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German Pages [489] Year 2009
Arndt Brendecke Imperium und Empirie
Arndt Brendecke
IMPERIUM UND EMPIRIE Funktionen des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft
0 2009
BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gefördert aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 573.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildungen: Autorenportrait und Wappenspruch von Bernardo de Vargas Machuca, aus: Bernardo de Vargas Machuca: Milicia y descripcion de las Indias. Madrid 1599, Exemplar der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen.
© 2009 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: MVR-Druck GmbH, Brühl Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20399-3
Maria, meiner Frau
Inhalt
Einleitung
11
I.
Allsicht u n d Blindheit des Herrschers
31
1.
Die Spinne im Netz. Philipp II. und der El Escorial
31
2.
Augen und Ohren. Kognition und Kommunikation des Zentrums
37
3.
Idee und Metaphorik des beobachtenden Herrschers
42
4.
Beobachtung und Bestrafung: Inquisitorische Rechtskultur
45
5.
Beobachtung und Belohnung: Verteilungsgerechtigkeit
54
6.
Die Blindheit des Königs und die Korridore der Macht
58
7.
Kommunikation statt Überwachung. Ein Zwischenergebnis
69
W i s s e n als Postulat des Herrschers
73
1.
Integra informatio: Empirische Verfahren des Spätmittelalters
73
2.
Ex certa scientia: Die absolutistische Berufung auf sicheres Wissen
77
3.
Somos informados: Die Koppelung von Information und Entscheidung . .
79
Spaziergänge durch die W e l t . Das epistemische Setting des Hofes
87
1.
Der Spanische Hof
89
2.
Räume des Wissens
93
3.
Medien des Wissens
96
4.
Landeserfassungsprojekte in Spanien
102
Spiegelungen der W e l t . Nautisches W i s s e n in Sevilla
109
1.
Die Politisierung des Raumes
110
2.
Die Casa de la Contratacion
119
3.
Der Padron Real
122
4.
Die Ankunft der Kosmographen
128
5.
Die Wahrheit der Seekarten
133
6.
Die Wahrheit der Steuermänner
141
7.
Konstellationen der Praxis. Ein Zwischenbericht
151
II.
III.
IV.
V.
D i e Instanzen der Kolonialherrschaft
159
1.
Der Indienrat
159
2.
Institutionenaufbau in Spanisch-Amerika
168
Wissen im Setting der Kolonialherrschaft
177
1.
Das Dreieck der Distanzherrschaft. Vigilanz und Kommunikation
177
2.
Anfangsformationen des Wissenserwerbs
187
3.
Frühe Initiativen: Landeserfassung, Kontrolle und Partizipation
191
4.
Sachlichkeit als Kontroll-und Entlastungstechnik
201
5.
Zuhören, beschreiben und entscheiden: Der Hof des Vizekönigs
208
Entera noticia. O v a n d o s Projekt vollständiger Kenntnis
217
1.
Amerika versteht man nicht: Der Weg zur Reform
221
2.
Die Arbeit des Visitators
228
3.
Positionen des Reformdiskurses
236
4.
Maßnahmen der ovandinischen Reform
244
4.1. Die Rechtskodifikation
245
4.2. Der Oberste Chronist und Kosmograph Amerikas
249
4.3. Das Gesetz zur permanenten Beschreibung Amerikas
252
VI.
VII.
VIII. Praktiken des Wissenserwerbs
261
1.
Reisende Wissenschaft
262
2.
Die permanente Beschreibung Amerikas in der Praxis
267
3.
Interrogative Verfahren
270
4.
Die Fragen
274
5.
Die Antworten
282
Z u Rate ziehen. Szenarien der A n w e n d u n g des Wissens
291
1.
Autorität ohne Augen. Das Dilemma des Hofchronisten
291
2.
Alltag und Entscheidung. Das epistemische Setting des Rates
309
2.1. Die kleinen Werkzeuge kolonialen Wissens
311
2.2. Die Performanz der Medien und Mittler
318
Schlussfolgerungen
335
IX.
X.
Danksagung
346
Anmerkungen
347
Anhang
427
Abkürzungen
427
Ungedruckte Quellen
428
Gedruckte Quellen
430
Literaturverzeichnis
438
Register
471
Einleitung
Ich beginne mit einem Bild, das zur Ikone der Wissenschaftlichen Revolution geworden ist: Auf dem Titelkupfer von Francis Bacons Instauratio Magna von 1620 ist ein Schiff zu erkennen, das die Säulen des Herakles passiert. Die Bedeutung scheint auf der Hand zu liegen: So wie die Fahrt in den Atlantik die Grenzen des Mittelmeers aufgesprengt hatte, so soll die Wissenschaft nun die Begrenzung durch Autoritäten hinter sich lassen. Sie hat sich von den Texten ab- und der Welt zuzuwenden, also Empirie zu betreiben, eine aufmerksame Beobachtung und Erfahrung der Welt. Das Titelbild verdeutlicht nebenbei, dass Bacon diese Öffnung nicht als einen bloßen Wandel der zugrundeliegenden Geisteshaltung versteht. Er verknüpft sie nämlich mit dem historischen Vorgang der europäischen Expansion und er verweist, was man jedoch erst auf den zweiten Blick erkennt, Abb. 1: Frontispiz von Francis Bacons auf ein Imperium. 1 Instauratio Magna (London 1620).
England war zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch keine koloniale Weltmacht. Es sah zu Spanien auf und hatte begonnen, Spaniens Vorgehen in der Neuen Welt intensiv zu beobachten und teilweise zu kopieren. Der Lordkanzler Bacon war diesbezüglich keine Ausnahme. Er ließ die Bewohner von New Atlantis Spanisch sprechen und verwies auch mit seinem Titelbild auf Spanien, denn die Säulen des Herakles waren seit Karl V. Teil des Wappens der kastilischen Könige. 2 Im Wappen fehlt zwar das Schiff, doch findet sich eine Kombination aus Säulen und Schiff auf dem Titelblatt einer Seefahrtslehre des spanischen Kosmographen Andres Garcia de Cespedes von 1606, der wahrscheinlichen Vorlage für Bacons Titelmotiv. 3 Verfolgt man also die Spur von Bacons Bildgebrauch, so führt sie nicht etwa zu wissenschaftlichen Leitsätzen. Sie verweist auf den historischen Vorgang der Expansion, dessen spezifische Herausforderung nicht zuletzt in einem enormen empirischen Nachholbedarf und logistischen Organisa-
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tionsaufwand bestand.4 Die ein- und ausfahrenden Schiffe mögen bei Bacon metaphorisch für das Zurücklassen der Autoritäten und die Einholung neuer empirischer Kenntnisse aus der Ferne stehen. Bei Garcia de Cespedes wurde Empirie dagegen nicht im übertragenen, sondern in einem ganz direkten Sinne thematisiert, nämlich als organisierte Aufnahme und Verarbeitung seemännischer Erfahrungen und geographischer Kenntnisse, die das sichere Navigieren der spanischen Schiffe zu gewährleisten hatte. Sein Lehrtext, eine Navigations- und Instrumentenlehre, war Teil jener für Kolonialherrschaft notwendigen Organisation und Bündelung von empirischem Wissen, die hier zu untersuchen ist. Das Feld ist damit benannt, auf dem
, π 2: , nr rontispiz . . . von Andres , , , Ijarcia Abb. d e Cespedes' Regimiento de navegaciön (Madrid 1606).
diese Arbeit operiert. Sie untersucht den Zusammenhang zwischen Empiriegebrauch und kolonialer Herrschaft. Dies geschieht auf der Basis von zwei Grundannahmen: Erstens wird davon ausgegangen, dass der Vorgang der europäischen Expansion die Entstehung der modernen empirischen Wissenskultur Europas prägte. Kolonialherrschaft verschärfte die Notwendigkeit, verlässliche Beschreibungen entfernter Wirklichkeiten zu produzieren, also Empirie systematisch zu erfassen, durch feste Methoden oder Instanzen zu autorisieren und so aufzubereiten, dass man auf dieser Basis in Europa Entscheidungen treffen konnte. Diese Aufgaben wurden zunächst nicht von Wissenschaftlern erledigt, sondern, gerade im Falle Spaniens, von königlichen Amtsträgern, von ,Bürokraten', wenn man so will. Es wird deshalb zweitens angenommen, dass signifikante Elemente der modernen empirischen Wissenskultur nur dann zu verstehen sind, wenn man sie in Bezug zu den Herrschafts- und Verwaltungspraktiken stellt, die sich in der Expansions- und Kolonialzeit herausbildeten. Zwei Instanzen des spanischen Königs waren in besonderer Weise mit der Aufgabe betraut, die fremde Wirklichkeit des Atlantiks und der Neuen Welt auch epistemisch zu erobern. Das war zum einen die sogenannte Cosa de la Contrataciön. Sie wurde schon 1503 in Sevilla gegründet und widmete sich allen Fragen der Seefahrt und des Transportes von Waren, Werten
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und Menschen zwischen Kastilien und der Neuen Welt, aber auch der Seekartographie. Zum anderen war zu Beginn der 1520er Jahre am Hof der Indienrat {real y supremo consejo de las Indias) eingerichet worden. Uber ihn lief fast die gesamte Korrespondenz mit amerikanischen Amtsträgem. Er diente als Berufungsinstanz der kolonialen Gerichte und als Ratsgremium, das die Entscheidungen des Herrschers vorbereitete. Als königlicher Rat stattete er seine Publikationen mit dem Wappen des Königs aus. Das Schiff fügte sich auch dabei seit Beginn des 17. Jahrhunderts immer wieder zwischen die Säulen des königlichen Wappens. Auch findet es sich 1644 auf dem offiziellen, Abb. 3: Ausschnitt aus dem Titelbild gestempelten Papier für den amtlich- der Dienstanweisungen des Indienrates kolonialen Schriftverkehr. Bacons Säu- von 1636, Ordenanzas del consejo real len-Schiff-Kombination war also ein de las Indias (Madrid 1636). Symbol des Indienrates, die Ikone der Empirie ein Zeichen des Imperiums. 5 Casa und Rat organisierten auf je eigene Weise die spanische Expansion und Kolonialherrschaft. Hier wurde fortwährend kommuniziert und geschrieben, Information gesammelt und in Seekarten oder Landesbeschreibungen zusammengefasst. Inwiefern aber basierte die koloniale Herrschaft Spaniens tatsächlich auf Wissen? Diese FraAbb. 4: Ausschnitt des Papierstempels ge wurde schon 1569 gestellt, als der in AGI, Mexico 317 (unpag.). Spanische Indienrat einer Amtsprüfung (;visita) unterzogen wurde. Juan de Ovando, der Visitator, kam dabei zu dem ernüchternden Ergebnis: Dass man im Indienrat keine Kenntnis der amerikanischen Angelegenheiten hat noch haben kann, auf die sich Herrschaft beziehen kann und beziehen muss. Es ist daher notwendig anzuordnen, dass man eine solche habe. 6
Dem Rat fehlte also diejenige Art von Kenntnis (noticia), auf die sich Herrschaft {gobernacion) zu stützen hatte. Die Frage, was er wissen sollte, wird in
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Imperium und Empirie
einer Ordonnanz aus dem Jahr 1573 beantwortet. Sie entstammt den Reformen, die Juan de Ovando nach der Visitation des Indienrates vornahm, und folgt seinem Duktus: Damit die Personen, denen wir die Regierung Amerikas und seiner Provinzen überlassen haben, trefflich und gemäß ihres Amtes und ihrer Verpflichtungen regieren können, ist es notwendig, dass sie vollständige Kenntnis (entern notigia) besitzen. 7
Der Anspruch .vollständiger Kenntnis' wirft grundsätzliche Fragen auf: Allwissende Herrschaft hat es nie gegeben. Warum wurde sie idealisiert? Und aus welchem Grund behaupteten Herrscher, beispielsweise bereits in spätmittelalterlichen Urkunden, vollständig informiert zu sein? Zwei einführende Kapitel werden sich mit diesen Fragen beschäftigen. Sie untersuchen die politische Sprache sowie zeitgenössische Leitbilder, und sie können sich dabei ideengeschichtlicher und diskursanalytischer Methoden bedienen (I-II). Für den Hauptteil der Arbeit waren tiefgreifende Entscheidungen zu treffen: Ein Imperium ist ziemlich groß, und Wissen ist ein randloses Phänonem, ohne das man sich Gesellschaft oder Herrschaft gar nicht vorstellen kann. Um beides in Bezug zu setzen, muss daher nicht nur in den einzelnen Abschnitten mit möglichst klar definierten Begriffen und Fragestellungen gearbeitet werden, sondern auch eine Darstellungsweise gewählt werden, die sowohl historisch konkretisiert (bis hin zu lokalen, mikropolitischen Szenarien) als auch den Überblick bewahrt und den strukturellen Zusammenhang von Kolonialherrschaft und Empiriegebrauch nicht aus den Augen verliert. Die hier zu erzählende Geschichte bewegt sich daher auf zwei ungleichen Beinen. Sie sucht ein hohes Maß an Konkretisierung, also immer auch Detailanalysen und Beispielszenarien, inseriert aber auch Abschnitte, die dem Uberblick dienen oder Strukturelles diskutieren. Der Mittelweg, eine solide Geschichte des kolonialherrschaftlichen Wissens, hätte seine eigenen Vorzüge, falls er nicht der Größe des Gegenstandes erliegen und zu einer bloßen Chronik der verschiedenen Schritte und Verfahren werden würde. Er wird hier nicht begangen. Bewusst wurde auch darauf verzichtet, einen heroischen Gedanken oder eine tragende Bewegung — wie die Wissenschaft oder den Humanismus — in den Mittelpunkt zu stellen. Bestimmte Techniken der Zeit, wie beispielsweise die Kosmographie, sind zwar eindeutig Projekte der Wissenschaft und des Humanismus. Doch ist dies erstens bekannt sowie bereits gut untersucht8 und es brächte zweitens eine Leitunterscheidung ins Spiel, die andere Aspekte notwendigerweise marginalisieren würde: Es erschien mir unangemessen, beständig die humanistischen und nicht-humanistischen Anteile einzelner Praktiken, Projekte und Personen unterscheiden zu müssen, so als gäbe es darin etwas Gutes, zum
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Ziele Führendes, wie auch Gegenkräfte der Unbildung, des schwachen Fleisches und des unreinen politischen Alltags. Man wäre damit nah am Narrativ der Moderne, ihrer Sprachlogik der Zielerreichung und purifizierenden Aufmerksamkeit für Residuen des Gestrigen, an deren politischen Kraft ich keinen Zweifel habe; wohl aber an ihrer Angemessenheit für wissenschaftliche Analysen. Der Hauptteil beginnt mit einem Uberblick über den Hof, die Kartographie und frühe Landeserfassungsprojekte Spaniens (III). Dann richtet sich der Blick auf etwas Spezielleres, nämlich die Organisation nautischen Wissens im Sevilla des 16. Jahrhunderts (IV). Thematisch scheint dies ein Vorgang zu sein, den man den Spezialisten für Kartographie- oder Seefahrtsgeschichte überlassen kann. Doch lässt sich an ihm Verfahrens- und wissenshistorisch sehr genau ablesen, in welches Verhältnis geographisches Wissen, die Praxis der Seefahrt und eine Instanz der Krone, die Cosa de la Contratacion, traten. Anschließend werden die kolonialherrschaftlichen Instanzen des Hofes und der spanisch-amerikanischen Territorien vorgestellt (V). Das nächste Kapitel arbeitet zwei wichtige Funktionen des Wissen heraus, nämlich ,Kommunikation' und .Kontrolle' (VI). Dass es damit scheinbar nicht um die zentralste Funktion allen Wissens geht, also darum, etwas ,zu Wissen', darf bereits als Hinweis auf die Geschichte des Zusammenhangs von Wissen und Herrschaft verstanden werden. Zwar wurden schon unter den Katholischen Königen und Karl V. politische Wissenstechniken in Anschlag gebracht, wie etwa Visitationen oder die Versendung von Fragelisten. Dies geschah jedoch noch in einer vergleichsweise engen Koppelung zwischen dem Akt der Informationsaufnahme und dem der politischen Entscheidung oder juristischen Sanktion. Information wurde also zwar erhoben, aber in einem vergleichsweise engen Regelkreislauf gleich wieder zur Anwendung gebracht. Die dabei entstehenden Dokumente wurden dementsprechend auch nicht an den Hof gesandt, damit dieser immer mehr .wusste', sondern im Wesentlichen erstellt, um zum einen in der Peripherie getroffene Entscheidungen oder dort formulierte Vorschläge kontrollierbar zu halten und um zum anderen politische Kommunikation aufrecht zu erhalten. Erst durch die Reformen Juan de Ovandos zu Beginn der 1570er Jahre wurde die systematische Sammlung und Verfügbarmachung von Wissen am Hof und im Indienrat als Ziel benannt. Erst dann wurde vollständiges Wissen' zu einem Programm (VTI). Nun wurde auch das Amt eines Obersten Kosmographen und Chronisten Amerikas eingerichtet, die Kodifikation des in Amerika geltenden Rechts begonnen sowie eine Ordonnanz erlassen, die die permanente Beschreibung dieser Territorien zur Pflicht jedes amerikanischen Amtsträgers machte. Inwiefern diese Maßnahmen griffen, in welchem Maße sie vor
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Ort modifiziert und an lokale Umstände und Interessen adaptiert wurden, wird schließlich in einem eigenen Kapitel über die kolonialherrschaftliche Praxis dieser Maßnahmen des Wissens- bzw. Informationserwerbs erörtert (VIII). Abschließend wird analysiert, wie sich das Verhältnis von Wissen und Politik am Hof entwickelte (IX). Dieser Aufbau verlangt eine Erklärung. Die eigentlich zentralen Gegenstände, wie etwa die Reform Ovandos, der Einsatz von Fragelisten und die Arbeit des amtlichen Kosmographen und Chronisten im Indienrat, werden vergleichsweise spät betrachtet. Zuvor sind eine Reihe von Sachbereichen anzusprechen, die nicht einfach,Vorgeschichte' sind. Sie müssen analysiert werden, um Stück für Stück das Tarnkleid der Selbstverständlichkeiten zu lüften, das die Macht-Wissen-Relation umgibt. Das Kapitel zu .Wissen als Postulat des Herrschers' historisiert beispielsweise die Begrifflichkeit, mit der Herrscher sich als .wissend' bezeichneten. Der Abschnitt zur Sevillaner Seekartographie erlaubt es, den Einsatz von Wissen in konkreten Handlungszusammenhängen zu beobachten, was im Falle von politischen Entscheidungen des Hofes oder auch der gelehrten Kompilation eines Chronisten nicht immer (oder nicht immer leicht) möglich ist. Schließlich gab es ein drittes, vergleichsweise ausführliches Beobachtungsfeld, das vorzuziehen war. Was man am Spanischen Hof wusste, war untrennbar damit verbunden, wie man dort kommunizierte. Es erschien deshalb unerlässlich, sich zunächst die Bedingungen politischer Kommunikation zu vergegenwärtigen, was hier nicht in einem technischen Sinne gemeint ist, also als Frage der Nachrichtenübertragung und des Postwesens. Wichtiger erschien es mir, das Verhältnis zwischen den Motivstrukturen und den Formaten des kolonialherrschaftlichen Kommunizierens zu bestimmen, also zu klären, wie sich zeitgenössische Interessen zu den gegebenen Optionen der Kommunikation verhielten. Was man zeitgenössisch unter,Wissen' (ciencia, noticia, information) verstand, wird in den beiden einleitenden Kapiteln genauer bestimmt. Ovando selbst ging es um ein breites, fast enzyklopädisches Programm, also etwa um Geographie, Demographie, aber auch Kenntnis der Ureinwohner, ihrer Sprachen und Kulturen, um die Flora, Fauna und Klimatik Amerikas, nicht übrigens um Nachrichten.9 Ohne eine inhaltliche Bestimmung vorwegzunehmen, ist es hier angebracht, sich ein Bild der grundlegenderen Optionen von Herrschaftswissen zu machen. Da menschliches Handeln immer auf Vorwissen rekurriert, ist es weder möglich noch sinnvoll, einen Anfang' systematischer Neugier von Herrschaftsträgern zu konstruieren. Doch lassen sich drei Grundformen der Konstitution von Herrschaftswissen unterscheiden: Die erste Grundform ist die der ,Umfrage1. Schon in archaischen wie dann auch in klassisch-antiken und mittelalterlichen Gesellschaftsformen
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konnten zu bestimmten Anlässen die Stellungnahmen einzelner Mitglieder der Gesellschaft nacheinander abgefragt werden.10 Da es sich dabei um einen , Dienst' meist herausgehobener Gesellschaftsmitglieder am Herrscher oder am Gemeinwesen handelte, lässt sich diese Art von Rat dem Prinzip der Dienstpflichten des Einzelnen am Gemeinwesen oder am Herrscher zuordnen, das Max Weber als ,Leiturgie' (von gr. λειτουργία = öffentlicher Dienst) bezeichnete." Doch geht das Umfragen und Auskunft-Geben für die Beteiligten über die bloße Pflicht zu einem Dienst hinaus. Das durch solche ,Reihendienste' erbrachte Wissen hatte eine Doppelfunktion, indem es zum einen die Kenntnisse und Erfahrungen vieler zusammenführte und Kompetenz an einem Brennpunkt von Entscheidungen verdichtete. Insofern daran Höhergestellte teilhatten, wurden diese zugleich in den Entscheidungsprozess mit einbezogen und potenziell auch daran gebunden. Aus mediävistischer Perspektive handelt es sich dabei im Grunde um das konstitutive Zusammenwirken von Rat und Hilfe, consilium und auxilium}2 Vormoderne Landtage, Ständeversammlungen und auch Ratsgremien stehen in dieser Tradition, weshalb auch eine Instanz wie der Spanische Indienrat nicht einfach als eine Art Prozessor von Information oder als brain pool des Königs zu analysieren ist, sondern als sozialer Verband, der politische Interessen des Hofes und der amerikanischen Territorien zu moderieren hatte. Die zweite Grundform der Konstitution von Herrschaftswissen ist fiskalischer Natur und stützt sich wesentlich auf Schriftlichkeit. Listenförmige Verzeichnisse etwa von Waren, Tieren oder auch von Orten und Amtsträgern gehören zu den frühesten schriftlichen Aufzeichnungen überhaupt. Sie machen beispielsweise 85% der überlieferten Texte aus der Frühzeit Mesopotamiens aus.13 So verschieden der jeweilige Anlass zur Abfassung dieser Listen im Einzelnen auch gewesen sein mag: Das Grundprinzip besteht darin, dass Einheiten dann gezählt und verzeichnet werden, wenn sie eine bestimmte Schwelle passieren. Urszene ist hier eine Zollstation oder ein Stadttor, also eine bewusst verengte Passage, an der sich Kontrolle und Besteuerung vornehmen lässt.14 Für das spanische Kolonialreich ist hier an den Monopolhafen Sevilla und seine Cosa de la Contrataciön zu denken. Drittens muss auf Formen politischer Neugier hingewiesen werden. Diese richtet sich üblicherweise auf solche Bereiche, die sich durch räumliche Distanz oder ihre spezifische Verborgenheit der unmittelbaren Kenntnis der Herrschaftsträger entziehen, aber doch als politisch relevant erachtet werden. Natürlich ist hier jeweils zu klären, was als relevant erachtet wurde und mit welchen Verfahren man dem eigenen Kenntnismangel beizukommen gedachte. Strukturell lässt sich aber sagen, dass in einem expansiven Reich, wie dem spanischen, die Kenntnis des Zentrums dem Wachstum des
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Imperium und Empirie
Reiches nicht hinterherkam. Im Gegenteil: Der Anteil, über den der Herrscher unmittelbar und persönlich Bescheid wusste, wurde immer kleiner, die Zahl der Vermittlungsprozesse immer größer. Es gewann also ,Medialität' an Bedeutung, d.h. Verfahren der Vermittlung durch dazwischentretende Personen (Amtleute, Visitatoren, Vizekönige) und Medien (Gutachten, Zeugenaussagen, Landkarten). Sie versprachen auf je eigene Weise, das Ferne verfügbar zu machen, produzierten aber auch eine eigentümliche ,Mittelbarkeit', die den Herrscher von unmittelbarer Kenntnis seines Reiches abschnitt. 15 Man wird sie schon deshalb nicht alleine unter der Frage effizienter Übertragung' oder ,objektiver Information' beurteilen können, sondern als konstitutiven Teil des Herrschaftsprozesses an sich, als ein Politikum. In den drei genannten Grundformen dient die Einholung von Wissen einer jeweils ganz verschiedenen Leitfunktion. Bei der Umfrage ist der Vorgang der Einholung von Kenntnis wesentlich mit dem Ziel verknüpft, eine Konsensbildung in der befragten Gruppe zu erreichen. Entscheidungen sollen nicht einfach auf möglichst präzise Information gegründet, sondern im Rahmen eines Verfahrens herbeigeführt werden, das die Beteiligten bindet und den sozialen Rückhalt der Entscheidung stärkt. Es geht vorrangig um Konsens, nicht um Kenntnis. 16 Das fiskalische Verzeichnen hat eine Kontroll- und Objektivierungsfunktion. Man will nicht etwas ,wissen', um persönliche oder politische Neugierde zu befriedigen, sondern um gesellschaftliche Handlungen (Acta) durch Dokumente (Data) kontrollieren — und gegebenenfalls sanktionieren oder besteuern — zu können. Dies ist über den Umweg der Schriftlichkeit zu erreichen. Das Verzeichnis der Daten dient dort, wie dann auch im Bereich der juridischen und administrativen Schriftlichkeit, als Gegenüberlieferung, die sich im Zweifelsfalle gegen die Erinnerung oder die Mutmaßungen von Betroffenen ins Feld führen lässt. Schriftlichkeit ist hier deshalb konstitutiv, weil sie es erlaubt, Entscheidungen medial zu objektivieren. Sie fixiert über den Augenblick hinaus und außerhalb der Köpfe der Beteiligten. Sie unterstreicht damit den Sachbezug von Entscheidungen und tritt dem Verdacht von Willkür besonders effektiv entgegen. Bei politischer Neugierde muss das Politische groß geschrieben werden! Ihre Geschichte ist voller Versprechungen, dem Herrscher Allsicht, einen panoptischen Uberblick zu verschaffen und ihm nützliche Helfer, selbstlose Ratgeber und vollkommene Medien an die Seite zu stellen. Dass es dann dennoch immer anders kommt, dass sich der Herrscher und seine Wissbegier nie aus dem Gefüge des Politischen, das sie umgibt, herauslösen können, verdient hohe Aufmerksamkeit: Es wird im Laufe dieser Studie deutlich werden, dass jede Initiative des Kenntnisgewinns von den Zeitgenossen als
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Chance begriffen wurde, ihre eigenen Interessen einzuspielen. Schon die vielen Vermittler, die Agenten herrschaftlicher Neugier, sorgten dafür, dass der König niemals bloß mit Information, sondern im Grunde immer auch mit Interessen beschickt wurde. Es wäre methodisch daher irreführend, ex post eine Sphäre reinen Wissens zu postulieren und die beteiligten Menschen und Interessen auszuklammern, sie als Störfaktor zu deklarieren. Für eine integrative Perspektive darf man sich also nicht auf die expliziten Projekte und Medien des herrschaftlichen Wissens beschränken. Die Frage nach dem Wissen ist vielmehr im Kontext politischer Kommunikation und sozialer Praxis zu betrachten. Auch ist ein breiteres Feld an Akteuren einzubeziehen: Die Initiativen, etwa zur Beschreibung des spanisch-amerikanischen Territoriums, gingen beispielsweise nicht immer vom Zentrum aus, sondern teilweise von den Untertanen selbst. Dies hat Konsequenzen für das Beschreibungsmodell. Um die jeweils spezifische Situation und Bedingtheit einzelner Akteure besser erfassen zu können, wird mit den Begriffen des .kommunikativen Settings' und des ,epistemischen Settings' gearbeitet. 17 Der Begriff des epistemischen Settings soll für das Gefüge an Bedingungen stehen, innerhalb dessen eine spezifische Person oder ein Amt,etwas wissen' konnte. Mit dem kommunikativen Setting wird, analog dazu, das kommunikative Bedingungsgefüge der Akteure bezeichnet. Settingbegriffe sind, sieht man von entsprechenden Begriffsbildungen der linguistische Pragmatik und Kommunikationsforschung ab, in der geisteswissenschaftlichen Forschung nicht eingeführt, weshalb ich deren Verwendung kurz begründen möchte. Das Konzept des Settings wurde gewählt, weil damit eine hohe Aufmerksamkeit für die Variabilität der Kontexte, der situativen und performativen Bedingungen, geschaffen werden kann und doch auch Verallgemeinerungen möglich bleiben, sich also unterschiedliche Settings modellhaft herausarbeiten lassen.18 Setting-Konzepte stellen weder Ideen, noch Verfahren, noch Medien an den Anfang. Sie zentrieren Akteure und beschreiben deren Optionen, zu kommunizieren, zu handeln oder zu wissen. Die einer Person (oder einer Institution) verfügbaren Medien stellen so beispielsweise nur einen Teil der in Betracht zu ziehenden Umwelt dar, aber nie schon ein Ganzes. Die Stärke von Settingkonzepten mag so in der Chance liegen, sich vergleichsweise vorurteilslos mit der Beschreibung perzeptiver, kognitiver oder kommunikativer Bedingungsgefüge zu beschäftigen. Ihre wichtigste methodische Vorentscheidung liegt dabei in der Aufwertung des Räumlichen: Sie verfolgen eine Art räumlich-circumstantiell sensibilisierte Hermeneutik (und setzen sich damit zugleich von der potentiellen Ortlosigkeit des Diskursbegriffes ab). Während die klassische Hermeneutik Verstehensprozesse als zeitlichen Ablauf kon-
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Imperium und Empirie
struiert, würde man in einer Settinganalyse stärker dazu neigen, die Verstehenschancen der Akteure in Abhängigkeit von ihrem sozialen, institutionellen oder medialen Standpunkt abzuwägen. Dies geschieht nicht, um das persönliche Vorwissen der Akeure für unbedeutend zu erklären, sondern um die besonderen Bedingungen der Aktualisierung dieses Wissens besser in den Blick zu bekommen, was gerade für Analysen höfisch-politischer Prozesse angemessener erscheint. Man kann beispielsweise König Philipp II. gerne zu einem ,großen Kopf erklären, in dem das Wissen seines Reiches zusammenlief. Historisch konstitutiv ist aber, ganz unabhängig von der Intelligenz und Leistungskraft dieses Kopfes, die epistemische Lage, also die vielfache Einbettung des Königs in die Strukturen des Hofes, seine medialen und kommunikativen Möglichkeiten und Grenzen. Ahnliches gilt für den Indienrat: Der Indienrat empfing beispielsweise auf dem offiziellen Dienstweg die gesamte offizielle Korrespondenz aus den spanisch-amerikanischen Territorien. Seine Mitglieder pflegten aber auch Briefkontakte mit Freunden und Verwandten in der Neuen Welt, einige wenige waren selbst dort gewesen und fast alle trafen sich außerhalb der Amtsräume mit Interessenvertretern, Prätendenten, Klägern und Beklagten. Erst wenn man sich das Geflecht an Beziehungen und Kommunikationsmöglichkeiten verdeutlicht, innerhalb dessen eine Instanz wie der Indienrat und seine Mitarbeiter operierten, also geklärt hat, wie man dort kommunizierte, kann man sich der Frage nähern, was man dort,wusste' oder ,nicht wusste'. Zur Beschreibung des je spezifischen epistemischen Settings etwa der Mitglieder des Indienrates gehören dabei eben nicht nur die Bücher und Gutachten, die Karten und Globen, über die man im Rat verfügte, sondern ganz wesentlich auch die Korrespondenzen und Gespräche, die dort geführt wurden. Die beiden Setting-Begriffe überschneiden sich also vielfach. Ihre Anwendung soll dazu dienen, die Frage des Wissens in enger Verbindung mit den jeweiligen sozialen, medialen und politischen Umständen zu behandeln und die Bezüge zwischen Wissen und Herrschaft unter den Bedingungen der Kolonialherrschaft möglichst detailscharf zu rekonstruieren. Wer sich mit Kolonialgeschichte beschäftigt, ist in besonderer Weise verpflichtet, die eingesetzten Begriffe, Modelle und den eigenen Betrachtungsstandpunkt zu erläutern. Das liegt an der sich zwar verändernden, letztlich aber andauernden Politisierung jeglichen Zugriffs auf Kolonialität. Viele zentrale Begriffe der Analyse entstanden auf der Basis von kulturellen und sprachlichen Missverständnissen, sie spiegeln juristische Ansprüche, politische Interessen und historische Deutungstraditionen wider. Die Begriffe der ,Entdeckung' und der .Eroberung' lassen sich nur noch in einem sehr eingeschränkten Sinne verwenden, seitdem die Aufmerksamkeit dafür gewachsen
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ist, dass sie eine Hierarchie der Kolonialzeit konservieren. Sie konnotieren die Europäer als Akteure und die indigenen Völker als Objekte ihres Handelns und führen so die Subalternität der Unterworfenen immer mit. Im Vorfeld des 500jährigen Jubiläums der Entdeckung' Amerikas wurde von Seiten der mexikanischen Regierung der Begriff des encuentro (.Begegnung', Aufeinandertreffen') ins Spiel gebracht.19 Er unterstreicht zwar die Gleichberechtigung der europäischen und der indigenen Beteiligten, in dem er sie auf Augenhöhe agieren lässt.20 Doch geschieht dies um den Preis einer Verunschärfung von Phänomenen der Macht- und Gewaltausübung. Wie bei allen ähnlich konstruierten Begriffen des .Kulturkontakts' ist zwar deren Vermögen unbestritten, kulturhistorische Perspektiven zu erschließen. Wie aber gelangt man damit zu makropolitischen Aussagen über Kolonialherrschaft? Und vor allem: Wie steht es um die Chancen, mit Kulturkontaktanalysen die Frage der politischen Relevanz von Wissen zu beantworten? Die klassischen Studien von Tzvetan Todorov und Stephen Greenblatt haben zwar in sehr anregender Weise die Differenzen des Umgangs mit Wissen auf Seiten der indigenen und der europäischen Akteure thematisiert, doch kommen sie letztlich über die Interpretation einzelner Szenen und die permanente Herausarbeitung des Unterschieds nicht hinaus, zumindest nicht in Richtung auf den hier interessierenden strukturellen Zusammenhang zwischen Funktionen des Wissens und Praktiken der Herrschaftsausübung.21 Gerade dort, wo mit postkolonialer Motivation gearbeitet wird, scheint mir das analytische Instrumentarium in Hinsicht auf Wissen häufig erstaunlich stumpf, weil man konkrete Fragen der Macht- oder Herrschaftsausübung übergeht.22 Hier könnte man sagen: Gerade weil sich postkoloniale Forschungsansätze der Entlarvung imperialistischer Machtstrukturen verpflichtet fühlen, tendieren sie dazu, schon die bloße Produktion von Wissen über die Kolonie mit der Generierung kolonialer Macht gleichzusetzen.23 Es ist zwar richtig, dass die Erfassung des außereuropäisch .Anderen' durch die Kolonialnationen, der Einsatz von Fragelisten und anderer Formen der schriftlichen und kartographischen Aneignung ( m a p p i n g ) des fremden Landes und seiner Kulturen wie auch schließlich der Aufbau entsprechender Informationsmonopole und Archive in Europa, ein hierarchisches Objekt-Subjekt-Verhältnis zwischen Beschriebenem und Beschreibern konstituierten. Sie etablierten ein noch heute fortdauerndes Wissengefälle zwischen ehemaligen Mutterländern und Kolonien, einen epistemischen Eurozentrismus, wenn man so will, sodass etwa ein .philippinischer' Historiker nach Sevilla zu fahren hat, um seine eigene Geschichte erforschen zu können und diese Vorgeschichte dort — im ,Indienarchiv' — fast immer durch die Brille kolonialer Dokumente lesen muss. Doch reicht all dies
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nicht hin, um das Wissen-Wollen der Europäer an sich schon zu einem Akt der Machtausübung zu erklären, um beschreiben' mit,Beherrschen' zusammenfallen zu lassen und unter der Kategorie „epistemischer Gewalt" (Gayatri Spivak) zu verbuchen.24 Die Gefahr ist groß, dabei eine simplifizierende Macht-Wissen-Relation zu konservieren und die Frage der tatsächlichen Funktionen des Wissens in den Händen der Europäer gar nicht mehr zu stellen, weil sie durch den Hinweis auf ,Macht-durch-Beschreibung' immer schon beantwortet scheint. Widerspruch gegen postkolonial-politische Interpretationen ist also nicht etwa im Sinne eines revisionistischen Interesses an (dann eben doch) eurozentrischen Interpretationen anzumelden, sondern deshalb, weil die hier vorliegende Arbeit die kolonialherrschaftliche Macht-Wissen-Relation untersuchen will. Sie kann aus analytischen Gründen kein Interesse daran haben, mit Vor-Urteilen über die Macht des Wissens zu operieren. Vor diesem Hintergrund wurden drei methodische Entscheidungen getroffen: Die erste besteht darin, die politische Dimension von Herrschaftsund Machtausübung wie auch des Umgangs mit Information und Wissen in den Vordergrund zu stellen. Dabei muss nicht auf das Erkenntnispotenzial verzichtet werden, das Begegnungs- und Kontaktanalysen seit Jahrzehnten zur Verfügung stellen. Es besteht meines Erachtens wesentlich in einer geschärften Aufmerksamkeit für interkulturelle Konstellationen, für das lokale und situative Aushandeln von Interessen, für mikropolitische Betrachtungsebenen also, die als Korrektiv makropolitischer Analysen sinnvollerweise mitzuführen sind.25 Zweitens soll jener funktionalistischen Aufladung des Wissensbegriffs entgegentreten werden, die dem Begriff meist unausgesprochen unterliegt: Die gegenwärtige Rede von einer Wissens- oder Informationsgesellschaft drängt dazu, der Verfügbarkeit von Wissen hohe Funktionalität zu unterstellen und die Fähigkeit, darauf zuzugreifen, als Gradmesser für die Effektivität, und den potenziellen Erfolg des Handelns heranzuziehen. Vor diesem Hintergrund ist die Hypothese plausibel, dass das Spanien der Frühen Neuzeit systematisch Wissen über die Neue Welt akkumulierte, um seine Herrschaft effektiver ausüben zu können. Belege dafür finden sich in den Quellen, vor allem in der Sprache Juan de Ovandos. Die Ebene des Modells und diejenige der Belege ließen sich also passfähig machen, Einzelfälle persuasiv in die große Narration einer Rationalisierung von Herrschaft integrieren. Warum verliefen dann aber viele der ergriffenen Maßnahmen im Sande? Warum lässt sich fast nirgends zeigen, dass das akkumulierte Wissen tatsächlich eingesetzt wurde, dass politische Entscheidungen auf seiner Basis getroffen wurden? Hatte man zwar bereits die Idee, aber noch nicht die
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Mittel? Fehlte es noch an Techniken, Medien oder den Akteuren an mentalitären Dispositionen, also einer Art Beamten- oder Wissenschaftlerethik? Solche Fragen sind berechtigt, insgesamt jedoch ungeeignet, die zeitgenössische Ratio adäquat zu erfassen. Sie suggerieren in einem teleologischen ,Noch-Nicht' oder ,Noch-Nicht-Ganz', dass die entscheidende Funktion von Wissen tatsächlich in der Rationalisierung von Herrschaft bestand, in der gelungenen Koppelung von Information und Entscheidung. Was aber, wenn es Ovando gar nicht darum ging, Herrschaft auf Wissen zu gründen? Was, wenn er dieses Motiv nur in den Vordergrund stellte, um andere zu verdecken? Auch ist es denkbar, dass Akteure mehrere Ziele verfolgen, aber unter den Regeln des Diskurses oder den Erwartungen an ihr Amt nur eines aussprechen, andere verschweigen und wieder andere so selbstverständlich mitfuhren, dass diese Ziele weder bewusst expliziert noch verborgen werden. Sie waren für die Zeitgenossen evident, sind aber in den Quellen kaum sichtbar. Die zweite methodische Entscheidung besteht deshalb in einem starken Funktionalismusvorbehalt. Die Untersuchung von Wissen soll nicht über die binäre Unterscheidung von .funktioniert' oder .funktioniert nicht' strukturiert werden.26 Es wird nicht darum gehen, festzustellen, ob es dem Indienrat wirklich gelungen ist, sich im Zuge einer Art .administrativen Konstruktion der Wirklichkeit' ein präzises Bild des fernen Amerika zu machen, das ihn dann in die Lage versetzt hat, .richtige' Entscheidungen zu treffen. Andernfalls würde man bereits in der leitenden Fragestellung voraussetzen, dass die Erhebung, die Übersendung, die Bevorratung oder Bereitstellung von Wissen immer schon auf das eine Ziel ausgerichtet war, Entscheidungen zu rationalisieren und damit der Effektivität von Herrschaft zu dienen. Man würde eine modernistische Teleologie der Rationalisierung von .Herrschaft durch Information' unterlegen und beständig erklären müssen, was der Vormoderne noch fehlte, um .modern' zu sein. Es ist für den hier untersuchten Gegenstand weitaus adäquater, von einer Pluralität der beteiligten Interessen und Motive auszugehen, die sich auch bei einzelnen Akteuren nicht immer klar voneinander trennen lassen. Ovando entwarf beispielsweise sein durchaus modernes Programm der Begründung von Herrschaft auf Kenntnis, war aber zugleich Teil des Klientelnetzes von Kardinal Diego de Espinosa. Er schrieb sich also ostentativ die Rationalisierung von Herrschaft auf die Fahnen und installierte im Windschatten dieses Programms die Getreuen Espinosas auf den bedeutendsten Posten des Reiches. Im Nachhinein festzustellen, dass Ovandos Vorhaben gescheitert sei, weil das Ziel, Herrschaft auf Information zu gründen, weitgehend im Sande verlief, würde verkennen, dass Ovando noch andere Ziele verfolgte und diese durchaus verwirklichte.
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Methodisch wäre dies nicht so sehr deshalb bedenklich, weil man damit etwas übersehen hätte, nämlich patronagepolitische Manöver - irgendetwas wird immer ausgeblendet. Viel bedenklicher ist, dass man damit strukturelle Simplifizierungen in das eigene Analysedesign und Narrativ übernimmt: Dass man Menschen unterstellt, in Homologie zu ihren Aussagen zu leben und das Leben selbst an der Unterkomplexität der Diskurse messen will. Die Quellen erleichtern dies in der Regel, da die Akteure selbst bereits glatte Narrative bereitstellen, um die Integrität ihrer Person, die Objektivität ihrer Amtsführung, die Transparenz ihrer Handlungsabsichten hervorzukehren. Doch gibt es keinen guten Grund, diese Angebote' anzunehmen, die diskursive Camouflage für das Ganze zu nehmen und die Analyse der komplexeren (häufig auch: widersprüchlicheren) ,Wirklichkeit' nicht wenigstens zu versuchen. Möglich ist dies nur, wenn man zeitgenössischen Neben- und Gegendiskursen wie auch den Praktiken hohe Aufmerksamkeit schenkt. Die dritte methodische Entscheidung besteht deshalb in der Verfolgung eines betont praxeologischen Ansatzes. Er soll verhindern, dass der Umgang mit Wissen und Information in kolonialherrschaftlichen Szenarien nur anhand der expliziten Ideen und Programme der Zeitgenossen rekonstruiert wird, stillschweigend betriebene Praktiken aber übersehen oder marginalisiert werden. Da Praktiken in aller Regel weniger explizit sind als Theorien, Programme oder Vorschriften, stellen praxeologische Ansätze eine heuristische Herausforderung dar. Die Rechtskultur der spanischen Frühen Neuzeit kommt einem hier entgegen: Sie ermunterte die Beteiligten, Abweichungen von den Vorschriften zu denunzieren, stellt uns die Protokolle von Zeugenbefragungen zur Verfügung, die serienweise darüber Auskunft geben, ob Amtleute tatsächlich in der Weise mit Wissen umgingen, wie es vorgeschrieben war. Auf dieser Basis ist es möglich, Praktiken — etwa des Umgangs mit Seekarten — nachzuweisen, den Kreis ihrer Anwender und häufig auch deren spezifisches Motiv zu bestimmen. Insofern in dieser Arbeit viele verschiedene Themenbereiche angeschnitten werden, ist eine ausführliche Diskussion der Forschungs- und Quellenlage nicht voranzustellen.27 Wichtig erscheint es jedoch, zwei Kontexte der eigenen Fragestellung anzusprechen, die in besonderer Weise die Gesamtinterpretation betreffen. Dies ist zum einen das Verhältnis dieser Arbeit zum Interpretament der Staatsbildung und zum anderen die Besonderheit des spanischen Falles. Der Zusammenhang zwischen Wissen und Staatsbildung ist bislang erstaunlich wenig beschrieben.28 Häufig wird auch dieser Zusammenhang von einer simplifizierenden Gleichsetzung von ,Wissen' mit .Macht' überspielt.29 Die Forschung begnügt sich dann mit der Feststellung, dass Herrschafts-
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wissen akkumuliert wurde. Sie wertet dies als Indikator von Staatlichkeit, ohne im Detail zeigen zu können, dass das gesammelte Wissen tatsächlich in Prozesse des politisch-administrativen decision making einging (oder wozu es dann diente). Die Metaphorik des ,Wissen ist Macht' suggeriert, dass Macht mit der Summe des Wissens wächst, ohne zu berücksichtigen, dass Wissen dysfunktional sein kann oder dass sich Macht gelegentlich aus guten Gründen vom Wissen löst — etwa um Dezision zu erleichtern, neuen Ordnungen Geltung zu verschaffen und alte zu entwerten.30 Wenn es aber nicht die Quantität des Wissens ist, die Macht begründet oder stützt, so vielleicht dessen effektive Kontrolle oder Monopolisierung? Es wird zu sehen sein, dass die spanische Krone in der Tat versuchte, beispielsweise im Bereich der Historiographie und Landesbeschreibung, Wissen am Hof zu monopolisieren. Doch zeigt sich ebenfalls, dass der Nachweis entsprechender Tendenzen nicht hinreicht, um das Gesamtbild des Zusammenhangs von Wissen und Herrschaft entsprechend zu modellieren. Insgesamt tendieren Wissen-ist-Macht-Modelle dazu, den Nutzen dort zu sehen, wo die Allokation von Wissen erfolgt, in der Regel also in der Zentrale. Gerade dadurch berühren sie sich mit Interpretamenten der Staatsbildungsforschung, die die Monopolisierung von Ressourcen und deren Konzentration am Hof des Landesfürsten als wesentlichen Indikator für den Grad der Ausbildung von Staatlichkeit ansehen.31 Ist Wissen also etwas, das der Landesherr der Vormoderne ebenso zu konzentrieren begann wie etwa Geld, Kunst oder polizeiliche und militärische Gewalt? Man kann Entsprechendes beobachten, doch sollte es mit großer Umsicht interpretiert werden. Erst das Aufkommen der Statistik und .biopolitischer' Projekte im 18. Jahrhundert scheint ja den entscheidenden Wandel zu markieren. Nun wurde Wissen ostentativ als politisches Steuerungsmittel des Staates verstanden, so dass die Praxis der Wissenssammlung mit einem ausformulierten Programm seiner Nutzbarmachung zusammenzufallen begann.32 Alles Vorausgehende mutet dagegen wie bloße Protostatistik an, wie ein Sammeln von Daten, mit denen man eigentlich noch nichts Größeres anzufangen wusste.33 Wozu akkumulierte man dann aber bereits Wissen? Die Staatsbildungsgeschichte beschreibt die schrittweise Aufwertung von Wissen in verschiedenen Szenarien: Nach dem Modell des military-fiscalstate scheinen Daten zunächst der bloßen Abwicklung von Routinen gedient zu haben, also etwa der Besteuerung oder militärischen Musterung. Sie ließen sich demnach als ein Nebenprodukt interpretieren, das sich später verselbständigte.34 Herrschaft hatte Informationen zunächst nur insoweit zu akkumulieren, als es für fiskalische und militärische Zwecke und für deren Erzwingung notwendig war. Der administrative Apparat wuchs jedoch dabei mit, verursachte schließlich selbst steigende Kosten, erforderte
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Kontrollmechanismen und machte so mehr Personal, höhere Steuern und schärfere Zwangsmittel notwendig.35 Üblicherweise wird in diesem Modell eines extraction-coercion cycle das Anwachsen papiergestützter Verwaltung von Wissen zwar angesprochen, aber nicht in das Zentrum der Analyse gestellt. Wissen hat dort, im Gegensatz zu extraction und coercion, nur einen instrumentellen, keinen politischen Rang. Eine andere Interpretation hebt nicht die Zwangsgewalt, sondern die Leistungsfähigkeit des Staates hervor: Die Landesherren bauten im Zuge der vormodernen Herrschaftsintensivierung ihren Anspruch aus, gesellschaftlich-regulative Leistungen zu erbringen. Sie übernahmen beispielsweise Aufgaben der Kirche, was auch eine Ausweitung ihres Wissens über die Bewohner des Landes erforderte und landesherrliche Visitationen zur Folge hatte.36 Auch hier ist schwer zu bestimmen, wann das erhobene Wissen politischen Rang erwarb. Wann hörte es auf, sich bloß in den kleineren Regelkreisläufen der Abwicklung des Rechts, der Kirchen- und Schulverwaltung usw. zu bewegen? Auch dort, wo Staatsbildung über die sukzessive Ausschaltung mittlerer Machthaber erklärt wird, also durch Bindung des Adels an den Hof oder durch Schwächung der Landstände, erscheint die Zusammenziehung von Gelehrten und Experten, der Kultur und des Wissens, der Urkunden und Papiere am Hof des Landesfürsten oder in der Hauptstadt eine logische Begleiterscheinung des Staatsbildungsprozesses zu sein. Machtkonzentration ging wohl stets mit einem gewissen Maß an Zusammenziehung der verfügbaren Urteils- und Entscheidungskompetenz einher. Doch ist damit noch nicht viel über die konkreten Funktionen gesagt. Insgesamt unterliegt den mit Allokations- und Konzentrationsvorgängen argumentierenden Konzepten von Staatsbildung das Bild des Gegensatzes von Zentrum und Peripherie. Es stellt ein sowohl für die Staatsbildungsforschung an sich wie auch für den Zusammenhang mit Wissen verlockend einleuchtendes Interpretament zur Verfügung, wurde aber durch eine Reihe jüngerer Forschungsergebnisse und -entwicklungen in Frage gestellt. Dazu gehören neben der Debatte um den Absolutismus-Begriff, Analysen von Kommunikations- und Patronagenetzen, das aus der Ethnologie stammende local-knowledge-Konzept und die aus der Kommunalismusforschung erwachsenen bottom-up-\nte.vpxet2.tionen von Staatsbildung.37 In jedem dieser Bereiche wurde gezeigt, dass Vorgänge politischer Zentralisierung nicht einfach mit einer gewissermaßen linear-progressiven Steigerung von Macht im Zentrum zusammenfielen. Sie konnten lokale Handlungsspielräume auch erweitern, also die .Souveränität vor Ort' vergrößern, zumal Beherrschung aus der Ferne strukturell immer indirekt, unvollständig, ineffizient und langsam blieb. Abstrakter gespro-
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chen: Information über die Peripherie erhöht nicht einfach das Wissen der Zentrale, sie gestaltet es und zwar nicht selten im Interesse der Peripherie, die mitbestimmen kann, was die Zentrale sieht und was nicht. Mit Hilfe des Begriffs der .Zentralisierung' kann man so zwar eine politische Absicht und bestimmte Maßnahmen benennen, nicht aber adäquat die Effekte dieses Vorgangs. Prinzipiell wird nun auch bestritten, dass — wie es Allokationsund Zentrumsmodelle suggerieren — ,Macht' und ,Wissen' gewissermaßen transportable, abwiegbare und stapelbare Gegenstände darstellen, die man in der Logik eines Nullsummenspiels von einem Ort wegnimmt und an einem anderen zusammenzieht. 38 Aus diesem Grund wird im Rahmen der Arbeit zwar der H o f als ,Zentrale' und die Kolonie als .Peripherie' bezeichnet — die Zeitgenossen arbeiten selbst mit dem Argument der Nähe oder Distanz zum Hof. Es wird aber auch mit hoher Aufmerksamkeit auf die teilweise gegenläufigen Effekte des Wissens geblickt. 39 .Verwaltung' ist ein anachronistischer und zugleich missleitender Begriff, zumindest dann, wenn man darunter einen eigenen, abgeschlossenen Wirkungsbereich des Staates verstehen will. Der Begriff suggeriert, wie KlausGert Lutterbeck es ausdrückte, dass man in Prozessen der Herrschaftsausübung unterscheiden kann „zwischen der Regierungstätigkeit, die wesentlich im Entscheiden bestehe, und der Verwaltungstätigkeit, deren vornehmste Aufgabe in der neutralen Umsetzung der Entscheidungen der Politiker liege, so daß die administrative Praxis als rein technische erscheint". 40 Diese Warnung gilt für die Vormoderne in ungleich höherem Maß, da ihre Instanzen in aller Regel so konstruiert waren, dass sie mehrere Funktionen erfüllten. Der Indienrat war beispielsweise ein politisches Ratsgremium, ein Berufungsgericht und auch mit Verwaltung beschäftigt. Was sich jedoch sicher findet und nach den Ergebnissen der Forschung zur .pragmatischen Schriftlichkeit' geradezu als Kennzeichen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit gelten kann, ist die Ausbildung einer administrativen Schriftlichkeit und entsprechender verwaltungsförmiger Verfahren. Es ist deshalb nicht sinnvoll, .Verwaltung' als einen abtrennbaren Sektor zu verstehen, als ein Gebilde aus Instanzen, das sich im Verfassungsmodell abgrenzen ließ, so als hätte es einen fixen Ort (und eine einzige Funktion) im Gehäuse der Staatsmaschinerie. Stattdessen ist, ganz im Sinne einer modernisierten Verwaltungsforschung und der Kulturgeschichte des Politischen, auf die Verfahrensweisen, Kommunikationsflüsse und Flexibilitäten der Arbeitspraxis zu achten. 41 In der spanischen Forschung wurde dieser Bruch übrigens relativ abrupt vollzogen, zumal sich die Interpretation der historischen Instanzen des spanischen Staates lange Zeit fest in der Hand einer stark rechts- und institutionengeschichtlichen Schule befand. Erst seit etwa zwei Jahrzehnten
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werden dort politisch-administrative Prozesse als Austausch von Interessen und Aufbau von Netzwerken untersucht. 42 Im Zuge dieses Wandels wurde auch der spanische Hof Gegenstand sozialhistorisch und patronagepolitisch angelegter Untersuchungen. 43 Worin aber liegt die besondere Relevanz des spanischen Falles begründet? Ein kleiner Teil der jüngeren Forschung hat damit begonnen, Spanien als eine Art Mutterland der systematischen Verbindung von Herrschaft und Wissen zu betrachten. 44 Den Hintergrund für solche in Einzelfällen beinahe euphorischen Wertungen, 45 bilden Besonderheiten Spaniens, wie etwa die lange Tradition höfischer Wissenschaftsförderung, papiergestützter Verwaltung und Archivierung. Sie werden üblicherweise mit den Namen Jakobs I. von Aragonien (1239-1276) und Alfons' des Weisen von Kastilien (12521284) verbunden. 46 Hinzu tritt die Bewunderung für eine Reihe politischer und herrschaftssystematischer Maßnahmen, die in der Folge der Union des kastilisch-aragonesischen Herrschaftsraumes durch die Katholischen Könige und des Abschlusses der Reconquista 1492 ergriffen wurden. Diese Maßnahmen standen unter dem Einfluss spanischer Humanisten und zeichnen sich durch verfahrenstechnische und organisatorische Systematik aus. Spanien entwickelte dabei eine praktische, empirienahe Wissenskultur mit engem Bezug zum Hof und zu politischen Aufgaben. 47 Auch lässt sich in Spanien verhältnismäßig früh zeigen, dass einige Instanzen und Verfahren der Krone auf Wissen ausgerichtet waren. So wurde noch unter Karl V. in Simancas das erste staatliche Zentralarchiv überhaupt gegründet. Früh fanden auch Zensuserhebungen statt.48 Angeregt wurde die Verbindung zwischen empirischem Wissen und königlicher Herrschaft in Spanien sicherlich durch den Kontakt mit arabischen und jüdischen Wissenschaftstraditionen wie auch durch die frühe Expansion, zuerst im westlichen Mittelmeer und dann im Atlantik. 49 Ohne Zweifel bargen die Expansionen Herausforderungen, die die Wissenschaftskultur Spaniens wie auch des Kolonialreichs prägten. 50 Es wird zu zeigen sein, dass diese Prägungen über den Bereich etwa der Seefahrt oder der Kartographie hinausgingen und in hohem Maße auch beispielsweise administrative Verfahren, landesbeschreibende Genres und die Kultur der politischen Kommunikation durch Berichterstattung, Beschreibung und gezielte Information betrafen. Die Bedeutsamkeit der spanischen Expansion für die empirische Wissenskultur Europas ist zwar von der Forschung schon erkannt worden, aber sie wurde weder inhaltlich ausreichend bestimmt noch hat sie ihren Stellenwert in den Narrativen der allgemeinen Wissensgeschichte gefunden. Dort dominiert, gerade auch in methodisch innovativen Wissenschafts- und Wissensgeschichten, wie etwa bei Stephen Shapin und Peter Dear, die schon
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traditionelle Ausblendung oder Marginalisierung Spaniens. Mittlerweile beherrschen jene Deutungen, die Spanien seit der Aufklärung zu einem Musterfall südländisch-katholischer oder auch abergläubischer Rückständigkeit und intellektueller Isolierung erklären, zwar nicht mehr direkt die Interpretationen, aber sie bestimmen nach wie vor die Grenzlinien wissenschaftlicher Aufmerksamkeit. Die Marksteine sind bekannt: Ausweisung der jüdischen (1492), später auch der moriskischen Bevölkerung (1609), Verbot des Studiums im Ausland (1559), intensive Buchzensur, Versuche der Abschottung des Handels gegenüber Ausländern, Inquisition und Gegenreformation. Hinzu k o m m t das Tableau nationaler Stereotypen, in dem den Spaniern eine gewisse ,Schwere' (gravitas), zum Teil auch eine Neigung zum Aberglauben vorgeworfen wurde. 51 Es wäre schön, wenn die vorliegende Studie dazu beitragen könnte, die spanischen Anteile an der Entstehung der modernen empirischen Wissenskultur zu präzisieren. Viel wichtiger erscheint es mir jedoch, die Aufwertung des Empirischen als einen im tiefen Sinne historischen Vorgang erkennbar werden zu lassen, als weit mehr, als einen Gedanken Bacons: Imperium und Empirie, zwei sehr europäische Formen der Beherrschung der Welt, brachen sich im 16. und 17. Jahrhundert Bahn. Dies geschah, wie es der Wappenspruch des kastilischen Adligen Bernardo Vargas Machuca ausdrückt, „mit dem Schwert und mit dem Zirkel." U n d es beruhte auf einem dazu gesetzten quantitativen und expansiven Prinzip, das die Moderne durchzieht: „Mehr und mehr und mehr und mehr".
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Technisch ist nur Weniges anzumerken. In der spanischen Frühen Neuzeit wird statt von Amerika' von ,den Indien' (las Indias) gesprochen, was bekanntlich mit dem ursprünglichen Ziel zusammenhängt, einen Seeweg nach Ostasien zu finden.52 In dieser Arbeit wird vereinfachend ,Spanisch-Amerika' gesetzt, um den Unterschied zu anderen amerikanischen Herrschaftsräumen etwa der Portugiesen, später auch der Engländer, Franzosen und Niederländer wie auch zu den noch uneroberten Gebieten zu markieren. 53 Auch wird gelegentlich von den ,Kolonien' und grundsätzlich von Kolonialherrschaft' gesprochen, obwohl Spanisch-Amerika rechtlich keine Kolonie darstellte, sondern überseeische Territorien Kastiliens. Das spanische Wort pueblo lasse ich in der Regel unübersetzt, da es in den kolonialen Texten nicht , D o r f meint, sondern eigentlich ,Volk', aber auch den Siedlungsort des Volkes bezeichnen kann. 54 Im Text werden Zitate übersetzt, in den Anmerkungen
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aber in der Originalsprache wiedergegeben. Zentrale Begriffe des Spanischen — wie etwa encomienda oder padrön real— werden kurz erläutert, danach aber als Fachbegriff in den deutschen Text integriert. Die spanische legua wird als ,Meile' übersetzt. Ihre Länge variierte zwischen etwa 4,2 Kilometern (legua castellana) und 5,555 Kilometern {legua marina).
I.
Allsicht und Blindheit des Herrschers
Der Hauptteil der Arbeit wird sich mit den politischen Institutionen und dem praktischen Umgang von Herrschaftsinstanzen mit Wissen beschäftigen. Zuvor muss das ideen- und diskursgeschichtliche Verhältnis von Wissen und Herrschaft geklärt werden. Juan de Ovandos Forderung von entera noticia zeigt, dass es zeitgenössische Idealvorstellungen von .vollständigem Wissen' gab. Resultierte daraus aber der Anspruch, dass ein Herrscher seine Entscheidungen auf Wissen zu stützen hatte? Die Idee einer Koppelung von Wissen und Herrschaft, die auch unser heutiges Politikverständnis prägt, begann sich zwar in den Bildern und Texten der Vormoderne bereits abzuzeichnen, jedoch nicht mit klaren Umrissen. Sie war zunächst nur als ein Kompositum aus ganz verschiedenen Erwartungen, Postulaten und Praktiken gegenwärtig und sollte daher auch in der Rekonstruktion nicht vorschnell — gewissermaßen im Sog moderner Rationalitätskonzepte — zu einem Ganzen erklärt werden. Die zwei folgenden Kapitel sind deshalb durch Abschnitte gegliedert, in denen je eigenständige Entwicklungslinien herausgearbeitet werden. Die Abschnitte durchlaufen nacheinander verschiedene .Geschichten' des Verhältnisses von Macht und Wissen mit dem Ziel, nicht einfach nur über ein differenzierteres Bild zu verfugen, sondern auf die unterschiedlichen Elemente des Kompositums später zurückgreifen zu können. Im ersten, nun beginnenden Kapitel diskutiere ich die verschiedenen Ansätze der Vormoderne, dem Herrscher Allsicht zu unterstellen oder Blindheit vorzuwerfen. Im zweiten Kapitel wird dann die semantische Koppelung von Information und Entscheidung untersucht, wie sie sich in der Sprache vormoderner Herrschaft findet. Schon unter Karl V. hieß es beispielsweise häufig: ,weil wir informiert sind, ordnen wir Euch an' - ,porque somos informados, os mandamos'. Es wird zu klären sein, welche Traditionen zu solchen Briefformeln führten, was fiir Funktionen entsprechende Postulate des Informiertseins erfüllten und in welchem Verhältnis sie zu Idealvorstellungen allwissender, alles sehender Herrscher standen.
1. Die Spinne im Netz. Philipp II. und der El Escorial Jede Beschäftigung mit der Geschichte Spaniens im 16. Jahrhundert ist mit starken Deutungstraditionen konfrontiert, etwa mit der Katholizität, dem
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Frühabsolutismus, aber auch der Dekadenz des Landes. Zwei historische Gegenstände sind dabei zu Stereotypen der historischen Imagination erstarrt, die das Interesse bündeln und die Interpretation dominieren: Der Klosterpalast El Escorial als Bauwerk und Philipp II. als Person. Sie sind gleich zu Beginn anzusprechen, da sie das Bild bestimmen, das wir uns von den Kommunikations- und Entscheidungsbedingungen am Spanischen Hof machen. Philipp II. gilt seit Wilhelm Georg Friedrich Roscher als Musterfall des ,konfessionellen Absolutismus'.1 Er steht uns in schwarzer Hoftracht und strengen Blickes vor Augen. Die Quellen beschreiben ihn im Erwachsenenalter als wortkarg und ungesellig, was die Forschung zwischen politischer Klugheit und persönlicher Unsicherheit einordnet. Sein zurückhaltendes, oftmals zögerndes Auftreten trug dazu bei, dass ihm sein zeitgenössischer Beiname elprudente nicht nur im Sinne von ,der Kluge', ,der Vorsichtige', sondern auch von ,der Zaudernde' ausgelegt wurde.2 Doch die eigentliche Faszination geht aus der Spannung hervor, die zwischen seiner betonten Religiosität und dem immensen Aktenstudium besteht. Letzteres hat ihm den Beinamen .Papierkönig' (rey papelero) eingetragen und wurde schon von den Zeitgenossen immer wieder mit Erstaunen konstatiert. Sein Arbeitsvolumen war in der Tat bemerkenswert: Allein im März des Jahres 1571 soll der König persönlich mehr als 1.250 Petitionen bearbeitet haben. Zwischen August 1583 und Dezember 1584 waren es etwa 16.000.3 Am 30. März 1576 teilte er seinem Sekretär Mateo Vazquez mit, dass er ihn heute nicht zu sich rufen konnte, da er ca. 400 Unterschriften zu tätigen hatte.4 Dieses enorme Schreib- und Leseaufkommen schien Philipp II. letztlich selbst bedrohlich. Im April 1576 packte ihn die Verzweiflung: 100.000 Papiere lägen vor ihm und er habe sich noch nicht von „diesen Teufeln, meinen Papieren" befreit. Um das alles zu bewältigen, las und schrieb Philipp II. ständig, wie ein italienischer Gesandter notierte, auch wenn er in der Kutsche saß. Ab den 1580ern benutzte er einen Stempel, der seine Unterschrift (yo, el Rey) ersetzte, und trug eine Lesebrille.5 Seine Vorliebe für das Geschriebene korrespondierte mit einer Abneigung gegenüber mündlichen Gesprächs- und Verhandlungssituationen. Wie aus gelegentlichen Bemerkungen zu entnehmen ist, hatte das persönliche Gründe: Philipp konnte sich bei einem mündlichen Vortrag die Details nicht merken, auch wollte er Zeit haben, über eine richtige Antwort nachzudenken. Im April 1586 teilte er seinem Sekretär mit: Er habe gerade so viele Papiere bei sich, dass, wenn er mit Audienzen anfangen würde, gar nicht an deren Lektüre zu denken sei. Er brauche Zeit und Ruhe, und mit den Audienzen bleibe ihm weder das eine noch das andere.6 Insgesamt aber entspricht diese Hinwendung zum Aktenstudium den Erfordernissen seines enorm ausgedehnten Reiches und einer verstärkt schriftbasierten Re-
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gierungsweise. Philipp II. wurde zu einer Übergangsfigur, die nicht recht in das Narrativ einer Modernisierung durch Rationalisierung passen mag, vereint sie doch eine vergleichsweise moderne Regierungsart mit betonter persönlicher Religiosität und politischem Providentialismus. Michael de Ferdinandy hat diese Irritation unserer Erwartungen dahingegen zugespitzt, dass er Philipp II. als einen „katholische[n] Puritaner" bezeichnete.7 Bezüglich des Selbstverständnisses von Philipp II. muss man sich vergegenwärtigen, dass er über ein Weltreich von nie zuvor gekannter Ausdehnung herrschte, aber im Rang dem Kaiser unterstand. Nicht einmal mit dem König Frankreichs konnte er sich auf Augenhöhe begegnen: Die Könige Frankreichs beanspruchten mit der Salbung und ihrer Wundertätigkeit eine Heilsqualität als rois tres chretiens, die dem spanischen Königtum fehlte. Frankreichs Gesandten forderten stets die Präzedenz vor den spanischen.8 Philipps Auftreten in schwarzer Hoftracht, die einfache Anrede seüor und die Einsamkeit des El Escorial wirken dagegen zurückgesetzt, doch lassen sie sich auch als Teil einer ostentativen Bescheidenheit interpretieren, die durchaus politische Zwecke besaß: Der Gestus monastischer Bescheidenheit erlaubte es Philipp II., sich sowohl als Weltbeherrscher wie auch zugleich als Retter der Christenheit darzustellen, also einen dritten modellhaften Weg zwischen Hof und Kloster, Monarchie und Papsttum zu weisen.9 Auch schien dieses Auftreten in ostentativer, beinahe monastischer Bescheidenheit einen Ausweg aus der Zurückstufung im Rang zu weisen, doch erwies es sich letztlich als historische Sackgasse. Philipps Zurückhaltung wirkte vor dem Hintergrund der Prachtentfaltung europäischer Höfe und Kirchen bald nur noch sonderlich, ja finster, sodass es der spezifischen Modernität Philipps versagt blieb, zeitgenössische Vorbildwirkung zu entfalten. Der relative Machtverlust Spaniens, seine Dekadenz, tat das Übrige, um Philipp als Vorbild zu entwerten. Wie die Biographen Philipps nicht müde werden zu betonen, wird man der komplexen Persönlichkeit des Königs nicht gerecht, wenn man lediglich die asketischen Seiten betont; Philipp war gleichfalls ein Freund der Jagd, ergötzte sich an Gärten, Pflanzen, Blumen und nicht zuletzt an außerehelichen Eskapaden.10 Er war keineswegs nur „einsam und ängstlich, bienenfleißig und matt", wie der protestantische Historiker Erich Mareks 1893 meinte, um ihm dann — wie en passant übrigens der gesamten Gegenreformation—jede „wahrhaft schöpferische historische Gewalt" abzusprechen.11 Viele Äußerlichkeiten sind nur begrenzt geeignet, als Indiz für Charakterzüge des Königs herangezogen zu werden. So scheint die schwarze Hoftracht auf eine burgundische Mode zurückzugehen, die mit Karl V. nach Spanien kam. Das vergleichsweise zurückgezogene, verborgene Leben des Königs hängt mit
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einer spezifisch spanischen Interpretation des 1548 eingeführten burgundischen Hofzeremoniells zusammen. 1 2 Doch geht es hier ohnehin nicht um ein ausgewogenes biographisches Porträt Philipps, sondern um die Kennzeichnung der Deutungstraditionen, die Philipp II. zu einem Prototypen des frühabsolutistischen Zentralismus und Bürokratismus erhoben haben. Diese Traditionen verknüpfen unser Bild Philipps II., seine geradezu antibarocke Erscheinung als „Beherrscher der Gefühle" (L. Pfandl) üblicherweise mit dem El Escorial, den Michael de Ferdinandy als das „große, Gestalt gewordene steinerne Gleichnis von Philipps Wesen" bezeichnet hat. 13 Der Klosterpalast ist jener Ort, an dem sich die geographische Expansion Spaniens mit einem gleichzeitigen Rückzug, einer Konzentration, zusammendenken lässt: Der El Escorial war kein H o f im üblichen Sinne. Während die Könige an den Höfen vom Hochadel, mit Beratern und Diplomaten, Mätressen und Dienern umgeben waren, also im Zentrum einer sozialen Verdichtung von Macht standen, wurde der El Escorial als ein monastischer Ort der Abgewandtheit von Welt und Gesellschaft konzipiert. Dies evoziert, und darauf kommt es hier an, ein alternatives kommunikatives Setting, in dem der König zwar nach wie vor der oberste Entscheidungsträger blieb, aber nur noch über wenige Kanäle des Schriftverkehrs, der persönlichen Sekretäre und referierenden Räte, erreichbar war. Bemerkenswert ist, dass diesem Setting eine Steigerung von Macht und von Wissen unterstellt wurde: Das Bild des Königs, der sich in einen Kloster-Palast zurückzieht, um von dort aus die Geschicke seines Weltreiches zu lenken, mag historisch undifferenziert sein, etwa deshalb, weil sich Philipp II. häufig in anderen Palästen, Jagd- und Sommerresidenzen befand. Es hat jedoch zeitgenössische Wurzeln, eine anhaltende Wirkung und es stellt den König unter den Verdacht, als einer der ersten europäischen Herrscher aus einer Art centre of calculation (Β. Latour) heraus regiert zu haben. 14 In einem Gedicht von 1580 hieß es über Philipp II.: „Und er ist wie die Seidenraupe, die eine Hülle spinnt, der sie nicht mehr entrinnt". 15 Schon kurz nach Philipps Tod ging diese Metaphorik in die Biographien des Königs ein und wurde dabei zu einem Charakteristikum seiner Herrschaftsweise und des spanischen Königtums an sich erhoben. 16 Luis Cabrera de Cordoba beschrieb, dass Philipp II. von seinem Herrschaftssitz aus „mittels der Papiere die Welt bewegt" 17 und: Seine Provinzen, Städte, Dörfer, Berge, Flüsse kannte wie auch seine Interessen im Zivilen wie im Militärischen, in der Herrschaft, den Finanzen, dem Handel und der Steuer. Was er nicht betrat, das repräsentierten ihm Gemälde, und das verfolgte er wirkungsvoll von einem Pol zum anderen, wie Alexander der Makedonien mit seinem Verlangen. 18
Noch klarer tritt das Bild einer bewegungslosen, aber um so weiter reichenden Macht in einem Textstück hervor, das vermutlich auf den geflohenen
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Sekretär Antonio Perez zurückgeht und handschriftlich kursierte. Es wurde u. a. von dem französischen Chronisten Pierre Matthieu und dem QuevedoFreund Lorenzo Vander Hammen aufgegriffen, den ich hier zitiere: Er [Philipp II.] schloss sich in Madrid und im Escorial ein, seinem Zentrum, von wo aus er mit bewundernswürdiger Voraussicht und Klarheit die Linien seiner Herrschaft in die Peripherie seines übergroßen Königreichs zog, entschlossen nicht mehr herauszugehen und von dort aus die Wellen und Stürme der Erde zu betrachten. Sein Körper war nur an einem O r t tätig, aber die Tätigkeit seiner Seele breitete und weitete sich über beide Weltteile aus und schuf mit Federstrichen so viel wie alle seine Vorväter mit der Spitze ihres Schwertes. 19
Als Carl Justi im 19. Jahrhundert den El Escorial kunsthistorisch interpretierte, griff auch er auf das Bild einer Weltherrschaft aus dem Rückzugsraum der Klosterzelle zurück. Justi sprach davon, dass der Wille Philipps II. „von einer Zelle aus mit Feder und Gold Legionen von Geistern und Körpern in Bewegung setzt, eine Welt in seinem Netz gefangen hält". 20 Aber erst Leopold von Ranke erhob dies zu einem regelrechten Herrschaftsmodell: Im Rückgriff auf die Berichte der venezianischen Botschafter kombinierte er zwei Eigenschaften Philipps, die seines zurückgezogenen Wirkens und seiner unermüdlichen Aktentätigkeit, um ein modernisierendes, an den aufgeklärten Absolutismus erinnerndes Bild seiner Herrschaftsweise zu schaffen, das eines ,ersten Dieners des Staates' avant la lettre: Aber wir werden wahrnehmen, wie der Gang seines Staates dahin eingerichtet war, daß sich die Geschäfte des weitläufigsten Reichs sämmtlich an seinem Tische versammelten. Alle Beschlüsse seiner Räthe von einiger Bedeutung wurden ihm auf einem gebrochenen Blatte vorgelegt, auf dessen Rande er sein Gutachten, seine Verbesserungen anzeichnete. Die Bittschriften, die Briefe, die an ihn einliefen, die Berathungen seiner Minister, die geheimen Berichte kamen hier sämmtlich in seine Hand. Seine Arbeit und sein Vergnügen war, sie zu lesen, zu bedenken, zu beantworten, zu expediren. Von hier aus, zuweilen von einem ergebenen Secretair unterstützt, oft in vollkommener Einsamkeit, regierte er die ihm unterthänige Welt, hielt er auch die übrige in einer Art von Aufsicht; von hier aus setzte er die geheimen Triebräder eines guten Theils der gesamten Geschäfte in Bewegung. Da war er ganz unermüdlich. 21
Ranke selbst faszinierte dabei das Modell eines stillgestellten Herrschaftszentrums, in dem der Herrscher seine fehlende Bewegung im Raum durch intensivierte Schriftlichkeit kompensiert: Sein Philipp ,saß und las'. 22 Braudel beurteilte diese Bewegungslosigkeit Philipps vergleichsweise pragmatisch, als Resultat politischer Umstände, formulierte jedoch mit bildstarker Metaphorik, dass Philipps Gegner ihn „als Spinne sozusagen bewegungslos mitten in seinem Netz sitzen" sahen. Der König wird so zu einer „figure enigmatique", deren zentrale Position Macht begründet. 23 Dass durch eine kleine Verschiebung aus der Seidenraupe eine Spinne geworden war, verdankt sich
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der Propaganda protestantischer Autoren des 17. Jahrhunderts. 24 Braudel benutzt die Spinne-im-Netz-Metaphorik, da ihn der Aufbau von Kommunikationsstrukturen und die Uberwindung großer Distanzen interessierten. Ranke betonte stärker die Spannung aus Einsamkeit, Allsicht und Allmacht dieses .bewegungslosen Bewegers'.25 Er beschrieb ihn als jemanden, der „in vollkommener Einsamkeit und doch mit der ganzen Welt gleichsam persönlich bekannt" lebte. Er sei „abgeschieden von seinen Zeitgenossen und doch ihr Regierer; selber in einer beinahe bewegungslosen Ruhe, aber dabei Urheber von Bewegungen, welche die Welt umfaßten". 26 Als Korrelat der Abgeschiedenheit identifizierte er unersättliche Wissbegier, jedoch nicht im Sinne eines Charakterzuges, sondern eines politischen Geflechts aus Maßnahmen, Beobachtern und Korrespondenten: Von seinem Lande wollte er Alles wissen. Er veranstaltete, daß man zu seinem Gebrauche H a n d an eine allgemeine Statistik von Spanien legte [...]. Aber auch die Einzelnen wollte er kennen. In jedem Sprengel hatte er einige Correspondenten, die ihm berichteten, wie sich die Geistlichen, die Inhaber der Pfründen aufführten. Bei den Universitäten hatte er immer einen Prälaten, der ihm Nachricht gab, wie die Mitglieder der Collegien in den Wissenschaften bewandert seyen. Diejenigen, welche sich u m ein A m t bewarben, kannte er auch, ehe sie sich vorstellen ließen, gewöhnlich so gut wie von Person; er wußte von ihrer Natur und von ihren Eigenheiten. 2 7
Ranke verließ sich bei dieser Schilderung des ,,allerthätigste[n] Geschäftsmannfes] von der Welt" auf die Beschreibung des venezianischen Gesandten Leonardo Donato von 1573. 28 Donato hatte Philipp II. bereits als allwissenden, alles sehenden und immer tätigen König charakterisiert. Es heißt bei ihm: Er hat alle seine Angelegenheiten im Blick und weiß alles. [...] Er arbeitet mit solchem Fleiß, ohne sich eine Ruhepause zu nehmen, dass es keinen A m t m a n n auf der Welt gibt, so fleißig wie er auch sei, der sich so viel in seinem Amtsraum aufhält, wie seine Majestät. [...] Seine Minister sagen, dass er so intelligent ist, dass es keine Sache gibt, die er nicht weiß und die er nicht sieht. 29
Der Botschafter Venedigs schilderte einen Charakterzug Philipps II., konnte dabei aber ganz offensichtlich auf ein zeitgenössisches Ideal rekurrieren. Auf diese Idealisierung des allwissenden Herrschers gehen die beiden folgenden Abschnitte näher ein. In Bezug auf die Forschungstraditionen lässt sich festhalten, dass das von Ranke zugespitzte Bild einer zwischen Expansion und Rückzug, Weltmacht und Einsamkeit, Arbeitseifer und Gewissenslast oszillierenden Herrscherfigur noch heute fasziniert. Die Vorstellung eines zentralistischen Wissensmanagements ist darin bereits angelegt, ebenso allerdings der Keim seines Scheiterns, da alle Informationen und Entscheidungen eines Weltreichs auf den Kopf des Königs zulaufen. Die Geschichte Philipps II. wird mindestens seit Ranke von einer Reflexion über die
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Funktionalität zentralistischer Entscheidungsstrukturen und des Projektes vollständigen Wissens' begleitet. Philipps Herrschaft wurde so zu einem Emblem für eine spezifische Kommunikations- und Entscheidungskonstellation der Macht, die man aus zwei Gründen als typisch modern bezeichnen kann: Entscheidungen wurden darin zum einen auf eine verstärkt medial vermittelte Kenntnis der Welt gegründet. Zum anderen wurde ein Status vollständiger Kenntnis idealisiert, der als Vorbedingung rationaler Entscheidungen Platz zu greifen begann. Beides sind Bilder, die sich in den zeitgenössischen Diskursen finden. Woher stammen sie?
2. Augen und Ohren. Kognition und Kommunikation des Zentrums Schon in der klassischen Staats- und Herrschaftslehre gibt es die Forderung, dass der Herrscher über Wissen verfugen soll. Dieses Wissen wird jedoch durch die unmittelbaren Herrschaftsaufgaben bestimmt und beschränkt,wozu vor allem die Fähigkeit gehört, das Richtige und Falsche zu scheiden, die richtigen Berater um sich zu versammeln, Gerechtigkeit zu üben und vorausschauende Politik zu betreiben.30 Es geht also nicht um möglichst viel Wissen im Sinne einer Akkumulation empirischer Information, sondern um ein integrales Konzept von Erziehung und Klugheit, um normative Vorbilder und Erfahrungen, die Entscheidungssicherheit gewähren sollen.31 Entsprechend werden in der christlich-mittelalterlichen, noch bis weit in die Neuzeit anhaltenden Tradition eher Weisheit (sapientia) und Klugheit (prudentia) idealisiert. Königliche Beinamen wie rey sabio, reyprudente, roi sage und der übliche Vergleich mit König Salomon verdeutlichen dies.32 Allwissenheit wird dagegen seit Augustinus als göttliche Eigenschaft diskutiert. Sie wirft philosophische Fragen auf, wie die der menschlichen Willensfreiheit. Als Ziel institutioneller Reformen oder der Fürstenerziehung findet man sie aber nicht. Auch die Fürstenspiegel wiederholen in der Regel nur pauschalierend, dass der Fürst Kenntnisse haben soll.33 Sie meinen damit neben normativer Orientierung, etwa durch historische Beispiele (exempla), zumeist genealogische und geographische Kenntnisse, die die sozialen und räumlichen Rahmenbedingungen fürstlichen Handelns bestimmen, im 16. Jahrhundert zunehmend auch eine überblicksartige Kenntnis andere Staaten, ihrer Bräuche, Gesetze und Völker.34 Gewünscht wird weiter ein hohes Maß an persönlicher Erfahrung, die sich etwa durch Reisen, aber auch beispielsweise durch Jagdausflüge oder das Abreiten des Geländes erzielen lässt. Die Idealisierung eines allwissenden Königs ist also keineswegs einfach eine Frucht humanistischer Antikenrezeption oder die Innovation einzelner Staats- oder Herrschaftstheoretiker. Ganz
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im Gegenteil: In der herrschaftstheoretischen Literatur der Vormoderne ist sie kaum zu finden, was zum Großteil an deren systematischer Bindung an einen normativen HerrschaftsbegrifF liegt. Selbst bei Machiavelli ist der Anteil entsprechender Überlegungen gering, geht es ihm doch um idealtypische politische Entscheidungssituationen, um Regelgewinnung, nicht um die praktischen Instrumente von Herrschaft. 35 Wendet man sich jedoch der zeitgenössischen Emblematik, den Instruktionen und Traktaten der zweiten Reihe zu, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Dort werden allwissende Administratoren und selbst allwissende Könige sehr wohl idealisiert, und zwar nicht nur in Spanien, sondern auch beispielsweise in Frankreich,36 und dort an prominentester Stelle. In den sogenannten Memoires Ludwigs XIV., einem in den 1660er Jahren entstandenen Konvolut aus Texten, die zur Belehrung des Dauphins dienen sollten,37 stilisierte sich Ludwig XIV. selbst als Zentrum der Verarbeitung politischer Information: [Ich] will über alles informiert sein, die Bitten und Beschwerden meiner geringsten Untertanen hören, die Zahl meiner Truppen wie auch den Zustand meiner Stellungen kennen, unverzüglich mit auswärtigen Ministern verhandeln, Depeschen empfangen, einen Teil der Antworten formulieren und meinen Sekretären den Stoff für den anderen Teil vorgeben.38
Der Text steigert sich dabei in eine Metaphorik des totalen Uberblicks, einer Durchdringung der Welt, der Menschen und ihrer Interessen. Ludwig XIV. versicherte seinem Sohn und Nachfolger, dass diese Art von Staatsgeschäften, nicht nur notwendig, sondern sogar angenehm sei. Er fasste die Aufgaben zusammen: Sie bestehen darin, mit einem Wort, mein Sohn, die offenen Augen auf die ganze Welt zu richten, zu jeder Zeit die Neuigkeiten aller Provinzen aller Nationen, die Geheimnisse aller Höfe, die Charakter und Schwächen aller Prinzen und auswärtigen Minister zu erlernen, über eine unendliche Zahl von Dingen informiert zu sein, von denen man denkt, dass wir sie nicht wissen, [und] um uns herum das zu sehen, was man mit großer Sorgfalt vor uns verbirgt, [sowie] die entferntesten Blicke unserer eigenen Hofleute, ihre dunkelsten Interessen, zu entdecken.39
Unter den großen Fehlern, die Könige in der Vergangenheit begangen haben, ließe sich nach Ansicht Ludwigs kaum einer finden, der nicht auf Informationsmangel (etre mal informe) zurückzuführen sei. Er selbst würde, nachdem eine Angelegenheit abgeschlossen sei, überprüfen, ob es einen verborgenen Umstand gegeben habe, der ihn, bei entsprechender Kenntnis, zu einer anderen Handlung geleitet haben würde. Keinen Zweifel solle man daran haben, dass „ein Souverän ein extremes Bemühen darauf verwenden muss, absolut alles zu wissen, was in der eigenen Zeit vorgeht". 40 Das etre informi de tout wird so bei Ludwig XIV. als Bedingung politischer Rationa-
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lität angeführt, Wissensmangel als Quelle politischer Fehler herausgestellt. Wie dieses Wissen zu erlangen ist, wird allerdings nicht konkretisiert. Ein regelrechtes Programm, etwa der Bevorratung von Information in Archiven, Bibliotheken und Amtsstuben oder auch der Informationseinholung durch Korrespondenten, wird daher auch eher Jean-Baptiste Colbert zugeschrieben, doch muss hier nicht auf Details des französischen Beispiels eingegangen werden.41 Betrachten wir zum Vergleich einen spanischen Fürstenspiegel, den Principe perfectoy ministros avisados. Er stammt von dem Jesuiten Andres Mendo und erschien kurz vor den Memoires zuerst in Salamanca (1657) und dann auch in Lyon (1662). Mendos Werk wird selten selbständig gewürdigt, da es die Embleme und Teile des Textes aus den Emblemata centum, regio-politica des bedeutenderen Juan de Solorzano Pereira entnahm. Solorzano war zum Zeitpunkt der Abfassung des Textes (um 1653) Ratsherr des Indienrates42 und Mendo delikaterweise der zuständige Zensor. Der Text erschien dem Zensor so interessant, dass er ihn schließlich in großen Teilen kopierte, auf Spanisch übersetzte, aber durch andere Text-Bild-Kombinationen und eigenständige Passagen auch neu interpretierte. Auf diese Weise entstand ein besonders eindrucksvolles Bild des perfekten Fürsten als einer überragenden Instanz der Wahrnehmung und Urteilskraft. Der Kopf des Fürsten ist bei Mendo beispielsweise nicht mehr nur der Sitz der Prudentia, sondern vor allem der der wichtigsten Sinnesorgane: Die vornehmste Sinnesleistung des Kopfes ist der Blick. Der Fürst muss ganz Auge sein, schlaflos über dem Vorteil der Untertanen. Nichts darf seinem Blick entfliehen, wie dem Königsadler, der von größter Höhe aus die Fische in der Tiefe des Wassers erblickt.43
Prudentia bleibt so bei Mendo zwar traditionell die höchste Herrschaftstugend, aber sie wird in Abhängigkeit von den Sinnen dargestellt.44 Sie ist ihm: ein helles Fest des Verstehens, die das Gute und das Böse unterscheidet, das Beste auswählt und weiß, was man lieben oder fliehen muss, die ausliest, was den Zielen zuträglich ist und das fern hält, was sie behindern könnte. Sie ist ein klares Urteil dessen, was zu schaffen ist [...]. Die Klugheit ist der wachsame Späher, der im Kopf, als dem Wachturm, fur alles aufmerksam ist, was auf dem feindlichen Feld der Laster geschieht. Sie kommt ihren Finten zuvor, warnt vor Risiken, schlägt vor Gefahren Alarm. [...]. Die Klugheit besteht aus Augen und ohne sie kann der Fürst keinen Schritt tun, wenn er nicht blind gehen will. Wer herrsche, der sei ein Argos, damit sich ihm nichts verbirgt [...]. Sie nennen die Sonne oculus mundi, weil sie alles mit ihren Strahlen registriert. Der Fürst ist die Sonne, und wenn er, wie unser spanischer König, die vier Teile der Welt umarmt, muss er der OCULUS MUNDI sein. Alles sieht er mit dem Auge des Erkennens.45
Bei Mendo ist eine zugespitzte religiöse Aufmerksamkeit erkennbar, die stark mit seinem jesuitischen Hintergrund verbunden ist. Sie entspricht
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jener zwischen Empirie und Spiritualität oszillierenden Urteilslogik, die für die Jesuiten typisch war. Es wäre deshalb auch nicht angemessen, Mendos Metaphorik als repräsentativen Ausdruck der zeitgenössischen Vorstellungen zu nehmen. Woher aber haben die Idealisierungen allsichtiger Herrschaft, die die Verbindung von Wissen und Herrschaft so emphatisch aufwerten, dann ihre Plausibilität? Sie scheinen im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit sukzessive auf das Selbstbild und die Rhetorik von Herrschaft übergegangen zu sein, ohne dass sich eine klare ideengeschichtliche Genealogie rekonstruieren ließe. Schon weil dies so ist, weil also kaum hinreichende Bezüge etwa zur antiken Staatstheorie oder den spätmittelalterlichen Fürstenspiegeln bestehen, ist es notwendig, ein größeres Ensemble an bildlichen, sprachlichen und praktischen Vorbildern in den Blick zu nehmen. Dies soll hier geschehen, indem nacheinander vier kleinere Exkurse durchlaufen werden, die unabhängig voneinander zeigen, wie sich der Bezug zwischen Empirie und Entscheidung oder zwischen Wissen und Herrschaft veränderte. Damit wird vorübergehend die Hypothese aufgegeben, dass es sich überhaupt um ein zusammengehöriges Phänomen, um eine Idee, handelt. Notwendig ist diese dekonstruktivistische Vorgehensweise nicht zuletzt, da die Suggestivität der Thesen Michel Foucaults dazu beigetragen hat, dass wir Macht-Wissen-Relationen in einer vergleichsweise linearen Entwicklungstradition denken, die gewissermaßen vom Auge Gottes zu Orwells Big Brother führt. Foucault, der ja eigentlich einen komplexen MachtbegrifFanstrebte und an der Auflösung ontologisierender Ideen zugunsten konkreter Techniken und Diskursregeln gearbeitet hat, ist dabei nichts vorzuwerfen, außer dass er zwei Vorstellungen Leben einhauchte, die so suggestiv sind, dass sie die Interpretation von Macht-Wissen-Relationen über Gebühr beherrschen.46 Dies ist zum einen das Bild des Hirten, zum anderen das des zentralen Blicks, also der panoptischen Überwachung, wie sie sich am eindrucksvollsten in Jeremy Benthams Entwürfen sternförmiger Gefängnisbauten mit zentralen Wachtürmen manifestierte.47 Der Hirte ist das Leitbild pastoraler Herrschaft, eines Herrschaftstypes, den Foucault als ein Erbe ägyptisch-hebräischer Traditionen beschrieb, das sich über das spätrömische Christentum in europäische Herrschaftsvorstellungen eingenistet hat. Entscheidend ist nach Foucault daran die doppelte Sorgfalts- und Beobachtungspflicht des Hirten bzw. Herrschers über sowohl die Herde als Ganzes als auch über jedes einzelne Schaf. Diese habe das europäische Verständnis von Herrschaftsrollen geprägt, indem sie Herrschaft mit einer über den gemeinsamen Nutzen hinausgehenden Verantwortung koppelt, und so permanente Wachsamkeit, unmittelbare Zuwendung, aber auch die Notwendigkeit des purgierenden, disziplinierenden
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oder korrigierenden Zugriffs auf den Einzelnen nahelegt.48 Pastorale Herrschaft ist mehr als eine gelungene Metapher Foucaults. Sie lässt sich fast wörtlich etwa aus den Arengen spätmittelalterlicher Papsturkunden entnehmen, also jenem Teil der Urkunde, in dem auf die besondere Motivation und Legitimation des Ausstellers eingegangen wird. Unmissverständlich wird dort auch die Verbindung zwischen dem apostolischen Hirtenamt und einer universellen Überwachungsaufgabe gezogen: „Wie der unermüdlich wachsame Hirte richtet der Bischof von Rom seine Sinne auf die ihm überantwortete Herde", heißt es beispielsweise in einer Arenga von 1430.49 Etwas ausführlicher formuliert eine andere aus dem Jahr 1322: Es gehört zur fürsorglichen Umsicht des Apostolischen Stuhls, die Wechselfälle der Zeiten zu bedenken, auf die Verdienste der Menschen zu achten, die Beschaffenheit der Orte in Augenschein zu nehmen, und dass er die Musterung jeder einzelnen von diesen schuldig ist und seine vorsorgende Hand rechtzeitig auf sie zu legen hat. 50
Im Hintergrund stehen dabei moraltheologische Überlegungen, wie sie vor allem von Thomas von Aquin geprägt und durch die Spätscholastik vermittelt wurden. Die für das Konzept der Sündhaftigkeit zentrale Frage der Verantwortung für eine Handlung wird darin in ein breites Konzept von attentio und conscientia eingebettet. Gefordert wird also eine permanente Aufmerksamkeit, eine sorgend, reflektierender Bewusstmachung des eigene Sein und Tuns, die es zu falschen, sündhaften Handlungen gar nicht erst kommen lässt. Unkenntnis (ignorantia) verliert dementsprechend als Entlastungsargument an Kraft, lässt sie doch erkennen, dass es schon im Vorfeld an wachsamer Aufmerksamkeit mangelte, man also durch diese Unterlassungssünde falschem Handeln den Weg bereitete.51 Diese moraltheologische Aufmerksamkeitspflicht galt für den Herrscher in entsprechend verschärfter Weise als eine im Gewissen gründenden, über Wachsamkeit (custodia) zu realisierenden Obhuts- und Sorgfaltspflicht gegenüber den Anvertrauten.52 Über die Spätscholastik ging die Betonung entsprechender Pflichten in den spanischen Herrschaftsdiskurs ein.53 Dennoch würde es zu kurz greifen, die Verbindung von Wissen und Herrschaft allein auf die pastorale Figur oder moraltheologische Argumentationen zurückzuführen. Die folgenden vier Exkurse verzichten darauf, eine homogene Erzählung über den Ursprung dieser Koppelung zu konstruieren. Es soll ein plastischeres Bild der Beziehungen zwischen Herrschaft und Wissen erarbeitet werden, das hilft, die Semantik der ostentativen Koppelung von Empirie und Entscheidung — wie sie in der spanischen Frühen Neuzeit etwa in der Forderung nach entera noticia oder dem Postulat des Informiertseins (somos informados) enthalten sind — möglichst trennscharf einzelnen Traditionen und Funktionen zuordnen zu können. Vorwegnehmen lässt sich der allgemeinere Teil
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des Befundes: In allen vier Beobachtungsfeldern wird zum einen deutlich werden, dass das Phänomen herrschaftlicher Beobachtung nicht von dem der politischen Kommunikation zu trennen ist: Aus gutem Grund dachten schon die Zeitgenossen Fragen des epistemischen und des kommunikativen Settings zusammen. Zum anderen wird sich zeigen, dass man das Wissen des Königs nicht per se als ein Durchsetzungsmittel seiner Interessen verstand, sondern als Vorbedingung gerechter Herrschaft. Sie wurde beispielsweise als Voraussetzung dafür angesehen, dass der König adäquat belohnte und bestrafte. Diese Idealvorstellung war also tatsächlich ein Stück weit ,pastoral', doch sollte man bei diesem Bild eines über die Herde wachenden Hirten die Rolle der ,Tiere' nicht unterschätzen.
3. Idee und Metaphorik des beobachtenden Herrschers Die traditionelle Staatskörpermetaphorik weist dem Herrscher zwar die Position des Kopfes oder Gehirns zu, aber sie trennt den Kopf nicht vom Körper und seinen Gliedern: Sie will im Wesentlichen die Symbiotik von Herrschen und Beherrschtwerden in ein und demselben Körper herausstellen.54 Entsprechend selten wird Herrschaft auf die Metapher des Auges verkürzt oder die Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeit des Kopfes in den Mittelpunkt gestellt.55 In Spanien wurde die politische Sprache und Bildsprache stark durch die Gesetzestexte Alfons des Weisen geprägt. Dort wird der Hof als ein Ort des kommunikativen Austausches beschrieben, an dem der König ,mit den Menschen spricht'.56 Die spanische Staatskörpermetaphorik sieht so den König zwar als ,Kopf, der noch in einem traditionell korporativ-organologischen Modell Funktionen des ganzen Körpers zusammenführt. Aber sie hat bereits eine Tendenz, ihn zu einer Instanz der beständigen Kommunikation und totalen Wahrnehmung zu steigern: Sie gipfelt in der Emblematik Solorzano Pereiras und den Kommentaren Andres Mendos. Solorzano Pereira unterstrich seine Forderung, dass man das Amt des Königs als ein Amt des Kopfes ( o f f i c i u m regis officium capitis) zu verstehen habe, indem er das Haupt des Königs ohne seinen Körper präsentiert. Mendo kommentiert die Stelle: Das Amt des Königs ist das des Kopfes [...]. Er fühlt für alle, hört, sieht, berührt, schmeckt, empfindet Schmerz und Freude als wachsamer Kopf seines Reichskörpers."57 Wo dieses Motiv des,Königs als Kopf auftaucht, wird nicht selten die Begrenztheit der natürlichen Wahrnehmungs- und Kommunikationsfahigkeit des Kopfes thematisiert:58 Der Kopf bleibt auf ein entsprechendes institutionelles oder soziales Umfeld angewiesen. Üblicherweise wird dazu Aristoteles
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zitiert, der bei seiner Erörterung der Argumente gegen das Königtum hervorhob, dass, Monarchen „sich viele Augen, Ohren, Hände und Füße" herstellen, indem sie „Freunde zu Mitherrschern machen",59 doch finden sich Aussprüche wie der, dass ,große Könige viele Augen und Ohren haben' auch in mittelalterlichen Sp richwö rte rn.60 Auf das darin mitschwingende Kritikpotenzial wird zurückzukommen sein. Zunächst ist auf Idealisierungen der Allsicht des Herrschers in bildlichen Darstellungen Abb. 5: Emblem XIII, Solorzano Pereira, Emblemata einzugehen. Diese liegen in centum (S. 1. ca. 1653). vergleichsweise geringer Zahl vor und verfügen über ein begrenztes Repertoire wiederkehrender Motive, wie etwa das des göttlichen Auges oder des hundertäugigen Argos.61 Für England kann man hier auf das mit Augen, Ohren und Mündern geschmückte Kleid verweisen, das Elisabeth I. auf dem sogenannten Rainbow Portrait trägt.62 Für Spanien ist Solorzanos Darstellung eines Fürsten hervorzuheben, der in einen mit Augen und Händen verzierten Mantel gehüllt ist, sowie das Titelblatt von Marcos Salmeröns El principe escondido (1648). In der Tradition der deus absconditus-MoüvWi zeigt es eine von Wolken halb verdeckte Sonne, die für den ,verborgen' blickenden Fürsten steht. Ihre Strahlen durchdringen das Bild bis zu seinen Rändern.63 Zu einem Symbol komprimiert findet sich die Verbindung von Herrschaft und Sehen in der Bildmetapher des .Zepters mit Augen'. Das Motiv wurde beispielsweise in einem Stich in Arias Montanos Antwerpener Bibeledition (1569-1572) benutzt, um die pietas regia Philipps II. zu allegorisieren, aber auch in Diego de Saavedra Fajardos Emblemsammlung von 1640.64 Dominant ist bei diesen Darstellungen nicht die instrumenteile Seite herrschaftlicher Allsicht, sondern eher die Parallelisierung mit göttlicher Voraussicht, mit Providenz.63 Sucht man nach einem Amt, das diese Eigenschaften von Allsicht, schützender Voraussicht und Herrschaft vereint, so ist dies zunächst vor allem das des Bischofs der mittelalterlichen Kirche. Er ist, ganz im Sinne von Foucaults pastoralem Herrschaftsmodell, der Hirte, der mit den ihm anvertrauten Gläubigen kommuniziert, der sie visitiert und mit beständig wachsamem
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Blick vor äußeren Feinden beschützt, worauf bereits die Etymologie von episcopus verweist. Das Wort steht für den, der ,besucht', ,hinblickt', u n tersucht'. Die Bischöfe, die zum 8. Konzil von Toledo am Ende des 7. Jahrhunderts einluden, schrieben sich ausdrücklich die ,Amter der Augen' (ofßcia occulorum) zu. 66 Als weltlichen Berufsstand wird man zweitens den der Ärzte zu nennen haben. Schon bei Hippokrates wurde das genaue Beobachten und schriftliche Protokollieren als Voraussetzung des Heilerfolges betrachtet. Der Schritt von einer empirischen Praxis zur Legitimation obrigkeitlicher Wissbegier ist damit noch nicht getan. Er wurde aber durch die gemeinsame Wurzel von ärztlichem und priesterlichem Stand nahegelegt, die über die Kirchenväter dem Mittelalter präsent gehalten wurde. Im 13. Jahrhundert finden sich dann Stellen, an denen das Auftreten eines kirchlichen Visitors mit ärztlichem Beobachten und Heilen verglichen wird. 67 Obrigkeitlicher Neugierde und Intervention wurde nun die Legitimität ärztlicher Fürsorge unterlegt. Von der Scholastik bis in die Frühe Neuzeit blieb das Bild des Arztes dann Bildspender politischer Metaphorik. Es variiert die pastorale Logik von Beobachtung und Intervention und fügt sich in die gängigen organologischen Bilder des Politischen ein. 68 Drittens ist das Amt des Richters anzuführen. Der Richter ist nur dann gerecht, wenn seine Entscheidungen von Unparteilichkeit und Urteilskraft geprägt sind. Hinzutreten muss jedoch eine möglichst umfassende Kenntnis der Sachlage bzw. des Tathergangs. Dies wird zwar erst im Zuge der Aufwertung des Wahrheitsbeweises im sogenannten Inquisitionsprozess bedeutend, auf den gleich näher einzugehen sein wird, aber es führt dann zu Forderungen wie der des spanischen Juristen Antonio Gomez von 1572: Er idealisierte eine „perfecta cognitio facti, vel delicti per modos a iure diffinitos". 69 Das Bild des perfekt informierten Richters weist den Weg in ein für die Objektivitätskonstruktionen der Moderne grundlegendes Paradoxon: Um unparteiisch zu sein, muss der Richter als Person möglichst wenig lebensweltliche oder gar familiäre Kontakte mit den Parteien, deren Familien und Freunden haben. Er hat aus berufsständischen Gründen eine soziale Blindheit zu pflegen. Wie aber soll er dann über die bestmögliche Kenntnis der Umstände eines Tathergangs verfügen? Die Antwort liegt in Methoden der Aufbereitung von Information durch Dritte: Untersuchungsrichter, Zeugenverhöre, vor allem aber die Protokolle der Zeugenaussagen werden zur Basis richterlicher Kenntnis. Sie sind die Medien, die den Hiatus zwischen sozialem Abstand (Blindheit) und intimer Detailkenntnis (Einsicht) überbrücken und so die Legitimität richterlicher Urteilsfindung zu gewährleisten haben.
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Schon diese knappe Zusammenstellung von Bildern und Vorbildern allsichtiger Herrschaft hat verdeutlicht, dass es eine Reihe von Modellen gab, an denen sich die Selbstdarstellung königlicher Herrschaft orientieren konnte. Doch haben diese Modelle nichts Zwingendes: Bilder, Metaphern und Gerechtigkeitsvorstellungen guter Hirten oder Richter waren im Umlauf. Dass sie auf die Gestaltung und Selbstdarstellung politischer oder administrativer Entscheidungen ausstrahlten, ist naheliegend, aber nicht genauer bestimmbar. Ihre Relation zur Selbstdarstellung und zum Selbstverständnis des spanischen Königs bleibt schwer zu bemessen. Die folgenden Exkurse haben deshalb die Funktion, den ,Ring' enger zu ziehen, also solche Vorstellungen von Allsicht darzustellen, die man als unmittelbaren Teil der Herrschaftspflicht verstand. Dazu wird zunächst gezeigt, in welcher Weise an den Herrscher die Vorstellung herangetragen wurde, dass er ein permanenter, alles durchdringender Beobachter sein muss. Nur so konnte er seine repressiven, aber auch seine gratifikatorischen Pflichten erfüllen, erforderten doch sowohl die disziplinarische Pflicht des Strafens als auch die gratifikatorische des Belohnens — sollte es gerecht vor sich gehen - eine gleichmäßige, alle betreffende Aufmerksamkeit des Herrschers.
4. Beobachtung und Bestrafung: Inquisitorische Rechtskultur Dass sich Recht auf empirische Beobachtungen stützt, ist keine Selbstverständlichkeit. Seine Friedensfunktion ist auch dann erbracht, wenn der Streit der Parteien durch einen Urteilsspruch beendet und erfahrenes Unrecht als gesühnt erachtet wird. Der kontradiktorischen Struktur des Streits entsprechen die binären mittelalterlichen Rechtsfindungsverfahren wie Zweikampf oder Gottesurteil, (aber auch noch die heute beliebten Verfahren des gerichtlichen Vergleichs, der Schlichtung oder des plea bargaining). Sie sind auf die Auflösung des Konfliktes hin optimiert, nicht auf die Aufklärung der Hintergründe. Empirische Beobachtungen besitzen in solchen Fällen eine allenfalls subsidiäre Funktion. 70 Wann aber und in welchen Bereichen des Rechts wurde Empirie aufgewertet? Die rechtshistorische Forschung ist sich bei aller Aufmerksamkeit für Vor- und Übergangsformen darüber einig, dass dies durch die Einrichtung des Inquisitionsprozesses zu Beginn des 13. Jahrhunderts geschah. Diese Prozessform ist von den eigentlichen Instanzen der Glaubensverfolgung (mittelalterlich-päpstliche Inquisition, Spanische Inquisition, Römische Inquisition) zu unterscheiden, besitzt aber ebenfalls keinen guten Ruf: Um die Einführung neuer Prozessverfahren zu beschleunigen, begannen die Straf-
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rechtsreformer des 19. Jahrhunderts damit, die inquisitorische Prozessform als Rechtsperversion darzustellen. Dabei wurde der Zusammenhang zwischen den Machtinteressen des entstehenden Staates und dem Mittel der inquisitio betont, sodass es in der klassischen Einfiihrung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege von Eberhard Schmidt noch heute heißt: „Im Inquisitionsprozeß sieht der zum Absolutismus strebende Obrigkeitsstaat das ihm entsprechende Verfahren". 71 Für Spanien und seine Inquisition kommt eine Verdunkelungsrhetorik hinzu. Sie baut auf die Tradition französischer und protestantischer Propaganda auf und machte die Inquisition zu einer Metapher der Rückständigkeit, der Folterpraktiken und des organisierten Denunziantentums. 72 In unserem Zusammenhang ist die Inquisition weder als Prozessform noch als Instanz der Häretikerverfolgung zu bewerten, sondern lediglich zu bestimmen, ob und in welcher Weise die für Spanien ja äußerst prägenden inquisitorischen Verfahren dazu beitrugen, den Status von ,Kenntnis' oder gar vollständiger Kenntnis' aufzuwerten. Hier wird die These vertreten, dass dies durchaus der Fall ist, jedoch in indirekter Weise: Nicht die Informationssammlungen von Inquisitionsgerichten selbst, ihre Verhörprotokolle, Listen und Archive, stellen die entscheidende Innovation dar,73 sondern die sich mit inquisitionsförmigen Rechtsverfahren ausbildende neue rechtlich-politische Kultur der Beobachtung und Weitergabe von Beobachtungen an obrigkeitliche Instanzen. Inquisitionsförmige Verfahren reagierten auf das strukturelle Informationsdefizit der vormodernen Kirche, Justiz und Herrschaft. Sie animierten Laien, ihre Beobachtungen mitzuteilen und hatten dazu ein doppeltes Angebot zu etablieren: Sie boten ein offenes Ohr für Denunziationen (im Sinne von ^Anzeige') und eine starke Hand, welche die Denunziaten schützen und die Delinquenten verfolgen konnte. Der diffuse Fluss des sozialen Wissens wurde auf diese Weise mehr und mehr über die Räder amtlicher Mühlen geleitet. Er brachte dabei nicht nur Instanzen — in einem staatsbildenden Sinne — hervor, sondern auch ein spezifisches Verhältnis von Herrschaft und Wissen, bei dem nicht die Wissensinhalte entschieden, sondern die mit der Kommunikation des Wissens einhergehende, neue Formation politischer Loyalität. Rechtshistorisch wird der Inquisitionsprozess als ein von Amts wegen (Offizialmaxime) betriebenes Verfahren definiert, das auf die Ermittlung der materiellen Wahrheit zielt (Instruktionsmaxime). 74 Er entstand kurz nachdem es im ausgehenden 12. Jahrhundert zur Ausweitung kirchlicher Häretikerverfolgung gekommen war, richtete sich aber zunächst auf innerkirchliche Disziplinierung. Das neue, durch Innozenz III. im Vierten Laterankonzil (1213-15) in das Kirchenrecht aufgenommene Verfahren, musste dazu die Schwächen der bis dahin üblichen Akkusations- und Infamations-
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prozesse beheben. Bei Akkusationsverfahren hatte ein Privatkläger den Prozess bis hin zum Nachweis der Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu führen, was die Prozessführung schwierig machte und die Schwelle des Zugangs zur Justiz hoch hielt. Vor allem trug es dazu bei, dass gegen mächtige Personen — wie etwa auch gegen kirchliche Amtsträger — kaum je Anklage erhoben wurde. Bei Infamationsprozessen konnte ein Geistlicher, dessen mala famae durch eine Gruppe von Personen bezeugt war, sich durch einen Reinigungseid allzu leicht freisprechen, ohne dass es überhaupt zu einer Untersuchung kam. Er benötigte lediglich eine festgesetzte Zahl an Eidhelfern.75 In der neuen Prozessform per inquisitionem wurden nun Anklagen erleichtert und Freisprüche erschwert. Damit dies gelang, musste eine staatsanwaltsähnliche Instanz auftreten, die die Aufgabe der Strafverfolgung und des Schuldnachweises an Stelle von (potenziell schwächeren) Privatklägern übernahm. Nur so sank das Risiko des Denunzianten oder Anklägers und es wuchs die Chance, mit der Klage durchzudringen. Als Preis dafür trat eine neue Instanz der Beobachtung auf, die mit der Aufgabe durchdringender Investigation betraut und notwendigerweise obrigkeitlich stark gemacht wurde. Die entscheidende Innovation bestand also in der Schaffung einer Prozessform, die die Förderung von Laienbeobachtung und -denunziation mit einer dann selbständig weiterarbeitenden obrigkeitlichen Untersuchungsinstanz koppelte. Beide Prinzipien haben eine längere Vorgeschichte: Aufrufe zur Anzeigeerstattung, obrigkeitliche Untersuchungen und serielle Zeugenbefragungen zur Ermittlung von sozialen Wissensbeständen (über Recht, Unrecht oder rechtsrelevante empirische Tatsachen wie die Lage einer Brücke oder einer Grenze) lassen sich mit langer Kontinuität, wenngleich eher in den Randbereichen der Rechtspraxis, in der Niedergerichtsbarkeit und unter besonderen Konstellationen, wie etwa bei bischöflichen Sendgerichten, nachweisen. Selbst der Begriff der Inquisitio taucht so schon in karolingischer Zeit auf wie auch das Prinzip eines Rügeverfahrens, in dem obrigkeitlich vereidigte Gemeindegenossen als lokale Ansprechpartner dienten.76 Nicht zu vergessen, aber kaum erforscht, ist schließlich die Tatsache, dass es nicht nur im antiken Rom (denunciatores), sondern auch in den Statuten und Rechtstexten des Mittelalters immer wieder Hinweise auf Hilfsbeamte städtischer Justiz und Polizeiaufsicht gibt ( s y n d i c i , consules locorum et villarum, ministrales, officiates, jurati contratarum, massarii villarum etc.), die die Verpflichtung hatten, alle ihnen bekannt gewordenen Delikte anzuzeigen. Ihre Existenz erinnert daran, dass es zweifelsohne bereits vor der rechtstheoretischen Formulierung der Offizialmaxime eine breite, wenngleich lokal variierende Praxis obrigkeitlicher Aufmerksamkeit und Strafverfolgung gab.77
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Eine obrigkeitliche Untersuchungsinstanz war nicht zuletzt immer dann notwendig, wenn sich das Verbrechen nicht gegen einzelne Personen richtete, sondern in einer diffuseren Weise gegen die ganze Gesellschaft, die zur Verteidigung ihrer Rechte eines öffentlichen Klägers bedarf. Dies erklärt, weshalb obrigkeitliche Untersuchungen im Sinne der Offizialmaxime nicht nur etwa bei Hochverrat oder Münzdelikten, 78 sondern schließlich gerade auf dem Feld der Glaubensdelikte griff und es verdeutlicht die im Grunde immer politische, weil durch Argumente des Gemeinwohls legitimierte Stellung staatsanwaltlicher Untersuchungs- und Verfolgungsinstanzen. Interessant sind entsprechende Konstellationen in unserem Zusammenhang, weil sie verdeutlichen, wie neue Rechtspraktiken das Verhältnis von Beobachtung, Kommunikation und Herrschaft modifizierten: In inquisitionsförmigen Prozessen wurden Laien animiert, obrigkeitliche Instanzen zu informieren. Sie rückten damit in die Funktion eines Amtmannes avant la lettre ein und bezogen aus diesem Dienst nicht selten Vorteile, in jedem Fall aber durch den zu leistenden Eid eine vertikale, auf die Obrigkeit ausgerichteten Polung ihrer Loyalität. Die strukturelle Ähnlichkeit zur ja ebenfalls 1215 eingeführten Pflichtbeichte ist offensichtlich: 79 Hier wie dort wird eine vertikale Informationsweitergabe von Laienbeobachtungen an im weiteren Sinne obrigkeitliche Instanzen konstituiert: Die Beichte schult zwar wesentlich Selbst-, nicht Fremdbeobachtung, sie übt aber en passant ein Rechtsbewusstsein ein, bei dem der Einzelne seine Selbstbeobachtungen in einer Art Subsumptionstechnik Kategorien der Sündhaftigkeit zuzuordnen hat. Zudem etabliert sich auf diesem Wege jener Mechanismus einer Überführung von sozialer Aufmerksamkeit (für richtiges und falsches Verhalten) in Kommunikationsakte an ein obrigkeitliches ,Ohr', der für die inquisitorische Rechtskultur so kennzeichnend ist (und auch der heutigen Rechtsstaatlichkeit weiter unterliegt). Die Pflichtbeichte gehört deshalb ebenso wie das inquisitorische Prozessverfahren mit in das Feld jener Verfahren, die die gesellschaftliche Durchdringungstiefe von Herrschaft qua Beobachtung und Kommunikation erhöhten. 80 Die zweite entscheidende Veränderung des Inquisitionsprozesses betrifft die Art und Weise der Rechtsfindung. Wie schon angedeutet, war in den vorausgehenden Prozessformen zu klären, ob der Beklagte schuldig oder unschuldig in Bezug auf den gemachten Vorwurf war, während der Inquisitionsprozess auf die Ergründung der ,materiellen Wahrheit' abzielte, also einen Sachverhalt klärte, einen eventuellen Tathergang ermittelte und erst dann ein Strafmaß zuwies.81 Der Inquisitionsprozess war also empirischer angelegt: Nicht persönliche Schuld oder Unschuld war an erster Stelle festzustellen, sondern ,Wahrheit'. Um diese Wahrheit zu ergründen, wurde der
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Beklagte befragt, notfalls auch unter Folter, zusätzlich wurden Zeugen gehört. 82 Der Inquisitionsprozess produzierte auf diese Weise Verhörprotokolle, die nach den eigentlichen Verhören den Parteien bekannt gemacht wurden und den weiteren Prozessgang bestimmten. 83 Man kann in Bezug auf diese Verfahren vom Eindringen des Prinzips der .materiellen Wahrheit' und des nationalen Zeugenbeweises' in den Rechtsfindungsprozess sprechen. 84 Doch wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass man dazu nicht nur den Zeugen unterstellen muss, dass sie die Wahrheit sagen. Es muss auch angenommen werden, dass sich der Inquirent und der Richter tatsächlich für die .Wahrheit' interessierten. Nachweisbar ist aber nur, dass eine angemessene Homogenität der Zeugenaussagen vorliegen musste, ein durch soziale Gruppen getragener Konsens über das Wahre. Um den Richter zu .überzeugen' — das deutsche Wort zeigt diese Vorgeschichte noch an — waren nicht unumstößliche Beweise vonnöten, sondern das Aufgebot des stärkeren Zeugenbataillons. 85 Das Machtpotenzial entsprechender Prozessformen beruht auf eben dieser Ambivalenz des inquisitorischen Wahrheitsbegriffs, der zwischen einer Kategorie des sozialen Konsenses und obrigkeitlich ermittelter Faktizität oszilliert: Sie machen lokalen Gesellschaften das Angebot, subjektives Rechtsoder Unrechtsempfinden nach den Regeln eines Spiels zu objektivieren, das die Intervention obrigkeitlicher Instanzen notwendigerweise nach sich zieht. Dieses zweischneidige Schwert ersetzte die Mechanismen lokaler Rechtsund Sozialregulation, brach aber auch lokale Schweigekartelle auf, sodass es dazu beitrug, die Kommunikations- und Loyalitätsstrukturen zu vertikalisieren.86 Dass dabei Aussagen über ,Wahrheit' getroffen wurden, ist nicht bloß Fortschritt im Sinne der Rationalisierung von Rechtsfindungsmethoden, sondern eine Notwendigkeit der herrschaftlichen Durchdringung von lokalen Gesellschaften. Es musste dazu ein Drittes konstituiert werden, das jenseits der Parteien ,galt'. Dieses Dritte war damit nie bloß Wahrheit, sondern immer auch Geltung, und es ist deshalb politisch: Es absorbierte lokale Dissense und Konsense, legitimierte obrigkeitliche Intervention und konnte beides nur schaffen, indem es — und dieses Muster wird auch der spanischen Kolonialherrschaft mit unterliegen — Verfahrenswege institutionalisierte, die permanent interessegeladene Kommunikation ,νοη unten' in ostentativ interessefreie Geltungsansprüche ,νοη oben' übersetzten. 87 Die Angebote zur Laienpartizipation an obrigkeitlicher Intervention hatten Erfolg, wie man an der großen Anzeigenbereitschaft etwa bei frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen zeigen kann. 88 Das Mittel der Folter mag so fiür eine Geschichte der Wahrheitsfindungsverfahren (und für die Betroffenen) das eindrücklichste Element der Inquisitionsprozesse gewesen sein. Eine gesamtgesellschaftliche und mentalitär einschneidendere Wirkung wird aber
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die neue Leichtigkeit, ja Ermunterung zur Denunziation besessen haben. Diese trat nicht mit einem Schlag in die Welt, ganz im Gegenteil. Weil der von Innozenz III. eingeführte Inquisitionsprozess noch wesentlich auf innerkirchliche Disziplinierung abzielte, besaß er zugleich noch vergleichsweise hohe Schwellen für den Beginn einer inquisitio. So musste zuvor beispielsweise die mala fama des Angezeigten nachgewiesen werden; eine Schwelle, die erst mit der Übertragung dieser Prozessform auf die Häresieverfolgung entfiel.89 Auf diesem Gebiet ergaben sich dann neue Pflichten und Anreize. Bei Häretikerverfolgungen galt allgemeine Anzeigepflicht, wurde doch schon das bloße Schweigen als Form der Begünstigung verstanden und bestraft. Zudem fielen die Güter der Verurteilten an die untersuchenden Instanzen wovon zumindest in Ausnahmefallen auch die Denunzianten profitierten. 90 Juristisch gründete beides auf dem schon spätrömischen Analogieschluss, dass Glaubensabweichungen eine Beleidigung Christi darstellen würden und damit das crimen laesae majestatis noch überträfen. 91 Private Anzeigen waren so zwar schon im Akkusationsprozess grundlegend, aber erst im Inquisitionsprozess konnte der Anzeigeerstatter auf einen obrigkeitlichen Mechanismus zählen, der ihn schützte und die Klage in eine Untersuchung ex officio überführte. Teilweise konnte sich der Ankläger völlig anonymisieren, so etwa im Bologna des ausgehenden 13. Jahrhunderts. Dort waren Kästen aufgestellt worden, in die man Zettel einwerfen konnte, um den Richter auf zu verfolgende Straftaten aufmerksam zu machen. Ähnliches lässt sich für Venedig, Florenz, Pisa, Prato, Empoli und Arezzo nachweisen. 92 Nimmt man nicht nur die schon erwähnten, amtlich vereidigten Denunziatoren, sondern auch die reisende Gerichtsbarkeit und ihre je spezifischen Möglichkeiten der Anzeige von Fehlverhalten hin, wie sie sich auf Hoftagen, durch Sendgerichte und Visitationen ergab, 93 so wird man von einer breiten Palette entsprechender Rechtsmittel und denunziatorischen Kommunikationsformen ausgehen müssen. Etabliert hat sich der inquisitorische Prozesstyp, den kirchlichen Verfahrensmodifikationen folgend und in Anpassung an lokale Rechtstraditionen, mit regional unterschiedlicher Geschwindigkeit. Er findet sich beispielsweise schon in den Konstitutionen von Melfi, dann auch in den Siete Partidas Alfons' des Weisen von Kastilien, im Deutschen Reich aber grundlegend erst 1532 durch die Carolina, die Peinliche Gerichtsordnung Karls V.94 In Spanien konnte er auf Vorformen der Zeugenbefragung durch eine Untersuchung (pesquisa) von Amts wegen aufbauen, wie sie seit dem 11. Jahrhundert nachweisbar sind. Inquisitionsförmige Prozesse und das dazugehörige Untersuchungspersonal ipesquisidores) etablierten sich dann im 13. Jahrhundert. Während die Rechtstheorie die Prozesstypen dogmatisch unterschied,
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wurde die Strafrechtspraxis durch Mischformen zwischen dem Akkusationsund Inquisitionsprozess dominiert.95 Für Spanien ist dann die Institutionalisierung einer Spezialform der Vorgehensweise per inquisitionem prägender geworden, nämlich die von den Katholischen Königen 1478 durchgesetzte Einrichtung der Spanischen Inquisition. Es handelt sich dabei - wie bei der Päpstlichen Inquisition — um eine Instanz der Häresieverfolgung, deren Besonderheit darin besteht, dass sie den Königen unterstand und von diesen als Instrument eingesetzt wurde, um das politische Ziel einer konfessionell homogenen Gesellschaft zu verwirklichen.96 Vier Eigentümlichkeiten der Spanischen Inquisition sind im Zusammenhang mit der Frage nach dem Verhältnis von Wissen und Herrschaft hervorzuheben. Erstens begann mit der Schaffung der Inquisition in Spanien eine Politik der Präsenz.97 Schon 1493 verfugte die Spanische Inquisition über 23 lokale Tribunale und damit über eine zwar nicht flächendeckende, aber doch bemerkenswert raumgreifende Präsenz im ganzen Land.98 Das Maß an Durchdringung der Gesellschaft mit inquisitorischer Beobachtung wurde durch ein Netz an informellen Zuarbeitern gesteigert, also durch die sogenannten familiares und comisarios der Inquisition.99 Beobachtung wurde damit zu einem gewissermaßen randlosen Phänomen, bei dem die Beobachter wie auch die potenziellen Denunzianten, deren Identität geschützt blieb, nicht mehr leicht als solche erkennbar waren. Die Spanische Inquisition mündete zweitens in eine gesellschaftsdurchdringende Selbstbeobachtung, die durch eine gesteigerte Aufmerksamkeit für deviante Verhaltensformen und die Verfahrensförmigkeit der Konsequenzen getragen wurde. Bezüglich der Konsequenzen stand ein Mechanismus vor Augen, bei dem sich Anzeigen ,νοη unten' mit Verfolgung ,νοη oben' die Hand reichten, strafverfolgende Herrschaftstätigkeit sich also über die Lieferung von Information aktivieren ließ. Insofern die Inquisition Häresie verfolgte — eine im Wesentlichen also unsichtbare Devianz — stand sie vor dem Problem der Sichtbarmachung dieser Verfehlungen. Sie war damit, stärker noch als die Justiz im Allgemeinen, drittens auf Verfahren angewiesen, die die postulierten Verfehlungen .objektivierten'. In der inquisitorischen Praxis wurden so Verfahren eingeübt, die nicht nur empirische Aufmerksamkeit lehrten, etwa indem die Alltagshandlungen anderer auf das Schärfste beobachtet und auf Indizien für Häresie hin gelesen wurden. Sie exerzierten die einzelnen Stufen der Objektivierung von Beobachtungen durch, also zunächst die Verbalisierung der Beobachtung (in Denunziationen, Geständnissen), sodann deren verfahrensförmige, genaue und beglaubigte Verschriftlichung (durch Protokolle), die schließlich gewährleistete, dass die Einzelfallbeobachtungen auch Beweiskraft besaßen und zu Urteilen fuhren konnten.100 Dies ist nicht nur hervorzuheben, weil
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solche rechtsförmigen Stufen strukturell auf den induktiven Gang empirischer Beweisführung in den Wissenschaften vorausweisen: Ahnliche Objektivierungsverfahren werden uns vielmehr auch im Zusammenhang mit der Informationskultur des spanischen Kolonialreiches begegnen. Obwohl es also schwierig ist, die mentalitäre Prägung der spanischen Gesellschaft durch die Spanische Inquisition insgesamt zu beschreiben, sind doch relativ konkrete Spuren einer spezifisch inquisitorischen Rechtskultur auszumachen, verstanden als eine kulturelle Selbstverständlichkeit, mit der man über Zeugenbefragungen empirische Tatbestände ermittelte und diese durch rechts- bzw. verwaltungsförmige Schreibakte, meist vorgenommen durch vereidigte Notariatsschreiber (escribanos), objektivierte. Die Rolle des Königs blieb ambivalent. Einerseits handelte es sich bei der Spanischen Inquisition um ein durch den Monarchen kontrolliertes Instrument, auf das die Kurie kaum Zugriff hatte. Auch verstanden sich schon die Katholischen Könige bekanntlich als Wahrer des rechten Glaubens, mithin als verantwortlich für die Bestrafung, Tilgung und Abwehr häretischer Glaubensformen. Doch griffen sie damit nach traditionell kirchlichen, im Wesentlichen bischöflichen Aufgaben. Nachdem ihnen 1478 unter Sixtus IV. durch die Bulle Exigit sincerae devotionis affectus das Recht zugestanden worden war, die Spanische Inquisition einzurichten, wurde diese Seite ihrer Rechtstätigkeit jedoch nicht intensiv propagandistisch hervorgehoben. Im Sinne der übergeordneten Leitfrage dieses Kapitels ist daher viertens festzuhalten, dass die spanischen Könige zwar durch das Instrument der Spanischen Inquisition einen direkteren Zugriff auf einen ursprünglich kirchlichen Jurisdiktionsbereich erhielten, sie erwarben also neue Möglichkeiten, etwas über ihre Untertanen zu ,wissen'. Dieser Aspekt strahlte jedoch kaum in das zeitgenössische Selbstbild eines .wissenden Herrschers' hinein.101 Man hat die familiares und comisarios als Augen und Ohren des Herrschers bezeichnet.102 Dies mag gut zur kirchlich-pastoralen Rhetorik der spirituellen Fürsorge- und Aufsichtspflicht passen, überspielt aber die Frage, wer durch die Mittel der Inquisition wirklich etwas sah oder hörte. Information hatte zunächst nur eine lokale, fallbezogene Funktion, und zwar die, Verfahren auf Basis gesammelter Belastungszeugnisse — der sogenannten informaciones sumarias — zu eröffnen. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts baute die Spanische Inquisition zentrale Instanzen auf, die dann auch die Informationen aus einzelnen Prozessen zusammenzuführen begannen. So wurden die lokalen Inquisitoren um die Jahrhundertmitte verpflichtet, jährlich Zusammenfassungen der abgeurteilten Fälle an den am Hof ansässigen Inquisitionsrat zu senden. Diese Fallberichte (relaciones de causas) mussten die wichtigsten Daten der Prozesse, die Namen der Angeklagten,
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die Orte, die Zeugen, das Strafmaß usw. enthalten, sodass man in Madrid im 17. Jahrhundert bereits über Daten zu etwa 45.000 einzelnen Fällen verfügte. 103 Was nach einem für diese Zeit spektakulären Instrument der Uberwachung aussieht, wurde zeitgenössisch aber nicht dazu verwendet, den Zugriff der Krone auf den einzelnen Untertanen zu intensivieren. Es diente wesentlich der Kontrolle der lokalen Inquisitionsrichter, deren Spielraum durch ständige Berichtspflicht eng gehalten wurde. 104 Information wurde in der Zentrale also nicht gesammelt, um sie inhaltlich auszuwerten und damit beispielsweise zu einer Analyse der Häresietypen oder Häresieverteilung im Land zu gelangen. Dafür jedenfalls fehlt jeglicher Beleg. Die eigentliche Funktion der Zentralisierung von Information schien darin zu liegen, die Eigenmächtigkeiten lokalen Handelns zu begrenzen. In den amerikanischen Territorien lag die Aufgabe der Inquisition zunächst in den Händen der Bischöfe, bis 1571 eigenständige Inquisitionstribunale in Mexiko und Peru eingerichtet wurden. 105 Diese Institutionen sind für die Gesellschafts- und Religionsgeschichte Spanisch-Amerikas von enormer Bedeutung, nicht jedoch für eine übergreifende Geschichte des Zusammenhangs von Wissen und Herrschaft, da bei den geführten Prozessen hauptsächlich juristisches Einzelfallwissen anfiel, das in Madrid nicht in politischen Zusammenhängen gesammelt oder verwertet wurde. Der Blick auf die inquisitorische Rechtskultur hat verdeutlicht, dass die Verfahrensveränderungen des Spätmittelalters das Verhältnis von Wissen und Macht modifizierten. Diese Wandlung sollte nicht auf das Bild eines besser informierten Richters oder Fürsten reduziert werden, dessen Macht mit dem Maß der ihm verfügbaren Informationen wuchs. Denn die inquisitorischen Anreize zur Kommunikation von Devianz erleichterten es zwar, den eigenen Apparat wie auch Teile der Bevölkerung kontrollierbar zu halten. Sie erhöhten zudem die gesellschaftliche Durchdringungstiefe von Herrschaft. Dass das Denunziationsangebot der inquisitorischen Rechtskultur auf vergleichsweise große Akzeptanz stieß, zeigt — positiv gesprochen — dass die Obrigkeit als Instanz von Gerechtigkeit permanent mit entsprechenden Erwartungen aus der Bevölkerung adressiert wurde. Blickt man jedoch auf das auf diese Weise erzeugte Wissen, so wird man seine politische Ambivalenz nicht übersehen können: Es blieb eben immer stark durch die Interessen der Anzeigenden geprägt. Die Obrigkeiten konnten die Kommunikation lokalen Wissens nur motivieren, indem sie es zugleich aufwerteten und ihm auf diese Weise immer auch Gehör schenkten und — wenigstens zum Teil - auch politisch Folge leisteten. Ein auf lokale, teilweise auch spontane Laienbeteiligung aufbauendes Wissen mag so zwar vergleichsweise effektiv das Fehlen eines entsprechend dichten Netzes amtlicher Instanzen
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kompensiert haben, aber es tat dies um den Preis eines Wissens- und Interessenkonglomerats, das in permanenter Kommunikation zwischen ,Unten' und ,Oben' ausgehandelt wurde. Auch wenn aufwendige Verfahren darauf abzielten, Täuschungen aufzudecken, Widersprüche zu entlarven und ,Wahrheit' zu erhärten, ließen sich doch die subjektiven Interessen von den objektiven Informationen nicht mehr trennen, schlimmer noch: Sie wurden strukturell verkoppelt und in einer Weise verschmolzen, die das daraus entstehende Herrschaftswissen unauflösbar mit den Stimmen und Interessen der Beherrschten durchwob. Es ist daher für die Vormoderne nicht adäquat, von einem allwissenden, überwachenden Herrscher auszugehen. Sehr wohl aber kam es zu einer veränderten politischen Kommunikation, innerhalb derer die Obrigkeit verstärkt zum Empfänger von Information und Interessen wurde. Über dieses Angebot bündelte sie Erwartungen auf Gerechtigkeit und stabilisierte sie Funktionen der Herrschaft. Sie übte .Macht' aus, ohne aber zugleich ihre epistemische Lage optimieren zu können. Diese stark durch eine Neugestaltung der politischen Kommunikation gekennzeichnete Veränderung ließ sich anhand der inquisitorischen Rechtskultur aufzeigen. Ein gerechter Herrscher hatte aber nicht nur zu bestrafen, sondern auch zu belohnen, was ebenfalls Aufmerksamkeit und Beobachtung erforderte sowie eine adäquate Gestaltung der Chancen, mit ihm kommunizieren zu können.
5. Beobachtung und Belohnung: Verteilungsgerechtigkeit In den Variae, einer spätantiken Briefsammlung Cassiodors, versichert der Ostgotenkönig Athalarich (t 534), dass er die Verdienste derjenigen, die sich in großer Entfernung befanden, mit dem Auge seines Geistes gesehen und durchblickt habe.106 Sein Großvater Theoderich (t 526) beteuert in derselben Schrift einem gerade beförderten Beamten, dass ein Späher (speculator•) Einblick in seine Fähigkeiten genommen habe.107 Pedro Fernandez Navarrete, Sekretär unter Philipp III. und Philipp IV.,108 griff diese Stellen 1626 auf, um den Verdacht zu zerstreuen, dass man im überdehnten spanischen Reich nur dann Zugang zu den Gunsterweisungen der Krone habe, wenn man sich direkt am Hofe befände. Die Könige, so Fernandez Navarrete, hätten nicht nur lange Arme, sondern einen weiten Blick, und zwar: Um kein Atom der Verdienste und Befähigungen zu übersehen. [...] Deshalb können sich die Soldaten, die in den vereisten Mooren Flanderns wachen, diejenigen, die im entferntesten Amerika dienen, und jene, die in der Armada den Stürmen und den Feinden trotzen, sicher sein, dass alles von der wachsamen Emsigkeit der Könige erfasst wird, ohne dass [der König] es versäumt, vollständige Kenntnis {entern noticia) derje-
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nigen zu haben, die mit ihrer Gelehrsamkeit die Universitäten erleuchten und mit ihrer Tugend die Kirchen. 1 0 9
Fernandez Navarrete ging es also bei seiner Idealisierung des alles erfassenden Blickes nicht um Überwachung in einem disziplinierenden Sinn, sondern um registrierende Aufmerksamkeit. Sie hatte zu gewährleisten, dass der Hof die Leistungen und Verdienste jedes noch so entfernten Untertanen oder Soldaten kannte und dessen Hoffnung erhalten blieb, dafür entlohnt zu werden. Wichtig ist es zunächst, sich die Bedeutung dieses Phänomens für das kommunikative Setting des Hofes zu verdeutlichen. Anders als es die Metaphorik des panoptischen Auges suggeriert, lag die Initiative hier in der Peripherie. Man wollte den Hof von außen informieren', um Vorteile in Form von Gunsterweisungen (Entlohnungen, Ämtervergaben, Standeserhebungen etc.) zu erlangen. Der Hof hatte an diesen hereinströmenden Informationen kein unmittelbares Interesse, trugen sie doch fortlaufend Ansprüche auf Partizipation an Macht und Vermögen heran. Das Zentrum wollte also die Augen schließen, konnte es aber nicht, da entsprechende Gunsterweisungen den Lohn für politische Loyalität darstellten. Ihre Zurückweisung hätte die kollektive Gerechtigkeitserwartung erschüttert, die Loyalität geschwächt und die eigene Herrschaft destabilisiert.110 Was sind die Hintergründe dieser Gerechtigkeitsidee, die Fernandez Navarrete als Verteilungsgerechtigkeit (justicia distributive?) bezeichnete?111 In Anknüpfung an Aristoteles und seine Interpretation durch Thomas von Aquin meint die spanische Spätscholastik mit dem Begriff der Verteilungsgerechtigkeit die Partizipation des Einzelnen am Gemeingut, jedoch nicht im Sinne einer sozialen Gerechtigkeit, die darauf abzielt, allzu große Unterschiede auszugleichen. Es geht beinahe um das Gegenteil, also um eine die Unterschiede betonende Umverteilung. In ihrem Sinn steht etwa den Aristokraten deshalb mehr zu, da sie als verdient und tugendhaft, als personas de calidad oder de meritos, anzusehen sind.112 Anspruch aufTeilhabe erwirbt aber auch derjenige, der beispielsweise als Amtmann, Soldat oder Konquistador in herausragender Weise gedient hat. Verteilungsgerechtigkeit ist damit nicht einfach nur Legitimation ständischer Ungleichheit, sondern auch Antrieb für besondere Leistungen. Sie öffnete Chancen auf soziale Mobilität, sodass man von einer Art vormodernen .Belohnungsökonomie'113 sprechen kann, in der Loyalität gegen Gnadenerweise (Pfründe, Amter, sonstige Vergünstigungen) getauscht wurde. Diese Verteilungsgerechtigkeit war von primordialem Rang, weshalb sie die meisten Theoretiker als eine Aufgabe verstanden, die der Fürst selbst zu erfüllen hatte. Er sollte persönlich die Qualität und Verdienste jedes Einzelnen bestimmen, was praktisch unmöglich war. Der valenzianische Gelehrte
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Fadrique Furio Ceriol schlug in einem Traktat von 1559, das dem jungen Philipp II. gewidmet war, vor, einen den König beratenden ,Gnadenrat' (consejo de mercedes) damit zu beschäftigen. Diesem Rat würde dann die Aufgabe einer alles registrierenden Instanz zufallen, nämlich: Alle Verdienste und Versäumnisse aller insgesamt zu hören und zu kennen, sich gut über das Leben, die Gewohnheiten, die Tüchtigkeit und Taten jener zu informieren, die es, ohne es zu fordern, wegen ihrer seltenen und exzellenten Tugenden, verdienen. Und ganz genau [muss dieser Rat Bescheid wissen] über jene, die verlangen, dass man sie belohnt. Denn wenn es für die Schlechten Strafen gibt, so ist es nur gerecht, dass es für die Guten und Tugendhaften Preise gibt. 114
Theoretisch kann der Untertan aus seinen Tugenden oder Leistungen keinen Anspruch ableiten. Doch zeigt die Praxis, dass ihn dies keineswegs davon abhielt, den Fürsten auf Verdienste hinzuweisen und Vorschläge einzureichen, wie seine Verdienste und Leistungen (meritos y servicios) durch Gnadenerweise (mercedes) kompensiert werden könnten. Die hohe Zahl entsprechender Supplikationen, die als ,Verdienst- und Leistungsberichte' {relaciones de meritosy servicios) eine wichtige Bestandsgruppe spanischer Archive ausmachen, zeugt von der Bedeutung dieses Mechanismus. 115 Diese Berichte besitzen nicht nur einen hohen Wert als Ego-Dokumente — die Supplikanten berichten ausführlich aus ihrem Leben —, sondern erhellen den symbiotischen Vermittlungsprozess zwischen Privat- und Herrschaftsinteressen, wie er sich seit dem 13. Jahrhundert entwickelte. Das Prinzip einer Verteilung der Gnadenerweise ( r e p a r t i m i e n t o de mercedes) wurde für Kastilien bereits unter Alfons dem Weisen festgeschrieben.116 Unter den Bedingungen der transatlantischen Expansion wuchs ihm dann eine besondere Bedeutung zu, waren doch die Protagonisten der Eroberungszüge keine Vertreter des hohen Adels, also personas de calidad. Um so mehr versuchten sie, ihre Besserstellung auf Meriten zu gründen. Erst mit der wachsenden Bedeutung der Ämterkäuflichkeit im 17. Jahrhundert nehmen dann die Leistungs- und Verdienstberichte als Quellen wieder ab. Im Grunde verpflichtete diese Art von Belohnungsökonomie den Fürsten zur beständigen Beobachtung seiner Untertanen. Dies geschah nicht auf seine Initiative hin und nicht, zumindest nicht in einem direkten Sinne, zum Zwecke der Disziplinierung. Auch war eine derartige Beobachtung praktisch unmöglich, weshalb sich das System der Belohnungsökonomie de facto auf schriftliche Berichterstattung stützte. Unter diesen Umständen hatte die Krone nicht nur Kontrollmechanismen zu entwickeln, auf die noch zurückzukommen sein wird, sondern den Anschein von Verteilungsgerechtigkeit durch das Offenhalten entsprechender Kommunikationswege und Partizipationschancen aufrecht zu erhalten. Wir haben ein Phänomen
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vor Augen, das mit der organologischen Metaphorik des Staatskörpers nicht mehr gut zu beschreiben ist, denn die Zuteilung von Gnaden für Verdienste löste einen Prozess des Wettbewerbes um die Aufmerksamkeit bzw. Gunst des ,Kopfes' aus. Die einzelnen Teile des ,Körpers' traten also in Konkurrenz, man wollte gesehen werden, weil man nur so seine Chancen auf Zuteilung wahren konnte. Mehr noch: Man empfand ein Anrecht darauf, vom Souverän direkt gesehen zu werden, also auch auf unmittelbare Kommunikation. Anders als in der stabilen Gliederung der Körpermetapher (und der ständischen Gesellschaft an sich) gerieten die Teile also nicht nur in Bewegung: Sie forderten Aquidistanz zur Macht und gleichberechtigten Zugang zu ihr. Diese blieb zwar weitgehend Utopie, Kommunikation erfolgte in aller Regel über eine Vielzahl an Vermittlungsinstanzen administrativer oder sozialer Natur, die sich um den Hof herum verdichten, doch wird noch eine Reihe von Fällen anzusprechen sein, in denen sich Untertanen direkt an den König wendeten. 117 Dies geschah brieflich, vor allem aber auch persönlich: Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war der Druck der Supplikanten auf den Hof, die Zahl der in Madrid weilenden Prätendenten, so weit angewachsen, dass sich dies zu einem sozialen Problem der Hauptstadt entwickelt hatte. 118 Fernandez Navarrete fordert entsprechend: Da die Wachsamkeit der Könige verpflichtet ist, mit ihrem scharfen Blick die Leistungen und Befähigungen derjenigen zu erfassen, die sich in den entlegensten Dörfern der Monarchie befinden, kann man wohl anordnen, dass die Prätendenten nicht an den Hof kommen und bei diesem gierigen Bestreben ihr Vermögen aufzehren. 119
Festzuhalten bleibt, dass in der Theorie der Verteilungsgerechtigkeit obrigkeitliche Beobachtung als Idealfall gerechter Herrschaft präsentiert wurde, als Voraussetzung für die lückenlose Einsicht in die Leistungen und Loyalitäten der Untertanen und für deren adäquate Belohnung. In der Praxis besaß die Krone hingegen weder ein Interesse noch die Möglichkeiten, eine derart umfassende Beobachtung zu gewährleisten. Belohnungsökonomie stütze sich deshalb de facto auf die £o«0w-«/>-Kommunikation, auf die Zusendung von Selbstbeschreibungen der Prätendenten. In der Praxis stütze sich die herrschaftliche Gerechtigkeit deshalb auch in diesem Fall nicht auf ,Allsicht', sondern auf kommunikative Offenheit, also auf die Gewährleistung von Chancen, die eigenen Interessen dem Hof mitteilen zu können. Wo auch diese Chancen schwanden, brach das Ideal eines sehenden, lesenden, zuhörenden (und deshalb gerechten) Königs zusammen und entspann sich ein kritischer Diskurs über die ,Blindheit' des Königs.
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6. Die Blindheit des Königs und die Korridore der Macht Bei Jeronimo de Mendieta heißt es vergleichsweise behutsam: Der König sei klug, aber blind, da er nur durch die Augen derer sehe, die ihm die Welt beschreiben. 120 Der spanische Spätscholastiker Juan de Mariana drückte es schonungsloser aus: Welche Blindheit, welche Unkenntnis des Fürsten, der eingesperrt in seinen Palast wie in einer Höhle, die Einzelheiten nicht mit eigenen Augen betrachten kann? Und der Mangel an Wahrheit ist bei Fürsten groß. Wer sollte unter dem ständigen Applaus der Höflinge die Wahrheit erkennen, unter den Lügen und Betrügereien der Diener, die alles ihren persönlichen Interessen anpassen? [...] Wer aber möchte einen Mann ohne Licht, ohne Ohren und Augen an die Spitze des Staates stellen?121
Mariana inserierte diese Kritik in einem theoretischen Vergleich der Staatsformen, entschärfte ihn durch Fragesätze und Konjunktive, doch kann man ihn durchaus als Kommentar zur aktuellen Lage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (1599) lesen: Im Vorjahr hatte Philipp III. den Thron bestiegen und dabei zugleich offiziell angekündigt, fortan einen Günstling (privado) zu haben. Francisco Gomez de Sandoval y Rojas, der Herzog von Lerma, sollte bis 1618 weitgehend die politischen Geschäfte kontrollieren. Ihm folgte zunächst sein Sohn, der Herzog von Uceda, in ähnlicher Position, bevor unter dem neuen König Philipp IV. von 1622 bis 1643 Gaspar de Guzmän y Pimentel, der Graf von Olivares und Herzog von Sanliicar la Mayor, die politischen Geschäfte führte. Die Erfahrung permanenter Günstlingsherrschaft hatte sich in einen anonymen, fürstenspiegelartigen Traktat aus der beginnenden Regierungszeit Philipps IV. bereits eingeschrieben und begann das Bild des Königs und seiner Wahrnehmungschancen zu bestimmen: So leiden also die Fürsten an jenem Geschwür, dass sie sehr selten an die Wahrheit geraten, und ihnen stets die Lüge assistiert, sodass sie niemals aufhören blind zu sein, taub, konfus und betrübt. Denn sie bedienen sich fremder Augen, Zungen und Ohren. 122
Entsprechende ,Blindheitsdiskurse' spiegeln nicht bloß die politischen Umstände wider. Sie lassen sich auch als höchst aussagekräftige Indikatoren für das zeitgenössisch Denkbare lesen, zumal sie nicht nur Szenarien der mangelnden Wahrnehmung und Kommunikation des Zentrums entwerfen, sondern auch denkbare Varianten der höfischen Kommunikations- und Wahrnehmungssituation präsentieren, also Wege aufzeigen, wie dem Missstand abzuhelfen wäre. Es ist deshalb sinnvoll, sich einen Uberblick über diese Blindheitsdiskurse und ihre Schattierungen zu verschaffen. Beginnen wir mit einem Strukturproblem zentralistisch organisierter Herrschaft, nämlich einer Art ,Uberlastungsblindheit', bei der der Herrscher zwar theoretisch alles sehen kann, aber in Anbetracht der Menge der herein-
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strömenden Informationen und der Fülle anstehender Entscheidungen überfordert ist. W i e soll er noch alles im Detail wissen und zugleich den Überblick bewahren, wie die Namen und Daten parat haben und permanent deren Relevanz abschätzen? „Einer alleine", schrieb Domingo de Soto, der dominikanische Beichtvater Karls V., in einer theoretischen Widerlegung der Universalmonarchie, „kann nicht alles wissen, verbessern, berichtigen und anordnen. Auch kann er beim besten Willen nicht in kurzer Zeit alle Gesandten aus allen Weltteilen empfangen." 123 Dieses auf die Grenzen menschlicher Verarbeitungskapazitäten zielende Argument, konnte durch Verweise auf quasi-göttliche Qualitäten der Monarchen oder auch auf die ,zwei Körper des Königs' ausgehebelt werden. 124 Gerne wurde dazu auf Kaiser Tiberius hingewiesen, der in den Annalen des Tacitus die Probleme der Regierung eines riesigen Reiches zwar zugesteht, aber auch die Ausnahme definiert: Nur der Verstand des göttlichen Augustus sei einer solchen Last gewachsen gewesen. 125 Göttlicher Beistand fehlte dagegen offensichtlich den Päpsten des Hochmittelalters, wenigstens für das Alltagsgeschäft politischer Kommunikation, denn im zwölften Jahrhundert, also im Zuge des Zentralisierungsprozesses der Kirche, häuften sich ihre Klagen über kontinuierliche Uberbeschäftigung (occupatio nimia).126 Das Drängen der Bittsteller zwinge sie dazu, wider Willen Gnadenerweise zu erteilen und in die Privilegien das hineinzuschreiben, was ihnen vorgetragen wurde. Gregor VIII. klagte 1187, er könne das G e schrei und Gemurre' derjenigen, die von überall herbeikämen, nicht länger aushalten. Sie würden ihn nötigen, sich mit lauter Kleinigkeiten zu beschäftigen und die Zeit für Bedeutenderes rauben. 127 Ahnliche Überlastungseffekte werden im Spanien der Frühen Neuzeit beklagt. Selbst Gott, so Fernandez Navarrete, habe sich aus Zeitmangel der Engel bedient, weshalb auch Könige mit engelsgleichem Geist nicht zögern sollten, ihre Ratsgremien zu nützen. 128 Würde nur ein einzelner Minister als Ratgeber und Ansprechpartner zur Verfügung stehen - so der typische Seitenhieb auf die Günstlingsherrschaft —, dann käme es zu einem gefahrlichen Engpass des Wahrnehmens und des Weiterverarbeitens von Informationen: Wenn man versuchen würde, alles Wasser des Ozeans dieser immensen Monarchie durch eine einzige Leitung zu führen, würde diese unvermeidlich bersten oder sich der Strom verlangsamen. Es würde die Gesundheit des Ministers beschädigen und die Bearbeitung der Geschäfte verzögern. 129
Das Zitat zeigt, wie die Überlastungsproblematik klassischerweise aufgehoben wurde, nämlich durch die Vorstellung, dass dem einzelnen Kopf des Königs ein Apparat assistiert. Diesem Apparat gehören die besten Köpfe des Landes an, die Ratsherren, aber auch weitere Amtsträger auf allen Ebenen.
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Durch ihn werden die Informations- und Kommunikationsflüsse gefiltert, kanalisiert und dem König zugeleitet, der dann im Idealfall nur noch die ,reine' Entscheidung zu treffen hat. Die Beschränktheit des einzelnen Menschen verlangt also nach der Bildung politischer Ratsgremien und administrativer Institutionen, wozu es schon in den Siete Partidas heißt: Weil er [der König] weder alleine sehen könnte, noch die Dinge erledigen, ist er zwangsweise auf die Hilfe anderer angewiesen, auf die er vertraut, die an seiner statt das vollziehen, was er für sich allein nicht machen könnte, indem sie die Macht gebrauchen, die er ihnen verliehen hat. 130
In diesem Text Alfons des Weisen werden drei Elemente aufeinander bezogen: Aus dem Wahrnehmungsproblem des Königs {no ver) leitet er die Notwendigkeit ab, Teile der Macht Dritten zu überlassen (usar poder). Das entscheidende Bindemittel ist Vertrauen (fiarse). Dies ist bei Alfons institutionell gemeint, als Grund für die Einbeziehung von Ratgebern. Vergleichbares wird in politischen Traktaten des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit andauernd wiederholt, um die Grenzen königlicher Macht aufzuzeigen und die Einbeziehung von Ratgebern, also die Machtpartizipation von Eliten, anzumahnen. 131 Doch interessieren hier zunächst weder die Institutionen des Königshofes noch deren Legitimation, sondern die in Schriften über ihre Legitimität und Notwendigkeit mitgeführte Reflexion über den Zusammenhang zwischen Wahrnehmungs- und Kommunikationsfunktionen auf der einen Seite, Macht und Machtpartizipation auf der anderen. Sie verhandeln en passant die kommunikative Struktur von Verwaltung und Hof, besprechen das notwendige Maß ihrer Durchlässigkeit und identifizieren einen inneren Kreis an Königsnahen, die den Herrscher perfekt beraten sollen, aber auch vollständig abschirmen können. Der Diskurs ist entsprechend ambivalent: Er betont zwar immer die Vermittlungsfunktion einzelner Instanzen, die dann als eine Art Erweiterung' des Königs und seiner Reichweite idealisiert, aber auch kritisiert werden konnte, je nachdem, ob man das Gelingen der Entlastung des Zentrums in den Vordergrund stellt oder die Rückseite des gleichen Phänomens: den Verlust an Selbstständigkeit des Monarchen, an unmittelbarer Wahrnehmung und den wachsenden Einfluss der vielen Vermittler. Beginnt man mit der Peripherie, den Amtsträgern vor Ort, so fällt auf, wie alt die Vorstellung ist, diese Amtleute als eine Art Prothese der Wahrnehmungs- und Exekutionsorgane des natürlichen Körpers des Königs zu verstehen, die ihm ermöglicht, überall in seinem Reich zu agieren und zu perzipieren. Schon im ägyptischen und assyrischen Reich wurden Amtleute als Augen' und ,Ohren' bezeichnet.132 Die frühneuzeitlichen Autoren weisen ausdrücklich auf diese Vorbilder hin, auch auf die schon zitierte Aristo-
Allsicht u n d Blindheit des Herrschers
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teles-Stelle, und begrüßen entsprechende Szenarien eines durch Amtleute vermittelten Fern-Hörens und Fern-Sehens des Herrschers als Zeichen effektiver Machtausübung. Kognitive Amtsbezeichnungen sind aber vor allem durch das unmittelbare Vorbild der Papstkirche geläufig. Die Rota, also der päpstliche Gerichtshof, bildete sich aus dem Institut der audientia litterarum contradictarum oder auch audientia publica heraus, wörtlich genommen also aus der .Anhörung der Gegenschriften' oder dem .öffentlichen Gehör'.133 Zudem gab es dort, wie auch in anderen Bereichen der kurialen Verwaltung, auditores (,Hörer'), welche u.a. die Anhörung der Betroffenen durchzuführen hatten.134 Auch die Kardinäle wurden schließlich im 16. Jahrhundert als,Augen und Ohren des heiligen Hauptes" bezeichnet.135 In Anlehnung an das kuriale Vorbild kannte Spanien als höchste Gerichtshöfe die audiencias, als deren Richter den oidor.13eatu),v d t a j u ? parte i o a . y en que tiempot d c l a i t o .
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(d Λ /©MCU. Archives Estatafes Abb. 17: Beispiel einer Consulta, 9. Sept. 1578, AGI, Indif. 739, n. 108
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macht, so groß ist, dass man damit einen größeren Schaden anrichtet als wenn man gar nicht antworten würde. O f t wage man es nicht, die Verfügungen seiner Majestät vorzuzeigen oder auszuführen. Es wäre Seiner Majestät damit gedient, all das, was man nicht zufriedenstellend verstanden hat, dorthin zurückzuschicken oder hierzulande unbeachtet zu belassen. Dies wäre ein geringerer Schaden. 1 7 8
Abgesehen davon, dass dieser Bericht erneut die grundsätzliche Problematik der Adäquanz und Durchsetzbarkeit von Entscheidungen beleuchtet, die in der Zentrale getroffen wurden und in Amerika Geltung beanspruchten, lässt sich an ihm der Spielraum aufzeigen, über den der Rat und die referierenden Sekretäre oder Consejeros verfügten. Was also tat der Rat, um diese Klage, die sich nicht zuletzt gegen seine eigene Arbeit richtete, zu entschärfen? Er manipulierte nicht den Inhalt des Vortrages, sehr wohl aber den Rahmen der Vortragssituation: Zum einen kam der ungenannte Agent des Vizekönigs nicht mit seinem Vorhaben durch, die Klagen dem König persönlich vorzutragen. Zum anderen wurden die Vorwürfe des Vizekönigs nicht alleine vorgetragen, sondern mit einem anderen Bericht kombiniert, den man zuerst präsentierte. Gelegenheit dazu gab ein Schreiben, das Mateo Vazquez aus Sevilla erhalten hatte. Der Consejero des Indienrates Benito Lopez de Gamboa führte zu dieser Zeit eine Visitation der Casa de la Contratacion durch und hatte sich in Sevilla mit einer Reihe von Passagieren unterhalten, die gerade mit der Flotte angekommen waren. Darüber hatte er Mateo Vazquez Folgendes berichtet:179 In Gesprächen mit diesen und anderen Passagieren konnte ich eine allgemeine Meinung erschließen, nämlich dass der Vizekönig [Francisco de Toledo] bei fast allen Menschen dieser Provinzen nicht wohl gelitten ist, und dass sie darüber erzürnt sind, wie wenig und schlecht er ihnen Audienz gewährt. 1 8 0
Gamboa ging soweit, die Ersetzung des peruanischen Vizekönigs durch einen neuen vorzuschlagen, wofür ihm insbesondere der amtierende Vizekönig Neuspaniens, Martin Enriquez de Almansa, geeignet erschien.181 Indem also zunächst der Vortrag über die Empfehlung zur Absetzung des Vizekönigs wegen der Unzufriedenheit im Lande erfolgte und dann erst die Klage des Vizekönigs referiert wurde, war die Klage situativ entwertet worden. Der Indienrat unterdrückte also keineswegs den Bericht, kombinierte ihn aber geschickt mit einem zweiten, sodass er an Plausibilität und Durchschlagskraft verlor. Das Hörensagen der Passagiere, die opinion comün der Indianos, wurde erfolgreich gegen den Vortrag des Agenten des Vizekönigs gesetzt. Entsprechende Möglichkeiten eines Mikro-Managements von Informationen, ihrer Aufbereitung und Ubersetzung in Gesprächssituationen zeigen, wie schwierig es ist, von einzelnen papierenen Dokumenten auf deren Wirkung in der konkreten Konsultation des Königs zu schließen. Sie wurden nicht nur vom Schriftlichen ins Mündliche übertragen, sondern in eine spezifische Situation überführt und performativ
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verwandelt. Explizite ,Regieanweisungen' stehen dabei nur in Ausnahmefällen am Rande, doch dürften den vortragenden Sekretären und Räten ihre Rollenmuster und Einflussmöglichkeiten ohnehin geläufig gewesen sein. Es ist unangemessen, entsprechende Versuche lediglich als Manipulation zu begreifen, gehört doch die Wertung und Kommentierung von Nachrichten und Informationen, wie auf der Ebene der zeitgenössischen Sekretariats- und Ratslehren bereits deutlich wurde, zu den Aufgaben der Königsnahen. Dies wurde von Seiten des Königs auch erwartet und eingefordert, und zwar aus ganz verschiedenen Gründen. Bewertungen und Kontextualisierungen konnten den Mangel der persönlichen Kenntnis beheben wie auch das Fehlen von eigenen Entscheidungskriterien: Als Philipp II. 1579 Consultas des Indienrates erhalten hatte, ließ er Mateo Vazquez beispielsweise eine Notiz zukommen: Diese consultas de Indios werde ich ansehen, sobald es möglich ist, und es wäre - um Zeit zu sparen — gut, die Meinung von [Benito Lopez de] Gamboa über sie zu kennen. 182
Die intelligente Hülle' des Herrschers musste Information eben nicht nur weiterleiten, sondern auch auswählen, gruppieren, bewerten und in Vorschläge verwandeln. Sie produzierte beständig .Bilder' der Lage, deren Qualität nicht in einer gewissermaßen vollständigen Transparenz des Geschehens und der Motive - also in, wenn man so will, entera noticia — bestand, sondern darin, Kontingentes an die Schwelle der Dezision zu führen. Die dazu notwendige Bricolage aus Information und Interessen produzierte komfortable Suggestionen, denen zu widersprechen einen hohen Aufwand erforderte. In einem Diskurs darüber, was der Herrscher wissen muss, aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wird dem König so zwar empfohlen, gelegentlich aus den bereitgestellten Trichtern der Entscheidung auszubrechen, doch nur, um den Consejeros das Feld der Entscheidungsfindung nicht ganz zu überlassen. Diskutiert wurde dabei, wie der König mit Vorschlagslisten für Amterbesetzungen umzugehen hatte: Wenn Seine Majestät immer diejenigen auswählen würde, die an erster Stelle genannt werden, so würde er damit den Consejos zu verstehen geben, dass sie die Herren sind und dass sie die Consultas entscheiden und dass sie die Stellen an diejenigen vergeben können, die sie wollen [...] und daher wäre es gut, manchmal Personen zu ernennen, die in den Consultas nicht genannt werden, mit denen aber seine Majestät äußerst zufrieden ist.183
Indem die Consejeros permanent assistierten, wirkten sie an dem Geschäft der Moderation jener Interessen mit, die sich fortwährend an den Herrscher und sein Umfeld richteten. Man muss sich verdeutlichen, dass das Maß ihrer eigenen Macht wuchs, wenn ihnen der Herrscher in hohem Maße vertraute und zugleich dessen eigene und unmittelbare Kenntnis abnahm, denn dann ließ sich das patronagepolitisch so wichtige Geschäft der Ämter- und Privilegienvergabe besser steuern. Erneut ist damit jener strukturelle Ziel-
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konflikt erkennbar, der die Korridore der Macht kennzeichnet, nämlich dass die Ratgeber, Experten und Mittler, die den König umgeben, ihn stets auch ein Stück weit zu blenden haben, sei es aus pragmatischen Gründen, also um Entscheidungen vorzubereiten und zu erleichtern, sei es, um ihr eigenes Standing als Vermittler von Interessen verbessern zu können. Nicht zuletzt verfügte man mit dem Mittel der Junta über ein adäquates politisches Verfahren der Einbeziehung und Moderation von Interessen in den Entscheidungsfindungsprozess. Einen seltenen Einblick in entsprechende Abstimmungsprozesse bietet die Consulta vom 9. September 1590.184 Juan de Ibarra, der ausfertigende Sekretär, hatte zur Besprechung im El Escorial ein vierspaltiges Dokument mitgebracht, das die verschiedenen Positionen eines gestaffelten Verfahrens synoptisch zusammenfasst und so die Chance bietet, einen längeren Abstimmungsprozess zu erschließen. Dabei werden nicht nur die verschiedenen Stufen der Mündlichkeit und Schriftlichkeit erkennbar, sondern auch der weite Kreis der an diesem Fall von Interessenmoderation Beteiligten. Den Hintergrund bildet die Einrichtung der sogenannten Armada de la Guardia de la Carrera de Indias, also eines militärischen Begleitschutzes der Transatlantikflotte. Sie hatte sich aus der lediglich an den Küsten, später bis zu den Kanarischen Inseln fahrenden andalusischen Begleitflotte herausgebildet und begann 1567 erstmals die Atlantikpassage zu schützen. Eine solche Einrichtung war verständlicherweise sowohl im Interesse der Krone als auch in dem der Händler Sevillas, doch war es bereits 1572 zu einem ersten großen Skandal gekommen. Der Kommandant der Begleitflotte, Pedro Menendez de Aviles, nützte den Laderaum der bewaffneten Galeonen, um auf dem Hinweg Lebensmittel und Wein am Zoll vorbei nach Amerika zu exportieren und auf dem Rückweg nicht minder lukrative Geschäfte zu betreiben. Die Position des Händlerkonsulates (Universidad bzw. Consulado de Mercaderes) war gespalten: Einerseits fuhr damit buchstäblich eine Konkurrenzflotte mit, die unbesteuert blieb und geringere Kosten hatte. Auch der Indienrat forderte Konsequenzen und bat die Casa um Amtshilfe bei der Herausgabe der Ladepapiere und Rechnungen. Das aber ging den Händlern zu weit, sodass man andererseits aus grundsätzlichen Erwägungen eine Politik des Schutzes der Handelsinteressen und der eigenständigen Jurisdiktion verfolgte. Die Casa verhielt sich passiv, da Menendez de Aviles gut mit den wichtigsten Familien Sevillas vernetzt war.185 Der politische Ordnungsanspruch des Rates konnte das Sevillaner Netzwerk deshalb nicht durchstoßen, doch zurück zur Consulta im El Escorial. Zum Zeitpunkt der Consulta von 1590 stehen wir vor einer gewandelten Situation. 1583 war eine höfische Junta eingerichtet worden, die sich mit den Angelegenheiten der Begleitflotte zu beschäftigen hatte. Da sie aufgrund einer Petition des Gouverneurs von Puerto Rico entstanden war, der Hilfe gegen
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Abb. 18: Ausschnitt aus der Consulta vom 9. Okt. 1590, IVDJ, envio 23, doc. 523.
Korsarenangriffe erbat, wurde sie als Junta de Puerto Rico bezeichnet.186 Den konkreten Anstoß zu einer Konsultation des Königs gab dann der Vorschlag zu einer Erneuerung der Begleitflotte, der aus Sevilla gekommen war. Dort hatte der ohnehin allgegenwärtige Indienratssekretär Juan de Ibarra mit der Leitung des Händlerkonsulats {priory consules) und in Gegenwart der Richter der Casa verhandelt. Auch lag ein konkretes Angebot zum Schiffbau durch Juan de Uribe Apallua vor, das dieser ebenfalls Ibarra übergeben hatte. Man hielt zehn Galeonen, zwei sogenannte Patachen (kleinere Kriegsschiffe) und vier Landekähne (lanchas) mit insgesamt 3.000 Mann Besatzung für angemessen.187 Als Philipp II. im April 1590 eine erste Consulta von eben jenem Sekretär Juan de Ibarra vorgelegt wurde, der in Sevilla verhandelt hatte, war seine Antwort zögernd: „Es wäre gut, dies sorgfältig im Rat zu betrachten, und mir Bescheid zu geben, was man meint".188 Damit war der Startschuss fur den gestreckten Aushandlungsprozess gegeben, der sich in dem oben abgebildeten Dokument graphisch niederschlägt: In der ersten Spalte ist das Ergebnis der
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Sevillaner Besprechung festgehalten, in der zweiten die Stellungnahme des Indienrates und ein erster Kommentar des Königs auf diese Stellungnahme. Anschließend wurden drei weitere Positionen aufgenommen, die untereinander in der dritten Spalte verzeichnet sind, und zwar erneut vom Sevillaner Händlerkonsulat, sodann von der am Hof tagenden Junta de Puerto Rico und einer weiteren, vermutlich Anfang Oktober 1590 im El Escorial tagenden, ad hoc eingerichteten Junta de acd.m Der Präsident des Indienrates hatte dem König im Vorfeld geraten, sich nach weiteren Personen umzusehen, die man zur Beratung hinzuziehen könne. Er selbst werde das Gleiche tun.190 Entscheidend ist hier nicht der Inhalt der Verhandlungen - das Händlerkonsulat bestand beispielsweise darauf, dass die Papiere oder Bücher eines Händlers des Konsulates niemals beschlagnahmt werden durften —, sondern das sich darin abzeichnende Verfahren politischer Entscheidungsfindungen. Zwei gegenläufige Tendenzen sind erkennbar. Zum einen wurde ein immer weiterer Kreise an Interessierten mit einbezogen, was in diesem Fall sachlich zweifelsohne angemessen und strukturell insofern bereits angebahnt war, als etwa das Händlerkonsulat eine korporative Interessenvertretung darstellte. Erst nach der Anhörung aller und der erfolgten Moderation der Interessen — der Indienrat war beispielsweise gegen das Beschlagnahmungsverbot der Bücher und Papiere, konnte sich aber eine vorübergehende Regelung vorstellen, der der König schließlich auch zustimmte - , wurde dann zum anderen der politische Prozess wiederum auf ein Ergebnis hin zugespitzt, auf die Dezision des Königs. Diese aber bestand in 35 der 36 zu besprechenden Punkte in einem schlichten ast, was den Schluss zulässt, dass der überwiegende Teil der Entscheidungen bereits im Vorfeld getroffen worden war, oder doch, dass diese soweit konsensual vorbereitet wurden, dass sich der König ihnen nicht mehr entziehen konnte. Obgleich das Ausmaß an Interessenabgleich in diesem Fall ungewöhnlich hoch sein mag, ist doch das Bild des zurückgezogenen Königs und seiner einsamen Entscheidungen im El Escorial zu korrigieren. Wie aber sahen die kommunikativen und epistemischen Bedingungen am Hof aus? Abschließend sollen erneut der Indienrat und sein Personal in den Mittelpunkt gestellt werden, weil davon auszugehen ist, dass auch das Wissen der Consejeros und Sekretäre des Indienrates nicht einfach das Ergebnis intensiver Lektürearbeiten gewesen war, sondern seinerseits stark durch soziale Einbindungen und konkrete Verhandlungen mit den Interessierten geprägt wurde. Sicherlich wird man hier fall- und phasenweise differenzieren müssen. Doch ist daran zu erinnern, dass nicht nur die zeitgenössischen Theorietraktate den Consejero als einen Mittler darstellten, zu dessen zentraler Aufgabe es gehörte, Negotianten zuzuhören. Auch die Instruktionen des Indienrates von 1571 sahen diese Rolle des Consejeros explizit vor:
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Die [Consejeros] des Indienrates haben sich an den Tagen und Stunden, in denen sie sich nicht im Rat befinden, in ihren Wohnungen aufzuhalten, und dort den Negotianten eine einfache und angenehme Audienz zu gewähren, damit diese sie über ihre Geschäfte und Klagen informieren k ö n n e n . " 1
Wie aus diesem Paragraphen erkennbar ist, wurden entsprechende Audienzen als Teil der dienstlichen Pflichten verstanden, nicht als deren Umgehung. Eine zweite Bestimmung schärft die Grenze der Zugänglichkeit ein: Die [Consejeros] des Indienrates lassen sich von den Negotianten und Prozessfuhrenden weder begleiten noch einen Dienst erweisen, es sei denn, auf dem Hin- oder Rückweg zum Rat, um ihnen eine Gelegenheit zu bieten, sie über ihre Geschäfte zu informieren. Nicht zu erlauben ist, dass die Negotianten ihre Frauen begleiten. 192
Solche Verfahren der Privatkonsultation, des permanenten Druckes auf die Wohnungen, Arbeitswege und nicht zuletzt auf die Frauen der Consejeros stellten, wie aus anderen Quellen deutlich hervorgeht, durchaus gebräuchliche Modi der kolonialpolitischen Kommunikation dar, ja sie kennzeichnen das Setting der imperialen Residenzstadt Madrid. Den Consejeros begegneten agentes und pleiteantes, also politische und prozessparteiliche Interessenvertreter, immer aber auch Prätendenten, die sich um Amter und Pfründen bewarben. Ovando begründete die schon angesprochene Maßnahme, dem Indienratspräsidenten das Recht der Amterbesetzung vorzubehalten, ausdrücklich mit den sozialen Konsequenzen, die eine Einbeziehung aller Ratsherren in dieses Geschäft: besaß: Haben die Consejeros ein Votum, so gibt es viele Unannehmlichkeiten, Fürsprachen und Negotianten, vor allem wenn sie verheiratet sind, wegen der Mittel und Wege, die die Bittsteller, zu allergrößter Belästigung, suchen. 1 9 3
Auch würden die Consejeros und ihre Frauen ansonsten den Hauptteil der Ämtervergaben zugunsten ihrer Familie und ihrer Freunde vornehmen, was Anlass zu dem Verdacht einer zu geringen .Sauberkeit' gäbe. 194 Obwohl also die kommunikative Offenheit der Consejeros gegenüber Petenten und Agenten ein Einfallstor für Bestechungsversuche darstellte, ließ sie sich nicht abstellen. Sie gewährleistete jene kommunikative Durchlässigkeit des H o fes gegenüber den Anliegen von Untertanen, die das System insgesamt legitimierte. Dass dies auf leichte und angenehme Weise, in Form einer fdcil y grata audiencia, geschehen sollte, zeigt, dass die Audienzen der Consejeros als Teil obrigkeitlicher Responsivität begriffen wurde, bei der es eben immer auch u m die Geste des Zuhörens ging. 1 9 5 Ein entsprechendes Verhalten wurde von Seiten der Indianos und Agenten auch erwartet, wie das Beispiel des Bartolome Vazquez verdeutlicht. Als er im Zuge der Visitation des Indienrates durch Ovando über seine Erfah-
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rungen mit dem Indienrat befragt wurde, äußerte er sich besonders kritisch über den scheidenden Präsidenten des Rates, Francisco Tello de Sandoval. Vazquez stammte aus Nata im heutigen Panama, hielt sich zum Zeitpunkt der Befragung seit zehn Monaten am H o f auf und berichtete darüber im August 1567 dem Visitator Ovando: 1 9 6 Als ich an diesen H o f kam, ging ich gleich zum Herrn Präsidenten, Tello de Sandoval, ihm die Hände zu küssen, [...] und ich war gut im Geschäft [...] aber dann vergingen sechs Monate in denen er mich immer [wieder] fragte, wer ich bin und was ich zu erbitten gedenke. Und als ich vielen Leuten erzählte, wie schlecht er dies mit mir machte, fand ich heraus, dass alle über ihn klagten und wünschten, dass er nicht mehr im Rat sei. 197
Das Anliegen des Bartolome Vazquez war Verteilungsgerechtigkeit. Er war der Sohn des Gouverneurs und Konquistadors Francisco Vazquez, dessen sieben Kinder bereits 1562 von der Krone auf schriftlichem Weg eine Kompensation für die Ausgaben und Leistungen des Vaters erbeten hatten. Dessen Leistungen seien, wie es damals hieß, Seiner Majestät und dem Indienrat „bekannt und offenkundig", 198 doch musste Bartolome erst nach Spanien reisen, um die familiären Interessen persönlich am Hof zu vertreten. Umso schwerer dürfte ihn die mangelnde Responsivität des Indienratspräsidenten getroffen haben, der jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits sehr alt und offenkundig nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte war. So berichtete auch ein weiterer Zeuge von den „großen Beschwerden der Negotianten" und dass sein Stellvertreter, der dienstälteste Consejero, in einer Sitzung mehr bewege als der Präsident in zwei Monaten: U n d so sprach man [über den Präsidenten] öffentlich im H o f des Palastes, und wenn der genannte Präsident kam, verschwendeten sie ihr Wasser auf der Mühle und er wirbelte viel Staub auf, ohne dass irgendetwas erledigt wurde. 1 9 9
Auch Juan Lopez de Velasco war im Zuge der Befragungen Ovandos vernommen worden. Er ging dabei intensiv auf das Problem eines möglichst professionellen Umgangs des Rates mit dem Bedürfnis an Audienzen und Zugangsmöglichkeiten für Petenten ein. Seine Erfahrungen hatte er als Sekretär des Indienratspräsidenten Tello de Sandoval gemacht, in dessen Haus er den Umgang mit Negotianten beobachtet hatte, sowie dann im jahrelangen Umgang mit den Consejeros im Rat. Dabei war er zu der Überzeugung gelangt, dass es gut wäre, nicht nur für die Besuche im Rat bestimmte Stunden auszuweisen, sondern auch für die Privataudienzen in den Häusern der Consejeros. 200 Lopez de Velasco schlug also vor, den Parteienverkehr in den Häusern der Consejeros zu professionalisieren. Er sollte zur Entlastung der Consejeros zeitlich begrenzt und zur größeren Zufriedenheit der Negotianten situativ anders gestaltet werden. Die Stunden seien dazu auf folgende Weise auszuwählen:
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S o l c h e [ S t u n d e n ] , in d e n e n es w e d e r e i n e n P f ö r t n e r n o c h einen P a g e n gibt, d e r d e n E i n g a n g verteidigt, u n d der w e d e r e i n e n S t u h l reicht n o c h e i n e n [weiteren] B e s u c h zulässt [...]. M a n w ü r d e o h n e b e s o n d e r e E r l a u b n i s eintreten [...] u n d d a n n s t e h e n d e n F u ß e s , o h n e A b s c h w e i f u n g e n d a s s a g e n , w a s d a s G e s c h ä f t betrifft. D a n n w ü r d e m a n g e h e n u n d ein a n d e r e r eintreten. 2 0 1
Auf diese Weise ließe sich eine größere Menge an Geschäften in kürzerer Zeit erledigen. Pförtner und Pagen wollte Lopez de Velasco offensichtlich aus guten Gründen ganz aus den Audienzsituationen heraushalten. Er beschrieb das Problem auf folgende Weise: [ M a n w ü r d e ] s o m i t größerer G e h e i m h a l t u n g v e r h a n d e l n , w e n n w e d e r P a g e n n o c h a n d e r e B e s u c h e r a n w e s e n d w ä r e n , d i e es d e n N e g o t i a n t e n u n m ö g l i c h m a c h e n , f r e i w e g d a s z u s a g e n , w a s sie s a g e n w o l l e n . A n s o n s t e n w ü r d e n d i e F r e u n d s c h a f t e n u n d G e s c h ä f t e d u r c h Pförtner, P a g e n u n d D i e n e r [anderer] H e r r e n b e l a u s c h t , d i e o f t m a l s , u m sich g e s c h ä f t i g zu zeigen u n d i r g e n d j e m a n d e m zu D i e n s t e n zu sein, B e s c h ä f t i g u n g e n f ü r ihre H e r r e n fingieren, o b w o h l es eigentlich k e i n e g i b t . 2 0 2
Abschließend kam Lopez de Velasco auf die Erfahrungen zu sprechen, die er im mehrjährigen Umgang mit den Consejeros des Indienrates gemacht hatte. Sie wären alle gute Christen, besäßen einen guten Willen, Gott und Seiner Majestät zu dienen, einen klaren Verstand und eine ebensolche Urteilskraft. Er habe sich davon überzeugt, dass diese zwar irren, und zwar aus Mangel an Erfahrung, die Schuld läge aber nicht bei ihnen: D e n n m a n weiß j a , w e l c h e K e n n t n i s ( n o t i c i a ) d e r a m e r i k a n i s c h e n A n g e l e g e n h e i t e n sie besitzen k ö n n e n , w e n n sie eingesetzt w e r d e n . U n d u m d i e s e m M i s s s t a n d ( w e n n er d e n n als einer erscheint) e n t g e g e n z u t r e t e n , m e i n t er, d a s s S e i n e M a j e s t ä t [...] f ü r d i e s e Stellen L e u t e a u s d e n A u d i e n c i a s dieser L ä n d e r b e r u f e n sollte. 2 0 3
Damit, so der Sekretär, würden nebenbei auch die amerikanischen Audiencias als Karriereschritt aufgewertet. Auf jeden Fall aber würde man am H o f die Geschäfte mit Amerika „schneller und mit besserem Verständnis" erledigen können. 204 Dass sich dieses Argument einer Besetzung des Indienrates durch Consejeros mit Amerikaerfahrung nicht durchgesetzt hat, ist ohne Zweifel als wesentliche Schwachstelle der ovandinischen Reform auszumachen. Ovando stieß hier auf Widerstände des Hofes, sodass der andere Schwerpunkt seines Reformwerkes, nämlich die mediale Vermittlung und Verfügbarmachung von Kenntnis über Amerika, ganz in den Vordergrund rückte. Was aber verblieb so dem Rat an persönlicher Kenntnis? In welcher Weise konnte sich dort soziales Wissen verdichten, verstanden als eine durch Erfahrung gewachsene Expertise? Wie bereits angesprochen, kamen die Consejeros des Indienrates in der Regel in vergleichsweise hohem Alter in dieses Amt und waren zudem an einer Weiterbeförderung in den ranghöheren Kastilienrat interessiert. Consejero des Indienrates war man also oftmals für einen begrenzten
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Zeitraum. Auch die übliche Vorbeschäftigung an den höheren kastilischen Gerichten führte zwar zu juristischer und administrativer Vorbildung, nicht aber zu einer spezifischen Amerikakenntnis. Consejero des Indienrats zu sein war somit keine profession', sondern eine Position auf der Stufenfolge höfischer Amter. Dass durch die Weiterbeförderung von Indienräten in andere Amter auch deren einmal erworbene Expertise verloren ging, hatte bereits Juan de Ovando kritisiert, aber nicht verhindern können. Wenn man nach Ratsmitgliedern sucht, die ihre Expertise durch lange Erfahrung erworben hatten, so muss man auf die wirklich dauerhaft Beschäftigten blicken, also auf die subalternen Ratsmitglieder, von denen einige, insbesondere die Sekretäre und ihre Zuarbeiter (ioficiales de la secretariä) sowie die Rektoren kontinuierlich und ex professio mit der Verarbeitung von Informationen befasst waren. In dieser Gruppe kam es zu regelrechten Dynastiebildungen, sodass Erfahrungen und Arbeitsweisen über Generationen hinweg vermittelt werden konnten.205 Ein gutes Beispiel dafür stellen die Familien Madrigal und Diez de la Calle dar: Juan Fernandez de Madrigal war seit 1575 im Indienrat als Sekretariatsmitarbeiter {oficiat) beschäftigt. Als 1624 seine Tochter Angela ihr erstes Kind gebar, wurde der neue Schwiegersohn, Juan Diez de la Calle, zunächst mit Aushilfstätigkeiten in das Sekretariat des Rates integriert. Nach dem Tod Madrigals im Jahr 1632 rückte dieser auf die frei gewordene Stelle vor.206 Juan Diez de la Calle gelang dann nicht nur der Aufstieg vom oficial segundo zum oficial mayor (1647), sondern letztlich wiederum die Installation des eigenen Sohnes, Juan Diez de la Calle y Madrigal. Dieser erhielt schließlich den Ehrentitel eines secretario del rey, wurde Ritter des Santiagoordens und konnte 1685 seinen eigenen Sohn, Juan Ambrosio de la Calle y Madrigal, eine Anstellung im Neuspaniensekretariat des Indienrates vermitteln. Sie wurde ihm nun ausdrücklich „in Rücksicht auf die treuen Dienste seines Vaters, seines Großvaters und seines Urgroßvaters" verliehen.207 Ein anderer Teil der Familie de Madrigal blieb ebenfalls im Rat vertreten: Francisco Fernandez de Madrigal wurde 1647 zunächst Contador der Cämara de Indias und schaffte 1670 den Sprung vom oficial zum Consejero des Rates.208 Sein Sohn, Jose Fernandez de Madrigal, war dann noch bis 1726 im Indienrat tätig, sodass sich hier eine familiäre Tradition von gut 150 Jahren nachweisen lässt. Wenn es also bürokratische Träger und Vermittler einer Kenntnis des spezifischen Gegenstandes gab, dann wird man sie am ehesten unter den subalternen Ratsmitgliedern vermuten können. Juan Diez de la Calle war es, der im Stillen an dem schon erwähnten Regierungshandbuch Amerikas arbeitete und selbst neue Fragelisten redigierte. Will man ,Helden' suchen, die mit der Feder am Fortbestand des Kolonialreichs arbeiteten, so hat man auf die Madrigals, die de la Calles und auf Antonio de Leon Pinelo zu blicken.
X.
Schlussfolgerungen
Wie aber beurteilen wir den eigentlichen Helden, den Erfinder der bürokratischen entern noticia? Lassen wir die Zeitgenossen sprechen: Arias Montano, der schon erwähnte Studienfreund Ovandos, befand sich zum Zeitpunkt der Indienratsreform in Antwerpen, wo er die Herstellung einer fünfsprachigen Bibelausgabe in der Werkstatt Christoph Plantins betreute.1 Er war zunächst ein glühender Verehrer des Herzogs von Alba, begann aber bald an der Politik des Statthalters zu zweifeln.2 Im August 1571 berichtete er Ovando von den sehr freundlichen, aber äußerst zeitraubenden Einladungen des Herzogs. Kürzlich sei dabei das Wort auf den Präsidenten des Indienrates gekommen, was den Herzog von Alba zu einem Monolog veranlasste, den Montano in seinem Brief wiedergab: Alba schätzte die Aufgaben des Indienratspräsidenten höher ein als jedes andere Amt. Es erfordere einen vortrefflichen Mann, der nicht nur Jurist sei, sondern auch fromm, religiös und voller Inbrunst, denn man müsse in Amerika eine neue Kirche errichten: Auch sagte er, man müsse ein Ingenieur sein, der wisse, wie man sich Linien, Maße, Winkel, Häfen, Felder, Tiere, Pflanzen und Naturräume vorzustellen habe, von denen er viele nicht gesehen hat und die nicht mit den hiesigen übereinstimmen [...] denn das alles [...] ist Gegenstand der Regierung und jene, die sich dort befinden, können denjenigen betrügen, der von hier aus regiert. 3
Auch die Kriegskünste sollten dem Indienratspräsidenten nicht fremd sein, die Bräuche und Regierungsweisen der Ureinwohner habe er zu begreifen, ein Händler sollte er sein oder doch, deren Praktiken kennen, natürlich auch ein Steuermann, der die Navigationskünste beherrscht. Nicht zuletzt habe er die Kleriker und Mönche, die Juristen und Mediziner, Richter und Schreiber, die Soldaten und Herren, die Reichen und Armen zu verstehen. Alles in allem brauche er Geduld, Talent, die Hilfe Gottes „und sehr viele sehr gute Freunde, denen er vertraut und deren er sich behilft".4 „Ich", so fügte Arias Montano hinzu: „habe mir das alles bis zum Schluss angehört — es war noch viel länger als ich es hier referiere — und nach einer halben Stunde habe ich ihm von Euren Qualitäten erzählt". Ovando sei ein Mann, der alle Geschäfte von Grund auf untersuche, und dabei den Aufbau einer Sache vom Fuß bis zum Kopf - „haziendo anatomias" - analysiere, bis er sie ganz beherrsche.5 Die beiden Dialogpartner verknüpften so im Gespräch das humanistische Ideal umfassender Bildung und Urteilskraft — das Bild eines uomo universale — mit der Vision einer zur entern noticia ge-
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steigerten Regierungskompetenz. Die Reform Ovandos, die auf den ersten Blick wie ein funktionalistisches Programm zur Effizienzsteigerung von Verwaltung und Regierung erscheint, fand auch auf dem Boden der Eitelkeiten von Macht und Gelehrsamkeit Resonanz. Ovando jedenfalls brüstete sich in demselben Briefwechsel, über ein besseres Astrolabium als der König zu verfügen, und wurde auch von anderen Studienfreunden aus Salamanca in der Selbstüberhöhung seines Tuns bestärkt. 6 Pedro Moya de Contreras, inzwischen Erzbischof von Mexiko, schrieb ihm 1574, dass von „Euer Gnaden alleine die Regierung der Neuen Welt abhängt". 7 Im Laufe der Studie ist deutlich geworden, dass entsprechende Idealisierungen eines .allwissenden Herrschers' eine Reihe von Funktionen jenseits der bloßen Schmeichelei oder Stabilisierung von elitären Gruppenidentitäten hatten. Welche konkreten Funktionen das ,Wissen' in der spanischen Kolonialherrschaft der Frühen Neuzeit besaß, soll nun als Leitfrage dazu beitragen, die verschiedenen Teilergebnisse der Arbeit zusammenzuführen. Der Glaube stellte einen Leitdiskurs der spanischen Welt der Frühen Neuzeit dar, das .Wissen' nicht. Dennoch ließ sich der Bezug zwischen Wissen und Herrschaft in einer Reihe wichtiger, legitimatorischer Funktionen nachweisen. Als Ergebnis der diskursanalytischen und ideengeschichtlichen Kapitel ist festzuhalten, dass die Idee des .wissenden Herrschers' stark an das Vorbild pastoraler Aufmerksamkeit gebunden war. Betont wurde nicht der Gedanke einer Art empirisch-statistischen Allwissenheit' des Herrschers oder Hofes, also eines möglichst rational entscheidenden Centres of Calculation. Nicht die Maximierung politischer Rationalität durch hohen Empiriebezug stand im Zentrum, sondern das Ideal herrschaftlicher Aufmerksamkeit als Grundbedingung gesellschaftlicher Gerechtigkeit. Denn um gerecht zu sein, musste der Herrscher adäquat bestrafen und belohnen, und dazu wiederum potenziell in der Lage sein, das Verhalten auch der entferntesten Untertanen zu registrieren. 8 Sowohl die Straf- als auch die Belohnungsgewalt des Königshofs motivierte einen bemerkenswerten Automatismus. Ohne es einfordern oder gar erzwingen zu müssen, wurde der Hof fortwährend mit .Information' beschickt. Diejenigen, die einen obrigkeitlichen Akt der Bestrafung oder Belohnung wünschten, waren ohnehin bestrebt, das Zentrum zu i n formieren'. Der Hof wiederum musste nicht an den Einzelfällen und Details interessiert sein, sehr wohl aber an dieser grundsätzlichen Ausrichtung der Informationsströme, waren sie doch ein Indikator seiner Macht, seiner fortwährenden Anrufung als Belohnungs- und Bestrafungsgewalt. Dies mag ein gerade für den europäischen Bereich vergleichsweise trivialer Befund sein, formuliert er doch nur um, dass es im Zuge der frühneuzeitlichen Staatsbildung vielerorts gelungen war, die Jurisdiktionsgewalt und Distribu-
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tionskompetenz (für Amter, Pfründen, Gunsterweise) an den größeren Höfen zu konzentrieren. Dass diese Höfe dann auch zu einem bevorzugten Empfänger entsprechender Anliegen wurden, dass also die Papiere aus der Peripherie in das Zentrum strebten, lässt sich als Sekundäreffekt eines politischen Strukturwandels verstehen. Zumindest auf dieser Beschreibungsebene scheinen Machtzuwachs und Informationsakkumulation Hand in Hand zu gehen. Sobald man jedoch nach den Effekten für das epistemische Setting fragt, ergibt sich ein ganz anderer, gegenläufiger Befund: Es zeigt sich dann, dass Machtakkumulation strukturell mit dem einhergeht, was die frühneuzeitlichen Traktate als die .Blindheit des Königs' bezeichneten. „Welche Blindheit, welche Unkenntnis des Fürsten, der eingesperrt in seinen Palast wie in einer Höhle, die Einzelheiten nicht mit eigenen Augen betrachten kann?"9 Juan de Mariana formulierte damit das erste Dilemma des Machtzuwachses, verstanden als eine zunehmende Mittelbarkeit der Herrschaftsausübung. Schon Alfons der Weise hatte die Konsequenzen zum Ausdruck gebracht: Da die Könige nicht selbst sehen können {no ver) und darauf angewiesen sind, große Teile der Macht durch Stellvertreter ausüben zu lassen (usarpoder), müssen sie in hohem Maße den hinzutretenden Mittlern ihrer Wahrnehmung und Machtausübung vertrauen (fiarse). Dass diese Mittler an der Macht partizipieren mag strukturell notwendig und politisch vorteilhaft sein. Der epistemischen Situation des Herrschers erweist es indes einen zweifelhaften Dienst, wird doch der Kreis der Königsnahen unausweichlich in das Geschäft der Verteilung von Gunst und Ungunst einbezogen. Es bilden sich ,Korridore der Macht', die den Herrscher informationell entmündigen. Schon die von außen hereinströmende Information über loyales und illoyales Verhalten war im Wesentlichen interessegeladen. Sie gab — beispielsweise im Falle der relaciones de meritos - vor, über Tatsachen zu berichten, strebte es aber an, Entscheidungen zu lenken.10 Auch die Königsnahen bedienten sich entsprechender Techniken. Auf verschiedenen Stufen wurde so eine Technik in Anschlag gebracht, die, abstrakt gesprochen, in der Ubersetzung von ,Interessen' in Information', des .Subjektiven' in das .Objektive' bestand und noch heute das politische Geschäft (wie auch viele andere Mechanismen gesellschaftlicher Verteilung) bestimmt. Ihre Basisoperation besteht darin, das Vorfeld von Entscheidungen so darzustellen, dass die Entscheidungen daraus logisch hervorzugehen scheinen. Die Palette entsprechender Techniken ist groß. Für unseren Zusammenhang ist nur hervorzuheben, dass dabei immer auch ein passendes Bild der .Sache' geschaffen werden muss, wozu ein selektiver Rückgriff auf Empirie erfolgt. Dieser .entlastende Empiriebezug' hilft im Idealfall die Entscheidung erst zu motivieren, dann zu legitimieren und schließlich dauerhaft: von dem Verdacht der Willkür frei-
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zuhalten, also Richtigkeitsüberzeugungen zu generieren, die das Verfahren begleiten. Dies macht politische Entscheidungen nicht automatisch schlechter', aber es spaltet ihre Struktur auf in eine tendenziell unsichtbare Seite der Interessenmoderation und eine Schauseite der Sachlichkeit. Das zweite epistemische Dilemma des Machtzuwachses besteht also darin, dass sein Bezug zur Empirie wesentlich der Schauseite dient, also im Grunde nicht Handlungen rationalisiert, sondern Interessen tarnt. Empiriebezüge sind damit potenziell immer auch Teil politischer Dissimulatio, nicht ihr Korrektiv. Dieser Befund verlangt, gerade für die frühneuzeitliche Situation, nach Differenzierungen. Wie zu sehen war, sind insbesondere die Ratsgremien des Hofes ohnehin nicht als Prozessoren von Information zu verstehen, sondern als Personenverband, der Interessen zu moderieren hatte, und den inneren Kreis eines Geflechts sozialer Netzwerke darstellte, das Machtausübung überhaupt erst ermöglichte. Seine Aufgabe bestand deshalb auch nicht einfach darin, Entscheidungen zu rationalisieren oder gar objektiv zu gestalten, sondern beispielsweise Personen für Amter vorzuschlagen, eigene Beziehungen zu pflegen oder Petenten zuzuhören. Die Ratsherren hatten den König zu beraten, der seinerseits darauf angewiesen war, klare Entscheidungskriterien zu haben, die Meinung des Rates zu kennen und Vorschlagslisten zu erhalten. Er musste im politischen Alltagsgeschäft an einer leichtgängigen Gestaltung von Entscheidungsprozessen interessiert sein, weshalb es, überspitzt gesagt, eben auch zum Dienst an Seiner Majestät gehörte, ihm ein reduktionistisches ,Bild der Lage' vor Augen zu führen. Wenn auch die Zielsetzungen variieren: Um dies zu erreichen, wird immer manipuliert, also nicht Wissen an sich erzeugt, sondern in Hinsicht auf zu treffende Entscheidungen ausgewählt und eingesetzt. Positiver ausgedrückt: Am Vorgang der Entscheidungsfindung sind größere Kreise beteiligt. Die kommunikativen und epistemischen Bedingungen bringen es also mit sich, dass die Entscheidungen eben nicht, selbst nicht im Falle Philipps II., wirklich in Einsamkeit getroffen werden. Man muss die Metapher anders denken: Nicht auf die ,Spinne' im El Escorial ist zu achten, sondern auf ihre Position in einem Netz, das wiederum nicht aus ,Fäden' bestand, die Information weiterleiteten, sondern aus dem Personenverband des Hofes und seinen bis in die Peripherien des Imperiums reichenden Verästelungen. Die große Leistung sozialer Verbände liegt aber nicht in der Fähigkeit, Informationsübermittlung zu perfektionieren, sondern eher darin, Prozesse der Interessenabstimmung zu betreiben. Für die Vormoderne lässt sich daher festhalten, dass ihre politische Verfasstheit nicht geeignet war, ein Ziel wie das der entera noticia zu verwirklichen. Es bestanden grundsätzlichere Hindernisse als etwa nur ein Mangel an Techniken, ein Fehlen von Medien, von bildgebenden oder mathematischen
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Verfahren. Umso bemerkenswerter ist es, dass das frühneuzeitliche Spanien dennoch begann, den Verweis auf Kenntnis legitimatorisch mitzuführen. Er half nach außen hin, den Verdacht zu zerstreuen, dass der König ,blind' agierte (und damit im Grunde entmachtet war). Innerhalb von politischen Prozessen wurde er in das Arsenal persuasiver Techniken und tragfahiger Geltungsgründe eingereiht. In kolonialherrschaftlichen Situationen schließlich besaß das Postulat des Informiert-Seins, das porque-soy-informado des Königs, den Zweck, seine Entscheidungen legitimatorisch zu stützen und die Chance ihrer Durchsetzung zu erhöhen. Es führte aber zugleich einen Verweis auf die Fragilität des Kenntnisstandes des Königs mit, also auf eine Möglichkeit, die informationelle Basis seiner Entscheidung in Frage stellen zu können. Diese Möglichkeit fand im obedizcase-pero-no-se-cumpla-Vv\m\ρ ihren Ausdruck. Mit Hilfe dieser Rechtsformel ließ sich die kolonialherrschaftliche Praxis flexibilisieren und zugleich der Herrschaftsanspruch des Königs als Ganzes schützen. Dies gelang, da kasuistisch interpretiert wurde, also von einem spezifischen (nicht grundsätzlichen) Kenntnismangel ausgegangen wurde, der deshalb auch nur einzelne, konkrete Anordnungen aussetzte, nicht den Gehorsam an sich. Zugleich verschuf diese Art der Flexibilisierung Formen lokaler, mikropolitischer Machtpartizipation Raum. Was aber war dann der Status des entera-noticia-Vrojckxes eines Juan de Ovando? Hier ist zunächst die Ausgangslage zu erinnern: Das dritte epistemische Dilemma des Herrschers ist an den Rändern des Hofes zu suchen, also in den Versuchen, die aus der Ferne hereinkommenden Informationen zu entschlüsseln und sich ein Bild des Remoten zu machen. Es betraf naturgemäß den Bereich der Kolonialherrschaft in besonderem Maße und bestimmte deren kommunikatives und epistemisches Setting. Der Faktor der Distanz ist dabei nicht als ein technisches Problem der Übertragung von Information misszuverstehen. Problematisch ist vielmehr eine qualitative Uberdehnung, in deren Folge zum einen die Loyalitätsbeziehungen zu den Akteuren vor Ort schwach wurden, zum anderen die Verstehbarkeit (und damit Regierbarkeit) des fernen Landes in Frage gestellt war. Beiden Bedrohungen wurde durch politische Strukturmaßnahmen entgegengewirkt, die kurz zu vergegenwärtigen sind. Schon in der frühesten Kolonialzeit begann eine Politik der Verhinderung neofeudalistischer Tendenzen. Dazu mussten zum einen den de facto mächtigen Konquistadoren Beobachter an die Seite gestellt werden, die Loyalität oder Illoyalität an die Krone melden konnten. Nur so ließ sich deren Handlungsspielraum begrenzen. Zum anderen musste dafür gesorgt werden, dass eine mittelfristige Besserstellung nur über den Umweg des Hofes zu erlangen war, dass also — auch für die fernen Territorien Spanisch-
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Amerikas — der Spanische H o f die eigentliche Quelle von Bestrafung und Belohnung blieb. Eine ganze Reihe von Maßnahmen lässt sich als Folge dieser Politik ausweisen. So blieb beispielsweise die Frage der Perpetuität der Encomienda in der Schwebe, weil es sich der H o f weder leisten konnte, die Schicht der Encomenderos radikal zu entprivilegieren, noch ihre Besserstellung auf eine Weise zu verstetigen, die sie von der Gunst des Königs unabhängig gemacht hätte. Ersteres drohte das Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit auszusetzen und die politische Loyalität der Encomenderos aufs Äußerste zu strapazieren, letzteres dem Spanischen Hof das Mittel zu nehmen, diese Verteilung immer aufs Neue vornehmen zu können. Von größerer Relevanz sind für unsere Fragestellungen Maßnahmen, die das kommunikative Setting betrafen: So wurde früh damit begonnen, administrativ-judikative Instanzen einzurichten. An ihnen lässt sich zeigen, wie Verwaltung und Information funktional ineinandergriffen und dabei Herrschaft konstituierten. Doch muss man — gerade für die kolonialherrschaftlichen Bedingungen — von einem starren Institutionenbegriff Abstand nehmen, also ,Herrschaft' nicht im Bild eines Organigramms fest zugeschriebener Aufgaben, sondern als Formation politischer Kommunikation begreifen. Es lässt sich dann zwar noch sagen, dass,Herrschaft' nur dorthin reichte, wo auch Vertreter der königlichen Rechts- und Interessenwahrung anwesend waren und wo diese als Beobachter und Berichterstatter der Krone fungierten. Doch ist auch festzustellen, dass dieser Status eines Beobachters und Berichterstatters aus eigenem Antrieb heraus erworben werden konnte, da spontane Denunziationen, Dienste oder Loyalitätsbeweise erwünscht waren. Ein dienstbeflissenes Auge oder Ohr des Herrschers konnte im Grunde jeder sein, auch wenn die Geltung seiner Stimme mittelfristig von Ubereinstimmungen mit den Urteilen offizieller Amtsträger abhing. Diese aus einem inquisitorischen Prinzip erwachsene, dynamisierte Gestaltung politischer Kommunikation erleichterte die Ausbildung von Dreiecken der Distanzherrschaft auch dort, wo keine (oder nur schwache) Instanzen vorhanden waren. Sie ist deshalb eine konstitutive Bedingung des spanischen, weite Räume durchdringenden Modells von Kolonialherrschaft. Ihr Preis ist ein permanent politisierter Kommunikations- und Informationsgebrauch: Der Fluss an Kommunikation hatte notwendigerweise in erster Linie Loyalität oder Illoyalität zu dokumentieren, nicht Information' im Sinne objektiver Beschreibungen der Wirklichkeit zu liefern. Diese Grundfunktion politischer Kommunikation führte dazu, dass der H o f und der Indienrat beständig mit strukturell ambivalenten Texttypen beschickt wurde, und zwar gerade dann, wenn er ausdrücklich einen .wahren Bericht' verlangte, also Objektivität einforderte. Besonders die amtlich
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eingerichteten Objektivierungsinstanzen, seien es die Audiencias oder der Oberste Chronist, wurden dabei zum logischen Ziel der Interessen, boten sie doch die Chance, Interessen in einen amtlich autorisierten Typus von Information zu verwandeln. Am Beispiel des Chronistenamtes ließ sich zeigen, dass diese Bedingungen es verunmöglichten, Zeitgeschichtsschreibung von Amts wegen zu betreiben. Wenngleich dieser Effekt einer beständigen Kontamination von Information mit Interessen in der kolonialherrschaftlichen Situation besonders dominant hervortritt, war er doch in einem sehr allgemeinen Sinne mit den zeitgenössischen Wissens- und Verwaltungspraktiken verbunden. ,Information' kam eben als Zwitterwesen auf die Welt, was man an dem Basisverfahren ihrer Herstellung verdeutlichen kann. Auf allen Ebenen wurde in der Vormoderne dem methodischen Problem, empirische Angaben zu verifizieren, durch das Instrument der Zeugenaussagen begegnet. Die daraus hervorgehenden informaciones, also Niederschriften der Aussagen, stellen ein verfahrenstechnisch hergestelltes Wissen dar, das in einer spezifischen Kenntnis der Zeugen beruhte. Diese Kenntnis wiederum basierte auf einem ,Kennen' der Person, der lokalen Umstände, der Sache, in jedem Fall aber auf einer im Leben gründenden Verbundenheit mit dem zu Bezeugenden. Das Dilemma besteht darin, dass man in die Verfahren zur Herstellung objektiver Aussagen systematisch Personen einbeziehen musste, die im Extremfall Freunde oder Feinde waren. Selbst bei Aussagen über Geographie, Seekarten oder nautische Instrumente, war es, wie zu sehen war, entscheidend, ob man Portugiese oder Spanier war, Steuermann oder Kosmograph, oder ob sich während der Zeugenaussage Kartenhersteller im Raum befanden oder nicht. Wer aber sollte etwas beurteilen, ohne es zu kennen? Wer also tatsächlich ,objektiv' sein? Das ,Beamtentum' ist der Versuch einer Antwort, indem es sich bemüht, Objektivität durch eine Art soziale Exterritorialität der Amtsträger zu gewährleisten. Den Vizekönigen, Oidoren, Gouverneuren, Corregidoren und Alcaldes Mayores und selbst den Kindern dieser Amtsträger war es beispielsweise verboten, aus dem jeweiligen Amtsbezirk stammende Personen zu heiraten. Oidoren war es nicht erlaubt, ein Haus oder eine Wohnung zu erwerben; sie wurden in Dienstwohnungen untergebracht. Philipp II. ordnete zudem 1588 explizit an, dass Oidoren und deren Frauen keine Freundschaften zu pflegen hatten. Auch durften sie nicht an Hochzeiten oder Beerdigungen teilnehmen oder gar als Taufpate fungieren. 11 Dies sollte verhindern, dass sie in lokale Gesellschaften (und deren Loyalitäten) eingebunden wurden und in der Folge parteiische Entscheidungen trafen. Max Webers Entmenschlichung' des Beamten war in vormodernen Maßnahmen also bereits angelegt. 12 Aber sie zielte nicht so sehr auf maximale
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Sachlichkeit als vielmehr darauf, die Loyalität des Beamten gegenüber dem sozialen Umfeld graduell schwach und gegenüber der Autorität des Königs oder Staates möglichst stark zu halten. Aus der längeren Perspektive der Frühen Neuzeit scheint nicht die Fixierung auf die Sache konstitutiv, sondern eine strukturelle Distanz zum Leben. Für die hier verfolgte Fragestellung ist es wichtig, sich zu verdeutlichen, dass die dazu im Rahmen der spanischen Kolonialherrschaft getroffenen Maßnahmen eine strukturelle Unkenntnis des Gegenstandes mit sich brachten. Indem sowohl die höheren Amtsträger in Amerika als auch die Indienräte überwiegend in Spanien sozialisiert wurden, konnte man zwar deren klienteläre Einbindung in die jeweils betroffenen Gesellschaften schwach halten, aber eben nur um den Preis einer ebenso schwachen Kenntnis dieser Gesellschaften. Konsequenz dieses strukturellen Kenntnismangels war nicht einfach schlechte Regierung, sondern eine faktische Verschiebung von Entscheidungen aus dem Rat in mittlere und lokale Instanzen der kolonialen Territorien. Wie zu sehen war, wurden an den Audiencias und den Höfen der Vizekönige Kommissionen einberufen. Sie hatten keineswegs nur Information zu liefern, sondern Meinungen zu produzieren, also Vorschläge für Entscheidungen zu überstellen. Kenntnismangel der Zentrale zog also in der Tat eine über den Atlantik hinausreichende Ausweitung des Kreises derer nach sich, die ,Rat' gaben und insofern an der Macht partizipierten. Dass zugleich immer auch Information über die Sachlage mit eingefordert wurde, ist eher als eine kompensatorische Maßnahme einzuschätzen. Man setzte der faktischen Machtverschiebung eine Form von Kontrolle entgegen. Der Rat sammelte also Informationen über Sachlagen — wie etwa der Indianertribute und Repartimientos — um vor Ort getroffene Entscheidungen oder Vorentscheidungen kontrollierbar zu halten. Damit floss zwar fortwährend Information in das politische Zentrum, doch ist die Richtung des Informationsflusses kein Indikator für ,wachsende Macht'. Im Gegenteil. Information stellte in einem solchen Fall ein Kompensat von Macht dar, nicht Macht. Sie hatte lediglich die Chance zu wahren, de facto in der Peripherie getroffene oder vorbereitete politische Entscheidungen kontrollierbar zu halten. Ob Kontrolle tatsächlich durchgeführt wurde oder nicht: Indem die empirischen Grundlagen von Entscheidungen zu dokumentieren waren, erlangte Empirie einen neuen Stellenwert in der Begründungs- und Entlastungsökonomie amtlicher Schriftlichkeit. Wichtig ist es, sich zu verdeutlichen, dass der vormoderne Staat also Information im Wesentlichen nicht sammelte, um damit aktiv Politik zu gestalten, sondern um die ohnehin ablaufenden politischen Vorgänge und die Akteure stärker an normative Vorgaben und
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die Krone zu binden, als dies ohne diese Informationsflüsse gelingen würde. Ein großer Teil der administrativen Papiermassen — und zwar gerade auch jener, der unter dem Verdacht steht, protostatistisch zu sein, wie etwa Tribut- und Encomiendalisten — wurden also nicht dazu erzeugt, um die politische Neugier des Zentrums zu befriedigen oder um Entscheidungen tatsächlich auf entern noticia zu gründen. Diese Art von Schriftlichkeit sollte vielmehr den Begründungsaufwand für Entscheidungen hoch halten, ihnen verfahrenstechnische Grenzen setzen und ihre Sachadäquanz kontrollierbar halten. Wenn man so will, lag eine wichtige Funktion der Zentralisierung von Information also darin, über den Umweg der Berichtspflicht den Spielraum der lokalen Instanzen zu begrenzen. Dass dies nicht wirklich gelang, dass also die politische Stabilität der neuen Territorien prekär blieb, dass weite Bereiche faktisch rechtsfrei blieben und die Bestimmungen zum Schutz der Ureinwohner nicht griffen, dürfte — neben den erläuterten klientelären Manövern — dazu beigetragen haben, dass der Indienrat schließlich visitiert und durch Juan de Ovando reformiert wurde. Das Projekt einer auf entern noticia gründenden Regierungsweise wirkt vor dem Hintergrund des Gesagten wie ein Versprechen, die Kontrollfahigkeit des Rates wiederherzustellen. Signifikant ist die Bruchlinie zwischen dem, was Ovando durchsetzen konnte, und den unverwirklicht bleibenden Reformvorschlägen. So wurde im Rahmen der Visitation von einigen Zeugen vorgeschlagen, den Indienrat ganz oder in Teilen nach Mittelamerika zu verlegen. Ovando selbst unterstützte zumindest die Idee, den Indienrat bevorzugt mit Indianos zu besetzen. Keiner dieser Vorschläge konnte verwirklicht werden, wäre doch auf diese Weise die größere persönliche Kenntnis der Entscheidungsträger durch eine stärkere lebensweltliche (und damit potenziell auch klienteläre) Bindung an die koloniale Gesellschaft erkauft worden. Schlimmer noch: Es wäre die grundsätzliche Polung der Loyalitäten, ihre Ausrichtung auf den Hof, in Frage gestellt worden. Bemerkenswerterweise war der uns heute so innovativ erscheinende, technisch-administrative Teil der Reform, also die verschiedenen Maßnahmen zur Veränderung der medialen Bedingungen des Wissens im Rat, zeitgenössisch ohne erkennbaren Widerstand durchzusetzen gewesen. Er hatte allerdings auch nicht das gleiche Potenzial, das politische Gefüge zu verändern, sondern barg eher das Versprechen, es konservieren zu können. Was lässt sich im Hinblick auf Fragen der allgemeineren Wissensgeschichte sagen? Was über Empirie im engeren Sinne? Seefahrt und Navigation waren als Praktiken stark empiriebezogen. Allerdings veränderten sich die Funktionen solcher Empiriebezüge unter den Bedingungen der Expansion. Schon durch die Politisierung des Raumes in Folge der Verträge von
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Tordesillas gewannen die Positionsdaten der Schiffe eine neue, politische Qualität. Die Einrichtung des Padron Real stellte dann den Versuche dar, die Erfahrungen Einzelner zu sozialisieren', also allen kastilischen Seefahrern in Form einer Muster-Seekarte zur Verfügung zu stellen. Die Empiriebezüge mussten dazu aus der Sphäre unmittelbarer Praxis und individueller Erfahrungen in das Raster einer universal verbindlichen Sprache übertragen werden. Die politische Instanz der Casa und die wissenschaftliche Kompetenz der Kosmographen sollten diese neue Standardisierung und Regelhaftigkeit der Praxis erzwingen, was zwar in weiten Bereichen misslang, aber aus heutiger Perspektive einen wertvollen Einblick in die zeitgenössische Wissenspraxis erlaubt. Erkennbar wurde dabei, dass auch hier .Tatsachen' im Wesentlichen über das Verfahren der Zeugenaussage ermittelt wurden und sich dann nur über eine Junta-förmige Einbeziehung der Beteiligten nachhaltig in die Praxis implementieren ließen. Entscheidend war nicht eine wie auch immer festzustellende .Wahrheit', sondern ein ausreichend tragfähiger Konsens über die gemachten Aussagen. Der hohe operative Handlungsdruck der Seefahrt lässt eine weitere Eigentümlichkeit dieses Umgangs mit Empirie deutlich hervortreten: Auch die verbesserten Seekarten waren immer nur Zwischenergebnisse eines fortwährenden Emendationsprozesses. Sie erhärteten bruchstückhafte, unsichere, aber doch wahrscheinliche Angaben zu einem Abbild der Welt, das nicht an wissenschaftlicher Perfektion, sondern an seiner Operationalisierbarkeit in der Praxis zu messen war. Die Padrones Reales waren für den Kosmographen geographische Hypothesen, die es in Zukunft durch neue nautische Erfahrungen zu erhärten, zu widerlegen oder im Detail zu korrigieren galt. Für den Steuermann hatten sie sich im Hier und Jetzt zu bewähren. Zwar kann man das Verhältnis von Wissen und Macht nicht auf eine einfache Formel reduzieren. Die hier zusammengeführten Beobachtungen erlauben aber eine Präzisierung dieses Verhältnisses in Bezug auf den untersuchten Gegenstand. Wissen wurde im Rahmen der spanischen Kolonialherrschaft im Wesentlichen über interrogative Verfahren ermittelt und über konsensuale Verfahren in Geltung gesetzt. ,Macht' über Wissen hatte am ehesten der, der diese Verfahren organisierte und vor allem, wer die Kommunikationsmöglichkeiten kontrollieren konnte und auf diese Weise Gegenwissen unterband. Im Sommer 1494 befand sich Kolumbus auf Kuba. Am Tag vor seiner Rückreise an den Hof wollte er sicherstellen, dass ihm keiner der anderen Augenzeugen in einer zentralen Behauptung widersprach, nämlich dass sie auf Festland standen und somit Asien erreicht hatten. Alle mussten dazu einen Schwur leisten, dass Kuba keine Insel, sondern Festland
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war. Als Strafe für die Behauptung des Gegenteils wurde das Abschneiden der Zunge festgelegt.13 Das eigentliche Dilemma der Krone Spaniens bestand darin, dass man zwar über Verfahren verfügte, entsprechende Versuche des Gatekeepings, der Unterdrückung von Gegenstimmen, zu bekämpfen. Um aber die .Zungen' freizusetzen hatte man — dies ist ein Erbe des inquisitorischen Prinzips der geschützten Denunziation - nicht einfach ,freie' Kommunikation zu ermöglichen, sondern ein mächtiges Ohr auszubilden. Es bekam nicht Wahrheit zu hören, sondern Signale der Loyalität und Illoyalität. Es wurde nicht mit Information beschickt, sondern mit Interessen. Die eigentliche Wahl bestand also nicht zwischen Lüge und Wahrheit, sondern zwischen zwei Varianten des politisch-kommunikativen Gefüges, die jeweils anders gestaltete Gruppen von (lügenden oder taktisch sprechenden) Informanten zuließen. Vertraute man den faktisch Mächtigen, einem Colon, Cortes oder Pizarro, so würden diese große Teile der Verteilung der Beute selbst übernehmen. Lud man dahingegen Gegensprecher zur Denunziation ein, indem man die Kommunikationsbedingungen für Distanzherrschaft schuf, so partizipierten größere Gruppen und breitere soziale Schichten an der Macht und Verteilung der Güter. Letzteres erschien der spanischen Krone günstiger, weil sie so ihre Straf- und Belohnungsgewalt ausüben konnte, permanent mit Loyalität adressiert wurde, und sicher auch, weil es dazu beitrug, die Macht lokaler Akteure zu begrenzen. Entera noticia schuf man auf diese Weise nicht, aber ein Kolonialreich, das bis in das 19. Jahrhundert fortbestand.
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Danksagung
Den Anstoß gab Richard Konetzkes Aufsatz Die, Geographischen Beschreibungen als Quellen zur hispanoamerikanischen Bevölkerungsgeschichte der Kolonialzeit von 1970. Aber ohne meine Frau hätte ich über Frankreich geschrieben, ohne meine Kinder, Mathilda und Nicolas, wäre das Buch zu lang geworden und Winfried Schulze schenkte mir die Zeit und den Mut für ein Habilitationsprojekt, das er sicher ein ,bisschen exotisch' fand, aber mit größter Anteilnahme und wertvollstem Vertrauen förderte. Gleich am Anfang bat ich Horst Pietschmann um Rat, und ich hätte alles sein gelassen, wenn er mir nicht unter den vielen kenntnisreichen Hinweisen — denen ich gar nicht allen folgen konnte — den einen und wichtigsten gegeben hätte: Schreiben Sie diese Arbeit unbedingt! Ihnen allen danke ich und noch vielen mehr, für wertvolle Gespräche, ernste Fragen und wichtige Hinweise, ganz besonders Benjamin Steiner, Markus Friedrich, Susanne Friedrich, Helmut Zedelmaier, Cornel Zwierlein, Max Hering Torres, Jesus Bustamante Garcia, Alfredo Alvar Ezquerra, Alfredo Moreno Cebrian, Marta Guzmän, Annette Meyer, Margarita Gomez Gomez, Daniel Damler, Thomas Duve, Ricardo Fagoaga Hernandez, Marc-Andre Grebe und Robert Folger. Besonders wertvoll war mir der Austausch mit Peer Schmidt, Renate Pieper, Reinhard Liehr und der damals bereits sehr kranken, inzwischen verstorbenen Ursula Ewald. Sina Rauschenbach bin ich für ihre äußerst gründliche, Romedio Schmitz-Esser und Sascha Griebl für ihre grundsätzliche Kritik verpflichtet. Sehr viel verdanke ich dem Münchner Sonderforschungsbereich 573 ,Pluralisierung und Autorität', ihren Sprechern, Jan-Dirk Müller, Wulf Oesterreicher und Andreas Höfele, sowie der Fritz Thyssen Stiftung, die Forschungs- und Archivaufenthalte und dann die Verfertigung des Manuskriptes durch zwei großzügige Stipendien unterstützte. An der Korrektur des Manuskriptes, vor allem aber an den nicht enden wollenden Recherchen, waren als Studentische Hilfskräfte Conception Olivares, Sophia Bersch, Andreas Plackinger, Susanne Kaufmann, Silvia Büttner, Sabrina Bauer, Salome von Dangel, Emöke Simeth, Inci Bozkaya und Geoffrey Warlies beteiligt. Ihnen wie auch meiner Mutter, gilt ein besonderer Dank.
Anmerkungen
Einleitung 1
Beide .Expansionen' werden bei Bacon parallel geführt. So wird auch in der Redargutio philosophiarum die Entgrenzung des „intellektuellen Globus" mit der geographischen Expansion verknüpft und die Verbindung zwischen der Schau der geographischen Räume und der Wissenschaften betont. Es heißt dort: „Turpe autem nobis sit, si globi materiati tractus, terrarum videlicet et marium, nostris temporibus in immensum aperti et illustrati sint: globi autem intellectualis fines, inter veterum inventa et angustias steterint. Neque parvo inter se nexu devincta et conjugata sunt ista duo, perlustratio regionum et scientiarum. Plurima enim per longinquas navigationes et peregrinationes in natura patuerunt, quae novam sapientiae et scientiae humanae lucem affundere possint, et antiquorum opiniones et conjecturas experimento regere." Vgl. BACON, Redargutio philosophiarum, 557-585. Der intellectual globe wird in der postum edierten Schrift Sylva sylvarum (1627) zwischen die Säulen des Herakles gerückt. Zur Metaphorik: MIETH, Multi.
2
JORZICK, H e r r s c h a f t s s y m b o l i k , 12f.; VICENTE CASCANTE, H e r ä l d i c a ,
3
Zu dieser Argumentation auch: PIMENTEL, Iberian Vision, 24; CANIZARES-ESGUERRA, Iberian Science, 89f. Es gab zwar bereits niederländische, französische, deutsche und englische Titel, die ein Schiff mit Säulen kombinierten, doch spannten die Säulen dort die Fläche für den Titel auf, nicht das zu durchsegelnde Tor in eine andere Welt. Die Metaphorik des plus ultra bzw. der Grenzüberschreitung fehlt hier gänzlich. Diesbezüglich ist zu verweisen auf Lucas Janszoon Waghenaer van Enckhuysens Spieghel der zeevaerdt. Waghenaers Publikation wurde samt Titelbild in England schon 1588 als Mariners Mirror gedruckt. Vgl. dazu: Waghenaer van Enckhuysen, maritieme cartografie, 28, 92, 98.
4
DÜRR/ENGEL/SÜSSMANN, E x p a n s i o n e n .
5
Das Motiv findet sich auf dem Titelkupfer von LEON PINELO, Tratado, und dem der Ordenanzas del consejo real de Us Indios von 1636 sowie auf der Ausgabe der Recopilaciön de las Leyes de Indias von Madrid 1681. Auf gestempeltem Papier: AGI, Mex. 317 (unpag.) (ich verdanke den Hinweis Margarita Gomez Gomez). Zu weiteren Beispielen des Motivgebrauchs: CUADRIELLO, personificacion, 136. Das Wappen wird als drittes Staatswappen
6
„se tenian entendidas dos cosas muy averiguadas, la una que en el Consejo no se tiene ni puede tener noti$ia de las cosas de las Indias sobre que puede y deve caer la gobernation en lo qual es necjessario dar orden para que se tenga. La segunda, que ni en el Consejo ni en las Indias no se tiene noti^ia de las leyes y ordenan^as por donde se rigen y goviernan todos aquellos stados, y que puniendose orden en estos dos cabos y executandose esta puesto en
470-486.
(Philipp II.) klassifiziert, vgl. VICENTE CASCANTE, H e r ä l d i c a , 5 2 7 - 5 3 8 .
t o d o lo general", vgl. I V D J , envio 8 8 , 5 4 2 , 2, fol. lr, ediert in: JIMENEZ DE LA ESPADA,
codigo ovandino, 9. 7
„Para que las personas a quien tenemos cometida la governaiion de las indias y cada prov i n g y parte dellas puedan a^ertar a governar lo que es a su cargo y cumplir con la obligation de sus officios es neccesario que tengan entera noti^ia de las cossas que se comprehenden y estan debaxo de su provincia jurisdiction y districto porque", vgl. AGI, Indif. 427, L. 29, fol. 5v-66v, fol. 5v-6r, Real Cedula vom 3. Juli 1573. Dieselbe Stelle ist (mit einem Lesefehler) ediert in: SOLANO/PONCE, Cuestionarios, 17.
Anmerkungen zu den Seiten 14-26
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PORTUONDO, Secret Science. Zum Nachrichtennetz siehe insbesondere PIEPER, Vermittlung. Hierzu: STAGL, Geschichte der Neugier, 25f.; zur Gestalt des Phänomens und dem Verhältnis zwischen consilium und consensus im Mittelalter: ALTHOFF, Colloquium, 1 5 7 - 1 8 4 ; mit Bezug auf das frühe Mittelalter: POSTEL, Communiter inito consilio, 1-25. Zur Umfrage als Verfahren der Meinungsbildung in frühneuzeitlichen Gremien: WILLOWEIT, Verfassungsgeschichte, 114. WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, 211 et passim. Zur Anwendung von Max Webers Herrschafts- und Bürokratiemodell auf die spanische Kolonialgeschichte: PHELAN, Kingdom, 320-337. Hierzu klassisch: BRUNNER, Land, insbesondere 426-437. Entsprechende Sprichwörter finden sich im mittelalterlichen Latein („qui dedit consilium, ferat et auxilium") ebenso wie im Spanischen („Pues me dais el consejo, dadme el vencejo"), vgl· THESAURUS PROVERBIORUM MEDII AEVI, B d . 9 , 1 9 9 .
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Überlegungen, 1 5 1 . Für die Liste in späterer Zeit: KOCH, Frater Semeno. Zur Beschreibung einer solchen Passagestation siehe: ESCH, Im Heiligen Jahr. Zu weiteren Faktoren von Verschriftlichung im Spätmittelalter siehe: KELLER, Veränderung. Zum Modell des .passiven Agenten' siehe LAW, Methods. Zu Übergängen zwischen beiden Funktionen in spätmittelalterlichen Kundschaftsverfahren siehe TEUSCHER, Erzähltes Recht, 48f. Zum frühen Gebrauch des Begriffs communicative setting in der Linguistik: GRAUSTEIN/ THIELE, Properties, 1 0 0 - 1 0 5 . ROSENBERG, Thinking, 1 9 7 . PIETSCHMANN, Lateinamerikanische Geschichte, 11. Weiter geht das Projekt einer Provinzialisierung Europas, vgl. CHAKRABARTY, Europa provinzialisieren, 3 0 5 - 3 0 9 . TODOROV, conquete; GREENBLATT, Marvellous Possessions. Deutlich anschlussfahiger sind letztlich: BITTERLI, Wilden, und auch MIGNOLO, Darker Side. D E A N S - S M I T H , Nature. MIGNOLO, Darker Side; SCHARLAU, Beschreiben. SPIVAK, Can the Subaltern Speak? Für einen literaturwissenschaftlichen Ansatz: KIENING, Subjekt, 3 2 et passim. Damit grenzt sich diese Arbeit auch von den hilfreichen, aber den Funktionalismus fortschreibenden Modellvorstellungen Bruno Latours ab. Vgl. LATOUR, Centres. Überblicksartig zur spanischen Kolonialgeschichte: BRAVO GUERREIRA, Cincuenta anos. Früh zu diesem Zusammenhang: SPITTLER, Abstraktes Wissen. „Nam et ipsa scientia potestas est", in: BACON, Meditationes Sacrae, fol. 13v. Dass man am Hof,zu viele' Nachrichten (noticias) haben kann, betonte schon N U N E Z DE CASTRO, Libro, 1 8 4 . Zu Effekten der Vielheit kurz: BRENDECKE, Papierfluten. Zusammenfassend: COLLIN/HORSTMANN, Wissen. Vgl. die knappe Behandlung in REINHARD, Staatsgewalt, 3 1 4 - 3 1 6 . Eine Ausnahme bildet HIGGS, Information State, 2 8 - 6 3 . GOTTSCHALK, Wissen über Land und Leute. Siehe ζ. B. den weitgehend unbenutzten catasto von Florenz ( 1 4 2 7 ) , dazu GIVEN, Inquisition, 3 4 . Zur ungenützten katalanischen Bevölkerungszählung von 1 6 3 1 : CASEY, Early Modern Spain, 2 0 . Zu frühen Ansätzen weiter: REYNIE, regard; BÖDEKER, Origins; in der Kameralistik: NIPPERDEY, Intelligenz. SLACK, Government, 3 6 . REINHARD, Kriegsstaat; auch: KELLER, Veränderung, 30f. ULSHÖFER,
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Kirchenvisitationen; SIMON, Gute Policey, l68f. Introduction. Für Staatsbildung HOLENSTEIN, Introduction; für Wissen: LINZ, Warehouse Theory. CARMAGNANI, koloniale Raumordnung; PIETSCHMANN, actores locales. LUTTERBECK, Methodologische Reflexionen, 3 3 7 . HAAS, Kultur; sowie: ASCH/FREIST, Staatsbildung; NICKLAS, Macht; STOLLBERG-RILINGER, Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? MEUMANN/PRÖVE, Faszination. Zur Rolle des Verwaltungswissens: WEBER, Herrschafts- und Verwaltungswissen. DEDIEU, Procesos y redes; MARTINEZ MILLÄN, Instituciones; SÄEZ-ARANCE, corte. Angestoßen durch Jose Martinez Millan, vgl.: MARTINEZ MILLÄN, Introduccion. CANIZARES-ESGUERRA, Iberian Science; CANIZARES-ESGUERRA, Nature; VERICAT, organizatoriedad. CANIZARES-ESGUERRA, Iberian Science, 117. BURNS, Society. Zu Interpretationen zu Alfons X.: LUFF, Wissensvermittlung, 214-261. Zum Empirismus Spaniens schon: MARAVALL, origenes. Die mittelalterlichen Ansätze spanischer Staatlichkeit werden seit langem diskutiert: MARAVALL, Estado; RUCQUOI, Genesis medieval; NIETO SORIA, Iglesia; HERMANN, premier age; LADERO QUESADA, genese de l'etat; und: DEYERMOND, ideologia. Zur Gründungsgeschichte von Simancas: RODRIGUEZ DE DIEGO, formacion. Zur zeitgenössischen Benutzung des Archivs: RODRIGUEZ DE DIEGO/RODRIGUEZ DE DIEGO, archivo; RODRIGUEZ DE DIEGO, significado. Die Dissertation von Marc-Andre Grebe verspricht genauere Auskunft über den Gebrauch des Archivs von Simancas. Einen Uberblick über Zensuspraktiken gibt: MOLINIE-BERTRAND, nombre; im Kolonialreich: KONETZKE, Beschreibungen; anhand eines Beispiels: KAGAN, Contando vecinos. Zum Wissen in den Politischen Testamenten Karls V.: KOHNLE, Vermächtnis, 92f. Zu diesem Zusammenhang mit vergleichender Perspektive nun CASTELNAU-L'ESTOILE/ REGOURD, Connaissances; DÜRR/ENGEL/SÜSSMANN: Expansionen. GOODMAN, Power; BARRERA-OSORIO, Experiencing Nature. Zu Spanien und der .Wissenschaftlichen Revolution': GOODMAN, Scientific Revolution. Der Plural wurde deshalb verwendet, da man die Inseln und A^s Festland gemeinsam bezeichnen wollte (islas y tierra firme del Mar Oceano). Die Bezeichnung las Indias schloss später die Philippinen mit ein. Vgl. SCHÄFER, Indienrat, Bd. 1 , 1 2 . Zur Konjunktur der alternativen Bezeichnungen ,Lateinamerika', ,Hispanoamerika' und .Iberoamerika' siehe: PIETSCHMANN, Lateinamerikanische Geschichte, 6 - 1 2 . ALTAMIRA Υ CREVEA, Diccionario castellano, 2 6 0 - 2 6 2 . SCHNABEL-SCHÜLE, HOLENSTEIN,
I. Allsicht und Blindheit des Herrschers 1 2
3 4
5
Im selben Abschnitt beschrieb Roscher absolutistische Herrscher als zum „Volkswirthe" gewandelte „Volkshirten", ROSCHER, National-Oekonomik. Braudels Bezeichnung roi prudent wird etwa in der deutschen Ausgabe einmal mit .zaudernder König' übersetzt. Vgl. BRAUDEL, Mediterranee, 523, BRAUDEL, Mittelmeer, Bd. 2, 448. Kagen charakterisierte ihn kürzlich als rey recatado (vorsichtiger, scheuer König), vgl. KAGAN, rey. Zum Beinamen rey prudente und elperfecto ebd., 75. Zum Prudentia-Begriff im Falle Philipps II.: FERNANDEZ ALBALADEJO, Espejo. PARKER, Grand Strategy, 20f. u. 28. RIBA GARCIA, Correspondencia, 3 6 . PARKER, Grand Strategy, 21 u. 28f; GOMEZ GOMEZ 1993, 174. Der Arzt riet davon ab,
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Anmerkungen zu den Seiten 3 2 — 3 5 nach dem Abendessen zu lesen, Philipp schämte sich für die Brille und war überzeugt, dass ihn die vielen Papiere husten ließen. Vgl. PARKER, Grand Strategy, 44. Philipps Brille wurde schon zeitgenössisch thematisiert, vgl. DAZA DE VELDES, Uso, fol. 85vf. Aranjuez, 30. April 1586, ediert in: RIBA GARCIA, Correspondencia, 394f. Zur Frage von Mündlichkeit oder Schriftlichkeit auch ebd., 104. FERDINANDY, P h i l i p p II., 5 8 .
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Dazu ausführlicher BRENDECKE, Non sufficit orbis.
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FERNANDEZ ALBALADEJA, I m p e r i o d e p o r si, 2 2 ; JORZICK, H e r r s c h a f t s s y m b o l i k , 5 6 , 6 0 f .
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Entsprechend kursierten zeitgenössische Druckgrafiken, in denen Philipp II. zusammen mit dem Papst von Christus die Insignien der Macht empfängt oder als defensor ecclesiae die Kirche verteidigt. Vgl. u.a. die Druckgrafik v. Hieronymus Wierix: (ca. 1558) in der Bibliotheque Royal Albert Ier, Brüssel, u. das Titelbild v.: CABRERA DE CORDOBA, Filipe. Siehe v. a. das Kapitel ,The world of Philip II' in: KAMEN, Philip, 178-210, sowie: RoDRIGUEZ-SALGADO, Court, 216-219. Alonso-Fernändez beschreibt Philipp II. als zwangsneurotisch und u.a. als sexsüchtig: ALONSO-FERNÄNDEZ; autopsia psiquiätrica. MARCKS, König Philipp II., 199 und MARCKS, Philipp II., 591. Zur Deutungsgeschichte Philipps II. allgemein: GIARRIZZO, Filippo II. FEROS, Twin Souls, 34f. Zur Kleidung Philipps: RODRIGUEZ-SALGADO, Court, 240f. PFANDL, Philipp II., 537; FERDINANDY, Philipp II., 147; auch SCHAUB, France, 86f. Der El Escorial faszinierte auch das Ausland: William Cecil, oberster Berater von Elisabeth I. und damit politischer Gegenspieler Philipps II., ließ sich in Hatfield einen Stich des El Escorials mit der Bildunterschrift „The King of Spayne's House" aufhängen, so HILLGARTH, Mirror, 95. LATOUR, Centres, 232-247. „y el es como el gusano de la seda, que labra casa donde al fin se queda", vgl. CODOIN-E, Bd. 7, 275. Zu dieser Version der octavas de Alcala von Juan de San Jeronimo auch: SAENZ DE M I E R A , obra insigne, 3 2 7 - 3 4 2 . Die Seidenraupenmetapher wurde anlässlich des Begräbnisses Philipps II. erneut aufgegriffen, dazu: FEROS, Kingship, 76. FEROS, Twin Souls. „Considerando la importancia de que son papeles, como quien por medio dellos meneaba el mundo desde su real asiento", vgl. CABRERA DE CORDOBA, Historia, Bd. 1, 368. „Sabia sus provincias, ciudades, pueblos, el sitio, montes, rios, comodidades en lo civil i militar, govierno, hazienda, mercaderias i tributos. Lo que no piso, le presentaba la pintura: i alcan^aba con el efeto desde el un Polo al otro, como Alexandra Macedonio con el deseo", CABRERA DE CORDOBA, Filipe, 5.
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„se encerro en Madrid y el Escorial, centro suyo, desde donde tirava con admirable providencia, y rectitud las lineas del govierno a la circunferencia de su amplissima Corona, resuelto en no salir mas, y en mirar desde alli las ondas y borrascas de la tierra. Las acciones de su cuerpo estavan solo en un lugar; pero las del alma se esparzian y dilatavan por ambos Orbes, obrando tanto con los raigos [!] de su pluma, como todos sus progenitores con la punta de su espada", vgl. VANDER H A M M E N Υ LEON, Don Filipe, fol. 129b. Zu fast wortgleichen, früheren Stelle bei Pierre Matthieu vgl. BNE, Ms. 9078, fol. 31v-32r. u. gedruckt: MATTHIEU, Histoire, 117f. Auch Textstücke aus Manuskripten, die Luis Manrique de Lara zugeschrieben werden, tauchen in diesem Zusammenhang immer wieder auf. Als Indiz für eine Perez-Zuschreibung: Vida interior, 47f. Dass Philipp II. mit der Feder leistete, was sein Vater mit dem Schwert errang, findet sich schon sprichwörtlich im Bericht des venezianischen Botschafters Francesco Vendraminos von 1595: „Scrive indefessamente giomo e notte, e si dice che quello que acquisto il padre con la spada, egli l'ha conservato con la penna", vgl. FIRPO, Relazioni, Bd. 8, 890.
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JUSTI, M i s c e l l a n e e n , 2 9 .
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RANKE, F ü r s t e n , 1 1 8 f .
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„Philipp nun saß und laß [!] alle diese Berichte und sammelte alle diese Nachrichten zu seinen Zwecken. Er erwog sie für sich." Vgl. RANKE, Osmanen, 150. Der Wechsel von Karl V. zu Philipp II. wird dabei mit dem Ubergang vom Reise- zum Residenzherrscher gleichgesetzt. Für Jean-Frederic Schaub verwandelte Philipp II. die .Omnipräsenz des ritterlichen Fürsten' in eine ,Omniscientia der Regierungskunst', SCHAUB, France, 246.
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„du Roi Prudent: ils [les contemporains, A.B.] l'ont vu, araignee au centre de son immense toile, quasi-immobile." BRAUDEL, Mediterranee, 523. Ahnlich ebd. 321. Vgl. auch: „Mais au centre de cette immense toile, le personnage qu'il a ete, en realite, se derobe a nos curiosites, comme a nos jugements. [...] sa figure enigmatique", in: BRAUDEL, Autour de la Mediterranee, 213. Zu der französischen Tradition einer äußerst negativen Darstellung Philipps II.: SCHAUB, France, 56-66. Zum Bild der „Spinne des Eskorials" schon MARCKS, Philipp II., 564.
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In der antispanischen Propaganda Frankreichs wurde Philipp II. auch als roi casanier dargestellt, also eine Art,Stubenhocker-König', vgl. BOUZA ALVAREZ, majestad, 49-
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Zu Interpretationen der immobilite Philipps auch: SCHAUB, France, 246f. RANKE, Osmanen, l48f. Die Erstauflage von 1827 formuliert hier vorsichtiger: „selber in einer bewegungslosen Ruhe, und doch die Veranlassung des bewegtesten Lebens", v g l . RANKE, F ü r s t e n ,
27
121.
RANKE, Fürsten, 118f. Mit der .allgemeinen Statistik von Spanien' spielte Ranke auf die Relaciones topogrdficas an. In der dritten Auflage von 1857 spitzte Ranke hier noch weiter zu, indem er hinzufügte: „Er suchte Alles zu erfahren und hielt Alles geheim". Vgl. RANKE, Osmanen, l48f.
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RANKE, F ü r s t e n ,
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„Vede tutti i fatti suoi e sa tutto [...] Travaglia con tanta assiduitä, senza prendersi ricreazione, che non e official alcuno nel mondo, per assiduo che sia, il qual stia tanto nell'officio suo come S. M. [...] Dicono i suoi ministri che la sua intelligenza e tanta, che non e cosa che non sappia e che non veda." FIRPO, Relazioni, Bd. 8, 4 6 3 - 4 6 4 .
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Z . B . : C I C E R O , d e re p u b l i c a , V , 3 .
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Für Spanien wäre hier etwa Solörzanos Definition von prudentia als „cognitio rerum apetendarum et fugiendarum" anzuführen, dazu: AYALA, Ideas, 237. In Bezug auf Spanien hierzu: MI'NGUEZ, rey.
32
119.
33 34
Vgl. etwa: ERASMUS V. ROTTERDAM, Institutio principis christiani, 147. PEIL, Staats- und Herrschaftsmetaphorik, 800FI; VIROLI, Politics, 243; für Spanien in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: AGUILAR-ADAN, L'institution.
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Im fünften Buch der Arte della Guerra geht Machiavelli intensiver auf das Wissen ein, das ein militärischer Anführer (capitano) haben soll. Zu frühen Vorschlägen Philippe de Mezeres von 1389 vgl. VINCENT-CASSY, don, 189. Zu Äußerungen Kaiser Friedrichs II., er würde durch Boten über alles, was geschieht, informiert: KANTOROWICZ, Kaiser Friedrich der Zweite, 439.
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Zur Diskussion der Autorschaft Ludwigs XIV. siehe SONNINO, Dating. „vouloir etre informe de tout ce qui se faisait, ecouter les prieres et les paintes des mes moindres sujets, savoir le nombre de mes troupes et l'etat de mes places, traiter immediatement avec les ministres etrangers, recervoir les depeches, faire moi-meme une partie des reponses, et donner ä mes secretaires la substance des autres", vgl. LUDWIG XIV., Memoires, Bd. 2, 392f.
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„car c'est en un mot, mon fils, avoir les yeux ouverts sur toute la terre, apprendre incessamment les nouvelles de toutes les provinces et de toutes les nations, le secret de toutes les cours, l'humeur et le faible de tous les princes et de tous les ministres etrangers, etre informe
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A n m e r k u n g e n zu den Seiten 3 8 - 4 1 d'un nombre infini de choses qu'on croit que nous ignorons, voir autour de nous-memes ce qu'on nous cache avec le plus de soin, decouvrir les vues les plus eloignees de nos propres courtisans, leurs interets les plus obscurs", vgl. LUDWIG XIV., Memoires, Bd. 2, 428f. „Ainsi ce η est pas une chose dont on puisse douter qu'un souverain ne doive prendre un soin extreme de savoir absolument tout ce qui se fait de son temps", vgl. L U D W I G XIV., Memoires, Bd. 2, 95f. KING, Science; SOLL, Jean-Baptiste Colberts; zu einem protostatistischen Vorschlag Vaubans siehe SCOTT, Seeing like a State, 11; zum König, der alle seine Untertanen kennt, bei Francis Fenelon siehe SENELLART, arts, 56. Zum Verhältnis der Texte und Mendos Absichten: REY SIERRA, Mendo. Nach längerem Amerikaaufenthalt war Solorzano Pereira zunächst Fiskal des Indienrates, von 1629 bis 1644 dann Consejero gewesen. SCHÄFER (Real Consejo, Bd. 1, 226) weist auf Solorzanos zuletzt notorische Schwerhörigkeit hin. „El mas noble sentido de la cabeza es la vista; y el Principe ha de ser todo ojos, desbelado en las convenencias de sus subditos. Nada se ha de huyr de su vista, siendo, como Aguila Real, que desde la mayor altura esta registrando los pezes en la profundidad de las aguas", M E N D O , Principe, 48f. Der äguila real ist eigentlich ein Steinadler, um das Wortspiel zu bewahren, wurde hier mit .Königsadler' übersetzt. M E N D O , Principe, 49. „Es una fiesta despejada del entendimiento, que dicierne lo bueno de lo malo, escoge lo mejor: y conoce lo que se debe amar, ο huyr, elige, lo que puede ayudar a los aciertos; aparta lo que puede embarazarlos: es un dictamen recot de lo que se ha de obrar [...] Es la prudencia vigilante cendnela, que en la cabeza, como atalaya, atiende a todo lo que pasa en el campo enemigo de los vicios; previene sus emboscadas: avisa de los riesgos: toca a la arma en los peligros [...]. Es ojos la Prudencia, y no puede el principe mover sin ella los pasos, para no ir a ciegas: [...]. Sea un Argos, el que govierna, para que nada se le esconda [...] llaman el sol oculus mundi, porque todo lo registra con sus rayos, [...]. Es Sol el Principe, y quando con su poder abraza las quatro partes del Mundo, como nuestro Espanol Monarcha, debe ser OCULUS MUNDI. Todo lo vea con los ojos de la noticia ", M E N D O , Principe, 49f. Der Gedanke von sozialer Kontrolle' und Überwachung' drang aus der Anti-Utopischen Literatur in den 1970er Jahren in die Sozialwissenschaften ein. Vgl. RULE, Private Lives; zusammenfassend: H I G G S , Information State, 1 3 - 1 9 ; DANDEKER, Surveillance. Foucault betonte das Macht-Wissen-Thema erstmals in seiner Vorlesung von 1971/1972 am College de France. Zentral wird es dann in Surveiller etpunir (1975) untersucht. Dazu M A R T I , Funktion, 229-234. Darüber hinaus: FOUCAULT, Eye. Hierzu: FOUCAULT, Geschichte der Gouvemementalität. Bd. 1, 173-277. „Pervigilis more pastoris Romanus Pontifex animadvertens commissum sibi gregem Dominicum ", 27. Juli 1430, zit. nach FINK, Arengen, 210. ,Ad providam Apostolice Sedis circumspectionem pertinet, vices pensare temporum, personarum attendere merita et qualitates considerare locorum, ut debitum habens inspectum ad singula et circa ea opportune manum provisionis apponens, interdum plantet et plantata quandoque transferat, fructus salutiferos in agro Dominico irrigante ac multiplicante Domino uberius productura." 1. Okt. 1322, zit. nach FINK, Arengen, 208. Moos, Attentio, 2 8 2 - 2 8 9 . Moos, Attentio, 2 8 9 - 2 9 6 . Bei Fadrique Furio Ceriol heißt es diesbezüglich beispielsweise in einer Analyse der persönlichen Qualitäten eines idealen Rates (consejeros): „Cierto es i averiguado que el amor verdadero es vigilante i solicito, la solicitud jamäs reposa, todo lo mira, todo lo vee; en
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nada se descuida, i assi provehe en todo lo necessario", Vgl. FURIÖ CERIOL, concejo, 4 4 . Von einem „principe vigilante" wird in Juan Perez de Montalvans Para todos gesprochen, vgl. JOB, Modernized Edition, 81. Kastilische Quellenstellen zum pastoralen Königtum: NIETO SORIA, Fundamentos, 2 4 1 . Zur Metaphorik des absoluten Fürstenstaates: STOLLBERG-RILINGER, Staat. STRUVE, Entwicklung, 125, 167; zu einem Vergleich des Fürsten mit den Augen, der Untertanen mit den Ohren bei Georg Leonhard Löhney[sen] siehe: MÜLLER, Fürstenspiegel, 583. Für Spanien siehe NIETO SORIA, Fundamentos, 225. „Palacio es dicho qualquer logar do el Rey se ayunta paladinamente, para fablar con los omes", Part. II, tit. 9, ley 29 der Siete Partidas, nach Las siete partidas, Bd. 2, 30. In den Partidas (II, 9, 27) siehe auch die Definition von ,corte'. „El oficio de Rey es oficio de cabeza [...]. Por todos siente, oye, ve toca, gusta, se duele, y se alegra como cabeza vigilante del cuerpo de su Reyno". Vgl. MENDO, Principe, 48; mit Bezug auf SOLÖRZANO PEREIRA, Emblemas, Emblem XIII; dazu auch: AYALA, Ideas, 1 9 6 . Zur Wahrnehmungspflicht des Herrschers: GUEVARA, Relox, 282f. Die Abbildung stammt aus SOLÖRZANO PEREIRA, Emblemas, 6 6 . ARISTOTELES, Politik (Buch 3, Kap. 16, 30). Die stellvertretend agierenden Wahrnehmungs- und Exekutionsorgane partizipieren also im Gegenzug an der Macht.
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THESAURUS PROVERBIORUM MEDII AEVI, B d . 9 , 3 8 .
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Die Argus-Metaphorik findet sich auch im Don Quijote (2. Teil, Kap. LXV) in der Darstellung eines Kommissars Philipps III., der für die Vertreibung der Morisken zuständig war. CERVANTES SAAVEDRA, Don Quijote, 1 l65f. Zu weiteren Überlegungen und Beispielen v.a.: ZWIERLEIN, Discorso, 302-317. Dazu und zu weiteren Hinweisen. PYE, Regal Phantasm, 68. SOLÖRZANO PEREIRA, Emblemas, 1 7 2 ; SALMERÖN, principe escondido. Madrid 1 6 4 8 , zit. nach FLOR, cetro, 76. Vgl. das von Pieter van der Heyden stammende Frontispiz in: ARLAS MONTANO, Biblia; wie auch: SAAVEDRA FAJARDO, Idea, Bild 6 0 , 4 3 9 . Das Motiv des .Zepters mit Auge' findet sich in abgewandelter Form auch als ,Richterstab mit Auge' oder als ,Hirtenstab mit Auge', vgl. dazu ALBERTINUS, Emblemata, 28. Zu den Bildtraditionen vgl. FLOR, cetro, 5 7 - 8 6 . SENELLART, arts, 94f. Die Bezeichnung von Bischöfen als oculi Dei oder oculi Domini findet sich häufig in den Pseudoisidorischen Dekretalen, vgl. ZEY, Augen, 82f.; zur erst neuzeitlichen Dominanz panoptischer Metaphern: Moos, Attentio, 300. OBERSTE, Normierung, 332. Zur Arzt-Metaphorik in der frühneuzeitlichen Fürstenlehre: KÜHLMANN, Gelehrtenrepublik, 6 7 - 8 4 ; STOLLBERG-RILINGER, Staat, 4 4 - 4 7 . Foucaults ,ärztlicher Blick' bezeichnet eine spätere Konstellation, bei der im 18. Jahrhundert das Interesse an der Durchdringung des Körpers und an einzelnen Krankheitssymptomen mit der Institution der Klinik als einem Ort der permanenten, registrierenden und vergleichenden Beobachtung zusammenfanden. So Antonio Gomez, zit. nach Tomas y Valiente, derecho penal, 172; auch Ulpians Definition von Jurisprudenz in den Digesten: „Iuris prudentia est divinarum atque humanarum rerum notitia, iusti atque iniusti scientia" (D. 1,1,10,2) und deren Diskussion bei: Dalla, Scientia. Zum Wissen in der gegenwärtigen Rechtstheorie: Dedeyan, Entscheidung, 53-56. Sie stehen im Dienste des binären Beweiszieles, die Wahrheit der einen oder der anderen Behauptung zu belegen oder aber bei der Aushandlung eines Kompromisses mit herangezogen zu werden WALTER, Beweiswürdigung, 8-54; KROESCHELL, Wahrheit, 468f.
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Anmerkungen zu den Seiten 4 6 - 5 2 SCHMIDT, Strafrechtspflege (1947), 169f., SCHMIDT, Strafrechtspflege (1995), 194. SCHULZ, Misstrauen, 165-168; JEROUSCHEK, Herausbildung, 328-330. Der Begriff der Denunziation hat erst um 1800 eine Pejorisierung zunächst im außerrechtlichen Bereich und dann auch in der juristischen Fachsprache erfahren. Zuvor stand denuntiatio für eine Anzeige, vgl. KOCH, Denunciatio, 1 - 6 . Zu den mittelalterlichen Inquisitionsarchiven: GIVEN, Inquisition, 2 6 - 5 1 .
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KOCH, D e n u n c i a t i o , 38.
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TRUSEN, A n f ä n g e n , 40f.
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HOLENSTEIN, Huldigung, 1 2 7 - 1 3 8 ; A M B O S , Verständnis. ESMEIN, Histoire, 291; LEPSIUS, Zweifeln, 10f.; MOELLER, Julius Clarus, 150.
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TRUSEN, A n f ä n g e n , 54.
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Und wurde schon von M. Foucault betont. Als Überblick: NIEHAUS, Verhör, 114-116. Zum Angebotscharakter der Beichtvorschriften: OBST, Pflichtbeichte, 131. Langfristig mag sie gleichwohl stärker zu einer Interiorisierungskultur beigetragen haben, zu späteren Entwicklungen zusammenfassend: Moos, Attentio, 305. SCHMIDT, Strafrechtspflege (1995), 86f. Zeugen wurden natürlich auch schon bei Akkusationsprozessen gehört, sogar, wie Susanne Lepsius am Beispiel Perugias nachwies, teilweise in größerer Zahl. Vgl. LEPSIUS, Zweifeln, 10. Zum Ablauf der Verhöre ebd., 62-66. Zur Folterpraxis in Spanien: SABADELL DA
80 81 82
SILVA, Tormenta.
84
LEPSIUS, Zweifeln, 6 6 - 6 8 . SCHMIDT, Strafrechtspflege (1995), 78.
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JEROUSCHEK, H e r a u s b i l d u n g , 3 4 5 .
86
KOCH, Denunciatio, 50-52, 54f.; GIVEN, Inquisition, 141, 169; JEROUSCHEK, Denunziation, 248f. Die Semantik der zeitgenössischen Rechtsbegriffe spiegelt dies noch wider, wurden doch im ersten Verfahrensschritt Denunziationen in Informationen ( i n f o r m a t i o n e s ) überführt.
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HÄRTER, Strafverfahren, 4 6 4 .
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KOCH, Denunciatio, 44-50. Es sank jedoch zugleich die zu einer Verurteilung notwendige Zahl der Zeugen, vgl. LEPSIUS, Zweifeln, 10. Peter II. von Aragonien gestand den Denunziatoren 1198 ein Drittel der beschlagnahmten Güter zu. Vgl. VONES, Krone, 199f.; TRUSEN, Anfängen, 68. Zu finanziellen Anreizen für Denunziaten im frühneuzeitlichen Spanien: ALONSO ROMERO, proceso penal, 183. TRUSEN, Anfängen, 61-65.
92
BLICKLE, D e n u n z i a t i o n , 25f.
93
Zu entsprechenden Funktionen des Hoftags: KOCH, Denunciatio, 55. KOCH, Denunciatio, 5 2 - 5 7 ; LEPSIUS, Zweifeln, 9 - 1 1 . Eine europäischen Überblick bietet: LANGBEIN, Prosecuting, 1 2 9 - 1 3 9 . ALONSO ROMERO, proceso penal, 7f., 95-103 u. 130-137.
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CONTRERAS, Historia, 22f.
97 98
PEYRE, L'inquisition. CONTRERAS, Historia, 2 4 .
infraestructura; siehe auch PEYRE, l'inquisition, 6 1 - 6 9 . Dies entsprach einzelnen Phasen des Prozesses, vgl. ALONSO ROMERO, proceso penal, Kapitel 7. Zur Funktion der Verschriftlichung: VAN DÜLMEN, Theater, 24. 101 Eine frühe historische Würdigung der Einführung der Spanischen Inquisition findet sich bei: Bozio, De ruinis, 636.
99
CONTRERAS,
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CONTRERAS, Historia, 7 1 .
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Forty-Four Thousand Cases, 1 1 1 . poder, 2 8 - 3 0 . Für Neuspanien hierzu: GREENLEAF, inquisicion, 1 6 8 - 2 0 2 . „quapropter te longissime constitutum mentis nostrae oculus serenus inspexit et vidit meritum, quod non habebatur occultum.", CASSIODOR, Variae, IX, 22. „haec in te speculator virtutum noster sensus inspexit", CASSIODOR, Variae, I, 22. Pedro Fernandez Navarrete, Enkel des gleichnamigen Sekretärs Karls V., diente vorwiegend als Hofkaplan, in einigen diplomatischen Geschäften und als Sekretär Königin Isabellas, der Gemahlin Philipps IV. und Tochter Heinrichs IV. „Tienen tambien larga vista, para no perder della un atomo de las partes y meritos. [...]. Con lo qual los soldados que estan haziendo centinela en los elados pantanos de Flandes, los que estan sirviendo en lo mas remoto de las Indias, y los que en las armadas van a un mismo tiempo contrastando con las tormentas, y con los enemigos, pueden estar ciertos que todo lo alcana a ver la vigilante diligencia de los Reyes, sin que dexe de tener entera noticia de los que con sus letras ilustran las Vniversidades, y con su virtud las iglesias." Vgl. FERNANDEZ NAVARRETE, Conservacion, 2 0 4 . Fernandez Navarrete reagierte damit auf die Reformconsulta des Kastilienrates v. 1. Februar 1 6 1 9 , dazu ELLIOTT, Olivares, 9 8 . PEREZ, Norte, 48f. FERNANDEZ NAVARRETE, Conservacion, 202. Zur justicia distributiva im Rahmen der Idee des reyjuezr. NIETO SORIA, Fundamentos, 163; NIETO SORIA, Iglesia, 202f. CHAFUEN, Faith, 1 0 1 - 1 0 3 . Α. Μ. Hespanha spricht in einem etwas weiter gefassten Sinne von der „economia de la gracia" bzw. der „economie de la grace", so in: HESPANHA, autres raisons. Vgl. auch die Neubewertung des Hofs und der „Ökonomie der Ehre" durch Andreas PECAR, Ökonomie, insbes. 297-301. „Este ternä cuenta de oir i conoscer los meritos i demeritos de todos en general, informändose bien de la vida, costumbres, habilidad i hechos de aquellos que, sin pedirlo, merescen por sus raras i ecelentes virtudes: i en particular, de aquellos que pidieren se les haga merced alguna. Porque, si para los malos hai castigo, para los buenos i virutosos tambien es razon haia premio", so FURIÖ CERIOL, concejo, 2 3 . Zu entsprechenden Archivbeständen mit Amerikabezug vgl.: AGI, Indif. 203; RODRI'GUEZ-ΜΟΝΙΝΟ, Catälogo, 18. Zur prosopographischen Auswertung: GRUNBERG, universo; zur literaturwissenschaftlichen Bedeutung: LASARTE, Lima, 72-80. Zum Quellenwert von Petitionen, Gravamina und Suppliken: WÜRGLER, Voices; sowie: ULBRICHT, Supplikationen. Zur süplica und suplicaciön in der spanischen Kolonialherrschaft: TAU ANZOÄTEGUI, ley, 77f. und 82-93. Zum Phänomen insgesamt Dios, Gracia; zur Entwicklung der .Herrschaft durch Gnadenerweise' im Mittelalter: MILLET, Suppliques. Zum Konzept der merced in Kastilien: NIETO SORIA, Fundamentos, 237. Zur Zugänglichkeit des Herrschers im Mittelalter: ALTHOFF, Verwandtschaft; G Ö R I C H , Ehre, 36-44. FERNANDEZ NAVARRETE, Conservacion, 8 3 - 8 6 , 1 7 1 - 1 7 9 ; BOUZA ALVAREZ, majestad, 6 6 . „Y assi, supuesto que la vigilancia de los Reyes tiene obligacion a alcan^ar con su perspicaz vista los servicios y las partes de los que estan en las mas remotas aldeas de su Monarquia, bien pueden mandar, que los pretendientes no vengan a las cortes a consumir en ansiosas pretensiones sus haciendas", FERNANDEZ NAVARRETE, Conservacion, 204f. Zit. nach: PARKER, Grand Strategy, 5 8 ; zur Blindheit des Fürsten in Andrea Alciatos Emblemata siehe ZWIERLEIN, Discorso, 306f. „unius Principis quanta caecitas, quanta rerum ignorantia, praesertim in palatio quasi in CONTRERAS/HENNINGSEN, GONZALEZ DE CALDAS,
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Anmerkungen zu den Seiten 5 8 - 6 1 cavea inclusi, neque suis oculis singula considerantis? & est magna apud Principes omnes penuria veritatis, cui quis locus sit inter continuos aulicorum plausus, inter domesticorum mendacia & fraudes, omnia ad suum commodum referentium? [...] aut quis vellet sine luce, sine oculis & auribus hominem unum in fastigio rerum collocare?" MARIANA, De rege, 28f. (Buch I, Kap. 2). Für eine ähnliche Stelle im deutschen politischen Schrifttum siehe: BESSEL, Schmiede, )(4bf.
122 „De manera que los Principes padecen esta llaga de que muy pocas vezes les toca la noticia de la verdad y siempre les asiste la mentira y nunca dexan de estar ciegos, sordos confusos y duelosos, porque se sirven de ojos, lenguas, y orejas agenas". Vgl. RAH, Salazar K—19, fol. 63r-64v, Advertencias para el principe que empieza a gobernar, fol. 63v. 123 „sie neque prineeps calore suo totam potest rempublicam nationibus ac regionibus vastissime dispersam fovere, ut valeat, quae quaque provincia fiunt, nosse, emendare, corrigereque ac disponere: unus nanque non potest undecunque orbis nuntios brevi tempore suseipere", DOMINGO DE SOTO, De iustitia & iure, 304 (Buch IV, Art. 2). Dazu: DAMLER, Herr, 294. 124 Für das Spanien des 16. Jahrhunderts ist hinsichtlich der zwei Körper des Königs auf Furio Ceriols Statements hinzuweisen, dazu schon PARKER, Grand Strategy, 17. 125 „solam divi Augusti mentem tantae molis capacem", TACITUS, Annales I, 11, 1. 126
HAGENEDER, Rechtskraft, 4 0 6 .
127
HAGENEDER, Probleme, 6 2 .
128 „Que aunque los Reyes tengan ingeniös de Angeles, no denen suficiente tiempo para el despacho, si no se valen de sus Consejos, como de causas segundas: pues con ser Dios la inmensa Sabiduria, y la infinita Omnipotencia, no pudiendo aver en el incompatibilidad de tiempo, ni distancia de lugar, se sirve, para governar los Angeles, de las Ierarquias mayores para las menores, y de los Angeles para los hombres." Vgl. FERNANDEZ NAVARRETE, Conservacion, 30. 129 „ Q u e si se intentasse, que toda el agua del mar Oceano desta immensa Monarquia passase por solo un arcaduz, seria for^oso que se rompiesse, ο la corriente se retardasse: padeciendo la salud del Ministro, y atrasandose el despacho de los negocios." Vgl. FERNANDEZ NAVARRETE, C o n s e r v a c i o n , 3 0 .
130 „Ca el solo non podria ver, nin librar todas las cosas, porque ha menester por fuerq:a ayuda de otros, en quien se fie, que cumplan en su lugar, usando del poder que del reeiben, en aquellas cosas que el non podria por si cumplir". Leyes de Partida, part. 2, tit. 1, ley 3. 131
VINCENT-CASSY, d o n , 1 8 4 - 1 8 8 ; RUHE, R a t g e b e r , 7 4 .
132 STAGL, Geschichte der Neugier, 36; FLOR, cetro, 85. 133 Die audientia publica hatte sowohl gerichtliche als auch Kanzlei-Funktionen. Der Begriff meinte zunächst eine bestimmte Art von Sitzungen. In Avignon bekam sie stärker Behördencharakter, da ihr ein eigener Raum (audientia sacri palatii) zugewiesen wurde. Einsprüche wurden anschließend in der sogenannten audientia litterarum contradictarum verhandelt. Vgl. HERDE, Audientia. 134 Der auditor hatte als Beauftragter dieser Instanzen, teilweise auch selbst in richterlicher Funktion, gerichtliche Entscheidungen vorzubereiten, und dazu die Betroffenen anzuhören und Beweise zu erheben. DOLEZALEK, Auditor. Die Bezeichnung auditor baut auf die ältere des cognitor auf, mit der schon bei Cicero ,Identitätszeugen', aber auch Rechtsanwälte und Stellvertreter der Kläger oder Beklagten bezeichnet wurden. 135 „quasi oculi et aures ac nobilissimae sacri capitis partes", Sixtus V., zit. nach CHENIS, Mecenatismo cardinalizio, VIII. 136 Der gelehrte Jurist Juan Pablo Forner bezeichnete noch Ende des 18. Jhds. die höheren Justizbeamten (magistrados) als „ojos de la soberania", vgl. FORNER, Discurso, 153. 137 „En Estos Reynos se desea visita para el Audiencia Real de v. mag. porque a vezes se dize que en
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ella ay un oydor que no oye, un Rektor que no lee, y un secretario que no escribe", vgl.: AGS, G u e r r a Marina: Leg. 131.14, dok. 11, fol. lr.; z u m veedor. DAMLER, I m p e r i u m , 1 3 9 - 1 4 1 .
138 Zur Stellung der Sekretäre an der Wende zur Frühen Neuzeit: MÜLLER, Archiv, 13-27. 139 „porque quanto mas soberano sefior, y Monarca mas poderoso, tanto mas necessita de Secretarios, arcaduzes por donde comunica a sus Reynos el govierno dellos", vgl. BERMÜDEZ DE PEDRAZA, secretario, fol. 14b.
140
„Estomago es, donde se digeren los negocios", so: SAAVEDRA FAJARDO, Idea, 219; „garganta", „cuello", „interprete de su volunta", „son el mobil de sus pensamientos, porque todos los mueue el Secretario con la noticia de las novedades que le consuka", so BERMÜDEZ DE PEDRAZA, secretario, fol. 14b.
141 „finalmente los Polos enque se mueve el globo politico de la Monarquia", BERMÜDEZ DE PEDRAZA, secretario, fol. 15a.
142 „De aqui resulta la assistencia perpetua de los Secretarios cerca de la persona Real para el expidiente ordinario de las consultas, cartas y decretos del govierno de Estado, Guerra, Iusticia y Gracia desta Corona, y noticia perfecta de los hechos, que dan ocasion a ellos", vgl. BERMÜDEZ DE PEDRAZA, secretario, fol. 15b. An anderer Stelle werden die Sekretäre als „catilogo de las leyes" bezeichnet. Es heißt weiter: „Son el registro de todas las vicisitudes, sucesos y casos que van ocurriendo", vgl. GOMEZ GOMEZ, Forma, 67. Ein anonymer Autor des 18. Jahrhundert forderte, der Sekretär solle „oir a todos e informarse de todo", vgl. ebd., 129. 143 „Y para semejantes verdades han de andar siempre los Consejeros al lado de los Principes, y asistir en sus Palacios, para que en todas las acciones se les pida parecer." Vgl. FERNANDEZ NAVARRETE, C o n s e r v a c i o n , 2 5 .
144 Schon die Neigung Philipps II., an den Sitzungen des consejo de estado nicht teilzunehmen und den Kontakt mit den Räten gering zu halten, wurde stark kritisiert und im Gegenzug eine Art permanente Beratung durch Consejeros gefordert. Vgl. dazu ζ. B. Luis Manrique in BNE, Ms. 18718(55, fol. 105v. Zur experientia als Tugend der Räte in deutschen Fürstenspiegeln: SINGER, Fürstenspiegel, 183. 145 Dass das Motiv des Schrankenwächters über Kafka hinaus weit in die Verwaltungsgeschichte zurückreicht, hat VISMANN (Akten, 30-66) dargestellt. Zur privilegierten Stellung einzelner Amtsträger in der Kommunikation am Wiener Hof: HENGERER, Kaiserhof, 374; zum gatekeeper allgemein: Corra/Willer, Gatekeeper. 146 FEROS, Twin Souls, 37; Rio BARREDO, Madrid, 131-133. 147 Diesbezüglich und mit vergleichendem Ansatz: Kaiser/Pecar, Der zweite Mann im Staat. 148 Fray Juan de Santa Maria empfahl 1615 in seiner Repüblica y policia christiana, dass der König mehrere Favoriten haben solle, dennoch aber in Justiz und Regierungsangelegenheiten sich mehr auf seine Räte zu verlassen habe. Vgl. FEROS, Twin Souls, 42. 149 „Muchos ministros ha de aver, para que aya muchas puertas, por donde entren los vasallos a su Principe.", MENDO, Principe, doc. LXVIII. 150 „De manera que el Consejero ha de todos, oir a todos, favorescer a todos sin diferencia alguna, pero con tal, que a aquellos mäs que mäs se acostaren a razon i virtud; i a aquellos menos, que menos se allegaren a razon y virtud", vgl. FURIÖ CERIOL, concejo, 46f. 151
„Es necessario que el Consejero tenga sus puertas abiertas noche i dia a toda suerte de hombres, los oidos bien sufridos, a nadie de ocasiön de desesperar, anime a todos, lo qual no podra hazer si le falta afabilidad, i por esso digo que ha de ser afable [...] no es amigo de parcialidades, con todos trata, con todos comunica", FURIÖ CERIOL, concejo, 54. 152 Hierzu: STIVERS, Listening Bureaucrat. 153 Zu einem ähnlichen Effekt jahrelanger Hoffnung: BOUZA ALVAREZ, Corte, 486f.
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154 FIRPO, Relazioni, Bd. 8, 437 u. 507. Zu einer abstrakten Erklärung des Aussetzens von Entscheidungen in Interaktionskommunikation: SCHLÖGL, Hof, 194. 155 Zur Funktion der Undurchsichtigkeit des Hofes auch: HENGERER, Kaiserhof, 372. 156 „El quarto aviso es que, para haverse de elegir un Consejero, no se deve contentar el Principe de aquellos que tienen en su casa i Corte, ni de aquellos que por oido; ο de vista conosce, aunque sean buenos i prudentes; sino que se informe mui bien por todas vias de todos los mas que pudiere, i en particular de orden i mande a sus lugartenientes generales de cada provincia que hagan mui buena pezquisa en todo su govierno de los mäs buenos i mäs häbiles hombres que para ello se hallaren; i que le imbien por lista tres ο quatro dellos. Vista la lista, podrä hazer venir los que mejor le paresciere; a lo menos vengan aquellos que no fueren conoscidos en la corte." Vgl. FURIÖ CERIOL, concejo, 71f. 157 Zur wahrscheinlichen Machiavelli-Lektüre Furiö Ceriols und seinem empiristischen Politikverständnis: MILHOU, Pouvoir royal, 80-85; Risco, empirismo politico. 158 „El sexto aviso es que oia el Principe con atencion i buena gana todas las informaciones i acusaciones que se le dieren en favor i contra los nombrados: pero que a ninguno crea, sino que lo remita todo a su examen i pruva. Si son acusaciones de infamia, piense el Principe que pueden ser verdaderas i falsas. Piense que hai hombres malos, maliciosos, imbidiosos, inorantes, nescios, apassionados, que lo pueden falsamente acusar". Vgl. FURIÖ CERIOL, concejo, 7 4 . 159 „Crea el Principe i tenga por cierto que todos los que le dan semejantes informaciones, agora sean buenas, agora malas, que los tales se mueven por sus propias utilidades i interesse, [...]. Portanto quiero en esta parte que el Principe diga como un Santo Tomas, i no crea mäs de lo que con sus ojos viere i con sus manos tocare." FURIÖ CERIOL, concejo, 7 5 . 160 Hier steht .Vertrauen' relativ abstrakt für eine auf positiven Erwartungen gründende Relation zwischen Personen, die etwa durch Klientelverbindungen, Verwandtschaftsbeziehungen oder Schwüre stabilisiert werden kann. Zeitgenössisch vgl. SAAVEDRA FAJARDO, Idea, Emblem 51 · Zur Kontrolle von Regionen durch Einbindung der Eliten in Klientelverbände der Zentrale siehe: REINHARD, Staatsgewalt, 205-209. Zu einem alternativen Vertrauensbegriff sei verwiesen auf: FREVERT, Vertrauen. 161 MENDO, Principe, doc. LXX; PEREZ, Norte, 51. Alonso de la Mota y Escobar argumentiert in seiner description geogräfica (BPT Ms. 99, fol. lr), man müsse dem einen Kopf viele Berichte zukommen lassen, damit er dann eine Regierungsweise entwirft, die zwar der Form nach einheitlich sei, in ihren Effekten aber so verschieden wie die Untertanen. 162 Zu frühen Amts- und Diensteiden: HOLENSTEIN, Huldigung, 28f. 163 Zu diesem Problem siehe Seite 178f. 164 Dazu FRIEDRICH, Government, und seine publizierte Frankfurter Habilitationsschrift. 165 „Si tuviesen los Principes estas notas de las cosas, y de las personas, no serian enganados en las relaciones, y consultas: Se harian capazes del arte de reinar, sin depender en todo de sus Ministros", SAAVEDRA FAJARDO, Idea, 2 2 5 . 166 Dazu etwa: NEUMEISTER, Enzyklopädische Sichtbarkeit, 52f. 167 TACITUS, Annales I, 11 and SUETON, vita caesarum, 101,4. Dazu: SENELLART, arts, 54f. 168
BORHY, Vorwort.
169 „immitando en esto al cuidado que tuvieron los emperadores Romanos de tener muy distinctas, y particulates noticias de cada Provincia de las de su Imperio, Poblaciones, frutos, y calidades como Consta de un gran libro intitulado noticias de los dos Imperios que hizieron formar, y he visto", vgl. ΒΝΕ, Ms. 3023, fol. 4v. Vgl. hierzu auch: GARCI'AGALLO, informaciön, 373. Auch Saavedra Fajardo bezog sich auf das Vorbild Kaiser Augustus'. Jacques Godefroy veröffentlichte zudem 1628 in Genf unter dem Titel Descriptio vetus orbis ein lateinisches Manuskript aus der Mitte des 4. nachchristlichen Jahrhunderts,
Anmerkungen zu den Seiten 68 - 74
359
das in der Forschung unter den Bezeichnungen Descriptio orbis terrae und Expositio totius mundi et gentium geläufig ist. Dazu: DREXHAGE, Expositio. 170 „Es cierto que si el agua que sale de su manantial es turbia, nunca se buelvera clara aunque vaya encanada por conductos muy limpios" RAH, Salazar K - 1 9 , fol. 55r-63r [39.348. 14], Discurso sobre lo que debe saber un principe para conservar, defender y ampliar sus estados. Manuscrito anonimo del siglo XVII, fol. 56r. 171 Wie Bermüdez de Pedraza schon formulierte: „Um so souveräner der Herr und machtvoller der König, um so mehr bedarf er der Sekretäre, der Kanäle, durch die seinen Reichen zugeleitet wird, was sie regiert." Vgl. oben, S. 66. Vgl. ähnliche Feststellungen Cassiano Dal Pozzos in seinem Discorso von 1599/1560, dazu nach ZWIERLEIN, Discorso, 309. 172 SCHMITT, Gespräch, 18-20. Dazu schon: HENGERER, Kaiserhof, 375. 173 „como perfecto halcon sobre la presa"; Juan de Vega, zit. nach BOUZA ALVAREZ, Leer, 35. 174 Hierzu mit forschungspragmatischen Erwägungen: M o o s , Gesellschaft. 175 „para que fuesen y sean publicos y patentes oraculos adonde todos los subditos vengan por respuestas y por remedio de sus ne^esidades y travajos y consuelo de sus afli$iones [...] los sobervios y ambi$iosos que todo lo quieren para si no son puertas sino es [!] compuertas que solo sirben para que no entre nadye sino es ellos. [...] de manera que pare$ia que V. Μ. de industria se avia poco a poco echo totalmente inac$esible y metidose en una torre sin puertas y ventanas para no ber a los hombres ni que ellos pudiesen ver a V. Μ.", ΒΝΕ, Ms. 18718(55, fol. 99v. Zum Kontext: MONTANEZ BERMÜDEZ, Luis Manrique de Lara, 105f. u. FEROS, viejo monarca, 12f. Zur Rolle des Beichtvaters: POUTRIN, L'oeil. 176
GIVEN, Inquisition, 1 1 1 - 1 4 0 .
177
JEROUSCHEK, H e r a u s b i l d u n g , 3 3 8 ; ALONSO ROMERO, p r o c e s o p e n a l , 1 3 3 .
178 HOLENSTEIN, Introduction; ähnlich argumentiert GIVEN, Inquisition, 23f. 179
JEROUSCHEK, H e r a u s b i l d u n g , 3 3 8 .
II. Wissen als Postulat des Herrschers 1 2
ROJAS, La Celestina, 262 [doceno auto]; La vida de Lazarillo de Tormes, 89. Entsprechend konnte man entern noticia auch in den Komparativ setzen, was eine Formulierung von Hernän Cortes in seinem 5. Bericht vom 3. Sept. 1526 verdeutlicht, wo es heißt: „me dieron mäs entera noticia", vgl. CORTES, Cartas, 396.
3
CERVANTES SAAVEDRA: D o n Q u i j o t e , K a p i t e l X V , 1 6 4 .
4
Zum Informationsbegriff: BRENDECKE/FRIEDRICH/FRIEDRICH, Information.
5
D a z u CAPURRO, I n f o r m a t i o n , 1 6 - 4 9 , z u m L a t e i n i s c h e n : e b d . : 5 0 - 9 3 .
6
BRENDECKE/FRIEDRICH/FRIEDRICH, I n f o r m a t i o n , 2 1 .
7
CICERO, Partitiones oratoriae, XXIX, 102. Dazu CAPURRO, Information, 86-90; zum älteren Wortgebrauch insgesamt: BERNECKER, Information, Sp. 376. „informatio vel descriptio, quae sive rem absentem sive personam spiritualibus oculis subministrat". Vgl. CASSIODOR, Expositio, 183. Zu evidentia, enargeia und energeia·. MÜLLER, Evidentia; LAUSBERG, Handbuch, § 818; BERNECKER, Information, Sp. 376.
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Zu weiteren Nachweisen dieses Sprachgebrauchs im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit siehe: BRENDECKE/FRIEDRICH/FRIEDRICH, Information, 21. BRENDECKE/FRIEDRICH/FRIEDRICH, Information, 22. Bezüglich entsprechender Verfahren ist auf die frühe englische Inquisitio Vicecomitum von 1170 hinzuweisen, untersucht durch: BEAUROY, Centralisation. http://www.dssg.unifi.it/_rm/iper/infomatio/pagine/edizione.htm .
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OBERSTE, N o r m i e r u n g , 3 2 0 - 3 2 7 .
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Anmerkungen zu den Seiten 75 — 80 Der Begriff der informatio spielt in den Inquisitionsprotokollen zwar keine Rolle, es lässt sich aber se informare nachweisen, vgl. DUVERNOY, registre, 21. Benedikt XII. residierte zeitgleich mit Petrarca in Avignon, dem ersten nachweisbaren Leser der partitiones oratoriae Ciceros. Dazu ARWEILER, Cicero rhetor, 5 . Visitationen der Zisterzienser konnten zwar schriftlich dokumentiert werden, doch war dies noch bis ins 14. Jahrhundert nicht verbindlich. Da der Visitator als Richter vor Ort war, hatte Schriftlichkeit einen ephemeren Zweck. OBERSTE, Visitation, 52, 11 Iff. JEDIN, Reform; WETZSTEIN, Heilige, 1 2 2 - 1 3 2 ; JEROUSCHEK, Religiosität, 5 1 3 . SCHULZ, Misstrauen, 1 6 5 ; WETZSTEIN, Heilige, 5 4 4 . FRIDENSBURG, Informativprozesse, 1 6 9 , 1 7 5 , 1 7 8 , 1 8 2 , 1 8 6 . „procurando de informarme bien de todo", so Pedro Moya Contreras (Erzbischof von Mexiko) an Juan de Ovando (Präsident des Indienrates) im Schreiben vom 24. März 1575, in BNE, Ms. 20285, 3, Nr. 5, fol. 7r. Quiero ser informado kann man in fast allen Fällen modern mit ,ich will informiert werden' übersetzen. Nur ganz selten findet sich in der politischen Korrespondenz noch informar im Sinne von belehren, vgl. dazu etwa die Real Cedula von Königin Isabella vom 16. April 1495, indem sie formuliert: „porque nos queriamos informarnos de letrados, teologos y canonistas si con buena conciencia se pueden vender estos por esclavos", vgl. KONETZKE, Coleccion, Bd. 1, 2f. Zu den Rechtsbegriffen information und informe siehe auch: PEREZ Υ LOPEZ, Teatro, 350-369. Vgl. ζ. B. das Protokoll der Aussagen v. Gonzalo Fernandez de San Pedro über die Encomienda v. Ometepec u. Juxtlahuaca v. 1562, überliefert in AGN, Historia t. 410, exp. 1. Diccionario de la lengua castellana (Madrid 1 7 3 4 ) , 2 6 7 ; JEROUSCHEK, Religiosität, 5 1 3 ; TEUSCHER, Erzähltes Recht, 4 6 . Ein frühes Beispiel: W E S C H , Kommentierte Edition, 33, zum Fragebogen ebd., 1 lOf. Vgl. beispielsweise die „Information de estado en que estaba la ciudad de la Nueva Zamora de Maracaibo" von 1607, abgedruckt in: ARELLANO MORENO, Relaciones geogräficas de Venezuela, 305-314. Sie entspricht im Lateinischen der informatio iuris-, im Deutschen wohl dem ,Parteigutachten'. Zu dessen Gebrauch im deutschsprachigen Rechtsraum nun: FALK, Consilia. HAGENEDER, Probleme; HAGENEDER, Rechtskraft, auch ERWIN, Machtsprüche, 6 3 - 6 6 . HAGENEDER, Probleme, 7 2 . Gregor XIII. ordnete beispielsweise die Kalenderreform von 1573 entsprechend an: „Motu proprio et ex certa scientia maturaque deliberatione nostra ac de apostolicae potestatis plenitudine, hac nostra perpetuo valitura sanctione statuimus, praecipimus et mandamus", ediert in Bullarum diplomatum, 390. HAGENEDER, Rechtskraft, 4 1 2 - 4 1 5 . Für die plenitudo-potestatis-VormvMzTung konnte gezeigt werden, dass sie häufig von den impetrierenden Parteien selbst gefordert wurde, um die Rechtsbeständigkeit ihrer Privilegien sicherzustellen, vgl. ISENMANN, König, 8 5 . KRYNEN, nostre certaine science, 134. Zur Diskussion des certa-sdentia-Aiguments in Frankreich auch: SCHILLING, Normsetzung, 323f. Dictionnaire de TAcademie Franp^ise (Paris 1694). Bd. 2, 447. COLMEIRO, Constitution, 2 5 7 . Beispiele führt an: Dios, Operation, 2 9 3 . COLMEIRO, constitucion, 378f. SANCHEZ AGESTA, poderio, 443; vgl. auch: NADER, The more communes, 216. Viele Belegstellen finden sich in den Registern zu Friedrich I. Barbarossa oder Papst Gregor VII. Aber auch bei Papst Gregor dem Großen war diese Formel bereits üblich, wie zahlreiche Belegstellen in den Briefregisterbänden der Monumenta Germaniae Historica belegen. Einen Spezialfall bildet in der päpstlichen Formelsprache das ad audientiam nostram pervenit, weil
A n m e r k u n g e n zu den Seiten 80 - 84
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damit üblicherweise nicht das .Gehör' des Papstes gemeint ist, sondern die Gerichtsinstanz der Rota. Zu Anwendungen dieser Formel in der Kanzleisprache der Rota: HERDE, Audientia. Untersuchungen, Bd. 1, 11 (Fußnote 39), 253, 258, 273, 275-277, 279, 285, 310. Anders als etwa das libenti animo et spontanea voluntate dono, das in aragonesischen Königsurkunden des 11. Jahrhunderts in der expositio von Privilegien dann verwendet wird, wenn diese aus bloßer königlicher Gunst (por causa de gracia) und nicht aufgrund konkreter servicios verliehen werden. Vgl. UBIETO ARTETA, Coleccion diplomätica, 1 9 0 . Dazu mit diversen Beispielen: GOMEZ GOMEZ, Forma, 202-210, auch DAMLER, Imperium, 47. PATZELT, Abgeordnete, 28f. Zur Geschichte der Begriffe responsiveness bzw. Responsivität vgl. UPPENDAHL, Responsive D e m o k r a t i e , 8 9 - 9 4 .
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Bei den spanischen Königen wurde freundliches, ruhiges und aufmerksames Zuhören gefordert und auch konstatiert, vgl. etwa den Bericht des venezianischen Gesandten Giovanni Soranzo von 1565 über Philipp II.: „nel cammino che fa dalla camera alia chiesa dove ode la messa, piglia tutte le supplicazioni che le vengono date, e se alcuno le vuol parlare, si ferma cortesemente per udirlo. II medesimo usa nell'uscir della chiesa [...]. Nel prender le suppliche si dimostra con faccia molto allegra, e se risponde ad alcuno, lo fa con cortesi e generali parole", vgl. FIRPO, Relazioni, Bd. 8, 437. Sigismondo Cavallis Beobachtung von 1570: ,,ma stando in Madrid [Philipp II., A.B.] ο altrove nella corte, e facile nelle udienze, e ascolta ognuno con molta pazienza", vgl. FIRPO, Relazioni, Bd. 8, 507. Zur Bindekraft der Anhörung vgl. GÖRICH, Ehre, 36-44.
39 40 41
Diese Beispiele finden sich bei: ARRIBAS ARRANZ, Formulas, 60-101. „Sepades que a nos es fecha rel^ion", vgl. ARRIBAS ARRANZ, Formulas, 93. „Nos es fecha relation" scheint die ältere Variante zu sein. Sie dominiert in den Schreiben der Katholischen Könige. Umfangreich dokumentiert ist dies in GOMARIZ M A R I N , DOCUmentos, passim. Eine frühe, katalanische Variante findet sich in einem Schreiben Ferdinands von Aragonien an Miquel Carbonell von 1496. Es heißt dort: „Per quant nos es feta relacio". Zit. nach TÄTE, historiografia, 22. LORENZO CADARSO, documento, 4 4 , 4 6 , 4 8 ; GOMEZ GOMEZ, Forma, 2 1 6 . AGI, Mexico 1088, L. 2, fol. 9r-9v: Real Cedula von Königin Isabella, 29. Febr. 1532. „hasta tanto que enteramente ynformados probeamos mas adelante lo que convenga", vgl. BME: Ms. &. II. 7, 65, fol. 363a-368b, hier fol. 364b. Abschrift einer Cedula Karls V. vom 20. Febr. 1534. Diplomatisch fallen die somos-informados-VorrmiWcrungen also in die Narratio der näheren Umstände. In der spanischen Diplomatik wird von der Expositio gesprochen. SANCHEZ AGESTA, poderio, 446f. TAU ANZOÄTEGUI, Ley, 7 9 - 8 1 ; GONZALEZ ALONSO, formula. Als Beispiel einer Anwendung sei auf die Aussetzung des Encomienda-Verbotes durch Hernän Cortes verwiesen,
42
43 44
45 46 47
v g l . SIMPSON, E n c o m i e n d a , 6 0 — 6 2 .
48 49
NADER, The more communes, 216. „Porque podria ser que por Yo no ser bien informado, mande despachar algunas cartas para las dichas Indias; en caso que viniese perjuicio a nuestro servicio, yo vos mando que veais las tales cartas y las obedezcais, y en cuanto al cumplimiento nos lo hagais luego saber para que sobre ello os envie a mandar lo que se haga. Pero en recibiendo nuestro segundo mandado, obedecedlas y complidlas enteramente como os lo enviare a mandar, sin poner en dilacion alguna". Real Cedula vom 13. Dez. 1508, CODOIN-2-39, 185f. Dazu auch TAU ANZOÄTEGUI, L e y , 8 3 .
50
Zur Flexibilisierung von Autorität in der Kolonialherrschaft: PHELAN, Autorität.
362 51
Anmerkungen zu den Seiten 84 — 91 „escändalo c o n o c i d o Ο d a n o irreparable", vgl. TAU ANZOÄTEGUI, Ley, 84f., SIMPSON, Encomienda, 81.
52
D a z u n u n : JOHRENDT/MÜLLER, Z e n t r u m u n d Peripherie.
53
HAGENEDER, Rechtskraft, 4 0 4 .
54
„si preces veritate nituntur", s o C o d 1 . 2 3 . 7 pr., d a n n D e c r e t u m Gratiani C . 2 5 q. 2 p.c. 16
55
Ausführlicher hierzu: HAGENEDER, Rechtskraft, 4 0 4 - 4 0 6 .
56
.„Herrschaft" soll, definitionsgemäß, die C h a n c e heißen, f ü r spezifische (oder: für alle)
( § 8 ) , zit. nach HAGENEDER, Rechtskraft, 4 0 3 f .
Befehle bei einer angebbaren G r u p p e v o n M e n s c h e n G e h o r s a m zu finden", vgl. WEBER, Wirtschaft u n d Gesellschaft, 122.
III. Spaziergänge durch die Welt. Das epistemische Setting des Hofes 1
„los cortesanos, sin salir de sus a p o s e n t o s ni de los umbrales de la corte, se pasean p o r t o d o el m u n d o m i r a n d o un m a p a , sin costarles blanca, ni padecer calor ni frio, h a m b r e ni s e d " , Cervantes, D o n Q u i j o t e , II, 5.
2
FINKE, A c t a Aragonensia. B d . 1, X X V - X X X ; BURNS, Society, 2 5 .
3
BURNS, Society, 9.
4
LOPEZ PINERO, arte d e navegar, 120.
5
Descrizione della cittä di N a p o l i . O b w o h l die unmittelbaren E n t s t e h u n g s u m s t ä n d e des Textes nicht zu b e s t i m m e n sind, deutet seine pragmatische A u s r i c h t u n g a u f Fragen der H e r r s c h a f t s a u s ü b u n g d a r a u f hin, dass die E r f a s s u n g im Z u g e oder zur Vorbereitung des Herrschaftsantritts erfolgt sein könnte. A u c h m a g sie im Z u s a m m e n h a n g mit der Verm ä h l u n g zwischen A l f o n s unehelicher Tochter M a r i a mit Leonello d ' E s t e gestanden haben. D a z u : VALERIO, Cartography, 9 4 3 .
6 7
LUFF, Wissensvermittlung, 2 1 4 - 2 2 4 . G r u n d l e g e n d für den H o f Karls V. sind die f ü n f von MARTINEZ MILLÄN, JAVIER DE CARLOS MORALES u n d FERNANDEZ CONTI herausgegebenen B ä n d e : L a C o r t e de C a r l o s V; für den H o f Philipps II.: MARTINEZ MILLÄN/FERNÄNDEZ CONTI, m o n a r q u i a de Felipe II. Als Forschungsbericht: SÄEZ-ARANCE, corte.
8
Z u s a m m e n f a s s e n d : SABADELL DA SILVA, T o r m e n t a , 4 5 - 5 3 ; WELLER, Kastilien.
9
BERNECKER/PIETSCHMANN, Geschichte Spaniens, 4 1 . Vertreten waren: Avila, Burgos, C o r d o b a , C u e n c a , G r a n a d a , Guadalajara, J a e n , L e o n , M a d r i d , Murcia, S a l a m a n c a , Segovia, Sevilla, Soria, T o l e d o , Toro, Valladolid u n d Z a m o r a .
10
OWENS, absolute royal authority, 118.
11
Z u r H e r a u s b i l d u n g , sozialen Stellung u n d politischen F u n k t i o n des C o r r e g i d o r : LUNENFELD, Keepers.
12
D i o s , C o n s e j o Real de Castilla; für die Regierungszeit Philipps II. nun: EZQUERRA REVILLA, consejo real de Castilla.
13
BERNECKER/PIETSCHMANN, Geschichte Spaniens, 4 3 ; WALSER, Zentralbehörden, 2 3 1 . D e r Consejo de la cruzada
228-
verwaltete die nach der E r o b e r u n g von G r a n a d a weiter
bestehende Finanzhilfe aus d e m kirchlichen Z e h n t e n . Zwei Drittel flössen an die Krone. 14
BARBEITO, Alcazar, 3 8 .
15
Z u r rasanten architektonischen, sozialen u n d kulturellen E n t w i c k l u n g vgl.: ALVAR EZQUERRA, Felipe II.; z u m Retiro-Palast: BROWN/ELLIOTT, Palace.
16
D i e Festlegung a u f eine p e r m a n e n t e Residenz u n d d a m i t H a u p t s t a d t erfolgte nicht einfach deshalb, u m etwa die Verwaltung effizienter abwickeln zu k ö n n e n . E s ist vielmehr
Anmerkungen zu den Seiten 91 — 94
363
von einem Konglomerat aus Gründen auszugehen. So wuchs beispielsweise der Hofstaat nach der Einführung des burgundischen Hofzeremoniells 1548 stark an, was bei häufigem Wechsel des Hoflagers zu einer enormen organisatorischen und logistischen Belastung geworden wäre. Dazu: PARKER, Grand Strategy, 17. 17
RABE/MARZAHL, C o m m e r e p r e s e n t a n t , 8 3 - 9 4 .
18
Zu Cobos grundlegend: KENISTON, Cobos. Eine politische Sonderrolle besaß der Großkanzler Mercurino Gattinara. Dazu weiterhin: HEADLEY, Emperor.
19
RABE, E l e m e n t e , 1 6 9 - 1 7 6 ; MARZAHL, R e g e n t s c h a f t ; MARTINEZ M I L L Ä N / C A R L O S M O R A -
20 21
LES, corte de Carlos V, 54—60. Zu Philipp II. und seiner Beteiligung an amerikanischen Angelegenheiten, siehe: SCHÄFER, Indienrat, Bd. 1, 89f. LISON TOLOSANA, imagen, Kap. 3; HOFMANN, Hofzeremoniell. Zu einer kritischen Revision des Zusammenhangs von Zeremoniell u. Macht: PECAR, Hofzeremoniell, 381-404. D a z u BOUZA ALVAREZ, m a j e s t a d , 5 3 .
22
ELLIOTT, C o u r t , 1 4 9 .
23
FEROS, Kingship, 83.
24
FERNANDEZ DE CORDOVA MIRALES, C o r t e d e I s a b e l I., 3 6 9 - 3 7 3 .
25
FEROS, Kingship, 84f.; FEROS, Twin Souls, 34; CAMPBELL, Monarchy, 70f. Gegen die kommunikativen Konsequenzen überbetonter Gravität argumentierte Solorzano Pereira: „No hay que excluir toda relaciön directa entre gobernante y gobernado so pretexto de engrandecer la dignidad real, juzgando que el trato mäs familiar perjudica el respeto; el Principe esta obligado a oir a sus vasallos, recibir sus peticiones y atender sus quejas, pero siempre con ciertas limitaciones para evitar el exceso", vgl. AYALA, Ideas, 244.
26
FIRPO, Relazioni, Bd. 8, 437; PARKER, Grand Strategy, 18f., 305. Zur Teilnahme Philipps an öffentlichen Festivitäten Madrids: RODRI'GUEZ-SALGADO, Court, 242f.
27
RODRI'GUEZ-SALGADO, C o u r t , 2 1 3 , 2 3 5 ; CABRERA DE CÖRDOBA, F e l i p e S e g u n d o , B d . 3 ,
28
228. Zur Raumaufteilung unter Philipp III. vgl.: SANCHEZ, Empress, Fig. 12 u. 13 bzw. Juan Gomez de Mora, 384f. Vgl. die Beschreibung bei BERTAUT, Relation, 4 3 - 4 5 .
29
CAMPBELL, M o n a r c h y , 3 8 f .
30 31
„Ainsy est la court plus par la ville que chez le Roy", vgl. JOLY, Voyage, 571. „Le Roy ne se voit que par Audiance, qu'il donne a tous les particuliers quie la luy sont demander [...], & le reste du temps il est enferme dans son Palais, oil tout le monde se va promener dans les Cours, dont il y en a deux ä Madrid de la maniere de Cloistres de nos moines, soit pur y acheter queles marchandies dans les boutiques qui y sont establies, soit les matis pour les affaires que l'on a aux Conseils qui se tiennent dans toutes les salles basses du Palais", vgl. BERTAUT, Relation, 44f.
32
RODRIGUEZ M A R I N , C e r v a n t e s ; CASTILLO G O M E Z , L e e r , 2 8 - 3 8 . Z u r S t e l l u n g M a d r i d s i m
Netz der schriftlichen Nachrichten PIEPER, Vermittlung, 57-62. 33
Bezüglich der Verbindungen Päez de Castros und seiner Ernennung zum königlichen Chronisten ist der Briefwechsel mit Jeronimo Zurita interessant, abgedruckt in: UZTAR-
34
„oraculo para todo lo que se dudare", vgl. BME, Ms. & . II. 15, fol. 192v; derText findet sich ediert als: PÄEZ DE CASTRO, Memorial, 171.
35
„Cartas universales de marear, y cosmographia de todo lo que hasta oy se sabe del mundo, hechas con mucha diligencia. En las quales esten senaladas las particiones con los Reyes vezinos, y sus demarcaciones, y derotas para todo lo descubierto: Principalmente se hara una de las Indias Occidentales muy grande, a imitacion de la tabla de Europa que esta en el palacio de Sant Marcos en Roma, [...]. Globos de diversas grandezas [...]. Cartas de pro-
ROZ/DORMER, p r o g r e s s o s ( 1 6 8 0 ) , 4 5 8 ^ 9 0 . Z u r P e r s o n : MARTI'N MARTIN, V i d a .
364
Anmerkungen zu den Seiten 94 — 97 vincias particulates con toda certidumbre assi de estas partes, como de las indias. Pinturas de cibdades mui famosas bien sacadas, no solamente de Europa, sino de todo lo que se sabe del universo." Vgl. BME, Ms. &. II. 15, fbl. 193r.
36 37 38 39
BME, Ms. &. II. BME, Ms. &. II. BME, Ms. &. II. Zur Einrichtung
15, fol. 193r. 15, fol. 193v-194r. 15, fol. 194r-194v. und ikonographischen Ausgestaltung der Bibliothek des El Escorial:
SCHOLZ-HANSEL, W i s s e n s c h a f t s u t o p i e .
40 41 42
RUBIO MORAGA, propaganda Carolina, 118; WOHLFEIL, Grafische Bildnisse; für die Zeit Philipps IV: KAGAN, Arcana imperii. 50-56. Z u m botanischen Garten von Aranjuez siehe: LOPEZ PINERO, Felipe II; sowie den Ausstellungskatalog: Felipe II. El rey intimo. Wennauch zu einer wenig frequentierten (SÄEZ-ARANCE, Hof, 185f.). Z u m Bücherankauf durch Benito Arias Montano: BEER, Niederländische Büchererwerbungen.
43
MULCAHY, P h i l i p I I , 2 7 f .
44
Zit. nach MULCAHY, Philip 11,81, 193, 230. Zur Reliquiensammlung: ESTAL, Felipe II. Z u den Objekten im El Escorial allgemein: ZARCO CUEVAS, Inventario.
45 46
Dazu LAZURE, Perceptions. Auch im Retiropalast wurden amerikanische und indianische Objekte gesammelt. Vgl. den Bericht von 10. Jan. 1667: MURET, Cartas, 557.
47
Einen kurzen Überblick gibt: BOSTAMANTE GARCIA/LAFUENTE, corte y la ciencia.
48
ESTEBAN PINERO/VICENTE MAROTO, C a s a , 4 5 - 5 1 .
49
Zu Arias de Loyola siehe: AGI, Indif. 742, η. 153. Consulta vom 8. April 1594.
50
NAVARRO BROTONS, C o l e g i o I m p e r i a l , 5 9 - 6 8 .
51 52 53
Zur tägliche Gesetzeslektüre des Königs nach 5. Mose 17, 18: SENELLART, arts, 54f., 103-107. BPT, Ms. 155, fol. 5r. „no os dormais ninguna noche sin haver antes examinado vuestra conciencia en aquel dia, teniendo un Iibrito secreto, y bajo de vuestra Haves, en el que asenteis vuestras culpas de palabra, de obra, y de pensamiento, a aquel dia; (Dios permita no tengais que sentar ni escrivir ninguna) y esto os servira mucho para quando llegueis al sacramento de la Penitencia; [...] la memoria como es tan fragil [...]. En acabando la confesion, la rompereis del Iibrito, y bolvereis a escrivir lo que os acontezca [...], lo que os encargo mucho, pues a mi me ha servido de gran beneficio, y guia para obra tan grande." BPT, Ms. 155, fol. 19r-20r.
54
Ganz so wie die Historia im Allgemeinen, die als Sammlung von Exempla Empirie für normative Orientierung verfügbar macht. Zur Funktion der Exempla umfassend: M o o s , Geschichte als Topik; zur Umsetzung von Exempla in Normen illustrativ: LAUTERBACH, Geschichtsverständnis, 126.
55
GARCIA GARCIA, P a x H i s p a n i c a , 1 1 .
56 57
ASH, Navigation Techniques, 513. „Y todo lo mäs del tiempo del invierno que estuvo el Emperador malo en esta ciudad, de gota, y los mäs dias ocupado conmigo, Alonso de Santa Cruz, cosmografo mayor, en aprender cosas de Astrologia, esfera y teorica de planetas, y cosas de cartas de marear y bolas de Cosmografia, en que recibia mucho pasatiempo y contento." SANTA CRUZ, Crönica, 24. Z u Santa Cruz' Unterricht am Hof: PORTUONDO, Secret Science, 69. BUISSERET, Spanish Peninsular Cartography, 1081; einen besonders frühen Fall kartographischer Erfassung eines Landesteiles durch Bereisung schildert: DAINVILLE, Cartes.
58 59
So berichtet Bischof Georg v. Chiemsee an den Kardinal von Siena, 29. Jan. 1491, abgedruckt in: ZAHN, Formelbuch, 33-80, hier 74f.
Anmerkungen zu den Seiten 9 8 — 102 60
365
SCHMIDT/KAGAN, Maps, 6 6 6 . Zu Grenzkonflikten und der Konstruktion der Grenzen Venedigs nun: LANDWEHR, Erschaffung Venedigs.
61
SCHMIDT/KAGAN, Maps, 6 6 6 - 6 6 8 .
62
FRIEDRICH, Zu nothdürfftiger information.
63
MEURER, Cartography, 1213f.
64
FRIEDRICH, C h o r o g r a p h i c a ,
65
Spanische Karten wurden im Ausland durchaus rezipiert und publiziert. Vgl. MARTI'N-
83-109.
66
Dazu umfassend das 4. Kapitel von ALPERS, Kunst als Beschreibung, 2 1 3 - 2 8 6 .
MERÄS, cartografia, 9 2 f .
67
BARBER, Mapmaking in England, l 6 5 7 f .
68
Vgl. die Widmungsvorrede an Philipp II., in: ORTELIUS, Theatrum orbis terrarum, fol. A2a, sowie die an den Leser, ebd., fol. A2b.
69
„L'utilite, les delices, et le plaisir provenant du globe dresse, et compose partel artifice, sont mal aisez ä croire, ä ceux lesquels au paravant n'en ont gouste quelque douceur d'experience. Car certainement entre tous instrumens, c'est le singulier, duquel l'ample usage resiouy les astronomes, conduict les geographes, confirme les historiens, enrichit et rend copieux les legistes, est admire des grammariens, gouverne les pilotes, et bref outre la beaute, et forme d'iceluy, est ä chacun indiciblement commode, et necessaire", vgl. FRISIUS, principes; etwas knapper das lateinische Original: FRISIUS, De principiis.
70
„other some, for things past, as battles fought, earthquakes, heavenly fyrings, & such occurrences in histories mentioned: thereby lively, as it were, to vewe the place, the region adioyning, the distance from us: and such other circumstances. Some other, presently to vewe the large dominion o f the Türke: the wide Empire o f the Moschovite [...] Some, either for their owne iorneyes directing into farre landes: or to understand o f other mens travailes. To conclude, some, for one purpose: and some, for another, liketh, loveth, getteth, and useth: Mappes, Chartes, and Geographicall Globes. O f whose use, to speake sufficiently, would require a booke peculiar", DEE, unfained lovers o f truthe, fol. a IV.
71
BROTTON, Trading Territories; MARTI'N-MERAS, cartografia, 86.
72
WIESER, Portulan, 4 8 8 ; vgl. auch PADRÖN, Spacious World, 3.
73
BARBER, Mapmaking, 1658f.
74
Wie wenig man schon ein genaues Bild der Neuen Welt und seiner kontinentalen Ausmaße besaß, sieht man daran, dass man in dieser Quelle immer noch von den .neuerlich gefundenen Inseln' sprach, den „isole trovate nuovamente nel mar Oceano".
75
Aus späteren Briefen geht hervor, dass die Markgräfin zunächst nur den schriftlichen Bericht Pigafettas erhielt, weiterhin auf dessen persönliches Erscheinen in Mantua drängte, bis er schließlich zusammen mit seinem originalen Tagebuch der Reise dort erschien. Vgl. dazu: CARTWRIGHT, Isabella d'Este, 2 2 5 - 2 2 7 . Zu Chiricati als Sammler von Americana: CACHEY, Introduction, XVf. Zu Pigafetta nun: PIGAFETTA, First Voyage.
76
„una palla, dove e pinto tutto el ditto viaggio, et Ii ha mandato un ucello, che, e cosa belissima a vedere". So im Brief des päpstlichen Nuntius Francesco Chiericati an Isabella d'Este Gonzaga v. 10. Jan. 1523, vgl. MORSOLIN, Francesco Chiericati, 1 1 1 - 1 1 3 , hier 112.
77
Dazu auch: EDELMAYER, Dinero, 1 3 1 - 1 4 7 .
78
Unter der zeitweiligen Leitung Al-Zarqalis (Arzachels), vgl. BUISSERET, Spanish Peninsular Cartography, 1070f.
79
RANDLES, Recovery, 2, PORTUONDO, Secret Science, 2 8 - 3 1 u. 4 0 - 4 2 . Zu Salamancas Rolle i n d e r K o s m o g r a p h i e s i e h e e b d . 3 8 ^ I 8 u . FLÖREZ M I G U E L , C o s m o g r a f o s .
80
„porque a nuestro servicio cumple que no se entienda ahora en lo susodicho", Real Provision vom 3. Juni 1523, ediert in: LABORDA, Descripciones, 81.
366 81 82
83 84 85
86 87
88
89
Anmerkungen zu den Seiten 1 0 3 — 1 0 6 „Viendo esto mi senor don Hernando quiso tomar este trabajo imenso y costa grande sino que la invidia no lo dexo llegar al cabo", zit. nach M A R I N MARTINEZ, Memoria, 48. Eine von Antonio Bläzquez nahegelegte Vorläuferschaft im 15. Jhd., die er aus der Interpretation des Ms. 7855 der BNE ableitete, wird von Marin Martinez zurückgewiesen. Vgl. BLÄZQUEZ, Itinerario, 83-105; M A R I N MARTINEZ, Memoria, 229-233. Zwischen 1494 und wahrscheinlich 1502, bis 1497 als Page und Schüler u.a. von Pietro Martire d'Anghiera, vgl. DELGADO PEREZ, Hernando Colon, 39f. DELGADO PEREZ, Hernando Colon, 57. DELGADO PEREZ, Hernando Colon, 6 1 - 6 3 . ASENSIO, Cristobal Colon, Bd. 2, 731. CARACI LUZZANA, Introduction, 8 - 1 1 ; DAMLER, Pars pro toto, 438f. Zur Sammlung der Drucke vgl. DELGADO PEREZ, Hernando Colon, 93-95, zur Bibliothek zusammenfassend ebd., 107-124. Siehe hierzu auch Colons, von Martin Fernandez (de) Navarrete zitierte Aussage: „Ser desde mi ninez en esta Real casa criado, [...] me incita a tan entranable deseo de servir a vuestra Magestad que, cuando no se ofrece en que emplear el trabajo corporal de mi persona, procuro de ocupar las fuerzas de mi pobre juicio en obras de que redunde algun servicio; la prueba de lo cual [...] digo que es un tratado sobre la forma de descubrir y poblar en la parte de las Indias, y un volumen intitulado ,Colon de Concordia' [...] asimesmo con el dicho intento y celo de servir, me atrevi a servir a su Majestad con aquellas escrituras ο forma de navegacion para su alto y felicisimo pasaje de Flandes a Espana y, por el consiguiente, entendia en hacer la discreccion [= descripcion] y cosmografia de Espana, a que por el presidente que era del Real Consejo de vuestra Majestad me fue puesto impedimento." Zit. nach MARI'N MARTI'NEZ, Memoria, 165f.
92
Er war schon im Folgejahr Teil der Junta von Badajoz. Ab 1526 vertrat er schließlich den Piloto Mayor der Casa de la Contratacion und übernahm dabei abermals zwei große Projekte, nämlich die Herstellung einer Weltkarte und von Muster-Seekarten, mit denen alle spanischen Schiffe navigieren sollten: „hareis una carta de navegar y un mapamundi ο esfera redonda en la qual se situen todas las islas y tierras firmes [...] para que se ponga[n] en la nuestra cassa de la contratacion de las yndias [...] y sean padrones de todas las cartas y mapamundis que se ovieren de hazer", AGI, Indif. 421, L. 11, fol. 234r-234v, fol. 234v. DELGADO PEREZ, Hernando Colon, 6 7 . „Para el hazer las tablas seran quadradas y divisas por grados de longitud y latitud y cada grado en millas cuyas lineas cruzaran la tabla como en un tablero de axedrez por que facilmente del original do[nde] se pintare al principio se pueda sacar en los otros." Instruktion Hernando Colons, zitiert nach: RODRIGUEZ TORO, Descripcion, 2 7 8 . Dazu RODRIGUEZ TORO, Descripcion, 13f.
93 94
COLON, Descripcion, Bd. 2, 6 1 . LABORDA, Descripciones, 17f.
95
»para esto [hacer la cosmografia de Espana], fue necesario enviar por todos los pueblos de Espana a algunas personas que se informasen en cada pueblo de los vezinos que habia y de todo lo demäs que en el hobiese dino de memoria y habida la informacion la truxiesen por fee de escribano y de testigos fideninos (sie!)." JUAN PEREZ, Memoria, 47.
96
EHEIM, Topographie, 12.
90
91
97
RÖTTEL, W e l t k a r t e n , 68f.
98
Karl V. bediente sich ihrer, etwa im Schmalkaldischen Krieg, durchaus auch zu militärischen Zwecken, vgl. TRACY, Emperor, 213.
99
MEDINA, Libro.
Anmerkungen zu den Seiten 106 - 115
367
100 PUERTO, leyenda verde, 423f. Zu den eingesetzten Techniken und Instrumenten: VICENTE MAROTO/ESTEBAN PINEIRO, Aspectos, 4 7 3 - 4 8 2 .
101 B M E , Ms. Κ. I. 1; zu diesem Atlas siehe: REPARAZ RUIZ, Topographical Maps; VÄZQUEZ MAURE, Anälisis; sowie nun: CRESPO SANZ, mapa olvidado. 102 HAVERKAMP-BEGEMANN, Vistas, 56£; PORTUONDO, Secret Science, 46f. 103 „pero nosotros, los caballeros andantes verdaderos, al sol, al frio, al aire, a las inclemencias del cielo, de noche y de dia, a pie y a caballo, medimos toda la tierra con nuestros mismos pies, y no solamente conocemos los enemigos pintados, sino en su mismo ser", Cervantes, Don Quijote, II, 5.
IV. Spiegelungen der Welt. Nautisches Wissen in Sevilla 1
Sevilla wurde im letzten Jahrzehnt des 15. Jhs. nach Salamanca zum zweitwichtigsten Druckort Kastiliens für wissenschaftliche Werke: ARRIZABALAGA, libro cientifico, 621.
2
KÖHLER, C o l u m b u s , 4 I f .
3 4
Zu Rechtsvorstellungen der Besitznahme: SEED, Ceremonies. „en el [Molukken] peleaban ambas naciones Espafiolas con armas, y sus Reyes en Europa con sutilezas de derecho y de Cosmografia", zit. nach SANDMAN, Cosmographers, 26.
5 S
Dazu: HERA, primera division. Den Hintergrund bildete offensichtlich die Beobachtung einer markanten Zone starker Seegrasbildung und Kompassmissweisungen, vgl. den Bordbucheintrag v. 17. Sept. 1492, C O D O D E S I , 113.
7
SANDMAN, C o s m o g r a p h e r s ,
8 9
PRIEN, Bulas Alejandrinas, 12f. Zu den Bullen vgl. PRIEN, Bulas Alejandrinas. Der Vertrag von Tordesillas wurde durch die Bulle Ea quae Julius' II. vom 24. Jan. 1506 bestätigt. PRIEN, Bulas Alejandrinas, 18. Den Portugiesen ging es eventuell um einen möglichst weiten Raum für die Südrouten ihrer Schiffe, da sie so auf die schwierigen Wind- und Strömungsverhältnisse in Aquatornähe reagieren konnten.
10
39-44.
11
RUMEU DE ARMAS, t r a t a d o ,
12
Wissenschaftshistorisch zum Längengrad: ANDREWES, Quest.
111.
13
RUMEU DE ARMAS, tratado, l 4 9 f .
14
RUMEU DE ARMAS, t r a t a d o , 1 7 3 f .
15 16
Zur Junta von 1515 siehe: LAMB, Spanish Cosmographic Juntas, 53f. „Säbese la concesion del Papa Alejandro; la division del mundo como una naranja entre el rey de Portugal e los abuelos de Vuestra Majestad; por ciertas lineas imaginarias que no se han tirado; porque, aunque enviaron ciertos pilotos para hacer una demarcacion e asentar estas lineas e punto donde habian de estar, como esta sea division de longitudes, en que los pilotos ninguna cosa saben ni alcanzan, no pudieron ni supieron hacer cosa cierta, e asi, se volvieron sin hacer ninguna cosa.", zit. nach JIMENEZ DE LA ESPADA, Antecedentes, 12.
17
SANDMAN, Cosmographers, 4 5 - 4 8 . Das Verfahren hätte dem einer .Kundschaft' entsprochen, vgl. HOLENSTEIN, Huldigung, 31 undTEUSCHER, Erzähltes Recht, 38, 48f. C O D O I N - 1 - 3 2 , 223; C O D O I N - 1 - 3 8 , 226-233. FELDBAUER, Estado da India, 62. Nämlich 1505 in der Junta de Toro und 1508 in der Junta de Burgos. Die Karte Juan de la Cosa von 1500 stellte die Ostküsten Amerikas erstmals zusammenhängend dar, wenngleich natürlich noch keineswegs vollständig. Vgl. CEREZO MARTINEZ,
18 19 20 21
368
A n m e r k u n g e n zu d e n S e i t e n 1 1 6 -
118
padrones, 6 0 6 - 6 0 9 . Die Karte Juan de la Cosas wurde u.a. reproduziert bei CEREZO MARTINEZ, C a r t o g r a f i a , 8 2 b . 22
BROTTON, T r a d i n g Territories,
23
R U M E U DE ARMAS, t r a t a d o , 2 0 9 f . ; SANDMAN, C o s m o g r a p h e r s , 6 I f .
24
BROTTON, Trading Territories, 119; KELLENBENZ, Diego und Cristobal de Haro, 305f.
25
122-125.
Das üblicherweise zu lesende Verhältnis von 18 Uberlebenden von 2 3 9 Personen ist nicht korrekt. Laut einer Abschrift der offiziellen Besatzungslisten von 1815 waren zwar 2 3 9 Männer an Bord (AGI, Patr. 34, r. 6), doch gab es offensichtlich neben der offiziellen Besatzung noch weitere Personen an Bord. Pigafetta berichtet von 2 3 7 Besatzungsmitgliedern (PIGAFETTA, Relazione, 163). Von den fünf Schiffen landete nur die Victoria nach vollständiger Umrundung mit 18 Mann an Bord am 6. Sept. 1522 in Sanlücar de Barrameda bzw. am 8. Sept. 1522 in Sevilla (PIGAFETTA, Relazione, 352). Doch Teile der Besatzung anderer Schiffe der Flottille wurden auf den Kapverden festgehalten (PIGAFETTA, Relazione, 351). Die San Antonio war bereits am 8. Mai 1521, jedoch ohne Erdumrundung, zurückgekehrt (AGI, Patr. 34, r. 18). In den offiziellen Berichten der Spanier werden lediglich 103 Tote beziffert (AGI, Patr. 34, r. 11).
26
R U M E U DE ARMAS, t r a t a d o , 2 1 5 - 2 1 7 .
27
BROTTON, Trading Territories, 125.
28
Das Konzept des Gegenmeridians lag dabei vorwiegend in spanischem Interesse: EZQUERRA ABADIA, i d e a , 2 - 2 6 .
29
Zur Einquartierung die Reales Cedulas v. 8. März u. 10. April 1524: AGI, Patronato 48, r. 12.
30
A G I , P a t r o n a t o 4 8 , r. 1 9 ; FERNANDEZ DE NAVARRETE, C o l e c c i o n , B d . 4 , S . 3 5 7 .
31
AGI, Patronato 4 8 , r. 19.
32
AGI, Patronato 48, r. 15.
33
LOPEZ DE GÖMARA, Historia, Bd. 2, 179f. Die Portugiesen hatten bereits auf dem Basler Konzil eine Karte eingesetzt, um nachzuweisen, dass die Kanaren näher an Portugal als an Kastilien lagen. Dazu: ALEGRIA/DAVEAU/GARCIA/RELANO, Portuguese Cartography, 981.
34
FERNANDEZ DE NAVARRETE, C o l e c c i o n , B d . 4 , 3 4 5 f .
35
LAMB, Spanish Cosmographic Juntas, 55.
36
Zu einer möglicherweise von spanischer Seite eingesetzten Karte in Wolfenbütteler Beständen siehe: HEITZMANN, Wem gehören die Molukken?
37
„por una boca hableys todos", Burgos, 21. März 1524, AGI, Patronato 4 8 , r. 12. Dass dies offenbar tatsächlich ein Problem darstellte, verdeutlichen Bemerkungen des Königs, der sich verwundert zeigte zu erfahren, dass man zu den internen Sitzungen der spanischen Kommission nicht, wie vorgeschrieben, die mitgereisten Kosmographen und Astrologen hinzugezogen hatte und deren Argumente ungehört blieben. Vgl. AGI, Patronato 4 8 , r. 12, 10. April 1524.
38
FERNANDEZ DE NAVARRETE, C o l e c c i o n , B d . 4 , 3 5 0 f . , 3 6 2 u . 3 6 8 .
39
SANDMAN, C o s m o g r a p h e r s , 8 5 .
40
H i e r z u : C A B R E R O FERNANDEZ, e m p e n o .
41
Zum Widerstand gegen das Projekt vgl. MARTINEZ CARDÖS, Indias, 1 0 4 - 1 0 7 . Zur Rolle
42
SANDMAN, C o s m o g r a p h e r s , 8 7 ; R U M E U DE ARMAS, t r a t a d o , 2 9 9 . I n g e g e n s e i t i g e m
Colons: PEREZ, Hernando Colon, 84. Ein-
vernehmen konnte aber erneut eine Expertenkommission Verhandlungen aufnehmen. 43
Faktisch blieben spanische Ansprüche lebendig, was schon die weiterhin abweichenden Darstellungstraditionen in spanischen Kartenbildern des 16. Jahrhunderts verdeutlichen, vgl. MARTI'N-MERÄS, c a r t o g r a f i a , 8 5 .
Anmerkungen zu den Seiten 1 1 9 — 123 44
SZÄSZDI LEON-BORJA, Casa, 125; zum Begriff funduq
369
bzw. fiinduk vgl. GAZAGNADOU,
precision, 165-167; zur Architektur: MEYER RIEFSTAHL, Trajan's Market, 17-19. 45
TEIXERA DE MOTA, N o t e s , 5 1 f.
46
SZÄSZDI L E O N - B O R J A , C a s a , 1 2 6 .
47 48
BERNAL, Casa, l44f. BERNAL, Casa, 141; zum dahinterstehenden System DAMLER, Imperium, 26f. u. 66f.
49
FERNANDEZ DE OVIEDO, Historia general, Bd. 4, 3 0 0 .
50
.Alles Gut, das die heimkehrenden Schiffe bringen, auch das von Privatleuten, ist sofort dem Finanzrat zu melden", so SCHÄFER, Indienrat, Bd. 1, 129.
51
SZÄSZDI L E O N - B O R J A , C a s a , 1 0 2 f .
52
BERNAL, Casa, 133.
53
Zum über Sevilla abgewickelten Buchexport siehe KROPFINGER-VON KÜGELGEN, Europäischer Buchexport.
54
CERVERA PERY, Casa; SIEGERT, Passagiere.
55
SZÄSZDI
LEON-BORJA,
Casa,
113-125,
134.
Zu
Cristobal
de
Haro:
KELLENBENZ,
Brüder. Sevilla konnte in diesem Falle seine Alleinstellung nur aufgrund außenpolitischer Entscheidungen aufrecht erhalten. Die im Vertrag von Saragossa 1529 vereinbarte Abtretung der Gewürzinseln zog die Schließung der Casa von La Coruna nach sich. 56
SZÄSZDI L E O N - B O R J A , C a s a , 1 3 4 f .
57
Dieses zunächst mediterrane Verfahren konsularischer Gerichte (Valencia 1283) wurde erst 1494 durch die Katholischen Könige auch für den kastilischen Raum zugelassen. Vgl. MILAGROS DEL VAS MINGO, consulados; BERNAL, Casa, 1 5 4 .
58
Zur Universidadde Mareantes siehe: NAVARRO GARCIA, Pilotos, 279-283 sowie den Quellenband: Actas de la Universidad de Mareantes.
59
SCHÄFER, C o n s e j o , B d . 1, 2 4 - 2 9 .
60
Pietro Martire d'Anghiera, 2. Dekade, Buch X: „Inclusi uno cubiculo, multos harum rerum indices habuimus ad manus, solidam universi cum his inventis sphaeram, et membranas, quas nautae Chartas vocant navigatorias, plures, quarum una a Portugalensibus depicta erat, in qua manum dicitur imposuisse Americus Vespucius Florentinus [...] Alteri Colonus vivens, cum ea perlustraret loca, dedit initium, cui et frater eius Bartholomaeus Colonus, Hispaniolae adelantatus, iudicium suum addidit, peragravit nanque et ipse ea littora. Praeterea Castellanorum omnium, quotquot sibi sentire quid sit metiri terras et littora persuadent, suam quisque navigatoriam depinxit membranam." MÄRTIR DE ANGLERIA, D e orbe novo decades I—VIII. Parte prima (I—IV), 2 8 6 . HANS KLINGENHÖFER übersetzt
hier sehr frei, vgl.: MARTYR VON ANGHIERA, Acht Dekaden, Bd. 1, 209. 61 62
Das Amt eines cosmögrafo-mor richtete Portugal erst 1547 ein, also deutlich später als Kastilien. Vgl. ALEGRIA/DAVEAU/GARCIA/RELANO, Portuguese Cartography, 1004. „nos es fecha relacion que ay muchos padrones [...] de diversos maestros que an puesto y asentado las tierras y yslas de las yndias a nos pertenescientes que por nuestro mandado nuevamente an seydo discubiertas los quales estan entre si muy diferentes los unos de los otros asi en la derota como en el asentamiento de las tierras lo qual pueda cabsar muchos ynconvinyentes y porque aya horden en todo es nuestra merced y mandamos que se haga un padron general y porque se haga mas cierto mandamos a los nuestros oficiales de la casa de la contratacion de sevylla que hagan juntar todos nuestros pilotos los mas abiles que se hallaren en la tierra a la sazon y en presencia de vos merigo despuche nuestro piloto mayor se ordene y haga un padron de todas las tierras y yslas de las yndias que hasta oy se han descubierto pertenescientes a los nuestros reynos y senorios y sobre las razones y consultas dellos y el acuerdo de vos el dicho nro piloto mayor se haga un padron general el qual se
370
Anmerkungen zu den Seiten 123 — 127 llame el padron real". Die Real Cedula wurde im Namen Königin Johannas ausgestellt. Vgl. AGI, Indif. 1961, L. 1, fol. 65v-67r, hier fol. 66r. Das Dokument ist mit kleineren Auslassungen ediert in: C O D O I N - 1 - 3 6 , 251-256.
63
Der Konsens soll wie so oft durch eine Junta hergestellt werden, „y alii todos juntos con otros pilotos e personas que tengan noticia y espiriencia de la dha navegacion veais las cartas que hasta agora estan hechas, que tuvieredes en vor poder y pudieredes aver e platiqueis cerca dello lo que vieredes que conviene para hazer una carta la mas verdadera y cierta que ser [!] pueda en conformidad de todos ο de la mayor parte de vosotros." Real Cedula vom 20. Juni 1526,AGI, Indif. 421, L. l l , f o l . 2 1 v .
64
DazuToMASELLO, Entwicklung, 14f. bzw. die Einordnung dieses Denkens bei ZWIERLEIN, Diachrone Diskontinuitäten, 444.
65 66 67
CAMPBELL, Portolan Charts, 375. Zusammenfassend und zur antiken Vorgeschichte: DILKE, Itineraries, 236-238. ROMERO MARTINEZ, padron; in Hinsicht auf den Wortgebrauch in der kolonialen Situation: ABELLÄN GARCIA, Poblacion y control, XLVII, und GAREIS, Geschichte, 164. „La collocacion de los lugares y puertos y yslas en la carta segun sus proprias distancias consiste en particular y verdadera relacion de los que lo han andado y asi son menester padrones de las costas puertos, y yslas que se han de pintar en la carta. Y han se de procurar los mas approbados y verdaderos que se hallen: y no solamente padrones pintados: mas tambien es menester saber las alturas de polo de algunos cabos principales y de puertos y de famosas ciudades." CORTES DE ALBACAR, Breve compendio, fol. LXIIIr.
68
69
CEREZO MARTINEZ, padrones, 6 0 9 . Ähnliches bei K o l u m b u s : KIENING, Subjekt, 82f.
70
„por el qual [el padron real, A.B.] todos los pilotos se ayan de regir y governar e sea en poder de los dichos nuestros officiales e de vos el dicho nor piloto mayor e que nyngund piloto huse de otro nyngund padron sino de que fuere sacado por el [...] e asimismo mandamos a todos los pilotos de nuestros Reynos y senorios que de aqui adelante fueren a las dichas nuestras tierras de las yndias descubiertas ο por descubrir que hallando nuevas tierras ο yslas ο baxos ο nuevos puertos ο cualquier otra cosa que sea digna de ponerla en nota en el dicho padron real que en viniendo a castilla vayan a dar su relacion a vos el dicho nuestro piloto mayor e a los oficiales de la [...] e a los oficiales de la casa de la contratacion de sevylla porque todo se asiente en su lugar en el dicho padron real a fin que los navegantes sean mas cabtos y ensenados en la navegacion. Ε asi mandamos que nyngund de nuestros pilotos que navegare por el mar oceano de aqui adelante no vayan sin su quadrante e estrolabrio y el regimiento para ello", AGI, Indif. 1961, L. 1, fol. 65v-67r, hier fol. 66r-66v.
71 72
MARTI'N-MERAS, ensenanzas näuticas, 669. Bezüglich früher, zugeschriebener Karten vgl. u.a. DAVIES, Egerton; CEREZO MARTINEZ,
73
Vgl. auch die Bemerkungen zum Bestand in der Anordnung vom 24. Juli 1512, den Padron Real herzustellen, überliefert in AGI, Contr. 5784, L. 1, fol. 20r-21r, hier fol. 20r-20v, mit abweichendem Text: AGI, Indif. 418, L. 3, fol. 326v-328v. LAMB, Spanish Cosmographic Juntas, 51-62. Sie verweist auf die Rechnung von Andres Garcia de Cespedes in AGI, Patr. 262, r. 2, die aber keine derartige Wandkarte erwähnt.
padrones,
74 75 76
613-637.
AGI, Indif. 742, n. 151c, Sevilla, 22. Dez. 1593. Vgl. u.a. AGI, Indif. 1957, L. 5, fol. 9v. Die fünf Partikularpadrones sollten laut der Empfehlung der Casa von 1593 die folgenden Gebiete abdecken: „El segundo padron ha de ser desde Cabo Verde hasta el sur que tenga el Brasil hasta el estrecho de Magallanes, y costa de Africa hasta el cabo de Buena Esperanza. El tercero desde el estrecho de Magallanes hacia el norte, todo el mar del sur y costa del Peru hasta Nueva Espana. El quarto que
A n m e r k u n g e n zu d e n Seiten 1 2 7 — 1 3 0
371
tenga la navegacion desde la nueva Espana y islas Philippinas. El quinto que tenga desde Espana, toda la costa de Africa y Cabo de buena esperanza y todas las costas del mar mediterraneo, hasta el fin del mar euxino [Schwarzes Meer, A.B.] de la parte del norte, y las puertas del mar Bermejo [Rotes Meer, A.B.], de la parte del sur. El sexto y ultimo que tenga desde el cabo de Guardafii, hacia el levante toda la costa de las Indias orientales, por el cabo de Comorin, y malaca, costa de la China, islas Philippinas y de maluco y jappon", vgl. AGI, Indif. 742, n. 151c, 22. Dez. 1593. 77
Juan Lopez de Velasco 1575: ,,el padron por ser de pargaminos se encoje y gasta". Er würde es daher bevorzugen, über ein Buch mit exakten Längen- und Breitenangaben der Orte zu verfugen. AGI, Indif. 1968, L. 20, fol. 93v, 27. Febr. 1575. Vgl. auch CEREZO MARTINEZ, padrones, 617. Pergament- und Papierbestellungen lassen sich aus der Rechnung Cespedes' von 1599 rekonstruieren: „Memoria de lo que se a gastado en comprar las cossas que an sido necesarias para hacer los padrones de las cartas de navegar y otros ynstrumentos", AGI, Patr. 262, r. 2. Möglichkeiten des Abpausens und Ubertragens von einer Vorlage erläutern ausführlich: CORTES DE ALBACAR, Breve compendio, fol. LXIIILXIV, und: GARCIA DE PALACIO, Instrucion nauthica, fol. 71v-75v. Vgl. auch: CAMPBELL, Portolan Charts, 391 f. Zum Kopieren von Portulankarten: MONMONIER, Rhumb Lines,
78
AGI, Patr. 262, r. 2, Instruktion vom 13. Juni 1596.
79 80
DESTOMBES, astrolabe nautique, 53. Für das Jahr 1590 ist ein entsprechendes Buch, aufbewahrt neben der Muster-Karte in einer Kiste, nachzuweisen. Vgl. SANDMAN, Spanish Nautical Cartography, 1097. „Finalmente, la carta de marear no es asi como un espejo, en la cual se nos representa la imagen del mundo por ausencia suya de el", vgl. CHAVES, Quatri partitu, 110. Die nautischen Lehrbücher Spaniens wiederholen dies in ihren Definitionen von Navigation: „digo que navegar no es otra cosa sino caminar sobre las aguas de un lugar a otro", so CORTES DE ALBACAR, Breve compendio, fol. LXIv. Die Entwicklung aus der Praxis betont: TAYLOR, Haven-Finding Art; zum Quellenproblem bei der Rekonstruktion der seefahrerischen Praxis und üblichen Fehleinschätzungen: PECK, Theory.
2 2 . Z u r A u f b e w a h r u n g : CEREZO MARTINEZ, p a d r o n e s , 6 1 3 .
81 82
83 84
Zu spanischen Navigationsinstrumenten dieser Zeit: VICENTE MAROTO, arte, 363-366. SANDMAN, Cosmographers, 105f., zur Alphabetisierungsquote der Seemänner: PEREZMALLAI'NA BUENO, S p a i n ' s M e n o f t h e S e a , 2 2 9 - 2 3 1 .
85 86
Dazu LANDES, Finding the Point at Sea, 23. Real Cedula v. 20. Juni 1526 (AGI, Indif. 421, L. 11, fol. 21v); Real Cedula v. 6. Okt. 1526 (AGI, Indif. 421, L. 11, fol. 234r-234v), zum Text: oben, Fußnote 89.
87
SANDMAN, C o s m o g r a p h e r s , 9 7 f .
88
„ynformacion asi por sripto como por palabra y pintura y de la man[er]a que vos paresciere que conviene de todas y qualesquier personas que sepan de la dha arte y tengan noticia y espiriencia de la navegacion", AGI, Indif. 421, L. 11, fol. 234r-234v, hier fol. 234r.
89
„mando que todos los pilotos a cuyo cargo fuere el regimiento de qualquier nao ο navio que en todos ο qualesquiera partes de las Indias navegaren sean obligados a escribir el viaje que hizieren de a por dia desde el punto que partieren en qualquier puerto ο lugar que sea hasta ser de vuelta en la qbdad de Sevilla ο de santo domingo de la ysla espafiola en la qual escriptura ha de venir puesto y notado el Camino que cada dia hizieren y a que Rumbos y que tierras ο yslas ο baxos toparon y que tanto corrieron por ellos y como se corria la costa y que puertos ο rios ο cabos havia en ellos y en que distan^ia e altura estavan lo qual asy escripto e notado syendo que fueren de buelta en la dicha iibdad de Sevilla ο en la de sancto domingo firmado del nonbre del tal piloto e de su maestre con juramento que hagan que
372
Anmerkungen zu den Seiten 130 — 133 no han estado en otra ysla ni tierra lo daran al dicho hernando colon ο a la persona qual lo tobiere cometido haziendole asy mismo Relacion de palabra de las cosas que le pares