341
Vgl. bspw. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 310 f. Grundlegend hierzu Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 21 f.: „Input-orientierte Theorien beurteilen die Legitimität eines politischen Systems nicht nach der Qualität seiner Leistungen, sondern nach den in den politischen Prozess eingehenden Willensäußerungen und artikulierten Interessen. Sie fragen, wie das System eingerichtet sein müsse, um Entscheidungen möglichst unverfälscht aus der gleichen Partizipation aller hervorgehen zu lassen. Demgegenüber sind in der outputorientierten Perspektive politische Entscheidungen legitim, wenn und weil sie auf wirksame Weise das allgemeine Wohl im jeweiligen Gemeinwesen fördern. 44 343 Vgl. hierzu bspw. Luhmann, Rechtshistorisches Journal 1992, S. 36 ff. 344 Vgl. Schmidt, Demokratietheorien, S. 91 ff. Zur Responsivität, einem demokratietheoretisches Konzept, in dessen Mittelpunkt die Rückbindung politischer Entscheidungen auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse sowie die Offenheit und Empfänglichkeit der Politik gegenüber gesellschaftlichen Anforderungen steht, s. bspw. Czerwick, Bürokratie und Demokratie, S. 87, m.w.N. 342
E. Modifizierung von Legitimationsstrukturen
321
Der Begriff der Akzeptanz ist freilich nicht sehr scharf und wird wegen seiner Unklarheit sogar in der Soziologie zum Teil abgelehnt.345 Luhmann will den Begriff der Akzeptanz jedenfalls von einer materiellen Ausrichtung befreien und spricht sich für eine Formalisierung des Begriffs aus: „Gemeint ist, dass Betroffene aus welchen Gründen immer die Entscheidung als Prämisse ihres eigenen Verhaltens übernehmen und ihre Erwartungen entsprechend umstrukturieren. 4'346 Er begreift die Legitimation von Entscheidungen insofern als ein „effektives, möglichst störungsfreies Lernen im sozialen System."347 Bereits diese Umschreibung lässt erkennen, dass der Begriff der Akzeptanz kein spezifisch juristischer Begriff ist. 348 Letztlich zielt die Akzeptanz auf eine freiwillige Befolgung von Befehl und Zwang. In der Tat lässt sich nicht leugnen, dass die Durchsetzbarkeit einer staatlichen Entscheidung um so mehr von ihrer allgemeinen Akzeptanz abhängt, je größer ihre gesamtgesellschaftliche Bedeutung ist. 349 Befehl und Zwang allein sind keine zuverlässigen Garanten für Gesetzestreue und -befolgung. 350 Für die Exekutive (wie auch schon für die Legislative) spielt die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz insbesondere dort eine besondere Rolle, wo ihr vom Gesetzgeber ein Entscheidungsspielraum belassen ist. In diesen Fällen ist ihr mit dem Gestaltungsspielraum zugleich die Last aufgebürdet, selbst für die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Entscheidungen zu sorgen.351 Bei einem solchen empirischen Legitimationsverständnis ist eine allgemeine Informationszugangsfreiheit nicht nur geeignet, sondern geradezu geboten. Denn sie schafft die Voraussetzung dafür, das Handeln der Verwaltung beurteilen, akzeptieren und dadurch legitimieren zu können. Die Möglichkeit einer solchen „output"-Legitimation erscheint geradezu verführerisch. Sie würde in Kombination mit der „input"-Legitimation eine Legitimationsklammer binden, die die Exekutive zwischen die Parlamente auf der einen Seite und dem Volk auf der anderen Seite einbindet. Aus der Legitimationskette entstünde ein Legitimationskreis, der keine Legitimationslücken aufkommen ließe. Bei näherer Betrachtung sind indes Zweifel tatsächlicher und verfassungsrechtlicher Art an der Legitimationswirkung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit angebracht, die schon im Zusammenhang mit der Eignung der
345
Kritisch bspw. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 32 f. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 33. 347 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 35. 348 Vgl. hierzu Czybulka, Die Verwaltung 26 (1993), S. 27. 349 Ähnlich Menzel, Legitimation staatlicher Herrschaft durch Partizipation Privater?, S. 87. 350 Czybulka, Die Verwaltung 26 (1993), S. 27 (29). 351 So für die Judikative Benda, DÖV 1983, S. 305 (309). 346
322
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
Informationszugangsfreiheit als Kontrollinstrument und ihren Auswirkungen auf die Verantwortungsstrukturen angeklungen sind. So fragt sich insbesondere, unter welchen Umständen von der Informationszugangsfreiheit Gebrauch gemacht werden muss, damit ein Verwaltungshandeln tatsächlich als akzeptiert und damit als legitimiert gilt. Muss überhaupt von dem Recht Gebrauch gemacht werden oder reicht schon die Möglichkeit? Basiert die Legitimation auf der tatsächlich ausgeübten Kontrolle oder schon auf der theoretisch möglichen Kontrolle? Und im ersten Fall: Wie viele und welche Bürger müssen das Informationszugangsrecht nutzen, um die legitimierende Wirkung hervorzurufen? In diesem Zusammenhang ist erneut in Erinnerung zu rufen, dass nicht jeder Bürger, sondern nur jeder Interessierte die Informationszugangsfreiheit nutzen wird, und dies auch nicht zwingend im öffentlichen, sondern primär im privatnützigen Interesse. Das Verwaltungshandeln wäre dann jedenfalls nicht vom Volk, sondern nur von einem Teil des Volks legitimiert. Die Legitimation basierte dann nicht mehr auf einem Gesamtwillen, sondern letztlich auf Partikularinteressen. Denn ein bloßes Dulden, ein „motivloses Akzeptieren" genügt selbst bei empirischen Legitimationsverständnis nicht für die legitimierende Wirkung. 352 Gesellschaftliche Akzeptanz lässt sich ja doch nur berücksichtigen, wenn sie sich ermitteln lässt.353 Es bedarf deshalb eines sich nach außen manifestierenden Konsenses.354 Außerdem wäre der unpräzise Begriff der Akzeptanz in zeitlicher Hinsicht zu konkretisieren. Denn es kann nicht darum gehen, eine kurzfristige Akzeptanz zu erzielen. „Dem vorübergehenden Beifall, den das Schielen nach der öffentlichen Meinung erbringen könnte, müsste früher oder später die allgemeine und verdiente Verachtung folgen, die eine so in ihren Ansprüchen korrumpierte [Verwaltung] auf sich ziehen würde." 355 Diskutabel ist lediglich die langfristige gesellschaftliche Akzeptanz von Entscheidungen gerade in politisch umstrittenen Fragen, bei denen sich jedenfalls zunächst Gruppenauffassungen schroff und zunächst unversöhnlich gegenüberstehen. Vor allem fragt sich aber auch, was die Folgen einer Akzeptanzverweigerung wären. Wie sollte das Volk eine nicht erteilte Legitimation einfordern? Was geschieht mit einer nicht akzeptierten und damit nicht legitimierten Verwaltungshandlung? Hier zeigt sich erneut, dass die Informationszugangsfreiheit
352 353 354
Deutlich Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 34 f. Benda, DÖV 1983, S. 305 (309). So Menzel, Legitimation staatlicher Herrschaft durch Partizipation Privater?,
S. 111. 355 So Benda, DÖV 1983, S. 305 (309), in Bezug auf die Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen.
E. Modifizierung von Legitimationsstrukturen
323
ein stumpfes Schwert ist, das die Rolle des Einzelnen auf die eines Kontrollinitiators beschränkt.
2. Normativer
Legitimationsbegriff
Noch schwerer wiegen die Bedenken, wenn man die Konstruktion einer akzeptanzgestützten Legitimation in das grundgesetzliche Koordinatensystem des normativen Legitimationsbegriffs zu übertragen versucht. Czybulka hält nach seinen ausführlichen Forschungen 356 eine Kategorie der Akzeptanz im öffentlichen Recht entbehrlich. Mag es auch richtig sein, neben Gesetzen auch Einzelentscheidungen für die Bürger nachvollziehbar und transparent zu machen, „so bedenklich kann es sein, durch ein aggressives Policymarketing die Abnahmebereitschaft der Bürger stärken zu wollen. Hier geht es ja oft um differenzierte, die Zukunft beeinflussende Konsensfragen, die nicht werbewirksam durchgesetzt werden sollten. Verfassungsrechtlich geht es vor allem um die Beibehaltung der Staatsfreiheit des politischen Willensbildungsprozesses. Gegenüber einer allzu „kommunikativen" repräsentativen Demokratie muss man skeptisch sein." 357 Ausdrücklich verweist Czybulka darauf, dass mit der staatlichen Herstellung von Akzeptanz das Konzept des Art. 20 Abs. 2 GG auf den Kopf gestellt wird. 358 In der Tat ist eine einzelfallbezogene, output-orientierte Rückkoppelung der Legislativentscheidungen auf die Bürger vom Grundgesetz nicht vorgesehen. Vielmehr erscheint das grundgesetzliche Legitimationsmodell als abschließend in dem Sinne, dass es keinerlei andere Legitimationsformen zulässt.359 Nicht ganz so strikt lässt sich aus den in Art. 20 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden Legitimationsstrukturen jedenfalls ein „Störungsverbot" ableiten: „Soweit es um die Legitimation staatlicher Gewaltausübung geht, dürfen die Hauptlinien der Ableitungszusammenhänge vom Volk und von den vom Volk gewählten Organe nicht durch Einflusskanäle um ihre Wirkung gebracht werden, die sich nicht auf das Volk zurückführen lassen."360 Mag man nach dieser Beschreibung in den durch eine Informationszugangsfreiheit liegenden Einflussmöglichkeiten keinen Verstoß gegen das Störungsverbot erkennen, weil
356
Cybulka, Die Legitimation der öffentlichen Verwaltung, passim; ders., Die Verwaltung 26(1993), S. 27 ff. 357 Czybulka, Die Verwaltung 26 (1993), S. 27 (32). 358 Czybulka, Die Verwaltung 26 (1993), S. 27 (34). 359 Vgl. insb. Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 (218); Simson, VVDStRL 29(1971), S. 3 (33). 360 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (369).
324
3. Kap.: Modifizierung von Verfassungsrecht
die Ausübung von Staatsgewalt nicht anderen Organen, sondern dem Volk selbst überantwortet wird, so greift diese Subsumtion zu schnell. „Dem Störungsverbot unterfallen [nämlich] auch solche Regelungen, die das Legitimationssubjekt selbst erweitern oder sonst verfremden." 361 Vor diesem Hintergrund muss allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen eine legitimierende Wirkung abgesprochen werden. Allein eine legitimationsstützende Funktion kann ihnen zugesprochen werden, wenn man mit der Kompensationsthese davon ausgeht, dass die Demokratisierung der Verwaltung in einem demokratischen Rechtsstaat „nur eine sekundäre Demokratie" meinen kann, die zu parlamentarischen Demokratie hinzutritt, die Legitimation durch das parlamentarische Gesetz ergänzt und dieser stets nachgeordnet bleibt. 362 Denn Informationszugangsrechte beschränken die Entscheidungsfreiheit der Behörden jedenfalls nicht unmittelbar, so dass die normative Legitimationskette nicht durchbrochen wird. Insofern erweist sich die Informationszugangsfreiheit einerseits als geeignetes Mittel, den vom normativen Legitimationsmodell geforderten Kommunikationsprozess zwischen den Herrschaftsunterworfenen und dem Staat aufrecht zu erhalten, 363 andererseits aber auch als Gefahr, eine Akzeptanz (und nach sozialwissenschaftlichen Verständnis sogar eine Legitimation) zu fingieren, die in Wirklichkeit nicht besteht. Die Gewährleistung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit führt somit auch zu einer staatlicherseits hergestellten Akzeptanz verwaltungsbehördlicher Entscheidungen.
361 362 363
S. 79.
Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (369). Faber, Verwaltungsrecht, S. 81 f. Vgl. Menzel, Legitimation staatlicher Herrschaft durch Partizipation Privater?,
Zusammenfassende Thesen 1.
Die Entwicklung der Informationszugangsfreiheit in Deutschland ist international geprägt. Als Vorbilder fungieren vor allem die entsprechenden Regelungen in Schweden und in den U.S.A. Doch erst die Umweltinformationsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft hat mit ihrem verbindlichen Regelungsauftrag den Damm der Aktenverschlossenheit im Bereich der mit Umweltschutzbelangen befassten Verwaltung brechen lassen.
2.
Informationszugangsrechte werden von Informationsfreiheitsgesetzen nicht als Selbstzweck, sondern im Interesse anderer Zielsetzungen gewährleistet. Im Vordergrund steht eine Kontroll- und Partizipationsfunktion. Darüber hinaus soll eine optimale Nutzung der bei der Verwaltung vorhandenen Informationen ermöglicht und zugleich die Effizienz des Verwaltungshandelns verbessert werden. Schließlich lassen sich verschiedene Spezialfunktionen ausmachen, die vom Umweltschutz über den Verbraucherschutz bis hin zur Vergangenheitsbewältigung reichen. Die Transparenz der Verwaltung ist stets nur ein Zwischenziel.
3.
Mögen die Gesetzgeber bei dem Erlass von Informationsfreiheitsgesetzen auch auf eine bestimmte Verwendung der zugänglich gemachten Informationen hoffen, können sie eine andere und selbst eine ihren Vorstellungen konträre Verwendung der Informationen doch regelmäßig nicht ausschließen.
4.
Indem die konkrete Verwendung der erlangten Informationen ausschließlich dem Anspruchsberechtigten überlassen wird, wirken allgemeine Informationszugangsrechte freiheitsermöglichend: Sie erlauben den Einzelnen, entsprechend seinen eigenen Interessen diejenigen Informationen von der Verwaltung zu erhalten, die sie nach ihren subjektiven Vorstellungen zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit, zur reflektierten Freiheitsausübung, benötigen. Informationsfreiheitsgesetze erzielen insofern Grundrechtsgebrauch ermöglichende Wirkungen.
5.
Diese Ermöglichung des Grundrechtsgebrauchs beschränkt sich nicht auf „politische" Grundrechte wie insbesondere die Kommunikationsgrundrechte, sondern erstreckt sich auf alle Grundrechte einschließlich der primär für die wirtschaftliche Entfaltung relevanten Berufs- und Eigentumsfreiheit. Dem politischen Gebrauch von Grundrechten kommt kein prinzipieller Vorrang vor politisch indifferentem Handeln zu.
326
Zusammenfassende Thesen
6.
Die Steuerungsfähigkeit des Gesetzgebers endet bei dem Zwischenziel „Transparentierung der Verwaltung": Er kann durch die Gewährung von Informationszugangsrechten zwar in gewissen Grenzen die grundsätzliche Öffentlichkeit der Verwaltung herstellen. Ob, in welchem Ausmaß und mit welcher Absicht die Berechtigten von ihrem Informationsanspruch Gebrauch machen, entzieht sich dagegen weitgehend dem Einfluss des Gesetzgebers.
7.
Ein allgemeines Informationszugangsrecht zielt auf Kontrolle der Exekutive und gewährt doch nur Kontrollierbarkeit, es zielt auf Partizipation an der Staatsgewalt und gewährt doch nur Partizipationsoptionen, es zielt auf eine wirtschaftliche Nutzung der Information und gewährt doch nur deren Nutzbarkeit, es zielt auf eine gute Verwaltungspraxis und ermöglicht diese doch nur.
8.
Das Verfassungsrecht verhält sich gegenüber der Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit weitgehend neutral. Weder gebietet noch verbietet es sie. Dementsprechend ist es auch nicht geeignet, die im politischen Willensbildungsprozess für die Herstellung einer transparenten Verwaltung geltend gemachten Argumente auf ein vermeintlich höheres Niveau zu heben.
9.
Ein voraussetzungsloser und zweckunabhängiger Informationszugangsanspruch wird durch das Grundgesetz nicht gewährleistet. Allenfalls lässt sich aus dem objektiv-rechtlichen Charakter des Grundrechts der Informationsfreiheit im Hinblick auf die grundlegende Bedeutung des Kommunikationsprozesses für die Demokratie der Auftrag an die staatlichen Organe und insbesondere an den Gesetzgeber ableiten, Informationen über die staatlichen Tätigkeiten zugänglich zu machen. Die für die demokratische Ordnung „schlechthin konstitutive" Informationsfreiheit mag insoweit die aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Forderung nach allgemeiner Öffentlichkeit der Verwaltung stärken, den gesetzlichen Spielraum bei der notwendigen Ausgestaltung dieser Öffentlichkeit kann sie indes nicht auf die Gewährleistung einer allgemeinen Informationszugangsfreiheit verengen.
10. Aufgrund ihrer Begrenzungsfunktion bestimmt die Verfassung weniger die Frage, ob ein allgemeines und voraussetzungslos gewährtes Informationszugangsrecht zu gewähren ist, sondern wie es gewährt werden kann. Bei der Ausgestaltung des Zugangsrechts bleiben die Gesetzgeber gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die Verfassung und gemäß Art. 1 Abs. 3 GG vor allem an die Grundrechte gebunden. Diese sind auf Grund ihrer nach wie vor im Vordergrund stehenden Abwehrfunktion weniger für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen eines allge-
Zusammenfassende Thesen
meinen Informationszugangsanspruchs von Bedeutung als vielmehr für die Gründe, die den Informationszugangsanspruch zum Schutz privater Belange ausschließen oder beschränken. 11. Bei der Bestimmung der zugangsbegrenzenden öffentlichen Belange ist den Gesetzgebern insgesamt ein größerer Gestaltungsspielraum als bei der Ausgestaltung des grundrechtlich vorgezeichneten Schutzes privater Belange zuzubilligen. 12. In dem bloß bipolaren Verhältnis zwischen dem Informationszugang begehrenden Bürger auf der einen Seite und der Informationszugang gewährenden bzw. verwehrenden Verwaltung auf der anderen Seite verbleibt den Gesetzgebern ein recht weiter Gestaltungsspielraum, den sie wahlweise mit absoluten Ausnahmebestimmungen selbst ausfüllen oder mit relativen Ausnahmebestimmungen auf die im Einzelfall entscheidende Verwaltung übertragen können. Sie dürfen allerdings bei der Ausgestaltung der Verwaltungsöffentlichkeit ihre verfassungsrechtlich zugewiesenen Kompetenzen weder in horizontaler noch in vertikaler Hinsicht überschreiten und sind darüber hinaus verpflichtet, den Bestand, die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit des Staates zu gewährleisten. 13. In einem die Belange Dritter berührenden dreipoligen Informationsverhältnis ist der Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber erheblich eingeschränkter als im bloß zweipoligen Verhältnis. Denn sie haben mit den Grundrechten Dritter nunmehr verfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen, deren Inhalt und Reichweite sie im Unterschied zu den öffentlichen Belangen nur zum Teil ausgestaltend beeinflussen können. Bei struktureller, freilich etwas undifferenzierter Betrachtung konkretisieren sich diese verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einem Gesetzesvorbehalt und der Pflicht zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit. 14. Das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprinzip verwehrt es dem Gesetzgeber in Bezug auf entgegenstehende private Belange, bei einem allgemeinen Informationszugangsrecht einen grundsätzlichen Vorrang des Zugangsinteresses vor etwaigen privaten Diskretionsinteressen anzuordnen. Ein solcher Vorrang missachtete das Verhältnis zwischen grundrechtlich geschützter Freiheit und staatlich vorgenommenen Eingriffen. 15. Im bipolaren Informationsverhältnis wird das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht aktiviert. Vielmehr wird der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nur durch das verfassungsrechtliche Untermaßverbot begrenzt: Der Gesetzgeber unterschreitet seinen Freiraum, wenn er die öffentlichen Belange gar nicht oder so wenig schützt, dass
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Zusammenfassende Thesen
die für die konstituierte Ordnung konstitutiven Voraussetzungen nicht mehr gewährleistet sind. 16. Das von Informationsfreiheitsgesetzen intendierte Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis von Öffentlichkeit zu Geheimhaltung beschränkt sich stets auf das bipolare Verhältnis zwischen einem zugangsbegehrenden Bürger und der zugangsgewährenden Verwaltung. Hier steht es dem Gesetzgeber aufgrund seiner - im Wesentlichen nur kompetenzrechtlich begrenzten - Verfügungsbefugnis über „seine" Informationen frei, das Maß der Geheimhaltung zu bestimmen und eine grundsätzliche Zugänglichkeit von Verwaltungsinformationen zu normieren. Sobald jedoch grundrechtlich geschützte Belange Dritter betroffen sind, ist der Gesetzgeber durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben daran gehindert, entsprechende Informationen im Grundsatz freizugeben. Denn ansonsten würde sich die Darlegungs- und Beweislast von der durch die Zugangsgewährung in Grundrechte eingreifenden Behörde auf den durch diese Grundrechte geschützten Bürger verlagern. 17. Es ist mindestens irreführend, vielleicht sogar widersprüchlich, wenn der von Informationsfreiheitsgesetzen gewährte Anspruch auf Zugang zu Informationen als voraussetzungslos bezeichnet wird. Eine solche Charakterisierung fokussiert verkürzend nur auf die anspruchsbegründenden Voraussetzungen und blendet die anspruchsbeschränkenden bzw. -ausschließenden Voraussetzungen aus. 18. Die im Einzelfall vorzunehmende Abwägung zwischen Publizitäts- und Opazitätsinteressen obliegt der Verwaltung. Sie ist dabei gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden. Zum Teil wird die Abwägung auch unmittelbar von der Verfassung determiniert. Was das Maß dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben für die abwägende Verwaltung betrifft, ist zwischen dem bipolaren Informationsverhältnis, in dem es (nur) zu einem Widerstreit des abstrakten Informationsinteresses mit öffentlichen Belangen kommen kann, und dem dreipoligen Informationsverhältnis, in dem (zusätzlich) grundrechtlich geschützte Belange Dritter berührt sein können, zu unterscheiden. 19. Im bipolaren Informations Verhältnis führt das geringe Maß unmittelbarer Verfassungsbindung zu einer gesteigerten Bedeutung der gesetzlichen Vorgaben. Demzufolge haben die von den Informationsfreiheitsgesetzen verpflichteten Stellen eine etwaige Abwägung mit widerstreitenden öffentlichen Belangen ganz im Sinne des Gesetzgebers vorzunehmen. Sie müssen insbesondere das von den Informationsfreiheitsgesetzen regelmäßig intendierte Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis von Informationszugang zu Informationszurückhaltung beachten. Entsprechend dem Willen des Gesetzgebers müssen sie die gesetzlichen Aus-
Zusammenfassende Thesen
nahmen zu Gunsten öffentlicher Belange deshalb eng auslegen und dem Informationsinteresse des Antragstellers im Zweifel das größere Gewicht beimessen. 20. Im dreipoligen Informationsverhältnis wird die von Art. 20 Abs. 3 GG betonte Gesetzesbindung zum Teil durch die in Art. 1 Abs. 3 GG normierte Bindung (auch) der vollziehenden Gewalt an die Grundrechte überlagert, die um so intensiver wirkt, je mehr Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber den vollziehenden Stellen überlässt. Die durch Informationsfreiheitsgesetze verpflichteten Stellen haben namentlich bei der Abwägung mit entgegenstehenden privaten Belangen nicht nur die gesetzlichen Anordnungen des jeweiligen Informationsfreiheitsgesetzes, sondern zudem (und vorrangig) die grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vorgaben zu beachten. 21. Für die Abwägung des Zugangsinteresses sowohl mit öffentlichen als auch mit privaten Belangen ist der Zweck des Informationszugangs von erheblicher Bedeutung. Er wirft das Gewicht in die Waagschale, das die entgegenstehenden öffentlichen bzw. privaten Belange auf- und überwiegen muss. Allerdings kann die im Einzelfall mit der Abwägung betraute Verwaltung das jeweilige Zugangsinteresse regelmäßig nicht individuell gewichten, weil der Zweck des Zugangsbegehrens vom Antragsteller nicht angegeben werden muss. Der Antragsteller handelt aus der Sicht der abwägenden Verwaltung somit nicht im eigenen, sondern im öffentlichen Interesse mit der Folge, dass die Verwaltung nach der Vorstellung des Gesetzgebers an Stelle des konkret-individuellen Informationsinteresses grundsätzlich das abstrakte Zugangsinteresse in die Abwägung einstellen soll. 22. Die Abwägungsmethode, das abstrakte Informationsinteresse als Fixwert zu begreifen und deshalb allein die einem Informationszugang entgegenstehenden Belange zu beurteilen und zu gewichten, offenbart ein erhebliches freiheitsgefährdendes Potential von Informationsfreiheitsgesetzen: Indem das konkret-individuelle Zugangsinteresse zugleich ignoriert und abstrahiert wird, wird das derart zum öffentlichen Interesse erhobene Informationsinteresse auf eine Ebene gestellt, die den eingriffsabwehrenden Dritten im Ergebnis zur Rechtfertigung seines Grundrechtsgebrauchs zwingen könnte. Indes ist es der grundrechtsverpflichteten Verwaltung untersagt, im Einzelfall den betroffenen Dritten die Beweislast dafür aufzubürden, dass die beantragten privaten Informationen von besonderer Bedeutung sind und deshalb nicht zugänglich gemacht werden dürfen. 23. Die Verwaltung darf bei der Abwägung zwischen dem - abstrakten Zugangsinteresse auf der einen Seite und - konkreten-individuellen -
330
Zusammenfassende Thesen
widerstreitenden privaten Belangen auf der anderen Seite nicht von einem grundsätzlichen Informationszugangsrecht ausgehen, dem nur ausnahmsweise private Belange entgegenstehen können. Das in den Informationsfreiheitsgesetzen stets zum Ausdruck kommende GrundsatzAusnahme-Verhältnis zu Gunsten des Informationszugangs kann nicht verhindern, dass sich die konkreten privaten Opazitätsinteressen in der behördlichen Abwägung regelmäßig gegenüber dem allgemeinen Publizitätsinteresse durchsetzen. 24. In Bezug auf die Art und den maximalen Umfang der zugänglichen Informationen besteht - bei abstrakter Betrachtung - kein Unterschied zwischen dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit und dem Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Determination von Informationsfreiheitsgesetzen unterliegt der mögliche Anspruchsinhalt nach dem Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit denselben äußeren Grenzen wie nach dem Prinzip beschränkter Aktenöffentlichkeit: Informationsfreiheitsgesetze erweitern zwar den Kreis der zulässigen Antragsteller, nicht aber den äußeren Umfang der zugänglichen Informationen. 25. Mögen allgemeine Informationsfreiheitsgesetze auch grundsätzlich einen breiteren Informationszugang ermöglichen, erlauben besondere Zugangsrechte doch im konkreten Fall einen tieferen Informationszugang. 26. Die bisherige Auffassung, nach der sich das für die Eröffnung des grundrechtlichen Schutzbereichs maßgebliche Tatbestandsmerkmal des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG „allgemein zugängliche Quellen" allein nach faktischen Gegebenheiten, nicht aber nach rechtlichen Vorgaben bestimmt, bedarf einer differenzierenden Korrektur. Zu unterscheiden ist zwischen privaten und staatlichen Informationsquellen. 27. In Bezug auf private Informationsquellen wirken staatliche Regelungen als Schranken, die dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 GG genügen müssen. 28. Die Allgemeinzugänglichkeit staatlicher Informationsquellen bestimmt sich nicht nur nach deren objektiver Eignung, die Allgemeinheit zu unterrichten. Erforderlich ist darüber hinaus die staatliche Entscheidung, dass die betreffenden Informationen der Allgemeinheit auch zugänglich sein sollen. Der Staat kann, soweit er bestimmungsberechtigt ist, im Rahmen seiner Aufgaben und Befugnisse Art und Umfang des Zugangs zu seinen Informationsquellen bestimmen. Nur in dem Umfang, in dem der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquelle festlegt, wird der Schutzbereich der Informationsquelle eröffnet.
Zusammenfassende Thesen
29. Ebenso wie der Gesetzgeber (in den Grenzen seiner Verbands- und Organkompetenz) über das Maß der Informationszugänglichkeit der Judikative entscheiden kann, kann er auch über das Öffentlichkeitsmaß der Exekutive entscheiden. Mit dem Erlass von Informationsfreiheitsgesetzen übt er sein Bestimmungsrecht aus und aktiviert das Grundrecht der Informationsfreiheit, ohne dass sich die Nichtausübung als Grundrechtseingriff darstellte. 30. Eine Unterscheidung zwischen gesetzlichen Regelungen, die in Ausübung des Bestimmungsrechts die Allgemeinzugänglichkeit einer staatlichen Informationsquelle anordnen, und solchen, die diese beschränken, erscheint nicht möglich. Mit dem Erlass von Informationsfreiheitsgesetzen bestimmt der Gesetzgeber Inhalt und Schranken der Allgemeinzugänglichkeit zugleich. 31. Trotz der Einbeziehung der anspruchsausschließenden und -beschränkenden Voraussetzungen von gesetzlich normierten Informationszugangsrechten in die Bestimmung des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG bleibt die mit dem Erlass von Informationsfreiheitsgesetzen verbundene Aktivierung des Grundrechts der Informationsfreiheit nicht ohne Bedeutung. Sie bewirkt eine Bindung der Verwaltung an die Informationsfreiheit, führt zu einer Subjektivierung der Öffentlichkeit der Verwaltung und zieht schließlich Rückwirkungen auf die Informationsfreiheitsgesetze nach sich, die deren Auslegung beeinflussen können. 32. Die Aktivierung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG durch den Gesetzgeber bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die das Grundrecht aktivierenden gesetzlichen Bestimmungen. In dem Maße, in dem ein Informationszugangsantrag nun vom Schutzbereich des Grundrechts der Informationsfreiheit erfasst wird, spricht der in der Antragstellung liegende Grundrechtsgebrauch grundsätzlich für die Stattgabe des Antrags, die nur ausnahmsweise verweigert werden darf. Die Aktivierung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG kann also die Auslegung der die Allgemeinzugänglichkeit anordnenden Gesetze beeinflussen. 33. Informationsfreiheitsgesetze können zu Modifizierungen der geheimnisschützenden Grundrechte fuhren. Diese betreffen allerdings grundsätzlich nicht das Abwehrverhältnis zwischen dem grundrechtsberechtigten Bürger und dem mfoxmaXiomerhebenden Staat, sondern das Abwehrverhältnis zwischen dem grundrechtsberechtigten Bürger und dem informationsü beri ass enden Staat. 34. Der Erlass von Informationsfreiheitsgesetzen führt zu einer tendenziellen Relativierung der geheimnisschützenden Grundrechte. Hierfür lassen sich drei Ursachen ausmachen: die Stärkung der einsichtsbegrün-
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denden Belange, die mögliche, zu einer Umkehr der Darlegungslasten fuhrende Änderung der Wirkrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sowie die Schwächung des datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatzes. 35. Mittels allgemeiner Informationszugangsfreiheit wird nicht nur Transparenz hergestellt, sondern auch Distanz abgebaut. Deshalb besteht zumindest tendenziell die Gefahr, dass durch ein Übermaß an Einflussmöglichkeiten ein Untermaß an Kontrolle ausgelöst wird. Die von Informationsfreiheitsgesetzen anvisierten Ziele der Kontrolle auf der einen Seite und der Partizipation auf der anderen Seite erscheinen insofern durchaus als potentielle Antipoden. 36. Die durch Informationsfreiheitsgesetze bewirkte Verbesserung der Akzeptanz baut dasjenige Misstrauen ab, das zur Wahrnehmung einer Kontrolle gerade erforderlich ist. Insofern erscheinen die Zielsetzungen der Akzeptanz auf der einen Seite und der Kontrolle auf der anderen Seite in gewissem Maße kontraproduktiv. 37. Dem Bürger ist durch Informationsfreiheitsgesetze weder ein bestimmter Maßstab zur Kontrolle der Verwaltung vorgegeben noch verfügt er über eigene Sanktionsbefugnisse gegenüber der Verwaltung. Er ist zur Behebung der von ihm monierten Missstände vielmehr auf andere Kontrollinstrumente angewiesen und fungiert insofern vor allem als Kontrollinitiator. Darüber hinaus kommt ihm die Rolle eines Kontrolleurs des Kontrolleurs zu. 38. Die Wirksamkeit der durch allgemeine Informationszugangsfreiheit ermöglichten Verwaltungskontrolle hängt zwingend von anderen Kontrollinstrumenten und deren Akteuren ab. 39. Die durch allgemeine Informationszugangsfreiheit ermöglichte Kontrolle der Verwaltung ist nicht auf einen bestimmten Kontrollmaßstab festgelegt. Vielmehr ist der Kontrollmaßstab offen. 40. Die durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit ermöglichte Verwaltungskontrolle rückt den Kontrollmaßstab der Rechtmäßigkeit zwar tendenziell in den Hintergrund, verdrängt ihn aber nicht völlig. 41. Die Informationszugangsfreiheit eignet sich insbesondere zur Aufdeckung von Vollzugsdefiziten. Ob daneben auch die anderen tatsächlichen oder behaupteten Defizite des überkommenen Kontrollsystems durch die allgemeine Informationszugangsfreiheit kompensiert werden können, muss bezweifelt werden. 42. Nicht jeder Steuerungsverlust des Parlaments begründet in gleichem Maße ein Defizit der Verwaltungskontrolle. Steuerungsverlust und Kontrollverlust sind nur dann kongruent, wenn man den Begriff der Kon-
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trolle im Sinne eines „controlling" versteht. Bei einer an die „contrerôle" anknüpfenden Verwendung des Begriffs können das Maß der Steuerungsmöglichkeit und das Maß der Kontrollmöglichkeit durchaus auseinanderfallen. 43. Es ist nicht ersichtlich, wie das bloße Recht auf Zugang zu Informationen bei der Verwaltung etwaige Kontrolldefizite ausgleichen können soll, zumal diese Art der Kontrolle in ihrer Wirksamkeit von Instrumenten abhängig ist, deren Ineffizienz die Kontrolldefizite doch erst ausgelöst haben. Solche Kontrolldefizite müssen entweder durch andere, wirksam ausgestaltete Kontrollinstrumente kompensiert oder aber durch eine Wiederbelebung der bestehenden Kontrollinstrumente abgebaut werden. 44. Eine allgemeine Informationszugangsfreiheit mag als Voraussetzung für den Gebrauch politischer und anderer Grundrechte äußerst sinnvoll sein, als eigenständiges Instrument zur Kontrolle der Verwaltung taugt sie nur bedingt. Möglicherweise suggeriert sie eine Kontrolle der Verwaltung mehr als dass sie deren Kontrollierbarkeit gewährleistet. 45. Wenn eine allgemeine Informationszugangsfreiheit als Instrument der Verwaltungskontrolle auch wenig nützt, richtet sie doch keinen unmittelbaren Schaden an. Denn sie fügt sich leicht in das bestehende System der Verwaltungskontrolle ein und trägt zum Teil sogar zu einer Steigerung der Wirksamkeit anderer Kontrollinstrumente bei. Allerdings lässt sich in Bezug auf die Kontrollmaßstäbe eine Tendenz zur Schwächung des Kriteriums der Rechtmäßigkeit erkennen. 46. Die Begründung einer privaten Kontrollverantwortung führte zwangsläufig in gleichem Maße zu einer Reduzierung der staatlichen Kontrollverantwortung. 47. Verantwortung ist strukturell gekennzeichnet von einem Verantwortungsträger, der für einen bestimmten Verantwortungsgegenstand gegenüber einem Verantwortungsadressaten Verantwortung innehat. Nach dieser Struktur ist das Volk als Inhaber der Staatsgewalt stets letzter Verantwortungsadressat, wobei diese Rolle in einer parlamentarischen Demokratie regelmäßig auf die Parlamente übertragen ist. Verantwortungsträger ist das Volk dagegen nicht und kann es mangels eines höheren Verantwortungsadressaten auch nicht sein. 48. Die durch die Informationszugangsfreiheit bewirkte Verantwortungsverlagerung betrifft die Einzelnen nicht in ihrer Rolle als Verantwortungsträger, sondern in ihrer Rolle als Verantwortungsadressat. Nicht die Verantwortung der Einzelnen, sondern die demokratische Verantwortung der Verwaltung soll dadurch gestärkt werden, dass die Verwal-
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tung nicht nur gegenüber dem Parlament, sondern auch unmittelbar gegenüber dem Volk verantwortlich ist. 49. Mit der Begründung von Verantwortung der Verwaltung unmittelbar gegenüber dem Volk gehen zwei weitere Änderungen in den Verantwortungsstrukturen einher: Zum einen verliert die Verwaltung in dem Maße, in dem sie unmittelbar dem Volk gegenüber verantwortlich ist, an Verantwortung gegenüber dem Parlament. Zum anderen verliert das Parlament in eben diesem Maße an Verantwortung gegenüber dem Volk. 50. Während sich die Verantwortungsstrukturen von einer Verantwortungsreihe (Volk - Parlamente - Verwaltung) zu einem Verantwortungsdreieck verändern, bleibt es in Bezug auf die Kontrollstrukturen bei einer Kontrollreihe mit der Folge, dass Verantwortung und Kontrolle miteinander nicht mehr korrespondieren. 51. Wegen der unveränderbaren Größe der Gesamtverantwortung führt eine Erweiterung des Adressatenkreises zwangsläufig zu einer Minimierung, jedenfalls aber zu einer Relativierung der Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Parlament. 52. Die von allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen ausgehende „Demokratisierung" der Verwaltung wirkt zweifach: An die Stelle der mittelbaren tritt eine unmittelbare Beziehung zwischen der Exekutive und den Bürgern, und an die Stelle des auf Deutsche beschränkten Staatsvolks tritt der größere Kreis der Bevölkerung. 53. Die Einführung allgemeiner Informationszugangsfreiheit führt nicht zu einer Modifizierung des Volksbegriffs im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, sondern steht vielmehr umgekehrt unter dessen Vorbehalt. 54. Mit der Begründung eines unmittelbaren Kommunikationsverhältnisses zwischen dem Bürger und der Verwaltung relativiert sich in gewissem Maße die Bedeutung der politischen Parteien. 55. Die Parlamente werden durch eine allgemeine Informationszugangsfreiheit in ihrer Rolle als Entscheidungsorgane nicht unmittelbar beeinträchtigt. Als Kontrollorgane werden sie dagegen sehr wohl betroffen. 56. Abgesehen von einer relativen innerparlamentarischen Verschiebung von Kontrollbefugnissen scheinen die Parlamente bei einer saldierenden Betrachtung insgesamt eher geschwächt zu werden. Insofern berührt die durch Informationsfreiheitsgesetze eingeräumte Möglichkeit, die Verwaltung zu kontrollieren und ihre Entscheidungen zu beeinflussen, sowohl die sog. Verantwortungsgrenze, bis zu der für die Ausübung von Staatsgewalt die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert sein muss, als vor allem auch den
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Grundsatz, „dass alle der Staatsgewalt Unterworfenen den gleichen Einfluss auf die Ausübung von Staatsgewalt haben müssen". 57. Dem Bedeutungsverlust des Parlaments entspricht ein BedeutungsVerlust des Rechts (im Sinne parlamentarischer Gesetze). Beide Aspekte beeinflussen sich wechselseitig: Mit der Schwächung des Parlaments sinkt die Bedeutung und damit die Steuerungsfähigkeit des Rechts, und mit der fehlenden Steuerungsfähigkeit des Rechts vermindern sich die parlamentarischen Einflussmöglichkeiten. 58. Bei rein normativer Betrachtung wird die von Art. 20 Abs. 3 GG angeordnete Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht durch das unmittelbare Verhältnis zwischen der Verwaltung und dem Volk zwar nicht aufgehoben, sie wird aber relativiert. Schon von dieser Relativierung des Rechts als Maßstab des Verwaltungshandelns können erhebliche Nachteile ausgehen. 59. Bei einem empirischen Legitimationsverständnis ist eine allgemeine Informationszugangsfreiheit nicht nur geeignet, sondern geradezu geboten. Denn sie schafft die Voraussetzung dafür, das Handeln der Verwaltung beurteilen, akzeptieren und dadurch legitimieren zu können. 60. In Kombination mit der überkommenen „input"-Legitimation könnte die Möglichkeit einer „output"-Legitimation eine Legitimationsklammer bilden, die die Exekutive zwischen die Parlamente auf der einen Seite und dem Volk auf der anderen Seite einbindet. Aus der Legitimationskette entstünde ein Legitimationskreis, der keine Legitimationslücken aufkommen ließe. 61. Indes kommt Informationsfreiheitsgesetzen keine legitimierende Wirkung zu.
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Literaturverzeichnis
Zuleeg, Manfred, Ausländer in Deutschland (BVerfGE 83, 37 ff.), KritV 2000, S. 419 ff.
Sachregister Aarhus-Konvention 50, 53, 54 Abwehrrecht 89,90,235 Akteneinsicht 26, 34, 195 Akteneinsichtsrecht 34,36,57,91, 195, 198, 205 Aktenöffentlichkeit 39 Akzeptanz 74, 75, 78, 106, 107, 250, 252,319,327, 328, 329,330 allgemein zugängliche Quellen 25, 51, 89,213,218,219, 222 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 50 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 38, 91, 137, 142, 147, 149 Allgemeinzugänglichkeit 25,213, 214,215,216,217,218, 220, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229 Amtshilfe 180 Amtsträger 156, 157, 323 Anfechtungsklage 192, 193, 194 Anonymisierung 83, 139 Anspruchsberechtigung 176 Anspruchsverpflichtete 120, 133, 135, 178, 186, 191 Archivgut 112,114 ArkanVerwaltung 57, 200 Auskunftsanspruch 91,92, 181 nach dem BDSG 39 Auslegungshilfe 68 Beauftragte 263, 264 Begrenzungsfunktion 22, 121, 122 Behördenakten 53,202,216,219 Berufs- und Geschäftsgeheimnisse 142, 146, 193,230 Bestimmungsrecht 214,220,221, 224, 225 Beteiligte 26, 28, 33, 35 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 34, 150, 154
Bevölkerung 296 Beweislast 153, 154, 161, 172,204 Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis 148 Budgethoheit 255 Bundesrat 57, 62, 64, 81 Bürgergesellschaft 103 contre-rôle 100,241,242,287,320 Controlling 241,242,287,320 Datenschutz 37, 139, 200 demokratische Ordnung 294,311 Demokratisierung 288, 296, 317, 318, 319,321,322, 326,331 Distanz 245, 246, 247, 249, 259, 266, 271,279,307,313,314 Effizienz 76,316 des Verwaltungshandelns 106 Eigentumsfreiheit 116, 137, 143,212, 223 Eigenverwaltung der Gemeinschaft 43 Einsichtsrecht in öffentliche Register 27 Einwilligung des Betroffenen 139, 140, 141, 156,215 Empfehlungen 64 EMRK 51,52,53,82,227,278 Enquête-Kommission 244 Entwurf einer Europäischen Verfassung 290,310 FOIA 29,30,31,76, 115, 120, 122 Siehe Freedom of Information Act Freedom of Information Act 29, 31 freiheitlich demokratischen Grundordnung 125, 128 Funktionsfähigkeit der Exekutive 58, 129
382
Sachregister
Funktionsfähigkeit der Verwaltung 107, 122, 130, 131, 132, 133, 171, 274,283 Gebühren 165,206,210 Geheimhaltungsinteresse 35,46, 151, 154 Geistiges Eigentum 145 Gemeinsame Verfassungskommission 57 Gesetzesbindung der Verwaltung 171, 226, 229,311 Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber 122,135 Grünbuch Informationen des öffentlichen Sektors 117 Grundrechte-Charta 50 Grundrechtsaktivierung 220,221, 224, 225, 227 Grundrechtsgebrauch 114,178,184,
188, 228
gute Verwaltungspraxis 72,95, 104, 107
162, 163, 164, 165, 166, 168, 169, 170, 171, 172, 179, 231,234 abstraktes 160 konkret-individuelles 161 Informationspflichten des Bürgers 106, 138 Informationsquelle 213 private 215 staatliche 216 Informationsrecht der Presse 90 Informationsselektion 94, 278 Informationsüberlassung 174, 175 Informationsverhältnis bipolares 124, 135, 136, 170 dreipoliges 150, 169, 170, 171, 172 Informationsvielfalt 25 Informationszugangsfreiheit 26 Begriff der 21 Informationszugangsrecht 21 Informationszugangsverordnung 48 Interesse berechtigtes 28, 163 rechtliches 33, 163 Intransparenz 52
homo oeconomicus 118,178 Immanenzbeschränkungen 123 in dubio pro reo 198 informationelle Selbstbestimmung 38, 40,58,91,92, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 146, 147, 148, 149, 150, 156, 157, 173, 174, 180, 230, 236 Informationsbegriff 20, 237 Informationsbeschaffungsfreiheit 25 Informationsempfangsfreiheit 25, 51,
101 Informationsfreiheit Grundrecht der 25, 211 Informationsgesellschaft 20, 23, 52, 57, 58, 65, 66, 67, 68, 74, 75, 77, 79, 82, 84, 85,88, 89, 96, 97, 105, 106, 117, 118, 139, 178,212,217, 218, 236, 278, 280, 293,326 Informationsinteresse 46, 69, 83, 110, 151, 152, 153, 155, 158, 159, 160,
Journalisten 28,210,282,304 Juristische Personen des öffentlichen Rechts 179 des Privatrechts 177 Katalysator-Wirkung 229 Kenntnis der eigenen Abstammung 91 Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung 134, 190 Koalitionsvereinbarung 63 Kommerzialisierung 118,162 Kommunalaufsicht 264, 265, 266 Kompetenzverteilung 64, 121, 133, 186, 187, 190, 271 Kontrollakteure 245,246,275,281, 282, 284 Kontrolldefizit 97, 98, 265 Kontrollierbarkeit 83, 84, 95, 99, 100, 131, 191,239, 288, 305,311 Kontrollinitiator 252, 282
Sachregister
Kontrollinstrument 239, 240, 251, 252, 253, 254, 255, 260, 267, 277, 286, 329 Kontrollmaßstab 99,245,246,251, 252, 267, 272, 284 Kontrollöffentlichkeit 239 Kontrollparameter 245,247,281 Kontrollsystem 96 Kooperation 104, 248 Korruptionsbekämpfung 75, 96 Legitimationskette 191, 324, 329, 331 Leipziger Volkszeitung 101, 213, 214, 215 Leistungsrecht 26, 89, 90 Manipulation 208,278 Menschenbild 118,119,207 Minderheit politische 255,299,300,301 Missbrauchsklausel 115,162,167 Misstrauen 249 Normenklarheit 142 Offenbarungsverbot 149 öffentliche Belange 122,124,125, 126, 174, 175,235 öffentliche Meinung 246, 276, 277, 278,279, 281,283,305,312,313, 315 Öffentlichkeit der Plenarverhandlungen 80 der Verwaltung 79 Öffentlichkeitsbeteiligung 53, 54, 65, 308, 321 Öffentlichkeitsgebot 84, 88 Öffentlichkeitsinteresse 158, 161 Öffentlichkeitsprinzip 29, 33, 85, 88 allgemeines 85 Opazität 21, 83,222 Opazitätsinteressen 159,166,173, 195,231 Paradigmenwechsel 21, 71, 153, 154 Partizipation 64,95,248 Partizipationsfunktion 76, 100, 102, 103, 113, 182, 301
Partizipationsoptionen 95 Personen der Zeitgeschichte 157, 158 personenbezogene Daten 137 Planfeststellungsverfahren 35, 36 politische Parteien 302 Politisierung 285,317,320,321 Presse 34,83,86,90,93, 101, 153, 169, 182, 199, 200, 201,202, 204, 205,208, 209,210,215,216, 233, 234, 277, 278,280,316 Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit 33, 199,207, 208, 209 private Belange 124, 152, 154, 173, 175 Privatisierung 118, 191, 287 Privatleben 150,157 Pseudonymisieren 139 Publizität 21, 49, 77, 79, 82, 83, 86, 88, 89, 94, 112, 154, 167, 222, 278 Publizitätsinteresse 159, 173 Rechnungsprüfung 273, 274, 275 rechtliches Gehör 26, 33, 35, 37, 197, 205 Rechtmäßigkeitskontrolle 243, 264, 269,271 Rechtsaufsicht 263, 264, 265 Rechtsbehelfe 244, 266, 267 Sanktionsmöglichkeit 251 Schicksalsgemeinschaft 307 Selektion 94,208 sensible Daten 156 Sonderinteressen 285,310,313,314 Sozialbezug 154, 156 Sphärentheorie 155, 156, 158 Staatsbürger 74,182, 183, 200, 217, 298, 323 Staatsvolk 183 Stasi - Staatssicherheit 149, 157, 193 Steuerungsfähigkeit 94, 110,239, 240,312 Steuerungswirkungen 268 Steuerungsziel 131 Strafrechtspflege 128 Strohmann 166, 181, 184
384
Sachregister
Transparentierung 83,94, 108, 132 Transparenz 34, 44, 46, 52, 74, 77, 78,94, 108, 132, 201,233,249, 250, 290,316 Transparenzgebot 47, 79 Transparenzregeln 45 Tryckfrihetsförordningen 28, 120 Übermaßverbot 137,235 Umweltinformationsgesetz 42, 65,
108, 162
Umweltinformationsrichtlinie 24, 40, 41,62 Umweltschutz 41, 43, 52, 76, 108, 110, 114, 117, 161, 162, 165, 174, 232, 233,290 Unionsbürger 46,47,48, 118, 183, 297 Untermaßverbot 129, 136, 137 Unternehmensgeheimnis 144 Untersuchungsausschuss 255, 256 Unverletzlichkeit der Wohnung 147, 150 Verantwortungsgrenze 306, 309 Verantwortungskette 191 Verantwortungsverlagerung 289, 291, 292, 304 Verbandskompetenz 68,221 Verbraucherinformationsgesetz 63, 64 Verbraucherschutz 64, 76, 111 Verfahrenshandlung 194 Verfassungsbindung 124, 170, 176, 177,311 Verfassungsfunktionen 87 Verfassungsvoraussetzungen 126 Verfassungswandel 22, 23, 58, 77, 96, 105, 129,212,217,218
Vergangenheitsbewältigung 76, 149 Vergangenheitserforschung 111 Verhaltenskodex 44,45 Verhältnismäßigkeit 68, 152,231 Verhältnismäßigkeitsprinzip 142 Verpflichtungsklage 193 Verwaltungseffizienz 103, 108 Verwaltungskontrolle 251 Verwaltungsverantwortung 240, 243, 289, 290, 292, 293, 296, 297, 299, 322, 325 vierte Gewalt 277 Volk 76,86, 183,277,291,292 Begriff des 295 Bevölkerung 296 Kommunal- 183 Staatsvolk 296 Wahlvolk 297 Volkszählungsentscheidung 39, 92 Volkszählungsgesetz 38, 236 Vollzugsdefizit 97, 286, 305 Warnungen 64 Wechselwirkungslehre 229 Wehrbeauftragter 243 Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 146 Wiedervereinigung 57, 58 Wirtschaftlichkeitskontrolle 273 Zivilgesellschaft 238, 290 zoon politicon 103,118,178 Zweckbestimmung 70 Zweckbindungsgrundsatz 180,236, 237, 238 Zweckunabhängigkeit 68, 93, 114