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German Pages 366 [368] Year 1831
Erster
Versuch
eiuer
Theorie des Gefühls.
Von
Eduard S c h m i d t , Doktor der Philosophie.
B e r l i n , Gedruckt
b e i die einer philosophischen Demonstration, einer streng-wissenschaftlichen Methode, oder ähnlicher Vorzüge, deren Werth wir unbestritten lassen, deren wir aber für jetzt entbehren muisten. W a r u m wir aber diesen und keinen andern Standpunkt einnehmen mufsten, auch darüber glauben wir deutlich genug unsere Gründe dargelegt zu haben, oder hoffen, so es uns weniger gelungen seyn sollte, es wenigstens jetzt thun zu können, wenn wir dieselben mit folgenden Worten S p i n o z a ' s * ) ausdrücken: hic non dabitur inquisitio in infinitum; scilicet, ut inveniatur optima methodus verum investigandi, non opus est alia methodo, ut methodus veri investigandi investigetur; et ut secunda methodus investigetur, non opus est alia tertia, et sic in infinitum: tali enim modo nunquam ad veri cognitionemy imo ad nullam cognitionem perveniretur. Hoc vero eodem modo se habet, ac se habent instrumenta corporea, ubi eodem modo liceret argumentari. TSamy ut ferrum eudatur, malleo opus est, et ut malleus habeatur, eum fieri necesse est; ad quod alio malleo, aliisque instruments, quae etiam ut habeantur, aliis opus erit instruments, et sic in infinitum; et hoc modo frustra aliquis probate conaretur, homines nullam habere potestatem ferrum eudendi, Sed quemadmodum homines initio innatis instruments quaedam facil*)
Tractat. de int eil. emendatione (opp. posth. pag, 3 6 5 seq. ). S p i n o z a gebraucht überhaupt in dieser Schrift dieselben Ausdrücke, die K a n t iiber die Absicht des Kriticismus hat. Und S p i n o z a pflegte sonst keiner YOB denen zu seju, welche erst schwimmen lernen wöllen, ehe sie ins Wasser gehen.
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V
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lima, quamvis laboriose et imperfecte, facere yuiverunt, iisyue confectis alia dijficiliora minori labore et perfectius confecerunt, et sie gradatim ab operibus simplicissimis ad instrumenta, et ab instrumentis ad alia opera et instrumenta pergendo, eo pervenerunt, ut tötet tamdifficiliaparvo labore perßeiant: — sie etiam intellectus vi sua nativa facit sibi instrumenta intellectualiax quibus alias vires accjuirit ad alia opera intellectualia, et ex iis operibus alia instrumenta, seu potestatem ulterius investigandi, et sie gradatim pergit, donec sapientiae culmen attingat. Die K r i t i k mufste demnach den empirischen Standpunkt festhalten, um einerseits den Cirkel zu vermeiden, den ihr stets der Skepticismus *) und neulich die H e g e l sehe Philosophie vorgeworfen hat ( vergl. unsere Einleitung S. 3 6 f . ) , andererseits um dem Regrefs ins Unendliche ?u entgehen, den w i r S. 5 0 f. herührt haben **). In Rücksicht auf das Erstere mufste die K r i t i k ein anderes Bewufstseyn seyn als das philosophische, denn dieses, wenn es selbst wieder aus eigenen Principien die W a h r h e i t seines Verfahrens dan* thun will, geräth allerdings in e i n e n unvermeidr liehen C i r k e l ; darum ist die Kritik das Bewußtseyn auf einer niedern Stufey das sich über die Möglichkeit und W a h r h e i t einer höhern Rechenschaft zu geben sucht. W a s aber den unendlichen Regrefs anlangt, so mufste die K r i t i k ein Bewufstseyn s e y n , das nicht selbst erst wieder nach dem Grunde seiner Ueberzeugung fragen, nicht selbst wieder eine K r i t i k nöthig machen durftey darum ist sie das natürliche Bewufstseyu *) Vergi, z. B. Hnct, de imbecillitale mentis hum. I . I. cap. XI. *') Vergi, aneli Huet l. I. lib. I. cap. Vili,
- T N der Erfahrung, oder, wie S p i n o z a sagt, die vis nativa intellectus, eine Ueberzeugung, an deren subjektiver Gewifsheit nie ein Zweifel entstehen kann, wenn gleich sie selbst ihre Unzulänglichkeit zu einem philosophischen Wissen nur zu deutlich empfindet, ja eben durch diese Empfindung angetrieben w i r d , die Möglichkeit eines höheren Bewufstseyns zu suchen, d. h. Vernunftkritik zu werden. Haben wir indessen uns genöthigt gesehen, einzig und allein auf den Charakter einer unbefangenen, empirisch - psychologischen Untersuchung für unsere Arbeit Anspruch zu machen, «o sind wir damit doch keineswegs gesonnen, eine solche Empirie geben, oder nur in Schutz nehmen zu wollen, welche sich gegen die Philosophie breit macht, ihr in den W e g zu treten, oder gar sie überflüssig zu machen meint. Die Empirie wird im Gegentheil eben nur dadurch zur Vernunftkritik, dafs sie ihre eigenen Mänel erkennet, etwas Besseres ahnet, und über ieses sich auf ihre Tf^eise Rechenschaft zu geben versucht. — W e n n wir also auf empirischem Wege Aufschlüsse und Erklärungen zu geben suchen, wenn wir z. B. den Ursprung der sogenannten angebornen Wahrheiten, der Ideen, der Staaten u. s. w. aus dem Gefühle der Lust und Unlust ableiten: so treten, wir damit ganz und gar nicht den höhern und weitern Erklärungen und Begriffen der Philosophie entgegen, welche eben dieselben Gegenständen aus höhern Principien begreift und erklärt. Der Gesichtskreis der Empirie ist nothwendig immer beschränkt ; aber es kann ihr diefs nicht zum Vorwurf gereichen, so lange sie es erkennt, und denselben nicht als den einzig wahren geltend ma-r chen will. Sie sieht im Gegentheil die Ziulas-
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sigkeit und Notwendigkeit höherer Begründungen oder Erklärungsprincipien ein, tu denen sich die ihrigen als Mittelglieder verhalten, durch die jene in Wirksamkeit treten können. Dagegen werden aber eben so wenig durch die hohem Principien unsere niederen nicht aufgehoben, sonder« die Philosophie wird auch ihrerseits sie anerkennen und einseben müssen, dais die Erkenntnifs der obersten Ursache nicht die der Mittelursachen überflüssig macht. Es ist f ü r die Gewifcheit, welche die empirische Kritik mit sich führt, in unserer Einleitung der Name „einer problematischen" gebraucht worden. Es bedarf wohl kaum der Erinnerung, da es jeder, der mit einiger Aufmerksamkeit die Einleitung gelesen h a t , selbst sehen kann, d&fs hier von einem ganz andern Problematischen die Redo ist, als diefs früher einmal, namentlich bei R e i n h o l d , der Fall w a r ; dafs also die Vorwürfe, welche gegen ihn in dieser Hinsicht erhoben worden sind *), uns nicht treffen können. W i r haben oft genug gezeigt, dafs die Kritik nicht die Philosophie selbst, oder gar die Metaphysik ist, noch seyn k a n n , dafs diese auch nicht auf die Kritik sich gründen, oder mit ihr anfangen soll. Dann würde allerdings eine solche problematische Grundlage unstatthaft, und nicht abzusehen seyn, wann, wie und wo dieselbe fest werden, oder die Philosophie sicher auf ihr ruhen sollte. Die Philosophie im Gegentheil mufs, wenn sie seyn kann, was sie seyn soll, so wie von allem andern, so auch Ton einer empirischen Kritik unabhängig seyn kön-
*) Namentl. in Schelling's and Hegel'6 krit. Journal Bd. I. Hfl. 1. Einleit.
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vin —
nen. Der Name des Problematischeü deutet daher bei uns nur den Mangel an einer vollständigen und absoluten Gewifsheit an» welchen die Empirie als solche immer mit sich führt, in Rücksicht auf welchen in der Kritik selbst, erst bestimmt werden kann, welcher Grad von Gewifsheit der Empirie beizulegen ist. Es ist hier also nichts Problematisches, welches mit der Zeit, durch Gewohnheit, durch ein Wunder oder sonstwie fest und gewiß werden soll, denn die Kritik soll ja nicht cur Philosophie werden; es ist nur von einer dem Grade nach unbestimmten Gewifsheit die Rede, die sich nicht in der Folge für etwas anderes geltend machen will, als wofür sie sich zu Anfange giebt. Auch soll die Kritik ja nicht ein Gängelband der Philosophie seyn. Die Wahrheit, wo sie nur erfct wirklich und in ihrer wahren Gestalt vorhanden ist, braucht allerdings kein Gängelband, keine Grundlage, durch welche sie von aufsen her gestützt werden müfste; denn dann wäre sie eben nicht die Wahrheit; — wie wir aber, so lange wir noch nicht überzeugt seyn können, die Wahrheit in vollendeter Gestalt zu besitzen, dahin gelangen können, sie zu erreichen, das ist eine andere Frage, über die wir uns wohl in der Kritik, wenn gleich von einem untergeordneten Standpunkte aus, Rechenschaft geben dürfen. Ob eine Erneuerung des Kriticismus in ungern Tagen nothwendig, ob sie nur gerathen seyn möchte, darüber mufs allerdings aller Streit als unnütz erscheinen. Wer die Wahrheit in irgend einer Form zu besitzen meint, den würden wir schwerlich je davon überzeugen können; wer aber mit uns noch schmerzlich das Bedürfnifs streng-philosophischer Wissenschaft fühlt, wird uns gewifs nicht verargen, dafs wir nach
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IX
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den Mitteln und Wegen suchen, wie diesem Bedürfnisse abzuhelfen seyn möchte. Am wenigsten wollen w i r mit denen streiten, welche den Gesichtspunkt des Kriticismus als einen» für die Wissenschaft längst vergangenen und verschollenen ansehen. Gesetzt auch, dieis wäre rich.tig, und die Philosophie hätte wirklich schon das erreicht, wozu die Vernunftkritik noch den W e g suoht; so könnte doch ein Standpunkt, der f ü r die. Philosophie vielleicht ein vergangener ist, dessenungeachtet f ü r die Empirie noch gegenwärtig seyn. Und wenn wir in jenem Falle eine wirklich schon vorhandene, und auch f ü r uns vorhandene, d. h. für uns gewisse Wahrheit, dessenungeachtet auf diesem empirischen Standpunkte als noch nicht vorhanden annähmen, so brauchte diefs defshalb noch kein Ignoriren der Wahrheit zu seyn. Es könnte im Gegentheil die Kritik alsdann dazu dienen, auch die E m pirie zu den Fortschritten der Philosophie hinüberzuleiten, und ihr zu zeigen, wie auch sie zur Philosophie kommen könne und müsse. So viel über unsere Arbeit im Allgemeinen, was nun noch die Theorie des Gefühls insbesondere anlangt, die wir als den ersten Theil derselben zu geben versucht haben, so bedarf es wohl kaum der Erinnerung, dafs dieselbe nur aus dem Standpunkte der Kritik unternommen, dafs folglich auch nur das mit gröfserer Genauigkeit behandelt worden ist, was in dieser Hinsicht von Bedeutung war, d. h. was auf die Möglichkeit objektiver Erkenntnifs Bezug hatte. ! Es kann uns also nioht zum Vorwurfe gereichen, dafs wir hier Gegenstände, wie etwa die Lehre von den Temperamenten, Affekten und Leidenschaften, und ähnliche, als welche in keiner nähern Beziehung mit unserm Gesichts«
punkte stehen, nicht ausfuhrlicher dargelegt, sondern uns auf das beschränkt haben, was uns zunächst anging. Man wird ohne Zweifel bemerken, und auch uns ist es sehr wohl bekannt, dafs der Versuch, die sogenannten angebornen Wahrheiten, die Bestimmungen des Rechts, die Ideen u. s. w. auf Wirkungen des Gefühles zurückzuführen, nicht neu ist, sondern vielfältig, namentlich in der englischen und schottischen Philosophie, so wie in der psychologischen Periode der deutschen Philosophie, gemacht ist; auch gestehen wir gerne zu, dafs die meisten d e r , in dieser Hinsicht von uns vorgetragenen Ansichten, einzeln schon hie und da vorkommen. Aber eben hierin, dafs einestheils dieselben nur einzeln vorkommen, nirgends in ihrem ganzen Umfange und Zusammenhange, und darum nicht in ihrer vollen Ausdehnung dargestellt sind, und anderntheils darin, dafs fast alle sogenannte Geftihlsphilosophie vielmehr zur Unphilosophie und zum Grabe der Speculation wurde, — scheint uns der Grund enthalten zu s, iu der Absieht,
die
diese
unglücklichen Erfolge zu vermeiden,
unternommen wird: —
so wird es sich schou von seihst als
hockst unwahrscheinlich ergehen, dafs der Mensch nicht schon vor K a u t auf das
häufige M i l l i n g e n
des
Strebeus sollte aufmerksam geworden s e y n ,
philosophischen da die Beispiele
davon nicht erst iu der Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts zu suchen waren.
Und konnte der Geist sich ihrer Be-
merkung nicht erwehren, geworden,
war er einmal darauf aufmerksam
so konnte doch nichts natürlicher se) 11, als dafs
er über die Mittel, ähnliches Mifsliugeu zu vermeiden, nachzudenken sich gcuöthigt sali, wobei sich denn seiner Betrachtung, wie oben bemerkt ist, keiu Gegenstand natürlicher darbot, als dafs er die Zulaufliclikeit seiner eigenen Fiihigkeiten zur Lösung
der
ihm
gestellten Aufgabe
nutersuchte.
Es
pflegt überhaupt als ein Zeichen des vernünftigen Mannes angesehen zu werden, dafs er
bei allem, was er unternimmt,
uach der Möglichkeit des Gelingens f r a g t ; und da kein Grund vorhanden ist, der philosophischen Speculation allein das P r ä dikat der Yeruiiiiftigkeit abzusprechen,
so würde uns diefs
-wenigstens eine sichere A eruiiithnng gewahren,
duis auch die
Philosophie schon in den ältesten Zeiten darum bemühet gewesen 8ey,
sich über die Natur ihres Erkennens, über ihre
Fähigkeiten zur Speculation Rechenschaft zn geben;
—
dafs wir diefs sogar als gewifs voraussetzen miifsteu, nicht auch wirklich die Geschichte uus die Nachrichten den häufigsten Versuchen dieser Art aufbehalten hätte.
so
wenn von Nim
aber bestätigt diese allenthalben ausdrücklich unsere Verniuthung, indem sie uns fast keine bedeutendere Erscheinung der Speculation aufzeigt,
welche
Untersnchungen enthielte, als sie immer wollen;
nicht über diesen Punkt
ihre
sie mögen so unvollkommen seyn, bei Pythagoreern und Eleaten,
bei
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Atomisten und Sophisten, und namentlich bei allen Socratikern finden wir Behauptungen and Streitigkeiten über diesen Gegenstand, aller Streit «wischen Rationalisinns nnd Empiris*mu8 drehet sich um denselben, und besonders ist fast aller Skepticismus auf diese Weise verfahren, dafs er die Fähigkeiten des Erkenntnisvermögens untersucht hat. Und dais die Philosophie nicht blofs Ton einem dnnklen Drange getrieben, diese Versuche gemacht hat, sondern zum klaren Bewulstseyn ihres Zweckes dabei gelangt ist, können uns z. B. L o c k e und L e i b n i t z zeigen, bei denen ganz dieselben Ausdrücke über die Absicht ihrer Versuche Torkommen, welche K a u t über den Endzweck seiner Kritik gebraucht. Wenn daher z. B. R e i n h o l d *) behauptet, dafs jeue beiden Männer mehr in den Worten als im AVeseu mit K a n t übereinstimmen, so hat er allerdings in sofern Recht, dais sie in deu Resultaten ihrer Forschungen durchaus von ihm abwichen, in dem was wir oben als die Ergebnisse der Kritik bezeichuet haben; diese aber haben auch mit dem Kriticismua als solchem nichts zu thun, in diesem selbst stimmten jene beiden, wie ihre Worte unwidersprechlich beweisen, nnd wie R e i n h o l d selbst nicht wird liingn eu können, genan mit K a u t s Ansichten überein. Dessenungeachtet bleibt für K a n t das grofee Verdienst, deutlicher als je die ganze Aufgabe der Kritik erfafst nnd entwickelt zn haben, und dadurch der Begründer einer wesentlichen Reform der Philosophie geworden zn seyn. **) Gegen einen Vorwurf haben wir noch den Kriticismns zn vertheidigen, welcher ihm, als dem vorsichtig zn Werke *) Versuch einer neuen Theorie, S. 166. Aull. I. ** ) Auf welches Verdienst er selbst mit dem vollsten Rechte, in der Schrift: ilber eine Entdeckung u. i, v . , «ein« Ansprache gellend macht.
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gehenden, toii der
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übermüthi£en Spemlation
gemacht
«in),
welche sich im Besitze VOM Erkenntnissen zn sevn rühmt, die sie ohne jene Vorsichtsmaferegel erworben
ZII haben
wähnt.
Die H e g e l s c h e Philosophie will dem Krrticismns vorwerfen, dafs er jenem Seholastikns gleiche, der nicht
eher ins
Was-
ser gehen wollte, als bis er schwimmen gelernt habe,
*)
in-
dem das Wesen der Fordernng des Kriticismns darin bestehe, das man nicht eher erkennen solle, als bis man erkannt habe. E s ist allerdings leicht fiir den, der iin Schofse des sitzt, oder doch zn sitzen meint, namentlich wenn
Glückes
man
Mühe, Mols durch ein glückliches Waguifs, durch ein Ungefähr auf den Punkt gelangt ist, den man fiir den punkt
hller Bestrebungen h ä l t ,
derer zn spotten,
welche es
— über die sich,
ohne blindes Ziel-
Anstrengungen
nm zu einem
ähnlichen
Glücke zn gelangen, Arbeit nnd Mühe kosten bissen, und die Yorsichtsmafsregcln zn belachen, welche sie fiir nothweridig erachten.
Dafs aber auch die Beschuldigung in nnserm Falle
grnndlos sey, wird sich leicht zeigen lassen. manden sinn Vorwurfe genincht,
E s pflegt nie-
-vielmehr von jedem
Ver-
nünftigen gefordert zn werden, dafs er ein Instrument, dessen er sieh bedienen will, znvor pinift, dafs er ein
Unternehmen,
zn deiti er sich anschickt, bedenkt, nnd mit den sen dazn seine Kräfte vergleicht. genwärtige
Yorwnrf
viel
Erfordernis-
Nun hat allerdings der g e -
Scheinbares,
indem
nümlicli der
Kriticismns sich in dem Fnlle befindet, dafs er sein zeug nur durch dieses seihst prüfen, dafs er nnr sein Erkennen
untersuchen k a n n ,
Werk-
erkennend
dafs er sonnch, indem er
sein "Erkennen prüfen will, es also fiir noch H«erprobt erklärt, (das zu prüfende nämlich,) doch immer diefs Erkennen gelbst, (nämlich das prüfende,) schon als tüchtig, als erprobt voraussetzen nmfs $ so dAfe der Akt des Kritisireus einen vollkomiu*)
Vgl. H e g e l s EnryclnpSdie S. 15 Aofl. II.
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HCU Widerspruch in sich xa enthalt« (cfaeiut. — Der&fcan wird sich aber alsahald auflösen, «(D> vir nor näher aaf das Verfahren ¿er Kritik unsere Aufmerksamkeit richten, und genau den Unterschied zwischen dem prüfenden und dem zu prüfenden Erkeuueu ins Auge fassen. Dab das entere nothwendig vorausgesetzt wird bei der Yernuiiftkrkik,.ist allerdings richtig, aber nicht so auch die Behauptung, dafs es als ausgemacht tüchtig uud untrüglich angenommen wird; es wird im GegentfceHe seine Objektivität noch auf sich beruhend gelassen. Ausgegangen wird blois davon, dafs die Erfahrung eine Thatsache is(, dafs es jedem hekannt ist, dafs er zu jeder Zeit und Stunde durch die Sinn« unmittelbare Erfahrungen, theiis von Dingen aufser ihm, theiis von seinen eignen Zustunden und ThJttigkeiteu habe. Diese unmittelbare Erfahrung ist eine Thatsache, welche (wenn wir sie für weiter nichts ausgeben, als was. sie an sich ist, d, h. für subjektive Erfahrung, nud wenn wir nichts über den Grad ihrer Objektivität und ihrer Tauglichkeit zn wissenschaftlichen Erkenntnissen ausmachen wollen,) I
„
noch von niemaud je bestritten, von keiuem Skeptiker noch absoluten Idealisten je angefochten ist. Diese ist demnach das einzige, was wir veraussetzen, indem wir ausdrücklich ausgesprochen haben, dafs wir nnr Erfahrungen geben wollten, Wahrnehmungen des inuern Sinnes iber die Thfttigkehen des eigenen Geistes, nud zwar Erfahrangen, die nnr als solch» auftreten, und auf gar keinen andern Namen, Auktoritiit oder Objektivität Anspruch machen, welche ausdrücklich nicht den Charakter der eigentlich wissenschaftlichen Erkenntnisse sich anmafsen, uud selbst erst von den Resultateu der Kritik ihre Bestätigung oder Verwerfung erwarten, indem sie «ich bis dahin bescheiden, als rein problematisch angenommen zu werden, Denn sollte das Ergebnifs der Kritik bejahend sejn, sollte es uns die Möglichkeit und Wirklichkeit objektiver Erkenutnifs zusprechen, und auch der Erfahrung cineu gewissen
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Grad r«n Glaubwürdigkeit zuerkennen, dann werden wir gewiis seyn, bis zn diesem Grade den Aesnhaten unserer Untersuchungen tränen zn dürfen (so sie nnr im Uelirigvn tadelfrei sind); — wäre aber die Antwort der Kritik über die Möglichkeit der Erkenntnifs verneinend, (welches nichts anders Jieiisen könnte, als data wir gerade die Möglichkeit nicht absehen könnten): so würden wir dann anch den Inhalt der Kritik iur erschlichen und verwerflich halten, nnd uns vollkommen dem Skepticismns in die Arme werfen müssen. Bis dahin müssen wir so viel uns zugestehen lassen, dafs wir der natürlichen Ueberzeugnng, die jeder der Erfahrung zn schenken genöthigt ist, in soweit folgen, dafs wir durch diese einestheils Kriterien znr Unterscheidung objektiver Erkenntnisse, anderntheila die Möglichkeit, dieselben in der Benrtheilnng der wirklichen Erkenntuifsthiitigkeiten in Anwendung zn bringen, zu erhalten hoffen. Dergleichen Kriterieu, wie die hier gesuchten, sind nnter nndern alle sogenannte Regeln der Logik, zn deren Bewufstseyn (sie selbst mögen immerhin angeboren, ursprünglich, apriorisch, oder wie dergleichen Namen mehr sind, sejn) wir durch nichts auderes als dnreh die Erfahrung gelangt sind, indem alle bisherige Logik nichts weiter als ein Theil der empirischen Psychologie gewesen ist. *) Diese Gesetze nun gebraucht jeder ohne weitere Bedenklichkeit als Kriterien des Wahren und Falschen, (seibat der absolnte Idealismus, der sie zum Theil anzufechten meint) nnd wo nach immer ein kritisches Verfahren gewesen ist, sind sie als solche angewandt worden. Wir, unserer Seits, glauben dieselben nur noch erst untersnehen zu müssen, (denn sie drücken eiuen Theil von dem aus, was wir oben als die Gegen die unzähligen Widersprüche, welche dieser Sali von allen Seiten erfahren wird, ist hier noch nicht der Ort weitläuftig tu streiten, indem wir in der Abhandlung «elbst allenthalben darauf werden zurückkommen müssen.
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Aufgabe für das Erkennen bezeichnet haben,) bis auf ihrer» Ursprung zoriicLgebea, and da forschen zu müsseu, inwiefenie sie berechtigt sind, ob sie ihrer Anzahl uud ihrem Umfange nach dk eiazigen ihrer Art, sind, nnd wenn diefs nicht ist, wie man sie zu ergänzen uud vollständig darzustellen, hat, III der ANWENDUNG solcher Kriterien hat alle bisherig« Kritik bestanden., darin wird auch der ¿weite Theil der nnsrigen. bestehen: m^ch denselben soll jedes vorhaudene oder noch sich ergebende Resultat der Wissenschaften untersucht werden, die Kritik innig aebeu allen hergehen, nnd ihnen ihr Siege), ihre Bestätigung aufdrücken. So ist der Kriticismus nicht' ein Erkenne9- vor aRem Erkennen, sondern ein Erkennen, das mit und neben allem übrigen hergehtein Erkennen des Erkennens, welches dieses letztere stets begleitet, iudein es TkiUsache ist, dafs wir von unserra Erkenuen wiederum Wahrnehmungen und Erfithrunge» haben; odec Wenn mau will: der Kriticismus ist ein empirisches Erkennen vor und nebqn aUem philosophischen Erlfennen. Wir haben gesagt, dafs die Erfahrung, als solche, ein Fundament sey, welches nie Ton dem Skeptizismus nns bestritten s e j ; uud diese Behauptung scheint noch einer Rechtfertigung zu bedürfen, oder wenigstens, um Mißverständnissen voraubengen, eine nähere Bestimmung nnd deutlichere Bezeichnung. Dazu kommt, dafs hierin aHch der eine jener Einwürfe, deren Beantwortung wir oben bis auf eine weitere Gelegenheit verschieben mu&ten, zn berücksichtigen ist, derjenige nfimlich, der eine empirische Kritik' auf eine Basis zu fufsen beschuldigte, welche vou dem Skepticismtis ;ils unberechtigt iu Anspruch genommen werde. Gegen uns scheint auch das zu streiten, dafs man den Unterschied des neuem uud ¡ütern Skeptizismus eben darin ZH finden gemeint hat, *) *) Vgl. S ch el 1 i n g j und H egel s krit. Journal d#r Philosophie 1802. Bd. I. St. 1. und Hegels Encyclopadie S. 45.
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(und zwar mit Tollem Rechte,) dafs jener die Erfahrung als gewifs und objectiv voraussetze, dieser eben gegen sie seine hauptsächlichsten
Angriffe gerichtet
habe.
Wenn
wir
nun
reibst unbedingt dem altern Skepticismns v«r dem neuern den Yorang einräumen, so scheineu wir nns selbst zu widersprechen, indem wir seine Einwürfe anerkennen, und doch gegen dieselben hamleiii, ihnen zuwider auf die Erfahrung baueu. Dieser Widerspruch alier verschwindet, wenu wir darauf achten, dafs wir sagten, die Einwürfe des Skepticismns träfen nicht die Erfahrung als solche; — sie siud gegen eine solche gerichtet, die sich für Wissenschaft und objektive Wahrheit ausgiebt, Philosophie und Speculnlion überflüssig 31t machen raeint;
nicht gegeu die Erfahrung a k solche, welche sich
nichts weiter zu seyn aiunajst, als eben nnr Wahrnehmungen von relativer Allgemeinheit
und
problematisches
Gewifsheit,
welche nicht gegeu die Spekulation sich breit macht, oder gar verächtlich auf sie herabsieht.
Eine solche Erfahrnngserkennt-
niis hat nie ein Meuach bezweifelt oder bestritten, am wenigsten der Pyrrhonisraiis.
Peitn jene Fabeln, die man in dieser
Hinsicht erfunden, die Absurditäten, welche mau d e m P y r r h o in den Schuh gegossen hat, als sey er ein Zweifler von dieser Art gewesen, dafs er z. B. vorbeifahrenden W a g e n , Abgründen 11. s. w. nicht ausgewichen sey und dergleichen — tragen doch zu offenbar den Charakter der Consequenzinacherei der Gegeupartheyeu an sich, als dafs sie bei irgend jemand Glauben finden könnten.
Mau braucht auch nur sich
an das zu erinnern, was z. B. S e x t i i s E m p i r i k u s
be-
ständig ausdrücklich in dieser üinaicht sagt, um von den) Gegentheile überzeugt za werden. — Wir dürfen also unserer Basis vertranen,
ohne
weitern
Widersprach
befürchten zu
müssen, sobald wir nur diesen Unterschied festhalten, nicht aus dem Empirismus
iu die Empirie
zn verfallen, d. h. nicht,
indem wir die Erfahrung Air die Quelle von Erkenntnissen
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n—getan, aneh das empirische Verfahren a b das einzig wwfcra n ad beSsane Prindp ia der Wissenschaft behaupten weil«. Man kann sehr wohl Empirist (Vertheidiger des Empirismus) seja, ohne debhalb Empiriker (Nachhflnger der Empirie, des empirischen Verfahrens) seyn za inässen. Die Mängel der Empirie keanen wir sehr wähl, nud werden sie in der Kritik der theoretischen Vernunft zur Genfige, and mehr als sie bis jetzt bekannt seya mächten, aufdecken.
IV. So wie wir die Stellung der Kritik, als Wissenschaft, unter den übrigen Wissenschaften betrachtet haben, so werden wir um auch noch über den Standpunkt des Kriticismns, als der Yerfahrnng9art, im Verhältnisse an den übrigen beiden, mit ihm parallel stehenden Verfahroagsweisen iu der Philosophie, dem Dogmatismus und Skepticismas, einige Erörterungen hinituiügen müssen, zumal da wir aach hierin zum Theü den herrschenden Ansichten des Kriticismns unserer Zeit entgegentreten missen. Der Kriticismus alt solcher ist weder Dogmatismus, noch Skepticismus, aber er ist keinem von beiden geradezu entgegengesetzt: er kann zu beiden fuhren, und mit beiden verbunden seyn. Sehen wir auf die Begriffe, welche der seit K a n t anter nns auftretende Kriticismqs TOB sich an verbreiten suchte, so finden wir als eine seiner hauptsächlichsten Bemühungen, sich iu der Vorstellung der Beurtheiler als eine, durchaus von allem Dogmatismus sowohl, als Skepticismus verschiedene, und ihnen entgegengesetzte Gattung der Philosophie geltend zn machen. Es sollte durch ihn mit Einem Schlage nicht unr i dem einen, sondern auch dem andern ein Eude gemacht sejn, [ der Kriticismus trat stolz auf die Leichname der erschlagenen
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F t M e , nnd 8leUte sieh tilleiu als den Repräsentanten der PkÜMopbie dar; »aller Skeptkismos sollte gänzlich besiegt aller Dogmatismus überflüssig gemacht nnd ersetzt sejn, so d t b für jenen nie melie an eine Möglichkeit 4U denken se^, dafs er je wieder in der Philosophie auftreten könne, nach diesem sich nie wieder ein Verlangen regen dürfe. Was in solchen Deklamationen Skeptizismus genannt wurde, darüber war man zicmlkh einverstanden, und hielt sich an den allgemeinen Sprachgebrauch; was aber dabei der Dogmatismus sey, darüber fiuden wir allenthalben verschiedene Vorstellungen; jeder, sowohl K a n t als seine Nachfolger, versteht darunter immer diejenigen ítyMeme der Philosophie, welche gerade dein Hanptinhalte der seinigen ain meisten entgegengesetzt waren. K a n t , in desseu Ideeilkreise die Schranken des Denkens nnd die Negation des Dinges an sich, die Hauptrolle spielen, bezeichnet damit diejenige Philosophie, welche über diese Schranken hiuausgeht, das transcendente Denken; bei F i c h t e , dem Idealisten, sind Realismus nnd Dogmatismus identische Begriffe; *) bei H e g e l , der eines seiner Hauptverdieuste in die Vereinigung der Gegensätze, in die Unendlichkeit der Philosophie setzt, gilt das Festhalten am Extreme, nm Satze des Widerspruches für Dogmatismus. **) Wenn somit auf diese Weise die Begriffe festgestellt wurden, so mnfste allerdings der Kriticiftmus dem Dogmatismus srhuiirstracks widersprechen; aber es ist dann dieser Widerspruch auch nur ein gemachter, den die Betrachtung der Sache selbst auflösen nafs, Ueberhaupt nämlich entstehen beide Gegensätze, sowohl gegen den Skepticismns als gegen den Dogmatismus nur durch die Verwechselung des Iuhalts der Kritik mit der Kritik als *) Gründl, d. Wissenscbaflalthre. S, 44 ff. Aufl. II. **) EncyclopaJie S. 39. f. 32.
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solcher selbst, und daraus, dafs mm vergifst, dafs der Begriff der Kritik a h solcher nichts' iber ihren Inluüt b e s t i m m kann; denn die Behauptung, dafs der Kriticismns deai Skepticismns entgegengesetzt sey, kann nnr darin ihren Grand haben, dafs man die bejahende Antwort der Kritik, die a m als Resultat gefunden zu hüben meinte, antkipirte, and darnach nrtheihe; bei der Behauptung, dnfs der Kriticfamus jenen bestimiuteu Systemen der Philosophie, welche man jedesmal mit dem Nainen des Dogmatismus bezeichnete, nothwen-dig widersprechen müsse, gieng man in seinen Vorausnahmen noch weiter: es wurden niimlich auch noch die ntthern Bestimmungen, nilter denen die Kritik in ihrem vermeintlichen Resultate ihre bejahende Antwort ertheilte, als mit zum Begriffe des Eriticismns gehörig betrachtet, und darnach die Vergleichung des Dogmatismns mit diesem vollzogen. Dem Skepticismns sollte der Kriticismns widersprechen, weil er überhaupt nnf Erkenntnisse führe, dem Dogmatismns, weil er auf andere Erkenntnisse führe als dieser. Hnlten wir aber nur das Eine fest, dafs dnrch den Begriff einer Untersnchnng des Geistes noch gar nichts Aber das Resultat derselben bestimmt werden könne, so müssen wir leicht einsehen, dafs in dem Begriffe der Vernnnftkritik nns nichts darüber gegeben seyn kann, ob dieselbe die Möglichkeit objektiver Erkenntnisse verneinen oder bejahen, nnd wie, mit welchen Umständen nnd Bedingungen verneinen oder bejahen werde, ob ihr mögliches Ergehnifs also dem Skepticismus oder gewissen Systemen der Fhilosophio, welche maa Dogmatismus zn nennen beliebt, widersprechen werde. Betrachten wir noch die Sache selbst ein wenig genauer, nnd bestimmen zuvörderst auf festere Weise die hierher gehörigen Begriffe. Skepticismns ist dasjenige Verfahren in der Philosophie, welches, indem es die Wirklichkeit objektiver Erkenntnisse längnet, nnd eine Möglichkeit derselben nicht
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abzusehen gestellt, stets mit der änfsersteu Vorsicht zu Werke Mt geben, und den Beifall so yiel als möglich zurück zn halten bemühet ist; Dogmatismus dasjenige, welches die Möglichkeit derselben eingesehen zu haben glaubt, und nuu dieselben auch wirklich zu inachen strebt; wobei nicht zu v e r g e s s e n ist, dafs diese ursprüngliche Bedentnng desselben keineswegs
eine
üble sejn kann, sondern mit der Idee der Philosophie, als der Wirklichkeit objekther Erkenntnisse, identisch ist.
Der Kri-
ticismus erklärt zur Entscheidung über die Frage nach jener Möglichkeit noch eiue Untersuchung des Geistes für notwendig.
Man sieht leicht aus diesen Begriffen, dafs der Kriticis-
mus den übrigen beiden Yerfuhrnngsarten vorangehen müsse, wenngleich in so geringem Grade als mau immer will; deuu, um respektive zu den Behanptungeu
zu gelang^u, objektive
Erkenntnisse sind möglich, oder: sie sind nicht möglich, wenigstens nicht wirklich, — oiufs man doch, sofern man nicht ganz und gar gedankenlos urthcilen will, eiuigermafsen, es s e j so wenig als es will, deu Inhalt jener Frage uutersucht haben; uud alle dergleichen Untersuchungen gehören eben dem Kriticisrous an.
Um zum Kritizismus zu gelangen, braucht
man noch von gar keinen Resultaten Kenutnifs zu haben; inan braucht mir zu dem Bewufctseju gekommen zu seju, dais man eine Philosophie suche, und sie durch die Kräfte des Geistes hervorbringen
solle, 11m die Eutschliefsung zu
fassen, die Zulanglichkeit dieser Kräfte zu uutersuchen.
Um
Aber zum Dogmatismus oder Skeptizismus zu kommen, mufs man schon mit Ergebnissen kritischer Forschungen, die wie gesagt, so unvollkommen als immer möglich seyn mögen, bekannt seyu, mau niufs sich schon eiue Antwort über die Möglichkeit oder Wirklichkeit objektiven Wissens gegeben haben. (Wir können uieht oft genug an unsere obige Bemerkung erinnern, dafs der Kriticisinus nicht eine neue Erfindung sey; damit mair uns nicht entgegensetze, dafs Dogmatismus uud
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Skeptirismn9 doch eher in der Geschichte der Philosophie Jagdwesen seyen als jener.) Nan lüftt sich auch leicht einsehen, dafe der Kriticisa jenen beiden andeita Verfahren nicht entgegengesetzt sey, sondern zu beiiten fuhren, 'ntid mit beiden sich vertrage« könne. Es soll diefs, wie wir sogleich gegen mögliche Mifsverständnisse erinnern müssen, keiues weges so viel heiben, als wenn das wirkliche und wahre Endresultat der Kritik, welches sie nach ihrer gänzlichen Vollendung ergeben mufe, ein doppeltes seyn könne; (das ist allerdings unmöglich, Eine Wahrheit kann es nnr geben, Eines jener Resultate kann nur das wahre seyn;) sondern nur darau wollen wir erinnern, dals in dein Begriffe der Vernunftkritik nichts darüber eutschieden seyn kann, dafs wir, ihn allein betrachtend, beide Resultate ffir gleich möglich halten müssen, dafs nftmlich der menschliche Geist, als welcher doch meistens mehr Irrthum als Wakriieit erfafst, sowohl auf eine verneinende als anf eine bejahende Antwort durch die Kritik kommen könue. Die letztere würde sodann einen Dogmatismus, wenn gleich einen kritischen, d. h. vorsichtigen nnd bescheidenen, die erstere einen kritischen Skepticismus entstehen lassen, welche aber beide dadurch nicht anfhören würden, zugleich Krilicismus zu seyn. Letzterer ist weder dem einen Boch dein andern an sich entgegengesetzt, sondern nnr ihrem unüberlegte» und unvorsichtigen, d. h. unkritischen Auftreten. Hiertiach bestätigt sich, was wir oben sagten, dafs der Kriticisrans nicht neu, sondert) mit jeder wahren Philosophie verbundens gewesen sey, wenn gleich in verschiedenem Grade, mehr oder minder vollkommen Die Uutersnchnng des Geistes ans dem Standpunkte des Kriticismns kami eben so wohl gründlich, als uugriindlich, übereilt so gut als besonnen seyn, es kann der Verstand dieselbe leiten, aber nicht weniger auch der Unverstand, es könuen Vornrtheile dabei ein-
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wirken oder der Blick unbefangen sejn, nnd wie sonst immer die Umstünde heifsen mögen, die dabei ihren Einflufs hnfsern können; jeder vernünftige Mann denkt über die Möglichkeit seiner Unternehmungen
nach.
aber freilieh nicht jeder mit
derselben Fähigkeit oder Sorgfalt.
Das Resultat wird natür-
lich, ja nach den Umstünden, allemal ein verschiedenes sejn, jede Philosophie wird in gewissem Grade kritisch,
aber anch
jede, so lange unser Wissen nicht vollkommen ist, mehr oder .minder unkritisch seyn. ander vermischen,
Beide Seiten werden sich so mit ein-
dafs man keinen festen Unterschied zwi-
schen dem Kri'ischen und Unkritischen wird ziehen können. E s ist anch in unsern Zeiten Kritik zur Vollkommenheit
nicht mit Einem Male die
gelaugt,
und wird
auch noch
eine Ewigkeit gebraudien, um dahin zu kommen.
Jede Phi-
losophie, welche etwas Tüchtiges leisten will, sofern sie nicht auch wie die blinde Taube eine Erbse ünden wird, wird kritisch sejn müssen,
wie auch bis auf den lientigeu Tag alle
solche Philosophie es gewesen ist.
Namentlich ist aller Skep-
ticisrans, wie gesagt, zngleich Kriticismiis gewesen, hat »ben in der Untersuchung der Geistesfahigkeiten seine Quelle gehabt, und in solcher anch seine Rechtfertigung
zu geben
gesucht. Es wird
demnach
mit
von allen frühern
uirten
schiedene Denkart
eingeführt,
dere wesentlich
erheben,
dem Kriticismus
der Philosophie und
welche jene
nicht
eine,
durchaus
ver-
uns über alle gänzlich
an-
antiquiren
sollte. Diefs war, wie jedem bekannt ist,
eine der hauptsäch-
lichsten Anmafsn ngen des Kriticismus seit K a n t ,
dafs er
sich wesentlich über alle andere Philosophie gestellt glaubte, eine durchaus andere Ansicht von dieser und ihren Gegenständen,
eine früher ganz fremde Aussicht anf die Lösung
aller Probleme and Zweifel des menschlichen Wissens zu er-
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4?
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uffuen meinte. Jede neue Gestaltung der Philosophie, die aus der K an tischen entsprang, wenn sie gleich eiuen ganz andern Standpunkt hatte, als die vorhergehende, behauptete doch einen solchep zu haben, der von allen je bekannten himmelweit verschieden s e j , der eine totale Veränderung, nnd zwar Reform der Philosophie mit sich führen müsse. Wir haben hier nichts über den Grnnd und die Zulassigkeit dieser Behauptuugen zu urtheilen, wir müssen unr in ihr den Mißverstand rügen, welcher aus der beständigen Verwechselung des Standpunktes mit seinem Resultate, der Kritik als solcher mit ihren etwa möglichen Ergebnissen entspringt, und auch hier daran eriuuern, dafs der Kriticismus als solcher nichts mit dieseu zu thuii habe. Wenn es also ganz nnd gar nicht unmöglich (weun gleich nicht wahrscheinlich) ist, dals diese von der Art sind, dafs sie eine ganz andere Ansicht der Diuge herbeiführen köiiuten , so ist wenigstens so viel nach uusern obigen Bemcrknngen ausgemacht, dals diese gänzliche Reform nicht dem Standpuukte des Kriticismus an sich angehöre, indem dieser Standpunkt und diese Art des philosophischen Verfahrens eine, allen Zeitaltern der Philosophie bekauute, nud in allen angewandte gewesen ist. Darum meinen wir auch nicht, durch den Kriticismus mit Einem Schlage das Ende aller Streitigkeiten und den Inbegriff aller Wahrheit in der Philosophie gefunden zu haben; es hat uns im Gegentheil derselbe einen bessern Begriff der Philosophie gelehrt. Dafs und wie diese genannte Behauptung von den nenern Systemen ausgesprochen ist, daran brauchen wir nicht erst zu erinnern; aber auch kanm daran, dafs dieselbe ganz genau mit der vorigeil zasaramenhängt, und aus ihr folgt, mit ihr also auf einem und demselben Mifsverstäuduisse beruhet. Wir haben also in dieser Hinsicht nichts weiter über sie zu bemerken, weil sie mit der obigen steht und fallt; nnr
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dai «ollen wir noch eriunem, dafs es «inen sehr beschränkten Begriff von der Philosophie verräth, wenn man sie so mir nirhts, dir nichts mit Einem Sprunge fertig machen zn können meint, wenn man in Einem glücklichen Angenblicke das za leisten sich anmalst, was die Specnlation von Jahrtausenden nicht vermocht hat; nnd wir können einstweilen so viel hier bevorworten, dafs nns der wahre Kriticismus einen höhern Begriff der Philosophie gebeu- wird, der nns eben zeigen mufs, dafs lind warnm auch noch einige Jahrhunderte dazu gehören, die Philosophie nur nnf eine erträgliche Stufe der Vollendung zu heben.
Auf alle Fiille halte man den Un-
terschied fest,
dafs der Weg zur Wahrheit nicht die Wahr-
heit selbst ist,
dafs die Kritik nns höchstens jenen finden
lehren könne, dafs aber ihn finden nnd ihn gehen zwei ganz verschiedene Geschäfte seyen, von denen das letztere gar nicht mehr in das Gebiet der Kritik gehöre; und dann, dafs auch wenn mau ihn schon gehet, wiederum ihn gehen nnd ihn vollendet haben,
himmelweit verschieden sej.
Eine Wahrheit,
zu der man nur den Weg ZII wissen braucht, um anch sie selbst zu haben,
würde wahrscheinlich gar nicht der Mühe,
welche die Aufsuchung des Weges kostete, werth sejn.
y. Indem wir nnn nach obiger Feststellung der Begriffe zur Betrachtung unseres Gegenstandes selbst näher herzuschreiten wollen, tritt nns noch eine Bedenklichkeit entgegen, welche wir noch znvor heben müssen, unsere Arbeit gehen können,
ehe wir mit Rnhe an
eine Bedenklichkeit,
welche
eben der Geist des Kriticismns selbst uns entgegenfuhrt,
die
wir also nicht blofs von der Hand weisen dürfen, sofern wir nicht sogleich als höchst unkritisch erscheinen wollen.
Kann
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Kann denn auch die Kritik das leisten, was sie verspricht? kann eine empirische, mithin eingestandenermaßen nicht absolut objektive, Erkenntnijsart, uns über die Möglichkeit objektiver Erkenntnisse Aufschlufs geben? Diese Fragen sind es, über welche -wir ans and unsern Beurtheilern Rechenschaft geben sollen,
und über welche wir
im Klaren seyn müssen, ehe wir an die Kritik gehen dürfen, ohue uns selbst zu widersprechen. Kriticismns darin besteht,
Denn wenn der Geist des
dafs wir nns über die Möglichkeit
unserer Unternehmungen in der Specnlation stets Rechenschaft geben sollen,
so würden wir ja schon unkritisch verfahren,
wenn wir nicht auch über die Möglichkeit Aufschlufs geben wollten; Kritik gefordert.
der Kritik nns
es wird hier also eine Kritik der
Es kommt dazu, dafs wir hierbei zugleich
noch den andern jener beiden Einwürfe, unbeantwortet lassen mnfsten,
welchen wir oben
zu erledigen haben,
welcher
uns eben dieCs einwandte, dais eine empirische Untersuchung nichts über objektive Wahrheiten ausmachen könne;
welches
mit der gegenwärtigen Bedenklichkeit
heraus-
auf dasselbe
kommt. Hier vereinigen sich aber mehrere Umstände, welche es nns unmöglich machen, ftir jetzt eine ganz bestimmte Antwort zu geben, und uns nur soviel festzustellen erlauben, dais wir wenigstens bis
auf Weiteres über die Bedeuldichkeiten
beruhigt seyn, und ohne Widerspruch mit uns selbst befürchten zu müssen, unser Geschäft unternehmen können.
Jener
hindernden Umstünde, welche für jetzt die bestimmte Antwort verzögern, sind hauptsächlich zwei, die sich kurz in Folgendem darstellen lassen. Der erste derselben würde der seyn, dafs die Antwort auf obige Frageu immer schon das Resultat der Kritik selbst antieipiren miifste, welches wir freilich, indem wir dieselbe schreiben, vielleicht schon wissen, also auch mittheilen könn4 Schuudt Ideen. I. Bd.
ten.
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Würden wir es aber hier vor die Untersuchung seihst
hinstellen Hollen, so müfste es als durchaus unbegründet uitd unberechtigt erscheinen, als eine blofse Behauptung, die wir hi»'h«tens
«>>t einigen
Versicherungen
Nun möchte aber vielleicht jemand
unterstützen könnten. auch mit einer solchen
bloCsen Versicherung zufrieden seyn 'wollen, und nur den Inhalt des Resultates zu wissen verlangen; dein aber müssen wir Den zweiten Umstand entgegensetzen, welcher darin besteht, dafs wir selbst oben ausgemacht halten, nichts darüber bestimmen zu dürfen, ob die Kritik auf ein bejahendes oder verneinendes Resultat, führen werde.
auf Dogmatismus oder
Skepticismns
Da wir also noch nicht bestimmen können, ob
sie uns überhaupt eine Antwort geben werde, werden wir noch viel weniger anticipiren dürfen,
von welcher Art die
etwa erfolgende aeja werde. Dafs nns also eine bestimmte Antwort auf die F r a g e : ob wir über objektive Erkenntnisse Anfschlufs erhalten
wer-
den? für jetzt dnrchans versagt ist, darüber lassen uns die Angeführten Gründe keiuen Zweifel übrig.
Wir fragen also,
was es seyn könne, was uus dennoch über die Bedenklirhkeit, dafs wir lcicht unkritisch zu Werke gehen könnten, beruhigen und hinwegsetzeu möge? und darüber mögeu uns die folgenden Bemerkungen Antwort geben. E s sind die Bedenklichkeiten, welche die obige Frage mit sich fuhrt, zweierlei, zuerst gegen die Möglichkeit alles Erkennens in der Kritik überhaupt
gerichtet, und dann gegen
die Möglichkeit des empirischen Wissens von objektiven E r kenntnissen.
Die erste und wichtigste derselben entspringt
aus derjenigen Verlegenheit, in welche die Kritik dnreh einen sogenannten Progreis oder vielmehr Regrefs ins Unendliche gerfith.
Dieser entsteht hier auf folgende Weise: wenn der
Kriticisinus bei allen Untersuchungen des Denkens eine vorhergehende Betrachtung ihrer Möglichkeit, d. h. eine Vernunft-
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kritik fordert, so mtifs er auch wieder die Möglichkeit dieser Betrachtungen untersuchen, verlangen;
er mufs eine Kritik der Kritik
die Möglichkeit dieser Kritik der Kritik fordert
wieder eine Untersuchung, die Möglichkeit dieser noch eine, nnd so fort bis ins Unendliche.
Ueber jede Untersuchung
luufo wieder eine angestellt werden, mau gelangt nie zum Ende, oder besser, nie nur zum
Anfang des
Erkennens.
Was nun diesen unendlichen Regreis anbetrifft, welcher
not-
wendig entsteht, wenn jede Kritik wieder eine Kritik erfordert, so sieht mau leicht ein, dais derselbe nur so Termieden werden könnte, wenn wir irgend einen Funkt fanden, wo wir stille stehen könnten, eine Kritik, die nicht selbst wieder eine nüthig machte.
Diefs würde unmöglich scheinen, wenn ans
iiiclit die Bemerkung zu Hülfe käme, dafs dieser Stillstandspunkt fürs Erste ein scheinbar blofs willkührlicher und problematischer seyn könnte, wenn er nur späterhin seine Bestätigung erhielte.
Und einen solchen Puukt haben wir schon
in den frühem Bemerkungen aufgezeigt und zu rechtfertigen gesucht.
Wir behaupten dort die Erfahrung als ein einstwei-
len zulassiges Fundament unserer Untersuchung, und da wir nnn schon gleich für die erste Kritik in der Reihe auf nichts weiter als auf den Namen einer Erfahrungskenntnits Anspruch machen, so haben wir gleich bei dieser ersten Kritik jenen festen Puukt gegen' den unendlichen Regrefs.
Dagegen be-
scheiden wir uns denn natürlich gerne, denselben für jetzt als blofs problematisch gelten zu lassen, nnd nns sowohl auf seine Verwerfung als auf seine Bestätigung gefafst zu machen. Sollte das Ergebniis der Kritik seyn,
dafs der Erfahrung
nicht aller Glaube abzusprechen sey, so würden wir nns dadurch gerechtfertigt sehen, und die Annahme jenes Punktes als rechtmiiJsig betrachten dürfen; — würde aber die Erfahrung als blofser Schein nnd T r u g 6ich ausweisen, so würden wir, wie oben gesagt, auch unsere Kritik dieser Yerdammnifs 4 *
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nicht entziehen können, und aus unbedingt dem Skepticisinus hingeben müssen. Soviel gegen die Bedenklichkeit, dafs der Kritii-ismus, wenn er nicht selbst •wieder unkritisch seyn
W»I1P,
in einen
Regrefs ins Unendliche verfallen müsse, also nie mir überhaupt
zn irgend einem Erkennen gelangen könne; — eine
weitere Bedenklichkeit war die, welche zwar eine Erkenntnifs überhaupt, aber keine objektive uns zugestehen wollte; denn -wie könnte ein empirisches Wissen etwas über Objektivität des Erkennens ausmachen! —
Diesen Einwnrf huren
wir
selbst von K a n t , der freilich nicht dabei vermnthete, dafs derselbe in
seiner ganzen Ausdehnung ihn seihst traf, da
seine Kritik doch auch mir empirische Psychologie war,
wie
•wir oben weitlanftiger erörtert haben; welches Mifsverstiindnife bei ihm aus der Verwechselung der apriorischen Erkenntnifs mit dem Wissen davon entstand.
Eine empirisch psycho-
logische Untersuchung, sagt er allenthalben *) könne nie zu etwas so Objektivem gelangen, sie gebe uns immer nur darüber Auskunft, wie genrtheilt werde, nie wie grnrtheilt werden solle. — Anlangend diesen Einwurf, so tindet derselbe Fall Statt, wie bei dem erslern allgemeinem, der namlirlt, dafs wir eine durchaus bestimmte Antwort für jetzt noch nicht zn geben im Stande sind, dafs wir aber schon durch einige Andentungen nns über ihn beruhigen können; und zwar bestehen diese hier blofs darin, dafs wir, wie schon oft, auf den Unterschied zwischen dem objektiven Erkennen, und dein Wissen von demselben verweisen.
Die
empirische Erkemitnils
mag immerhin nicht objektiv seyn, wie wir diefs gerne dahingestellt seyn lassen, so ist es dessenungeachtet kein Widersprach, dafs sie von etwas Objektivem wissen könne.
Wir
wissen z. B. von der Aufgabe, nach objektivem Erkennen zu •)
i. B. Kritik der Urlhrilskraft S. 130. Aufl. II.
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streben; diese Aufgabe kann allerdings w«hl nicht empirisch, sie scheint doch apriorisch und objektiv zu seyn, aber das Wissen von derselben, die Erkenntnifs, dais wir eine solche in nns haben, ist dessenungeachtet nichts anders als empirisch. Indem nns also das empirische Erkennen von solchen Auf» gaben ein Wissen verschaffen kann,
so ist es wohl fähig,
nns zu sagen, wie genrtheilt werden 6olle, nicht blois, wie genrtheilt werde.
Giebt uns doch die Logik Regeln and Ge-
setze, wie genrtheilt werden solle;
und woher hat man das
Wissen von diesen Gesetzen? hütte man darüber sich jemals Rechenschaft zn geben gesucht, *) so würde die ohne Zweifel ergeben haben, dais man sie aas der empirischen Betrachtung des Geistes entnommen habe, indem dieser die Forderung, so zu denken, enthält, welche er durch das Organ des Gefühls ausspricht, in dessen empirischer Beobachtung wir zn dem Wissen von derselben gelangen.
So nun könnten wir von
der Aufgabe, welche bestimmt, wie objektive Wahrheit seyn soll, auch sehr wohl durch die Erfahrung wissen, wenn gleich diese Aufgabe selbst ganz nnd gar nicht empirisch seyn kann. War dann bei K a n t die Sache anders? er behauptete apriorische Erkenntnisse in den Formen des Denkens, und für den Angenblick zngegeben, dais diese da waren, so könnt» doch das Wissen von ihnen nicht anders als empirisch-psychologisch seyn; wurden aber dadurch jene Erkenntnisse selbst weniger apriorisch oder objektiv ? — Anfscrdem müssen wir auch hier auf deu Unterschied zwischen der Wahrheit und dem Wege zu derselben aufmerksam machen; wenn nun gleich die empirische Erkenntnifsart ups
nicht zu
der objektiven
*) Daruber bat DIB freilich genug gestritten, ob sie angeboren oder empirisch seyen, aber daran, autzumachen, wie wir xu dem Wissen von diesen Gesetzen gefingen, hat man nicht gedacht.
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Wahrheit selbst fähren kann, so wäre es doch nicht nndenkbar, das sie uns den Weg zn derselben finden lehrte. — S(f können wir also hier wenigstens die Möglichkeit
zeigen, dafs
das, freilich «elbst nicht objektive empirische Wissen iibtr ein. objektives Wissen uns Aufschlnfs geben könne, wenn gleich wir über die Wirklichkeit noch nichts bestimmen können; — nnd so dürfen wir, ohne weiter von den obigen Bedenklichkeiten ans stören zu lassen, als machten wir uns selbst eines unkritischen
Verfahrens schuldig, zu unserer Unternehmung
selbst schreiten,
VI. Und somit hatteu wir nur noch znm Schlüsse und als Uebergang zn der Untersuchung selbst eine allgemeine Uehersicht derselben und ihrer Eiutheilung zu geben.
Es haben
nnn aber alle solche vorausgeschickte Ucbersichten den Nachtheil, dafs sie als blofs willkührliche Bestimmungen erscheinen, nnd defshalb, da sie ihre Begründung nicht mit sich fuhren können, meistenteils nur Yorurtheile gegen sich erwecken, die nachher nur ihrem wahren Verständnisse und dem Eingehen in das Wesen ihrer Begründung schaden. — Wir werden daher vorsichtig zu Werke gehen, und uur soviel aufstellen müssen, als zum bessern Verständnisse unserer Darstellung unumgänglich nothwendig ist, und so viel sich aus den oben aufgestellten Begriffen ergeben nnd rechtfertigen lassen wird. Vielleicht mochte man meinen, dafs wir ans den Vortheil zn Nutze inachen könnten, welchen die Art und Weise empirischer
Untersuchungen mit sich führt, als in welchen
von einer eigentlichen Ordnung und Zusammenhange gar die Rede nicht seyn
könne,
wo also blofs die Bequemlichkeit
einer Zusammenstellung, ihre Leichtigkeit znm bessern Ueberbliok und zum bequemem Verstünduifs Regeln für die Auord-
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nung an die Hand geben könne; — so dafs es ganz in unserer Willkühr stehe, mit welchem Theile der Materie wir beginnen, mit welchem schliefen wollten, und welchen Weg wir den Leser führen würden; und dafs dieser ruhig zu erwarten habe, wie wir, nach unserer schon gewonnenen Einsicht, auch ihn auf die bequemste Weise zur Erlangung derselben bringen würden. — Dieser Ansicht stellt sich jedoch iu unserm vorliegenden Falle wenigstens eine Nothwendigkeit entgegen, welche uns in der Anorduung leiten mnfs, ein Grund, welcher aus der genauem Bestimmung des Geschäftes der Kritik, wie wir sie zn Anfange gegeben haben, hergenommen ist.
Wir bestimm-
ten nämlich als die zwei Seiten für die Betrachtung der Kritik, erstlich das Suchen nach dem Kriterium für unsere Benrtheilnng, welches aus der Entwicklung der
eigenthüinlichen
Aufgabe des Geistes für das Erkennen sich ergbeen sollte; nnd zweitens die Anwendung desselben, die Untersuchuug der Geistesthiitigkeiten
nach demselben.
E s fuhrt diese Anord-
nung die Bequemlichkeit mit sich, dafs sie uns bei der, durch K a n t ] gemachten, und unserer Zeit gewöhnlich gewordenen Eintheilung der Kritik lassen kann, bei der in die Kritiken der sogenannten theoretischen, und der praktischen Vernunft, und der Urtheilskraft.
Wie nun wir uns hier bewogen finden,
da wir doch an die gewohnte Eintheilung nus auzusckliefeen vorgeben, dennoch die Folge der Theile zu verändern, nnd der Kritik der Urtheilskraft, welche bei K a n t den letzten PlaU hatte, den ersten zn geben; dafür müssen wir hier noch einige Gründe wenn anch nur audeuten, was wir nm so eher thnn können, da dieselben zugleich einige Bemerkungen enthalten, welche ohnehin nothweudig vorausgeschickt werden mufsten, um den Leser auf denjenigen Standpunkt zu führen, aus welchem dieser erste Theil unserer Untersuchung unternommen
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¡st, nnd von welchem aas das leichteste Yerstäudnifs desselben für den Leser zu hoffen ist. — Wir fragen nämlich: wo haben wir jene Aufgabe des Geistes, von der wir, wie gesagt, Aufschlufs über nnser gefordertes Kriterium zn erhalteu hoffien, zu suchen? — in welcher Aeuisening des Geistes besteht sie und kommt sie nns znm Bewufslseyn? — Indem sie eine Anfgabe für das Erkennen ist, so scheint sie nicht wohl in demselben selbst liegen zn können; was dem Erkennen Gesetze vorschreibt, scheint ein Anderes seyn zu müssen, als dieses selbst, ein anfser und über ihm Stehendes. Wo also finden wir dieses? — Wir haben oben zu sehr auf die Wichtigkeit dieser Frage aufmerksam gemacht, und auf die gioCsen Nacbtheile ihrer Vernachlässigung, als daf6 wir nicht selbst hiermit der gröbsten Sorgfalt nnd Behntsamkeit zu Werke gehen, und uns nicht besonders davor zn hüten suchen sollten, dafs wir nicht, wie fast immer geschehen ist, von vorausgesetzten und ohne Prüfung angenommenen Kriterien ausgehen. Eine Sammlnng solcher Kriterien bringt man uns in den Lehrbüchern der Logik eutgegeu; es sind da Gesetze und Regeln, die dafür gelten, dafe man nach ihnen über Wahrheit and Falschheit von Erkenntnissen soll urthcilen könneu. Aber man hat von jeher eingesehen, dajfe diese Kriterien uicht aus-, reichend sind; es können Satze vorgebracht werdeu, die allen Gesetzen der Logik geniigen, und denen wir doch nicht im Staude sind, das Prädikat der Wahrheit beizulegeu. Man hat deishalb seine Zuflucht dazu genommen, zu sagen, dafs sie nur Kriterien einer gewissen Art von Wahrheit, der so-r genannten formalen Wahrheit seyen, Eis liefse sich also den,ken, dafs diese Regeln vielleicht uicht unrichtig wären, (wenigstens haben sie die Auctorität einer fast allgemeinen Gel»t^ng durch mehrere Jahrtausende für sich,) dais sie nur entweder nicht recht aufgefaßt, oder nicht vollständig aufgezählt
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nnd dargestellt wären, dafs sie sich also vielleicht berichtig« oder ergänzen liefsen, (so daCs sie Kriterien einer vollständigen Wahrheit abgeben könnten) nnd dais so etwa die Vernunftkritik in einer Ergänzung der Logik bestände. — Dieser Ansicht setzt sich nnn freilich eine Meinung entgegen, welche z. B. anch von K a n t vorgetragen wird, dafs die Logik eine durchaus in sich vollendete, keiner Verbesserung nnd Znsätze mehr fähige Wissenschaft zu
seyn scheine; —
aber zum
Glück hat diese Behauptung keinen andern Grund für sich, als die sehr znfiillige Bemerkung, dafs die Logik seit Aristoteles keine Fortsehnte gemacht habe; (ungefähr wie wenn man behaupten wollte, dafs die Menschheit wohl schon auf dem Gipfel der Vollendung stehen müsse, weil sie in einigen Jahrtausenden, seit welcher Zeit wir sie durch die Geschichte kennen, keine wesentliche Fortschritte znr wahren Vollendung, wo nicht gar Rückschritte, gemacht habe.)
Ein solcher Grund
darf nns somit nicht ftbhalten unserer Bemerkung nachzugehen; iudem wir diefs also thun, haben wir zu fragen, worin denn die Gesetze der Logik ihren Griind haben? ob sie empirisch oder apriorisch seyen t worin sie sich dem Geiste knnd geben, nnd zn unserm Bewufstseyn gelangen? — Wir sehen hier eine Gelegenheit, dem Sinne dieser F r a ge, nnd zugleich dem der orstern allgemeinern, wie sich die Aufgabe, nach objektivem Erkennen zu streben, änfsere? näher zn kommen.
Wahre
Erkenntnisse
sollen solche seyn,
welche in uns Ueberzeuguug, Glauben, Wissen n. s. w. hervorbringen, je objektiver, in desto höherem Grade; nnd die Aufgabe des Geistes, nach objektiven Erkenntnissen zn streben, ist keine andere als die, nach einer festen Ueberzeugung, nach Wissen zu Regeln
riugen;
und auf gleiche Weise sollen anch die
der Logik solche seyn,
Ueberzeugung erwecken
konnte.
deren Befolgung in Wir werden
also
nns ohne
Zweifel der Auflösung- unserer Frage bedeutend näher kom-
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B e n , wenn wir erklären, was Ueberzeugnng (sie mag nun Glanbe, Wissen oder mit ähnlichen
Namen genannt wer-
den) sey? nnd wie sie von ihren Gegenständen, von Erkenntnissen hervorgebracht werde? wie also diese beschaffen sevn müssen, nm sie zu erzeugen ? —
Haben wir das ausge-
macht, so wissen wir, wie objektive Erkenntnisse beschaffen seyn müssen, denn diese sind doch eben die, welche den höchsten Grad der Ueberzengimg hervorbringen.
Anf diese Weise
Bind die Regeln der Logik zusammengetragen worden, dafs man von denjenigen Erkenntnissen, welche mehr oder minder Ueberzeugung erweckten, die allgemeinen Merkmale abstrahirt hat, z. B. Widerspruchslosigkeit, Identität n. s. w.
Ein sol-
ches Verfahren konnte aber nur eine zufällige Sammlung von Regeln zur Folge haben; wir müssen also nicht so auf die einzelnen Erkenntnisse, welche überzeugend zu seyu scheinen, unsere Aufmerksamkeit richten, (wie wir oben weitläufiger auseinandergesetzt haben;) wir müssen die Ueberzeugung selbst untersuchen, beobachten, was für eine Thatigkeit des Geistes sie ist, worin ihr Wesen besteht; da werden wir dann mit bei Weitem grufserer Zuverlässigkeit den ganzen Umfang der Regeln darstellen können, welche ihre Erzeugung erfordert. Die Aufgabe des ersten Theiles der Kritik wäre demnach , auszumachen, was Ueberzeugung sey, wie sie hervorgebracht werde,
und wie sich das Verlangen
Bewufstseyn kund gebe.
nach ihr im
Wo also haben wir sie zu snclien?
unter welcher Klasse der Thätigkeiten des Geistes? — sie eine Vorstellung, ein Erkennen? glanblich,
denn dann
mit sich fuhren;
—
ist
Das scheint nicht
müfste alles Erkennen
Ueberzengnng
auch ist sie etwas, was erst auf Erkennt-
nisse folgt, erst dnreh sie hervorgebracht wird, sie begleitet. Wir bemerken ferner,
dafs der Zustand der Ueberzeugung
ein angenehmer, der des Gegentheils, des Zweifels ein unangenehmer sey;
— also wären vielleicht beide Zustände ein
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Fühlen, tuid zwar die Ueberzengnng ein Gefahl der Luit, eiu Wohlgefallen au
einer gewisseu Beschaffenheit unserer
Vorstellungen oder Erkenntnisse, nen,
welche wir Wahrheit nen-
der Zweifel ein Gefühl der Unlust,
der entgegengesetzten Beschaffenheit.
das Mifsfallen an
Diese Annahme würde
uns zugleich erklären, wie die Ueberzeugung ein Gegenstaad einer Aufgabe fiir den Geist, eines Bestrebens werden könne. Wir bemerken nämlich, dafs jedes angenehme Geftihl das Verlangen erweckt, oder,
es so lange wie möglich zu erhalten,
wenn es aufgehört hat,
es wieder zn erwecken, nnd
überhaupt uns mit solchen Gegenständen zu umgeben, welche es erregen,
dals aber jedes unangenehme Gefühl die entge-
gengesetzten Bestrebungen zur Folge hat. zeugung ein Gefühl der Lust,
Ist nun die Ueber-
so begreift sich sehr leicht,
wie der Mensch nach ihr streben, wie diefs Gefühl eine Aufgabe, sie zu erlangen, enthalteil,
und fordern könne,
dafs
wir unsern Erkenntnissen eine solche Beschaffenheit zn erwerben suchen sollen, welehe die Ueberzengnng herbeiführe. Diese Annahme,
die wir für jetzt als ganz problema-
tisch geben, ist es, was wir zur Rechtfertigung unseres Verfahrens anfuhren, nach welchem wir die Kritik der U r t e i l s kraft, die Untersuchung des Gefühls als den ersten Theil der Vernunftkritik hinstellen.
Mau kann jene Ansicht fürs Erste
als eine reine Hypothese ansehen, die noch den Erfolg ganz und gar ungewifs läfst; aber schon eine solche Hypothese würde ohne Zweifel der Mühe,
welche eine
Untersuchung
des Gefühls erfordert, reichlich werth s e j n , (wepn nicht ohnehin jede wissenschaftliche Forschung, abgesehen Ton ihren besondern Zwecken, schon in 6ich selbst durch die Bereicherung unserer Kenntnisse ihren Lohn mit sich führte ).
Denn
bestätigte sich nusere Annahme, fanden wir die Ueberzengnng al9 eine Art des Gefühls, und könnten wir bestimmt angeben, was erfordert werde, uui dasselbe zu bewirken,
(wel-
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dies beides nnr ans einer umfassenden Betrachtang des gern* zen Gefühlsvennögens sich ergeben kann): 60 hätten wir ja die Aufgabe des ersten Theiles der Kritik gelöset, der Begriff der Wahrheit, der Weg zu ihr, die Erfordernisse sie zn erlangen, wären aufgezeigt, mit denen wir dann nnr noch im zweiten Theile die Kräfte des Erkennens zn vergleichen hätten, um zn sehen, in wie weit sie den angegebenen Erfordernissen genügen könnten; woranf dann die Philosophie selbst den dadnreh Torgezeichneten Pfad , nach den zugleich gefnndenen Regeln, mit Sicherheit und der Ueberzengung eines gewissen Erfolges betreten könnte.
Theorie des G e f ü h l s .
Vorbereitungen.
I.
Andeutungen über den Begriff der Vernunft.
W
ir haben iu der Einleitung dem Leser den allgemeinen
Standpunkt anzugeben gesucht, Ton welchem aus wir unsere Untersuchungen über die Theorie des Gefühls unternehmen wollten: es war die Hoffnung, durch dieselben auf den Grund dessen zu kommen,
was dem menschlichen Geiste die Auf-
gabe, nach Wissen zu streben, die Idee der Wahrheit giebt. Ehe wir nun an die Untersuchuug selbst gehen, müssen wir noch, 11m den Leser mehr auf dem angegebenen Standpunkte zn orientiren, und auf die bestimmtere Beschaffenheit des möglichen Resultates aufmerksam zu machen, einige Seiten von jenem hervorheben uud beleuchten,
und zwar solche, welche
auf den ersten Anblick weniger mit demselben in Verbindung zn 6tehen scheinen.
Solcher Punkte
sind besonders zweie,
worüber wir einige vorläufige Andeutungen zu geben haben: der Begriff, den man mit
dem Worte Vernunft verbindet,
nnd daun die wahre Bedeutung dessen,
was man angeborue
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64
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"Wahrheiten, augeborne Begriffe u. s. w. zu nennen pflegte; — betrachten wir zunächst deu ersten derselben. Es ist ein alter,
giitor Grundsatz des gemeinen Men-
schenverstandes, dafs jeder, der da reden wolle, zuvor auch wissen müsse, wovon er rede, dafs, wer eine Untersuchung vornehmen wolle,
wissen müsse,
was er zu nntersnchen
habe; demnach scheint es nicht überflüssig zu seyn,
wenn
•wir nns, während wir im Begriffe sind, eine Yernnnftkritik zn unternehmen, darnach umsehen,
was iiir ein Gegenstand
nnter dem Worte Vernunft verstanden werde, und wo wir das Objekt unserer Untersuchung antreffen werden.
Es würden
aber dergleichen Erörterungen über den Begriff der Vernunft billigerweise eher in eine allgemeine Einleitung zu der ganzen Kritik,
als iu die specielle zu ihrem besondern Theile,
der Gefühlstheorie, gehören; gebracht haben,
weshalb wir sie also in diese
darüber mag uns der Verfolg dieser Andeu-
tungen rechtfertigen, indem dieselben auf die genaue Verbindung der Vernunft mit dem Gefühle aufmerksam zu machen suchen. — Fragen wir also: was ist die Vernunft? 90 möchte so mancher eine solche Frage fiir überflüssig erklären, da ja jeder sehr wohl zn wissen glaubt, was die Vernunft s e j , so dafs man es als eine allgemein bekannte Sache voraussetzen zu dürfen meint, sogar Kritiken der Vernunft schreiben kann, ohne sich nur auf eine Erörterung ihres Begriffs einzulassen. Diesen dürfen wir so wenig beistimmen, dafs wir sogar über nnsere Frage selbst noch wieder eine thun, nnd Antwort über den Sinn derselben verlangen müssen. •wenn wir fragen, was die Vernunft sey?
W a s heilst es nur, —
giebt es einen
fertigen nnd feststehenden Begriff von einem Gegeilstande, der gar nicht anders als Vemnnft genannt werden könnte, so dafs wir nur diesen zu analysiren hätten,
um Antwort auf unsere Frage
F r a g e zu bekomme»?
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oder ¡st vielmehr Vernnnft ein Wort,
welches die dentsche Sprache in
mehr
oder minder festem
Sinne gebraucht, so dafs wir nur den Sprachgebrauch zn beobachten hätten? -•- Die F r a g e ist, ob wir eiue R e a l - oder eine Nominaldcfinition geben sollen.
Betrachten wir aber die
Sache genauer, so finden wir leicht,
dafs dieser Unterschied
ein durchaus leerer ist, und wir nach der gewöhnlichen Art des wissenschaftlichen Verfahrens überhaupt nur zu Nominaldefinitioneu kommen können.
Denn man mag nun eine Real-
definition verlangen, so heifst z. B. unsere F r a g e : was Vernunft sey? nichts auders a l s : was ist es fiir ein Begriff, den die Sprache mit dein Worte Vernnnft bezeichnet? mau verlangt eine Nomiiialdefinition,
so
—
heifst die
oder
Frage:
was bezeichnet die Sprache mit dem Worte Vernnnft für einen Begriff?
welches beides, wie jeder siebet, ganz auf dasselbe
hinauslauft.
E s gilt j a nämlich in der gewöhnlichen Vorstel-
lungsweise alle Bildung von Begriffen fiir durchaus willkührlich, jeder könne sich,
meint m a u , Begriffe uhstrahireu , wie
er irgend wolle und könne,
nnd bei denselben könne g a r
nicht von Wahrheit oder Unwahrheit die Rede s e j n ;
sondern
nur dann erst, wenn behauptet werde, dafs dieser oder jener Gegenstand unter einen gewissen Begriff gebore,
oder dafs
ein so gebildeter Begriff durch dieses oder jenes Wort zeichnet werden müsse.
Das Erste bedürfe dann einer Recht-
fertigung aus der E r f a h r u n g , gebrauche.
be-
das Letztere aus dem Sprach-
Bei Definitionen ist n u n ,
dem Ersteren nicht die R e d e ,
w ie jeder sieht,
von
es wird darin nicht behauptet,
dafs irgend ein Gegenstand nuter diesen oder jenen Begriff zu bringen s e j ; sie sagen nur aus, dafs unter einein Worte dieser oder jener Begriff zu verstehen sev, sie iniifsten demnach, um ihr Recht auf den Gebrauch des Wortes zu
begründen,
nur zeigen, dafs sie mit dem allgemeinen Spracligebraucbe übereinstimmen. Schmidt I d e e n .
Genauer die Sache betrachtet, so ist dawi I. Bd.
5
-
66
—
auch diefs nicht einmal nothig; denn sieht es In meiner Willkühr,
Begriffe nach Gefallen zu bilden, so 6ollte es wohl
noch weit mehr meinem Gutdünken überlassen seyn , wie ich dieselben bezeichnen -wolle; Definitionen ¡reiten ja iiherdiefs nur für Erklärungen, bei denen von Beweisen nicht die Rede seyn könne, die vielmehr nur das anssagen, dafs unter einem bestimmten Worte ein
bestimmter Begriff zu denken
sej.
Solche Erklärungen zu machen hat jeder gleich viel Recht, ich darf jeden Begriff mit jedem erdenklichen Zeichen ausdrucken,
wenn ich nur dieser meiner Erklärung treu bleibe,
und nicht durch den Gebranch eines Wortes Beweise und Behauptungen erschleichen will. Dagegen erkennen wir auf der andern Seite sehr wohl den ausgezeichneten Nutzen an,
den die Beobachtung nnd
Festhaltung des Sprachgebrauches mit sich führt, nnd sind 9tark Willens, uns auf die Seite derer zu stellen, welche 6riuc Rechte gegen alle und jede Geringschätzung in Schutz zu nehmeu suchen, indem wir sehr wohl wissen, wie unendlich viele Streitigkeiten, Mifsverstiindnisse und lrrthümer aus der Vernachlässigung
desselben zu jeder Zeit und in jeder
Wissenschaft, namentlich in der Philosophie, entstanden sind und täglich entstehen;
es ist also das Halten am Sprachge-
brauche von der grüfsten Nützlichkeit, Nothwendigkeit
wenn gleich eine
dafür nicht zu denken ist.
Wir zeigten also, dafs, so lange die Bildnng von Begriffen für etwas Willkührliches gelte, so dafs bei einem Begriffe als solchem weder von Wahrheit noch von Unwahrheit die Rede seyn kann,
der Sprachgebrauch dio einzige Norm
für Definitionen abgeben kann,
dafs man aber bei solchem
Verfahren (und es ist diefs das in unseru Wissenschaften gewöhnliche) natürlicherweise nur zu Nominaldefinitiouen gelangen kann.
Es würde demnach nnsere Frage:
was ist die
Vernunft ? nichts anders heiisen a l s : was für «inen Begriff
-
67
-
verbindet der dentarte Sprachgebrauch: mit dem Worte Veiv rninft ? — kanntes,
Oh es min «her noch ein anderes, bis jet2t nnbe» itothwmdiges
Begriffe geben könne,
Verfahren
in der Feststellung
der
das zu nntersnehen und entdecken in
wollen kann natürlicher Weise hier der Ort nicht seyn, znmal da es nns nicht damin 211 thnu ist,
schon den Begriff der
Vernunft wirklich bestimmen za wollen,
(welches
vielmehr
ein Hauptgeschäft nnsercr ganzen Untersnchnng seyn wird,) sondern. nnr Andeutnngen über die gewöhnliche
Vorstellung
von derselben za geben, welche ens, die Sprache der verstehen können.
Nation
Sehen wir also zunächst auf das, was die-
ser zufolge die Vernnnfit nicht
ist.
Wollten wir die Sprache der Philosophie,
nnd alle ge-
wöhnliche Definitionen von der Vernunft znr Richtschnur neh5 •
-
68
-
men, so würde uns nichts angemachter erscheinen, als data dieselbe ein Vermögen des Denkens, auch wohl das höchste sey;
nnd zwar ein höheres,
diese Begriffe sind anch schon
so gewöhnlich geworden. habe« sich sn weit verbreitet, dafs jeder selbst sie fiir wahr za halten scheint:
mau würde, wo
man ausdrücklich nach Definitionen der Vernunft fragen würde, sie sicherlich immer als ein Denkvermögen definirt erhalten.
Dessenungeachtet
widerspricht diesen
fast allgemeinen
Vorstellungen schnurgerade aller Sprachgebrauch, kann sehr leicltf bemerken, desselben, eine einzige
hen.
in dem
Redensari,
Vernunft
nicht
nicht
sich
konnte,
eine u4.rt des Denkvermögens
Gebiete
auch
ein Ausdruck
uns berechtigen
denn man
ganten
so weit die deutsche Zunge reicht,
der nur im geringsten Worte
dafs
findet,
unter zu
dem verste-
Diese Behauptung mögen wir im Folgenden zu recht-
fertigen suchen. Zuerst ist das zu bemerken, dafs von allen den Geschäften , welche für gewöhnlich dem Vorstellen und Denken, dein Verstände n. s. w. beigelegt werden, einsehen, bemerkeil u. dergl., ausgesagt wird.
wie z. B. begreifen,
nie eines
TOII
der Vernunft
Mau sagt wohl: das begreift auch schon
der gemeine Verstand,
das sieht der gesunde Menschenver-
stand ein; man sagt aber nie: die gesuude Vernunft begreift das, oder sieht das ein. sie sagt mir das,
Von der Vernunft heifst es luir:
das hätte auch die gesuude Vernunft ihm
sagen könncR, u. dergl.;
— der Verstand, oder überhaupt
das Vorstellen, scheint darnach als ein Vermögen angesehen zu werden, was erst seinen Inhalt von »..fsen her
erhalten
soll, noch erst begreifen iiud einsehen soll, die Vernunft dagegen als eines, welches schon besitzt,
i>nd aus diesem sei-
nem Besitze seine Urtheile und Aussprüche ertheilt. —
Die-
selbe Bemerkuug drängeu uns solche Ausdrücke auf, in welchen die Vernunft als eine Richtschnur, als etwas, was Re-
—
69
—
geln uud Gesetze a priori giebt, betrachtet wird, wie z. B. der Vernunft gemäfs, ilir zuwider, gegen die Vernunft, veruuuftmäfsig and vernunftwidrig. Da scheint die Vernhuft etwas schon iu sieh enthalten za sollen, dein etwas gemkis oder zuwider seyn kann; wer hätte aber wohl jemals sagen huren: dem Verstände gemiifs oder zuwider, verstaudeswidrig, gegen den Yei-stand u. dergl. ? was konnte es überhaupt für einen Sinn haben, zu sagen: dem Vorstellen gemäfs, dem Denken gemäfs oder zuwider? Es kann wohl eine Vorstellung der andern zuwider oder geinäfs sejrn, aber da wird mau doch nirht sageu wollen, sie sey dem Vorteilen aa sich zuwider oder augemeesen; auch kauu etwas wohl deu Gesetzen des Denkens und Vorstelleus zuwider sevn, aber eben die Gesetze für das Denken müsseu doch etwas anderes seyn, als dieses selbst; es kuunte sogar hieraus hervorzugehen scheinen, dafs eben die Vernunft es wäre, welche die Gesetze für den Verstand, für das Vorstellen enthielte mid giibc. Damit mochte denn auch die Bemerkung übereinstimmen., dais man sehr oft sagt: vernünftig denken, vernunftgem&fe vorstellen; wer hätte aber wohl je gesagt: verständig denken? darin würde doch wohl jeder sogleich den Fleonasmus erkennen. Dagegen spricht man freilich wohl von verständigen Räsonuements u. dergl., darauf werden wir aber sogleich zurückkommen, iu wiefern vieles von dem, was vernünftig und unvernüuftig heilst, uameutlich Handlungeu, auch zugleich verständig und unverständig genannt werde. — Die einzige Klasse von Ausdrücken, welche einigermaisen ein Recht geben könnte, die Vernunft fiir ein Vermögen des Vorstellen» anzusehen, siud die, welche die Veruuuft als das Vermögen des Schlieisens bezeichnen, welches unläHgbar in luiziihlig vielen Redensarten der Sprache geschieht. So z. B. sagt man vou einem Manne, der ein grofces Gebäude ohue Fundament auf Wiesengrund aufführte, welches demzufolge einstürzte:
-
70
-
das hätte ihm auch die gesunde Vernunft sagen k ö n n e n ;
—
da£s niiinlich G e b ä u d e , ohne festen Grund errichtet, nicht sicher zu steheu p f l e g e n , ans
den
frühem
lehrt die E r f a h r u n g , m a u hätte also
Erfahrungen
anf den ¡ihnlicben E r f o l g in
einem audern F a l l e schliefsen können.
Hier wird ohne Z w e i -
fel die Vernunft als d a s Vermögen zu 6chlieben dargestellt, nnd das Scliliefsen ist doch ohne Widerrede eine Art des U r theileus, und somit des Vorstelleiis. stehen s e y , sey,
in dein nämlich
was das Vorstellen
W i e aber diefs zu v e r -
die Vernuuft nur das Vermögen
beim Scliliefsen leitet,
nicht
das
Vorstellen s e l b s t , werden wir sogleich weiterhiu zeigeu. W i r finden dergleichen Ausdrücke, welche unsere B e m e r k u n g bestätigen,
dafs nnier der Vernunft keiue Art des V ö r -
stettens verstanden « e r d e , noch unzählige. B.,
dafs von eiuem M e n s c h e n ,
seiner D e n k -
und
Man
bemerke z.
der sich durch hohen
Grad
Vorstelluugsfahigkeiten auszeichnet,
wohl
g e s a g t w i r d , er habe viel K o p f , T a l e n t , V e r s t a n d , k r a f t ii. s. w . ;
wann
viel V e r n n u f t ? —
aber
wird mau
Urtheils-
wohl s a g e n ,
er habe
E s wird auch von niemanden, der w a h n -
sinnig geworden i s t ,
also die Fälligkeit des Denkens verlo-
reu h a t , g e s a g t , er h a b e . d i e V e r n u n f t , sondern n n r , e r habe den Verstand verloren. leu Redeusiuteii,
Ingleichen findet man unter den vie-
welche die Sprache h a t , um den Gegensatz
von Fühlen nnd Vorstellen a u s z u d r ü c k e n ,
als da sind:
nnd H e r z , Verstand nnd G e f ü h l , Geist und Gemiith, auch nicht
fcine,
n. dg),,
welche die V e r n n n f t dein Gefühle entgegen,
also iu eine uud dieselbe K l a s s e uiit dem V o r s t a n d e , überhaupt n u r mit dem Vorstellen, lich die Schriften ausgenommen ,
setzte.
m n s gewechselt s i n d ; stets
da
oder
Davon sind f r e i -
welche in nenern Zeiten in
solcher Unzahl in dem Streite f ü r und Gefühle
Kopf
wider den Rationalis-
wird allerdings die Vernunft dem
entgegengesetzt,
aber
einestheils
haben
wir
schon zn Anfange bemerkt, dafs wir die Sprache der W i s s e n -
-
71
-
scbafteu nicht zur Richtschnur liehmeu können,
denn diese
reden kein Deutsch, uad anderntheils ist auch immer da, wo auf die Veriiunft gepocht wird, nur
VOJI
dem Verstände, mei-
stens 60gar nur von der Unvernunft die Rede. Die gewöhnlichste Erklärung der Vernunft ist die, sie das hohere
dafe
Denkvermögen 6ey, welche Aunabnie mau, in
den verschiedensten Gestalten ausgedrückt, allenthalben lesen uud hören kann.
Nan aber wird im gewöhnlichen Leben z.
B. jede zweckwidrige Handlung,
wenn jemand die Hand ins
Feuer steckt, oder dergl., unvernünftig genanut.
Was hat
mit solchen Haudluiigen das. höhere Denken zu thun'i dazu würde ja schon das geringste und niedrigste Denken hinreichen, um zu sagen, ihn verbrennen «erde.
dafs wer den Finger ins Feuer stecke, Aber vielleicht heifst es eb«u deswe-
gen uuveriiünftig, weil das höhere Denken nichts damit zu thuu hat? — das aber wird doch niemand behaupten wollen, denn dann inüiste mau wahrhaftig vieles unvernünftig nennen, was mau doch sicherlich nicht Lust hat, dahin zu rechnen, z. B. alles Thun nnd Treiben des gewöhnlichen Lebens, E s sen und Trinken u. s. w., wozu doch eben nicht ein besondere hoher Grad der Denkfiihigkeiteu erfordert wird. Haben wir bisher betrachtet, was dem Sprachgebrauche zu Folge die Vernunft nicht
seyn soll, 60 wird uns auch
vielleicht eben derselbe die Andeutung au die Hand geben; zu erkennen, was wir denn unter diesem Namen zu verstehen haben.
Uns scheinen iu dieser Hinsicht besonders zwei Klassen
von Ausdrücken der Aufmerksamkeit würdig zu seyu: diejenigen, welche die Vernunft als etwas bezeichnen, welches schon im Besitze, wo nicht von Erkenutaissen, doch von Kriterien zu lirtheilen zu seyn scheint; uud sodanii diejenigen, welche dieselbe in dieselbe scheinen.
Kategorie mit dem Gefühle zu setzen
Mann kann nämlich sehr leicht bemerken, dafe bei
allen solchen Gelegenheiten, wo die Ausdrücke: das sagt uns
-
72
-
die Vernunft, darüber belehrt nns die Vernunft, n. s. w. g e braucht verden, die Sprache auch solchen Bezeichnungen sich bedient, wie: das sagt uns das Gefühl, das Gefühl belehrt mich, treibt mich 211 urthcilen, u. dergl.: und zwar wird ic solchen Fallen au das sogenannte dunkle Wabrheitsgefühl uud an das sittliche Gefühl appelirt. einsehen, wie das
Nun lafst sich sehr wohl
Gefühl der Lust nnd Unlust ein solches
s e j u könne, welches 1111 Besitze ursprünglicher Kriterien zu Urtheilen s e j .
Dafs niunlicli dieser oder jener Eindruck von
Gegenständen dem Gefühle Lust oder Unlust erweckt, kann nichts erst Angelerntes s e j n , es innfs dazu die Anlage u r sprünglich vorhanden seyn; wer mufs wohl erst belehrt
wer-
den, dafs ihm Verletzung des Korpers wehe thun ? es waren also die Kriterien zu Urtheilen über Angenehmes und genehmes eiu
ursprünglicher Besitz des Gefühls.
könnte gedacht weiden, dafs auch das Wahre
und das Gute
in einem solchen Verhältnisse zu dein L u s t - oder fühle standen, dafs sie demselben
Unan-
Ehen so Unlustge-
entweder Vergnügen
oder
Mifsverguiigeu erregten, wo dann auch über diese Verhältnisse d a s Urthcilen eiu apriorisches seyn müfste. —
Nun
bemerke
mau ferner, dafs auch die Urtheile der Vernunft nur über Wahres und Gutes gcfaJlt werden, dafs allenthalben d a ,
wo
die Ausdrücke; das sagt die gesunde Vernunft, und ähnliche gebraucht werden, nur darüber entschieden werde, ob etwas wahr oder unwahr, gut oder nicht gut sey, nnd dafs die Bezeichnungen vernünftig und unvernünftig, vernunftgemiifs und / vernunftwidrig, nur bei zwei Klassen vou Gegenständen
ge-
braucht werden (ausgenommen bei dein Menschen selbst,
der
vernünftig heifst, insofern er Vernunft hat,) und zwar
bei
Vorstellungen und Handlungen, wo dann bei jenen die Begriffe vernünftig uud unvernünftig mit denen von wahr und ttuwahr zusammenfallen, bei den Handlungen mit denen vou gut und böse. —
E s würde also hieraus folgen, dafs entweder
der
73
-
Mensch 6owohl im Gefühle, als hi der Vernunft ursprüngliche Kriterien zn Urtheilen über Gates nnd Bdses, über Wahres und Unwahres besitze, somit anf doppelte Weise hierüber n r theile; — oder dafs die Vemnnft nnd das Gefühl für Wahrheit nnd Sittlichkeit eines nnd dasselbe sejen.
Zn der letz-
tern Annahrtie möchte nns einesteils schon der Grundsatz, die Prinripien nicht zn vervielfliltigeu, geneigt machen, es müfste sich nur nachweisen lassen, dafs der Ursprung der Begriffe von * gut und böse, wahr nnd unwahr, genügend ans einem Gefühle der Lust lind Unlust erklärt werden könne; noch mehr aber würden uns dazn die obigeu Bemerkungen bewegen, dafs unter der Vernunft uicht eiu Vermögen des Vorstellens zu verstehen i s t , aufser Vorstellen nnd Fühlen aber kein drittes mit ihnen gleichstehendes Vermögen im Geiste angetroffen wird. — Alle ebenerwähnte Folgerungen
las-
sen wir aber für jetzt ganz und gar auf sich beruhen, nnd für nichts weiter als für Vermuthungen gelten, die nns aber um so mehr auf die Untersnchnng des Gefühls aufmerksam machen, nnd uns einen Gesichtspunkt mehr für dieselbe abgeben müssen, den mimlich, Acht darauf zu haben, in wiefern dieselbe jene Vermuthnngen bestätigen möge. Einige Umstände jedoch, sey es uns noch erlaubt znr weitem Begriiudnng dieser anführen zu dürfen, nnd einige mögliche Einwürfe zu erörtern, weil eben in der genauem Betrachtung dieser jede, übrigens begründete Ansicht 6ich befestigen oder berichtigen mufs.
Es könnte nns z. B. die Be-
merkung zu wiedersprecheu scheinen, dafs fast alle dieselben Tliätigkeiten des Geistes, welche vernünftig heifsen auch zugleich verständig oder unverständig genannt werden.
Diefs
scheint zu beweisen, dafs hier Verstand und Vernunft als Ähnliche oder doch analoge Seelenvermögen bezeichnet werden, indem jene
Prädikate vernünftig und verständig mit ihren
Gegensätzen auf gleiche Weise von ihren Stammwörtern ab-
-
74
-
geleitet sind, und auch auf ganz analoge Art in ihrer Bedeutung diejenigeu T ä t i g k e i t e n des Geistes bezeichnen, in denen einerseits Verstand, andrerseits Vernunft angewendet worden ist.
Al>er es wird 6ich doch auch in diesen beiden Redewei-
sen die Verschiedenheit aufweisen lassen; denn anch abgesehen davon, dafs nicht ein und dasselbe
Thun ZII gleicher
Zeit
verständig lind vernünftig würde heifsen können, wenn Vernunft und Verstand blols verschiedene Stufen der Ausbildung des Denkens wären, weil es j a nur einer von diesen Stufen angehören könnte, so bemerkt mau sogleich den ganz Sinn derselben, wenn man nur statt
andern
des Wortes vernünftig
oder unvernünftig, das ganz gleich bedeutende: vernunftgemafs oder vernuuftwidrig gebraucht. Für verständig oder unverständig läfst sich kein an;iloger Ausdruck an die Stelle setzen, (wie es j a auch dergleichen Worte a l s : verstaudgcniafs u. s. w. gar nicht giebt;)
die Vernunft ergiebt sich somit als eine
Richtschnur oder Regel, der Verstand nur als ein Instrument, als das Mittel dessen man sich in vernünftigem oder
unver-
nünftigem, verstandigem
bedient
oder nicht bedient hat.
oder
iiuverstiindigem
Thun
Verständig und unverständig bezeich-
nen immer nur das, worin sich eiue bedeutendere Anwendung des Denkens, der Ueberlegung offenbart, (wie j a anch (das "Wort Verstand in prägnantem Sinne gebraucht wird, fiir: viel Verstand,
wenn z. B . gesagt
wird, dieser oder jeuer habe
Verstand; eben so wie Charakter f ü r : fester Charakter uud dergl.,) sie sind gleich bedeutend mit überlegt nnd unüberlegt, wefebalb mau auch wohl von verständigen Räsounemeuts, verständigen Beweisführungen
11. dergl. redet;
dalüugegen die
Ausdrücke : vernunftgemäfs und vernunftwidrig immer unf eiue Nonn, auf eine Regel hinweisen. Am hauptsächlichsten scheint unserer Annahme die, schon oben
bemerkte,
unwidersprechliche
Thatsache entgegen
zn
stehen, dafe der Sprachgebrauch mit dem Namen der Vernunft
-
75
—
das Vermöge 11 des Schliedseus bezeichnet; nad es mala einleuchtend seyn, dafs es unmöglich ist, vor der vollendeten Untersuchung des Gefühls selbst etwas durchaus Befriedigendes darüber zn sagen, wie sich diese scheinbar widersprechenden Thatsachen werden vereidigen lassen.
Wir können hier
anr das bemerken, wie es sehr wohl denkbar s e j , dafs es ein Geiüihl sey, welches den Geist bei allem Schliefsen leitet, (wobei wir zugleich an das eriuuoru dürfen, was H o m e in dieser Hinsicht YOU dem Instinkte sagt,
der nns zu den
Schlüssen durch Notwendigkeit treibe;) — und müssen die weitere Ausführung bis auf unsere Untersuchung selbst verschieben, auf welche wir demnach verweisen. IN ¡cht weniger, wird man glanbeu, streite unsere Ansicht von der Vernunft mit deij»;iigen, welche dieselbe als das Vermögen der Idceeu erklärt, da doch Ideeen nulaiigbar Vorstellungen seyen, nur von anderer Art als die des Verstandes. Hier aber werden wir weit genügender uns rechtfertigen, ja sogar unsere Ansicht bestätigt sehen küunen; wir geben sogar die Thatsache zn, dafe Ideeen Vorstellungen sejn, und dafs mau in gewisser Beziehung auch die Vernunft das Vermögen derselben nennen könne: und dessenungeachtet wird dieis nichts gegen nnsere Annahme Iteweiseu.
Man betrachte nur
genaner, von welcher Art die Ideen sind, und wie sie im Bewnfetscyn entspringen.
Dafs die Erfahrung sie nicht giebt,
das zu beinerkeu ist sehr leichte Mühe, auch ist man sich darüber laugst einig; man ist also gewöhnlich damit zufrieden , sie angeboren zn nennen, wogegen sich allerdings wenig würde eageu lassen, wenn die Erfahrnug diese Annahme im mindesten bestätigte, und sich durchaus kein anderer Ursprung nachweisen Heise. einfachen und
Diesen aber können wir in einer
ungezwungenen
Erklärung
aufzeigen:
Ideen oder Ideale nämlich entspringen aus dem
alle
Gefühle
der Lust und Unlust \ die Idee oder das Ideal eines je-
-
76
-
den Gegenstandes ist die Vorstellung desselben, wie er seyn miifste, um auf das Gtßlhl den Eindruck einer vollkommnen Lust zu. machen. Es giebt demuach so viele Ideale, als es Gegenstände giebt, welche auf das Gefühl Einflufs haken; mau spricht z. B. (um von den sinnlichsten Gegenständen anzufangen) von dem Ideale einer schönen Speise; das ist die Vorstelluug einer Speise, die dem durch deu Geschmackssinn angeregt werdenden Gefühle die vollkommenste Befriedigung gewähren würde; das Ideal eines schönen Akkordes wäre die Vorstellung eines solchen, wie er durch den Sinn des Gehörs ein vollkoraniucs Lustgefühl er« ecken würde ; so die Idee einer schönen Farbe für das Auge u. s. w. Auf gleiche Weise ist die Idee der Wahrheit nichts weiter als die Vorstellung einer solchen Beschaffenheit unserer Erkenntnisse, welche dem iunern Siuue, dem Wahrheitsgefühle, vollkommue Befriedigung geben würde; so das Ideal der Tngeud für eine analoge Beschaffenheit unserer Handlungen, die Idee der Schönheit u. s. w. Betrachten wir nun die Ijleeen, welche der Vernunft beigelegt werden, so pflegt mau von denselben zwei verschiedene Klassen zu unterscheiden. Die der ersten, zu der inau die Ideeeu des Wahren, Guteu und Schönen zu zahlen pflegt, würden sich, wie man sehr leicht aus Obigem sehen kann, sehr genügend aus dem Gefühle erklären lassen; eine zweite Klasse pflegt aus denen zu besteheil, welche in der allgemeinen Idee des Unbedingten oder Absoluten enthalten sind. Diese aber, wie man langst gesehen hat, hangen auf das Genaneste mit dem Geschäfte des Schnelsens zusammen, nud würden, sobald dieses aus dem Geiuhle seine Erklärung gefunden hätte, mit demselben zugleich erklärt nnd begriffen seyn. Die Betrachtung der Vernunft also als des Vermögens der Ideeen ist weit mehr geeignet, dieselbe als ein Vermögen des Gefühls erkennen zu lassen, als nns vom Gegentheile zu überzengeu; nnd es versteht sich, dafa die-
selbe dann nicht als das gedacht werden darf, was die Ideeen wirklich vorstellt,
sondern nnr als d a s ,
was sie im Vorstel-
len erzengt. — E s ist nnmöglich, alle Einwürfe vorherzusehen nnd hier schon zn erledigen,
welche eine E r k l ä r u n g , wie unsere g e -
genwärtige ist, die allen bisher gewöhnlichen Vorstellungen so schnurgerade zuwiderlauft * ) , erfabi-en inufs. hier nur noch einen 711 erörtern,
E s s e j geuog,
welcher zu nahe l i e g t ,
als
dafs er nicht jedem sogleich beifallen niüfste; es scheint n ä m lich nnwidersprechlich, d a f s , wenn die Yerunnft f ü r identisch mit dem W a h r h e i t s - und sittlichen Gefühle erklärt w i r d , les eigentlich
wissenschaftliche Verfahrcu anfgehoben
indem alles Beweisen, Begründen u. d e r g l . , das eigentliche Geschäft der Yerunnft gilt,
al-
werde,
was bisher iiir
aufhören, und an
dessen Stelle alle mögliche Berufungen auf ein dunkles,
snb-
jektives Wahrheitsgefiihl, alle Appellationen au den geännden Menschenverstand 11. dergl. m. treten miisseu,
wo dann von
Beweisen und von wissenschaftlichem Disputiren g a r uicht die Rede seyn könne. — Angenommen 111111 unch für den Angenltlick,
dafs dieser Einwurf gegründet s e j ,
doch ganz nnd g a r
so würde er uns
nicht treffen, sobald nur unsere Ansicht
im Uebrigcn wahr wäre.
Die Wissenschaft darf sich nie d ä -
m m kümmern, was e t u a ans ihren Sätzen f ü r praktische F o l geningen gezogen werden könnten, sie hat blofs anf das zu sehen, was da ist,
und das darzustellen; die Wahrheit soll
* ) W i e «ehr sich gegen sie alles gewöhnliche Vorstellen sträube , davon habe ich viele Erfahrungen gemacht} antwortete mir doch jemand, dem ich sie als die Meinung eines Andern vorlegte, dafs, wer das sagen könne, wohl selbst weder Vern u n f t noch Gefühl haben könne. Eben derselbe gerielb, da ich ihn später einmal auf den Sprachgebrauch aufmerksam machte, von selbst auf den Gedanken: die Vernunft mdsse wohl ein Gefühl »eyn.
-
78
-
sie soeben und offenbaren,
dieselbe m»£ nnn so schädlich
seyn, als sie irgend will;
nnd wenn wir gleich selbst das
feste Vertrauen haben , dafs die Wahrheit dem Menschen nnr frujnuicu kann, so darf doch keineswegs die Nützlichkeit ein Kriterium für sie abgeben "wollen; alle Urtheile über wissenschaftliche Gegenstände dürfen nur aus dem Gesichtspnukte der Wahrheit oder Unwahrheit geftillt werden. ohne hieran appelliren zu wollen,
Aber, anch
können wir leicht zeigen,
dafe der Gegenstand des Einwurfes keiue nothw endige Folgerung ans unserer Behauptung ist.
Denn es wird weder alles
Beweisen anfgehoben, dadurch dafs es etwa für das Geschäft eines auderu, wie hier etwa fiir das des Verstandes,
erklart
-wird, noch anch wurde gegen das Beweisen überhaupt etwas ausgemacht s e j n , wenn vielleicht irgend eine bestimmte Art desselben als nichtig und unstatthaft aufgewiesen wüfde. — Ein ganz ähnlicher Einwurf würde iiugeführ der sevn, den J a - c o b i so hailüg hatte hören müssen,
und gegen welchen
er sich so ängstlich vertheidigt: als weun nämlich durch diese oder jene Erklärung oder Definition die Vernunft herabgesetzt würde.
E s gilt hier ganz dasselbe, wie bei dem obigen Ein-
wurfe, dafs er nämlich, auch wenn er wahr wäre, die Wissenschaft als solche nichts angehen könne, indem sie nichts mit der Wertb6chatzuug der Dinge zu thmi hat, sondern der Meinung ist, dafs uns eine Geringschätzung der Vernnniit, die der Wahrheit geinäis wäre, lieber sejn müsse, als eine Ueberschätzung derselben, die mit ihrem wahren Werthe in Widerspruch stände; übrigens kann anch die Wissenschaft uicht die Vernunft wie eiu Papier ansehen, dessen Cours, weil leider viele leichtsinnig ihr Glück darauf gesetzt haben,
will-
kührlich oder durch Uebereinkunft könnte festgesetzt werden. Ob nnn übrigens die Befürchtung,
dafs die Vernunft durch
ihre Erklärung für ein Gefühl herabgesetzt werde, gegründet sey, können wir ganz und gar dahingestellt seyu lassen; es
-
79
-
könnte nns vielleicht eben darum zn than seyn, d. b. es könnte das Interesse der Wahrheit Ton uos fordern, sie herabsetzen zu wollen; man nrtheile indessen nicht rfhne zn p r ü fen. — Ein Umstand ist jedoch, den wir hierbei nicht «hergehen dürfen, nämlich aufmerksam darauf zu machen, dafe unsere Erklärung der Yernnnft nichts mit derjenigen von J a c o b i gemein h a t , bei welchem sie identisch mit dem religiösen Gefühle seyn sollte.
Vernunft und Religion sind aber
zwei ganz unvereinbare Begriffe, sie hat auch der Sprachgebrauch nie zusammengebracht vor den
Zeiten der Aufklä-
rung *) , die Yernnnft galt im Gegentheil Ton je her für die, welche
nichts
von Gott
wisse.
W i r haben oben gezeigt, in welchem Znsammenhange die Untersuchungen über die Vernunft mit denen über das Gefühl stehen, es ist jetzt nur noch übrig, dafs wir znm Schlüsse einige wenige Worte über ihre Verbindung mit der Aufgabe der ganzen Kritik hinzufügen.
Der erste Theil der-
selben sollte, wie wir gezeigt haben, die Aufgabe nutersnchen, -welche der meuschlirhe Geist für das Erkennen enthielte, nnd es ergab sich die Wahrscheinlichkeit, dafs diese Aufgabe im Gefühle zu suchen sey, und zwar in einem Wahrheitsgefühle, welches den Mensclien treibe, Wahrheit zu suchen.
Ans un-
sorn eben gemachten Bemerkungen wird es mehr als wahrscheinlich, dafs eben die Vernunft mit dem Gefühle für W a h r heit und Sittlichkeit identisch sey, dafs also vielleicht eben sie, nach der einen ihrer beiden Seiten,
der
theoretischen,
d. h. als Gefühl für Wahrheit, dasjenige Gefühl sey, welches die erwähnte Aufgabe für das Erkennen enthalte, welches die Gesetze für das Denken und Erkennen feststelle.
Somit wür-
den die Untersuchungen über die Anfgabe des Erkennciis, und Auch ist* das W o r t Vernunftreligion nur per zu verliehen.
anliphraiin
-
80
-
die Natnr der objektiven Wahrheit ganz dieselben
seyn mit
denen über die Vernunft, so dafs wir hoffen dürfen, über beide zn gleicher Zeit in der Betrachtung des Geiiihles Auskunft zu erhalten; nnd es würde unsere Krilik mit vollem Rechte eine Kritik der Vernunft heifsen dürfen, weun sie gleich ganz nnd g a r nicht
die Verunuft als
das ErkennhiifsTermögeu
selbst
betrachtet.
II. Andeutungen über sogenannte angeborne Wahrheiten. Da£s die Erfahrung eine Quelle Ton Erkenntnissen, dafs sie sogar die gewöhnlichste und
erste fiir jeden
Menschen
eey, fällt niemanden ein zu l.-iugnen; es innfs sogar ein jeder, da diese Wahrheit t>ich ihm jeden Augenblick aufdringt, sehr geneigt sevn, jene auch
für die einzige Quelle zu halten,
und wenigstens ohne dringende Notwendigkeit keine andere anzunehmen.
Der Empirismus
Geiste natürlich,
und
es
ist somit
müssen
deui
besondere
menschlichen nud
wichtige
Gründe hinzukommen, wenn er sich einer andern Ansicht über den Ursprung der
Erkenntnisse hingehen soll.
Dergleichen
Gründe fanden, und üuden sich aber zu jeder Zeit, Umstünde, welche aus dem Empirismus
unerklärlich sind,
über denselben hinauszugehen nöthigen.
uud
daher
Und zwar siud diese
Unerklkrlichkeiten des Empirismus so bedeutend, und so bemerklich, dats fast zu jeder Zeit die dem Empirismus gengesetzte Ansicht, die Annahme angebornen herrschender gewesen ist als dieser selbst. stände , aus
entge-
Erkenntnisse,
E s sind der U m -
welchen diese Ansicht entspringt,
hauptsächlich zweierlei:
-
81
-
zweierlei: erstlich die Bemerkung einer fast allgemeinen Uebereiustimmuiig der Menschen iu Ansichten und Bestrebungen; welche durchgehende Gleichheit, selbst zwischen Nationen, unter denen keine mögliche Commnnication anznuehmeu ist, und namentlich iu Dingen, die die iiumittelbare Erfahrung nickt giebt, dein Empiristen nilbegreiflich bleiben miifs; und sodann das Daseyn von Erkenntnissen, welche das Bewufstseyn einer gewissen Notwendigkeit sowohl einer objektiven, als subjektiven, mit sich zu fuhren scheinen.
Eigentlich müssen beide
Umstände zusammenkommen, um dem Empirismus verdächtig zu macheu, und eine entgegengesetzte Ansicht zu begründen, da einzeln jeder
dieser beiden
Umstünde angetroffen wird,
ohne dafs doch jene Wirkung daraus erfolgte. z. B. eine allgemeine
Uehereinstinimung
So findet sich
der Menschen
in
Salzen wie: der Himmel ist blau, das Feuer brennt, u. dergl., welche niemand läiiguet, aber auch niemand je für angeboren erklärt hat, denn eiuestheils liegt der Ursprung derselben aus der Erfahruug zu nahe, als dafs er übersehen werden könnte, nnd anderntheils geben sie gar kein Bewnfstsejn von wendigkeit; es könnte eben so gut auch anders seyn.
NotHaupt-
sächlich ist es der letztere Umstand, die Nothweudigkeit, welche ein Erkeuntnifs als nicht - empirisch anuehmen Iäist, indem es zu offenbar ist, dafs alle Erfnhriiiigserkenntnisse den Charakter der Zufälligkeit an sich tragen, und keine Wahrnehmung ist, von der inau nicht eben so gut das Gegeiltheil itir möglich halten köunte.
Dessenungeachtet ist aber auch die Noth-
weudigkeit für sich allein nicht hinreichend, einer Erkenntnis das Prädikat des Angeborenseyns zu geben, wie z. B. niemand je in Sätzen wie: schwarz ist nicht weifs, grofs ist nicht klein, oder: schwarz ist schwarz u. s. w., die darin enthaltenen Begriffe als apriorisch behauptet hat, (obgleich die darin angewandten Sätze der Identität und des Widerspruchs,) da ihr empirischer Ursprung zu offenbar am Tage liegt. Schmidt Ideen.
I. Bd.
6
Solche Erkenntnisse unerklärlichen
Pradikate
82 also, der
denen die ans der
Allgemeingültigkeit
wendigkeit zuzukommen schienen, hat
Erfahr«na; nnd
man von j e h e r
Notals
in
der menschlichen Natur begründet ansehen zu müssen geglaubt, als solche die mit dein W e s e n
des Geistes
durch die
Natur
aufs innigste verknüpft, ihm nothwendig anhängend, mit Einein W o r t e , als solche die ihm angeboren ihren
Erklarungsgrund,
ihre
seven,
und
wenigstens
Entstehung in
den
augebomen
nnd natürlichen Anlagen desselben haben müfsten.
—
Nim lafst sich allerdings sehr wohl die Moglichkiet einsehen ,
dafs dergleichen
gleiche Anlagen
ursprüngliche,
vorhanden s e v e n ,
Uebereiustimmuug
in
Ansichten
in
welche
und
allen zu
Menschen
einer
solchen
Bestrebungen,
nnd
zu
einer Nothweudigkeit der Erkenntnisse die (Quelle werden konnten ;
es
ninfs
diefs
sogar
mehr als
wahrscheinlich
werden.
Denn dafs etwas Gemeinschaftliches in der menschlichen
Na-
tur s e j n müsse, etwas Uebereinstiimnendes in allen Individuen der Gattung, dafs es Anlagen und Eigenschaften gehen müs^e, welche sich gleichinafsig in jedem einzelnen Menschen finden,
wieder-
— das geht schon ans dem Begriffe der Gattung her-
vor, als welche eben nur in einer Zusammenfassung von gleichen oder ähnlichen die
Meuschen
nicht
Gegenständen eine
konuen, wenn nicht, bei aller doch in allen eine gewisse Eigenschaften,
Anlagen
besteht-,
und dieselbe
Verschiedenheit
Gleichheit
und
es
würden
Gattung
in den
Fähigkeiten
der
auch
ausmachen Individuen,
ursprünglichen
vorhanden
wäre.
Uud diese Uebereiiistimmung wird doch nicht blofs iu Hinsicht a n f den Korper Statt
finden,
sondern
auch,
uud
besonders,
iu geistiger Rücksicht, da doch wohl mehr der Geist als der Körper
das
Charakteristische der
Menschengattung
ist;
die
Mensrhen werden, wie die Erfahrung b e s t ä t i g t , nicht blofs in der Bildung des Leibes, im aufrechten G a n g e ,
in
derForm
der Nase, der Brost u. s. w., untereinander gleich seyii, son-
— d e m noch weit mehr in
83
-
den eigenthüinlichen Anlagen
nnd
Thätigkeiten der Seele, in der Art nnd Weise vorzustellen, zu fühlen, zu wollen u. s. w. — E s liifet sich nicht denken, dafe eine solche Uebereiustimmnng in Anlagen und ten,
wie sie
hiernach
bei den
Fähigkei-
Menschen liothweudig s e j n
inufs, nicht auch eine gewisse Gleichheit in den
Aeufsernn-
gen dieser Fälligkeiten, in der wirklichen Erscheinung derselben zur Folge haben sollte, dafs z. B. die Gleichheit des E r kenntnisvermögens nicht auch eine angemessene Uebereinstiinmung in den wirklichen Erkenntnissen,
die Gleichheit
des
Begebniiigsverniögeus nicht auch eine solche in den wirklichen Bestrebungen nach sich ziehen sollte, mit Einem W o r t e : es ist wahrscheinlich, dafs eine Uebereiiistiminung iu der M ö g lichkeit, auch eiue gewisse Gleichheit iu der Wirklichkeit hervorbringen werde.
Auch erkhirt sich sehr lcicht, wie Erkennt-
nisse, die auf ursprüngliche» uud wesentlichen Anlageu menschlichen Geistes beruheu,
also auf
des
nothwendige Weise
mit der Natur desselben verknüpft sind, auch ein gewisses Bewnfstseyn
dieser N o t w e n d i g k e i t , dieses Zusammenhanges
mit dem innersten Wesen des Ichs, und somit die Ueberzeugung uud Erwartung einer
uothwendigen
allgemeinen
Bei-
Btimimiug mit sich fiihrcu können. Diese Wahrscheinlichkeit, dafs aus dein gemeinschaftlichen nnd gleichen Wesen
der
Menschen auch eine angemessene
Gestaltung der Wirklichkeit folgen werde, scheint die E r f a h fahriing in, vollem Mafse zu bestätigen, indem sie uns eiuestheils eine, ans dem Empirismus allein unerklärliche Liebereinstimniung der Menschen von allen Nationen und Zeitaltern sehen l.ifst, andrerseits eiue mehr oder minder grofse Anzahl von Erkenntnissen
in uus aufzeigt,
welche
wirklich
eine
unwidersprechliche Notwendigkeit mit sich zu führen scheinen, die also gleichfalls -der Empirismus unerklärt müsseu.
Was den ersten
Punkt
anlangt,
würde lassen
die 6 •
vorgebliche
-
84
-
Gleichheit der Monschau in Dingen, die die Erfahrung; nicht giebt, z. B. in Bestimmungen über Recht, Moral,
Religion
ii. s. w . , so hat man dagegen nicht mit Unrecht die eben so »inlängbare iiuend liehe Verschiedenheit der Völker in denselben Gegenstanden geltend zu machen gesucht.
Aber
man
kann diese in ihrem ganzen Umfange zugestehen — nnd wer konnte sie auch wohl laiignen ? — man kauu gerne zugeben, dafs auch nicht ein einziger Mensch nur mit einem einzigen andern in seinen Ansichten über Recht, Gott, Gottesverehriing, Pflicht, Tugend, Schönheit u. s. w. ganz übereinstimme, dafs in keinem Menschen diese Ansichten
TOII
den Einflüssen der
Individualität unabhängig seyeu; mau kann zugeben, dafs die als angehören behaupteten
Erscheinungen
nicht
durchgangig
allgemein angetroffen werden, dafs sie selbst bei ganzeu Volkern fehlen, dafs z. B. ganze Nationen ohne merkliche Spuren der ReJigion, ohne allen Gottesdienst seyen, dafs
somit
die Ausdrücke des Gemeinschaftlichen oder Angeborenen höchst schwach nud unmerklich seyn müssen; mau kann eingestehen, dafs
HIKT
ein und denselben Gegenstand Ansichten \orhaiidr-n
seyn können, die sich schnurgerade v. idersprechen, dafs auch die sogenannten angehornen Wahrheiten noch Beweise milbig hatten, nnd wie sonst die Einwürfe des Empirismus heifseu inögeu;
man kann sogar
eiHen weit strengern Empirismus
behaupten, als ih« je L o c k e oder A r i s t o t e l e s nur gedacht habeH: —
und
Allgemeines und
wird
dessenungeachtet
Uehereiiistimmendes
etwas
in den
durchgehend Erscheinungeil
des menschlichen Geistes, es mögen die ¡Spuren desselben so schwach seyn als sie immer wollen, nicht laiignen können, eendern eingestehen müssen, dafs
alles Thnu nnd Treiben
des Menschen auf etwas Ursprüngliches, der Natur des Geistes Wesentliches hinweise.
Kein Volk bat je den
Mord,
namentlich Vatermord u. s. w., fiir reckt gehalten, und wenn nun auch ganze Nationen, eines andern Interesses
iv^gen,
es
-
85
—
sogar zum Gesetze machen, die alt gewordenen Vitter nitd Mütter umzubringen, se ist hiermit doch keineswegs der Mord an sich für berechtigt erklärt, sondern nur das, zu dessen Mittel er dienen soll, nnd lim dessentwillen man die andere Bestimmung der Uurcchtiuafsigkeit des Mordes vernachlässigen zu dürfen glaubt.
Dafs es z. B. der menschlichen Natur ei,
gcuthüuilich sev, das Gliick, das Vergnügen zu erstreben, gestellt seihst L o c k e alleuthalben zu, und doch wird jeder ohne Bedeuklichkeit sich ein Mifsvergnügen macheu, nm ein grö-* fseres Gut, eiu grcjfseres Vergnügen dadurch zu erlangen; man sieht also, dafs hier nicht das Mifsverguügeii gewollt wird, sondern nur das Vergnügen, wozu es das Mittel wird. So wenig also diese Bemerkung der ersten), dafs der Mensch, nur das Angenehme erstrebe, widerspricht, so wenig beweisen alle obeu angeführte Eiuwürfe gegen das wirkliche Vorhandensein eiues Ursprünglichen, Augeboreneu.
Denn es ist
erstlich gar nichts Widersprechendes, dafs die ursprünglichen Ailingen, uud somit das Allgemeine in den Erscheinungen des Geistes nur in sehr schwachen Spuren vorhanden seyn mögen; uud der Grund, den L o c k e dagegen anführt: dafs sie dann uns uichts helfen würden *), kaun gegen ihr Dasein nichts beweisen; von ihrem Nutzen ist j a noch gar nicht die Rede. Dafs ferner in den für angeboren ausgegebenen Gegenständen Ansichten herrschen können, die einander geradezu entgegengesetzt sind, beweiset eben so wenig das Geringste; es lufst sich sehr wohl deukeu, dafs ursprüngliche Anlagen (nur freilich nicht
ursprüngliche Erkenntnisse)
sich einander wider-
sprechen köuneu, (was freilich L o c k e , aber ohne weitere. Gründe für ungereimt erklärt **),) nnd dafs vielleicht unser ganzes Strebe«, Philosophie u, s. vr. darauf gerichtet seyu. •) Versuch, Buch I. Cap. III., $. 13. und 20. •») a. a. O. Buch I. C»p. III. $. 21.
-
86
-
soll, sie zu eiuer harmonischen Einheit zu versöhnen.
Lehrt
uns doch die tagliche Erfahrung, dafs z. B . unsere Neignngen sich in den meisten diese nimmt
doch
anzunehmen * ) .
Fiillen
schnurgerade
L o c k-e keinen
E s können j a
zuwiderlaufen;
und
Anstand als ursprünglich
Ton den
gen manche, j e nach den verschiedenen
verschiedenen AilinUmständen, vielleicht
g a r nicht ausgebildet se>n, wie etwa die Anlage zur Religion; öderes kann,
wo
eine die andere
scheinbar widerstreitende vorhanden
verdunkelt
bei dem einen diese
oder unterdrückt h a b e n ,
hervortritt,
bei
dem
andern
sind,
so
dafs
die gerade
entgegengesetzte; oder was sonst für Umstünde die Ausbildung und wirkliche Erscheinung -\on Anlagen fördern
können.
Auf alle
Falle
verhindern
darf doch
oder
nicht von
bedem
Nicht-ansgebildetseyn einer Anlage auf das Nicht-Vorhandens e i n derselben geschlossen werden,
sobald
nur
im
Uebrigeii
Gründe hinreichend vorhanden sind, sie anzunehmen. Schwieriger ist der F a l l mit den
sogenannten
nothwen-
digen Wahrheiten, uii(k mit der Annahme einer ursprünglicheil Anlage für dieselben,
weil
wir hier kein
h a b e n , wirklich n o t w e n d i g e
S;itze
von
sicheres
blofsen
Kriterium
angewöhnten
Vonirtheileii zu unterscheiden, und somit, wie schon öfter b e merkt, vor keinem Irrthnm Locke
sicher s i n d ;
geltend gemacht wird.
wie diefs auch
D a s Merkmal der
von
sogenann-
ten Nothweudigkeit würde also allein kein hinreichender Grund seyn,
etwas
Angeborenes zu ihrer
Erklärung
anzunehmen;
doch kann e s , neben dem vorigen, als eine Bestätigung einer soleben Annahme dafs Vornrtheile Ueberzengnng
dienen, da doch auch schon eine
solche
niithigende
Gewalt
der
Umstand,
über
unsere
erlangen künnen, eiuer
Erklärung ans der u r -
sprünglichen Natur des Geistes bedarf.
E s scheint wenigstens
jedes E r k e n u t u i f s , welches das
')
Bewnfstseyn
der Nothwendig-
r. B. a. a. O. Buch I. C»p. III. $. 3. §. 6, $• 11. u. s. w,
-
87
-
keit mit eich fiihreu soll, in einer wesentlichern Beziehung za den natürlichen Anlagen des Geistes stehen zu müssen, es freilich anch durch Gewohnheit n. dergl. erlangeu
(die
kann,)
lind kann daher die Yermnthmig eines apriorischen Ursprunges allerdings erwecken, oder wenigstens die Annahme eines Znsammenhanges
mit etwas Apriorischem;
ihre BesUitignng
mnfs aber eine solche Annahme immer erst dnreh anderweitige Zengnisse, mimlich durch die eben erwähnte Allgemein-, heil, erhalten. So weit also würde einerseits die Erfahrung einer Allgemeinen Vebereinstimmiing in den Ansichten nnd Bestrebungen der Menschen,
andererseits die Nothwendigkeit, gleiche ur-
sprüngliche Anlagen im Menschen anzunehmen, uns berechtigen zu der Ansicht,
dafs in diesen letztem etwas enthalten
seyn müsse, welches anch eine Gleichheit ihrer Erscheinung, also jeue Uebereiiistiinmniig und Glauben hervorbringe.
der Menschen
in iiirein Thon
Es kommeu zu diesen Grüuden,
welche man theoretisch neiineu könnte, noch andere, sche,
welche
die Annahme
Grundsätzen n, s. w . ,
von
angebornen
prakti-
Wahrheiten,
oder doch wenigstens die Bestrebung,
dergleichen aufzufinden,. stets wach erhallen mufsten.
E s be-
stehen diese praktischen Gründe iu eiuem doppelten Interesse, welches der Mensch daran nehmen mufs, das -wahr und gut halt und gehalten wissen will,
was er für
als etwas Ob«
jektives, in der Natur des Geistes Gegründetes aufzuzeigen, in dem Interesse au den unendlichen Vortheilen, welche ein solches Aufzeigen ihm für die "Wissenschaft nnd das Leben bringen mufs.
E s ist diefs Interesse, wie gesagt, ein dop-
peltes, ein theoretisches und ein praktisches, jenes für die Wissenschaft, dieses für das Handeln. lich gelingen könnte,
Denn wenn es erst-
wissenschaftliche S¡itze lind Principien
aufzufinden, die in der menschlichen Natnr wirklich begründet
waren,
so bedürfte es wahrscheinlicherweise blofs der
Entdeckung derselben,
88
-
nm .zugleich auch die festeste Ueber-
zengung von ihnen zu erlangen, nnd dieselbe auch bei allen übrigen Menschen hervorzubringen: Ziel aller Wissenschaft,
es würde dadurch das
alles Strebens nach "Wahrheit er
reicht seyu, das nämlich, Wahrheiteil oder Erkenntnisse hervorzubringen, die nicht blofs uns selbst anf das Vollkommenste überzeugten, sondern anch die Beistiminnng aller übrigen Menschen uns erwürben. — Ganz diesem Interesse aualog ist das praktische, deln verlangt.
welches angeborne Grundsätze für das HanDenn der Meusch hat eben so gat ein Stre-
ben nach objektiven Grundsätzen für das Handeln, die Ueberzengung haben,
dafs die Zwecke,
ihm von der Natur angewiesen sind,
er will
die er erstrebt,
nicht blofs durch blin-
den Zufall oder eben so blinde Willkühr von ihm zum Zielpunkte aller seiuer Anstrengungen und Kriifte gesetzt sind, dafs in dem, eine objektive,
was er für Recht,
Pflicht ti. s. w. erkenut,
der Natur des Geistes eigentkümliche Nüthi-
gung vorhanden ist; er hat eben so gut ein Verlangen, so wie seine Erkenntnisse, so auch seine Maximen im Handelu von Andern anerkannt zu sehen, Anderer zu erhalten.
und bei ihnen die Beistimmung
Auch diese Bestrebuugeu würden er»
reicht und befriedigt seyn, wenn Grundsätze gefunden waren, die die Natur selbst dem Geiste diktirt, deren Befolgung einem jeden noth«endig seyn müfste, sobald er nnr zum Bewufstseyn derselben gelangt wäre *), Es ist einleuchteud,
dafs diese Interessen,
welche der
Geist an dem Daseyu von etwas Augeliornem nimmt,
nichts
für die Wirkliclikeit desselben beweisen können, (denn wir *) Ob dieCs ein durchaus sicheres KriUrium sey, darüber haben wir hier nicht zu entscheiden, wie es dann auch in die praktische Philosophie gehört. Man unterscheide aber zwischen der Natur des Menschen im guten, und derselben im üblen 8inne,
-
89
-
sehen nnr zu oft, dafs der Met»ch auch an den offenbarsten Chimären Interesse nimmt;) es ist genng, dafs sie das Streben,
ein solches anfznfiuden, venu es vorhanden ist, wach
erhalten.
Dagegen haben nus die obigen Gründe, welche wir
die theoretischen nannten, deu höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit gegeben, dafs das,
was in jedem Menschen gleich-
raäfsig und ursprünglich sevu miifs, mit seiuer wirklichen E r scheinung in einem nothwendigen Zusammenhange stehen, ut|d die Uebereiiistimmung in dieser müsse.
Erscheinung
Hier also entstehen die Fragen:
hervorbringen
worin dieses Ur-
sprüngliche, die angeborenen Anlagen bestehen ? —
wie sie
auf die Erscheinung des Geistes ihren Eiiifliiis iüifsern? und wie weit wir diese Erscheinung für ihre Wirkung,
für das
Produkt des Angeborenen 'zu halten haben '? Auf diese Fragen sind bis jetzt hauptsächlich zwei Antworten gegeben worden: die eine nennt das Ursprüngliche angeborne Wahrheiten, Grundsätze n. s. w,,
angeborne
Erkenntnisse,
Begriffe,
die andere will unter demselben ange-
borne Triebe verstanden wissen.
Die erste derselben hat zu
vielen und mannigfaltigen Streitigkeiten Aulais gegeben, ist daher auch bei weitem mehr erörtert worden, als die letz-« tere;
auch ist sie unlängbar die wichtigere von beiden,
dem sie zugleich weit umfassender ist,
in-
und zn gleicher Zeit
sowohl theoretische, als auch praktische Graudsütze unter sich begreift.
Beide Antworten leiden, anfser den jeder eigen-
tümlichen Gebrechen, an dem gemeinschaftlichen Fehler, dafs sie Cirkel sind, indem sie das zu Erklärende selbst wieder als Erklärungsgniud gebrauchen, tiud das als das Ursprüngliche annehmen, wovon eben nach dem ursprünglichen Grunde gefragt wird.
Doch betrachten wir jede einzeln genauer.
Was zuerst die Lehre des philosophischen Rationalismus anbetrifft, dafs da* Ursprüngliche im Menschen in Erkennte nissen, Grundsätzen oder Begriffen bestehe, so erweckt der-
—
90
—
seihe 30 sehr viele BedenklicHkeiten gegen sich, dafs wir nos getiöthigt sehen,
uns anbedingt gegen ihn »nf die Seite des
Empirismus zu stellen, gerade wie wir oben eben gegen diesen den Rationalismus vertheidigen uiufstp». von allen Gründen des Enipirismns,
Demi so wie
namentlich
Locke's,
anch nicht ein einziger nnr das Geringste gegen etwas Angeborues überhaupt beweiset,
und wir dem Rationalismus so
weit unbedingt beistimmen müssen, so sind doch die Beweise jenes gegen angeborne Begriffe und unwiderleglich;
11. s. w. dnrehans schlagend
lind so wie alle Gründe des Rationalis-
mns, wie er sich in seiner vollendetsten Gestalt hauptsachlich bei L e i b n i t z und D e s c a r t e s findet, das Daseyn von etwas Angeborenem überhaupt aufser allem Zweifel setzen, so ist nicht Einer im ¡Stande, gen angebornen Begriffes
nur die Wirklichkeit eines einzidarzuthnn. Alle Gründe, so scliarf-
eitanig sie anch seyn mögen, scheitern au der einfachen E r fahrung, dafs sich nicht eine einzige Vorstellnng wirklich aufzeigen liifst, die ein Mensch als angeboren mit sich gebracht nnd liirht erst erworben hatte; Leibnitzens
und was die Appellationen
an die Dunkelheit
dieser Vorstellungen
an-
langt, vermöge welcher wir uns derselben nicht bewillst seyen: so ist einestheils allerdings leichtes Appelliren an das, wovon wir nichts wissen,
und was wohl seyn kann oder könnte,
und andrerseits gilt doch anch von diiuklcii Vorstellungen der Grund L o c k e ' s , dafs eiu unbewiifstes Bewufstseyu ein Widerspruch sey, und dafs jede Vorstellung, sie mag so duukel seyn als immer möglich,
doch wenigstens eiue Vorstel-
lnng, eiu Bewnfstseyn seyn müsse.
Ueherdiefs bleibt bei die-
6er Erkliirnng durchaus nnbegriffen, wie eine Vorstellung als solche,
wenn sie gleich ein praktischer Grundsatz ist,
auf
den Willen wirken könne; es würde also wenigstens die Gleichheit der Menschen in ihren Bestrfebnngen unerklärlich seyn. — Ein wichtiger Grund, der freilich nichts gegen das
-
91
—
Dasejn angeborner Erkenntnisse,
wohl aber gegen ihre Ob-
jektivität nnd ihre Anwendnug beweisen würde, der aber nicht geling geltend gemacht ist,
ist der,
dafs wir alle
ange-
bornen Erkenntnisse viel eher als angeborne Unwahrheiten, denn als angeborne Wahrheiten betrachten niüfsten. indem Erkenntnisse doch etwas sejn sollen,
Deun
wodnrch etwas
von den Objekten ansgesagt wird, so würden wir, hätten wir angeborne Erkenntnisse, niemals von deren Uebereinstimmnng mit der Wirklichkeit überzeugt
sejn können.
auch wirklich Erfahrungen nnd Beobachtungen
Denn
wenn
vermeintlich
dieselben bestätigten, so lnnfs doch jeder, der nur im geringsten den Einilnfs vorgefafster Meinungen anf die Beobachtung kennt, einsehen, dafs wir dessenungeachtet nie sicher sejn könnteii, ob nicht etwa die angebornen Vorstellungen ans die Gegenstände in einem ganz andern Lichte erscheinen liefsen, nnd nns in ein unendliches Gewirre von Täuschungen nnd Irrthümern fuhren miifsten.
Sie könnten für nns nie einen
andern Werth als den von Yorurtheilen
haben,
tind wir
niüfsten, statt uns mit ihrer Aufsuchung nnd Anfhellnng zn beschädigen,
vielmehr es unsere eifrigste Sorge sejn lassen,
11ns ihrer zu entledigen. Die Auswege, welche K a n t
ans diesen Schwierigkeiten
des Rationalismus versuchte, indem er statt der theoretischen Grnndsätze die Formen des Anschanens nnd Urtheilens,
statt
der praktischen den kategorisischen Imperativ aufstellen wollte, unterliegen ganz denselben Einwürfen, welche die Annahme angeborner Vorstellungen erfährt.
Denn wenn gleich in An-
sehung der Formen des Denkens so viel nnwidersprechlich gewifs ist, dafs,
wenn es solche giebt, dieselben apriorisch
sejn müssen, so hat K a n t doch nirgends gezeigt, dafs eben diese reinen Ansclianiiiigen und YerstandesbegrifTe solche F o r men des Denkens seveu.
Die Form des Anschaueiis ist das
Aufnehmen einer Yorstellnng,
die Form des Urtheilens das
Zusammenstellet! mehrerer; in \orstelluiigen
92
-
wie diese Formen selbst
und Begriffen bestehen können,
wollte, bleibt ewig unbegreiflich. keit zugegeben,
wie
Kant
U n d , auch diese Möglich-
»o trilTl diese Formen,
Yorstelliiugen se)n sollen,
nieder
indem sie wirkliche
einestheils ganz derselbe Vorwurf,
dafs die Erfahrung ihnen widerspricht,
und sodann noch in
weit höherem Grade die Bedenklichkeit, dafs alle ihre Au Wendung auf die wirkliche Eikenutnifs erschlichen und unberechtigt sev, und alle sogenannte Wahrheiten, die aus ihnen entspringen , Unwahrheiten sind;
denn die vorgeblichen
ange-
boruen Erkenntnisse haben doch noch die Möglichkeit einer Uebereinstiinmnng mit der Wirklichkeit für sich, die aber den Formen des Denkens, die ausdrücklich nichts au den Gegenständen selbst seyn sollen, schlechterdings abgeht.
E s kann
hier unmöglich der Ort seyn, weitlauftiger über die Formen des Denkens zu handeln, da diefs iu die Kritik der theoretischen Vernunft selbst gehört,
es kanu nur auf die Haupt-
Bcliwierigkeiteu hingedeutet «erde«.
—
W a s nun ferner den
kategorischeu Imperativ anbetrifft, den K a u t
an die Stelle
der praktischen Seite der angeborneu Grundsätze setzte, ist gegen ihn allerdings weit weniger zu s a g e n ,
so
als gegen
die Kategorieeu, aber auch durchaus uiohtg für ihn,
weil er
so durchaus unbestimmt, so ganz ohne festen Charakter aufgestellt wird, dafs man ihn weder an irgend einer Seite fest fassen, kann.
noch sich durch ihn im geringsten etwas
erklären
W a s eigentlich dieser kategorische Imperativ sey, wie
er sich iinfsere, wie or zum Bewufstseyn komme, darüber erfahrt mau nie nur eiu bestimmteres Wort. Soll nuu also derselbe ein Grundsatz seyn, eiu praktisches Urtkeil, ans wirklichen Vorstellungen bestehend, so gilt gegen ihn alles,
was
gegen wirkliche angeborne Vorstellungen gesagt werden k a n n ; soll aber damit nur soviel gesagt seyn, dafs im menschlichen Geiste sich eine gewisse ursprüngliche Nöthiguug
finde,
so
-
93
-
oder so zu handeln, so ¡st damit nichts weiter ausgesprochen, als was jeder weifs lind zugiebt, alter das, was erklart werden sollte: worin eine solche Nöthigung besteht, wie sie ins Bewnfstsevn tritt n. s. w., hleiht so dnukel als vorher, darüber erfahren wir nicht die Spur. — Betrachten wir noch einen Angenblick genauer den Streit des Empirismus und Rationalismus,
nud behalten dabei dea
eigentlichen Streitpunkt im Auge, so werden wir nicht umhin können, überdiefs noch zu bemerken, dafs fast alle Streiche der Gegner in die Luft geführt werden, dafs die Streitenden weder sich untereinander, noch ihren gemeiiischaftlicheu Streitpunkt wirklich treffen, sondern grü£steutheils um Worte und unbedcnteiide Abweichungen handeln.
Die Frage ist: ob es
etwas so Allgemeines in den Erscheinungen des Geistes gebe, welches uns berechtige, eine ursprüngliche, angeborne Grundlage dafiir anzunehmen? — und diese Frage zu bejalieu, bezwecken und bewirken einzig und allein alle Argumente des Rationalismus; sie zu verneinen lallt aber auch dem Empirismus nicht im entferntesten ein, wenn gleich er oft, widireud er die angeboriien Begriffe bestreitet, selbst überhaupt gegen alles Angeborne sich zu erklären scheint; wobei er aber in eineu Widerspruch mit sich selbst gerath, indem er, wie wir oben von L o c k e die Beispiele angeführt haben, etwas Ursprüngliches iiu Allgemeinen nicht nur nicht läiigiien kann, sondern selbst vertheidigeu inufs. Was er dagegen einzig und allein init seinen Gründen bestreitet, das Dasein wirklicher Ideeen, Vorstellungen oder Erkenntnisse,
welche als
solche
sollten angeboren seyn, das gerade ist der Rationalismus nirgends gesonnen, so strenge zu behaupten, sondern gieht die Vorstellungen als solche meistenteils auf, sprüngliche Anlage fiir dieselben, keit zu behaupten.
mn nur eine ur-
eine angeborne Möglich-
So spricht z. B. D e s c a r t e s
nur von
einer dispositio W e l t brachte,
quaedam
94
-
*),
welche das Kind mit auf die
und dafs mau nicht so die Sache vorstellen
dürfe,
als wenn schon im Mutterleibe d a s ,
heiise,
wirklich
Leibuitz
vorhanden
sey.
geradeswegs z u ,
was
angeboren
Auf gleiche Weise
giebt
dafs von angebornen wirklichen
Gedauken g a r nicht die Kede s e j u könne, Fertigkeiten und Anlagen dazu **).
sondern mir von
Dafs er nun diese Anla-
g e n doch selbst wieder Erkenntnisse und dunkle Begriffe g e n a n n t wissen will, und dafs auch D e s c a r t e s dieselben noch ideae
innatae
nennt,
ist mehr eine Schuld des Ausdrucks
und der Sprache, wenn gleich zum Theil auch des unglücklichen Yorurthcils,
welches seit D e s c a r t e s
Philosophie beherrscht h a t ,
die ganze neue
dafs in dein menschlichen Geiste
keine wesentlich andere Thatigkeit
aufser dem Vorstellen be-
s t e h e ; mit welchem bei L e i b u i t z
noch iibcrdiefs die Mona-
denlehre iu die genaueste Verbindung trat. n a c h , dafs der Streit,
W i r sehen- dem-
und die Einsicht iu die Natur seines
Gegenstandes, durch die Erörterungen zwischen Rationalismus und Empirismus um nichts weiter gebracht,
die Erkeuntnifs
der Wahrheit wenig oder g a r nicht gefördert i s t ,
indem der
Streitpunkt selbst so gut wie gar nicht berührt wird.
So \icl
ist beiden Partheren gewifs, dafs es etwas U r s p r ü g l i c h e s im menschlichen Geiste
gebe,
angeborne Aulageil,
Quelle von Erkenntnissen würden;
das a b e r ,
welche
die
worauf es a n -
k a m , die F r a g e :
was diese Anlagen seyen 1 worin sie be-
ständen?
blieb unerörtert,
ii. s. w.
als vorher.
E s bleibt dieselbe F r a g e
welche zn Anfange die Aufgabe w a r : sejn
und ist so unerklärlich
müfsten,
noch immer zu losen, wie Anlagen beschaffen
die eine Uebereiustimmung der Menschen in
»J In den notis in programma
quoddam
in Belgio
editum.
• * ) Philosophische W e r k e , Bd. I. S. 165 der deutschen Ausgabe.
ihrer Erscheinung,
95
—
namentlich iu Erkenntnissen,
welche die
Erfahrung nicht giebt, hervorbringen sollen 1 wie es möglich sey,
dafs ein Vorstellungsvermögen ans sich selbst Erkennt-
nisse erzengen könne, welches' aller Erfahrung zu Folge nnr iinfsere Eindrücke aufzunehmen fähig scheine'? Werfen
wir nun
einen Blick auf die zweite Antwort,
welche man auf die Frage nach dem Grunde des Ursprünglichen im Menschen zu ertheilen pflegt.
E s besteht diese ia
der Behauptung angeboruer T r i e b e , die man ungleich öfter aufstellen hört,
als die vorige, indem sie zu einer der am
meisten eingebürgerten Meinungen der Philosophie geworden ist,
sowohl im Leben als ia
während die Annahme ange-
boruer Begriffe immer etwas Zurückstoßendes mit sich
zu
fiihren nud für den sogenannten gemeiuen Menschenverstand nichts Empfehlendes zu haben scheint. Ansicht hei Weitem
nicht die genaue Erörterung gefuuden,
als die des Rationalismus, seinen Grund h a t ,
E s hat indesseu diese
welches wohl hauptsächlich darin
dafs sie nie,
wenn sich gleich eiuzelue
Stimmen zu Zeiteu gegen sie erhoben, der eigentliche Gegenstand eines Streites gewesen ist. zu Dutzenden,
Triebe ist jeder gewohnt,
und wenn es nöthig ist, zu Hunderten,
angeboren voraus zu setzen;
als
wo irgend eine Erscheinung iin
Menschenleben ZII erklären ist, da mufs ein Trieb oder mehrere heraiigeschaift,
oder,
wenn sich kein pafslicher findet,
neu entdeckt und erfunden werden; sehr allen,
das ist auch schon so
Laien sowohl als Philosophen, zur
Gewohnheit
geworden, dafs es niemanden nur einfallt, sich das geringste Gewissen
daraus zu macheu.
\ o n den Ileroen der Philoso-
phie scheint keiner diesen Punkt
einer angemessenen Auf-
merksamkeit gewürdigt zu haben; sie sind meistenteils demselben Yorurtheii befangen.
ia
Und dessenungeachtet leidet
diese Annahme an ganz denselben und noch mehr Schwierigkeiten, als die vorige der angebornen Ideeen. Der erste F e h -
ler,
96
den sie mit ihr gemein hat,
ist der, dnfs sie das zn
Erkläreilde selbst zum Principe, zum Erkläruiigsgruiide, gebraucht.
E s sollte eben das aufgezeigt werden,
was es in
den ursprünglichen Anlagen des Geistes, namentlich des Begehrungsvermogens s e j , was die Gleichheit der Triebe und Bestrebungen hervorbrächte: (denn der Begriff eines Bestrebungsvermögens, als eines solchen, kann im geringsten nicht erklären, wie dasselbe wirkliche und bestimmte Bestrebungen nach bestimmten Zwecken uud Gegenstiuiden,
dagegen von
andern bestimmten Gegenständen Abneigung hervorzubringen im Stande ist:) statt dessen werden uns eben diese unerklärten Triebe als Erklariingsgruud ihrer selbst entgegengebracht. — Doch auch diefs konnten wir uns gefallen lassen,
weun
die Annahme der ursprünglichen Triebe sich fiir nichts weiter gäbe, als für eine Beobachtung, für Erfahrung, die sich als solche nicht weiter erklären wollte noch konnte. das ist eben die z«teile Hanptschwierigkeit,
Aber
dafs diese Be-
hauptung gerade aller Erfahrung widerspricht, wenigstens aus derselbe»
kein einziges Zcugnifs für sich anführen kann.
Ebeu so wenig, als mau nur einen einzigen nugeboriieii wirklichen Begriff aufzeigen kann, ist es möglich, in irgend einem Menschen einen Trieb zu entdecken nach Gegenständen, die er nicht zuvor empfunden oder wahrgenommen hatte;
allen
nngeborneu Trieben steht die ewig wahre Erfahrung entgegen : ignoti nulla cupido.
Dagegen kann niemand lauguen,
dafs die Anlage allgemein und ursprünglich sevu inufs, wonach jeder Mensch diese oder jene bestimmte Art oder Klasse von Gegenständen entweder zu begehren oder zu ilieheu genüthigt wird, sobald er dieselbe» nur empfunden hat.
Was
aber diese Anlagen sind, da in dem Begriffe des Begehrt) ngsvermögens an sich solche bestimmte Aeuiserungen desselben nicht enthalten seyn können, worin die ursprüngliche Beschaffenheit, die diese hervorbringt, besteht? —
darüber erfahren wir
-
97
—
wir nicht das Mindeste. Es hat fiberdiefs diese Annahme noch das gegen siefc, dafs sie dnrchan9 nicht umfassend ist, nicht alles erklärt, was erklärt werden soll. Denn wenn gleich die Uebereinstimmnng der Menschen in Gegenständen der Bestrebungen sich aus angebornen Trieben begreifen Heise, auch allenfalls der Ursprung der Begriffe gut, schön, Gott n. s. w., (indem diese nämlich blofs Bezeichnungen für Gegenstände gewisser Triebe, etwa eines moralischen, ästhetischen , religiösen Triebes, seyn könnten:) so würde es doch wohl anf der andern Seite unmöglich seyn, daraus auch die Evidenz der mathematischen Sätze, die Sätze der Identität und des Widerspruchs, überhanpt die Notwendigkeit von Erkenntnissen herzuleiten. Wie sollten die Regeln der Logik in einem Triebe ihren Grund haben? wie der pythagoreische Lehrsatz aus einem solchen erklärt werden? — Dürfen wir also zur Erklärung des Allgemeinen und N o t wendigen in den Erscheinungen des Geistes weder angeborne Erkenntnisse oder Begriffe, (auch nicht Formen des Denkens,) noch angeborne Triebe zugestehen, so bleibt noch immer die Aufgabe, dasselbe zn begreifen, eine nnd dieselbe, und es entsteht die Notwendigkeit, nach einem andern Principe umzuschauen, einen nenen Weg aufzuspüren. Versuchen wir also zur Findnng eines solchen einige Andeiüungen an die Hand zu geben, und betrachten zn dein Endzwecke in allgemeiner Uebersicht, und sodann genaner im Einzelnen das, Aas man für gewöhulich zu dem Angebornen gerechnet hat, und was die Wahrscheinlichkeit, es zu seyn, für sich hat. Es gehören dahin die verschiedenartigsten Gegenstände, als 1) die Sätze der Identität und des ^Widerspruches, überhaupt die Regeln der Logik, 2 ) alle mathematische Sätze, 3 ) die Begriffe you Gott und Gottesverehrung, 4 ) die Triebe, 5 ) Urtheile über Recht nnd Unrecht, über Gutes und Böses, mit Einem Worte das, was bei L o c k e Schmidt Ideen.
I. Bd.
7
praktisch?
Grundsätze
98
-
heilst, 6 ) Urtheile des
7 } die vorzugsweise sogenannten Ideeen
Geschmacks,
and Ideale.
Wie
ist es nun möglich, für alle diese so unendlich verschiedenen Klassen der geistigen Thiitigkeit,
ein und dasselbe Princip
ku finden, aus dem gleichmiifsig alle begrilfeu würden ? dieser Möglichkeit naher zu kommen,
Um
Verden wir einzelne
dieser Gegenstände genauer betrachten müssen. — E s begegnen uns zuerst die Gesetze der Logik, namentlich die Sätze der Identität und des Widerspruchs, den hauptsächlichsten
Streitpunkt
Rationalisten abgeben.
zwischen
welche
Empiristen
und
Hier müssen wir niiu allerdings be-
merken, dafs kein Mensch in eineu wirklich identischen Satz Zweifel setzt, dafs jeder einen solchen ohne Umstände für wahr hält, dafs dagegen niemand von zwei widersprechenden Erkenntnissen zu gleicher Zeit
fest überzeugt
seyn
kaun,
sobald er nur auf den Widersprach aufmerksam geworden ist, wenn gleich jemand durch anderweitige Gründe bestimmt werden kann, von zwei widersprechenden Sätzen keiueu geradezu zn verwerfen, sondern beide problematisch ( a b e r nie mit fester Ueberzeugung) anzunehmen.
Diese Sätze giebt auch al-
ler Skepticismus zu, indem er eben deshalb nicht iiberzengt peyn zu können und seinen Beifall zurückhalten zn müssen behauptet, weil sich allenthalben Widersprüche fanden.
Nach
diesen Regeln urlheilt jeder, selbst jedes Kiud, nnd es brancht niemanden
erst gelehrt zu
nicht glauben solle,
werden,
dafs er
Widersprüche
identische Sätze glauben dürfe.
man dagegen auch behaupten,
dafs auch
Will
das Bewnfstseyu
dieser Regeln jedem Menschen angeboren sey, dafs jeder sie in Form von Grundsätzen in sich trage,
so widerspricht das
olfenbar aller Erfahrung, und der Empirismus hat völlig Recht zu behaupten,
dafs sie als Grundsatze jedem Menschen erst
bekannt gemacht, gelehrt werden müssen; ( n u r miifs diefs nicht heifsen sollert,
dafs auch ihre Anwendung dem Men-
-
99
-
sehen erst gelehrt werden misse.) Wir dürfen also soviel behaupten, dafs es dem Menschen natürlich, also angeboren 8er, identische Sätze zn glauben, widersprechende nicht zn glauben, ohne dafe dazn erst ein Urtheil niilhig wäre; soweit ist die Behauptimg des Rationalismus wahr. Es ist nun die Frage, worin der Grund dieser Erscheinung zn suchen s e j l wodurch es bedingt sey, dais eine gewisse Beschaffenheit Ton Erkenntnissen Glauben, eine andere Zweifel hervorbringe? dais die Art and Weise der Erkenntnisse in einem solchen unmittelbaren. Verhältnisse zu nuserm Glauben oder Unglauben stehen? — Hierauf werden wir Antwort erhaben, wenn wir auf die schon öfter gemachte Bemerkung zurücksehen, dafs der Glaube ein Gefühl des Wohlgefallens, Unglaube nnd Zweifel Gefühle des Mifsfallens an gewissen Beschaffenheiten unserer Vorstellungen sind. Dafe nun diese Beschaffenheiten in einem unmittelbaren und ursprüngücheu Verhältnisse zn un8erm Gefühle der Lust oder Unlust stehen können, ist sehr leicht denkbar: so dafs die sogenannten angeboreneu Gesetze der Identität nnd des Widerspruchs in nichts weiterm beständen , als dafs widersprechende Erkenntnisse eine unmittelbare Wirkung auf das Gefühl der Unlust (Unglanben), einstimmige auf das Gefühl der Lust (Glauben) hätteu; der Mensch würde eine solche ursprüngliche Anlage des Gefühls haben müssen, dafe dieses unmittelbar durch Erkenntnisse angenehm oder unanangenehm angeregt werden könnte. Ob nun ein Bolches Verhältnifs ursprünglich sevii kann und mufe, und ob sich auf gleiche Weise auch das übrige, was für augeboren gilt, erklären lassen wird, werden wir sogleich sehen; zuvor noch eiuige Hin Weisungen auf die Denkgesetze im Allgemeinen. Wir haben in der Wissenschaft, welche Logik heifst, eine Sammlung von Regeln und Denkgesetzen, welche sich »inor fast allgemeinen Geltung erfreuen. Diese Gesetze, fra7 *
geu w i r ,
100
woher Laben wir s i e l
sen von ihueu?
—
woher habet» wir das Wis-
E s gehört mit 2a (lea IMiuigelu des ge-
wöhnlichen wissenschaftlichen Verfahrens, nisse
haben
dafs mau Erkennt-
und Jahrtausende hindurch stündlich anwenden
kann,
ohne nnr einmal darnach zu fragen,, wqfrer nian sie
habe.
E s ist wohl in dem Streite des Empirismus niid R a -
tionalismus die Rede.davon,
ob diese Regeln selbst empiri-
schen oder apriorischen Ursprungs seyen, örtert haben;
was wir eben er-
woher wir aber das fPissen , von diesen Ge-
setzen , das Wissen
t
dafs der Geist nach ibuf 11 im Denken
verfahren müsse, haben, darnach scheint m a n uie nur gefragt zu haben; denn wenn auch die Regeln selbst migeboreu sind, so ist unser Wissen von ihueu noch etwas anderes als sie selbst.
Nun ist doch offeiibar, dafs man diese Gesetze nicht
so aus der Beobachtung des Geistes hat abstrohiren können, wie etwa die sogenaunten Naturgesetze aus der Betrachtung der Natur.
Denn diese sind Gesetze, nach deneu die Natur-
begebenheiten allemal und uothweudig erfolgen, nicht übertreten werden konneu, obachtung desseu erfuhrt,
was da ist
Denkgesetzc aber siud solche, seilen,
und die gar
die mau also durch die Beund geschieht;
die
welche nur beobachtet werden
und die in der Wirklichkeit des Deukeus ebeu so oft
übertreten als befolgt werden; würde mau also die logischeu Regeln ans der Betrachtung des Denkens abstrahireu wollen, wie es in der Wirklichkeit ist,
so würde man ebeu so gut
falsche als wahre Gesetze aufstellen. hier das Kriterium des Wahren was uns sagt,
W a s giebt
und Falschen?
uns also
was ist es,
dafs diese oder jene Art des Denkens richtig,
die entgegengesetzte unrichtig s e j ? mit andern Worten: sagt u n s ,
wie gedacht werden soll?
geln der L o g i k ?
—
losophischen ScliriA,
was
was giebt uns die R e -
Darüber haben wir noch in keiner phinoch in keiuem Lehrbuche der
nur Andeutungen gefunden.
Logik
Wir glauben diese geben zn kon-
-
101
-
nen, Indem wir die ganz einfache Erfahrung anfstellen, dalj ein Gefühl der Lost und Unlust das Denken leite, dais diefe IIIIS sage, wie gedacht werden solle, indem es fordere, dafs man nnr so' denke, wid ei diesem Gefühle (welches man auch wohl das YPahrheitsgefiihl genannt hat) Lust verursache. Aus der Beobachtung dessen nun, was es in den Vorstellungen ist, was jeöe Lust oder Uulust (Glauben oder Unglauben), zu erregen pflegt, hat man die objektiven Regeln für Vorstellungen, wie sie seyn sollen und nicht seyn sollen, z. B. Klarheit/Einstimmigkeit, "Widerspruch, ^ichotomische Einteilung, präcise Definitionen u. s. w. abstrahirt, und das sind die Regeln der Logik. Man sieht sogleich, dafs diefs Gefühl ganz identisch ist mit dem, auf welchem, wie wir eben gezeigt haben, die Sätze der Identität und des Widerspruchs beruhen. Ehe wir nun weiter behaupten dürfen, dafs in solcher Anlage des Gefühls wirklich und einzig die Gruudsätze der Logik, oder gar auch alles übrige Augeborne bestehe, müssen wir noch zu zeigen suchen, dafs dergleichen Verhältnisse der Gegenstände zum Gefühle wirklieh ursprünglich nicht blofs •eyu können, sondern auch müsseu. Die Einsicht, dafs das Gefühl nichts Angelerntes, noch überhaupt von aufsen her Erworbenes seyn könne, rnufs nns am meisten geneigt machen, dasselbe als die Quelle dessen, was fTir angeboren gilt, anzunehmen. Dafs überhanpt eine Möglichkeit in dem menschlichen Geiste liegen müsse, Lust oder Unlust zu empfinden, die Möglichkeit (das Vermögen) zu fühlen, wird man ohne Zweifel nicht in Abrede seyn wollen, da man die Wirklichkeit davon jeden Augenblick vor Augen hat; es kommt nnr darauf an, auszumachen, ob es diesem Gefühle wesentlich lind n o t wendig sey, von den Gegenständen einer gewissen Beschaffenheit angenehm, von denen der entgegengesetzten Art unangenehm erregt zu werden, und ob die Anlage hierzn ur-
sprunglicb seyn müsse.
102
—
Nun ist freilich nnmftglich,
schon
hier etwas Genügeudes hierüber zu sagen, da es ein Gegenstand unserer Untersuchung selbst seyn mofa; einige Andeutungen jedoch
werden hier nicht am unrechten Orte stehen.
Man bemerke zuvorderst, dafs das Angenehme und Unangenehme keine Eigenschaften der Objekte, nichts Gegenständliches siud, sondern lediglich subjektive Zustände und Stimmungen unseres Geiniilhes; -wäre daa erstere, so bedürften wir hlofs ein Gefohlsverinogen überhaupt, welches nur das Angenehme oder Unangenehme von den Objekteu aufzunehmen brauchte; da dieses aber nichts in den Objekten Gegebenes ist, so scheint doch im Subjekte selbst die ursprüngliche Anlage vorhanden seyn zu müssen, sowohl nach der Seite des angenehmen, als des unangenehmen Gefühls hin erregt zu •werden,
wozu
gewisse Eigenschaften der Objekte nur die
Yeraulassung geben müfsten.
Damit ist nun kein einziges
wirkliches Gefühl der Lust oder Unlust angeboren, noch viel weniger eiu Bewufstseyu davon, die Möglichkeit beider.
sondern einzig uud allein
Niemand wird, wenn er eine, früher
ihm unbekannte Speise sieht, sagen können, ob sie ihm angenehm oder uuangenehm seyn werde, um diefs zn wissen, raufe er sie nothueudig zuvor geschmeckt haben; aber
nie-
manden braucht doch erst gesagt zu werden, dafs sie angenehm oder unangenehm 6ey, damit
er es selbst empfinden
köuue; mufs man dem Kinde erst sagen, dafs die Ruthe weh thue, damit es auch die Schmerzen derselben fühle? — und wäre das, so wäre man ja höchst gransam, den Kiudern überhaupt zu lehren, dafs es etwas Unangenehmes gebe; man branchte ihnen nur zu sagen, dafs Alles angenehm sey, und ihr Glück w;ue iur dus ganze Leben begründet.
Wenn also
diefs niemand wird behaupten wollen, so scheint es mehr als einleuchtend zu seyn, dafs die Verhältnisse der Gegenstände zu der Erregung des Gefühls ursprüngliche, nnd dem Men-
-
103
-
sehen die Disposition ( angeboren seyn müsse, ron gewisse» Eigenschaften derselben angenehni, nngeregt
zu werden.
von andern
unangenehm
Uns kann hierbei nicht der Vorwurf
treffen, als nähmen wir alles Angeborne aus dem Vorstellnngsund Bestrebnngsvermögen heraus, blofs um es in das Gefühls • vermögen zu verlegen: Fall.
denn es ist hier ein ganz
anderer
Wir behaupten keineswegs, dafs wirkliche bestimmt«
Akte des Gefuils angeboren seyeu, (wie diejenigen, welche augeborne Begriffe oder Triefte annehmen, darunter nnr wirkliche Akte der betreffenden Vermögen behaupten können,) sondern nur die Anlage dazu', welche nothwendig da 6eyn mn£s, wenn jene wirklich werdeu sollen, nnr ein Gefühlsvermögen als solches, ohne weitere Eigenthümlichkeiten zur Herforbriugung besonderer Akte seiner Thütigkeiten; dagegen auch selbst d a , wo nicht wirkliche Gedanken oder Triebe, Anlagen dazu
behauptet
werden
sollten,
sondern nnr
nicht ein bloises
Yorstellnngs- oder Begehrungs vermögen als solche, sondern noch besoudere Eigenthümlichkeiten zur stimmter
Hervorbringiing
be-
Gedanken und Triebe angenommen wurden.
All«
mögliche bestimmte Geitihle erklären sich sehr leicht ans dem einzigen Begriffe des Gefühlsverinögens als solchen; dagegen besondere aiigeborne Begriffe oder Triebe immer auch
noch
besondere Anlagen in dem D e n k - oder Willei'svermögen erfordern, und nicht in dem blofsen Begriffe derselben als solcher enthalten seyn können. — Dagegen nehmen wir anch auf der andern Seite iu den übrigen Vermögen ganz nud gar nicht weniger Angeborues an, als im Gefühle, denn wie wir z. B. sagen , es müsse dem Menschen Angeboren seyn, Eigenschaften empfinden; dem
der Dinge
gerade
angenehm
oder
so kbnueu wir auch
Vorstellungsverniügeu
angeboren
gaper oder bitter
zu schmecken,
u.
sagen ,
sey,
schaffenheiten der Dinge blau oder roth
gewisse
unangenehm dafs
gewisse
zu sehen,
s. w . ,
womit
zu es Be-
andere aber
-
104
-
weder angeborne Gefühle, noch dergleichen Begriffe ausgesprochen «erden. Haben wir also Grund, nur ein Gefühls vermögen als dem Menschen ursprünglich anzunehmen, so ist damit eine apriorische , angeborne Disposition, von den Gegenständen angenehm
oder unangenehm erregt zn werden,
ausgesprochen;
alle Urtheile über Gegenstände des Gefühls 6ind somit unmittelbar oder, wenn man so sagen will, apriorisch, und bedürfen nicht erst angelernter Begriffe.
Aus dieser Anlage las-
sen sich, wie wir eben gesehen haben, alle Urtheile über Wahres nnd Unwahres, und daraus alle Gesetze der Logik erklaren; wir haben noch mit wenigen Worten zu betrachten, ob auch das übrige, was fiir angeboren gilt, ans derselben sich begreifen lasse.
Hier werden uns einige Arten dessel-
ben gar keine Schwierigkeiten machen, sondern sogleich durch sich selbst klar seyn.
Was z. B. alle Triebe anbetrifft, so
weifs jeder, dafs diese nnr auf das Angenehme gerichtet, von dem Unangenehmen abgewendet siud,
dafs sie uubezweifelt
aus dem Gefühle sich erklären; wie Urtheile des Geschmackes, und somit die Begriffe von Schön und Hitfslich, mit dem Gefühle zusammenhängen, kaun eben so wenig zweifelhaft seyn, da ja für gewöhnlich, und gauz richtig, Geschmack und Gefühl für gleichbedeutende Ausdrücke gelten; wie ferner Ideeen und Ideale aus dem Gefühle entspringen, haben wir erst im vorhergehenden Abschnitte gesehen.
Dafs nnu auch die Ur-
theile über Recht uud Unrecht, Gutes und Böses, also die praktischen Grundsätze,
anf dem Gefühle berubeu könnten,
mnfa nicht blofs wahrscheinlich erscheinen, indem sich sehr wohl die Möglichkeit denken läfst, dafs, eben so wie durch gewisse Beschaffenheit unserer Vorstellungen, auch durch die unserer
Handlungen Gefühle der Lust oder Unlust in uns
erweckt werden könuten, denen zu Folge wir die der ersten Art gut oder recht, die der letztern böse oder unrecht nennen;
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105
-
welche Möglichkeit durch die Erfahrungen ron einem sfttUchea Gefühle, dem Gewissen, bestätigt werden.
Es wären demnach
die Begriffe von recht, gut, schön und wahr mit ihren Gegensätzen nichts weiter als Artbegriffe des Angenehmen und Unangenehmen, je nach den verschiedenen Arten des Gefühls. — Schwieriger mufs allerdings die Erklärung der beiden noch übrigen Arten des Angeborenen ans dem Gefühle erscheinen: die der Evidenz der mathematischen Sätze, nnd die des Bewufstseyns von Gott; auch gestehen wir ohne Bedenken, dafe wir für jetzt, vor der Untersuchnng des Gefühles selbst, darüber keine genügende, nnd jetzt schon verständliche Auskunft geben können, nnd auf nnsere Abhandlung selbst deishalb verweisen müssen.
Was das Bewufstseyn von Gott anlangt,
so können wir dabei nnr an die Versuche der neuern Zeit erinnern, dasselbe einzig aus dem Gefühle abzuleiten, welche wenigstens so viel zeigen, dafs die Möglichkeit dazn nicht sehr ferne liegen mnts.
Man braucht überhaupt die Annahme der
Möglichkeit dieser Erklärungen bis jetzt ganz nnd gar nur als Hypothese gelten zn lassen, die vielleicht in der Untersuchung des Gefühls, zu der uns schon so sehr viele andere Gründe aufforderten, ihre Bestätigung finden könnte. — Somit soll denn, wird mau nun sagen, das Gefühl, welches, wie jeder Schulknabe weife, das Subjektivste, Particulärste und Zufälligste von allen Dingen ist, fiir das allein Objektive, Allgemeine nud Notwendige erklärt werden! Das was selbst gar keine Regel oder Norm hat, was allen möglichen ZnfiüKgkeiten unterliegt, soll objektive und nothwendige Regeln fiir Wissenschaft und Leben, für die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Geistes abgeben! Darauf antworten wir mit einem gauz einfacheu J a ! zn dessen Bestätigung wir auf den ganzen Inhalt unserer Untersuchungen, namentlich auf den sechsten Abschnitt derselben verweisen müssen.
Man glaube nicht, dafs uus alle die unendlich vielen
-
106
-
Vorurtheile unbekannt geblieben seyen — was ist anch wohl leichter als sie zn kennen, da man sie ja stündlich hören mafs! — welche über die vermeintliche bodenlose Subjektivität und Zufälligkeit des Gefühls von Mund zn Mnnd, von Jahrhnndert zn Jahrhundert gehen, und nun schon seit Jahrtausenden die Wissenschaften
beherrschen;
welche, erzengt
Ton der Trägheit, die die Schwierigkeit der Untersuchungen scheuet, beständig von derselben unterhalten
werden, so wie
im Gegentheile wiederum sie die Trägheit niihieu und nuterhalten.
Man wird Folgerungen machen: es sey, heifst es,
dadurch dafs das
Gefühl für das Objektive erklärt werde,
aller "Wissenschaft ein Ende gemacht, es werden dadnreh alle und jede Berufungen auf das Gefühl sanctionirf, in Dingen, wo Gründe und Beweise geliefert werden sollen, wodurch denn natürlich allem wissenschaftlichen Verfahren der Prozefs gemacht sey;
und Dispntiren
in der Moral sc_v damit das Ver-
gnügen zum höchsten Gnte und Zwecke gesetzt, die Selbstsucht anetorisirt
und jedes Laster geheiligt, sobald es nur
dieser fröhne, kein einziger gemeinschaftlicher Zweck bleibe für die Menschheit,
nur subjektive Begierden werden alles
Handeln bestimmen;
der Epicureismus in seiner gemeinsten
Gestalt sey für die wahre Philosophie erklärt;
das Nachden-
ken werde für überflüssig, ja sogar für schädlich erklärt, und damit der Mensch zum Thiere herabgesetzt, welches allerdings seinem Gefühle, seinem Instinkte folge u. s. w.; wer könnte alle die Redensarten aufzahlen, die in dieser Hinsicht gäng nnd gebe sind! — Alle dergleichen Vorortheile sind uns sehr wohl bekannt, wir müssen sie ja bis zum Ueberdrufs auf allen Strafsen hören, und wir hoffen ihnen mit Gründen, mit Erfahrungen zu begegnen; wir wissen sehr wohl, dafs das Gefühl etwas Subjektives, dafs es unendlich verschieden in allen Menschen sey, dafs anch
aus ihm alle L a s t e r , alle
Schandthaten uüd Gräoel der Geschichte entsprungen sind uud
-
107
-
entspringen, vir wissen, dafs das Gefühl irren, dafs es n>if&verstanden werden kann, dafs also auch die Handinngen des Menschen falsch von demselben geleitet werden müssen, wir wissen anch, dafs noch fast alle sogenannte Philosophie, in welcher dem Gefühle irgend eine Bedentung beigelegt worden ist, das Grab der wahren Specnlation nnd Wissenschaft gewesen ist, dafs wo die Berufnng anf das Gefühl etwas gilt, nothwendig aller wissenschaftliche Streit aufhören mnis, nnd was mau sonst irgend gegen das Geftihl gesagt hat, oder sagen kann.
Aber wir wissen anch von allem diesem das ge-,
radc Gegeiltheil, oder wenigstens wie allen den möglichen Nachtheilen, die aus der Lehre des Gefühls entspringen mögen, abgeholfen, nnd alle die entgegengesetzten Vortheile hervorgebracht werden können; ja dafs sogar einzig nnd allein das Gefühl und die Untersuchung desselben nns die Mittel dazn an die Hand geben, Und in Anwendung bringen lehren kann.
Wie nnn diefs von uns in den folgenden Abhandlun-
gen vollbracht worden s e j , darüber möge der geneigte Leser nach genaner Prüfung derselben nrtheilen.
T h e o r i e des Gefühls.
E r s t e r
A b s c h n i t t .
Allgemeine Uebersicht und Eintheilung der Geistesthiitigkeiten.
D a s Erste, thun Laben,
was wir iu der Untersuchung der Gefühle za wird natürlich das sejn,
dafs wir dieselben in
dem ganzen Umfange der Gcistesthätigkeiteu,
mit nnd neben
allen übrigeu erblicken lassen, um daraus ihre Stellung nnd ihr YerhaltuiDs zu deu andern im Allgemeinen zu erkennen, nnd sowohl ihre' Uebereinstimmung mit denselben, wie auch ihre Verschiedenheit von ihuen richtig würdigen zn können. Dazu werden wir einen allgemeinen Ueberblick der Thätigkeiten des menschlichen Geistes geben müssen,
nnd dieselben
nach diesem so geuau als möglich zu unterscheiden nnd za klassificiren suchen. E s sind bedeutende Vorurtheile, welche eine solrhc Betrachtung des Geistes nach den verschiedenen Klassen seiner Thtitigkeiten, die der Sprachgebrauch und Sprachmifsbrauch Seelenvermögen genannt hat, gegen sich erwecken mufs; nnd
-
109
-
es scheint fast unvermeidlich zn sey , für jeden, der »ich in psychologische Untersuchungen einlUfst, sich in den neuerdings mit Macht erbebenen Streit mischen zn müssen: in wie weit man von einer Verschiedenheit der Seelenvermögen im Geiste reden dürfe, wie man den Begriff eines Seelenvenn Ögens aufzufassen habe,
nnd in wie weit überhaupt die An-
wendung desselben in der Psychologie berechtigt sey. — Indem ann aber jeder bemerken mufs, dafe ein sblcker Streit rein metaphysischer Natur ist, und somit auf einem empirisch - psychologischen Standpunkte, wie der unsrige ist, nicht ausgemacht werden kann: so könnte es scheinen, als dürften wir nns ganz über ihn hinwegsetzen,
nnd nur nnserm an-
fänglichen Vorsatze, reine Erfahrungen vortragen zu wollen, getreu bleiben dürften.
Es würde aber das auf alle Fülle
den grofsen Nachtheil mit sich fuhreu, dafs wir, indem wir nur die einmal gebräuchlichen Worte nnd Nainen gebrauchen köunten, dadurch auch nur den alten Schlendriau in den damit gewöhnlich verbundenen Begriffen und Vorstellungen befördern, und defshalb auch selbst immer vou falschen Vornrtheilen und Gesichtspunkten aus anfgefaist werden wühlen. Demnach würde es scheinen, dafs wir alle psychologischen UntersMchungen anstehen lassen nnd warten müfsten, bis die Metaphysik über jene Streitpunkte mit sich ins Reine gekommen wäre.
Diese Notwendigkeit glauben
wir jedoch znm
Theil nmgehen, und auch von nnserm, der Metaphysik freilich äufserlichen, Standpunkte aus einige Andeutungen gehen zu können,
w eiche uns jenen Slreit als einen, zum Theil
nur um Worte handelnden erblicken lassen, wodurch sie nns einige Hinweisungen anf die einzig mögliche Art der Ausgleichung,
und damit zugleich die Berechtigung
geben,
eine
eiustweilige Feststellung der Begriffe vorzunehmen, die es nns möglich schrei teil.
machpn wird,
zn uusern Untersnchnngen zn
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Ea sind wohl anstreitig wenige oder gar keine Begriffe and Kategorioen, mit denen ein 90 ausgebreiteter und allgemeiner Mifsbranch getrieben worden ist, SeelenYermftgpn.
als mit denen der
Wo irgend ein Thon des Geistes erblickt
ward, was sich im geringsten von andern unterschied, da muiiste znr Erklärung ein neues Seelenvermögen angenommen werden, jede verschiedene MoiliUcation auch eines und desselben Vermögens war hinreichend,
ein neues hervorzubringen;
je mehr Vermögen, je mehr Namen, desto besser.
So ward
jede besondere Richtung oder Seite einer und derselben Thätigkeit, jede besondere Stufe in ihrer Ausbildung, jeder verschiedene Grad in ihrer gröisern nud geringem Starke oder Schärfe, sogar jede Eigenschaft einer und derselben Thiitigkeit zu eiuem neuen Vermögen umgeschaffeu. frieden damit,
diese zu habeu,
Und nicht zu-
spaltete man jedes einfache
noch wieder in viele andere; in wie uuzählige Klassen, Gattungen und Arten hat man nicht das Denkvermögen abgetheilt, Vernuuft, Verstand, Sinnlichkeit,
Witz,
Urtheilskraft,
Scharfsinn,
Erkenntnisvermögen n. 8. w.
Genie,
Einbildungskraft, Combinationsgabe,
Die Eigenschaft der Schürfe
am Vorstelliiugsvermögen muiiste ein eigenes Vermögen abgeben, den Scharfsinn; eine besonders ergiebige Quelle aber für dergleichen neue Erfindungen fand sich in den Stufen der Entnickelung und Ausbildung jeder Fähigkeit, ja es
war
eine unerschöpfliche, deuu Stufen und Grade kanu jeder annehmen so viele er irgeud nur will.
Alle diese Vermögen
werden sodann hypostasirt, jedes scheint einen Geist für sich auszumachen, eine Seele im Kleinen,
sie führen Kriege un-
ter einander, stehen sich gegenseitig im Wege und befeinden sich; sie bilden, wie sehr treffeud H e r b a r t irgendwo sagt, eine Anzahl mythologischer Wesen,
die man am Ends für
wirklich hält. Hören wir nun aber anch,
was man von der andern
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111
-
Seite für die Aufstellung der Seelenvermfigea sagen kanni M scheinen sie allerdings nicht so ganz ohie Grand au seyn, als man sonst zu glauben geneigt sejn möchte. Sie beruhen auf dem allerdings unlängbaren Satze, dafs das, was wirklieb ist, anch möglich sejn müsse, dafs der Geist also das, was er wirklich thue, anch müsse thnn können; diels heilst nichts anders als: der Geist innfs das, was er thut, auch za thnn vermögen, oder, mit andern Worten, er mnfs diurn das Vermögen, die Fähigkeit besitzen. Je mehr verschiedene Thätigkeiten des Geistes min angetroffen werden, desto mehr verschiedene Möglichkeiten oder Vermögen zn denselben würden angenommen werden müssen; es müfste sogar darum zn thun sejn, dieselben so genan als möglich, nach den geringsten Verschiedenheiten and Modificationen zu unterscheiden und zn klassificiren, mit andern Worten: so viel Vermögen als immer möglich anzunehmen. Dafs nun im Mensche« eine grofsa Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit der Thätigkeiten besteht, dafs unzählbare Nuancen derselben theils in Hinsicht der Richtung, theils dem hinern Wesen nach, theils lutch Art nnd Weise der Anregung n. s. w. sind, ist allerdings von niemand zu iängnen; wer würde es also tadeln wollen, i n Geiste anch eben so unzählig viele Vermögen festzustellen? Würde man so die Sache betrachten, so möchte allerdings eben nicht so viel gegen diese sogenannten Seelenvermögen einzuwenden seju, wenn man nnr allemal dieser so gegebenen Erklärnug getren bliebe; aber man scheint hauptsächlich in zwei Punkten gegen dieselbe zn fehlen, erstlich darin, dafs man die Vermögen nicht blofs als solche Möglichkeiten einer Klasse von Thätigkeiten aufstellt, sondern sie gleichsam hjpostasirt, sie zu Geistern im Geiste macht, und sodann darin, dafs mau die verschiedenen Klassen der Vermögen und Thätigkeiten ohne eigentliche Ordnung, ohne ihre verschiedenen Eintheilnngsprincipien zu berücksichtigen,
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»nsanmenwirft und neben einander stellt, nicht nach ihrer Nator and ihrem Wesen sie unterscheidet, und eben so wenig nach ihrem innern Grande
and Znsammenhange
un-
tersucht. Was den ersten Punkt anlangt, so sind jene Mifsbräuche bekannt, zn welchen die Vorstellungen Aulafs gegeben haben,
welche die "Vermögen der Seele noch als etwas von
dieser Verschiedenes ansehen lassen; leicht,
daran» ward es sodann
sie als besondere selbstständige Wesen zn betrachten,
es schlich sich leicht die Gewohnheit ein, sie zn persouificiren.
Daraus entstehen denn solche Vorstellungen von der-
gleichen Kriegen und Feindseligkeiten, wie man sie z. B. zwischen Kopf nnd Herz,
zwischen Verstaud und Phantasie,
zwischen Vernunft nud Sinnlichkeit u. s. w. geführt werden lüfst.
E s ist
hier derselbe F a l l , wie in den Naturwissen-
schaften mit den sogenannten Nnturkräften und Naturgesetzen, (denn was in diesen eine Kraft genaunt wird, heifst in der Psychologie ein Vermögen,) welche eben so wie die SeelenVermögen personificirte Wesen sind, von der Phantasie erdichtet, und von der Wissenschaft ohne weitere Prüfung und za ihrem gröfsten Nachtheile aufgenommen. —
Hierzu' kommt,
dafs alle diese Begriffe von Kräften u. s. w., wie seit H n m e jeder weifs, nicht blofs erschlichen und unberechtigt, sondern anch völlig leer nnd unnütz sind: wo man eine Verbiudang gewisser Erscheinungen öfter bemerkt hat,
und dadurch die
vermeintliche Vorstellung der Notwendigkeit erlangt zn haben vorgiebt, da ist man mit dem Worte Kraft oder Vermögen bei der Hand, uud glaubt dadnreh "alles erklärt nnd begriffen zn haben.
Wie wenig ein solches Verfahren der Wissenschaft
angemessen s e j , nnd da£s dadurch in der That gar nichts erklärt "werde, ist so oft und genügend gesagt worden, dafs wir darüber kein Wort weiter hinzuzufügen haben. Nach
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113 —
Nach diesen Bemerkungen wird sieh einigerraafsen ermitteln lassen, was und wie viel wir nnter den Namen eines Seelenvermögens zn vesstehen berechtigt sind. Der ursprüngl i c h e n Bedeutung nach, welche nns noch die Namen von einigen derselben aufbehalten haben, soMten sie nichts weiter sejn als Collektivbegriffe, » n Zusammenfassen bestimmtet* Klassen von Tätigkeiten, wie diefs die bei Cdlektiven gewöhnliche Vorsatzsjlbe „ G e " in den Namen Geffihl, Gemüth, Genich, Geschmack u. s. w. andeutet. Will man nita mit dieser ersten nud wahrsten Bedeutung noch deu Begriff oder wenigstens den Namen der Vermögen verbinden, so hat man sich wohl in Acht zn nehmen, daüs man nicht in die so eben angedeuteten Fehler verfalle, dafs n»an weder den erschliche^ nen Begriff der Kraft einmische, noch auch, wenn man auch nur eine, dieser oder jener Klasse von Tätigkeiten zum Grunde liegeude Möglichkeit verstehen will, diese von dem Geiste selbst trenne, nnd als etwas von demselben Verschiedenes betrachte. Im letztern Falle kann anter dieser oder jener Möglichkeit nichts anders verstanden werden, als der Geist selbst, insofern er iu dieser oder jener Art thätig ist. In diesem Sinue also ist es einzig nud allein, dais wir die Namen der Seelenvermögen gebrauchen dürfen, so dafs wir mit dem Gefühlsvermögen nichts anders bezeichnen, als den Geist selbst, insoferue er fühlt, mit dem Begehruugsrermügon, denselben, insoferne er begehrt, n< s. w.; noch richtiger aber werden wir mit den Worten: Verstand, Gefühl, Wille, Trieb iu s. w. nur Collektivbegriffe vou bestimmten Klassen nnd Arten der geistigen Thatigkeiteu verbinden. Was nun ferner den zweiten Fehler anbetrifft, in deu gewöhnlich die Behandlungen der Psychologie aus dein Staudpunkte der Vermögen verfallen, so besteht derselbe in der sorglosen Anorduung und Zusammenstellung -der verschiedenen Klassenbegriffe, wobei weder die Verschiedenheit des EintheiSchmidt Ideen. Ii Bd.
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(nogsprincips, noch aof der andern Seite die innere Verwandtschaft , uud der Zusammenhang, in welchem die verschiedenen Thätigkeiten ihrer Natur nach stehen, berücksichtigt wurden.
Denn es unterscheiden sich diese auf der eineu Seite
auf mancherlei Art und Weise von einander, z. B. durch die Richtung, wie Erkennen nnd Wollen, dnrch ihr inneres W e sen, wie Vorstellen nud Fühlen, oder durch blofs ünfserliche nnd zufällige Modificationen, n. s. w . ; stände mufs natürlicherweise
bei
auf alle diese Um-
der Eintheilnng Rücksicht
genommen werden, damit nicht wesentliche und unwesentliche Verschiedenheiten iu eine und dieselbe Klasse gesetzt werden; und es ist nicht zu laugnen, dafs die Vernachlässigung dieses Punktes den gröfsteu Theil der, in den Psychologieen herrschenden Verwirrungen nud Mifs Verständnisse hat.
hervorgebracht
Eben so wichtig für die Berichtigung nnd Aufklärnng
der Vorstellungen iu diesem Punkte ist das Aufmerken anf den gröfsern oder geringem Grad der Verwandtschaft, in welchem die Thiitigkeiten oder sogenannten Vermögen unter einander stehen;
um zu vermeiden, dafs man nicht ans einem
Vermögen , das mir auf verschiedene Weise sich iwfsert, oder verschieden angeregt wird,
eine Menge anderer mache.
hat mau z. B. ein Wahrnehmungsvermögen,
So
welches doch
nichts weiter i s t , als das Vermögen, Vorstellungen durch die unmittelbaren Eindrücke der Gegenstände zu empfangen, also das Vorstellungsvermögen in deui besondern F a l l e , dafs seine Thütigkeit durch unmittelbare Gegenwart
der Objekte veran-
lafst wird; auf gleiche Weise hat man dieses Vermögen,
in-
soferue es früher schon dagewesene Vorstellungen wiederholt, reproduktive Einbildungskraft geuanut, auch produktive E i n bilduugskraft, insoferne es frühere Vorstellungen zn Gestaltungen zusammensetzt n. 8. w.
neuen
E s ist k l a r , dafs auch
dieses Verfahren nicht wenig zur Vermehrung der Verwirrung beilrageu mufste.
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Geben wir nnn, mit Festhaltnng obiger Bemerkungen, selbst an eine Uebersicht dea Geistes in dem ganzen Umfange seines Thuns, nnd beobachten sorgfältig die Verschiedenheiten desselben, so werden wir hauptsächlich zwei Arten der Unterscheidung als die wesentlichsten bemerken müssen. Es unterscheiden sich niimlich alle geistige Tätigkeiten erstlich nach ihrer ganzen Natur und ihrem innern Wesen, nnd zweitens nach der Richtung, die sie eutweder auf das Subjekt ZD, oder Ton dem Snbjekte ausnehmen; in Ersterem besteht der Gegensatz von Vorstellen nnd Fuhlen, in Letzterem der von Empfinden nebst Erkennen (im weitesten Siune) und Streben. Iii jedem Augenblicke des Lebens finden wir den Menschen auf eine doppelte, wesentlich verschiedene Weise thütig, in jedem Akte seines Thuns sind zwei Elemente zu unterscheiden, die mau als die objektive nnd die subjektive Seite desselben betrachten kann: der Geist erzeugt nicht nur in jedem Augenblicke Vorstellungen oder Gedanken, er bat nicht blofs Bewufstseyn, Wissen von Objekten, sondern er wird auch jedesmal in einer gewissen Stimmung, iu einem Zustande der gröfsem oder geringem Behaglichkeit, des Wohlbefindens, iu einein höhern oder niedrigem Grade der Lebensthatigkeit erblickt. In der letztem, in der Stimmung oder dem Gemüthszustände besteht das Gefühl; der jedesmalige Akt desselben ist diejenige Stimmung des Wohl- oder Uebelbefindens, welche durch die finfserlich oder innerlich bewirkte Veränderung im Thun des Geistes hervorgebracht wird; das Gefühl ist das rein Subjektive im Menschen, während jedes Bewnfst6e^n oder Vorstellen wesentlich ein Objekt enthalten mn Ts, dessen es sich bewufst ist, welches es gleichsam vor »ich hin stellet. Diese beiden Arten der geistigen Thätigkeit sind anf das Genaueste von einander zu unterscheiden und auseinander zu halten, wegen der unendlich vielen 8 *
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Mifsverstandnisse, die ihre Vermischung erzengt, nnd wegen der grofsen Wichtigkeit «1er Aufhellung dieser;
weshalb wir
der Hervorhebung dieser Verscliiedenheit noch den ganzen folgenden Abschnitt widmen werden. nnd wesentlich von allem Vorstellen,
Das Fühlen ist durchaus oder was dasselbe ist,
Ton allem Bewiifstseyn verschieden, und es ist besonders auch darum zu thun,
dafs man nicht beide Thatigkeiten dadurch,
dafs man sie unter einem und demselben Nameu, dem des Bewnfstseyns oder Selbstbewußtseins,
wie etwa
zu begreifen
meint, verwechsele oder vermische; namentlich hat man sich davor in Acht zu nehmen, dafs man das Gefühl nicht für identisch mit dem Selbsllicwufstseyn,
oder mit dein Wissen
oder Bewiifstseyn von der Stimmung oder dein Zustande des Gemiithes halte.
Das Fühlen ist nichts weiter, als das Auf-
nehmen einer heitern oder trübem Stimmung, das Erreg!«erden zu Lust
oder Unlust,
geu, der angenehme
zu Verbilligen oder Mifsvergni'i-
oder unangenehme
Zustand des Gemii-
thes, durchaus nicht ein Wissen von einem solchen,
welches
immer schon ein Akt des iiiuern Wahrnehmens, also des Vorstcllcus ist;
alles Fühlen erstreckt sich einzig und allein auf
Lust nnd l'nlust,
am wenigsten aber auf dmikles Vorstellen
oder auf das was mau Ahnen, Schwanen u. s. w. genannt hat, zu welchem Mifsverstandnisse besonders der so sehr gebräuchliche Ausdruck: dunkles Gefühl Veranlassung gegeben hat; doch von allein diesem werden wir weitläufiger au seinem Orte in dem genannten Abschnitte handeln. Beide Arten der Thiitigkeit, das Fühlen und das Vorstellen sind in jedem Thun des Geistes allemal gleichzeitig vorhanden, obgleich nicht allemal gleiclunafsig, indem bald das Vorstellen, bald das Fühlen der Lust oder Uulnst vorwiegen kann; 6ie gehen beide beständig neben einander her, jede Vorstellung hat auch eine Stimmung des Gemüths zur Begleitung, oder bringt eine solche hervor.
Ein und derselbe
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Eindruck, den ein Gegenstand auf die Sinne, z. B. auf das Ange, hervorbringt, erregt zu gleicher Zeit sowohl die Vorstellung von demselben, als auch das Wohlgefallen oder MiCsfalleu über seine schöne oder hiiislichc Farbe, über seine symmetrische oder unsymmetrische Gestalt; derselbe Gegenstaud kann zu derselben Zeit den Sinneil eiue Anschauung geben, und ihnen wohl oder wehe tlmu.
Daher ist es eine durchaus
unrichtige Ansicht, wenn man z. B. die Siuue unterscheiden will in solche, welche blofs dem Vorstellen und in solche, die blofs dem Gefühle angehören, wie diefs z. B. von M a a f s geschieht *), welcher das Gesicht und Gehör als die Sinne für das Vorstellen, Geruch und Geschmack als die itir das Gefühl, das Getast als für beide geeignet angesehen wissen will.
Es gehurt aber nur die geringste Unterscheidung vou
Fühlen und Bewufstseyu dazu, um einzusehen, dafs keiner von djesen Siuue allein Vorstellungen, und keiner allein Gefühle der Lust oder Unlust erregt, sondern dafs durch jeden derselben gleichmafsig beide hervorgebracht werden, Auge und Ohr sind eben so wohl eiue Quelle des Vergnügens und M i ß vergnügens, als es z. B. Gcruch und Geschmack sind. Diese Unterscheidung vou Fühlen und Vorstellen, welche auch der Sprachgebrauch in so vielen Gogeusiitzen ausdrückt, wie z. B. Kopf und Herz, Verstand und Gefühl, Geist nud Gemüth u. 6. w.,
ist jedoch keines*eges als eiu realer und
iu der Natur gegründeter Gegensatz,
als eiu
Widerspruch
aufzufassen, der namentlich in deu Beweggründen des Haudelus hervortrete um deu Meuscheu nach verschiedenen Seiten und Zwecken hiuübcrznziehcu, oder seine Ansichten nach deu entgegengesetzten Seilen bin zu bestimme».
Leider wird diese
Meinung nur zu sehr durch den Sprachgebrauch begünstigt, als welcher eine Menge dergleichen Redensarten
enthalt, die
•) Versuch über die Geiuhla. Bd. I. §. 1. S. 1 — 3.
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dieselbe tbeil» zur Quelle haben, theils wieder ihrerseits festigen.
So kann man z. B. täglich sagen boren,
be-
das Ge-
fühl habe den Menschen zu dieser oder jener Handlnug bestimmt, aber der Verstand halte widerrathen, nnd zur entgegengesetzten Art Kit handeln getrieben; iugleichen: der klare Verstand oder die Ueberlegnng führe aof eine Ueberzeugung, das Gefühl aber fordere eine ganz entgegengesetzte, nnd dergleichen Redensarten
unzählige
Streite zwischen Denken
nnd
mehr. Fühlen
Von eiuem
solchen
weife die Erfahrung
nichts, denn wenn sie gleich sehr wohl die häufigsten Entzweiungen des Geistes mit sich selbst kennt, wo derselbe glcichmiiisig nach den verschiedensten Seiten, und von den entgegengesetztesten Iuteressen getrieben wird, so ist hier nie Gefühl und Verstand, die sich einander entgegenstehen,
sondern
immer nnr ein Gefühl dem andern; und wo die Ueberlegung es zn sern scheint, die sich eiuem Gefühle widersetzt, da ist sie es nicht als solche, sondern nur diejenigen Gefühle, welche sie erweckt, machen den Gegensntz.
E s kann überhaupt, wie
wir weiter nnten sehen werden, keine Vorstelluug an
sich
selbst auf die Entschliefsung, auf den Trieb oder auf die Ueberzeugung wirken, sondern immer nur dadurch, dafs sie Gefühle erweckt, welche diefs thuu. Eben so wenig wie von einem Gegensatze kann bei der Unterscheidung zwischen Fühlen und Denken von einer R a n g ordnung unter beiden die Rede seyn.
Hatte man die Begriffe
von beiden richtig getrennt und festgehalten, so wiire es unmöglich gewesen, dafs man so heftige Streitigkeiten darüber hiitte führen können, ob das Gefühl seinen Rang über oder unter dem Verstände einzunehmen! hätte; wahrend es von den einen bis iu den Himmel erhoben, und als das angesehen wird, was «Hein den Menschen über das Thier erhebe,
wird
es auf der andern Seite von andern so tief herabgesetzt, dafs es nur für die unterste Stufe der geistige Entwicklung gilt,
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«leren eich jeder gebildete Mensch zu schiimen habe. Weife man dagegen Fühleu and Vorstellen recht zu unterscheiden, so mufs es sogleich von selbst Idar seyn, wie yon «iner Rangordnung gar nicht die Rede sejn kenne, dais es gar keinen möglichen Sinn habe zu fragen, ob eine Stimm qng des Geistes fiir höher oder geringer zu achten s e j als eine Yontelkng, Als wenn es des gebildeten Mannes unwürdig wiire, in einer Leitern oder trübern Stimmung sich zu befinden, sich zn freuen, oder Interesse an einer Sache zn nehmen! oder als «renn es auf der andern Seite die höchste Stufe der Bildnng seyn könnte, nur zu fühlen, nur in Gemüthsstimmungen sich zu befinden, aber ohne Vorstellungen, d. h. ohne Bewufctseyn} Es mufs im Gegentheile auch auf der höchste» Entwicklungsstufe des Geistes Gefühl und Verstand gleichmäfsig ijnit nnd neben eiuauder hersebreiten; ein Leben ohue Gefühl würde nie zn eiuem Handeln gclaugeu, souderu in eiuem blofsen Wissen bestehen, welches uns aber nie weder Hand noch Fufe bewegen lassen könnte; ein Leben ohne Vorstellen sehen wir au den Pflanzen, die scheinen allerdings Gefühl zu haben, Vorstellungen wird ihnen aber doch niemand beilegen wollen. — Mnn kanu es allerdings unter den verschiedenen Arten des Gefühls so wie des Vorstellens eine gewisse Stufenfolge und Rangordnung geben, wir sclu'Uzeu z. B. das Gefühl der.Audaclit höher als das Wohlbehagen, was der Trunkene in seinem Zustande findet, so wie wir die Speculationeu eines Platt» fiir höher achten als die Vorstellungen des gewöhnlichen Lebens; und so giebt es deun unleugbar Arten des Gefühls, welche deu Menschen über das Thier erheben, z. B. das religiöse Gefühl. Aber einesteils kaiiu mau mit demselben Rechte sagen, dais auch das mit diesen Gefühlen verbnndeue Vorstellen deu Menscheu auf jeuc Stufe hebe, der Gedanke an Gott stellt ihn nicht weniger über das Thier, als das Gefühl der Religion; und anderntheils giebt es auch wieder Ar-
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(eu des Gefühls, welche den Menschen unter alles Vieh erniedrigen; man sehe x. B. den Truukeneu, wie er sich, 6eiuer Siuue nicht mächtig am Boden wälzt, oder den Spieler, wie ihn die Raserei der Verzweiflung ergriffen hat; — und man mufs bekennen, dafs eben diefs auch nur Wirkungen des Gefühls siud, dafs zu diesen Extremen der Erniedrigung auch nur das Gefühl den Menscheu führt. — ludern also Fühlen und Vorstellen bestaudig zugleich und mit einander thätig sind, nehmcu sie auch beide auf gleicho Weise an derjenigen zweiten Verschiedenheit der Geistesverrichtungen Theil, welche aus dem Unterschiede ihrer Richtung entspringt.
Alle
wirkliche Thiitigkeit
des
Geistes
entsteht
nämlich nur auf Veranlassung durch eiueu sie erregenden Gegenstand, und kaun daher nur in der gegenseitigen Wirkung dieser beiden Seiten, des Objekts und des Subjekts, auf einander bestehen, und wird somit immer die Richtung von der wirkenden Seite nach der, auf welche gewirkt wird, annehmen müssen.
Und zwar besteht sie entweder darin, dafs der Geist
die Einwirkungen des Objekts in sich aufnimmt, also in der Richtung vom Olijekto auf das Subjekt, von aufsen nach innen, oder darin, dafs der Geist auf die Objekte zurückwirkt, also in der Richtung vom Subjekte nach dem Objekte, von innen nach anfsen.
Diese verschiodenon Richtungen nehmen
gleichuiiifsig die beiden genaiuiten Vermögen, sowohl das Gefüllt als das Vorstellungsverinögen au, und zwar heiist die Thiitigkeit des Gefühls iu der Richtung vou nufscu nach in neu Empfinden,
die des Vorstellens Erkennen,
lich der ersto Akt desselben, das Wahrnehmen gleiche
Wreise
(wozu natürgehört;)
auf
kann man auch in der Richtung von innen nach
aufsen, iu dem Bestreben
die Thiitigkeit des Gefühls nud des
Vorstellens unterscheiden, und wird jene den Trieb, gehren und Verabscheuen,
das
Be-
diese den Willen nennen können.
Pas Empfinden besteht nur in dem angenehm oder unauge-
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nehm Erregt werden, und alles Bestreben entsteht daraus, dais das Gefühl von dem Angenehmen angezogen, von dem Unangenehmen abgestoßen -wird, wonach es sich somit nnr in Begehren oder Yerabschenen eintheilt.
Alle Rückwirkung des
Geistes anf die Objekte kann nnr durch das Medium des Gefühls der Lust oder Unlust bewirkt werden, keiue Vorstellung als solche ist im Stande, eine Bestrebung hervorzubringen, sondern wird es nnr dadurch, dais sie Gefühle des Vergnügens oder Mifsverguügeus erweckt.
Aber die Richtung des
Gefühls auf die Objekte ist wesentlich von dem Vorstellen begleitet, der Wille ist auch ein Vorstellen,
er urtheilt und
schliefst so gut wie das Erkenntnisvermögen; wie man dieft ja auch durch die Namen der praktischen Vernunft und des praktischen Verstandes ausgedrückt hat. — Es ist daher unrichtig dem Bestrebnngsvermögen das Vorstcllwngsvermögen im Allgemeinen, als die andere Seite des Geistes entgegeuzusetzeu, indem, wie wir gesehen haben, auch beim Strebeu das Vorstellen thiitig ist, und sogar das eine Element desselben ausmacht.
Das Vorstellen im Allgemeinen
ist nur dem Fühlen entgegengesetzt, nlem Strfeben aber steht! nur die entgegengesetzte Richtung
der Geistesthätigkeiten, die
von aufsen nach innen, also das Empfinden und Erkennen, gegenüber.
Map darf nicht Vorstellung^- und Erkenntuifs-
vermogen für identisch halten, da letzteres nnr die eine Seile des ersteren, das Vorstellen in der einen Richtung ist, dieses aber auch noch die entgegengesetzte Richtung, die von iuuea nach aufsen haben kann. Mau hat das Daseyn des Gefühls bestreiten wolleil * ) , und zwar aus dem Gruiide, weil es sich in seinen Richtungen nicht von dein Vorstellungsvermögen unterscheiden könne. •)
Die
K r u g , in der weiter unlen zu erwähnenden Schrift; Grundlage zu einer neuen Theorie de» Gefühlvermögens, ua> mmtl. S. 50 ff.
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122
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Thatsacfce, welche hier als Gruud dienen soll, ist allerdings Hilleugbar, wie wir sie denn so eben selbst bestätigt gefunden haben;
das Geftihi und überhaupt der Geist ist nur in den
beiden Richtnngen von aufeen nach inueii und von innen nach anfsen thätig; aber wir köuuen nicht die Nothweudigkeit der Folgerung zugehen, die man daraus ziehen will.
Hätte das
Gefühl, sagt K r u g a. a. 0 . , die Richtung nach innen, so könnte es nichts anderes seyn als Erkennen; nie folgt das? daüs das Erkennen eine Thiitigkeit des Geistes in der Richtung von aufsen nach innen sey, haben wir oben selbst gezeigt, folgt aber daraus, dafs alle Thiitigkeit in dieser Richtung auch ein Erkennen sey? — der Hinirael ist blau, aber nieht alles Blaue ist der Himmel.
Ist es etwa ein Wider-
spruch , dafs der Geist in jeder Richtung seines Thuns zu gleicher Zeit auf zweifache Weise sich äufsere, durch zwei verschiedene
Vermögen
thätig sey ? —
Eine solche zwei-
fache Thätigkeit würde, wie K r u g sagt, nur eine doppelte Erscheinungsform einer nnd derselben seyu; und wir sind allerdings nicht gesonnen,
dieser Behauptung die Möglichkeit
ihrer Richtigkeit abzusprechen;
es ist unlüiigbar alles Thun
des Geistes nur verschiedene Aeuiseriing eines lind desselbeu Geistes, und somit auch vielleicht eines und desselben Vermögens, welches nur nns bis jetzt noch nicht bekannt geworden ist.
So lange aber diefs noch nicht geschehen i s t , und man
nns noch kein Thnn des Geistes aufgezeigt h a t , in weichein Fühlen nnd Vorstellen identisch wären, so lange wir also nur bis zu den Erscheinungsformen gedrungen sind, werden wir denn doch in diesen die Verschiedenheiten anerkennen müssen.
Auf
alle Fälle ist das wichtig, dafs mau für ein solches Vormög e n , von dem das Fühlen nur eine besoudere Erscheinungsform seyn sollte, nicht gerade das Vorstellungsvermögen gebe, sondern das Gefühl von diesem trenne,
aus-
worüber wir
im nächsten Abschnitte ausführlicher handeln werden.
— 123
-
Halte man diese zwei hanplsächlichstea Unterscheidungen der Seelenfähigkeiten, die nach dem Wesen nnd die nach der Richtung, fett, so wird a a n leicht erkennen, dafa alle übrigen sogenannten Vermögen nichts weiter als verschiedene Aejiisenmgsweisen dieser selben Thathigkeiten sind. Im strengsten Sinne des Wortes sind schon die, der Richtung nach verschiedenen Tätigkeiten nnr verschiedene Erscheinungsformen der beiden Grundvermögen, des Fühlens nnd Vörstettens; man kann daher schon den Unterschied zwischen Empfinden nnd Begehren, Erkennen nnd Wollen einen blofs formalen nennen, so wie im Gegeutheile der zwischen Fühlen nnd Denken ein materialer oder wesentlicher heifsen mufa. Aller Unterschied, der sonst noch zwisebeu den Aeurseningsweisen der Vermögeu angetroffen werden kann, wird noch in weit höherem Grade blob formell seyn, wie wir diefs an eiuigen Beispielen von den, am gewöhnlichsten aufgeführten Vermögen zeigen können, wobei aber an gar keine Vollständigkeit der Aufzahlung zu denken ist, da dergleichen äufserliche Unterschiede so zufällig sind, und ilai-nm so nuendlich viele sejn können, dais sie sich unmöglich alle übersehen lassen. Eine Verschiedenheit dieser Art entsteht durch die verschiedenen Weisen der Veranlassung oder Erregung einer ThiU tigkeit, diese labt sich sowohl beim Vorstellen als beim Fühlen beobachten. Der Geist wird nämlich zu diesen beiden Arten seines Wirkens entweder unmittelbar durch die Gegenwart nnd Einwirkuug eines Gegenstandes veraniafst, oder so, dais eine Vorstelluug oder eiu Gefühl ähnliche früher schon dagewesene, wieder erweckt Nach dieser Verschiedenheit hat man dem Yorstelliwgsvermögen noch zwei audere an die Seit« gesetzt, das Wahrnehmungs - oder jjnschauungsver mögen, oder den Sinn, uud die reproduktive Einbildungskraft. Jenes soll gleichsam eiu Vorzimmer für das Vorstellen seyn, worin alle neu ankommende Eindrücke einstweilen auigeaom-
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men werden, ehe sie zu jenem felbst kommen; man braucht aber nur geringe Aufmerksamkeit auf die Verrichtuugen des sogenaunten Sinnes ( nicht der Sinnesorgaue ) zu richten, um sogleich einzusehen, dais derselbe nichts anderes ist als das Vermögen des Geistes, Vorstellungen hervorzubringen,
nud
zwar hier in dem besoudern Falle, daCs unmittelbare Eindrücke von Gegenständen dazu die Veranlassung geben; so wio die reproduktive Einbildungskraft dasselbe Vermögen ist, insoferne verwandte Vorstellungen nach den Gesetzen der sogenannten Ideeeuassociatiou seine Thätigkeit veranlassen. — Auf dieselbe Weise konnte mau auch bei dem Gefühle die unmittelbare Empfänglichkeit, deu Sinn und die Reproduktion ahnlicher Gefühle unterscheiden.
Denn auch das Gefühl hat nach gauz
analogen Gesetzen mit denen der Ideecnassociatiou, eine Association verwandter Gefühle, indem z. B. eine freudige Stimmung meistens nur freudige Erinnerungen erweckt, ein Gefühl der Traurigkeit auch immer ahuliche uacb sich zieht. Auf ganz ahuliche Weise bat mau aus deu verschiedenen Erscheinungsformen des Vorstellens eine Menge von Vermögen bilden wollen.
Alles Vorstellen iiufsert sich nämlich auf
zweifache Weise, indem es entweder blois das Auffassen der Eindrücke von Gegenständen, d. Ii. Begreifen,
oder ein Zu-
sammenstellen und Vergleichen derselbeu, d. h. Urtheilen
ist;
welches die Veranlassung zu der Auunhme des
uiuffassungs-
vermogens
Das Auffas-
und der Urtheilslcraft
gegeben hat.
sen der Vorstellungen kanu mau allerdings wiederum nach seinem Inhalte (der aber doch im Auflassen selbst keine Verschiedenheit macht) unterscheiden,
indem uaiidich blofs die
unmittelbaren und einzelnen Eindrücke der Gegenstände, oder das au mchrereu Gemeinschaftliche, die eigentlich sogenannten Begriffe,
aufgenommen werden; hieraus entsteheu den Psy-
chologieeu wiederum zwei Vermögen, das erstere ist das schon oben erwähnte Wahrnehmungsvermögen, oder der Sinn, das
letztere das Vermögen
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der Begriffe,
mögen oder der Verstand.
das
Abstraktionsver-
— Auf ähnliche Weise iinfsert
sich auch das Vergleichen der Vorstellungen das Urtheilen nach zwei verschiedenen Seiten hin, je nachdem münlich durch dasselbe die Aehulichkeiteu, das Uehereinstiminende, oder die Umihnlichkeiten, das Unterscheidende derselben entdeckt « e r den sollen, je nachdem die Urtheile positiv oder negativ sind. Die erstere oder positive Seite der Urtheilskraft hat man mit dein Nanien des Witzes, Scharfsinnes
die negative Seite mit der des
bezeichnet; man kann aber auch sehr häufig
diese beiden Seiten, die als besondere Vermögen aufgeführt werden, noch als von der Urtheilskraft verschiedene angesehen finden. Eine andere, erheblichere Verschiedenheit in der Art des Yorstellens, die aber eben so wenig dieses in verschiedene Vermögen spähet, besteht darin, ob das Vorstellen sich in abstrakten allgemeinen Begriffen, oder in Ginzelvorstellnngen, wie sie die unmittelbare Erregung durch den Sinn giebt, in Bildern, bewegt; man hat diese beiden Arten durch die Benennungen Verstand unterschieden.
und Einbildungskraft
oder
Phantasie
Der Unterschied ist allerdings gegründet, ob-
gleich er nur verschiedene Seiten eines nnd desselben Vorstellens bezeichnet; nnd ist besonders defshalb wichtig, weil iu ihm, wie wir uuten sehen werden, die Unterscheidung des Wahren und Schonen ihren Grund hat. Ein angeblich besonderes Seelcnvermügen findet man nnter den« Namen des Geschmackes
aufgeführt, welches für ge-
wöhnlich fiir eine Art der Urtheilskraft gilt; oder vielmehr für denjenigen Zweig derselben, welchem die Entscheidung über Schönes mid Hiiisliches, Angenehmes und Unangenehmes anheim fallt.
Auch dieses sogenannte Vermögen, werden wir
sehen, ist nnr eine besondere Aeufserungsweise der früher genannten, und zwar namentlich des Gefühls, oder vieiraehr:.der
— Geschmack Kriterien
ist (las Gefühl
126
—
selbst,
insoferne
dasselbe
zu Urtheilen über schon und häfstich,
und unangenehm
an die Hand
giebt.
die
angenehm
Ob nämlich dieser
oder jener Gegenstand angenehm oder nnangenehm sey , kann ich nnr wissen, wenn ich ihn empfunden
habe, das Gefühl
jnnis mir darüber Anskunft geben, damit ich darüber urtheilen kann.
Auf gleiche Weise kann mir das Gefühl uns die
Vrtheile über Schönes und Hafsliches an die Hand geben, indem dieses wir eine besondere Art des Angenehmen nnil Unangenehmen ist, und empfunden werden mufs.
Insofern nun
jemand ein so ausgebildetes Gefühl hat, dafs er au dein wahrhaft und objektiv Schönen Wohlgefallen , au dem Gegeutheil Mifsfallen findet, sagt mau, er habe Geschmack, oder richtigen Geschmack, welches nichts anders heifst, als:
er habe
richtiges Gefühl für das Schöne. — Unter den Gefühlen tritt keine andere Verschiedenheit ein, als die, welche von ihren Gegenständen, und den Siuuen, durch welche diese auf das Gefühl wirken, entnommen ist; diese ist aber natürlich keine so wesentliche, als welche zur Annahme verschiedener Vermögen Veranlassung geben könnte. Hier allein scheint man die UnStatthaftigkeit solcher Annahmen gefühlt zn haben, indem man anch wirklich nicht Unterscheidungen mehrerer Gefiihlsvermögeii machen hört.
Man hat
allerdings das moralische, ästhetische, Wahrheits-, Rechtsgefüihl n. s. w. unterschieden, aber Ausdrücke wie moralisches oder Ästhetisches n. s. w. Gefnhlsverrnogen scheint doch der Sprachgebranch nicht zn kennen; man hat sich hier also (wie mau überhaupt thnn sollte) mit den Collektivnamen für gewisse Klassen der Thatigkeiten begnügt. Den allergeringsten Grund zur Aufstellung verschiedener Vermögen enthalten diejenigen Verschiedenheiten die in dem blois hohem oder geringem Grade einer Thätigkeit, in der hohem oder niedern Stufe ihrer Entwicklung nnd Ausbildung
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bestehen. Sollte ein Vorstellen, welches blofe Gegenstände iler numittelbaren sinnlichen Wahrnehmung denkt, noch als ein besonderes Vermögen von einem solchen, was abstraktere Gegenstände zn denken Tennag, geschieden werden, oder sollte ein Streben nach sinnlichem Wohlseyn noch ein auderes Vermögen sejn als das nach moralischen Genüssen: wo sollte dann da die Gränze zwischen den verschiedenen Stufen angenommen werden, wie viel Stufen würden festgestellt werden dürfen, da eine Annahme von Graden und Stufen im Gegentheile etwas so durchaus Willkürliches ist, wie z. B. am Thermometer die Fahrenheitsclien oder Rcaumürschcn Grade? — da würden wir allerdings zu einer unendlichen Auzahl von Vermögen gelangen, und damit, wenn es uns darum zn thun seyn könnte, nnsern Geist bereichern können. Einen eben so wenig wesentlichen Unterschied machen endlich unter den Gefühlen die verschiedenen Grade ihrer Stärke, man könnte sagen, ihrer Temperatur, oder, wie man gesagt hat, die verschiedenen Rhythmen des Gefühls, ob nämlich dasselbe mehr oder minder leicht, leise, zart, fein, zälie, heftig, affekl>oll, leidenschaftlich, überschwenglich, tief oder oberflächlich u. s. w, erregt und erregbar ist. Es kann z.B. das angenehme Gefiihl in so unendlich verschiedenen Temperatnren nnd Graden sich äiüsern, wie: Behaglichkeit, Fröhlichkeit, Freudigkeit, fergnügtseyn, Lustigkeit, Ausgelassenheit, Zufriedenheit, Glückseligkeit, Wonne, Seligkeit n. s. w., ohne dafs mau delshalb den geringsten Grand hätte, für diese Verschiedenheiten besondere Vermögen anznnehmeu. Auf solcher Verschiedenheit des Grades beruhet die der Affekte von deu übrigen Gefühlen , welche aber nichts anderes sind, als heftige (nicht hlofs starke, sondern auch jähe ) Bewegungen des Gefühls, die der Leidenschaften, die lieständige, fortwährende Dispositionen de9 Gefühls (uud somit des Begehrens) zu gewissen Klassen von Eindrücken sind
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n. s. w. — Wir begnügen 1109, diese nicht wesentlichen, und namentlirh für den weitem Verfolg unserer Untersuchungen nicht wichtigen Unterscheidungen einmal für nllenial erwähnt, und bemerkt zu halten, dafc man nicht solche graduelle Verschiedenheiten init wesentlichem Termische, wie z. B. -wenn man Affekte und Leidenschaften, Zorn, Hafs u. s. w. nnr zu den sinnlichen, nicht zu den geistigen Gefühlen rechneil will, da es doch auch edle Affekte, einen nioralisclieu Zorn, eine moralische Liebe u. s. w. giebt; und da doch auch z. B. der religiöse Fanatismus eine Leidenschaft ist.
Z w e i t e r
A b s c h n i t t .
Unterscheidung des Gefühls vom Vorstellen. Wir kommen zu einem der wichtigsten Punkte unserer ganzen Untersuchung, der alle unsere Aufmerksamkeit iu Anspruch nimmt, und die sorgsamste Beachtung erfordert, weil ohne dessen genaueste Erörterung auch nicht Ein Wort der folgenden Betrachtungen richtig verstanden werden kann, indem sie allererst den einzig möglichen Gesichtspunkt zu ihrer Auffassung angeben kann.
Es betrifft dieser Punkt die Un-
11 scheint, lediglich die Ursache in audern mitwirkenden Umständen zn suchen ist. so dafs alle Unregolm.if^igkeit uud Verschiedenheit blofs scheinbar,
nie in der Wirklichkeit vorhanden ist.
Daraus
ergiebt
es sich von selbst, dafs es natürlich ganz unstatthaft i s t , von Unterscheidungen der Gefühle in nothwendige wendige,
in allgemeine
lind nicht
dem es in der Natur der Sache nur meine giebt.
lind nicht
allgemeine
not-
zu reden, in-
nothwendige uud allge-
W a s die Unterscheidung in nothwendige
uud
aufallige anbetrifft, nach der man meint, dafs es bei den meisten Gegenständen zuf.illig se_v, welche Gefühle sie hervorbriugen *), so ist dabei noch insbesondere zu beinerkeu, dafs dieselbe eine scheinbar wahre Seite hat, die aber doch inifsverstauden wird. Man
bemerke nämlich,
dafa die Gegenstände alle Gefühle,
welche sie bewirken, durch irgend welche Eigenschaften
her-
vorbringen, dafs es irgend eine Beschaffenheit in ihnen sevn innfs, durch welche bie gefallen oder mifsfnllen. genschafleu
können
Solche
Ei-
nun allerdings den Gegenständen theils
wesentlich, theils zufällig seyn, und wo letzteres ist, da wird ihnen auch das Gefühl, welches sie durch dieselben bringen in so ferne zufällig sevn.
hervor-
Das heifst aber nicht so
-\iel, als konnte es eiucin Dinge, sobald es diese oder jene Eigenschaft einmal h a t , alsdann uoch zufidlig s e y n ,
ob
es
durch dieselbe gefallen oder mifsfallen werde, sondern sodann ist nur Eine mögliche Wirkung, die es ILaben kann, und noth•)
Vergl. z. B. H e r b a r l , Bd. II. $. 108.
Psychologie all
Wisatnschaft,
-
291 —
wendig auf jedes Individuum
haben
raufs,
wenn gleich a n -
dere Ursacheu dieselbe auf die mannigfaltigste AVeise modificiren. Aiilaugend ferner den zweiten Unterschied von allgemeinen und uicht allgemeinen Gefühlen, so sieht jeder, dafs derselbe eben se falsch ist;
wir haben nur noch einige Worte
über den Irrthnin hinzuzufügen, dafs man meistens die sinnlichen Gefühle für die gehalten wissen will, welche nicht allgemein seyeu.
Nuu ist freilich wahr, dafs der Unterschied der
Geschnräcke und Neigungen
in Gegenständen des sinnlichen
Gefühles bei Weitem am grüfsleu ist, welches sich aber anch sehr leicht darans erklärt, dafs hier die Gegenständ» und die Arten der siuulichcu Gefühle so unendlich verschieden sind, uud ihre Verbindung und Vermischung die heterogensten E r scheinungen bewirken könueu ; dessenungeachtet wird aber niemand zweifelu können, dafs auch hier dieselben Gesetze, für die Gefühle überhaupt, gelten müssen.
wie
Dafs hier übrigens
kein Unterschied in dieser Hinsicht zwischen sinnlichen und geistigen Gefühlen Statt findet, zeiget der Umstand, dafs in letztern, welche doch für allgemein gelten sollen, ganz ähnliche Verschiedenheiten sich
finden.
Der eine z. B. fiudet mehr
Wohlgefallen au der Mildthätigkeit, der andere an der S p a r samkeit, jeuer lobt sich die klassische, dieser die romantische Poesie, diesem gefallt das Trauerspiel, jenem das Lustspiel u. s. w.
So wie wir aber gewifs sind, dafs in allen solchen
Verschiedenheiten doch allenthalben ein und dasselbe i s t ,
was
gefällt, oder durch welches die Gegeustäude gefallen, uud jene nur scheinbar siud:
so haben wir auch keiueu Grund,
Gegcntheil bei deu siuulichcu Gefühlen anzunehmen.
das
Uebri-
gens zeigen uns doch anch die offenbarsten Erfahrungen auch in diesen eine Allgemeinheit: wer wäre es wohl, dem körperliche Verletzungen
nicht webe
th.iten 1
wohl die Ruthe für eine Belohnung a n ?
welches Kind sähe niemand wird j e den
19 *
-
292
—
übennäfsigeu Dreiklang uder Qninteniolgen iur Angenehm erklären, und weun gleich es sehr viele giebt, -welche das Siifse nicht vertragen kouneii, so giebt es doch vielleicht keine Sprache anf der AVeit, in der nicht sufs und angenehm
gleichbe-
deutende Worte waren. — Auch macht ferner das keinen Unterschied zwischen sinnlichen und geistigen Gefühlen, dafs letztere, wie inau seit K a n t zu behaupten pflegt, mit dem Bewufstseyn einer notwendigen allgemeinen Beistimmuug und mit
der Forderung derselben verbunden sejn
sollen.
Dafs
dieis der Fall ist, wird gewifs niemand läiigiieu wollen, auch haben wir selbst oben (iin dritten Abschnitte) dieser Erscheinung erwähnt uud zugleich ihre Erklärung gegeben; dafs aber dasselbe bei den sinnlichen Gefühlen nicht Statt linden solle, das eben ist unrichtig.
Hört man nicht täglich Ausrufungen
wie: „ich begreife gar nicht, wie man hieran keinen Geschmack findeu k a n n ! " oder „ich kann mir gar nicht denken, dafs jemanden dieses oder jenes Vergnügen machen k a n n ! " u. dergl. m.
Und zwar von den sinnlichsten Gegenständen redet man
BO; der eine sagt, er begreife nicht, wie ein anderer diese oder jene Speise geniefsen könne, ein anderer: es sej ihm unmöglich sich vorzustellen, wie jemand am Tanzen kein Vergnügen finden könne n. s. w.
Was aber drucken dergleichen
Redensarten anderes aus als das Bewufslsryii, dafs das, was ans gefallt oder mifsfallt, auch nothweudig bei andern eine gleiche Wirkung hervorbringen müsse, und das Ansinnen, dafs andere gleich mit uns empfinden sollen?
Wenn nun freilich
dieses Bewufstsejn bei sinulicheu Gefühlen schwächer ist, bei geistigen, so mochte das vielleicht schon
darin
als
seinen
Grnnd haben, dafs uns die Erfahrung so sehr viel seltner in sinnlichen Gegenständen
dieses Bewufstsejn bestätigt findeu
läJjst, und wir dadurch mißtrauischer gegen dasselbe geworden sind. Es wird hier der passendste Ort sejn, auf eine der nach-
293 sten Folgerungen aus dein eben Gesagten aufmerksam zn machen, die freilich nicht nothwendig in deu Zusammenhang der gegenwärtigen Untersuchung gehört, aber doch am Besten hier erörtert -wird, ehe wir zur Fortsetzung jener ühergehen.
Es
betrifft dieselbe die andere Seite der Objektivität des Gefühls; bisher hatteu wir dieselbe gezeigt, in dem Sinne, dafs das Gefühl allgemein und nothwendig sey, jetzt bleibt nnfi noch zu. zeigen übrig, dafs dasselbe nicht so rein subjektiv, nicht so durchaus auf das Subjekt abgeschlossen als man anznnehmen geneigt ist.
und beschränkt sey,
Nun ist freilich gewifs, dafa
die Stipiniuug des Gemiithes etwas nur iip Subjekte vorhandenes, uichts in den Gegenständen befindliches ist;
aber es ist
darzuthun, dafs dieselbe doch in einem solchen
notwendigen
Zusammenhange mit diesen stehet, dafs sie Bestimmungen für dieselheii enthalt, so dafs ein Schltifs von der Art und Weise des Gefühls auf die Beschaffenheit der Gegenstände ist.
zulässig
Man pflegt nämlich zn glauben, dafs, so wie das Gefühl
rein subjektiv uud nicht nothwendige Wirkung der Gegenstände sey, so auch die Kenntuifs desselben um ein in nichts über diese Atifsclilufs geben könne,
uud
alles Wissen von ihm keine
reelle Forderung der Wissenschaft von seinen Objekten sey r indem es für diese keiue
objektive Bestimmungen
euthalten
könne, dafs z. B. die Kenntuifs des moralischeu Gefühles, uus nicht in der Moral seihst, in der Bestiininnug desseu wap gut und böse sey, fördern könne, ebeu so wenig wie die
Kennt-
nifs des ästhetischen Gefühls in der Erkeiiutnifs dessen schon und hiifslich sey u. s. w.
was
Dagegen haben wir zu zei-
gen, wie nothwendig aus dem eben Gezeigten folge, dafs das Gefuhl auch die Bestimmungen für seine Gegenstände enthalten müsse, uud wir durch richtige Schlüsse aus der Art und Weise des Gefühls die der Objekte erkennen konuen.
Denn
wenn jede Klasse vou diesen nothwendig nur eine bestimmte Art des Gefühles hervorbringen k a n n , so dafs der Schlufs
-
294
-
gilt: qualia eaussa% talis effeetus,
so kann natürlich anch
jede Art des Fühleus nur die bestimmte Klasse der Objekte voraussetze» lassen, und es ist eben so wahr: qualis tus, talis caussa.
effee-
Demi wenn gleich die Gefiihle etwas reiu
snbjektives sind, so wird doch etwas in den Objekten seyi^ was sie hervorbringt, und welches sich aus der Art und Weise des Gefiihls erkenueu litfct.
Kennen w ir also genau das We-
sen der Gefühle, so können wir stets mit Bestimmtheit uud Genauigkeit angeben, wie die Gegenstände derselben beschaffen seyn müssen, um sie angenehm oder unangenehm zu erregen ; und indem alles angenehme Gefühl die Forderung und das Gesetz für den Menscheil enthalt, nach den Gegenständen desselben zu streben, oder dieselben so beschaffen zu machen, so in bestimmen, wie sie angenehm sind (jedes unangenehme Gefühl enthalt die entgegengesetzten Gesetze):
so giebt
uns
hierdurch das Gefühl die Gesetze und Bestimmungen für die Objekte, nud die Kenutnifs des Gefiihls giebt uns die Wissenschaft vou den Gesetzen für die Gegenstände, die dasselbe angenehm oder unangenehm erregen sollen.
So giebt uns z. B.
das Ohr die Bestimmungen für die T o n e , die Wissenschaft von denselben ist die, welche man Geueralbafs oder Harmonielehre nennt;
die Beobachtung der Tone selbst hätte uns
nie diese Regeln, wie dieselben beschaffen seyn sollen,
geben
können, denn die Wirklichkeit giebt uus viel mehr unharmonische als harmonische Töne.
Eben so kann uns die Beob-
achtung des Denkens nicht die Gesetze, nach deuen gedacht werden soll, lehren, denn der Mensch denkt wenigstens eben so oft nnrichtig als richtig; aber die Beobachtung des W a h r heitsgefiihles giebt nns die Regeln der Logik, indem dieses fordert, dafs so gedacht werde, wie es ihm angenehm, mit andern Worten, wie es wahr oder richtig ist.
Anf gleiche
Weise müssen wir aus dem ästhetischen Gefühle die Gesetze
— 295 — des Schönen aus dem sittlichen Gefühle die der Moral u.s. w hernehmen können.
n. Sehen wir nun zurück auf das Resultat unserer bisherigen Untersuchung, und vergleichen dasselbe mit der Absicht, in der wir dieselbe unternahmen, so möchten wir eher von nnserm Zwecke ab, als ihm niiher gekommen zn seyn scheinen.
Wir beabsichtigten zu zeigen, dafs dadurch, dafs das
Gefühl zur Quelle und Nonn der Begriffe von Recht, Wahrheit n. s. w. angenommen werde, nicht alles Objektive in der Wissenschaft uud im Leben aufgehoben, uud aller und jeder regellosen Willkühr Thür uud Thor geülTnet werde: und zn dein Ende suchten wir aus Yernnuft uud Erfahrung darzuthun, dafs es einen allgemeinen und notwendigen Zusammenhang zwischen den Objekten der Gefühle und diesen selbst gebe, jede Verschiedenheit nicht iu dem Mangel au N o t w e n digkeit in der Wirkung, sondern in der Verschiedenheit der mitwirkenden Umstände begründet sey.
Durch dieses Resultat
scheinen wir nur das Uebel arger gemacht zu haben; denn die ersten Folgerungen aus demselben sind, dafs das Gefühl nie wirklich irret, nie einmal nur irreu kann
(wie wir sogleich
weiter auseiuander setzen werden), indem es stets das empfindet, was es empfinden mufs, was in deu Objekten gegründet ist, dafs also jeder Akt des Fühlens allemal diesen entspreche , d. h. richtig s e j .
Dadurch scheint jedem Iudividuo das
Recht gegebeu zu seyn, seine Empfindungen gerade für die objektiven, richtigen uud notwendigen auszugeben, nnd die allgemeine Beistimmnng anderer, auf die er früher doch nnr sehr problematische Ansprüche machen, die er, als etwas ihm angenehmes zwar wünschen aber nicht fordern durfte, als et-
296
—
«HS schuldiges, als ein Recht, in Ansprach zu nehmen. nun aber einmal die unendliche
Verschiedenheit der
Gesch'näcke und Neigungen vorhanden ist,
Da
Gefühle,
— sie mag nun
iu der Verschiedenheit der Umstünde , oder in der Zufiilligkeit des Gefuhles ihren Grund haben — so wird, indem nun jeder dieses Recht für sich zu wndicireu in gleichem Maafse befugt ist, eben nichts weiter geschehen, als dafs eiu unendlicher und unabsehbarer Streit angefacht wird, und v i r haben durch unsere vermeintliche Erkenutnifs der Notwendigkeit des Gefühls eben nur das gewonnen,
dafs die Verschiedenheit der
schmücke, welche friiher, hui dem Grundsätze: non
disputandum,
friedlich,
de
wenn gleich im Uebrigen
lich schlecht, sich mit und neben einander vertrug, bare
Gegensatze
uud Feindlichkeiten
ausbrechen
Ge-
gustibus herz-
in offeninufs;
der
wirklichen Uebereinstiinmung und Gleichheit der Gefiildsurthcilc sind wir nni kein Haar breit naher gekommen, denn die wirklich vorhandene Regellosigkeit
in denselben können wie uiebt
läugnen, uud die bleibt, wir mögen tausendmal reducirt haben, dafs sie nur scheinbar scy,
und in andern Umständen
ihren
Sitz habe ; diese Deduktion eben hat keineswegs dazu gedient, sie anfzuhehen oder zu
beseitigeil, soudern
nur sie heftiger
und gefährlicher zu machen. Hier ist uns also die Alternative gestellt: nur Ruhe nud Friede zu haben, de gustibus
non
disputandum,
entweder,
zu dem alten guten zurückzukehren,
geus alles gehen zu lassen wie es kann und m a g , gliche, die Objektivität des Geschmackes,
um
Satze:
uud übrialle Ver-
und somit auch der
Bestimmungen über Recht, Pflicht, Tugend, Schönheit u, s. w., auch wirklich zu machen,
als Hirugespiuuste aufzugeben;
—
oder, da nun doch einmal der Drang des Gefühles iu jedem Menschen sich fiudet, allgemeine Bestimmung
andere zu un-
sern Urtheilen erhalten zu wollen, die Möglichkeit eines allgemeine Begriffo und Verunnftgriinde fufsenden
auf
Verfahrens
-
297
-
zu entdecken, durch "welches anf dem strengsten Wissenschaft, liehen Wege ansgemacht werden kann, wie weit ein jeder zur Forderung einer solchen allgemeinen Beistiinmnng berechtigt, nud zugleich iin Stande sey, sie wirklich zu erhalten.
Wir
denken, dafe der Mensch, so lange noch etwas Menschliches in ihm ist, nicht aufhören wird, sich für das letztere Streben zu entscheiden; und wir hoffen, durch die folgenden Andeutungen einige nirht nudienliche Winke über die Möglichkeit, diefs Ziel zu erreichen, an die Hand gebeu zu können. Indem
nämlich die unendliche Verschiedenheit der Ge-
fühlsurtheile, nnd zwar über einen und denselben Gegenstand, unlüugbar vorhanden ist, so inufs nothwendig, da ein jeder Gegenstand beständig nur einen und denselben Eindruck machen kann (wie genugsam gezeigt worden i s t ) , irgend ein Irrthum
vorwalten, wenn gleich derselbe nicht iui Gefühle
selbst seyn kaun, indem dieses stets das empfindet, was ea deu Ursachen nach empfinden mufs, folglich nicht irren kann. Ein jeder Irrthum aber kann, nenn er gründlich widerlegt werden soll, nur durch wissenschaftlichen Streit, der sich in Yernnnftschlüssen und allgemeineu Begriffen bewegt, gehoben werden.
Es mufs also, sollen wir anders überhaupt je in
Sachen des Gefühls zu einem vernünftigen Resultate, zu einer wirklich allgemeinen Uebereinstimmnug, gelaugen, was doch einmal das Gefühl eiues jeden Menschen fordert, über Ge— fühlsurtheile ten gefuhrt
ein vernünftiges werden
und wissenschaftliches
Strei-
können, und wie diefs möglich sej, und
wie wir uns dazu in den obigen Untersuchungen den Weg gebahnt haben, hoffen wir im Folgenden kurz zu zeigen.
Man
erlasse uns daher fürs Erste die Berücksichtigung derjenigen Gründe, aus denen man die Möglichkeit, das Gefühl auf Vernnnftgründe zurückzuführen, bat läugnen wollen, indem dieselben, wenn wir ganz einfach die Sache werden diirgestellt ha-
-
298 —
beii, meistentheils Ton selbst wegfallen, oder wenigstens dann leicht ihre Erledigung finden. Znerst haben wir zu sehen, wo denn eigentlich der Feiud, den wir zu bekämpfen haben, der Irrthnm, welcher, wie wir sehen, die Verschiedenheit der Gefühle erzeugt, hat.
seinen Sitz
Denn dafs dergleichen Irrthiimer in reichlichein Maafse
•orhaudeu sind, welche die Gefiihlsurtheilc verkehreil und ?er£ilschen, dafs z. B. taglich für schön, wahr, gut u. s. w. erklart wird, was ein anderes gebildetes Gefühl nie dafür erklären zu dürfen glaubt, ist die bekannteste Tbatsache.
Nun
lafst sich aber, wenn wir das oheu Dargcthaue festhalten, gar nicht absehen,
wie iiberbanpt nur das Gefühl irren könne.
Denn wenn jeder Gegenstand nothwendig nur auf eine und dieselbe \ r t auf das Gefühl wirken k a n n , so wiid er bei allen Individuen ganz dieselben Empfindungen erregen, und wenn gleich durch veischiedeil mitwirkende Gründe das Gefühl sich bei dein einen so, bei dein andern anders gestallet,
so sind
diese Verschiedenheiten doch nicht Wirkungen jenes eiueu Gegenstandes, soudern anderer, denen sie allemal, jede nach deren Unterschiede, notbwendig richtig entsprechen.
Das Gefühl
ist demnach jedesmal ein ganz genauer Abdruck seiuer Ursachen, somit richtig,
es kann nie anders seyn, als es sevu
mufs, d. h. es irret nie;
hier aber kaun man auch zugleich
den Ursprnug der erwähnten Irrthiimer entdecken : sie bestehen nämlich alle nur in dein unrichtigen Bewu/stsey-n dem Gefühle uud dessen Gründen.
von
Dafs nämlich bei einem
Zusammenwirken verschiedener Ursachen auf das Gefühl das Bewufstsevu nicht alle die Gründe bemerkt,
sondern die aus
allen zusammen entstehende Gesaiumtempfiudung nur für die Wirkung einzelner von derselben halt, nur einigen vou ihnen sie zuschreibt: — darin
besteheu alle sogenannte
des Gefühles oder Geschmackes.
lnthüiner
E s kann z. B. ein übrigens
schlechtes Gemälde jemanden die angenehmsten Empiiudungeu
—
299
-
erregen, -weil es durch irgend einen Umstand ihm diese oder jene Erinnerungen erweckt, oder sonst auf irgend eine andere Art ihu rührt; will nun aber dieser Mensch, auf diese audern Umstünde nicht aufmerksam, das Wohlgefallen au dem Gemälde dein künstlerischen Werthe desselben zuschreiben, dcfshalb es schön nennen, nnd fordern, dafs so alle
und
Kunst-
werke beschaffen seyn sollen, so entsteht hier nichts audercs als das, was man einen uurichtigen Geschmack nenut.
Der-
selbe besteht also blofs iu dem Irrthiime, die Erregung
einer
gewissen Art des Gefühls einem anderen zuzuschreiben,
das,
was z. B. das sinnb'che Gefühl empfindet, für eine Regung des iisthetischeu zu halten.
W i r halten z. B. ein Gedicht mitun-
ter für schön, wenn nur die Verse gut klingen ; hier irrt nicht das Gefühl, deun es wurde hier nicht wirklich das ästhetische sondern nur das sinnliche, das Gehör befriedigt; dafs wir aber hier dieses Wohlgefallen für eiue Befriedigung des ästhetischen Sinnes halten, ist e s , was uuser Urtheil irre leitet.
Der ir-
rige Geschmack besieht deinuarh hier nicht in einer
Unrich-
tigkeit des Gefühls, sondern in eiuem Mifiversiehen
dessel-
ben, in einem irrigen Bewufetseyn desselben, und so ist mit
allen vermeintlichen
falschen
Richtungen des
es
Fuhlens.
Wie leicht z. B. überredet sich nicht der Mensch, dafs das, was in Wahrheit die Stimme der Sinnlichkeit, der Leidenschaft oder des Angenehmen ist, das Gebot des Gewissens, der Pflicht und Ehre sey;
daraus entspringt dann das sogenannte irrende
Gewissen, welches aber nichts anderes ist, der Leideuschaft.
als die Sophistik
So köuuen wir uus auch selbst überreden,
dafs wir das glauben, was uns Li anderer Hinsicht angenehm ist, mau sieht aber, dafs stets nicht ein irriges Gefühl, solidem ein Yerkenneu desselben zum Grunde liegt, wo falsche Gefühlsurtheile sich finden. In einem einzigen Falle kaun man sagen, dafs das Gefühl selbst i r r e , oder unrichtig sev, und zwar iu dem,
wo
-
300
-
durch die verschiedene Ausbildung oder Unterdrückung
der
einen oder andern Art desselben, das iiaturgeiniifse Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Gefühlen aufgehoben, und das eipe oder andere stärker vorwiegt.
Wir haben schon öf-
ter bemerkt, wie jedes Gefühl dadurch, dafs es öfter angeregt wird,
mehr und mehr au Empfänglichkeit für Eindrücke
winnt , so wie es in demselben
ge-
Maafse dieselbe verliert, je
weniger es geübt wird, so dafs es auf diese Weise, wenn absichtlich alle Anreguug verhindert, oder so viel als möglich gestört wird, so weit abgestumpft werden kann,
dafs man
überhaupt au seiuem Daseyn zweifelhaft werden kauu.
Je öf-
ter z. B. der Mensch sich seinen Leidenschaften hingiebt, und die Regungen des Gewissens dabei überhört, dieselben
über-
täubt oder dadurch aufhören macht, dafs er den Geist auf andere Gegenstände lenkt:
desto
schwächer und unmerklicher
wird die Stimme des Gewissens werden, bis sie zuletzt fast ganz und gar verstummt.
Diefs kann man allerdings
unrichtige Ansbildnng des Gefühls, ein
eine
irrendes Gefühl nen-
nen, and ein Mensch, der von einem so verbildeten Gefühle geleitet urthcilt oder handelt,
wird nicht von einem blofsen
Mifsverstande des Gefühles, sondern von diesem selbst falsch geleitet.
Auf gleiche Weise ist z. B. bei der Mehrzahl
der
Menschen das ästhetische Gefühl so gut wie gar nicht ausgebildet, so dafs selten dieses es ist, welches die
gewohnlichen
Urtbeile über Kunstwerke leitet, und eher jede andere R ü c k sicht der übrigen Sinue dasselbe bestimmt, als die ästhetische Schönheit.
Wenn ferner das Mitgefühl,
meistenteils der Fall i s t ,
einen
wie es leider
weit geringem
wohl
Grad
der
Stärke erlangt hat, als die Selbstliebe, welches allemal die Ursache der ungerechten Handlungen ist:
so können wir s a -
gen, dafs hier das Gefühl selbst in ciucm unrichtigen,
natur-
widrigen Zustande sich befindet, und dafs es irre leitet. Dafs also in den einzelnen Urtheilen des Gefühls Irrtbii-
-
301 —
mer Snfserst leicht möglich sind, ihre Quelle mag non in diesem selbst, oder iu einem Mißverstände desselben liegen, ist Thatsache,
die sich nicht liiugiien Iii/st, man mag noch so
sehr von dem Werthe des Gefühls, von seiner Yortreffiichkeit, Reinheit n. s. w. eropfiudelud eingenommen seyn.
Eben so
gewifs ist es, da£s der Mensch allen diesen Irrthümern unwiderbringlich hingegeben sejn •würde, wenn die Gefühle als solche
die letzte Instanz iu dergleichen Urtheilen
abgeben
müfsteu, und nicht noch ein Pachter über ihnen w;ire, vor dessen Fornm ihre Aussprüche mit den eigentlichsten Waffen für dergleichen Streitigkeiten, iu allgemeinen Begriffen und Schlüssen, noch einmal durchgefochten lind geprüft werden konnten. Nun hat aber freilich der Verstand, oder überhaupt das Denken , dem ein solches Verfahren auheim lullt, keine eigene Kriterien in dergleichen Dingen, wie oben (im vierten Abschnitte ) hinlänglich gezeigt ist; aber wir werden auch zeigen können, dafs er dergleichen dazu nicht bedarf, sondern »ach denen, welche das Gefühl selbst ihm an die Hand giebt, alle vorkommende Streitigkeiten zu entscheiden vermag.
Es
ist hier demnach der höchst wichtige Unterschied zu machen: dafs
das Gefühl
und
Urtheile
Angenehmem
zwar
von Schönem,
die
Quelle unserer
Gutem,
und deren Gegensätzen
tet aber nimmermehr oder
die einzige
letzte
als Gefühl
Instanz
Wahrem, ist,
Rechtem,
dessenungeach-
das oberste
in solchen
Begriffe
Kriterium
Gegenständen
seyn
darf. Der Verstand also kann und inufs alle Irrthümcr des Gefühles berichtigen, alle Streitigkeiten desselben beurtheilen und schlichten, und die Ansprüche eines jeden Geschmackes auf den Namen des einzig richtigen abwägen und ohne jedoch eines andern
ausgleichen,
eigenen Kriteriums zu bedürfen,
als der vom Gefühle und der Beobachtung desselben ihm dargebotenen.
Wie diefs geschehe, liifst sich, wenn man auf
—
302
—
das, was wir oben dargethau haben, sehr leicht begreiflich machen. Ans unfern obigen Untersuchungen ergiebt sich nnwiilereprecblich, daj~s es in allen Arien nen richtigen
Geschmack
giebt.
des Gefühles
nur
Ei-
Denn hat jeder Gegenstand
auf das Gefühl nur Eine nothwendige und allgemeine Wirkung, die aber doch freilich durch mitwirkende Umstünde gestört und auf mannigfache Weise inodificirt werden kaun, so darf auch nur das Gefühl richtig heifsen, welches gerade diesen Eindruck genau so empfangt und darstellt, als es die Natur der Sache fordert, ohne Nebciiumstaiidcn einen wesentliehen Einflufs zu gestatten, oder vielmehr (da der lrrthum ineistentheils nicht sowohl im Gefühle, als im Bewufstseyn desselben liegt),
dasjenige Lrtheil würde allein richtig heifsen
können, welches das jedesmalige Gefühl nur dein, durch die Natur der Sache notbwendig bestimmten Gegenstände zuschriebe. Wäre z. B. das nothwendige Gesetz, dafs deiu Ohre uur Consonanzen gefallen konnten, so würde ein jeder Geschmack unrichtig heifsen müssen, der an blofsen Dissonanzen Gefallen fände (was freilich aus andern
Ursachen
wohl gescheheil
könnte, wobei danu aber doch nicht die Dissonanzen an sich gefallen, sondern eben die andern Grunde, welche nur die Unannehmlichkeit derselben überwiegen und daher ubersehen lassen; so dafs auch, wie wir weitläufiger gezeigt haben, nicht die Dissonanzen gefallen, also nicht eigentlich der Geschmack irret, sondern nur das Bewufstseyn von demselben.) Welches mu/s
nun
der Verstand
dieser
Eine
entdecken
richtige können,
Geschmack
sey
er wird beobachten
können, was für eine Wirkung ein jeder Gegenstand auf das Gefühl haben müsse, und was es in den Objekten sey, was eine jede Art desselben hervorbringen müsse.
Es ist diefs
nichts anderes, als was wir oben häufig das Be willst werden der Gründe des Gefühls geuannt haben, und was der Sprach-
-
303 —
gebrauch ein Zurückführen des Gefühls auf Yernnnftgründe nennt.
Mit wie unendlich vielen Schwierigkeiten
nun auch
diese Beobachtungen verbunden sevn mögen, indem die unabsehbare Menge der mitwirkenden Ursachen, wie wir sie oben näher erörterten, die Verschiedenheiten der Gefühle so unendlich und scheinbar regellos machen: so darf doch das keineswegs von dem Versuche dazu abschrecken, und nur die Trägheit befördern.
Es ist undenkbar, dafs es nicht der aufmerk-
samen Beobachtung gelingen sollte, zu entdecken,
was für
Eindrücke eine jede Klasse vou Gegenständen an nnd für sich auf das Gefühl machen müsse, ohne dafs Nebenursachen mit einwirken, ohne dafs der jedesmal vorherrschenden
Stimmung
des Gemüthes Einflufs gestattet werde, wenn der Geist unbefangen und nicht von andern Gegenständen bestochen die Einwirkungen aufnimmt, und die Empfänglichkeit des Gefühls weder durch lebersattigung und Ueberreiznug abgespannt, noch durch Mangel an Uebung abgestumpft oder unterdrückt worden ist.
Dadurch ist dann auch zugleich gefunden, was für
Eigenschaften «ler Gegenstände es sej n müssen, welrhe eine jede Art
der Gefühle notliwendig erregen, und welche so-
mit da se^n müssen, wenn die von jenen Gegenständen hervorgebrachten Gefühle als richtige anerkannt werden sollen, was es also z. B. für Eigenschaften au den Handlungen seva müssen, welche sie zu guten oder büsen, an den Erkenntnissen, welche sie zu wahren oder unwahreu machen u. 8. w. Diese Erkenntnisse nun, dafs diese oder jene Eigenschaften der Objekte bestimmte Klassen der Gefühle nothwendig hervorbringen müssen, sind es, welche die Kriterien es guten uad richtigen Geschmacks abgeben, und zur Entscheidung aller Zweifel oder Streitigkeiten in dieser Hinsicht dienen müssen.
Sie werden iu allgemeine Begriffe, Urtheile oder Regeln
gefafst werden können, etwa: 6chün ist, d . h . dem ästhetischen Sinne rnufs gelallen, was die Merkmale A,
B, C hat;
gnt
i s t , d. h. dem moralischen
304 — Gefühle mafs gefallen, was e s
D, E, F ist, ii. s . w . ; als solche Regeln gelten sie die Oliersätze zu den "Vernunftsehlüssen, in denen aller Streit i'iberGefiihlsurtheile geführt werden tun(s, und unter sie werden alle einzelne Urtheile, die nnf das Prädikat de« richtigen Geschmackes Anspruch machen, als Untersatze zn sitbsnmiren um alsbald alleu Streit zu entscheiden. chert seyn will,
sern,
W e r alsdann versi
dnfs er dem richtigen Geschmacke geniiiis
empfinde, und wer seine, in jedem einzelnen Falle ausgesprochenen Urlheile entweder bestätigt oder berichtigt sehen
will,
und endlich, wer auf allgemeine Beistimuimig Anspruch macht, indem er de» richtigen Geschmack zn besitzen vorgiebt, hat eich nur eines solchen Schlusses zu bedienen, um sich zu versichern, ob die Merkmale, welche im Obersatze als die Kriterien des richtigen Gefühles gesetzt werden, sondern Falle sich
finden,
in seinem be-
oder nicht, damit er im erstem
Falle seinem Urtheile trauen, und fiir dasselbe Bestimmung fordern dürfe, im letztern sich seines Irrtbums bescheiden und ihn zu berichtigen suchen könne. So kann mit dem strengsten und reinsten wissenschaftlichen Verfahren über alle und jede Verschiedenheit des Gefühles oder Geschmackes der Streit geschlichtet werden; aber so mufs auch verfall reu werden, es ist diefs die einzig mögliche Weise, wie dem unendlichen Mifsbrauche, den man nicht mit Unrecht
YOII
der unendlichen Regellosigkeit und auf der a n -
dern Seite von der Subjektivität des Gefühls befürchtet, wenn dieses für die Norm unserer Urtheile über die heiligsten teressen des Lebens gelten soll. die letzte Instanz sejn,
Denn soll e s , als
In-
Gefühl,
so dafs es uiinothig w ä r e , oder
gar
unmöglich, die Gründe desselben anzugeben, dann freilich wäre nimmermehr abzuseheu, wie überhaupt irgend etwas Objektives im Menschenleben bestehen sollte; könnte das Wahrheitsgefühl als solches uns statt aller Beweise dienen sollen, daun wäre
-
305
-
wäre freilich um die Wahrheit und Wissenschaft selbst es geschehen, aber indem wir für jedes Gefühl die Aufzeignng der objektiven Gründe fordern, verlangen wir im strengsten Sinne eben das, was man deu Beweis eines Satzes zn nennen pflegt, welcher eben nichts anderes ist, als die Bestätigung des Wahrhcitsgefiihles.
Wir würden auf gleiche Weise, wenn das mo-
ralische Gefühl die letzte Norm der Handlungen seyn sollte, alle und jede Irrthümer des Gewissens berechtigt und geheiligt haben, jede Schandthat, welche Fanatismiis oder die wüthendstc Leidenschaft je vollbracht hat, ist stets mit Berufung auf das Gewissen geschehen, und eben solchen Schandthaten würden auch wir Thür und Thor geöffnet haben, wenn wir das Gefühl als solches
für eine sichere Norm anerkennen
könnten. Es ist unstreitig diese Unterscheidung, dafs das Gefühl als solches nur Quelle, nicht höchste Norm der aus ihm entspringenden Urtheile seyn darf, so wie sie durchans der Natur der Sache gemafs ist, am geeignetsten, Streitigkeiten über den AVerth des Gefühls gegen das Denken, und umgekehrt der Rechte von diesem gegen das Gefühl, die man so h;iuiig und heftig führt und geführt hat, beizulegen.
Dem Verstände,
dem Denken des Allgemeinen , wird hier jedes Recht zuerkannt, welches er auf die Auktoritiit einer höchsten Instanz in Sachen des Glaubens, Gewissens u. s. w. machen kanu, indem erklärt wird, dafs kein Urtheil, was ohne seine Prüfung und Bestätigung gefallt worden ist, auf Objektivität Anspruch machen darf; dagegen hat er nicht zu vergessen, daß er alle seine Kriterien nicht nus sich selbst schöpft, sondern eben nur dem Gefühle zu verdanken hat, dafs er somit kein eigenes Urlheil selbst fallt, sondern nur die des Gefühles zn prüfen und zn bestätigen oder au verwerfen hat.
Wenn das
Gefühl die einzige Quelle ist, woraus jene einzelnen
Urtheile
entspringen, so ist der Verstand mit seinen allgemeinen •Selunidl Ideen. I. Bd.
20
Be-
griffen und Sätzen, in welche er dieselben zoßammenfufst, dem Strome vcrgleicblich, in den sich die Quellen vereinigen.
Die
Quellen sind freilich meistens rein und klar, aber klein und uubemerkt, werden leicht übersehen, leicht getrübt oder verstopft, und versiegen Auch häufig; die Allgemeinheit ist hier das stets gleiche Gesetz der Schwere, welches die Quellen jedes Fluisgebietcs zum Strome vereinigt.
Erst wenn wir die
Quelle als Strom haben, dürfen wir uns auf denselben verlassen, er trägt
uns, wir sind sicher dafs er uns weder abge-
leitet, noch so-leicht getrübt wird, noch dafs er versiegt, wenn gleich die eine oder andere seiner Quellen es thut; erst der Strom ist ein sicherer Schatz für ein Land, er bringt ¡hin Heichthiuu, er vermittelt die Verbindung
der Völker
(durch
den Verstand wird das Gcfuhl erst objektiv und allgemein mittheilbar).
Eben so wird weit leichter die einzelne Quelle
durch den Wolkcubruch der Affekte, oder durch das Schneewasser der Leidenschaften aus ihren Ufern getrieben, den Strom übcrsclrwemmeu zu machen wird schon weit mehr erfordert.
Aber dafs mau nur nicht glaube, als kümic man,
wcuii man den Strom hat, der Quellen entbehren oder gleichgültig gegen sie seyu; wo bliebe der Strom ohne die Quellen? auch findet sich das wahre Leben und die wahre Klarheit und namentlich die Heilkraft nur in den Quellen: inau kennt keine Gesuud flösse oder Heilstrüme, nur Heilquellen und Gesundbrunnen, und der Strom giebl kein nährendes und belebendes Getränk, als höchstens für das Vieh nnd den Pöbel. Betrachten wir nun noch, was mau gegen eine Znrückfiihqing der Gefühlsurthcile auf Urtheile des Verstandes, wie wir sie im Obigen dargestellt haben, konute.
gegründet einwenden
Ein jeder niufs sehen, dafs iu einein
solchen Ver-
fahren durchaus nichts Widersprechendes enthalten ist;
denn
was könnte uns im Wege stehen, unser eigenes Gefühl zu beobachten,
uuil die Gründe desselben zu beobachten, und
—
307
—
durch fortgesetzte Aufmerksamkeit beide Seiten eine allgemeine nud nothwendige Regel in ihrem Zusammenhange entdecken zu wolleu t was kann darin Ungereimtes liegen 1 — Aber das liürt mau von allen Seiten rnfen, es wäre unmöglich, unsinn i g , verfehlte Hoffnung, ungereimtes Unternehmen! n. s. w. und das aus den verschiedensten und widersprechendsten Gründen.
Die meisten derselben bernheu anf der so oft erwähn-
ten unglücklichen Vermischung des Fühlens mit dem dunklen Vorstellen, und dem Vornrtheile, dais das Gefühl sich nur mit dunklen Begriffen vertrage;
über diese haben wir schon zu
oft uud zu viel geredet, als dafs wir sie weiter zn berücksichtigeu uöthig hatten.
So ruft der eine, es dürfe das Gefühl
nicht auf allgemeine Begriffe geführt «erden, weil es dadurch in Vorstellungen aufgeluset werde! Der andere: weil es ein Vorstellen scy,
nicht
und defshalb nicht zu Begriffen werden
könnte, ti. dergl. in.
Es sieht aber jeder, dafs hier von kei-
nem Auflösen der Gefühle noch von einem Werden
derselben
zu Vorstellungen die Rede i s t , sondern lilofs von einem Bewuistseyu von den Gefühlen, von Bildung der Vorstellungen über sie uud ihre Gründe;
und so wenig als der Stein
durch in eiueu Begriff aufgeloset wird, oder
da-
werden kann,
dafs ich von ihm weife, eben so wenig ist diefs bei deui Gefühle der Fall. Einen scheinbareren Grund fuhrt K a n t
durchgehends *)
an, dafs nämlich ein Urtheil, welches einen Begriff eines Objektes znm Bestinimnugsgriind habe, kein iisthetisches, d. h. kein Gefühlsurtheil s e j , wir also, wo wir nach allgemeinen Principien unsere Bestimmungen gelten, nieiit von dem Gefühle geleitet urtheilcii.
Das würde sehr recht seyu, wen« es wahr
wiire, dafs dadurch, dais «vir die Aussprüche des Gefühles in allgemeine Satze fassen, das Gefühl aufser Thätigkeit gesetzt ')
Namentlich Kritik der Urlheilikr. S, 53.
20 *
— 308 — wird nnd
der
Verstand
allein
nrtlieilt.
Aber
wohl, dafs wir nirgends behaupten, als solle
man
bemerke
oder könne
der Verstand dnreh das Bewufstsejii jener allgemeinen
mir
Krite-
rien dahin gelangen, allein ästhetische Urtheile zu bilden, oder g a r die Gefühle der L u s t und Unlust Die Urtheile dafs dieser oder j e n e r nehm ,
gut n. s. w. s e j ,
dafs
selbst
hervorzubringen.
Gegenstand
er in
einem
wirklich ein Miisfallen oder Wohlgefallen
schon ,
ange-
einzelnen
Falle
errege,
kann
nur
das Gefühl selbst an die Hand g e b e n , sobald das Wohlgefallen oder Mifsfallen wirklich da i s t ;
dagegen
stand, indem er das Dasern der objektiven
kann
der
Ver-
Merkmale
in ei-
nem einzelnen Gegenstände erkennt, wohl urtheile», dafs derselbe diese
oder jene Art
des
Gefühls
hervorbringen
werde
und müsse, nicht aber, dafs er dasselbe Gefühl wirklich schon erzenge.
Jedes einzelne Urtheil giebt
handene Gefühl a b ;
nur das
dem Verstände fallt
wirklich
die Prüfling
vor-
dessel-
ben anheini, ob es richtig oder unrichtig s e y ; ein Geschmacksurtheil hurt doch aber nicht a u f ,
ein solches
zu s e v n ,
wenn
es ein Verstaudesnrtheil zu seiner Bestätigung herbeiruft.
Auf
welche andere mögliche W e i s e
Ge-
sollte
denn
ein
falsches
schmacksiirtheil berichtigt oder ein Streit über Verschiedenheit der Geschmacke
entschieden
werden,
wenn zwar jedem
das
Recht gegeben wird, allgemeine Zustimmung in Anspruch zu nehmen, a b e r kein einziges Mittel, bei der doch wirklich vorkommenden Verschiedenheit diese Ansprüche a n f eine vernünftige W e i s e geltend zu inachen? an andere
vermeintliche
Mittel,
Es
welche auch zn Zeiteu ihre Liebhaher n a h e , als
da sind K e t z e r -
liegt dabei der Gedanke
die Wahrheit gefunden
und Hexengerichte,
auszumachen, haben, Feuer
sehr und
Schwert, Scheiterhaufen und R a d u . s . w . ; und wirklich heifst, jedem das Recht g e b e n ,
allgemeine Beistiramung
zu fordern;
aber den Gebrauch von Vernunftgriinden untersagen, nicht viel anders a l s : jeder mag streiten, so viel er will, und seine A n -
-
309
—
Spruche anf jede mOgliche Weise unterstützet!, mag schmähen nnd schlagen, nur dafs sich keiner unterstehe,
vernünftige
Griiude für seine Meinung anfuhren zu wollen.' lieber ein anderes Yorurtheil, ans welchem man die Möglichkeit, über Gesehmacksurtheile zu streiten, Liugnet, haben wir kanm noch einige Worte zu sagen, indem es von selbst nach dem, was wir in der ersten Hiilfle dieses Abschnittes gezeigt haben, wegfallt.
E s ist dieis die allgemeine Meinung,
dafs Gefühle als solche nicht allgemein mittheilbar 6eyn sol-> len; unu aber hat, wie wir gezeigt haben, jeder Gegenstand seine nothweudige Einwirkung auf das Gefühl, wo also nur der Gegenstand oder dessen Vorstellung mittheilbfir ist, da ist auch zugleich das Gefühl mitgetheilt, wo aber das Erstere nicht ist, wird freilich auch das Letztere nicht s e j n .
Aber
dasselbe ist mit den Vorstellungen der Fall, welche, ohne Mittheilbarkeit der Gegenstande, selbst derselbeu eutbehren; streite doch einer mit dem Blinden über Farbeu J
Wo nun, bei E m -
pfindung eines und desselben Gegenstandes, verschiedene Individuen ungleiche Gefühle erhalten, ist dadurch mir bewiesen, dafs eines derselbeu oder auch alle unrichtig empfinden.
Es
lünguet z. B. K a n t * ) die Mittheilbarkeit eines Gefühls, gesteht sie aber iu Rücksicht auf das ästhetische Gefühl unter der Bedingung zu, dafs die Ursache desselben, das freie Spiel der Erkenntuifskriifte, mitgetheilt werden könne.
Aus welchem
Grunde kann nun dasselbe bei sinnlichen Gefühlen gelaugnet -werden, sobald deren Ursachen, d. h. die Gegenstände oder deren Vorstellungen inittheilbar sind? Zum Schlüsse dieses Abschnittes haben wir nun noch eines, und, wie es scheint, des triftigsten Grundes gegen d e n Streit über Gefühle zu erwähneu, der nns zugleich noch zu einigen nicht *)
unwichtigen Bemerkungen Veranlassung giebt.
Kritik der Urtheihknit, S. 27 ff.
— 318 — Es kann, sagt man *) ganz richtig, wie das Urtheil anderer den geringsten Einflufs auf die Bestimmung oder Yerftnderuug des ineinigen haben; und wenn Tansende anders empfinden als ich, so werde ich mich doch nie überzeugen lassen, dais ich nicht so empfanden hätte, als ich anfangs glaubte, oder so werde ich doch nicht anders empfinden könneu, als ich es einmal thue.
Darnach scheint denn sehr eiulenehteud zu seyu,
und jedem die Frage an&iistofscn: was sollen dann alle Ycrninftgründe, alles noch so wissenschaftliche Streiten helfen, wenn doA nienals dadurch ein gefälltes Urtheil aufgehoben weiden kann? — So scheint freilich alle Yerimnft hier überflüssig zu s e j n , aber sie scheint es auch n u r ; es gielrt sogar K a n t selbst HU der angeführten Stelle uns durch eüte Bemerkung die Hiiincisung auf den Nutzen, den dessenungeachtet eia solches Verfahren haben kanu.
Es kouue, heifst es
dort, derjenige, welcher alle Urtheile anderer gegeu sich habe, zu zweifelu anfangen, ob er auch den richtigen Geschmack habe.
Und wirklich ist diefs aach der einzige, aber unbere-
chenbar grofse Nutzen, den ein Dispntiren über Geschmackssachen haben kauu und soll:
da/s
Partheyen
werde,
die eine überzeugt
ein unrichtiger kenntni/s
sey,
von zwei da/s
ihr
und da/s sie demzufolge
und Willen denselben bessern
streitenden Geschmack durch
Er-
könne.
Dafs in jedem einzelnen Falle dieses oder jenes mir gefallen oder mifsfaltiMi habe, bleibt ewig gewifs, es mögen nun andere eben so oder «»ders empfunden haben, was mir gefallen hat, hat mir gefallen, daran ändern alle Urtheile der ganzen übrigen AVeit nicht die Spur, und alles Streiten wäre allerdings vergebens, wenn es eine solche Aendcmng bewirken sollte.
Aber es kann geschehen, dais derjenige, welcher
aHe Urtheile anderer gegen sich h;it, au seiuem Gesciunackc *)
t. B. K a n t Krit. d. Urteilskraft, S. 140.
— 311 — irre wird, and ihn davon zu überzeugen, dazn tollen Vernunftgründe und Argumentationen dienen.
Es muls
doch,
wenn ausgemacht werden kann, dafs dieser oder jener Gegenstand ein bestimmtes, and nnn dieses bestimmte Gefühl hervorbringen müsse, jeder Vernünftige sich dadurch überfuhren lassen, dafs er, sobald er etwas anderes dabei empfanden za haben, vorgiebt, ein nwichtiges Gefühl gehabt habe, d. h. (nach dem, was wir oben als die zweifache Bedeutung von unrichtigem Geschmacke aufgestellt haben) er mnfs überzeugt werden, dafs entweder das Gefühl, welches er dieser oder jeuer Ursache zuschrieb, einen andern Grund haben müsse, nnd folglich irrig von ihm benrtheilt worden sey, Safe er i . B. geirrt habe, wenn er ein Gedicht ästhetisch schön fand*, welches ihm doch nnr durch seineu Inhalt, nicht durch seine Form gefallen konnte; — oder er mufs eingestehen, dafs die eine oder andere Art des Gefühles nicht genugsam in ihm ausgebildet sey, und also eiuer Nachhülfe durch Uebung bedürfe. Diese Erkeuntnifs nnd Ueberzeugung eines Menschen, dafs er einen unrichtigen Geschmack besitze, kann sodann ihn zu dem Entschlüsse bewegen, denselben dnrth Einsicht und Willkühr zu bessern;
und hier haben wir nun noch den einen
Punkt zu erörtern, den wir oben (im vierten Abschnitte gegen das Ende) unaufgeklärt lassen muteten, wie niunlich überhaupt ein Eiuflufs der Willkühr auf das Gefühl als möglich zu denken sey, du dieses doch eine unmittelbare Wirknng der Objekte, ohne Zuthuu des Urtlieils oder Willens des Subjektes sey; und dieses werden wir nach Obigem leicht zn zeigen im Staude seyn. Hält man niunlich die obige Auseinandersetzung des zweifachen Sinnes des Ausdruckes „unrichtiger Geschmack" im Gediichtnifs, so kann es uicht schwer werden, eiuzusehen, wie derselbe im erstem Falle, wo er nnr ein Irrthnm des Butt iifslseyus von dem Gefühle ist, gebessert werden könne.
Denn v e n n jemand
312
-
ein Kunstwerk Ästhetisch schön genanut
hat, bloüs weil es ihm durch seiuen I n h a l t ,
etwa durch die
vortrefflichen Gesinnungen, die es ausdrückt, oder durch die interessanten Scenen, die es darstellt,
u. s. w. gefallen hat,
nnd er wird von diesem Irrthnme überzeugt, so mu(s es doch ein Leichtes seyii, das er sein Urtheil ändert, und nicht weiter behauptet, das Stück s e j ästhetisch schon, souderu
mir.
es erwecke moralisches, oder religiöses, oder sinuliches W o h l gefallen; und so wird er sich in jedem andern vorkommenden F a l l e vor ähnlichen Mifsverstämlnisseu liiitcu können, d. h. er wird seinen
Geschmack gebessert
haben iu dieser
Hinsicht,
welches nichts anderes ist a l s : er wird gTbfsere Aufmerksamkeit auf die Beobachtung der verschiedenen Gründe des
Ge-
fühles wenden, um dieselben uicht zu vermischen, damit er nicht z, B. ein schüucs Kunstwerk defshalb verwerfe, etwa der Inhalt desselben,
wie im Philoklet, dem
weil
sinnlichen
Gefühle nicht zusagt, oder damit er nicht eine Handlung für moralisch g u t erkläre, welche biofs nützlich, d, h. dem siuulichen Wohle zuträglich ist. E b e n so leicht, wie in diesem F a l l e , wird sich der E i n flnfs des Willens auf den unrichtigen Geschmack erklären l a s sen, wo dieser von der zweiten Gattung i s t , u.unlich iu einer nngleichartigeu Ausbildung des einen oder des andern Gefühles besteht, indem es hier nur darauf ankommt, die nicht g e n u g ausgebildeten Gefüllte durch Ucbnng feiuer uud
scharfer
zu machen, die zu stark hervortretenden zu unterdrücken. det z. B. jemand au dem Philoklet
Fin-
des Sophokles, deu alle
Kunstrichlcr für schon erklären, kein Wohlgefallen, weil der Gegenstand dein sinnlichen Gefühle widersteht, nnd es kauu ihm gezeigt werden, dnfs hier wirklich ästhetische vorhauden s c y , so mnfs er erkennen, dafs sein
Schunheit ästhetisches
Gefühl zn wenig, das sinnliche hiugegen zu sehr empfänglich SC)'; oder will jemand eine wirklich gute Handlung nicht voll-
— 313 — bringen, weil sie ihm Schaden bringt, so mufs ihm auch das ein Beweis sevn, dafs er zn wenig moralischen Sinn, dagegen in starkes sinnliches Gefühl habe. Wie nun eine Ausbildung des Gefühles durch Willkühr möglich sey, kann niemanden unbegreiflich sejn, da es in jedermanns Willkühr steht, sich die Gegenstände, welche dasselbe erregen, oder die Vorstellungen derselben zu vergegenwärtigen, und so das Gefühl zn üben. Schwieriger möchte zu erklären seyu, wie ein Gefühl unterdrückt werden könne; aber es geschieht auch dieses auf die gerade entgegengesetzte Weise, indem jede Uebnng oder Erregung desselben so viel als möglich vermieden, oder doch, wo sie geschieht, geschwächt und abgekürzt werden mufs, dadurch dafs der Geist möglichst von ihr auf andere Gegenstände hin abgezogen wird , bis so. durch die Länge der Zeit die Empfänglichkeit des Geistes für iihnliche Eindrücke mehr nud mehr abgestumpft wird. Es weifs z. B. jeder, dafc jemand, der sich von eiuer Leidenschaft heilen will, vor allem audern jede Gelegenheit zn einer Anregung derselben zu ver meiden hat, und darin das beste Mittel, 6ie zu schwachen, findet. Wir sehen also, dafs dieser Einflufs der Einsicht and des Willens auf das Gefühl, welchen wir hier bemerken, ganz und gar nicht dem widerspricht, was wir oben (im vierten Abschuitte) darznthun suchten, dafs jeder Akt des Gefühls eine unmittelbare uud notwendige Wirkung der Eindrücke, welche die Sinne empfangen, ist, au welcher weder irgeud ein Urtheil, noch ein Akt des Wollens von Seiten des Subjektes etwas ändern kaun. Denn es war dort nur von den einzelnen Akten des Fuhlens die Rede, welche nicht geändert werden konnten; aber die sind es auch gar nicht, von denen wir behaupten, dafs sie geiuidert oder gebessert werden sollen, sondern es soll, wie wir eben gezeigt haben, in dem einen Falle uur das Bewufjgtseyn von dem jedesmaligen Gefühle be-
-
314
-
richtigt, im andern Falle die Empfänglichkeit des Geistes fiir die eine oder die andere Klasse derselben erhübet oder verringert werden.
Dabei bleibt jeder einzelne Akt derselben in
eben so notwendiger und Tom Denken oder Wollen unabhängiger Unmittelbarkeit, wie zuvor.
Was aber ist nim der richtige Geschmack?
was ist es
in den Gegenstanden, was nothwcndig und in allen Individuen gleichmütig jede Art des Gefühls angenehm oder nnangeucbm erregen mufs? mit andern Worten: Hits sind die objektiven Kriterien des richtigeu und unrichtigen Gefühls? diejenigen Merkmale, welche der Verstand zu Begriffen zusammenzufassen hat, um dadnreh in den Stand gesetzt zu werden, in Sachen des Gefühls zu urthcilen? — Das sind die Fragen, auf die es jetzt ankommt, die aber auch erst jetzt von Nutzen uud Bedeutung seyn konneu, nachdem wir ihre unendliche Wichtigkeit durch den Beweis der Apriorität und der Objektivität des Gefühles gezeigt und gesichert haben.
Es ist bei der Be-
antwortung derselben besonders auf zweierlei zu sehen, wenn dieselbe von Nutzen 6eyn soll; erstlich daranf, dafs
objektive,
d. b. nicht wieder blofs im Subjekte befindliche, sondern vorstellbare Merkmale angegeben werden, denn eben nur durch solche wird es möglich, dafs der Verstand seinen Einflute auf die Leitung, Berichtigung und Ausbildung des Gefühls erhalt; und zweitens darauf, dafs das allgemeine Princip dessen, was für alle Sinne angenehm oder unangenehm scy, aufgefundeil werde, damit es bei der Bestimmung desselben nicht mir nicht bei einem empirischen und zufälligen Aufzahlen bleibe, sondern wir anch ein Kriterium haben zur Auffindung dessen, was iu allen unendlichen Verschiedenheiten der Geschmacke das Allgemeine und Objektivo scy.
Denn wenn gleich das Gefühl
allemal angeboren also allgemein seyn muf», 60 können wir
— 315 — nicht behaupten wollen, dafs z. B. die Neigung zur Jagd angeboren ist, weil viele sie haben, oder die Vorliebe für antike Gemmen oder dergl., «eil wir auf die Weise eben wieder alle Objektivität längnen, des Geschmackes
nnd eben die Verschiedenheit
als objektiv zugestehen würden;
sondern
eben, was in allen diesen Verschiedenheiten das Allgemeine ist, müssen wir ausmachen können, wozu wir aber durch blofs empirisches Verfahren nie gelangten würden.
Wie weit wir
nun dieses zu leisten im Stande sind, werden wir im folgenden Abschnitte sehen.
S i e b e n t e r
A n g e n e h m und
A b s c h n i t t .
Unangenehm.
"Was also das objektiv Angenehme nud Unangenehme sey, dasjenige WAS jedem Sinne nothwendig und allgemein gefallen, nnd was miMallen müsse, mit Einein Worte, was für jeden Sinn der objektiv richtige GeschmiH-k sey, haben wir jetzt noch ZII nutersnehen, und das allgemeine Princip nnd Kriterium desselben festzustellen.
E s kaun hier keinem, der
uur mit etwas Aufmerksamkeit dem Gange unserer bisherigen Betrachtungen gefolgt ist, entgehen, dafs dieser Theil der Untersuchung der wichtigste von allen seyn mufs, indem derselbe alle diejenigen Vortheile wirklich inachen soll,
welche,
wie
wir Jinuüg gezeigt haben, aus der Beobachtung des Gefühles für alle Wissenschaften hervorgehen müssen, wie die objektive Feststellung dessen, was recht, gut, wahr, schön u. s. w. sey, die Beilegung aller Streitigkeiten über Geschmackssachen, so wie über die wichtigsten Interessen des Lebens nnd der
— 316
-
Philosophie a. s. f., zn welchen Vortheilen alle Torhergehende Uutersuchuiigeo uur die Möglichkeit zn zeigen iin Stande w a r e n ; so dais im Gruude dieser Abschuitt alles das
«irklich
leisten müfste, wozu alle vorhergehende nur die Bahn brechen und den W e g zeigen konnten. In
demselben
Grade
nnn,
wie derselbe von gröüserer
Wichtigkeit ist, als die f r ü h e m , ist er aber auch
uueudlirii
bedeutendem Schwierigkeiteil unterworfen, und wir fiihlen nirgends so sehr als hier die Unzulänglichkeit unserer Leistungen, indem wir das, was wir zu geben im Stande sind, kaum für mehr, als für Andeutungen nnd schwache Umrisse geltend machen können.
Dafür hoffeu wir jedoch in der Natur
der
Sache eiuigermafsen Entschuldigung zu finden, indem es einestheils keine leichte Muhe w a r , in der fast endiosen Unregelmässigkeit der Gefühle das Gleiche, Allgemeine und Feste zn cutdecken, auderutheils es sich hier nicht blofs um die Bestimmung des sinnlich Angenehmen, sondern auch des Guten, Rcchtcu u. s. w., und somit um
die Feststellung der ober-
sten Priucipien der Moral, der Rechtsichre, der Aesthetik und der Logik handelte, welche aufzufinden die Philosophie aller Jalirhnuderte bemühet geneseil ist, so dais es uns wohl nicht eben sehr zum Vorwurfe gereichen d a r f ,
wenn wir dieselben,
zumal da diefs gar nicht unsere nächste Absicht seyn konnte, hier nicht vollständig und geuügeud entwickeln konnten.
Es
innfs nämlich jedem einleuchten, dafs in den Gang der Untersuchung einer Yernunftkritik, als welche es mit der Möglichkeit objektiver Wahrheit zu thun h a t , ganz und g a r
nicht
nothwendig und eigentlich die Bestimmung über d a s , was angenehm, recht, gut und schon s e j , gehören k a n n , dafs aber dieselbe zu wichtig und weit umfassend ist, als da£s sie in der Kritik nur dürfte.
so nebenher und als Zugabe behandelt
werden
Dafs wir sie dessenungeachtet aber nicht ganz
aus
derselben entfernen durften, hat seinen natürlichen Grund darin,
-
317 —
dafs wir znr Bestimmung des Begriffes objektiver Wahrheit, die wir als Gegenstand einer Idee, d. h. eiuer Forderung des Gefühles aufzusuchen hatten, nothwendig der allgemeinen Uebersicht und Kenutnifs dessen hedurñen, was irgend dem Gefühle wohl oder wehe tbnt, uud somit Gegenstand seiner Forderungen werden kann.
Wenn wir also als das Resultat die-
ses Abschnittes nur einige allgemeine Umrisse liefern können, so mag auch in der Natur des Ortes eine Entschuldigung für uns liegen, als welcher eine weitlánftigere Erörterung dieser Materie weder forderte, noch gar zuliefs;
zumal da wir der
Auseinandersetzung desjenigen Angenehmen, welches die Wahrheit heifst, also des Begriffes objektiver Erkenntnis, noch besonders die Kritik der theoretischen Vernunft widmen müssen und dazu hier nur die ersten Winke geben können.
Am al-
lerwenigsten werden wir die Forderung eines allgemeinen und nothw endigen Princips für das Angenehme und Unangenehme aller Sinne befriedigen können, d a , wie jeder weifs, solche Priucipien nur auf metaphysischem Standpunkte zu deduciren möglich sind, dessen Vortheile wir uns hier, in einem empirischen Verfahren der Veniuiiftkritik, zumal da wir noch die Möglichkeit aller Metaphysik dahingestellt seju lassen müssen, ganz und gar nicht anzueignen berechtigt sind;
es mtifs im
Gegentheil jede metaphysische Deduktion einer Erfahrungswis6enschaft eher hinderlich, als förderlich erscheinen, indem auf solche Weise das Wesen der Specnlation mit dem der Erfahrung vermischt wird, welches auf alle Fülle nur beiden zum Nachtheil gereicheil kann.
Es kann also auch das leitende
Princip, welches wir zur Auffindung des allgemeinen Merkmales des Angenehmen
und Uuaugenehmen aufstellen wer-
den, hier nur als ein zufälliges, nnd höchstens als ein Princip der Analogie erscheinen, dessen Begründung erst von eiuer vielleicht künftigen Philosophie zu erwarten wäre. Dagegen werden wir um so mehr der anderu Fordeniug,
— 318 — die wir an die Bestimmung des Angenehmen and Unangenehmen machten, genügen küuneu, derjenigen, nnr objektive, d. h, in den Gegenständen liegende, allgemein vorstellbare, und dadurch der allgemeinen Mittheilung faltige Merkmale nnd K r i terien desselben aufzustellen.
Denn so lange die Definitionen
desselben noch immer wieder nur subjektive Kennzeichen enthalten , so wird eben dadurch wieder alle Möglichkeit eines verständigen und wissenschaftlichen Streitens über Gefühlsgegenstande abgeschnitten, nnd der Zweck,
zu dem einzig diese
Definitionen konuen dieueu sollen, vereitelt.
W a s es in den
Gegenständen sey, was auf jede Art des Gefühls wohlthktige oder naclitheilige Einwirkung h a t ,
das zu bestimmen ist es,
worauf es ankommt, denn das blofs Subjektive cutzieht sich allemal jeder wissenschaftlichen
Behandlung,
so
lange wir
nicht ein Aeufserliches, Festes haben, woran wir es halten nnd fiir den Streit fixiren können.
Darum kunueii alle Definition
neu, die das Angenehme als die Folge einer erhiiheteii oder kräftigem Lebeusthatigkeit,
eines
freiem Spiels oder
leichtern Bewegung der Seelenkrafte,
einer
als eine Befriedigung
vou Trieben, als das, was wir lieber haben, als nicht haben wollcu, oder als d a s , was um seiner selbst willen
begehrt
wird, feststellen u. dergl., so gut als vou gar keinem Wintzen s e j n ; denn abgesehen davon, dafs hier noch immer die F r a g e unbeantwortet bleibt, was es denn sey, was eine erhuhete Thiitigkeit oder ein freieres Spiel der Geistesknifte u. s. w. hervorbringe, was um. seiner selbst willen begehrt werde u. s. w . : so geben diese Definitionen erstlich nichts Festes für die Vorstellung, nud somit für den S t r e i t , deun woran soll erkannt werden, ob die Lebeusthatigkeit eines andern erhöhet i s t , ob er ein Begehren iu sich spürt u. s. w., und es bleiben
alle
die Nachthcile unverändert, welche Berufungen anf das Gefühl mit sich führen, indem es einerlei ist, bernft,
ob jemand eicli darauf
dafs seine Lebcnsthaiigkeit gefordert oder gehemmt
-
319 —
werde, dafe er dieis oder jenes begehre, «der daranf, dafs ihm diefs oder jenes angenehm s e j oder nicht; aber es sind auch überdiefs diese Erkhürungen
noch meistens ganz identische
Sätze nud Cirkelerklärungen, indem eben die erhohete oder beförderte Lebensthätigkeit
nichts anderes
als das
ange-
nehme Gefühl selbst ist, weder eine Wirkung noch eiue Ursache desselben, und man, wenn gefragt wird, was der Mensch denn lieber haben wolle, als nicht haben wolle, oder was um seiner selbst willen begehrt werde, eben nichts anderes antworten kann, als: das Angenehme. Dasjenige min, was uns bei Atifsuchnug desjenigen Objektiven, was das Angenehme und Unangenehme in den Gegenständen ausmacht, als leitendes Princip dienen kann , was aber, -nie gesagt, durchaus nicht mehr Auktorität haben kann oder soll, als die ein Schlufs nach der Analogie, der in der Erfahrung seine Bestätigung erkalten soll, haben kann, — dieis finden wir in der, im dritten Abschnitte gemachten Bemerkung, dafe alles Gefühl nur durch Sinne gewirkt werde; woraus sich der Schlufs ergiebt, der freilich zuerst uicht viel mehr als Vcrniuthiiug und Hypothese ist, dafs es gleiche, oder wenigstens analoge Eigenschaften in den Gegenständen eines jeden Sinnes sejn m;'ifsten, welche das Wohlgefallen oder Mifsfallen eines jeden bewirkten; dafs wir also, wenn wir genau uud bestimmt von einem der Siuue angegeben faudeu, oder noch cutdecken könnten, was ihm zu jeder Zeit augenehm oder unangenehm s e j , dariu zugleich Aufschlufs oder wenigstens Anleitung für die Aiiiünduug der Gesetze des Vergnügens oder Mifsverguügens bei den übrigen Sinnen erhalten könnten.
Nun finden wir eine solche genaue,
und mit
einer fiir Erfahrnngswissenscbaften fast beispiellosen Objektivität gegebene Angabe der Forderungen oder Gesetze des Gefühls bei dem einen der körperlichen Sinne, dem Gehöre, schou aufgestellt and fertig in der Wissenschaft von den Gesetzeu
-
320 —
für die Töne, oder für die M n s i k , welche Gesetze zn dem Objektivsten, und nra wenigsten Angefochtenen gehöre», was das menschliche Wissen bisher hat aufweisen küunen.
Der
Grund, wefshalb gerade der Siun des Gehörs derjenige ist, der am genauesten und sichersten seine Gesetze hat beobachten lassen, und bei dem am wenigsten das Gefühl geirrt hat, •noch irren kann, liegt ohne Zweifel darin, dafs dieser
Sinn
eine so sehr von allen übrigen verschiedene Sphäre von
Ge-
genstandeil, n;ünlich die Klange oder Töne, hat, dafs dieselbe nicht mit andern Gegenstanden verwechselt werden k a n n , und dafs s o ,
da,
wie wir gesehen haben, die hauptsächlichste
Quelle von Irrthümern des Gefühls iu der mangelhaften
Un-
terscheidung der Gründe oder Gegenstände besteht, eben
von
dieser Seite alle Möglichkeit, falsch zu urtheilen,
abgeschnit-
ten ist, denn ob ein Gegenstand, deu ich wahrnehme, oder der mich augenehm oder unangenehm bewegt, ein Tou Objekt des Gesichts ist, das zu
oder eiu
unterscheiden, kauu freilich
kein grofser Scharfsinn erfordert werden, obgleich auch hier nicht aller Irrthum aufgehoben ist, indem mau oft nrtheilt, dieser oder jener Mensch halte eine liebliche Stimme (auch wciui dieselbe wirklich unangenehm i s t ) , blofs weil wir im Ucbrigeu Zuneigung zu demselben haben.
Diese Möglichkeit
fallt
aber weg, da wir die Tone meistens so isolireu können von andern Gegeustauden des Gefühls ( z . B. dadurch, dafs wir sie meistens nicht unmittelbar aus
Menschen, die wir sonst
lieben oder hassen können, sondern aus todteu und dem Gefühle gleichgültigen Instrumenten
h ö r e n ) , dafs alle und jede
Vermischung des Angenehmen unmöglich gemacht wird. Alle dieselben Regeln und Gesetze uun, wie sie das Ohr für die Tone giebt, und die sich auf sehr einfache allgemeine Ausdrücke zurüeküihren lassen (wr-nn gleich sie in den L e h r büchern der Musiklehre von abschreckendem Umfange zu seyn scheinen), finden sich bei allen ihrigen Sinnen wieder, wenn gleich
-
321 —
gleich natürlicherweise, je nach den Gegenständen, verschiedenartig modificirt; und so wie es für das Ohr einen Rhythmus, eine Melodie und Harmonie giebt (in welchen dreien Worten alles Angeuehme für das Gehör enthalten i s t ) , so giebt es alles dieses in ganz analogen Erscheinungen bei allen übrigen Sinnen, so dafs alles, was irgend angenehm oder nnaugenehm ist, sich auf diese drei Klassen (eigentlich näher auf die zwei: Rhythmus und Harmonie) zurückführen liiist. Und so wie es eine Wissenschaft von den Gesetzen des Gehörs für die Töne giebt, Generalbafs oder Harmonielehre, gerade so ist die Logik oder die Wissenschaft toii den Gesetzen, die der theoretische innere Sinn für das Denken enthalt, eine Harmonielehre oder ein Geueralbafs für das Denken, die Moral ein Generalbafs für das Thun, die Aestbetik für die Phantasie n. s. w. Nun hifst sich aber wiederum alles Angenehme nnd Unangenehme, welches in jenen Klassen desselben, in Rhjthmns und Harmonie und deren Gegensätzen enthalten ist, in den einfachen Ausdruck der Gleichheit oder Uebereinstimmung und der Ungleichheit oder Nichtübereinstimmung in den Theilen des empfundenen Gegenstandes *) zusammenfassen. Erstere, die Uebereinstimmung der Theile, ist es, welche für alle Siune alles Angenehme der Gegenstände ausmacht, so wie iu der Ungleichheit, Veränderung nnd Verschiedenheit alles Unaugeuehme besteht. Diese Uebereinstimmung ist nun bei allen Sinnen doppelt, eine mehr änJserliche nnd eiue innerliche, und zwar für das Gehör: 1 ) Uebereinstim-
*) Denn dafa das, was gar keine Theile h a t , das völlig Einfache, überhaupt weder gefallen noch mifsfallen kann, finden wir überall bestätigt, vergl. z. B. H e r b a r t L e h r b . cur Einleitung in die Philosophie S. 86. T i e d e m a n n Psychologie & 161. Schmidt Ideen.
I. Bd.
21
-
322 —
mnng der Töne in ihrer Höhe und Tiefe, oder in der Anzahl ihrer Schwingungen (die innerliche), Harmonie oder Consonanz, wozu zuerst die Reinheit eines jeden Tones, d. h. die Gleichheit der einzelnen Schwingungen (oder Theile) desselben, oder die Uebereinstimmung desselben in der Hohe und Tiefe mit sich selbst, und sodann die Uebereinstimmung mehrerer Töne, die Consonanz, gehört; 2 ) Uebereinstimmung der Töne in ihrer Zeilläuge, die Gleichheit der Takte und Perioden, oder der Rhythmus, welcher die mehr aufserliche Uebereinstimmung genannt werden kann. — Dagegen ist alle und., jede Ungleichheit, Veränderung (nach einander seiende Ungleichheit) nnd Abwechselung unangenehm, und nur in einer solchen besteht alle Dissonanz, Disharmonie, Taktlosigkeit, Unreinheit, oder was sonst an den Tonen irgend das Ohr beleidigt. Dagegen scheint allerdings zu streiten, dafs eben, «u den angenehmsten Elementen der Mnsik die Melodie, d. h. die Abwechselung der Töne, gehört, so wie dafs in allen Dingen Veränderung nnd* Abwechseliiug, das Nene, Unbekannte und Ungewohnte das grüfste Vergnügen erregt. Hierbei erinnere mau sich aber an das, was wir iin vorigen Abschnitte auseinandersetzten, dafs erstlich jedes Gefühl durch seinen Gegensatz erhöhet werde, so dals jede Anuehmlichkcit 6tärker empfunden wird nach vorhergegangenem Unangenehmen, und sodann, dafs jede Annehmlichkeit dnrch Uebermaafs, d. h. durch zu starken Grad nnd zu lange Dauer widrig werde, und dadurch jedes sie aufhebende, ihr entgegengesetzte Uuaogenehm« nns einigermaafeen ( s o lange es nämlich nicht selbst in zu starkem Grade vorhanden ist) angenehm erscheinen kann, sofern es ung nämlich von jener gröfsern Unannehmlichkeit des Ueberdrusses befreiet. In diesem Sinne ist das Unangenehme selbst ein Element des Angenehmen, ein« Würze desselben, indem es nämlich den Genais desselben einestheils durch den Gegensatz erhöhet f und anderntheils stets
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323
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erneuert. Man vergesse aber nicht, daia es immer nur ein negatives Element desselben ist, nnd nie wirklich an sich selbst angeuehm ist (wie wir sogleich weiterhin an mehreren Beispielen zeigen werden), sondern nnr durch Täuschnng dafür gilt, indem es eben seiuen Gegensatz angenehm macht, d. h. das Augenehme erhöhet. — Hiilt man diefs fest, so erklärt sich leicht, wie eben in der Melodie, d. h. in der Abwechselung und Ungleichheit der T9ne, ein wesentliches Moment ihrer Annehmlichkeit bestehen kann. Daher ist z. B. jede Consonnuz, je vollkoin inner sie ist, d. h. je mehr sie das Ohr befriedigt, am so leerer, d. h. um so eher verliert der Geist an ihr das Wohlgefallen, das Interesse und wird ihrer überdrüfsig, dagegen jede um so mehr und lauger den Geist anzieht, fesselt, unterhalt, je grofser die Verschiedenheit der Schwingungen in den einzelnen Intervallen ist (so lange nämlich diese Verschiedenheit die Uebereinstinimnng derselben nicht überwiegt * ) ) , je weniger sie völlig consouiren, weishalb z. B. die Terz schöner ist als die Quinte, die kleine Terz, der weiche Dreiklang schöner als die groise Terz, oder der *)
W o der Gleichgewichtspunkt ist, auf dem sich die Ueb»reinstimmung und Verschiedenheit der Schwingungen die Waage halten, und von dem nach der eine» Seite die Cun. snnanzen ( i n denen die Ucbereinstimmung überwiegt), nach der andern die Dissonanzen ( i n denen die Verschiedenheit vorherrscht) anfangen, lälst sich bekanntlich nicht ganz fest bestimmen, und mu£s auch natürlich nach den Fähigkeiten und der Ausbildung des Gehörs verschieden seyn; doch scheint auch die höchste Ausbildung nicht die Gränxe des Verhältnisses 7 : 6 ( der Hauptseptime) aberschritten zu haben; dagegen ist dem ungebildeten Obre meistens schon das Verballuifs der kleinen Terz, 5 t 6, dissonirend. W i r d doch durch die Verbindung mit der Hauptseptime leibst die grofse Terz halb und halb dissonirend, nnd Verlangt die Fortschreitung nach der Quarte.
21 *
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324 —
harte Dreikling, obgleich letztere beide bei Weitem mehr das Ohr befriedigen nnd beruhigen. Daher kann noch eine jede Mnsik in demselben Grade an Schönheit zunehmen, d. b. angenehmer «erden, in welchem sie mehr (versteht sich, richtig behandelte) Dissonanzen nnd Harmonieenwechsel enthalt, dagegen jede, die nur Consonanzen and beständig dieselbe Harmonie hat, leicht alltäglich, oder in der Knustsprache, armselig wird, wenn gleich sie zu Anfange nnd dem ungebildeten Gehöre weit mehr gefallen mag. So giebt es in der Schönheit der Mosik ein zweifaches Element, das der Harmonie nnd das der Melodie (insofern wir Melodie überhanpt für Abwerh6elnng nnd Verschiedenheit, alsq auch für Dissonanzen sagen dürfen ) , der Uebereinstimmnng und der Nichtübereinstimmung:, des Angenehmen und des Unangenehmen, von denen jenes das positive Princip, dieses das negative derselben, jenes die wirkende Ursache, dieses nur eine conditio, sine qua non, ist. Derselbe Fall ist mit dem Rhythmus der Tone; die gänzliche Uebereiustimmung derselben in der Zeitlänge würde die unerträglichste Langeweile nnd Ueberdrufs erregen, obgleich sie dem Ohre am angenehmsten wäre, es muis daher Abwechselung nnd Verschiedenheit in deu Zeitraaaiscn herrschen, aber in dieser Abwechseln ng eine zurückkehrende, durch den Accent bezeichnete Gleichmäfsigkeit und Regel, Gleichheit der Takte uud Perioden. Je gröfser diese Regelmäßigkeit, und je schneller wiederkehrend sie ist, desto angenehmer wird sie dem Ohre (wie z. B. alle zweitheiligen Takte dem Gehöre am natürlichsten sind), aber anch desto eher mufs 6ie dasselbe ermüden, wie es z. B. f , | und £ Takte thun. So sind auch von den Perioden immer die zweitheiligen, der Parallelismus derselben, am angenehmsten, weit länger aber fesseln und ergötzen die dreitheiligen oder die ans ungleichen Hälften, z. B. ans dreitaktigen nnd viertaktigen, oder aus drei- und fünftaktigen zusammengesetzten. Was hier von musikalischen Tak-
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ten nnd Periode« gesagt ist, gilt alles in denselben MkaÜM von dem Rhythmus der Sprache, von Versmaafsen, Perioden, Strophen u. s. w . , besonders von dem Parallelismus in aller Poesie, nicht blofs in der orientalischen, sondern auch in allen Yersmaafsen abendländischer Poesie, in Distichen, Hexametern nnd Pentametern, im Alexandriner, in allen vier- nnd sechszeiligen Versen n, s. w.; der Reim
dagegen ist in der
Sprache ein Theil dessen, was die Hanboak in der Mnsik. Ganz dieselbe Erscheinung, dais alles Angenehme durch das Unangenehme gewürzt werden mnfe, ist auch bei allen übrigen Sinnen zu beobachten, so dais anch bei ihnen das Angenehme zwei entgegengesetzte Elemente hat, oder vielmehr zu haben scheint, nnd da anch bei allen andern Sinnen, anfser dem Gehöre, das Angenehme in der Gleichjnfiisigkeit der Theile, das Unangenehme in der Ungleichheit besteht,
so
könnte man analog sagen, dais in allem Angenehmen ein Element oder Princip der Harmonie, eines der Melodie herrsche, wovon freilich, das letztere immer nnr den zweiten Rang, den eiues Mittels, einnimmt, wührend jenes das erste ist, dem dieses nnr dient, der Zweck.
Diese beiden Elemente, Harmonie
und Melodie, sind es also, welche alles Angenehme des menschlichen Lebens ansmachen, nnd,
da das Angenehme alles
Streben nnd Treiben des Menschen bestimmt, in allem diesem sich anf die verschiedenartigste Weise ausdrücken, anf der eiuen Seite als das Wohlgefallen und Festhalten am Gleichmafsigen, Alten, Bestehenden n. s. w., anf der andern als Strebou nach Veränderung, Bach dem Neuen, Ungewöhnlichen u. s. w.
Beide Interessen durchkreuzen sich auf das mannig-
faltigste im Menschenleben, indem sie sich einander geradezu -widersprechen, und das
eine stets das andere aufzuheben
scheint; sie sind es, welche groCsentheils die Verschiedenheiten und Gegensatze in den Neigungen und Bestrebungeu hervorbringen, welche zn den entgegengesetzten Extremen die Men-
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326 —
•dien verleiten, nnd in deren weiser Vereinigung (wie in der Musik in der gtetchmäfsigen Verbindung nnd Berechtigung des Princips der Harmonie, so wie des der Melodie) for alle Sinne der objektiv richtige Geschmack, das objektiv nnd n o t wendig Angenehme zn setzen ist. Gehen wir jetzt die einzelnen Sinne etwas genaner durch, am durch Beispiele zn zeigen, dafs bei allen sich diese Analogie mit dem Gehöre findet in den Gesetzen für das Angenehme nnd Unangenehme eines jeden, dafs bei allen jenes ¡11 der Uobereinstirainung, dieses in der Verschiedenheit der Theile des Empfundeneu (oder, was eiuerlei ist, in der Uchereinstiinmnng und Verschiedenheit der mehreren empfundenen Gegenstände, denn sobald mehrere empfunden werden, macht jeder einen Theil des Empfundenen, nämlich des lnbegriifes aller, aus) besteht, oder vielmehr das Angenehme in der gleichmütigen Verbindnag yon Ucbereinstimmniig und Verschiedenheit, V»n Einheit nnd Mannigfaltigkeit, von Harmonie uuil Melodie, das Unangenelime dagegen in dem einseitigen Hervortreten der eiueu von diesen beiden Seiten oder Extremen, d. b. entweder in einer Mannigfaltigkeit «hne Einheit oder Hegel, einem Chaos, oder in einer Gleichmüfsigkeit ohne Abwechselung, welche zur Einförmigkeit oder Eintönigkeit wird. Bei dieser Vergleichuug der übrigen Sinne mit dem Gehlire wird es nnr nötliig seyn, dieselbe in Beziehung auf die theoretische Seite des innern Sinnes, das Wabrheitsgefiihl, genauer durchzuführen, als worauf es uns besonders ankommen mufs, dahingegen wir iu Rücksicht der andern Sinne kürzer verfahren können. Versuchen wir zu dem Endzwecke zuvörderst eine möglichst gedrängte, aber dennoch vollständige und klare Uebereiclit der Gesetze des Gehörs für die Teno zn geben. Alle diese Gesetze zerfallen nun, wie gesagt, in zwei Klassen, in die, welche die Uebereinstimmung (sowohl innere als ttufsere), Harmonie, nnd in die, welche die Verschieden-
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heil, Melodie (im wettern Sinne) bezwecken) Jede Regel der einen Klasse bat in der andern eine ihr correspondirende, welche flir fast immer geradezu widerspricht; in der gleichmäfaigen nnd abwechselnden Befriedigung und der gegenseitigen Beschränkung beider besteht jedesmal die Schönheit der MuBik. (Auf dem Gegensätze dieser beiden Klassen beruhet der Unterschied des strengen nnd des freien Styls in der Musik, iudem nämlich jener allenthalben mehr die Forderungen der Harmonie, dieser mehr die der Melodie zu erfüllen bemühet ist; beide sind aber, eben weil noch eines der Principe in jedem Torwiegt, von dem wahren Mittelpnukte, der Schönheit, entfernt.) Alle Regeln unterscheiden sich ferner in die, welche fiir gleichzeitig und miteinander gehörte und in solche, die für nach einander kliugende Töne gelten. I. Fiir Töne, welche zu gleicher Zeit und mit einander angegeben werden, ist die Forderung der Harmonie: dais jeder einzelne derselben rein scy, d. h. nicht mit sich selbst dissonire, dais seine einzelnen Schwingungen (d. i. sein« Theile) gleich seyen, und dais die verschiedenen Töne Consonanzen seyen, je vollkommner, desto besser (Consonanz ist die Harmonie gleichzeitiger Klänge). Dagegen fordert die Melodie eiue gehörige Beimischung von Dissonanzen, Vorhalten n. s. w., indem bloise Consonanzen, namentlich die vollkommnen letr sind, nnd erst durch Dissonanzen gleichsam Licht und Schatten erhalten müssen. Beide Forderungen lassen sich sehr gut vereinigen und bewirken verbunden einen Wechsel von Gonsonanzen nnd Dissonanzen, doch so, dais letztere nur als Mittel dicueu, um jene zu heben, dafs sie nie überwiegen dürfen (nicht zu lange angehalten noch verdoppelt sejn dürfen), nnd in Consonanzen sich auflösen nnd in ihnen schliefen müssen, so dais allemal iu diesen das Gehör wieder 6eiue Ruhe uud Befriedigung findet. (Wogegen sich denn auch der friere
— 328 — Styl wohl nnanfgelöste Dissonanzen, namentlich im Durchgänge, betrübliche Modulationen und CadeDzen erlaubt.) II. Für nacheinander folgende Töne würde das Gesetz der Harmonie iu seiner weitesten Ausdehnung sejn: dafs stets nur ein uod derselbe Ton oder Akkord angegeben werden dürfte; da aber diefs sogleich in den ersten Augenblicken uuTermeidlicheu Uebenlrnfs erzengen müfste, so kommt sogleich das Gesetz der Melodie hinzn: eiuen Wechsel der Töne, eine Melodie im eigentlichen Siune des Wortes, zn bewirken. Dieses zugestanden entsteht von Neuem die Forderung der Harmonie: dafs wenigstens beständig ein und derselbe Ton oder Akkord (oder dessen einzelne Töne) zurückkehre, und wenigstens auf allen accentuirteu Takttheilen derselbe Akkord gehört werde, mit Einem Worte, dafs jedo Melodie eiue bestimmte Tonart habe, in der sie sich bewege, d. h. einen bestimmten Ton oder cousonirenden Akkord habe, auf den sie beständig sich znrückbeziehe, zn dem sie aus allen Veränderungen das Ohr zurückführe. (Dabiu gehört denn z. B. dafs keine Ausschmückung der Melodie Statt finde durch Durchgangs- und Hülfsnoten, oder doch wenigstens nur unaccentuirte Ausschmückung, reguläre Durchgänge; wogegen der freiere Styl auch irreguläre Ausschmückung, accentuirte Hülfsnnd Durcbgaiigsnoten gestattet.) Dagegeu ist dem Principe der Melodie 6chon das beständige Beharren in eiuer und derselben Tonart zuwider, und es fordert häufigere Abwechselung derselben, Ausweichungen oder Uebergänge zu audern Tonarten. Beide Gesetze vereinigen sich dahin, dafa das Ohr freilich alle Arten von Ausweichungen gestattet, aber bestäudig die Neigung und das Verlangen behält, zu der erstem Tonart zurückzukehren, nnd wenigstens in ihr zu schliefseu, nutl dafs es zu häufige und zu lauge anhaltende Ausweichungen verbietet, weil jede doch ein gewisses uuaugeuehmes Gefühl verursacht.
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bt also doch die Folge verschiedener Hannonleen zugegeben, indem das Ohr selbst die bestündige Folge einer und derselben Dicht würde ertragen können, so verlangt das Gehör doch wenigstens beständig eine scheinbare Identität derselben, d. h. einen Zusammenhang, eine natürliche Verbindung der verschiedenen Harmonieen (dafe z. B. allemal Töne des einen Akkordes in den nächstfolgenden übergehen, und dieser in der »iichsten Lage neben jenem gegriffen werde), die Vermeidung von Sprüngen, und besonders bei Folge von Akkorden verschiedener Tonarten- eine allmftlige Ueberleitnng zn denselben, die Vermeidung der Harmonieensprünge (zu denen besonders Quinten- und Oktaveufolgen, so wie die Folge von grofeen Terzen gehören ) , die Einführung nid natürlichste Auflösung der Dissonanzen. (Das Verlangen nach der Auflösung der Dissonanzen beruhet darauf, dafc das Ohr statt des unangenehmen dissonirendeu Intervalles das zunächst liegende consonirende zu hören begehrt, und die natürlichste Auflösung ist die, wo von der Dissonanz nur nach der nächsten Consonana fortgeschritten wird; man kann bemerken, dais eine jede Dissonanz nni so weniger vorbereitet oder eingeführt zu werden braucht, eine je leichtere oder nähere Auflösung sie hat, wie diefe z. B. bei der Hauptseptime und der kleiuen None, die beide nur tun einen halben Ton fortschreiten, der Fall ist. ) Allen diesen Vorschriften der Harmonie stehen wiederum entsprechende der Melodie gegenüber, der freiere Styl gestattet die Verletzung einer jeden der obigen Regeln, Sprünge, iinverbimdene Folge von Akkorden, selbst Harmonieensprünge und Quinten und Oktaveufolgeu, sobald ihre Wirkung unmerklicher gemacht werden kauu, uueiugefiihrte Dissonanzen, und ungewöhnliche Auflösungen derselben o. s. w. In diesen wenigen Regeln ist der Inbegriff der Gesetze für die Harmonie, d. h. für die Uebereinstimmiing der Töne in Rücksicht ihrer Höh« und Tiefe enthalten; ganz analog,
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330 —
veno gleich viel einfacher sind die Vorschriften für die ftufserlicbe Gleichheit, für die in Ansehung des ZeiUnaaüses, wie wir 6ie schou oben gröfstentheils auseinandergesetzt haben.
Anch
hier verlangt das Ohr eine beständig wiederkehrende Gleichheit und Regelmäisigkeit, welche aber, je gröCser sie ist, nm so eher dasselbe ermüdet, und zn dem Verlangen nach Verftndernng des Rhjthmns, nach Verschiedenheit der Taktarten, Ungleichheit der Perioden, und des Parallelismus derselben bewegt; in welchem allein eine gegenseitige Verbindung, aber auch Beschränkung der jedesmal entgegengesetzten Vorschriften Statt finden kann. Beobachten wir nun, wie sich von allen Gesetzen der Mn&iklehre ganz analoge Forderungen des iunern Sinnes für das Denken fiuden, welche meistenteils als Gesetze der Logik ausgesprochen worden sind.
Auch an den Vorstellungen
ist es die Einstimmung derselben untereinander, oder der einzelnen Theile jeder mit einander, welche das Wohlgefallen des innern Sinnes, welches Glaube, Ueberzeugnng, Wissen n. s. w. heifst, erregt, so wie die Nichteiustiinmung, der Widerspruch derselben dem Gefühle zuwider ist, ihm die nnaugeuehme Empfindung des Zweifels
und Unglaubens
erweckt.
Man kaun
hier 6ogleich bemerken, dafs hier nur von der sogenannten formalen
Wahrheit die Rede ist, denn so wie es au den Tö-
nen gewisse Eigenschaften siud, welche ihre Harmonie oder Disharmonie ausmachen , so sind es auch an den Vorstellungen nur Eigenschaften, also ihre Form,
nicht ihr Inhalt, iu
welchen ihre Wahrheit oder Unwahrheit, d. h. ihr Angenehmes oder Unangenehmes für den iunern Sinn, besteht.
Dafs jede
einzelne Wahrnehmung einen sehr hohen Grad der Ueberzeugung mit sich fuhrt, nnd dafs somit die Uebercinstimmung mit der Wirklichkeit, oder -wie man zu sageu pflegt, die materiale Wahrheit das höchste Kriterium für die Wahrheit (man Wirde besser sagen: für die Richtigkeit) einzelner
Vorstel-
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331 —
lungen ist, ist allerdings sehr wahr;
Aber erstlich ist dlefe
eine ganz verschiedene Art der Ueberzengnng, die ganz und gar nichts mit der wissenschaftlichen gemein hat, nud dnrch die wir nie zu einer Wissenschaft kommen künnteu, und sodann fängt man doch anch endlich an einzusehen, dafs diese sogenannte materiale Wahrheit nie nnd nimmer ein Kriterinm für allgemeine
Siitze, dergleichen doch die Wissenschaft ent-
halten soll and mnfs, abgeben kann.
Die Regeln des innern
Sinnes fiir die Vorstellungen sind daher allerdings lediglich formal,
dafs aber, nnd wie eine formale Wahrheit an nnd
fiir sich eine vollständige nnd vollkommue sejn
kann and
mnfs, und wie schon die Form der Vorstellungen allein das höchste Kriterium für Wahrheit oder Falschheit in der Wissenschaft abgeben kann , d. h. wie die Wahrheit unabhängig von allem Inhalte, einzig und allein in der Form bestehen kann, — das zu zeigen kann freilich hier noch der Ort nicht sejn, da es im Gegentheil das Geschäft der gauzcu Kritik der. theoretischen Vernunft sevn mufs. An dem Beispiele des iuaeru Sinnes können wir überdiefs recht klAr sehen, dafs es nicht die Verschiedenheit nud Mannigfaltigkeit ,
sondern nur die Uebereinstinimung
ist,
welche gefüllt, und dafs jene nur das negative Element des Angenehmen ist, welches nur zu dessen Erhöhuug und E r neuerung dient, wo dasselbe in zu grofsem Maafse vorhanden ist, und die Abwechselnng mit dem Unangenehmen (welches eben die Verschiedenheit, die Melodie ist) verlangt, um nicht seinen Reiz fiir das Gefühl zu verlieren.
Es wird nämlich die
Ueberzengung nnr durch Einstimmung, nie durch Verschiedenheit oder Widerstreit der Vorstellungen bewirkt, und alle Gesetze des inueru Simies für das Denkeu bezwecken immer nur Einstimmung, nie Verschiedenheit der Vorstellungen hervorzubringen.
Es sind ans der Nichtübereinstimmungen und Wi-
dersprüche zu viele in der Wirklichkeit gegeben, als dafs wir
— 332 — nach ihnen erat verlängern and auchen sollten; dagegen steht es, die Harmonie der Tön* hervorzubringen (nud so anch die der Phantasievorstellungen, wie wir weiterhin sehen werden), jeden Augenblick in unserer Gewalt, so da£s wir sie leicht im Uebermaalse haben können, und darauf bedacht sejn müssen, sie mit Unangenehmem abwechseln zn lassen; in deuBegriffeu haben wir geung zu thun, nur erst Harmonie hervorznbriugen, und wenu gleich eine Abwechselung in denselben uns in soferue angenehm sejn kann, dads sie uns von einer Listig werdenden Eintönigkeit derselben (welche aber keine logische Einstimmung ist) befreiet, so ist sie es doch nicht, welche das eigentliche Wohlgefallen des innern Sinues, Glauben oder Ueberzengnug, bewirkt. Was also zuerst die Gesetze für die iunere Ucbereinstimmung, und zwar für die bei gleichzeitigen
Vorstellungen
(wie oben für gleichzeitige T o n e ) betrifft, so ist bei den Begriffen die logische Einstimmung und der logische Widerspruch das, was bei den Tönen Consouanz nud Dissonanz hiefs, und die Reinheit der einzelnen Töne ist bei jenen die Widerspruchslosigkeit der einzelnen Begriffe, dafs dieselben keine einander widersprechende Merkmale
enthalten
dürfen.
Wo nun
die
Consonanz und Dissonuuz der Vorstellungen sich scheide, kann eben so wenig wie bei den Tonen ganz genau angegeben werden; vollkommen ronsonirend sind nur identische, und höchstens subordiiiirte, völlig dissonirend nur contradiktorische Begriffe, zwischen beiden Extremen liegen uun die, je nach ih,rer Stelluug nnd Verbindung bald mehr cousouirenden,
bald
mehr dissonirenden contrairen und subcoutraireu n. s. w. mitten inue.
Den vollkommensten Grad der Ueberzengung ge-
währen daher nur identische, d. h. ans vollkommen cousonirenden Vorstellungen bestehende Satze, uud nur aus solchen darf somit die wahre Wissenschaft oder Philosophie bestehen (wie die Kritik der Vernunft weiter lehren wird).
Aber so
— 333
-
wie vollkommne Consoaanzen dem Obre leer klingen, ao meint man anch, dais identische Sätze leer sind, d. h . sie gewahren keine Unterhaltung, was freilich sehr wahr ist, was man aber auch vernünftiger Weise von der Philosophie nicht TBPlangen sollte. — Jeder Widersprach erregt das unangenehme Gefühl des Zweifels, wclches allemal das Verlangen mit sich führt, dais derselbe, so wie jede Dissonanz, aufgelöset, gehoben werde, d. h. dafs an die Stelle der dissonirenden, widersprechenden Vorstellung eine andere consonirende trete. In Rücksicht ferner auf die Nacheiuanderfolge der Vorstellungen, würde es keinem Zweifel unterworfen seyn, dais nicht die beständige Anwesenheit oder Rückkehr einer und derselben übrigens mit sich selbst einstimmigen Vorstellung die vollkommenste Ueberzengnng bewirken sollte, wie dieis schon die öftere Rückkehr bewirkt, z. B. das öftere Vorkommen ähnlicher Fälle u. dergl.; gerade so wie das Obr beständig nur denselben Tou zu hören verlangt. So wie aber auch das Ohr dieis nicht ertrügt, so halt auch der innere Sinn nicht die beständige Eiuerleiheit ans, sondern verlangt nach Abwechselung nud Mannigfaltigkeit, nach Melodie der Vorstellungen, d. b. nach neuen, nubekanuten nngewöbulichen; dieis Streben drückt sich als Neugier, Wifsbegier, Lcrubegier u. s. W-, nnd wird wie alle Bestrebungen um so stärker, sobald der Gegenstand desselben ihm vorenthalten wird ( als Geheimn i s ; darin besteht der Reiz des Geheimnisvollen, des Fernen, Dunklen u. s. w.). Dasselbe Gefühl läfst uns das Wohlgefallen an gesellschaftlicher Unterhaltung, an Spielen n. s. w. finden; dagegen ist das unangenehme Gefühl des Mangels an Abwechselang, an Melodie der Vorstellungen — die Langeweile. So wie nun das Ohr an der Rückkehr desselben Tones, so findet der innere Sinn Wohlgefallen an der Wiederkehr ähnlicher und gleicher Vorstellungen, d. b. er glaubt leicht Vorstellungen, welche mit den gewöhnlichen übereinstim-
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334
—
men, und sträubt eich gegen ungewöhnliche, von allen bekannten yerschicdene.
Erzählt ans z. B. eiu Reisender YOB
frenfden Ländern Dinge, die wir aoch hier täglich sehen, etwa dafs dort die Bänme grüue Blätter haben, oder dafa es yierfüfsige Thiere, Vogel und Fische dort gebe u. dergl., so lallt es niemanden ein, daran zu zweifeln; will er uus aber glauben machen, dafs anderswo Thiere mit goldenen Kronen oder diainantnem Geweihe gefunden würden, dafs da der Himmel roth aussehe u. 8. w., so wird ihn jedermann der Erdichtungen bescluildigen, und ihm um so weniger ken, je mehr seine Erzählungen Vorstellungen liehen
Glauben
Vorstellungen
schen-
gewohnten
so wird im Gegentheil jede Erzäh-
entfernen,
lung um so mehr
Glauben,
sich von allen
findet,
je mehr sie mit
gewohn-
Diese Uebereiustiin-
übereinstimmt.
mnng (also Rückkehr bekannter Vorstellungen) ist bekanntlich das hauptsächlichste Kriterium der Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit in allen Urtheilen. Auf diesem selben Gefühle beruhet nun ferner alles fsen,
Schlie-
der Verstand wird durch dasselbe zum Schliefsen ge-
leitet, und zwar dadurch, dafs das Verlangen, stellungen
wiederkehren
lofst,
sobald
Theil
mit
übrigen
zu sehen,
ihm Vorstellungen andern
Theüe
hinzuzudenken.
als
bekannten
den
ähnliche
sich darbieten, übereinstimmen,
übereinstimmend
aus
Vor-
Verstand
eigenen
verandie
zum
auch
die
Mitteln
Hat mau daher zwei Begebeuheiien mehre-
remale auf einander folgen sehen, so wird beim nächsten Male wo man die erste derselben wieder wahrnimmt, das Verlangen oder die Erwartung da sevn, auch die gen ähnliche Folge derselben wiederkehren zu sehen.
( S o verlangt oder erwartet
das Ohr, wenn es gerade in einer Tonart sich befindet, nach jeder Veränderung denselben Ton zurückkehren zu hören.) Diefs ist die Erwartung
ähnlicher
Fälle,
aus welcher alle
Schlüsse der Analogie (nnd es giebt keine andere Schlüsse)
— 335 — entspringen. Je hiinfiger nao die gleichniAfsige Folge von ans bemerkt ist, desto starker wird das Verlangen, desto gewisser die Erwartung der Rückkehr werden, bis sie endlich zn dem höchsten Grade, nämlich zn der Erwartung der unausbleiblichen, notwendigen Folge steigt. "Wir sehen hierin das Gefühl oder den Instinkt, ans welchem sehr richtig Harne den Ursprung des Begriffes NothwendigJceit, nnd die hypothetischen Schlüsse ableitete. Das Verlangen nach der Rückkehr derselben Vorstellungen spricht sich in seinem weitesten Umfange dahin ans, dafs es dasjenige nnter den Vorstellungen zu verwirklichen strebt, was bei den Tönen die Tonart ist, nämlich ein System. Das Ideal desselben (i h. die Vorstellung Ton demselben, wie es sejn müfste, nm vollkommen das Gefühl zn befriedigen) ist: die Rückkehr eines und destelben Begriffes oder Grundsatzes in allen möglichen Begriffen und Grundsätzen im ganzen Umfange der menschlichen Vorstellungen, einer vollkominnen Harmonie aller Begriffe nnd Grundsätze (so wie Tonart die Rückkehr eines nnd desselben Tones oder Akkordes ist.). Wie non diese Idee des Systems mit der der objektiven Wahrheit ganz identisch ist, und die Aufgabe des Gefühls, objektive Wahrheit zn suchen, nichts anderes enthalt, als die, ein vollkommnes System zn bilden, wird in der Kritik der theoretischen Vernnnft seine Erörterung finden, nnd gehört noch sieht für nnsern jetzigen Standpunkt. — In der Forderang eines Systems ist zngleich die der Consequenz, des Sichgleichbleibens nnd der Harmonie der Begriffe in der Zeit, enthalten; denn die Begriffe sind eben über die Zeit erhaben, und zn jeder Zeit alle im Geiste vorhanden, nnd eine Aenderung der Ansichten oder ein Widerspruch zu einer Zeit geschehen, widerspricht eben den Ansichten aller Zeiten. Von einem Uebergehen in verschiedene Systeme oder Ansichten (wie bei den Tönen in verschiedene Tonarten) darf daher
— 336 — die Rede nicht Bern, wenn beide den innern Sinn befriedigen, d. h. beide für wahr gelten sollen; für die Begriffe darf es nur Eine Harmonie geben, nnd der Geist zu keiner Zeit sich selbst widersprechen.
(Bei dem Gehöre darf wohl ein Wech-
sel der Harmonie Statt finden, weil das Ohr ein kurzes Gedächtnifs hat, so dafs eine nur vor einer Stunde gehörte Harmonie uus nicht in dem Genüsse einer gegenwärtigen, wenn auch ganz fremden sturen k a n n . ) W a s zuletzt noch von einer scheiubaren Identität, einem Zusammenhange der auf einander folgenden Akkorde gesagt ist, findet gleichmafsig auch auf die Vorstellungen seine Anwendung.
Die Gesetze dieses Zusammenhanges sind hier die
Gesetze der Ideeenassociation und der logischen Gedankenverbindung, so wie die Forderung der Logik, dafs in jeder Vorstellung etwas mit einer jeden andern Aehnliches, also ein Zusammenhang mit ihr, aufzufinden sejn müsse.
Die letztere
Forderung hängt auf das Genaueste mit der eines Systemes zusammen, indem sie nur die Vereinigung beider unter einem hohem Begriff, oder das Wiederfinden dieses einen höhern in beiden beabsichtigt
(welches, auf den ganzen Uuifang der
Vorstellungen ausgedehnt, das System- i s t ) ; wie viel aber diefs zur Hervorbringung und Befestigung der Ueberzeuguug beiträgt, werden wir späterhin sehen. — E s fiudet sich endlich auch in den Vorstellungen das, was in der Musik die Einführung und Auflösung der Dissonanzen ist;
paradoxe und
von den gewöhnlichen Vorstellungen abweichende Sätze z. B. 6ind wie harmoniefremde Töne, uud werden dadurch vorbereitet und eingeführt, dafs mau durch ähnliche Sätze, die auch die gewöhnliche Vorstellung hat, sie dem Verständnisse, dem Glauben näher bringt
(dais man das dissonirende Intervall
als Consonanz vorher hören läfst).
So werden widersprechend
scheinende Fakta nnd die sie begleitenden Zweifel aufgelöset, wenn man an ihre Stelle nicht widersprechende setzt, d. h. wenu
— 337
—
wenn man, nm den Widerspruch zn beben, oder zn erklären, das'widersprechendc Faktum verändert, als anders geschehen annimmt, als wie es erzählt wird (statt der Dissonanz eine Consonanz an die Stelle s e t z t ) ; alter die Auflösung mufs natürlich seyn (die nächste
Consonanz, vergl. oben), d. h. es
darf an der Erzählung der Thatsache nur wenig geändert werden ; je weniger von ihr abgenommen, oder zn ihr hinzugesetzt werden darf, um den Widerspruch zu heben, desto angenehmer wird die Auflösung seyn, d. h. desto mehr Glauben iindeu. Die änfserlichc Gleichheit der Vorstellungen endlich (die bei den Tönen den Rhythmus gab) wird gleichfalls von dem iuueru Sinne gefordert, eine Regelmäfsigkeit in der Art ihrer Behandlung, welche Methode
heifst, die aber hier nicht, wie
bei den Töuen, mit der inueru Ucbereiustiminung in zufälliger Verbindung- steht, soudern mit dem Systeme wesentlich vereinigt, und nothwendig von demselben bedingt ist. Es mufs für jetzt genügend seyn, diese wenigen Andeutungen und Skizzen hier gegeben zn haben (deren weitere Ausführung einen uneudlich gröfsern Umfang erfordern würde, und die daher hier fast ganz unzusammenhängend und zufällig erscheinen müssen), um die Ansicht zu begründen, dafs die Gesetze, welche dem eiuen Sinne eigen sind, auch den übrigen angehören müssen, und dais die Gesetze der Wahrheit mit denen der Harmonie identisch sind.
Versuchen wir
jetzt auch noch bei den übrigen Sinnen die Spuren analoger Gesetze auzudeuten, so viel sich diefs in einigen Worten thun lufst. Bei dem moralischen
Sinne erstlich finden wir eine sol-
che Harmonie als das Angenehme desselben, er verlangt nach einer Glwchmiifsigkeit oder Uebereiustimmiiiig der Handlungen zu Einem Ziele, Einem Zwecke, nach einem Sichgleichbleiben alles Strebens. Schmidt Ideen.
Das ist das erste Gesetz fiir alles Handeln, I. Bd.
2 2
— 338 — welche« jeder in sidi fühlt, und welches bei allen übrigen Moralgesetzen immer schon vorausgesetzt wird, die Forderung, überhaupt ein Feslos zn haben,
in dein alle Bestrebungen
übereinstimmen müssen, der Grundsatz, unr überhaupt Grundsätze haben zn wollen, Dach allgemeinen und gleichmafsigen Regeln zn handeln. formale
Diefs ist zagleich der einzige wahrhaft
Grundsatz, lind gehört allein dorn moralischen Sinne
als solchem an, dagegen alle andere mehr material sind, und Ton den Forderungen anderer Sinne entnommen, wie z. B. der der Allgemcingnltigkfit von dem Ehrgefühle (vergl. den dritten Abschnitt), der des sympathetischen Gefühls von dem Gefnhle für Recht n. s. w.
Die diesem Gesetze entsprechende
Tugend ist die Harmonie der praktischen Vernunft mit sich selbst * ) , oder die Weisheit,
Charakterfestigkeit
daditreh erworbene Würde, das ¿uoioyovtuvug Semper
idem
T f j (pvou
t'eile der
Stoiker
(nur
nicht
wie bei den spätem Stoikern).
lind die
Li/V, oder das öfiokoyov/Atvios
Das Gesetz der
Harmonie für die Handlungen enthalt aber anfser der Forderung der Uebereinstiminung ZH dem Einen allgemeinen Zwecke, noch besonders die der UehereiiistinHimng mit dem jedesmaligen einzelnen Zwecke, nud diefs ist das Wohlgefallen an der Zweckmäßigkeit Handlung **).
oder Nützlichkeit
eines Dinges oder einer
Man vermische aber ja nicht diefs Wohlge-
fallen , welches dns Nützliche an und dnreh sich selbst erweckt, mit dem, meistens weit grofsern, was es eben durch •)
E s ist eine Definition der Tugend, fast so alt als die P h i losophie selbst, u n d i m m e r wiederkehrend, d s f s sie die H a r m o n i e des W i l l e n s «ey; das ist einzig in dem angegebenen einfachsten S i n n e zu verstehen.
**)
D a f s u n t e r dem Guten nichts von dem
wesentlich verschiedenes, l e h r e n , welche gut
Zwerkmäfsigen
kann u n s anch t . B . die S p r a c h e
als mit zweckmäßig
gleichbedeutend ge-
b r a u c h t ; das sogenannte absolut G a t e ist n a r d a s , was eben
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339 —
den Zweck erhält, zn dem es nützlich ist, denn
gewöhnlich
gefiillt es nnr tun des Angenehmen willeil, zn dessen Erreichung es dieut; data aher diefs nicht der einzige Grund des Wohlgefallens an demselben
ist, w ie man meistenteils an-
nimmt, scheu wir daran, dats wir oft die Klugheit lind schlau berechnete Zweckmafsigkeit schlechter Handlungen bewundern können, wo Mir doch den Zweck derselben selbst verabscheuen müssen. — Hierher gehört ferner das Wohlgefallen am kommnen,
Voll-
d. h. an dein, was mit seiner Bestimmung, d. i.
mit seinem Zwecke, übereinstimmt; perlichen nnd geistigen Vorzügen,
ferner das au allen körinsoferne dieselben als Mit-
tel zu dem Einen höchsten Zwecke des Menschen vorgestellt werden. — AVir bemerken aber auch ferner eine ¿¿ufserliche Gleichmafsigkeit der Handlungen
als
Wohlgefallens für den praktischen
iiinern Sinn;
den
Gegenstand
des
es verlangt
derselbe iu allem Thun nach ciueiu Rhythmus, nach einer gewissen Regelmafsigkeit, Ordnung,
u.s.w.
Dar-
auf beruhet auch das Wohlgefallen au der Gewohnheit,
die-
sem einem der grüfstcu Hebel in
Methode
allen Bestimmungen des
menschlichen Thuns, die Liebe zu dem Gewohnten,
die An-
hänglichkeit an das Alte, durch welche uns 6elbst das Unangenehmste scheinbar angenehm werden kann.
Diese »ufser-
liche Gleichheit 111 der Handlungsweise kann aber auch wiederum Gegenstand des Ueberdrusses werden (nie die inuerliche Harmonie), «elcher das Alltagliche, Triviale,
Gemeine,
den Schlendrian 11. s. w. verhafst macht, und sodann nach Abwechselung oder Melodie des Thuns trachten lalst; das Wohlgefallen an allem Wechsel ( v a r i a t i o delectat),
daher au
zu dem höchsten Zwecke dienlich i s t , wobei sich das ange. fügte „ W o z u ? " von selbst versteht, aber nicht ganz fehlt. Heifst doch auch Tugend nichts anderes als taugend-zweckmäfsig.
22 *
-
340
allem Nene», Unerhörten, daher iler Thiitigkeitstrieb , überhaupt das Wohlgefallen an aller Thiitigkeit uud Bescli;tflijrmijj: des Willens (die freilich in
anderer
Hinsicht
wieder sehr
unangenehm seyu kann, denn auch durch allen Schmerz wird die Willensthatigkeit angeregt, die aber an sich stets angenehm i s t ) , ferner der Thatendurst,
das Anzieheilde der Ge-
iahren n. s. w. So Schöne,
wie
das Walire nnd Gute,
so
besteht auch
der Gegenstand des ästhetischen
Harmonie und zwar in
Sinnes
das
in einer
der der Phantasievorstellungen.
Das
erste nnd weiteste Gesetz derselben, so wie es sich über das ganze Gebiet der Phantasie erstreckt, ist dasselbe, was bei den Vorstellungen des Verstandes war, dafs nimilich der ganze Kreis der Phantasievorstellungen gendes System,
ein einziges zusammenhän-
Eine Weltanschauung
natürlich nicht anders möglich,
ausmache.
Diefs ist
als dafs die Phantasie allge-
meine und immer allgemeinere Vorstellungen enthalt, welche das System ausmachen, mit andern Worten , ausdrückt;
dafs sie
Ideen
da aber die Eigenthüiiilichkeit der Phantasie
eben
darin besteht, nur Eiuzclvorstellungeii oder Bilder zu enthalten, so kann sie je:ier Forderung nur so genügen, dafs sie die Ideen unter Bildern
darstellt, so dafs diese Einzei>oi-
tstrllungen den Rang von Symbolen, Allegorieen u. s. w . , die Ideen den der Bedeutung,
des Sinnes derselben erhalten.
ist das Schone allerdings der Ausdruck oder die der Wahrheit
So
Erscheinung
(der Ideen). — Aber es müssen die Einzcl-
vorstellungen auch als solche unter sich hnrmoiiircn,
nichts
einander widersprechendes haben, sie müssen nicht blofs W a h r heit ausdrücken, sondern auch seihst Wahrheit haben;
diefs
ist das Princip der Wahrscheinlichkeit
wozu
2. B .
für die Kunst,
die sogenannte innere Wahrheit der Charaktere,
die
Treue derselben, die psychologische Richtigkeit u. s. w.
ge-
hören, welche die hauptsächlichsten Kriterien aller ästhetischen
Urtkeile abgeben.
341
-
Mit einem andern Aiisdrncke ueunl mau
diese Wahrscheinlichkeit auch die Naturgemäfaheit, aber himmelweit von der Naturnachahmung
welchc
iin eigentlichen
Sinne entfernt ist; denu die Phantasie ist eben mir produktiv, und enthalt nur eigene, selbslgeschafleue Gebilde; und Landschaftsmalerei gehören daher, sie mögen
Porträt technische
Kunstfertigkeit noch so \iel erfordern, nie zur schönen Kunst; i'.ls wenn auch der
Abschreiber ein Schriftsteller wäre! —
Insoferue indessen die Phantasie den Stoff ihrer Gebilde nur aus der Wirklichkeit nehmen kann, konnte mf»n auch ihre Naturgemiifsheit eine Naturnachahmung nennen, die man dann nur nicht im strengen Sinne des Wortes verstehen durfte.
In
Rucksicht auf diese Naturgeinufsheit oder Wahrscheinlichkeit tritt aber hier mit ganzem Gewichte das Princip der Melodie ein, dafs nämlich die Kunst nicht das Alltägliche, Gewöhnliche und Gemeine darstellen solle ( welches freilich immer das Wahrscheinlichste
ist),
sondern
dafs
ihre Naturgemii£sheit
durch scheinbare Nalurwickigkeit, ihro Wahrscheinlichkeit durch Uiiwahrscheiiilichkeitcn gewürzt dafs selbst
uud erhöhet seju solle; ao
die unglaublichsten Erdichtungen der Miihrchen
nicht direkt gegen die Forderungen der Harmonie streiten. Man kann bemerken, dafc in dem Vorwiegen dieses Princips der Melodie in der Kunst der hauptsächlichste Charakter der romantischen
Kunst besteht, die sich von der
klassischen
dadurch, gerade so wie der freie S t j l in der Musik von dein strängen, unterscheidet. — Ein drittes Hauptgesetz des ästhetischen Siunes beruhet gleichfalls auf der Harmonie der Vorstellungen, und bestellt, wie bei den Toueii und in der Logik, iu der Forderung ei«es Zusammenhanges, wendigen Einheit
des Gegenstandes.
einer n o t -
(Die Einheiten derZeit
und des Ortes im Drama sind dagegen nur sehr unwesentliche iNebcnbestitumungPu dieser Eiuheit.)
Es sollen, heifst das
Gesetz, alle Vorstellungen, die ein Kunstwerk enthalt, iu ei-
— 342 — ner notwendigen Beziehung auf Einen Mittelpunkt, uud dadurch
in einem
wesentlichen Zusammenhange stehen.
Die
Vollkolumne Erfüllung dieses Gesetzes würde ohne Zweifel unerträgliche Steifheit der Darstellung zur Folge haben, und das Princip der Melodie (w elches auch hierbei ain stärksten in der romantischen Kunst hervortritt) gestattet daher die mannigfachsten Uebertretungen desselben, indem es auf der einen Seite ein gewisses Zuviel, (Arabesken,
Episoden
und Abschweifungen
wie man sie bei einem unserer bekanntesten
Dichter genannt h a t ) , auf der andern Seite ein
Zuivenig,
eine lockere Verbindung, einen anziehenden und „ ahnungsvollen Uiizusammcnhaug'' erlaubt. Betrachten wir min auch noch die übrigen Sinne, um zu 6ehcu, ob sich auch iu ihnen gleiche Gesetze für das Angenehme und Unangenehme linden,
so stufst uns zuerst das
Gesicht anf, bei dem man, wie jedem bekannt ist, schon langst die Gesetze für die Harmonie der Farben, nach denen man Farbeuklavierc u. s. w. hat bilden wollen, entdeckt hat. Starker aber noch zeigen sich bei demselben die Forderungen der änfseru Gleichmäfsigkeit, der Regelmafsigkeit
der Figuren.
Denn die Gestalten sind für die Farben, was für die Töne der Rhythmus ist, so wie die Raumverhaltnisse dasselbe dem Auge sind, was die Zeitverhaltnisse für das Ohr.
So hat das
Auge Wohlgefallen au aller Gleichmiifsigkeit der Figuren und ihrer- Theile, an Regelm.ifsigkeit uud Symmetrie ; dahin gehört z. B. die bekannte Forderung für alle Gestalten, welche genan dem Parallelismns, den das Ohr allenthalben entspricht (namentlich für die Baukuust),
verlangt,
dafs alle in zwei
gleiche Hälften zerfallen müssen, und alles was nicht doppelt in denselben vorhanden ist, gerade auf die Mittellinie kommen müsse; es macht auch z. B. niemand gern die Fenster eines Hanses
von
verschiedener Grofse, niemand Stacketen oder
Dänine einer Allee in ungleichen Zwischenräumen, so gefallt
— 348 — ferner der rechte Winke), wegen der Gleichheit der dabei geschehenes Tkeilang, es bauet z. B. ukinaiid anders als im Nothfalle Häuser oder Meubel« u. dergl. in schiefes Wiakeln; 60 gefallt auch die gerade Linie, wegen der Uebereiustimmong ihrer Tbeile in der Richtung,
denn warum mifefallen sonst
kramme Strafeeu, Alleen u. dergL? — Nun ist aber auch hierbei nicht zu vergessen, dafe all zn grofee Regelmäßigkeit und Symmetrie leicht ermüdet, und daher Abwechselung
an-
genehm wird; aber iu aller Abwechselung und Mannigfaltigkeit verlangt doch das Auge Regel und Ordnung stets wiederkehren zu sehen, und findet nur um so mehr
Vergnügen
an derselben, je mehr sie durch Abwechselung scheinbar g e stört oder aufgehoben wurde;
diefs giebt z. ü . den vielfach
verscblungeuen Formen der gothisebeu Baukunst den Vorzug vor den einfachen antiken (deuu die aiifserq Formen der Baukiiitet geboren als solche nicht der ästhetischen, sondern nur der sinnlichen Schönheit derselben a u , eben so wie ein guter Versbau
an
einem Gedichte uirht
sondern dem Ohre gefallt).
Die
dem
ästhetischen
Siune,
beständige Gleichheit
der
geraden Linie z. B. wird langweilig, und die krumme Lima angenehm durch ihre Abweichung davon, aber iu dieser verlaugeu wir eben wieder die Gleichheit der Abweichung, gleichinafsige Abbiegung, und daher gefalleu z. B. alle Kreisfiguren, die der Kegelschnitte, und die Wellenlinie oder sogenannte Schonheilslinic u. s. w. Bei den übrigen aiifseru Sinnen möchte es nun freilich wohl schwer halten, das Angenehme nud Unangenehme iu einer Harmonie oder Melodie zu suchen, und man möchte nur sehr gezwungen das Sufse als eiue Harmonie, das Bittre als Disharmonie erklären können * ) ; aber es könuteu auch diese
• ) Aach ist nicht eben statthaft, wegen einer solchen Erklärung noch erst an die Entdeckungen der Zukunft so ver-
— 344 — Sinne vielleicht ausgenommen seyn, indem sie zu sehr thierisch sind, und ihr Angenehmes und Unangenehmes
nur durch die
unmittelbare Berührung, Erhaltnug oder Zerstöruug der perlichen Organe hervorgebracht wird; sächlich um
die
Gesetze
KenntniCs zu thun s e j n .
kör-
auch muís uns haupt-
der geistigern
Sinne,
und deren
Nur in dem Sinne des Gefühls oder
Getastes finden wir Spuren von ähnlichen Gesetzen, iudem es 2. B . an rhythmischen Bewegungen, am T a n z e n , am taktmiiisigen Gehen n. dergl. Wohlgefallen
findet;
auch dürfen wir
wohl nicht mit Unrecht, iudein wir auch durch das Getast F i guren unterscheiden, die Gesetze für die Regelm.ifsigkeit die6er, zugleich sowohl diesem Sinne, als den Augen zuschreiben. Auf gleiche Weise
wagen
wir
religiösen Sinn ähnliche Gesetze
es auch nicht, für den
aufstellen zu wollen, indem
wir uns nicht schämen zu gestehen, dafs wir in dieser Hinsieht das
Wesen
seines
Gegenstandes
nicht keimen«
Man
könnte zwar au die Redensarten criiinorn, die man freilich oft genug hören mufs, dafs die Gottheit uud die Weltordiuing die höchste Schönheit, die höchste Harmonie scy, wir wageu aber nicht, aus derlei Metaphern,
bei denen man überhaupt herz-
lich wenig denkt, irgend eine Bestätigung
unserer Ausichteu
hernehmen zu wollen.
S
o
h
1
u
f
s.
Indem wir nun mit diesen Bemerkungen über das A n g e nehme und Unangenehme den ersten Theil unserer britischen weiseo, wie ei i , B. M e n d e l i t o h n thut, philo«, Schriften Bd. II. S. 2».
-
315 —
Untersuchungen, nämlich die Betrachfang des Gefühles hn AHgemeinen, beschliefsen, nnd die weitaussehenden Folgeningen derselben für die Kritik der theoretischen und praktischen Vernunft verschieben, — konneu wir doch nicht mnhin, noch zum Schlüsse einige Blicke auf nnsere bisherigen Resultate znriickwerfen zu lassen, insofern dieselben nämlich mit deu iu der Einleitung angegebenen Gesichtspunkten in Verbindung stehen, nnd dasjenige bestätigen oder nicht bestätigen, was wir in denselben als das mögliche und zu hoiTcnde Ergebuifs derUntersnehnngen über das Gefühl bemerklich zu machen suchten. Zu diesen gchoiTten Resultateil gehörte zuerst, dafs wir die Bestimmung über das, was die Vernunft sey, ron der Betrachtung des Gefühls zu erhalten erwarteten;
und wir haben
nur die dort angegebenen Umstünde, welche die Gründe dieser Erwartung wurdon, mit dem bisher Ausgemachten zu vergleichen, nm zu bemerken, dafs wir uns nicht getauscht haben, sondern das, was die Sprache mit dem Worte Vernunft
be-
zeichnet, in dem durch deu innern Sinn angeregten Gefühle ftir Wahrheit, Tugend und Schönheit gefunden haben. Erinnern wir uns zuerst, dafs die Prudiknte oder vernunftgemäfs
und unvernünftig
oder
vernünftig
vernunftwidrig
nur zweien Klassen von Gegenständen, nämlich Vorstellungen und Handlungen beigelegt werden, gleichbedeutend mit wahr oder zweckmäfsig
und dafs sie bei jenen
nnd unwahr,
nnd schlecht
bei diesen mit
oder zweckwidrig
gut
sind, so
überzeugt uns diefs wenigstens davon, dafs beide, sowohl Vernunft als auch der innere Sinn für Wahrheit und Tngend eine und dieselbe Sphäre von Gegenständen haben, denen sie ihre Gesetze vorschreiben.
Das Schone pflegt weniger nnter dem
Begriffe des Vernünftigen befafst zu werden; wenn aber doch, wie meistenteils geschieht, die Idee der Schönheit als Eigenthnra der Vernunft angesehen wird, so würde anch die ästhetische Seite des innern Sinnes einen gleichen Kreis von Ge-
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346
-
genstäaden mit der Vernunft befassen, nnd so der ganze Umfang der Objekte des inneru Sinnes, nach allen seinen drei Seiten, mit dem der Objekte der Vernunft identisch sejn. Dessenungeachtet liefee sich aber wohl denken, d a b dennoch Vernunft und innerer Sinn n6ch verschieden wären, und beide, jene als ein Vermögen des Denkens, dieser als eines des Fuhlens, zugleich aber von verschiedenen Seiten, für ihre gemeinschaftlichen Gegenstände dieselben Gesetze gaben, der innere Siuu durch das Gefühl, die Vernunft durch die Vorstellungen des Gilten, Wahren und Schonen.
Dagegen strei-
tet aber erstlich, dafs die Vernunft nirgends als ein Vermögen des Denkens oder Vorstellens bezeichnet wird, ferner, dafs dadurch eine Vervielfältigung der Erklariingsprincipien gestattet wird, die sich vermeiden Heise, hauptsächlich aber, dafs die Kriterien des Wahren u. s. w. als der Vernunft ursprünglich eigentümlich und angeboren bezeichnet werden (wie sie denn auch nicht anders seyn können),
Vorstellungen aber
nicht als augeboren angenommen werden dürfen, das Dasevn solcher apriorischen Kriterien nicht blofs ans dem Gefühle sehr gut sich erklären lafst, sondern auch allein daher, wie Mir gescheu haben, eiklart werden darf.
Dafs nämlich Kriterien
zu Urtheilen uber Walircs, Schönes uud Gutes so wie überhaupt über etwas, Mas seyn soll (lind dazu gehören doch diese drei Klassen ^on Gegenständen), nicht durch die E r fahrung erworben seyn können, bedarf kaum der Erinnerung; ursprünglich also müssen sie seyn, wie jedem einleuchtet, und nur, auf welche Weise sie ursprüuglich da sind, ist streitig. Dafs sie als wirkliche Vorstellungen im Gemüthe vorhanden seyen, hat, wie wir schou in der Einleitung sahen, der R a tionalismus uie zu behaupten gewagt; dafs sie aber als dunkle Vorstellungen da wären, vou denen wir nnr nichts wüisteii, und die bei gegebener Gelegenheit ins BewuUstseyn träten, — diefs anzunehmen würde eine Hypothese seyu, die freilich,
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347 —
wenn gar kein anderer Ausweg hh'ebe, wohl gestattet werde* konnte, aber dessenungeachtet immer nnr Hypothese bleiben würde, weil eben Erklärungen ans dem, wovon wir nichts wissen können, nie durch nnser Wissen bestätigt werden können.
Dagegen ist die Erkliurnng des Ursprungs der Begriffe
gut,
wahr u. s. w. aus dem Gefühle der Lust und Unlust
die leichteste, ungezwnngenste und natürlichste YOU der Welt, nnd hat alle Zeugnisse der Erfahrung für sich, wie sich nns diefs durchgeheuds bestätigt hat; — aber auch, dafe dieser Ursprnng nicht blofs aus dem Gefühle erklärt werden sondern dafs er es anch mufs,
kann,
dafs selbst die Erklärung aus
angebornen Begriffen auf die offenbarsten Ungereimtheiten führt, hat sich uns im vierten Abschnitte der vorstehenden Untersuchungen ergeben.
Daraus folgt, dais die Vernunft, soferne
sie überhaupt dasjenige Vermögen seyn soll, welches die erwähnten Kriterien euthult, kein anderes der innere Sinn,
seyn kann,
als eben
oder das durch denselben angeregte Gefühl
des Wabren, Schönen und Guten. Dafs und wie nun hierbei zugleich die Vernunft das Vermögen der Ideen seyn könne, da doch unliiugbar die Ideen Vorstelluugen sind, war uns grofstentbeils schon bei der ersten Erwähnung der Ansicht, dafs die Vernunft ein Gefühl s e j r klar geworden.
Die Idee eines Gegenstandes ist die Vorstel-
lung desselben, wie er seyn soll;
alles Sollen aber bestimmt,
wie wir iin fünften Abschnitte sahen,
einzig und allein das
Gefühl, ein jeder Gegenstand soll so seyn, wie er dem Gefühle vollkommen wohlgefällt.
So leitet das Gefühl das Vor-
stcllungsvermögen a n , nur die angenehmen Eigenschaften des Gegenstandes herausznheben und zusammenzufassen, die unangenehmen wegzulassen oder durch angenehme zu ergänzen; es ist somit alles Gefühl freilich nicht das Vermögen,
die
ldeeen zu denken, aber wohl dasjenige, was die Vorstellung Anleitet, sie zu bilden.
Seil nun also die Vernunft das Ver-
Xlfi mögen der Ideen des Goten, Schönen nnd W a h r e n s e j n ,
so
kann 6ie diefs sehr wohl, ohne mehr seyn zu brauchen,
als
das Gefühl f ü r diese Gegenstände;
nur dais 6ie nicht
selbst
diese Ideen denkt, sondern den Verstand veranlafst, eine vollkommen Mahre Erkeuutuifs, eine völlig gute Handlungsweise u. s. w. vorznstellen. E s findet nun auch noch endlich
derjenige letzte Zweifei
gegen die Annahme, dafs die Vernunft eiu Gefühl se_v, Erledigung, den v i r oben ( i n der Einleitung)
seine
noch ungclöset
lassen inufsten, der nämlich, welcher aus der Bemerkung ents p r a n g , dafs die Vernunft nach dem einhelligen
Sprachge-
brauche f ü r das Vermögen des Schliefsens g i l t , dieses aber doch ohnstreitig eine
Thatigkcit
des Vorstellcns
ist.
Denn
wir dürfen hier nur au das erinnern, was wir ¡in letzten A b schnitte von der Natur des AVahrheitsgefiihles gesagt
haben,
und wie durch dasselbe alles Schliefsen veranlafst uud bedingt w i r d , um allen möglichen
ANiderspruch zu beseitigen.
zeigten nämlich, wie das Wahrheitsgefühl,
AVir
indem es eben an
der Gleichheit der Vorstellungen, und au der Rückkehr
ahn-
licher Gefalleil findet, dadurch das Vorstellen veranlafst, selbst die
gewohnten Verbindungen der Vorstellungen zuriiekzufük •
r e n ; welches Geschäft, wie wir sahen, eben nichts auderes als das Schlicfsen selbst ist, welches somit von dem Gefühle freilich nicht vollzogen, aber doch veranlafst uud geleitet W i r d daher von jemand,
wird.
der sich die Hand verbrannte,
or sie ius F e u e r steckte, g e s a g t :
weil
die gesunde Vernunft hatte
ihm sagen können, dafs er sich verbrennen w ü r d e ; so das so viel a l s : das Wahrheitsgefühl, welches die
heifst
gewohnte
Verbindung der Vorstellungen zurückführt, hatte ihm bei der Vorstellung, dafs er die Iland ius F e u e r 6teckte, auch die g e wöhnlich damit verbundene, dafs er sich verbrennen zurückfiihrcn m ü s s e n ; — und es kann
werde,
auf diese Weise sehr
wohl die Vernunft als Gefühl, uud zwar naher die eine Seite
-
349 —
derselben, das Wahrheitsgefübl, das Vermögen zn schliefsen genannt werden,
-wenn gleich allerdings das Geschäft des
Schliefsens, die Verbiudimg der Vorstellungen selbst, nicht von dem Gefühle sondern Ton dem Verstände vollzogen wird. Nach Obigem wird es uns nnn anch leicht werden, einzusehen, inwiefern uns unsere bisherigeil Resultate Aufschlufs über einen zweiten Punkt gelten, den wir durch die Untersuchung des Gefühls aufgehellt zu sehen hofften, nämlich über die in dem menschlichen Geiste enthaltene Aufgabe, eine objektive Wahrheit zu suchen, und über das Vermögen Geistes, in welchem dieselbe zu sucheil sej.
des
Da mufe uns
denn sogleich auf deu ersten Blick bemerkbar werdeu, dafs diese Aufgabe eben Wahrheit,
nichts
w citer sey,
als die
Idee der
welche, wie wir diesen Augenblick saheu,
der
Ausdruck und die Forderuug des Wahrheitsgefühles, d. h. der theoretischen Seite des iiuiern Sinnes, init andern Worten, der theoretischen Vernunft ist.
Die theoretische Vernunft selbst ist
es, welche an der Harmonie der Erkenntnisse das Wohlgefallen empfindet, welches die Sprache Glauben oder
Ueberzeu-
gurtg nennt, und sie ist es, welche daraus die Idee der Wahrheit, d. Ii. einer Erkenntnifs, welche den höchsten Grad dieses Wohlgefallens, das Wissen,
mit sich führt, zu bilden die
Veranlassung giebt, und diese Idee als Aufgabe für das Erkeuutnifsvermogen hinstellt.
Wir haben also allerdings im
Gefühle diese Aufgabe des Wissenstriebes, objektive Wahrheit zu suchen, aufzufinden, und zwar in dem Wahrheitsgefi'ihle, d. h. in der theoretischen Vernunft, und müssen aus der Natur dieser, und ans der Art und Weise dessen, was derselben angenehm ist, die Natur der Losung jener Aufgabe zu erkennen suchen.
Dafs
und wie nun diese Lösung durch voll-
koinmne Harmonie der Erkenntnisse vollbracht werden könne, indem hierauf das Wohlgefallen des innerh Sinnes, der Glaube, beruhet, haben wir im letzten Abschnitte nur angedeutet, und
-
350 —
werden es in dem ganzen zweiten Thcile unserer Kritik auszuführen haben, welcher daher auch mit Recht eine Kritik der theoretischen Vernunft, d. h. desjenigen Gefühls, welches die Aufgabe für das Erkennen enthalt, genannt wird. Endlich haben wir noch einige Worte hinzuzufügen, um anzndenten, inwiefern .ins die Theorie des Gefühls Auskauft über die Natur der sogeuannten angebornen "Wahrheiten gegeben habe (wie wir diefe, der Einleitung zu Folge, erwarteten ) , obgleich dieser Gegenstand nicht iin nächsten Zusammenhange mit den eben beriihrteu Funkten stehet, sondern -vielmehr in die Kritik der theoretischen Vernunft seihst gehört, welcher wir jedoch dadurch in etwas Torarbeiten können, dafs wir eine kurze Uebersicht der diesen Punkt betreffenden bisherigen Resultate geben.
Uehersehcn wir also die
oben *) gemachte Aufzahlung derjenigen Gegenstände, welche für angeboren zu gelten pflegen, so werden wir leicht bestimmen können, welche davon durch die Bestimmungen des Geiiihles erklärt werden, indem alle diese, wie uns der vierte Abschnitt zeigte, notwendigerweise apriorisch seyn müssen, und der Mensch die Disposition, von diesen oder jenen Gegenständen angenehm
oder
unangenehm
erregt zu werden,
nicht erst von aufsen her sich aneignen kann.
Auf diese
Weise werden durch das Gefühl erklärt: 1 ) die Regeln Logik,
die Sätze
der Identität
und
des
der
Widerspruchsj
wir fanden sie als die Anlagen des iunern Sinnes für Wahrheit oder der theoretischen Vernunft, an der harmonischen Beschaffenheit der Erkenntnisse (Einstimmung, Identität), Wohlgefallen d. h. Ueberzcugung zu empfinden, von widersprechenden Vorstellungen unangenehm erregt zu werdeu; — 2 ) es erklären sich ferner sehr leicht alle angeborue Triebe,
in-
dem jedes Gefühl (nach dem fünften Abschnitte) ein Streben •)
Vorbereitungen Abtheil. I I .
— 351 erregt,
jeder Klasse
-
von Empfindungen also ein analoger
Trieb entsprechen mnfs;
in der angebornen Disposition des
Gefühls ist somit zngleich die angeborne Anlage zn jedem Triebe gegeben; — 3 ) der Ursprung der praktischen sätze,
der Begriffe Tom Rechten
und Guten
Grund-
mnfs hiernach
sehr begreiflich sevn: es hat einestheils der moralische Sinn die Disposition an der harmonischen Beschaffeuheit der Handlungen, die wir demzufolge gut nennen, Wohlgefallen zu empfinden, nnd somit zu fordern, dafs solche Handlungen gewollt und ausgeführt werden, so wie andcrntheils das Mitgefühl, als Gefühl für Recht und Unrecht, noch besondere Bestimmungen
für dieselben hinzufügt, iusoferne sie auf das
Wohl und Weh anderer Bezug haben (Tergl. den dritten Abschnitt).
4 ) Inwiefcme nnn Geschmacksurtheile
durch das
Gefühl ihre Erklärung erhalten, bedarf kaum der Erinnerung, indem sie eben nichts anderes als Gefühlsurtheile sind, Urtheile über Angenehmes und Unangenehmes, die freilich nicht als Urtheile, sondern nur als die Anlage dazu apriorisch seyn müssen.
5 ) Auf gleiche Weise dürfen wir auch kaum noch
bemerken, wie alle Ideen
aus dein Gefühle erklärt, und so-
mit ihrer ursprünglichen Anlage nach nachgewiesen werden, indem wir nur eben noch davon geredet halten.
Unerklärt
bleibt bis jetzt durch die Theorie des Gefühls der zweite und dritte Punkt der,
an der angeführten Stelle der Einleitung
aufgezahlten Gegenstände, die Notwendigkeit Sätze,
mathematischer
nnd der Ursprung der Begriffe von Gott und
verehrung;
Gottes-
denn wenn wir gleich ein religiöses Gefühl ge-
funden haben, so könuen wir doch daraus für jetzt noch nicht den Ureprnng der letztem Begriffe genügend ableiten, sondern müssen diefs von der Kritik der theoretischen Vernunft erwarten;
was aber die mathematischen Satze anbetrifft, so
hoffen wir, in eben diesen zn zeigen, dafs dieselben rein analytisch ¿der identisch sind, und somit aus dem Satze der
Identität
ihre GcwiCsheit
352 erhalten.
Wir müssen also auch
in dieser Hinsicht auf den zweiten Theil unserer
Untersu-
chungen, auf die Kritik der theoretischeil Vernunft, die uns überhaupt die Ausführung der meisten Ideen geben soll, die hier nur in ihren ersteil Anfängen erscheinen konnten, weisen.
ver-