In Bildern denken: Die Typologie in der bildenden Kunst der Vormoderne 9783205204626, 9783205203339


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In Bildern denken: Die Typologie in der bildenden Kunst der Vormoderne
 9783205204626, 9783205203339

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Werner Telesko

In Bildern denken Die Typologie in der bildenden Kunst der Vormoderne

2016 BÖHLAU VERLAG · WIEN · KÖLN · WEIMAR



Gedruckt mit Unterstützung durch die Superiorenkonferenz der Ordensgemeinschaften Österreichs das Land Niederösterreich die Kulturabteilung der Stadt Wien – MA 7 die Österreichische Forschungsgemeinschaft

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Allegorie des Alten und Neuen Bundes, Thomas Huber, 1765 (© Dorotheum Wien, Auktionskatalog 17.04.2013)

© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Jörg Eipper-Kaiser, Graz Einbandgestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Bettina Waringer, Wien Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20333-9



Inhalt I

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Typologie – Einheit oder Differenz? 9 | Typos als »Funktionsbegriff« 10 | Typologie und die Probleme frühneuzeitlicher visibilitas 10 | Typologie und die präsentische Heilszeit des Betrachters 11 | Die Typologie und ihre mediale Dynamik 11 | Typologie im Raum 12 | Typologie »zweidimensional« 12 | Typologie als »Denkform«? 13 II

Eine Sprache der Offenbarung – Typologie zwischen Bibel und Theologie . . . . 15

Typologie und die Sprache der Bibel 15 | Typologie – zur Frage ihrer Definition 15 | Unterschiedliche inhaltliche Ausprägungen der Typologie 16 | »Typus« als Relationsbegriff 19 | Die unterschätzte Bedeutung des Alten Testaments im Rahmen der Typologie 20 | Paulus und der Ursprung der Typologie 22 | Zur Bildlichkeit im paulinischen Denken – der Körper als »Bildkörper« 23 | Paulus und die »Medialität« der Typologie 24 | Heilige als »Medien« Christi 24 | Typologie und Zeit 25 | Typologie und die ewige Polarität zwischen »alt« und »neu« 26 | Die Typologie als »Spiel« mit Analogien? 31 | Die Typologie in ihrer Forschungsgeschichte 32 | Oscar Cullmann und der Primat der Heilsgeschichte 32 | Friedrich Ohly und die inhaltliche Erweiterung des Typologie-Begriffs 33 | Neuere Ansätze seit Erich Auerbach 35 | Zur Abgrenzung zwischen Typologie und Allegorie 36 | Die biblische Typologie und die Sakramente 38 | Typologische Kunst in ihrer »Sakramentalität« 39 | Typologie – Medialität – Letztes Abendmahl 39 | Typologie und die Folgen für die Kunst – zur historischen Entwicklung bis in die Frühe Neuzeit 40 III

Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

Beispiel I: Die Bible moralisée 43 | Beispiel II: Rembrandts Jakobssegen 45 | Beispiel III: Das Portal der Klosterkirche Schöntal (Odenwald) 46 | Die Typologie und ihre Beziehung zur bildenden Kunst 48 | Methodischer Rückblick 49 | Typologie und die Probleme ihrer Medialität 51 | Christus als »Urmedium« 54 | Medialität und

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Inhalt

Zeitlichkeit 55 | Die »Medialisierung« des Heils im Spätmittelalter 56 | Typologie und die bildende Kunst der Frühen Neuzeit 57 | Die Typologie in der Frühen Neuzeit und ihre visuellen Potenziale 58 | Typologie als Innovation in der Kunst der Frühen Neuzeit? 62 IV

Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation . . . . . . . . . . . 67

Die Reformation – Medienereignis zwischen Frömmigkeit und Normativität 67 | Die Reformation als »Medienereignis« 68 | Die Rolle Martin Luthers 71 | Die Reformation und ihre bild- bzw. medientheoretische Rolle 74 | Reformation als Ereignis zwischen Prophezeiung und Naherwartung 75 | Mediendiskurse der Reformation 76 | Die Rolle von Text und Bild in der Kunst der Reformation 78 | Zur Frage des Primats von Text und Bild 78 | Die neue Rolle des Betrachters in der Reformation 80 | Zur »Standardisierung« von Typologie in Gestalt des Gesetz und Gnade-Typus 81 | Johann Michael Dilherr und die »Frömmigkeitstheologie« 83 | Die Intensivierung des Kontakts mit dem Gläubigen im Protestantismus 90 V

Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Raum – Liturgie – Typologie 93 | Die Rokokokirche als »Heilsraum« 95 | Zur Kodierung frühneuzeitlicher Räume durch typologische Programme 96 | Text und Bild in der Deckenmalerei der Frühen Neuzeit 98 | Raumübergreifende Programme in der barocken Deckenmalerei 99 | Der Kongregationssaal Maria de Victoria in Ingolstadt 100 | Die Stiftskirche von Waldsassen 101 | Fürstenfeld – das Leben des Bernhard von Clairvaux im christologischen Rahmen 102 | Die Visualisierung von Typologie in Abhängigkeit von architektonischen Strukturen 103 | Ordensikonografie im Langhaus der Stiftskirche von Zwiefalten 106 | Typologie und Heiligenverehrung in der Deckenmalerei 109 | Die Typologie und das Prinzip der »Gegenwärtigsetzung« 111 | Die Rolle der Typologie in der Bibliotheksikonografie 122 | Die Prophetie als Leitthema – die Stiftskirche von Metten 126 VI

Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten . . . . . . . . . . . . . 131

»Mobile Eyes« 132 | Typologie und Raum – Typologie im Raum 133 | Der Zwiefaltener »Bildraum« 134 | Kanzel und Gegenkanzel 135 | Die inhaltliche Struktur der Kanzel 138 | Typologie und die Praxis des Zeigens 139 | Typologische Kanzelensembles 139 | Die Fundierung der Typologie in der Schrift 140 | Der Prediger als Akteur 140 | Die doppelte Verkündigung – Christus als Subjekt und Objekt 141 | Die Gegenwart des Lebendigen – die vegetabile Struktur der skulpturalen Ensembles 142 | Sacramentum audibile – die Zwiefaltener Kanzel als eine auf Dauer gestellte Predigt 143 | Kanzel und Gegenkanzel als Teile changierender »Raumbilder« 145 | Der Zwiefaltener Hochaltar als Abschluss und Höhepunkt des Kirchenprogramms 147

Inhalt

7

VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149

Die Einheit des Alten und Neuen Bundes aus den Propheten 150 | Die Rolle der Propheten 154 | Die Sibyllen als »Prophetinnen« des Altertums 156 | Propheten und Sibyllen in Ausstattungsprogrammen des Barock 157 | Die revelatio des Neuen Bundes durch den Alten Bund 159 | Die Vergegenwärtigung Marias in der aula mariana 162 | Die Wiener Servitenkirche als neuer mons senarius? 164 VIII Maria als Bundeslade – die Stiftskirche Altenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

Das malerische Programm der Stiftskirche 169 | Die Bundeslade und das Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament 171 | Marianische Typologie in der Stiftskirche Altenburg 172 | Typologie als Rezeption mittelalterlicher Traditionen 177 IX

Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179

Zur Rolle der Druckgrafik im Medienkanon 179 | Druckgrafik als Kombination von Text und Bild 180 | Typologie als Wortbeziehung 181 | Messe und Eucharistie in der Typologie 182 | Druckgrafische Serien im Zeichen von Typologie und Heilsgeschichte 183 | Salus generis humani (1590) 183 | Die Typologie in Credo-Illustrationen, Predigten und theologischen Kompendien 192 | Die Typologie und die Passionsthematik 200 | Die Rolle der Typologie in der erzählerisch ausgerichteten Grafik 205 | Gattungsmäßige Sonderfälle 206 | Typologie und Heiligenverehrung 207 | Typologische Serien mit hohem Textanteil 219 | Die Rolle der Druckgrafik im Jesuitenorden 224 | Standardisierte Schemata – die Verkündigung an Maria von Cornelis Cort (1571) 226 | Das Titelkupfer zu Johannes Paulus Olivas Predigtsammlung (1725) als exemplarische Wort-Bild-Beziehung 229 | Jesuitische Hagiografie 232 | Die Rolle der Typologie in den Traktaten von Johannes David SJ 236 | Pedro de Bivero SJ und die Eva-Maria-Typologie 238 | Typologie als unmittelbare Konfrontation von Typus und Antitypus 241 | Das Miteinander von Typus und Antitypus in Deckenmalerei und Kunstgewerbe 253 X

Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .259

Zur Frage der »Bildlichkeit« in der Barockliteratur 259 | Rhetorische Argumentation auf der Basis der Verwendung von Topoi und Loci 260 | Die Barockpredigt 260 | Die inhaltlichen Leitmotive der barocken Predigten 262 | Barockpredigten als Wort-Exegesen 263 | Die barocke Predigt und ihre Beziehung zur bildenden Kunst 265 | Die Konjunktur der »Jubiläumskultur« im Barockzeitalter 269 | Die Erfüllung des Alten Bundes in der ecclesia 270 | Kirchweihpredigten als Ausdruck einer besonderen Beziehung zwischen Text und Bild 271 | Die ehemalige Stiftskirche von Baumburg

8

Inhalt

(1757) 273 | Zur Typik, Argumentation und Sprache barocker Predigten 273 | Die Tausendjahrfeier des Klosters Ottobeuren (1766) 285 | Typologie als Instrument der »Gegenwärtigsetzung« 288 XI

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

I Einleitung 291 | II Eine Sprache der Offenbarung – Typologie zwischen Bibel und Theologie 291 | III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst 299 | IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation 304 | V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei 309 | VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten 314 | VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche 317 | VIII Maria als Bundeslade – die Stiftskirche Altenburg 322 | IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe 323 | X Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten 331 XII Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .339 XIII Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .383

Lex et Promissio, aut Evangelium, videntur pugnare non intelligenti. Eorum concordia et discrimen, est certissima clavis totius Scripturae. (Matthias Flacius Illyricus [1520–1575])1 Bild ist Dialektik im Stillstand. (Walter Benjamin)2

I Einleitung Typologie als die Beziehung zwischen Altem und Neuem Bund ist ein zentrales Thema der Bibel, der christlichen Theologie sowie der abendländischen Kulturgeschichte insgesamt. Zumeist wird der zentrale Aspekt unterstrichen, der Personen bzw. Ereignisse aus dem Alten und Neuen Testament inhaltlich im Sinne des heilsgeschichtlichen Musters von Prophezeiung und Erfüllung aufeinander bezieht. Das dabei im Zentrum des Interesses stehende Verhältnis zwischen Vorausdeutung und Vollendung ist zugleich das einer kommunikativen Grundsituation – und zwar jenseits aller theologischen Sinngehalte: Es geht um Weissagung und Erfüllung. Letztere verweist aber wieder auf die Aussage, die mit dem Typus formuliert wurde, zurück, wodurch die Spannung zwischen Typus und Antitypus jene eines ständigen Beziehungsprozesses ist. Typologie – Einheit oder Differenz?

Unter diesem Gesichtspunkt ist Typologie aus der Perspektive der großen Konjunktur dieser »Denkfigur« im Mittelalter häufig zu etwas Selbstverständlichem und inhaltlich scheinbar Konsequentem – im Sinne einer griffigen Explikation christlicher Heilsgeschichte des Neuen Bundes aus dem Alten Bund schlechthin – geworden. Eine differenzierte Geschichte visueller Dynamiken der Typologie im Spannungsfeld von »Ähnlichkeit« und »Differenz«, die sich auch in der latenten Spannung zwischen Ur- und Abbild, zwischen Typus und Antitypus manifestiert, sollte meines Erachtens grundsätzlich stärkere Berücksichtigung finden. Diese Frage der visuellen Dynamik typologischer Kunst ist ein zentraler Ansatzpunkt der vorliegenden Studie.

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I Einleitung

Typos als »Funktionsbegriff«

Die Ausführungen in vorliegender Arbeit gehen auf der Basis der jüngeren Forschung zur Typologie (hier vor allem Karl-Heinrich Ostmeyer) davon aus, dass Týpos / Typus hauptsächlich als »Funktionsbegriff« zu verstehen ist. Kein Mensch (oder Gegenstand) ist an sich bereits Typus, sondern er kann situationsbezogen dann als solcher bezeichnet werden, wenn in ihm etwas anderes sichtbar oder wahrnehmbar wird. Dadurch wird eine Beziehung aufgespannt, die im jeweiligen Typus etwas »sichtbar« werden lässt. Nicht das spannungsvoll-dia­ logische Verhältnis zwischen einem Typus und dem darauf bezogenen bzw. gleichsam antwortenden Antitypus tritt damit in das Zentrum des Interesses, sondern der Typus, der etwas anderes greifbar werden bzw. durchscheinen lässt und damit neue Dimensionen der Veranschaulichung zu erzeugen vermag. Dieser Gesichtspunkt ist für zahlreiche frühneuzeitliche Anwendungsgebiete der Typologie von zentraler Bedeutung. Typologie und die Probleme frühneuzeitlicher visibilitas

Der angesprochene Problemkreis wird umso relevanter, da es alles andere als selbstverständlich ist, dass typologische Strukturen in der Kunst der Frühen Neuzeit »lesbar« und »sichtbar« sind bzw. unmittelbar verstanden werden können. Wenn frühneuzeitliche Medien – verkürzt dargestellt – die Aufgabe besitzen, Transzendentes nicht als Abstraktion des Sinnlichen wiederzugeben, sondern es herabholen, in wahrnehmbare Formen übersetzen und dadurch eine (multimediale) Vergegenwärtigung, gleichsam eine visuelle Verdoppelung von Wirklichkeit vollführen, indem die irdische, immanente Welt an einer überirdischen, transzendenten Welt gespiegelt wird, dann muss die zentrale Frage gestellt werden, wie ein derart schriftgebundenes und -legitimiertes Prinzip wie die Typologie eigentlich in adäquater Form bildlich umgesetzt werden konnte: Welche Bildsysteme musste die Kunst der Frühen Neuzeit adaptieren oder generieren, um die unterschiedlichen Denkfiguren der Typologie verständlich zu machen und sie glaubhaft in der Gemäldeproduktion, der Druckgrafik sowie in medienübergreifenden Ausstattungen des barocken Kirchenraums umzusetzen? Es geht dabei letztlich um die Beziehung zwischen der etwa besonders vom bedeutenden katholischen Theologen Robert Bellarmin (1542–1621) hochgehaltenen visibilitas und ihrer künstlerischen Umsetzung im Rahmen typologischer Systeme, gleichsam um die Beziehung zwischen dem systematischen theologischen Denken einerseits und der Kunst andererseits. Bildende Kunst ist für Bellarmin vor allem materialisierter und bildhafter Ausdruck »wahrer« Kirche, sodass sich darüber hinaus auch die Frage stellt, in welcher Weise eine optimale visibilitas typologischer Systeme die angestrebte visibilitas der Rolle der Kirche unterstützen konnte.

Typologie und die präsentische Heilszeit des Betrachters

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Typologie und die präsentische Heilszeit des Betrachters

Dieses Fragenbündel ist besonders vor dem Hintergrund entscheidend, als Typologie eo ipso immer eine Umsetzung bestimmter Zeitvorstellungen mit sich bringt. Hier schließt sich das grundlegende Problem an, in welcher Beziehung die künstlerisch »abgebildete« Typologie, die ja eine spezifische Heilszeit impliziert, zur konkreten zeitlichen Situation und Gegenwart des Gläubigen, der Visualisierungen vor allem im Kontext des Kultus rezipiert, steht. Vor allem die barocke Predigtkultur postulierte nachdrücklich die Gegenwärtigsetzung von Heilsgeschichte im Rahmen konkreter Lokalgeschichte. Die Rolle der Typologie muss dergestalt immer durch die Spannung zwischen dem »Einst« der Prophezeiung und dem »Jetzt« der Vollendung (Phil 3, 12) bestimmt werden. Wenn der Status der Gegenwart, in der das Ende und die Vollendung des Heils unaufhaltsam näher rücken, als die für den Christen existenziell maßgebende Zeit angesehen werden kann, dann wird auch die Notwendigkeit der Reflexion klar, wie sich die künstlerisch dargestellte Zeit zur gegenwärtigen Heilszeit verhält. Die alles überformende Heilszeit (als Metarahmen), die geschichtliche Zeit (etwa die Gründung, das Jubiläum eines Klosters) und die erfüllte Zeit im Rahmen des Kultus waren somit in ein bestimmtes Verhältnis zu bringen. Jede Visualisierung von Typologie ist somit aufgrund dieser Fragestellung bereits per definitionem in eine spezifische raum-zeitliche Dynamik eingespannt. Die Typologie und ihre mediale Dynamik

Gerade aus dem Studium theologischer Anschauungen zur Typologie wird deutlich, wie dabei zumeist der Charakter der Finalität unterstrichen wurde, das Alte im Neuen bzw. im Jetzt aufgehen zu lassen. Zwei epochale Stadien der Heilsgeschichte, das Alte und das Neue Testament, sollten aus dieser Perspektive zu einer möglichst konsequenten und sinnstiftenden Deckung gebracht werden. Diese Notwendigkeit einer Erfüllung des Alten im Neuen ist vor allem eine biblisch begründete und theologisch untermauerte. Der spezifische Charakter der christlichen Bilderwelt in der Frühen Neuzeit implizierte aber gerade die Notwendigkeit, Typologie mit anderen Denksystemen der Veranschaulichung und Gegenwärtigsetzung von Heilsgeschichte (Hagiografie, Allegorese etc.) zusammenzubringen. In diesem Zusammenhang ist das Faktum essenziell, dass in den meisten Beispielen der frühneuzeitlichen Kunst nicht das Prinzip einer übersichtlichen Gegenüberstellung von Typus und Antitypus (wie etwa in der mittelalterlichen Buchmalerei) im Sinne eines binären Schemas zur Anwendung kam: Der Antitypus überstrahlt vielmehr in den meisten Fällen den Typus und lässt ihn gleichsam in sich aufgehen. Allein die Rahmenbedingungen des frühneuzeitlichen Kirchenraums erlaubten häufig eben keine didaktisch verwertbare Juxtaposition von Ereignissen oder Personen des Alten und Neuen Testaments. Es waren zudem – angesichts fehlender ikonografischer Traditionen – für weite Bereiche neue, situationsgebundene und innovative Formen der Visualisierung zu finden, um Heilsgeschichte in bildlicher Form überzeugend wiederzugeben – von der Vorstellung einer fiktiven Einheit bis zu differenziert formulierten Geschichtstheologien.

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I Einleitung

Typologie im Raum

Hier erscheint es grundsätzlich zweckmäßig, zwischen Typologien in Räumen und Typologien in Druckwerken zu trennen: Im Kontext der Anwendung von Typologie im Raum ist die jeweilige inhaltliche Verbindung zwischen Prophezeiung und Erfüllung in eine räumliche Struktur eingebunden, die nach eigenen Gesetzen funktioniert und angesichts über­ geordneter architektonischer Strukturen und Metastrukturen der Bilderzählung vor allem an die Bedingungen von Performanz, wechselnde Ansichtsmöglichkeiten durch den Betrachter, die Anschauungsformen von Zeit/Raum, die Inszenierung des Raumes in der Liturgie etc. gebunden ist. Typologie erscheint somit in diesen Fällen in ein situativ und performativ definiertes Geflecht sich verändernder Relationen integriert, die vom jeweiligen Betrachterstandpunkt ständig neu zu definieren waren, damit auf der Basis typologischer Relationen neue Sinnhorizonte entstehen konnten. Die Determinanten der Produktion von Sinn verschieben und potenzieren sich demnach in Räumen neu und formieren aus dem einfachen Schema einer binären Typologie einen anschaulichen Beziehungsreichtum, der mit dem ursprüng­ lichen Ausgangspunkt der Argumentation nicht immer etwas zu tun haben muss, sondern diesen tendenziell durch ein Geflecht von Beziehungen übersteigert und überhöht. Die konkrete Analyse dieser Möglichkeiten von Typologie im Raum wird vor allem Gegenstand der Ausführungen der Kapitel V bis VIII sein. Typologie »zweidimensional«

Dagegen liegen der Anwendung der Typologie im Kontext zweidimensionaler Medien, hauptsächlich in der Druckgrafik, andere Prinzipien der Medialität zugrunde: Die entsprechende typologische Relation ist hier vor allem in einer Wort-Bild-Beziehung mit tendenziell emble­ matischem Charakter verortet. Die Sinnkonstitution basiert im Wesentlichen auf dem Bibelwort oder einem Motto, ist doch in den meisten Fällen die druckgrafische Illustration in den übergeordneten Sinnhorizont einer Publikation eingebunden, dem sie auch inhaltlich Rechnung zu tragen hat. Zudem ist mit dem Wort im Rahmen von Illustrationen das Schriftwort als entscheidende Referenz der Typologie unmittelbar gegenwärtig. In diesen vielfältigen Beziehungen zwischen Wort und Bild spielt der »Parallelismus als Formprinzip« (Wolfgang Kemp) eine wesentlich größere Rolle, als dies im Rahmen der künstlerischen Ausstattung von Räumen jemals möglich wäre: Strenge Wort-Bild-Analogien oder Wortspiele, die Anschaulichkeit und Wirksamkeit der typologischen Relation erhöhen sollen, sind hier logische Konsequenzen. Häufig bilden Wortanalogien auch die Grundlagen für entsprechende Bildanalogien. Die Ausprägungen der Typologie dieser Art werden vor allem Gegenstand des Kapitels IX bilden.

Typologie als »Denkform«?

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Typologie als »Denkform«?

Wenn Typologie nicht nur ein biblisches Erklärungsmodell, sondern zugleich eine für das Abendland grundlegende »Denkform« als Erklärung von Geschichte darstellt, wie vor allem seit den Arbeiten von Friedrich Ohly häufig postuliert wurde, dann stellt sich zugleich die Frage nach den Gründen ihrer »Konjunktur«, da typologische Kunst im Mittelalter bekanntermaßen eine Blüte und in der Frühen Neuzeit eine viel zu wenig beachtete Fortsetzung erlebte. Da Typologie generell als hermeneutisches »Prinzip eines Vergangenheitsund Gegenwartsverstehens« (Friedrich Ohly) begriffen werden muss, endet ihre Reichweite und Erklärungskraft auch nicht mit den Grenzen biblisch unterlegter Heilsgeschichte. Die den typologischen Relationen grundsätzlich inhärente »Zusammenschau des in der Zeit Getrennten« (Friedrich Ohly) ist vielmehr als ein übergreifendes Wesensmerkmal und Strukturelement zu begreifen, das höchst eigene Formate der Veranschaulichung zu produzieren vermochte. Die Kontraktion zweier aus der Sukzession der Zeit gehobener Ereignisse oder Personen führt letztlich nicht nur zu einer Verdichtung der solcherart reflektierten (heils-) geschichtlichen Ebenen, sondern darüber hinaus zu einer Vergegenwärtigung und Intensivierung der durch die Typologie neu konfigurierten Vergangenheit. Geschichte wird somit durch Typologie neu strukturiert. Die Argumentationskraft der »Denkfigur« Typologie ist nicht durch die Konfiguration zweier Szenen oder Ereignisse begrenzt: Sie wird angesichts medialer Vermittlungspotenziale vielmehr auf eine neue Probe gestellt. Einen Beitrag zu diesem wichtigen Fragenkomplex zu liefern, ist zentraler Gegenstand nachfolgender Ausführungen.

II

Eine Sprache der Offenbarung – Typologie zwischen Bibel und Theologie

Typologie und die Sprache der Bibel

Die Sprache der Typologie besitzt eine spezielle Aussagequalität: Sie ist fundamentaler Teil des biblischen Vokabulars und bildet aus diesem Grund eine wesentliche Grundlage der Theologie. Sie ist zugleich erzählend und metaphorisch, wie auch die Sprache des Glaubens »durch und durch metaphorisch ist«1. Um aber metaphorisch reden zu können, »muß erzählt werden, muß Vertrautheit hergestellt werden.«2 Zugleich lässt sich Gott selbst als »ansprechendes Wort«3 bezeichnen. Obwohl es eine ganze Reihe von theologischen Metaphern gibt, ist vor allem das Kreuz Christi »Grund und Maß für die Gott angemessene Metaphern­ bildung«: Dies hat zur Folge, dass jede theologische Metapher mit dem Kreuz Christi in eine sinnvolle Verbindung zu bringen ist.4 Darüber hinaus geht es nicht nur um Fragen der Metaphorik, sondern auch um den Anspruch auf Wahrheit, um die Bibel als »Zeugnis für die Wahrheit«5. Am Anfang religiöser Sprache steht nicht der redende Mensch, »sondern der zu ihm redende Gott«: Heil und Offenbarung, verstanden als die »Selbstoffenbarung Gottes«, sind aus dieser Perspektive Synonyme – »Heil als die verwirklichte Offenbarung, die Offenbarung als das verständlich gemachte Heil«6. Weissagung und Erfüllung sind in diesem Zusammenhang nicht ein Randthema, sondern »der Inhalt der Heiligen Schrift«7. Typologie ist unter diesem Gesichtspunkt ein zentraler Teil der Offenbarung, da sich im Wort Gottes die Gesamtheit der Schrift als Heil offenbart: »Offenbarung ist nicht ein Prädikat der Geschichte, sondern Geschichte ist ein Prädikat der Offenbarung.«8 Typologie – zur Frage ihrer Definition

Die Fachliteratur kennzeichnen vielfältige Bestrebungen, den Begriff der Typologie einzugrenzen, zu deuten und auf einen Nenner zu bringen.9 Der Terminus geht letztlich auf das 19. Jahrhundert zurück; das Wort selbst scheint lutherischer Herkunft zu sein.10 Nirgendwo aber ist in der patristischen und mittelalterlichen Exegese von »Typologie« im heutigen Sinn des

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II Eine Sprache der Offenbarung – Typologie zwischen Bibel und Theologie

Wortes die Rede.11 Typologie ist somit letztlich ein moderner bibelwissenschaftlicher Begriff. Erstmals wird – wie erwähnt – im 19. Jahrhundert von »Typologie« wie auch von »Heilsgeschichte«12 im engeren Sinn gesprochen, aber bereits in Abhandlungen über die Schriftauslegung im 18. Jahrhundert begegnen durchaus verwandte Formulierungen (typische Theologie).13 Die Ausprägung des Begriffs der Typologie entstand somit im Rahmen der Disziplinen der Theologie und Philosophie, und bereits im Jahr 1784 mussten sich die Verteidiger der Typologie den Vorwurf gefallen lassen, sie würden den griechischen Begriff týpos nicht korrekt verwenden.14 Spätestens mit dem Beginn der Aufklärung war die typologisch-allegorische Auslegung der Schrift gänzlich in Misskredit geraten, da nun vornehmlich historische und philologische Gesichtspunkte im Vordergrund des Interesses standen.15 Die Patristik kannte den Begriff Typus bzw. Typologie in der heute gebräuchlichen Form noch nicht. Sie verwendete stattdessen Termini wie figura, tropología, allegoría und anagogé. Seit Paulus war ständig von den »Typen« in der Exegese, d. h. von »Bildwirklichkeiten« die Rede. Zuweilen begegnet auch der mit mystischem, figürlichem oder allegorischem Sinn gleichbedeutende Ausdruck »typischer Sinn«16. Der hier zitierte Terminus »Bildwirklichkeit« schlägt zugleich eine wichtige Brücke zum Visuellen, da es bereits bei Thomas von Aquin (Quodlibet VII, 6, 15) heißt: »Jener Sinn, der aus den Bildern geschöpft wird, heißt geistiger Sinn.« (Sensus iste qui ex figuris accipitur, spiritualis vocatur.)17 Diese hier angesprochene Frage der Relation zwischen Theologie und Bildwirklichkeit ist letztlich von grundsätzlicher Bedeutung und auch zentraler Gegenstand der Ausführungen vorliegender Studie: In der bildenden Kunst kann es letztlich nicht um das Prozesshafte theologischer Argumentationen gehen, sondern vornehmlich um zum Teil standardisierte und wiedererkennbare Bildtypen, die miteinander kombiniert werden können und einer Öffentlichkeit zu vermitteln waren. Jeder theologisch-literarische Diskurs bricht sich notwendigerweise an den Eigengesetzlichkeiten der Bildkünste. Im Folgenden wird diese Differenz zwischen dem theologischen Diskurs und dem Bild ständig zu beachten sein, auch und gerade wenn im Rahmen der Typologie häufig Texte in Bilder integriert werden. Bilder sind wie Worte »Medien der Offenbarung«18: »Beide bedürfen des erkennenden Subjektes, das die Offenbarung als eine solche erkennt und begreift, unabhängig von der Gestalt des Mediums. Wort und Bild haben Verweischarakter und sind nicht die Sache selbst, sondern bezeugen dieselbe.«19 Unterschiedliche inhaltliche Ausprägungen der Typologie

Wenn man den spezifischen Umgang der Theologie mit typologischen Beziehungen in Rechnung stellt, dann konkretisieren sich die angedeuteten Differenzen zwischen Theologie und bildender Kunst: Es gibt im Rahmen der Theologie höchst unterschiedliche Formen der Beziehung zwischen Altem und Neuem Testament, die – obwohl in sich different – alle auf eine »Transformation des Alten Testamentes in das Neue«20 zielen. Von Anfang an existierten zwei grundsätzliche Richtungen der Interpretation von Typologie: Die »antithetische Typolo-

Unterschiedliche inhaltliche Ausprägungen der Typologie

17

gie« wird dazu verwendet, das neue Heil darzustellen, indem es sichtbar vom alten abgesetzt erscheint. Beispielhaft sind dafür Röm 5, 12–21 und die »Adam-Christus-Typologie«: Die »formale Parallelität« entspricht hier zugleich einer »sachliche[n] Antithese«21. Die »synthetische« Typologie stellt hingegen alt- und neutestamentliche Vorgänge in ihrer Gleichartigkeit zusammen.22 Auf dieser Basis wurden in der typologischen Argumentation verschiedene topoi entwickelt, welche geeignet waren, die Anschaulichkeit der Beziehung zu erhöhen: Topos der Steigerung vom Alten zum Neuen Bund: Was immer in früheren Jahrhunderten geheimnisvoll getan oder gesagt worden ist, das alles wird wahrer und voller erfüllt in dieser Fülle der Zeit. (Guerricus von Igny)23 Topos des Öffnens und Sichtbarwerdens: Der Neue Bund ist im Alten verborgen, der Alte ist im Neuen sichtbar. (Augustinus)24, oder in Bezug auf die Polarität zwischen »Schleier« und »Geist«: Das geistige Verständnis hat den Schleier vom Buchstaben weggezogen, oder den Schleier, der der Buchstabe selber ist, um den Geist davon zu befreien. (Bruno von Segni)25 Topos der visuellen Überbietung: Was im Alten Testament leuchtet, das strahlt im Neuen. (Haimo von Auxerre)26 – verkürzt bei Tertullian: Christus, inluminator antiquitatum27. Topos der Einheit: Wie Gott, der die beiden Testamente erlassen hat, einer ist, so ist der Glaube einer. (Luther)28 – […] denn die beiden Testamente widersprechen sich in keinem Punkt. (Gregor der Große)29 Topos des Bruchs und des Beginns von etwas Neuem: Das Alte ist vergangen, alles ist neu geworden. (2 Kor 5, 17, vgl. 2 Kor 3, 6) Im Zentrum der Zeugnisse der Väterliteratur steht vor allem der Gedanke typologischer Bezüge auf die »Kirche«: So werden fast alle Frauengestalten der Bibel von der patristischen Literatur als »Gleichbilder der Kirche« verstanden, z. B. Hagar und Sara als sacramenta, futurorum typi30. Die Witwa von Sarepta (1 Kg 17, 10–16) ist in der Auslegung etwa ein typus Ecclesiae31. Als die »neue Eva« an der Seite des »neuen Adam« ist die Kirche auch »Mutter aller Lebenden«32. »Denn das Leben ist die Kirche. Aus ihm [dem neuen Adam] ist sie ja geschaffen, aus seiner Rippe; aus ihm wird Eva erweckt: Nun aber ist Eva das Leben, das bedeutet das, was geschaffen wurde: und Eva, die gefallen war, wurde durch die Kirche gerettet, das bedeutet durch die Hervorbringung ihrer Söhne, wie geschrieben ist 1 Tim 2, 15«33. Maria ist – wie die Kirche – die »neue Eva«, wie Ambrosius als erster ausdrücklich formulierte.34 Daraus entwickelte sich eine Vielzahl von Gleichsetzungen: »Die Kirche ist Braut und Mutter und Christi Leib.«35 »Die Kirche ist die Stadt Gottes; die Kirche ist der Leib des Herrn.«36 Jerusalem als die Stadt Davids wurde gegründet in praefigurationem Ecclesiae, d. h. des Lei-

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II Eine Sprache der Offenbarung – Typologie zwischen Bibel und Theologie

bes Christi, als die Stadt des großen Königs.37 Hieronymus generalisierte diesen Denkansatz: »Was immer im Literalsinn von Jerusalem zu verstehen ist, muss im geistlichen Sinn sich auf die Kirche beziehen.«38. Jerusalem ist deshalb »immer der Typos der Kirche«,39 so Hieronymus weiter. Generalisierungen dieser Art finden sich auch bei Ambrosius: »Als der Schatten gegangen war, hat das Bild seinen Platz eingenommen. Der Schatten war die Synagoge; im Schatten finden wir das Gesetz, im Evangelium die Wahrheit […].«40: Die Kirche ist demnach im Verhältnis zur Synagoge sowie zum Gesetz die vom Evangelium gebrachte Wahrheit; im Verhältnis zur endzeitlichen Erfüllung ist sie nur Bild des Kommenden.41 Hilarius wendete das Wort des Paulus von Adam als dem neuen týpos Christi (forma futuri, vgl. Röm 5, 14) auf die Kirche an und betrachtete die Kirche als die forma futurae: »Lasst uns von jetzt an in der Kirche, dem himmlischen Jerusalem, wohnen, um auf ewig in ihr fest zu stehen. Wohnen wir in dieser, werden wir auch in jener wohnen, denn diese ist der typos (forma) jener.«42 Diese Beispiele veranschaulichen nicht nur den ungeheuren Erfindungsreichtum der Typologie an sich, sondern auch die Persistenz gewisser immer wiederkehrender Argumentationsweisen, die letztlich auf den zuvor skizzierten übergreifenden topoi beruhen. Eine besonders intensive Ausprägung erhielt die Typologie im Denken des hl. Ambrosius (339–397): Christus kommt ihm zufolge »in der Fülle der Zeit, zum rechten Augenblick«, er wird vom Kirchenvater als fundamentale »Wende vom Bisherigen zum Neuen«43 verstanden. Ambrosius vertritt die Idee von der »Einheit der Testamente« als »Einheit in Gott« bzw. »Einheit in Christus«44. So findet sich in seinen Schriften ständig der tragende Gedanke, dass »Christus im Alten Testament wirkt.«45 Die Kraft Christi und der Kirche ist ihm zufolge bereits im Alten Testament gegenwärtig.46 Es geht ihm somit nicht um eine Gegenüberstellung von typus und antitypus, sondern von typus und veritas: Der Begriff des typus drängt demgemäß auf die »Überbietung in der Wahrheit hin«47 hin. Aus der Perspektive theologischer Sprache steht im Umgang mit Typologie vor allem ein dynamischer und prozessualer Aspekt im Vordergrund – gleichsam als »ständiger Übergang vom Alten zum Neuen und umgekehrt ein Deuten des Alten im Licht des Neuen, […]«48. Bereits im Bewusstsein Jesu schien das Alte Testament »eine Art Matrize des Neuen oder Werkzeug zu dessen Erschaffung«49 zu bedeuten. Gregor der Große fasste diese Prozesshaftigkeit in ein Bild, wenn er es mit dem Schützen eines Bogens verglich, der diesen spannt: Metaphorisch spannt der Herr als der göttliche Schütze die Sehne des Neuen Testaments und eben dadurch beugt er das Alte Testament in der Härte seines Buchstabens und »spannt es hin zum geistigen Sinn«50. Zugleich ist zu konstatieren, dass man typologischen Sinn nicht nur in der Ausdeutung des Alten und Neuen Bundes als gegenwärtig ansah, sondern häufig die Meinung anzutreffen ist, dass der geistige Sinn der Schrift selbst kein anderer als jener des Neuen Bundes sei: »Er ist der Neue Bund selbst.« oder – um Augustinus zu zitieren: »Das geistig verstandene Gesetz ist das Evangelium.«51 – eine prägnante Formulierung, die sowohl dem Prozess des Verstehens als auch dem Endergebnis, nämlich Christus als Evangelium, Rechnung trägt. Johannes Scotus Eriugena brachte diesen Aspekt auf die Kurzformel, wenn er Christus als »Geist des Buchsta-

»Typus« als Relationsbegriff

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bens« bezeichnete: Spiritus ipsius litterae Christus.52 Beda Venerabilis interpretierte das Neue Testament als Christus selbst: Novum Testamentum, qui est Christus.53 »Typus« als Relationsbegriff

Essenzieller Ausgangspunkt für jede definitorische Eingrenzung der Typologie ist die Bestimmung des vieldiskutierten Begriffs »Typus«: »Typos ist ein Abbild einer Wirklichkeit im voraus, demnach ein Vor-Bild.«54 Als problematisch erweist es sich angesichts solcher Definitionen, dass »Typus« grundsätzlich polyvalente Sinnhorizonte aufweist: Der Terminus týpos war ursprünglich im griechischen Denken beheimatet und entwickelte sich dort von der Bedeutung »Schlag« über »Abdruck«, »Form«, »Modell«, »Relief«, »Buchstabe«, »Abbild«, »Urbild« und »ungeformte Gestalt« zu fortgesetzter Abstraktion – »Typus« und »Gestalt«55. Bereits die frühe Forschung sprach von einer »dringend erforderliche[n] Klarstellung dieses Begriffs«56. Die späteren Lexikografen des 16. bis 18. Jahrhunderts verzeichnen fast alle den Gebrauch des Wortes typus bei Tertullian, Hieronymus, Sedulius etc.57 Dagegen tritt etwa in Johann Adam Scherzers verbreitetem Manuale philosophicum (1654) der Begriff überhaupt nicht auf.58 Von grundlegender methodischer Bedeutung ist die jüngst vorgenommene Neudefinition des Begriffes »Typus« durch Karl-Heinrich Ostmeyer. Die jüdisch-christliche Literatur kennt eine Fülle von Bildern und Begriffen, um die bestimmende Wirkung des ersten eines Geschlechts auf die ihm Nachfolgenden wiederzugeben. Hinter diesen Bezeichnungen steht die in Röm 5, 18f. und 1 Kor 15, 21f. zum Ausdruck gebrachte Vorstellung: »Der erste ist durch sein Sein und Tun prägend für alle mit ihm in Verbindung Stehenden; was für den ersten gilt, hat für alle Gültigkeit.«59 Wie Adam der todbringende Erstling (Röm 5, 12–14) ist, so kann mit dem lebendig machenden Christus (1 Kor 15, 45) eine neue Reihe für alle, die in seiner Nachfolge stehen, beginnen: »Als das Setzen eines neuen Anfangs handelt es sich dabei um wirkliche Neuschöpfung. Heil wird nicht eröffnet durch eine Rückkehr ad initium, sondern durch einen Neubeginn ab initio.«60 Die Grundkonzeption dieser »neuen Schöpfung« besteht in der Differenz zum alten Äon in der Ewigkeit: »Die vollkommene Schöpfung ist zeitlich nicht begrenzt.« Ewigkeit bedeutet letztlich Zeitlosigkeit, was bedingt, dass der Ablöseprozess des alten durch den neuen Äon nicht in zeitlichen Dimensionen gedacht werden darf.61 Kennzeichen dieses schöpferischen Handelns ist, dass ein týpos grundgelegt wird und sich aus diesem als Anfang alles weitere entwickelt: »Rettung bedeutet, vom alten Typos des Todes zu einem neuen Typos des Lebens, d. h. einem himmlischen Typos zu wechseln.« Christus ist demgemäß »Typos des neuen Lebens in einem neuen Äon«62. Er ist »sowohl Typos des neuen Menschen als auch Typos für den bezahlenden Schuldner.« […] »Einen auf Christus folgenden weiteren Erstling der Menschheit wird es nicht geben, die mit ihm begonnene Neuschöpfung ist die definitiv letzte.« […] »Taufe auf den Namen Christi oder den Namen des dreieinigen Gottes ist Typoswechsel.«63 An dieser Stelle der Argumentation setzt Ostmeyer mit seinem Neuansatz an: »Typos ist ein Funktionsbegriff. Kein Mensch [oder Gegenstand] ist an sich Typos, sondern er wird situ-

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ationsbezogen dann als Typos bezeichnet, wenn in ihm etwas sichtbar oder wahrnehmbar wird. Folglich bedarf es zur Kennzeichnung eines Typos-Verhältnisses keines Gegenbegriffes oder Antitypos.«64 Eine Interpretation der Typologie wie die hermeneutisch orientierte und von Leonhard Goppelt vertretene findet Ostmeyer zufolge keine Unterstützung in den Quellen.65 Es wird – so Ostmeyer weiter – häufig als selbstverständlich vorausgesetzt, dass dort, »wo ein Typos benannt wird, das Gegenstück der Antitypos sein muß.« Da aber Typos letztlich ausdrückt, »in welcher Beziehung eines zum anderen steht, bedarf es dort, wo von Typos die Rede ist, des Begriffes Antitypos überhaupt nicht. Typos und Antitypos begegnen in der Regel nicht in gemeinsamen Kontext.«66 Dies bedeutet, dass týpos (τύπος) weder Ur- noch Abbild bedeutet: »Typos ist Funktionsbegriff. Kein Mensch [oder Gegenstand] ist an sich Typos, sondern er wird situationsbezogen dann als Typos bezeichnet, wenn durch ihn oder in ihm etwas unmittelbar sichtbar wird.«67 Typos bezeichnet somit das, »was etwas anderes sichtbar werden läßt oder formt, nicht das Abgebildete und Geformte.«68 Ostmeyer betrachtet typus somit als Relations- bzw. Funktionsbegriff: »Da Typos eine Relation ausdrückt, bedarf es keines Gegenbegriffes; Antitypos ist folglich nicht Pendant zu Typos.«69 »Ein Verständnis von Antitypos, das eine Überlegenheit über den Typos oder dessen Steigerung intendiert, begegnet nicht.« […] »Der Typos ist nie zweitrangig.«70 Besondere Bedeutung besaß der Begriff typus bereits in der urchristlichen Tauftheologie: In der Taufwiedergeburt wird der »neue Anfang des gottförmigen Lebens« geschenkt: »Der neue Typos, nach dem unsere Seelen zu Kinderseelen umgebildet werden, ist die Ähnlichkeit mit dem fleischgewordenen Logos, […]«: Die Umgestaltung geschieht also »nach der Ähnlichkeit mit Christus«71. Auch in Zusammenhang mit der Taufe ist die Bedeutung des Bildbegriffs von zentraler Relevanz, wenn etwa Cyrill von Alexandrien schreibt: »Wir selbst, wir sind es, die in diesem Menschen das Bild Gottes tragen, […]«72 bzw. »Jener Mensch [der Getaufte], der den Logos in sich wohnen hat, erhält die schöne Gestalt des Logos, wird selbst schön, denn er wird Gott ähnlich.«73. In der Taufe werden die Seelen – Origenes zufolge – zum »Bild des Bildes Gottes«74 umgeformt. Noch Maximus Confessor (um 580–662) integriert den Bildbegriff in seine Ausführungen, wenn er den Alten Bund als »Schatten« bezeichnet, während der Neue Bund bei ihm als »Bild« Charakterisierung findet.75 Die unterschätzte Bedeutung des Alten Testaments im Rahmen der Typologie

Allzu oft wurde in der theologischen Literatur die Relevanz des Alten Testaments unterschätzt, dessen Heilsereignisse – so zahlreiche Interpretationen – angeblich ganz in der dominierenden Christuswahrheit aufgehen würden. In der jüngeren Fachliteratur zeichnen sich hier einige Änderungen ab. Typologie spielt im Alten Testament selbst bereits eine tragende Rolle, wenn es um die konstatierte »Einwurzelung der Typologie im Alten Testament« ( Jean Daniélou SJ) geht – etwa, als die Propheten einen zweiten Exodus ankündigten, eine Tatsache, die bereits Augustinus nicht entgangen war.76 Die Einheit beider Testamente wurde auch von Irenäus von Lyon betont, wenn er schrieb: »Das erste Testament wurde nicht zwecklos

Die unterschätzte Bedeutung des Alten Testaments im Rahmen der Typologie

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oder vergeblich oder zufällig gegeben, sondern um die, denen es gegeben wurde, zu ihrem eigenen Nutzen unter die Knechtschaft Gottes zu beugen.«77 Floridus Röhrig CanReg brachte überhaupt die besondere Konjunktur der Typologie im 12. Jahrhundert mit der Abwehr häretischer Strömungen wie der Waldenser in eine enge Verbindung.78 In der jüngeren Vergangenheit hat sich besonders Frank Crüsemann um die Rehabilitierung des Alten Testaments innerhalb des Kanons der biblischen Bücher sowie in Bezug auf die Typologie verdient gemacht. Seine Argumentation setzt beim ersten Kapitel des ­Matthäusevangeliums ein: »Der Stammbaum Jesu fasst die biblische Geschichte seit Abraham knapp zusammen und ordnet Jesus darin ein.«79 So zitiert die Geburtsgeschichte Jesu nach Mt 1, 18–25 wörtlich Jes 7, 14, die Erzählung von den Magiern aus dem Morgenland (Mt 2, 1–12) verweist auf Mi 5, 2, die Flucht nach Ägypten (Mt 2, 13–15) nimmt auf Hos 11, 1 Bezug etc. Das Matthäusevangelium will demnach nicht ohne die Tora gelesen werden, und ihm zufolge gilt die ganze Tora uneingeschränkt auch für die Völker.80 Christus muss aus dieser Perspektive als »Bestätigung der ganzen Schrift«81 verstanden werden, wobei das Neue Testament als solches durchgängig durch dichte Bezugnahmen auf das Alte Testament geprägt ist. Es setzt diese Texte inhaltlich voraus und geht davon aus, dass sie in Geltung sind. Vom »Abschaffen«, »Außer-Kraft-Setzen«, »Überwinden«, »Überbieten« ist nicht die Rede:82 »Die Bibel Israels ist die Schrift, sie ist gültig und in Kraft, sie ist vorgegeben und wird bestätigt.«83 Es stellt sich die entscheidende Frage, was dann das »Neue« am »Neuen Testament« sei. Ein großer Teil der neutestamentlichen Aussagen über »das Neue« stammt nun einmal aus dem Alten Testament.84 Im Schema von Verheißung und Erfüllung – also in der Argumentation der Typologie – wird das Alte Testament als eine »vorausgesetzte und vorangehende Größe« bestätigt und bekräftigt. »Sie [die Schrift] geht in keinem Fall in diesem Bezug auf, ihre Bedeutung wird nicht auf das christologisch Relevante verkürzt.«85 Diese Aspekte sind auch wesentlich für die Fragen der Umsetzung von Typologie in der bildenden Kunst, wie wohl anzunehmen ist, dass die Visualisierung typologischer Relationen auf die grundlegenden Fragen der theologischen Relevanz von Altem und Neuem Testament und ihrem Verhältnis zueinander nur äußerst beschränkt Bezug nehmen konnte. Denn nach dem bekannten Standardmuster der Typologie bildet das binäre System zwei Bildtypen aus, die in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Dies ist die Grundlage jeder typologischen Relation. Eine bestimmte Relevanz des Alten Testaments ist dadurch letztlich immer gegeben. Die Bedeutung des Alten Bundes im Rahmen von christologischen Typologien darf somit in der frühneuzeitlichen Kunst niemals unterschätzt werden. Anders ist hingegen der Sachverhalt bei der »impliziten Typologie«, die den Alten Bund im Neuen visuell aufgehen lässt. Bereits Friedrich Ohly hatte darauf aufmerksam gemacht, dass der Typus im Antitypus gegenwärtig bleibt: »[…] er geht nicht unter, er geht ein in die Gestalt seiner Erfüllung als eine Zeugnisspur des gottgedachten Planes der Erlösung.«86 Darauf wird bei der Analyse der Bildbeispiele noch zurückzukommen sein. Das Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament besitzt auch eine Verbindung zu Bildmetaphern, etwa zur Antithese von Schatten und Körper. Es ist dies ein begriffliches Modell, das den binären gegensätzlichen Paaren

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typos-antitypos und figura-res entspricht, ähnlich dem Vorhang- und Schleiermotiv bzw. dem Spiegelbild.87 Bereits Gerhard von Rad hatte die Bedeutung des Alten Testaments in seiner Deutung der Typologie unterstrichen.88 Er betrachtete typologisches Denken als »Elementarfunktion alles menschlichen Denkens und Deutens«89 und hob die Vielgestaltigkeit des typologischen Denkens im Neuen Testament (als Verdienst von Goppelts Interpretation von 1939) hervor.90 Im Neuen Testament existiere – so Rad – keine Norm oder »Darreichung handlicher Regeln für die Auslegung«, sodass der Neue Bund in der Geschichte der Hermeneutik keinen Markstein in der Entwicklung fixieren würde.91 Unser Wissen von Christus bleibt – so Rad weiter – ohne das Zeugnis des Alten Testaments unvollständig: »Christus ist uns erst in dem Doppelzeugnis des Chors der Erwartenden und Erinnernden gegeben.«92 Unter Hinweis auf Oscar Cullmanns epochales Werk Christus und die Zeit (1946) lässt sich somit formulieren: »Das Alte Testament redet nicht wie das Neue von Christus, sondern auf ihn hin. Aber Christus als das eine Wort Gottes redet auch durch das Alte Testament.«93 In jüngerer Zeit beschäftigte sich besonders Richard Ounsworth mit der Rolle des Alten Testaments – besonders des Buches Josua – innerhalb typologischer Konstruktionen: »There is both similarity and difference in the relationship between the two men, […]« [scil. Josua und Christus, W. T.].94 Die Typologie zwischen Josua und Christus könne mit der Beziehung verglichen werden, die sich zwischen dem Einzug der Israeliten in das Gelobte Land und Jesu Erlösungsversprechen aufspannt. Zugleich macht Ounsworth aber auch auf die Typologie innerhalb des Alten Testaments aufmerksam, wenn er von einem »prospective mode of historical typology«95 spricht. Besonders nach dem Tridentinum (1563) kam es zu einer starken Funktionalisierung des Alten Bundes, die weniger unter qualitativen als vielmehr unter quantitativen Vorzeichen zu bewerten ist: Die Geschichtsbetrachtung liturgischer Bezugnahmen auf das Alte Testament ist in dieser Hinsicht weniger nach dem Prinzip von Konkordanzen intendiert als im doppelten Sinne exemplarisch: Einzelpersonen und -ereignisse und nicht Zusammenhänge oder Entwicklungen werden [positiv oder auch negativ] als vorbildlich betrachtet. Zur Herstellung dieser Beziehung dient der Gebrauch des Wortes »sicut«96. Offensichtliches Ziel war es, »die Breite eher denn die Tiefe der Bezugnahme auf das Alte Testament zu illustrieren.« Personen des Alten Bundes wurden dementsprechend nicht als eigengesetzliche »Individuen« betrachtet, sondern vielmehr als »Funktionäre im Heilsplan«97. Die liturgischen Bezugnahmen auf das Alte Testament illustrierten demgemäß die »lebensnahe, weil lebenfördernde Spannung zwischen Sündhaftigkeits- und Erlösungsbewußtsein […]«98. Paulus und der Ursprung der Typologie

Ein wesentlicher Ursprung der Problematik der Typologie und ihrer schwierigen Begriffsbestimmung liegt bei Paulus und den von ihm verwendeten Termini, auf die in der Folge immer wieder Bezug genommen wurde.99 Zentral ist hier wohl das berühmte 5. Kapitel des Römer-

Zur Bildlichkeit im paulinischen Denken – der Körper als »Bildkörper«

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briefs.100 Das gesamte Alte Testament wird letztlich von Paulus vom Christentum aus verstanden. Bei ihm spielen das Alte Testament und das Gesetz eine »heilsgeschichtliche Rolle«. Es ist sozusagen auch »als Ganzes typos für die Folgezeit«101. »Ist Gott Einer, dann sind in ihm der Alte und der Neue Bund zwar nicht identisch, aber aufs engste miteinander verknüpft.«102 Das Verhältnis der Typologie zur apokalyptischen Betrachtungsweise ist ein zentrales Strukturproblem paulinischer Theologie.103 Týpos ist für Paulus letztlich das, was die Schrift in Gottes Auftrag bezeugt.104 Der Týpos ist demnach ein »Geschehen zwischen Gott und Mensch« auf das in Christus erschienene Heil hin, das von der Schrift bezeugt wird und »ein entsprechendes Geschehen in der Endzeit vorausdarstellt«105. Mithilfe der Typologie will Paulus somit »einen Zusammenhang aufdecken, den Gott in der Geschichte setzte und für die Gemeinde in der Schrift aufzeichnen ließ (1 Kor 10, 11).«106 Typologie ist demgemäß bei Paulus nicht als hermeneutische Methode im heutigen Sinn des Wortes anzusehen, sondern sie besitzt die Aufgabe, den von Gottes Heilsplan »gesetzten Zusammenhang zwischen dem alttestamentlichen und dem neutestamentlichen Gottesverhältnis«107 aufzudecken. Der Anfang war in Adam, Adam muss somit als »Typus der Zukunft« (Röm 5, 14) verstanden werden, d. h. als »seitenverkehrter Abdruck« (týpos) dessen, der kommen sollte (Christus). Die Geschichte der Menschheit von Adam her denken heißt also, sie typologisch »als eine Verkehrung denken, […]«108. Die adamitische Tat ist in dieser Hinsicht als »seitenverkehrte[s] Gegenstück zum Christusereignis«109 zu verstehen. Es geht bei Paulus nicht um nachprüfbare Fakten, sondern um »einander polar zugeordnete Ereignisse, die jedoch nicht gleichwertig sind«: Der Sinn des Todes erschließt sich nur vom Sinn des Lebens her, der einzig in der Auferstehung durch Jesus Christus zu finden ist. 110 Auf der Basis von Röm 8, 28–30 (»Ratschluss«, »Vorsatz«, diese Übersetzungen sind problematisch, vielmehr ist wohl »Vor-Setzung«, »Voraus-Setzung« gemeint) wurde uns »Christus als Ziel unseres weltlich-historischen Handelns vor-gesetzt«111. Zur Bildlichkeit im paulinischen Denken – der Körper als »Bildkörper«

Im paulinischen Denken wird der Mensch aber nicht einfach nur als Körper betrachtet, sondern zugleich als »Bildkörper, weil sich in seinem Körper die Zugehörigkeit [zu Adam oder zu Christus] manifestiert.« Der Ausdruck soma umreißt also »das Medium«, in dem die Bildlichkeit des Menschen zum Ausdruck kommt.112 Das Wort eikon bezeichnet daher in 1 Kor 15, 49 »die somatische Identität zwischen Mensch und Stammvater« […] »Das Bild existiert nur medial, d. h. als gestalthaftes Körperbild bzw. Bildkörper.«113 Von zentraler Bedeutung für alle Fragen der Medialisierung im Gefolge paulinischer Theologie ist der hier zum Ausdruck kommende »einzigartige[r], eigentlich überschwengliche[r] Sinn des Bildseins Christi« (unter Hinweis auf 2 Kor 4, 4 und Kol 1, 15).114 Davon ausgehend gewinnt die Medialität als solche bei Paulus eine ganz eigene Dimension, die ihren Ausgangspunkt in Medialisierungen im Zeichen Christi besitzt.

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II Eine Sprache der Offenbarung – Typologie zwischen Bibel und Theologie

Paulus und die »Medialität« der Typologie

Am Anfang steht – so Christian Kiening – eine »komplexe Inversionsbeziehung«: »Christus ist Mittler für alle Gläubigen, durch ihn – nicht durch ihre Werke – sind sie, was sie sind und werden sie, nach ihrem Tod, sein, was sie sein werden; zugleich werden sie in ihrer Anverwandlung ihrerseits zu Medien, erfahren sich als von göttlicher Planung geleitete, von seiner Gnade bestimmte Geschöpfe.« (auf der Basis von 2 Kor 3). Als exemplarisch für entsprechende Strategien einer »weitestgehenden Medialisierung der eigenen Existenz im Zeichen Christi« kann Gal 2, 19f. angesehen werden.115 Paulus übt sich demnach in seiner Sprache eindeutig in »mediale[n] Reflexionen«. Deutlich ist eine Fokussierung »auf den visuellen Aspekt«: Die von ihm verwendeten Verben wie »sehen«, »erscheinen«, »offenbaren« deuten auf eine »unmittelbare Intensität, eine Präsenz des Geschehens« hin, die auf eine Erklärung durch Worte, gesagte oder geschriebene, nicht angewiesen war.116 Paulus’ Argumentation kann in dieser Hinsicht als eine Sprache der »›drängenden‹, Aufschub und Ankunft übereinanderblendenden Zeit« 117 bezeichnet werden. Vor allem in 2 Kor 3, 1–3 argumentiert Paulus in »medialen« Begrifflichkeiten: Er operiert hier »mit medialen Metaphern sich steigernder Intensität«. Nicht um eine »Medienkritik« geht es ihm, sondern um die »Transformation eines stark materiebelasteten, von Differenz und Distanz gezeichneten Mediums in ein transparentes, flexibles, grenzüberschreitendes Medium, das zunächst gar keinen Inhalt außer sich selbst hat.« Paulus vermittelt in diesem Sinn die »Botschaft einer neuen, immateriellen Medialität«118. Aus dieser Perspektive ist der »Bruch zwischen dem, was später Altes, und dem, was Neues Testament genannt werden wird«, in der Tat ein »Effekt von Lektüren, aber auch von Medien« – deshalb auch von Medien, weil es anscheinend nicht genügt, anders zu lesen, »sondern weil es nötig ist, Stein, Schleier und Papyrus durch eine telepathische Intimität, eine pneumatische Körperlichkeit, die freie Zirkulation einer universalen Ökumene zu ersetzen.«119 Paulus schreibt somit in einer Weise, als wolle er »mediale Grenzen transzendieren«. Der Apostel ist – Kiening zufolge – ein »Vordenker einer alternativen, die Schrift zugleich nutzenden und überschreitenden Medialität, […]«120 und thematisiert aus dieser Perspektive Grundfragen des Medialen avant la lettre schlechthin: Nach Paulus (2 Kor 3) ist Christus »Mittler für alle Gläubigen«. Die Menschen werden ihm zufolge letztlich »Medien«, erfahren sich als von ihm geleitet.121 Es kommt im Grunde auf eine »Medialisierung der eigenen Existenz im Zeichen Christi« an – auf eine Einstellung, die letztlich geeignet ist, »mediale Grenzen [zu] transzendieren«122. Heilige als »Medien« Christi

Diese Art der spezifischen Medialisierung im Zeichen Christi lässt sich insbesondere an prominenten Heiligenfiguren wie Bernhard von Clairvaux und Franz von Assisi ablesen: Bernhard stellte im 12. Jahrhundert die »Angleichung des Menschen an Christus in das Zentrum

Typologie und Zeit

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einer neuen, anthropologisierten Theologie«123. Dieser Ansatz erfuhr besonders in der Legenda maior des Bonaventura eine entsprechende Verdichtung, in der die Stigmatisierung, also die größtmögliche Angleichung an Christus, zu einer medialen »Urszene« wird. Bereits im Prolog der vita erscheint Franziskus in einer Linie mit Elias und Johannes dem Täufer. Alles scheint bei Bonaventura um die Frage zu kreisen, »wie der Mensch über das eine Medium Christus, seine Wiederverkörperung in Franziskus und die Medien der Vergegenwärtigung [Vision, Bild, Schrift] zum Heil gelangen könne.«124 Die mit dieser Angleichung eng zusammenhängende Form der imitatio gewann in Franziskus eine eigene Dimension und Gestaltkraft: »In ihm [scil. Franziskus, W. T.] ist das Urbild selbst dauerhaft da.« Franziskus besitzt den Rang einer »lebende[n] Ikone«, in der natürliche, bildliche und körperliche Vermittlungsformen zusammenfallen.125 In der Intensivierung dieses [letztlich typologischen] Musters von Ankündigung und Erfüllung rückt Franziskus in ein Verhältnis zu Christus, »das analog war zu dessen Verhältnis zu den vorausgegangenen Propheten«126. Der poverello wurde dergestalt zu einer vielfach aufgeladenen Figur: Er bezog sich außer auf Christus auch auf dessen verschiedene Vorgänger und auf den Engel der Endzeit: »Er wird zu einer Figur, in der alle Zeiten sich zu schneiden scheinen. Ein universales Signifikat, auf das sich unendlich viele Signifikanten beziehen können.«127 Franziskus ist aus dieser Perspektive nicht nur ein besonderes – und durch seine Stigmatisation bevorzugt ausgezeichnetes – »Medium«, sondern vollzieht zugleich eine Sonderform von Typologie, da sich in ihm nicht nur ein Signifikant, sondern unendlich viele bündeln. Die kommunikativen Prozesse gewinnen somit im Fall von Franziskus eine eigene, intensivierte Dimension, da Schrift, Bild und Körper nicht einfach als Medien der Kommunikation im althergebrachten Sinn einer Informationsweitergabe fungieren, sondern sich überlagern, ergänzen und in einem intensiven Austausch miteinander stehen.128 Ein weitere wichtige Vergleichspersönlichkeit hinsichtlich einer Medialisierung in Christus ist vor allem der hl. Ignatius von Loyola, da ein Jesuit zu werden generell bedeutete, »conforming it [the soul] to a new and perfected form«129, wenn man davon ausgehen kann, dass Christus die »prime form«130 ausbildete. Ignatius ist in dieser Hinsicht ebenfalls »a receiving surface for the divine imprint«; der Jesuit erfüllt die Funktion einer »surface for continual imprinting«131. Typologie und Zeit

Über die beschriebene Medialisierung im Zeichen Christi hinaus ist bereits bei Paulus Typologie ganz wesentlich mit der Frage des Zeitbegriffs verknüpft. Die Analyse jedweder Typologie muss grundsätzlich immer mit einer Problematisierung des Zeitbegriffs verbunden werden: Erst in der Erfahrung unterschiedlicher Zeitschichten kann Typologie vermittelt werden. Die Zeit stellt gleichsam den Rahmen für einen »religiösen Erfahrungsraum«132 besonderer Art dar. Die christliche Feier ist eingeordnet in den »immer wiederkehrenden Zyklus des Kirchenjahres und läßt verschiedene Festgeheimnisse ineinanderfließen.«133 Unmittelbar

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aus dem alttestamentlichen Denken übernimmt das Neue Testament »die Vorstellung von der gefüllten Zeit, der Zeit für etwas, den Kairos, der im Unterschied zur gedehnten Zeitspanne, dem Äon, den inhaltlich bestimmten Zeitpunkt zum Ausdruck bringt.« Damit wird jener bestimmte Kairos des Handelns bezeichnet, »den Gott seinem Sohn im Heilsplan festgesetzt hat, […]« (vgl. Apg 1, 7). Der eigentlich entscheidende Kairos, die heilsgeschichtliche Erfüllung, ist das »Jetzt der unmittelbaren Gegenwart des Glaubenden«134. Dieses »Jetzt« der Erfüllung ist aber noch nicht das »Jetzt« der Vollendung (vgl. Phil 3, 12). Es ist vielmehr »der Status der Gegenwart, in der das Ende, die Vollendung des Heils, unaufhaltsam näher rückt (Röm 13, 11)«. Diese Gegenwart kann als die für den Christen »existentiell maßgebende und entscheidende Zeit«135 angesehen werden. Die Schriftstellen Röm 5 und 1 Kor 15, 22 führen diese »Re-Integration der eigenen Zeitlichkeit über den Glauben und die Sakramente in die gefüllte Zeitlichkeit des Heilsgeschehens Christi«136 besonders anschaulich vor Augen. Die Fülle des Neuen Testaments formuliert demnach eine »Vielzahl von Einstiegsweisen in die eine Offenbarungswirklichkeit«137. Damit wird grundsätzlich die Bedeutung des christlichen Zeitverständnisses im Abendland angesprochen, wie sie unter anderem der Philosoph Karl Löwith (1897–1973) vor dem Hintergrund der Idee des Fortschritts grundlegend thematisierte. Geschichtliche Ereignisse, so Löwith, sind nur dann sinnvoll, wenn sie auf einen »Zweck jenseits der tatsächlichen Ereignisse verweisen«: »Die Fülle des Sinnes ist Sache einer zeitlichen Erfüllung.«138 Löwith führt weiter aus, dass »nach jüdischer und christlicher Geschichtsauffassung […] die Vergangenheit ein Versprechen der Zukunft [ist].«139 Mit dem Christentum – so der Philosoph – ist die »Idee des Fortschritts, nämlich vom Alten zum Neuen Testament« unmittelbar verbunden.140 Geschichte geht christlicher Anschauung zufolge nicht einfach unbegrenzt »ins Endlose« weiter, sondern hat mit und in Christus »ihr Ziel schon erreicht«. Die Zeit ist demnach »schon erfüllt, aber noch nicht vollendet«141. Typologie und die ewige Polarität zwischen »alt« und »neu«

Zugleich wird jede typologische Anschauung im Kern nicht nur durch unterschiedliche Zeitbegriffe sowie das spezifisch christliche Zeitverständnis berührt, sondern ebenso durch die Polarität zwischen »alt« und »neu« bestimmt, indem das »Neue« das »Alte« einholt und überformt und in sich einschließt: Der katholische Theologe Hans Urs von Balthasar (1905– 1988) bringt die Problematisierung dieses schwierigen Sachverhalts auf den Punkt: »So ist das innerzeitliche Geschehen – Abfall, Sünde, verlorenes Sein und verlorene Zeit – immer schon eingeholt in dem Erst-Prädestinierten, der auch der letzte Adam ist, Alpha und Omega aller Zeiten, und zwar ausdrücklich in seinem alles übertönenden Blute, das heißt in der Einberechnung seines Ganges durch die Zeit und durch den Tod. Der überzeitliche Ort als Ort Christi liegt nicht nur über, vor und nach der Zeit, er ist ihr dergestalt überlegen, daß er sie zugleich in sich faßt.«142 Dies kommt auch im typologischen Paradoxon zum Ausdruck, dass der neutestamentliche Antitypus dem Typus zeitlich eigentlich vorausgesetzt werden muss:

Typologie und die ewige Polarität zwischen »alt« und »neu«

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»Ehe Abraham war, bin ich. ( Jo 8, 58)«143 Jesus wird in der Auferstehung eigentlich zu dem, »was er vorweltlich wie auch irdisch schon ist«144. Es geht somit in diesem Zusammenhang nicht nur um die zeitlich vorstellbare Erfüllung des Alten im Neuen, sondern ebenso um die latente Präsenz des Neuen im Alten, wodurch sich die beiden heilsgeschichtlichen Ebenen unweigerlich verschränken. Zu diesen Zeitebenen des Alten und des Neuen Bundes kommt zusätzlich das »Heute« als das »Präsens der vertikalen Heilszeit«145, das für die Menschen Gegenwart ist. In diesem Zusammenhang existieren signifikante biblische Belegstellen, die anschaulich zu zeigen vermögen, dass im Neuen Testament von Christus als dem »Begründer und Vollender« (Hebr 12, 1f.) des Glaubens die Rede ist – ein Aspekt, der im Gesamtkontext ebenfalls typologisch zu sehen ist, listet doch das vorangehende 11. Kapitel des Hebräerbriefs die gesamten Existenzen von Abel bis zu den Königen, Propheten und Märtyrern der postexilischen Zeit auf. Generell muss beim christlichen Zeitbegriff das »Überzeitliche in der Zeit«146 – Christi zeitliches Wort, gesprochen oder gelebt, ist etwa immer schon »Wort ewigen Lebens« ( Jo 6, 68)147 – mitbedacht werden. Die beiden angesprochenen Kategorien, das Zeitliche und das Überzeitliche, werden ständig verschränkt reflektiert, wie dies auch die Recirculatio (Anakephalaiosis) in der Geschichtstheologie des Irenäus von Lyon indiziert, die nicht einfach einen linearen Rückfluss zum Anfang beschreibt, sondern einen zeitlichen Vorgang, der eine komplexe »Integration des Anfangs im Ende«148 zum Inhalt hat. Typologie bezeichnet in diesem vielfältigen zeitlichen Ideenkosmos der Verschränkung von »alt« und »neu« im Grunde nur eine besondere, heilsgeschichtlich unterlegte Systematisierung des Ereignishaften im grundlegenden Verhältnis des Alten zum Neuen. Dabei geht es nicht nur um die Relation zwischen dem »alten« und dem »neuen« Ereignis, sondern auch um Typologien innerhalb des Alten Bundes. Dem Leipziger Archidiakon an St. Thomas August Pfeiffer (1640–1698) war es in seinen Predigten etwa ein eminentes Anliegen, die Opferung Isaaks und die Jona-Geschichte, beides herausragende Typen der vita Christi, dergestalt miteinander zu verklammern und verzahnen, »daß eine möglichst vollständige Abspiegelung der Leidensgeschichte Christi im Alten Testament sichtbar wird.«149 Dies geschieht auch unter intensiver Zuhilfenahme der Bildtheologie, da Gen 22 und das Buch Jona von Pfeiffer geradezu als specula begriffen werden, in denen sich in unterschiedlicher Weise die Passions­ geschichte zu spiegeln vermag.150 Die Begrifflichkeit von Typus und Antitypus wird hier auf die Bild-Metaphorik von Bild und Urbild übertragen. Das spezifische Profil der Christuserzählung erscheint zugleich durch die Andersartigkeit der alttestamentlichen Texte geschärft.151 Eine vermeintliche »Deckungsgleichheit« zwischen Altem und Neuem Testament im Sinne einer finalen Kongruenz wird somit vermieden und die Spezifika der jeweiligen Erzählung unterstrichen. Die Typengeschichte der bildenden Kunst lehrt nachdrücklich, dass trotz der Strategien der similitudo, die seit dem Hochmittelalter im Sinne einer Annäherung von »alt« und »neu« zu beobachten sind, eine quasi spiegelartige Reflexion von Typus und Antitypus – von »alt« und »neu« – keineswegs immer im Zentrum des Interesses stand, da sich die Visualisierung

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von Typologie letztlich auch mit den Möglichkeiten der Kombination von Bildtypen auseinander zu setzen hatte, die jeweils eigene ikonografische Traditionen besaßen. Die Spezifika der radikalen Neuheit des Christusereignisses herauszuarbeiten, war nicht nur Gegenstand der christlichen Literatur, sondern ist auch für Fragen der bildenden Kunst ein wichtiges Thema: Selten ist es hier nämlich der Fall, dass Altes und Neues Testament gleichsam bildlich gleichwertig einander gegenübertreten. Einerseits wird häufig das Alte im Neuen bzw. das Neue im Alten inkarniert gesehen oder aber das revolutionäre Christusereignis als bestimmend herausgestellt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist der Gesichtspunkt, dass Heil »nicht als etwas Statisches […], sondern als etwas geschichtlich sich stets Ereignendes« gedacht werden muss.152 Das angesprochene Verhältnis zwischen »alt« und »neu« und die damit zusammenhängende Frage der Gnostiker, was der Herr noch Neues gebracht habe, wenn ja schon die Weissagungen des Alten Bundes alles angekündigt haben, waren bereits ein zentrales Thema der frühchristlichen Apologetik, etwa bei Irenäus (Adversus haereses 4, 34, 1): »Wißt, daß er jegliche Neuheit gebracht hat, indem er sich selber gebracht hat.«153 Der spezifische Charakter des Neuen wird hier explizit zum Teil des Christusereignisses gemacht, ähnlich bei Hippolyt, wenn dieser schreibt: »Was nie zum Lauf der Welt gehört hat, das ist das Neue. […] Wenn aber solches sich erstmals bei Christus ereignete, das ist das Neue. […]«154. Tertullian spricht davon, dass die Kirche »alt« und »neu« im Sinne einer Doppelfunktion verkörpere: Et in veteribus novam, et in novis veterem.155 Für Paulus ist das Auftreten Christi an die Überzeugung gebunden, dass der christliche Diskurs »absolut neu«156 sei. Dies äußert sich besonders in der Auferstehung Christi, die im Rahmen der paulinischen Theologie als »reines Ereignis, Eröffnung einer Epoche, Veränderung der Beziehung zwischen Möglichem und Unmöglichem«157 verstanden wurde. In theologischer Hinsicht wurde die Frage des Verhältnisses Christi zum Alten Bund intensiv problematisiert, wenn Hans Urs von Balthasar davon spricht, dass der Alte Bund für Christus nicht Vergangenheit sei, da er »eine Art präzises Schema seines zu lebenden Erdenlebens« enthalten würde, gleichsam eine »gebundene Marschroute im ganzen«158: »Er ist nicht nur der schon verwirklichte Neue Bund, er muß ihn zugleich mit jeder Tat in die Wirklichkeit setzen.«159 Diese Aussage ist von besonderer Bedeutung, da sie zeigt, dass nicht nur das Christusereignis als solches bereits die heilsgeschichtliche Zeitenwende zu stiften vermag, sondern gleichsam Schritt für Schritt und Ereignis für Ereignis die Analogie zwischen dem Alten Bund und der Zeit der Gnade realisiert werden muss. Daraus ergibt sich wieder ein Paradoxon, da einerseits Christi Biografie praktisch schon festgelegt ist (Lk 24, 26), andererseits er in seinem Handeln aber keineswegs als eingeschränkt zu bezeichnen ist. Christus ist also – so paradox es klingen mag – Typus und Antitypus zugleich, da er als das eigentlich prägende Urbild fungiert, auf dem alle typologischen Relationen aufgebaut sind: »Er ist es ja, der als Erfüllung der Grund der Verheißung ist, er ist das Urbild, nach welchem und auf welches hin jene Vorbilder gestaltet sind.«160 Oder in anderen Worten Balthasars: »Der Vater unterwirft nicht den Sohn dem Gesetz, sondern das Gesetz dem Sohn, als eine

Typologie und die ewige Polarität zwischen »alt« und »neu«

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Hilfe, einen Weg […]«161. Bereits Origenes fasst diese schwierige Frage sehr deutlich, wenn er schreibt: »Die Worte des Gesetzes und der Propheten haben ihre Urbilder in den Evangelien.«162 Gesetz, Propheten und Evangelium, so Origenes an anderer Stelle, bilden nicht von vornherein ein Ganzes, nur Christus ist imstande, sie in Übereinstimmung zu bringen und zu vereinigen.163 Bei diesem prominenten frühchristlichen Theologen findet sich darüber hinaus die quasi selbstreflexive Haltung, bestimmte Sachverhalte »typologisch« ausdrücken zu können: […] temptemus etiam nunc addere aliqua ad ea, quae dudum pro viribus dicta sunt, ut ostendamus, quomodo ›in typo futurorum‹ etiam hic unus hircus Domino oblatus est.164 Von der Forschung wurde auch verschiedentlich die Frage gestellt, ob nicht die Lehre des Neuen Bundes dadurch besser verständlich würde, wenn in Christus den Ereignissen des Alten Bundes ein »vermittelnder geistlicher Sinn«165 zuerkannt wäre. Die Meinungen von der Erfülltheit des Alten Bundes durch den präexistenten Christus und der Erfüllung des Neuen Bundes verstärken sich gleichsam gegenseitig. In dieser Hinsicht kann das Bezugsnetz zwischen den beiden Testamenten als immer dichter und feinmaschiger gedeutet werden: »Die beiden Testamente erhellen sich gegenseitig.«, ist etwa in den Schriften von Bruno von Segni (1045/1049–1123) zu lesen.166 Im Zentrum steht somit eine Heilsgeschichte in zwei aufeinander bezogenen Phasen, die auf ihre »gegenseitige Verknüpfung«167 hinauslaufen. Das Alte Testament ist damit nie überholt, sondern ein »durch das Licht Christi verwandeltes und verklärtes Zeugnis ein und derselben Offenbarung Gottes«168 in der Polarität von Buchstabe und Geist (2 Kor 3, 4–18). Die Vorstellung einer Übereinstimmung des Alten mit dem Neuen Testament war auch Gegenstand einer Vision, die Joachim von Fiore zwischen 1190 und 1195 zuteilwurde, wenn es bei ihm heißt: »[…] und es wurde mir die Erfüllung dieses Buches [Offenbarung des Johannes, W. T.] und die Übereinstimmung des Alten mit dem Neuen Testament geoffenbart.«169 Diese Kongruenz ist sowohl eine »sinngemäße wie eine der zeitlichen Folge«. Dies bedeutet, dass bestimmte Ereignisse und Gestalten des Alten Testamentes mit bestimmten Ereignissen und Gestalten des Neuen Testamentes als geistig gleichzeitig zu betrachten sind, »insofern als sie eine entsprechende geschichtliche Stellung und Bedeutung haben.«170 Die angesprochenen Grundfragen nach einer restlosen Übereinstimmung zwischen »alt« und »neu« bestimmen die Typologie in vielfacher Weise und werden auch in Visualisierungen thematisiert, beispielsweise im Symbolum Apostolorum (um 1750) von Gottfried Bernhard Götz und Joseph und Johannes Klauber171 (Abb. II.1): Dieses Kompendium enthält unter anderem eine Darstellung des Pfingstereignisses (mit der marianischen Anrufung REGINA APO- / STOLORUM betitelt), die das versammelte Apostelkollegium zeigt. Ausschlaggebend für die Visualisierung der Typologie ist die Zwölfzahl dieses Kollegiums, das in den oberen Eckkartuschen mit den zwölf Schaubroten Duodecim panes. Lev. / 24. (Lev 24, 5) sowie mit Fragmentorum cophini duo- / decim. Lucae. 9. (Lk 9, 17) (Speisung der 5000) verglichen wird. Das tertium comparationis ist hier offensichtlich nicht primär der eucharistische Gedanke, sondern die Zahl 12 als scheinbar oberflächliches numerisches Kriterium einer Übereinstimmung zwischen »alt« und »neu«.

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Wenn Hans Urs von Balthasar auf das Prinzip der Erfüllung eingeht, dann verweist er auf den Gehorsam Christi gegenüber dem Vater; zugleich ist das Erfüllen jedes Bestandteils des Gesetzes (Mt 5, 18) durch Christus ein qualitativ neues Faktum, da er mit inniger Tiefe und Liebe an die Erfüllung dieses Gesetzes schreitet.172 Calvin zufolge habe Christus sogar dem mosaischen Gesetz nichts hinzugefügt, sondern sich begnügt, es in seiner ursprünglichen Reinheit »wiedereinzusetzen«173. Eine Erfüllung des Alten durch das Neue wurde auch deshalb als notwendig angesehen, da der Alte Bund der Meinung der Patristik zufolge, sobald er von seiner Beziehung auf Christus abgeschnitten und rein selbstbezogen interpretiert werde, als wahrhaft tödlich betrachtet werden müsse.174 Seit Christus habe nämlich die alte Schrift ihre »buchstäbliche Bedeutung«175 verloren. Erst auf dieser Basis konnte – einer berühmten Abb. II.1: Pfingsten aus dem Symbolum Metapher des Melito von Sardes († um Apostolorum, Gottfried Bernhard Götz, Joseph und Johannes Klauber, um 1750 (© Augsburg, Staats180) zufolge – das mosaische Gesetz und Stadtbibliothek) gleichsam als Tonform angesehen werden, ehe der Künstler die entsprechende Statue aus Erz, Silber oder Gold zu gießen vermochte.176 Damit werden nicht nur die Vorbereitung zum eigentlichen Werk, die Steigerung im Wert des Materials sowie die Reife des künstlerischen Herstellungsprozesses deutlich gemacht, sondern ebenso die unmittelbare typologische Beziehung, die im Verhältnis von Kern und Hülle anschaulich zum Ausdruck kommt. Wenn Hans Urs von Balthasar schreibt, »Im Leben Christi ist der Alte Bund latent, aber wahrhaft mitvergegenwärtigt; jeder Augenblick dieses Lebens ist mehr als er selbst: er ist Gegenwart alles Erfüllten, Fülle der Zeiten in einem qualitativen Sinn, weil Zeit emporgehoben in die Ebene der Ewigkeit.«177, dann wird deutlich, dass Typologie in geschichtstheologischer Interpretation weit mehr ist als die inhaltliche Abgleichung zweier Ebenen, die in Christus gipfeln. Urbild und Endbild bzw. Typus und Antitypus sind vielmehr so vielschichtig miteinander

Die Typologie als »Spiel« mit Analogien?

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verschränkt und im ständig gegenwärtigen Heilsbringer eingeschmolzen, dass daraus letztlich keine befriedigende Visualisierung folgen und abgeleitet werden kann. Die Möglichkeiten einer geistigen Auslegung der Schrift sind tendenziell unendlich,178 woraus bereits eine markante Differenz zum standardisierten »Typenvorrat« der christlichen Ikonografie offenbar wird, der typologische Relationen verständlich in visueller Form zu vermitteln hatte. Die Typologie als »Spiel« mit Analogien?

Typologischer Geschichtsbetrachtung liegt – wie bereits erwähnt – auch das »Prinzip der Analogie« zugrunde, wobei einerseits zwischen Früherem und Späterem »Unähnlichkeit« besteht, andererseits aber auch »Ähnlichkeit«, da das im Alten Angelegte im Neuen zur Vollendung gebracht wurde. Ein zentrales Anliegen des typologischen Schriftverständnisses ist es deshalb, die »Selbsttranszendierung der jeweiligen geschichtlichen Ereignisse zu erkennen.«179 Die spirituelle Dimension jedweder Typologie besteht vor allem in der zugrundeliegenden Relation von Prophezeiung und Erfüllung. In sich bleiben Typus und Antitypus nämlich »real things, not abstractions«180. Hier darf zugleich nicht vergessen werden, dass die alttestamentlichen Ereignisse – ohne ihre typologische Kontextualisierung – eine reale (historische) Bedeutung in sich tragen, die nicht unbedingt auf ihre typologisch unterlegte Instrumentalisierung angelegt war.181 Seit dem Frühchristentum griffen vermehrt »Kunststücke typologischer Exegese«182 rasch um sich. Theodor von Mopsuestia (350–428) kritisierte etwa deshalb in seinem Kommentar des Galaterbriefs jene Allegoristen, die – seiner Meinung nach – die ursprüngliche Bedeutung der Schrift zerstören würden.183 Vertreter der antiochenischen Exegetenschule forderten aus gutem Grund, dass eine typologische Auslegung nicht auf nebensächliche Details, sondern auf eine »wirkliche Analogie zwischen Typos und Anti-Typos« 184 im Sinne einer »strukturellen Ähnlichkeit« konzentriert sein sollte. Die »typologische« Bibelauslegung wurde im Mittelalter (etwa bei Wilhelm von Auvergne zu Beginn des 13. Jahrhunderts) als »Spiel mit zufälligen Analogien« kritisiert.185 Dies kann auch an vielen konkreten Beispielen festgemacht werden: Die typologische Auslegung der Isaak-Opferung (Gen 22) hinterlässt zum Beispiel offensichtliche inhaltliche Schwierigkeiten: Gerade im entscheidenden Stück, dem Leiden, stimmt Isaak nicht mit Christus überein. Origenes, der Isaak die Rolle des Priesters und Opfers zuschrieb (!), bot hier die Lösung an, dem nicht geopferten Isaak die nicht leidensfähige göttliche, dem geopferten Widder hingegen die menschliche Natur Christi zuzuschreiben.186 Daneben gab Origenes neben Einzeldeutungen eine ausführliche Allegorese von Gen 22 in der Hinsicht, als bei ihm Abraham der Christ ist, der aufgerufen sei, alles Weichliche und Weibische abzulegen, um mit der Gerechtigkeit gepanzert männlich zu kämpfen.187 Diese Diskussion um die Möglichkeiten und Grenzen allegorischer und typologischer Bibelauslegungen erfuhr in der Reformation einen neuen Höhepunkt: So wendete sich Luther in der Leipziger Disputation (1519) scharf gegen Johannes Ecks Argument, nur weil das Alte Testament einen leiblichen obersten Priester gehabt habe, so müsse auch das Neue Testament

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einen solchen haben, da dies das Gesetz der typologischen Entsprechung fordern würde: […] Also sehen wir, wie fein die Romanisten mit der schrifft handeln, machen drauß, was sie nur wollen, als were sie ein wechsern nasen, die man nyn und her ziehen mocht.188 Der katholischen Position liegt letztlich der Bildbegriff Ecks zugrunde, da für diesen im Fall der christlichen Bilder nicht die Materie an sich verehrt wird, sondern der »Typus«, der durch die figura ausgedrückt wird.189 Auch im Bildbegriff der Altgläubigen spielt der Begriff der similitudo eine zentrale Rolle, da die Bilder nicht nur eine scheinbare Apostolizität garantierten, sondern diese kraft ihrer im Reproduktionsvermögen ansichtigen similitudo in Bezug auf die lange zurückliegenden geschichtlichen Wurzeln der Kirche glaubhaft die »Evidenz der historischen Präsenz der Dargestellten«190 zu vermitteln imstande waren. Die hier zentralen Begriffe similitudo bzw. similiter wurden im Barock ausdrücklich an zahlreichen Stellen in Bezug auf Analogie und Typologie ins Treffen geführt:191 Dies kann etwa durch Mirakelberichte belegt werden: Zum 5. Juli 1659 waren etwa einem Mann mehrere Personen im niederösterreichischen Wallfahrtsort Maria Taferl erschienen, die zum Mariengnadenbild gingen, darunter eine mit einem Kreuz auf dem Rücken. Im Stich einer Publikation aus dem späten 18. Jahrhundert192 wird diese Szene im Typus der Kreuztragung Christi dargestellt – kombiniert mit dem biblischen Hinweis Vade, et tu fac / similiter. Luc. 10. Der Auftrag Christi zur imitatio richtet sich hier an den Leser, es ihm angesichts des Ereignisses in Maria Taferl gleichzutun, also similitudo zu üben. Die Typologie in ihrer Forschungsgeschichte

Typologie muss als »Deutungsmethode« bezeichnet werden kann, die davon ausgeht, dass »zwei verschiedene, historisch reale Geschehnisse der Bibel miteinander in Verbindung […]« stehen. Die typologische Beziehung kann dabei ihren Ausgang von einer »Parallelität oder Gegensätzlichkeit der Geschehnisse nehmen«193. Die Ereignisse einer typologischen Relation bleiben »historisch real.«194 Wie bereits skizziert, gibt es vielfältige Beziehungsmöglichkeiten zwischen dem Alten und dem Neuen Testament: eine »Relation der Ähnlichkeit«, eine »Relation des Gegensatzes (Adam-Christus)« sowie eine »Relation des Fortschrittes (vom Unvollkommenen zum Vollkommenen)«195. Die Typologie ist in dieser Hinsicht als »Mittel der Verhältnisbestimmung zwischen den Testamenten«196 zu sehen, gleichsam als exegetisches Mittel, »Strukturanalogien zwischen den von beiden Testamenten bezeugten Heils­ereignissen herauszufinden.«197 Diese grundsätzlichen Ausgangspositionen in Bezug auf die Begriffsbestimmung der Typologie wurden im Laufe der Forschung mit jeweils unterschiedlichen Akzentuierungen versehen. Oscar Cullmann und der Primat der Heilsgeschichte

Der evangelische Theologe Cullmann (1902–1999) ging in seiner Argumentation von der »Einmaligkeit der Christustat der Mitte«198 aus: »Das Christusgeschehen der Mitte wird nämlich seinerseits erleuchtet von der alttestamentlichen Vorbereitung her, nachdem diese

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gerade von jener Mitte erst ihr Licht empfangen hat.«199 Rudolf Bultmann (1884–1976) übte in einer Rezension zu Cullmanns Christus und die Zeit (1946) Kritik an diesem Zeitbegriff: Christus könne demnach zwar mit Recht als die »Mitte der Zeitlinie« bezeichnet werden, »nicht aber als die Mitte der Geschichte oder Heilsgeschichte«. Nach urchristlichem Denken sei Christus »vielmehr das Ende der Geschichte und Heilsgeschichte«200. Bedeutend bleibt bei Cullmanns Thesen in Bezug auf die Typologie die von ihm vertretene »heilsgeschichtliche Gesamtschau«: »Die Gegenwart ist nur dann schon sich erfüllende Zukunft, wenn sie Erfüllung der Vergangenheit ist.«201 Typologie ist – Cullmann zufolge – »eingebettet in ein heilsgeschichtliches Gesamtverständnis«202. An dieser Stelle muss eine notwendige Unterscheidung zwischen Heilsgeschichte und Typologie einsetzen: Typologie setzt einen weiteren heilsgeschichtlichen Rahmen voraus, aber in der Typologie ist die »Verbindung doch nur auf die betreffenden zwei Punkte beschränkt.« Alle Typologie bedingt jedenfalls einen »heilsgeschichtlichen Hintergrund«, nämlich eine »heilsgeschichtlich verstandene Beziehung zwischen Altem und Neuem Testament«203. Eine Gefahr des »Abgleitens in die Allegorie« besteht auch bei manchen typologischen Beziehungen, »sobald die Parallelität als solche losgelöst von den Ereignissen als das Wesentliche angesehen wird, sobald es sich nur noch um Parallelität von Texten und nicht um Parallelität von Ereignissen handelt.«204 Friedrich Ohly und die inhaltliche Erweiterung des Typologie-Begriffs

Wesentlich neben diesen Fragen der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Heilsgeschichte und Typologie war die Erweiterung des Typologie-Begriffs seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zugunsten einer Interpretation der Typologie als »Denkform«, der dezidiert schöpferische Züge zugesprochen wurden: Wesentlichster Bahnbrecher dieses erweiterten Typologie-Begriffs war der Mediävist Friedrich Ohly (1914–1996)205, dessen Credo lautete: »Typologisches Denken ist schöpferisch.«206 Typologie wurde von ihm als »hermeneutisches Prinzip« gesehen, gleichsam im Sinne einer »Hermeneutik der Geschichte«207. Typologischem Denken wohnt demzufolge eine »exegetische Kraft« inne. Mithilfe »typologischer Inbezugsetzung« können – genau wie mittels der Allegorese – arkane Stellen in ihrer Sinnstruktur erhellt werden.208 Typologie liegt – Friedrich Ohlys Überlegungen zufolge – dann vor, wenn ein Geschehen der alten Zeit in einem Geschehen der neuen Zeit wiederkehrt, »und zwar in gesteigerter Spiegelung«. Prägend hierbei ist die sicut – ita-Formel, wie sie etwa bei Jo 3, 14 zu finden ist.209 Typus und Antitypus bedürfen – Ohly zufolge – einer »Ähnlichkeit, in der das Gemeinsame und das Unterscheidende sich darstellt.«210 Gegenstand der Typologie ist vornehmlich »Geschehensdeutung, insofern das alte und das neue Geschehen sich wechselseitig so erhellen, dass das Alte als Verkündigung des Neuen, das Neue als Erfüllung des Alten zu verstehen ist […].«211 Demnach hellt jede typologische Zusammenschau »des in der Zeit Getrennten […] den Sinn der Heilsgeschichte auf.« Erst vom epochalen »Wendepunkt in Christus«212 könne

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das Vergangene und Kommende gedeutet werden. »Das typologische Denken ist christozentrisch; der historische inkarnierte Christus ist die Zeitenmitte.«213 Typologie bedeutet aus dieser Perspektive, dass Altes und Neues Testament in ein »schöpferisches Spannungsverhältnis« der Steigerung des Alten in das Neue durch seine Erfüllung im Sinne des Wortes der Bergpredigt non veni solvere sed adimplere« (Mt 5, 17) gesetzt werden. Typus und Antitypus sind beide etwas »Geschichtliches und Faktisches«, nichts wie die »Wortverkündigung durch die Propheten.« Die konkrete Leistung der Typologie liegt dergestalt in der »Augenfälligmachung einer Simultaneität des Ungleichzeitigen in der Weise, daß das Alte auf das neue als seine Steigerung herüberdeutet.« Mittels der Kombination zu einem »Ereignispaar« von zwei Geschehnissen wird der Charakter eines sich »spiegelnden Sichbeleuchten[s]« möglich und dadurch ein Sinnzusammenhang konstituiert.214 Bereits durch die »Nebeneinanderstellung« erscheint eine »Scheinsimultaneität von Typus und Antitypus« suggeriert.215 Typologie, »eine Denkform unter anderen«, setzt somit die »Steigerung des Alten in das Neue durch seine Erfüllung«216 ein. Die »Zusammenschau des in der Zeit Getrennten, in der Zusammenrückung zweier aus der Sukzession der Zeit gehobener Szenen«217 kann bis zum »Zusammenfall oder zur Ersetzung des Bedeutenden durch das Bedeutete getrieben werden.«218 Typologie methodisch betrachtet, kann somit als »hermeneutisches Prinzip eines Vergangenheits- und Gegenwartsverstehens«219 verstanden werden. Wesentlich bleibt bei allen Definitionen die »unüberbietbare Endgültigkeit des Antitypus«220. Dieses inhaltliche »Mehr des Antitypus«221 im Sinne einer »Überbietung« gehört zu den zentralen »Kriterien heilsgeschichtlicher Typologie«222. Auch Außerbiblisches kann Ohly zufolge zum Gegenstand typologischer Deutung (»halbbiblische und außerbiblische Typologie«) werden. In diesem Sinne fand seit dem Mittelalter eine intensive Integration von Natur und Mythos in typologische Relationen statt.223 Ohly machte sich auch für eine zeitliche Erweiterung der Betrachtung der Typologie bis weit in die Neuzeit stark: In diesem Sinn kann Typologie als eine »von der Patristik bis tief in die Neuzeit hinein wirkkräftige Art der Anschauung von der Geschichte« bezeichnet werden. An diesen Ansatz eines Germanisten schloss sich eine breite Diskussion an, in welcher Hinsicht Typologie in theologischer und literarhistorischer Sicht unterschiedlich definiert werden muss, insbesondere in Bezug auf die Frage der Typologie als hermeneutisches Prinzip: Der Germanist Paul Michel (* 1947) etwa befasste sich mit den Kontroversen in Bezug auf eine Unterscheidung von theologischer und literaturgeschichtlicher Beanspruchung des Begriffs »Typologie«224 und meinte in diesem Zusammenhang: »Grundsätzlich kann man den Begriff Typologie enger und weiter fassen.«225 Das Heil sei im Alten Testament nicht etwas Statisches, »sondern […] etwas geschichtlich sich Ereignendes«. Die historischen Berichte des Alten Testaments handeln demnach »im Kern immer von der Verheißung oder dann vom Vollzug des göttlichen Willens«226. Geschichte könne »als eine gegen das Ziel immer reicher werdende Zeit verstanden«227 werden. Typologie meint zugleich »Parallelisierung und polare Entgegensetzung« (vgl. Mt 5, 17): Der entsprechende Satz Christi enthält »dialektisch beide Aspekte«228. Die Überbietung des Alten durch das Neue kann zwei Aspekte haben – einer-

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seits steht das Alte zum Neuen wie der Positiv zum Superlativ: z. B. Gottes Heilstaten in der Wüste einerseits und 1 Kor 10, 1–13 (Israels Geschichte als Warnung) andererseits, darüber hinaus gebe es das »Umkippen in die Antithese« (Christus als »neuer Adam«).229 Zudem sei die »apologetische Funktion« der Typologie zu bedenken: Das hohe Alter der alttestamentlichen Schriften erlaubte es dem Christentum in optimaler Weise, »seine eigene Geschichte nach rückwärts zu verlängern.«230 Für Paulus sei das Alte Testament mehr als nur als eine Folie; »es ist überhaupt der reale Grund dafür, daß die Gnadenzuwendung sich ereignete.« Das Alte Testament bildet demgemäß die »heilsnotwendige Vorgeschichte, die in Christus ihr telos hat.«231 Im Brennpunkt des Interesses zur Klärung, was Typologie eigentlich sein und leisten kann, sollten – so Michel – nicht die Begrifflichkeiten stehen, sondern die »Merkmale, mittels derer man Texte in ihrer Eigentümlichkeit interpretieren kann.«232 Neuere Ansätze seit Erich Auerbach

Neuere wissenschaftliche Ansätze thematisieren den Typologie-Begriff stärker vor dem Hintergrund einer nicht aufgelösten und letztlich nicht auflösbaren zeitlichen Spannung zwischen Typus und Antityp: Im Zentrum der Überlegungen steht hier die »Verwandlung der Zeit, die durch die typologische Beziehung impliziert wird.«233 Essenziell bei jeder Überlegung zur Typologie ist – Giorgio Agamben (* 1942) zufolge – die »Spannung, die Vergangenheit und Zukunft, typos und antitypos zu einer untrennbaren Konstellation zusammendrängt und verwandelt. Das Messianische ist nicht einfach eine der beiden Grenzen dieser typologischen Beziehung: Es ist diese Beziehung selbst.«234 Der Glaube ist aus dieser Perspektive zugleich »Deaktivierung und Bewahrung des Gesetzes«235. Die typologische Beziehung bei Paulus könne demnach als »Spannungsfeld, in dem die beiden Zeiten zu einer Konstellation zusammengedrängt werden, […]« beschrieben werden: »In ihr gewinnt die Vergangenheit [das Abgeschlossene] wieder Aktualität und wird unabgeschlossen, während die Gegenwart [das Unabgeschlossene] eine Art von Abgeschlossenheit erfährt.«236 Für die Kunstgeschichte besitzt besonders der Ansatz des Literaturwissenschaftlers Erich Auerbach (1892–1957) bis in die jüngere Zeit eine große Nachwirkung, wobei jüngst vor allem Christian Kiening die wichtigsten Aspekte zusammenführte und die figura vornehmlich dynamisch deutete. Für Erich Auerbach ist »figura […] etwas Wirkliches, Geschichtliches, welches etwas anderes, ebenfalls Wirkliches und Geschichtliches darstellt und ankündigt.«237 Auerbach geht von einem Verfahren historischer Semantik aus (figura) aus, in der Folge zu einer onomasiologischen, schließlich zu einer ideen- und problemgeschichtlichen (Entstehung der Figuraldeutung bei Paulus) und zu einer rezeptionsgeschichtlichen (Figuraldeutung im Mittelalter) Fragestellung. Er stellt den Neuansatz der Patristik vor, demzufolge die figura als eine Realprophetie, als etwas »Wirkliches, Geschichtliches«, das etwas anderes Wirkliches und Geschichtliches ankündigt, gesehen werden müsse:238 »Die Figuraldeutung stellt einen Zusammenhang zwischen zwei Geschehnissen oder Personen her, in dem eines von ihnen nicht nur sich selbst, sondern auch das andere bedeutet, das andere hingegen das eine ein-

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schließt oder erfüllt. Beide Pole der Figur sind zeitlich getrennt, liegen aber beide, als wirkliche Vorgänge oder Gestalten, innerhalb der Zeit.« (Erich Auerbach)239 Auerbach zufolge darf der Kirchenschriftsteller Tertullian als der Erste gelten, der die Semantik der figura auf geschichtliche Strukturen ausdehnte240 und damit vorbereitete, was wir heute Typologie nennen. Die figura avanciert unter Tertullian und Augustinus zum »wichtigsten Instrument der Textrelationierung und -interpretation«241. Im Zentrum von Auerbachs Überlegungen steht somit nicht die Vorstellung, dass das Neue Testament das Alte ersetzt oder überbietet, sondern, dass beide auf der figuralen Ebene in einem wechselseitigen Verhältnis stehen und gleichsam eine »einzige Textur« bilden:242 »Was in der Figur zum Ausdruck wird, bildet ein Beziehungsnetz vor aller Interpretation der Schrift und vor dem spirituellen Zugriff.«243 Darauf bauen die Überlegungen Christian Kienings auf, wenn dieser meint, dass die figura nicht nur einzelne Figuren meint, »sondern die Art eines bestimmten Bezuges zwischen Gestalt, Bild, Ausdruck, Wort, Zeit und Geschichte sowie zwischen Darstellung und Vollzug«244. Von Relevanz ist hier vor allem die jüngere theologische Forschung, da, wie Karl-Heinrich Ostmeyer nachgewiesen hat, handelt es sich beim Begriff des týpos nicht um einen statischen Begriff, ähnlich wie exemplum oder figura, sondern um einen »Funktionsund Relationsbegriff«245. Aus dieser Perspektive erfolgte auch die Rezeption des týpos-Begriffs Agambens, da sich – Agamben zufolge – der Terminus des týpos nicht auf zwei strikt voneinander geschiedene Bereiche bezieht, sondern eine »Spannung, eine Beziehung« zum Ausdruck bringt, eine, wie Agamben formulierte, »untrennbare Konstellation«246. Demzufolge kann das Messianische bei Paulus – Agamben zufolge – als eine Zone der Indifferenz betrachtet werden, in der »die Vergangenheit in die Gegenwart verschoben und die Gegenwart in die Vergangenheit ausgedehnt wird.«247 Auch in dieser Hinsicht ist týpos vor allem als ein »Relationsbegriff« zu sehen: »Er lässt Vergleichbares sichtbar werden, funktioniert im Dazwischen und vermittelt so, ohne eines Anti-týpos zu bedürfen, zwischen Archaik und Präsenz.«248 Die Vergleichbarkeit in Bezug auf týpos und figura besteht vorwiegend in ihren »Funktions- und Relationsmomenten«. Wichtig sei es deshalb, týpos als »Funktionsbegriff« zu fassen.249 Denn týpos könne erst im »semantischen und historischen Dazwischen seine spezifische Dynamik« entfalten: Den týpos-Begriff paulinisch zu lesen, »heißt […] ihn als Beziehungsbegriff zu lesen.« Dabei geht es um die Beziehung zwischen Typisierendem und Typisiertem, nicht aber »um eine immer schon feststehende Verbindung, also etwas Statisches«250. Zur Abgrenzung zwischen Typologie und Allegorie

Ein weiterer wesentlicher Ansatzpunkt in der jüngeren Geschichte der Typologie-Forschung bestand in der ausführlichen Diskussion der Abgrenzung zur Allegorie, die letztlich bereits seit der Frühzeit nachweisbar ist. Die Begriffe allegoria, figura und týpos wurden in der hermeneutischen »Typologie« der Kirchenväter unpräzise verwendet. Der Terminus »Allegorie« ist paulinischer Herkunft,251 ebenso wie typus und figura paulinisch sind.252 Der französische Jesuit Henri de Lubac wies nach, dass allegoria in der gesamten theologischen Tradition der

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vorherrschende Begriff für die Bezeichnung von Typologien war. 253 Noch der Salzburger Benediktiner Joseph Mezger verwendete in seinen Institutiones Sacrae Scripturae sive Principia, Regulae et Instructiones de Modo rite intelligendi et interpretandi Sacram Scripturam […] (Salzburg 1680)254 die Begriffe typus, figura und allegoria fast unterschiedslos.255 Vor dem Hintergrund dieser terminologischen Unschärfe betonte vor allem Erich Auerbach die Notwendigkeit einer rigorosen Trennung zwischen Typologie und Allegorie.256 In diesem Sinn arbeitete er die »Heterogenität von Allegorie und Typologie« als »strikte Differenz« heraus.257 Nicht nur von ihm wurde die These vertreten, typologische Exegese sei aus der »Umfunktionierung des Alten Testaments für die Zwecke der paulinischen Mission« entstanden.258 Typologie und Allegorie dürfen allerdings in ihren Sinnhorizonten nicht gegeneinander ausgespielt werden: Typologie setzt die »richtig verstandene Allegorie voraus.«259 Beide Begriffe können auch als Synonyme verstanden werden.260 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang eine »grundsätzliche strukturelle Verwandtschaft zwischen Allegorie und Typologie«261. Die Bedeutung des Allegoriebegriffs wurzelt letztlich in seiner Verwendung bei Paulus (Gal 4, 21–31):262 Der allegorische Sinn war in der Folge »der eigentliche dogmatische Sinn, sofern er in der Geschichte wurzelt.«263 Die Typologie war hingegen andererseits imstande, »Details präziser [zu] erfassen als eine von metaphorischer Stimmigkeit ausgehende Allegorese«264. Jede Form von Allegorese ist grundsätzlich stärker als »Ornament der typologischen Konstruktion« zu betrachten. Ein Kriterium der Unterscheidung hat Herzog prägnant formuliert: »Die Typologie bewahrt den historischen Charakter, die Allegorese führt zur Metapher.«265 Darin liegt ein wesentlicher Aspekt der Differenzierung, da die Allegorie nicht »an der geschichtlichen Wandlung, und somit an der Überbietung«, interessiert ist, »sondern an der immer schon bestehenden und unwandelbaren Verborgenheit eines Bedeuteten«266. Der typologische Bezug ist somit grundsätzlich »historisch perspektivierend« – im Gegensatz zur »allegorischen« Bedeutung: Eine beide Typen verbindende »historische Bedeutung« wird nicht abgelöst vom »historischen Anlaß als dem bloßen Substrat der allegorischen Verarbeitung, sondern bleibt in ihm unaufhebbar an beiden Enden verankert: […]«267 Grundlegend ist somit die »Unterscheidung allegorischer und typologischer Tendenzen«, die letztlich zwischen dem »politischen Potential typologisch-historischer Konkretion und dem ideologischen Potential […] allegorisch-ahistorischer Abstraktion« ausgemacht werden kann.268 Rudolf Bultmann versuchte aus anderer Perspektive zwischen Allegorie und Typologie zu differenzieren und untersuchte anhand biblischer Schriftstellen den Charakter der Typologie. Die Bezeichnung »Typologie« geht ihm zufolge auf Paulus zurück (Röm 5, 14; 1 Kor 10, 6). Er nahm eine Differenzierung zwischen der Typologie, die ihm zufolge unter dem Gedanken der »Wiederholung« steht, und dem Weissagungsbeweis, der unter die Zentralidee der »Vollendung« subsumiert werden könne, vor. Somit koppelte er Typologie und Allegorie an ein jeweils unterschiedliches Zeitverständnis: »Der Weissagungsbeweis rechnet mit dem gradlinigen Lauf der Zeit, die Typologie mit dem zyklischen.«269

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II Eine Sprache der Offenbarung – Typologie zwischen Bibel und Theologie

Die biblische Typologie und die Sakramente

Prägend für die Beschäftigung mit der Typologie war nicht zuletzt das seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts neu erwachte Interesse an der Bedeutung der Bibel in den Interpretationen der Väterliteratur,270 unterstützt durch die Relevanz der Sakramente, die in diesem Zusammenhang eine große Rolle spielen: So untersuchte der Jesuit Jean Daniélou271 erstmals in intensiver Weise die Zeichenhaftigkeit der Sakramente sowie den »symbolischen Sinngehalt der sakramentalen Riten und des christlichen Kultes im allgemeinen«272. Im Sinne einer »aktualisierenden Typologie« können Alter und Neuer Bund als typoi dessen bezeichnet werden, »was sich gegenwärtig in der Kirche, vor allem in ihren Sakramenten, vollzog.«273 Konkret geht es Daniélou um eine Art »Typologie der Sakramente«, die bereits im Neuen Testament zum Ausdruck kommt, wenn etwa das Johannesevangelium (6, 58) im Manna ein Vorbild der Eucharistie sieht.274 Cyrill von Jerusalem deutet etwa das dreimalige Untertauchen bei der Taufe als die Verbildlichung der dreitägigen Grabesruhe und erklärt dies folgendermaßen: »O seltsames und paradoxes Geschehen! Wir sind nicht natürlicherweise gestorben und begraben worden, nicht tatsächlich gekreuzigt worden und auferstanden, sondern wir haben all dies im Bilde nachvollzogen, das Heil aber wirklich empfangen. Christus wurde tatsächlich gekreuzigt, wirklich begraben und ist tatsächlich auferstanden. All dies hat er für uns vollbracht, damit wir durch die Nachahmung seiner Leiden im Bild, in Wirklichkeit aber des Heiles teilhaftig würden.«275 Die Taufe wird hier explizit als »Antityp«, als »Gegenbild der Passion und Auferstehung Christi«276, bezeichnet. Am Heilsgehalt von Passion und Auferstehung könne man solcherart durch das Sakrament Anteil gewinnen. Basilius der Große (um 330–379) bezeichnete deshalb die Taufe als »Angleichung an den einmaligen Tod Christi«277. Aufgespannt werden hier die Unterschiede und Verbindungslinien von historischer und sakramentaler Wirklichkeit. Daniélou deutete in vielfältiger Form die entsprechenden Beziehungen aus, die sich etwa zwischen Sintflut und Beschneidung auf der einen Seite und der Taufe auf der anderen Seite – jeweils auf der Basis einer reichen Überlieferung der Väterliteratur – ergeben können.278 Besonders hervorzuheben sind hier die mystagogischen Katechesen des Cyrill von Jerusalem mit ihrer Verbindung zwischen den Taufriten und den einzelnen Episoden beim Auszug aus Ägypten.279 Bereits eine berühmte Stelle des Neuen Testaments (1 Petr 3, 18–21) bezeichnet die Sintflut als Typus, als »hinweisendes Geschehen, dessen Vollwirklichkeit die Taufe ist.«280 Die Konsequenzen für die Visualisierung von Typologie sind hier vielfältig und bestehen vor allem darin, den gesamten Bereich der Sakramentsikonografie für typologische Ausdeutungen fruchtbar zu machen. Die ausschließliche Beziehung zwischen Altem und Neuem Bund wird gelockert und auf die sakramentale, menschliche Lebenswirklichkeit hin geöffnet, da sich das entsprechende Sakrament, das als Antitypus fungiert, auf jeden Christen beziehen und den Eintritt in eine neue Existenzweise markieren kann (vgl. 1 Kor 10, 1–6). Der Sinn dahinter besteht vor allem in der Idee der Kontinuität als »fortlaufende organische Entfaltung der alttestamentlichen Heilsordnung zur neutestamentlichen und ihrem sakralen Bereich«281.

Typologische Kunst in ihrer »Sakramentalität«

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Typologische Kunst in ihrer »Sakramentalität«

In der jüngeren kunsthistorischen Forschung wurde die Relevanz der Sakramente unter dem leitenden Aspekt einer »sakramentalen« (eucharistischen) Repräsentation fruchtbar gemacht: Frühneuzeitliche Repräsentation kann in gewisser Hinsicht selbst als »sakramental« bezeichnet werden, da ihre Strukturen wesentlich durch den Streit um das Altarsakrament bestimmt wurden.282 Das Sakrament ist in dieser Hinsicht eine »Figur«, in gewissem Sinne im Kontext der Frühen Neuzeit »die Figur der Figuren, also jenes Modell, das beschreibt, wie Wörtliches und Figürliches, Sichtbares und Unsichtbares, Präsenz und Repräsentation sich zueinander verhalten.« Unter dieser übergreifenden Perspektive ist das Sakrament auch als »Matrix der Repräsentation«283 bezeichnet worden. Die Embleme, die etwa in der barocken Kunst von zentraler Bedeutung sind, besitzen einen »meditativen Charakter und funktionieren dynamisch«284. Das Emblem als Wort-Bild-Kombination bewirkt – so jüngere Ansätze – als sichtbares Zeichen eine »unsichtbare Wirklichkeit Gottes«. Damit mutiert das Emblem ebenfalls zu einem »Instrument der Sakramentalität«: Wort und Bild wirken im »Sinne einer heiligen Einbildungskraft direkt auf die Seele ein.«285 Als das spezifisch »Sakramentale am emblematischen Vollzug«286 kann beschrieben werden, dass es dem Rezipienten dadurch möglich werde, »das in der Predigt Gehörte und Erfahrene durch den dynamischen (Nach-)Vollzug des Predigtwortes im Emblem wieder präsent werden zu lassen, um so der heilsverkündenden Kraft des Predigtwortes teilhaftig werden zu können.« Embleme sind daher als die »mediale Realisation Sakramentaler Repräsentation schlechthin«287 bezeichnet worden. Es gehört zum eigentlichen Wesen der Emblematik, also zu ihrer spezifischen Medialität von Text und Bild, »dass ihre Codes nicht nur repräsentieren, sondern […] selbst Präsenz zu erzeugen vermögen, […]«288. Typologie – Medialität – Letztes Abendmahl

Besonders das Sakrament der Eucharistie bot sich hier als entsprechender Ansatzpunkt und Gegenstand an. Zudem konnten dabei Grundfragen der Repräsentation in der »wechselseitige[n] Verflechtung der Bilderfrage mit der Abendmahlsfrage«289 neu problematisiert werden. Im Gegensatz zu anderen Anwendungsbereichen existiert für die Eucharistie ein Raumtypus, für den eigens typologische Programme geschaffen wurden, nämlich die Sakristei, deren ausführliche Bildprogramme die Typologie des Altarsakraments in ihrer medialen Verdichtung wohl am ausführlichsten zu zeigen vermögen.290 Auch hier steht die Repräsentation als »altehrwürdiges Wort, das seit Jahrhunderten zu unserem geistigen Rüstzeug gehört«291, mit der Typologie in engster Verbindung: Die Anwesenheit Christi in der Hostie markiert gleichsam eine »Über-Präsenz«. Neben ihr verblasst, zumindest auf theoretischer Ebene, jede Sichtbarmachung des Heiligen.292 Ort der Vergegenwärtigung ist die Messfeier: Sie ist ein zentrales religiöses und politisches Ritual, zudem ein »Modell von Bedeutung, das Sachen und Bilder, Zeichen und Worte in sich begreift.«293 Die körperliche Präsenz Christi im Abendmahl

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ermöglichte – zwischen dem Ende des 13. und dem Beginn des 14. Jahrhunderts –, dass jenes konkrete Symbol der Abstraktion des Staates Gestalt annehmen konnte – »das Bildnis des Königs, das man Repräsentation nannte«294. In dieser Hinsicht wurde der eucharistische Körper auch als »Körper der Souveränität«295 bezeichnet. Gerade die barocke Kunst zeigt eine unglaubliche Vielfalt und Ausdifferenzierung eucharistischer Bildtypologien und Allegoresen: Die Typen des Alten Testaments als alttestamentliches Opfer, Abrahams Opfer, Mannalese und die Kundschafter in Kanaan wurden vielfältig variiert. Zudem sind unterschiedliche Personifikationen des Alten und Neuen Testaments nachweisbar.296 In barocken Stichen existiert zumeist ein »repräsentatives, handlungsarmes Nebeneinander der Antipoden« (alt- und neutestamentliche Personifikationen).297 Zudem kann das »Motiv der versöhnten, am Altar vereinten Testamente«298 nachgewiesen werden. Die besondere Raffinesse der bildenden Kunst im Barock im Umgang mit der Visualisierung der Typologie zeigt etwa das Chorkuppelfresko im niederösterreichischen Schwechat (1764, im Zweiten Weltkrieg zerstört), zu dem eine »historische Beschreibung« aus dem Jahr 1765 schreibt: das Gesetz der Natur mit Adam und Eva und den Propheten […] und das neue Gesetz mit dem Kirchenoberhaupt und verwandelten Brotsgestalten [sic!] in dem Welterlöser. Über den Stammeltern und den Altvätern Moses, Aaron und Abraham mit Isaak thront auf einer Wolke die ecclesia: Sie hält eine Monstranz, über der in einer Aureole das Jesuskind sichtbar wird. Die Komposition sowie die »Art der Antithese vom [sic!] Altem und Neuem Bund« sind ungewöhnlich; auf der einen Seite ein Aufgebot locker verbundener Personen des Judentums, auf der anderen Seite die ecclesia mit strahlender Eucharistie, darüber Gottvater, die Taube und das Christkind.299 Typologie und die Folgen für die Kunst – zur historischen Entwicklung bis in die Frühe Neuzeit

Ein zentraler Sinn und Zweck der Typologie besteht darin, dass das geschichtliche Ereignis nicht als »einzelner Vorgang« aufzufassen ist, sondern »in innerem Zusammenhang mit anderen [steht], in denen es vorweggenommen sein kann.« Geschichte ist aus diesem Blickpunkt als ein sacramentum, als »stete Gegenwart«, zu bezeichnen, weshalb man auch von einer »sakramentalen Kunst« gesprochen hat. Charakteristisch ist in diesem Sinn die »Transparenz des Ereignisses für andere Aussagen«300. Typologische Kunst bietet somit nicht nur eine Veranschaulichung theologischer Gedankengänge, sondern sie wird inhaltlich »selbständig entwickelt.« Es gibt daher eine Reihe von Beispielen, in denen die entsprechenden Konzepte erst im »Medium des Bildes« formuliert werden konnten, in den Worten Peter Blochs, »wo der Typus der gestalteten Form bedurfte«: Das daraus resultierende »Denken in Bildern«301 bildet auch die Grundlage des vorliegenden Buches. Die theologischen Forderungen nach »widerspruchsfreier Einheit der heiligen Texte« er­zwangen oft »kühne Assoziationen und Begründungen«302, was auch für die Umsetzung in der bildenden Kunst nicht ohne Konsequenzen bleiben konnte. Typologie ist keine auf eine

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bestimmte Epoche begrenzbare »Form der Argumentation«, nicht einmal spezifisch christlich, sondern letztlich »universal«303. Eine figura muss nicht unbedingt eine Textfigur sein, sondern kann ebenso ein Bild oder ein Muster darstellen, und die entsprechenden Übertragungsprozesse folgen »anderen Gesetzen als denen der Textüberlieferung«304. Das mittelalterliche Zeichensystem bot in dieser Hinsicht eine »außerordentliche Fülle von Kombinationsmöglichkeiten und Verweisen, die manchmal typologisch aussehen, ohne es aber zu sein.«305 Typologie soll somit als Denken »in anschaulichen Figuren und als kombinatorisch assoziative Methode« gesehen werden, die zu einem »ausgedehnten Geflecht von Beziehungen« und zu immer neuen Inventionen führen kann.306 Ausgehend davon muss ein Verständnis von Bildern als »Schrift-Bild-Gewebe« (Horst Wenzel)307 bzw. »Wort-Bild-Gewebe«308 in der Frühen Neuzeit in den Fokus genommen werden. Dieser Begriff des »Gewebes« findet in der Theologie eine interessante Parallele: »Der Stoff des neuen Gesetzes ist gleichsam gewoben (texta) aus dem Faden des alten.« Nova Lex de veteri Lege texta est. heißt es bei Hildegard von Bingen.309 Typologie in ihren vielfältigen visuellen Dimensionen ist somit keineswegs eine Umsetzung oder Übertragung vorformulierter theologischer Systematik, kann und will dies auch nicht sein, sondern ein Mittel zur Reduktion von Komplexität, um hinsichtlich des Primats der Anschaulichkeit der Notwendigkeit gerecht zu werden, Heilsgeschichte plastisch vor Augen führen zu können. Bereits Friedrich Ohly hatte in diesem Zusammenhang erkannt: »Die spirituelle Perspektive des Bedeutungsraums und der Bedeutungswelt des Dinges ist im Bild höchst schwierig darzustellen.«310 Da die Typologie zumeist – mit Ausnahme der »impliziten« Typologie (die vorführt, dass Typus und Antitypus im Erscheinungsbild zusammenfallen, wobei der Typus Züge des Antitypus und umgekehrt tragen kann)311 – an die Vermittlung von zwei Bildtypen, von Typus und Antitypus, gebunden ist, gilt über weite Strecken der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kunst, dass Typologie die Rolle eines Mechanismus der Systematisierung zu erfüllen hatte, da bereits in der Gegenüberstellung zweier ikonografischer Typen ein bestimmter Aussagewert begründet liegt. Wenn die Patristik in den Worten des Origenes »das sinnliche Evangelium in ein geistliches Evangelium übersetzen«312 wollte und er damit zugleich seinen Anteil an dieser Leistung der Schriftauslegung beschreibt, dann geht die Intention der bildenden Kunst genau in die entgegengesetzte Richtung, indem der Haupt­ fokus dort vor allem auf der Versinnlichung geistiger und geistlicher Inhalte beruht – geradezu auf die »Lesbarkeit« von Typologie zielt, auf ein »Denken in Bildern«.

Abb. III.1: Bible moralisée, Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2554, fol. 16r, um 1230 (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek)

III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst Unterschiedliche Bilder führen unterschiedliche Zugänge vor Augen, wie Typologie visualisiert werden kann. Die entsprechenden Möglichkeiten reichen von Umdeutungen des Bibeltextes bis zur fast unscheinbaren Präsenz typologischer Relationen in größeren Zusammenhängen. Beispiel I: Die Bible moralisée

Die Wiener Bible moralisée1 (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2554, um 1230)2 bietet besonders reiches Anschauungsmaterial für die Visualisierung von Typologien: In dieser Handschrift erfolgt auf fol. 61*v3 eine Umformung des Textes von Ri 11, 39: Der Bibelvers schildert das Opfer Jephtas nur als Andeutung. Die allegorische Auslegung setzt Jephta allgemein mit Christus gleich, für die Tochter kennt etwa die Glossa ordinaria die Deutung auf die caro Christi oder die Kirche. In der Wiener Handschrift wird das Opfer der Tochter auf einem Altar dargestellt: Jephta spaltet seine Tochter mit dem Schwert in zwei Hälften. Diese merkwürdige Umgestaltung der biblischen Erzählung ist durch Übertragung von Motiven des Kommentars in Text und Bild zu erklären: Das Opfer der Tochter wird mit dem Opfer der Synagoge durch Christus verglichen: Aus der Synagoge macht er zwei Teile, der schwarze sind die im Irrtum befangenen Juden, der weiße hingegen die gläubigen Christen. Diese Form der »Parallelisierung« ist in der Miniatur deutlich ausgeprägt: Die Synagoge ist gespalten, die Juden sinken zu Boden. Ein weiteres interessantes Beispiel zeigt sich auf fol. 16r dieser Handschrift (Abb. III.1):4 Jesus wird in den zwei Medaillons unten in einem mit Siegeln versehenen Buch liegend (!) gezeigt – in Analogie zu dem in seinem Körbchen liegenden Mosesknaben darüber. Als Basis fungiert die Verbindung des Logos zur Schrift, wenngleich im konkreten Fall die Umsetzung möglichst anschaulich erfolgt und auf eine motivische Parallelisierung zielt – Mose Körbchen als Hülle für den ausgesetzten Knaben und die Schrift als Hülle für Christus. Bereits in der Spätantike galt Maria als von Gott zugerichtetes Papyrusblatt oder als zu lesendes bzw. zu deutendes Buch. Petrus Berchorius († 1362) beschrieb die vita Christi von der Inkarnation in

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III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst

Abb. III.2: Allegorie des Alten und Neuen Bundes, Thomas Huber, 1765 (© Dorotheum Wien, Auktionskatalog 17.04.2013)

anschaulichen Worten mittels »Metaphern der Schriftkultur: Diktieren, Schreiben, Korrigieren, Punktieren, Illuminieren etc.«:5 »Der menschgewordene Gottessohn wurde vom Vater diktiert, im Schoß Mariens vom Heiligen Geist auf jungfräulichem Pergament geschrieben, der Welt zur Kenntnis gebracht in der Offenbarung der Geburt, korrigiert in der Passion, abgeschabt bei der Geißelung, punktiert und durchstochen bei der Durchbohrung der Wunden, auf ein Lesepult gestellt im Akt der Kreuzigung, illuminiert d. h. mit roten Buchstaben versehen durch die Vergießung des Blutes, gebunden in der Auferstehung und schließlich zur Disputation gestellt bei der Himmelfahrt […]. Geöffnet und aufgeschlagen wird das Christus-Buch im letzten Gericht.« Die Inkarnation ist in dieser Deutung als »Akt der Inskription«6 zu betrachten. Es erfolgt hier eine unmittelbare Übertragung von Begriffen der Schriftund Buchmetaphorik auf theologische und anthropologische Sachverhalte. Die Schrift kann auf dieser Basis gleichsam als »Erscheinungsform des göttlichen Willens«7 gesehen werden. Für Origenes existiert eine Art »Inkarnation des Logos im Leib der Schrift«, wenn er sagt: »Betrachte die Schrift als einen einzigen vollkommenen Leib des Logos.«8 Für den prominenten frühchristlichen Theologen ist das Gotteswort des Alten Testaments »eine analoge Erscheinungsform zur Fleischwerdung des präexistenten Logos in der Geburt Christi; […]«9. Die Auslegung des Buches Leviticus fungiert für Origenes als »die Suche nach dem unter der Decke des Buchstabens eingehüllten geistigen Sinn, der im Auseinanderwickeln (revolventes) der Buchrolle gefunden wird.«10 Von der Schrift insgesamt ist – Origenes zufolge – beson-

Beispiel II: Rembrandts Jakobssegen

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ders das Alte Testament mit einer Buchstabenhülle bedeckt. Daher versteht er den verhüllten Glanz auf Mose Gesicht »als figura der von Mose gesprochenen Gesetzesworte«11. Gregor der Große (um 540–604) betrachtet die aufgewickelte Schriftrolle als sacra pagina. Die zwei Seiten eines Blattes erfüllen demnach unterschiedliche Funktionen. Eine ausdrückliche Deutung des Buches auf die beiden Testamente findet sich bei Bischof Primasius von Hadrumentum († um 560), demzufolge die Außenseite sich auf das Alte Testament beziehen, während die Innenseite das Neue Testament widerspiegeln würde.12 Auch Beda Venerabilis (672/673–735) spricht in Bezug auf die Buchrolle von der unitas concors, die außen das Alte und innen das Neue Testament verkörpere.13 Gerade das Buch war auch in der Malerei der Frühen Neuzeit in vielfacher Hinsicht dazu ausersehen, das Miteinander von Altem und Neuem Testament anschaulich wiederzugeben, besonders deutlich etwa in einem Gemälde von Thomas Huber (1700–1779), das als »Allegorie des Alten und Neuen Bundes« (1765) betitelt wurde (Abb. III.2).14 Beispiel II: Rembrandts Jakobssegen

Das zweite Beispiel einer außergewöhnlichen Visualisierung zeigt eine weitere spezielle Ausrichtung von Typologie, die entgegen den Hauptrichtungen der ikonografischen Tradition verläuft. Diese wird in diesem Fall negiert und von Rembrandt zu einem neuen Bildtypus geformt: So erfolgt in seinem 1656 entstandenen Jakobssegen (Kassel, Gemäldegalerie)15 die Umdeutung eines Themas, das zu den klassischen mittelalterlichen Typologien schlechthin gehört, – nämlich des Segens Jakobs über Ephraim und Manasse (Gen 48, 1–22). Es existieren unterschiedliche Begründungen für diese Umdeutung in der Literatur zu Rembrandt, wenn etwa Herbert von Einem formuliert: »Der allegorische Sinn der Szene hat freilich kein Gewicht mehr für ihn. […] Er verwandelt die die Allegorie zum Symbol.«16 Der Kunsthistoriker stellt in seiner dezidiert »symbolischen« Auslegung die Frage, ob hier eine »Abweichung von dem historisch-biblischen Sinn« im Sinne einer »Preisgabe des religiösen Gehaltes?«17 erfolgte. Rembrandt wurde von anderer Seite angesichts des Gemäldes die Leistung einer »unique synthesis of the Jewish and the Christian tradition«18 zugeschrieben. Jüngst schlug man eine spezifisch jüdische Interpretation des Bildes vor, die auf der Vorstellung des Messias aus dem Stamm Ephraim basiert:19 Es handelt sich hier um Reiner Haussherrs Deutung, die Darstellung der Segnung Ephraims durch Jakob »sei in dem eschatologischen Gedankenkomplex von Mikweh Israel, der Hoffnung Israels, begründet.« In Rembrandts Gemälde wurde bewusst gegen den Text der Bibel die – zumeist typologisch interpretierte – Vertauschung des Segens (Gen 48, 14) vermieden »und damit jede Anspielung auf die christliche Auslegung der Szene übergangen.«20

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III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst

Beispiel III: Das Portal der Klosterkirche Schöntal (Odenwald)

Das dritte Beispiel formuliert an prominenter Stelle, aber mit deutlich geringerem künstlerischem Aufwand die Aktualisierung einer Bibelstelle im Sinne der angestrebten Gegenwärtigsetzung: Der Antitypus ist nun kein biblischer mehr, sondern die Lokalhistorie des 18. Jahrhunderts in Gestalt des Kirchenneubaus in Schönau. Abt Benedikt Knittel (1683–1732), der als Schriftsteller und Dichter tätig war, hinterließ in der Ausstattung des 1157 gegründeten, ehemaligen Zisterzienserklosters und besonders in der Kirche von Schöntal an der Jagst deutliche Spuren, vor allem in Gestalt von Knittelversen. Von besonderer Bedeutung ist hier das doppelflügelige Hauptportal der Kirche (Fassade 1714 fertiggestellt), das über dem Gesims ein querovales, von einer Akanthusranke eingefasstes Steinrelief besitzt (Abb. III.3). Die Darstellung zeigt nach Apg 3, 1–10 die Heilung des Lahmen durch den hl. Petrus am »Schönen Tor« im Tempel von Jerusalem.21 Im Relief in Schöntal ist allerdings nicht der Tempeleingang in Jerusalem, sondern die Portalarchitektur der Schöntaler Kirchenfassade wiedergegeben – gleichsam als »Bild im Bild«22. Der hier dargestellte Tempelaufgang und die reale architektonische Situation in Schöntal sind somit praktisch identisch. Die reale Architektur wird im Relief umgesetzt und damit »die eigene Umgebung als Ort des Heilsereignisses«. Direkt unterhalb befinden sich Knittelverse als erläuternder Kommentar zum Text der Apostelgeschichte. Sie sind in der speziellen Form eines »Echogedichts« ausgeführt.23 Mit dem Passus Folg diesem Exempel des danckbaren Lahmen / verehre im Tempel den Göttlichen Nahmen. Amen. wird auf Apg 3, 8f. Bezug genommen – die Stelle, in der davon die Rede ist, dass der Geheilte nach der

Abb. III.3: Schöntal an der Jagst, Klosterkirche, Portal, 1714 (© Archiv des Autors)

Beispiel III: Das Portal der Klosterkirche Schöntal (Odenwald)

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Abb. III.4: Schöntal an der Jagst, Klosterkirche, Deckenmalereien an der Chorabschlusswand über dem Hochaltar, Luca Antonio Colomba, nach 1717 (© Archiv des Autors)

Heilung aufsprang, in den Tempel ging und Gott lobte. Dieser bildet somit ein entsprechendes Vorbild, das den am Eingang in die Schöntaler Kirche befindlichen Gläubigen demütig stimmen soll. Die Verse fordern zum Eintritt und zugleich zum Gebet auf. Jeder ist gleichsam aufgerufen, zur porta speciosa zu kommen und Gott für seine Gnade und Wohltaten zu danken. Im Zentrum des Konzepts steht also »Knittels pastorale Aufforderung zur Gottesverehrung im Kirchengebäude«24. Die Positionierung gerade dieser Text-Bild-Collage am Eingang zur Kirche »aktualisiert die historisch vergangene Bibelgeschichte« und transponiert sie als überzeitliches Heilsgeschehen in die Jederzeitlichkeit. Schöntal selbst wird auf diese Weise zum »Ort des neutestamentarischen Heilsgeschehens.« Das Relief unterstreicht die Idee der Gegenwärtigsetzung Jerusalems am konkreten Ort des Zisterzienserklosters – zusätzlich unterstrichen durch das Faktum, dass die Heilung am »Schönen Tor« in Jerusalem stattfand, eine deutliche Anspielung auf den Ort Schöntal. Zudem besitzt sowohl die Treppe der Schöntaler Fassade als auch jene am »Korinthischen Tor« im Jerusalem dieselbe Anzahl an Stufen, nämlich 15.25 Typologie erfolgt hier in Form einer bewussten Aktualisierung, wobei der Kunstgriff in einer dezidiert exhortativen Wendung besteht. Die typologische Argumentation ist nicht allein als heilsgeschichtliche Relation allgemeinen Zuschnitts konzipiert, sondern mit der konkreten Zielsetzung, die Vergangenheit mittels eines imperativischen Aufrufs im Jetzt und Hier des Zisterzienserklosters kulminieren zu lassen.

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III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst

Im Inneren der Kirche wird die Beziehung zwischen dem Tempel des Alten Bundes und der christlichen Kirche – ein Standardmuster der Typologie – nochmals aufgegriffen: Am deutlichsten wird diese Beziehung zwischen jüdischem Tempel und christlicher Kirche am Scheitel der Chorabschlusswand direkt über dem Hochaltar, wo in einem Freskenfeld (Luca Antonio Colomba, nach 1717) die Bundeslade zwischen David (links) und einem Hohepriester (rechts) wiedergegeben ist (Abb. III.4): Damit wird auf die Ablösung des Alten durch den Neuen Bund verwiesen. Der verlorengegangene Tempel erstand somit in der Kirche von Schöntal in neuer Weise.26 Die Bundeslade ist hier allerdings inhaltlich in doppelter Funktion zu sehen, da sie typologisch nicht nur den in Schöntal erstandenen »neuen Tempel« anzeigt, sondern auch auf Maria bezogen werden muss (Bundeslade als Symbol Marias in der Lauretanischen Litanei), die im Hochaltarbild – wie in Zisterzienserkirchen allgemein üblich – als in den Himmel aufgenommene Gottesmutter gegenwärtig ist. Nicht zuletzt ist die Darstellung der Bundeslade im Chor Teil eines umfangreichen Programms mit unterschiedlichen Mariensymbolen und in der Achse eines Freskenfeldes mit der Verkündigung an Maria platziert. Die konkrete typologische Argumentation mit der Bundeslade im Zentrum wird auf dieser Weise zum Teil eines allgemeinen Geflechts christologischer und mariologischer Beziehungen. Die drei unterschiedlichen Fallbeispiele deuten bereits das beträchtliche Potenzial an, das grundsätzlich mit der Visualisierung von Typologie verbunden ist und im Folgenden näher ausgeführt werden soll. Die Typologie und ihre Beziehung zur bildenden Kunst

In der jüngeren Literatur zum Thema wurde zu Recht eingemahnt, dass das typologische Potenzial von Bildern im Sinne der figura stärker untersucht werden sollte.27 Heike Schlie kommt angesichts ihrer Analyse des berühmten Verduner Altares in Klosterneuburg (1181) zum Schluss, dass das Bild einer Figuralauffassung insoweit entsprechen kann, als es »einerseits über sich selbst hinaus verweist und andererseits als Fleischliches, sinnlich Erfahrbares mit einer eigenen ästhetischen Existenz und einer ganz eigenen Historizität in Materialität und Gegenständlichkeit ganz es selbst ist.« Das Bild ist hier wie das Sakrament eine »Postfiguration« bezüglich vergangener heilsgeschichtlicher Ereignisse, während die dem Antitypus vorgängigen Präfigurationen als dessen Realprophetien anzusehen sind.28 Die epochale Innovationsleistung des Verduner Altares besteht – Schlie zufolge – demnach nicht in der visuellen Umsetzung einer vorgegebenen textlichen Summa, sondern »die als exegetisch verstandene Bildstruktur des Ambos selbst« macht die eigentliche Neuerung aus.29 Das »Bild« ist hier als figura im Sinne der Typologie verstanden und damit aufgewertet, der Verduner Altar gewinnt als »bildspezifischer Wissensspeicher und ein Argumentationsmedium eigenen Rechts«30 eine völlig neue Bedeutung. Typologie ist hier nicht nur als »Denkform« und Technik der Exegese zu bezeichnen, sondern auch als eigenständiges »visuelles Phänomen und eine mediale Technik«31. Daraus resultiert eine zentrale Frage für die Kunst der Frühen Neuzeit: Welche spezifischen typologischen Bildstrukturen bilden sich in dieser Epoche aus? Wie können diese im Verhältnis zu den theologischen Texten definiert werden?

Methodischer Rückblick

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Für die vorliegende Untersuchung ist der Gedanke zentral, dass die Gattungen der Deckenmalerei und Druckgrafik die breiten Perspektiven der Medialität von Typologie am deutlichsten vor Augen führen, auch wenn sie nicht als dezidiert »neue« Wissensspeicher angesehen werden können. Die Veränderungen in der kompositionellen Verteilung einzelner Szenen einerseits und die an Bedeutung gewinnenden Text-Bild-Synthesen andererseits schaffen in dieser Hinsicht die entsprechenden Grundlagen, neue typologische Bildstrukturen entstehen zu lassen. Das Mittelalter lieferte in dieser Hinsicht bereits essenzielle Grundlagen, nicht nur bei Spitzenwerken wie dem erwähnten Verduner Altar, sondern auch in der breiten Produktion narrativ ausgerichteter Bildviten, die durchaus nicht parallel zur Argumentation des Textes verlaufen, sondern eine Medialität sui generis zu kreieren vermögen: Besonders illustrierte Viten sind imstande, mittels bildlicher Verweise und Gegenüberstellungen »Inhalte neu miteinander verknüpfen.« In ihnen kommt die Fähigkeit zum Ausdruck, durch die Wahl bestimmter Bildformeln die »Lesart eines Ereignisses« umzudeuten. Sie legen durch die Wiedergabe bestimmter Ereignisse »einen Bericht interpretierend fest und passen ihn dem zeitgenössischen Verständnis an.« Bildviten sind in dieser Hinsicht als »eigenständige Quellen zur Erschließung des zeitgenössischen Bildes von Heiligkeit«32 zu betrachten. So existieren etwa in zahlreichen mittelalterlichen Miniaturen der Benedikt-Vita »gezielte und über den Text hinausgehende bildliche Interpretationen«33. Die visuellen Medien fungieren als anschaulicher »Wahrheitsnachweis«, und die Bilder verlaufen nicht mehr parallel zur Argumentation des Textes, »sondern sie stellen die Vita in einen legitimierenden Rahmen.«34 Um die gegenwärtig für die bildende Kunst der Frühen Neuzeit hauptsächlich diskutierten Ansätze verständlicher zu machen, ist im Folgenden ein Rückblick auf die seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewinnende kunsthistorische Typologie-Forschung angebracht. Methodischer Rückblick

Das Buch von Alexander Linke zur Rolle der Typologie in der Frühen Neuzeit (2014) hat aufgezeigt, dass die Kunst der Frühen Neuzeit35 in Bezug auf die Typologie eigene Gesetzlichkeiten mit sich bringt. Dabei haben sich weniger die vermittelten Inhalte geändert als die Medien, die diese transportieren. Im Gegensatz zum Mittelalter (Verduner Altar, »anagogisches« Fenster in St. Denis36, Alton Towers Triptychon37, diverse herausragende Elfenbeine38 und entsprechend übergreifende Untersuchungen39) gab es für die Forschung der Frühen Neuzeit – mit Ausnahme von Peter Paul Rubensʼ eucharistischem Zyklus (ab 1625)40 – lange Zeit keine Schlüsselwerke, welche Untersuchungen in besonderer Weise anzogen. Zu beachten ist des Weiteren, dass im Rahmen der Kunst des 19. Jahrhunderts ein intensives Fortleben der Typologie, insbesondere im kirchlichen Bereich, zu beobachten ist. Dies betrifft einerseits den katholischen Raum,41 andererseits die Kunst der Präraffaeliten.42 Forschungsgeschichtlich stand somit die mittelalterliche Kunst von Anfang an im Fokus des Interesses: Typologie spielt gerade in Werken des Hochmittelalters aufgrund der »Koope-

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III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst

rationsmöglichkeiten von Typologie und Erzählung« eine zentrale Rolle. Typologische Relationen sind hier als Mittel anzusehen, »zwischen unterschiedlichen Büchern Zusammenhänge zu stiften«43. Das narrative Element »stabilisiert« gleichsam die Typologie.44 Der »Horizontalismus des Narrativen« wird durch den »Vertikalismus thematischer Achsen« gekreuzt, stabilisiert und argumentativ verdichtet.45 Es war besonders das Ziel der Arbeiten Wolfgang Kemps (* 1946), »Kunstwerke auf das in ihnen anschaulich und verpflichtend werdende Strukturwissen einer Religion zu befragen und das Christliche an der christlichen Kunst aus ihrem Beziehungssinn (Nietzsche), nicht aus ihrem Hintersinn zu verstehen.«46 Kemp zufolge kann die Bibel als »konstante Bezugsund Orientierungsgröße der christlichen Kunst in Anspruch genommen werden.«47 Die christliche Kunst zeichnet seiner Meinung nach in spezieller Weise das »Zusammenwirken« unterschiedlicher modi aus, wobei die thematische, die narrativ-historische sowie die systematisch-figurative Ordnung – als Verbindung der beiden ersten modi – genannt werden.48 Typologie an sich lebt in dieser Hinsicht von Distanz und Nähe zweier aufeinander bezogener Elemente: Sie realisiert »Geschichtsbewegung« und »Geschichtsgestalt« ihrer Referenztexte. Übereinstimmung und Differenz sind jeweils als »operative Prinzipien«49 anzusprechen. Was Kemp für das Hochmittelalter vor dem Hintergrund einer kunsthistorischen Narratologie systematisiert, gewann im Verlauf des Spätmittelalters eine eigene Dynamik, wobei Schrift und Bild offensichtlich in ein neues Verhältnis traten: Im Verlauf des 15. Jahrhunderts veränderte sich das Verhältnis zwischen Schrift und Bild im Inneren von Kirchen grundlegend. Über- und Unterordnungen sind nicht mehr in der Weise wie im Hochmittelalter feststellbar: »Die beiden Medien glichen sich nach und nach an.«50 Gerade die Kunst des Spätmittelalters stand darüber hinaus im Zeichen der Kreation von hyperimages, die eine ideale Basis für die Typologie schufen: Auch unter diesem Gesichtspunkt sind Untersuchungen zu hyperimages, also zu »Bildensembles«, die aus »autonomen Einzelzeichen« zusammengesetzt sind,51 zu verstehen. Die auf der Grundlage des typologischen Geschichtsmodells gebildeten »Suprazeichen appellieren an eine spezifische Sehkompetenz […], auf das vergleichende Sehen«52, das zugleich Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen zwei Bildern wahrnimmt. Spätestens ab dem 15. Jahrhundert fand die Visualisierung von Typologie – darauf machte ebenfalls Kemp aufmerksam – auch und vor allem im Rahmen des »disguised symbolism« statt, indem sich etwa beim berühmten Madonnenbild des Kanzlers Rolin von Jan van Eyck (um 1433/1434) Motive der Kapitellplastik thematisch auf die zentrale Darstellung mit Maria beziehen.53 In dieser Tradition stehen letztlich auch jene Schöpfungen der italienischen Renaissance, in die – etwa im Rahmen von Madonnendarstellungen – kleinformatige Szenen heilsgeschichtlichen Inhalts aus dem Alten Testament integriert und typologisch auf die Hauptszene zu beziehen sind: Dies wird etwa in Correggios Gemälde Madonna des hl. Franziskus (1515)54 mit den Heiligen Franziskus, Antonius von Padua, Katharina von Siena und Johannes der Täufer55 deutlich, in dem die Schöpfungsgeschichte der Stammeltern bis zu ihrer Vertreibung aus dem Paradies unterhalb eines Medaillons mit Moses (!) am Sockel der thronenden Madonna wiedergegeben ist. Diese Basis des Marienthrones zeigt somit die

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Geschichte der ersten Menschen von der Erschaffung Adams bis zur Vertreibung aus dem Paradies, darüber – direkt unter der Madonna – Moses mit den Gesetzestafeln als Vertreter des Alten Bundes.56 Jüngst hat sich der Kemp-Schüler Bernd Mohnhaupt nochmals in intensiver Weise mit den visuellen Möglichkeiten der Typologie in der mittelalterlichen Kunst auseinander gesetzt und erneut ihr narratologisches Potenzial betont: Er resümiert, dass darüber Dissens herrsche, was eigentlich unter den Begriff der Typologie falle und welche Abgrenzungen zur Allegorie, zum Exempel etc. existieren.57 Mit Hinweis auf die Forschungen des Jesuitentheologen Henri de Lubac erinnert er daran, dass es einen Typologie-Begriff in der Theologie nie gegeben habe.58 Mohnhaupt thematisiert zugleich die grundsätzliche Frage, ob die (mittelalterlichen) Bilder »Erfüllungsgehilfen theologischer Dogmen«59 sind. Ihm zufolge ist Typologie bereits in ihrer ursprünglichen Erscheinungsform als »narratives, poetisches und potentiell ästhetisches Prinzip«60 zu lesen. Typologie in den Bildkünsten kann demnach eben nicht als »Umsetzung theologischer Vorgaben« beschrieben werden, sondern veranschaulicht vielmehr den Erfindungsreichtum und das »ästhetische[s] Potential«61. Als variantenreiche Ausformung von Analogiebildungen mag die Typologie zwar an geschichtsphilosophischer Substanz verlieren, sie gewinnt aber damit an ästhetischer Relevanz. »Wieso können zwei [oder mehr] Elemente überhaupt verknüpft werden und was folgt daraus für die Bedeutung einer typologischen Beziehung?«, so lautet eine der zentralen Fragen Mohnhaupts. Im Zusammenhang von vermeintlicher formaler Äußerlichkeit und dem inhaltlichen Kern einer Figur liegt – so Mohnhaupt – das eigentliche »Bildpotential von Typologie«. Typologie ist allerdings kein »von der Geschichte selbst produziertes System«, sondern, so Mohnhaupt weiter, vielmehr ein »Bestandteil der Erzählung von Geschichte«, also ein System der Konstruktion von Historie. Im Anschluss an Kemp betrachtet Mohnhaupt die Typologie demnach als ein »narratives Prinzip«. Gerade die biblische Typologie findet kaum in der Geschichte selbst statt, sondern konstituiert sich innerhalb eines Buches, »das diese Geschichte als die Geschichte erzählt.«62 In einem jüngeren Beitrag attestiert Mohnhaupt der Typologie auf der Basis ihrer Interpretation als »Denkform« eine »flexible Struktur« und betont erneut die »Anschlussfähigkeit des Systems Typologie«63 sowie die »Polyvalenz der typologischen Bezüge«64. Typologie ist ihm zufolge ein eigengesetzlicher Erzählmodus, der häufig mit dem narrativen modus vermischt auftritt.65 Er unterstreicht in diesem Zusammenhang das Innovationspotenzial der Typologie in den Bildkünsten als zentralen Gesichtspunkt: Vor allem die Integration narrativ-zyklischer Elemente in typologische Bildsysteme und die Parallelführung mehrerer zyklischer Erzählungen besitzen »kein Pendant in Schriftform.«66 Typologie und die Probleme ihrer Medialität

Darüber hinaus wurden die Bildmedien in jüngster Zeit vermehrt auch unter kommunika­ tions­theoretischen Gesichtspunkten befragt, wobei ebenso wie bei Kemps Ansatz sowohl die

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Rolle des »Betrachters« als auch die technische Medienrevolution des Buchdrucks von Bedeutung sind. „Kommunikation« neu denken heißt, diese nicht als »Übertragung von Informationen, sondern als das prozesshafte Herstellen von Sinn durch soziale Akteure«67 zu reflektieren. Wenn »Medialität als zeichengestützte Mitteilungs- und Vermittlungsweise in einem Kommunikationsgeschehen«68 angesehen werden kann, dann stellt Medialität nicht einfach eine »Übermittlung von A nach B dar, sondern auch eine Beziehung zwischen A und B«69. Medien sind im operativen Vollzug von Kommunikation grundsätzlich »unsichtbar«, wissenschaftliche Beobachtungen haben aber die Aufgabe, sie »sichtbar [zu] machen«70. Wenn Medien also – den Untersuchungen Rudolf Schlögls zufolge – in der Regel als »durchsichtig« bezeichnet werden können, dann lassen sie, solange man in ihnen kommuniziert, »nur Abb. III.5: Das auf dem Kreuz schlafende die Form als Information erkennen, nicht das Christuskind, Gebrüder Klauber, um 1750 Mediensubstrat«71. Rudolf Schlögl machte des (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek) Weiteren darauf aufmerksam, dass in der spezifischen Art und Weise, wie die Dinge jeweils gesetzt, wahrnehmbar und verhandelbar gemacht, also beobachtet werden, »der heuristische Gehalt des Medienbegriffs begründet«72 sei. Zudem unterstreicht er die Rolle des Betrachters als »Subjekt der Bedeutungskonstitution«. Die Evidenz des Bildes erscheint letztlich immer auch als »ein Produkt der [durch das Bild ausgelösten] Selbstbeziehung des Betrachters«73. Dies kann anhand eines Kupferstiches der Gebrüder Klauber (um 1750)74 (Abb. III.5) mit dem Titel En lectulum Salomonis. Cant. 3. (Hld 3, 7) deutlich gemacht werden. Oben ist zu lesen: In lectulo meo [per noctes] quaesivi, quem diligit / anima mea, [quaesivi illum] et non inveni. (Hld 3, 1): Ausgangspunkt ist hier der Kontrast zwischen dem Hinweis auf Salomos Sänfte nach Hld 3, der nur in Form des Bibeltextes, nicht jedoch als Bild (auch mangels ikonografischer Traditionen) gegenwärtig ist, und dem Christusknaben, der auf seinem »Bett«, dem Kreuz als Hinweis auf die Passion samt den beigegebenen arma Christi, Darstellung findet. Die Typologie entwickelt sich hier aus dem Gegensatz zwischen dem Typus des Alten Bundes, der nur mittels einer Inschrift gegenwärtig ist, und dem bildlich präsenten Antitypus – verbunden mit einer deutlichen Ansprache des Betrachters (Hld 3, 1), der diese typologische Relation vor dem Hintergrund seiner eigenen Existenz (anima mea) zu reflektieren hat.

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In ähnlicher Weise hatte bereits Christine Göttler anhand von Beispielen der spätmittelalterlichen Buchmalerei die Typologie als »dynamische visuelle Strategie […], die mit dem Mittel formaler oder gestischer Entsprechung bei den Betrachtern Erinnerungsbilder und die mit diesen Bildern verbundenen Affekte auslöst.«, gesehen. Ihr zufolge geht es darum, in welcher Weise die mimetischen Unterschiede zwischen Altem und Neuem Testament zum Ausdruck gebracht werden können: »Typologisches Denken gründet auf mimetischen Differenzen.«75 Damit hängt die grundsätzliche Sinnkonstitution von Medien im Sinne ihrer »wahrnehmungstheoretische[n] Dimension« zusammen: Die mediale Rahmung und der »in« oder »mit« ihr kommunizierte Inhalt lassen sich letztlich nicht voneinander trennen. Es ist somit keineswegs unerheblich, wie sich eine Gesellschaft [ob über ein Denkmal oder das Fernsehen] »über sich selbst verständigt.«76 Die von Rudolf Schlögl angeregte Konstanzer Schule behandelt davon ausgehend in vielschichtiger Weise die zentrale Frage, der zufolge es »[…] nicht mehr im engeren Sinne um die Historizität der Medien, sondern um die Medialität der Geschichte [geht].«77 Quellen sind für Historiker als »Medien« beschreibbar, die »Quellenfunktion« aber nicht ohne »kommunikative Funktion« denkbar.78 Der »kommunikative Kontext des Mediums« stellt die Quellen in einen Bezug »zu kommunikativen Zusammenhängen, zu zeitspezifischen Konzeptionen von Handeln, Denken und Wissen.«79 Ob und wie reflektiert die Medienwahl für die Übermittlung des konkreten Inhalts war, ist allerdings nicht immer leicht zu entscheiden.80 Die Frage nach dem spezifisch Medialen sowie dem Charakter von Medien rückt dabei automatisch in das Zentrum. Wesentlich ist hier ein Blick auf grundsätzliche »Dynamiken und Prozesse von Medien im Gebrauch und auf deren Eigenlogiken«: Es geht dabei aber weniger um das »Wesen des Mediums« als vielmehr um die Frage »nach den Orten, Funktionen und Strukturen des Medialen«81. Indem Medialität grundsätzlich eine Beziehung zwischen A und B zum Inhalt hat, wird damit zugleich eine Grundfrage der Typologie schlechthin angesprochen, nämlich das Aufspüren medialer Beziehungsprozesse zwischen Typus und Antitypus im Sinne von Typologie als »Beziehungssinn«. Dabei geht es um die jeweils beteiligten Medien, das spezifisch Mediale der Typologie und die Konsequenzen für die transportierten Inhalte, weniger hingegen um die Frage, welche inhaltlichen Koppelungen in der Frühen Neuzeit auftreten können. Eine vor allem durch Christian Kiening vertretene Forschergruppe in Zürich hat sich in jüngster Zeit besonders mit den vielfältigen Verbindungslinien zwischen Kunst und Theologie unter dem spezifischen Gesichtspunkt der Medialität beschäftigt. Dabei gerieten Bilder als [quasi-theologische] Präsenzmedien, die inhaltliche Zusammenhänge in eigener Weise stiften können, in besonderer Weise in den Fokus seines Interesses. Unter diesem Aspekt sind Bilder »Substanz und Funktion, genauer Substanz als Funktion« – gleichsam Dinge mit eigener Materialität und Präsenz.82 Das Bild wird hier als »attraktives Medium wider die Enge der Zeit« interpretiert. Als »Medium der Präsenz und Simultaneität« kann es zugleich als »Medium der Entschränkung der Zeit und der Verdichtung der Wahrnehmung«83 agieren.

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Diese Aspekte können an einem Kupferstich aus den »Marienfesten« der Gebrüder Klauber (um 1750),84 in deren Rahmen auf Blatt 2 das FESTUM NATIVITATIS B.mae V. MARIAE85 gezeigt wird (Abb. III.6), deutlich gemacht werden. Gerade die Augsburger Grafik aus der Mitte des 18. Jahrhundert demonstriert in anschaulicher Weise, wie eine typologische Relation – hier ohne jeden szenischen Kontext – aufgrund der verdichtet wiedergegebenen Symbolik der einzelnen Gegenstände erzielt werden konnte. Der Blatttitel (unten) verweist mit Concepit Anna, et peperit. (1 Sam 1, 20) auf die Geburt Samuels, wobei das entsprechende Zitat hier so verkürzt wiedergegeben ist, dass Samuel als Akkusativobjekt nicht aufscheint. Inmitten einer (Welt-)kugel werden verschiedene Propheten gezeigt und ihre Anrufung als Expectatio gentium (Gen 49, 10) auf die ersehnte Ankunft Marias bezogen. Diese Art einer sphärischen Ikonografie setzt Abb. III.6: Geburt Marias aus einer Serie der sich darüber fort und kulminiert im KindMarienfeste, Gebrüder Klauber, um 1750 bett Marias mit einer geöffneten Muschel (als (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek) Mariensymbol) und dem Mond am Fuß der Wiege, wobei Sub pedibus ejus (Apk 12, 1) ein prominentes Charakteristikum der Apokalyptischen Frau darstellt, die exegetisch häufig auf Maria bezogen wird. Der eigentliche Geburtszeitpunkt Marias wird im Kalender (8. September) und im Zodiakus darüber präzisiert, indem mit Oritur in virgine Virgo der Geburtszeitpunkt mit dem Sternzeichen der Jungfrau wiedergegeben wird. Nur stichwortartig und andeutungsweise sind hier die entsprechenden Symbole als Piktogramme gegenwärtig, die in- und übereinander geschoben eine kongeniale Verdichtung marianischer Ikonografie im Zeichen ihrer Geburt ergeben. Christus als »Urmedium«

Wenn die Theologie als »Medientheorie avant la lettre«86 gesehen werden kann, dann lag eine argumentative Verschränkung von Mediologie, Christologie und Präsenzkultur im Zeichen der Mittlerfunktion Christi nahe. Diese Sichtweise wurde von der genannten Forschergruppe um Christian Kiening einer näheren Analyse unterzogen: Bereits Régis Debray zufolge ist »Mediologie« nichts anderes als eine »verspätete Christologie, die ihren Spiegel im Profanen

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findet.«87 Wenn Christus das Person gewordene Evangelium ist und das »Medium der guten Botschaft«, dann agiert er in gewisser Weise medial und beansprucht zugleich das »Medium zwischen Gott und Mensch« zu sein. Im Rahmen der »Medialität des Evangeliums« geht es also zugleich um eine Person, einen Inhalt und eine publizistische Gattung.88 Der Mensch Jesus und seine Botschaft sind in dieser Hinsicht als »christliches Urmedium«89 bezeichnet worden. Christus übernimmt die Funktion »als Mittler und als Mitte«90 – ein Gedanke, der allgemeine Fragen der Übermittlung, Übertragung sowie Modelle der Bildhaftigkeit berührt. Das »Mittleramt Christi« wird besonders in 1 Tim 2, 5f. hervorgehoben: Der dabei vorkommende Begriff unus mediator war für die folgende – insbesondere augustinische – Theologie prägend.91 Christus fungiert zufolge 1 Tim 2, 5f. und der darauf basierenden augustinischen Theologie – nach Kiening – als »das Medium, durch das Gott kommuniziert.« In ihm »fallen Bote und Botschaft zusammen.«92 Diese Funktion Christi als »einziger und wahrer Mittler« im Sinne eines »Leitmedium[s] par excellence«93 wurde seit dem 11. und 12. Jahrhundert theologisch und epistemologisch weiter ausdifferenziert.94 Medialität und Zeitlichkeit

Fragen der Medialität und jene der Temporalität sind eng miteinander verschränkt. Die Konzeption des Medialen bedarf geradezu der zeitlichen Komponente, um die Vermittlung zwischen Gott und Mensch als Heilsgeschichte vollziehen zu können.95 Mit Medialität ist also Zeitlichkeit untrennbar verbunden. Die Schwierigkeit einer Umsetzung in der bildenden Kunst besteht konkret darin, dass die allumfassende göttliche Gegenwärtigkeit in einer konkreten menschlichen Gegenwart wirksam werden soll, »die selbst von der Heilsgeschichte durchdrungen ist und diese in sich aufnimmt.«96 Mit komplexer Medialität ist komplexe Zeitlichkeit auch deshalb verbunden, da der göttliche Plan sich theologisch in der Ewigkeit vollzieht. »Performativ und narratologisch aber konzentriert er sich in bestimmten Momenten.«97 Besonders die im zweiten Kapitel des vorliegenden Buches angesprochene Relevanz der Zeit und der Zeitbegriffe gewinnt in dieser Problemstellung eine besondere Bedeutung, da Medialität und Temporalität nicht in einer Standardrelation, sondern ständig in neuer Weise ineinander verschränkt sind: Die Zeit bedarf geradezu der medialen Komponente, »um die ontologische Differenz zu überbrücken und dem Menschen den Zugang zur Zeit des Heils zu ermöglichen.«98 Besonders in mittelalterlichen Versionen der Passionsgeschichte gewinnt die »Zeitdimension des christologischen Mediationsaktes« – so Kiening – eine zusätzliche Komplexität. Gerade im Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament entsteht ständig »eine wachsende Verzahnung verschiedener Zeitmomente«, also »zwischen Historizität und Ahistorizität, zwischen Urzeitlichkeit, Überzeitlichkeit und Jederzeitlichkeit der Passion, zwischen der Erfüllung eines in der Geschichte Angelegten und dem Ausstand einer offenen Zukunft.«99 Christian Kiening exemplifiziert dies am Beispiel des typologischen Kompendiums Speculum humanae salvationis (Kremsmünster, Cod. 243, vor 1324) anhand der komplexen Medialität der Handschrift: »Text und Bild greifen ineinander, sie erläutern und ergänzen sich

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wechselseitig, […]«. Es handelt sich dabei um ein raffiniertes »Spiel der Bezüge zwischen den Bildern«100. Der Tod Christi (fol. 55r) wird in diesem Codex zum »jederzeitlich gegenwärtigen und im inneren Nachvollzug sich je neu ereignenden Geschehen, das auf vielfältigste Weise mit dem Ganzen der Heilsgeschichte verknüpft ist.« Die entsprechende Miniatur der Kreuzigung ist zugleich »Zeitbild« als auch »Bild für die Übersteigerung der Zeitlichkeit«101. Typologie ist hier nichts anderes als die Problematisierung des Zeitlichen im Medialen par excellence. Die »Medialisierung« des Heils im Spätmittelalter

Der Kern der christologischen Idee der Medialität beruht auf einer Paradoxie: »Das Heilswerk […] gründet sich auf Vermittlung, doch diese Vermittlung ist eine, die ihre eigene Medialität sowohl ausstellt wie aufhebt.«102 Die konkreten Bild-Medien sind verfügbar, während aber das absolute Medium nur virtuell gegeben ist. Die konkreten Medien, so Kiening, ermöglichen es, »eine absolute Fülle von Sein, Sinn oder Zeit im Diesseits punktuell und augenblickshaft mit solcher Macht und Intensität aufscheinen zu lassen, dass überhaupt erst wahrnehmbar wird, was es verheißt, wenn ein noch ausstehendes Ganzes im Jenseits erfahrbar werden soll.«103 Die »Grenzen einer absoluten Medialität« bezeichnen die »Inkommensurabilität des Absoluten und des Eingeschränkten, die Gleichzeitigkeit von Mitteilbarkeit und Unmitteilbarkeit, Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit.«104 Die Technik des Buchdrucks führte unweigerlich dazu, »dass zunehmend entindividualisierte Medien Heil an immer mehr Orten gegenwärtig machen, verbreiten und übertragen können, selbst aber in der Gefahr stehen, dieses Heil nicht mehr zu verkörpern, sondern nurmehr [sic!] zu bezeichnen.«105 Diese und andere Entwicklungen produzierten eine schier unübersehbare Vielfalt in der »Medialisierung des Heils im späten Mittelalter«. Ab dem 15. Jahrhundert wurde Transzendentes zunehmend materialisiert, zugleich aber in seiner übermateriellen Form markiert.106 Die neue Präsenz107- und Medienkultur ab der Reformation bedeutete aber auch an diesem Punkt markante Verschiebungen, die im Zeichen einer Blüte der »Schriftkultur« standen: Um 1500 ist grundsätzlich eine »neuartige Ambiguität von Medialität und Präsenz« feststellbar. Zugleich verschob sich das Problem »auf das erkennende und wahrnehmende Bewusstsein« nicht zuletzt deshalb, da die Reformation – als jene Periode, in der sich diese Verschiebungen vollzogen, – mit den »Ideen eines ontologischen Zeichenbegriffs und eines sakramentalen Realismus« weitgehend aufräumte. Doch sind hier verschiedene Übergangs- und Vermittlungsformen feststellbar, in denen zumindest »Modelle innerer Gegenwärtigkeit« fortleben konnten.108 In der Gegenreformation gelangten später die »Momente medialer Präsenzstiftung« (Meditationen, Visionen etc.) zu einer neuen Blüte.109 Einer These des Züricher Historikers Marcus Sandl zufolge ist die Reformation vor allem als ein »Medienereignis« zu bezeichnen, also als Ereignis, »das gerade durch mediale Vermittlung seine spezifische Signatur und seine historische Gestalt gewinnt und dies zudem durch das Schriftprinzip theologisch auch einholt.« Die zuvor bestimmenden Faktoren wie Heilspräsenz oder Unmittelbarkeit verloren ihre Selbstverständlichkeit im Laufe der Reformation.110 Die

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Reformation bezog sich zwar auf mittelalterliche Präsenzkonzeptionen, formulierte diese aber neu: Sie stellte theologisch die überkommenen Formen von »Heilspräsenz« radikal infrage, aber – so Marcus Sandl – sie bezog ihre Sinnstiftung daraus, dass sie die verlorene Dimension der Präsenz »unter Bedingungen der Schriftlichkeit auf der Ebene des historischen Geschehens wieder einführt.«111 Martin Luther profilierte etwa seine Lektürepraxis dadurch, dass er sie mit den rituellen Handlungen der römischen Messe, die den Prinzipien einer »Begegnung mit dem Heiligen« unter Bedingungen körperlicher Anwesenheit folgten, kontrastierte.112 Der neu entwickelte reformatorische »Sinn« stellte sich damit der »Sinnlichkeit des spätmittelalterlichen Gottesdienstes« entgegen. Luther zufolge vermittelten die Augen eben »nicht den wahren, sondern den falschen Sinn, […]«113. Wenn sich der Gläubige der Synästhetik der Anwesenheitskommunikation auslieferte, so blieb er der Überzeugung der Reformatoren zufolge nur an den »äußeren Vollzugsformen, an der Materialität und Körperlichkeit der Medien«114 hängen. In ihrer spezifischen »Antithetik von Sinn und Sinnlichkeit« fanden die Reformatoren somit mithin den geeigneten Ansatzpunkt für ihre fundamentale Kritik des Vorhergehenden. Konstruiert wurde vonseiten der Reformation bewusst eine höchst tendenzielle Vorstellung des Mittelalters »als einer Epoche, die auf die unmittelbare Gegenwärtigkeit und Anwesenheit des Heiligen abstellte und dabei der Sinnlichkeit den Vorrang vor dem Sinn einräumte.«115 Typologie und die bildende Kunst der Frühen Neuzeit

Im Gegensatz zu den eben skizzierten, sehr differenzierten Fragestellungen, welche die Medienkultur in Zusammenhang der Christologie bis zur Reformation einer neuen Betrachtung unterzogen, stand die Beschäftigung mit den argumentativen und visuellen Strukturen der typologischen Kunst in der Frühen Neuzeit – mit wenigen Ausnahmen – in viel geringerem Ausmaß im Zentrum des Interesses der Forschung. Mit Gotthold Ephraim Lessings Laokoon (1766) fand ein Bildverständnis sein Ende, »dessen Basis die angenommene Analogie von Wort und Bild, also deren grundsätzliche Vergleichbarkeit war.«116 Als generell typisch für die Frühe Neuzeit kann die »Auffassung von sprechenden Bildern als gleichsam sichtbaren Worten« angesehen werden. Auszugehen ist hier von »Prinzipien des wortanalogen frühneuzeitlichen Bildverständnisses«117. Essenziell bleibt der »komplementäre Zusammenhang«118, den in einer Art Aufeinander-Bezogen-Sein Bild und Text ausbilden: »Piktoriale und sprachliche Aussage weisen demzufolge offenkundige Kongruenzen auf, bedingen sich gegenseitig.«119 Grundsätzlich ist aber Vorsicht geboten, da ein in das Medium eines Bildes transportierter Inhalt nicht mehr derselbe ist wie vor einer solchen Übertragung.120 Aus diesem Grund ist bei den entsprechenden Analysen auf die Eigengesetzlichkeit des jeweiligen Mediums Wert zu legen. Jede Interpretationsmethode, die in der frühneuzeitlichen Bildkultur nur die Übersetzung resp. eine Visualisierung vorgegebener Texte sieht, ist deshalb als falsch anzusehen.121 In der jüngeren Literatur wurde nicht ohne Grund die Frage nach der Relevanz des von Erich Auerbach geprägten figura-Konzepts für die Bildkünste gestellt und zudem Friedrich

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III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst

Ohlys erweiterte Typologie-Vorstellung aufgegriffen: Mit dem Christentum, so Erich Auerbach, herrsche die Neigung vor, das irdische Geschehen »aus seinem horizontalen Zusammenhang herauszulösen«, die einzelnen Stücke zu isolieren, sie in einen »starren Rahmen« einzufügen, sie darin gestenhaft eindringlich zu machen, »daß sie exemplarisch, modellhaft, bedeutend erscheinen […]«122. Für die bildende Kunst bedeutet dies eine zentrale Herausforderung, da es in typologischen Relationen ja darum geht, die aus einem spezifischen Erzählzusammenhang stammenden Typen dergestalt neu zu kontextualisieren, dass sie in immer neuen Kombinationen tragfähige Argumentationen bilden können, auch wenn der ursprüngliche Kontext nicht mehr bildlich, sondern nur mittels Inschriften mitgeliefert werden kann. Die Typologie in der Frühen Neuzeit und ihre visuellen Potenziale

Besonders in der Frühen Neuzeit tritt in deutlicher Weise das »schier unbegrenzte Reservoir potenziell abweichender Arten der Figuration« in den Blick. Da sich die Typologie in der Frühen Neuzeit notwendigerweise vor dem Hintergrund einer wirkmächtigen Bild- und Text-Tradition des Mittelalters entwickelt, müssen Beziehungen im Sinne von »Regulation und Abweichung« besonders in den Fokus genommen werden. Anhand vieler instruktiver Beispiele kann für die Frühe Neuzeit eine »Dynamisierung der typologischen Darstellungspraktiken« nachgewiesen werden.123 In jüngster Zeit hat sich in besonderer Weise Alexander Linke der Geschichte der Typologie in der Frühen Neuzeit angenommen und vor dem Hintergrund der fächerübergreifenden Diskussion zur Typologie neue Erkenntnisse gewonnen. So konstatiert er, dass parallel zum Prozess der Selbstbewusstwerdung der Malerei in der Frühen Neuzeit im Bereich typologischer Kunst eine »wachsende Sensibilität für die Funktionsweisen von Bildkorrelationen und ihrer Suggestivkraft«124 entstanden sei. Ausgedehntere Untersuchungen zur Typologie in der Frühen Neuzeit hätten zudem zur Folge, dass die markanten Veränderungen gegenüber mittelalterlichen Bildtraditionen nicht mehr als »Verfallserscheinungen« gedeutet werden können.125 Im Gefolge des Tridentinums kam es nicht nur zu Neuansätzen in der Bildtheorie, sondern auch zu einer »Neubestimmung des Verhältnisses von Bild und Exegese«126. Eine wichtige methodische Konsequenz für die Kunstwissenschaft bestand unter anderem im »Nachdenken über das exegetische Potenzial religiöser Bilder« im Sinne einer »anschaulich[n] Relationierung typologischer Bildensembles«: Die formalen Strukturen der Bilder fasste man dabei konsequent und wesentlich stärker als früher als »Träger der Semantik« 127 auf. Das genuin bildliche Potenzial128 von Typologie an sich wurde somit verstärkt in den Fokus genommen. Die essenzielle Rolle formaler Strukturen bei der Konstituierung typologischer Zusammenhänge führt auch zum Problem, in welcher Hinsicht die theologische Aussagequalität der typologischen Werke davon betroffen war. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Vermittlung von Inhalten stärker einer durch formale Strukturen bedingten Dynamik unterlag, stellt sich

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besonders bei textgebundenen Typologien (z. B. Illustrationen) vermehrt die Frage nach dem Verhältnis der Bilder zu den Beischriften sowie zu dem dahinter stehenden theologischen Text. Bereits Bernd Mohnhaupt hatte, wie skizziert, eine Systematik formaler Mechanismen der visuellen Relationierung typologischer Bildpaare ausgearbeitet. Mit Blick auf die Kon­ struktion von Ähnlichkeiten, denen die Typologie unterliegt, war Typologie von Mohnhaupt als »poetisches Prinzip«129 bezeichnet worden. Bereits die mittelalterliche theologische Literatur demonstriert die Relevanz bildlicher Vorstellungen, die ihre Adaption in der bildenden Kunst unterstützte: Honorius Augustodunensis (um 1080–1150/1151) etwa bezeichnete die Kirchenväter Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregor den Großen summarisch als pictores, also als Maler.130 In der Theologie der Frühen Neuzeit artikulierte besonders der Jesuit Louis Richeôme (1544–1625) seine Vorstellungen in Bezug auf die Rolle des Bildes und dessen Verhältnis zur Heiligen Schrift umfassend im Jahr 1597 in seinen Trois discours pour la religion catholique, les Miracles, les Saincts [sic!], les Images (Bordeaux 1597). Er verstand darin das Bild primär als religiöses Historienbild und unterstrich den Gedanken, dass sich Gott den Propheten sichtbar offenbart und diese ihre visuellen Eindrücke erst nachträglich in Worte gefasst hätten. Richeôme geht somit in deutlicher Weise von Primat des Visuellen aus.131 Die Malerei wird von ihm als »Imitation der göttlichen Hand« bestimmt, Gott als der »erste Künstler« und das ganze Universum als ein »einziges lebendes Bild«. Durchgehend prägend ist dabei die Vorstellung der »Welt als Bild«132. Bereits der Flame Johannes Molanus (1533–1585) hatte die prachtvolle Aufbewahrung von Reliquien und die Schmückung von Reliquienkronen damit begründet, dass die Kirche als figura anzusehen sei, als Präfiguration und Abbild des Himmels: Templum Dei figura quaedam est et imago coelorum.133 – eine Aussage, die wieder im Zeichen der Relevanz des Bildbegriffs steht. Der für die Typologie essenzielle Begriff der figura erfährt hier eine Umdeutung, da er nicht mehr auf die Relation zwischen Altem und Neuem Testament angewendet, sondern »auf das Verhältnis der ewigen Wahrheit Gottes zu jedweder Art von Abbildung« bezogen wird, sei es durch Texte oder Bilder.134 Richeôme geht es dergestalt nicht um die Erkenntnis eines göttlichen Heilsplans durch die figurale Beziehung der beiden Testamente, sondern vielmehr um eine »umfassende Relationierung der sinnlichen Wahrnehmung zur göttlichen Wahrheit«, die letztlich im Zeichen der Erkenntnis durch das Auge steht. Durch Richeômes innovative Theoriebildung werden Bilder in der Lage versetzt, die Figuralbedeutung zwischen Gott und seiner Schöpfung zu imitieren und diese in visuellen Korrespondenzen zwischen Bildern zum Ausdruck zu bringen. Für ihn ist das gesamte Alte Testament nichts anderes als ein »Gemälde« (peinture) des Neuen.135 Typologische Bildreihen sind grundsätzlich durch eine »doppelte Pluralität« gekennzeichnet: Es kommt hier sowohl die Bildreihung (in Form narrativer Zyklen) als auch der Bildpaarung (Typus und Antitypus als Gegensatzpaar) zur Anwendung. Dies ist eine zentrale methodische Herausforderung für die kunsthistorische Narratologie, da durch die spezifische »typologische Verknüpfungslogik« einzelne Erzähleinheiten aus den individuellen kausalen

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Verflechtungen des ursprünglichen Geschehensstroms herausgelöst und »in neue Kontexte transferiert«136 werden. Alexander Linke macht in diesem Zusammenhang den Vorschlag für die Einführung neuer Termini, wobei er die konkrete Bild-zu-Bild-Typologie mit einem Bildpaar aus dem Alten und dem Neuen Testament als »explizite Typologie« bezeichnet, die allegorischen Anspielungen durch rein alttestamentliche Sujets hingegen als »implizite Typologie«137. Beispiele für die Anwendung der »impliziten Typologie« sind bereits früh nachweisbar: Beispielhaft sei hier der bekannte Holzschnitt mit dem Evangelisten Matthäus in der Physiognomie Martin Luthers in Das Newe Testament D. Mart. Luthers (Wittenberg 1530) genannt.138 Als ein weiteres wichtiges und höchst kennzeichnendes Werk der »impliziten Typologie« in der Frühen Neuzeit kann die Freskierung der Jesuitenkirche in Breslau (1706) durch Johann Michael Rottmayr gelten.139 Der »Triumph des Namens Jesu« (IHS) wird hier mittels des Typus der Quadriga des Aminadab (vgl. Hld 6, 11f.; 1 Sam 7, 1; Ex 6, 23)140 präsentiert. Der Namenszug des Erlösers gewinnt gleichsam eine neuartige »fleischliche, körperliche Präsenz«141, fast im Sinn einer eucharistischen Qualität. Die Anwendung von Prinzipien der »impliziten Typologie« ist auch bei jenen Ensembles zu konstatieren, die aufgrund ihrer faktischen Disposition im Rahmen des Kirchenraums grundsätzlich nicht der Bipolarität von Typus und Antitypus entsprechen können, wie dies etwa beim Altar der Fall ist: Beispielhaft sei hier der Hochaltar Melchior Hefeles in der niederösterreichischen Wallfahrtskirche am Sonntagberg, der 1757 geweiht wurde, genannt:142 Dieser monumentale Altar, der das aufwendig gerahmte Gnadenbild enthält, entspricht dem Typus eines ovalen Säulentempiettos mit zwölf Säulen (vielleicht als typologischer Hinweis auf den Tempel in Jerusalem), die sich – unterstrichen durch Bezeichnungen – auf die Namen der zwölf Stämme Israels beziehen. Jakob etwa entspricht die Inschrift auf dem Architrav nach Gen 28, 17. Der »Rundtempel auf dem Sonntagberger Hochaltar«143 sollte auf den Tempel in Jerusalem verweisen, während das darin eingeschlossene Gnadenbild gleichsam die Bundeslade des alttestamentlichen Tempels vertritt.144 Die darin angelegten, vielfältigen alttestamentlichen Bezüge werden durch zahlreiche Personen und Symbole des Alten Bundes im Altaraufbau unterstrichen (Wolkensäule, Siebenarmiger Leuchter) – verstärkt durch die vor den Säulen des Altaraufbaus stehenden Statuen des Moses, Aaron, Melchisedech und Ezechiel. Diesen entspricht jeweils am Sockel ein Relief, das eine Szene aus dem Neuen Testament zeigt, die typologisch auf die Vertreter des Alten Bundes darüber im Sinne einer Beziehung von Vorbild und Erfüllung zu beziehen ist.145 Ein anderes instruktives Beispiel für eine »implizite Typologie« in der barocken Kunst sind die zwischen 1694 und 1699 von den Brüdern Carlo Domenico und Bartolomeo Lucchese in der Klosterkirche von Speinshart (Oberpfalz) geschaffenen Deckenfresken, die auf der Basis eines gestochenen Norbert-Zyklus des Jahres 1622 das Leben des Gründers des Prämonstratenserordens zeigen, dieses aber – vor allem hinsichtlich der Bekehrung Norberts und dessen Sturz vom Pferd – eng an das Leben des hl. Paulus binden (Abb. III.7). In gleichsam »binnentypologischer« Vorgangsweise werden die Viten der beiden Heiligen nicht nebeneinanderge-

Die Typologie in der Frühen Neuzeit und ihre visuellen Potenziale

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Abb. III.7: Speinshart (Oberpfalz), Klosterkirche, Deckenmalereien, Bekehrung des hl. Norbert, Carlo Domenico und Bartolomeo Lucchese, 1694–1699 (© Archiv des Autors)

stellt, sondern Paulus ist gleichsam in Norbert gegenwärtig.146 Bereits in dem um 1615/1620 entstandenen Stephanus-Triptychon von Peter Paul Rubens im Musée des Beaux-Arts in Valenciennes ist das Prinzip der »impliziten Typologie« in anschaulicher Weise vorgeführt, da hier die Stephanusgeschichte nah am Bericht nach Apg 6 und 7 wiedergegeben wird, in den Szenen der Grablegung und Disputation mit jüdischen Gelehrten allerdings deutlich auf die entsprechenden Szenen des Lebens Christi angespielt wird.147 Auch Rubens’ Triumph der hl. Helena (1601, Grasse, Chapelle de l’Hospice) impliziert deutlich mehr als eine Darstellung der hl. Helena allein, sondern vergegenwärtigt mit der ostentativen Integration der Säulen des Salomonischen Tempels den jüdischen Äon im Hintergrund, der nun von der schreitenden Heiligen abgelöst wird, die in die Sphäre des Neuen Bundes eintritt, in dem sie die Dornenkrone empfängt.148 Zwei Zeitschichten sind hier in einem Gemälde gleichsam in zusammengedrängter Form wiedergegeben. Das Gemälde vertritt in seiner spezifischen Ausrichtung in gewisser Weise eine Übergangsposition zwischen expliziter und impliziter Typologie. Zu den Beispielen einer »impliziten Typologie« zählen auch jene Szenen, die den Tod eines Heiligen zeigen, wobei bewusst der orans-Gestus eingesetzt und dadurch eine anschauliche imitatio Christi vollzogen wird. Hier ist etwa der Tod des Antonius Abbas, der in einem Gemälde von Rubens (Schloss Pommersfelden, um 1615) mit ausgestreckten Armen auf dem Totenbett gezeigt wird,149 ebenso zu nennen wie zahlreiche Darstellungen des Todes des hl.

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III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst

Benedikt, wie überhaupt die meisten Visualisierungen, die den orans-Gestus zum Inhalt haben, letztlich nicht nur im Typus Christi am Kreuz, sondern in Mose Schlacht gegen die Amalekiter wurzeln (Ex 17, 8–16).150 Es handelt sich dabei um einen im Mittelalter ausgeprägten Typus, der stark in die Frühe Neuzeit hineinwirkt: Die unpaginierte Publikation Historia Seraphica vitae B.mi P. Francisci Assisiatis […] (Antwerpen 1613) enthält am Schluss einen Stich von Charles de Mallery (nach Pieter de Jode) mit einer zentralen Darstellung des Franz von Assisi und kleinen flankierenden Szenen, unter denen rechts eine den hl. Franz im orans-Typus zeigt (Beischrift: Extensis brachijs in aerem candida nube subvectus fuit. Cap. 10.§.3.), näher erklärt im Text:151 Ibi visus es nocte orans manibus ad modum crucis protensis, toto corpore sublevatus a terra, & nubecula quadam fulgente circumdatus […]152. Tatsächlich besteht die Kunst der Frühen Neuzeit zu einem großen Teil aus solchen »impliziten« Typologien. Der damit verbundene Verzicht auf das Gegenüber von Altem und Neuem Bund hat eine Bedeutungssteigerung der neutestamentlichen Antitypen, die auch mit einem kleiner wiedergegebenen alttestamentlichen Typus kombiniert werden können, zur Folge. Rasterartig gestaltete typologische Bildsysteme mit einer Altes und Neues Testament gleichermaßen berücksichtigenden Präsenz sind in der Frühen Neuzeit aber die Ausnahme. Sie wären außerhalb der Druckgrafik und in größeren Kontexten nur schwer umzusetzen gewesen. Typologie als Innovation in der Kunst der Frühen Neuzeit?

Auf dieser Basis und mit dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen kann ein neuer Zugang zur Kunst der Typologie in der Frühen Neuzeit gewonnen werden, in der besonders die innovative Rolle der jeweils beteiligten Künstler nicht unterschätzt werden darf: Tintorettos Leistung in der malerischen Ausstattung der Scuola di San Rocco in Venedig (1564– 1588)153 ist es etwa, mithilfe einer besonderen »Originalität der Szenenwahl«, die unmittelbar auf den Künstler zurückgeht, eine gleichsam »spielerische Entfaltung typologischer Bezüge« vorgenommen zu haben. Tintoretto hatte sein Programm schrittweise entwickelt, wobei den Beginn die Aufrichtung der Ehernen Schlange markiert, die einerseits als Typus zur Kreuzigung Christi konzipiert wurde, andererseits aber zusammen mit der Mannalese und dem Quellwunder auch sinnbildlich für die karitativen Tätigkeiten der Bruderschaft steht.154 Auch wenn Tintorettos Bildprogramm kein einheitliches und umfassendes Konzept zugrunde liegt, ist doch nachweisbar, dass das typologische Denken in jeder Phase der Ausstattung eine zentrale Rolle spielt. Der Maler vernetzt mehrere typologische Sinnschichten und verbindet unterschiedliche Traditionsstränge.155 Gestische und motivische Verbindungen zwischen den Darstellungen gegenüberliegender Wandbilder offenbaren eine neuartige »Reflexivität des typologischen Bildsystems, das nicht allein Mehrdeutigkeiten produziert, sondern in diesen Polyvalenzen auch ein genuin bildliches Exegesepotenzial exponieren kann.«156 In ähnlicher Weise scheint auch Peter Paul Rubens im Rahmen der Arbeiten zur malerischen Ausstattung der 1621 geweihten Antwerpener Jesuitenkirche die eminente »Sugge-

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stivkraft typologischer Bildkonstellationen« erkannt zu haben. Sein Ziel war hier vor allem, an das Assoziationsvermögen des Betrachters zu appellieren und die Interpretation in eine bestimmte [gegenreformatorische] Richtung zu lenken.157 Auch hier zeigt sich, dass nicht von Anfang an ein konsequent formuliertes Programm existiert hatte, sondern – während der Arbeit von Rubens an den modelli – der didaktische und propagandistische Sinn des Zyklus durch »Bild-Rochaden« dergestalt intensiviert wurde, dass eine »Flexibilität typologischer Bildzuordnungen«158 möglich wird. Rubens’ Leistung ist es, unter den erschwerten Bedingungen dieser »Bild-Rochaden« das inhaltliche Geflecht aus wechselnden Einheiten durch seine Gestaltung organisiert und dadurch den Inhalt des Zyklus in eine bestimmte Richtung gelenkt zu haben. Damit wurde der Nachweis erbracht, dass innerhalb eines standardisierten typologischen Programms einzelne Bilder gleichsam »mobil« werden und mit anderen neue »semantische« Allianzen eingehen können.159 Semantische Mehrdeutigkeiten dieser Art können bei Rubens wie auch bei Tintoretto »Flexibilität ermöglichen«, zugleich aber auch die »Lesbarkeit« gefährden oder infrage stellen. Rubens schränkte die Möglichkeiten inhaltlicher Mehrdeutigkeiten entscheidend durch gezielte Eingriffe in die Metastruktur (strenger Dualismus, Vereinheitlichung der Rahmen) ein, um solcherart die gegenreformatorisch-jesuitische Lesbarkeit des Gesamtprogramms sicherzustellen.160 In diesem Zusammenhang stellt sich die grundsätzliche Frage, in welcher Hinsicht die typologische Kunst der Frühen Neuzeit solche Prozesse semantischer Mehrdeutigkeiten auf breiter Front wirklich zuließ. Auszugehen ist hier vor allem vom jeweiligen Kontext, in den das Werk eingebunden ist. Dies verhält sich bei einer öffentlichen oder halb-öffentlichen Ausstattung durchaus anders als etwa bei Stichen, die in Druckwerke integriert sind und in enger Relation mit der Intention der jeweiligen Publikation stehen. Auch bei Druckgrafiken, vor allem des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Bereich, die aufeinander abgestimmte typologische Inhalte zeigen, verhält sich die Sache anders. Mit Tintoretto und Rubens sind zweifelsohne auch zwei herausragende Persönlichkeiten genannt, deren künstlerischer und thematischer Aktionsradius im Vergleich als besonders hoch einzuschätzen ist. Aus Alexander Linkes Beispielen zeigt sich deutlich, dass die »Vorstellung einer klar definierbaren Typologie eine Utopie ist.« Die in der Regel vielgestaltigen Monumente mit ihren reichen Ausdrucksformen entziehen sich der homogen verfassten und letztlich unhistorischen Vorstellung einer monolithisch ausgerichteten Kunst der Typologie. Ein »einheitliches Typologieverständnis« lässt sich somit für die Frühe Neuzeit nicht feststellen. Zu sehr ist die Anwendung entsprechender typologischer Denk- und Darstellungsmuster im Einzelfall mit der vielfältigen Tradition der Bildkünste verwoben. Was sich in der Frühen Neuzeit ändert, ist also weniger die Einstellung zur Typologie an sich, sondern vielmehr die »Haltung gegenüber dem Bildsystem«. Das nachmittelalterliche Typologieverständnis unterliegt somit in geringerem Ausmaß den Versuchen von Normierungen, sondern ist vielmehr durch die Bedeutung des »erkenntnisstiftende[n] und kommunikative[n] Potential[s] bildlicher Typologie«161 gekennzeichnet. Dazu gehören vor allem eine sichtbare »Aufwertung formal-künstlerischer Prinzipien und das Vertrauen in die Evidenzkraft der Bilder«162. In dieser Hinsicht ist das

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»Bildliche« ein besonderer und konstitutiver Faktor der Typologie der Frühen Neuzeit geworden. Bildliche Vorstellungen wirkten nunmehr verstärkt als »Movens typologischer Analogiebildungen« und sie wurden von theologischer Seite als »Paradigmen der Exegese«163 angesehen. Die zunehmende »Flexibilität, verschiedene Argumentationen zu ermöglichen«, kann als wichtigstes Potenzial frühneuzeitlicher Theologie insgesamt angesehen werden. Linke unterstreicht hier die »doppelte Pluralität typologischer Zyklen«: Alle heilsgeschichtlichen Permutationen entstehen entweder durch eine »Umstrukturierung der Gesamterzählung oder durch semantische Umkodierungen einzelner Erzähleinheiten auf der Ebene der Bildpaare«164. Ein wichtiger Mehrwert der frühneuzeitlichen Typologie ist auch in einer Suche nach Verständlichkeit im Vermittlungsvorgang zu suchen: Die typologische Botschaft in den Bildkünsten schafft eine »Evidenz durch Übersichtlichkeit«, was als »rhetorisch-didaktische Funktion bildlicher Typologie« bezeichnet wurde.165 Typologie fordert vom Betrachter grundsätzlich eine bestimmte Kombinationsfähigkeit, damit die bildlich vorgestellte Verknüpfung auch in inhaltlicher Weise eingelöst werden kann. Der Aspekt der Bildlichkeit von Typologie ist hier mit vielen anderen Mechanismen daran beteiligt, dieses »Einlösen« deutlich zu machen – nicht zuletzt deshalb, da die Notwendigkeit des Deutlich-Machens viel stärker gegeben war als bei mittelalterlichen Bildsystemen und -rastern, in die Bildtypen leichter eingefügt und miteinander kombiniert werden konnten. In dieser Hinsicht treten Metasysteme und Bildraster, wie sie im Mittelalter und auch in der Druckgrafik der Frühen Neuzeit noch zu konstatieren sind, stärker zugunsten der Wirkkraft der einzelnen Figurentypen zurück, denen nun eine wesentlich höhere Relevanz hinsichtlich ihrer motivischen und gestischen Evidenz zukommt. Die Rolle der Typologie ist aber in der Frühen Neuzeit auch deshalb eine andere, da sich die Stellung der beteiligten Medien insgesamt verschiebt. Typologie wird wesentlich stärker von der Disposition und Funktionalität der beteiligten Medien abhängig. Es spielt somit eine wesentlich wichtigere Rolle, ob und wie die Typologie im Raum oder auf einer Fläche formal und inhaltlich funktioniert. Wenn es um das konkrete und sichtbare »Einlösen« von Verständniszusammenhängen geht, dann ist es klar, dass die Medialität der Typologie in der Frühen Neuzeit einen anderen Stellenwert besitzen muss als noch im Mittelalter, wo mediale Ausdifferenzierungen in viel geringerem Umfang eine tragende Rolle gespielt hatten. Die konkrete Umsetzung der Typologie – dieser Aspekt wurde in der Fachliteratur übersehen oder zu wenig berücksichtigt – ist ganz entscheidend von der jeweiligen medialen Situation abhängig, in der typologische Inhalte vermittelt werden. Hier ist grundsätzlich zwischen der Typologie in Räumen und der Typologie in Druckwerken zu trennen: Im Kontext der Typologie im Raum ist die jeweilige inhaltliche Verbindung ganz wesentlich in eine räumliche Struktur eingebunden, die nach eigenen Gesetzen funktio­niert, die vor allem mit übergeordneten architektonischen Strukturen, Metastrukturen der Bilderzählung, Fragen der Performanz, wechselnden Ansichtsmöglichkeiten durch den Betrachter, Bedingungen von Zeit/Raum sowie der Inszenierung des Raumes in der Liturgie zu tun haben. Typologie ist in diesen Fällen in ein situativ und performativ definiertes Geflecht

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sich verändernder Relationen eingebunden, die vom jeweiligen Betrachterstandpunkt ständig neu definiert werden,166 damit zugleich aber auf der Basis der jeweiligen typologischen Relation neue Sinnhorizonte formulieren. Die Determinanten der Sinnproduktion verschieben und potenzieren sich demnach ständig neu und formieren aus der Konzeption einer binären Typologie einen anschaulichen Beziehungsreichtum, der mit dem ursprünglichen Ausgangspunkt nicht immer etwas zu tun haben muss, sondern diesen tendenziell durch ein Geflecht von Relationen übersteigert. Bereits für prominente Theologen wie Cornelius a Lapide SJ (1567–1637) und Jacobus Tirinus SJ (1580–1636) boten die Episoden aus der Geschichte Mose und Davids Möglichkeiten der Beziehung nicht nur zu bestimmten Ereignissen oder Personen, sondern sie implizierten darüber hinaus »multiple correspondences« mit der Zeit Christi und der Kirche.167 Wir haben es – etwa in Rubens’ Ausmalung der Jesuitenkirche in Antwerpen – mit einem wahren Geflecht und Gewebe von Beziehungen, also mit einem erweiterbaren »network of pathways«168, zu tun. Rubens war imstande, sowohl traditionelle Typologien zu visualisieren als auch »divergent visual relationships«169, wodurch auch ein breiter Rezipientenkreis angesprochen werden konnte. Die besondere Rolle der bildenden Kunst kann auch dadurch unterstrichen werden, dass der Betrachter gleichsam an der Hand genommen wird und mithilfe einer »typological exegesis«170 – durch Sehen und Erkennen einer ars combinatoria – Bedeutungshorizonte wahrnimmt. Die Ausführung der Möglichkeiten von Typologie im Raum wird vor allem Gegenstand der Kapitel V bis VIII sein. Dagegen liegen der Anwendung der Typologie in der Druckgrafik völlig andere Prinzipien der Medialität zugrunde: Die entsprechende Relation ist hier primär in einer Wort-Bild-Beziehung verortet. Die Sinnkonstitution wird im Wesentlichen auf das Wort bzw. ein Bibelwort oder ein Motto zurückgeführt, ist doch die druckgrafische Illustration in der Regel in den übergeordneten Kontext eines Textes eingebunden, dem sie auch Rechnung zu tragen hat. Zudem ist mit der Relevanz des Wortes in der druckgrafischen Illustration das Schriftwort als entscheidende Referenz der Typologie unmittelbar gegenwärtig. In dieser vielfältigen Beziehung zwischen Wort und Bild spielt der »Parallelismus als Formprinzip«171 eine wesentlich größere Rolle, als dies im Räumen möglich ist: Strenge Wort-Bild-Analogien oder Wortspiele, welche die Anschaulichkeit der jeweiligen typologischen Relation erhöhen sollen, sind hier die logische Konsequenz. Häufig bilden auch Wortanalogien die Grundlage für entsprechende Bildanalogien. Zudem existieren zahlreiche Beispiele von Visualisierungen, in denen Wortanalogien eigene Typologien schaffen. Diese Formen der Typologie werden Gegenstand des Kapitels IX bilden.

IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation Die Typologie in der Reformation bildet seit den umfassenden Forschungen zu dem im 16. Jahrhundert ausgeprägten Typus von Gesetz und Gnade einen wichtigen Schwerpunkt der Forschung. Gerade dieser prominente Bildtypus mit seinen vielen ikonografischen Verästelungen ist nicht ohne die Umwälzungen in der Frömmigkeitskultur des späten Mittelalters verständlich. Die Reformation – Medienereignis zwischen Frömmigkeit und Normativität

Der Charakter der spätmittelalterlichen Frömmigkeit wurde von der jüngeren Forschung als »spannungsvoller, ambivalenter, ja polarer Sachverhalt«1 erkannt. Grundsätzlich herrscht Übereinstimmung über die »bipolare Grundstruktur spätmittelalterlicher Frömmigkeit« mit einer entsinnlichten praxis pietatis einerseits und einem Zug zum Äußerlichen und Rituellen auf der anderen Seite.2 Wege und Möglichkeiten der Heilsaneignung hatten sich im späten Mittelalter fortschreitend diversifiziert: Sinnlicher Apperzeption auf der einen Seite standen didaktische Lehrtafeln auf der anderen Seite gegenüber.3 Die verbreitete Vorstellung, der mittelalterliche Christenmensch habe in einer gleichsam »unmittelbareren sinnlichen Beziehung zum Heil gestanden als der reformatorische Gläubige«, ist äußerst problematisch. Für die lutherische Reformation wurde hingegen die »Sinnlichkeit der Heilsaneignung« exklusiv gültig. Gegenüber einem weitgehend plural verfassten und diffusen Nebeneinander sinnlicher und unsinnlicher Möglichkeiten der Heilsaneignung im späten Mittelalter bedeutete die lutherische Reformation eine ebenso »definitive wie theologisch präzise Versinnlichung des Christentums«4. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang die Neudefinition des pluralistischen Verständnisses im Spätmittelalter zugunsten einer »normativen Zentrierung« (Berndt Hamm): Die mittelalterliche Kirche mit ihrer unüberschaubaren Vielfalt von Theologien und Praxen war grundsätzlich auf Pluralität hin angelegt, und dies bedeutete, dass auch ihre Normativität plural strukturiert und von vielen Normquellen (Heilige Schrift, Konzile, kanonisches Recht, scholastische Lehrtradition, päpstliches Lehramt usw.) her ausgelegt wurde.5 An diesem Punkt der »pluralen Komposition spätmittelalterlicher Normativität« setzte der Umbruch

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

der Reformation ein.6 Es kam zu einer Extensität, also »Ausdehnung der Normativität der Heiligen Schrift und der Lebensform des Glaubens« auf alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens. Dies hatte insofern Desakralisierung und Entzauberung der Welt sowie Verweltlichung von Religion zur Folge, als nun die »Absonderung einer herausgehobenen, umgrenzten Sakralität von der sakralitätsfernen Profanität der Laien- und Alltagswelt« aufgehoben wurde. Dies bedeutete aber konsequenterweise eine »Sakralisierung der Welt, Ausweitung der Heiligung auf alle Lebensbereiche«7. Der markante Einschnitt der Reformation bedeutet somit in vieler Hinsicht das Ende eines gradualistisch-pluralen Welt-, Kirchen- und Frömmigkeitsverständnisses des Spätmittelalters, das wesentlich auf einem »Zusammenwirken von Gott und Mensch« beruhte. Der fundamentale »Systembruch der Reformation« bestand darin, diese unterschiedlichen Mischungsverhältnisse von göttlicher und menschlicher Sphäre preiszugeben und das Vertrauen des Glaubens ausschließlich in der »Transzendenz des alleinwirksamen Gottes« zu konzentrieren.8 Das Phänomen einer »normativen Zentrierung« – mit den Worten Berndt Hamms – bedeutete letztlich die Zusammenführung der zunehmend differenzierten und divergierenden Lebensbereiche. Das oberste Legitimationsprinzip, die Heilige Schrift, hob die tiefen Gegensätze zwischen sakralem und säkularem Bereich, zwischen kirchlicher und weltlicher Rechtssphäre auf: Prägend wurde nun die »integrierende Gestaltungskraft von Schrift und Glaube«9. Die Reformation als »Medienereignis«

Zu diesen Entwicklungen kommt der grundlegende Charakter der Reformation als »Medien­ ereignis«, in dem die theologischen, kirchlichen und politischen Facetten der Reformation einer neuen Öffentlichkeit vermittelt werden mussten. Die Reformation ist aus dieser Perspektive zu einem guten Teil ein »Multiplikations- und Verständigungsgeschehen«10. Neu im Zusammenhang mit dem reformatorischen Ereignis ist das Faktum, dass die am Kommunikationsgeschehen Beteiligten aus unterschiedlichen Bereichen und Ständen kamen.11 Die Reformation als Kommunikations- und Medienereignis ist aber nicht eindimensional zu betrachten, sondern hochgradig divergent.12 Sie kann auch deshalb als Medienereignis bezeichnet werden, weil sie »durch die eminente Wirkung bestimmter Mitteilungsweisen und -formen konstituiert wurde.«13 »Öffentlichkeit« ist dabei ein zentraler Begriff und bei der Betrachtung des Reformationsgeschehens nicht nur ein »moderner Analysebegriff«, sondern zugleich eine »Forderung der Zeitgenossen selbst«14. In diesem Kontext ist vor allem die »medienverändernde Kraft religiöser Inhalte« von Bedeutung, insbesondere die Frage nach dem »besonderen Medialitätscharakter der Reformation«15. Im Zentrum aller beteiligten Medien stand die Heilige Schrift, deren fundamentale Neubewertung aus der Reformation eine »neue« Gegenwart machte: Dem protestantischen Anspruch zufolge musste die christliche Lehre neu vergegenwärtigt und gegen die Tradition verteidigt werden. Als notwendiges Mittel diente die heilsnotwendige Schrift, der wieder die

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Autorität, die ihr eigentlich zustand, zuerkannt werden sollte.16 Der reformatorische Akt der Erinnerung beschrieb keine »einsinnig aus der Gegenwart in die Vergangenheit gerichtete Tätigkeit«, sondern stellte – aus Sicht der Reformatoren – die »Antwort auf einen in der Heiligen Schrift selbst formulierten Erinnerungsauftrag dar, wie er paradigmatisch beim letzten Abendmahl […] erteilt worden war.«17 In Bezug auf Strukturen des Erinnerns bedeutete dies zweierlei: »Erinnerung war zum einen unendlich, denn der Erinnerungsauftrag war nicht vom zu erinnernden Wort Gottes zu trennen.« Das Wort Gottes als zentrale Referenz wurde also in der Exegese nicht einfach erkannt und ausgedeutet, sondern gegen Traditionen »wiederhergestellt und aktualisiert.« Ziel dieser »Wiederherstellung des Wortes Gottes« war es, der reformatorischen Erinnerung einen Platz »im Raum einer unabgeschlossenen Dialektik zwischen dem ersten Text und dem unendlichen der Interpretation« zuzuweisen. An die Stelle der als überholt angesehenen, in Sentenzenkommentaren und Glossen niedergelegten Aufbewahrung und Erweiterung des Wissens durch die Altgläubigen, exegetisch perfektioniert in der berühmten Lehre vom »vierfachen Schriftsinn«, trat nun »dauerhaft die unendliche Dialektik von Einsetzung und Wiederholung«18. Der biblische Sinn erschloss sich diesem reformatorischen Konzept zufolge nicht ein für alle Mal, sondern nur hier und jetzt im konkreten Akt. Durch eine »Zentrierung der Zeit« trat damit »an die Stelle einer festgeschriebenen Bedeutung das theologische Ereignis, an die Stelle des Gesagten das Sagen und Tun, an die Stelle ewiger rationaler Wahrheit die Performanz einer stets neu herzustellenden Interpretationswelt.«19 Im engeren Sinn brach sich hier auch eine fundamental »neue Zeitvorstellung« Bahn, indem die Reformation »die Unendlichkeit permanenter Erneuerung und Wiederherstellung« zur theologischen Erkenntnisform schlechthin erklärte.20 Die neue reformatorische Zeiterfahrung beruhte in dieser Hinsicht auf einer Art »Zentrierung der Zeit«21. So erfuhren die Wittenberger Reformatoren »ihre Zeit als letzte Zeit«, und es kam dementsprechend zu einer »emphatische[n] Wahrnehmung dieser letzten Zeit«. Wittenberg war hier der ausgewählte »Ort dieser Heilserkenntnis«. Damit hängt zusammen, dass die eigene Zeit von den Evangelischen in besondere Weise als Heilszeit wahrgenommen, also verstanden und gestaltet wurde. Die hiermit unweigerlich verbundene Dynamik unterscheidet sich kategorial von der Zeitkonzeption der römischen Kirche, »der diese evangelische Wahrnehmung der Endzeit nicht in gleichem Maße eignet.«22 Ihre Zeit wurde von den Evangelischen als »Verschränkung von Gottes Zeit und ihrer eigenen Zeit« verstanden, gleichsam Ewigkeit und Zeitlichkeit »in existenzialer Interpretation miteinander verbunden.«23 Die Reformation kann in dieser Hinsicht als »Erinnerungsrevolution« bezeichnet werden, da hier »traditionale Wissensbestände entlegitimiert wurden« und diesen ein »antagonistisches Konzept der Vergegenwärtigung des Urchristentums als normativer Referenzhorizont« entgegengesetzt wurde. Auf dem Reformationsaltar in der Schlosskirche von Dessau, angefertigt von Lukas Cranach d. J. (1565), wurden etwa die Protagonisten der Reformation als Apostel beim Abendmahl mit Christus wiedergegeben. Vor der Reformation war dieses Heilsereignis ikonografisch gesehen vorwiegend als ein von der Gegenwart abgesetztes und abgeschlossenes Ereignis dargestellt worden. Die Erinnerungsfähigkeit des Abendmahls wurde

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

von der Kirche in der Transsubstantiation erst hergestellt. Damit war dem Gläubigen auch eine »erinnernde Teilnahme am Heilsgeschehen« nicht unmittelbar möglich. In der Reformation aber besaßen die Gläubigen gleichsam »direkten Kontakt zum Erinnerungsmahl mit Christus«: Christus und sein Heilsgeschehen wurden damit »ganz unmittelbar in die reformatorische Gegenwart hineingestellt«24. Es existieren Hinweise darauf, dass Bilddokumente aus der Reformationszeit nicht nur theologisch, sondern mit den politischen Verfestigungen und Enttäuschungen auf evangelischer Seite zu interpretieren sind.25 Auch die lutherische Bildsatire benützte die vom typologischen Bibelverständnis abgeleitete »realprophetische Verweisung zwischen Präfiguration und Erfüllung als eine Hauptwaffe« – und dies vor allem im Sinne eines Aufgreifens des paulinischen Schemas der Antithese.26 In dieser Funktion stehen die berühmten Gesetz und Gnade-Allegorien auf einer Ebene mit den satirischen Kampfbildern, »die einen biblischen Rahmen mit einer zeitgeschichtlichen Antithese konkretisieren.«27 Die von der Methode typologischer Exegese abgeleitete »Aktualisierung biblischer Exempla« wurde vor allem im Sinn einer zeitpolitischen Waffe verwendet28 und unterstreicht damit die enge Verbindung zwischen dem geschichtlichen Ereignis der Reformation und dem »Medienereignis«. Für die katholische Gegenposition steht Robert Bellarmins (1542–1621) Theologie exemplarisch. In dieser Auseinandersetzung konkretisieren sich die beiden konfessionellen Positionen, die letztlich auch den Kampf um die Interpretation und Deutungshoheit von Geschichte zum Inhalt haben: Bellarmin wirft den Protestanten vor allem ein unzureichendes Verständnis der Patristik vor.29 Die Bezugnahme auf Autoren der Väterliteratur ist nach altgläubiger Vorstellung nicht nur den dort auffindbaren Gedanken und Argumenten geschuldet, sondern auch der Überzeugung, dass Texte, die historisch sehr viel älter sind als die eigene Zeit, oder die, anders gesehen, eine große Nähe zum Ursprung der Tradition aufweisen, der man selbst angehört oder anzugehören strebt, schon aus den genannten Gründen eine hohe »Dignität und Autorität« aufweisen. Die Argumente der Väter besitzen demnach den unbestreitbaren Vorteil einer »Weihe der Ursprungsnähe«30. Bellarmin integriert in seiner Behandlung des Altarsakramentes Aspekte von Opferlamm, Manna und anderes, zudem Verbindungen zur Christologie über die Inkarnation und die Auferstehung. Dies macht deutlich, dass er in der Frage der Eucharistie keine Einzelproblematik christlicher Exegese gegeben sah, sondern vielmehr eine »Verflochtenheit aller dogmatischen Positionen«. Die christliche Lehre lässt sich Bellarmin zufolge nur dann als Einheit begreifen, wenn man alle ihre »kombinativen Elemente« aufeinander bezieht. Theologie kann demnach nur unter der Perspektive des Ganzen zu einer sinnvollen Interpretation gelangen. Die Hermeneutik ist dabei die »Voraussetzung der Adäquation einzelner Teile in die kohärente Sicht des Ganzen«31. Die Reformatoren standen dagegen vor dem vitalen Problem, dass sie in den Augen ihrer Gegner eine über tausendjährige Tradition zu negieren versuchten: Entgegen dieser Negation formulierte die römische Kirche im Konzil von Trient (1563) einen gleichsam »ewigen Wahrheitsstrom von Jesus Christus bis in die eigene Zeit« und sie stellte ihre exegetische Wahrheit »gleichberechtigt neben das Wort Gottes«32. Das Problem für die reformatorische Bewegung

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war somit in gewisser Weise der Umstand, dass man zwar der Tradition nicht mehr unmittelbar angehörte, »aber die Tradition als Vergesellschaftungskraft benötigte.«33 Im Konzept einer »erzählten Geschichte«, insbesondere in den Gattungen der Historiografie und der protestantischen Martyrologie, entwarfen die Reformatoren ein »historisches Gegenprogramm gegen den Geschichtsanspruch der römischen Kirche«. Der Idee einer »realisierten Geschichte« folgend, in der Mitglieder der reformatorischen Bewegung kirchliche Urgeschichte auf der Bühne konfessioneller Auseinandersetzungen aufführten, zeigte die reformatorische Bewegung ganz deutlich ihre Verwurzelung im Wort Gottes und der urchristlichen Kirche.34 Man wird nur dann die reformatorische Einstellung zur Frage der Relevanz und Anwendbarkeit von Typologie präziser formulieren können, wenn man die Reformation nicht als Kollektivsingular mit einer einheitlichen theologischen Verfasstheit sieht, sondern bei Luthers Theologie und dem Schriftprimat ansetzt. Die Rolle Martin Luthers

Luther zufolge hat es die fides nicht mit den visibilia, sondern mit dem Wort zu tun, und zwar im Sinne einer engen Korrelation zwischen fides und verbum.35 Der Glaube enthält Luther zufolge ein vitales Moment »gegen alle gegenständliche Erfahrung in sich«. Er steht, so Luthers Anschauung, in ständigem »Widerstreit gegen die Wahrnehmung«. Sein Objekt ist »nicht Wahrnehmbares, nichts Sichtbares, sondern dessen Widerspiel«36. Der Adressatenkreis der evangelischen Botschaft besitzt bei Luther dezidiert »personalen«, also gleichsam »individuellen« Charakter: Das Glaubensgeschehen ereignet sich nur mit der Intention, »daß es für uns geschieht« im Sinne eines direkten Bezogen-Seins von Christus auf uns.37 Luther stellt somit die »rein personale Beziehung zwischen Christus und dem an ihn glaubenden Menschen«38 in das Zentrum seiner Überlegungen. Sowohl Gesetz als auch Evangelium – als die beiden typologischen Grundkonstanten – sind ihm zufolge für den Menschen von Bedeutung: Du sollst das Gesetz nicht also haben, daß damit das Evangelium untergehe; du sollst auch das Evangelium nicht also halten, daß das Gesetz untergehe. (Luther)39 Ein von Peter L. Nagel (um 1569/1584) nach Gerard van Groening[en] angefertigter und bei Gerard de Jode verlegter Kupferstich (um 1567), der sog. Nagel-Stich40 (Abb. IV.1), veranschaulicht nicht nur die ikonografischen Eckpunkte des Gesetz und Gnade-Schemas, sondern mit dem im Zentrum sitzenden Adam auch die anima christiana schlechthin, dem die Alternative zwischen Tod und Leben bzw. Altem und Neuem Bund gestellt wird. Hier wird deutlich, wie die personale Beziehung zwischen Christus und dem an ihn glaubenden Menschen der tragende Gesichtspunkt ist. Im Sinne einer Lehrtafel ist Jo 1, 17 die sinnstiftende Inhaltsangabe des Blattes. In die Darstellung ist aber eine Fülle von kleinformatigen Szenen eingestreut, die das übergreifende typologische Konzept biblisch unterlegen und präzisieren – verbunden mit kurzen und ausführlichen Schriftzitaten (mit dem bekannten Schwerpunkt in Stellen aus den Paulusbriefen), die in Gestalt gerahmter (!) Tafeln auch darauf verweisen, dass sie als Gegenstände sui generis – ausgestattet mit spezieller Haptik – zu betrachten sind.

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

Abb. IV.1: Sog. Nagel-Stich, Peter L. Nagel nach Gerard van Groening(en), um 1567 (© Göttweig, Benediktinerstift, Graphisches Kabinett)

In Anbetracht der bereits skizzierten grundlegenden Bedeutung des hl. Paulus für die Typologie ist es nicht ohne Relevanz, wenn sich Luther als »neuer« Paulus präsentierte: So stellte sich der Reformator in der Vorrede zum ersten Band der Gesamtausgabe seiner lateinischen Schriften von 1545 dem Leser in seiner Eigenschaft als Völkerapostel vor.41 Luther markierte bekanntlich die sein Leben entscheidend verändernde Schwellenerkenntnis »im Verständnis einer einzigen Vokabel, die ihn Paulus hier grundlegend neu verstehen lehrte.« (iustitia Dei, Röm 1, 17). Seine eigene reformatorische Wende wurzelte somit »in der Grammatik eines Wortlauts«42. Allerdings existiert eine markante Differenz zwischen der Kreuzestheologie Luthers und Paulus’: Luther thematisiert das Kreuz als ein »faktisches Geschehen«, Paulus dagegen nennt nicht die Sache an sich, sondern »das Wort vom Kreuz«, also den Titulus als den kritischen Punkt (1 Kor 1, 18).43 Dazu kommt ein neues und kritisches Verständnis Luthers in Bezug auf die traditionelle, allegorisch angeleitete Exegese der Schrift, die mit der Typologie seit jeher in enger Beziehung stand: Luther ist hier eine »Preisgabe der allegorischen Auslegung bei allen Evangelientexten«44 zuzuschreiben, die nur in Zusammenhang mit seiner Fundamentalkritik an Patristik und figuraler Bibelexegese verständlich wird. Typologie wird hier vornehmlich als nützliches und didaktisches Instrument verstanden, aber eine fundamentaltheologische Relevanz dieser Methode wird von ihm – im Gegensatz zu den Kirchenvätern – verneint.45 Für Luther

Die Rolle Martin Luthers

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haben die Schriftstellen des Alten Testaments nur einen Sinn – er zielt gegenüber Allegorie und Typologie auf etwas Neues, »auf die unmittelbare Bezeugung, ja das Handeln des Christus schon im Alten Testament«. Sein Interesse konzentriert sich somit vornehmlich auf jene Stellen, in denen er »Christus real zu finden glaubt.«46 Der durchgehende scopus von Luthers Theologie ist somit »Jesus Christus allein«47. An die Stelle der »schwankenden Vielfältigkeit verschiedener allegorischer scopi« trat nun der Versuch, jede Allegorese »auf denselben scopus auszurichten«48. Während es den traditionellen Auslegungen der Evangelien um vielerlei Sachverhalten und Personen ging, um Maria ebenso wie um Jesus oder die Jünger, um eine mannigfaltige historia, um allerlei opera, um viele Worte und Buchstaben, worin sich eine »Vielfältigkeit des scopus« manifestiert, der aber umso mehr Angriffsflächen bieten konnte, ist bei Luther der »scopus einer, Jesus Christus«49. Damit in Zusammenhang steht die »Einschärfung eines neuen christologischen Sinns von Sprache«50. Luther äußerte sich kritisch zu den Möglichkeiten einer Visualisierung von Typologie: dan erfullung der figuren mussen nit gesehen sondern geglaubt werden.51 Der Typologie im allgemein-theologischen Sinn sagte Luther allerdings nie endgültig ab; sie findet sich in seiner Schriftauslegung bis in das Spätwerk; allein in seinen deutschen Schriften ist er auf die Stelle der Ehernen Schlange 33 Mal eingegangen, da die Szene für ihn offensichtlich »exemplarische Bedeutung«52 besaß. Wenn Christus die Schlange auf sich bezog, verstand das Luther in der Weise, »daß in der Schlange wie in Jesus sich Gottes Wort dem Glauben derart darbot, daß in einer Art von typologischer Koinzidenz die Schlange und der Gekreuzigte sich deckten.« Luthers »Erzgebot« hieß deshalb »Christozentrik«53. Er nahm nicht zuletzt auch konkret auf bildliche Darstellungen der Ehernen Schlange an Wänden und auf Münzen (mit der Kreuzigung Christi auf der Vorderseite und der Ehernen Schlange auf der Rückseite) Bezug.54 Der späte Luther wetterte noch in seiner Genesisvorlesung (1535–1545) gegen die Allegorie. Diese feindliche Einstellung kulminiert dort darin, die Allegorie als schöne, die Klosterleute verführende Hure zu verleumden, welche die Mönche soweit bringe, sogar Ovids Metamorphosen zu allegorisieren.55 Im Gesetz sei der spirituelle Sinn – so Luther – immer schon enthalten, erst die falsche allegorische Deutung habe den geistlichen Sinn des Alten Testaments verdeckt. So ist für Luther die Unterscheidung der beiden Testamente gleichbedeutend mit jener von Gesetz und Evangelium, andererseits seien aber auch im Alten Testament Gesetz und Evangelium gleichermaßen enthalten.56 Historia galt im frühen 16. Jahrhundert als ein »narratologischer Begriff« im Sinne einer »Erzählung von Ereignissen«57; unter historia wurde aber auch Geschichte verstanden, wie sie im Alten und Neuen Testament erzählt wird.58 Luthers »Wiederentdeckung des Evangeliums« wurde von ihm selbst emphatisch als Tat weltgeschichtlicher Relevanz gesehen,59 gleichsam als ein »archimedischer Punkt in der Geschichte«, von dem aus sich die Geschichte rekonstruieren ließ. In dieser Hinsicht wurde das Evangelium als »Mitte der Geschichte«60 betrachtet. Durch die Gegenwart dieses Mediums (des Evangeliums oder der mündlichen Rede) wird aus Luthers Perspektive die Präsenz des Wortes Gottes angezeigt, da – dem Reformator zufolge – »dann Präsenz da [ist]«61, wenn

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

das Medium seine Aufgabe erfüllt. Die Realpräsenz ist dabei nicht ein isoliertes Faktum, »sondern die im Wort bildlich aufscheinende Realpräsenz Christi ist als Modus seiner Selbstzueignung im Glauben zu ergreifen.«62 Für Luther ist es dabei durchaus einerlei, ob es sich um Schrift (Bibel) oder mündliche Rede handelt. Bei beiden Medien handelt es sich ihm zufolge um das »Wort Gottes«63. Die Reformation und ihre bild- bzw. medientheoretische Rolle

Die Bilderfrage war an sich »kein zentrales Thema der reformatorischen Theologie«64. Luther stellte im Jahr 1516 das lebende Bild Christi positiv den hölzernen und steinernen Standbildern gegenüber.65 Grundsätzlich urteilte Luther in der Bilderfrage aber eher pragmatisch.66 Umso erstaunlicher ist der Sachverhalt, dass im Verlauf des 16. Jahrhunderts in vielen Regionen Deutschlands die gesamte Innenausstattung der protestantischen Kirchen »einem einheitlichen Prinzip« folgte, sodass auch von einem »lutherischen Bildprogramm« gesprochen wurde. Dieses Programm, das den Gesamtraum, den Altar, Epitaphien, die Kanzel, die Emporen, die Orgel und andere Teile betraf, bildet sich nach einer Phase des Experimentierens und Suchens etwa ab 1580 heraus. Dieses umfassende Konzept in der Ausstattung verbreitete sich nicht ohne Grund zur Zeit der Entstehung der großen Werke der lutherischen Orthodoxie, womit ein »enger Bezug [der Ausstattung, W. T.] zur Theologie«67 hergestellt ist. Bildlichkeit als solche hatte in Luthers Konzept einen wichtigen Stellenwert, die auf einer engen Verbindung zwischen Sprachlichem und Bildlichem aufbaute. Luthers Auslegung der Bibel zielt vor allem auf »Anschaulichkeit«68. Diese hatte wesentlich mit einem Neuansatz seines theologischen Denkens zu tun: Die durchgängige »Existenzbezogenheit der Geschichte Christi« mache ihre Anschaulichkeit aus. Weil Christus, das Ebenbild Gottes, »das Bild des Sünders« angenommen habe, darum sei daran alles »bildhaft, konkret und gegenwärtig«, gewinne deshalb eine »andere Farbe, Lebendigkeit und Existenzialität«69. Auch Luthers Operieren mit Metaphern kann als »bildhafte Rede«70 gewertet werden. Wesentlich ist hier Luthers Grammatikkonzept als »neue christologische Sprachlehre«, die den Aspekt des Bildhaften wesentlich einbezog.71 Luthers christologische Bildlehre muss somit als wichtiger Bestandteil einer »umfassenderen theologischen Sprachlehre« gesehen werden, indem einerseits ein enger Zusammenhang zwischen Sprachlehre und Bildlichem bestand72 und andererseits die theologische Sprachlehre im Sinne einer »christologische[n] Bildlehre«73 zu interpretieren ist. Luther zufolge gelangt erst im Neuen Testament die »Bildrede« zur Erfüllung,74 und Gesetz und Evangelium sind ihm zufolge »bildlich plausibilisierbar« 75. Der Reformator übte aber nicht das »Theoretisieren über Bilder«, sondern die »Verkündigung des Heils mit Bildern«76. Durch das Schriftprinzip wird nicht nur die Schrift als einzig relevante Quelle des Heils deutlich, sondern diese auch zum Ausgangspunkt reformatorischer Selbsthistorisierung, die Welt im Zeichen der Bibel neu zu gestalten – und zwar in der Person des »Propheten« Luther.

Reformation als Ereignis zwischen Prophezeiung und Naherwartung

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Reformation als Ereignis zwischen Prophezeiung und Naherwartung

Die Reformation fand wie skizziert »im Namen der Bibel, genauer im Dienste der Wiedereinsetzung der Heiligen Schrift als einziger und allumfassender Quelle von Theologie und Frömmigkeitspraxis«77 statt. Der Züricher Historiker Marcus Sandl hat sich in mehreren Arbeiten intensiv mit der Funktion der Reformation zwischen Prophezeiung und Naherwartung beschäftigt und die These vertreten, »daß die Bibel im Kontext der Reformation als politische Theorie im engeren Sinne in der Tat suspendiert wurde, nicht jedoch, um sie in ihren Gehalten auf einen geistlichen Aspekt zu beschränken, sondern um die Welt in all ihren Facetten als eine biblisch determinierte zu bestimmen.«78 Die reformatorische Wiederentdeckung veränderte somit die Welt nachhaltig und umfassend. Die »Differenz zwischen Immanenz und Transzendenz« war aufgehoben, »der Wahrheitsanspruch der reformatorischen Schrift­ auslegung fiel mit der historischen Ereignishaftigkeit des Gotteswortes selbst zusammen.«79 Im Horizont apokalyptischer Naherwartungen wurde das Wort Gottes in der Exegese nicht einfach erkannt, »sondern es wurde immer neu hergestellt und aktualisiert.«80 Luther war nach eigenem Anspruch nicht nur der »Verkünder der biblischen Wahrheit, sondern der biblisch verheißene Verkünder«81. In den Raum, den der Prophet als Reflexionsfigur schuf, konnte »das Neue als Neues«82 eintreten. In und mit der Figur des Propheten positionierte sich die Reformation somit sichtbar zwischen »Verheißung und Erfüllung«, zwischen der »Unendlichkeit der biblischen Interpretation und der Geschlossenheit des apokalyptischen Horizonts« im Sinne eines »Übertragungsereignis[ses]«83. An die Stelle zahlreicher Propheten trat somit ein Prophet. Alle spätmittelalterlichen Prophezeiungen kreisten um den kommenden Propheten und beschrieben diesen als Aspekt ihrer Erfüllung. Die Reformation erfüllte demgemäß eine historische »Doppelgestalt«:84 Zum einen wurde sie durch die ­Prophezeiungen »prä-figuriert«85, zum Zweiten kann davon ausgegangen werden, dass der Prophet genau dort seine figurative Kraft entfaltet, »wo sich die beiden im Grunde gegenläufigen Bewegungen der Prophezeiung, also die historische Schließung und die interpretatorische Öffnung« kreuzen: »Er selbst [scil. Luther, W. T.] ist eine figura der Prophezeiung, nämlich eine Art von temporaler Reflexionsfigur zwischen Verheißung und Erfüllung, Realität und Imagination, historischem Geschehen und Interpretation.«86 Die Reformation wird dieser Anschauung zufolge durch Prophezeiungen präfiguriert, ist mithin die »Erfüllung einer Verheißung«87, also gleichsam selbst Gegenstand einer Typologie. Marcus Sandl zufolge lag dem reformatorischen Schriftprinzip die Intention zugrunde, alle Schriften abzuschaffen, um das Wort Gottes wieder einzusetzen. Reformatorische Schriftauslegung zielte demnach weniger auf die Aussagen als auf ihre »Äußerungsformen« ab. Auch die Reformation kann als Ereignis demnach als nichts anderes bezeichnet werden als eine »Inszenierungsform der Heiligen Schrift«, durch die das Gotteswort eben seine »performative Kraft«88 sicherte. Der »Endzeitprophet« Luther war hier gleichsam zu einem dynamischen Relais geworden, durch das »Geschichte in Heilsgeschichte konvertierbar« war, jedoch eben auch in umgekehrter Weise »Heilsgeschichte in Geschichte verwandelt werden konnte«89.

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

Die beschriebene Selbsthistorisierung der Reformation im Zeichen von Prophezeiung und Erfüllung wurde von einem umfangreichen Mediendiskurs begleitet, der in der Anwendung des »Sinn-Medium[s]« Druck gipfelte: Die Reformation war dadurch besonders geschichtsmächtig, dass sie durch den von ihr verursachten epochalen Traditionsbruch die Zeit zu einer »konstituierenden Dimension des reformatorischen Geschehens« machte und sich genau dadurch zu dem Vorhergehenden in einen radikalen Gegensatz setzte. 90 Diese »zeitliche Wende« stellt einen markanten Bruch im generellen Verständnis dar, eine neue »Wende zur Zeitlichkeit, sprich zur Verzeitlichung der Erkenntnisbildung«91. Sandl stellt hier die »Ereignishaftigkeit der reformatorischen Erkenntnisbildung«92 in das Zentrum: »Die Reformation konstituierte sich selbst mit anderen Worten als historisches Ereignis, […]«93 und dies im Wesentlichen auf einer Kommunikationsschiene, die auf dem »Druckmedium«94 basiert. In der Hinsicht, als die Reformation nicht einfach an die Stelle des Alten etwas Neues (im Sinne von etwas Ursprünglicherem) setzte, sondern vielmehr »auf der Neuheit dessen, was sie verkündete, explizit insistierte«, machte sie die Zeit nicht nur zu einem »Modus der Erkenntnisbildung«, sondern sie schuf auch die Notwendigkeit einer »fortlaufenden Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung«95. Mediendiskurse der Reformation

Wichtig ist es in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Reformation mit einem »Mediendiskurs« einsetzte und dieser Mediendiskurs die Reformation begleitete und unterstützte. Sandl stellt hier das »Selbstverhältnis des Medialen« heraus, also die »zeitgenössische Reflexion der medialen Form der Erkenntnisbildung sowie die faktische Unentrinnbarkeit der in ihrer konkreten Materialität liegenden Voraussetzungen«96. Und er konstatiert bei der Reformation eine »neue Aufmerksamkeit für Medialität als Differenz«97. Die Reformation unterwarf tendenziell alle Medien der »Logik des gedruckten Wortes«98. Sie entwarf sich selbst aus der »Logik ihres Mediums, des Gotteswortes« heraus, in dessen Namen sie mit der Tradition brach. Reformationsgeschichte ist insofern zugleich Mediengeschichte, »als sich die Historizität des reformatorischen Erinnerungsaktes aus dem Selbstverhältnis des Medialen ergibt.«99 Der beeindruckende Erfolg Luthers bestand nach Sandl gerade darin, dass er die »eigenen theologischen Einsichten in der materialen Form des Druckmediums« begründete. Somit konvergierte die Plausibilität seiner theologischen Einsichten »mit der medialen Form ihrer Produktion und Verbreitung« – gipfelnd im »Sinn-Medium Druck«100. Insgesamt ist aufgrund dieser Entwicklungen eine neue Bedeutung von Medialität an sich festzustellen: Die »Medialität der sakralen Kommunikation« rückte zunehmend in den Blick, zugleich die »Frage nach dem Verhältnis von Medium und dem Medialisierten«101. Die Reformation setzte das Mediale »gegen die mittelalterliche Ordnung der Präsenz des Heiligen«102, und viele reformatorische Inhalte waren in keiner Weise von ihren »Äußerungsformen« zu trennen, was besonders am Ereignis des Thesenanschlags deutlich wird.103

Mediendiskurse der Reformation

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Dazu kommt in der Reformation eine Fokussierung der christlichen Lehre in Bezug auf das direkt angesprochene Subjekt, was auch für die Frage der Vermittlung von Typologie und ihren Rezeptionsmöglichkeiten nicht ohne Bedeutung ist: Der eigentliche »Sprengsatz der reformatorischen Lehre« bestand darin, dass der Sinn der biblischen Botschaft als »Heilsgewissheit« auf der »Seite des Subjekts« zentriert und damit das reformatorische Subjekt selbst zu einem »eigensinnigen und exzentrischen wurde«104: »Ereignishaftigkeit und Subjektzentriertheit der beginnenden Reformation«105 sind die grundlegenden Faktoren in Bezug auf die Leser und Hörer des Wortes. Dies bedeutet konkret den »reformatorische[n] Primat der Lektüre«, die »uneinholbare Eigenlogik des Gotteswortes als des einzig wahren sakralen Mediums« als Grundlagen für das »Prinzip der richtigen Subjektkonstitution«. Wenn sich der solcherart Angesprochene dem Gotteswort nicht verschloss, das ihm medial neu vermittelt wurde, dann »konstituierte er sich als dessen Adressat, und das hieß: als Gerechtfertigter« 106. Hier realisierte sich das Ereignis »als sinnzentrierte Lektüre«, als »Erlebnis im Rezipienten selbst«, der damit zum Zeitzeugen wurde.107 Die fundamental neue Bedeutung des Subjekts im Rahmen der Reformation erfüllte sich demnach vor allem in einer »Ermächtigung des Subjekts als imaginationsfähiges«108. Wenn sich also Sinn und Zielsetzung der Reformation also letztlich im Beobachter konstituierten, der sich als Zeitzeuge eines Ereignisses wahrnahm,109 dann waren auch die Grundbedingungen für die Rezeption typologischer Inhalte ganz andere als bei den Altgläubigen, welche die Typologie nie unmittelbar an die Dimension des Historisch-Ereignishaften sowie an das Subjekterlebnis im Rezipienten knüpften. Alle diese Faktoren bedeuteten aber nicht die Auslöschung von Sinnlichkeit in der Vermittlung der Reformation – im Gegenteil: Die ästhetische Dimension wurde nun vielmehr »auf der Seite des Wortes zentriert«110. Im Gotteswort konnte der Mensch Gottes in einer ganz konkreten Weise ansichtig werden. Der Schrift kam also in einem umfassenden Sinne »Wirklichkeit« zu. Durch sie entstand »ein wahres Bild Gottes, […]«111, und die Schrift artikulierte sich in gewisser Weise »als Bildlichkeit«112. Aus dieser Perspektive wird verständlich, wie theologischer Sinn nicht einfach postuliert oder tradiert, sondern in der für die Reformation typischen Ereignishaftigkeit ständig neu geschaffen werden konnte. Ein theologischer Sinn wurde nicht mehr vorausgesetzt und als vorausgesetzter erkannt, sondern performativ unterlegt, somit »permanent produziert und neu hervorgebracht«. Die Reformation stellte somit in ihrer theologischen Erkenntnisbildung »an die Stelle der offenen Zeichenverkettung der Tradition eine biblisch geschlossene.«113 Diese Haltung hat auch für die Ausbildung typologischer Sinnhorizonte grundlegende Konsequenzen: Heilsgeschichte wurde nicht mehr einfach abgebildet, sondern die Reformation sah sich selbst in einem neuen und direkten Verhältnis zur Heilslehre: »Die Reformation war mithin nicht der Endpunkt der Heilsgeschichte, sondern die Bedingung ihrer Ermöglichung.«114 Ohne Zweifel wurden mit dieser vielfältigen reformatorischen Neukonstitution von Ereignishaftigkeit, Wortzentriertheit, Selbsthistorisierung sowie Abneigung gegenüber Tradition und Allegorie Grundlagen geschaffen, die in Bezug auf die konkreten Auswirkungen in den

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

Bildkünsten weitreichend als »Reformation of the Image« ( Joseph Leo Koerner)115 bezeichnet wurden. Die Rolle von Text und Bild in der Kunst der Reformation

Die Bilderfeindlichkeit protestantischer Kunst wurde in der jüngeren Forschung einer kritischen Überprüfung unterzogen, wenn davon die Rede ist, dass sie »renewed rather than removed church pictures«116. Luther selbst bezeichnete die Sakramente als »sichtbare Worte«117. Ob dieser postulierte »triumph of the verbal over the visual« als »proper reformation of the image« ( Joseph Leo Koerner)118 gesehen werden kann, sei dahingestellt. Wesentlich ist aber, dass die Reformation in vieler Hinsicht eine Systematisierung der Bildsprache zur Folge hatte – im Sinne der Religion als »system that can be diagrammed«119. Dagegen sollte nach Johannes Erichsen120 stärker danach zu fragen sein, was für die Autoren Vorrang hatte – Text oder Bild? Die Bibelverse121 im Sinne von Fußnoten zu den Bildern oder das Bild als die wahre Verkörperung biblischer Texte? Theologisch scheint der Primat der Schrift, »die sich selbst christologisch auslegt«, indem Christus als Objekt und Subjekt der Schrift angesprochen werden kann, eindeutig zu sein: Das gesprochene Wort gilt als »fundamentale Gestalt des Evangeliums«. Die Schrift ist für Luther »mittelbar (als Gesetz) und unmittelbar (als Evangelium)« Zeugnis von Christus; sie legt sich gleichsam selbst christozentrisch aus – »von Christus als ihrer Mitte her«122. In der reformatorischen Forschung kann man deshalb vorherrschend von »Wortverehrung« und »Wortfetischismus«123 lesen. In der jüngeren Literatur kam man allerdings – abseits gängiger theologischer Meinungen – zu einem differenzierteren Blick, was das Verhältnis zwischen Text und Bild in den Werken selbst betrifft. Diese führen insgesamt zu einer deutlichen Aufwertung des Bildlichen im Protestantismus. Zur Frage des Primats von Text und Bild

Nach vorreformatorischen Ansichten kam der Schrift nicht der »Charakter eines dem Ritual entgegengesetzten Sinnmediums« zu. Vielmehr war sie in der ihr eigenen Materialität »ein konstitutiver Bestandteil des Ritus, also ein Kultgegenstand«124. Der reformatorische Standpunkt geht in einer inversiven Wendung gegen diese Präsenzsituation davon aus, die der Schriftlichkeit eigenen Sinnpostulate zu hypostasieren »und damit die Schrift selbst zum Heilsmedium zu machen.« In der Schrift entfalteten sich demnach alle Möglichkeiten, das Kritisierte zu ersetzen und einen »alternativen Heilsweg« einzuschlagen. Die Schrift wurde demgemäß auf sich selbst bezogen »und sie erhielt in dieser Selbstreferentialität die Signatur eines absoluten Mediums.« In der von den Reformatoren propagierten »Schriftlichkeit als epistemologische Form« gewann die Reformation ihre spezifische historische Gestalt.125 Margit Kerns Beitrag zur Ausstattung der Marienkirche in Pirna (1546) versucht neue Fragen auf das reformatorische Verhältnis zwischen Text und Bild zu werfen: Um die Wirk-

Zur Frage des Primats von Text und Bild

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macht der Heiligen Schrift und des göttlichen Sprechens in intensiver Weise zum Ausdruck zu bringen, erhalten in dieser Ausstattung die Inschriften eine »körperliche Qualität und werden verstärkt bildlich inszeniert.«126 In beiden Diskurssystemen, in Wort und Bild und eben nicht nur im Bild allein, gewinnt die Formierung von Wissen durch Bilder, im Sinn der Rolle des Bildes als genuines Erkenntnismedium, wieder verstärkt an Bedeutung.127 Die diskursive Aussage der Inschriften wird im Bild – somit gleichsam in einem anderen Medium – bestätigt, das heißt unmittelbar evident gemacht und so verifiziert. Die Rolle der Bilder kann somit anhand des typologischen Zyklus in der Marienkirche in Pirna für das Luthertum neu definiert werden. Die Texte erhalten dort durch ihre Inszenierung im Bild quasi-performativen Charakter: »Der Schriftzug ist Teil eines bildlichen Geschehens, das die Textaussage einlöst und damit verifiziert.«128 Da der Anspruch, die Wahrheitsfähigkeit der jeweiligen Schriftauslegung unmittelbar erfahrbar zu machen, am ehesten im Medium des Bildes gelingen konnte, zeigen die Visualisierungen in der Kirche von Pirna Inschriften in Handlungszusammenhängen und ordnen ihnen so »körperliche Merkmale« zu. Im Gegensatz zu den diskursiven Praktiken von Sprache und Schrift zeichnet sich in diesem Zusammenhang eine »höhere Wahrheitsfähigkeit des Körpers und so auch des Bildes« ab. Die Schriftzüge werden in Pirna in innovativer Weise mit körperlichen Merkmalen ausgestattet, wodurch die Fiktion einer materiellen Existenz gegeben scheint.129 In den Fresken der Marienkirche wird somit deutlich, wie Typologie in Text-Bild-Kombinationen neu definiert werden konnte, indem die »blockartig eingesetzte Schrift« das Alte, »die körperliche, bewegte, bildhafte Realisierung des Prophezeiten«130 das Neue verkörpert. Das höchst innovative Ergebnis ist ein neuartiges »Zusammenspiel von Wort und Bild«131. In diesen Beispielen zeigt sich ein zentrales Anliegen, nämlich die »neutestamentliche Einlösung der angekündigten Heilstat, des alttestamentlichen Gnadenversprechens«, anschaulich zu machen.132 In Pirna wird die Textaussage zugleich in bildlicher Form realisiert: Die Bibelzitate transzendieren ihre Textsemantik und werden im Bild als performative Äußerung inszeniert, indem sie sich selbst aufführen und realisieren. Hier wird der Sinn der Worte durch die Bildhandlung »reinszeniert«. Daran hat das fundamentale lutherische Prinzip der Selbstauslegung der Schrift, Scriptura sui ipsius interpres133, wesentlichen Anteil. Dieses basiert letztlich auf Ambrosius’ Meinung, Christus sei der »wahre Ausleger der Schrift«: scripturae verus interpres Christus134. Luthers Theologie geht deshalb von einem einheitsstiftenden sensus principalis aus, der es ablehnt, aus dem Wort Gottes einzelne Worte eraus [sic!] [zu] zwacken135. Diese Art der »Visualisierung der Christologie im Schriftbild« lässt sich auch bei katholischen Bildprogrammen beobachten, etwa in Johann Michael Rottmayrs Deckenmalereien der Breslauer Jesuitenkirche (1706):136 Das aus vier Engeln gebildete, strahlende IHS gewinnt hier als Schrift fast »körperliche Qualitäten«137 im Sinne einer »eucharistische[n] Interpretation des Christusmonogramms«138. Aus dieser Perspektive ist es auch sinnvoll, Texte und Bilder in reformatorischen typologischen Konstruktionen nicht als antithetische, sondern ineinander verschränkte Bestandteile einer Aussage zu begreifen: Die Texte auf protestantischen Bildern der Kreuzigung Christi wenden sich häufig »in direkter Rede« an den Betrachter mit der Aufforderung, den Gekreu-

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

zigten anzuschauen und die eigene Sünde zu erkennen.139 Durch die Art seiner Anbringung erhält der Text in diesen Fällen »Bildcharakter«140. Es besteht sogar eine gewisse Gefahr des Mediums »Bild« in der Kunst der Reformation, dass es mit »seiner ihm eigenen Unmittelbarkeit fast zwangsläufig zum Adressaten der Kommunikation würde«, dass es gleichsam den Blick verstellen und zu einem »Störfaktor der Kommunikation«141 würde. Entgegen Joseph Leo Koerner, der die Kunst der Reformation dahingehend beurteilt, dass sie das visuelle Potenzial zugunsten der Schrift einschränkte, formulieren viele protestantische Bilder eine »Symbiose« zwischen Text und Bild; sie verweisen gleichsam aufeinander.142 Wichtigstes Anwendungsgebiet dieser medialen Verschränkung und Verdichtung ist wohl der Wandelaltar, der in der Reformation zum typologisch unterlegten Altar umgeformt wurde, und dessen Funktion vorwiegend darin bestand, den Gläubigen in seinem Glauben direkt anzusprechen: »Die Wandlung eröffnet einen Raum, der dem Betrachter das Heil nahebringt und erfahrbar macht.«143 In Joos van Cleves Verkündigung an Maria (New York, Metropolitan Museum of Art, um 1525)144 ist im Hintergrund ein halbgeöffnetes Altarretabel sichtbar, das den Blick auf die Begegnung von Abraham und Melchisedech, inschriftlich bezeichnet, freigibt. Christus ist hier nicht selbst bildlich präsent, sondern in einem alttestamentlichen Vorbild: »Die Wandlung des Altarbildes öffnet diese in das doch Verborgenbleiben. Die Enthüllung kann in diesem Medium nur eine Verhüllung bleiben.« Eucharistische Wandlung geschieht real »und bleibt doch den Sinnen verborgen.«145 Die neue Rolle des Betrachters in der Reformation

Das Schneeberger Retabel, 1539 in der Pfarrkirche aufgestellt, zeigt eine stufenweise Enthüllung bis zur Kreuzigung Christi. Die spezifische »Wandlung des Schneeberger Retabels« bezieht sich aber nicht mehr auf die theologisch bestrittene Wandlung der Eucharistie durch den Priester. Der Bildträger und seine spezifischen medialen Möglichkeiten, »das wechselnde Bildangebot, das Öffnen und Schließen, Verbergen und Enthüllen, das Von-Außen-nach-Innen-Hineinschauen«, werden aufgegriffen und mit neuen Bedeutungen belegt. Die Öffnung vom Sichtbaren ins zuvor Unsichtbare bleibt in gewisser Weise erhalten; das Retabel öffnet sich aber nicht in einen Raum künftig bereiteten Heils, sondern in das Innere des vor ihm Stehenden. Es wandelt ihn dergestalt, indem es argumentiert und den konkreten Gläubigen »als Vorbereitung zum Empfang der Gnade im Abendmahl« befragt. Das Retabel wirkt damit gewissermaßen auf eine »Wandlung des Kommunikanten zum Glauben«146 ein. Das Flügelretabel ist bei Cranach somit als »bildliches Ordnungssystem« anzusehen, das nicht nur die Vermittlung reformatorischer Inhalte an sich zum Ziel hat, sondern ganz wesentlich die »Einbeziehung des Betrachters in das Bildsystem«. Indem der Betrachter die Bildverweise, Bild­enthüllungen und auch die zahlreichen Typologien nachvollzieht und aufzulösen versucht, macht er selbst eine »Verwandlung« durch, die in einem direkten Zusammenhang mit seinem Empfang der Kommunion steht.147 Es konnte anhand des Schneeberger Retabels zudem deutlich gemacht werden, dass die Wahl des verbreiteten typologischen Bildformulars von Gesetz

Zur »Standardisierung« von Typologie in Gestalt des Gesetz und Gnade-Typus

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und Gnade nicht primär wegen seiner reformatorischen Bedeutung Anwendung fand, sondern aufgrund »seiner Struktur, die es erlaubt, den mittig stehenden Lebensbaum in einem komplexen Bildsystem mit dem Kreuz des Kalvarienbergs zu überblenden.«148 Alles dreht sich im Schneeberger Altar um die »sakramentale Mitte«. Wenn der Betrachter die verschiedenen Bezüge, Analogien, Typologien und Antithesen, wie intendiert, auf sich selbst bezieht und memoriert, so erfasst er nicht nur die »Bedeutung des Heilsplans«, sondern »empfängt diese [im besten Fall] in heilsrelevanter Konsequenz für die eigene Person.«149 Es ist dies ein Prozess, der von der Forschung als »Heiligung des Betrachters« 150 verstanden wurde. Der Gläubige wird somit in der Reformation – mittels der Typologie – nicht nur über etwas ihm vielleicht Fernstehendes informiert, sondern im »Wandelaltar« selbst zum Gegenstand einer inneren Wandlung zum wahren Glauben gemacht. Der bekannte reformatorische Typus der Gegenüberstellung von Gesetz und Gnade erlaubte es somit, den Betrachter in intensiver Weise in die Realisierung eines Glaubensaktes zu integrieren, ihn nicht mit einem vielleicht fernen Heilsgeschehen zu konfrontieren oder zu belehren, sondern ihn, weil unmittelbarer Adressat, zu einem essenziellen Teil des Vollzugs dieses Heilsgeschehens zu machen, das ohne ihn letztlich nicht reale Gestalt annehmen kann. Diese Art der »Internalisierung« von Typologie in seiner absoluten Bindung an das Individuum, das unmittelbar und persönlich angesprochen wird, besitzt gegenüber dem althergebrachten System der Typologie deutliche Vorteile. Durch die häufige Anwendung des Gesetz und Gnade-Typus wird die ungeheure Breite typologischer Variationsmöglichkeiten seit dem Hochmittelalter auf eine grundlegende und in der Folge visuell standardisiert verwendete Formel zurückgeführt, Typologie damit zugleich auf das Essenzielle reduziert. Zugleich ist mit dieser reformatorischen Bildformel [die aufgrund der zahlreichen, immer wiederkehrenden Inschriften auch eine Textformel ist] nicht nur ein bestimmtes Modell theologischer Weltsicht formuliert, sondern zugleich die Reformation nach außen mit einer bestimmten »Formel« identifiziert und gleichsam vermittelbar gemacht. Zur »Standardisierung« von Typologie in Gestalt des Gesetz und Gnade-Typus

Im Gegensatz zur hoch- und spätmittelalterlichen Situation existiert somit im Protestantismus ein typologisches Bildschema, das in mehreren Versionen und Überlieferungen, letztlich aber in einem grundsätzlich standardisierten Schema vorliegt151 und aus traditionellen Motiven neu konfiguriert worden war. Deutlich ist der Charakter dieses Bildtypus von Gesetz und Gnade als Redaktion einer intensiven Kooperation von Theologen und Malern.152 Der Gothaer Typus zeigt die »Parallelführung des Todesspießes und des Gnadenblutes auf den Sünder«153. Dieser Typus kann als »knapper lutherischer Katechismus«154 beschrieben werden. Im berühmten Altar Lukas Cranachs d. Ä. und J. in der Weimarer Stadtkirche (1555) ist hinter Luther »als dem neuen Moses« Cranach zu sehen, der sich als »Verkünder auch des lutherischen Glaubens mitverstanden haben«155 mag. Von zentraler Bedeutung ist hier die Betonung der Gegenwärtigkeit: »Die Geschichte der Erlösung ist geschehen, ihr Ergebnis

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

gegenwärtig.«156; zugleich findet eine außergewöhnliche »Simultaneität der Zeiten« auf dieser Tafel statt: Alle sind gleichsam Zeitgenossen – Moses, die Propheten, Johannes der Täufer, der Erlöser, Luther und Cranach – ein Faktum, das Friedrich Ohly zur Bezeichnung »Simultanbild«157 anregte. Hinter einer solchen Anschauung können nach Frank Büttner grundlegende »argumentative« Prinzipien ausgemacht werden, die das Bild im Sinne rhetorischer Prinzipien vor allem als »Rede« funktional bestimmen: Die argumentatio des Weimarer Altars wäre nach Büttner somit als zentraler Teil einer Rede zu verstehen.158 Dieser Altar als Beispiel argumentativer Darstellungsformen ist zugleich durch »Diskontinuitäten« gekennzeichnet.159 Die entsprechende Argumentation basiert wesentlich darauf, dass einzelne Feststellungen wie auch komplexere Aussagen so zusammengefügt werden, »daß sie zu einem bestimmten Schluß führen.«160 Die einzelnen Bildmotive werden in diesem Sinn zu notwendigen Gliedern einer übergreifenden und stringenten Argumentationskette, und der Betrachter wird »geradezu genötigt, den Zusammenhang zwischen beiden Ebenen herzustellen, indem er sie in einem Schluß aufeinander bezieht.«161 Das dadurch geforderte »Mitdenken des Rezipienten« sowie die »Einbeziehung des Betrachters« sind konstitutive Bestandteile im Verständnis dieser rhetorisch angeleiteten Form der Typologie.162 Die Typologie kann allerdings bei Cranach nicht als das »umfassende Erklärungsmodell« dienen: Der von Tod und Teufel gehetzte (links) und der auf den Gekreuzigten blickende Mensch (rechts) dürfen nicht im Sinne einer typologischen Relation verstanden werden.163 Die Gesetz und Evangelium-Antithetik entspricht vielmehr der Theologie von Melanchthons Loci communes (1521) (Gothaer Typus) und anderer,164 der Prager Typus hingegen Luthers Anschauung.165 Bei Cranach wird das »Argumentationssystem« in der Weise ausgebreitet, dass es zentrale Begriffe protestantischer Theologie umfasst. So können »vor dem Bild« die theologischen Begrifflichkeiten expliziert und direkt auf den Gläubigen bezogen werden.166 Neuerdings wurde die bisher gängige Chronologie dieser Gesetz und Gnade-Thematik relativiert,167 vor allem hinsichtlich des bisher unbestrittenen Eckdatums (vor 1525) der Entwicklung des dem »Erlanger Schema«168 zugrunde liegenden Konzepts.169 Erichsen zufolge repräsentiert der Erlanger Holzschnitt nicht selbst den Prototyp des Gesetz und Gnade-Schemas, aber dessen »Urform«170. Entscheidend bleibt das Faktum, dass das Bildprogramm bald nach dem Jahr 1522 entwickelt, diese Komposition aber im Laufe der Jahre, besonders seit 1529 (Antinomer-Streit), überarbeitet worden sein dürfte.171 Standardisierte Formen des Gesetz und Gnade-Typus tauchen in der reformatorischen Bildkunst in unterschiedlichen Medien immer wieder auf. Zugleich zeigt sich, welche Rolle typologisch unterlegte Bildmodelle in konfessionell umkämpften Gebieten besaßen: So tritt kurz nach dem Jahr 1570 ein Bildtyp auf, bei dem der zentrale Kruzifixus von je zwei Vertretern des Alten und Neuen Bundes, zumeist Moses, David, Paulus und Johannes dem Täufer, flankiert wird. Als entsprechendes Referenzwerk ist ein dreistöckiger Marmoraltar im Dom von Eichstätt von Philipp Sarder (1570) anzusprechen: Ein unmittelbarer Bezug auf das Rahmenthema Gesetz und Evangelium ist aber nicht gegeben – es fehlt hier die Darstellung des nackten Menschen im Zentrum.172 Die Ikonografie dieser Altarbilder ist

Johann Michael Dilherr und die »Frömmigkeitstheologie«

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somit »konfessionell nicht eindeutig festgelegt«. Dieser Bildtypus kann vielleicht als der »reformkatholische Gegenentwurf zum protestantischen Gesetz-und-Evangelium-Bild«173 gesehen werden. Gleichzeitig, vielleicht aber kurz zuvor, aber kaum unabhängig vom Eichstätter Altar, entstand ein Kupferstich als Einblattdruck (nach 1570) 174 von Hieronymus Wierix (Stecher) nach einer Invention von Krispin van den Broecke und verlegt bei Hans van Luick.175 Die hier beschriebene »Standardisierung« der reformatorischen Typologie, die in zahlreichen Gattungen zu beobachten ist, hat dort ein Ende, wo im Kontext reformatorischer Kompendien in umfassender Weise die Typologie selbst zum Gegenstand gemacht wird: Dies wird besonders in Augustin Hirschvogels Concordantz […] deutlich, die in vier verschiedenen Fassungen im Jahr 1550 in Wien gedruckt wurde. Der beachtliche Innovationsgrad dieses Werkes besteht darin, dass in dieser Publikation zahlreiche typologische Kombinationen anzutreffen sind, die es zuvor nicht gegeben hatte.176 Bei den 52 Blättern stehen jeweils zwei Illustrationen (Radierungen) auf einer Seite, und zwar immer zwei Bilder des Alten Testaments auf der linken und zwei Bilder des Neuen Testaments auf der rechten Seite. Typologisch ist das Programm so zu lesen, dass sich inhaltliche Beziehungen nur zwischen den in einer waagrechten Reihe gegenüberstehenden Bildern ergeben.177 Kennzeichnend ist hier vor allem die Gegenüberstellung zwischen der Opferung Isaaks und der Kreuzigung Christi: Das Holztragen Isaaks ist eine Begebenheit, die im Bibeltext nicht vorkommt; sie wurde vielmehr allein als typologische Entsprechung zur Kreuztragung geschaffen. Es geht hier um die »freiwillige Bereitschaft« Isaaks, Abrahams sowie Christi, den Willen Gottes zu erfüllen.178 Auch in der Gegenüberstellung der Begebenheit »Elia beruft Elisa« mit »Ein Nachfolger Christi am Pflug« wird der offensichtliche Parallelismus in der Darstellung des Ziehens des Pfluges in das Zentrum der visuellen Argumentation gestellt.179 Johann Michael Dilherr und die »Frömmigkeitstheologie«

Die Bedeutung typologischer Zusammenhänge in der Reformation wird nicht nur anhand des verbreiteten Gesetz und Gnade-Typus oder in entsprechenden innovativen Kompendien deutlich, sondern auch in der »persönlichen« Ikonografie vieler reformatorischer Prediger. Die darin zum Ausdruck kommende »Frömmigkeitstheologie« (Berndt Hamm) ist zwischen einer Zentrierung des theologischen Spektrums auf Christus und der lebensweltlichen Verankerung von Glaubensinhalten angesiedelt und produziert »Frömmigkeitsbilder«, in denen die »Verschränkung von inschriftlich hervorgehobenem Wort und anschaulichem Bild« einen intellektuellen wie normierenden Mehrwert zu erzeugen imstande ist.180 Dies kann am Beispiel berühmter Prediger verdeutlicht werden: Johann Michael Dilherr (1604–1669) war ein protestantischer Theologe und Philologe in Jena und Nürnberg.181 Ab 1623 studierte er an den Universitäten Jena, Leipzig, Wittenberg und Altdorf bei Nürnberg. Zu dieser Zeit nahm er auch eine Stelle als Hofmeister adeliger Studenten ein. 1630 erfolgte seine Promotion zum Doktor der Theologie in Jena, wo er ab 1631 als Professor für Beredsamkeit und ab 1634 als

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

Professor für Geschichte und Poesie wirkte. 1642 wurde er vom Rat der Stadt Nürnberg berufen, um dort das Predigeramt an der Kirche zu St. Lorenz zu übernehmen. Zugleich sollte er als Aufseher das Schulwesen reformieren. 1646 übernahm er das Predigeramt an der Sebalduskirche, der vornehmsten Kirche der Stadt. Dilherr wirkte auch als Nürnberger Stadtbibliothekar. Der vielbeschäftigte Professor und Prediger war sowohl als Geistlicher als auch als Förderer der Literatur eine der zentralen Gestalten Nürnbergs in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Er gilt als Vertreter der irenischen Richtung der Theologie, die eine Versöhnung der Konfessionen anstrebte. Seine Erbauungsschriften erfreuten sich bei den Zeitgenossen großer Beliebtheit und wurden von anderen nachgeahmt. Bekannt sind auch zahlreiche gedruckte Leichenpredigten aus seiner Hand. Zahlreiche seiner Werke ließ Dilherr von bekannten Literaten in Nürnberg mit Gedichten ausschmücken und von Künstlern wie Jacob van Sandrart illustrieren. Ein verbreiteter Kupferstich von Jacob van Sandrart nach Georg Strauch (Abb. IV.2) zeigt Dilherr im Alter von 52 Jahren und ist 1656 entstanden. Als Hüftbild konzipiert, ist der Prediger nach halblinks vor einem Quaderwand-Winkel stehend gegeben; darin befindet sich links eine Nische mit Kruzifix, rechts ein achteckig gerahmtes Emblembild mit dem Motto In foraminibus Petrae quiesco., darunter ein halbverdecktes Wappen. Über der Darstellung sieht man eine zweizeilige lateinische suprascriptio, IOHANNES MICHAEL DILHERRUS, THEOLOGUS / Noriberg. nat[us] Themaræ in Francon[ia] Ao. MDCIV. d[ie] XIV Octobr., unter dem Porträtierten den Namen mit dem Anagramm JOANNES MICHAEL DILHERRUS. / αναγραμ: / MIRUS HENOCH, ELIAS, DANIEL, darunter sechs lateinische Verse eines Distichons, bezeichnet mit H. P. G. [Georg Philipp Harsdörfer?].182 Triga Prophetarum DILHERRO apparet in uno. / (Nomina sic rebus consociata placent.) / MIRUS HENOCH, pietate suâ, Coelestia curat: / ELIAS reserat vincla superna, prece; / Et fovea ut DANIEL, maledictis saepè probatus. / DILHERRUM faciunt haec tria Theiosophum. In deutscher Übersetzung lauten die Verse des Distichons: Das Dreigespann der Propheten tritt uns in dem einen Dilherr entgegen (so mit Dingen verbunden, gefallen uns Namen). Der wundersame Henoch kümmert sich mit seiner Frömmigkeit um das Himmlische; Elias löst mit seinem Gebet die Fesseln des Himmels; und wie Daniel in der Löwengrube, durch Verleumdungen oft auf die Probe gestellt, macht diese Dreiheit Dilherr zum Gottesdenker. Diese Verse führen anhand einer anagrammatischen Rekombination des Namens Joannes Michael Dilherrus den Beweis, dass in den nomina selbst das Wesen der bezeichneten Dinge liegt, ergibt doch das Anagramm die Namen jener drei Persönlichkeiten des Alten Bundes, als deren Wiederverkörperung Dilherr gepriesen wird.183 Darunter befindet sich eine einzeilige lateinische Widmung: Incomparabili viro à Fautoribus & Amicis d. d. Ao. 1656.

Johann Michael Dilherr und die »Frömmigkeitstheologie«

Abb. IV.2: Der Prediger Johann Michael Dilherr, Jacob van Sandrart nach Georg Strauch, 1656 (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek)

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

Der Porträtierte befindet sich inmitten einer typologischen Relation, die allerdings nicht Typus und Antitypus in klassischem Sinn miteinander kombiniert: Der Gekreuzigte links ist als Standkreuz in der Nische gegenwärtig, rechts sieht man ein oktogonales (!) Bild bzw. Spiegel, das an einem Nagel (Hinweis auf die Passion!) hängt: Das Bild zeigt eine Taube, die in eine Felsennische fliegt, davor befindet sich ein Felsen, der eine weitere (sitzende) Taube darstellt. Damit wird auf die Seitenwunde Christi angespielt. Dem entspricht auch die Haltung der Linken Dilherrs, die zum Herz geht: In dieser Hinsicht wird ein typologisches Verhältnis zwischen dem überragenden christologischen Vorbild und dem Porträtierten aufgespannt. In foraminibus (Öffnungen) Petræ quiesco. (Hld 2, 14)184 auf dem Schriftband über den Felsen ist zugleich der Wahlspruch des Porträtierten (darunter sein Wappen mit drei Sternen auf einfachem Grund), zeigt also unmittelbar die Frömmigkeit des Predigers an, dessen Versenkung in das Herz Jesu mittels der in die Felsenlöcher fliegenden Tauben anschaulich zum Ausdruck gebracht wird. Die Beischrift In foraminibus Petræ quiesco. (rechts) verweist auch auf den Gekreuzigten in der Nische (links), in dessen Wundmale (die Felsenhöhlen) sich die Taube (die Kirche bzw. Seele) flüchtet.185 Nicht nur die Darstellung im Oktogon selbst ist diesem Gedanken gewidmet – unterstützend wirkt auch der kahle Innenraum, dessen Steinstruktur ebenfalls Löcher und Brüche aufweist. Mit seinem Wahlspruch sind zugleich die beiden Pole charakterisiert, die das Leben des Dichters bestimmen – »reformatorische Kreuzestheologie und religiös-emblematische Erbauungsliteratur«186. Das Zitat aus dem Hohelied wurde seit der Väterzeit auf die Zuflucht der Kirche oder Seele in den Wunden Christi ausgelegt.187 Gabriel Biel (um 1415–1495) erklärte, dass die in Hld 2, 14 erwähnten Löcher im Felsen, in denen Tauben nisten, den Wunden Christi entsprechen würden.188 Mit diesem Bild der in eine Felsenspalte fliegenden Taube wird somit offensichtlich auf die Verehrung und den Kult der Wunden Christi angespielt.189 In Johannes Davids Paradisus Sponsi et Sponsae […] (11607) wird im Stich Nr. 45 das Fliegen der Taube in die Felsenhöhle als Typus der apertio lateris.190 (Abb. IV.3) verstanden, ebenso im zweiten Band von Andreas Spanners Polyanthea sacra […] (11702),191 in dem im Abschnitt über die vulnera Christi unter den in Frage kommenden figurae und symbola des Alten Bundes auch Hld 2, 14 (Columba mea in foraminibus petrae) zitiert wird. Im Folgenden wird von Spanner darauf hingewiesen, wie anstrebenswert es sei, in die Löcher des Gesteins eindringen zu können, da der Felsen selbst Christus anzeigt. Mit der Formulierung Quae sunt foramina petrae, nisi vulnera? wird mehrmals die rhetorische Frage gestellt und zugleich die Antwort geliefert, dass die Löcher des Gesteins den Wunden Christi entsprechen: So wie sich die Tauben in den Spalten des Gesteins einnisten, so soll sich das Herz des Gläubigen in der Seitenwunde Christi versenken, das ist der Imperativ, der dieser Art von Typologie zugrunde liegt. Das Fliegen der Taube in die Felsenhöhlen eröffnet einen weiten Kosmos an inhaltlichen Beziehungen, einerseits in Bezug auf die Symbolik der Heilsgeschichte mit der Vorstellung des Lebensquells, der aus der geöffneten Seite Christi entspringt ( Jo 7, 37f.)192 sowie hinsichtlich der Verehrung der Seitenwunde Christi ( Jo 19, 34), die nach patristischem Verständnis die Grundlegung der Kirche bedeutet (apertio lateris) und auch in der jesuitischen Propaganda

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der Stiche von Hieronymus Wierix um 1600 umfassend zum Thema gemacht wurde,193 andererseits in Bezug auf den Charakter des »persönlichen« Autorenporträts Dilherrs. Zudem wird mit der Inschrift unten ein weiter Referenzrahmen an Vorbildlichkeit aufgespannt, der sich, wie erwähnt, auf drei exemplarische Gestalten des Alten Bundes bezieht: Der Versaldruck der Prophetennamen entspricht den in Fettdruck hervorgehobenen Tugenden dieser drei herausragenden Figuren, die gleichsam prototypisch für den Dargestellten stehen. Es geht aber hier nicht nur um ein »Vergleichs- bzw. Nachahmungsverhältnis«, sondern indem Dilherr die Vorläufer des Alten Bundes überragt, wird er gleichsam zum »Garanten eines Weiterlebens und Weiterwirkens der biblischen Überlieferung auf einer qualitativ höheren Ebene«. Die Propheten werden durch dieses »säkularisierte typologische Verfahren« fast »zur praefiguratio des antitypus Dilherr degradiert.«194 Abb. IV.3: Johannes David, Paradisus Sponsi et Sponsae […], Nr. 45 (APERTIO LATERIS), 1617 Der Stich Sandrarts geht auf eine (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek) Traditionslinie zurück, die aber nicht in der protestantischen Ikonografie wurzelt: Der erwähnte Stich in Johannes Davids Paradisus sponsi […] (1607)195 bildet das entsprechende Vorbild für Hieronymus Wierix’ Blatt (vor 1619),196 das anstelle der Mater dolorosa den weisenden Jeremias ( Jer 48, 28) auf der rechten Seite zeigt und die Taube als Vorbild für den Menschen preist (estote quasi columba). In Davids Traktat wird das Jeremias-Zitat der auf einer Leiter zu Christus steigenden (und betend gegebenen) Seele zugeordnet. Die Taube bildet bei Wierix das Bild der geflügelten und ein Herz haltenden christlichen Seele, die Christus vom Kreuz aus zu sich ruft (Veni amica mea, veni Columba, vgl. Hld 2, 10). Das Thema des Mottos Dilherrs gewinnt insofern eine größere Dynamik, als auch andere Grafiken überliefert sind, welche die Devise des Predigers allegorisch ausweiten. Dazu gehört vor allem ein nach einer Zeichnung Georg Strauchs vom Stecher Cornelius Nicolaus Schurtz angefertigter Kupferstich (und Radierung) (Abb. IV.4)197 der den in einer Felsenhöhle (!) – im Typus eines Einsiedlers – vor dem Gekreuzigten betenden Dilherr zeigt. Am Felsen darüber

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

Abb. IV.4: Der betende Johann Michael Dilherr, Cornelius Nicolaus Schurtz nach Georg Strauch, vor 1669? (© Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum)

befindet sich das Motto Dilherrs IFPQ (In foraminibus Petrae quiesco). Die Felsenhöhle spielt hier auf das Grab Christi an, zugleich auch auf eine ins Monumentale vergrößerte Wunde, in der sich eben Dilherr in seiner religiösen Versenkung zu befinden scheint. Der Prediger exemplifiziert in unübertroffener Weise im Akt der Frömmigkeit sein eigenes Motto (quiescere in foraminibus), zugleich ein beispielhaftes Tun, während die suchende anima christiana, das Nachbild, die vom Tod bzw. Teufel verfolgt wird, ebenfalls sichere Ruhe sucht (Beischrift: Ich suche sichre Felsenruh.). Der Auferstandene, hinter dem die Sonne aufgeht, ruft Komm meine Taube. und übt dabei eine ähnliche Funktion aus wie im Stich von Wierix. Die Typologie des Porträtstiches von Sandrart nach Strauch hat eine Entsprechung in Dilherrs Augen- und Hertzens-Lust […] (Nürnberg 1661), einer Publikation,198 in der zum Tag des Apostels Thomas unter dem Motto Herr! In deiner Wunden-höle [sic!] Ruhe findet meine Seele ein Emblem-Doppelbild von Georg Strauch zu sehen ist, das links die Taube in der Felsenhöhle, rechts daneben den ungläubigen Thomas, der die Seitenwunde Christi berührt, darstellt. 199 Die Frömmigkeit des Dichters und Predigers, die als beispielgebend angesehen wird, erfüllt sich solcherart in der Sehnsucht der anima christiana nach Geborgenheit, die wie bei Wierix

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und Schurtz unmittelbar mit Christus in Kontakt tritt. Die entsprechenden Stiche sind Beispiele, die zeigen, wie ein bestimmtes alttestamentliches Zitat, im konkreten Fall das Motto des Predigers bzw. Dichters, inhaltlich ausgeweitet werden kann, typologisch einerseits im Autorenporträt Sandrarts gegenwärtig ist, in der Spannung zwischen Dilherr und der Nachahmung durch jede menschliche Seele bei Schurtz. Der Stich mit dem Autorenporträt Dilherrs ist 1656 entstanden. Ein Jahr zuvor wurde die Metaphorik der Taube, die in die Felsenritzen fliegt, in einem der berühmtesten Emblemwerke der Frühen Neuzeit rezipiert, und zwar im ersten Band der umstrittenen und auf den Index gelangten Lux evangelica sub velum sacrorum emblematum recondita: in Anni Dominicas selecta Historia & morali doctrina varie adumbrata (o. O. [Köln, Verkauf bei Jacobus à Meurs in Amsterdam] 1655 [Antwerpen 11648]) des Jesuiten Hendrik Engelgrave,200 die Embleme für Abb. IV.5: Hendrik Engelgrave, Lux evangelica […], alle Sonntage des Jahres zeigt, wobei dem Bd. 1, 15. Emblem (zum Sonntag Quinquagesima), Lemma aus der Antike unter der pictura 1655 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek) das biblische Lemma über ihr entspricht. Das 15. Emblem des ersten Bandes zum Sonntag Quinquagesima201 (Abb. IV.5) bezieht sich auf die Tauben, die in Felsenhöhlen nisten, wobei der Passus aus Vergils Aeneis (V, 214), DVLCES LATEBROSO IN / PUNICE NIDI., dem erwähnten Schriftzitat (Hld 2, 14), Veni columba mea in foraminibus petræ. entspricht. Die zahlreichen von Engelgrave beigebrachten Schriftstellen, die von Salomo bis zu den Jesuiten reichen, also ein gewaltiges Arsenal der Gelehrsamkeit mit einem hohen Anteil außerbiblischer Typologie zeigen, künden »von der Felsenhöhle als des Leidens Zuflucht«202. Zudem wird der Kult der Wunden Christi unterstrichen, indem in der Erklärung des alttestamentlichen Mottos darauf hingewiesen wird, dass Christus die Seele zu »seinen Wunden« einlädt: […] animam Christus invitat ad vulnera sua. Die bei Dilherr, Wierix und David nur angedeutete Typologie erfährt bei Engelgrave eine reiche Ausdeutung, wobei der pictura im Verhältnis zu den umfangreichen Textzeugnissen nur ein relativ kleiner Raum gewidmet wird.203

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IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

Das Porträt Dilherrs ist in eine dezidiert persönlich unterlegte typologische Beziehung integriert, die den Porträtierten mit einem neuen Bedeutungsspektrum auflädt, das nur auf ihn bezogen Sinn macht. Als Angelpunkt fungiert der spätmittelalterliche Kult der Wunden Christi. Die Stiche von Wierix und in Davids Traktat zeigen hingegen ein ikonografisches Schema, das nicht einer bestimmten Persönlichkeit gewidmet ist und generell auf die anima christiana bezogen werden kann. An Stelle der persönlichen Konkretisierung, wie sie bei Dilherr auf der Basis der Ausdeutung seines Mottos erfolgt, tritt bei David und Wierix der bildlich formulierte, emphatische Gestus der mit Christus in Kontakt tretenden christlichen Seele. Dies ist auch bei jenen Porträts der Fall, die den Dargestellten in ein weites inhaltliches Beziehungsgeflecht einbetten, das mit Analogien und Überbietungen spielt. Dazu gehört etwa das Titelkupfer der 1660 in Antwerpen erschienenen, zweibändigen lateinischen Gesamtausgabe der Schriften des berühmten Jesuiten Jeremias Drexel (1581–1638), das in der Literatur als »Kombination aus Doppelporträt und allegorischer und emblematischer Ausgestaltung«204 beschrieben wurde: Die thematische Komplexität dieses Porträts erkennt man bereits daran, dass nicht klar wird, ob es sich bei dem in der Höhle sitzenden Jesuiten (unten) um eine zweite Darstellung des Predigers Drexel handelt,205 oder ob nicht vielmehr der in der Höhle von Manresa die Exerzitien abfassende Ordensgründer Ignatius von Loyola wiedergegeben ist. Jedenfalls wird eine reiche inhaltliche Spannung aufgemacht, die sich in einem breiten Geflecht von Anspielung, Analogie und Typologie bewegt. Das Schiff unten links könnte auf die Pilgerreise des Ignatius nach Jerusalem anspielen und demgemäß als Attribut des Ordensgründers zu verstehen sein. Eingebettet wird das zentrale Medaillonporträt Drexels in einen reichen Rahmen, der mit Darstellungen Hiobs, Daniels und Jonas prominente alttestamentliche Figuren wiedergibt, die es nahelegen, den Jesuiten Drexel als beispielhaftes Exempel christlichen Lebens zu sehen, in dieser Weise letztlich wieder an Sandrarts Porträt Dilherrs gemahnend. Die Intensivierung des Kontakts mit dem Gläubigen im Protestantismus

Die hier kurz referierten Beispiele aus der reformatorischen Kunst haben gezeigt, in welcher Weise mithilfe von Typologien ein breiter Erfahrungsraum aufgespannt werden konnte, der zu einer Visualisierung der Verdichtung religiöser Erfahrung führte. Die anima christiana spielte in diesem Zusammenhang eine tragende Rolle, da sie als entsprechende Projektionsfläche fast beliebig mit Bildern angereichert werden konnte. Auch der Leipziger Archidiakon August Pfeiffer, der sich in seinen Predigten intensiv mit Fragen der Typologie beschäftigte, war bestrebt, in seiner meditatio passionis das Passionsgeschehen dergestalt zu betrachten, daß es der Glaubende in sich bildet, also durch das Ansehen des Bildes des Gekreuzigten per imaginationem selbst von eben diesem ins Bild gesetzt wird, indem der crucifixus zum inneren Bild, zum Herzensbild wird. Insofern kann hier von der »Gestaltgewinnung Christi im Glaubenden (vgl. Gal 4, 19)«206 gesprochen werden: Wer den leidenden Christus anblickt (in Text und Bild), dem

Die Intensivierung des Kontakts mit dem Gläubigen im Protestantismus

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prägt der betrachtete Christus sein Bild in Herz oder Seele ein.207 Das Konzept der menschlichen Seele als Bildträger war für den Leser des 17. Jahrhunderts ein durchaus geläufiger Topos: Die menschliche Seele, die mit Bildern angereichert werden konnte, wurde demgemäß zu einem »Lagerhaus für Bilder« – und materiell mit verschiedenen Oberflächen (vor allem Wachs, Spiegel und Holz) parallelisiert:208 Andacht und Malerei konnten in dieser Hinsicht als »eng miteinander verwandte Handlungsfelder begriffen werden, weil das Fundament beider Tätigkeiten in der menschlichen imaginatio angesiedelt wurde.«209 Diese imaginatio bildet auch den entsprechenden Reflexionsraum, den der Gläubige benützt, um über die einzelnen Glaubensgeheimnisse zu meditieren. Die Einschreibung von Buchstaben in Blättern jesuitischer Andachtsgrafik kann als entsprechende Hilfe verstanden werden, um den mit Legenden versehenen Bilderreichtum an die Meditationsinhalte zu knüpfen. Das einzelne »Bild« – in Relation zu einem Text – konnte somit ganz anders zum Zweck geistlicher Versenkung in den Fokus genommen werden, als dies in anderen Gattungen und speziell in der Deckenmalerei möglich war.

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Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Raum – Liturgie – Typologie

Barocke Deckenmalerei ist untrennbar mit der inhaltlichen Kodierung von Sakral- und Profanräumen verbunden. Vor allem Kirchenbauten prägen im süddeutsch-österreichischen Raum ganze »Sakrallandschaften«1. Kirchen sind aber nicht aus sich selbst heraus als heilige Orte zu verstehen, sondern Räume einer grundsätzlich anderen Wirklichkeits­erfahrung.2 Raum wird in der jüdisch-christlichen Tradition grundsätzlich nicht »als Größe an sich« behandelt, vielmehr erscheint dieser vornehmlich auf zwei andere Parameter bezogen, Gott und den Menschen.3 Eng verbunden mit dieser Vorstellung ist der Vollzug liturgischen Handelns in diesen Räumen: Die Vision des Propheten nach Jes 6 tritt etwa in liturgischen Formularen »nicht als Äußerung eines Buches, nicht als Zitat auf, sondern als ein Faktum, das im Vollzug des liturgischen Handelns in der christlichen Kirche sichtbar wird.«4 Da nach christlicher Vorstellung durch Christus alles »transzendiert« wird, bedeutet diese »Transzendierung« zugleich eine »Aufweitung in das Kosmische« und das »Aufbrechen des Ewigen im Hymnus« (Unaufhörlichkeit des Lobpreises).5 Der Kultus der Kirche ist somit nicht eine an den Standort des Tempels gebundene Liturgie, »sondern ein Kult, der durch den ganzen Kosmos geht.«6 So bedeutet die Liturgie der Kirche auch die »Teilnahme an einer himmlischen Liturgie [der Engel, W. T.]«7. Die römische Messe bezieht sich nicht nur auf die Gemeinde und damit auf die Kirche, sondern ist zugleich eine Vergegenwärtigung der gesamten Heilsgeschichte: Die Kirche ist Gesamt- bzw. Universalkirche, zugleich aber immer auch »eine an einem bestimmten Punkt von Ort und Zeit versammelte Gemeinde«. Diese Festlegung ist durch die Eucharistie gegeben, die darauf angelegt ist, an einem bestimmten Ort und mit einem begrenzten Radius von Teilnehmern vollzogen zu werden.8 Die römische Liturgie wurde in dieser Hinsicht in der Frühen Neuzeit als »Schauspiel« gestaltet – als ein »Drama«, das in allegorischer Deutung dem Volk jedes Mal die »Umrisse der Heilsgeschichte« vor Augen führen sollte. Die Messe »versammelt die Zeiten«, das Alte und das Neue, »im Heute der liturgischen

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Repräsentation durch Handlungen des Priesters«9. Der wirkliche Hergang der Messe war den Gläubigen im Einzelnen nicht mehr zugänglich, und sie war nicht mehr das »Beten der ganzen Kirche«10. Bereits Ignatius von Antiochien hatte Bischof, Presbyter und die Diakone als »Bilder« bezeichnet, indem sie – seiner Anschauung zufolge – das Drama der Erlösung widerspiegeln. Liturgie an sich besitzt in vieler Hinsicht eine enge Beziehung zur Typologie; sie ist auch in typologischer Weise interpretiert worden – und zwar in Begriffen der Figuraldeutung – etwa die irdische Liturgie als týpos, figura der »himmlischen Liturgie«11. Gängige Zeitbegriffe sind im Rahmen der Liturgie weitgehend aufgehoben – im Kontext der Sakramente, etwa der Taufe, findet ein »rite of transformation« statt, im Sinne einer »identification of different historical dimensions – past, present and future – which were dissolved for a certain moment within the ritual«12. Sophie Schweinfurth geht in ihrer Studie zur Bedeutung des heiligen Raums davon aus, dass seit der Spätantike die Schöpfung sakraler Räume und die Figuraldeutung eng miteinander verknüpft gewesen seien. Dieses Konzept »inspired a Christian approach to visuality as part of a genuinely relational worldview.«13 Gerade das Zusammensehen unterschiedlicher Zeitebenen in der Liturgie schuf etwa die Voraussetzung, die Kategorien von »alt« und »jung« ineinander aufgehen zu lassen – um etwa das Paradoxon des alten und zugleich jungen Christus zu begründen.14 Die christliche Liturgie ist prinzipiell reich an typologischen Anspielungen auf die Heilige Schrift.15 Wenn als ein Ausgangspunkt und Ziel der Typologie die »Heilsgegenwart«16 formuliert werden kann, dann offenbaren die Differenzierungen der Hermeneutik biblischer Typologie einerseits die antithetische Überbietung zeitlich vorausgehender Stiftungen, im Rahmen einer synthetisch-heilsgeschichtlich ausgerichteten Typologie die Entsprechung von Weissagung und Erfüllung, darüber hinaus aber inhaltliche Entsprechungen und Ähnlichkeiten, die besser als »Analogie« denn als »Typologie« bezeichnet werden sollen, sowie die in der Tradition Philos († nach 40 n. Chr.) stehende spekulativ-kosmologische Auffassung, welche das Abbild-Urbild-Verhältnis betont.17 Bereits aus der verbreiteten Messauslegung Gemma animae des Honorius Augustodunensis wird deutlich, dass die Geheimnisse des Alten Testaments ihre »antitypische« Erfüllung in der Liturgie der Kirche finden. Die Messe ist in dieser Hinsicht als »Rememoration der Heilsgeschichte auch des Alten Testaments« zu verstehen, wenn Honorius Abschnitte alttestamentlicher Geschichte auch auf ihre mögliche typologische Korrespondenz in der nachchristlichen Kirchengeschichte hin untersucht, sodass hier eigentlich von halbbiblischer Typologie zu sprechen ist.18 Ebenso deutlich wird dies in der mittelalterlichen Liturgie: Hier erfolgte eine explizite Relektüre des Alten Testaments, etwa im Tropus Puer natus est. Die Vereinnahmung des alttestamentlichen Textes im liturgischen Gesang bzw. in der Liturgie generell thematisiert den Akt der Übernahme als solchen nicht, sondern überblendet in einer sakralen Performanz die »Distanz zwischen Alt und Neu und die Geltungsdifferenz von Vorbild und Erfüllung in absoluter Engführung«: In dieser Hinsicht ist der Knabe, von dem der Tropus spricht, der menschgewordene Logos.19

Die Rokokokirche als »Heilsraum«

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Gerade die mittelalterliche Liturgie nahm in besonderer Weise für das Besingen des Neuen »das Sprechen des als überboten proklamierten Alten« in Anspruch, und zwar im Vorgang einer »Überblendung«, die den Abstand zwischen Verweisung und Enthüllung, die zugleich Erfüllung zu sein beansprucht, in einem ganz auf »Präsenz und Aktualisierung« ausgerichteten Gestus aufzuheben scheint.20 Typologische Bezüge werden dergestalt des Öfteren durch Reime hervorgehoben und unterstrichen. In den Ostersequenzen des Adam von St. Viktor kann dieser Vorgang überhaupt als »poetologische Grundstrategie« ausgemacht werden – gleichsam im Sinn eines »Lesen[s] und Erzählen[s] von Heilsgeschichte in Reimen«, wobei es nicht um tautologische Bezüge geht, sondern um ein »dialektisches Verhältnis von Korrespondenz und Differenz«21. An dieser Stelle kann die Frage aufgeworfen werden, ob nicht in der »liturgischen« Typologie ein wesentlicher Ansatzpunkt für die bildende Kunst der Frühen Neuzeit liegt, da viele Werke deutlich zeigen, dass es eben nicht um ein ausgewogenes Gegenüberstellen von alt- und neutestamentlichen Typen geht, sondern die Typen bzw. Vorbilder in den Antitypen aufgehen, deren liturgisch unterlegte Rolle geradezu Präsenz und Aktualisierung fordert. Bezüge dieser Art, die in der die Gegenwart der Heilsgeschichte betonenden Liturgie zum Ausdruck kommen, schaffen essenzielle Grundlagen für jede künstlerische Ausstattung des Kirchenraums. Dessen Disposition ist somit letztlich ohne die liturgische Grundlegung nicht verständlich. Die Rokokokirche als »Heilsraum«

Jener Kirchenraum, in dem die Anwendung der Typologie in der Frühen Neuzeit ihre wohl intensivste Ausprägung erfuhr, ist der »Rokokoraum«, in dem das Transzendente nicht als Abstraktion des Sinnlichen zu begreifen ist, sondern das Übersinnliche quasi herabgeholt und »in wahrnehmbare Formen«22 übersetzt wurde. In den Räumen des Rokoko wird gleichsam eine »Verdoppelung von Wirklichkeit« angestrebt, indem die irdische, immanente Welt in einer überirdischen, transzendenten Welt gespiegelt erscheint. Transzendenz wird allerdings nicht als weit entfernte und quasi unerreichbare Wirklichkeit reflektiert, sondern die Zustände und Gegebenheiten der immanenten Welt dienen vielmehr zur Veranschaulichung der transzendenten Welt.23 Transzendenz als solche ist auch nicht abstrakt und auf ein undefiniert »Jenseitiges« ausgerichtet, sondern auf den göttlichen Heilsplan, in den etwa die jeweilige Kirche bzw. das jeweilige Kloster konkret gestellt sind, was sowohl in den Dekorationen als auch in den entsprechenden Predigten zum Ausdruck kommt. Die Selbstdarstellung der Klöster hatte in diesem Sinn das Ziel, eine der göttlichen Schöpfung vergleichbare »Ganzheit« zu demonstrieren.24 Auffälligstes künstlerisches Kennzeichen dieses »Rokokoraums« ist seine »Bildhaftigkeit«. Die Architektur einer Rokokokirche kann also selbst als »bildhaft« bezeichnet werden. Die Architektur hat wesentlich am Bildcharakter teil, das Bild wiederum an der Realität des gebauten Raumes.25 Es ist somit ein prägendes Charakteristikum der Rokokokirche, »daß sie weder das Bild noch die Architektur völlig realisiert«26.

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Die Einheit eines künstlerischen »Gesamt-Bildes« des Rokokoraumes besteht zum Beispiel im Faktum, dass das Rotgold der Säulen und des Hochaltars zusammen mit den vorwiegend gelbbraunen Tönen der Fresken eine »farblich-ästhetische Einheit« erzielen, in der die leitenden Kategorien Architektur und Bild »ineinanderfließen«27. In berühmten Beispielen wie in Zwiefalten oder in der Wies-Kirche kommt es zu einer kongenialen Umwandlung des Kircheninneren zu einem »Bildraum«28. Die Zwiefaltener Klosterkirche etwa zeigt eine prononcierte »Staffelung der Bildgründe in die Tiefe«. Jeder Schritt in das Innere vermindert solcherart die »Konsistenz des bildhaften Gefüges«. Das Beschreiten der Tiefenachse schlüsselt den Raum für den Betrachter nicht auf und führt ihn keiner Klärung zu, es lässt vielmehr das künstlerisch-konstitutive Element, die bildhafte Vereinigung von Säulenreihen, Hochaltar, Triumphbögen und Raumgründen, »progressiv zerfallen«. In dieser Hinsicht kann die Architektur (als Kunstwerk) nicht mehr begangen, sondern ebenso wie das Fresko nur »erschaut« werden. Die Bezeichnungen »Bildordnung« und »Bildhaftigkeit« erhalten hier einen tieferen Sinn.29 Zur Kodierung frühneuzeitlicher Räume durch typologische Programme

Daneben lassen sich in der Frühen Neuzeit auch Innenräume nachweisen, die nicht in der geschilderten Intensität des »Rokokoraumes« auf ein In- und Miteinander von Architektur und Ausstattung abzielen, aber dennoch einen ausgeprägt typologischen Charakter in ihren Dekorationen besitzen. So sind letztlich bereits im Frühchristentum »typologische Räume« nachweisbar, am eindrucksvollsten wohl in Langhaus und Triumphbogen der römischen Kirche Santa Maria Maggiore (432–440): Am Triumphbogen werden die Einzelereignisse nicht einfach erzählt, sondern in Dienst für ein »transzendierendes Argumentieren«30 genommen. Hier sind keine Typologien als isolierte Szenen zu konstatieren, sondern die im Langhaus abgebildete Geschichte des Volkes Israel bildet in ihrer Gesamtheit »die Vorgeschichte des neuen Gottesvolkes«31. Rom ist hier sichtbar an die Stelle des alten Jerusalem getreten.32 Die urbs als neuer Mittelpunkt der Christenheit schließt in dieser Hinsicht »unmittelbar an das alte Israel an«33. Ebenso deutlich wird eine Usurpation der Geschichte in der 1524 vollendeten Sala di Co­stantino in den Vatikanischen Stanzen, da hier die Päpste Julius II. und Leo X. zwar in effigie auftreten, allerdings aber nicht ihre eigene Geschichte erzählen, sondern von der Bestrafung Heliodors über Papst Gregor IX., Gregor den Großen, Silvester I. sowie Leo I. und andere die ruhmreiche Vergangenheit aktualisieren und diese somit mit einer »zeithistorische[n] Dimension«34 versehen. In ähnlicher Weise werden in Guglielmo della Portas Grabmal Papst Pauls III. (Rom, St. Peter, 1550–1574) die mosaischen Szenen am Pluvialrelief des verstorbenen Papstes dazu benützt, das Image des Verewigten als eines »Moses-Paulus«35 zu konkretisieren, und zwar im Sinne einer dezidiert typologischen Konzeption, die Moses als Vollzieher des Gesetzes mit dem Apostel Paulus und Papst Paul III. als unter der Gnade stehenden Personen kontrastiert.36 Bereits die Ausmalung der Längswände der Sixtinischen Kapelle in Rom durch

Zur Kodierung frühneuzeitlicher Räume durch typologische Programme

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verschiedene Künstler hatte ein prononciert typologisches Element enthalten, da die Auswahl der Szenen ganz wesentlich darauf beruht, Moses und Christus in Gegenüberstellung in ihrer jeweils dreifachen Funktion – als »lawgiver, ruler and priest«37 – zu zeigen. Besonders der starke Akzent, der hier auf Moses liegt, muss als unüblich bewertet und einerseits als Rückgriff auf frühchristliche Konzepte gesehen werden, unterstreicht aber andererseits den »institutional character of the Old Covenant« vor dem Hintergrund einer »monumental history of the foundation and rise of the Christian Church and of the Papacy«38. Eine inhaltliche »Bespielung« frühneuzeitlicher Kirchenräume konnte darüber hinaus sogar mit eigenen aufwendigen Apparaturen erfolgen: Instruktiv ist hier eine Flugschrift, in der genau eine solche »Maschine« beschrieben wird, mit deren Hilfe Kardinal Pietro Ottoboni (1667–1740) in der römischen Kirche S. Lorenzo die Passion Christi figürlich darstellen ließ – mit dem Hinweis auf eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Leiden Christi.39 Insbesondere in jesuitischen Kirchenräumen kommen das »Transitorische« und »Performative« als Grundkonstanten der entsprechenden Ausstattungen deutlich in den Blick, womit auch das Verhältnis zwischen der jeweiligen Dekoration und den Betrachtern im Zeichen des Überzeugens der wiedergegebenen Inhalte aktualisiert wird: Das Visuelle, Performative und Transitorische ist hier essenzieller Teil einer katholischen Konzeption, die darauf ausgerichtet ist, den Gläubigen intellektuell zu überzeugen und zu bewegen. Grundlage dafür sind Strategien, die den Blick des Betrachters von Form zu Form und von Gegenstand zu Gegenstand gleichsam weiterdrängen.40 Viele Innenräume des späten 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts laden demgemäß nicht zum Verweilen, »sondern zum Durchschreiten«, also »zur transitorischen Erfassung« ein: Das Transitorische selbst wird in dieser Hinsicht zum Thema – besonders deutlich an der auffälligen Konjunktur des descensus und ascensus.41 Die bewusst eingesetzte »reale Bewegtheit des Objekts« führt zur »subjektiv-emotionalen Bewegtheit des Betrachters«42. In der Einweihungspredigt (1698) anlässlich der 1692 stattgefundenen Weihe der Jesuitenkirche in Breslau heißt es kennzeichnenderweise, diese Visualisierungsstrategien der Gesellschaft Jesu betonend: Ich lade sie ein zu diesem geistlichen Bau S. Ignatii als Bau-Schauer / Sie schauen an mit den Augen ihres Gemüths und […] im Allerheiligsten Namen Jesu.43 Zugleich wird in dieser Predigt Ignatius als ein geistlicher vortrefflicher Baumeister44 verehrt. Das jesuitische IHS findet sich im Zentrum der Decke, ein »theologisches Symbolum im Sinne der Schriftauslegung durch die barocke Homiletik«. Dieses IHS wird hier zugleich »isoliert« und »dramatisiert«45. Aus einem typologischen Verständnis heraus (in Bezug auf das Langhausfresko) wird im Gewölbe des Presbyteriums die Verehrung des Namens Jahwe wiedergegeben, ebenfalls mit einem Strahlenkranz umgeben. Jahwe wird von Vertretern des Alten Bundes angebetet, unter anderem von Abel, Noah, David, Salomon und Elias, deren Opfer als Präfiguration der Eucharistie galten.46 Sichtbar wird hier die theoretische Position Kardinal Robert Bellarmins, der die bildende Kunst als einen »materialisierten, bildhaften Ausdruck der wahren Kirche« verstand und sie in dieser Weise den Gläubigen vor Augen führen wollte.47 In der 7. Kontroverse De Ecclesia Triumphante (1586) beschäftigte er sich, ausgehend von einer Theo-

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logie der visibilitas,48 ausdrücklich mit Bilderfragen: Bellarmin vergleicht dort den Prozess des Bildschaffens mit der Tätigkeit Gottes als Auftraggeber und Hersteller von Bildern sowie mit der Überlegenheit des optischen Sinns.49 Diese Form einer dezidierten Zuordnung künstlerischer Funktionen an heilsgeschichtliche Figuren ist bereits Teil der frühchristlichen Literatur, etwa wenn Jakob von Sarug († 521) Moses als »kundigen Künstler« bezeichnete, der Braut und Bräutigam gemalt, dieses Bild aber mit einem hüllenden Schleier versehen habe.50 Für Bellarmin ist der Gesichtspunkt der »Visualisierung der Wahrheit in der similitudine« leitend. Diese zeige sich in der repraesentatio bzw. im Bild: »Das Bild fungiert hierbei als transitorischer Weg und dient einer kommunikativen Intention, die es mit der Realität verbindet, auch wenn es ihr nicht angehört.«51 Im Gefolge des Tridentinums kommt es zu einer deutlichen »religiöse[n] Depotenzierung der Bilder«, die – Georg Henkel zufolge – als Entwicklung »von der Sakralität des Bildes zur Medialität des Bildes« beschrieben werden kann. Andererseits wird durch das Konzil zugleich an einer »äußeren Ähnlichkeit zwischen Abbild und Prototypen« festgehalten, wobei auch der erwähnte similitudo-Begriff eine zentrale Rolle spielt.52 Auf der Basis des hier skizzierten Faktums, dass im jesuitischen Barock der Blick von Form zu Form gleichsam weitergedrängt erscheint, wird das »Transitorische« zum essenziellen Kern vieler Kunstwerke im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert, wobei ein doppelter Aspekt zu beobachten ist, da Bewegtheit im und durch das Objekt als auch mittels und innerhalb des betrachtenden Subjekts entwickelt werden kann. Die Innenräume der Kirchen laden demgemäß nicht zum Verweilen, sondern zum Durchschreiten ein und eignen sich idealerweise zur transitorischen Erfassung, wie eben auch nur der transitorisch agierende Betrachter letztlich in der Lage sein kann, die Vielfalt der auf ihn wirkenden Formen zu einem Gesamteindruck zu formulieren.53 Das Transitorische selbst wird somit zum Thema der Befindlichkeit des jeweiligen Betrachters: Die Fresken stellen in dieser Hinsicht den descensus des Namens Jesu dar, um damit den »Aufstieg der Seele des einzelnen Gläubigen« zu evozieren. Unter dieser Perspektive führt die »reale Bewegtheit des Objekts« unmittelbar zur »subjektiv-emotionalen Bewegtheit des Betrachters«54. In komplexen Kirchenräumen dieser Art spielt aber nicht allein das »Bildliche« eine zentrale Rolle, sondern auch seine Abhängigkeit von Texten (Predigten), welche zu einem wesentlichen Teil Intentionen der Auftraggeber formulieren. In den Blick rückt hier – besonders angesichts der jüngeren Forschung – die Eigengesetzlichkeit des Mediums Malerei, das eine ganz spezifische Beziehung zu Texten beinhaltet, die Analogien zwischen Text und Bild, zugleich aber auch zwischen den Bildern selbst einschließen kann. Text und Bild in der Deckenmalerei der Frühen Neuzeit

Wesentlich in diesem Zusammenhang erscheint eine Neubewertung barocker Kirchweihpredigten. Bisher hat sich die Forschung allzu leicht dazu verführen zu lassen, »die in die Fresken eingetragenen Texte mit dem Programm der Bilder gleichzusetzen.« Die Kirchweihpredigten wurden als ideale Kronzeugen für diese Einstellung herangezogen. Dies hat, so wurde auch

Raumübergreifende Programme in der barocken Deckenmalerei

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bemängelt, zu einer »starken Unterdrückung des visuellen Beziehungsreichtums der Bilder« geführt. Ein Ziel musste deshalb in einer neuen Bewertung des Bildapparates liegen, der nicht mit einer Illustration von Predigten zu verwechseln ist.55 Die zentrale Funktion von Bildern in der Deckenmalerei bestand vor allem darin, ein »dichtes Netz von Analogien« zu knüpfen, das mit »visueller Ähnlichkeit als Sinnversprechen« operierte. Über eine vielfach spielerisch ausgerichtete Kombinatorik wurden raffinierte Zusammenhänge zwischen einem Gnadenbild und mariologischen Themen, Heils- und Lokalgeschichte an- und ausgedeutet, die »sprachlich nur als Gleichnis, nicht aber als Tatsachenbehauptung zu formulieren gewesen wären.«56 Raumübergreifende Programme in der barocken Deckenmalerei

Die Typologie kann in Kirchenräumen in raumübergreifender Weise oder aber punktuell mit bestimmten Schwerpunktbildungen zur Anwendung kommen. Ausgangspunkt für eine solche übergreifende Konzeption in der oberösterreichischen Stiftskirche Kremsmünster ist die an der Fassade angebrachte Inschrift Gen 28, 16 (VERE DOMINUS EST IN LOCO ISTO.). Die Fresken der Vorhalle, angefertigt von Michael Christoph Grabenberger (1681/1682), nehmen mit der bekannten und im Barock verbreiteten Darstellung des Traums Jakobs von der Himmelsleiter (begleitet von Engeln mit Sprüchen der Antiphon der 2. Nokturn der Kirchweihmatutin)57 diesen Hinweis auf die Geschichte Jakobs auf. Rudolf Preimesberger spricht in seiner Analyse leicht missverständlich von einem der seltenen Fälle nachmittelalterlicher Typologie.58 Die Jakob-Thematik wird in der Folge im Inneren der Kirche weitergeführt, da die Vision des Patriarchen als Typus der Menschwerdung Christi galt, die Jakobsleiter59 zugleich als beliebtes Symbol Mariens: Der Blick des Betrachters fällt auf das Hochaltarbild Johann Andreas Wolffs mit der Darstellung der Verklärung Christi (1712), die als Erfüllung der alttestamentlichen Prophetie zu lesen ist und zusammen mit dem Hochaltartabernakel eine konzeptuelle Einheit bildet.60 An diesem medienübergreifenden Beispiel kann gezeigt werden, dass die barocke Theologie im Rahmen der Konzeptionen von Kirchenausstattungen bemüht war, eine »Gesamtschau« zu bieten. Besonders die Programme der Altäre können hier als »Ausdruck eines theologischen, nicht zuletzt moralischen Systems«61 gelesen werden. Im Rahmen barocker Ausstattungen spielt die Platzierung der entsprechenden Dekoration eine grundlegende Rolle: So existierte im Freisinger Dom eine im Jahr 1861 entfernte Deckenausmalung mit Darstellungen der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, die nach Karl Meichelbecks OSB (1669–1734) zeitgenössischer Interpretation auf die drei Theologischen Tugenden bezogen werden müsse, zugleich aber als figura der Dreifaltigkeit gelten kann. Der Dom in Freising besaß demnach bereits am Beginn seines Ausstattungsprogramms einen typologisch unterlegten Hinweis auf das Alte Testament.62 Typologische Relationen sind in jenen Fällen mit einem spezifischen Medienwechsel erfüllt, wo Typus und Antitypus in unterschiedlichen Gattungen auftreten: Dies ist etwa in der Gnadenkapelle in der Alten Kapelle in Regensburg der Fall. In diesem Raum, der im Jahr 1344 als Jakobskapelle erstmals erwähnt worden war, wurde anlässlich der Aufstellung

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des Gnadenbildes (1693) eine prunkvolle Stuckausstattung von Giuseppe Vasallo realisiert – zusammen mit Fresken eines unbekannten Malers.63 Das byzantinisierende Gnadenbild aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts formuliert hier den Antitypus, auf den sich mehrere Symbole der Lauretanischen Litanei in den Gewölbefeldern beziehen, darunter auch die Bundeslade, die, in der Hauptachse gelegen, nicht nur ein prominentes Mariensymbol darstellt, sondern zugleich einen Typus Mariens. Der Kongregationssaal Maria de Victoria in Ingolstadt

Im zentralen Bild der berühmten Ausmalung des Ingolstädter Kongregationssaals Maria de Victoria durch Cosmas Damian Asam (1735) trifft der göttliche Gnadenstrahl Maria ins Herz: Sie sinkt an der Bundeslade auf die Knie (Abb. V.1). Realisiert ist hier gleichsam ein »Verkündigungsbild«, als dessen Inhalt die Litterae annuae (1735) die incarnatio dominica, die Menschwerdung des Herrn, angeben:64 Maria steht in einem doppelten Bezug – zum einen zum Verkündigungsengel, zum anderen in der senkrechten Linie von Gottvater und der Taube des Heiligen Geistes.65 »Maria im Tempel Salomos« kann als Leitthema dieser Szene ausgemacht werden: »Dieser neue Tempel [scil. Maria, W. T.], den sich Gott in der Menschwerdung im Schoße Mariens schafft, wird mitten in den Tempel des Alten Testaments gesetzt.«66 Die Menschwerdung Christi ist hier die »Erfüllung der Gegenwart Gottes in der Bundeslade«67. Wie der Tempel des Alten Testaments bezeichnen Bundeslade, Thron Jahwes und Gesetzestafeln die Gegenwart Gottes in der Inkarnation.68 Aufgenommen wird im Kongregationssaal das Leitthema des »Ratschlusses der Erlösung«, wie es auch im Chorfresko der Stiftskirche von Metten (1718)69 oder im Hauptfresko der Stiftskirche von Aldersbach (1720) zum Ausdruck kommt: Dieser Heilsratschluss ist in Aldersbach im Bild der Geburt Jesu gegenwärtig – unterstrichen durch das um das Bildfeld geschwungene Schriftband (mit dem Zitat nach Jo 3, 16).70 In Ingolstadt nimmt Maria im Salomonischen Tempel, der mit Mariensymbolen angereichert ist und selbst ein Typus Mariens ist, als der neue Tempel (Christi) Platz. Keine Kontrastierung zwischen Altem und Neuem Bund im Sinne eines binären Schemas von Typus und Antitypus erfolgt hier, sondern eine komplexe Übereinanderblendung im Zeichen der Tempelsymbolik. Das Fresko im Ingolstädter Kongregationssaal stellt also in einer bisher ungekannten Konzentration »Maria als den neuen Tempel inmitten des Tempels des Alten Bunds«71 dar – einen theologischen Sachverhalt, den auch die marianischen Antiphonen, die im Jahr 1732 vom Präses der Ingolstädter Marianischen Kongregation, Pater Franciscus Seedorff, als Offizium publiziert worden waren,72 verdeutlichen. Es existiert somit aus dieser Perspektive ein enger inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Fresko und der »Frömmigkeitspraxis der Marianischen Kongregation«73. Von zentraler Bedeutung ist die marianische Sinnschicht, ist doch der zentrale Tempel von zahlreichen Mariensymbolen umgeben, unter anderem vom elfenbeinernen Turm (links) und dem Turm Davids (rechts). Dazu kommen der Tempel selbst, das darin befindliche »Goldene Haus«, der brennende Dornbusch und

Die Stiftskirche von Waldsassen

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Abb. V.1: Ingolstadt, Kongregationssaal Maria de Victoria, Maria mit Bundeslade, Cosmas Damian Asam, 1735 (© Archiv des Autors)

der Gnadenbrunnen.74 Auf eine bipolare Typologie konnte der Inhalt dieses Freskos gar nicht angelegt werden, sondern im Fokus stand vielmehr die Verdichtung einer palimpsestartigen Struktur, die auf der Basis des Alten Testaments Maria als »neuen Tempel« beschreibt und künstlerisch präsentiert. Die jeweiligen Symbole sind von Asam so klar herausgearbeitet, dass sie letztlich der in der Litanei gegenwärtigen Frömmigkeitspraxis, die ja die einzelnen Gegenstände zum Inhalt hat, entsprechen. Ein Vergleichspunkt zum Fresko besteht in Grafiken wie etwa der Maria de Victoria aus der Lauretanischen Litanei der Gebrüder Klauber (1749).75 (Abb. V.2): Maria ist hier mit der Anrufung der DOMUS AUREA wiedergegeben. Ihr Brustbild (mit Lilienszepter) ist zwischen zwei Füllhörnern platziert und mit dem Salomonischen Tempel (Domus templi ex auro.) (1 Kg 7, 50) unten kombiniert – offensichtlich mit der Idee, damit den Typus eines frühneuzeitlichen Palastbaus wiederzugeben. Die Stiftskirche von Waldsassen

Auch in der Stiftskirche von Waldsassen (Oberpfalz) existiert eine Reihe von typologisch zu interpretierenden Szenen: Sechs Fresken von Johann Jakob Steinfels aus den neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts über den Seitenaltären des Langhauses thematisieren alttestamentliche

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Abb. V.2: Lauretanische Litanei (DOMUS AUREA), Joseph und Johannes Klauber, 1749 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

Schriftstellen: Daniel in der Löwengrube (über dem Katharina-Altar), Abraham und Melchisedech (über dem Johannes-Altar), Abigail vor David (über dem Apostel-Altar), Abraham und Isaak (über dem Magdalenen-Altar), Jephta und seine Tochter (über dem Michael-Altar) sowie Esther vor Ahasver (über dem Benedikt-Altar).76 Darunter befinden sich zwei Themen, und zwar die beiden östlichen Szenen (Abigail und Esther), die als Präfigurationen Marias und ihrer Mittlertätigkeit angesprochen werden können. Die vier anderen Szenen fungieren als alttestamentliche Typen von Christi Passion und Auferstehung, die Gegenstand der drei Deckenfresken des Langhauses sind.77 Der neutestamentarische Antitypus kommt hier nicht zur Darstellung, weil er gleichsam durch die »liturgische Handlung« ersetzt ist.78 Fürstenfeld – das Leben des Bernhard von Clairvaux im christologischen Rahmen

Auch in der Ausmalung der ehemaligen Stiftskirche von Fürstenfeld (1731 fertiggestellt) durch Cosmas Damian Asam spielt die Typologie eine zentrale und übergreifende Rolle, da die Fresken im Hauptschiff nicht nur für sich allein stehen, sondern in Form von Medaillonbildern zu beiden Seiten ergänzt werden, erweitert wiederum durch die Seitenkapellen mit Themen aus der Zisterziensermystik. Die Szenen aus dem Leben des hl. Bernhard von Clairvaux im Hauptschiff sind unmittelbar mit Grisailleszenen aus der vita Christi verbunden, die – angesichts der Biografie des Zisterziensers – ein quasi-typologisches Aussagemuster formulieren: Die Begebenheit, der zufolge der hl. Bernhard den Herzog von Aquitanien wieder in die Kirche aufnimmt, wird etwa mit der Auferstehung Christi kombiniert und soll als Hinweis gelten, dass jeder Getaufte in Leben und Auferstehung Christi mit hineingenommen ist. Die Stationen der »besonderen Heilsgeschichte« sind in terrestrischen Szenen, jene der »allgemeinen Heilsgeschichte« in himmlischer Verklärung wiedergegeben,79 deutlich etwa in der Kuppel mit Pfingsten, der lactatio und dem amplexus Bernhards.80 In expliziter Weise kommen hier

Die Visualisierung von Typologie in Abhängigkeit von architektonischen Strukturen

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die »Gleichförmigkeit der Heiligenvita mit dem Kirchenjahr« sowie im Sinne der conformatio die »Gleichgestaltung mit Christus«81 zum Ausdruck. Die Parallele zwischen dem Leben Bernhards und dem Leben Christi wird nicht zuletzt aus den flankierenden Medaillons hergeleitet.82 Es handelt sich somit in Fürstenfeld um ein »argumentatives Bildkonzept«, das mehrschichtig entfaltet wird, wobei die konkreten thematischen Strukturen auch aus visuellen Beobachtungsdirektiven hergeleitet werden können, wie Holger Simon jüngst nachgewiesen hat.83 Wir haben es somit mit einer mehrschichtigen Typologie zu tun, die in der vita Bernhardi ihren Ausgangspunkt besitzt, um in den Mittelfeldern christologisch gespiegelt und an den Flanken emblematisch bzw. zisterziensisch erweitert zu werden. Typus und Antitypus nehmen hier keine gleichberechtigte Stellung ein, sondern formulieren unterschiedliche modi von Darstellungsmöglichkeiten. Im vierten Chorjoch der Stiftskirche erfolgt mit der »Markierung des Bauplatzes auf des Fürsten Feld« im Anschluss an das dritte Chorjoch (mit dem symbolischen Gründungsakt durch das Überreichen des Grundrisses an die ecclesia) die tatsächliche Gründung durch die »Bezeichnung des Bauplatzes«. Maria ist mit Lk 1, 48 ausgezeichnet; sie preist sich glücklich über die Gründung Fürstenfelds. DEVOTE PSALLENDO ist das Lemma des zugehörigen Emblems im Norden (auf dem abgebildeten Lesepult liegt das SALVE REGINA aufgeschlagen); dem entspricht das Lemma im Süden (CURSUM RECITANDO), womit auf die Beständigkeit im Beten hingewiesen wird. Das erste und vierte Chorjoch besitzen die Aufgabe, wie mit Klammern die Erzählungen auch aus liturgischer Perspektive zusammenzufassen: Dem VENITE EXULTEMUS (Aufforderung der Engel am Eingang zum Chor), das als Invitatorialpsalm 94 das Tagesoffizium der Zisterzienser einleitet und als Aufforderung an die Zisterzienser verstanden werden darf, sich hier immer wieder zu Gebet und Gottesdienst zu treffen, entsprechen das SALVE REGINA sowie das AVE MARIA im Osten als entsprechende Schlussantiphonen.84 Hier erfolgt nicht nur eine Kontinuität des marianischen Lobpreises zur Ehre des Klosters Fürstenfeld, sondern auch eine faktisch-historische Vergegenwärtigung der Gründung durch die Darstellung der Markierung des Bauplatzes sowie eine liturgische Gegenwärtigsetzung durch die im Kirchenchor gesungenen Antiphonen. Die Visualisierung von Typologie in Abhängigkeit von architektonischen Strukturen

Typologische Konzeptionen sind dann besonders eng mit der Architektur verbunden, wenn sie in Freskenfelder mit höchst eigenwilligen Gewölbekonfigurationen eingepasst sind, wie dies in der 1718 geweihten und von Melchior Steidl ausgestatteten ehemaligen Klosterkirche von Banz (Franken) der Fall ist:85 In diesem Fall wird das Gewölbe des Kirchenraumes von drei großen Ovalen bestimmt – begrenzt von höchst unorthodox konstruierten Gurtbögen: Im Gesamtkonzept entsprechen den drei Kuppeln thematisch die Heilig-Geist-, Bekehrungsund die Abendmahlskuppel – mit einem Schwerpunkt in der mittleren Heilig-Geist-Kuppel. Die dem Letzten Abendmahl (Abb. V.3) zugeordneten Zwickel verdichten den typologischen Zusammenhang zum einen mit dem evangelienseitig angebrachten Priester des Alten Bun-

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Abb. V.3: Banz, Klosterkirche, Abendmahlskuppel, Melchior Steidl, 1716 (© Archiv des Autors)

des Abimelech (mit den Schaubroten vor dem Tempelvorhang) (Abb. V.4) und zum anderen mit der epistelseitig angebrachten Personifikation der ecclesia (Abb. V.5), die den Neuen Bund vertritt.86 Beiden Pendentifs ist jeweils ein kleines Grisaillefeld darüber zugeordnet, das ein Weizenbündel mit dem Alten Bund und ein Weinlaub mit dem Neuen kombiniert, damit die beiden Gestalten des eucharistischen Opfers vorstellend, die in Bezug auf das Letzte Abendmahl von zentraler Bedeutung sind. Dort lesen sich die auf dem Tisch befindlichen Brote fast wie eine Übernahme der Schaubrote des Alten Bundes. Nicht zuletzt blicken die Personifikationen des Alten und Neuen Bundes zur Szene des Abendmahls empor, womit der typologische Zusammenhang auf eine künstlerisch greifbare Ebene gehoben wird. Der an dieses Feld in Richtung Hochaltar anschließende Gurtbogen nimmt Brot und Wein und damit spielende Putti in der reliefierten Stuckdekoration auf und führt somit die eucharistische Konzeption in Gestalt einer anderen Medialität weiter, die im Freskenfeld über dem Presbyterium mit der Begegnung zwischen Abraham und Melchisedech (flankiert vom Opfer Kains und Abels sowie dem Abrahamsopfer) einer neuerlichen typologischen Verdichtung unter dem Gesichtspunkt des Opfers – und dies am eigentlichen Ort des Altarsakraments – unterzogen wird. Die Malereien in der Kuppel der Kirche auf dem Heiligen Berg (Svatý Kopeček) in Olmütz (Olomouc)87 wurden im Jahr 1677 von Johann Steger angefertigt: Sie zeigen Texte des Salve Regina im oberen Bereich und darunter je eine alttestamentliche Szene (Bathseba, Judith und Holofernes, Esther und Ahasver, Sara und Isaak, Rebekka und Isaak, Abigail und David), die

Die Visualisierung von Typologie in Abhängigkeit von architektonischen Strukturen

Abb. V.4: Banz, Klosterkirche, Abendmahlskuppel, Zwickel mit Abimelech, Melchior Steidl, 1716 (© Archiv des Autors)

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Abb. V.5: Banz, Klosterkirche, Abendmahlskuppel, Zwickel mit der Personifikation der »ecclesia«, Melchior Steidl, 1716 (© Archiv des Autors)

detailliert wiedergegeben und mit einem entsprechenden Zitat aus dem Alten Testament versehen ist (Abb. V.6). Die Anordnung entspricht hier jener in Druckgrafiken, wenn man etwa das Salve Regina in Stichen von Hieronymus Wierix (1598),88 die den marianischen Antitypus und das alttestamentliche Vorbild in zwei getrennten Bereichen zeigen, heranzieht. Zu nennen wäre hier auch ein prominenter Kupferstich von Hendrik Goltzius (um 1580),89 in dessen Bordüre sich vierzehn Inschriftenfelder befinden, dazwischen acht emblematische Kreismedaillons. Die Texte der Eck- und Mittelfelder des Rahmens beziehen sich auf das »Empfängniswunder« der dargestellten Mütter (Anna, Lea, Rachel etc.), womit ein enger typologischer Bezug zwischen Maria und ihren alttestamentlichen Vorbildern zum Ausdruck kommt. Kompositionsschemata der Druckgrafik entsprechen auch den in die Tambourkuppel der Stiftskirche von St. Peter in Salzburg eingesetzten Darstellungen der acht Seligkeiten, die durch das Alte Testament anschaulich gemacht werden (Franz Xaver König, ab 1758).90 Wie sehr die Visualisierung typologischer Beziehungen durch die jeweilige Architektur bestimmt wird, zeigen auch die zwischen 1754 und 1758 ausgeführten Fresken von Gottfried Bernhard Götz in der mittelalterlichen Kirche von St. Kassian in Regensburg: Hier sind die sechs alttestamentlichen – und auf Maria bezogenen – Szenen an den Mittelschiffwänden

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

platziert und nicht auf das Langhausfresko bezogen. Sie erfüllen vielmehr die Aufgabe, die Bedeutung der Kirche als Marienwallfahrtsstätte hervorzuheben.91 Das Programm ist demnach vor allem durch wallfahrtsgeschichtliche Bezüge sowie durch das Kirchenpatrozinium bestimmt.92 Die Wallfahrtskirche in Trautmannshofen (Neumarkt in der Oberpfalz) zeigt ein Langhausfresko (1760) mit dem Mariengnadenbild der Kirche im Zentrum. Das Deckenfresko des Chorraumes (1757) präsentiert Esther vor Ahasver mit vier marianischen Eckemblemen93 und formuliert in dieser Hinsicht ein häufig vorkommendes Schema barocker Ausstattungen, in dem Eckembleme die zentrale Szene (typologisch) ausdeuten. Ein weiteres bewährtes und entsprechend verbreitetes kompositionelles Schema typologischer Korrespondenzen findet sich in jenen Beispielen, Abb. V.6: Olmütz (Olomouc), Svatý Kopeček, die eine Hauptszene am Deckenspiegel mit Wallfahrtskirche Heiliger Berg, Kuppel, Judith kleinen emblemartigen Freskenfeldern in und Maria, Johann Steger, 1677 (© Prag, den Stichkappen kombinieren, die textlich Tschechische Akademie der Wissenschaften) nicht immer aus dem Alten Testament stammen müssen und die (christologische bzw. mariologische) Hauptszene entweder gesamthaft in Bezug auf den heilsgeschichtlichen Gehalt oder Details der Bildgestaltung und Symbolik kommentieren bzw. ausdeuten. Beispielhaft sei hier die ehemalige Benediktinerklosterkirche in Reichenbach, 1743/1744 von Otto Gebhard freskiert,94 genannt. Ordensikonografie im Langhaus der Stiftskirche von Zwiefalten

Der mächtige Zwiefaltener Innenraum formuliert eine optische Ganzheit, die man mit dem Begriff der »Bildhaftigkeit« beschrieben hat. Diese »bildhaft« ausgerichtete Gesamterscheinung löst sich auf und wird zurückgedrängt, je weiter man im langgestreckten Kirchenraum voranschreitet.95 Franz Joseph Spieglers monumentales Deckenbild im Langhaus (1751) ist ein Kosmos eigener Art: Es entzieht sich nicht nur jeglicher Vereinnahmung durch die Architektur, sondern es »entstellt« zudem die Gestalt des Gewölbes. Nur die Rahmungen der Deckenbilder in den Kuppeln der Vierung und des Altarhauses verbinden sich mit den vorgegebenen architektonischen Formen, allerdings im Sinne einer Betonung ihrer ornamentalen Qualitäten.96 Somit stellt die »ornamentale Konsistenz der Ausstattung« ein zentrales Charakteristi-

Ordensikonografie im Langhaus der Stiftskirche von Zwiefalten

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kum des Inneren dar. Zwiefalten lässt sich durch eine Kluft zwischen der Architektur Fischers einerseits und der Dekoration Feichtmayrs, Christians und Spieglers andererseits beschreiben, wobei eine »Selbständigkeit der Ausstattung gegenüber der Architektur«97 zu konstatieren ist. Die überlieferten Programmfragmente für die Freskierung der Kirche sind vor 1747 zu datieren.98 Das Konzept lag offensichtlich bereits vor, als Spiegler mit der Freskierung begann. 99 Hosch wie Neubert haben sich hinsichtlich der thematischen Ausrichtung kritisch zur grundlegenden Arbeit Kreuzers und dessen Meinung einer augustinisch unterlegten Wiedergabe der civitas Dei im malerischen Programm Zwiefaltens geäußert.100 Das Langhausfresko stellt ein deutliches »Manifest des Benediktinerordens« 101 dar. Hier kommt das Selbstbewusstsein des Ordens zum Ausdruck, das sich in der Hervorhebung der eigenen Geschichte gegenüber der Gesellschaft Jesu (die mit der römischen Kirche S. Ignazio eine ähnliche Dominanz eines Ordensheiligen zeigt)102 manifestiert. Die im Langhaus dargestellten Mariengnadenbilder seien – so die Literatur – selbst als »heilige Bilder« (gegen die Bilderfeindlichkeit der Reformatoren gerichtet) anzusehen, und ihnen käme im Konzept eine besondere Bedeutung zu.103 Die malerische Ausstattung Zwiefaltens dürfte also in gewisser Weise die katholische Reform reflektieren, und in dieser Hinsicht markiert das Langhausfresko einen »Triumph des katholischen Glaubens« (gegen Häresien), wobei Zwiefalten auch aufgrund seiner Lage einen Stützpunkt des katholischen Glaubensgebietes nahe der Konfessionsgrenze markiert.104 In dieser Hinsicht kann die Kirchenausstattung auch als »Antwort auf die gewaltsam durchgeführten Verordnungen des protestantischen Herzogshauses Württemberg« interpretiert werden. Als das Kloster 1750 die Reichsunmittelbarkeit erlangte, wurde das neue Konzept für die Ausmalung des Langhauses entworfen, das als Invektive gegen den Protestantismus zu verstehen ist.105 Für die Kapellenräume und Emporen der Kirche (1764–1766 von Andreas Meinrad von Au [Ow] freskiert) entwickelte man eine ingeniöse Typologie: In die Gewölbe der Langhausemporen hatte von Au acht Szenen zu malen, die Maria – gleichsam in Ergänzung zum Langhausfresko – als »Beschützerin des Benediktinerordens« (mit durchwegs wenig bekannten Mitgliedern des Ordens) zeigen, während die Gewölbe darunter einen achtteiligen Marienzyklus zeigen. Die Folge dieser Marienszenen (von der Verheißung des Erlösers im Paradies bis zur Aufnahme Mariens in den Himmel) in den Kapellenräumen ist chronologisch geordnet, während die Abfolge der Emporenszenen einer bedeutungsmäßigen entspricht. Diesen Zyklus bereitete man in konzeptueller Hinsicht intensiv vor, was durch schriftliche Programme nachgewiesen ist.106 Es wurde aber bisher noch nicht bemerkt, dass das Verhältnis zwischen den Kapellen und den darüber befindlichen Emporen in kompositioneller und thematischer Hinsicht auf einen typologisch unterlegten Parallelismus ausgerichtet ist: So entspricht etwa dem Tempelgang Mariens das Emporenfeld mit Maria als »Lehrerin« des Papstes Petrus Coelestinus, des Erzbischofs Ansgar (von Bremen), des Abtes Rupert von Deutz und Hermanns des Lahmen (Abb. V.7). Die dazugehörende Eigenschaft Marias wird im erklärenden Kartuschenfeld des Emporenfeldes als INFORMATRIX ausgewiesen. Die genannten Mönche befinden sich vor bzw. auf einer Treppe, wie dies der gängigen Ikonografie

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Abb. V.7: Zwiefalten, Klosterkirche, Langhaus, Maria als Beschützerin des Benediktinerordens, Andreas Meinrad von Au (Ow), 1764–1766 (© Archiv des Autors)

Typologie und Heiligenverehrung in der Deckenmalerei

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des Tempelgangs Mariens im Kapellenfresko darunter entspricht. Dadurch wird einerseits Maria mit erklärenden Ehrentiteln ausgezeichnet (wie dies etwa auch in der oberösterreichischen Zisterzienserstiftskirche von Schlierbach [Ausstattung ab 1682] mithilfe entsprechender Substantive in Kartuschen an den Arkadenbögen zu beobachten ist), andererseits der Benediktinerorden insgesamt stärker an die Marienverehrung gebunden, was wiederum mit dem Gesamt­programm der Kirche konvergiert. Typologie und Heiligenverehrung in der Deckenmalerei

Mit dem Zwiefaltener Beispiel wird das weite Feld der hagiografisch unterlegten Typologie betreten, die zugleich das Spektrum außerbiblischer Typologie einschließt: In der malerischen Ausstattung der Wallfahrtskirche zum Heiligen Kreuz in Bergen bei Neuburg an der Donau erfolgt etwa eine typologische Verdichtung mittels unterschiedlicher Heiligenszenen. Grundlage dafür sind die Deckengemälde Johann Wolfgang Baumgartners aus den Jahren 1756 bis 1758107 auf der Basis eines wahrscheinlich vom Jesuitenseminar zum Heiligen Kreuz in Neuburg entworfenen Konzepts.108 Im Chor sind die Kreuzauffindung und die Kreuzprüfung durch die hl. Helena wiedergegeben, im Gewölbe des nördlichen Oratoriums die Stigmatisation des hl. Franziskus, im südlichen Oratorium die Ignatius-Vision in La Storta (1758) (Abb. V.8),109 die insofern einen Bezug zum konkreten Ort aufweist, als Bergen im 18. Jahrhun-

Abb. V.8: Bergen bei Neuburg an der Donau, Wallfahrtskirche zum Heiligen Kreuz, Chorfresken, Johann Wolfgang Baumgartner, 1758 (© Archiv des Autors)

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

dert zum Studienseminar der Jesuiten in Neuburg gehörte. Aus dieser Perspektive wird hier eine komplexe Typologie aufgespannt, in der als Dreh- und Angelpunkt der Wallfahrtskirche zum Heiligen Kreuz das Hochaltargemälde Johann Wolfgang Baumgartners (1758)110 mit der Kreuzigung Christi fungiert, das insofern als thematischer Ausgangspunkt zu verstehen ist, als die Kreuzauffindung durch Helena als Freskenfeld direkt daran anschließt. Flankierend zu dieser zentralen heilsgeschichtlichen Achse, die sich um das Kreuz Christi dreht, sind zwei Visionen konzipiert, die für Mittelalter und Frühe Neuzeit die Wirkmächtigkeit des Kreuzes beweisen (fortgesetzt in den Seitenkapellen mit Kreuzvisionen der Heiligen Hubertus und Eustachius, 1757). Das Altarblatt des nördlichen Seitenaltars aus der Hand Baumgartners (1758)111 nimmt diesen Gedanken auf, indem die Immaculata-Darstellung um Gottvater, der auf das Kreuz weist, erweitert wird. Dem entspricht auf der Südseite ein weiteres Altargemälde Baumgartners (1758),112 das Jesus in der väterlichen Werkstatt zeigt, jedoch hier ergänzt um Jesu Gestus in Richtung eines geöffneten Buches mit dem Hinweis auf Jo 3, 14f. (Eherne Schlange), die im Hintergrund Darstellung findet. Die Kreuzthematik wird hier an einem besonderen Ort der Kreuzverehrung umfassend und mit zahlreichen typologischen und hagiografischen Facetten abgehandelt. Auf den Lokalpatron angewendet findet sich eine vergleichbare Ausstattung in Altomünster (Landkreis Dachau): Joseph Mages erhielt im Jahr 1765 den Auftrag zur Freskierung der dortigen Klosterkirche nach inhaltlichen Vorgaben des Priors Pater Simon Böck: Das Deckenfresko (1767/1768) unter dem Nonnenchor im Beichtraum zeigt in einer Darstellung – Kopf an Kopf – Jesus, der den Gelähmten am Teich Bethesda heilt (nach Osten), und den hl. Alto (mit darunter befindlicher Quelle als Hinweis auf sein Quellwunder) (nach Westen).113 Das Freskenfeld folgt inhaltlich dem »Prinzip der heilsgeschichtlich definierten Ikonologie«114: Der »Altobrunnen« wird »zum neuen Teich Betesda« und gleichzeitig zum »realen Wirkort der dort verheißenen Heilung«115. Auch eines der Deckenbilder im Chor bindet Alto in eine Typologie im Zeichen der Gegenwärtigsetzung ein: Als Alto bei der Wandlung den Kelch hochhielt, erschien ihm über dem Kelch das Jesuskind als Vision.116 Der Zelebrant, der in der Kirche von Altomünster die Messe feiert, agiert hier gleichsam in der Nachfolge des Lokalheiligen. Seine Vision ist somit beispielgebendes Vorbild für die Wirkmacht der Eucharistie. Nicht zuletzt erscheint Alto im Rahmen der Ausstattung der Kirche in einen hagiografischen Kontext eingebunden, der am Beispiel der einander gegenüber postierten Altäre des hl. Augustinus und des hl. Alto im Kuppelraum (von Johann Baptist Straub und seiner Schule, 1755–1764) manifest wird, da beide Heiligen gleichsam parallel in Ehrfurcht und Verzückung vor ihren Attributen (Herz bzw. Jesuskind im Kelch) knien. Die 1747 geweihte ehemalige Stiftskirche von Amorbach präsentiert am Gebälkfries der Fassade einen direkten Hinweis auf den Salomonischen Tempel mit einem Zitat nach 2 Chr 21, 6, das die bekannte Typologie zwischen Tempel und Kirche aktualisiert.117 Das Kuppelfresko dieser Kirche, das von Matthäus Günther (1745) angefertigt wurde, zeigt unter anderem König Josias, der ein Götzenbild (mit einem Kopf mit Sonnenstrahlen) hält (2 Kg 23, 4–20): Typologisch ist diese Darstellung im konkreten Kontext auf den hl. Benedikt zu beziehen,

Die Typologie und das Prinzip der »Gegenwärtigsetzung«

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der bekanntlich auf Montecassino das Götzenbild des Apoll zerstörte.118 In ähnlicher Weise tritt diese inhaltliche Beziehung als explizite Typologie in einem Relief des Chorgestühls der Stifts­kirche in Ottobeuren auf, das die Götzenbildzerstörung durch König Josias jener Benedikts gegenüberstellt.119 Die Typologie und das Prinzip der »Gegenwärtigsetzung«

Die Freskenausstattung von Altomünster verweist bereits deutlich auf das im Barock häufig anzutreffende Prinzip der Gegenwärtigsetzung, das den konkreten Kirchenraum mittels entsprechender Themen der künstlerischen Ausstattung in direkter Nachfolge der Heilsgeschichte positioniert. Die damit zusammenhängenden Fragen wurden von allem von Hermann Bauer (1929–2000) seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in mehreren Beiträgen konkretisiert: Bauer fasste die Kirchengebäude des Rokoko grundsätzlich im Sinne der »Heiterkeit des Verschwebenden und sich Verwandelnden der Interpretations- und Anschauungsmöglichkeiten aller Formen« auf und betonte die »kunstvolle Mehrdeutigkeit«120. Für die Ausmalungen des 18. Jahrhunderts konstatierte Bauer, dass an die Stelle des hypethralen Raums zunehmend die »historische Perspektive«121 getreten sei und ein neuartiger »historischer Realismus«122 an Bedeutung gewonnen habe. Die Scheinarchitektur mit einer Öffnung in den Himmel stelle »in ihrer Identität mit dem Kirchengebäude« eine eigene Realität dar.123 Die Deckenmalereien zeigen aber nicht nur ein »Bild des Himmels«, sondern fungieren zugleich als »heiliger, historisch-biblischer Ort«124. In vielen Fällen ist der »Versuch einer historischen Legitimation der jeweiligen Kirche auf dem Wege eines typologischen Gleichnisses«125 nachweisbar. Dabei werden die Zeiten als miteinander verschränkt wiedergegeben: Die Gegenwart sah man als »Erfüllung einer Zeit«, die »heilsgeschichtlich-historisch[en]« Charakter besitzt.126 Besonders in der berühmten Wallfahrtskirche von Birnau (1746–1749) wurde mit allen Mitteln die eigene Existenz und Geschichtlichkeit »mit dem Himmlischen verklammert« und interpretierend in die himmlische Sphäre gerückt.127 In der ehemaligen Stiftskirche von Dießen am Ammersee stellte Johann Georg Bergmüller im Jahr 1736 die Gründung des Klosters detailliert dar: Auch hier erfolgte durch den Hinweis auf die eigene Historie ein »Einstellen der irdischen Geschichte in die Ewigkeitsaspekte«128. Nicht zuletzt unterstreicht der Konzeptentwurf für die Kuppel der ehemaligen Klosterkirche von Neresheim (1747– 1792) durch Abt Benedikt Maria Angehrn aus dem Jahr 1772 die prägende Intention einer Visualisierung der Benediktiner und ihrer Geschichte: In allen genannten Beispielen kommt ein neues Bedürfnis zum Ausdruck, das Dargestellte zu legitimieren »als historisches Faktum, als Geschichte«129. Auch in der Kuppel der niederösterreichischen Stiftskirche von Altenburg (1733) ist das Fresko zum handlungsreichen Schauplatz eines Geschehens geworden, das an sich nicht mehr zeitlos himmlisch ist, »sondern als historische Vision nur noch typologisch auf den Himmel verweist«130. Besonders deutlich wird die Rolle der Typologie in der Realisierung dieser Zusammenhänge in der Pfarr- und Wallfahrtskirche von Wilten bei Innsbruck (1754), die mittels des

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Abb. V.9: Wilten bei Innsbruck, Pfarr- und Wallfahrtskirche, westliche Kuppel, Maria als »neue« Judith, Matthäus Günther, 1754 (© Archiv des Autors)

Die Typologie und das Prinzip der »Gegenwärtigsetzung«

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Freskenprogramms von Matthäus Günther, das Judith und Maria in der westlichen Kuppel aufeinander bezieht, gleichsam »zu einem zweiten Bethulia« wird (Abb. V.9). Die Kirche kann demgemäß als Ort, der wie Maria durch Judith, »durch einen historischen Ort präfiguriert wird«, interpretiert werden – ganz im Sinne des beschriebenen Konzepts der »Identität eines präfigurierenden, historischen oder paradigmatischen Sinnbezuges«131. In Wilten wird diese Relation zu einem mehrschichtigen Parallelismus gesteigert, da im entsprechenden Fresko in der in Versalbuchstaben eingravierten Inschrift auf dem mächtigen Sockel, auf dem Judith steht, aus Jdt 13, 20 und damit aus der Rede Judiths nach ihrem Triumph zitiert wird: NON PERMISIT ME DOMINUS ANCIL- / LAM SUAM COINQUINARI. Der ganze Vers 20 (»So wahr der Herr lebt, hat er mich durch seinen Engel behütet, dass ich nicht bin verunreinigt worden, solange ich bin außen gewesen; und hat mich ohne Sünde wiederhergebracht mit großen Freuden und Sieg.«) kann als deutliche Unterstreichung der Ähnlichkeit zwischen Judith und Maria (die streng in einer Achse postiert sind) gesehen werden, da mit dem Behüten durch den Engel (Michael), dem Bewahren vor Verunreinigung und eines sündlosen Zustands (Immaculata) wesentliche Eigenschaften angesprochen werden, die als zentral für die über Judith befindliche Maria gelten können. Mit ancilla wird zudem auf Lk 1, 38 und damit die Verkündigung hingewiesen. Es geht in diesem Beispiel somit nicht nur um die häufig anzutreffende Präfiguration Marias in Judith,132 sondern um fokussierte (hier sprachlich unterstrichene) Parallelismen, welche die Jungfrau Judith als logische Präfiguration der »Unbefleckten Jungfrau« Maria (vgl. Gen 3, 15) erscheinen lassen können. Die prägende vertikale Achse, in der sich Judith und Maria befinden, sowie die skizzierten Parallelismen bei Jdt 13, die sowohl auf Judith als auch auf die Immaculata bezogen werden können, verstärken den Charakter einer umfassenden Typologie in Wort und Bild. Das Wiltener Modell fand im Langhaus der Pfarrkirche von Schongau (1761) mit den Darstellungen der Krönung Mariens und Esthers vor Ahasver in einer ähnlichen kompositionellen Aufteilung eine deutliche Nachfolge.133 Eine Bezugnahme auf Wilten findet sich auch in Günthers letztem Werk, der Pfarrkirche von Waalhaupten (1787), wo in der Langhausausmalung ebenfalls Judith als Vorbild Mariens zu sehen ist.134 Besonders im Umfeld von Klosterjubiläen ist häufig die Vorstellung anzutreffen, dass der Heilsplan nun vollendet und die Kirche zu einem »heilsgeschichtlichen Ort« geworden sei. Es handelt sich hierbei um die Idee von der »Erfüllung der Zeit« in der gegenwärtigen Kirche. [Heils-]Geschichte wird demgemäß als »Heilsgeschehen, das seine Erfüllung im gegenwärtigen Kirchenbau findet«135, interpretiert. Zu dieser Art der Gegenwärtigsetzung von Heilsgeschichte in der Ausstattung von Kirchenbauten gehört auch das Faktum, dass den in den Fresken dargestellten Personen Züge historischer Figuren (Äbte, Bauherren und Kurfürsten) verliehen werden konnten.136 Die Umsetzung kann vor allem an konkreten Jubiläen und Ausstattungen festgemacht werden, etwa in der ehemaligen Augustiner Chorherrenstiftskirche von Beyharting (Gemeinde Tuntenhausen, Johann Baptist Zimmermann, 1730), in der zuseiten des zentralen Langhausfreskos mit Augustinus, der an seinem Werk De trinitate schreibt, einerseits »Judith mit dem Haupt des Holofernes« und andererseits – quasi als realhistorische Entsprechung – Judith, die Gründerin von Beyharting (1130) mit dem Haupt Johannes des

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Täufers, des Klosterpatrons, bezeichnet hier mit ILLVSTRIS IVDITHA FVNDATRIX, wiedergegeben sind.137 Unterstrichen wurde dies im Rahmen der Festkultur durch Predigten einer achttägigen Säkularfeier des Jahres 1730 (zur 600-Jahr-Feier der Kirchweihe),138 die auf die angesprochene Typologie Bezug nimmt und die Gründerin als »zweite Judith« bzw. Beyharting als »zweites Bethulia«139 ausweist. Als entsprechende Basis fungieren die »Parallele zwischen Johanneshaupt und Haupt des Holofernes« sowie die Namensgleichheit im Sinne einer fast typologischen Gleichsetzung der Gründerin mit der biblischen Judith, sowie die Stilisierung Beyhartings zu einem »neuen Bethulia«. Gegenwärtigsetzungen dieser Art erfolgten somit vor allem in jenen Beispielen, bei denen die biblischen Szenen durch Ereignisse der Orts- und Lokalhistorie überformt wurden, etwa in der Ausmalung des Querhauses der Wallfahrtskirche von Vierzehnheiligen (Franken), bei der die Verkündigung an Maria und der Befehl des Engels zur Flucht nach Ägypten durch die daneben befindlichen Zwickel mit den beiden letzten Visionen des Schäfers in Vierzehnheiligen ergänzt werden, wodurch ein besonderer Akzent auf dem (göttlichen) Kind zu erkennen ist und die biblische Historie durch Episoden am Gnadenort Vierzehnheiligen gegenwärtig gesetzt erscheint.140 Das Programm basiert durchgehend auf dem Nachweis der Echtheit der Erscheinung der 14 Heiligen, die mit Erscheinungen aus dem Alten und Neuen Bund in eine (fiktive) Linie gestellt werden. Ein weiteres wichtiges Beispiel, das ebenfalls in höchst anschaulicher Weise die konkreten Umstände der Lokalhistorie zum Zweck einer heilsgeschichtliche Stilisierung heranzieht, formulierte Johann Baptist Zimmermann im Jahr 1756 mit seinen Fresken in der Kirche des ehemaligen Prämonstratenserklosters Neustift bei Freising:141 Hier ist das Hauptfresko ein ideales Beispiel, um die von Hermann Bauer142 angesprochene Gegenwärtigsetzung zu illustrieren. Die Gründung des Klosters Prémontré wird nach der Norbert-Vita von Johannes Chrysostomus Teniers wiedergegeben: Norbert wartete auf ein Zeichen Gottes, »ob hier der Platz seiner Klostergründung sein sollte«143. Dieses Zeichen der Erscheinung des Kreuzes wurde einem Gefährten in Form einer Vision zuteil, der sie Norbert berichtete. Offensichtlich wurden aus der Perspektive Neustifts in der Geschichte Prémontrés »Parallelen zur eigenen Geschichte« gesehen, war doch auch Neustift auf sumpfigem Boden gebaut worden. 144 Das von sieben Lichtstrahlen umgebene Kreuz wird rechts von einer durch einen Bischof vorgenommenen Kloster- und Kirchengründung flankiert. Es bleibt aber durchaus in Schwebe, ob es sich dabei um die von Bartholomäus von Laon geweihte Kirche oder aber um die Weihe Neustifts durch Otto von Freising (1141/1142) handelt. Das Kreuz wäre demnach sowohl jenes aus Norberts Vision und zugleich das des Neustifter Heiltums: Neustift als »zweites Prémontré« ist im Sinne einer Gleichsetzung der beiden Orte die Grundaussage dieses Freskos.145 Die hier in monumentaler Form wiedergegebene Kreuzesvision als Ursprunglegende des Prämonstratenserordens ist auch Thema eines Kupferstichs der Gebrüder Klauber (um 1750),146 (Abb. V.10) in dem zwei engelgleich gekleidete Pilger den Gekreuzigten hochhalten, von dem sieben Strahlen ausgehen, die ein Bibelwort zum Inhalt haben: Septem Spiritus Dei missi in omnem terram. (Apk 5, 6). Mit dem darüber befindlichen Passus Monstravit ei

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locum. (2 Kg 6, 6) wird auf das Wunder, als Elischa ein Eisen zum Schwimmen brachte, verwiesen – im gegenständlichen Zusammenhang aber auf das Zeichen, das Norbert für seine Gründung zuteilwurde. In dieser Hinsicht erfüllt Christus die exzeptionelle Funktion als Praemonstrator Ordinis Praem., wie dies der Blatttitel signalisiert. Seine wegweisende Funktion (vgl. Praemonstrator und Monstravit in den Schriftstellen) wird somit eng an den spezifischen Namen des Ordens der Prämonstratenser gekoppelt. Mit dem Passus Fuit Ioannes in Deserto. (Mk 1, 4) ist der im Mittelgrund betend wiedergegebene Norbert als »zweiter« Johannes der Täufer ausgewiesen, wodurch die Gegenwart des Gekreuzigten eine neue Funktion erhält, da gerade der hier zitierte Beginn des Markusevangeliums Johannes als Künder Christi präsentiert. Mit der Beischrift unten, Laetabitur deserta, et invia, et exultabit / solitudo, et florebit quasi Lilium. ( Jes 35, 1), einem Zitat, Abb. V.10: Kreuzesvision als Ursprungslegende des das sich auf die Fruchtbarmachung und Prämonstratenserordens, Gebrüder Klauber, um 1750 Blüte des ehemals kargen und öden (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek) Landes bezieht, wird Prémontré zudem als neuer und fruchtbarer Gnadenort präsentiert. Dies zeigt in anschaulicher Weise, wie sehr vergleichbare Argumentationsstrategien der Typologie in unterschiedlichen Formaten – in der Deckenmalerei und der Druckgrafik – anzutreffen sind. In ähnlicher Weise wurden auch in den 1741/1742 von Johann Georg Bergmüller angefertigten Deckenfresken der ehemaligen Prämonstratenserstiftskirche von Steingaden147 nicht nur Visionsberichte verarbeitet, welche die Gründung des Stammklosters Prémontré zum Inhalt haben, sondern auch die Lokalhistorie bemüht, wonach Norbert auf seiner Romreise (1125/1126) bei einer nächtlichen Rast an der Stätte Steingadens einen göttlichen Hinweis auf diese spätere Gründung erhalten habe, wodurch auch die Grundlage gegeben war, Steingaden als »zweites Prémontré« zu verherrlichen. In Steingaden findet in den entsprechenden Fresken des Kirchenschiffs eine thematische »Zweiteilung«148 statt: Demnach geht es im östlichen

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Feld um die Vision Norberts von der Gründung Steingadens, im westlichen Joch aber um die tatsächliche Gründung Steingadens im Jahr 1147 durch Herzog Welf VI. Ebenfalls in unmissverständlicher Weise wurde die typologisch unterlegte Vergegenwärtigung von Heilsgeschichte in der ehemaligen Benediktinerstiftskirche von Wahlstatt (Legnickie Pole) (1733, Fresken von Cosmas Damian Asam) visualisiert:149 »So wie Kaiserin Helena in Jerusalem als dem Ort der Passion das wahre Kreuz erhebt, so die Herzogin Hedwig im schlesischen Wahlstatt als dem Ort der Passion ihres Sohnes und des schlesischen Ritterheeres im Kampf gegen die Heiden.«150 Die Gründerin Hedwig bezieht sich somit auf ein ruhmreiches Exempel, »sie ist in Wahlstatt die neue Helena.« Diese Sichtweise wird durch implizite Verweise in der Ausgestaltung des Freskos über der Orgel (toter Herzog) auf die Pietà und im Hochaltarbild (Hedwig auf dem Schlachtfeld) auf die Kreuzabnahme transparent gemacht.151 Quellenmäßig am besten und künstlerisch am ausführlichsten lässt sich die Vergegenwärtigung von Heilsgeschichte am Beispiel der Ausstattung der Wallfahrtskirche von Birnau am Bodensee (Weihe 1750) demonstrieren: Zentraler Ansatzpunkt für die Typologie sind hier durch Predigten vorgenommene Gegenwartsbezüge: Im Jahr 1746 wurde das Birnauer Gnadenbild nach Salem übertragen. Die zu diesem Anlass erschienene Lob- und Ehren-Predig [sic!] stand unter dem Motto JOSEPHI JUSTI CAUSA JUSTA verbunden mit Mt 2, 20, wonach Joseph den Befehl erhielt, aus Ägypten wieder in das Land Israel zu ziehen. Der »gerechte« Joseph ist der 1746 plötzlich verstorbene Salemer Abt Stephan II.; die in der Predigt angesprochene »gerechte Sache« die damals äußerst umstrittene Übertragung des Gnadenbildes. Joseph war zugleich auch der Taufname Abt Stephans. Ein gegenwärtiges Ereignis wurde somit minutiös als typologisch präfiguriert präsentiert.152 Im Verlauf der Kirchweihfeier wurden drei äußerst inhaltsreiche Kirchweihpredigten gehalten:153 Am Beginn steht Abt Anselms II. (reg. 1746–1788) Predigt über das Langhausfresko Birnaus154, in der deutlich das Motto der Fresken mit Jdt 15, 10 formuliert wurde und eine Identität zwischen Bethulia und Birnau zum Tragen kommt: […] diesen [sic!] der Ehre diser [sic!] Jungfräulichen Mutter Gottes gewidmeten Tempel kann ich gantz eigentlich Bethulia nennen, […]155. Damit setzte Anselm das biblische Geschehen in ein typologisches Verhältnis zur Kirchweihfeier. Mit der Nennung Bethulias vollzog er zugleich eine besondere typologische Akzentuierung, indem seine Übersetzung dieses Begriffs als Göttliche Jungfrau sowie als ein Ort, der Gott in sich traget Maria mit dem Gebäude von Neu-Birnau identifiziert: »Der Schoß der göttlichen Jungfrau wird zum Haus Gottes.«156 Mit aula (aus der Vigil zum Fest der Himmelfahrt Mariens) wird sowohl auf bauliche Gegebenheiten (Kongregationssaal) als auch auf den Schoß Mariens verwiesen.157 In seiner Predigt bezog Anselm mehrmals das eigentliche Gnadenbild und seine Darstellung im Fresko in seine Ausführungen ein.158 Die zweite Predigt, die von keinem Geringeren als Sebastian Sailer gehalten wurde, dreht sich um die Chorkuppel, insbesondere das in den entsprechenden Fresken selbst bezeichnete Motto Sir 24, 24.159 Zu Beginn seiner Ausführungen vergleicht Sailer das Neu-Birnauer Gebäude mit alttestamentlichen Vorbildern (Altar Noahs sowie Altar Abrahams und Tempel Salomos). Über alle Kirchen stellt Sailer die Marianischen Andachts-Häuser, vor allem Neu-Birnau selbst.160 Die Geschichte Jakobs (Gen 33, 17–20) ist für Sailer eine Präfiguration

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des dreifachen Aufenthalts des Gnadenbildes in Alt-Birnau, Salem und Neu-Birnau. In der Folge widmet sich Sailer ausführlich der Beschreibung der Fresken als Basis für die von ihm näher ausgeführten Typologien im Zeichen der Beziehung Eva–Maria.161 Die letzte der drei Birnauer Kirchweihpredigten wurde vom Konstanzer Jesuiten Joseph Vogelmayr (Voglmayr) gehalten, der ebenfalls typologische Bezüge strapazierte, die bereits im Titel seiner Ausführungen zum Ausdruck kommen: Maria Die bessere Neu-testamentische Esther […], womit deutlich auf das entsprechende Fresko über dem Hochaltar angespielt wird – gipfelnd in der Typologie Thron Salomos / Sedes Sapientiae – Maria / Sedes Sapientiae.162 Auffällig ist in allen drei Predigten ein überreicher Gebrauch typologischer Argumentation – auf der Basis der Ausmalung der Kirche durch Gottfried Bernhard Götz,163 wobei von allen Predigern biblische Vorbilder in einen bestimmten Bezug zur Gegenwart gestellt werden (z. B. Jerusalem als Vorbild Salems bzw. Abt Stephan als zweiter Joseph etc.).164 Der »ungewöhnliche theologisch-exegetische Ansatz« des Birnauer Deckenprogramms, das für jedes Bild gleichsam von einem »Kernsatz« seinen Ausgang nimmt, könnte die typologische Interpretation begünstigt haben.165 Wesentlich komplexer ist der Sachverhalt bei einer weiteren Wallfahrtskirche, und zwar jener von Pfarrkirchen (bei Bad Hall) in Oberösterreich, die 1748 vom Welser Wolfgang Andreas Heindl ausgemalt wurde.166 Die zum Stift Kremsmünster gehörende Kirche war 1744 erweitert worden, um mehr Platz für die Gläubigen zu schaffen, aber auch, um einen würdigeren Ort für die lokale Blutreliquie zu besitzen. In diesem Sinn steht im umfangreichen malerischen Programm die Verehrung des Blutes Christi unter typologischen Vorzeichen in einem um zwei Seitenschiffe ergänzten Langhaus im Zentrum des Interesses: In insgesamt 14 Bildfeldern breitet sich eines der variantenreichsten und innovativsten heilsgeschichtlichen Programme im österreichischen 18. Jahrhundert aus. Charakteristisch ist hier, dass insofern eine durchgehende Differenzierung zwischen Altem und Neuem Bund gegeben ist, als in den einzelnen Freskenfeldern das präfigurative Thema mit der irdischen Zone verbunden ist, während die christologischen Themen – die dem Charakter des Wallfahrtsortes entsprechend in den Feldern der Seitenschiffe eine »neu erdachte religiöse Allegorie«167 in Bezug auf die Heilswirkung des Blutes Christi zeigen – die himmlische Sphäre erfüllen.168 Beispielhaft kann an dem an die Sakristei anschließenden östlichsten Freskenfeld des nördlichen Langhauses die spezifische Disposition dieser Art kreativer Typologie veranschaulicht werden: Hier ist im unteren Bereich der alttestamentliche Heerführer Gideon dargestellt, wie er an der unterschiedlichen Art des Trinkens die zum Kampf tauglichen Krieger erkennt und dadurch seine Armee verkleinert (Ri 7, 3–8; die heute erkennbare Inschrift Jud. VII / 15 bezieht sich eigentlich auf die folgende [siegreiche] Schlacht gegen die Midianiter), während im oberen Abschnitt des Freskenfeldes der geschundene Christus an der Geißelsäule – adoriert von zwei Büßern im Vordergrund (die das Blut Christi trinken) und von einer trauernden Engelgloriole umgeben – zu sehen ist (Abb. V.11). Zum einen wird hier das Gideon zugeordnete Wasser (unten) mit der Heil bringenden Flüssigkeit des Blutes (oben) kontrastiert, zum anderen mit dem Gegensatz der Beischriften (Ignoscitur bei Christus – Dignoscitur bei Gideon) der Kon-

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Abb. V.11: Pfarrkirchen (Oberösterreich), Wallfahrtskirche, östlichstes Freskenfeld des nördlichen Langhauses, Gideon und Christus, Wolfgang Andreas Heindl, 1748 (© Archiv des Autors)

trast zwischen »verzeihen« (Christus) und »unterscheiden« (Gideon) in der Zeitform des Präsens Passiv deutlich gemacht. In diesem Sinn ist – trotz des gleichen Falls und der gleichen Zeitform des Verbs sowie des Parallelismus des Trinkens in beiden Szenen – das Feld nicht allein auf das Schema von Prophezeiung und Erfüllung angelegt, sondern macht auch den Kontrast zwischen Altem und Neuem Bund deutlich. Eine etwas andere Situation ergibt sich beim westlichsten Fresko im südlichen Seitenschiff, in dem im unteren Bereich Jakobs Trauer angesichts von Josephs blutigem Rock (nach Gen 37, 31–34) als Typus des heilbringenden Blutes Christi, das im oberen Abschnitt in Gestalt der Geißelsäule und des blutigen Rocks Christi gegenwärtig ist, Darstellung findet (Abb. V.12). Die Beischrift Fusus / ab Agno an der Unterseite der Geißelsäule kennzeichnet die Identität dieses Blutes mit jenem des Agnus Dei. Das Ereignis aus dem Alten Bund stellt hier gleichsam einen Vorläufer dar – konkretisiert in der Identität des zentralen Gegenstandes, da es sich in beiden Fällen um einen blutigen Rock handelt. Nicht ohne Grund findet sich diese Typologie bereits im Mittelalter.169 Besonders ausführlich sind die typologischen Strukturen auch in den Fresken der Wallfahrtskirche von Wemding (Landkreis Donau-Ries)170 gestaltet, die im Jahr 1754 von dem zwei Jahre zuvor verpflichteten Johann Baptist Zimmermann ausgemalt wurde. Ab 1748 hatte der Stadtpfarrer von Wemding, Johann Michael Forster (wahrscheinlich auch der Programmentwerfer), die alte Kapelle durch einen großen Neubau von Franz Joseph Roth ersetzen lassen. In diesem Fall erstreckt sich die malerische Thematisierung des marianischen Gnadenbildes gleich über die Ausstattung des gesamten Kirchenschiffs, nimmt im Chor mit einem Freskenfeld des von Kranken aufgesuchten marianischen Gnadenbildes, das zugleich als Zuflucht der Sünder fungiert, seinen Ausgang, wird in der Folge über ein Grisaillefresko über dem Chorbogen, das die Heilung nach Jo 5, 1–16 am Teich Bethesda171 zeigt (Abb. V.13), weitergeführt und kulminiert im Langhausfresko, das die vier Erdteile anbetend vor einer Darstellung des

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Abb. V.12: Pfarrkirchen (Oberösterreich), Wallfahrtskirche, westlichstes Fresko im südlichen Seitenschiff, Josephs blutiger Rock und der Rock Christi, Wolfgang Andreas Heindl, 1748 (© Archiv des Autors)

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Abb. V.13: Wemding (Landkreis Donau-Ries), Wallfahrtskirche, Grisaillefresko über dem Chorbogen, Johann Baptist Zimmermann, 1754 (© Archiv des Autors)

Wemdinger Gnadenbildes vor Augen führt (Abb. V.14). Die flankierenden Stichkappen und Zwickel des Langhauses zeigen in Grisaille marianische und christologische Themen, die auf die heilende Kraft des Wassers (zum Teil auch des Blutes Christi) Bezug nehmen und Maria als »Quell der Gnaden«172 präsentieren. Das Freskenfeld mit der Heilung am Teich Bethesda, das über dem Chorbogen platziert ist, nimmt einen zentralen typologischen Gedanken auf, der darin besteht, die heilende Kraft des Brunnens von Wemding biblisch zu präfigurieren, und zwar mit Bezug auf den Alten Bund und der Beischrift nach Ps 35, 10 (Fons Vitae). Gegenstand der bildlichen Darstellung aber ist das erwähnte Jesuswunder (nach Jo 5), das wesentlich auf der Wasserthematik basiert, lag doch in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der auf Hebräisch Bethesda hieß: Viele Kranke, Blinde und Lahmen warteten, bis das Wasser durch einen Engel mit einem Stab (im Fresko mit einem Kreuzstab) bewegt wurde – ein Vorgang, der die Grundlage der Heilung für jene schuf, die hineinstiegen. Wenn im Hauptfresko des Kirchenschiffs in den von Engelputti gehaltenen Schriftbändern aus Ps 65, 11 (rivos eius inebria multiplica genimina eius in stillicidiis eius laetabitur germinans [»Du tränkst seine Furchen, feuchtest seine Schollen; mit Regenschauern machst du es weich und segnest sein Gewächs.«]) zitiert wird, dann ist hier die Metaphorik des Wassers aus typologischer Perspektive wieder aufgenommen und mit der Darstellung des Gnadenbildes im Zentrum verbunden. Im Vordergrund des Konzepts steht somit die bildliche Präsentation des in der Kirche faktisch gegenwärtigen und als heilend angesehenen Marienbrunnens, der mit (Marien-)

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Abb. V.14. Wemding (Landkreis Donau-Ries), Wallfahrtskirche, Langhausfresko, Johann Baptist Zimmermann, 1754 (© Archiv des Autors)

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Emblemen in Bezug auf heilende Flüssigkeiten verknüpft und typologisch mit Altem (durch Inschriften) und Neuem Bund (Bethesda-Heilung) verbunden wird. Es geht in diesem Fall aber weniger um den Gedanken der Erfüllung des Alten im Neuen, als vielmehr – angesichts der wirkmächtigen Gegenwart des Marienbrunnens – gleichermaßen um Belege aus beiden Testamenten, die in Form von Zitaten die heilende Wirkung des Wassers belegen sollen. Die Rolle der Typologie in der Bibliotheksikonografie

Typologische Bildstrukturen in der Ausmalung von Klosterbibliotheken bilden einen Sonderfall, wobei hier die historische Situation günstig ist, können doch speziell Klosterbibliotheken »als Ausdruck ihrer Zeit, ihrer Orden, ihrer Auftraggeber verstanden werden«173. Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist die Analyse von Klosterbibliotheken und ihren Ausstattungen ein zentrales Thema der Frühneuzeit-Forschung. Die Bibliothek wurde in diesem Zusammenhang als der »Wissensspeicher des Klosters«174 schlechthin identifiziert. Von Relevanz ist hier besonders der multifunktionale Charakter einer Bibliothek: Diese stellt nicht nur das Arsenal klösterlicher Gelehrsamkeit bereit, sondern fungiert zugleich als attraktiver »Schauraum«. Bibliotheken sind somit nicht nur »Aufbewahrungsorte von Kommunikationsmitteln, sondern auch architektonische Zeichen, selbst Kommunikationsmedien«175. Um die barocken Klosterbibliotheken in ihrer Funktion als Schauräume richtig einschätzen zu können, ist es notwendig, »ihre jeweilige Lage innerhalb des architektonischen Ensembles als Bedingung des Öffentlichkeitsbezuges« in die Deutungen miteinzubeziehen.176 Die Untersuchungen müssen demnach von Fall zu Fall die Zugänglichkeit sowie die »Öffnung für Außenstehende«177 untersuchen. Die in Fresken, Stuck und Freiplastik zum Ausdruck kommende Bibliotheksikonografie muss darüber hinaus als »self-representation, of assertion of identity« des jeweiligen Ordens gelten. Eine »Order’s special identity«178, die sich in der Geschichte der Kommunität, in der täglichen Arbeit sowie in intellektuellen Erfolgen zeigt, besitzt ein entsprechendes Analogon in bestimmten Merkmalen der bildkünstlerischen Ausstattung. Aus diesem Grund sind Recherchen in Bezug auf das »Zusammenspiel von Bildprogramm und Sammlungsprofil«179 zentral: Im Idealfall können malerische und plastische Konzepte als »Vorausschau und Deutung der gebotenen Texte und Autoren«180 angesehen werden. In diesem Sinn existieren auch interessante Beispiele des 18. Jahrhunderts für den Künstler als »eigentlichen Programmverfasser« (Admont, Bibliothek).181 Ein beliebter typologischer Anknüpfungspunkt für die malerische Ausstattung barocker Bibliotheken ist die Gegenüberstellung von Zion und Parnass, womit das Christentum unmittelbar mit der Antike konfrontiert wird. Beispielhaft kann hier das Bibliotheksfresko im niederbayerischen Zisterzienserkloster Aldersbach (1760) genannt werden:182 Hinter den theologischen Wissenschaften ragt der Felsen Petri auf, auf dessen Spitze sich Sapientia-Religio befindet. Ihr Gegenüber ist Pallas Athene vor dem Musenberg Helikon mit Apoll. Auf Kontrastsetzungen in der Längs- und Querachse ist auch die Ausmalung der Bibliothek des ehemaligen Benediktinerklosters von Wiblingen bei Ulm183, ausgeführt zwi-

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Abb. V.15: Wiblingen bei Ulm, Einblick in die Bibliothek des ehemaligen Benediktiner­ klosters, Franz Martin Kuen, 1744–1757 (© Archiv des Autors)

schen 1744 und 1757 von Franz Martin Kuen, angelegt (Abb. V.15). Im Zentrum befindet sich hier die Personifikation der »Göttlichen Weisheit«; im Osten ist der heilsgeschichtliche Ausgangspunkt die Schöpfung, das Paradies und der Sündenfall unter dem Baum der Erkenntnis. Der solcherart unübersehbare »Heilsverlust im Paradies« wird im Erlösungstod Christi am Kreuzesstamm aufgehoben184 – sichtbar im Gegensatz des Baumes der Erkenntnis zum Palmbaum als Baum des Heils auf der gegenüberliegenden Seite –, dort kombiniert mit einem Engel mit einem doppelarmigen Kreuz als Symbol für die Wiblinger Heiligkreuzreliquie, die von den Stiftern Hartmann und Otto von Kirchberg dem Kloster geschenkt worden war. Der Palmbaum bedeutet symbolisch Leben und Sieg; als Zeder wird er auch auf Christus, die Kirche und das Kreuzesholz gedeutet. Darunter befinden sich Benediktinermönche, die zu Heiden aus fernen Erdteilen predigen. Der Palmbaum ist Frank Büttner zufolge185 als »Antitypus zum Baum der Erkenntnis« zu lesen. Der Baum der Erkenntnis und die gegenüberliegende Palme markieren gleichsam den »Ausgangspunkt und das gesetzte Ziel«186. In der Querachse der Bibliothek werden in ebenfalls antithetischer Perspektive187 christliche und heidnische Weisheit bzw. Wissenschaft hervorgehoben. Somit steht der Berg Zion (Abb. V.16) dem Musenberg (Abb. V.17) gegenüber, wobei die Südseite Apoll, Pegasus und Personifikationen verschiedener Wissenschaften und Künste zeigt, die Nordseite hingegen einen Berg mit darauf befindlichem Lamm Gottes (und dem Buch mit den sieben Siegeln), zusammen mit den Personifikationen der Sieben Gaben des Heiligen Geistes. Diese prononcierte »Opposition von Parnass und Zion« wird durch eine Gegenüberstellung von Szenen der Antike (Südseite) und der Ordensgeschichte der Benediktiner (Nordseite) erweitert.188 Das Achsenkreuz ist in Wiblingen nicht durchgehend in identischer Weise zu lesen: Während die Längsachse eine deutliche Kontrastsetzung (Sündenfall – Erlösung im Kreuz) vermittelt, die letztlich in der zentralen Divina Sapientia des Deckenspiegels gipfelt, sind an den beiden Längsseiten Themen aus Antike und Ordensgeschichte versammelt, die letztlich auch als

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

Abb. V.16: Wiblingen bei Ulm, Bibliothek des ehemaligen Benediktinerklosters, Berg Zion, Franz Martin Kuen, 1744–1757 (© Archiv des Autors)

Abb. V.17: Wiblingen bei Ulm, Bibliothek des ehemaligen Benediktinerklosters, Musenberg, Franz Martin Kuen, 1744–1757 (© Archiv des Autors)

sich ergänzend gelesen werden können, gleichsam als »Mittel zum Zweck«189 der Erlösung in Christus. Eine Gegenüberstellung zwischen weißem Pegasus und weißem Lamm erfolgt auch im Deckenfresko der Bibliothek in Bad Schussenried (1755/1757).190 Auch in den Fresken des Straubingers Joseph Anton Merz für die ehemalige Stiftskirche von Oberalteich, zwischen 1727 und 1730 mit Blickrichtung auf das Klosterjubiläum (1731)191 und wohl auch anlässlich des Benedikt-Jubiläums (1729) angefertigt, erfolgt eine Gegenüberstellung zwischen Christentum und Antike. Diese ist im Fresko des Mittelschiffs unterhalb des Triumphs Benedikts platziert und zeigt in der Querachse das Agnus Dei auf dem Berg (links) und den Pegasus auf dem Musenberg (rechts) (Abb. V.18). Das entsprechende Konzept verfasste Abt Dominikus II. Perger, die schriftliche Auslegung der Darstellungen geschah in acht Festpredigten, die 1733 in Straubing im Druck erschienen. Agnus Dei und Musenberg sind hier dem Hauptthema mit dem weltumspannenden Triumph des hl. Benedikt untergeordnet. Dieser basiert im konkreten Fall auf einem bekannten und verbreiteten Kupferstich Leonhard II Heckenauers aus dem Jahr 1701.192 Der Musenberg mit den neun Musen wird

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Abb. V.18: Oberalteich (Niederbayern), Stiftskirche, Mittelschiff (Detail), Agnus Dei und Pegasus, Joseph Anton Merz, 1727–1730 (© Archiv des Autors)

Abb. V.19: Oberalteich (Niederbayern), Stiftskirche, Fresko der Vorhalle (Detail), Joseph Anton Merz, 1727–1730 (© Archiv des Autors)

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hier dem Berg Zion mit den drei Theologischen Tugenden und den vier Kardinaltugenden gegenübergestellt. Beide Gruppen befinden sich zuseiten des von Benedikt verursachten Sturzes der Laster und bezeichnen in diesem Zusammenhang – wie in Wiblingen – nicht Alternativen, sondern formulieren zusammen Eigenschaften des gottgefälligen Strebens.193 Auch in den Fresken der Vorhalle der Kirche von Oberalteich wird eine typologische Beziehung vor Augen geführt, die vom gekreuzigten Christus im Mittelpunkt ihren Ausgang nimmt: Dieser neigt sich vom Kreuz her einem Benediktiner in jener Art zu, die der berühmten amplexus-Vision des Bernhard von Clairvaux nachempfunden ist. Verschiedene andere Ordensleute verehren die Leidenswerkzeuge bzw. das Herz Jesu. Im Zentrum stehen also Frömmigkeit des Benediktinerordens und imitatio des Leidens Christi. Wenn hier der Gedanke der Nachfolge Christi tragend ist, dann ist diese Strategie zugleich typologisch unterlegt, da der Gekreuzigte nicht ohne Grund zwischen der Traube der Kundschafter (gehalten von zwei Putti) und der Aufrichtung der Ehernen Schlange platziert wird,194 (Abb. V.19) also zwei prominenten Typen der Eucharistie und der Kreuzigung Christi. In den Emporenfresken der Kirche wird das Bild des Benediktinerordens als Anwalt der ecclesia catholica vielfältig ausdifferenziert vor Augen geführt: Ein Fresko zeigt den Papst als Advokat von Rechtgläubigkeit und Heiligenverehrung sowie als Feind der Bilderstürmer:195 In diesem Fall wird nicht allein der katholische Triumph selbst veranschaulicht, sondern zugleich ein alttestamentlicher Typus, nämlich der Sieg Mose über die Amalekiter (Ex 17, 8–16) in Gestalt einer Szene, die Putti auf einem von ihnen hochgehobenen Gobelin präsentieren. Mit der Tapisserie wird hier nicht nur auf eine klassische frühneuzeitliche Gattung der Präsentation von Ruhmestaten verwiesen, sondern zugleich in einem anderen Medium – gleichsam als Bild innerhalb eines Bildes – ein traditionsmächtiger biblischer Typus präsentiert, der den päpstlichen Glaubenstriumph präfiguriert, in dieser Weise die Typologie zwischen Moses und dem Papst strapazierend. Die Prophetie als Leitthema – die Stiftskirche von Metten

Wird in der Klosterkirche von Banz noch ein Hauptthema barocker Kunst, nämlich die Eucharistie und ihre Verherrlichung, typologisch ausgedeutet, so steht in der malerischen Ausstattung der Benediktinerstiftskirche von Metten (Niederbayern)196 ein anderer Gesichtspunkt im Vordergrund, nämlich die Prophetie – also letztlich die Typologie – als solche. Das Deckenfresko im Kirchenschiff, freskiert von Wolfgang Andreas Heindl zwischen 1722 und 1724197 (Abb. V.20), formuliert somit Typologie in einer äußerst innovativen Form, da sie hier nicht als inhaltlich strukturierende Matrix Verwendung findet, sondern gleichsam selbst zum Thema gemacht wird – und dies anhand einer neuartigen Themenstellung, da Heindl, der an Cosmas Damian Asams Chorfresko (um 1714) mit der Aussendung Christi durch Gottvater zum Zweck der Durchführung des Erlösungsauftrages direkt anschließt, im Hauptfresko des Kirchenschiffs Maria als Königin der Propheten nach der Lauretanischen Litanei sowie Christus als Inspirator der Propheten, umringt von Engelscharen und den Weisen bzw. Sehern

Die Prophetie als Leitthema – die Stiftskirche von Metten

Abb. V.20: Metten (Niederbayern), Benediktinerstiftskirche, Fresko des Kirchenschiffs, Wolfgang Andreas Heindl, 1722–1724 (© Archiv des Autors)

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V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

des Alten Bundes, wiedergibt. Die malerische Umsetzung dieses Themas ist ungewöhnlich, zeigt doch Heindl Christus im Typus des Verklärten mit ausgestreckter Linker in Richtung der fürbittend gegebenen Maria (diese der Lauretanischen Litanei zufolge als REGINA PROPHETARVM bezeichnet). Das neuartige Thema wird nicht ohne Grund zusätzlich mit mehreren Beischriften abgesichert bzw. untermauert, deutlich in der Inschrift im Bogenscheitel zur Orgelempore (TE DEVM LAVDANT OMNES ANGELI ET SANCTI TVI, TE PROPHETARVM LAVDABILIS NVMERVS) sowie in jener der Kartusche im Westen des Hauptfreskos (IESVS INSPIRATOR PROPHETARVM) bzw. an entsprechender Stelle der Ostseite (QVI LOCVTVS EST PER PROPHETAS). Der gemeinsame Nenner dieser Inschriften besteht in der multiplen Verwendung des für das Programm insgesamt sinnstiftenden Wortes PROPHETA, zusätzlich untermauert durch die Vielzahl von Textquellen und -sorten, in denen eben dieses Substantiv zu finden ist: Dies beginnt bei der Lauretanischen Litanei, des Weiteren im Rahmen einer Interpolation auf eine Passage aus dem Te Deum sowie in Bezug auf die in der zeitgleichen Theologie – etwa bei Johann Arndt (1555–1621)198 – vorkommende Formulierung (INSPIRATOR PROPHETARVM). Zudem ist eine Anleihe beim Nicaeanum bzw. Mess-Credo (QVI LOCVTVS EST PER PROPHETAS) erkennbar. Die Versammlung der Propheten mit Christus und Maria an der Spitze füllt nicht das gesamte Freskenfeld aus, sondern wird in der unteren, terrestrischen Ebene durch ein bekanntes hagiografisches Exempel untermauert, weitergeführt bzw. typologisch erklärt. Die Auswahl dieser Szene steht mit dem Ort Metten als Benediktinerkloster in einer unmittelbaren Verbindung: Der geschilderten Begebenheit zufolge, durchschaut der hl. Benedikt von Nursia das Versteckspiel des Gotenkönigs Totila, der den Ordensvater auf die Probe stellen wollte, indem sein Feldherr Riggo in des Königs Kleidern vor den Ordensvater trat. Benedikt fordert Riggo auf, das abzulegen, was ihm nicht zustehe (DEPONE FILI QUOD TVVM NON EST, so die entsprechende Beischrift des hl. Benedikt).199 Danach prophezeite der Heilige dem Gotenkönig sein zukünftiges Schicksal, womit das für Metten prägende Leitthema der Prophezeiung auf eine konkrete hagiografische Ebene gehoben wird. Dieses Rahmenthema wird in der Folge in den das Hauptfresko begleitenden Stichkappen und Zwickeln fortgeführt, indem dort – aufeinander bezogen – prophetisch inspirierte männliche und weibliche Heilige sowie die dazugehörenden emblematischen Darstellungen präsentiert werden.200 Hinter dem hl. Benedikt ist im Hauptfresko eine in Grisaille gehaltene Darstellung des hl. Johannes des Täufers, des ersten Titelheiligen von Montecassino, wiedergegeben – kombiniert mit der Beischrift PLVS QVAM PROPHETA:201 Damit wird auf Mt 11, 9 und die Rede Jesu vom Täufer, der mehr als ein Prophet sei, angespielt – im konkreten Kontext des Hauptfreskos aber zugleich Benedikts Rolle hervorgehoben. In diesem Sinn dient das Fresko nicht nur dazu, die auf Christus getätigten Vorausdeutungen durch ein anschauliches hagiografisches fatto, das eine Prophezeiung anhand eines konkreten Exempels aus der benediktinischen Ordensgeschichte vorführt, zu erklären und zu vergegenwärtigen, sondern ist auch dem Zweck geschuldet, den Ordensvater Benedikt aus der Schar der im Hauptfresko wiedergegebenen Gestalten herauszuheben und ihn mit einem besonderen Akzent zu versehen – ganz im Sinne der

Die Prophetie als Leitthema – die Stiftskirche von Metten

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»Prophetie als Gnadengabe«202. Der dabei verwendete biblische Komparativ plus quam wird in dieser Hinsicht zu einem typologischen Strukturprinzip des Freskos insgesamt, da dieses »mehr als« auf das Verhältnis Benedikts zu den alttestamentlichen Propheten wie auch auf jenes zwischen Christus und den ihn ankündigenden Propheten gleichermaßen anzuwenden ist. Die seitlich in den Stichkappen und Zwickeln wiedergegebenen Heiligen sind Benedikt demnach bedeutungsmäßig deutlich untergeordnet. Auch in einem aus einer Heiligenserie203 stammenden Kupferstich von Joseph und Johannes Klauber (um 1750),204 der Thomas von Aquin darstellt (Abb. V.21), wird auf einen biblischen Komparativ Bezug genommen, und zwar auf Ecce plus, quam Salomon hic. (Lk 11, 31). Es ist dies eigentlich ein Passus, der auf Christus bezogen ist, hier aber auf den Dominikaner gedeutet wird.205 Durch seine Inspiration mittels der GeistAbb. V.21: Hl. Thomas von Aquin aus einer taube erhält Thomas noch eine zusätzliche Heiligenserie, Joseph und Johannes Klauber, um Auszeichnung. Zwei Putten (mit geöffneten 1750 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek) Büchern der Summa Theologiae des Thomas) scheinen die Büste des Heiligen wie bei einer Himmelfahrt empor zu tragen oder wie bei einem Descensus (Hld 6, 1) herabschweben zu lassen. Die Typologie basiert in diesem Fall auf dem Schema, dass der Typus durch ein Zitat des Neuen Testaments vorgegeben, aber nicht in Christus erfüllt wird, sondern in einem Heiligen, der mit dem entsprechenden Zitat unmittelbar verbunden ist. Durch die besondere Qualität des beigefügten biblischen Passus erscheinen Salomon und Christus in der Person des gelehrten Thomas von Aquin gebündelt.

VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten Die Anwendung typologischer Systeme in Räumen ist prinzipiell anderen Gesetzmäßigkeiten unterworfen als im Kontext von Druckgrafiken oder Gemälden: Zum einen sind bei entsprechenden Analysen die der plastischen und malerischen Ausstattung übergeordneten architektonischen Strukturen zu bedenken, die zu einem wesentlichen Teil das künstlerische Miteinander der Gattungen organisieren, des Weiteren spielt der Gesichtspunkt der Performanz eine essenzielle Rolle, da der Raum als solcher nicht als ein »fixes« Behältnis angesehen kann, in dem sich etwas abspielt, sondern erst durch soziale Praktiken von Teilnehmern mithilfe von (liturgischen) Handlungen konstituiert wird.1

Abb. VI.1: Garsten (Oberösterreich), ehemalige Benediktinerstiftskirche, Deckenmalereien in L ­ anghaus und Chor, Gebrüder Grabenberger, vor 1693 (© Prag, Tschechische Akademie der Wissenschaften)

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VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten

Dieser Umstand ist auch für die Konstruktion typologischer Zusammenhänge von Bedeutung: In der ehemaligen Benediktinerstiftskirche von Garsten (OÖ.) (Weihe 1693) befinden sich im Gewölbescheitel des Langhauses von den Gebrüdern Grabenberger angefertigte Darstellungen typologischer Vorbilder Mariens ( Jephtas Tochter, Abigail, Judith und Esther), die gleichsam im Verlauf des Weges des Besuchers zum Hochaltar Präfigurationen Marias vergegenwärtigen (Abb. VI.1). Diese Bezüge werden mit Szenen aus dem Marienleben in den seitlichen Emporen verschränkt und verklammert, deutlicher noch in der barocken Stiftskirche von Schlierbach (1683), wo in den Langhausfresken Frauengestalten aus dem Alten Bund (Bathseba, Abigail und Esther) mit Heiligen und Propheten in den Zwickeln kombiniert sind, zusätzlich verbunden mit der Lauretanischen Litanei, da sich über den Emporen jeweils eine entsprechende Anrufung findet.2 »Mobile Eyes«

Mit dieser im Betrachter begründeten Relevanz des Performativen und Prozessualen hängt auch das grundlegende Faktum zusammen, dass es in barocken Räumen nicht eine festgesetzte und damit für die Interpretation verbindliche Ansichtsmöglichkeit gibt, die schlüssige Inhalte zu vermitteln imstande ist, sondern der durch eine Kirche wandelnde Betrachter ist mit einer Vielzahl von rasch wechselnden Ein- und Durchblicken konfrontiert, die durchaus differierende Inhalte zur Folge haben können. Diese changierenden Ansichtsmöglichkeiten, die sich jeweils in einem bestimmten Verhältnis zueinander befinden, sind wiederum den grundsätzlichen Bedingungen von Zeit und Raum unterworfen, wobei die Inszenierung des Raumes in der Liturgie anderen Gesichtspunkten folgt als bei jenem Raum, der gleichsam ungeschmückt und figurenlos-museal dem Betrachter vor Augen steht. Zu beachten ist hier vor allem die »Desakralisierung des kirchlichen Raumes durch die Beseitigung der Orte von Heiligkeit«3 im Zuge der Reformation. Im Gegensatz zum katholischen Kirchenraum ist der protestantische Kirchenbau nicht etwas für sich Bedeutsames, sondern seine Ästhetik gewinnt er vielmehr aus seiner Funktion, »dem Wort Raum zu schaffen.«4 Die Anwendung der Typologie ist in den Kirchenräumen in ein situativ definiertes Geflecht sich verändernder Relationen eingebunden, welche die unterschiedlichen Betrachterstandpunkte ständig neu definieren (mobile eyes)5. Es kann als ein gängiges Grundmuster der »künstlerischen Gestaltung bewegten Sehens« angesehen werden, »die dynamische Erfahrung sich verschiebender Ansichten und Ausschnitte als Nachvollzug von Geschichten erlebbar zu machen.«6 David Ganz hat am Beispiel der Wallfahrtskirche von Birnau verdeutlicht, wie die »Offenheit der Gestalten« die Sehtätigkeit gleichsam in Schwebe hielt, wodurch Bildelemente in der Wahrnehmung des Betrachters potenziell – aber eben nicht zwingend – bedeutungshaltig werden konnten.7 Auch hier spielt der Begriff des (in vorliegender Publikation für die Druckgrafik bedeutsam gemachten) »Gewebes« bzw. »Netzes« eine zentrale Rolle, mit dessen Hilfe man zentrale und weniger zentrale Knoten im Bedeutungsgefüge ausmachen kann.8 Gerade bei entsprechend disponierten Architekturen wie der 1754 geweihten berühmten

Typologie und Raum – Typologie im Raum

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Wies-Kirche,9 die zahlreiche Durchblicke erlaubt bzw. geradezu fordert, wird deutlich, wie inhaltlich Zusammengehörendes zusammen gesehen werden soll, indem bewusst »Bildhaftes und Architektonisches vermischt«10 wird: So befinden sich etwa jene Freskenkompartimente im Umgang des Kirchenschiffes, die sich auf Buße, Reue und Vergebung beziehen, nicht ohne Grund in einer Achse mit den über der Orgel befindlichen und inhaltlich darauf Bezug nehmenden Szenen (Prophet Nathan vor David und Jesus und die Ehebrecherin).11 Das »peripatetische« Sehen ist keine Erfindung des 18. Jahrhunderts, sondern bereits in der Kinetik des Klappbildes seit dem Spätmittelalter grundgelegt. Entsprechende Untersuchungen haben klargelegt, dass etwa Jacopo Tintorettos Orgelflügel für San Benedetto in Venedig (1560) diesem Schema folgend die Darstellungen durch die Anwendung eines Klappmechanismus zu einer Abfolge von (zusätzlich entstehenden) typologischen Bildern erweitern konnten, die einer »sukzessiven, performativen Bildentfaltung« entsprechen.12 Besonders die an Scharnieren aufgehängten Tafeln ermöglichten dergestalt ein – das Verständnis oder die Explikation typologischer Strukturen förderndes – »Verschmelzen hintereinander geschalteter Darstellungen gleichsam zu einem einzigen, durch Bewegung veränderbaren Bild«13. Wir haben es im Sinne der skizzierten Bedeutung des Performativen mit zwei grundsätzlichen Aspekten zu tun: Einerseits bringt die Veränderung des Betrachterstandpunktes ständig neue »Bilder« mit sich, andererseits können sich die wie hintereinander geschalteten »Bilder« auch zu einem einzigen »Bild« bzw. zu einer einzigen Aussage verdichten. Damit ist die Möglichkeit gegeben, dass aus dem Kern einer tragenden typologischen Beziehung heraus ständig neue Sinnproduktionen entstehen. Die entscheidenden Determinanten in der Stiftung von Bedeutung sind in diesen Konstellationen primär vom Betrachterstandpunkt abhängig. Sinnpotenziale verschieben und potenzieren sich demnach ständig; sie sind nur schwer zu fixieren und binden das System binärer Typologie (Typus – Antitypus) in einen anschaulich vermittelten Beziehungsreichtum ein, der mit dem ursprünglichen typologischen Ausgangspunkt nicht immer etwas zu tun haben muss, sondern diesen tendenziell durch ein Geflecht vielfältiger Sinnbeziehungen übersteigert. Auf diesen für die Kunst relevanten Sachverhalt kann eine Formulierung des frühchristlichen Theologen Origenes übertragen werden, der angesichts der Heiligen Schrift eben von keiner geschichtlichen Erzählung, sondern von einem »Gewebe von Geheimnissen«14 spricht. Gerade die Begriffe des Geflechts oder Gewebes sind geeignet, die vielfältigen und miteinander in Beziehung stehenden Relationen zu kennzeichnen, die auf der Basis einer Typologie erst entstehen können. Typologie und Raum – Typologie im Raum

Die reiche plastische und malerische Innendekoration der 1765 geweihten Stiftskirche von Zwiefalten ist ein kongeniales Beispiel, um die eingangs genannten Faktoren, die letztlich für weite Bereiche süddeutscher und österreichischer Kirchenausstattungen des 18. Jahrhunderts gelten,15 anschaulich zu illustrieren.

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VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten

In den folgenden Ausführungen soll darüber hinaus die Relevanz des Raum- und Bildbegriffs in Bezug auf eine Unterscheidung der Kunstgattungen für dieses prominente Beispiel des deutschen Spätbarock in den Fokus genommen, zugleich aber die – besonders in Zwiefalten – zentrale Kategorie des (Bild-)Raumes um jene der Zeit, konkret des (heilsgeschichtlichen) »Zeitenraums« (Friedrich Ohly),16 ergänzt werden. Bereits Bachtin bemerkte anhand seiner Analyse von Werken der Literatur, dass im künstlerisch-literarischen Chronotopos räumliche wie zeitliche Merkmale zu einem sinnvollen Ganzen verschmelzen: »Die Merkmale der Zeit offenbaren sich im Raum, und der Raum wird von der Zeit mit Sinn erfüllt und dimensioniert.«17 Der Chronotopos kann somit als »Raumzeit« verstanden werden, als der »untrennbare Zusammenhang von Zeit und Raum« im Sinne einer »Form-Inhalt-Kategorie der Literatur«18. Aus diesen Ansätzen des »Zeitenraums« und des Chronotopos heraus soll im Folgenden deutlich werden, dass Typologie nicht als bildliche Argumentationsweise zur Vermittlung heilsgeschichtlicher Inhalte verstanden werden kann, die aus dem komplexen Ambiente einer Kirchenausstattung gleichsam leicht herauszulösen, sondern eng mit den Prinzipien der Ausstattung selbst verwoben ist – somit wesentlich stärker den Kriterien des jeweiligen Standpunkts sowie der Materialität und Medialität der entsprechenden Dekorationen unterliegt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die visuelle Umsetzung typologischer Relationen ständig vor dem Hintergrund der dazugehörenden theologischen Aussagen überprüft werden muss. Die Eigengesetzlichkeit typologischer Visualität würde nämlich dort an ihre Grenzen stoßen, wo sie theologischen Argumentationen fundamental zuwiderläuft. Der ungeheure Reichtum sprachlicher Bilder, der diesbezüglich in der Theologie besonders seit Origenes entfaltet wird, befruchtet und beflügelt typologische Deutungen in der Kunst. Wenn Alter und Neuer Bund zusammen »Gottes eine Offenbarung« bilden, dann wird deutlich, wie diese beiden grundlegenden heilsgeschichtlichen Kategorien »das unentbehrliche Bezugssystem, das geometrische Koordinatenkreuz, die übernatürliche Kategorientafel«19 bilden – Systeme, die in der bildenden Kunst jeweils neu und mit innovativen Schwerpunkten konfiguriert werden konnten, die grundlegenden Aussagen der Offenbarung aber nicht veränderten. Der Zwiefaltener »Bildraum«

Im Zentrum der folgenden Überlegungen steht beispielhaft der weite Raum der ehemaligen Benediktinerstiftskirche Zwiefalten, der seine Ausprägung und seinen kunstgeschichtlichen Ruhm zum Großteil den Deckenmalereien Franz Joseph Spieglers (1691–1757) verdankt, die den (architektonischen) Raum Johann Michael Fischers als »Bildraum« in Gestalt einer spürbaren Differenz zwischen der »architektonischen Hülle und der dekorativen Haut« konstituieren.20 Die Wahrnehmung dieses imposanten Kircheninneren mit je vier Wandpfeilern im Langhaus, deren Stirne von je zwei kolossalen Dreiviertelsäulen aus Stuckmarmor gebildet sind, wird wesentlich durch die Abfolge der Freskenkompartimente Franz Joseph Spieglers (ab 1747) bestimmt.21 Der Betrachter ist im Sinne der von Bernhard Rupprecht am Beispiel

Kanzel und Gegenkanzel

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der süddeutschen Rokokokirche verdienstvoll herausgestellten »Bildhaftigkeit der Architektur«22 mit dem Faktum konfrontiert, dass sich in Zwiefalten »dank der Schichtung die Tiefe zu einem Bild zusammen[drängt]«23, somit in besonderer Weise die »Bildhaftigkeit« von Architektur Gestalt gewinnt, deren Relevanz für die Sichtbarmachung typologischer Zusammenhänge in der Folge noch eigens zu behandeln sein wird. Kanzel und Gegenkanzel

An einer bestimmten Stelle dieses imposanten Kircheninneren, am Ende des Laienraums, knapp vor der Vierung, wird der Raum zu einem »Erzählzusammenhang«24 verdichtet, zu einer ausgebreiteten Geschichte, die diesen Raum durchmisst, sichtbar überspannt und ihn zugleich als sinnstiftenden Teil dieser heilsgeschichtlichen Erzählung erleb- und lesbar werden lässt: Auf die am letzten Wandpfeiler vor der Vierung evangelienseitig positionierte Ezechiel-Gruppe, häufig auch als »Gegenkanzel« bezeichnet (Abb. VI.2), »antwortet« die epistelseitig angebrachte Predigerkanzel25 (Abb. VI.3), beides Werke, die wohl in Zusammenarbeit zwischen Johann Michael Feichtmayr d. J. (1709–1772) und Johann Joseph Christian (1706–1777) entstanden sind – möglicherweise zwischen 1749 und 1758; neuerdings werden die beiden Skulpturengruppen um 1770 datiert.26 Die beiden genannten Ensembles, zugleich Hauptwerke der süddeutschen Rokokoplastik, können in gewisser Weise auch als figural besetzte Basen eines monumentalen Bogens gelesen werden, der den Kirchenraum an dieser funktional und ästhetisch so sensiblen Stelle heilsgeschichtlich überspannt. Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, welche Rolle diese beiden – für sich genommen bereits reichen – skulpturalen Ensembles an dieser Stelle des Kircheninneren erfüllen können bzw. sollen und warum bzw. in welcher Hinsicht die Anwendung von typologischen Systemen hier eine mehr oder weniger »tragende« Rolle spielt. Wesentlich ist es hier anzumerken, dass das eingangs erwähnte Kriterium der Betrachterbezogenheit von Bildern in frühneuzeitlichen Kulträumen nicht nur bedeutet, den in jüngerer Vergangenheit von der Forschung in den Vordergrund gestellten »peripatetischen« Charakter der Sehens zu berücksichtigen,27 sondern darüber hinaus ebenso impliziert, nachdrücklicher zu fragen, an welche unterschiedlichen Funktionen Plastik und Malerei in diesen hierarchisch strukturierten Ordnungsräumen (vor allem Laienraum, Chor und Altarhaus) gebunden sind. Obwohl die Position der Kanzel in spätbarocken Kirchen gewissen Normierungen unterliegt, die auf ihre zumeist evangelienseitige Anbringung hinausläuft, soll auch analysiert werden, welche Folgen für die Konstituierung von Bildraum und Raumbild aus dieser spannungsreichen Polarität von Kanzel und Gegenkanzel für den Zwiefaltener Kirchenraum abzuleiten sind. Inhaltlicher Ausgangspunkt des raumübergreifenden plastischen Ensembles ist die Aktion des Propheten der Gegenkanzel, Ezechiel, in dessen Buch im Kapitel 37, 1–14 die Wiederbelebung von ausgetrockneten Knochen, die unbestattet über eine Ebene verstreut liegen, beschrieben wird. Der Prophet sieht sich im Geist dorthin versetzt und erhält den Auftrag,

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VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten

Abb. VI.2: Zwiefalten, Klosterkirche, Ezechiel-Gruppe, Johann Michael Feichtmayr d. J. und Johann Joseph Christian, um 1770 (?) (© Archiv des Autors)

Kanzel und Gegenkanzel

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über die Toten das »Wort des Herrn« (Ez 37, 4) auszurufen, das ankündigt, was nahezu gleichzeitig geschieht: Die Knochen rücken zusammen und überziehen sich mit Sehnen, Fleisch und Haut. In einem zweiten Gang wird dem Propheten das Wort des Herrn an den Geist aufgetragen, der daraufhin von den vier Winden kommt und den Erschlagenen Leben einhaucht. Ezechiels Schau ist in Zwiefalten künstlerisch als Epiphanie realisiert, tritt doch der Prophet aus seiner Nische gestikulierend und Wort verkündend heraus, während Engel den Vorhang wegziehen und über dem Propheten Gottvater, umgeben von den vier Evangelistensymbolen, in einer Glorie erscheint. Bemerkenswert ist das szenische Potenzial, das die Gruppe erfüllt und bereits aufgrund ihrer Aktion nicht nur auf den Betrachter, sondern bewusst auf ein »Gegenüber« im Raum selbst bezogen scheint. In Figur und Abb. VI.3: Zwiefalten, Klosterkirche, Kanzel, Aktion des Propheten wird somit bereits Johann Michael Feichtmayr d. J. und Johann ein »Beziehungssinn« aufgespannt, der Joseph Christian, um 1770 (?) (© Archiv des eine wesentliche Basis für das typologische Autors) Konzept darstellt. Dies wird zudem durch die explizit deiktische Disposition Ezechiels unterstrichen, dessen ostentatives Zeigen und Weisen bereits über ihn selbst hinausdeutet: Ezechiels Rechte mit ausgestrecktem Zeigefinger28 verweist in dieser Hinsicht auf das »Ziel«, auf den gegenüberliegenden Pfeiler, an dem die eigentliche Predigerkanzel angebracht ist. Wenn Ezechiel dazu berufen ist, das »Wort des Herrn« (Ez 37, 4) auszurufen, dann kann sich dies aus typologischer Perspektive eigentlich nur in der Verkündigung des verbum Dei am Ort der Predigerkanzel erfüllen. Der göttliche Auftrag an Ezechiel realisiert sich darüber hinaus nicht nur in der Beziehung, die durch das Wort gestiftet wird, sondern auch in seiner visionären Schau der Aktionen der am Kanzelkorb positionierten drei göttlichen Tugenden (hier zahlenmäßig erweitert um einen Engel), die Skelette aufrichten und mit Leben erfüllen. Dem Propheten wird somit eine Vision zuteil, die am Kanzelkorb in erfüllter Form »szenisch-plastisch«29 erscheint. Aus streng typologischer Perspektive ist die alttestamentliche Prophezeiung direkt auf das Werk der neutestamentlichen Theologischen Tugenden (nach 1 Kor 13, 13) bezogen. Damit sind zwei Geschehnisse in eine enge Relation gebracht, die als prophetische Vision und szenische Erfüllung, gleichsam als »Diptychon von Typos und Antitypos«30 zu beschreiben ist. Zugleich

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VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten

werden die Szenen am Kanzelkorb zur Vorausschau des Lebendig-Werdens im Glauben und in der Auferstehung der Toten beim Jüngsten Gericht, mithin zentrale Bestandteile des katholischen Glaubensbekenntnisses. Damit wird konkret auf die Hoffnung der Gläubigen angespielt, dass sie in Zukunft im Vertrauen auf die göttlichen Tugenden ebenso auferweckt werden.31 Die Typologie zwischen Altem und Neuem Testament ist hier um den Aspekt des entsprechenden Abschnitts im Credo – hinsichtlich der Auferstehungsthematik – erweitert, also um einen zentralen Punkt der Frömmigkeitspraxis und Hoffnung des Gläubigen selbst. Damit wird deutlich, wie sehr die bildliche Vergegenwärtigung typologischer Systeme mit anderen Argumentationsstrukturen – im konkreten Fall mit dem Credo – in Verbindung steht, gewissermaßen die Typologie nur als Zentrum eines reichen Beziehungsgeflechts fungiert. Indem die drei Theologischen Tugenden unmittelbar mit Ezechiels Vision des Totenfeldes und Christi Opfertod verbunden wurden, entstand ein Werk, das gleichsam »die rhetorische Funktion des Predigers« zum Gegenstand hat und gleichzeitig bildgewordene katholische Apologetik transportiert, als die Skulptur die Aufgabe hat, der protestantischen Lehre, dass Glaube allein selig mache, »ein Stoff gewordenes Argument entgegenzusetzen«32. Die inhaltliche Struktur der Kanzel

Gesamthaft betrachtet ist die Kanzel als solche – von unten und somit von ihrer kompositionellen und paradiesischen Wurzel her aufwärts gelesen – bereits für sich allein und ohne Gegenüber ein kurzer, fast credoartiger »Abriß der ganzen Heilsgeschichte«33, da der Paradiesesbaum im goldenen Kreuzesholz als Baum des ewigen Lebens gipfelt. Die Kanzel wird von zwei Kolossalsäulen, die generell als gliederndes Standardmotiv im Zwiefaltener Kircheninneren fungieren, gerahmt und dadurch bildmäßig in besonderer Weise ausgezeichnet. Das inhaltlich eigentlich markante Rückgrat der Kanzel aber ist der Paradiesesbaum, der, indem er gleichsam unsichtbar die Stadien der Vertikale durchläuft, im entsprechend vegetabil ausgezeichneten Lebens- und Siegesbaum des Kreuzes gipfelt.34 Es existieren hier somit eigentlich zwei zentrale typologische Achsen – die eine, die den Kirchenraum vor der Vierung überspannt (Ezechiel–Kanzel) und eine zweite, die im Aufbau der ikonografisch reich instrumentierten Kanzel in der Polarität zwischen Paradiesesbaum und Kreuzesholz wirksam wird und damit die Tilgung der Erbsünde der Stammeltern durch das Opfer Christi am Kreuz sichtbar vor Augen stellt. Bereits die Patristik fasst diesen Sachverhalt allgemeiner, wenn bei Origenes und Ambrosius unter Beiziehung zahlreicher Exempel davon die Rede ist, dass der ganze Alte Bund den Gekreuzigten verkündigen würde. Zugleich wären die Schriften des Alten Testaments allein vom Kreuz geöffnet worden.35 Irimbert von Admont (um 1104–1176) fixiert sogar den konkreten Zeitpunkt der Erkenntnis mit dem Vorgang der Kreuzigung: »Als der Herr ans Kreuz geheftet wurde, da wurde der Welt das Verständnis der Schrift aufgetan.«36

Typologie und die Praxis des Zeigens

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Typologie und die Praxis des Zeigens

Auf den zeigenden Ezechiel wird in den Figuren des Schalldeckels der Predigerkanzel selbst explizit deiktisch geantwortet: Der Täufer zeigt auf Christus, Moses hingegen auf den Dekalog bzw. auf Christus. Das reiche Wirken der Propheten (und nicht nur Ezechiels) erfüllt sich in den zu Füßen des Gekreuzigten befindlichen und auf ihn verweisenden Moses und Johannes dem Täufer, womit die Bandbreite von alttestamentlichem Gesetzgeber einerseits und dem »letzten« Propheten andererseits aufgespannt wird. Nicht zuletzt verweist Christus selbst implizit auf die Verbindung zwischen Moses und der Kanzel, wenn er davon spricht, dass sich die Schriftgelehrten und die Pharisäer auf den »Stuhl des Moses« (Mt 23, 2) gesetzt hätten. In barocken Predigten ist überdies häufig von der »Cantzel Moysis«37 die Rede. Die Präsenz Mose am Schalldeckel führt auch in eine andere inhaltliche Richtung, die mit einer der wichtigsten Kreuztypologien verbunden werden kann – mit der Erhöhung der Ehernen Schlange (Num 21, 9f.), zu der auf Geheiß Gottes die Israeliten aufblicken mussten, um am Leben zu bleiben. Jo 3, 14 zufolge ist die Erhöhung der Ehernen Schlange der Typus für die Erhöhung des Menschensohns. Nun existiert an dieser Stelle des Zwiefaltener Innenraums kein Platz für die Anbringung von Typus und Antitypus: Moses zeigt nicht auf die Eherne Schlange, sondern auf ihren neutestamentlichen Antitypus, Christus. Hier wird deutlich, wie Moses im Gesamtkonzept mehrere Funktionen zu erfüllen hat: Er garantiert die Präsenz des Alten Testaments, er bildet Christus als neutestamentlichen Gesetzgeber vor und er steht für die wichtigste Kreuztypologie (Eherne Schlange), die sich im Kreuz Christi heilsgeschichtlich erfüllt. Der Betrachter wird aber in Zwiefalten nicht mit der Komplexität typologischer Sachverhalte alleine gelassen: Die deiktische Praxis des Weisens und Zeigens hilft ihm, die Protagonisten zu erkennen und deren Wirken aufeinander zu beziehen. Nicht zuletzt ist seit der ausgeprägten reformatorischen Bildpraxis das »Zeigen« des letzten Propheten Johannes des Täufers auf Christus am Kreuz ein gängiges Merkmal. Dieses explizit visualisierte Deuten auf den Erlöser unterstreicht zudem die Arbeit des auf der Kanzel tätigen Predigers, in dessen homiletischer Verkündigung der ständige Verweis auf die Vorbildlichkeit Christi einen grundlegenden Punkt der Argumentation darstellt. Typologische Kanzelensembles

Ein wichtiges Vorbild für die Präsenz der Typologie im Rahmen eines barocken Kanzelensembles ist die Kanzel Hendrik Frans Verbrugghens, die, zwischen 1695 und 1699 entstanden, ursprünglich für die Jesuitenkirche St. Gudula in Louvain bestimmt war und im Jahr 1776 in die Michaelskirche von Brüssel transferiert wurde.38 Die Schlange ist in diesem Fall das verbindend-erzählerische Moment, da diese vom Kanzelkorb bis zum Schalldeckel reicht, wo ihr Haupt von der als »neue Eva« ausgezeichneten Maria de Victoria mit dem Kreuzstab durchstoßen wird. Ein nicht minder großes Maß an Anschaulichkeit zeichnet die Barockkanzel in der katholischen Pfarrkirche Petrus und Paulus in Reinerz (Duszniki-Zdrój) im Kreis Glatz

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VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten

aus: Die 1720/1722 entstandene »Walfischkanzel« von Michael Kössler entspricht der Gattung der »Naturkanzel« und zeigt den Kanzelkorb als Walfisch (!) verbunden mit Personen des Alten Bundes. Als Bekrönung fungiert der Auferstandene.39 Auch eine Kanzel in der Hedwigskirche in Dobrischau (Dobroszów, Kreis Strehlen) zeigt Jona, der durch den Walfischbauch zur Kanzel hinaufgestiegen ist. Die Fundierung der Typologie in der Schrift

Wenn bereits von der Bedeutung der Lebenswirklichkeit des Glaubensbekenntnisses für die Gesamtkonstitution von Kanzel und Gegenkanzel die Rede war, so darf nicht vergessen werden, dass besonders jene Bibelstelle, die der Figuration des Propheten Ezechiel inhaltlich zugrunde liegt, eine besondere Rolle in der liturgischen Praxis der Frühen Neuzeit einnimmt: Die Ezechielperikope 37, 1–14 besitzt nämlich einen höchst signifikanten »Sitz im Leben«: Nach der bis zum Zweiten Vatikanum gültigen Ordnung war diese Perikope Teil der umfangreichen und (bis 1951) zwölf Lesungen aus dem Alten Testament umfassenden Messliturgie am Karsamstag. Damit nimmt diese Perikope eine wichtige Stellung in der Liturgie des triduum paschale ein, gedenkt doch die Kirche am Karsamstag der Grabesruhe Christi und erwartet seine Auferstehung. In entsprechenden Katechismen, die häufig als Textgrundlage von Predigten fungierten, wurde Ez 37 deshalb immer der Dominica Resurrectionis zugeordnet.40 Der Prediger als Akteur

Mit letzterem Hinweis ist in die komplexe Sinnstruktur des raffinierten typologischen Geflechts von Kanzel und Gegenkanzel schließlich nicht nur der bereits mehrmals genannte Betrachter, sondern auch der Prediger als zentraler liturgischer Akteur selbst einzubeziehen, der während seiner redenden Tätigkeit auf der Kanzel von den sich aufrichtenden Figuren des Kanzelkorbes umgeben ist: Glaube, Liebe und Hoffnung (1 Kor 13, 13) sind ja nicht nur die handelnden Personifikationen, welche die Prophezeiung Ezechiels sichtbar erfüllen, sondern zugleich wesentliche Träger der Argumentation im Pastoral des Predigers, der diese Theologischen Tugenden auch selbst verkörpern sollte. Der Prediger ist hier somit eigentlich von den Allegorien seines Tuns in Bezug auf das von ihm geforderte christliche Verhalten umgeben. Gleichberechtigt steht er »Aug in Aug mit dem Propheten Ezechiel auf der Gegenseite«41. Zusätzlich bilden Gottvater und Ezechiel auf der einen sowie Christus und der Prediger auf der anderen Seite gleichsam inhaltliche Paare: Gottvater richtet an Ezechiel seinen Auftrag, der Prediger hingegen vertritt Christus und erfüllt mit seinem homiletischen Wirken anschaulich das paulinische praedicamus Christum crucifixum (1 Kor 1, 23), in dem die Kanzel gipfelt. Der von Ezechiel aus gerichtete Imperativ nach Ez 37, 4 (ossa arida, audite verbum Domini) kann zugleich auf Mahnrufe zeitgenössischer Prediger, das Wort Gottes zu befolgen, bezogen werden.

Die doppelte Verkündigung – Christus als Subjekt und Objekt

Abb. VI.4: Ottobeuren, Klosterkirche, Kanzel, Johann Michael Feichtmayr d. J. und Johann Joseph Christian, wohl um 1763/1764 (© Archiv des Autors)

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Auf eine an anderen Objekten dieser Zeit angebrachte Zitation biblischer Textpassagen (wie dies mit dem zweigeteilten Auftrag Christi an die Apostel nach Mt 28, 19 in der [ebenfalls am westlichen Vierungsbogen angebrachten] Gruppe der Taufe mit Kanzel in der Stiftskirche von Ottobeuren der Fall ist),42 angefertigt von Johann Michael Feichtmayr und Johann Joseph Christian (wohl 1763/1764),43 (Abb. VI.4) wird in Zwiefalten aber zugunsten der Realisierung einer ausschließlich bildgebundenen Predigt verzichtet, die den Kirchenraum vom Vierungsbogen aus inhaltlich auflädt. Die entsprechenden Textpassagen, seien sie jene aus dem Buch Ezechiel, oder Schriftstellen, die sich auf das Kreuz Christi beziehen, sind in Zwiefalten bildlich gegenwärtig, umgesetzt in anschaulichen ikonografischen Typenbildungen, nicht aber in Form expliziter emblematischer Text-Bild-Kombinationen wie etwa in Ottobeuren, wo das »Aufeinanderbezogensein von Taufe und Kanzel«44 ganz wesentlich vom bildlich präsenten Wort seinen Ausgang nimmt.

Die doppelte Verkündigung – Christus als Subjekt und Objekt

Auf dieser Grundlage kann in Zwiefalten die Predigt an sich als Leitthema von Kanzel und Gegenkanzel aufgefasst werden – gleichsam das Kerygma (κήρυγμα) als Basis für die Sinnstruktur des ganzen typologischen Geflechts. Da man das Leben bzw. das Kreuz Christi nach barocker Auffassung auch als die ganze Predigt auffasste,45 besitzt Letztere in Zwiefalten eine markante Doppelfunktion: Zum einen kann Christus sowohl als zentrales Objekt der Ausführungen eines Predigers (praedicamus Christum crucifixum) als auch – im Sinne des fleischgewordenen Logos ( Jo 1, 1) – als Predigt selbst, somit als »uns alle angehende Rede Gottes«46, bezeichnet werden. Die bekannte Selbstaussage Christi, »Himmel und Erde werden ver­gehen, meine Worte aber werden nicht vergehen.« (Mt 24, 35), zeigt die Bedeutung der Vermittlung des Wortes unmittelbar an. Origenes nimmt auf die entsprechende Funktion der Schrift Bezug, wenn er meint, das Alte Testament sei nicht um seiner selbst willen aufgezeichnet worden, sondern zum Zweck unserer Belehrung.47 Demnach gibt der »geistliche Sinn«

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VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten

als Ziel jeder Auslegung dem Text und dem Buchstaben sein wahres Gewicht.48 Christus, der »Schriftleib«, ist – Origenes zufolge – durch seine persönliche Gegenwart, sein Werk und Opfer lebendige und konkrete »Exegese der Schrift«49, somit der wahre Schriftausleger. Hugo von St. Viktor (um 1097–1141) formuliert diese Identität zwischen Christus und der Schrift bzw. dem Buch in präziser Weise: »Die ganze Schrift ist ein einziges Buch, und dieses eine Buch ist Christus, denn die ganze göttliche Schrift redet von Christus, und die ganze göttliche Schrift ist in Christus erfüllt.«50 Wie Christus selbst die Auslegung der Schrift ist (also gleichsam das Ergebnis), so ist er auch ihr Ausleger: »Er ist in einem wahren Sinn, sowohl aktiv wie passiv, der Logos.«51 In den genannten Prädikaten sind in Bezug auf die Schrift alle möglichen Funktionen erfüllt: Christus als Objekt, Subjekt und Ausleger seiner selbst: »Die Schrift ist Logos, und sie kündigt den Logos an.«52 – oder in den Worten von Origenes: »[…] nur er [scil. Gott, W. T.] hat ein lebendiges Wort, das gleichzeitig von ihm ausgeht und er selber ist.«53 Von Augustinus wurde dies auf eine griffige typologische Kurzformel gebracht, die das Wort und die Auslegung berücksichtigt: »Das geistig verstandene Gesetz ist das Evangelium.«54 Der barocke Benediktinerprediger Ignaz Trauner (1638–1694) bezeichnet nicht ohne Grund das Predigen am Stammen deß Creutzes55 als die letzte Predigt Christi und befindet sich mit einer solchen Anschauung in der Tradition von Augustinus. Wenn das Kreuz besonders in der barocken Homiletik als Kanzel und Predigtstuhl Bezeichnung fand, 56 dann wird zugleich ein Auftrag zur Nachahmung Christi erteilt, der sich etwa besonders deutlich im Wirken des Apostels Andreas erfüllt, der noch am Kreuz predigte, bis er starb. Da nun die Kanzel die Predigt (Christi) ist – in ihrer spezifischen Funktion als »Kanzel des Kreuzes«57 – bildet sie folgerichtig auch die im Kreuz gipfelnde Heilsgeschichte ab. Der entscheidende Ansatzpunkt, der einerseits die Struktur der Kanzel offenbart und andererseits die Inhalte der dort gehaltenen Predigten in aller Sinnfülle lesbar macht, ist das Holz, das von Schuld zur Erlösung in Christus führt. Das Leitthema von Predigt und Verkündigung – anders gesprochen von Christus als Wort Gottes – ist somit aufgrund der prononcierten Polarität von Kanzel und Gegenkanzel der eigentliche Ausgangspunkt für die typologische Konstruktion. Dies unterstreicht anschaulich, dass die tägliche liturgische Wirklichkeit als Ursprung der im Kirchenraum wirksamen typologischen Zusammenhänge bezeichnet werden kann. Da die Verkündigung im Kirchenraum funktional unmittelbar an die Kanzel gebunden ist, ist die hier und jetzt stattfindende Tätigkeit des Predigers – seine Rede Gottes – der entscheidende Ansatzpunkt einer Typologie, die sinnvollerweise vom entsprechenden Objekt der künstlerischen Ausstattung ihren Ausgang nehmen muss. Die Gegenwart des Lebendigen – die vegetabile Struktur der skulpturalen Ensembles

Der formale Befund unterstreicht die besondere Rolle, die Kanzel und Gegenkanzel in der Ausstattung der Kirche einnehmen: Die Zwiefaltener Kanzel zeigt eine bauchige, fast vegetabile Struktur, die an einigen Stellen fast grottenartige Züge eines Tropfsteingebildes

Sacramentum audibile – die Zwiefaltener Kanzel als eine auf Dauer gestellte Predigt

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annimmt.58 In vielfältiger Weise sind Gestaltungselemente wie Felsen, Moos und Naturobjekte eingesetzt. Diese formen aus der Corpuswand eine modrige Naturszenerie. Die Kanzel ist an verschiedenen Stellen geöffnet und ermöglicht reizvolle Durchblicke, so etwa auf den Dekalog durch die Gloriole mit zentraler Geisttaube. Das Vegetabile indiziert zugleich »Zustände der Verwandlung«59 und ist nicht nur ungewöhnliches, auch an anderen Orten dieser Kirche (Beichtstühle) anzutreffendes formales Mittel, sondern – auf der Basis der leitenden Vorstellungen des Kreuzesholzes und des Paradieses – die eigentlich zentrale Vermittlungsinstanz – wieder vorgebildet durch entsprechende Stellen im Buch Ezechiel (Ez 37, 5f.). In gewissem Sinne erfolgt mit der Achse zwischen Ezechiel und Kanzel eine inhaltliche und formale Verdichtung aller auf die Natur anspielenden formalen Elemente im Kirchenraum. Die Funktion des Leben spendenden Gekreuzigten ist wiederum explizit im Text von Ezechiels Prophezeiung (vivetis, vgl. Ez 37, 5) typologisch vorgebildet. Diesem dominanten vegetabilen Akzent entspricht zugleich das auffällig Atektonische, Bewegliche und Prozesshafte in der Gestaltung der Kanzel wie etwa die Handlung des Aufrichtens der vormals Toten durch die drei Theologischen Tugenden. Die Aktionen des Vertreibens aus dem Paradies (versinnbildlicht im Engel mit dem Flammenschwert an der Kanzel unten) und des Aufrichtens der Toten (am Kanzelkorb) kommen nun im (am Kreuzesholz aufgerichteten und alles überragenden) Gekreuzigten zur Ruhe, der zwischen den vegetabilen Voluten der Kolossalsäulen regelrecht eingespannt ist. Der Raum zwischen Kanzel und Ezechielgruppe eröffnet somit nicht nur einen typologisch unterlegten Ort im spannungsvollen Gegenüber von Verheißung und Erfüllung, von alttestamentarischer Vergangenheit und liturgischer Praxis, sondern zugleich einen multisensorisch aufgeladenen, Hören, Sehen und Riechen in wechselseitigen Bezügen aktualisierenden Imaginations- und liturgischen Wahrnehmungsraum, der den eigentlichen »Hörer des Wortes« (vgl. Röm 10, 17) zugleich mit der Fülle der in Ezechiels Predigt vermittelten sinnlichen Assoziationen adressiert. Wichtig ist hier darauf zu verwiesen, dass die im Bereich der Kirche umgesetzte Vergegenwärtigung keine Erfindung barocker Kunst ist, sondern ihren Ursprung bereits im Frühchristentum besitzt: Origenes ist die Lehre von den »fünf geistlichen Sinnen« zuzuschreiben, die eine späte Nachfolge in der berühmten Meditationspraxis der Exerzitien des hl. Ignatius von Loyola erfahren hat.60 Sacramentum audibile – die Zwiefaltener Kanzel als eine auf Dauer gestellte Predigt

Im Spannungsfeld zwischen dem im Auftrag Gottes redenden und zeigenden Ezechiel auf der einen und der Kanzel auf der anderen Seite wird in Zwiefalten die – in der Messe eigentlich zeitlich begrenzte61 – Predigt imaginiert und auf Dauer, gleichsam auf eine dauernd gegenwärtige mediale Vermittlung gestellt, ähnlich wie auch gedruckte Predigten eine bestimmte Form medialer Verewigung vor Augen führen. Die Ensembles von Kanzel und Ezechiel mutieren dergestalt zur raffinierten Vermittlungsform der Predigt selbst – im Inhaltlichen (Typologie und Tugenden) sowie im explizit Multisensorischen (reden, hören, sehen und hauchen),

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VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten

wie dies auch durch den Ezechieltext ausführlich angezeigt wird (Ez 37, 7.9.14).62 Zugleich werden damit die in barocken »Bildpredigten«63 omnipräsenten Synergien von Sehen/Vision (Ezechiel) und Sprechen bzw. Hören/Predigt (Kanzel) thematisiert und fokussiert. 64 Nicht nur durch den Bibeltext selbst, sondern auch durch Publikationen in der Art der Auserlesen geistreiche[n] Andachts-Übungen […] (Augsburg 1748), wie sie für den Zwiefaltener Abt Beda Sommerberger (reg. 1715–1725) belegt sind, ist einerseits der Leser hinsichtlich seiner Vorstellungskraft in imperativischer Weise angesprochen, andererseits aber ein hohes vegetabiles Beschreibungsspektrum entfaltet, das in Texten dieser Ausprägung mit Betrachtungen der Quellen des Heiles gekoppelt wird. Die anschauliche Sprache von Barockpredigten findet in dieser Hinsicht ein Pendant in der alle Sinne ansprechenden Kirchenausstattung. Der Kirchenraum von Zwiefalten wird somit an einer bestimmten Stelle inhaltlich (mittels typologischer Relationen) und hinsichtlich seiner Multimedialität zum Zweck der Betonung des Kerygmas und der damit zusammenhängenden Rolle des Predigers verdichtet: Kanzel und Ezechiel-Gruppe besitzen wie die zahlreichen Altäre der Stiftskirche sowohl räumliche als auch plastische und bildhafte Qualitäten, die dazu führen, dass der Raum nicht eindimensional erfahrbar und betretbar wird, sondern Kanzel und Gegenkanzel zu immer neuen Betrachterpositionen einladen und demgemäß neue »Bilder« formieren können. In der sinnstiftenden (Haupt-)Achse von Kanzel und Gegenkanzel geht es vor allem um die Visualisierung der Vermittlung des Wortes Gottes, also um das Kerygma. Die inhaltliche und formale Verdichtung erfolgt somit nicht ohne Grund genau dort, wo die Verkündigung des verbum Dei im Kirchenraum funktional angesiedelt ist – an der Grenze zwischen Laienraum und Vierung. Es ist die eminente heilsgeschichtliche Bedeutung und Symbolik des Wortes im Christentum, die den beiden beschriebenen plastischen Ensembles im Zwiefaltener Kirchenraum einen zusätzlichen Akzent verleiht. Unter dem Gesichtspunkt von bei Augustinus und Origenes anzutreffenden Vorstellungen, die das Wort Gottes und den Leib Christi gleichsetzen und die Schrift als »wahren Leib« (Origenes) fassen,65 kann das verbum Dei auch als gleichbedeutend mit dem Sakrament der Eucharistie angesehen werden. Es ist dies eine theologische Anschauung, die besonders bei Origenes auftritt, wenn dort davon die Rede ist, dass wir das Wort wie das Altarsakrament aus der Seitenwunde Christi empfangen würden.66 Wenn es zudem im berühmten Pange lingua des Thomas von Aquin heißt, Verbum caro panem verum verbo carnem efficit. (»Das fleischgewordene Wort macht wahres Brot durch das Wort zu Fleisch.«)67, dann wird in diesem ungemein ingeniösen Chiasmus die Verschränkung von »Schriftleib«68 und Eucharistie, als sich ergänzende Verbindung von stummer sakramentaler Gestalt der Eucharistie und Wort-Gestalt der Heiligen Schrift,69 deutlich. Die Worte der Heiligen Schrift sind nicht zufällig überliefert, sondern – wie Origenes meint – nichts in der Schrift ist zufällig gesagt und vergeblich erwähnt.70 Die Schrift als solche ist demnach bereits Garant für die Sinnhaftigkeit der in ihr enthaltenen (typologischen) Inhalte. An der Kanzel als dem Ort der Predigt, an dem das verbum Dei seine künstlerisch vielschichtige Visualisierung erfährt, erfolgt somit zugleich eine Vorbereitung auf das eucharistische Sakrament im

Kanzel und Gegenkanzel als Teile changierender »Raumbilder«

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Sinne des Kerygmas als sacramentum audibile – mit den Worten von Origenes – »das Sakrament des Evangeliums«71. Damit erhält die Achse von Kanzel und Gegenkanzel eine neue, sinnstiftende Qualität im Akt des Durchschreitens des weiten Kirchenraums, die wesentlich durch ihre Funktion als Vorbereitung für das Altarsakrament bestimmt ist. Die Disposition des Zwiefaltener Innenraums trägt diesen inhaltlich miteinander verschränkten Ebenen von medial vermittelter Sakramentalität auch in künstlerischer Hinsicht Rechnung: Die mächtige Säulenstellung des westlichen Vierungsbogens (mit Kanzel und Gegenkanzel) fügt sich in die raffinierte Anordnung der »auf den Altar zuführenden und diesen rahmenden Triumphbögen«72, ist somit essenzieller Teil einer sukzessiv erfolgenden bildlichen Fokussierung auf Gnadenbild und Hochaltar, in deren Rahmen der Achse Kanzel-Gegenkanzel eine besondere rahmende und vorbereitende Rolle zukommt. Das bestimmende Generalthema der Ausstattung der Zwiefaltener Stiftskirche ist folglich nicht nur eine Visualisierung unterschiedlicher Aspekte christlicher Heilsgeschichte oder eine besondere bildliche Akzentuierung der Funktion des Predigers, des Vermittlers des Wortes Gottes, sondern vielmehr die mediale Präsenz von Verkündigung an sich in dem Sinne, als das Kreuz Christi und der fleischgewordene Logos die Predigt selbst sind – Heilsgeschichte als (dauernd gültiges) Wort Gottes an die Menschheit –, in dessen Konsequenz der Benediktinerorden seine (vor allem in den Fresken gegenwärtige) vielfältige Tätigkeit entfalten kann. Am Eingang in die Vierung, an einer höchst sensiblen Position im Gefüge des Kirchenraums, »konkurrieren« die Ensembles von Kanzel und Gegenkanzel mit der Ikonografie des Hochaltars, ergänzen diesen hinsichtlich der Potenziale ästhetischer Sakramentalität. Wie im Altarbereich geht es letztlich auch bei Kanzel und Gegenkanzel um die Möglichkeiten des Nachzeichnens der Konturen des menschgewordenen göttlichen Wortes, insofern dieses Wort als Kerygma im Menschen lebendig ist. Kanzel und Gegenkanzel als Teile changierender »Raumbilder«

Es musste demgemäß – auf der Basis dieser höchst »bildmäßigen Versinnlichung der Vision«73 – eminentes künstlerisches Ziel sein, Blickpunkte auf die beiden exponierten plastischen Ensembles in der Weise in die östlichen Teile des Kirchenraums zu überführen, dass abrupte Brüche vermieden werden konnten: So ragt etwa die am Kanzelkorb befindliche Figur der Tugend der »Liebe« in der Schrägansicht in den südlichen Querhausaltar mit dem Gemälde des Heimgangs des heiligen Benedikt richtiggehend hinein, sodass ein raffinierter Überleitungsprozess stattfindet, der nicht zuletzt auch dadurch möglich wird, dass die Stuckfiguren am Kanzelkorb und jene der Hauptaltäre des Querhauses vom Betrachter hinsichtlich ihrer ähnlich disponierten Materialität aufeinander bezogen werden können. Zudem rückt in der Schrägperspektive die Glorie mit der Geisttaube am Schalldeckel der Kanzel in den als riesige Rocaille gestalteten Auszug des Hauptaltars im südlichen Querhaus. Blickt man hingegen von Südwesten auf die Ezechiel-Gruppe, so entsteht der Eindruck einer sich verschleifenden Folge von in ihrer Größe abgestuften Altären und Nebenaltären im

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VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten

nördlichen Querhaus, die mit dem visionär gegebenen Ezechiel ihren Anfang nimmt. Ebenso wird das Thema des plastisch gestalteten Gottvaters als Bekrönung der Ezechiel-Gruppe in dem aus dieser Schrägperspektive unmittelbar darüber befindlichen nördlichen Querhausfresko mit Stephanus, der den geöffneten Himmel sieht, weitergeführt. An diesem Punkt wird einmal mehr deutlich, wie eng in Zwiefalten – bzw. im barocken Kirchenraum generell – bildhafte und sinnbildhafte Qualitäten, somit ästhetische und zeichenhafte Dimensionen miteinander verwoben sind. Das in Zwiefalten in unterschiedlicher Weise an zahlreichen Stellen wörtlich in den Blick genommene »Bildhafte« schafft hier die Grundlagen, um die Aussagefähigkeit und Anschaulichkeit des Zeichenhaften zu steigern. Der durch die Typologie aktualisierte heilsgeschichtliche »Zeitenraum« der Nord-SüdAchse der Kirche mit den dominierenden Ensembles von Kanzel und Gegenkanzel erscheint somit durch raffinierte und – jeweils von der Betrachterposition abhängige – ständig wechselnde »Raumbilder« ergänzt, die ästhetische und inhaltliche Potenziale der plastischen Ensembles von Ezechiel und Kanzel raumverschleifend in die Vierung und das Querhaus weiterführen – auch unter dem übergreifenden Gesichtspunkt, dass das visionäre Sehen Ezechiels in der Vision von Benedikts Heimgang im südlichen Querhaus eine entsprechende inhaltliche Fortsetzung findet. Gesamt gesehen besitzen Visionen an sich in der Ausstattung des Zwiefaltener Kirchenraums in der Figur Ezechiels ihren zentralen Angelpunkt, können doch die vier Evangelistensymbole um die Gloriole Gottvaters über dem Propheten auf eine weitere Schau des alttestamentlichen Sehers (Ez 1, 5–11; 10, 14) bezogen werden,74 ebenso wie dessen Vision eines neuen Tempels in dem von einem Engel präsentierten Grundrissplan am Fuß der Gegenkanzel angedeutet wird (Ez 40, 8). Betritt der Besucher den Kirchenraum, so sind Kanzel und Gegenkanzel der diesen Raum strukturierenden Abfolge von Kolossalsäulen – somit einer Art Kolonnade75 – untergeordnet: »Jeder Schritt in die Tiefe des Raumes vermindert die Konsistenz des bildhaften Gefüges. […] Ein Beschreiten der Tiefenachse schlüsselt den Raum nicht auf, es läßt vielmehr das künstlerisch-konstitutive Element, die bildhafte Vereinigung von Säulenreihen, Hochaltar, Triumphbögen und Bildgründen, progressiv zerfallen.«76 Je weiter also der Betrachter in den Raum hineinschreitet, desto stärker wird sein Blick an zahlreiche, malerisch sich verschleifende Raumbilder gebunden, welche die vorzugsweise in Schrägansicht zu betrachtenden Objekte von Kanzel und Gegenkanzel zu Ausgangspunkten changierender Eindrücke werden lassen. Ein Durchschreiten des Raumes hat somit wechselnde Ansichten mit jeweils immer neu entstehenden Seh- und Bewegungsfiguren zur Folge, die wiederum ständig neu konfigurierte Sinneinheiten kreieren77 und die zentrale typologische Aussage von Kanzel und Gegenkanzel überhöhen und weiterführen. Die markante Position der plastischen Ensembles an den Stirnseiten der östlichsten Wandpfeiler des Langhauses verleiht Kanzel und Gegenkanzel die Funktion eines Scharniers vor der sich weit öffnenden Vierung, die »Tief- und Breitenerstreckung«78 der Kirche miteinander verbindet. Diese sensible Scharnierfunktion, die auch durch das Faktum ausgezeichnet erscheint, dass sich der westliche Vierungsbogen fast genau in der Mitte der Kirche befindet,79

Der Zwiefaltener Hochaltar als Abschluss und Höhepunkt des Kirchenprogramms

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ist – wie ausgeführt – inhaltlich vor allem durch die zentralen Funktionen von Predigt und Verkündigung determiniert. In diesem Sinne ist der Zwiefaltener Kirchenraum nicht Sub­ stanz, sondern Differenz, wie Stephan Günzel im Anschluss an Niklas Luhmann grundsätzlich feststellt: Raum gibt es demnach immer dann, »wenn Menschen handeln, interagieren und kommunizieren; und das heißt, wenn sie Unterscheidungen treffen; […]«80. Ein in sich differenzierter Raum mit den ihn bedingenden unterschiedlichen Inhalten verkörpert in dieser Hinsicht immer eine bestimmte »Ordnungsstruktur«81. Die Konstituierung von Räumen dieser Art kann in Anlehnung an die Raumtheorie Ernst Cassirers dadurch bestimmt werden, dass Gestalt und Ausformulierung nicht von vornherein feststehen, sondern ihre Fügung von einer spezifischen »Sinnordnung«82 abhängig ist. Die konkrete Ordnung, die in Zwiefalten Anwendung fand, ist der heilsgeschichtliche Raum, der aus typologischer Perspektive als »Zeitenraum« definiert werden kann und damit die Anschauungsform der Zeit explizit in Gestalt der Typologie thematisiert: »Das Zeugnis des Alten Bundes ist das Zeugnis der Zeit für die Ewigkeit, die mit Christus in die Zeit eintritt.«83 Dadurch ist auch für den Besucher der Kirche und Hörer des Wortes die Möglichkeit gegeben, anhand der Ensembles von Kanzel und Gegenkanzel Altes und Neues Testament im Gegenüber, gleichsam in den sich ergänzenden heilsgeschichtlichen Ebenen in Form von Typus und Antitypus zu erfahren, ehe mit dem Blick nach oben dieser Zwiefaltener »Zeitenraum« hagiografisch (benediktinisch) überhöht wird. Dieser Gesichtspunkt spielt auch in der Realität der barocken Predigtkultur eine wichtige Rolle: Die Verkündigung des Neuen Testaments ist dort nie von den alttestamentlichen Belegen getrennt. Letztere bilden vielmehr ein überaus reiches Wortarsenal, mit dessen Hilfe das Neue Testament als legitimiert erscheinen kann. Der Zwiefaltener »Zeitenraum« entspricht aus dieser Perspektive dem Raum, den sich die Predigt in der täglichen liturgischen Wirklichkeit eröffnet und wesentlich auf der Zusammenführung von Texten aus beiden Testamenten, somit auf deren »Zusammenklang« (Origenes)84 basiert. In der »Gegenwärtigung des einen Wortes«85 der Messfeier ist dieses unmittelbar mit dem Raum verbunden, in dem es in der kultischen Feier ständig neu erweckt wird. Der Zwiefaltener Hochaltar als Abschluss und Höhepunkt des Kirchenprogramms

Die ingeniöse und den Betrachter ständig einbeziehende »Brücke über die Zeit«86, die im Münster von Zwiefalten geschlagen wird, ist anders als der durch eine unmittelbar bildrhetorische Struktur ausgezeichnete Chorbogen der ehemaligen Stiftskirche von Dießen am Ammersee (1736)87 in eine konsequent auf den Hochaltar hin ausgerichtete Abfolge von Säulenstellungen eingefügt. Darin liegt eine wesentliche inhaltliche Funktion der plastischen Ensembles begründet, die im Triumphbogen von Kanzel und Gegenkanzel gleichsam den durch die Eucharistie zwischen Gott und Mensch geschlossenen (Neuen) Bund vorwegnehmen. Zugleich erfüllt sich der mit Kanzel und Gegenkanzel eröffnete Heilsraum in der ebenfalls betont deiktisch ausgerichteten Struktur des 1754 fertiggestellten Hochaltars, 88 sind wir doch angesichts von Spieglers Altarblatt des Jahres 1753 (wieder) Zeugen einer Vision, diesmal

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VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten

um die Menschwerdung Christi in Maria, die zwei zeigende Engel vermitteln und ein prophetischer Seher rechts (Matthäus, Hieronymus oder Jesaias) mit einem Hinweis auf Mt 1, 20f. festhält,89 eingefasst von den mächtigen Assistenzfiguren als Vertreter der Kirche bzw. des Papsttums (links) sowie des Alten Bundes (rechts).90 In Zusammenhang mit dem Hochaltarbild wurde auch auf die Bedeutung von Hieronymus’ Schriften Liber adversus de perpetua virginitate B. Mariae und Adversus Jovinianum verwiesen. Das Hochaltarbild selbst zeigt die Immaculata; von Gottvater fällt ein Strahl mit dem Wort Iesus vor den Leib Marias, der Christusknabe hält den Kreuzstab und vernichtet mit einem Blitz die Schlange der Sünde.91 Ein Stuckengel (links) reicht ein Schriftband mit der berühmten Prophezeiung des Jesaias (Ecce virgo concipiet. [ Jes 7, 14]). Das Neue Testament wird durch Papst Benedikt XIV. vergegenwärtigt; dieser ist mit einem Herz in der Hand wiedergegeben, da man während seines Pontifikats am Festtag des heiligen Herzens Mariä (1. Juni 1744) den Grundstein zur neuen Kirche gelegt hatte.92 Die mit Kanzel und Gegenkanzel wirkmächtig eröffnete typologische Argumentation findet im Hochaltar ihren raumübergreifend-krönenden Abschluss93, der auf das am Choreingang platzierte Mariengnadenbild zurückverweist und somit die in Zwiefalten (vor allem in den Fresken) omnipräsente und zudem ausführlich benediktinisch reflektierte Marienverehrung in die Heilsgeschichte einschmilzt.94 Unterschiedliche Formen typologischer Argumentation durchziehen in diesem Sinn den gesamten Kirchenraum Zwiefaltens: Kanzel und Gegenkanzel bilden auf dem Weg zum Hochaltar auf der Höhe des Ortes der Verkündigung nur einen ersten mächtigen Akzent in dieser Hinsicht, der aber zugleich eingebunden ist in ein wahres Geflecht von weiterführenden Relationen, die allesamt auf die Grundtatsachen des katholischen Glaubens zielen, zudem aber Anschlussfähigkeit und Integration des am Ort des Geschehens wirksamen (Benediktiner-)Ordens sicherstellen. In den Ensembles von Kanzel und Gegenkanzel erfüllt Typologie nicht nur den ihr immanenten Zweck der Veranschaulichung einer im Neuen Testament erfüllten Prophezeiung im Sinne eines Legitimationsnachweises des Gewordenen. Die bildlich vielfältig gegenwärtigen Argumentationslinien unterstreichen vor allem die Absicht, die Gegenwart des in der Predigt präsenten Christus herauszustellen, somit Christus als das dauernd gegenwärtige Wort auszuweisen, wie überhaupt das Neue Testament wesentlich die »Feststellung dieser Gegenwart«95 mit den in der Liturgie ständig neu präsenten Akzenten auf dem hodie und ecce ist.

VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche Seit dem Jahr 1627 bemühte sich der Servitenorden um eine Niederlassung in Wien, bis er 1638 die bischöfliche und kaiserliche Genehmigung zu einer Klostergründung in der Rossau erhielt. Am 23. Februar 1639 unterzeichnete P. Cherubim M. O’Dale OSM, Gründungskommissär und Syndicus bei den ersten Konventswahlen am 4. Mai 1640, den Vertrag1 für den Bau einer neuen Kirche,2 deren Errichtung von den Architekten Carlo Martino Carlone und Carlo Canevale durchgeführt wurde.3 Mit Canevale, der Carlones Werk vollendete, schlossen die Serviten am 20. Mai 1667 einen entsprechenden Kontrakt.4 Bereits 1662 war der vordere Chor soweit fertig gestellt worden, dass dort die Messe gelesen werden konnte, und am 27. Juli 1666 hielt man den ersten feierlichen Gottesdienst ab.5 Nach mehreren Verzögerungen wurden 1669 die Deckenstuckaturen vollendet, die Kirche erhielt am 21. September 1670 ihre feierliche Weihe.6 (Abb. VII.1) Aber erst 1677 konnte man die endgültige Fertigstellung feiern. Ein Jahr später war der Bau von Kirche und Kloster vollendet.7 Besondere Bedeutung hinsichtlich der spirituellen Ausrichtung des Ordens in den sechziger und siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts besitzt die reiche Ausgestaltung der Ovalkuppel, die durch die von Giovanni Battista Barberini (um 1625/1626–1691) ausgeführte Stuckdekoration8 sowie durch acht kleine Freskenfelder, die zwei große Felder im Zentrum (Aufnahme Mariens in den Himmel und Marienkrönung) einschließen, bestimmt wird: Die kleinen Ovale stellen Ereignisse aus dem Leben Jesu dar (auf der Evangelienseite beginnend): Geburt, Beschneidung und Namensgebung (mit Betonung des IHS-Zeichens), Anbetung der Heiligen Drei Könige, Darstellung im Tempel, Flucht nach Ägypten (?),9 die Heilige Familie in der Werkstatt Josephs,10 Tod des hl. Joseph und das Wunder bei der Hochzeit zu Kana. Auffällig bei diesen Wandmalereien ist durchgehend die starke Präsenz der Heiligen Familie, da in den meisten szenischen Darstellungen in besonderer Weise die Anwesenheit Marias, Josephs und Jesu Christi betont wird.11 (Abb. VII.2). Brigitte Faßbinder12 nahm an, dass es sich bei den – ihrer Meinung sicher nach 1669 entstandenen – Malereien um die frühesten Arbeiten der Gebrüder Grabenberger handeln müsse. Im Jahr 1687 dürften diese – beim Türkeneinfall 1683 sicherlich beschädigten – Fresken von Giovanni Francesco Splendore restauriert worden sein,13 in der Folge im 19. Jahrhun-

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VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

Abb. VII.1: Wien, Servitenkirche, Einblick in den Kirchenraum, 1670 geweiht (© Prag, Tschechische Akademie der Wissenschaften)

dert (hier besonders der Tod des hl. Joseph)14 sowie zuletzt im Jahr 1967. Die thematische Konzentration auf Maria wird in sechs kleinen – ebenfalls restaurierten – Deckenfresken des Presbyteriums (um 1669) deutlich, die, von Faßbinder15 einem lombardischen Meister der Richtung des Giovanni Battista Colomba (?) zugeschrieben, sich auf Maria und damit den zentralen Orientierungspunkt des Servitenordens16 beziehen: Geburt Marias, Tempelgang, Vermählung mit Joseph, Heimsuchung, Maria und Joseph auf dem Weg nach Bethlehem sowie der Triumph der Immaculata.17 Zwischen diesen Darstellungen befindet sich in den dreipassförmigen Feldern je ein Engel mit Fahne und einem – auf Maria bezogenen – Zitat aus dem Alten Testament (Sir 24, 5b.16.18.25). Zudem verweisen die Spruchbänder der reliefiert gestalteten Engel auf Sir 24, 5a.15 und Spr 8, 23. Die Bedeutung der marianischen Ausdeutungen von Sir 24 ist nicht zuletzt durch das Commune der Marienfeste im Römischen Brevier vorgeprägt.18 Die formale Besonderheit der Dekoration besteht vor allem darin, dass die acht hochovalen Freskenfelder von je zwei Engeln, die auf einer Blendbalustrade stehen, gehalten werden, während jeweils ein weiterer Engel darüber eine Art Vorhang wegzieht. Die künstlerisch innovative Leistung des italienischen Stuckateurs ist – so die Forschung – in der »erstmaligen Einführung hochbarocker Stilqualitäten in die Wiener Kunst«19 sowie in der lebendigen Gestaltung der »malerischen, bewegten und räumlich aktivierten Dekorationshaut«20 zu sehen. Die Einheit des Alten und Neuen Bundes aus den Propheten

Der damit verbundenen typologischen Konzeption liegt der tragende Gedanke zugrunde, dass das Wirken Christi, das von Propheten und Sibyllen21 vorausgedeutet wurde, in den Ereignissen des Neuen Testaments offenbar wird (Lk 24, 26f.44f.; Mt 1, 22f.; 26, 56). Diese Konzeption bestimmt auch die Texte des Weihnachtsoffiziums im Römischen Brevier, das als

Die Einheit des Alten und Neuen Bundes aus den Propheten

Abb. VII.2: Wien, Servitenkirche, Ovalkuppel, Stuckdekoration von Giovanni Battista Barberini (© Prag, Tschechische Akademie der Wissenschaften)

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VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

Lesung zur Terz die Stelle Hebr 1, 1f., welche die Einheit des Alten und Neuen Bundes zum Ausdruck bringt, enthält.22 Die paarweise Präsenz von Sibyllen und Propheten auf den Giebeln und Arkadenbögen der Altarnischen der Servitenkirche steht somit in direktem Zusammenhang mit dem noch näher zu charakterisierenden Freskenprogramm der Decke. Auf diese Weise wird die aufgehende Wand über das Hauptgesims hinweg mit der Deckenzone inhaltlich verklammert, indem den Prophezeiungen unter dem Gesims die Erfüllung in den Fresken darüber entspricht. In der zum Hochaltar führenden Hauptachse ist ein zusätzlicher, die »Enthüllung« Christi unterstreichender Akzent angesiedelt: Die plastische Verkündigungsgruppe in der Nische über dem Chorbogen, einer Art »Raumbühne« über dem Hochaltar,23 bezieht sich einerseits auf das Patrozinium des ersten großen Kirchenbaus des Servitenordens (Santissima Annunziata in Florenz) und bildet andererseits den entscheidenden inhaltlichen Auftakt zum Gesamtprogramm sowie eine Visualisierung der mit der Inkarnation Christi angebrochenen Heilszeit – symbolisch unterstrichen durch die Uhr (vgl. Gal 4, 4 und Röm 13, 11).24 Das in dieser Skulpturengruppe manifeste Faktum der »Enthüllung« wird hier durch drei Engel, die im Begriff sind, die reich gefältelte Draperie der Rückwand wegzuziehen, effektvoll in Szene gesetzt. Höchst anschaulich imaginiert erscheint solcherart die Gestalt eines Gemachs Mariens (thalamus bzw. triclinium)25 oder Gezelts (tabernaculum) – jeweils gut dokumentierte Mariensymbole,26 wobei tabernaculum als Stiftshütte seit Isidor von Sevilla auch als Präfiguration der ecclesia galt.27 Die liturgischen Formulare des Römischen Breviers, besonders zum Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, betonen die Funktion des Brautgemachs.28 Nicht ohne Grund ist gerade die Figurengruppe der Verkündigung an Maria zwischen die Freskenfelder der Geburt Christi und die Hochzeit von Kana, Jo 2, 1–11 zufolge das erste öffentliche Auftreten Jesu, gesetzt: Verkündigung, Geburt und Hochzeit von Kana sind Ereignisse mit eminent marianischem Bezug. Herausgehoben aus diesen drei Heilsereignissen ist im konkreten Fall die Verkündigung – dies aus Gründen, die noch auszuführen sein werden. Auch in Cosmas Damian Asams Fresken in der Zisterzienserstiftskirche Aldersbach (1720)29 tritt die Verkündigung an Maria in Zusammenhang mit einer Uhr auf, diesmal aber nicht über dem Chor, sondern als Beginn des entsprechenden Freskenprogramms über der Empore (Abb. VII.3): Auffällig ist hier nicht nur das Wegziehen der Draperie, sondern auch die Integration des Regenbogens, der als alttestamentliches Zeichen des Bundes Gottes mit dem Menschen (Gen 9, 9–17) in die Darstellung mit hineingenommen wird. Noch deutlicher ist dieser Gesichtspunkt in der Ausstattung der Wallfahrtskirche von Amberg (Oberpfalz), die 1717 von Cosmas Damian Asam freskiert wurde: Über dem 1703 von Giovanni Battista Carlone und Paolo Allio geschaffenen Hochaltar mit dem Gnadenbild ist inmitten von Freskenfeldern mit Mariensymbolen die Arche Noah mit dem Regenbogen als signum foederis (Gen 9, 12) über dem segnenden und zeigenden Gottvater im Auszug wiedergegeben (Abb. VII.4). Interessant ist in diesem Zusammenhang der Doppelaspekt der Arche Noah, da sie einerseits als weiteres Mariensymbol fungiert, andererseits den Bund Gottes mit den Menschen verkörpert.

Die Einheit des Alten und Neuen Bundes aus den Propheten

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Abb. VII.3: Aldersbach (Niederbayern), Zisterzienserstiftskirche, Empore, Verkündigung an Maria, Cosmas Damian Asam, 1720 (© Archiv des Autors)

Abb. VII.4: Amberg (Oberpfalz), Wallfahrtskirche Mariahilf, Arche Noah mit dem Regenbogen über dem Hochaltar, Cosmas Damian Asam, 1717 (© Archiv des Autors)

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VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

Die frühneuzeitlich-marianische Literatur beschäftigte sich nicht ohne Grund besonders intensiv mit der Frage des konkreten Zeitpunkts der Verkündigung an Maria, so etwa Martinus Bonacinas Tractatus de sacrosancta Christi Incarnatione [...] (Milano 1629),30 in dem die unterschiedlichen Ansichten von media nocte bis initio noctis referiert werden. Der Regularkanoniker Bernardus Fineti schrieb in seinen Riflessi di Spirito, e Considerazioni morali sopra li Evangelij, e Festività della Beatissima Vergine Maria [...] (Venezia 1701)31 zur Verkündigung32: il tempo era vicino [...] vedeva (scil. Maria [W. T.]) adempite le Profezie de’ Profeti [...]: Die Inkarnation Christi aus Maria fungiert demgemäß als Erfüllung der Prophezeiungen des Alten Testaments. Die im Programm der Servitenkirche wichtige Rolle der Propheten betrifft die Rolle Marias bei der Verkündigung unmittelbar, da etwa der berühmte Dominikanerheilige Vinzenz Ferrer meinte, dass Maria – als der Erzengel Gabriel bei ihr eintrat – gerade die berühmte Prophezeiung des Jesaias, Ecce virgo concipiet. ( Jes 7, 14), gelesen habe.33 Fineti zitiert in diesem Zusammenhang Simon Fidatus de Cassia OESA (ca. 1290–1347/1348), der das Gemach Marias als tabernaculum Virginis bezeichnet hatte.34 Die Rolle der Propheten

Nicht ohne Grund – und hier ist vor allem der Stammbaum Christi nach Mt 1, 1–17 zu nennen – sind gerade die königlichen Propheten David (evangelienseitig, mit Harfe) [IPSE TANQVAM SPONSVS PROCEDENS DE THALAMO SVO.] (Ps 19 [18], 6 [„Sonnenpsalm«]) und Salomon (epistelseitig, mit Krone, Szepter und Hermelinmantel) [DELICIAE MEAE ESSE CVM FILIIS HOMINVM.] (Spr 8, 31) in den Zwickeln des Chorbogens platziert, verweisen die beiden doch einerseits explizit auf das darüber befindliche (anschaulich inszenierte) Brautgemach Marias (thalamus) und andererseits auf den für Christus häufig bezeugten Begriff filius hominum (Mt 8, 20 u.ö.) und sein Unter-den-Menschen-Sein. Den Prophetensprüchen der Servitenkirche ist grundsätzlich eine Reihe von inhalt­ lichen Motiven eigen, die weit über die bisher genannten Aspekte hinausgehen:35 Sie haben die Verkündigung eines neuen Davididen und eines neuen Zion zum Inhalt, des Weiteren die Thronbesteigung Jahwes und das Schließen eines Neuen Bundes. Die Deutung der Rolle Christi vor dem Hintergrund der Aussagen der Propheten ist seit dem 16. Jahrhundert weit verbreitet, etwa in Antonius Marinarius’ OCarm Consonantiae Jesu Christi et Prophetarum [...] (Antwerpen 1541), womit schon im Titel die erstrebte »Konsonanz« von Altem und Neuem Bund zum Ausdruck gebracht wird, dessen Harmonie bereits von Origenes in musikalischen Termini beschrieben wird.36 Die Analogia Veteris ac Novi Testamenti [...] (Mainz/R. 1620), ein Werk des bedeutenden Wiener Jesuitentheologen Martinus Becanus (1550–1624),37 das aufgrund eines Besitzeintrages im Buch bereits sicher im 17. Jahrhundert in der Bibliothek des Wiener Servitenkonvents vorhanden war38, listet im zweiten Kapitel unter dem Titel Quibus nominibus fuerit Christus appellatus in Veteri Testamento?39 genau jene Schriftstellen des Alten Testaments auf, die sich konkret auf Christus beziehen. Im Abschnitt Quid in Veteri Testamento fuerit revelatum de Christo?40 beschäftigt sich der Jesuit intensiv mit der Frage, ob im

Die Rolle der Propheten

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Alten Testament Christus sowohl als Gott als auch als Mensch prophezeit werde. Becanus antwortet hierzu, es sei deutlich, dass Christus als Mensch prophezeit wurde, unklar und deshalb erklärungsbedürftig hingegen seien Prophezeiungen auf Christus als Gott. In der quaestio IV des achten Kapitels des Abschnitts De Prophetis41 dieses Werks werden die meisten in der Servitenkirche vorkommenden Sprüche der Propheten behandelt. Nicht ohne Grund betont auch eine Predigt des hl. Bernhardin von Siena zur II. Nokturn im Offizium des Josephsfestes die heilsgeschichtliche Rolle des Nährvaters in Bezug auf die Propheten: Ist er ( Joseph [W. T.]) doch der Schlüssel des Alten Bundes, der den ehrwürdigen Patriarchen und Propheten die verheißene Frucht (scil. Christus [W. T.]) erschloss.42 Die beiden Propheten über dem Sebastiansaltar der Servitenkirche zitieren BARVCH III: IN TERRIS VISVS EST ET CVM HOMINIBVS CONVERSATVS EST. (Bar 3, 38, vgl. Apk 21, 3) und ISAIAS VII: ECCE VIRGO CONCIPIET ET PARIET FILIVM. ( Jes 7, 14). Während die berühmte Prophezeiung des Jesaias auf die Menschwerdung Christi aus Maria gedeutet wurde (und damit wieder auf Verkündigung an Maria und Geburt Christi zu beziehen ist), nimmt Baruch konkret auf das irdische Wirken Christi Bezug. Die Propheten über dem Liboriusaltar weisen die Zitate EZECHIEL XXXIX: NON ABSCONDAM VLTRA FACIEM MEAM AB EIS. (Ez 39, 29) und DANIEL XIV: IPSE EST SALVATOR FACIENS SIGNA ET MIRABILIA IN TERRA. (Dan 14, 42). Während sich Ezechiel auf die Offenbarwerdung des Gottes Israels, der seinen Geist über das Haus Israel ausgießt, bezieht, bezeugt Daniel das Wunderwirken Christi. Die Propheten über dem Altar Johannes des Täufers zitieren HABAKUK III: EXVLTABO IN DEO JESV MEO. (Hab 3, 18) und SOPHONIAS III, 17: DOMINVS DEUS TVVS IN MEDIO TVO FORTIS, IPSE SALVABIT. (Soph 3, 17). Sie beziehen sich dabei auf den Lobpreis Gottes und die Hilfe, die Gott den Menschen zuteilwerden lässt. Die Propheten über dem Altar des Servitenheiligen Philippus Benitius schließlich weisen die Sprüche MALACHIAS III: VENIET AD TEMPLVM SVVM DOMINATOR, QUEM VOS QVAERITIS. (Mal 3, 1) und ZACHARIAS IX: ECCE REX TVVS VENIET TIBI. (Zach 9, 9), die beide das Kommen des Erlösers prophezeien. Die Vorausdeutungen der Propheten haben mit den Seitenaltären, über denen sie angebracht sind, inhaltlich nichts zu tun; sie sind vielmehr auf Christus allein zu beziehen. Der prominente Jesuitenexeget Cornelius a Lapide (1567–1637)43 schreibt in seinen maßgeblichen Commentaria in duodecim prophetas minores (Antwerpen 1625) zu Hab 3, 18: Moraliter, hic discimus, quam amabile & reverendum sit nomen Jesu, ut in eo iugiter exultare & gestire debeamus; [...] Cum ergo Jesum dicimus, dicimus Verbum carnem factum, Deum humanatum, qui pro nobis iacuit in praesepio, circumcisus est, laboravit, sudavit, flevit; famem, sitim, ęestus, frigora toleravit; qui pro nobis captus, verberatus, consputus, irrisus, flagellatus, spinis coronatus, felle potatus, clavis confixus, crucifixus, occisus est. Haec omnia significamus, cum Jesum nominamus. [...]. Die Bedeutung der Interpretation dieses herausragenden Theologen liegt darin, dass hier – auf der Basis der alttestamentlichen Prophezeiung – das gesamte Heilswerk Christi mitgedacht wird. Bernardinus de Busti OFM (1475–1513)44 bezog sich im Sermo XI De Annunciatione Mariae seines Mariale seu sermones de beatissima virgine Maria [...] (Bd. 3, Köln 1607 [Straßburg 11496]) ausdrücklich auf Hab 3, 18 und Zach 9, 9. Zu Mal 3, 1 erklärt Lapide:45 Mys-

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VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

tice, per templum hoc aliqui accipiunt Primo, uterum Virginis, in quo quasi in templo purissimo & sanctissimo Christus novem mensibus habitavit, dum ex ea carnem assumpsit, & admirabile incarnationis mysterium in eo, quasi in templo celebravit, ita S. Cyril. Secundo, Theodor. & S. August. Lib. 18. Civit. 35. templum hoc interpretantur carnem & humanitatem Christi, in qua plenitudo divinitatis habitavit corporaliter, [...]: Die Kirche wird hier, unter Hinweis auf die Patristik, auf Maria als reinsten Tempel bezogen – eine Deutung, die, wie zu zeigen sein wird, für die Servitenkirche besondere Bedeutung besitzt. Benedictus Arias Montanus (1527–1598)46 bezieht in seinen Commentaria in duodecim Prophetas (Antwerpen 1571) Zach 9, 9 aufgrund des Wortes Ecce auf die berühmte Prophezeiung von Jesaias (Ecce virgo concipiet.) und interpretiert Mal 3, 1 (mit Bezug auf Röm 15) auf die Beschneidung Christi mit dem Hinweis propter veritatem Dei ad confirmandas promissiones patrum47. Unter dem »Tempel« versteht dieser Exeget sowohl Ierosolymitanum illud templum als auch – allegorisch gewendet – Ecclesiam Christianam, also die Kirche des Neuen Bundes. Der Jesuit Gaspar Sanchez48 wiederum deutet in seinen Commentarii in duodecim Prophetas minores et Baruch [...] (Lyon 1621) die Stelle Mal 3, 1 wie Lapide in mariologischer und christologischer Weise, indem als templum […] suum, propriumque domicilium gesehen wird: Sunt qui templum hoc B. Virginis uterum esse putent, aut carnem, quam in eo caelesti templo purissimam induit. Hier wird deutlich, dass eine bruchlose Übertragung der vielfältigen Sinnpotenziale der Prophetensprüche in Bezug auf ihre visuelle Umsetzung nicht möglich war. Die entsprechenden exegetischen Ausdeutungen der Schriftstellen des Alten Bundes beziehen sich häufig auf Christus und Maria bzw. stellen Begriffe – wie templum – in das Zentrum, die übergeordnete Sinnschichten darstellen und somit auf die Kirche generell zu beziehen sind. Wie die Beispiele zeigen, herrscht in der exegetischen Literatur auch keine Übereinstimmung darüber, wie die Prophetensprüche genau zu interpretieren sind. Die Ausführungen der frühneuzeitlichen Autoren stellen demgemäß häufig ein Sammelbecken der von ihnen gesammelten bzw. zitierten Schriftstellen oder Interpretationen dar. Die typologische Intention des Programms der Servitenkirche – wie anderer Kirchen auch – ist aus dieser Situation heraus folgende: Es geht primär darum, die Summe der Prophetensprüche als Fülle der auf Christus verweisenden Vorausdeutungen darzustellen, weniger aber darum, die einzelnen alttestamentlichen Belege konkret auf – die in der Kirche wiedergegebenen – Szenen aus dem Leben Christi oder Marias zu beziehen. Die Sibyllen als »Prophetinnen« des Altertums

Neben den Propheten erfüllen im Rahmen des Programms der Servitenkirche besonders die auf den Arkadenbögen der Kapellen der Querachse und über der Orgelempore positionierten Sibyllen – als zweite zeitliche Kategorie der Vorausschau – eine wichtige Funktion hinsichtlich der Deutung der Ankunft und des Wirkens Christi: Über dem Altar der schmerzhaften Muttergottes zitieren sie INVISIBILE VERBVM PALPABITVR. (Sibylla Tiburtina) und GREMIVM VIRGINIS ERIT SALVS GENTIVM. (Sibylla Persica). Die Passagen spielen auf das im Schoß Mariens inkarnierte Wort Gottes an. Die Sibyllen über dem Altar des hl.

Propheten und Sibyllen in Ausstattungsprogrammen des Barock

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Antonius von Padua formulieren REGNABIT IN PAVPERTATEM. (Sibylla Europaea) und VIDEBVNT REGEM VIVENTIVM. (Sibylla Libyca). Diese Passagen beziehen sich auf die ärmliche Geburt Christi und die Anbetung der Könige, die als irdisch legitimierte Könige den wahren König Christus erkennen. Schließlich verweisen auch die Sibyllensprüche über dem Orgelchor, ECCE VENIET DIVES ET NASCETVR DE PAVPERCVLA. (Sibylla Samia) und DEVS IACEBIT IN FOENO. (Sibylla Erythrea), auf die Geburt Christi im Stall von Bethlehem und das scheinbare Paradoxon der Geburt eines mächtigen Gottes in einem kargen Stall. Die Zuordnung der Textpassagen zu den einzelnen Sibyllen wechselte in der Frühen Neuzeit nicht unerheblich. Die Aussagen dieser Seherinnen sind zumeist Teil einer umfangreicheren Darlegung verschiedener Aspekte aus der Jugendgeschichte Jesu. So erfolgen im erwähnten Mariale Bernardinus de Bustis (1607) beim Vollzitat des Spruches der Sibylla Erythrea49 die Erwähnung der Annahme des menschlichen Geschlechts durch Jesus, ein Hinweis auf dessen Unterricht, die Geburt Johannes des Täufers, die Führung der drei Magier durch den Stern von Bethlehem, die Anbetung der Könige, die Auslieferung Christi an die H ­ äscher, die Rolle von Judas usw. Die Vorausdeutungen der Sibyllen in der Servitenkirche stellen somit nur eine bestimmte inhaltliche Zuspitzung des überaus weiten Feldes heilsgeschichtlicher Prophezeiungen überhaupt dar. Busti bezog die Prophezeiung der Sibylle von Cumae sogar auf die Rolle der Propheten: qui (scil. Christus [W. T.]) vero ex ea nascitur erit verus Deus, & verus homo, sicut omnes Prophetae praedicaverunt.50 Seine Auslegung basiert somit auf einer geschickten Kombination von Propheten- und Sibyllensprüchen.51 Zu überlegen wäre in diesem Zusammenhang, in welcher Weise Propheten- und Sibyllensprüche der Servitenkirche inhaltlich aufeinander bezogen sind. Nicht zuletzt wird bereits im Furtmeyr-Missale52 eine ikonografische Tradition deutlich, die Verkündigung an Maria von den zwölf Sibyllen umgeben darzustellen.53 Die umfangreiche Reflexion der Heilsgeschichte Christi im Rahmen der Sibyllen- und Prophetensprüche zeigt, dass etwa das Schema der Oracula Sibyllina, wie es als Holzschnitt in einer Version in St. Gallen (um 1468/1470 entstanden) existiert, aus den reichen Traditionen des Heilsspiegels und der Armenbibel herausgewachsen ist. Gerade diese St. Gallener Redaktion der Oracula Sibyllina veranschaulicht ein Schema, das aus einer Sibylle (links) und einem christologischen Ereignis (rechts) sowie zwei Figuren (Propheten und Evangelisten), die sich darauf beziehen, besteht. Ziel dabei ist nicht eine vollständige Reihe, sondern nur jene Propheten werden gezeigt, deren Zitate dem Verfasser zum dargestellten christologischen Ereignis passend erschienen. Ganz im Gegensatz dazu aber ist in der Servitenkirche den Propheten die argumentative Hauptrolle im Kirchenprogramm zugedacht: Sie bereiten das Heilswirken Christi vor, das in der Folge in einer zweiten Stufe in der Ausstattung an der Decke szenisch konkretisiert und inszeniert wird. Propheten und Sibyllen in Ausstattungsprogrammen des Barock

Ein wesentlicher Ansatzpunkt für die Integration von Propheten und Sibyllen in ein umfassendes christologisch-marianisches Programm liegt in der Ausstattung der römischen Kir-

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VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

Abb. VII.5: Wien, Dominikanerkirche, Langhaus, Tempelgang Mariens, Mathias Rauchmiller, ab 1675 (© Prag, Tschechische Akademie der Wissenschaften)

che der Serviten, S. Marcello al Corso, begründet. Die dortige Freskierung (1613) wurde von Giovanni Battista Ricci ausgeführt: Die Zwickel am Triumphbogen zeigen die Propheten, die Fresken der Schaftflächen des Triumphbogens die vier lateinischen Kirchenväter. Die Tonne des Chorjochs ist mit fünf rechteckigen Freskenfeldern besetzt, die Szenen aus dem Leben Marias schildern. Auf dem Gurtbogen, der das Chorjoch von der Tribuna trennt, sind Sibyllen und musizierende Engel dargestellt. Die Apsiswölbung veranschaulicht drei Felder, und zwar Darstellungen des Todes Mariens sowie ihrer Krönung und Himmelfahrt.54 Vorausdeutungen des christlichen Heilsgeschehens sind nördlich der Alpen, ausgehend von dem umfassenden Ausstattungsprogramm des Passauer Domes (1686 vollendet),55 unter anderem – in modifizierter Weise – in der oberösterreichischen Zisterzienserstiftskirche von Schlierbach (nach 1685; Malereien von Giovanni Carlone, Stuck von Giovanni Battista Carlone), der Wiener Dominikanerkirche (Sibyllen in den Gurtbögen und Propheten bzw. Ahnen Jesu in den Zwickeln; Matthias Rauchmiller und Carpoforo Tencalla, ab 1675)56 und der Augustiner Chorherrenstiftskirche Klosterneuburg (Sibyllen in den Zwickeln der Langhausjoche, Johann Georg Greiner, 1689–1695) anzutreffen; sie stellen also noch am Ende des 17. Jahrhunderts ein äußerst verbreitetes Konzept dar. Karl Möseneder zufolge könnte die Kombination von Propheten und Sibyllen im Passauer Dom sogar »von der Wiener Servitenkirche motiviert«57 worden sein. Dies betrifft allerdings nicht die spezifische künstlerische Lösung, die in der

Die revelatio des Neuen Bundes durch den Alten Bund

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Wiener Servitenkirche zur Anwendung kam und sich von den genannten Beispielen durch ihren außerordentlich hohen Grad an theatralischer Anschaulichkeit unterscheidet.58 Ein besonderer Mehrwert der typologischen Konstruktion der Servitenkirche besteht darin, zwei zeitliche Ebenen der Vorausdeutung auf Christus in das Programm integriert zu haben – die (antiken) Sibyllen und die (alttestamentlichen) Propheten, womit der Phase der Vorausdeutung insgesamt eine besondere Rolle zukommt. Auch im Vergleich mit anderen Ausstattungen wird die besondere Stellung der Servitenkirche deutlich: Die 1634 geweihte Wiener Dominikanerkirche bildet einen Innenraum mit basilikalem Aufriss aus. An das dreijochige Langschiff sind längsrechteckige Seitenkapellen angeschlossen. Im Typus wird damit die berühmte Jesuitenkirche Il Gesù (1584) zitiert. Die Deckenbilder des Langhauses schuf laut Vertrag vom 18. März 1675 Mathias Rauchmiller.59 Die marianische Thematik ist – im Gegensatz zur Servitenkirche – in insgesamt 46 Freskenfeldern entfaltet, wobei die großflächigen Malereien im Scheitel des Langhauses Mariae Opferung (Tempelgang) (Abb. VII.5), den Engelreigen zu Ehren Marias als »Braut des Heiligen Geistes« und die Vermählung von Joseph und Maria zeigen – Themen, die nicht im besonderen Fokus der barocken Marienikonografie stehen. Die typologischen Verbindungen zwischen diesen »Hauptfeldern« und den kleineren sind keineswegs so stark und eindeutig wie in anderen Fällen; vielmehr wird Maria in einen breiten Kontext an Vorbildern, Vorausdeutungen und Parallelismen eingebunden, der von den sechs Sibyllen in den Gurtbogenfeldern über die sechs Dreieckskartuschen in den Stichkappen bis zu den in Grisaille gehaltenen zwölf Zwickelfeldern mit Propheten und Aposteln reicht.60 Die typologischen Bezüge sind in dieser Hinsicht auch nicht so ausgebildet, dass sich daraus fixe Deutungslinien in den Querachsen, also den Jochen, ergeben. Die revelatio des Neuen Bundes durch den Alten Bund

Das für die Wiener Servitenkirche so kennzeichnende »Lüften« der Vorhänge, hinter denen sich – ausgehend von der Verkündigung an Maria – die Erfüllung des Alten Bundes in den Ereignissen des Neuen verbirgt, ist im Sinne einer anschaulichen Visualisierung der revelatio bereits seit dem 15. Jahrhundert anzutreffen, beispielsweise in einem Gemälde der Geburt Christi von Hugo van der Goes.61 Besonders instruktiv in Bezug auf die Verkündigung an Maria wird dieses Wegziehen der Vorhänge im liturgischen Formular der Goldenen Messe (oder Missa Aurea)62, das in der berühmten Verkündigung an Maria des Meisters der Verkündigung von Aix63 einen bildlichen Niederschlag fand. Der für die Programmatik der Servitenkirche zentrale Aspekt der revelatio des Neuen durch das Alte könnte mit liturgischen und außerliturgischen Spielen in Zusammenhang stehen. Eine wesentliche Voraussetzung dieser Konzeption dürfte im Ordo Prophetarum bestehen, wie er als eine – fälschlich Augustinus zugeschriebene – Schrift seit dem Mittelalter unter dem Titel Ordo contra Judaeos, Paganos, et Arianos Sermo de Symbolo64 tradiert wurde, und – ausgehend von einer Predigt und einem Lesestück am Weihnachtsfest – die Basis für

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VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

die meisten mittelalterlichen Weihnachtsspiele und liturgischen Dramen darstellte. Dieser Pseudo-Augustinische Ordo zitiert zwar in der Urfassung des Textes nur eine relativ geringe Anzahl von Propheten und alttestamentlichen Figuren ( Jesaias, David, Habakuk, Jeremias, Daniel, Moses, erweitert um Simeon, Elisabeth und Nabuchodonosor), bietet aber letztlich das gleiche Grundmuster von Prophetie und Erfüllung wie in der Servitenkirche. Im Festum Asinorum der Kathedrale von Rouen aus dem 14. Jahrhundert65 steigt die Zahl der Propheten stark an, und dieses Festformular enthält unter anderen auch einige der Prophetensprüche (sowie auch eine Sibylle), wie sie in der Servitenkirche Anwendung finden.66 Besonders die Reformorden wurden zu wichtigen Trägern geistlich-liturgischer Spiele innerhalb der Weihnachtsfeier. Es kann daher mit gutem Grund angenommen werden, dass der genannte Ordo Prophetarum zwecks Visualisierung gegenreformatorischen Gedankengutes mit katechetischem Hintergrund auch bei der Konzeption der Ausstattung der Servitenkirche eine wichtige Rolle spielte, denn nicht zuletzt lagen den Laudi der Marienbruderschaft der Laudesi, aus denen sich der Servitenorden entwickelte, zumeist nicht-liturgische und volkstümliche Dichtungen zugrunde. Letztlich – so könnte man verkürzt formulieren – transponiert die Ausstattung der Servitenkirche die Theatralik mittelalterlicher liturgischer und nicht-liturgischer Dramen in die ganz anders gearteten Formate visueller Rhetorik und Didaktik im Rahmen gegenreformatorischer Propaganda. Die revelatio findet hier vor allem als übergreifendes Muster der Veranschaulichung heilsgeschichtlicher Erfüllung ihre Anwendung. Dies impliziert geradezu eine zeitlich-prozessuale Dimension, als mit dem Wegziehen der Vorhänge die Gegenwart des Alten im Neuen sichtbar vor Augen geführt und zugleich ein anschaulich-verbindendes Element eingeführt wird, das als gemeinsamer Nenner der visuellen Argumentation dienen kann: »In Bildern denken« bedeutet in diesem Fall die Reduktion argumentativer Komplexität zugunsten eines anschaulich formulierten – und seit Augustinus in Schriftform ständig präsenten – Generalnenners, nämlich der revelatio, die geeignet erscheint, eine durchgehende Erklärung des Ablaufs der Heilsgeschichte anzubieten. Dieser Vorgang der revelatio ist nicht ohne die Visualisierung des tabernaculum möglich: Das Gezelt, in dem sich die Verkündigung Marias über dem Chorbogen abspielt, ist zugleich der inhaltliche und faktische Ausgangspunkt für jene zahlreichen Vorhangteile an der Decke, die von den Freskenkompartimenten mit neutestamentlichen Szenen gelöst werden, um dort im Wortsinn Licht auf die (farbigen) Szenen des Heils scheinen zu lassen.67 Der Hinweis auf die schriftliche Tradierung der Heilsereignisse wird im Rahmen der Servitenkirche durch die Integration der vier Evangelisten in von Kränzen umgebenen Relieftondi (Hauptachsen) und der vier lateinischen Kirchenväter in den Feldern der Schrägachsen veranschaulicht. In einem geschickt inszenierten Materialwechsel ist zwischen der Offenbarung der christologischen Heilswahrheit an sich (farbige Freskenfelder) und ihrer schriftlichen Fixierung aufgrund göttlicher Inspiration bzw. Tradierung und Kommentierung (Stuckreliefs) unterschieden: Vorausdeutung (Propheten) und schriftliche Festlegung der Heilsereignisse (Evangelien und Tradition) beziehen sich somit auf das eigentlich Undarstellbar-Göttliche

Die revelatio des Neuen Bundes durch den Alten Bund

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(Christus). Die Prophezeiung, der Kanon und die Tradierung der Glaubenszeugnisse einerseits und die farbig gestalteten Fresken als Erfüllung der Erlösung in Christus andererseits sind dieser Konzeption zufolge in Gestalt einer bewusst inszenierten medialen Differenz (Plastik-Malerei) in ein raffiniertes künstlerisches Spannungsverhältnis gesetzt, das geeignet ist, den qualitativ-heilsgeschichtlichen »Sprung« vom Alten in das Neue anschaulich zu machen. In dieser Hinsicht geht es in der Servitenkirche um die »Einmaligkeit Christi, das qualitativ Neue, das er bringt«68, bzw. die »endgültige qualitative Veränderung in der Zeitlichkeit«69. Zudem wird deutlich vor Augen geführt, dass das Neue eigentlich immer schon da war ( Jo 8, 58; Apk 13, 8), nun aber mittels der revelatio einer faktischen Sichtbarkeit zugeführt wird, die theologisch an die Sichtbarkeit des Erlösers aufgrund der Inkarnation gekoppelt ist. Dieser leitende Umstand, dass das Neue im Alten verborgen war, kommt im bekannten und bereits bei Augustinus nachweisbaren Merkvers Novum Testamentum in Vetere latet, Vetus in Novo patet.70 zum Ausdruck. Essenziell in diesem Zusammenhang ist es, den »Bildcharakter in der Verheissung gegenüber dem Wirklichkeitscharakter in der Erfüllung«71 aus theologischer Sicht von den Möglichkeiten der Umsetzung in der bildenden Kunst zu trennen: Wenn der Theologe Hans Urs von Balthasar das Bildhafte als Vorstufe, Hinführung und Vorahnung der eigentlichen Christus-Wirklichkeit betrachtete und die zeitliche Beziehung des Alten zum Neuen Bund als »Beziehung von Zeit zu Ewigkeit«72 auffasste, dann kann diese Begrifflichkeit nicht auf die Realitäten der bildenden Kunst übertragen werden. Balthasar rezipiert im Übrigen einen gängigen Topos der christlichen Literatur, der bereits von Irenäus (Adversus Haereses IV, 14, 3) anschaulich formuliert worden war: »So hat er [Gott, W. T.] es [sein Volk, W. T.] von den zweitrangigen Dingen zur Hauptsache, von den Vorbildern zur Wirklichkeit und hierin von der zeitlichen zur ewigen, von der fleischlichen zur geistigen, von der irdischen zur himmlischen berufen.«73 Christus ist der zentrale »Angelpunkt der Geschichte«74 aus theologischer Sicht, aber es macht einen großen Unterschied, diesen Sachverhalt mit Begriffen der Theologie zu fassen oder ihn visuell umzusetzen. Dies stellt ein markantes Grundproblem typologischer Kunst schlechthin dar, da sich die Spannung zwischen der Vergegenwärtigung von Heilsgeschichte in Wort und Bild ständig neu aktualisiert. Der Idee des Öffnens der Stuckvorhänge und der damit verbundenen revelatio des Neuen Bundes einerseits sowie dem Illusionismus der Verkündigungsgruppe andererseits ist ein außerordentlich hoher Grad an Anschaulichkeit gemeinsam, der in gewisser Hinsicht die Typologie zu einem Bild der revelatio transformiert: Alle Medien sind in fast theatralisch zu nennender Weise daran beteiligt, die Erfüllung des Heilsgeschehens zu einem bestimmten Augenblick im Kirchenraum sichtbar und gegenwärtig zu machen. Aufgabe typologischer Kunst ist es somit nicht bloß festzustellen, sondern »den eigentlichen Sinngehalt der Geschichte freizulegen«75, also einen heilsgeschichtlichen Quantensprung vor Augen zu führen.

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VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

Die Vergegenwärtigung Marias in der aula mariana

Von Bedeutung ist hier nicht zuletzt das interessante Faktum, dass zur optimalen Erfassung der beiden großen ovalen Freskenfelder am Scheitel der Decke der Servitenkirche, welche die Aufnahme Marias in den Himmel und die daran anschließende Marienkrönung darstellen, der Standpunkt des Betrachters gewechselt werden muss: Der in die Kirche Eintretende ist primär mit der assumptio konfrontiert: Der Besucher sieht aus dieser Perspektive zuerst die Verkündigung an Maria und erfährt die in den Himmel aufgenommene Maria als triumphalen Gipfelpunkt. Andererseits entspricht die Krönung Marias durch die Trinität mit zwei Kronen (durch die beiden ersten göttlichen Personen) und einem Rosenkranz (sieben [!] Rosen) durch den Heiligen Geist im zweiten großen Freskenfeld des Gewölbescheitels der Leserichtung des die Kirche verlassenden Besuchers. Diese beiden zentralen Festgeheimnisse, die inhaltlich, frömmigkeitsgeschichtlich und liturgisch eng zusammengehören, sind als einzige nicht durch das revelatio-Motiv ausgezeichnet, sondern wie jeder zeitlichen Kontextualisierung enthobene emblemhafte Tableaus gleichsam an der Decke »fixiert«. Zwischen ihnen sind – wie zur Füllung – Festons haltende Putti angebracht. In dieser Hinsicht formulieren diese beiden großen Freskenfelder im Wortsinn die inhaltliche und formale »Krönung« am Scheitel der längsovalen Grundform dieser aula mariana.76 Aula ist der Saal, aula bezeichnet aber zugleich den Schoß Mariens.77 Die Wölbung der Kirche stellt architektonisch ein abgeplattetes und an den Ecken abgerundetes Tonnengewölbe mit Stichkappen dar, woraus letztlich – wohl nicht ohne Hintersinn – ein »zeltartiger«78 Eindruck resultiert. Maria wird in diesem Sinn – die zitierten liturgischen Formulare und die seit der Patristik nicht mehr abreißenden Deutungen anschaulich umsetzend – zum monumentalen tabernaculum als der »gebärende Gesamtschoß«79 Christi und der Kirche, in dieser Hinsicht das Gezelt der Verkündigung über dem Chorbogen in die Großform der Dekoration des Längsovals der Kirche insgesamt umsetzend. Das Freskenprogramm mit christologischer Thematik spielt sich demgemäß stimmig und konkret innerhalb dieses marianischen tabernaculum als einer künstlerisch höchst feinsinnig gestalteten »organischen und malerischen Sphäre«80 ab: Maria wird hier im Wortsinn zum künstlerisch monumentalisierten »Sitz der Weisheit« – GREMIUM VIRGINIS ERIT SALUS GENTIUM. (Sibylla Persica), in dem die christologischen Geheimnisse eingeschlossen waren und nun einer Enthüllung zugeführt werden können. Der in der Servitenkirche als aula virginalis81 und tabernaculum anschaulich ausgezeichnete Schoß Mariens ist nicht nur im Sinne der Inkarnation der Sitz des königlichen Throns, d. h. Jesu Christi, sondern in dieser aula errichtet sich die Weisheit ihre Wohnstätte, ihr Haus und ihre Kirche (Spr 9, 1). Nicht ohne Grund nimmt der Jesuit Adamus Kögl in seiner Schrift Der mit sieben Spitz-Säulen gezierte Hoche Altar, deren Hoch- und Wohl-Ehrwuerdigen Dienern Mariae, bey jaehrlicher Fest-Begaengnuß dero sieben Seeligen Stiftern [...] (Wien 1738), die sich auf eine von ihm gehaltene Predigt in der Wiener Servitenkirche vom 11. Februar 1738 bezieht, auf den Sachverhalt der Deutung der heiligen Siebenzahl auf Gott, Maria und die Gründungsheiligen des Servi-

Die Vergegenwärtigung Marias in der aula mariana

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tenordens explizit Bezug.82 Zudem wird bei Kögl der Servitenheilige Bonajuncta (Giovanni de Bonagiunta), einer der Gründer des Ordens, mit der sonderbahren Gnad der Prophezeyung, oder Vorsagung kuenfftiger verborgener Sachen begabet, beschrieben, was hinsichtlich des Programms der Wiener Kirche mit den ausführlichen Vorausdeutungen der Propheten nicht ohne Interesse ist. Der Jesuitentheologe Laurentius Chrysogonus, der den ersten Band seines umfangreichen Werkes Mundus Marianus […] (Wien 1646) dem Wiener Servitenkonvent schenkte, beschäftigte sich ebenfalls intensiv mit der Symbolik des marianischen Schoßes (uterus) und deutete diesen als imago Patris und aula Regis Regum83. In seinen Ausführungen wird der Schoß Mariens, ihm zufolge ein sumptuosissimum Palatium, explizit auf Spr 9, 1 bezogen.84 Besonders der posthum erschienene Band Mundus Marianus sive Maria speculum Mundi sublunaris [...] (Augsburg 1712) demonstriert eindrucksvoll die weiten Möglichkeiten marianischer Allegorese: Die Deutungen Marias nach den in Sir 24 und Spr 8 angeführten Symbolen nehmen darin nicht weniger als 527 Seiten (!) im Rahmen von 18 Abhandlungen ein. Unter Hinweis auf Spr 9, 1 wird bei Chrysogonus die erste Predigt des Zisterziensers Guerricus von Igny (1070/87–1157) zur Verkündigung an Maria zitiert: Regalis etiam thronus in aula Virginali Reginae susciperet Matris; in ipsa quippe, & ex ipsa, sapientia aedificavit sibi Domum, in ipsa, & ex ipsa paravit sibi thronum, [...]85. Auch das tabernaculum, das – wie dargestellt – unter dem Gesichtspunkt des Vorgangs der »Enthüllung« für die Ikonologie der Servitenkirche eine besondere Bedeutung besitzt, erfährt eine umfangreiche Ausdeutung, indem der uterus virginis bei Chrysogonus als regalis sedes, thronus, tabernaculum ad pugnandum, & Cathedra ad docendum Verherrlichung erfährt.86 In diesem dritten und letzten Band seines Werkes Mundus Marianus greift Chrysogonus das Bild des Schosses Mariens nochmals auf und deutet diesen als centrum magnitudinis – unter Hinweis auf Eph 2, 19f. – ekklesiologisch: Superaedificati supra fundamentum Apostolorum & Prophetarum, ipso summo angulari lapide Christo Jesu.87 Mit dieser inhaltsreichen Anspielung wird ein weiterer Konnex zum Programm der Serviten­ kirche deutlich: Das christologisch-marianische Zentrum (Freskenfelder an der Decke) ruht demnach auf der »Basis« des Alten und des Neuen Bundes, die den Heilsbringer sowohl vorausdeutet (Propheten) als auch die Kirche als Gründung Christi erfüllt und fortsetzt (Evangelisten und Kirchenväter). Der Jesuit Chrysogonus legt in seinen Ausführungen zudem seine Quellen aus der hochmittelalterlichen Theologie offen, indem er ausführlich aus den Werken des sel. Zisterzienser­ abtes Guerricus (Werricho) von Igny, eines wichtigen Vertreters zisterziensischer Geistigkeit und Schülers des hl. Bernhard von Clairvaux, zitiert. Besonders die zweite Predigt zur Verkündigung an Maria dieses Zisterziensertheologen wird für den Jesuiten zum Ausgangspunkt eigener Überlegungen: Hodie sapientia aedificare coepit sibi domum corporis nostri in utero Virginis, & ad aedificandam unitatem Ecclesiae, angularem lapidem de monte sine manibus abscidit; […] (Guerricus)88. Mit diesem Passus dürfte ein zusammenfassender Ansatzpunkt für die Grundlagen des Ausstattungsprogramms offen liegen, der von der Menschwerdung Christi aus Maria bis zur Gründung der christlichen Kirche reicht.

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VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

Tabernaculum ist somit in Bezug auf das Innere der Servitenkirche als ein die Strukturen der Typologie ordnender Schlüsselbegriff anzusprechen, da er einerseits mit den spezifisch textilen Oberflächen der Draperien den Prozess der Enthüllung des Verborgenen deutlich macht, andererseits einen höchst polyvalenten und multifunktional aufgeladenen Begriff darstellt, dessen Interpretation als Mariensymbol eben nur eine Facette bildet: Essenziell in diesem Zusammenhang ist der Hinweis auf das tabernaculum als alttestamentliches Bundeszelt: Wenn es in Hebr 10, 19f. heißt, Christus habe uns den neuen Weg »durch den Vorhang« hindurch erschlossen,89 dann ist hier vom Bundeszelt und seiner christologischen Interpretation im Heilstod Christi die Rede. Zudem wird in zahlreichen Barockpredigten das tabernaculum als Typus der christlichen Kirche angesprochen. Das tabernaculum als Mariensymbol erfährt somit eine semantische Überformung, da es die Stiftshütte (Ex 40) und damit wieder einen Verweis auf das Alte Testament zum Inhalt hat, im übertragenen Sinn auf die christliche Kirche anspielt. Tabernaculum besitzt somit im Rahmen der Ausstattung der Wiener Servitenkirche nicht nur die Funktion eines Leitbegriffs, der reiche Möglichkeiten anschaulicher Darstellung sowie typologischer und anderer semantischer Bezüge eröffnet, sondern dem über diese komplexe Symbolik hinaus auch die künstlerisch entscheidende Rolle zugedacht ist, das prozesshafte Geschehen der Enthüllung anschaulich zu machen: Die reale Ausführung der Enthüllung90 erfüllen Putten, welche die Draperien von den szenischen Darstellungen wegziehen.91 An der Bedeutung des stofflichen Gezelts und dem damit zusammenhängenden höchst polyvalenten Terminus tabernaculum führt somit bei der Interpretation von Stuck und Malerei der Servitenkirche kein Weg vorbei: Das Moment der revelatio dient hier offensichtlich dazu, die zeitliche Dimension von Typologie besonders greifbar und anschaulich zu machen und dies an einem im Gesamtkontext sinnstiftenden Gegenstand zu demonstrieren, an dem sich die Enthüllung des Neuen durch das Alte zum biblischen Zeitpunkt der Erfüllung (Gal 4, 4), der zugleich den »Einbruch Gottes in die Geschichte«92 markiert, nachvollziehbar vergegenwärtigen lässt: Die Propheten vertreten den Alten Bund und sie akzentuieren mit ihren Weissagungen keine konkreten geschichtlichen Ereignishorizonte: Diese werden im Gegensatz dazu in der Verkündigung an Maria und den anderen Heilsgeschehen in ganz anderer Qualität deutlich, da hier die »Einzigartigkeit geschichtlicher Ereignisse«93 im Zentrum steht. Typologie ist unter diesem Gesichtspunkt »nicht ein Sinn der Schrift, sondern ein Sinn der Ereignisse selbst«, wie Thomas von Aquin unterstreicht.94 Auch Christus selbst wurde als das »reine Ereignis«95 bezeichnet, das die »kosmische Totalität zerschneidet und auflöst«96. Die Wiener Servitenkirche als neuer mons senarius?

Es spricht für den weiten Horizont des Gesamtprogramms der Wiener Servitenkirche, dass die Blumenmetaphorik in den Freskenfeldern des Presbyteriums, die wesentlich auf einer marianischen Deutung von Sir 24 beruht, einen anderen wichtigen Aspekt des Selbstverständnisses der Serviten zu illustrieren vermag: Der Schrift Marianischer Lust- und Blumen-Garten von Maria der großmaechtigsten Himmels-Fuerstin gepflantzet [....] (Wien 1697 [der

Die Wiener Servitenkirche als neuer mons senarius?

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zweite Teil erschien in Wien im Jahr 1703; eine weitere Auflage wurde in 1753 in Wien veröffentlicht]) zufolge, verfasst vom Servitenpater Raphael Maria Weinhardt, befand sich auf dem Gipfel des mons senarius (Montesenario bei Florenz), auf dem 1241 das erste Servitenkloster gegründet worden war, eine holdseelige Ebne mit wolriechenden [sic!] Kraeutern, und annehmlich gefaerbten Blumen gantz zierlich bekleidt.97 Den inhaltlichen Bezug zur floralen Ikonografie der Presbyteriumsfresken der Wiener Kirche unterstreicht der Bericht zur Rückkehr des zwischen 1231 und 1249 amtierenden Bischofs von Florenz, Ardingus (Ardengus, Ardingho II. Trotti), vom mons senarius, dem dort eine Vision eines Weinstocks mit sieben Stämmen, auf den Maria gedeutet hatte, zuteilwurde. Diesen Weinstock interpretierte der Bischof als Allegorie der sieben Gründer des Ordens: Ego quasi vitis fructificavi. Ich hab gefruchtet, gleichwie ein Rebstock die Lieblichkeit deß Geruchs, und meine Bluehe seynd Fruechte aller Ehren, und Ehrbarkeit.98 Auf diese Aussage Marias (im Bericht der Vision des Bischofs), die sich direkt auf Sir 24, 23 bezieht, nimmt auch das Titelkupfer bei Weinhardt, ein Stich des Wiener Stechers Hermundt, das Maria mit Engeln im Blumengarten zeigt, unmittelbar Bezug (Inschrift: Flores mei Fructus Honoris & Honestatis Eccl. 24, 23). Die außergewöhnliche Bedeutung, die Sir 24 in der Ausstattung des Presbyteriums der Wiener Servitenkirche besitzt, hat somit ihre eigentliche Ursache in der ordensspezifischen Relevanz dieses Kapitels von Jesus Sirach im Kontext der Umstände der Gründung des Ordens im Jahr 1233 (1240).99 Die Programmatik der Wiener Kirche verweist damit explizit auf den Ursprung des Servitenordens, bindet den konkreten Ort an die mittelalterliche Tradition der in Wien ansässigen Kommunität. Wahrscheinlich ist dieser Sachverhalt auch für eine andere Frage von Relevanz: Die erste Kirche, die von den Serviten auf dem mons senarius errichtet wurde, wird – einer bei Weinhardt berichteten Legende zufolge – von Maria mit folgenden Worten kommentiert: Non erit hîc aliud nisi domus DEI, & Porta Coeli; & vobis Servis vocabitur Aula Virginis. Es wird hier nichts anders seyn, als ein Hauß Gottes, und Pforten deß Himmels, euch aber ihr ueberglueckseelige Diener MARIAE solle es seyn ein Hof-Burg, in welcher ihr eurer Himmlischen Kayserin ohne Unterlaß dienen sollet.100 Der erste Kirchenbau des Ordens beruht demnach – unter Hinweis auf die bekannte und in Barockkirchen häufig verwendete Stelle Gen 28, 17 (Traum Jakobs) – wörtlich auf der Leitidee der aula virginis, die – wie zu zeigen war – als eine essenzielle Sinnebene in der Programmatik der Wiener Servitenkirche fungiert. Damit wird deutlich, dass in zwei entscheidenden Punkten (florale Ikonografie [nach Sir 24] und die Idee der Kirche als aula virginis) ordensimmanente Traditionen eine zentrale Rolle spielen. Die Wiener Servitenkirche verdeutlicht somit nicht nur heilsgeschichtliche und mariologische Vorstellungen mittels einer durchgehend typologisch orientierten Konzeption. Sie steht in der anschaulichen Visualisierung einer aula mariana unmittelbar in der Nachfolge des Archetypus des Ordens am mons senarius bei Florenz und bildet gleichsam den Wiener Antitypus der Mutterkirche aus. Typologie – aus heilsgeschichtlicher Perspektive und aus dem spezifischen Blickpunkt des Ordens – wurde im Rahmen der Ausstattung der Servitenkirche in höchster visueller Dichte umgesetzt, indem der Schlüsselbegriff des – christologisch wie marianisch zu interpretie-

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VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

renden – tabernaculum in der Stuckierung der Decke mittels Draperien in deutlicher Weise materialisiert erscheint und die entsprechende textile Folie darstellt, in welche die christologischen Geheimnisse gleichsam hineingepresst wiedergegeben und zugleich für immer enthüllt werden. Grundsätzlich ist – um das Leitmotiv des in der Servitenkirche präsenten Materialwechsels wieder aufzunehmen – Hören und Lesen vor allem der Ebene des Alten Bundes zugeordnet, das Sehen und Anschaulich-Werden hingegen dem Neuen Bund.101 Heilsgeschichtliche Erfüllung wird somit in innovativer Weise auf zwei Wegen offenbar – zum einen in der zeitlichen Enthüllung des »Neuen« (Christus) durch das »Alte« (Propheten und Sibyllen), zum anderen fungiert gerade das Medium dieser Enthüllung, die Draperie des tabernaculum, als anschauliches Mariensymbol und als fruchtbarer »Schoß«, in dem die Christusgeheimnisse (Freskenfelder der Decke) allegorisch und realiter ihren Platz finden. Das textil beschaffene Medium der Enthüllung und das Mariensymbol fallen somit in dem in zahlreichen Predigten gegenwärtigen Terminus des tabernaculum in eins zusammen, zeigen somit in höchstem Maß die künstlerischen Möglichkeiten der Frühen Neuzeit, das Offenbarwerden von Heilsgeschichte mittels typologischer Argumentation anschaulich zu vermitteln.

VIII Maria als Bundeslade – die Stiftskirche Altenburg

Im Rahmen der barocken Marienfrömmigkeit entwickelten sich besondere Ausformungen der Typologie, bei denen Maria in ganz anderer Form akzentuiert werden konnte, als dies im Rahmen der Ausstattung der Wiener Servitenkirche (Kapitel VII) der Fall ist. Dafür kann die auf einen mittelalterlichen Vorgängerbau zurückgehende barocke Benediktinerstiftskirche von Altenburg in Niederösterreich als Beispiel dienen. Die mächtige Kirche Altenburgs ist zwischen Brunngartl- und Kirchhof situiert und mit dem (im Mauerwerk) gotischen Chor wirkungsvoll in den Osttrakt der Stiftsanlage eingebunden. Ab circa 1160 ist der Bau eines neuen Gotteshauses anzusetzen, den man sich als dreischiffige, basilikale und an den Kreuzgang grenzende Anlage, die um 1200 vollendet worden sein dürfte, vorzustellen hat. Nach der Errichtung eines wuchtigen dreijochigen Chores und einem Brand des Jahres 1380 erfolgte nach 1650 ein frühbarocker Umbau, der die Grundlage der zwischen 1730 und 1733 von Josef Munggenast ausgeführten Neuanlage schuf und die Kirche in einen längsovalen überkuppelten Zentralraum umwandelte. Westseitig besitzt der Bau einen in Kern um 1300 zu datierenden Fassadenturm mit barockem Obergeschoss und Haube. Die Seitenteile der dreiachsigen Westfassade werden von Riesenpilastern auf hohen Sockeln gegliedert. Das Giebelgeschoss ist von Voluten eingefasst (mit den Erzengeln Michael [im Norden] und Raphael [im Süden]), die von den Seitenteilen zum Turmaufbau überleiten. Die Seitenfronten des Baus sind mit einer Ausnahme je eines Riesenpilasters an der Westecke sparsam gegliedert. Die Kirche ist somit bereits auf der Basis ihrer Baugeschichte in vielfältiger Hinsicht in die gesamte Stiftsanlage eingebunden. Die Innenarchitektur der Kirche sowie die reiche Ausstattung gehören aus der Zeit des Übergangs vom Hoch- zum Spätbarock wohl zum bedeutendsten, was in Mitteleuropa geschaffen wurde. Der besondere Reiz des einheitlich gestalteten barocken »Farbraumes« besteht vor allem in einem kongenialen Zusammenspiel von Architektur, Plastik, Stuckdekoration und den berühmten Deckenmalereien Paul Trogers (Abb. VIII.1).1 Der Kirchenbau ist in ein Eingangsjoch (mit Orgelempore), den längsovalen Kuppelraum mit anschließendem Chor-Vor- und Chor-Zwischenjoch gegliedert, das in den Altarraum mit bekrönender Apsiskalotte mündet. Die Wandgliederung des Inneren erfolgt vor allem durch Kolossalpilaster in rosa Stuckmarmor. Der Innenraum ist durch Segmentbogenfenster und Ochsenaugen (im Zentralraum) in zwei Geschossen gut durchlichtet.

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VIII Maria als Bundeslade – die Stiftskirche Altenburg

Die reiche skulpturale Ausstattung des Raumes beruht im Wesentlichen auf den Arbeiten Joseph Ignaz Holzingers aus der ersten Hälfte der dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts mit Stu­k­ katuren in der Wand- und Pendentifzone des Kuppelraumes, in und um die Fensternischen, an der Emporenfront sowie als Umrahmung der Gewölbemalereien. Der Künstler arbeitete dabei mit vielfältigen Dekorationsformen, die aus reichem Laub-, Band- und Rankenwerk, Kartuschen, Kandelaber, Palmetten, Schleierbrett-und Rosettendekor, Blütengehängen und Muscheln bestehen. Die wirkungsvollsten plastischen Akzente setzen der Hochaltar sowie die beiden Seitenaltäre in den Querarmen des Kuppelraumes. Der Hochaltar ist als Ädikulaaltar mit flankierenden Freisäulen, die gegen die Raummitte Abb. VIII.1: Altenburg (Niederösterreich), Benediktigedreht sind, in die Architektur der nerstiftskirche, Einblick in das Innere, 1730–1733 Apsis eingepasst. Den rein architekto(© Prag, Tschechische Akademie der Wissenschaften) nischen Charakter des Aufbaus unterstreicht das Faktum, dass auf die sonst üblichen plastischen Altarfiguren verzichtet wurde. Die Thematik des Hochaltarbildes, die Aufnahme Mariens in den Himmel aus der Hand Paul Trogers (1734), ist inhaltlich unmittelbar auf die monumentale plastische Darstellung der Trinität im Auszug bezogen. Eine direkte Anspielung auf die Gründungsgeschichte des Klosters Altenburg erfolgt in diesem Gemälde insofern, als im rechten Teil unter den Aposteln Hildburg von Poigen, die Stifterin des Klosters, und der hl. Lambert von Maastricht, der Klosterpatron, wiedergegeben sind. Das Ereignis der Aufnahme Mariens erhält somit eine konkrete Ausrichtung auf die Frühgeschichte des Klosters. Die Seitenaltäre sind als Doppelsäulenädikulen in rosa Stuckmarmor mit hoher Sockelzone und gesprengtem, konkav geschwungenem Giebel in der Höhe des Hauptgesimses gestaltet. Die rundbogigen Altarbilder zeigen im Norden die Pietà mit Kreuz, im Süden den Tod des hl. Benedikt von Nursia, ausgeführt jeweils von Johann Georg Schmidt im Jahr 1733. Die qualitätsvollen überlebensgroßen Altarfiguren stellen die Heiligen Dominikus und ­Ka­tharina von Siena (im Norden) sowie Leopold von Österreich und Florian (im Süden) dar. Die kleinen Altäre in den Diagonalachsen des Kuppelraumes sind als Wandaltäre in die

Das malerische Programm der Stiftskirche

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Nischenarchitektur der Konchen einbezogen, wobei die beiden ostseitigen Altäre als Doppelsäulenädikulen, die westseitigen hingegen nur mit einfachen Säulen gebildet wurden. Die Altarblätter zeigen im Nordosten das Martyrium der hl. Barbara (von Paul Troger, um 1744), im Nordwesten die Geburt Christi (von Christoph de Kerle, 1765) im Südosten den hl. Johannes von Nepomuk, die Beichte der Königin hörend (von Paul Troger, 1734) sowie im Südwesten die Kreuzigung Christi (von Christoph de Kerle, 1765). Charakteristisch für die gesamte Ausstattung der Kirche mit Altären ist, dass sie sich in die mit farbigen Stukkaturen reich dekorierte architektonische Hülle gleichsam einpassen und nicht raumgreifend wirken. Die Stimmigkeit aller Elemente der Ausstattung kulminiert in der durch das mächtige umlaufende und verkröpfte Hauptgesims hervorgerufenen architektonischen und farbigen Einheit des Kirchenraumes. Mittels dieses Hauptgesimses wird nicht nur die Altarzone vom Gewölbe deutlich differenziert; damit sind zugleich entscheidende Vorbedingungen für die Freskierung der vier Kuppelschalen der Kirche gelegt, die – wie zu zeigen sein wird – den Gesichtspunkt der Einheitlichkeit insofern betonen, als die jeweiligen Sujets der einzelnen Freskenkompartimente konsequent im Sinne eines durchgehenden Programms aufeinander bezogen sind, wodurch im Gegensatz zu den Konzeptionen vieler anderer Kirchen die typologische Lesart erleichtert wird. Der erste Vertrag zur Ausmalung der Stiftskirche wurde zwischen Paul Troger und Abt Placidus Much am 2. November 1732 unterzeichnet. Wahrscheinlich hatte sich der Maler anlässlich dieses Abschlusses Gedanken über die konkrete Ausführung eines Konzepts gemacht, das letztlich wohl vom Abt ausgegangen sein muss. Es fällt aber auf, dass dieser dem Freskanten nicht sofort alle Kirchenfresken in Auftrag gab, sondern nur die zwei relativ kleinen im Presbyterium. Am 7. April 1733 schloss Troger den Kontrakt für die große Kuppel ab und nennt Johann Jakob Zeiller (der auch im Vestibül der Bibliothek tätig war) und einen Malergesellen als Mitarbeiter. Paul Troger war am 13. Juni 1733 mit der Arbeit an den Presbyteriumsfresken fertig, und am 29. November 1733 zahlte ihm der Abt 2000 Gulden, 1900 Gulden für das große Kuppelfresko sowie 100 Gulden als Teilzahlung für das Fresko über der Orgelempore. Eigenartigerweise wird in keinem der genannten Verträge oder in anderen Archivalien die Thematik der auszuführenden Malereien erwähnt. Ein sehr vertrautes Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Künstler scheint möglicherweise weitere Korres­ pondenzen und Skizzen erübrigt zu haben. Ein schriftlicher concetto im klassischen Sinn des Wortes, der Aufschluss über die intendierte Programmatik geben könnte, ist jedenfalls nicht überliefert. Das malerische Programm der Stiftskirche

Das Freskenprogramm der Stiftskirche zeichnet sich durch eine ungewöhnliche Synthese mehrerer Sinnschichten aus, die jeweils den einzelnen Gewölbeabschnitten entsprechen (von Osten nach Westen): die Apsiskalotte mit dem Triumph der Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung (nach 1 Kor 13, 13), daran anschließend das Chorgewölbe mit der Lobpreisung

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VIII Maria als Bundeslade – die Stiftskirche Altenburg

Abb. VIII.2: Altenburg (Niederösterreich), Benediktinerstiftskirche, Deckenmalereien über der Orgelempore (David und Usa), 1733 (© Prag, Tschechische Akademie der Wissenschaften)

Gottvaters und des Apokalyptischen Lammes, in der Folge die berühmte Hauptkuppel mit der Apokalyptischen Frau, dem Kampf Michaels mit dem Drachen, der Entrückung des göttlichen Kindes, der Anbetung und Lobpreisung der Majestät Gottvaters durch die vierundzwanzig Ältesten und schließlich der tanzende König David mit der Bundeslade im Gewölbe über der Musikempore (Abb. VIII.2). Mit der Bundeslade ist zugleich ein entscheidendes Stichwort für die Gesamtkonzeption geliefert: Sie fand bekanntlich im Alten Testament mehrmals Erwähnung: Das Buch Josua schildert, wie sie über den Jordan ( Jos 3, 3–17) und um die Mauern von Jericho getragen wurde ( Jos 6, 8–15), das erste Buch der Könige, wie sie gegen die Philister im Kampf mitgenommen wurde und verlorenging (1 Sam 4, 3–22), wie sie von den Philistern nach Azot in den Tempel des Dagin gebracht wurde, dessen Bild vor ihr zerbrach (1 Sam 5, 1–12), dann, von den Philistern zurückgebracht, im Hause des Abinadab eine Unterkunft fand (1 Sam 6, 1–7, 1). Das zweite Buch der Könige schildert, wie David sie auf einem Wagen aus dem Hause des Abinadab abholte und Usa (Ussa), da er allzu wenig ehrfürchtig nach ihr griff, bestraft wurde (2 Sam 6, 2–8), wie David sie dann nach Jerusalem brachte, dabei vor ihr in liturgischer Kleidung, mit dem leinenen Ephod umhüllt, tanzte, worüber Michal lachte (2 Sam 6, 16–23). Das dritte Buch der Könige erzählt von ihrer Aufstellung im Tempel Salomons (1 Kg 6, 19–38), und Psalm 131, 8 preist Gottes Wohnen im heiligen Zelt (Surge, Domine, in requiem tuam, tu et arca sanctificationis tuae.)2.

Die Bundeslade und das Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament

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Die Bundeslade und das Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament

In barocken Visualisierungen wurde die Bundeslade nicht nur mit einer marianischen Komponente versehen, sondern – wie etwa das wenig bekannte Beispiel der Fresken in der Pfarrkirche Corpus Christi im ungarischen Tab zeigt (Franz Xaver Bucher, 1799) – im Rahmen einer Typologie, die auf eine Gegenüberstellung der Opfer des Alten und Neuen Bundes ausgerichtet ist: Die Personifikation des Alten Bundes ist hier im Zentrum von Kultgeräten und alttestamentlichen (auf die Eucharistie zu beziehenden) Opferszenen in den Zwickeln als Malerei gegenwärtig, während das neutestamentliche Messopfer darunter den Antitypus repräsentiert.3 Instruktiv sind in dieser Hinsicht auch die Deckenmalereien von Anton Schmidt (1750– 1752) in Kaštiel’ vo Svätom Antone:4 Typologie ist in jenen Fällen ganz nah am Schriftwort, wenn mittels bestimmter Bibelstellen die Typologie explizit angesprochen wird. Dies ist etwa in Hebr 8 der Fall, wo von Christus als Mittler des Neuen Bundes die Rede ist, der an Stelle des Alten einen Neuen Bund setzt, konkretisiert im Vers 13 (mit Bezug auf Jer 31, 31–34): »Indem er [scil. Gott] von einem neuen Bund spricht, hat er den ersten für veraltet erklärt. Was aber veraltet und überlebt ist, das ist dem Untergang nahe.« Hier handelt es sich somit um eine Passage, die explizit von der Ablösung des Alten durch das Neue spricht, nicht aber von einer Überhöhung oder gar Erfüllung. Eben dieser Gesichtspunkt wird in zwei Jochen der Marienkapelle von Kaštiel’ vo Svätom Antone visuell umgesetzt, indem dem westlichen Joch die Visualisierung des Alten Bundes vorbehalten bleibt (mit einem aufgeschlagenen Buch, das auf Hebr 8, 13 hinweist). Ein Engel mit Kreuz im zentralen Kuppelfeld verweist auf die schwebende Geisttaube, auf die auch die Schriftstellen der aufgeschlagenen Bücher der Evangelisten Johannes und Markus in zwei Pendentifs bezogen sind. Siebenarmiger Leuchter, Bundeslade und Tempel zeigen die unübersehbare Präsenz des Alten Bundes an, der aber bereits in sichtbarer Auflösung begriffen ist, nicht zuletzt durch die Gegenwart der vier Evangelisten in den Pendentifs. Im östlichen Joch wird dieser Vorgang einer gleichsam zweistufigen Ablösung des Alten durch das Neue im Triumph der ecclesia (als Papstkirche), welche die Götzen stürzt, konkretisiert. In den Pendentifs befinden sich die vier lateinischen Kirchenväter als Vertreter der Tradition der katholischen Lehre. Sinnfällig wird somit auf dem Weg zum Altar, der sich in der Apsiskonche befindet, die Ablösung des alten Kultus durch den neuen stufenweise transparent gemacht. In den Fresken im Langhaus der Kirche Mariae Geburt in Witzighausen bei Ulm (Christoph Thomas Scheffler, 1740) werden Altes und Neues Testament gleichermaßen präsent gehalten: Im Hauptfresko befindet sich die Divina Sapienza, über dem Kuppelrund die Vermählung Marias mit Joseph mit dem Siebenarmigen Leuchter, den Schaubroten und der Bundeslade.5 In einer Allegorie der Eucharistie, einem Deckenbild im Chor der St. Nikolaus-Kirche in Oberndorf bei Donauwörth ( Joseph Leitkrath, um 1776/1781),6 bildet die ausgesetzte Eucharistie das Zentrum, umgeben vom dem darauf bezogenen Opfer der christlichen Kirche, ergänzt durch jene des Alten Bundes und des Abrahamsopfers sowie durch den Tod Christi am Kreuz.

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VIII Maria als Bundeslade – die Stiftskirche Altenburg

Marianische Typologie in der Stiftskirche Altenburg

Im Rahmen der Ausmalung der Altenburger Stiftskirche wählte man einen neuen Weg, um die typologischen Strukturen zu visualisieren. Es ging dabei nicht um eine Gegenüberstellung heilsgeschichtlicher Ebenen, sondern um eine Fokussierung aller Themenbereiche auf den Text der Geheimen Offenbarung. In der Hauptkuppel, dem mit Abstand größten Gewölbefeld, wird das zwölfte Kapitel dieses biblischen Buches in voller Breite geschildert. Die dort umgesetzte narrativ-epische Ausweitung des Geschehens ordnet der Kuppel auch die Funktion eines eindeutigen inhaltlichen Zentrums des Konzepts zu. Alle anderen Deckenmalereien der Kirche sind diesem Hauptfresko untergeordnet. Mit den Mitteln der Malerei versucht Paul Troger, unsere auditive Fantasie zu stimulieren, um den ohrenbetäubenden Lärm von Blitzen, die knatternden Draperien, die rauschenden Flügel, das Zischen, das Schreien und Geifern der Teufelsrachen entsprechend zu evozieren. Nicht die Schau des Inspirierten, welche die Apokalyptische Frau als Vision des Johannes Evangelist zeigt, ist hier wiedergegeben, sondern gleichsam das Geheimnis als solches, ohne aber einen Vermittlungsweg durch den inspirierten Evangelisten anzuzeigen. Dadurch ergeben sich naturgemäß eine bisher unbekannte Verdichtung und Intensivierung der visionären Erscheinungen, wie sie ohne die Präsenz des Johannes vor unseren Augen ausgebreitet werden. Die immer als außergewöhnlich angesehene intensive »Wortmacht« der biblischen Apokalypse erscheint in Altenburg in eine kongeniale und wahrhaft alle Sinne ansprechende »Bildmacht« umgesetzt. Besonders ungewöhnlich in Paul Trogers Deckenmalereien ist die Einführung einer reichen landschaftlichen Szenerie im westlichen Teil der Hauptkuppel, für die venezianische Anregungen des 18. Jahrhunderts (Sebastiano Ricci, Giambattista Tiepolo und Giambattista Pittoni), aber auch Einflüsse vonseiten der süddeutschen Deckenmalerei ausschlaggebend gewesen sein dürften. Bei der in diesem Bereich von Troger geschilderten Szene der Flucht der Apokalyptischen Frau in die Wüste dürfte es sich aber – im Vergleich mit der zeitgenössischen Malerei und Skulptur – um eine unikale Darstellung handeln. Tritt der Betrachter in die Kirche ein, beginnt die Abfolge der Freskenkompartimente im Westen über der Orgelempore mit der Überbringung der Bundeslade durch den tanzenden David (nach 2 Sam 6, 1–5). In diesem Zusammenhang verdient weniger die der barocken Freskentopologie entsprechende Präsenz Davids über der Empore als vielmehr die selten wiedergegebene Ikonografie des Todes des Usa (2 Sam 6, 6f.), der durch das unerlaubte Berühren der Bundeslade7 verursacht wird, eine besondere Beachtung. Die hier gezeigte Überführung der Bundeslade steht in Altenburg nicht nur für das alttestamentliche Ereignis als solches, sondern muss vor allem im Kontext marianischer Symbolik betrachtet werden. Die Bundeslade gilt als ein wichtiger Typus Marias und als zentrales marianisches Symbol.8 Sie fungiert im konkreten Zusammenhang darüber hinaus als entscheidender Auftakt zur Ikonografie der anschließenden Hauptkuppel, vermittelt nämlich inhaltlich auf mehreren Ebenen, da die Bundeslade nicht nur als Typus Mariens fungiert, sondern auch dem biblischen Bericht zufolge direkt zur Erzählung der Hauptkuppel überleitet: »Und der Tempel Gottes im Him-

Marianische Typologie in der Stiftskirche Altenburg

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Abb. VIII.3: Altenburg (Niederösterreich), Benediktinerstiftskirche, Deckenmalereien der Hauptkuppel (Apokalyptische Frau, Ausschnitt), 1733 (© Prag, Tschechische Akademie der Wissenschaften)

mel wurde geöffnet, und in seinem Tempel wurde die Lade seines Bundes sichtbar: Blitze, Stimmen und Donner entstanden, Beben und gewaltiger Hagel.« (Apk 11, 19). In diesem Vers, dem letzten des elften Kapitels der Apokalypse vor der Erscheinung des »großen Zeichens« (Apk 12, 1), wird die Bundeslade sichtbar gemacht. Das Fresko unter der Orgelempore bereitet somit nicht nur den marianischen Aspekt aus typologischer Perspektive vor, es findet auch ein direkter, gleichsam »erzählerischer« Übergang vom letzten Vers des 11. Kapitels der Geheimen Offenbarung – mit der Erwähnung der Erscheinung der Bundeslade, dem Thema des Freskos über der Orgelempore, – zum 12. Kapitel statt. Die bildliche Erzählung des Hauptkuppelfreskos ist sowohl episch-breit in dem für barocke Kuppelmalereien traditionellen Ringschema angelegt als auch durch achsial ausgerichtete Kompositionsstrukturen gegliedert (die »himmlische« Zone im Osten mit der Apokalyptischen Frau im Zentrum und die »terrestrische« Zone im Westen mit der Szene der Verfolgung der Frau). Neuartig ist, dass Troger das – durch die römische Malerei des Hochbarock traditionelle – Ringschema lockert und durch Wolken- bzw. Figurenkonstellationen variantenreich akzentuiert. Wie auch im Fresko der Bibliothek des Stiftes agieren die Figuren auf einem in das Kuppelrund eingefügten terrestrischen Fundament mit einer reichen Schilderung der Landschaft, was den Gegensatz zum östlichen Teil der Kuppel mit der zentralen Lichterscheinung der Apokalyptischen Frau vor einer Wolkenfolie zusätzlich akzentuiert.

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VIII Maria als Bundeslade – die Stiftskirche Altenburg

Im Zentrum der östlichen Kuppelhälfte, gleichsam der »Hauptansichtsseite« und in der Blickrichtung des Betrachters von Westen, thront Gottvater, umgeben von den vier Wesen der Apokalypse (Apk 4, 6–9), und stützt die das Szepter haltende Rechte auf die Erdkugel. In der westlichen Hälfte befinden sich die vierundzwanzig Ältesten, die Gottvater huldigen (Apk 4, 4.10; 7, 10f.; 11, 16f.; 14, 3; 19, 4). Direkt über dem Hauptgesims des östlichen Abschnitts der Kuppel spielt sich das inhaltlich entscheidende Geschehen (nach Apk 12, 1–16) ab: »Da erschien ein großes Zeichen am Himmel: Eine Frau, umgeben von der Sonne, den Mond unter ihren Füßen, und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie war schwanger und schrie in ihren Wehen und in der Qual des Gebärens.« (Apk 12, 1f.). Die Apokalyptische Frau als zentrale Erscheinung und fast emblematisches Motiv streckt abwehrend die Hände gegen den sie bedrohenden, bereits vom Thron gestürzten siebenköpfigen Drachen und seine höllischen Begleiter, die der Erzengel Michael vernichtet. Umgeben ist sie von Engeln, die Lilien, Attribute der Keuschheit, tragen. Ein Engel krönt sie mit einer Strahlenkrone. Das vor der Verfolgung gerettete Kind wird von Engeln auf einem weißen Tuch (Apk 12, 3–5) zu Gottvater emporgetragen (Abb. VIII.3). Zur Laterne hin musizieren Engelscharen, singen in tanzendem Flug und sind in ewiger Anbetung und Lobpreisung Gottes begriffen (Apk 5, 11f., vgl. Ps 150). Die das Geschehen weiterführenden Abschnitte der Apokalypse, die vom Kampf Michaels und seiner Engel mit dem Drachen und dem satanischen Gefolge sowie von deren Sturz aus dem Himmel (Apk 12, 3f. 7–9) berichten, sind am südlichen Kuppelrand dargestellt, der Abschnitt Apk 12, 14–16 (Verfolgung der Apokalyptischen Frau) im westlichen Teil in einer weiträumigen und von Bäumen begrenzten Landschaft. Das an die Kuppel nach Osten anschließende Fresko im Chorjoch zeigt den Lobpreis Gottvaters und des Apokalyptischen Lammes (Apk 7, 9f.; 19, 4–9) sinnfällig über dem Chorgestühl der psallierenden Mönche positioniert. Der Platz der Anbetung des Lammes über dem Chor ist somit in Altenburg wie auch in vielen anderen Kirchen in der liturgischen Funktion dieses Raumabschnitts grundgelegt. Das Chorfresko führt zudem den Aspekt des Sieges über den Drachen der Hauptkuppel (Apk 12, 9) weiter, da das »Blut des Lammes« (Apk 12, 11) unmittelbaren Anteil an diesem Triumph besitzt. Die Ausmalung der Apsiskalotte schließlich zeigt die Personifikationen der drei Theologischen Tugenden mit dem von den vier Apokalyptischen Wesen umgebenen »Glauben« (und den Attributen Kreuz, Kelch [mit Hostie], Dekalog und Buch) im Zentrum, der »Liebe« (mit einem Flammenbündel am Kopf und den Kindern, begleitet von dem auf die Eucharistie zu beziehenden Pelikan, der sich die Brust aufreißt, um die Jungen zu nähren) und der »Hoffnung« (in Gestalt einer Pilgerin mit blauem Mantel, Anker und Stab, daneben ein Amboss) sowie der offenbar speziell auf den klösterlichen Bereich zu beziehenden »Sanftmut« oder »Demut« (ein Lamm als Attribut in den Händen), die – ähnlich wie die Apokalyptische Frau im Hauptkuppelfresko – mit einem strahlenden Stern bekrönt wird (und die obsoleten weltlichen Insignien zu ihren Füßen liegen hat). Der bekehrte und überwundene »heidnische Glaube« (mit Öllampe als »Wachsamkeit« ausgezeichnet) befindet sich vor einer gestürzten Statue der Artemis (am unteren Rand der westlichen Hälfte) unter offensichtlichem Bezug auf Apk 14, 8–13 und 19, 2 (Gericht über die

Marianische Typologie in der Stiftskirche Altenburg

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Stadt Babylon [Rom]). Einen weiteren Bezug zur Apokalypse vermittelt der Engel zwischen »Glaube« und »Hoffnung«, der mit dem aufgerollten Evangelium den letzten Aufruf zur Anbetung des Schöpfers verkündet: »Er hatte eine ewige Botschaft den Bewohnern der Erde zu verkünden, allen Nationen, Stämmen, Sprachen und Völkern. Er rief mit lauter Stimme: Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre! Denn die Stunde des Gerichts ist gekommen. Betet ihn an, der den Himmel und die Erde, das Meer und die Wasserquellen geschaffen hat!« (Apk 14, 6f.). Dieser Aufruf des Engels mit dem »ewigen Evangelium« rückt die betende Pilgerfigur mit blauem Mantel (»Hoffnung«) inhaltlich ins Zentrum. Offensichtlich spielt hier die Idee der »pilgernden Kirche« eine wichtige Rolle: Wie die Bundeslade nach Jerusalem unterwegs ist (Fresko über der Empore), so ist im eschatologischen Kontext die Figur der »Hoffnung« in der Apsiskalotte in Gestalt einer Pilgerin unterwegs zum »Himmlischen Jerusalem«. Auf dieser Weise werden die einzelnen Freskenkompartimente der Stiftskirche in zweierlei Hinsicht miteinander verklammert – durch den leitenden Erzählstrang der Geheimen Offenbarung einerseits sowie die akzentuierte Symbolik der Bundeslade andererseits. Letztere ist zum einen Teil der Erzählung der Apokalypse (Apk 11, 19), strukturiert aber zum anderen die inhaltliche Abfolge der Freskenteile in typologischer Hinsicht. Die Bundeslade des Alten Testaments erfüllt sich in Maria, wird doch die arca, quae Typus exstitit Deiparae 9 im großen marianischen Handbuch von Laurentius Chrysogonus mit dem Titel Mundus marianus […] (1712) konkret auf die Aufnahme Mariens in den Himmel bezogen10 und eine Verbindung zu 1 Chr 15, 28, dem unter großem Jubel und mit Musik gefeierten Einzug der Bundeslade, hergestellt. Nun bringt die Wiedergabe der Bundeslade die offensichtliche Schwierigkeit mit sich, in Bezug auf Maria eine möglichst anschauliche Typologie zu visualisieren, da es sich dabei um keine Ereignis- bzw. Personentypologie im klassischen Sinn handelt, somit die inhaltlichen Verbindungslinien anders gezogen werden müssen als im Rahmen üblicher typologischer Relationen. Abb. VIII.4: Lauretanische Litanei (FŒDERIS Im Rahmen der von den Gebrüdern ARCA), Joseph und Johannes Klauber, 1749 (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek) Klauber reich illustrierten Lauretani-

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VIII Maria als Bundeslade – die Stiftskirche Altenburg

schen Litanei (1749)11 ist das Blatt Nr. 39 der Anrufung der FŒDERIS ARCA gewidmet (Abb. VIII.4). Diese ist zusammen mit alttestamentlichen Symbolen auf Wolken wiedergegeben, während – eingeschlossen in die Kette eines Weihrauchfasses – Maria als Halbfigur im reinen Profil vorgeblendet wird. Durch diese eigentümliche Art der Darstellung erscheint die Andacht Maria gegenüber (im Rahmen der Lauretanischen Litanei) anschaulich zum Ausdruck gebracht. Die alttestamentlichen Umschriften nehmen einerseits auf Ps 131 (132), 8 Bezug (Surge Domine in requiem tuam, tu et Arca Sanctificationis tuae.) – eine Stelle, in der Gottes Wohnung im heiligen Zelt beschrieben wird –, zum anderen ist mit 1 Kg 2, 26 eine Passage aus dem Alten Testament integriert, in der Salomon mit seinen Gegnern abrechnet und einen gewissen Abjatar anspricht, da dieser den Tod verdient habe, davon nun aber verschont bleibt, da er die »Lade Gottes« trug (Vir mortis es, sed hodie te non interficiam / quia portasti Arcam Domini. 3. Reg. 2.). Das entsprechende typologische Verbindungsmoment, das hier Verwendung findet, besteht nicht nur im Begriff der arca selbst, sondern ebenso im Vorgang des Tragens (portare), da einem bekannten Vers der Liturgie zufolge Maria den Schöpfer aller getragen hat (Beata es, virgo Maria, quae omnium portasti Creatorem), somit das Moment des (Aus-)Tragens Christi durch Maria bzw. des Berührens der Bundeslade hier als wesentliche Verbindung Verwendung findet. In der Bundeslade, die an den Ort gebracht wird, der für sie bestimmt ist, nämlich das Zelt Gottes, erkennt sich die Kirche selbst auf ihrem »Pilgerweg« hin zur Vollendung. Was für diese pilgernde Kirche noch Ausdruck ihrer Sehnsucht ist, sieht sie in Maria erfüllt. Dieser Gesichtspunkt leitet unmittelbar zum Hochaltarblatt Paul Trogers (1734) über. Dieses ist unmittelbar mit der Thematik der Kuppelmalereien verbunden und zeigt die Aufnahme Mariens in den Himmel. Die frappante seitenverkehrte Wiederholung der Figur der Apokalyptischen Frau aus dem östlichen Abschnitt des Kuppelfreskos in der himmelfahrenden Maria des Hochaltarbildes zeugt vom Streben Trogers nach einer konsequenten motivischen Verdichtung und der damit verbundenen konzeptionellen Einheit des Programms unter dem Gesichtspunkt der (exegetisch bereits sehr früh fixierten) Verbindung zwischen der Apokalyptischen Frau (Hauptkuppel) und der in den Himmel auffahrenden Maria (Hochaltar). Das Bildmotiv der Apokalyptischen Frau als eigentliches inhaltliches Zentrum des Freskenprogramms ist zudem eine prägende Erfindung im Œuvre Trogers schlechthin, wie er sie bereits um 1728/1729 im Fresko der Chorkuppel der Kirche der Englischen Fräulein in St. Pölten verwendet hatte. Verschiedene Typenbildungen der Osthälfte der Altenburger Kuppel wie die Apokalyptische Frau, Gottvater, die Engel und der Drache sind von Troger nicht voraussetzungslos geschaffen worden, sondern gehen auf weiter zurückliegende ikonografische Traditionen zurück: Offensichtlich rekurriert das Bildschema der Kombination der vom Drachen bedrohten Apokalyptischen Frau mit dem Sieg Michaels auf Werken, die bereits im 15. und frühen 16. Jahrhundert (Albrecht Dürer und Lukas Cranach d. Ä.) in Grafiken und Buchillustrationen nachweisbar sind.

Typologie als Rezeption mittelalterlicher Traditionen

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Typologie als Rezeption mittelalterlicher Traditionen

Einen wesentlichen Einfluss auf die Konzeption des Altenburger Kirchenprogramms scheinen vor allem liturgische Formulare genommen zu haben. Neben Anregungen aus den Texten von Messe und Brevier und jenen der Predigtliteratur muss hier das verbreitete typologische Kompendium des Speculum humanae salvationis (»Heilsspiegel«), dessen textliche Überlieferung nachweislich bereits um 1330 einsetzt, als wichtigste Quelle genannt werden. Nach dem gängigen Schema dieses »Heilsspiegels« (Kap. 36) wird die Krönung und Aufnahme Mariens in den Himmel mit der Überführung der Bundeslade durch König David nach Jerusalem, mit Maria als Apokalyptischer Frau und der Szene, in der König Salomon für seine Mutter einen Thron zu seiner Rechten stellt, kombiniert. Dies bedeutet, dass die Grundkonzeption des Altenburger Freskenprogramms – ausgehend von Aufnahme und Krönung Mariens (Hochaltar) – bereits grundsätzlich im Schema dieses Speculum humanae salvationis vorgebildet ist, wobei das Emporenfresko die Erzählung der Überführung der Bundeslade durch den Bericht vom Tod Usas ergänzt. Die in der Stiftskirche ausgeprägte barocke Typologie erfüllt somit den Inhalt des spätmittelalterlichen Kompendiums mit neuem Leben, verändert aber das mehrstufige Schema des »Heilsspiegels« zugunsten einer stärkeren Konzentration auf die Apokalypse und die Symbolik der Bundeslade. In der Altenburger Sammelhandschrift mit der Signatur Cod. 308 (olim AB 13 B 6; 1678 unter Abt Maurus Boxler neu gebunden) des Altenburger Professen und Procurators Frater Joannes de Zwettla (Czwettla), im Jahr 1413 als Profeß und Prokurator des Stiftes Altenburg genannt, ist ein solches Speculum humanae salvationis (fol. 52r–136v) überliefert. Der Codex ist durch seine Neubindung im Jahr 1678 mit Sicherheit im Stift nachweisbar und wurde vielleicht noch damals einer konkreten liturgischen Verwendung zugeführt. Das Altenburger Freskenprogramm ist über die hier ausgeführte marianische Typologie hinaus eng in den inhaltlichen Kosmos der Kirche eingebunden: Es existiert eine bestimmende »Lichtachse« dreier »Glorien« in der Kuppel (Apokalyptische Frau, Gottvater und Geisttaube in der Laterne) sowie in der Abfolge der Lichtglorie Jahwes über der Bundeslade im Emporenfresko, der »mit der Sonne bekleideten« (Apk 12, 1) Frau im Hauptkuppelfresko über die Lichtglorien Gottvaters und des Lammes im Chorfresko und die lichtumstrahlte Personifikation des »Glaubens« in der Apsiskalotte bis zum Strahlenkranz des Heiligen Geistes im Hochaltarfenster, was den grundlegenden Sinngehalt der lichtmetaphorischen Bedeutungsachse vertieft. Dies unterstreicht nachdrücklich das Faktum, dass die einzelnen Freskenkompartimente in enger Abhängigkeit voneinander konzipiert und realisiert wurden. Die Achse, die von der Assumptio Mariae (Hochaltarblatt) über den »Triumph des Glaubens« (Apsiskalotte) bis zur Apokalyptischen Frau (Kuppelfresko) führt, wird in der Mittelfigur des Giebels des der Kirche vorangestellten Osttraktes des Prälatenhofes mit der von Engeln verehrten siegreichen Immaculata am Außenbau der Kirche weitergeführt. Über den Prälatenhof hinweg findet diese achsiale Konzeption in der Mittelfigur der drei Theologischen Tugenden mit der über den Unglauben triumphierenden Fides (begleitet von Spes und Caritas) am Gie-

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VIII Maria als Bundeslade – die Stiftskirche Altenburg

bel des Mittelrisalites der Winterprälatur eine schlüssige Fortsetzung. An den Skulpturen des Außenbaues wie im Gehalt der Fresken erfolgt somit eine restlose Überhöhung der in der Hauptkuppel in epischer Qualität ausgebreiteten apokalyptischen Vision durch einen verdichtet wiedergegebenen Triumph der eschatologischen Ausrichtung der Kirche, der sein motivisches und konzeptionelles Zentrum im signum magnum (Apk 12, 1) im Sinne einer Interpretation Marias als Verwirklichung der Kirche besitzt.

IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe Für die Druckgrafik der Frühen Neuzeit sind andere Kriterien in Bezug auf die mediale Umsetzung typologischer Systeme maßgeblich als etwa für die Deckenmalerei. Im Zentrum stehen hier Text-Bild-Verbindungen unterschiedlichster Ausprägung, die mit dem übergreifenden Leitbegriff des »Medienverbundes« charakterisiert werden können. Die Relevanz eines solchen Verbundes wird bereits im spätmittelalterlichen Flügelaltar deutlich: Die Stiftung von Bedeutung resultiert hier nicht aus der Summe der einzelnen Bildthemen, sondern aus einer bewussten »Strukturierung im Bildsystem«, da erst die »Verknüpfung« der Medien imstande ist, Sinn zu stiften. Der Flügelaltar als »Bildverbund«1 kann in diesem Sinn als »hochkomplexe Multimediamaschine«2 angesehen werden. »Medienkoppelungen« und »Formen der Symbiose verschiedener Medien« sind weitere prägende Kennzeichen in der Kunst des Spätmittelalters.3 Für die Forschung der letzten Jahre bildete weniger die Entschlüsselung der ikonografischen Konzeptionen als vielmehr die »mediale Dynamik innerhalb dieser Verbünde« eine zentrale Herausforderung.4 Zur Rolle der Druckgrafik im Medienkanon

Die Druckgrafik der Frühen Neuzeit perfektionierte das Prinzip des Medien- und Bildverbundes im kleinen Format. Maßgeblich ist hier die Vorstellung vom Typographaeum, das als informations- und textverarbeitendes System beschrieben wurde.5 Das gedruckte Buch kann in dieser Hinsicht als die »Erweiterung eines Sinnesorgans« bezeichnet werden: Es tritt seit dem 16. Jahrhundert in Konkurrenz zum kompletten »Kommunikationssystem« der »Interaktion zwischen einem Experten und einem Laien«6. Die Revolution des Buchdrucks veränderte nicht die Schriftlichkeit als solche, führte jedoch zu einer »neuartigen Fixierung des Wortes«7. Das Wort Gottes wurde im 16. Jahrhundert aus dieser Perspektive für viele zu einem »Synonym für die Schrift«8, und die beachtliche Konjunktur reformatorischer Schriften kann als Indikator für diese »Explosion an Druckschriftlichkeit« gesehen werden: Diese Texte bildeten das Geschehen nicht einfach ab, sondern mutierten selbst zum »Handlungsträger«, etwa indem die Ereignisse prospektiv im Hinblick auf die gedruckte Berichterstattung »inszeniert« wurden.9

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Der Druck war somit zu Beginn der Reformation ein Medium des Ereignisses schlechthin, das mit einer gewissen Ausschließlichkeit alles umfasste und »dieses alles zu einem Reformatorischen machte.« Überspitzt konnte formuliert werden, dass in der Reformation »kein Jenseits des Schriftmediums«10 existierte. Das Kennzeichen der »Selbstreferentialität« trennte die Schrift zudem von der »Anwesenheitskommunikation« einer im Wesentlichen überkommenen Frömmigkeitspraxis.11 Gedruckte Bibeln in den Händen des Laienpublikums substituierten gleichsam den Prediger in seinen Rollen als »Übersetzer« und »Verkündiger« der göttlichen Botschaft.12 Im Rahmen dieses typografischen Medienverbundes kommt dem »Bild« eine besondere Rolle zu: Es ist in der Lage, komplexe Sachverhalte, deren sprachliche Vermittlung viel Platz einnehmen würde, zu verdichten und im Sinne von »Abbreviaturen«13 wiederzugeben. Die vielfältigen Beispiele – besonders der Augsburger Druckgrafik des 18. Jahrhunderts – sind geeignet, diese visuelle Vermittlungskompetenz anschaulich zu illustrieren. Druckgrafik als Kombination von Text und Bild

Der hier skizzierte Begriff des »Medienverbunds«14 ist zudem passend, um die Spezifika von Bild-Text-Kombinationen in Bezug auf die Anwendung typologischer Zusammenhänge zu schärfen: Bild und Text treten hier nicht als isolierte Bestandteile auf, sie werden vielmehr in ein neuartiges Spannungsverhältnis integriert, verdichten die Bildaussage insofern, als der Text bzw. das Bild jeweils den Typus bzw. den Antitypus vertreten kann. Dadurch wird die typologische Relation auf das Spannungsverhältnis zwischen den Medien Text und Bild gehoben. Die daraus entstehenden Resultate können sowohl arbeitsteilig organisiert sein (indem etwa jedes Medium den ihm zustehenden Part übernimmt) als auch Text und Bild zum Zweck synergetischer Strategien bündeln. Die Frühe Neuzeit verwaltet hier über weite Strecken das Erbe des Mittelalters, wenn für Letzteres formuliert wurde: »Erst im Zustand der Vereinigung kommen die beiden Medien (Text und Bild) zu sich selbst.«15 Der für die mittelalterliche Buchmalerei geprägte Terminus des »Ikonotextes« ist geeignet, diesen »Aspekt einer wechselseitigen Durchdringung« (von Text und Bild, W. T.) zu veranschaulichen. Das »hybride Ineinanderblenden von Bild- und Textzeichen« meint aber im Regelfall mehr als deren bloße additive Verbindung.16 Gerade in der Kunst des Spätmittelalters wurden die Bildhaftigkeit von Texten und die Narrativik von Bildern zu einem wichtigen Ansatzpunkt, indem literarische und nichtliterarische Bilder einander näher rückten.17 In weiterer Folge gehörten Verbindungen von Text und Bild in Rhetorik und Poetik der Gegenreformation zu zentralen Aufgabenstellungen.18 Die Anschauungsformen von »sehen und betrachten« wurden in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gleichsam selbst zum Gegenstand, zu Ansatzpunkten in Lyrik und Emblematik, in Dramen und szenischen Meditationen, den großen Festzügen wie in der Gebrauchsgrafik kleiner Andachtsbücher. Die damit notwendigerweise verbundene »Reflexion über die Techniken des Schauens« geriet in eine immer engere Verbindung mit der »radikale[n] Visualisierung der religiösen Praxis«19.

Typologie als Wortbeziehung

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Typologie als Wortbeziehung

Die Bedeutungsstiftung von WortBild-Kombinationen kann jeweils ein Schwergewicht in der Bild- oder in der Textaussage besitzen: In der Regel wurden in der Frühen Neuzeit Typologien in der Druckgrafik häufiger durch Text- (Bibelzitate) als durch Bildbeziehungen transparent gemacht. Dabei kann bereits die Verwendung eines Wortes aus der Heiligen Schrift ausreichen, um Sinnbeziehungen zu stiften: Dies wird etwa in einem von Matthäus Küsel (nach Johann M. Toberias) angefertigten Frontispizkupferstich zu einer deutschen Ausgabe des Lebens des hl. Franz Xaver von Orazio Torsellini (1674)20 deutlich. Die entsprechende Darstellung zeigt, wie sich die Trinität in der obersten Zone an den Jesuitenheiligen Franz Xaver mit der Frage QUIS GENUIT MIHI ISTOS? Isaia 49 wendet ( Jes 49, 21). Der angesproAbb. IX.1: Lauretanische Litanei (VIRGO FIDELIS), chene Ordensmann hält seinerseits die Joseph und Johannes Klauber, 1749 (© Wien, ÖsterreiAntwort mit einem Schriftband bereit chische Nationalbibliothek) (IN CHRISTO IESU EGO [hos] GENUI. 1 Cor. 4) (1 Kor 4, 15) und gibt zu verstehen, dass er die Vertreter der unterschiedlichen Völker zum Glauben geführt habe. Ein drittes Schriftband, das ein chinesischer Mandarin (unten) hält, bestätigt und bekräftigt die Antwort Franz Xavers (GENUIT NOS VERBO VERITATIS Iac. 1) ( Jak 1, 18). Die spezifische typologische Argumentationsweise wird hier daran deutlich, dass Franz Xaver und die beiden anderen Gruppen durch Schriftbänder mit dem wiederkehrenden Wort GENUI (geboren sein, erzeugen) verbunden sind. Die durch die Trinität gestellte Frage, das christologische Bekenntnis Franz Xavers und die Bestätigung des zum Glauben Bekehrten geschehen anhand eines Plots, der auf der Basis eines bestimmten Verbums abläuft, das – im Perfekt formuliert – als inhaltliche Verbindung wirken soll, als rhetorische Figur aufgebaut ist und in der Spannung zwischen Frage und Antwort den Charakter einer typologischen Relation besitzt, welche die Ausgangsfrage der Dreifaltigkeit in der Erfüllung durch den Jesuiten aufhebt.

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

In ähnlicher Weise tritt diese Form eines Text-Bild-Verhältnisses im Zuge der vom Jesuiten Ulrich Probst21 inhaltlich betreuten Lauretanischen Litanei (1749) der Gebrüder Klauber22 auf, in der am Beispiel der Anrufung Mariens als VIRGO FIDELIS23 die spezifische Kon­ struktion der Typologie deutlich wird (Abb. IX.1): Es geht dabei nicht nur um die in ein Herz eingeschriebene Mulier fidelis (1 Kor 7, 13f.), die aus typologischer Perspektive mit 2 Esdr 9, 8 (Cor ejus fidele.) darüber ergänzt wird, sondern auch um eine weitere Facette des Zentralbegriffs fidelis, die mit dem Zitat Esto fidelis usque ad mortem. (Apk 2, 10) (unten) einen imperativisch formulierten Aufruf an die Gläubigen vornimmt. Die unten wiedergegebene Szene der Kreuzigung mit der Mater dolorosa wird wiederum typologisch eingefasst, und zwar mit der Wiedergabe der Rahab ( Jos 2, 1–22; 6, 17–25), deren Glaube angesichts der von ihr durchgeführten Beherbergung von Kundschaftern sie als wahren Typus Mariens in der Glaubenstreue bezeugt. Das Wort fidelis fungiert hier als eine komplexe, auf Bild und Text gleichermaßen anzuwendende und repetitiv eingesetzte Formel, welche die Darstellung zu einer Einheit zusammenschweißt. Messe und Eucharistie in der Typologie

Besonders deutlich werden Text-Bild-Relationen in der Druckgrafik im Zusammenhang mit der typologischen Ausdeutung des Messopfers: Ein kongeniales Beispiel in dieser Hinsicht ist die Frontispiz-Illustration von S. Theyssens zu Leonardus Leos OP (1677–1746) Favus Mellis Samsonis ex Ore Leonis / das ist Sonntags Predigen durch das ganzte Jahr […] (Köln 1695–1698): Der Buchtitel ist hier vollständig auf die typografische Titelseite zurückgedrängt, und die Honigwabe kann als Bild für die verhüllte Redeweise der Schrift gelten.24 Die hier strapazierte Süße des Logos findet im Duft der Rosen ihre Entsprechung, die zugleich auf die Wunden Christi bzw. auf die Verwandlung seines Blutes hinweisen. Im Hintergrund ist ein Weinstock zu sehen, der auf den Wein der Eucharistie Bezug nimmt. Den Weinstock begleitet hier Samson (Ri 14, 5), der den Löwen zerreißt, in dessen Kadaver sich später ein honigtragender Bienenschwarm finden wird (Ri 14, 8).25 Die eucharistische Typologie wird hier auf mehreren Ebenen vorgetragen, wobei besonders das Nachleben allegorisch konnotierter Bedeutungen der Süße vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit eine zentrale Rolle spielt, insbesondere auf der Basis des bis in das 18. Jahrhundert nachgedruckten allegorischen Lexikons des Hieronymus Lauretus, Silva allegoriarum totius Sacrae Scripturae (Barcelona 1570).26 Beim Frontispiz zur Publikation von Pater Leo wird somit durch die auf religiöse Eloquenz abzielende Szene sowohl der lateinische Haupttitel »wörtlich« ins Bild übersetzt als auch damit gleichzeitig »augenfällig auf den Verfasser alludiert«. Für den Leseradressaten vereinigt sich somit anschaulich im Prediger, für den der Autor beispielhaft steht, »die Stärke des Samson-Löwen (leo) und die Süßigkeit (nardus) des Honigs der Bienen«27. Als dritte (typologische) Bildebene dieses Frontispiz können der See im Hintergrund als See Genezareth sowie die Speisung der 5000 (Mt 14, 15–21) als Bild der eucharistischen Kommunion angesprochen werden. Damit hat sich die »Metapher des Worttitels« im mehrschichtigen Bild »buchprogrammatisch und

Druckgrafische Serien im Zeichen von Typologie und Heilsgeschichte

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für die Leser-Zielgruppe lehrhaft entfaltet.«28 Als eine weitere Predigtsammlung mit vorangestellten biblischen Motti29 und dezidiert eucharistischem Hintergrund kann Joannes Pramb­ hofers (Altötting) Samsonischer Honig-Fladen für die schleckige [sic!] Adams-Kinder […] Das ist. Uber [sic!] Hönig [sic!] süsses Wort Gottes / Wormit [sic!] ein Christ-Catholisches Volck […] Das gantze Jahr hindurch kann geleitet und gespeiset werden. (Feiertagspredigten) (Augsburg 1703) angesehen werden. Nicht nur Predigtsammlungen, sondern auch die weit verbreitete katholische Messillustration war ein idealer Ort, um Typologien in entsprechend didaktischer Weise vorzustellen. Wie kaum sonst konnten der Typus und der dazugehörige Antitypus, der sich im Messgeheimnis realisiert, anschaulich kontrastiert werden. Deutlich wird dies etwa in der Serie Christliche Tages-Zeit (Augsburg 1766), die mit Kupferstichen in feiner Punktiermanier von Gottfried Bernhard Götz versehen wurde und die einzelnen Abschnitte der Messe typologisch ausdeutet: Das Blatt Offertorium. Die Opfferung des Brod und Weins wird mit Gen 14, 18 (Begegnung von Abraham und Melchisedech) kombiniert: Die Elevation des Kelches im oberen Bereich entspricht der ausgefeilten Narration des Ereignisses aus dem Alten Bund unten,30 dessen Visualisierung zu dieser Zeit auch in Deckenmalereien (z. B. Wolfgang Andreas Heindl, Sakristei, Kloster Niederalteich, 1728?) häufig anzutreffen ist.31 In ähnlicher Weise wird in der Serie Christliche Tages-Zeit die Kommunion (Sumptio) mit der Mannalese (Ex 16, 13–36) verbunden:32 Um die Kohäsionskraft der beiden Szenen in Bezug auf ihre typologische Relation zu unterstreichen, wird die Mannalese33 hier nicht mit der entsprechenden Passage aus dem Buch Exodus verbunden, sondern mit Ps 77, 25, wo vom panis Angelorum und damit zugleich von jenem Begriff die Rede ist, der sich unmittelbar auf die Eucharistie und ihre liturgische Benennung bezieht. In dieser Hinsicht besteht der Typus aus zwei Bestandteilen, wobei das Bild der Mannalese mit begleitender Textzeile bereits eine Art eigener Typologie formuliert, die auf den Antitypus mittels eines Zentralbegriffs aus der eucharistischen Liturgie verweist.34 Druckgrafische Serien im Zeichen von Typologie und Heilsgeschichte

Charakteristisch für die Bildkünste in der Frühen Neuzeit sind grundsätzlich weniger Einzelblätter, sondern vielmehr typologische Serien, die – als thematisch in sich geschlossen – die Anwendung eines Argumentationsprinzips im Sinne einer durchgehenden Text-Bild-Kombination zeigen. Salus generis humani (1590)

Die eingangs angesprochene Vielfalt von Bild-Text-Beziehungen in der Druckgrafik verdeutlicht in besonderer Weise die Serie Salus generis humani (1590) von Aegidius II Sadeler, die sich inhaltlich um das Leben Christi dreht und in der (in den seitlichen Leisten) Embleme eines zwischen 1581 und 1590 entstandenen Missale Romanum35 aufgenommen werden, die Joris Hoefnagel für Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1529–1595) entworfen hatte.36 Die

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

typologischen Beziehungen sind hier in der Weise strukturiert, dass die alttestamentlichen Typen an die Peripherie verlagert sind und mit der zentralen (neutestamentlichen) Darstellung eine inhaltliche Beziehung eingehen. Die Geburt Christi37 (Abb. IX.2) ist solcherart zwischen die Schriftverse ET IN TERRA PAX HOMINIBVS (unten) und GLORIA IN EXCELSIS DEO (oben) eingespannt, womit auf der Basis der Zitate nach Lk 2, 14 die Weihnachtsgeschichte mit den entsprechenden biblischen Belegen bezeugt wird. Das von oben strahlende Licht erleuchtet die Szenen in den seitlichen Spalten (mit den Hirten auf freiem Feld). Mit der Textzeile LVX VERA IN TENEBRIS LVCENS. (links) wird auf Jo 1, 5 angespielt. Aus den füllhornartigen Gegenständen, die seitlich oben angebracht sind und deren Enden mit Alpha und Omega, die für Christus stehen, markiert sind, ergießt sich das die beiden Weltkugeln bestrahlende Licht. Mit Virtus Dei ad salutem / omni credenti. (Röm 1, 16), der Inschrift auf den beiden Füllhörnern, wird auf das den Darstellungen der Stichfolge Sadelers zugrunde liegende Evangelium hingewiesen, das Paulus im Römerbrief als »Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt« bezeichnet. Nicht nur das die Weltkugel erleuchtende Licht strahlt somit von oben; dieses meint zugleich die Kraft des Evangeliums in Gestalt des Lichtes, das wiederum Christus ist. Der die zentrale Szene an allen Seiten ergänzende Bild­ rahmen fungiert hier als »Kommentarebene«, die das Geschehen einerseits narrativ weiterführt (Hirten auf freiem Feld), andererseits aber die notwendige Brücke zur Lichtmetaphorik schlägt, die letztlich dem Geburtsgeschehen nach Lk 2, 14 zugrunde liegt. Die beiden Lorbeerzweige haltenden Engel, die oben platziert sind, verweisen zusätzlich auf das wie ein »Bild im Bild« wiedergegebene Tableau der Geburt Jesu. Über allem ist an der Spitze das hebräische Tetragramm mit der Bezeichnung Jahwes eingeschrieben; darunter befindet sich die Bundeslade (mit darauf befindlichem Christogramm [!] XPΣ und den Gesetzestafeln) – nicht ohne Grund als Typus Mariens hier in einer Achse mit der Christus auf einem Tuch haltenden Maria. Die spezifische Medialität der Darstellung als »Rahmenbild« ist somit für das Verständnis der darin wiedergegebenen und ineinander verschachtelten typologischen Zusammenhänge entscheidend.38 Der neutestamentliche Antitypus wird hier gleichsam als Bild ins Bild gesetzt, begleitet von Szenen aus dem Lukasevangelium, die auf die zentrale Lichtmetaphorik verweisen: Die bei Lukas geschilderten Begebenheiten bilden somit eine direkte Brücke zur metaphorischen Ausdeutung des Evangelienberichtes. Gegenstand der Rahmenleiste ist zudem die Darstellung eines Typus Mariens, der Bundeslade, an der wiederum das Christogramm angebracht ist, um den Inhalt der Lade sichtbar mit Christus in Verbindung bringen zu können. Dieses Gestaltungsprinzip ist auch im Blatt mit der Darstellung der Epiphanie (Abb. IX.3) anzutreffen,39 wobei hier das typologische Geflecht noch komplexer organisiert ist und alle Randleisten umfasst. Die Darstellung unten zeigt den Löwen Juda (Apk 5, 5) als einen Typus Christi zwischen dem Terminus FILIVS HOMINIS, der in den Evangelien auf Christus bezogen wird. Filius ist gleichsam der Leitbegriff dieses Blattes, da in den seitlichen Darstellungen mit FILIVS / ABRAHAM auf Mt 1, 1 und damit auf den Stammbaum Christi hingewiesen wird. Die Rahmenleisten liefern mit der Bezeichnung Sacerdos in Aeternum /

Salus generis humani (1590)

Abb. IX.2: Salus generis humani, Aegidius II Sadeler, Geburt Christi, 1590 (© Wien, Albertina)

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Abb. IX.3: Salus generis humani, Aegidius II Sadeler, Epiphanie, 1590 (© Wien, Albertina)

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Secundum ordinem Melchisedech (Hebr 7, 17) auch einen entsprechenden Anschluss an die Abraham-Thematik und präsentieren Christus als neuen und ewigen Hohepriester. Ebenfalls auf den Beginn des Matthäusevangeliums wird mit Christus als FILIVS DAVID (Mt 1, 1), als Davidsohn, angespielt. Darüber befinden sich als Abbreviatur das »Himmlische Jerusalem« und der Berg Zion, auf dem das Agnus Dei steht. Der Abschluss oben markiert die rhetorische Frage nach dem »König der Ehren bzw. Herrlichkeit«, der Christus ist (QVIS EST ISTE REX GLORIÆ [Ps 23, 8]). Die Aussagekraft der Typologie wird in diesem Blatt durch die dreimalige Verwendung des Wortes Filius unterstützt, das aber nicht nur auf den Stammbaum Jesu zu beziehen ist, sondern auch Christus als »Menschensohn« bezeichnet. Die Aussagen erstrecken sich in weiterer Hinsicht auf Christi Funktion als Davidide, wie zugleich mit seiner Rolle als ewiger Priester »nach der Ordnung des Melchisedech« ein weiteres Prädikat Christi angesprochen wird. Der Begriff Filius dient in diesem Fall somit vor allem dazu, Verbindungslinien zwischen den Prädikaten Christi in der Schrift aufzuzeigen, die in der Folge die Konstruktion von Typologien erleichtern können. Mit dem Blatt der »Kreuztragung Christi«40 aus dieser Serie (Abb. IX.4) wird ein neuer Weg eingeschlagen, da die seitlichen Rahmenfelder auf einen alttestamentlichen Typus der Kreuzigung bzw. Kreuztragung anspielen, nämlich das Opfer Abrahams (Gen 22, 1–19), kompositorisch aufgeteilt auf den das Holz tragenden Isaak (links), während rechts der Widder als Brandopfer und somit der Abschluss der Erzählung veranschaulicht wird. Aus Gründen der Symmetrie sind beide Szenen – wiewohl inhaltlich nicht wirklich nachvollziehbar – auf einem altarähnlichen Piedestal wiedergegeben. Kombiniert wird das Isaak-Opfer aus dem Alten Testament, das der zentralen Kreuztragung entspricht,41 mit zwei standartenähnlichen Tuchteilen, welche die berühmte Kenose Christi (Phil 2, 8) zitieren (HVMILIAVIT / SEMETIPSVM / OBEDIENS / FACTVS // VSQVE AD MORTEM MORTEM AVTEM CRVCIS): »Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.« Die Typologie kommt hier somit nicht nur in der Beziehung zwischen zwei Bildtypen (Abrahamsopfer und Kreuztragung) zum Ausdruck, sondern ebenso in einer Text-Bild-Relation, wobei der neutestamentliche Antitypus mittels des Zitats nach Phil 2 repräsentiert wird. Oben abgeschlossen wird die Darstellung mit einem über einer Schlange triumphierenden Pelikan, Symbol der Selbstaufopferung und der Eucharistie, kombiniert mit dem wohl klassischen Zitat nach Jo 3, 16, das die Liebe Gottes zu den Menschen in Bezug auf die Hingabe Christi beschreibt (SIC DEVS DILEXIT MVNDVM). Der entscheidende zweite Teil dieses Verses 16 (ut filium suum unigenitum daret), der die Liebe Gottes mit der Hingabe seines eingeborenen Sohnes in Verbindung bringt, fehlt hier – wohl nicht nur aufgrund der Textlänge, sondern auch aufgrund der darunter und darüber befindlichen Darstellung, die den fehlenden Vers visualisiert: Somit stehen Pelikan (oben) und Kreuztragung in einer unmittelbaren Beziehung, die das Verhältnis zwischen Liebe und Selbsthingabe zum Inhalt hat. Auch diese Darstellung aus Sadelers Stichfolge beinhaltet gleichsam eine emblematische Qualität, da in den Textleisten unten aus dem 5. Buch42 von Sedulius’ Paschale carmen zitiert

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Abb. IX.4: Salus generis humani, Aegidius II Sadeler, Kreuztragung Christi, 1590 (© Wien, Albertina)

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wird – einer Stelle, die der erlösenden Kraft des Lebens und des Todes Jesu gewidmet ist und den Leser bzw. Betrachter unmittelbar anspricht: Dic, ubi nunc, tristis, victoria? Dic, ubi nunc sit / Mors, stimulus, horrenda, tuus? quæ semper opimis / Insaturata malis, cunctas invadere gentes / Pœnali ditione soles; en pessima, non tu / Pervenis ad Christum, sed Christus pervenit ad te, / Cui licuit sine morte mori, quique omnia gignens, / Omnia constituens, te non formavit; ut esses, / Semine vipereo, culpa genitrice crearis, […]. Die quasi-emblematische Struktur dieses Blattes und anderer Stiche dieser Folge konkretisiert sich im Motto oben, in der zentralen Darstellung in der Mitte und in der eben zitierten subscriptio unten. Auch beim letzten hier zu besprechenden Blatt der Folge, der Auferstehung Christi im Typus der drei Frauen am Grabe (Abb. IX.5),43 ist das leitende Schema von zentraler Darstellung und kommentierenden bzw. allegorisierenden Randleisten zur Anwendung gebracht: Die Grafik ist dem »stärksten Sieger«, dem VICTORI POTENTISS[IMO] Christus, gewidmet. Über diesem Blatttitel befindet sich die in eine Rundform eingeschriebene Darstellung des alttestamentlichen Typus der Auferstehung Christi, nämlich jener Szene, die zeigt, wie Jona aus dem Wal geworfen wird.44 Die seitlichen Rahmenleisten sind als Typen konnotiert und zeigen auf der linken Seite den Dekalog (mit darüber befindlicher Schlange) für den Alten Bund und rechts zwei abgebrochene Speere, einen Totenkopf und die Beischrift MORTE / MORI- / EMINI., eine Anspielung auf Gen 3, 4 und den Ausspruch der Schlange zu Eva, dass die Stammeltern keineswegs sterben werden (nequaquam morte moriemini), wenn sie den Apfel der Sünde essen. Allerdings ist die Beischrift hier im Text so verändert, dass die Verneinung des Bibeltextes entfällt und nur noch das Sterben als Aussage verbleibt. Christus als Sieger über Sünde und Gesetz (links) und der Tod (rechts) bilden somit das zentrale argumentum, das in der kompliziert zusammengesetzten subscriptio exemplifiziert erscheint. Diese wird mit einem Passus aus Prudentius’ Apotheosis45 eröffnet, der die fleischliche Existenz Christi betont (Christus nostra caro est, mihi solvitur, et mihi surgit, […]), weitergeführt in der nächsten Zeile mit Zitaten aus Tertullians Adversus Marcionem,46 diesen Aspekt unterstreichend. Die rechts Spalte zitiert wiederum ausführlich aus der Apotheosis des Prudentius.47 Die hier kurz vorgestellten Beispiele aus Sadelers Stichfolge Salus generis humani demonstrieren eindrucksvoll, dass Typologien nicht einfach in einem kontrastierenden, binär organisierten Schema von bildlichen Typen und Antitypen bestehen, sondern ganz wesentlich alle Bild- und Textbestandteile des jeweiligen Blattes einbeziehen, wodurch einerseits inhaltlich verbindende Begriffe konkretisiert werden und andererseits neue und ingeniöse Relationen entstehen, welche die ursprünglichen Typologien fast beliebig erweitern, verändern oder verdichten können. Ostentativ in die Darstellungen integrierte umfassende Textbestandteile sind nicht nur ein Wesensmerkmal protestantischer Kunst, sondern durchgehend auch in der gegenreformatorischen druckgrafischen Propaganda zu finden, wie ein um 1587 angefertigter Kupferstich von Hieronymus Wierix (nach Peeter van der Borcht)48 anlässlich der am 10. September 1587 durchgeführten Konsekration des Antwerpener Bischofs Laevinius Torrentius (1525–1595) unterstreicht (Abb. IX.6): Im Zentrum des mit ADORANDI VERBI INCAR-

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Abb. IX.5: Salus generis humani, Aegidius II Sadeler, Auferstehung Christi, 1590 (© Wien, Albertina)

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Abb. IX.6: Verherrlichung der Inkarnation, Hieronymus Wierix nach Peeter van der Borcht, um 1587 (© Wien, Albertina)

NATI DEMONSTRATIO. betitelten Blattes steht die Konsekration der Hostie, die von einem Priester unter einem Baldachin vollzogen wird.49 Der Gnadenstrom, der die elevatio umhüllt, geht von der Trinität oben aus und verläuft über die Geburt Christi bis zum Priester. Wir haben es in diesem Fall mit einer außergewöhnlich expliziten Gleichsetzung des inkarnierten Logos mit der Hostie zu tun. Die demonstratio, die den Charakter einer Lehrtafel mit pädagogischem Hintergrund besitzt (verbum adorandum), wird an den Flanken von den vier lateinischen und zwei griechischen Kirchenvätern ( Johannes Chrysostomus, Cyrill von Alexandrien), die mit ihren überdimensionalen Schrifttafeln zeigend oder betend gegeben sind, argumentativ unterstützt. Im Gegensatz zu den bisherigen Beispielen werden auch die entsprechenden Belegstellen als Quellen penibel genannt. Auffällig dabei ist das Faktum, dass mit hoher Gelehrsamkeit gerade jene Schriftstellen ausgesucht wurden, die nicht nur die Inkarnation, sondern auch das für die Darstellung grundlegende Sakrament der Eucharistie50 behandeln. Das Blatt ist zwar nicht explizit »typologisch« in der für andere Grafiken dieser Zeit beschriebenen Hinsicht, stellt aber in seiner fast unikalen Text-Bild-Kombination einen Musterfall textgebundener gegenreformatorischer Grafik dar. Hier wird besonders deutlich, wie die massive Integration von Texten den inhaltlichen und künstlerischen Charakter des Blattes völlig verändert: Während bei Cornelis Corts Verkündigung an Maria (1571)51 die Texte der Propheten gleichsam als deren »Attribute« zu verstehen sind, hat sich bei Wierix das Verhältnis deutlich verschoben: Die (nicht mehr biblischen, sondern exegetisch ausgerichteten) Texte sind ausführlicher geworden, die Zitation der Autoren (auch hinsichtlich ihrer Lebensdaten) präziser und hinsichtlich der theologischen Inhalte argumentativ zugespitzter. Bei Wierix werden somit längere Passagen integriert, die in dieser Ausführlichkeit normalerweise nicht Teil bildlicher Darstellungen sind, sondern fast an den Charakter biblischer Katenenkommentare erinnern. Diese Schriftstellen kommentieren auch nicht biblische Zusammenhänge, sondern einen bestimmten – und hier vor Augen geführten – Aspekt des verbum incarnatum, nämlich dessen engen Zusammenhang mit der Eucharis-

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

tie. Das gegenreformatorisch-imperativische adorandum – unterstrichen durch die vor dem Chorgitter knienden Personen im Vordergrund – verweist deutlich auf den Charakter dieser anschaulichen, aber in höchstem Maße textunterstützten Lehrtafel. Anschaulichkeit wird hier zum zentralen Kriterium, sodass die zentrale Achse des Blattes auf die wie durch eine imaginäre Brücke verbundenen Stationen des Neuen Testaments und des Messopfers konzentriert ist, die aber nicht durch Kunstgriffe der Typologie verschränkt sind, sondern durch den durchgehenden Gnadenstrahl einerseits und die begleitenden Kommentare der Kirchenväter an den Flanken. Die Typologie in Credo-Illustrationen, Predigten und theologischen Kompendien

Das Blatt von Wierix führt zur Frage der generellen Präsenz typologischer Relationen in Blättern mit dem Credo sowie predigtähnlichen Inhalten: In der Homiliarum Centuria de Tempore & Sanctis Postill […] von Bartholomäus Wagner (Freiburg/B. 1627) wird etwa ein Holzschnitt mit einer zentralen Darstellung der Beschneidung Jesu52 am Beginn der entsprechenden Predigt platziert, an den Ecken vier alt- bzw. neutestamentliche Ereignisse – Szenen und Symbole, die allerdings im beigegebenen Text nicht erklärt werden (Abb. IX.7). Die Präsenz typologischer Argumentationen im Rahmen von Predigten und Credo-Serien53 betrifft auch die zahlreichen Stiche in den von Christopher Plantin und Philips Galle herausgegebenen Institutiones Christianae seu parvus catechismus catholicorum (Antwerpen 1589). In diesem reich illustrierten Katechismus existieren immerhin drei Bildbeispiele, die typologische Relationen beinhalten – das Sakrament der Konfirmation, der Kommunion und die Steinigung des hl. Stephanus.54 Während die Konfirmation im Vordergrund mit der Segnung durch die Apostel im Hintergrund verbunden ist, sind die Darstellungen von Messe und Kommunion auf den Mannaregen im Hintergrund bzw. die Steinigung des Erzmärtyrers Stephanus auf die Kreuzigung Abb. IX.7: Bartholomäus Wagner, Homiliarum Christi bezogen: Mithilfe der Typologie soll Centuria de Tempore & Sanctis Postill […], offensichtlich die Argumentationskraft der Beschneidung Jesu, 1627 (© Wien, Bilder erhöht werden. Österreichische Nationalbibliothek)

Die Typologie in Credo-Illustrationen, Predigten und theologischen Kompendien

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Abb. IX.8: Tableaux de la Sainte Messe avec des prières choisies, Dornenkrönung Christi, Philipp Andreas Kilian, 1738 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

Explizit instruktiv-edukativen Charakter besitzen die Tableaux de la Sainte Messe avec des prières choisies (Mannheim 1738, dt. Mannheim 1753)55 mit Stichen von Philipp Andreas Kilian (wahrscheinlich auf der Grundlage von Radierungen in der Art Sébastien Leclercs, 1680)56: Die jeweilige Handlung der Messe wird durchgehend mit einer Art szenischem »Altarbild« kombiniert, das eine entsprechende Szene aus der Passion zeigt, z. B. Jesus est Couronné d’Epines kombiniert mit der Inschrift darunter: Quand le Prêtre met la pale sur le Calice. (Der Priester bedeckt den Kelch mit dem Kelchvelum.)57 (Abb. IX.8) Noch anschaulicher wird dies in einem Stich aus Kilians Publikation, in dem die Kreuzaufrichtung ( Jesus est élevé en Croix) mit der Elevation der Hostie verbunden ist (à l’Elévation de l’hostie)58 (Abb. IX.9) und hier der Vorgang des »Aufrichtens« in beiden Szenen anschaulich und damit fast wörtlich vergleichbar gemacht wird. Ähnlich ist die Kombination zwischen historischem Ereignis und Abschnitt der Messe – wenngleich durch eine Wolkenformation getrennt – in der Publikation Le Tableav de la Croix representé dans les ceremonies de la Ste. Messe […] (Paris 1652)59 visuell umgesetzt. Noch früher – und damit wird der Reichtum entsprechender Kombinationen unterstrichen – ist in einem Blatt mit der Darstellung der sieben Sakramente von Johannes Baptista Vrints nach Peeter van der Borcht (um 1535–1608) die Kombination des am Altar stehenden Priesters mit einem das Letzte Abendmahl wiedergebenden Triptychon nachzu-

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Abb. IX.9: Tableaux de la Sainte Messe avec des prières choisies, Kreuzaufrichtung, Philipp Andreas Kilian, 1738 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

weisen.60 Alle genannten Beispiele zielen auf eine besondere und gleichsam didaktisch unterlegte Form von »Binnentypologie«, in der die Passion Christi im Ritus der römischen Messe gespiegelt und der Zelebrant beim rituellen Nachvollzug des Leidens Christi im Rahmen der unblutigen Vergegenwärtigung im Kontext der Liturgie gezeigt wird. Typologien dieser Art dienen zugleich zur Verdeutlichung der Sinnhorizonte der einzelnen Abschnitte der Messe und beziehen nachdrücklich Darstellungen von Werken der Kunst, besonders von Retabeln, ein, an denen die Passion Christi künstlerisch ablesbar wird. Noch stärker lehrhaft konzipiert, sowie zugleich szenisch und thematisch übergreifend ausgerichtet, ist ein Kupferstich von Hieronymus Wierix (vor 1586 entstanden, nach Jacob de Backer),61 der die Erlösung des Menschen durch Christus zeigt (Abb. IX.10): Hier handelt es sich um eine Form der Darstellung, die eine »freiere« Visualisierung des Glaubensbekenntnisses ohne unmittelbare Bezugnahme auf die einzelnen Artikel des Credo bildet. Im vorliegenden Stich rahmen Geburt (links) und Auferstehung Christi (rechts) an den Flanken eine zusammengedrängt wiedergegebene Gruppe in der Mitte. In dieser weisen die drei Theologischen Tugenden (CHARITAS, SPES und FIDES) die vom Dekalog (LEX) anschaulich bedrückt und belastet wiedergegebenen Stammeltern auf die Kreuzigung im Mittelgrund und damit auf die Erlösung durch die rettende Heilstat Christi hin. Dekalog und Kreuzigung

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Abb. IX.10: Erlösung des Menschen durch Christus, Hieronymus Wierix nach Jacob de Backer, vor 1586 (© Wien, Albertina)

formulieren demgemäß eine typologische Relation, die in den Dreischritt des Credo (passus – natus – resurrexit) eingeflochten ist. Die untere Textleiste, die sich wörtlich auf 1 Tim 3, 16 bezieht, formuliert mit einem alten Christuslied zwar nicht den Text des Glaubensbekenntnisses, gibt aber eine geraffte Zusammenschau der im Blatt verbildlichten Heilsereignisse: »Er wurde offenbar im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, geschaut von den Engeln, verkündet unter den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.« Gerade das Credo bot sich somit in besonderer Weise an, um typologische Aussagen in verdichtet-katechetischer Form wiederzugeben. Dieser Umstand trifft vor allem auf die mit Beischriften angereicherte Augsburger Grafik aus der Mitte des 18. Jahrhunderts – insbesondere die Werke der Gebrüder Klauber – zu. In einer um 1755 entstandenen Credo-Folge62 wird in der Tradition mittelalterlicher Illustrationen des Glaubensbekenntnisses jeweils ein Credo-Artikel mit einem bestimmten Apostel verbunden: Im Stich der Kreuzigung Christi (Abb. IX.11) ist dies der hl. Philippus – kombiniert mit folgendem Artikel aus dem Glaubensbekenntnis: Passus sub Pontio Pilato, cruxifixus, mortuus / et sepultus. Dieser inhaltliche Dreischritt wird im unteren Teil des Blattes anhand (v. l. n. r.) von Geißelung, Kreuzigung und Grablegung wiedergegeben. Die Inschrift an der Seite der Grablegung (rechts), Sic erit Filius Hominis in corde terrae. (Mt 12, 40), ist ihrerseits der Ausgangspunkt für eine typologische

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Abb. IX.11: Kreuzigung Christi aus einer Credoserie, Gebrüder Klauber, um 1755 (© Göttweig, Benediktinerstift, Graphisches Kabinett)

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Relation, stellt doch dieser Vers den zweiten Teil jener berühmten Passage dar, deren erster Abschnitt Jona als drei Tage und drei Nächte im Bauch des Walfisches befindlich bezeichnet. Konsequenterweise ist Jona im Maul des Wals in der Kartusche im oberen Teil des Stiches wiedergegeben – zusammen mit der Beischrift des ersten Teils von Mt 12, 40: Sicut enim fuit Ionas in ventre Cete [sic!] 3. diebus et 3. noctibus. Die »vertikal« ausgerichtete Typologie ist eine von drei Sinnachsen, die das Leiden, das Gekreuzigt-Werden und die Grablegung Christi als drei zentrale Aussagen jeweils mit alttestamentlichen Vorbildern typologisch verknüpfen. Dies geschieht anhand der zentralen Kreuzigung mit der bekannten alttestamentlichen Präfiguration der Erhöhung der Ehernen Schlange (Sicut Moyses exaltavit Serpentem in deserto.) nach der Selbstaussage Christi gemäß Jo 3, 14. Der zweite Teil dieser Passage unterbleibt in diesem Fall, ebenso wie an der linken Flanke, wo die Geißelung Christi in den Job von Satan zugefügten Qualen (Percussit Job ulcere pessimo a planta pedis usque ad verticem eius., nach Job 2, 7) vorgeformt erscheint. Mit Weish 2, 20 (Morte turpissima condemnemus illum.) (»Zu einem ehrlosen Tod wollen wir ihn verurteilen.«) wird das Blatt oben abgeschlossen. Die Trias der wichtigsten Credo-Artikel ist hier Ausgangspunkt für eine bilder- und textreiche typologische Konstruktion, welche die Inhalte des Glaubensbekenntnisses um zentrale Präfigurationen aus dem Alten Bund erweitert und auf dieser Basis die Einheit des im Alten und Neuen Bund wurzelnden Bekenntnisses stärkt. Die Art der typologischen Argumentation, die hier Anwendung findet, ist kein Einzelfall, sondern wird in ihrer dezidiert »nahsichtig« ausgerichteten und künstlerisch kleinteilig formulierten Struktur in anderen Stichfolgen der Gebrüder Klauber bestätigt, wie sie etwa im Pater noster oder im Ave Maria überliefert sind. Grundsätzlich stellt sich hier – wie auch bei anderen Serien – aus produktionstechnischen und konzeptuellen Gründen die Frage nach den Inventoren der Bild-Text-Synthesen dieses renommierten Augsburger Verlags. Ebenfalls besonders dicht hinsichtlich des Text-Bild-Verhältnisses ist ein Andachtsbuch des Karmelitenpaters Anastasius a S. Cruce (mit 49 Kupferstichtafeln von Johann Andreas Pfeffel d. Ä.), das unter dem Titel Sacrosancta Theologia universa sacris Bibliorum figuris illustrata, symbolis adumbrata […] in Augsburg bei Josef Anton Wachter 1738 erschienen ist.63 Der Autor gilt als »gelehrter Repräsentant barocker Spätscholastik«64, und sein Kompendium stellt eine Zusammenstellung der Disputation unbeschuhter Karmeliten in Augsburg dar. Insgesamt umfasst die Publikation 100 Seiten. Die beigefügten Texte lösen die Embleme, nicht aber die zentralen Darstellungen inhaltlich auf. Im Folgenden sollen einige kennzeichnende Blätter beschrieben werden. Die Verklärung Christi ist das Thema des Kapitels 565 (Motto: Visio Dei, vita aeterna. Ioa. 17.) (Abb. IX.12). Ausgangspunkt ist die Verklärung und das damit verbundene »Sehen« Gottes. Zusätzlich exemplifiziert wird dies unten mit der »Verzückung des Paulus« (2 Kor 12, 2–4) und zwei seitlichen Allegorien, unter anderem den zum Himmel fliegenden Adler (rechts) nach dem Physiologus zeigen. Die Thematisierung der Kreuzigung Christi (Abb. IX.13) bildet das Kapitel 3166 (Motto: Praecepta primae tabulae.). Ähnlich wie in Klaubers Katechismus ist hier eine extreme Verdichtung von Bild und Text gegeben: Die drei Szenen

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Abb. IX.12: Anastasius a S. Cruce, Sacrosancta Theologia universa sacris Bibliorum figuris illustrata, symbolis adumbrata […], Verklärung Christi, Johann Andreas Pfeffel d. Ä., 1738 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

Abb. IX.13: Anastasius a S. Cruce, Sacrosancta Theologia universa sacris Bibliorum figuris illustrata, symbolis adumbrata […], Kreuzigung Christi, Johann Andreas Pfeffel d. Ä., 1738 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

oben (Steinigung, Goldenes Kalb mit den zehn Geboten und eine Opferszene) zeigen die Präsenz des Alten Bundes an, die durch die darunter befindliche Erlösung am Kreuz (Lex gratiae, Plenitudo Legis) abgelöst wird. Der theologisch relevante Begriff des Gesetzes ist es also, der hier Thematisierung findet. Der über Sünde und Tod triumphierende Gekreuzigte wird in ein Schema eingepasst, welches das Kreuzesholz in eine Reihe mit der Ehernen Schlange links und dem Baum der Erkenntnis (rechts, hier mit Lex naturae [!] bezeichnet) stellt. Das typologische Muster wird somit überhöht vom Charakter eines theologischen Kompendiums, das sich mit einer antithetischen Typologie allein nicht begnügt. Die Epiphanie (Abb. IX.14) bildet das Kapitel 4067 (Motto: Vota Religiosa.). Der Kupferstich mit den religiösen Gelübden instrumentalisiert den Typus des Epiphaniebildes und ersetzt die Anbetenden und Geschenke Bringenden mit Ordensgründern (!), die dergestalt ihre Gelübde (Armut, Keuschheit, Gehorsam etc.) darbringen. Nicht Bild und Gegenbild ist hier das grundlegende Prinzip, sondern Typus und Antitypus durchdringen sich im Geist der »impliziten Typologie«, die das

Die Typologie in Credo-Illustrationen, Predigten und theologischen Kompendien

Abb. IX.14: Anastasius a S. Cruce, Sacro­sanc­ta Theologia universa sacris Bibliorum figuris illustrata, symbolis adumbrata […], Epiphanie, Johann Andreas Pfeffel d. Ä., 1738 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

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Abb. IX.15: Anastasius a S. Cruce, Sacrosancta Theologia universa sacris Bibliorum figuris illustrata, symbolis adumbrata […], Geburt Christi, Johann Andreas Pfeffel d. Ä., 1738 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

Hoheitsschema der Anbetung Christi durch die Magier für einen mönchischen Zusammenhang verwendet, indem der Bildtypus der Anbetung zwar erhalten bleibt, die Anbetenden hingegen verändert – d. h. aktualisiert – werden. Mit der Geburt Christi (Abb. IX.15) wird das Kapitel 41 eingeleitet:68 (Motto: Verbum Caro.). Im Gegensatz zum Titel und zur bildlichen Darstellung geht es hierbei aber nicht nur um die Fleischwerdung Jesu, sondern um einen Abriss des gesamten Heilsgeschehens mit einem inhaltlichen Zentrum in der Inkarnation. In diesem Sinn werden im oberen Teil in vier Emblemen von der Geburt bis zur Himmelfahrt die wichtigsten Stationen der vita Christi vorgestellt. Der untere Abschnitt mit den dicht gedrängt gegebenen Propheten (und den auf großen Schrifttafeln platzierten Prophetien) entspricht im Wesentlichen dem bei Cornelis Corts Verkündigung an Maria (1571)69 vorgegebenen Schema. Die Verherrlichung des Sakraments der Eucharistie (Abb. IX.16) bildet das Kapitel 45:70 (Motto: Eucharistia [sic!] Sacramentum absconditum a Saeculis.). Dieses Motto bedeutet eine beträchtliche Veränderung des Bibeltextes, der eigentlich vom mysterium Christi – und nicht

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Abb. IX.16: Anastasius a S. Cruce, Sacrosancta Theologia universa sacris Bibliorum figuris illustrata, symbolis adumbrata […], Verherrlichung des eucharistischen Sakraments, Johann Andreas Pfeffel d. Ä., 1738 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

konkret von der Eucharistie – spricht (vgl. Eph 3, 4f.). Der Sinn des entsprechenden Abschnitts im vorliegenden Traktat besteht vor allem darin, die Offenbarung des »Geheimnisses Christi« an die Apostel und Propheten, von der der Apostel Paulus spricht, mithilfe der Typologie wiederzugeben. Jene Vorstellung, dass früheren Geschlechtern dieses Verständnis nicht zuteilgeworden wäre, spielt jedoch hier keine Rolle. In dieser Hinsicht geht es in konzentrierter Form um eine Verherrlichung des Sakraments der Eucharistie, exemplifiziert anhand der wichtigsten Typen des Alten Bundes (Mannalese, Jakob und der Engel, Schaubrote, Isaakopfer und Passahmahl). Mithilfe der zentralen Darstellung des Letzten Abendmahls und begleitender Szenen wird die komplexe Stelle im Paulus-Brief an die Epheser argumentativ radikal zugunsten einer typologischen Deutung des Sakraments der Eucharistie zugespitzt. Die Typologie und die Passionsthematik

In Johann Weidners verbreitetem Traktat Glaubiger Kinder Gottes Creutz-Schul […] (Augsburg 41738, hier: 21717, ebd. 11714),71 in dem es um Bilder der Passion Christi geht, füllen die Illustrationen zu den 40 Betrachtungen – die Stiche Jacob Andreas Fridrichs stehen jeweils am Beginn der entsprechenden Betrachtung – die gesamte Seite aus: Der fast ganzseitigen Wiedergabe des Antitypus, der Grablegung Christi, entspricht in der Kartusche oben die kleinformatige Jona-Geschichte.72 (Abb. IX.17) Die Texte der Passionsbetrachtungen enthalten zahlreiche innovative Typologien. Die Passion Christi wurde auch in anderen Kontexten für typologische Zusammenhänge instrumentalisiert: In der Publikation Der Hoffleuth Brevier von Puget de la Serre (dt. Leipzig 1637 und Wien 1657, frz. Brüssel 1630 und Paris 1645) wird das weltliche Leben der Höflinge durch Gegenüberstellungen mit Szenen aus der Passion Christi gleichsam entlarvt. Auf dieser Basis und durch die Radikalität der entspre-

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Abb. IX.17: Johann Weidner, Glaubiger Kinder Gottes Creutz-Schul […], Grablegung Christi und Jona, Jacob Andreas Fridrich, 1717 (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek)

chenden Vergleiche soll zu innerer Einkehr aufgerufen werden. Die Grundlage der Argumentation besteht vor allem in einer »Vergleichbarkeit der Ereignisse, die eine Bezugsetzung erst ermöglicht.«73 Anwendung findet hier ein typologisches System der Bezugsfindung historisch und thematisch unterschiedlicher Ereignisse nach dem Prinzip des »Ereignisparallelismus«74. Die Passionsthematik spielt in verschiedenen Publikationen des 18. Jahrhunderts generell eine tragende Rolle, und hier besonders in der Augsburger Grafik: An führender Stelle ist der reich illustrierte Unbetrüglich, heylsamister Passion-Spiegel, oder, Das bitteriste Leyden unsers Erlösers Christi Jesu durch 46. Kupfer sehr nachtrucklich vorgestellet […] (Augsburg 1740) von Probus Schmidhueber OFM mit Kupferstichen der Gebrüder Klauber75 zu nennen – ein Werk, in dem jedem Stich ein bestimmter Tag der Fastenzeit zugeordnet ist.76 Der Untertitel dieses Passion-Spiegels, im Übrigen ein häufig gebrauchter Ausdruck in der homiletisch-aszetischen Literatur, fixiert eine dezidiert auf die Gläubigen gerichtete und letztlich mit dem Begriff Passion-Spiegel abgedeckte Intention, wenn von der notwendigen Einrichtung des Lebens nach dem Exempel deß leydenden Jesu die Rede ist. Ziel ist der in der Fastenzeit in täglicher privater Andacht durchgeführte persönliche Nachvollzug der Passionsgeschichte.77 Insofern stehen in den entsprechenden, den Kupferstichen zugeordneten Textabschnitten die einzelnen Stationen der Passion im Zentrum. Eine genaue ikonografische Erklärung dieser Stiche samt Auflösung der auf den Beischriften basierenden zahlreichen typologischen Konstruktionen wird aber – wie auch in anderen Kompendien – nicht angestrebt und entspricht auch nicht den grundsätzlichen Zielsetzungen der Entstehungszeit. In typischer Manier der Produkte der Gebrüder Klauber wird in diesem Passion-Spiegel (vgl. hier das entsprechende Titelkupfer [Abb. IX.18])78 die jeweilige bildliche Darstellung zwischen zwei (erklärenden) Inschriften eingespannt, wobei im Regelfall keine der beiden Beischriften den inhaltlich passenden Abschnitt aus den Evangelien zum Inhalt hat. Die Aus-

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Abb. IX.18: Probus Schmidhueber, Unbetrüglich, heylsamister Passion-Spiegel, oder, Das bitteriste Leyden unsers Erlösers Christi Jesu durch 46. Kupfer sehr nachtrucklich vorgestellet […], Titelkupfer, Joseph und Johannes Klauber, 1740 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

führlichkeit dieses Kompendiums ist auch daran ablesbar, dass etwa das Ölberggeschehen in insgesamt vier (!) Kupferstichen abgehandelt wird: In den ersten drei der vier Stiche79 wird in den ober- und unterhalb der Darstellung positionierten Zitaten auf einen neutestamentlichen Hinweis verzichtet; die Szenen sind demgemäß zwischen Belegen aus dem Alten Testament platziert.80 Die Typologie im klassischen Sinn einer binären Kopplung zweier Begebenheiten muss in diesem Sinn von der vor allem in der Druckgrafik des 18. Jahrhunderts gebräuchlichen Praxis unterschieden werden, zeitgenössischen oder christologischen Szenen Passagen aus dem Alten Testament beizufügen. Dieser Usus hat weniger einen Ursprung in den typologischen Konstruktionen selbst als vielmehr im Bewusstsein des ungeheuren sprachlichen Reichtums der alttestamentlichen Erzählungen, die dergestalt aus der Sichtweise des 18. Jahrhunderts eine ideale Grundlage boten, um passende Begriffe aufzugreifen sowie die Interaktion zwischen den Figuren auf fiktive Dialoge auszudehnen, die nun mithilfe des reichen biblischen Vokabulars geführt werden. Selbst die Christus in den entsprechenden bildlichen Szenen des Passion-Spiegels beigegebenen biblischen Passagen entstammen zum Großteil nicht dem Neuen Testament. Der erste Stich der Vierergruppe zum Ölberggeschehen81 stellt den mit seinem Vater sprechenden Christus am Ölberg dar: Allegorisch wird Letzterer mit einem Pelikan verglichen (Ps 101, 7)82 und konkret mit einer Darstellung kombiniert, die einen seine Brust für die Jungen aufreißenden Pelikan zeigt und damit auf das Selbstopfer Christi anspielt. Unten wird mit Job 17, 2 die Klage Jobs zitiert, die Nacht in Bitterkeit verbringen zu müssen. Das Non peccavi am Beginn markiert zugleich einen idealen Ansatzpunkt für den Leser bzw. Beter, der mit folgender Textpassage konfrontiert wird:83 Ich hab nit gesündiget, nichts verschuldet, sagt Jesus, und dannoch [sic!] bin ich in so unaussprechliche Betrangnussen gerathen, und zwar aus lauter Liebe. Die Intention des Werkes, dass – typologisch gesehen – der bildlichen Darstellung die Rolle eines Antitypus zukommt und die Kategorie des Typus bzw. der Typen auf die oben und unten platzierten Inschriften (vorwiegend aus dem Alten

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Testament, und hier wieder unter häufigem Gebrauch der Psalmen) aufgeteilt wird, zieht sich durch die gesamte Publikation und findet mit der Strategie Anwendung, dass zentrale Momente des bildlich wiedergegebenen Ereignisses anschaulich mit Substantiven und Verben aus Textpassagen des Alten Testaments zum Ausdruck gebracht werden: Wenn etwa in der Darstellung des Judaskusses84 oben Jes 29, 13 zitiert wird, wählte man die Passage Appropinquat – iste ore suo […] (»Weil [dieses Volk, W. T.] sich mir nur mit Worten nähert.«) wohl vor allem aus dem Grund, um mit dem Verb appropinquare und dem Nomen os den nahenden und Christus küssenden Judas entsprechend visualisieren zu können. Zudem sollte dieser Vers aus Jesaias zugleich Verlogenheit und Falschheit kennzeichnen. Die untere Textzeile (Inimici hominis Domestici ejus.) (»Die nächsten Verwandten werden einander zu Feinden werden.«) gibt mit Mt 10, 36 keinen Evangelienbericht des Judaskusses (etwa im Sinne von Mt 26, 48) wieder, sondern die in ganz anderem Zusammenhang getätigte Rede Jesu, wonach dieser die folgenschweren Konsequenzen der Nachfolge Christi im engsten persönlichen Umkreis prophezeit. Das Zitat nach Mt 10, 36 wird im Passion-Spiegel auf den untreu gewordenen Apostel Judas bezogen. Es ist also hier – wie auch in anderen einschlägigen Werken der Gebrüder Klauber – ein sehr freier Umgang mit dem Bibelwort zu konstatieren, das einerseits als multifunktionaler »Steinbruch« für bildliche Darstellungen Verwendung findet und dem andererseits in sehr elastischer Weise – hier im Kontext der Passionsthematik – neue Bedeutungsschichten untergeschoben werden können. Insofern steht im Passion-Spiegel das gesamte Arsenal der (vor allem alttestamentlichen) Bibelworte hinsichtlich einer möglichen Instrumentalisierung im Kontext des Passionsgeschehens zur Disposition, und zahlreiche Selbstaussagen Jesu, die in der Heiligen Schrift an anderer Stelle und mit anderer Intention getätigt wurden, werden nun im Rahmen ihrer Integration in das Passionsgeschehen quasi neu kontextualisiert – nicht nur aus heutiger Sicht ein Vorgang beträchtlicher Freiheit und Ungebundenheit, der eine fast grenzenlose Verfügbarkeit über das Arsenal der Heiligen Schrift indiziert. Häufig wird der der bildlichen Darstellung zugrundeliegende Schlüsselbegriff so gewählt, dass er als ein Teil beider Textpassagen aus dem Alten Testament fungiert – deutlich etwa beim Stich der Geißelung,85 wo der Zentralbegriff vulnus sowohl mit Ps 68, 27 (Super dolorem vulnerum meorum addiderunt.) als auch mit Job 16, 15 (Concidit me vulnere super Vulnus.) kommentiert wird, ähnlich beim ersten Stich zur Kreuztragung,86 bei dem die Schulter (humerus) zentraler Angelpunkt der typologischen Ausdeutung ist – kommentiert einerseits mit Jes 22, 22 (Et dabo clavem domus David super humerum eius.) (»Ich lege ihm den Schlüssel des Hauses David auf die Schulter.«), in der Inschrift unten mit Factus est Principatus super humerum ejus. ( Jes 9, 6). Bildlich findet dieser Sachverhalt dahingehend eine anschauliche Umsetzung, dass Christus das Kreuz auf die Schulter gelegt wird: Dieses Spezifikum der Bilderzählung wird zum Ausgangspunkt für die Wahl von Bibelstellen; ebenso nimmt der begleitende Text auf diesen Moment unmittelbar Bezug: Im entsprechenden Passus87 wird Jesu Kreuz als Himmels-Schlüssel auf seinen verwundeten Schulteren [sic!] bezeichnet, was die Wahl von Jes 22, 22 (mit den Zentralbegriffen Schlüssel und Schulter) verständlich macht und auch die überaus

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enge Bild-Text-Kombination der Publikation erklärt, die dergestalt konzipiert wurde, dass die Betrachtung des vorangebundenen Stiches die Voraussetzung für das Verständnis der (nach dem Kupferstich folgenden) Meditationsanleitung bildet, obwohl die Kupferstiche konzeptuell auch als autark anzusehen sind.88 In der Textpassage zur Kreuztragung wird im Sinne eines Aufrufs das Kreuz Christi als »Himmelsschlüssel« für jedermann zum anzustrebenden Vorbild gemacht: Lehr: Wer die Himmels Porten aufschliessen will, der muß einen Creutz-Schlüssel haben. Das zentrale Instrument der Passion, das Kreuz, ist somit nicht nur Gegenstand einer frommen Betrachtung, sondern wird zugleich als Erlösungswerkzeug für jeden Gläubigen vorbildhaft präsentiert, indem die imitatio als Wegweiser eingeflochten ist. Dieser hierin zum Ausdruck kommende Charakter der Meditation über die einzelnen, genau memorierten Stationen der Passion wird besonders in den Szenen der Kreuzigung deutlich, deren typologische Sinnpotenziale über insgesamt neun (!) Stiche erzählerisch ausgebreitet werden.89 Die meisten Stiche des Passion-Spiegels sind somit nicht ohne die Berücksichtigung der engen Bild-Text-Relationen verständlich: Wenn etwa in der Szene, in der Christus vor Herodes steht,90 Ersterer in einem weißen Gewand wiedergegeben und dies in den entsprechenden Beischriften mit dem Hinweis auf die Verklärung (Mt 17, 2) und die Taufe bei Cornelius (Apg 10, 30) biblisch kommentiert wird, so findet dieser Aspekt im nachfolgenden Text91 mit dem Verweis seine Begründung, dass Christus in einem weissen Narren-Kleyd in höchster Verachtund Verspottung vor Herodes stehe. Die Auswahl der entsprechenden Bibelzitate, welche die Grundlage der bildlichen Darstellung formulieren, steht in durchwegs enger Beziehung zur folgenden Meditation: Im Kupferstich zur Dornenkrönung Christi92 spielt der Hinweis auf Hld 2, 2 (Sicut Lilium inter spinas.), der die Dornenkrone mit dieser vielzitierten Passage aus dem Alten Testament ausdeutet, nicht nur in der Darstellung selbst eine wichtige Rolle, indem dort Dornenzweige die Dornenkrönung an beiden Seiten flankieren, sondern auch in der folgenden Textpassage,93 in der die »Lilie unter Dornen« auf Jesum unter den Händen der unbarmhertzigisten Henckers-Knechten gedeutet wird. Zugleich ist das Rahmenthema des Gekrönt-Seins durch ein anderes Zitat aus dem Hohelied anschaulich gemacht, indem mit Hld 3, 11 (Videte [filiae Sion regem] – Salomonem in diademate.)94 Salomon (mit der Krone) Darstellung findet, der in der folgenden Textpassage95 in Beziehung zu Christus, dem wahre[n] Salomon, gesetzt wird, der ein König über alle König96 sei. Dornen spielen auch in den Gottvater (Spinas et tribulos germinabit tibi., vgl. Gen 3, 17f.) und Christus (Gravata est super me manus tua – dum configitur spina., vgl. Ps 31,4) beigefügten Textpassagen eine tragende Rolle, im Fall Gottvaters in Bezug auf die Verfluchung des Ackerbodens in seiner Rede an Adam, in der er ankündigt, Dornen wachsen zu lassen. Die spina ist hier das übergreifende begriffliche Leitmotiv, das nicht nur die mehrschichtige typologische Deutung der Dornenkrone ermöglicht, sondern zugleich – etwa in der Aussage Gottvaters – den Bogen bis zum Beginn der Heilsgeschichte schlägt und dessen Fluch über die maledicta terra angesichts der untreuen Stammeltern zum Inhalt hat. Nur ganz selten werden im Passion-Spiegel ikonografisch gängige Typologien ins Spiel gebracht, etwa wenn bei der Grablegung Christi97 (Abb. IX.19) in der oberen Inschrift mit

Die Rolle der Typologie in der erzählerisch ausgerichteten Grafik

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Abb. IX.19: Probus Schmidhueber, Unbetrüglich, heylsamister Passion-Spiegel, oder, Das bitteriste Leyden unsers Erlösers Christi Jesu durch 46. Kupfer sehr nachtrucklich vorgestellet […], Grablegung Christi, Gottfried Bernhard Götz und Johannes Klauber, 1740 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

Mt 16, 4 (Signum Ionae Prophetæ.) sowie in einer kleinen reliefartigen Darstellung dieses Themas über der Höhle (!) auf Jona im Wal verwiesen wird. Die Beischrift unten, Solum mihi superest sepulchrum. ( Job 17, 1), verweist typologisch auf das Grab (Christi). Der Begriff sepulchrum ist in diesem Fall – hinsichtlich der Wahl der Inschriften – eine Art Leitmotiv, das ahistorisch bei den an der Grablegung beteiligten Personen Anwendung findet ( Jes 11, 10; Röm 6, 4). Der Grund für die offensichtliche Verweigerung gegenüber der Rezeption gängiger Typologien scheint deutlich: Deren Anwendung hätte die Gestaltungsmöglichkeiten der Serie in Text und Bild ganz wesentlich eingeschränkt, was letztlich wohl nicht im Sinn der Schöpfer dieser Publikation gelegen sein dürfte. Die Rolle der Typologie in der erzählerisch ausgerichteten Grafik

Auch in den dezidiert narrativ ausgerichteten druckgrafischen Gattungen, zu denen Credo-Serien nicht gezählt werden können, sind deutlich »binnentypologische« Strategien erkennbar, so in den Historiae biblicae Veteris et Novi Testamenti […] von Joseph und Johannes Klauber (Augsburg 1748),98 die insgesamt 98 querformatige Stiche enthalten: Die Begebenheiten des Alten Testaments werden dabei minutiös in Form von Kartuschen dargestellt und mit Legenden erklärt. In Bezug auf die Visualisierung von Ereignissen des Neuen Testaments sind hingegen in einigen Fällen Bildsysteme gewählt worden, bei denen verschiedene inhaltlich zusammengehörende Geschehnisse unter einem übergreifenden Hauptbegriff zusammengefasst werden. Dies betrifft vor allem die verschiedenen Prädikate Christi: So ist Christi Lehramt in der Verkündigung als Christi Doctrina in Verbis99 wiedergegeben, seine Funktion in den Gleichnissen mit Christi Doctrina in Parabolis100 und sein Wirken in Zeichen und Wundern als

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Abb. IX.20: Historiae biblicae Veteris et Novi Testamenti […], »Confirmat Signis.« (Blatt Nr. 81), Joseph und Johannes Klauber, 1748 (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek)

Christi Doctrina in Signis101. Unter diesem Hauptbegriff der signa sind unterschiedliche Ereignisse versammelt, die sich allesamt auf Mirakel beziehen – die signa verweisen zudem auf etwas inhaltlich Übergreifendes: Mit dem Titel eines Blattes, Confirmat Signis. (Abb. IX.20), wird auf Apg 14, 3, wo hinsichtlich des Wirkens des hl. Paulus von »Zeichen und Wundern« die Rede ist, angespielt. Die Hauptszene des Blattes besteht mit Mt 9, 20–22 in der Heilung einer kranken Frau, die den Gewandsaum Christi berührt. Überhöht werden die Wunderdarstellungen von der Verklärung Christi (Mt 17, 1–9), die hier als »Zeichen« den Aposteln gegenüber verstanden wird. Nicht eine Typologie im klassischen Sinn des Wortes ist hier Gegenstand der Argumentation, sondern die Vorstellung eines strukturierenden Ordnungsmechanismus in Bezug auf die Kategorisierung von Ereignissen des Neuen Bundes unter einem leitenden Zentralbegriff. Gattungsmäßige Sonderfälle

Die Vielfalt der druckgrafischen Gattungen entspricht der unüberschaubaren Fülle der in den Illustrationen konkretisierten Typologien: Einen besonderen Fall stellt die Publikation Maria mons-mysticus seu virtutes et decora B. Mariae V. Montium imaginibus illustrata […] (Köln 1650) von Maximilianus Sandaeus SJ dar: Hier ist es der Berg, der als entsprechendes Vergleichs-

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objekt und Ansatzpunkt für die Entwicklung von Typologien dient: Auf den Seiten 174 bis 184 wird unter dem Titel Mons Moria ein umfangreiches Kaleidoskop ausgebreitet, das nicht nur mit der offensichtlichen Namensähnlichkeit zwischen Maria und Moria, dem Land bzw. Berg beim Abrahamsopfer (nach Gen 22, 2), spielt, sondern Gleichsetzungen zwischen Maria und Moria unter verschiedenen theologischen Gesichtspunkten abhandelt, die durchwegs auf zentrale Glaubensinhalte abzielen, wenn es etwa um die Inkarnation Christi aus Maria geht.102 Typologien sind darüber hinaus auch ein Thema in Gattungen, in denen man diese üblicherweise nicht erwarten würde, so etwa in geografischen Kompendien wie Claes Jansz. Visschers Orbis Terrarum Typus de Integro in Plurimis emendatus (Amsterdam 1614): In die Weltkarte ist hier ein typologisches Schema eingearbeitet, da die zwei Hemisphären, die Darstellung finden, sich vor der Folie der Heilsgeschichte bewegen. Hier kommt ein »typologisches Muster« an ausgewählten Szenen zur Anwendung, das zur Folge hat, dass bei der Betrachtung dieser Bilder der Blick des Betrachters unweigerlich über die Topografie geleitet wird.103 Typologie und Heiligenverehrung

Die wohl intensivste Anwendung der Typologie ist in der Frühen Neuzeit naturgemäß in Zusammenhang mit hagiografischen Kompendien zu konstatieren. Dabei nimmt die Ausformulierung der typologischen Relationen vom Christusereignis ihren Ausgang: Die Kreuzigung Christi eignete sich dabei in besonderer Weise als Fokus für Ausdeutungen. Dies wird auch aus einem mit TYPVS OBEDIENTIAE bezeichneten Stich von Hieronymus Wierix (vor 1619) deutlich, der am Beispiel der Kreuzigung Christi unterschiedliche Beispiele (mönchischen) Gehorsams vor Augen führt:104 Dabei wird die Kreuzigung in Gestalt eines Altarblatts in einen retabelähnlichen Aufbau eingesetzt, den an beiden Seiten je drei Medaillons flankieren – gegliedert nach den Begriffen PRAEPARATIO (links) und FORTITVDO (rechts). Die entsprechenden Tugenden sind jeweils mit alttestamentlichen Schriftstellen bezeichnet. Das Motto aus Ex 25, 40 (INSPICE ET FAC / SECVNDVM EX- / EMPLAR.), das an einem Sarkophag eines Mönchs bzw. Pilgers (?) angebracht ist, bezieht sich auf die Anfertigung des Siebenarmigen Leuchters im Alten Bund und kann auch im Sinne einer Typologie verstanden werden, da in diesem Fall vom Bibelzitat (»Sieh zu, dass du ihn nach dem Muster ausführst, das du auf dem Berg gesehen hast.«) nur der erste Teil zitiert wird, der zweite hingegen (mit dem Hinweis auf den Berg) auf die Kreuzigung auf dem Berg Golgatha bezogen werden muss. Von der zentralen Kreuzigung Christi ausgehend wird ein Bezugssystem entwickelt, welches das prägende Urbild Christi in unterschiedlichen Prädikaten und Tugenden des mönchischen Lebens verwirklicht sieht. Die unterschiedlichen Methoden, hagiografische Typologien zu entwickeln, scheinen besonders im Barock kaum Grenzen des Erfindungsreichtums zu kennen: Das wohl signifikanteste Beispiel einer »Binnentypologie«, die in diesem Fall Christus und den hl. Franz von Assisi in eine sehr enge – und fast problematische – Beziehung setzt, ist Petro de Alva y Astorgas im Jahr 1655 auf den Index gesetzte Schrift Naturae Prodigium gratiae Portentum

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hoc est Seraphici P. N. Francisci vitae acta ad Christi D. N. vita & mortem regulata, & coaptata (Madrid 1651), deren Frontispizkupferstich an den Flanken strikte Parallelisierungen zwischen Christus und Franziskus vornimmt, die von Golgotha-Alverna bis Nazareth-Assisi reichen.105 Das nachgerade »klassische« und folgenreiche Bild einer imitatio, und nicht einer Typologie, vermittelt der hl. Franz (mit dem Kreuz), der dem kreuztragenden Christus nachfolgt – etwa in der entsprechenden Darstellung auf dem Titelblatt von Geremia Bucchios Liber aureus […] (Bologna 1590),106 die der conformitas des hl. Franziskus Christus gegenüber gewidmet ist.107 Die inhaltliche Basis dieser conformitas ist im Mittelalter zu suchen: So spricht Bonaventuras Legenda maior (1263) explizit von der similitudo von Franziskus mit Christus sowie von seiner transformatio in Christus und der conformitas mit Christus.108 Der Ordensvater der Franziskaner galt in dieser Hinsicht als das »incarnate ideal of the monastic life«, besonders in Bezug auf das Vorweisen von Wundern und hinsichtlich einer ähnlich ärmlichen Geburt wie bei Jesus.109 Diese Übereinstimmung der Geburt in einem Stall wird bereits in Benozzo Gozzolis Geburt des Franziskus mit Ochs und Esel (Montefalco, San Francesco, 1451/1452)110 deutlich. Die Inschrift unter diesem Werk ist in dieser Hinsicht eindeutig: Qualiter Beatus Franciscus fuit denunciatus a Christo in forma peregrini quod debeat nasci sicut ipse in stabulo.111 Die »mystical power« der Bilder von Franziskus als alter Christus kann als so wirkmächtig bezeichnet werden, dass sie die Ausformulierungen der Legenden des poverello nachhaltig zu beeinflussen vermochte.112 Insbesondere im Barock ist eine reiche Konjunktur hagiografischer Kompendien zu konstatieren. Diese veranschaulichen vorzugsweise Parallelismen unterschiedlichster Art – etwa wenn es um Typologien in Bezug auf den hl. Johannes von Nepomuk geht: An der Spitze entsprechender Traktate steht Bohuslav Balbins SJ Vita B. Joannis Nepomuceni Martyris (Augsburg 1725), die 1680 erstmals veröffentlicht wurde. 1724 folgte eine deutsche und ein Jahr später eine lateinische Ausgabe; eine um zwei Kupferstiche vermehrte deutsche Edition erschien in den Jahren 1729 und 1730.113 In Balbins Vita S. Joannis NepoAbb. IX.21: Bohuslav Balbinus, Vita S. Joannis muceni sigilli sacramentalis Protomartyris Nepomuceni sigilli sacramentalis Protomartyris (Augsburg 1730)114 kommt ein durchge[…], Geburt des hl. Johannes von Nepomuk, hend eingehaltenes typologisches Schema Johann Andreas Pfeffel, 1730 (© Augsburg, Staatsund Stadtbibliothek) zur Anwendung (Abb. IX.21): In die Kar-

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tusche des Giebels ist jeweils ein Zitat aus dem Evangelium platziert, unten das inhaltlich passende Analogon aus der vita des hl. Johannes von Nepomuk. An beiden Seiten befinden sich vor Pfeilern durchwegs Heiligenfiguren mit dem Namen »Johannes«, wie dies auch am Stich mit der Darstellung der Geburt des Heiligen115 deutlich wird. Gerade die Nepomuk-Legende schien sich im Barock für konsequente typologische Ausdeutungen geradezu anzubieten, so auch in Josephus Anton Gruebers Ortus et occasus stellae splendidae Sancti Martyris Joannis Nepomuceni Canonici (Augsburg 1733), einer mit 16 Stichen illustrierten Druckschrift.116 Im Zentrum steht hier der Stern, dessen Symbolik in Bezug auf den hl. Johannes von Nepomuk eine umfangreiche Thematisierung findet.117 In konzeptueller Hinsicht ist das Werk in Abschnitte zu ortus und occasus geteilt. In den Textpassagen wurde strikt auf einen parallelisierenden Vergleichsmaßstab Abb. IX.22: Josephus Anton Grueber, Ortus zwischen Christus und Johannes geachtet, et occasus stellae splendidae Sancti Martyris so etwa bei der Taufe: In Jordane Christus a Joannis Nepomuceni Canonici, Tobias Lobeck, Joanne: In Moldava Joannes a Christo fuit Teil I, Taf. III (STELLA SPLENDIDA), 1733 baptizatus […].118 Die Illustrationen, Stiche (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek) von Tobias Lobeck, gliedern sich ebenfalls in die zwei thematischen Hauptabschnitte (ortus und occasus), wobei jeder Teil mit Emblemen verbunden ist: Im Teil I (DE ORTU) wird auf Taf. III die STELLA SPLENDIDA (Apk 22, 16) wiedergegeben (Abb. IX.22), mit Lk 1, 63 (Ioannes est Nomen Ejus.) auf die Geburt Johannes des Täufers verwiesen und damit – wie auch bei Balbin – das Bild des hl. Johannes von Nepomuk in einen quasi-typologischen, hagiografischen Verweiszusammenhang eingebunden. Im Emblem V119 (Abb. IX.23) ist die Sternmetaphorik weitergeführt und im oberen Teil des Blattes an die Metapher von Christus als dem Licht der Welt (LUX / IN TENEBRIS.) ( Jo 1, 5) sowie im unteren Teil an das Leben Johannes des Täufers (Ioannes in vinculis.) gebunden, der, im Gefängnis befindlich, zu Christus Jünger aussandte, um nachfragen zu lassen, ob dieser der versprochene Messias sei (Mt 11, 2). Inhaltlich erfüllt die ausführliche subscriptio die Funktion, auf den Gefängnisaufenthalt des hl. Johannes von Nepomuk und die Einhaltung des Beichtgeheimnisses hinzuweisen. Der entsprechende Abschnitt aus dem Leben des böhmischen Nationalheiligen wird somit einerseits metaphorisch mit dem

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Abb. IX.23: Josephus Anton Grueber, Ortus et occasus stellae splendidae Sancti Martyris Joannis Nepomuceni Canonici, Tobias Lobeck, Teil I, Emblem V, Taf. VIII (LUX / IN TENEBRIS), 1733 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

Abb. IX.24: Josephus Anton Grueber, Ortus et occasus stellae splendidae Sancti Martyris Joannis Nepomuceni Canonici, Tobias Lobeck, Teil II, Taf. XI (Praeludium), 1733 (© Augsburg, Staatsund Stadtbibliothek)

Hinweis auf Christus als Licht, andererseits mit der entsprechenden Parallele aus der vita des ebenfalls im Gefängnis befindlichen Täufers kommentiert, wobei der Heilige im Emblem nicht in effigie, sondern nur als Stern (wie Christus leuchtend inmitten der Dunkelheit) anwesend ist. Der zweite Teil der Publikation (DE OCCASU) setzt mit einem Stich als Praeludium ein120 (Abb. IX.24), der den Auszug Israels aus Ägypten (Exitus Israel de Ægypto., Ps 113, 1) detailliert mit dem hl. Johannes von Nepomuk in Beziehung setzt: Ægyptus mundus: Pharao Caesar / mare rubrum / Flumen: gens fugiens Nepo- / mucenus aquis. Der Pharao entspricht hier König Wenzel, der Ägypter der Welt, das Rote Meer der Moldau und das flüchtende Volk dem Heiligen, den man im Fluss versenkte. Damit wird eine ungewöhnliche intensive Engführung bzw. Gleichsetzung angestrebt, die in dieser konzentrierten Form – innerhalb der knappen Form einer Inschriftenkartusche – sonst nicht nachweisbar ist. Ein Stich auf Taf.

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XIII (Abb. IX.25) zeigt das zweite Emblem im zweiten Teil der Publikation und bezieht die Jona-Geschichte unmittelbar auf die vita des Heiligen. Diese setzt im oberen Teil mit der (programmatischen) Vorstellung des Namens Johannes (von Nepomuk) und dessen Umsetzung als Anagramm im Namen des Propheten Jona ein: Programma. / IOANNES. / Anagramma. / EN IONAS! Wie bereits auf Taf. XI wird auch hier in der unteren Inschriftenkartusche ein engmaschiges typologisches Netz präsentiert: En Ionam in pelago, Ioan- / nem flumine mersum! / Pro cete Coelum (nobile littus [sic!]) / habet. Nicht die Auferstehungshoffnung steht dabei im Zentrum, sondern das Verweilen Jonas in den Fluten findet ein Pendant in dem in die Moldau versenkten Körper des hl. Johannes von Nepomuk – kombiniert mit der Aussage, dass anstelle des Wals der Heilige im Himmel einen vornehmeren Aufenthaltsort besitzen werde. In den reich illustrierten hagiografischen Kompendien des 18. Jahrhunderts ist Abb. IX.25: Josephus Anton Grueber, Ortus et die Typologie ein zwar nicht durchgehend occasus stellae splendidae Sancti Martyris Joannis Nepomuceni Canonici, Tobias Lobeck, Teil II, angewendetes, aber häufig anzutreffendes Emblem II, Taf. XIII ( Johannes-Jona), 1733 (© Prinzip: Ein instruktives Beispiel dafür lieAugsburg, Staats- und Stadtbibliothek) fert die Pinacotheca Mariana, exhibens per singulos anni dies antiquitatem, sanctitatem, et utilitatem Cultus Mariani […], die in Augsburg im Jahr 1760 in zwei Bänden mit Kupferstichen der Gebrüder Klauber nach Zeichnungen Johann Adam Stockmanns erschien:121 Der Stich zum 8. Jänner zeigt den seligen Laurentius Justinianus (Abb. IX.26): In der entsprechenden Darstellung, die wohl die Befreiung von der Pest im Jahr 1630 zum Inhalt hat, wird Laurentius in ein typologisches Schema eingebunden. Auf der einen Seite – in der bekrönenden Kartusche – ist ein Hinweis auf einen bekannten Typus Mariens gegeben (Est 8, 2), bildlich konkretisiert in einer Darstellung, welche die vor dem zürnenden Christus bittende Maria zeigt, auf der anderen Seite wird unten der Selige selbst ins Spiel gebracht, indem er vor der Vedute Venedigs als alter pro suo populo Mardochaeus Bezeichnung findet, womit der alttestamentliche Typus des Mardochäus (Est 4) direkt auf ihn übertragen wird. Gegenstand der Illustration zum 24. März ist der hl. Ignatius von Loyola (Abb. IX.27), und die typologi-

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Abb. IX.26: Pinacotheca Mariana, exhibens per singulos anni dies antiquitatem, sanctitatem, et utilitatem Cultus Mariani […], 8. Jänner (sel. Laurentius Justinianus), Gebrüder Klauber nach Zeichnung Johann Adam Stockmanns, 1760 (© Klosterneuburg, Stiftsbibliothek)

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IX.27: Pinacotheca Mariana, exhibens per singulos anni dies antiquitatem, sanctitatem, et utilitatem Cultus Mariani […], 24. März (hl. Ignatius von Loyola), Gebrüder Klauber nach Zeichnung Johann Adam Stockmanns, 1760 (© Klosterneuburg, Stiftsbibliothek)

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Abb. IX.28: Annus dierum Sanctorum, Joseph und Johann Baptist Klauber (unter Mitarbeit von Gottfried Bernhard Götz), Bekehrung des hl. Paulus, 1750 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

sche Beziehung ist hier eine andere, da als tertium comparationis der Berg fungiert – konkret als neutestamentlicher Typus die Verklärung Christi am Berg Horeb (Schriftband oben, Mt 17, 1f.), als hagiografischer Antitypus in Bezug auf die vita des hl. Ignatius der Berg Montserrat, an dem der Heilige bekanntlich ein neues (christliches) Leben begann. Der Berg kommt aber in dieser Illustration nicht bildlich zur Geltung, sondern nur mittels der entsprechenden Beischriften. Das Annus dierum Sanctorum erschien erstmals im Verlag von Joseph und Johann Baptist Klauber im Jahr 1750 unter Mitarbeit von Gottfried Bernhard Götz. Es handelt sich dabei um ein druckgrafisches Werk mit insgesamt 377 kleinformatigen Kupferstichen mit der Zielsetzung der Präsentation der Namens- oder Gedenktage christlicher Heiliger. Jeder einzelne Tag des Jahres ist einer heiligen Person gewidmet und zeigt ein charakteristisches Geschehen aus dem Leben der Betreffenden. Bei Heiligen, die den Märtyrertod starben, sind dies meist die Hinrichtungsszenen. Ausgenommen von dieser Gliederung sind jene Tage, die für das Kirchenjahr eine ganz besondere Bedeutung haben wie etwa der 2. Februar (Maria Lichtmess), der 2. November (Allerseelen), der 8. Dezember (Maria Empfängnis) oder der 25. Dezember (Christi Geburt). Der Stich S. Pauli Conversio zum 25. Jänner122 (Abb. IX.28) entspricht in seiner typologischen Konzeption dem Schema, das bei vielen Werken der Augsburger Druckgrafik anzutreffen ist: Die bildliche Darstellung repräsentiert den (hagiografischen) Anti­typus,

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Abb. IX.29: Hl. Dominikus aus einer Serie der Sieben Gaben des Heiligen Geistes, Gottfried Bernhard Götz, undatiert (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

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der durch Inschriften aus dem Alten Testament gleichsam präfiguriert bzw. kommentiert wird. Ansatz- und Ausgangspunkt der Bekehrung Pauli ist der Begriff der conversio, der mit Hld 7, 10 (»Ich gehöre meinem Geliebten / und ihn verlangt nach mir.«) vorgebildet wird. In diesem Sinn muss hier auch das ad me conversio ejus. Gottvaters verstanden werden, das sich sowohl auf die Wandlung des Paulus als auch auf die dadurch ausgelöste neue Beziehung des Apostels zu Gott bezieht. Die untere Textleiste mit dem Passus cadens in terram audivit vocem dicentem sibi. (Apg 9, 4) fasst das Geschehen anhand des Berichts aus der Apostelgeschichte zusammen. Eine spezielle Form der Typologie in der Druckgrafik des 18. Jahrhunderts besteht darin, einen in der Regel aus der Heiligen Schrift gewählten Hauptbegriff mit einer Heiligenfolge zu kombinieren: Dieses Prinzip tritt etwa in einer von Gottfried Bernhard Götz gestalteten und gestochenen Serie mit sieben Heiligen auf, die jeweils mit den Sieben Gaben des Heiligen Geistes ( Jes 11, 1f.) kombiniert sind:123 Jedem Heiligen ist eine bestimmte und als charakteristisch angesehene Gabe des Heiligen Geistes zugeordnet (Augustinus – Sapientia, Benedikt – Intellectus, Bernhard – Consilium, Ignatius – Fortitudo, Dominikus – Scientia, Franz von Assisi – Pietas sowie Bruno – Timor), die dem Wirken des jeweiligen Heiligen am besten zu entsprechen scheint. Als Beispiel für die Konfiguration typologischer Zusammenhänge in dieser undatierten Serie sei der hl. Dominikus herausgegriffen (Abb. IX.29):124 Mit der unten angebrachten Legende Praedicator et Apostolus et / Magister (2 Tim 1, 11), einem Schriftzitat, dem zufolge sich der hl. Paulus als »Prediger und Lehrer der Heiden« ausgibt, wird bereits ein »binnentypologisches« Verhältnis angesprochen, da hier der hl. Dominikus die Funktion eines »neuen« apostolus zugeordnet erhält, während mit dem Passus Albigensium Profligator konkret auf die Geschichte des hl. Dominikus und seines Ordens Bezug genommen wird, der nichtbiblische Begriff eines Profligator (Vernichter) der als Ketzer bezeichneten Albigenser hier aber so geschickt Verwendung findet, dass gerade diesem Terminus infolge der »Autorität« der durch 2 Tim gebrauchten Substantive eine neue und quasi-biblische Deutungskraft zuzuwachsen scheint. Aus dem erwähnten Paulus-Zitat wurden in der Beischrift nur die argumentativ entscheidenden Substantive herausgegriffen, während der Bibeltext bei 2 Tim im Grunde eindeutig davon spricht, dass Paulus als Verkünder, Apostel und Lehrer des Evangeliums »eingesetzt« sei. Diese »Einsetzung« soll nochmals den Anspruch der Rechtmäßigkeit auf Verkündigung unterstreichen, die als ein wesentliches Attribut des Auftretens des Heiligen angesehen wird. In einem Stich von Joseph und Johannes Klauber, Dominikus darstellend (um 1750),125 (Abb. IX.30) tritt wiederum das zitierte biblische Motto nach 2 Tim 1, 11 auf: Positus sum ego PRAEDICATOR, Apostolus et Magister, wobei dem versal gesetzten PRAEDICATOR eine besondere Betonung zugeordnet wird. Die Fackel im Maul des Hundes (unten) erfüllt in diesem Zusammenhang eine Doppelfunktion, da diese sowohl die Welt entzündet als auch mit Hilfe des Feuers ketzerische Bücher verbrannt werden. Die Szene in der Kartusche im unteren Abschnitt des Dominikus-Stiches von Götz bezieht sich darauf, dass es der Heilige im Kampf gegen die Albigenser auf ein Gottesurteil

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ankommen lassen wollte und sich deshalb einem Ordal stellte, das er letztlich für sich entschied. Auch die anderen Beischriften des Blattes formulieren bestimmte Ansprüche des Dominikaners: Zum einen wird oben 1 Kor 12, 8 (Alii [datur] autem sermo SCIENTIÆ secundum / eundem SPIRITUM.), zum anderen (an der rechten und linken Flanke) Spiritus Domini locutus est per me, et sermo eius per linguam meam. (2 Kg 23, 2) zitiert. SPIRITUM und SCIENTIÆ sind hier bewusst in Versalschrift hervorgehoben: Dies kann wie auch in den anderen Blättern dieser Serie gleichsam als präzisierende »Inhaltsangabe« des jeweiligen Stiches verstanden werden. In der Mitte der Darstellung ragt eine mächtige »Ehrensäule« aus Büchern auf (das Thema des Feuerordals aufnehmend), die in einer Weltkugel mit dem Hund und der Fackel im Maul (hier angesichts der bekannten Vision der Mutter des Heiligen wieder Abb. IX.30: Dominikus aus einer Heiligenserie, das Thema des Feuers aufnehmend) sowie Joseph und Johannes Klauber, um 1750 (© Augseinem geöffneten Buch auf dem Kapitell burg, Staats- und Stadtbibliothek) gipfelt. Rechts unten sitzt die mit einem Birett ausgestattete Personifikation des Donum scientiae, die ihre Füße auf ein zerfleddertes Buch (!) setzt, ein weiteres hat sie in ihrer Linken. Sie hält die Büste des Dominikanerheiligen gleichsam wie ein Attribut mit ihrer Rechten. Auf viele weitere Details, welche die Aussage dieses Blattes aus der Stichserie verdichten und bei Karl-August Wirth in seiner ausführlichen Analyse Erwähnung finden, kann hier aus Platzmangel nicht eingegangen werden. Im Vordergrund sollen vielmehr in zusammenfassender Weise bisher nicht beachtete Aspekte der Typologie stehen, die in diesem Blatt ausgemacht werden können: Mit dem erwähnten alttestamentlichen Zitat soll der hl. Dominikus offensichtlich als »neuer« David ausgewiesen werden, der mit dem Satz Spiritus Domini locutus est per me, et sermo eius per linguam meam. seine letzte Rede eingeleitet hatte. Der konkrete Ansatzpunkt für das Aufgreifen gerade dieser Bibelstelle ist hier jener der Wortanalogie zum Leitthema der Serie, die um die Septem Dona Spiritus Sancti kreist. Der Vergleich zwischen Dominikus und dem alttestamentlichen Vorbild (David) wird aber in diesem Blatt deutlicher als in den anderen Stichen der Serie gesucht. Mit den verwendeten Begriffen locutus, sermo und linguam ist in spezieller Weise auf die legendäre Redegewalt des Predigers Dominikus verwiesen, die ihn unter

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allen Heiligen auszeichnet. Darüber hinaus wird mit dem oben platzierten Paulus-Zitat die Argumentation in Bezug auf die durch den hl. Dominikus beanspruchte Nachfolge des Völkerapostels Paulus aufgenommen und deshalb 1 Kor 12, 8 (Alii [datur] autem sermo SCIENTIÆ secundum / eundem SPIRITUM.) zitiert. Dieser Vers 8 markiert allerdings nur einen Ausschnitt aus einem längeren Passus, der sich mit dem einen Geist und den vielen Gaben beschäftigt (1 Kor 12, 1–11). Die inhaltliche Fokussierung ist hier mit der Wahl des zweiten Teils des Verses 8 so geschickt getroffen worden, dass sie den Eindruck vermitteln muss, dass gerade dieser Abschnitt als für den hl. Dominikus typisch anzusehen ist, da er es sei, dem die Kraft des Geistes in der Scientia in besonderer Weise zuteilwerde. Aus beiden Zitaten (1 Kor 12, 8 und 2 Kg 23, 2) spricht nicht der wortgewaltige Dominikus selbst, sondern David und Paulus agieren gleichsam durch ihn: Der hagiografische Antitypus ist in der Heiligenbüste sowie in einer Szene aus seinem Leben (Feuerordal) präsent; die vorbildlichen Typen sind ausschließlich mittels der Bibeltexte gegenwärtig, die mit Bedacht so ausgewählt wurden, dass sie eine konkrete Anbindung an das Leitthema der Serie, die Sieben Gaben des Heiligen Geistes, erlauben. Das Blatt zeigt, dass im Rahmen einer Serie, die an sich keine explizit typologische Zielsetzung in sich trägt, Typologien zwischen Altem Bund und dem Heiligen (David-Dominikus) sowie Binnentypologien (Paulus-Dominikus) eine zentrale Rolle in der Verdichtung der Argumentation spielen, die letztlich darauf ausgerichtet ist, den Dominikaner in die unmittelbare Nachfolge Davids und Paulus’ zu stellen. Sermo Scientiae, häufig auch mit »Gabe, Wissenschaft zu vermitteln« übersetzt, ist in diesem Sinn eine besonders glückliche Wortkombination, da sie die Vermittlung von Wissenschaft nicht nur an die Predigt und damit an ein Spezifikum des Wirkens des Dominikus koppelt, sondern auch das Buch, das im Rahmen des Stiches eine besondere Rolle spielt, als Informationsträger von Homiletik und Wissenschaft unmissverständlich akzentuiert. Die Typologie eröffnet und stimuliert hier im besten Wortsinn ein Sinngewebe unterschiedlicher Bedeutungsschichten, die letztlich nicht unbedingt dem tragenden typologischen Hauptgedanken untergeordnet sein müssen. Die »Sieben Gaben« des Heiligen Geistes werden in dieser Serie von Gottfried Bernhard Götz mit markanten Gestalten aus der Kirchengeschichte, vor allem Ordensgründern, kombiniert. Die außerordentliche Flexibilität des Schemas, wie die Gaben des Heiligen Geistes biblisch fundiert und ikonografisch ausgestaltet werden konnten, zeigt sich in deutlicher Weise in einem Kupferstich Theodor Galles mit dem Titel VII. DONA SPIRITVS SANCTI, der die entsprechenden Tugenden vor allem mit Personen des Alten Testaments in Verbindung bringt, z. B. die Gottesfurcht mit Hiob. Die Gabe der Wissenschaft, von Götz mit Dominikus kombiniert, wird hier durch die Rede des Petrus auf dem Tempelplatz (Apg 3, 11–26) repräsentiert. Der hl. Dominikus tritt auch in einer Serie von Hieronymus Wierix (nach Philips Galle, vor 1610) auf, die prominente Ordensgründer thematisiert:126 Die Darstellungen der Heiligen sind hier durchwegs mit einem Bibelzitat unter der Rahmenleiste kombiniert, im Fall des Dominikus127 mit einem Zitat nach 1 Kg 19, 14 (ZELO ZELATVS SVM PRO DOMINO DEO EXERCITVVM.), das – auf die Frage Gottvaters nach den Zielen des Elias – des-

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sen Glaubensleidenschaft für den »Gott der Heere« zum Ausdruck bringt. Das Schriftwort scheint – jenseits der Parallelisierung im Zeichen des fanatischen Glaubenseifers – auch deshalb ausgewählt worden zu sein, da sich mit dem direkt unter DOMINICVS gesetzten DOMINO eine anschauliche Möglichkeit der sprachlichen Parallelisierung zwischen Dominikus und seinem »Herrn« ergab: Dominikus betet in asketischer, glaubenserfüllter Pose vor einem Standkreuz; im Hintergrund scheint er eine in einem Boot befindliche Person für den Glauben gewinnen zu wollen und agiert damit in der Praxis der imitatio Christi (»Menschenfischer«, vgl. Lk 5, 1–11). Hier wird – wie im Stich von Gottfried Bernhard Götz – ein typologisches Verhältnis zum Ausdruck gebracht, da es sich bei 1 Kg 19, 14 nicht einfach um die biblische Kommentierung eines Heiligenprofils handelt, sondern um die entsprechende alttestamentliche Präfiguration des für Gott »kampfbereiten« Dominikus. Auch in diesem Beispiel steht das Wort für den alttestamentlichen Typus (Elias), das Bild hingegen für den hagiografischen Antitypus (Dominikus). Typologische Serien mit hohem Textanteil

Gerade in der reichen Produktion der niederländischen Grafik des 16. und 17. Jahrhunderts sollte die Ausdeutung der Sakramente, der Werke der Barmherzigkeit und anderer Glaubensinhalte unter typologischen Gesichtspunkten eine ungeheure Verdichtung erfahren, wobei die vielen Darstellungen beigegebenen Textteile zum Teil jedes Maß übersteigen. Dies wird auch im Vergleich mit textärmeren Serien wie den Septem effusiones sanguinis von Johannes I Galle deutlich, die sich mit allen jenen Ereignissen von der Beschneidung Christi bis zur Passion beschäftigen, in deren Zusammenhang ein Ausströmen von Blut zu konstatieren ist.128 Diese geläufige Praxis, unterschiedliche Sachverhalte unter einem Leitbegriff im Rahmen druckgrafischer Serien zusammenzufassen, mag uns heute merkwürdig und gekünstelt vorkommen, sie fand aber auch unter dem grundsätzlichen Gesichtspunkt Verwendung, die Vielfalt der Heilsereignisse zu strukturieren und damit die Möglichkeit übergreifender Blickpunkte zu eröffnen. Das beschriebene Phänomen der Ausdeutung von Sachverhalten, die unter einem zentralen Leitbegriff als zusammengehörend betrachtet werden, betrifft unter anderem einerseits eine Serie von Philips Galle, die der typologischen Deutung der Sieben Sakramente in ihrer biblisch-historischen Kontinuität gewidmet ist (SEPTEM NOVAE LEGIS SACRAMENTA, 1576),129 andererseits die ebenso reich illustrierte Folge SEPTEM OPERA / MISERICORDIÆ / SPIRITALIA / Vtriusque tam veteris, / quam novi testamenti / appositis exemplis, / ac sententiis illustrata, die Philips Galle 1577 in Antwerpen veröffentlichte und bereits durch die Titelwahl einen typologischen Gesichtspunkt akzentuiert.130 Auch in dieser Folge wird der ungeheure Reichtum der Heiligen Schrift ausgebreitet, der dazu führt, dass die entsprechenden biblischen Belege in konzentrierter Form nicht nur in Gestalt von Schrifttafeln auftreten, sondern auch die gesamte Architektur der Szene überziehen. Typologie wirkt hier subtiler und ist in die vielschichtige Argumentation der einzelnen Bildelemente eingefloch-

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Abb. IX.31: Blatt IGNORANTES DOCERE aus der Serie SEPTEM OPERA MISERICORDIÆ SPIRITALIA, Philips Galle, 1577 (© Wien, Albertina)

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ten. Dies wird beim Blatt mit dem Titel IGNORANTES DOCERE131 (Abb. IX.31) aus der Serie der SEPTEM OPERA MISERICORDIÆ SPIRITALIA daran deutlich, dass den in der Mitte wiedergegebenen Szenen ein Tor vorgeblendet ist, das nicht nur Daniel (rechts) auf Christus (links) bezieht, sondern zugleich als »Basis« der neutestamentlichen Verkündigung den Chorus prophetarum (links) und den Chorus patriarcharum (rechts) einsetzt. Die Versammlungen dieser Gruppen prominenter alttestamentlicher Zeugen bilden quasi die Stützen, auf denen sich das Wirken der Apostel (links oben) und der Bischöfe (rechts oben) entfalten kann. Die bildliche Struktur des Stichs ist durch die spezifische Qualität ausgezeichnet, »Tektonik« aller Art für eine christliche Symbolik fruchtbar zu machen: In dieser Hinsicht baut sich hier Element auf Element, das in der zeitlich jüngsten Schicht in den beiden Zwickeln oben gipfelt. Konsequenterweise bilden die Propheten mit Hebr 1, 1f. und dem Hinweis, dass Gott einst durch sie zu den Vätern gesprochen habe, nun aber durch Christus, wie auch die Patriarchen mit dem Aufruf zu Takt und Klugheit sowie zur Beachtung der Rede der Weisen (nach Sir 8, 8f.) die alttestamentliche Basis, auf der in der Folge ein ausdifferenziertes Gebäude zur Belehrung der Unwissenden (IGNORANTES DOCERE als Motto des Blattes) errichtet wird. Über dem Chorus prophetarum links ist sinnfällig ein Quader eingefügt, der nach Eph 2, 20 als Schlussstein Christus bezeichnet,132 wobei die Propheten und Apostel das entsprechende Fundament bilden. Die anschauliche Architektonisierung in dieser Darstellung (Stein-Eckstein) geht hier Hand in Hand mit dem Sinnpotenzial der verwendeten Bibelstellen. Auf der gegenüberliegenden Seite wird der imperativische Charakter des Zitats nach Sir 8, 8f. weitergeführt und zwar mittels der Mahnung nach Dt 32, 7, die dazu aufruft, an die Vergangenheit zu denken sowie die Alten zu befragen. Damit wird die heilsgeschichtliche Ebene des Alten Bundes in ihrer Autorität noch weiter gestärkt. Auf der linken Seite erhebt sich über dem Zitat nach Eph 2 Christus mit dem Kreuz. Er ist nach Jo 12, 46 als »Licht der Welt« bezeichnet. Christus selbst hält eine Schrifttafel ( Jo 18, 37) mit seiner an Pilatus gerichteten Antwort hinsichtlich des Zeugnisses des Ablegens von Wahrheit. Darunter wird mit Jes 61, 1f. die frohe Botschaft Jesu Christi präfiguriert – nicht ohne Grund genau mit jener Stelle, die nach Lk 4, 16–19 Jesus in der Synagoge aufschlägt. Beide Passagen – aus Johannes und Jesaias – sind auf einer Tafel versammelt, wobei mit Jes 61, 1f. bzw. Lk 4, 16–19 der interessante Fall gegeben ist, dass die Argumentation auf jene Bibelstellen konzentriert ist, welche die Zusammengehörigkeit von Altem und Neuem Testament mit der höchsten Autorität, nämlich dem Beweis durch die Schrift selbst, transportiert. Unter dem mächtigen Bogen erscheint ein Durchblick, der ein reiches Panorama mit ausgewählten Predigten Jesu und Gleichnissen (z. B. Sämann, Mk 4, 1–9) eröffnet. Die Gleichnisrede ist es also, die hier das tragende und verbindende Element darstellt. Deshalb werden auch Schriftstellen bevorzugt zitiert, die auf diesen Sachverhalt Bezug nehmen wie Ps 67 (68), 12 beim Prediger auf der Kanzel – eine Passage, die bereits aufgrund der verwendeten Begriffe wie verbum und evangelizantibus bestens geeignet war, im Rahmen des beanspruchten Kontexts neutestamentlicher Verkündigung Verwendung zu finden. Es ist deshalb in besonderer Weise das verbum, das – wie bei der Zitation von Jer 1, 9f. (in diesem Fall sinnfällig am Kanzel-

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

korb!) – als zentraler Angelpunkt der biblischen Beischriften angesehen werden kann. Auch dem Propheten Daniel (rechts) sind mehrere Schriftstellen zugeordnet, wobei der bekannte Passus nach Dan 12, 3, der die Qualität der Verständigen und Gelehrten mithilfe von Begriffen des Strahlens und Glänzens preist133 (unterstrichen durch Ez 33, 6 mit dem Hinweis auf die Funktion des Propheten als Wächter), deutlich auf Christus bezogen ist, da einerseits Daniels Rechte markante deiktische Qualitäten aufweist, andererseits genau jener Aspekt des Strahlens, den der Prophet formuliert, sich sichtbar in Christus, dem »Licht der Welt«, erfüllt – unterstrichen durch das Faktum, dass die entsprechende Stelle von Jo 12, 46 direkt in Christi Strahlenkranz eingeschrieben ist. Über Christus wird dieser Aspekt des Strahlens gleichsam postfigurativ mit Mt 5, 14 (Vos estis lux mundi.) weitergeführt – einer Stelle, die unmittelbar zu der von Christus ausgesprochenen Bedeutung des Gesetzes und der Propheten überleitet (Mt 5, 17). Philips Galle als Schöpfer dieses überaus komplexen Blattes verließ sich – wie bei vielen anderen Beispielen der Antwerpener Grafik – also nicht auf die Erkennbarkeit und Intersubjektivität ikonografischer Typenbildungen, sondern die ungeheure Textfülle überblendet hier die Bilder und führt zu einer gegenseitigen Potenzierung von Text und Bild. Die zahlreichen Schriftstellen bilden in dieser Hinsicht ein äußerst reiches Netz und Sinngeflecht – nicht nur, was die eigentliche typologische Semantik betrifft, sondern auch in Bezug auf Substantive und Verben, die in diesen Schriftstellen vorkommen. Diese sind als Zentralbegriffe evangelischer Verkündigung generell zu bezeichnen (so etwa die Substantive os, verbum, liber und vox sowie die Verben dicere, evangelizare und loquere) und eröffnen ihrerseits neue (typologische) Sinnhorizonte. Die Grafik ist also aufgrund ihrer spezifischen Medialität eigentlich nichts anderes als ein Ausschnitt aus einem breiten und biblisch extensiv erweiterbaren Gewebe von Sinnstrukturen, die an bestimmten signifikanten Stellen mit Szenen, Figurengruppen sowie Einzelfiguren verbunden sind: Das gewählte Ordnungssystem134 ist in dieser Hinsicht so organisiert, dass die Gruppendarstellungen an den Eckpunkten der Grafik anzutreffen sind, während die typologisch aufeinander bezogenen Hauptpersonen Daniel und Christus sich einander gegenüberstehen und dazwischen die Fülle neutestamentlicher Szenen eingefügt ist. Zusammenhängende Textpassagen können aus dieser Perspektive ohne Weiteres auseinander gerissen werden, um in dieser Weise an bestimmten Stellen neue Anknüpfungspunkte für Sinnschichten zu schaffen. Dies trifft etwa auf Mt 5 und die Bergpredigt in der Darstellung unter dem Rahmen zu, wohingegen der daran anschließende Passus vom »Salz der Erde« (Mt 5, 13) dem Zwickel rechts oben zugeordnet wird, und der darauf folgende Abschnitt vom »Licht der Erde« (Mt 5, 15) wiederum Teil des zentralen Mottos IGNORANTES DOCERE ist. Dies unterstreicht nachdrücklich, dass gerade die Platzierung von Inschriften in Grafiken dieser Art den Charakter der jeweiligen Argumentation wesentlich verändern bzw. modifizieren kann. Die prononcierte Positionierung biblischer Verse vermag entsprechende Argumentationen in neue Richtungen zu lenken – stärker, als dies durch die Visualisierung von Typologie allein jemals möglich wäre. Wenn es um die Illustration des leitenden Mottos (IGNORANTES DOCERE) geht, dann ist ein Anspruch in der Konzeption dieses Blattes

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nicht nur hinsichtlich einer geschichtlichen Rückschau auf prominente Stationen der Evangelisierung und Wortverkündigung zu bemerken, sondern sinnigerweise auch in Bezug auf aktuelle Leser und Betrachter, da diese Grafikserie (wie auch andere dieser Art) durch die Fülle der zitierten Schriftbelege in gewisser Hinsicht eine – thematisch geordnete – Unterweisung der Gläubigen darstellt. Die ungewöhnliche Breite der Argumentation, die anhand des breiten Panoramas aus der Heiligen Schrift vorgetragen wird, erkennt man daran, dass die Textstellen sehr geschickt auch unter dem Aspekt ausgewählt wurden, dass sie nicht nur punktuelle typologische Bezüge im Sinne des bekannten Schemas von Verkündigung und Erfüllung (beispielsweise in Bezug auf die Erfüllung von Daniels Prophezeiung in Christus) ermöglichen, sondern darüber hinaus geeignet sind, etwas Prinzipielles zur Funktion heilsAbb. IX.32: Hl. Gisilarius (aus Salzburg) aus der geschichtlicher Kategorien auszusagen – Serie der Geistlichen Werke der Barmherzigkeit, etwa, wenn es um die Reden der Propheten Gottfried Bernhard Götz und Gebrüder Klauber, oder um deren Funktion als Wächter geht. um 1750 (© Augsburg, Staats- und StadtbiblioWie zu zeigen war, sind in diesem Blatt thek) die heilsgeschichtlichen Kategorien des Alten und Neuen Bundes besonders breit ausgeführt. Dies hat auch den Zweck, das in den Propheten und Patriarchen Begonnene in der Gegenwart und der aktuellen Verkündigung enden zu lassen, wenn etwa der Christus der Seligpreisungen in der Bergpredigt (Mt 5, 3–11) von dem dahinter befindlichen predigenden Johannes dem Täufer (Mk 1, 3) präfiguriert wird und in dem im Vordergrund gestikulierenden – auf Mittel- und Hintergrund verweisenden – Prediger seinen Abschluss in der Gegenwart findet. Diese drei explizit »redenden« Figuren sind somit nicht nur inhaltlich aufeinander bezogen, sondern befinden sich auch annähernd in einer Achse, die ihre enge konzeptuelle Zusammengehörigkeit unterstreichen soll. Auf alle drei Personen kann auch das Motto des Blattes IGNORANTES DOCERE Anwendung finden. Nicht zuletzt ist dieser Passus bereits ein lebendiges Zeugnis typologischer Argumentation, da für den Blatttitel eben kein Zitat aus dem Neuen Testament gewählt wurde, sondern (ebenso wie auf dem Titelblatt der Serie) Sir 28135 (nicht in der Vulgata vorkommend) – damit bereits mittels des Mottos auf das bestimmende Strukturprinzip der Typologie verweisend.

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Noch in der Serie Geistliche Werke der Barmherzigkeit von Götz und Klauber findet im Blatt mit dem hl. Gisilarius aus Salzburg (Abb. IX.32) ebenfalls das Motto Ignorantes docere. Eccli. 18. [sic!]136 Anwendung. Der Auftrag, die Unwissenden zu lehren, wird hier typologisch doppelt umgesetzt, da der Heilige einerseits das Vorbild Christi im Umgang mit Kindern erfüllt, – die Darstellung in der Kartusche vor ihm zeigt den bekannten Typus Christi mit Kindern (»Lasset die Kinder zu mir kommen.«) – als auch andererseits im zweiten Motto des Blattes (unten) mit Mt 28, 19 (Euntes ergo docete omnes gentes.) der Evangelisierungsauftrag Christi zum Ansatzpunkt genommen wird, um das Tätigkeitsspektrum des Heiligen zu entfalten, zugleich aber der Betrachter angesprochen wird, diesen Imperativ zu befolgen. Die Rolle der Druckgrafik im Jesuitenorden

Besondere Bedeutung kommt in der Frühen Neuzeit der druckgrafischen Produktion des Jesuitenordens zu, der im Rahmen vorliegender Publikation ein eigener Abschnitt gewidmet sei. Besonders die Titelseiten von Büchern besitzen eine ganz eigene Funktion,137 da sie darauf ausgerichtet sind, den Inhalt der folgenden Text- und Bildseiten entsprechend einzuleiten bzw. vorwegzunehmen. Es geht hier um einen zentralen Aspekt der »Multifunktionalität des komplexen Titelkupfers«138, indem grafisch gestaltete Titelseiten gleichsam ein »sample of the knowledge that the reader will be presented within the body of the work« zu präsentieren vermögen. Die Aufgabe solcher Illustrationen besteht demnach darin, möglichst schlüssige Verbindungen zu den Inhalten der Publikation zu liefern.139 Ein instruktives Beispiel ist in dieser Hinsicht eine monumentale Biblia sacra, eine Polyglottbibel (Antwerpen 1569–1573), gedruckt in der berühmten Offizin von Christopher Plantin. Das Frontispiz zu Band II zeigt die Überquerung des Jordanflusses durch Josua (Abb. IX.33) als »a metaphor for the act of initiation which the reader is invited in his turn to accomplish.«140 Gerade Jesuitenautoren scheinen diese visuell unterlegte »idea of movere«141 bevorzugt zu haben. Das Durchschreiten des Jordan und das Aufrichten der zwölf Steine ( Jos 3, 11–17; 4, 1–19) ist hier mit einem in eine Rollwerkskartusche eingepassten Bibelzitat (QVI PER ANGELOS DICTVS EST SERMO / FACTVS EST FIRMVS / Heb. 2. [Hebr 2, 2]) kombiniert. Auf dieser Basis kommt es zu einer Betonung des Begriffs sermo, der ein zentraler Gegenstand evangelischer Verkündigung überhaupt ist. Von Bedeutung ist hier nicht nur die Typologie zwischen Josua und Christus, sondern auch die Überschreitung des Jordan als Präfiguration der Taufe.142 Das Zitat nach Hebr 2, 2 überhöht das wiedergegebene Durchschreiten des Jordanflusses mit einem neutestamentlichen Zitat, das auf die Einhaltung des mosaischen Gesetzes zielt, festigt also die Beziehung zwischen dem bildlich dargestellten Typus (Alter Bund) und dem text­lichen Antitypus (Neuer Bund). Darin kommt ein quasi-performativer Prozess zum Ausdruck, mit dessen Hilfe der Leser gleichsam an der Hand genommen wird, um eine »spiritual pilgrimage«143 anzutreten – »so that he can travel in and through the image«144. Die Relevanz der Überzeugungskraft von Bildern unterschiedlichster Art in der Frühen Neuzeit führte besonders im jesuitischen Bereich zu deren Aufladung mit vielfältigen Bedeu-

Die Rolle der Druckgrafik im Jesuitenorden

Abb. IX.33: Biblia sacra (Polyglottbibel), Frontispiz zu Band II (Überquerung des Jordanflusses durch Josua), gedruckt bei Christopher Plantin in Antwerpen, 1569–1573 (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek)

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Abb. IX.34: Imago Primi Saeculi, S. 318 (Verherrlichung der über die gesamte Erde verbreiteten »Gesellschaft Jesu«), 1640 (© Archiv des Autors)

tungsschichten. Ein instruktives Beispiel, wie hier affirmative Bild-Konstruktionen mit typologischer Ausrichtung entstehen konnten, ist die Jubiläumsschrift der Gesellschaft Jesu, die unter dem Titel Imago Primi Saeculi (Antwerpen 1640) hundert Jahre nach der Gründung des Ordens erschien: Gleichsam programmatisch wird in einem Stich dieser reich illustrierten Publikation (Abb. IX.34)145 »die über die gesamte Erde verbreitete Gesellschaft Jesu« (Societas IESV toto orbe diffusa implet prophetiam / Malachiæ.) als Erfüllung der Prophezeiung von Mal 1, 11 gefeiert (Ab ortu solis vsque ad occasum magnum est nomen / meum in Gentibus: & in omni loco sacrificatur / & offertur nomini meo oblatio munda.).146 Der für die Jesuiten leitende Begriff »weltumspannend« wird hier damit anschaulich charakterisiert, dass Vorder- und Rückseite der Erdkugel nebeneinander abgebildet sind (wie etwa auch in geografischen Werken) – eingefasst in die von einem Engelkopf bekrönte Kunstfigur einer Kartusche. Die Schriftstelle Mal 1, 11 ist hier nicht ohne Grund aufgegriffen, da es darin in besonderer Weise zweimal um den »Namen« Gottes geht, somit ein charakteristisches jesuitisches Frömmigkeitsmerkmal mittels

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

eines Schriftzitats zum Ausdruck gebracht wird. In visueller Hinsicht erscheint es interessant zu beobachten, dass die Darstellung mit dem Schema eines Emblems arbeitet: Zwischen das Motto, gleichsam den Antitypus, der die Erfüllung der Prophezeiung des Malachias durch die Jesuiten betont (Societas IESV toto orbe diffusa implet prophetiam Malachiæ.), und die Passage mit Mal 1, 11 (Typus) ist die Darstellung des Globus (pictura) eingeschoben, an die sich unten eine ausführliche subscriptio anschließt. Argumentativ bleibt der Schöpfer dieses Emblems jedoch nicht bei einer biblisch legitimierten Darstellung des weltumspannenden Anspruchs, der mit toto orbe in der Frühen Neuzeit im Rahmen der Propaganda verschiedener Ordensgemeinschaften fast topisch wiederkehrt, sondern es wird darüber hinaus in prononcierter Weise ein geografisch-topografischer Diskurs in die Grafik eingeschrieben, da sich die Darstellung der Weltkugel durch hohe topografische Kenntnis und Detailtreue auszeichnet. Mit der biblischen Argumentation und der Ordenspropaganda verbindet sich somit auch die anschauliche Konstituierung eines »jesuitischen Wissensreiches«147. Standardisierte Schemata – die Verkündigung an Maria von Cornelis Cort (1571)

Der Wirkungsradius jesuitischer Grafikproduktion manifestiert sich nicht zuletzt in der Ausprägung bestimmter und eingängig formulierter typologischer Konstruktionen: Eine besondere Rolle spielt hier ein Kupferstich des Jahres 1571 von Cornelis Cort, 148 der in einer kleinformatigen Version von Raphael Sadeler (1580)149 (Abb. IX.35) nachgestochen wurde. Die Besonderheit dieses Blattes besteht darin, die von der Geisttaube und Gottvater mit Engelsglorie übergipfelte Verkündigung an Maria von zahlreichen Propheten flankiert darzustellen, deren Charakteristikum in einer auffälligen Hervorhebung der ihnen zugeordneten Inschriften in Form von Schrifttafeln besteht.150 Die Grafik des Jahres 1571 geht auf ein verlorenes Lünettenfresko (1566) Federico Zuccaros zurück, das vom jesuitischen Collegio Romano in Auftrag gegeben und für die 1626 abgebrochene Jesuitenkirche Santa Maria Annunziata in Rom gemalt worden war. Das Fresko und die davon abgeleitete Grafik besitzen einen inhalt­lichen Schwerpunkt in der Darstellung der Trinität, die von unten nach oben durch die Licht­erscheinung bei der Verkündigung, die zentrale Geisttaube und den bekrönenden Gottvater deutlich akzentuiert wird. Den heilsgeschichtlichen Kontext verdeutlichen Adam (links) und Eva (rechts) in den Zwickeln oben. Mit Eva wird zugleich der alttestamentliche Typus für Maria ins Spiel gebracht, auf die zahlreiche Mariensymbole an den Flanken (zumeist dem Hohelied entnommen)151 anspielen. Die entsprechenden Vorausdeutungen auf Christus werden von den Propheten auf großen Tafeln gehalten. Fallweise ist die typologische Aussage durch Verweisgesten unterstrichen. Bei den Zitaten geht es aber nicht nur um die – im Folgenden konkret auszuführenden – inhaltlichen Bezüge und Verweise auf Christus, sondern bereits die Fülle der im unteren Bereich versammelten Schriftstellen – als »theologisch-lehrhafte Komposition«152 – erzeugt einen verdichteten Sinnzusammenhang, der unter dem Gesichtspunkt der zentralen Verkündigung wohl als unikal bezeichnet werden kann: Diese erscheint durch die große Anzahl von Propheten an beiden Seiten fast wie zusam-

Standardisierte Schemata – die Verkündigung an Maria von Cornelis Cort (1571)

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Abb. IX.35: Verkündigung an Maria, Raphael Sadeler nach Cornelis Cort, 1580 (© Wien, Albertina)

mengedrängt: Die Vorausdeutung und nicht die eigentliche Erfüllung wird in diesem Sinn als entscheidendes Faktum vermittelt. Dazu kommt, dass die Darstellung insgesamt in zwei horizontale Ebenen zerfällt, und zwar einerseits in eine obere Zone, die von der Geisttaube und Gottvater beherrscht wird, und andererseits in die Ebene der Verkündigung und der sie flankierenden Propheten im unteren Bereich. Die Sprüche der Propheten lauten im Einzelnen auf der linken Seite (v. l. n. r.): PROPHETAM DE GENTE TUA ET DE FRATRIBUS TUIS SICUT ME SUSCITABIT TIBI DOMINUS DEUS TUUS. (Dt 18, 15) bei Moses, ECCE VIRGO CONCIPIET ET PARIET FILIUM. bei Jesaias ( Jes 7, 14) und DE FRUCTU VENTRIS TUI PONAM SUPER SEDEM TUAM. (Ps 131 [132], 11) bei David. Auf der rechten Seite verweist der Passus VENIAT DILECTUS MEUS IN HORTUM SUUM. (Hld 5, 1) auf Salomon, das Zitat CREAVIT DOMINUS NOVUM SUPER TERRAM FOEMINA CIRCUMDABIT VIRUM. auf Jeremias ( Jer 31, 22) sowie ADHUC MODICUM […] ET VENIET DESIDERATUS CUNCTIS GENTIBUS. auf Aggäus 2, 7f. – es ist dies eine nur in der Vulgata überlieferte Stelle. Der Moses beigeordnete Spruch bezieht sich auf die Rolle des Propheten schlechthin, den Gott erstehen lassen wird, Jesaias verweist mit der berühmten, auf Maria bezogenen Prophezeiung auf die Geburt Christi, wie auch die Prophezeiung aus den Psalmen, die Christus als den Spross aus dem Geschlecht Davids weissagt. Von der linken Seite her verdichten sich also die Christusbezüge je näher man zur eigentlichen Szene der Verkündi-

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

gung kommt. Auf der rechten Flanke verweist der bekannte Passus aus dem Hohelied auf die Brautmystik zwischen Christus und Maria. Die Stelle bei Jeremias wird üblicherweise auf Christus und Maria gedeutet, während die eher selten zitierte Stelle bei Aggäus auf die von allen Geschlechtern ersehnte Ankunft Christi interpretiert wird. Wir haben es somit bei der Auswahl der Bibelstellen mit einer Verdichtung hinsichtlich der Prophezeiungen der Ankunft bzw. Inkarnation Christi zu tun – bildmedial transportiert in einem Schema, das ostentativ auf die Präsentation der weissagenden Rolle der Propheten ausgerichtet ist, die sich zum größten Teil nicht zur zentralen Szene der Verkündigung an Maria hinwenden, sondern direkt zum Betrachter blicken und diesem ihre Tafeln präsentieren. Eine ganz andere Form der Annäherung an das Thema der Verkündigung an Maria zeigt sich in den Illustrationen eines Missale Romanum, das in der Offizin von Plantin im Jahr 1573 in Antwerpen erschien: Hier sind die entsprechenden Typen in kleinen Bildern sowie in Texthinweisen an den Flanken präsent.153 In einer Ölskizze von Peter Paul Rubens154 wird Corts Schema der auf die Verkündigung an Maria bezogenen Prophezeiungen aufgenommen und in Bezug auf die künstlerische Gestaltung dynamisiert. Im Jahre 1679 malte Michael Willmann die Kaplicy Loretańskiej in Krzeszów aus, die ebenfalls eine dicht gedrängt wiedergegebene Anzahl von Propheten (mit Prophezeiungen) zeigt, die sich auf Maria beziehen.155 Dieses Schema mit den auf die Verkündigung bezogenen Prophetensprüchen tritt auch in einer Großgrafik von Johann Daniel Herz auf, die durch ein Gleichstück des Jahres 1741 in der Sammlung der Wiener Salesianerinnen in funktionaler Hinsicht als Thesenblatt angesprochen werden kann. Bereits früher – in zwei Stichen von Hieronymus Wierix (vor 1586), die einmal auf die Kreuzigung und Auferstehung Christi, das andere Mal auf die Rettung der Menschheit bezogen sind,156 – ist dieses Schema der Kombination von biblischer Szene und der Präsenz zahlreicher, typologisch zu deutender Schriftworte nachweisbar. Der Typus der Kreuzigung Christi mit begleitenden Propheten (mit Schrifttafeln) nach Wierix findet sich in gleichartiger Weise im Relief eines Epitaphaltars des Bischofs Martin von Schaumburg (Eichstätt, um 1579).157 Das mittlere Fresko im Langhausgewölbe der Tiroler Stiftskirche von St. Georgenberg-Fiecht, 1751 von Matthäus Günther angefertigt, kann als Endpunkt der hier skizzierten Traditionsreihe verstanden werden und verknüpft die Anbetung der Hirten mit Propheten und diesen zugeordneten steinernen Schrifttafeln, auf denen die Prophezeiungen zu lesen sind, die sich auf die Geburt Jesu beziehen.158 Dies unterstreicht, dass hier ein wirkmächtiges Schema vorliegt, das – wohl ausgehend von Corts Grafik – über einen sehr langen Zeitraum Verwendung fand. Künstlerisch konnte das Verhältnis zwischen zentraler Darstellung und der Wiedergabe der auf Tafeln befindlichen Prophetensprüche durchaus variabel sein: Ein Stich um 1630 von Carel van Mallery (nach Marten de Vos) zeigt einen Sünder (auf einem Hügel), dem der rechte Weg gewiesen wird. In vier hochovalen Eckmedaillons befinden sich Propheten mit ihren auf Tafeln platzierten Sprüchen, welche die Hoffnung auf Gott präfigurieren.159 Die Vorausdeutungen fungieren hier aber nicht als Teil der Darstellung selbst (wie etwa bei Cort), ebenso wie sie bereits in Luca Signorellis Gemälde (um 1489/1490) einer

Das Titelkupfer zu Johannes Paulus Olivas Predigtsammlung (1725)

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Madonna mit zwei Propheten160 in Form von Grisaillemedaillons oberhalb des zentralen Tondo wiedergegeben sind.161 Bei Cort werden die Inschriften des jeweiligen Propheten auf den christologischen Sachverhalt bezogen. Nicht immer korrespondiert aber das jeweilige Zitat mit jener Person, welche die Inschrift trägt: So weist Moses in der Kuppel der römischen Kirche Madonna dei Monti die Inschrift ET IPSA / CONT-/ERET / CAPV / T / TVVM (Gen 3, 15),162 obwohl diese Passage inhaltlich mit Moses selbst nichts zu tun hat und vor allem auf die Kombination des ersten Buches des Pentateuchs mit Moses zurückgeht. Das Titelkupfer zu Johannes Paulus Olivas Predigtsammlung (1725) als exemplarische Wort-Bild-Beziehung

Die wohl intensivste Ausprägung jesuitisch angeleiteter Typologie findet sich in den barocken Titelkupfern, die zahlreichen Traktaten vorgebunden sind. Im Folgenden sei ein bestimmter Stich herausgegriffen, um die spezifisch jesuitische Art der Gestaltung von Titelkupfern näher zu charakterisieren. Ein in dieser Hinsicht höchst instruktives Beispiel für die Medialität der Typologie in der Druckgrafik ist das Titelkupfer zu den Discursus praedicabiles in Evangelia (Abb. IX.36) des 1681 verstorbenen Jesuitengenerals Johannes Paulus Oliva, die im Jahr 1725 in Nürnberg und Prag bei Paulus Lochner erschienen sind.163 Das Werk, das die Auslegungen nach den einzelnen Evangelien und nicht in heortologischer Weise gliedert, referiert zwar im entsprechenden Abschnitt den Text zum »Barmherzigen Samariter« (Lk 10, 25–36),164 es wird aber (mit Ausnahme des Schlusses der Vorrede) keine wie immer geartete Bezugnahme auf die Öl-Symbolik gegeben, die – wie zu zeigen sein wird – ein tragender Bestandteil der Konzeption des Kupferstiches von Johann Conrad Reiff (Abb. IX.37) ist, der als Titelkupfer das Werk Olivas ziert: Als entsprechendes Motto der biblischen Erzählung des »Barmherzigen Samariters« wird unten Alligavit vulnera ejus infundens oleum. Luc: 10.v.34 zitiert: Es handelt sich dabei um die Illustration zum ersten der sechs Bände des Predigtwerkes, das auf die Autorschaft Olivas zurückgeht, wie auch ein Engel links unten auf Abb. IX.36: Johannes Paulus Oliva, Discursus einer Tafel sichtbar anzeigt: Strom:[ata] et praedicabiles in Evangelia […], Haupttitel zum 1. / Comment[aria] / Joan. Pauli / Oliva / Band, 1725 (© Klosterneuburg, Stiftsbibliothek)

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Abb. IX.37: Johannes Paulus Oliva, Discursus praedicabiles in Evangelia […], Johann Conrad Reiff, Titelkupfer zum 1. Band, 1725 (© Klosterneuburg, Stiftsbibliothek)

Tomi 6. Der begleitende Engel verweist mit dem brennenden Herz auf die Tugend der Caritas, die der Erzählung des »Barmherzigen Samariters« letztlich inhaltlich zugrunde liegt. Im Mittelgrund gießt der Samariter Öl auf die Wunden des Überfallenen und erfüllt solcherart anschaulich das Gebot der Nächstenliebe. Der Hinweis auf die sechs Bände ist nicht nur

Das Titelkupfer zu Johannes Paulus Olivas Predigtsammlung (1725)

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Gegenstand der erwähnten Schrifttafel, sondern auch der sechs gekennzeichneten und in den Mittelgrund führenden Ölbäume, die mit ihren Früchten den notwendigen Stoff des Heils liefern. Im übertragenden Sinn bedeutet dies, dass das heilbringende Öl zur Rettung des Menschen im schriftstellerischen Werk Olivas begründet liegt. Dessen exegetische Leistungen bilden die geeignete Basis und das notwendige Material für die barmherzigen Handlungen des Samariters. Zwischen dem biblischen Geschehen und dem Werk Olivas besteht demnach ein unmittelbarer Bezug, welcher der Intention unterliegt, dass der biblische Imperativ seine notwendige Gegenwärtigsetzung im vorliegenden Druckwerk erhält. Der Autor, der Jesuitengeneral Oliva, kann sich an diesem Werk insofern direkt beteiligt sehen, als es sein Name (!) ist, der auf die rettende Substanz hinweist, wenn diese im biblischen Zitat nach Lk 10, 34 im Akkusativ zitiert wird. Olivas Predigtsammlung liefert also den entscheidenden Nährstoff zur geistlichen Heilung des Volkes, und Oliva wird damit gleichsam zu einem Leitbegriff der Auslegung des Stiches überhaupt. Dazu wird im Mittelgrund eine typologische Perspektive eröffnet, die darin besteht, dass drei Engelputti damit beschäftigt sind, an einer Ölpresse zu hantieren und somit die heilende Flüssigkeit herstellen, kommentiert mit Oleum de olivis purissimum. Lev 24. Die entsprechende Stelle (Lev 24, 2) bezieht sich auf den Befehl Jahwes, »reines Öl aus zerstoßenen Oliven« für den Leuchter zu bringen, »damit man ständig eine Lampe brennen lassen kann.« Der praxisnahe Auftrag zur Nächstenliebe wird hier durch eine kultische Bestimmung aus dem Alten Bund ergänzt, wobei das tertium comparationis wieder in den Leitbegriffen oliva bzw. oleum zu suchen ist. Es wurde hier mit Bedacht eine Bibelstelle des Alten Bundes ausgewählt, die einerseits dem Gedanken der Herstellung des zu verabreichenden Stoffes Rechnung trägt, andererseits aber mit dem Superlativ purissimum eine entsprechende qualitative Steigerung des heilenden Nährmittels präsentiert. Während der kultische Aspekt des Alten Bundes (Buch Levitikus) von der Praxis der effektiven und lebensnahen Realisierung (Barmherziger Samariter) überhöht erscheint, wird im Hintergrund mit der Arche Noah165 und der Taube, die mit einem frischen Ölzweig (damit anhand eines biblischen Exempels wiederum das Leitthema oleum aufnehmend) im Schnabel zur Arche zurückkehrt (Gen 8, 11),166 die Rettung der Menschheit im Sinne des von Gott mit den Menschen geschlossenen Bundes (Gen 9, 11) angesprochen.167 Bereits Cyrill von Jerusalem (313–386) hatte in der Taube mit dem Ölzweig den »Gedanken von der Neuschöpfung der Welt durch Christus, den wahren Noah«168, auf den in der Taufe der Heilige Geist herabkam, realisiert gesehen. Auch in der frühchristlichen Kunst wurde die Taube mit dem Ölzweig als knapp formuliertes Bildsymbol, das Erlösung verheißt, wiedergegeben.169 Insgesamt gesehen sind also im Kontext des Titelkupfers vier Heilszeiten nachweisbar, die wechselweise interagieren und letztlich in einem typologischen Verhältnis zueinander stehen – erstens die Ebene, die durch das Werk Olivas und den Gegenwartsbezug geistlicher Unterweisung repräsentiert wird, zweitens der neutestamentliche Antitypus des Barmherzigen Samariters, drittens die kultische Ebene des Alten Testaments, die durch die Bestimmungen des Buches Levitikus aktualisiert wird, sowie viertens (im Hintergrund) der Hinweis

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auf die Sintflut und die Rettung der Menschheit durch den von Jahwe mit den Menschen geschlossenen Bund. Das entsprechende Verbindungselement dieser Ebenen ist durchwegs der Begriff oleum, der in Olivas Wirken seine konkrete (literarische) Aktualisierung erfährt. Zugleich kommt dem Öl eine eminente sakramentale Bedeutung im Christentum zu: Hatte der Taufkandidat seine Kleider abgelegt, so wurde er dem altchristlichen Ritus zufolge mit Öl gesalbt. Cyrill von Jerusalem sah darin die Erlangung des notwendigen Anteils am »wahren Ölbaum, Jesus Christus«. Die Salbung mit dem heiligem Öl versinnbildlicht dergestalt die Teilnahme an Christi Lebensfülle, und dem Öl kommt die Rolle zu, die Spuren der Sünde in der Seele zu tilgen.170 Maximus Confessor (um 580–662) verglich die Heilige Schrift mit jener heiligen Olive, die in die Ölpresse müsse, um das »heilige Öl des Geistes«171 hervorzubringen. In der Frühen Neuzeit erhielt der Olivenzweig besonders mit der Pamphili-Taube und der Papstwahl Innocenz’ X. (1574–1655)172 eine neue metaphorische Bedeutung, da die Taube (mit dem Ölzweig im Schnabel) zur Verwendung des Themas der Sintflut Anlass gegeben hatte. In Giovanni Domenico Roccamoras Traktat Cifre della Eucharistia (1668–1684) ist das Öl des Zweiges, der in der Gestalt Christi aus dem Leib Mariens erwächst, nichts anderes als das Blut des Erlösers.173 Jesuitische Hagiografie

Die unmittelbare und umfassende Einbeziehung des Betrachters im Sinne einer visuell angeleiteten geistlichen Unterweisung ist somit ein grundlegendes Charakteristikum jesuitischer Titelkupfer. Diese didaktische Facette konnte medial und thematisch vielfach variiert werden. Die entsprechenden Möglichkeiten reichen von der Anwendung »binnentypologischer« Verfahren bis zur intensiven Einbeziehung der Hagiografie. Ein Kupferstich von Hieronymus Wierix (vor 1619), der die La Storta-Vision des hl. Ignatius von Loyola mit dem Bibelwort der Kreuznachfolge (Lk 9, 23) anschaulich verknüpft,174 spannt demgemäß eine neue Beziehung zwischen dem Christuswort und der vita des Jesuitenheiligen: Den prägenden Typus formuliert in diesem Fall Christus selbst mit seinem Aufruf zur Kreuzesnachfolge – also mithilfe eines Schriftworts –, den Antitypus bzw. die Postfiguration hingegen der hl. Ignatius in seiner Begegnung mit dem Kreuz tragenden Christus in La Storta.175 Christus selbst verkörpert gleichsam seine »eigene« imitatio, wenn er – basierend auf dem von ihm selbst ausgesprochenen Schriftwort des Aufrufs zum Tragen des Kreuzes – einen anschaulichen Bildtypus der Nachfolge ausbildet, der nun nicht Teil eines biblischen Kontextes, sondern eines hagiografischen Zusammenhangs (La Storta) ist, damit die imitatio sichtbar durch die Zeiten verlängernd und für den jesuitischen Kontext aktualisierend. Grundsätzlich prägend ist in dieser Hinsicht das Jesuswort, das qua Inschrift eigentlich den Typus formuliert, auf den das Bild, an dem sowohl Christus als auch Ignatius teilhaben, antwortet. Dies zeigt, dass die Anwendung der Typologie in Druckgrafiken – wie beim Titelkupfer zu Olivas Werk – vor allem in einer Wort-Bild-Beziehung, also unter emblematischen Vorzeichen, zu verorten ist. Die konkrete Ausformulierung der Typologie basiert hier wie in vie-

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len anderen Fällen nicht auf einer binären Kombination von Typus und Antitypus, sondern auf dem Schriftwort, das in diesem Fall den Charakter eines Mottos ausbildet. Mit diesem Schriftwort in grafischen Illustrationen ist zugleich die Heilige Schrift als entscheidende Referenzquelle gegenwärtig. Die Integration des Wortes erlaubt – wie zu zeigen war – eine ganz andere Form von Typologie, die aber um nichts weniger anschaulich ist als die künstlerischen Realisierungen in der Gattung der Deckenmalerei. Jesuitische Publikationen können unter den gezeigten Aspekten in der Ausdifferenzierung und Visualisierung hagiografisch-typologischer Argumentationen generell als führend im Rahmen der Produktion der Frühen Neuzeit bezeichnet werden. Beispielhaft seien hier Ignatius Quercks SJ Acta S. Ignatii de Lojola Societatis Jesu Fundatoris, Iconibus, Symbolis ac Versibus exornata […] (Wien 1698)176 ausführlicher analysiert: Es ist dies eine Thesenschrift der Universität Wien, in der in 100 (eigentlich 101) Nummern die Lebens- und Wirkungsgeschichte des hl. Ignatius von Loyola ausgebreitet wird – und dies in ausführlicher Weise von seiner Geburt bis zur Kanonisierung. Der Aufbau der inhaltlich zusammengehörenden Doppelseiten ist dabei immer der gleiche: Dem Abschnitt aus der Lebensgeschichte auf der rechten Seite mit Kurzangabe der entsprechenden Szene aus der vita des Heiligen, dem dazugehörenden Bild und einer Beschreibung bzw. Allegorisierung dieses Lebensabschnitts entspricht auf der linken Seite ein Typus aus der Mythologie (mit Motto, pictura und subscriptio), der von einer kurzen und kursiv gesetzten Charakterisierung der jeweiligen Szene eingeleitet wird. Beide Seiten sind somit durchgehend emblemartig aufgebaut, da sie aus Motto, pictura und subscriptio bestehen. Im konkreten Fall der Geburt des Heiligen (Nativitas S. Jgnatii) als Nr. 1 dieser Publikation (Abb. IX.38) wird die Beziehung der Geburt des hl. Ignatius zur Geburt Christi angesprochen, die darin besteht, dass die Mutter des Heiligen den Knaben in einem Stall zur Welt brachte, da sie ihren Sohn wie die Muttergottes gebären wollte (!):177 Dies wird durch den Passus Ignatius Anno Christi 1491. Loyolae in Guipuscoa Hispaniae Provincia, nascitur in stabulo, ad quod se mater paritura, pro sua in natalem Christi pietate deferri voluit. auf der Versoseite zum Ausdruck gebracht. Das darunter befindliche Motto Latent meliora. Ovid. l. 1. Metamor. ist aus Ovids Metamorphosen178 genommen, bezieht sich dort auf die Verfolgung Daphnes durch Apoll und lautet in der vollständigen Form si qua latent, meliora putat (»Was sich verbirgt, dünkt schöner ihm noch.«). Gemeint ist hier, dass sich die schöneren und besseren Dinge verbergen würden, was durch die beigefügte Darstellung unterstrichen wird, die rechts eine geöffnete Muschel zeigt, welche die Perle als ihren Inhalt offenlegt, sowie links einen Mann, der scheinbar im Begriff ist, entsprechende Schätze (der subscriptio zufolge Gold) freizulegen, die noch »verborgen« sind, aber (letztlich auch durch den Leser) gehoben werden. Der hier zur Anwendung kommende Topos des Öffnens von Verborgenem bezieht sich offenbar auf die »niedrige« und unscheinbare Geburt des Heiligen, die, wie erwähnt, auf die Verehrung der Geburt Christi durch Ignatius’ Mutter zurückgeht. Auch im Text der Rectoseite wird die mythologische Typologie strapaziert, die darin besteht, dass Ignatius als »zweiter« Herkules Verherrlichung findet, weil er »als im Stall geborenes Feuer« (Dum Ignis exoritur in stabulo) und als »besserer Herkules« bezeichnet wird (Vel meliorem Herculem dicite IGNA-

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Abb. IX.38: Ignatius Querck, Acta S. Ignatii de Lojola Societatis Jesu Fundatoris, Iconibus, Symbolis ac Versibus exornata […], Nr. 1 (Geburt des hl. Ignatius von Loyola), 1698 (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek)

TIUM), wobei der Begriff des Stalles zugleich als Ausgangspunkt dient, um Ignatius als herkulesgleichen Reiniger des Augiasstalles, in christlicher Adaption als Reiniger der Seele von Sünden, vorzustellen (Qui deteriorem Augiae stabulo mundi ordinem / A peccatorum sordibus purgabit.). Recto- und Versoseite sind somit nicht nur grundsätzlich thematisch verklammert, indem der Heiligenvita rechts ein mythologischer Typus links entspricht, sondern bereits in der Diktion mancher Formulierungen der Versoseite finden sich entsprechende Hinweise, vor allem der Begriff meliora aus dem Motto, der auf der Rectoseite im Passus Vel meliorem Herculem dicite IGNATIUM wiederkehrt. Zum anderen machen die mythologischen Anspielungen aus beiden Textseiten ein feinmaschiges Geflecht differenzierter Sinnrelationen. Diese Bezüge werden in der subscriptio der Versoseite nochmals verdichtet: Hier wird in der ersten Zeile die Rolle des geborenen Kindes als eines Urhebers einer »besseren Welt« (mundi melioris origo) angesprochen (damit die Steigerungsform von bonus aufgenommen) und in der Folge für Ignatius – dem Sonnengott Apoll vergleichbar – eine strahlende Geburt aus der Dunkelheit in Anspruch genommen (Gratior e tenebris sic Phaebus nascitur orbi) sowie der verborgene

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(und nun gehobene) »Schatz« Ignatius mit Edelsteinen und kostbaren Metallen verglichen, welche die Natur verborgen hält (Sic natura parens sub montibus occulit aurum). Der Heilige ist also demnach nichts anderes als eine kostbare Perle, die ihre Geburt verbirgt (Occulit & partum gemmea concha suum.). Die Konsequenz in der Anwendung der Strahlen- und Lichtmetaphorik,179 die hier in die differenzierte Argumentation eingebracht wird, besteht letztlich in einer Gleichsetzung des (»neuen« Apoll) Ignatius mit dem antiken Sonnengott (Phaebus in orbe novus), der auch durch seine ärmliche Geburt auf der kargen Insel Delos als mit Ignatius vergleichbar angesehen wird. Diese Intensivierung des Bezugs zwischen Christus bzw. einem Heiligen einerseits und Apoll andererseits ist insbesondere in der frühneuzeitlichen Dichtung kein Einzelfall, wird doch Johann Christian Günthers (1695–1723) Gedicht Der Unterschied unter des Phoebus Rohr und Davids Harfe von einer dreistufigen, die Antike über das Alte Testament zu Christus steigernden Typologie geprägt.180 Zudem sind »Dreiecks-Konstellationen« in der Art, dass Typen aus dem antiken Mythos und dem Alten Testament gemeinsam auf das heilsgeschichtliche Ziel, den Antitypus Christus, führen, in der Dichtung belegt.181 Nicht ohne Grund besitzt aber die Typologie, die einen mythischen Typus mit einem neutestamentlichen Antitypus verbindet, gerade in der Dichtung eine weit größere Konjunktur als in den Bildkünsten. Zudem fehlt etwa den Herkulestaten eine eindeutig heilsgeschichtliche Perspektive, auch wenn bereits der Zisterzienser Thomas (um 1180) in seinem Hoheliedkommentar einer Verbindung zwischen Herkules und Christus vorgearbeitet hatte.182 Die grafischen Illustrationen in Quercks Werk zum Leben des hl. Ignatius zeigen in in­ struktiver Weise, wie ein typologisches Netzwerk in Texten und Stichen der Frühen Neuzeit aufgebaut ist und funktioniert: Ziel ist nicht nur die grundsätzliche Typologie Ignatius-Apoll, sondern aufgrund der in den beigegebenen Textpassagen verwendeten Begriffe können jeweils immer neue Relationen geschaffen werden, welche die der Argumentation zugrundeliegende Typologie verfeinern, ausbauen zu und neuen inhaltlichen Strängen bündeln, die etwa darin bestehen, die Lichtmetaphorik besonders herauszuarbeiten, die sich in Bezug auf die Geburtsthematik des Heiligen auch dazu eignete, spezifisch christologische Facetten zu akzentuieren. Wie im Titelkupfer zu Olivas Werk sind auch hier mehrere inhaltliche Ebenen zugleich ständig präsent – die hagiografische, die christologische und die mythologische, wobei die erste und die zweite sowie die erste und die dritte Ebene in einem quasi-typologischen Verhältnis zueinander stehen. Das hagiografische Profil öffnet sich somit zu zwei Seiten, was angesichts einer emblematisch unterlegten Heiligenbiografie auf den ersten Blick überraschend anmutet. Es ist an dieser Stelle deutlich zu machen, dass die in Druckgrafiken vorkommenden Typologien stark vom Verwendungszusammenhang jener Publikationen abhängig sind, von denen sie einen Teil bilden. Vergleiche zwischen einzelnen Druckgrafiken sind daher nur bedingt sinnvoll. Zumeist sind die Werke inhaltlich so konzipiert, dass sich der spezifische Charakter der jeweiligen Typologie nur im Vergleich der einzelnen Stiche innerhalb eines Werkes entschlüsseln lässt. So gibt Quercks Ignatius-Vita mit der Geburt des Heiligen als Eingangsbild

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letztlich ein bestimmtes Schema vor, das die gesamte Publikation kennzeichnet und strukturiert. Anspruchsvolle Hagiografien sind auch für andere berühmte Heilige des Ordens nachgewiesen, etwa für Stanislaus Kostka, wofür etwa Paul Zetls Philosophia sacra sive Vita Divi Stanislai Kostka Soc. Jesu. iconismis et documentis, moralibus illustrta [sic]: ac ejusdem divi Praeviis Apotheoseos honoribus humillimè consecrata (Dillingen 1715) ein gutes Beispiel liefert. Es ist dies ein Werk, das ganzseitige Illustrationen zur Biografie des Heiligen mit erklärend-allegorisierenden Emblemen im oberen Teil verknüpft. Häufig zeigt sich bereits im Titel der entsprechenden Publikationen die Ausrichtung einer hagiografischen imitatio wie beispielsweise in Mathias Tanners SJ Societas Jesu, Apostolorum Imitatrix, seu gesta praeclara et virtutes eorum qui è societate Jesu in procuranda salute animarum […] per totum Orbem terrarum speciali zelo desudarunt (Prag 1694):183 In Text und Bild werden hier vorbildhafte Heilige präsentiert, die dem Wirken der Apostel nacheifern. Der Name des hl. Ignatius von Loyola selbst entspricht einer hagiografischen imitatio, da nicht ohne Grund gerade im frühen 17. Jahrhundert – während einer Blütezeit in der Verehrung des Heiligen – die Ikonografie des hl. Ignatius von Antiochien, eines frühchristlichen Heiligen, eine ungewöhnliche Konjunktur erlebte: In einem Stich von Hieronymus Wierix (vor 1619)184 wird das Martyrium dieses Heiligen gezeigt, wie ihn Löwen zerfleischen. Der Heilige bietet sich – der Inschrift zufolge – als eucharistisches Opfer an, da er in seinem Martyrium »gemahlen« wird (Frumentum Christi sum, […]); zugleich wird gezeigt, wie die Pranken der Löwen eine Wunde in den Körper des hl. Ignatius schlagen, die den Blick auf das mit dem IHS (!) dekorierte Herz freigibt. Die Rolle der Typologie in den Traktaten von Johannes David SJ

Einen Gipfelpunkt typologischer Argumentation in den frühneuzeitlichen Werken des Jesui­ tenordens markiert das Œuvre Johannes Davids (1543–1613). Dieser trat im Jahr 1581 in den Orden der Societas Jesu ein. Hervorzuheben ist besonders sein Veredicus christianus (1601):185 In diesem Werk kommen emblemartige Stiche mit Motto, pictura (in der Mitte) und subscriptio (unten) vor, und es ist eine kaum kategorisierbare »Vielfalt emblematischer Text-Bild-Beziehungen«186 feststellbar. Die Widmungsvorrede betont die Vermittlung von Inhalten durch die Anschauung. Von den umfangreichen Texten her gesehen, wiederholt das Bild die einzelnen Stationen der Argumentation, es hat eine gleichsam »memoriale Funktion« 187. Ohne die begleitende und erklärende Prosa besitzen die Bilder aber zunächst rätselhaften und fast emblematischen Charakter.188 Der Autor legte mit dem Werk Paradisus sponsi et sponsae in quo messis myrrhae et aromatum, ex instrumentis ac mysteriis Passionis Christi colligenda […] (Antwerpen 1617 [ebd. 1 1607 (ohne Stichillustrationen)])189, das im Jahr 1607 erstmals bei Jan Moretus in Antwerpen erschien, eine Sammlung von insgesamt 100 Sinnbildern vor, die im ersten Teil die Passion Christi zum Gegenstand der Betrachtung hat, während sich der zweite Teil (Pancarpium Marianum) ausschließlich mit Maria (zum Teil Elogien aus der Lauretanischen Litanei)

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beschäftigt. Das Werk wurde in mehrere Sprachen übersetzt: Der lateinschen Ausgabe von 1607 folgte bereits ein Jahr später die polnische Übersetzung Piecdziesiat punktow, die bei Mikolaj Lob zu Krakau herausgegeben wurde. Im Jahr 1617 erschien bei Christoff Mang in Augsburg die deutsche Ausgabe Paradeys des Bräutigams und der Braut […]. In das 19. Jahrhundert (Paris 1854) fällt schließlich die nicht illustrierte französische Ausgabe Paul Sausserets mit dem Titel Le jardin mystique [...] Pancarpe de Marie. In den ersten 50 Emblemen, bei denen es sich um biblische Illustrationen handelt, überwiegen die typologischen Relationen innerhalb der pictura, da Altes und Neues Testament aufeinander bezogen werden. Der marianische Teil dieses Werkes enthält ebenfalls Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, die jedoch durch Einfügung emblematischer Sachverhalte um Abb. IX.39: Johannes David, Paradisus Sponsi et allegorische Beziehungen ergänzt werden. Sponsae […], Nr. 27 (CRVCIS APTATIO), 1617 Der Aufbau der Stiche gliedert sich wie (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek) folgt: An das lateinische Motto (oben) schließt sich eine pictura an, die ihrerseits unterschiedliche Szenen zusammenfasst und durch Großbuchstaben voneinander abhebt. Die subscriptio ist in der Ausgabe von 1607 dreisprachig: Dem lateinischen Zweizeiler folgt die niederländische und französische Übertragung. Eingebettet ist die Bildtafel in einen Prosakommentar, der mit einem Gebet (oratio) abschließt. Kommentiert sind allein die Szenen, die innerhalb des Prosakommentars durch eine Bibelstelle ausgewiesen werden; die übrigen (proto-)emblematischen Darstellungen werden ausgeblendet. Das Pancarpium Marianum als zweiter Abschnitt von Davids Paradisus Sponsi enthält vor allem »bildzentrierte Embleme«, die um die res significans kreisen. Häufig ist es diese res und eben nicht der dahinter stehende marianische Sachverhalt, der entsprechende Diskurse anregt.190 Inhaltlich wird in den 50 Kapiteln des Paradisus Sponsi die Passion Christi ausgebreitet – von Judas und den 30 Silberlingen bis zum Begräbnis Christi. Nicht nur die dazugehörenden Handlungen und Gegenstände (Leidenswerkzeuge) werden minutiös vorgestellt, sondern diese auch mit anderen Schriftstellen, in denen die betreffenden Objekte vorkommen, ver­ glichen und damit in eine inhaltliche Verbindung gebracht.

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Besonders anschaulich wird dies im Paradisus Sponsi in der »Zurichtung« des Kreuzes (CRVCIS APTATIO.) (Abb. IX.39).191 Das bildliche Geschehen ist aber nicht als Panorama biblischer Ikonografie zu verstehen, sondern wird konkret auf die bußfertige Einstellung der anima christiana, also des Lesers des Buches und Betrachters der Seite, bezogen. Dieser ist in der mehrsprachigen Inschriftenzeile auch direkt angesprochen: Quam Christo Iudæ paras, innoxia crux est: / Impie, quam fabricas, crux scelerata tua est. Damit wird eine in der Gesinnung des Menschen schlechthin wurzelnde Spannung zwischen der innoxia crux und der crux scelerata aufgemacht, die sich auf das »harmlose Kreuz« auf der einen und das »verruchte Kreuz« auf der anderen Seite bezieht – mit dem im Adverb impie wurzelnden Unterschied, da es – der Vorstellung Davids zufolge – die Gesinnung ist, die den Handlungen jeweils einen anderen Charakter beimisst. Im Vordergrund des Kupferstiches sind zwei Schergen damit beschäftigt das Kreuz Christi herzurichten, während in Mittel- und Hintergrund alttestamentliche Typen ausgebreitet werden, deren beigefügte Buchstaben – in typischer jesuitischer Meditationspraxis – jeweils auf einen entsprechenden Passus im Text verweisen, der auch die zugehörige Bibelstelle enthält. Somit wird hier eine Fülle an prominenten alttestamentlichen Szenen bzw. Typen des Kreuzes Christi von der »Ehernen Schlange« (C) über die »Witwe von Sarepta« (L), die Arche Noah (D) bis zur Jakobsleiter (F) und anderen präsentiert. Der Text – dieser Umstand ist hier nochmals deutlich zu betonen – referiert die Begebenheiten aber nicht als Typologie im klassischen Sinn, indem etwa eine Beziehung zur neutestamentlichen Erzählung hergestellt wird, sondern der eigentliche Adressat ist das bußfertige Gewissen des Lesers, dessen Frömmigkeitsbewusstein einer regelrechten aptatio unterzogen wird. Dieses fungiert als eigentliches tertium comparationis und schafft die Basis, die Vielzahl der bildlich gegenwärtigen Szenen »zusammenzusehen«. Pedro de Bivero SJ und die Eva-Maria-Typologie

Wie bereits erwähnt, ist besonders in druckgrafischen Werken des Jesuitenordens die Aufbereitung typologischer Sachverhalte aus der Perspektive eines frömmigkeitsgeschichtlichen Blickpunkts, bei dem der jeweilige Adressat als Leser und Betrachter im Fokus steht, gängige Praxis. Ein besonders interessantes Beispiel bietet in dieser Hinsicht das Sacrum Oratorium piarum imaginum Immaculatae Mariae (Antwerpen 1634) des Jesuitenpaters Pedro de Bivero (1572–1656),192 ein nahezu 800 Seiten (mit 57 Illustrationen) umfassendes Werk, das der Eva-Maria-Typologie193 gewidmet ist – konzeptuell aber von der »Betonung der Präexistenz Marias im Ratschluß Gottes«194 seinen Ausgang nimmt. Der Buchtitel spricht die Funktion der Publikation als »Betsaal frommer Bilder« sogar direkt an. Der Madrider Theologe de Bivero, der am Hof Albrechts und Isabellas von Burgund jesuitische Anliegen betrieb, orientierte sich an der Gattung des Emblembuches, ohne sich aber an dessen Disposition sklavisch zu halten. Die einleitenden Illustrationen nehmen jeweils von einer »mariologisch gedeuteten Genesisszene«195 ihren Ausgang, wobei jede imago mit zwei Beischriften kombiniert wird, die unterschiedliche Anredeformen zum Inhalt haben: Jene am oberen Blattrand des Stiches zum

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Sündenfall196 (Abb. IX.40) ist als Anrede Gottvaters an Maria zu verstehen (DEVS PATER MARIÆ:) und umschreibt das im Stich Dargestellte, während die am unteren Blattrand gedruckte Beischrift die Antwort Marias (MARIA DEO PATRI:) formuliert und je einen Satz aus dem Vaterunser zitiert. Dieser fiktive Dialog zwischen Gottvater und Maria ist somit der durchgehende Erzählstrang, den die Stiche in raffinierter Weise visuell ausdeuten. Der ausführliche Text, der auf jedes Bild folgt, gliedert sich in eine imago explicata, eine adoratio sowie eine attentio. Der Stich, der veranschaulicht, wie Eva von der Schlange den Apfel nimmt197 und Maria vom ewigen Vater das Brot des Lebens in Gestalt Christi erhält,198 verdeutlicht die Strategien, die Biveros Werk zugrunde liegen: Im entsprechenden Text199 wird Maria vor allem als die vor aller Schöpfung Geschaffene, als primogenita ante omnem creaturam Abb. IX.40: Pedro de Bivero, Sacrum Oratorium (Sir 24, 5), gepriesen – konkret als primopiarum imaginum Immaculatae Mariae, Sündengenita ante redemptam creaturam immacufall, 1634 (© Wien, Österreichische Nationalbiblata, also als Unbefleckte vor der geretteten liothek) Schöpfung. Die im Blatt zum Ausdruck kommende Typologie ist in ein Dialogschema eingebunden, das weit über die Eva-Maria-­ Typologie im Sinne einer Gegenüberstellung zweier Personen der Heilsgeschichte hinausgeht. Zwar stehen die Stammeltern und Maria (!) zu Seiten des Baumes, um den sich die Schlange der Sünde windet, deren Kopf in einer Teufelsfratze mündet, aber die typologische Konstruktion zielt darüber hinaus auch auf die Gegenüberstellung der beigebrachten Früchte, also von pomum und panis vitae, wenn es in der Anrede Gottes als Befehl heißt: Audi Filia, et vide ne pomum capias, sed panem vitæ. Es geht hier somit um das Ergreifen der »richtigen« Frucht im Sinne einer grundlegenden heilsgeschichtlichen Alternative, die zwischen pomum und panis aufgespannt und im mächtigen Weizenbündel als Attribut Marias zum Ausdruck gebracht wird. Sie verkörpert in dieser Hinsicht die entscheidende »Fruchtbarkeit«, da der göttliche Weizen Christi aus ihr entspross. Dieser panis ist aber nicht nur der neutestament­liche Antitypus, den sie empfangen hatte, sondern verkörpert in der Formulierung der Antwort Marias den Ansatzpunkt für das Gebet Christi, das »Vaterunser«, Panem nostrum quotidianum da nobis hodie., konkret die Bitte um das tägliche Brot. Christus, das Brot des Lebens, ist aber

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nicht nur in der entsprechenden Zeile des Vaterunsers und im Bündel mit den Weizenähren als Attribut Marias, sondern auch in der Kreisform der bildlichen Darstellung an sich gegenwärtig, da diese nicht nur auf die Weltkugel, sondern auch auf die Hostie, das eucharistisch gereichte Brot, anzuspielen scheint. Grundsätzlich sind bereits in der Anschauung von Ephraim dem Syrer (um 306–373) der aus Maria angenommene Leib Christi und die Eucharistie aufs engste miteinander verflochten:200 Aus diesem Grund besteht auch eine besondere inhaltliche Beziehung zwischen Maria und der Eucharistie, was auch darin Ausdruck findet, dass bei Ephraim erstmals in der christlichen Literatur die Mutter Jesu als »Geberin« der Eucharistie Bezeichnung findet – in Antithese zu Eva als derjenigen, die mitverschuldet habe, dass der Mensch sein tägliches Brot seit der Vertreibung aus dem Paradies nur noch unter Mühen essen könne. Maria ist bei Ephraim demgemäß die gesegnete Garbe, die den Leib Christi hervorzubringen imstande ist. Die Mutter Christi wird in dieser Interpretation zum Vorbild für die Kirche insgesamt; ihr Glaube ist das »Vorbild für den Glauben der Kirche«, und die geistige Gegenwart Christi in Maria wird mit dessen geistiger Präsenz in den Gläubigen, die kommunizieren, verglichen.201 Obwohl bei Biveros Illustrationen ein hoher Anschauungsgrad in der Vergegenwärtigung der Typologie erreicht ist, wird auch an diesem Beispiel deutlich, dass der Variationsreichtum typologischer Verknüpfungen im Rahmen der (frühchristlichen) Deutungen (besonders bei Ephraim dem Syrer)202 die Möglichkeiten visueller Vergegenwärtigung bei Weitem übersteigt. Dazu trägt wohl auch der Umstand bei, dass zu vielen Begrifflichkeiten, die im Rahmen der Eva-Maria-Typologie Anwendung fanden, keine entsprechenden visuellen Typenbildungen existieren. Ein instruktives Beispiel in dieser Hinsicht ist die Typologie Marias als einer neuen Eva am Grab Jesu: Der Kommentar zum sog. Diatesseron aus der Feder Ephraims erweitert etwa die Eva-Maria-Typologie zu einer neuartigen Relation, die Maria als neue Eva am Grab Jesu (!) sieht.203 Von der Struktur der Typologie her gesehen ist die Gegenüberstellung zwischen Eva und Maria (wie auch bei den Werken Johannes Davids) nur der prinzipielle Ausgangspunkt, um daraus die den beiden Personen zugeordneten »Früchte« der Sünde (Apfel) oder des Heils (Christus als der wahre panis vitæ) dem Menschen im Sinne einer grundsätzlichen Entscheidung in Bezug auf seinen Lebensweg anzubieten, zugleich aber die Typologie in jenem Satz des Vaterunsers kulminieren zu lassen, der eine explizit eucharistische Komponente besitzt. Wie bei Johannes Davids Paradisus sponsi et sponsae ist die Typologie hier nicht mehr enzyklopädisch, tabellarisch oder exegetisch ausgerichtet, sondern frömmigkeitszentriert auf den jeweiligen – zumeist durch entsprechende Texte direkt angesprochenen – Leser und Betrachter, der sowohl bei Bivero als auch bei David mit Bildern konfrontiert wird, die in einem ausführlichen textlichen Zusammenhang stehen, der von der explicatio bis zur meditatio reichen kann und den Betrachter mit der Bilderflut nie alleine lässt. Das didaktische Element, das von der Forschung für die Kunst der Frühen Neuzeit sonst allzu leicht in Anschlag gebracht wurde, ist hier die entscheidende Triebfeder für die Ausformulierung der typologischen Relationen geworden. In der Publikation Marianische Ehren-­

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Titlen […] (1703) ist noch ein später Nachklang des Argumentationsschemas Pedro de Biveros zu finden: In diesem Werk204 ist ein Stich enthalten, der eine Anrufung Marias zeigt (Allerweißeste Jungfraw) und die Übergabe des Apfels an Adam (rechts) auf der linken Seite damit kontrastiert, dass hier Putti Weintrauben an Maria reichen, die diese an den Jesusknaben weitergibt. Ähnlich wie bei Bivero wird hier ein strenger – antithetisch formulierter – Parallelismus vor Augen geführt. Pedro de Biveros Sacrum Sanctuarium crucis et patientiae crucifixorum et cruciferorum, emblematicis imaginibus laborantium et aegrotantium ornatum, artifices gloriosi novae artis bene vivendi et moriendi, secundum rationem regulae et circini […] (Antwerpen 1634) stellt eine neuartige Geschichte der Kreuzverehrung und der Kreuzfrömmigkeit dar, die bereits im Titelkupfer eine zugespitzte Typologie vornimmt: Die Eherne Schlange links, die als »Heil der Kranken« Bezeichnung findet (Salus Aegris, eine Anrufung Marias), wird auf der rechten Seite mit dem Kreuz Christi konfrontiert, das als Mortis remedium (Heilmittel gegen den Tod) fungiert, wodurch bereits eine Bedeutungsdifferenz aktualisiert wird. Die mit Kreuz und Winkeleisen ausgestattete Patientia befindet sich dazwischen mit dem Lamm auf einem Hügel. Typologie als unmittelbare Konfrontation von Typus und Antitypus

Besonders kennzeichnend für die visuelle Disposition von Typologien in frühneuzeitlichen Druckgrafiken ist eine unmittelbare, fast distanzlose und kaum durch Rahmen getrennte Gegenüberstellung von Typus und Antitypus. Bereits im Hochmittelalter sind entsprechende Beispiele aus der Buchmalerei nachweisbar, bei denen dieses Schema einer unmittelbaren Kombination von Typus und Antitypus praktiziert wird: Im Großen Lombard-Psalter, der in Bremen im Jahr 1166 entstand,205 wird in der Initiale zu Ps 68 (69) eine ungewöhnliche Szene präsentiert (Abb. IX.41): Die »historische« Kreuzigung Christi mit Maria (links) und Johannes (rechts) sowie Longinus (links innen) und Stephaton (rechts innen) – letztere als Juden ausgezeichnet – wird typologisch im Gekreuzigten selbst verdichtet, da am Kreuzesfuß eine Schlange angebracht ist, die nicht nur auf die durch Christi Heilstod besiegte Schlange der Sünde hinweist, sondern auch – kenntlich durch den rechts stehenden Moses – die Aufrichtung der Ehernen Schlange206 wiedergibt, somit den durch das Selbstzeugnis Christi bezeugten alttestamentlichen Typus des Kreuzestodes Christi ( Jo 3, 14f.) präsentiert. Diese Typologie zwischen dem Kreuz Christi und der Ehernen Schlange wird durch die links unten mit Schlangen in ihren Händen (!) gezeigten Juden – diese werden hier mit den Juden der Passion Christi gleichgesetzt – und die Tafel ihres Anführers (SANGVUIS / EIVS SVP[ER] / NOS) um einen weiteren Aspekt ergänzt, da auf den – jahrhundertelang als Beleg für die Schuld der Juden am Kreuzestod Christi angesehenen – Bibelvers Mt 27, 25 angespielt wird, der das Volk nach der Händewaschung des Pilatus riefen ließ: »Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!« Blut und Wasser, die Mt 27, 24f. zufolge ebenfalls eine zentrale Rolle spielen (Händewaschung des Pilatus; das Blut, das über die Juden kommt), sind aber nicht nur die aus Christi Seite entströmenden, Heil bringenden und im Glauben der Kirchenväter die Kirche

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Abb. IX.41: Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek, Ms. a 244 (Großer Lombard-Psalter), fol. 119r, Initiale zu Ps 68 (69), 1166 (© Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek)

begründenden Flüssigkeiten ( Jo 19, 34), sondern auch in dem durch die Initialminiatur illustrierten Psalm selbst angesprochen, da es bereits im Vers 2 heißt: »Hilf mir, o Gott / Schon reicht mir das Wasser bis an die Kehle.« Das markante »S« der Initiale, ein Feuer speiender Drache/Schlange (als das durch das Kreuz bezwungene Böse), fasst das typologische Geschehen wie mit einer verbindenden Klammer zusammen, die von den Juden links unten bis zum trauernden Johannes rechts oben führt. Zahlreich sind in dieser Hinsicht typologische Bilder, in denen deutlich wird, in welcher Hinsicht Texte imstande sind, die Typologie zu unterstützten, und eine unmittelbare Konfrontation der Bildtypen von Altem und Neuem Testament erfolgt. Am berühmtesten und zugleich instruktivsten ist hier der dem Kardinalerzbischof von Neapel, Decius Carafa

Typologie als unmittelbare Konfrontation von Typus und Antitypus

Abb. IX.42: TYPVS VTRIVSQVE S. LEGIS, Hieronymus Wierix, 1607 (© Wien, Albertina)

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

(† 1626), dedizierte Stich von Hieronymus Wierix aus dem Jahr 1607,207 (Abb. IX.42) der eine facettenreiche Gegenüberstellung von Altem und Neuem Bund vornimmt: Übertitelt ist dieses inhaltlich fein austarierte Blatt mit TYPVS VTRIVSQVE S. LEGIS, womit der Begriff des typus bereits im Titel der Darstellung integriert ist. Die Mittelachse ist im oberen Teil der Trinität vorbehalten (mit den Buchstaben A–C), wobei jede göttliche Person eine eigene Glorie ausbildet. Der Buchstabe C (Christus am Kreuz) fungiert zugleich als Überleitung zu den beiden Kundschaftern mit der großen Traube (F), dem Typus von Christi Opfertod, der in der Legende aber nicht mit der entsprechenden alttestamentlichen Bibelstelle bezeichnet ist, sondern mit dem den Inhalt des Blattes zusammenfassenden Passus Jo 1, 17 (Lex per Moysen facta est gratia autem et veritas per IESVM CHRISTVM.), womit die Gesamtkonzeption des Stiches bezeichnet ist. Die den einzelnen Bildern zugeordneten Bibelstellen sind in dieser Grafik nicht immer als punktuelle Erklärungen anzusehen, sondern beziehen sich auf übergreifende und zum Teil eigene Typologien entwickelnde Belege: Dies trifft auch auf die beiden Kundschafter Josua und Kaleb (Num 13, 23)208 zu, denen ein Bibelzitat beigefügt wird: Kundschafter D wird auf Mt 11, 28 bezogen und ist offensichtlich mit dem Tragen der Traube beschäftigt. Dem aufblickenden Träger, der mit E bezeichnet ist, ist Jes 30, 20 beigegeben. Das Zitat nach Matthäus spielt auf das Tragen an, Jesaias hingegen auf das Sehen des Heilands. Christus als der wahre und Leben spendende Weinstock am Kreuz ( Jo 15, 5), 209 der durch die große Traube der Kundschafter präfiguriert wird, ist das inhaltliche Zentrum von Wierix’ Stich, der in seiner grundsätzlichen Disposition ebenfalls eine kreuzförmige Struktur aufweist, die das Kreuz Christi in der zentralen Horizontale vom Alten Bund links (LEX VETVS.) und dem Neuen Bund rechts (LEX NOVA.) flankieren lässt, während oben Gottvater und der Heilige Geist sowie eine erklärende Schrifttafel unten angefügt sind. Alter und Neuer Bund erscheinen so einander gegenübergestellt; zugleich aber sind diese beiden Personifikationen in vertikale Achsen eingefügt, welche mit entsprechenden Darstellungen die spezielle Beschaffenheit des jeweiligen Bundes in der Senkrechten verdeutlichen sollen: Dies betrifft beim Alten Bund die Beschneidung (oben) und die Gesetzesübergabe (unten), beim Neuen Bund die Taufe (oben), die mit Gottvater und Geisttaube die Struktur der benachbarten Dreifaltigkeit aufnimmt. Rechts unten erfüllt sich der Neue Bund in der Geistaussendung mit Maria im Zentrum des Apostelkollegiums. Die typologische Sinnstruktur erhält ihren Sinn nicht zuletzt in der Kontrastierung gegenüberliegender Szenen: So wird die Vorschrift der Beschneidung durch den Hinweis bei Jo 3, 5 abgelöst, dass nur jener, der in Wasser und Geist wiedergeboren werde, in das Reich Gottes eingehen könne, während links unten die Gesetzesübergabe (Ex 2, 19) durch die in die Herzen der Menschen eingegossene Liebe (Röm 5, 5) überformt wird. Hier fungiert das Wort nobis als entsprechendes Verbindungsglied der beiden Szenen. Die Kreuzigungstypologie der mittleren Vertikale formuliert demnach nur einen Zugang in der facettenreichen typologischen Struktur dieses Blattes. Denn die spezielle rasterartige Gliederung ermöglicht es, die einzelnen in Arkaden eingefügten Personen bzw. in Kartuschen integrierten Szenen besser aufeinander zu beziehen. Die Kreuzigung Christi und die

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Kundschafter mit der Traube sind in dieser Hinsicht als das inhaltliche Zentrum zu bezeichnen, das die Basis bildet, um »alt« und »neu« in vielfältiger Weise sinnstiftend miteinander verknüpfen zu können, zugleich aber auch, um die Darstellungen als didaktische Schautafel des einen und zusammengehörenden Gesetzes auszuzeichnen, wenn im Blatttitel von der einen SACRA LEX die Rede ist. Dieser übergreifende Leitbegriff wird in den Szenen typologisch ausdifferenziert. Zugleich aber wird unterstrichen, dass es sich heilsgeschichtlich nur um die eine SACRA LEX handelt. Gerade das Thema der unter typologischen Gesichtspunkten ausgedeuteten Eucharistie fand im Laufe des 18. Jahrhundert eine reiche Nachfolge: Aus einer Abendmahlserie von Götz und Klauber (um 1750) ist ein entsprechend instruktives Beispiel überliefert (Abb. IX.43):210 Das Abb. IX.43: Letztes Abendmahl aus einer Abendzentrale Sujet ist hier das Letzte Abendmahlserie, Gottfried Bernhard Götz und Gebrümahl, unterstützt durch zahlreiche Zitate der Klauber, um 1750 (© Augsburg, Staats- und der Jünger, die sich auf das Blut beziehen. Stadtbibliothek) Gerahmt und überhöht wird die Darstellung von einer Art Weinlaube, eine große Weintraube hängt direkt über Christus. Eingepasst ist die Szene zwischen zwei Zitaten aus dem Neuen Testament, die unten auf die Einsetzungsworte Jesu abzielen (Hic est enim sanguis meus novi testamenti.) (Mt 26, 28), oben hingehen auf eine Aussage Christi am Laubhüttenfest, die mit Si quis sitit, veniat ad me. ( Jo 7, 37) Christus als Ziel der Dürstenden anzeigt, dadurch in diesem Blatt eine Art Binnentypologie anregt, die zwischen Christus, der Weintraube und der Einsetzung des Abendmahls ausgespannt wird. Der Zweck besteht hier in einer unmittelbaren Veranschau­lichung der Verbindung zwischen dem Kelch und der Weintraube sowie zwischen den zwei von Christus ausgesprochenen und auf ihn selbst bezogenen Zitaten. Der ungeheure Variationsreichtum der Typologie in der frühneuzeitlichen Druckgrafik wird auch daran deutlich, dass nicht nur verdichtete Strukturen der Argumentation nachweisbar sind, sondern auch in Kupferstichen wie einem der Gebrüder Klauber211 zur typologischen Ausdeutung der Eucharistie (Abb. IX.44) auf engstem Raum kleine szenische Einheiten platziert werden, die in der Relation von Prophezeiung und Erfüllung zueinander stehen: Bibite

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vinum, quod miscui vobis. (Spr 9, 5) – also ein imperativisch formulierter Typus der Eucharistie – steht in diesem Blatt oben: Lässt man den Blick nach unten schweifen, dann springt die in der Monstranz platzierte Eucharistie ins Auge, begleitet von zwei seitlichen Inschriftenkartuschen, die auf die Verabreichung des Weins an betrübte Seelen (Spr 31, 6), sowie auf dessen das Herz froh stimmende Funktion ausgerichtet sind (Ps 103, 15). In der Achse der Eucharistie befinden sich unterhalb der Monstranz die drei Theologischen Tugenden (nach 1 Kor 13, 13, so auch der Blatttitel unten: Nunc autem manent Fides Spes Charitas.) im Typus der von Moses ausgesendeten Kundschafter (Num 13 und 14), wobei der Glaube nicht figural gegenwärtig, sondern in einer riesigen Weintraube (mit eingeschlossener Hostie) quasi (real-) präsent gemacht wird.212 Im umliegenden Weingarten sind Engel damit beschäftigt, Abb. IX.44: Verherrlichung der Eucharistie, den Wein zur Presse zu bringen, ganz im Gebrüder Klauber, um 1750 (© Augsburg, StaatsSinne von Hld 1, 13. Gehalten wird diese und Stadtbibliothek) Szene von einer Figur der Papstkirche, die damit als Träger (!) einer riesigen Monstranz agiert; begleitet wird sie links von dem die Kelter tretenden Christus und rechts von der Begegnung zwischen Abraham und Melchisedech (Gen 14, 18). Dieses Blatt ist letztlich ein ausgesprochenes Programmbild, das die katholische Sicht auf die Eucharistie vermitteln soll, wobei die zentrale »Heilsachse« den eucharistischen Gestalten Brot und Wein sowie der Vermittlungsinstanz der Papstkirche gewidmet ist. Typus und Antitypus sind durchwegs ineinander geschoben: Dies trifft sowohl auf den die Kelter tretenden Christus ( Jes 63, 3) als auch auf die Kundschafter im Typus der drei Theologischen Tugenden zu. Auch die Horae canonicae (Beiband: Intentiones ad Breviarii vel Officii horas in variis Festis per annum)213 der Gebrüder Klauber (1750) bieten einen reichen Themenfundus, der mittels der Inschriften, welche die Typologie eigentlich konstituieren, ein »Zusammensehen« von Altem und Neuem Testament erst ermöglicht: Im Zentrum des Stiches auf Tafel 14 (Abb. IX.45) befindet sich Christus (an einem runden Tisch), der die Hostie erhoben hält. Darüber ist ein Kelch mit Hostie und der Beischrift panem et vinum platziert. Die Inschrift oben,

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Melchisedech [rex Salem] proferens., die sich auf die Begegnung zwischen Abraham und Melchisedech bezieht, muss mit der Passage panem et vinum (Gen 14, 18), die um Kelch mit Hostie platziert ist, zu einem Bibelzitat zusammen gelesen werden, obwohl sich panem et vinum zugleich auf die Einsetzung der Eucharistie durch Christus bezieht. Die eucharistischen Gaben – die Weizengarben (links) und der Weinstock (rechts) – besitzen eine rahmende Funktion, zusätzlich unterstrichen durch die entsprechenden Zitate Jo 12, 24 (links) und Jo 15, 1 (rechts). Den unteren Abschluss bildet – quasi in Ergänzung zum oberen Bereich – ein weiteres alttestamentliches Zitat, das hier aus den Versen 4 und 5 von 1 Kg 10 zusammengezogen ist. Die bildliche Darstellung selbst hat somit gar keinen Anteil an der Konstitution der Typologie, die erst durch die Inschriften hergestellt wird. Abb. IX.45: Horae canonicae, Beiband: IntentioÄhnlich ist die Kupferstichtafel 15 dienes ad Breviarii vel Officii horas in variis Festis per ses Werkes (mit einer Verherrlichung des annum, Verherrlichung der Eucharistie, Gebrüder hl. Norbert von Xanten) aufgebaut (Abb. Klauber, 1750 (© Augsburg, Staats- und StadtbiIX.46), indem das Brustporträt des vor bliothek) einem Buch betenden Heiligen von allen jenen Gegenständen und Symbolen gerahmt wird, die sich unmittelbar auf das Leben dieses Heiligen beziehen: So ist der Prämonstratenser in eingängiger Weise von seinem Pallium umgeben, des Weiteren sind Pedum, Vortragekreuz, Mitra (mit darüber befindlicher Krone) und die Monstranz, deren Hostie einen Gnadenstrahl auf den Heiligen sendet, zu sehen. Das Bibelzitat Corona aurea super mitram ejus expressa / signo sanctitatis, et gloria honoris. (Sir 45, 14) ist als oberer Abschluss platziert. Dieser Passus, der aus dem Abschnitt der Erwählung Aarons genommen wurde, findet eine unmittelbare Entsprechung in der Darstellung selbst, indem eine (Fürsten-)krone, wahrscheinlich als Hinweis auf die adelige Abkunft Norberts, in fast rebusähnlicher Weise direkt in den Textzeilen über der Mitra platziert wurde. Bild und Text sind hier äußerst eng verbunden – auch in dem Sinne, dass gerade zwischen signo und sanctitatis das bekrönende Kreuz der Monstranz als hineinragend gegeben ist. Während also im oberen Bereich die Würdezeichen des Erzbischofs von Magdeburg aufgereiht und typologisch im Alten Testament gespiegelt sind, vermittelt das Zitat aus dem Hohelied unten (Dilec-

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Abb. IX.46: Horae canonicae, Beiband: Intentiones ad Breviarii vel Officii horas in variis Festis per annum, hl. Norbert von Xanten, Gebrüder Klauber, 1750 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

Abb. IX.47: Horae canonicae, Beiband: Intentiones ad Breviarii vel Officii horas in variis Festis per annum), hl. Johannes dem Täufer, Gebrüder Klauber, 1750 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

tus meus candidus.) (Hld 5, 10) den aus dem Zusammenhang gerissenen (»et rubicundus« fehlt hier) Hinweis auf die Auserwähltheit und das Weiß des Habits des Prämonstratenserordens. Wieder ist die Vorgangsweise hier so gewählt, dass die Typen des Alten Testaments in schriftlicher Form gegeben sind, während der bildlichen Darstellung der Antitypus, also der Ordensheilige, vorbehalten bleibt. Intensiviert wird dieses arbeitsteilige und interaktive System von Text und Bild im Rahmen dieser Serie im Kupferstich mit dem Propheten Johannes dem Täufer (Taf. 19) (Abb. IX.47) in der Weise, dass Hic est, qui dictus est per Isaiam Prophetam / [dicentem] VOX CLAMANTIS in deserto. (Mt 3, 3), also jene berühmte Stelle, die auf Johannes dem Täufer bezogen wird, als Abschluss oben zitiert ist, während das Wachsen Christi bzw. das Abnehmen Johannes des Täufers (Illum oportet crescere me autem minui., »Jenem gebührt zu wachsen, mir aber kleiner zu werden.«, nach Jo 3, 30) anschaulich auf die Sonne mit zentralem IHS-Zeichen (für Chris-

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Abb. IX.48: Horae canonicae, Beiband: Intentiones ad Breviarii vel Officii horas in variis Festis per annum), Visitatio, Gebrüder Klauber, 1750 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

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tus) sowie auf das auf einem Schwert liegende Haupt des Täufers verteilt sind. Die Gestik des Täufers selbst, der mit der Rechten auf die Sonne Christi, mit der Linken auf das Agnus Dei weist, unterstützt das Verständnis der Aussagen nach Jo 3. Unten abgeschlossen wird die Darstellung mit einem Zeugnis, das Christus über den Täufer liefert: Hic [enim] est, de quo scriptum est: ecce ego / mitto ANGELUM meum ante faciem tuam. (Mt 11, 10). Aber auch in dieser Serie finden sich Typologien, die auf Ereigniszusammenhängen aufgebaut sind: Dazu gehört die Tafel Nr. 21 mit der Visitatio (Abb. IX.48), also der Begegnung zwischen Maria und Elisabeth (Lk 1, 39), die aber nicht mit einer Passage aus dem Magnificat (Lk 1, 46–55) kommentiert wird, sondern mit einem Text, der auf das Wort visitare bzw. visitatio aufmerksam macht: Es ist dies der als Überschrift gewählte Vers Ps 105, 4 (Visita nos in salutari tuo.).214 Die Geburt des Johannes führt in der Textzeile unten zum Aufgreifen eines Verses aus dem Benedictus des Zacharias (Lk 1, 68–79), Per viscera misericordiae Dei nostri / in quibus visitavit nos. (Lk 1, 78) (»Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes / wird uns besuchen [das aufstrahlende Licht aus der Höhe.]«), in dem signifikanterweise der Schlusspassus mit »oriens ex alto« (als Hinweis auf Christus) fehlt. Christus selbst ist aber in der Szene unten, die von einem Felsen und einer Palme gerahmt wird, anwesend. Diese ist allerdings thematisch nicht auf Zacharias bezogen, sondern zeigt eine fiktive (!) Begegnung, wie Christus als Pilger von einem älteren Mann im Typus des Pharisäers Nikodemus empfangen wird. Das Leitthema der »Begegnung« schlechthin wird in diesem Stich auf mehreren Ebenen präsent gehalten: Die Auseinandersetzung nimmt von der bekanntesten visitatio, jener zwischen Elisabeth und Maria, ihren Ausgang; der Leitbegriff der Begegnung wird mit einem Psalmzitat aufgegriffen und in der unteren Inschrift (nach Lk 1) weitergeführt (in der visitavit ebenfalls vorkommt), die auf das Lob des Zacharias über die Geburt des Täufers Bezug nimmt. Die Beischrift unten wird aber nicht durch eine Begegnung, etwa aus der Zacharias- oder Johannesgeschichte, illustriert, sondern inhaltlich auf eine neue Ebene gehoben, da mit dem Hinweis auf Lk 1, 78 die Begegnung Christi praktisch auf alle bezogen erscheint. So ist hier die »reale« biblische visitatio von Maria und Elisabeth zum Typus der Begegnung jedes Menschen mit Christus schlechthin geworden, gleichsam zum Ansatzpunkt einer neuen und innovativen visitatio, die das Biblisch-Historische zum Ausgangspunkt des (täglichen) Zusammentreffens mit Christus macht. Das unmittelbare »Zusammensehen« von »alt« und »neu«, von Typus und Antitypus, ist in der Druckgrafik des Barock in vielfältiger Form in zu finden, am deutlichsten ausgeprägt in der Gegenüberstellung von Eherner Schlange und Kreuz Christi, etwa in einem Stich von Carl Burgh (um 1670), der zuseiten des liegenden Adam diese Typologie veranschaulicht.215 Noch deutlicher wird dies im Emblem zur consideratio XXXVIII216 (Abb. IX.49) in Anton Ginthers (Pfarrer und Dekan in Biberbach, 1655–1725) verbreitetem und reich illustriertem Speculum amoris et doloris in Sacratissimo ac Divinissimo Corde Jesu […] (hier: Augsburg 41743 [ebd. 11706]),217 verdeutlicht durch das Motto Unde mors, Inde vita., das – der Präfation der Missa de S. Cruce entnommen – die gemeinsame »Wurzel« von Sünde und Erlösung im Baum zeigen soll. Diskutiert wird in Ginthers Text die Frage der Beziehung zwischen dem Baum der Erkenntnis und dem Kreuzesholz. Kreuz, Baum des Lebens und Baum der Erkenntnis wach-

Typologie als unmittelbare Konfrontation von Typus und Antitypus

Abb. IX.49: Anton Ginther, Speculum amoris et doloris in Sacratissimo ac Divinissimo Corde Jesu […], Emblem zur consideratio XXXVIII, 1743 (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek)

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Abb. IX.50: Gekreuzigter und Eherne Schlange, Simon Thaddäus Sondermayr (nach J. Weis) (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

sen in der Darstellung gleichsam nicht nur symbolisch, sondern auch faktisch zusammen, 218 verdeutlicht durch einen Vers aus dem bekannten Pange lingua des Venantius Fortunatus (Ipse lignum tunc notavit, damna ligni ut solveret.), wodurch nicht nur der eigentlich typologische Aspekt, sondern zugleich die Finalität in der Vorausschau Gottes zum Ausdruck kommt, der zufolge der Schöpfer bereits damals (nach dem Sündenfall) das Erlösung bringende Holz bezeichnet hatte, damit es in Hinkunft die »Strafen des Holzes« aufhebe. Auch Gregor von Nyssa und Origenes sprechen von einer »Identität beider Bäume«219, des »Baumes des Lebens« und des »Baumes der Erkenntnis«. Ginthers emblematisches Kompendium konnte konzeptuell auf Werken der Augsburger Druckgrafik aufbauen, die dieses »Zusammensehen« von Typus und Antitypus in höchst anschaulicher Art perfektioniert hatten: Dazu gehört ein undatierter Kupferstich von Simon Thaddäus Sondermayr (nach einer Zeichnung von J. Weis),220 (Abb. IX.50) der mit der inhaltlich entsprechenden Textlegende Jo 3, 14 eine eigenartige Kombination der Darstellung des Gekreuzigten (Oberkörper bis zum Lendentuch) mit einer darunter befindlichen Basis und der darauf angebrachten Erhöhung der Ehernen Schlange zeigt: Typus und Antitypus verschmelzen hier zu einer neuartigen Einheit.

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Ein weiteres emblematisches Kompendium stellt Ginthers Mater amoris et doloris […] (hier: Augsburg 31741 [ebd. 11711]) dar, aus der die consideratio XXXIII 221 (Abb. IX.51) vorgestellt sei: Das Motto Pharmacum, non venenum. und die Darstellung selbst beziehen sich auf die Eherne Schlange, die beigegebene Inschrift hingegen auf die Kreuzigung Christi (Lk 23, 33). Im Text wird vor allem die Väterliteratur bemüht, deren Zeugnisse auf die heilende Wirkung der Kreuzigung abzielen. Der Passus Pharmacum, non venenum. taucht auch in Ginthers Schrift Unus pro omnibus (1726 posthum erschienen) auf.222 Bereits Ambrosius verglich Christus mit der Ehernen Schlange in seiner Auslegung zu Psalm 118: »In der Ehernen Schlange ist meine Schlange vorgebildet, […] die gute Schlange, die aus ihrem Munde HeilmitAbb. IX.51: Anton Ginther, Mater amoris et dolotel und nicht Gift ergoss.«223 Isidor von ris […], Emblem zur consideratio XXXIII, 1741 Sevilla bezog die Eherne Schlange direkt (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek) auf Christus am Kreuzesholz: »Was aber ist die Eherne Schlange? Christus selbst […], der am Holz aufgehängt ist.«224 Das hier skizzierte facettenreiche »Zusammensehen« der Typen von Altem und Neuem Testament im Rahmen der Druckgrafik tritt auch am Ende der betrachteten Epoche auf: In Bonifaz Gallners OSB Regula emblematica Sancti Benedicti (Wien 1780) wird mit dem Lemma EX UTROQUE SALUS225 auf die Vorstellung hingewiesen, dass aus beiden maßgeblichen Quellen, aus Altem und Neuem Testament – somit quasi aus einem Buch – das Heil entspringen würde:226 Das aufgeschlagene Buch zeigt in Gallners Emblem auf der Versoseite die Kreuzigung Christi, auf der Rectoseite die Eherne Schlange, bei der Kreuzigung oben das IHS, bei der Ehernen Schlange das Tetragramm. Im Text selbst wird ein Hinweis auf die Regula Sancti Benedicti (IX.8) und somit die benediktinische Praxis gegeben: Codices autem legantur in vigiliis tam veteris testamenti, quam novi divinae auctoritatis. Auch das Thesenblatt »Von der Erbschuld Befreiter unter dem Kreuz«, das als Schabkunst von Elias Christoph Heiss (nach Johann Georg Bergmüller) für die Jesuitenuniversität in Olmütz im Jahr 1720 angefertigt wurde, veranschaulicht die enge Beziehung zwischen Altem und Neuem Bund anhand des Kreuzestodes Christi und der Auferstehung der Toten. Rechts erhebt sich ein Auferstehender – im Typus des Lazarus – aus dem Grab; zugleich wird von einem Engel eine Darstellung des Sündenfalls von einer Grabplatte abgewischt (!), womit auf die Koppelung von Erlösung und

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Tilgung des Sündenfalls der Stammeltern verwiesen wird. Ein weiteres Exemplar dieses Blattes befindet sich im Wiener Salesianerinnenkloster (1722).227 Das Miteinander von Typus und Antitypus in Deckenmalerei und Kunstgewerbe

Das skizzierte enge »Zusammensehen« von Typus und Antitypus tritt auch in monumentalen Dekorationen auf und verstärkt dort die Wirkung heilsgeschichtlicher Argumentationen, da sich Typus und Antitypus gleichsam unmittelbar begegnen. In dieser Hinsicht zeigt ein Fresko in der Kapelle des Palais Aspremont in Bratislava (nach 1769), wie Engel die Bundeslade inmitten alttestamentlicher Kultgeräte verehren (Abb. IX.52). Auf der Lade selbst befindet sich die Eucharistie in der Monstranz, womit Alter und Neuer Bund unmittelbar aneinander gekoppelt sind. Aus dem 18. Jahrhundert kann eine ganze Reihe von Beispielen genannt werden, die in monumentaler Form neutestamentliche Antitypen mit der Aufrichtung der Ehernen Schlange kombinieren: Dies betrifft etwa die Kapelle in Schloss Ludwigsburg: In der Apsiswölbung befindet sich ein großes Fresko Luca Antonio Colombas mit der Aufrichtung der Ehernen Schlange (1719),228 während das Altarblatt Carlo Innocenzo Carlones die Apostelkommunion (1723) vor Augen führt.229 Ähnlich ist die Situation in der Kirche zum Heiligen Kreuz ( Jesuitenkirche) in Brieg (Brzeg) (1734–1745): Der illusionistische Hauptaltar zeigt hier die Kreuzaufrichtung, die Presbyteriumskuppel Johann Kubens hingegen die Aufrichtung der Ehernen Schlange.230 Auch Christian Thomas Winks Deckenfresko über dem Chor der Wallfahrtskirche zum Heiligen Kreuz von Loh (Landkreis Deggendorf ) (ab 1768) präsentiert Moses bei der Aufrichtung der Ehernen Schlange.231 Diese Koppelung von Altem und Neuem Bund in Form einer Kreuztypologie ist auch bei anderen monumentalen Ausstattungen zu konstatieren, etwa in der 1757 von Franz Georg Hermann fertig gestellten Ausmalung des Bibliothekssaals des ehemaligen Prämonstratenserklosters Bad Schussenried,232 die an einer Schmalseite die Kreuzigung Christi in unmittelbarer Nähe zu dem auf die Eherne Schlange weisenden Moses zeigt – in offensichtlicher Abhängigkeit von Jo 3, 14. Bereits in biblischen Medaillen der Reformationszeit war dieses Miteinander von Altem und Neuem Bund anschaulich zum Ausdruck gebracht worden, indem die Vorderseite eine alttestamentliche, die Rückseite aber eine neutestamentliche Szene im thematischen Zusammenhang von Verheißung und Erfüllung visualisiert. Auch in einer Pestmedaille von Wolf Milicz (1539) korrespondiert die Vorderseite (mit der Ehernen Schlange) mit der auf der Rückseite wiedergegebenen Kreuzigung Christi.233 Am Ende des 18. Jahrhunderts wird die – ursprünglich feste und unhinterfragte – Beziehung zwischen Begebenheiten des Alten und Neuen Testaments zunehmend brüchig. Die einstige Wirkmächtigkeit heilsgeschichtlicher Argumentationen ließ sich auch in den architektonisch im Sinne des Klassizismus veränderten Räumen nicht mehr ohne Probleme realisieren: Ein instruktives Beispiel ist hier Januarius Zicks Hauptfresko in der Vierungskuppel in der ehemaligen Benediktinerabteikirche St. Martin Ulm-Wiblingen (vor 1783):234 Die Kuppel zeigt die Kreuzerhöhung, die entsprechenden Pendentifs Figuren en grisaille vor goldenem

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Abb. IX.52: Bratislava, Kapelle im Palais Aspremont, alt- und neutestamentliche Kultgeräte, nach 1769 (© Archiv des Autors)

Nischengrund. Nur eine Szene der Zwickel ist wirklich eindeutig identifizierbar, und zwar die Erhöhung der Ehernen Schlange. Das Kuppelfresko der Kreuzauffindung durch Kaiserin Helena im Chorjoch dieser Kirche wird ebenfalls von vier Zwickeln eingefasst, die sich auf Verlust und Wiederauffindung der lokalen Kreuzreliquie beziehen, die im 11. Jahrhundert von den Stiftern aus Jerusalem mitgebracht worden war. Damit wird das berühmte Vorbild Helena durch die Wiblinger Kreuzauffindung aktualisiert, das Bedeutung stiftende heilsgeschichtliche Einst in der schwäbischen Lokalgeschichte gespiegelt und zugleich an den konkreten Ort der Kreuzverehrung gekoppelt. Typologische Konstruktionen erstreckten sich in der barocken Kunst praktisch auf den gesamten Kirchenraum: In der ehemaligen Klosterkirche von Rot an der Rot (Weihe 1786) wird die zwischen Kreuzigung Christi und Eherner Schlange ausgespannte Typologie anhand der raumübergreifenden Polarität deutlich gemacht, die in der Platzierung der (kurz vor der Weihe entstandenen) Seitenaltäre manifest wird: Evangelienseitig entspricht die als reliefiertes Retabel gestaltete Erhöhung der Ehernen Schlange der epistelseitig positionierten Kreuzigung Christi. Typologie wird in dieser Weise in einem den Kirchenraum bewusst einbeziehenden Gegensatzpaar deutlich.235 (Abb. IX.53) Komplexer erscheint die Integration typologischer Zusammenhänge im sakralen Kontext dort, wo es nicht allein um die Polarität zwischen Eherner Schlange und Kreuzigung geht, sondern diese Relation wiederum in einen größeren Zusammenhang integriert ist, der auch

Das Miteinander von Typus und Antitypus in Deckenmalerei und Kunstgewerbe

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Abb. IX.53: Rot an der Rot (Oberschwaben), ehemalige Klosterkirche, 1786 geweiht, Blick in den Kirchenraum (© Archiv des Autors)

durch andere Parameter bestimmt wird. Dies trifft etwa auf den von Joachim Dietrich (zugeschrieben) um 1738 gefertigten Hochaltar der ehemaligen Augustiner Chorherrenstifts­kirche von Dießen am Ammersee zu, der eine Aufnahme Mariens in den Himmel enthält, die von Balthasar Augustin Albrecht gemalt wurde. Im Auszug erwartet die Dreifaltigkeit nicht nur die in den Himmel aufgenommene Maria, sondern das hier hinter Christus befind­liche Kreuz wird in der Ehernen Schlange auf der Spitze des bekrönenden Baldachins aufgenommen. Darüber aber – nun im Medium des Stucks der Apsiskonche – halten Engel einen Sternenkranz, der auf die aufgenommene Maria zu beziehen ist (Abb. IX.54). Ineinander verschränkt geht es hier sowohl um eine Kreuztypologie als auch um das marianische Hauptthema des Hochaltars. Zur Einstimmung auf die dabei gegenwärtige Kreuzthematik bildet auch der Dießener »Heiligenhimmel« im berühmten Kuppelfresko einen wichtigen Ansatzpunkt, da er Christus ebenfalls mit einem übergroßen Kreuz auszeichnet236 und in der Abfolge in Richtung Hochaltar die Kreuzverehrung gleichsam stufenweise vorbereitet. Auch bei den vasa sacra, den liturgischen Kultgeräten, finden sich häufig verdichtete typologische Zusammenhänge. In der Forschung ist dieser Aspekt vor allem in Bezug auf Kelche und Monstranzen berücksichtigt worden,237 wobei die spezifische »Tektonik« der Kult­geräte eine wichtige Rolle spielt: Da das Alte Testament als Grundlage des Neuen Bundes anzusehen ist, kann es deshalb als sinnreich bezeichnet werden, wenn man gerade auf der Standfläche von Monstranzen, dem Fuß, häufig alttestamentliche Darstellungen antrifft,

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IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

Abb. IX.54: Dießen am Ammersee, Stiftskirche, Hochaltar von Joachim Dietrich (zugeschrieben), um 1738 (© Archiv des Autors)

unter anderem den Mannaregen, die Kundschafter mit der Traube, Rauch- und Brandopfer, Schaubrote und das Opferlamm, Bilder aus dem Leben Jobs, die Eherne Schlange, das Opfer Isaaks, die Arche des Bundes und die Arche Noe, Aaron mit dem Stab, den Hohepriester mit der Bundeslade, das Opfer Isaaks, Abraham mit Melchisedech, die drei Männer bei Abraham (Philoxenie), Moses am brennenden Dornbusch und andere Figuren bzw. Szenen. So befindet sich im schlesischen Benkowitz (Bieńkowice) eine Monstranz, die zeigt, wie die Kundschafter mit der Traube, Josua und Kaleb, einen Weinstock als Fassung des Hostienbehälters tragen.238 Die Visualisierung von Kultgeräten spielt auch in der Druckgrafik eine wichtige Rolle: Im Rahmen der bereits mehrmals erwähnten Lauretanischen Litanei der Gebrüder Klauber (1749) wird eine Monstranz unter dem Titel der Anrufung Mariens als vas honorabile239 wiedergegeben – mit einer Darstellung Marias, die nicht nur auf die lunula beschränkt ist, sondern die gesamte Schaufläche der Monstranz umfasst. Typologisch kommentiert ist die Anrufung mit einem Zitat aus dem Alten Testament (Vas admirabile, opus Excelsi. [Sir 43, 2]), womit der Begriff vas, der nicht nur in Bezug auf die Anrufung Mariens in der Litanei, sondern auch für die konkrete Darstellung (Maria als Monstranz) essenziell ist, mittels eines Zitats aus dem Alten Bund vermittelt wird. In einem undatierten barocken Vortragekreuz in der ehemaligen Servitenkirche von Schönbühel/D. (NÖ.) wird Typologie in einem liturgischen Gegenstand anderer Art verdichtet, indem hier die Rückseite Moses mit der Ehernen Schlange zeigt, die

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Vorderseite aber mit der bekannten Stelle Jo 3, 14 und der Kreuzigung Christi die Typologie heilsgeschichtlich vollendet. Mit diesem Objekt ist zugleich eine andere Dimension der Vergegenwärtigung von Heil betreten, da das Erkennen des inhaltlichen Zusammenhangs hier wesentlich an das Performative gebunden wird, an die tägliche liturgische Präsenz dieses Gegenstands, der von zwei Seiten betrachtet werden muss, um zu einer Aussage zu kommen.

X

Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten

Zur Frage der »Bildlichkeit« in der Barockliteratur

Bildlichkeit ist – wie in den vergangenen Kapiteln unter verschiedenen Aspekten ausgeführt – ein zentrales Merkmal frühneuzeitlicher Kultur. Sie ist deshalb auch Gegenstand unterschiedlicher Gattungen in der Barockliteratur. In dieser kann generell eine »Steigerung des bildlichen Ausdrucks, bzw. Verwandlung eines bildlosen und direkten Begriffs in einen metaphorischen und umschreibenden«1 konstatiert werden. Die solcherart im Fokus stehende »Verdichtung des Bildgehalts«2 drückt sich in unterschiedlichen Zugängen aus, wobei die »Allegorie als Formprinzip«3 nur eine Möglichkeit unter vielen darstellt. Im Zeitraum der Frühen Neuzeit erfolgte die Umsetzung von Bildlichkeit überwiegend im Rahmen der Praxis der Rhetorik: Bild und Rhetorik gehen in der Regel eine enge Verbindung ein, und die Bildlichkeit wird in ein System von inventio, dispositio und elocutio, die rhetorischen Techniken unterliegen, einbezogen.4 Zur näheren Präzisierung dieser Sachverhalte ist eine Reflexion der vielfältigen Verbindungslinien zwischen Rhetorik, Religion und Kommunikation notwendig, um die konkreten Anliegen der barocken Predigtkultur besser verstehen und einordnen zu können. Da die Predigten in der Regel einen bestimmten Adressatenkreis ansprechen, sind sie ein ideales Beispiel, um die vielfältigen Verbindungen zwischen Religion und Kommunikation aufzuzeigen. Die »soziale Präsenz« von Religion manifestiert sich zum Großteil in kommunikativen Akten, an denen Predigten (in Wort und Schrift) unmittelbar beteiligt sind.5 In diesem Sinn kann die Pastoraltheologie als »eigentliche[r] Ort religiöser Kommunikation« (Prädikation, Homilie und Paränese) bezeichnet werden. Mittels Predigtschriften wird die situativ-mündliche »Verkündigungssituation« – als »kommunikative Grundsituation der alten Zeit« (Michael Giesecke) – in der Gattung der Homiletik verdichtet.6 Die Frage, ob es eine eigene Rhetorica sacra gab, wurde allerdings kontrovers diskutiert.7 Hieronymus etwa ging davon aus, dass es sich für einen Ausleger der Schrift nicht schicke, rhetorische Eloquenz zu demonstrieren.8 Die Rhetorik wurde jedoch im religiösen Leben der frühen Neuzeit zu einem erstrangigen Aufgabengebiet – vor allem in dem Sinn, als hier »kommunikative

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Effektivität« im Vordergrund stand, wobei Effektivität mit Rhetorizität gleichgesetzt werden kann.9 Rhetorische Argumentation auf der Basis der Verwendung von Topoi und Loci

Topoi stellen »Kategorien zur Befragung, Bewältigung und Einordnung von Wirklichkeit« 10 dar. Die Topik als »Technik des Erfassens und Einordnens von Erfahrung und Wissen, aber auch als Erinnerungsschema«, wurde von Peter Hess als angemessene Präzisierung des Topos-Begriffs im Gegensatz zum älteren Ansatz von Ernst Robert Curtius bezeichnet.11 Cicero zufolge, sind loci und Topoi Orte, an denen Argumente jederzeit abrufbar angesiedelt seien. Topoi fungieren somit als zentrale »inhaltliche Leitbegriffe und verbale Versatzstücke«, die jeder Redner verwenden sollte.12 In seinem Orator (15, 46) bezeichnete Cicero loci gleichsam als »Kennmarken der Argumente« – an diesen seien die Argumente zur jeweiligen Verwendung im eigenen Text angesiedelt.13 In Renaissance und Barock wurden loci communes zunehmend als inhaltliche Leitbegriffe gesehen und damit vom Topos-Begriff gelöst.14 Der gebildete Leser des 17. Jahrhunderts brachte seine gesamte rhetorische Bildung in die Lektüre ein und gebrauchte diese als »interpretatorisches Instrumentarium«, das ihm bei der Entschlüsselung von topischen Strukturen behilflich war. Wie die Topik dem Menschen beim Erfassen und Einordnen von Vorgängen von Nutzen ist, so hilft sie ihm auch beim »Erklären, Verstehen und Interpretieren von wahrscheinlichen Vorgängen in literarischen Texten«15. Die Barockpredigt

Die Geschichte der Predigt ist vor allem in Zusammenhang mit dem Charakter neuzeitlicher Frömmigkeit zu betrachten. Die Funktion und die Bedeutung von Predigern als »Medien« (Vermittler) öffentlich-christlicher Kommunikation und Orientierung wurde im Gefolge der Reformation radikal reduziert. Aus diesem Grund ist der Unterschied zwischen der lutherischen und katholischen Rolle der Prediger kein bloß habitueller, etwa zwischen Klerus und Laien, sondern ein grundlegender, da die katholische Kirche das Predigtamt gemäß ihrer Auffassung an die Priesterweihe bindet.16 Die Predigt stellte – neben den Flugschriften – im Kontext der Reformation wohl von Anfang an das »wichtigste Mittel zur Verbreitung und Popularisierung der reformatorischen Lehre« dar. Sie befindet sich damit gleichsam im Zentrum kirchlicher Praxis. Für Martin Luther war aus diesem Grund das auf das Gewissen des Gläubigen zielende Wort »Heilsgeschichte im Vollzug«17. Auf der anderen Seite erinnerte das Tridentinum alle Bischöfe unter Strafandrohung daran, dass sie persönlich zur Verkündigung des Evangeliums verpflichtet seien. Insgesamt gesehen besitzt die katholische Predigt gegenüber der Reformation »stark katechetisch-belehrende und kontroverstheologisch-apologetische Züge«18. In katholischen Städten galten zwei bis drei Sonntags- sowie mehrere Wochenpredigten als normal. Im Durchschnitt hatte ein Pfarrer des späten 16. und 17. Jahrhunderts jährlich etwa 200 Predigten zu halten.19

Die Barockpredigt

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Bis dato existiert allerdings keine Übersicht zur Geschichte der Barockpredigt in Deutschland,20 obwohl der Prediger durchaus als »Erfolgsschriftsteller des 17. Jahrhunderts« bezeichnet werden kann.21 Wenn die Pietas eine Grundkonstante im absolutistischen Staat22 darstellte, dann bedurfte sie zugleich der »institutionellen Absicherung«: Im katholischen Wirkungsbereich geschah dies durch die Hofämter des fürstlichen Beichtvaters und des Predigers.23 Jeremias Drexel (1581–1638), einem bekannten jesuitischen Hofprediger in München zufolge, sollte die Predigt ein fest umrissenes »Persuasionsziel«24 beinhalten. Ziel entsprechender Vergegenwärtigungen war die Nutzung von Mitteln wie eingebildete[n] Personen / Gespräch / eigentliche[n] Abbildungen / als stünds vor Augen / vnnd fürnemlich die Gleichnussen (Drexel), ferner die »Wiederholung von Kernsätzen und Zusammenfassungen, schließlich der wohldosierte Einsatz von Historien und Fabeln«25. Drexels »Predigtmodell« spiegelt gleichsam die »natürliche« Kommunikationssituation eines Gesprächs, eines Dialogs zwischen einem Gesprächsführer, der die Schwierigkeiten des täglichen christlichen Lebens kennt, und skeptischen Zuhörern über einen biblischen Text.26 Dieses Konzept kann allerdings nicht verallgemeinert werden; es ist nicht einmal repräsentativ für die jesuitische Predigtlehre des 17. Jahrhunderts; vor allem existieren hier markante inhaltliche Gegensätze zu den verbreiteten Eloquentiae sacrae et humanae Parallela libri XVI […] (Paris 1619) des Nicolas Caussin SJ.27 Wichtig in diesem Zusammenhang ist vor allem die »emblematische Predigt« Caussins. Die erste Auflage seiner Eloquentia sacra erlangte bald – besonders im deutschsprachigen Raum – eine überregionale Bedeutung. Bis 1681 wurde sie in achter Auflage in Köln verbreitet.28 Der Wert der Bibel liegt Caussin zufolge darin, dass die darin vermittelten Fakten »ihren Wahrheitsgehalt von Gott selbst besitzen und daß dadurch dem Christen eine Sinndeutung der Welt mitgeliefert wird.«29 Seiner Meinung nach soll sich der gläubige Christ vor allem auf die Heilige Schrift stützen: »Dort wird er [der Gläubige, W. T.] Schauspiele (spectacula) finden, die seines Glaubens würdig sind. Er wird den Gott sehen, der seine Welt einrichtet und der mit den übrigen Lebewesen jenes bewundernswerte und bessere Geschöpf, nämlich den Menschen, schafft. Er wird die Welt in ihrem Vergehen sehen, die gerecht erlittenen Schiffbrüche, die Belohnungen der Frommen, sowie die Strafen der Unfrommen, die für das Volk ausgetrockneten Meere […]. Und zuletzt wird er zum Schluß kommen, die Schrift sei ein Schauspiel (theatrum), das überaus reich sei an Wundern; und er ruft aus: Brüder, wie schön ist doch dieses Schauspiel (spectaculum), wie angenehm, wie nützlich!«30 Innerhalb der gedruckten Predigten des Barock sind grundsätzlich vier Typen zu unterscheiden: die Postille, die Predigtsammlung, die Traktatliteratur und der Einzeldruck mit jeweils unterschiedlichem Anspruch und gattungsspezifischen Eigenheiten.31 Die enorme argumentative Flexibilität katholischer Predigten kommt vor allem in ihrer »Ubiquität und Adaptierbarkeit«32 zum Ausdruck. Das signifikante &c. nach Bilder- und Exempelreihen ist hier als »zuverlässiges Indiz der Unabgeschlossenheit«33 zu werten, das zugleich darauf hindeutet, dass die Beweisführung tendenziell als extensiv verlängerbar angesehen wird. Darin liegt bereits der Anstoß zu einem »beliebigen, unabschließbaren Fortspinnen«34, das auch für Konstruktion und Ausführung der in den Predigten enthaltenen typologischen Relationen zu

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einem wesentlichen Ansatzpunkt werden sollte. Das in eine Predigt eingeschlossene Exempeloder Beweismaterial steht zu anderer Auslegung oder rhetorischem Gebrauch bereit; es wird zur »Variante eines übergreifenden Verwertungs- und Umformulierungsprozesses«, der Text hingegen »zur statischen Momentaufnahme in der fortschreitenden Umwälzung des katholischen Inventionswissens«35. Die inhaltlichen Leitmotive der barocken Predigten

Im Rahmen von Barockpredigten36 werden häufig das Schriftwort und seine Erklärung sowie der Katechismus und seine Darlegung oft verkürzt dargestellt und kontextualisiert.37 Ein Zentralanliegen der Barockpredigt besteht demnach nicht in der ausführlichen Wiedergabe biblischer Zitate, sondern vielmehr in der Präsentation eines die Argumentation leitenden »Concetto«38. Ein charakteristischstes Merkmal von Barockpredigten zum Osterfest ist es etwa, »das Bild, die Illustration in den verschiedensten Gestalten des Concetto«39 vorzustellen. So können besonders die Osterpredigten als reich an alttestamentlichen Typen bezeichnet werden. Die inhaltliche Auffächerung solcher Osterpredigten geht von der »bloße[n] Illustration der Ostergeschichte« zur »Predigt vom Erlösungssieg« bis zur »Moralpredigt«40. Keineswegs dreht sich dabei alles um den Beweis, dass Christus auferstanden ist, sondern vielmehr um ein raffiniertes »Spiel der Illustration«. Stephan Delaminetz häufte etwa in seiner Tetralogia mystica (Aschaffenburg 1662)41 im Rahmen der beiden ersten Osterpredigten eine solche Fülle an alttestamentlichen Typen an, dass sein eigentliches Thema »Christus als Gärtner« nur mehr andeutungsweise zu erkennen ist.42 Ein zentrales Anliegen von Barockpredigten kann somit durch die Zielsetzung identifiziert werden, »alles sichtbar und sinnlich zu machen«43. Die barocke Predigt darf aber keineswegs nur als »rhetorisches Spiel« gesehen werden. Sie hat einen hohen Begriff von den zentralen Mysterien des Christentums. Auf der einen Seite existierte somit ein quasi-universaler Anspruch, auf der anderen Seite eine faszinierend »naive Kindlichkeit und Innigkeit« – theologische Gelehrsamkeit paarte sich mit durchdringender didaktischer Strategie, die an alle Bevölkerungsschichten gerichtet war. Dem Leser solcher Predigten wird deshalb schnell deutlich werden, wie sehr man sich im geschützten Raum der Kirche gesichert fühlen konnte und sich in fast spielerischer Fröhlichkeit aller Glaubensgeheimnisse sicher war.44 Bereits die Titelwahl der Predigten ist besonders signifikant: Die ausführlichen Formulierungen zeigen zumeist »gesuchte, sinnennahe Darstellungen der Glaubenswahrheiten und Sittenlehren«45. Gerade mittels der Titel konnte die Aussagekraft der Barockpredigten nicht unerheblich verdichtet werden.46 In dieser Weise wurden alle Sinne angesprochen, deutlich etwa in Formulierungen wie Geistliches Löwenbrüllen […] von Leo Wolff (Augsburg 1702), womit sich auch der Autor selbst verewigte, oder Samsonischer Bienenschwarm […] von Engelbert von Landshut OFMCap (München 1709).47 In der offensichtlich gesuchten Lebensnähe verbinden sich zugleich »Weltweite und Lebensfülle«, mittels derer alle Bereiche des Lebens und der Natur einbezogen wurden.48 Hier lag es vonseiten der Forschung nahe, ausgehend

Barockpredigten als Wort-Exegesen

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von dieser ungeheuren Sinnenfülle der Predigten Verbindungslinien zur bildenden Kunst zu ziehen: »Haben wir nicht bei dem Blick auf diese Titel den gleichen Eindruck wie vor dem einen oder anderen Gemälde von Tiepolo oder wie in einer reich ausgestatteten Barockkirche, Kunstgebildeten, die auch alle Bereiche der Natur zur Aussage für ihr Wollen verpflichten?«49. Barocke Predigten sind hinsichtlich ihrer sprachlichen Disposition50 ein besonders ergiebiges Feld für die Anwendung von Typologien, da in vielen Fällen – entweder mit einem Zentralbegriff im Haupttitel oder dem entsprechenden biblischen Motto – bereits eine Verbindung zwischen Altem und Neuem Bund angedeutet wird, die in der Folge im eigentlichen Predigttext genauere Ausführung findet. Barockpredigten als Wort-Exegesen

Ein wesentlicher Bezugspunkt in Bezug auf die Argumentationsweise ist die durchgehende Motto- und Wortzentriertheit von Barockpredigten, wobei diese »Wortbezogenheit«51 zumindest teilweise in spätmittelalterlichen Bildszenerien ihren Ursprung besitzen dürfte. Wenn also Barockexegese im Rahmen von Predigten vor allem »Wort-Exegese«52 ist, dann war es nur allzu konsequent, dass man jede »Einzel-Wortgruppe, ja beinahe jedes Einzelwort«53 der Heiligen Schrift als Quelle der Offenbarung betrachtete. Der Aufbau ganzer Predigten erfolgte somit »auf der schmalen Basis eines Einzelwortes« mithilfe aller Stilmittel der Rhetorik.54 In dieser Hinsicht war auch die exegetische »Zergliederung des Einzelwortes« von höchster Relevanz.55 Auch unter dieser Perspektive existiert eine deutliche Vorliebe der Barockprediger für die Instrumentalisierung des unicum Evangelii verbulum56. Dieser Umstand lässt sich gut anhand Caussins De Eloquentia Sacra et Humana libri XVI (1619) nachvollziehen: Nachdem der Jesuit die einheitlich auf der ganzen Perikope aufgebaute Predigt sowie die Spruchpredigt besprochen hatte, stellte er als ingeniosius jenen Fall dar, in una (plerumque) vocula tota concio fundabitur. – ein Prinzip, das noch in den verbreiteten Institutiones Oratoriae et Poeticae Hermann Goldhagens (Mannheim 1753) Anwendung finden sollte.57 Neben der geläufigen Methode der Entwicklung von Predigten aus einem einzigen Wort bzw. Motto konnten auch die biblischen Grundlagen entsprechend erweitert werden. In dieser Hinsicht wurden ganze Predigten »auf einem Einzelsatze aufgebaut«, was als »biblische Spruchpredigt«58 Bezeichnung fand. Die aussagekräftige Parole des Jesuiten Maximilianus Sandaeus im Rahmen seiner De Theologia Symbolica libri sex (Mainz 1623), Theologia Christiana scatet scitissimis emblematis59, fand in den Predigten breite Resonanz, und Sandaeus selbst deutete die Jakobsleiter für insgesamt 32 (!) verschiedene Predigten aus – inhaltlich auf Maria, Joseph, das Kreuz Christi, die Kirche etc.60 Auf biblische Einzelbegriffe konnte demnach eine fast unbegrenzte Deutungsvielfalt Anwendung finden. Die beschriebene Methode der intensiven Wortzentriertheit lässt sich auch in der zeitgleichen Druckgrafik nachweisen, etwa in einem Blatt der Arma Christi-Serie der Gebrüder Klauber (um 1750):61 Hier wird der jeweilige Gegenstand der Leidenswerkzeuge Christi nach verschiedensten Richtungen ausgedeutet, wobei die konkrete Form des behandelten Objekts den

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Abb. X.1: Geißelsäule aus einer Arma Christi-Serie, Gebrüder Klauber, um 1750 (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek)

Die barocke Predigt und ihre Beziehung zur bildenden Kunst

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allgemeinsten Ansatzpunkt für Vergleiche bieten soll: Die Geißelsäule (Abb. X.1) ist in dieser Hinsicht rein als Gegenstand, als Mittelpunkt einer »Glorie« (umgeben von Werkzeugen der Marter) und in keinem szenischen Kontext präsentiert: Ego in flagella paratus sum. (Ps 37, 18) (oben) und Apparuit Dominus ibi in columna [nubis]. (Dt 31, 15) – bei der Einsetzung Josuas im Offenbarungszelt – sind die die Darstellung rahmenden Inschriften, wobei die Freiheit in der Verwendung des letzteren Bibelzitats ganz offensichtlich darin liegt, den dort eigentlich relevanten Bezug auf die »Wolkensäule« (nubis) einfach beiseite zu lassen. Prägend für die Rezeption des Begriffs der »Säule« in Klaubers Kompendium ist vielmehr die Idee der Gegenwart Gottes in der Säule. Die beachtliche Freiheit der Verwendung von Assoziationen mit einem fast beliebigen Bezug zur Säule wird auch am Faktum erkennbar, vor der monumental aufgerichteten Säule eine Kartusche zu platzieren, die Samson zeigt, wie er die Säulen (!) des Tempels zum Einsturz bringt (Ri 16, 27–30). In dieser Grafik erhält der »Gleichniswert« 62 eine besondere Betonung, da der zentrale Begriff der Argumentation, die Säule, mit anderen biblischen Kontexten in eine Relation gebracht erscheint, die aber nicht heilsgeschichtlichen Zielsetzungen folgen muss. Diese Betonung des Vergleichs, auf welche die Typologie ganz wesentlich angewiesen ist, erfolgt in Barockpredigten vor allem mit dem Wort »wie« als einem scheinbar »simple[n] Verfahren der Vergleichung mit Gleichartigem«. Wie auch bei der hier beschriebenen Grafik Klaubers ist das Faktum essenziell, dass der »biblische Geschehenszusammenhang« in der Regel »keinerlei Gleichniswert« für das besitzt, was der Prediger eigentlich rühmen will. Das Interesse des Predigers richtet sich also vornehmlich auf Vorgänge »ohne Beachtung des biblischen Sinnkontexts, und vor allem auf bloße Worte und Wortverbindungen.«63 Die Bibel übernimmt in diesem Sinn vor allem »sprachliche Aufgaben«: »Sie stellt dem Prediger Worte zur Verfügung, mit deren Hilfe er den Hörern in analogischer Weise andeuten kann, […]«, worum es ihm eigentlich geht. Die Bibel ist hier »Schrift, Sprachbuch«, also in gewisser Weise ein unerschöpflicher Steinbruch, der – zum Zweck der Analogiebildung – für alle möglichen Relationen eingesetzt werden konnte.64 Die barocke Predigt und ihre Beziehung zur bildenden Kunst

Die für die barocke Deckenmalerei charakteristische Gleichsetzung von Geschichte und Heilsgeschichte gilt auch in Bezug auf den Sinngehalt von Barockpredigten, die in einem engen Zusammenhang mit der jeweiligen Klostergeschichte stehen. Wie bereits im Kapitel V skizziert, wird die Geschichte des jeweiligen Klosters – etwa im Zuge einer Jubiläumsfeier – zum »Bestandteil des göttlichen Heilsplanes«. Aus dieser Perspektive ist die »Erfüllung der Zeiten« da, der Heilsplan vollendet und das eigentliche Ziel von Historie, »das florierende und jubilierende Stift oder Kloster«, schon erreicht. Mit dieser Geschichtsanschauung in engstem Zusammenhang steht zugleich das Faktum, dass der Ort, auf dem das Kirchengebäude steht, durch Kirchengründung und -jubiläum zum »heilsgeschichtlichen Ort« wird. Die »Lokalgeschichte« erlangte somit eine neue Bedeutung; als Bestandteil des göttlichen

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Heilsplanes konnte sie neben biblische Begebenheiten gestellt werden und wurde in vergleichbarer Form darstellungswürdig.65 Als Primärquellen hinsichtlich der Selbstdarstellung der Konvente sind besonders Jubelund Einweihungspredigten anzusehen: Der entsprechende Text enthält zumeist einen deutschen Titel; als Thema kann der Vorspruch oder ein Schriftzitat angesehen werden, dann erfolgt ein Vorbericht, als exordium wird das Predigtziel definiert, der Hauptteil besteht in der Übertragung des Schriftwortes auf den konkreten Ort oder Anlass, und die conclusio wird im Anspruch des betreffenden Ortes realisiert, eine »Erfüllung des Schriftwortes«66 zu sein. Predigten dieser Art und unterschiedlicher Länge besitzen an der Interpretation des jeweiligen Kirchengebäudes und seiner Ausstattung wesentlichen Anteil – insbesondere die Schriften zu den Säkularfeiern: In der Regel wurde das Jubiläum einer Kirchen- oder Klostergründung eine Oktav lang gefeiert, wozu auch ein biblisches Vorbild existiert (2 Chr 7, 8).67 In methodischer Hinsicht ist es wesentlich, das Verhältnis zwischen den Predigttexten und der Ausstattung (hier vor allem Deckenmalereien und Altäre) genau zu beachten: Die im Fresko erscheinenden Sinnschichten sollten »mit der Methode der Prediger gelesen werden.«, wie dies am Beispiel der von Johann Baptist Zimmermann freskierten Wallfahrtskirche von Steinhausen in Oberschwaben (1733) deutlich wird: Der Brunnen oszilliert hier deutlich zwischen bloßem Gegenstand und marianischem Symbol. Aus dieser Perspektive pendeln die in den Deckenmalereien präsent gemachten Gegenstände zwischen ihrem realen anschaulichen Wert, gleichsam ihrem »Literalsinn«, und der jeweiligen typologischen, symbolischen etc. Bedeutung. Die Art und Weise, wie sie einander gegenübergestellt sind, bewirkt zugleich, dass sie je nach Kontext einen anderen Realitätsgrad annehmen können. Die meisten Objekte haben aber direkt oder indirekt die »Kirche« zum Inhalt, die letztlich als inhaltlicher »Hauptnenner«68 ausgemacht werden kann. Das vielschichtige Bedeutungssystem barocker Ausmalungen löst somit die »Greifbarkeit des konkreten Gegenstands« auf und führt alles auf einen vornehmlich ekklesiologischen Sinnhorizont zurück.69 Dies kann an zahlreichen – vor allem süddeutschen – Beispielen deutlich gemacht werden: In Bezug auf das oberbayerische Benediktbeuern ist etwa eine Predigt Dominikus Renners zur Dedikation der neu erbauten Stiftskirche überliefert: Fein und reine Kirchfahrt Zachaei welche in dem uhralt-Hoch- und weitberümbten Stifft-Hochlöblichen Closter Benedict-Beyrn […] Bey der eyfrigst angestellten und Ehren-Prangenden Dedication der von Grund auf neuerbauten Kirchen […] (München 1687). Die Präfiguration der neu erbauten Klosterkirche wird im Tempel Salomos gesehen: Was dort nur schattenhaft vorgebildet war, ist hier »durch die Realpräsenz Gottes Erfüllung geworden.«70 Die Kirche ist demgemäß als »irdischer Himmel«71 bezeichnet, in dem Gott und Maria ihre Throne aufgeschlagen haben. Sie wird auch metaphernreich als neu aufgerichtete Apotheke72 beschrieben, in der Jesus das aqua vitae, Maria den heilenden Balsam und der hl. Benedikt den spiritus universalis verkörpern. Des Weiteren wird die Kirche auch mit einem Garten verglichen und zudem als Audienzsaal des Himmels angesprochen.73 Im Zentrum entsprechender Predigten steht somit der übergreifende Gesichtspunkt, dass der konkrete Ort als neuer heilsgeschichtlicher Ort – als Kirche im übertragenen Sinn – zu

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betrachten sei. Die Sinnstiftungen und Akzentsetzungen nimmt der Prediger dabei durchwegs mithilfe prominenter alt- und neutestamentlicher Typen vor: Essenziell ist die Vorstellung, »daß sich das Heil an einem konkreten Ort und innerhalb der Geschichte vollzieht.«74 Denn fast alle Predigtwerke schildern die Gründungslegende der jeweiligen Kommunität und interpretieren den über Jahrhunderte beständigen Erhalt des Klosters als Beweis göttlicher Erwählung. Die jeweilige Kirche ist aus dieser Perspektive in immer neuer Weise ein »konkreter Ort des Heiles« bzw. ein »Kristallisationspunkt der Heilsgeschichte«75 sowie ein auserwählter »Ort der Gnade«76. Als bevorzugte biblische Referenzstellen, die sich auf das Gebäude als konkreten Ort der Heilsgeschichte beziehen,77 sind vor allem Ex 3, 1f. (Moses vor dem brennenden Dornbusch) und die JakobsAbb. X.2: Tausendmahl geseegnete Brünnen Wessonis. Das ist, Zweyfaches Danck-Jubel- und leiter (Gen 28, 10–22) anzusprechen. Beide Freuden-Fest des Uralt- und befreyten Closters Ereignisse zielen auf Orte der »KorresWessobrunn […], Haupttitel, 1754 pondenz zwischen Himmel und Erde«78. (© Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek) Instruktiv ist in dieser Hinsicht der Beginn der Festpredigt am vierten Tag zum tausendjährigen Jubiläum des oberbayerischen Benediktinerklosters Wessobrunn (Tausendmahl geseegnete Brünnen Wessonis. Das ist, Zweyfaches Danck-Jubel- und Freuden-Fest des Uralt- und befreyten Closters Wessobrunn […]) (Augsburg 1754) (Abb. X.2), der die Ausdeutung von Gen 28, 17 ( Jakobsleiter) zum Inhalt hat.79 Es erfolgt hier eine Gleichsetzung der Leiter Jakobs mit dem Traum des bayerischen Herzogs Tassilo III., der im Jahr 753 auf der Jagd eine Nacht im Rotter Wald verbringen musste: In seiner Vision sah er eine Quelle, deren Wasser in vier Richtungen floss und von der aus eine Leiter zum Himmel führte, auf der Engel auf- und niederstiegen. Am oberen Ende dieser Leiter stand der hl. Petrus und sang ein Offizium.80 Für die Wallfahrtskirche Maria Buch (bei Neresheim) ist für das Jahr 1763 – anlässlich des Wallfahrtsjubiläums – eine Predigt mit dem Titel Jubel- und Danck-Fest bey der Wallfahrt unserer Lieben Frau Mariae Buche (Günzburg 1763) überliefert: Darin wird der Bau der Wallfahrtskirche mit der Errichtung der alttestamentlichen Stiftshütte verglichen, Maria sei demnach die neue Arche (Bundeslade) und der bauende Prälat des Klosters Neresheim ein »neuer« Moses.

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Als eine weitere Präfiguration für den Neubau fungiert der Tempelbau Davids, der in Einzelheiten auf Maria Buch ausgedeutet wird.81 Auch der Nachweis jahrhundertelanger Traditionen spielt in den Predigten eine zentrale Rolle: Zur Jahrtausendfeier der Benediktinerabtei Amorbach im Odenwald (1734) erschienen ein Jahr später insgesamt elf Predigten: Hell Erschallende Jubel-Posaunen oder Jubel- und Danck-Predigten bey einem acht-tägigen, Hochfeyerlichen Jubel- und Danck-Fest […] (Frankfurt/M. 1735).82 Die erste dieser Predigten behandelt Amorbach, das 1000 Jahre zuvor durch den hl. Pirmin gegründet worden war. Deshalb findet als Präfiguration auch das alttestamentliche Dankeslied Verwendung, das Moses nach dem Auszug sang (Ex 15, 1–21). Daneben werden weitere Figurationen der Heiligen Schrift angeführt, deren Inhalt die Befreiung von Blindheit anzeigt.83 Die dritte Predigt setzt den brennenden Dornbusch als Typus ein: Wie der Dornbusch brannte und doch nicht verbrannte, so brennt bereits seit über tausend Jahren das Glaubenslicht in Amorbach ohne zu erlöschen. Amorbach ist somit auch ein von Gott erwählter und geheiligter Ort.84 Die siebente Predigt formuliert als eine weitere Präfiguration für das geistliche Amorbach das Himmlische Jerusalem: Alle Aussagen über das himmlische Jerusalem werden hier in Analogie »zum geistlichen Jerusalem«, dem Kloster Amorbach, gesetzt.85 Die elfte und letzte Predigt kann als ausgesprochene Jubel- und Dankpredigt verstanden werden: Hier präfiguriert das Laubhüttenfest der Israeliten das katholische Jubelfest – Amorbach ist in diesem Sinn ein »himmlisches Jerusalem, Gottes Stadt im Odenwald, und eine Verwirklichung des Jakobsleiter-Traumes«86. Besonders deutlich wird die Relevanz des Traditionsnachweises auch beim Kloster Niederalteich, zu dem vier Jubelpredigten im Rahmen der Tausendjahrfeier (1731) nachweisbar sind. Die Klosterkirche wurde aus diesem Anlass innen reich barockisiert (1730/1739). Die wesentlichste Schriftquelle in dieser Hinsicht ist Placidus Haidens Tausend-Jähriges Jubel-Fest des Closters Niederaltaich, S. Benedicti-Ordens, in Unterland Bayern, Bißthums Passau gelegen: Hochfeyerlich begangen im Jahr Christi 1731 und mit Genehmhaltung der Obern schrifftlich verzeichnet […] (Regensburg 1732).87 Die dritte Predigt zu diesem Jubiläum behandelt Jes 35, 2, den Berg Libanon, als »Präfiguration für einen geistigen Libanon, einen geistigen Lustgarten«88, die vierte den hl. Mauritius als Kirchenpatron, der sich mit seinem Martyrium Verdienste für die Kirche erworben habe: So bildet das Martyrium mit dem vergossenen Blut gleichsam das Rote Meer, durch das die Kirche in das gelobte Land zieht.89 Offensichtlich ist in diesem Fall die (im Barock letztlich allerorten nachweisbare) Konkurrenzsituation zum nahegelegenen Kloster Oberalteich, zu dessen Jahrtausendfeier (1732) insgesamt neun Jubelpredigten erschienen: Jubel- und Dank-Fest deß Tausend-jährigen Exempten Stüfft und Closter Ober-Alt-Eich, Benediktiner-Ordens in Unterland Bayrn so in dem Jahre 1732 den 2. September in dem hochem [sic!] Fest der Heiligen Heiligen Schutz-Engeln […] (Straubing 1733).90 Bereits kurz zuvor war die Klosterchronik aus der Feder Aemilianus Hemmauers OSB unter dem Titel Historischer Entwurff der im Jahr tausend siben [sic!] hundert ein und dreyssig tausend-jährichen [sic!] Obern Alten Aich […] (Straubing 1731) publiziert worden – mit einer ungewöhnlich langen Herleitung der ruhmreichen Historie dieser Klosters über die Frühzeit bis zur Gegenwart. Die erste Predigt beschreibt das Gotteshaus Oberalteichs.

Die Konjunktur der »Jubiläumskultur« im Barockzeitalter

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Das entsprechende Jubelfest sei eine »Wiederfeier der Vermählung« zwischen der Kirche (Braut) und dem hl. Benedikt (Bräutigam), die bereits im Jahre 739, dem Jahr der Besiedlung durch die Benediktiner und der Kirchweihe, vollzogen und gefeiert worden sei. Die Kirche in Oberalteich übertreffe demnach ihre ruhmreiche alttestamentliche Präfiguration, den Tempel Salomons, bei Weitem, denn was dort materiell vorgegeben war, konnte nun im bayerischen Barock im eigentlichen, weil geistigen Sinne verwirklicht werden. Zuweilen wird auch auf die ausgezierte Kirche selbst und damit die Kunsttätigkeit verwiesen:91 Die zweite Predigt stellt die Vergänglichkeit menschlicher der Beständigkeit göttlicher Werke in Form einer Kon­ trastsetzung gegenüber. Kein Werk der Antike blieb erhalten, dagegen erfreue sich – so der Tenor der Ausführungen – Oberalteich nunmehr seines tausendjährigen Bestehens.92 Auch im Zisterzienserkloster Raitenhaslach an der Salzach wurde in der Barockzeit der Gründung des Klosters gedacht: Im Jahr 1698 erschienen acht Jubelpredigten zur sechsten Säkularfeier: Glorwürdiges Sechstes Jubel-Jahr oder Sechs-hundert-jährigen Weltgang deß Heiligen und befreyten Cistercienser Ordens celebriert. In dem Hochlöblich. Gotts-Haus des gemelten Ordens Raiten-Haßlach […] (Salzburg 1699).93 Im Rahmen der ersten Predigt wird hier der Ordensvater als neuer Noah und Moses zugleich gepriesen, denn – so die entsprechende Beweisführung – als Noah baute er die Arche, gemeint ist das Kloster, und als Moses gestaltete er dessen Wesen. Moses wurde sehr alt, hatte aber dennoch weiße Zähne: Diese seien nun – so die erstaunlichen Assoziationen – die weißen (!) Söhne des hl. Bernhard, also die Zisterzienser.94 Die Konjunktur der »Jubiläumskultur« im Barockzeitalter

Die barocken Klosterjubiläen haben in dieser Hinsicht eine »ständige Rekapitulation der legendären Gründungsgeschichten« zum zentralen Inhalt. Die Festpredigten dienten in dieser Perspektive vor allem der eigenen Rückversicherung, der »Anamnese der heilshaften Ursprünge«95. Kirchliche Säkularfeiern des 18. Jahrhunderts sind aber nicht nur inhaltlich mit der Ausrichtung der Predigttexte zusammenzusehen, sondern darüber hinaus als »multimediales Ereignis« zu charakterisieren.96 Die Memorialkultur – besonders in Bezug auf die alten Orden – besitzt hier deutlich lokal und regional orientierte Schwerpunkte, feiert Feste und Jubiläen, die vor allem für die einzelnen Institutionen identitätsstiftende Bedeutung besitzen. Einen Gegensatz dazu bildet die weltweit straff organisierte Gesellschaft Jesu mit ihrem Hundertjahrjubiläum 1640 (Imago primi saeculi)97. Im 18. Jahrhundert existierte somit auf breiter Front gleichsam ein »Zwang zum Jubiläum«, und man könnte fast von einer »Jubiläumskonkurrenz innerhalb einzelner Orden«98 sprechen. Die barocke Jubiläumskultur zeigt in anschaulicher Form, wie bereits an verschiedenen Beispielen skizziert, wie sehr Geschichte und Heilsgeschichte als untrennbar miteinander verbunden dargestellt werden99. Eine invention of tradition ist in dieser Hinsicht besonders auffällig: Ziel ist durchwegs die Betonung von Kontinuitäten, die »Konstruktion einer unsichtbaren katholischen Tradition«100.

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X Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten

An dieser Stelle ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die barocke Jubiläumskultur kein rein geistliches Phänomen darstellt, sondern auch in vielen politischen Druckschriften zu einem zentralen Thema der Argumentationen gemacht wird: Ein instruktives Beispiel in dieser Hinsicht ist Karl Gustav Heraeus’ Allerunterthänigster Zuruf, womit A.C. 1723. den 16. September an dem Krönungs-Tage der königl. Böheimischen Majestäten Carl des VI. und Elisabet [sic!] Christina […] an dem zugleich nach A.C. 723 einfallenden tausend-jährigen Jubel-Fest von Erbauung der königl. Residenz-Stadt Prag zu einer Erklärung der pflicht-mässig vorher angegebenen Crönungs-Medaillen seinen allertieffesten Treu-Eyfer anzudeuten sich erkühnet, o. O., o. J. (1723).101 Mit einem Rückblick in die ruhmreiche Geschichte (Prag, alter König-Sitz) wird Prag stolz als »neues« Rom präsentiert. In dieser Hinsicht erfüllt der Prager Hradschin die Rolle des römischen Palatin, Přemysl der Pflüger als mythischer Stammvater wird als »neuer« Cincinnatus sowie Kaiser Karl VI. als Augustus gepriesen. Mehrere Zeitebenen erscheinen hier gleichsam überblendet, wobei durchwegs das typologische Muster von Vorbild und Erfüllung aktualisiert (723–1723, Prag–Rom, Hradschin–Palatin sowie Přemysl–Cincinnatus) und damit in raffinierter Form Gegenwärtigsetzung betrieben wird. Die Erfüllung des Alten Bundes in der ecclesia

Als wichtigstes und durchgehend zu konstatierendes inhaltliches Deutungsmuster geistlicher Barockpredigten kann die Interpretation der Kirche als »himmlisches Jerusalem« angesprochen werden. Die Vision der ecclesia als »Erfüllung des salomonischen Tempels«102 wurde dabei in unterschiedlicher Weise präsentiert.103 Hier ist allerdings zu beachten, dass dem konkreten Kirchenbau der Frühen Neuzeit diese Semantik nicht unterlegt wird, noch ist dieser als faktische Realisierung des alttestamentlichen Tempels verstanden. Weder die Predigten noch die Kirchengebäude selbst geben entsprechende Hinweise auf eine solche an sich mögliche Deutung.104 Die Kirche als »himmlisches Jerusalem« kann aus dieser Perspektive – Peter Hawels verdienstvollen Ausführungen zufolge – vor allem im Sinne einer »sittlichen Deutung« verstanden werden: Die einzelnen Aussagen über das »Himmlische Jerusalem« sind demgemäß auf das »geistige« Kirchengebäude bezogen.105 In dieser »sittlichen Interpretation« besteht die Analogiesetzung vornehmlich darin, »daß eine Wesengleichheit eines biblischen Zitates mit dem Handeln der Religiosen [...] postuliert wird.«106 Als zweiten modus der Interpretation bezeichnet Hawel »Die Kirche als himmlisches Jerusalem – Allusion«: In Predigten dieses inhaltlichen Zuschnitts erfolgt nur eine Anspielung auf das »Himmlische Jerusalem«, ohne aber dieses Bild näher und konkreter zu deuten. Im Vergleich zur erwähnten »sittlichen« Interpretation stellt dies die wesentlich häufigere Deutungsweise dar.107 Die Kirche als figura impleta bezeichnet den Antitypus des Salomonischen Tempels; als weitere Analogien sind die alttestamentlichen Tier- und Brandopfer anzusehen, die sich in den Opfern der Ordensgelübde erfüllen würden, oder das Kreuzesopfer, das als Antitypus des alttestamentlichen Brandopfers angesehen werden kann.108 Ebenfalls häufig präsent ist die alttestamentliche Bundeslade als Figur für den Thron Gottes, für den Altar, den Reliquienschrein und das Gna-

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denbild.109 Der Gebrauch von Vorhangmotiven an Chorbögen und Altären kann ebenfalls als ein signifikantes Indiz für die Kirche als figura impleta des Salomonischen Tempels gewertet werden. Geraffte Velen weisen in dieser Hinsicht auf den Tempelvorhang hin:110 Was einst verhüllt war, wird nun gleichsam offenbar. Von zentraler Bedeutung in Bezug auf die dabei verwendeten Argumentationsstrukturen der Typologie sind die »analogen Strukturen dieser Aussagen«, denn nur das Bestehen bzw. Weiterbestehen eines einmal gefundenen Analogons lässt »die durch die Analogie gemachte Aussage weiterhin gültig sein.«111 Kirchweihpredigten als Ausdruck einer besonderen Beziehung zwischen Text und Bild

Wenn sich uns, wie besonders von der frühen Forschung postuliert, »durch die barocken Kirchweihpredigten […] die grandiose Spannweite der Barockkirche [erschließt]«112, dann gilt es in besonderer Weise, die Aussagen der Predigten mit den inhaltlichen und formalen Strukturen der bildenden Kunst zu vergleichen. Die eigentliche liturgische Basis für die allegorische und typologische Ausdeutung der Kirche stellt der Kirchweihritus dar.113 Häufig sieht man aber, dass nur lose Beziehungen zwischen den entsprechenden Texten und dem Kirchenbau selbst existieren: So sind mehrere Kirchweihpredigten zur Freisinger Festoktav anlässlich des 1000-jährigen Jubiläums (1724) erschienen: Das Motto der ersten Predigt war Apk 21, 2, die Vision des »Himmlischen Jerusalem«. Als Predigt zum 2. Oktober wurde Neu- und altes Freysing […], als passendes Thema Nova et vetera […] (Hld 7, 14) gewählt. Die dritte Predigt (zum 3. Oktober) trägt den (als Chiasmus zu verstehenden) interessanten Titel Alt und Neu. Alt wegen der gegenwärtigen, neu wegen der vergangenen Zeit. Unter anderem ist darin folgende Passage enthalten: Die verflossenen Zeiten seyen in Freysing ankommen und werde [sic!] nunmehr in den gegenwärtigen klar vorgestellt dasjenige, was doch längstens verstrichen.114 Unter den vorangestellten biblischen Motti kommt die Bezugnahme auf das »Himmlische Jerusalem« wohl am häufigsten vor: Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herabsteigen, geschmückt wie eine Braut, die für ihren Bräutigam geziert ist. (Maximilian Eckher Freiherr von Kapfing beim Freisinger Jahrtausend-Jubiläum, 1724, mit direktem Bezug auf Apk 21, 2).115 Im Jahr 1766 formulierte Abt Georg von Roggenburg bei der Fertigstellung der Stiftskirche von Ottobeuren: Ich sah ein heiliges, ein neues, ein wohlgeziertes Jerusalem., jedoch ohne Beziehung zum konkreten Kirchenbau, und Dekan Basil Hummel meinte in diesem Zusammenhang: Machet Euch ein lebhafftes [sic!] Vorbild der schönen Stadt deß himmlischen Jerusalems und lasset euch diesen schönen Tempel [scil. Ottobeuren, W. T.] dessen Abriß und Copey sein.116 Die Kirchweihpredigt, die im Jahr 1739 der Augustiner Chorherr Augustinus Fastl aus dem Kloster Polling hielt und die ein Jahr später unter dem Titel Der neue Himmel zu Dießen. Das ist Kirchweih-, Lob- und Jubelpredigt (München 1740) publiziert wurde, ist von besonderer Aussagekraft, da sie wie kaum eine andere mit besonders zugespitzten Gleichsetzungen arbeitet und den Bau der Klosterkirche zum unbedingten und gottgewollten Vollzug der Heilsge-

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schichte erklärt. Die Predigt setzt mit dem bekannten Zitat nach Apk 21, 1 ein: Vidi caelum novum, ich hab’ gesehen einen neuen Himmel. Die Kirchen ist ein Himmel. Dieser neue Himmel aber ist diese neue Stüfft-Kirchen. Diese gegenwärtige Stüfft-Kirchen ist ein unvergleichlich-heiliges-neues Himmlisches Jerusalem. Eine Kirchen bauen ist sovil [sic!] als einen neuen Himmel erschaffen. Christlicher Zuschauer […], sihe [sic!] an diesen neuen Himmel.117 Eine tragende Idee wird mit verschiedenen Gleichsetzungen auf der Basis von Apk 21 immer wieder durchgespielt. Die Dießener Stiftskirche nimmt in diesem Zusammenhang eine Sonderstellung ein, da hier nicht der »Umweg über typologische Bezüge« gesucht wird, »sondern nur sich selbst meint.«118 Nicht der Hinweis auf einen historischen Gnadenort wird bemüht, sondern die Transzendierung erfolgt »nur noch durch einen Verweis auf sich selbst als historischen Ort. […] Die Geschichte der Gründung von Dießen wird […] das quasi-typologische Vorbild des eigentlichen Dießen.«119 Wenn die »Präfiguration als heuristisches Mittel der Exegese« – wie zu zeigen war – in Jubel- und Kirchweihpredigten des 18. Jahrhunderts eine bevorzugte Verwendung fand, 120 dann muss zugleich nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht werden, dass diese Textgattung das theologische Verständnis konkreter Kirchengebäude in der Regel nur in einem recht allgemeinen Sinn thematisiert. Die entsprechenden Predigten zielen kaum auf die Hermeneutik von Architektur und Bildkünsten.121 Aus der Kirchweihpredigt des Franz Joseph Mayr für die ehemalige Benediktinerinnen-Stiftskirche in Lindau am Bodensee (1751) erfahren wir etwa, dass zum Umbau dieser Kirche sieben Grundrissvorschläge vorgelegen hatten.122 Das Interesse der Predigten an Fragen und Konzepten bildkünstlerischer Ausstattung ist letztlich nur ein beschränktes, wenn es um die – heute gebräuchliche – Interpretation des Freskos als »Wort-Bild« geht. Das hier mehrmals betonte Faktum, dass um ein Bibelwort, um einen einzigen Satz oder einen Teil eines Satzes mit allen Anstrengungen eine heilsgeschichtliche, historische oder hagiografische Szene in den Bildkünsten entworfen wurde, bedeutet noch nicht automatisch, dass enge Beziehungen zwischen den Texten und Bildern existiert haben müssen. Jedenfalls bleibt als übergreifendes und zeittypisches Strukturmerkmal die (für Predigten und Bilder gleichermaßen charakteristische) »Wort-Exegese« als »allegorische Ausdeutung eines Bibelzitates«123 relevant, die in textgebundenen wie visuellen Vermittlungsformen imstande ist, typologische Relationen zu schaffen. Während die ältere Forschung durchaus eine (allerdings nicht näher reflektierte) »Verwandtschaft zwischen der geistlichen Predigt und den Bildern in und über der Kirche«124 betonte, betrachtet man gegenwärtig dieses Verhältnis im Sinne einer Neubewertung der Kirchweihpredigten distanzierter und differenzierter. Bisher habe sich – so etwa der Tenor der Aussagen von David Ganz – die Forschung allzu leicht dazu verführen zu lassen, »die in die Fresken eingetragenen Texte mit dem Programm der Bilder gleichzusetzen.« Besonders die Kirchweihpredigten wurden als Kronzeugen für diese Haltung in Anspruch genommen. Dies habe – so Ganz weiter – zu einer »starken Unterdrückung des visuellen Beziehungsreichtums der Bilder« geführt. Oberstes Ziel müsse deshalb eine Neubewertung der medialen Eigengesetzlichkeiten des Bildapparates sein, die keinesfalls mit einer Illustration der Predigten zu verwechseln ist und auch nicht dem literarischen Vorwurf per se eine inhaltliche Priorität einräumt.125

Die ehemalige Stiftskirche von Baumburg (1757)

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Die ehemalige Stiftskirche von Baumburg (1757)

Besonders detailliert lässt sich dieses komplexe Verhältnis zwischen der Predigt einerseits und der künstlerischen Ausstattung andererseits anhand der ehemaligen Augustinerchorherren-Stiftskirche von Baumburg an der Alz, die mit Fresken von Felix Anton Scheffler ausgestattet wurde, beschreiben.126 Die Kirchweihe fand 1757 statt, die Festpredigt des Jesuiten Ignaz Bonschab zum 600-jährigen Jubiläum der Gründung des Stiftes erschien ein Jahr später unter dem Titel Tempel kindlicher Danckbarkeit […]. Darin wird eine Schilderung der Gründungsgeschichte anhand der Deckenmalereien geboten,127 was – wie skizziert – eine Ausnahme im Rahmen der barocken Predigtkultur darstellt. Ohne Kenntnis der Predigt und manchmal selbst mit ihr ist es allerdings in diesem Fall nur schwer möglich, die entsprechenden Darstellungen zu entschlüsseln.128 Die Deckengemälde im Langhaus der Kirche zeigen den hl. Augustinus, der in unterschiedlichen Szenen auftritt, die durch eine gemeinsame Terrainzone verbunden sind.129 In der Predigt, nicht aber in den Malereien (!), wird das lasterhafte Leben dieses Heiligen typologisch kommentiert – und dies anhand von Typen aus dem Alten Testament (Samson und Jona), die im Text dazu führen, dass Augustinus als Antitypus die biblischen Typen im Negativen übertrifft (!), wodurch – nach Bonschab – erst die Grundlage geschaffen wird, dass der Kirchenvater die Merkmale des Lasters sichtbar ablegt.130 Der Jesuit Bonschab ging zwar nicht auf die gesamte künstlerische Ausstattung ein, aber seine Predigt ermöglicht es immerhin, bestimmte Personengruppen präziser zu benennen.131 Am Ende seiner Ausführungen beschreibt er nochmals seine grundsätzliche Motivation, einen Predigttext formuliert zu haben und beschäftigt sich ein letztes Mal mit den Freskeninhalten Baumburgs und den Lehren, die wir aus ihnen ziehen können und sollen. Wegweisender Ausgangspunkt ist für ihn der Ausspruch des hl. Petrus, der auf dem Berg Tabor seiner selbst fast vergessen, nur Christo, dem Moyses, und Elias drey Hütten als ewige Wohnstatt erbauen wollte (bei der Verklärung Christi, vgl. Mt 17, 4). Auf dem »Berg« Baumburg wurde nun tatsächlich als Zeichen der Dankbarkeit ein christlicher Tempel errichtet und anstatt dreyer Hütten, drey Felder auserwählet, in diesem ihre danckbare Hertzen zu verewigen.132 Zur Typik, Argumentation und Sprache barocker Predigten

Im Folgenden soll anhand einiger Beispiele eine Detailanalyse der Sprache von Barockpredigten, die bisher kaum Gegenstand der Forschung war, zeigen, in welcher Weise Typologie in raffinierter und vielschichtiger Weise – und zugleich mit einem ungeheuren Bilderreichtum ausgestattet – zur Anwendung kam: Dabei kann die Anwendung biblischer Typen im Rahmen weltlicher Predigten, die in der Regel der Herrscher- oder Feldherrenverherrlichung dienen, in gleichem Ausmaß wie bei geistlichen Predigtschriften nachgewiesen werden.133 Dies unterstreicht in deutlicher Weise ein Blick in die 1717 in St. Stephan in Wien gehaltene unpaginierte Predigt Göttlicher Nebel-Sieg […] des Jesuiten Ignatius Reiffenstuel anlässlich des Sieges von Prinz Eugen über die Osmanen:134 Als Motto fungiert Ps 147, 16 (Er spendet Schnee

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wie Wolle, streut Reif wie Asche.). Zahlreiche göttliche Siege aus dem Alten Testament werden allgemein und auch hinsichtlich des konkreten Schlachtverlaufs zitiert, die der Meinung des Autors zufolge als dem Triumph des Prinzen ähnlich angesehen werden können, so die Siege Abrahams (Gen 14), Josuas ( Jos 11) und Jonathans (1 Kg 14).135 Der Titel Göttlicher Nebel-Sieg ist jedoch nicht – wie man meinen könnte – biblischer Metaphorik geschuldet,136 sondern geht auf die tatsächlichen Umstände der Schlacht bei Belgrad zurück, als am 16. August 1717 plötzlich Nebelschwaden von den Flussauen heranzogen, worauf beide Seiten rasch die Orientierung verloren. In der Predigt Reiffenstuels wird diese Wettersituation jedoch schnell vom Faktischen zum Metaphorischen verklärt, da hier der Sieg des Prinzen als Steigerung vom Nebel zum göttlichen Licht Deutung findet. Das Psalm-Zitat und die damit verbundene, auf Maria angewendete Schnee-Symbolik führen auch zur These des Jesuiten, Maria habe letztlich den Sieg Prinz Eugens bei Belgrad bewirkt – eine Vorstellung, die der Autor zusätzlich durch die offensichtliche Datumsnähe des Sieges (16. August) zum Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel (15. August) bestätigt glaubt. Typologische Argumentationen bleiben bei Lob- und Dankreden im Rahmen politisch motivierter Kontexte bis an das Ende des 18. Jahrhunderts eine tragende argumentative Konstante. Dies wird auch aus der Lob- und Danck-Rede […] des Jesuiten Franciscus Peikhart deutlich,137 die dieser anlässlich der ungarischen Krönung Maria Theresias am 29. Juni 1741 in St. Stephan in Wien vortrug. Das Motto Posuisti in Capite ejus Coronam (Ps 20, 4)138 bezieht sich auf die Relevanz der Krone bzw. von Kronen allgemein in Zusammenhang der Herrschersymbolik und -repräsentation sowie auf die vom Autor konkret gestellte Frage, ob Maria Theresia von der Krone mehr Zierde empfangen oder sie dieser mehr Zierde gegeben habe.139 Erst am Schluss der Predigt140 werden zahlreiche typologische Vergleiche ins Spiel gebracht, die sich auf die Rolle Maria Theresias als neue Deborah und Rebekka beziehen, somit prominente Figuren des Alten Bundes mit neuem Leben erfüllen. An dieser Stelle 141 kulminiert die typologische Kontextualisierung, indem der Freuden-Ruff des Magistrats und der Bürgerschaft Wiens anlässlich der Krönung Maria Theresias alttestamentlich unterlegt wird, da nun Peikhart die alttestamentliche Heroine Judith als Typus für die habsburgische Regentin ins Spiel bringt: So wie die Einwohner Bethulias Judith preisen, so erschallt nun auch im Jahr 1741 der entsprechende, gemeinschaftliche Ruf an Maria Theresia: Tu gloria Jerusalem! Tu laetitia Israel! Tu honorificentia populi nostri! ( Jdt 15, 10), so Peikhart abschließend. Damit sind zugleich grundlegende Faktoren für die Anwendung der Typologie im Rahmen von Barockpredigten angesprochen – der Aktualitätsbezug, also die beanspruchte Gegenwärtigsetzung eines biblischen Geschehens im Rahmen eines aktuellen politischen oder sakralen Kontexts, sowie die durchgehende Orientierung des Predigttextes an einem Motto, das einen argumentativ prägnanten Hauptbegriff enthält, auf den immer wieder und unter verschiedenen Gesichtspunkten rekurriert wird. Predigten sind nicht nur Medien der Information, sondern vor allem Medien der Wiederholung eingängiger Begriffe, somit aus dieser Notwendigkeit spezieller Argumentationsstrategien ganz anders strukturiert als die Bildmedien, die im Rahmen typologischer Argumentati-

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onen häufig zwei inhaltlich miteinander verzahnte Bildtypen (des Alten und Neuen Bundes) kombinieren. Predigten sind demgegenüber primär auf Eingängigkeit, Wiederholung und didaktische Prinzipien hin angelegt: Unter dem Gesichtspunkt der Vermittlung und Verdeutlichung sollten Schlagworte, biblische Parallelen und Grundtatsachen des Glaubens in einem komplexen Miteinander immer wieder neu und eingängig vermittelt werden. Der Prozess der Rezeption typologischer Strukturen ist somit im Rahmen einer Predigt, die im Verhältnis zum jeweiligen Anlass zumeist erst zu einem späteren Zeitpunkt gedruckt wurde, ein ganz anderer als im Kontext von Kirchenausstattungen. Ein besonders eingängiges Merkmal von Predigten besteht darin, die gewählte Hauptfigur mit möglichst vielen prominenten (alttestamentlichen) Typen in Verbindung zu setzen. Franciscus Caccia etwa unternimmt in seiner unpaginierten Klosterneuburger Predigt zu Ehren des hl. Leopold mit dem Titel Cor Austriacum, das ist der Leib: und lebhaffte Oesterreichische Stammen Hertz der Gerechtigkeit und Gottsforcht [sic!], ist der Hochheilige Marggraff [sic!] Leopoldus […] (Wien 1682)142 den Versuch, den hl. Leopold, den legendären Gründer des Stiftes Klosterneuburg, als unter zwölff Apostlen [sic!] in dem Leben ein anderer Christus, […] als unter den zwölff [sic!] Patriarchen ein Abraham, sowie des Weiteren als Zacharias, Benjamin und Aaron zu charakterisieren. Ein wahres Arsenal an Persönlichkeiten des Alten Bundes wird aufgeboten, um eine Bedeutungssteigerung des Babenbergers zu erzielen, ohne dass allerdings konkrete Verbindungslinien zu diesen Persönlichkeiten des Alten Testaments gezogen würden. Das recht allgemeine Aufrufen prominenter alttestamentlicher Vergleichsbeispiele allein scheint bereits auszureichen, um eine entsprechende Nobilitierung des gefeierten Heiligen zu evozieren. Dazu formuliert Caccia auch Ereignistypologien mit fiktivem Charakter, da zum berühmten alttestamentlichen Typus des Sieges Mose über die Amalekiter (Ex 17, 8–16)143 kein konkreter hagiografischer Antitypus aus dem Leben Leopolds beigebracht werden konnte, sondern dieser notgedrungen unter Zuhilfenahme allegorischer Gesichtspunkte formuliert werden musste: […] so lang Leopoldus die Händ über Oesterreich wird auffheben: als ein Hertz in dem Oesterreichischen Leib wird einfliessen, wird Oesterreich in der Regierung und Crönung verhunderen. – ein Passus, der übrigens wörtlich im Geistlichen Kramer-Laden […], (3. Teil, Würzburg 1719)144 des Abraham a Sancta Clara wiederkehrt. Wenn, wie bereits am Beispiel Baumburgs angemerkt, stellt sich die Frage eines Bezugs zwischen Predigten und bildkünstlerischen Ausstattungen nur in Einzelfällen: Eine Salzburger Predigt des Admonter Benediktiners Alanus Pfeiffer, die den Triumph Benedikts zum Inhalt hat (Triumph deß glorwürdigen Heiligen Ertz-Patriarchen Benedicti […]) (Salzburg 1702),145 besitzt als Thema bzw. Motto das berühmte und liturgisch vielfach eingesetzte Benedictus, qui venit in Nomine Domini (Mt 21, 29): Das in der Kunst – ausgehend vom berühmten Thesenblatt Leonhard II Heckenauers nach Johann Karl von Reslfeld (1701)146 – omnipräsente Thema des Triumphzugs Benedikts, der von allen vier Kontinenten gezogen wird, ist in dieser Predigt unmittelbar angesprochen147, ebenso wie ein auf dem Berg Montecassino befindlicher Triumphwagen seiner Glorie und die diesen begleitenden Bischöfe und Kardinäle, welche die Ausbreitung des Ordens in aller Welt vor Augen führen sollen.148 Der bene-

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diktinische ­Triumphzug149 hängt wieder unmittelbar mit dem zitierten biblischen Motto nach Matthäus zusammen, da das Benedictus zugleich auf den Eigennamen des Ordensvaters zu beziehen ist. Ist es hier noch ein biblischer Begriff bzw. Passus, der auf einen Heiligen angewendet werden konnte, so sieht der Augustiner Chorherr Conradus Mennerstorff in seiner Predigt Das Evangelische Hundert-fältige erfüllet in einem außbündigen Muster evangelischer Vollkommenheit […] (1737)150 das Wachstum des Benediktinerordens unmittelbar in Ex 1, 7 (Fruchtbarkeit Israels) begründet: Creverunt & quasi germinantes multiplicati sunt […] – Wort, die auf die Kinder Benedicti fast eigens geredt zuseyn anscheinen! […]151. Hier wird offensichtlich versucht, prominente biblische Schriftstellen in ihrer Semantik in Bezug auf den konkret zu verherrlichenden Gegenstand, also den Orden des hl. Benedikt, als so kongruent anzusehen, dass sie gleichsam als Prophezeiungen der hagiografischen Ruhmesgeschichte zu lesen sind. Predigten zu Ehren des hl. Benedikt sind auch aus dem einfachen Grund, dass sie nämlich mit dem sinnreichen Namen des Ordensgründers Benedictus bereits einen bestimmten semantischen Wert vermitteln, besonders interessante Zeugnisse für die Anwendung typologischer Strukturen.152 In der Benedikt-Predigt Regia Adamitica […] des Franziskaners Mauritius Steizinger (1713)153 ist etwa wiederum das Benedictus qui venit als Motto anzutreffen. Der Passus Benedictus nomine, ita re, bezeichnet ebenso die Intention des Autors, da das Adjektiv benedictus als Leitbegriff und zugleich als Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen aufzufassen ist. Denn Mt 12, 41 (Ecce plus quam Jonas hic.) wird in der Folge als Steigerungstopos auf Benedikt bezogen, d. h. die Jona-Christus-Typologie auf den Ordensvater übertragen, dessen Tod und »Auferstehung« angeblich dazu dienen würden, die gesamte Welt mit seinem Wirken zu erleuchten.154 Die beachtliche Polyvalenz von Typologien dieser Art wird zudem daran deutlich, dass auch die prominente Adam-Christus-Typologie nach Paulus (Röm 5, 12–21) auf Benedikt übertragen werden konnte: Nun zu unsern [sic!] widergebohrnen Adam: Zu unsern [sic!] seegensreichen hochheiligen Benedictum. Gerade Benedikt eignete sich in idealer Weise als Angelpunkt typologischer Konstruktionen, die im Mönchsleben ihren Ursprung haben. An den Zentren und Kristallisationspunkten mönchischer Liturgie konnte sich eine spezielle Art von Typologie ausbilden, die strenge Parallelismen formulierte: Die entsprechenden Reliefs am Dorsale des Chorgestühls der Benediktinerstiftskirche von Ottobeuren (Martin Hörmann und Johann Joseph Christian, Ausführung 1757–1764)155 beziehen David auf den hl. Benedikt, wobei durchwegs auf einen konsequenten Parallelismus in der Ereignistypologie geachtet wurde, der etwa den Psalmen singenden David auf den psalmierenden Benedikt bezieht. Ein bestimmendes Motto der zum Fest des hl. Benedikt im Wiener Schottenkloster 1733 vorgetragenen und 1734 gedruckten unpaginierten Predigt Heiliger Benedictus der Glor-würdige Patriarch, ein Stern der ersten Größe; welcher mit den Seinigen einen neuen Himmel auf Erden, eine neue Erde in dem Himmel verfertiget hat […] aus der Feder des Wiener Jesuiten Franz Xaver Schmidt156 ist unter anderem die – immer wiederkehrende – Stelle Apk 21, 1: Der Autor formuliert hier als Bekenntnis: Ich habe mit ihm [scil. Johannes Ev., W. T.] einen neuen Himmel und eine neue Erde, oder vielmehr einen neuen Himmel auf Erden, eine neue Erde in dem Himmel

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gesehen. Schmidt schildert seine Vision vor einem Kirchen-Gebäu, welches sich nunmehro von seinem gefalterten [sic!] Alterthumb glückseelig hervor gebutzet [sic!] und fährt weiter: Benedictus als einen Stern der ersten Größe, von dem viele andere das Licht gesogen, hab ich bisher angedeutet: was folget anders, als was ich gleich anfangs ausgesprochen, daß auf Erden ein neuer Himmel sei? Strapaziert wird hier die bekannte Vorstellung eines neuen Himmels auf Erden sowie einer neuen Erde im Himmel (!): Sie [die Augen, W. T.] erlauben anjetzt von dem neuen Himmel auf Erden die Augen auf die neue Erd und den Himmel zu wenden, um jenes darzuthun, was ich in dem zweiten ganz kurzen Predigttheil zugesagt: daß Benedictus sammt den Seinigen eine neue Erde in dem Himmel verfertigt habe […]. Die Präsenz Benedikts wird dabei mittels stellarer Metaphorik vermittelt: Nun hab ich mein Gesicht auf einmal geendet: Ich habe in Benedictus dem großen Patriarchen einen hellglänzenden Stern der ersten Größe gesehen und vorgestellet, der durch sich und die Seinigen einen neuen Himmel auf Erden (in dem ersten Theil), eine neue Erd in dem Himmel (in dem kurzen zweiten) gestaltet. Vergleichbar mit der – hier besonders anschaulichen – überragenden Bedeutung Benedikts im Rahmen der barocken Predigtkultur sind die Schriften zu Ehren des Zisterziensers Bernhard von Clairvaux: Wenn es in Marcellianus Dalhovers OFM Umbra von Clara-Vall […]157, einer in München im Jahr 1700 gedruckten Predigt zum Fest des hl. Bernhard bei den Kaisheimer Zisterziensern,158 heißt, IN NARDO REPERI JESUM., dann wird mit dem Begriff nardus (Nardenbalsam) zugleich auf den hl. Bernhard hingewiesen: Das Exemplar und Vorbilde Christum hab ich in dem Nachbild, das ist, in dem H. BERNARDO gefunden. In dieser Predigt erscheint die similitudo zwischen Christus und Bernhard explizit durch einen Bibelvers zum Ausdruck gebracht: Tu Signaculum Similitudinis. (Ez 28, 12),159 präzisiert durch den Hinweis auf Bernhard als eines erst- und unschuldigen Adams160. Darauf folgend ist vom Zisterzienser als Nachbild deß anderen Adams, nemblich Christi deß Gecreuzigten die Rede – verbunden mit dem (in der Folge immer wiederholten) Hinweis auf Ez 28, 12 (Tu Signaculum Similitudinis).161 Präzisiert wird hier der typologische Bezug mit Du O H. Ertz-Patriarch, bist das Sigel [sic!] nach dem Bild, Imago IMAGINIS, und UMBRA, die Copie und Nachbild des anderen, und besseren Adams!162 Dieses Spiel mit den Begriffen von Ur- und Nachbild ist auch Gegenstand zahlreicher sprachlicher Varianten, die in extensiver Verdichtung ausgebreitet werden:163 CHRISTVS das Liecht [sic!]: BERNARDUS dessen Schatten und Nachbild. Christi alter ego. – modifiziert in allen möglichen Formulierungen im Rahmen der gegenständlichen Predigt, z. B.: Er [scil. Bernhard] ist Christi alter ego. Christus das Original: BERNARDUS UMBRA, und Christi Nachbild.164 Das überragende Vorbild Christus verbietet selbstverständlich eine Typologie nach dem Modell, Bernhard als »neuen Christus« anzusprechen, deshalb wird auch hinsichtlich der gewählten Terminologie der Bildbegriff als Matrix der Argumentation gesucht, wenn von Bernhard als simulachrum [sic!] & effigies Domini sui Cruci­fixi165 die Rede ist. Der im Rahmen der Predigten überaus häufig anzutreffende Steigerungstopos findet sich unter anderem in der unpaginierten Predigt Der Glorwürdigste Blut-Zeug Christi […] des Karmeliten Florentius a S. Anna zu Ehren des hl. Kilian (Wien 1738), 166 die unter dem Motto

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Plus quam Salomon hic. (Mt 22, 24) steht: Der darin anzutreffende Satz Plus quam Salomon hic, Kilianus ist mehr und weiser dann Salomon. führt den Überbietungstopos zu einer besonderen Spitze, gilt doch Salomon gemeinhin bereits als Inkarnation der Weisheit, nun aber übertroffen vom Glanz des hagiografischen Antitypus: »Wo die alte Form ein neuer Geist im typologischen Sinn erfüllt, ist mehr als Formkonstanz, ist ihre Steigerung gegeben.«167 Dieses Ziel wird mit dem Komparativ168 zum Ausdruck gebracht. Trotzdem ist Vorsicht geboten, da bei der »Stilisierung von Szenen der Heiligenleben nach biblischen Mustern« nur dann explizit von Typologie die Rede sein kann, wenn das »Moment der typologischen Steigerung«169 auftritt. Ein Heiliger ist eben zu keiner Zeit ein Antitypus Christi.170 Typologien können im Rahmen von Predigten derart textprägend wirken, dass entsprechende Analogien aus einer bestimmten Perspektive heraus die ganze Predigt durchziehen: Der Wiener Schottenmönch Aemilianus Daneli OSB behandelt in seiner Predigt im Traum (von ihm) gesehene Siben [sic!] volle Pharaonische Korn-Aeher […] (1731),171 aus hagiografischer Perspektive die sieben Gründungsväter des Servitenordens, die auf die sieben Ähren des ägyptischen Joseph (Gen 41) bezogen werden, die auf sieben fruchtbare Jahre hindeuten etc. Aus dem Traum, der dem Autor zuteilwurde, entwickelt sich mit alttestamentlicher Fundierung und Legitimation die Vision des fruchtbaren (Ähren!) Ordens der Serviten, wobei als grundlegender Maßstab die Zahlentypologie – mit »sieben« als Leitbegriff – anzusehen ist. Bei näherer Betrachtung ist es gerade der ägyptische Joseph, der in besonderer Weise als beliebte Referenzfigur im geistlichen wie im weltlichen Bereich172 Anwendung fand und dies bis weit in das 18. Jahrhundert hinein, aufgrund der Namensgleichheit natürlich im Rahmen der Verherrlichung der habsburgischen Regenten Joseph I. und Joseph II.173 Es gibt in dieser Hinsicht zahlreiche »zweite« Josephsfiguren, welche die Berichte aus der Genesis aufnehmen und für den jeweiligen Bereich aktualisieren. Nicht immer muss dabei die Zahlentypologie so präzise ausgeprägt sein wie im eben zitierten Fall der legendären sieben Gründer des Servitenordens. Die wohl einprägsamste Typologie in Bezug auf die »Nachfolge« des ägyptischen Joseph in den Mönchsorden ist im Titelkupfer des ersten Bandes zu Petrus de Godoys OP Disputationes theologicae […] (1686)174 nachweisbar: Hier ist der Dominikaner Thomas von Aquin die Identifikationsfigur, vor dem in der Darstellung nicht nur die Mitglieder seines Ordens, sondern an unterschiedlicher Ordenstracht erkennbare Vertreter zahlreicher Gemeinschaften knien, um ihm zu huldigen. Im oberen Teil halten fliegende Engelputti ein Schriftband mit Gen 37, 7 (PVTABAM LIGARE NOS MANIPVLOS IN AGRO, / ET QUASI CON­ SVRGERE MANIPVLVM MEVM, ET STARE / VESTROSQVE MANIPVLOS CIR­ CVMSTANTES ADO- / RARE MANIPVLVM MEVM. GENES. CAP. XXXVII). Dieses Zitat stammt aus der Josephserzählung der Genesis und bezieht sich auf den Traum Josephs, dass die Garben seiner Brüder sich vor seiner verneigen würden. Der alttestamentliche Typus wird im Hintergrund wiedergegeben. Dem entspricht im Vordergrund der Antitypus, der die führende Stellung des Dominikanerordens vor Augen führen soll. Der Stich vor Godoys Predigtsammlung zeichnet sich auch dadurch aus, dass er eine Abstufung in der Bedeutung

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vornimmt, da der alttestamentliche Typus in den Hintergrund versetzt, der eigentliche Protagonist hingegen im Vordergrund platziert wird. Die Traumerzählung aus der Geschichte des ägyptischen Joseph ist dabei durchaus mit Bedacht gewählt, da mit dem in Gen 37, 7 drei Mal (!) erwähnten manipulum nicht nur die biblische Garbe gemeint ist, sondern auch auf das liturgische Kleidungsstück des Manipels angespielt wird. Zudem spielen Garben und der Acker auf die Fruchtbarkeit an und weisen so auf die segensreiche Arbeit der Ordensgemeinschaften in der Kirche Christi hin. Mit seiner Typologie steht der Dominikaner Godoy nicht alleine: Der Göttweiger Benediktiner Urban Schaukegl hielt am 7. März 1763 bei den nahe gelegenen Kremser Dominikanern eine (im Druck unpaginierte) Predigt Thomas von Aquin als der englische Lehrer […] (Krems/D., o. J.), in der er jene Typologie wieder strapazierte und meinte, dass sich – unter Hinweis auf Gen 37, 7 – im Vergleich alle Ordensmänner vor dem Aquinaten als Brüder vor ihrem Joseph verneigen würden. Wir haben es hier somit mit einer Typologie zu tun, deren Persistenz in Predigten durchaus ausgeprägt war und als Frontispiz bei Godoy Bildwürdigkeit erfuhr. Gerade die erzählerisch reichen Berichte des Alten Testaments schienen aus dem Blickpunkt barocker Prediger eine ideale Basis zu bilden, um Visionen von glorreicher Zukunft und Auserwähltheit in den jeweiligen hagiografischen Antitypen kulminieren zu lassen. Dies ist etwa in der unpaginierten Predigt Terra Melle et lacte fluens […] (1695) von Franciscus Bernardus Fischer175 der Fall, die in der Vorrede mit einer Moses-Typologie beginnt: Dort wird diesem geweissagt, das Volk in ein Land führen zu können, in dem Milch und Honig fließt. Der Predigttext bezieht sich darauf und nimmt mit einem Überbietungstopos eine entsprechende Steigerung der Geschichte Mose durch den Zisterzienserorden vor, der die alttestamentliche Wirklichkeit in der christlichen Hagiografie nicht nur als »erfüllt« ansieht, sondern diese regelrecht transzendiert: Ihr Hochwürden und Gnaden übertreffen in dem den Moysem, gestalten dieselbe das Land, das von Milch und Honig flüesset wirklich besitzen, da doch Moyses niemahlens darein kommen; Was ist der hochlöbliche Cisterc. Orden anderst als das Land Chanaon, allwo von der gebenedeyten Zungen deß wunderthätigen Burgundischen Apostels und hönigflüessenden Doctors Bernardi das Hönig der Weisheit und die Milch der Reinigkeit reichlich gesamblet werden […]. Im Verlauf der Predigt wird dies weiter ausgeführt, wenn dezidiert davon die Rede ist, dass Bernhard von Clairvaux Moses vorgezogen werden solle: […] derowegen wo Bernardus ein [sic!] glantzende Sonne ist, Moyses ist nur ein scheinbares Feuer, wo Bernardus ein Charfunckel, Moyses nur ein Chrystal, wo Bernardus ein feines Gold, ist Moyses nur Metal [sic!]. Bernhard von Clairvaux, der wahre Moyses, ersetzt somit – der Intention dieser Predigt zufolge – den alttestamentlichen Propheten, überbietet ihn anhand zahlreicher Vergleiche in Bezug auf kostbare Gegenstände (Edelsteine und Metall). Häufig werden Gleichsetzungen zu einer ganzen Argumentationskette fortgeführt, wenn etwa in einer Freisinger Predigt aus dem Jahr 1724 der hl. Benedikt mit Noah (unter dem Leitmotiv des Gesegnet-Seins nach Gen 9, 1) gleichgesetzt wird und in der Folge der Benediktinerorden in seiner Gesamtheit als (mit Gott in einem neuen Bund verbundene) Archen deß neuen Testaments Bezeichnung findet. Als zusammenfassende Schlusspassage folgt: Bene-

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dictus Noë: Benedicta Arca, Religio Benedictina176. Wie zur Bestätigung dieser Aussage erfolgt später eine detaillierte Begründung der Typologie: Beyde erhalten Befelch [sic!]: sie sollen bauen eine Archen: Fac tibi Arcam. Genes. cap. 6. Noë zwar zu Erhaltung deß Zeitlichen: Benedictus zu Erhaltung deß Geistlichen Lebens. Beyde erfüllen den Befelch und Willen Gottes mit einem heiligen und genauisten [sic!] Gehorsamb: Fecit Noë omnia, quae praeceperat illi Deus. Genes. 6. Beyde werden entzündet von inbrünstiger alles irdische übersteigenden Liebe Gottes […]. Im Anschluss daran wird der Grad der Argumentation noch weiter zugespitzt und topografisch präzisiert, indem der Prediger als neue Arche Montecassino (gleichsam als neuer Berg Ararat!) benennt.177 Erst gegen Ende des Textes findet der Überbietungstopos Eingang, indem nach endlosen Parallelismen zwischen Noah und Benedikt, deren Symbolik im Wesentlichen vom alttestamentlichen Vorbild aus gesucht wird, mit der Diktion der Überlegenheit festgestellt wird, daß er [scil. Benedikt, W. T.] dem alt-testamentischen Noë nit allein gleich, sondern weit überlegen seye.178 In der Predigt des Wiener Barnabiten Florentius Schilling mit dem Titel Nardus vallium: Das ist: ein wolriechender Himmels Nard dess [...] heiligen Lebens dess [...] Cistercienser Patriarchen und Abbten zu Claravallis S. Bernardi, welchen in einer [...] Lob- und Ehren-Rede [...] in dem [...] Gotteshauss zum heilgen Creutz im Valle Nemorosa vorgestellet (Wien 1667) werden ebenfalls Parallelismen zwischen den Biografien Mose und des Bernhard von Clairvaux gezogen: So mächtig dann Moyses im alten Gesatz, so groß Bernardus im neuen heißt es hier. Unter diesem Gesichtspunkt wird der Zisterzienser als neuer Thaumaturg, als Wundertäter, gepriesen. Auch eine Waldsassener Predigt von Johannes Georg Tröster mit dem Titel Bernardus. Ein Neu-Testamentischer […] hoch-angesehener Moyses (Waldsassen 1742) widmet sich dem reichen Feld der Vergleichsmöglichkeiten zwischen Moses und Bernhard von Clairvaux. In diese Kategorie gehört auch Joachim Kolbs Neu-Testamentischer Moyses: Das ist der heilig- und glorwürdige Ertz-Vatter Benedictus […] (1722),179 die Predigt eines Münchner Paulaners auf den hl. Benedikt zu Ehren des Benedikt-Ordensfestes in Tegernsee, die den Ordensvater als Neu-Testamentischen Moyses bezeichnet. Auch hier stehen Parallelismen im Vordergrund der Argumentation, wenn Benedikt angeblich gleich als ein anders Kind Moyses aus dem Meer-Wirbel dieser müheseligen Welt erhoben180 wurde. Der Autor feiert seine Typologie mit dem Lobpreis schönste[r] Gleichheit Moysis und Benedicti!181 Auch in diesem Fall wird gegen Ende der Predigt die Parallelisierung zugunsten einer Steigerung aufgehoben, da – dem Autor zufolge – Moses zwar von Gott auserwählt, Benedikt aber nicht nur von Gott ausersehen wurde, sondern darüber hinaus die Menschen auf den rechten Weg der Seligkeit zurückbrachte.182 Besonders das Wort Benedictus (Gen 12, 2), das sowohl das Gesegnet-Sein (Abrahams) als auch den Eigennamen des Ordenspatriarchen Benedikt bezeichnet, war ein idealer Ausgangspunkt, um eine Typologie zwischen Abraham und Benedikt183 zu konstruieren, wie dies etwa bei Ferdinandus Josephus Dorffners Der Neu-Testamentische von Gott hochgeseegnete Patriarch Abraham. Das ist: unterthänigste Ehren- und Lob-Rede von dem glorwürdig-heiligen Patriarch und Ertz-Stiffter Benedicto […] (Regensburg 1708)184 der Fall ist, wo deutlich von dem noch größeren Patriarch Benedicto im Verhältnis zum Patriarchen Abraham die Rede ist.185 Letztlich – da auch hier das

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Benedictus, qui venit Eingang findet –, werden sogar verschiedene Personen (Habakuk) und Erzählungen des Alten Testaments wie Moses vor dem Dornbusch, der nicht verbrennt (Ex 3, 1–12), und die Himmelfahrt des Elias (2 Kg 2, 1–18) auf Benedikt, der sich in den Dornen wälzt, um die Fleischeslust zu besiegen, 186 bezogen,187 wodurch die ganze thematische Bandbreite des Alten Bundes vorgestellt wird, um den vielfältigen Eigenschaften Benedikts gerecht zu werden. Ein Pendant im christologischen Bereich findet diese Art von Typologie in der großformatigen Publikation von Jan Caramuel von Lobkowicz mit dem Titel Sanctus Benedictus Christiformis […] (Prag 1652),188 die auf ganzseitigen Tafeln in retabelähnlichen Konstruktionen jeweils eine kleine christologische Szene Abb. X.3: Guglielmus Vorster, Moyses in Israel. (quasi in Form eines Altarauszugs) dem Das ist Florianus […], Haupttitel, 1709 größer wiedergegebenen benediktinischen (© Klosterneuburg, Stiftsbibliothek) Antitypus gegenüberstellt. Besonders Moses eignete sich aufgrund seiner profilreichen Biografie und der bereits im Frühchristentum nachweisbaren Typologien in Bezug auf Christus, Benedikt189 und Petrus190 in idealer Weise als Ansatz- und Ausgangspunkt für die Verherrlichung von Heiligen, wie auch die unpaginierte Predigt des Jesuiten Guglielmus Vorster mit dem Titel Moyses in Israel. Das ist Florianus […] (1709)191 (Abb. X.3), dediziert an Propst Franciscus Claudius Kröll (St. Florian [OÖ.]), zeigt: Ausgangspunkt ist hier die Rolle des Predigers als Mitglied der Gesellschaft Jesu (Ignatius-Feuer), der eine Person, die mit Wasser zu tun hat (hl. Florian), analysiert, biblisch unterstrichen durch Jes 64, 2 (aquae arderent igni.). Das Wasser verweist hier auf die Taufe, zugleich wird die Verbindung zwischen Moses und Florian, dem »neuen« Moses, anhand konkreter Exempel verdeutlicht, da, wie Moses aus dem Wasser gerettet wurde,192 Florian sein Martyrium erlitt, indem man ihn in die Enns stürzte. Fast programmatisch erscheint hier der imperativische Passus Auß der Tieffe Alt-Testamentischer Geschichte muß Neu-Testamentische Wahrheit gezogen, mithin ans Liecht gebracht und behauptet werden […]. Aus den ausführlich entwickelten und mit zahlreichen – nicht ohne Schwierigkeiten – fast gewaltsam ausgeführten Parallelen zwischen Moses und Florian wird Letzterer schließlich als Neu-Testamentischer Moyses apostrophiert: So wie Moses Israel retten wollte, so fungierte Florian als Anwalt der Christen in Oberösterreich, ist ein Credo der Aussagen des Textes. An jenen Stellen, wo aus der Perspektive der Lebensgeschichte Mose kein passender Typus bereitstand oder

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X Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten

verwertet werden konnte, behalf man sich mit der Beiziehung anderer alttestamentlicher Protagonisten, etwa Josuas. So werden die bei Jos 4, 3 ausführlich zitierten Steine, die im Jordan auf Geheiß Gottes aufgerichtet wurden, nicht ohne Schwierigkeiten auf die in der Florian-Legende vorkommenden Steine (!) bezogen: Es ist dies der Mühlstein beim Martyrium sowie jener Stein, auf dem der tote Florian von einem Adler bewacht wird. Als entsprechendes Vorbild fungiert die Argumentationsweise der frühchristlichen Theologie, die emsig bemüht ist, Gegenstände direkt aufeinander zu beziehen, etwa, wenn bei Theodoret († um 460) das Rote Meer den Taufbrunnen präfiguriert, die Wolke den Heiligen Geist, Moses Christus, der Stab das Kreuz etc.193 Das Ergebnis für den Prediger ist die ruhmreiche Rolle Florians als Ober-Oesterreichischer Moyses, gipfelnd in der Analogie zwischen dem brennenden Dornbusch Mose auf der einen Seite und dem vor Gefahren des Feuers bewahrenden Heiligen, der bewirkt, dass nichts verbrennen möge (!), auf der anderen Seite. Alle Gegenstände und Fakten, die aufgrund des alttestamentlichen Berichts in irgendeiner Weise als verwertbar angesehen wurden, machte Vorster für seine typologische Auslegung nutzbar. Es gibt allerdings keine Faustregel, die darüber Aufschluss geben könnte, welche alttestamentlichen Typen auf welche Heilige bezogen werden können. Termini wie Neutestamentlicher Moses finden sich ebenso bei anderen Heiligen und nicht nur beim hl. Florian, etwa in der unpaginierten Predigt Der Neu-Testamentische Moyses […] Franciscus (o. J.),194 die von Ex 17, 6, jener berühmten Stelle, wonach Moses Wasser aus dem Felsen schlägt, als Motto ausgeht, die dabei angesprochene Moses-Franziskus-Typologie im Text aber nicht weiter ausführt, sondern diese nur im Titel – gleichsam als Schlagwort – zum Thema macht. Die in der Frühen Neuzeit allerorten zu konstatierende überragende Bedeutung Mose ist hier offenkundig. Diese Stellung Mose wurde aber bereits im Frühchristentum sowie in der mittelalterlichen Literatur grundgelegt, wenn in der Matthäussequenz des Gottschalk von Limburg († 1098) von einer »mutatio des Alten in das Neue«195 die Rede ist. Die Relevanz Mose wird unter anderem auch daran deutlich, dass in der berühmten Grandval-Bibel (um 840)196 Paulus als »neuer Moses«197 auftritt. Interessanterweise wurden, obwohl Typologien offensichtlich ein tragendes inhaltliches Gerüst der meisten Barockpredigten darstellen, gerade jene Bibelstellen, die aufgrund von Jesu Zeugnis (z. B. Jo 3, 14; Mt 5, 17) als ideale Basis für typologische Ausführungen hätten genützt werden können, nicht als Quellen der Inspiration bzw. als Motti verwendet. Vielmehr sind es vor allem Gegenstände, die zur symbolischen Ausdeutung einladen: Wenn Jes 28, 16 zufolge der Stein als von Gott gelegte Grund- und Eckstein Bedeutung stiftet, dann wird in einer unpaginierten Predigt von Athanasius Schnabl (Glanzender Prob-Eck- und Schmuck-Stein. Das ist: Tugend, Lehr und Wunder Francisci Xaverii […]) (Graz 1757)198 eine Typologie über Christus, den wahren Eckstein (Eph 2, 20; 1 Petr 2, 4–7), bis hin zum Jesuitenheiligen Franz Xaver (der Heilige als herrlicher Grund-Stein christlicher Kirche) entwickelt, dessen vielfältige Tugenden wiederum in Form von Steinen (!) Beschreibung finden. Hier ist es weniger das in diesem Zusammenhang ausführlich beschriebene personelle Erfüllungsmuster, das etwa Moses in Florian als einem »neuen Moses« gipfeln lässt, als vielmehr der polyvalente Stein, der nach

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Abb. X.4: Eusebius Franck, Neues Gefäß der Auserwählung Gottes […], Haupttitel, 1753, (© Klosterneuburg, Stiftsbibliothek)

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Abb. X.5: Eusebius Franck, Neues Gefäß der Auserwählung Gottes […], unpaginierte Textseite, 1753 (© Klosterneuburg, Stiftsbibliothek)

allen möglichen symbolischen Bedeutungen abgefragt wird und dessen Funktion vornehmlich darin besteht, eine möglichst schlüssige Verbindung zwischen dem Jesaias-Zitat, der Metapher von Christus als Eckstein und dem Jesuiten Franz Xaver herzustellen. Dabei laufen die Argumentationen im Rahmen von Predigten – unabhängig von den übergeordneten typologischen Strukturen – durchaus in vergleichbarer Weise ab. Zumeist sind es als Randkommentare zitierte Belegstellen (vor allem aus Bibel und Patristik), welche die Argumentationsrichtung des Textes vorgeben und den inhaltlichen Beziehungsreichtum schaffen, indem jeweils neu in die Ausführungen integrierte Zitate immer wieder neue Themen und Begriffe einführen, welche die Sinnhorizonte anreichern und in Gestalt ständig wachsender Sinngeflechte überlagern. Häufig ist es sogar so, dass die vom Autor zitierten Schriftquellen nicht nur als Belege einer bestimmten inhaltlichen Anschauung des Textproduzenten selbst dienen, sondern in Folge ihrer Ausrichtung die Argumentation in eine bestimmte Richtung drängen können. Ein gutes Beispiel in dieser Hinsicht ist die unpaginierte Predigt des Augustinereremiten Eusebius Franck, die 1753 unter dem Titel Neues Gefäß der Auserwählung Gottes […]) in Wien erschien199 (Abb. X.4) und den hl. Ignatius von Loyola als neues Gefäß der Erwählung Gottes beschreibt, seine vita aber fast ausschließlich vor der Folie mit dem Wort wie eingeleiteter Belegstellen abhandelt, aus denen letztlich deutlich wer-

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X Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten

den soll, dass eigentlich die Geschichten des Alten und Neuen Testaments das Handeln des Ignatius zu bestimmen scheinen (Abb. X.5). Nicht immer ist dabei klar, ob der hl. Ignatius durch die Fülle der beigebrachten Belege wirkt, oder ob – ausgehend vom Jesuitenheiligen – dieser durch die Gnade Gottes Auserwählte die Belege der Schrift mit neuem Glanz zu erfüllen scheint. Typus und Antitypus treten hier in eine Art latentes Spannungsverhältnis, welches das Profil des Heiligen nicht als unmittelbare Erfüllung von Prophezeiungen ansieht, sondern in gewisser Hinsicht zwei gegenläufige Argumentations- und Erzählstränge nebeneinander herlaufen lässt, die sich wechselseitig potenzieren können. Ein besonders weites Feld bieten jene Predigten, die aufgrund von Namensgleichheit und Namensähnlichkeit der Hauptfiguren200 eine besondere Grundlage für die Ausbildung von Typologien bilden: Die unpaginierte Predigt Die Schön und bittere Noemi […] Maria […] (1763)201 des Grazer Augustinereremiten Wolfgang Lanius geht von mehreren Motti aus – konkret von Pulchra es (Hld 6, 3), einer klassischen Marientypologie, sowie von Ruth 1, 20 (Ne vocetis me Noemi, id est Pulchram, sed vocate me Mara, id est, Amaram.). Mit dem Satz Mara, die Bittere […]; weil dich dein göttlicher Sohn ob seinen Leiden mit Bitterkeit erfüllet. wird ein bestimmter Typus Marias formuliert. Auf der Basis eines Zitats des hl. Bonaventura, Noemi pulchra & amara signat Mariam, pulchram quidem per Spiritus Sancti sanctificationem, amaram vero per Filii sui Passionem.202, erscheint zugleich die grundsätzliche Doppelbedeutung abgesteckt, die vor allem darin besteht, dass mit pulchra et amara zwei zentrale Eigenschaften Marias vorgestellt werden: Liebe und Schmerz, Freude und Leid – Charakteristika, die Maria laut Lanius in kongenialem Ausmaß über alle alttestamentlichen Vorbilder hinaus zugeschrieben werden können. Die typologische Argumentation, die in der Namensähnlichkeit zwischen Mara und Maria ihren Ausgangspunkt besitzt, wird abschließend durch Beispiele aus der theologischen Literatur begründet. Zugleich existieren Texte, deren Motti implizit eine Typologie geradezu fordern. In einer Predigt von Liborius a S. Barbara, die unter dem Titel Abraham und Jsaac […] den hl. Ulrich von Augsburg mit Abraham bzw. Isaak kombiniert (1738),203 wurde das Motto aus Gen 22, 7, dem Bericht zum Opfer Abrahams, genommen. Hier ist es für den Leser durchaus schlüssig, anhand dieses bedeutenden Typus aus dem Alten Bund im Rahmen des Predigttextes entsprechende Ausführungen zu finden: Ist Abraham in dem starckmüthigen Opfer seines geliebten Sohn [sic!] Isaacs, nach Meynung des goldenen Munds Chrysostomi zum Priester worden (mit dazugehöriger Belegstelle, W. T.), so fehle ich nicht, wann ich Udalricum in Abraham als einem Sinn-Bild entwerffe, […].204 Der Predigtautor begleitet hier quasi den Leser im Rahmen seiner Ausführungen mit Begründungen für die Konstruktion seiner hier vorgelegten Typologie. Die logische Konsequenz ist die Präsentation Ulrichs als Antitypus für Abraham: Udalricus der Hohe-Priester wahre [sic!] gleich ein anderer Abraham mit Feuer und Holtz vorsichtig: Feuer der inbrünstigen Liebe Gottes, und Holtz der Abtödtung [sic!] seines unschuldigen Fleisches, Feuer der anmüthigen Liebe vor dem Neben-Menschen, und Holtz starckmühtigster Uberwündung deren empfindlichsten Verfolgungen […].205 Die konkrete Ausführung der typologischen Relation führt hier dazu, dass die entsprechenden Attribute Abrahams allegorisch auf Ulrich über-

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tragen werden. Wiederum nimmt der Autor den Leser gleichsam an der Hand, um ihm seine Art der Argumentation zu illustrieren: […] dann gedencke ich Udalricum in dem vorsichtigen Abraham abzubilden, […].206 Die Konsequenz ist – wie in vielen anderen Fällen auch – eine Ausweitung der typologischen Argumentation auf scheinbare biografische Parallelen, da dem Text zufolge mit Gen 22, 2.9, jener Berg, der Abraham gezeigt, aber nicht namentlich genannt wurde, dem Ort, von dem der hl. Ulrich aus in das ewige Leben berufen wurde, vorgebildet erscheint.207 Die Tausendjahrfeier des Klosters Ottobeuren (1766)

Stärker auf historische Sachverhalte und konkrete Objekte der Ausstattung bezogen sind jene Predigten, die anlässlich der bereits skizzierten Klosterjubiläen erschienen sind und gleichsam die Geschichte der jeweiligen Kommunität im Rahmen der Predigt Revue passieren lassen. Ein paradigmatischer Fall in dieser Hinsicht ist die im Jahr 1767 in Ottobeuren – anlässlich der Tausendjahrfeier des Klosters (1766) und der Weihe der neuen Stiftskirche208 – erschienene Publikation Das Tausend-jährige und durch die bischöfliche Einweyhung der neuen Kirche geheiligte Ottobeyren: oder merkwürdige Begebenheiten, welche sich bey der feyerlichen Einseegnung der neu erbauten Kirche und dem tausend-jährigen Jubel-Fest deß befreyten Reichs-Stiffts und Gottes-Hauses Ottobeyren zugetragen (Ottobeuren 1767).209 Das umfangreiche Werk besteht aus den an acht Tagen gehaltenen Predigten unterschiedlicher Autoren. Wir haben es somit mit den literarischen Zeugnissen einer ganzen Festwoche zu Ehren Ottobeurens zu tun, die das Gedächtnis einer ruhmreichen tausendjährigen Geschichte nach verschiedensten Aspekten hin ausdeuten. Der Titel der Publikation markiert bereits den durchgehend relevanten Doppelaspekt von feierlicher Segnung der Kirche und tausendjährigem Jubelfest. Die Programmatik der Stiftskirche, die im Rahmen der Ausführungen der Predigten immer wieder eine Rolle spielt, dürfte wohl auf Abt Anselm Erb (1740–1767), den Nachfolger des berühmten »Bauabtes« Rupert Neß,210 zurückgehen. Die erste Predigt behandelt den Gesichtspunkt, dass im Gegensatz zu seinen Präfigurationen im Alten Testament Ottobeuren bereits über 1000 Jahre bestehen würde: Das reale und einst erwählte Jerusalem mit seinem Tempel sind Figuren für Ottobeuren. Jerusalem ist der Grundriß, Ottobeuren der Abriß. Sie gleichen sich wie Vorbild und Abbild.211 Dem Predigttext zufolge kann Ottobeuren als nova Jerusalem bezeichnet werden: Der Bau gleiche dem »Himmlischen Jerusalem«, die Kirche von Ottobeuren sei somit als eine »Braut Christi« anzusehen, deren Schmuck nicht in Gold und Edelsteinen bestehen würde, sondern in ihrem Eifer für Gott und seine Ehre.212 Die zweite Predigt betont, dass der Tempel Salomos in Ottobeuren seine Erfüllung finde: Was dort materiell geschah, erscheint nun hier geistig vollzogen; in der Folge wird eine Fülle von Beziehungen zwischen dem Altem und dem Neuem Testament ins Spiel gebracht.213 Die fünfte Predigt präzisiert den Bezug auf das »Himmlische Jerusalem«: Machet euch ein lebhafftes Vorbild der schönen Stadt deß himmlischen Jerusalems; und lasset euch diesen schönen Tempel dessen Abriß und Copey seyn.214

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X Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten

Die Publikation zum Klosterjubiläum setzt215 mit einer ausführlichen Beschreibung der neuen Kirche216 und der 1766 geweihten217 12 (!) Altäre218 ein. Besonders hervorgehoben wird hier das neue Chorgestühl (mit Reliefs aus dem Leben Benedikts). Nicht erwähnt werden aber die auf Benedikt typologisch bezogenen David-Szenen. Die Beschreibung schreitet weiter zur Charakterisierung der Pfingst- und Benediktskuppel mit einer Schilderung der Fresken, die sich auf das Gründungsjubiläum Ottobeurens (764–1764) beziehen. 219 Diese Ausführungen sind knapp gehalten, und die entsprechenden bildlichen Darstellungen werden keiner allegorischen Interpretation unterzogen. Ein dezidiert allegorischer Aspekt tritt erst im nächsten Kapitel deutlich zutage, wenn es um die Vorstellung des inhaltlichen Leitmotivs geht, das darin besteht, Ottobeuren als neues Jerusalem zu präsentieren:220 Ottobeyren / in / seinem tausend Jahr alten Jubel- und / Kirchweih-Fest / ein / heiliges, ein neues, ein wohlgeziertes / Jerusalem, biblisch unterlegt mit dem Vorspruch: Vidi sanctam Civitatem, novam Jerusalem, paratam ut Sponsam orna- / tam viro suo (Apk 21, 2). Die Stelle ist – wie bereits anhand mehrerer Beispiele angedeutet – einer der klassischen Bibelverse, die im Barock auf Kirchengebäude bezogen wurden – mindestens ebenso häufig, wie in Barockpredigten angesichts neu errichteter Klosterkirchen der Satz zu lesen ist, Dies ist der neue Himmel221, wie etwa bei Propst Herkulan Karg in Dießen im Rahmen einer Kirchweihpredigt, die 1739 der Augustiner Chorherr Augustinus Fastl (aus Polling) hielt und ein Jahr später unter dem Titel Der neue Himmel zu Dießen publiziert wurde.222 In Ottobeuren geht es nicht nur um die Vision, die dem Prediger in Gestalt eines »neuen« Jerusalem zuteilwird, sondern auch um die wie eine Braut (Christi) zubereitete und geschmückte Stadt – ein Aspekt, der sich im gegenständlichen Fall auf die eben fertig gestellte, prächtige Kirche bezieht. Sowohl der inhaltliche Anspruch der Typologie als auch der konkrete historische Anlass können mit diesem Motto, auf das im Rahmen dieser Predigt immer wieder Bezug genommen wird, abgedeckt werden. In der Folge223 erfährt besonders die Spanne von tausend Jahren, an der sich der Prediger sichtlich ergötzt, eine intensive Thematisierung, weil nun – im Jahr 1764 – das tausend Jahr alte Ottobeyren in ein neues übergeführt wird, nicht ohne den bekannten Steigerungstopos anzuwenden, da mit Bezug auf Hag 2, 10 gesagt wird: Grösser wird seyn die Herrlichkeit dieses letzteren Hauses, dann deß vorigen. Nach zahlreichen Anspielungen auf das Gotteshaus als neuen Tempel,224 die aber keine Pendants in den künstlerischen Darstellungen der Kirche selbst enthalten, schließt der Prediger wieder mit dem zitierten Motto aus der Apokalypse, dieses gleichsam resümierend und bestätigend auf die beschriebene Kirche anwendend: Ich sahe die heilige Stadt, das neue Jerusalem, geziert wie eine Braut.225 Der Prediger reflektiert im Anschluss226 die Methode des von ihm selbst vorgebrachten typologischen Zusammenhangs, wenn er formuliert: […] so, daß ich mich ohne mindesten Anstand berechtiget zu seyn erachte, das jubilierende Ottobeyren mit der heiligen Stadt Sion, den allhiesig neu erbauten herrlichen mit dem prächtigen Tempel in Jerusalem zu vergleichen. Ja! Jerusalem der Grund, Ottobeyren der Abriß! Jerusalem das Vorbild, Ottobeyren das Ebenbild! Wie bereits gezeigt, verfährt der Prediger argumentativ in der Weise, dass er sich aufgrund der prächtigen Kirche Ottobeurens und der im biblischen Typus vorkommenden Merkmale heilig, neu und wohl außgeziert zur Formulierung dieser Relation berechtigt

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sieht.227 Diese wird aber nicht nur emphatisch verkündet, sondern auch detailliert exemplifiziert und begründet, in ihrer anschaulichen Beweiskraft vom Prediger mit immer neuen Beispielen beleuchtet, sodass das gewählte biblische Motto aus der Apokalypse in durchgehender Weise sowohl als sinnstiftende Zusammenfassung als auch als Überleitung dienen kann, welche die Begriffe Vor- und Ebenbild einschließt. Der mit den bestimmenden Merkmalen heilig, neu und wohl außgeziert beschriebene Vergleichsmaßstab zwischen biblischem Vorbild und in Ottobeuren neu erstandener historischer Realität wird im Folgenden in die drei Abschnitte der Predigt gegliedert, die konsequenterweise als I. Heilig, II. Neu und III. Außgeziert. bezeichnet sind. Diese Teile der Predigt zitieren somit im Hauptbegriff die Jerusalem beschreibenden Adjektive (nach Apk 21, 2), die sinngemäß auch auf die neue barocke Stiftskirche anzuwenden sind.228 Folglich steht der erste Teil unter dem Motto Vidi sanctam Civitatem. / Ottobeyren ein heiliges Jerusalem.229, der zweite unter dem Thema Vidi novam Jerusalem / Ottobeyren ein neues Jerusalem.230 und der dritte unter dem Leitbegriff Vidi ornatam, sicut sponsam viro. / Ottobeyren ein wohlaußziertes Jerusalem.231 In den einleitenden Erläuterungen zum dritten Teil wird auch die Frage behandelt, auf welchen Wegen sich Jerusalem bzw. das in Ottobeuren neu erstandene Jerusalem die GegenLiebe des Göttlichen Bräutigams232 erworben haben könnte. Unter Hinweis auf die Auslegungen des bekannten Jesuitenexegeten Jacobus Tirinus (1580–1636) wird dies in den kostbaren Kleidern, dem holden Schimmer der Edelsteine, in den Kleinodien sowie im Glanz des Halsschmuckes begründet gesehen.233 Damit steht wiederum der Hinweis auf die Ausstattung der neuen Kirche im Zentrum, die – ohne in ihren künstlerischen Feinheiten näher erörtert zu werden – den Hauptgrund für die Analogie zwischen Jerusalem und Ottobeuren unter dem Motto des biblischen »Geschmückt-Seins« liefert. Nicht ohne Stolz verkündet der Prediger, dass er nun an der Ehren-Porte der neuen Kirche in Ottobeuren Denkverse einschreiben dürfe,234 welche die Schlüsseladjektive nova, sancta und pulchra wiederholen und in moralischer Weise auf den Betrachter beziehen. Der Prediger wechselt hier gleichsam das Medium und schreibt seine Gedanken und Analogien nicht mehr nur der – im Druck vervielfältigbaren – Predigt ein, sondern zudem in epigrafischer Form am Ort des Geschehens selbst. Diese inhaltsreiche Predigt zum Oktavfest markiert nur eine inhaltliche Facette innerhalb der an Predigttexten keineswegs armen Festwoche. Die Predigt zum achten Tag wird von zwei Bibelzitaten (Ps 89, 9 und Gen 6, 22) eingeleitet und bezieht sich thematisch zum ersten Mal konkret auf ein Kunstobjekt der Kirche, nämlich die Kanzel (vor 1766) mit der dort dargestellten Verklärung Christi am Schalldeckel.235 Das Thema der Verklärung wird vom Prediger aufgenommen und zu einer reichen Metaphorik des Sehens und Glanzes – entsprechend dem Leitmotiv der Verklärungs-Thematik – entwickelt.236 Aus diesem Ansatz heraus erscheint auch das gewählte Motto Ps 89, 9 verständlicher,237 das gleichsam das »Sehen« als solches nochmals zusammenfassend deutet und Gottes Rolle rühmt, der – im übertragenen Sinn – das 18. Jahrhundert als saeculum des Neubaus der Kirche in Ottobeuren mit dem Licht seines Angesichts bescheint. Die Verklärung Christi dient hier nur als biblischer Ansatz- und Ausgangspunkt, der in komplexer Weise typologisch über Moses vor dem brennenden Dornbusch

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bis zu Röm 1, 20 fortentwickelt wird,238 aber auf die Kanzel selbst und das in ihr verkörpert gesehene Leitthema nicht mehr Bezug nimmt. Die Predigten der Jubiläumsfestwoche von Ottobeuren sind insgesamt ein instruktives Beispiel, wie die Symbolik des neu errichteten Kirchenbaus mit unterschiedlichen, hauptsächlich aber typologischen Aspekten unterlegt werden konnte. In jeder Predigt wurde dabei ein bestimmter inhaltlicher Zugang gewählt; in Summe ergänzen sich die Ansätze zu einem reichen Kompendium der Metaphorik der Kirchweihe.239 Deutlich ist aber ebenso, dass der reale Kirchenbau mit seinen konkreten Objekten in den Auslegungen nur bedingt eine Rolle spielt. Folglich geht auch der Prediger von einem Standpunkt aus, in dem Fragen der Konzeption und Medialität der einzelnen Kunstwerke nicht berücksichtigt werden. Am Beginn der Argumentation stehen nicht der konkrete Raum und das konkrete Objekt als die tägliche mönchische Lebenswirklichkeit im Kloster Ottobeuren, sondern Bibelzitate mit bestimmten Aussagewerten, die auf die neu errichtete Kirche projiziert werden. Häufig werden dabei moralisierende Argumente in den Vordergrund gestellt, wenn es etwa heißt: Ecce! nova facio omnia. (Apk 21, 5) Siehe! Ich mache alles neu. Ja die Danckbarkeit allhiesiger Ordens-Genossen wollte dem allgütigen Gott ein Denckmale seiner unzahlbaren Gnaden errichten: der Himmel genehmigte dieses heilige Absehen, und stellte ein gantz neues, und prächtigst aufgebautes, eingeweythes, und vollkommenes Gottes-Hauß her. Allein was lesen wir auf den Wänden dieser neuen Kirche? Wo ich mich immer hinwende, kommen mir zu Gemüthe jene Wort des Apostels: Reformamini in novitate sensus vestri: Veränderet euch durch Erneuerung euers Sinnes (Röm 12, 2). Neu ist diese herrliche Kirche: neu sollen auch seyn euere Hertze, Wort, und Wercke.240 Prägend ist dabei die Aussage des Neu-Machens (des Kirchenbaus), das jedoch nicht als Menschenwerk, sondern als Leistung Gottes apostrophiert wird. Wir würden heute die Frage Allein was lesen wir auf den Wänden dieser neuen Kirche?241 höchstwahrscheinlich anders (und anhand der realen Objekte der neuerbauten Kirche) beantworten als der barocke Prediger, der unmittelbar zu einer moralischen Interpretation überleitet und damit das »Neu-Machen« weniger an die spezifischen künstlerischen Leistungen und ihre theologischen Inhalte bindet als vielmehr an den als Ziel adressierten »neuen« Menschen im paulinischen Sinn. Typologie als Instrument der »Gegenwärtigsetzung«

Wie in diesem Kapitel zu zeigen war, zielt eine wesentliche Sinnschicht von Barockpredigen auf eine Aktualisierung des Geschichtlichen im jeweiligen Heute. Das bedeutungsschwere historische Vorbild steht nicht isoliert, sondern wird mittels raffinierter typologischer Konstruktionen an die Jetztzeit – im Rahmen von Predigten in der Regel in höchst repetitiver Weise – angebunden, geht gleichsam in der Realität der jeweiligen Jetztzeit auf, ohne dass das geschichtsmächtige Vorbild etwas von seiner historischen Wirksamkeit einbüßen müsste, da ja gerade das Heute von der Strahlkraft der Vergangenheit seinen besonderen Glanz erhält. Dies macht auch den besonderen Reiz dieser Art typologischer Konstruktionen aus: In Ottobeuren erfüllt sich – den Predigten zufolge – Jerusalem. Diese beanspruchte Erfüllung im Jetzt

Typologie als Instrument der »Gegenwärtigsetzung«

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wird aber allein durch das berühmte Vorbild Jerusalem möglich und geistig vorstellbar. Die Typologie bindet somit die Gegenwart des 18. Jahrhunderts an die prägende Folie des Bedeutsamen und Geschichtlichen und aktualisiert das Heute durch die unbestrittene Strahlkraft des Typus. Auch wenn hinter den Aktualisierungen Jerusalems in der christlichen ecclesia eine der am häufigsten angewendeten Denkfiguren des Abendlandes überhaupt steht, die etwa eine besondere Relevanz im Wortspiel Salem–Jerusalem sowie in der entsprechenden barocken Ausmalung der Wallfahrtskirche Salems in Birnau erfuhr,242 weist jede typologische Konstruktion dieser Ausprägung im 17. und 18. Jahrhundert unübersehbare Eigenheiten auf, sodass die vielfältigen Beispiele in ihren spezifischen Medialisierungen letztlich nicht miteinander vergleichbar sind. Wenn ein Dillinger Jesuit im Jahr 1716 eine Lobpredigt auf den hl. Bernhard von Clairvaux bei den Kaisheimer Zisterziensern hält,243 dann erscheint es aus seiner Perspektive fast zwingend, wenn er dabei Bezug auf eine Formulierung Bernhards nehmen kann, welche die Gleichsetzung von Clairvaux mit Jerusalem explizit und indikativisch – gleichsam als Tatsache – formuliert: Claravallis ipsa est Jerusalem.244 Der Zisterzienserorden wird in der Folge nicht mit ihm selbst zukommenden Eigenschaften versehen, sondern – unter Hinweis auf Schriften des Petrus Cellensis (um 1115–1183) – mit entsprechenden Präfigurationen des Alten Bundes ( Jakob, Joseph, Moses, David, Elias, Daniel und Samuel).245 Die Kirchweihpredigten des hl. Bernhard von Clairvaux selbst legen die Kirche auf die »konkrete Kirche seines Klosters, die ecclesia Clarae vallis«, aus. Insofern ist es verständlich, dass Bernhard das Kirchweihfest als »Familienfest«246 bezeichnen konnte. Die in den genannten Beispielen zum Ausdruck kommende Vergegenwärtigung der gesamten Heilsgeschichte geriet mit dem Ende der Frühen Neuzeit in eine fundamentale Krise. Aufklärung und Frühhistorismus konnten mit diesem, die Historie schlechthin an die Sinnstiftung von Heilsgeschichte bindenden Geschichtsmodell wenig anfangen. Mit diesem Ende einer Anwendung der übergreifenden Deutungsmacht typologischer »Denkfiguren« wurde das biblische Arsenal gleichsam freigesetzt und neuen Zwecken – jenseits seiner strengen heilsgeschichtlichen Finalität – verfügbar gemacht. Erhalten blieb jedoch durchaus der Variantenreichtum des Umgangs mit »Beziehungen« im Sinne eines Verständnisses von týpos als Relationsbegriff. Bereits die frühneuzeitliche Medialisierung zeichnet sich, wie zu zeigen war, durch einen ungewöhnlich freien und anlassgebundenen Gebrauch typologischer Relationen aus, der schwer auf einen Nenner zu bringen ist. Diese Freiheit erfuhr etwa in der Enzyklopädistik des Novalis eine gewaltige kombinatorische Steigerung im Sinne seines Verständnisses von Welt­ erklärung als Analogistik (Zauberstab der Analogie [Novalis]). Der gesamte Kosmos wird hier als »Komplex von Beziehungen«247 gesehen, wobei die Analogie als entsprechendes Werkzeug fungiert. Novalis geht hier Ähnlichkeiten im Sinne einer »Ähnlichkeit der Relation«248 nach. Dieses Beispiel soll abschließend zeigen, wie zweckmäßig es sein kann, die Bedeutung von Typologie nicht parallel zur Epoche der Frühen Neuzeit zu betrachten, sondern stärker den übergreifenden und strukturell wirksamen Funktionsmechanismen typologischer Argumentationen nachzuspüren, die bis heute nichts von ihrem Zauber eingebüsst haben.

XI Anmerkungen I Einleitung 1 2

Matthias Flacius Illyricus, Clavis Scripturae Sacrae […], Teil 2, Leipzig 1695, 5f., zitiert nach: Michel 1992, 43. Vgl. Cottin 2001, 29.

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Jüngel 1974, 110. Jüngel 1974, 113. Jüngel 1974, 115. Jüngel 1974, 117: Das Kreuz Christi wurde auch als »Wende der Welt« (Friedrich Gogarten) bezeichnet, als »Grund und Maßstab metaphorischer Rede von Gott«. Drews / Schlie 2011, 9. Biser 1983, 360. Neumayr 1938, 79 (zitiert hier Wilhelm Stählin). Karl Barth, Dogmatik I, 2, 64, vgl. Fangmeier 1967, 23. Zu Definitionen der Typologie: Fascher 1962; Hoefer 1971, 49–126, 110f.; Bloch 1972; Sears 1996; Strenge / Lessing 1998; Hall 2002; Suntrup 2003; Schrenk / Engemann 2003; Ostmeyer 2005; Suntrup / Kemp / Lessing 2009. Lubac 1968, 451. Lubac 1999, 272. Hofmann 2011, 169. Ohly 1966, 368; Hofmann 2011, 171; Linke 2014, 13; Rau 1784. Beil 2013, 25. Iking 1987, 90. Lubac 1999, 21. Lubac 1999, 22. Ganz 2008. May 2010, 129. Lubac 1999, 99. Bultmann 1967, 374. Luz 1968, 59; zu dieser Differenzierung aus dem Blickpunkt der mediävistischen Literaturwis-

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XI Anmerkungen

senschaft, vgl. Hoefer 1971; Schröder 1977, 72; Michel 1977, 50 (»Parallelisierung« und »polare Entgegensetzung« als Faktoren, die beide zugleich in der Typologie enthalten seien); zum Begriff »antithetische Typologie«: Suntrup 1984, 32f. 23 Zitiert nach: Lubac 1999, 87. 24 Zitiert nach: Lubac 1999, 88, vgl. Spitz 1972, 28f.; Ohly 1966, 357. 25 Zitiert nach: Lubac 1999, 95. 26 Lubac 1999, 111. 27 Lubac 1999, 119. 28 Lubac 1999, 91. 29 Lubac 1999, 152. 30 Hieronymus, Epistulae 123, 12 (CSEL 56, 86f.). 31 Ambrosius, In Lucam 4, 50 (CSEL 32, 3, 163), vgl. Camelot 1961, 136. 32 vera mater viventium, vgl. Tertullian, De anima 43, 10 (CSEL 20, 372), vgl. Camelot 1961, 142. 33 Ambrosius, Explanatio Psalmorum 36, 20 (CSEL 64, 78), vgl. Camelot 1961, 142 (unter Exegese von Jo 1, 4). 34 Vgl. Camelot 1961, 143; Congar 1954. 35 Camelot 1961, 145: zur Symbolik des Kirchengebäudes grundlegend: Sauer 1902. 36 Ambrosius, Explanatio Psalmorum 118, 15, 35 (CSEL 62, 349), vgl. Camelot 1961, 146. 37 Hilarius, Commentarius in Matthaeum 4, 24 (PL 9, 941), vgl. Camelot 1961, 146. 38 Hieronymus, In Hieremiam prophetam 2, 17 (CSEL 59, 85), vgl. Camelot 1961, 146. 39 Hieronymus, In Sophoniam 3, 1 (PL 24, 724), vgl. Camelot 1961, 146. 40 Ambrosius, De interpellation Job et David IV 2, 2 (CSEL 32, 2, 274). 41 Vgl. Camelot 1961, 150. 42 Hilarius, Tractatus super psalmos 124, 4 (CSEL 22, 600), vgl. Camelot 1961, 150. 43 Hahn 1969, 407. 44 Hahn 1969, 454f., 463. 45 Hahn 1969, 456. 46 Hahn 1969, 462. 47 Hahn 1969, 488, vgl. Hofmann 2011, 423, dem zufolge die Eva-Maria-Typologie bei Ambrosius als »Prinzip« bezeichnet werden könne, das er bei der Deutung anderer biblischer und außerbiblischer Geschehnisse heranzog. 48 Lubac 1999, X. 49 Lubac 1999, 13. 50 Zitiert nach: Lubac 1999, 155f. 51 Lubac 1999, 38, 134f. 52 Zitiert nach: Lubac 1999, 116. 53 Lubac 1999, 116. 54 Mann 1973, 207; allgemein: Bergfeld 1933. 55 Luz 1968, 54; zum Begriff des týpos im paulinischen Sinn: Galley 1965, 54–57: Das griechische Wort bezeichnet demnach keinen Hinweis, sondern ein Bild, vielleicht auch ein nachahmenswertes Vorbild. 56 Heyde 1941, 220. 57 Heyde 1941, 220. 58 Heyde 1941, 221. 59 Ostmeyer 2000 III, 162; zusammenfassend: Ostmeyer 2000 II; zu diesen Stellen auch: Galley 1965, 23–36.

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60 61 62 63 64 65

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Ostmeyer 2000 III, 165. Ostmeyer 2000 III, 187. Ostmeyer 2000 III, 189. Ostmeyer 2000 III, 190f. Ostmeyer 2000 III, 199. Ostmeyer 2000 III, 199f., vgl. Ostmeyer 2000, 215: »Typologie ist […] kein neutestamentlicher Begriff.« 66 Ostmeyer 2000 III, 39f., vgl. Ostmeyer 2000, 231. 67 Ostmeyer 2000, 232. 68 Ostmeyer 2000 III, 49. 69 Ostmeyer 2000 III, 50. 70 Ostmeyer 2000 III, 51. 71 Rahner 1964, 19. 72 Rahner 1964, 19f. 73 Rahner 1964, 20. 74 Rahner 1964, 30. 75 Balthasar 1961 II, 308f. 76 Vgl. Daniélou 1950, 131f.; Reventlow 1983, 29f.; Lubac 1999, 102, 104f. 77 Iking 1987, 85. 78 Bloch 1969, 141. 79 Crüsemann 2011, 96; Baker 1976. 80 Crüsemann 2011, 216, vgl. Menke 2008, 471: Die Tora wurde durch Christus nicht abgeschafft, im Gegenteil – sie erhält durch Christus »den Charakter eines Sakramentes«. 81 Crüsemann 2011, 105. 82 Crüsemann 2011, 135. 83 Crüsemann 2011, 136. 84 Crüsemann 2011, 154. 85 Crüsemann 2011, 256. 86 Vgl. Ohly 1966, 350. 87 Michalski 1988, 479. 88 Rad 1952/1953. 89 Rad 1952/1953, 17. 90 Rad 1952/1953, 19. 91 Rad 1952/1953, 20. 92 Rad 1952/1953, 33. 93 Fangmeier 1967, 16. 94 Ounsworth 2012, 78. 95 Ounsworth 2012, 43. 96 Hennig 1975/1976, 73. 97 Hennig 1975/1976, 74. 98 Hennig 1975/1976, 75. 99 Grundlegend: Bornkamm 1961, 51–69 (zu Sünde, Gesetz und Tod); Käsemann 1969, 108–139 (Rechtfertigung und Heilsgeschichte im Römerbrief ). 100 Amsler 1949; Ulonska 1963, 177 (die sog. Adam-Christus-Typologie nach Röm 5, 12–21 [zusammenfassend: Erffa 1989, 193–211] ist eher ein »Abwägen zweier Typoi«, die Paulus der Gemeinde

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XI Anmerkungen

vorführt und damit zur Entscheidung aufruft); Cerfaux 1964, 147–158 (»typologische« Antithese Adam-Christus), 233–245 (Christushymnus nach Phil 2), zu Röm 5 neuerdings: Schellenberg 2014. 101 Michel 1929, 143. 102 Dietzfelbinger 1961, 40. 103 Goppelt 1964, 344; Simonsen 2004, 73–132: für Goppelts týpos-Begriff ist eine scharfe Abgrenzung zur Allegorie typisch. 104 Goppelt 1968, 246. 105 Goppelt 1968, 246f. 106 Goppelt 1968, 249f. 107 Goppelt 1968, 250. 108 Jochum 2008, 132, vgl. Galdon 1975, 48f., der ausführt, dass typologische Strukturen auch die Zukunft betreffen würden; sie reichen bis zum Ende der Zeit. Aus diesem Grund sprach etwa Origenes von drei (!) Passahmählern, dem historischen, jenem beim Letzten Abendmahl und vom himmlischen Passahmahl am Ende der Zeiten. 109 Jochum 2008, 135. 110 Jochum 2008, 133. 111 Jochum 2008, 140. 112 Lorenzen 2008, 173. 113 Lorenzen 2008, 177. 114 Balthasar 1985, 240, vgl. Guerriero 1993, 332: Der Ansatzpunkt von Balthasars vierbändiger Theodramatik (1973–1983) ist der Begriff des Dramas, den Balthasar von der Antike aus beleuchtet: »Man kann an der Aufführung nicht teilnehmen, wenn man nicht bereits ins Drama einbezogen ist.«, so Guerriero über Balthasars Konzept. 115 Kiening / Beil 2012, 100. 116 Kiening / Beil 2012, 100f. 117 Kiening / Beil 2012, 102. 118 Kiening / Beil 2012, 110. 119 Kiening / Beil 2012, 114. 120 Kiening / Beil 2012, 115. 121 Kiening / Beil 2012, 100. 122 Kiening / Beil 2012, 115. 123 Kiening / Beil 2012, 161. 124 Kiening / Beil 2012, 169. 125 Kiening / Beil 2012, 171. 126 Kiening / Beil 2012, 172. 127 Kiening / Beil 2012, 172f., 177. 128 Kiening / Beil 2012, 178. 129 Levy 2011, 129. 130 Levy 2011, 129. 131 Levy 2011, 133f. 132 Greyerz 2001, 313. 133 Neuenzeit 1963, 223. 134 Neuenzeit 1963, 234. 135 Neuenzeit 1963, 235.

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136 Neuenzeit 1963, 235. 137 Neuenzeit 1963, 239; zur Interpretation des Epheserbriefes, insbesondere von Eph 4, 4, vgl. Lindemann 1975, 59–63; Ebeling 1964, 346: »Gottes Ewigkeit ist nicht Zeitlosigkeit, sondern Zeitfülle und Zeitvollmacht.« 138 Löwith 2004, 15. 139 Löwith 2004, 16. 140 Löwith 2004, 71. 141 Löwith 2004, 124, 201. 142 Balthasar 1990, 51f. 143 Vgl. Lubac 1999, 113. 144 Balthasar 1984, 189. 145 Balthasar 1990, 53. 146 Balthasar 1990, 121. 147 Balthasar 1990, 268. 148 Balthasar 1990, 142. 149 Steiger 2010, 119f. 150 Steiger 2010, 120. 151 Steiger 2010, 120. 152 Michel 1992, 47. 153 Zitiert nach: Balthasar 1990, 288. 154 Zitiert nach: Balthasar 1990, 288. 155 Zitiert nach: Lubac 1999, 50. 156 Badiou 2002, 82. 157 Badiou 2002, 85. 158 Balthasar 2004, 41. 159 Balthasar 2004, 42. 160 Balthasar 2004, 42. 161 Balthasar 2004, 44. 162 Zitiert nach: Lubac 1968, 206. 163 Lubac 1968, 326. 164 Vgl. Kretzenbacher 1983, 35. 165 Lubac 1968, 445. 166 Michel 1992, 56f. 167 Lubac 1999, IXf. 168 Lubac 1999, X. 169 Löwith 2004, 160. 170 Löwith 2004, 163, vgl. zum Problem der »Übereinstimmung« die Ausführungen bei Suntrup 1984, 65: Das typologische Verhältnis kann bis zur »vollen Koinzidenz« gehen, wenn die Zeiten in der Heilsgeschichte aufgehoben werden und etwa im St. Trudperter Hohelied Salomo, hier identifiziert mit Christus, Worte der Bergpredigt (!) von sich gibt. In den sog. Vorauer Büchern spricht Gott auf dem Berg Sinai zu Moses Christi Worte an die Sadduzäer. 171 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bll. 1–14). 172 Balthasar 2004, 44. 173 Lubac 1999, 84. 174 Lubac 1968, 273.

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XI Anmerkungen

Lubac 1968, 321. Lubac 1968, 302; Lubac 1999, 111. Balthasar 2004, 69. Lubac 1968, 90f. Fiedrowicz 2007, 136f. Vgl. Galdon 1975, 30f. Galdon 1975, 31; Herzog 1971, 175, zufolge hatte ein reiches Netz von Bezugspunkten das Alte Testament als »autonome Historie« aufgesogen und in die christliche Heilsgeschichte integriert. 182 Bultmann 1967, 379. 183 Galdon 1075, 33. 184 Fiedrowicz 2007, 140. 185 Hoffmann 1978, 189: 186 Lerch 1950, 106f., vgl. Erffa 1995, 125–127, 145–167, 176–188. 187 Lerch 1950, 110, vgl. Nikolasch 1969, 211–223 (zur Deutung des Abraham-Opfers); Daniélou 1950, 97–128 (zur Auslegungsgeschichte); zur lutherischen Exegese: Steiger 2006. 188 Zitiert nach: Suckale 2008, 45. 189 Kapustka 2008, 99. 190 Kapustka 2008, 105f. 191 Myrrhenberg 1777, 31f. 192 Nach S. 32. 193 Hoefer 1971, 111. 194 Hoefer 1971, 112. 195 Reventlow 1983, 19. 196 Reventlow 1983, 31. 197 Reventlow 1983, 25. 198 Cullmann 1948, 107. 199 Cullmann 1948, 120f. 200 Bultmann 1967 II, 366, vgl. Campenhausen 1970, 210: In Christus ist die Offenbarung vollendet, sie duldet keine Steigerung oder Erweiterung mehr, Christus ist in diesem Sinn »das Ende der Heilsgeschichte«; zu Campenhausen: Markschies 2008. 201 Cullmann 1965, 110. 202 Cullmann 1965, 111. 203 Cullmann 1965, 114. 204 Cullmann 1965, 115. 205 Zu Ohlys Œuvre generell: Wells 2005; Harms / Hogrebe 2014. 206 Ohly 1966, 358. 207 Herzog 1971, 175. 208 Michel 1992, 54f. 209 Ohly 1976, 432. 210 Ohly 1985, 3. 211 Ohly 1976, 433. 212 Ohly 1976, 434. 213 Ohly 1988, 27. 214 Ohly 1988, 22. 215 Ohly 1985, 4; Ohly 1988, 29, vgl. Lande / Suter 2013, 18.

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216 Ohly 1988, 28, vgl. Frye 2007, 103 (Typologie als »Denkart und Sprachfigur«, als »Form der Rhetorik«). 217 Ohly 1988, 29, vgl. Badstübner 2006, demzufolge Simultaneität als ein wichtiges Prinzip nicht nur der Typologie, sondern auch anderer heilsgeschichtlicher Darstellungen, etwa des Glaubensbekenntnisses, wo mehrere Szenen in einem Bild versammelt sind, bezeichnet werden kann. 218 Ohly 1985, 5. 219 Ohly 1988, 48, vgl. Korshin 1988, 277 (Typologie als »System der Exegese«, als »erwähltes, ja geradezu geheiligtes Interpretationsverfahren«); zur Hermeneutik der Typologie, vgl. Cahill 1982. 220 Ohly 1988, 48. 221 Hoefer 1971, 125. 222 Hoefer 1971, 126. 223 Ohly 1976, 435; Ohly 1979 II; Suntrup 1984, 34–38. 224 Michel 1992, 60–66 (zu Typologie und Allegorie). 225 Michel 1992, 43. 226 Michel 1992, 47. 227 Michel 1992, 47f. 228 Michel 1992, 50. 229 Michel 1992, 50. 230 Michel 1992, 51f. 231 Michel 1992, 53. 232 Michel 1992, 71. 233 Agamben 2006, 88. 234 Agamben 2006, 88. 235 Agamben 2006, 121. 236 Agamben 2006, 89; bereits Ohly 1940, 26, sprach von einer Spannung zwischen Altem und Neuem Testament: »Typologie im engeren und ursprünglichen Sinn meint im Mittelalter den in der Spannung zwischen alttestamentlicher Präfiguration und neutestamentlicher Erfüllung waltenden Sinnbezug gegenseitiger Bedeutsamkeit zweier oder mehrere biblischer Geschehnisse oder Worte.«, vgl. Hoefer 1971, 41; Jentzmik 1973, 15. 237 Kiening 2013, 11f. (zitiert hier Erich Auerbach), vgl. Auerbach 1967, 65; Auerbach 1953. 238 Kiening 2013, 12, vgl. Lande / Suter 2013, 12f.; Fiedrowicz 2007, 135 (»Die Betrachtung der Geschichte und die Erkenntnis ihrer Zusammenhänge gehörten daher unabdingbar zur christlichen Glaubensreflexion.«), vgl. Auerbach 1953, 11 (Die Deutung, die zwei Ereignisse untereinander verbindet, ist ein »geistiger Akt, aber die Ereignisse selbst bleiben geschichtlich und real.«); Michel 1992, 48f., zufolge muss die »Wortprophetie« als Weissagung von der »Realprophetie«, die in einem historischem Geschehen besteht, unterschieden werden. 239 Zitiert nach: Kiening 2013, 12. 240 Beil 2013, 22, vgl. Largier 2013, 55. 241 Linke 2014, 44. 242 Largier 2013, 55. 243 Largier 2013, 63. 244 Kiening 2013, 17. 245 Beil 2013, 26: »Týpos ist […] immer schon Ausdruck, Verbildlichung von etwas und steht nicht monadisch für sich.«, vgl. Ostmeyer 2000 II. Deshalb formte der týpos-Begriff des Frühchristentums auch keinen Antitypus-Begriff aus, vgl. hierzu: Ostmeyer 2000, 231 (τύπος als »Relationsbegriff«).

298

XI Anmerkungen

246 Beil 2013, 37. 247 Beil 2013, 37f. 248 Beil 2013, 38. 249 Beil 2013, 43. 250 Beil 2013, 45. 251 Söhngen 1962, 71–76; Lubac 1968, 149f.; Galley 1965, 9, zufolge ist es falsch, bei Paulus von »Typologie« als einer hermeneutischen Methode zur Auslegung des Alten Testaments zu sprechen. 252 Lubac 1999, 269. 253 Vgl. Lubac 1947; Jentzmik 1973, 104. 254 S. 507–544, can. 3 (Totum Vetus Testamentum principaliter est allegoria Novi.). 255 Neumayr 1938, 48. 256 Kiening 2013, 10, vgl. Herzog 1971, 169; Hoefer 1971, 54–56, 85–89; Jentzmik 1973, 29f., 37–41; Suntrup 1984, 28–31; grundsätzlich zu Auerbachs Geschichtsdeutung: Vialon 2008; zu Typologie und Allegorie in der Liturgie: Westerfield Tucker 2013. 257 Haverkamp 1979, 34. 258 Haverkamp 1979, 34. 259 Lubac 1999, XII. 260 Lubac 1999, 292; differenziert neuerdings am Beispiel von Origenes: Martens 2008. 261 Michel 1992, 60. 262 Hierzu: Galley 1965, 38–44; Lubac 1999, 289f.; Fiedrowicz 2007, 135; Emerson 2013. 263 Lubac 1999, 17. 264 Herzog 1971, 169; zur Abgrenzung zwischen Typologie und Allegorie: Lubac 1947 (deutsch in: Lubac 1999, 265–317), vgl. auch: Lubac 1959; Crouzel 1964; Lampe / Woollcombe 1957, 9–38. 265 Herzog 1971, 175, 179. 266 Hoefer 1971, 124. 267 Haverkamp 1979, 34. 268 Haverkamp 1979, 46. 269 Bultmann 1967, 369, vgl. zu Diskussion dieses Ansatzes: Jentzmik 1973, 93f. 270 Michaeli 1952. 271 Zum Ansatz Daniélous generell: Jentzmik 1973, 101–104; Reventlow 1983, 34–37. 272 Daniélou 1963, 11, vgl. Daniélou 1963 II. 273 Fiedrowicz 2007, 139. 274 Daniélou 1963, 13. 275 Daniélou 1963, 50f. 276 Daniélou 1963, 51f. 277 Daniélou 1963, 52. 278 Daniélou 1963, 71, 76, 80. 279 Daniélou 1963, 100. 280 Daniélou 1963, 81. 281 Daniélou 1963, 146, 225. 282 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 19 283 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 27. 284 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 211, 228 (am Beispiel der Embleme Dilherrs). 285 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 214. 286 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 231f.

III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst

299

287 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 231, vgl. Rauchenberger 1999, 299: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind in der »Präsenzzeit des Gläubigen« (Pochat 1996, 144f.) aufgehoben. 288 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 232. 289 Michalski 1988, 469. 290 Vgl. Gierse 2010, 142–167. 291 Ginzburg 1992, 3. 292 Ginzburg 1992, 19. 293 Weidner 2011, 169. 294 Ginzburg 1992, 20, vgl. Marin 1981. 295 Weidner 2011, 171. 296 Habig-Bappert 1983, 108–121 (Eucharistie und Typologie). 297 Habig-Bappert 1983, 112. 298 Habig-Bappert 1983, 113. 299 Habig-Bappert 1983, 120, Abb. 68. 300 Bloch 1969, 128. 301 Bloch 1969, 142. 302 Holländer 1988, 170, vgl. Korshin 1988, 283 (»Exzesse der angewandten Typologie« bzw. »Lust an der Analogie«). 303 Holländer 1988, 170. 304 Holländer 1988, 177. 305 Holländer 1988, 170f. 306 Holländer 1988, 171; zu den Begriffen von Netz und Geflecht, vgl. Michel 1992, 56: »Die Ansichten von der Erfülltheit des Alten Testaments durch den präexistenten Christus und der Erfüllung im Neuen Testament schaukeln sich gegenseitig auf; das Bezugsnetz zwischen den beiden Testamenten wird immer dichter.« 307 Wenzel 1995, 333, vgl. Wimböck 2010, 177. 308 Harms 1985, XII. 309 Lubac 1999, 132. 310 Ohly 1966, 356. 311 Ohly 1976, 468. 312 Lubac 1968, 245f. III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst 1 Grundsätzlich zur Bible moralisée: Haussherr 1972; Lowden 2000; Hughes 2006. 2 König / Seifert / Siebert 2009, 9–36, Abb. 90. 3 König / Seifert / Siebert 2009, 93–124. 4 Kiening 2008, 27f., Abb. 17. 5 Kiening 2010, 25; Kiening 2008, 28. 6 Kiening 2008, 28 (mit Quellenangabe). 7 Kiening 2008, 28. 8 Origenes, Homiliae in Ieremiam, Fragmenta 13, vgl. Fiedrowicz 2007, 125. 9 Spitz 1972, 26. 10 Spitz 1972, 26.

300

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

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XI Anmerkungen

Spitz 1972, 27. Spitz 1972, 42. Spitz 1972, 43. Dorotheum Wien, Alte Meister II. Teil, 17. April 2013, Lot. 794. Inv.-Nr. GK 249. Einem 1965, 12. Einem 1965, 17. Stechow 1943, 208. Haussherr 1976. Haussherr 1976, 54. Brümmer 1994, 124, 142–152, Abb. 86, Farbtaf. 24; Bauer 2009, 21f.; Müller 2016, 589–592. Brümmer 1994, 145. Brümmer 1994, 128, 146, Nr. 14. Brümmer 1994, 147. Brümmer 1994, 147. Brümmer 1994, 149f., Abb. 106, 107, Farbtaf. 41. Am deutlichsten wird die Überwindung des Alten Bundes durch den Neuen in einem Stich von Johann Daniel Herz (um 1740), der veranschaulicht, wie vor Maria ein Priester des Alten Bundes mit seinem Kultgerät in die Tiefe stürzt, vgl. Szilárdfy 2003, Abb. 196. Schlie 2013, 210. Schlie 2013, 243. Schlie 2013, 245. Schlie 2013, 245. Schlie 2013, 246f.; zu Ohlys Begriff der »Denkform« (Ohly 1966, 364): Hoefer 1971, 44f.; vgl. hier die Typologie als »Denkform im Sinne von Hans Leisegang« (Michel 1992, 68); Rauchenberger 1999, 300. Wittekind 2007, 44. Wittekind 2007, 50. Wittekind 2007, 54. Linke 2014; als ältere Studie: Novotny 1969. Hoffmann 1968. Katzoff 1982. Diebold 2003. Bloch 1964; Kemp 1994. Nach wie vor grundlegend: Elbern 1955; Elbern 1958. Fastert 2014. Landow 1979. Kemp 1994, 86. Kemp 1987, 56–87, hier 65, 69. Kemp 1994, 132. Kemp 1994, 17, 217. Kemp 1994, 18. Kemp 1994, 47. Kemp 1994, 85. Signori 2005, 54.

III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst

301

51 Thürlemann 2012, 25. 52 Thürlemann 2012, 28. Bereits Bloch 1969, 128, hielt fest, dass jedes geschichtliche Ereignis nicht als »einzelner Vorgang« begriffen werden könne, sondern »in innerem Zusammenhang mit anderen« stehe. 53 Guldan 1966, 197, Nr. 86, Abb. 86; Purtle 1982, 74–97; Kemp 1995, 99–119. 54 Dresden, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 150. 55 Gould 1976, 42, 201–203, fig. 11–15B. 56 Reinitzer 2006 I, 213, Nr. 178; II, 22, Abb. 8. 57 Mohnhaupt 2000, 20–22. 58 Mohnhaupt 2000, 22, vgl. Lubac 1947; zur zumeist auftretenden Vermischung von Typologie und Allegorie (unter Hinweis auf die umfangreiche Bibliografie zu diesem Thema): Niesner 1995, 32–35. 59 Mohnhaupt 2000, 9. 60 Mohnhaupt 2000, 10. 61 Mohnhaupt 2000, 11. 62 Mohnhaupt 2000, 23. 63 Mohnhaupt 2010, 350. 64 Mohnhaupt 2010, 350. 65 Mohnhaupt 2010, 351. 66 Mohnhaupt 2010, 353, vgl. Rauchenberger 1999, 215 (Verknüpfung von narrativen und figuralen Ordnungssystemen anhand von Tizians Verkündigung an Maria in S. Salvadore in Venedig, 1562). 67 Schlögl 2014, 13. 68 Haberer / Hamm 2012, VII. 69 Kiening / Beil 2012, 90. 70 Schlögl 2014, 21. 71 Schlögl 2014, 144. 72 Schlögl 2014, 36. 73 Schlögl 2014, 53. 74 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 21 l.u.) 75 Göttler 2006, 157. 76 Crivellari / Sandl 2003, 635. 77 Crivellari / Sandl 2003, 637. 78 Crivellari / Sandl 2003, 640. 79 Crivellari / Sandl 2003, 642. 80 Crivellari / Sandl 2003, 644. 81 Kiening / Beil 2012, 11. 82 Stoellger 2011, 92. 83 Stoellger 2011, 96. 84 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 97 l.u.). 85 Beer / Rehm 2004, 67f., Nr. 9. 86 Stoellger 2011, 91. 87 Kiening 2010, 16. 88 Haberer 2011, 2. 89 Haberer 2011, 9. 90 Kiening 2010, 17.

302

XI Anmerkungen

91 Kiening 2010, 18. 92 Kiening 2011, 122. 93 Kiening 2010, 23f. 94 Kiening 2010, 24. 95 Kiening 2011, 124. 96 Kiening 2011, 128. 97 Kiening 2011, 128. 98 Kiening 2011, 124. 99 Kiening 2011, 125. 100 Kiening 2011, 127. 101 Kiening 2011, 130, Abb. 3. 102 Kiening 2009, 8. 103 Kiening 2009, 9. 104 Kiening 2009, 11. 105 Kiening 2009, 12f. 106 Kiening 2009, 13. 107 Sandl 2012, 66f. 108 Kiening 2007, 39. 109 Kiening 2007, 40. 110 Sandl 2012, 67. 111 Sandl 2012, 67f. 112 Sandl 2012, 69. 113 Sandl 2012, 69. 114 Sandl 2012, 70. 115 Sandl 2012, 71. 116 Warncke 1987, 15. 117 Warncke 1987, 24, 35. 118 Tschopp 2005, 94. 119 Tschopp 2005, 94. 120 Warncke 1987, 30. 121 Warncke 1987, 62. 122 Lande / Suter 2013, 17. 123 Lande / Suter 2013, 20. 124 Linke 2013, 36, vgl. Hoefer 1971, 45. 125 Linke 2014, 15, vgl. Ohly 1988, 51. 126 Linke 2014, 75. 127 Linke 2013, 56; Simon 2012, 131, 134, zufolge muss der Zusammenhang der Bildfelder an der Decke nicht erst mittels ikonografischer Analyse gefunden werden, sondern wird bereits aufgrund der ikonischen Struktur deutlich. Die Künstler hätten demgemäß »bewusst Beobachtungsdirektiven gesetzt, die Hinweise auf die semantische Beziehung der Bildfelder geben können.« (am Beispiel der Stiftskirche von Fürstenfeld). 128 Linke 2014, 18; Esmeijer 1978, 31 (»visual-exegetical method«), vgl. Hughes 2001, 197 (Typologie als »aesthetic consideration of formal similarities and differences«). 129 Lande / Suter 2013, 13. 130 Linke 2014, 49; grundsätzlich: Auerbach 1952; zur frühneuzeitlichen Literatur am Beispiel Englands: Miner 1977.

III Visuelle Exegese – zum Beziehungsreichtum der Typologie in der bildenden Kunst

131 132 133 134 135 136 137

303

Linke 2014, 65, vgl. Knipping I 1974, 187f. Vgl. Behrmann 2011, 26, 41; zu Richeôme auch: Spengler 2003, 121. Schneider 2001, 227, vgl. Hecht 2012, 290–299. Linke 2014, 67. Linke 2014, 69, vgl. Linke 2013, 50. Linke 2014, 20. Linke 2014, 25; ähnlich bereits bei Ohly 1985, 40 (»Zusammenfall von Typus und Antitypus«); Ohly 1966, 355, 358 (Der Antitypus wird »in den Typ hineingesehen«; »Angleichung von Antityp und Typus«), vgl. Hoffmann 1978, 194. Bereits im Frühchristentum ist die Anwendung »impliziter Typologie« festzustellen, indem der »Antitypos in das Bildfeld des Typos hineingetragen und dort wiedergegeben [wird].« (Schrenk 1996, 414; grundsätzlich: Schrenk 1995). 138 Vgl. Münch 2009, 88, 411, Abb. 47. 139 Kern 2008, 283, Abb. 8. 140 Vgl. Frank 1999. 141 Kern 2008, 285. 142 Herrmann 2010, 251–257, Abb. 199–201. 143 Wagner 1998, 186. 144 Wagner 1998, 186. 145 Wagner 1998, 188–190. 146 Vgl. Telesko 2016. In der Predigt von Friedenfels 1702, 101, wird jeder Abschnitt des Lebens Mose mit dem Norberts in Beziehung gesetzt. 147 Vlieghe 1973, 150–159, Nr. 146–149; Sauerländer 2011, 179–194. 148 Müller Hofstede 1970, 75. 149 Vlieghe 1972, 92–95, Nr. 64, vgl. Wien, Albertina, HB 59.4, Nr. 1, 2. 150 Vgl. Telesko 2003. 151 S. 48. 152 Zu den in Bezug auf Christus typologisch deutbaren Momenten der Franziskus-Ikonografie: Leuschner 2010. 153 Linke 2014, 215, vgl. Zenkert 2003, 97–208. 154 Linke 2014, 217f. 155 Linke 2014, 232f. 156 Linke 2014, 234. 157 Linke 2014, 256, vgl. Linke 2010; zur Antwerpener Ausstattung siehe auch: Knaap 2004. 158 Linke 2014, 264. 159 Linke 2014, 265. 160 Linke 2014, 266. 161 Linke 2014, 297. 162 Linke 2014, 298. 163 Linke 2014, 299. 164 Linke 2014, 302. 165 Linke 2014, 303. 166 Vgl. Ganz / Neuner 2013. 167 Vgl. Knaap 2004, 184f. 168 Knaap 2004, 187. 169 Knaap 2004, 187.

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XI Anmerkungen

170 Knaap 2004, 188. 171 Vgl. Kemp 1991. IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

Kaufmann 2012, 12. Kaufmann 2012, 15. Kaufmann 2012, 21. Kaufmann 2012, 42f. Hamm 1992; Hamm 1999, 251. Hamm 1992, 253. Hamm 1992, 262. Hamm 1992, 263. Hamm 1992, 265. Hamm 1996, 143. Hamm 1996, 155. Hamm 1996, 156. Hamm 1996, 157. Hamm 1996, 166. Haberer / Hamm 2012, VI. Sandl 2003, 27. Sandl 2003, 31f. Sandl 2003, 32, zum »vierfachen Schriftsinn«, vgl. Lubac 1952. Sandl 2003, 34f. Sandl 2003, 33. Sandl 2003, 34. Schilling 2004, 141. Schilling 2004, 142. Fuchs 2003, 89. Meinel 2015. Hoffmann 1978, 191f.; zum Passional Christi und Antichristi (1521), vgl. Groll 1990; Beyer 1994, 13–77. Hoffmann 1978, 193. Hoffmann 1978, 209. Lalla 2006, 55. Leinkauf 2006, 191f. Lalla 2006, 57. Fuchs 2003, 72f. Fuchs 2003, 77. Fuchs 2003, 80. Loewenich 1967, 89. Vgl. Loewenich 1967, 102f. Gogarten 1967, 75f. Gogarten 1967, 87.

IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

305

39 Gogarten 1967, 93. 40 Göttweig, Benediktinerstift, Graphisches Kabinett, Rf-050, vgl. Katalog Credo 2013, 137, Nr. IV.2 (mit Lit.). 41 Stolle 2002, 79. 42 Stolle 2002, 80f. 43 Stolle 2002, 91. 44 Ebeling 1991, 190, vgl. Lubac 1999, 83: Luther hatte die Missbräuche des Allegorismus scharf gebrandmarkt und gab früh den Gebrauch der »vier Schriftsinne« auf, behielt aber in paulinischer Tradition die Vorstellung vom »geistigen Sinn« (vgl. Lubac 1952, 38f.) bei. 45 Linke 2014, 45f. 46 Bornkamm 1948, 212; Loewenich 1967, 148f. 47 Ebeling 1991, 271. 48 Ebeling 1991, 191. 49 Ebeling 1991, 226. 50 Wolff 2005, 535. 51 Vgl. Ohly 1988, 42. 52 Ohly 1985, 8f. 53 Ohly 1985, 13; Blümle 2013, 102 (Reformation als »Neuauslegung der christologischen Typologie«). 54 Ohly 1985, 14f., Abb. 6. 55 Ohly 1979, 252. 56 Busch 1982, 114. 57 Schilling 2004, 125. 58 Schilling 2004, 126. 59 Schilling 2004, 127. 60 Schilling 2004, 128. 61 Grosse 2012, 99. 62 Wolff 2005, 563. 63 Grosse 2012, 100f. 64 Köpf 1990, 38. 65 Köpf 1990, 48f. 66 Köpf 1990, 58. 67 Poscharsky 1998, 21; Harasimowicz 2015. 68 Ebeling 1991, 232. 69 Ebeling 1991, 233. 70 Wolff 2005, 532. 71 Wolff 2005, 534. 72 Wolff 2005, 537. 73 Wolff 2005, 538. 74 Wolff 2005, 548. 75 Wolff 2005, 542. 76 Wolff 2005, 546. 77 Sandl 2007, 243. 78 Sandl 2007, 247. 79 Sandl 2007, 251. 80 Sandl 2007, 252.

306

81 82 83 84 85 86 87

XI Anmerkungen

Sandl 2003, 36. Sandl 2011 II, 163. Sandl 2011 II, 167. Sandl 2013, 188. Sandl 2013, 188. Sandl 2013, 189. Sandl 2011 II, 150, vgl. Schönstädt 1978, 208 (Deutung der Reformation als »Erfüllung der Befreiung Israels aus ägyptischer Knechtschaft«), 261 (»figurale Verknüpfung zwischen Moses und Luther«). 88 Sandl 2013, 199f. 89 Sandl 2013, 208. 90 Sandl 2011, 40. 91 Sandl 2011, 42. 92 Sandl 2011, 43. 93 Sandl 2011, 44. 94 Sandl 2011, 218. 95 Sandl 2011, 45f. 96 Sandl 2011, 52. 97 Sandl 2011, 57. 98 Sandl 2011, 58. 99 Sandl 2011, 63. 100 Sandl 2011, 67. 101 Sandl 2011, 117f. 102 Sandl 2011, 118. 103 Sandl 2011, 73. 104 Sandl 2011, 81. 105 Sandl 2011, 83. 106 Sandl 2011, 90f. 107 Sandl 2011, 125. 108 Sandl 2011, 190. 109 Sandl 2011, 126. 110 Sandl 2011, 130. 111 Sandl 2011, 163. 112 Sandl 2011, 167. 113 Sandl 2011, 292. 114 Sandl 2011, 427. 115 Koerner 2004. 116 Koerner 2004, 13. 117 Koerner 2004, 43. 118 Koerner 2004, 46. 119 Koerner 2004, 277. 120 Erichsen 2015, 105. 121 Erichsen 2015, 107, mit dem Hinweis auf einen bestimmte Thesaurus von Versen, der die Argumentation der Bilder untermauert. 122 Harasimowicz 1990, 262.

IV Der Glaubensakt als Bildformel – Typologie und Reformation

123 124 125 126

307

Harasimowicz 1990, 263. Sandl 2012, 73. Sandl 2012, 75. Kern 2008, 263, vgl. dagegen den älteren Standpunkt (Wohlfeil 1986, 288), der die »Lutherische Bildtheologie« als »Worttheologie« fasste. 127 Kern 2008, 264. 128 Kern 2008, 265. 129 Kern 2008, 266. 130 Kern 2008, 273. 131 Kern 2008, 282; zusammenfassend zum Pirnaer Zyklus: Kern 2002, 75–185. 132 Kern 2008, 273. 133 Kern 2008, 282, vgl. Beutel 2005, 445. 134 Fiedrowicz 2007, 131. 135 Zitiert nach: Beutel 2005, 447. 136 Kern 2008, 283. 137 Kern 2008, 285f.; neuerdings zum IHS in der Ordensikonografie der Jesuiten: Sterba 2015, 119–124 (am Beispiel der Jesuitenkirche in Iglau, 1717). 138 Kern 2008, 286. 139 Sitt / Monsees 2015, 312. 140 Sitt / Monsees 2015, 313. 141 Wegmann 2012, 193. 142 Sitt / Monsees 2015, 314. 143 Wegmann 2012, 190. 144 Hand 2004, 148f., Nr. 58, fig. 84. 145 Wegmann 2012, 193–196, Abb. 5, 6. 146 Wegmann 2012, 198–205, Abb. 7, 8. 147 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 251f. 148 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 266. 149 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 267. 150 Ertz / Schlie / Weidner 2012, 268. 151 Reinitzer 2006; Fleck 2010, hingegen zweifelte am Charakter eines »Lutherischen Bekenntnisbildes«. 152 Erichsen 2015, 99. 153 Ohly 1985, 18. 154 Ohly 1985, 20. 155 Ohly 1985, 32. 156 Ohly 1985, 34. 157 Ohly 1985, 38. 158 Büttner 1994, 23. 159 Büttner 1994, 24. 160 Büttner 1994, 27. 161 Büttner 1994, 40. 162 Büttner 1994, 44. 163 Büttner 1994, 30. 164 Büttner 1994, 33, vgl. Erichsen 2015, 110.

308

XI Anmerkungen

165 Büttner 1994, 38; Busch 1982, 118, zufolge setzt die »endgültige Cranachsche, gänzlich Lutherische Fassung des Bildtypus« zwar Gesetz und Evangelium einander gegenüber, aber sie seien auch einander ergänzend gedacht. 166 Büttner 1994, 34f. 167 Erichsen 2015. 168 Universitätsbibliothek Erlangen, Sign. BH 33. 169 Erichsen 2015, 97, 99. 170 Erichsen 2015, 104. 171 Erichsen 2015, 111. 172 Reinitzer 2006, Bd. I, 102, 224f., Nr. 197; Bd. II, 291 (Abb.), Abb. 205, 205a. 173 Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr. 1996/89, vgl. Reinitzer 2006, Bd. I, 103. 174 Reinitzer 2006, Bd. I, 102, Anm. 403, vgl. Bd. I, 256f., Nr. 299; Bd. II, 292, Abb. 206. 175 Reinitzer 2006, Bd. I, 325, Nr. 460; Bd. II, 293, Abb. 207 (Brabanter Stickerei vom Ende des 16. Jahrhunderts, die das Bildschema des erwähnten Stiches identisch wiedergibt). 176 Falkenau 1999, 11. 177 Falkenau 1999, 25f., 122. 178 Falkenau 1999, 79, Taf. 54a/b. 179 Falkenau 1999, 83f., Taf. 56a/b. 180 Wimböck 2010, 170. 181 Zu Dilherr: Schwarzenberg 1892; Schröttel 1962; Steiger 2010, 117, Anm. 79; zur Emblematik in Dilherrs Erbauungsbüchern, vgl. Peil 1978, 9–45. 182 Skowronek 2000, 127–133. 183 Skowronek 2000, 128f. 184 Zur Verwendung dieses Passus in Zusammenhang mit Darstellungen Dilherrs, vgl. Skowronek 2000, 128, Anm. 258. 185 Ohly 1979, 296. 186 Skowronek 2000, 128. 187 Ohly 1979, 296. 188 Vgl. Metz 2001, 379. 189 Skowronek 2000, 129, Anm. 260; Metz 2001, 380, Anm. 130; zu den gespaltenen Felsen, vgl. Lubac 1968, 324. 190 Nr. 45, Stich nach S. 178, der dazugehörige Text auf S. 178–181, vgl. Knipping I 1974, 119f., pl. 120. 191 Augsburg-Dillingen 1739, Bd. 2, 909. 192 Rahner 1941, vgl. Rahner 1992, 55–73. 193 Knipping I 1974, 100–102, pl. 99–104; Ruyven-Zeman / Leesberg 2003, 44–54, Nr. 445–462; 55–59, Nr. 463–468. 194 Skowronek 2000, 129. 195 Taf. 45. 196 Wien, Albertina, HB 77.1, pag. 142, Nr. 562, vgl. Szilárdfy 2003, Abb. 192; Ruyven-Zeman / Leesberg 2004, 163f., Nr. 1814/1815. 197 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung (Paul Wolfgang Merkel’sche Familienstiftung), Inv-Nr. MP 5598, Kapsel-Nr. 82, vgl. Skowronek 2000, Abb. 46. 198 S. 247.

V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

309

199 Ohly 1979, 296f., Anm. 130. 200 Ohly 1976, 455f., Abb. 6; grundsätzlich zu Engelgraves Lux evangelica: Höpel / Kuder 2004, 95–98, Nr. 18. 201 Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, ThPr 4954–1 (dazugehöriger Text auf S. 184–200, hier S. 184). 202 Ohly 1976, 456. 203 Vgl. Anton Ginther, Speculum amoris et doloris in Sacratissimo ac Divinissimo Corde Jesu […] (Augsburg 41743 [ebd. 11706]), 337–344 (consideratio XLIII): Als pictura ist hier eine Taube, die in eine Höhle fliegt, wiedergegeben; das Blatt zitiert Hld 2, 14 und gibt als Motto Hoc tuta sub antro. an. Das Herz Jesu wird als refugium bezeichnet. 204 Skowronek 2000, 118. 205 Skowronek 2000, 119. 206 Steiger 2010, 123. 207 Steiger 2010, 124f. 208 Ganz 2010, 296. 209 Ganz 2010, 297.

V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

Forster 2001, 64–83 (»The Sacral Landscape«). Jäggi 2007, 76f. Jooß 2010, 67f. Peterson 1934, 41. Peterson 1934, 43. Peterson 1934, 43. Peterson 1934, 47. Jungmann 1961, 186. Ohly 1976, 439. Jungmann 1961, 194. Schweinfurth 2013, 63. Schweinfurth 2013, 71. Schweinfurth 2013, 80f. Vgl. Kantorowicz 1963, 122f., 134. Wentz 1999, 215f. Goppelt 1939, 243. Wentz 1999, 219f. Ohly 1976, 437f., 441. Heinzer 2013, 74f. Heinzer 2013, 89. Heinzer 2013, 81f. Hafner 2010, 203f. Hafner 2010, 207. Heim 2004, 383, zitiert: Bauer 1991, 39. Rupprecht 1959, 33 (am Beispiel von Steinhausen).

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XI Anmerkungen

Rupprecht 1959, 36. Rupprecht 1959, 44 (am Beispiel der Zwiefaltener Kirche). Rupprecht 1959, 46. Rupprecht 1959, 45. Martin 2010, 111. Martin 2010, 112. Martin 2010, 131. Martin 2010, 131. Rohlmann 1994, 166. Gormans 2004, 245. Ebenso kann diese Typologie – basierend auf Petrus – bis in das Alte Testament verlängert werden, wenn etwa der Typus des thronenden Petrus in Egid Quirin Asams Hochaltar (1747/1748) in der ehemaligen Hofmarkkirche der Grafen von und zu Sandizell nicht nur auf Berninis Grabmal Urbans VIII. in Rom zurückgeht, sondern mit der darüber befindlichen Inschriftenkartusche, die sich auf David bezieht (2 Sam 23, 8, sowie Ps 27, 9), gleichsam alttestamentlich abgesichert wird, vgl. Rupprecht 1980, 212–215. Ettlinger 1965, 100. Ettlinger 1965, 102f. Ausführliche Beschreibung der [den] ganzen Passion M. H. Jesu Christi repraesentierenden berühmten Maschine, so von Cardinal Petr. Ottoboni […] in der Kirche zu S. Lorenz und Damaso am Grün Donnerstag zu Rom in dem Jubel-Jahr 1700 ausgesetzt worden; o. O. 1700, vgl. Holzem 1999, 218f. Baumgarten 1997/1998, 129, vgl. Baumgarten 2006, 87; Baumgarten 2004, 161–202. Baumgarten 2006, 88. Baumgarten 2006, 89. Predigt ebd., 3. Predigt ebd., 12, vgl. Baumgarten 1997/1998, 135; Baumgarten 2006, 80f. Baumgarten 1997/1998, 136. Baumgarten 1997/1998, 139. Baumgarten 1997/1998, 160. Es existieren zahlreiche Typologien, die das »Sehen« als solches thematisieren: In Daniel Mallonius’ Historia admiranda de Jesu Christi stigmatibus sacrae sindoni impressis (Douai 1607) (vgl. Wimböck 2002, 168, Abb. 50) wird im Haupttitel die Santa Sindone mit den alttestamentlichen Stellen Ex 33, 20.23 kombiniert und damit die Unmöglichkeit, Jahwe zu sehen mit dem ausgebreiteten Leichentuch Christi kontrastiert. Baumgarten 1997/1998, 143. Rahner 1944, 53f., Nr. IX. Baumgarten 1997/1998, 144. Henkel 2004, 44–46; grundsätzlich: Ganz / Henkel 2007. Baumgarten 1997/1998, 156. Baumgarten 1997/1998, 157. Ganz 2004, 207. Ganz 2004, 208. Doberer 1977, 238f., Nr. 1–5. Preimesberger 2014, 56, Abb. 15. Vgl. Gahbauer 2006, 270–272; als Typologie in Bezug auf die Himmelfahrt Christi im Speculum humanae Salvationis, vgl. Lutz / Perdrizet 1907, 225 (Kap. XXXIII, Nr. 2).

V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

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Vgl. Preimesberger 1985, 256. Adelmann von Adelmannsfelden 1978, 88. Hahn 2007, 44, vgl. zur gesamten Ausstattung: Bauer / Büttner / Rupprecht 1998, 49–121. Schiedermair 2002, 219, Abb. 130. Hofmann 1977, 66–69, 83. Hofmann / Treffer 1986, 90; zusammenfassend: Bauer / Büttner / Rupprecht 2010, 49–104, hier 55–96. 66 Hofmann / Treffer 1986, 91. 67 Hofmann / Treffer 1986, 91. 68 Hofmann 1977, 70. 69 Hofmann / Treffer 1986, 62f. 70 Hofmann / Treffer 1986, 66, vgl. Lindemann 1984, 131f. 71 Hofmann / Treffer 1986, 131. 72 Vgl. Hofmann / Treffer 1986, 167f. 73 Hofmann / Treffer 1986, 113. 74 Hofmann / Treffer 1986, 112f. 75 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 91 r.u.). 76 Leutheußer 1993, 219–222; Müller 2016, 579–583. 77 Leutheußer 1993, 221f. 78 Leutheußer 1993, 222. 79 Hofmann / Treffer 1986, 70. 80 Rupprecht 1980, 120f.; Bauer 2000, 110f. 81 Möseneder 1986, 29; Bauer / Rupprecht 1995, 71f. (Abschnitt C); Simon 2012, 137f.; Pfister 2013, 53; Müller 2016, 583–589. 82 Simon 2012, 145. 83 Simon 2012, 148. 84 Leutheußer 1993, 324–326. 85 Hotz 1993, 123–126; Alt 2013, 26. 86 Hotz 1993, 124, zufolge Papst Urban V., obwohl es sich eindeutig um eine weibliche Figur handelt. 87 Mádl 2013, 303–309; zusammenfassend: Mádl 2014. 88 Ruyven-Zeman / Leesberg 2004 II, 147–153, Nr. 1045–1052. 89 Guldan 1966, 196f., Nr. 85, Abb. 85; Leesberg 2012, 106, Nr. 52; Knipping 1974 I, 210f., pl. 207. 90 Tietze 1913, 12. 91 Isphording 1989, 445–449, Taf. IX. 92 Isphording 1997, 60–65, Abb. 52–66. 93 Zur Anwendung dieser Typologie in der Malerei des 18. Jahrhunderts, besonders in Birnau: Ganz 2004, 200f., Abb. 20. 94 Lorenz 1993, 72–83; Grimminger 2000, 180–187, Abb. 41, Abb. VI. 95 Kummer 1990, 392. 96 Kummer 1990, 393. 97 Kummer 1990, 399. 98 Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStASt), B 551, Büschel 16. 99 Neubert 2007, 186–242, hier 186f., 599–601 (Quellenanhang, Q 66), Anm. 1047, Abb. 247–273; Hosch 1992 korrigierte im Verhältnis zum Originaltext einige Ungenauigkeiten von Kreuzer 1964. 100 Neubert 2007, 234.

312

XI Anmerkungen

101 Neubert 2007, 235f. 102 Neubert 2007, 242. 103 Neubert 2007, 237. 104 Neubert 2007, 238f. 105 Neubert 2007, 240. 106 Zusammenfassend: Halder 1992, 109–113. 107 Bushart 1981; Bauer / Büttner / Rupprecht 2005, 45–60. 108 Bauer / Büttner / Rupprecht 2005, 58. 109 Bushart 1981, Abb. 78–81. 110 Bushart 1981, Abb. 63. 111 Bushart 1981, Abb. 64. 112 Bushart 1981, Abb. 65. 113 Heisig 2003. 114 Heisig 2003, 30. 115 Heisig 2003, 30. 116 Heisig 2003, 31 (Abb.). 117 Oswald 2009, 14. 118 Oswald 2009, 36. 119 Vgl. Lechner 2007, 376; zur Problematik der Gegenüberstellung Benedikt-Apoll anhand der Predigten: Schrott 2006, 253f.; zu Benedikt-Apoll vgl. Joseph Sebastian und Johann Baptist Klaubers Thesenblatt (nach Johann Evangelist Holzer), Benedikt in der Glorie als »Architekt« des Benediktinerordens darstellend (1734/1735 bzw. 1739/1740): Der unter Benedikt liegende Apollotorso verweist auf die Gründungslegende von Montecassino, vgl. Katalog Holzer 2010, 418, 422, Nr. 144. 120 Bauer 1980, 93. 121 Bauer 1961, 221. 122 Bauer 1961, 223. 123 Bauer 1961, 230. 124 Bauer 1961 II, 332; Bauer 1980, 101. 125 Bauer 1961, 234. 126 Bauer 1961, 235. 127 Bauer 1980, 98. 128 Bauer 1980, 83. 129 Bauer 1961, 220. 130 Bauer 1961, 231f. 131 Bauer 1961, 232; Bauer 1961 II, 330; Bauer 1980, 94; Zahlten 1995, 422; Bauer 2000, 30; am Beispiel Birnaus neuerdings: Kalchthaler 1995. 132 Vgl. Birnbaum 2009, 107 (Beispiele aus Predigten). 133 Katalog Günther 1988, 35, Abb. 4. 134 Katalog Günther 1988, 49, Abb. 17. 135 Bauer 1980, 84; Müller 2016, 491. 136 Vgl. Katalog Rokoko 2014, 113f., 116. 137 Bauer / Büttner / Rupprecht 2006, 102–112. 138 Vgl. Bauer / Büttner / Rupprecht 2006, 110. 139 Bauer / Büttner / Rupprecht 2006, 111.

V Die Typologie in ihrer medialen Dynamik I: Kirchenraum und Deckenmalerei

313

140 Freskierung durch Joseph Ignaz Appiani zwischen 1764 und 1770 (zum Teil 1914 ergänzt), Weihe der Kirche 1772, vgl. Bauer 2000, 228f. 141 Bauer 1985, 276f.; Bauer / Bauer 1985, 140–142; Bauer / Büttner / Rupprecht 1998, 180–185. 142 Weiterführend: Brossette 2002, Bd. 1, 406–414. 143 Bauer / Büttner / Rupprecht 1998, 182. 144 Bauer / Büttner / Rupprecht 1998, 184. 145 Bauer 2000, 122f.; Bauer 1985, 276f. 146 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 187 l.o.). 147 Bauer / Rupprecht 1976, 537f. 148 Matsche 2011, 33. 149 Möseneder 1986, 39 (»außerbiblische Typologie«). 150 Rupprecht 2013, 225. 151 Rupprecht 2013, 230. 152 Kalchthaler 2000, 84. 153 Kalchthaler 2000, 87–106; Müller 2016, 601f. 154 Kalchthaler 2000, 87–94. 155 Kalchthaler 2000, 88. 156 Kalchthaler 2000, 88. 157 Kalchthaler 2000, 89f. 158 Kalchthaler 2000, 91f. 159 Kalchthaler 2000, 94–102. 160 Kalchthaler 2000, 95. 161 Kalchthaler 2000, 96. 162 Kalchthaler 2000, 103–106; Bauer 2000, 29, zufolge »feiert hier die alte, vor allem mittelalterliche Denk- und Verfahrensweise der Typologie ihre Urstände.« 163 Vgl. Kalchthaler 2000 II. 164 Kalchthaler 2000, 107. 165 Kalchthaler 2000, 108. 166 Ausführlich: Guldan 1957, 141–145; Guldan 1970, 61–63, 154–156. 167 Guldan 1970, 62. 168 Guldan 1970, 62. 169 Speculum humanae Salvationis, vgl. Lutz / Perdrizet 1907, 216f. (Kap. XXVI, Nr. 2); Reygers 1937, 154. 170 Bauer 1985, 268f. 171 Auch in der 1753/1755 ausgemalten Wallfahrtskirche Andechs ist die Darstellung des Teichs Bethesda (mittleres Feld des Mittelschiffs) von zentraler Bedeutung, indem diese Begebenheit mit dem Andechser Gnadenbild darüber kombiniert wird, und Andechs demzufolge als »neuer Teich Bethesda« gesehen werden kann, vgl. Bauer / Rupprecht 1976, 296f.; Bauer 1985, 262–264; Kaiser 1993. 172 Bauer 1985, 268. 173 Wischermann 1984, 17. 174 Schrott 2010, 16. 175 Schrott 2012, 229. 176 Schrott 2012, 240. 177 Schrott 2012, 241. 178 Rovelstad 1996, 49; neuerdings: Hauke 2007.

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XI Anmerkungen

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Karasch 2012, 126. Karasch 2012, 132. Lehmann 1964, 208. Lechner 1989, 213, Abb. 22, 23; Krautheim 1985. May 2002, 39–41; Waldvogel 2009, 108–131. May 2002, 40. Büttner 2007, 122. Büttner 2007, 126; Rovelstad 1996, 46. May 2002, 41–44. Büttner 2007, 120; Bauer 2000, 186f. (»Antithese von weltlichen Wissenschaften und Künsten und der ewigen Weisheit«). 189 Büttner 2007, 126. 190 Vgl. Kasper 1954, 42f. 191 Brossette 2002, Bd. 1, 406f.; Neueder 2010, 30, Abb. 10; Matsche 2011, 32. 192 Vgl. Benedikt 1980, 167f., Nr. 265, Taf. IX; Neueder 2010, 27–30; Entwurf von Joseph Anton Merz (1728, Augsburg, Städtische Kunstsammlungen, Inv.-Nr. G.930), vgl. Katalog Kalkül & Leidenschaft 2003, 158f., Nr. 52. 193 Neueder 2010, 32. 194 Neueder 2010, 65f. 195 Neueder 2010, 90f., Nr. 28; Hecht 2012, 298f., Abb. 55. 196 Ausführlich: Guldan 1970, 45–47, 142–145; Guldan 1969; Frankhauser-Kandler 2013, 60–77. 197 Zur Datierung: Guldan 1970, 47. 198 Arndt 1610, 10. 199 Zur Bedeutung dieses Themas in benediktinischen Ordenskirchen vgl. das Stuckrelief Egid Quirin Asams an der Nordseite der Kuppelschale der Stiftskirche Weltenburg (um 1720), das allerdings jene Episode wiedergibt, wo Benedikt Totila dessen Regierungszeit und Tod vorhersagt, vgl. Rupprecht 1980, 94. 200 Detaillierte Aufstellung bei: Guldan 1970, 143f. 201 Vgl. Guldan 1970, 143. 202 Guldan 1970, 46. 203 Nr. 47. 204 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 142 r.o.). 205 Mit dem gleichen Motto in einem Kupferstich Adriaen Collaerts (um 1560–1618), der Thomas als Weisheitslehrer verherrlicht, vgl. Katalog Credo 2013, 176f., Nr. V.1.

VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten 1

Kern 2004, 45, hat im Zusammenhang typologischer Programme (Siena, Libreria Piccolomini, nach 1502) darauf hingewiesen, dass dem Betrachter, der in bestimmten Ensembles eine bestimmte Schwelle passiert, d. h. eine Tür durchschreitet, in eine »Reinszenierung des Sündenfalls« hineingenommen ist, verbunden mit dem Auftrag, darauf sein Erkenntnis- und Besserungsstreben auszurichten. Damit hängt auch jene vielschichtige Bedeutungsdimension des Raumes zusammen, die anzeigt, dass ein Werk nicht nur für den spezifischen räumlichen Kontext entsteht, in dem es erstmals Aufstellung findet, vgl. hier neuerdings: Meier 2015.

VI Typologie als Verkündigung – die Stiftskirche Zwiefalten

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Detailliert: Keplinger 2008. Leppin 2008, 32. Leppin 2008, 38; grundsätzlich: Wimböck 2007. Ganz/Neuner 2013; vgl. Simon 2012, 129f. Ganz / Neuner 2013, 29. Ganz 2004, 186. Ganz 2004, 186. Vgl. Bauer 1985, 242–246, vgl. Bauer-Wild 1992. Bauer 1985, 246. Bauer-Wild 1992, 64, 66, Abb. 12–16. Krischel 2013, 247. Krischel 2013, 257. Vgl. Lubac 1968, 129. Vgl. Telesko 2013. Ohly 1972; vgl. Ohly 1966, 353 (»Typologie hat Raum, wo Zeitraum über Christus hin gespannt ist.«); zur Verwendung dieses Begriffs anhand der Ikonologie der Münchner Michaelskirche, in der das Kontinuum der Heilsgeschichte mit zum Teil fiktiven Regierungszeiten der Fürsten und Herrscher eine Verbindung eingeht, vgl. Hess 2009, 295. Bachtin 2008, 7. Bachtin 2008, 7. Balthasar 1961, 622f. Kummer 1990, 399. Neubert 2007, 182–242. Rupprecht 1959, 46; Zürcher 1967, 37; Schütz 2000, 50. Zürcher 1967, 40. Vgl. Lindemann 1989, 84. Zusammenfassend zur barocken Kanzel siehe Mayer 1932, 150, Taf. XVIII; Brossette 2002, Bd. 1, 454–462; Damblon 2003; Fleckenstein 2008, 190–192. Meulen 2008, 290; zusammenfassend: Meulen 2016; detailliert zur Ausstattungsgeschichte des Zwiefaltener Münsters siehe neuerdings Maier 2013, 119–142. Konzeptfragmente zu Zwiefalten, aufbewahrt im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand B 551, Büschel 26 enthalten ausführliche Hinweise zu den Fresken, nicht jedoch zu den beiden Plastiken, vgl. Kreuzer 1964, 99–127. Ganz/Neuner 2013; Meulen 2008, 277 (zu Zwiefalten). Zusätzlich als Mahngestus interpretiert bei: Brossette 2002, Bd. 1, 459. Herzog 1991, 100. Balthasar 1961, 478. Fleckenstein 2008, 192. Locher 1987, 120. Herzog 1991, 101. Damblon 2003, 71. Vgl. Lubac 1968, 208f., 470f.; Lubac 1999, 42f. Lubac 1999, 120. Herzog 1991, 103. Knipping I 1974, 188, pl. 188; zur Brüsseler Kanzel: Ypersele de Strihou 2002. Zur Kanzel in Reinerz: Steffen 1963, 134–136, hier 136, 144–147, Taf. XII: zur typologischen Deu-

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XI Anmerkungen

tung des Jona-Motivs; Schiller 1971, 138, Abb. 442; Kalinowski 1990, 141f., Abb. 105; Steffen 1994, 93–99 (typologische Gegenüberstellung Jona-Christus). Missale Romanum 1758, 169 (prophetia septima). Herzog 1991, 99f.; Lindemann 1989, 84; Meulen 2001, 13; Meulen 2008, 291. Unter anderem sind dadurch Kanzel und Taufgruppe als »Wort-Bild-Synthese« aufeinander bezogen zu denken, vgl. Lindemann 1989, 82. Dischinger 2011, 189, 191, 193, 197f., 202, 206 (Quellen), Abb. 59, 60. Lindemann 1989, 79. Herzog 1991, 102–105. Balthasar 1961, 460. Lubac 1968, 131. Lubac 1968, 132. Lubac 1968, 326. De arca Noe morali II, 8, vgl. Lubac 1999, 41, Anm. 88; 117. Vgl. Lubac 1999, 117. Lubac 1968, 393. Lubac 1968, 400. Zitiert nach: Lubac 1968, 466. Zitiert nach: Herzog 1991, 104. Herzog 1991, 105f. Herzog 1991, 103. Herzog 1991, 99, mit einem Hinweis auf die Kanzel der Wies-Kirche (1754), die eine Quellgrotte am Fuß der Kanzel besitzt. Zürcher 1967, 61. Balthasar 1961, 355, 360–367. Grundsätzlich stellt sich hier und bei vergleichbaren Problemstellungen die Frage nach dem Charakter biblischer Zeit, wenn etwa Eicher 1991, 316, formuliert: »Die Bibel kennt keine absolute Zeit, in der etwas geschieht: Sie bestimmt das Geschehen als die Wirklichkeit der Zeit.« An diesem Punkt ist ein wichtiger Bezug zu der mit allen Sinnen propagierten Verehrung Marias in den Zwickeln des Langhauses gegeben, vgl. Meulen 2008, 287. Der spanische Jesuit Jerónimo Nadal (1507–1580) betrachtete die Sinne sogar als Folge der Theologischen Tugenden, siehe dazu ebenfalls Meulen 2008, 287. Brossette 2002, Bd. 1, 458. Siehe Meulen 2008, 292; Lindemann 1989, 84 (zu Ottobeuren). Herzog 1991, 318; Lubac 1968, 416, 424, 427. Balthasar 1990, 299. Winter 2012, 157. Balthasar 1961, 508f.; Lubac 1968, 394; Balthasar 2004, 78. Balthasar 1961, 508, 526. Lubac 1968, 115. Lubac 1968, 245. Rupprecht 1959, 44, und ausführlicher Zürcher 1967, 29, 40. Meulen 2001, 13. Kreuzer 1964, 136. Rupprecht 1959, 44.

VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

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Rupprecht 1959, 45. Meulen 2008, 277, 281. Kummer 1990, 393. Kanzel und Gegenkanzel betonen diese Querachse, indem sie frontal aufeinander bezogen sind. In Ottobeuren sind Kanzel und Taufgruppe dagegen jeweils leicht zu dem in den Laienraum eintretenden Betrachter gedreht, vgl. Lindemann 1989, 76. Günzel 2008, 63. Winter 2012, 151. Cassirer 1931, 102, vgl. dazu: Cassirer 2011 (1923); Sasse 2010, 299. Balthasar 1961, 633. Vgl. Balthasar 1961, 634. Balthasar 1990, 322. Kreuzer 1964, 53, spricht von einer »imaginäre[n] Brücke« zwischen der Ezechielfigur und der Kanzel. Hundemer 1994; Hundemer 1997, 31–55. Zusammenfassend: Reuter 2002, 158–168; Neubert 2007, 190, Abb. 273. Zürcher 1967, 47, verweist darauf, dass das am Hochaltar durch Skulptur und Malerei dargestellte Geschehen »die Handlung des Priesters begleitet.«; Loers 1976, 75, zufolge agiert der Seher hier zugleich als »Vermittler und Interpret des Bildes an den Betrachter, der aufgefordert wird, an der Vision teilzunehmen.« Mt 1, 20f. gibt zugleich einen Hinweis auf die Identifikation der Figur im Gemälde, die mit dem Rücken zu uns wiedergegeben ist: Es handelt sich um Nährvater Joseph, dem im Matthäusevangelium die Geburt Jesu angekündigt wird. Geschichte der bildenden Kunst, Bd. 5 (2008): Barock und Rokoko, 311, Nr. 124. Pohl 1952, 256, Anm. 307. Michalski 1930, 31, Abb. 33, 34, spricht von Darstellungen des Alten und Neuen Testaments, während Huber 1960, Abb. 43, erstere Figur als »Hohepriester« bezeichnet. Thematisch komplettiert durch die Gegenwart der Stammeltern (mit dem Apfel der Sünde) im Hochaltarbild. Der Putto auf der Tabernakelbekrönung des Hochaltars vollendet mit dem Passus Jo 3, 16 auf dem Spruchband die in den Versen 14–15 dieses Kapitels zum Ausdruck kommende typologische Selbstaussage Christi; zur typologischen Beziehung zwischen dem Altar mit dem Hostientabernakel und der Bundeslade des Alten Testaments vgl. Noehles 1995, 336, 342. Daniélou 1955, 216.

VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche 1

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Lavicka 1971, 18. Eine Behelfskirche wurde bereits am 19. Mai 1639 geweiht und 1644 vergrößert. Erst eine großzügige Stiftung des Fürsten Ottavio Piccolomini ermöglichte die Grundsteinlegung der neuen Kirche (11. November 1651); Lorenz 1999, 240, Nr. 6; zur Ausstattung: Telesko 2006. Lechner 1970, 14; Lavicka 1971, 55f. (mit Quellenhinweisen); zur Quellenlage insgesamt: Garms 1995. Lechner 1970, 16–19; Lavicka 1971, 65f. (mit Quellenhinweisen). Lechner 1970, 18f.; Lavicka 1971, 66 (mit Quellenhinweisen). Lavicka 1971, 58.

318

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XI Anmerkungen

Lechner 1970, 19; Lavicka 1971, 59. Zusammenfassend: Lechner 1970, 20. Die Kontrakte vom 27. August und 18. Dezember 1669 (Lechner 1970, 19; Lavicka 1971, 73 [mit Quellenhinweisen]) fehlen heute in den Beständen des Archivs des Wiener Konvents, vgl. die Quittungen Barberinis vom 9. September und 6. November 1669 (Lechner 1970, Taf. 10). 9 Nach Faßbinder 1979, Katalogteil, 43–45, hier 45, Kat. I/28, die »Rückkehr aus Ägypten (?)« darstellend. 10 Nach Leutmötzer 1919, 35, die »Erweckung des Jünglings von Naim« darstellend. 11 Hier könnte eine Verbindung zur Gesellschaft Jesu maßgeblich gewesen sein, da sich die Jesuiten der Propagierung der Heiligen Familie in Gestalt der »jesuitischen Trinität« ( Jesus–Maria– Joseph) in besonderer Weise annahmen, wie unter anderem etwa aus der jesuitischen und mit 16 Kupferstichen versehenen Publikation Iconologia, cioè ragionamento d’immagini intorno alle santa conversatione di Giesù, Maria e Giuseppe (Firenze 1652) deutlich wird. Die Funktion des hl. Joseph als Patron der österreichischen Erblande (ab 1675) ist primärer Gegenstand des Sammelbandes Lob- und sinnreiche Ehren-Predigten von dem Hochheiligen Joseph […] (Wien 1676), in dem unter anderem eine Predigt des Wiener Servitenpaters Edmundus Maria Eckl über den hl. Joseph vom 17. Mai 1675 abgedruckt ist (S. 175–194); grundlegend zur barocken Ikonografie des hl. Joseph: Mikuda-Hüttel 1997; Grimkowski 2005, 152–291. 12 Faßbinder 1979, Katalogteil, 43–47 Kat. I/30, I/28. 13 Der Liber prioratus im Archiv des Wiener Konvents (Sign. C IV/4), der eine Übersicht über die Ereignisse zwischen 1639 und 1689 zusammenstellt, hält zu den Reparaturarbeiten an der Klosterkirche im Zeitraum zwischen April 1692 und April 1693 fest: [...] Tota structura aedifici; aut muri exterioris dealtata, et in diversis partibus destructa iterum reparata. [...] (S. 165). Dieser Eintrag lässt auf umfangreiche Schäden an der Außenmauer der Kirche schließen. 14 Faßbinder 1979, 46f. 15 Faßbinder 1979, Katalogteil, 35–38, Kat. I/22. 16 Als erstes Hochaltarbild diente das Verkündigungsbild, das P. Archangelus M. Benivenius OSM 1639 nach Wien gebracht hatte. Dieses ist heute an der Seitenwand der Peregrinikapelle zu sehen. Das Bild wurde nach der Beschädigung bei der Türkenbelagerung 1694 restauriert, vgl. Lechner 1970, 7f.; Lavicka 1971, 74 (mit Quellenhinweis). 17 Vgl. die Aufstellung der Themen bei Leutmötzer 1919, 38, und Faßbinder 1979, Katalogteil, 35–38, Kat. I/22. 18 Breviarium Romanum 1933, pars aestiva, 151. 19 Schemper 1983, 164; Euler-Rolle 1983, 68. 20 Euler-Rolle 1983, 69; zur Tätigkeit Barberinis vor der Servitenkirche: Euler-Rolle 1983, 70, Anm. 99. 21 Zur künstlerischen Stellung der Figuren: Schemper 1983, 148–151. Eine wichtige Publikation, die sich mit den Prophezeiungen der Sibyllen beschäftigt, stellt Johannes Opsopaeus Brettanus’ ΣΙΒΥΛΛΙΑΚΟΙ. / ΧΡΗΣΜΟΙ / hoc est / SIBYLLINA ORACVLA [...] (Paris 1607) (mit Stichen von Charles de Mallery) dar – ein Stichwerk, das sich allerdings nur mit antiken – und nicht mit christlichen – Traditionen auseinandersetzt. In Guercinos Kuppelfresken im Dom von Piacenza (1626/1627) treten Propheten über Szenen des Lebens Christi und Sibyllenpaaren auf, vgl. Ebert-Schifferer 1991, 56, Abb. 7. 22 Breviarium Romanum 1933, pars hiemalis, 308. 23 Zur künstlerischen Bedeutung: Schemper 1983, 152–155; Euler-Rolle 1983, 82; zur Positionierung

VII Der Kirchenraum als aula mariana – die Wiener Servitenkirche

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von Verkündigungsgruppen am Triumphbogen und im Chor: Euler-Rolle 1983, Anm. 119. 24 Gal 4, 1–7 ist die Lesung in der Oktav von Weihnachten, vgl. Breviarium Romanum 1933, pars hiemalis, 308f. Bonaventura (De annuntiatione sermo 2, 3) verstand die Uhr des Achaz (nach Jes 38, 8) allegorisch als Schoß Mariens (!), vgl. Fries 1954, 122. 25 Wegweisende Akzente hinsichtlich der mariologischen Deutung des Begriffs thalamus setzte Augustinus, vgl. seine Enarratio in Psalmum 90, 2, 5 (PL 37, 1163): […] et thalamus uterus virginis. […], vgl. Müller 1955, 192, Anm. 40, 41. Der französische Kanoniker Richard von Saint-Laurent (13. Jahrhundert) bezeichnete das Herz Marias als triclinium totius trinitatis, vgl. Fries 1954, 18–22; Beumer 1959; grundlegend zu Richard von Saint-Laurent, vgl. Bäumer / Scheffczyk 1993, 486– 488. 26 Vgl. Salzer 1893, 18f., 116, Anm. 2. Thomas von Aquin nennt in seiner Catena aurea in Matthaeum (c. 17) Hieronymus als Kronzeugen, der den Begriff des tabernaculum im Bericht der Verklärung Christi (Mt 17, 4) zum Ausgangspunkt nahm, um den Charakter des Evangeliums näher zu definieren: [...] unum sit tabernaculum Evangelii, in quo lex et prophetae recapitulanda sunt. [...]. 27 Eberlein 1982, 85. 28 Breviarium Romanum 1933, pars aestiva, 707–715. Zu differenzieren ist hier zwischen dem »himmlischen Brautgemach«, in das Maria aufgenommen wird, und dem tabernaculum in seiner Funktion als Wohnstatt Gottes (Maria) bei der Inkarnation. Letzterer Aspekt ist Gegenstand der Lesung (aus Sir 24, 11f.) zu den Laudes beim Assumptio-Fest im Römischen Brevier (vgl. Breviarium Romanum 1933, pars aestiva, 713). Die im Rahmen des Assumptio-Offiziums verwendete Pseudo-Augustinische Schrift De assumptione B. M. V. (PL 40, 1141–1148, vgl. Courth 1991, 166–168, Nr. 85 [deutsche Übersetzung]) verbindet im Vorwort (PL 40, 1142) den Hinweis auf das Geheimnis der Inkarnation mit der Vorausdeutung durch Patriarchen und Propheten: Quae (scil. Maria [W. T.]) sola meruit Deum et hominem paritura suscipere, facta thronus Dei et aula regis aeterni, secundum quod tu nos docuisti per sanctos Patriarchas tuos, Prophetas et Apostolos, […], zitiert nach: Quadrio 1951, 35; vgl. Bäumer / Scheffczyk 1993, 367f. 29 Lindemann 1984, 129, Abb. 2; Bushart / Rupprecht 1986, 215f., Nr. 1. 30 S. 33f. 31 In der Bibliothek der Wiener Serviten unter der Signatur O 5980 aufgestellt. 32 S. 201–371 (Riflessi di Spirito sopra l’Annunciazione di Maria Vergine), hier 221. 33 Vgl. Fineti 1701, 222f. Die mittelalterliche Literatur spricht zuweilen von Maria als »Gesicht« und »Wunsch« der Propheten. 34 Fineti 1701, 221. 35 Koch 1997, 492 (mit Lit.). 36 Lubac 1968, 202f.; vgl. Lubac 1999, 126f., 130f. (zur Metaphorik des Gleichklangs der beiden Testamente). 37 Zum literarischen Œuvre von Becanus: Backer 1853, 56–60, hier 59, Nr. 44 (zur Analogia Veteris ac Novi Testamenti [...], die bis 1794 häufig aufgelegt wurde). 38 Signatur: O 6402. Zahlreiche Werke von Becanus sind im Bibliothekskatalog des Wiener Servitenkonvents (Liber Prioratus [1639–1689], Sign. C IV/4, pars I. §.I., S. 18f., 69, 71) nachweisbar. 39 S. 39f. 40 S. 37–39. 41 S. 184–218, hier 193–197. 42 Breviarium Romanum 1933, pars verna, 578, vgl. Fleischmann 1951, 400f. 43 Lapide 1625, 96.

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XI Anmerkungen

Busti 1607, 446–459, hier 447. Lapide 1625, 371. Montanus 1571, 848f. Montanus 1571, 960. Sanchez 1621, 1764. Busti 1607, 503. Busti 1607, 503. Busti 1607, 501–511, hier 502f. München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 15709, fol. 32v (Regensburg, um 1478 bis nach 1489), vgl. Mütherich / Dachs 1987, 120f., Nr. 106. Heitz 1903, 10; Geffcken 1902 (kritische Textedition); Rohr 1967, 58–62, 120–123. In der Verkündigung an Maria im Furtmeyr-Missale befinden sich die Sibyllen auf den Portalstufen, Gewändepfeilern und -konsolen. Die in der Servitenkirche vorkommenden Sprüche der libyschen, europäischen, persischen, samischen und tiburtinischen Sibylle sind auch in der Verkündigungsdarstellung des Münchner Codex zu finden, in einem Fall aber mit unterschiedlicher Zuordnung. Buchowiecki 1970, 354f.; Ganz 2003, 415, Nr. B.2.22. Das Konzept der von Carpoforo Tencalla ausgeführten Fresken stand sicher bereits vor dem Jahr 1680 fest, vgl. Möseneder 1995, 149–237, hier 181–235. Lechner 1984, 18–34, hier 24; Telesko 2000, 281. Möseneder 1995, 211. Zur streng vertikal-jochweise strukturierten Programmatik des Passauer Domes, die in dieser Hinsicht deutliche Differenzen zur Wiener Servitenkirche aufweist, vgl. Möseneder 2000, 445. Zur Frage der Entwicklung formaler und inhaltlicher Prinzipien seit dem späten 17. Jahrhundert, vgl. Euler-Rolle 1983, 73–77. Telesko 2000, 281. Das Verhältnis zwischen Propheten und Aposteln ist nicht so zu bestimmen, dass die Apostel als »Antitypen« der Propheten anzusehen sind, sondern beide fungieren als »Verkünder desjenigen, der die Heilsgeschichte erfüllt.«, vgl. Jentzmik 1973, 27. Um 1480, Berlin, Staatliche Museen, Inv.-Nr. 1622 A, vgl. die differenzierte Analyse bei: Schlie 2002, 127–137, Taf. IV; Eberlein 1982, 141–145, Nr. 682, Abb. 90 (mit Lit.). Zuerst in Tournai 1231 nachgewiesen, bis in das 15. Jahrhundert verbreitet, vgl. Beissel 1909, 323– 327; McNamee 1974, 37f.; Young 1967, 245–250, hier 246, Anm. 1 (mit Lit.). Vierziger Jahre des 15. Jahrhunderts, Aix-en-Provence, Église de la Madeleine, vgl. Ring 1949, 204, Nr. 91, pl. 43–46. PL 42, 1117–1130, vgl. Young 1967, 126–131. Young 1967, 154–171; Weber 1894, 43f.; zur Texttradition: Young 1967, 154, Anm. 1. Young 1967, 162, Anm. 1, 4 (z. B. Zach 9, 9 und Mal 3, 1). Eine ungewöhnliche Instrumentalisierung eines vom Betrachter aus gesehenen nach oben geöffneten Zeltes (!) (mit zahlreichen, darin integrierten typologischen Darstellungen) ist in der ab 1543 von Hans Bocksberger ausgemalten Schlosskapelle in Neuburg/D. anzutreffen, vgl. Grosse 2003, 15–164, hier 21–61. Balthasar 1961, 597. Daniélou 1955, 10. Lubac 1968, 362f.; Lubac 1999, 88. Die exegetischen Erläuterungen zum Zerreißen des Tempelvorhangs beim Tod Christi (Mt 27, 51) zielen ebenfalls zumeist auf die Enthüllung der Geheimnisse

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des alten Gesetzes, vgl. Eberlein 1982, 87–89 (mit Quellen). Balthasar 1961, 600f. Balthasar 1961, 621f. Zitiert nach: Daniélou 1955, 14. Daniélou 1955, 227. Daniélou 1955, 14. Der Legende zufolge erschien Maria den sieben Gründern des Servitenordens am Festtag der Aufnahme Mariens in den Himmel (!) des Jahres 1233, vgl. Giani 1719, 12 (lib. I, c. 1). Bauer 1961 II, 325; Bauer 1980, 91 (am Beispiel Birnaus). Schemper 1983, 142–146, hier 142. Balthasar 1965, 41. Euler-Rolle 1983, 79f. Der Begriff aula in mariologischer Verwendung dürfte letztlich auf Ambrosius’ Hymnus Veni redemptor gentium, der wiederum auf Ps 19 (18), 5f. basiert, zurückgehen: Procedat e thalamo suo, pudoris aula regia, geminae gigas substantiae alacris ut currat viam. (5. Strophe). Zum Begriff aula als ecclesia: Du Cange 1840, 494. Der »Sonnenpsalm« 19 (18) nimmt eine wichtige Stellung im Römischen Brevier (Assumptio-Fest) ein, vgl. Breviarium Romanum 1680, 514 (In I Nocturno Antiphona). S. 3–5. D. 13, Nr. 50; D. 18, Nr. 96; D. 20, Nr. 10 (sowie ad indicem). Die Bedeutung des Schosses Mariens als Ort der Empfängnis Christi wird auch vom bedeutenden Jesuitentheologen Franz Suarez (1548–1617) hervorgehoben, vgl. Delius 1963, 239 (mit Quellennachweis). S. 419, D. 13, Nr. 50. S. 14f., D. 1, Nr. 34. Chrysogonus zitiert hier aus dem Sermo I de Annuntiatione Dominica: De gaudio hujus diei et de laudibus virginis matris des Guerricus (PL 185, 117 A/B). S. 14f., D. 1, Nr. 34 (mit offensichtlichem Bezug auf den Sermo I de Annuntiatione Dominica: De gaudio hujus diei et de laudibus virginis matris des Guerricus [PL 185, 117 B]). Auch der Jesuit Petrus Antonius Spinellus (Spinelli) nahm sich in seinem Werk Maria Deipara Thronus Dei [...] (Köln 1619), 69–71 (c. V, Nr. 37 und 38) ausführlich der Interpretation Marias als »Tabernakel« an. Im Bibliothekskatalog des Wiener Servitenkonvents ist vom gleichen Autor De laudibus Beatae Virginis überliefert (S. 47, Nr. 28). Eine weitere wichtige mariologische Anregung könnte für Chrysogonus’ Ausführungen in den De laudibus Beatae Mariae Virginis libri XII (frühestens um 1245) des Kanonikers Richard von Saint-Laurent, der die Marienverehrung der Zisterzienser rezipierte, bestanden haben. Dieses Werk wurde in Antwerpen 1625 im Druck herausgebracht. Besondere Bedeutung besitzt hier lib. X (597–610): Maria als tabernaculum, thalamus und aula regia. Richards De laudibus […] libri XII sind auch in einer vom Servitenpater Amideus Maria Markel in der Wiener Mariahilferkirche am 15. August 1731 gehaltenen Predigt (Maria als eine Himmlische Herrscherin über alle vier Reich [sic!] der Welt, Wien 1731 [unpaginiert]) als Quellen genannt. S. 16, D. 1, Nr. 39. S. 16, D. 1, Nr. 39 (Das Zitat stammt aus dem Sermo II de Annuntiatione Dominica: De Verbi Incarnatione in Maria et in anima fideli des Guerricus [PL 185, 119 D]); zur marianischen Theologie von Abt Guerricus grundlegend: Gatterer 1894, 30–33. Zur Typologie des Vorhangs: Spitz 1972, 37–39; Eberlein 1982, 83–94. In Bezug auf den anschaulich gemachten Vorgangs des Enthüllens kann in diesem Zusammenhang auf den Hochaltartabernakel der ehemaligen Stiftskirche Freising-Neustift (Ignaz Günther,

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XI Anmerkungen

1765/1770) verwiesen werden, wo in der entsprechenden Darstellung dem Priester des Alten Bundes der Schleier vom Gesicht entfernt wird (vgl. Volk 1991, 152f.; Hamm 2010, Abb. 384). Eine ähnliche Inszenierung wird auch dem Hochaltartabernakel (1767) der Pfarrkirche Berg am Laim in München zuteil, wo Johann Baptist Straub in fast vollplastischen Figuren die Emmausgruppe als szenisches Theater in jenem Moment zeigt, als die Jünger Christus beim Brotbrechen erkennen (vgl. Volk 1984, 199f., Abb. 44, 168; Katalog Rokoko 2014, 115, Abb. 1). In der ehemaligen Kartäuserklosterkirche Mauerbach (Stuckausstattung nach dem Vorbild Giovanni Battista Barberinis, wahrscheinlich 1688 vollendet) ziehen oberhalb des Hauptgesimses Engelputti Draperien hinter stilisierten Büsten von Kartäusern hoch. Dieser Vorgang ist – obwohl motivisch eng mit der Wiener Servitenkirche verwandt – letztlich mit einer anderen Intention unterlegt, die primär dekorativen Gesichtspunkten – und nicht der typologischen Leit­ idee der »Enthüllung« – folgt. Daniélou 1955, 46, 128, 131. Daniélou 1955, 162. Daniélou 1955, 164. Badiou 2002, 92. Badiou 2002, 107. S. 9; grundsätzlich zur marianischen Literatur der Autoren des Servitenordens: Lustrissimi 1954, *1–*96 (Appendix), hier *46, Nr. 552–554 (zu Weinhardts Werk). S. 13. Grundlegend zur Frühgeschichte des Ordens: Heimbucher 1965, 576–578. S. 11 (mit offensichtlichem Bezug auf die Ordensannalen der Serviten, vgl. Giani 1719, 27 [lib. I, c. 10]). Balthasar 1961, 298.

VIII Maria als Bundeslade – die Stiftskirche Altenburg 1 2 3

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Zusammenfassend: Telesko 2005, 91–109. Zur Bundeslade, vgl. Neuß 1954. Vgl. Johann Georg Dieffenbrunner, Wallfahrtskirche Violau (1751) mit dem Opfer des Alten Bundes über dem Hochaltar als Entsprechung zum neutestamentlichen Opfer darunter, vgl. Bauer 2000, 154f. Balážová / Medvecký 2009, 83–87. Vgl. Gillen 1954, 109f., Abb. 10; Hartmann 2015, 224f., F 16, Taf. 25. Vgl. Meine-Schawe / Schawe 1995, 99–105, Nr. 11. Ausführlich zur Symbolik der Bundeslade: Josephus Zoller OSB, Conceptus chronographicus. De Concepta Sacra Deipara […], Augsburg 1712, 101–103, Nr. 211; Chrysogonus 1646, Arca foederis [ad indicem]. Salzer 1893, 10–12. Zusätzlich muss auf die eminent christologische Facette der Typologie der Bundeslade verwiesen werden, die bereits in der Titelvignette von Philipp Melanchthons Corpus Doctrinae Christianae (Leipzig 1560) mit dem auf der Bundeslade (!) befindlichen Kruzifix zum Ausdruck kommt, vgl. Katalog Luther 2014, 189, Abb. 3. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch Maulbertschs Fresko in der Schlosskapelle von Bohuslavice (1763) mit einer Allegorie des Alten und Neuen Bundes, wobei hier der Göttlichen Vorsehung die Bundeslade beigegeben ist (vgl. Garas 1960, 209f., Nr. 145, Taf. XCIX, Abb. 141).

IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

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9 Chrysogonus 1712, 90f., Nr. 67. 10 Wie auch in Barockpredigten, etwa bei Ezechiel Koch OFM, Theatrum Victoriosum […], Augsburg 1700, 391. 11 Nitz 1992; Augustyn 1997, 837, Anm. 221. IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

Ertz / Schlie / Weidner 2012, 237. Schlie 2009, 61. Schlie 2009, 63. Schlie 2009, 64. Giesecke 2006, 26. Giesecke 2006, 524. Crivellari / Sandl 2003, 650. Giesecke 2006, 166f. Sandl 2012, 76. Sandl 2012, 77. Sandl 2012, 79. Giesecke 2006, 249. Tschopp 2005, 99. Welzig 1979. Mohnhaupt 2006, 35. Siegel 2006, 54, 72. Wenzel 2009, 47–62. Hess 2009, 50. Hess 2009, 65. Vgl. Schneider 2014, 243, Abb. 66; grundsätzlich: Torres Olleta 2009. Stoll 2011, 4. Grundsätzlich: Nitz 1992; Sylvester 2004. Taf. 28. Vgl. Spitz 1972 (mit Quellen). Köln, Diözesanbibliothek, Sign. Past 4522, vgl. Frese 1989, 76, Abb. 17; Lechner / Telesko 1993, 174–176, Nr. 64. Neudruck der Ausgabe von 1681 durch Friedrich Ohly (München 1971), vgl. Ohly 1989, 203, Anm. 372. Grundsätzlich: Ziegler 1937. Frese 1989, 77. Moser-Rath 1991, 23. Wildmoser 1985, 224, Nr. 2; Keller 2009, 118, Abb. T 172. Dies trifft auch auf die letztlich nur deutlich abgeschwächt in typologischer Weise realisierte Freskierung über dem Hochaltar der Stiftskirche von Weingarten (Cosmas Damian Asam, Vertrag 1718) zu, wo ursprünglich das Letzte Abendmahl, die Begegnung von Abraham und Melchisedech und andere Szenen des Alten und Neuen Bundes wiedergegeben werden sollten, vgl. Bushart / Rupprecht 1986, 214, Nr. 7; Stadl 2005, 81.

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XI Anmerkungen

32 Wildmoser 1985, 224f., Nr. 4; Keller 2009, 124, Abb. T 177; Hamm 2010, 237, Abb. 383. 33 Zur Bedeutung der Mannalese im Rahmen der Tabernakelikonografie, vgl. Hamm 2010, 110f., 237–254, 338, Abb. 115; Volk 1984, 189, Abb. 89 (Fürstenzell, 1741, Johann Baptist Straub). 34 In Agnolo Bronzinos Fresken der Cappella di Eleonora im Palazzo Vecchio in Florenz (1543) werden die Begebenheit, wie Moses Wasser aus dem Felsen schlägt, und der Mannaregen mit einem darüber befindlichen und von zwei Engel gehaltenen Kelch (mit Hostie) kombiniert. 35 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cvp 1784. 36 Bartsch 1997, 29–49, Nr. 018–030; Münch 2009, 199, Abb. 191. 37 Wien, Albertina, HB 78.1, pag. 79, Nr. 248, vgl. Bartsch 1997, 33f., Nr. 020. 38 Kennzeichnend für dieses »Ineinander« ist die Ausmalung der Bibliothek des Augustiner Chorherrenstiftes Vorau (Stmk.) durch Joseph Georg Mayr (1732), zusammenfassend vgl. Lehmann 1996, 246f., 537; Schafferhofer 2013, 120–123: Hier rahmen zwei alttestamentliche Szenen (Salomon und die Königin von Saba [1 Kg 10, 1–13] und Esther vor Ahasver [Est 8, 1–12]) die neutestamentliche »Mitte« mit der Begegnung des Diakons Philippus mit dem Kämmerer der Königin von Äthiopien (Apg 8, 26–40). Diese feinsinnige Anordnung zeigt einerseits das Ineinander von flankierendem Alten und zentralem Neuen Bund und damit die Einheit der Schrift. Da Philippus Apg 8, 32–35 zufolge Jes 53, 7 auf Christus auslegt, ist somit auch die Methode der typologischen Exegese Gegenstand dieser Freskenkonzeption. 39 Wien, Albertina, HB 78.1, pag. 79, Nr. 249, vgl. Bartsch 1997, 36f., Nr. 022. 40 Wien, Albertina, HB 78.1, pag. 80, Nr. 254, vgl. Bartsch 1997, 42f., Nr. 026. 41 Grundsätzlich zum Isaak-Opfer im Rahmen der Typen des Messopfers: Suntrup 1984 II, 482– 528. 42 Vers 276–284. 43 Wien, Albertina, HB 78.1, pag. 81, Nr. 256, vgl. Bartsch 1997, 45f., Nr. 028. 44 Eichberger (2011) zeigt anschaulich, wie Szenen aus dem Buch Jona im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts immer wieder neu kombiniert und interpretiert werden konnten, wobei auch Akzentverschiebungen in Richtung einer stärker politischen Deutung der Berichte des Alten Testaments zu konstatieren sind. 45 Vers 1046 (CSEL 61, 122). 46 Lib. III, Z. 237–239. 47 Vers 1080–1084 (CSEL 61, 123f.). 48 Wien, Albertina, HB 77.2, pag. 52, Nr. 226, vgl. Clifton 2001, 115f., fig. 8; Mielke / Mielke 2004, 126f., Nr. 130; Ruyven-Zeman / Leesberg 2004, 15f., Nr. 1670. 49 Die Elevation steht auch in einem Blatt Adriaen Collaerts (1588) im Zentrum eines explizit typologischen und didaktisch ausgerichteten Zusammenhangs, da sie – zusammen mit zwei Typen vor und unter dem Gesetz Mose – den Neuen Bund und das Opfer Christi vertritt (SACRIFICIVM / sub Lege Evangelica.), vgl. Diels / Leesberg 2005, 20f., Nr. 1068. In ähnlicher Weise geht Jean Le Clercs katechetisch unterlegter Kupferstich zum Heiligen Altarsakrament (Brüssel, Bibliothèque Royale, S. IV. 86283; vgl. Poorter 1978, Bd. I, 196, Bd. II, fig. 57) weit über die Bezüge zwischen der ausgesetzten Eucharistie und ihren penibel aufgelisteten typologischen Vorläufern unten hinaus und zielt auf eine umfassende Glaubenssumme, die dem Entstehungsumständen folgend deutlich dominikanisch geprägt ist. 50 Zur Bedeutung der Typologie der Eucharistie im Rahmen der Barockgrafik anhand von Melchor Prietos Psalmodia Eucharistica […] (Madrid 1622) vgl. Vetter 1972. 51 Siehe unten.

IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

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S. 57. Zum Glaubensbekenntnis im Pietismus, vgl. Kern 2012. Mielke / Mielke 2006, 134, 137, 149f., 159 (fig.), Nr. 1015, 1016, Nr. 1052. Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, ThA 1315. Paris, Bibliothèque nationale de France, Estampes, Ed-59-fol., vgl. Fuhring / Marchesano / Mathis / Selbach 2015, 209 (Abb.). Taf. 14. Taf. 21. Hecht 2012, 82, Abb. 12; Hecht 2013, 109–112, Abb. 3. Mielke / Mielke 2004, 130–133, Nr. 132, 133. Ruyven-Zeman / Leesberg 2004, 154, Nr. 1807; Katalog Credo 2013, 144, Nr. IV.9. Göttweig, Benediktinerstift, Stiftsbibliothek, LV OB 19, vgl. Katalog Credo 2013, 104f., Nr. II.9. Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, ThS 43, vgl. Augustyn 1997, 835f., Abb. 17. Augustyn 1997, 836. Taf. 5 (Text S. 11f.). Taf. 31 (Text S. 63f.). Taf. 40 (Text S. 81f.). Taf. 41 (Text S. 83f.). Siehe unten. Taf. 45 (Text S. 91f.). Warncke 1987, 126, Anm. 248; Stoll 2011, 5. Zwischen S. 810 und 811. Warncke 1987, 124f. Warncke 1987, 125. Angeschlossen ist hier ein Heiliger Passion-Rosenkrantz (S. 104–125); zur Frage der Verantwortlichkeit und Arbeitsteilung von Zeichner, Stecher und Verleger im Rahmen dieser Serie, vgl. Stoll 2011, 3f. Grundlegend: Stoll 2011. Stoll 2011, 4. Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 55 r.o.). S. 11–16. Die Dominanz des Alten Testaments ist unter anderem auch bei der Beschriftung der Monatsserie der Gebrüder Klauber zu bemerken, die nach Zeichnungen von Gottfried Bernhard Götz angefertigt wurde. Vor S. 11. Stoll 2011, 28f., Abb. 10. S. 12. Vor S. 21. Vor S. 51. Vor S. 63. S. 63. Stoll 2011, 5f. Ab S. 79. Stich vor S. 45. S. 46

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XI Anmerkungen

92 Vor S. 55. 93 S. 55f. 94 Dieses Zitat (nach Hld 3, 11) ist auch Gegenstand eines Kupferstichs der Gebrüder Klauber, der die Herz-Jesu-Verehrung zum Inhalt hat und diese auf den Lanzenstich Christi durch Longinus bezieht, somit den verehrten Gegenstand der Frömmigkeit unmittelbar mit dem historischen Zusammenhang der Kreuzigung koppelt, vgl. Beer / Rehm 2004, 39–41, Abb. 24. 95 S. 56. 96 S. 56. 97 Stich vor S. 99; Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 67, l.u.). 98 Augustyn 1997, 820, 828, Abb. 10; ausführlich und detailliert zu den Kompositionsstrukturen der einzelnen Blättern dieses Werks: Stoll 2007. 99 Taf. 79. 100 Taf. 80. 101 Taf. 81. 102 Vgl. S. 176 (Maria V[irgo] est Mons Moria in cuius vtero Templum, id est Hvmanitas Christi, est aedificata.). 103 Koller 2014, 175f., Abb. 50. 104 Ruyven-Zeman / Leesberg 2004, 67f., Nr. 1723, vgl. auch: Katalog Credo 2013, 139, Nr. IV.4. In ähnlicher Weise verdeutlicht ein übermalter Kupferstich (um 1760, Esztergom, Christliches Museum, Inv.-Nr. 55.127) mit zentraler Darstellung Christi am Kreuz die hagiografische Nachfolge anhand von kranzförmig angeordneten Legenden von heiligen Kreuzverehrern, vgl. Katalog Mariazell 2004, 535f., Nr. XIV-19. 105 Askew 1969, 305f., pl. 45b; Hertogenbosch 1974, 311f., Abb. 16. 106 Auf der Basis eines Gemäldes Adone Donis von 1570 in S. Francesco in Assisi. 107 Askew 1969, 305; Glen 1981, 134; Gerken 2015, 84, Abb. 58. Das leitende Prinzip der imitatio tritt auch in Gattungen auf, die dafür auf den ersten Blick eher weniger geeignet scheinen, etwa in der spätbarocken Deckenmalerei wie etwa in den 1774/1775 von Franz Joseph Soll gemalten Fresken der Pfarr- und Wallfahrtskirche von Kirchweidach (Diözese Passau), in denen das Leben Christi minutiös mit dem des hl. Vitus parallelisiert erscheint, vgl. Bauer / Büttner / Rupprecht 2003, 105–118. 108 Os 1974, 115. 109 Os 1974, 120. 110 Os 1974, 130–132, fig. 19. 111 Os 1974, 132, Anm. 36. 112 Os 1974, 132. 113 Katalog Nepomuk 1993, 130–133, Nr. 48; Augustyn 1997, 832, Abb. 14. 114 Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 4ᴼ ThL 22. 115 Taf. 2 (Text S. 1f.). 116 Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, ThL 874. 117 Vgl. Fürst 2006. 118 S. 15. 119 Taf. VIII. 120 Taf. XI. 121 Katalog Credo 2013, 84, Nr. I.26. 122 Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, Kst 817 (Bl. 16 u.).

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123 Wirth 1979, vgl. auch Wirth 1978 (zu einer anderen Serie der »Geistgaben« von Bergmüller); Wildmoser 1985, 202–205. 124 Wirth 1979, 247–253, Abb. 11; Wildmoser 1985, 204f., Nr. 6, vgl. den entsprechenden Kupferstich im Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 203, l.u.). 125 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl.142, l.o.), aus einer Heiligenserie stammend (Nr. 46). 126 Ruyven-Zeman / Leesberg 2004 IV, 127–129, Nr. 1263–1266. 127 Ruyven-Zeman / Leesberg 2004 IV, 127, Nr. 1264. 128 Spengler 2003, 356–358, Abb. 129. 129 Bartsch 1987, 241–248, Nr. 67:1–67:8; Weber / Müller Hofstede 1990, 151f., Abb. 12; Sellink / Leesberg 2001, 199–208, Nr. 265–272. 130 Bartsch 1987, 249–256, Nr. 68:1–68:8; Sellink / Leesberg 2001, 178–187, Nr. 249–256, siehe hier auch die damit inhaltlich in Zusammenhang befindliche Serie Galles mit dem Titel SEPTEM OPERA MISERICORDIAE CORPORALIA (1577), vgl. Bartsch 1987, 257–264, Nr. 69:1–69:8; Sellink / Leesberg 2001, 188–198, Nr. 257–264. 131 Wien, Albertina, HB 75, pag. 35, Nr. 56, vgl. Bartsch 1987, 251, Nr. 68:3; Sellink / Leesberg 2001, 182, Nr. 251. 132 Zur theologischen Perspektive: Schlier 1966, 159–186. 133 Herzog 1991, 139. 134 Vgl. Balthasar 1961, 478. 135 Vgl. Sellink / Leesberg 2001, 180, Nr. 249. 136 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 120 l.u.). 137 Zusammenstellung des Materials bei: Judson / Velde 1977. 138 Peil 2008, 311. 139 Dekoninck 2011, 72. 140 Dekoninck 2011, 75, fig. 4, vgl. Stroomberg 2006, 3–9, Nr. 1, hier 4, 6, Nr. 1.1. 141 Dekoninck 2011, 75 (»[…] that is motion provoked by emotions, through the means of imagines agentes.«). 142 Vgl. Paul 1970, 437 (mit Quellen). 143 Dekoninck 2011, 75. 144 Dekoninck 2011, 75. 145 S. 318. 146 Remmert 2011, 88f., Abb. 1. Vgl. hier den ähnlich gelagerten Anspruch in dem auf Österreich bezogenen Werk Placidus Herzogs OFM, Cosmographia Austriaco-Franciscana […], Köln 1740. 147 Remmert 2011, 87–92. 148 Wien, Albertina, Holland nach Sektionen I/10, pag. 62 (Inv.-Nr. DG 48063) bzw. HB 20.1, pag. 117, vgl. Guldan 1966, 69, 190, Nr. 70, Abb. 70; Sellink 2000, 53–65, Nr. 21–22. 149 Wien, Albertina, HB 78.1, pag. 90, Nr. 280, vgl. Guldan 1966, Abb. 71. 150 Letztlich wird hier ein mittelalterliches Schema tradiert, das figural besetzte Medaillons mit Spruchbändern auf einen übergeordneten Sachverhalt bezieht, vgl. Taddeo Gaddi, Lignum vitae mit zentraler Kreuzigung Christi, 1330–1366, Florenz, Museo dell’Opera di Santa Croce (Preisinger 2014, 160–163). 151 Guldan 1966, 190. 152 Guldan 1966, 190. 153 Grundlegend: Bowen / Imhof 2008, 122–176.

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XI Anmerkungen

Merion, Pennsylvania, Barnes Foundation, um 1628/1629, vgl. Held 1980, 442–445, Nr. 319, pl. 316. Kozieł 2013, 234f., Nr. 34. Ruyven-Zeman / Leesberg 2004, 143–145, Nr. 1801–1802. Strecker 2013, 125–128, Abb. 1. Katalog Günther 1988, 363. Knipping II 1974, 456, pl. 440. Florenz, Uffizien, Inv. 1890, Nr. 502. Kanter 2001, 112f., 173f., Nr. VI. Wenig später ist in einer Biblia pauperum (um 1517), die auf einem Passionszyklus (1512) von Jacob Cornelisz. van Oostsanen beruht, ein ähnliches bildliches »Auskoppeln« der alttestamentlichen Typen zu konstatieren, vgl. Jacobowitz / Stepanek 1983, 270, fig. 111c. Ganz 2003, 346f., Abb. 315. Telesko 1997, 136f., Abb. 41, 42. S. 515–520, Nr. 273–276. Zusammenfassend zu den allegorischen Sinnschichten der Arche Noah als Kirche, Kosmos, Kreuz und imago Hominis vgl. Erffa 1989, 451–457. Zusammenfassend: Erffa 1989, 479–483. Zur Bedeutung des Öls bei der Salbung des Propheten, vgl. Preimesberger 1994, 313. Erffa 1989, 480. Erffa 1989, 480. Vgl. Daniélou 1963, 46f. Balthasar 1961 II, 307. Vgl. Preimesberger 1974, 84, 106f. Noehles 1978, 98f. Ruyven-Zeman / Leesberg 2004 III, 119f., Nr. 1533–1534; Ganz 2010, 292, 294, Abb. 5. Die Kombinationsfähigkeit in den Visualisierungen der Vision von La Storta demonstriert eindrucksvoll ein Stich von Jean Waldor d. J. (1616–1670), der dieses Ereignis mit der Beschneidung Christi, also der Namensgebung, und damit mit dem IHS-Symbol verknüpft, vgl. König-Nordhoff 1982, 275, Abb. 543; neuerdings: Leone 2010. König-Nordhoff 1982, 314, Abb. 448, 489–492, 497–498, 509, 512, 515, 518, 519, 522, 525; Knapp / Tüskés 2003, 204–208, fig. 59, 66. Ein vergleichbarer Sachverhalt, die ärmliche Geburt des hl. Franz von Assisi in Anlehnung an jene Christi (vgl. Hertogenbosch 1974, 282 [mit Quellen]), ist Gegenstand einer vita des Heiligen (Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek: 4ᴼ ThL 128) von Matthaeus Hemer mit dem Titel Vita et admiranda Historia Seraphici S.P. Francisci Ordinis Minorum Fundatoris iconibus & elogiis Latino-Germanicis illustrata […] (Augsburg 1694) (mit begleitendem Text [unpaginiert]). I, 502. Zur Bedeutung von Stern- und Lichtmetaphorik im Rahmen der barocken Einweihungsfestschrift zur Wallfahrtskirche am »Grünen Berg« bei Saar (1722) vgl. Fürst 2006, 564–566. Ohly 1979, 254 (mit Belegstellen). Ohly 1979, 257 (mit Belegstellen). Ohly 1979, 268f. Zelenková 2011, 40f., Nr. 26; Zelenková 2009, 142f., Nr. 61. Ruyven-Zeman / Leesberg 2004 III, 83f., Nr. 1489–1491. Hess 2009, 66; Münch 2009, 200–203; Ganz 2010, 284, 286.

IX Die Typologie in ihrer medialen Dynamik II: die Druckgrafik als Schrift-Bild-Gewebe

186 187 188 189

329

Lieb 1999, 308. Lieb 1999, 309. Lieb 1999, 310. Knipping I 1974, 186, pl. 186, mit einer Kritik an Davids typologischen Kombinationen, denen Knipping die argumentative Überzeugungskraft abspricht, vgl. weiters: Poorter 1978, Bd I, 193; Bd. II, fig. 67, 68. 190 Lieb 1999, 311f. 191 S. 106–109 (Text), Nr. 27, Stich nach S. 106. 192 Guldan 1966, 106, 213f., Nr. 127–134, Abb. 127–134. 193 Zusammenfassend: Erffa 1989, 211–216; Hofmann 2011. 194 Guldan 1966, 106. 195 Guldan 1966, 213. 196 Nach S. 36. 197 Zusammenfassend: Erffa 1989, 187–191. 198 Stich nach S. 36, Erklärung auf den S. 39–46, vgl. Guldan 1966, Abb. 131. 199 S. 42–44. 200 Zusammenfassend mit den entsprechenden Quellen: Hofmann 2011, 384–389. 201 Hofmann 2011, 389. 202 Zusammenfassend: Hofmann 2011, 400f. 203 Hofmann 2011, 394–399. 204 S. 290. 205 Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek, Ms. a 244, fol. 119r, vgl. Katalog Heinrich der Löwe 1995, 488–490, Nr. G 11; Lipton 2014, 102–105, fig. 3. Bereits in einem Sakramentar des 10. Jahrhunderts (St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 342, fol. 281r) wird die enge Verbindung zwischen der Kreuzigung Christi und der Ehernen Schlange im Form eines Doppelkruzifixes zum Ausdruck gebracht, vgl. Fricke 2007, 137, Abb. 52. 206 Das wichtigste Beispiel für die Kreuzestypologie, welche die Eherne Schlange als Ausgangspunkt besitzt, ist das 1150/1160 entstandene »Cloisters Cross« (New York, Metropolitan Museum), vgl. Parker / Little 1994, fig. 10, 12 (mit Wiedergabe der zahlreichen Inschriften); zum Aspekt einer Materialikonografie der mittelalterlichen Werke, welche die Eherne Schlange darstellen, vgl. Kessler 2012. 207 Wien, Albertina, Holland nach Sektionen I/21–22, pag. 6, Nr. 1326–1330; HB 77.1, pag. 135, Nr. 535; Gillen 1954, 91f., Abb. 1; Knipping I 1974, 182f., pl. 182; Telesko 2001; Ruyven-Zeman / Leesberg 2004, 4f., Nr. 1662; Beer / Rehm 2004, 45, Abb. 26; Telesko 2005, 79–81, Abb. 2; Katalog Credo 2013, 136, Nr. IV.1. 208 Die beiden Kundschafter werden im Barock zuweilen als alttestamentliche Typen eingesetzt, um ihnen die Rolle als Präfiguration von Heiligen zuzuweisen, etwa im Rahmen einer Predigt zur Heiligsprechung der Franziskaner Jacobus de Marchia und Franciscus Solanus (Seefelder 1728). 209 In einem protestantischen Holzschnitt (und Typendruck) Erhard Schoens (1532) mit dem Titel Gottes Klage über seinen Weinberg wird der Kruzifix als der wahre Weinstock links mit den verdorrten, toten Bäumen rechts kontrastiert, vgl. Katalog Luther 2014, 85f., Abb. 6. 210 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 54 l.u.). 211 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 108 r.o.), am Blatt mit Nummer 209 bezeichnet. 212 Vgl. Telesko 2001.

330

XI Anmerkungen

213 Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, Kst 1293. 214 Diese Beischrift kehrt in einem anderen Stich der visitatio von Götz wieder, vgl. Wildmoser 1985, 212, Nr. 6. 215 Szilárdfy 2003, Abb. 193. 216 S. 297–304. Im Index der Feste wird diese consideratio dem Apostel Andreas zugeordnet. 217 Augustyn 1997, 841; Schrott 2013, 84f., 104, Nr. 3.4, Abb. 109; zur historischen Rolle von Ginthers Emblematik, vgl. Manning 2002, 121. 218 Zu den miteinander verschränkten Bedeutungsfacetten, die den Baum des Lebens, den Baum der Erkenntnis und das Kreuz Christi betreffen, vgl. Busch 1982, 106. 219 Balthasar 1961 II, 179. 220 Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 228 l.o. [aus einer Passionsserie Sondermayrs]). 221 S. 228–234; zu Ginthers Mater amoris et doloris (11711): Höpel / Kuder 2004, 148–151, Nr. 31. 222 S. 78 (consideratio XXI), vgl. Katalog Credo 2013, 85, Nr. I.27. 223 Zitiert nach: Fricke 2007, 136. 224 Zitiert nach: Fricke 2007, 137. 225 Nr. LVIII. 226 Telesko 2013, 116; Faustmann / Glaßner / Wallnig 2014, 71. 227 Epple / Straßer 2012, 248, Nr. G. 337. 228 Krins 2001, 41 (Abb.). 229 Esbach 1991, Bd. 1, 320–325, 399–403. 230 Vgl. Mádl 2013 II, 280, Abb. 10. 231 Tintelnot 1951, 134, Abb. 79; Bauer 2000, 208f. In Christoph Anton Mayrs Ausmalung der Heiligkreuzkapelle in Pill/Schwaz (Tirol), 1767, ist in der Kuppel ein ganzes Panorama von Kreuzszenen zu finden, die neben der Erhöhung der Ehernen Schlange die Erprobung des Kreuzes durch Helena, die Erhöhung des Kreuzes durch Makarios sowie die eschatologische Erscheinung des Kreuzes zeigen, vgl. Naredi-Rainer / Madersbacher 2007, 124f., Nr. 86. 232 Kasper 1954, 29, Abb. 9. 233 Katalog Wettstreit in Erz 2013, 66, 139f., Nr. 46, 178, vgl. hier auch die Gattung der Dreifaltigkeitsmedaillen (z. B. Hans Reinhart d. Ä., 1569, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Med 2596), die entweder das Symbolum Athanasianum mit dem Gnadenstuhl kombinieren oder aber (z. B. Hans Reinhart d. Ä., 1536, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Med 6315) den Sündenfall mit der Kreuzigung Christi. 234 Straßer 1994, 61–63, Nr. F III, Abb. 280–287; Bauer 2000, 214f. 235 Zur Verbindung zwischen Altarplastik und Druckgrafik am Beispiel der Werke der Gebrüder Klauber, vgl. Heisig 2003 II. 236 Bauer / Rupprecht 1976, 43 (Abb.). 237 Noppenberger 1958, 51. 238 Noppenberger 1958, 51f. 239 Bl. 33.

X Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten

X Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

Fricke 1933, 236. Fricke 1933, 246. Wanner 1941, 37; zur Allegorie in der frühen Neuzeit: Kleinschmidt 1979. Windfuhr 1966, 1. Knape 2007, 115. Knape 2007, 118. Knape 2007, 125–127. Knape 2007, 126. Knape 2007, 128. Hess 1991, 73. Hess 1991, 74. Hess 1991, 76. Hess 1991, 77. Hess 1991, 78. Hess 1991, 84. Winter 2006, 270. Beutel 2007, 6. Beutel 2007, 8; grundlegend: Herzog 1991. Beutel 2007, 9. Warncke 1982, 312. Beispielhaft: Hertle 1965. Breuer 1981, 32. Breuer 1981, 35. Breuer 1981, 40. Breuer 1981, 42. Breuer 1981, 43. Breuer 1981, 44. Sieveke 1974, 47. Sieveke 1974, 58. Vgl. Sieveke 1974, 58, Anm. 40. Eybl 1991, 222, vgl. Eybl 1982. Eybl 1991, 234. Eybl 1991, 235. Eybl 1991, 236. Eybl 1991, 236. Grundsätzlich: Schneyer 1968, 267–302. Schneyer 1968, 271. Dreher 1951, 66. Dreher 1951, 75. Dreher 1951, 78–89. S. 314–316. Dreher 1951, 78.

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43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86

XI Anmerkungen

Dreher 1951, 69. Dreher 1951, 70. Schneyer 1968, 273. Schneyer 1968 II, 298. Schneyer 1968 II, 300. Schneyer 1968 II, 302. Schneyer 1968 II, 306. Grundlegend: Welzig 1989 II; zudem (am Beispiel des hl. Leopold): Kastl 1988; exemplarisch (anhand der Rottweiler Predigt zur Rosenkranzmadonna, 1743): Henkel 2004, 161–186. Kretzenbacher 1983, 34. Neumayr 1938, 67. Neumayr 1938, 81. Neumayr 1938, 92. Neumayr 1938, 96. Neumayr 1938, 91. Neumayr 1938, 91. Neumayr 1938, 99. S. 172. Neumayr 1938, 94; zur Jakobsleiter: Gahbauer 2006. Sammelband 2ᴼ Kst 224 der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek (Bl. 77 r.o.). Welzig 1989 II, 778f. Welzig 1989 II, 779. Welzig 1989 II, 780. Rupprecht 1959, 22; Müller 2016, 495f. Hawel 1987, 23. Rupprecht 1959, 18. Rupprecht 1959, 24. Rupprecht 1959, 25. S. 28 in dieser Predigt; grundlegend: Schlegelmilch 2003, 139–142. S. 28 in dieser Predigt. S. 29–31 in dieser Predigt. Vgl. Hawel 1987, 74–76. Hawel 1987, 295. Hawel 1987, 295. Hawel 1987, 296f. Hawel 1987, 302. Zur theologischen Deutung der Jakobsleiter besonders: Gahbauer 2006. Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2ᴼ Gs123, S. 67f. Hier S. 68. Hawel 1987, 91f. Hawel 1987, 37. Hawel 1987, 37. Vgl. Hawel 1987, 38. Hawel 1987, 41. Hawel 1987, 44.

X Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten

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87 Hawel 1987, 153–156; zum Niederalteicher Jubiläum auch: Brossette 2003, 124–138; Matsche 2011, 28–32. 88 Hawel 1987, 154f. 89 In dieser Predigt S. 289, vgl. Hawel 1987, 156. 90 Hawel 1987, 157–164. 91 Hawel 1987, 158f. 92 Hawel 1987, 159f. 93 Hawel 1987, 185–195; Müller 2016, 493. 94 Hawel 1987, 186. 95 Schrott 2011, 140, vgl. Schuller 2004; zur Waldsassener Festkultur im 18. Jahrhundert, insbesondere zur 600-Jahrfeier (1733): Schrott 2003 II. 96 Römmelt 2003, 141. 97 Römmelt 2003, 142. 98 Römmelt 2003, 144. 99 Römmelt 2003, 154. 100 Römmelt 2003, 154. 101 Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA), Hausarchiv, K. 4, Fasz. 4–13, o. fol., vgl. Vácha / Veselá / Vlnas / Vokáčová 2009, 58–60. 102 Hawel 1987, 289. 103 Hawel 1987, 275–281. 104 Hawel 1987, 275f. 105 Hawel 1987, 276–278. 106 Hawel 1987, 281. 107 Hawel 1987, 278. 108 Hawel 1987, 281–283. 109 Hawel 1987, 283–287. 110 Hawel 1987, 287. 111 Hawel 1987, 280. 112 Schnell 1940, 81. 113 Schnell 1940, 81. 114 Zitiert nach: Hofmann / Treffer 1986, 36–39, hier 37. 115 Schnell 1940, 80f. 116 Schnell 1940, 82. 117 In dieser Predigt S. 7, 9, 30, vgl. Bauer / Rupprecht 1976, 46; Heim 2004, 383; Matsche 2011, 22f. 118 Bauer / Rupprecht 1976, 47. 119 Bauer 1961, 235. 120 Hawel 1987, 293. 121 Fürst 2006, 554. 122 Schnell 1940, 80. 123 Bauer 1961 II, 328; Bauer 1980, 100. 124 Bauer 2000, 30. 125 Vgl. Ganz 2004, 207. 126 Bauer 2000, 158f., vgl. Brossette 2003, 138–145; Bauer 2011. 127 Grundlegend: Fuchs 2005, 24. 128 Fuchs 2005, 37.

334

129 130 131 132

XI Anmerkungen

Fuchs 2005, 38–55. Fuchs 2005, 40f. Fuchs 2005, 41f., 64. Fuchs 2005, 62, vgl. hier die Ausmalung der Stiftskirche von Rajhrad (1724–1726, Johann Georg Etgens) und die dabei zu konstatierende enge Abhängigkeit zwischen Architektur und Ausstattung auf der einen und dem biblischen Vorwurf (Verklärung Christi) auf der anderen Seite, vgl. Karner 2007. 133 Besondere Bedeutung genießt hier das Ritual des französischen Sacre, das zahlreiche alttestamentliche Anspielungen (vor allem in Bezug auf die Siege Mose) enthält, vgl. Sacre 1610, 70f.; Schmid 2006, 73. 134 HHStA, Flugschriften, K. 3 (17./18. Jahrhundert). 135 Hierin kommt die wichtige Kategorie des »Ein Zweiter sein« (alter-Formel) zur Anwendung, die als typologisch zu bezeichnen ist und als Steigerung bzw. Erfüllung eines historischen Vorbilds im Sinne der rhetorischen Kategorie der Antonomasie verstanden werden kann, vgl. Wolkenhauer 2011, 110f. 136 Ausführlich zu den biblisch inspirierten Typologien auf »Türkenmedaillen«: Telesko 2012, 181–185. 137 HHStA, Flugschriften, K. 4. 138 S. 3. 139 S. 5. 140 S. 14. 141 S. 16. 142 Welzig 1989, 8, Nr. 13. 143 Grundlegend zu dieser Typologie: Meyer Schapiro 1996, 25–67. 144 S. 142. 145 Welzig 1989, 28f., Nr. 52. 146 Benedikt 1980, 167f., Nr. 265, Taf. IX; Zijlma 1984, 58, Nr. 130; grundsätzlich zur Typologie in der barocken Benedikt-Ikonografie: Lechner 1980. 147 S. 2. 148 S. 11f. 149 Vgl. hier das Deckenfresko in der Stiftskirche von Oberalteich (vor 1731, Joseph Anton Merz, Triumphzug Benedikts und seines Ordens durch die ganze Welt), vgl. Bauer 2000, 94f.; Federzeichnung von Joseph Anton Merz (1726/1727) als Entwurf für das Fresko, vgl. Katalog Holzer 2010, 218, 222, Nr. 6. 150 Welzig 1989, 354, Nr. 678. 151 S. 14f. 152 Zu den Benedikt-Typologien in den Analecta hymnica: Büchsel 2002, 29. 153 Welzig 1989, 80f., Nr. 149. 154 S. 18. 155 Miller 1980; Benedictus 1980, 132, Abb. 98, 99; Lechner 2007, 376, Abb. 25, 26; Dischinger 2011, 200, Abb. 56. 156 Vgl. Brischar 1871, 275–287, hier 275f.; Welzig 1989, 298, Nr. 570. 157 Vgl. Schrott 2003, 330f. 158 Grundlegend: Schrott 2003. 159 S. 1. 160 S. 1.

X Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten

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173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192

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S. 2. S. 3, 7. Vgl. S. 4. S. 8, vgl. S. 9, 20f., 23–25. S. 28. Welzig 1989, 369f., Nr. 707. Ohly 1976, 463, vgl. Galdon 1975, 45 (»improvement«). Zur Typologie als »komparatives Verhältnis«, vgl. Goppelt 1939, 214; Jentzmik 1973, 89; Galley 1965, 47, demzufolge das zweite Glied der Typologie die »stärkere Betonung« besitzen würde. Ohly 1976, 465. Ohly 1976, 465. Welzig 1989, 271f., Nr. 517. Exemplarisch anhand des Grazer (1617) Jesuitenstücks Josephus Patriarcha, das zur Feier der Krönung Ferdinands II. zum König von Böhmen aufgeführt wurde, vgl. Kemper 2014, 212–248; zu entsprechenden geistlichen Predigten: Grimminger / Schrott 2002, 385, mit dem instruktiven Hinweis des ausdifferenzierten Vergleichsspektrums in dieser Gattung, das von der »illustrativen Parallele über den Vergleich zwischen Patriarch und Prälat bis zur völligen Identifikation« reichen kann. Analogien sind demzufolge von der »Tugendanalogie« über die »Namensanalogie«, die »Standesanalogie« bis zur »Ereignisanalogie« feststellbar, vgl. Grimminger / Schrott 2002, 399. Zum Identifikationsporträt: Polleroß 1995, 229, zufolge beruht das »Identifikationsporträt« auf einer »Kombination zweier Realitätssphären«, die eine »typologische Geschichtsdeutung mit Gleichnischarakter« impliziert, vgl. Prater 1997, 179, 181, 217. Vgl. Galavics 1986, fig. 56, 86 (Kaiser Joseph I.); Barta 2001, 61, Abb. 43 (Kaiser Joseph II.). Telesko 1997, 134, Abb. 40; Lechner 1976, 483, Abb. 2. Welzig 1989, 19f., Nr. 34. Herrnböck 1724, 6f. Herrnböck 1724, 11f. Herrnböck 1724, 18. Vgl. Schrott 2006, 279. Kolb 1722, 7. Kolb 1722, 7; grundsätzlich zu den Benedikt-Typologien: Lechner 1980; Schrott 2006; Lechner 2007, 373–378. Kolb 1722, 13. Grundsätzlich: Schrott 2006, 247. Vgl. Schrott 2006, 275. S. 4. Grundsätzlich: Schrott 2006, 250–252. S. 17–19. Zelenková 2009, 30–33, Nr. 7; Telesko 2013, 62–64, 165f., Abb. II.10, IV.10. Vgl. Ohly 1988, 34, 39, mit dem Hinweis auf Aelred von Rievaulx und dessen Gegenüberstellung zwischen dem sanctus Moyses und dem divus Benedictus (mit Quellenangabe). Vgl. Hoffmann 1978, 196. Welzig 1989, 52f., Nr. 95. Bereits Augustinus und die Mythographen der Renaissance bezogen das Ereignis der Auffindung

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XI Anmerkungen

Mose auf Erichthonius, vgl. Georgievska-Shine 2004, 66f.; Georgievska-Shine 2009, 153–185 (zu Erichthonius). 193 Daniélou 1963, 152. 194 Welzig 1989, 658f., Nr. 1318. 195 Ohly 1976, 462, Anm. 71 (mit Quellenbeleg). 196 London, British Library, Ms. Add. 10546, fol. 25v. 197 St. Clair 1987, 22; zur Moses-Paulus-Typologie: Spitz 1972, 24; zu Moses als Präfiguration König Gustav Adolfs im Dreißigjährigen Krieg, vgl. ein Nürnberger Flugblatt des Jahres 1632 (Katalog Europa 2003, 124f., Nr. IV/35). In der sog. Kurfürstenbibel werden elf ernestinische Vorkämpfer der Reformation von Friedrich dem Weisen bis zu den zu Märtyrern stilisierten Gefallenen des Dreißigjährigen Krieges (zusammen mit dem Figurengrabstein für Luther) vor (!) dem Beginn des Alten Testaments platziert. Mittels der Zwölfzahl wird an die Stammväter Israels bzw. die Apostel erinnert, vgl. Katalog Luther 2014, 166f. 198 Welzig 1989, 571f., Nr. 1129. 199 Welzig 1989, 533, Nr. 1046. 200 Zur grundsätzlichen Frage der Argumentation mit »Ähnlichkeiten« und »Unähnlichkeiten« im Rahmen von Barockpredigten, vgl. Welzig 1989 II, 774f. 201 Welzig 1989, 615f., Nr. 1223. 202 Speculum Beatae Mariae Virginis, in: Sancti Bonaventurae […] operum tomus 6, Rom 1596, 454. 203 Welzig 1989, 368, Nr. 704. 204 S. 5. 205 S. 5. 206 S. 5f. 207 S. 14. 208 Vgl. Koch 2006, 539, mit dem Hinweis auf die Entstehung des tausendjährigen Reichsstifts Ottobeuren als »Konkretisierung […] des göttlichen Heilsplanes«. 209 Hawel 1987, 172–183. 210 Faust 2004, 38f.; ausführlich zu den Ausstattungen im gesamten Konventbereich: Lieb 1964; Dischinger 2011. 211 S. 17f. in dieser Predigt. 212 Hawel 1987, 173–175. 213 Hawel 1987, 176f. 214 S. 105 in dieser Predigt, vgl. Hawel 1987, 179. 215 S. 4. 216 Grundsätzlich zu der damit zusammenhängenden Frage der descriptio templi: Schlegelmilch 2003. 217 Dischinger 2011, 214. 218 Ab S. 7. 219 S. 6. Es handelt sich um Franz Anton Zeillers Fresko (1760) im Emporenjoch mit der Verherrlichung des »tausendjährigen Ottobeuren« und dem Hinweis auf das Gründungsdatum 764, vgl. Bauer 2000, 184f.; zu diesem Fresko neuerdings: Dischinger 2011, 194–196, Abb. 54. 220 S. 14. 221 Vgl. Bauer / Bauer 1985, 44. 222 Augustin Fastl, Der neue Himmel zu Diessen […], München 1740, vgl. Matsche 2011, 22f.; Katalog Rokoko 2014, 44, 114, 122, Anm. 1. 223 S. 16.

X Zwischen Wortexegese und Jubiläumskultur – die Rolle der Typologie in Barockpredigten

337

224 S. 17. 225 S. 17. 226 S. 18. 227 S. 18. 228 S. 18. 229 S. 19. 230 S. 25. 231 S. 31. 232 S. 31. 233 S. 31. 234 S. 42f. 235 S. 141, vgl. Lindemann 1989, 76, Abb. 3. 236 S. 141f. 237 S. 143. 238 S. 142f. 239 Als exemplarisch kann hier die Analyse von Hahnl 1997 für die Salzburger Universitätskirche gelten. Zum Teil wird die Weihe auch in den Ausstattungen selbst thematisiert, etwa in der querovalen Kuppel über dem Eingangsjoch der Benediktinerstiftskirche von Einsiedeln (Cosmas Damian Asam, 1724–1727), wo man mit der alttestamentarischen Präfiguration der Kirchweihe, der Tempelweihe Salomos, eine Typologie der Kirche vor Augen führte, vgl. Möseneder 1986, 237f., Nr. F XIV. 240 S. 56f. 241 S. 57. 242 Ganz 2004, 198f. 243 Vgl. Schrott 2003, 305, 333. 244 Mouletus 1716, 18. 245 Mouletus 1716, 19. 246 Vgl. Stammberger 2006, 81 (mit Quellenangabe). 247 Daiber 2001, 123. 248 Daiber 2001, 124.

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XIII Personenregister Abraham a Sancta Clara 275 Adam von St. Viktor 95 Agamben, Giorgio 35f. Albrecht, Balthasar Augustin 255 Allio, Paolo 152 Alto, Hl. 110 Alva y Astorga, Petro de 207 Ambrosius, Hl. 17f., 59, 79, 138, 252 Anastasius a S. Cruce 197 Angehrn, Benedikt Maria, Abt von Neresheim 111 Anselm II., Abt von Salem 116 Ansgar von Bremen, Hl. 107 Antonius Abbas, Hl. 61 Antonius von Padua, Hl. 50, 157 Aquin, Thomas von, Hl. 16, 129, 144, 164, 216, 278f. Ardingus, Bischof von Florenz 165 Arndt, Johann 128 Asam, Cosmas Damian 100f., 116, 126, 152 Assisi, Franz(iskus) von, Hl. 24, 62, 207, 216 Au (Ow), Andreas Meinrad von 107 Auerbach, Erich 35–37, 57f. Augustinus, Hl. 17–20, 36, 59, 110, 113, 142, 144, 159–161, 216, 273 Augustus 270 Auxerre, Haimo von 17 Bachtin, Michail Michailowitsch 134 Backer, Jacob de 194 Balbinus (Balbin), Bohuslav 208f.

Balthasar, Hans Urs von 26, 28, 30, 161 Barbara, Hl. 169 Barberini, Giovanni Battista 149 Bartholomäus von Laon 114 Basilius der Große, Hl. 38 Bauer, Hermann 111, 114 Baumgartner, Johann Wolfgang 109f. Becanus, Martinus 154 Beda Venerabilis, Hl. 19, 45 Bellarmin, Robert 10, 70, 97f. Benedikt von Nursia, Hl. 49, 62, 102, 110f., 124, 126, 128f., 145f., 168, 216, 266, 269, 275–277, 279–281, 286 Benedikt XIV. 148 Bergmüller, Johann Georg 111, 115, 252 Bernhardin von Siena, Hl. 155 Biel, Gabriel 86 Bivero, Pedro de 238–241 Bloch, Peter 40 Böck, Simon 110 Bonacina, Martinus 154 Bonajuncta, Hl. 163 Bonaventura, Hl. 25, 208, 284 Bonschab, Ignaz 273 Borcht, Peeter van der 189, 193 Boxler, Maurus, Abt von Altenburg 177 Broecke, Krispin van den 83 Bruno der Kartäuser, Hl. 216 Bucchio, Geremia 208 Bucher, Franz Xaver 171 Bultmann, Rudolf 33, 37

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XIII Personenregister

Burgh, Carl 250 Busti, Bernardinus de 155, 157 Büttner, Frank 82, 123 Caccia, Franciscus 275 Canevale, Carlo 149 Carafa, Decius, Erzbischof von Neapel 242 Carlone, Carlo Innocenzo 253 Carlone, Carlo Martino 149 Carlone, Giovanni 158 Carlone, Giovanni Battista 152, 158 Cassia, Simon Fidatus de 154 Cassirer, Ernst 147 Caussin, Nicolas 261, 263 Christian, Johann Joseph 135, 141, 276 Chrysogonus, Laurentius 163, 175 Cicero, Marcus Tullius 260 Cincinnatus, Lucius Quinctius 270 Clairvaux, Bernhard von, Hl. 24, 102, 126, 163, 277, 279f., 289 Cleve, Joos van 80 Colomba, Giovanni Battista 150 Colomba, Luca Antonio 48, 253 Correggio, Antonio da 50 Cort, Cornelis 191, 199, 226–229 Cranach d. Ä., Lukas 81, 176 Cranach d. J., Lukas 69, 80–82 Crüsemann, Frank 21 Cullmann, Oscar 22, 32f. Curtius, Ernst Robert 260 Cyrill von Alexandrien, Hl. 20, 191 Cyrill von Jerusalem, Hl. 38, 231f. Dalhover, Marcellianus 277 Daneli, Aemilianus 278 Daniélou, Jean 20, 38 David, Johannes 86f., 236f., 240 Debray, Régis 54 Delaminetz, Stephan 262 Dietrich, Joachim 255

Dilherr, Johann Michael 83f., 86–90 Dominikus von Caleruega, Hl. 168, 216–219 Dorffner, Ferdinandus Josephus 280 Drexel, Jeremias 90, 261 Dürer, Albrecht 176 Eck, Johannes 31f. Einem, Herbert von 45 Engelgrave, Hendrik 89 Ephraim (Ephräm) der Syrer, Hl. 240 Erb, Anselm, Abt von Ottobeuren 285 Erichsen, Johannes 78, 82 Eustachius, Hl. 110 Eyck, Jan van 50 Fastl, Augustinus 271, 286 Feichtmayr d. J., Johann Michael 135, 141 Ferdinand II. von Tirol 183 Fineti (Finetti), Bernardus 154 Fischer, Franciscus Bernardus 279 Fischer, Johann Michael 107, 134 Florentius a S. Anna 277 Florian, Hl. 168, 281f. Forster, Johann Michael 118 Franck, Eusebius 283 Franz Xaver, Hl. 181, 282f. Fridrich, Jacob Andreas 200 Galle, Johannes I 219 Galle, Philips 192, 218f., 222 Galle, Theodor 218 Gallner, Bonifaz 252 Ganz, David 132, 272 Gebhard, Otto 106 Ginther, Anton 250–252 Gisilarius von Salzburg, Hl. 224 Godoy, Petrus de 278f. Goes, Hugo van der 159 Goldhagen, Hermann 263 Goltzius, Hendrik 105

XIII Personenregister

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Goppelt, Leonhard 20, 22 Göttler, Christine 53 Gottschalk von Limburg 282 Götz, Gottfried Bernhard 29, 105, 117, 183, 214, 216, 218f., 224, 245 Gozzoli, Benozzo 208 Grabenberger, Michael Christoph und Johann Bernhard 99, 132, 149 Gregor I., der Große, Hl. 17f., 45 Gregor IX. 96 Gregor von Nyssa, Hl. 251 Greiner, Johann Georg 158 Groening(en), Gerard van 71 Grueber, Josephus Anton 209 Guerricus von Igny 17, 163 Günther, Johann Christian 235 Günther, Matthäus 110, 113, 228 Günzel, Stephan 147

Hippolyt von Rom, Hl. 28 Hirschvogel, Augustin 83 Hoefnagel, Joris 183 Holzinger, Joseph Ignaz 168 Honorius Augustodunensis 59, 94 Hörmann, Martin 276 Hosch, Hubert 107 Huber, Thomas 45 Hubertus, Hl. 110 Hugo von St. Viktor 142 Hummel, Basil 271

Haiden, Placidus 268 Haussherr, Reiner 45 Hawel, Peter 270 Heckenauer, Leonhard II 124, 275 Hedwig, Herzogin von Schlesien, Hl. 116 Hefele, Melchior 60 Heindl, Wolfgang Andreas 117, 126, 128, 183 Heiss, Elias Christoph 252 Helena, Hl. 61, 109f., 116, 254 Hemmauer, Aemilianus 268 Henkel, Georg 98 Heraeus, Karl Gustav 270 Hermann der Lahme (von Reichenau), Hl. 107 Hermann, Franz Georg 253 Herz, Johann Daniel 228 Herzog, Reinhart 37 Hess, Peter 260 Hieronymus, Hl. 18f., 59, 148, 259 Hilarius von Poitiers, Hl. 18 Hildburg von Poigen 168 Hildegard von Bingen, Hl. 41

Jakob von Sarug, Hl. 98 Joachim von Fiore, Hl. 29 Jode, Gerard de 71 Jode, Pieter de 62 Johannes Chrysostomus, Hl. 191 Johannes der Täufer, Hl. 25, 50, 82, 113–115, 128, 139, 155, 157, 209f., 223, 248, 250 Johannes Scotus Eriugena 18 Johannes von Nepomuk, Hl. 169, 208–211 Julius II. 96

Ignatius von Antiochien, Hl. 94, 236 Ignatius von Loyola, Hl. 25, 90, 97, 109, 143, 211, 214, 216, 232–236, 281, 283f. Irenäus von Lyon, Hl. 20, 27f., 161 Irimbert von Admont 138 Isidor von Sevilla 152, 252

Kapfing und Liechteneck, Maximilian Eckher Freiherr von, Fürstbischof von Freising 271 Karg, Herkulan, Propst von Dießen am Ammersee 286 Karl VI., römisch-deutscher Kaiser 270 Katharina von Siena, Hl. 168 Kemp, Wolfgang 12, 50f. Kerle, Christoph de 169 Kern, Margit 78 Kiening, Christian 24, 35f., 53–56

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XIII Personenregister

Kilian, Philipp Andreas 193 Kirchberg, Hartmann und Otto von 123 Klauber, Johann(es) Baptist und Joseph Sebastian 29, 52, 54, 101, 114, 129, 175, 182, 195, 197, 201, 203, 205, 211, 214, 216, 224, 245f., 256, 263, 265 Knittel, Benedikt, Abt von Schöntal 46f. Koerner, Joseph Leo 78, 80 Kögl, Adamus 162 Kolb, Joachim 280 König, Franz Xaver 105 Kössler, Michael 140 Kostka, Stanislaus, Hl. 236 Kreuzer, Ernst 107 Kuben, Johann 253 Kuen, Franz Martin 123 Küsel, Matthäus 181 Lambert von Maastricht, Hl. 168 Landshut, Engelbert von 262 Lanius, Wolfgang 284 Lapide, Cornelius a 65, 155f. Laurentius Justinianus, Sel. 211 Lauretus, Hieronymus 182 Leclerc, Sébastien 193 Leitkrath, Joseph 171 Leo I. 96 Leo X. 96 Leo, Leonardus 182 Leopold (III.) von Österreich, Hl. 168, 275 Lessing, Gotthold Ephraim 57 Liborius a S. Barbara 284 Linke, Alexander 49, 58, 60, 63 Lob, Mikolaj 237 Lobeck, Tobias 209 Lobkowicz, Jan Caramuel von 281 Löwith, Karl 26 Lubac, Henri de 36, 51 Lucchese, Carlo Domenico und Bartolomeo 60 Luhmann, Niklas 147

Luick, Hans van 83 Luther, Martin 17, 31, 57, 60, 71–76, 78f., 81f., 260 Mages, Joseph 110 Mallery, Carel (Charles) von (de) 62, 228 Mang, Christoff 237 Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen 274 Marinarius, Antonius 154 Martin von Schaumberg, Bischof von Eichstätt 228 Matthäus, Hl. 60, 148, 244, 276 Maximus Confessor, Hl. 20, 232 Mayr, Franz Joseph 272 Meichelbeck, Karl 99 Melanchthon, Philipp 82 Melito von Sardes 30 Mennerstorff, Conradus 276 Merz, Joseph Anton 124 Meurs, Jacobus à 89 Mezger, Joseph 37 Michel, Paul 34f. Milicz, Wolf 253 Mohnhaupt, Bernd 51, 59 Molanus, Johannes 59 Montanus, Benedictus Arias 156 Moretus, Jan 236 Möseneder, Karl 158 Much, Placidus, Abt von Altenburg 169 Munggenast, Josef 167 Nagel, Peter L. 71 Neß, Rupert, Abt von Ottobeuren 285 Neubert, Michaela 107 Norbert von Xanten, Hl. 60f., 114–116, 247 Novalis (eig. Georg Philipp Friedrich von Hardenberg) 289 O’Dale, Cherubim M. 149 Ohly, Friedrich 13, 21, 33f., 41, 57f., 82, 134

XIII Personenregister

Oliva, Johannes Paulus 229, 231f., 235 Origenes 20, 29, 31, 41, 44, 133f., 138, 141–145, 147, 154, 251 Ostmeyer, Karl-Heinrich 10, 19f., 36 Otto von Freising, Hl. 114 Ottoboni, Pietro 97 Ounsworth, Richard 22 Paul III. 96 Paulus, Hl. 16, 18, 22–25, 28, 35–37, 60f., 71f., 82, 96, 139, 184, 197, 200, 206, 216, 218, 276, 282 Peikhart, Franciscus 274 Perger, Dominikus II., Abt von Oberalteich 124 Petrus Berchorius 43 Petrus Cellensis 289 Petrus Coelestinus (Cölestin V.), Hl. 107 Petrus, Hl. 46, 139, 218, 267, 273, 281 Pfeffel d. Ä., Johann Andreas 197 Pfeiffer, Alanus 275 Pfeiffer, August 27, 90 Philippus, Hl. 195 Philippus Benitius, Hl. 155 Philo(n) von Alexandrien 94 Pittoni, Giambattista 172 Plantin, Christoph(er) 192, 224, 228 Porta, Guglielmo della 96 Prambhofer, Joannes 183 Preimesberger, Rudolf 99 Primasius von Hadrumentum 45 Prinz Eugen von Savoyen 273 Probst, Ulrich 182 Prudentius (eig. Aurelius Prudentius Clemens) 189 Puget de la Serre, Jean 200 Querck, Ignatius 233, 235 Rad, Gerhard von 22 Rauchmiller, Mathias 158f. Reiff, Johann Conrad 229

Reiffenstuel, Ignatius 273f. Rembrandt Harmenszoon van Rijn 45 Renner, Dominikus 266 Reslfeld, Johann Karl von 275 Ricci, Giovanni Battista 158 Ricci, Sebastiano 172 Richeôme, Louis 59 Rig(g)o, Stallmeister König Totilas 128 Roccamora, Giovanni Domenico 232 Röhrig, Floridus 21 Roth, Franz Joseph 118 Rottmayr, Johann Michael 60, 79 Rubens, Peter Paul 49, 61–63, 65, 228 Rupert von Deutz, Hl. 107 Rupprecht, Bernhard 134 Sadeler, Aegidius II 183f., 187, 189 Sadeler, Raphael 226 Sailer, Sebastian 116f. Sanchez, Gaspar 156 Sandaeus, Maximilian(us) 206, 263 Sandl, Marcus 56f., 75f. Sandrart, Jacob van 84, 87–90 Sarder, Philipp 82 Sausseret, Paul 237 Schaukegl, Urban 279 Scheffler, Christoph Thomas 171 Scheffler, Felix Anton 273 Scherzer, Johann Adam 19 Schilling, Florentius 280 Schlie, Heike 48 Schlögl, Rudolf 52f. Schmidhueber, Probus 201 Schmidt, Anton 171 Schmidt, Franz Xaver 276 Schmidt, Johann Georg 168 Schnabl, Athanasius 282 Schurtz, Cornelius Nicolaus 87, 89 Schweinfurth, Sophie 94 Sedulius, Caelius (Coelius) 19, 187

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XIII Personenregister

Seedorff, Franciscus 100 Segni (Asti), Bruno von, Hl. 17, 29 Signorelli, Luca 228 Silvester I. 96 Simon, Holger 103 Sommerberger, Beda, Abt von Zwiefalten 144 Sondermayr, Simon Thaddäus 251 Spanner, Andreas 86 Spiegler, Franz Joseph 106f., 134, 147 Splendore, Giovanni Francesco 149 Steger, Johann 104 Steidl, Melchior 103 Steinfels, Johann Jakob 101 Steizinger, Mauritius 276 Stephan II., Abt von Salem 116 Stephanus, Hl. 192 Stockmann, Johann Adam 211 Straub, Johann Baptist 110 Strauch, Georg 84, 87f. Tanner, Mathias 236 Tencalla, Carpoforo 158 Teniers, Johannes Chrysostomus 114 Tertullian (Quintus Septimius Florens Tertullianus) 17, 19, 28, 36, 114, 189 Theodor von Mopsuestia 31 Theodoret 282 Tiepolo, Giambattista 172 Tintoretto, Jacopo (eig. Jacopo Robusti) 62f., 133 Tirinus, Jacobus 65, 287 Toberias, Johann M. 181 Torrentius, Laevinius, Bischof von Antwerpen 189 Torsellini, Orazio 181 Totila, König der Ostgoten 128 Trauner, Ignaz 142 Troger, Paul 167–169, 172f., 176 Tröster, Johannes Georg 280 Ulrich von Augsburg, Hl. 284

Vasallo, Giuseppe 100 Venantius Honorius Clementianus Fortunatus 251 Verbrugghen, Frans 139 Vergil (Publius Vergilius Maro) 89 Vinzenz Ferrer, Hl. 154 Visscher, Claes Jansz. 207 Vogelmayr (Voglmayr), Joseph 117 Vorster, Guglielmus 281f. Vos, Marten de 228 Vrints, Johannes Baptista 193 Wachter, Josef Anton 197 Wagner, Bartholomäus 192 Weidner, Johann 200 Weinhardt, Raphael Maria 165 Welf VI., Herzog, Gründer des Klosters Steingaden 116 Wenzel, Horst 41 Wierix, Hieronymus 83, 87, 105, 189, 194, 207, 218, 228, 232, 236 Wilhelm von Auvergne 31 Willmann, Michael 228 Wink, Christian Thomas 253 Wirth, Karl-August 217 Wolff, Johann Andreas 99 Wolff, Leo 262 Zetl, Paul 236 Zick, Januarius 253 Zimmermann, Johann Baptist 113f., 118, 266 Zuccaro, Federico 226 Zwettla (Czwettla), Joannes de 177