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German Pages 129 Year 1969
MANFRED ERHARDT
Die Befehls- und Komiaandogewalt
Schriften zum öffentlichen Band 95
Recht
Die Befehls- und Kommandogewalt Begriff, Rechtsnatur und Standort in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland
Von Dr. Manfred Erhardt
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1969 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1969 bel Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany
Vorwort Entworfen als Glied einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, hineingeboren i n die militärische Integration der NATO, konnten die jungen deutschen Streitkräfte von vornherein auf eine nationale oberste Führung verzichten: Die deutsche militärische Führung beschränkte sich auf den oberen Führungsbereich (Korpskommando-Ebene). I m Spätherbst 1965 sagte sich Frankreich von der Beteiligung an der militärischen Integration des nordatlantischen Bündnisses los und bekundete die Absicht, die Unterstellung seiner Streitkräfte unter das NATOKommando zu beenden. M i t diesem Symptom eines Verfalls der NATOIntegration und der möglichen Rückentwicklung dieses Paktes zu einem klassischen Bündnissystem drang schlagartig das unerwünschte Geschenk eines eigenen deutschen operativen Oberbefehls i n das politische Kalkül. Seitdem sind auch die rechtlichen Grundlagen der nationalen Führung der Streitkräfte wieder stärker i n das Licht des Interesses gerückt. Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, die militärische „Befehls- und Kommandogewalt" (Art. 65 a GG) systematisch zu erfassen und einzuordnen; wobei der Verfasser diese Gewalt einmal unter einem verfassungsdogmatischen, zum anderen unter einem verfassungstheoretischen Aspekt betrachtet: als Begriff und Kompetenz bzw. als eine materielle staatliche Funktion. Ein verhältnismäßig breiter Raum w i r d der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung gewidmet, weil erst auf dem historischen Hintergrund die Begriffe und rechtlichen Strukturen deutlich werden. Die Eingrenzung des Themas ergibt sich bereits aus dem Untertitel der Arbeit. Zur Klarstellung sei jedoch ausdrücklich gesagt, daß folgende Problemkreise nicht behandelt sind: das Verhältnis von nationaler Führungskompetenz und alliierter Kommandogewalt der NATO; die organisatorische Frage der Spitzengliederung der Bundeswehr; der Einsatz der Streitkräfte i m Innern und die parlamentarische Kontrolle der bewaffneten Macht. Die Arbeit hat der Rechtswissenschaftlichen Abteilung der Rechtsund Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Eberhard-Karls-Univer-
6
Vorwort
sität Tübingen i m Sommersemester 1968 als Dissertation vorgelegen. Meinen verehrten Lehrern, Herrn Professor Dr. Adolf Schülef und Herrn Professor Dr. Thomas Oppermann, bin ich für die Betreuung der Arbeit zu großem Dank verpflichtet. Herrn Ministerialrat a.D. Dr. J. Broermann danke ich für die A u f nahme der Schrift i n sein Verlagsprogramm. Tübingen, i m Oktober 1968 Manfred
Erhardt
Inhaltsv erzeicb nie Erster Teil
Die Wehrgewalt §1. Der Begriff
der Wehrgewalt
13
I. Die Begriffe Wehrgewalt, Militärgewalt, Wehrhoheit u n d M i l i t ä r hoheit i n der L i t e r a t u r I I . Ansatzpunkte zur K l ä r u n g der Begriffe
13 14
1. „ W e h r - " u n d „ M i l i t ä r - "
14
2. „ - h o h e i t " u n d „ - g e w a l t "
17
I I I . Definitionsversuche
20
1. Wehrhoheit u n d Militärhoheit
20
2. Wehrgewalt u n d M i l i t ä r g e w a l t
22
3. Verteidigungsgewalt
23
4. Heeresgewalt
23
§ 2. Die Stellung
der Wehrgewalt
in der allgemeinen
Staatsgewalt
24
I. Die Problematik einer Unterscheidung materieller Gewalten
24
I I . Die Stellung der Wehrgewalt i m gewaltenteilenden Rechtsstaat
25
1. Die Wehrgewalt — eine vierte Gewalt?
26
2. Die Funktionsbereiche der Wehrgewalt nach dem Grundgesetz....
29
a) Die Wehrgesetzgebung
29
b) Die Wehrgerichtsbarkeit
29
c) Die Wehrexekutive
31
3. Ergebnis § 3. Die Wehrexekutive I. Die Streitkräfte u n d die Wehrverwaltung als selbständige Organisationsformen I I . Die Verteidigungsverwaltung ( = Wehrverwaltung i. w . S.) I I I . Der Standort der Befehls- u n d Kommandogewalt i n der Wehrgewalt
32 33 33 34 37
nsverzeichnis
8
Zweiter
Teil
Der Begriff der Befehls- und Kommandogewalt § 4. Historischer
Rückblick
39
I. Preußen u n d Kaiserreich .
39
1. Die Entstehung des monarchischen Oberbefehls über das Heer
39
2. Oberbefehl u n d Gegenzeichnung i n der konstitutionellen M o n archie
41
3. Die Kommandogewalt — eine Prärogative der Krone
44
I I . Weimarer Republik
48
1. Der präsidiale Oberbefehl über die Wehrmacht
48
2. Die rechtliche Stellung des Chefs der Heeresleitung
52
3. Die Befehlsgewalt des Reichswehrministers u n d die Kommandogewalt des Chefs der Heeresleitung
54
I I I . Anhang: Der Oberbefehl i m nationalsozialistischen Staat §5. Die Aufteilung der aus dem früheren ständigkeiten nach dem Grundgesetz
„Oberbefehl"
fließenden
59 Zu60
I. Der Verzicht auf den Begriff „Oberbefehl"
60
I I . Die Kompetenzverteilung nach dem Grundgesetz
.
62
1. Die i n andere staatliche Funktionsbereiche verwiesenen Rechte . .
62
2. Die beim Staatsoberhaupt verbliebenen Rechte
63
3. Die i n der Regierungsgewalt des Bundeskanzlers enthaltenen m i l i tärischen Zuständigkeiten ;
63
4. Die dem Bundesminister der Verteidigung zustehenden Kompetenzen
64
5. Die Rechtsstellung des Bundeskanzlers u n d des Bundesverteidigungsministers i m Verteidigungsfalle nach A r t . 115 b GG
69
§ 6. Der Begriff
der Befehls-
und Kommandogewalt
nach Art. 65 a GG . .
I. Die Meinungen i n der L i t e r a t u r
71 71
1. Allgemeines
71
2. Der Definitionsversuch Dürigs
72
3. Der Definitionsversuch Leppers
73
4. Der Definitionsversuch Böckenfördes
73
I I . K r i t i k der bisherigen Definitionsversuche
74
1. Der falsche Ansatz beim Begriff „Kommando"
74
2. Die V e r w i r r u n g u m die Begriffe T a k t i k , Operation u n d Strategie..
76
3. Die bloße Beschreibung der militärischen Befehls- u n d mandogewalt i n Dürigs Definitionsversuch
78
Kom-
nsverzeichnis
9
I I I . Ansatzpunkte f ü r den eigenen Definitionsversuch
79
1. Die Bedeutung des Begriffsbestandteiles „ K o m m a n d o "
79
2. Die Mehrspurigkeit militärischer Befehlslegitimation (Das m i l i tärische Vorgesetztenverhältnis)
81
I V . Der eigene Definitionsversuch
85
1. Die militärische Befehlsgewalt
85
2. Die militärische Kommandogewalt
87
3. Folgerungen aus der Zergliederung des Begriffes „Befehls- u n d Kommandogewalt" f ü r die Rechtsstellung des B M i n V t d g 88 a) Die Zuweisung der „Befehlsgewalt über die Streitkräfte" den B M i n V t d g
an 89
b) Die Zuweisung der „Kommandogewalt über die Streitkräfte" an den B M i n V t d g
90
4. Exkurs: Die Stellvertretung des B M i n V t d g i n der Befehls- u n d Kommandogewalt
93
Dritter
Teil
Die Rechtsnatur der Befehls- und Kommandogewalt und ihr Standort innerhalb der Exekutivfunktion des Staates § 7. Die Rechtsnatur
der Kommandogewalt
98
I. Die Kommandogewalt als T e i l der staatlichen E x e k u t i v f u n k t i o n
99
I I . Die Teile der staatlichen E x e k u t i v f u n k t i o n u n d ihre Tätigkeitsmerkmale 100 I I I . Das Wesen der Kommandogewalt 1. V o n der militärischen Aufgabe her betrachtet 2. V o n der militärischen S t r u k t u r her betrachtet
101 101 102
v
I V . Die besondere Rechtsnatur der Kommandogewalt 103 1. Ist die Ausübung der Kommandogewalt Regierungstätigkeit? 104 2. Ist die Ausübung der Kommandogewalt Verwaltungstätigkeit? . . 106 § 8. Die systematische Stellung kutivfunktion des Staates
der Kommandogewalt
innerhalb
der Exe111
I. Die Kommandogewalt ist weder T e i l der Regierungs- noch der V e r waltungsfunktion 111 I I . Die Kommandogewalt als eigenständiger (dritter) T e i l der E x e k u t i v funktion 111 I I I . Schluß: Die Kommandogewalt als demokratische Gewalt
113
Literaturverzeichnis
115
Abkürzungsverzeichnis a. Α . a. a. Ο. Abg. Abs. a. M . Anm. AöR Art. Aufl. BayVBl. BBG Bd. bestr. BGBl. BGHSt BGHZ BMI BMinVtdg BSozG BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwGE BWV ders. Diss. DÖV DVB1. Erl. f., ff. F. N. GeschO BReg GG GMB1. HDv h. L.
anderer Ansicht am angegebenen Ort Abgeordneter Absatz anderer Meinung Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Bayerische Verwaltungsblätter Bundesbeamtengesetz Band bestritten Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes i n Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes i n Zivilsachen Bundesminister des I n n e r n Bundesminister der Verteidigung bzw. Bundesministerium der Verteidigung Bundessozialgericht Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundeswehrverwaltung derselbe Dissertation Die öffentliche V e r w a l t u n g Deutsches Verwaltungsblatt Erläuterung folgende (Seiten) Fußnote Geschäftsordnung der Bundesregierung Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland Gemeinsames Ministerialblatt Heeresdienstvorschrift herrschende Lehre
Abkürzungsverzeichnis
11
h. M . hrsg. HVB1. i. d. F.
herrschende Meinung herausgegeben Heeresverordnungsblatt i n der Fassung
i. d. R. i. e. S. i. S. i. V. m. JöR JuS JZ m. a. W. m. w . N. NDBZ NF NJW NZWehrr PrOVG Rdnr. RGBl. RiA RV S. SoldatenGes Sp. StGB Verf. VerwArch. vgl. VO Vorbem.
i n der Regel i m engeren Sinne i m Sinne i n Verbindung m i t Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Schulung Juristenzeitung m i t anderen Worten m i t weiteren Nachweisen Neue Deutsche Beamtenzeitung Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift f ü r Wehrrecht Preußisches Oberverwaltungsgericht Randnummer Reichsgesetzblatt Das Recht i m A m t Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 Seite Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten Spalte Strafgesetzbuch Verfassung Verwaltungsarchiv vergleiche Verordnung Vorbemerkung
VorgesetztenVO
Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Wehrbeschwerdeordnung Wehrdisziplinarordnung Wehrstrafgesetz Verfassung des Deutschen Reichs von 1919 (Weimarer V e r fassung) Zeitschrift f ü r Wehrrecht
WDStRL VwGO WBO WDO WehrStG WV, W R V ZWehrR
Erster Teil
Die Wehrgewalt § 1. Der Begriff der Wehrgewalt I. Die Begriffe Wehrgewalt, Militärgewalt, Wehrhoheit und Militärhoheit in der Literatur I n der neueren wehrverfassungsrechtlichen Literatur stößt man allenthalben auf die Begriffe „Wehrgewalt", „Militärgewalt", „Wehrhoheit", „Militärhoheit", „Verteidigungsgewalt", ohne daß deren inhaltliche Bedeutung, geschweige denn ihre systematische Stellung als geklärt bezeichnet werden kann 1 . So gebraucht Maunz 2 den Begriff „Wehrhoheit" i m Sinne einer Exekutivfunktion des Staates, während Martens 8 darunter ein materielles Hoheitsrecht des Staates versteht, „bewaffnete Streitkräfte aufzustellen und einzusetzen sowie alle dazu erforderlichen rechtlichen Vorbedingungen zu schaffen". Witte 4 unterscheidet zwischen „Militärgewalt" als der „Herrschaft des Staates über die militärischen Angelegenheiten" 5 und „Wehrgewalt" als der „Herrschaft des Staates über alle Angelegenheiten der Landesverteidigung" 0 . Dagegen verwendet Lepper 7 beide Ausdrücke synonym; weist aber einmal die „Militärgewalt" der Exekutive zu 8 und spricht andererseits davon, daß die Dreiteilung der Staatstätigkeiten auch für die „ M i l i tärgewalt" Gültigkeit habe 9 . Wertenbruch 10 setzt die „Wehrgewalt" m i t der Befehls- und Kommandogewalt des A r t . 65 a GG gleich 11 und zählt sie zur vollziehenden 1
Einen ersten Versuch i n dieser Richtung hat Witte, M i l i t ä r g e w a l t u n d Wehrgewalt, i n : DVB1.1965, S. 670 ff. unternommen. 2 Staatsrecht (1968), S. 173. 3 Grundgesetz u n d Wehrverfassung (1961), S. 65. Vgl. auch ebenda, S. 96, w o der Begriff wieder i n anderem Sinne definiert ist. 4 M i l i t ä r g e w a l t u n d Wehrgewalt, i n : DVB1.1965, S. 670 ff. 5 Witte, a. a. O., S. 673. 6 Witte, a. a. O., S. 675. 7 Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte i m gewaltenteilenden Rechtsstaat (1962), S. 79. 8 Lepper, a. a. O., S. 85. 9 Lepper, a. a. O., S. 84. 10 Beamter, Richter, Soldat, i n : DÖV1960, S. 677. 11 So auch Barth, Diskussionsbeitrag i n : Stellvertretung i m Oberbefehl (1966), S. 92.
14
§ . De
eg
der Wehrgewalt
Gewalt, wie es auch Salzmann 12 tut, der aber wiederum „Wehrhoheit" und „Militärgewalt" gleichbedeutend gebraucht 18 . Sachau14 geht so weit, die Ausdrücke „Wehrhoheit", „Wehrgewalt", „Militärgewalt" und „Verteidigung" als bedeutungsgleich nebeneinanderzustellen und die Wehrhoheit als „Teilbereich der Staatstätigkeit, der der Gewaltanwendung gegen andere Völkerrechtssubjekte gewidmet ist" der auswärtigen Gewalt i. S. des A r t . 32 Abs. 1 GG zu subsumieren. Dürig 1 5 schließlich findet den Ausdruck „Wehrgewalt" überhaupt „bedenklich" 1 6 . II. Ansatzpunkte zur Klärung der Begriffe Kriterien zur Klärung der herrschenden Begriffsverwirrung bieten sich kaum an, zumal auch die ältere Wehrrechtsliteratur kein sehr viel anderes B i l d aufweist. Begriffe haben i m Recht i n erster Linie praktische Bedeutung; sie wollen schlagwortartig komplexe (juristische) Sachverhalte kennzeichnen und voneinander abgrenzen. Was i m Rahmen des vorliegenden Themas gesucht wird, sind Bezeichnungen 1. für das Hoheits- bzw. Souveränitätsrecht eines Staates, sich eine bewaffnete Streitmacht zu geben; 2. für die rechtliche Fähigkeit eines Staates, dieses Hoheitsrecht m i t Hilfe seiner Organe tatsächlich auszuüben; 3. für eine Unterscheidung zwischen der Rechtsmacht des Staates, die sich auf seine Verteidigungsanstrengungen insgesamt bezieht und der, die — enger — nur seine bewaffneten Kräfte meint. 4. Von alledem ist schließlich die Exekutivbefugnis des obersten Befehlshabers zur Truppenführung zu scheiden und diese sodann von der Kompetenz des obersten Wehrverwaltungschefs abzugrenzen. 1. „Wehr-" und „Militär-" Zur terminologischen Klärung der o. g. Ausdrücke ist es vorab erforderlich, sich i n Kürze über die Wortbedeutungen der Begriffsbestandteile „Wehr-" und „ M i l i t ä r - " Klarheit zu verschaffen 17 . 12 Der Gedanke des Rechtsstaates i n der Wehrverfassung der Bundesrepublik (1962), S. 74. 18 Salzmann, a. a. O., S. 76. 14 Wehrhoheit u n d Auswärtige Gewalt (1967), S. 22,86,207. 15 Maunz-Dürig, A r t . 65 a, Rdnr. 12. 16 W o h l deshalb, w e i l der Gebrauch dieser Bezeichnung Assoziationen an eine vierte, außerhalb der Gewaltentrennung stehende Gewalt wachrufen könnte. 17 Da von einer verfestigten juristischen Begriffsbestimmung, w i e gezeigt, keine Rede sein kann, muß auf die sprachliche Bedeutung der Wörter zurückgegriffen werden.
II. Ansatzpunkte zur Klärung der Begriffe
15
Das Lehnwort „militärisch" als Name für kriegerische Angelegenheiten findet sich häufiger erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts i n der deutschen Literatur 1 8 . Sprachlich geht es auf den römischen „miles", den „Mann einer Tausendschaft" zurück. I m deutschen Sprachgebrauch ist es zunächst an das lat. militaris, später an das franz. militaire angelehnt 19 . Das lateinische Eigenschaftswort „militaris" bedeutet ursprünglich „was sich auf die Angehörigen der Tausendschaft bezieht". Da aber „die Gesamtheit der ,milites' die römische Kriegsmacht darstellte, wurde m i l i taris 4 auch auf die Kriegsmacht als Ganzes bezogen, und schließlich darüber hinaus auf das ganze Kriegswesen überhaupt" 2 0 . I n dieser umfassenden Bedeutung w i r d „militaire" auch heute noch i m Französischen gebraucht. Dagegen verengte sich i m deutschen Sprachgebrauch die Bedeutung des Wortes „militärisch" allmählich, und w i r verstehen heute unter „ M i l i t ä r - " , „militärisch" nur noch das, was sich auf die organisierte bewaffnete Macht eines Staates, auf seine Streitkräfte bezieht 21 . Das Hauptwort „die Wehr" und das Zeitwort „wehren" gehen auf die Sanskritwurzel „ v r " = hemmen, hindern zurück. Die Grundbedeutung i m Sinne von „verteidigen" wandelte sich schon früh zu einer umfassenderen, die auch den „Angriff" m i t einbezieht 22 . Für die Ausbreitung des Wortes „Wehr-" gab die geschichtliche Entwicklung i m wesentlichen drei Impulse 2 3 : Die Befreiungskriege leiteten das Vordringen des Wortes ein 24 . Die Frankfurter Nationalversammlung setzte 1848 einen „Wehrausschuß" ein, sprach von der „Wehrpflicht" und arbeitete einen „Entwurf zu einem Gesetze über die deutsche Wehrverfassung" aus. Schließlich verhalf die nationalsozialistische Bewegung dem Ausdruck 18
Linnebach, Die Wehrwissenschaften, i h r Begriff u n d i h r System (1939), S. 23. Vgl. auch Heyne, Deutsches Wörterbuch, 2. Bd., Leipzig 1893, Sp. 816 A r t . „Militär". 19 Grimms Wörterbuch, 6. Bd., Leipzig 1885, Sp. 2216 A r t . „ M i l i t ä r " u n d „militärisch". Heyne, a. a. O., Sp. 816 ff. 20 Linnebach, a. a. O., S. 25. 21 Vgl. hierzu Linnebach, a. a. O., S. 26; Pernthaler, Der Rechtsstaat u n d sein Heer (1964), S. 124f.; Witte, a.a.O., S. 671; Duckwitz, Der fehlerhafte militärische Verwaltungsakt (1941), S. 3; Grimms Wörterbuch, a.a.O., Sp. 2216 f.; Heyne, a. a. O., Sp. 816 f.; Marschall v. Bieberstein, Verantwortlichkeit u n d Gegenzeichnung bei Anordnungen des Obersten Kriegsherrn (1911), S.397/398, 400. Z u m Begriff der Streitkräfte siehe Lepper, a.a.O., S. 11—51; υ. Unruh, Führung u n d Organisation der Streitkräfte i m demokratisch-parlamentarischen Staat, i n : V V D S t R L Heft 26 (1968), S. 171 u n d S. 202, Leitsatz 6; Franck, Die Rechtsnatur der bewaffneten Macht, i n : DVB1. 1957, S. 149. 22 Grimms Wörterbuch, 14.Bd., I . A b t . , l . T e i l , Leipzig 1955, A r t . „ W e h r " , Sp. 169 f.; Linnebach, a. a. O., S. 63 ff. Vgl. auch Franke, Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften, 1. Bd. (1936), A r t . „ W e h r u n d wehren", S. 670. 23 I m m e r dann, w e n n die Kriegsverfassung über das M i l i t ä r , d. h. das stehende Heer, hinaus alle Staatsbürger zu erreichen suchte, tauchte das W o r t „ W e h r " auf. Linnebach, a. a. O., S. 67 ff. 24 Österreich schuf 1808, Preußen 1813 die „ L a n d w e h r " .
16
§ . De
eg
der Wehrgewalt
„Wehr" zu neuem Leben. So erfuhr die Wehrliteratur m i t der Verkündung des Gesetzes für den Aufbau der Wehrmacht vom 16. März 193525 eine Hausse, die auch eine Abgrenzung der Worte „Wehr" und „ M i l i t ä r " m i t sich brachte 26 . Besonders deutlich wurde dies an der neu geschaffenen Vokabel „Wehrrecht", die den überkommenen Begriff „Militärrecht" einengte. „Wehrrecht" umfaßte nunmehr „alle Rechtsnormen jeglichen Rechtsgebiets, wenn sie der Wehrkraft des Volkes und der Landesverteidigung i m weitesten Sinne dienen. Das Militärrecht ist des Wehrrechts wesentlichster Teil" 2 7 . So neu war diese umfassende Begriffsbestimmung von „Wehr" allerdings nicht. Hatte doch schon Ratzenhofer i n seiner 1881 erschienenen „Staatswehr" definiert: „Die Summe der i n einem Staate aufgewandten Wehrmittel, verstärkt durch alle Kraftfaktoren, welche den Wehrzweck befördern können, heißt Staatswehr" 28. Und seiner Lehre von der Staatswehr stellte er als „engeren Begriff der i m Heere erledigten Angelegenheiten" die Lehre vom Heerwesen gegenüber 29 . Diese Unterscheidung hat dem Sinne nach heute noch Gültigkeit. Und es kann zusammenfassend festgestellt werden, daß die Wortbedeutung „Wehr-" i m Verhältnis zu „ M i l i t ä r - " die gesamte Kraftanstrengung eines Staates für den Kriegsfall meint 8 0 , während sich der engere Begriff „ M i l i t ä r - " nur auf die or25
RGBl. I , S. 369. Allerdings n u r insoweit, als „ W e h r - " nicht bloß zur Verdeutschung des Wortes „ M i l i t ä r - " gebraucht wurde. 27 Dietz, Das Wehrgesetz v o m 21. M a i 1935 u n d seine Ausführung (1936), S. 32. Ebenso: Senftieben, Deutsches Wehrrecht (1935), S. 10; Glahn, Das W e h r recht, i n : ZWehrR 1937/38, S. 198; Hechel, Wehrverfassung (1939), S. 14 f.; Duckwitz, a. a. O., S. 3. Vgl. auch Ronneburger, Wehrrecht (1937), S. 1. Vgl. zu der umfassenden Bedeutung des Wortes „ W e h r " auch Franke, Handbuch, a. a. O., S. 670; Linnebach, a. a. O., S. 67 ff. 28 Ratzenhofer, Die Staatswehr (1881), S.24. Vgl. auch ebenda, S.25. 29 Ratzenhofer, a.a.O., S . V . Ebenda: „Die Wehrangelegenheiten i m modernen Staat (greifen) bedeutend über den engeren Bereich des Heeres h i n aus." U n t e r „Heer" versteht Ratzenhofer „die Verkörperung der Staatswehr", also das, was w i r m i t dem Ausdruck „ M i l i t ä r " bezeichnen. 80 Die Bezeichnungen „Reichswehr", „Wehrmacht", „Bundeswehr" können nicht unter diese Entwicklungslinie gebracht werden. Es sind dies m i l i t ä r technische Zwecksprachschöpfungen, die notwendig wurden, w e i l : 1. das W o r t „ K r i e g - " (z.B. i n : „Kriegsministerium") seine ursprüngliche Fähigkeit verlor, sich auch auf den Friedenszustand zu beziehen (vgl. Linnebach, a. a. O., S. 26 f.), 2. sich der Begriff „Heer" allmählich auf die Landstreitmacht eines Staates verengte (vgl. Frobenius, M i l i t ä r - L e x i k o n , B e r l i n 1901, A r t . „Heer") u n d somit nach dem A u f k o m m e n v o n Marine u n d Luftwaffe ein neuer, alle Teilstreitkräfte umfassender Oberbegriff gebraucht wurde. Vgl. zur Schöpfung des Fachausdruckes „Bundeswehrverwaltung" Witte, Die rechtliche Stellung der Bundeswehrverwaltung (1963), S. 56—58. 26
II. Ansatzpunkte zur Klärung der Begriffe
17
ganisierte bewaffnete Macht eines Staates, auf seine regulären Streitkräfte, bezieht 31 . 2. ,,-hoheit" und „-gewalt" Was nun den Begriffsbestandteil ,,-gewalt" betrifft, ist zunächst anzumerken, daß es neuerdings einer Rechtfertigung bedarf, sich dieser überkommenen Terminologie überhaupt zu bedienen. So fordert Spanner, i m demokratischen Rechtsstaat solle man sich endlich angewöhnen, nur noch von der Rechtsordnung, von Kompetenzen und Funktionen zu sprechen, aber nicht mehr von „Gewalt", da dies bekanntlich das gerade Gegenteil von Recht sei 32 . Ein derart (miß-)verstandener Gewaltbegriff hat allerdings i m Rechtsstaat keinen Platz. Doch sind w i r heute weiter denn je davon entfernt, den Rechtsbegriff „Gewalt" 3 3 i n seinen verschiedenen Wortbildungen 34 m i t Gewalt i m soziologischen oder physischen Sinne zu verwechseln 35 . Das Grundgesetz selbst verwendet vielerorts diesen tradierten Begriff 38 : Einmal i n der Bedeutung von Kompetenzträgerschaft, Organ (so i n A r t . 20 Abs. 3); zum anderen zur Bezeichnung einer Funktion oder Staatstätigkeit (so i n Art. 92 1. Halbs.); schließlich i m Sinne von Kompetenz, Befugnis (so i n Art. 20 Abs. 2) 37 . W i r sollten uns daher nicht ohne Not davon lösen, zumal die Literatur einen plastischeren Ausdruck bisher nicht angeboten hat, und gegen einen recht verstandenen juristischen Gewaltbegriff aus der demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassung keine Einwände hergeleitet werden können 38 . Durchgesetzt hat sich der Terminus ,,-gewalt" i m deutschen Staatsrecht gegen Ende des 18. Jahrhunderts, nachdem Johann Stephan Pütter dazu übergegangen war, diesen Ausdruck anstelle des früheren „-recht" 81 So i m Ergebnis auch Witte, DVB1. 1965, S. 674, 675. Z u m Begriff der bewaffneten Macht siehe Franck, Die Rechtsnatur der bewaffneten Macht, i n : DVB1.1957, S. 149. 82 Spanner, Urteilsanmerkung i n : D Ö V 1963, S. 29; ders., Rezension zu Pernthaler, Der Rechtsstaat und sein Heer, i n : DVB1.1964, S. 841. Zustimmend: Rupp, DVB1. 1963, S. 577 f. Ablehnend: Kellner, D Ö V 1963, S. 418; Witte, DVB1.1965, S. 675,677. 88 Vgl. hierzu auch Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 386 f. 84 E t w a : Staatsgewalt, vollziehende Gewalt, richterliche Gewalt, öffentliche Gewalt, Disziplinargewalt, Organisationsgewalt, auswärtige Gewalt usw. 85 I n letzterem Sinne w i r d er ζ. B. i n §§ 234, 240, 249 StGB gebraucht. 86 Z u r Geschichte des Gewaltbegriffes: Deutsches Rechtswörterbuch, hrsg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 4. Bd., Weimar 1939—1951, A r t . „ G e w a l t " (s. insbesondere unter Ziff. VI). 87 Vgl. Rumpf, V e r w a l t u n g u n d Verwaltungsrechtsprechung, i n : W D S t R L Heft 14 (1956), S. 143. 88 B V e r w G E 18, S.285; 21, S.272f. Siehe auch B V e r w G , Z B R 1967, S. 161, w o „ G e w a l t " m i t „Betätigungsvollmacht" übersetzt w i r d .
2 Ehrhardt
18
§ . De
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der Wehrgewalt
und ,,-hoheit" öfter zu verwenden 39 . Trotzdem ist festzustellen, daß die Begriffsbestandteile ,,-gewalt" und ,,-hoheit" i n der Literatur weitgehend gleichbedeutend und gleichrangig gebraucht wurden 4 0 und noch gebraucht werden 4 1 ; m i t einer Ausnahme: Immer dann, wenn es u m den völkerrechtlichen Anspruch eines Staatswesens geht, eine bestimmte Herrschaftszuständigkeit (nach innen) zu konstituieren oder wenn von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit gehandelt wird, eine Herrschaftspotenz i n der Verfassungsurkunde erst zu verankern, w i r d i n auffallender Weise der Begriff ,,-hoheit" gegenüber ,,-gewalt" bevorzugt 42 . Dieser Differenzierung mag zugrunde liegen, daß der Begriff ,,-gewalt" stärker das tatsächliche Gebrauchmachen von einer Herrschaftskompetenz zum Ausdruck bringt, während ,,-hoheit" eher die Herrschaftszuständigkeit al$ solche bezeichnet. So folgert beispielsweise auch Erler 4 3 aus A r t . 19 Abs. 4 GG und der Vorschrift des § 90 Abs. 1 BVerfGG für den Begriff der öffentlichen Gewalt, daß hierunter keine allgemeine Herrschaftszuständigkeit oder -befugnis zu verstehen sei, sondern die „aktive Betätigung i m Rahmen einer Herrschaftszuständigkeit". Durch dieses aktive Tätigkeitselement unterscheide sich der Begriff der öffentlichen Gewalt deutlich von dem der Hoheitsrechte. Und Erler kommt zu dem Ergebnis, Hoheitsrechte seien Herrschaftspotenzen, „die sich zur öffentlichen Gewalt erst aktualisieren, wenn sie von einem Organ betätigt werden" 4 4 . Ein Anklang an diese Auffassung findet sich auch bei 8 ® Witte, DVB1.1965, S. 670. Vgl. Johann Stephan Pütter, A n l e i t u n g zum Teutschen Staatsrechte, aus dem Lateinischen übersetzt v o n C. A . F. Graf v o n Hohenthal, 2. Theil, 1. Bd., Bayreuth 1792, S. 10 („gesetzgebende Gewalt"); S.82 („richterliche Gewalt"); S. 241 („Criminalgewalt"). Vgl. auch ders., Beyträge zum Teutschen Staats- u n d Fürstenrechte, Göttingen 1777, w o durchgängig v o n kaiserlicher, königlicher, landesherrlicher bzw. höchster Gewalt die Rede ist. 40 Vgl. Zachariä, Deutsches Staats- u n d Bundesrecht, 2. T e i l (1867), S. 560 ff.; siehe auch S. 277 f.; Mueller, Die Teilung der M ü i t ä r g e w a l t i m deutsòhen B u n desstaat (1905), S. 1; Schmitthenner, A r t i k e l „ M i l i t ä r h o h e i t " , i n : Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften, 1.Bd. (1936), S. 505; Senftieben, a.a.O., S. 13. 41 Vgl. Lepper, a. a. O., S. 79; Salzmann, a. a. O., S. 74. 42 Vgl. Pemthaler, a. a. O., S. 4; Martens, a. a. O., S. 65 ff.; Salzmann, a. a. O., S. 6; Witte, DVB1. 1965, S. 670 ff.; E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I I I (1963), S.989; ders., Heer u n d Staat i n der deutschen Geschichte (1943), S. 13; Conrad, Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 (1939), V o r w o r t ; Rehdans-Dombrowski-Kersten, Das Recht der Wehrmacht (1938), S. 60 ff.; Lukas, A r t i k e l „Wehrverfassung", i n : Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, V I . Bd. (1929), S. 836 (linke Sp.) u n d S. 837 (linke Sp.); Laband, A r t i k e l „Heer", i n : Wörterbuch des Deutschen Staats- u n d V e r w a l tungsrechts, 2. Bd. (1913), S. 375 (linke Sp.); Brockhaus, Das deutsche Heer u n d die Contingente der Einzelstaaten (1888), S. 216. 48 Erler, Das Grundgesetz u n d die öffentliche Gewalt internationaler Staatengemeinschaften, i n : W D S t R L Heft 18 (1960), S. 9. 44 Erler, a. a. O., S. 9 f. Vgl. auch Kaiser, W D S t R L Heft 23 (1966), S. 2 f.
II. Ansatzpunkte zur Klärung der Begriffe
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Mosler 45 , wenn er schreibt, jede Staatstätigkeit könne dadurch zur „Gew a l t " erhoben werden, daß sie einem Organ übertragen wird. Schließlich hat auch die Opposition i n ihren Gutachten und Stellungnahmen anläßlich des Kampfes u m einen neuen deutschen Wehrbeitrag die Ausdrücke Wehrgewalt und Wehrhoheit i n ganz ähnlicher Weise abgegrenzt 46 . So heißt es i m Schriftsatz der SPD-Bundestagsfraktion vom 6.11.1952: „Wehrhoheit kann nur bedeuten, daß ein Volk für sich die Freiheit i n Anspruch nimmt, selbst zu bestimmen, ob und welche Wehrverfassung es sich geben w i l l . Niemals ist bestritten worden, daß das deutsche Volk nach Wegfall des Besatzungsstatuts diese Freiheit hat. Aber daraus ergibt sich gar nichts für die eigentliche Frage, welche verfassungsrechtlichen Formen und Voraussetzungen das Grundgesetz bestimmt, damit i n Ausübung dieser Freiheit eine Wehrgewalt konstituiert werden kann 4 7 ." Und A r n d t 4 8 präzisiert: „Wehrhoheit ist der völkerrechtliche Anspruch eines Staates auf seine Selbstverteidigung und die völkerrechtliche Freiheit eines Volkes, selbst sich die i h m eigene Wehrverfassung zu geben. Sie ist also „gegenüber anderen Staaten" die Hoheit, über Organisation und Gebrauch von Waffengewalt zu befinden... Gestritten w i r d darüber, ob es nach dem Bonner Grundgesetz... einer Verfassungsänderung und -ergänzung bedarf, damit von den Verfassungsorganen Wehrgewalt innerhalb des Staates den Staatsangehörigen gegenüber ausgeübt werden k a n n . . . " Zwar scheint die Erkenntnis, die zu solch unterschiedlichem Gebrauch der beiden Begriffe führt, eher dem juristischen Sprachgefühl zu entspringen, als logisch deduzierbar oder ethymologisch erklärbar zu sein. Es offenbart sich uns aber das unabweisbare Bedürfnis einer begrifflichen Unterscheidung zwischen dem Hoheits- bzw. Souveränitätsrecht eines Staates, i n Völker- und verfassungsrechtlich zulässiger Weise die 45 Die auswärtige Gewalt i m Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland. Festschrift f ü r Carl Bilfinger. I n : Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht u n d Völkerrecht, Heft 29 (1954), S. 247. 46 Soweit ersichtlich stellt dies i n der deutschen Staatsrechtsgeschichte den ersten Versuch dar, zwischen ,,-gewalt" u n d ,,-hoheit" eine Abgrenzung zu finden. Jedenfalls ist es das erste Mal, daß per deflnitionem zwischen „ W e h r gewalt" und „Wehrhoheit" geschieden wurde. Leider geht diese Unterscheidung selbst bei Martens, Grundgesetz u n d Wehrverfassung, wieder verloren, obwohl dieser die Dokumentensammlung „ K a m p f u m den Wehrbeitrag", Veröffentlichungen des Instituts f ü r Staatslehre u n d P o l i t i k e. V., Bd. 2, bisher w o h l am stärksten ausgeschöpft hat. Vgl. zum unterschiedlichen Gebrauch des Begriffes Wehrhoheit bei Martens: a. a. O., S. 65, 69, 71,74,75, 76,84, 86,88, 96. 47 Der K a m p f u m den Wehrbeitrag I I , S. 747. Hervorhebung v o m Verf. 48 Schriftsatz des Abg. Dr. A r n d t v o m 30.12.1953, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag, I I I , S. 401 ; vgl. auch S. 426. Siehe auch Minderheitsgutachten des Ausschusses f ü r Rechtswesen u n d Verfassungsrecht des Bundestages über die Verfassungsprobleme der Vertragsgesetze, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag, I I I , S. 604 ff.
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Aufstellung einer Streitmacht verfassungsurkundlich niederzulegen, und der verfassungsrechtlichen Fähigkeit eines Staates, dieses Hoheitsrecht m i t Hilfe seiner Organe tatsächlich auszuüben. Und w i r stehen vor der Notwendigkeit, diesen verschiedenen Sachverhalten i m Interesse der Begriffsklarheit i n der wissenschaftlichen Diskussion auch verschiedene Namen zu geben. Es mag daher genügen, wenn die Differenzierung zwischen den Begriffsbestandteilen ,,-hoheit" und ,,-gewalt" aufgrund der vorgetragenen spärlichen Ansatzpunkte vorgenommen wird 4 9 . I I I . Definitionsversuche Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, daß unter ,,-hoheit" eine staatliche Herrschaftspotenz, unter ,,-gewalt" dagegen die aktualisierte Herrschaftspotenz, d.h. die von einem Staatsorgan zu betätigende Rechtsmacht i m Rahmen einer Herrschaftszuständigkeit verstanden wird. Und weiter: daß „Wehr-" die gesamte Kraftanstrengung eines Staates für die Landesverteidigung meint, während sich der Begriff „ M i litär-" nur auf die organisierte bewaffnete Macht, die Streitkräfte, bezieht. So vorgeklärt kann nun der Versuch einer Inhaltsbestimmung der Begriffe Wehrhoheit, Militärhoheit, Wehrgewalt, Militärgewalt unternommen werden. »
1. Wehrhoheit und Militärhoheit Als ein besonderes Souveränitätsrecht wurde die Wehrhoheit zum erstenmal i n A r t . X X V I der Vereinigungsurkunde der Staaten des Rheinischen Bundes vom 12. 7.1806 (Rheinbund-Akte) fixiert, wo bestimmt ist: „Les droits de souvéraineté sont ceux de législation, de jurisdiction suprême, de haute police, de conscription militaire ou de recrutement et d'impôt 5 0 ." Bis zur Ächtung des Krieges durch den Briand-Kellogg-Pakt vom 27.8.1928 war das Recht über Krieg und Frieden (jus belli ac pacis) Bestandteil der durch das Völkerrecht anerkannten Souveränität der Staaten 51 . Geblieben ist hiervon nur das Recht zur Selbstverteidigung als ein völkerrechtliches A t t r i b u t jedes souveränen Staates 52 . Aber nur dem 49 Verf. geht es v o r allem u m die K l ä r u n g der überkommenen Terminologie. Es soll vermieden werden, neue Ausdrücke einzuführen. 50 Z i t i e r t nach: E. R. Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 26 ff. (30). 51 Vgl. Wehberg, Gutachten i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag, I I , S. 194; ders., K r i e g u n d Eroberung i m Wandel des Völkerrechts (1953), S. 29 ff. 52 A r t . 51 der Charta der Vereinten Nationen v o m 26. 6.1945; Löwenstein, Gutachten i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag, I I , S. 382; Wehberg, Gutachten, a. a. O., S. 191 ff.; ders., K r i e g u n d Eroberung, S. 43 ff., 82 ff.
I I I . Deflnitionsversuche
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s o u v e r ä n e n S t a a t e i g n e t dieses Hoheitsrecht. So besaß beispielsweise das Deutsche Reich nach d e m V e r s a i l l e r V e r t r a g n u r noch sehr beschränkte W e h r - b z w . M i l i t ä r h o h e i t 5 3 , u n d n a c h 1945 k a m d e m deutschen S t a a t überhaupt keine Wehrhoheit mehr zu54. D i e W e h r h o h e i t h a t aber außer diesem v ö l k e r r e c h t l i c h e n auch noch e i n e n verfassungsrechtlichen A s p e k t 5 5 . D e n n dieses S o u v e r ä n i t ä t s r e c h t k a n n e i n S t a a t n u r d a n n i n A n s p r u c h n e h m e n , w e n n es i h m verfassungsr e c h t l i c h (also nach i n n e r s t a a t l i c h e m Recht) m ö g l i c h ist, d i e i h m nach V ö l k e r r e c h t zustehende W e h r h o h e i t auch v e r f a s s u n g s u r k u n d l i c h z u v e r a n k e r n 5 8 . So b l i e b beispielsweise J a p a n t r o t z seines v e r f a s s u n g s k r ä f t i g e n V e r z i c h t s „ a u f d e n K r i e g als e i n souveränes Recht d e r N a t i o n " 5 7 v ö l k e r r e c h t l i c h b e f u g t , W e h r i n s t i t u t i o n e n z u schaffen, w a r aber v e r f a s sungsrechtlich g e h i n d e r t , die W e h r h o h e i t v e r f a s s u n g s u r k u n d l i c h n i e d e r zulegen. N u r d u r c h V e r f a s s u n g s ä n d e r u n g k ö n n t e d a h e r d i e verfassungsgebende G e w a l t d e m japanischen S t a a t d i e W e h r h o h e i t w i e d e r v e r l e i hen58' 59. 58 Vgl. T e i l V des Versailler Vertrages v o m 16. 7.1919 (RGBl. S. 687). — I n Ausführung des Versailler Vertrages erging das Gesetz über die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht v o m 21.8.1920 (RGBl. S. 1608) u n d das W e h r gesetz v o m 23. 3.1921 (RGBl. S. 329). Die volle Wehr- bzw. Militärhoheit erlangte Deutschland unter Bruch des Versailler Vertrages erst wieder durch das Gesetz f ü r den A u f b a u der W e h r macht v o m 16. 3.1935 (RGBl. I , S. 369). Vgl. auch die hierauf ergangenen Noten der A l l i i e r t e n i n : Das D i k t a t von Versailles, hrsg. v o n Fritz Berger, Essen 1939, S. 1147 ff. Siehe auch Senftieben, Deutsches Wehrrecht (1935), S. 13 ff., 16. 54 Durch die Kontrollrats-Proklamation N r . 2 v o m 20. 9.1945, Sect. I Ziff. 2, w a r dem deutschen Volke jegliche Betätigung militärischer N a t u r verboten worden. Auch nach Erlaß des Grundgesetzes v o m 23. 5.1949 erlangte die Bundesrepublik ihre militärischen Hoheitsrechte nicht zurück (vgl. Ziff. 2 a des Besatzungsstatutes v o m 10.4.1949). Erst m i t dem Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes (Pariser Verträge v o m 23.10.1954) gaben die A l l i i e r t e n der Bundesrepublik sämtliche Souveränitätsrechte wieder. (Vgl. A r t . 1 Abs. 2 des Vertrages über die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland u n d den D r e i Mächten v o m 26. 5.1952). M i t der Ratiflzierung der Pariser Verträge erlangte die Bundesrepublik am 5. 5.1955 (BGBl. I I , S. 628) die Wehrhoheit zurück. Vgl. hierzu Witte, DVB1. 1965, S. 670 ff.; Salzmann, Wehrverfassung, S. 5 ff. 55 Die Einschränkung der staatlichen Herrschermacht erfolgt nach außen h i n durch das Völkerrecht, nach innen durch das Staatsrecht i m weiteren Sinne. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 387. 56 Vgl. zu diesen beiden Aspekten i n bezug auf die auswärtige Gewalt: Wolgast, Die auswärtige Gewalt des Deutschen Reiches, i n : AöR N. F. 5. Bd. (1923), S. 7. Wolgast bezeichnet den einen Aspekt als das Gebiet der echten völkerrechtlichen Souveränitäts- oder Hoheitsrechte, den anderen als das der äußeren Hoheitsrechte. 57 A r t . 9 Abs. 1 der japanischen Verfassung v o m 3.11.1946. 58 Vgl. zu dem i n der japanischen L i t e r a t u r heftig umstrittenen Problem der Verfassungsmäßigkeit der sog. Selbstverteidigungstruppe: Röhl, Die Japanische Verfassung, i n : Die Staatsverfassungen der Welt, 4. Bd., F r a n k f u r t 1963, S. 57 ff.
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§ . De
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der Wehrgewalt
Sonach kann Wehrhoheit nunmehr definiert werden als die völkerrechtliche Befugnis eines souveränen Staates, die zu seiner Landesverteidigung (im weitesten Sinne) erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und die verfassungsrechtliche Fähigkeit, diese nach außen gerichtete Freiheit verfassungsurkundlich niederzulegen, um damit eine staatliche Herrschaftszuständigkeit i n Angelegenheiten der Landesverteidigung zu begründen. Und entsprechend ist Militärhoheit die völkerrechtliche Befugnis eines souveränen Staates, zum Schutz gegen äußere Feinde Organisation und Gebrauch von Waffengewalt selbstbestimmend zu regeln und die verfassungsrechtliche Fähigkeit, diese Freiheit verfassungsurkundlich niederzulegen, u m damit eine staatliche Herrschaftszuständigkeit i n Angelegenheiten der bewaffneten Streitkräfte zu begründen. 2. Wehrgewalt und Militärgewalt Die dem souveränen Staat zukommende Qualität Wehrhoheit gibt i h m aber noch keine innerstaatliche Kompetenz i n Angelegenheiten der Landesverteidigung 60 . Denn der sich aus A r t . 20 Abs. 3 GG ergebende Grundsatz der Gesetzmäßigkeit verlangt, daß sich alle A k t e der vollziehenden Gewalt und der Gerichtsbarkeit entweder unmittelbar auf die Verfassung selbst oder auf ein verfassungsmäßig zustande gekommenes Gesetz zurückführen lassen 81 . Es ist ein rechtsstaatlicher Verfassungsgrundsatz, daß den Staatsorganen zu t u n nur erlaubt ist, wozu sie von der Verfassung ermächtigt sind 62 . Die Wehrhoheit muß also erst verfasSiehe auch Tagami, Einige Probleme der japanischen Verfassung, i n : DVB1. 1959, S. 834 f. 89 Die Bundesrepublik Deutschland hat die Wehrhoheit durch das Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v o m 26.3.1954 (BGBl. I , S. 45) ergriffen. Durch dieses Gesetz wurde u. a. die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiete der Verteidigung begründet; vgl. A r t . 73 Ziff. 1 1 GG. Vgl. auch Martens, Grundgesetz u n d Wehrverfassung, S. 92 f., 96. 80 Andeutungsweise schon bei v. Rönne, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, 1. Bd. (1869), S.456 u n d ebenda F . N . 2: „Die i n der Staatsgewalt enthaltene Berechtigung u n d V e r p f l i c h t u n g . . . die erforderliche bewaffnete Macht zu Lande u n d zu Wasser zu bilden, zu unterhalten u n d zu v e r w e n d e n . . . bildet die Militairgewalt ( . . . jus armorum s. armandiae) . . . " . „Die M i l i t a i r gewalt darf nicht verwechselt werden m i t dem Kriegs- u n d Friedensrechte (jus b e l l i ac pacis), welches i n der äußeren Staatsgewalt enthalten ist." 61 Maunz-Dürig, A r t . 20, Rdnr. 124. 62 E r w i d e r u n g der SPD-Bundestagsfraktion v o m 18.10.1952, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag, I I , S. 248. Siehe auch Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung des Staates (1945), S. 42: „ A l l e Staatsgewalt ist — nach der Lehre des Verfassungsstaates — rechtmäßig n u r insoweit, als sie sich auf eine N o r m der Verfassung stützen kann."; Heinrich Triepel, Die Kompetenzen des Bundesstaates u n d die geschriebene Verfassung, i n : Festgabe f ü r Laband, Bd. I I , S. 325: „Jede Reichskompetenz m u ß . . , an der Hand des Rechts bewiesen werden."
III. Definitionsversuche
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sungsurkundlich niedergelegt werden, damit durch Kompetenzzuweisung an die i n Frage kommenden Staatsorgane eine Wehrgewalt konstituiert werden kann 6 3 . Somit kann Wehrgewalt definiert werden als die Summe der Rechtsmacht, die den Staatsorganen i n Angelegenheiten der Landesverteidigung (im weitesten Sinne) zugewiesen ist, oder: als die staatliche Zuständigkeit i n Angelegenheiten der Landesverteidigung und die auf Grund dieser Zuständigkeit entfaltete staatliche Tätigkeit 6 4 . Und entsprechend ist Militärgewalt die Summe der Rechtsmacht, die Staatsorganen i n Angelegenheiten der Streitkräfte zugewiesen ist, oder: die staatliche Zuständigkeit i n Angelegenheiten der Streitkräfte und die auf Grund dieser Zuständigkeit entfaltete staatliche Tätigkeit 6 5 . Die M i litärgewalt ist ein wesentlicher Teil der Wehrgewalt. 3. Verteidigungsgewalt Der Vollständigkeit halber soll hier noch der Ausdruck „Verteidigungsgewalt" Erwähnung finden, wie er beispielsweise von Maunz-Dürig nebenbei gebraucht wird 6 6 . Dieser Begriff ist inhaltlich m i t Wehrgewalt synonym 67 und w i l l nur betonen, daß auf dem Boden des Grundgesetzes 68 und i m Einklang m i t A r t . 51 der Charta der Vereinten Nationen alle Wehranstrengungen nur Verteidigungszwecken dienen können. 4. Heeresgewalt Schließlich sei noch auf den antiquierten Begriff „Heeresgewalt" hingewiesen, den Krüger 6 9 sinnverwandt m i t Militärgewalt benutzt. 68 Vgl. auch Krüger, Das besondere Gewaltverhältnis, i n : W D S t R L Heft 15 (1957), S. 121. 64 Ä h n l i c h Maunz-Dürig, A r t . 32, Rdnr. 1, f ü r den Begriff der auswärtigen Gewalt. 65 Ältere Deflnitionsversuche etwa bei : Mueller , a.a.O., S. 1; Burhenne, Die deutsche Kontingentsherrlichkeit auf G r u n d der Reichsverfassung, Diss. 1908, S. 18; Schmitthenner, Art. „Wehrhoheit", i n : Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften, 1. Bd. (1936), S. 505. Vorläufer der M i l i t ä r g e w a l t ist das W e h r - u n d Waffenrecht, jus armorum s. armandiae. Vgl. oben F. N. 60. ββ Maunz-Dürig, A r t . 20, Rdnr. 77,85; A r t . 65 a, Rdnr. 12. 67 So auch Witte, DVB1.1965, S. 675. 68 Der W i l l e des Verfassunggebers, daß die Streitkräfte n u r der Verteidigung dienen dürfen, w i r d an vielen Stellen des GG sichtbar. Siehe A r t . 17 a Abs. 2,26 Abs. 1,45 a, 65 a, 73 Ziff. 1,87 a, 87 b Abs. 2,115 a GG. 69 Krüger, Allgemeine Staatslehre (1966), S. 929,931.
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§ 2. Die Stellung der Wehrgewalt
Dieser Ausdruck sollte vermieden werden, weil er geeignet ist, Verw i r r u n g zu stiften. Nach dem Aufkommen der See- und später der L u f t streitkräfte hat sich nämlich der Ausdruck „Heer" auf die ausschließliche Bezeichnung der Landstreitmacht verengt 70 , und er ist heute der m i l i tär-technische Name für eine der drei Teilstreitkräfte 7 1 . „Heeresgewalt" kann sich daher nur beziehen auf die Rechtsmacht, die vom Heer als einer gesonderten Teilstreitkraft betätigt wird. § 2. Die Stellung der Wehrgewalt in der allgemeinen Staatsgewalt I. Die Problematik einer Unterscheidung materieller Gewalten M i t der bloßen Definition des Begriffes der Wehrgewalt ist noch wenig über deren systematische Stellung ausgesagt. Insbesondere bedarf es zunächst einer Klarstellung, ob m i t der Herausschälung der Wehrgewalt als staatlicher Rechtsmacht i n Wehrangelegenheiten etwa das Dogma von der Unteilbarkeit der Staatsgewalt fraglich wird. Die Erkenntnis einer einheitlichen und unteilbaren Staatsgewalt ist seit Lorenz v. Stein Allgemeingut der Staatslehre 1 . Und die i h m folgende Literatur konnte sich kaum genug darin tun, die Unteilbarkeit zu unterstreichen. Diese Betonung erklärt sich auf dem geschichtlichen Hintergrund des mittelalterlichen Ständestaates und seiner rivalisierenden, m i t Privilegien (Regalien) ausgestatteten Machtgruppen 2 . Das Dogma von der Unteilbarkeit der einheitlichen Staatsgewalt kann nur verstanden werden als eine Abkehr von solchen dem Staat gegenübertretenden politisch selbständigen Ordnungen, die i h m sein Monopol, Träger von Hoheitsrechten zu sein, streitig machen 3 . Dagegen ist eine 70
Frobenius, M i l i t ä r - L e x i k o n (1901), A r t . „ H e e r " ; Eberhardt, Militärisches Wörterbuch (1940), A r t . „Heer" u n d „Armee". Vgl. auch Haenel, Deutsches Staatsrecht, 1. Bd. (1892), S. 478,482. 71 Frühere Bezeichnung: Wehrmachtsteüe. 1 Klein, Die Übertragung v o n Hoheitsrechten (1952), S. 14. Vgl. Lorenz v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre (1887), S. 4 ff. Vgl. beispielsweise auch Zachariä, Deutsches Staats- u n d Bundesrecht, 1. T h e i l (1865), S. 69, 73; Schulze, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes, 1. Buch (1881), S. 28; v. Seydel, Staatsrechtliche u n d politische Abhandlungen (1893), S. 6 f.; Meyer-Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts (1919), S. 31. 2 Vorläufer der Staatsgewalt ist das vorstaatliche I n s t i t u t der Landeshoheit als Summe der einzelnen Herrschaftsbefugnisse des Landesherrn. Krüger, Allgemeine Staatslehre (1966), S. 824 f. 3 Klein, a. a. O., S. 15. Vgl. auch Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., S. 430 ff. Es wäre verfrüht, zu behaupten, der moderne Verbändestaat m i t seinen oligarchischen Machtträgern weise bereits Züge eines Rückfalles i n S t r u k t u r prinzipien des mittelalterlichen „Staatswesens auf. Doch sind Trends i n dieser Richtung sichtbar: Erinnert sei n u r an gewisse Auslegungen der A r t . 21 GG (Verfassungsauftrag an die polit. Parteien als Verfassungsorgane), A r t . 9
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II. Die Wehrgewalt im gewaltenteilenden Rechtsstaat
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theoretische Zergliederung der einheitlich und unteilbar bleibenden Staatsgewalt i n einzelne Herrschaftsrechte, deren Gesamtheit die Staatsgewalt ausmacht, schon i m Hinblick auf A r t . 24 GG geboten. Wenn daher hier von Wehrgewalt die Rede ist, so geschieht das i n gleichem Sinne, wie etwa von auswärtiger Gewalt, Finanzgewalt oder Schulgewalt gesprochen wird, nämlich als gegenständliche Scheidung verschiedener staatlicher Tätigkeitsbereiche, die ihre Kennzeichnung von der Besonderheit der ihnen zugrunde liegenden Materien erfahren 4 . Der Begriff Wehrgewalt w i l l also nicht zum Ausdruck bringen, daß sich die Staatsgewalt i n unabhängig nebeneinanderstehende Gewalten zerlegen lasse, die nicht von der einheitlichen und unteilbaren Staatsgewalt ihren Ausfluß nähmen. Die Wehrgewalt ist vielmehr Bestandteil der allgemeinen Staatsgewalt, die nur vom Gesichtspunkt eines besonderen Tätigkeitskreises angeschaut wird 5 . Geläufiger als diese materielle Gewaltenunterscheidung — und für unsere Fragestellung fruchtbarer — ist die i m folgenden abzuhandelnde Unterteilbarkeit der Staats- (und damit auch der Wehr-)gewalt nach formellen und funktional-organisatorischen Merkmalen. Π. Die Stellung der Wehrgewalt im gewaltenteilenden Rechtsstaat Der Wertordnung unseres Grundgesetzes liegt die Idee des Rechtsstaates zugrunde®. Ein rechtstechnisches M i t t e l zur Verwirklichung dieser Idee ist die Trennung der Gewalten 7 , wie sie i n A r t . 20 Abs. 2 Abs. 3 GG (Tarifautonomie f ü r die Sozialpartner), der §§ 3 der Landespressegesetze (Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch die Presse) ; schließlich ist i n diesem Zusammenhang auch auf die öfftl.-rechtl. Rechtsstellung der K i r chen u n d deren „Öffentlichkeitsauftrag" hinzuweisen. Vgl. hierzu auch Krüger, Allgemeine Staatslehre (1966), S. 851. 4 Constantin Frantz, Vorschule zur Physiologie der Staaten (1857) spricht v o n dem „spezifischen Princip" einer jeden dieser Funktionen. Krüger, Allgemeine Staatslehre (1966), S. 924 bedauert die seit 1871 erfolgte Preisgabe einer Unterscheidung materieller u n d formeller Gewalten. 5 Vgl. ν . Gerber, Grundzüge eines Systems des Deutschen Staatsrechts (1869), S. 66/67 F. Ν . 1 u n d S. 25/26 F. N. 1. Vgl. auch Burhenne, a. a. O., S. 18. Z u m Problem der Gewalten i m materiellen u n d formellen Sinne ausführlich: Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 922 ff. • Siehe hierzu v. Mangoldt-Klein I , A r t . 20, A n m . V I . Z u Idee u n d Begriff des Rechtsstaates etwa: Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, 1. Bd. (1960), S. 1 ff. 7 Das B V e r f G (E 2, S. 1, 13) zählt die Gewaltenteilung zu den G r u n d prinzipien unseres Verfassungssystems u n d f ü r Maunz-Dürig, A r t . 20, Rdnr. 74 ist sie Bestandteil des Redhtsstaatsbegriffes. Z u m Gewaltenteilungsprinzip i. allg.: Kägi, Z u r Entstehung, Wandlung u n d Problematik des Gewaltenteilungsprinzips, Zürich 1937; Thoma, Die F u n k t i o nen der Staatsgewalt, i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, hrsg. v o n Gerhard Anschütz u n d Richard Thoma, 2. Bd. (1932), S. 108 ff.
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§ 2. Die Stellung der Wehrgewalt
Satz 2 GG verankert ist 8 . Dieses Prinzip der Gewaltentrennung geht von der Funktionenlehre i m Sinne der organisatorischen Dreiteilung aller staatlichen Gewalt i n Rechtsetzung, Rechtsprechung und vollziehende Gewalt aus. Das Postulat, das A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG aufstellt, ist aber nur dann erfüllt, wenn auch die Wehrgewalt rechtsstaatliche Gewalt ist, d. h. wenn auch die Funktionen dieser Gewalt verschiedenen, voneinander unabhängigen Organen zugewiesen sind. 1. Die Wehrgewalt — eine vierte Gewalt? Bis i n die jüngste Zeit ist es umstritten geblieben, ob die Wehrgewalt von der Gewaltentrennung überhaupt erfaßt werde, oder ob sie nicht vielmehr außerhalb dieser Gliederung stehend eine vierte, eigenständige Staatsgewalt darstelle. Als erster hat Constantin Frantz die Militärgewalt als „vierte Funktion" des Staates von den drei herkömmlichen Gewalten geschieden9: „Die Armee bildet eine Staatsgewalt, weil sie einerseits einen eigentümlichen Zweck des Staates realisiert, — nämlich die Aufrechterhaltung der Landeshoheit und den Schutz gegen äußere Feinde; wie sie andererseits auf einem eigentümlichen geistigen Principe beruht, nämlich dem Princip der Tapferkeit" 10 » Von der grundsätzlichen Dreiteilung aller Staatstätigkeit ausgehend, kommt Otto Mayer 1 2 zu einem Bereich staatlichen Wirkens, der weder Gesetzgebung, noch Justiz, noch Verwaltung sei, sondern ein „viertes Gebiet" darstelle 13 . Hierzu rechnet er außer dem völkerrechtlichen Ver8 Der Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung k o m m t auch i n A r t . 1 Abs. 3, 20 Abs. 3, 80 Abs. 1, 92, 97 GG, außerdem i n der Unterteilung des Grundgesetzes i n die Abschnitte V I I , V i l i , I X zum Ausdruck. 9 Vorschule zur Physiologie der Staaten (1857), S. 199, 215 ff.; ders., Die Naturlehre des Staates (1870), S. 228 ff., 253 ff. 10 Constantin Frantz, Vorschule, S. 215. 11 Auch Haenel, Deutsches Staatsrecht, 1. Bd. (1892), S. 472, 478 f. stellt den „militärischen Organismus" neben den „Organismus der vollziehenden Gew a l t " u n d faßt die Kriegsmacht als eine v o n den sonstigen staatlichen E i n richtungen scharf zu unterscheidende Veranstaltung auf. Doch macht er keineswegs den Schritt, die bewaffnete Macht als besondere Gewalt außerhalb der Exekutive zu stellen, w i e es i h m Martens, Grundgesetz u n d Wehrverfassung, S. 97 unterschiebt. Das zeigt sich deutlich S. 479, w o Haenel von der zusammenfassenden Vereinigung der beiden Organismen i n der einheitlichen Organisation u n d F u n k t i o n der Gesetzgebung spricht u n d v o n dem Zusammenfließen der obersten vollziehenden Gewalt. N u r v o n der organisatorischinstitutionellen Seite her zieht Haenel die scharfe Grenze, dagegen w i r d die Stellung der M i l i t ä r g e w a l t als staatliche F u n k t i o n bei i h m nicht eigentlich angesprochen. 12 Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd. (1924), S. 3 ff. 18 a.a.O.,S.8.
II. Die Wehrgewalt im gewaltenteilenden Rechtsstaat
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kehr auch die Kriegführung und das militärische Kommando. Der Grund für die Ausscheidung dieses Gebietes ist i n Otto Mayers rechtsstaatlichem Verwaltungsbegriff zu suchen, der unter Verwaltung nur die „Tätigkeit des Staates zur Verwirklichung seiner Zwecke unter seiner Rechtsordnung, außerhalb der Justiz" begreift 14 . Das militärische Kommando aber, befindet Otto Mayer, sei „seiner Natur nach unbedingt und an Rechtsschranken nur notdürftig gebunden; das genügt, u m (es) außerhalb der Verwaltung zu stellen" 15 » 1β . Von Lehren der nationalsozialistischen Epoche abgesehen17 finden sich aber auch noch i n der gegenwärtigen Literatur Anklänge an eine derartige Sonderstellung der Wehrgewalt. So spricht Thieme 1 8 davon, daß sich das Wehrwesen ebensowenig wie die auswärtige Gewalt unter das Schema unserer herkömmlichen Gewaltenteilung bringen lasse. Und Koellreutter 1 9 bezeichnet die Wehrmacht als die „Vierte und letzten Endes entscheidende Gewalt i m modernen Staat". Für uns, die w i r für die Gewaltenunterteilung i n Rechtsetzung, Rechtsprechung und vollziehende Gewalt formale Kriterien ausschlaggebend sein lassen 20 , stellt sich das Problem der Wehrgewalt als einer vierten staatlichen Funktion nur dann, wenn eine Aufteilung der Emanationen dieser Gewalt und ihre Zuweisung an verschiedene Organträger grundgesetzlich nicht erfolgt ist. Denn von einer vierten Gewalt kann i m Rechtssinne nur dann gesprochen werden, wenn sich dieselbe nach for malen Kriterien nicht i n die herkömmliche Dreigliederung einfügen läßt 21 . 14
a. a. O., S. 13 (Hervorhebung v o m Verf.). a.a.O., S. 10. Z u r K r i t i k vgl.: E. Kaufmann, A r t i k e l „ V e r w a l t u n g u n d Verwaltungsrecht", i n : v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch des deutschen Staats- u n d Verwaltungsrechts, Bd. I I I (1914), S. 700 f.; Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht (1927), S. 50 f.; Heckel, Wehrverfassung (1939), S. 61 f. 1β Vgl. i n diesem Zusammenhang auch Lorenz v. Stein, Die Lehre v o m Heerwesen (1872), S. 12 ff.; ders., Handbuch der Verwaltungslehre, 1. T e i l (1887), S. 275 ff.: Das Heerwesen löse sich dann, w e n n die Armee ( = das Heer i m Kriege) dem Feinde gegenübertrete, so w e i t v o n allem Verfassungs- u n d Verwaltungsrecht los, als der K r i e g es fordere u n d die militärische Aufgabe als solche werde zur einzigen Grenze seines Rechts. Z u r K r i t i k dieser Lehre vgl. Heckel, Wehrverfassung (1939), S. 63 f. 17 Auffassungen über die Wehrmacht als vierter Gewalt finden sich beispielsweise bei Brauweiler, Wehrverfassung u n d Gewaltenteilung, i n : Jahrbuch f ü r politische Forschung, Bd. I (1933), S. 81 ff. u n d Maier, Die verfassungsrechtliche u n d staatspolitische Stellung der deutschen Wehrmacht, i n : VerwArch. Bd. 39 (1934), S. 276. 18 Rezension zu Martens, Grundgesetz u n d Wehrverfassung, i n : D Ö V 1962, S. 79. 19 Staatslehre i m Umriß, Göttingen (1955), S. 122. 20 Vgl. etwa Maunz-Dürig, A r t . 1, Rdnr. 101. 21 Verfehlt daher der Ansatzpunkt bei Lepper, Stellung der Streitkräfte, S. 79. 15
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§ 2. Die Stellung der Wehrgewalt
Materiell wurde nämlich für den Bereich der Wehrgewalt schon sehr früh zwischen — modern gesprochen — Wehrgesetzgebung, Wehrgerichtsbarkeit und Wehrexekutive unterschieden, und doch blieben diese Funktionen teilweise über die konstitutionelle Epoche hinaus gewaltenvereinigend einem staatlichen Organ anvertraut. Beispielsweise stand noch dem Weimarer Reichspräsidenten i n seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der Reichswehr nach § 11 des Wehrgesetzes 22 ein selbständiges Rechtsetzungsrecht i n Form des sog. militärischen Verordnungsrechtes zu 23 , das i h m die Zuständigkeit zur einstweiligen Normierung auch solcher Angelegenheiten verlieh, die der Gesetzgeber entweder ausdrücklich einer nachträglichen gesetzlichen Regelung vorbehalten, oder die er zunächst unerledigt gelassen hatte 24 . Und i n der Kaiserzeit galt die Militärgerichtsbarkeit materiell als Ausfluß der dem Monarchen bzw. den Truppenbefehlshabern zustehenden Kommandogewalt 2 5 und war organisatorisch Teil der Militärverwaltung 2 ®, d. h. also Bestandteil einer ihrem Wesen nach exekutiven Funktion. Diese Auffassung von der Militärgerichtsbarkeit als ein Ausfluß der Kommandogewalt lebte i n der Gestalt des Gerichtsherrn (militärische Befehlshaber und Kommandeure bis zur Division abwärts) bis 1945 fort 2 7 . Z u r Standortbestimmung der Wehrmacht vgl. auch Martens, Grundgesetz u n d Wehrverfassung, S. 96. A l l g e m e i n zum Problem der vierten F u n k t i o n : Kägi, a. a. O., S. 180 ff. 22 Wehrgesetz v o m 23. 3.1921 (RGB1. S. 329). Ebenso § 37 des Wehrgesetzes v o m 21. 5.1935. 28 Z u m autonomen militärischen Verordnungsrecht vgl.: Thudichum, Die Grundlagen der heutigen Deutschen Kriegsverfassung, i n : HoltzendorfFs Jahrbuch 1873, S. 93 ff.; Rönne, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 2. Bd. (1877), S. 136; Arndt, Das selbständige Verordnungsrecht (1902), S. 64, 74, 213 ff.; Laband, Staatsrecht I V (1914), S. 17 ff.; Fülster, Deutsches Reichsstaatsrecht (1913), S. 641 ff.; Hatschek, Deutsches u n d Preußisches Staatsrecht, Bd. I I (1923), S. 147 ff.; Blenk, Die Kommandogewalt i n der deutschen Reichswehr, Diss. München 1931, S. 45 f.; E. R. Huber, Heer u n d Staat i n der deutschen Geschichte (1943), S. 302 f.; Raesch, Die staatsrechtliche u n d staatspolitische Stellung der deutschen Wehrmacht seit dem Bismarck'schen Reich, Diss. K ö nigsberg 1938, S. 11 f., 58. 24 Rittau, Die Kommandogewalt i n der deutschen Wehrmacht, i n : Wissen u n d Wehr 1925, S. 531. 25 Rissom, Militärgerichtsbarkeit u n d Kommandogewalt, i n : A r c h i v f ü r Strafrecht u n d Strafprozeß, Bd. 56 (1909), S. 177 ff.; Bd. 58 (1911), S.59ff.; Rehm, Wesen u n d oberste Prinzipien der Militärgerichtsbarkeit, i n : Zeitschrift f ü r die gesamte Strafrechtswissenschaft, 19. Bd. (1899), S. 418; Rissom, A r t . „Militärgerichtsbarkeit u n d Kommandogewalt", i n : Handwörterbuch des M i litärrechts, hrsg. v o n H. Dietz (1912), S. 507 f.; Laband, Staatsrecht, 5. Aufl. 4. Bd. (1914), S. 116 ff. 28 Gudenan, Die Stellung des Kaisers u n d der Kontingentsherren nach M i litärstrafprozeßrecht, i n : AöR Bd. 19 (1905), S. 482 ff. 27 Vgl. hierzu Laband, Staatsrecht I V , S. 115 ff.; Rehdans, Das Recht der Wehrmacht (1938), S.260; Ronneburger, Wehrrecht (1937), S. 132; Vogel, U m das Bestätigungsrecht des Gerichtsherrn i m Friedensverfahren, ZWehrR 3. Bd. 1938/39, S. 357 ff. (359).
II. Die Wehrgewalt im gewaltenteilenden Rechtsstaat 2. Die Funktionsbereiche
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der Wehrgewalt nach dem Grundgesetz
Die entscheidende Frage lautet demnach: Hat das Grundgesetz für den Sachbereich des Wehrwesens ebenfalls solch schwerwiegende Durchbrechungen des Gewaltenteilungsprinzips zugelassen28, oder sind die Äußerungsformen der Wehrgewalt verschiedenen, formal voneinander unabhängigen Gewaltenträgern zugewiesen, wie es A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG fordert? a) Die Wehrgesetzgebung Was zunächst die Gesetzgebungszuständigkeit i n Angelegenheiten der Wehr betrifft, so ist diese nach A r t . 73 Ziff. I 2 9 i n Verbindung m i t A r t . 70 GG dem Legislativorgan des Bundes erteilt 3 0 . Das selbständige M i l i tärverordnungsrecht ist i n Fortfall gekommen. Ein Rechtsverördnungsrecht der Exekutive existiert daher auch für den Bereich des Wehrwesens nur noch i m Rahmen des A r t . 80 GG, setzt also eine gesetzliche Ermächtigung voraus 308 . b) Die Wehrgerichtsbarkeit Eine allgemeine Militärgerichtsbarkeit gibt es seit 1809 nicht mehr 3 1 . Der gegenwärtige Rechtszustand ermöglicht eine Wehrsondergerichtsbarkeit 3 2 über Soldaten nur i n zwei Fällen: Einmal können nach A r t . 96 a Abs. 2 und 3 G G i m Verteidigungsfalle Wehrstrafgerichte (richti28 Daß das Grundgesetz die organisatorische Trennung der drei materiellen Gewalten nicht i n aller Reinheit durchgeführt hat, k a n n hier außer Betracht bleiben. Vgl. zum Problem der Durchbrechung des Gewaltenteilungsprinzips i m Grundgesetz: H. Peters, Die Gewaltentrennung i n moderner Sicht (1954), S. 10 ff. 29 Der Sachbereich Verteidigung w u r d e dem A r t . 73 Ziff. 1 G G durch das Ergänzungsgesetz v o m 26.3.1954 (BGBl. I , S. 45) eingefügt. Seine jetzige Fassung erhielt der A r t . 73 Ziff. 1 GG durch das Ergänzungsgesetz v o m 24.6.1968 (BGBl. I , S. 709), das dem GG auch den A r t . 115 c einordnete. 30 Durch A r t . 20 Abs. 2 GG w i r d den drei Gewaltträgern je eine Stammf u n k t i o n zugewiesen. Diese Festsetzung der Aufgabenbereiche der drei Gewaltträger beinhaltet bereits eine bestimmte verfassungsrechtliche K o m p e tenzverteilung. Giacometti, a. a. O., S. 13—15. Die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes sind der Bundestag u n d der Bundesrat. Vgl. aber f ü r den Verteidigungsfall auch A r t . 115 e GG u n d das K o r r e k t i v des A r t . 1151 Abs. 1 GG. soa y g i Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags, i n : Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode 1953, Bd. 28, S. 6859. 31 V o r Erlaß der Allerhöchsten Kabinetts-Ordre wegen Aufhebung der M i l i t a i r - J u r i s d i k t i o n v o m 19. 7.1809 unterlagen alle Militärpersonen u n d deren Angehörige auch i n zivilrechtlichen Angelegenheiten dem ausschließlichen Militärgerichtsstand. Salzmann, Wehrverfassung, S. 117 f.; E. R. Huber, D e u t sche Verfassungsgeschichte, Bd. I (1957), S. 258 f.; Gau, Die Kontingentsherrlichkeit (1904), S. 39. 82 Gerichte i.S. des A r t . 101 Abs. 2 GG.
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§ 2.
Die Stellung der Wehrgewalt
ger: M i l i t ä r s t r a f g e r i c h t e ) g e b i l d e t w e r d e n 8 3 , d i e d a n n z u m Geschäftsbereich des B u n d e s j u s t i z m i n i s t e r s g e h ö r e n u n d d e r e n h a u p t a m t l i c h e R i c h t e r die B e f ä h i g u n g z u m R i c h t e r a m t h a b e n müssen. A u ß e r d e m h a b e n diese W e h r s t r a f g e r i c h t e d e n A n f o r d e r u n g e n des A r t . 92 G G , w a s d i e Q u a l i t ä t als G e r i c h t , u n d des A r t . 97 G G , w a s d i e R e c h t s s t e l l u n g d e r R i c h t e r a n l a n g t , z u genügen. D a r a u s e r g i b t sich, daß d i e W e h r s t r a f gerichtsbarkeit der K o m m a n d o g e w a l t u n d d a m i t jeder Kompetenz der T r u p p e n b e f e h l s h a b e r entzogen b l e i b e n w i r d u n d d e r u n a b h ä n g i g e n r i c h t e r l i c h e n G e w a l t a n z u v e r t r a u e n ist. Des w e i t e r e n s i n d f ü r D i s z i p l i n a r - u n d Beschwerdesachen, also i n A n g e l e g e n h e i t e n des i n n e r d i e n s t l i c h e n Bereichs, T r u p p e n d i e n s t g e r i c h t e u n d Wehrdienstsenate b e i m Bundesverwaltungsgericht errichtet w o r d e n 3 4 . A u c h diese G e r i c h t e müssen d e n V o r s c h r i f t e n d e r A r t . 92 u n d 97 G G entsprechen. I h r e Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t A r t . 92 G G e r g i b t sich aus A r t . 96 a A b s . 4 G G , d e r d e n B u n d z u r E r r i c h t u n g v o n W e h r d i e n s t g e r i c h t e n e r m ä c h t i g t 3 5 . U n d d i e v o n A r t . 97 A b s . 1 G G geforderte sachliche U n a b h ä n g i g k e i t d e r R i c h t e r ist d u r c h § 50 A b s . 2 d e r W e h r d i s z i p l i narordnung (WDO) gewahrt. N u n i s t z w a r d i e V e r e i n b a r k e i t der T r u p p e n d i e n s t g e r i c h t e m i t A r t . 97 A b s . 2, 101 A b s . 1 Satz 2 u n d 20 A b s . 2 ( „ s u b j e k t i v e G e w a l t e n t r e n n u n g " ) f r a g l i c h u n d u m s t r i t t e n 3 * » 3 T . E i n V e r s t o ß d e r §§55 A b s . 1, 54 A b s . 1 33 Z u r Frage der Einführung einer Müitärgerichtsbarkeit i m Frieden: Schirmer, NZWehrR 1965, S. 106ff.; Schwenck, ebenda, S. 145ff.; Rittau, Soldatengesetz K o m m e n t a r (1957), S. 94 ft.;Bensch, NZWehrR 1968, S. 41 ff. 34 Vgl.: §§50, 51 u n d 58 der Wehrdisziplinarordnung i. d. F. v o m 8.9.1961 (§§ 50 u n d 58 w u r d e n neu gefaßt durch Ges. v. 20.7.1967 — B G B l . I , S. 725); die Verordnung über die Errichtung v o n Truppendienstgerichten v o m 29.4. 1957 u n d die Verordnung über den Sitz der Wehrdienstsenate v o m 30.8.1957 (BGBl. I , S. 1330). 35 Vgl. auch B V e r f G N J W 1965, S. 344. 39 Vgl. Obermayer, Der Rechtsschutz des Soldaten auf G r u n d der W e h r beschwerdeordnung u n d der Wehrdisziplinarordnung, i n : DVB1.1957, S. 266 ff.; Salzmann, Wehrverfassung, S. 122 ff. Beide verneinen die Gerichtsqualität der Truppendienstgerichte. 37 Aus A r t . 20 Abs. 2 GG leitet sich nicht n u r die Forderung nach hinreichender organisatorischer Trennung der Rechtsprechungskörper von den V e r waltungsorganen ab, sondern auch die, daß die „richterliche Neutralität nicht durch eine m i t diesem Grundsatz unvereinbare persönliche Verbindung z w i schen Ä m t e r n der Rechtspflege u n d der V e r w a l t u n g oder der Legislative i n Frage gestellt werden darf" (BVerfG N J W 1965, S. 344). Der militärische Beisitzer bei den Truppendienstgerichten k a n n aber — allerdings n u r m i t Z u stimmung des Vorsitzenden der K a m m e r — aus zwingenden dienstlichen Gründen von seinem Richteramt ferngehalten werden (§ 54 Abs. 1 Satz 5 WDO). Außerdem bestimmt § 57 Abs. 2 WDO, daß das A m t des militärischen Beisitzers erlischt, w e n n er nicht mehr einem Truppenteil oder einer Dienststelle angehört, f ü r die das betr. Truppendienstgericht zuständig ist, oder w e n n er den Dienstgrad einer anderen Dienstgradgruppe erhält. Diese Koppel u n g dienstlicher Maßnahmen (Versetzung, Beförderung) m i t der richterlichen F u n k t i o n des Beisitzers stellt nicht n u r dessen persönliche Unabhängigkeit i n Frage (Art. 97 Abs. 2 GG), sondern dürfte auch gegen A r t . 20 Abs. 2 GG und A r t . 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen.
II. Die Wehrgewalt im gewaltenteilenden Rechtsstaat
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Satz 5 und 57 Abs. 2 WDO gegen die genannten Grundgesetzvorschriften hätte jedoch zur Folge, daß den Truppendienstgerichten die Eigenschaft als Rechtsprechungsorgane und damit die Qualität als Gerichte fehlen würden 3 8 , da das GG Ausnahmen für die Wehrgerichtsbarkeit weder anordnet noch zuläßt. M i t Rücksicht auf A r t . 19 Abs. 4 GG wäre daher i n militärischen Beschwerdeangelegenheiten kein anderer Rechtsweg i. S. des § 40 VwGO eröffnet, so daß entweder die allgemeinen Verwaltungsgerichte zuständig wären oder der ordentliche Gerichtsweg beschritten werden könnte, sofern es sich bei dem verletzenden A k t u m einen solchen des militärischen Grundverhältnisses und nicht des Betriebsverhältnisses handelt 30 . Jedenfalls — und das ist für unsere Problemstellung das Entscheidende — läßt das Grundgesetz eine Durchbrechung seines i n A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 genannten Strukturprinzips auch für den Bereich der Wehrgerichtsbarkeit nicht zu. Daher sind die Wehrdienstgerichte dem Exekutivbereich der Wehr auch nicht eingegliedert, sondern institutionell selbständig 40 . Auch eine irgend geartete Weisungsbefugnis oder Einwirkungsmöglichkeit der Einheitsführer und Kommandeure gegenüber den militärischen Beisitzern besteht nicht 4 1 . Nach alldem hat das Grundgesetz eine eindeutige Absage an eine — auch nur mittelbar — restaurierte Gerichtsherrlichkeit der Truppenbefehlshaber erteilt. Die Wehrgerichtsbarkeit kann verfassungsmäßig nur von Organen der rechtsprechenden Gewalt, deren Mitglieder sachlich und persönlich unabhängig sind, ausgeübt werden. c) Die Wehrexekutive Als letzter Funktionsbereich sei schließlich die Wehrexekutive an A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG gemessen42. Sie ist grundgesetzlich durch A r t . 38
Vgl. B V e r f G NJW1965, S. 344 ff. Sehr bestr. ! Vgl. zur Unterscheidung zwischen G r u n d - u n d Betriebsverhältnis: XJle, Das besondere Gewaltverhältnis, i n : W D S t R L Heft 15 (1957), S. 151 ff. Zustimmend v. Mangoldt-Klein I, S. 575 f. Ablehnend Maunz-Dürig, A r t . 19 Abs. I V , Rdnr. 25; Lerche, Grundrechte, S. 514. Siehe auch Lerche, Wehrrecht u n d Verwaltungsgerichtsbarkeit, i n : DVB1. 1954, S. 626 ff., w o die Errichtung von „Wehrmachtssonderverwaltungsgerichten" angeregt w u r d e ; Quaritsch, F ü h r u n g u n d Organisation der Streitkräfte i m demokratisch-parlamentarischen Staat, i n : W D S t R L Heft 26 (1968), S. 229 ff. 40 Die Zugehörigkeit der Truppendienstgerichte zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (§ 51 Abs. 2 WDO) stellt keinen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip dar. Obermayer, a. a. O., S. 268 F. N. 50. Vgl. auch die dort genannte Entscheidung des BSozG i n : DVB1. 1956, S. 872 f. (bezogen auf die Sozialgerichte). 41 § 50 Abs. 2 WDO. Siehe auch § 54 Abs. 2 Satz 2 WDO, wonach die zwei Beisitzer weder demselben Truppenteil noch demjenigen des Beschuldigten angehören sollen. 42 Ausführlicher w i r d dieser Funktionsbereich unter § 3 behandelt. 39
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§ 2. Die Stellung der Wehrgewalt
65 a und A r t . 87 b GG geregelt. Beide A r t i k e l wurden durch Gesetz vom 19. März 195643 i n das Grundgesetz eingefügt. I n demselben Gesetz hat der Verfassungsgeber seinen Willen zum Ausdruck gebracht, für den Exekutivteil der Wehr keinen Sonderstatus i m Verfassungsgefüge begründen zu wollen, indem er i n A r t . 1 Abs. 3 GG den Terminus „Verwaltung" — der allerdings auch einer engeren Auslegung fähig ist 4 4 — „prophylaktisch" durch „vollziehende Gewalt" ersetzt hat. Damit ist festgestellt, daß weder die i n A r t . 65 a GG normierte Kompetenz zur Truppenführung (Befehls- und Kommandogewalt) noch die ebenfalls dem Ressort des Bundesministers der Verteidigung eingegliederte Bundeswehrverwaltung ihrer Rechtsqualität nach etwas anderes sind als vollziehende Gewalt 4 5 . Richterliche oder autonome Legislativbefugnisse stehen — wie soeben gezeigt — den Wehrexekutivorganen ohnehin nicht mehr zu. 3. Ergebnis Somit haben die Untersuchungen ergeben, daß nach dem Grundgesetz auch die Wehrgewalt so organisiert ist, daß sie dem Prinzip einer rechtsstaatlichen Staatsverfassung entspricht. Weder hat die Wehrexekutive ein eigenständiges Verordnungsrecht, wie es noch die Weimarer Wehrordnung kannte, noch sind die Kommandoinhaber zugleich Gerichtsherren oder m i t irgendwelchen richterlichen Befugnissen ausgestattet 48 . Das Gewaltentrennungsprinzip als Strukturelement des Rechtsstaates hat auch i n die Wehrgewalt 4 7 Eingang gefunden, indem die Funktionsbereiche dieser Gewalt A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG gemäß verschiedenen, voneinander unabhängigen Organen zugewiesen worden sind. Das Problem der Wehrgewalt als einer vierten Gewalt stellt sich daher auf dem Boden des Grundgesetzes nicht mehr. 43 BGBl. I, S. 111. F ü r den Verteidigungsfall siehe auch den durch das E r gänzungsgesetz v o m 24.6.1968 (BGBl. I, S. 709) eingefügten A r t . 115 b (früher: A r t . 65 a Abs. 2 GG). 44 Siehe unten § 7 I I . Vgl. auch Schule, Bundeswehr u n d Grundgesetz, i n : Bundeswehr u n d Recht (1965), S. 16 f. 45 Ausführlicher zur Rechtsnatur der Befehls- u n d Kommandogewalt unten §7 I V . Welchen Platz die Befehls- u n d Kommandogewalt innerhalb der vollziehenden Gewalt einnimmt, w i r d unten § 8 I I untersucht werden. 46 Eine Gewaltenüberschneidung droht daher v o n einer „zu starken" W e h r exekutive nicht mehr. Eine solche Tendenz geht eher v o n der Legislative aus, die sich über §66 SoldatenGes. die Befugnis zur gesetzlichen Regelung der Organisation des Bundesverteidigungsministeriums vorbehalten hat. Vgl. hierzu: Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 163; Quaritsch, a.a.O., S.253ff. — Erinnert sei i n diesem Zusammenhang auch an den Personalgutachterausschuß, der die „Personalhoheit" des Bundesministers der Verteidigung v o r übergehend beschränkte. 47 Entsprechendes gilt f ü r die Militärgewalt.
I. Die Streitkräfte und die Bundeswehrverwaltung
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§3. Die Wehrexekutive Die bisherigen Erörterungen haben die Stellung der Wehrgewalt i n der allgemeinen Staatsgewalt aufgezeigt und geklärt, daß die militärische Befehls- und Kommandogewalt allein i m Exekutivbereich der Wehrgewalt beheimatet ist. Zur Verdeutlichung des verfassungsrechtlichen Standortes der Befehls- und Kommandogewalt soll i m folgenden die Wehrexekutive kurz beleuchtet, insbesondere eine Abgrenzung der einzelnen Zweige der Wehrexekutive versucht werden. I. Die Streitkräfte und die Wehrverwaltung als selbständige Organisationsformen Innerhalb der Wehrexekutive ist zwischen der i n A r t . 65 a GG niedergelegten Befehls- und Kommandogewalt 1 und der durch A r t . 87 b GG geregelten Wehrverwaltung zu unterscheiden. Beide Bereiche stehen als selbständige Organisationskörper nebeneinander 2 . Ersteres ist der m i l i tärische, letzteres der zivile Sektor der Wehrexekutive. Denn während früher die Verwaltung der Streitkräfte dem M i l i t ä r zugerechnet wurde 8 und der Kommandogewalt der Truppenbefehlshaber unterstellt war 4 , ist durch A r t . 87 b GG die Bundeswehrverwaltung als eigenständige und zivile Bundesverwaltung, als eigener Zweig der zivilen öffentlichen Verwaltung errichtet worden 5 . Lediglich i n der Behördenspitze sind beide Wehrexekutivzweige zusammengefaßt: Das Bundesministerium der Verteidigung ist sowohl oberste Wehrverwaltungs- als auch oberste Kommandobehörde. 1 Dieser Funktionsbereich w i r d institutionell durch die Streitkräfte der Bundeswehr repräsentiert. 2 Vgl. Lepper, Stellung der Streitkräfte, S. 13. » Vgl. §§ 1 u n d 7 Wehrgesetz v o n 1921 (RGBl. S. 329); § 21 Abs. 1 Wehrgesetz von 1935 (RGBl. I, S. 609). Einen Überblick über die Geschichte der M i l i t ä r v e r w a l t u n g geben: Reinfried, Die Bundeswehrverwaltung (1964), S. 27—32; Witte, Bundeswehrverwaltung (1963), S. 15—35; Cartellieri, Die Bundeswehrverwaltung (1956), S. 16 ff. 4 Siehe Möller, Weisungsprinzip oder Kommando-(Befehls-)prinzip i n den Wehrverwaltungen Deutschlands v o r 1945, i n : B W V 1966, S. 45 ff. 5 Hamann, Das Grundgesetz (1956), A r t . 87 b, A n m . C 1; Reinfried, a.a.O., S.34ff.; Witte, a.a.O., S. 13/14 u n d die dort zitierte einhellige Literatur. Außerdem: Witte, Der materielle u n d formelle Begriff der Wehrverwaltung, i n : DVB1.1964, S. 60, 63; Zwingenberger, Die Wehrverwaltung als ziviler Z w e i g der öffentlichen V e r w a l t u n g des Bundes, i n : R i A 1964, S. 17 ff. Vgl. auch die Regierungserklärung v o m 27.6.1955, i n : Brandstetter, Handbuch des Wehrrechts, 1. Bd., Nr. 101, S. 15. Dementsprechend haben w i r heute auch k e i n Wehrgesetz i m h e r k ö m m lichen Sinne mehr, das gleichermaßen f ü r Soldaten w i e Wehrverwaltungsbeamte Gültigkeit hätte. Die Beamten der Bundeswehrverwaltung unterfallen dem BBG, während die Rechtsstellung der Soldaten durch das Soldatengesetz von 1956 geregelt w i r d .
3 Eirhardt
§ 3.
34
Die Wehrexekutive
I I . Die Verteidigungsverwaltung ( = Wehrverwaltung i. w. S.) N a c h d e r L e g a l d e f i n i t i o n des A r t . 87 b A b s . 1 Satz 2 G G i s t die B u n d e s w e h r v e r w a l t u n g d i e j e n i g e öffentliche V e r w a l t u n g , d i e d e n A u f g a b e n des Personalwesens u n d d e r u n m i t t e l b a r e n D e c k u n g des Sachbedarfs d e r S t r e i t k r ä f t e d i e n t . D a r ü b e r h i n a u s g e h ö r e n aber auch d i e i n A b s . 2 des A r t . 87 G G a n g e f ü h r t e n M a t e r i e n z u r W e h r v e r w a l t u n g i n e i n e m w e i t e r e n Sinne. Dürig® gebraucht f ü r d e n l e t z t g e n a n n t e n Sachbereich d i e B e z e i c h n u n g „ V o l l z u g d e r Verteidigungsgesetze i m ü b r i g e n " u n d f a ß t — i n A n l e h n u n g a n C a r t e l l i e r i 7 — beide Bereiche u n t e r d e m N a m e n „Verteidigungsverwaltung" zusammen8. B e z ü g l i c h des Wehrersatzwesens ist a l l e r d i n g s z u sagen, daß dieses i n z w i s c h e n d u r c h § 14 des Wehrpflichtgesetzes organisatorisch d e r B u n d e s w e h r v e r w a l t u n g ( i n i n s t i t u t i o n e l l e m Sinne) e i n g e g l i e d e r t w o r d e n i s t ; w ä h r e n d die sog. Z i v i l verteidigung z u m Bereich der Inneren V e r w a l t u n g gehört 9. W i r h a b e n also z u u n t e r s c h e i d e n zwischen d e r Verteidigungsverwaltung oder der Wehrverwaltung im weiten Sinne, d i e auch A u f g a b e n k e n n t , die v o n d e n L ä n d e r n u n d G e m e i n d e n w a h r g e n o m m e n w e r d e n 1 0 , u n d d e r Bundeswehrverwaltung, welche e i n e n T e i l a u s s c h n i t t aus d e m w e i t e n Gebiet der V e r t e i d i g u n g s v e r w a l t u n g darstellt 11. 6
Maunz-Dürig, A r t . 87 b, Rdnr. 4,31 ff. Cartellieri, Die Bundeswehrverwaltung, S. 7. 8 a.a.O., Rdnr. 20; vgl. auch Rdnr. 33. 9 E i n eigenes Ressort m i t dazu gehörigem Verwaltungsunterbau gibt es f ü r die Z i v i l e Verteidigung nicht. Vgl. unten F. N. 25. 10 Siehe das Gesetz über Maßnahmen zum Schutze der Zivilbevölkerung v o m 9.10.1957 (RGBl. 1957, I S. 1696; 1959, I S. 893). I n Baden-Württemberg besteht beim Innenministerium eine A b t e i l u n g „ Z i v i l e Verteidigung". Die Regierungspräsidien haben Referate „ Z i v i l e Verteidigung"; ebenso die Landratsämter u n d die Bürgermeisterämter der Stadtkreise. 11 Cartellieri, a. a. O., S. 7; Meyer-Dalheuer, Probleme der Bundeswehrverwaltung, i n : DVB1. 1957, S. 188; Witte, DVB1. 1964, S. 64/65; Schäfer, Die b u n deseigene Verwaltung, i n : DÖV1958, S. 245. Die Unterscheidung zwischen „ W e h r v e r w a l t u n g " als dem engeren (nur A r t . 87 b Abs. 1 GG umfassenden) u n d „Verteidigungsverwaltung" als dem weiteren (alle Sachbereiche des A r t . 87 b G G umfassenden) Begriff, w i e sie von Maunz-Dürig, A r t . 87 b, Rdnr. 20 u n d Martens, Grundgesetz u n d Wehrverfassung, S. 139 getroffen w i r d , ist m. E. v o m Wortsinne her problematisch. Z w a r ist zuzugeben, daß die unglückliche Fassung des A r t . 87 b GG zu einer derartigen Terminologie verleitet. M a n sollte aber den Wortsinn „ W e h r " nicht derart strapazieren, daß er gegenüber dem Ausdruck „Verteidigung" als der engere erscheint; ethymologisch ist genau das Gegenteil der F a l l ! A l s kompromißhafter Ausweg w i r d hier die i m m e r h i n weniger verfängliche Scheidung i n „ W e h r v e r w a l t u n g i. w . S." u n d „ W e h r v e r w a l t u n g i. e. S." gebraucht, so lange jedenfalls, als keine treffendere Terminologie gefunden ist. Meines Erachtens wäre die kennzeichnendste — w e n n auch nicht gerade p r a k tikabelste — Ausdrucksweise die: a) Verteidigungsverwaltung ( = Wehrverwaltung i. w. S.): Die Gesamtheit der i n Angelegenheiten der Landesverteidigung i. w. S. anfallenden V e r w a l tungsaufgaben; 7
II. Die Verteidigungsverwaltung
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Die Bundeswehrverwaltung wiederum kann i n einem funktionellen Sinne verstanden werden — so wie i n A r t . 87 b Abs. 1 GG — oder i n einem organisatorischen (institutionellen) Sinne. M i t dem Begriff Bundeswehrverwaltung i m organisatorischen oder institutionellen Sinne ist das zum Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums gehörende System von Verwaltungsbehörden zu bezeichnen 12 . Der Sonderverwaltung Bundeswehrverwaltung i m organisatorischen Sinne obliegen i m wesentlichen Aufgaben auf folgenden Sachgebieten 18 : 1. Beschaffungswesen (Bekleidung, Gerät, Verpflegung, Betriebsstoff) 2. Lagerwesen (Bekleidungs- und Verpflegungsämter) 3. Bau-, Unterkunfts-, Liegenschaftswesen 4. Stellung von zivilem Personal (Beamte, Angestellte, Arbeiter) 5. Kassen-, Rechnungs-, Haushaltswesen 6. Gebührniswesen 7. Soldatenfürsorge 8. Vertretung des Bundeswehrfiskus 9. Wehrtechnik 14 10. Schutzbereiche 15 ' 16 11. Wehrersatzwesen 17 12. Materielle Bedarfsdeckung i m Manöver und i m Verteidigungsfall 18 Eine einzige Durchbrechung der streng durchgeführten Zweiteilung i n militärischen Kommandobereich und zivilen Verwaltungssektor ist b)
Bundes-Wehrverwaltung: als Abgrenzung der Bundes- von der Landesexekutivkompetenz i n Angelegenheiten der Wehr (Art. 83 GG g i l t grundsätzlich auch hier); c) Bundeswehr-Verwaltung (i. S. des A r t . 87 b Abs. 1 GG): Die V e r w a l tungsangelegenheiten, die die Streitkräfte unmittelbar betreffen (die b u n deswehrbezogen sind). 12 Reinfried, a. a. O., S. 50. 18 Witte, Bundeswehrverwaltung (1963), S. 10. 14 Vgl. hierzu Reinfried, a. a. O., S. 25 f. 15 Die Ziff. 10—12 enthalten „gekorene Aufgaben" der Bundeswehrverwaltung (Maunz-Dürig, A r t . 87 b, Rdnr. 22), d. h. diese sind der Bundeswehrverw a l t u n g nicht unmittelbar durch A r t . 87 b Abs. 1 GG zugewiesen, sondern dadurch, daß der einfache Bundesgesetzgeber v o n der i h m i n A r t . 87 b Abs. 2 GG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. 16 Die Zuweisung des Sachgebietes Schutzbereiche i n die Zuständigkeit der Bundeswehrverwaltung i. organisator. S. erfolgte durch das Schutzbereichsgesetz v o m 7.12.1956 (BGBl. I, S. 899). 17 Die Zuweisung dieser Materie erfolgte durch das Wehrpflichtgesetz (§ 14) i. d. F. v o m 25. 5.1962 (BGBl. I, S. 349). 18 Die Zuweisung dieser Materie erfolgte durch die Novelle zum Bundesleistungsgesetz v o m 27. 9.1961 (Neufassung B G B l . I , S. 1770).
3·
36
§ 3.
Die Wehrexekutive
i n d e r sog. Truppenverwaltung z u sehen 1 9 . Diese i s t i m Interesse e i n e r mobilen Truppe i n die militärischen Einheiten u n d Verbände eingegliedert worden. Der Truppenverwaltungsbeamte bzw. Verwaltungsdezern e n t b e w i r t s c h a f t e t i m A u f t r a g e des K o m m a n d e u r s b z w . Chefs des S t a bes — d e m er u n t e r s t e l l t i s t 2 0 — die d e m W i r t s c h a f t s t r u p p e n t e i l b z w . d e r K o m m a n d o b e h ö r d e zugewiesenen H a u s h a l t s m i t t e l . D i e T r u p p e n v e r w a l t u n g gehört daher n u r f u n k t i o n e l l zur Bundeswehrverwaltung, nicht dagegen organisatorisch 2 1 » 2 2 . Z u r w i r k s a m e n V e r t e i d i g u n g eines L a n d e s g e n ü g t es aber n i c h t , S t r e i t k r ä f t e a u f z u s t e l l e n u n d i h n e n eine e f f e k t i v e V e r w a l t u n g z u r Seite z u geben. A u c h f ü r d e n Schutz d e r Z i v i l b e v ö l k e r u n g s i n d i m H i n b l i c k a u f e i n e n m o d e r n e n K r i e g V o r k e h r u n g e n z u treffen. D e r Verfassungsgeber h a t aus diesem G r u n d e i n A r t . 87 b A b s . 2 G G d i e B u n d e s k o m p e tenz f ü r die Z i v i l e V e r t e i d i g u n g 2 3 niedergelegt. D a aber das Z i v i l s c h u t z k o r p s eine „ O r g a n i s a t i o n n i c h t m i l i t ä r i s c h e n C h a r a k t e r s " i s t 2 4 , w u r d e dieses e b e n s o w e n i g w i e d i e ü b r i g e n V e r w a l t u n g s a n g e l e g e n h e i t e n d e r Z i v i l v e r t e i d i g u n g d e m Ressort des B M i n V t d g . zugewiesen, s o n d e r n d e m B e r e i c h d e r I n n e r e n V e r w a l t u n g 2 5 . M a t e r i e l l gehören diese Sachbereiche 19 I h r fallen i m wesentlichen folgende Aufgabengebiete zu: Haushalts-, Kassen-, Rechnungswesen; Gebührniswesen; Personal- u n d Tarifwesen f ü r das Zivilpersonal; Quartierleistungen; Verpflegungswesen; Schadenswesen. Witte, Bundeswehrverwaltung, S. 52 ff.; Reinfried, a. a. O., S. 101 ff. 20 Rechtsgrundlage ist eine Organisationsverfügung des Bundesministers der Verteidigung. Vgl. die Erlasse des Bundesverteidigungsministers i n : Wenzel-Klas, Bundeswehrverwaltung, Bd. X , Nr. 65.01,1—6. 21 Allerdings besteht f ü r die Truppenverwaltung neben dem (militärischen) Truppendienstweg auch ein (Fadi-)Verwaltungsdienstweg zu den Wehrbereichsverwaltungen. 22 Z u r Frage der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit der Stellung der Truppenverwaltung m i t A r t . 87 b GG siehe Reinfried, a. a. O., S. 36 f. Die Rechtsgrundlage f ü r die Zulässigkeit der Verlagerung gewisser Verwaltungsaufgaben auf die Truppe w i r d i n der Organisationsgewalt des Bundesministers der Verteidigung gesehen. Eine systematische Auslegung der A r t . 65 a u n d 87 a GG läßt dies i m m e r h i n als fraglich erscheinen. Dagegen ist die Zweckmäßigkeit der getroffenen Regelung sicher nicht zu bezweifeln. 28 Z u m Begriff u n d den Aufgaben der Z i v i l e n Verteidigung: Begriffsbestimmungen auf dem Gebiet der Z i v i l e n Verteidigimg, RdSchr. d. B M I . v o m 7. 7.1964, i n : GMB1.1964, S. 324. 24 § 2 des „Gesetzes über das Zivilschutzkorps" v o m 12.8.1965 (BGBl. S. 782). Hierzu: Kreutzer, Das Gesetz über das Zivilschutzkorps, i n : DVB1. 1966, S. 524/525. 25 Die Aufgaben der Z i v i l e n Verteidigung werden v o m Bundes- u n d den Länderinnenministerien, v o m Bundesamt f ü r den Z i v i l e n Bevölkerungsschutz u n d den einzelnen Fachministerien f ü r ihre Zuständigkeitsbereiche w a h r genommen. Z u r Koordinierung aller Verteidigungsfragen auf müitärischem, zivilem, außenpolitischem, wirtschaftlichem, finanziellem usw. Gebiet w u r d e bei der Bundesregierung der sog. Bundesverteidigungsrat geschaffen. Diesem Rat gehören als ständige Mitglieder die Bundesminister f ü r Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates, des Auswärtigen, des Innern, der Verteidigung, der Finanzen, f ü r Wirtschaft an. Vgl. Haedge, Z i v i l e Verteidigung, i n : B W V 1966 S. 4 f.
III. Der Standort der Kommandogewalt in der Wehrgewalt
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aber zur Verteidigungsverwaltung, wie schon eine grammatikalische Auslegung der A r t . 87 b Abs. 2 und 17 a Abs. 2 GG ergibt 28 . Die Verteidigungsverwaltung kann somit definiert werden als der Inbegriff der Verwaltungsaufgaben, die zur Verteidigung des Bundesgebietes und zum Schutze der Zivilbevölkerung notwendig sind. III. Der Standort der Befehls- und Kommandogewalt in der Wehrgewalt A n dieser Stelle kann nunmehr die oben getroffene Unterscheidung zwischen Wehrgewalt und Militärgewalt fruchtbar gemacht werden. Wenn „Wehrgewalt" sich begrifflich auf die Landesverteidigung i m weitesten Sinne bezieht, während „Militärgewalt" nur die bewaffneten Streitkräfte i m Auge hat, so unterfallen dem Begriff der Wehrgewalt — aber nicht dem engeren der Militärgewalt — auch alle Angelegenheiten der Zivilen Verteidigung und des Bundesverteidigungsrates. Der Inhalt der Wehrgewalt läßt sich daher systematisch folgendermaßen darstellen: (Siehe Seite 38) A n diesem Schema w i r d nun auch der Standort der Befehls- und Kommandogewalt i n der Wehrgewalt deutlich: Die Befehls- und Kommandogewalt des A r t . 65 a GG gehört funktional zur Wehrexekutive und innerhalb dieser repräsentiert sie deren militärischen Zweig. — I m ersten Teil der Arbeit wurde — nach Klärung der wichtigsten Begriffe — versucht, den Standort der Wehrgewalt und der Befehlsund Kommandogewalt i m System der Staatsfunktionen darzustellen. Ein Problem aber blieb offen: Welchen Platz nimmt die Befehls- und Kommandogewalt innerhalb der Exekutivfunktion des Staates ein? Ist ihre Ausübung Verwaltungstätigkeit oder eher Regierungstätigkeit, beides zugleich oder ein aliud? Die Beantwortung dieser Frage mußte und muß noch zurückgestellt bleiben, weil darüber erst gehandelt werden kann, wenn Begriff und Rechtsnatur der Befehls- und Kommandogewalt geklärt sind. 28 Vgl. auch Haedge, a.a.O., S.7: „ . . . d a ß heute die Militärische und die Z i v i l e Verteidigung erst die Landesverteidigung ergeben." So auch: MeyerDalheuer, Probleme der Bundeswehrverwaltung, i n : DVB1. 1957, S. 189; Kreutzer, Bevölkerungsschutz u n d Wehrdienst, i n : R i A 1963, S. 259; ν . Unruh, a. a. O., S. 204, Leitsatz 13; Bundestagsdrucksache 3. Wahlperiode Nr. 1893, S. 2; Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, Stenogr. Berichte Band 46, 119. Sitzung, S. 6901; Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, i n : Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode 1953, Bd. 18, S. 555 zu A r t . 73 Nr. 1 GG. Vgl. auch Maunz-Dürig, A r t . 87 b, Rdnr. 33. Daraus erhellt auch, daß das „Bundesministerium der Verteidigung" der Sache nach lediglich ein Bundeswehr-Ministerium ist.
WEHRGEWALT
WEHRGESETZGEBUNG
Militärischer
WEHREXEKUTIVE
Exekutivbereich:
WEHRGERICHTSBARKEIT
Ziviler
Verteidigungsverwaltung
(Art. 65 a GG)
( = W e h r v e r w a l t u n g i. w . S.)
Bundeswehrverwaltung (i. f u n k t i o n e l l e n S.) (Art. 87 b Abs. 1 Satz 1 u n d 2 GG)
Territoriale Bundeswehrverwaltung1
1 2 8 4
Exekutivbereich:
Befehls- u n d Kommandogewalt
Truppenverwaltung8
Vollzug der Verteidigungsgesetze im übrigen (Art. 87 b Abs. 2 GG)
Wehrersatz 8
Zivile Verteidigung 4
Das zum Geschäftsbereich des BMVtg. gehörende System von Verwaltungsbehörden (Reinfried, a.a.O., S.50). I n die militärischen Einheiten und Verbände eingegliedert. Gehört aber zur Bundeswehrverwaltung im organisatorischen Sinn. Gehört ressortmäßig zum Bereich der Inneren Verwaltung.
Zweiter Teil
Der Begriff der Befehls- und Kommandogewalt §4. Historischer Rückblick I. Preußen und Kaiserreich 1. Die Entstehung des monarchischen Oberbefehls über das Heer Zu Beginn der Regierungszeit des Großen Kurfürsten stand der Monarch noch außerhalb der militärischen Gliederung seines Heeres 1. Er führte keinen Oberbefehl i m modernen Sinne 2 , sondern war lediglich Zahlherr und Auftraggeber der Obristen, die als Privatunternehmer ihre Regimenter selbständig führten und verwalteten 8 . Das höchste Befehlsrecht lag also beim Heere selbst. Träger eines einheitlichen m i l i tärischen Oberbefehls war (anfangs nur für den Kriegsfall) der GeneralFeldmarschall 4 . Schon damals wurde unterschieden zwischen Kommandosachen als der eigentlichen militärischen Truppenführung, der Heeresverwaltung, deren Hauptaufgabe i n der Aufbringung der sachlichen M i t t e l für das Heer bestand, und den Militärgerichtssachen als Betätigungsbereich der Gerichtsherrlichkeit 5 . So heißt es i m kurfürstlichen Feldmarschallspatent von Sparr vom 26. 6.1657: „ . . . So soll Unserm General-Feldmarschalln i n Commando, Commissariat, Proviant und Justizsachen, i n 1
Z u m folgenden: Niebier, Die Gestaltung des militärischen Oberbefehls i n Brandenburg-Preußen (1938), S. 3 ff.; Hossbach, Die E n t w i c k l u n g des Oberbefehls über das Heer i n Brandenburg, Preußen u n d i m Deutschen Reich von 1655 bis 1945, i n : Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr., Bd. V I I (1957), S. 169—176. 2 Z w a r stand er als „Kriegsherr" auch an der Spitze der Landesverteidigung seines Staatswesens. Doch w a r dieser Begriff zu jener Zeit noch k e i n w e h r - , sondern ein völkerrechtlicher u n d bezeichnete die Macht, rechtmäßigerweise Kriege führen zu können (jus b e l l i ac pacis). Vgl. Niebier, a. a. O., S. 3. 3 Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen dem Kriegsherrn u n d den Obristen w a r die K a p i t u l a t i o n bzw. die Bestallung. Siehe ν . Bonin, Das Heeresrecht (1912), S. 12 ff., 19. 4 1651 wurde der Generalfeldzeugmeister Frhr. v. Sparr zum „Capo u n d Haupt der Armee" u n d 1658 zum „Generalfeldmarschalk" ernannt. Jany, Geschichte der Königlich Preußischen Armee, Bd. 1 (1928), S. 149. 5 Niebier, a. a. O., S. 4—6.
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§ 4. Historischer Rückblick
summa wie sie nahmen haben mögen und die Kriegsraisons erfordern, die Erste Instanz unverrücket b l e i b e n . . . " ' . Die erste Instanz verblieb i h m nicht. Vielmehr wurde die anfängliche Unterordnung der Heeresverwaltung („Generalkriegskommissariat") unter den Oberbefehl des Feldmarschalls allmählich beseitigt 7 . Und am Schluß der Regierungszeit Friedrichs I. war die Teilung des bisherigen Heeres-Oberbefehls besiegelt: Dem Feldmarschall verblieben die Kommandosachen und die Militärgerichtsbarkeit; die Heeresverwaltung wurde unter dem Generalkriegskommissar selbständig 8 . Erst nach und nach begann sich der Oberbefehl m i t der Kriegsherrlichkeit zu verbinden. Seit 1688 nahm Friedrich I. das Offiziersernennungsrecht für sich i n Anspruch 9 und verdrängte damit die Obristen aus ihrer bisher autonomen Stellung. Aber erst der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. übernahm auch persönlich die früher dem Feldmarschall zustehende Stellung als Oberbefehlshaber oder „Chef der Armee" und war damit Träger der höchsten Kommandogewalt und oberste Spitze der Heeresverwaltung 10 . M i t i h m beginnt die Gestalt des „Obersten Kriegsherrn" Farbe zu gewinnen, wie er die preußisch-deutsche Geschichte bestimmt hat: Der Monarch ist zugleich der erste Offizier seiner Armee, deren militärischer Vorgesetzter 11 . Wenn auch die obersten militärischen Dienststellen i n der Folgezeit von ständigen Veränderungen ergriffen wurden 1 2 , so blieb doch die umfassende Oberbefehlshaberstellung des Königs bis zu Friedrich IV. gewahrt 13 . Erst m i t dem Jahre 1850, das Preußen die konstitutionelle Monarchie brachte, trat ein Wandel ein, von dem auch der Oberbefehl des Königs nicht ganz verschont wurde. β
Aus einer Abschrift der K a p i t u l a t i o n ; zitiert nach Niebier, a. a. O., S. 5. Niebier, a. a. O., S. 26. 8 Niebier, a. a. O., S. 27 f.; Ambrosius, Die historische E n t w i c k l u n g des m i l i tärischen Oberbefehls (1939), S. 22. Vgl. auch Jany, a. a. O., S. 532—539. 9 Niebler, a. a. O., S. 25. 10 Jany, a. a. O., S. 737. 11 Was bedeutet, daß der K ö n i g den Oberbefehl nicht n u r nominell als L a n desherr führt, sondern als militärischer Vorgesetzter effektiv an der Spitze der militärischen Hierarchie steht. E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I (1961), S. 225. 11 Vgl. hierzu: Schmidt-Bückeburg, Das M i l i t ä r k a b i n e t t der preußischen Könige u n d deutschen Kaiser (1933) ; Ambrosius, a. a. O., S. 29—49. 18 I m Jahre 1809 wurde das Kriegsministerium geschaffen, das als n u n mehr einzige militärische Zentralbehörde sowohl die F ü h r u n g (Allgemeines Kriegsdepartement) als auch die V e r w a l t u n g des Heeres (MilitärökonomieDepartement) umschloß. Hossbach, a. a. O., Bd. V I I , S. 187. U n d durch A l l e r höchste Kabinettsordre v o m 28.8.1814 erhielt dieses M i n i s t e r i u m eine neue Einteilung i n fünf Departements, w o v o n das zweite, der Generalstab, u n d das dritte, das M i l i t ä r k a b i n e t t , später als Organe der königlichen Kommandogewalt weitgehende Selbständigkeit erlangen sollten. Vgl. Jany, a. a. O., Bd. 4, 7
I. Preußen und Kaiserreich
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2. Oberbefehl und Gegenzeichnung in der konstitutionellen Monarchie Die bis dahin unbeschränkte Verfügungsmöglichkeit des Obersten Kriegsherrn über das Heer erfuhr ihre Beschränkung m i t dem Übergang von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie. Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850 sprach dem König zwar die vollziehende Gewalt und den Oberbefehl über das Heer zu 14 , bestimmte jedoch i n A r t . 44, daß alle Regierungsakte des Königs zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers bedürfen, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. I n welchem Verhältnis aber die Gegenzeichnungspflicht des Kriegsministers zum Oberbefehlsrecht des Königs zu stehen habe, hatte Friedrich Wilhelm IV. schon vor Inkrafttreten der Verfassung festgelegt. I n einem Handbillet an sein Staatsministerium vom l . J u l i 184915 erklärte er sich m i t der Gegenzeichnung aller Regierungsakte, auch solcher i n Militärangelegenheiten, einverstanden, betonte jedoch, daß „das Feld der Verantwortlichkeit des Kriegsministers den Kammern gegenüber... dadurch beschränkt (ist), daß durch die Bestimmung... ,Der König führt den Oberbefehl über das Heer' den Kammern jede Einwirkung auf die Leitung des Heeres entzogen i s t . . . I n allen den Punkten also, welche den Oberbefehl über das Heer betreffen, . . . ist jede Einwirkung der Kammern ausgeschlossen und der Kriegsminister nur M i r und seinem Gewissen verantwortlich.. ." 1 β . Dieser Gedanke Friedrich Wilhelms I V . wurde von Wilhelm I. bei dessen Regierungsantritt aufgegriffen. Durch die Allerhöchste Kabinettsordre vom 18. Januar 186117 legte er seine Stellung zum Heere und zum Kriegsminister so fest: Armeebefehle, sowie Ordres i n Militär-DienstS. 122,125. Z u r Emanzipation des Generalstabes v o m Kriegsministerium siehe Wolters, Die staatsrechtliche Stellung des Generalstabes i n Preußen u n d dem Deutschen Reich (1921). Trotz dieser organisatorischen Neugliederung u n d der Schaffung der Stelle eines Kriegsministers, blieb die Eigenschaft des Königs als Chef u n d Oberbefehlshaber der Armee bestehen. Die zentrale Position des Kriegsministers w a r nämlich schon v o n vornherein dadurch eingeschränkt, daß das I m m e d i a t verhältnis der Kommandierenden Generale zum K ö n i g erhalten blieb. Siehe Hossbach, a. a. O., Bd. V I I , S. 188; Meisner, Der Kriegsminister (1940), S. 11 f. 14 A r t . 46: „Der K ö n i g f ü h r t den Oberbefehl über das Heer." 1δ Abgedruckt bei Schmidt-Bückeburg, a. a. O., S. 40 f. Gekürzt auch bei Marschall v. Bieberstein, Verantwortlichkeit u n d Gegenzeichnung bei A n o r d nungen des Obersten Kriegsherrn (1911), S. 30. 18 Z i t i e r t nach Marschall v. Bieberstein, a. a. O., S. 30. Z u r Bedeutung der Gegenzeichnung i n vorkonstitutioneller Zeit: E. R. Huber, Heer u n d Staat (1943), S. 296 ff. 17 I m Wortlaut abgedruckt bei Marschall ν . Bieberstein, a. a. O., S. 67/68. Z u r Vorgeschichte siehe Schmidt-Bückeburg, a. a. O., S. 61—76.
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§ 4. Historischer Rückblick
sachen oder Personal-Angelegenheiten, soweit sie weder auf den M i l i t ä r Etat von Einfluß sind, noch die Militärverwaltung betreffen, werden ohne Gegenzeichnung expediert. Obwohl diese Kabinettsordre und erst recht die ihr folgende Gegenzeichnungspraxis 18 formalrechtlich weder i m Einklang m i t der Preußischen Verfassung von 1850 noch m i t der Reichsverfassung von 18711' stand 20 , verblieb es bei dieser Regelung bis zum Oktober 191821. Zwar hatte Laband noch i n der ersten Auflage seines Staatsrechts 22 die Meinung vertreten, daß ausnahmslos alle Anordnungen des Kaisers zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers bedürfen, doch kehrte diese Auffassung i n den folgenden Auflagen nicht wieder. Dieser Sinneswandel beruhte darauf, daß inzwischen Hecker 23 einen bis dahin weder i n Theorie noch Praxis 2 4 geläufigen Unterschied zwischen „Armeebefehl" und „Armeeverordnung" entdeckt hatte 2 5 : Armeebefehle, stellte dieser fest, seien Anordnungen des Herrschers, welche derselbe kraft seiner Kommandogewalt über die Armee erläßt, während Armeeverordnungen alle Verfügungen genannt würden, welche innerhalb des Organismus der Militärverwaltung sich als A k t e seiner Regierungsgewalt (sog. Regierungsakte) kennzeichnen 28 . I m A n 18 Siehe hierzu: Marschall v. Bieberstein, a. a. O., S. 219 ff. (insbesondere S. 283—290). 19 Vgl. A r t . 44 Satz 2 preuß. Verfassung 1850; A r t . 17 Satz 2 Reichsverfassung 1871. Einen Vorbehalt f ü r den Bereich des Militärwesens enthielten beide Verfassungsurkunden nicht. Hierzu etwa Ambrosius, a. a. O. S. 51/52. Rudolf Gneist, Verwaltung, Justiz, Rechtsweg (1869), S. 258 dagegen r ü h m t die „ k o n stitutionelle K o r r e k t h e i t " dieser Order. 20 Vgl. auch A r t . 17 der Verfassung des Norddeutschen Bundes. Hierzu aber: v. Rönne, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, 1. Bd. (1869), S. 459 f.; E. R. Huber, Heer u n d Staat, S. 298 f.; ders., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I I I , S. 1003. 21 Nämlich bis zum Gesetz zur Abänderung der Reichsverfassung v o m 28.10.1918 (RGBl. 1919, S. 1273). 22 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1. Bd. (1876) S. 209. 28 Hecker, A r t i k e l „Armeebefehl u n d Armeeverordnung", i n : Wörterbuch des Deutschen Verwaltungsrechts, hrsg. v o n K a r l Frhr. v. Stengel, 1. Bd. (1890), S. 63 f. Hecker gebührt das Verdienst, der Gegenzeichnungspraxis i n Militärangelegenheiten den M a n t e l des Rechts umgehängt zu haben. 24 Vgl. hierzu: Marschall v. Bieberstein, a. a. O., S. 202,209,342. 25 Die Ausdrücke Armeebefehl u n d Armeeverordnung tauchen zum erstenm a l i n der 1. Auflage des Labandschen Staatsrechts, 3. Bd. (1880), S. 35 auf, aber noch nicht i n der spezifischen Bedeutung, die ihnen durch Hecker beigelegt w i r d , sondern n u r i m Sinne von Einzelbefehl u n d genereller A n o r d nung i m Bereich der Armee. Hecker k n ü p f t f ü r seine prinzipielle Abgrenzung w o h l an Brockhaus, Das deutsche Heer u n d die Contingente der Einzelstaaten (1888), S. 81 ff. an. 26 Hecker, a. a. O. E r beruft sich dabei auf die Allerhöchste Kabinettsordre v o m 18.1.1861, die diese terminologische Unterscheidung gar nicht trifft. Wie Hecker auch A . Arndt, A r t i k e l „Armeebefehl u n d Armeeverordnung",
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schluß a n Hecker u n t e r s c h i e d n u n auch L a b a n d zwischen A r m e e b e f e h l u n d A r m e e v e r o r d n u n g 2 7 . Beides seien U n t e r a r t e n des Dienstbefehls, zwischen i h n e n bestehe jedoch e i n w i c h t i g e r U n t e r s c h i e d : „ D i e V o r schrift, daß R e g i e r u n g s a k t e des M o n a r c h e n d e r Gegenzeichnung eines v e r a n t w o r t l i c h e n M i n i s t e r s b e d ü r f e n , findet z w a r a u f A r m ^Verordnungen, dagegen n i c h t a u f Armeebefehle A n w e n d u n g " 2 8 . Dieser G r u n d s a t z , befindet L a b a n d , stehe i n u n b e z w e i f e l t e r G e l t u n g u n d sei auch d u r c h d e n A l l e r h ö c h s t e n E r l a ß v o m 18.1.1861, d e r i n das Reichsstaatsrecht ü b e r g e g a n g e n sei 2 9 , a u s d r ü c k l i c h geregelt. A r t . 17 d e r Reichsverfassung erleide i n s o f e r n eine A u s n a h m e . Es müsse d a h e r u n t e r s c h i e d e n w e r d e n , o b e i n k a i s e r l i c h e r B e f e h l k r a f t d e r Regierungsgewalt — d a n n gegenzeichnungspflichtig — oder k r a f t d e r Kommandogewalt — d a n n gegenzeichnungsfrei — erlassen w o r d e n sei 8 0 . D a m i t i s t d i e absolut herrschende A n s i c h t w i e d e r g e g e b e n 8 1 . Gegenm e i n u n g e n , w i e sie erstmals 1911 v o n M a r s c h a l l v . B i e b e r s t e i n 8 8 v é r i n : Handwörterbuch des Militärrechts (1912), S. 54, der aber i m übrigen bem e r k t : „Die Sache läßt sich überhaupt nicht logisch oder begrifflich erklären; sie ist als Tatsache hinzunehmen." 27 Laband, Staatsrecht, 4. Aufl. 4. Bd. (1901), S. 33 ff.; vgl. auch 5. Aufl. 4. Bd. (1914), S. 35 ff. 28 Z u r Begründung f ü h r t Laband, a. a. O., S. 35 an, der Oberbefehl über Streitkräfte erfordere volle Freiheit des Entschlusses u n d demgemäß auch volle Verantwortlichkeit u n d dürfe nicht durch das Erfordernis der konstitutionellen Gegenzeichnung lahmgelegt werden. 28 Nach Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches (1901), S. 551, 466 ist die Kabinettsordre v o m 18.1.1861 auf G r u n d des A r t . 61 Abs. 1 R V 1871 geltendes Reichsrecht geworden. 80 Die an sich flüssige Abgrenzung zwischen diesen beiden Bereichen bestimme sich, soweit sie nicht durch Gesetzgebung oder durch die N a t u r der Sache gegeben sei, durch die Übung! So Laband, Staatsrecht, 4. Aufl., a. a. O., S. 35. A n Versuchen, eine gegenständliche Abgrenzung zu finden, hat es nicht gefehlt: Georg Meyer, Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechtes (1910), S. 490 schied die „Anordnungen, welche die unmittelbare militärische A k t i o n zum Gegenstande haben" v o n den „Verwaltungstätigkeiten, welche auf die Beschaffung der Vorbedingungen u n d M i t t e l f ü r die bewaffnete Macht gerichtet sind". Haenel, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1 (1892), S. 472 stellte den H a u p t zweig, der „die technische Einübung u n d Ausübung des Waffenhandwerks u n d die hierdurch bedingten Organisationen zum Gegenstande" hat, den übrigen Zweigen der M i l i t ä r v e r w a l t u n g gegenüber, die als M i t t e l zum Zwecke dazu bestimmt sind, „die geistigen, technischen u n d wirtschaftlichen Hilfsmittel, sow i e die entsprechenden rechtlichen Ordnungen zu schaffen, welche die m i l i tärische Befehlshabung ermöglichen u n d sichern". Mueller, Die Teilung der M i l i t ä r g e w a l t i m deutschen Bundesstaat (1905), S. 59, 65 versteht unter Kommandogewalt die Zwecktätigkeit des Heeres, die i n der Ausübung des Waffenhandwerks bestehe. 81 So auch: Zorn, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1. Bd. 2. Aufl. (1895), S. 192; Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches (1901), S.464; ders., Verfassung des Dt. Reiches (1913), A r t . 17, A n m . 5; Anschütz, Dt. Staatsrecht, i n : Holtzendorff's Encyklopädie der Rechtswissenschaft, 2. Bd. (1904),
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§ 4.
Historischer Rückblick
t r e t e n w u r d e n , b l i e b e n v e r e i n z e l t u n d ohne A u s w i r k u n g e n
auf
P r a x i s 8 8 . H a t t e doch selbst das Preußische O b e r v e r w a l t u n g s g e r i c h t
die den
herrschenden Z u s t a n d als rechtens b e s t ä t i g t 8 4 ! 3. Die Kommandogewalt
— eine Prärogative
der
Krone
D i e F r a g e d e r Gegenzeichnungspflicht i n M i l i t ä r s a c h e n b e s t i m m t e ebenso w i e die des B u d g e t r e c h t s u n d d e r Friedenspräsenzstärke i n e n t scheidendem M a ß e d e n J a h r z e h n t e d a u e r n d e n S t r e i t zwischen P a r l a m e n t u n d K r o n e , o b das H e e r ausschließlich e i n O r g a n der k ö n i g l i c h e n oder auch d e r p a r l a m e n t a r i s c h e n G e w a l t sein s o l l t e 8 5 . S. 622—624; ders., Die Verfassungs-Urkunde f ü r den Preußischen Staat, 1. Bd. (1912), S. 572 ff.; Mueller , a. a. O., S. 33, 64; Apel, Die königliche Gewalt (1906), S. 19 ff., 58ff.; Jost, Die staatsrechtlichen Theorien über die N a t u r des deutschen Heeres nach der Reichsverfassung (1908), S. 38 ff. ; Arndt, A r t . „ A r m e e befehl u n d Armee Verordnung", i n : Handwörterbuch des Militärrechts (1912), S. 54; Fülster, Deutsches Reichsstaatsrecht (1913), S. 641—643; Bornhak, Preußisches Staatsrecht, 3. Bd. (1914), S. 45. F ü r die Zeit vor 1890 siehe: ν. M ohi, Das Staatsrecht des Königreiches W ü r t temberg, 1. Bd., 2. Aufl. (1846), S. 230 f.; Lorenz v.Stein, Verwaltungslehre, 2. Aufl. 1. T e i l (1869), S. 179; Thudichum, Die Grundlagen der heutigen Deutschen Kriegsverfassung, i n : Holtzendorff s Jahrbuch 1873, S. 120; v. Seydel, Das Kriegswesen des Deutschen Reiches, i n : Hirth's Annalen des Deutschen Reiches 1875, S. 1396 f. 82 Marschall k o m m t i n seiner umfassenden Studie zu dem Ergebnis, alle Befehle u n d Anordnungen des Kaisers seien gegenzeichnungspflichtig, doch scheut er sich vor der Konsequenz der Nichtigkeit gegenzeichnungsloser A k t e : Auch nicht gegengezeichnete Befehle seien nicht ohne weiteres nichtig. Z w a r seien sie unrechtmäßig, daher fehlerhaft u n d folglich grundsätzlich u n v e r bindlich. F ü r den dienstlichen Bereich innerhalb der Armee habe aber der der Kommandogewalt unterworfene Soldat eine „prompte Gehorsamspflicht", weshalb er nicht zur Prüfung von Befehlen auf ihre formelle Verfassungsmäßigkeit berechtigt sei. Daher seien schließlich alle Anordnungen i n der Armee — unbeschadet ihrer Unrechtmäßigkeit wegen fehlender Gegenzeichnung — verbindlich. Vgl. Marschall, S. 330 ff., 377 ff., 385 ff., 394 ff., 500, 590, 597. Z u r K r i t i k der Lehre Marschalls siehe: E. R. Huber, Heer u n d Staat (1943), S. 294—301. 83 Anschütz, i n : Meyer-Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, Schloß sich erst 1919 (!) i n der 7. Aufl. der Marschallschen Meinung an; vgl. S. 845, F . N . 20; S. 277. U n d Labands 5. Aufl. (1914) seines Staatsrechts b r i n g t zu dieser Frage ein ziemlich inhomogenes Gemisch aus seinen Vorauflagen u n d den Thesen Marschalls, hält aber expressis verbis an der Gegenzeichnungsfreiheit der Kommandogewalt fest; vgl. S. 36. Jedenfalls t r i f f t es nicht zu, daß m i t Marschalls Schrift ein fast völliger Umschwung i n den M e i n u n gen eingetreten sei. So aber E. R. Huber, Heer u n d Staat, S. 293; ders., D e u t sche Verfassungsgeschichte, Bd. I I I (1963), S. 1001. Vielmehr konnte sich M a r schalls Lehre schon wegen des nahen ersten Weltkrieges u n d dessen Ausgang gar nicht mehr auswirken. 34 P r O V G Bd. 36 (1900), S. 82 ff. Vgl. auch BVerfGE 3, S. 301. 85 Siehe hierzu: E. R. Huber, Heer u n d Staat, S. 292 ff.; ders., Deutsche V e r fassungsgeschichte, Bd. I I I S. 333 ff., 363 ff. Der Streit beruhte letztlich auf der Prinzipienfrage, ob das preußischdeutsche Staatswesen als monarchisch-konstitutionelles Regierungssystem (so
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H e r k ö m m l i c h e r w e i s e b e i n h a l t e t e d e r monarchische O b e r b e f e h l sow o h l d i e B e f u g n i s z u r T r u p p e n f ü h r u n g als auch d i e Z u s t ä n d i g k e i t i n M i l i t ä r v e r w a l t u n g s a n g e l e g e n h e i t e n 8 6 ; u n d das i m J a h r e 1809 geschaffene K r i e g s m i n i s t e r i u m u m f a ß t e als n u n m e h r einzige m i l i t ä r i s c h e Z e n t r a l b e h ö r d e u n t e r d e m K ö n i g beides: F ü h r u n g ( A l l g e m e i n e s K r i e g s d e p a r t e m e n t ) als auch die V e r w a l t u n g des Heeres ( M i l i t ä r ö k o n o m i e D e p a r t e m e n t ) 8 7 . E r s t das B e s t r e b e n d e r preußischen K ö n i g e , sich i h r persönliches V e r h ä l t n i s z u r A r m e e 8 8 n i c h t d u r c h d i e M i t w i r k u n g des P a r l a m e n t s i n G e s t a l t d e r m i n i s t e r i e l l e n Gegenzeichnung m e d i a t i s i e r e n z u lassen, f ü h r t e z u d e r scharfen S c h e i d u n g d e r K o m m a n d o g e w a l t v o n d e r M i l i t ä r v e r w a l t u n g 8 9 . U n d i m Gefolge d a m i t l ö s t e n sich M i l i t ä r k a b i -
die Konservativen) oder als parlamentarische Monarchie zu verstehen sei (so die liberal-demokratischen Kreise). Hierzu: Carl Schmitt, Staatsgefüge u n d Zusammenbruch des Z w e i t e n Reiches (1934), S. 14—22, 34/35; Hintze, Das monarchische Prinzip u n d die konstitutionelle Verfassung (1911), i n : Otto Hintze, Staat u n d Verfassung, S. 349 ff. (365 ff.); Meisner, Der Kriegsminister (1940), S. 84 ff. — Die schlagwortartige Kennzeichnung „Königs- oder Parlamentsheer", w i e sie sich seit E. R. Huber eingebürgert hat, ist unscharf. Es hat nie i n Frage gestanden, daß der Monarch alleiniger Träger des m i l i t ä rischen Oberbefehls (einschl. der M i l i t ä r v e r w a l t u n g ) war. Das Parlament nahm lediglich eine M i t w i r k u n g bei der Ausübung dieser Gewalt durch den Monarchen f ü r sich i n Anspruch. 88 Vgl. etwa v. Rönne, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, 1. Bd. (1856), S. 263 f. Siehe auch Hossbach, a. a. O., Bd. V I I , S. 202/203. 87 Siehe oben F. Ν . 13. 88 Vgl. hierzu das Handbillet Fried. Wilh. I V . v o m 1. 7.1849, abgedruckt bei Schmidt-Bückeburg, a. a. O., S. 40 ff.:,,... Jeder Offizier sieht i n seinem Könige den persönlichen Herrn, der i h n befördert, sich seiner annimmt, i h n v e r t r i t t . Diesem innigen Verhältnis der Armee zu i h r e m Kriegsherrn verdankt das L a n d die Zuverlässigkeit u n d Hingebung der A r m e e . . . Es wäre höchst v e r derblich, diese innige Verbindung gerade jetzt zu lockern u n d zu l ö s e n . . . N u r dadurch, daß das alte Verhältnis von K ö n i g u n d Heer unangetastet b l e i b t . . . k a n n das Heer bleiben, was es ist, die feste Säule, auf der die Monarchie ruht..." Siehe auch die bei Marschall v. Bieberstein, a. a. O., S. 125 F. Ν . 476 zitierten Allerhöchsten Kundgebungen Wilh. I I u n d ebenda, S. 199. 89
Z u gegensätzlichen Begriffen w u r d e n „Kommandogewalt" einerseits u n d „ M i l i t ä r v e r w a l t u n g " andererseits. Z u beachten ist aber, daß der Ausdruck „ M i l i t ä r v e r w a l t u n g " v o n manchen (frühen) Schriftstellern auch i n einem w e i ten Sinne gebraucht w i r d u n d dann Kommandoangelegenheiten und M i l i t ä r ökonomie umschließt. So etwa bei Haenel, Deutsches Staatsrecht, 1. Bd. (1892), S. 472; L. Meyer, Grundzüge der Deutschen M i l i t ä r v e r w a l t u n g (1901) S. 46. U n d weiter ist darauf hinzuweisen, daß teilweise der Ausdruck „Oberbefehl" i n einem engeren Sinne (nämlich dem der „ r e i n militärischen" Kommandogewalt) der M i l i t ä r v e r w a l t u n g (als Bestandteil der Regierungsgewalt) gegenübergestellt w i r d . So etwa bei Gg. Meyer, Verwaltungsrecht, S. 490; v. Hoffmann, Die M i l i t ä r h o h e i t über das deutsche Landheer i n geschichtlicher E n t w i c k l u n g (1899), S. 5; Fülster, Dt. Reichsstaatsrecht (1913), S. 635 f. Der Sache nach handelt es sich aber stets u m den Gegensatz v o n Truppenführung (als dem r e i n militärischen, gegenzeichnungsfreien Bereich) u n d M i l i t ä r v e r w a l t u n g (als dem ökonomischen, gegenzeichnungsbedürftigen Gebiet).
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Historischer Rückblick
n e t t u n d G e n e r a l s t a b — als die b e i d e n O r g a n e d e r monarchischen K o m m a n d o g e w a l t — a l l m ä h l i c h aus d e m K r i e g s m i n i s t e r i u m h e r a u s 4 0 » 4 1 . D e r A u s d r u c k „ K o m m a n d o " bezeichnete i n d e r m i l i t ä r i s c h e n Fachsprache das m i l i t ä r i s c h e A m t (Geschäftskreis), das d e m Offizier a n v e r t r a u t w a r u n d w o r a u f sich seine Befehlsbefugnis als R e g i m e n t s k o m m a n d e u r oder K o m p a g n i e f ü h r e r g r ü n d e t e . M i t „ K o m m a n d o g e w a l t " w u r d e demzufolge die m i t der militärischen F u n k t i o n verbundene militärische B e f e h l s g e w a l t bezeichnet 4 2 . U n d da i n P r e u ß e n - D e u t s c h l a n d d e r M o n arch als d e r erste Offizier d e r A r m e e 4 3 g a l t , b e k l e i d e t e er — tatsächlich, n i c h t n u r n o m i n e l l — d i e oberste m i l i t ä r i s c h e Dienststelle, v o n d e r
40 F ü r das M i l i t ä r k a b i n e t t geschah dies endgültig durch Kabinettsordre v o m 8.3.1883. Hierzu: Meisner, a. a. O., S.33fï. Einen abgegrenzten Zuständigkeitsbereich hat das M ü i t ä r k a b i n e t t nie besessen. Hervorgegangen aus der früheren „ A b t e i l u n g f ü r die persönlichen Angelegenheiten" bearbeitete es die Offizierspersonalien u n d w u r d e zur Kanzlei des Monarchen f ü r alle K o m m a n doangelegenheiten. 41 Wiewohl erst durch Kabinettsordre v o m 24.5.1883 der unmittelbare Vortrag des Generalstabschefs beim K ö n i g eine F u n k t i o n dieses Amtes wurde, w a r die Loslösung des Generalstabes v o m Kriegsministerium praktisch schon besiegelt, als m i t Kabinettsordre v o m 2.6.1866 verfügt wurde, daß „der Chef des Generalstabes fortan die Befehle unmittelbar an die Kommandobehörden gebe u n d das Kriegsministerium n u r i n Kenntnis setze". (Zitiert nach Wohlers, Die staatsrechtliche Stellung des Generalstabes i n Preußen u n d i m Deutschen Reich [1921], S. 28). D a m i t w a r die operative Führung der T r u p p e n i m Kriege auf den Chef des Generalstabes als ein dem Kriegsministerium nebengeordnetes Organ der königlichen Kommandogewalt übergegangen. Keinesfalls aber w a r dadurch dem Chef des Generalstabes eine eigene Kommando- oder Befehlsgewalt über die Truppen eingeräumt. So aber: E. R. Huber, Heer u n d Staat, S. 341. Die Operationsbefehle ergingen vielmehr i m Auftrage des K ö nigs, der sowohl 1866 als auch 1870/71 den Oberbefehl i m Felde — allerdings nach den Vorschlägen Moltkes — selbst führte. Formal blieb es dabei bis 1918, auch w e n n schließlich Hindenburg (ab 1916 Generalstabschef) zum eigentlichen Feldherrn wurde. Hierzu: Hossbach, a. a. O., Bd. V I I , S. 214/215, 229 fï.; Cron, Geschichte des Deutschen Heeres i m Weltkriege (1937), S. 4. Die Aufgabe des Generalstabes bestand i m Frieden i n der Vorbereitung der Mobilmachung u n d der Einsatzpläne f ü r den Kriegsfall; i m Kriege oblag i h m die L e i t u n g der Operationen unter dem Oberbefehl des Kaisers. 42 Marschall v. Bieberstein, a. a. O., S. 195 stellt sich unter „ K o m m a n d o sachen" solche Angelegenheiten vor, „die eine durch militärische Befehlsgewalt (Kommando) zu regelnde Tätigkeit der zum Waffendienst bestimmten Personen betreffen, m i t h i n die beiden Merkmale aufweisen, die w i r als Charakteristika der,Kommandobehörden' erkannt haben". Eine genaue Kennzeichnung an Hand materieller K r i t e r i e n läßt sich k a u m treffen. Organisatorisch gehörten zu den Kommandoangelegenheiten etwa die Geschäfte, die v o m M i l i t ä r k a b i n e t t u n d dem Generalstab (seit ihrer Loslösung v o m Kriegsministerium) wahrgenommen wurden. 43 F ü r die Marine dekretierte der Kaiser 1899: „Nachdem Ich Mich entschlossen habe, den Oberbefehl über Meine Marine ebenso w i e über Meine Armee selbst zu führen, erachte Ich es nicht f ü r zweckmäßig, w e n n zwischen M i r u n d den einzelnen Befehlshabern eine centrale Kommandobehörde steht, die lediglich Meine Befehle zu übermitteln haben w ü r d e " . Marineverordnungsblatt 1899, S. 61.
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sich alle übrigen Kommandobefugnisse ableiteten 44 . Materiell bezeichnete der Begriff Kommandogewalt also an sich und zunächst nichts anderes, als das militärische Gewaltverhältnis, als die dem militärischen Vorgesetzten zustehende spezifisch militärische Dienstgewalt, kraft derer der Vorgesetzte zu befehlen berechtigt, der Soldat zu besonderem — eben zu militärischem — Gehorsam verpflichtet ist 4 5 . Erst durch den Streit zwischen Krone und Parlament wuchs diese „Kommandogewalt" auch zu einem politischen und schließlich verfassungsrechtlichen Begriff, indem sie den Teil des monarchischen Oberbefehls umschrieb, den der Herrscher gegenzeichnungsfrei, also der parlamentarischen Einwirkung entrückt, seiner alleinigen Zuständigkeit vorbehielt 46 . Die Rechtslehre leistete dabei der Krone insofern Schützenhilfe, als sie — hypnotisiert von der Macht des Faktischen — die rechtstheoretische Erkenntnis faßte, die Kommandogewalt sei i n der Reichsverfassung als eine besondere Gewalt konstituiert und sei begrifflich von der allgemeinen Regierungsgewalt zu unterscheiden, auch wenn der Kaiser i n Personalunion Träger beider Gewalten sei 47 . Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß der Begriff der Kommandogewalt für die konstitutionelle Epoche den Teil des monarchischen Oberbefehls über die Armee bezeichnet, den der König und Kaiser frei von dem konstitutionellen Erfordernis ministerieller Gegenzeichnung 48 und somit unabhängig von parlamentarischer Verantwortlichkeit handhabte. Sachlich betraf dieser Bereich i m wesentlichen die 44 Die R V 1871 hatte durch A r t . 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 Satz 1 den Kaiser zum Inhaber des höchsten Befehlsrechtes über das Heer u n d damit zum Träger der Kommandogewalt bestimmt. Vgl. Anschütz, Deutsches Staatsrecht, i n : Holtzendorff's Encyklopädie der Rechtswissenschaft, 2. Bd. (1904), S. 624; Guderian, Die Stellung des Kaisers u n d der Kontingentsherren nach M i l i t ä r strafprozeßrecht, i n : AöR Bd. 19 (1905), S. 486/487. E i n T e i l der Lehre folgerte allerdings aus A r t . 66 Satz 1 R V das Bestehen noch eines Restes untergeordneter landesherrlicher Kommandogewalt. So Laband, Staatsrecht, 5. Aufl. 4. Bd., S. 61/62. Α. A . m i t guten Argumenten: Brockhaus, Das deutsche Heer u n d die Contingente der Einzelstaaten (1888), S. 220. 45 Vgl. Marschall ν . Bieberstein, a.a.O., S.359, 374, auch S.405, 421; Apel, Die königliche Gewalt, S. 41 ff.; Mueller, Teilung der Militärgewalt, S. 38, 60/ 61, 65; Guderian, a. a. O., S. 484/485. 46 Z u r I l l u s t r a t i o n siehe den Bericht über eine Reichstagssitzung 1883 bei Marschall v. Bieberstein, a. a. O., S. 77 F. N. 271. 47 So Laband, Staatsrecht, 4. Aufl., 4. Bd., S. 34/35; Anschütz, a. a. O., S. 556; Guderian, a. a. O., S. 487. 48 Wie es i m Kaiserreich außer dem Reichskanzler keine Reichsminister gab, so auch keinen Reichskriegsminister. Dessen F u n k t i o n w u r d e aber w e i t gehend v o m preußischen Kriegsminister übernommen, der auch die Heeresangelegenheiten des Reiches i m Reichstag u n d Bundesrat vertrat. — Z u r Stell u n g des preußischen Kriegsministers i m Verhältnis zum Reichskanzler: Schmidt-Bückeburg, a. a. O., S. 277 f.; E. R. Huber, Heer u n d Staat, S. 326—331; Meisner, Der Kriegsminister, S. 55 ff.; Salzmann, Wehrverfassung, S. 37 f.
48
§ 4.
Historischer Rückblick
Gebiete d e r O r g a n i s a t i o n , d e r A u s b i l d u n g , der T r u p p e n f ü h r u n g u n d des Personalwesens 4 ·. O r g a n i s a t o r i s c h f a n d sich d i e K o m m a n d o g e w a l t i m M i l i t ä r k a b i n e t t u n d i m Generalstab repräsentiert 50, w ä h r e n d die Militärverwaltungsangelegenheiten v o m Kriegsministerium erledigt wurden51. I m S t r e i t u m d i e F r a g e monarchisches oder P a r l a m e n t s h e e r w a r d i e K r o n e S i e g e r i n geblieben. Wenigstens a u f d e m G e b i e t des i h r so sehr a m H e r z e n l i e g e n d e n M i l i t ä r w e s e n s h a t t e sie e i n absolutistisches Reserv a t r e c h t i n d i e k o n s t i t u t i o n e l l e Epoche h i n ü b e r r e t t e n k ö n n e n , o b w o h l dasselbe i n d e r geschriebenen V e r f a s s u n g n i c h t e n t h a l t e n w a r . U n d sie h a t dieses so v e r t e i d i g t u n d ausgebaut 5 2 , daß schließlich d i e K o m m a n d o g e w a l t g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h als eine P r ä r o g a t i v e 5 8 d e r K r o n e a n e r k a n n t wurde54. I I . Weimarer Republik 1. Der präsidiale
Oberbefehl
über die
Wehrmacht
M i t d e r U m w a n d l u n g des Deutschen Reiches i n eine p a r l a m e n t a r i s c h e M o n a r c h i e d u r c h das verfassungsändernde Gesetz v o m 28. O k t o b e r 1918 1 49 Durch Allerhöchsten Entscheid v o m 21.11.1873 w u r d e n a u d i Verordnungen i n Ehrengerichtsangelegenheiten dem gegenzeichnungsfreien Bereich der Kommandogewalt zugeschlagen. Vgl. Schmidt-Bückeburg, a. a. O., S. 128. 50 A b e r auch die Generalkommandos w a r e n auf G r u n d der Immediatstell u n g der Kommandierenden Generale der Armeekorps oberste Kommandobehörden (Friedensgliederung). 51 Militärverwaltungsangelegenheiten, die das Reich betrafen, w u r d e n v o m preußischen Kriegsministerium wahrgenommen. I m übrigen w a r e n — soweit vorhanden — die Kriegsministerien der Einzelstaaten zuständig. H i e r zu: Burhenne, Die Deutsche Kontingentsherrlichkeit auf G r u n d der Reichsverfassung (1908), S. 42 ff., 51 ff. u n d Jost, a.a.O., S. 52 ff. Das preußische Kriegsministerium w a r seit 1883 n u r noch oberste Militärverwaltungs-, aber keine Kommandobehörde mehr, verfügte also nicht mehr über militärische Befehlsgewalt gegenüber den Dienststellen der Armee. 52 E i n sinnfälliges Beispiel hierfür ist der sog. Zabernkonflikt. Siehe h i e r zu: E. R. Huber, Heer und Staat, S. 309—314 u n d die Rede des Abgeordneten M ü l l e r - M e i n i n g e n v o m 6. 5.1914, i n : E. R. Hüber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2 (1964), S.448f.: „ . . . d i e absolutistische Idee der unverantwortlichen m i l i t ä r i s d i e n Kommandogewalt des obersten Kriegsherrn, das w a r das eigentlich Beunruhigende i n der ganzen Affäre Zabern." Z u r I l l u s t r a t i o n siehe außerdem: Schmidt-Bückeburg, a. a. O., S. 141—143 ff., 154 ff., 231 ff. 53 Vgl. etwa v. Kirchenheim, A r t . „Heer (Heeresverwaltung)", i n : v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Verwaltungsrechts, 1. Bd. (1890), S. 640 (re. Sp.); Erich Kaufmann, A r t . „Verwaltung, Verwaltungsrecht", ebenda, 3. Bd. (1914), S. 698 (re. Sp.). 54 Vgl. oben F. N. 31. Außerdem: Zorn, Streitfragen des Militärrechts, i n : Deutsche Juristen-Zeit u n g 1906, S. 669 ff.: „Das aus einer großen historischen T r a d i t i o n u n d der zwingenden m i l i t ä r i s d i e n Notwendigkeit erwachsene Gewohnheitsrecht...". 1 RGBl. S. 1274.
II. Weimarer Republik
49
fand die extrakonstitutionelle kaiserliche Kommandogewalt i h r Ende. Die Offiziersernennung wurde nunmehr der ministeriellen Gegenzeichnung unterworfen, und der Reichskanzler sollte fortan für alle Anordnungen und Verfügungen des Kaisers von politischer Bedeutung dem Reichstag verantwortlich sein 2 . Damit war die alte liberal-demokratische Forderung nach Parlamentarisierung der Kommandogewalt noch i n der Abendstunde der Monarchie Wirklichkeit geworden und die m i l i tärischen Prärogativrechte weitgehend beseitigt. Praktische Wirksamkeit hat die Verfassungsänderimg nicht mehr erlangt. Schon am 9. November 1918 sank die Monarchie i n Trümmer und m i t i h r auch der letzte Rest monarchischer Kommandogewalt. Der Kaiser übertrug den Oberbefehl über das Feldheer dem Chef des Generalstabes und de-facto-Chef der Obersten Heeresleitung Feldmarschall v. H i n denburg, der i h n bald darauf infolge der Revolution an den Rat der Volksbeauftragten verlor 8 . Nachdem das „Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt" vom 10. Februar 19194 noch keine eindeutige Aussage über den künftigen Träger des Oberbefehls gebracht hatte, bestimmte die am 6. März 1919 ergangene „Ausführungsverordnung zum Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr" 5 i n § 1: „Die Reichswehr steht unter dem Oberbefehl des Reichspräsidenten". Diese zunächst nur vorläufige Regelung wurde durch A r t . 47 der am 11. August 1919 i n Kraft getretenen Verfassung bestätigt und gleichzeitig die Gegenzeichnungspflicht des Reichskanzlers bzw. des zuständigen Reichsministers auf dem Gebiete der Wehrmacht besonders hervorgehoben®.
2 A r t . 15 Abs. 3—5, A r t . 66 Abs. 3 u n d 4 der geänderten RV. Folgerichtig w u r d e das M i l i t ä r k a b i n e t t noch a m Tage der Verfassungsänderung dem Kriegsministerium unterstellt. Schmidt-Bückeburg, a. a. O., S. 291/292. Siehe auch Schmädeke, Militärische Kommandogewalt u n d parlamentarische Demokratie (1966), S. 20—23. 8 Hierzu: Hossbach, a. a. O., Bd. V I I , S. 237/238; Bd. V I I I , S. 197/198 ff.; Koenigsbeck, a. a. O., S. 52 ff.; Schmädeke, a. a. O., S. 18 ff. Vgl. den Erlaß über die „Vorläufige Regelung der Kommandogewalt u n d die Stellung der Soldatenräte i m Friedensheere" v o m 19.1.1919 (Armeeverordnungsblatt S. 54), wonach sich der Rat der Volksbeauftragten die oberste Kommandogewalt vorbehielt, deren Ausübung jedoch unter dem Vorbehalt unmittelbarer Befehlserteilung dem preußischen Kriegsminister übertrug.
Eine Zusammenstellung der Verordnungen u n d Erlasse f ü r die Übergangszeit bis zum I n k r a f t t r e t e n der neuen Verfassung findet sich bei Finger, Das Staatsrecht des Deutschen Reichs (1923), S. 539—543 u n d Schmädeke, a. a. O., S. 29 ff. 4
RGBl. I , S. 169.
5
RGBl. I , S. 296.
β
A r t . 50 WRV. Also Gegenzeichnungspflicht auch f ü r alle Kommandoakte!
4 Erhardt
50
§ 4. Historischer Rückblick
Der Reichspräsident war also i m wesentlichen an die Stelle des Kaisers getreten 7 . Aber nicht wie dieser wollte er sein Recht zur Truppenführung auch als Inhaber der obersten militärischen Kommandostelle ausüben 8 . Durch die „Verordnung betreffend die Übertragung des Oberbefehls über die Wehrmacht des Deutschen Reichs auf den Reichswehrminister" vom 20. August 19199 delegierte Ebert die Ausübung des Oberbefehls — vorbehaltlich unmittelbarer Befehlserteilung durch den Reichspräsidenten — auf den Reichswehrminister. Der Reichswehrminister war damit Träger des Oberbefehls kraft Delegation. Darüber hinaus räumte i h m das Wehrgesetz vom 23. März 192110 auch ein eigenes Befehlsrecht ein, indem es i n § 8 Abs. 2 bestimmte: „Der Reichspräsident ist oberster Befehlshaber der gesamten Wehrmacht. Unter i h m übt der Reichswehrminister Befehlsgewalt über die gesamte Wehrmacht aus." Der sich hier zwangsläufig stellenden Frage, ob dadurch der Reichswehrminister i n Angelegenheiten des m i l i tärischen Oberbefehls Untergebener des Reichspräsidenten geworden war, braucht i m Rahmen des vorliegenden Themas nicht nachgegangen zu werden 11 . Wichtig aber ist, daß der Reichswehrminister gemäß A r t . 56 Satz 2 WRV i n allen Verwaltungsangelegenheiten der Wehrmacht Ressortchef und somit oberste Instanz war 1 2 . Daraus ergibt sich nämlich, daß der Begriff des Oberbefehls nun endgültig die Militärverwaltungsangelegenheiten nicht mehr m i t umfaßte. Damit war der Prozeß der Verengung des Oberbefehlsbegriffs — wie er i m Jahre 1861 eingesetzt hatte — zum Abschluß gekommen: Das Recht des Oberbefehls betraf i m Kern nur noch die „rein militärische" 1 8 Leitung und Führung der bewaffne7 Hüsing, Die neue deutsche Wehrverfassung (1920), S. 40; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs (1933), S. 267; Finger, a. a. O., S. 549. Diese Feststellung trifft allerdings i n bezug auf die M i l i t ä r v e r w a l t u n g s angelegenheiten nicht zu. 8 Seine eigenartige Stellung, die i h n wegen des A r t . 50 W R V bei jeder Befehlserteilung an die M i t w i r k u n g des Reichswehrministers band, hätte dies auch praktisch unmöglich gemacht. 9 RGBl. I I , S. 1475. 10 RGBl. I , S. 329. 11 Das eigenartige Verhältnis v o n Reichspräsident zu Reichswehrminister konnte zu komplizierten Situationen führen. Hierzu: Paulus, Die militärische Spitzengliederung i m Verfassungsleben v o n Bonn u n d Weimar (1959), S. 11 bis 16, 34 ff. Vgl. auch Lepper, a. a. O., S. 145; Salzmann, a. a. O., S. 48; Karkowski, Die parlamentarische Kontrolle der Wehrmacht (1960), S. 109 f.; Pohl, Die Z u ständigkeit des Reichspräsidenten, i n : Anschütz-Thoma, Handbuch des D e u t schen Staatsrechts, 1. Bd. (1930), S. 497. 12 Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung (1928), A r t . 47 A n m . 2 a, A r t . 56 A n m . 3 c u n d die h. A . 18 So die sich seit Malchus, P o l i t i k der inneren Staatsverwaltung, 1. T e i l (1823), S. 67,44, häufig findende Bezeichnung.
I I . Weimarer Republik
51
t e n M a c h t 1 4 . D e r Sache nach l e b t e also d i e t o t g e g l a u b t e S c h e i d u n g z w i schen A r m e e b e f e h l u n d A r m e e v e r o r d n u n g m i t v e r ä n d e r t e n V o r z e i c h e n f o r t : P r ä s i d i a l e K o m m a n d o a k t e e r f o r d e r t e n nach A r t . 50 W R V m i n i sterielle Gegenzeichnung; M i l i t ä r v e r w a l t u n g s a k t e k o n n t e n i n oberster I n s t a n z n u r v o m R e i c h s w e h r m i n i s t e r erlassen w e r d e n u n d b e d u r f t e n daher naturgemäß keiner weiteren Verantwortungsübernahme. E i n e n Versuch, d e n i n der N a t u r der Sache l i e g e n d e n D u a l i s m u s z w i schen K o m m a n d o u n d V e r w a l t u n g d u r c h Z e n t r a l i s i e r u n g des gesamten M i l i t ä r w e s e n s i n einer
Instanz zu mildern, hatten die Weimarer
fassungsgeber n i c h t u n t e r n o m m e n
143
Ver-
. I h n e n w a r es s e l b s t v e r s t ä n d l i c h
erschienen, daß n u r d e r Reichspräsident i n d i e v a k a n t g e w o r d e n e O b e r befehlshaberstellung
eintreten konnte15. M a n glaubte den
d u r c h E i n f ü h r u n g des Gegenzeichnungserfordernisses i n allen a n g e l e g e n h e i t e n entschärft z u haben. I n d e r
Zündstoff Militär-
Verfassungswirklichkeit
aber e n t w i c k e l t e sich d e r v e r a n t w o r t l i c h e R e i c h s w e h r m i n i s t e r z u m p a r -
14 Vgl. die Gleichsetzung v o n Oberbefehl u n d oberster Kommandogewalt bei Poetzsch-Hefter, a. a. O., A r t . 47 A n m . 2 a u n d Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, A r t . 47; Gebhard, Handkommentar zur Verfassung des Deutschen Reiches (1932), S. 243; Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches (1931), A r t . 47 Erl. 1; Alfons Maier, Die verfassungsrechtliche u n d staatspolitische Stellung der deutschen Wehrmacht, i n : Verw.Arch. Bd. 39 (1934), S. 271. Hierzu: Lukas, A r t . „Wehrverfassung", i n : Wörterbuch der Rechtswissenschaft, 6. Bd. S. 837, der aber dem Wort „Oberbefehl" auch w e i t e r h i n die u m fassende, auch die M i l i t ä r v e r w a l t u n g i. e. S. i n sich schließende, Bedeutung zuerkannte. Über die i m präsidialen Oberbefehl Weimarer Prägung enthaltenen Einzelrechte: Koenigsbeck, a. a. O., S. 64 ff.; Blenk, Die Kommandogewalt i n der deutschen Reichswehr (1931), S. 36 ff. 14a Schmädeke übersieht dies, fast möchte m a n meinen: geflissentlich. E r b i l l i g t dem Reichspräsidenten als Oberbefehlshaber eine lediglich repräsentative F u n k t i o n zu (S. 55) u n d w u n d e r t sich dann, w e n n die Weimarer K o m mentatoren des A r t . 47, die allesamt von einer materiellen Befehlsgewalt ausgehen, dem Reichspräsidenten die letzte Instanz i n Fragen der militärischen Befehlsgewalt zuweisen (vgl. S. 104 f.). Vollends subjektiv w i r d die Wertung S. 105, w o Schmädeke sofort Reaktion w i t t e r t , w e n n dem Reichswehrminister aufgrund des A r t . 56 Satz 2 R V „ n u r " i n Verwaltungsangelegenheiten die letzte Instanz eingeräumt w i r d . Vgl. auch S. 116/117, wo deutlich w i r d , daß Schmädeke v o n einem parlamentarischen Modell ausgeht, das gerade auf dem Gebiete des Militärwesens i n der Weimarer Verfassung nicht v e r w i r k l i c h t worden war. 15 Obwohl damit die Kommandoangelegenheiten aufs neue der Regierung (im institutionellen Sinne) entzogen wurden. Denn die A k t e des Reichspräsidenten unterlagen zwar der ministeriellen Gegenzeichnung, dagegen w a r der Reichspräsident — w e i l nicht Kabinettsmitglied — nicht unmittelbar der Richtlinienkompetenz des Reichskanzlers unterworfen. Blieb er beispielsweise untätig, u n d das konnte bei seiner Machtfülle eminent politische Bedeutung haben, so konnten keine parlamentarischen Sanktionen gegen i h n ergriffen werden. Vgl. auch Lukas, a. a. O., S. 838 (re. Sp.).
4·
52
§ 4. Historischer Rückblick
lamentarischen Prellbock zwischen dem Reichspräsidenten und dem Chef der Heeresleitung 1 ·. 2. Die rechtliche Stellung des Chefs der Heeresleitung Durch A r t . 160 des Versailler Vertrages war eine organisatorische Zusammenfassung der zwei Generalkommandos unter eine — unter dem Reichswehrministerium stehende — Kommandobehörde untersagt worden. Trotzdem schuf man die Stelle eines Chefs der Heeresleitung 17 » 18 . Als dann Seeckt am 17. März 1920 auf diesen Posten berufen wurde, konnte er seine kurz zuvor geäußerten Vorschläge 19 i n die Tat umsetzen und an die Spitze der Armee m i t seiner Person einen kommandierenden General stellen, i n dessen Hand „der Reichswehrminister die Sorge für die Führung der Truppe und für ihre Ausbildung zu legen" hatte; denn „der eigentliche Führer und Ausbilder der Armee" konnte und sollte nach der Auffassung Seeckts der Reichswehrminister nicht sein. Bereits Ende März 1920 sah ein Entwurf über die Befehlsbefugnisse des Chefs der Heeresleitung vor: „Der Chef der Heeresleitung ist unter dem Reichswehrminister die höchste militärische Dienst- und Kommandostelle des Heeres 20 ." Und am 11. August 1920 wurde die Verordnung über die „Regelung der Befehlsbefugnisse i m Reichsheere" erlassen 21 . Darin war ausgesprochen, daß der Chef der Heeresleitung den Reichswehrminister i n Ausübung der Kommandogewalt vertritt und daß i h m die Oberbefehlshaber der Gruppen und die Divisionskommandeure unterstellt sind 22 . Außerdem wurde festgelegt, daß der Heeresleitung das Personalamt, das Truppenamt, das Wehramt, die Waffeninspekteure und der Inspekteur des Erziehungs- und Bildungswesens unterstehen. Damit war die Stelle des Chefs der Heeresleitung zur obersten Kommandobehörde unter dem Reichswehrminister ausgebaut worden, noch 18 Vgl. etwa Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik (1960), S. 251 f.; Carsten, Reichswehr u n d P o l i t i k (1964), S. 166. 17 U n d zwar auf Drängen des Generals Reinhardt. — General v. Seeckt hat sich erst m i t Schreiben an Noske v o m 16.1.1920 f ü r einen kommandoführenden Generalissimus ausgesprochen. Zuvor hatte er stets den Reichswehrminister selbst als „die eigentliche persönliche Spitze i n allen Fragen der K o m mandoführung u n d der V e r w a l t u n g " befürwortet. Hierzu u n d zur Entstehung des Reichswehrministeriums: Meier-Welcker, Die SteUung des Chefs der Heeresleitung i n den Anfängen der Republik, i n : Vierteljahreshefte f ü r Zeitgeschichte 1956, S. 145 ff. (149—156). 18 HVB1.1919, S. 345. 19 Schreiben Seeckts an Noske v o m 16.1.1920, abgedruckt bei MeierWelcker, a. a. O., S. 155 f. 20 ν . Rabenau, Seeckt (1940), S. 472. 21 HVB1.1920, S. 841. 22 Diese hatten zuvor direkt dem Reichswehrminister unterstanden. Carsten, a. a. O., S. 121 ; Schmädeke, a. a. O., S. 99/100.
II. Weimarer Republik
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ehe am 23. März 1921 das Wehrgesetz 28 erlassen wurde. Dieses bestätigte denn auch die zentrale Position des Chefs der Heeresleitung, ohne allerdings — m i t Rücksicht auf die Interalliierte Militärkontrollkommission — auf die Spitzengliederung der Wehrmacht näher einzugehen oder die Seecktsche Stellung kompetenzmäßig zu umgrenzen. § 8 des Wehrgesetzes lautete: „Die Befehlsführung liegt ausschließlich i n der H a n d der gesetzmäßigen Vorgesetzten. Der Reichspräsident ist oberster Befehlshaber der gesamten Wehrmacht. Unter i h m übt der Reichswehrminister Befehlsgewalt über die gesamte Wehrmacht aus. A n der Spitze des Heeres steht ein General als Chef der Heeresleitung, . .
Die ausdrückliche Erwähnung von Reichspräsident und Reichswehrminister als gesetzmäßige Vorgesetzte i n § 8 W G hatte man deshalb für notwendig erachtet, weil nach überlieferter Vorstellung nur Angehörige des Soldatenstandes Vorgesetzteneigenschaft haben und somit Träger militärischer Befehlsgewalt sein konnten 2 4 . Dieser Vorstellung entsprach es auch, wenn Seeckt den Reichswehrminister mehr und mehr zum bloßen Vertreter militärischer Interessen i n Parlament und Regierung degradierte 25 , die Fäden der militärischen Führung aber selbst i n der Hand behielt. Dazu war er auf Grund seiner Stellung durchaus i n der Lage. Denn daß der Chef der Heeresleitung trotz der Formulierung „(er) vertritt den Reichswehrminister i n Ausübung der Kommandogewalt" 2 · eine selbständige Befehlskompetenz besaß, ergibt sich unabhängig von § 8 Abs. 2 W G schon aus der Tatsache, daß i h m die Oberbefehlshaber der Gruppen und die Divisionskommandeure truppendienstlich unterstellt waren. Hatte dies doch zur Folge, daß er ein militärisches A m t bekleidete, ein Kommando führte, das i h m notwendigerweise eine m i t dieser Funktion verbundene Dienst- oder Kommandogewalt kraft eigenen Rechts — allerdings unter dem M i n i ster — verlieh. Und kraft dieser Kommandogewalt konnte er selbständig und unabhängig Befehle an die i h m nachgeordneten Kommandobehörden und Truppeneinheiten erteilen 27 . 28
RGBl. I, S. 329; geänderte Fassung v o m 18. 6.1921, RGBl. I I , S. 787. Begründung zum E n t w u r f des Wehrgesetzes. Siehe Rittau, Die K o m mandogewalt i n der deutschen Wehrmacht, i n : Wissen u n d Wehr 1925, S. 526. Siehe insbesondere auch Hossbach, a. a. O., Bd. V I I I , S. 207/208. 25 Paulus, a. a. O., S. 39; Bracher, a. a. O., S. 251. 26 HVB1.1920, S. 841. 27 Paulus, a. a. O., S. 45; Blenk, a. a. O., S. 33/34. Vgl. auch Gebhard, a.a.O., S.244: „Dagegen ist die Befehlsgewalt, die der Chef der Heeresleitung über das Reichsheer... ausübt, keine v o m Reichspräsidenten übertragene Ausübung der Kommandogewalt, sondern eine durch das Gesetz verliehene . . . Befehlsgewalt (§ 8 des Wehrgesetzes)." 24
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