Indigenes Erbe im Internet: Zur Identitätspolitik der Chicano-Fotografie im digitalen Zeitalter 9783839440018

The battle for cultural recognition and social equality - from the perspective of U.S. American Chicano photographers an

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German Pages 316 Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Chicano-Fotorafie heute
Das Internet als Fotoplattform
Chicano-Fotografie im World Wide Web
Zusammenfassung
Bibliografie
Danksagung
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Indigenes Erbe im Internet: Zur Identitätspolitik der Chicano-Fotografie im digitalen Zeitalter
 9783839440018

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Laura M. Corkovic Indigenes Erbe im Internet

Image | Band 122

Laura M. Corkovic (Dr.), geb. 1971, forscht insbesondere zu den Themen mexikanische Fotografie und Chicano-Fotografie sowie indigene Kulturen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt umfasst das Thema barocke Malerei und die Kulturen des Vizekönigreiches Neuspanien.

Laura M. Corkovic

Indigenes Erbe im Internet Zur Identitätspolitik der Chicano-Fotografie im digitalen Zeitalter

Gefördert mit Mitteln der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung, Köln.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2017 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Robert C. Buitrón, »Malinche y Pocahontas contando la historia de Pancho y Tonto«, USA 1995. © Robert C. Buitrón Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4001-4 PDF-ISBN 978-3-8394-4001-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Einleitung | 7 Chicano-Fotografie heute | 15

Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie | 24 Chicano Fotografie vs. Chicano-Fotografie | 33 Das Internet als Fotoplattform | 47

Künstler-Websites | 68 Indigene Gruppen im Internet | 84 Platzierung, Streuung und Kontrollverlust | 105 Chicano-Fotografie im World Wide Web | 139

Identität | 142 Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity | 157 Robert C. Buitrón – El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) | 180 Solidarität | 210 David Bacon – Communities without Borders | 220 Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst | 261 Zusammenfassung | 281 Bibliografie | 289 Danksagung | 313

Einleitung

Während der Great Depression in den 1930er Jahren spielte die Sozialdokumentarische Fotografie1 in den USA eine bedeutende Rolle und entwickelte sich durch die fotografische Praxis der Farm Security Administration (FSA)2 zu einem wesentlichen Teil der Kunstgeschichte. Fotografen wie z.B. Dorothea Lange, Walker Evans, Marion Post Walcott und Russell Lee hielten die extrem schwierigen Lebensverhältnisse unterprivilegierter Landarbeiter, zu denen auch mexikanische Einwanderer gehörten, in ihren Arbeiten fest. Diese Bilder dienten der amerikanischen Regierung als politische Propaganda, d.h., sie sollten auf eine schnelle Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Missstände im Land hindeuten, welche sich allerdings nicht finden ließ. Der Zweite Weltkrieg lenkte von dieser Tatsache ab und verhinderte vorerst das Ausbrechen einer sich anbahnenden großen sozialen Bewegung unter den Landarbeitern. Die allgemeine Wirtschaftslage hatte sich in der Nachkriegszeit zwar verbessert, doch noch immer herrschten große soziale und wirtschaftliche Unterschiede in der Bevölkerung vor. Schließlich, in den 60er Jahren, gewannen die Chicanos, welche US-Amerikaner und Nachkommen mexikanischer Einwanderer sind, durch das Chicano Civil Rights Movement zunehmend an gesellschaftlicher und 1

Daniel, Pete. Official Images: New Deal Photography. Washington, D.C.: Smithsonian Institution Press, 1987. Fleischhauer, Carl, Beverly W. Brannan, Lawrence W. Levine, and Alan Trachtenberg. Documenting America, 1935-1943. Berkeley: University of California Press in association with the Library of Congress, 1988. Nash, Gerald D. The Crucial Era: The Great Depression and World War II, 1929-1945. 2nd ed. ed. New York: St. Martin's Press, 1992. Lesy, Michael, and United States. Farm Security Administration. Long Time Coming: A Photographic Portrait of America, 19351943. 1st ed. New York: Norton, 2002.

2

Die Library of Congress hat über 170.000 Schwarz-Weiß-Abbildungen und über 1600 Farbfotografien sowie umfangreiche Information zur FSA online gestellt, in: http://www.loc.gov/rr/program/journey/fsa.html (23.05.2016).

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politischer Bedeutung. Zeitnah und in verschiedenen Orten des Landes erhoben sich ihre Anhänger und protestierten in Massen. Sie kämpften um Land, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne, um politisches Mitspracherecht und deutlich bessere Ausbildungsbedingungen für ihre Kinder. An den Universitäten wurden die Chicano Studies, eine interdisziplinäre Fachrichtung, welche sich hauptsächlich mit Geschichte beschäftigt und bis heute entscheidend zur Identitätsfindung der Chicanos beiträgt, eingeführt. Es war ein Kampf um soziale, politische und kulturelle Anerkennung, der sowohl Siege als auch Rückschläge mit sich brachte.3 Derzeit bilden die mexikanischen Amerikaner neben den Afroamerikanern die zweitgrößte ethnische Minderheit der Vereinigten Staaten.4 Daher spiegelt sich die Chicano-Kultur in zahlreichen Arbeiten amerikanischer Fotografen wider und verdeutlicht sowohl ihre Bedeutung in der aktuellen Gesellschaft als auch ihre Vielschichtigkeit. Die Chicanos definieren ihre eigene Kultur nicht nur über die angloamerikanische, mexikanische und spanische Geschichte, sondern speziell über ihre indigene Vergangenheit. Das indigene Erbe stellt in der Chicano-Fotografie ein essentielles Element der eigenen sozialen Identität und künstlerischen Authentizität dar. Hierbei soll die vorliegende Arbeit als ein Beitrag zur Analyse der Chicano-Ästhetik in der Fotografie sowie der Darstellung von Minderheiten-Fotografie im Internet dienen. 3

Siehe auch die Kapitel »Identität« und »Solidarität« der vorliegenden Arbeit.

4

»Die hispanoamerikanische Bevölkerung ist seit 2000 die größte ethnische Minorität des Landes. 2010 stellte sie mit rund 50 Millionen Menschen 16,4 Prozent der Gesamtbevölkerung. Ihre Gruppe zeigt ein heterogenes Profil, was allein schon durch die verschiedenen Herkunftsgebiete zu erklären ist: 63 Prozent stammen aus Mexiko […], 8,6 aus Zentral- und Südamerika, 9,2 aus Puerto Rico, sieben aus dem karibischen Raum und 3,5 Prozent aus Kuba. Zusätzlich weist die hispanoamerikanische Bevölkerungsgruppe unterschiedliche Charakteristika in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht auf. Ähnlich wie bei Afroamerikanern ist jedoch eine hohe Armutsrate zu verzeichnen. […] Nach den Prognosen dieser Behörde [dem US-amerikanischen Zensusbüro] wird sich der hispanoamerikanische Bevölkerungsanteil bis zum Jahr 2050 auf über 100 Millionen verdoppeln. Die Gründe für diesen rapiden Anstieg liegen in hohen Geburtenraten und einer anhaltend hohen Zuwanderung, die allein zwischen 1990 und 1994 nahezu zwei Millionen Menschen in die Vereinigten Staaten brachte. Die höchsten hispanoamerikanischen Bevölkerungsanteile gibt es in Kalifornien, Texas, New York und Florida.« Bundeszentrale für Politische Bildung. Gesellschaftsstruktur der USA, 20. März 2014, in: http://www.bpb.de/izpb/181064/gesellschaftsstruktur-der-usa (15.03.2017)

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Im Zuge der Chicano-Bewegung nutzten ihre Anhänger die gesamte Breite der Massenmedien wie Presse, Radio und Fernsehen für ihren Kampf um kulturelle Anerkennung und gesellschaftliche Gleichberechtigung, während die Fotografie zu einem der wichtigsten Zeitdokumenten avancierte. Seit den 90er Jahren bieten das Internet und seine sozialen Netzwerke nun eine zusätzliche Plattform zum schnellen Austausch von politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Informationen an. Ob und wie dieses neue, scheinbar ideale Forum der Vernetzung von den zeitgenössischen Chicano-Fotografen genutzt wird, soll anhand konkreter Beispiele eruiert werden. Hierbei werden folgende Fragen untersucht: Welche Bedeutung haben die indigenen Kulturen für die zeitgenössischen Chicano-Fotografen und wie spiegeln sich diese in ihren Arbeiten wider? Wie werden das Internet und soziale Netzwerke für die Präsentation von ChicanoFotografie genutzt? Wie stark ist die Verbreitung von Chicano-Fotografie über das World Wide Web tatsächlich? Und schließlich: Wie effizient ist die InternetPräsenz der Chicano-Fotografen im anhaltenden Kampf um kulturelle Anerkennung und gesellschaftliche Gleichberechtigung? Das Forschungsprojekt umfasste einen Zeitraum von zwei Jahren und wurde in mehreren Phasen realisiert. Während der ersten habe ich eine detaillierte Recherche zu den Themen Chicano-Geschichte, -Kultur und -Fotografie sowie ihrer Präsenz im Internet und den sozialen Netzwerken vorgenommen. Hierbei fokussierte ich mich insbesondere auf Fotografen, deren Werke einen Bezug zu den indigenen Kulturen haben. Im Anschluss entwickelte ich basierend auf dieser Recherche spezifische Fragebögen und stellte erste Kontakte zu den Fotografen in den USA her. Es folgte eine intensive Recherche in situ, während zweier dreimonatiger Auslandsaufenthalte in Amerika. Der erste war Hauptsächlich in Texas und den zweiten teilte ich in vier Wochen New Mexico und zwei Monate Kalifornien auf. In dieser Zeit habe ich neben der Forschungsarbeit in den lokalen Universitätsbibliotheken auch insgesamt 27 Interviews geführt und dabei eine umfangreiche Datenbank mit Informationen und Abbildungen aus den Sammlungen der befragten Chicano-Fotografen angelegt. Um einen Gesamteindruck des Themenspektrums im Vergleich zu ihrer tatsächlichen Online-Präsenz zu bekommen, interessierten mich nicht nur die bereits publizierten Projekte, sondern gleichermaßen die noch unveröffentlichten. Nach jedem der beiden Amerika-Aufenthalte habe ich eine determinierte Zeitspanne in Deutschland eingeplant, welche der Analyse des akquirierten Materials diente. In einer abschließenden Phase habe ich alle Forschungsergebnisse zusammengefasst und in drei Hauptkapitel strukturiert. Im ersten Kapitel gehe ich auf bisherige Ausstellungen und die wichtigsten Publikationen ein und ziehe dabei einige thematische Vergleiche zur Chicano-Malerei. Da der soziokulturelle Be-

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griff Chicano,-a aufgrund seiner Komplexität äußerst schwer zu definieren ist, habe ich im Kapitel »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie« eine Annäherung an den selbigen basierend auf seiner Etymologie, seinem Gebrauch im Laufe der Chicano-Geschichte und meiner Interviews mit den Fotografen herausgearbeitet. Mit der hierbei gewonnenen Erkenntnis bin ich im Kapitel »Chicano Fotografie vs. Chicano-Fotografie« auf die notwendige Frage eingegangen, ob man heutzutage überhaupt Chicano,-a sein muss, um ChicanoFotografie erschaffen zu können oder ob nicht vielmehr die Bildinhalte und eine persönliche Identifizierung bzw. Solidarität mit der Chicano-Kultur ausschlaggebend sind. Im zweiten Kapitel habe ich mich mit dem Thema Internet als Fotoplattform beschäftigt. Untersucht wird, welche Möglichkeiten den Fotografen derzeit zur Online-Bildpräsentation ihrer Werke zur Verfügung stehen und wie diese von ihnen genutzt werden. Außerdem sollen hierbei sowohl die Vor- als auch Nachteile dargelegt werden, welche bei Online-Veröffentlichungen von Fotomaterial entstehen und was die Chicano-Fotografen basierend auf ihren persönlichen Erfahrungen darüber denken aufgezeigt werden. Wie sich herausstellte haben einige Fotografen eine eher passive Internet-Präsenz, während andere sich bewusst aktiv an der Herausbildung ihrer eigenen Online-Historie als Künstler beteiligen. Im Kapitel »Künstler-Websites« habe ich Künstler-Homepages miteinander verglichen und Tendenzen in der Gestaltung dieser sehr persönlichen OnlinePräsenz beschrieben. Da sich nicht nur die Chicano-Fotografen für die Darstellung ihrer Kultur des Internets bedienen, sondern auch diverse indigene Gruppen, gehe ich im Kapitel »Indigene Gruppen im Internet« auf die Websites einiger ihrer wichtigsten Organisationen ein. Ich konnte feststellen, dass manche indigenen Gruppen in der Fotografie stärker vertreten sind als andere und dass sowohl ihre Geschichte als auch ihre derzeitige Internet-Präsenz in einem relevanten Verhältnis dazu stehen. Im Kapitel »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust« habe ich noch einmal das Problem des Kontrollverlustes beim Einsatz von Bildmaterial im Internet aufgegriffen und anhand der Fotografie Jumping the fence von David Bacon analysiert. Das Kapitel »Chicano-Fotografie im World Wide Web« zeigt vier konkrete Fallstudien, jeweils zwei zu den Themen Identität und Solidarität. Denn diese haben sich im Laufe meiner Recherche als die beiden wichtigsten Hauptthemen in der fotografischen Auseinandersetzung mit den eigenen indigenen Wurzeln und der aktuellen Online-Präsenz indigener Kulturen in der Chicano-Fotografie herausgestellt. Das Kapitel »Chicano-Fotografie im World Wide Web« beginnt mit einer kurzen Darstellung von Kultur und Identität, als zwei voneinander untrennbare Phänomene, in dessen Verflechtung sich im Falle der Chicano-Kultur

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auch das Erbe der indigenen Subkulturen finden lässt. Im Kapitel »Identität« zeige ich, dass die aktuelle Chicano-Identität sich primär über die mexikanischamerikanische Geschichte des Südwestens, die persönlichen Familiengeschichten und den direkten Einfluss der zeitgenössischen US-amerikanischen Popkultur generiert. Darum habe ich an dieser Stelle einen historischen Rahmen gegeben und die persönlichen Familiengeschichten der Fotografen miteinbezogen. Für das Thema Identität habe ich die Fotoserien Brown Identity von Lupita Murillo Tinnen sowie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) von Robert C. Buitrón analysiert. Das Kapitel »Solidarität« verdeutlicht die Solidarität der seit jeher um soziale Gleichberechtigung kämpfenden Chicanos mit den derzeit in den USA lebenden indigenen Einwanderern und soll klären, wie aktiv die Fotografen tatsächlich sind, wenn es um die Rechte der Indigenen heute geht. Hier untersuche ich die Projekte Communities without Borders von David Bacon sowie Sed: The Trail of Thirst von Delilah Montoya und Orlando Lara. Abbildung 1: Semantischer Aufbau von HTML Seiten.

Quelle: http://www.myseosolution.de/seo-tutorial/onpage-optimierung/strukturaufbau-homepage/semantischer-aufbau-html-seiten/ (23.05.2016)

Da ich das Design zahlreicher Homepages beschreibe, möchte ich kurz auf den klassischen Seitenaufbau einer solchen eingehen (Abb. 1). Oben befindet sich der sogenannte Header, in der Mitte links das Navigationsmenü, rechts daneben der Content-Bereich und unten der Footer. Wie wir an den Fallbeispielen sehen werden, kommt es häufig vor, dass die Navigation anstatt am linken Rand oben unter dem Header platziert wurde. Sonstige Termini zur Beschreibung des Webdesigns werden an der jeweiligen Textstelle erklärt.

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Abbildung 2: Homepage von David Bacon. Screenshots.

Quellen: Desktop Monitor (oben) vs. Laptop Monitor (Mitte), jeweils mit Windows 7 und Firefox, (26.08.2014) im Vergleich zur Ansicht auf dem HandyDisplay (unten), Nokia Lumia 730 mit Windows Phone 8.1 und Internet Explorer (16.05.2016)

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Abbildung 3: Homepage von Delilah Montoya. Screenshots.

Quellen: Desktop Monitor (links) vs. Laptop Monitor (Mitte), jeweils mit Windows 7 und Firefox, (26.08.2014) im Vergleich zur Ansicht auf dem HandyDisplay (rechts), Nokia Lumia 730 mit Windows Phone 8.1 und Internet Explorer (16.05.2016)

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Abschließend möchte ich Angaben zu den von mir verwendeten Endgeräten machen, die ich für die Anfertigung der Screenshots gewählt habe. Denn die Performance einer Website ist abhängig vom Computerbildschirm des jeweiligen Nutzers5 und wirkt sich somit auf die Bildpräsentationen aus. Hierbei habe ich wie die meisten Internet-User die empfohlene maximale Bildschirmauflösung gewählt. Die Bilder und Schriftzüge auf der Website von David Bacon beispielsweise sind auf einem 23 Zoll Desktop-Monitor bei einer 1920×1080 Auflösung kaum lesbar, während sie auf einem 17 Zoll Laptop-Bildschirm mit 1366x786 Auflösung problemlos zu erkennen sind (Abb. 2). Auf der Website von Delilah Montoya ergibt sich durch die hohe Auflösung auf dem DesktopBildschirm eine Doppelung des Hintergrundbildes, welches auf dem LaptopBildschirm nicht optimal wiedergegeben wird (Abb. 3). Heutzutage kommt hinzu, dass viele User Tablets und Handys verwenden, was zu einer weiteren Herausforderung für die Darstellung von Fotomaterial geworden ist. Für die HandyScreenshots habe ich ein Nokia Lumia 730 Windows Phone mit Internet Explorer benutzt. Das Handy hat ein 4,7 Zoll Display mit einer Auflösung von 1280x720 Pixel. Die unterschiedlichen Bildschirmauflösungen wirken sich ebenso empfindlich auf die Performance einer Website aus wie die Verwendung verschiedener Webbrowser. Für einen optimalen Vergleich der verschiedenen Homepages und die Anfertigung nützlicher Screenshots ist es unabdingbar, stets die gleiche Bildschirmgröße und denselben Browser zu verwenden. Aufgrund der meiner Ansicht nach besseren Mobilität und Kompatibilität, habe ich mich für die Analyse der Fallstudien für die Darstellung der Websites auf einem 17 Zoll LaptopBildschirm mit einer maximalen Auflösung von 1366x786 Pixel und unter der Verwendung des Mozilla Firefox Browsers6 entschieden. Lediglich für den Direktvergleich der Künstler-Homepages habe ich zusätzlich das Nokia Lumia 730 Windows Phone und den vorinstallierten Internet Explorer 11 benutzt (Abb. 14).

5

Siehe auch »Aufbau und Abruf von Webseiten«, in: Kohle, Hubertus, und Katja Kwastek. Computer, Kunst und Kunstgeschichte. Kunst & Wissen. Köln: Deubner Verlag, 2003, S. 14-19.

6

Zwischen den ersten Screenshots, die ich in August 2014 angefertigt habe, und den letzten im Mai 2016 wechselte Firefox von Version 31.0 zu der aktuellen Version 46.0, was allerdings keinen signifikanten Einfluss auf die Bild- und Textpräsentation hatte.

Chicano-Fotografie heute

Wie bereits Chon A. Noriega und Elize Mazadiego treffend bemerkt haben, schenken die Wissenschaftler der Chicano-Kunst derzeit noch viel zu wenig Beachtung. Noriega sagt im Katalog zur Ausstellung Phantom sightings: Art after the Chicano Movement, dass die Chicano-Kunst bislang nicht ganz in den kunsthistorischen Kanon einbezogen wurde und sich selbst als eigenständige Kategorie in einer immerwährenden (Um-)Gestaltung befinden würde1. Sowohl die Schwierigkeit eine unverkennbare Chicano-Ästhetik herauszuarbeiten als auch die Definition des äußerst komplexen soziokulturellen Begriffs Chicano,-a2 selbst tragen zum derzeit amorphen Charakter der Chicano-Kunst bei. Mazadiego hebt ihrerseits hervor, dass sowohl die Chicano-Kunst als auch die Fotografie eine problematische Beziehung zur Kunstwelt hätten und noch immer haben, da Wissenschaftler und Institutionen nur zögernd ihren künstlerischen Beitrag schätzen und anerkennen3. Sie sagt ferner, dass die Unterdisziplin »Chicano Photography«4 durch den Mainstream künstlerisch und wissenschaftlich nicht genug gewürdigt wird. Es gäbe in der Tat nur wenige Kuratoren und Akademiker, die versucht haben das Thema Chicano-Fotografie gründlich zu erfassen. Sie benennt die 1983 gezeigte Ausstellung Con Cariño5 im Aztlán Cultu1

González, Rita, Howard N. Fox, Chon A. Noriega, und Los Angeles County Museum of Art. Phantom Sightings: Art after the Chicano Movement. Berkeley, Calif. Los Angeles, Calif.: University of California Press; Los Angeles County Museum of Art, 2008, S. 17.

2

Siehe »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie«.

3

Mazadiego, Elize. «A Witness to Revolution – The Photographic Archive of Oscar Castillo«, in: Castillo, Oscar, und Colin Gunckel. The Oscar Castillo Papers and Photograph Collection. The Chicano Archives. Los Angeles: UCLA Chicano Studies Research Center Press, 2011, S. 33.

4

Siehe auch »Chicano Fotografie vs. Chicano-Fotografie« der vorliegenden Arbeit.

5

Siehe auch Ybarra-Frausto, Tomás. »Con Cariño – Chicano Photography Exhibition,

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ral, einem Kulturzentrum in Oakland, Kalifornien, und den damit verbundenen ersten seriösen Einblick in die Chicano-Fotografie. 1994 präsentierte dann FotoFest im Rahmen der Ausstellung American Voices die Werke spanischsprachiger Künstler aus den USA und zeigte im Rahmen ihrer Veranstaltungen erstmals auch Arbeiten von Chicanos6. Zwei Jahre später organisierte The Mexican Museum in San Francisco From the West: Chicano Narrative Photography7 und führte damit eine weitere Ausstellung zu fotografischen Praktiken in der Chicano-Kunst durch.8 Vom 10. Januar bis zum 4. Februar 1983 wurde die Ausstellung Con Cariño - Chicano Photography Exhibition in Erlangen gezeigt und war die erste Gruppenausstellung von Chicano-Fotografie in Europa. Carolina Juarez, die Geschäftsführerin des Aztlán Cultural, schreibt im Ausstellungstext: »Obwohl Chicanos im erheblichen Maße zum wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und künstlerischen Leben in den USA beigetragen haben, führte Rassismus zu ihrem Ausschluß aus den etablierten Institutionen. Deshalb nannte man sie häufig ›die unsichtbare Minderheit‹. Wenn man den Chicanos in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit schenkte, dann in negativer und entstellender Weise. Aus diesem Grund und aus der Notwendigkeit der gegenseitigen Unterstützung und des künstlerischen Überlebens haben sich die Chicano-Künstler, darunter die Fotografen, ihren eigenen historischen, kulturellen und sozialen Realitäten und deren Dokumentation zugewandt.«9

Robert C. Buitrón10 und Harry Gamboa Jr. waren zwei der damals insgesamt 19 Chicano-Fotografen, die ihre Werke ausstellten und die ich im Rahmen meiner

Research Material on Chicano Art, 1965-2004.« Archives of American Art, Smithsonian Institution. 6

Siehe http://www.fotofest.org/archExhibitDetails.asp?eventID=20 (26.03.2014).

7

Siehe auch Noriega, Chon A. und Jennifer A. González. From the West: Chicano Narrative Photography. San Francisco Seattle, Wash.: Mexican Museum; Distributed by University of Washington Press, 1995.

8

Mazadiego, op. cit., S. 34.

9

Carolina Juarez, in: Ybarra-Frausto, op. cit..

10 In einem bislang unveröffentlichten Text mit dem Titel »Chicanolandia« von 1993/94, in dem Buitrón sich mit der Chicano-Identität auseinandersetzt, schreibt er zu dieser Ausstellung folgendes: »While many U.S. cultural institutions have exhibited works by Latin American photographers, not one has ever organized, on a national scale, an exhibition of works by Chicana/o photographers. In 1983, a public audience viewed for the first time the work of nationally selected Chicana and Chicano photographers

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Arbeit interviewen durfte. Buitrón, der sich explizit der Meinungen von Noriega und Mazadiego anschließt, organisierte 2003 eine Chicano-Fotoausstellung mit dem Titel Picarte! – Photography Beyond Representation 11 und stellte im Heard Museum12 in Phoenix, Arizona, die Werke von Cecilia Alvarez Muñoz13, Elena Baca, Ken Gonzales-Day14, John Leaños15, Delilah Montoya16, Ruben Ochoa17, Andrew Ortiz18 und Juan Ramos19 aus. Im Ausstellungskatalog schreibt Buitrón: in the exhibition ›Con Cariño‹. This exhibition took place at the University of Erlangen-Nuremberg, West Germany. The Office of Cultural Affairs of Erlangen titled it Photos of Another America. Upon its return to the U.S., Aztlán Cultural, the exhibition organizer from Oakland, California, campaigned to secure venues in the United States but did not succeed. Not one major art institution, which had the facility to present over 100 photographs by 19 Chicana/o photographers, accepted this significant first-time-ever show to their exhibition program. Equally important, Aztlán Cultural could not raise the funds to produce an exhibition catalog. Foundations and public art agency panels did not consider the exhibition worthy of funding. The American cultural industry has consistently refused to acknowledge and legitimize the existence of a people, a community, and a distinct culture within the national boundaries of the U.S. Most art institutions and University art/art history departments in the U.S. practice the exclusion of Chicano art in their programs and studies; in official texts such as Beaumont Newhall'’ history of photography, Naomi Rosenblum’s A World History of Photography, or William Welling’s Photography In America: The Formative Years, 1839-1900, the authors do not include or mention a single Chicana/o photographer. In popular culture, as reflected by the entertainment industry and the media, the Chicano appears as a stereotype without a legitimate or authentic cultural history. Chicanos remain invisible in photographs and Chicana/o photographers remain outside of the canon of art photography, in obscurity.« In: Buitrón, Robert C. »Chicanolandia«, 1993-1994. 11 Buitrón, Robert C. Picarte! – Photography Beyond Representation. Phoenix, AZ: Heard Museum, 2003. 12 http://heard.org/ (23.04.2016). 13 Tejada, Roberto. Celia Alvarez Munoz, A Ver. Los Angeles: Chicano Studies Research Center, 2009. 14 http://www.kengonzalesday.com/ (23.04.2016). 15 http://www.leanos.net/ (23.04.2016). 16 http://www.delilahmontoya.com/ (23.04.2016). 17 http://www.rubenochoa.com/ (23.04.2016). 18 http://www.andrewjortiz.com/ (23.04.2016) 19 http://www.joeramosphotography.com/ (23.04.2016).

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»¡Picarte! Photography Beyond Representation exhibits photo-based work by eight artists. Besides sharing a common medium, they also share a common heritage – Mexican ancestry. The artists span two generations and, as generations go, they have different and sometimes conflicting perspectives about many things, including what they call themselves. As l organized this exhibition, I wanted to know what changed or did not in the past 10 years. What historical and cultural material represent and give a voice to the generation of Chicanas/os whose art developed during el Movimiento (the Chicano Movement circa 1965 to 1985); and what historical and cultural materials represent and give voice to the generation of Chicanas/os whose art developed under the influence of globalism, digital technology and the Internet? Do members of the younger Chicano generation see themselves differently than the previous generations? For the younger generation, does the issue of race figure highly in their agenda as it did for their parents and grandparents? […] Politically charged identity terms such as Chicano[20] have fallen out of popular use by the younger generation (and I contend the older generation as well). One of the younger artists remarked, ›My parents call themselves Chicano, but that’s their experience, not mine.‹ Se pasó la onda – out of fashion. […] The artists and art in this exhibit represent a sampling of some of the current trends of today’s photography, art exhibitions and publications. The work ranges from non-silver processes such as gum oil and installation to digital. The artistic styles range from pictorial to grid, from comic to staged and from collage to documentary. These artists use what is now described as photo-based image-making techniques to convey their ideas and experiences. Digital technology has allowed other avenues of image making, that replace traditional techniques that where time-consuming, too costly or unavailable to most artists. Some of the artists have migrated from silver-based images to digital, while others utilize both media in acquiring and constructing an image that is printed digitally. […] Picarte is a play on words in Spanish. It gives the initial context for the not-yetknown. It’s an interface to our fears, biases or preconceptions; to see if the familiar is not so familiar; and get close enough to see and feel the bite behind the dynamics of the art.«21

20 Fußnote im Originaltext: »Chicano: The most quoted definition for Chicano comes from the noted Chicano journalist Rubén Salazar, who succinctly defined it as Mexican American with no-Anglo image of themselves. […] Popular usage has declined since the late 1980s, and contributing factors to its decline include the change in the sociopolitical and cultural landscape as well as the increasing numbers of Mexican immigrants during the 1990s who have no connection to the Chicano Movement.« In: Buitrón, op. cit.. Siehe auch »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie« der vorliegenden Arbeit. 21 Buitrón, op. cit..

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Die jüngste Gruppen-Ausstellung fand zwischen dem 21. Februar und 1. Mai 2015 in der Durón Gallery at SPARC22 statt und hatte den Titel A Short Essay of Chicano Photography. Es wurden insgesamt 28 Werke aus der Sammlung der Durón-Familie23 gezeigt, welche alle zwischen 1969 und 2013 entstanden sind. Dem renommierten Kunstsammler Armando Durón ging es in dieser Ausstellung primär darum die thematische Bandbreite der Chicano-Fotografie aufzuzeigen und die einzelnen Bilder unabhängig von der Arbeit ihrer Anglo-Kollegen vorzustellen. Im Ausstellungstext schreibt er deshalb: »In this essay, I will not compare and contrast the works of these artists with their AngloAmerican contemporaries or forbearers. No Ansel Adams, no Walter Evans, no Robert Frank, no Cindy Sherman. That is not what we’re trying to achieve here. What is presented is a separate reality, one that focuses on itself instead of trying to fit in with someone else’s idea of normative. A particularly disturbing example of this was the exhibition Axis Mexico: Common Actions and Cosmopolitan Actions at the San Diego Museum of Art in 2002, where the signage repeatedly compared the works on the walls with AngloAmerican artistic styles. This approach seemed to suggest that the presented works were derivative and left one with the question of what was the point of the exhibition. This exhibition does not pretend to be a historical survey, an unilinear narrative, or an overarching thesis. It is by necessity a short essay designed to wet the whistle of contemplation of what is and has been Chicano photography for the past forty years. I believe, however, that there is enough evidence for us to conclude that Chicano art is not some ›other‹ that revolves around a white sun. It is – along with many other art traditions – another art form that needs exploration free of tired roadmaps. […] I am not trying to locate Chicano photography within someone else’s paradigm. I am searching to locate our own standards.«24

Ich stimme diesem Ansatz prinzipiell zu, da er derzeit tatsächlich zu einem deutlicheren Verständnis von Chicano-Fotografie beitragen würde, und habe deshalb in der vorliegenden Arbeit weitestgehend auf den Vergleich mit Anglo-

22 Social And Public Art Recource Center, siehe http://sparcinla.org/ (29.04.2016) und https://www.facebook.com/SPARC.ART (29.04.2016). 23 Die Durón-Familie besitzt mehrere hundert Chicano-Kunstobjekte, darunter Malereien, Fotografien und Skulpturen, sowie eine umfangreiche Bibliothek mit Büchern und Ausstellungskathalogen. Siehe auch: Noriega, Chon A., and Santa Monica Museum of Art. East of the River: Chicano Art Collectors Anonymous. Santa Monica, Calif.: Santa Monica Museum of Art, 2000. 24 Durón, Armando. A Short Essay on Chicano Photography. Edited by The Durón Gallery at SPARC. Venice, CA: Social and Public Resource Center (SPARC), 2015, S. 2.

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Fotografen verzichtet. Eine Ausnahme bilden hierbei David Bacon und Rick Nahmias25. Denn die Definition des soziokulturellen Begriffs Chicano,-a26 ist dermaßen komplex, dass er sich auf die Fotografie auswirkt27. Eine Ausschließung derer, die sich selbst nicht als Chicanos bezeichnen, erweist sich im Rahmen der Recherche nach den indigenen Kulturen in der Chicano-Fotografie und ihrer Präsenz im Internet mitunter als unhaltbar. Durón fügt hinzu: »I agree that some comparisons are inevitable but that when the focus is on comparing Chicano art – including photography – with Anglo-American icons we fall into the trap that there is a standard it must meet. And then it is called derivative. The failure to consider it on its own terms is one of the reasons why Chicano art is underappreciated and misunderstood. […]«28

Mehr Ausstellungen, in denen ausschließlich Chicano-Fotografien gezeigt werden, würden einen genauen Eindruck von dem verschaffen, was ChicanoFotografie heute ist. Doch sie sind derzeit eine Rarität und dementsprechend gering ist die Anzahl der Publikationen zum selbigen Thema. Daher ist es kaum verwunderlich, dass die Präsenz der indigenen Kulturen in der Fotografiegeschichte bislang nur sporadisch erforscht wurde, obgleich indigene Kulturelemente sowohl in unzähligen US-amerikanischen Bildern als auch in der mexikanischen Fotografie stark vertreten sind. Spricht man ferner von ChicanoFotografie im Internet, so ist die vorliegende Arbeit die bislang erste ihrer Art. Dennoch gibt es einige interessante Publikationen zum Thema ChicanoFotografie, welche auf den indigenen Einfluss eingehen. Auffällig ist dabei, dass im Vergleich dazu die Veröffentlichungen über die indigenen Kulturen in der mexikanischen Fotografie deutlich zahlreicher sind29. In der Chicano-Fotografie wurde der mythisch-religiöse Aspekt, der sich aus indigenen Traditionen und Symbolen speist, in den Artikeln Behold Their Natural Affinities: Revelations about the Confluence of Chicano Photography and Altarmaking30 von Victor Alejandro Sorell und Ojo de la Diosa: Becoming Divine 25 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«. 26 Siehe »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie«. 27 Siehe »Chicano Fotografie vs. Chicano-Fotografie«. 28 Armando Durón, persönliche E-Mail vom 13.10.2015. 29 Siehe auch Corkovic, Laura M. La Cultura Indígena en la Fotografía Mexicana de los 90s. Salamanca: Ediciones Universidad Salamanca, 2012. [online] https://gredos. usal.es/jspui/handle/10366/121140. 30 Victor Alejandro Sorell, »Behold Their Natural Affinities: Revelations about the Confluence of Chicano Photography and Altarmaking«, in: Cortez, Constance. Imágenes

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in Delilah Montoya's Art Photography31 von Aino Kuusinen analysiert und besonders hervorgehoben. Im Ausstellungskatalog Kathy Vargas – Photographs, 1971-200032 weisen die Autoren auf den indigenen Einfluss, insbesondere der Kultur der Zapoteken und der Huicholes, im Œuvre der Chicano-Fotografin hin. Miguel Gandert veröffentlichte 2003 ein beeindruckendes Fotobuch seiner Werke mit dem Titel Nuevo Mexico Profundo: Rituals of an Indo-Hispano Homeland33 und acht Jahre später kam Run! Super-Athletes of the Sierra Madre34 von Diana Molina mit Fotografien über die in Nordmexiko lebenden Tarahumaras heraus. Zum Thema indigene Kultur in der mexikanischen Fotografie gibt es hingegen eine ganze Reihe an Monografien, die von indigenen35 und nicht-indigenen36 Fotografen veröffentlicht wurden, sowie der Artikel Fotografía indígena e indigenista von Elisa Ramírez37 oder das Buch mit dem Titel El ojo de vidrio – Cien años de fotografía del México indio38. In der Publikation México indio39 sind

e Historias / Images and Histories – Chicana Altar-Inspired Art. Medford, Massachusetts: Tufts University Gallery, 1999, S. 21-28. 31 Kuusinen, Asta M. »Ojo de la Diosa: Becoming Divine in Delilah Montoya's Art Photography«, in: Aztlán, Vol. 33, Nr. 1, UCLA Chicano Studies Research Center, Los Angeles 2008, S. 33-62. 32 Lippard, Lucy R., MaLin Wilson-Powell, und Marion Koogler McNay Art Museum. Kathy Vargas: Photographs, 1971-2000. San Antonio, TX: Marion Koogler McNay Art Museum: distributed by the University of Texas Press, 2000. 33 Gandert, Miguel A. Nuevo Mexico Profundo: Rituals of an Indo-Hispano Homeland. Santa Fe: Museum of New Mexico Press, 2003. 34 Molina, Diana. Run! Super-Athletes of the Sierra Madre. El Paso: Dia Madia, 2011. 35 Siehe z.B. Santiz Gomez, Maruch. Creencias de nuestros antepasados. Centro de la Imagen. México, 1998 sowie López Díaz, Xunka’, und Lourdes de León Pasquel. Mi hermanita Cristina, una niña Chamula. Archivo Fotográfico Indígena, México D.F. 2000. 36 Siehe beispielsweise Ortiz Monasterio, Pablo. Corazón de venado. Consejo Estatal de la Cultura y las Artes Jalisco. México, 1992 oder Rodríguez, José Angel. lok’tavanej, cazador de imágenes. Casa de las Imágenes. México D.F., 2002. 37 Ramírez Castañeda, Elisa. »Fotografía indígena e indigenista.« In: CIESAS 60-61, Octubre 2000, Marzo 2001, S. 119-125. 38 Vélez Storey, Jaime. El ojo de vidrio – Cien años de fotografía del México indio. BANCOMEXT, Fondo Editorial de la Plástica Mexicana. México D.F., 1993. 39 México indio. Fotografías de Guillermo Aldana, Rafael Doniz, Patricio Robles Gil, Bob Schalkwijk y Antonio Vizcaíno. Grupo Financiero InverMexico. Producción Edi-

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Farbfotografien männlicher Autoren zusammengefasst, während sich México indio, testimonio en blanco y negro40 ausschließlich mit Fotografinnen und ihrer Sicht auf die indigene Welt Mexikos auseinandersetzt. Das Buch De Fotógrafos y de Indios41 ist eine kritische Annäherung an die anthropologische Fotografie der 80er und 90er Jahre in Mexiko. Abschließend seien die Magisterarbeiten Vom Fremdbild zum Selbstbild: Die fotografische Repräsentation der Indigenen Mexikos42 von Madlen Schering und Intersecting photographic gazes, relations of power and intercultural communication; indigenous photographers and the tourist gaze in contemporary Chiapas, Mexico43 von Rachel Sokal sowie meine 2012 veröffentlichte Dissertation mit dem Titel La Cultura Indígena en la Fotografía Mexicana de los 90s44 zu nennen. Die umfassendsten Publikationen über Chicano-Kunst sind Contemporary Chicana and Chicano Art 45, Chicano Art for Our Millennium46 und Triumph of Our Communities47. Diese insgesamt vier Bände gehören zu einer wichtigen Buchreihe, welche in herausragender Weise sowohl einzelne Künstler48 vorstellen als auch die wichtigsten Themenschwerpunkte in der Chicano-Kunst zusammenfassen und letztendlich einen guten Eindruck der Chicano-Ästhetik widerspiegeln. Die Bildinhalte umspannen Themen wie die prähispanische Vertorial: Agrupación Sierra Madre, ímpetus Comunicación, Redacta y Vizcaíno Ediciones. México D.F., 1993. 40 México indio, testimonio en blanco y negro, Fotografías de Alicia Ahumada, Gertrudis Duby, Flor Garduño, Graciela Iturbide y Mariana Yampolsky. Floresta Ediciones. México D.F., 1994. 41 De Fotógrafos y de Indios, Ediciones Tecolote, México D.F. 2000. 42 Schering, Madlen. Vom Fremdbild zum Selbstbild: Die fotografische Repräsentation der Indigenen Mexikos. Magisterarbeit, Humboldt Universität zu Berlin. Berlin, 2003. 43 Sokal, Rachel. Intersecting photographic gazes, relations of power and intercultural communication; indigenous photographers and the tourist gaze in contemporary Chiapas, Mexico. Magisterarbeit, Universität Bristol. Bristol, 2008. 44 Corkovic, op. cit.. 45 Keller, Gary D. Contemporary Chicana and Chicano Art: Artists, Works, Culture, and Education. 2 vols. Tempe, AZ: Bilingual Press / Editorial Bilingue, 2002. 46 Keller, Gary D., Mary Erickson, Pat Villeneuve, Melanie Magisos, und Craig Smith. Chicano Art for Our Millennium: Collected Works from the Arizona State University Community. Tempe, Ariz.: Bilingual Press, 2004. 47 Keller, Gary D., und Amy K. Phillips. Triumph of Our Communities: Four Decades of Mexican American Art. Tempe, Ariz.: Bilingual Press/Editorial Bilingue, 2005. 48 Siehe auch »Robert C. Buitrón – El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto)«.

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gangenheit49, Virgen de Guadalupe50, Geschlechterrollen51, Familie52, Popkultur53 und Migration54. In allen vier Bänden findet man über 1.300 Farbabbildungen. Allerdings fällt beim Durchblättern auf, dass auch hier die Fotografie unterrepräsentiert ist, während ein deutlicher Schwerpunkt auf der Malerei liegt. Doch die erwähnten Themen finden sich auch in der zeitgenössischen Fotografie wieder, wobei tendenziell ein verstärkter Fokus auf Mexiko, Immigration, Arbeit, Geschlechterrollen und der US-amerikanischen Popkultur liegt. Bezugnehmend auf die spezielle Analyse der indigenen Kulturen in der Chicano-Fotografie und wie man diese derzeit im Internet findet, kann man zwei Hauptthemen zusammenfassen: Identität und Solidarität55. Bevor ich auf konkrete Beispiel eingehe und anhand von Fallstudien zeige, wie genau sich diese beiden Hauptthemen in der Fotografie visualisieren, sollen in diesem Kapitel zum besseren Verständnis einige grundlegende Fragen geklärt werden: Was bedeutet der Begriff Chicano,-a eigentlich und wie wird er in der Fotografie eingesetzt? Und muss man in der heutigen Zeit überhaupt ein Chicano sein, um ChicanoFotografie produzieren zu können?

49 »Pre-Hispanic Connotation« und »El Dia de los Muertos«, in: Keller, op. cit., S. 178191 (Bd. 1) und S. 54-75 (Bd. 2). 50 »Yolanda y Lupe« und »Las variadas encarnaciones de la Virgen«, in: Keller, ibidem, S. 80-85 und 116-135 (Bd. 2) »Spirituality/Espiritualidad«, in: Keller, op. cit., S. 7193. 51 »Mujeres por Mujeres« und »Vatos, Cholos, and Pachucos«, in: Keller, op. cit., S. 142-147 sowie S. 204-209 (Bd. 1). 52 »Comida y bebida (tambien comercio y bebercio)«, »Images of the Comunidad« und »Mothers & Daughters, Fathers & Sons«, in: Keller, ibidem, S. 64-69, 84-97 (Bd. 1) und S. 258-263 (Bd. 2) »Community Values/Lo que representa nuestra comunidad«, in: Keller, Erickson, Villeneuve, Magisos und Smith, op. cit., S. 23-47. 53 »La Lotería Mexicana«, »Lowriders«, »Heroes, Antiheroes, and Role Models« und »La lucha libre!«, in: Keller, op. cit., S. 286-295 (Bd. 1) und S. 158-163, 194-209, 280-285 (Bd. 2) »Cultural Icons / Temas culturales«, in: Keller, Erickson, Villeneuve, Magisos und Smith, op. cit., S. 117-141. 54 »The Border and Indocumentados«, »Farmworker Iconography«, »Statues of Liberty«, in: Keller, op. cit., S. 224-233, 250-255 (Bd. 1) und S. 236-241 (Bd. 2). »Across Borders and The Biculture / Atravesando fronteras y culturas«, in: Keller, Erickson, Villeneuve, Magisos und Smith, op. cit., S. 49-69. 55 Siehe »Chicano-Fotografie im World Wide Web«.

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D ER

SOZIOKULTURELLE IN DER F OTOGRAFIE

B EGRIFF C HICANO ,- A

Der Begriff Chicano,-a ist in seiner Kurzdefinition ein Synonym für Mexican American und bezeichnet somit jede Person, die US-amerikanischer Staatsbürger mexikanischer Herkunft ist.56 Doch tatsächlich handelt es sich hierbei, basierend auf seiner Geschichte und den aktuellen Gebrauch, um einen weitaus komplexeren soziokulturellen Begriff, welcher äußerst schwer definierbar ist: »Chicano is an old word that symbolizes a complex heritage and identity. Yet only a small percentage of Mexican Americans actually consider themselves Chicanos. These are usually individuals who are politically active or work in academic environments. […]«57

Der Begriff Chicano wird in Texas bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts benutzt, aber seine genaue Herkunft ist bislang unklar. Rafaela Castro beschreibt drei allgemein akzeptierte Theorien: Dass das Wort möglicherweise indigene Wurzeln besitzt und aus dem Nahuatl58, der Sprache der Mexicas, entstanden ist59. Die Mexicas oder Azteken sprachen das [x] ähnlich einem [sh] aus, worauf die spanischen Eroberer sie Meshicas nannten und aus Mexicano dann Meshicano wurde. Nachdem das Me zwischenzeitlich weggefallen war, entstand das Wort Chicano. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass der Begriff eine Zusammensetzung aus dem Chi von Chihuahua60 und cano aus Mexicano ist. Die dritte Annahme besteht darin, dass der Begriff Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge der angloamerikanischen Migration in den heutigen Südwesten der USA entstanden

56 »Bezeichnung für einen aus Mexiko eingewanderten Bürger der USA.« In: http://www.duden.de/rechtschreibung/Chicano (22.07.2015). Das online Wörterbuch der Real Academia Española definiert chicano,-na als Adjektiv: »Se dice del ciudadano de los Estados Unidos de América perteneciente a la minoría de origen mexicano allí existente.« In: http://lema.rae.es/drae/?val=chicano (22.07.2015). 57 Castro, Rafaela. Dictionary of Chicano Folklore. Santa Barbara, Calif.: ABC-CLIO, 2000, S. 54. 58 Indigene Sprachengruppe Zentralmexikos und die Sprache der Azteken. 59 Dass der Begriff Chicano aus dem Nahuatl abstammt, ist eine Interpretation von Prof. Philip D. Ortego, University of Texas, El Paso. In: Rocard, Marcienne. The Children of the Sun: Mexican-Americans in the Literature of the United States. Tucson: University of Arizona Press, 1989, S. xiv. 60 Nordmexikanische Stadt im gleichnamigen Bundesstaat.

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ist. Man nannte, angelehnt an die Bezeichnung boy für Afroamerikaner aus den Südstaaten, die Mexikaner in diesem Gebiet chico. Kombiniert mit -ano von Mexicano entstand schließlich Chicano.61 Die Bedeutung des Wortes Chicano wechselte je nach Zeitgeist und Kontext von pejorativen zu revolutionären Konnotationen. Marcienne Rocard sagt, dass der Begriff erstmals Anfang der 30er Jahre in den Werken des mexikanischen Soziologen und Anthropologen Manuel Gamio (1883–1960) erschienen ist. Ungelernte Einwanderer aus Mexiko, welche kürzlich in den USA angekommen waren, wurden von lokalen Einwohnern Cholos62 oder Chicanos63 genannt.64 In

61 Castro, op. cit., S. 54. 62 Der Gebrauch des Wortes cholo hat eine lange Tradition und wurde bereits im 18. Jahrhundert in den Casta Gemälden des Vizekönigreich Neu-Spanien, dem heutigen Mexiko, visualisiert. Dort wird das gemeinsame Kind eines Spaniers mit einer Indigenen als mestizo bezeichnet und das eines Mestizen mit einer Indigenen als cholo. Siehe auch Geckeler, Horst, und Ulrich Hoinkes. Panorama Der Lexikalischen Semantik: Thematische Festschrift Aus Anlass des 60. Geburtstags Von Horst Geckeler, Tübinger Beiträge Zur Linguistik,Tübingen: G. Narr, 1995. S. 503. Die Bedeutung des Begriff cholo hat sich seither verändert und variiert von Land zu Land. Doch er ist eine klare Referenz für die indigene Kultur geblieben und zwar auf beiden Seiten der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Der mexikanische Fotograf Federico Gama erklärt: »El término cholo es muy complejo o diferente según el contexto, en el Este de Los Ángeles funciona por una parte como una forma de resistencia social y cultural, el orgullo del origen mexicano y trabajador, por otra parte como una bandera de un guerrero que pertenece a un barrio y lo defiende, pero también, como un miembro de un banda delictiva, un gángster con muy mala imagen del mexicanoamericano que muchos quieren borrar o cuando menos no se quieren asociar. En el lado mexicano es parte de las llamadas culturas juveniles o tribus urbanas, de las culturas migratorias, en la ciudad de México, por ejemplo, además de ser parte de las bandas juveniles, ser cholo es sinónimo de estatus, porque todo lo que viste ›un cholo verdadero‹ es importado, desde los zapatos hasta los calzones y eso en los barrios es un lujo que no cualquiera se lo puede dar. Para el indígena mexicano es una forma de logro económico, para el joven indígena que se viste de cholo en el D.F., en cierto sentido es trendy, un vestuario para vivir la ciudad pero también para esconder su origen indígena y trabajador.« In: Corkovic, op. cit., S. 376. 63 »The attitude of the Mexicans who are American citizens towards the immigrants is a curious one….They call these recent immigrants cholos or chicanos.« In: Rocard, op. cit., S. 299. 64 Ibidem, S. xiv.

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den 40er Jahren, während der Zoot Suit Riots65, taucht der Begriff erneut auf und wurde als Synonym für Mexicano benutzt: »[…] While the term chicano is the short way of saying Mexicano, it is not restricted to the paisanos who came from old Mexico with the territory or the last famine to work for the railroad, labor, sing, and go on relief. Chicano is the easy way of referring to everybody.»66

In den 60er und 70er Jahren wird das Wort Chicano als Terminus für Nordamerikaner mexikanischer Abstammung zunehmend gängig, während gleichzeitig der Begriff Mexican American als Synonym verwendet wird. Der Aktivist und Journalist Ruben Salazar konkretisiert dies in seinem 1970 veröffentlichten Artikel und unterstreicht dabei die Bedeutung der indigenen Wurzeln in der damals aufstrebenden Chicano-Kultur: »A Chicano is a Mexican-American with a non-Anglo image of himself. He resents being told Columbus ›discovered‹ America when the Chicano’s ancestors, the Mayas and Aztecs, founded highly sophisticated civilizations centuries before Spain financed the Italian explorer’s trip to the ›New World‹.«67

Beeinflusst durch studentische Gruppen der University of California in Los Angeles (UCLA) und die Partei Raza Unida68 erhält das Wort Chicano dann schließlich eine deutlich sozialpolitische Konnotation. Die »Mexican-American Law Students Association« der UCLA änderte ihren Namen in »Chicano Law Students Association« und an den Universitäten im Südwesten der USA wurden die bereits eingangs erwähnten Chicano Studies eingeführt. 1970 veröffentlicht

65 Ein Aufstand, der 1943 zwischen den Pachucos, einer Jugendgruppe aus den 1940ern und 50ern Jahren, und amerikanischen Marine-Soldaten stattfand. Die Pachucos waren überwiegend mexikanischer Abstammung und drückten durch ihren auffälligen Kleidungsstil mit Anzug, langem Mantel, Hut und einer an der Hose befestigten Ketten ihren Protest der angloamerikanischen Gesellschaft gegenüber aus. 66 Aus der Kurzgeschichte El Hoyo (1947) von Mario Suárez, in: Rocard, op. cit., S. xiv und 299. 67 Salazar, Ruben. »Who Is a Chicano? And What Is It the Chicanos Want?« ProQuest Historical Newspapers Los Angeles Times (1881-1986), February 2, 1970. 68 Eine politische Partei, die 1970 von José Ángel Gutiérrez in Crystal City, Texas, gegründet wurde. Siehe auch: Garciá, Ignacio M. United We Win: The Rise and Fall of La Raza Unida Party. Tucson: MASRC, the University of Arizona, 1989.

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Richard Vásquez seinen berühmten Roman Chicano69 und in San Bernardino, Kalifornien, wird die lokale Zeitung in El Chicano umbenannt70. Einen einschlägigen Einfluss in der Begriffsbildung besaß jedoch der Aktivist Rodolfo Gonzales, genannt Corky, der 1969 das Wort Chicano während der »National Youth and Liberation Conference« in Denver, Colorado, benutzte. Eine ganze Generation junger Mexican Americans formulierte während dieser Versammlung einen neuen kulturellen Nationalismus und das Recht auf Selbstbestimmung als Chicanos, die sich fortan mit Stolz auf ihre mexikanisch-indigene Wurzeln und auf eine zur nordamerikanischen Kultur differierenden Identität bezogen. Die Rückbesinnung auf indigene Vorfahren, insbesondere auf die Kultur der Azteken, brachte ein zentrales Konzept hervor, das von Aztlán71, welches sie

69 Vasquez, Richard. Chicano. 1st ed. Garden City, N.Y.: Doubleday, 1970. 70 Rocard, op. cit., S. xiv. 71 Aztlán, die mystische Urheimat der Azteken, ist ein Thema mit dem sich die Wissenschaftler der Chicano Studies seit nunmehr 45 Jahren intensiv beschäftigt haben. Aztlán wird von den Chicanos als Metapher ihrer kulturellen Einheit und Stärke sowie

als

ideologisches

Konzept

im

Kampf

um

Selbstbestimmung

und

-bestätigung genutzt. Geografisch umfasst das Aztlán der Chicanos den südwestlichen Landstreifen der USA, einschließlich der Bundesstaaten Kalifornien, Nevada, Utah, Arizona, New Mexico und Texas, sowie Teile von Wyoming, Colorado, Kansas und Oklahoma, wo man heute einen hohen Anteil an Bewohnern mexikanischen Ursprungs findet. Aztlán gilt als die Heimat der Chicanos, sodass manche nationalistische Anhänger territoriale Ansprüche auf das Land erheben und sich dabei auf den Mexikanisch-Amerikanische Krieg (1846-1848), welcher zu einem enormen Gebietsverlust für Mexiko im Norden des Landes führte, beziehen. Rafael Pérez-Torres unterstreicht, dass der Name Aztlán viel zu oft entweder als ausschließendes nationalistisches Programm verworfen oder unkritisch als essentielles Element des Chicanismo bestätigt wird. In seinem Artikel Refiguring Aztlán erforscht er die Widersprüche und Ambiguität des Begriffs seit seiner Einführung im »El Plan Espiritual de Aztlán« während der Chicano Youth Conference in Denver, Colorado, im März 1969 bis Ende der 90er Jahre als sein Text erstmals publiziert wurde. PérezTorres studiert hier die verschiedenen Auffassungen und den Gebrauch des Begriff Aztlán durch Chicano Aktivisten, Wissenschaftler und Künstler. Aztlán wird als Verbindungsglied zur indigenen Vergangenheit, als Aufruf zur »Bruderschaft«, als Erinnerung an eine territoriale Eroberung, als Metapher für jegliche Art der Unterdrückung und als Symbol für zukünftigen Ruhm angewandt. Pérez-Torres spricht sich gegen jede feste Bedeutung von Aztlán aus und vertritt die Ansicht, dass die wissenschaftlichen Diskurse den fragmentierten und hybriden Charakter der Chicano-

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in ihrem Manifest El Plan Espiritual de Aztlán72 ausformulierten und somit zum Symbol der Chicanos machten. In der Präambel des Manifests steht: »[…] With our heart in our hands and our hands in the soil, we declare the independence of our mestizo nation. We are a bronze people with a bronze culture. Before the world, before all of North America, before all our brothers in the bronze continent, we are a nation, we are a union of free pueblos, we are Aztlán. – Por La Raza todo. Fuera de La Raza nada.«73

Das Manifest war ein Appell ihren kulturellen Nationalismus als gemeinsamen Schlüssel für Massenmobilisierung und -Organisationen zu nutzen74. Für einige, so Richard Campbell, war dies sicherlich eine Aufforderung zu Gewaltprotesten, Identität selbst stärken und widerspiegeln. Für ihn ist Aztlán ein »leerer Bezeichner« und als solcher benennt er nicht was ist oder war, sondern was ständig abwesend ist, nämlich die Nation, die Einigkeit und die Befreiung der Chicanos. Somit liegt die eigentliche Macht von Aztlán darin diese Abwesenheit, eine unerfüllte Realität als Konsequenz verschiedener Formen der Unterdrückung basierend auf historischpolitischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten, immer wieder sichtbar zu machen. In: Rafael Pérez-Torres, »Refiguring Aztlán«, in: Noriega, Chon A., Eric Avila, und Karen Mary Davalos. The Chicano Studies Reader: An Anthology of Aztlán, 1970-2010. 2nd ed, Aztlán Anthology Series. Los Angeles: UCLA Chicano Studies Research Center Press, 2010, S. 197-220. Für die von mir interviewten Chicano-Fotografen ist Aztlán eine historische Idee (Chuy Benitez, Tina Hernández, Orlando Lara, Angel Lartigue, Joe Medina und Christina Fernández) oder ein mythischer Ort (Robert Buitrón, Jesus Manuel Mena Garza und Oscar Lozoya). Für andere entspricht Aztlán geografisch betrachtet dem Südwesten der USA, ist somit das Land der Chicanos und vermittelt ihnen letztendlich ein Gefühl von Gesellschaft sowie einer eigenen Kulturzugehörigkeit (Jesus Manuel Mena Garza, Lupita Murillo Tinnen, Delilah Montoya, Diana Molina, Ken GonzalesDay, Don Bartletti, David Bacon, Harry Gamboa und Oscar Castillo). Wenig oder gar nicht über Aztlán nachgedacht haben Kathy Vargas, Andrew Ortiz, Art Meza, Miguel Gandert und Christina Fernández. Robert Buitrón ist als einziger der Meinung, dass Aztlán zu einer unverkennbaren Marke der Chicanos geworden ist. Dennoch wird Aztlán in den Bildern dieser Chicano-Fotografen, wie wir sie derzeit im Internet finden, nicht thematisiert. 72 University

of

Arizona,

Download

El

Plan

Espiritual

de

Aztlán

unter

http://clubs.asua.arizona.edu/~mecha/pages/PDFs/ElPlanDeAtzlan.pdf (17.10.2014). 73 El Plan Espiritual de Aztlán, in: Ibidem. 74 Ibidem.

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aber für die meisten war es die spirituelle Vision einer neuen aus Liebe und Gerechtigkeit beschaffenen Gesellschaft75. Hierbei vernetzt sich der Begriff Chicano ideologisch mit Mestizo76 und La Raza77 bzw. La Raza de Bronze78 sowie gleichermaßen mit den Termini Hispanos79 und Latinos80 generell, wobei Aztlán zum entscheidenden Unterscheidungsmerkmal für die Gruppe der Chicanos wird und nicht zuletzt deshalb zu einem dominanten Thema in der ChicanoForschung avancierte. »In the strictest sense, Chicanos subscribe to Brown Power; they represent no more than a ›minority within a minority‹ [Eliu Carranza, 1969] and not the entirety of MexicanAmericans. They are usually from the barrio [Mexican neighborhood like East L.A.]. The word ›Chicano‹ has thus undergone many transformations in meaning since the 1930s. Formerly a term of derision, it now stands for La Raza. It is more difficult than ever to define, as indefinable as the ›soul‹ of Blacks [Pierre Dommergues, 1974].«81

Die Stimmen des Chicano Movements der 1960er und 70er Jahre gelten heute als weitestgehend verstummt, währenddessen die der indigenen Einwanderer aus Mexiko und ihrer Sympathisanten stetig lauter werden82. Zwar ist der Begriff Chicano äußerst schwer zu definieren, aber er steht weiterhin im emotionalen Focus vieler Mexican Americans und ihrer Anhänger. Rafaela Castro fasst zusammen:

75 Campbell, Richard C. Two Eagles in the Sun: A Guide to U.S. Hispanic Culture. Rev. ed. Las Cruces, N.M.: Two Eagles Press International, 2002, S. 5/6. 76 Mestizen sind die Nachkommen der weißen Europäer und der indigenen Bevölkerung in Süd- und Mittelamerika. 77 Die Chicanos greifen auf das vom mexikanischen Politiker und Philosophen José Vasconcelos veröffentlichte Buch La Raza Cósmica (1925) zurück und benutzen den Begriff »Rasse« im Sinne von »Leute«. La Raza steht insbesondere für Mexikaner und Chicanos sowie für andere Mestizos. 78 Bronze und die Farbe Braun stehen symbolisch für die Hautfarbe der Mestizos im Gegensatz zu den Anglo- und den Afroamerikanern. 79 Bezeichnung für Leute, die aus den früheren spanischen Kolonien stammen und ein überwiegend spanisches Kulturerbe beibehalten haben. 80 Ethnonym für Lateinamerikaner, der irrtümlicherweise als Synonym für Hispanos benutzt wird, allerdings auch nicht-spanischsprachige Völker miteinbezieht. 81 Rocard, op. cit., S. xv. 82 Siehe »Indigene Gruppen im Internet«.

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»In its most basic definition a Chicano is a person of Mexican descent born in the United States. Chicano is the masculine form and Chicana the feminine. Historically the term has had a pejorative connotation when applied to lower-class poor Mexicans, although it has always been playfully used in supportive in-group situations. In the late 1960s it was adopted as a self-identifying term by Mexican American youth and college students to emphasize self-determination and self-assertion and to choose one’s own identity. It has become an ideologically loaded symbolic code word that expresses cultural pride in a common Mexican Heritage. To call oneself a Chicano symbolizes a solidarity with the Spanish language and with a pre-Columbian indigenous past, and an understanding of American racial oppression and discrimination against Mexican Americans.«83

Die letzten beiden Sätze dieser Definition sind für die Beschreibung der Chicanos und insbesondere der heutigen Chicano-Fotografen entscheidend. Linguistisch betrachtet ist Englisch die erste Muttersprache der Chicanos, während einige Fotografen das Entschwinden ihrer Spanischkenntnisse aufgrund fehlender Praxis beklagen. Doch eine Verbundenheit mit der spanischen Sprache ist weiterhin vorhanden84 und wird mitunter durch latente indigene Sprachkenntnisse85 83 Castro, op. cit., S. 53/54. 84 Nicht alle die für die vorliegende Arbeit interviewten Fotografen sind zweisprachig. Chuy Benitez, Ken Gonzales-Day, Delilah Montoya und Joe Medina besitzen nach eigenen Angaben nur mittlere bis geringe Spanischkenntnisse, während Isabel Avila, Art Meza und Christina Fernández lediglich Englisch sprechen. Diese drei Fotografen bezeichnen sich explizit als Chicanos und ihre fehlenden Spanischkenntnisse sind sowohl als eine Konsequenz des US-amerikanischen Bildungssystems als auch das Resultat familiärer Gegebenheiten anzusehen. Delilah

Montoya,

z.B.,

erzählte

mir

in

unserem

persönlichen

Gespräch

folgendes: »I wish I was more bilingual. I do speak some Spanish; I probably understand more than I speak. I always felt very clumsy about that. I think it is because I was raised in Omaha and my family has been in the United States for hundreds of years. My mother is bilingual; my grandfather spoke nothing but Spanish. […] Here what they had tried to do is making all the Latinos speaking English. My mother was punished for speaking Spanish in school. […] The other thing is the internal thing too. When I did try to speak Spanish and it wasn’t as clean as it should have been even my family would laugh at you and continuously correct you. So it was not the environment to learn.« Interview mit Delilah Montoya, Houston, 06. April 2015. Lupita Murrillo Tinnen wurde ebenso wie Delilah Montoya in den USA geboren, allerdings als Kind illegaler Einwanderer. Sie sagt: »I learned English in school, because my parents they didn’t speak English. What is funny is I don’t remember learning English. I just learned both languages at the same time. I learned English at school

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aktiv ergänzt. Die (Selbst-)Bezeichnung Chicano wird weniger vom Spanischen und deutlich mehr von der eigenen Identitätsfindung und einem ausgeprägten sozialpolitischen Engagement abhängig geprägt und angewandt. So muss man zwar entgegen der Kurzdefinition des Begriffs Chicano,-a nicht zwingend USamerikanischer Staatsbürger mexikanischer Herkunft sein, um die zeitgenössische Chicano-Kultur verinnerlichen und fotografisch ausdrücken zu können. Doch man sollte möglichst zweisprachig sein, einen innigen Bezug zu prähispanischen Kulturen besitzen und ein ausgeprägtes Verständnis für die herrschenden sozialen Ungerechtigkeiten haben, denen sowohl die US-Amerikaner mexikanischer Herkunft als auch indigenen Einwanderer aus Mexiko ausgesetzt sind. In meinen Gesprächen mit den zeitgenössischen Chicano-Fotografen, so lässt sich abschließend sagen, wurde deutlich, dass die sozialpolitische Konnotation des Begriffs Chicano,-a essentiell ist und keinesfalls auf die East L.A. Gangster,

and Spanish at home, which is funny, because now my kids… I am going to send them to a Spanish school. They are going to speak English at home and Spanish at school.« Persönliches Interview mit Lupita Murrillo Tinnen, Plano (Texas) / Houston, 16. April 2015. 85 Als High-School Schüler hatte Lara einen Kurs von Gordon Brotherston über Maya Codices besucht. Dort erlangte er ein Basiswissen in Quiché, der Sprache der Mayas. Persönliches Interview mit Orlando Lara, Houston, 12. April 2015. Auch Kathy Vargas, welche im Gegensatz zu Lara einer älteren Generation von Chicano-Künstlern gehört, erinnert sich während ihrer Ausbildung einen NahuatlKurs besucht zu haben. Persönliches Interview mit Kathy Vargas, San Antonio, 25. April 2015. Isabel Avila arbeitet eng mit den Tongva (auch Gabrielino genannt), einer in Los Angeles und Umgebung lebenden indigenen Gruppe, zusammen und besitzt ein TongvaWörterbuch, von dem sie oft Gebrauch macht. Da es die Sprache derjenigen Native Americans ist, auf dessen Land sie lebt, würde sie sehr gerne ihre Sprache erlernen und somit ihren Respekt zum Ausdruck bringen. Der Besuch eines TongvaSprachkurses sei aus rein zeitlichen Gründen bislang nicht möglich gewesen. Persönliches Interview mit Isabel Avila, Los Angeles, 21. Oktober 2015. Der Fotograf und Galerist Enrique Fernández Cervantes sagt zu diesem Thema folgendes: »[…] I never considered learning Nahuatl or any other indigenous language. There was always a translator in my trips to Mexico so I did not feel the need to learn an indigenous language. I now realize that learning Nahuatl or other dialect could actually have made my immersion into the arts of Mexico even more wideranging and rewarding.« Interview mit Enrique Fernández Cervantes, Berlin / Dallas, Juni 2015.

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Lowriting, Rap Music und Tattoos eingegrenzt werden darf. Denn dies ist das Bild, welches man nach einer Google-Suche des Begriffs Chicano,-a heute im Internet vermittelt bekommt86. Being a Chicano bedeutet, so wird ferner deutlich, weitaus mehr als ein Träger des Labels Mexican American zu sein. Es ist ein spezifischer Ausdruck von Identität und Solidarität in enger Verbundenheit mit den indigenen Kulturen sowie anderer Minderheiten.87 86 »Chicano is a person who identifies with other Chicanos. Some people identify with it, because… you know, there are gangsters that identify as Chicanos, because they think Chicanos are badass people. I identify on a different frame. I identify with Chicanos, because to me a Chicano is somebody who is artistic, creative and intelligent; who went through the 60s and 70s with a political agenda to help other Chicanos and other ethnic groups progress in our society. Again, one person thinks tattoos, guns, violence… another person wants to support the community, wants to be become creative, wants to promote intellectual activity and progress. If you look to a web search for Chicano on the Internet and you press photographs you will see a lot of tattoos, a lot of gang members, a lot of lowriders, a lot of ›punks‹, which I call ›punks‹. Be serious. These are the Chicanos that for some reason Google is trying to represent to the public. They are the arbiters, Google is the arbiter of what Chicano is. […]« Interview mit Jesus Manuel Mena Graza, Fort Worth (Texas), 04. April 2015. 87 »[…] Mexican-American is a fact of birth. You have Mexican heritage, you are in the U.S., you are Mexican-American. Chicano is a choice. Chicano is I will be political. Chicano is I will vote. Chicano is I will fight for Civil Rights. Chicano is I will align myself with the Dreamers. Chicano is I will align myself with an indigenous heritage. Chicano is I will look out for the heritage of the indigenous people… all over, wherever they might be, worldwide, whether they are Puerto Rican or Mexican or whatever. Chicano is different. Chicano is political. Chicano is I will make my protest onto the immigration march, even if I am old, I will go the immigration march. Mexican American is I happen to be a certain racial background, a certain skin color and come from a certain place and I don’t have to participate. […] Chicanos are Mexican Americans, but Mexican Americans are not necessarily Chicanos. […] It is doing whatever is necessary to ensure that Civil Rights continue, not just for your own group. For me, it is not just for your own group, it is for everybody. All of the shootings of the young black men and beating up of young women, all that. It is necessary to speak out about that. […] For me that is being a Chicana. It is not always about Mexican American. It is about what is going on in the United States for African Americans. It is about what is going on in the United States for the lesbian, gay, transgender… […] I have students who are lesbian or gay; I want them to know that I stand with them when they stand for their rights. Anytime, anywhere there is social in-

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Im Rahmen der vorliegenden Recherche, drängte sich schnell die Frage auf, ob man in der heutigen Zeit überhaupt Chicano sein muss, um Chicano-Fotografie schaffen zu können. Diese beantwortete Tina Hernández mit einer Gegenfrage: »Does a feminist has to be female?« – Selbstverständlich nicht. Die Schwierigkeit liege darin, so die Fotografin, dass es viele Chicano-Künstler gibt, die nicht als solche bezeichnet werden wollen und somit hätte im Prinzip nur der Künstler selbst ein Anrecht darauf, sein Werk als Chicano-Kunst zu bezeichnen.88 Kathy Vargas ihrerseits nennt den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado als konkretes Beispiel dafür, dass er seine Arbeit nicht als Chicano-Fotografie bezeichnen muss, um als solcher wahrgenommen zu werden. Ihrer Meinung nach wird Salgado durch sein weltweit soziales Engagement zu einem Mitglied der Chicanos. Seine politisierte Seele mache ihn zu einem Chicano, obgleich er selbst sich sehr wahrscheinlich als Brasilianer bezeichnen würde.89 Auch der Fotograf Robert C. Buitrón würde einige Künstlerkollegen aufgrund ihrer Arbeiten als Chicanos bezeichnen, obgleich diese sich ihm gegenüber ausdrücklich vom besagten Begriff distanziert haben und eher als Mexican Americans oder Hispanos verstanden werden wollen90.

justice Chicanos have to stand against social injustice. […] That is why I am saying it is a choice, to continue being an activist.« Interview mit Kathy Vargas, San Antonio, 25. April 2015. Der Schriftsteller Luis J. Rodríguez , der sich Tokyo: Living La Vida Lowrider für die alternative Schreibweise des Begriffs Chicano mit X entschieden hat, schreibt: »Much of our struggle as Xicanos is to be seen for what we are – indigenous, not Mexican or American, yet willing to defend both when needed. Xicanos have been in all major U.S. wars, including winning more congressional medals of valor than any other ethnic group during World War II. But most of our fighting here has been against racism, against bad schools, against the lack of decent jobs, and against terrible housing. Today the United States has an estimated 30 million Xicanos and others of Mexican descent. Of the 12 million undocumented immigrants here, more than 60 percent are from Mexico. […] being Xicano is both a necessity and a choice.« In: Meza, Art, und Santino J. Rivera. Lowriting: Shots, Rides & Stories from the Chicano Soul: Broken Sword Publications, 2014, S. 4/5. 88 Interview mit Tina Hernández, Houston, 17. April 2015. 89 Interview mit Kathy Vargas, San Antonio, 25. April 2015. 90 Interview mit Robert C. Buitrón, New Orleans, 14. März 2015.

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Die Fotografen Andrew Ortiz91, Diana Molina92, Ken Gonzales-Day93 und Miguel Gandert94 schließen sich der Mehrheit an und verneinen die Frage vehement. Jesus Manuel Mena Garza95, Isabel Avila96, Art Meza97, Joe Medina98, Oscar Lozoya99 und Harry Gamboa schließen sich ihnen weitestgehend an und bringen nur geringe Bedenken zum Ausdruck. Gamboa, z.B., der zu den renommiertesten Chicano-Künstlern zählt, lädt jeden Fotografen dazu ein Teil von Aztlán zu werden, weist allerdings darauf hin, dass man sehr viel Zeit benötige, um ein Chicano zu werden100. Er fügt ferner hinzu: »[…] everything is so fluent now that the parameters that preexisted have been broken actually as a result of the Internet. […] I grew up in a time where everything was extremely ridged. On some level I am still responding to this… It’s a horrific Freudian problem that maybe will one day be overcome. But I am not sure, if one has to be Chicano to create Chicano art. One needs to have the sensitivity and the understanding of what it might be, otherwise it’s then stereotyping.«101

Chuy Benitez, der mit dem Internet aufgewachsen ist, vertritt die Ansicht, dass man durchaus ein Chicano sein muss, um Chicano-Fotografie produzieren zu können. Die Werke anderer Künstler seien lediglich eine Hommage an die Chicano-Kultur, jedoch keine Chicano-Kunst. Diese könne nur aus einer spezifischen auf Authentizität und Verständnis basierenden Motivation heraus entstehen.102 Xavier Tavera weist zudem darauf hin, dass es sich hierbei um die Aneignung einer anderen Kultur handle, wenn man selbst kein Chicano ist.103 Diese Aneignung wird in der Chicano-Gemeinde nicht unbedingt gerne gesehen, insbesondere dann nicht, wenn daraus großes Kapital geschlagen wird. David Ba-

91

Interview mit Andrew Ortiz, Arlington (Texas), 03. April 2015.

92

Interview mit Diana Molina, El Paso, 05. September 2015.

93

Interview mit Ken Gonzales-Day, Los Angeles, 02. November 2015.

94

Interview mit Miguel Gandert, Albuquerque, 31. August 2015.

95

Interview mit Jesus Manuel Mena Graza, Fort Worth (Texas), 04. April 2015.

96

Interview mit Isabel Avila, Los Angeles, 21. Oktober 2015.

97

Interview mit Art Meza, Los Angeles, 14. Oktober 2015.

98

Interview mit Joe Medina, Los Angeles, 20. Oktober 2015.

99

Interview mit Oscar Lozoya, Albuquerque, 15. September 2015.

100 Interview mit Harry Gamboa, Los Angeles, 30. Oktober 2015. 101 Ibidem. 102 Interview mit Chuy Benitez, Houston, 25. März 2015. 103 Interview mit Xavier Tavera, Minneapolis / Los Angeles, 19. Oktober 2015.

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con104, Don Bartletti105, Lupita Murillo Tinnen106 und Angel Lartigue107 sowie Orlando Lara108 schließen sich dieser Meinung an. Lara, der zur gleichen Generation wie Benitez gehört, fügt hinzu, dass es dennoch einen Platz für die sogenannten »Ehren-Chicanos« gibt. Das sind solche Fotografen, die sich stark mit dem Kampf und der Kultur der Chicanos identifizieren. Sie tragen einen entscheidenden Anteil zu der zeitgenössischen ChicanoKunst bei, allerdings würde er ihre Werke eher als »activist art« oder »intercultural art« bezeichnen.109 Der erste Begriff setzt voraus, dass die Bildinhalte einen politischen Aktivismus wiedergeben, wie man ihn z.B. in den Arbeiten von David Bacon, Rick Nahmias und Don Bartletti wiederfindet110, und der zweite, dass in den Fotografien verschiedene Kulturen visuell zu etwas Neuem verschmelzen. Eine kulturelle Verschmelzung findet sich allerdings in allen Werken der Chicano-Fotografen, weil diese hauptsächlich eine Symbiose mexikanischer und angloamerikanischer Kulturelemente widerspiegeln und sogar einige NichtChicanos mit genau diesen Elementen arbeiten. Somit kann man diese Begriffe durchaus anwenden, allerdings separieren auch sie nicht eindeutig die Fotografien der Chicanos von denen der Nicht-Chicanos, weil sie rein visuell betrachtet nicht eindeutig zum Tragen kommen. Jesus Manuel Mena Garza sagt: »I definitively identify myself as a Chicano, because I grew up as part of the Chicano Movement. I identify from that era, that epoch, that dying epoch by the way. As one of my professors from UC Berkley says, the Chicano generation is dying off. So, I am definitively of that generation. I identify my photography from this period as my series Chicano Photographer. It was when I was active in the Chicano Movement. If I produced a series on Oaxaca, which I have a series on, it is not going to be called… I am a person of Chicano ancestry, but I am not going to emblaze it by saying ›this is the Chicano Photographer’s exhibit on Oaxaca‹. It is Jesus Manuel’s exhibit... I am Chicano, but these photographs are not. If you are doing Chicano photography or Chicano art, typically you have to identify as being a Chicano. You can photograph Chicanos etc. and write about Chicanos… You don‘t

104 Interview mit David Bacon, San Diego, 03. Oktober 2015. 105 Interview mit Don Bartletti, Carlsbad (Kalifornien), 24. Oktober 2015. 106 Interview mit Lupita Murrillo Tinnen, Plano (Texas) / Houston, 16. April 2015. 107 Interview mit Angel Lartigue, Houston, 07. Mai 2015. 108 Interview mit Orlando Lara, Houston, 12. April 2015. 109 Ibidem. 110 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«.

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have to be a Chicano to write a book about Chicanos, but you are definitively on the outside looking in.«111

Betrachtet man z.B. die Fotografie Mexikos in den 1990er Jahren, einer Dekade, in welcher es erstmals sowohl indigene als auch nicht-indigene professionelle Fotografen mit internationalem Renommee gleichzeitig gab, so weisen die Aufnahmen der Fotografen dieser beiden Gruppen deutliche technische, inhaltliche und ästhetische Unterschiede auf. Man erkennt diesen »von außen nach innen schauenden« Blick in den Fotografien der nicht-indigenen Künstler deutlich gegenüber den Fotografien, die aus dem Inneren der indigenen Kulturen entstanden sind. Dies basiert hauptsächlich auf der Tatsache, dass die indigenen Fotografen Mexikos erst in den 90ern eine Chance bekamen sich als professionelle Fotografen zu behaupten, während die Gruppe der nicht-indigenen diesbezüglich bereits auf eine langjährige Tradition zurückblicken konnte. Der Lauf der Geschichte des Landes, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten der indigenen Kulturen, sowie das paternalistische Verhalten seitens der nichtindigenen Gesellschaft gegenüber der indigenen Völker verhinderte die Herausbildung einer Gruppe indigener, auf nationaler und internationaler Ebene professionell arbeitender Fotografen vor den 90er Jahren.112 Während, generell gesprochen, die indigenen und nicht-indigenen Fotografen in Mexiko bis heute fototechnisch und professionell betrachtet weiterhin ungleiche Entwicklungsphasen aufweisen, lassen sich derartige Gegebenheiten in den USA nicht konstatieren. Denn hier besitzen die Chicanos das gleiche Know-how wie andere professionell arbeitende Fotografen. Die Aufnahmen der Chicanos lassen sich rein fototechnisch gesprochen nicht von denen der Nicht-Chicanos unterscheiden. Es sind lediglich ihre Themeninhalte und eine gewisse ChicanoÄsthetik, durch welche sich bestimmte Bilder der Chicano-Fotografie zuordnen lassen. Ein Blick »von innen nach außen« dargestellt sowie einer, der »von außen nach innen« gerichtet zu sein scheint, schwindet mit dem Interesse, Wissen und Engagement des jeweiligen Fotografen, egal ob dieser sich selbst als Chicano bezeichnet oder lediglich als solcher wahrgenommen wird. Ferner sei erwähnt, dass die heutige Chicano-Fotografie, wie man z.B. an der Serie Lowriting113 von Art Meza114 sehen kann, weitaus mehr thematisiert115 als

111 Interview mit Jesus Manuel Mena Garza, op. cit.. 112 Siehe auch Corkovic, op. cit.. 113 Lowriders sind amerikanische Cabrios und Limousinen, die mit Hilfe von elektrisch betriebenen Hydraulik- oder Pneumatik-Pumpen umgebaut wurden. Durch die Pumpen kann die Karosserie der Autos auf und ab bewegt werden. Man findet sie insbe-

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die damalige Chicano-Bewegung und ihre politischen Ausläufer in der Gegenwart. Dennoch trifft es zu, dass die heutige Chicano-Fotografie ein Gesamtprodukt unterschiedlicher kultureller Gruppen ist. Die erste besteht aus Fotografen, die sich selbst als Chicanos bezeichnen, z.B. der oben zitierte Jesus Manuel Mena Garza oder auch Chuy Benitez116, Robert C. Buitrón117, Tina Hernández118, Orlando Lara119, Delilah Montoya120, Art Meza121, Miguel Gandert122, Oscar Lozoya123, Christina Fernández124, Oscar Castillo125, Harry Gamboa126 sowie Kathy Vargas127. Die zweite Gruppe besteht aus Mexican Americans, wie Lupita Murillo Tinnen128, Ken Gonzales-Day129 und Joe Medina130, die sich ebenfalls

sondere in Los Angeles, während sie inzwischen ebenfalls eine breite Anhängerschaft in Japan haben. Lowriding ist ein fester Bestanteil der Chicano Kultur. 114 In Zusammenhang mit den Lowriders, führte der Fotograf Art Meza 2014 die Bezeichnung Chicano Soul ein, welche von der aktuellen US-amerikanischen Popkultur geprägt wird und als Markenname des Fotografen zu verstehen ist: »Art ›Chicano Soul‹ Meza – I am a photographer born and raised in Los Angeles, California, who infuses elements of my daily surroundings, my love for classic car and lowrider culture and pride of my Chicano upbringing to produce images with what I call ›Chicano Soul‹. You can find over 50 of those images in my new book, ›Lowriting‹.« In: http://www.chicanosoul.net/pages/about-us (08.08.2015). Wie Meza in einem Gespräch mit Lisa Napoli betont, geht es in seinem Buch geht jedoch weniger um Autos und mehr um den Stolz auf das eigene kulturelle Erbe als Chicanos. In: Interview von Lisa Napoli mit Art Meza am 5. März 2014. Gepostet auf: http://blogs.kcrw.com/whichwayla/2014/03/low-riders-and-chicano-soul (17.10. 2014). 115 Siehe auch »Chicano-Fotografie heute« der vorliegenden Arbeit. 116 Interview mit Chuy Benitez, op. cit.. 117 Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit.. 118 Interview mit Tina Hernández, op. cit.. 119 Interview mit Orlando Lara, op. cit.. 120 Interview mit Delilah Montoya, Houston, 06. April 2015. 121 Interview mit Art Meza, op. cit.. 122 Interview mit Miguel Gandert, op. cit.. 123 Interview mit Oscar Lozoya, op. cit.. 124 Interview mit Christina Fernández, Norwalk (Kalifornien), 29. September 2015. 125 Interview mit Oscar Castillo, Los Angeles, 30. September 2015. 126 Interview mit Harry Gamboa, op. cit.. 127 Interview mit Kathy Vargas, op. cit.. 128 Interview mit Lupita Murrillo Tinnen, op. cit..

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sozialpolitisch kritisch mit den betreffenden Themen auseinandersetzen und somit als Chicano-Fotografen wahrgenommen werden. In eine dritte Gruppe fallen die Nicht-Chicanos David Bacon, Rick Nahmias und Don Bartletti, die keine Mexican Americans sind, sich allerdings sowohl durch ihr bemerkenswertes sozialpolitisches Engagement als auch durch ihre fotografische Leistung ausgezeichnet haben. Gerade weil der Begriff Chicano,-a einen stark sozialpolitischen Charakter besitzt, möchte nicht jeder Fotograf damit in Verbindung gebracht werden. Obgleich es Mexican Americans gibt, die mit ihren Arbeiten den Kampf der Chicanos unterstützen, möchten sie nicht über diese Bezeichnung als Aktivisten angesehen werden. Andrew Ortiz131, der ausdrücklich betont kein Chicano-Aktivist zu sein, und Enrique Fernández Cervantes132 schwanken zwischen den beiden sehr oft als Synonyme benutzten Begriffen, während der junge Fotograf Angel Lartigue sich entweder als Mexican American oder Xicano sieht. Lartigue ist derzeit ein Student von Delilah Montoya und sagt, dass er sich erst seit kurzem ernsthaft mit dem Thema Chicano-Kultur beschäftigt. Seine Identität variiert stets abhängig von den Kreisen, in denen er sich on- und offline bewegt.133 Gregory Bojorquez, der sich früher als Chicano bezeichnete134, sagte in meinem Interview mit ihm, dass er Angloamerikaner sei135. Als Angloamerikaner bezeichnet sich auch der Pulitzerpreisträger Don Bartletti, der italienische Wurzeln hat und seine Arbeiten gerne im sozialkritischen Kontext zusammen mit der Chicano-Fotografie analysiert wissen möchte136. Schließlich bleibt David Bacon zu nennen, der zwar ebenfalls Angloamerikaner ist, sich aber als »Chicano im

129 Interview mit Ken Gonzales-Day, op. cit.. 130 Interview mit Joe Medina, op. cit.. 131 Interview mit Andrew Ortiz, op. cit.. 132 Interview mit Enrique Fernández Cervantes, Berlin / Dallas, 24. Juni 2015. 133 Interview mit Angel Lartigue, op. cit.. 134 Gregory Bojorguez wurde von Harry Gamboa für seine Serie Chicano Male Unbonded fotografiert. Um in diese Fotoserie aufgenommen zu werden, muss man einerseits von jemandem anderen nominiert werden, d.h. ein Außenstehender muss diese Person als Chicano wahrnehmen, und zusätzlich muss der Nominierte sich selbst als Chicano bezeichnen. Interview mit Harry Gamboa, op. cit. Siehe auch http://www.npr.org/sections/pictureshow/2013/04/25/178668030/ chicano-males-stare-down-stereotypes (21.03.2016). 135 Interview mit Gregory Bojorguez, Los Angeles, 12. Oktober 2015. 136 Interview mit Don Bartletti, op. cit..

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Herzen« bezeichnet137, was in seiner Zusammenarbeit mit den Farmarbeitern in Kalifornien besonders deutlich zum Ausdruck kommt. Wie flexibel der Gebrauch des Begriffs Chicano,-a insbesondere in der Kunst ist, findet sich ebenfalls in Chon A. Noriegas Text zur Ausstellung East of the River über Chicano-Kunstsammler und ihre Kollektionen. Er bietet einen weiteren Hinweis darauf, dass man sich selbst nicht zwingend als Chicano bezeichnen muss, um Werke zu erschaffen, die von anderen als Chicano-Kunst rezipiert werden: »The way in which CACA [Chicano Art Collectors Anonymous] embraces contradictions can be found in the group composition as well as in some of the distinctive aspects of their collections. First of all, the collectors are not all Chicano, a possibility suggested by the ambiguous phrase, ›Chicano art collectors‹. The group includes Chicano art collectors among the Chicano art collectors. The group has included Mexican and other Latin American members as well as non-Latinos. Several members actually live west of the river, giving the exhibition title more of a metaphorical quality than a strictly geographical one. While the focus of CACA is on the contemporary Chicano art of Los Angeles, the collections contain significant works by Chicano artists from elsewhere – for example, César A. Martínez and Kathy Vargas from San Antonio – not to mention works by Mexican artists working in both the folk and fine art traditions. David Serrano and Alfredo de Batuc are included among the Mexican-born fine artists. Most collectors also have works by nonLatino artists, from Alex Donis to Janice Tanaka. Of particular interest are those nonChicano artists whom the collectors identify as Born Again Chicanos because their work expresses a ›Chicano‹ sensibility. Luisa Cohrs, who was born in Colombia and raised in Southern California, and Ann Chamberlin figure prominently in the CACA collections in this category. […]«138

Chon A. Noriega erwähnt in dem oben genannten Zitat einen starken Einfluss seitens der Chicanos auf andere Kulturen, bzw. auf die im Südwesten der USA lebenden Ausländer. Dies wird ebenfalls vom Journalisten und Aktivisten Roberto Rodríguez in seinem Anti-Buch139 mit dem Titel The X in La Raza, her-

137 Interview mit David Bacon, op. cit.. 138 Noriega, op. cit., S. 11/12. 139 »Some people might call this, ›The X in La Raza‹, a monograph. I call it an anti book. Writing this in a sense is a continued act of defiance; that is, I didn’t ask anyone permission to write it and I seek none, particularly from editors, publishers or grammarians.« In: Rodríguez, Roberto. The X in La Raza. Albuquerque: Roberto Rodríguez, 1996, Danksagungstext.

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vorgehoben. Er schreibt, dass die Chicano-Bewegung niemals ein exklusiver sozialer Aufstand der Leute mexikanischer Herkunft gewesen sei, sondern der vieler anderer Latinos, die beispielsweise aus Chile, Guatemala, Peru oder Puerto Rico stammten. Sie haben ebenfalls in den Barrios gewohnt und einige von ihnen bezeichneten sich selbst als Chicanos. Die totgesagte Chicano-Bewegung wäre in den 90ern so lautstark wie nie zuvor, gerade durch diesen demografischen Wechsel.140 »The new activism has been rekindled by attacks against our communities and in part, as a result of the death of Cesar E. Chavez. Ever since his death in 1993, there has been a rebirth or revitalization of the movement – led by youth – many of them called Xicanos. And they have done quite well in struggling for Raza Studies and in combating the blatant racists who have scapegoated our Raza as the people responsible for this nation’s severe economic and social problems. […] Those who identify themselves as Xicanos are also active in indigenous networks throughout the Americas, particularly in support of the Zapatistas.«141

Rodríguez spricht von der X generation und einer neuen sozialen Bewegung, dem Xicano Movement, deren Einfluss mit jenem der 60er Jahre vergleichbar ist. Es sei, aufgrund der anhaltenden sozialen Ungerechtigkeiten und Angriffe auf La Raza, sogar ein weitaus dynamischerer Kampfgeist mit vollkommen neuen Ausformungen des Widerstands vorhanden. Er nennt Raza Rap142 Musik als Teil der heutigen Hip-Hop Kultur sowie die Raza Cyber-Kommunikation und Informationsnetzwerke als Beispiele, durch welche die traditionellen Protestmärsche und Massenmedien seit Ende des 20. Jahrhunderts ergänzt wurden.143 Die Wissenschaftler David Ronfeldt und John Arquilla nennen diese Ausprägung des sozialen Widerstandes, welche sich des Internets als Kommunikationsplattform bedient, Netwar.144 140 Ibidem, S. 1. 141 Ibidem, S. 5/6. 142 Siehe z.B. den Blog Raza Rap News, Rap Chicano – Hip Hop Latino auf http://razarapnews.blogspot.de/ oder Xicano Rap Updates auf http://xicanorapup dates.blogspot.de/, welche auch auf Twitter, https://twitter.com/XicanoRapUpdate, und

Facebook,

https://www.facebook.com/XicanoRapUpdates,

präsent

sind.

(23.10.2014). 143 Rodríguez, op. cit., S. 1-30. 144 Ronfeldt, David, John Arquilla, Graham Fuller, und Melissa Fuller. The Zapatista »Social Netwar« in Mexico. Santa Monica, CA: RAND, 1998. Siehe auch »Indigene Gruppen im Internet« der vorliegenden Arbeit.

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Zahlreiche Fotografen finden die alternative Schreibweise sinnvoll und sehen ihren Gebrauch als Ausdruck einer neuen Generation145. Orlando Lara, der zu den jüngeren Fotografen gehört, mag das Wort Xicano, weil es buchstäblich ein Teil von Mexicano ist und somit den Bezug zu Mexiko stärkt. Obgleich diese Schreibweise interessant ist, so bemerkt Lara zu Recht, sei es wichtig festzuhalten, dass diese Gruppe nur als Konterpart gegenüber anderen Chicanos zu verstehen sei und keinesfalls mit den Natives verwechselt werden dürfe.146 Denn die indigenen Gruppen, welche sich in ihrem Kampf zeitgemäß des Internets bedienen147, bezeichnen sich keinesfalls als Xicanos. Der nahezu gleichaltrige Chuy Benitez sagt, dass er persönlich lieber der Tradition früherer Chicanos folgt. Das X mag zwar für einen kulturellen Wiederaufbau von unten stehen, aber diese neue Xicano-Bewegung sei nur in der Musikszene zu finden.148 Die indigene Künstlerin Rain Flowa bestätigte mir in einem persönlichen Gespräch, dass diese Underground-Bewegung unter ihren Musiker-Kollegen existiert und dynamisch ist149. In der Publikation L.A. Xicano von 2011 wird das X als Symbol für die komplexe Authentizität in der Chicano-Kunst einsetzen. Chon A. Noriega schreibt: »[…] In naming this project, Pilar Tompkins Rivas, Terezita Romo, and I used the alternate spelling of Chicano: with an X derived from the Spanish transcription of the Nahuatl sound ›ch‹. We did so to gesture toward what poet Alurista describes as a distinctive Xicano artistic practice first emerging in 1943. But our goal is less to subscribe to a particular historical understanding, or aesthetic framework, than to mark the complexities of describing the diverse Mexican-descent cultural production in Los Angeles in the second half of the twentieth century. In this regard, our use of X draws upon its multiple and conflicting meaning, wherein it can mark location and destination, but it can also signify identity, indicate affirmation as well as negation, and serve as an ineffable marker of difference – the x factor. […]«150

145 Darunter gehören Tina Hernández, Orlando Lara, Angel Lartigue und Lupita Murrillo Tinnen. 146 Interview mit Orlando Lara, op. cit.. 147 Siehe »Indigene Gruppen im Internet«. 148 Interview mit Chuy Benitez, op. cit.. 149 »The Xicano Movement is there. I agree with everything he [Robert Rodríguez] is saying. […] It is a social movement and it has a warrior essence to it across Aztlán.« Interview mit Rain Flowa, Houston, 20. April 2015. 150 Noriega, Chon A., Terecita Romo, und Pilar Tompkins Rivas. L.A. Xicano. Los Angeles: UCLA Chicano Studies Research Center Press, 2011, S. xi.

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Diese alternative Schreibweise, so lässt sich zusammenfassend sagen, wird längst nicht von allen Chicano-Fotografen als revolutionäre Innovation einer neuen Generation wahrgenommen. Somit entspricht ihr Gebrauch in der heutigen Fotografie nicht ganz dem in der Musik. Ferner betonen einige Chicanos der älteren Generation, dass Xicano bereits während der 60er und 70er Jahre benutzt wurde und jetzt vielmehr ein Revival erlebt. Jesus Manuel Mena Garza sagt: »We still used the X back than in the 60s and 70s. So it’s nothing new. It’s not exactly original… We used to call ourselves Xicanos with an X. So it’s nothing brilliant, new wave or new age. There is a lot of people using the word Xicano in the future… everything comes back.«151

Kathy Vargas ihrerseits erklärt: »I think we were always Xicano with an X. Juan Tejeda is a musician and he was always Xicano with an X. I am sorry, it’s not new. He was also from the 60s and 70s. We’ve always gone back to the indigenous past… always! That was the whole thing that the 60s and 70s was about. We went back to the North American indigenous past as well as the Latin American and the South American indigenous past… Not that South American has a big indigenous past, they killed all of theirs, but still… We were always Xicano with an X and the 60s didn’t die. I wonder how many of those new generation went on these immigration marches, because we were there. The young people were there and the old guys could barely walk... There were Vietnam veterans in wheel chairs who were there. That’s my generation. We can’t walk anymore, we’re still going out on the marches. So I don’t think the 60s thing died. I think, if anything, it trans-mutated into something else and became more global. I think, we went back to our indigenous roots and the new Xicanos are much more global than we are.«152

Das X in Xicano wird heute in der Fotografie wenig, aber durchaus generationsübergreifend akzeptiert und genutzt. Einerseits verstärkt er als X-Faktor der Chicano-Kultur heute eine Rückbesinnung auf das prähispanische Erbe, kann aber andererseits auch als eine Solidarität mit den Neozapatisten und anderer inzwischen transnational agierenden Aktivisten indigener Abstammung153 interpretiert werden. Dies spielt gleichzeitig auf eine gewisse Distanzierung zum spanischen

151 Interview mit Jesus Manuel Mena Garza, op. cit.. 152 Interview mit Kathy Vargas, op. cit.. 153 Siehe »Indigene Gruppen im Internet«.

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und angloamerikanischen Kulturerbe154 an. Daher wollte ich von den ChicanoFotografen wissen, ob ihnen das indigene Kulturerbe tatsächlich wichtiger sei als ihre spanischen und angloamerikanischen Wurzeln. Diese Frage wurde bis auf wenige Ausnahmen verneint155, da die Chicanos inzwischen ein fester Bestanteil der US-amerikanischen Gesellschaft sind. – Oder, wie Jesus Manuel Mena Garza sagt: »[…] I am an acculturated, assimilated Chicano.«156 Lupita Murillo Tinnen interessiert sich für die mexikanische und angloamerikanische Kultur gleichermaßen, ohne ein spezifisches Interesse für die indigene.157 Auch Orlando Lara nennte seine Liebe und Loyalität für Mexiko, bezieht die Kultur der Indígenas allerdings mit ein. Für ihn ist die angloamerikanische Kultur geringfügig weniger von Bedeutung als die mexikanische, während die spanische nur äußerst wenig ins Gewicht fällt.158 Diana Molina interessiert sich insbesondere für die in Mexiko lebenden Tarahumaras, ist allerdings ebenso mit Europa verbunden, da es sich hierbei um verschiedene Kulturen handle und diese als solche alle interessant seien.159 In den Arbeiten von Isabel Avila hingegen gehören die indigenen Kulturen derzeit zu ihrem Hauptinteresse, weil es die am meisten unterdrückten sind.160 Auch Angel Lartigue fühlt zeitweise ein ausgeprägtes Bedürfnis die indigenen Kulturen in seiner Kunst wiederzubeleben.161 Delilah Montoya erinnert sich aufgrund ihrer familiären Erziehung zuerst mehr spanisch orientiert gewesen zu sein, bevor sie sich im Zuge der ChicanoBewegung auf die indigenen Kulturen fokussierte. Heute zeigt sie in ihrem aktuellen Projekt über die Castas162, was die Leute des Südwestens wirklich sind, nämlich eine gemischte Rasse.163 Kathy Vargas sagt, dass sie außer aus rein pro-

154 »Rocky Rodríguez, director of the National Xicano Human Rights Council says that the reason Xicano was spelled Chicano in the 1960s-70s is that ›we were thinking in Spanish or English back than‹.« In: Rodríguez, op. cit., S. 7. 155 Für Chuy Benitez, Robert Buitrón, Angel Lartigue, Jesus Manuel Mena Garza, Andrew Ortiz, Xavier Tavera, Art Meza, Joe Medina, Oscar Castillo, Ken GonzalesDay, Miguel Gandert, Christina Fernández, Oscar Castillo und Harry Gamboa ist die Chicano-Kultur in ihrer Ganzheit bedeutend, ohne jegliche Bevorzugung. 156 Interview mit Jesus Manuel Mena Garza, op. cit.. 157 Interview mit Lupita Murrillo Tinnen, op. cit.. 158 Interview mit Orlando Lara, op. cit.. 159 Interview mit Diana Molina, op. cit.. 160 Interview mit Isabel Avila, op. cit.. 161 Interview mit Angel Lartigue, op. cit.. 162 Siehe http://www.delilahmontoya.com/ContempCasta/index.html (16.04.2016). 163 Interview mit Delilah Montoya, op. cit..

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fessionellen Gründen nicht mit Europa verbunden sei, aber durchaus mit den Indigenen. Sie ist schockiert über Mexiko, da dort die europäische Kultur die indigene beerdigt hat und die Weißen die Indígenas auch heute noch ausbeuten. Den USA fühlt sie sich wegen ihrer Liebe zum Rock 'n' Roll verbunden.164 Auch Robert C. Buitrón erinnert sich insbesondere von der zeitgenössischen Popkultur beeinflusst worden zu sein: »I think they are all important. I did start to lean towards indigenous, because I think I was influenced by all the Westerns and that I really didn’t want Indians and Mexicans to lose. So, I think I wanted to be identified with what American popular culture identified as the losers and the advancement of civilization. But all of it has influenced me. As a Mexican you are almost from every part of the world. I could have ancestors from Africa, I have Basque ancestry, I have Spanish ancestry, probably Jewish ancestry, besides Indigenous ancestry. So, all of that… In my family we were just Mexicans. That was it. There was no distinction; only when I heard that phrase más indio que español…[165] but that was it. And what I found in my family, certain parts of my family not all of them, that they don’t really want to recognize their indigenous ancestry and you will find that in Mexico. A lot of Mexicans will not recognize their indigenous ancestry. When I started doing the Ixta y Popo series that were things that I have observed and noted that there is internal racism and prejudice as well as external. Well, if I had to say influence, it would be comics and Hollywood movies. That popular culture really influenced me. I liked reading comic books, I had a lot of comic books. Western television; I remember living with my grandparents and Gunsmoke [TV series, 1955–1975] would be on... All these Westerns were always around me. […]«166

Für die interviewten Fotografen, so lässt sich zusammenfassen, ist das indigene Erbe zwar von signifikanter Bedeutung, hat allerdings gegenüber ihren spanischen und angloamerikanischen Wurzeln keine größere Bedeutung. Sie lernten die indigenen Kulturen parallel und über verschiedene Wege kennen, nämlich als Teil ihrer mexikanischen Herkunft, während der Chicano-Bewegung sowie durch den Einfluss der zeitgenössischen Popkultur und insbesondere der Westernfilme. Einige der Fotografen reisten nach Mexiko und suchten vor Ort nach ihren Wurzeln oder traten mit indigenen Immigranten aus Mexiko und den in den USA lebenden Native Americans in direkten Kontakt. Diese Suche und persönliche Auseinandersetzung mit den indigenen Kulturen spiegeln sich in den im

164 Interview mit Kathy Vargas, op. cit.. 165 Siehe »Robert C. Buitrón – El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto)«. 166 Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit..

C HICANO -F OTOGRAFIE

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Kapitel »Chicano-Fotografie im World Wide Web« dargestellten Fallstudien wie sie in der Chicano-Fotografie derzeit im Internet zu finden sind deutlich wider.

Das Internet als Fotoplattform

Eine der größten Herausforderung bei der Recherche von Fotografie im Internet ist das unangekündigte Entschwinden von Websites mit wichtigem Bildmaterial zum recherchierten Thema. Als konkretes Beispiel möchte ich die OnlineDatenbank Digital@UDayton1 der University of Dayton2 nennen, in welcher für das vorliegende Thema relevante Fotografien von Robert C. Buitrón zur Verfügung standen (Abb. 4). Das Bild Popo in Therapy (The Legend of Ixtaccihuatl y Popocatepetl series), zwei Fotografien aus der Serie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto)3 und ein weiteres mit dem Titel Teatro de la gente waren aufgelistet und hatten einen direkten Bezug zu indigenen Kulturen in der Chicano-Fotografie. Ich entdeckte diese Datenbank nach einer GoogleBildersuche Mitte Dezember 2014, konnte sie aber nach dem Jahreswechsel nicht erneut aufrufen. Wie mir Fran Rice von der University of Dayton Mitte Januar erklärte, war die digitale Datenbank nie für externe Forschung vorgesehen und nur aufgrund von Konfigurationsproblemen weltweit online zugänglich. Daher hat sich die Universität jetzt für ein Abonnement bei ArtSTOR4 entschieden, welches ihnen ermöglicht digitales Bildmaterial ausschließlich für interne Lehrund Forschungszwecke zu nutzen.5 1

http://digital.udayton.edu/cdm/search/searchterm/Buitron (16.12.2014).

2

https://www.udayton.edu/ (07.05.2016).

3

Siehe »Robert C. Buitrón – El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto)«.

4

http://www.artstor.org (07.05.2016).

5

»Digital@UDayton was built using campus resources except for the collection you were using, the Visual Arts Collection. The platform used was CONTENTdm a product of OCLC. With the library's investment in an institutional repository, it was determined financing a stand alone digital asset management system was not fiscally responsible. Digital@UDayton was launched in 2010. From July 1, 2014 to January 5,2015, Digital@UDayton had been accessed 13,000 times. Most users have been from the

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Abbildung 4: Digital@UDayton. Online-Datenbank. Screenshot.

Quelle: http://digital.udayton.edu/cdm/singleitem/collection/visarts/4481/rec/3 (16.12.2014)

Bei Digital@UDayton war die Bildpräsentation einzelner Fotografien einfach und funktionell gelöst, denn man konnte über die Steuerungselemente das Bild dermaßen stark vergrößern, dass kleinste Bilddetails zur genauen Betrachtung sichtbar wurden. In der Zoom-Ansicht konnte man ferner mit der gedrückten linken Mouse-Taste die Fotografie in alle Richtungen verschieben und somit das Gesamtwerk in seinen Einzelheiten individuell erkunden. Ferner hatte der User die Möglichkeit das Bild in verschiedenen Bildqualitäten herunterzuladen oder auszudrucken. Das Design der Seite war zurückhaltend in Hellgrau und mit dezentem Rahmen sowie den dazugehörigen Steuerungselementen optimal gestaltet. Auf Überflüssiges wurde verzichtet und die Steuerungselemente waren intuitiv bedienbar, sodass es nichts gab, was vom Erforschen des Kunstwerkes hätte ablenken könnte.

United States with 10,605 users. The number of users for the Visual Arts collection was 92. The Visual Arts Collection was never intended to be used by members not affiliated with the University of Dayton, but we could never configure the system to achieve this goal. For this reason, the decision was made not to host these images in our institutional repository, instead, the visual arts faculty will be populating ArtSTOR, a subscription based database, with images they plan to use in their classrooms.« Fran Rice, Director of Information Systems and Digital Access, University of Dayton, E-Mail vom 16. Januar 2016.

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Abbildung 5: UCLA Digital Library. Startseite. Screenshots.

Quelle: http://digital2.library.ucla.edu/ (13.10.2015)

Eine andere Online-Datenbank mit Chicano-Bildmaterial ist die UCLA Digital Library6, welche die Sammlung des Fotografen Oscar Castillo7 einschließt (Abb. 5). Die Startseite erstreckt sich über insgesamt 13 Bildschirmhöhen und zeigt eine tabellarische Auflistung der vorhandenen Kollektionen und zwar jeweils mit einem Bild versehen. In der fünften Zeile links sieht der User eine Farbfotografie des Chicano-Schauspielers, Musikers und Aktivisten Daniel Valdez8 und darun-

6

http://digital2.library.ucla.edu/ (13.10.2015).

7

Siehe Castillo, Oscar, und Colin Gunckel. The Oscar Castillo Papers and Photograph Collection. The Chicano Archives. Los Angeles: UCLA Chicano Studies Research Center Press, 2011.

8

Acción Chicano Public Affairs Series, KCET-TV, with Daniel Valdez Performing »America de los indios« and Backdrop by Malaquías Montoya, 1972. In: Castillo, ibi-

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ter den Titel der Sammlung, Oscar (Oscar R.) Photograph Collection. Das Design ist in Blau, der Farbe der UCLA9, gehalten und trotz des abundanten Bildmaterials übersichtlich gestaltet. Im Header befinden sich mehrere Optionen zur Auswahl, die dem Nutzer helfen durch die umfassende Seite zu navigieren. Dazu gehört das Botton10 »Browse« oben links, eine interne Suchmaschine auf gleicher Höhe rechts daneben und eine Dropdown-Liste11, die mit »Quick Jump« gekennzeichnet ist. Zusätzlich gibt es direkt unterhalb dem Dropdown-Listenfeld ein übersichtliches Menü mit Mouseover-Effekt12 und den Optionen »All Collections«, »Images«, »Texts«, »Maps« sowie »Music, Audio & Video». Das jeweils aktive Untermenü ist in dunkelblau markiert und zeigt über eine angedeutete Spitze auf die darunterliegenden Informationen. Geht man mit dem Cursor über eine der anderen Auswahlmöglichkeiten, wechselt die Schrift von Schwarz nach Weiß und das Textfeld wird in einem 3D-Effekt hervorgehoben. Der Footer ist im Gegensatz zum Header einfach und beinhaltet lediglich die wichtigen Links zu »Privacy Policy, User Rights and Responsibilities« sowie »Giving to the Library«. Er bleibt auf allen Seiten durchgängig unverändert. Klickt der User auf »Oscar (Oscar R.) Photograph Collection«, so gelangt er zum entsprechenden Bildarchiv (Abb. 6). Derzeit findet man mehr als 1.800 Abbildungen, insgesamt sind es allerdings über 3.300 Fotografien, die zur Sammlung der UCLA gehören. Die Aufnahmen sind zwischen 1970 und 1989 entstanden und dokumentieren das Leben der Chicano-Gesellschaft in Los Angeles und Süd-Texas.13 Der Header reduziert sich hier auf den schwarzen Menü-Streifen an dem. Siehe auch das YouTube-Video https://www.youtube.com/watch?v=97ZPo Y9_BRU (07.05.2016). 9

http://www.ucla.edu/ (08.05.2016).

10 Das Button ist ein häufig verwendetes Steuerelement grafischer Benutzeroberflächen, das dem Benutzer ermöglicht eine zugeordnete Funktion auszulösen. 11 Eine Dropdown-Liste oder Dropdown-Listenfeld ist ein Textfeld in einer grafischen Benutzeroberfläche, über welches der User ein bestimmtes Thema aus einer vorgegebenen Liste von Themen auswählen kann. Sobald der Nutzer auf das Textfeld klickt, öffnet sich die Liste und die möglichen Optionen werden zur Auswahl angezeigt. Eine ähnliche Funktion findet man ebenfalls bei Dropdown-Menüs, welche sich dann im Hauptmenü der Seite befinden und zu den diversen Untermenüs führen. 12 Der Mouseover-Effekt zeigt sich, sobald der User mit der Mouse über ein Icon fährt, welches daraufhin in eine andere Variante wechselt, ohne dass der Nutzer darauf klicken muss. Es gibt verschiedene Effekte wie den Wechsel der Schriftfarbe oder die Hervorhebung des gesamten Textfeldes. 13 Die Online-Präsentation ist das Resultat eines Gemeinschaftsprojekts von Colin Gunckel, Michael Stone, Lizette Guerra u.v.a. über die Arbeiten von Oscar Castillo.

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der oberen Kante, wo man zur »Digital Collection« bzw. zu »UCLA Library« zurückkehren kann. In der zweiten Zeile befinden sich links die Bottons »About« mit Informationen zur digitalen Kollektion der UCLA und »Browse«, wo der Nutzer die Sammlung nach Name, Thema und Aufbewahrungsort sortieren kann. Auf der rechten Seite sieht man die interne Suchmaschine. Diese Elemente des Headers sind ebenfalls auf der Startseite zu finden, aber die »News«, der »Quick Jump« und das Hauptmenü sind jetzt weggefallen. Im Content-Teil sieht man zentriert eine zweispaltige Tabelle, in der links ein Viertel für das benutzerdefinierte Navigieren bestimmt ist und rechts Dreiviertel für die Fotografien samt Bildinformationen reserviert wurde. In der linken Spalte sieht man von oben nach unten betrachtet: den Titel der Sammlung in schwarzer Schrift auf blauem Untergrund, Informationen zur Kollektion (siehe »View Collection Record«), die Optionen die Fotografien nach Name, Thema und Dokumenten-Typ anzeigen zu lassen sowie eine Suchmaschine. Im Gegensatz zur Suchmaschine im Header, welche alle Kollektionen der UCLA Library durchsucht, kann man hier diese konkrete Sammlung nach bestimmten Begriffen filtern. Darunter scheint der User eine weitere Option, »Refine Search«, zu haben, allerdings sind die beiden dort platzierten Links ineffizient, da die Bilderanzeige auf der rechten Seite unverändert bleibt. Die Liste der Abbildungen ist lang und zieht sich über knapp 13 Bildschirmhöhen. Wegen der hohen Anzahl der Werke ist oberhalb ein weiteres Steuerungsmenü eingebaut, mit dessen Hilfe man die Reihenfolge der Bilder alphabetisch sortieren kann. Außerdem, da die 1813 Bilder auf insgesamt 37 Seiten zu je 49 Einzelaufnahmen pro Seite verteilt sind, kann der User beispielsweise von der ersten auf die letzte springen ohne sich die dazwischenliegenden anzeigen lassen zu müssen. Neben jedem Bild werden der Bildtitel, das Projekt und der Dokumenten-Typ angezeigt. Durch die vertikale Anordnung der Bilder in Miniaturansicht, bekommt der Betrachter das Gefühl Negativstreifen durchzuschauen, da die Einzelaufnahmen scheinbar einer Zeit-Sequenz folgen. Diese vorgegebene Reihenfolge wird aufgelöst, sobald der User die Bilder nach einem bestimmten Thema gefiltert hat.

Es wurde 2011 vorgestellt und in der Buchreihe »The Chicano Archives« unter dem Titel Oscar Castillo Papers and Photograph Collection veröffentlicht. Das Buch ist als eine bereichernde Ergänzung zur Online-Präsentation zu verstehen, da es die Sammlung thematisch sortiert und anhand verschiedener Essays vorstellt. Die Fotografien in den Texten sind lediglich in Schwarz-Weiß reproduziert worden, aber zwischen den Seiten 54 und 55 wurde ein Bildkatalog mit 16 Farbaufnahmen eingefügt. Siehe: Castillo, op. cit..

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Abbildung 6: UCLA Digital Library. Oscar Castillo Photograph Collection. Screenshots.

Quelle: http://digital2.library.ucla.edu/viewItem.do?ark=21198/zz0002wfmd (13.10.2015)

Nutzt man die Suchmaschine für die Sammlung und gibt z.B. den Begriff »aztec« ein, werden alle Fotografien mit diesem Thema gelistet (Abb. 7). Der Rest der Seite bleibt nahezu unverändert. In der linken Spalte werden nun die Suchresultate angezeigt, d.h. man sieht das Stichwort, den Titel der Sammlung und dass insgesamt sechs Bilder gefunden wurden. Auf der rechten Seite ist zu erkennen, dass die dortigen Steuerungselemente trotz der reduzierten Bilderanzahl erhalten geblieben sind und eine spezifische alphabetische Sortierung auch hier möglich wäre.

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Abbildung 7: UCLA Digital Library. Oscar Castillo Photograph Collection. Screenshots.

Quelle: http://digital2.library.ucla.edu/Search.do?selectedFormats=all&selected Projects=28&viewType=1&keyWord=aztec (13.10.2015)

Wenn der User sich für eine Fotografie entschieden hat und auf diese klickt, kommt er zu den jeweiligen Metadaten (Abb. 8). Diese erscheinen in einem Karteikarten-Format rechts neben einer Miniaturabbildung des jeweiligen Werkes. Diese sind tabellarisch in einem hellgrau umrandeten Textfeld offengelegt und beinhalten den Bildtitel, ein internes Identifizierungszeichen, das Entstehungsdatum der Fotografie, eine Kurzbeschreibung mit Ortsangaben, den DokumentenTyp sowie den Namen des Autors. Unter »Name« finden sich ferner die Namen des Copyright-Trägers, des Spenders, des Künstlers und des Aufbewahrungsortes. In allen Fällen wird Oscar Castillo genannt, nur der Aufbewahrungsort lautet hier UCLA Chicano Studies Research Center Library & Archive. Es folgen »Relation«, also dass die Fotografie zur Sammlung Oscar Castillo Papers dazuge-

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hört, und unter »Subject« jeweils ein Themen-Stichwort wie beispielsweise der Name des Fotografen oder dass es sich hier um Chicano-Fotografie handelt. Schließlich kommt dann der Hinweise auf den Quellentyp und das genaue Genre. Die Transparenz hinsichtlich der Metadaten ist interessant, weil diese für die internen Suchmaschinen von essentieller Bedeutung sind. Denn allein mit Hilfe dieser Daten können Bilder gefiltert und sortiert werden sowie dem Nutzer der Datenbank sinnvoll präsentiert werden. Abbildung 8: UCLA Digital Library. Oscar Castillo Photograph Collection. Screenshots.

Quelle: http://digital2.library.ucla.edu/viewItem.do?ark=21198/zz0028b2kn (13.10.2015)

Das Miniaturbild rechts neben den Metadaten ist von einem hellgrauen Rahmen mit der Überschrift »Image Content« umgeben. Außerhalb des Rahmens und unter jedem Miniaturbild wird der User über Copyright und Nutzungsrechte informiert. Zwischen der Abbildung und den Nutzungsrechten sieht man »Click

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image to zoom«. Die Zoom-Ansicht bietet dem User, nachdem sich ein eigenes Fenster für die Darstellung der ausgesuchten Fotografie geöffnet hat, verschiedene Möglichkeiten. Er kann zwischen fünf Optionen, die von einer 0,2- bis 1,2fachen Vergrößerung reichen, wählen und das Bild somit genauer betrachten (Abb. 9-11). Eine detaillierte Zoom-Ansicht wie man sie bei Online-Datenbank Digital@UDayton hatte, ist hier leider nicht vorhanden und wäre insbesondere bei Fotografien mit detailreichen Bildinhalten wie im Beispiel Little Aztecs (1998) hilfreich. Ebenfalls zu erwähnen ist, dass die Zoom-Funktion nicht jedem User zur Verfügung steht. Um sich ein Bild in der Zoom-Ansicht anzeigen zu lassen, ist es unabdingbar, dass man sich auf dem Campus der UCLA befindet und den lokalen Internet-Anschluss benutzt. Ich habe für die Anfertigung dieser Screenshots mit meinem Laptop die WLAN-Verbindung der UCLA benutzten müssen, da außerhalb der Universität, ob in den USA oder in Europa, die Option »Click image to zoom« nicht zur Verfügung steht. Die Verantwortlichen an der UCLA konnten mir keine Erklärung für diese Tatsache geben14. Damit bleibt die Detailansicht samt ihrer Variationen lediglich den Wissenschaftlern an der UCLA vorbehalten und erinnert an das Bestreben der University of Dayton ihr Bildmaterial nur intern zur Verfügung zu stellen. An der UCLA wird es vermutlich ebenfalls an einem Konfigurationsfehler liegen, dass die Zoom-Ansicht lediglich lokal zur Verfügung steht. Denn die UCLA strebt einen internationalen Zugang ihrer Online-Kollektionen an, was aus der allgemein problemlosen Erreichbarkeit ihrer Website deutlich hervorgeht. Oscar Castillo erzählt über seine Zusammenarbeit mit der UCLA folgendes: »I approached UCLA about my archives, because I thought it was important to share them with people that might want to use them for historical data or research. A fellow photographer, Harry Gamboa, I mentioned it to him and he encouraged me to contact UCLA. So when I heard that they were publishing a series on artists I came up to an event where they were kicking off the series. I think it’s called A Ver. I approached Chon [Noriega] and told them what I thought that it would be good for me to share my negatives with UCLA. Then Harry Gamboa also supported me in that request. What we did is that we worked out an agreement where I keep all the negatives but what I did I would bring them out to UCLA and… First of all, one of the librarians came out to my home, because that’s where I have my work, and looked through my archives and made selections of images that she felt were relevant to the library. They wanted to con-

14 Persönliches Gespräch mit Michael Stone, Archives-Film-Digital Projects Manager am Chicano Studies Research Center, UCLA, Los Angeles, 28. September 2015.

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centrate on the late 60s, 70s and part of the 80s. So, we came to an agreement where I would lend them the negatives, they would scan them and then do an oral history on me. Their agreement was that they would keep a copy of the digital photographs here, I would keep the originals and I would get a copy of the digital files. Then they did an oral history on me which became this book here, Papers and Photograph Collection, and I worked with Elize Mazadiego, she did my oral history, and then with Colin Gunckel, who was the editor. I suggested that we… I think their idea was to do basically a book to list or somehow show data on the photographs and I suggested that we have some different scholars write about my work. That’s what we did. I was very happy that we were able to get some people like Rudy Acuña, Harry Gamboa, Ernesto Chavez… different scholars wrote about my particular style of photographs. So we were able to share some information about the time that this covers and about my work. We also did all the metadata for the homepage… I think the book received a reward for design. I was very happy with it.«15

1995, etwa fünfzehn Jahre bevor die Oscar Castillo Papers and Photograph Collection von der UCLA veröffentlicht wurde, akquirierte die Stanford University die Werke des Chicano-Künstlers Harry Gamboa. Diese Sammlung ist nicht über das Internet zugängig, aber man findet im Online Archiv of California (OAC) eine umfangreiche Beschreibung der Kollektion und eine detaillierte Auflistung der Werke. Teil der Sammlung sind auch zahlreiche Analogfotografien.16 Analog fotografierte Arbeiten wie die von Gamboa und Castillo in eine 15 Interview mit Oscar Castillo, Los Angeles, 30. September 2015. 16 Guide to the Harry Gamboa Jr. Papers, 1968-1995, »[…] The collection includes various materials dating from 1968 to 1995 and covering a broad range of Gamboa's personal and professional life. More than forty original manuscripts, both published and unpublished, produced and unproduced, represent Gamboa's work as a writer of fiction, prose, film, television, theater and performance scripts, interviews and essays. Manuscripts include ›Jetter's Jinx‹, ›Ignore the Dents‹ and many lesser known works. The collection also contains rare copies of Gamboa's mail art of the 1970s and other original art and miscellaneous (original drawings, art lay-out boards, buttons designed by Gamboa, etc.). Nine audio cassettes and thirteen video cassettes contain Gamboa and ASCO performances, productions and interviews, and more than 250 slides provide visual images of Gamboa's work in several media. Exhibition materials (fliers, posters, etc.), catalogues, and brochures document Gamboa and exhibitions and performances. Other publications (including various Chicano art/culture journals such as Raza Art and Media Collective, Regeneracíon, Caminos, Chismearte, and Neworld) contain artwork, photography and writing by Gamboa, as well as interviews and articles relating to Gamboa's work and that of other Chicano artists. Various publications,

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Online-Datenbank zu integrieren ist äußerst arbeits- und zeitaufwändig, allerdings gleichermaßen von großer Wichtigkeit. Man benötigt nicht nur für das Scannen und Optimieren der Bilder an sich, sondern auch für die Programmierung und Aktualisierung einer Online-Datenbank kompetente Mitarbeiter, die über mehrere Jahre an solchen Projekten arbeiten. Wie man an den Beispielen der Datenbanken Digital@UDayton und UCLA Digital Library sehen konnte, variieren die Ansprüche und Ziele der Institutionen, wenn es darum geht Bildmaterial zu Forschungszwecken online zur Verfügung zu stellen. Die Stanford University hat bislang sogar darauf verzichtet die Werke zu digitalisieren. Für bereits existierende Online-Datenbanken wäre eine Ausschöpfung ihres Potenzials, indem man sie gut sortiert und inklusive starker Zoom-Ansichten international zur Verfügung stellt, wünschenswert. Doch selbst wenn dieser Ansatz vorhanden ist, wie im Fall der UCLA, sind die technischen Herausforderung groß und die Suche nach einer optimalen Bildpräsentation im Internet noch längst nicht abgeschlossen. Bislang gibt es nicht ansatzweise genug Online-Archive mit ChicanoFotografie und so ähnlich verhält es sich mit Künstler-Websites17, in denen die Fotografen ihre Werke präsentieren können. Die Gründe für die fehlenden Online-Archive sind vielschichtig, von den zur Verfügung stehenden geringen finanziellen Mitteln und dem großen Zeitaufwand Analogfotografie zu digitalisieren bis hin zu den Bedenken hinsichtlich der Nutzungsrechte und dem damit verbundenen Kontrollverlust der Bilder. Daher werden Online-Plattformen wie Pinterest18, Instagram19 und Flickr20 oder Soziale Netzwerke wie Facebook21, Twitter22 und YouTube23 von den Fotografen und den auf Chicano-Kultur spezialisierte Institutionen für die Veröffentlichung von Bildmaterial verhältnismäßig wenig genutzt.

articles, and clippings discuss Los Angeles Chicano Civil Rights activities of the 1960s and '70s, in particular El Chicano Moratorium and the Garfield High School

›Blowout‹

protests

in

which

Gamboa

was

a

key

http://www.oac.cdlib.org/findaid/ark:/13030/tf1f59n51w/ (11.05.2016). 17 Siehe »Künstler-Websites«. 18 https://www.pinterest.com/ (08.05.2016). 19 https://www.instagram.com/ (08.05.2016). 20 https://www.flickr.com/ (08.05.2016). 21 https://www.facebook.com/ (08.05.2016). 22 https://www.twitter.com/ (08.05.2016). 23 https://www.youtube.com/ (08.05.2016).

figure.«

In:

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Abbildung 9: UCLA Digital Library. Oscar Castillo Photograph Collection. »Little Aztecs« von Oscar Castillo. Screenshot.

Quellen: Unteres Browser-Fenster: http://digital2.library.ucla.edu/viewItem.do? ark=21198/zz0028b2kn (13.10.2015) und oberes Browser-Fenster: http://digital2. library.ucla.edu/doImageResize.do?contentFileId=1910609&scaleFactor=0,4 (13.10.2026)

Abbildung 10: UCLA Digital Library. Oscar Castillo Photograph Collection. »Little Aztecs« von Oscar Castillo. Screenshot.

Quelle: http://digital2.library.ucla.edu/doImageResize.do?contentFileId=1910609& scaleFactor=08 (13.10.2026)

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Abbildung 11: UCLA Digital Library. Oscar Castillo Photograph Collection. »Little Aztecs« von Oscar Castillo. Zoom-Ansicht. Screenshot.

Quelle: http://digital2.library.ucla.edu/doImageResize.do?contentFileId=1910609& scaleFactor=1,2 (13.10.2026)

Dennoch lassen sich einige interessante Tendenzen feststellen. Facebook ist das von den Chicano-Fotografen am häufigste genutzte soziale Netzwerk24 und Instagram die derzeit bevorzugte Fotoplattform25. Twitter26, Tumblr27, LinkedIn28, Flickr29 und Google+30 werden ebenfalls benutzt, aber nur von wenigen. Diese Anbieter sind miteinander vernetzt, d.h. man kann beispielweise ein Foto von Instagram bequem auf anderen Plattformen wie Facebook und Twitter streuen, was die Fotografen gerne nutzen. Facebook bietet den Usern die Möglichkeit ein persönliches Profil und zusätzlich eine professionelle Seite einzurichten, was allerdings nur von wenigen Chicano-Fotografen genutzt wird. Während das Profil

24 Interviews mit Chuy Benitez, Tina Hernández, Orlando Lara, Angel Lartigue, Lupita Murillo Tinnen, Delilah Montoya, Isabel Avila, Art Meza, Joe Medina, Oscar Lozoya, Ken Gonzales-Day, Miguel Gandert, Christina Fernández, Enrique Fernández Cervantes, Oscar Castillo, Don Bartletti und David Bacon. 25 Interviews mit Chuy Benitez, Angel Lartigue, Isabel Avila, Art Meza, Joe Medina, Ken Gonzales-Day, Don Bartletti und Christina Fernández. 26 Interviews mit Orlando Lara, Art Meza, Ken Gonzales-Day und David Bacon. 27 Interviews mit Angel Lartigue und Art Meza. 28 Interviews mit Kathy Vargas und Robert Buitrón. 29 Interviews mit Chuy Benitez und Jesus Manuel Mena Garza. 30 Interview mit Jesus Manuel Mena Garza, Fort Worth (Texas), 04. April 2015.

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ausschließlich für den nicht-kommerziellen und privaten Gebrauch vorgesehen ist, bieten die Seiten spezielle Funktionen für Unternehmen, Organisationen, Marken und öffentliche Personen wie Künstler. Persönliche Profile werden generell von Einzelpersonen verwaltet, während Seiten von verschiedenen Personen mit persönlichem Profile eingerichtet werden. Im Hilfebereich von Facebook heißt es, dass jedes Konto ein persönliches Profil enthalten muss und zur Verwaltung mehrerer Seiten verwendet werden kann.31 Schaut man sich die Facebook-Präsenz der von mir interviewten Fotografen an, so stellt man umgehend zwei Dinge fest: Erstens, dass sie fast durchgängig persönliche Profile eingerichtet und keine Seite haben sowie, zweitens, dass sie Geschäftliches und Privates mischen. Jesus Manuel Mena Garza bildet hier eine Ausnahme, denn er besitzt beides. Wie er mir in unserem Gespräch mitteilte, hatte er in seinem Profil32 etwa 300 Kontakte, die er kürzlich auf 200 private Freunde und Verwandte reduziert hat. Für die professionellen Kontakte nutzt er derzeit seine Facebook-Seite mit dem Titel Jesús Garza Photography33 und informiert dort über seine aktuellen Ausstellungen und kommerziellen Arbeiten.34 Die anderen Fotografen haben lediglich ein persönliches Profil und auf ihren Pinnwänden erkennt man schnell, dass sie nicht ausschließlich zu rein professionellen Zwecken genutzt werden, sondern auffallend viele Posts von privatem Charakter beinhalten. Daher stellt sich die Frage, ob es innerhalb der Profile überhaupt möglich ist Privates vom Geschäftlichen zu trennen. Theoretisch wäre dies zwar denkbar, ist allerdings schwer umsetzbar, sobald die Fotografen Familienmitglieder oder alte Schulfreunde unter ihren Kontakten haben, was immer der Fall ist. Tina Hernández35, Orlando Lara36, Angel Lartigue37, Isabel Avila38, Gregory Bojorquez39, Enrique Fernández Cervantes40 und Ken Gonzales-Day41 nutzen die Facebook-Profile tendenziell für ihre Arbeit, geben allerdings zu, dass Freunde 31 https://de-de.facebook.com/help/175644189234902 (12.05.2016). 32 https://www.facebook.com/jmmgarza (12.05,2016). 33 https://www.facebook.com/Jes%C3%BAs-Garza-Photography-207149885964314/ (12.05.2016). 34 Interview mit Jesus Manuel Mena Garza, op. cit.. 35 Interview mit Tina Hernández, Houston, 17. April 2015. 36 Interview mit Orlando Lara, Houston, 12. April 2015. 37 Interview mit Angel Lartigue, Houston, 07. Mai 2015. 38 Interview mit Isabel Avila, Los Angeles, 21. Oktober 2015. 39 Interview mit Gregory Bojorguez, Los Angeles, 12. Oktober 2015. 40 Interview mit Enrique Fernández Cervantes, Berlin / Dallas, 24. Juni 2015. 41 Interview mit Ken Gonzales-Day, Los Angeles, 02. November 2015

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und Familie interagieren und eine strikte Trennung daher unmöglich ist. Lediglich David Bacon ist es gelungen seine Pinnwand ausschließlich für die Arbeit als Aktivist und Fotojournalist zu nutzen. Auch Delilah Montoya beispielsweise konnte dies weitestgehend umsetzten, obwohl ihre Facebook-Pinnwand längst nicht so strikt professionell wirkt wie die von Bacon. Bei Bacon überwiegen seine eigenen Posts zu sozialpolitischen Themen, während es bei Montoya so ist, dass die meisten Kommentare von ihren Studenten und anderen FacebookKontakten stammen. Für die restlichen Fotografen, die ein Facebook-Profil besitzen, ist eine strikte Trennung zwischen einem professionellen und einem privaten Gebrauch laut eigener Aussage vollkommen irrelevant. Hier wäre ferner anzumerken, dass Garza, Bacon und Montoya zu einer älteren Generation von Chicano-Fotografen gehören und dass gerade die jüngere gerne auf diese Separation verzichtet. Montoya sagt: »With Facebook I generally keep it very professional. I don’t put any personal stuff on it. My daughter, on the other hand, she does. You know, since I’ve been working with the Internet when it first started I know how these images can just get trapped and they don’t go away. They just get embedded. They get just put deeper and deeper and every once in a while those images will flow right up and… You really, really have to be very careful with what goes on the Internet. […] When you throw it you’re throwing it to the wind and it goes everywhere. You really have to think out how, especially if you’re a professional, how it’s representing you. […] On one point or the other you could close down your Facebook account but even then whatever got trapped in there you can’t get rid of it. I’m aware of all of that… I think the generation right after me, that would be of my daughters age, they were extremely naïve… she is in her late 30ies. […]«42

Montoyas früherer Student Chuy Benitez meint: »It is [possible to separate both]... I don’t have an issue with it. For me, I think, I had this kind of acceptance of imagining and realizing that as an artist you kind of have to being an open book. I think people are more interested in getting the full disclosure, and then just being a creative person there is a lot of this, well, I shouldn’t hold things back and later on somebody who’s artist studying having the retrospectives and all that. They are like, write everything down and collect everything and just put all out there, because later on that helps archive and helps people analysing your work. When you see the books written

42 Interview mit Delilah Montoya, Houston, 06. April 2015.

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about other artists, people are going into regular biographical information of like this happened then, their father died here and then they ended making this work… My last example of how it all combines is, there is actually both, a documentary and a book that combines info about Annie Leibovitz, about how in her mind-set… She just says: ›This isn’t two lives, this is me. This is me being very lineal on one life. I am making professional work and I am making personal work, but to me it’s just work, it’s just making photographs.‹ So, I’m a child of the internet and in that full artistic mode and following Annie Leibovitz as a model going like no, it really is all together. There really isn’t a separation. I did have to think about that though, because there was a moment where I’d say the past few years I’ve been creating a lot more personal work, I’ve been creating work like this goes over here and not in a professional series and I was worried about it. Why I’m not making professional work and why is it not like a series happening, why I am not working on something specific? And then I finally became ok with the idea of like, again, as long as I am still producing that’s all that matters. It will all come together and make sense once you look back at it. […]«43

Dies ist ein interessanter Hinweis, dass die eigens erschaffene Online-Historie später für die Analyse der Kunstwerke hilfreich sein wird. Das Problem ist allerdings, dass Facebook und andere soziale Netzwerke keinerlei Garantie dafür geben auch zukünftig in der aktuellen Form bestehen zu bleiben. Sollte ein Punkt erreicht werden, an dem beispielsweise Facebook für die Fotografen nicht mehr von Nutzen ist, so haben sie keine Möglichkeit ihre Daten auf eine andere Plattform zu übertragen und dort weiterzuführen. Auch die langjährig gepflegten Online-Kontakte würden zumindest teilweise aufgelöst werden. Im Prinzip befindet sich jeder User, der sich mit Hilfe der sozialen Netzwerke eine eigene OnlineHistorie aufbaut, in einer gewissen Abhängigkeit. Jan-Hinrik Schmidt erklärt dies in seinem Buch Social Media so: »Doch selbst wenn man sich zum Verlassen einer Plattform entscheiden sollte, bauen sich Hürden auf. Diese können sozialer Art sein, weil zumindest in bestimmten Altersgruppen oder Szenen die Präsenz auf einer Netzwerkplattform wie Facebook derzeit unerlässlich ist, um sich nicht sozial zu isolieren. Aber auch technische Hürden bestehen. Denn in den sozialen Medien fehlt die ›Interoperabilität‹, wie es im technischen Jargon heißt. Auf den Telefonmarkt beispielsweise kann man zwischen zwei unterschiedlichen Betreibern telefonieren oder seine Nummer bei einem Vertragswechsel zum neuen Anbieter mitnehmen. In den sozialen Medien hingegen kann man die eigenen Daten und Inhalte, die man mit

43 Interview mit Chuy Benitez, Houston, 25. März 2015.

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durchaus beträchtlichem Zeitaufwand gepflegt hat, nicht einfach zu einem anderen Konkurrenznetzwerk transferieren. Soziale Medien sind in dieser Hinsicht also nur einseitig offen. Sie fördern das Einstellen, Hochladen, Teilen von Daten aller Art auf der Plattform. Aber sie sträuben sich dagegen diese Daten auch wieder ›loszulassen‹. […]«44

Facebook hat nach eigenen Angaben über eine Milliarde Nutzer, die weltweit 1,75 Mrd. Fotografien wöchentlich hochladen45. Abgesehen von der Überladung an Abbildungen verschiedenster Qualität und ihrer Auswirkungen auf unser ästhetisches Empfinden, werden massenweise persönliche Daten preisgegeben und von Facebook gespeichert. Diese werden zusammen mit jeder Online-Aktivität wie beispielsweise einem einfachen Klick auf den »Like«-Botton als Reaktion auf bestimmte Bild- oder Text-Inhalte zur Anfertigung detaillierter User-Profile genutzt. Seit Februar 2016 hat Facebook neben dem »Daumen hoch«-Button fünf weitere Emoticons46 eingeführt, die für »Liebe«, »Lachen«, »Staunen«, »Traurig« und »Wütend« stehen. Der von vielen Nutzern gewünschte »Daumen runter«-Button wurde nicht eingeführt, weil hassschürende Emotionen vermieden werden sollen. Zum Muttertag gab es kurzzeitig eine »Blume« als weitere Alternative und es werden sicherlich weitere folgen. Ihre Anwendung ist praktisch und senkt Hemmschwellen, die in schriftlicher Form schwerer zu überwinden sind, aber vor allem dienen sie der noch genaueren Anfertigung von Nutzer-Profilen und der damit verbundenen Kontrolle über den User. Je genauer die angefertigten Profile, desto effizienter ist die Platzierung von Werbung. Der Fotograf und Aktivist Orlando Lara bewertet Facebook wie folgt: »It’s only a matter of time before Facebook becomes so commercialized that it stops being useful. Twitter I think has a little bit longer life, but Facebook you can already see it is kind of moving that way. Where you can tell that they’re controlling what ads are showing up at news feed that you can pay your way into peoples newsfeed now. I don’t know how much longer that’s going to last, but for now it seems like a great way to have your work, whether it is politically or artistic, directly to the community. So many people are on

44 Schmidt, Jan-Hinrik. Social Media. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2013, S. 90/91 45 Ibidem, S. 88. 46 Kurzwort aus dem engl. emotion (Gefühl) und icon (Symbol). Emoticons entstehen aus einer Kombination verschiedener auf einer Computertastatur vorhandener Zeichen wie Striche, Punkte und Klammern. Die am häufigsten eingesetzten Emoticons sind Smileys, welche als Strichbilder oder als entsprechende Grafik und zum Ausdrücken spezifischer Stimmungs- oder Gefühlszustände verwendet werden.

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Facebook now that it’s crossing the class boundaries. […] It is very useful for activist work. It’s accessible to a broad public. Disadvantages… It’s temporary. It’s necessary to put photographs... People use Facebook in a very visual way. You can put text out there but it will get ignored. It has to have an image to come with it to disseminate. I learned that very fast. But disadvantages… After a long period of time you can’t find stuff… I think that this linear kind of model is very short-living.«47

Die Auflösung sozialer Klassenunterschiede bzw. die Tatsache, dass sich nahezu jeder ein Profil auf Facebook einrichten kann, ermöglicht beispielsweise auch den indigenen Gruppen sich mit ihren Verbündeten zu vernetzten48. Sowohl für die Indigenen als auch für die Aktivisten unter den Chicano-Fotografen erweist sich Facebook als nützliche Plattform, wobei allerdings die Nutzer-Profile eine Gefahr darstellen. So weist Lara darauf hin, dass er sich durchaus bewusst ist, dass seine Online-Daten möglicherweise ausspioniert werden49. Dennoch ist das Internet für die Arbeit der Aktivisten unerlässlich. Für Orlando Lara und David Bacon, im Gegensatz zu Künstlern wie Delilah Montoya und Chuy Benitez, ist es wichtiger den Fokus auf ihren Kampf um soziale Gleichberechtigung für Einwanderer zu legen und nicht auf sie als kreative Person. Um das Online-Verhalten der Fotografen besser verstehen zu können, wollte ich von ihnen wissen, welche Vor- und Nachteile sie beim Veröffentlichen von Bildmaterial auf Online-Plattformen wie Facebook und Instagram sehen. Denn darauf basierend wird ihr Einsatz von Fotografie im Internet angepasst. Tina Hernández sagt: »In this day and age, there is no doubt you have to have some kind of online presence if you want your work and your art purposes to be seen by a larger audience. It can reach people who normally wouldn’t go to an art gallery. If I use social media and the Internet to find out about art and cultural events, many others must be doing the same thing as well. But I think you have to choose wisely in which way to post and what you post online since your photographs can be easily downloaded for whatever reason. An advantage can be that your work can be shared and reposted quickly and therefore be seen by many. A disadvantage can be that your work may lose its connection to you as the artist who created that image.«50

47 Interview mit Orlando Lara, op. cit.. 48 Siehe »Indigene Gruppen im Internet«. 49 Interview mit Orlando Lara, op. cit.. 50 Interview mit Tina Hernández, op. cit..

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Als ein deutlicher Vorteil wird die Streuung und Bekanntmachung der Werke genannt und als Nachteil der damit verbundene Kontrollverlust bemängelt51. Die Fotografin Isabel Avila merkt zu Recht an, dass mit dem Kontrollverlust auch eine Trivialisierung der Bildinhalte einhergeht. Umso wichtiger ist es eine gute Künstler-Website zu haben, die dann als zuverlässige Quelle für Bildmaterial und damit verbundene Informationen dient.52 Die Online-Datenbanken der Universitäten, wie man am Beispiel der UCLA Digital Library sehen kann, sind eine perfekte Alternative und das insbesondere für Chicano-Fotografen der älteren Generationen wie Harry Gamboa53, Oscar Castillo und Kathy Vargas, da diese während dem Großteil ihres Schaffens kein Internet zur Verfügung hatten und sich erst spät mit Digitalfotografie und ihrer Online-Präsenz auseinandersetzen mussten. Zahlreiche Chicano-Fotografen denken, dass sie derzeit nicht das gesamte Spektrum an Online-Möglichkeiten nutzen, um ihre Werke zu veröffentlichen und dies ändern müssten54. Ein Hauptgrund dafür ist der hohe Zeitaufwand, der für die Aktualisierungen der verschiedenen Plattformen nötig wäre und ohne welche sie ineffizient wären. Darum pflegen viele Fotografen eine OnlinePräsenz, die sich auf zwei bis vier Plattformen eingependelt hat. Chuy Benitez beispielweise nutzt die Fotoplattformen Instagram und Flickr sowie das soziale Netzwerk Facebook. Alles sei, so der Fotograf, mit seiner persönlichen Homepage optimal verlinkt.55 Delilah Montoya, Joe Medina und Ken Gonzales-Day, um weitere Beispiele zu nennen, nutzen Instagram, Facebook und eine persönliche Website. Gonzales-Day hatte darüber hinaus Accounts bei Picasa56 und Flickr, worauf er jetzt verzichtet, weil er nicht alle Werke im Internet haben möchte. Im Gegensatz zu den Fotojournalisten, so Gonzales-Day, sei es für

51 Siehe auch »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 52 Interview mit Isabel Avila, op. cit.. 53 http://www.harrygamboajr.com/ (12.05.2016). 54 Interviews mit Tina Hernández, Orlando Lara, Lupita Murillo Tinnen, Delilah Montoya, Isabel Avila, Joe Medina, Oscar Lozoya, Christina Fernández, Don Bartletti und David Bacon. 55 Interview mit Chuy Benitez, op. cit.. 56 Picasa ist eine Bildverwaltungssoftware und gehört zu Google, wird allerdings seit März 2016 nicht mehr weiterentwickelt. Die existierenden Picasa-Webalben können noch bis Mai aufgerufen werden und werden dann in Google Foto integriert. In: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Google-verkuendet-Aus-fuer-Picasa-31019 45.html (12.05.2016) Siehe auch https://www.google.com/photos/about/ (12.05.2016).

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Künstler sinnvoller die Fotografien in konventionellen Ausstellungen zu präsentieren.57 Dieser Tendenz folgt auch Chuy Benitez, der seine aktuelle Online-Präsenz zwar beibehalten will, allerdings mit einem verstärkten Fokus auf traditionelle Vermarktungsstrategien seiner Werke. Er möchte mehr Abzüge auf Papier verkaufen und arbeitet derzeit an einem Buch über seine Arbeiten.58 Viele der Fotografen möchten ihre Internet-Präsenz entweder beibehalten59 oder, falls nötig, erweitern60. Montoya beschreibt dies wie folgt: »In my estimation, the Internet and social networks the value is as a marketing tool and creating a reach. Just like anything you have to target. You have to figure out how I’m going to get that reach and who am I going to reach out to. If I can get the kind of reach that I would need in order to market my work and get in contact with people then I would really register on another platform as a business practice. To create a social network of friends to communicate with, it works really well like with the Sin Huellas. The Sin Huellas has a website on Facebook.61 There is a lot of information and then it’s really good on forming that kind of community and that communication. […]«62

Lupita Murillo Tinnen möchte ihre Internet-Präsenz definitiv ausweiten, insbesondere in Bezug auf ihre Homepage,63 und so auch Isabel Avila64. Andrew Ortiz 57 Interview mit Ken Gonzales-Day, Los Angeles, 02. November 2015. 58 Interview mit Chuy Benitez, op. cit.. 59 Interviews mit Orlando Lara, Harry Gamboa, Christina Fernández, Xavier Tavera und Oscar Castillo. 60 Interviews mit Angel Lartigue, Art Meza und Oscar Lozoya. 61 https://www.facebook.com/sinhuellascollective/ (12.05.2016). »Sin Huellas [or without a trace] is an artist collective composed of Mexican, Chicana/o, and American artists and activists formed to explore issues of borders, migration, detention, and deportation in the Houston, TX area. As a collective, it seeks to flirt with the tentacles of the state. This is what we see: long, straight corridors connecting multiple deportation cells, glass windows intercut with steel to ensure a sturdiness that no family member can break. This is what we hear: loud conversations in visitation rooms that rip families apart, lawyers talking to clients in split-tongue languages, deportation officers telling border lies. This is what we know: in this deportation machine, our families are designed to either break like humans or survive like commodities – never to be quite fully free.« In: https://www.facebook.com/ sinhuellascollective/info/?tab=page_info (12.05.2016). 62 Interview mit Delilah Montoya, op. cit.. 63 Interview mit Lupita Murrillo Tinnen, Plano (Texas) / Houston, 16. April 2015.

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plant in Zukunft noch mehr Fotografien online stellen65 und selbst Gonzales-Day denkt, dass er dies nach den konventionellen Ausstellungen tun wird, um somit die wissenschaftlichen Arbeiten über seine Fotoserien zu erleichtern66. Gregory Bojorquez schließt sich an und meint ferner, dass dem Internet die Zukunft gehöre und man sich anpassen müsse. Obwohl ihm persönlich das nicht unbedingt gefällt, da es generell ums Gesehen werden auf Kosten der Privatsphäre geht.67 Don Bartletti, der sich kürzlich zur Ruhe gesetzt hat, möchte seine Internet Präsenz verstärken und ist gerade dabei die verschiedenen Online-Plattformen wie Instagram kennenzulernen68. Kathy Vargas sagt: »When I retire I will [expand my online presence]. I plan to work for another five years, so I will retire probably five years from now. Then I will expand, because right now people know how to find me through the university. But when I’ll leave the university and I go on Facebook and then this university can’t get sued because I’m on Facebook. Right now is like the university is afraid of getting sued, I won’t be Facebook. I’ll do a homepage, too. The problem too with Facebook is that everybody wants to know about your personal life and I don’t want to do my personal life. That’s why I am on LinkedIn, because LinkedIn is all professional. Whatever I do on Facebook will be a professional homepage not a personal. I won’t give anybody my status. No offence, I don’t want my relatives on my page, I like my relatives, but they are not part of my professional life. I don’t want friends from high school looking for me on Facebook and that’s the problem with Facebook. I’m a very private person. […]«69

Die Fotografen Kathy Vargas, Don Bartletti und Oscar Castillo sind gute Beispiele dafür wie einige ältere Fotografen ihren Weg zu einer aktiven OnlinePräsenz suchen. Aufgrund ihrer Bilder und ihrem über Jahrzehnte hinweg gewonnenen Renommee, besitzen sie bereits jetzt eine passive Internet-Präsenz. Worin genau die Unterschiede zwischen einer aktiven und einer passiven Präsenz im Internet liegen, werde ich im nächsten Kapitel erörtern. Festzuhalten ist, dass die Chicano-Fotografen derzeit viel zu wenig im Internet präsent sind und mit einem Zuwachs an online veröffentlichtem Bildmaterial zu rechnen ist. Die

64 Interview mit Isabel Avila, op. cit.. 65 Interview mit Andrew Ortiz, Arlington (Texas), 03. April 2015. 66 Interview mit Ken Gonzales-Day, op. cit.. 67 Interview mit Gregory Bojorguez, Los Angeles, 12. Oktober 2015. 68 https://www.facebook.com/DonBartletti (12.05.2016). 69 Interview mit Kathy Vargas, San Antonio, 25. April 2015.

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Fotoserien werden dann nicht mehr wie es im Moment der Fall ist überwiegend von jüngeren Generationen ins Netz gestellt, sondern gleichermaßen von den älteren. Dadurch wird auch mehr ursprünglich analog aufgenommene Fotografie im Internet zu finden sein, ob nun als Teil einer Online-Kollektion wie wir es am Beispiel Oscar Castillos gesehen haben, oder auf persönlichen KünstlerWebsites. Harry Gamboa und Jesus Manuel Mena Garza besitzen bereits eine eigene Homepage; Castillo70 und Vargas spielen ebenfalls mit dem Gedanken eine einzurichten. Den eigenen Ruhestand zum Einzug ihrer Fotografien ins Internet zu nutzen, ist eine interessante Entwicklung unter den ChicanoFotografen.

K ÜNSTLER -W EBSITES Als aktive Internet-Präsenz71 bezeichne ich die vom Fotografen persönlich erschaffene Online-Historie, welche er durch das Hochladen seiner Werke und der dazugehörigen Bildinformationen selbst formt. Hierbei entscheidet also der Fotograf selbst, welche Werke online gezeigt werden und in welchem Rahmen. Der Rahmen wiederum wird von der Art der Online-Plattform vorgegeben. Das Einrichten einer Künstler-Homepage, eines Blogs, eines Profils in sozialen Netzwerken wie Facebook sowie die Nutzung von Fotoplattformen wie Tumblr sind mögliche Optionen, die den Fotografen heute zur Verfügung stehen. Hierbei spielt das Design der jeweiligen Website, die eine Art Rahmen für die Fotografien bilden, eine wichtige Rolle. Der Einfluss des Fotografen auf die Gestaltung des Webdesigns wie beispielsweise auf die Auswahl der Grundfarben oder der Typografie ist bei der eigenen Künstler-Homepage am größten, da auf anderen Plattformen das Design vorgegeben ist. Allerdings erfordert die Erstellung einer zeitgemäßen und auf allen Endgeräten perfekt funktionierenden Website professionelle Kenntnisse, über welche die Fotografen nur in eingeschränkter Form

70 Interview mit Oscar Castillo, Los Angeles, 30. September 2015. 71 Siehe auch Anke Bahl, Zwischen On- und Offline – Identität Und Selbstdarstellung Im Internet. 2 ed. München: KoPäd Verlag, 2002. Lange, Barbara. »Netzwerker Im Internet – Der Gesellschaftskritische Künstler Als Administrator.« In Die Wiederkehr des Künstlers: Themen und Positionen der aktuellen Künstler/Innenforschung, edited by Sabine Joachimides, Alexis Krieger and Verena Fastert, 400. Köln: Böhlau, 2011. McHugh, Gene. Post Internet – Notes on the Internet and Art 12.29.09 > 09.05.2010. Brescia: LINK Editions, 2011.

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verfügen. Anzumerken ist ferner, dass dann die Fotoplattformen gegenüber anderen sozialen Netzwerken eine bessere Alternative zur Homepage bieten. Die aktive Internet-Präsenz zieht gleichermaßen eine passive mit sich72. Denn jeder Fotograf wird in der Gestaltung der eigenen Online-Historie durch andere Internet-User unterstützt, ob diese nun durch das Hinzufügen weiterer Fotografien und über das Abgeben von Kommentaren in sozialen Netzwerken oder durch die Nutzung anderer Plattformen wie beispielsweise Meme-Seiten stattfinden73, spielt kaum eine Rolle. Es kommen gewünschte und ungewünschte Beiträge hinzu, auf welche der Künstler keinen Einfluss hat. Lediglich die Zusammenarbeit mit Galerien, Museen und anderen kulturellen Einrichtungen sowie mit Universitäten und Bibliotheken bieten dem Fotografen für die OnlinePräsentation seiner Werke etwas mehr Entscheidungsfreiraum, falls dieser überhaupt vom Künstler gewünscht wird. Denn der Grund, weshalb einige Fotografen wie beispielsweise Kathy Vargas74 und Miguel Gandert eine Zusammenarbeit mit Institutionen und Kunstgalerien der aktiven Online-Präsenz vorziehen, ist, dass sie sich nicht um den Rahmen für ihre Fotografien kümmern müssen. Die passive Internet-Präsenz ist in vielerlei Hinsicht daher auch eine Fortführung bereits existierender Kontakte, welche sich bewährt haben und nun lediglich zu den konventionellen Ausstellungsmethoden und Publikationen hinzugekommen ist. So können beispielsweise Publikationen in den Printmedien effizient durch Websites ergänzt werden75. Die passivste Internet-Präsenz haben derzeit Kathy Vargas und Diana Molina, mit dem interessanten Unterschied, dass die von den beiden ältere Vargas in einigen Jahren eine Homepage einrichten möchte76 und Molina ihre kürzlich geschlossen hat77. Auch Don Bartletti78, Robert C. Buitrón79, Enrique Fernández

72 Siehe »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 73 Ibidem. 74 Interview mit Kathy Vargas, op. cit.. 75 Siehe die Kapitel »Robert C. Buitrón – El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto)« und »David Bacon – Communities without Borders«. 76 Siehe das Zitat aus meinem Interview mit Kathy Vargas, in: »Das Internet als Fotoplattform« der vorliegenden Arbeit. 77 Molina hatte zwischen ca. 2001 und 2013 eine eigene Homepage unter dem DomainNamen www.dianamolina.com, in: Interview mit Diana Molina, El Paso, 05. September 2015. 78 https://www.facebook.com/DonBartletti (16.05.2016) und Instagram (donbartletti). 79 https://www.facebook.com/robertc.buitron (16.05.2016).

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Cervantes80, Christina Fernández81, Miguel Gandert82, Tina Hernández83 und Angel Lartigue84 haben im Moment keine eigene Künstler-Website, nutzen allerdings Facebook und teilweise die Fotoplattformen Instagram und Tumblr85. Da einige von ihnen ihre Fotografien dort sehr aktiv platzieren und folglich eine Streuung dieser zulassen, kann man in vielen Fällen nicht mehr von einer passiven Internet-Präsenz sprechen. Sie unterscheiden sich von den tendenziell noch aktiveren Fotografen in der Hinsicht, dass sie sich alle durch den Verzicht auf eine eigene Website gegen einen individuellen Rahmen für die OnlinePräsentation ihrer Werke entschieden haben. Tabelle 1: Domain-Namen von zwanzig Künstler-Homepages (20.05.2016) Fotograf

Second-Level-Domain

Top-Level-Domain

Isabel Avila

isabelavila

.com

Chuy Benitez

chuybenitez

.com

Gregory Bojorquez

gregorybojorquez

.com

Ken Gonzales-Day

kengonzalesday

.com

Orlando Lara

orlandolara

.com

Delilah Montoya

delilahmontoya

.com

Andrew J. Ortiz

andrewjortiz

.com

Lupita Murillo Tinnen

lupitatinnen

.com

Harry Gamboa, Jr.

harrygamboajr

.com

Diana Molina

dianamolina

.com

Robert C. Buitrón

robertcbuitron

.com

80 https://www.facebook.com/efernandezcervantes (16.05.2016). 81 https://www.facebook.com/christina.fernandez.3766 (16.05.2016). 82 https://www.facebook.com/miguel.gandert (16.05.2016). 83 https://www.facebook.com/tina.hernandez.545849 (16.05.2016). 84 https://www.facebook.com/femmebrowne (16.05.2016), http://angeluchx.tumblr.com/ (16.05.2016) und Instagram (angeluchx). 85 Siehe »Das Internet als Fotoplattform«.

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Fotograf

Second-Level-Domain

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Top-Level-Domain

Enrique Fernández Cervantes enriquefernandezcervantes .com Xavier Tavera

xavier-tavera

.com

David Bacon

dbacon.igc

.org

Jesus Manuel Mena Garza

jmmgarza

.com

Oscar Lozoya

lozoya

.com

Joe Medina

jmedinphoto

.com

Rick Nahmias

rcndocuments

.com

Tina Hernández

lalibertina

.com

Art Meza

chicanosoul

.net

An dieser Stelle möchte ich kurz auf die Domain-Namen der KünstlerHomepages eingehen, wobei auch die miteinbezogen wurden, die derzeit nicht aktiv genutzt werden86 (Tab. 1). Von den insgesamt zwanzig Domain-Namen, setzen sich 13 aus Vor- und Zuname des Künstlers zusammen, bei David Bacon und Jesus Manuel Mena Garza ist lediglich der Nachname ausgeschrieben und Oscar Lozoya hat den Vornamen sogar ganz weggelassen. Xavier Tavera schreibt seinen Namen in der Second-Level-Domain mit Bindestrich, weil er nach einem Server-Wechsel sowohl den Zugang zu seiner ersten Website als auch zum Domain-Namen xaviertavera.com87 verloren hat88. Prinzipiell gilt, dass eine Website mit dem Domain-Namen des Fotografen von Suchmaschinen wie Google deutlich besser gefunden wird als andere Bezeichnungen. Dies fällt insbesondere bei Joe Medina, Tina Hernández und Art Meza auf. Sie haben zwar interessante Second-Level-Domains gewählt, Medina mit jmedinphoto, Hernández mit lalibertina und Meza mit chicanosoul, doch

86 Dazu gehören die Domains von Diana Molina, Robert C. Buitrón, Enrique Fernández Cervantes und Tina Hernández. (20.05.2016). 87 Die Domain xaviertavera.com ist inzwischen wieder frei. (20.05.2016). 88 Interview mit Xavier Tavera, Minneapolis / Los Angeles, 19. Oktober 2015.

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sind ihre Homepages dadurch schwer auffindbar89. Besser gesagt, man sollte den genauen Domain-Namen kennen oder den Weg über ihr jeweiliges FacebookProfil gehen. Da Rick Nahmias mehrere Websites besitzt90, lassen sich insbesondere seine Foto-Projekte schnell finden, sogar besser als die Künstler-Homepage rcndocuments.com selbst. Die Top-Level-Domain für Geschäftsunternehmen (.com) wird von 18 Fotografen genutzt und unterstreicht den kommerziellen Charakter ihrer KünstlerHomepages, lediglich der Aktivist David Bacon nutzt die für nichtkommerzielle Organisationen (.org) und Art Meza ist der einzige, der die für Netzwerke (.net) ausgesucht hat. Während es bei Bacon sicherlich eine bewusste Wahl war, dürfte Meza seine registriert haben, weil chicanosoul.com bereits vergeben ist. Die Variante mit Bindestrich, also chicano-soul.com hingegen ist derzeit frei, entspräche dem von Meza verwendeten Logo-Namen Chicano-Soul und würde ebenfalls den stark kommerziellen Charakter seiner Website besser unterstreichen. Doch werden Domain-Namen, die mit Bindestrichen geschrieben sind, von den Fotografen generell ungerne verwendet. Von den insgesamt 25 Fotografen91, die ich interviewen durfte, haben derzeit 14 eine Homepage. Dazu gehören Isabel Avila92, David Bacon93, Chuy Benitez94, Gregory Bojorquez95, Ken Gonzales-Day96, Orlando Lara97, Oscar Lozo89 Im Fall von Tina Hernández kommt hinzu, dass ihre Homepage derzeit deaktiviert und der User lediglich eine Startseite mit dem Hinweis »Future home of something quite cool« sieht. In: http://www.lalibertina.com/ (20.05.2016) Wie sie mir in einem Interview erzählt hat, kreierte sie ihre erste Künstler-Website selbst und stellte sie erstmals 2006 in Netz. Aufgrund der vielen technischen Neuerungen muss sie ihre Webdesign-Fähigkeiten verbessern und plant dann auf ihrer neuen Website sowohl ältere als auch aktuelle Arbeiten zu präsentieren. In: Interview mit Tina Hernández, op. cit.. 90 Siehe auch »David Bacon – Communities without Borders«. 91 Isabel Avila, David Bacon, Don Bartletti, Chuy Benitez, Gregory Bojorquez, Robert C. Buitrón, Oscar Castillo, Enrique Fernández Cervantes, Christina Fernández, Harry Gamboa, Miguel Gandert, Ken Gonzales-Day, Tina Hernández, Orlando Lara, Angel Lartigue, Oscar Lozoya, Joe Medina, Jesús Manuel Mena Garza, Art Meza, Diana Molina, Delilah Montoya, Andrew J. Ortiz, Xavier Tavera, Lupita Murillo Tinnen und Kathy Vargas. 92 http://www.isabelavila.com (16.05.2016). 93 http://dbacon.igc.org/ (16.05.2016). 94 http://www.chuybenitez.com (16.05.2016). 95 http://www.gregorybojorquez.com/ (16.05.2016). 96 http://www.kengonzalesday.com/ (16.05.2016).

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ya98, Joe Medina99, Jesús Manuel Mena Garza100, Art Meza101, Delilah Montoya102, Andrew J. Ortiz103, Xavier Tavera104 und Lupita Murillo Tinnen105. Aufgrund seiner Arbeit The Migrant Project: Contemporary California Farm Workers und dem Vergleich zu Werken von David Bacon106, wird ferner die KünstlerHomepage von Rick Nahmias107 berücksichtigt. Harry Gamboa hat lediglich eine Startseite unter seinem Domain-Namen108 eingerichtet, von wo aus man dann allerdings zu seinem Blog bei WordPress109 und einer umfangreichen InternetPräsenz gelangt, sodass auch diese Präsentationsform miteinbezogen wurde. Schaut man sich die Startseiten dieser 16 Fotografen im Vergleich an, so fällt eine interessante Tendenz hinsichtlich des Designs ihrer Websites auf (Abb. 12). Fast die Hälfte von ihnen hat eine Bildpräsentation auf weißem Hintergrund gewählt und sich somit für eine Online-Variante des Ausstellungskonzepts White Cube110 entschieden. Wie in konventionellen Ausstellungsräumen wird auch hier der Raum bzw. das Design der Website zugunsten der Kunstwerke in den Hintergrund gestellt. Der teilweise recht massive Einsatz von Text ist das einzige vom Künstler zugelassene Element, welches von den Fotografien ablenken darf, weil auch dieser im Dienste der Bilder steht und zum besseren Verständnis der

97

http://www.orlandolara.com/ (16.05.2016).

98

http://www.lozoya.com/ (16.05.2016).

99

http://www.jmedinphoto.com (16.05.2016).

100 http://www.jmmgarza.com/ (16.05.2016). 101 http://chicanosoul.net/ (16.05.2016). 102 http://delilahmontoya.com/ (16.05.2016). 103 http://www.andrewjortiz.com/ (16.05.2016). 104 http://www.xavier-tavera.com/ (16.05.2016). 105 http://www.lupitatinnen.com (16.05.2016). 106 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«. 107 http://rcndocuments.com/ (16.05.2016). 108 http://www.harrygamboajr.com/ (16.05.2016). 109 https://harrygamboajr.wordpress.com/ (16.05.2016). 110 O'Doherty, Brian. Inside the White Cube: The Ideology of the Gallery Space. Expanded ed. Berkeley: University of California Press, 1999. Klonk, Charlotte. Spaces of Experience: Art Gallery Interiors from 1800 to 2000. New Haven, Conn.; London: Yale University Press, 2009. Dokumentation zum Symposium, »Beyond the White Cube? – Ausstellungsarchitektur, Raumgestaltung Und Inszenierung Heute.« Berlinische Galerie: Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin 2013. Vandenbroucke, Brecht. White Cube. First hardcover edition. ed. New York, NY: Drawn & Quarterly, 2014.

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Werke dient. In vier Fällen wurde ein schwarzer Hintergrund, der ebenfalls als neutral und frei von allen störenden Einflüssen empfunden wird, gewählt. Während das Weiß eine Konnotation mit dem unendlichen Raum besitzt, so assoziiert man mit dem Schwarz die Black Box, einen abgegrenzten und künstlich abgedunkelten Raum. White Cube und Black Box sind beide artifiziell, clean und im Falle einer Website durch das Browser-Fenster und die Display-Größe räumlich limitiert. Der weiße Hintergrund vermittelt dem User beinahe das Gefühl sich in modernen Museums- oder Galerieräumen zu befinden, während der schwarze mit einem Besuch in der Dunkelkammer des jeweiligen Fotografen assoziiert werden kann. Abbildung 12: Künstler-Websites. Screenshots vom 17 Zoll LaptopDisplay.

Quellen: Jeweilige Startseite der Künstler-Websites von Isabel Avila, Gregory Bojorquez, Ken Gonzales-Day, Xavier Tavera, Joe Medina, Orlando Lara, Jesús Manuel Mena Garza, Andrew J. Ortiz, David Bacon, Lupita Murillo Tinnen, Oscar Lozoya, Rick Nahmias, Harry Gamboa, Chuy Benitez, Art Meza und Delilah Montoya. (16.05.2016)

Der graue Hintergrund, obgleich nur zwei Fotografen diesen für ihre Startseiten gewählt haben, ist ebenfalls neutral und gleichermaßen für die Präsentation von Schwarz-Weiß- und Farbfotografien gut geeignet. Dabei wirkt das Grau auf den Betrachter weder zu hell noch zu dunkel. Wegen dieser visuellen Ausgeglichen-

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heit wird auch das Grau gerne eingesetzt111. Auf der Website von Lupita Murillo Tinnen112 liegen die Fotografien auf einem grauen Untergrund, welcher dann über den schwarzen Hintergrund platziert wurde. Es ist fast so, als habe sie eine Wand in den Raum des Browsers gestellt, an der ihre Bilder aufgehängt wurden. Ähnliches fand man bei Jesus Manuel Mena Garza, bevor er das Design seiner Website änderte (Abb. 13). Bild- und Textmaterial waren auf einer weißen Fläche platziert, welche wiederum über einen grauen Hintergrund zentriert zu sehen war. Garza modifizierte seine Website seit meinem ersten Blick darauf Ende 2013 bis April 2016 mehrmals, ohne dass sich dabei der weiß-graue Hintergrund verändert hat.113 Abbildung 13: Künstler-Website von Jesús Manuel Mena Garza. Screenshots vom 28.03.2015 (oben) und vom 16.05.2016 (unten).

Quelle: www.jmmgarza.com

111 Siehe auch »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«. 112 Siehe »Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity«. 113 In der Zeit zwischen 1996, als er seine erste Homepage kreierte, und 2013 hat sich das Design mehrfach geändert, so Graza. In: Interview mit Jesus Manuel Mena Garza, Fort Worth (Texas), 04. April 2015.

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Interessant ist, dass Galerien und Museen zunehmend vom Ausstellungskonzept White Cube abkommen, während die Chicano-Fotografen tendenziell ein in Weiß gehaltenes neutrales Design vorziehen. Die Künstler-Websites von Isabel Avila, Gregory Bojorquez, Ken Gonzales-Day, Xavier Tavera, Joe Medina, Orlando Lara und die gerade besprochene Homepage von Jesús Manuel Mena Garza sind hier gute Beispiele. Doch es gibt auch den entgegengesetzten Fall, indem die Website ein konkretes Projekt online präsentiert und als vollständige Alternative zur konventionellen Ausstellung eingesetzt wird. Dies findet sich in einer weiteren Website von Rick Nahmias, welche er speziell für The Migrant Projekt eingerichtet hat114. Sie hat einen mint-farbigen Hintergrund und das entspricht der Wandfarbe, welche in musealen Ausstellungsräumen für die Bildpräsentation aus dieser Serie angewandt wird. Nicht nur durch das Bild- und Textmaterial von The Migrant Projekt, sondern auch durch den farbigen Hintergrund verschmilzt das konventionelle Ausstellungskonzept mit der Online-Präsentation zu einer funktionellen Einheit. Während museale Ausstellungen von The Migrant Projekt temporär gebunden und geografisch limitiert sind, bietet die Online-Präsentation eine sowohl zeitliche als auch räumlich grenzenlose Ausstellungsvariante an, sofern der User über einen Internetzugang und ein Endgerät verfügt. Die in Grau gehaltene Künstler-Homepage von Nahmias dient währenddessen als Informationsquelle für all seine Foto-Projekte und ihn als Künstler-Persönlichkeit gleichermaßen. Die Separation ist nicht zwingend nötig, aber von gewissem Vorteil in der Streuung einzelner Projekte. Anderen Fotografen, die ihre Fotoserien nicht von der Künstler-Homepage getrennt haben, gelingt es oft nicht das Potenzial einer Website als Online-Ausstellungsfläche ihrer Einzelprojekte effizient zu nutzen115. Die Künstler-Homepages behalten dann weitestgehend den Charakter einer Online-Visitenkarte oder sie werden wie im Fall von Delilah Montoya und David Bacon116 zum Online-Fotoarchiv. Aber der Fotograf kann seine Homepage als White Cube bzw. Black Box nutzen, wodurch sie zur flexiblen Fotoplattform sowohl für bereits bestehende als auch für neue Projekte gleichermaßen geeignet ist. Während man mit einem weißen Hintergrund versucht die Website zugunsten der Fotografien zu neutralisieren und dem User somit eine rein ästhetische Erfahrung basierend auf den präsentierten Bildern zu geben, kann diese Idee weiter optimiert und der White Cube aufgebrochen werden. So findet man ein spannendes Design, in dem die Kunstwerke selbst zum Website-Hintergrund 114 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«. 115 Siehe auch »Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity«. 116 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«.

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werden. Zu nennen wären hier Chuy Benitez, Art Meza und Delilah Montoya, die ihre Fotografien auf der Startseite ihrer Websites als Hintergrundbilder benutzt haben, wodurch sie der jeweiligen Künstler-Homepage einen individuellen Charakter mit äußerst hohem Wiedererkennungswert verleihen konnten. Innerhalb des Browser-Fensters, der für gewöhnlich den gesamten Bildschirm einnimmt, geht es hier zweifelsohne um das Kunstwerk und nicht um das Webdesign. Bei dieser Präsentationsform von Fotografie wird das Browser-Fenster zur Bildoberfläche und der Browser-Rahmen zu einer Art Bilderrahmen. Der Webdesigner von Art Meza hat auf der Startseite sogar fünf verschiedene Fotografien integriert, welche sich im Loop abwechseln und für Dynamik sorgen, während sich das Logo Chicano-Soul links und das Navigationsmenü rechts dezent am oberen Rand entlangziehen. Der Betrachter bekommt hier bei Meza fast den Eindruck nicht auf einen Computer-Bildschirm, sondern auf einen digitalen Bilderrahmen zu schauen. Erwähnt sei ferner, dass dieses von Meza, Benitez und Montoya angewandte Stilelement lediglich auf der Startseite zu finden ist. Denn wenn der User weiterklickt, erkennt er bei Meza einen weißen, bei Benitez einen überwiegend grauen und bei Montoya einen hautsächlich schwarzen SeitenHintergrund. Hier wären daher also erneut die drei neutralen Varianten zu finden, die man bei anderen Fotografen bereits auf der Startseite sieht. Bis auf einige Ausnahmen, haben alle Fotografen ihre Websites selbst kreiert. Lediglich Isabel Avila, Xavier Tavera, Art Meza, Oscar Lozoya, Ken Gonzalez-Day und David Bacon haben ihre in Auftrag gegeben. Außer Lozoya, dessen Frau Jessica sich derzeit um die Website kümmert, nehmen alle die Aktualisierungen ihrer Homepages selbst vor. Avila hat ihre Seite 2007/2008 ins Internet gestellt und seither äußerst wenig inhaltlich verändert. Sie sagt, dass sie demnächst eine neue machen lassen will, da diese nicht mehr zeitgemäß ist.117 Oscar Lozoya hat bereits seit zwanzig Jahren eine Website und sagt, dass das erste Design im Vergleich zu heutigen Standards primitiv war. Das erste Design war allerdings ebenso dunkel wie das aktuelle, da er den dramatischen Look mag und dieser ideal zu seinen Arbeiten passt. Ebenso wie bei anderen Fotografen, die frühere Versionen ihrer Künstler-Website hatten, ist das alte Design verschollen.118 Dafür sind insbesondere die Computer- und Software-Wechsel verantwortlich, aber auch das durchaus verständliche Desinteresse an der Speicherung überholter Websites. Xavier Tavera erzählte mir, dass seine erste Website von 2005 farbenfroh und mit animierten Grafiken bestückt war. Für die neue

117 Interview mit Isabel Avila, op. cit.. 118 Interview mit Oscar Lozoya, Albuquerque, 15. September 2015.

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Homepage, welche etwa fünf Jahre später entstanden ist, wollte er dann ein schlichtes Design, um seinen Fotografien den Vorrang zu geben.119 Die anderen Fotografen nutzen die gängigen Webdesign-Programme wie Dreamweaver von Adobe oder iWeb120 von Apple für die Erstellung und Aktualisierungen ihrer Websites. Andrew Ortiz, der seine Homepage erst ca. 2011 einrichtete, wählte den Online-Anbieter WIX121 und Chuy Benitez den Konkurrenten PhotoShelter122. Benitez sagt: »When I was in college I actually did take a couple of classes on web design. I had been fully from scratch creating my own webpages for the longest time, I‘d say for good four or five years I was just doing it on my own. Then, quite honestly, I got to the point where there’re so many other companies out there that were making photography websites specifically just for photographers. I started just shopping and seeing who has what and how they do… For me the most important thing was, since I have the longer format, is there someone out there that actually displays that well. So, the website server that I go to is a photography builder website called PhotoShelter. They are actually some of my favourite people out there doing that, because they also have a blog where they also talk about photography. There’re different articles. One is simply called ›I love Photography‹ and I actually have all my students read that just for starters. Their design layout worked for me and I could organize everything and it’s the whole what they call ›plug and play‹ being able to just upload things. Although, I admit it’s kind of not the best, but for me thankfully I already have my set bodies of work, so it’s organized and I just threw it all there at once and it just sets and it’s fine. Yes, Photo Shelter is what I’ve been using for the last two years and that is what the current website is, but my logo I’ve designed myself. That actually came from the view finder of the 35 mm camera so that’s what that is. What’s really funny is I had it as my first tattoo, so it’s on my website, it’s my logo, it was my first tattoo and even have it on my business cards. For me I was lucky, I was the son of a computer engineer and so right away we were one of the first people ever to get internet in general, we were the first people to cable internet and all that. From ten years old, I think, I was very much plugged in as you would call it.«123

Ganz anders ist diesbezüglich die Geschichte von Delilah Montoya, die sich wie viele andere Fotografen ihrer Generation die Erstellung von Websites in den 119 Interview mit Xavier Tavera, Minneapolis / Los Angeles, 19. Oktober 2015. 120 Siehe auch »Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity«. 121 http://www.wix.com/ (20.05.2016). 122 http://www.photoshelter.com/ (20.05.2016). 123 Interview mit Chuy Benitez, op. cit..

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1990er Jahren autodidaktisch beibringen musste. Das besondere an ihrer Künstler-Homepage ist, dass sie buchstäblich aus einem Patchwork-Design besteht. Montoya erzählt: »I got onto the web really early on, prior to 2000. Right about that time that I started trying to learn how to build webpages and such. The major reason why I was doing that is that I was looking for a job. I needed to demonstrate that I can handle on this new technology. So, it was part of me learning the new technology and learning what that was all about specifically to leak in to this new world that was about ready to happen. I realized if I didn’t do that then I was just going to be shelfed and I wasn’t in a position where that would have been good for me. I realized that photography was changing rapidly and I needed to be there. Usually I tell my students that there was nobody to teach me… Who taught me? Nobody taught me, I had to just get out there and start making all the mistakes and try to learn and figure out which direction is all of this going into, because it wasn’t like to be the same way that it was to be in the past. While I was teaching during this period of time –even today although I’ve been a little bit calmer about it– is that the learning trajectory was vertical. There was no coming up and down on those things that I was learning. One year would be grey matter leaking out of my ears and the next year it was this constant moving… It was a tough time and I think it was a tough time for all photographers. In terms of the web presence that was something that I saw as being a real tool that could be used to get out to a larger public. As a Chicana artist what I was going to demonstrate in terms of my own art work and my own art productive was of course Chicano works. I found that just with these little webpages that I put up the reach was international that I could just go and cross boundaries. I’ve been contacted by people from all over the world, really. I would’ve never thought that when I first put it on that it would’ve had that kind of reach. But it wasn’t an easy thing to do and a lot of that initial website that I put on is still intact and what I do is I build on it. I know that on one point or the other I’ll have to bring this whole thing down and start over again, because it’s antiquated and it looks like an old website. It looks archaic… It is archaic! The problem is that there is just so much information in there that I have to figure out a way to archive, because it’s an archive also. [The website] has been abbreviated a little, but the core of it is still there. I wrote the HTML and I put it up and tried to figure out how to do the interface and all of that. The interesting thing about it is it was done with Dreamweaver and in Dreamweaver I was writing a very simple code. They weren’t using style sheets, they weren’t using any of this kind of a complicated colouring systems and tables and all that other stuff. The code is extremely simple and it still can be worked. It uploads very fast and you can still click around it… every once in a while there is a broken link that starts happening and then I go in there and try to figure out why that occurred. The most part is just great.

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It’s just a little archive that’s up there in the web. I find it’s nice that when I get art historians or people that want to, like, to write about the work it’s really easy for them to start going in there and then seeing all this writing and they see all the folder images and all that. Sometimes there’re a little bit itty bitty images that are frustrating but… it’s the archive.«124

Während Montoya und Benitez bereits seit vielen Jahren Künstler-Websites besitzen, existiert die von Art Meza erst seit kurzem. Außerdem ist sie im Verhältnis zu den anderen beiden sehr viel kommerzieller ausgerichtet, da OnlineBestellungen direkt auf der Homepage möglich sind und darauf bereits auf der Startseite durch das Symbol des Einkaufswagens in der oberen rechten Ecke deutlich hingewiesen wird. Auch dies ist eine weitere Möglichkeit eine KünstlerWebsite heutzutage effizient zu nutzen und die ebenfalls nicht annähernd ausgenutzt wird. In diesem konkreten Beispiel liegt der Unterschied zwischen Meza im Vergleich zu Montoya und Benitez darin, dass er ein überwiegend kommerzieller Fotograf ist, während die anderen beiden mehr künstlerisch orientiert sind. Nichtsdestotrotz gibt es auch auf der Homepage von Benitez einen OnlineStore, welcher allerdings nicht ganz so in den Vordergrund gerückt wurde wie bei Meza. Die Herausbildung des Künstlers als Marke ist hierbei ein wichtiges (Selbst-)Vermarktungsmittel, wozu auch das von Chuy Benitez erwähnte Logo beiträgt. Bislang benutzten lediglich Benitez, Meza, Lozoya und Nahmias ein persönliches Logo auf ihren Homepages. Art Meza sagt: »The homepage is fairly new. I was trying to go by with Instagram and Twitter and stuff like that, thinking I could get away from having a website, but people are still looking at the fact that if you have a website you are legitimate. So I get chicanosoul.net and a friend of mine, Andres Cruz, put it together for me. It has been up since the end of June [2015] and it hasn’t really changed much. I add different items, merchandise, some prints and stuff I have for sale, but all the look of it is pretty much the same.«125

Die Erfahrung, dass eine Künstler-Website heutzutage unerlässlich ist, teilen zahlreiche Fotografen. Offensichtlich vermittelt sie dem User eine gewisse Seriosität hinsichtlich des Künstlers und seiner Werke. Der Fotograf kann sie nicht nur als reine Online-Visitenkarte mit einer geringen Auswahl an Abbildungen und Kontaktinformationen nutzen, sondern gleichermaßen als Ausstellungsfläche, Archiv und Shop. Bis zu welchem Grad das Potenzial der eigenen Homepa124 Interview mit Delilah Montoya, op. cit.. 125 Interview mit Art Meza, Los Angeles, 14. Oktober 2015.

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ge ausgeschöpft wird variiert beachtlich und ist vom jeweiligen Künstler abhängig. Die Chicano-Fotografen können das komplette Potenzial nutzen oder ihr, wie sie es bislang getan haben, eine bestimmte Ausrichtung geben. In den meisten Fällen soll die Homepage lediglich informieren, manchmal vielmehr als Archiv dienen und in den seltensten Fällen von primär kommerziellem Charakter sein. Natürlich hängt die Ausrichtung vom jeweiligen Werdegang des Fotografen und seinem persönlichen Interesse ab, in welcher Form seine Werke online angeboten werden sollen und zu welchem Zweck. Es ist wichtig zu erwähnen, dass nicht alle Chicano-Fotografen der Meinung sind, dass eine eigene Künstler-Website heutzutage notwendig ist. Zumal ihre Gestaltung und Pflege für einen optimalen Internet-Auftritt äußerst zeitaufwändig ist und nur von einem Webdesign-Profi tadellos funktionsfähig gestaltet werden kann. So sagt beispielsweise Angel Lartigue, dass Tumblr für ihn die Funktion einer Website übernommen hat, während er zusätzlich Facebook und Instagram nutzt. Diese Plattformen sind alle kostenlos und dienen ihm zur Streuung seiner Arbeiten ebenso effizient wie für den kritischen Austausch von Meinungen mit anderen Internet-Usern.126 Orlando Lara hinterfragt, ob eine persönlich Website wegen der intensiven Nutzung von Facebook tatsächlich noch nötig ist.127 Doch den meisten Fotografen geht es gar nicht um die Entscheidung entweder eine Künstler-Website oder ein Facebook-Profil zu haben, sondern vielmehr um die optimale Vernetzung und Streuung von Bild- und Informationsmaterial. Hier bietet, wie bereits erwähnt, die Künstler-Homepage entscheidende Vorteile128. Besonders wichtig ist dabei in erster Linie eine professionell gestaltete und regelmäßig aktualisierte Homepage, welche dann idealerweise mit sozialen Netzwerken wie Facebook und Fotoplattformen wie Tumblr gekoppelt ist. Enrique Fernández Cervantes, der seine Homepage Ende 2015 vorrübergehend stillgelegt hat, sagt: »I created my website because I had some knowledge of web authoring software. The design has changed over the years a few times. Currently, the website is going to a major transition and its new version will be ready for viewing at the end of the summer. The current website lacks some of the functionality that is required in our current time (optimization for mobile devices, social media interaction, etc.). I hope that the new design will

126 Interview mit Angel Lartigue, op. cit.. 127 Interview mit Orlando Lara, op. cit.. 128 Siehe »Das Internet als Fotoplattform«.

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make the site more current with the times, more robust in terms of portfolio content, and easier to navigate.«129

Es ist abzuwarten, ob seine nächste Website erneut mit farbigem Hintergrund oder vielleicht neutraler gestaltet wird. Wichtig ist hier seine Bemerkung über die Funktionalität einer Homepage, da diese einen wichtigen Einfluss auf die Bildpräsentation hat. Tatsächlich haben sich mehrere Fotografen darüber Gedanken gemacht, ihre Websites bislang jedoch noch nicht den verschiedenen Endgeräten angepasst oder anpassen lassen. Daher gibt es zahlreiche KünstlerWebsites, die gar nicht oder nur bedingt auf einem kleinen Display wie dem eines Handys funktionieren. Auf solchen Displays sollte idealerweise eine vereinfachte Version der Original-Website mit einem reduzierten Menü zu sehen sein. Die Seite muss dennoch funktionell sein und dem User die Möglichkeit geben problemlos zu navigieren. Dabei wird die Darstellung von Bild- und TextMaterial stark verkleinert, kann allerdings oft durch das Zoomen auf dem TouchScreen ausgeglichen werden und dann für interessante Detailansichten der Fotografien genutzt werden. Wenn man sich die Handy-Screenshots der 16 Fotografen mit KünstlerHomepages anschaut, so fallen im Vergleich zu den Screenshots vom 17 Zoll Bildschirm zahlreiche Divergenzen auf. Prinzipiell lässt sich festhalten, dass die Grundfarben in den meisten Fällen beibehalten werden (Abb. 14). Lediglich bei der Website von Joe Medina wechselt die Farbe des Hintergrunds von einem Weiß in ein Schwarz. Die Homepage von Isabel Avila sieht auf dem kleinen Display in der Hinsicht anders aus, dass man hier nicht die gleiche Startseite angezeigt bekommt. Der User sieht auf dem Handy ein Foto sowie den Kurzlebenslauf der Fotografin und hat im oberen Anschnitt mittig die Möglichkeit sich die komplette Seite anzeigen zu lassen, allerdings ist dies nur dann möglich, wenn man einen Flash-Player auf dem Handy installiert hat und diesen gibt es für das von mir genutzte Windows Phone nicht. Es ist sogar so, dass Flash als überholt gilt und wegen seiner Sicherheitslücken in zahlreichen Browsern deaktiviert wird. Schließlich ist die Website von Delilah Montoya zu nennen, weil das zuvor als Hintergrundbild erscheinende Werk Smile Now, Cry Later von 2008 auf dem Handy-Display vor einem schwarzen Untergrund zu sehen ist. Direkt unter dem Bild befindet sich der Name der Fotografin mit einem Link zur nächsten Seite. Alle Websites, die dann folgen und die nach einzelnen Fotoserien sortiert sind, müssen zum Betrachten der Bilder oder zum Lesen der Texte stark gezoomt werden. Über die Zoom-Funktion der Endgeräte müssen auch die Künstler-Homepages der restlichen Fotografen lesbar gemacht werden. 129 Interview mit Enrique Fernández Cervantes, op. cit..

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Abbildung 14: Künstler-Websites. Screenshots vom Nokia Lumia 730 Windows Phone.

Quellen: Jeweilige Startseite der Künstler-Websites von Isabel Avila, Gregory Bojorquez, Ken Gonzales-Day, Xavier Tavera, Joe Medina, Orlando Lara, Jesús Manuel Mena Garza, Andrew J. Ortiz, David Bacon, Lupita Murillo Tinnen, Oscar Lozoya, Rick Nahmias, Harry Gamboa, Chuy Benitez, Art Meza und Delilah Montoya. (16.05.2016)

Lediglich die Websites von Chuy Benitez und Art Meza erweisen sich als zeitgemäß und für alle Endgeräte optimiert. Wie aus den Zitaten hervorgeht, wurde die Seite von Benitez mit Hilfe von PhotoShelter gemacht und die von Art Meza von Andres Cruz130, einem professionellen Webdesigner, gestaltet. Diese beiden Beispiele zeigen deutlich, dass der technologische Fortschritt in diesem Bereich dermaßen fortgeschritten ist, dass die Webdesign-Kenntnisse der Fotografen zur Gestaltung effizienter Künstler-Homepages längst nicht mehr genügen. Doch sie sind vollkommen ausreichend, wenn es darum geht regelmäßige Aktualisierun-

130 http://andrescruz.net/ (20.05.2016).

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gen vorzunehmen und ihre Websites für den User kontinuierlich interessant und informativ zu gestalten.

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Der Dokumentarfotograf Joseph Rodríguez schreibt auf seiner Website: »Migrant workers follow the seasonal trail from their homes in Mexico, across the border and up into the United States, perhaps starting in California to pick strawberries, then winding through Arkansas to work with the tomato crop then onward to North Carolina to harvest tobacco. These people are moving, constantly moving, migrating through the country, earning their living and providing an invaluable service to the American Farmers. These people represent the ›New Americans‹, they are changing themselves through their experiences here, changing their families, changing the face of the USA, even if they aren’t citizens. […] Like the migratory birds, faithfully succumbing to tradition and instinct, flee the winter in pursuit of temperate climes, so the New American follow the path laid before him to seek out a living and thus create a new identity in both worlds.«131

Diese »Neuen Amerikaner« wie Rodríguez sie bezeichnet, leben eine zeitgenössische Variante dessen, was die heutigen Chicanos und ihre Vorfahren bereits hinter sich gelassen haben, nämlich die Erfahrungen der Migration. Beginnend mit dem Wirtschaftsaufschwung nach dem Sieg der Nordstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865), als mexikanische Eiwanderer für den Ausbau der Eisenbahnschienen, den Bergbau und den landwirtschaftlichen Sektor willkommen waren, bis zu den Jahren der Great Depression (1929-39), als hunderttausende repatriiert wurden, um bald darauf im Rahmen des Bracero-Programms (1942-1964) in die USA zurückzukehren132. Die Ströme legaler und illegaler Einwanderer aus Mexiko bleiben ungebrochen und nehmen durch das 1994 in Kraft getretene Freihandelsabkommen NAFTA sogar weiterhin zu133. Laut eines Berichts des U.S. Department of Commerce von Dezember 2004 leben in den USA 20,9 Mio. Mexikaner, was im Vergleich zur Gesamtbevölke-

131

http://www.josephrodriguezphotography.com/#mi=2&pt=1&pi=10000&s=0&p=5& a=0&at=0 (24.09.2014) Siehe auch Martínez, Rubén, und Joseph Rodríguez. The New Americans. New York: New Press: Distributed by Norton, 2004.

132 Siehe auch »Identität«. 133 Siehe auch »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«.

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rung einen Anteil von 7,4% ausmacht.134 Ergänzend dazu veröffentlichte das U.S. Department of Labor im März 2005 die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage von genau 6.472 landesweit beschäftigten Farmarbeitern, wobei 75% von ihnen mexikanischer Abstammung sind. Fast die Hälfte kommen aus dem mittleren Westen Mexikos, d.h. aus Guanajuato, Jalisco und Michoacán, während sich gleichzeitig ein erhöhender Einwanderungsstrom aus den Bundesstaaten Guerrero, Oaxaca, Chiapas, Puebla, Morelos und Veracruz im Süden des Landes abzeichnet. Dort stieg die Zahl von 9% im Zensus von 1993-1994 auf 19% in dem von 2001-2002. Nahezu konstant geblieben ist hierbei die Anzahl der Arbeiter ohne offizielles Arbeitsvisum mit 55% und 53%.135 Insbesondere die Bundesstaaten Michoacán, Guerrero und Chiapas sowie der Norden von Puebla und Veracruz weisen mit 70% einen hohen indigenen Bevölkerungsanteil136 auf und sind die Heimat der Nahuas, Mixteken, Tzeltal, Tzotzil, Chol, Purepechas, Mazahuas und Totonaken, um nur einige zu nennen. Aufgrund des hohen Anteils illegaler Einwanderer ist es äußerst schwierig eine genaue Bestimmung über die indigene Herkunft mexikanischer Immigranten darzulegen. Professor Jonathan Fox von der University of California in Santa Cruz sagt, dass in der Volkszählung von 2000137 etwa 407.000 in den USA lebenden Men134 Ramirez, Roberto R.: »We the People: Hispanics in the United States.« In: Census 2000 Special Reports, 20: U.S. Census Bureau, 2004. http://www.census.gov/ prod/2004pubs/censr-18.pdf (25.09.2014). 135 Carroll, Daniel, Ruth M. Samardick, Scott Bernard, Susan Gabbard, and Trish Hernández. »Findings from the National Agricultural Workers Survey (Naws) 20012002: A Demographic and Employment Profile of United States Farm Workers.« 80. Burlingame, California, 2005. http://www.doleta.gov/agworker/report9/naws_ rpt9.pdf (24.09.2014). 136 Embriz Osorio, Arnulfo, Enrique Serrano Carreto, Patricia Fernández Ham, Instituto Nacional Indigenista (Mexico), und United Nations Development Programme. Indicadores Socioeconómicos de los Pueblos Indígenas de México, 2002. 1. ed. México: Instituto Nacional Indigenista: Programa de las Naciones Unidas para el Desarrollo: CONAPO, 2002, S. 421. 137 Siehe auch: Fox, Jonathan, und Gaspar Rivera-Salgado. Indigenous Mexican Migrants in the United States. La Jolla, Calif.: Center for U.S.-Mexican Studies, UCSD/Center for Comparative Immigration Studies, UCSD, 2004, S. 179-302.

»The option for identifying as American Indian also left a space to indicate a specific ›tribe‹. According to the Bureau of the Census, American Indian or Alaska Native status is determined by tribal affiliation or community recognition. However, this reflects North American usage of the term ›tribe‹, a concept that is not used by most

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schen sich selbst als Latinos mit indigener Herkunft identifiziert haben, während es zehn Jahre später bereits 685.000 waren. Es gäbe mehr als sechzig verschiedene indigene Gruppen in den USA, welche zwar schon seit Jahrzehnten immigrieren, doch ihr prozentueller Anteil innerhalb der Gruppe mexikanischer Einwanderer wäre in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Insbesondere Kalifornien, wo es mindestens 200.000 Indigene gibt, aber auch Texas mit 90.000, New York mit 53.000, Arizona mit 39.000 sowie Colorado und Illinois mit je 25.000 spiegeln diese Tendenz wider.138 Bis auf die in New York und Illinois lebenden, befinden sich alle im Südwesten der USA. Daher stellt sich die Frage, welchen Einfluss sie auf die Chicano-Fotografie haben und welche indigenen Gruppen zu den am häufigsten fotografierten gehören (Tab. 2). Dies soll mit Hilfe der aktuellen Internetpräsenz der Fotografen David Bacon und Rick Nahmias im Direktvergleich zu den am häufigsten fotografierten indigenen Gruppen in der mexikanischen Fotografie eruiert werden. Tabelle 2: Indigene Kulturen in der Fotografie. Die am häufigsten fotografierten indigenen Gruppen in Mexico (Grün) sind denen in der Chicano-Fotografie (Blau) gegenübergestellt. Eine Überschneidung findet sich bei den Mixteken (Rot). Indigene Sprachen und ihre Häufigkeit in Mexiko (Rang) Náhuatl (1) Maya (2) Zapoteco (3) Mixteco (4) Otomí (5) Tzeltal (6) Tzotzil (7) Totonaca (8) Mazateco (9)

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Latin American native people. As a result of this cultural difference, it is not surprising that preliminary census data suggest that only a small fraction of those who identified as Hispanic American Indian also reported membership in a specific ›tribe‹.« In: Javier Huizar Murillo und Isidro Cerda, »Indigenous Mexican Migrants in the 2000 U.S. Census: ›Hispanic American Indians‹«, in: ibidem, S. 281. 138 Jonathan Fox, in: Cengel, Katya. »The Other Mexicans: Indigenous people come from a world apart from Spanish-speaking Mexicans.« In: http://news.national geographic.com/news/2013/06/130624-mexico-mixteco-indigenous-immigrationspanish-culture (25.09.2014).

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Indigene Sprachen und ihre Häufigkeit in Mexiko (Rang) Chole (10) Chinanteco (13) Purépecha (14) Mixe (15) Tlapaneco (16) Tarahumara (17) Zoque (18) Chontale (19) Mayo (20) Tojolabal (21) Chatino (23) Amuzgo (24) Huichol (25) Trique (27) Popoloca (28) Cora (29) u.v.a.

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Viele mexikanische Fotografen wie z.B. Graciela Iturbide139, Pablo Ortiz Monasterio140, Lorenzo Armendariz141, Mariana Yampolsky142, Agustín Estrada143, Pedro Tzontémoc144 und Fernando Rosales145 haben für das Instituto Nacional Indigenista146 (INI) gearbeitet. Insbesondere während der 1970er und 80er Jahre wurden dort die verschiedenen indigenen Gruppen des Landes fotografisch registriert und ihre kulturellen Unterschiede systematisch dokumentiert. In den 139 http://www.gracielaiturbide.org (28.09.2014). 140 http://www.cadadiaunfotografo.com/2013/12/pablo-ortiz-monasterio.html (28.09.2014). 141 http://www.cuartoscuro.com.mx/2010/06/la-peregrinacion-de-un-fotografo-con-al ma-gitana-lorenzo-armendariz (28.09.2014). 142 http://www.marianayampolsky.org (28.09.2014). 143 http://www.agustinestrada.com (28.09.2014). 144 http://www.pedrotzontemoc.com (28.09.2014). 145 https://fernandorosalesphoto.wordpress.com (28.09.2014). 146 Das INI wurde 1948 als exekutives Organ für die Integration indigener Gruppen gegründet und sollte sowohl der Entwicklung als auch der Erhaltung ihrer Kulturen dienen. Im Jahre 2003 wurde es durch die Gründung der Comisión Nacional para el Desarrollo de los Pueblos Indígenas (CDI) abgelöst. Siehe auch http://www.cdi. gob.mx (26.09.2014).

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90ern setzte sich diese Tradition fort, doch fortan weitestgehend losgelöst von der paternalistischen Position des INI, dessen Fotothek Nacho López147 zu diesem Zeitpunkt bereits eine imposante Sammlung mit Bildern von über siebzig kulturell differierenden ethnischen Gruppen umfasste. Die Fotografen in Mexiko, die seit Ende des 20. Jahrhunderts sowohl aus nicht-indigenen als auch aus indigenen Künstlern bestehen, verzichteten oft auf eine ethnische Differenzierung bei der Klassifizierung ihrer Arbeiten. Dennoch lässt sich aufgrund der Spezialisierung einzelner nicht-indigener Fotografen auf bestimmte ethnische Gruppen und der Tatsache, dass die indigenen Künstler hauptsächlich Mitglieder der Tarahumara-, Tzotzil- und Tzeltal-Gemeinden sind, eine Tendenz konstatieren. Diese zeigt, dass die Tarahumaras, Mixteken, Tzotzil, Nahuas und Coras zu den in Mexiko am häufigsten fotografierten indigenen Gruppen gehören. Dies ist vor allem deshalb interessant, weil es sich hierbei nicht um die fünf numerisch größten indigenen Völker Mexikos handelt, sondern um die für die Fotografen im kulturellen und geografischen Sinne am zugänglichsten.148 Die indigene Bevölkerung, die gente indígena, bildet neben dem Thema der traditionellen Feste einen der größten Schwerpunkte in der mexikanischen Fotografie. Unzählige Männer, Frauen und Kindern aus den verschiedensten ethnischen Gruppen wurden fast immer ohne Angabe ihrer Namen porträtiert149. Einige wenige Ausnahmen finden sich im Fotobuch Gente indígena150 (1994) von Lorenzo Armendariz, bei Antonio Turok in den Bildern Loxa Hernández Díaz, tejedora de Santa Rosario (1979) und Maria Cartones (1975), die aus seinem Buch Chiapas: El fin del silencio151 (1998) stammen, und in der Monografie von Xunka‘ López Díaz mit dem Titel Mi hermanita Cristina, una niña Chamula152 (2000). Hierbei ist es den Fotografen gelungen die Indigenen zumindest punktu-

147 Derzeit besitzt die Fotothek Nacho López insgesamt 340.000 Fotografien, die zu einem der wichtigsten Kulturgüter des Landes gehören. In: http://fototeca.cdi.gob.mx/ index.php (26.09.2014). 148 Siehe auch »Los grupos indígenas más fotografiados«, in: Corkovic, Laura M., La Cultura Indígena en la Fotografía Mexicana de los 90s. Ediciones Universidad Salamanca, S. 140-149. 149 Siehe auch »Mujeres, niños y hombres indígenas«, in: Ibidem, S. 323-367. 150 Armendáriz García, Lorenzo, Neyra Alvarado Solis, und Jorge Lépez Vela. Gente Antigua. Colección Raíces. Instituto Nacional Indigenista. México D.F., 1994. 151 Turok, Antonio. Chiapas: El fin del silencio. México D.F.: Ediciones Era, 1998, S. 54/55 und S. 68/69. 152 López Díaz, Xunka’, und Lourdes de León Pasquel. Mi hermanita Cristina, una niña Chamula. Archivo Fotográfico Indígena, México D.F. 2000.

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ell aus einer allgemein vorherrschenden Anonymität und der dadurch begünstigten Stereotypenbildung zu separieren. Ähnliches findet sich auch in der Chicano-Fotografie, insbesondere in den Arbeiten von David Bacon, dessen Bildtitel und Textinformationen oft auf die genaue Herkunft der Porträtierten hinweisen. Dadurch wird es möglich eine Tendenz über die am häufigsten fotografierten indigenen Gruppen in der Chicano-Fotografie aufzuzeigen, die sich wiederum mit denen in Mexiko vergleichen lässt. David Bacon unterscheidet deutlich zwischen den Mixtecos, Triques, Chatinos und Mayos. Er zeigt sie in ihrem Arbeitsalltag, in ihren Unterkünften, bei ihren traditionellen Feiern und ihren Protestveranstaltungen.153 Dabei betont er, dass es sich bei der Migration mexikanischer Einwanderer nicht um die einzelner Individuen, sondern um die ganzer indigener Gemeinschaften handelt, die als sogenannte transnational communities154 auf beiden Seiten der Grenze leben155. Außerdem nennt er das Bracero-Programm und insbesondere das NAFTA-Abkommen als entscheidende Ursachen für die massive Wanderung in der Aktualität156.

153 Siehe http://dbacon.igc.org/Imgrants/imgrants.htm (12.10.2014) und »David Bacon – Communities without Borders« der vorliegenden Arbeit. 154 Siehe http://dbacon.igc.org/TWC/index.htm (30.09.2014) und »David Bacon – Communities without Borders« der vorliegenden Arbeit. 155 Siehe auch »Book TV: Book Discussion on Communities without Borders at the Center for Labor, Community and Policy Studies (Joseph S. Murphy Institute) at City College in New York.« In: http://www.c-span.org/video/?196281-1/bookdiscussion-communities-without-borders (30.09.2014). 156 »Less attention has been given to the relationship between the treaty and migration. It’s still a common critique that NAFTA freed the movement of goods and capital but not the movement of people. On the one hand, this seems quite an underestimation of the treaty’s impact. During the years following NAFTA’s implementation in 1994, a greater number of people moved from Mexico to the United States than in almost any other period in our history. On the other, it seems to suggest that NAFTA should have regulated migration just as it regulated trade and investment. In the current political environment, this would more likely have led to contract-labor programs than to the free movement of people.« In: Bacon, David. Illegal People: How Globalization Creates Migration and Criminalizes Immigrants. Boston: Beacon Press, 2008, S. 51.

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Bei Rick Nahmias, der in seinen Bildinformationen nur sporadisch auf die mixtekische Zugehörigkeit einiger Personen hinweist157, geht es weniger um die kulturelle Vielfalt der Immigranten und mehr um die Hervorhebung essentieller Gemeinsamkeiten. In seinen Projekten ist das Essen die Schnittstelle zwischen den Völkern weltweit und so interessiert ihn die Frage wie das saftige Obst und knackige Gemüse in die US-amerikanischen Küchen gelangt158. Dabei beschäftigen ihn in seinem Fotobuch The Migrant Project159 neben den allgemeinen Lebensbedingungen und der Höhe der Gehälter auch die Art der Arbeitsunfälle und die Gesundheitsprobleme der Farmarbeiter sowie die Qualität und Verteilung der Nahrung. Ist es bei Delilah Montoya und Orlando Lara das Wasser160, so ist es bei Nahmias das Essen, welches innerhalb des Hautthemas Migration einen entscheidenden zentralen Kern bildet, durch welchen seine Fotografien ihre besondere Universalität erhalten. Die Fotografien von David Bacon sind nicht nur hinsichtlich der Angaben über die Herkunft der fotografierten Personen genauer, sondern außerdem im Internet intensiver gestreut als die von Rick Nahmias161. Sie finden sich unter anderem auf der Seite einer Forschungsgruppe, The Indigenous Farmworker Study, die zahlreiche Analysen, Videos und Abbildungen zum Thema indigene Gruppen in Kalifornien gesammelt und auf ihrer Homepage veröffentlicht hat162. Sie haben herausgefunden, dass unter den Farmarbeitern insgesamt 23 verschiedene indigene Sprachen gesprochen werden und die Leute aus 13 verschiedenen Bundesstaaten Mexikos stammen. Hierbei gehören die Mixteken, Zapoteken und Triquis zu den drei stärksten Vertretern, gefolgt von den Nahuas und Chatinos163. Beachtet man, dass Bacon und Nahmias hauptsächlich in Kalifornien fotografiert und das Leben der Mixteken, Triquis, Chatinos und Mayos dokumentiert haben, lässt sich folgendes im Vergleich zu den in Mexiko am häufigsten fotografierten indigenen Gruppen zusammenfassen.

157 Nahmias, Rick. The Migrant Project: Contemporary California Farm Workers. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2008, S. 20, 44, 76 und 78. 158 http://themigrantproject.com/pdf/lat3-mp.pdf (30.09.2014). 159 Nahmias, op. cit.. 160 Siehe »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«. 161 Siehe die Kapitel »David Bacon – Communities without Borders« und »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 162 http://www.indigenousfarmworkers.org (29.09.2014). 163 Siehe Tabelle 2 »Proportion of Indigenous Farmworkers by Language Groups in CA.«

In:

(29.09.2014).

http://www.indigenousfarmworkers.org/indigenous_languages.shtml

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Die fünf in Mexiko am häufigsten fotografierten Gruppen sind die Nahuas, Mixteken, Tzotzil, Tarahumaras und Coras. In den USA sind es die Zapoteken, Mixteken, Mayos, Chatinos und Triques. Es ergibt sich eine interessante Überschneidung bei den Mixteken, die sowohl in der mexikanischen als auch der Chicano-Fotografie tendenziell zu den am häufigsten fotografierten Gruppen gehören. Selbstverständlich handelt es sich hierbei nicht um absolute Ergebnisse, da die Bildinformationen bezüglich der indigenen Herkunft der fotografierten Personen in der mexikanischen Fotografie umfangreicher und minuziöser dokumentiert sind als in der Chicano-Fotografie. Das liegt insbesondere an dem großen Anteil indigener Immigranten ohne offizielles Arbeitsvisum und die damit verbundenen fehlenden Daten hinsichtlich ihrer kulturellen Identität. Warum gehören gerade die Mixteken zu den auf beiden Seite der Grenze am häufigsten fotografierten Migranten? Das Gebiet der Mixteken, La Mixteca164, umspannt seit der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert den Nordosten des Bundesstaates Oaxaca, den südlichen Teil von Puebla und einen östlichen Abschnitt von Guerrero. Diese Zone teilen sie sich nicht nur mit den Mestizen, sondern auch zahlreichen anderen indigenen Völkern wie beispielweise den Triques und Nahuas. Ein wichtiger Punkt ist, dass sie nach den Nahuas, Mayas und Zapoteken die viertgrößte indigene Gruppe Mexikos und somit von numerischer Dominanz sind165. Außerdem besitzen die Mixteken eine imposante Migrationsgeschichte, sowohl innerhalb Mexikos als auch in Richtung Norden, wo sie bis einschließlich Alaska gekommen sind. Bereits im 19. Jahrhundert arbeiteten viele außerhalb ihrer Gemeinden auf Tabak- und Baumwollfeldern. Nach der Mexikanischen Revolution und dank des intensiven Hispanisierens indigener Gruppen zogen die Mixteken weiter in

164 »A lack of good economic options leads many to migrate in search of work elsewhere. Oaxaca’s Migrant Service Institute (Ruiz Quiroz and Cruz Vázques 2009) reports some form of emigration in all of the 570 municipalities of the state. The total number of individuals living outside of the state for 2009 was more than 1.2 million representing a third of the total population. Of these migrants, 787,243 were male and 416,246 were female, making the migrant male population 15 % higher than its female counterpart. The Mixteca region has the highest migration rate in the state, with 316,337 individuals (74% of the total number who still live in the region) originally from the Mixteca living abroad.« In: FitzGerald, David, Jorge Hernández Díaz und David Keyes. The Wall between Us: a Mixteco Migrant Community in Mexico and the United States. San Diego: Center for Comparative Immigration Studies, 2013, S. 3. 165 Siehe auch »Los grupos indígenas«, in: Corkovic, op. cit., S. 134-139.

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die Ferne. Die Migration wurde begünstigt durch den Bau der Panamericana, die durch das Gebiet der Mixteken verläuft, und die Mobilität beachtlich erhöhte. In den 1940er Jahren folgten viele dem Aufruf am Bracero-Programm teilzunehmen und ihr ursprünglich temporärer Aufenthalt in den USA wurde schnell zu einem permanenten. Weitere Mixteken kamen in den 1970ern aus Oaxaca nach Nordmexiko in die Bundesstaaten Baja California und Sonora als Antwort auf den Bedarf an Arbeitskräften in der dortigen Agrarindustrie. Inzwischen haben sie verschiedene Transnationale Organisationen in Mexiko und den USA gebildet, die ihnen helfen auf beiden Seiten der Grenze Jobs zu finden und dabei ihre Rechte als Arbeiter zu verteidigen. Sie behalten den Kontakt zu ihren Gemeinden in La Mixteca bei und unterstützen somit insbesondere durch die Pflege der traditionellen Fiestas die kulturelle Resistenz ihres Volkes166. Gleichzeitig führen sie in den USA mixtekische Traditionen fort, wobei ihre Kultur unter dem Einfluss der Angloamerikaner neu definiert wird.167 Aufgrund ihrer bi-kulturellen und bi-nationalen Existenz sowie ihrer führenden Rolle in den Transnationalen Organisationen avancieren die Mixteken zu einer der stärksten, wie Bacon sie nennt, Communities without Borders168 und zu der am häufigsten fotografierten indigenen Gruppen auf beiden Seiten der Grenze. Gaspar Rivera-Salgado schreibt: »Much has changed within indigenous communities during the last two decades. A particularly dramatic change for the Mixtec communities of Oaxaca was their entrance into the process of migration to northern Mexico and the US, which reached massive dimensions in the mid-1980s. The economic restructuring of the country and social welfare costcutting seen during this same period had a particularly intense impact in the Mexican countryside. Increases in unemployment and the lowering of already paltry wages led thousands of indigenous people in the Mexican countryside, such as the Mixtecos and Zapotecos of Oaxaca, the Totonacas of Veracruz, the Nahuas of Guerrero and Purépechas in Michoacán, to join the migratory flow towards the US. Recent studies have shown that migrant indigenous workers such as the Mixtecos account for between five and seven percent of the agricultural work force in California. Additionally, a considerable number of 166 Wenn lokale Fiestas stattfinden, erhöht sich die Summe der aus den USA kommenden Zahlung und die der in den Gemeinden lebenden Familienangehörigen. Siehe FitzGerald, Hernández Díaz und Keyes, op. cit., S. 8. 167 Clark Alfaro, Víctor. Mixtecos en Frontera, Pueblos Indígenas del Mexico Contemporáneo: CDI, 2008. Mindek, Dubravka. Mixtecos: Pueblos Indígenas del México Contemporáneo. México: CDI, PNUD, 2003. Siehe auch »Los mixtecos – un pueblo de emigrantes«, in: Corkovic, op. cit., S. 163-171. 168 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«.

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Zapotecos, estimated to be between 15.000 and 20.000, can be found in the Los Angeles area and San Diego County. This migration is having notable effects on the debate surrounding indigenous rights in Mexico. Indigenous migrants, far from becoming passive victims of the discriminatory and exploitative conditions they face on both sides of the Mexico-US border, have responded in a highly creative way, building cross-border political organizations that make collective action possible in both their communities of origin and those established along their migratory circuit. The community-based organizations created by these indigenous migrants also provide us with a new vocabulary in referring to the indigenous communities that find themselves dispersed to different sides in the north of Mexico and the US, yet which remain united due to complex social networks. Information, money and merchandise flow through these networks, securing the ties between families and communities across a distance of more than 2000 miles and various geographical and political borders.«169

In seinem Text Binational Organizations of Mexican Migrants in the United States fasst Rivera-Salgado die wichtigsten Unterschiede zwischen »Hometown Associations« und »Cross-Border Organization« zusammen, bevor er die drei wichtigsten Transnationalen Organisationen Kaliforniens vorstellt. Dabei betont er, dass nur diese Organisationen sich der Komplexen Problematik der Migranten stellen und deren Angelegenheiten klären können. Die »Hometown Associations« sind eine Antwort auf den demografischen Wechsel der Migranten seit den 70er Jahren. Anfangs waren es hauptsächlich männliche Singles in ihren Zwanzigern, die temporär in die USA kamen und die Zeit zwischen der Saisonarbeit in Mexiko verbrachten. Doch seit Mitte der 70er verblieben eine Großzahl der Migranten in den USA, hauptsächlich in Kalifornien, Texas und Illinois, da die lokale Industrie von ihnen abhing. Die Anzahl von Frauen und Kindern, die nun ebenfalls aus Mexiko einwanderten, stieg an und war auch das Resultat der Erfolge der United Farm Workers170. Ihnen gelang es die Gehälter und Arbeitsbedingungen der Immigranten zu verbessern. »Hometown Associations« sind formlose lokale Vereinigungen, die Aufgrund gemeinsamer kultureller und familiärer Interessen einer Gemeinde gebildet werden. Sie organisieren z.B. Sportveranstaltungen, auf denen sich die Mitglieder unter anderem über kulturelle Events in ihren Heimatorten austauschen können. Ein wichtiges Ziel dabei ist die

169 Rivera-Salgado, Gaspar. »Welcome to Oaxacalifornia«, in: https://www.cultural survival.org/publications/cultural-survival-quarterly/mexico/welcome-oaxacalifornia (06.05.1016). 170 http://www.ufw.org/ (15.05.2016).

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finanzielle Unterstützung der traditionellen Fiestas zu sichern und die Integration der ausgewanderten Indigenen in ihren Gemeinden in Mexiko zu pflegen. Diese Aktivitäten können von der mexikanischen Regierung über ihre Konsulate in den USA finanziell gefördert werden und haben dann primär politische Gründe. Die Regierung hofft somit die Wählerstimmen der zu Mexiko loyalen Migranten zu gewinnen. Daher werden beispielsweise auch gerne Staatsbesuche der mexikanischen Gouverneure in den indigenen Gemeinden in den USA organisiert, um Volksnähe und Solidarität mit den Auswanderern zu zeigen. Die Effizienz dieser »Hometown Associations« variiert von Gruppe zu Gruppe.171 Während sich die »Hometown Associations« auf die finanzielle Förderung öffentlicher Projekt fokussieren, liegt das Hauptanliegen der »Cross-Border Organization« darin soziale und politische Veränderungen zu erreichen. Dabei nehmen die Indigenen, obgleich sie im Ausland leben, aktiv am politischen Geschehen in ihren Gemeinden in Mexiko teil.172 Rivera-Salgado sagt: »[…] In the progress of migration, indigenous peoples have buttressed their ethnic identity, which has permitted them to organize themselves and to maintain very close ties with their home communities. This allowed them to participate directly in the most relevant affairs of their communities regardless where they are physically. In the case of the Mixtecs, not only have migrants continued to be taken into account in the important decisions of the community in general, but they also continue to maintain their rights and obligations as members of a specific community. This means that the indigenous migrant not only has the right to continue participating in the normative processes of the community, but also has the obligation to participate in the process of exercising community authority by being eligible to carry out public duties within the community. […] Due to the constant comings and goings of these workers and the accompanying extensive flow of information, money, and service of all types, the home communities of the indigenous migrants and their respective sister communities in California have cemented such a close relationship that, to some extent, they form a single community. In the migrant literature, such communities are called transnational. In this sense, the cross-border organizations of indigenous Oaxacan migrants, such as the Frente Indígena Oaxaqueño Binacional, the Organización Regional Oaxaqueña, and the Asociación Cívica Benito Juárez, carry out 171 Rivera-Salgado, Gaspar. »Binational Organizations of Mexican Migrants in the United States.« Social Justice 26, no. 3 (1999): 12, S. 27-31. Siehe auch RiveraSalgado, Gaspar. »Welcome to Oaxacalifornia«, in: https://www.culturalsur vival.org/publications/cultural-survival-quarterly/mexico/welcome-oaxacalifornia (06.05.1016). 172 Rivera-Salgado, op. cit., S. 31/32.

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two main basic functions: first, they institutionalize political practices that allow for collective action at all points of the Oaxacan diaspora: second, they institutionalize certain practices of cultural exchange and the circulation of information, which give meaning to a political community that transcends many geographic borders (at the level of community, region, and nations). The circulation of information is vital for maintaining close ties between the community of origin and the satellite communities outside of the traditional territory.«173

Das politische Handeln der indigenen Migranten, so Rivera-Salgado, basiert auf der starken Identifizierung mit der jeweiligen Heimatgemeinde. Im Gegensatz zu anderen Gruppen wie den Mestizen beispielsweise, hätten die Indigenen die Fähigkeit traditionelle Formen von Organisation und politischer Teilnahme in den Migrationsprozess zu integrieren. Dazu gehöre auch die Verteilung von Verantwortung an Führungspersonen und die kollektive Arbeit innerhalb einer Gemeinde. Die Tatsache, dass die indigenen Gemeinden einen hohen Grad an Autonomie für die Klärung innerer Angelegenheiten besitzen, sei ebenfalls ein entscheidender Faktor in der Vorgehensweise der Anwendung traditioneller Organisationsformen im Migrationsprozess.174 Wie wir gleich sehen werden, benutzen die transnationalen Organisationen heute das Internet als Plattform für ihren Erfolg und den damit verbundenen unabdingbaren Informationsfluss. Rivera-Salgado nennt die Frente Indígena Oaxaqueño Binacional (FIOB), die Organización Regional Oaxaqueña (ORO) und die Asociación Cívica Benito Juárez (ACBJ) als diejenigen Organisationen mit einer bedeutenden Geschichte innerhalb Kaliforniens. Da die ACBJ keine Homepage hat und auch nicht bei Facebook vertreten ist, allerdings die älteste Mixteken-Vereinigung Kaliforniens ist, möchte ich zumindest kurz auf sie eingehen. ACBJ hat ihren Sitz in San Francisco, von wo aus sie einen engen Kontakt zu ihrer Heimatgemeinde San Juan Mixtepec in Oaxaca halten. Ihr wichtigstes Projekt war die Gründung des Centro de Desarrollo Rural Indígena (CEDRI) in San Juan Mixtepec, in dem man versuchte traditionelle Technologien zu erhalten und die Produktion von subsistenzorientierter Landwirtschaft zu fördern. Trotz der Erfolge war es dem CEDRI aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht gelungen das Konzept auf andere Gemeinden zu übertragen. Doch die größte Herausforderung von ACBJ und CEDRI lag darin neue Mitglieder anzulernen, die solche Projekte weiterführen können, da sie in einer recht kleinen Zone arbeiteten.175

173 Ibidem, S. 32/33. 174 Ibidem, S. 33. 175 Ibidem, S. 34.

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Abbildung 15: Organización Regional Oaxaqueña (ORO). Screnshots der Startseite.

Quelle: http://guelaguetzaoro.com/ (06.05.2016)

Die ORO besteht aus dem Zusammenschluss mehrerer ZapotekenVereinigungen im Großraum Los Angeles und ihr Hauptprojekt ist es das Guelaguetza-Festival zu organisieren. Hierbei handelt es sich um das wichtigste Event aus der Region Oaxacas, sodass es tausende Menschen jährlich anzieht. Bereits ihr Domain-Name guelaguetzaoro.com verrät ihren Fokus auf das besagte Festi-

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val, was durch das farbenfrohe Design der Homepage unterstrichen wird (Abb. 15). Die Seite ist in Orange, Grün und Beige gestaltet und besitz im Vergleich zu der Homepage von FIOP deutlich weniger Bild- und Text-Material. Im Header befindet sich oben links das Logo der Organisation und rechts daneben der Name in Spanisch und Englisch. Die gesamte Homepage ist zweisprachig und aufgrund der kurzen Texte jeweils zusammen auf einer Seite zu finden, was das aktive Wechseln zwischen den Sprachen wie bei FIOB überflüssig macht. Ebenfalls im Header befindet sich ein Steuerungsmenu, welches allerding nur in English ist: »Home«, »About Us«, »Gallery«, »Newsletter & Links« sowie »Contact US«. Die Schrift ist etwas zu klein und der Mouse-Over-Effekt unglücklich gewählt, da die Schrift hier von einem hellen Orange in das des Hintergrundes wechselt und die Wörter nahezu unsichtbar werden. Unter dem Menü wechseln sich acht verschiedene Abbildungen ab und bringen Dynamik in den oberen Teil der Website. Eine Zeile tiefer sieht der User links in einem grün hinterlegten Feld die Kooperationspartner von ORO zweispaltig aufgelistet. Rechts daneben ein kleines Feld, in dem ein YouTube-Video von 2014 eingebettet wurde176. Ganz unten, direkt über einem dezenten Footer, sieht der User links eine FotoCollage mit einem Link zu weiteren Informationen über ORO und rechts eine Art Anzeigetafel mit Events. Besonders interessant ist das Untermenü »Gallery«, da hier fast vollkommen auf Text verzichtet und stattdessen mit Videos und Fotografien gearbeitet wurde, um dem User somit einen möglichst authentischen Eindruck von den Veranstaltungen zu geben (Abb. 16). Während sich die Startseite über drei Bildschirmhöhen zieht, sind es in der Galerie fast vier und auch hier besticht die Seite durch ihre Vielfarbigkeit, was an dieser Stelle wegen des Bildmaterials noch intensiver wirkt. Die Typografien der Überschriften wirken wie Handschriften und vermitteln den persönlichen Charakter der Organisation. Die Titel dominieren im Header dermaßen stark, dass die Schrift des Steuerungsmenüs kaum sichtbar ist. Sie befindet sich rechtsbündig zwischen »Regional Organization Of Oaxaca / Organización Regional Oaxaqueña« und »Photos+Videos / Fotos y Videos«. Darunter sieht man einen dunkelgrauen Rahmen in welchem Raum für die Darstellung von 19 Farbfotografien geschaffen wurden. Unterhalb der Fotografie in Großdarstellung erkennt man einen Streifen mit Miniaturabbildungen, die man sich dann in der Großansicht anzeigen lassen kann. Hier stehen dem User mehrere Optionen zur Verfügung. Anfangs werden die Bilder in einer Slideshow automatisch angezeigt, was der User durch das Klicken auf eine bestimmte Minia-

176 Leider ist das Video in Deutschland derzeit nicht verfügbar (06.05.2016).

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tur beenden kann. Dieser kann sich die Aufnahmen in der angegebenen Reihenfolge anzeigen lassen oder beliebig auswählen. Abbildung 16: Organización Regional Oaxaqueña (ORO). Screenshots vom Untermenu »Gallery«.

Quelle: http://guelaguetzaoro.com/ (06.05.2016)

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Ganz rechts im Steuerungsmenü gibt es ein Icon zum Zoomen. Dabei öffnet sich der Rahmen mit den Bildern und erstreckt sich über den ganzen Bildschirm, d.h. der Hintergrund ist nun dunkelgrau, das Hauptbild vergrößert und zentriert platziert, wobei der Bildstreifen mit den Miniaturen und den Steuerungselementen am unteren Bildschirmrand angezeigt wird. Beim Betrachten der Bilder in der Zoom-Ansicht fällt auf, dass lediglich eine Fotografie mit dem Namen des Autors versehen ist und die anderen anonym sind. Man sieht diese Aufnahme oben im ersten der vier Screenshots der ORO vom Untermenu »Gallery«. Die Autoren-Angabe lautet »Mulato Photography©« und sind in der unteren rechten Ecke über dem gelben Rock der Tänzerin geschrieben. Durch das Drücken der ESCTaste kommt man von der Zoom-Darstellung zurück zum Untermenü »Gallery«, wo der User beim Herunterscrollen zu den Videos gelangt. Hier wurden insgesamt acht Filme, die 2013 und 2014 bei YouTube eingestellt wurde, eingebettet. Sie sind zentriert und zweispaltig angeordnet, was für Symmetrie sorgt. Die Homepage der FIOB besitzt eine sehr ähnliche Grundstruktur wie die der ORO, ist allerdings sehr viel komplexer (Abb. 17). Auch die Grundfarben des Designs, Grün und Orange, konvergieren mit dem Unterschied, dass die FIOB diese Farben mit deutlich zurückgenommener Leuchtkraft und dafür mit dezentem Muster einsetzt. Durch den Einsatz von gedeckten Farben lenkt das Design weniger vom Bild- und Textmaterial der Website ab als bei ORO. Der Header besteht hier aus einem dunkelgrünen Block, der am oberen Browser-Innenrand aus einem Dropdown-Hauptmenü gebildet wurde. Darunter ist ein Banner mit dem FIOB-Logo, dem Namen der Organisation und einem Untertitel, »Por el respeto a los derechos de los pueblos indígenas«, platziert. Ihr Kampf um mehr Respekt für die Indigenen aus Mexiko wird im Logo perfekt wiedergegeben: Es ist rund wie ein Propaganda-Button und schlicht in Weiß, Schwarz und Grautönen gestaltet. In der Mitte sieht man im Hintergrund eine stark vereinfachte Landkarte vom Südwesten der USA und Mexiko ohne Grenze. Darüber sind zwei sich schüttelnde Hände zu erkennen, wobei die von oben in das Bild hineinreichende heller ist als die von unten kommende. Sie symbolisieren eine erfolgreiche Partnerschaft sowie einen respektvollen Umgang zwischen Angloamerikanern und Indigenen aus Mexiko. Umrahmt wird dieses symbolische Bild von einem weißen Textfeld mit dem Namen der Organisation. Außerhalb des Rahmens unten, kaum erkennbar, steht in Schwarz die Abbreviation FIOB. Die einzelnen Farbfelder des Banners sind mit Schatten voneinander abgesetzt und verleihen Plastizität. Es ist als würde ein grüner Stoffstreifen mit der deutlichen Aufschrift »FRENTE INDÍGENA DE ORGANIZACIONES BINACIONALES« auf einer ockerfarbigen Holzplatte aufliegen. Es folgt ein schwarzes Feld mit News Feed auf der rechten Seite, welches etwa ein Drittel

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der Gesamtfläche einnimmt, während sich auf dem Rest verschiedene Bilder mit Links zu Videos und Textbeiträgen abwechseln. Dieses schwarze Feld hat ein eigenes Navigationsmenü, welches sich am oberen rechten Rand befindet und dem User die Möglichkeit gibt zwischen drei Optionen zu wählen. Die Beiträge sind somit thematisch sortiert. Dieses an Karteikarten erinnernde Navigationsmenü wird hier auf der Startseite im Content-Teil zweimal wiederholt, dann allerdings mit einer weißen Untergrundfarbe. Der Content-Bereich setzt sich deutlich vom Header und Footer ab, weil hier die Farbe des Hintergrundes Ocker ist. Während der dunkelgrüne Hintergrund einfarbig und ohne Strukturoberfläche ist, sieht man hier ein ockerfarbiges Zickzack-Muster, das an die Strukturoberfläche einer Palmenblattmatte oder Petate erinnert und eine Hommage an die prähispanischen Vorfahren der FIOB-Mitglieder ist177. Zusammen mit dem Grün, welches vermutlich für Natur und fruchtbaren Boden steht, wird gleichermaßen das Thema Agrarwirtschaft, den für die FIOB sozialpolitisch wichtigen Wirtschaftsbereich, wiedergegeben. Im Content-Bereich befinden sich insgesamt elf weiße Bild- und Textfelder, die verschieden groß sind und zweispaltig angelegt wurden. Sie versorgen den Nutzer mit umfangreichen Beiträgen und Links zu anderen Online-Plattformen, auf denen man der FIOB folgen kann. Die FIOB nutzt Facebook, Twitter und YouTube zur effizienten Streuung des Informationsmaterials und zur Festigung ihrer Beziehungen mit anderen Aktivisten. Außerdem hat der User hier die Möglichkeit über eine interne Suchmaschine nach bestimmten Begriffen zu suchen und sich die Seite statt in Spanisch in Englisch anzeigen zu lassen, was allerdings nicht mit allen Texten klappt. Die Seite schließt mit dem Footer ab, der dann wieder in Schwarz und Dunkelgrün gestaltet wurde, wobei der obere Teil als Werbefläche für ihre Zeitschrift El Tequio dient und der untere zur weiteren Kontaktaufnahme.

177 »El Petate de Palma – Elegimos esta decoración en honor a la capacidad creativa y el conocimiento de nuestros antepasados indígenas. Nuestros antepasados usaban el petate como trono en el que se sentaban las reynas cuando se reunían con los reyes en conferencias, ceremonias sagradas y eventos especiales.« In: http://fiob.org/en/ (15.05.2016).

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Abbildung 17: Frente Indígena Oaxaqueño Binacional (FIOB). Screenshots der Startseite.

Quelle: http://fiob.org/ (06.05.2016)

David Bacon, der eng mit der FIOB zusammenarbeitet, schreibt in seinem Buch The Children of NAFTA: »[…] the indigenous people of Oaxaca have found a way to unite, not only around language and their towns but also around their identity as indigenous Oaxacan migrants. As might be expected from the simultaneous existence of their communities on both sides of

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the border, one center of activities lies in California, in Fresno, and the other in Oaxaca itself. The organization at the heart of this activity is the Frente, which began in 1987 at meetings in California’s Central Valley, in Los Angeles, and in San Diego. At its founding on October 5, 1991, the organization was called the Frente Mixteca Zapoteca Binacional because the founders wanted to unite three existing Mixtec organizations and two that had been established among Zapotec immigrants. Soon the organization began looking for a strategy that would reflect the reality of Oaxacan communities. Although Oaxacans are widely dispersed. The movement of people has created, in a sense, one larger community, located in different places simultaneously. Settlements of Mixtecs, Zapotecs, Triquis, and other Oaxacan Indigenous groups along the three-thousand-mile migrant stream from Oaxaca to the Pacific Northwest are bound together by sharing culture and language and by the organizations people carry with them from place to place. Some of the organizations among Oaxacan migrants are based on towns of origin – a nonuncommon phenomenon among immigrants to the United States from many countries. But Oaxacans have also developed the Frente, which unites different language groups in order to promote community and workplace struggles for social justice. ›Among indigenous Oaxaqueños, we already have the concept of community and organization‹ says Frente director Rulfino Domínguez. ›When people migrate from a community in Oaxaca, they already have a community comprised of people from their home town. They are united and live very near one another. It’s a tradition that we don’t lose, wherever we go.‹ […]«178

Schaut man sich auf der Homepage der FIOB die Auflistung ihrer Partner an, so wird schnell deutlich, dass sie nicht nur untereinander solidarisch operieren, sondern auch zahlreiche Verbündete haben. Über das Hauptmenü ganz oben auf der Website muss der User auf »Aliados« klicken, um die Liste einsehen zu können. Diese steht derzeit lediglich in der spanischen Version zur Verfügung. Im Untermenü »Aliados« sind die Partner thematisch sortiert und so findet man beispielsweise unter »Investigaciones, Datos, Estadística, Reportes« zu der eingangs erwähnten Homepage179 des Forschungsprojekts The Indigenous Farmworker Study180. Unter »Medio y Revista« ist der Name von David Bacon mit 178 Bacon, David. The Children of NAFTA: Labor Wars on the U.S./Mexico Border. Berkeley: University of California Press, 2004, S. 143/144. 179 http://indigenousfarmworkers.org/ (15.05.2015). 180 »Indigenous Farmworkers – Esta página difunde la información y las conclusiones que recopilamos sobre la historia, las lenguas, los datos demográficos y la cultura de los trabajadores agrícolas indígenas, y también presenta una reseña de los desafíos económicos y sociales que enfrentan.« In: http://fiob.org/enlaces/ (15.05.2016).

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einem Link zu seiner Homepage181 und einer Kurzbeschreibung182 dieser aufgelistet. In der selben Rubrik befindet sich ferner ein Link zur Homepage Enlace Zapatista EZLN183,184. Dort wird dem User ein umfangreiches Archiv der Neozapatisten-Bewegung in Mexiko zur Verfügung gestellt, welches bis 1993 zurückreicht. Der Erfolg der Neozapatisten seit ihrem bewaffneten Aufstand am 1. Januar 1994 war unter anderem dem Internet zu verdanken und dürfte den transnationalen indigenen Organisationen als Vorbild gedient haben. David Ronfeldt, John Arquilla, Graham E. Fuller und Melissa Fuller haben sich mit dem Thema Social Netwar beschäftigt und beschreiben ihn als einen möglichen Grund für den anhaltenden Erfolg des Ejército Zapatista de Liberación Nacional (EZLN) in Mexiko. In ihrem Buch The Zapatista Social Netwar in Mexico erklären sie die Art der Vernetzung zwischen den Mitgliedern der EZLN und ihren Sympathisanten weltweit sowie die internationale Auswirkung der Neozapatisten-Bewegung und wie sich diese auf die Beziehung zwischen den Aufständischen und der mexikanischen Regierung auswirkt. Dabei spielen die Art der Vernetzung, und letztendlich auch die Internet-Präsenz der EZLN, eine entscheidende Rolle.185 Die Autoren des Buches bezeichnen den sozialen Aufstand der EZLN als innovativ186 und bemerken, dass es sich hierbei weniger um einen »Aufstand« und vielmehr um einen »Netzkrieg« handelt. Diesen bezeichnen sie als »social netwar«. Sie beginnen ihre Theorie damit, dass sie drei grundlegende NetzwerkModelle – das chain network (kettenförmig, ohne zentralen Punkt), das star network (sternförmig, mit einem zentralen Punkt) und das all-channel network (spinnennetzförmig, ohne zentralen Punkt) – aufzeigen, welche von verschiedenen Organisationen als Strukturierungsgrundlage ihrer Gruppe genutzt werden (Abb. 18). Das chain network findet man z.B. bei Schmugglergruppen, wo Ware und Informationen von einem Kontakt zum nächsten weitergegeben werden. Die gesamte Transaktion fällt zusammen, sobald eines der Kettenglieder zerschlagen

181 http://dbacon.igc.org/ (15.05.2016). 182 »David Bacon – Fotografías, las historias tratan de capturar el valor de las personas que luchan por la justicia social y económica en México.« In: http://fiob.org/enlaces/ (15.05.2016). 183 »Enlace Zapatista EZLN – Palabras del EZLN: comunicados, cartas, artículos, cuentos, ensayos, audios, videos y demás de l@s zapatistas.« In: Ibidem. 184 http://enlacezapatista.ezln.org.mx/ (15.05.2016). 185 David Ronfeldt u. a., The Zapatista Social Netwar in Mexico, RAND Arroyo Center, Santa Monica 1998. 186 Ibidem, S. 23.

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wird. Das star network wird beispielsweise gerne für die Organisation von Drogenkartellen genutzt. Diese besitzen eine zentrale Mitte, aus welcher heraus die gesamte Gruppe gesteuert wird. Dadurch fließen alle Information über diesen einen zentralen Punkt und der einzige Weg dieses spezielle Netzwerk zu vernichten wäre den Kern zu zerstören. Das all-channel network unterscheidet sich deutlich von den anderen beiden und wird vorzugsweise von militanten Gruppen wie der EZLN oder auch von Menschenrechtsorganisationen genutzt. Das Netzwerk besitzt verschiedene Stationen, die alle miteinander vernetzt sind. Das bedeutet, dass jede einzelne davon stets alle Informationen der Operation besitzt. Ein solches Netzwerk aufzubauen und aufrechtzuerhalten ist zwar komplizierter, aber der entscheidende Vorteil ist seine Stabilität. Denn dieses Netzwerk lässt sich nicht durch einen einzigen Schlag vernichten wie es bei den anderen beiden der Fall wäre.187 Der einzige Weg ein all-channel network zu zerstören wäre mit Hilfe eines anderen der gleichen Art. Beim Aufeinandertreffen von zwei AllChannel-Netzwerken würde die besser organisierte und damit stärkere Gruppe den jeweiligen Konflikt gewinnen. Deshalb haben archaisch organisierte Systeme wie etwa einige Regierungen größte Schwierigkeiten gegen gut organisierte Aufständische wie die EZLN anzukämpfen.188 Abbildung 18: Netzwerk-Modelle.

Quelle: David Ronfeldt, John Arquilla, Graham E. Fuller y Melissa Fuller: »The Zapatista Social Netwar in Mexico«, RAND Arroyo Center, Santa Monica 1998, S. 12

Die Mitglieder und Sympathisanten des EZLN haben bewiesen, dass das Internet eine ausgezeichnete Plattform für den Kampf um soziale Gleichberechtigung und kulturelle Anerkennung darstellt, und zwar sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Einerseits vereinfacht es die Organisation und Pflege eines mächtigen All-Channel-Netzwerks und andererseits garantiert es eine glo187 Ibidem, S. 11-14. 188 Ibidem, S. 17/18.

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bale Vernetzung und allgemeine Aufmerksamkeit zum Vorteil der Gruppe. Organisationen wie die FIOB sind, wie man an ihrer Verbindung zu den Neozapatisten erkennen kann, ein wichtiger Teil dieses All-Channel-Netzwerks indigener Kulturen heute. Doch wie genau und mit welcher Effizienz sie auf Homepages und in den sozialen Netzwerken Bildmaterial als Propagandamittel einsetzen, muss aufgrund ihrer Komplexität gesondert analysiert werden. In der vorliegenden Arbeit wird der spezifische Einsatz von Fotografie in den sozialen Netzwerken zwar miteinbezogen, meine detaillierte Bildanalyse fokussiert sich jedoch auf die Arbeiten renommierter Chicano-Fotografen wie Lupita Murillo Tinnen, Robert C. Buitrón, David Bacon, Delilah Montoya und Orlando Lara189.

P LATZIERUNG , S TREUUNG

UND

K ONTROLLVERLUST

Kommerziell betrachtet hat die Digitalfotografie die Analogfotografie bereits ersetzt und dennoch benutzen auffallend viele der heutigen Chicano-Künstler weiterhin Film. Dies wirkt sich auf ihre Online-Präsenz aus, weil jedes analog aufgenommene Werk erst einmal digitalisiert und optimiert werden muss, bevor es im Internet veröffentlicht werden kann. Älteres Bildmaterial lässt sich daher aufgrund des hohen Arbeitsaufwands selten online finden. Fotografien, die online platziert wurden, sind somit meistens jüngeren Datums. Eine äußerst interessante Ausnahme ist das Bild Jumping the fence von David Bacon (Abb. 30), welches 1995 an der Grenze zwischen Mexiko und den USA entstanden ist. Es ist analog aufgenommen, in den Printmedien und online mehrfach veröffentlicht sowie für eine Internet-Meme benutzt worden. Der Bildinhalt und die breite Streuung dieser Aufnahme stehen geradezu metaphorisch für die Grenzenlosigkeit der heutigen Zeit. In diesem Kapitel sollen, neben dem Werk selbst, die symbolische Bedeutung der Grenzlinie, die verschiedenen Bildpräsentationen sowie die Streuung des Bildes und der damit verbundene Kontrollverlust im Internet dargestellt werden. Das Markieren von Grenzen liegt ebenso in der menschlichen Natur wie das Überschreiten der selbigen. Ob es sich z.B. um solche handelt, die den Kindern durch ihre Eltern aufgezeigt werden oder ob es eine geografische Trennlinie zwischen zwei Ländern wie den USA und Mexiko ist, spielt dabei kaum eine Rolle. Stets ist es der Wunsch nach persönlichem Fortschritt, der die Menschen motiviert neue Wege einzuschlagen. Die Hoffnung auf Besseres siegt gegenüber den drohenden Gefahren Neues zu erforschen. 189 Siehe »Chicano-Fotografie im World Wide Web«.

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Landesgrenzen sind zugleich administrative, politische, soziale, wirtschaftliche sowie kulturelle Trennungslinien und die Entscheidung diese zu überschreiten ist oft eine Frage der Existenz, nicht des freien Willens190. Spricht man von mexikanischen Immigranten in den USA191, so sind es insbesondere die Indigenen, die diesen Weg aus reinem Überlebenskampf wählen. Hierbei wird die nordamerikanisch-mexikanische Grenze zu einer besonderen Herausforderung mit monumentalem Charakter, wenn man bedenkt, dass sie erst nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg192 (1846-1848) gezogen und seither sukzessiv verstärkt wurde. Ingolf Vogeler vom Department of Geography and Anthropology, University of Wisconsin-Eau Claire, nennt drei weltweit existierende und grundlegend verschiedene Grenztypen: die offene, die kontrollierte und die verstärkte Grenze. Die fortified borders treten zudem in vier Varianten auf: als Zaun, als Kombination aus Zaun und Mauer, nur als Mauer oder als militarisierte Grenze. Die Landesgrenze zwischen Mexiko und den USA durchlief im Laufe ihrer Geschichte alle sieben Stufen von der offenen im 19. Jahrhundert bis hin zur militarisierten seit 1995, was auf die wechselnden geopolitischen Umstände beider Länder zurückzuführen ist.193 Mit der 1994 unter Bill Clinton umgesetzten Operation Gatekeeper wurde ein Versuch unternommen den kalifornischen Grenzabschnitt San Diego-Tijuana, der weltweit am stärksten frequentierte Grenzübergang194, intensiver zu kontrollieren. 190 »[…] If NAFTA and CAFTA [Central America Free Trade Agreement, an expansion of NAFTA to six Latin American nations (Guatemala, El Salvador, Honduras, Costa Rica, Nicaragua and the Dominican Republic), signed in 2004] were renegotiated or repealed, people would have a better chance to earn a decent living at home, making migration only an option, not a necessity. […]«, in: Bacon, David. The Right to Stay Home: How Us Policy Drives Mexican Migration. Boston: Beacon Press, 2013, S. 29. 191 Siehe auch »Identität«. 192 Siehe Ibidem. 193 »The Changing United States-Mexico Border«, in: Vogeler, Ingolf. Types of International

Borders

along

the

U.S.-Mexico

Border.

http://www.siue.edu/

GEOGRAPHY/ONLINE/Vogeler/index.htm (02.10.2014) und »The Changing United

States-Mexico

Border«,

in:

http://www.siue.edu/GEOGRAPHY/

ONLINE/Vogeler/US-MexciodBorder.htm (02.10.2014). 194 »The San Ysidro port of entry – which separates Tijuana, Mexico, from San Diego County – is the busiest land border crossing in the world, with more than 30 million people crossing into the country from Mexico last year [2011] alone, according to government statistics. U.S. Immigration and Customs Enforcement also has used

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Abbildung 19: »Saltando la Reja« von Eniac Martínez. Grenze TijuanaSan Ysidro, 1991.

Quelle: Eniac Martínez, »Mixtecos, Norte Sur«, Editor Grupo Desea, México D. F. 1994, S. 47 und 109

In einer Aufnahme des mexikanischen Fotografen Eniac Martinez von 1991 ist ein Mixteke zu sehen, der die damals noch aus einem einfachen Drahtzaun bestehende Grenze Richtung Norden überquert (Abb. 19). Im Vordergrund ein Fußgängerüberweg-Schild mit einer Figur, die genau in die entgegengesetzte Richtung läuft. Das Schild verdeutlicht sinnbildlich, dass eine sogenannte internal migration erlaubt ist, während der Weg über den Zaun unerwünscht und illegal ist. Vogeler fasst dies wie folgt zusammen: »When Mexicans move within their own country, especially to large urban centers and to the U.S. border for jobs and a better standard of living, this is called internal migration. But when they continue to move across the U.S. border without ›proper‹ papers, they be-

San Ysidro more than any other border crossing to deport Mexicans back to their country, according to an analysis of government data by California Watch. Of the 1.8 million Mexicans whom ICE deported back to their native country since 2003, San Ysidro has seen 360,172 – nearly 20 percent of the total – pass through its gates.«, in: Becker, Andrew, and Agustin Armendariz. »California Border Crossing: San Ysidro Port of Entry Is the Busiest Land Border in the World.« The Huffington Post,

http://www.huffingtonpost.com/2012/06/22/california-border-crossing_n_

1619067.html (03.10.2014).

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come illegals. Indeed, the presence of the U.S. international border creates illegal immigrants. Ironically, almost all illegals seek jobs in the former Mexican territory acquired after the U.S.-Mexican War, which is now called California, Arizona, New Mexico, Nevada, Utah, and Colorado.«195

Durch Operation Gatekeeper wurde das immigrationsbezogene Budget Mitte der 1990er von 400 auf 800 Millionen US-Dollar angehoben, der Drahtzaun durch eine Stahlmauer ersetzt und die Anzahl der Border Patrol Agents von 4.200 in 1994 auf über 9.000 zur Jahrtausendwende erhöht. Allein der Abschnitt zu San Diego wurde 1994 vor Inkrafttreten von Operation Gatekeeper durch 980 und nur vier Jahre später bereits durch 2264 Grenzpolizisten geschützt. Kurz nach Beginn der Präsidentschaft von Barack Obama in 2009 hatte sich die Anzahl der Agents bereits auf 20.000 verdoppelt und das Budget wurde im Folgejahr auf 7,6 Mrd. für die Grenzsicherheit sowie weitere 779,5 Millionen für die Instandhaltung der Grenzmauer und Verbesserung der Infrastruktur erhöht.196 Joseph Nevins verdeutlicht in seinem Buch Operation Gatekeeper and Beyond197, dass die Immigranten aufgrund der historischen, ökonomischen und sozialen Verbundenheit beider Länder dennoch weiterhin einreisen werden und die Verstärkung des kalifornischen Grenzabschnitts lediglich zu einer Verlagerung westlich entlang Landesgrenzen geführt hat. Die Fotografien von Delilah Montoya und Orlando Lara198 veranschaulichen diese Tatsache deutlich. Auch David Bacon sagt: »The border has been militarised in sections and what happens is that people who used to be able to cross in Tijuana who cannot cross now, because there are so many walls and so much enforcement get forced to cross out in remote areas, which is one of the reasons why people are dying crossing the border has been rising. People get forced to walk through the desert two, three or four days at the time and people die of heart exhaustion and thirst and so forth. Obviously, it doesn’t stop people from coming; it just makes it more difficult and more expensive. If they would create the same border all the way along the border that they’ve done in Tijuana, I think, it would be more difficult for people to cross but it would be extremely expensive. As much as will as here is for militarising the border and I don’t think that there is that much will… So, I wouldn’t say it’ll never happen or could never 195 http://www.siue.edu/GEOGRAPHY/ONLINE/Vogeler/US-MexciodBorder.htm (02.10.2014). 196 Nevins, Joseph. Operation Gatekeeper and Beyond: The War on »Illegals« and the Remaking of the U.S.-Mexico Boundary. 2nd ed. New York: Routledge, 2010, S. 5/6. 197 Ibidem. 198 Siehe »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«.

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have an effect but in the more realistic terms, in the terms of what has happened in the last few years was likely to happen in the near future… no, it doesn’t stop people from crossing it just makes it more dangerous, more expensive, more people die doing it. [In El Paso there is only a fence, some cameras and the border patrol.] Well, there are places were the Colorado River used to go, before it was dammed and dried up. Down at the bottom where there is this part of the border between Arizona and Sonora, if you just walk across the desert there, there is not much of a barrier at all. There is a lot of border patrol around. They are out there looking and the one thing is that increased budgets have created this really expanded number of border patrol now. So we’ve 20.000 people in the border patrol now which is an enormous number. So, you have to dodge and evade them but… The barrier isn’t like it is in Tijuana. There is a kind of a fence, but not much of it.«199

Nevins bringt außerdem die Komplexität des Themas zum Ausdruck und erklärt, dass es aufgrund der einhergehenden Terrorbedrohung seit den Anschlägen vom 11. September sowie dem nicht zu vergessenden Drogenhandel und der damit verbundenen Kriminalität keine Aussicht auf einschlägige Veränderungen im Umgang mit Immigranten geben wird200. Die Schwierigkeit liegt darin zwischen den einzelnen Gruppen von Einwandern zu differenzieren, was sich für viele in dem Gesetzesentwurf H.R.4437 Border Protection, Antiterrorism, and Illegal Immigration Control Act of 2005201, gezeigt hat. Dieser besagt, dass alle Immigranten ohne geklärten Aufenthaltsstatus als Bundesverbrecher geahndet werden sollen, was landesweit zu einer breiten Protestwelle mit Millionen von Menschen, hautsächlich Latinos, führte.

199 Interview mit David Bacon, San Diego, 03. Oktober 2015. 200 »In the post-9/11 era, terrorists – of the Al Qaeda or violent drug-trafficking variety are the primary justification for boundary and immigration enforcement. […] It is the very fact that they are people from ›outside‹ – not part of the U.S. body politic– that makes the threat they supposedly embody inherently and especially territorial. In other words, the threat is a spatially external one. It endangers the space and people within, which thus require strong boundaries to prevent its entry or that of any other would-be threats.« In: Nevins, op. cit., S. 196/197. 201 https://www.congress.gov/bill/109th-congress/house-bill/4437 (02.10.2014).

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Abbildung 20: »Immigrants march downtown on May Day« von David Bacon. Los Angeles, California.

»On May Day, immigrants and their supporters filled the streets of Los Angeles twice in one day – a huge march downtown, and another through the Wilshire district ‘s Miracle Mile. Hundreds of thousands of immigrants took off work or school to come to the marches, and refrained from buying anything, to show their economic importance.« Quelle: http://reimaginerpe.org/node/804 (02.10.2014) und David Bacon, »Rising from Below: Immigrant Workers Open New Organizing Fronts«, Race, Poverty & the Environment (2007), S. 27

Wie man in dieser Fotografie von David Bacon sehen kann, sprechen sich die Migranten gegen eine Gleichsetzung mit Terroristen aus und auch der Fotograf betont, dass die Einwanderer aus Mexiko auf keinen Fall vergleichbar sind mit feindlichen Eindringlingen und Kriminellen202 (Abb. 20). Denn ihre Arbeitskraft ist unverzichtbar, selbst heute fünfzig Jahre nach Beendigung des BraceroProgramms203 (1942-1964). Nur eine Überarbeitung des NAFTA-Abkommens und die Verteilung von Green Cards könne den unkontrollierbaren Einwanderungsstrom von Arbeitskräften zum Vorteil beider Länder eindämmen. Durch die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen und besseren Lebensbedingungen in Mexiko, so Bacon, haben die Leute keinen Bedarf zu emigrieren, was den Einwanderungsstrom im Ansatz deutlich mindern würde. Doch um dies zu erreichen, muss NAFTA zugunsten armer Länder neu überdacht und geändert wer202 David Bacon – How Globalization Creates Migration and Criminalizes Immigrants, in: https://www.youtube.com/watch?v=Pd4OLdaoxvg (19.08.14). 203 Siehe auch »Identität«.

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den.204 Ebenso unabdingbar sei eine schnelle Bearbeitung von Green Card Anträgen, um somit eine Ausbeutung der Arbeiter, die bereits in den USA sind und dort derzeit ohne Arbeitserlaubnis tätig sind, zu unterbinden205. Für den Fotojournalisten und Aktivisten David Bacon steht fest: »A pro-worker immigration policy would protect the rights and welfare of all people, immigrant and non-immigrant alike. People in the United States, and in immigrant-sending countries like Mexico, need the same things – secure jobs at a living wage, rights in the workplace and community, and the freedom to travel and seek a future for their families.«206 »[…] the borders between our countries should be common grounds that unit us rather than lines that divide us.«207

Diese Aussage wird auf prägnante Weise von einer Aufnahme des mexikanischen Fotografen Roberto Córdova-Leyva bekräftigt, in der ein blonder Junge mit schmutzigem Gesicht und verdreckter Kleidung angestrengt einen großen Gegenstand vor sich herschiebt und dabei, nicht zuletzt durch die Mauer und das deutlich hervorgehobene Wort Berlin im Hintergrund, unweigerlich an die Zeit des Zweiten Weltkrieges in Deutschland erinnert (Abb. 21). Doch ist diese Fotografie von Córdova-Leyva Ende der 1990er Jahre in Baja California, Mexiko, entstanden. Auf der Grenzmauer hinter dem Jungen steht: »Si el de Berlín cayó este por qué no!« (Wenn die [Mauer] in Berlin fallen konnte, warum nicht diese!) Die ausdrücklich mit einem Ausrufezeichen gekennzeichnete Frage bringt

204 In: David Bacon – How Globalization Creates Migration and Criminalizes Immigrants, op. cit.. 205 »When people have a green card, or residence visa, migrants have some security. That doesn’t exist with a guest worker visa or crossing with a coyote. So why are we talking about more programs that fail to respect human and labor rights, and which don’t guarantee housing, education, and health care? The governments of both Mexico and the US must prioritize human and labor rights, and even our state governments must include this in their agenda.« In: Bacon, David. The Right to Stay Home: How Us Policy Drives Mexican Migration. Boston: Beacon Press, 2013, S. 88. 206 David Bacon, »Rising from Below: Immigrant Workers Open New Organizing Fronts«, Race, Poverty & the Environment (2007), S. 27. 207 David Bacon, in: »Book TV: Book Discussion on Communities without Borders at the Center for Labor, Community and Policy Studies (Joseph S. Murphy Institute) at City College in New York.« In: http://www.c-span.org/video/?196281-1/bookdiscussion-communities-without-borders (30.09.2014).

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ihren rhetorischen Charakter zum Ausdruck und verdeutlicht, dass es für viele Menschen wie Córdova-Leyva und Bacon nur eine Frage der Zeit ist bis auch diese Grenze fällt. Abbildung 21: Fotografie von Roberto Córdova-Leyva. Tijuana, Baja California, Mexiko.

Quelle: Córdova-Leyva, Roberto, and Héctor Manuel Lucero Velasco. Al filo de la línea. Centro de Estudios Culturales UABC Museo, Mexicali, Baja California 2004, S. 68

In einer anderen Aufnahme von Córdova-Leyva sieht man einen Mann, einen sogenannten Border Jumper208, der an der Landesgrenze zu den USA demonstrativ eine große mexikanische Flagge schwenkt (Abb. 22). Hier spiegelt sich nicht nur die historische Konnotation der Grenze, als Mexiko Mitte des 19. Jahrhunderts die Hälfte seines Landes an den Nachbarn im Norden verloren hatte, im Bild wider, sondern suggeriert ebenfalls den erwähnten und von vielen erhofften Siegeszug der Immigranten aus Mexiko. In diesem Rahmen avancieren die in der mexikanischen und nordamerikanischen Fotografie vorhandenen Abbilder der Border Jumper zu einem Symbol der nach Freiheit und Gleichheit strebender Migranten.

208 »›Border Jumper‹ refers to the Mexican expression, brincar a la linea, or jump over the line, a way of describing the passage across the border.« Bacon, in: http://dbacon.igc.org/TWC/b0_Index.htm (30.09.2014).

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Abbildung 22: Fotografie von Roberto Córdova-Leyva. Playas de Tijuana, Baja California, Mexiko.

Quelle: Córdova-Leyva, Roberto, and Héctor Manuel Lucero Velasco. Al filo de la línea. Centro de Estudios Culturales UABC Museo, Mexicali, Baja California 2004, S. 71

Abbildung 23: Text und Foto-Essay von David Bacon. PDF-Dokument.

Quelle: David Bacon, «Rising from Below: Immigrant Workers Open New Organizing Fronts», Race, Poverty & the Environment (2007), S. 21

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Abbildung 24: Text und Foto-Essay von David Bacon. Screenshot.

Quelle: David Bacon, »Rising from Below: Immigrant Workers Open New Organizing Fronts«, Race, Poverty & the Environment (2007), http://reimaginerpe.org/node/837 (04.10.2014)

Der Sieg der Migranten ist durch die Stärke der Arbeitervereinigungen wie z.B. der United Farm Workers209 oder der Frente Indígena de Organizaciones Binacionales210, vorhersehbar. In seinem 2007 veröffentlichten Artikel und Foto-Essay mit dem Titel Rising from Below: Immigrant Workers Open New Organizing Fronts schreibt David Bacon über die aktuelle Arbeiterbewegung und eine grenzübergreifende Solidarität zwischen den Aktivisten, wobei er seinen Text mit dem Bild des Border Jumpers und dem Verweis auf den Gesetzesentwurf H.R.4437 beginnt (Abb. 23). Der Artikel ist im Internet auf der Website der Zeitschrift The Race, Poverty & the Environment (RP&E), einem Projekt von Reimagine!211, veröffentlicht und wird ebenfalls als PDF-Download angeboten, 209 http://www.ufw.org (04.10.2014). 210 http://www.fiob.org (04.10.2014). 211 »For nearly 25 years, the national journal Race, Poverty & the Environment (RP&E) has helped build the social and environmental justice movements, serving as an essential tool for research in environmental justice, showcasing articles that advance views on racial and economic justice, policy advocacy and movement building. In 2013, Urban Habitat (UH) suspended publication of RP&E. Shortly thereafter, UH began a leadership transition and a thorough reassessment of its organizational plan. Out of this process came a new vision for continuing this vital work. Friends of RP&E, who are key stakeholders of the journal, have come together with Urban Habitat and the Center on Race Poverty and the Environment to create a new path forward for movement-based publishing called Reimagine: RP&E. The Reimagine!

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was seine Verbreitung begünstigt. Hierbei werden dem User gleich zwei vollkommen unterschiedliche Präsentationsformen von Bild und Text angeboten. Abbildung 25: Text und Foto-Essay von David Bacon. Screenshot

Quelle: David Bacon, Tijuana – A worker looks over the fence between Mexico and the United States. David Bacon, »Rising from Below: Immigrant Workers Open New Organizing Fronts«, Race, Poverty & the Environment (2007), http://reimaginerpe.org/node/811 (04.10.2014)

Das PDF-Dokument entspricht der Ausgabe in den Printmedien und ist in einem Schwarz-Weiß-Layout gehalten, während der gleiche Artikel auf der Homepage einen feurig-warm anmutenden Rahmen in Rot-Gelb erhalten hat (Abb. 24). Die Website von RP&E ist ebenfalls in diesen beiden Farben gestaltet, wodurch ihre Kraft als Online-Massenmedium der Arbeiterbewegungen in den USA sichtbar wird. Die Homepage von Reimagine! hingegen zeigt in einem kalten Blau-LilaDesign einen deutlichen Kontrast auf. Somit wird der Artikel von Bacon stilistisch seinem Publikationsort in der Zeitschrift RP&E zugeordnet. Der Titel Rising from Below: Immigrant Workers Open New Organizing Fronts, ist im Internet in Rot hervorgehoben und korrespondiert dadurch mit dem Webdesign der online Ausgabe der Zeitschrift. Der Text ist linksbündig und die Fotografien von Bacon rechts daneben untereinander angeordnet, wobei das Bild des Border Jumpers auch hier an erster Stelle erscheint. Die Abbildungen sind im Internet

project seeks to pilot a joint publication model in which groups share the sponsorship and editorial direction of the journal, thereby enhancing its sustainability and its potential as a movement-building vehicle.« In: http://reimaginerpe.org/reimagine/ about (04.10.2014).

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zunächst deutlich kleiner als in der standardisierten PDF-Version, aber ihre Anzahl und Reihenfolge entspricht, ebenso wie der Text selbst, exakt der gedruckten Variante. Abbildung 26: Website von LAB, News. Screenshot.

Quelle: http://lab.org.uk/news/?page=3 (03.10.2014)

Mit einem Klick auf die Abbildung Jumping the fence öffnet sich ein neuer Tab und dem User wird das Bild in einer vergrößerten Darstellung angezeigt (Abb. 25). Außerdem werden jetzt aufschlussreiche Bildinformationen angegeben, die zuvor fehlten. Der Leser kann sich jedes einzelne Bild des Foto-Essays in einem eigenen Tab anzeigen lassen und somit unabhängig vom Haupttext anschauen. Dadurch entsteht eine Art Online-Fotoalbum, in dem die Aufnahmen gesichtet und sogar über die rechte Mouse-Taste in einer verwertbaren Bildgröße leicht und schnell kopiert werden können. Hierbei wird deutlich, dass in zahlreichen Internet-Präsentationen die Streuung der Fotografien nicht unterbunden, sondern sogar begünstigt werden.

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Der Online-Artikel wird am rechten Rand der Website durch ein dunkelrotes Textfeld eingegrenzt, welches dem Leser Hyperlinks zu anderen Bereichen derselben Journal-Ausgabe, welche den Titel JUST Jobs? Organizing for Economic Justice trägt, anbietet. Auf dieser farblich abgesetzten Fläche folgen ferner weitere Optionen wie z.B. die Aktivisten mit einer Spende zu unterstützen, den Newsletter zu abonnieren oder zu einer anderen Ausgabe der Zeitschrift RP&E zu wechseln. Die Möglichkeiten sich einzubinden und zu informieren sind auf dieser Website, ebenso wie die Foto-Präsentationen, vielschichtig gestaltet. Abbildung 27: Foto-Essay von David Bacon. Website von LAB. Screenshot.

Quelle: Russell White, »Immigration: trials and tribulations«, LAB, Jun 10, 2014. http://lab.org.uk/immigration-trials-and-tribulations (03.10.2014)

Der Border Jumper von David Bacon ist nicht nur bei RP&E veröffentlicht worden, sondern auch in anderen Printmedien und Internetseiten stark verbreitet. Dadurch hat dieses Bild im Vergleich zu anderen Aufnahmen zum Thema Migration einen äußerst hohen Widererkennungsgrad erlangt. In den meisten Fällen wird es wie in RP&E vom Fotografen selbst eingesetzt oder man findet es samt der dazugehörigen Bildinformationen in Projekten anderer Autoren wieder. Ein Beispiel wäre der kürzlich online erschienene Artikel Immigration: trials and tribulations von Russell White, wo der Border Jumper auf dem britischen Newsportal Latin American Bureau (LAB)212 in einer Panoramaansicht präsentiert wird (Abb. 26). Auf der Startseite von LAB werden die aktuellsten OnlineArtikel kachelartig angeordnet und dem User zur Auswahl gestellt. Bereits dort

212 http://www.lab.org.uk (05.10.2014).

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findet sich das Bild des Emigranten in der zugeschnittenen Variante vor, zusammen mit dem Titel des Artikels, dem Erscheinungsdatum und einer kurzen Einleitung. Über einen Klick gelangt der Leser zur Seite mit dem Artikel von White (Abb. 27). Das Webdesign ist durchgängig in einem schlichten Weiß gehalten und bildet den optimalen Kontrast zur überwiegend schwarzen Schrift und dem Logo, welches oben links direkt neben dem Navigationsmenü platziert wurde und neben dem Namen noch den Lateinamerikanischen Kontinent beinhaltet. Das Bild des Border Jumpers ist vergrößert und oberhalb des Texts deutlich erkennbar. Es ist zwar lediglich ein Fragment der Originalaufnahme, aber in dieser Form online bislang einzigartig eingesetzt. Durch das Zuschneiden wirkt das Foto hier wie ein Banner213, das auf die Dringlichkeit einer Amnestie für illegale Einwanderer214 hinweist. Doch nicht immer wird diese Fotografie von Bacon zusammen mit sozialpolitischen Themen und mit Wahrung der Autorenrechte korrekt publiziert. Fast genauso häufig gibt es Internetnutzer, die den Border Jumper ohne Quellenangaben und der dazugehörigen Bildunterschriften »ausleihen« wie sich am Beispiel einer Internet-Meme auf der Website von Slow Robots zeigt (Abb. 28).

213 »Werbebanner (Einzahl das, im Netzjargon ist auch ›der Banner‹ verbreitet) sind eine Form der Internetwerbung im WWW. Die Werbung wird dabei als Grafik- oder Animationsdatei, meist im GIF- oder Flash-Format, in die Webseite eingebunden. Banner verweisen dann als Hyperlink auf die Website des Werbenden. Banner können in die Seite eingebettet sein, legen sich aber teilweise auch für einige Sekunden über die Seite. In der Werbeindustrie haben sich verschiedene Standardgrößen etabliert. Seit Mitte der 2000er verlieren Banner zugunsten von Videowerbung und anderen Werbeformen zunehmend an Bedeutung.« In: https://de.wikipedia.org/wiki/ Werbebanner (17.03.2017) 214 »Immigration is one of the thorniest issues in American politics. On a recent trip to Mexico, Secretary of State John Kerry reaffirmed President Barack Obama’s commitment to reforming American immigration policy arguing that this was a necessity and in the interests of Mexico as well as the United States. Obama’s reforms include an attempt to address the status of the 11.5 million undocumented immigrants who have made their home in the United States. Specifically, the President’s plans include a ›roadmap‹ or a path towards citizenship for undocumented immigrants. Obama’s priority according to a white house official is to ›enact a permanent solution for people currently living in the shadows‹.« In: http://lab.org.uk/immigrationtrials-and-tribulations (04.10.2014).

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Abbildung 28: »Juan does not simply walk into the U.S.«, Internet-Meme gepostet von ALEXCAATO.

Quelle: http://slowrobot.com/i/50509 (05.10.2014)

Ich fragte David Bacon, ob er die Internet-Meme kennt und er antwortete: »[…] I never saw it before. Well, that one I am a little less happy about simply because it seems like it is trying to make a political statement but I’m not sure what the political statement is or who’s making it and expropriating the image to support it, I would like to know what it is that my image is supporting. It’s not that I have something nearly against the political use of the image. It’s a political image, but… and I guess you can say it’s become part of the popular culture so it’s what the Internet does. It puts them out there, so they were not the product of any particular person. That’s whole another set of issues. And also Lord of the Rings… Tolkien, the guy who wrote it, was a racist. I have to admit, when I was a boy, I was enthralled with the books and I read them. I know what the story is. I don’t think that him going into the United States, even taking the Aztec mythology into account which it does it here, but even taking into account that he is going into hell, that is not really comparable to the trip of Frodo back into Mordor. So, it’s kind of confusing to me really… When you do an examination of the books you can see that people from the south are the bad people, the people from the north are the good people and they look kind

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of white and the bad people look kind of dark… I don’t want to go too far on the whole thing, but… I have sort of questions there.«215

Diese Meme ist horizontal zweiteilig strukturiert. Das obere Bild ist aus dem Film Der Herr der Ringe – Die Gefährten (2001) und zeigt den Schauspieler Sean Bean in der Rolle von Boromir216, der in dieser Szene gerade vor Elronds Rat217 spricht: »Elrond: The ring cannot be destroyed, Gimli, son of Gloin, by any craft that we here possess. The ring was made in the fires of Mount Doom. Only there can it be unmade. The ring must be taken deep into Mordor and cast back into the fiery chasm from whence it came. One of you must do this. Boromir: One does not simply walk into Mordor. Its black gates are guarded by more than just orcs. There is evil there that does not sleep. The great eye is ever watchful. It is a barren wasteland, riddled with fire, ash, and dust. The very air you breathe is a poisonous fume. Not with ten thousand men could you do this. It is folly.«218

Der legendäre Satz »One does not simply walk into Mordor« wurde hier in den Snowclone219 »Juan does not simply walk into the U.S.« umgewandelt und mit 215 Interview mit David Bacon, op. cit.. 216 »Boromir ist der Sohn von Denethor, dem Truchsessen von Gondor. Er ist groß, dunkelhaarig und hat ein edles Gesicht mit einem stolzen Blick. Er ist Mitglied des Bundes. Er wird vom Ring verführt und will ihn einsetzen, sein Volk zu retten. Er kommt am Ende des ersten Teils beim Kampf gegen Orks ums Leben.« In: https://www.herr-der-ringe-film.de/v3/de/filme/darsteller/gefaehrten/boromir/boro mir-1.php (05.10.2014). 217 »Elronds Rat war eine Versammlung von Vertretern der freien Völker Mittelerdes in Bruchtal, einberufen von Elrond, der auch den Vorsitz führte. Diskutiert wurde die Bedeutung des Einen Rings und seine Vernichtung in den Feuern des Schicksalsbergs beschlossen. Frodo und acht weitere Freiwillige, die sogenannte Gemeinschaft des Ringes, wurden hierzu ausgesandt.« In: http://ardapedia.herr-der-ringefilm.de/index.php/Elronds_Rat (05.10.2014). 218 Zitat und YouTube Video der Filmszene. In: http://knowyourmeme.com/ memes/one-does-not-simply-walk-into-mordor (05.10.2014). 219 »Snowclones are a type of phrasal templates in which certain words may be replaced with another to produce new variations with altered meanings, similar to the ›fill-inthe-blank‹ game of Mad Libs. Although freeform parody of quotes from popular films, music and TV shows is a fairly common theme in Internet humor, Snowclones usually adhere to a particular format or arrangement order which may be reduced

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dem Abbild von Boromir kombiniert. Direkt darunter sieht man die Fotografie des Border Jumpers, der durch einen auffälligen Hinweis in Rot zur Personifizierung von Juan wird. Juan wiederum steht als Synonym für den Stereotyp eines Mexikaners mit Sombrero, der sich seinerseits in zahlreichen Memen wie z.B. in dem von Sed Hill wiederfindet (Abb. 29). Hier wird, unterstrichen durch die mexikanischen Nationalfarben, auf sarkastisch-humoristische Weise zum Ausdruck gebracht, dass die Immigranten aus dem Süden die Grenze zu den USA durchaus mit Leichtigkeit überqueren und dass außerdem, wie der Text auf der Website von Sed Hills kritisch ausdrückt, die von Präsident Obama angekündigte Amnestie negative Konsequenzen auf die Nordamerikaner haben wird220. Abbildung 29: »Juan does not simply cross the border yes he does«. Internet-Meme gepostet von Sad Hill (27.03.2013).

Quelle: http://sadhillnews.com/2013/03/27/illegal-immigrants-doing-the-jobamericans-wont-do-oh-really (05.10.2014)

Die andere Meme hingegen spielt auf den durchaus beschwerlichen Weg der mexikanischen Einwanderer an und zieht gleichsam spannend-mystische Parallelen zwischen Mordor und dem Südwesten der USA (Abb. 28). Im Film Herr der

down to a grammatical formula with one or more custom variables. […]«, in: http://knowyourmeme.com/memes/snowclone (05.10.2014). 220 http://sadhillnews.com/2013/03/27/illegal-immigrants-doing-the-job-americans-wo nt-do-oh-really (05.10.2014).

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Ringe war Mordor ein von Sauron221 regierter dunkler Ort des Bösen, in dem die Sklavenherrschaft waltete. Im Ringkrieg wurde Sauron von Aragorn II.222 besiegt, der die Sklaven daraufhin befreite und ihnen das Land überließ, damit sie sich in Mordor eine Zukunft aufbauen können. »One does not simply walk into Mordor«, aber das Gute siegt immer über das Böse, so scheint die Botschaft dieser Internet-Meme. Juan, stellvertretend für alle mexikanischen Einwanderer, kommt zwar nicht problemlos in die USA, aber sein Erfolg ist vorbestimmt. Als Vertreter einer starken Gemeinschaft, ebenso wie Aragorn II. in Herr der Ringe, wird auch er das Land erobern, wahrscheinlich genau den Landstreifen, den Mexiko im Krieg an die USA verloren hat. In der auf Slow Robots publizierten Meme wird somit auf äußerst kreative Weise das Thema Migration behandelt, indem eine weltberühmte Filmszene aus dem Blockbuster Herr der Ringe mit einer bekannten Schwarz-Weiß-Fotografie von David Bacon kombiniert wird und durch wenige, aber nicht minder ausdrucksstarke Textelemente ergänzt wird. Letztendlich spiegelt diese Meme den von Bacon und anderen Aktivisten deutlich zum Ausdruck gebrachten Siegeszug der Arbeiterbewegung wider. Einziger Kritikpunkt bleibt, dass der Macher dieser Internet-Meme keinen Hinweis auf Bacon als Fotografen gemacht hat. Das leichte Kopieren und ein generell vorherrschender sorgloser Umgang mit Fotografie im Netz, welcher nicht immer solch künstlerisch-kreative Resultate erzielt wie die gerade besprochene Meme, begünstigt die Streuung ohne Angaben des Autors mit dem Nachteil des finanziellen Gewinnverlusts für den Fotografen und dem Vorteil der Erhöhung des Bekanntheitsgrads einer Abbildung. 221 »Sauron ist im Legendarium ein mächtiger Maia, der sich früh dem Bösen verschrieb. Er wurde, nach Morgoth, zum mächtigsten, grausamsten und gefürchtetsten aller Wesen in Mittelerde. Sauron wurde im Ersten Zeitalter gleich zweimal überwältigt, konnte sich durch geschicktes Verbergen und durch seine Fähigkeit die Gestalt zu wechseln, jedes Mal wieder erholen und zurückkehren. Im Zweiten Zeitalter errichtet er sein Reich im Lande Mordor und schmiedet die Ringe der Macht. Nachdem er zum dritten Mal überwältigt wurde und in Númenor unterging, kehrt er im Dritten Zeitalter wiederum nach Mittelerde zurück und stellt den Freien Völkern von Mordor aus eine dunkle Streitmacht entgegen. Nach dem Ringkrieg war der Untergang Saurons mit der Zerstörung des Einen Rings besiegelt.« In: http://ardapedia. herr-der-ringe-film.de/index.php/Sauron (05.10.2014). 222 »Aragorn II. […] Großen Ruhm erlangt Aragorn, indem er als Mitglied der Ringgemeinschaft bei der Vernichtung des Einen Ringes hilft und die Heere des Westens im Ringkrieg gegen Sauron anführt. Nach dem Sieg des Westens vereinigt er die Reiche von Arnor und Gondor und wird so zum ersten Hochkönig […] gekrönt.« In: http://ardapedia.herr-der-ringe-film.de/index.php/Aragorn_II. (05.10.2014).

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Dementsprechend finden sich sowohl im Internet als auch in den Printmedien äußerst zahlreiche und verschiedenartige Präsentationsformen des Border Jumpers von David Bacon, einer Fotografie, die nicht nur durch ihre inhaltliche Thematik, sondern auch durch ihre Bildkomposition und den Einsatz von Text besticht (Abb. 30). Abbildung 30: Fotografie von David Bacon. Tijuana, Baja California Norte, Mexiko (Juni 1995).

»A worker looks over the fence between Mexico and the United States near Tijuana, trying to find a moment when the Border Patrol may not be looking so that he can go through the hole under it and cross. A Nahua legend says that when people go to the underworld, they are guided by a dog.« Quelle: Bacon, David. Communities without Borders: Images and Voices from the World of Migration. Ithaca: ILR Press 2006, S. 209.

Die massive Stahlmauer, die zur linken Bildhälfte fluchtet und geradezu ins Unendliche zu reichen scheint, verleiht der Abbildung eine imposante Raumtiefe. Die Rillen des Metalls betonen die dominante Horizontale, wodurch die Grenzmauer selbst auf den Betrachter des Fotos bedrohlich und gleichzeitig reizvoll wirkt. Klein und geradezu verängstigt wirkt dagegen der Mann, der sich am oberen Rand der Mauer festhält und nach der Grenzpolizei auf der anderen Seite ausschauhält. Der Hund zu seinen Füßen, fast als würde er aufmerksam Wache stehen, blickt genau in die entgegengesetzte Richtung. Wenn man sich hier die Fotografie Saltando la Reja von Eniac Martínez (Abb. 19) im Vergleich anschaut, fällt auf, dass die beiden Migranten das gleiche Ziel im Fokus haben,

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nämlich ein Leben in den USA, während die Figur auf dem FußgängerüberwegSchild mit der Kopfrichtung des Hundes übereinstimmt und in Richtung Mexiko zeigt. Dabei bildet sich an der markierten Grenzlinie eine suggestive Süd-NordAchse, die in beiden Fotografien zu finden ist und den Migrationsstrom veranschaulicht. Der Hund gehört dem Emigranten und zusammen bilden sie für den Betrachter dieser Momentaufnahme eine pulsierende Gruppe. Durch ihre Formation lassen sie eine vertikale Parallellinie zu dem am äußeren linken Bildrand befindlichen Pfahl entstehen. Diese beiden Vertikalen, erzeugt durch den starren Holzpfahl im Hintergrund und der wachsam verharrenden Gruppe in der Mitte, sorgen für ein Gegengewicht zur wuchtigen Horizontale der Grenzmauer und somit für eine ausgeglichene Bildkomposition. Ich wollte von Bacon wissen, ob er sich mit dem Auswanderer unterhalten hat und er antwortete: »A little bit. I didn’t ask him whether he is indigenous or not. He has certain indigenous features, he was short and a darker skinned person, but I didn’t ask him about that. It was a kind of a short conversation, because he was really more interested in getting across the border. I was sort of distracting him, but friendly enough. In that year, if you walked down the wall you found all kinds of people. That was actually not one of the most populated parts of the wall. If you go down the wall further towards the ocean there are sections… There’s a section called The Soccer Field and other places where lots of people were trying to cross at the same time. That place near the airport I don’t think was ever a great location. It was a great place for art though, because that was the section of the wall where artists in Tijuana would erect these memorials to people who died. There was one I took, there is a picture in the book223, made out of plastic milk cartons and crosses… It was funny that they did it, but than a few years after that, I got a call from the University of Baja California from one of the guys at the museum there asking me if I was interested in having an exhibit on the wall and so we worked together and they made this huge prints on canvas, with the middle-frame attached, and then they hung them on the wall [Abb. 31]. So, the people at the college and at the border in Tijuana did the same thing a year and a half ago on the part of the wall that is over by the beach at Friendship Park. The interesting thing about it was, in Mexicali, when the people from there obviously try to get permission to do it, they went to the Mexican Government first and the Government of Mexicali said: It’s not our wall, we can’t give you permission or say anything about it and they went to ICE [U.S. Immigration and Customs Enforcement] on the U.S. side of the wall and they couldn’t get a straight answer from ICE either there was like nobody wanted to own the 223 Siehe Bacon, David. Communities without Borders: Images and Voices from the World of Migration. Ithaca: ILR Press, 2006, S. 2010.

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wall. So, they just went and did it, because there was nobody to tell them that they couldn’t do it. The section of the wall that is down by the beach at the Friendship Park, people make paintings on it and it has become very decorated. In fact, there was a little bit of a controversy when people from the University put my photographs on the wall, because it covered up some of the art work that people have done, so there was a little bit of a… But it wasn’t permanent, it was just going to be there for a little while. The wall has become sort of like a… people are trying to use it and claim it for their own purposes, if they can’t get rid of it.«224

Abbildung 31: »En Los Campos del Norte« von David Bacon. Tijuana, Baja California Norte, Mexiko( 9. September 2014).

»In the Fields of the North‛ is an exhibition of photographs of farm workers in the U.S., almost all migrants from Mexico, taken by David Bacon. They are hung on the iron bars of the border wall, on the Mexican side of the border wall between Mexico and the U.S. The exhibition was organized by the Colegio de la Frontera (COLEF) and the Centro Cultural de Tijuana (CECUT).« Quelle: Archiv des Fotografen. © David Bacon

In David Bacons Fotobuch Communities without Borders ist das Bild des Border Jumpers großformatig auf der rechten Buchseite zu sehen, während auf der linken eine Aufnahme der Sonora-Wüste gegenübergestellt wurde (Abb. 32). Auch hier, ähnlich wie bei Delilah Montoya, erscheint die Landschaft menschenleer

224 Interview mit David Bacon, op. cit..

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ohne es tatsächlich zu sein225. Diesmal wird die Anwesenheit von Einwanderern durch den Border Jumper in der Fotografie daneben suggeriert, nur dass es nicht die trockene Wüstenlandschaft ist, die ihn sobald er über die Grenze gekommen ist erwartet, sondern den Weg zeigt, den er bereits hinter sich gelassen hat. Die Bildunterschrift verrät: »The path through the desert from Altar, Sonora, to the United States border starts north of Route 2, which crosses the Sonora Desert just south of the line.«226 Beide Fotografien ergänzen sich somit inhaltlich und gehören zu der Bilderauswahl, die der Fotograf für das Kapitel Braceros and Guest Workers – a Hard Past, a Harder Future227 ausgesucht hat. Abbildung 32: Bildpräsentation. »Communities without Borders« (oben) vs. »The Children of Nafta« (unten).

Quellen: Bacon, David. Communities without Borders: Images and Voices from the World of Migration. Ithaca: ILR Press 2006, Doppelseite 208/209. Und Bacon, David. The Children of Nafta: Labor Wars on the U.S./Mexico Border. Berkeley: University of California Press 2004, Doppelseite 122/123.

225 Siehe »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«. 226 Bacon (2006), op. cit., S. 208. 227 In: Bacon, ibidem, S. 201-235.

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Das Thema Migration wird durch die eingefangene Szene des Border Jumpers mit Hund deutlich widergespiegelt und kann nicht nur durch das Gegenüberstellen anderer inhaltlich verwandter Aufnahmen expressiv verstärkt werden, sondern auch durch Text. Die von Bacon gewählten Bildunterschriften zu dieser Fotografie weichen so stark voneinander ab, dass sie in einem konkreten Fall sogar eine neue Bildinterpretation zulassen. Im Fotobuch Communities without Borders steht: »A worker looks over the fence between Mexico and the United States near Tijuana, trying to find a moment when the Border Patrol may not be looking so that he can go through the hole under it and cross. A Nahual legend says that when people go to the underworld, they are guided by a dog.«228 Laut Legende kommen alle an einem natürlichen Tod verstorben Menschen in die Unterwelt Mictlán. Doch auf ihrem Weg dorthin müssen sie mehrere Hindernisse überwinden und so wurde damals stets ein Hund geopfert, der dabei helfen sollte die erste Prüfung des Verstorbenen zu bestehen, nämlich das Überqueren eines gefährlichen Flusses. Hier symbolisiert die Grenze den schwer bezwingbaren Fluss und sie stellt definitiv nur eine von vielen lebensbedrohlichen Schwierigkeiten dar, denen sich der Migrant zu stellen hat. Hervorzuheben ist, dass man den Verweis auf die aztekische Mythologie nur im Fotobuch findet. Bacon sagt zur variierenden Bildunterschrift: »In some cases they didn’t include the whole caption and in some cases they haven’t included the caption at all like Lila Downs, the singer, who put it on the cover of her second album. There is no caption there. So, you just have to know a little bit about her. Of course, the album is titled ›The border‹ so presumably people who’re listening to it know something or learn something about the border and kind of recognise the fence. The fence sort of still looks somewhat on the same on the Mexican side. This is near the airport in Tijuana. On the U.S. side though since this picture was taken there are now multiple walls and huge concrete channels. It’s different from the way it was when he was looking over. When he is looking over, what he is looking for is when the border patrol is going to be around and then he’s going to sneak under the wall with his dog. See, that’s the whole right there. He can’t jump over because he has the dog. That’s the whole reference for Mictlán is the dog and whole and they are going under. The reason why I like the whole caption is, because then you have to ask yourself: Is he going to the underworld? And is that what the U.S. is now? Is the U.S. hell? You’re being guided into hell by your dog going under the wall? It is really interesting, I really like the idea, the mixture of the legend and the reality. There are still people along the wall there, but I don’t think they seriously

228 Bacon, ibidem, S. 209.

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believe that they’re going be able to get across in Tijuana anymore, because there are barriers… There’s too much stuff on the U.S. side. […] [I like the whole caption], because it makes it much more rich context for the image and you can see that the image is trying to reference the reality but also the culture of people.«229

In seinem Buch The Children of NAFTA (Abb. 32) wurde dem Bild eine kürzerer Text ohne mythologischen Bezug hinzugefügt: »Tijuana, Baja California Norte, June 1995. A worker looks over the fence between Mexico and the United States, hoping to cross at a moment when Border Patrol may not be looking.«230 Diese Bildunterschrift entspricht fast wörtlich der aus seinem in RP&E veröffentlichten Artikel Rising from Below: Immigrant Workers Open New Organizing Fronts und findet sich außerdem auf der Homepage des Fotografen. Was in dieser Publikation interessant ist, ist die Datierung der Aufnahme. Denn diese wird vorzugsweise weggelassen wie man am Beispiel des Fotobuchs oder auf der persönlichen Website sehen kann. Abbildung 33: Website von David Bacon. Serie: »Rebellion on the Border«. Untermenü »Mexico – Rebellion on the Border«. Screenshots.

Quelle: http://dbacon.igc.org/Mexico/border00.htm (21.09.2014)

Auf der Website befindet sich die Fotografie in der Serie Rebellion on the Border und im Untermenü »Mexico« eingereiht (Abb. 33). Die Aufnahme, die hier mit Jumping the fence betitelt wird, ist die zweite von insgesamt vierundzwanzig 229 Interview mit David Bacon, op. cit.. 230 Bacon, David. The Children of NAFTA: Labor Wars on the U.S./Mexico Border, 2004, S. 123.

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Schwarz-Weiß-Fotografien, die in der bei Bacon gängigen Präsentationsform eines suggerierenden Negativstreifens231 angeordnet sind. Sie erstrecken sich horizontal über etwa fünf Bildschirmlängen hinweg. Durch einen Klick auf das Bild Jumping the fence erscheinen die Bildinformation und der bereits erwähnte Kurztext ohne mythologischen Bezug (Abb. 34). Dies ist erstaunlich, denn wie Bacon betont, ist ihm der Bezug zur aztekischen Mythologie wichtig. Vermutlich wurde dieser erst nach der Fertigstellung der Homepage hinzugefügt und auf der Homepage bislang noch nicht ergänzt. Abbildung 34: »Jumping the fence« von Davis Bacon. Website von David Bacon. Untermenü »Mexico« und dann »Rebellion on the Border«. Screenshot.

Quelle: http://dbacon.igc.org/Mexico/border02.htm (21.09.2014)

Es gibt im Internet zahlreiche Videos von David Bacon, in denen er von seiner Arbeit erzählt und dabei insbesondere eine Auswahl an Fotografien zum Thema Migration zeigt. Eine interessante Kombination aus Video, Fotografie und Website findet man bei Mujeres en Medio (MEM)232, wo der Fotojournalist ein Interview auf Spanisch gegeben hat (Abb. 35). Auf der Startseite sieht man unter anderen Themen Café con Fotoperiodista David Bacon aufgelistet, wo bereits das Bild Jumping the fence eingesetzt wurde. Es handelt sich um ein quadratisches Präsentationsformat von Bildmaterial, welches eigens auf diese Seite zugeschnitten wurde. Ebenso auffällig wie die Abbildungen in Quadratformat ist das Logo von MEM. Es besteht aus einer analogen Kamera mit einem roten Her-

231 Siehe auch »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 232 http://www.mujeresenmedio.com (04.10.2015).

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zen auf dem Objektiv und rechts daneben der Schriftzug Mujeres en Medio in Großbuchstaben. Die beiden Buchstaben M sind passend zur Farbe des Herzen rot hervorgehoben, wodurch ihr spezifischer Gebrauch von Film, Fotografie und Schrift in der Auseinandersetzung mit selten diskutierten kulturellen und sozialpolitischen Fragen233 grafisch unterstrichen wird. Abbildung 35: Website von Mujeres en Medio (MEM). Screenshot.

Quelle: http://www.mujeresenmedio.com/tag/mexico (03.10.2014)

233 »[…] Our online journal (mujeresenmedio.com) exists as a digital thirdspace that enables storytelling through the powerful tools of film, photography, and writing. We spotlight cultural and socio-political issues that are often marginalized or misrepresented by mainstream media. […]«, in: http://mujeresenmedio.com/about-mem (04.10.2014).

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Abbildung 36: Website von MEM. »Café con Fotoperiodista David Bacon« ( 27. Dezember 2013). Screenshot.

Quelle: http://mujeresenmedio.com/2013/12/27/cafe-con-fotoperiodista-davidbacon (05.10.2014)

Geht man auf die nächste Seite (Abb. 36), bleibt die Grundstruktur des Seitenaufbaus mit Logo im Header und dem Navigationsmenü darunter erhalten, bevor der User dann das Originalabbild Jumping the fence und das Copyright des Autors sieht. Das Bild ist mit einem Link versehen, um sich das Foto vergrößert auf einem dunkelgrauen Untergrund und ohne jegliche Bildinformation gesondert anzeigen zu lassen. Scrollt man stattdessen weiter runter, wird das knapp fünfzehnminütige Video mit David Bacon sichtbar. Es wurde von MEM produziert und zur effizienteren Streuung sowohl auf YouTube veröffentlicht als auch in diese Website eingebettet. Es zeigt den Fotografen in einer legeren Haltung und in wohnlichen Umgebung auf einem Sofa sitzend. Das Interview ist zum Thema Migration und wird mit neun Schwarz-Weiß- und Farbfotografien dokumentiert.

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Bereits in der zweiten Minute taucht das Foto des Border Jumpers mit Hund auf, wodurch es dem User in diesem Moment bereits zum dritten Mal präsentiert wird (Abb. 37). Das führt einen Augenblick lang zu einer Doppelung des Bildes auf demselben Bildschirm. Obwohl nicht beide Abbildungen gleichzeitig und in voller Breite sichtbar sind, handelt es sich um einen interessanten und seltenen visuellen Effekt, den man andernorts im Internet nur nach einer Bildersuche vorfindet. Abbildung 37: Website von MEM. »Café con Fotoperiodista David Bacon« (27. Dezember 2013). Screenshot vom Video.

Quelle: http://mujeresenmedio.com/2013/12/27/cafe-con-fotoperiodista-davidbacon (05.10.2014)

Eine Google-Bildersuche am 04. Oktober 2014 hat insgesamt einundfünfzig Suchergebnisse von Seiten mit einer Fotografie des Border Jumpers ergeben, wobei zahlreiche mehr als einmal gelistet sind. Die meisten Websites sind in Englisch oder Spanisch und je zwei in Französisch und Kroatisch. Die signifikantesten Internetseiten, auf denen das Foto präsentiert wird, wurden in diesem Kapitel bereits analysiert und somit sollen abschließend nur noch die Plattformen mit einer Konnotation zur Musikszene genauer betrachtet werden. Hierbei sind ein Musikplakat aus Kroatien sowie ein CD-Cover der Chicana-Sängerin Lila Downs interessant, weil sie neben der Meme weitere Varianten der kreativen Einsatzmöglichkeiten dieser spezifischen Fotografie von Bacon aufzeigen.

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Abbildung 38: Blog von Punk Gigs in Zagreb. GELATO HARDCORE N.02 - ATTRITO, LYON ESTATES, JADED HOPE.

Quelle: http://punkgigsinzg.blogspot.de/2012/05/gelato-hardcore-n02-attritolyon.html (05.10.2014)

Punk Gigs in Zagreb organisiert, wie bereits der Name verrät, Konzerte mit Punkmusik (Abb. 38). Der Veranstalter hat ein auffälliges Logo, welches aus dem am unteren Rand zugeschnittenen Abbild eines Gehirns und dem Schriftzug punkgigsinzg in Rot, besteht. In diesem Blog erhält der User in der linken Spalte,

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dem Content-Teil, Informationen zum Konzert und auf der rechten Seite näheres über den Event-Veranstalter sowie News, das Archiv der Posts (2010-2014), eine Liste der bislang aufgetretenen Bands, eine Besucherstatistik und eine kurze Namensliste mit Freunden der Seite. Neben Informationen zu den italienischen Bands Attrito234 und Lyon Estates235 finden sich im rechten Textfeld ferner Angaben zu Jaded Hope, der kroatischen Vorgruppe an diesem Abend. In den Text integriert ist das auffällige Konzertplakat und am Ende sind außerdem zwei Fotos des Abends eingefügt. Alle Abbildungen können in einer Zoom-Ansicht angezeigt werden. Abbildung 39: Konzertplakat. Punkmusik aus Italien.

Quelle: http://punkgigsinzg.blogspot.de/2012/05/gelato-hardcore-n02-attritolyon.html (05.10.2014)

Auf dem Schwarz-Weiß-Musikplakat wird das am Samstag, den 12. Mai 2012 in Zagreb, Kroatien, stattfindende Konzert mit Punkmusik aus Italien angekündigt (Abb. 39). Ohne Angabe des Autors wird hier die Fotografie von Bacon großformatig eingesetzt. Oberhalb des Bildes der Hinweis, dass es sich um einen do it yourself Punkmusik Auftritt (DIY Punk Gig) der alternativen Musikszene han-

234 https://www.facebook.com/attritohc (05.10.2014). 235 http://lyon-estates.bandcamp.com (05.10.2014).

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delt und der Veranstaltungsort das Kulturzentrum Pogon Jedinstvo in Zagreb ist. Unter dem Bild die Namen der Bands Attrito und Lyon Estates sowie die aus einer Schlange (Ouroboros) gebildete Symbol der Unendlichkeit (Lemniskate). Der vom Veranstalter betriebene Blog, punkgigsinzg.blogspot.com, wird unten rechts genannt. Ebenfalls in dieser Ecke des Plakats stehen die Uhrzeit des Konzertbeginns (21 h) und der Eintrittspreis (25 Kroatische Kuna). Die Punks236 sind eine urbane Subkultur, die sich mit dem Border Jumper identifizieren dürften. Ihre Vertreter sind bekannt dafür, dass sie oft und gerne im institutionellen, sozialen und politischen Sinn Grenzen überschreiten, sodass dies wahrscheinlich der Anlass der Veranstalter war diese Fotografie von David Bacon für ihr Plakat auszuwählen. Bacon sagt hierzu folgendes: »Well, they didn’t ask my permission. I didn’t know about it. A punk concert sounds to me like an event they probably didn’t make a lot of money and so… You know it would’ve been nice, if they’ve asked, but I will not go and… Hopefully, they’re making a political statement about freedom for migrants or whatever. Especially these days with all the migrants trying to go through Croatia; I hope they’re part of the welcoming people and not the ones who are trying to stop it.«237

Auch auf einem Cover mit dem Album-Titel Border – La Línea von Lila Downs238, einer Sängerin mit mixtekischen Wurzeln, sieht man auf der Rückseite das Bild des Border Jumpers mit Hund (Abb. 40). Diesmal wird das Copyright des Fotografen angegeben und der Fotograf erzählt:

236 »Punks: Hay varios tipos. Están los alternopunks, los ciberpunks, los anarcopunks, neopunkies, hardcores y ramoneros, entre otros. También hay toda una gama de punks homosexuales, entre los que se nombran punk-gays, homocores, queerpunks o como prefieren llamarse. Se visten de forma desaliñada. Usan zapatillas de lona All Stars o Vans, pantalones achapinados, alfileres de gancho, pins, tachas o pinchos, cinturones, mucho cuero, pelos erizados, se visten preferiblemente de negro. Tienen una predisposición a la violencia y al odio a todo lo instituto, las normas y la política, aunque hoy en día han bajado bastante los decibeles de violencia; declaran los mismos principios pero más relajados. Son enemigos acérrimos de los skinheads y de los darks. Sus grupos representativos son los Sex Pistols, The Ramonos, Blink 182, y otros.« In: Hooft, María José. Tribus Urbanas – Una guía para entender las subculturas juveniles de la actualidad. Miami, Florida: Editorial Vida, 2009, S. 58 237 Interview mit David Bacon, op. cit.. 238 www.liladowns.com (04.10.2014).

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»[…] I got a call from Narada, the record company, and they were very small in those days. They asked if they could just use it and pay me in CDs. So, ok, why not? I think I’ve got 15 CDs or so… They were sort of reject CDs, they have obviously I guess been returned from a store or something, because they had this some sticky stuff from being rapped up taped, ok, I am fine. It’s a wonderful record actually. It is still my favourite album of hers, and I have all of her CDs. She comes to San Francisco from time to time. Once she came to San Francisco and I took my daughter… I made a big print of that image and gave it to her.«239

Abbildung 40: »Border – La Línea« von Lila Downs. Vorder- und Rückseite des CD-Covers.

Quelle: Original-CD

Aufgrund des CD-Formats wurde das Foto hier ebenso wie auf der Homepage von Mujeres en Medio quadratisch zugeschnitten, wobei die linke Bildhälfte mit dem Holzpfahl entfallen ist. Auf dieser Seite liegt ein orange-transparentes Textfeld obenauf, in dem eine zweisprachige Widmung zu lesen ist: »This music is dedicated to the Mexican migrants, to the spirits of those who have died crossing the line. Dedicado a todos los migrantes y los difuntos que han muerto cruzando la línea. Accompanied by pre-Colombian and Mexican folk instruments, Lila Downs’ provocative voice and lyrics create powerful music in any language.« Bacon sagt: »I think that they [the images] lost something in doing that. Partly it’s not a 2” by 3” format so ok, they’re going to have to cut it anyway. Then they put that orange bar there which really basically cuts it even further. On the other hand, the message is still there and

239 Interview mit David Bacon, op. cit..

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I can see why they wanted to have that on the cover. I’m fine with it. I don’t like normally to have the images modified. I like them being the way they are.«240

Die Sängerin ist auf beiden Seiten der Grenze aufgewachsen und hat klassischen Gesang sowie Kulturanthropologie in den USA studiert, was ihre Musik einschlägig beeinflusst hat. Die Lyrik ihrer Lieder behandelt Themenbereiche wie soziale Gerechtigkeit und erzählt oft die Geschichten mexikanischer Einwanderer.241 Die Fotografie des Border Jumpers mit Hund soll hier zwar primär den Titel des Albums fotografisch untermalen, veranschaulicht aber gleichermaßen die Gemeinsamkeiten in der künstlerischen Arbeit von Lila Downs und David Bacon sowie die Präsenz indigener Kulturen in der Chicano-Kunst. Die Gefahren des Kontrollverlusts von Fotografie im Internet und die damit verbundene Tatsache, dass die Abbildung verändert und in einen zweckentfremdenden Kontext gesetzt werden kann, ist am Beispiel von Jumping the fence deutlich geworden. Bislang haben die Chicano-Fotografen, mit denen ich gesprochen habe und deren Werke online präsent sind, jedoch überwiegend gute Erfahrungen damit gemacht. Sie teilen nur Werke, die ihnen im Streitfall problemlos zugeordnet werden können und sehen das Streuen ihrer Bilder im Netz als kostenlose Werbung für sie als Künstler: »I have a lot of friends that are really apprehensive about putting their photographs online, because they are afraid that somebody is going to take them and use them. I’m a little more sharing than that. I throw everything online, I wouldn’t put it up that you would be able to get a 16” by 20” print out of it, but it’s enough to where you can see how it looks like and if somebody picks it up and uses it this way or that way, for me it’s just publicity. It’s just publicity, even if they don’t put my name on it, because eventually they’re going to see that it belongs to me. The more it gets used, the more it gets seen, the more it gets put into people’s memories and then when they come across your work they’re going to say I know I’ve seen this before and so they get that kind of connection. I find it to be a really great marketing tool.«242

So wie Delilah Montoya, vertrauen auch Chuy Benitez, Diana Molina und Christina Fernández auf die niedrige Auflösung ihrer Bilder als Sicherheitsmechanismus im Internet, wodurch ihre Werke nicht in einer reproduzierbaren Qualität

240 Ibidem. 241 http://www.liladowns.com/us/biography (04.10.2014). 242 Interview mit Delilah Montoya, op. cit..

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kopiert werden können.243 Auch David Bacon versucht die Kontrolle über die Streuung seiner Werke mit Hilfe niedriger Pixelzahlen zu behalten, gibt allerdings zu, dass sie in diesem Format durchaus kopiert und in andere Websites intergiert werden können. Wenn eine Zeitung, Zeitschrift oder ein Verlag versuchen mit seinen Fotografien Profit zu machen, so Bacon, dann spricht er sie darauf an und das sei durchaus schon passiert. Außerdem stört es ihn, wenn seine Bilder zweckentfremdend, also nicht für sozialpolitisch kritische Absichten, verwendet werden. Auch Wasserzeichen kommen für ihn nicht in Frage, weil sie nicht gut aussehen.244 Kathy Vargas meint, das Problem sei nicht, dass die Bilder benutzt werden, sondern vielmehr wofür. Ihre Werke seien nur auf professionellen Seiten wie die der Smithsonian Institution zu finden und sie vertraut darauf, dass diese ihre Werke zu schützen wissen.245 Oscar Lozoya hat seine Fotografien als Flash-Datei in die Homepage integrieren lassen, sodass man sie seiner Meinung nach nicht kopieren könne. Darüber hätten sich sogar einige User bei ihm beschwert.246 Miguel Gandert hingegen zeigte sich wegen des Kontrollverlusts über die Bilder besorgt und war der einzige, der auf das von Alien Skin entwickelte Plugin Blow Up 3247 hingewiesen hat.248 Das Plugin läuft sowohl auf Windows als auch Mac OS X und ist mit Photoshop und Lightroom kompatibel. Photoshop und Lightroom gehören zu den von den Fotografen am meisten genutzten Software-Programmen. Kleinformatige Fotografien, die beispielsweise mit Hilfe eines Screenshots kopiert wurden, lassen sich auf eine maximale Größe von 300.000 Pixel Kantenlänge vergrößern. Mit der Vergrößerung wird eine Verbesserung der Bildschärfe erzielt und ein großformatiger Ausdruck ermöglicht. Dabei ist Blow Up 3 effizienter als die vergleichbare bikubische Vergrößerung249 mit Photoshop und verdeutlicht tatsächlich, dass es heutzutage keinen Schutz vor dem Kopieren von Bildmaterial im Internet gibt.

243 Interviews mit Chuy Benitez, Diana Molina und Christina Fernández. 244 Interview mit David Bacon, op. cit.. 245 Interview mit Kathy Vargas, op. cit.. 246 Interview mit Oscar Lozoya, Albuquerque, 15. September 2015. 247 http://www.alienskin.com/blowup/ (14.05.2016). 248 Interview mit Miguel Gandert, Albuquerque, 31. August 2015. 249 Siehe auch Interpolation (Fotografie), in: https://de.wikipedia.org/wiki/Interpolation _%28Fotografie%29 (14.05.2016).

Chicano-Fotografie im World Wide Web

Ging es im vorherigen Kapitel um den Einsatz von Fotografie im Internet, so soll jetzt konkret auf die online ausgestellte Chicano-Fotografie eingegangen werden. Um hierbei die indigenen Kulturen in der Chicano-Fotografie deutlich hervorheben und ihre Präsenz im Internet analysieren zu können, ist es einerseits wichtig die Chicano-Kultur zu definieren und andererseits den Einsatz von Fotografie im World Wide Web seitens der Chicanos anhand einiger Fallstudien zu erforschen. Die Fotografin Isabel Avila definiert den Begriff Kultur wie folgt: »Culture has a lot to do with identity and how someone embodies their identity but also their lineage that includes where your ancestors passed down. It’s a very deep set of identity politics and then there is the activity that supports that. Culture is also community, too. People can create their own culture or different types of culture obviously but culture is like this environment where identity can live and thrive and be supported. It could be your ethnic culture or it could be something else. But I think, those cultures that have a longer existence or lineage… it just makes it all the more richer and deeper set of practises and meaning. I think, culture is really an interesting topic, because there is the dominant culture and the dominant culture tries to dictate how we should and where our interest should be… and there are these subcultures or older cultures that exist within the dominant culture. And it’s really interesting to see how these subcultures and ethnic cultures… how they exist and how they exist against the dominant culture. […] It has a lot of meaning to people. It gives people a purpose and that purpose and that identity is really important to the human spirit. There is a reason why people have risked their lives to preserve culture like in the case of native people. They were interested in preserving their culture and they risked their lives. They were actually killed and murdered, because they wanted to maintain their culture. It has a meaning for them because that is how they saw the worldview. Culture… it could be

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superficial but it could be something really, really deep… It could be something so deep that you are willing to risk your life for.«1

Tatsächlich sind Kultur und Identität zwei voneinander untrennbare Phänomene, in dessen Verflechtung sich im Falle der Chicano-Kultur auch das Erbe der indigenen Subkulturen finden lässt. Um dieses kulturelle Erbe herauszuarbeiten, erscheint mir folgende grundlegende Definition des Terminus »Kultur« besonders geeignet: Kultur ist eine dynamische Synthese verschiedener Lebensarten und praktiken, die man innerhalb einer bestimmten Gesellschaft antrifft. Sie befindet sich dank der intellektuellen, technischen, religiösen, sozialen, politischen, wissenschaftlichen, künstlerischen, etc. Errungenschaften der Individuen, die diese Gesellschaft formen, in kontinuierlicher Evolution. Kultur kann nicht in biologischer oder passiver Form übertragen werden. Die Individuen müssen sich aktiv darum bemühen diese zu erlangen und weiterzugeben.2 Um die indigenen Kulturelemente in der Chicano-Fotografie isolieren zu können, ist es ferner nötig diese grundlegende Definition genauer zu strukturieren. Amílcar Cabral schlägt ein Konzept vor, in dem er zwischen Kultur und kulturellen Manifestationen unterscheidet. Für Cabral ist die Kultur eine dynamische Synthese bestehend aus einer historischen, einer materiellen und einer geistigen Realität, die zu einer Gesellschaft oder Gruppe von Menschen gehört. Diese Synthese umfasst sowohl die Beziehungen zwischen Mensch und Natur als auch die zwischen den Menschen und den sozialen Kategorien. Kulturelle Manifestationen ihrerseits sind verschiedene Formen, die diese individuelle und kollektive Synthese einer Gesellschaft oder eines Individuums in jeder Etappe ihrer Evolution ausdrücken.3 Der Umgang mit drei verschiedenen Realitäten – der historischen, materiellen und geistigen – als Hauptaspekte der Kultur, sowie die Unterscheidung zwischen Kultur und kulturellen Manifestationen bildet ein praktisches Fundament und erscheint mir für die Analyse bestimmter Kulturen und ihrer Präsenz in der Kunst opportun. Denn hierbei lässt sich die Fotografie als kulturelle Manifestation einer spezifischen Kultur und innerhalb eines determinierten Moments verstehen, während die jeweiligen Bildinhalte die drei Realitäten dieser umfassen 1

Interview mit Isabel Avila, Los Angeles, 21. Oktober 2015.

2

Siehe auch »Cultura: definición y problemática«, in: Corkovic, La Cultura Indígena en la Fotografía Mexicana de los 90s. Salamanca: Ediciones Universidad Salamanca, 2012, S. 29-34.

3

Amilcar Cabral, »La cultura, fundamento del movimiento de liberación«, en: Colombres, Adolfo, and Rodolfo Stavenhagen. La Cultura Popular. 2 ed, Diálgo Abierto Sociología. México D.F.: edición Coyoacán, 2002, S. 142.

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und widerspiegeln. Für die vorliegende Arbeit können so die historische, materielle und geistige Realität der Chicano-Kultur herausgearbeitet werden. Die drei Realitäten sind hierbei Referenzen auf das Vorhandensein der indigenen Kulturen in der Chicano-Fotografie. Ein Beispiel für die Präsenz einer historischen Realität in der ChicanoFotografie bietet die Fotoserie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto)4, während Sed: The Trail of Thirst5 Elemente einer materiellen und Brown Identity6 die einer geistigen Realität beinhalten. In der Aufnahme Tonto Asks Pancho If He's más indio que español (1995) von Robert C. Buitrón, welche zur ersten genannten Serie gehört, liegt der Schwerpunkt sowohl auf der Geschichte des Südwestens der USA als auch auf dem der Filmgeschichte Hollywoods; beide sind fester Bestandteil der historischen Realität der heutigen Chicano-Kultur. Aus der zweiten Fotoserie stammt z.B. das Panoramabild Migrant Campsite (2004) von Delilah Montoya. Es zeigt von indigenen Immigranten zurückgelassenen Gegenständen, welche Teil der materiellen Realität sind. In Graciela (2010) von Lupita Murillo Tinnen, ein Bild aus der Serie Brown Identity, fließen prähispanische Kulturelemente ein, welche wiederrum einen Teil der geistigen Realität reflektieren. Eine distinguierte Benennung der drei Realitäten dient lediglich der Analyse und bedeutet nicht, dass sie sich ausschließen. Vielmehr ist es so, dass in einer Fotografie durchaus alle drei simultan widergespiegelt werden können, wobei es allerdings oft vorkommt, dass eine gegenüber den anderen beiden dominiert. Auf horizontaler Ebene findet man eine Gegenüberstellung von Kultur und Identität als zwei ineinandergreifende und sich ergänzende Phänomene. Alejandro Figueroa sagt, dass die Identität jenes Element ist, welches entsteht, wenn die Mitglieder einer bestimmten Gruppe sich selbst definieren oder von anderen, mit denen sie sich austauschen, definiert werden. Die Kultur hingegen, als symbolische Dimension des Sozialen, sendet Codes durch welche sowohl soziale Beziehungen als auch Praktiken, das Umfeld und die Objekte, die natürliche und übernatürliche Welt, eine Bedeutung erhalten. Die Kultur findet man in den Ursprüngen eines jeden Identität-Systems, aber sie selbst bildet nicht das Identitätsphänomen.7

4

Siehe »Robert C. Buitrón – El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto)«.

5

Siehe »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«.

6

Siehe »Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity«.

7

Alejandro Figueroa, in: Beltrán, Ulises u.v.a., Los mexicanos de los noventa, Instituto de Investigaciones Sociales, UNAM, México 1996, S. 85.

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Die Erlangung einer Kultur ist, wie eingangs erwähnt, ein aktiver Prozess. Dieser beinhaltet unvermeidlich einen kontinuierlichen Vergleich zwischen dem »Ich« und dem »Anderen«, zwischen meiner eigenen Kultur und der des anderen. Konsequenz dieser Form der Annäherung ist oftmals eine Wertung von Überlegenheit oder Unterlegenheit einer bestimmten Kultur im direkten Vergleich zur eigenen. Dabei ist den Chicanos, als Minderheit innerhalb einer dominierenden US-amerikanischen Gesellschaft, das Thema der Diskriminierung sehr vertraut und ihr Kampf um Gleichberechtigung und Anerkennung von stetigem Charakter. Damit sie ihre Ziele erreichen können, ist das Vorhandensein einer klar definierten Kultur8 und einer selbstbewussten Identitätseinstellung ebenso unerlässlich wie ihr Zusammenhalt mit den mexikanischen Einwanderern. Beides, Identität und Solidarität, erwiesen sich im Laufe meiner Recherche als die zwei Hauptthemenschwerpunkte der Chicano-Fotografie im Internet und sollen daher im Folgenden genauer behandelt werden.

I DENTITÄT Die Chicano-Identität generiert sich primär über die mexikanisch-amerikanische Geschichte des Südwestens, die persönlichen Familiengeschichten und den direkten Einfluss der zeitgenössischen US-amerikanischen Popkultur, insbesondere der Filmindustrie. Mit der Filmindustrie und ihren unzähligen Verfilmungen über den sogenannten Wilden Westen9 schließt sich der Kreis, innerhalb dessen sich die Bildinhalte der online präsentierten Chicano-Fotografie mit indigenen Bildinhalten bewegen. Die Erforschung der Chicano-Geschichte wurde während der ChicanoBewegung (1940er bis heute) initiiert und entspricht der Geschichte des Südwestens der heutigen USA.10 Die mexikanische Periode begann 1821 mit der Unab-

8

Wie kompliziert dies ist, zeigt sich bereits in der Definition des Begriffs Chicano,-a. Siehe »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie«.

9

»I don’t know how much the Western film means to Europe; but to this country it means the very essence of national life….It is but a generation or so since virtually all this country was frontier. Consequently its spirit is bound up in American citizenship.« William S. Hart, 1916, zitiert in: Noriega, Chon A. und Jennifer A. González. From the West: Chicano Narrative Photography. San Francisco Seattle, Wash.: Mexican Museum; Distributed by University of Washington Press, 1995, S. 9.

10 Es kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit unmöglich auf alle historischen Einzelheiten eingegangen werden. Daher soll lediglich ein kurzer Überblick als Basis für ein

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hängigkeit Mexikos von Spanien, und dauerte bis 1848, als Mexiko mit der Unterzeichnung des Vertrages von Guadalupe Hidalgo die heutigen Bundesstaaten Kalifornien, Arizona, New Mexico und Texas sowie Teile von Wyoming, Colorado, Kansas und Oklahoma an die USA verlor, die dadurch ihr Territorium nahezu verdoppeln konnten. Die Zeit, als Mexiko noch Neuspanien (1521-1821) war, hatte ein beachtliches kulturelles Erbe hinterlassen, sodass die Bewohner dieser Region spanischsprachig und Katholiken waren. Auf beides, zusammen mit einer bedingungslosen Loyalität zur neuen Regierung, wurde nach der Unabhängigkeit größten Wert gelegt. Allerdings waren die Bewohner Nordmexikos weit abgeschieden vom politischen Zentrum des Landes und waren somit wenig an der Unabhängigkeit beteiligt. Dementsprechend schnell wandten sie sich gegen die neue Regierung. Um 1800 entstanden in Kalifornien 21 Missionsstationen mit großen Landbesitztümern, in denen die indigene Bevölkerung christianisiert wurde und die spanische Krone ihre Macht behauptete. Nach der Unabhängigkeit von Spanien wurde die Kirche mit äußerst kritischem Auge betrachtet bis schließlich 1833 ihr Land in Großgrundbesitztümer der kleinen Oberschicht Kaliforniens aufgeteilt wurde. Die indigene Bevölkerung wurde bei der neuen Landverteilung übergangen, sodass einige fortan entweder für die Mexikaner arbeiteten oder in andere Regionen zogen. Sehr viele Möglichkeiten hatten sie allerdings nicht, denn währenddessen schritten die europäischen Siedler gen Westen vor und vertraten die Idee, dass sie sich jedes unbewohnte Stück Land aneignen können. Die mexikanische Regierung forcierte die Besiedlung in Texas durch jeden, der ihnen gegenüber loyal war und ihnen bei der Lösung lokaler »Indianer-

besseres Verständnis der Identitätsfindung in der Chicano-Kultur gegeben werden. Einige der verwendeten Publikationen sind: Suarez, Ray. Latino Americans: The 500Year Legacy That Shaped a Nation. New York, New York: Celebra, 2013. Suarez, Ray. Latino Americans [the 500-Year Legacy That Shaped a Nation]. Min-neapolis, MN: HighBridge Audio, 2013. sound recording. Gonzalez, Gilbert G., und Raul A. Fernández. A Century of Chicano History: Empire, Nations, and Migration. New York: Routledge, 2003. Rochin, Refugio I., and Dennis Nodín Valdés. Voices of a New Chicana/o History. East Lansing: Michigan State University Press, 2000. Gonzales, Manuel G. Mexicanos: A History of Mexicans in the United States. Bloomington: Indiana University Press, 1999. Vigil, James Diego. From Indians to Chicanos: The Dynamics of Mexican-American Culture. 2nd ed. Long Grove, IL: Waveland Press, 1998. Rosales, Francisco A. Chicano!: The History of the Mexican American Civil Rights Movement. 2nd rev. ed. Houston, TX: Arte Público Press, 1997.

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Probleme« half. Die Kiowa, Comanchen11 und Apachen hatten damals die Kontrolle über das Gebiet und machten den nicht-indigenen Mexikanern mit Übergriffen Probleme. So bekam der Unternehmer Stephen F. Austin (1793-1836) von der Regierung die Erlaubnis etwa 300 Familien entlang des Brazos River anzusiedeln, die willig waren Spanisch zu lernen, die Gesetze Mexikos zu respektieren und den protestantischen Glauben für den katholischen aufzugeben. Tausende weitere Siedler folgten bis schließlich um 1830 bereits 25.000 Angloamerikaner und nur noch 4.000 Mexikaner in Texas lebten. Sie brachten wirtschaftlichen Fortschritt, wollten sich allerdings nicht wie vereinbart assimilieren. Die Tejanos waren wegen der kulturellen Unterschiede und ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit besorgt. Die mexikanische Regierung handelte viel zu spät und brachte erst Anfang der 1830er Jahre Gesetze heraus, durch welche die Einwanderung von Angloamerikaner untersagt und die von Mexikanern gefördert werden sollten. Das Verhältnis zwischen den USA und Mexiko verschärfte sich und entlud sich in der Schlacht von Alamo (1836)12.

11 Miguel Gandert hat die Kultur der heute in New Mexiko lebenden Hispano Comanchen, d.h. ihre Fiestas, Familien und interkulturellen Beziehungen, fotografiert. Siehe: Enrique R. Lamadrid, Hermanitos Comanchitos: Indo-Hispano Rituals of Captivity and Redemption. Pasó Por Aquí. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2003. 12 Kathy Vargas hat eine Fotoserie mit dem Titel My Alamo, worüber sie folgendes sagt: »This series is about my (usually) ambiguous relationship to and with the Alamo. Living all my life in San Antonio, Texas, and being both Chicana and Tejana, I have negotiated that relationship for what seems like an incredibly long time. Even before I was born, the Alamo figured in my family history and identity. That issue of history and identity and my anxious relationship to the Alamo are tied up in questions like, ›Which side was your family on?‹ (Neither.) ›Are you a Mexican or a Texan?‹ (Both – and more.) ›How do you like my coon skin hat?‹ (Are you sure it’s dead?) Some of my recollections of the Alamo are humorous; some are serious. Most of them have a bite but it’s a bite that I did not invent. It’s a bite that recurs in the inherent aggression and often in the racism that is part and parcel of standing before war monuments and thinking oneself to be on one side or the other, either by choice or because history gives us no choice. Trying to think of myself as victor and vanquished in relationship to the Alamo, I couldn’t come up with a concrete conclusion –hence my ambiguity. However, events at the Alamo within the last five or six years have allowed me to see it all in a new light. Now the whole Alamo reality is much less burdensome, much more humorous. Thanks for that, Ozzy. But I’m getting ahead of myself; that’s what this series is all about.« In: Noriega, op. cit., S. 73.

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Nach der Säkularisierung der Missionsstationen (1834-1845), besaßen einige hundert mexikanische Großgrundbesitzer das Land. Sie pflegten einen feudalen europäischen Lebensstil und brachten die Modernisierung Kaliforniens voran, wobei etwa 10.000 Indigene aus den früheren christlichen Missionen für sie arbeiteten. In der gesellschaftlichen Hierarchie war direkt unter der Oberschicht die breite Masse der Nicht-Indigenen, also hauptsächlich Mestizen. Darunter waren z.B. Soldaten, Handwerker sowie Landarbeiter und sie waren ebenso wie der Großteil der Oberschicht Analphabeten. Die dort lebenden Indigenen belegten die unterste Stufe und waren weitestgehend vom Wohlwollen der Oberschicht abhängig. Damals war Landbesitz stets mit Ehre, Stolz und Identität behaftet und so genossen die Großgrundbesitzer gesellschaftliche und politische Macht. Diese nutzten sie anfangs im Sinne der angloamerikanischen Siedler, mussten dann allerdings feststellen, dass auch sie wie die Texaner im Begriff waren ihr Land zu verliefen. Mit dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg (1846-1848) und der Niederlage Mexikos beginnt die Angloamerikanische Periode (1848-1900) im Südwesten der USA. Mit dem Sieg bekamen die US-Amerikaner nicht nur Land, sondern gleichzeitig große Reichtümer an natürlichen Ressourcen wie das Silber aus den Minen Nevadas oder Kupfer aus Arizona. Durch den Vertrag von Guadalupe wurden die Mexikaner US-amerikanische Staatsbürger und durften gleichzeitig ihre alten Landrechte behalten. Den Vereinbarungen entsprechend, galten die Mexican Americans und die Anglos als gleichberechtigte Bürger. Doch alle den Amerikanern mexikanischen Ursprungs zugesprochenen Rechte und Privilegien wurden kontinuierlich auf die Probe gestellt. Als Mitte des 19. Jahrhunderts in Kalifornien der Goldrausch ausbrach, strömten Menschenmassen von Einheimischen und Ausländern herein. Die Präsenz von ausländischen Kulturen brachte eine neue gesellschaftliche Hierarchie nach sich basierend auf Rasse. Da die Angloamerikaner sich als diejenige Nation sahen, durch welche Amerika »zivilisiert« wurde, beanspruchten sie besondere Privilegien. Dazu gehörte auch, dass sie den Großteil des Goldes behalten wollten. Die Mexican Americans, welche sich als gleichwertige Bürger verstanden, fühlten sich diskriminiert und protestierten. Dies hatte zur Folge, dass während des kalifornischen Goldrauschs (1848-1854) ca. 300 Mexikaner gelyncht wurden. Als Machtbeweis seitens der Angloamerikaner fand das Lynchen öffentlich statt und es wurden sogar Foto-Postkarten mit Bildern von aufgehängten Menschen verschickt13. Das Lynchen gilt als groteske, allerdings nicht alleinige Dis-

13 Ken Gonzales-Day beschäftigte sich in der Fotoserie The Erased Lynching (20002015) mit der langen und auf Rassismus basierenden Lynch-Tradition Kaliforniens.

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kriminierung gegenüber den Latinos. Sie wurden als Greasers, dreckige und bedrohliche Figuren der Gesellschaft, bezeichnet, was zu einer Stereotypisierung von Mexikanern allgemein führte. Dies betraf vorerst nur die einfachen Bürger und nicht die Großgrundbesitzer, welche weiterhin einen elitären Status genossen. Doch auch dies sollte sich bald ändern. San Francisco, welche als das »Tor zu den Goldfeldern« bezeichnet wurde, wuchs in dieser Zeit von einem kleinen Dorf mit 200 Einwohnern zu einer Stadt, in der 36.000 Menschen verschiedenster Kulturen wohnten. Man vermutet, dass in ganz Kalifornien der 1850er Jahre rund 30.000 Mexikaner und 300.000 Angloamerikaner lebten. So begann nach dem Goldrausch der Kampf um Lebensraum und angloamerikanische Siedler beanspruchten das Land der Großgrundbesitzer für sich. Die Mexican Americans glaubten an das System und zogen vor Gericht, was zu einem äußerst kostspieligen und langwierigen Unterfangen wurde. Um die Anwälte, Gerichtskosten, Übersetzter und anfallende Steuern bezahlen zu können, mussten sie den Großteil ihres Grundbesitzes ohnehin verkaufen. Bis die Gerichte für sie entscheiden konnten, war in vielen Fällen bereits das gesamte Land zur Begleichung der Rechnungen veräußert. Noch nicht einmal mehr die mexikanische Elite war dermaßen gut angesehen wie die Angloamerikaner. Die 1848 getroffenen Absprachen über Gleichberechtigung wurden systematisch zugunsten der Anglos gebrochen und fortan galten die Mexican Americans als zweitklassige Mitbürger. In New Mexiko hingegen verlief die Geschichte etwas anders, weil die Wüstenlandschaft dort für die Siedler weitestgehend uninteressant war. Außerdem Der Fotograf sagt: »The images in the initial series derived from appropriated lynching postcards, mostly from the American West, but not exclusively, and from other archival source materials from which I removed the lynch victim and the rope from the image. This conceptual gesture was intended to redirect the viewers’ attention away from the lifeless body of lynch victim and towards the mechanisms of lynching and lynching photography, to allow viewers to see the crowd, the mechanisms of the spectacle, the role of the photographer, and even the impact of flash photography, and their various influences on our understanding of this dismal past. The perpetrators, when present, remain fully visible, jeering, laughing, or pulling at the air in a deadly pantomime. As such, this series strives to make the invisible –visible. […]« In: http://www.kengonzalesday.com/projects/erasedlynching/ (01.05.2016) Siehe auch: Berger, Maurice. »Lynchings in the West, Erased From History and Photos.« In: New York Times Lens, 6. Dezember 2012. http://lens.blogs.nytimes.com/2012/12/06/ lynchings-in-the-west-erased-from-history-and-photos/?_r=0 (01.05.2016) und Gonzales-Day, Ken. Lynching in the West, 1850-1935. Durham, N.C.; London: Duke University Press, 2006.

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herrschten starke Übergriffe seitens der Apachen und Navajos, mit denen die mexikanische Regierung überfordert war. Insbesondere zwischen 1820 und 1830 baten die Siedler fortwährend um militärische Unterstützung, welche ausblieb und wodurch sie auf sich selbst gestellt waren. Zur Zeit des MexikanischAmerikanischen Krieges lebten mehr Latinos in New Mexiko als in Kalifornien, was einen entscheidenden Unterschied ausmachte. Außerdem hatten viele Familien ihre Kinder nach Harvard und an die Universität in St. Louis geschickt, sodass sie im Gegensatz zu kalifornischen Großgrundbesitzern mehr eigene Vertreter hatten, die gebildet waren und Englisch sprachen. Die Latinos bekleideten lokale Führungspositionen und setzten sich, als 1878 die Eisenbahn das Land durchzog, für den wirtschaftlichen Fortschritt New Mexicos ein. Durch die Eisenbahn kam allerdings nicht nur der Wohlstand, sondern auch die Gefahren. Das ungenutzte Land war für jeden, der es haben wollte, offen und so kamen viele wohlhabende Viehzüchter nach New Mexiko. Sie stellten lange Drahtzäune auf und vereinnahmten zunehmend das Land anderen Bewohner, welche daraufhin zurückschlugen. Die Brüder Juan José, Pablo und Nicanor Herrera aus San Miguel County organisierten eine Widerstandsbewegung mit dem Namen »Las Gorras Blancas«. Sie kämpften gewaltreich um ihre Rechte, schnitten in ihren nächtlichen Angriffen Zäune durch und steckten die Ställe der Rancher in Brand. Durch den Verlust ihres Landes hatten viele Mexikaner alles verloren, was sie hatten. So schlossen sie sich den Brüdern an, wodurch »Las Gorras Blancas« bis zu etwa 1100 Mann stark und äußert erfolgreich war. Schließlich erreichte Ende 1889 eine Beschwerde der Betroffenen die Regierung, welche für die Verhaftung der Herrera Brüder und vieler ihrer Anhänger sorgte. Da die Aufständischen für das Recht aller Bürger und insbesondere der Armen gekämpft hatten, war es unmöglich eine Jury zu finden, die sie hätte schuldigsprechen wollen und so wurde zwei Jahre später die Klage fallengelassen. Die Mitglieder von »Las Gorras Blancas« konnten zwar nicht die Landübernahme verhindern, aber sie sorgten für einen Präzedenzfall im Kampf der Latinos um Gerechtigkeit. Wie der Chicano-Slogan »We Didn’t Cross the Border, the Border Crossed Us« treffend sagt, gehört der Südwesten der USA allen Amerikanern mexikanischer Abstammung unabhängig davon, ob sie in dieser Region geboren wurden oder erst später zugezogen sind. Dementsprechend stark ist ihre lokale Verwurzelung und Identifizierung mit der Chicano-Kultur. Die Eltern und Großeltern der Chicano-Fotografen, mit denen ich gesprochen habe, sind größtenteils aus Mexiko eingewandert, aber es gibt auch solche, deren Familien seit Generationen in dieser Gegend leben. Dazu gehören Isabel Avila, Delilah Montoya und Kathy Vargas. Avila gehört zu den jüngeren Fotografen und was sie über ihre

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Familiengeschichte sagt, verdeutlicht wie wichtig das Wissen über die eigene Herkunft für die Identitätsbildung der Chicanos ist: »[…] My parents were born in the U.S., in the Southwest, and my grandparents were born in the Southwest. And my great-great-grandparents… it gets a little murky… I know they all lived here in southern California, Los Angeles, but I’m not sure where all of them were born. I still think it’s very interesting to have my great-grandparents from both sides of my family living in Los Angeles, in southern California during that time I think it’s very interesting. I know there is this story I shared before about my great-grandmother who was very Spanish and she was married to a Spanish man and they had several kids already and they had a ranch. He was murdered for the ranch, so she was widowed with all these kids and working as a cook when they were building the railroads out here and that is where she met my great-grandfather who was slightly younger than her and he was also an indigenous man. I have some pictures of him, actually both of them… […] He took her in with children and they had six more children. They had a lot of kids and then that’s how my grandmother was born. She was born out of that second marriage of my great-grandmother. […] I don’t know [anything about his tribe]… that’s something I would like to find out. That’s actually something that really affected me was that in my family there is prejudice within the family. You don’t even have to be outside the family to experience that, it’s within the family. And they passed down where my great-grandmothers family was from, a certain part from Spain, yet they didn’t pass down where my great-grandfather was from, because they didn’t want to pass that heritage down. It was a conscious decision to supress that family identity and they thought it is better to not identify with that side of the family, because it’s going to make your life more difficult. So, that is something that… I heard these stories; it was very upsetting to me that I did not know these things. So, I think that’s what made me more curious about indigenous culture and the lost histories and that’s why I got more involved in that side of my family. It’s complicated. I mean, I would like to make my genealogy, try to trace back were my great-grandfather is from… I would like to try ancestry.com… I did like a trial period for a little while and I did see some documents of my great-grandmother like she was crossing the border for free... she had some train tickets. That was about it, but yes, I would like to use it. It probably gotten better, probably has more documents now. I know that there is a program that they had up here, I guess for indigenous people to work on the rail road system, so they brought some indigenous people, but I need to know more about that. I don’t know much about that. I don’t know if my great-grandfather was brought here to that program… They were employing a lot of people. It’s just an area of my family I’d like to know about is my indigenous...

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That’s my great-grandparents from my mom’s side. On my dad’s side I am not quite sure. On my dad’s side I’m not really sure about his father; I never met his father and I think that this side of the family is mostly like Spanish, Portuguese… If there was any indigenous relatives they definitively didn’t share that information. But on my mom’s side it was much more apparent. My grandmother lived indigenous… I have pictures of my greatgrandfather… I know it exists on my mom’s side more. [They did not dress indigenous.] It was just the face. […] There was a lot of prejudice at that time. So my grandmother, when she was young, she was very fashionable. She dressed appropriate to that time. […] My family was very conscious of this [the discrimination against Native Americans] and they just wanted to assimilate. […] The first time I heard the word [Chicano] I was a kid and my dad used it: ›Chicanos… We are Chicanos.‹ I didn’t quite know, but he, his brothers and sisters were involved in the Chicano Movement at that time. I think he was at the military at that time, in the Air Force. His brother was in Vietnam. My dad was in the Air Force; he didn’t go to Vietnam, but he was stationed in Panama. It is funny, because the Chicano Movement, a part they were protesting was the Vietnam War and the fact that a lot of Mexican Americans and people of colour were put in the forefront of the battle. They were dying in a disproportional number and my uncle was one of them, who died and never came back from Vietnam. So, my dad, his brothers and sisters were very active with the protesting. […]«14

Kathy Vargas gehört zur älteren Generation der Fotografen und hat die ChicanoBewegung aktiv miterlebt. Ihr Ururgroßvater erlebte Texas zu Zeiten Mexikos, dann als selbständige Republik (1836-1845) und schließlich als Teil der USA. Vargas erzählt: »[…] My great-great-grandfather lived to be 114 and he was an indigenous person. The whole family says that he’s Aztec…no, my father used to say he wasn’t Aztec. He was Zapotec. It was interesting, because my father’s family was from the south of Mexico, because they were Zapotec. My mother’s family was from the north of Mexico, because my grandmother used to say that they were Huichol and Tarahumara, but mostly Huichol. And when I went to Mexico they asked, at one of the conferences I went to, they said: ›Where were your indigenous people from?‹ And I told them. They said: ›It’s good that your parents went to the United States, because if they had stayed in Mexico they would never have met. And if they had met they wouldn’t have liked each other, because they came from opposite regions and the south and the north don’t understand each other.‹ I thought that was very interesting. […]

14 Interview mit Isabel Avila, op. cit..

150 | I NDIGENES E RBE IM I NTERNET [Codex Not-Vargas: The Forgotten Name Codex, 199215] This one is about my father… He used to say that at one time we had worn feathers, but when the colonial period came the family name was forgotten. Vargas was the name that we were given, because that’s the haciendado we worked for. Here is Quetzalcoatl, here is the indigenous symbol for the pyramids and he always used to say we wear our feathers on the inside. […] My great-great-grandfather came over in the 1830s, that was my father’s family, and they were here when it was still Tejas, when it was still Mexico. They came over and it’s like we are saying ›the border crossed them‹, because then all of the sudden Tejas became Texas and Texas declared independence and all of that happened, but he was here while it still was Tejas. My mother’s family came over during the revolution, so she came over in… she was born in 1915, so she came over shortly after that in 1920/21. They kept leaving family, so that’s the main thing to know is they kept leaving family… we were as part of the family stayed in Laredo and then my grandmother, my mother and uncle stayed here and then some of the family went north, kept going north to Michigan they followed the crops and then they finally settled in Michigan. I think it’s like most Mexican families who were coming at that time that they kept going north. – But my father’s family had already been here. […] Yes, we have Aztec heritage, because that’s what we ended up being in the end. But there were all these tribes that the Aztecs conquered. I think the reason I can say [more about my indigenous roots] is because my people lived so long. I think, if my great-greatgrandfather hasn’t lived to be 114, if my grandmother hasn’t lived to be a 104 I would know either, but I knew them into my maturity; not my great-great-grandfather but my father lived pretty long and he knew my great-great-grandfather. They brought the stories in. Those older people, they were very good about telling here is where we came from and here is who we are. Even though later the family said: ›O, we are all Aztecs.‹ –Yes, you are Aztec, but you were Zapotec first and the Aztecs conquered the Zapotec and everybody got mixed up; and you are a Mixtec, too.«16

Nahezu alle Fotografen konnten über bestimmte Familienangehöre ihre indigenen Wurzeln benennen, obgleich nicht alle die konkreten ethnischen Gruppen kennen. Diese Informationen sind weitestgehend verlorengegangen, sodass sich viele heute auf physische Merkmale wie ihre braune Haut beziehen. Außerdem findet eine Identifizierung mit den indigenen Kulturen auf einer ideologischen

15 Siehe Lucy R. Lippard, MaLin Wilson-Powell, and Marion Koogler McNay Art Museum. Kathy Vargas: Photographs, 1971-2000. San Antonio, TX: Marion Koogler McNay Art Museum: distributed by the University of Texas Press, 2000, S. 56/57. 16 Interview mit Kathy Vargas, San Antonio, 25. April 2015.

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Ebene statt und kommt dann z.B. in ihrer Solidarität17 mit den Immigranten aus Mexiko zum Ausdruck. Die Migration ist von konstantem Charakter und ein zentrales Thema in der Chicano-Geschichte. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute gab es mehrere große Immigrationswellen18, angefangen mit der sogenannten Great Migration (1900-1930). Damals sollen eine Million Menschen auf der Flucht vor der Mexikanischen Revolution (1910-1917) in die USA eingewandert sein. Denn während sie in Mexiko hungerten, gab es in den USA einen Arbeitskräftemangel aufgrund des Wirtschaftsaufschwungs im Südwesten. Viele Mexikaner immigrierten mit dem Zug über El Paso, Texas,19 und fanden umgehend Arbeit, beispielsweise in den Minen oder der Agrarwirtschaft. In Kalifornien war es genauso, ob in den Fabriken oder den Plantagen, überall wartete Arbeit. Während es in Los Angeles um 1900 lediglich etwa 3000 bis 5000 Mexican Americans und Mexikaner gab, lebten dort dreißig Jahre später bereits 150.000 ursprünglich aus Mexiko stammende Bürger. Die Diskriminierung fand ihren Ausdruck durch Hinweisschilder, dass spezielle Schulen, Restaurants und Freizeiteinrichtungen nur für Weiße seien. Dennoch erlebte die mexikanische Kultur in den 20er Jahren ein Revival, wie man ihn in diesem Ausmaß erst wieder während der Chicano-Bewegung sah. In Los Angeles eröffneten mexikanische Restaurants, die Musikindustrie produzierte mexikanische Schallplatten und die Filmemacher beschäftigten LatinoSchauspieler. Die Filmindustrie schuf Ikonen der Popkultur wie Lupe Velaz (1908-1944) oder Dolores del Rio (1905-1983) und prägte den Stereotyp der hübschen rassigen Latina. Das war ebenfalls die Zeit, in der die mexikanischen Familien sich in East L.A. niederließen. Doch bereits in den 1930er Jahren kam das Konjunkturtief und schnell wurden die mexikanischen Arbeitskräfte durch Weiße ersetzt. Präsident Herbert Hoover (1874-1964) konnte sich kaum im Amt halten und löste das »mexikanische Problem« mit der Deportation oder Repatriation von Mexikanern. Anfangs fuhren viele freiwillig zurückfuhren, da sie aufgrund der Wirtschaftskrise ar-

17 Siehe »Solidarität«. 18 Siehe auch »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 19 In der Serie María’s Great Expedition (1995-1996) erzählt die Fotografin Christina Fernández die Geschichte ihrer Großgroßmutter. Sie war einer der ersten Familienmitglieder, die während der Mexikanischen Revolution über El Paso in die USA gekommen war. Siehe das Video vom Smithsonian American Art Museum (SAAM): https://www.youtube.com/watch?v=8MUXpO0kt7Y (02.05.2016) und http://www. americanart.si.edu/collections/search/artwork/?id=86344 (02.05.2016) sowie Noriega, op. cit., S. 32-39.

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beitslos waren, aber die Deportation kam schnell ins Stocken und so griff die Regierung hart durch. Etwa 3.000 bis 5.000 Leute, ob Mexicans oder Mexican Americans spielte dabei keine Rolle, wurden aus ihren Häusern geholt und in die Züge Richtung Süden gesetzt. Nachdem sie in Mexiko angekommen waren, wohnten sie meistens bei ihren Verwandten und in bitterer Armut. Die in den USA geblieben waren, wurden vom öffentlichen Leben ausgeschlossen und galten fortan als »unsichtbare Minderheit«. Viele der repatriierten Mexikaner und Mexican Americans kamen schnellstmöglich, etwa Mitte der 1940er, wieder zurück. Das Bracero-Programm (1942-1964) war als temporäres Übereinkommen zwischen Mexiko und den USA angedacht und führte zu etwa 4,6 Millionen abgeschlossenen Arbeitsverträgen. Die Gastarbeiter wurden in der Agrarwirtschaft und dem Schienenbau eingestellt und sollten nach Beendigung ihrer Verträge wieder ausreisen. Die lokalen Farmarbeiter sahen das Bracero-Programm als Problem, da sie mit den United Farm Workers (UFW) um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen kämpften wollten. Die Gastarbeiter benötigten das Einkommen dermaßen dringend, dass sie bereit waren für weniger Geld und unter miserablen Bedingungen zu arbeiten. Die Arbeiter, die streikten, mussten fürchten abgeschoben zu werden. Erst nachdem das Programm beendet war, konnten die UFW ihren Kampf erfolgreich umsetzen. Währenddessen blieben sehr viele der Braceros im Land und wurden Mitstreiter der UFW. Die Familie des Fotografen Oscar Lozoya immigrierte zu Zeiten des Bracero-Programms: »[…] Our family came over back in the mid-50ies, I was three years old and we came from México. My father he retired from his job in Mexico and then he had an offer to come and work here to the United States. So, what happened is, in order to do it all legally, he had to come over here and work for one year, while my mother stayed back in Mexico with all the kids, with all of us. Then we all came over, to L.A. first, to California and that’s where we lived for a few years. But my father he developed asthma so he couldn’t really stay out there. Then he got a transfer to New Mexico for a job and this is how we end up here in Albuquerque.«20

In den 70er und 80er Jahren folgte aufgrund der Lateinamerikanischen Schuldenkrise ein weiterer großer Einwandererzustrom. Die hohen Ölvorkommnisse in Mexiko veranlassten den damaligen Präsident José López Portillo (19202004) internationale Kredite zur Förderung aufzunehmen, aber als 1982 die Weltwirtschaft in eine Rezession fiel und die Ölpreise sanken, verloren viele ihre 20 Interview mit Oscar Lozoya, Albuquerque, 15. September 2015.

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Jobs und zogen in die USA. Die Zuwanderung aus Mexiko und Zentralamerika war dermaßen groß, dass Präsident Ronald Reagan (1911-2004) sich schließlich entschloss den sogenannten Immigration Reform and Control Act (IRCA) zu unterzeichnen. Die Grenzsicherheit wurde erhöht und die Beschäftigung illegaler Arbeiter fortan als gesetzeswidrig geahndet. Außerdem wurde der Aufenthaltstatus von fast 3 Millionen Immigranten, die vor 1982 ins Land gekommen waren, geklärt. Die meisten von ihnen waren Mexikaner. Damals kamen die Familien von Lupita Murillo Tinnen und Orlando Lara in die USA. Die beiden Fotografen erinnern sich sehr genau daran, wie es war mit Eltern groß zu werden, die keine offizielle Aufenthaltsberechtigung für die USA besaßen. Murillo Tinnen erzählt: »My parents came to the United States right before I was born. My dad came first and then he brought my mama when she was pregnant with me. She came in February and I was born in May. She was pregnant at the time. So, I was fortunate enough to have been born in the United States. You know, I didn’t know that we were undocumented. I was the person, because I am the oldest in the family, who had to make phone calls for my parents and translate… I was the family translator. At a very young age I was paying my parents bills, because I could write the amount, because my dad didn’t know how to write… 47 dollars and 30 cents. He didn’t know how to write that, so I would have to write it. I didn’t know that… I knew my parents were from Mexico, but I never really understood what it meant to be undocumented. Now, my parents didn’t let me go to very many places, like I couldn’t go to a friend’s house and I didn’t understand why at that time. So, what actually made me not like my culture… it made me want to be different like I wanted to be like my white friends or my other friends, because they could do stuff and I couldn’t do stuff. Because I always had to translate I was always being a little bit embarrassed about it. I was embarrassed that I was the only person that had to ask the person at the grocery store a question… things were very different when I was growing up. Now everybody speaks Spanish and so it’s very different now, but at that time I remember being very embarrassed. I didn’t want to be known as Mexican American or Mexican, I wanted to be separated from that.«21

Orlando Lara, der sich heute zusammen mit seiner Lebensgefährtin Deyadira Arellano für die Rechte von Immigranten einsetzt, sagt:

21 Interview mit Lupita Murrillo Tinnen, Plano (Texas) / Houston, 16. April 2015.

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»My family came in the 80s. They are from Salamanca, Guanajuato, which is an oil town and they came to an oil town. But I know around the time that my father came there is a mayor oil crisis, the oil prices drop, so Mexico is hit hard. That impacted Salamanca a lot and my dad couldn’t find work. They also had the ethic of coming here already. The story he tells me is that the first people that came on my dad’s side were his younger brother, who was 16, so he was actually like a child migrant and he came with a friend and maybe an uncle of that friend to California. Then my dad came with them and they went to Los Angeles, worked in a Filipino bakery or something and he would just come back to Mexico every once in a while and leave my mom pregnant. He went to Houston; I don’t know exactly why he went to Houston, I think one of his brothers found a job here and moved them. And then he was, this was happening in 1975 to ‘80; in around ‘80, ‘81, ‘82 my dad brought the rest of my brothers and me up there. It’s tough for me, but I have a sense of knowing my family is being undocumented for those first few years that we were here and they were able to get legalized through IRCA [Immigration Reform and Control Act] in 1986, the Amnesty of 1986. […] After that they had papers and stuff, but we always had family coming who didn’t have papers or had visas and so that whole conversation of not having papers was huge. It was not as bad as it is now, where you feel you’re going to be deported at any moment. It wasn’t that scary, but you knew it was a topic of conversation almost every other day. On my mom’s side it goes all the way back to her grandfather who came up for the bracero program. That side of the family is very light skin and green eye and he had supposedly a vision of coming to the United States, settling here and becoming an American. He had a more conventional American dream. It didn’t work out for him. He ended up not being able to get papers and everything the way he wanted. So he went back to Mexico and he died around the time that… just after my father finally brought us all up to Houston he died and my mom went down to the funeral, and that is the first time that I went back to Mexico. That’s our story. After that my mom ended up moving out of southwest Houston to north Houston, very concisely trying to leave the barrio and so we grew up really in a white community… Spring, Texas.«22

So wie Lara haben viele Chicano-Fotografen als Studenten ihre Barrios oder Latino-Viertel verlassen und eine gute Ausbildung genossen23, aber es gibt auch andere, die in East L.A. geblieben sind wie beispielsweise Art Meza und Gregory Bojorquez. Die direkte Umgebung24, wie der Wohnort und die schulische Er22 Interview mit Orlando Lara, Houston, 12. April 2015. 23 Siehe auch »Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity«. 24 Siehe beispielsweise die Fotografien von Oscar Castillo, Joseph Rodríguez, José Galvez, Paul D'Amato, Robert Kaiser und Art Meza. In: Castillo, Oscar, and Colin

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ziehung, wirkt sich ebenso empfindlich auf die Identitätsbildung aus wie die Medien, sodass die Suche nach der eigenen Identität als Chicano nicht allein auf biologischer Ebene und über die indigenen Kulturen stattfindet. Bestes Beispiel dafür ist der Fotojournalist David Bacon. Auf meine Frage, ob er indigene Wurzel habe, antwortet er: »No, actually, not at all. I was born in New York City and came to the Chicano Movement through the farmworkers union, because I didn’t really know anything about Mexican, Chicano culture, farm labour, rural California… any of those things growing up. I grew up in Oakland, so I’m very urban, but my parents were left-wingers and Union people. I began learning about it when I went to work for the farmworkers union which I did really more as a political thing, and then learned about the people and the culture, I learned to speak Spanish... I was not a photographer or writer during these years, I was an organizer… I learned how to organize unions really in the farmworkers union. That was a sort of the introduction, and then when I left the union I worked on the field for about a year. Partly, because the union didn’t pay hardly any money, so I was broke and I needed money. But also, because I was curious, I wanted to know what it was like as a worker. I was spending all these years organizing the workers and thinking about their work and wondering all the time: ›Could I do that?‹ Or: ›What would it feel like?‹ And in order to be a good organizer you have to identify. It’s hard to identify, if you have not been there personally yourself. That was part of it. That was where I first met people from Oaxaca, first realized that there are people from Mexico that did not speak Spanish. Most farmworkers in my day were from central Mexico, they were not indigenous people. Indigenous migration was just starting, in the 70s. Like Oaxacan migration to California really only Purepechas from Michoacán, it really only started in the end of the 70s and the beginning of the 80s… I mean there were some people who came as braceros but not a lot, not from Oaxaca. That was true for people

Gunckel. Castillo, Oscar, und Colin Gunckel. The Oscar Castillo Papers and Photograph Collection. The Chicano Archives. Los Angeles: UCLA Chicano Studies Research Center Press, 2011. Rodríguez, Joseph, Rubén Martínez und Luis J. Rodríguez. East Side Stories: Gang Life in East L.A. New York: PowerHouse Books, 1998. Galvez, José, und Luis Alberto Urrea. Vatos. El Paso, Tex.: Cinco Puntos Press, 2000. D'Amato, Paul. Barrio: Photographs from Chicago's Pilsen and Little Village. Chicago, Ill.; London: University of Chicago Press, 2006. Herrera, Spencer R., Robert Kaiser, und Levi Romero. Sagrado: A Photopoetics across the Chicano Homeland. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2013. Meza, Art, und Santino J. Rivera. Lowriting: Shots, Rides & Stories from the Chicano Soul. Broken Sword Publications, Florida, 2014.

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from central Mexico, from Zacatecas and Michoacán and Jalisco and Guanajuato but not so much from the south. The indigenous migration came later and it was just beginning when I left the union, so that was when I first learned about it was out in the fields. I think that sharing class background with people gives you as much of a common denominator as language or other aspects of culture. So, I always found it actually pretty easy being an organizer… there was a certain amount of nationalism, but basically… I’m a worker, you are a worker, so we know what the problems are here. That I think helped me. So, I didn’t really need to build a Chicano identity. I’m sort of careful about that, too. I’m not Chicano, I’m not Mexican, but on the other hand I love Mexican culture, I love Chicano culture, I’m really into it. I know a lot about it and I speak the language. There are aspects I know a lot about, Mexican photographers and certain aspects of Mexican political history… But I don’t do it as an exclusive of other cultures. The woman I’m married to is the daughter of Filipino farm workers, so I know something about their history. Culture is fascinating. And I don’t think you have to identify with this culture in order to like it and be involved in it. As people go, Mexicans and Chicanos are pretty open and welcoming people. Like I say, every once in a while you meet people who’re kind of nationalist... In the union I used to run into it every once in a while, saying: ›What the fuck are you doing here? Maybe you should go and do something else. This is our thing.‹ – What can you do? I don’t fight with people like that. If that is how they feel, what can I do? There are a lot of other ways of identifying with people. There is political identification, there is class identification… My parents moved from one end of the United States to the other when I was five years old. So in a certain way I have my own little migration story, about why they came and what it was about.«25

Wie man sehen kann, gibt es nicht nur eine historisch geprägte Diskriminierung seitens der Angloamerikaner gegenüber den Mexikanern, sondern gleichermaßen umgekehrt eine zeitgenössische und mitunter aggressive Antwort darauf. Hier sei erwähnt, dass es innerhalb der Gruppe der Chicanos basierend auf ihrer generell bi-kulturellen Identität bestehend aus der mexikanischen und der USamerikanischen Kultur verschiedene Untergruppen gibt. Einerseits gibt es Chicanos, die sich tendenziell mehr mit den USA verbunden fühlen und hierbei in Diskriminierung und Rassismus gegenüber anderen Minderheiten und ihren Sympathisanten fallen können. Andererseits, als eine Art Gegenpol, wären diejenigen Chicanos zu nennen, die sich primär mit einer indigenen Kultur identifizieren ohne tatsächlich ein aktives Mitglied dieser Ethnie zu sein. In den meisten Fällen nennen sie sich Mexica oder Azteken und konklusiv daraus Xicanos26 25 Interview mit David Bacon, San Diego, 03. Oktober 2015. 26 Siehe »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie«.

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statt Chicanos. Die Identifizierung mit den Azteken stammt aus der Zeit der Chicano-Bewegung27 und die mit anderen indigenen Gruppen wie den Zapoteken, Huichol, Tarahumara, etc. auf den noch bekannten familiären Wurzeln. Dazwischen liegt eine bi-kulturell ausgeglichene Gruppe, zu welcher auch die Fotografen gehören. Sie bezeichnen sich grundsätzlich entweder als Mexican Americans oder als Chicanos, wobei dieses Labelling28 offen gehalten wird. Selbstverständlich sind die Grenzen zwischen den drei Gruppierungen nicht klar definierbar und natürlich gibt es ferner innerhalb jeder interessante Variationen. Doch sie zeigen die verschiedenen Ausprägungen von Chicano-Identität innerhalb der dominierenden US-amerikanischen Gesellschaft. Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity Lupita Murillo Tinnen bezeichnet sich selbst als Mexican American, sieht ihre Arbeiten aufgrund ihrer sozialkritischen Inhalte allerdings gerne als einen Beitrag zur zeitgenössischen Chicano-Fotografie.29, 30 Denn wie bereits Victoria Estrada bemerkt hat, widmet Tinnen ihre künstlerische Tätigkeit dem Erschaffen ästhetisch reicher und politisch bedeutender Aufnahmen einer bi-kulturellen Erfahrung, wobei sie ihren Instinkt als Aktivistin mit der Dokumentarfotografie verbindet. In ihren Werken erkundet sie die Identität, das kulturelle Erbe und die Er-

27 Ibidem. 28 Siehe »Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity«. 29 »I consider myself Mexican American only, because my parents said that Chicanos were other people… like they being Chicanos as being Americans. They were from Mexico and, even though I am American, they never considered me a Chicana because I was one of them. And so I never grew up with that identity because I always thought of a Chicana is somebody that’s not me. It’s somebody that’s different. Their parents were born here and their grandparents may have been born here and my parents were from Mexico. So being a first generation American I just didn’t identify as a Chicana ever. I was closer to Mexico, because that’s where my parents were from and I was always one step away from that. [Asking her, if she does not mind being part of this project about Chicano photographers, she answers:] Sure, absolutely!« In: Interview mit Lupita Murrillo Tinnen, Plano (Texas) / Houston, 16. April 2015. 30 Siehe auch »Chicano-Fotografie heute«.

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innerungen von Freunden und Verwandten, die in Lateinamerika und den USA leben.31 Online präsentiert Murillo Tinnen ihre Bilder auf einer mit iWeb32 selbstgestalteten Homepage33, welche sich durch ein schlichtes in Grau gehaltenes sowie funktionelles Design auszeichnet (Abb. 41). In iWeb wählte die Fotografin eine Vorlage mit dem Namen »Dunkelkammer« und modifizierte diese, indem sie eigenes Bild- und Textmaterial einfügte. Bei dieser Design-Vorlage befindet sich das zweizeilige Navigationsmenü durchgehend im Header und ermöglicht ein schnelles Wechseln zwischen der Startseite (»Home«), einem ausführlichen Lebenslauf der Fotografin (»About«), insgesamt sieben Künstlerstatements (»Artist Statements«), ihren fotografischen Arbeiten (»Immigrant Laborer«, »Projects 2010-2012« und »Projects 1998-2009«) und einem weiteren Untermenü mit insgesamt neun Abbildungen ihrer seltenen Skulpturen (»Sculpture«). Das jeweils aktive Untermenü ist in Schwarz zu sehen, während sich andere Optionen in einem hellen Gau dezent zurückhalten. Die Links, ebenso wie bei anderen Hyperlinks auf dieser Homepage, sind hier im Menü mit einem Mouseover-Effekt versehen, wobei die Schrift stets von Hellgrau in ein dunkles Rot wechselt. Abbildung 41: Website von Lupita Murillo Tinnen. Screenshot der Startseite.

Quelle: http://www.lupitatinnen.com/Home.html (17.03.2016)

31 Estrada Berg DeCuir, Victoria. »Lupita Murillo Tinnen – Portraits of a Dream.«, Austin, Texas: Women & Their Work, 2011. 32 Siehe auch »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 33 http://www.lupitatinnen.com (17.03.2016).

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Obwohl Murillo Tinnen zweisprachig ist, sind die gesamten Texte ihrer Website in Englisch, d.h. es gibt keine Möglichkeit sich diese in Spanisch anzeigen zu lassen. Auffällig ist ferner, dass die Bildpräsentationen deutlich gegenüber dem Schriftanteil dominieren, was sich bereits auf der Startseite zeigt. Auf dieser ist im Content-Bereich eins ihrer Frühwerke mit dem Titel Hairdresser zu sehen. Es ist auf der Homepage insgesamt dreimal integriert (Abb. 42) und zeigt den Unterkörper eines Mädchens in einem schlichten weißen Kleid. Der Blick des Betrachters wird zunächst auf die Füße des Kindes, das schwarze Schuhe und auffällige weiße Rüschensocken trägt, gelenkt. Von dort wandert dieser zu ihren Händen, in denen sie zwei Gegenständen festhält. In ihrer rechten Hand sieht man eine große Schere und ihrer linken eine Barbiepuppe mit kurzem Haar, die ein rotes Kleid trägt. Offensichtlich hat das Mädchen in der Rolle einer Friseurin der Puppe gerade einen neuen Haarschnitt verliehen. Das Bild erzählt eine wahre Geschichte aus dem Leben der Fotografin und wurde eigens für eine Ausstellung in Dallas angefertigt: »[…] When I was young (about 6 or 7), I wanted to be a hairdresser and would cut my barbies hair for practice. One day, I wanted extra practice, so I asked my mom if I could cut her hair. She, of course, said no, but I did not take ›no‹ for an answer. When my mom was busy washing dishes, I went up to her from behind and started touching her long hair that was in a braid. I then proceeded to cut the braid off. I have never forgotten that and thought it was an interesting piece to use as the cover, since it reminds me of my tenacity. The image was created in 2007. The name of the exhibition was Funny Stories and Absurdity. Bath House Cultural Center, Dallas, TX, 2007.34 As a young Latina girl growing up in a low-income neighborhood or barrio, there were not many options. My parents both have only an elementary school education. However, I had a few amazing teachers that I am grateful for coming into my life. In high school, I took a photography class because I had always been interested in taking pictures and the teacher ended up being an angel in disguise. Mrs. Terry Buckner encouraged me to attend college for photography. Before then, I had no idea that it could be an option for me. Once in college, I had another amazing professor, Bill McDowell, that encouraged me to attend graduate school. Again, I had no idea that it could be an option for me.«35

Der Beruf einer Friseurin, ebenso wie andere an die Modewelt gebundenen Sparten, gehört bis heute zu einem der beliebtesten junger Mädchen und Teenager. Außerdem wird er weiterhin von vielen Menschen als ein »typischer« Frauenbe-

34 Lupita Murillo Tinnen, in einer persönlichen E-Mail vom 22. März 2016. 35 Lupita Murillo Tinnen, in einer persönlichen E-Mail vom 16. April 2016.

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ruf angesehen und mit diesen Klischees zu brechen erweist sich mitunter als schwierig, wobei Bildung stets eine entscheidende Rolle spielt. Das Kleid, die Rüschensocken und die Barbie in Hairdresser können als Symbole des Femininen gedeutet werden, wodurch die klassische Geschlechterverteilung der damaligen Zeit unterstrichen wird. Insbesondere die Barbie gibt dem Mädchen vor wie sie als Erwachsene sein sollte: feminin langhaarig, möglichst schlank und schöne Kleider tragend. Die überdimensional wirkende Schere hingegen wird zum Schlüsselelement, denn sie suggeriert einen klaren Bruch mit den gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen. Mit Hilfe der Schere hat das Mädchen nicht nur die Haare der Barbie kurzgeschnitten, sondern die Puppe somit unbewusst in eine emanzipierte Frau verwandelt. Durch diese Aktion wird allegorisch ein Übergang von dem Kinder-Berufswunsch von Murillo Tinnen zu ihrem tatsächlichen Beruf als Fotografin und Lehrerin geschaffen. Abbildung 42: Website von Lupita Murillo Tinnen. Untermenü »Individual Pieces«. Screenshot.

Quelle: http://www.lupitatinnen.com/Individual_Pieces.html#1 (17.03.2016)

Unter den von mir insgesamt sieben interviewten Fotografinnen gab es fünf, die nach ihrem Studium in den Bereich Lehre und Forschung gegangen sind. Die richtige Einstellung der Eltern gegenüber einer schulischen Ausbildung ihrer Kinder und das Glück dabei exzellente Lehrer gehabt zu haben, ermöglichte ihnen nicht nur mit den klassischen Geschlechterrollen zu brechen, sondern auch ihr akademisches Wissen zusammen mit den persönlichen Erfahrungen als Chicanas an jüngere Generationen weiterzugeben. Neben Murillo Tinnen unterrich-

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ten heute auch Cristina Fernández, Tina Hernández, Delilah Montoya und Kathy Vargas an staatlichen oder privaten Schulen und Universitäten.36 Die Lehrtätigkeit von Murillo Tinnen und ihre Erfahrung als Tochter illegaler Einwanderer brachten mehrere Fotoserien hervor, die mit dem Thema Geschlechterrollen, Bildung und Arbeit zu tun haben. Eine davon ist From Inside the Home: A Portrait of Mexican Immigrant Women37 (2001), in welcher die Fotografin 16 Frauen in einer häuslichen Umgebung, meistens in der Küche oder am Esstisch stehend, zeigt. Die Aufnahmen sind in Schwarz-Weiß und untermalen auf bestechende Art die Lebensbedingungen dieser Einwanderinnen. Durch sie wird deutlich, dass längst nicht alle Frauen es schaffen sich der historisch geprägten Geschlechterrollen zu entziehen. Die Bildtitel bestehen hier, ebenso wie in der Serie Brown Identity, aus dem jeweiligen Vornamen der Frauen. Dadurch stellt Murillo Tinnen die Personen in ihren Bildern vor und schafft eine gewisse Nähe sowie die damit verbundene Anteilname seitens des Betrachter. Der Einsatz von Text, sowohl als Bildtitel als auch in den Fotografien selbst, spielt bei Murillo Tinnen eine große Rolle und ermöglicht ihr ihre Projekte noch prägnanter zu vermitteln. Obgleich die Fotografin in zahlreichen Aufnahmen Text integriert hat, gibt es keinen in der Originalabbildung von Hairdresser. Die Künstlerin hat eigens für die Startseite ihren vollen Namen in die linke untere Bildhälfte, fast wie eine Signatur, eingefügt und außerdem eine weiße Umrahmung gesetzt (Abb. 41). Die nun beinahe wie ein Gemälde wirkende Fotografie hat sie anschließend im Content-Bereich zentriert und formatfüllend platziert. Die Startseite schließt im unteren Bereich mit einer leeren Fläche ab, weil hier im Gegensatz zu den restlichen Seiten kein Footer vorhanden ist. Man findet auf der Homepage insgesamt 13 Fotoserien und 15 einzelne Aufnahmen, zu denen auch das Bild Hairdresser zählt. Sie umspannen Hauptthemen wie Mexiko, Immigration und Arbeit sowie Identität und Geschlechterrollen. Insbesondere ihre Fotoserie mit dem Titel Brown Identity offeriert dem Betrachter einen Einblick in die grenzenlosen Varianten der heutigen Latino-Identität und weist eine Referenz zu indigenen Kulturen auf. Daher soll ihre Präsentation auf der Homepage hier exemplarisch genauer betrachtet werden. Von der Startseite ausgehend muss der User im Hauptmenü auf »Projects 2010-2012« klicken,

36 Interessant ist, dass sich unter den männlichen Chicano Fotografen ebenfalls zahlreiche Lehrer und Universitätsprofessoren befinden. Von insgesamt 18, mit denen ich gesprochen habe, gab es acht, die derzeit unterrichten. Unter ihnen sind Chuy Benitez, Robert C. Buitrón, Miguel Gandert, Ken Gonzales-Day, Orlando Lara, Joe Medina, Andrew Ortiz und Javier Tavera. 37 http://www.lupitatinnen.com/Mex_Immigrant_Women.html (17.04.2016).

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um zur entsprechenden Fotoserie zu gelangen. An dieser Stelle findet er zunächst insgesamt sechs Serien, die tabellarisch angeordnet sind und folgende Titel haben: Labor, American DREAM, Gender, Brown Identity, Through the Desert und Mourning Sickness. Auffallend ist hierbei, dass die ersten fünf Themen im Rahmen der heutigen Chicano-Studies intensiv untersucht werden, während die Serie Mourning Sickness den äußerst persönlichen Kinderwunsch der Fotografin ausdrückt38 und somit aus der Reihe fällt. Auch bezugnehmen auf die gesamte Website dominieren die sozialpolitischen Themen gegenüber den strenggenommen persönlichen. Somit ist die Wahl das Werk Hairdresser in die Startseite zu integrieren zwar ästhetisch geglückt, spiegelt allerdings nicht den Themenschwerpunkt ihrer online präsentierten Arbeiten wider. Die Serie Brown Identity besteht insgesamt aus 23 Fotografien und zeigt 13 Frauen sowie zehn Männer verschiedenen Alters, die sich selbst als Mexicans (Becky, Citlalli, Dianna, Jonatan, Kikis), Mexican Americans (Andrea, Brittany, Michael), Latina (Joanna), Hispanos (Kerlin, Maria, Nelson, Nereo), Hispana und Latina (Mayela), Hispana Ranchera (Gloria), Tarahumara (Graciela), Mexica (Coatlahuac), 50% Huichol und 50% Mexica (Miguel), Human und American Citizen (George), Human und American sowie Mexican American (Ruben), Spanish (Sondra), Other (Malcom) oder No Race (Ricky) klassifizieren. Damit spiegeln sie das spannende in den USA oft und gerne benutzte Sammelsurium an Labels zur ethnischen Differenzierung wider und erlauben der Fotografin die Vielschichtigkeit der Latino-Gesellschaft auf prägnante Weise bildlich festzuhalten. Bis auf Kerlin, die aus Guatemala kommt, stammen alle anderen aus Mexiko. Besonderen Wert legte Murillo Tinnen darauf verschiedene Generationen, von den Jüngeren wie Citlalli und Ricky zu den Älteren wie Gloria 38 »Mourning Sickness deals with my struggle with infertility beginning in September 2005. I never would have imagined that having a baby would be so much work. I was always under the false impression (thanks to my high school sex-ed class and Mexican parents) that if you have sex you will get pregnant unfailingly. For over 6 million American couples, trying to conceive is an excruciating nightmare, an emotional rollercoaster ride, which is beyond stressful. It’s demanding. It takes every ounce of energy and when it doesn’t happen month after month, year after year, we question our womanhood. When we have to resign ourselves to alternative methods, artificial methods, it’s disheartening and overwhelming. I never thought I would be one of those women. Accepting the fact that I may remain childless has been the most difficult struggle, the biggest challenge I have ever faced. It felt much like grief and so this work is about the empty feeling and numbness that I felt as I was going through the

grieving

(17.03.2016).

process.«

In:

http://www.lupitatinnen.com/Mourning_AS.html

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und Maria, einzuschließen. Während die jüngeren Leute gerade erst angefangen haben über ihre Identität nachzudenken, hat sich diese bei den älteren bereits gefestigt. Dieser Prozess ist dermaßen individuell, dass jeder sich selbst letztendlich so nennen kann wie er gerne möchte.39 Dieses Spiel mit den Labels, die man sich als Amerikaner einerseits selbst aussucht und andererseits durch Außenstehende auferlegt bekommt, trägt zweifelsohne einen Anteil dazu bei, dass man den Begriff Chicano,-a nicht eindeutig definieren kann40. Wie variationsreich dieses Spiel sein kann, zeigt Murillo Tinnen in ihrem Bild American von 2006, welches man ebenfalls auf ihrer Website findet (Abb. 43). Es wurde zusammen mit American Citizen41 für die 2007 in der Forum Gallery des Brookhaven Colleges in Dallas, Texas, gezeigten Gruppenausstellung Ojo Dos angefertigt. Abbildung 43: Website von Lupita Murillo Tinnen. Untermenü »Individual Pieces«, Screenshots.

Quelle: http://www.lupitatinnen.com/Individual_Pieces.html#3 (21.03.2016)

In American hat Murillo Tinnen eine Freundin fotografiert, welche in ihren Augen den typischen Chola-Look42 hat. In einer Art Tetraptychon sieht man die

39 Interview mit Lupita Murillo Tinnen, op. cit.. 40 Siehe auch »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie«. 41 Siehe »Identität«. 42 Oxford Dictionaries: »[A Cholo is]1. A Latin American man with American Indian blood; a mestizo. 1.1 US informal, offensive A lower-class Mexican, especially in an urban area. 1.2 US A member of a Mexican street gang.« In: http://www.oxford dictionaries.com/de/definition/englisch/cholo (21.03.2016).

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junge Frau hier frontal und mit dem Kopf leicht zur linken Seite geneigt. Sie schaut dem Betrachter selbstbewusst direkt in die Augen und strahlt durch ihre vielfache Präsenz eine gewisse Bedrohlichkeit aus. In vielen Fällen bedeutet Chola sein, nicht nur einen bestimmten Look zu pflegen, sondern gleichermaßen die Zugehörigkeit in einer Street Gang und die damit verbundene Gewaltbereitschaft. Das zusammengebundene Haar, die dünnen Augenbraun und ihre dunkle Schminke an den äußeren Augenrändern sowie ihr offener Blick deuten darauf hin, dass es sich hier um eine Chola handeln könnte. Mit dem schwarzen T-Shirt und einer angedeuteten Kette trägt sie jedoch ein Outfit, welches neutral ist und somit einen weiten Raum für das Spiel mit den Labels zulässt. Über ihr schwarzes T-Shirt getippt, liest man von links nach rechts in weißer Schrift die Wörter »Hispanic«, »Chicana«, »Latina« und »American«, was die zu ihrem Aussehen passenden und von Außenstehenden zugeteilten Labels widerspiegeln sollen43. Gleichermaßen wären »Mexican«, »Mexican American« oder jede andere auf die indigene Herkunft einer Chola hinweisenden Bezeichnungen möglich44. Julianne Escobedo schreibt in der britischen Tageszeitung The Guardian: »[…] You might not be aware of what a chola is, and certainly not if you’re reading this in the UK, but in the US chola-style is very popular. Traditionally, the elements of ›chola style‹ relate to a specific subculture of first- and second-generation Mexican American girls influenced by hip-hop, enamoured with lowrider cars, and sometimes associated with gangs. The chola look itself is geared around the hair, but extends to the following: dark lipliner with a lighter lipstick, cateye glasses, baggy Dickies denim or khakis, oversized flannels buttoned up to the top, gold chains with crucifixes or St Christopher medals dangling at the end and the aforementioned skyscraper bangs. […] While we were all Mexican American, I later learned that the concept of ›chola‹ was more than a look. It was part of our inherited and ancestral culture. Historically the term was used by European colonisers to refer to full or mixed indigenous populations in South and Central America, but in the 1960s was reclaimed in the US by workingclass Mexican Americans and the Chicano Power movement as a way to flip and empower a term that had historically been used to denigrate us. To me, chola style blends glamour with an inherent toughness or feminine strength. […]« In: Julianne Escobedo Shepherd, »Chola style – the latest cultural appropriation fashion

crime?«

The

Guardian,

14.

August

2014.

In:

http://www.the

guardian.com/fashion/2014/aug/15/-sp-chola-style-cultural-appropriation-fashioncrime (21.03.20116). 43 Interview mit Lupita Murillo Tinnen, op. cit.. 44 Auch der kalifornische Performance-Künstler James Luna, der Luiseño ist und im La Jolla Reservat lebt, verdeutlicht in seinem Triptychon Half Indian / Half Mexican

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Während hier das sogenannte Labelling durch die Künstlerin initiiert und durch den Betrachter fortgesetzt werden kann, ist es in der Serie Brown Identity auf die Selbstbezeichnung der jeweils fotografierten Person beschränkt. Abbildung 44: Website von Lupita Murillo Tinnen. Untermenü »Brown Identity«. Screenshots.

Quelle: http://www.lupitatinnen.com/Brown_Identity.html (17.03.2016)

(1991) und dem dazugehörigen Statment, dass das Labeling nicht pauschalisierend anwendbar ist. Er sagt: »[…] I’m half Indian and Half Mexican. I’m half many things. I’m half compassionate / I’m half unfeeling. I’m half happy / I’m half angry. I’m half educated / I’m half ignorant. I’m half drunk / I’m half sober. I’m half giving / I’m half selfish: A self made up of many things, I do not have to be anything for anybody but myself. I have survived long enough to find this out. I am forty-one years old and am happy with my whole—self. Don’t let your children wait as long…«. In: http://denverartmuseum.org/object/2009.773A-C (29.04.2016).

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Abbildung 45: Website von Lupita Murillo Tinnen. Untermenü »Brown Identity« mit Footer. Screenshot.

Quelle: http://www.lupitatinnen.com/Brown_Identity.html (17.03.2016)

Auf der Website zieht sich das Untermenü mit der Fotoserie Brown Identity vertikal über fast vier Bildschirmhöhen, sodass der User bei der Bildbetrachtung die Seite herunterscrollen muss (Abb. 44). Die Bilder sind im Content-Teil in acht Zeilen und drei Spalten tabellarisch angeordnet, wobei die letzte Zelle aufgrund der Bildanzahl leer ist. Die Tabellenlinien sind hier im Gegensatz zu ähnlichen und mit Lightroom automatisch generierten Bildpräsentationen nicht sichtbar45. Der Tabellenhintergrund ist in einem helleren Grau gehalten und hebt sich somit vom dunkelgrauen Seitenhintergrund ab. Oberhalb der Tabelle sieht man linksbündig in großen Druckbuchstaben den Serientitel und direkt darüber das Hauptmenü. Während man unter jeder Fotografie den dazugehörigen Bildtitel bzw. den Vornamen der abgebildeten Person sieht, befinden sich unterhalb der letzten aus zwei Abbildungen bestehenden Reihe die Informationen zur Technik, der Größe und dem Jahr: »Digital Inkjet Prints, 16”x20”, 2010«. Direkt darunter ist ein äußerst dezenter Footer, der lediglich aus einem Web Badge46 besteht, zu erkennen. Hier ist es das Firmenlogo von Apple kombiniert mit dem Satz »Made on a Mac« (Abb. 45).

45 Siehe im Vergleich die Website von Delilah Montoya, beschrieben im Kapitel »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«. 46 »A web badge is a small image used on websites to promote web standards, products used in the creation of a web page or product, to indicate a specific content license that is applied to the content or design of a website, or to comply with an application's terms of service.« In: https://en.wikipedia.org/wiki/Web_badge (25.03.2016).

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Abbildung 46: Website von Lupita Murillo Tinnen. Untermenü »Brown Identity«. Zoomansicht von »Coatlahuac«. Screenshot.

Quelle: http://www.lupitatinnen.com/Brown_Identity.html#4 (18.03.2016)

Jede Fotografie kann in einer Zoomansicht betrachtet werden, wobei man oberund unterhalb des Bildes diverse kleine Steuerungselemente sieht (Abb. 46). Auf der Außenseite der oberen linken Ecke ist ein Pfeil mit dem Hinweis »Back to Album« platziert, der zurück zum Untermenü »Brown Identity« führt. Rechts daneben sieht man zwei quadratische Icons, welche die Darstellungsmöglichkeiten symbolisieren sollen. Das blau gekennzeichnete Icon ist das jeweils aktive, während das weiße die mögliche Alternative anzeigt. Das linke davon gibt dem User die Option sich oberhalb der gezoomten Abbildung alle Bilder ähnlich wie auf einem Negativstreifen anzeigen zu lassen. Hierbei hat der User die Möglichkeit zwischen den einzelnen Fotografien zu springen und sie zu vergrößern. Nutzt er das rechte Icon, so wird der obere Bildstreifen ausgeblendet, was zwar eine ungestörte Betrachtung in der Zoomansicht ermöglicht, allerdings nur eine

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lineare Betrachtung in der vorgegebenen Reihenfolge zulässt. Das bedeutet, dass der User zur Navigation von Bild zu Bild nun das Steuerungsmenü am unteren äußeren Bildrand benutzen muss. Dieses Steuerungsmenü besteht aus zwei mit »Previous« bzw. »Next« gekennzeichneten Pfeilen, die sich links und rechts neben dem Bildtitel befinden, und gibt ihm die Möglichkeit rück- bzw. vorwärts zu navigieren. Hierbei kann er sich die Werke in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Bildtitel anzeigen lassen, er kann allerdings nicht wie in der anderen Variante beliebig zwischen den Aufnahmen springen. Dieses Steuerungsmenü steht in beiden Darstellungsvarianten zur Verfügung und bietet dem User die entsprechenden Möglichkeiten in die Online-Bildpräsentation einzugreifen. Obwohl zu dieser Serie ein Künstlerstatement existiert, kann man nicht von dieser Stelle aus darauf zugreifen, sondern der User muss über das Hauptmenü auf »Artist Statements« klicken. Dort befindet sich zunächst das Bild Coatlahuac sowie der Titel der Serie. Wählt man diese Stelle aus, kommt man schließlich zum Künstlerstatement, in dem es heißt: »What does a Latino look like? My current body of work deals with the diversity of those who self-identify as being Latino. In addition, my work deals with different shades of brown, deconstruction, and impression management among the Latino community. Each person I photographed was interviewed and asked about the assumptions that people make about them. They were then able to deconstruct those assumptions by describing themselves and self-identifying with words of their choosing. Thus allowing them to reconstruct their own identity. The interviews were in English or Spanish depending on the individual’s preference. I photographed a profile of each individual, so the viewer is forced to acknowledge the person’s skin color. Historically, we as Latinos have been taught that darker skin is closely associated with looking ›too Indian‹ which signifies a lower class. We are bombarded with media images daily that reinforce the concept of lighter skin being more attractive. I chose to photograph each individual in a full body shot to show how they choose to represent themselves and the impression that they want to portray about who they are. These images will be displayed as diptychs with two people in a kind of face off against each other to suggest that while external racism is most obvious, it is the internal racism that tends to be overlooked and accepted. A scale of varying skin tones divides the frame into two pieces separating the perceived portrait from the selfrepresentation. The lightest tone is on the top and the darkest on the bottom suggesting the social hierarchy.«47

Schaut man sich die Bildpräsentation auf der Homepage an, wurden lediglich in der ersten, dritten, vierten und sechsten Zeile, d.h. nur Becky und Brittany, Glo47 http://www.lupitatinnen.com/Brown_Identity_AS.html (17.03.2016).

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ria und Graciela, Joanna und Jonatan sowie Mayela und Michael direkt gegenübergestellt. In zwei Fällen blicken die Personen in die entgegengesetzte Richtung, was in der vierten und fünften Zeile zu sehen ist. Die Hinterköpfe von Jonatan und Kerlin sowie Kikis und Malcom grenzen mit einem kleinen Zwischenraum aneinander. In allen anderen Bildern schauen die Personen in Zweier- oder Dreiergruppen aneinandergereiht entweder nach rechts oder nach links. Diese auf den ersten Blick willkürlich wirkende Bildpräsentation ergibt sich als Konsequenz aus der alphabetischen Reihenfolge der Namen und deren Anordnung in Leserichtung innerhalb der Tabelle. Theoretisch hätte Murillo Tinnen auf die alphabetische Reihenfolge verzichten, die Tabelle zweispaltig gestalten und pro Zeile jeweils zwei Personen gegenüberstellen können. Somit wäre die gewünschte museale Präsentationsform auch online umsetzbar gewesen. Denn dadurch wäre das sich gegenseitige Beobachten und die daraus resultierende wechselseitige Wertung perfekt simuliert. Allerdings, das sei ebenfalls erwähnt, wäre die Konsequenz einer zweispaltigen Tabelle, dass der User zum Betrachten der Werke mindestens sechs statt wie derzeit etwas über drei Bildschirmhöhen herunterscrollen müsste, um sich die komplette Serie anschauen zu können. Eine derartige Verlängerung der Seite und der damit verbundene Anspruch an den Nutzer werden von Webdesignern möglichst vermieden. Denn der Betrachter tendiert dazu sowohl vertikal als auch horizontal ausladende Seiten, die ihn zum langen Scrollen zwingen, schneller wieder zu verlassen ohne sich den ganzen Seiteninhalt angeschaut zu haben. Bei einer großen Anzahl von Bildsammlungen und umfangreichem Textmaterial, wie wir ihn z.B. bei David Bacon48 gesehen haben, stellt diese Tatsache eine besondere Herausforderung an den jeweiligen Webdesigner und nicht zuletzt auch an den User dar. Auf meine Frage, warum Murillo Tinnen ihre gewünschte Präsentationsform online nicht umgesetzt hat, antwortete sie folgendes: »That is a good question about the alphabetical order on the website. Quite honestly, I didn't think much about the order for the website. I loaded them as they were on my computer, which was in alphabetical order. You bring up a good point. I should have them displayed as I would want for an exhibition. The way they are arranged now did not come to mind when I was uploading them.«49

48 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«. 49 Lupita Murillo Tinnen, in einer persönlichen E-Mail vom 31. März 2016.

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Ebenso wie sie, sehen auch andere Fotografen ihre Websites primär als eine praktische Bild- und Text-Quelle, durch welche die User über die jeweiligen Arbeiten des Künstlers informiert werden sollen. Derzeit werden KünstlerWebsites von den Chicano-Fotografen noch nicht als potenzielle OnlineAusstellungsflächen betrachtet und optimal ausgeschöpft. Vielmehr wird weiterhin mit klassischen Ausstellungen in Galerien und Museen gerechnet, welche durchaus als Antwort auf eine gelungene Internet-Präsenz und Streuung der Werke sowie den damit erlangten Bekanntheitsgrad des Fotografen folgen können.50 Die Bildkomposition der einzelnen Werke folgt stets der Drittel-Regel und variiert nur geringfügig. Das bedeutet, dass jedes Bild vertikal in drei Felder gegliedert ist, während sich in zwölf Werken die Profilansicht auf der linken Bildhälfte befindet und in elf auf der rechten. Dadurch ist die Blickrichtung der Personen jeweils von links nach rechts bzw. rechts nach links gerichtet und ermöglicht die im Künstlerstatement vorgesehene Hängung als eine Art Diptychons, bestehend aus jeweils zwei Personen, die sich anschauen. Tabelle 3: Bildtexte in der Fotoserie »Brown Identity«. Die Fotografien »Graciela«, »Coatlahuac« und »Miguel« haben indigene Bildinhalte (Grau). Label

Name

MEXICAN

Becky

MEXICAN

Citlalli

MEXICAN MEXICAN

Dianna you say I'm mean Jonatan you say I'm white

MEXICAN

Kikis

MEXICAN AMERICAN MEXICAN AMERICAN MEXICAN AMERICAN

Zitat, Profil-Bild you say I'm a mean person you say I'm loud

Zitat, Ganzkörper-Foto I'm Helpful I'm Weird But In A Good Way I'm Fun My Skin Color Doesn't Make Me Caucasian I'm Respectful

You say I'm a troublemaker Andrea you think I'm a I'm Nurturing pushover Brittany you say I'm concei- I'm Shy ted Michael you say I'm innoI'm Smart cent

50 Siehe auch die Kapitel »Künstler-Websites« und »Platzierung, Steuung und Kontrollverlust« der vorliegenden Arbeit.

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Label HISPANA HISPANA HISPANO HISPANO HISPANA, LATINA LATINA HISPANA RANCHERA TARAHUMARA MEXICA 50% HUICHOL, 50% MEXICA

Name

Zitat, Profil-Bild Kerlin piensas que soy mexicana Maria crees que soy Americana Nelson piensas que hablo inglés Nereo dices que soy guapo Mayela dices que no le tengo miedo a nada Joanna dices que soy amable Gloria dices que soy cuidadosa Graciela you say I'm stuck-up Coatlahuac you see long hair and huaraches Miguel You say I'm too traditional

HUMAN, AMERICAN George CITIZEN HUMAN, AMERICAN, MEXICAN AMERICAN SPANISH

Ruben

Sondra

OTHER

Malcom

NO RACE

Ricky

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Zitat, Ganzkörper-Foto Soy Trabajadora Soy Baja y Blanca Soy Una Persona Con Emociones Quiero Ver A Mis Hijos Crecer Soy Amigera Quiero Salir Adelante Soy Amable I'm Proud Of My Culture I'm Calm

My Face Doesn't Represent Who I Am you say I have I Want To Speak the answers Every Language On This Planet Fluently you say I should I Look Forward be a proud man

You say I'm stuck-up you think I'm a foreign exchange student you say I'm weird

I'm A Christian I'm Open-Minded I Don't Bite

Genau ein Drittel des Gesamtbildes ist für das Profilfoto und knapp zweidrittel für die Ganzkörperansicht vorgesehen. Zwischen diesen beiden Feldern ist ein Streifen mit einer Scala an Brauntönen eingeschoben, dessen Mischung für die jeweilige Hautfarbe der porträtierten Person steht. Die Farbproben bestehen aus

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fünf von sehr hell bis dunkel reichenden Brauntönen und bieten unendliche Kombinationsvarianten. Murillo Tinnen hat hier ganz bewusst den hellen Ton nach oben und den dunklen nach unten gestellt, um so die soziale Hierarchie in der US-amerikanischen Gesellschaft darzustellen51. Der Bereich mit der Profilansicht zeigt eine zusätzliche horizontale Unterteilung, wobei das untere Drittel stets aus einem schwarz unterlegten Textfeld besteht. In diesem befindet sich mittig in weißer Großdruckschrift die ethnische Selbstklassifizierung der jeweiligen Person. Bei mehreren Bezeichnungen, wie man sie z.B. bei Ruben findet, der sich gleichermaßen als Human, American sowie Mexican American bezeichnet, sind diese mittig und linksbündig gelistet. Diese Anordnung der Labels ist in insgesamt vier Fotografien zu sehen. Ebenso wie die Bildkomposition, folgt der Einsatz von Schrift einer konsequenten Aufteilung. Neben den Labels auf dem schwarzen Textfeld, vermitteln die anderen beiden Schriftzüge einige Zusatzinformationen über die jeweilige Person. Diese befinden sich einmal auf der Profilansicht und einmal bei der Ganzkörperdarstellung. Blickt der Betrachter zuerst auf das Profil, dann liest er, was andere über diese Person sagen. Tinnen hat hierbei die Profilansicht gewählt, weil die Außenstehenden die jeweilige Person zwar beschreiben, aber nicht wirklich gut kennen. Dadurch findet jede Form des Labellings auf Basis begrenzter Informationen und der äußeren Erscheinung statt. Schaut der Betrachter auf die Ganzkörperansicht, so wird ein direkter Augenkontakt hergestellt und er erfährt, was die abgebildete Person ihm über sich selbst erzählen möchte. Die Texte sind in Englisch oder in Spanisch, was der jeweiligen Sprache der Interviews zwischen der Fotografin und den porträtierten Personen entspricht52. Ich habe die Texte aus den Bildern zum besseren Vergleich in Tabelle 3 zusammengetragen. Die Zitate neben den Profilbildern beinhalten entweder eine klare oder zumindest suggestiv-negative Konnotation. Insbesondere Beschreibungen wie »mean«, »loud«, »troubelmaker«, »conceited«, »stuck-up« und »weird« sowie »you see long hair and huaraches« und »you say I'm too traditional« spiegeln ihre erfahrene Diskriminierung wider. Den Ganzkörperdarstellungen hingegen wird mit Begriffen wie »helpful«, »respectful«, »smart«, »trabajadora«, »amable«, »open-minded« und »I'm proud of my culture« Ausdruck der positiven Selbstwahrnehmung verliehen. Wie Tinnen in ihrem Künstlerstatement schreibt, geht es ihr darum die historisch bedingte und anhaltende Diskriminierung gegenüber den in den USA lebenden Latinos ihrer jeweils eigenen Selbstwahrnehmung und -darstellung direkt gegenüberzustellen, wobei sie den

51 http://www.lupitatinnen.com/Brown_Identity_AS.html (17.03.2016). 52 Ibidem.

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fotografierten Personen die Möglichkeit gibt ihre eigene Identität wiederherzustellen. Abbildung 47: »Graciela« (2010) von Lupita Murillo Tinnen.

Quelle: Archiv der Fotografin. © Lupita Murillo Tinnen.

Die Selbstidentifizierung mit den indigenen Kulturen findet in dieser Serie entweder latent über die Bezeichnungen Mexican und Mexican American oder explizit über den Gebrauch von Mexica, Tarahumara sowie Huichol statt und gewinnt in der Wahl der Kleidung zusätzlich an Aussagekraft. Hierbei stechen drei Werke, die Porträts von Graciela (Abb. 47), Coatlahuac53 (Abb. 48) und Miguel (Abb. 49) deutlich heraus. Wie man bereits an ihrer Kleidung erkennen kann, gehören sie einer aztekischen Tanzgruppe an54. Auffällig ist hierbei, dass Gracie-

53 Coatlahuac bedeutet »Himmlische Schlange« oder »Sonne, die im Universum leuchtet«. Aus dem Spanischen: »Coatlahuac → Serpiente celeste → El sol que brilla en el universo.«

In:

http://www.azcatl-tezozomoc.com/foros1/showthread.php?tid=3749

(17.03.2016). 54 »Graciela is married to Miguel. They currently live in Murphy, TX and have four children. They are the leaders of an Aztec dance group. I can't remember the name of the group. I attended several of the dance practices in the past before I had the twins.

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la und ihr Mann Miguel sich selbst im Gegensatz zu Coatlahuac nicht nur als Azteken bzw. Mexicas, sondern auch als Tarahumara und Huichol bezeichnen. Graciela erklärt dies wie folgt: »[…] We are all Mexica people because we were born in Mexico. Since there are tribes in different regions in Mexico I was born in the state of Chihuahua which is a northern state in Mexico and the Tarahumara tribe lives there. I've never had any contact with the Tarahumara people because I was raised in Northern California where I learned the Aztec dance when I was 24 years old. […] his story is very much like mine except that Miguel's grandfather is a Huichol descendant.«55

Die Identifizierung als Indigene aus Mexiko findet bei Graciela, Coatlahuac und Miguel also auf geografischer Ebene über ihren Geburtsort sowie auf kultureller Ebene über das familiäre Erbe56 statt. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Azteken-Tanz heute als eine panamerikanische und panindigene Praxis zu verstehen ist. Außerdem stellt er einen essentiellen Bestandteil in der Identitätsfindung der in den USA lebenden Mexicans, Mexican Americans und Chicanos dar, wobei das für Murillo Tinnen interessante Labelling zu einem Ausdruck freier Identitätsbildung avanciert ist. Daher geht es der Fotografin in diesen Aufnahmen weniger um den mystisch-religiösen Hintergrund oder den individuellen Stil ihrer traditionellen Tänze, sondern darum wie diese drei in Texas lebenden Tänzer vom Betrachter persönlich wahrgenommen werden wollen, nämlich als Mexica, Tarahumara und Huichol. Dabei spielt, neben den Labels und Statements, auch die selbstgewählte Kleidung eine entscheidende Rolle und wird somit zu einem wichtigen Element der Selbstpräsentation. Susanna Rostas sagt: »The importance of dress to the dance is that it is eye-catching and can act as a strong signifier. Overall, it is festive, exuberant, and often ostentatious; much is highly decorated, brilliantly and diversely colored, as well as lustrous or glittering, with a great variety of textures and finishes. Even if the observer’s eye is not captivated by the dance itself, the costumes worn usually excite comment and speculation. Because they can be seen as texts It was so much fun!« Lupita Murillo Tinnen, in einer persönlichen E-Mail vom 22. März 2016. »The name of the group is Ollin-Tonalzin Traditional Aztec Dancers. Miguel and I have been dancing for 24 years. Coatlahuac has been dancing for 16 years.« Graciela, in einer persönlichen E-Mail vom 06. April 2016 an die Fotografin. 55 Graciela, in einer persönlichen E-Mail vom 26. April 2016 an Murillo Tinnen. 56 Siehe auch »Identität«.

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to be read and interpreted, it is also an aspect of the dance that takes up a lot of time and attention. Clothing matters.«57

So gehört es für Tänzerinnen wie Graciela dazu, dass sie ihre Kostüme selbst nähen58 und dabei einem an die prähispanischen Codizes angelehnten Design folgen. Diese beinhalten dann sowohl die in der jeweiligen Gruppe traditionell immer wieder angewandten Ornamente und Motive als auch individuelle Details. Rostas unterscheidet in ihrer wissenschaftlichen Abhandlung über die Concheros59 insgesamt drei verschiedene Stile: Chichimeca Style, Aztec Style und Mexica Style. Der Chichimeca-Stil unterscheidet sich hauptsächlich durch einen weiten und bis zu den Knöcheln reichenden Rock, der von Frauen und Männern getragen wird. Den Rock im Azteken-Stil sieht man ausschließlich bei Tänzerin-

57 Rostas, Susanna. Carrying the Word: The Concheros Dance in Mexico City, Mesoamerican Worlds. Boulder, Colo.: University Press of Colorado, 2009, S. 104. 58 »A dancer’s outfit is thought about, carefully made, and stored between obligations. It is not appropriate to lend it to another dancer. It is, after all, very personal, made for you and usually by you. Nor is it appropriate to wear it at any time other than for the dance. […]« In: Rostas, ibidem, S. 126. »Yes, I made my regalia (costume) and it has sequins. In our tradition we make our regalia and instruments. We do have more than one regalia because we have different ceremonies throughout the year and depending on the celebration, we use the appropriate one. When we are invited to a ceremony, we start making a new regalia if we have the time and we do wear it again or trade it for feathers or anything that we need from another dancer.« Graciela, in einer persönlichen E-Mail vom 06. April 2016 an die Fotografin. 59 »Concheros, Mexican ritual dance that preserves many elements of pre-Columbian religious ritual. It apparently originated in 1522, after the Spanish conquest of the Chichimec tribe, as a means of continuing ancient ritual. Dancers belong to an intertribal society organized as a military hierarchy; membership is by vow and, unlike most ritual dance societies, the concheros admits women. Members perform at seasonal festivals, notably at sites oriented north (Villa de Guadalupe), east (Amecameca), south (Chalma), and west (Los Remedios) of Mexico City, reflecting the ancient religious importance of the four cardinal directions. The dances are preceded by processions and invocations, and the paraphernalia include floral decorations, banners, and concheros, small lutes made from an armadillo shell. The conchero lute and the music show Spanish influence, but the symbolism and most of the steps are pre-Columbian.« In: http://www.britannica.com/art/concheros (30.03.2016).

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nen. Er ist eng geschnitten und hat seitliche Schlitze, die für die nötigte Beinfreiheit sorgen. In beiden Fällen werden insbesondere seit den 1960er Jahren zunehmend industriell hergestellte Materialien wie Kunstfasern und Plastikperlen sowie eingefärbte Federn verwendet, während man davor überwiegend mit natürlichen Stoffen arbeitete. Für die Kostüme im Mexica-Stil werden weiterhin nur Naturmaterialien wie Leder, natürlich belassene Vogelfedern und geschnitzte Knochen verwendet. Außerdem findet man im Mexica- und Chichimeca-Stil gehaltenen Kostümen keinerlei Details in Gold und Silber. Dies ist ein Merkmal des Aztec Style. Eine genaue Differenzierung zwischen den einzelnen Stilen, darauf weist Rostas ausdrücklich hin, ist wegen der großen Überlappungen oft sehr schwierig.60 »[…] It is not easy for a woman to dress in Mexica style; a whole snakeskin outfit would be prohibitively expensive. Also, the Mexica have far fewer female dancers. On the other hand, Chichimeca costumes for women looks much more like that of the men in their group, for their long skirts and chasubles are very similar, whereas woman in groups who wear Aztec-style attire find it difficult to mirror the men’s minimal loincloths. […]«61

Vergleicht man das Bild von Graciela mit denen von Coatlahuac und Miguel wird deutlich, dass sie sich in ihrem kompletten Kostüm fotografieren ließ, während die Männer sich für ihre Freizeitkleidung und einige traditionelle Accessoires entschieden haben.62 Graciela trägt ein dreiteiliges Kostüm, bestehend aus einem langen Rock, einem passenden Oberteil und einem beeindruckenden Kopfschmuck. Das Design des Kopfschmucks ist pompös und an den Aztekischen Kalender angelehnt. Er ist am oberen Ansatz mit blauen und braunen Federn besetzt, wobei die hintere Reihe aus den langen braunen und die vordere aus den kurzen blauen bestehen. Während die langen Fasanenfedern naturbelassen sind, wurden die kurzen Hahnenfedern blau eingefärbt. Sie stecken in einer Art Krone, welche vorne entlang der Stirn sowie über dem Kopf bis hinunter zu den Schultern reicht. Dieser Teil des Kopfschmucks ist silberfarbig und besteht aus Ornamenten in den Farben türkisblau und ockerrot. Somit sieht er wie aus Silber, Türkisen und Korallen gemacht aus, was bevorzugte Materialien in der indigenen Schmuckherstellung sind. Sowohl die Federn des Kopfschmucks als auch die Motive auf dem Kostüm müssen vom Besitzer verdient werden und ba60 Rostas, op. cit., S. 107-122. 61 Ibidem, S. 120. 62 »Miguel and Coatlahuac didn't wear their regalia because that day was our practice and I wore my regalia only for the picture […]« Graciela, in einer persönlichen E-Mail vom 06. April 2016 an die Fotografin.

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sieren auf ihrer bzw. seiner Tanzerfahrung63. An ihren Füßen trägt Graciela kupferfarbene Flipflops, dessen glitzernde Reflexionen mit denen im Kostüm korrespondieren. Abbildung 48: »Coatlahuac« (2010) von Lupita Murillo Tinnen.

Quelle: Archiv der Fotografin. © Lupita Murillo Tinnen.

Der aufwändig mit Palletten bestickte Zweiteiler im Azteken-Stil zeigt vorne am Rock eine Schlange, welche Quetzalcoatl64 darstellen soll. Unterhalb, fast wie eine u-förmige Umrahmung am inneren Rand, erkennt man ein in Blau und Braun gestaltetes Muster. Das Motiv auf der Rückseite des Rocks ist nicht zu er63 »Various dancers told me that the details of a dancer’s attire should reflect the ›state of conquest‹ that the dancer has achieved in the dance. Ideally, a dancer should begin with a white costume and very few feathers – essentially, a blank canvas – and symbols and feathers as competence is achieved or gained and recognized by her jefe. […]« In: Rostas, op. cit., S. 124. Dies wurde mir von der Mexica-Künstlerin Rain Flower, welche in Houston Aztec Dance unterrichtet, bestätigt. Interview mit Rain Flowa, Houston, 20. April 2015. 64 Quetzalcoatl, die Gefiederte Schlange, ist einer der wichtigsten und komplexesten Gottheiten der Azteken-Kultur. Manchmal erscheint die Gefiederte Schlange als Ehécatl, der Gott des Windes, aber stets in einer positiven Funktion für die Menschen. Man findet Quetzalcoatl auch in der Maya-Kultur, wo er man ihn Kukulkán nennt, und bei den Quichés unter dem Namen Gukumats.

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kennen, aber dort befindet sich die Darstellung eines Kriegers65. An der hinteren unteren Kante ziehen sich ondulierende Formen in Gelb entlang. Die Farben Gelb und Grün dominieren hier auf dem weißen Untergrund. Der gerade und an den Seiten hoch ausgeschnittene Rock schließt am unteren Saum mit schwarzen Fransen ab. Schwarz sind auch die Linien der aufgestickten Motive und Ornamente, die sich sowohl am Rock als auch am Oberteil finden. Auf dem Oberteil, verdeckt durch die angewinkelten Arme der Tänzerin, erkennt man einige Symbole, die das Element Wasser repräsentieren66. Sowohl Graciela als auch Coatlahuac haben jeweils ein PercussionInstrument, eine sogenannte Sonaja, in den Händen. Während es sich bei ihr um eine Maraca handelt, die sie mit beiden Händen graziös vor der Brust festhält, ähnelt die andere den für die Concheros typischen Fuß-Rasseln67. Coatlahuac hat die Sonaja, welche überwiegend dunkelbraun ist und somit farblich von den Fuß-Rasseln abweicht, an seinem rechten Handgelenkt befestigt und lässt sie dabei in Richtung Erde herunterhängen. Zu den Instrumenten der Concheros sagt Susanna Rostas folgendes: »[…] the Concheros‘ dance is accompanied by music played on the concha [shell] by some of the dancers in the circle and those in the center. Placed there too are one or more large drums. Every dancer also wears a pair of seed leg-rattles (ayayotles) tied around her ankles and most dancers hold a sonaja (rattle) in their right hands, both adding percussive resonance. The sound of the leg rattles in particular is integral to the dance as they clatter as the dancer moves. In effect, shaking the sonaja or playing the concha could perhaps be said to be the dance of the hands. In addition, some dancers play pipes; others, notched sticks; and some, small Aztec-style two tone slit drums (known as teponaztli), which they hold under their arms while they move. Although the concha leads with the melody, enabling enactors to know which dance it is and marking their place in it, often more dominant is the percussion combination of drums, rattles, leg rattles, and notched sticks, predominantly at a lower pitch.«68

65 Graciela in einer persönlichen E-Mail vom 06. April 2016 an die Fotografin. 66 »The symbols on the top part of the regalia represent the water which is one of the four elements that support life in this planet.« In: Ibidem. 67 »I'm holding a maraca made out of gore. We paint our maracas and use some of the drawings from the Aztec calendar. Coatlahuac is holding a maraca made out of ayoyotes which is like a walnut seed and only found in Mexico City.« In: Ibidem. 68 Rostas, op. cit., S. 134/135.

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Abbildung 49: »Miguel« (2010) von Lupita Murillo Tinnen.

Quelle: Archiv der Fotografin. © Lupita Murillo Tinnen.

Coatlahuac und Miguel tragen beide Fuß-Rasseln und sind im Gegensatz zu Graciela barfuß. Außerdem tragen sie legere Kleidung, d.h. graue Shorts und T-Shirts mit touristischen Motiven. Die Shorts von Coatlahuac sind schlicht, aus dünnem Stoff und im Verhältnis zu denen, die Miguel trägt, sehr kurz. Die Hose von Miguel hat eine große seitlich aufgenähte Tasche und am Bund sieht man einen rot-weißen Stoffgürtel, dessen Enden weit herunterhängen. Der Gürtel korrespondiert farblich sowohl mit dem Print auf dem Shirt als auch mit dem Tuch, das er sich um den Kopf gebunden hat. Sein T-Shirt ist blau und hat auf der Brust einen ovalen Aufdruck, der sich aus einem Rodeo-Logo sowie dem Schriftzug »El Paso, Texas« zusammensetzt. Bei Coatlahuac sieht man ein weißes Shirt mit der Sonnenpyramide von Teotihuacán und der Aufschrift »Mexico«. Die Pyramide wird mittig von zwei aus Plastikperlen hergestellten Ketten, welche aus Jalisco, Mexiko, stammen und dort von Huicholes hergestellt wurden69, überdeckt. Die kürzere zeigt als Anhänger eine Blume, während man auf der anderen einen Hirsch und lange regenbogenfarbige Fransen erkennt. Die Fransen werden zu einem Verbindungselement zwischen den Bildern, da man sie nur hier an der Kette und am Rock von Graciela findet. Tatsächlich gibt

69 Die Informationen zur Kette stammen von Graciela, in: op. cit..

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es mehrere Elemente, durch welche diese drei Werke miteinander gekoppelt sind. Zwischen Coatlahuac und Graciela sind es neben den Fransen, auch die Schlaginstrumente. In den Bildern der Männer sind es die roten Stirnbänder, die grauen Shorts, die traditionellen Fuß-Rasseln sowie die Tatsache, dass sie barfuß fotografiert wurden. Wichtig zu erwähnen ist ferner der Hintergrund, welcher in allen drei Werken identisch ist. Die Tänzer wurden auf dem Parkplatz eines öffentlichen Parks fotografiert, wo sie sich für ihr wöchentliches Üben treffen70. Zusammen mit den explizit auf ihre indigene Herkunft hinweisenden Labels, bilden diese drei Werke innerhalb der Serie Brown Identity eine in sich geschlossene eigene Einheit. Robert C. Buitrón – El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) Problematisch und gleichzeitig interessant ist im Rahmen dieser Fallstudie die Tatsache, dass Robert C. Buitrón zu denjenigen Chicano-Fotografen gehört, die eine äußerst zurückhaltende Internet-Präsenz haben71. Er selbst hat in den sozialen Netzwerken lediglich zwei Accounts eingerichtet: ein kurzes professionelles Profil ohne den Einsatz von Fotografie bei LinkedIn72 und eins auf Facebook73. Bei Facebook sind zwar einige Einträge und relevantes Bildmaterial gepostet, doch im Vergleich zu anderen Chicano-Fotografen nutzt Buitrón diese Plattform derzeit äußerst selten. Buitrón hat zwar eine Domain auf seinen Namen registriert74, besitzt allerdings derzeit keine eigene Website. Besonders wichtig ist dagegen ein ausführliches Künstlerstatement, welches auf der Homepage der Latina/o Art Community veröffentlicht75 wurde, da diese Website zu einem ambitionierten Projekt des Verlages Bilingual Press gehört. In seinem Künstlerstatement äußert er sich unter anderem zu zwei Fotoserien, The Legend of Ixtaccihuatl y Popocatepetl (1989-1991) und El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) von 1995/1996, welche beide indigene Kultu-

70 Lupita Murillo Tinnen, in einer persönlichen E-Mail vom 16. April 2016. 71 Siehe auch »Künstler-Websites«. 72 https://www.linkedin.com/pub/robert-c-buitron/14/270/597/de (23.04.2016). 73 https://www.facebook.com/robertc.buitron (23.04.2016). 74 Der Domain-Name lautet robertcbuitron.com und er hat diese bereits vor sehr vielen Jahren für sich reserviert. In: Interview mit Robert C. Buitrón, New Orleans, 14. März 2015. 75 Robert C. Buitrón, »Artist's Statement.« In: http://latinoartcommunity.org/commu nity/ChicArt/ArtistDir/RobBui.html (23.04.2016).

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relemente beinhalten. Doch da The Legend of Ixtaccihuatl y Popocatepetl, welche auf der Kultur der Azteken basiert, noch weniger im Internet vertreten ist als El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto), werde ich in diesem Kapitel lediglich auf letztere eingehen. Der Verlag Bilingual Press76 mit Sitz in Tempe, Arizona, hat im März 2000 ein Projekt begonnen, welches in der Publikation von zwei umfangreichen Bildbänden mit dem Titel Contemporary Chicano and Chicana Art: Artists, Work, Culture and Education77 und der Gestaltung einer Internetseite zum Thema Chicano-Kunst mündete78. Es wurden zahlreiche Künstler, unter anderen auch Buitrón, und Institutionen wie das im Jahre 2000 gerade gegründete National Hispanic Cultural Center79 in Albuquerque kontaktiert und zur Zusammenarbeit eingeladen. Ziel des Projekts war nicht nur die Veröffentlichung von beeindruckenden Bildbänden, sondern auch die Ausschöpfung der neuen Technologien und die Schaffung einer Online-Plattform zum internationalen Austausch von Informationen zum Thema Chicano-Kunst und -Kultur. Auf ihrer Homepage http://www.latinoartcommunity.org gibt es im Untermenü »Events/ Announcements« Eintragungen, die lediglich von 2002 bis 2010 reichen, was darauf schließen lässt, dass dieses Projekt vor Jahren stillgelegt wurde80. Dennoch wurde dadurch die Eigenschaft der Printmedien, welche nach der Publikation in ihrer gegenwärtigen inhaltlichen Form unveränderlich bleiben, mit Hilfe des Internets aufgebrochen. Die regelmäßigen Aktualisierungen waren zwar temporär, könnten allerdings jederzeit wiederaufgenommen und fortgeführt werden. Die Veränderlichkeit einer Internetpublikation gegenüber den Printmedien ist insbesondere aufgrund der inhaltlichen Aktualisierungen als Vorteil zu bewerten. Die beiden Bücher sind einerseits an den Aufbau eines klassischen Bildbandes angelehnt und andererseits an den einer Enzyklopädie. Es werden insgesamt 194 Chicano-Künstlerprofile vorgestellt, jeder wie hier am Beispiel von Robert C. Buitrón zu sehen ist, auf einer Doppelseite. Der Text ist pro Seite zweispaltig gegliedert und wird stets mit einem Foto des Künstlers oder der Künstlerin, ge-

76 Bilingual Press wurde 1973 gegründet und gehört zum Hispanic Research Center der Arizona State University. Siehe auch http://bilingualpress.clas.asu.edu/ (24.04.2016). 77 Gary D. Keller, Contemporary Chicano and Chicana Art: Artists, Work, Culture and Education, Vol. 1 und 2, Bilingual Press/Editorial Bilingüe, Tempe 2002. 78 Siehe auch »Chicano-Fotografie heute«. 79 http://www.nhccnm.org/ (24.04.2016). 80 http://latinoartcommunity.org/community/OnlineCom/Events/Events2010.html (24.04.2016).

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folgt von einem persönlichen Zitat und einer Signatur des Autors eingeleitet. Sehr oft findet man oben rechts neben dem Namen auch das Geburtsdatum und den Geburtsort des Künstlers. Zu jedem Künstlerprofil werden mindestens zwei repräsentative Werke in den jeweiligen Haupttext eingebettet und kurz analysiert. Abbildung 50: Doppelseite über die Arbeit von Robert C. Buitrón

Quelle: Gary D. Keller, »Contemporary Chicano and Chicana Art: Artists, Work, Culture and Education«, Vol. 1, Bilingual Press/Editorial Bilingüe, Tempe 2002, S. 102/103

Auf der Doppelseite über Buitróns Arbeit sieht man zwei Fotografien mit Western-Thema (Abb. 50), allerdings gehört nur Tonto Asks Pancho If He's más indio que español (1995)81, auf welche ich später genauer eingehen werde, zur Serie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto). Das Bild auf der linken Seite hat den Titel Bean Master (1999) und stammt aus der bislang unvollendet gebliebenen Fotoserie Mal Burro, Man. Diese Serie basiert auf der Figur des ebenfalls durch die Medien geprägten Sinnbild eines freien und starken Mannes, dem Malboro Man aus der Zigaretten-Werbung. Das Wortspiel von 81 In allen bisherigen Publikationen lautet der Bildtitel Pancho Asks Tonto if He's más indio que español, sollte aber eigentlich Tonto Asks Pancho If He's más indio que español heißen. In: Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit., und Kommunikation mit dem Fotografen per E-Mail vom 28. April 2016.

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Malboro Man und Mal Burro, Man82 soll auf die Sturheit und Nutzlosigkeit bestimmter Kreaturen hinweisen, die sich weigern voranzukommen. Wie mir der Fotograf in einem Interview erzählt, hatte er insgesamt 20 Einzelbilder geplant, von denen lediglich vier umgesetzt wurden. In denen sollte gezeigt werden, wie der US-amerikanische Cowboy vom seinem mexikanischen Pendant, dem Vaquero, verschiedene Dinge beigebracht bekam. Denn alles, was die Cowboys können, haben sie von den Vaqueros, die bis heute als Aushilfsarbeiter aus Mexiko in die USA kommen, gelernt. Die Serie ist dem Aufbau von klassischen Lehrbüchern angelehnt, wobei jede Fotografie einer Lektion entspricht.83 Abbildung 51: Missing Legends of the West (rechts)

Quelle: Gary D. Keller, »Contemporary Chicano and Chicana Art: Artists, Work, Culture and Education«, Vol. 2, Bilingual Press/Editorial Bilingüe, Tempe 2002, S. 206/207

82 Die Bezeichnung mal burro stammt aus dem Spanischen und bedeutet frei übersetzt »dummer Esel«. 83 Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit..

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Abbildung 52: Homepage »Latino/a Art Community«, Screenshot.

Quelle: http://latinoartcommunity.org/community/ChicArt/ArtistDir/RobBui.html (19.01.2015)

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In Bean Master, ganz konkret, wird dem Mal Burro, Man gerade die richtige Zubereitung eines traditionellen Bohneneintopfs oder frijoles de olla erklärt. Man sieht ihn an einem reich gedeckten Klapptisch zwischen zwei Vaqueros stehen, wie er gerade in einem Topf rührt und dabei eine Zigarette raucht, was ihn eindeutig als den Malboro Man identifiziert. Er blickt aufmerksam in das mexikanische Kochbuch, welches vom rechten Vaquero festgehalten wird. Der andere, auf der linken Seite, erklärt ihm dabei die Zutaten. Diese sind auf dem Tisch ausgebreitet und man sieht unter anderem verschiedene Chilisorten, Bohnen und verpackte Tortillas. Vor dem Tisch befindet sich ein großer Sack Bohnen und ein Klapphocker aus Holz und Leder. Die drei Männer stehen in ihrer Feldküche auf einer Wiese und man sieht hinter ihnen einen authentischen Feldwagen aus der Zeit der Eroberung des Westens. Die Künstlerprofile sind in alphabetischer Reihenfolge und werden zeitweise von thematisch sortierten Bildkatalogen unterbrochen, wodurch sich diese Bücher sowohl für eine lineare als auch für eine punktuelle Lektüre eignen. Hinsichtlich der einzelnen Themenschwerpunkte, zu denen unter anderem auch die prähispanische Vergangenheit84 und die Popkultur85 gehören, leistet dieses Projekt wie keine andere Publikation über Chicano-Kunst eine großartige Zusammenfassung86. Da Buitrón sich mit dem Thema Western beschäftigt hat, wurde in der Rubrik »Heroes, Antiheroes, and Role Models« seine Fotografie Missing Legends of the West (1995) zusammen mit Darstellungen berühmter Vorbilder der Chicano-Kultur integriert (Abb. 51). Dadurch findet der Leser die Protagonisten aus Buitróns Serie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) neben Helden der mexikanischen Geschichte wie Benito Juárez (1806-1872), Pancho Villa (1878-1923) und Emiliano Zapata (1879-1919) sowie berühmten Künstlern wie José Clemente Orozco (1883-1949), Diego Rivera (1886-1957) und Frida Kahlo (1907-1954) platziert. Das Design der dazugehörigen Website ist im Vergleich zum Layout der Bücher sehr einfach, aber dennoch funktionell gestaltet (Abb. 52). Es ist durchweg 84 »Pre-Hispanic Connotation« und »El Dia de los Muertos«, in: Keller, op. cit., S. 178191 (Bd. 1) und S. 54-75 (Bd. 2). 85 »La Lotería Mexicana«, »Lowriders«, »Heroes, Antiheroes, and Role Models« und »La lucha libre!«, in: Ibidem, S. 286-295 (Bd. 1) und S. 158-163, 194-209, 280-285 (Bd. 2) »Cultural Icons / Temas culturales«, in: Keller, Gary D., Mary Erickson, Pat Villeneuve, Melanie Magisos, and Craig Smith. Chicano Art for- Our Millennium: Collected Works from the Arizona State University Community. Tempe, Ariz.: Bilingual Press, 2004, S. 117-141. 86 Für die einzelnen Themenschwerpunkte siehe »Chicano-Fotografie heute«.

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in einem schlichten Grau gehalten, sodass die größtenteils farbigen Abbildungen besonders gut zur Geltung kommen. Allerdings muss der User sich, um zu einem Künstlerprofil zu gelangen, zuerst das Untermenü »Online community« auswählen und dort auf »Artist directory« klicken. Hier sieht er eine alphabetische Auflistung aller teilnehmenden Chicano-Künstler, oft inklusive persönlicher E-Mail und Website. Zahlreiche Namen sind mit einem Link versehen, über den der Nutzer schließlich zum jeweiligen Künstlerprofil gelangt. Das Fehlen eines Hauptmenüs zwingt den User beim Navigieren häufiger auf den Back-Button des Browsers zurückzugreifen und verlangsamt somit das Betrachten des Bildund Textmaterials. Ferner ist anzumerken, dass die online präsentierten Informationen nicht mit denen im Buch identisch sind, was weitestgehend an den Aktualisierungen der Website nach der Buchveröffentlichung liegen dürfte. Im OnlineProfil von Buitrón angekommen, sieht man im Header den Namen des Künstlers in Dunkelbraun, zusammen mit dem Titel Latina/o Art Community in Hellgrau und dezent im Hintergrund gehalten. Rechts daneben ist eine streng limitierte Auswahl an Chicano-Kunstwerken arrangiert, die fast wie ein Logo wirken, da man sie beim Durchklicken der einzelnen Seiten ausnahmslos wiederfindet. Der hellgraue Titel Latina/o Art Community und die gleichfarbigen Vierecke in verschiedenen Größen und Formen, welche wahrscheinlich die diversen Kunstwerke symbolisieren sollen, sind mit größeren Abständen über die gesamte Seitenlänge und -breite gestreut, weil sie zum Hintergrund gehören und dieser je nach Größe und Auflösung des Bildschirms, den der Betrachter nutzt, variiert87. Aufgrund des von mir verwendeten Bildschirms wird der Haupttext in der linken Bildschirmhälfte statt, wie vom Designer beabsichtigt formatfüllend, angezeigt. Das Künstlerstatement, welches von 2000 ist und somit eigens für dieses Projekt verfasst wurde, erstreckt sich über insgesamt vier Bildschirmgrößen. In den Text linksbündig eingebettet sieht man die Fotografien Bean Master, Missing Legends of the West und Tonto Asks Pancho If He's más indio que español, wobei die Bilder von der Schrift umspielt werden. Da es keine Möglichkeit gibt sich die Fotografien im Zoom anzeigen zu lassen, dominiert hier eindeutig der Text gegenüber dem Bildmaterial, während die Präsentation in den Büchern deutlich ausgeglichener wirkt.

87 Siehe auch »Das Internet als Fotoplattform«.

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Abbildung 53: Jeff Abbey Maldonado. Facebook. Screenshot.

Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10204990446822211& set=a.1118234437394.19668.1273017839&type=1&theater (26.01.2015)

Das Bild Missing Legends of the West gehört ebenfalls zur Serie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) dazu. Es ist nicht nur im Buch und auf der Website Latina/o Art Community zu finden, sondern ebenfalls auf Facebook (Abb. 53). Dort wurde es von Jeff Abbey Maldonado, einem Freund von Buitrón, zum Gedenken an den Chicano-Künstlerkollegen und politischen Aktivisten Carlos Cortez gepostet. In der Zoomansicht, welche derzeit die bestmögliche Präsentationsform von Fotomaterial auf Facebook ist, wird das Bild einzeln angezeigt. Rechts daneben, auf weißem Untergrund, steht der Text von Maldonado und darunter, auf blauem Untergrund, die dazugehörigen Kommentare anderer Facebook-User. Eins davon wurde von Buitrón gepostet, in dem er sich bei Maldonado für seine Mitarbeit an diesem Projekt bedankt88. Blickt der Betrachter wieder auf den ganzen Bildschirm, wird das Schwarz des Hintergrundes zu einer Art Passepartout, während der Browser einen Rahmen bildet. Die Fotopräsentation ist bei Facebook zwar standardisiert, bietet dem User allerdings eine Reihe verschiedener Optionen wie z.B. das Markieren der fotografierten Personen, das Teilen von Posts oder das Downloaden der Bilder. Obgleich die hier veröffentlichten Kommentare und Markierungen für Maldonado und Buitrón zweifelsohne von persönlichen Charakter sind, bieten sie

88 Robert C. Buitrón: »Yes, a great and kind soul. Thanks for participating in this series, Jeff

Abbey

Maldonado

Abrazos.«

In:

https://www.facebook.com/photo.php?

fbid=10204990446822211&set=a.1118234437394.19668.1273017839&type=1&theat er (26.01.2015).

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den anderen Facebook-Usern vor allem interessante Information über das Foto selbst. Links sieht man den 2005 verstorbenen Carlos Cortez in der Rolle eines Mexikaners und neben seinem Landsmann Pancho, der von Anthony Castañeda gespielt wird, sitzen. Castañeda wurde, im Gegensatz zu den anderen beiden hier nicht im Bild markiert. Cortez trägt einen auffälligen braunen Poncho mit weißen sowie schwarzen Akzenten und Castañeda ein gemustertes Hemd mit gelbem Halstuch. Beide tragen Hüte, wobei insbesondre der von Castañeda vom Betrachter als ein typisch mexikanischer Sombrero wahrgenommen wird und Aufschluss über die Herkunft der beiden Männer gibt. Ihnen gegenüber steht Tonto, der hier von Jeff Abbey Maldonado dargestellt wird. Auch er wird über seine Kleidung, eine braune Lederjacke mit Fransen, umgehend ethnisch klassifiziert und als Native American erkannt. Die langen dunklen Haare, zu einem Zopf am Nacken zusammengebunden und mit einem dünnen Stirnband geschmückt, runden sein Äußeres ab. Buitrón folgt hier, ebenso wie in allen anderen Bildern, mit Hilfe des spezifischen Stylings seiner Protagonisten der Stereotypisierung von Mexikanern und Indigenen in Hollywood-Produktionen. Aus dem Post von Maldonado geht hervor, dass die Personen sich im Studio von Cortez befinden und man hier seine antike Gato Negro Druckerpresse sieht89. Auf der Druckerpresse liegen mehrere überdimensionale Briemarken-Bögen, welche offensichtlich gerade frisch gedruckt und nun von den drei Männern begutachtet werden. Diese Briefmarken-Serie, bestehend aus 20 Briefmarken zu je 29 Cents, wurde 1993 vom United States Postal Service (USPS) herausgegeben und sollte die kulturelle Diversität zu Zeiten des Wilden Westens widerspiegeln (Abb. 54). Porträts von historischen Persönlichkeiten wie dem Apachen Geronimo (1829-1909) und dem Afroamerikaner Jim Beckwourth90 (1798-1866) wurden politisch korrekt zusammen mit Buffalo Bill91 (1846-1917) oder Wyatt

89 Jeff Abbey Maldonado: »Remembering the iconic artist Carlos Cortez with this Robert C Buitrón photograph circa 1995 at Carlos' home/studio with his Gato Negro press. This was part of ›The Corrido de Happy Trails (starring Poncho Y Tonto)‹, Mexican Museum Permanent Collection, San Francisco.« In: https://www.facebook. com/photo.php?fbid=10204990446822211&set=a.1118234437394.19668.127301783 9&type=1&theater (26.01.2015). 90 Jim Beckwourth wurde als Sklave geboren und zog später als Trapper in den Westen. Er war an zahlreichen Erkundungsreisen beteiligt und wird mit der Entdeckung des Beckwourth Passes durch die Sierra Nevada Mountains (zwischen Kalifornien und Nevada gelegen) gewürdigt. 91 Buffalo Bill war ein berühmter Bisonjäger und Gründer der berühmten Buffalo Bill Wild West Shows.

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Earp92 (1848-1929) dargestellt, während man die der Mexikaner einfach weggelassen hat. Genau das ist es, was Buitrón in seiner Fotografie und über den dazugehörigen Bildtitel kritisiert, nämlich, dass einmal mehr der mexikanische Beitrag zum Gründungsprozess der USA offenkundig ignoriert und gar verleugnet wird. Er machte den Titel der Briefmarken-Serie zu Bildtitel, weil die Mexikaner genau das sind: »Missing Legends of the West«.93, 94 Abbildung 54: Vorder- und Rückseite des Briefmarkenbogens »Legends of the West«.

Quelle: »Legends of the West – a Collection of U.S. Commemorative Stamps«, Washington U.S.P.S, 1993, Doppelseite 78/79

1993 veröffentlichte das US-amerikanische Postamt ein Buch mit dem Titel Legends of the West – a Collection of U.S. Commemorative Stamps als Special Edition. Auf 80 Seiten informiert es über den Wild West und seine wichtigsten Helden. Das Buch gliedert sich wie folgt: Einleitung, detaillierte Beschreibungen 92 Wyatt Earp war ein nordamerikanischer Revolverheld und Glücksspieler. Er wurde durch seine Beteiligung an der Schießerei in Tombstone, Arizona (26.10.1881) zusammen mit Doc Holliday und seinen zwei Brüdern Virgil und Morgan Earp bekannt. 93 Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit.. 94 Als diese Fotoserie erstmals ausgestellt wurde, lautete der Titel noch »T.P. Grafix Ponders Missing ›Legends of the West‹ Postage Stamp«. Siehe: Noriega, op. cit., S. 29.

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zu jeder Briefmarke und die beidseitigen Abbildungen des Briefmarkenbogens auf der letzten Doppelseite. Hier sind ferner zwei Bögen der Originalmarken als Einlage beigefügt. In der Einleitung, welche vom berühmten US-amerikanischen Schauspieler und Country-Sänger Roy Rogers (1911-1998) verfasst wurde, heißt es: »Yet the remarkable era of the frontier – the era commemorated in this issue of stamps – left a lasting brand on the American character. The cowboy – black, white and Mexican – remains the quintessential outdoor American, and his code of honor still imparts values. The feathered Plains Indian astride his pony is, in our mind’s eye, the Native American. Sacagawea, Nellie Cashman, and Annie Oakley will always exemplify the determination of women to excel in what truly was a man’s world. The buffalo, once the mightiest physical presence on planet, reminds us of the consequences of thoughtlessly abusing nature.«95

Während Roy Rogers den Beitrag der Mexikaner als Vaqueros schätzt, wurde von den Verantwortlichen keine passende Persönlichkeit und noch nicht einmal eine generelle Gedenkmarke zur mexikanischen Kultur miteinbezogen. Man findet oben links lediglich eine Briefmarke, Home of the Range, welche einen weißen Cowboy auf einem braunen Pferd sowie den Kopf eines kräftigen Bullen zeigt. Alle Briefmarken sind, und dies gilt als Besonderheit dieser Sammlung, auf der Rückseite mit einer kurzen Beschreibung dessen versehen, was auf der Vorderseite dargestellt ist. Auf Home of the Range steht: »The cowboy is an enduring figure in American folk history. The tales of self-reliant trailheads told round the chuck wagon and campfire breathed life into the popular legend of the rugged individual.«96

Neben Home of the Range finden sich oben rechts Native American Cultures, unten links Western Wildlife und unten rechts Overland Mail jeweils als generelle Gedenkmarken für die Indigenen, die Natur und die Post selbst. Für die Vorderseite von Native American Cultures wurde ein Werk von Charles Bodmer (1809-1893) ausgesucht, in dem er den Krieger Pehriska-Rhupa zeigt97, und auf der Rückseite liest man:

95 Legends of the West – a Collection of U.S. Commemorative Stamps. Washington U.S.P.S, 1993, S. 4/5. 96 Ibidem, S. 79. 97 Siehe auch Ibidem, S. 40/41.

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»Early travelers to the West encountered rich and complex societies living close to the land in harmony with nature. Tribal lore and extensive archaeological ruins attested to centuries of habitation.«98

Ebenso respektvoll lesen sich die Beschreibungen auf anderen Briefmarken zum Thema indigene Kulturen, wobei hier Chief Joseph, Geronimo und Sacagawea als herausragende Persönlichkeiten der US-amerikanischen Geschichte ausgewählt wurden. Chief Joseph, hier in der mittleren Zeile links außen zu sehen, war der Häuptling der Wallowa und erwies sich während der sogenannten Indianerkriege um 1877 herum als kluger Taktiker im Kampf gegen die Landübernahme durch die Weißen. Geronimo, eine Zeile unter Chief Joseph und zentriert angeordnet, war ein Kriegshäuptling und Schamane der Apachen, der zahlreiche erbitterte Kämpfe sowohl gegen die mexikanische als auch US-amerikanische Regierung führte. Sacagawea ihrerseits, die in der letzten Reihe neben Overland Mail zu sehen ist, war eine Shoshone, welche von 1804 bis 1806 als Übersetzerin arbeitete und somit einen wichtigen Beitrag zur Erkunden des Westens leistete. Auf der Rückseite der Briefmarken steht: »Chief Joseph, Hin-mah-too-yah-lat-kekht, ›Thunder-traveling-to-loftier-heights‹, c. 18401904. Eloquent, noble Nez Percé chief whose brilliant tactics allowed this people to fight off the U.S. army across several states.«99 »Geronimo, Goyahkla, ›One-who-yawns‹, 1823-1909. Chiricahua Apache war leader. A fine horseman, guerrilla leader und tactician who led war parties for 30 years. Widely believed to have spiritual powers.«100 »Sacagawea, ›Bird-woman‹, c. 1787-1812. Born Shoshone, she was captured by rival Native Americans and later sold to a French Trapper. Both joined the Lewis Clark Expedition, which she served as guide.«101

98

Ibidem, S. 79.

99

Ibidem.

100 Ibidem. 101 Ibidem.

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Abbildung 55: Informationen über Geronimo.

Quelle: »Legends of the West – a Collection of U.S. Commemorative Stamps«, Washington U.S.P.S, 1993, S. 52-55

Jeder von ihnen wird im Hauptteil des Buches gesondert gewürdigt, wobei auf jeweils zwei Doppelseiten neben der dazugehörigen Briefmarke und einem biografischen Essay auch abundantes Bildmaterial bestehend aus antiken Fotografien, Malereien und Artefakten sowie im Falle der beiden Männer auch Abbildungen von ihren Waffen zu sehen sind. Bei Chief Joseph sieht man zusätzlich eine geschnitzte Pfeife und bei Geronimo ein kupfernes Fernglas als weitere persönliche Gegenstände abgebildet (Abb. 55). Bei Sacagawea sind es eine große Landkarte, ein Notizbuch sowie eine Kindertrage, das traditionelle cradleboard,

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indem sie ihren Sohn transportierte. Auf der zweiten Doppelseite findet man stets am oberen Rand chronologisch angeordnete historische Daten, die den Haupttext auf der ersten Doppelseite begleiten.102 Während die Briefmarken mit den Persönlichkeiten immer umfangreich präsentiert wurden, widmete man Home of the Range, Native American Cultures, Western Wildlife und Overland Mail lediglich jeweils eine Doppelseite. Doch im Text zum Thema Cowboys103 liest man: »He came out of Texas, that bowlegged, horse-handling, steer-roping buckaroo we celebrate as cowboy. In Texas roamed the feisty mustangs that descended from the horses brought by the early Spaniards. There grazed the wild descendants of Spanish cattle, grown into lean and cantankerous American longhorns. And there worked the original cowboy, the Mexican Vaquero. […] Cowboys came from many backgrounds. They were Texans who had fought for the Confederacy, perhaps 15 percent were freed slaves, and at least that many were MexicanAmericans. Others were American Indians. All shared a fondness for a good horse and an aversion to farmwork done on foot.«104

Um die hier zum Ausdruck gebrachte und gebührende Anerkennung gegenüber den Vaqueros seitens der Verantwortlichen dieser exzeptionellen Briefmarkensammlung wahrzunehmen, muss man das begleitende Buch besitzen. Hat man lediglich die Briefmarken vor Augen, wie auch die Protagonisten in Missing Legends of the West von Buitrón, dann bekommt man tatsächlich den Eindruck, dass es damals keinerlei ehrenhafte Mexikaner gegeben hätte. Der Respekt den Native Americans gegenüber, dies ist Buitrón ebenfalls aufgefallen, wurde hingegen äußerst effizient Ausdruck verliehen und das sowohl im Buch als auch in den Briefmarken selbst. Obgleich Buitrón der Veröffentlichung dieser Briefmarken durchaus eine positive Bedeutung zuschreibt, regt er mit seinem Bild Missing Legends of the West eine weiterhin kritische Annäherung an die heute als po-

102 Ibidem, S. 20-23, 52-55 und 72-75. 103 Siehe auch die Cowboy-Fotografien von Robb Kendrick. In: Kendrick, Robb, und Marianne Wiggins. Still: Cowboys at the Start of the Twenty-First Century, The M K Brown Range Life Series. Austin: University of Texas Press, 2008. Kendrick, Robb, John Graves, Old Jail Art Center und Witte Memorial Museum. Revealing Character: Texas Tintypes. Albany, Tex.: Bright Sky Press, 2005. 104 Legends of the West, op. cit., S. 42.

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litisch korrekt eingestuften Darstellungen von Mexikanern und Native Americans105. Abbildung 56: Einlage bestehend aus zwei Briefmarkenbögen »Legends of the West«. Original eingeschweißt.

Quelle: »Legends of the West – a Collection of U.S. Commemorative Stamps«, Washington U.S.P.S, 1993.

Schaut man sich beispielsweise den Bogenkopf an, so findet man auf der linken Seite einen Cowboy und auf der rechten einen amerikanischen Ureinwohner (Abb. 56). Beide sind edel gekleidet und sitzen auf einem Pferd. Zwischen ihnen, direkt unter der Überschrift, erstreckt sich die Weite Landschaft des Südwestens der USA und am Horizont leuchtet mittig eine strahlende Sonne als Blickfang. Über der Landschaft zieht sich ein blauer Himmel, auf dem »Legends of the West« geschrieben steht. Das Western-Thema wird deutlich widerspiegelt und macht den Bogenkopf zur perfekten Einleitung für die darunter folgenden Briefmarken. Bezeichnenderweise, das soll nicht unerwähnt bleiben, steht hier der Cowboy neben dem Wort Legends, während der Ureinwohner Amerikas auf 105 Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit..

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der gegenüberliegenden Seite das Wort West begleitet. Dies suggeriert, dass die wahren Helden des Westens dann doch wieder die Cowboys sind und die Indigenen die Verlierer, die gen Westen getrieben wurden, bleiben. Abbildung 57: Robert C. Buitrón als Kind mit Sombrero, Fransenjacke und Pistolen. Indiana Harbor in East Chicago, Indiana, oder Laredo, Texas, ca. 1958.

Quelle: Archiv des Fotografen. © Robert C. Buitrón

Bevor ich auf ein weiteres Bild aus der Fotoserie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) eingehe, ist es wichtig zu erwähnen, dass die Kindheitserfahrungen des Fotografen die Grundlage dieser einzigartigen Serie bilden. Robert C. Buitrón stammt sowohl von den in den USA lebenden Mescalero Apachen106 als auch von den Purepechas107 aus Mexiko ab und wurde 1953 in 106 Die Apachen waren der größte im amerikanischen Südwesten der USA lebende Nomadenstamm und somit auch der größte Volksstamm, der sich um 1880 der Regierungskontrolle unterwarf. Ihr Name leitet sich vom Zuni-Wort apachu ab und bedeutet »Feind«. Es gibt bei den Apachen diverse Untergruppen: Aravaipa, Chiricahua, Cibecue, Icarilla, Kiowa, Lipan, Tonto, Western, White Mountain und schließlich die Mescalero Apachen, deren Name »Leute des Mescal« bedeutet. Heute gibt es noch knapp 60.000 Apachen In: Hack, Joachim. Das große Buch Der Indianer, Alle Stämme –Alle Kriege. 2 vols. Königswinter: Lempertz, 2009, S. 15. 107 Die Purepechas, welche von den spanischen Eroberern Tarasken genannt wurden, leben im zentralen Teil des mexikanischen Bundesstaates Michoacán. Historisch be-

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Chicago, Indiana, geboren108. Damals erfreuten sich Western-Filme und TVSerien größter Beliebtheit, was mit der indigenen Herkunft des Fotografen und seiner persönlichen Familiengeschichte verschmolz. Sein Großvater Antonio Aguirre Oltiveros arbeitete als Planwagenfahrer eines texanischen Fuhrunternehmens um 1916 herum, was Buitrón bereits seit frühster Kindheit mit der Hilfe von Hollywood gerne mystifizierte und romantisierte. Der Großvater bezeichnete sich selbst damals stets als Mexicano, seinem Enkel hingegen wäre es lieber gewesen, wenn er sich auf seine indigenen Wurzeln bezogen hätte. Denn dann wäre auch er ein Native American, zumindest teilweise.109 Buitrón erinnert sich: »After all, television, Hollywood, and history textbooks relegated Mexicans to the margins of frontier myth, portraying them as untrustworthy half-breeds. So, like others boys, I leaped innocently into the marketing control of Disney and company wearing coonskin caps, buckskin jackets, and cowboy boots [Abb. 57]. We hunted the streets, yards, and railroad woodlands like Davy Crockett. We hunkered down and scanned the horizon for Indians like seasoned John Waynes, ready to die with our boots on. But not one Mexican existed in the shadows of the American presence and the Indian absence. Only later did I realize that the American frontier myth did not provide any other choice; the protagonists were either cowboys or Indians. Although Hollywood employed Mexican actors, there were very few Mexican heroes or heroines on the screen. Whom should I emulate? The dirty, untrustworthy mestizo, or the lazy, docile Mexican? If Ricardo Montalban could play Indians, why couldn’t I? Didn’t I have a legitimate ancestral claim? These questions do not have easy answers, especially for a Chicano with Indian ancestry raised by American popular culture. […]«110

trachtet gelten ihre Mitglieder als eine der stärksten Gegner der Azteken. Sie halten bis heute mit großem Stolz an ihren prähispanischen Gesellschaftsstrukturen fest und sind insbesondere für ihr traditionell aus Kupfer hergestelltes Kunsthandwerk berühmt. Siehe auch: http://www.cdi.gob.mx/index.php?option=com_content&task =view&id=604&Itemid=62 (14.01.2015). 108 Während seine Abstammung von den Apachen nicht ganz sicher ist und lediglich über familieninterne Kommentare seitens seiner Großmutter überliefert wurde, gibt es keinen Zweifel über seine Purépecha-Herkunft. Allerdings, so Buitrón, war es für ihn damals als ein von Hollywood-Filmen beeinflusstes Kind spannender sich mit den Apachen zu identifizieren, weil es einfach romantischer war als der Gedanke von Purépechas abzustammen. In: Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit.. 109 Noriega, op. cit., S. 24. 110 Ibidem.

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Abbildung 58: Pancho (rechts), gespielt von Leo Carrillo (1881-1960). Film Still aus »The Cisco Kid« (1950-56).

Quelle: www.fiftiesweb.com/tv/cisco-kid-1.jpg (18.06.2014)

Für die Serie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) hat Buitrón sich von zwei Western-Serien, The Cisco Kid (Abb. 58) und The Lone Ranger (Abb. 59), inspirieren lassen. The Cisco Kid basiert auf der Kurzgeschichte The Caballero’s Way von O. Henry und wurde bereits 1904 veröffentlicht. Im Fernsehen war die Hauptfigur zum ersten Mal 1929 in In Old Arizona mit Warner Baxter, welcher die Rolle des Cisco Kid übernahm, zu sehen. In der TV-Serie The Cisco Kid, welche erstmals 1950 ausgestrahlt wurde, spielte Duncan Renaldo den Cisco Kid und Leo Carillo war als Pancho zu sehen. Die Serie wurde bis 1956 ausgestrahlt. Cisco ist ein spanischer Caballero und Pancho ein Mexikaner, der ihm treu zur Seite steht. Gemeinsam ziehen sie durch die Prärie und verhelfen den Leuten, denen sie begegnen, Robin-Hood-artig zu ihrem Recht.111 Eine sehr ähnliche Konstellation findet sich in The Lone Ranger (1949-1957), wobei Clayton Moore einen maskierten Ranger spielt und Jay Silverheels die Nebenrolle des amerikanischen Ureinwohners Tonto. Auch sie setzten sich gemeinsam für das Recht ihrer Zeitgenossen ein und erleben dabei spannende Abenteuer. Auffällig ist, dass sowohl Pancho als auch Tonto der jeweiligen Hauptfigur bedin111 Siehe auch Nevins, Francis M., und Gary D. Keller. The Cisco Kid: American Hero, Hispanic Roots. Tempe, Ariz.: Bilingual Press / Editorial Bilingue, 2008.

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gungslos folgen und gehorchen. Hollywood stellt Pancho als einen sympathischen, aber korpulenten Trottel dar und Tonto als einen ruhigen und starken Native American, der wenig spricht und durch sein gebrochenes Englisch etwas dümmlich wirkt. Damit erfüllte Hollywood die klassischen Stereotypen von Mexikanern und Indigenen in den Film-Darstellungen der damaligen Zeit. Abbildung 59: Tonto (rechts), gespielt von Jay Silverheels (1912-1980). Film Still aus »The Lone Ranger« (1949-57).

Quelle: www.teepee12.files.wordpress.com/2012/10/the-lone-ranger-original.jpg (18.06.2014)

An dieser Stelle möchte ich gerne kurz die Geschichte des Westerns112 zusammenfassen. Denn der Western gilt als das amerikanische Genre par excellence 112 Jeier, Thomas. Das große Buch vom Wilden Westen. Wien: Verlag Carl Ueberreuter, 2011. Wexler, Bruce. How the Wild West Was Won – a Celebration of Cowboys, Gunfighters, Buffalo Soldiers, Sodbusters, Moonshiners, and the American Frontier. New York: Skyhorse Publishing, 2013. Emmerich, Alexander. Alles Mythos! – 20 Populäre Irrtümer Über Den Wilden Westen. Darmstadt: Konrad Theiss Verlag, 2013. Rebhandl, Bert. Western – Genre Und Geschichte. Wien: Paul Zsolnay, 2007. Slotkin, Richard. Regeneration through Violence: The Mythology of the American Frontier, 1600-1860. Norman: University of Oklahoma Press, 2000. Slotkin, Richard. The Fatal Environment: The Myth of the Frontier in the Age of Industrialization, 1800-1890. Norman: University of Oklahoma Press, 1998. Slotkin, Richard. Gunfighter Nation: The Myth of the Frontier in Twentieth-Century America. Okla-

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und liefert einen elementaren Schlüssel zur Mentalität und Geschichte der Vereinigten Staaten. Der Western spielt immer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, einer Epoche der Landnahme und der Formung eines nationalen Selbstverständnisses. Im Zuge der Besiedelung geht es auch um die Verschiebung einer imaginären Grenze, der Fontier, in Richtung Westen, also um einen Prozess der Zivilisierung der weiten Wildnis, aus welchem typisch amerikanische Tugenden wie das Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit geboren wurden. Darunter litten insbesondere die amerikanischen Ureinwohner, welche als Verkörperung jener Wildnis galten. Neben der Frontier, wird ein weiterer uramerikanischer Mythos geprägt: die Idee von Regeneration through Violence. Das ist der fortlaufende Kampf zwischen Gut und Böse, durch welchen Amerika immer wieder aufs Neue gestärkt wird, und den man in jedem Western wiederfindet. Das zentrale Motiv des Westerns ist die Darstellung der verschiedenen Etappen der Eroberung und Besiedlung des Wilden Westens. Die Erzählungen gehen von der Erschließung des Landes durch die weißen Siedler und dem Bau der Eisenbahnschienen bis hin zu den grausamen Kriegen gegen die Natives, denen man systematisch das Land wegnahm. Auch die Gründung von Städten und die damit verbundenen Konflikte in der Durchsetzung von Recht und Ordnung waren ein wichtiges Thema. In diesem Kontext sind die Town Tamer Stories besonders beliebt. Ein Fremder kommt in die Stadt und trifft dort auf Bösewichte wie z.B. diktatorische Viehbesitzer, durch die andere Bewohner terrorisiert werden. Der Fremde entschließt sich zu bleiben, verhilft den Unterdrückten zu ihrem Recht und zieht erst dann weiter, wenn in der Stadt wieder Ruhe und Ordnung herrscht. In manchen Verfilmungen hat dieser Fremde einen Freund dabei, der ihn tatkräftig unterstützt. Dieser Westernheld wird Westerner113 genannt und bildet die heroisierende Verkörperung des nordamerikanischen Individualismus. Er kann beispielsweise ein Cowboy, Texas Ranger oder Kopfgeldjäger sein. Das entscheidende ist, dass er sich in den Dienst der Gesellschaft stellt und im Sinne des Zivilisierungsprozesses agiert. Der Westerner gilt somit als Grenzgänger zwischen Zivilisation und Wildnis, ohne jemals sesshaft werden zu können. Dadurch wird er in späteren Filmen nicht mehr als Held, sondern oft als gebrochene Figur dargestellt, die nirgendwo völlig dazugehört. In den beiden Western TV-Serien, welche für meine Bildanalyse von El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y

homa

paperbacks

ed.

Norman:

University

of

Oklahoma

Press,

1998.

http://www.film-lexikon.de/Western_(Genre) (26.04.2016). 113 Siehe auch Robert Warshow, »Der Westerner« (1954), in: Rebhandl, op. cit., S. 51-70.

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Tonto) relevant sind, wird diese Einsamkeit des Westeners durch die Anwesenheit von Pancho und Tonto gekonnt ausgeglichen. Die Rolle der nordamerikanischen Ureinwohner ist ebenso entscheidend wie die der Weißen. In älteren Filmen versuchte man die gewaltreiche Aneignung des Landes dadurch zu legitimieren, indem man die Indigenen als grausame Barbaren darstellte, die den Pionieren im Weg standen. Erst in den 50ern bildete sich mit den sogenannten Indianerwestern ein wichtiges Subgenre heraus. Fortan wurden die Ureinwohner nicht mehr nur als Bedrohung für die junge Zivilisation gesehen, sondern man fing an ihre Kultur positiv darzustellen. Doch selbst in »indianerfreundlichen« Western stehen die indigenen Kulturen im Schatten eines weißen Westerners, der als Vermittlungsfigur auftritt; diesmal wird dieser zu einer Art Grenzgänger zwischen den Kulturen. Abbildung 60: »The Renegades« aus der TV-Serie »The Lone Ranger«. Film Stills.

Quelle: DVD-Box »The Lone Ranger – 75th Anniversary Collector’s Edition«, Clayton Moore (Actor), Jay Silverheels (Actor), George Archainbaud (Director), 13 DVDs, Classic Media, May 2016.

Das wichtigste optische Stilmittel des Westerns ist die Panorama-Einstellung der Kamera, durch welche die grenzenlose Landschaft des Wilden Westens optimal zur Geltung kommt. Erst in den 50er/60er Jahren rücken die einzelnen Figuren durch extreme Nahaufnahmen in den Mittelpunkt. Die Film Stills aus der Folge The Renegades in der Serie The Lone Ranger, sollen als Beispiel dafür dienen, wie man zur damaligen Zeit versuchte historische Fakten realitätsnach wiederzugeben (Abb. 60). Nachdem es im Washita-Reservat zu Diebstählen von Le-

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bensmitteln gekommen war, die man den dort lebenden Cheyenne zugeteilt hatte, wird ein Friedensbeauftragter aus Washington zur Klärung des Problems hingeschickt. Der Häuptling der Cheyenne hat währenddessen per Rauchzeichen seinen Freund Tonto um Hilfe gebeten. Die beiden wenden sich an die Verantwortlichen vor Ort und werden festgenommen, während der Lone Ranger die gestohlene Ware sucht und auch findet. In einer Szene wird Tonto gerade von einem desertierten Soldaten ausgepeitscht, als der Regierungsbeauftragte im Reservat eintrifft und eingreift. Schließlich gelingt es ihm mit Hilfe des Lone Rangers die Gefangenen zu befreien. Wie jede Folge, endet auch diese mit einem Happy End und dem Sieg der Guten über die Bösen. Abbildung 61: »Hidden Valley« aus der TV-Serie »The Cisco Kid«. Film Stills.

Quelle: DVD-Box »Best of The Cisco Kid (35 Episodes)«, Duncan Renaldo (Actor), Leo Carillo (Actor), Derwin Abrahams (Director), 3 DVDs, Mill Creek Entertainment, January 2008.

In The Cisco Kid wird das Thema des Wilden Westens weniger historisch fundiert und dafür mit sympathischem Humor wiedergegeben. Eine Besonderheit ist, dass The Cisco Kid die erste Western-TV-Serie war, die komplett in Farbe produziert wurde. Allerdings gibt es kaum Folgen, in denen nordamerikanische Ureinwohner vorkommen. Diese Film Stills hier sind aus der Folge Hidden Valey, in der amerikanische Ureinwohner für einen ehemaligen Schiffskapitän arbeiten und eine negative Nebenrolle besitzen (Abb. 61). Der Kapitän hält auf seinem Land weiße Gefangene als Arbeiter fest, auch Cisco und sein Freund

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Pancho gelangen dort hin, können sich allerdings zusammen mit den anderen Gefangenen befreien. In fast jeder Folge gibt es nur eine einzige Frau114, die unter den zahlreichen Männern dann allerdings eine Schlüsselrolle besitzt. Hier ist es die Nichte des Kapitäns, die sich in einen der Gefangenen verliebt hat und ihnen nach einem Kampf gegen den Kapitän und seine Verbündete hilft zu entkommen. Filmhistorisch lassen sich zum Western drei klassische Phasen zusammenfassen. Erstens, die naive Phase, welche von Anfang des 20. Jahrhunderts bis etwa 1925 reichte. Die Filmdarstellungen fokussierten sich auf akrobatische Reitszenen und spektakuläre Schießereien, während die Charaktere zweitranging waren. Der epische Western prägte die zweite Phase, welche von ca. 1925 bis 1940 ging. Hier lag der Themenschwerpunkt auf der Eroberung des Wilden Westens, d.h. es ging um den schweren Kampf gegen Natur und Ureinwohner. Wurde zuvor noch in den Studios gedreht, so fing man hier an im Freien zu arbeiten. Die Landschaft wurde als wichtigstes Stilelement des Westerns entdeckt. Die dritte Phase umspannt die Jahre 1940 bis 1950. Im dramatischen Western konzentrierte man sich auf spezifische Konflikte in einsträngigen Handlungen und nicht mehr, wie es im epischen Western der Fall war, auf großangelegte Unternehmungen wie z.B. den Prozess der Landbesiedelung. Jetzt konnte eine Hauptfigur in den Mittelpunkt rücken, wodurch die Figurenzeichnung differenzierter wurde. Deshalb werden dramatische Western auch psychologische Western genannt. Bei späteren Produktionen spricht man von Spätwestern, einerseits aufgrund ihres späten Auftretens in der Filmgeschichte und andererseits, weil es den Wilden Westen schon lange nicht mehr gab. Die Filmemacher näherten sich dem Thema fortan mit einer gewissen Melancholie. In den 60er Jahren rückt der Spätwestern dann auch das Verhältnis der Weißen den Natives gegenüber gnadenlos ins ehrliche Licht und zeigt den Kampf sogar als Völkermord an.115 Buitrón seinerseits möchte nicht, dass die Mexikaner und Indigenen immer zu den Verlierern gehören und negativ dargestellt werden. Darum holt er Pancho und Tonto aus ihren Nebenrollen heraus und lässt sie fortan gemeinsam über ihr Schicksal entscheiden. In Tonto Asks Pancho If He's más indio que español stehen sie sich nun gegenüber und mustern sich (Abb. 62). Dabei wird der Bildtitel zu einem essentiellen Bestandteil, da rassistische Beschimpfungen wie »eres más indio que español« oder »his Indian is coming out now«116 nicht selten vorkommen und somit auch den Chicano-Fotografen gut bekannt sind. Spricht man derartige Beleidigungen aus, bezieht man sich nicht nur auf das typisch indigene 114 Siehe auch Pam Cook, »Frauen und der Westen« (1988), in: Ibidem, S. 82-92. 115 http://www.film-lexikon.de/Western_(Genre) (26.04.2016). 116 Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit..

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Aussehen vieler Amerikaner, sondern auch auf ein wildes, »unzivilisiertes« Verhalten, welches man nicht zuletzt dank der populären Hollywood-Darstellungen insbesondere den amerikanischen Ureinwohnern zuschreibt. Abbildung 62: »Tonto Asks Pancho If He's más indio que español« (1995) von Robert C. Buitrón.

Quelle: Archiv des Fotografen. © Robert C. Buitrón

Hier möchte Tonto herausfinden, wie indigen sein mexikanischer Freund Pancho tatsächlich ist. Darum wird Pancho nach den Regeln der Phrenologie117 genau vermessen. Die Messung übernehmen Pocahontas und ihr Assistent, welche di117 »Die Phrenologie (von griechisch φρήν phrēn, Genitiv φρενός phrenós, ›Geist, Gemüt, Zwerchfell‹ und λόγος lógos ›Lehre‹) ist eine zu Beginn des 19. Jahrhunderts von dem Arzt und Anatom Franz Joseph Gall (1758–1828) begründete topologisch ausgerichtete Lehre, die versuchte, geistige Eigenschaften und Zustände bestimmten, klar abgegrenzten Hirnarealen zuzuordnen. Dabei wurde ein Zusammenhang zwischen Schädel- und Gehirnform einerseits und Charakter und Geistesgaben andererseits unterstellt. Sie ist durch ihre ideologisch ausgerichtete Herangehensweise das prototypische Beispiel einer Pseudowissenschaft, stellt aber einen wichtigen Vorläufer und Bezugspunkt der modernen Neuro- und Kognitionswissenschaften dar. […]« In: https://de.wikipedia.org/wiki/Phrenologie (28.04.2016).

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rekt neben Pancho und Tonto stehen. Sie nutzen zwei Maßbänder und eine Schablone, um den genauen Kopfumfang und die Form zu ermitteln. Tonto schaut dabei gespannt zu und findet, dass die Größe von Panchos Gehirn nicht dem eines Spaniers entspricht, was als Kritik am intern existierenden Rassismus in der eigenen Gruppe zu verstehen ist. Dies ist beeinflusst durch die externe Diskriminierung, welche zeitgleich einwirkt.118 Die indigene Präsenz in dieser Szene wird durch das dominante Wandgemälde im Hintergrund verstärkt. Dort sind, ebenfalls im Profil, drei Köpfe aneinandergereiht, um so die äußerliche Ähnlichkeit zwischen mexikanischen und nordamerikanischen Indigenen besser darstellen zu können. Durch diese Hervorhebung wird ein klarer Schwerpunkt sowohl auf die physischen als auch kulturellen Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen indigenen Völkern Amerikas betont und gleichermaßen eine inhaltliche Verbindung zur Szene im Vordergrund hergestellt. Buitrón erklärt: »This is a mural, I don’t know if it still exists, it’s a mural that is in Chicago that might have been done from a long time, either from late 1960s or early 1970s, and I really wanted to have that as a background. Again dealing with the indigenous and I really liked that little graffiti here… well, it’s not really graffiti, but… no tiren basura. I thought that it was very ironic. I chose it, because of again… Indians and Mexicans are only good for certain things and then you are tossed away whether you’re… if you’re Black, if you’re Asian or somehow you are poor, you are only useful and then you are discarded. There is another interesting issue. There is that debate between the indigenous from the United States and Canada versus the indigenous of Mexico and the rest of Latin America, because again it has to do with how American culture has pretty much influenced, even the indigenous here… I’ve read stories, where Indians were watching Westerns and of course, they were rooting for the cowboys, because I don’t think anybody wants to loose. Everybody wants to win. The losers die and if you’re Indian, you’re a dead Indian and if you’re an Anglo, so you’re the winner. It’s been a slow I guess process for the indigenous here in the United States to come to accept the indigenous from Mexico and Latin America, a lot of Zapotecs and Mixtecs are here and they have their own language, although they speak Spanish, there could be a clash between one indigenous and other indigenous from Mexico. So it’s a manner of perception, because the indigenous from Mexico don’t live in reservations. It‘s very complicated.«119

118 Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit.. 119 Ibidem.

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Abbildung 63: »Malinche y Pocahontas contando la historia de Pancho y Tonto« (1995) von Robert C. Buitrón.

Quelle: Archiv des Fotografen. © Robert C. Buitrón

Die Geschichte von Pancho und Tonto wird bezeichnender Weise von Malinche (ca.1505–ca.1529) und Pocahontas (ca.1595–1617) erzählt, welche von Buitrón eigens für diesen Zweck in die heutige Zeit transferiert werden (Abb. 63). Beide Frauen spielten beim Kontakt der Europäer mit den Indigenen eine entscheidende Rolle in der Kulturgeschichte Amerikas, Malinche in Mexico und Pocahontas in den USA. Man schreibt ihnen die Rolle der Verräterinnen an ihren Kulturen gleichermaßen zu wie die der indigenen Vorfahrinnen folgender Generationen. Malinche war die Übersetzerin, Vermittlerin, Ratgeberin, Geliebte und Mutter eines Sohnes von Hernán Cortez (1485–1547), dem spanischen Konquistador und Eroberer Mexikos (1519–1521) sowie späteren Generalgouverneur Neuspaniens (1521–1530). Pocahontas rettete dem britischen Söldner und Abenteurer John Smith (1580–1631) selbstlos das Leben. Smith war Mitgründer von Jamestown, Virginia, der ersten dauerhaften englischen Siedlung in Nordamerika. Die beiden heirateten 1614 und dank ihrer Liaison herrschte in Jamestown jahrelang Frieden zwischen den Kolonisten und den Indigenen Virginias. So wie sie Hernán Cortez und John Smith geholfen haben einen Kontinent zu erobern, so helfen sie nun Pancho und Tonto in Hollywood erfolgreich zu sein.

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Das erste Bild in der Serie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) ist daher Malinche y Pocahontas contando la historia de Pancho y Tonto120. Man sieht Malinche (Lydia Mendoza Huante) und Pocahontas (Susana Sandoval) in einem Café an einem Tisch sitzen, während Pancho (Anthony Castañeda) und Tonto (Encarnación Teruel) sich im Hintergrund befinden. Buitrón schreibt: »In 1995, the year I made the Malinche y Pocahontas image, Disney released its animation film Pocahontas. The film generated discussion about the myths and accounts surrounding Pocahontas, especially within the Native American community. It prompted me to ask: What if the most important woman in the conquest history of the Americas, known as Malinche, had not made contact with the Spaniards and Hernán Cortés? Could the Aztecs have negotiated a more favorable outcome? If this had occurred, would there still have been a Jamestown and the appearance of perhaps the second most important woman in the conquest of the Americas, popularly known as Pocahontas? Imagining that scenario, I think little would have changed historically. I imagined another scenario. What if Malinche and Pocahontas could meet and exchange their stories of what transpired? They would tell their accounts through two characters that represent that moment of intersection and collision between natives and foreigners, as filtered and disseminated through Hollywood, radio, and television. The construction of this scenario and image hinged on a complex critical question: How would I channel the premise of my visual narrative – which conflates U.S. history as presented in the U.S. education system, the portrayal and treatment of Mexicans and Indians in the media, the way I saw 120 Zum Bildtitel sagt Buitrón folgendes: »I changed the title from Malinche y Pocahontas chismeando con Powerbooks to Malinche y Pocahontas contando la historia de Pancho y Tonto after exhibiting the series for the first time in the exhibition From The West, Chicano Narrative Photography, at The Mexican Museum, 1995. The change occurred for two main reasons. First, the old title contributed to a stereotype of women, as unrelenting chatterboxes, making them second-class people and subordinates in all male-dominated systems (e.g. society, movie industry, economics, etc.). This depiction contradicted the notions I was addressing in the series – the portrayal and perception of Mexicans and Indians as inferior second-class people. Second, I changed the sequence of the images, choosing Malinche y Pocahontas as the beginning. I wanted women, especially these two women who played a major role in history, to be in the forefront of a story that history and cultural practice had diminished or ignored them in or excluded them from.« In: Robert C. Buitrón, »Malinche y Pocahontas, Breaking out of the Picture«, in: Baugh, Scott L., und V. A. Sorell. Born of Resistance: Cara a Cara Encounters with Chicana/o Visual Culture. Tucson: The University of Arizona Press, 2015, S. 213.

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this interaction played out in my extended family, and the compression of 500 years – into a satire that examines memory, media, and message? So where should they meet to brainstorm and record an accounting? A coffee house is the place to hang out in the 1990s. To establish themselves as contemporary with the times, they bring their laptops to create a new corrido, a digital codex. I chose these two women to ›open the scene‹ to the unfolding story as they were not just any two women. These are two women of mythic stature, albeit one, Malinche, as a cursed sellout and the other, Pocahontas, as fetishized princess-savage. Their lives affected the lives of the two protagonists in their corrido; they have an omniscient perspective of what transpired; and their subordinate roles in history parallel the subordinate roles Pancho y Tonto played in The Cisco Kid and The Lone Ranger. As a storytelling device, Malinche and Pocahontas appear as characters in Malinche y Pocahontas contando la historia de Pancho y Tonto, a 16 by 20-inch, black and white, silver gelatin print. Their placement, in the foreground, emphasizes their roles as tellers, creators, and narrators of a story, which by Western quest conventions is always told from a male point of view. Pancho y Tonto occupy the background, annoyed and once again subordinate to a leading role. The coffee house is not a saloon, so they can’t muscle their way to the front to take control. Control is one of the themes of the story and the point for the presence of Malinche and Pocahontas. Malinche and Pocahontas are in control, laughing, energetic, and typing away; and they know the ending. Unfortunately and disappointingly, it’s a Macondo kind of ending, as suggested by the figure wearing a T-shirt bearing the name Macondo.121 The punch line is the knowledge Malinche and Pocahontas possess. One sees it in their expressions and gestures. Theirs is a sense of confidence that is absent in Tonto y Pancho. These are two women who know what to do and how to succeed. They’re finally in the limelight and not letting go. The picture captures them in the middle of an exchange of ideas, inspiring one another. They’re hot on the trail of a bewildering plot. Perhaps they’re conjuring a scene where Roy Rogers and Dale Evans cross the border, play second fiddles to Pedro Infante or Vicente Fernández, or maybe Roy and Dale pick lettuce to the soundtrack of ›Happy Trails‹.«122

121 »Macondo is the fictional town in Gabriel García Márquez’s One Hundred Years of Solitude and other stories, home to his Buendía family. Macondo follows a type of ›course of empire‹, starting as a sleepy village, growing to a thriving city centered by a banana plantation, and eventually falls and is swept from the map by windstorm.« In: Ibidem. 122 Ibidem, S. 211/212.

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Malinche und Pocahontas stehen im Mittelpunkt des Geschehens und werden durch das einfallende Licht effektvoll in Szene gesetzt. Pocahontas sitzt auf der linken Seite, trägt ein schwarzes Kleid und hat eine Feder im Haar, welche an ihrem Hinterkopf deutlich zu sehen ist. Sie schaut Malinche lächelnd an, als würde sie ihr gerade von einer spannenden Idee erzählen, während ihre Freundin ihr interessiert zuhört. Malinche trägt einen hellen Poncho mit weiten Ärmeln und darunter einen langen gemusterten Rock. Das Oberteil von Malinche kontrastiert farblich mit dem schwarzen Kleid von Pocahontas. Schaut man sich ihre Laptops an, so verhält es sich genau umgekehrt, d.h. Malinche hat das dunkle und Pocahontas das helle Gerät. Das trifft auch auf die Stühle zu: Pocahontas sitzt auf einem weißen und Malinche auf einem schwarzen. Dadurch wird geschickt für einen deutlichen Kontrast in Bild gesorgt. Währenddessen warten Pancho und Tonto im Hintergrund darauf, dass ihre Geschichte beginnt. Tonto steht hinter Pocahontas und Pancho hinter Malinche, wodurch dazwischen eine imaginäre Vertikale entsteht, fast wie eine Grenze zwischen den USA und Mexiko. Tonto steht in gelassener Körperhaltung an der Theke des Cafés und präsentiert seine Pistole mit leuchtend weißem Griff, die sich im Halfter befindet. Er trägt dabei eine Sonnenbrille, möglicherweise geblendet von der Macht, die Pocahontas und Malinche hier ausstrahlen. Pancho sitzt an einem Tisch und schaut etwas gelangweilt zur linke Seite ohne dabei Tonto anzuschauen. Er hält sich an einem leeren Glas mit weißem Strohhalm fest, als ob er bereits eine längere Wartezeit hinter sich hätte und über eine weitere Bestellung nachdenkt. Pancho und Tonto kommunizieren nicht miteinander, haben keinen Augenkontakt mit dem Betrachter und noch weniger dürfen sie Pocahontas und Malinche stören. Vielmehr verschwimmen sie im dynamischen Bildhintergrund. Jennifer A. González fasst zusammen: »In El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto), Buitrón offers a set of impossible spatial and temporal conjunctions in order to explore the ways Hollywood archetypes developed within a system of inequality, not only for Indians but also for Mexicans and Mexican Americans. Eight staged photographs place two figures (friends of the artists in costume) in a series of face-offs; overall the Mexican Pancho comes out a little less valued than the Indian Tonto in scenes like a casting call titled Seeking Indians – Mexicans Need Not Apply. […] […] Several spatial registrars operate in the overall series: the mythological Western frontier of Americas, the psychic landscape produced by film and mass media as kind of extended horizon of cultural possibility, the modern-day city where such histories and memories collide (i.e., the Jumping Bean café in Chicago), and the domestic sphere where such

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myths are maintained by individual families (see other images in the series, such as Identity Surfing and Pancho y Tonto Exchange Birthday Gifts). Each topology locates the formulation and maintenance of these trans historical imaginary subjects and the photographs work to create the artificial condition of their meeting.«123

Obgleich dieser Text von González erst kürzlich veröffentlicht wurde, spricht sie von acht Einzelaufnahmen und benutzt den alten Bildtitel Pancho y Tonto Exchange Birthday Gifts anstatt The Endorsements, was daran liegt, dass sie von der Ausstellung From The West im The Mexican Museum (1995) ausgeht. González veröffentlichte damals im gleichnamigen Ausstellungskatalog einen Essay mit dem Titel Negotiated Frontier: Contemporary Chicano Photography124. Allerdings hat Buitrón, wie sich 2015 in meinem Interview mit ihm herausstellte, die Fotoserie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) inzwischen modifiziert. Im Moment hat der Fotograf die Reihenfolge der Bilder sowie die Bildtitel wie folgt gestaltet: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Malinche y Pocahontas contando la historia de Pancho y Tonto, Schwarz-Weiß-Fotografie, 1995 Tonto Asks Pancho If He’s más indio que español, Schwarz-Weiß-Fotografie, 1995 Identity Surfing, Farbfotografie, 1995 Missing Legends of the West, Farbfotografie, 1995 Seeking Indians – Mexicans Need Not Apply, Schwarz-WeißFotografie, 1995 T.P. Network Colorizes ›Stagecoach‹, Farbfotografie, 1995 The Endorsements, Farbfotografie, 1995 Happy Trails, Farbfotografie, 1995 Cisco Kid, Farbfotografie, 1995

Die aktuellste Version der Serie El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) besteht jetzt also aus insgesamt neun Einzelaufnahmen125, aber nur die

123 Jennifer A. González, »Topographies of the Imaginary«, in: Baugh und Sorell, op. cit., S. 218/219. 124 Jennifer A. González, »Negotiated Frontier: Contemporary Chicano Photography«, in: Noriega, op. cit., S. 17-22. 125 Die Einzelaufnahmen wirken mitunter wie Film-Stills, was einen Vergleich mit Cindy Shermans Arbeiten nahelegen würde. Allerdings sagt Buitrón dazu folgendes: »I never considered them film stills. The funny thing about that, when some people saw

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drei bereits beschriebenen sind sowohl in den Printmedien als auch im Internet veröffentlicht. Die Fotografie Cisco Kid ist bislang unveröffentlicht und die restlichen findet man lediglich in den Printmedien. Von den neun Fotografien sind sechs in Farbe und drei in Schwarz-Weiß, was unter anderem damit zu tun hat, dass die TV-Serien The Cisco Kid in Farbe und The Lone Ranger in schwarzweiß produziert wurden. Gleichzeitig sollen damit auch Flashbacks, eine in der Filmproduktion gängige Technik, simuliert werden126. Es bleibt abzuwarten, ob die Fotoserie in dieser Form bestehen bleibt oder erneut verändert wird, denn Buitrón besitzt in seinem Archiv zahlreiche aussortierte Aufnahmen, die bislang noch nicht digitalisiert und veröffentlicht wurden. Ebenso interessant wird es sein zu sehen, wie Buitrón in der Zukunft seine Internet-Präsenz gestaltet und ob er eine Website einrichtet, da insbesondere diese durch regelmäßige Aktualisierungen zur perfekten Quelle für die jeweils neuste Version von El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) und anderer Projekte werden könnte.

S OLIDARITÄT Die Solidarität seitens der Chicano-Fotografen mit den zeitgenössischen indigenen Einwanderern aus Mexiko spiegelt sich in zahlreichen Fotoserien wider. Ihre Arbeiten basieren nicht nur auf historischen und politischen Fakten, sondern insbesondere auf den eigenen Erfahrungen als Immigranten, ob sie diese nun persönlich gesammelt oder von Verwandten und engen Freunden erzählt bekommen haben127. Trotz dieser imposanten Fotoserien und der Tatsache, dass die Chicanos seit jeher um soziale Gleichberechtigung kämpfen, wirft sich die Frage auf,

this for the first time they asked who my influence is and they were very disappointed, maybe a little disturbed, that I never attributed Cindy Sherman for this series, but Cindy Sherman was not an influence. Although she had done this. This is almost like fifteen years later, when Cindy Sherman started doing her film stills, so it never occurred to me. It wasn’t intended to be a film still. It was more of a performance, because I directed my performers, I explained them what I wanted to do and not unlike Cindy Sherman, I mean she got costumes, she had small sets sometimes, but I’ve never seen it as a film still. I’ve seen them as performances and some of the artist friends they saw it as performance as well.« In: Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit.. 126 Ibidem. 127 Siehe auch »Identität«.

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wie aktiv sie tatsächlich sind, wenn es um die Rechte der Indigenen heute geht? Außerdem interessiert mich, wie intensiv ihr persönlicher Kontakt zu den Indígenas aus Mexiko sowie den Native Americans in der USA ist. Denn längst nicht alle Fotografen, die ich im Rahmen der vorliegenden Arbeit interviewt habe, haben Aufnahmen von Indigenen und ihrer Kulturen in das eigene Œuvre eingeschlossen. Vorweg lässt sich konstatieren, dass zwar alle Fotografen, mit denen ich gesprochen habe, die Immigration befürworten, allerdings nur die wenigsten wie z.B. David Bacon und Orlando Lara sozialpolitische Aktivisten sind, die sich engagiert für die Rechte der indigenen Einwanderer einsetzen. Einige weisen auf die schwierige wirtschaftliche Lage Mexikos und den damit verbundenen bloßen Kampf ums Überleben der Bevölkerung hin, während andere daran erinnern, dass Amerika historisch betrachtet den Ureinwohnern gehört und sie somit ein legales Anrecht auf dieses Land haben. Die in Texas lebende Künstlerin Lupita Murillo Tinnen, z.B., meint: »I feel like that everybody deserves a chance. Some people think we can’t have everybody here, and I think why not. I always feel so bad for the people who… they go through so much to make it here and why can’t they have a chance, too? People say, they should do it the legal way, but that’s easier said than done. For these people who have very little, there is no easy way for them; there is no legal way for them to do it. So, I personally think we should let them come.«128

Art Meza, der in Kalifornien wohnt, sagt: »Immigrants or anyone who’s coming to L.A. or to the United States… That’s what the United States is for and that is what it was built on. People are looking for a better opportunity. You can’t blame people for that. I understand, when people say you have to do it the right way, you have to… but I‘m not for hating on people, I’m not for hating a group of people, like all the Donald Trump[129] stuff. People are just looking for a better life,

128 Interview mit Lupita Murrillo Tinnen, op. cit.. 129 Der US-amerikanische Unternehmer und 45. Präsident der USA Donald Trump war 2015 aufgrund hassschürender und diskriminierender Kommentare gegenüber mexikanischen Einwanderern aufgefallen. Er sagte unter anderem: »When Mexico sends its people, they’re not sending their best. They are not sending you. They are not sending you. They are sending people that have lots of problems with us. They’re bringing drugs. They’re bringing crime. They’re rapists. And some, I assume, are

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mothers and fathers looking for a better life for their kids. How can you blame people like that? I think, when you get to know people personally, it’s a different story. You don’t just see things from the outside, you begin to see things from the inside and how this people really are. I think that is what’s important. Just give people a chance.«130

Wie sich gleich zeigen wird, ist der persönliche Kontakt zwischen den ChicanoFotografen mit den Indigenen auf beiden Seiten der Grenze zwischen Mexiko und den USA weniger intensiv als man vermuten mag. Auch Meza selbst gibt zu, dass er keine Verbindung zu den indigenen Einwanderern hat, was ihn ebenso wie viele andere der Fotografen zu einem eher passiven Sympathisanten der Immigranten macht. Das Thema Diskriminierung kommt umgehend auf, sobald man sich mit Minderheiten innerhalb einer dominierenden Gesellschaft beschäftigt. Oft wird die Situation der Mexican Americans als derzeit zweitgrößte Minderheit der USamerikanischen Gesellschaft diskutiert oder die Diskriminierung der Angloamerikaner gegenüber den Mexikanern und den Native Americans besprochen. Doch man hinterfragt nicht, ob von den Chicanos ein ähnliches Verhalten gegenüber anderen Minderheiten oder gar den Angloamerikanern existiert131. Mich interessiert an dieser Stelle, ob es zwischen den Chicanos und den Indigenen jegliches diskriminierendes Verhalten gibt und von welchem Charakter dieses ist. Der Fotograf Robert C. Buitrón hinterfragt das Thema wie folgt: »The notions and practice of racism, prejudice, and discrimination within the Chicano and Mexican community revealed contradictions and hypocrisy. How could a group claim discriminatory treatment in the U.S. when they practiced it themselves, a custom developed over 508 years? For me this also raised questions about the relations and perceptions American Indians have towards Mexicans and vice versa. Do American Indian peoples accept Mexicans as having an indigenous heritage; and why do some Mexicans in the U.S. capitalize on an indigenous heritage spiced up with New Age tendencies, American Indian mannerisms, and tourist-style fade when back in Mexico they may have avoided anything blatantly indígena?«132

good people.« In: http://www.huffingtonpost.com/entry/9-outrageous-things-donaldtrump-has-said-about-latinos_us_55e483a1e4b0c818f618904b (22.04.2016). 130 Interview mit Art Meza, Los Angeles, 14. Oktober 2015. 131 Siehe »Identität«. 132 Künstler-Statement, in: http://latinoartcommunity.org/community/ChicArt/ArtistDir/ RobBui.html (21.04.2016)

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Rassismus und Diskriminierung sind dermaßen komplexe Themenbereiche, dass es unmöglich ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit alle Aspekte zu klären. Vielmehr geht es mir darum, die persönlichen Meinungen der Fotografen und Fotografinnen zusammenzufassen. Darum wollte ich von ihnen wissen, was sie über die Beziehung zwischen den Chicanos und den Indigenen denken und ob sie eine Art der Diskriminierung beobachtet haben. Chuy Benitez133, Gregory Bojorquez134, Kathy Vargas135, Ken Gonzales-Day136 und Oscar Castillo137 haben dies nicht bestätigt und David Bacon meint, dass die Chicano-Bewegung den zuvor durchaus existierenden Rassismus seitens der Mexican Americans gegenüber den Indigenen eliminiert hat. Tina Hernández ist in Houston, Texas, ansässig und sagt: »With what I have seen on Facebook lately, it seems to me that more and more Chicanos are talking about connecting with their Indigenous roots and have a high respect for indigenous people. They are rejecting Anglo-American roots due to their opposing views on concepts such as capitalism and how they feel the system works against most people of society. When I hear and participate in these kinds of conversations, we talk about how indigenous people are more connected to the mother earth, nature, the universe, and the Creator than other people. That lifestyle benefits humans and society better as a whole. You have more respect for your environment and for people. You take care of each other better as a community than as individually. You are more independent from the system in the sense that you grow more of your own food and have your own animals. That lifestyle is more holistic. The discrimination I have heard from time to time is the discrimination against Mexicans from Mexican-Americans. Perhaps due sometimes to a language barrier. Not every Mexican-American speaks Spanish. Discrimination sometimes due to that there are some Mexican-Americans that do not sympathize easily with the issue of immigration and they believe immigrants shouldn’t be allowed here illegally.«138

Während Delilah Montoya139, Diana Molina140 und Oscar Lozoya141 sich hinsichtlich der Diskriminierung unschlüssig sind, gibt es für Isabel Avila142, Don

133 Interview mit Chuy Benitez, Houston, 25. März 2015. 134 Interview mit Gregory Bojorguez, Los Angeles, 12. Oktober 2015. 135 Interview mit Kathy Vargas, op. cit.. 136 Interview mit Ken Gonzales-Day, Los Angeles, 02. November 2015. 137 Interview mit Oscar Castillo, Los Angeles, 30. September 2015. 138 Interview mit Tina Hernández, Houston, 17. April 2015. 139 Interview mit Delilah Montoya, Houston, 06. April 2015.

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Bartletti143, Miguel Gandert144, Andrew Ortiz145, Lupita Murillo Tinnen146, Angel Lartigue147, Jesus Manuel Mena Garza148, Joe Medina149, Xavier Tavera150, Harry Gamboa151 und Orlando Lara152 diesbezüglich keinerlei Zweifel. Sie weisen deutlich darauf hin, dass die Indigenen generell diskriminiert werden und den Einwanderern im Speziellen noch nicht genug Unterstützung entgegengebracht wird. Einige Chicanos seien sogar konsequent gegen den Zustrom von neuen Arbeitskräften, was die Situation der Indigenen zusätzlich erschwert. Dies würde insbesondere für diejenigen Leute zutreffen, welche der zweiten und dritten Chicano-Generation angehören, da diese stärker in die US-amerikanische Gesellschaft integriert sind als andere. Die Chicano-Fotografen, dies sei zum Vergleich erwähnt, gehören zur ersten und zweiten Generation oder stammen aus Familien, die bereits vor dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg (1846-1848) im Südwesten der USA ansässig waren. Murillo Tinnen, die zur ersten Chicano-Generation gehört, sagt: »I think there still exists a lot of discrimination, especially if you are darker skinned. I feel like people that a darker skinned still get discriminated against, no matter who they are. I think even within the culture indigenous people have been discriminated against, absolutely. And that’s another reason why I did the Brown Identity[153], because there are very brown people and there are very white people and they are really the same but they are not treated as the same.«154

Orlando Lara sagt basierend auf seiner Erfahrung als Chicano-Aktivist folgendes: 140 Interview mit Diana Molina, El Paso, 05. September 2015. 141 Interview mit Oscar Lozoya, op. cit.. 142 Interview mit Isabel Avila, op. cit.. 143 Interview mit Don Bartletti, Carlsbad (Kalifornien), 24. Oktober 2015. 144 Interview mit Miguel Gandert, Albuquerque, 31. August 2015. 145 Interview mit Andrew Ortiz, Arlington (Texas), 03. April 2015. 146 Interview mit Lupita Murrillo Tinnen, op. cit.. 147 Interview mit Angel Lartigue, Houston, 07. Mai 2015. 148 Interview mit Jesus Manuel Mena Garza, Fort Worth (Texas), 04. April 2015. 149 Interview mit Joe Medina, Los Angeles, 20. Oktober 2015. 150 Interview mit Xavier Tavera, Minneapolis / Los Angeles, 19. Oktober 2015. 151 Interview mit Harry Gamboa, Los Angeles, 30. Oktober 2015. 152 Interview mit Orlando Lara, op. cit.. 153 Siehe »Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity«. 154 Interview mit Lupita Murrillo Tinnen, Plano (Texas) / Houston, 16. April 2015.

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»There are Chicanos that are more… I would say kind of old-school Chicanos. They identify as Chicano but also they are very pro-military, very pro USA, a little bit sexist, very pro law-enforcement… How they even identify as Chicano? Where did this come from? I don’t know if it is a Houston version or a Texas version, but there are guys…There is a Chicano identity that is a little more conservative that doesn’t have any connections to indigenous. Sometimes they are against the immigrants and support deportation, too. – Yes, that’s a Texas version of Chicanismo.«155

Ein Artikel von León Krauze im The New Yorker vom 20. März 2016 berichtet über eine in Kalifornien lebende mexikanisch-amerikanische Familie und ihr aktuelles Oberhaupt John Castillo, dessen Vater 1963 aus Tijuana eingewandert ist und dessen Geschichte sich kaum von der vieler Chicanos unterscheidet. Castillo ging zu den Marine Corps, diente in Japan und Singapur. Er berichtet, dass vielleicht die Hälfte der Kameraden Hispanos waren und der Drill laut, kraftvoll und motivierend war. Anfangs war er Demokrat, aber jetzt ist er konservativ und ein Republikaner. Dieser politische Wandel, so sagt er, kam durch die Zeit bei der Marine. Damit zählt er zu den 14% von Hispano-Wählern, die während der USPräsidentschaftswahlen 2016 definitiv den republikanischen Kandidaten unterstützen werden156. Der Grund, warum Castillo plant Donald Trump zu wählen,

155 Interview mt Orlando Lara, Houston, 12. April 2015. Tatsächlich gibt es nicht nur in Texas konservative Chicanos, sondern auch in anderen Regionen der USA. Dies sieht man z.B. auf der Facebook-Seite Conservative Chicanos 4 Trump, dessen Mitbegründer Hobert Claigh Wehir ist. Er stammt aus San Antonio und lebt derzeit in Palm Springs, Kalifornien. Auf der Seiten von Conservative Chicanos 4 Trump steht: »[…] Since Chicanos are American born, we want to make it perfectly clear that our allegiance, our love, our loyalty and our lives are for the USA – not Mexico. […]« In: https://www.face book.com/ConservativeChicanos4Trump/timeline (22.04.2016) Siehe auch den Donald

Trump

Befürworter

und

Twitter-User

Conservative

Chicano

(@ronnierosales73), der aus Tucson, Arizona, kommt. Er hat fast 500 Follower und schreibt: »#Hispanics need to be educated and informed before it's too late! Time to wake up! I'm a #conservative, business owner, vet, and father of two strong boys.« In: https://twitter.com/ronnierosales73 (22.04.2016). 156 Letztendlich wählten sogar 29% der Latinos Donald Trump und 65% stimmten für Hillary Clinton. Siehe: http://edition.cnn.com/2016/11/09/politics/clinton-votesafrican-americans-latinos-women-white-voters/ (31.05.2017) und http://www.faz. net/aktuell/politik/trumps-praesidentschaft/analyse-zur-us-wahl-2016-wer-waehltewen-14520011.html (31.05.2017).

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läge unter anderem daran, dass er prinzipiell gegen Gesetzesbrecher sei. Er sehe dies nicht als Verrat an seiner Familie, die selbst aus Immigranten besteht. Die Leute müssen verstehen, dass illegal sein keine Rasse ist.157 Auch Isabel Avilas Vater diente den Marine Corps und war sogar ein aktives Mitglied der Chicano-Bewegung. Doch wie seine Tochter berichtet, hat er heute konservative Ansichten und findet wenig Gefallen daran, dass sie sich mit Fragen der Chicano-Identität und ihren indigenen Wurzeln beschäftigt sowie diese Themen fotografisch umsetzt.158 Die militärische Ausbildung wird bei vielen Chicanos die Ursache für ihre konservative Denkweise und die damit verbundenen politischen Entscheidungen samt ihrer Konsequenzen für die indigenen Einwanderer sein. Doch längst nicht alle Chicanos, die bei den Marines waren, sind gegen Immigranten aus Mexiko wie man am Beispiel des Fotografen Oscar Castillo sehen kann. Die Xicanos159 oder Chicano-Indigenen, wie Orlando Lara sie nennt, bilden die Opposition zu den konservativen Chicanos. Lara beschreibt sie wie folgt: »I haven’t developed too much of a relationship with indigenous people. Well, there are the Chicano-Indigenous. There is a rebirth here in Houston… There is a kind of the Brown Berets160 sort of starting up here. They are starting the Aztec Dancing but also the sweat-

157 León Krauze, »Me Gusta Trump: Portrait of a Hispanic Trump Voter«, The New Yorker, 20. März 2016, in: http://www.newyorker.com/news/news-desk/me-gustatrump-portrait-of-a-hispanic-trump-voter (22.04.2016). 158 Interview mit Isabel Avila, op. cit.. 159 Siehe auch »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie«. 160 Die Brown Berets sind eine Chicano-Organisation, die während der ChicanoBergung 1967 in Los Angeles gegründet wurde. Seit 2011 nennen sie sich offiziell National Brown Berets (NBB) und ihr Hauptziel ist es den Südwesten der USA, der bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch zu Mexiko gehörte, an die Mexikaner zurückzugeben. Ihre Mitglieder sind bis heute aktiv und haben eine Website, auf welcher im Untermenü »Our Nation Aztlán« folgendes steht: »All this land belongs to Natives. By ›native‹ we don’t mean ›native born‹ Whites, Blacks, or Asians, we mean the Native People who inhabited this land for thousands of years before any other human set foot on this continent or hemisphere. Chicanos lay a claim to this land in the indisputable fact that Native blood runs through our veins. Our ancestors are Mexica, Maya, Tolteca, Yaqui, Navajo, Lakota; thousands of Native tribes that were hunted, destroyed and pushed to the edge of extinction by European invaders; Spaniards and Portugese in the South, British and French in the north. We emerge now as a new breed, a mixture of all Native Nations and tribes. Out of many we are

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lodges, temascales… Rain Flowa, she is a spoken person on this, she is a Mexica and an Aztec Dancer… She is multitalented. She has been very good about teaching dancing and doing some of the sweat-lodges here. I say Chicano-Indigenous, because it’s not officially recognized by the United States or some other Indigenous tribes. […] Rain Flowa[161] and Monica Villarreal[162], they are Chicano-Indigenous and they are rebirthing it.«163

Die Chicano-Gesellschaft ist ebenso wie jede andere äußerst polymorph und besteht zum einen aus Mitgliedern, die deutlich im Interesse der Vereinigten Staaten denken und handeln, während die anderen sich intensiv mit ihren indigenen Wurzeln beschäftigen und das verlorengegangene Kulturerbe widerbeleben. Je divergierender die Positionen, desto mehr Raum wird für Rassismus und Diskriminierung zwischen den Chicanos und Indigenen geschaffen. In der Mitte befindet sich die breite Masse der Chicanos und gleichermaßen die hier besprochenen Meinungen der Chicano-Fotografen. Letztendlich erklärt diese Position den

One, we are the Chicano Nation! With this we claim our Birthright, Aztlan is our Inheritance! This Border that was placed here by American invaders was another idea of theirs to hedge us in, to divide and conquer us. We do not recognize or respect any foreign imposed border. We do not respect anyone who invades and yet dares to call its Natives ›illegal‹. Aztlan is our homeland, where we belong. We will reclaim it according to the ancient prophecies, and we will from henceforth determine our destiny. The real illegal immigrants on this continent are the White Europeans that crossed an entire ocean, not Mexicans. Mexicans are descendants of the Mexica and other native tribes. We are not Hispanic, which means we come from Spain; neither are we Latino, which means we come from Italy. The amount of mixture of European blood on our people is a drop in the bucket compared to the hundreds of millions of Natives that inhabited this hemisphere. The majority of us are of Native/Indigenous ancestry and it is that blood that ties us to and cries out for our land! By them calling us Hispanic or Latino they try to tear us away from our identity and our land. Therefore, we reclaim our identity as Chicanos and reclaim our nation Aztlan. […] We believe in the full restoration of all tribal lands to the Native Nations that dwell within our borders. We believe in freedom, justice, truth and the Chicano Way of

Life.

Somos

Aztlan!!«

In:

http://nationalbrownberets.com/Aztlan.html

(22.04.2016). 161 Siehe http://rainflowa.com (22.04.2016). 162 Siehe http://www.lamonicavillarreal.com (22.04.2016). 163 Interview mt Orlando Lara, op. cit..

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Charakter ihrer Solidarität und Sympathie gegenüber den indigenen Einwanderern aus Mexiko. Abschließend fragte ich die Fotografen, ob sie neue Projekte zum Thema indigene Kulturen geplant hätten, was die meisten von ihnen verneinten164. Delilah Montoya165 und Isabel Avila166 erwähnen laufende Arbeiten mit indigenem Einfluss, auf welche sie sich konzentrieren möchten. Das von Montoya heißt Nuestra ›Calidad‹: Contemporary Casta Portraits und ist bereits jetzt in die persönliche Website der Fotografin integriert167. Außerdem wurden die bereits existierenden Aufnahmen im Rahmen einer Gruppenausstellung mit dem Titel Voices in Concert: In the Spirit of Sor Juana Inés de la Cruz168 gezeigt. In Montoyas Fotoserie wird anhand von detaillierten DNA-Analysen der fotografierten Personen ein prozentueller indigener Erbanteil berechnet und statistisch aufgezeigt, womit die Fotografin die koloniale Terminologie der Casta-Gemälde169 ersetzt hat. Hierbei wird jede einzelne Fotografie von der entsprechenden Grafik über die DNA-Auswertung begleitet und am Ende sollen, ebenfalls wie in der CastaMalerei üblich, mindestens sechszehn Familienportraits entstehen. Diese verdeutlichen die ethnische Diversität der heutigen US-amerikanischen Gesellschaft. In dem aktuellen Projekt von Isabel Avila hingegen geht es um die Überlappung von Chicano-Identität mit der Kultur der Indigenen in den USA. Einige der Bilder findet man auf ihrer Homepage im Untermenü »Native Americans«170. Sie unterscheidet hier zwischen den in Oklahoma lebenden Seminolen171 und den Indigenen in Kalifornien. Hierbei pflegt sie insbesondere einen engen Kontakt zu den in Los Angeles lebenden Tongva172. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass überraschend wenige Chicano-Fotografen heute einen direkten Kontakt mit indigenen Völkern pflegen. Für Christina 164 In meinen Interviews mit Angel Lartigue, Andrew Ortiz, Diana Molina, Oscar Lozoya, Kathy Vargas, Xavier Tavera und Joe Medina. 165 Interview mit Delilah Montoya, Houston, 10. April 2015. 166 Interview mit Isabel Avila, op. cit.. 167 Siehe http://www.delilahmontoya.com/ContempCasta/index.html (21.04.2016). 168 Siehe den Ausstellungskatalog Voices in Concert: In the Spirit of Sor Juana Inés De La Cruz – Tina Fuentes, Delilah Montoya and Kathy Vargas. Houston, TX: Arte Público Press 2015. 169 Siehe Ilona Katzew. Casta Painting: Images of Race in Eighteenth-Century Mexico. New Haven, Conn.; London: Yale University Press, 2004. 170 http://www.isabelavila.com/fullmedia/index.html (21.04.2016). 171 Siehe auch »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«. 172 Die Tongva haben derzeit keine eigene funktionierende Website. Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Tongva_people (21.04.2016).

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Fernández173, Tina Hernández174, Angel Lartigue175 und Joe Medina176 dienen ihre Kulturen primär als Recherche-Quellen, während Oscar Castillo177 sagt, dass er sich zusätzlich gerne über Facebook178 informiert und dort z.B. den in Albuquerque lebenden Pueblo-Volksstamm179 folgt. Dies wird gleichermaßen auf andere Fotografen zutreffen, obgleich diese es nicht explizit erwähnt haben, da auch sie Facebook-Nutzer180 sind. Einige erwähnen, dass sie indigene Freunde181, Schüler182, Künstler-183 oder Arbeitskollegen184, denen sie im alltäglichen Leben begegnen, haben sowie Familie185 in Mexiko besitzen. Die in El Paso, Texas, lebende Fotografin Diana Molina hat einen engen Kontakt zu den Indígenas aus Mexiko, nämlich den Tarahumara. Einige kennt sie seit ihrer Geburt und hat sie bis ins junge Erwachsensein begleitet.186 David Bacon glaubt, dass er den intensivsten Kontakt zu den Mixteken und Triqui hat, da er diese sowohl aus Kalifornien als auch aus Oaxaca kennt. Neben den aus Mexiko stammenden Tarahumara, Mixteken und Triqui werden ferner die Purépechas187 und die Zapoteken188 sowie die in den USA lebenden Lakota189, Sioux190, Navajo191, Apachen192 und Mexica193 genannt. Chuy Benitez denkt,

173 Interview mit Christina Fernández, Norwalk (Kalifornien), 29. September 2015. 174 Interview mit Tina Hernández, op. cit.. 175 Interview mit Angel Lartigue, op. cit.. 176 Interview mit Joe Medina, op. cit.. 177 Interview mit Oscar Castillo, op. cit.. 178 https://www.facebook.com/oscar.castillo.526 (21.04.2016). 179 https://www.facebook.com/indianpueblo/ (21.04.2016). 180 Siehe auch »Künstler-Websites«. 181 Interviews mit Delilah Montoya, Gregory Bojorques und Xavier Tavera. 182 Interview mit Harry Gamboa, op. cit.. 183 Interview mit Kathy Vargas, op. cit.. 184 Interviews mit Oscar Lozoya und Ken Gonzales-Day. 185 Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit.. 186 Interview mit Diana Molina, op. cit.. Siehe auch das Buch Diana Molina, Run! Super-Athletes of the Sierra Madre. El Paso: Dia Madia, 2011. 187 Interview mit Robert C. Buitrón, op. cit.. 188 Interview mit Harry Gamboa, Los Angeles, 30. Oktober 2015. 189 Interviews mit Delilah Montoya und Ken Gonzales-Day. 190 Interview mit Delilah Montoya, Houston, 07. April 2015. 191 Interviews mit Diana Molina und Oscar Lozoya. 192 Interview mit Diana Molina, op. cit.. 193 Interview mt Orlando Lara, op. cit..

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dass die traditionellsten Indigenen in den USA die Azteken-Tänzer sind194 und diese sind oft Mexicas195. Scheinen derzeit keine neuen Projekte seitens der von mir interwieten Chicano-Fotografen geplant, so präsentieren sie im Internet derzeit zahlreiche bereits abgeschlossenen Serien zum Thema Immigration. Darunter befinden sich From Inside the Home: A Portrait of Mexican Immigrant Women196 (2001), American DREAM197 (2010), Through the Desert198 (2010) und Immigrant Laborers199 (2014-2015) von Lupita Murillo Tinnen sowie No Mans Land (Phantoms) von Joe Medina200. Diese Fotoserien bieten, neben den von mir analysierten Projekten Communities without Borders201 und Sed: The Trail of Thirst202, ein großes Potenzial für weitere Fallstudien zum Thema Chicano-Fotografie im Internet. David Bacon – Communities without Borders Oscar Castillo203, Roberto Córdova-Leyva204, Eniac Martinez205, Joseph Rodríguez206, Lupita Murillo Tinnen207, Orlando Lara208, Delilah Montoya209, die beiden Pulitzer Preisträger Don Bartletti210 und José Galvez sowie Rick Nahmias 194 Interview mit Chuy Benitez, op. cit.. 195 Siehe auch »Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity«. 196 http://www.lupitatinnen.com/Mex_Immigrant_Women.html (22.04.2016). 197 http://www.lupitatinnen.com/American_DREAM.html (22.04.2016). 198 http://www.lupitatinnen.com/Through_the_Desert.html (22.04.2016). 199 http://www.lupitatinnen.com/Immigrant_Laborers.html (22.04.2016). 200 http://jmedinphoto.com (22.04.2017). 201 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«. 202 Siehe »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«. 203 Castillo, Oscar, und Colin Gunckel. The Oscar Castillo Papers and Photograph Collection. The Chicano Archives. Los Angeles: UCLA Chicano Studies Research Center Press, 2011. 204 Córdova-Leyva, Roberto, und Héctor Manuel Lucero Velasco. Al Filo De La Línea. 1a ed. Mexicali, Baja California: Centro de Estudios Culturales UABC Museo, 2004. 205 Martínez, Eniac. Mixtecos Norte Sur. Editor Grupo Desea. México D. F., 1994. 206 http://www.josephrodriguezphotography.com (17.09.2014). 207 http://www.lupitatinnen.com (20.04.2016). 208 http://www.orlandolara.com (28.09.2014). 209 http://www.delilahmontoya.com (17.09.2014). 210 http://www.latimes.com/visuals/photography/la-ph-pulitzer-enrique-html-htmlstory. html (20.04.2016).

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und David Bacon sind nur einige der zeitgenössischen Fotografen, die sich mit dem umfassenden Thema Migration beschäftigt haben. Viele von ihnen haben auf beiden Seiten der Grenze zwischen Mexiko und den USA fotografiert, aber nicht alle stellen ihre Arbeiten im Internet aus und differenzieren zwischen den einzelnen indigenen Gruppen211, die sich unter den mexikanischen Einwanderern finden und benennen lassen. David Bacon212 hat eine der stärksten Internetpräsenzen, sodass seine Werke über indigene Einwanderer hier gesondert untersucht werden sollen. Seine Arbeit wurde sowohl online als auch in den Printmedien veröffentlicht, was eine detaillierte Analyse seiner Fotografien in Büchern und auf Websites im direkten Vergleich zulässt. Hierbei erscheint es mir sinnvoll seine Publikationen mit denen von Rick Nahmias zu vergleichen und thematische Besonderheiten herauszuarbeiten. Beginnen möchte ich jedoch mit dem Fotojournalisten Don Bartletti, welcher sich bereits seit Ende der 1970er Jahre mit dem Thema Migration und illegale Einwanderer aus Mexiko beschäftigt. Bartletti hat sich nach einer über dreißig Jahre langen Tätigkeit bei der Los Angeles Times im November 2015 zur Ruhe gesetzt, ist ein enger Freund von Bacon und plant derzeit ein Fotobuch über seine 35 Jahre entlang der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Kurz bevor die Angelegenheiten der sogenannten undocumented immigrants in den USA zum zentralen Thema der Medien wurden, veröffentlichte Bartletti bereits 1992 sein erstes Fotobuch mit dem Titel Between Two Worlds213, wobei es ihm darum ging die soziale und politische Vielschichtigkeit des Problems darzustellen. In einem Interview mit dem Journalisten Dean Brierly erklärt Bartletti: »As a photojournalist, my job falls somewhere between a scavenger hunt and cultural anthropology. The hunt has taken me to wars, wildfires, earthquakes, funerals and rock concerts. Deadline images are important to provide something for the newspaper reader to appreciate every day. But even the big news events fade away to be replaced by the next buzz-weirdo event. By contrast, the cultural significance of immigration never fades away. It’s everywhere, it’s accumulative and it’s endlessly relevant. Foreigners are the seeds of societal evolution. Through my viewfinder, I’m showing newcomers as they assimilate, segregate, succeed and struggle. The steady exodus from failed Latin America nations is changing the face of America. Frame by frame, my picture stories are additional pages in the photo album of the United States. Although I now photograph foreign workers around

211 Siehe »Indigene Gruppen im Internet«. 212 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«. 213 Bartletti, Don. Between Two Worlds, the People of the Border. Oakland, CA: The Oakland Museum, 1992.

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the world, 30 years ago I didn’t have to go far to observe subtle beginnings of the greatest influx of foreigners in this nation since the era of Ellis Island. In the late 1970s I recorded undocumented Mexican immigrants on Tri-X film and fiber-based paper. I filed every negative with IDs and notes about the clandestine encampments in the hills around my hometown in northern San Diego County. It was an astonishing subculture of migrant farm workers living in handmade shacks without running water, electricity or sanitation practically in the shadow of wealthy suburbia. Over the years I concentrated on individuals who eventually crawled out of those farm camps to better jobs and, for one man, the road to American citizenship.«214

Don Bartletti und David Bacon verbinden zahlreiche Aspekte wie ihre Karriere als Fotojournalisten, der sozialpolitische Themenschwerpunkt in ihren Arbeiten und ein deutlicher Fokus auf mexikanische Einwanderer in Kalifornien. Beide Fotojournalisten ist zweisprachig, wodurch sie leichter einen persönlichen Zugang zu den Leuten gewinnen und somit authentische Fotoessays aus dem kulturellen Inneren mexikanischer Einwanderer heraus wiedergeben können. Außerdem haben sie auf beiden Seiten der Grenze zwischen Mexiko und den USA fotografiert, um das Thema Migration in seiner gesamten Komplexität widerspiegeln zu können. Bartletti sagt: »[…] One of my goals is to reveal the consequences of illegal migration. It’s not just the ›theater‹ of people jumping over the border fence. For example, I’ve been photographing Willie Ramirez for 17 years. I first met Willie and his dad in 1989. Two weeks after they snuck across the border, they were living next to a tomato field in a hovel made of plastic sheeting and camouflaged with brush. In spite of their hapless circumstances, they were gentlemen. Every year or two I’d catch up with them, make new photographs and hand out prints. My wife Diana and I went to their pueblo in Oaxaca when they were visiting their family back home. After Willie got his papers through an amnesty program, his life changed dramatically. He learned English, became a foreman for a roofing company, and built a little house in Tijuana. In March of 2006 I was with him when he took the oath of U.S. citizenship. I wrote a cover story for the L.A. Times Sunday Magazine, accompanied by photographs from his 17 years of hope, loneliness, determination and, finally, rejoicing.«215

214 Brierly, Dean. »Don Bartletti: Spotlight on Immigration.« In: Photographers Speak. http://photographyinterviews.blogspot.de, 2010. 215 Ibidem.

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Abbildung 64: »Interstate Pedestrians« (1990) von Don Bartletti.

Quelle: Brierly, Dean. »Don Bartletti: Spotlight on Immigration«. http://photographyinterviews.blogspot.de/2010/02/don-bartletti-spotlight-onimmigration.html (18.03.2017)

Wie schon Richard Steven Street in seiner Umfangreichen Recherche zum Thema Fotografie und Farmarbeiter in Kalifornien bemerkt hat, gehen die Projekte dieser neuen Generation von Fotografen weit über die Grenzen ihrer Vorgänger hinaus. Sie nehmen sich die Geschichte vor, wie sie derzeit stattfindet, und schaffen einen Informationsfluss, der dem Betrachter etwas vermittelt. Es ginge ihnen nicht um den Ruhm oder um das eine große Bild, sondern um das Erzählen von Geschichten. Sie sind Unruhe stiftende Fotografen mit Unruhe stiftenden Bildern, durch welche das Leben der Immigranten verbessert werden soll.216 Sie erzählen ihre Geschichten mit weitreichenden Inhalten auf individuelle Weise und ohne in Idealismus zu verfallen. »I have no idealistic notion that my photographs can change the world. At the very least they present evidence of these turbulent days of anti-immigrant hate and pro-immigrant sympathy. […] Through the Los Angeles Times I reach policy makers who are in position to make changes. For example, the image ›Interstate Pedestrians‹ was the inspiration for the California 216 Street, Richard Steven. Everyone Had Cameras: Photography and Farmworkers in California, 1850-2000. Minneapolis, MN: University of Minnesota Press, 2008, S. 543-563.

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Department of Transportation to create warning signs on San Diego freeways alerting motorists to groups of people who run across the freeway near the border and checkpoints farther north. Hundreds were killed and maimed. The yellow signs, drawn from several published and unpublished photos I provided, as well as billboards and posters, helped reduce the carnage.«217

Im Schutz der Dunkelheit, wenn gleichsam Drogenschmuggler und Banditen am aktivsten sind und die Border Patrol am wachsamsten ist, versuchen unzählige Immigranten aus Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern ihren Sprung über die Grenze nach Kalifornien. Viele überqueren die Autobahn, die Interstate 5 in San Ysidro, wobei die schwächsten und langsamstem, meist Frauen und Kinder, am gefährdetsten sind. Insbesondere in den 1980er Jahren stiegen die Zahlen der Verunglückten dermaßen, dass der Staat zwei extreme Gefahrenzonen entlang der Interstate 5 ausmachen konnte. Die erste befindet sich in Grenznähe, wo Bartletti seine Aufnahme Interstate Pedestrians (Abb. 64) gemacht hat, d.h. in San Ysidro, und der zweite weiter nördlich zwischen Oceanside und San Clemente, wo Coyoten218 ihre illegal ins Land gebrachten Migranten aus den Fahrzeugen springen lassen. In San Ysido waren es einhundert und in der zweiten Zone weitere dreißig Migranten, die von vorbeifahrenden Fahrzeugen erfasst wurden und umgekommen sind. Etwa ein Drittel der Einwanderer an der Grenze zu Kalifornien wird von der Einwanderungsbehörde gefangengenommen und zurückgeschickt, einige sterben wie hier an diesen beiden Unfallschwerpunkten, andere fallen Banditen und Kidnappern zum Opfer, aber die meisten schaffen es über die Grenze und finden schnell eine Stelle als Aushilfsarbeiter in der Agrarindustrie Kaliforniens.219 Die Fotografie Interstate Pedestrians sowie einige andere unveröffentlichte Arbeiten220 von Bartletti wurden vom Navajo221 Künstler John Hood (Abb. 65), der in einem Reservat in New Mexiko aufgewachsen ist, später als Marine Soldat in Vietnam kämpfte und schließlich in San Diego Grafikdesign studierte, als Vorlage für ein Verkehrsschild mit inzwischen ikonischem Charakter verwendet. 217 Brierly, op. cit.. 218 Menschenschmuggler, die an der Grenze zwischen Mexiko und den USA arbeiten. 219 Gold, Scott. »The Artist Behind the Iconic ›Running Immigrants‹ Image.« Los Angeles Times, April 4, 2008. Street, Richard Steven. Everyone Had Cameras: Photography and Farmworkers in California, 1850-2000. Minneapolis, MN: University of Minnesota Press, 2008, S. 544-546. 220 »I gave him about ten pictures that we never published and he found this shapes of bodies in many different photographs. [...]«, in: Interview mit Don Bartletti, op. cit. 221 Siehe auch http://www.navajo-nsn.gov/history.htm (30.10.2014).

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Wie Scott Gold in seinem Artikel über John Hood berichtet, ist dem Künstler als Navajo sehr gut bekannt, wie es ist, wenn Fremde das eigene Land erobern und gleichermaßen, was es bedeutet in Armut zu leben und sein Zuhause verlassen zu müssen. Die persönlichen Lebenserfahrungen als Native American spielen eine entscheidende Rolle im kreativen Schaffen von Hood und veranlassen ihn gleichzeitig sich in der vorherrschenden Immigrationsdebatte neutral zu verhalten.222 Dass die nordamerikanischen Ureinwohner sich beim Thema Migration indigener Einwanderer aus Mexiko in einem kulturellen Dilemma befinden und nicht immer eine neutrale Position beziehen können, findet sich in einem Projekt von Delilah Montoya und Orlando Lara wieder223. Abbildung 65: »John Hood« von Don Bartletti

Quelle: »John Hood , a longtime CalTrans graphic artist is the creator of the enduring image that now hangs in the Smithsonian.« In: Gold, Scott. »The Artist Behind the Iconic ›Running Immigrants‹ Image«. Los Angeles Times, 04. April 2008.

In einer Aufnahme von Don Bartletti sieht man John Hood vor einem Prototyp seines bekanntesten Werkes sitzen. Sein Oberkörper ist frontal zum Betrachter gerichtet, während er mit beiden Armen das Meisterwerk umfasst. Der Kopf des Künstlers ist nach links weggedreht und steht geradezu symbolisch für seine neutrale Haltung in der aktuellen Immigrationsdebatte. Scheint er auf den ersten Blick einfach wegzuschauen, so sieht man auf den zweiten, dass er in Laufrichtung der Immigranten sieht und sein Gesicht dabei hell erleuchtet wird. Es ist 222 Gold, op. cit.. 223 Siehe »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«.

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fast so, als würde Hood sie auf einer spirituellen Ebene begleiten. Ohne Zweifel unterstützt er die Einwanderer durch seine kreative Arbeit auf ihrem Weg zum American Dream und sorgt mit der Erschaffung dieses effizienten Warnschildes gleichzeitig für eine sichere Reise. Ich fragte Bartletti, wo die Aufnahme entstanden ist und bat ihn um einige Kommentare zum Bild: »It’s in his house, in the living room. He lives in a city near south-east of San Diego and he works for what’s called Caltrans, that’s the Department of Highways in California, but he’s an artist. That’s his only job. It was a very managed portrait. It was nothing spontaneous. I had a stroke light over there… So, I told him: ›Look to where the destination is of this people and think: Can they make it? Is it safe? Because that’s what you are trying to stop.‹ So it was a play on the faces and on the heads. I think the original photograph has little more of the sign. It’s terrible. Our website is making all the pictures this… and it crops from the bottom every time. […] I was playing on a perspective… the highway as a one point perspective, the destination, the end… so we were starting with a big extensive view, but it narrows down to nothing. So, in this case, the destination is his scale, his mind, his brain, how can he help stop the deaths on the highway. That’s why I put his arms out like that, like a continuation. I wanted his face to be clear to us, so I put the stroke light over there. He said he wanted to wear that hat... He said: ›I always wear a hat.‹ I said: ›That’s fine, but do you wear this hat when you travel?‹ And he said: ›Yeah, when I’m out of town I wear that hat.‹ It’s even more appropriate, because these people are travelling, are crossing over, going somewhere.«224

Während des Arbeitsprozesses von John Hood entstanden mehrere interessante Versionen, aber aufgrund der rasanten Geschwindigkeiten auf den Autobahnen entschied er sich für eine einfache und zugleich prägnante Darstellung. Das Schild zeigt drei rennende Figuren: einen Familienvater vornean, seine Frau und ein kleines Mädchen hinter ihm. Die Schritte der Erwachsenen sind sehr groß und ihre Oberkörper stark nach vorne gebeugt, während das Kind von der Mutter an der Hand hinter sich hergezogen wird. Die Kleine berührt kaum den Boden und ihre hinterherfliegenden Zöpfe, zusammen mit der gebeugten Körperhaltung der Eltern, lassen keinen Zweifel darüber, dass die Familie sich in extremer Eile befindet. Direkt über ihnen ist das Wort CAUTION zu lesen. Es ist ein deutliches Warnschild mit schwarzen Elementen auf leuchtendem Gelb, welches man seit 1990 auf der kalifornischen Autobahn nördlich der Grenze zu Mexiko findet. 224 Interview mit Don Bartletti, op. cit..

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Inzwischen wurden viele der insgesamt fünfunddreißig aufgestellten Schilder gestohlen oder sind dem Vandalismus zum Opfer gefallen. Einige wurden von der Regierung entfernt, da sich die Migrationsrute zunehmend nach Arizona und Texas verlagert hat225 und heute weniger Einwanderer die Interstate 5 überqueren.226 Obgleich sich die Migrationsflüsse verlagern und in ihrer Intensität von Region zu Region variieren, bilden sie ein stetiges Thema in der ChicanoFotografie und insbesondere in den Werken von Aktivisten wie David Bacon. Er bedient sich nicht nur der Printmedien wie Bartletti, sondern gleichsam intensiv des Internets zur effizienteren Streuung seines Fotomaterials und dem damit verbundenen Kampf um bessere Lebensbedingungen für Immigranten. Während sich Bartletti als ehemaliger Mitarbeiter der Los Angeles Times mit einer passiven Internet-Präsenz zufriedengibt, hat Bacon als freiberuflicher Journalist bewusst eine aktive gewählt227. Da Don Bartletti’s Arbeit aus dem Fotobuch Between Two Worlds, the People of the Border nicht zusätzlich im Internet präsentiert wurde, sollen im Folgenden die Fotobücher Communities without Borders von David Bacon und The Migrant Project von Rick Nahmias gegenübergestellt werden. Beide FotoProjekte wurden zusätzlich auf Websites veröffentlicht, was wiederum eine genaue Analyse ihrer Online-Präsenz zulässt. In den letzten zwanzig Jahren wurden zahlreiche Fotobücher über die Chicano-Kultur publiziert228. Dazuzählen kann man einige Werke zum Thema Migra-

225 Siehe auch »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«. 226 Gold, op. cit., und Street, op. cit., S. 547/548. 227 Siehe auch »Künstler-Websites«. 228 Bartletti, op. cit.; Street, Richard Steven, und Samuel Orozco. Organizing for Our Lives: New Voices from Rural Communities. Portland, Or.: New Sage Press and California Rural Legal Assistance, 1992; Noriega, op. cit.; Rodríguez, Joseph Rubén Martínez, und Luis J. Rodríguez. East Side Stories: Gang Life in East L.A. New York: PowerHouse Books, 1998. Howarth, Sam, Enrique R. Lamadrid und Miguel A. Gandert. Pilgrimage to Chimayó: Contemporary Portrait of a Living Tradition. Santa Fe: Museum of New Mexico Press, 1999. Galvez, José, und Luis Alberto Urrea. Vatos. El Paso, Tex.: Cinco Puntos Press, 2000. Gandert, Miguel A. Nuevo Mexico Profundo: Rituals of an Indo-Hispano Homeland. Santa Fe: Museum of New Mexico Press, 2003. D'Amato, Paul. Barrio: Photographs from Chicago's Pilsen and Little Village. Chicago, Ill.; London: University of Chicago Press, 2006. Annerino, John. Vanishing Borderlands: The Fragile Landscape of the U.S.-Mexico Border. Woodstock, Vt. New York: Countryman Press; Distributed by W.W.Norton,

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tion wie z.B. der Ausstellungskatalog Al Filo De La Línea229 von Roberto Córdova-Leyva (2004) oder die Monografien Mixtecos Norte Sur230 von Eniac Martínez (1994), Communities Without Borders: Images and Voices from the World of Migration von David Bacon (2006) und The Migrant Project: Contemporary California Farm Workers von Rick Nahmias (2008). Von den insgesamt sechszehn der mir vorliegenden Fotobüchern sind fünf in einem quadratischen Design231, acht im Quer-232 und drei im Hochformat233 publiziert worden. Die beiden Bücher von David Bacon und Rick Nahmias, die hier genauer analysiert werden sollen, sind querformatige Bildbände. Wahrscheinlich haben sie das Querformat als Präsentationsrahmen gewählt, weil es für ihre überwiegend horizontal ausgerichteten Aufnahmen prädestiniert ist. Die Aufmachung des jeweiligen Buchumschlags (Vor- und Rückseite) ist in sieben von sechszehn Fällen in Schwarz-Weiß-Grau234 gestaltet sowie sechsmal mehrfarbig235 und dreimal in Brauntönen236 gehalten. Diese drei Farbgruppen stehen symbolisch für die Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die Farbfotografie und Sepia-Bilder. Spricht man von Chicano-Fotografie erhält das Braun eine zusätzliche Bedeutung, da es die Farbe der La Raza237, die der Latinos ist. Die Buchcover sind bei Bacon in 2008. Stavans, Ilan. Cesar Chavez: A Photographic Essay. El Paso, TX: Cinco Puntos Press, 2010. Herrera, Spencer R., Robert Kaiser, und Levi Romero. Sagrado: A Photopoetics across the Chicano Homeland. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2013. Meza, Art, und Santino J. Rivera. Lowriting: Shots, Rides & Stories from the Chicano Soul. Broken Sword Publications, Florida, 2014. 229 Córdova-Leyva, Roberto, und Héctor Manuel Lucero Velasco. Al Filo De La Línea. Mexicali, Baja California: Centro de Estudios Culturales UABC Museo, 2004. 230 Martínez, Eniac. Mixtecos Norte Sur. Editor Grupo Desea. México D. F., 1994. 231 Gandert, op. cit.; Córdova-Leyva, op. cit.; D'Amato, op. cit.; Stavans, op. cit.; Meza und Rivera, op. cit.. 232 Bartletti, op. cit.; Street und Orozco op. cit.; Rodríguez, op. cit.; Howarth, Lamadrid und Gandert, op. cit.; Galvez, op. cit.; Annerino, op. cit.; Bacon, David. Communities without Borders: Images and Voices from the World of Migration. Ithaca: ILR Press, 2006. Nahmias, Rick. The Migrant Project: Contemporary California Farm Workers. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2008. 233 Martínez, op. cit.; Noriega, op. cit.; Herrera, op. cit.. 234 Bartletti, op. cit.; Howarth, Lamadrid und Gandert, op. cit.; Martínez, op. cit.; Noriega, op. cit.; Gandert, op. cit.; Córdova-Leyva, op. cit.; Bacon, op. cit.. 235 Street und Orozco, op. cit.; Annerino, op. cit.; Rodríguez, op. cit.; D'Amato, op. cit.; Stavans, op. cit.; Herrera, op. cit.. 236 Galvez, op. cit.; Nahmias, op. cit.; Meza, op. cit.. 237 Siehe »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie«.

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Schwarz und bei Nahmias in Braun entworfen worden. In elf Fotobüchern238 werden Schwarz-Weiß-Bilder gezeigt, in drei sind es nur Farbaufnahmen239 und in zwei eine Mischung aus beiden Varianten240. David Bacon und Rick Nahmias haben in Communities Without Borders und The Migrant Project ausschließlich Schwarz-Weiß-Fotografien veröffentlicht, obwohl sich auf ihren Websites weitere Arbeiten in Farbe finden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mehrheit der Fotobücher über Chicano-Kultur entweder ein Querformat oder ein quadratisches Format haben, das Cover in Schwarz-Weiß-Grau gestaltet ist und klassische Schwarz-Weiß-Aufnahmen gegenüber der Farbfotografie bevorzugt publiziert werden. Abbildung 66: Fotobuch »Communities without Borders« (2006). Vorder- und Rückseite des Covers.

Quelle: Bacon, David. Communities without Borders: Images and Voices from the World of Migration. Ithaca: ILR Press, 2006.

Das bislang einzige Fotobuch von David Bacon (Abb. 66) zeichnet sich durch insgesamt 56 persönliche Lebensgeschichten indigener Einwanderer aus verschiedenen Orten Mexikos und Guatemalas sowie der 148 Schwarz-WeißFotografien, davon 104 groß- und 44 kleinformatige Abbildungen, aus. Die Aufnahmen sind alle zwischen 2000 und 2003 entstanden und wurden im Rahmen des Projekts als fotografischer Blick auf transnationale indigene Gemeinden an-

238 Bartletti, op. cit.; Street und Orozco, op. cit.; Martínez, op. cit.; Rodríguez, op. cit.; Galvez, op. cit.; Gandert, op. cit.; Córdova-Leyva, op. cit.; Bacon, op. cit.; Nahmias, op. cit.; Stavans, op. cit.. 239 Annerino, op. cit.; D'Amato, op. cit.; Herrera, op. cit.. 240 Noriega, op. cit.; Meza, op. cit..

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gesetzt241. Douglas Harper schreibt in seinem Vorwort zur Fotografie von David Bacon: »[…] His photographs show us how and why borders are crossed; they document political repression and movements among exploited workers; and they show us the cultural invigoration that immigrants bring their new communities. We see the vitality of social and political movements and are thrust into the shameful memory of Bracero camps in California. Further, his photos place us directly into the work that drives migration: We share, vicariously, the tedium and pain of labor; the efforts to create shelter; and the pleasures of community arising from collective work and political organizing.«242 Abbildung 67: Fotobuch »Communities without Borders« (2006).

Quelle: Bacon, David. Communities without Borders: Images and Voices from the World of Migration. Ithaca: ILR Press 2006, S. 4/5.

Das Buch ist in vier Hauptkapitel – die Globalisierung von Farmarbeit, die Transformierung Nebraskas, die Bergleute und Mayos im Norden Sonoras sowie die Braceros und Gastarbeiter in den USA – unterteilt, die jeweils mit einer Auswahl an großformatigen Abbildungen eröffnet werden (Abb. 67). Alle Fotografien haben erläuternde Untertitel mit prägnanten Informationen zu den abgebildeten Personen wie z.B. ihren Namen, die ethnische Herkunft und eine Kurzbeschreibung der Bildszene. Es werden immer zwei querformatige Bilder auf einer Doppelseite präsentiert. Dieser Rhythmus des Bildkatalogs wird nur selten

241 Bacon, op. cit., S. XXI. 242 Ibidem, S. XI.

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dadurch unterbrochen, dass ein Foto im Hochformat gezeigt wird oder wenn eine leere Seite eingefügt wurde. Abbildung 68: Fotobuch »Communities without Borders« (2006).

Quelle: Bacon, David. Communities without Borders: Images and Voices from the World of Migration. Ithaca: ILR Press 2006, S. 58/59.

Der fotografischen Auswahl folgen die Texte, welche wiederum durch kleinformatige Abbildungen mit Personennamen als Bilduntertitel ergänzt werden (Abb. 68). Bei diesen Aufnahmen handelt es sich fast ausschließlich um Porträts von Personen; David Bacon hat mit allen persönlich gesprochen. Die Interviews, die der Fotograf mit den indigenen Migranten geführt hat, heben sich durch eine spezifische Gliederung, die an den Aufbau von Zeitungsartikeln angelehnt ist, deutlich vom restlichen Text ab. Der Name der Person oder der Personen, dessen Geschichte erzählt wird, bildet die Überschrift und direkt darunter findet sich ein Untertitel; beides sieht man in Großbuchstaben, wobei der Name zusätzlich in Fettschrift hervorgehoben ist. Es folgt eine kurze Zusammenfassung des Haupttextes sowie das Interview als persönliches Essay umgeschrieben. Der Zeitungsartikel-Stil der Interviews bietet einen klaren Hinweis auf die journalistische Ausbildung des Fotografen. Auffällig ist ferner, dass in diesen Texten zwei verschiedene Typografien als Gestaltungsmittel benutzt wurden. Das Layout des Buches und die Struktur der Texte ermöglichen nicht nur eine lineare Lektüre des Buches, sondern laden ferner zum Nachschlagen, zur gezielten Betrachtung bestimmter Fotos und zum punktuellen Lesen einzelner Geschichten, ein.

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Abbildung 69: Fotobuch »The Migrant Project« (2008). Vorder- und Rückseite des Covers. Signierte Ausgabe.

Quelle: Nahmias, Rick. The Migrant Project: Contemporary California Farm Workers. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2008.

Während das Fotobuch von Bacon insgesamt 251 Seiten umfasst, sind es bei Rick Nahmias nur 140 Buchseiten (Abb. 69). Diese zeigen genau 43 groß- und 11 kleinformatige Schwarz-Weiß-Fotografien, die alle zwischen Frühling 2002 und Winter 2003 entstanden sind, sowie ein Vorwort von Dolores Huerta243, der Mitbegründerin der United Farm Workers244, eine Einleitung und einen Ausstellungstext, beides von Rick Nahmias, zwei persönliche Erfahrungsberichte von indigenen Einwanderern aus Mexiko und drei Texte verschiedener Autoren zu Themen wie sozialer Widerstand der Farmarbeiter und US-amerikanische Migrationspolitik. Anders als bei Bacon, hat Nahmias zusätzlich eine Landkarte Kaliforniens mit den Orten, an denen seine Fotografien entstanden sind, als auch zwei Tabellen mit statistischen Informationen zum Herkunftshintergrund der Immigranten und den häufigsten Gesundheitsproblemen, unter denen sie nach der Einwanderung leiden, in die Texte eingefügt. Außerdem zeigt er zwei Abbildungen mit Auszügen aus seinen Kontaktbögen, d.h. der Fotograf eröffnet dem Betrachter damit einen Einblick in seine Form des Sehens während der Arbeit (Abb. 70). Es sind zwei Sequenzen mit je vier Aufnahmen; auf der linken Seite sieht man die Tomaten-Pflücker aus Stockton im nördlicheren Teil Kaliforniens und auf der rechten die Gräber von Immigranten, die man nahe der Grenze im südkalifornischen Holtville beerdigt hat.

243 http://www.doloreshuerta.org (17.09.2014). 244 http://www.ufw.org (17.09.2014).

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Abbildung 70: Fotobuch »The Migrant Project« (2008).

Quelle: Nahmias, Rick. The Migrant Project: Contemporary California Farm Workers. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2008, Doppelseite xxii/xxiii.

Die meisten der kleinformatigen Aufnahmen werden auch hier als Untermalung für die Texte genutzt und mit Bilduntertiteln in diese integriert. Zwei Ausnahmen bilden die am Anfang und Ende der Danksagung eingefügten Abbildungen, die sich auf den letzten Seiten des Buches befinden. Diese werden jeweils alleine und zentriert auf einer Buchseite präsentiert, was wie ein visueller Ausklang auf den Leser einwirkt. Abbildung 71: Fotobuch »The Migrant Project« (2008).

Quelle: Nahmias, Rick. The Migrant Project: Contemporary California Farm Workers. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2008, Doppelseite 80/81.

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Die Seiten mit dem Bildkatalog umspannen fast die Hälfte des Gesamtwerkes und sind mittig eingebettet, d.h. man trifft zuerst auf drei Texte – Vorwort, Einleitung und Ausstellungstext –, dann auf die großformatigen Abbildungen und schließlich auf fünf weitere Texte mit detaillierten Informationen zum Thema Migration und Farmarbeiter in Kalifornien. Hierbei werden die zwei persönlichen Lebensgeschichten indigener Einwanderer mit großformatigen Fotos der Erzähler eröffnet; die anderen drei Autoren werden nur schriftlich genannt, was auf eine besondere Bedeutung der Oral Histories für den Fotografen schließen lässt. Bei der Präsentation von großformatigen Fotografien, wählt Nahmias zwei verschiedene Varianten. Auf einer Doppelseite werden stets das Bild und die dazugehörige Beschreibung gegenübergestellt, wobei die Fotografien bis auf wenige Ausnahmen immer auf der rechten und die Bildbeschreibungen auf der linken Seite zu sehen sind (Abb. 71). Die Größe der Abbildungen variiert von Seite zu Seite und sorgen für visuelle Dynamik in der linearen Betrachtung der Fotografien. In den meisten Fällen bildet das Weiß der Buchseite eine Art Passepartout für das jeweilige Bild, während der Betrachter zeitweise von formatdeckenden und über die Trennlinie der Seiten hinausragenden Fotos überrascht wird. Bei dieser Darstellungsweise wird die Expressivität bestimmter Aufnahmen verstärkt. Das Porträt von Josefina Flores wird auf der linken Seite von einem Text begleitet, der dem Leser folgendes über sie verrät: »Josefina remembers ›the best day of her life‹ as being the day she joined the United Farm Workers in 1965 as an organizer, a job that allowed her to work closely with Cesar Chavez and learn English. Having lost three of her six children to illness, at age seventysix she is now separated from her husband and lives as a retired field worker at Casa Hernández, one of the first retirement villages for farm workers built by the National Farm Worker Service Center, Inc., an offshoot of the UFW. With eighty apartments, and nearly two hundred residents in all, it serves people older than fifty-five with limited income.«245

Auf dem Foto daneben sieht man am linken vorderen Bildrand Josefina sitzen. Nahmias zeigt sie im Halbprofil und auffallend weit in den Vordergrund gerückt, während ihr kontemplativer Blick nach rechts in die Ferne gerichtet ist. Stolz trägt sie eine gemusterte Bluse mit einem Ansteckpin der UFW, deutlich am Schwarzen Adler zu erkennen. Im unscharfen Hintergrund sieht man einen barock anmutenden Hausaltar mit einer US-amerikanischen Flagge und einem

245 Nahmias, op. cit., S. 80.

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Bildnis des 1993 verstorbenen César Chavez246. Bildsprache und Textinformationen korrespondieren deutlich miteinander. Abbildung 72: Fotobuch »The Migrant Project« (2008).

Quelle: Nahmias, Rick. The Migrant Project: Contemporary California Farm Workers. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2008, Doppelseite 26/27.

Während das Porträt von Josefina Flores filigran und detailreich ist, zeigt sich Masked Woman eher plakativ und kontraststark (Abb. 72). Die eine Fotografie erzählt die Lebensgeschichte einer Rentnerin, die die härtesten Zeiten ihres Lebens hinter sich gelassen hat, und die andere von den aktuellen Problemen junger Frauen und Kinder: »This woman wears the traditional attire for female field workers. The covering not only helps guard against sun damage but also prevents the detection of underage workers. There are anywhere between three hundred and eight hundred thousand child farm workers laboring in the United States agriculture industry. Being paid as little as two dollars per hour, they often work twelve-hour days and during peak harvests, many work fourteen hours a day, seven days a week.«247

Die blütenweiße Maske der Frau kontrastiert zur schwarzen Jacke und dem Hintergrund, wo eine weitere maskierte Person zu erkennen ist. Nahmias verrät im Bildtitel, dass die Aufnahme morgens um halb sechs entstanden ist. Somit wird deutlich, dass die beiden Frauen in einem Bus neben den Fenstern sitzen und auf

246 http://www.chavezfoundation.org (19.09.2014). 247 Nahmias, op. cit., S. 26.

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dem Weg zur Arbeit sind. Ähnlich wie bei den Neozapatisten in Mexiko, sieht man auch hier nur die Augen der Person. Der Blick der maskierten Frau ist aufmerksamen und scheint zum Betrachter durchdringen zu wollen. Das weiße Gesichtstuch ist mit Haarspangen um die Augen herum fixiert. Die meisten davon sind am unteren Rand so angeordnet, dass sie an stilisierte Tränen erinnern. Auf dem Kopf trägt sie eine Baseball-Mütze mit aufwändigen Applikationen und eine Sonnenbrille der Marke Nike. Beide Accessoires sind einerseits eine Anspielung auf das junge Alter der fotografierten Person und andererseits ein Beweis für ihre unmittelbare Adaptation in einem neuen sozialen Umfeld. Nicht alle Abbildungen, die im Fotobuch von Rick Nahmias publiziert wurden, sind auf seiner Homepage zu findet. Die Fotografien Josefina Flores und Masked Woman, z.B., gehören trotz ihrer imposanten Ästhetik nicht zur streng limitierten Internet-Auswahl des Fotografen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass seine Homepage eine repräsentative Plattform und eigens als Ergänzung zum Buch konzipiert wurde. Bei David Bacon hingegen, der eine abundante Bildersammlung online gestellt hat, scheint das Buch lediglich ein Fragment dieser zu sein. Dennoch gibt es, wie sich gleich deutlich zeigen wird, auf seiner Website einen Teilabschnitt mit dem Titel Transnational Working Communities, der wiederum eine interessante ergänzende Quelle für die Bildpräsentation seines Fotobuchs bildet. Die Fotobücher und Websites komplementieren sich sowohl bei Nahmias als auch bei Bacon, allerdings ist die Verteilung der informativen Text- und Bildinhalte verschieden gewichtet. Obwohl eine Homepage248 im Vergleich zu einem Buch den Fotografen die Möglichkeit gibt eine scheinbar unbegrenzte Anzahl an Bildmaterial zu präsentieren und einer breiteren Masse an internationaler Leserschaft zugänglich zu machen, wird diese Möglichkeit von den Chicano-Fotografen derzeit viel zu wenig und außerdem sehr unterschiedlich ausgeschöpft249. Wenn man die Homepages von David Bacon und Rick Nahmias miteinander vergleicht, fallen eine Reihe an Divergenzen in der Art der Bildpräsentation, der Größe des Textanteils und der Gestaltung des Webdesigns auf. Die daraus resultierende persönliche Internetpräsenz spiegelt die Individualität des jeweiligen Fotografen und den Zweck ihrer Websites wider. Die von David Bacon gewählte Internetadresse lautet dbacon.igc.org und sie setzt sich aus seinem Namen (D. Bacon), der Abkürzung des Institute for Global Communications (IGC)250 und der Top-Level-Domain für nichtkommerzielle Organisationen (.org) zusammen. Bacon nutzt das Web Hosting Angebot vom 248 Siehe »Künstler-Websites«. 249 Siehe auch »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 250 http://www.igc.org (20.09.2014).

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IGC, deren Mitarbeiter sich derzeit um die Internetpräsenz von über zweihundertfünfzig non-profit Organisationen kümmern251 und dessen Firmenpolitik somit konform ist mit dem sozialen Engagement des Fotografen. Das Copyright der Homepage dbacon.igc.org gibt Aufschluss darüber, dass sie seit 1999 online ist und von der Firma DigIt Designs252 entworfen wurde. David Bacon besitzt die Autorenrechte auf alle Fotografien und Texte seit 1990, was darauf schließen lässt, dass keines der veröffentlichten Bilder vor dieser Zeit entstanden sind. Dies ist relevant, da seine Fotos online selten datiert sind. Der klassische Seitenaufbau mit Header (oben), Navigation (Mitte, links), Content (Mitte, rechts) und Footer (unten)253 wird auf der Homepage von David Bacon (Abb. 2) dadurch unterbrochen, dass die Navigationsleiste nicht links, sondern unten zwischen dem Content-Teil und dem Footer platziert wurde. Im Header befindet sich ein Banner im schwarz-weißem Design mit Titel der Website, David Bacon Photographs & Stories, darunter eine Anreihung verschiedengroßer Abbildungen in Farbe und Schwarz-Weiß mit Mouseover-Effekt. Die sind mit entsprechenden Links zu den Fotoserien bzw. zu seinen Publikationen versehen. Schließlich folgen die eigentliche Navigationsleiste und die Angabe zu den Autorenrechten. Der Hintergrund der Website ist fast durchgängig in Schwarz gehalten, wodurch selbst kleine Bilder gut zur Geltung kommen. Die Schriftfarbe ist bei schwarzem Untergrund in Weiß und entsprechend umgekehrt bei weißem Untergrund in Schwarz gehalten. Die zahlreichen Links werden durch eine rote unterstrichene Schrift, die dadurch zu einem unverkennbaren Stilelement dieser Homepage wird, auffällig hervorgehoben. Das Navigationsmenü, welches auf modernen Webpages mit einer Kombination aus Bottons und Links gestaltet wird, besteht hier aus einer Linksammlung, d.h. aus roten und in Großbuchstaben geschriebenen Wörtern, die mit einem weißen vertikalen Trennungsstrich angegliedert werden; die aktive Seite wird im Menü stets weiß hervorgehoben.

251 http://www.igc.org/html/aboutigc.html (20.09.2014). 252 Die Domain der Firma steht derzeit zum Verkauf. http://www.digitdesigns.com (20.09.2014). 253 Siehe »Künstler-Websites«.

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Abbildung 73: Website von David Bacon. Spanische Version. Screenshot.

Quelle: http://dbacon.igc.org/Spanish/spanish.htm (21.09.2014)

Der User hat über einen im Content-Teil befindlichen Link die Möglichkeit sich die Seite in Spanisch statt in Englisch anzeigen zu lassen (Abb. 73). Auffällig ist dabei, dass sich die Homepage hier auf die von David Bacon in spanischer Sprache publizierten Texte reduziert, d.h. man findet hier nicht die gleiche abundante Quelle an Text und Bildmaterial wie in der englischen Version. Vielmehr sieht man neben vierundzwanzig Presseartikeln lediglich das Cover von Hijos del Libre Comercio254, dem bislang einzigen seiner ins Spanische übersetzten Bücher. Dazu gibt es Links, die zu Buchinformationen, einem Video des Autors und dem Online-Shop des Verlags führen. Direkt über dem Buchcover sieht man das Schwarz-Weiß-Porträt eines Mannes, welches nicht mit einem Verweis versehen ist, sodass man Informationen zu diesem Foto nur in der englischen Version (Abb. 74) findet:»San Quintin, 6/25/2000. Celerino Garcia, the first Mixtec indigenous candidate, of the Party of the Democratic Revolution, for the Mexican Federal Chamber of Deputies from the Valle de San Quintin in Baja California. Here Mixtec migrants from Oaxaca have historically been exploited as farm workers in extremely bad conditions.«255 Da zahlreiche Texte fehlen und die opulenten Bildergalerien in dieser Version seiner Homepage weggelassen wur-

254 Bacon, David. Hijos Del Libre Comercio: Deslocalizaciones Y Precariedad. Barcelona: El Viejo Topo, 2005. Originaltitel: The Children of Nafta: Labor Wars on the U.S./Mexico Border. Berkeley: University of California Press, 2004. 255 http://dbacon.igc.org/Mexico/baja03.htm (21.09.2014).

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den, ist die spanische Version eindeutig als Ergänzung zur englischen angelegt und nicht als sprachliche Alternative konzipiert worden. Abbildung 74: Website von David Bacon. Englische Version. Screenshot.

Quelle: http://dbacon.igc.org/Mexico/baja03.htm (21.09.2014)

Das Untermenü »Immigrants« soll exemplarisch betrachtet werden und die Bildpräsentation auf der Website von David Bacon veranschaulichen (Abb. 75). Auf der linken Seite erstreckt sich wie ein langer weißer Papierstreifen mit roten Hyperlinks zu insgesamt achtzig Presseartikeln, die zwischen 1993 und 2010 veröffentlicht wurden, während man rechts daneben untereinander angeordnet Abbildungen mit dem Titel der jeweiligen Fotoserie und einem Link zur Bildergalerie findet. Die Fotografien sind thematisch sortiert und bestehen entweder aus einer Serie von Farbabbildungen oder aus einer von Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Durch die Fülle an Bild- und Textmaterial wird die Seite hier über die Höhe von circa vierzehn Bildschirmgrößen vertikal nach unten aufgebrochen, sodass der User aktiv werden muss und zum Scrollen animiert wird. Am Seitenende schließen Text- und Bildspalte gemeinsam und oberhalb des Hauptnavigationsmenüs ab. Ein schneller Wechsel zu einem anderen Untermenü ist somit gegeben. Bleibt man beim Thema Immigranten, kann man sich z.B. die Fotoserien über die Triquis genauer anschauen. Diese hat Bacon in ihrem Arbeitsalltag, privat und während traditionellen Feiern fotografiert.

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Abbildung 75: Website von David Bacon. Untermenü »Immigrants«. Screenshots.

Quelle: http://dbacon.igc.org/Imgrants/imgrants.htm (21.09.2014)

In den Bildergalerien befindet sich ganz links eine Navigationsleiste, die dem User erlaubt entweder zur Übersichtseite des Untermenüs »Immigrants« zurückzukehren oder zwischen den einzelnen Fotoserien über das Leben der Triquis in Kalifornien zu wechseln. Oberhalb befinden sich wie gewohnt der David-BaconBanner und unterhalb das Hauptmenü, sodass man jederzeit zur Startseite oder einem anderen Themenschwerpunkt wechseln kann. Die Fotoserien Triqui Farm

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Workers at Work (Abb. 76) und Triqui Dancers and Musicians (Abb. 77) erstrecken sich jeweils horizontal über knapp drei Bildschirmlängen hinweg, Triqui Farm Workers at Home ist sogar vier Einheiten lang. Diese lineare Betrachtung der Aufnahmen erinnert stark an die von Negativstreifen wie man sie aus Zeiten der analogen Fotografie kennt. Dadurch kann der User die Abfolge visuell überfliegen und ein authentisches Gefühl dafür bekommen wie sich der Fotograf bei seiner Arbeit fortbewegt und wie er dabei mit seinem Blick spezifische Momente fotografisch erfasst hat. Abbildung 76: Website von David Bacon. Untermenü »Immigrants«, dann »Hollister's Triqui Community« und schließlich »Triqui Farm Workers at Work«, Screenshots.

Quelle: http://dbacon.igc.org/Imgrants/holwork00.html (21.09.2014)

Abbildung 77: Website von David Bacon. Untermenü »Immigrants«, dann »Hollister's Triqui Community« und schließlich »Triqui Dancers and Musicians«, Screenshots.

Quelle: http://dbacon.igc.org/Imgrants/holdance00.html (21.09.2014)

Sobald die Aufmerksamkeit des Internet-Users auf eine bestimmte Fotografie gelenkt wurde, kann er sich diese Aufnahme in einer Vergrößerung anschauen, wobei ihm gleichzeitig einige bildspezifische Information angezeigt werden. Die Texte finden sich bei querformatigen Bildern stets unten (Abb. 78) und bei hochformatigen links daneben (Abb. 79).

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Abbildung 78: Website von David Bacon. Untermenü »Immigrants«, dann »Hollister's Triqui Community«, »Triqui Farm Workers at Work« und schließlich »08 Triqui Farm Workers at Work«. Screenshots.

Quelle: http://dbacon.igc.org/Imgrants/holwork08.html (21.09.2014)

Abbildung 79: Website von David Bacon. Untermenü »Immigrants«, dann »Hollister's Triqui Community«, »Triqui Farm Workers at Work« und schließlich »12 Triqui Musicians and Dancers«, Screenshots.

Quelle: http://dbacon.igc.org/Imgrants/holdance12.html (21.09.2014)

Bis zu dieser Stelle wurde der User bereits über eine vertikale Gliederung des Untermenüs »Immigrants« zu den linear konzipierten Bildergalerien der einzelnen Fotoserien bis hin zu punktuellen Betrachtungsmöglichkeiten einzelner Werke geführt. Diese in jedem Untermenü vorgegebene Navigationsstruktur

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wird nur durch die Präsentation von Transnational Working Communities256 unterbrochen (Abb. 80). Durch dieses Online-Projekt erfährt der User stattdessen ein neuartiges Erlebnis, ohne dass er die Homepage des Fotografen verlassen muss. Abbildung 80: Website von David Bacon. Untermenü »Special Project: Transnational Working Communities«. Screenshots.

Quelle: http://dbacon.igc.org/TWC/index.htm (21.09.2014)

Bereits im Hauptmenü ist Transnational Working Communities als spezielles Projekt gekennzeichnet, was sich in der Online-Präsentation deutlich widerspiegelt. Denn das Webdesign wechselt von einem Negativ- zu einem PositivCharakter, d.h. der dunkle schwarze Hintergrund wird durch einen strahlend weißen ersetzt. Der Banner im Header wurde auf der rechten Seite durch den Titel des Projekts erweitert, wobei das Wort working rot hervorgehoben ist und mit 256 http://dbacon.igc.org/TWC/index.htm (21.09.2014).

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der jetzt deutlich reduzierten Anzahl von Hyperlinks korrespondiert. Auf der linken Seite, direkt unter dem Projekt-Titel, sieht man einen Hinweis auf den Sponsor, die Rockefeller Foundation, und ganz unten befindet sich wie gewohnt das Hauptnavigationsmenü der Homepage von Bacon. Die aktive Seite wird hier in Schwarz hervorgehoben. Unter den beiden Schwarz-Weiß-Abbildungen auf der rechten Seite der Einleitung sind zwei rote Links platziert, die zu weiteren Texten und Fotografien führen. Hatte man vorher zeitweise das Gefühl in einer Art virtueller Dunkelkammer Negativstreifen anzuschauen, so bekommt man jetzt den Eindruck ergänzende Texte zum Fotobuch Communities without Borders entdeckt zu haben. Obwohl der Titel der beiden Projekte variiert, besteht kein Zweifel darüber, dass sie eine Einheit bilden. Das geht aus dem gemeinsamen Themenschwerpunkt, der Textinhalte, des Bildmaterials und des Sponsors, der sowohl im Fotobuch als auch auf der Startseite von Transnational Working Communities genannt wird, deutlich hervor. Dennoch fallen gleichermaßen einige Unterschiede auf. Die Einleitung des Online-Projekts ist nicht annähernd so umfangreich wie die Texte im Fotobuch. Stattdessen werden im Internet mehrere der Interviews, die David Bacon mit den indigenen Einwanderern aus Mexiko und Guatemala geführt hat, in Dialogform veröffentlicht, während sie im Buch gekürzt als persönliche Essay zu lesen sind. Auf der Website ist der Text einspaltig, während er im Fotobuch auf einer Doppelseite und durch das Querformat vierspaltig angelegt ist. Ferner sind nicht alle Fotografien, die man online vorfindet, im Fotobuch integriert worden und umgekehrt. So wurde z.B. das Porträt von Rigoberto Garcia, einem in den 50er Jahren eingewanderten Bracero, und seiner Frau Amelia zusammen mit ihrer persönlichen Geschichte sowohl online (Abb. 81) als auch im Fotobuch (Abb. 82) veröffentlich. Eine häufig publizierte Fotografie von Bacon, die einen sogenannten Border Jumper mit Hund257 zeigt, ist im Buch großformatig abgebildet und hier weggelassen worden. Dafür findet man in Transnational Working Communities ein Porträt von César Chavez258, dessen Foto in einem Text zusammen mit den Bildern anderer Aktivisten der UFW gezeigt wird, was wiederum im Buch fehlt.

257 Siehe »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 258 http://dbacon.igc.org/TWC/b03_Organizer.htm (21.09.2014).

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Abbildung 81: Website von David Bacon. Untermenü »Special Project: Transnational Working Communities«, dann »Braceros & Border Jumpers« und schließlich »The Story of a Bracero«, Screenshot.

Quelle: http://dbacon.igc.org/TWC/b01_Bracero.htm (21.09.2014)

Abbildung 82: Fotbuch »Communities without Borders« (2006).

Quelle: Bacon, David. Communities without Borders: Images and Voices from the World of Migration. Ithaca: ILR Press 2006, S. 224/225.

David Bacon erklärt: »When I began working on the project, long time before the book, I began taking photographs and recording and editing oral histories. I began putting some of them online […] The effort was to get it out so that we could begin using it. The project, because it was founded by the Rockefeller, I also had to produce photographs for the foundation. And these oral histories were given to them. And then I went back to them and said, since

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you’ve already invested all this money in producing this material here and nobody seeing it except you and me, maybe you should put some more resources and then actually publishing it. It was a winning argument and so they came up with some more money and we were able to publish the book. Publishing a photography book in the United States is very, very difficult. Most publisher require a subsidy, because otherwise the list prize of the book is so high that nobody would buy it. And I think it worked out well, because we kept the prize of the book in paperback under 30 $, which for a photography book is pretty good. So, the project went in stages. Even the name of it changed. The original name of it was that on the webpage, which is Transnational Working Communities, and then by the time it got to be the book. At one point there was an intermediary name that never appeared in public which was called Citizens of the World and then when the book came out it was Communities without Borders. [Who decided to change the title?] I did basically. [Why not Citizens of the World?] It was something I discussed with Sergio Sosa in Nebraska, Omaha, and I talked about a lot. He was one of my co-conspirators in this project and he was from Guatemala, so we went back to Guatemala and there was a whole section about it in the book, about Guatemala and about Nebraska. That was one of Sergio’s phrases, Citizens of the World, and we talked about it for a long time. In the end it just didn’t seem broad enough. Citizens has a complicated set of meanings and so it seems better to kind of work with the idea of communities […].«259

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Online-Projekt Transnational Working Communities und das Fotobuch Communities without Borders zwar eine Einheit bilden, aber die gerade beschriebenen Divergenzen sowie die Erklärung von Bacon begründen ihre verschiedenen Titel. Dadurch, dass der Fotograf sich hier zwei unterschiedlicher Medien für die Präsentation seiner Bilder und Texte zum Thema transnationale indigene Gemeinden bedient hat, ist es ihm gelungen, dass beide Projekte sowohl einzeln als auch zusammen funktionieren und eine breite internationale Leserschaft erreichen.

259 Interview mit David Bacon, op. cit..

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Abbildung 83: Website von Rick Nahmias. Screenshots.

Quelle: http://rcndocuments.com (22.09.2014)

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Das Spezial-Projekt Transnational Working Communities wurde zwar in die Homepage von David Bacon integriert, aber der User nimmt dennoch eine visuelle Trennung bzw. eine deutliche Hervorhebung wahr. Eine solche strategische Separation zwischen der Homepage des Fotografen und der Online-Präsentation seines Fotobuchs lässt sich ebenfalls bei Rick Nahmias feststellen, der sein Fotobuch The Migrant Project sogar unter einer eigenen Domain online präsentiert und parallel zu seiner persönlichen Homepage führt. Das bedeutet, der User kann The Migrant Project direkt und unabhängig von anderen Projekten des Fotografen online aufsuchen oder aber über seine persönliche Homepage erreichen. Besucht er zuerst RCN Documents260 (Abb. 83), kann er sich vorweg einen Gesamteindruck des vielschichtigen Betätigungsfelds von Rick Nahmias verschaffen und wird dabei feststellen, dass der Fotograf die strategische OnlineSeparation für alle seine Projekte konsequent umsetzt. Diese Trennung dient einer effizienteren Streuung und damit größeren Bekanntmachung seiner Projekte. Rick Nahmias hat insgesamt drei auf seinen Namen registrierte Domains: themigrantproject.com und rcnphoto.com wurden bereits 2006 registriert, seine aktuelle Homepage rcndocuments.com erst vier Jahre später261. Heute wird der User von rcnphoto.com sofort auf rcndocuments.com umgeleitet. Beide Domains setzen sich aus den Initialen des Fotografen (R.C.N.) und einem deskriptiven Zusatz, photo bzw. documents, und der Top-Level-Domain für Geschäftsunternehmen (.com) zusammen. Obgleich diese Top-Level-Domain nicht ausschließlich von Unternehmen genutzt wird, so suggeriert sie dennoch einen kommerziellen Charakter der Website. Damit wird die unternehmerische Tätigkeit von Nahmias, anders als bei Bacon, der seinen Fokus auf ein soziales Betätigungsfeld legt, verdeutlicht. Interessant ist auch die im Domain-Namen vorgenommene Verlagerung von Fotografie auf Dokumente. Dadurch unterstreicht Nahmias einen Gleichstellungswert der Fotografie als Dokument dem Text gegenüber. Fasst man alle online zur Verfügung stehenden Informationen zur Ausstellung The Migrant Project zusammen ergibt sich folgende Chronologie: Die Fotografien sind zwischen Frühling 2002 und Winter 2003 entstanden, bereits 2003 fanden die ersten zwei Ausstellungen in Kalifornien statt, eine im Califonia History Museum in Sacramento und eine im Fullerton Museum Center in Orange County, worauf die Sammlung nationalweit jedes Jahr gezeigt wurde. Die bislang letzte Ausstellung war im Museum of Ventura County Agriculture in Santa

260 http://rcndocuments.com (22.09.2014). 261 Alle Informationen über die Registrierung der Domains themigrantproject.com, rcnphoto.com und rcndocuments.com sind unter http://www.tucowsdomains.com/ whois (21.09.2014) öffentlich zugänglich.

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Paula, Kalifornien.262 Zwischen der Registrierung der Domain themigrantpro ject.com und der Veröffentlichung des Fotobuchs 2008 liegen zwei Jahre, daher ist anzunehmen, dass das Projekt zuerst online und anschließend in den Printmedien publiziert wurde. Die Bekanntmachung und Platzierung der Fotografien fand erstmals in den Ausstellungsräumen der kalifornischen Museen statt, dann online auf einer speziell für dieses Projekt eingerichteten Website und schließlich, ergänzend zu den anderen Plattformen, durch die Publikation als Fotobuch. Abbildung 84: Website von Rick Nahmias. Ausschnitt aus »The Migrant Project«. Untermenü »Exhibitions«. Screenshots.

Quelle: http://rcndocuments.com (22.09.2014)

Die Homepage von Nahmias ist in einem dezenten Grau gehalten und die Typografie ist auffallend elegant eingesetzt. Der Seitenaufbau besteht aus dem Header, der den Schriftzug »Rick Nahmias Photography« in Großbuchstaben zeigt und von einem eigenen Firmenlogo rechts daneben begleitet wird. Darunter ist das Navigationsmenü mit grauer Schrift und Mouseover-Effekt platziert worden, welches durch seine Typografie und minimalistische Gestaltung mit dem Header verschmilzt. Die aktive Seite wird im Menü in Weiß angezeigt. Es folgt der Content-Teil, der in zwei Spalten gegliedert ist. Die linke nimmt dreiviertel der Gesamtfläche ein und präsentiert seine auf Fotografie basierenden Multimedia-Projekte, in denen er sich mit Diversität, Gemeinschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen auseinandergesetzt hat. The Migrant Project wird an erster Stelle gelistet, gefolgt von Golden States of Grace, welches 2010 als Fotobuch erschienen ist, und Last Days of the Four Seasons. Daneben findet man ei-

262 http://themigrantproject.com/contact.html (22.09.2014).

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nen Link zur Facebook-Seite263 von Rick Nahmias Photography. In der rechten Spalte sieht man einen langen News-Stream mit Informationen zu Ausstellungen, Buchpräsentationen und Veröffentlichungen, Interviews und diversen öffentlichen Auftritten des Fotografen sowie Querverweise zu externen Internetseiten. Bei diesen Angaben ist das Datum der Einträge nicht angegeben, aber vergleicht man sie mit denen auf seiner Facebook-Seite264, so wurden die letzten Informationen 2013 gepostet. Die Startseite schließt unten im Footer mit dem Copyright ab. Abbildung 85: Wanderausstellung »The Migrant Project«. PDFDokument.

Quelle: http://www.rcndocuments.com/wp-content/uploads/2010/08/ MPonesheet10.pdf (24.09.2014)

Im Untermenü »Exhibitions« werden die auf der Startseite aufgelisteten Projekte genauer beschrieben; The Migrant Project befindet sich nun an dritter Stelle und der News-Stream ist weggelassen (Abb. 84). Jedes Projekt wird wie folgt angezeigt: Oben sind der Titel und Untertitel in Großbuchstaben zu sehen, wobei der

263 https://www.facebook.com/Rick-Nahmias-Photography-145316112175094/?fref=ts (22.09.2014). 264 https://www.facebook.com/pages/Rick-Nahmias-Photography/145316112175094 (22.09.2014).

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Titel in einer bestimmten Farbe hervorgehoben wird; die Überschrift von Golden States of Grace ist in einem Blauton gehalten, die von Last Days of the Four Seasons in Orange und die von The Migrant Project in Mint. Die jeweilige Farbe wird später in den Online-Ausstellungen unter einem individuellen DomainNamen aufgegriffen. Hier hat es den Effekt die Projekte einzeln hervorzuheben. Rechts neben dem Titel ist je ein Foto-Beispiel platziert, welche sich von denen auf der zuvor beschriebenen Startseite unterscheiden. Es folgen eine Kurzbeschreibung und schließlich der Hinweis darauf, dass es sich hier um Wanderausstellungsprojekte handelt. Der User bekommt eine Auswahlmöglichkeit zwischen dem Anzeigen der Online-Ausstellung in einem neuen Tab und dem Öffnen einer PDF-Datei mit weiteren Information zur jeweiligen Ausstellung. Abbildung 86: Startseite von »Forma Projects: 21«. Screenshot.

Quelle: http://formaprojects21.wix.com/version4#!__home-1 (30.09.2014)

Das einseitige PDF-Dokument zu The Migrant Project (Abb. 85) ist mit einem Texthintergrund in Mint und überwiegend brauner Schrift auffällig gestaltet. Verschiedene Schriftfarben und -größen, zwei Auflistungen und ein umrahmter Text sorgen für Übersichtlichkeit. Drei Fotografien, Boy in Vineyard, Tomato Pickers und Early Morning Grapes, begleiten den informativen Text ohne Angabe der Bildinformationen. Insbesondere die ersten beiden Bilder werden bevorzugt für die Werbung des Projekts eingesetzt, wodurch sie im Vergleich zu anderen Aufnahmen dieser Fotoserie einen höheren Wiedererkennungswert erlangt haben. Die Schwarz-Weiße-Fotografien betten sich links- und rechtsbündig in den mintgrünen Hintergrund und lockern gleichzeitig den kompakten Text auf. Dieser beinhaltet neben einer kurzen Projektbeschreibung auch eine Anmerkung über das inhaltliche Potenzial der Bildersammlung und die angesprochenen Zielgruppen sowie die Anzahl der Ausstellungsobjekte und organisatorische

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Grundvoraussetzungen für eine museale Umsetzung. Es stehen insgesamt vierzig gerahmte Abzüge und sieben didaktische Text-Tafeln in Spanisch und Englisch zur Verfügung. Interessant ist hierbei, dass die Fotografien in einer Museumsausstellung von zweisprachigen Texten begleitet werden, während sowohl das Fotobuch als auch die Online-Ausstellung nur in Englisch konzipiert sind. In den letzten beiden Zeilen sind die Kontaktdaten vermerkt. Das Ausstellungsprojekt wird, ebenso wie bei Golden States of Grace und Last Days of the Four Seasons von der Agentin Robin McCarthy, Forma Projects: 21, vertreten. Abbildung 87: Website von »Forma Projects: 21«. Startseite zu »The Migrant Project« von Rick Nahmias. Screenshots.

Quelle: http://formaprojects21.wix.com/version4#!__migrant (30.09.2014)

Auf der Startseite von Forma Projects: 21265 (Abb. 86), dessen Inhaberin McCarthy sich darum kümmert Museen, Institutionen und Einzelpersonen wie 265 http://formaprojects21.wix.com/version4#!__home-1 (30.09.2014).

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Rick Nahmias bei der Umsetzung ihrer innovativen Kunst- und Kulturprojekte behilflich zu sein266, werden direkt unter dem Navigationsmenü fünf Ausstellungsprojekte präsentiert, zwei davon von Rick Nahmias. Die Schwarz-WeißFotografie eines Bracero mit Cowboyhut, der ein Foto und die amerikanischen Flagge in den Händen hält, ist mit einem Link zur Präsentation von The Migrant Project auf Forma Projects: 21 versehen. Dort ändert sich das Design geringfügig, wobei der weiße Hintergrund und die Seitengliederung beibehalten werden (Abb. 87). Auf der linken Hälfte, in einem dunkelgrau unterlegten Textfeld, sieht man oben ein Zitat des US-Senators Edward M. Kennedy und darunter das von Arianna Huffington, The Huffington Post. Beide unterstreichen die hochgradige Bedeutung des Projekts und bringen ihre Anerkennung dem Fotografen gegenüber zum Ausdruck. Darunter befinden sich die Kontaktdaten und das Copyright von Forma Projects: 21 sowie ein Link zur Facebook-Seite267. Rechts daneben findet der User einen Text über die Ausstellung und das dazugehörige Fotobuch, wobei beides auf der linken Seite des Bildschirms durch die Abbildungen von Boy in Vineyard und dem Buchcover visuell untermalt wird. Zwischen diesen beiden Fotos hat der Besucher die Möglichkeit sich entweder weitere Fotografien oder das Projekt in Ausstellungsräumen anzeigen zu lassen. Abbildung 88: Website von »Forma Projects: 21«. Galerieansicht von »The Migrant Project«. Seite 1 (links) und Seite 2 (rechts). Screenshots.

Quelle: http://formaprojects21.wix.com/version4#!__mp-gallery (30.09.2014)

Unter »View more images« gelangt der User in eine Galeriedarstellung, wo durch vorwärtsblättern zweimal sechs Fotografien aus The Migrant Project prä266 Siehe http://formaprojects21.wix.com/version4#!__about (30.09.2014). 267 Die Facebook-Seite von Forma Projects: 21 ist derzeit in Zusammenhang mit The Migrant Project unbedeutend, da sie keine Informationen zum Projekt beinhaltet. In: https://www.facebook.com/pages/Forma-Projects-21/105110582885244?ref=ts (30.09.2014).

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sentiert werden (Abb. 88), die man sich mit einem Klick einzeln im Zoom anzeigen lassen kann. Dabei erscheint das vergrößerte Bild auf einem transparenten dunkelgrauen Hintergrund, der einerseits die unteren Fotos durchscheinen lässt und andererseits mit dem Textuntergrund der Zitate korrespondiert. Innerhalb dieser gezoomten Darstellung, rechts und links vom Bild, kann der User vorbzw. zurückblättern und sich in dieser Ansicht weitere Werke anschauen. Stets erhalten bleiben dem Betrachter in der oberen Bildschirmhälfte der Header und das Navigationsmenü sowie die Zitate auf der linken Seite. Abbildung 89: Website von »Forma Projects: 21«. Zoom-Ansicht von »Bracero Rally«. Online-Presentation »The Migrant Project«. Screenshot.

Quelle: http://formaprojects21.wix.com/version4#!__mp-gallery/photostacker gallery0=11 (30.09.2014)

Die Fotografie mit dem Titel Bracero Rally ist in Los Angeles entstanden und sowohl im Fotobuch268 als auch auf der Internetseite themigrantproject.com (Abb. 89) zu finden. Sie wird jeweils mit diesem Text beschrieben: »This June 2002 rally commemorated the announcement in the U.S. Congress of the ›Bracero Act‹, which would have allowed lawsuits to continue toward reclaiming the 10% of bracero salaries deducted by the U.S. Government, transferred to Wells Fargo Bank, then supposedly held by the Mexican Government from 1942 into the 1960s. Hundreds of thousands of braceros were originally brought into the United States as guest workers to make up for the labor lost to World War II. Those still alive receive no Social Security

268 Nahmias, op. cit., S. 6/7.

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benefits or pensions. In late 2005 the Mexican government set up a special fund offering each bracero $35.000 as a lifetime settlement. Though over 36.000 braceros (or their survivors) made claims for payments that would be covered by this fund, the Mexican government has disallowed more than 27.000 of them because they were unable to produce the original paperwork (now more than sixty years old) proving their eligibility.«269

Forma Projects: 21 verzichtet auf genaue Bildinformationen wie diese und zeigt ausschließlich die Eckdaten zum Foto. Dies trifft gleichermaßen für die restlichen zwölf Aufnahmen, die für diese Internetpräsentation ausgewählt wurden, zu. Abbildung 90: Website von »Forma Projects: 21«. Ansicht der Ausstellungsräume. »The Migrant Project« im Museum of Tolerance in Los Angeles. Screenshot.

Quelle: http://formaprojects21.wix.com/version4#!__mp-install (30.09.2014)

Wählt man auf der Startseite statt »View more images« die Option »Installation pictures«, bekommt man einen deutlichen Eindruck darüber, wie The Migrant Project in einer musealen Präsentation aussehen könnte (Abb. 90). Hier werden insgesamt vier Impressionen aus den Ausstellungsräumen im Museum of Tolerance in Los Angeles gezeigt. Auffällig ist dabei, dass sich der mintfarbige Hintergrund der Online-Ausstellung in den Ausstellungsräumen des Museums wiederfindet (Abb. 91). Dadurch wird deutlich, dass es sich bei The Migrant Project um eine klar durchstrukturierte Wanderausstellung handelt, die sowohl online aus auch in klassischen Präsentationsräumen wie denen eines Museums einem determinierten Design folgt, das eingehalten werden soll. 269 http://themigrantproject.com/gallery.html (30.09.2014).

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Abbildung 91: Website von »Forma Projects: 21«. Ansicht der Ausstellungsräume. »The Migrant Project« im Museum of Tolerance in Los Angeles. Screenshot.

Quelle: http://formaprojects21.wix.com/version4#!__mp-install/ photostackergallery0=3 (30.09.2014)

Abbildung 92: Website »The Migrant Project« von Rick Nahmias. Screenshot.

Quelle: http://themigrantproject.com (22.09.2014)

Gelangt man zur Online-Ausstellung von The Migrant Project, ob über einen Link von Forma Projects: 21, einen von Rick Nahmias persönlicher Homepage oder direkt durch die Eingabe des Domain-Namens, wird diese stets mit einem

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Flash-Video270 eröffnet (Abb. 92). Die Animation beginnt mit dem Erscheinen des Kurztitels, gefolgt vom zweiten Teil der Überschrift, Contemporary California Farm Workers. Die Typografie weicht hier im Vergleich zur Homepage einer Variante, die dem neuen Webdesign eine rustikale Note verleiht und ebenfalls auf dem Cover seines Fotobuchs zu finden ist. In beiden Fällen ist der Kurztitel in Dunkelgrün gehalten. Die Farben Grün und Braun werden mit Natur assoziiert und sind daher konform mit dem Thema des Projekts. Der Untergrund des Buchcovers verläuft von hell in ein dunkles Braun (Abb. 69), sodass der Titel trotz seiner dunkelgrünen Schriftfarbe deutlich erkennbar bleibt. Im FlashVideo ist dies durch den hellen Hintergrund gegeben. Unter dem vollständigen Projekt-Titel erscheint im Flash-Video dann das erste Foto, Tomato Pickers, welches auch das Titelbild seines Fotobuchs ist. Es folgen gleichzeitig zwei kleinere Fotos rechts und links neben dem mittig angelegten Titelbild sowie der Name des Fotografen und die Wörter enter site, beides ebenfalls zentriert und direkt unter den Abbildungen angeordnet. Geht der User nicht aktiv durch einen Mouse-Klick zur nächsten Seite über, wird er nach fünf Sekunden automatisch weitergeleitet. Der Seitenaufbau von The Migrant Project ist dem der persönlichen Homepage von Nahmias angelehnt, aber die spezielle Farbenpalette, die neue Typografie und die Verwendung von Flash verwandeln diese Internetpräsentation seiner Fotografien in eine eigenständige Online-Ausstellung, welche sich außerdem von anderen Multimedia-Projekten des Künstlers unterscheidet und eigenständig funktioniert (Abb. 93). Im Header befindet sich ausschließlich der Kurztitel und direkt darunter das Navigationssystem, wie gewohnt mit Mouseover-Effekt als stilistisches Element. Die aktive Seite wird hier zur besseren Orientierung beim Navigieren in Orange hervorgehoben. Im Content-Teil der ersten Seite befindet sich ein Ausstellungstext, der das Projekt kurz vorstellt und zweispaltig angelegt ist. Er alterniert mit zwei auffällig großen Fotografien, die an dieser Stelle ohne die entsprechenden Bildinformationen gezeigt werden. Im Footer ist The Mi¬grant Project über das Logo von Rick Nahmias Photography mit der Homepage verlinkt.

270 Siehe auch »Künstler-Websites«.

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Abbildung 93: Website »The Migrant Project« von Rick Nahmias. Ausstellungstext. Screenshots.

Quelle: http://themigrantproject.com/exhibit.html (22.09.2014)

Möchte der User die Fotos der Serie kennenlernen, muss er auf das Untermenü »Gallery« wechseln (Abb. 94). In der Bildergalerie wird eine repräsentative Auswahl von fünfzehn Schwarz-Weiß-Fotografien mit den dazugehörigen Bilddaten – Copyright, Bildbeschreibung und Bildtitel – eingebettet in eine FlashDatei präsentiert. Am Anfang sieht der User das Bild Bracero Rally, darunter ein Menü mit kleinen quadratischen Icons, die zu den Fotografien führen. Hier kann man beliebig zwischen den einzelnen Bildern wechseln. Geht man mit der Maus über das Porträt des Braceros, erscheinen in der unteren Bildhälfte die passenden Daten, welche wieder ausgeblendet werden, sobald man den Cursor entfernt hat (Abb. 95); auch hier also ein Mouseover-Effekt, der auf dieser Seite gleich viermal und in verschiedenen Variationen vorkommt. Zum einen findet man ihn im Navigationsmenü der Website, wo die Schriftfarbe dadurch zwischen Braun und Orange wechselt, und zum anderen im Bildermenü mit den Icons, die beim Streifen mit dem Cursor größer und damit übersichtlicher werden sowie beim Anzei-

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gen der Bildinformationen und schließlich im Steuerungsmenü, welches unten rechts neben den kleinen Icons zu finden ist. Hier wechseln die einzelnen Bottons zwischen Grau und Schwarz. Abbildung 94: Website »The Migrant Project« von Rick Nahmias. Galerie. Screenshot.

Quelle: http://themigrantproject.com/gallery.html (22.09.2014)

Abbildung 95: Website »The Migrant Project« von Rick Nahmias. Galerie. Screenshot.

Quelle: http://themigrantproject.com/gallery.html (22.09.2014)

Über das Steuerungsmenü kann der User interaktiv agieren und die Präsentation der Fotografien individuell gestalten. Das Steuerungsmenü besteht aus insgesamt sieben Bottons; mit dem Kreuz kann er das Menü ausblenden, über das Frage-

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zeichen bekommt er die Bildinformationen angezeigt, als nächstes kann er das Bildermenü ausblenden und sich somit nur die großformatige Fotografie anzeigen lassen, mit den beiden Pfeilen ist es möglich vor- bzw. zurückblättern und mit der Playtaste startet man die Slideshow, die im Loop abgespielt und jederzeit wieder gestoppt werden kann. Eine einzelne Sequenz dauert eine Minute, wobei jede Fotografie drei Sekunden lang angezeigt wird. Das erste und das vorletzte Bild der Galerie haben ein Hochformat, die anderen dazwischen sind alle querformatig. Dadurch werden der Beginn und das Ende der Sequenz visuell markiert. Ob der User sich die Bilder z.B. mit den dazugehörigen Informationen und den Icons darunter oder nur die Abbildungen alleine anschauen möchte, entscheidet er selbst, was diesen Ausstellungsbesuch zu einer besonderen Erfahrung werden lässt. Diese interaktive Bild-Präsentation findet sich ebenfalls in seiner Online-Ausstellung zu Golden States of Grace271, jedoch nicht in der zu Last Days of the Four Seasons272, wo die Abbildungen ohne Flash-Video präsentiert werden. Während Rick Nahmias eine interaktive Präsentationsform seiner Fotografien bevorzugt, findet man auf der gesamten Homepage von David Bacon keine Flash-Videos oder Steuerungselemente, die den User von den Texten und dem abundanten Bildmaterial ablenken könnten. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Website The Migrant Project als Online-Ausstellung eines in sich abgeschlossenen Projekts konzipiert wurde, welches man in seiner musealen Ausführung direkt über den Fotografen oder seine Agentin Robin McCarthy von Forma Projects: 21 buchen kann. Die Homepage Rick Nahmias Photography operiert dabei eigenständig und dient einerseits als Online-Visitenkarte für ihn als Kreativgeist und andererseits als übersichtliche Präsentationsplattform seiner diversen Ausstellungsprojekte, Bücher und Events. Da seine Fotografien aus der Serie The Migrant Project konsequent als Teil eines in sich geschlossenen Projekts präsentiert und angeboten werden, ist die Streuung einzelner Bilder im Internet verhältnismäßig gering. Die primäre Intention scheint auf der Bekanntmachung des Projekts als Ganzes, nicht in der einzelner Fotografien zu liegen. Bei David Bacon hingegen werden einzelne Fotografien deutlich intensiver verbreitet. Als Journalist und Aktivist der sozialen Arbeiterbewegung in den USA hat Bacon ein spezifisches Interesse an einer massiven Streuung seines Bild- und Textmaterials sowohl im Internet als auch in den Printmedien. Seine Homepage David Bacon Stories & Photographs kann nicht als OnlineVisitenkarte verstanden werden, da er im Gegensatz zu Nahmias auf biografische Angaben verzichtet und lediglich über einen Link in den Copyright271 http://goldenstatesofgrace.com/gallery.html (22.09.2014). 272 http://lastdaysofthefourseasons.com/?page_id=10 (22.09.2014).

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Angaben per E-Mail kontaktiert werden kann. Der Fotograf als Person steht hinter der Arbeit als Fotojournalist. Bacon geht es primär um die Lebensgeschichten der Arbeiter und die Darstellung sozialer Ungerechtigkeiten sowie um eine klassisch anmutende Präsentation von Fotoserien, durch welche die aktuellen Gegebenheiten der Migranten imposant dokumentiert werden sollen. David Bacon Stories & Photographs wirkt daher wie eine Online-Datenbank mit abundantem Bild- und Textarchiven, die sich gegenseitig komplementieren. Miteinbezogen wird ein Untermenü für das Projekt Transnational Working Communities, welches eine inhaltliche Einheit mit dem Fotobuch Communities without Borders bildet. Abgesehen von diversen externen Anbietern wie z.B. Amazon, werden die Fotobücher von David Bacon und Rick Nahmias von ihnen direkt präsentiert, aber nicht vertrieben. Das Buch Communities without Borders wird auf der Website von David Bacon über das Untermenü »Books & Shows« vorgestellt. Rick Nahmias dagegen kann, da er zwei Domains besitzt und von einer Agentin vertreten wird, sein Fotobuch zum Thema Farmarbeiter in Kalifornien auf unabhängig voneinander funktionierenden Websites gleichzeitig präsentieren, nämlich einerseits auf der Homepage Rick Nahmias Photography unter »Books« und andererseits auf der Seite der Online-Ausstellung The Migrant Project unter »Book/Curriculum«. Sein Fotobuch wird außerdem auf Forma Projects: 21, der Website der Agentin, genannt. Dadurch ist es Nahmias gelungen die Bekanntmachung seines Buches effizienter zu gestalten als Bacon, der seine Projekte gebündelt unter einer Domain zeigt. Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst Die beiden Künstler Delilah Montoya273 und Orlando Lara274 haben sich intensiv mit der Grenzüberquerung in Arizona auseinandergesetzt. Dabei geht es ihnen primär um die Darstellung der lokalen Schwierigkeiten, denen sich die Einwanderer in dieser Region zu stellen haben. Interessanterweise sind, wie sich gleich zeigen wird, in den Fotografien selbst keine Personen dargestellt. Stattdessen sieht man Aufnahmen einer weiten Wüstenlandschaft, der Sonora-Wüste, die mit ihren 320.000 km² eine der größten Wüstenregionen der Welt ist. Sie erstreckt sich auf beiden Seiten der Grenze zwischen Mexiko und den USA, wobei sie im nördlichen Teil zum Reservat der Tohono O'odham Nation gehört. Dieser Stamm ist wiederum mit den im Nordosten des mexikanischen Bundesstaates

273 www.delilahmontoya.com (16.05.2016). 274 www.orlandolara.com (16.05.2016).

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Sonora lebenden Pápagos kulturell verwandt. Genau dies, zusammen mit der Tatsache, dass die meisten Einwanderer indigener Herkunft sind, macht Sed: The Trail of Thirst zu einem der bedeutendsten Projekte der vorliegenden Arbeit. Delilah Montoya findet dieses Gebiet zwischen Mexiko und den USA besonders spannend, weil es für sie zu einer Metapher für die Kultur der Chicanos heute wird: Die Tohono O'odham Nation erstreckt sich auf beiden Seiten der Grenze und zwar als Reservat in den USA, aber nicht in Mexiko. Eine Hälfte ihrer Mitglieder sind US-amerikanische Bürger, die anderen sind Mexikaner. Während die Tohono O’odham (»Wüsten-Leute«) in Nordamerika ihren ursprünglichen indigenen Namen aus Zeiten vor der Eroberung wiederangenommen haben, benutzen die in Mexiko lebenden Pápagos (»Teparybohnen-Esser«) auch weiterhin die ihnen durch die Spanier auferlegte Bezeichnung.275 Führt man diesen Gedanken weiter, lässt sich sagen, dass der geografischen Trennung der Tohono O'odham Nation seit dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg und dem Vertrag von Guadalupe Hidalgo im Jahre 1848 eine kulturelle Zerrissenheit folgte. – Diese findet sich heute auch zwischen den Chicanos und den Mexikanern. Umso wichtiger wird es für die Chicano-Fotografen ihre Solidarität mit den indigenen Einwanderern deutlich zu machen. Abbildung 96:»Humane Borders Water Station« (2004) von Delilah Montoya.

Quelle: Archiv der Fotografin. © Delilah Montoya

Montoya visualisiert in menschenleeren Panorama-Fotografien die Spuren der mexikanischen Immigranten, die geisterartig aus Angst vor einer Festnahme und Deportation durch das Land streifen, während die Arbeiter der Hilfsorganisation Humane Borders276 sich darum bemühen ihnen den Weg durch die Wüste zu er-

275 Interview mit Delilah Montoya, op. cit.. 276 Siehe http://www.humaneborders.org (28.09.2014).

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leichtern. In der Fotografie Humane Borders Water Station (Abb. 96) dominiert eine dunkle Wolkendecke, welche auf die schwierigen lokalen Gegebenheiten hindeuten lässt. Mittig im Bild sieht man einige der zahlreichen Wassertanks, die sich in dieser weitläufigen Zone befinden und die stets mit einer blauen Fahne sichtbar gekennzeichnet werden. Die hier gezeigte Fahne ragt auf einer langen Stange hoch in den blauen Himmel hinein. Sie ist zerfetzt und kaum sichtbar. Dennoch wird sie in der Not gut erkannt und führt zahlreiche Einwanderer zum durch die Sonne erhitzen aber dennoch lebensrettenden Wasser. Obgleich auch zahlreiche Stammesmitglieder der Tohono O'odham Nation den Immigranten helfen, gibt es viele andere, die dagegen sind. Sie befürchten, dass dadurch die Migration gefördert würde und sich die Zahl der Einwanderer vervielfachen könnte. Die Stammespolizei der Tohono O'odham spricht von etwa 1.500 Menschen täglich277. Dadurch, dass das Tohono O'odham Gebiet von der U.S. Regierung als souverän anerkannt wird, benötigt die Border Patrol die Erlaubnis des Stammes den Grenzübergang abzufahren, was zu einem weiteren Dilemma führt. Zum einen möchten die Native Americans nicht patrouilliert werden, zum anderen wollen sie keine Massen von Einwanderern auf ihrem Land. Orlando Lara sagt: »I think that's one area where the sovereignty that Native American communities have kind of breaks down. The Border Patrol does go in there and they went with me in there. But one of the things I remember them saying is that, when we come in here, we really think that people are helping people across. That was their idea. The agents I was with said they've found a lot of people hiding in people's houses. They have a kind of cynical take on it. They think some people are trying to make some extra money out of it that they're charging migrants to let them stay.«278

Ob aus rein geschäftlichen oder humanitären Gründen, die Zahlen der verstorbenen Menschen in dieser Zone sind erschreckend und machen die Arbeit von Aktivisten wie Lara unerlässlich. Die aktuellen Daten von Humane Borders zeigen, dass zwischen 1999 und 2013 insgesamt 2.471 Immigranten in dieser Zone verstorben sind und dass trotz jeden Widerstandes über achtzig Wasserstationen auf

277 Orlando

Lara

in

einem

Künstlergespräch

mit

Delilah

Montoya,

in:

http://www.orlandolara.com/thirst/talk.html (28.09.2014). Zum Vergleich: die Tohono O'odham Nation hat derzeit 28.000 Einwohner. In: http://www.tonationnsn.gov/about_ton.aspx (28.09.2014). 278 Orlando Lara, in: op. cit..

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beiden Seiten der Grenze aufgestellt wurden279, sodass es letzten Endes etwa neunzig Prozent der Einwanderer schaffen erfolgreich über die Grenze zu kommen.280 Die von der Border Patrol verzeichneten Zahlen spiegeln ein sehr ähnliches Bild wider. Laut eines Berichts von 2014 gab es in keinem anderen Landsteifen entlang der US-amerikanischen Grenze eine höhere Todesrate als in Arizona, was unter anderem eine Konsequenz der Grenzverstärkung in Kalifornien ist281. Alleine zwischen 1998 und 2013 wurden 2.701 Opfer registriert. Da die meisten ohne Ausweis oder mit gefälschten Papieren reisen, ist eine Identifizierung all derer, die es nicht geschafft haben, äußerst schwierig.282 Gregory Hess, ärztlicher Leichenbeschauer in Pima County, Arizona, erklärt in einem Online-Artikel mit Ryan Van Velzer: »[…] ›We get a lot of skeletal remains, mummified, fully fleshed, it sort of runs the whole gamut […] You can't take fingerprints off mummified hands.‹ […] Hess said he uses a ›hodgepodge‹ of techniques to identify the bodies brought to his office. Some are identified with distinctive articles of clothing, others with dental records, DNA, tattoos or fingerprints when applicable […]. If they're identified, the death certificates of those found are recertified with their names. Afterward, the Medical Examiner's Office contacts the consulate of the person's home country and the family to have the remains returned, Hess said.«283

An dieser Stelle lässt sich ein interessanter Bezug zur amerikanischen Geschichte herstellen, was gleichermaßen durch den Projekt-Titel vorgegeben wird. Der Titel Sed: The Trail of Thirst ist nämlich eine Ableitung von The Trail of Tears, einem dunklen Punkt in der US-amerikanischen Geschichte. Lara erklärt: »One of the things that sociologists and anthropologists try to do is say why are people coming? Why are they risking their lives to do this? And what does this mean today? And one of the reasons I called it the trail of thirst was to allude to the Trail of Tears, a historical moment when indigenous people were forced off of their land. In the current moment 279 http://humaneborders.org/news/documents/death_handout_2013_download.pdf (28.09.2014). 280 Siehe das Künstlergespräch zwischen Orlando Lara und Delilah Montoya, in: op. cit. 281 Siehe auch »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 282 Ryan Van Velzer, »Arizona's border deaths remain highest in U.S.«, 8. August 2014. In:

http://www.azcentral.com/story/news/local/arizona/2014/08/08/arizona-undocu

mented-border-deaths-highest-in-the-country/13738253/ (30.08.2015). 283 Ibidem.

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of neo-liberal policies, of NAFTA and the privatization of land in Mexico, there is another forcing of people off of their land and these also tend to be indigenous people who are also the poorest in Mexico with the least connections to the United States and the ones forced to go on this trail.«284

Damals, zwischen 1831 und 1839, wurden die Ureinwohner, hauptsächlich Cherokee, Muscogee, Seminole, Chickasaw und Choctaw, aus ihren Lebensräumen im Südosten der USA auf die westliche Seite des Mississippi vertrieben, um Platz zu schaffen für die weißen Siedler. Dabei starben etwa ein Viertel der Native Americans aufgrund von Hunger, Krankheit und Erschöpfung. Der damalige Präsident Andrew Jackson285 schaffte sich für die Umsiedlung mit der Verabschiedung des Indian Removal Act von 1830 eine rechtliche Grundlage. Die konsequente Umsetzung des neuen Gesetzes führte nicht nur zur Dezimierung der Stämme, sondern gleichermaßen zur kulturellen und spirituellen Entwurzelung der Überlebenden. Genau darin liegen die Parallelen im Vergleich zu den heutigen indigenen Einwanderern aus Mexiko: viele kommen um, während die Überleben einen intensiven kulturellen Wandel durchlaufen. Das Projekt Sed: The Trail of Thirst ist demnach eine Rückbesinnung auf einen dunklen Teil der amerikanischen Geschichte, während es gleichermaßen auf die aktuellen politischen Gegebenheiten und den interessanten Aspekt von Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen indigenen Völkern heute anspricht. Dabei spielt die genaue Herkunft einzelner Immigranten für die Künstler selbst keine große Rolle. Vielmehr gehen Montoya und Lara von indigenen Migranten sowohl heute als auch in der amerikanischen Geschichte generell aus und umfassen damit mehrere indigene Völker auf beiden Seiten der Grenze gleichermaßen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Arbeit von Orlando Lara und Delilah Montoya deutlich von der zuvor beschriebenen Fotoserie von David Bacon286, der äußerst großen Wert darauf legt die verschiedenen indigene Kulturen der Einwanderer gesondert aufzuzeigen. Darauf basierend, die Einwanderer hier als eine scheinbar homogene Gruppe zu betrachten, ist es Montoya in ihren Bildern gelungen eine weit verbreitete Praxis der Anonymisierung indigener Leute in der Fotografie, die sich sowohl in der mexikanischen als auch in der Chicano-Fotografie wiederfindet, visuell zu

284 Orlando Lara, in: op. cit.. 285 Siehe auch den Dokumentarfilm Andrew Jackson's Controversial Decisions auf http://www.history.com/topics/native-american-history/trail-of-tears (28.09.2014). 286 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«.

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maximieren und die Betrachter dadurch zur Reflexion zu bewegen287. Im Gegensatz dazu werden die Migranten in der Fotografie von David Bacon und Rick Nahmias porträtiert und sehr oft namentlich vorgestellt. Außerdem wird ihre indigene Herkunft in vielen Fällen explizit genannt und zahlreiche persönliche Geschichten in begleitenden Texten erzählt, wodurch die Personen bewusst aus der besagten Anonymität herausgeholt werden. Dadurch wird zwischen dem Betrachter der Fotos und den Abgebildeten eine gewisse Anteilnahme am Kampf der Einwanderer sowie eine spezifische Erfahrung der Auseinandersetzung mit dem Thema Migration geschaffen. Dies wird gleichermaßen durch die Werke von Delilah Montoyas Sed: The Trail of Thirst erreicht, allerdings mit dem entgegengesetzten Extrem der bildlichen Darstellungsweise. Die lokalen Verstrickungen in der Sonora-Wüste sind kompliziert und die Gründe der Immigranten unsichtbar zu bleiben groß. Um die Anwesenheit der Migranten zu unterstreichen, hat Montoya in dem Bild Migrant Campsite (Abb. 97) Schatten von Personen eingefügt, welche man in der rechten Bildhälfte sieht. Dadurch wird die Präsenz der Immigranten zwar spürbar, aber nicht physisch sichtbar. Wie die Künstlerin erklärt, soll in ihren Panorama-Bildern eine psychische Anwesenheit durch physische Abwesenheit vermittelt werden: »The other thing is that there is a real feeling of the presence of absence. You feel as though some body was there. You feel the absence of that person. In order to suggest that one of the things that I did of course digitally was to throw a shadow in there, just the shadow and not the person. Just to kind of suggest that absence.«288

Abbildung 97: «Migrant Campsite» (2004) von Delilah Montoya

Quelle: Archiv der Fotografin. © Delilah Montoya

287 »[…] We wanted the community to begin talking about and experience what had been veiled, not to be spoken.« Delilah Montoya, in: http://www.orlandolara.com/ thirst/talk.html (28.09.2014). 288 Delilah Montoya, in: Ibidem.

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Das Bild Migrant Campsite besteht aus mehreren Einzelaufnahmen, die Montoya analog aufgenommen und dann gescannt hat. Anschließend hat sie diese unter Verwendung von Photoshop CS am Computer manuell zusammengesetzt. Dabei musste sie zeitaufwändig die Überlappungen kaschieren und leichte Helligkeitsunterschiede der einzelnen Bilder entfernen. Photoshop CS hatte noch keine sogenannte Photomerge-Funktion, mit der man heutzutage schnell und bequem mehrere Aufnahmen automatisch zu einem Panorama-Bild verbinden kann. Diese Funktion gibt es erst seit Photoshop CS3, also seit 2007. Der Bildtitel Migrant Campsite verdeutlicht, dass die Immigranten an dieser Stelle von den Coyoten, die ihnen über die Grenze helfen, abgesetzt werden. Man sieht sehr deutlich die Reifenspuren im Sand, kurvig als würden die Fahrer wenden und dann jemanden aus- oder einsteigen lassen. Nachdem die Coyoten sie hier abgesetzt haben, müssen sie auf eine andere Person warten, von der sie in die Stadt gebracht werden. Wann genau diese sie abholen kommt, wissen die Einwanderer nicht und so warten sie oft stundenlang in der heißen Wüstensonne. Abbildung 98: »Sed: The Trail of Thirst, Panoramic Desert Landscapes of Migration Trails«. Installation. Talento Bilingüe, FotoFest 2004 in Houston, TX.

Quellen: Archive der Fotografen. © Delilah Montoya und Orlando Lara

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Abbildung 99: »Sed: The Trail of Thirst, Panoramic Desert Landscapes of Migration Trails«. Installation (Detailansicht). Talento Bilingüe, FotoFest 2004 in Houston, TX.

Quelle: Archiv der Fotografin. © Delilah Montoya

Ursprünglich wurden diese beiden Panorama-Bilder als Teil einer Installation konzipiert und wurden mit persönlichen Gegenständen, die die Einwanderer auf ihrer Reise durch die Wüste zurücklassen haben, kombiniert (Abb. 98). Diese Sachen erzählen Geschichten über ihre früheren Besitzer289 und sind Teil der Er289 Der Anthropologe Jason De Leon von der Universität in Michigan beschäftigt sich ebenfalls mit der wissenschaftlichen Analyse der in der Sonora-Wüste zurückgelassenen Gegenstände der Migranten aus Mexiko. »Since 2008, The Undocumented Migration Project, directed by De Leon, has collected what has become the largest assemblage of migrant artifacts in the country. […] While De Leon has been contacted by the Smithsonian as a possible venue for the first exhibit of artifacts, he hopes the premiere exhibit will be in the Museo Nacional de Antropología in Mexico City with parts of the collection eventually repatriated to Mexico. ›These objects are an important historical record of the shared migration story of Americans and Latinos, but I think it is important that these artifacts are returned to the communities of people who have been so directly impacted by out-migration,‹ De Leon said to HuffPost, ›These artifacts belong to the migrants that have faced the harsh Sonoran desert.‹« In: http://www.huffingtonpost.com/2012/01/19/migrants-belongingsus-mexico-border_n_1213910.html?utm_hp_ref=us-mexico-border

(03.10.2014).

Siehe auch die offizielle Homepage von The Undocumented Migration Project unter www.undocumentedmigrationproject.com (03.10.2014).

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fahrung, mit der sich Montoya und Lara beschäftigt haben290. Es existieren einige Aufnahmen der Fotoinstallation, wie sie erstmals im Kulturzentrum Talento Bilingüe de Houston zum FotoFest 2004 gezeigt wurde. Neben den Fotografien war auch das Video Elizabeth's Story, ein Gemeinschaftsprojekt von Mario Arosemena, Beatriz Briones, Orlando Lara und Delilah Montoya, zu sehen. Das Video zeigt wie Border Patrol Agents Nachtsichtkameras benutzen, um illegale Einwanderer aufzuspüren. Dann erzählt die damals im vierten Monat schwangere Elisabeth von ihrem beschwerlichen Weg durch die Wüste, ihrer physischen Schmerzen sowie der ständigen Angst entdeckt und deportiert zu werden. Schwarz-Weiß- und Farbfotografien wurden hier mit Film, Ton und Text sowie mit diversen Objekten wie Wasserflaschen und Kleidungsstücken kombiniert. Die Besucher sollten so einen möglichst authentischen Eindruck davon bekommen, was es bedeutet durch die trockene Wüstenlandschaft Arizonas zu streifen und den dortigen Gefahren ausgesetzt zu sein. Kleidungsstücke wie durchgelaufene Schuhe oder benutzte Unterwäsche, Kinderspielzeug und Windeln, leere Kosmetikbehälter, eine zerfetzt Bibel und Abbilder der Virgen de Guadalupe sowie ein Portemonnaie mit Geldscheinen und Personalausweise gehören zu den Fundgegenständen der Künstler. Einige Objekte finden sich in der Panorama-Fotografie Migrant Campsite wieder, wurden von den Künstlern mitgenommen und vor dem Bild platziert (Abb. 99). Das Schriftband, welches hinten im Bild im Gebüsch hängt, wurde im Vordergrund so ausgerichtet, dass der Schriftzug »Fe y Esperanza« zu lesen ist. Denn es sind genau der Glaube und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die die Einwanderer auf ihrem langen Weg durch die Wüste nicht aufgeben lassen. Die blaue Flasche, wahrscheinlich für Sonnenschutzcreme, findet sich ebenfalls sowohl in der Fotografie als auch auf dem Regal wieder und korrespondiert mit dem Blau des Himmels. Die schwarzen Stiefel, die im Hintergrund rechts und links neben der Flasche liegen, findet man im unteren rechten Bildrand sorgsam aufgestellt wieder. Zwischen den Stiefeln sieht man den Turnschuh, der sich ebenfalls im Bildhintergrund wiederfindet. Die Jeans, wie man in den Fotografien der Installation sehen kann, wurde auf dem anderen Regal und vor einer Aufnahme von Lara platziert. Den rosa Kinderrucksack mit der Comic-Figur Tweety legten sie neben den Fernseher, der in der Ecke steht (Abb. 98). Eine weitere Detailaufnahme aus dieser Ausstellung erlaubt es eine recht interessante Parallele zwischen den Indígenas aus Oaxaca und den Native Americans aus Florida herzustellen. Die meisten indigenen Immigranten stammen aus Oaxaca. Sehr oft gehören sie zu den Mixteken, Zapoteken oder Triqui, welche

290 Delilah Montoya, in: op. cit..

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wiederum in den USA sozialpolitisch sehr starke Organisationen wie die FIOB gegründet haben291. Auf diesem Regalboden liegen unter anderem eine Ledersandale oder auch Huarache, wie die Indígenas sagen, und eine bunte Tragetasche aus Stoff mit der Aufschrift »Hard Rock, Oaxaca, Mexico« (Abb. 100). Da es in Oaxaca kein Hard Rock Café oder Hotel gibt und der Stoff für Mexiko typisch ist, gehe ich davon aus, dass sie in Oaxaca hergestellt oder zumindest dort verkauft wurde. Abbildung 100: »Sed: The Trail of Thirst, Panoramic Desert Landscapes of Migration Trails«. Installation. Talento Bilingüe, FotoFest 2004 in Houston, TX.

Quelle: Archiv des Fotografen. © Orlando Lara

Abbildung 101: »Oaxaca Beg« von Orlando Lara.

Quelle: http://www.orlandolara.com/thirst/photos/oaxacabag.jpg (04.12.2015)

291 Siehe auch »Indigene Gruppen im Internet«.

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Wie man in der gesonderten Schwarz-Weiß-Aufnahme sehen kann, hat Orlando Lara die Tasche an einer kaktusartigen Pflanze hängend in der Wüste gefunden (Abb. 101). Es gibt zwar mehrere Objekte, die Lara an ihrem Fundort in Schwarz-Weiß fotografiert hat und die dann später in der Fotoinstallation neu arrangiert wurden. Doch das Interessante an dieser Tasche ist nicht nur der Hinweis auf den Ursprungsort zahlreicher indigener Immigranten aus Mexiko, sondern auch, dass das Hard Rock Unternehmen einem Nordamerikanischen Stamm, den Seminolen292, gehört. 2007 erwarben die Seminolen für damals genau 965 Mio. US-Dollar zahlreiche Hard Rock Cafés, Hotels und Casinos von der britischen Rank Group. Es war die weltweit erste Übernahme eines großen internationalen Unternehmens durch einen indigenen Stamm aus Amerika. Die Experten stufen dieses Geschäft als einen Meilenstein in der wirtschaftlichen Entwicklung der Seminolen und anderer Native Americans ein.293 Abbildung 102: Fotografie von Mario Arosemena.

Quelle: http://www.orlandolara.com/thirst/photos/footprints.jpg (12.10.2015)

Die Seminolen, wie eingangs erwähnt, gehören zu den in den 1830er Jahren von Präsident Andrew Jackson umgesiedelten Völkern. Sie gingen ihren Trail of Tears von Osten nach Westen, von Nord-Florida bis nach Oklahoma. Heute sind

292 www.semtribe.com (20.04.2016). 293 Siehe auch Corkovic, op. cit., S. 202.

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sie in Süd-Florida und Oklahoma ansässig. Die Immigranten aus Oaxaca durchlaufen ihren Trail of Thirst heute von Süden nach Norden. Mag die Migrationsrichtung geographisch eine andere sein und die Ursachen für die Wanderung variieren, so gibt es dennoch deutliche Parallelen wie die großen Gefahren, die zahlreichen Opfer und das gemeinsame Ziel zu überleben. Die von Lara und Montoya gesammelten Objekte sind kurz nach der Ausstellung verschollen, sodass ihre Fotografien fortan nur noch alleine gezeigt werden konnten. Sie stellten dieses Projekt jahrelang sogar unabhängig voneinander und in verschiedenen Variationen national aus bis die Panorama-Aufnahmen von Montoya schließlich 2013/14 von der Smithsonian Institution im Rahmen der Ausstellung Our America – The Latino Presence in American Art294 gezeigt und akquiriert wurden. Ich habe beide Künstler unabhängig voneinander interviewt, mit dem Ziel ihre Antworten zu vergleichen und somit bessere Forschungsergebnisse zu erhalten. Für Orlando Lara sei es Delilah Montoyas Talent mit der Kamera zu verdanken, dass das Projekt so weit gekommen sei295; für Montoya hingegen wurden ihre Fotografien allein durch die Veröffentlichung einer projektbezogenen Website in die Sammlung der Smithsonian aufgenommen296. Zu beachten ist, dass wir hier ein Lehrer-Studenten-Künstlerduo haben, d.h. Lara hatte die Idee zu diesem Projekt und machte eine umfangreiche Recherche dazu, während Montoya ihn als erfahrene Fotografin und Mentorin unterstützte. Die Website wurde von Lara allein gestaltet und besticht durch das umfangreiche Bild- und Textmaterial. Sie wurde 2006, also bereits sieben Jahre vor der Ausstellung im Smithsonian American Art Museum in Washington, D.C. ins Netz gestellt. Daher denke ich, dass sowohl die Website als auch die zahlreichen Ausstellungen seit ihrer Teilnahme am FotoFest 2004 zum Erfolg dieses Projekts geführt haben. Erwähnt sei auch, dass Lara das Video Elizabeth's Story, welches im Rahmen der Installation gezeigt wurde, 2012 bei YouTube eingestellt hat, wo es bis heute knapp achthundert Aufruhe hatte.

294 Smithsonian American Art Museum und E. Carmen Ramos. Our America: The Latino Presence in American Art. Washington, DC: Smithsonian Amerian Art Museum in association with D Giles Ltd, 2014. 295 Interview mit Orlando Lara, op. cit.. 296 Interview mit Delilah Montoya, op. cit..

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Abbildung 103: Website von Orlando Lara. Untermenü »Sed: A Trail of Thirst«. Screenshots.

Quelle: http://www.orlandolara.com/thirst/talk.html (12.10.2015)

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Das Design der Website (Abb. 103) ist schlicht in Weiß gehalten, lediglich das Detail einer Fotografie von Mario Arosemena (Abb. 102), in welcher man Schuhabdrücke im Sand erkennt, markiert den Header und den Footer. Arosemena war damals, ebenso wie Lara, ein Student von Montoya und nutzte das Projekt als Weiterbildung. Das Hauptmenü wurde in den Header integriert und besteht aus vier Rubriken: der Projekt-Prämisse, einem Künstler-Dialog, den »Credits« und der Möglichkeit in Form einer E-Mail ein Feedback zu verschicken. Rechts daneben stehen die Namen der beiden Künstler, jeweils mit einem Link zu deren Websites versehen. Repräsentativ habe ich hier ihr Artist Talk von 2005 an der Stanford University ausgewählt, in dem es um ihre Motivation dieses Projekt zu realisieren und die gesammelten Erfahrungen geht. Der Text zieht sich vertikal insgesamt über knapp 12 Bildschirmlängen und beinhaltet neben den Fotografien auch Landkarten und Tabellen mit Statistiken. Abbildung 104: Website von Orlando Lara. Untermenü »Sed: A Trail of Thirst«. Screenshot.

Quellen: Unteres Browserfenster: http://www.orlandolara.com/thirst/talk.html (12.10.2015) Oberes Browserfenster: http://www.orlandolara.com/thirst/ photos/mikewilson.jpg (12.10.2015)

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Abbildung 105: Website von Orlando Lara. Untermenü »Sed: A Trail of Thirst«. Vollansicht. Screenshot.

Quelle: http://www.orlandolara.com/thirst/photos/mikewilson.jpg (12.10.2015)

Hyperlinks sind braun hervorgehoben; zahlreiche davon führen zu externen Websites von Aktivisten oder zu Online-Artikeln mit projektbezogenen Informationen. Hat ein Link rechts neben den braun markierten Textstellen zusätzlich ein kleines Kamera-Icon , ist Fotomaterial des Künstlerduos integriert. Stößt man beim Lesen des Textes beispielsweise auf den Namen Mike Wilson und klickt darauf, öffnet sich ein neues Fenster mit der entsprechenden Abbildung. Wilson ist ein Geistlicher der Tohono O’odham und half den beiden Künstlern sich problemlos im Reservat zu bewegen. In dieser Fotografie sieht man ihn gerade zahlreiche Wasserkanister aufstellen (Abb. 105). Damit unterstütz er die Arbeit der Hilfsorganisation Humane Borders297, deren ehrenamtliche Mitglieder wie er die passierenden Einwanderer vor dem Verdursten bewahren wollen. Um sich eine Großansicht der im Text eingebetteten Abbildungen anzeigen zu lassen, klickt man entweder auf den Link oder auf das Foto selbst. Stets wird ein neues Fenster geöffnet, welches oben auf dem ursprünglichen Browserfenster liegt (Abb. 104). Dieses kann man sich über den ganzen Bildschirm anzeigen lassen, wodurch die Fotografie zentriert und wie von einem schwarzen Passepartout umrahmt präsentiert wird (Abb. 105). Der große Vorteil dieser klassischen, heutzutage aber als veraltet geltenden, Präsentationsform besteht darin, dass der User diese Vollansicht ebenso einfach wieder schließen kann. Durch einen Klick auf die Schließen-Schaltfläche in der Titelzeile oben rechts kehrt er zum Haupt-

297 Siehe http://www.humaneborders.org (28.09.2014).

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text zurück, der währenddessen in seinem eigenen Browserfenster darunter lag und weiterhin den ganzen Bildschirm umspannt. Abbildung 106: Website von Orlando Lara. Untermenü »Sed: A Trail of Thirst«. Screenshot.

Quellen: Unteres Browserfenster: http://www.orlandolara.com/thirst/talk.html (12.10.2015) Oberes Browserfenster: http://www.orlandolara.com/thirst/ photos/campsite.jpg (12.10.2015)

Abbildung 107: Website von Orlando Lara. Untermenü »Sed: A Trail of Thirst«. Vollansicht. Screenshot.

Quelle: http://www.orlandolara.com/thirst/photos/campsite.jpg (12.10.2015)

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Genau wie David Bacon mit seinem Projekt Communities without Borders, haben auch Lara und Montoya Sed: The Trail of Thirst in ihre eigenen KünstlerWebsites integriert; und das auf sehr individuelle Weise. Auf Montoyas Homepage findet man im Vergleich zu Laras Online-Präsentation eine vollkommen andere Variante. Exemplarisch sollen hier die beiden Präsentationsformen der Panorama-Fotografie Migrant Campsite miteinander verglichen werden. Auf der Homepage von Lara befindet sich direkt in den Text eingebettet eine Detailansicht von Migrant Campsite, dessen Vollansicht man durch einen Klick auf das Bild in einem neuen Fenster angezeigt bekommt (Abb. 106). Hier wird ebenfalls, wie man bereits beim Foto von Mike Wilson sehen konnte, das neue Browserfenster in der oberen linken Bildschirmecke platziert. Gleichermaßen lässt es sich über den ganzen Bildschirm anzeigen, wobei das Foto zentriert sowie vor einen schwarzen Hintergrund präsentiert wird (Abb. 107). Diese Regelmäßigkeit in der Bildpräsentation erleichtert dem User das Navigieren durch die Websites und erhöht die Konzentration auf die Informationen, was ohne Zweifel im Interesse der Fotografen ist. Abbildung 108: Website von Delilah Montoya. Untermenü »Sed: A Trail of Thirst«. Screenshot.

Quelle: http://www.delilahmontoya.com/portfolio/sed/index.html (12.10.2015)

Während Lara alles selbst gestaltet hat, entschließt Montoya sich für ein standardisiertes Design, welches bei der Nutzung von Lightroom automatisch generiert wird (Abb. 108). Die Bedienung ist auch hier unkompliziert, was durch das für Lightroom typische Layout garantiert wird. Das Design ist stets in Grau gehalten und besteht aus einer Tabelle, in dessen Felder das Bildmaterial platziert wird. Diese Serie besteht aus insgesamt 18 Schwarz-Weiß- und Farbfotografien, die

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auf zwei Seiten gezeigt werden. Ein kleines Steuerungsmenü unten rechts hilft dem User zwischen den beiden Seiten zu wechseln. Oben im Header findet sich jeweils der Projekt-Titel, ein Untertitel sowie ein Link zu YouTube, wo man das Video Elizabeth's Story anschauen kann. Im Footer befinden sich insgesamt drei Links: zum Verschicken einer E-Mail an die Künstlerin, zur Homepage und zum Portfolio-Index. Abbildung 109: Website von Delilah Montoya. Untermenü »Sed: A Trail of Thirst«. Vollansicht. Screenshot.

Quelle: http://www.delilahmontoya.com/portfolio/sed/content/ MigrantCampsiteIronwoodAZ04_2_large.html (12.10.2015)

Klickt man auch hier auf das Bild Migrant Campsite, welches sich im ersten Feld befindet, so erhält man eine Zoomansicht davon (Abb. 109); Header und Footer reduzieren sich dabei auf den Titel bzw. den Link zur Kontaktaufnahme. Dazwischen liegt die Fotografie, die von einer Art Passepartout umrahmt wird. Innerhalb dieser Rahmung befindet sich oberhalb der Abbildung ein neues Steuerungsmenü, über welches man von Bild zu Bild navigieren kann. Hierbei hat man, im Gegensatz zur tabellarischen Ansicht, eine lineare Betrachtungsmöglichkeit der Bilder, während man in der Tabelle eine Vorauswahl angezeigt bekommt, bevor man sich dann für eine entsprechende Zoomansicht entscheidet. Man kann ähnlich wie in einer musealen Ausstellung oder als würde man ein klassisches Fotoalbum durchschauen von Großansicht zu Großansicht gehen oder sich alternativ die Fotos erst einmal wie auf einem Kontaktbogen anschauen. Lightroom hat mit seinem standardisierten Design einen komfortablen Übergang vom bislang gewohnten Umgang mit analoger Fotografie zur OnlinePräsentation digitaler Bilder geschaffen und ermöglicht dem User sich auf die

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Bildinhalte zu konzentrieren. Die Vermittlung dieser sind, wie eingangs erwähnt, für Lara und Montoya essentiell.

Zusammenfassung

Die Chicanos lassen sich in drei Hauptgruppen unterteilen: solche, die sich heute mit einem X schreiben, die Xicanos; diejenigen, die stark von der ChicanoBewegung der 1960er und 70er geprägt wurden und schließlich die nationalistischen Chicanos.1 Die Chicano-Fotografen, deren Werke in der vorliegenden Arbeit analysiert wurden gehören der zweiten Gruppe an. Die Xicanos sind überwiegend jüngere Leute, die oft aus der UndergroundMusikszene stammen und das X als Symbol für einen Wiederaufbau indigener Kulturen einsetzen. Dies beginnt mit der Selbstidentifizierung als Mexica, Tarahumara, Huichol, Apache oder anderer indigener Gruppen, wobei sie Traditionen, wie den Azteken-Tanz pflegen oder Nahuatl, die Sprache der Mexicas, erlernen. Tatsächlich sind sie jedoch keine aktiven Mitglieder von indigenen Gruppen, wie den aus Mexiko stammenden Nahuas und Tarahumaras oder von den in den USA lebenden Native Americans. Darum sind die Xicanos von den Indigenen zu unterscheiden, obgleich sie sich bei sozialpolitischen Angelegenheiten mit ihnen solidarisieren und ein gemeinsames Kulturgut pflegen. Die Xicanos glauben daran, dass der Südwesten der USA eines Tages wieder an Mexiko zurückgehen wird, wodurch sie als Opposition zu den nationalistischen Chicanos zu verstehen sind.2 Die nationalistischen Chicanos ihrerseits distanzieren sich von ihren indigenen Wurzeln und zeigen keinerlei Solidarität mit Immigranten generell, auch nicht mit denen aus Mexiko. Sie bezeichnen sich selbst aufgrund ihrer mexikanisch-amerikanischen Abstammung und dem politischen Aktivismus zwar ebenfalls als Chicanos, identifizieren sich allerdings hauptsächlich mit der angloamerikanischen Kultur. Denn sie sehen allein die USA und nicht Mexiko oder Aztlán3, den mythischen Herkunftsort der Azteken, als ihre Heimat an. Außerdem 1

Siehe »Solidarität«.

2

Siehe auch »Chicano Fotografie vs. Chicano-Fotografie«.

3

Siehe »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie«.

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haben viele von ihnen eine militärische Ausbildung gehabt, was als Hauptursache für die konservative Denkweise und die damit verbundenen politischen Entscheidungen gesehen wird.4 Dazwischen befindet sich eine in sich breitgefächerte Gruppe, die unter anderem aus aktiven Mitgliedern der Chicano-Bewegung und ihrer Folgegenerationen besteht. Obgleich nicht alle von ihnen sich selbst als Aktivisten bezeichnen, führen sie zusammen den damals begonnenen Kampf um soziale, wirtschaftliche, politische und kulturelle Anerkennung fort, allerdings ohne in eines der beiden genannten Extreme zu verfallen. Denn viele von ihnen bezeichnen sich selbst als Chicanos wie beispielsweise Chuy Benitez, Art Meza, Oscar Lozoya, Kathy Vargas, Delilah Montoya und Robert C. Buitrón, während andere wie David Bacon, Rick Nahmias, Ken Gonzales-Day, Joe Medina oder Lupita Murillo Tinnen sich nicht als solche sehen. Sie sind Angloamerikaner oder mexikanische Amerikaner und werden lediglich aufgrund ihrer Arbeiten, in denen stark sozialpolitische Themeninhalte mit indigenen Kulturen verschmelzen, als Chicano-Fotografen wahrgenommen.5 Aus diesem Grund ist die Definition des soziokulturellen Begriffs Chicano, -a und sein Gebrauch in der Fotografie heute von komplexem Charakter. Being a Chicano oder ein Chicano-Fotograf bedeutet eine politische Konnotation zu besitzen, während man gleichzeitig seine persönliche Identität und Solidarität gegenüber anderen Minderheiten in enger Verbundenheit mit den indigenen Kulturen zum Ausdruck bringt. Dabei muss man nicht zwingend mexikanischamerikanischer Abstammung sein, denn eine kulturelle Identifizierung kann auf verschiedenen Ebenen wie der rein politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen stattfinden6. Doch man sollte möglichst Englisch und Spanisch sprechen sowie generell sozialkritisch sein und ein allgemeines Verständnis für die Chicano-Kultur besitzen.7 Da die Chicano-Kultur ebenso von der mexikanischen als auch von der angloamerikanischen Gesellschaft geprägt wird, ist auch die Gruppe der nationalistischen Chicanos signifikant, ohne allerdings für meine Analyse der indigenen Präsenz in der Chicano-Fotografie von größerer Relevanz zu sein. Ihre Existenz erklärt jedoch die von Fotografen wie Isabel Avila, Miguel Gandert, Lupita Murillo Tinnen, Harry Gamboa und Orlando Lara kritisierte interne Diskriminierung gegenüber den Indigenen und innerhalb der Gruppe selbst.8 4

Siehe »Solidarität«.

5

Siehe »Chicano Fotografie vs. Chicano-Fotografie«.

6

Siehe auch »David Bacon – Communities without Borders«.

7

Siehe »Der soziokulturelle Begriff Chicano,-a in der Fotografie«.

8

Siehe »Solidarität«.

Z USAMMENFASSUNG

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Eine der in der Einleitung genannten Fragen lautete: Welche Bedeutung haben die indigenen Kulturen für die zeitgenössischen Chicano-Fotografen und wie spiegeln sich diese in ihren Arbeiten wider? Einerseits sind die indigenen Kulturen ein essentieller Teil der eigenen Identitätsfindung der Chicano-Fotografen, während sie andererseits, basierend auf dem politischen Aktivismus der Chicanos und ihrer Identifizierung mit der mexikanischen Kultur, Anlass zur Solidarität mit den Indigenen auf beiden Seiten der Grenze zwischen Mexiko und den USA sind. Verwunderlich ist hierbei, dass überraschend wenige ChicanoFotografen heute einen direkten Kontakt mit den indigenen Völkern haben. Wichtige Ausnahmen sind hierbei Isabel Avila, die einen engen Kontakt zu den in Kalifornien wohnenden Tongva pflegt, und Diana Molina, die ein familienähnliches Verhältnis zu den im Norden Mexikos lebenden Tarahumaras besitzt, sowie David Bacon, der den intensivsten Kontakt mit den aus Mexiko eingewanderten Mixteken und Triqui hat.9 Im Kapitel »Chicano-Fotografie im World Wide Web« habe ich basierend auf einer Publikation von Amílcar Cabral10 den Umgang mit drei verschiedenen Realitäten – der historischen, materiellen und geistigen – als Hauptaspekte der Kultur, sowie die Unterscheidung zwischen Kultur und kulturellen Manifestationen für die Analyse der indigenen Kulturen und ihrer Präsenz in der Fotografie vorgeschlagen. Die Fotografie lässt sich hierbei als kulturelle Manifestation einer spezifischen Kultur und innerhalb eines determinierten Moments verstehen, während die jeweiligen Bildinhalte die drei Realitäten dieser umfassen und widerspiegeln. So können die historische, materielle und geistige Realität der Chicano-Kultur aufgezeigt werden, wobei die drei Realitäten hier als Referenzen auf das Vorhandensein der indigenen Kulturen in der Chicano-Fotografie zu verstehen sind. Eine distinguierte Benennung der drei Realitäten bedeutet nicht, dass sie sich gegenseitig ausschließen. Vielmehr ist es so, dass in einer Fotografie durchaus zwei oder gar alle drei simultan widergespiegelt werden können, wobei es allerdings vorkommen kann, dass in diesen Fällen eine der Realitäten dominiert.11 In der ersten Fallstudie habe ich mir die 2010 entstandene Fotoserie Brown Identity von Lupita Murillo Tinnen angeschaut. In den Bildern Graciela, Miguel und Coatlahuac fließen prähispanische Kulturelemente ein, welche einen Teil

9

Ibidem.

10 Amilcar Cabral, »La cultura, fundamento del movimiento de liberación«, in: Colombres, Adolfo, and Rodolfo Stavenhagen. La Cultura Popular. 2 ed, Diálgo Abierto Sociología. México D.F.: edición Coyoacán, 2002. 11 Siehe »Chicano-Fotografie im World Wide Web«.

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der geistigen Realität reflektieren. Durch die besondere Bedeutung der Kostüme dieser drei Azteken-Tänzer findet man gleichermaßen einen Aspekt der materiellen Realität der Chicano-Kultur mit indigenem Ursprung wieder. Im Ganzen gibt Brown Identity dem Betrachter einen interessanten Einblick in das Spektrum der heutigen Latino-Identität und spiegelt gleichzeitig das spannende in den USA benutzte Labelling zur ethnischen Differenzierung wider. Besonders wichtig war es der Fotografin hierbei, verschiedene Generationen miteinzubeziehen, da die jüngeren Latinos gerade erst angefangen haben über ihre eigene Identität nachzudenken und sich diese bei den älteren bereits gefestigt hat. So verdeutlicht Murillo Tinnen, dass den Amerikanern die Labels einerseits von außerhalb auferlegt werden, man sich diese andererseits auch selbst aussuchen kann. Hierbei wird die Identitätsfindung bis zu ihrer Festigung mitunter zu einem wechselhaften Unterfangen und kann, wie im Fall von Graciela, Miguel und Coatlahuac, die sich selbst als Tarahumara, Mexica bzw. halb Huichol und halb Mexica bezeichnet haben, zu einer Identifizierung mit indigenen Völkern führen, ohne ein aktives Mitglied dieser Gruppen zu sein.12 Die analysierten Bilder aus El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) sind hauptsächlich Beispiele für die Präsenz einer historischen Realität in der Chicano-Fotografie. Sowohl in Tonto Asks Pancho If He's más indio que español (1995), als auch in Missing Legends of the West (1995) und Malinche y Pocahontas contando la historia de Pancho y Tonto (1995) liegt der Schwerpunkt sowohl auf der Geschichte der Chicanos als auch auf dem der Filmgeschichte Hollywoods; beide sind ein fester Bestandteil ihrer historischen Realität. Western-Filme und TV-Serien gehörten zur Kindheit des Fotografen dazu und ihre Charaktere verschmolzen schließlich mit seiner eigenen Familiengeschichte, insbesondere mit der des Großvaters, welcher indigene Wurzeln gehabt haben soll. In El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto) befreit Buitrón die beiden Nebenprotagonisten, den Mexikaner Pancho aus The Cisco Kid und den amerikanischen Ureinwohner Tonto aus The Lone Ranger, und stellt sie in den Mittelpunkt seiner Erzählung. Einerseits möchte er nicht, dass die Mexikaner und Indigenen in den Western weiterhin zu den Verlierern gehören und andererseits gefällt es ihm nicht, dass sie ständig negativ dargestellt werden. Mit dem Zutun von Humor wird ihre Geschichte nun neu geschrieben und zwar bezeichnenderweise von Malinche und Pocahontas. In dieser Fotoserie verschmelzen die Geschichte Mexikos und der USA mit der zeitgenössischen angloamerikanischen Popkultur zu einer einzigartigen Fotoserie.13

12 Siehe »Lupita Murillo Tinnen – Brown Identity«. 13 Siehe »Robert C. Buitrón – El Corrido de Happy Trails (starring Pancho y Tonto)«.

Z USAMMENFASSUNG

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In der Fotografie Jumping the fence (1995) setzt David Bacon über die Bildunterschrift eine deutliche Konnotation zur prähispanischen Mythologie, wodurch er dieser Aufnahme eines mexikanischen Einwanderers einen Ausdruck der geistigen Realität in der Chicano-Kultur verleiht.14 In anderen Aufnahmen von indigenen Einwanderern fällt insbesondere die traditionelle Kleidung auf, beispielsweise in seiner Fotoserie Triqui Dancers and Musicians, was, wie im Fall der Azteken-Tänzer von Murillo Tinnen, ein Teil der materielle Realität ist. Als Fotojournalist und Aktivist geht es Bacon um die Darlegung von sozialpolitischen Fakten und den Kampf um Gleichberechtigung für indigene Einwanderer aus Mexiko. Sein 2006 veröffentlichtes Fotobuch mit dem Titel Communities without Borders: Images and Voices from the World of Migration15 und die dazugehörige auf seiner Homepage integrierte Online-Präsentation Transnational Working Communities16 ermöglichten mir einen detaillierten Vergleich zwischen seiner Bildpräsentation in den Printmedien und im Internet, den ich zusätzlich mit The Migrant Project17 von Rick Nahmias verglichen habe.18 Die beschriebenen Bilder aus der vierten und letzten Fallstudie sind ein weiteres Beispiel für die Existenz einer materiellen Realität in der ChicanoFotografie, weil in der Fotoserie Sed: The Trail of Thirst von Delilah Montoya und Orlando Lara Gegenstände gezeigt werden, die von indigenen Immigranten auf ihrem Weg durch die Sonora-Wüste zurückgelassen wurden. Da auch die Chicanos selbst einen Migrationshintergrund haben und Lara aufgrund seiner eigenen Familiengeschichte eine ausgeprägte Solidarität zu den heutigen Einwanderern aus Mexiko entwickelt hat, werden diese Gegenständen z.T. einer materiellen Realität sowohl der Indigenen als auch der Chicanos gleichermaßen. Den beiden Fotografen geht es in dieser Arbeit um die detaillierte Darstellung der Missstände und Gefahren, denen sich die Einwanderer bei der Grenzüberquerung stellen müssen und um die zahlreichen Todesfälle im Grenzgebiet. Interessanterweise durchstreifen die Immigranten, von denen viele Indigene sind, in dieser Zone das Reservat der Tohono O’odham Nation, was unvermeidlich zu einem kulturellen Dilemma innerhalb der Gruppe der dort lebenden Native Americans führt. Denn so sehr sie die beschwerliche Migration der Leute nach-

14 Siehe »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 15 Bacon, David. Communities without Borders: Images and Voices from the World of Migration. Ithaca: ILR Press, 2006. 16 http://dbacon.igc.org/TWC/index.htm (27.05.2016). 17 Nahmias, Rick. The Migrant Project: Contemporary California Farm Workers. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2008. 18 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«.

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vollziehen können, müssen sie gleichsam ihre eigenen Interessen wahren. Der Titel Sed: The Trail of Thirst ist ebenfalls eine Rückbesinnung auf The Trail of Tears (1831-1839), als tausende Ureinwohner zugunsten der weißen Siedler aus ihren Lebensräumen im Südosten der USA vertrieben wurden. Dies verdeutlicht, dass hier neben der bereits erwähnten materiellen Realität auch eine historische vorliegt.19 Die nächste zu klärende Frage lautet: Wie werden das Internet und soziale Netzwerke für die Präsentation von Chicano-Fotografie genutzt? Derzeit gibt es weder genug Online-Archive mit Chicano-Fotografie noch Künstler-Websites, die von den Fotografen selbst optimal für die Präsentation ihrer Werke genutzt werden. Die Gründe dafür sind vielschichtig und variieren von dem großen Zeitaufwand Fotografien für eine gelungene Online-Präsentation zu optimieren bis hin zu den Bedenken hinsichtlich der Nutzungsrechte und dem damit verbundenen Kontrollverlust bei der Streuung von Bildmaterial im Internet. Daher werden selbst Fotoplattformen wie Pinterest, Instagram und Flickr oder soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter sowohl von den auf Chicano-Kultur spezialisierten Institutionen als auch von den Fotografen selbst verhältnismäßig wenig für die Veröffentlichung von Bildmaterial genutzt. Dennoch lässt sich eine interessante Tendenz feststellen: Facebook ist das von den Chicano-Fotografen am häufigsten genutzte soziale Netzwerk und Instagram die derzeit bevorzugte Fotoplattform. Beide Plattformen werden nicht nur geschäftlich, sondern oft privat genutzt und dies hat einen Einfluss auf den Einsatz von Bild- und Textmaterial.20 Im Gegensatz zu den Fotojournalisten, so sagt Ken Gonzales-Day, ist es für Künstler wie ihn sinnvoller ihre Werke in konventionellen Ausstellungsräumen statt auf Online-Plattformen zu präsentieren21. Tatsächlich scheinen viele Chicano-Fotografen diese Ansicht zu teilen und stellen lediglich einen kleinen Teil ihrer Arbeiten ins Internet. Viele verzichten darauf das Gesamtpotenzial ihrer Homepage auszuschöpfen oder haben gar keine eigene Website. Daher gibt es Chicano-Fotografen wie Kathy Vargas oder Miguel Gandert, die aufgrund ihrer Galeristen und den Museen, in denen ihre Werke vertreten sind, eine überwiegend passive Internet-Präsenz haben, während andere, die eine gut vernetzte Künstler-Homepage besitzen wie Chuy Benitez oder Art Meza äußerst aktiv an der Formung ihrer eigenen Online-Historie beteiligt sind. So werden die Künstler-Websites überwiegend als Archiv oder Online-Visitenkarte genutzt und nur

19 Siehe »Delilah Montoya und Orlando Lara – Sed: The Trail of Thirst«. 20 Siehe die Kapitel »Das Internet als Fotoplattform« und »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«. 21 Interview mit Ken Gonzales-Day, Los Angeles, 02. November 2015.

Z USAMMENFASSUNG

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in äußerst wenigen Fällen als Ausstellungsfläche wie bei Rick Nahmias22 oder über einen integrierten Shop zusätzlich als Verkaufsportal benutzt wie bei Art Meza und Chuy Benitez.23 Das von den Chicanos gewählte Design für ihre Künstler-Homepages ist konform mit dem Medium Fotografie, d.h., entweder als White Cube, Black Box oder alternativ mit grauem Hintergrund gestaltet. Interessant ist hierbei, dass die Museen und Galerien zunehmend vom Ausstellungskonzept White Cube abkommen, während die Chicano-Fotografen dieses vorziehen. In wenigen Fällen, beispielsweise bei Art Meza und Chuy Benitez, werden die neutralen in Weiß, Schwarz oder Grau gehaltenen Designs dadurch aufgebrochen, dass die fotografischen Arbeiten selbst zum Website-Hintergrund der jeweiligen Startseite werden. Gerade bei diesen beiden Beispielen ist ferner wichtig zu erwähnen, dass sie nicht nur hinsichtlich der originell gestalteten Startseiten herausragen, sondern gleichermaßen wegen der zeitgemäßen Funktionalität. Denn die Performance ihrer Homepages ist im Gegensatz zu den meisten anderen Fotografen auf verschiedenen Endgeräten gleichwertig gut.24 Bei der zurückhaltenden Nutzung von Websites als Ausstellungsraum stellt sich die Frage, wie stark die Verbreitung von Chicano-Fotografie über das World Wide Web tatsächlich ist? In Anbetracht der Tatsache, dass es derzeit nicht genug Online-Archive und Künstler-Websites mit Chicano-Fotografie gibt, befinden sich deutlich mehr Fotografien in den privaten Archiven der Künstler als online. Ein gewisser Vorteil dabei ist, dass die Streuung der Bilder laut der Fotografen in Grenzen geblieben ist. Keiner der von mir interviewten Fotografen hat bislang einschlägige negative Erfahrungen gesammelt, obwohl ihre Fotografien von anderen Internet-Usern durchaus zweckentfremdet verwendet wurden. Isabel Avila weist darauf hin, dass das Problem des Kontrollverlustes über die eigenen Werke oft eine Trivialisierung der Bildinhalte mit sich bringt, was das eigentliche Problem ausmache25. Das signifikanteste Beispiel ist die Nutzung des Bildes Jumping the fence von David Bacon, welches sich unter anderem als Teil einer Internet-Meme wiederfindet.26 Abschließend wäre zu klären, wie effizient die Internet-Präsenz der ChicanoFotografen im anhaltenden Kampf um kulturelle Anerkennung und gesellschaftliche Gleichberechtigung ist. Hier sollte man unter den Chicano-Künstlern und

22 Siehe »David Bacon – Communities without Borders«. 23 Siehe »Künstler-Websites«. 24 Siehe ibidem. 25 Interview mit Isabel Avila, Los Angeles, 21. Oktober 2015. 26 Siehe »Platzierung, Streuung und Kontrollverlust«.

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den Aktivisten unterscheiden. Denn obgleich auch die Künstler sozialkritische Arbeiten produzieren, ist die Streuung ihrer Werke aufgrund der geringeren Anzahl der Abbildungen sowie dem allgemeinen Zweck ihrer Arbeiten im Vergleich zu den Chicano-Aktivisten, die ihr Bildmaterial massiv online veröffentlichen und als Propagandamittel einsetzen, weniger intensiv. Ein interessantes Resultat ergab sich bei der Frage, welche indigenen Gruppen am häufigsten fotografiert wurden. Während es in der mexikanischen Fotografie die Nahuas, Mixteken, Tzotzil, Tarahumaras und Coras sind, wurden in den USA überwiegend die Zapoteken, Mixteken, Mayos, Chatinos und Triques fotografisch begleitet. Es ergibt sich eine interessante Überschneidung bei den Mixteken, welche auf beiden Seiten der Grenze für die jeweiligen Fotografen zugänglicher sind als andere Kulturen. Dies liegt nicht nur daran, dass die Mixteken die viertgrößte indigene Gruppe Mexikos sind, sondern insbesondere an ihrer imposanten Migrationsgeschichte und der Fähigkeit sogenannte Transnationale Organisationen zu bilden, die sowohl in Mexiko als auch in den USA zu finden sind. Während sie ihre mixtekischen Traditionen in den USA fortführen, werden sie dort gleichermaßen von der angloamerikanischen Kultur beeinflusst. Ihr bi-kulturelles und bi-nationales Leben zusammen mit der führenden Rolle in den Transnationalen Organisationen lässt die Mixteken zur der am häufigsten fotografierten Gruppe sowohl in Mexiko als auch in den USA avancieren.27

27 Siehe »Indigene Gruppen im Internet«.

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Danksagung

Als erstes möchte ich gerne der Fritz Thyssen Stiftung für die großzügige Förderung der vorliegenden Arbeit vielmals danken. Ferner geht mein Dank an Friedrich Geiger von der Universität Hamburg für die Arbeitsplatzzusage, an Horst Bredekamp vom Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt Universität zu Berlin für seine Beratung während der Entstehungsphase des Projekts sowie an Jörn Glasenapp und Ada Raev von der Universität Bamberg für ihre Unterstützung in der Abschlussphase. Ein Dankeschön an den transcript Verlag und seine Mitarbeiter. Ein besonderer Dank den Fotografen Isabel Avila, David Bacon, Don Bartletti, Chuy Benitez, Gregory Bojorquez, Oscar Castillo, Enrique Fernández Cervantes, Christina Fernández, Miguel Gandert, Ken Gonzales-Day, Tina Hernández, Orlando Lara, Angel Lartigue, Oscar Lozoya und seiner Frau Jessica, Joe Medina, Jesus Manuel Mena Garza, Art Meza, Diana Molina, Rick Nahmias, Andrew J. Ortiz, Xavier Tavera und insbesondere Harry Gamboa Jr., Kathy Vargas sowie Lupita Murillo Tinnen für die aufschlussreichen Interviews, persönlichen Gespräche und E-Mails. Ferner möchte ich den Aktivistinnen Carolina Canizales und Deyadira Arellano sowie der Musikerin Rain Flowa für die Interviews danken. Ein ganz besonderes Dankeschön geht an die Künstlerin Delilah Montoya dafür, dass sie mich zahlreichen Fotografen vorgestellt hat, für das interessante Interview, ihre fachliche Betreuung und großartige Hilfe während meines Aufenthalts in Albuquerque, New Mexico, sowie an Robert C. Buitrón, der mir erlaubt hat sein Werk Malinche y Pocahontas contando la historia de Pancho y Tonto für das vorliegende Buchcover zu nutzen. Ich bedanke mich bei Chon A. Noriega, Direktor des UCLA Chicano Studies Research Center, sowie bei Ann Marie Leimer von der Midwestern State University in Wichita Falls, Texas. Beide haben mich während meiner Aus-

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landsaufenthalte mit wertvollen Informationen und wichtigen Kontakten unterstützt. Vielen Dank an den Chicano-Kunstsammler Armando Durón für die Ausstellungskataloge »A Short Essay on Chicano Photography« und »Time Refocused« sowie unsere anregenden Unterhaltungen zum Thema ChicanoFotografie und seine inspirierende Meinung dazu. Ein großes Dankeschön an Deborah Klaus, Claudia Bergmann und Julie Ludwig für das Korrektorat und unsere langjährige Freundschaft. Danke an Romy Köhler und Alejandro Ríos Chelén für ihre Hilfe bei organisatorischen Fragen. Abschließend, ein herzlicher Dank an meine Eltern für ihre unermüdliche Unterstützung und Motivation.

Kunst- und Bildwissenschaft Marius Rimmele, Klaus Sachs-Hombach, Bernd Stiegler (Hg.)

Bildwissenschaft und Visual Culture 2014, 352 S., kart. 24,99 E (DE), 978-3-8376-2274-4

Horst Bredekamp, Wolfgang Schäffner (Hg.)

Haare hören — Strukturen wissen — Räume agieren Berichte aus dem Interdisziplinären Labor Bild Wissen Gestaltung 2015, 216 S., kart., zahlr. farb. Abb. 34,99 E (DE), 978-3-8376-3272-9 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation ISBN 978-3-8394-3272-3

Jelena Jazo

Postnazismus und Populärkultur Das Nachleben faschistoider Ästhetik in Bildern der Gegenwart Januar 2017, 284 S., kart. 34,99 E (DE), 978-3-8376-3752-6 E-Book PDF: 34,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3752-0

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Kunst- und Bildwissenschaft Michael Bockemühl

Bildrezeption als Bildproduktion Ausgewählte Schriften zu Bildtheorie, Kunstwahrnehmung und Wirtschaftskultur (hg. von Karen van den Berg und Claus Volkenandt) 2016, 352 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 34,99 E (DE), 978-3-8376-3656-7 E-Book PDF: 34,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3656-1

Leonhard Emmerling, Ines Kleesattel (Hg.)

Politik der Kunst Über Möglichkeiten, das Ästhetische politisch zu denken 2016, 218 S., kart. 32,99 E (DE), 978-3-8376-3452-5 E-Book PDF: 32,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3452-9

Werner Fitzner (Hg.)

Kunst und Fremderfahrung Verfremdungen, Affekte, Entdeckungen 2016, 260 S., kart., zahlr. Abb. 34,99 E (DE), 978-3-8376-3598-0 E-Book PDF: 34,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3598-4

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